Anspruch und Ausgleich: Theorie einer Vorteils- und Nachteilsausgleichung im Schuldrecht 3161471431, 9783161578649, 9783161471438

An den verschiedensten Stellen begegnen uns Mechanismen, die gerne als solche der Vorteils- und Nachteilsausgleichung be

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German Pages 696 [701] Year 1999

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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einführung
Erstes Kapitel Grundüberlegungen
§ 1 Das Allokatorische Modell
I. Modellvorstellung des schuldrechtlichen Anspruchs
1. Das Schuldrecht als System von Ausgleichsmechanismen
a) Verteilungen und Präferenzen
b) Verteilungsstörungen
c) Ausgleichsansprüche
aa) Abgrenzung zu anderen Ansprüchen
bb) Vergleich mit dem Geltungsbereich der ausgleichenden Gerechtigkeit
2. Störungen der Realverteilung und Störungen der Wertverteilung
a) Vermögen als Menge von Gütern
b) Vermögen als rechnerischer Wert
aa) Der maßgebliche Wertbegriff
bb) Interdependenzen
c) Kriterien für die Ermittlung des auslösenden Störungstypus
aa) Wertende Betrachtung
bb) Betrachtung der entsprechenden Grenzfälle
3. Realausgleich und Wertausgleich
a) Die Doppeldeutigkeit von Geldleistungen
b) Verhältnis zwischen Ausgleichstypus und Störungstypus
c) Kriterien für die Unterscheidung
aa) Surrogatcharakter oder Selbstzweck der Geldleistung
bb) Alles-oder-Nichts-Prinzip oder flexible Wertung im Einzelfall
cc) Maßgeblicher Zeitpunkt und Relevanz hypothetischer Entwicklungen
4. Zwischenergebnis
II. Entstehung von Reststörungen
1. Die Elemente des Ausgleichsschuldverhältnisses
a) Der Primäranspruch
b) Sekundäre Ansprüche
c) Begleitende Ausgleichsmechanismen
2. Verbleibende Abweichungen von der Soll-Verteilung
a) Reststörungen der Wertverteilung
b) Reststörungen der Realverteilung
3. Der Zusammenhang mit dem unerwünschten Ereignis
a) Rechtfertigung des Adäquanzkriteriums
b) Zusätzliche Erfordernisse?
4. Zwischenergebnis
III. Präzisierung der Fragestellung: Ausgleich von Reststörungen
1. Rechtslage und Stand der Diskussion
2. Bedarf nach weiterer Klärung
a) Herausarbeitung allgemeiner Grundstrukturen
b) Wechselwirkung von Reststörungen
c) Möglichkeit einer Anspruchserweiterung
3. These der maximalen Eliminierung von Reststörungen
a) Postulat eines Statikprinzips
aa) Positive Formulierung
bb) Negative Formulierung
cc) Konsequenzen für den Gang der Argumentation
b) Verhältnis zur aristotelischen iustitia correctiva
IV. Abgrenzung in sachlicher und methodologischer Hinsicht
1. Der Unterschied zu neminem cum alterius detrimento
2. Verhältnis zur Corrective Justice Theory
a) Überblick
b) Die bislang vertretenen Verrechnungsmodelle
aa) Die Annullierungsthese Colemans
bb) Weiterentwicklung durch Kramer
cc) Verrechnung normativer Posten: Der Ansatz von Weinrib
c) Eigenständigkeit des Statikgedankens
3. Der induktive Ansatz der Arbeit
Zusammenfassung des Ersten Kapitels
Zweites Kapitel Ausgleich von Reststörungen im gesetzlichen Schadensrecht
§ 2 Schadensersatz und Allokatorisches Modell
I. Das Wesen des Schadens im rechtlichen Sinn
1. Präzisierung des Untersuchungsgegenstands
a) Ausgrenzung sekundärer Schadensersatzansprüche
b) Ausgrenzung auf Schadensersatz gerichteter Subansprüche
2. Der Schaden als Verteilungsstörung
a) Geltungsumfang der Vergleichsmethode
aa) Der faktisch-normative Schadensbegriff
bb) Die sogenannten Durchbrechungen der Differenzhypothese
cc) Bedeutung für die Vergleichsmethode
b) Umfang des angestellten Vergleichs
c) Das Präferenzgefälle
3. Realer oder rechnerischer Schaden?
a) Dogmatische Einordnung des realen Schadensbegriffs
aa) Verhältnis zum natürlichen Schadensbegriff
bb) Verhältnis zur Lehre vom Einzelschaden
b) Der sogenannte allgemeine Vermögensschaden
aa) Begriffliche Klärung
bb) Kritik an der Annahme einer eigenen Schadenskategorie
cc) Vermittelnde Stellungnahme
c) Diskussion der einschlägigen Argumente
aa) Vorteilsausgleichung
bb) Merkantiler Minderwert und abstrakter Nutzungsausfall
cc) Naturalrestitution
dd) Immaterielle Schäden
ee) Beachtlichkeit von Reserveursachen
d) Zusammenfassung und Schlußfolgerung
aa) Vorliegen einer protestatio facto contraria
bb) Begriffsimmanente Saldierung
4. Haftungsbegründung und Haftungsausfüllung
a) Haftungsbegründender und haftungsausfüllender Tatbestand
b) Die Rechtsgutsverletzung als Schaden
c) Verletzungsschaden und Folgeschaden
aa) Eingrenzung der ersatzfähigen Folgeschäden
bb) Verteidigung der Schutzzwecklehre
cc) Bedeutung für die vorliegende Untersuchung
II. Schadensersatz als Realausgleich
1. Restitution und Kompensation
a) Der Grundsatz der Naturalrestitution
b) Restitution durch Zahlung
c) Kompensation
2. Der Ausgleichstypus bei der Kompensation
a) Kein Verlust des Surrogatcharakters
aa) Argument mit der Identität des Ausgleichsziels
bb) Argument der stärkeren Ausgleichsform
b) Abhängigkeit von einer wertenden Abwägung im Einzelfall?
aa) Konkrete und abstrakte Schadensberechnung
bb) Die Diskussion um den objektiven Wert als Mindestschaden
cc) Vermittelnde Stellungnahme
c) Der maßgebliche Zeitpunkt
aa) Relevanz sogenannter Reserveursachen
bb) Behandlung von Preisschwankungen
d) Bedeutung für die weitere Untersuchung
III. Die Reststörungen
1. Restvorteile des Verletzten im Vergleich zum herkömmlichen Vorteilsbegriff
a) Abgrenzung zwischen Vorteil und vermindertem Schaden
aa) Einordnung des beschädigten Rechtsguts
bb) Ersparte Aufwendungen
cc) Nachgeholter Gewinn
b) Neuwertigkeit als Vorteil
c) Abgrenzung zwischen Vorteilsausgleichung und hypothetischer Kausaliät
d) Zwischenergebnis
2. Abgrenzung zwischen Folgeschäden, Restnachteilen und anderen Verlusten
a) Rechtsverfolgungskosten: Folgeschaden oder Restnachteil?
aa) Präzisierung der betroffenen Posten
bb) Rechtsverfolgungskosten und normspezifischer Schutzzweck
cc) Genereller schadensrechtlicher Schutzzweck?
b) Stimmigkeitskontrolle aus allokatorischer Sicht
aa) Wertungsmäßige Betrachtung
bb) Abhängigkeit von Umständen des Einzelfalls
c) Einordnung verwandter Fallgruppen
aa) Herstellungskosten
bb) Schadensbegrenzende Maßnahmen
cc) Vorsorgeaufwendungen
dd) Verletzungsabwendende Maßnahmen
d) Zwischenergebnis
3. Reststörungen beim Schädiger
a) Verpflichtung zum Schadensersatz als Restnachteil des Verletzers
b) Restvorteile des Verletzers
4. Zusammenfassung
§ 3 Ausgleich von Restvorteilen des Verletzten
I. Die anerkannten Grundsätze einer Ausgleichung
1. Die klassische Vorteilsausgleichung
a) Gesetzliche Anrechnungsverbote
b) Die allgemeinen Entscheidungskriterien
aa) Erfordernis adäquaten Kausalzusammenhangs
bb) Die allgemeine Abwägungsformel
cc) Kriterien der Kongruenz und der Rechnungseinheit
c) Betrachtung typischer Fallgruppen
aa) Ersparte Aufwendungen
bb) Anrechnung von Ersatzerwerb
cc) Leistungen von dritter Seite
dd) Erbrechtlicher Erwerb
2. Der Abzug „neu für alt“
3. Berücksichtigung von Reserveursachen
a) Die sogenannten Anlagefälle
b) Keine schuldtilgende Kraft?
c) Auswertung der Ergebnisse
aa) Abwägung aller Umstände
bb) Bedeutung für die vorliegende Betrachtung
II. Gerechtigkeitsgehalt der Vorteilsausgleichung
1. Begriffliche Begründungsansätze
a) Ansatz am Schadensbegriff
b) Gedanke der Rechnungseinheit
c) Ansatz am Normzweck
d) Die Theorie von der Förderung des verletzten Rechts
2. Wertende Begründungsansätze
a) Das sogenannte Bereicherungsverbot
b) Der Gedanke der Glücksteilhabe
c) Einwirkungstendenz
3. These: Vorteilsausgleich als Ausprägung des Statikprinzips
III. Stimmigkeit des vermuteten Ergebnisses
1. Versagung der Vorteilsausgleichung als Prinzipienkollision
a) Zusammenfassung und Analyse der Fallgruppen
aa) Schutz unbeteiligter Dritter
bb) Sicherung der Privatautonomie
cc) Aufdrängungsschutz
dd) Weitere Erwägungen
b) Deutung als Prinzipienkollision
2. Vorteilsausgleichung als Ausprägung reinen Wertausgleichs
a) Inhalt des Ausgleichs
b) Abhängigkeit von einer Abwägung aller Umstände
c) Maßgeblicher Zeitpunkt
3. Zwischenergebnis
§ 4 Ausgleich weiterer Reststörungen
I. Rechtsverfolgungskosten
1. Die anerkannten Grundsätze
a) Kosten präventiver Rechtsverfolgung
b) Durchsetzung von Ersatzansprüchen
aa) Rechtsverfolgung im engeren Sinne
bb) Versicherungsrechtliche Nachteile
cc) Das Problem der Bearbeitungskosten
2. Rechtsgrund und Gerechtigkeitsgehalt der Ausgleichung
a) Versuch einer genuin schadensrechtlichen Begründung
aa) Der Grundsatz der Totalreparation
bb) Präventionsprinzip
cc) Spiegelbild der Vorteilsausgleichung
b) Kostenerstattung als Ausprägung des Statikgedankens
aa) Vorteil-Nachteil-Analyse
bb) Ausprägung des Statikgedankens?
c) Ergänzende Wertungen
3. Exkurs: Ersatz von Vorsorgekosten
II. Gewinnhaftung im Wirtschaftsrecht
1. Die Grundsätze der „objektiven Schadensberechnung“
a) Sachlicher Anwendungsbereich
b) Verhältnis zum Ersatz des konkreten Schadens
c) Rechtfertigung der objektiven Schadensberechnung
aa) Präventionsbedarf
bb) Gesteigerter Schutzbedarf
cc) Vermutungsgrundlage für einen konkreten Schaden
2. Die dogmatische Einordnung des Anspruchs
a) Zuordnung der Lizenzanalogie zum Bereicherungsrecht
b) Zuordnung der Gewinnabschöpfung zum Schadensrecht
c) Schadensersatz oder ergänzender Vorteilsausgleich?
aa) Vorteilsausgleich contra Nachteilsausgleich
bb) Indizien für einen reinen Wertausgleich
cc) Das Systemargument
3. Die Rolle des Statikgedankens
a) Vorteil-Nachteil-Analyse
b) Anwendung des Statikgedankens
aa) Maximale Eliminierung von Reststörungen
bb) Erklärung von Ausnahmen
c) Bedeutung für den Gerechtigkeitsgehalt des Ausgleichs
III. Die Deliktskondiktion
1. Das Normverständnis der herrschenden Meinung
a) Die Rechtsnatur der Vorschrift
b) Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung?
c) Verhältnis zum Schadensersatzanspruch
2. Ergebnis einer Auslegung
a) Abhängigkeit von Verjährung und Höhe des Schadensersatzanspruchs?
aa) Wortlautinterpretation
bb) Aussage der Gesetzesmaterialien
cc) Teleologische Interpretation
b) Gelockertes Unmittelbarkeitskriterium?
c) Bedeutung für die vorliegende Untersuchung
3. Verwirklichung des Statikgedankens
a) Zusätzlicher Reststörungsausgleich bei Verjährung
b) Ablehnung einer allgemeinen Gewinnhaftung
c) Bedeutung für die vorliegende Betrachtung
§ 5 Schadensersatz als Reststörungsausgleich
I. Überblick über die Haftungstatbestände
1. Aufopferungshaftung im engeren Sinn
a) Der Anspruch aus § 904 Satz 2 BGB
b) Weitere Haftungstatbestände
2. Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche
a) Der Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB
b) Anspruch gemäß § 14 Satz 2 BImSchG
c) Allgemeiner nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch
II. Betrachtung aus allokatorischer Sicht
1. Primäranspruch oder Subanspruch?
a) Deutung als Subanspruch
b) Deutung als Primäranspruch
c) Stellungnahme
2. Qualifizierung als Reststörungsausgleich
a) Identifizierung der Reststörungen
b) Verwirklichung des Statikgedankens
3. Stimmigkeitskontrolle: Ausprägung reinen Wertausgleichs
a) Ausschluß der Naturalrestitution
b) Abhängigkeit von Wertungen im Einzelfall
aa) Der Meinungsstreit zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB
bb) Die übrigen Fälle
c) Beachtlichkeit von Reserveursachen usw.
4. Bewertung der Ergebnisse
Zusammenfassung des Zweiten Kapitels
Drittes Kapitel Ausgleich von Reststörungen im Bereicherungsrecht
§ 6 Bereicherung und Allokatorisches Modell
I. Das Wesen der ungerechtfertigten Bereicherung
1. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands
a) Sonderstellung der Gegenleistungskondiktion
b) Sonderstellung sekundärer Bereicherungsansprüche und bloßer Subansprüche
aa) Vindikationsersetzende Kondiktionen
bb) Kondiktion als Aufwendungsersatz
cc) Konsequenz für den Aufbau der Untersuchung
c) Die verbleibenden Kondiktionen
2. Bereicherung als Verteilungsstörung
a) Die beiden idealtypischen Standpunkte
aa) Schuldnerorientierung: Abschöpfungstheorie
bb) Gläubigerorientierung: Restitutionstheorie
b) Diskussion
aa) Das historische Argument
bb) Das funktionelle Argument
cc) Das systematische Argument
c) Bewertung
3. Störung der Realverteilung oder der Wertverteilung?
a) Der Wandel der Rechtsprechung
b) Standpunkt der Literatur
c) Identifizierung des Störungstypus anhand der üblichen Kriterien
aa) Wertungsmäßige Betrachtung
bb) Austauschvorgänge
cc) Immaterielle Vorteile
II. Ausgleichstypus bei Herausgabe und Wertersatz
1. Anspruch auf gegenständliche Herausgabe des Erlangten
2. Anspruch auf Wertersatz
a) Surrogatcharakter der Geldleistung
b) Abhängigkeit von einer Abwägung im Einzelfall?
aa) Argument der aufgedrängten Bereicherung
bb) Grundlage einer Gewinnhaftung
cc) Schutz auch des bösgläubigen Empfängers
dd) Bewertung
c) Zeitpunkt der Wertermittlung
d) Bedeutung für die weitere Untersuchung
3. Die Konsequenzen von § 818 Abs. 3 BGB für den Ausgleichstypus
a) „Wegfall der Bereicherung“ als offener Regelungsauftrag
b) Ausfüllung des Regelungsauftrags
aa) Theorie der originären Haftung auf den Saldo
bb) Deutung als nachgeschalteter Ausgleichsmechanismus
c) Diskussion: Unzulänglichkeit einer Saldohaftung
aa) Sachliche Überschreitung des Regelungsauftrags
bb) Unvereinbarkeit mit dem Wortlaut
cc) Erklärungsbedarf für bestimmte Ergebnisse
dd) Zwischenergebnis
III. Reichweite und Bestand des Primäranspruchs
1. Die sekundären Bereicherungsgegenstände
a) Nutzungen und Surrogate
aa) Ausgrenzung rechtsgeschäftlicher Surrogate
bb) Teleologische Extension von § 818 Abs. 1 BGB
b) Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeit als unmittelbar Erlangtes?
2. Anspruchsschicksal bei gegenständlichem Wegfall des Erlangten
a) Die mangelnde Anwendbarkeit von § 275 BGB
b) Die Wirkung von § 818 Abs. 3 BGB
aa) Abschöpfungstheorie: Einheitliche Deutung
bb) Restitutionstheorie: § 818 Abs. 3 BGB als Gefahrtragungsnorm
cc) Diskussion
3. Zwischenergebnis
IV. Identifizierung der Reststörungen
1. Reststörungen beim Bereicherten
a) Reststörungen nach der Abschöpfungstheorie
aa) Umsetzungsverluste
bb) Verluste im Stammvermögen
b) Reststörungen nach der Rückgabetheorie
2. Reststörungen beim Gläubiger
a) Das Dilemma der zutreffenden Soll-Verteilung
aa) Restitutionstheorie
bb) Abschöpfungstheorie
b) Reststörungen nach der Abschöpfungstheorie
c) Reststörungen nach der Restitutionstheorie
§ 7 Ausgleich von Reststörungen im Bereicherungsrecht
I. Ausgleich von Umsetzungsverlusten bzw. Ersatzvorteilen
1. Die anerkannten Grundsätze
a) Wertende Gewährung des Einwands
aa) Verbrauch für die Lebenshaltung
bb) Luxusausgaben
cc) Nicht mehr deckendes Aktivvermögen
b) Wertende Versagung des Ausgleichs
2. Erklärung aus allokatorischer Sicht
a) Ausprägung reinen Wertausgleichs
b) Vorteil-Nachteil-Analyse
c) Bewertung
II. Die bereicherungsrechtliche Nachteilsausgleichung
1. Meinungsstand zum Nachteilsausgleich
a) Die ursprüngliche Adäquanzlehre der Rechtsprechung
b) Einschränkungen der Adäquanzlehre
aa) Gedanke der Risikoverteilung
bb) Die Vertrauenslehren
cc) Die Zurechnungslehren
c) Ablehnung eines Nachteilsausgleichs
2. Gerechtigkeitsgehalt der Nachteilsausgleichung
a) Oberster Grundsatz der Bereicherungshaftung?
b) Gedanke der Rechnungseinheit
c) Gedanke der Risikoverteilung
d) Prinzip des Vertrauensschutzes
aa) Der Gegenstand schutzwürdigen Vertrauens
bb) Mangel einer allgemeinen Zurechnungsgrundlage
cc) Wertungswidersprüche
e) Zurechnungsgedanke
3. Erklärung aus allokatorischer Sicht
a) Ergebnis einer Anwendung des Statikgedankens
aa) Vorteil-Nachteil-Analyse nach der Abschöpfungstheorie
bb) Vorteil-Nachteil-Analyse nach der Restitutionstheorie
b) Entstehung eines Meinungsspektrums
4. Resümee: Die Frage nach der „richtigen“ Theorie
a) Das Dilemma des Rechtsempfindens
b) Konsequenzen de lege lata
c) Konsequenzen de lege ferenda
§ 8 Vindikationsersetzende Kondiktionen
I. Überblick über die einzelnen Ansprüche
1. Die Ansprüche aus § 816 BGB
a) Qualifizierung von § 816 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB als Vindikationsersatz
b) Der Streit um den Anspruchsinhalt bei § 816 Abs. 1 BGB
2. § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB im Fall der Eingriffskondiktion
a) Modifizierung von § 818 Abs. 1 BGB
aa) Keine gegenständliche Herausgabe
bb) Höhenmäßige Begrenzung?
cc) Das Problem der Nutzungen
b) Der Ausgleichstypus
3. Weitere vindikationsersetzende Kondiktionen
II. Besonderheiten des Nachteilsausgleichs
1. Skizzierung des Meinungsstands
a) Verwertungskosten
b) Der an einen Dritten gezahlte Kaufpreis
aa) Argument der mangelnden Kausalität
bb) Argument der Interessenabwägung
cc) Argument vom Vindikationsersatz
c) Andere Restnachteile
2. Zusammenfassung und Bewertung
a) Kern der angeführten Argumente
b) Erklärung aus allokatorischer Sicht
c) Verbleibender Spielraum für die Nachteilsausgleichung
§ 9 Kondiktion als Aufwendungsersatz
I. Überblick über die Ausgleichsmechanismen
1. § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB als Verwendungskondiktion
a) Verbleibender Anwendungsbereich
b) Beschränkung auf den Materialverlust
2. § 684 BGB und seine Anwendungen
3. Einzelfälle im Rahmen von § 812 BGB
II. Besonderheiten gegenüber anderen Kondiktionen
1. Höhenmäßige Begrenzung?
a) Die Diskussion bei § 951 BGB
b) Die übrigen Aufwendungskondiktionen
2. Herausgabe oder Geldleistung?
3. Das Problem der aufgedrängten Bereicherung
a) Eingrenzung des Problems
aa) Beseitigungsverlangen und Verweisung auf Wegnahmerecht
bb) Analoge Anwendung von §§ 404, 406ff BGB
cc) Ergebnis: Bedarf nach einer Lösung innerhalb des Bereicherungsrechts
b) Ansatz am subjektiven Wertbegriff
aa) Verhältnis zum Ansatz von Canaris
bb) Behandlung des gutgläubigen Anspruchstellers
cc) Behandlung des bösgläubigen Anspruchstellers
c) Zwischenergebnis
III. Bewertung aus allokatorischer Sicht
1. Aufwendungskondiktionen als Reststörungsausgleich
2. Aufwendungskondiktionen als Wertausgleich
a) Keine Herausgabe in natura
b) Einfluß von Wertungen im Einzelfall
c) Der maßgebliche Zeitpunkt
aa) Der Standpunkt der Rechtsprechung
bb) Standpunkte in der Literatur
cc) Eigene Stellungnahme
dd) Bedeutung für den Ausgleichstypus
3. Bewertung der Ergebnisse
Zusammenfassung des Dritten Kapitels
Viertes Kapitel Weitere gesetzliche Schuldverhältnisse
§ 10 Eigentümer-Besitzer-Verhältnisse
I. Vindikation und Allokatorisches Modell
1. Struktur des Anspruchsverhältnisses
a) Umfang des Primäranspruchs
aa) Herausgabe von Nutzungen nach § 987 Abs. 1 BGB
bb) Herausgabe von Nutzungen nach § 988 BGB
b) Sekundäransprüche
aa) Schadensersatz aus §§ 989, 990 BGB
bb) Vindikationsersetzende Kondiktionen
cc) Ersatz schuldhaft nicht gezogener Nutzungen
dd) Herausgabe nicht rechtsgeschäftlicher Surrogate
c) Subansprüche auf Verwendungsersatz
2. Allokatorische Analyse des Primäranspruchs
a) Identifizierung der Soll-Verteilung
b) Konsequenzen für die verschärfte Haftung des Bereicherungsschuldners
c) Ermittlung des Ausgleichstypus
3. Restvorteile und Restnachteile des Besitzers
a) Restvorteile des Besitzers
aa) Nutzungen bei rechtsgrundlosem Erwerb
bb) Von Gesetzes wegen verbleibende Nutzungen als Restvorteile?
cc) Unternehmensgewinne und Investitionsmehrwert
b) Restnachteile des Besitzers
c) Die Sphäre des Eigentümers
II. Ausgleich von Restnachteilen des Besitzers
1. Ausgleich zugunsten des redlichen Besitzers
a) Der maßgebliche Verwendungsbegriff
b) Problem des Aufdrängungsschutzes bei § 996 BGB
aa) Meinungsstand in der Literatur
bb) Stellungnahme
2. Ausgleich beim verschärft haftenden Besitzer
3. Verwendungsersatz aus allokatorischer Sicht
a) Ausprägung des Statikgedankens
b) Verwendungsersatz als Wertausgleich
aa) Fehlender Surrogatcharakter
bb) Abhängigkeit von einer wertenden Abwägung im Einzelfall?
cc) Der maßgebliche Zeitpunkt
III. Weitergehender Ausgleich von Reststörungen?
1. Ausgleich von Restvorteilen des Eigentümers
a) Die entstehenden Wertungswidersprüche
aa) Vergleich mit dem nicht besitzenden Verwender
bb) Vergleich mit dem berechtigten Besitzer
cc) Vergleich mit dem angemaßten Eigengeschäftsführer
b) Die Lösung von Waltjen
c) Parallele Anwendbarkeit der Aufwendungskondiktionen?
aa) Das Auslegungsargument
bb) Argument der Milde der Bereicherungshaftung
cc) Argument des Abschöpfungsbedarfs
dd) Teleologisches Argument
ee) Zwischenergebnis
2. Ausgleich von Restvorteilen des Besitzers?
3. Ausgleich im Rahmen konkurrierender Ansprüche?
a) Konkurrierende Primäransprüche
b) Nutzungsherausgabeanspruch und Sekundäransprüche
4. Bedeutung für die vorliegende Untersuchung
IV. Der Erbschaftsanspruch
1. Unterschiede gegenüber den §§ 985ff. BGB
a) Volle Auskehrung von Vorteilen
b) Voller Verwendungsersatz
c) Verrechnungsmöglichkeit
2. Bewertung der Unterschiede
a) Vergleich der praktischen Ergebnisse
b) Bedeutung aus allokatorischer Sicht
§ 11 Rückabwicklungsverhältnisse
I. Überblick über die einzelnen Rechtsverhältnisse
1. Rücktritt und verwandte Rechtsverhältnisse
a) Rücktritt und Wandlung
aa) Haftung des Rücktrittsberechtigten beim gesetzlichen Rücktritt
bb) Die Regelung in §§ 350, 351 BGB
b) Haustürwiderrufs- und Verbraucherkreditgesetz
aa) Verschuldensabhängiger Wertersatz
bb) Verschuldensunabhängiger Wertersatz
cc) Subansprüche auf Aufwendungsersatz
c) Weitere Spezialregelungen
2. Die Gegenleistungskondiktion
a) Die Diskussion zum Untergang einer Sachleistung
aa) Die Saldotheorie und ihre Modifikationen
bb) Modifikationen der Zweikondiktionentheorie
cc) Insbesondere: Der Ansatz von Canaris
dd) Zusammenfassende Stellungnahme
b) Anwendung von § 818 Abs. 3 BGB bei unkörperlichen Leistungen
c) Besonderheiten des Nachteilsausgleichs
aa) Haltung der Rechtsprechung
bb) Der Ansatz von Canaris
cc) Stellungnahme
3. Rückabwicklung durch Vindikation
a) Die Konkurrenz mit der Gegenleistungskondiktion
aa) Das strenge Subsidiaritätsdogma
bb) Divergenzen zwischen Kondiktion und Vindikation
b) Anwendung der Saldotheorie?
aa) Analyse der Rechtsprechung
bb) Die eigentlichen Konsequenzen: Untergang der Sachleistung
cc) Notwendigkeit einer Gegenleistungsvindikation?
II. Rückabwicklungsfunktion und Allokatorisches Modell
1. Einheitlichkeit des Anspruchsverhältnisses
2. Konsequenzen aus der Rückabwicklungsfunktion
a) Die rücktrittsrechtliche Rückabwicklung aus allokatorischer Sicht
b) Verallgemeinerung der Grundsätze
aa) Regelfall der Restitutionshaftung
bb) Abschöpfungshaftung der schutzwürdigeren Partei?
3. Zwischenergebnis
III. Ausgleich von Reststörungen bei der Gegenleistungskondiktion
1. Vorteil-Nachteil-Analyse bei zweiseitiger Restitutionshaftung
a) Zurechenbarer Wegfall der Sachleistung
aa) Der Risikovorteil des Käufers
bb) Erfordernis der Differenzierung
cc) Die Sphäre des Verkäufers
b) Zufallsbedingter Wegfall der Sachleistung
c) Unkörperliche Leistungen
d) Verluste im Stammvermögen
2. Vorteil-Nachteil-Analyse bei einseitiger Abschöpfungshaftung
a) Wegfall der Kaufsache bei arglistiger Täuschung usw.
b) Verluste im Stammvermögen
3. Anwendung des Statikgedankens
a) Beidseitige Haftung nach Restitutionsgrundsätzen
b) Haftung einer Partei nach Abschöpfungsgrundsätzen
c) Vergleich mit den Ergebnissen von Canaris und der Saldotheorie
d) Vorzüge der hier vorgenommenen Deutung
aa) Ergebnisse bei Höherwertigkeit der Sachleistung
bb) Behandlung von Gebrauchsvorteilen
4. Bewertung der Ergebnisse
a) Bedeutung für die Verifizierung des Statikgedankens
b) Die Frage nach der „richtigen“ Deutung
IV. Die übrigen Rückabwicklungsverhältnisse
1. Vergleich mit der vindikationsrechtlichen Rückabwicklung
a) Lückenhafte Verwirklichung des Statikgedankens
b) Bedeutung für die vorliegende Untersuchung
2. Gesetzlicher Rücktritt und verwandte Rechtsverhältnisse
a) Bedeutung der rücktrittsrechtlichen Regelung für die vorliegende Untersuchung
b) Vergleich mit den spezialgesetzlichen Vorschriften
Zusammenfassung des Vierten Kapitels
Fünftes Kapitel Vertragliche und quasi-vertragliche Schuldverhältnisse
§ 12 Geschäftsführung ohne Auftrag
I. Geschäftsführung und Allokatorisches Modell
1. Struktur des Anspruchsverhältnisses
a) §§ 681 Satz 2, 667 BGB als primärer Ausgleichsanspruch
b) Weitere primäre und sekundäre Ansprüche
c) Subansprüche
2. Allokatorische Analyse des Primäranspruchs
a) Auslösende Störung und Soll-Verteilung
b) Identifizierung des Ausgleichstypus
3. Identifizierung der Reststörungen
a) Vorüberlegung: Umfang der Herausgabepflicht
aa) Subjektiver oder objektiver Zusammenhang
bb) Das Problem mittelbarer Folgevorteile
b) Reststörungen beim Geschäftsführer
c) Reststörungen beim Geschäftsherrn
II. Ausgleich von Restnachteilen des Geschäftsführers
1. Aufwendungsersatz aus allokatorischer Sicht
a) Verwirklichung des Statikgedankens
b) Ausprägung reinen Wertausgleichs
2. Die auftragsrechtliche Nachteilsausgleichung
a) Skizzierung des Meinungsstands
aa) Theorie von der analogen Anwendung des § 670 BGB
bb) Theorie der Gefährdungs- bzw. Risikohaftung
cc) Diskussion
b) Deutung als Reststörungsausgleich auf der Grundlage des Statikgedankens
c) Stimmigkeitskontrolle im Vergleich zur Theorie der Risikohaftung
aa) Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung
bb) Mangel eines hinreichenden Zurechnungsgrundes
cc) Reduzierung auf angemessenen Ausgleich
dd) Das allokatorische Argument
d) Bewertung der Ergebnisse
§ 13 Vertragliche Erfüllungsansprüche
I. Erfüllungsanspruch und Allokatorisches Modell
1. Die Bedeutung von Äquivalenzstörungen
a) Ursache der allokatorischen Irrelevanz
b) Verhältnis zum Wegfall der Geschäftsgrundlage
c) Abweichende Beurteilung bei entsprechender Vereinbarung?
2. Die Lage bei gestörtem Leistungsaustausch
a) Vertragliche Ansprüche mit Ausgleichscharakter
b) Ermittlung der Reststörungen
aa) Konsequenzen aus den Besonderheiten der Soll-Verteilung
bb) Veranschaulichung durch Beispiele
II. Vorteilsausgleich bei einseitiger Vertragsdurchführung
1. Voraussetzungen und Umfang des Ausgleichs
a) Gesetzlich normierte Vorteilsanrechnung
aa) Vom Gläubiger zu vertretende Unmöglichkeit
bb) Verhinderung des Mieters
cc) Vorschriften des Dienstvertragsrechts
dd) Vorschriften des Werkvertragsrechts
b) Verallgemeinerung durch die Rechtsprechung
2. Bewertung aus allokatorischer Sicht
a) Erklärung durch den Statikgedanken
b) Ausprägung reinen Wertausgleichs
3. Bewertung der Ergebnisse
III. Modifizierte Erfüllungsansprüche und Sekundäransprüche
1. Ansprüche auf Mängelgewährleistung
a) Meinungsstand zur Vorteilsausgleichung
aa) Mängelbeseitigung beim Werkvertrag
bb) Mängelbeseitigung im Mietrecht
cc) Erstreckung auf andere Gewährleistungsansprüche?
b) Gerechtigkeitsgehalt der Vorteilsausgleichung
aa) Vorteil-Nachteil-Analyse in den werk- und kaufvertragsrechtlichen Fällen
bb) Vorteil-Nachteil-Analyse im mietrechtlichen Fall
c) Bewertung der Ergebnisse
2. Ersatz des Erfüllungsinteresses
a) Zwitternatur der Ansprüche auf „Schadensersatz wegen Nichterfüllung“
b) Isolierung des reinen Erfüllungsinteresses
aa) Nichterfüllung isolierter Leistungspflichten
bb) Wahl der Surrogationsmethode durch den Gläubiger
cc) Der sogenannte „kleine“ Schadensersatz
c) Vorteilsausgleichung bei Surrogation einer einzelnen Leistung
aa) Weiterverkauf einer mangelbehafteten Sache
bb) Schönheitsreparaturen im Mietrecht
cc) Stellungnahme aus allokatorischer Sicht
d) Vorteilsausgleichung im Abwicklungsverhältnis
aa) Standpunkt der Rechtsprechung
bb) Erklärung aus allokatorischer Sicht
3. Herausgabe des stellvertretenden commodum
a) Nachteilsausgleichung zugunsten des Schuldners
b) Das Problem der dogmatischen Konstruktion
aa) Analogie zu § 102 BGB?
bb) Deutung als Reststörungsausgleich
cc) Diskussion
c) Bedeutung für die vorliegende Betrachtung
§ 14 Primäre Schadensersatzansprüche im vertraglichen Kontext
I. Einordnung in das Allokatorische Modell
1. Überblick über die Haftungstatbestände
a) Haftung auf den Vertrauensschaden
aa) Schutz der Rechte und Rechtsgüter im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB
bb) Schutz reiner Vermögensinteressen
cc) Bedeutung im vorvertraglichen Bereich
b) Haftung auf entgangenen Gewinn
c) Haftung auf den Verzögerungsschaden
2. Qualifizierung als Primäransprüche
a) Deliktsähnlicher Charakter der Vertrauenshaftung
b) Selbständigkeit der übrigen Haftungstatbestände
3. Ermittlung der Soll-Verteilung
II. Ausgleich von Reststörungen
1. Ausgleich von Restvorteilen des Gläubigers
2. Ausgleich von Restvorteilen des Schuldners
a) Ansätze eines Vorteilsausgleichs im Geschäftsführungsrecht
aa) Kritik der Lösung über § 667 BGB
bb) Gewährung eines Eintrittsrechts?
cc) Deutung als Reststörungsausgleich
b) Stimmigkeitskontrolle
aa) Keine gegenständliche Herausgabe
bb) Unangemessenheit der Haftung auf den Verkehrswert
3. Bewertung der Ergebnisse
Zusammenfassung des Fünften Kapitels
Sechstes Kapitel Allgemeiner Wertausgleich
§ 15 Der Statikgedanke als Rechtsprinzip
I. Der induktive Nachweis
1. Reine Ausprägungen des Statikgedankens
a) Positiv normierte Regelungen
aa) Anrechnung von Ersatzerwerb
bb) Aufwendungskondiktion und Aufwendungsersatz
cc) Ansprüche mit Aufopferungscharakter
dd) Einzelvorschriften
b) Richterliche Rechtsfortbildungen
aa) Schadensrechtliche Vorteilsausgleichung
bb) Bereicherungsrechtliche Nachteilsausgleichung
cc) Abzug von Erwerbskosten bei § 281 Abs. 1 BGB
dd) Rückabwicklung gegenseitiger Verträge
ee) Umdeutung von § 852 Abs. 3 BGB
2. Abgeschwächte Ausprägungen des Statikgedankens
a) Ausgleich einer konkreten mit einer „gewissen“ Reststörung
aa) Risikotypische Begleitschäden des Geschäftsführers
bb) Vorteilshaftung in Treueverhältnissen
cc) Gewinnhaftung im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht
b) Ausgleich eines Restvorteils trotz negativer Gesamtvermögensbilanz
c) Verzicht auf das Kausalitätserfordernis?
3. Durchbrechung des Statikgedankens
a) Abgrenzung zu bloßen Unvollständigkeiten
b) Einziges Beispiel: Verwendungsersatz des Besitzers
4. Bewertung
II. Deduktive Kontrolle: Freiheitsrechtliche Rekonstruktion
1. Geltung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots im Privatrecht
a) Abwehrfunktion der Grundrechte und Übermaßverbot
aa) Prinzip der zweiseitigen Rechtfertigung
bb) Verlagerung auf die Rechtsanwendung?
b) Schutzgebotsfunktion der Grundrechte und Untermaßverbot
c) Ausstrahlungswirkung der Grundrechte und Prinzip verhältnismäßiger Verwirklichung
d) Kritische Bewertung
2. Geltung eines genuin privatrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips
a) Charakteristika eines „Maßgebots“
b) Wirkungsweise als „schwaches“ Übermaßverbot
aa) Identifizierung von Zweck und Mittel
bb) Das Kriterium des milderen Mittels
c) Wirkungsweise des „schwachen“ Untermaßverbots
3. Bewertung als ergänzende Argumentation
III. Intuitive Kontrolle: Statikprinzip als sinnvolle Wertentscheidung
1. Maßstäbe konsequenten Handelns
2. Rechtspolitische Überlegungen
IV. Konkretisierung des Statikprinzips
1. Wechselwirkung mit anderen Prinzipien und Einzelwertungen
a) Kollidierende Wertungen
b) Gleichlaufende Wertungen
c) Die Abwägung im Einzelfall
aa) Das Gewicht von Prinzipien
bb) Die Gewichtung des Statikprinzips
cc) Praktische Handhabung
2. Geltungsbereich
a) Das übrige Zivilrecht
b) Zivilverfahrensrecht
c) Öffentliches Recht
§ 16 Konzeption eines Allgemeinen Wertausgleichs
I. Statikprinzip als Grundlage richterlicher Rechtsfortbildung
1. Verbleibende Lücken im Gesetz
a) Unvollständige Verwirklichung des Statikprinzips
aa) Vom Vindikationsgläubiger freiwillig realisierter Mehrwert
bb) Vindikationsrechtliche Rückabwicklung
cc) Zufälliger Untergang beim Rücktritt
dd) Materiellrechtliche Kostenerstattung
ee) Ausgleichung des Verletzergewinns
b) Versagen eines argumentum e contrario
c) Argumentum e silentio legis completae?
aa) Gegenstandsorientierung unserer Rechtsordnung
bb) Mangelnde Aussagekraft für die Rechtsfolgenseite
d) Zwischenergebnis
2. Einzelkorrektur oder Gesamtkonzept?
a) Parallelität von Lückenfindung und Lückenschließung
b) Das Effektivitätsargument
c) Bedeutung für das weitere Vorgehen
II. Grundzüge des Allgemeinen Wertausgleichs
1. Identifizierung der korrespondierenden Reststörungen
a) Konkrete und vermutete Reststörungen
b) Fingierte Reststörungen
c) Zugerechnete Reststörungen
2. Kongruenzprinzip oder Gesamtvermögensbilanz?
a) Zusammentreffen konkreter und anderer Reststörungen in einer Sphäre
b) Zusammentreffen konkreter Reststörungen in einer Sphäre
c) Gegenständlich oder zeitlich teilbare Ansprüche
3. Abwägung im Einzelfall
4. Einzelfragen der praktischen Durchführung
a) Vorteilsausgleichung oder Nachteilsausgleichung?
b) Gestaltung des Ausgleichs
c) Zeitliche Grenzen der Geltendmachung
aa) Möglichkeit nachträglicher Geltendmachung
bb) Bestehen einer Ausschlußfrist?
cc) Verjährungsfragen
d) Probleme der Rechtsnachfolge
aa) Zession des zugrundeliegenden Anspruchs
bb) Behandlung objektbezogener Umstände nach Weitergabe
cc) Behandlung subjektbezogener Umstände
e) Prozessuale Geltendmachung
III. Beispiele für die praktischen Implikationen
1. Reserveursachen im Schadensrecht
a) Ermittlung der auftretenden Reststörungen
b) Vorteil-Nachteil-Analyse
c) Abwägung im Einzelfall
2. Entwicklung eines stimmigen Rückabwicklungssystems
a) Die rechtsgrundlos ausbezahlte Darlehensvaluta
aa) Die herkömmliche Lösung
bb) Lösung mit Hilfe des Allgemeinen Wertausgleichs
b) Gegenleistungsvindikation
c) Linderung entstehender Härten bei § 350 BGB
3. Vindikationsrechtliche Vorteilsausgleichung
a) Grundgedanke
b) Vorzüge gegenüber der parallelen Anwendung der Aufwendungskondiktion
4. Materiellrechtliche Kostenerstattung
a) Praktischer Bedarf
b) Beschränkung auf angemessenen Ausgleich
5. Gewinnhaftung bei wirtschaftsrechtlichen Sachverhalten
a) Verletzung eines vertraglichen Wettbewerbsverbots
b) Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung und ähnliche Fälle
c) Haftung des herrschenden Unternehmens im qualifiziert faktischen Konzern
Zusammenfassung des Sechsten Kapitels
Siebentes Kapitel Abschließende Bemerkungen
§ 17 Allokatorische Analyse als methodischer Ansatz?
I. Charakteristika des Ansatzes
1. Verteilungsdenken contra Verhaltensdenken
a) Die volitionistische Tradition
b) Neueinschätzung der Anspruchsausfüllung
2. Verteilungsdenken contra Zielkonfliktdenken
a) Das Dilemma des klassischen Normzweckdenkens
b) Soll-Verteilung als antezipierte praktische Konkordanz
3. Allokatorische Argumentation
4. Zwischenergebnis
II. Die Prämisse der allokatorischen Eindeutigkeit
1. Eindeutigkeit der Klassifizierungen
a) Die Möglichkeit „hybrider“ Ausgleichsmechanismen
b) Vorzüge eindeutiger Klassifizierungen
2. Eindeutigkeit der Zielsetzungen
a) Weinribs Kohärenzthese
b) Vorzüge eindeutiger Zielsetzungen
c) Eindeutigkeit der Zielsetzung als Optimierungsgebot?
3. Bewertung
III. Möglichkeiten und Grenzen
1. Bedeutung für eine Reform des deutschen Schuldrechts
a) Normierung des Allgemeinen Wertausgleichs?
b) Konsequenzen aus der allokatorischen Analyse
2. Perspektiven in einem internationalen Kontext?
§ 18 Zusammenfassung der Arbeit
Schlußbemerkung
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Anspruch und Ausgleich: Theorie einer Vorteils- und Nachteilsausgleichung im Schuldrecht
 3161471431, 9783161578649, 9783161471438

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JUS P R I V A T U M Beiträge zum Privatrecht Band 37

Christiane Wendehorst

Anspruch und Ausgleich Theorie einer Vorteils- und Nachteilsausgleichung im Schuldrecht

Mohr Siebeck

Christiane Wendehorst geb. Lass, geboren 1968,1988-1993 Studium der Rechtswissenschaften in München, 1993-1998 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Internationales Recht - Rechtsvergleichung - der Universität München, 1994 Dr. jur. München, 1994 Fakultätspreis der Juristischen Fakultät der Universität München, 1995 Bayerischer Habilitationsförderpreis, 1997/1998 Forschungsaufenthalt an der Universität Cambridge, 1998 Master of Law und C. J. Hamson Prize for Comparative Law der Universität Cambridge, 1998 Habilitation in München für Bürgerliches Recht, Handelsrecht, Internationales Privatrecht, Rechtsvergleichung und Methodenlehre.

Die Deutsche Bibliothek -

CIP-Einheitsaufnahme

Wendehorst, Christiane: Anspruch und Ausgleich : Theorie einer Vorteils- und Nachteilsausgleichung im Schuldrecht / Christiane Wendehorst. Tübingen : Mohr Siebeck, 1999 (Jus privatum ; Bd. 37) ISBN 3-16-147143-1

978-3-16-157864-9 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019

© 1999 J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Guide-Druck in Tübingen aus der Times Antiqua gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier der Papierfabrik Niefern gedruckt und von der Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen gebunden. ISSN 0940-9610

Für Stephan

Vorwort Es ist dies die Stelle, an der man noch einmal öffentlich den Menschen danken kann, die an der Entstehung eines Buches teilhatten. Mein Dank richtet sich zunächst an meinen verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Andreas Heldrich, für die große Freiheit, die er mir bei der Wahl des Themas und seiner Durchführung gewährt hat, sowie für die Gelassenheit und den Humor, mit der er die Tätigkeit seiner Mitarbeiter stets begleitet. Er richtet sich in ganz besonderem Maße auch an Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Claus-Wilhelm Canaris, und dies nicht nur für die Übernahme des Korreferates und die damit verbundenen wertvollen Anregungen, sondern ganz allgemein für seine Rolle als akademisches Leitbild. Er war es, der mich anfangs zur Wahl des Themas ermutigt hat und der dieses Buch durch seine Arbeiten zur Methodenlehre und zum Schuldrecht ganz nachhaltig geprägt hat. Für die mühevolle Durchsicht des Manuskripts und viele Anmerkungen danke ich Herrn Dr. Jens Petersen, für ihre hilfreichen Kommentare zu einer frühen Version der Arbeit Frau Marietta Auer. Meine besondere Anerkennung möchte ich schließlich meinem Ehemann Stephan aussprechen für das Verständnis und die Geduld, mit der er die Entstehung des Buches, trotz unserer sicher unterschiedlichen wissenschaftlichen Standpunkte, begleitet und erleichtert hat. Die Arbeit wurde im Sommersemester 1998 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Habilitationsschrift angenommen. Sie wurde in allen Phasen ihrer Entstehung großzügig gefördert durch den Bayerischen Habilitationsförderpreis 1995. Neben dem Freistaat Bayern fühle ich mich der Agnes-Ament-Stiftung und der Stiftung Maximilianeum verpflichtet wegen der wesentlichen Unterstützung der Drucklegung. München, im November 1998

Christiane Wendehorst

Inhaltsübersicht Vorwort Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

VII XI XXXVI

Einführung

1

Erstes Kapitel: Grundüberlegungen

3

§ 1 Das Allokatorische Modell Zweites Kapitel: Ausgleich recht §2 §3 §4 §5

von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadens55

Schadensersatz und Allokatorisches Modell Ausgleich von Restvorteilen des Verletzten Ausgleich weiterer Reststörungen Schadensersatz als Reststörungsausgleich

Drittes Kapitel: Ausgleich §6 §7 §8 §9

7

von Reststörungen

56 118 149 185

im Bereicherungsrecht

....

Bereicherung und Allokatorisches Modell Ausgleich von Reststörungen im Bereicherungsrecht Vindikationsersetzende Kondiktionen Kondiktion als Aufwendungsersatz

Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

206 255 280 295

Schuldverhältnisse

319

§ 10 Eigentümer-Besitzer-Verhältnisse §11 Rückabwicklungsverhältnisse Fünftes Kapitel: Vertragliche und quasi-vertragliche

205

320 367 Schuldverhältnisse

§ 12 Geschäftsführung ohne Auftrag § 13 Vertragliche Erfüllungsansprüche § 14 Primäre Schadensersatzansprüche im vertraglichen Kontext

..

421 422 444 479

X

Inhaltsübersicht

Sechstes Kapitel: Allgemeiner

Wertausgleich

§ 15 Der Statikgedanke als Rechtsprinzip § 16 Konzeption eines allgemeinen Wertausgleichs Siebentes Kapitel: Abschließende

Bemerkungen

§ 17 Allokatorische Analyse als methodischer Ansatz? § 18 Zusammenfassung der Arbeit

497 498 545 595 596 615

Schlußbemerkung

631

Literaturverzeichnis Sachregister

633 653

Inhaltsverzeichnis Vorwort Inhaltsübersicht Abkürzungsverzeichnis

VII IX XXXVI

Einführung

l Erstes Kapitel

Grundüberlegungen 3

§ 1 Das Allokatorische Modell I. Modellvorstellung

des schuldrechtlichen

7 Anspruchs

1. Das Schuldrecht als System von Ausgleichsmechanismen .. a) Verteilungen und Präferenzen b) Verteilungsstörungen c) Ausgleichsansprüche aa) Abgrenzung zu anderen Ansprüchen bb) Vergleich mit dem Geltungsbereich der ausgleichenden Gerechtigkeit 2. Störungen der Realverteilung und Störungen der Wertverteilung a) Vermögen als Menge von Gütern b) Vermögen als rechnerischer Wert aa) Der maßgebliche Wertbegriff bb) Interdependenzen c) Kriterien für die Ermittlung des auslösenden Störungstypus aa) Wertende Betrachtung bb) Betrachtung der entsprechenden Grenzfälle

7 8 8 11 12 13 13 16 16 17 17 18 19 19 20

XII

Inhaltsverzeichnis

3. Realausgleich und Wertausgleich a) Die Doppeldeutigkeit von Geldleistungen b) Verhältnis zwischen Ausgleichstypus und Störungstypus c) Kriterien für die Unterscheidung aa) Surrogatcharakter oder Selbstzweck der Geldleistung . . . . bb) Alles-oder-Nichts-Prinzip oder flexible Wertung im Einzelfall cc) Maßgeblicher Zeitpunkt und Relevanz hypothetischer Entwicklungen

4. Zwischenergebnis II. Entstehung

von Reststörungen

21 21 22 23 23 24 25

27 27

1. Die Elemente des Ausgleichsschuldverhältnisses a) Der Primäranspruch b) Sekundäre Ansprüche c) Begleitende Ausgleichsmechanismen

28 28 29 30

2. Verbleibende Abweichungen von der Soll-Verteilung a) Reststörungen der Wertverteilung b) Reststörungen der Realverteilung

31 31 32

3. Der Zusammenhang mit dem unerwünschten Ereignis a) Rechtfertigung des Adäquanzkriteriums b) Zusätzliche Erfordernisse?

32 33 34

4. Zwischenergebnis

35

III. Präzisierung

der

Fragestellung:

Ausgleich von Reststörungen

35

1. Rechtslage und Stand der Diskussion

35

2. Bedarf nach weiterer Klärung a) Herausarbeitung allgemeiner Grundstrukturen b) Wechselwirkung von Reststörungen c) Möglichkeit einer Anspruchserweiterung 3. These der maximalen Eliminierung von Reststörungen . . . . a) Postulat eines Statikprinzips

38 38 38 39 40 40

aa) Positive Formulierung bb) Negative Formulierung cc) Konsequenzen für den Gang der Argumentation

b) Verhältnis zur aristotelischen iustitia correctiva

41 42 42

43

XIII

Inhaltsverzeichnis

IV. Abgrenzung

in sachlicher und methodologischer

Hinsicht..

44

1. Der Unterschied zu neminem cum alterius detrimento

45

2. Verhältnis zur Corrective Justice Theory a) Überblick b) Die bislang vertretenen Verrechnungsmodelle

45 46 47

aa) Die Annullierungsthese Colemans bb) Weiterentwicklung durch K r a m e r cc) Verrechnung normativer Posten: D e r Ansatz von Weinrib

47 48

c) Eigenständigkeit des Statikgedankens

49

48

3. Der induktive Ansatz der Arbeit

50

Zusammenfassung des Ersten Kapitels

52

Zweites Kapitel

Ausgleich von Reststörungen im gesetzlichen Schadensrecht 55

§ 2 Schadensersatz und Allokatorisches Modell I. Das Wesen des Schadens im rechtlichen Sinn

56 56

1. Präzisierung des Untersuchungsgegenstands a) Ausgrenzung sekundärer Schadensersatzansprüche b) Ausgrenzung auf Schadensersatz gerichteter Subansprüche

57 57

2. Der Schaden als Verteilungsstörung a) Geltungsumfang der Vergleichsmethode

59 60

aa) D e r faktisch-normative Schadensbegriff bb) Die sogenannten Durchbrechungen der Differenzhypothese cc) Bedeutung für die Vergleichsmethode

b) Umfang des angestellten Vergleichs c) Das Präferenzgefälle 3. Realer oder rechnerischer Schaden? a) Dogmatische Einordnung des realen Schadensbegriffs .. aa) Verhältnis zum natürlichen Schadensbegriff bb) Verhältnis zur Lehre vom Einzelschaden

b) Der sogenannte allgemeine Vermögensschaden aa) Begriffliche Klärung bb) Kritik an der A n n a h m e einer eigenen Schadenskategorie . cc) Vermittelnde Stellungnahme

58

60 63 64

64 66 67 68 68 69

70 70 71 72

XIV

Inhaltsverzeichnis

c) Diskussion der einschlägigen Argumente aa) bb) cc) dd) ee)

Vorteilsausgleichung Merkantiler Minderwert und abstrakter Nutzungsausfall . Naturalrestitution Immaterielle Schäden Beachtlichkeit von Reserveursachen

73 73 74 75 77 77

d) Zusammenfassung und Schlußfolgerung

80

aa) Vorliegen einer protestatio facto contraria bb) Begriffsimmanente Saldierung

81 81

4. Haftungsbegründung und Haftungsausfüllung a) Haftungsbegründender und haftungsausfüllender Tatbestand b) Die Rechtsgutsverletzung als Schaden c) Verletzungsschaden und Folgeschaden

82

aa) Eingrenzung der ersatzfähigen Folgeschäden bb) Verteidigung der Schutzzwecklehre cc) Bedeutung für die vorliegende Untersuchung

86 87 88

II. Schadensersatz

als Realausgleich

83 84 84

89

1. Restitution und Kompensation a) Der Grundsatz der Naturalrestitution b) Restitution durch Zahlung c) Kompensation

89 89 90 91

2. Der Ausgleichstypus bei der Kompensation a) Kein Verlust des Surrogatcharakters

91 92

aa) Argument mit der Identität des Ausgleichsziels bb) Argument der stärkeren Ausgleichsform

92 93

b) Abhängigkeit von einer wertenden Abwägung im Einzelfall?

93

aa) Konkrete und abstrakte Schadensberechnung bb) Die Diskussion um den objektiven Wert als Mindestschaden cc) Vermittelnde Stellungnahme

c) Der maßgebliche Zeitpunkt aa) Relevanz sogenannter Reserveursachen bb) Behandlung von Preisschwankungen

d) Bedeutung für die weitere Untersuchung III. Die Reststörungen 1. Restvorteile des Verletzten im Vergleich zum herkömmlichen Vorteilsbegriff

94 95 95

97 97 98

99 100 100

Inhaltsverzeichnis

a) Abgrenzung zwischen Vorteil und vermindertem Schaden

XV

101

aa) Einordnung des beschädigten Rechtsguts bb) Ersparte Aufwendungen cc) Nachgeholter Gewinn

101 102 103

b) Neuwertigkeit als Vorteil c) Abgrenzung zwischen Vorteilsausgleichung und hypothetischer Kausaliät d) Zwischenergebnis

103

2. Abgrenzung zwischen Folgeschäden, Restnachteilen und anderen Verlusten a) Rechtsverfolgungskosten: Folgeschaden oder Restnachteil? aa) Präzisierung der betroffenen Posten bb) Rechtsverfolgungskosten und normspezifischer Schutzzweck cc) Genereller schadensrechtlicher Schutzzweck?

104 106 106 107 108 108 109

b) Stimmigkeitskontrolle aus allokatorischer Sicht

110

aa) Wertungsmäßige Betrachtung bb) Abhängigkeit von Umständen des Einzelfalls

110 111

c) Einordnung verwandter Fallgruppen aa) bb) cc) dd)

Herstellungskosten Schadensbegrenzende Maßnahmen Vorsorgeaufwendungen Verletzungsabwendende Maßnahmen

d) Zwischenergebnis

112 112 113 114 114

115

3. Reststörungen beim Schädiger a) Verpflichtung zum Schadensersatz als Restnachteil des Verletzers b) Restvorteile des Verletzers

116 116

4. Zusammenfassung

117

§ 3 Ausgleich von Restvorteilen des Verletzten I. Die anerkannten

Grundsätze

einer Ausgleichung

1. Die klassische Vorteilsausgleichung a) Gesetzliche Anrechnungsverbote b) Die allgemeinen Entscheidungskriterien aa) Erfordernis adäquaten Kausalzusammenhangs bb) Die allgemeine Abwägungsformel cc) Kriterien der Kongruenz und der Rechnungseinheit

115

118 118 119 119 120 120 121 122

XVI

Inhaltsverzeichnis

c) Betrachtung typischer Fallgruppen aa) bb) cc) dd)

Ersparte Aufwendungen Anrechnung von Ersatzerwerb Leistungen von dritter Seite Erbrechtlicher Erwerb

123 124 124 125 126

2. Der Abzug „neu für alt"

126

3. Berücksichtigung von Reserveursachen a) Die sogenannten Anlagefälle b) Keine schuldtilgende Kraft? c) Auswertung der Ergebnisse

127 128 129 130

aa) Abwägung aller Umstände bb) Bedeutung für die vorliegende Betrachtung

II. Gerechtigkeitsgehalt

der Vorteilsausgleichung

130 131

131

1. Begriffliche Begründungsansätze a) Ansatz am Schadensbegriff b) Gedanke der Rechnungseinheit c) Ansatz am Normzweck d) Die Theorie von der Förderung des verletzten Rechts ..

132 133 134 135 136

2. Wertende Begründungsansätze a) Das sogenannte Bereicherungsverbot b) Der Gedanke der Glücksteilhabe c) Einwirkungstendenz

137 138 139 140

3. These: Vorteilsausgleich als Ausprägung des Statikprinzips.

141

III. Stimmigkeit

des vermuteten Ergebnisses

1. Versagung der Vorteilsausgleichung als Prinzipienkollision a) Zusammenfassung und Analyse der Fallgruppen aa) bb) cc) dd)

141 142 142

Schutz unbeteiligter Dritter Sicherung der Privatautonomie Aufdrängungsschutz Weitere Erwägungen

142 143 144 145

b) Deutung als Prinzipienkollision

145

2. Vorteilsausgleichung als Ausprägung reinen Wertausgleichs a) Inhalt des Ausgleichs b) Abhängigkeit von einer Abwägung aller Umstände c) Maßgeblicher Zeitpunkt

146 146 147 147

3. Zwischenergebnis

148

Inhaltsverzeichnis

XVII

§ 4 Ausgleich weiterer Reststörungen

149

I. Rechtsverfolgungskosten

149

1. Die anerkannten Grundsätze a) Kosten präventiver Rechtsverfolgung b) Durchsetzung von Ersatzansprüchen

150 150 151

aa) Rechtsverfolgung im engeren Sinne bb) Versicherungsrechtliche Nachteile cc) D a s Problem der Bearbeitungskosten

151 153 153

2. Rechtsgrund und Gerechtigkeitsgehalt der Ausgleichung .. a) Versuch einer genuin schadensrechtlichen Begründung . aa) D e r Grundsatz der Totalreparation bb) Präventionsprinzip cc) Spiegelbild der Vorteilsausgleichung

b) Kostenerstattung als Ausprägung des Statikgedankens .. aa) Vorteil-Nachteil-Analyse bb) Ausprägung des Statikgedankens?

c) Ergänzende Wertungen 3. Exkurs: Ersatz von Vorsorgekosten II. Gewinnhaftung

im Wirtschaftsrecht

155 155 156 156 157

157 158 159

160 161 163

1. Die Grundsätze der „objektiven Schadensberechnung" . . . . a) Sachlicher Anwendungsbereich b) Verhältnis zum Ersatz des konkreten Schadens c) Rechtfertigung der objektiven Schadensberechnung

163 164 165 166

aa) Präventionsbedarf bb) Gesteigerter Schutzbedarf cc) Vermutungsgrundlage für einen konkreten Schaden

166 166 167

2. Die dogmatische Einordnung des Anspruchs a) Zuordnung der Lizenzanalogie zum Bereicherungsrecht b) Zuordnung der Gewinnabschöpfung zum Schadensrecht c) Schadensersatz oder ergänzender Vorteilsausgleich? aa) Vorteilsausgleich contra Nachteilsausgleich bb) Indizien für einen reinen Wertausgleich cc) Das Systemargument

3. Die Rolle des Statikgedankens a) Vorteil-Nachteil-Analyse b) Anwendung des Statikgedankens aa) Maximale Eliminierung von Reststörungen bb) Erklärung von Ausnahmen

c) Bedeutung für den Gerechtigkeitsgehalt des Ausgleichs

167 168 169 170 170 170 171

171 172 172 173 173

174

XVIII

Inhaltsverzeichnis

III. Die Deliktskondiktion

175

1. Das Normverständnis der herrschenden Meinung a) Die Rechtsnatur der Vorschrift b) Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung? c) Verhältnis zum Schadensersatzanspruch

175 175 177 179

2. Ergebnis einer Auslegung a) Abhängigkeit von Verjährung und Höhe des Schadensersatzanspruchs?

179

aa) Wortlautinterpretation bb) Aussage der Gesetzesmaterialien cc) Teleologische Interpretation

b) Gelockertes Unmittelbarkeitskriterium? c) Bedeutung für die vorliegende Untersuchung 3. Verwirklichung des Statikgedankens a) Zusätzlicher Reststörungsausgleich bei Verjährung b) Ablehnung einer allgemeinen Gewinnhaftung c) Bedeutung für die vorliegende Betrachtung

180 180 181 181

181 182 182 182 183 184

§ 5 Schadensersatz als Reststörungsausgleich

185

I. Überblick über die Haftungstatbestände

185

1. AufOpferungshaftung im engeren Sinn a) Der Anspruch aus § 904 Satz 2 BGB b) Weitere Haftungstatbestände

186 186 188

2. Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche a) Der Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB b) Anspruch gemäß § 14 Satz 2 BImSchG c) Allgemeiner nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch . . .

189 189 190 190

II. Betrachtung

aus allokatorischer

Sicht

191

1. Primäranspruch oder Subanspruch? a) Deutung als Subanspruch b) Deutung als Primäranspruch c) Stellungnahme

191 191 192 192

2. Qualifizierung als Reststörungsausgleich a) Identifizierung der Reststörungen b) Verwirklichung des Statikgedankens

193 193 194

Inhaltsverzeichnis

XIX

3. Stimmigkeitskontrolle: Ausprägung reinen Wertausgleichs . a) Ausschluß der Naturalrestitution b) Abhängigkeit von Wertungen im Einzelfall aa) Der Meinungsstreit zu § 906 Abs. 2 Satz 2 B G B bb) Die übrigen Fälle

c) Beachtlichkeit von Reserveursachen usw 4. Bewertung der Ergebnisse

194 195 195 196 198

199 199

Zusammenfassung des Zweiten Kapitels

201

Drittes Kapitel

Ausgleich von Reststörungen im Bereicherungsrecht 205

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches Modell I. Das Wesen der ungerechtfertigten

Bereicherung

206 207

1. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands a) Sonderstellung der Gegenleistungskondiktion b) Sonderstellung sekundärer Bereicherungsansprüche und bloßer Subansprüche

208 208

aa) Vindikationsersetzende Kondiktionen bb) Kondiktion als Aufwendungsersatz cc) Konsequenz für den Aufbau der Untersuchung

210 210 212

c) Die verbleibenden Kondiktionen 2. Bereicherung als Verteilungsstörung a) Die beiden idealtypischen Standpunkte aa) Schuldnerorientierung: Abschöpfungstheorie bb) Gläubigerorientierung: Restitutionstheorie

b) Diskussion aa) Das historische Argument bb) Das funktionelle Argument cc) Das systematische Argument

c) Bewertung 3. Störung der Realverteilung oder der Wertverteilung? a) Der Wandel der Rechtsprechung b) Standpunkt der Literatur c) Identifizierung des Störungstypus anhand der üblichen Kriterien aa) Wertungsmäßige Betrachtung bb) Austauschvorgänge cc) Immaterielle Vorteile

209

212 213 213 213 215

216 216 217 218

218 219 219 220 221 221 223 224

XX

Inhaltsverzeichnis

II. Ausgleichstypus

bei Herausgabe und Wertersatz

224

1. Anspruch auf gegenständliche Herausgabe des Erlangten ..

225

2. Anspruch auf Wertersatz a) Surrogatcharakter der Geldleistung b) Abhängigkeit von einer Abwägung im Einzelfall?

225 226 227

aa) bb) cc) dd)

Argument der aufgedrängten Bereicherung Grundlage einer Gewinnhaftung Schutz auch des bösgläubigen Empfängers Bewertung

c) Zeitpunkt der Wertermittlung d) Bedeutung für die weitere Untersuchung 3. Die Konsequenzen von §818 Abs. 3 BGB für den Ausgleichstypus a) ,Wegfall der Bereicherung" als offener Regelungsauftrag b) Ausfüllung des Regelungsauftrags aa) Theorie der originären H a f t u n g auf den Saldo bb) D e u t u n g als nachgeschalteter Ausgleichsmechanismus . . .

c) Diskussion: Unzulänglichkeit einer Saldohaftung aa) bb) cc) dd)

Sachliche Überschreitung des Regelungsauftrags Unvereinbarkeit mit d e m Wortlaut Erklärungsbedarf für bestimmte Ergebnisse Zwischenergebnis

III. Reichweite und Bestand des Primäranspruchs 1. Die sekundären Bereicherungsgegenstände a) Nutzungen und Surrogate aa) Ausgrenzung rechtsgeschäftlicher Surrogate bb) Teleologische Extension von § 818 Abs. 1 B G B

b) Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeit als unmittelbar Erlangtes? 2. Anspruchsschicksal bei gegenständlichem Wegfall des Erlangten a) Die mangelnde Anwendbarkeit von §275 BGB b) Die Wirkung von § 818 Abs. 3 BGB aa) Abschöpfungstheorie: Einheitliche D e u t u n g bb) Restitutionstheorie: §818 Abs. 3 B G B als Gefahrtragungsnorm cc) Diskussion

3. Zwischenergebnis

227 229 231 232

232 233 233 234 235 236 236

237 237 238 238 239

240 240 240 241 242

242 244 244 245 245 246 246

247

Inhaltsverzeichnis

IV. Identifizierung

XXI

der Reststörungen

248

1. Reststörungen beim Bereicherten a) Reststörungen nach der Abschöpfungstheorie

248 248

aa) Umsetzungsverluste bb) Verluste im Stammvermögen

248 249

b) Reststörungen nach der Rückgabetheorie

250

2. Reststörungen beim Gläubiger a) Das Dilemma der zutreffenden Soll-Verteilung

250 251

aa) Restitutionstheorie bb) Abschöpfungstheorie

251 251

b) Reststörungen nach der Abschöpfungstheorie c) Reststörungen nach der Restitutionstheorie

252 253

§ 7 Ausgleich von Reststörungen im Bereicherungsrecht I. Ausgleich von Umsetzungsverlusten

bzw. Ersatzvorteilen

255 ...

1. Die anerkannten Grundsätze a) Wertende Gewährung des Einwands aa) Verbrauch für die Lebenshaltung bb) Luxusausgaben cc) Nicht mehr deckendes Aktivvermögen

b) Wertende Versagung des Ausgleichs 2. Erklärung aus allokatorischer Sicht a) Ausprägung reinen Wertausgleichs b) Vorteil-Nachteil-Analyse c) Bewertung II. Die bereicherungsrechtliche

Nachteilsausgleichung

1. Meinungsstand zum Nachteilsausgleich a) Die ursprüngliche Adäquanzlehre der Rechtsprechung . b) Einschränkungen der Adäquanzlehre aa) G e d a n k e der Risikoverteilung bb) Die Vertrauenslehren cc) Die Zurechnungslehren

c) Ablehnung eines Nachteilsausgleichs 2. Gerechtigkeitsgehalt der Nachteilsausgleichung a) Oberster Grundsatz der Bereicherungshaftung? b) Gedanke der Rechnungseinheit c) Gedanke der Risikoverteilung d) Prinzip des Vertrauensschutzes aa) D e r Gegenstand schutzwürdigen Vertrauens

255 255 256 256 257 258

258 259 259 260 260 261 261 262 262 263 264 265

266 267 267 268 269 269 270

XXII

Inhaltsverzeichnis bb) Mangel einer allgemeinen Zurechnungsgrundlage cc) Wertungswidersprüche

e) Zurechnungsgedanke 3. Erklärung aus allokatorischer Sicht a) Ergebnis einer Anwendung des Statikgedankens aa) Vorteil-Nachteil-Analyse nach der Abschöpfungstheorie . bb) Vorteil-Nachteil-Analyse nach der Restitutionstheorie . . .

b) Entstehung eines Meinungsspektrums 4. Resümee: Die Frage nach der „richtigen" Theorie a) Das Dilemma des Rechtsempfindens b) Konsequenzen de lege lata c) Konsequenzen de lege ferenda

§ 8 Vindikationsersetzende Kondiktionen I. Überblick über die einzelnen Ansprüche

271 272

273 274 274 274 275

275 277 277 278 279

280 280

1. Die Ansprüche aus § 816 BGB a) Qualifizierung von §816 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB als Vindikationsersatz b) Der Streit um den Anspruchsinhalt bei § 816 Abs. 1 BGB

282

2. § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB im Fall der Eingriffskondiktion . . . . a) Modifizierung von § 818 Abs. 1 BGB

284 285

aa) Keine gegenständliche Herausgabe bb) H ö h e n m ä ß i g e Begrenzung? cc) Das Problem der Nutzungen

b) Der Ausgleichstypus 3. Weitere vindikationsersetzende Kondiktionen II. Besonderheiten

des Nachteilsausgleichs

1. Skizzierung des Meinungsstands a) Verwertungskosten b) Der an einen Dritten gezahlte Kaufpreis aa) A r g u m e n t der mangelnden Kausalität bb) Argument der Interessenabwägung cc) A r g u m e n t vom Vindikationsersatz

c) Andere Restnachteile 2. Zusammenfassung und Bewertung a) Kern der angeführten Argumente b) Erklärung aus allokatorischer Sicht c) Verbleibender Spielraum für die Nachteilsausgleichung .

281

283

285 286 286

287 287 288 288 288 289 289 290 290

291 291 292 293 293

Inhaltsverzeichnis

§ 9 Kondiktion als Aufwendungsersatz I. Überblick über die Ausgleichsmechanismen

XXIII

295 295

1. § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB als Verwendungskondiktion a) Verbleibender Anwendungsbereich b) Beschränkung auf den Materialverlust

295 296 296

2. §684 BGB und seine Anwendungen

297

3. Einzelfälle im Rahmen von § 812 BGB

298

II. Besonderheiten

gegenüber anderen Kondiktionen

298

1. Höhenmäßige Begrenzung? a) Die Diskussion bei § 951 BGB b) Die übrigen Aufwendungskondiktionen

299 299 300

2. Herausgabe oder Geldleistung?

302

3. Das Problem der aufgedrängten Bereicherung a) Eingrenzung des Problems

302 303

aa) Beseitigungsverlangen und Verweisung auf Wegnahmerecht bb) Analoge Anwendung von §§404, 406ff B G B cc) Ergebnis: Bedarf nach einer Lösung innerhalb des Bereicherungsrechts

b) Ansatz am subjektiven Wertbegriff aa) Verhältnis zum Ansatz von Canaris bb) Behandlung des gutgläubigen Anspruchstellers cc) Behandlung des bösgläubigen Anspruchstellers

c) Zwischenergebnis III. Bewertung aus allokatorischer

304 305 305

306 307 307 308

309 Sicht

309

1. Aufwendungskondiktionen als Reststörungsausgleich

310

2. Aufwendungskondiktionen als Wertausgleich a) Keine Herausgabe in natura b) Einfluß von Wertungen im Einzelfall c) Der maßgebliche Zeitpunkt

310 311 311 312

aa) bb) cc) dd)

Der Standpunkt der Rechtsprechung Standpunkte in der Literatur Eigene Stellungnahme Bedeutung für den Ausgleichstypus

3. Bewertung der Ergebnisse

Zusammenfassung des Dritten Kapitels

312 313 313 314

314

316

XXIV

Inhaltsverzeichnis

Viertes Kapitel

Weitere gesetzliche Schuldverhältnisse 319

§ 10 Eigentümer-Besitzer-Verhältnisse I. Vindikation

und Allokatorisches

Modell

1. Struktur des Anspruchsverhältnisses a) Umfang des Primäranspruchs aa) Herausgabe von Nutzungen nach § 987 Abs. 1 B G B bb) Herausgabe von Nutzungen nach § 988 B G B

b) Sekundäransprüche aa) bb) cc) dd)

320 321 321 322 322 322

324

Schadensersatz aus §§ 989, 990 B G B Vindikationsersetzende Kondiktionen Ersatz schuldhaft nicht gezogener Nutzungen Herausgabe nicht rechtsgeschäftlicher Surrogate

c) Subansprüche auf Verwendungsersatz

324 325 326 326

328

2. Allokatorische Analyse des Primäranspruchs a) Identifizierung der Soll-Verteilung b) Konsequenzen für die verschärfte Haftung des Bereicherungsschuldners c) Ermittlung des Ausgleichstypus

330 330

3. Restvorteile und Restnachteile des Besitzers a) Restvorteile des Besitzers

331 331

aa) Nutzungen bei rechtsgrundlosem E r w e r b bb) Von Gesetzes wegen verbleibende Nutzungen als Restvorteile? cc) Unternehmensgewinne und Investitionsmehrwert

b) Restnachteile des Besitzers c) Die Sphäre des Eigentümers II. Ausgleich von Restnachteilen

des Besitzers

1. Ausgleich zugunsten des redlichen Besitzers a) Der maßgebliche Verwendungsbegriff b) Problem des Aufdrängungsschutzes bei §996 BGB

329 329

331 332 334

335 335 337 337 337 340

aa) Meinungsstand in der Literatur

341

bb) Stellungnahme

342

2. Ausgleich beim verschärft haftenden Besitzer

343

3. Verwendungsersatz aus allokatorischer Sicht a) Ausprägung des Statikgedankens b) Verwendungsersatz als Wertausgleich

344 345 346

Inhaltsverzeichnis

aa) Fehlender Surrogatcharakter bb) Abhängigkeit von einer wertenden Abwägung im Einzelfall? cc) Der maßgebliche Zeitpunkt

III. Weitergehender

Ausgleich von Reststörungen?

1. Ausgleich von Restvorteilen des Eigentümers a) Die entstehenden Wertungswidersprüche aa) Vergleich mit dem nicht besitzenden Verwender bb) Vergleich mit dem berechtigten Besitzer cc) Vergleich mit dem angemaßten Eigengeschäftsführer . . . .

b) Die Lösung von Waltjen c) Parallele Anwendbarkeit der Aufwendungskondiktionen? aa) bb) cc) dd) ee)

Das Auslegungsargument Argument der Milde der Bereicherungshaftung Argument des Abschöpfungsbedarfs Teleologisches Argument Zwischenergebnis

XXV

346 347 348

348 349 349 350 350 351

351 352 353 354 355 355 356

2. Ausgleich von Restvorteilen des Besitzers?

357

3. Ausgleich im Rahmen konkurrierender Ansprüche? a) Konkurrierende Primäransprüche b) Nutzungsherausgabeanspruch und Sekundäransprüche .

358 358 359

4. Bedeutung für die vorliegende Untersuchung

361

IV. Der Erbschaftsanspruch

361

1. Unterschiede gegenüber den §§985ff. BGB a) Volle Auskehrung von Vorteilen b) Voller Verwendungsersatz c) Verrechnungsmöglichkeit

362 362 363 363

2. Bewertung der Unterschiede a) Vergleich der praktischen Ergebnisse b) Bedeutung aus allokatorischer Sicht

363 364 365

Rückabwicklungsverhältnisse

367

I. Überblick über die einzelnen Rechtsverhältnisse

367

1. Rücktritt und verwandte Rechtsverhältnisse a) Rücktritt und Wandlung

368 368

aa) Haftung des Rücktrittsberechtigten beim gesetzlichen Rücktritt bb) Die Regelung in §§ 350,351 B G B

369 372

XXVI

Inhaltsverzeichnis

b) Haustürwiderrufs- und Verbraucherkreditgesetz aa) Verschuldensabhängiger Wertersatz bb) Verschuldensunabhängiger Wertersatz cc) Subansprüche auf Aufwendungsersatz

373 374 375

c) Weitere Spezialregelungen

375

2. Die Gegenleistungskondiktion a) Die Diskussion zum Untergang einer Sachleistung aa) bb) cc) dd)

Die Saldotheorie und ihre Modifikationen Modifikationen der Zweikondiktionentheorie Insbesondere: D e r Ansatz von Canaris Zusammenfassende Stellungnahme

b) Anwendung von §818 Abs. 3 BGB bei unkörperlichen Leistungen c) Besonderheiten des Nachteilsausgleichs aa) Haltung der Rechtsprechung bb) D e r Ansatz von Canaris cc) Stellungnahme

376 376 377 378 380 381

383 384 385 386 387

3. Rückabwicklung durch Vindikation a) Die Konkurrenz mit der Gegenleistungskondiktion aa) Das strenge Subsidiaritätsdogma bb) Divergenzen zwischen Kondiktion und Vindikation

b) Anwendung der Saldotheorie?

387 388 388 389

390

aa) Analyse der Rechtsprechung bb) Die eigentlichen Konsequenzen: Untergang der Sachleistung cc) Notwendigkeit einer Gegenleistungsvindikation?

II. Rückabwicklungsfunktion

373

und Allokatorisches

Modell

391 392 392

393

1. Einheitlichkeit des Anspruchs Verhältnisses

394

2. Konsequenzen aus der Rückabwicklungsfunktion a) Die rücktrittsrechtliche Rückabwicklung aus allokatorischer Sicht b) Verallgemeinerung der Grundsätze

395

aa) Regelfall der Restitutionshaftung bb) Abschöpfungshaftung der schutzwürdigeren Partei?

3. Zwischenergebnis III. Ausgleich von Reststörungen kondiktion

395 396 396 397

397 bei der

Gegenleistungs-

1. Vorteil-Nachteil-Analyse bei zweiseitiger Restitutionshaftung a) Zurechenbarer Wegfall der Sachleistung aa) Der Risikovorteil des Käufers

398 398 399 399

Inhaltsverzeichnis

XXVII

bb) Erfordernis der Differenzierung cc) Die Sphäre des Verkäufers b) Zufallsbedingter Wegfall der Sachleistung c) Unkörperliche Leistungen d) Verluste im Stammvermögen 2. Vorteil-Nachteil-Analyse bei einseitiger Abschöpfungshaftung a) Wegfall der Kaufsache bei arglistiger Täuschung u s w . . . . b) Verluste im Stammvermögen

401 402 402 403 404 405 405 406

3. Anwendung des Statikgedankens a) Beidseitige Haftung nach Restitutionsgrundsätzen b) Haftung einer Partei nach Abschöpfungsgrundsätzen . . . c) Vergleich mit den Ergebnissen von Canaris und der Saldotheorie d) Vorzüge der hier vorgenommenen D e u t u n g aa) Ergebnisse bei Höherwertigkeit der Sachleistung bb) Behandlung von Gebrauchsvorteilen

406 406 407

4. Bewertung der Ergebnisse a) Bedeutung für die Verifizierung des Statikgedankens . . . b) Die Frage nach der „richtigen" Deutung

411 411 412

IV. Die übrigen Rückabwicklungsverhältnisse 1. Vergleich mit der vindikationsrechtlichen Rückabwicklung a) Lückenhafte Verwirklichung des Statikgedankens b) Bedeutung für die vorliegende Untersuchung 2. Gesetzlicher Rücktritt und verwandte Rechtsverhältnisse .. a) Bedeutung der rücktrittsrechtlichen Regelung für die vorliegende Untersuchung b) Vergleich mit den spezialgesetzlichen Vorschriften

Zusammenfassung des Vierten Kapitels

408 409 409 410

413 413 414 414 415 415 416

418

XXVIII

Inhaltsverzeichnis

Fünftes Kapitel

Vertragliche und quasi-vertragliche Schuldverhältnisse 421

§ 12 Geschäftsführung ohne Auftrag I. Geschäftsführung

und Allokatorisches

422 Modell

422

1. Struktur des Anspruchsverhältnisses a) §§681 Satz 2, 667 BGB als primärer Ausgleichsanspruch b) Weitere primäre und sekundäre Ansprüche c) Subansprüche

423 424 425

2. Allokatorische Analyse des Primäranspruchs a) Auslösende Störung und Soll-Verteilung b) Identifizierung des Ausgleichstypus

425 426 427

3. Identifizierung der Reststörungen a) Vorüberlegung: Umfang der Herausgabepflicht

427 428

aa) Subjektiver oder objektiver Z u s a m m e n h a n g bb) Das Problem mittelbarer Folgevorteile

b) Reststörungen beim Geschäftsführer c) Reststörungen beim Geschäftsherrn II. Ausgleich von Restnachteilen

des Geschäftsführers

423

428 429

430 431 431

1. Aufwendungsersatz aus allokatorischer Sicht a) Verwirklichung des Statikgedankens b) Ausprägung reinen Wertausgleichs

432 433 433

2. Die auftragsrechtliche Nachteilsausgleichung a) Skizzierung des Meinungsstands

434 434

aa) Theorie von der analogen A n w e n d u n g des § 670 B G B . . . . bb) Theorie der Gefährdungs- bzw. Risikohaftung cc) Diskussion

b) Deutung als Reststörungsausgleich auf der Grundlage des Statikgedankens c) Stimmigkeitskontrolle im Vergleich zur Theorie der Risikohaftung aa) bb) cc) dd)

Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung Mangel eines hinreichenden Zurechnungsgrundes Reduzierung auf angemessenen Ausgleich Das allokatorische A r g u m e n t

d) Bewertung der Ergebnisse

435 436 436

438 439 440 441 442 443

443

XXIX

Inhaltsverzeichnis

§ 13 Vertragliche Erfüllungsansprüche I. Erfüllungsanspruch

444

und Allokatorisches

Modell

444

1. Die Bedeutung von Äquivalenzstörungen a) Ursache der allokatorischen Irrelevanz b) Verhältnis zum Wegfall der Geschäftsgrundlage c) Abweichende Beurteilung bei entsprechender Vereinbarung? 2. Die Lage bei gestörtem Leistungsaustausch a) Vertragliche Ansprüche mit Ausgleichscharakter b) Ermittlung der Reststörungen

445 445 446 446 447 448 449

aa) Konsequenzen aus den Besonderheiten der Soll-Verteilung bb) Veranschaulichung durch Beispiele

II. Vorteilsausgleich

449 449

bei einseitiger Vertragsdurchführung

450

1. Voraussetzungen und Umfang des Ausgleichs a) Gesetzlich normierte Vorteilsanrechnung aa) bb) cc) dd)

451 451

Vom Gläubiger zu vertretende Unmöglichkeit Verhinderung des Mieters Vorschriften des Dienstvertragsrechts Vorschriften des Werkvertragsrechts

451 452 453 454

b) Verallgemeinerung durch die Rechtsprechung

454

2. Bewertung aus allokatorischer Sicht a) Erklärung durch den Statikgedanken b) Ausprägung reinen Wertausgleichs

455 455 457

3. Bewertung der Ergebnisse

458

III. Modifizierte

Erfüllungsansprüche

und Sekundäransprüche

1. Ansprüche auf Mängelgewährleistung a) Meinungsstand zur Vorteilsausgleichung aa) Mängelbeseitigung beim Werkvertrag bb) Mängelbeseitigung im Mietrecht cc) Erstreckung auf andere Gewährleistungsansprüche?

b) Gerechtigkeitsgehalt der Vorteilsausgleichung aa) Vorteil-Nachteil-Analyse in den werk- und kaufvertragsrechtlichen Fällen bb) Vorteil-Nachteil-Analyse im mietrechtlichen Fall

c) Bewertung der Ergebnisse 2. Ersatz des Erfüllungsinteresses a) Zwitternatur der Ansprüche auf „Schadensersatz wegen Nichterfüllung"

.

458 459 460 460 461 462

462 463 464

465 465 466

XXX

Inhaltsverzeichnis

b) Isolierung des reinen Erfüllungsinteresses aa) Nichterfüllung isolierter Leistungspflichten bb) Wahl der Surrogationsmethode durch den Gläubiger cc) D e r sogenannte „kleine" Schadensersatz

c) Vorteilsausgleichung bei Surrogation einer einzelnen Leistung

466 467 467 468

469

aa) Weiterverkauf einer mangelbehafteten Sache bb) Schönheitsreparaturen im Mietrecht cc) Stellungnahme aus allokatorischer Sicht

469 470 471

d) Vorteilsausgleichung im Abwicklungsverhältnis

472

aa) Standpunkt der Rechtsprechung bb) Erklärung aus allokatorischer Sicht

3. Herausgabe des stellvertretenden commodum a) Nachteilsausgleichung zugunsten des Schuldners b) Das Problem der dogmatischen Konstruktion aa) Analogie zu § 102 B G B ? bb) D e u t u n g als Reststörungsausgleich cc) Diskussion

c) Bedeutung für die vorliegende Betrachtung

§14 Primäre Schadensersatzansprüche im vertraglichen Kontext I. Einordnung

in das Allokatorische

Modell

1. Überblick über die Haftungstatbestände a) Haftung auf den Vertrauensschaden aa) Schutz der Rechte und Rechtsgüter im Sinne von § 823 Abs. 1 B G B bb) Schutz reiner Vermögensinteressen cc) Bedeutung im vorvertraglichen Bereich

b) Haftung auf entgangenen Gewinn c) Haftung auf den Verzögerungsschaden

472 473

474 474 475 475 476 477

477

479 479 480 480 481 482 482

483 484

2. Qualifizierung als Primäransprüche a) Deliktsähnlicher Charakter der Vertrauenshaftung b) Selbständigkeit der übrigen Haftungstatbestände

484 484 485

3. Ermittlung der Soll-Verteilung

486

II. Ausgleich von Reststörungen

486

1. Ausgleich von Restvorteilen des Gläubigers

486

2. Ausgleich von Restvorteilen des Schuldners a) Ansätze eines Vorteilsausgleichs im Geschäftsführungsrecht

488 488

Inhaltsverzeichnis

aa) Kritik der Lösung über §667 BGB bb) Gewährung eines Eintrittsrechts? cc) Deutung als Reststörungsausgleich

b) Stimmigkeitskontrolle

XXXI 489 490 491

492

aa) Keine gegenständliche Herausgabe bb) Unangemessenheit der Haftung auf den Verkehrswert .. .

3. Bewertung der Ergebnisse

Zusammenfassung des Fünften Kapitels

492 492

493

494

Sechstes Kapitel

Allgemeiner Wertausgleich 497

§ 15 Der Statikgedanke als Rechtsprinzip I. Der induktive Nachweis 1. Reine Ausprägungen des Statikgedankens a) Positiv normierte Regelungen aa) bb) cc) dd)

Anrechnung von Ersatzerwerb Aufwendungskondiktion und Aufwendungsersatz Ansprüche mit Aufopferungscharakter Einzelvorschriften

b) Richterliche Rechtsfortbildungen aa) bb) cc) dd) ee)

Schadensrechtliche Vorteilsausgleichung Bereicherungsrechtliche Nachteilsausgleichung Abzug von Erwerbskosten bei § 281 Abs. 1 B G B Rückabwicklung gegenseitiger Verträge Umdeutung von § 852 Abs. 3 BGB

2. Abgeschwächte Ausprägungen des Statikgedankens a) Ausgleich einer konkreten mit einer „gewissen" Reststörung aa) Risikotypische Begleitschäden des Geschäftsführers bb) Vorteilshaftung in Treueverhältnissen cc) Gewinnhaftung im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht

498 499 500 501 501 501 502 503

504 504 506 507 507 508

509 509 509 511 512

b) Ausgleich eines Restvorteils trotz negativer Gesamtvermögensbilanz c) Verzicht auf das Kausalitätserfordernis?

512 514

3. Durchbrechung des Statikgedankens a) Abgrenzung zu bloßen Unvollständigkeiten b) Einziges Beispiel: Verwendungsersatz des Besitzers . . . .

514 515 515

4. Bewertung

516

XXXII

Inhaltsverzeichnis

II. Deduktive

Kontrolle: Freiheitsrechtliche

Rekonstruktion

1. Geltung des verfassungsrechtlichen Übermaß Verbots im Privatrecht a) Abwehrfunktion der Grundrechte und Übermaßverbot aa) Prinzip der zweiseitigen Rechtfertigung bb) Verlagerung auf die Rechtsanwendung?

2. Geltung eines genuin privatrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips a) Charakteristika eines „Maßgebots" b) Wirkungsweise als „schwaches" Übermaßverbot aa) Identifizierung von Zweck und Mittel bb) Das Kriterium des milderen Mittels

518 519

524 525 526 526 527 528 528 529

c) Wirkungsweise des „schwachen" Untermaßverbots 3. Bewertung als ergänzende Argumentation als sinnvolle

517

521 522

b) Schutzgebotsfunktion der Grundrechte und Untermaßverbot c) Ausstrahlungswirkung der Grundrechte und Prinzip verhältnismäßiger Verwirklichung d) Kritische Bewertung

III. Intuitive Kontrolle: Statikprinzip entscheidung

....

530 531

Wert531

1. Maßstäbe konsequenten Handelns

532

2. Rechtspolitische Überlegungen

532

IV. Konkretisierung

des Statikprinzips

1. Wechselwirkung mit anderen Prinzipien und Einzelwertungen a) Kollidierende Wertungen b) Gleichlaufende Wertungen c) Die Abwägung im Einzelfall aa) Das Gewicht von Prinzipien bb) Die Gewichtung des Statikprinzips cc) Praktische Handhabung

2. Geltungsbereich a) Das übrige Zivilrecht b) Zivilverfahrensrecht c) Öffentliches Recht

533 534 534 535 536 536 537 538

539 539 541 542

Inhaltsverzeichnis

XXXIII

§ 16 Konzeption eines Allgemeinen Wertausgleichs I. Statikprinzip

als Grundlage richterlicher Rechtsfortbildung

545 .

1. Verbleibende Lücken im Gesetz a) Unvollständige Verwirklichung des Statikprinzips aa) Vom Vindikationsgläubiger freiwillig realisierter Mehrwert bb) Vindikationsrechtliche Rückabwicklung cc) Zufälliger Untergang beim Rücktritt dd) Materiellrechtliche Kostenerstattung ee) Ausgleichung des Verletzergewinns

b) Versagen eines argumentum e contrario c) Argumentum e silentio legis completae?

aa) Gegenstandsorientierung unserer Rechtsordnung bb) Mangelnde Aussagekraft für die Rechtsfolgenseite

d) Zwischenergebnis

546 546 547 547 548 548 549

549 551 552 553

554

2. Einzelkorrektur oder Gesamtkonzept? a) Parallelität von Lückenfindung und Lückenschließung .. b) Das Effektivitätsargument c) Bedeutung für das weitere Vorgehen II. Grundzüge des Allgemeinen

545

Wertausgleichs

1. Identifizierung der korrespondierenden Reststörungen a) Konkrete und vermutete Reststörungen b) Fingierte Reststörungen c) Zugerechnete Reststörungen

554 555 556 557 557 558 558 559 559

2. Kongruenzprinzip oder Gesamtvermögensbilanz? a) Zusammentreffen konkreter und anderer Reststörungen in einer Sphäre b) Zusammentreffen konkreter Reststörungen in einer Sphäre c) Gegenständlich oder zeitlich teilbare Ansprüche

562 563

3. Abwägung im Einzelfall

565

4. Einzelfragen der praktischen Durchführung a) Vorteilsausgleichung oder Nachteilsausgleichung? b) Gestaltung des Ausgleichs c) Zeitliche Grenzen der Geltendmachung

565 566 566 567

aa) Möglichkeit nachträglicher Geltendmachung bb) Bestehen einer Ausschlußfrist? cc) Verjährungsfragen

568 568 569

d) Probleme der Rechtsnachfolge

561 561

569

XXXIV

Inhaltsverzeichnis

aa) Zession des zugrundeliegenden Anspruchs bb) Behandlung objektbezogener Umstände nach Weitergabe . cc) Behandlung subjektbezogener Umstände

e) Prozessuale Geltendmachung III. Beispiele für die praktischen

Implikationen

1. Reserveursachen im Schadensrecht a) Ermittlung der auftretenden Reststörungen b) Vorteil-Nachteil-Analyse c) Abwägung im Einzelfall 2. Entwicklung eines stimmigen Rückabwicklungssystems a) Die rechtsgrundlos ausbezahlte Darlehensvaluta aa) Die herkömmliche Lösung bb) Lösung mit Hilfe des Allgemeinen Wertausgleichs

570 571 572

572 573 573 574 574 575 576 577 577 578

b) Gegenleistungsvindikation c) Linderung entstehender Härten bei § 350 BGB

579 581

3. Vindikationsrechtliche Vorteilsausgleichung a) Grundgedanke b) Vorzüge gegenüber der parallelen Anwendung der Aufwendungskondiktion

581 582

4. Materiellrechtliche Kostenerstattung a) Praktischer Bedarf b) Beschränkung auf angemessenen Ausgleich

584 585 585

5. Gewinnhaftung bei wirtschaftsrechtlichen Sachverhalten .. a) Verletzung eines vertraglichen Wettbewerbsverbots . . . . b) Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung und ähnliche Fälle c) Haftung des herrschenden Unternehmens im qualifiziert faktischen Konzern

586 587

Zusammenfassung des Sechsten Kapitels

583

588 589

592

XXXV

Inhaltsverzeichnis

Siebentes Kapitel

Abschließende Bemerkungen 595

§ 17 Allokatorische Analyse als methodischer Ansatz? I. Charakteristika

des Ansatzes

596 596

1. Verteilungsdenken contra Verhaltensdenken a) Die volitionistische Tradition b) Neueinschätzung der Anspruchsausfüllung

596 597 598

2. Verteilungsdenken contra Zielkonfliktdenken a) Das Dilemma des klassischen Normzweckdenkens b) Soll-Verteilung als antezipierte praktische Konkordanz .

599 600 601

3. Allokatorische Argumentation

602

4. Zwischenergebnis

602

II. Die Prämisse der allokatorischen

Eindeutigkeit

603

1. Eindeutigkeit der Klassifizierungen a) Die Möglichkeit „hybrider" Ausgleichsmechanismen . . . b) Vorzüge eindeutiger Klassifizierungen

603 604 605

2. Eindeutigkeit der Zielsetzungen a) Weinribs Kohärenzthese b) Vorzüge eindeutiger Zielsetzungen c) Eindeutigkeit der Zielsetzung als Optimierungsgebot? ..

605 606 607 608

3. Bewertung

610

III. Möglichkeiten

und Grenzen

610

1. Bedeutung für eine Reform des deutschen Schuldrechts . . . a) Normierung des Allgemeinen Wertausgleichs? b) Konsequenzen aus der allokatorischen Analyse

610 611 612

2. Perspektiven in einem internationalen Kontext?

612

§ 18 Zusammenfassung der Arbeit

615

Schlußbemerkung

631

Literaturverzeichnis Sachregister

633 653

Abkürzungsverzeichnis a. A. a.F. a.a.O. Abs. AcP AG Alt. AltKomm Anm. ARSP Art. BAG BB Bd. BGBl. BGH BGHZ BonnKomm BT-Drs. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE DB ders. DRZ EWiR f., ff. FamRZ Fn. G G.A. GG GRUR Hdb h.M. HRR i.d.F. JherJb i.V.m. JA ,IB1

anderer Ansicht alte Fassung am angegebenen Ort Absatz Archiv für die civilistische Praxis Amtsgericht Alternative Alternativkommentar Anmerkung Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Artikel Bundesarbeitsgericht Der Betriebs-Berater Band Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des B G H in Zivilsachen Bonner Kommentar zum Grundgesetz Drucksachen des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BVerfG Bundesverwaltungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BVerwG Der Betrieb derselbe Deutsche Richterzeitung Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht folgende, fortfolgende Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fußnote Gesetz Goldammers Archiv Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Handbuch herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung in der Fassung Jherings Jahrbücher der Dogmatik des Bürgerlichen Rechts in Verbindung mit Juristische Ausbildung Juristische Blätter

Abkürzungsverzeichnis JuS JW JZ KrVJSchr LG LM LZ m.w.N. MDR MünchKomm MünchKommZPO n.F. NJW NJW-RR OLG OLGRspr OLGZ RGBl. RGRK RGZ Rn. S. SchwJZ SJZ VersR vgl. VO VRS WarnR WR WM z.B. ZIP ZHR ZMR

XXXVII

Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Landgericht Das Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, herausgegeben von Lindenmaier und Möhring Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht mit weiteren Nachweisen Monatsschrift für Deutsches Recht Münchener Kommentar zum BGB Münchener Kommentar zur Z P O neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungsreport Oberlandesgericht Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Reichsgesetzblatt Reichsgerichtsräte-Kommentar Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer, Randzeichen Seite Schweizerische Juristen-Zeitung Süddeutsche Juristenzeitung Versicherungsrecht vergleiche Verordnung Verkehrsrechts-Sammlung Warneyer, Die Rechtsprechung des Reichsgerichts Wirtschaftsrecht Wertpapier-Mitteilungen zum Beispiel Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Miet- und Raumrecht

Einführung An den verschiedensten Stellen begegnen uns Mechanismen, die man dem natürlichen Sprachgebrauch nach geneigt ist, als Mechanismen der Vorteils- und Nachteilsausgleichung zu bezeichnen. Zunächst betrifft dies selbstverständlich die compensatio lucri cum damno im Schadensrecht, aber wohl auch die Anrechnung von Nachteilen, die der redliche Kondiktionsschuldner infolge des rechtsgrundlosen Erwerbs erlitten hat, sowie Einzelregelungen, wie etwa den Impensenabzug gemäß § 102 BGB, die Verhinderung einer Doppelbefriedigung durch §§255, 281 Abs. 2 BGB oder die Anrechnung von Ersatzerwerb im Rahmen von §§324 Abs. 1,552,615,616,649 BGB. Bei genauerem Hinsehen beginnen die Konturen dessen, was als Vorteils- und Nachteilsausgleichung bezeichnet werden kann, jedoch sofort zu verschwimmen. Ist die compensatio lucri cum damno wirklich ein eigenständiges Rechtsinstitut oder nicht vielmehr integraler Bestandteil der Schadensberechnung? Kann man überhaupt von einer Anrechnung von Nachteilen des redlichen Kondiktionsschuldners sprechen, oder fehlt es insoweit schon an einer Bereicherung? Ist nicht auch das Problem der Beachtlichkeit von Reserveursachen in Wirklichkeit ein solches der Vorteilsausgleichung? Und schließlich: Geht es nicht bei allen schuldrechtlichen Ansprüchen letztlich nur um die Ausgleichung von Vorteilen und Nachteilen, sei es eines Zuwenig beim Gläubiger oder eines Zuviel beim Schuldner? Man könnte versucht sein, das Problem als erkenntnistheoretisches abzutun, würden nicht täglich Gerichtsentscheidungen auf ein angebliches Rechtsinstitut der Vorteilsausgleichung gestützt und enthielten nicht alle maßgeblichen Lehrbücher und Kommentare diesbezügliche Ausführungen. Die Existenz allgemeiner Grundsätze, nach denen eine - wie auch immer definierte - Vorteilsausgleichung und Nachteilsausgleichung stattzufinden hätte, wird dabei meist ohne nähere Begründung verneint. Dieser Mangel an dogmatischer Durchdringung der Materie erscheint umso unverständlicher, als im Einzelfall gewichtige Interessen auf dem Spiel stehen können und der Satz minima non curat praetor nicht einmal der Sache nach greift. Die vorliegende Untersuchung zielt nicht darauf ab, etwa die reiche Kasuistik, die sich zur schadensrechtlichen Vorteilsausgleichung herausgebildet hat, unter systematischen Gesichtspunkten aufzubereiten. Ganz entgegen den Erwartungen, die durch die Themenstellung geweckt sein mögen, wird dies sogar eher am Rande geschehen. Vielmehr geht die Arbeit von der These aus, daß

2

Einführung

ganz unterschiedlichen und teilweise mit herkömmlichen dogmatischen Mitteln kaum nachvollziehbaren Entwicklungen des Schuldrechts ein allgemeines Rechtsprinzip zugrundeliegt. Dieses Rechtsprinzip, das als Statikprinzip bezeichnet werden soll, läßt sich als genuin privatrechtliches Korrelat zum verfassungsrechtlichen Übermaßverbot begreifen und weist deutliche Parallelen auf zum Formalprinzip der aristotelischen iustitia correctiva. Ausprägungen dieses Rechtsprinzips sind die klassische Vorteilsausgleichung ebenso wie etwa die sogenannte Saldotheorie, der volle Verlustausgleich zugunsten des redlichen Kondiktionsschuldners, der Ersatz von Begleitschäden des Beauftragten, die materiellrechtliche Kostenerstattung bei Schadensersatzansprüchen oder die Haftung auf den Verletzergewinn im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht. Um dieses Ergebnis herausarbeiten zu können, bedient sich die Arbeit eines Ansatzes, den ich als Allokatorische Analyse bezeichne. Er mag einerseits sehr abstrakt, andererseits geradezu naiv erscheinen, doch sehe ich beides durch die Komplexität der Materie gerechtfertigt.

„... Gewinn und Verlust jedoch sind in entgegengesetzter Weise ein Zuviel und ein Zuwenig: Gewinn bedeutet zuviel Vorteil und zuwenig Nachteil, und der Gegensatz dazu ist der Verlust.... So ist denn das Gerechte die Mitte zwischen Gewinn und Verlust - wenn man diese beiden Begriffe so gebrauchen will - und zwar in der Sphäre des Unwillentlichen. Es bedeutet, daß man vorher und nachher das Gleiche hat." Aristoteles, Nikomachische

Ethik'

Erstes Kapitel

Grundüberlegungen Daß zwischen der aristotelischen Konzeption ausgleichender Gerechtigkeit einerseits2 und andererseits so unterschiedlichen Rechtsentwicklungen wie etwa der Vorteilsausgleichung im Schadensrecht, der Haftung auf den Verletzergewinn im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht oder den verschiedenen Spielarten einer Gegenleistungskondiktion 3 ein ganz spezifischer Zusammenhang besteht, der über den generellen Zusammenhang zwischen ausgleichender Gerechtigkeit und zweiseitigen Rechtsbeziehungen Privater weit hinausgeht, drängt sich nicht ohne weiteres auf. Das liegt vor allem an der Art und Weise, in der die Nikomachische Ethik im kontinentaleuropäischen Raum rezipiert wurde und die seit Thomas von Aquin 4 von einer fortschreitenden Verengung der Sichtweise geprägt war. Zunächst ist es vorrangig immer die austeilende Ge1

Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V, Kapitel 7,1132 a und b (hier und im folgenden zitiert nach der Übersetzung von Dirlmeier). 2 Aus dem unübersehbaren Schrifttum siehe die Darstellungen bei Bien, Gerechtigkeit bei Aristoteles, in: Höffe, (Hrsg.) Die Nikomachische Ethik (1995), 135 [149ff.]; Solomon, Der Begriff der Gerechtigkeit bei Aristoteles (1937), S.24ff.; Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie (1950), S. 180ff.; ders., Die obersten Grundsätze des Rechts (1947), S. 33f„ 4 8 H e n k e l , Einführung in die Rechtsphilosophie (1977), S. 410ff.; Zippelius, Rechtsphilosophie (1994), § 16 II [S. 109f.], §29 II [S.210f.]. 3 Der Begriff der „Gegenleistungskondiktion" für die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung gegenseitiger Verträge wurde von Canaris geprägt und sollte im engeren Sinne der Konzeption vorbehalten bleiben, die er in der Festschrift für Werner Lorenz (1991), S. 19ff., entworfen hat. Die Bedeutung dieser Konzeption erschöpft sich jedoch nicht in einem konkreten Lösungsvorschlag, der auf einer teleologischen Reduktion von § 818 Abs. 3 B G B aufbaut, sondern beinhaltet vor allem die Erkenntnis, daß es sich bei der bereicherungsrechtlichen Rückforderung einer synallagmatischen Leistung um einen eigenständigen Anspruchstyp handelt. In diesem weiten Sinne soll der Begriff - gleichsam als Oberbegriff für die unterschiedlichen Lösungsansätze - im folgenden verwendet werden. 4 Thomas von Aquin, Summa theologiae III, 58, 61 (im folgenden zitiert nach der Ausgabe von Joseph Bernhart).

4

Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

rechtigkeit - die iustitia distributiva - gewesen, die aufgrund ihrer gesellschaftsund wirtschaftspolitischen Brisanz die Diskussion beherrscht hat. Sodann aber hat man mit der ausgleichenden Gerechtigkeit ganz überwiegend nur für den vertraglichen Güteraustausch etwas anzufangen gewußt und sie dort als iustum pretium oder als objektive Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung interpretiert, 5 neuerdings dann eher den prozeduralen Grundcharakter im Sinne eines formellen oder auch subjektiven Äquivalenzprinzips betont. 6 Im Bereich der gesetzlichen Schuldverhältnisse und der defekten Vertragsverhältnisse wird die Gerechtigkeitslehre des Aristoteles praktisch nur noch zur formalen Gliederung des Rechtsstoffs herangezogen, indem man gewisse Regelungen einer iustitia commutativa, andere dagegen einer iustitia distributiva zuordnet. 7 Dagegen vermochte sich der Gedanke, daß etwa der Schadensersatz, der wegen einer unerlaubten Handlung zu zahlen ist, bloß die arithmetische Ausgleichung zwischen Gewinn des Verletzers und Verlust des Verletzten darstelle, in kontinentaleuropäisches Rechtsdenken nie einzupassen. Verhindert wurde dies zum einen durch die einheitliche Übersetzung als iustitia commutativa anstelle von iustitia correctiva oder regulativa,8 die das Element des Tausches hervorhebt, sowie durch die unheilvolle Vermischung von privatrechtlichem Ausgleichsdenken und genuin strafrechtlichem Vergeltungsdenken: 9 Als besonders 5

Hierzu jüngst eingehend Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag (1997), S. 65 ff. mit umfangreichen Nachweisen; symptomatisch auch etwa die Schwerpunktsetzung bei Köhler, A R S P 79 (1993), 457 [464], 6 Sehr klar Canaris, Die Bedeutung der iustitia distributiva im deutschen Vertragsrecht (1997), S. 46ff., der a.a.O., S. 51 ff. allerdings gewisse flankierende materiale Kriterien herausarbeitet. 7 Dabei ist oft unklar, welche Aussagen noch der Konzeption des Aristoteles, und welche „der Gerechtigkeit" allgemein zugeordnet werden; siehe etwa Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie (1950), S. 180ff., der als Bestandteile der ausgleichenden Gerechtigkeit u.a. das Gebot des neminem laedere, das Verschuldensprinzip, pacta sunt servanda, das materielle Äquivalenzprinzip, das Prinzip gleichzeitiger Fälligkeit von Leistung und Gegenleistung, das Vertrauensprinzip und übrigens auch die Vorteilsausgleichung nennt, a.a.O., S. 180, Fn. 1; ähnlich Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie (1977), S. 410f., der zusätzlich die Begünstigtenhaftung anführt. Vgl. auch Waldstein, in: Der Gerechtigkeitsanspruch des Rechts, Festschrift für Mayer-Maly (1996), S. 1 [26, Fn. 59]: „Hier ist so gut wie der gesamte Bereich des Privat- und Strafrechts angesprochen.". 8 Zu den terminologischen Mißverständnissen und ihrer Entstehung bei Thomas von Aquin siehe Bien, in: Höffe (Hrsg.), Die Nikomachische Ethik, S. 135 [150ff.]; Reiner, Grundlagen, Grundsätze und Einzelnormen des Naturrechts (1964), S. 58f. Anzumerken ist, daß der angloamerikanische Rechtskreis im Bereich der gesetzlichen Schuldverhältnisse ausschließlich von corrective justice spricht und die kontinentaleuropäische Terminolgie eher als Relikt der scholastischen Tradition ansieht, vgl. etwa den Hinweis bei Weinrib, The Idea of Private Law (1995), S. 104 [Fn.53], im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit Kant. 9 Vgl. etwa Arthur Kaufmann, Über die gerechte Strafe (1986), in: Kaufmann, Über die Gerechtigkeit (1993), S.39 [42]; Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie, S. 181: „Buße bzw. Ersatz und Schaden sollen einander entsprechen."; Del Vecchio, Lehrbuch der Rechtsphilosophie (1951), S. 82: „Denn auch hier ist ein gerechter Ausgleich nötig, nämlich ein genaues Entsprechungsverhältnis zwischen Verbrechen und Strafe."; ders., Die Gerechtigkeit (1950), S.56f.;

Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

5

unheilvoll muß diese Vermischung deswegen bezeichnet werden, weil nach Aristoteles der Vergeltungsgedanke der ausgleichenden Gerechtigkeit ausdrücklich fremd sein soll.10 Vor allem aber läßt es sich nach unserem Verständnis nicht hinwegdeuten, daß beim Schadensersatz in erster Linie nur der Verlust des Verletzten ausgeglichen wird.11 Ein Verständnis von „Gewinn", das die Verletzungshandlung im Sinne eines Vermögenswerten Genusses als Vorteil des Verletzers ansähe, ist mit der natürlichen Lebensauffassung nur in Einzelfällen vereinbar und muß bereits bei der bloß fahrlässigen Schädigung völlig versagen.12 Der aristotelischen These, wonach im Bereich unfreiwilliger und strittiger freiwilliger Rechtsbeziehungen - wir würden sagen: im Bereich gesetzlicher Schuldverhältnisse und gestörter Vertragsverhältnisse - der Gewinn der einen Seite mit dem Verlust der anderen Seite zum Ausgleich gebracht werden müsse, ist man daher stets mit einem gewissen - und berechtigten - Unbehagen begegnet.13 Demnach ist die mangelnde Rezeption vor allem darauf zurückzuführen, daß bislang eine brauchbare Definition dessen, was als Gewinn und was als Verlust - oder besser: als Vorteil und Nachteil - angesehen werden muß, gefehlt hat. Unmittelbar einleuchtend erscheint die Definition nur beim vertraglichen Leistungsaustausch sowie bei der Rückabwicklung unrechtmäßiger Güterbewegungen, und dort hatte man mit dem Verständnis der ausgleichenden Gerechsymptomatisch auch die Ausführungen von Röhl Die Gerechtigkeitstheorie des Aristoteles aus der Sicht sozialpsychologischer Grundlagenforschung (1992), S.43. Die Ausführungen bei Thomas von Aquin selbst sind ambivalent, vgl. die eher privatrechtlichen Ausführungen Summa theologiae III 62 einerseits und die Ausführungen über Exodus 21ff., a.a.O., III 61,3 sowie über die einzelnen Sünden in III 64ff. andererseits. 10 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V, Kapitel 8,1132 b: „Die Wiedervergeltung paßt weder zu der verteilenden noch zu der regelnden Gerechtigkeit - wiewohl man auch der Gerechtigkeit des Rhadamanthys diesen Sinn unterlegen möchte:,Decken sich Strafe und Tat, so ist der Richtspruch gerade' - denn vielfach zeigt sich die Nichtübereinstimmung....". Zum Verhältnis der Vergeltung zu den beiden Gerechtigkeitsformen siehe im übrigen Nef, Gleichheit und Gerechtigkeit (1941), S.89ff. 11 Vgl. die anschauliche Sprechweise von Fletcher, 106 Harvard Law Review (1993), 1658 [1668] („sunk cost"). 12 Bezeichnenderweise hatte Aristoteles praktisch nur vorsätzliche Schädigungen im Auge, vgl. a.a.O., Kapitel 5,1131a: „Die unfreiwilligen Beziehungen sind (a) teils heimlich, wie Diebstahl, Ehebruch, Giftmischerei, Kuppelei, Abspenstigmachen von Sklaven, Meuchelmord, falsches Zeugnis. Zu einem anderen Teil (b) sind sie gewaltsamer Art, z.B. Mißhandlung, Freiheitsberaubung, Totschlag, schwerer Raub, Verstümmelung, üble Nachrede und entehrende Beschimpfung." Vgl. zu diesem Punkt Perry, 77 Iowa Law Review (1992), 449 [455]; Röckrath, A R S P 1997, 506 [518], 13 Auch Aristoteles selbst hat die Unzulänglichkeit reinen Gewinn-Verlust-Denkens für die Begründung gesetzlicher Ansprüche wohl verspürt und sein Unbehagen an mehreren Stellen deutlich zu erkennen gegeben, vgl. etwa a.a.O., Kapitel 7, 1132a: „Der Ausdruck „Gewinn" wird nämlich ohne weiteres bei derartigen (unfreiwilligen) Vorkommnissen angewendet, auch wenn er für gewisse Fälle eigentlich nicht paßt, zum Beispiel für den, der die Verletzung zugefügt ...". Fraglich die Interpretation von Quentin, Kausalität und deliktische Haftungsbegründung (1994), S. 116, der dies als quasi unwiderlegliche Vermutung deutet, daß die Vornahme der schädigenden Handlung dem Schädiger einen entsprechenden Vorteil gebracht hat.

6

Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

tigkeit im Sinne von Austauschgerechtigkeit bezeichnenderweise auch nie größere Schwierigkeiten. Nachdem sich der von Aristoteles angedeutete Ansatz, wonach sich stets haftungsbegründendes Tun als Vorteil und haftungsbegründendes Erleiden als Nachteil verrechnungsfähig gegenüberstünden, als nicht tragfähig erwiesen hat,14 schien jedoch eine Rettung des Vorteil-Nachteil-Gedankens nicht in Sicht. Indessen soll hier der Versuch unternommen werden, die aristotelische Verrechnungsthese für den Bereich der Haftungsausfüllung fruchtbar zu machen. Die aristotelische Konzeption wird dazu durch das Element des schuldrechtlichen Anspruchs ergänzt, der etwas von der Rechtsordnung Vorgegebenes darstellt und sich aus korrektiven wie distributiven Elementen konstitutiert, jedoch nicht selbst notwendigerweise auf einer wechselseitigen Verrechnung von Gewinnen und Verlusten beruhen muß. Nicht mehr haftungsbegründende Vorteile und Nachteile werden also betrachtet, deren Qualität als „ungerechte" und damit ausgleichsbedürftige Verschiebungen sich nie aus ihrer bloßen Korrelativität heraus erklären läßt, sondern Vorteile und Nachteile, die durch einen gesetzlich angeordneten Korrekturmechanismus entstehen und ihre potentielle rechtliche Relevanz aus diesem Mechanismus ableiten können. Hierzu bedarf es allerdings einer Modellvorstellung, die als Allokatorisches Modell bezeichnet werden soll. Sie beruht darauf, schuldrechtlich relevante Sachverhalte als Verteilungen und Verteilungsstörungen und schuldrechtliche Ansprüche als Mechanismen zu begreifen, die eingetretene Verteilungsstörungen regulieren.

14 Unbegründet ist m. E. allerdings die Kritik, daß das aristotelische Konzept nur bei gleichen Ausgangsvermögen funktioniere und zudem nicht erklären könne, weshalb unentgeltliche Zuwendungen nicht „ungerecht" seien, so aber etwa Röckrath, ARSP1997,506 [518]; richtig dagegen Wright, 77 Iowa Law Review (1992), 625 [692f.].

§ 1 Das Allokatorische Modell Die im folgenden entworfene Modellvorstellung schuldrechtlicher Ausgleichsmechanismen erhebt keinen Anspruch auf erschöpfende, und noch viel weniger auf apriorische oder gar normative Geltung. Sofern begrifflich überhaupt von „Geltung" gesprochen werden kann, so muß diese zunächst immer eine rein praktische sein, d.h. sie reicht nur so weit, wie sich das Allokatorische Modell zur Erklärung juristischer Phänomene jeweils als brauchbar erweist. Ob und inwieweit es die Funktionsweise des geltenden Schuldrechts zutreffend zu erfassen vermag und welcher Erkenntniswert ihm darüber hinausgehend zukommt, kann erst entschieden werden, nachdem die wichtigsten Ansprüche vor seinem Hintergrund analysiert worden sind. Wenn daher im folgenden das Schuldrecht als ein System von Präferenzen zwischen verschiedenen Verteilungen gedeutet wird, dann geschieht auch dies nur unter dem Vorbehalt praktischer Erprobung und kann insbesondere die Frage, wie sich diese Deutung in die laufende System- und Methodendiskussion einordnen läßt, getrost zurückgestellt werden. I. Modellvorstellung

des schuldrechtlichen

Anspruchs

Das Recht der Schuldverhältnisse dient sicher nicht nur der Allokation von Vermögenswerten, sondern will auch als Garant der Privatautonomie und damit als System der Freiheitssicherung verstanden werden15 oder als Instrument der wirtschafts- und sozialpolitischen Lenkung, um nur zwei Aspekte aus einem umfangreichen Funktionenkatalog herauszugreifen.16 Wenngleich sich also seine Bedeutung darin keineswegs erschöpft, hat es doch vordringlich zum Anliegen, im Verhältnis weniger Rechtssubjekte untereinander eine gerechte Vermögensverteilung zu schaffen.17 Dabei kann hier noch dahinstehen, ob die Gerechtigkeit einer Verteilung abhängt von ihrer Konformität mit einer höherrangigen Wertordnung oder von ihren aggregativen bzw. distributiven Konsequenzen, ob von ihrer Gestalt oder von der Art ihres Zustandekommens, ebenso wie noch dahinstehen kann, ob das positiv gesetzte Recht den Gerechtigkeitsbegriff aus 15

Hierzu Fikentscher, Schuldrecht (1997), Rn.4. Ausführlich zu den Funktionen des Schuldrechts etwa Gernhuber, Das Schuldverhältnis (1989), §111 [S. 3ff.]. 17 Die Funktion des Schuldrechts als Vermögensrecht betonen auch Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/1 (1995), §1 vor 1 sowie III [S.lf., 14ff.]. 16

8

Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

sich selbst heraus schöpfen kann. Solange man die Allokation von Vermögenswerten als wesentliche Funktion des Schuldrechts begreift und solange man davon ausgeht, daß dieses neben Rechtsfrieden und Rechtssicherheit vor allem eine - wie auch immer definierte - „Richtigkeit" seiner Ergebnisse erreichen möchte, muß auch angenommen werden, daß es die Stabilisierung erwünschter und die Regulierung unerwünschter Verteilungen anstrebt. 1. Das Schuldrecht als System von Ausgleichsmechanismen Um dieser Funktion gerecht zu werden, bedient sich das Schuldrecht verschiedener Mechanismen, darunter in erster Linie des obligatorischen Anspruchs, also des subjektiven Rechts, von einem anderen ein Tun, Dulden oder Unterlassen fordern zu können.18 Ihrem Wesen entsprechend sind es Unterlassungsansprüche, die erwünschte Verteilungen stabilisieren, und sind es Leistungsansprüche, die als unerwünscht empfundene Verteilungen regulieren sollen. Duldungsansprüche unterscheiden sich von Leistungsansprüchen insofern allein dadurch, daß der Anspruchsgegner an der Erfüllung nicht aktiv mitzuwirken braucht. Im folgenden ist dabei mit Verteilung der Zustand gemeint, in dem sich die Vermögenssphären an einem Rechtsverhältnis beteiligten Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt befinden. Dieser Zustand ist durch das den Beteiligten insgesamt zugeordnete Vermögen und durch dessen spezifische Zuordnung zu den einzelnen Personen definiert. Eine Verteilung ist also gleichsam eine Momentaufnahme der vermögensrechtlichen Verhältnisse bestimmter Rechtssubjekte. Der Vermögensbegriff, der dieser Definition zugrundeliegt, ist dabei ein denkbar weit gefaßter, der nicht nur Sachen, Rechte und marktfähige Chancen umfaßt, sondern vor allem auch immaterielle Rechtsgüter und Handlungsmöglichkeiten.19 a) Verteilungen und Präferenzen Es liegt in der Konsequenz unseres heutigen Verständnisses von einer Wertungsjurisprudenz,20 anzunehmen, daß zwischen verschiedenen möglichen Ver18 Der Begriff des Anspruchs, wie er in § 194 BGB verwendet wird, ist gegenüber demjenigen der Forderung oder des Schuldverhältnisses im engeren Sinn des § 241 BGB der allgemeinere und bezieht sich nicht nur auf das Zweite Buch, vgl. hierzu etwa Medicus, Schuldrecht I (1998), Rn. 6,8. Allerdings ist auch das Bürgerliche Gesetzbuch in seiner Wortwahl nicht ganz konsequent, wie etwa die Vorschrift des § 2176 BGB zeigt. 19 Siehe zu einem solchen Vermögensbegriff Bäh., Zum Strukturwandel des Systems zivilrechtlicher Haftung (1991), S. 11/12. Man vermeidet durch seine Wahl u.a. den Konflikt mit der Absicht des historischen Gesetzgebers, mit dem Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch und gerade ein Recht der immateriellen Güter zu schaffen, vgl. Motive II, S.3, 5. 20 Der Begriff wurde wohl ursprünglich geprägt von Stoll, in: Festgabe für Heck, Rümelin und Schmidt (1931), S.60 [67 Fn. 1, 75 Fn.5]; vgl. auch Lorenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft (1991), S. 119ff.; Fikentscher, Methoden des Rechts III (1976), S.405ff.

§ 1 Das Allokatorische

Modell

9

teilungen ein Präferenzgefälle besteht: Wertung setzt Bewertung voraus, und unterschiedliche Bewertungen bedeuten Präferenz. Wenn die Richtigkeit eines Ergebnisses maßgeblich durch die Abwägung widerstreitender Wertungen im Einzelfall bestimmt wird, dann ist damit impliziert, daß derjenigen Verteilung der Vorzug gebührt, welche den am schwersten wiegenden Wertungen am weitesten gerecht wird. Ihrem Grundtenor nach werden diese Aussage übrigens auch diejenigen unterschreiben müssen, die an die Stelle eines Systems von Wertungen 21 ein System von Begriffen, von Konfliktentscheidungen, von Lebensverhältnissen usw. setzen wollen 22 oder die jede innere Systematik des Privatrechts leugnen. 23 Denn sie alle gehen doch wenigstens von einer materialen Zielgerichtetheit von Normbefehlen aus, von einer ratio legis, und auch Zielgerichtetheit impliziert bereits Präferenz. Daher mag man etwa von einem extrem begriffsjuristischen oder gesetzespositivistischen Ansatz aus zwar annehmen, daß das Bürgerliche Recht den verschiedenen möglichen Verteilungen gleichgültig gegenüberstehe und Normbefehle gleichsam zwanghaft aus einem übergeordneten Rechtsbegriff oder aus dem formalen Geltungsanspruch des Gesetzes folgten, doch muß man dann zumindest die Existenz stabilerer und weniger stabiler Zustände anerkennen, weil anders nicht zu erklären wäre, warum in bestimmten Fällen von Rechts wegen eine Umverteilung stattzufinden hat. 24 Allenfalls wer Recht nur als historische Zufälligkeit, als inkohärentes Konglomerat unjuristisch motivierter Normsetzungsakte begreift, tut sich mit der Annahme rechtlicher Präferenzen schwer. Doch darf eine solche Sichtweise in einer rechtswissenschaftlichen Arbeit - weil den Wissenschaftscharakter der Jurisprudenz leugnend - übergangen werden. 21 Grundlegend Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz (1983), S. 40 ff. 22 Zu diesen Systembegriffen Canaris, a.a.O., S. 19ff. 23 Die Anerkennung des Systemcharakters des Privatrechts ist der Akzeptanz der vorgestellten Konzeption zwar förderlich, weil die Merkmale eines Systems, namentlich Ordnung und Einheit (Canaris, a.a.O., S.llff.), in gewissen Grenzen eine Harmonie der verschiedenen Präferenzen untereinander gewährleisten, sie ist aber für das Allokatorische Modell als solches nicht konstitutiv; zum Zusammenhang mit dem Kohärenzkriterium allerdings unten, Siebentes Kapitel, §17 II 2 [S.605ff.]. 24 Daran ändert sich übrigens auch dann nichts, wenn man annimmt, daß das Recht für manche Fragen keine eindeutige Antwort bereithalte, sondern erst durch richterliches Ermessen geschaffen bzw. konkretisiert werden müsse: Dann drückt sich eben die Präferenz unmittelbar im Ergebnis der richterlichen Ermessensausübung aus. Die vor allem zwischen H.L.A.Hart und Dworkin geführte Kontroverse um die Existenz einer right answer, vgl. hierzu Dworkin, Taking Rights Seriously (1978), S.81ff.; ders., A Matter of Principle (1985), S. 119ff. einerseits sowie H.L.A.Hart, The Concept of Law (1994), S. 141ff., 272ff. andererseits, ist in diesem Zusammenhang also ohne tiefere Bedeutung. Ebenso ist es ohne tiefere Bedeutung, ob die Präferenz sich unmittelbar auf die betrachteten Verteilungen oder in Wahrheit auf deren äußere Effekte bezieht - etwa der Schaffung von Verhaltensanreizen oder der Herbeiführung einer effizienten Ressourcenallokation - vgl. etwa die Unterscheidung zwischen direct und indirect extrinsic functions bei Cane, The Anatomy of Tort Law (1997), S.206ff.

10

Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

Die Begriffe der Allokation oder Verteilung25 sowie der Präferenz dürften heute im wissenschaftlichen Sprachgebrauch mehr oder weniger verankert sein. Die terminologischen Überschneidungen insbesondere mit der Ökonomischen Analyse des Rechts zwingen jedoch zu einer umso klareren Abgrenzung. Danach unterscheidet sich der Verteilungsbegriff der Ökonomischen Analyse vom Verteilungsbegriff des Allokatorischen Modells in seinem Bezugspunkt, weil die Betonung dort auf der Allokation von Ressourcen in einer Volkswirtschaft, hier jedoch auf der Allokation von Vermögen in einem System von zwei oder jedenfalls wenigen Rechtssubjekten liegt.26 Was sodann den Begriff der Präferenz betrifft, so bezeichnet er in der Sprache der Ökonomen eine Handlungsmaxime von Individuen, an der sich wirtschaftlich relevantes Verhalten ausrichtet,27 ist also von Präferenz im Sinne einer Wertungsjurisprudenz bzw. im oben skizzierten Sinne weit entfernt. Der engste Berührungspunkt zur Ökonomischen Analyse dürfte noch im - normativ verstandenen - Effizienzgedanken zu sehen sein. Denn ihm liegt die Vorstellung zugrunde, daß einer bestimmten Allokation von Gütern gegenüber einer anderen der Vorzug gebührt, weil sie dem Ziel der Wohlstandsmaximierung näherkommt, was mit Hilfe des Pareto-Kriteriums oder des Kaldor-Hicks-Kriteriums ermittelt werden kann.28 Der Effizienzgedanke ist damit nichts anderes als eine von vielen denkbaren Wertungen, anhand derer sich Präferenzen im hier zugrundegelegten Sinne ausmachen lassen. Angesichts der tiefgreifenden Unterschiede dürfte der Vorteil, der in der Anschaulichkeit der Begriffe liegt, deutlich überwiegen gegenüber dem in ihnen ruhenden Verwirrungspotential, so daß ihre Wahl trotz der Überschneidungen mit dem Sprachgebrauch der Ökonomischen Analyse gerechtfertigt erscheint. Eine terminologische Überschneidung besteht freilich auch zu den verschiedenen Theorien von Verteilungsgerechtigkeit, etwa im Sinne von Rawls oder Nozick.29 Dabei kann allerdings eine Verwechslungsgefahr insofern von vorneherein nicht bestehen, als es wiederum in der Regel ganz offensichtlich um die 25 Die Begriffe werden hier synonym gebraucht und nehmen keinesfalls Bezug auf die Unterscheidung zwischen allocation of resources einerseits und distribution of wealth andererseits, wie sie von der klassischen Ökonomischen Analyse getroffen wird, vgl. statt aller Coase, The Problem of Social Cost, 3 Journal of Law & Economics 1960, 1 [5], Daß der Begriff „Allokation" in diesem Zusammenhang generell bevorzugt wird, ist darauf zurückzuführen, daß Assoziationen mit iustitia distributiva entgegengewirkt werden soll. 26 Zum Begriff der Verteilung im Sinne der Ökonomischen Analyse etwa Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts (1995), S.6f.; Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts (1986) S.83ff. 27 Hierzu etwa Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, S. 33; Cooter/Ulen, Law and Economics (1997), S. 16ff.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip (1995), S.29,326ff. 28 Siehe die Darstellungen bei Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, S.24ff.; Posner, Economic Analysis of Law (1992), S. 13ff.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 48 ff. 29 Rawls, A Theory of Justice (1972), S.258ff.; Nozick, Anarchy, State, and Utopia (1974), S. 149ff.

# 1 Das Allokatorische

Modell

11

Allokation von Gütern in einer Gesellschaft geht, also ein System von sehr vielen betrachtet wird. Im Rahmen der Diskussion um das Verhältnis zwischen ausgleichender und austeilender Gerechtigkeit ist nun allerdings vertreten worden, daß sich das etwa von einem Geschädigten und dem zugehörigen Schädiger gebildete System als „lokalisierte Verteilung" und der zwischen beiden herzustellende Ausgleich als „lokalisierte Verteilungsgerechtigkeit" deuten lasse.30 Rein äußerlich stimmt der hier zugrundegelegte Verteilungsbegriff mit demjenigen lokalisierter Verteilungen überein, nicht jedoch, was den Blickwinkel betrifft, unter dem das System betrachtet wird. Der hier zugrundegelegte Verteilungsbegriff ist nämlich zunächst ein rein deskriptiver, der als solcher weder eine Wertung in sich trägt noch auch nur die Kriterien angibt, nach denen eine solche Wertung stattfinden könnte. b)

Verteilungsstörungen

Was nunmehr den Begriff der Verteilungsstörung betrifft, so ist damit ein unerwünschtes Abweichen der aktuellen Verteilung von einer hypothetischen, vorzugswürdigen Verteilung gemeint, mit anderen Worten also ein Abweichen der Ist- von der Soll-Verteilung. Freilich läßt sich nahezu immer eine Verteilung zwischen den betrachteten Personen denken, der unter irgendeinem Gesichtspunkt gegenüber der aktuellen Verteilung der Vorzug gebührt. Ein Präferenzgefälle läßt sich also - sofern entsprechend weit definiert - nahezu immer ausmachen. Von diesen unzähligen Präferenzgefällen sind indessen nur sehr wenige geeignet, einen Mechanismus der Umverteilung in Gang zu setzen. Das liegt erstens daran, daß Präferenzgefälle mangels verbindlicher Festlegung des maßgeblichen Gesichtspunkts miteinander kollidieren können, vor allem aber daran, daß Rechtsfrieden, Rechtssicherheit, Vertrauensschutz usw. gleichfalls objektive Wertentscheidungen unserer Rechtsordnung sind, die zwar nicht für oder gegen eine konkrete Verteilung, wohl aber gegen eine allzu rasche t/mverteilung sprechen. Erst wenn die Gesichtspunkte, die für eine Veränderung des bestehenden Zustands sprechen, die hemmenden Elemente überwiegen, kann ein entsprechender Ausgleichsmechanismus ausgelöst werden.31 Es erscheint gerechtfertigt, in bildlicher Ausdrucksweise von einem gewissen „Trägheitsverhalten" des Rechts zu sprechen. Damit soll veranschaulicht werden, daß es ver30 So spricht etwa Fletcher, 106 Harvard Law Review (1993), 1658 [1668] von „transactionbased distributive justice", oder Perry, 77 Iowa Law Review (1992), 449 [461 ff.] von „localized distributive justice". 31 Das Verteilungsmodell entspricht dabei in gewisser Weise dem mechanischen Modell der schiefen Ebene, auf deren oberen Ende ein Klotz ruht. Obgleich die Schwerkraft den Klotz in Richtung des unteren Endes zieht und obgleich diese Lage für ihne energetisch stabiler wäre, verändert er nicht schon bei jedem noch so schwachen Gefälle seine Position. Denn eine Vielzahl von Reibungskräften lassen ihn in seiner Lage verharren. Erst wenn das Gefälle groß genug wird, überwindet der Klotz die Reibungskräfte und gerät in Bewegung.

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Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

gleichsweise starker Argumente bedarf, um eine bestehende Verteilung zugunsten einer besseren Verteilung abzuändern. Manche Verteilungsstörungen sind jedoch aufgrund ihrer Art oder aufgrund der Umstände ihrer Entstehung so gravierend, daß eine Umverteilung zu erfolgen hat. Diese wird in privatrechtlichen Regulierungsmodellen typischerweise dadurch erreicht, daß ein Beteiligter einen Anspruch gegen den anderen erhält, d.h. durch die Schaffung von Anspruchstatbeständen hat das Gesetz zugleich konkretisiert, welche Veränderungen der bestehenden Verteilung als „ungerecht" im Sinne der iustitia correctiva bzw. der iustitia commutativa zu gelten haben. Erst dann kann auch von einer Verteilungsstörung im privatrechtlichen Sinn gesprochen werden. Parallel dazu existieren Verteilungsstörungen im öffentlichrechtlichen Sinn, die durch öffentlichrechtliche Mechanismen reguliert werden. 32 Ist etwa Anton im Besitz eines Wagens mit nur drei Rädern und Berta im Besitz eines einzelnen passenden Rades, dann mag es vom wirtschaftlichen, moralischen usw. Standpunkt aus als die „bessere" Verteilung erscheinen, wenn Anton auch das vierte Rad und Berta dafür von ihm einen entsprechenden Geldbetrag erhält. Dennoch sprechen nach geltendem Recht systemkonstituierende Gründe - namentlich Vertragsfreiheit und Eigentumsgarantie - gegen eine privatrechtliche oder öffentlichrechtliche Umverteilung des Rades von Anton auf Berta. Die Einschätzung ändert sich, wenn Anton Eigentümer auch des Rades ist und Berta das Rad ohne Einverständnis des Anton an sich genommen hat. Das Präferenzgefälle zwischen Ist- und Sollverteilung ist dann regelmäßig ein privatrechtlich relevantes, so daß eine Umverteilung angezeigt ist. c)

Ausgleichsansprüche

Ein schuldrechtlicher Anspruch, der eine Verteilungsstörung regulieren soll, kann als Ausgleichsanspruch bezeichnet werden. Nicht alle schuldrechtlichen Ansprüche sind Ausgleichsansprüche, und der Charakter als Ausgleichsanspruch kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Während es bei einem Schadensersatzanspruch wegen Eigentumsverletzung gleichsam auf der Hand liegt, 32 Das Konzept der Störungsregulierung innerhalb eines überschaubaren Systems von Privaten ist nicht denknotwendig, weil auch eine Lösung im Wege eines kollektiven Sicherungssystems - etwa eines Entschädigungsfonds - oder vollkommener staatlicher Lenkung - etwa Einziehung von Vermögenswerten durch den Fiskus und ihre Neuverteilung - theoretisch möglich wäre. Damit ist indessen m. E. nicht nur der Bereich des Privatrechts, sondern auch derjenige der iustitia correctiva verlassen. Anders noch die frühen Werke von Jules Coleman, siehe etwa Coleman, Corrective Justice and Wrongful Gain, 11 Journal of Legal Studies (1982), 421 [422ff.]; ders., 63 Chicago-Kent Law Review (1987), 451 [460ff.]; ders., 67 Indiana Law Journal (1992), 349 [351 ff.], der zwischen grounds of recovery or liability und modes of recovery or liability unterscheidet; danach würde die ausgleichende Gerechtigkeit etwa sagen, daß ein bestimmter Verlust auszugleichen ist, nicht jedoch zugleich auch, daß dies just durch den Schädiger zu erfolgen habe.

§ 1 Das Allokatorische

Modell

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daß er der Regulierung einer Verteilungsstörung dient, ist dies bei einem werkvertraglichen Nachbesserungsanspruch schon weniger der Fall und will bei einem vertraglichen Erfüllungsanspruch gar nicht einleuchten. aa) Abgrenzung zu anderen Ansprüchen Die intuitiv unterschiedliche Einordnung läßt sich auf den Punkt bringen, daß der Erfüllungsanspruch nicht die Reaktion auf ein unerwünschtes Ereignis darstellt, sondern auf die grundsätzlich erwünschte Ausübung der Privatautonomie und die aktive Teilnahme am Wirtschaftsverkehr. Das Merkmal des Unerwünschten ist dem Begriff der Verteilungsstörung aber immanent. Bei näherem Hinsehen scheint diese einfache Unterscheidung zwischen erwünschten und unerwünschten Ereignissen freilich zu verschwimmen. Denn auch dem vertraglichen Erfüllungsanspruch - etwa dem Anspruch des Käufers auf Übereignung und Übergabe der Kaufsache - liegt insofern eine Abweichung der Ist- von der Soll Verteilung zugrunde, als zumindest nach Fälligkeit des Anspruchs jeder weitere Verbleib der Sache beim Verkäufer rechtlich mißbilligt ist. Dennoch läßt sich die Unterscheidung weiterhin sinnvoll durchführen, weil der Erfüllungsanspruch nun einmal aufgrund eines erwünschten Ereignisses entstanden ist und eine etwaige Abweichung der Ist- von der Soll-Verteilung erst aus diesem Anspruch resultiert, d.h. ihm gedanklich nachgeordnet ist, und nicht umgekehrt der Anspruch die Reaktion des Gesetzes auf eine Abweichung der Ist- von der Soll-Verteilung darstellt. Etwaige Rechte des Käufers wegen Verzugs des Verkäufers usw. können dagegen selbstredend wiederum als Ausgleichsansprüche qualifiziert werden. Doch handelt es sich dabei eben um andere, neu entstehende Ansprüche. Dabei drängt sich die Frage auf, nach welchen Kriterien sich die Erwünschtheit oder Unerwünschtheit eines Ereignisses und damit die Abgrenzung der Ausgleichsansprüche von anderen Ansprüchen im einzelnen bestimmt. Man wird sie letztlich nur mit einem Hinweis auf die Wertungen beantworten können, die sich dem Gesamtkontext unserer Rechts- und Werteordnung entnehmen lassen, wonach etwa die Ausübung der Privatautonomie grundsätzlich mit Wohlwollen, die Zerstörung fremden Eigentums dagegen mißbilligend betrachtet wird. bb) Vergleich mit dem Geltungsbereich der ausgleichenden Gerechtigkeit An dieser Stelle sei angemerkt, daß dadurch scheinbar eine Divergenz entsteht zwischen den Ausgleichsansprüchen und jenen Ansprüchen, die Aristoteles dem Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit zugeordnet hat. Denn der ausgleichenden Gerechtigkeit sollen auch die freiwilligen Rechtsbeziehungen unterfallen, also die vertraglichen Ansprüche, und damit auch und vor allem die vertraglichen Erfüllungsansprüche.

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Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

Die Austauschgerechtigkeit, also letztlich - mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung - das formelle oder materielle Äquivalenzprinzip, wurde stets als Kernaussage der aristotelischen Gerechtigkeitslehre betrachtet. Gefolgert hat man dies nicht zuletzt auch aus der Zusammenschau mit anderen Schriften, in denen Aristoteles das herrschende Gewinnstreben als etwas Unnatürliches bezeichnet und der Ökonomie als der anzustrebenden Erwerbskunst entgegensetzt.33 Indessen wird man der aristotelischen Konzeption damit wohl nicht ganz gerecht, weil man nicht deutlich genug zwischen den wesensmäßig juristischen Aussagen der Nikomachischen Ethik einerseits und dem eudämonistischen Vorverständnis sowie den wesensmäßig politischen Aussagen vieler aristotelischer Schriften andererseits trennt. 34 Es mag danach der Idealvorstellung vom sittlich handelnden Individuum im Verkehr mit ihm gleichgeordneten Individuen entsprechen, auf die Realisierung von Tauschwerten zu verzichten, denen kein entsprechender Gebrauchsvorteil des anderen gegenübersteht. Dagegen kann den entsprechenden Abschnitten der Nikomachischen Ethik deutlich entnommen werden, daß Aristoteles die Gewinnerzielung durch Handel als wirtschaftliches Phänomen erkennt und vom juristischen Standpunkt aus auch grundsätzlich akzeptiert, daß dabei korrespondierende Gewinne und Verluste entstehen.35 Es läßt sich sogar mit guten Gründen vertreten, daß die ausgleichende Gerechtigkeit bei Aristoteles in verschiedenen Unterformen auftritt. Eher im Hintergrund steht eine Vorstellung von Tauschgerechtigkeit, die in der Tat alle ungestörten vertraglichen Erfüllungsansprüche betrifft, die aber eine Mittelstellung einnimmt zwischen moralischem Gebot und bloßer Beschreibung des Marktgeschehens. Sie gilt eben dort, „wo das Gesetz freie Hand läßt". Gegenstand der ausgleichenden Gerechtigkeit im engeren Sinne, also in dem Sinne, wie er der austeilenden Gerechtigkeit gegenübergestellt wird, ist jedoch nicht der frei und in geregelten Bahnen ablaufende rechtsgeschäftliche Verkehr, sondern der gestörte. Nicht die Parteien, sondern der Richter ist zur Herstellung dieser Gerechtigkeit berufen: 36 „Wenn es daher Streitigkeiten gibt, so geht man 33 Aristoteles, Politik, Erstes Buch, 8. bis 11. Kapitel, 1256 a bis 1259 b; vgl. etwa Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S. 59ff. 34 Zum Zusammenspiel der einzelnen Elemente sehr treffend Wright, 77 Iowa Law Review (1992), 625 [683ff.]. 35 Sehr deutlich Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V, Kapitel 7 (1132b): „Diese Begriffe - sowohl,Verlust' als auch,Gewinn' - stammen aus dem freiwilligen Güteraustausch. Denn einen Zuwachs über den ursprünglichen Besitzstand hinaus nennt man ,Gewinn', und die Verminderung des ursprünglichen heitßt,Verlust erleiden'. Das kommt zum Beispiel vor bei Kauf und Verkauf und überall da, wo das Gesetz freie Hand läßt." 36 Die Unterscheidung zwischen Austauschgerechtigkeit und gerichtlich herzustellender Gerechtigkeit trifft etwa auch Del Vecchio, Lehrbuch der Rechtsphilosophie, S.82f.: „An dieser Stelle hat nach Aristoteles... eine weitere Untereinteilung stattzufinden. Die richtigstellende oder ausgleichende Gerechtigkeit kann in zwei verschiedenen Formen in Erscheinung treten, entweder in der, daß die Gestalt der Wechselbeziehungen nach einem bestimmten Maß-

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zum Richter...".37 Ansprüche, die Äquivalenzstörungen beheben sollen, unterfallen jedoch wiederum dem hier gebildeten Begriff des Ausgleichsanspruchs, so daß die gefürchtete Divergenz nicht entsteht. Erst recht dem hier gebildeten Begriff des Ausgleichsanspruchs unterfallen jene Mechanismen, die keine Äquivalenzstörungen im engeren Sinne, sondern die Folgen vertragswidrigen Verhaltens beheben wollen. Im letztgenannten Bereich sollte übrigens m. E. besser nicht von iustitia commutativa, sondern von iustitia correctiva gesprochen werden, weil das Element des gerechten Tausches immer mehr hinter das Element der Verletzung fremder Rechte zurücktritt.38 Eine Divergenz ergibt sich freilich, wenn man mit einer im Vordringen befindlichen Ansicht die Gefährdungshaftung dem Bereich der austeilenden Gerechtigkeit zuordnen möchte, weil es dabei nicht um die Regulierung von Unrecht, sondern von Unglück gehe.39 Denn Ansprüche aus Gefährdungshaftung sind ganz sicher Ausgleichsansprüche im hier verstandenen Sinn. Daß dem attischen Recht eine Haftung für erlaubtes Tun unbekannt war und Aristoteles daher unbekümmert die Begriffe „Unrecht" und „Tun" abwechselnd verwenden konnte, bedeutet allerdings m. E. noch nicht, daß das Element des schuldhaften Unrechts für die ausgleichende Gerechtigkeit schlechthin konstitutiv ist, und andere Aspekte - namentlich der Aspekt der Gleichordnung der beteiligten Individuen - sprechen wiederum dafür, in der Gefährdungshaftung eine Ausprägung der ausgleichenden Gerechtigkeit zu sehen. Angemerkt sei, daß hier - also im Bereich gesetzlicher Schuldverhältnisse - ist die Übersetzung als iustitia correctiva die einzig zutreffende ist.40

Stabe gebildet wird, in welchem Falle sie sich als austauschende Gerechtigkeit darstellt - oder in der, daß über jene Gestalt dieser Maßstab bei Streitigkeiten, also beim Dazwischentreten der Gerichte entscheiden soll, in welchem Falle sie als gerichtliche Gerechtigkeit zur Darstellung kommt."; ähnlich, aber etwas anders in der Schwerpunktsetzung bei ders., Die Gerechtigkeit, S. 56f. 37 Aristoteles a.a.O., 1132 a. 38 Es handelt sich dabei allerdings um eine rein terminologische Frage, die in der Sache nichts ändert. Die hier gewählte Grenzziehung zwischen Mechanismen zur Behebung von Äquivalenzstörungen im engeren Sinne einerseits (also v. a. Wegfall der Geschäftsgrundlage) und Mechanismen zur Wiederherstellung vertraglich begründeter Rechte andererseits (also v. a. Schadensersatz) hat etwa den Vorteil, daß vertragliche Schadensersatzansprüche, die teilweise das Erfüllungs- und teilweise das Integritätsinteresse betreffen, einheitlich der iustitita correctiva zugeordnet werden können. 39 So Esser, Grundlagen und Entwicklung der Gefährdungshaftung (1969), S.69ff.; Blaschczok, Gefährdungshaftung und Risikozuweisung (1993), S.7; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994), § 8 4 1 2 c) [S. 607 f.] m.w.N., der seinen Standpunkt jetzt allerdings etwas abgeschwächt hat, vgl. ders., Die iustitia distributiva im deutschen Vertragsrecht, S. 14f.; Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie, S. 181; Spyridiakis, in: Festgabe Sontis (1977), S.241 [251]. 40 Siehe die Nachweise oben, Fn. 8; wie selbstverständlich geht davon auch Höffe, in: John Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit (1998), S.271 [283], aus.

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Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

2. Störungen der Realverteilung und Störungen der Wertverteilung Wenn eine Verteilung gleichsam als Momentaufnahme der Vermögenssphären der beteiligten Personen definiert sein soll, so kann diese Momentaufnahme auf zwei unterschiedliche Größen bezogen werden. Die eine denkbare Bezugsgröße ist das Vermögen als Menge konkreter Rechtsgüter, die andere hingegen das Vermögen als abstrakter und bezifferbarer Wert.41 Soweit eine Verteilung sich auf die gegenständliche Zusammensetzung des Vermögens bezieht, soll sie als Realverteilung, soweit sie den rechnerischen Gesamtwert des Vermögens betrifft, soll sie als Wertverteilung bezeichnet werden. a) Vermögen als Menge von Gütern Unter Realverteilung ist demnach der Bestand an materiellen wie immateriellen Gütern zu verstehen, die den betrachteten Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt rechtlich zugeordnet sind. Mathematisch läßt sich die Realverteilung nur durch eine entsprechende Mengenschreibweise ausdrücken. Besteht also das Vermögen des Anton aus einem Apfel im Wert von 30 und einer Birne im Wert von 20 und das Vermögen der Berta aus einer Birne gleichen Werts sowie einer Pflaume im Wert von 10, dann schreibt sich die Verteilung A = {Apfel; Birne!} A B = {Birne2; Pflaume}.42 Als Güter kommen dabei nicht nur materielle wie immaterielle, sondern auch körperliche wie unkörperliche Gegenstände in Betracht. Dazu gehört selbstverständlich auch Geld, das entweder körperlich in der Form bestimmter Scheine und Münzen oder aber unkörperlich etwa in der Form einer Forderung gegen die Hausbank in Erscheinung tritt. Obgleich im Falle von Geldvermögen die Grenzen zwischen Realverteilung und Wertverteilung zu verschwimmen scheinen, ist es doch möglich, beide Betrachtungsweisen deutlich voneinander zu trennen. Denn kennzeichnendes Merkmal der Realverteilung ist es allein, daß sie sich auf prinzipiell individualisierbare Gegenstände bezieht. Bargeld läßt sich jedoch durch faßbare und gegebenenfalls numerierte Scheine und Münzen individualisieren, und Buchgeld etwa durch Inhalt und historischen Entstehungsgrund einer Forderung gegen die Bank. Selbstverständlich umfaßt die Realverteilung gleichsam als negative, d.h. wertmäßig negativ zu Buche schlagende Vermögensgüter auch Verbindlichkeiten.

41 Für den Bereich des Schadensrechts zu dieser Unterteilung etwa Walsmann, Compensatio lucri cum damno (1900), S. 10f.; Oertmann, Die Vorteilsausgleichung beim Schadensersatzanspruch (1901), S. 6ff.; Zeuner, AcP 163 (1964), 380 [382ff.]; Keuk, Vermögensschaden und Interesse (1972), S.20ff. 42 Streng genommen müßte nach der Art der Zuweisung unterschieden werden, d.h. eine korrekte Schreibweise wäre etwa A = (Eigentum an Apfel; Besitz an Birne!) A B = (Eigentum an Birne2; Pfandrecht an Pflaume), doch soll im Interesse der Übersichtlichkeit im folgenden davon ausgegangen werden, daß im Zweifel Inhaberschaft am von der Rechtsordnung vorgesehenen Vollrecht gemeint ist.

§ 1 Das Allokatorische

Modell

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b) Vermögen als rechnerischer Wert Demgegenüber ist mit Wertverteilung der rechnerisch bezifferbare Gesamtwert gemeint, den die betrachteten Vermögenssphären zum betreffenden Zeitpunkt aufweisen. Während sich die Realverteilung nur durch die Aufzählung sämtlicher Rechtsgüter erfassen läßt, aus denen sich die Vermögenssphären zusammensetzen, kann die Wertverteilung in einem einzigen Betrag oder - je nach der Anzahl der betrachteten Personen - in wenigen Beträgen ausgedrückt werden. Damit läßt sich die Wertverteilung bedeutend einfacher darstellen als die Realverteilung. So schreibt sich etwa im obengenannten Beispiel die Wertverteilung A = (30 + 20) = 50 A B = (20 + 10) = 30. D e r einfacheren Möglichkeit der Darstellung stehen natürlich erhebliche Bewertungsprobleme gegenüber. D e n n die Wertverteilung baut insofern auf der Realverteilung auf, als der Wert des Vermögens sich erst aus den Werten seiner Einzelbestandteile ergibt, die im Wege einer Gesamtsaldierung miteinander verrechnet werden. Die Wertverteilung beruht damit auf einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise und geht zumindest in ihrem Ansatz von der beliebigen Ersetzbarkeit aller Güter aus. aa) Der maßgebliche

Wertbegriff

Auch der rechnerische Wert kann freilich auf verschiedene G r ö ß e n bezogen sein, so zum einen auf den objektiven Verkehrswert oder auch Marktpreis und zum anderen auf einen - wie auch immer definierten - subjektiven Wert. In Wahrheit dürfte zwischen objektivem und subjektivem Wert allerdings kein prinzipieller, sondern nur ein gradueller Unterschied bestehen. D e n n auch die Begriffe des Marktes und des Marktpreises sind notwendig subjektbezogen und hängen namentlich von Ort und Zeit des Geschehens sowie von der Stellung des Vermögensträgers im Wirtschaftsgefüge ab: Es ist offensichtlich, daß eine Ware in den U.S.A. einen anderen Verkehrswert haben kann als in der Bundesrepublik und daß sie für den Hersteller einen anderen Verkehrswert hat als für den Händler, und für den Händler wiederum einen anderen Verkehrswert als für den Verbraucher. Ferner ist zu beachten, daß es für jedes Rechtssubjekt mindestens einen Ankaufsmarkt und einen Verkaufsmarkt gibt und daß die Zuordnung eines Gegenstands zu einem dieser Märkte davon abhängt, ob der betreffende Gegenstand zum Behalten oder zum Veräußern bestimmt ist. Insofern enthält alles, was gemeinhin als „objektiver Verkehrswert", „Marktpreis" usw. bezeichnet wird, notwendig eine subjektve Komponente. Für das Allokatorische Modell kann es nicht darum gehen, den „richtigen" Wertbegriff zu ermitteln, sondern nur darum, einen für seine Zwecke brauchbaren Wertbegriff zu definieren. Dieser sollte im Interesse einer sicheren und eindeutigen Ableitbarkeit der Wertverteilung aus der Realverteilung aller subjektiven Elemente so weit wie möglich entkleidet sein, wie den Kenntnissen und

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Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

Fähigkeiten des Vermögensträgers, seinen persönlichen Plänen usw. Daher ist etwa der Gebrauchswert, also derjenige Wert, den der konkrete Vermögensträger unter den gegebenen Umständen realisieren kann und der etwa bei Handelsware meist im Verkaufswert besteht, für das Allokatorische Modell nicht hilfreich. Vielmehr wird man sich zweckmäßigerweise an dem Preis orientieren müssen, den ein typisierter Vermögensträger auf dem maßgeblichen Ankaufsmarkt zahlen müßte, um ein entsprechendes Wirtschaftsgut zu erlangen, weil dieser Preis noch am verläßlichsten feststellbar ist. bb)

Interdependenzen

Der oben aufgezeigte Zusammenhang, wonach die Wertverteilung gedanklich auf der Realverteilung aufbaut, bringt es mit sich, daß einer bestimmten Realverteilung zu einem bestimmten Zeitpunkt stets eine bestimmte Wertverteilung entspricht, daß sich aber einem betragsmäßigen Wert nicht auch eindeutig eine bestimmte Realverteilung zuordnen läßt. Bei Kenntnis bzw. Ermittelbarkeit der einzelnen rechnerischen Werte kann also aus der Schreibweise als A = {Apfel; Birnej} A B = {Birne2; Pflaume) unmittelbar die Schreibweise A = 50 A B = 30 abgeleitet werden. Umgekehrt ist aber aus A = 50 A B = 30 nicht mehr zu erkennen, über welche konkreten Güter Anton und Berta jeweils verfügen können. Das rechtfertigt es, in der Wertverteilung gleichsam ein Minus zur Realverteilung zu sehen. Allerdings gilt dieses Verhältnis von Realverteilung und Wertverteilung immer nur in bezug auf einen konkreten Zeitpunkt, weil der Marktwert von Vermögensgegenständen Schwankungen unterworfen ist. Diese Interdependenzen zwischen den einzelnen Verteilungstypen bringen es mit sich, daß eine Verteilungsstörung zwar regelmäßig zugleich eine solche der Real- und der Wertverteilung ist, daß aber auch Störungen nur der Realverteilung oder nur der Wertverteilung denkbar sind. Nur eine Störung der Realverteilung liegt etwa bei wertneutralen Austauschvorgängen vor: Werden Apfel und Birne des Anton rechtswidrig gegen eine Mango im Wert von 50 vertauscht, dann bewirkt das keine Störung der Wertverteilung, weil sich das Vermögen des Anton nach wie vor als A = 50 darstellt. Hingegen liegt eine Störung der Realverteilung vor, weil diese sich von der Soll-Verteilung {Apfel; Birne) hin zur IstVerteilung {Mango} entwickelt hat. Gleichfalls nur eine Störung der Realverteilung wird dadurch bewirkt, daß eine Person immaterielle Vorteile erlangt oder immaterielle Nachteile erleidet. Wird im Beispielsfall der Apfel gegen den Willen des Anton aus dessen kunstvoll arrangiertem Obstkorb genommen und in die Küche gelegt, dann liegt eine Störung der Realverteilung vor, die sich von der Soll-Verteilung {Apfel; Birne; schöner Anblick} hin zur Ist-Verteilung {Apfel; Birne} gewandelt hat, während die Wertverteilung unverändert bleibt. Allerdings sollte an dieser Stelle angemerkt werden, daß ein Vorteil oder Nachteil nicht per se materieller oder imma-

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terieller Natur ist, sondern daß seine Qualität maßgeblich davon abhängt, ob die jeweilige Rechtsordnung bereit ist, ihn notfalls in Geld zu bewerten, d.h. durch eine entsprechende Geldsumme zu ersetzen. 43 Zwar wird keine „vernünftige" Rechtsordnung das Eigentum an einer Sache als immaterielles oder innere Zufriedenheit als materielles Gut einordnen, doch existiert eine breite Grauzone von Risiken, Chancen, Nutzungsmöglichkeiten usw., deren Einordnung so oder so erfolgen kann. Entschließt sich also im Beispielsfall die maßgebliche Rechtsordnung dazu, den schönen Anblick in Geld zu bewerten, ist zugleich auch eine Störung der Wertverteilung zu verzeichnen. Dagegen liegt lediglich eine Störung der Wertverteilung, nicht aber auch eine solche der Realverteilung vor, wenn sich lediglich der Verkehrswert einzelner Rechtsgüter ändert, ohne daß zugleich auch ein Eingriff in die gegenständliche Zusammensetzung einer Vermögenssphäre stattgefunden hätte. Sinkt der Marktpreis für Äpfel von 30 auf 20, dann bleibt es bei der ursprünglichen Realverteilung, die sich nach wie vor als A = {Apfel; Birne!} A B = {Birne2; Pflaume} schreibt. Hingegen stellt sich die Wertverteilung nunmehr als A = 40 A B = 30 da, hat sich also verändert. c) Kriterien für die Ermittlung des auslösenden

Störungstypus

Ein Ausgleichsanspruch stellt die Reaktion des Gesetzes auf eine bestimmte Verteilungsstörung dar, die den Tatbestand des Anspruchs erfüllt und dadurch den entsprechenden Normbefehl auslöst. Dabei ist es in bezug auf einen bestimmten Ausgleichsanspruch sowohl denkbar, daß er auf eine Störung der Realverteilung reagiert, als auch, daß er durch eine Störung der Wertverteilung ausgelöst wird. Aufgrund der Interdependenzen zwischen Realverteilung und Wertverteilung kann die Entscheidung, ob der betreffende Anspruchstatbestand durch eine Störung der Realverteilung, durch eine Störung der Wertverteilung oder gar durch entweder den einen oder den anderen Störungstypus erfüllt wird, im Einzelfall schwierig sein. aa) Wertende Betrachtung Das sicherste Kriterium dürfte dasjenige der Wertungen sein, die dem entsprechenden Normbefehl zugrundeliegen. Beruht das im Anspruchstatbestand zum Ausdruck kommende Präferenzgefälle darauf, daß ein konkretes Rechtsgut in einer Vermögenssphäre fehlt, in der es sich befinden sollte, oder daß es sich in einer Vermögenssphäre befindet, in die es nach der maßgeblichen Güterzuordnung nicht gehört, reagiert der Anspruch auf eine Störung der Realverteilung. 43 So gesehen enthält § 253 BGB einen klassischen Zirkelschluß, weil die Frage, ob ein Vermögensschaden oder ein Nichtvermögensschaden vorliegt, vor allem davon abhängt, ob er in Geld ersetzbar ist; zur Abhängigkeit vom jeweiligen Vermögensbegriff schon Heldrich, NJW 1967,1737 [1739],

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Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

Die zugrundeliegenden Wertungen sind zuweisender Art. Symptomatisch sind daher Wertungsmuster wie „... gebührt (nicht) ..., ist (nicht) zugeordnet..." usw. So beruht etwa der Vindikationsanspruch aus § 985 B G B vergleichsweise offensichtlich auf der Wertung, daß der Besitz an der Sache dem Anspruchsteller als Eigentümer gebührt, und nicht dem Anspruchsgegner. Eine Vindikationslage stellt daher eine typische Störung der Realverteilung dar. Beruht das Präferenzgefälle demgegenüber auf einem rein wirtschaftlichen Ungleichgewicht, stellt der betreffende Anspruchstatbestand eher auf eine Störung der Wertverteilung ab. Die zugrundeliegenden Wertungen sind typische Billigkeitserwägungen, wie etwa „... darf keinen Nachteil daraus erleiden, daß ..., soll nicht daraus profitieren, daß ..." und ähnliche Gedanken. Hat beispielsweise der berechtigte Geschäftsführer zur Ausführung einer Besorgung eigenes Briefporto aufgewendet, dann hat er einen Anspruch auf Ersatz aus § 670 BGB. Dieser Anspruch beruht aber nicht auf der Wertung, daß der Geschäftsführer die konkreten Briefmarken richtigerweise nicht hätte verlieren dürfen, sondern allein darauf, daß er aus der fremdnützigen Tätigkeit wenigstens keinen wirtschaftlichen Nachteil erleiden soll. Wie das Beispiel zeigt, läßt sich die Frage, welche Wertungen einem bestimmten Anspruchstatbestand zugrundeliegen, oftmals nur nach der natürlichen Lebensauffassung beantworten. bb) Betrachtung der entsprechenden

Grenzfälle

Ergänzend kann gefragt werden, ob der betreffende Ausgleichsanspruch auf wertneutrale Austauschvorgänge oder auf Bewegungen immaterieller Güter reagiert. Auch auf diese Weise läßt sich in der Regel feststellen, ob anspruchsauslösend eine Störung der Realverteilung oder eine solche der Wertverteilung wirkt. So entfällt der Vindikationsanspruch aus § 985 BGB nicht allein deswegen, weil der Besitzer dem Eigentümer einen dem Verkehrswert der Sache entsprechenden Geldbetrag überwiesen hat oder weil es sich bei der zu vindizierenden Sache um einen persönlichen Brief ohne Verkehrswert handelt. Der Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers aus § 670 BGB dagegen entfällt, wenn die geopferten Briefmarken durch andersartige oder durch einen entsprechenden Geldbetrag ersetzt werden, und er umfaßt keinen Ausgleich für ein geopfertes Photo mit bloßem Affektionsinteresse. Das Kriterium der Beachtlichkeit reiner Wertschwankungen, das theoretisch gleichfalls zur Unterscheidung herangezogen werden könnte, ist dagegen praktisch kaum brauchbar, weil Schwankungen des Verkehrswerts in aller Regel keinem der Beteiligten zugerechnet werden können und schon deswegen einen Anspruchstatbestand kaum erfüllen werden.

§ I Das Allokatorische

Modell

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3. Realausgleich und Wertausgleich Den beiden denkbaren Bezugsgrößen einer Verteilungsstörung - und damit auch des Tatbestands eines Ausgleichsanspruchs - entsprechen zwei denkbare Bezugsgrößen auf der Rechtsfolgenseite: Jede Umverteilung, die vom Gesetz aufgrund einer anspruchsauslösenden Verteilungsstörung angeordnet wird, kann entweder eine Umverteilung konkreter Vermögensgüter oder eine Umverteilung abstrakt rechnerischer Werte sein. Da sich abstrakt rechnerische Werte als solche schlecht übertragen lassen, erfolgt der Ausgleich in der gegenständlich neutralsten Form, also in Geld. In Anlehnung an die bisher verwendete Terminologie kann dabei von Realausgleich einerseits und von Wertausgleich andererseits gesprochen werden. a) Die Doppeldeutigkeit von Geldleistungen Die Abgrenzung zwischen Realausgleich einerseits und Wertausgleich andererseits fällt vergleichsweise leicht, wenn der Anspruch - wie im Fall der Vindikation - von vorneherein und nur auf gegenständliche Leistung gerichtet ist, weil dann alles auf einen Realausgleich hindeutet. Schwierigkeiten treten dagegen auf, sobald nicht mehr ein bestimmter Gegenstand, sondern Geld als solches geschuldet ist. Hat also etwa der Besitzer eine unvertretbare Sache des Eigentümers in Kenntnis seiner mangelnden Berechtigung schuldhaft zerstört, dann ist er dem Eigentümer gemäß §§989, 990 Abs.1, 249, 251 Abs.l BGB zum Schadensersatz in Geld verpflichtet. Daß sich die gegenständliche Zusammensetzung des dem Eigentümer zugeordneten Vermögens dabei verändert, obgleich eigentlich gegenständliche Herstellung geschuldet war, wird dabei akzeptiert, was auf einen Wertausgleich hindeuten könnte. Andererseits begegnet diese Qualifizierung aber durchgreifenden Bedenken, wenn man sich Funktion und Charakter derartiger Ersatzleistungen vor Augen führt: Zwar ist Realausgleich immer in erster Linie auf eine Umverteilung konkreter Rechtsgüter gerichtet, doch scheitert die gegenständliche Umverteilung oft an den faktischen Gegebenheiten, so etwa daran, daß der umzuverteilende Gegenstand zerstört oder beschädigt worden ist. Dann bleibt - will man auf einen Ausgleich nicht völlig verzichten - nichts anderes übrig, als dem Gläubiger stattdessen einen gleichartigen Gegenstand oder einen entsprechenden Geldbetrag zukommen zu lassen. Ersatzleistungen stellen demnach wesensmäßig nur ein Surrogat für die idealiter geschuldete gegenständliche Leistung dar, weshalb sie funktionell weiterhin dem Typus des Realausgleichs zuzuordnen sind. Sie beruhen auf dem Gedanken, daß dem Gläubiger ein bestimmtes Rechtsgut und bei Scheitern des gegenständlichen Ausgleichs hilfsweise ein Ersatzgegenstand gebühre, der meist zweckmäßigerweise in Geld besteht. Reiner Wertausgleich dagegen ist von vorneherein und immer nur auf Geld als der neutralsten aller denkbaren Ausgleichsmaterien gerichtet.

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Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

Die Unterscheidung läßt sich anhand des schon mehrfach bemühten Beispiels verdeutlichen: Stellt sich die Soll-Verteilung als A = {Apfel; Birne!) A B = {Birne2; Pflaume} dar und die Ist-Verteilung als A = {Apfel} AB = (Birne); Birne2; Pflaume}, dann besteht die von Berta an Anton zu erbringende Ausgleichsleistung aus {Birne!}. Ist dieser Gegenstand inzwischen zerstört worden, dann wird er surrogiert durch eine entsprechende Geldleistung {20}. Das Ergebnis des Ausgleichs schreibt sich demnach als A = {Apfel; {20}} A B = {Birne2; Pflaume}. Wäre demgegenüber die Ist-Verteilung A = 30 A B = 50 und die Soll-Verteilung A = 50 A B = 30, dann hätte Berta an Anton unabhängig von der Existenz oder dem Untergang irgendwelcher Birnen von vorneherein 20 zu leisten. Zwischen dem Surrogat {20} und dem Wert 20 besteht aber ein wesensmäßiger Unterschied. b) Verhältnis zwischen Ausgleichstypus und Störungstypus Nach dem Gesagten ist die Tatsache, daß ein Anspruch auf Geld gerichtet ist, noch kein sicherer Hinweis auf das Vorliegen der einen oder der anderen Ausgleichsform. Zwar korrespondieren in aller Regel Rechtsfolgenseite und Tatbestandsseite insofern, als ein Anspruch, der auf eine Störung der Realverteilung reagiert, auch eine Umverteilung konkreter Rechtsgüter bewirkt, und ein Anspruch, der durch eine Störung der Wertverteilung ausgelöst wird, stets und von vorneherein auf rechnerischen Ausgleich in Geld gerichtet ist. Das ergibt sich schon daraus, daß die Ermittlung des Störungstypus und insbesondere die erforderliche wertende Betrachtung immer bereits einen Seitenblick auf die Rechtsfolgen voraussetzt, weil oftmals nur aus den Rechtsfolgen geschlossen werden kann, welche ratio einem bestimmten Anspruch zugrundeliegt: Würde etwa §985 BGB nicht Herausgabe der Sache, sondern Ausgleich in Geld anordnen, wäre der Befund, wonach die Vindikationslage eine Störung der Realverteilung darstellt, schon weniger offenkundig. Dennoch ist es nicht von vorneherein undenkbar, daß der Gesetzgeber oder der das Gesetz fortbildende Richter eine „hybride" Anspruchsnorm schafft, die etwa auf eine Störung der Realverteilung reagiert, aber dennoch eine Störung der Wertverteilung zum Ausgleich bringt und damit den Regeln eines reinen Wertausgleichs folgt, oder umgekehrt.44 Daher läßt der Störungstypus, auf den der Anspruchstatbestand reagiert, keine logisch zwingende Schlußfolgerung darauf zu, daß es der gleiche Störungstypus ist, der dann auch tatsächlich zum Ausgleich gebracht wird. Vielmehr müssen verläßliche Abgrenzungsmerkmale herausgearbeitet werden, an44

Eine derartige „hybride" Rechtsfigur stellt in der Tat die Saldotheorie dar, wonach die anspruchsauslösende Verteilungsstörung in einem positiven Vermögenssaldo bestehen soll, die Parteien eines nichtigen Austauschvertrags aber dennoch für verpflichtet gehalten werden, gegebenenfalls die empfangenen und noch vorhandenen Leistungen Zug um Zug rückauszutauschen, hierzu näher unten, Viertes Kapitel, § 11 I 2 a) aa) und dd) [S.377ff.].

§ 1 Das Allokatorische

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hand derer die Unterscheidung zwischen Realausgleich und Wertausgleich getroffen werden kann. c) Kriterien für die Unterscheidung Es sollen in diesem Zusammenhang drei Kriterien genannt und erläutert werden, die eine Abgrenzung ermöglichen. In gewisser Weise spiegeln sie auf der Rechtsfolgenseite diejenigen Kriterien wider, die auf der Tatbestandsseite zur Identifizierung des Störungstypus herangezogen werden können, und gehen teilweise auch in diese über. Dabei müssen - dem Typuscharakter entsprechend 45 - bei einem Ausgleichsmechanismus nicht immer alle Kriterien voll in der einen oder der anderen Richtung verwirklicht sein. aa) Surrogatcharakter oder Selbstzweck der Geldleistung Um festzustellen, ob die betreffende Ausgleichsleistung Surrogatfunktion erfüllt oder nicht, d.h. ob die Geldzahlung nur subsidiären Charakter hat und hilfsweise an die Stelle der eigentlich geschuldeten gegenständlichen Leistung tritt, oder ob von vorneherein ohnehin nur Geld geschuldet sein konnte, muß die gesetzliche Zielsetzung analysiert werden. Es muß geprüft werden, warum das Gesetz eine Geldleistung anstelle gegenständlicher Leistung anordnet. Geschieht dies allein aufgrund faktischer Zwänge, wandelt sich ein Anspruch also etwa erst bei Unmöglichkeit der Herausgabe in einen Ersatzanspruch um, spricht dies für einen Realausgleich. Würde gegenständliche Leistung den Regeln der Güterzuordnung dagegen geradezu widersprechen, ist von Wertausgleich auszugehen. Im oben genannten Fall der Zerstörung der Sache durch den Vindikationsschuldner ergibt sich danach, daß die Geldzahlung nur die Sache surrogieren soll. Es liegt daher reiner Realausgleich vor. Hat dagegen der Geschäftsführer in Ausführung der Besorgung eigene Sachmittel verwendet, so wäre es geradezu widersinnig und mit dem Zweck der Geschäftsführung in keiner Weise zu vereinbaren, wenn der Geschäftsherr nach § 670 BGB verpflichtet wäre, das Ergebnis der Geschäftsführung gegenständlich wieder herauszugeben, auch wenn dies praktisch möglich wäre. Die entscheidende Frage lautet demnach, ob die Geldleistung nach ihrem Sinn und Zweck dem Berechtigten bzw. Verpflichteten die Mittel für die Wiederanschaffung eines entsprechenden Gegenstands geben bzw. nehmen oder ob sie sein Vermögen um eine bestimmte Summe erhöhen bzw. vermindern soll. In Zweifelsfällen wird man auch zur Identifizierung des Ausgleichstypus - ebenso wie schon zur Identifizierung des Störungstypus - darauf abstellen müssen, ob dem Ausgleich eher Wertungen von der Art „... gebührt (nicht) ..., ist (nicht) zugeordnet..." oder von der Art „... 45 Vgl. zum Typus im Recht etwa Arthur Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache" (1965), S.37ff.; Latenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 135f. jeweils m.w.N.

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Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

darf keinen Nachteil daraus erleiden, daß..., soll nicht daraus profitieren, zugrundeliegen. bb) Alles-oder-Nichts-Prinzip

daß..."

oder flexible Wertung im Einzelfall

Weniger naheliegend als das vorgenannte Unterscheidungskriterium ist dasjenige danach, ob die Entscheidung über den Ausgleich im wesentlichen dem Schemades Alles-oder-Nichts folgt oder ob auch die Höhe des Ausgleichs abhängig ist von einer Abwägung der im konkreten Einzelfall maßgeblichen Wertungen. Ersteres deutet auf einen Realausgleich, letzteres auf einen Wertausgleich hin. Daß sich der Realausgleich im wesentlichen nach dem Schema des Allesoder-Nichts vollzieht - wobei auch eine Quotelung in feste Bruchteile letztlich diesem Schema zuzuordnen ist - erklärt sich aus seiner strengen Bezogenheit auf einen bestimmten Gegenstand. Ein bestimmter Gegenstand kann nämlich nur entweder dem einen oder dem anderen Beteiligten oder aber beiden Beteiligten zu einer jeweils exakt zu benennenden Quote zugewiesen sein. Nicht hingegen kann er einem Beteiligten etwa „zu einem angemessenen Teil" oder „im erforderlichen Umfang" zugewiesen sein. Zumindest wäre eine so lautende Zuweisung nicht geeignet, eine hinreichend verläßliche Güterzuordnung zu schaffen, was unter anderem zur Folge hätte, daß der betreffende Vermögensgegenstand praktisch seiner Verkehrsfähigkeit beraubt wäre. Weshalb dies beim Wertausgleich anders sein soll, mag auf den ersten Blick nicht unmittelbar einsichtig erscheinen, zumal sich schließlich die Wertverteilung gerade auf den objektiven Gesamtwert des Vermögens beziehen soll. Indessen muß man sich die Wertungen vor Augen führen, die eine Störung der Wertverteilung kennzeichnen und die daher auch einem reinen Wertausgleich typischerweise zugrundeliegen. Es ist oben näher dargelegt worden, daß es sich dabei um Erwägungen handelt von der Art wie „... darf keinen Nachteil daraus haben, daß..." oder „... darf nicht davon profitieren, daß...". Da solchen Erwägungen jedenfalls gerade nicht Kriterien der Güterzuordnung zugrundeliegen können, müssen sie ihren Grund in anderen Wertungen haben, die den konkreten Sachverhalt kennzeichnen und die vor allem am Verhalten der beteiligten Rechtssubjekte anknüpfen. Sie lassen sich ganz allgemein dahingehend zusammenfassen, daß erstens der Ausgleichsberechtigte schutzwürdig ist und daß zweitens der Ausgleichsverpflichtete nicht unzumutbar belastet wird, wobei sich die Schutzbedürftigkeit oder Zumutbarkeit aus vielerlei Umständen des Einzelfalls ergeben kann. Weil die hierfür maßgeblichen Kriterien in unterschiedlichem Maße verwirklicht sein können und sich zudem wechselseitig abschwächen und verstärken, wird der Inhalt des Ausgleichs notwendig ein flexibler, betragsmäßig fließender, der von einer wertenden Beurteilung im Einzelfall abhängig ist. Eine solche wertende Beurteilung findet etwa statt, wenn § 670 BGB den Ausgleich auf diejenigen Aufwendungen erstreckt, die der Geschäfts-

§ 1 Das Allokatorische

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Modell

führer für erforderlich erachten durfte. D e n n nur insoweit erscheint dieser schutzwürdig und wird der Geschäftsherr nicht unzumutbar belastet. Dabei fließen diese Faktoren ein in die Berechnung der Anspruchs/iö/ze, nicht nur in die Entscheidung über das O b des Anspruchs: Ein Geschäftsführer, der eine einheitliche Ausgabe von 100 gemacht hat, obgleich nur eine Ausgabe von 90 erforderlich war, kann ja immerhin 90 ersetzt verlangen. Die praktisch wichtigste Form, Wertungen in die Bestimmung der Ausgleichshöhe miteinfließen zu lassen, stellt wohl die sogenannte subjektive Methode der Wertermittlung dar. 46 Worum es dabei in Wahrheit geht, ist nichts weiter als eine Abwägung von Zumutbarkeit und Schutzbedarf: Soll der subjektive Wert eines ausgleichspflichtigen Vorteils angegeben werden, so ist zunächst vom Verkehrswert auszugehen und sodann zu fragen, inwieweit dem Betreffenden eine Realisierung dieses Wertes unter Berücksichtigung aller Umstände namentlich auch seiner legitimen Planung für die eigenwirtschaftliche Lebensführung sowie der Schutzbedürftigkeit des anderen Teils - zugemutet werden kann. 47 Geht es um den subjektiven Wert eines ausgleichspflichtigen Nachteils, so ist wiederum vom Verkehrswert auszugehen und sodann zu prüfen, inwieweit der Betreffende den Nachteil wirklich verspürt und er daher schutzbedürftig erscheint, wobei auch zu berücksichtigen ist, inwieweit es dem Ausgleichsverpflichteten zumutbar ist, den Nachteil zu tragen. cc) Maßgeblicher

Zeitpunkt und Relevanz hypothetischer

Entwicklungen

Das wohl problematischste Abgrenzungskriterium ist dasjenige, das darauf abstellt, welcher Zeitpunkt der Berechnung der Ausgleichshöhe zugrundegelegt wird. Im wesentlichen stehen dabei zum einen der Zeitpunkt der Anspruchsentstehung 48 und zum anderen der Zeitpunkt der Erfüllung zur Wahl, 49 wobei inso46 Einen Bezug zwischen objektiver bzw. subjektiver Methode der Wertermittlung und gegenstands- bzw. vermögensorientierter Betrachtungsweise beim Bereicherungsanspruch stellt auch Reimer, Die aufgedrängte Bereicherung (1990), S. 59ff. her. 47 Die verbreitete Formel, wonach der subjektive Wert eines Gegenstands angebe, was dieser Gegenstand gerade für die betreffende Person wert sei (vgl. nur etwa die Formulierungen bei MünchKomm 3 -L;eö, §818 BGB Rn.34; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung (1988), § 16IV 4 a) [S. 169]; Esser/Weyers, Schuldrecht II (1991), § 5114 [S.494]), stellt dagegen im wesentlichen nur eine alternative Formulierung dar und ist darüber hinaus von geringem Erkenntniswert. Denn sie legt nicht offen, ob es auf die willkürlichen - vielleicht schikanös motivierten - Einschätzungen des Betreffenden ankomme, auf die Einschätzung, die ein „vernünftiger" oder „durchschnittlicher" Teilnehmer am Rechtsverkehr in seiner Lage hegen würde, auf den Preis, zu dem gerade der Betreffende den Gegenstand auf dem Markt zu kaufen oder zu verkaufen bereit wäre, usw. 48 Im Einzelfall kann es Schwierigkeiten bereiten, zu entscheiden, wann ein Anspruch entstanden ist. Das gilt vor allem bei solchen Forderungen, die durch den Eintritt nachfolgender Ereignisse - etwa Unmöglichkeit der Herausgabe - einen anderen Inhalt annehmen. Hier muß es auf den Zeitpunkt ankommen, in dem sich der Anspruch in einen Geldanspruch umwandelt, weil vorher eine Evaluierung der Leistung überhaupt nicht erfolgt. 49 Die anspruchsfixierende Wirkung der Erfüllung ist allgemein anerkannt, vgl. nur Lange,

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Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

weit der Schluß der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung der Erfüllung gleichzusetzen ist. Es sollte stets beachtet werden, daß die Frage nach dem für die Berechnung maßgeblichen Zeitpunkt nichts zu tun hat mit der Frage, ob nach Anspruchsentstehung eintretende, tatsächliche Entwicklungen des anspruchsrelevanten Objekts berücksichtigt werden oder nicht, ob also etwa bei einer Körperverletzung Ersatz auch für nachträglich auftretende Spätfolgen der Verletzung verlangt werden kann: Das gehört zum Aspekt der Offenheit oder Abgeschlossenheit des anspruchsbegründenden Tatbestands, nicht zum Aspekt des Anspruchsinhalts. Vielmehr geht es hier ausschließlich darum, ob nachträgliche Schwankungen des Marktpreises oder andere Entwicklungen, die das anspruchsrelevante Objekt hypothetisch betroffen hätten, in die Berechnung der Ausgleichshöhe miteinbezogen werden, also etwa, ob es für die Berechnung der Ersatzleistung relevant ist, daß die beschädigte Sache wenig später ohnehin zerstört worden wäre oder eine erhebliche Steigerung oder Verringerung ihres Marktwerts erfahren hätte. Die so verstandene Frage nach dem für die Berechnung maßgeblichen Zeitpunkt und diejenige nach der Relevanz hypothetischer Kausalverläufe sind demnach letztlich in einem Teilbereich identisch, was nicht selten verkannt wird.50 Eine Schlußfolgerung vom Zeitpunkt, der für die Berechnung maßgeblich ist, auf den vorliegenden Ausgleichstypus ist jedenfalls in eine Richtung möglich: Soll der Zeitpunkt der Anspruchsentstehung maßgeblich sein und sollen dementsprechend hypothetische Entwicklungen keine Beachtung finden, wird ein Realausgleich vorliegen, weil die Wahl des maßgeblichen Zeitpunkts vermutlich vom Surrogationsgedanken getragen ist: Zum Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs bzw. seiner Konkretisierung auf einen Geldanspruch tritt der Anspruch an die Stelle des ursprünglich geschuldeten Gegenstands, weshalb sich hypothetische Wertschwankungen des Surrogierten nicht mehr auswirken können, sondern nur noch tatsächliche Wertschwankungen des Surrogats, die aber - von Fällen extremer Geldentwertung abgesehen - in der Regel vernachlässigt werden können.51 Die umgekehrte Schlußfolgerung ist dagegen nicht Schadensersatz (1990), §1 IV 2 a) [S.47]; M ü n c h K o m m ' - G ™ « ^ , vor §249 BGB Rn.126; Staudinger 12 -Medi'ais, §249 BGB Rn.240; AltKomm-Rüßmann, vor §§249-253 BGB Rn.82; Jauernig 8 -Teichmann, vor §§ 249-253 BGB Rn. 55; anders allerdings weitgehend Schultz, AcP 191 (1991), 433 [444ff.]. Sie läßt sich unter anderem damit rechtfertigen, daß sie regelmäßig einen Anreiz für den Schuldner schafft, durch Erfüllung seiner Verbindlichkeit das Risiko nachteiliger Preisentwicklungen auszuschließen. 50 Das heißt natürlich nicht, daß im Rahmen der Ermittlung der Anspruchshöhe stets entweder alle hypothetischen Entwicklungen oder aber gar keine hypothetischen Entwicklungen Berücksichtigung finden könnten. Vielmehr ist es durchaus denkbar, daß beispielsweise nachträgliche Preisschwankungen berücksichtigt werden, nicht aber sogenannte Reserveursachen. 51 Dies ist die gängige Argumentation dafür, daß beim sogenannten Objektschaden Reserveursachen nicht beachtlich sein können, vgl. hierzu unten, Zweites Kapitel, §2 I 3 c) ee) [S. 78ff.].

§ 1 Das Allokatorische

Modell

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möglich. 52 Denn unter Heranziehung des Surrogationsgedankens ließe sich ebenso gerade entgegengesetzt argumentieren: Da die Ersatzleistung Surrogatcharakter habe, müsse diese der Höhe nach alle hypothetischen Wertschwankungen des surrogierten Gegenstands mitverfolgen. 53 Wird für die Berechnung der Ausgleichshöhe demnach auf den letztmöglichen Zeitpunkt abgestellt, läßt sich dem ein Hinweis auf den vorliegenden Ausgleichstypus nicht entnehmen. 4. Zwischenergebnis Schuldrechtliche Ausgleichsansprüche lassen sich als Mechanismen zur Regulierung von Störungen deuten, die in einer auf zwei oder jedenfalls überschaubar wenige Rechtssubjekte bezogenen Vermögensverteilung aufgetreten sind. Eine Vermögensverteilung läßt sich als Realverteilung oder als Wertverteilung darstellen, und Störungen können sowohl in der einen als auch in der anderen Verteilung auftreten. Welche Verteilung von einer Störung betroffen ist, kann anhand der zugrundeliegenden Wertungen sowie bestimmter anderer Kriterien ermittelt werden. Den beiden verschiedenen Störungstypen entsprechen die beiden Ausgleichstypen des Realausgleichs und des Wertausgleichs. Welcher Ausgleichstypus vorliegt, läßt sich wiederum anhand bestimmter Kriterien ermitteln.

II. Entstehung von Reststörungen Die besondere Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten, die durch die Entstehung eines Ausgleichsanspruchs geschaffen wird, kann als Schuldverhältnis im weiteren Sinn54 oder als Ausgleichsschuldverhältnis bezeichnet werden. 55 Es 52

Ähnlich die Ergebnisse von Goßler, Der Zeitpunkt der Schadensbemessung im Deliktsrecht (1977), S. 56ff., 83; weitergehend für § 818 Abs. 2 BGB offenbar Reimer, Die aufgedrängte Bereicherung, S.74, der allgemein bei gegenstandsorientierter Betrachtungsweise den Zeitpunkt der Entstehung des Wertersatzanspruchs für maßgeblich hält. 53 Den inneren Zusammenhang zwischen Ausgleichstypus und Beachtlichkeit hypothetischer Abläufe erahnt - wenngleich ohne überzeugende Erklärung - auch Frieser, Der Bereicherungswegfall in Parallele zur hypothetischen Schadensentwicklung (1987), S. 193: „Mithin scheint in Bereichen, in denen die juristische Phantasie nicht durch das Schielen auf ein verkörpertes rückgabefähiges Etwas gebremst wird, die Frage nach der Relevanz hypothetischer Geschehensabläufe viel leichter aufzutauchen als in Fällen, in denen gegenständliche Vermögenswerte ausgetauscht wurden." U m eine Erklärung bemüht sich dagegen Reimer Die aufgedrängte Bereicherung, S.74f., der einerseits mit dem Surrogationsgedanken, andererseits mit dem Gedanken möglichst vollständigen Ausgleichs argumentiert. 54

Gemeint ist das Schuldverhältnis wie es Lorenz, Schuldrecht I (1987), §2 V [S.27], markant als „komplexes Sinngebäude" und „sinnhaftes Gefüge" bezeichnet, nicht das Schuldverhältnis in seinem Aspekt als Prozeß; vgl. zum Ganzen eingehend Gernhuber, Das Schuldverhältnis (1989), §2 [S.6ff.]. 55 Siehe zu dieser Terminologie etwa Esser/Weyers, Schuldrecht II, §46 II 4 a) [S. 407].

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Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

ist eindeutig definiert durch die Anspruchsgrundlage, deren Tatbestand erfüllt ist, und einen bestimmten Lebenssachverhalt als individualisierbares historisches Ereignis. 56 Auch das Ausgleichsschuldverhältnis kann wiederum auf einzelne Grundelemente zurückgeführt werden, nämlich auf einzelne Ausgleichsbefehle, die sich bei natürlicher Betrachtung als einheitliche darstellen und die jeweils nur entweder den Regeln des Realausgleichs oder denen des Wertausgleichs unterworfen sein können. Im folgenden soll dargelegt werden, inwiefern dies zum Entstehen sogenannter Reststörungen führt. 1. Die E l e m e n t e des Ausgleichsschuldverhältnisses Ganz grob gesagt lassen sich die Ausgleichsschuldverhältnisse des geltenden deutschen Schuldrechts aufgliedern in den ursprünglichen Ausgleichsanspruch, durch den sie entstanden sind, in abhängige Ansprüche, die an die Stelle dieses ursprünglichen Anspruchs treten, sowie möglicherweise in abhängige Ausgleichsmechanismen anderer Art. Als solche kommen etwa Anrechnungsvorschriften oder bestimmte Gegenansprüche des Schuldners in Betracht. a) Der

Primäranspruch

Der ursprüngliche Ausgleichsanspruch, der überhaupt erst aus einem individualisierbaren historischen Vorgang ein Ausgleichsschuldverhältnis entstehen läßt, kann als primärer Anspruch oder auch Primäranspruch bezeichnet werden. 57 Primäransprüche sind etwa die Vindikation aus § 985 BGB oder die Leistungs- und Eingriffskondiktion aus § 812 Abs. 1 BGB. Dabei ist zu beachten, daß sich der hier so definierte Primäranspruch als einheitlicher Ausgleichsbefehl darstellen, also aller etwaigen Gegenrechte des Schuldners, Nebenansprüche usw. entkleidet sein muß. Solche einheitlichen Ausgleichsbefehle sind etwa „Herausgabe" oder „Schadensersatz" während „Herausgabe gegen Aufwendungsersatz" oder „Schadensersatz unter Berücksichtigung des Neuwertvorteils" offenkundig zusammengesetzte Ausgleichsbefehle darstellen. Andererseits aber kann der zum Primäranspruch gehörende Normbefehl gesetzestechnisch durchaus auf äußerlich getrennte Vorschriften verteilt sein, wie sich etwa der komplette Normbefehl bei der Leistungs- und Eingriffskondiktion mindestens erst aus §812 Abs. 1 und §818 Abs. 1 BGB zusammen ergibt. Im Einzelfall kann es schwierig sein, zu entscheiden, ob ein be56 Berührungspunkte zum prozessualen Streitgegenstandsbegriff bestehen trotz der deutlichen Parallelen in der Definition nicht. 57 Terminologisch ergibt sich dadurch eine Überschneidung insbesondere mit dem Recht der Leistungsstörungen, wo vom ursprünglichen Erfüllungsanspruch gerne als „Primäranspruch" und vom an seine Stelle tretenden Schadensersatzanspruch usw. als „Sekundäranspruch" gesprochen wird. Diese Überschneidung ist m. E. indessen hinzunehmen, zumal eine Verwechslung nicht droht und der Sache nach ja deutliche Parallelen bestehen.

§ 1 Das Allokatorische

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stimmter Ausgleichsbefehl integraler Teil des Primäranspruchs ist oder einen eigenständigen Anspruch darstellt, so etwa bei der Verpflichtung des verschärft haftenden Besitzers zur Herausgabe von Nutzungen gemäß §987 Abs. 1 BGB. Den Ausschlag hat dabei zu geben, ob der formell getrennte Anspruch auf den gleichen Wertungen beruht und den gleichen Regeln folgt wie der Primäranspruch. Wie im Vierten Kapitel noch näher darzulegen sein wird,58 ergibt diese Prüfung bei § 987 Abs. 1 BGB, daß es sich dabei um einen integralen Bestandteil des Vindikationsanspruchs aus § 985 BGB handelt, der nur aus gesetzestechnischen Gründen in einer gesonderten Vorschrift enthalten ist. b) Sekundäre Ansprüche Scheitert der Primäranspruch an praktischen oder rechtlichen Hindernissen etwa weil das gegenständliche Objekt des Anspruchs untergegangen ist - können an seine Stelle sekundäre Ausgleichsansprüche treten. Ein solcher Sekundäranspruch ist etwa der Schadensersatzanspruch aus §§ 989,990 BGB, der dem Eigentümer dann zusteht, wenn aufgrund eines Verschuldens des verschärft haftenden Besitzers die Sache zerstört oder beschädigt wird oder aus einem anderen Grund nicht mehr herausgegeben werden kann. Zwischen bloßen Modifizierungen des Primäranspruchs und sekundären Ansprüchen besteht dabei teilweise nur ein gradueller Unterschied. So kann es etwa zweifelhaft sein, ob der Übergang vom Anspruch auf Naturalrestitution gemäß § 249 Satz 1 BGB in Verbindung mit der betreffenden Haftungsnorm zum Geldersatz nach §§249, 251 Abs. 1 BGB eine bloße Modifizierung des Anspruchsinhalts oder einen Wechsel vom primären zu einem sekundären Ausgleichsanspruch darstellt. Entsprechendes gilt hinsichtlich des Übergangs vom Herausgabeanspruch zum Wertersatzanspruch gemäß §818 Abs. 2 BGB. Im Zweiten und Dritten Kapitel werden diese Phänomene als bloße Modifizierungen des Anspruchsinhalts behandelt, doch kommt der genauen Abgrenzung keine entscheidende Bedeutung zu. Streng genommen stellen etwa auch Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung bloße Sekundäransprüche dar, weil ihnen zumindest theoretisch ein entsprechender negatorischer oder quasi-negatorischer Unterlassungsanspruch gemäß oder analog § 1004 BGB vorgeschaltet ist,59 der funktionell einem Primäranspruch entspricht. Diese Sichtweise ist rechtlich nicht ganz irrelevant, weil gewisse Erscheinungen, die nach gängiger Praxis als Folgeschäden behandelt werden, eigentlich nicht auf die anspruchsbegründende Schädigung, sondern auf die der Schädigung vorausgehende Gefährdungslage zurückzuführen 58

Näher unten, Viertes Kapitel, § 10 11 a) aa) [S.322], Zur Herauslösung des Unterlassungsanspruchs aus der Verbindung mit dem dinglichen Anspruch und zu seiner Verknüpfung mit dem Deliktsschutz vgl. Canaris, in: Festschrift Flume, Bandl (1978), S. 371 [384], 59

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Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

sind. Ruft etwa jemand zur Abwehr eines Einbrechers Wachpersonal herbei und hat er die Einsatzkosten getragen, dann sind diese Kosten nicht Folge aus einer Verletzung des Eigentums im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB, wenn eine solche Verletzung gerade verhindert wurde, sondern aus einem Lebenssachverhalt, der einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB begründet. Weil aber nicht zu verkennen ist, daß Unterlassungsansprüche nicht der Regulierung, sondern der Verhinderung einer Verteilungsstörung dienen und daher nicht der hier zugrundegelegten Definition eines Ausgleichsanspruchs genügen, werden deliktische Schadensersatzansprüche im folgenden als Primäransprüche behandelt.60 c) Begleitende

Ausgleichsmechanismen

Ausgleichsschuldverhältnisse können auch weitere, untergeordnete Ausgleichsmechanismen enthalten. Teilweise handelt es sich dabei um echte Subansprüche, die in einer gesonderten Vorschrift normiert sind und grundsätzlich selbständig eingeklagt werden können, so etwa die Ansprüche des Vindikationsschuldners auf Verwendungsersatz aus §§ 994ff. BGB. Teilweise handelt es sich dabei um integrierte Ausgleichsmechanismen, wie etwa bei der Anrechnung von Ersatzvorteilen gemäß §§324 Abs. 1 Satz 2,552 Satz 2,615 Satz 2,616 Satz 2 oder 649 Satz 2 BGB. Der Unterschied zwischen isolierten und integrierten Ausgleichsmechanismen ist dabei nur regelungstechnischer Art. Je weiter allerdings ein Ausgleichsmechanismus in den Primäranspruch oder Sekundäranspruch integriert ist, um so schwerer fällt es, ihn vom Primäranspruch oder Sekundäranspruch selbst zu trennen. Auf diese Schwierigkeit ist es etwa zurückzuführen, daß das Verhältnis zwischen Schadensberechnung und Vorteilsausgleichung nach wie vor ungeklärt ist und manche Autoren vom Geschädigten erlangte Vorteile als schadensmindernde Posten ansehen, während andere sie einem gesonderten Ausgleich unterstellen wollen. Im Extremfall bleibt es nur eine Frage der gewählten Sichtweise, ob man sagt, der Anspruch selbst weise einen zusammengesetzten Normbefehl auf, der auf Ersatz des entstandenen Schadens abzüglich der zugeflossenen Vorteile gerichtet sei, oder ob man zwischen dem Anspruch auf Schadensersatz als einheitlichem Normbefehl einerseits und ergänzenden - und gegebenenfalls ungeschriebenen - Ausgleichsmechanismen andererseits differenziert. Da hier stets einheitliche Ausgleichsbefehle betrachtet werden sollen, wird ausschließlich die letztgenannte Sichtweise zugrundegelegt. Sie hat den entscheidenden praktischen Vorzug, daß sie es ermöglicht, strukturelle Gemeinsamkeiten mit denjenigen Fällen aufwl Es sei darauf hingewiesen, daß hier nur vorgeschaltete Ansprüche betrachtet werden, also Mechanismen, die eine eingetretene Störung korrigieren sollen. Daß etwa jedem Schadensersatzanspruch stets ein vorgeschaltetes Abwehrrecht zugeordnet werden kann, das verletzt wurde, bedarf keiner Erwähnung.

§ 1 Das Allokatorische

Modell

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zudecken, in denen die Trennung zwischen Hauptanspruch und ergänzenden Ausgleichsmechanismen geradezu evident ist.

2. Verbleibende Abweichungen von der Soll-Verteilung Der wie hier definierte Primär- oder Sekundäranspruch, der sich als einheitlicher darstellt und aller etwaigen Einschränkungen und Erweiterungen durch Gegenrechte, Subansprüche usw. entkleidet ist, kann nur entweder den Regeln des Realausgleichs oder denen des Wertausgleichs folgen und dementsprechend nur in einer der beiden Verteilungen einen Ausgleich herbeiführen. Folge dieses Umstands ist es, daß der vorläufige Zustand, der nach gedachter Erfüllung des reinen Primär- oder Sekundäranspruchs erreicht worden ist, sehr oft auf der Ebene der jeweils anderen Verteilung von der Soll-Verteilung immer noch abweicht. Mit anderen Worten ist sehr oft entweder die Realverteilung oder die Wertverteilung nicht ganz in den Zustand zurückversetzt, in dem sie sich bei Hinwegdenken der Verteilungsstörung befände. Solche etwaige Abweichungen bleiben dann zunächst als Reststörungen bestehen. a) Reststörungen der Wertverteilung Reststörungen der Wertverteilung können auftreten, wenn der betreffende Primär- oder Sekundäranspruch den Regeln des Realausgleichs folgt. Erntet beispielsweise Anton versehentlich den Apfelbaum der Berta ab, muß er die erlangten Äpfel aus Eingriffskondiktion § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB gegenständlich an Berta auskehren, wobei hier unterstellt werden soll, daß es sich dabei um eine Ausprägung reinen Realausgleichs handelt. Hat Anton für die Ernte Aufwendungen tätigen müssen, dann berührt dies nicht die Realverteilung, sondern die Wertverteilung, weil dem Anton ja nichts der maßgeblichen Güterzuordnung zuwider entzogen wurde, sondern der wertungsmäßige Schwerpunkt auf dem erlittenen wirtschaftlichen Verlust liegt. Diese Störung der Wertverteilung läßt sich im Rahmen des Primäranspruchs nicht beheben, denn einen einheitlichen Ausgleichsbefehl „Herausgabe minus Aufwendungen" gibt es nicht. Vielmehr mögen die Aufwendungen in einem ergänzenden Ausgleichsmechanismus berücksichtigt werden oder nicht, jedenfalls bleiben sie nach Erfüllung des wie hier definierten Primäranspruchs - also nach Herausgabe der Äpfel - zunächst als Reststörung der Wertverteilung bestehen. Die Ursache für das Entstehen von Reststörungen kann, wie im vorgenannten Beispiel, in einem nachfolgenden Ereignis liegen, aber auch erst im Ausgleich selbst, der durch den Primär- oder Sekundäranspruch angeordnet wird: Erhält derjenige, dessen gebrauchte Sache durch einen anderen schuldhaft zerstört wurde, im Wege der Naturalrestitution eine neue Sache, dann ist zwar die Realverteilung so gut wiederhergestellt, wie dies unter den gegebenen Markt-

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Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

Verhältnissen eben möglich ist, jedoch ist der rechnerische Gesamtwert des Gläubigervermögens aufgrund des Neuwerts höher als wenn die alte Sache nie zerstört worden wäre: Es liegt eine Reststörung der Wertverteilung vor. b) Reststörungen

der

Realverteilung

Reststörungen können auch solche der Realverteilung sein, wenn der Primäroder Sekundäranspruch selbst den Regeln des Wertausgleichs folgt. Zur Verdeutlichung kann etwa die sogenannte Saldotheorie herangezogen werden, wonach bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines gegenseitigen Vertrags auf beiden Seiten eine Gesamtsaldierung aller erlangten Vorteile und erlittenen Nachteile durchgeführt wird und nur diejenige Seite, auf der ein positiver Saldo verbleibt, zum Ausgleich dieses Saldos verpflichtet ist.61 Es ist vergleichsweise offensichtlich, daß der so verstandene Bereicherungsausgleich eine Ausprägung reinen Wertausgleichs darstellt. Hat nun etwa Anton der Berta aufgrund nichtigen Kaufvertrags einen Korb Äpfel im Wert von 10 und Berta dem Anton dafür Geldzeichen im Wert von 12 übereignet, dann ist der primäre Ausgleichsbefehl vollständig durchgeführt, wenn Anton an Berta einen Betrag von 2 ausbezahlt: Die Störung der Wertverteilung bestand ja von vorneherein nur im positiven Saldo von 2. Dennoch hat sich durch den unerwünschten Leistungsaustausch die Realverteilung bleibend verändert, indem nicht mehr Anton den Korb Äpfel und Berta einen entsprechenden Geldbetrag zu ihrem Vermögen rechnen, sondern umgekehrt. Nach Erfüllung des Primäranspruchs verbleiben demnach Reststörungen der Realverteilung, die allenfalls in einem ergänzenden Ausgleichsmechanismus korrigiert werden können, etwa indem die Parteien die Leistungen Zug um Zug gegenständlich rückaustauschen. 3. D e r Z u s a m m e n h a n g mit d e m unerwünschten Ereignis Reststörungen müssen auf denselben historischen Vorgang zurückzuführen sein wie die ursprüngliche Verteilungsstörung, so daß der Kausalzusammenhang zwischen diesem Vorgang und dem Entstehen von Reststörungen der näheren Präzisierung bedarf. Jedenfalls kann äquivalente Kausalität im Sinne einer condicio sine qua non wegen der unübersehbaren und prinzipiell unendlichen Menge der damit erfaßten Wirkungen nicht genügen. Vielmehr ist zusätzlich eine Adäquanzprüfung anzustellen, d.h. der anspruchsauslösende Vorgang einschließlich seiner Regulierung muß allgemein, und nicht nur aufgrund ganz außergewöhnlicher und normalerweise außer Betracht zu lassender Umstände geeignet sein, eine Wirkung der betreffenden Art herbeizuführen. 62 61

Näher unten, Viertes Kapitel, § 11 I 2 a) aa) [S.377f.]. Zum Adäquanzbegriff siehe auch unten, Zweites Kapitel, § 2 1 4 c) aa) [S. 86] sowie § 3 1 1 b) aa) [S. 120f.]. 62

§ 1 Das Allokatorische

a) Rechtfertigung

des

Modell

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Adäquanzkriteriums

Die Entscheidung zugunsten der adäquaten Kausalität als maßgebliches Bindeglied setzt sich leicht dem Vorwurf der Willkür aus und verlangt nach einer Rechtfertigung. Insbesondere etwa bei der Vorteilsausgleichung im Schadensrecht wird das Adäquanzerfordernis mit dem Argument kritisiert, daß dieses wesensmäßig allein darauf zugeschnitten sei, angerichtetes Unheil einem menschlichen Tun zuzurechnen und damit den Bereich menschlicher Verantwortbarkeit sinnvoll abzugrenzen.63 Dieses Argument ist insoweit stichhaltig, als unterschiedliche Adäquanzbegriffe vertreten werden und diese teilweise in der Tat Elemente enthalten, die allein auf die Schadenszurechnung zugeschnitten sind. So ist jeder Adäquanzbegriff zunächst durch ein Wahrscheinlichkeitsurteil geprägt, das sich dahingehend formulieren läßt, daß „eine Tatsache im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges geeignet war". 64 Daß zwischen dem normrelevanten Ereignis und einem potentiell anrechenbaren Vorteil ein derartiger Zusammenhang bestehen muß, wird man als Mindestvoraussetzung verlangen müssen, sofern man nicht ganz und gar inadäquate und bloß zufällige Folgeerscheinungen für beachtlich halten möchte: Auch wer bei der schadensrechtlichen Vorteilsausgleichung das Adäquanzerfordernis ablehnt, wird kaum von einem potentiell ausgleichsfähigen Vorteil sprechen wollen, wenn der Verletzte auf dem Weg zum Krankenhaus einen gewinnbringenden Losbrief kauft, während der Genesungszeit zum ersten Mal Zeit für die Lektüre der Börsennachrichten findet und so einen Spekulationsverlust rechtzeitig verhindern kann usw.65 Zusätzlich zu diesem Wahrscheinlichkeitsurteil ist jeder Adäquanzbegriff jedoch geprägt durch nähere Angaben darüber, wie das Wahrscheinlichkeitsurteil gebildet wird. Die Kriterien, die diesbezüglich für die Schadenszurechnung entwickelt worden sind und die dort die Haftung für solche Folgen ausschließen sollen, die auch nicht von einem gedachten Subjekt beherrscht werden können und daher keine Verbindung mit der freien Selbstbestimmung des Menschen haben, 66 sind nun in der Tat für die allgemeine Zuordnung - nicht Zurechnung von Reststörungen gänzlich ungeeignet. Das betrifft insbesondere die Beurtei63 Grundlegend Cantzler, AcP 156 (1957), 29 [36ff.]; zu weiteren Nachweisen siehe unten, Zweites Kapitel, §3 I 1 b) aa) [S.120f.]. 64 Grundlegend R G Z 133,126 [127]; seitdem ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts. 65 So dürfte es auch zu interpretieren sein, wenn Hermann Lange, J Z 1997, 98 [99] meint, es käme auf die Streitfrage praktisch kaum an: Die Anrechnung inadäquater Vorteile zieht eben niemand ernsthaft in Betracht. 66 Lorenz, Hegels Zurechnungslehre (1927), S. 82ff.; Cantzler, AcP 156 (1957), 29 [48]; Bydlinski, Probleme der Schadensverursachung (1964), S. 58ff.

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Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

lung anhand der zur Zeit des Eintritts der Begebenheit dem optimalen Beobachter erkennbaren Umstände unter Einbezug des Sonderwissens des Zurechnungssubjekts. 67 Will man eine Mindestvoraussetzung für die Zuordnung von Reststörungen zu einem anspruchsauslösenden Tatbestand aufstellen, so muß man das Wahrscheinlichkeitsurteil auf der breitestmöglichen Grundlage treffen, d.h. unter Einbezug sämtlichen ex post zur Verfügung stehenden Wissens, während es auf die Erkennbarkeit oder Verborgenheit von Umständen für irgendwelche Beobachter nicht ankommen kann. Demgegenüber verschlägt auch der Hinweis nicht, daß letztlich maßgeblich der Zweck der betroffenen Norm sein müsse. Denn obgleich sich aus dem Normzweck vielleicht zusätzliche Einschränkungen ergeben mögen, wird er niemals die Berücksichtigung ganz und gar inadäquater und zufälliger Folgeerscheinungen gestatten, weil ihnen ein spezifisches Bindeglied zur betroffenen Norm - oder besser gesagt: zum erfüllten Normtatbestand - ja gerade nicht anhaftet. Es bleibt vielmehr festzustellen, daß zwischen äquivalenter Kausalität und einer adäquaten Kausalität, die um alle spezifischen Elemente der Schadenszurechnung bereinigt ist, keine brauchbare Zwischenform existiert. Die Forderung nach adäquater Verursachung als notwendige, wenngleich vielleicht nicht als hinreichende Voraussetzung ist damit gerechtfertigt. b) Zusätzliche

Erfordernisse?

Die hier gegebene Definition einer Reststörung provoziert den Einwand, daß nicht jede adäquat kausal bewirkte Rest Wirkung ohne weiteres auch als Reststörung bezeichnet werden dürfe, weil es durchaus denkbar ist, daß ein unerwünschtes Ereignis Folgewirkungen nach sich zieht, die ihrerseits wertungsmäßig als erwünschte bezeichnet werden müssen. So kann etwa derjenige, der einen Anspruch aus § 844 Abs. 2 BGB hat, aufgrund des Todes des Unterhaltsverpflichteten eine Erbschaft gemacht haben, und man sollte die Tatsache, daß das Vermögen des Unterhaltsverpflichteten demjenigen zukommt, dem dieser es nach seinem Ableben zuwenden wollte, für sich betrachtet nicht als planwidrig und korrekturbedürftig einstufen. Wenn hier von „Reststörungen" die Rede ist, dann sagt das aber nichts darüber aus, ob diese Reststörungen einem ergänzenden Ausgleich unterliegen oder überhaupt unterliegen sollten. Dem Begriff der Reststörung haftet damit nicht die gleiche implizite Mißbilligung an wie dem Begriff der anspruchsauslösenden Verteilungsstörung: Er soll nur zum Ausdruck bringen, daß es sich dabei um die Folgewirkung eines unerwünschten Ereignisses handelt.

67 Zu diesem Adäquanzbegriff als Grundlage der Schadenszurechnung durch die Rechtsprechung statt aller B G H Z 3, 261 [266/267] m.w.N. und ausführlicher Diskussion.

§ 1 Das Allokatorische

35

Modell

4. Zwischenergebnis Die Ausgleichsschuldverhältnisse des geltenden Schuldrechts bestehen aus dem Primäranspruch, der das Ausgleichsschuldverhältnis ursprünglich zum Entstehen gebracht hat, aus Sekundäransprüchen, die unter bestimmten Voraussetzungen an die Stelle des Primäranspruchs treten, sowie gegebenenfalls aus Subansprüchen und ergänzenden Ausgleichsmechanismen anderer Art. Da der als einheitlicher Ausgleichsbefehl definierte Primär- oder Sekundäranspruch nur entweder den Regeln den Realausgleichs oder den Regeln des Wertausgleichs folgen kann, werden durch ihn auch nur entweder Störungen der Realverteilung oder Störungen der Wertverteilung behoben und bleiben gegebenenfalls Störungen in der jeweils anderen Verteilung als Reststörungen bestehen.

III. Präzisierung

der Fragestellung: Ausgleich

von

Reststörungen

Die in der Einführung skizzierte Fragestellung läßt sich nunmehr, da die erforderlichen theoretischen Grundlagen geschaffen sind, präzisieren. Danach ist es Gegenstand der vorliegenden Untersuchung, warum, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Regeln ein ergänzender Ausgleich von Reststörungen stattfindet bzw. stattzufinden hat. In Anlehnung an die gängige Terminologie im Schadensrecht sowie auch bei §818 Abs. 3 BGB kann die Fragestellung der Arbeit schlagwortarig als die nach allgemeinen Grundsätzen der Vorteilsund Nachteilsausgleichung beschrieben werden, wobei zu betonen ist, daß die Begriffe der Vorteils- und Nachteilsausgleichung in einem viel weiteren Sinne verstanden und insbesondere nicht exklusiv auf die Bereiche des Schadensoder Bereicherungsrechts bezogen werden sollen. Die Arbeit will nach dem Gesagten weder als dogmatische Gedankenspielerei noch als Versuch einer umfassenden Systematisierung des Schuldrechts verstanden werden. Denn als bloße Gedankenspielerei sähe sie sich mit Recht dem Einwand des cui bono? ausgesetzt, und als umfassendes Systemkonzept dem Vorwurf der Selbstüberschätzung. Beide Deutungen würden dem Anliegen der Arbeit nicht gerecht, eine konkrete Rechtsfrage - wenngleich auf einem vergleichsweise hohen Abstraktionsgrad - einer Lösung näherzubringen. 1. Rechtslage und Stand der Diskussion Der Begriff der Reststörung stimmt zwar annäherungsweise, aber nicht unbedingt immer mit dem überein, was nach gängiger Auffassung als potentiell auszugleichender Vorteil oder Nachteil betrachtet wird. Daher ist es an dieser Stelle auch nicht möglich, Rechtslage und Meinungsstand zum Ausgleich von Reststörungen einigermaßen vollständig zu skizzieren. Vielmehr muß erst schritt-

36

Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

weise herausgearbeitet werden, welche Ausgleichsmechanismen dem Ausgleich von Reststörungen dienen und welche nicht, sowie umgekehrt, für welche Reststörungen ein Ausgleichsmechanismus existiert und welche unausgeglichen bestehenbleiben. Immerhin kann aber vor dem Hintergrund des Gesagten bereits ein gewisser Kernbestand von Mechanismen angegeben werden, die vergleichsweise eindeutig solche des Ausgleichs von Reststörungen sind. Was die ausdrücklich im Gesetz geregelten Mechanismen anbelangt, so gehören dazu in erster Linie die zahlreichen Vorschriften zur Erstattung von Aufwendungen, die der Schuldner eines Primäranspruchs gemacht hat, etwa die §§994ff. BGB bezüglich der Aufwendungen eines Vindikationsschuldners oder die §§683, 670, 684 Satz 1 BGB bezüglich derjenigen eines Geschäftsführers. Mechanismen zum Ausgleich von Restvorteilen stellen ferner ganz eindeutig auch die Anrechnungsvorschriften der §§324 Abs. 1 Satz 2, 552 Satz 2, 615 Satz 2, 616 Satz 2, 649 Satz 2 BGB oder § 11 KSchG dar, während etwa §843 Abs. 4 BGB eine Berücksichtigung bestimmter Restvorteile ausdrücklich verbietet. Daneben existieren zahlreiche Einzelbestimmungen, die gleichfalls dem Reststörungsausgleich zugeordnet werden können. Zu nennen sind etwa § 102 BGB, der sich mit dem Ersatz von Gewinnungskosten desjenigen befaßt, der zur Herausgabe von Früchten verpflichtet ist, aber auch § 255 oder § 281 Abs. 2 BGB, die zu verhindern suchen, daß Restvorteile im Wege einer Doppelbefriedigung des Gläubigers entstehen. Vor allem mit der Vorteilsausgleichung im Schadensrecht, der Berücksichtigung von Nachteilen des redlichen Bereicherungsschuldners oder dem Ersatz risikotypischer Begleitschäden des Geschäftsführers sind im Wege der Rechtsfortbildung ergänzende Ausgleichsmechanismen geschaffen worden. Sie können heute zum Teil bereits als gewohnheitsrechtlich verfestigt angesehen werden. 68 Ansätze zu einer weitergehenden Diskussion sind dort erkennbar, wo es darum geht, die Grundsätze der Vorteilsausgleichung außerhalb des Schadensersatzrechts auf andere Ersatzansprüche zu übertragen. Schon immer relativ unproblematisch angenommen wurde ihre Geltung bei Entschädigungsansprüchen, etwa aus Enteignung oder enteignungsgleichem Eingriff 69 oder aus öffentlichrechtlichen Spezialgesetzen, 70 aber auch beim Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeigeber im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs. 71 Einigen Begründungsaufwand kostete bereits die Übertra68 Siehe dazu ausführlich Zweites Kapitel, § 3 1 1 [S. 119ff.], Drittes Kapitel, §7 II 1 [S. 261 ff.]; Fünftes Kapitel, § 12 II 2 a) [S. 434ff.]. 69 B G H Z 48,291 [292f.]; 65,305 [307]; 91,243 [260]; B G H NJW 1989,2117; umfassend AustJ Jacobs, Die Enteignungsentschädigung (1997), S.383ff.; Schmidt-Aßmann, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, §93 BauGB Rn.41ff. 70 Beispiele in B G H Z 48, 291 [292f.]; 88, 337 [341]; allerdings ist zu beachten, daß teilweise die Berücksichtigung von Vorteilen ausdrücklich vom Gesetz vorgesehen ist, so in §§ 93 Abs. 3 BauGB, 17 Abs. 2 Satz 2 LBeschG, §13 Abs.l SchutzBerG. 71 Siehe etwa BAG ZIP 1983,1513 [1514],

§ 1 Das Allokatorische

Modell

37

gung auf andere Ansprüche als solche, die einen Schaden im engeren Sinne kompensieren sollen. Vorreiterfunktion hat hier die Rechtsprechung zur Vorteilsausgleichung beim werkvertraglichen Nachbesserungsanspruch übernommen, 72 die ebenso auf die wesensmäßige Ähnlichkeit dieses Anspruchs mit Schadensersatzansprüchen gestützt wird wie nunmehr die Anrechnung von Vorteilen auf den Aufwendungsersatzanspruch des Mieters aus §538 Abs. 2 BGB. 73 Eine noch weitergehende Ausdehnung der Vorteilsausgleichung auf das Gewährleistungsrecht beim Kaufvertrag ist bisher nur fragend angedeutet worden. 74 Weitgehend abgelehnt wird die Vorteilsausgleichung hingegen bei Erfüllungsansprüchen, obgleich auch hier zaghafte Schritte in Richtung auf eine Verallgemeinerung der Grundsätze hin zu verzeichnen sind.75 Auf der anderen Seite stellt nicht alles, was unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung behandelt zu werden pflegt, wirklich auch ein Problem der Vorteilsausgleichung dar. Insbesondere etwa die alte Frage, ob der Gläubiger, der die Zwangsvollstreckung betreibt und bei der Versteigerung von Schuldnereigentum den Zuschlag zu einem Preis erhält, der weit unterhalb des Verkehrswerts liegt, sich dies auf den ursprünglichen Anspruch anrechnen lassen muß, ist in Wahrheit ein rein vollstreckungsrechtliches Problem. 76 Gelegentlich wird ein ergänzender Ausgleich von Reststörungen auch vorgenommen, ohne daß dies in einen weiteren dogmatischen Kontext gestellt würde. Hier können etwa die Geltendmachung von Erwerbskosten desjenigen genannt werden, der zur Herausgabe des stellvertretenden commodum gemäß §281 Abs. 1 BGB verpflichtet ist,77 oder Korrekturen, die im Einzelfall auf § 242 B G B gestützt werden und deren Verhältnis zu allgemeinen Grundsätzen völlig offen erscheint. 78

72

Grundlegend hierzu B G H Z 91,206 [209ff.]; vgl. auch B G H NJW 1989,2388 [2389]. Keine echte Erweiterung bedeuten die zu den sogenannten Sowieso-Kosten ergangenen Entscheidungen, vgl. zuletzt B G H Z 126, 326 [334] m.w.N., obgleich sie in diesem Zusammenhang oft genannt werden, so beispielsweise von MünchKomm^-Heinrichs, vor §249 BGB Rn. 112c. Denn dabei ging es regelmäßig um die Anrechnung derjenigen Kosten der Vertragsdurchführung auf einen Schadensersatzanspruch o. ä. um die das Werk bei ordnungsgemäßer Ausführung ohnehin teurer gekommen wäre. Das ist aber nicht eine Ausprägung von Vorteilsausgleichung, sondern eine zusätzliche Vergütung, siehe näher unten, Fünftes Kapitel, § 13 III 1 vor a) [S.459], 73 L G Berlin NJW-RR 1997, 265. 74 B G H NJW 1989, 2388 [2389], 75 So B G H Z 60, 353 [358f.] zum Vergütungsanspruch eines Ingenieurs. 76 Hierzu näher unten, Sechstes Kapitel, § 15 IV 2 b) [S.541f], 77 R G Z 138,45 [51]; B G H Z 114, 34 [36]; Palandt-Heinrichs, §281 BGB Rn.8. 78 So etwa die vielkritisierte Entscheidung B G H Z 41, 157 [165f.], wo ein Ausgleichsanspruch aus §242 BGB auf die Tatsache gestützt wurde, daß der Erbauerin von Gebäuden auf fremdem Grund im konkreten Fall das Wegnahmerecht nach § 22 des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes vom 31.03. 1953 verwehrt war.

38

Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

2. Bedarf nach weiterer Klärung Auch der verbleibende Klärungsbedarf sowie der theoretische und praktische Nutzen, den man sich von der Untersuchung versprechen darf, können an dieser Stelle allenfalls vorsichtig abgeschätzt werden. Immerhin gibt schon die erhebliche Verwirrung, die etwa hinsichtlich der Abgrenzung der Vorteilsausgleichung im Schadensrecht von Fragen der Schadensfeststellung, der Schadensberechnung, der Beachtlichkeit von Reserveursachen usw. herrscht, Anlaß zu einer entsprechenden wissenschaftlichen Aufarbeitung des Themas. Das Anliegen der Arbeit geht indessen deutlich darüber hinaus. a) Herausarbeitung

allgemeiner

Grundstrukturen

Zunächst besteht ein offenkundiger Bedarf danach, den Anwendungsbereich von Vorteils- und Nachteilsausgleichung klar abzugrenzen und die bislang ohne erkennbare Systematik vorgenommene Ausgleichung oder Nicht-Ausgleichung bestimmter Posten auf ein dogmatisches Fundament zu stellen. Dieses Vorhaben kann nicht gelingen, wenn nicht sowohl die tragende Wertung, die der Ausgleichung von Reststörungen im konkreten Fall zugrundeliegt, als auch der Mechanismus, nach dem sich die Ausgleichung jeweils vollzieht, offengelegt werden. Die Existenz allgemeiner Grundsätze im Bereich der Vorteils- und Nachteilsausgleichung wird bislang weitgehend verneint 79 und stattdessen das Heil in der Bildung immer neuer Fallgruppen gesucht. Sicher läßt sich auch auf diesem Wege Einzelfallgerechtigkeit gewährleisten. Wie nicht zuletzt die lange geplante Reform des deutschen Schuldrechts zeigt, ist die Rückführung des geltenden Rechts von einer Vielzahl inkohärenter und teilweise miteinander kollidierender Einzelregelungen auf wenige Grundsätze aber eine gesetzgeberische Aufgabe, die sich in einer Zeit, in der der Ruf nach europäischer oder gar internationaler Rechtsvereinheitlichung unüberhörbar wird, verstärkt stellt. Der rechtstheoretische und rechtspraktische Nutzen, den die Auffindung allgemeiner Grundstrukturen erbringen dürfte, darf daher nicht unterschätzt werden. b) Wechselwirkung

von

Reststörungen

Beklagenswert an der Sichtweise, mit der Probleme der Vorteils- und Nachteilsausgleichung herkömmlicherweise angegangen werden, ist vor allem auch ihre Einseitigkeit. Damit ist gemeint, daß man gängigerweise in erster Linie denjeni79 Dies gilt schon für den Rechtsgedanken der Vorteilsausgleichung, der ein speziell schadensersatzrechtliches Phänomen darstellen soll, vgl. B G H Z 9, 179 [190]; Thiele, AcP 167 (1967), 193 [194]; Erman 9 -Kuckuk, vor §249 BGB Rn.93 („allgemeine Ansicht"); Erman 8 Sirp, §249 BGB Rn. 110; R G R K " - , \ t a e f a £ i . vor §§249-255 BGB Anm.70 mit umfangreichen Nachweisen aus der älteren Rechtsprechung; zurückhaltender MünchKomm 3 -G™ni/cy, vor §249 B G B Rn 112c sowie Lange, Schadensersatz, §9 XII [S.531], der immerhin die entsprechende Anwendung auf zahlreiche andere Ansprüche bejaht.

§ 1 Das Allokatorische

Modell

39

gen Beteiligten betrachtet, bei dem man glaubt, einen potentiell ausgleichspflichtigen Vorteil oder Nachteil ausgemacht zu haben, ohne die Vermögenslage des anderen Beteiligten sowie die Auswirkungen, die der Ausgleich für diesen haben würde, hinreichend zu berücksichtigen. Als Beispiel für das Gesagte möge man sich den Ausgleich von Vorteilen beim Werkvertrag vor Augen führen, die der Besteller dadurch erlangt, daß sich die Fertigstellung des Werkes mangelbedingt verzögert und das Werk deswegen entweder eine längere Lebensdauer besitzt oder inzwischen ein technischer Fortschritt stattgefunden hat. In unkritischer Übertragung der deliktsrechtlichen Grundsätze wird ein solcher von der herrschenden Literatur bejaht, 80 obgleich es auf der Hand liegt, daß der Unternehmer mit der Nachbesserung nur seine Schuld erfüllt und daß durch den Ausgleich nunmehr er es ist, der im Ergebnis einen Vorteil davonträgt. 81 Daß Vorteils- und Nachteilsausgleichung ein wesensmäßig zwe/seitiger Vorgang ist und nicht ohne einen Blick auf die konkreten Auswirkungen für alle Beteiligten erfolgen darf, wird auch deutlich in Fällen, in denen eine Kumulation verschiedener Reststörungen auftritt. Bringt beispielsweise bei §615 Satz 2 BGB die Vertragsbrüchige Annahmeverweigerung dem Dienstherrn einen erheblichen Vorteil, weil er eine günstigere Alternative aufgetan hat, erscheint es als ein bedenkliches Ergebnis, daß der Dienstverpflichtete sich dennoch den vollen Erwerb aus einer mühsam gefundenen Ersatztätigkeit anrechnen lassen muß, weil dann im Ergebnis allein der Vertragsbrüchige profitiert. 82 Diesbezüglich besteht auch in denjenigen Fallgruppen, in denen die Anrechnung von Vorteilen oder Nachteilen auf vergleichsweise gesicherten dogmatischen Füßen steht, noch erheblicher Klärungsbedarf. c) Möglichkeit einer

Anspruchserweiterung

Wo eine Ausgleichung von Restvorteilen und Restnachteilen bislang anerkannt ist, erfolgt sie entweder im Rahmen von Subansprüchen oder aber im Wege einer Anrechnung auf den Primäranspruch. Eine solche Anrechnung bewirkt, daß der Anspruch inhaltlich eingeschränkt bzw. reduziert wird. Dabei stellt sich unwillkürlich die Frage, ob Reststörungen wirklich nur zu einer Einschränkung des Primäranspruchs führen können, oder nicht etwa auch zu seiner Erweiterung. Daß solches nicht ganz und gar undenkbar ist, wird durch die inzwischen gewohnheitsrechtlich verfestigte Rechtsprechung belegt, die bei schuldhaften 80 Siehe etwa nur Werner/Pastor, Der Bauprozeß (1990), Rn.2158ff.; Ingenstau/Korbionl}, VOB B § 13, Rn.825ff.; Locher, Das private Baurecht (1993), Rn.47; Kaiser, Das Mängelhaftungsrecht in Baupraxis und Bauprozeß (1992), Rn.205ff.; Daub/PieVSoergel/Steffani, Kommentar zur VOB, Band2 (1976), ErlZ B 13.403; Lange, Schadensersatz, §9 XII [S. 531]; Erman 9 -Kuckuk, vor § 249 BGB Rn. 93; letztlich auch MünchKomm3-.SY«>/-ge/, § 633 B G B Rn. 124. 81 Näher unten, Fünftes Kapitel, § 13 III 1 b) aa) [S.463f.]. 82 Siehe hierzu unten, Sechstes Kapitel, §16 II 2 b) [S. 563].

40

Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

Eingriffen in Immaterialgüterrechte eine Berechnung des Schadens nach einer angemessenen Lizenzgebühr oder nach dem Verletzergewinn zuläßt.83 Zumindest der Verletzergewinn ist aber - soweit er den bei normaler Anwendung der §§ 249 Satz 1,251 BGB zu leistenden Schadensersatz übersteigt - nichts anderes als ein Restvorteil des Schuldners, der adäquat kausal durch das haftungsauslösende Ereignis hervorgerufen wurde. Die Haftung auf den vollen Verletzergewinn kann daher als zusammengesetzter Ausgleichsmechanismus gedeutet werden, der den angerichteten Schaden zuzüglich eines Restvorteils des Schädigers zum Ausgleich bringt. 3. These der maximalen Eliminierung von Reststörungen Ziel der Untersuchung ist es nach dem Gesagten, die Ausgleichsmechanismen, die das geltende Schuldrecht zur Regulierung von Verteilungsstörungen zur Verfügung stellt, unter allokatorischen Gesichtspunkten zu analysieren und festzustellen, warum, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Regeln etwa auftretende Reststörungen einem ergänzenden Ausgleich zugeführt werden. Was das erstgenannte, analytische Anliegen betrifft, dürfte sich bereits ein gewisser Anfangsverdacht aufgedrängt haben, daß primäre und sekundäre Ausgleichsansprüche des geltenden Schuldrechts eher den Regeln eines reinen Realausgleichs folgen und Mechanismen zum Ausgleich von Reststörungen dementsprechend eher den Regeln eines reinen Wertausgleichs. Dieser Anfangsverdacht wird sich im Laufe der nächsten vier Kapitel erhärten lassen. Auch in bezug auf das Anliegen, allgemeine Grundsätze des Reststörungsausgleichs herauszuarbeiten, dürfte es die Nachvollziehbarkeit der Argumentation erleichtern, wenn die Antwort auf die gestellte Frage hier thesenartig vorangestellt wird. a) Postulat

eines

Statikprinzips

Die zentrale These der Arbeit besagt, daß Ausgleichsschuldverhältnisse immer auf möglichst vollständige Störungsbeseitigung abzielen, d.h. darauf, verbleibende Reststörungen so weit wie möglich zu eliminieren. Eine Eliminierung von Reststörungen läßt sich nicht durch deren bloße Überwälzung von einem Beteiligten des Ausgleichsschuldverhältnisses auf einen anderen erreichen: Eine solche Überwälzung würde die Summe der insgesamt im betrachteten System auftretenden Reststörungen nicht verringern und brächte nur die Gefahr mit sich, den geschaffenen Ausgleich zu konterkarieren. Sie hat daher zu unterbleiben. Stehen sich jedoch ein Restvorteil des einen Beteiligten und ein Restnachteil des anderen Beteiligten gegenüber, führt deren wechselseitiger Ausgleich sehr wohl zu einer Verringerung der insgesamt auftretenden Reststörun83

Siehe hierzu eingehend unten, Zweites Kapitel, §4 II [S. 163ff.].

§ 1 Das Allokatorische

Modell

41

gen und ist daher grundsätzlich anzustreben. Da die verbleibenden Reststörungen auf den durch den Anspruch hergestellten, vorläufigen Zustand in ähnlicher Weise einwirken wie Kräfte auf einen ruhenden Körper, 84 kann dieser Rechtsgedanke in bildhafter Sprechweise als Statikgedanke oder - da es sich um ein allgemeines Rechtsprinzip handeln soll - als Statikprinzip bezeichnet werden. Diese Bezeichnung ist auch deswegen nicht ganz unpassend, weil die Verwirklichung des Statikgedankens auf die bestmögliche Wiederherstellung der von der Rechtsordnung einmal akzeptierten Ausgangsverteilung abzielt. 85 aa) Positive

Formulierung

Positiv formuliert besagt das Statikprinzip, daß kein Beteiligter aus einem unerwünschten Ereignis einen Restvorteil erlangen darf, soweit ein anderer Beteiligter aus demselben Ereignis einen Restnachteil erleidet. Mit andere Worten: Ist nach Erfüllung eines primären oder sekundären Ausgleichsanspruchs auf der einen Seite ein Restvorteil zu verbuchen, auf der anderen Seite dagegen ein Restnachteil, dann gebietet es das Statikprinzip, diese Reststörungen, soweit sie sich der Höhe nach decken, miteinander zum Ausgleich zu bringen. Dieses Prinzip kann natürlich mit anderen Rechtsprinzipien und Einzelwertungen kollidieren, so daß im Einzelfall ein Ausgleich auch unterbleiben mag, obgleich sich gegenläufige Reststörungen gegenüberstehen. D a ß die Versagung des Ausgleichs wirklich auf den überwiegenden Einfluß einer konkret kollidierenden Wertung zurückzuführen ist, muß sich dann allerdings nachweisen lassen. Die positive Formulierung des Statikprinzips hat den Nachteil, daß sie keine feste Entscheidungsregel an die Hand gibt, ob in einem Sachverhalt ein Ausgleich von Reststörungen nun tatsächlich stattzufinden hat oder nicht, weil ja stets die Möglichkeit einer Prinzipienkollision berücksichtigt werden muß. Andererseits hat sie den Vorzug einer materiellen Komponente: Daß aus einem unerwünschten Ereignis - mag man dieses nun als „Unrecht" oder als „Unglück" qualifizieren - ein Teil nicht auf Kosten des anderen profitieren darf, entspricht zugleich auch einem fundamentalen intuitiven Gerechtigkeitsurteil und ist gewissermaßen prima facie plausibel. Damit geht aber erstens der Vorwurf 84 Zur Bildvorstellung der im Schuldrecht wirkenden Kräfte vgl. schon Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems im Bürgerlichen Recht (1950), S.5ff.; ders., AcP 163 (1964), 346ff.. In ders., Die Elemente des Schadensrechts (1941), S. 26ff. spricht er noch eher von „Elementen". Kritisch zur Terminologie Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S.75 Fn.8. 85 Als ganz und gar glücklich wird man die Wahl des Begriffs wohl dennoch nicht bezeichnen dürfen, weil die Konnotation des Unbeweglichen zum vielbeschworenen - in Wahrheit allerdings ambivalenten - dynamischen Charakter des Schuldrechts nicht passen mag, hierzu statt aller Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/1, § 1 vor I [S. 2], Indessen scheint sich eine bessere Alternative nicht zu bieten, da Wortschöpfungen wie „Ausgleichsprinzip", „Korrektivprinzip", „Gleichgewichtsprinzip" o. ä. einen zu umfassenden Geltungsanspruch vortäuschen würden und zudem noch weniger Aussagekraft besitzen.

42

Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

des puren Formalismus fehl, den man gegen das Statikprinzip erheben könnte, und bedarf es zweitens im Einzelfall keiner über das Statikprinzip hinausgehenden Begründung dafür, warum in einer bestimmten Situation ein Ausgleich korrespondierender Reststörungen stattfindet. bb) Negative

Formulierung

Die These soll aber auch eine negative Aussage des Inhalts enthalten, daß ein Restnachteil nicht ausgeglichen wird, wenn ihm kein korrespondierender Restvorteil des anderen gegenübersteht, und umgekehrt. Diese Formulierung hat den Vorzug der Unbedingtheit, d.h. sie läßt sich bedeutend leichter verifizieren oder falsifizieren, weil sie nicht darauf angewiesen ist, die Wertungen zu analysieren, die im Einzelfall für die Versagung eines Ausgleichs verantwortlich sind. Damit ist sie auch immun gegen den Vorwurf der Inhaltsleere, weil sie eine klare Entscheidungsregel dahingehend enthält, daß eine bloße Umschaffung von Reststörungen nicht zulässig ist. So darf also beispielsweise ein Restvorteil des Schädigers nicht aufgrund irgendwelcher distributiver bzw. rechtspolitischer Erwägungen - wie etwa moralischer Wertigkeit oder Schadensprävention dem Geschädigten zugewiesen werden, soweit dadurch nicht zugleich ein Restnachteil des Geschädigten eliminiert wird. Das aber ist alles andere als eine bare Selbstverständlichkeit, wie bereits ein Blick auf das anglo-amerikanische Konzept der punitive damages belegt. Die negative Formulierung bringt indessen zugleich den entscheidenden Nachteil mit sich, daß man nach wie vor eine Antwort schuldig ist auf die Frage nach dem Warum eines Ausgleichs, und die weitere Untersuchung wird zeigen, daß sich diese Frage mit den herkömmlichen Argumenten vielfach nicht beantworten läßt. ccj Konsequenzen

für den Gang der

Argumentation

Insgesamt bewegt man sich auf der sicheren Seite, wenn man beide Aussagen miteinander kombiniert und das Statikprinzip dahingehend formuliert, daß ein Ausgleich von Reststörungen möglichst dann und soweit, aber auch nur dann und soweit stattzufinden hat, wenn und als sich ein Restvorteil und ein Restnachteil gegenüberstehen. Da diese Formulierung sich jedoch weder durch ihre Eleganz noch durch ihre Klarheit sonderlich auszeichnet, soll sie im folgenden vermieden werden. Der Umstand, daß weder die positive noch die negative Formulierung der These die eindeutig überlegene ist, bringt es aber mit sich, daß die Arbeit eine eindeutige Argumentationslinie nicht einnehmen wird. Vielmehr wird sie dort, wo eher die Durchführung eines ergänzenden Ausgleichs von Reststörungen begründungsbedürftig erscheint, verstärkt die positive Formulierung heranziehen, hingegen dort, wo eher die Versagung eines Ausgleichs hinterfragt werden muß, überwiegend auf die negative Formulierung abstellen.

§ 1 Das Allokatorische

Modell

43

b) Verhältnis zur aristotelischen iustitia correctiva Die maßgebliche Parallele zwischen der iustitia correctiva und dem Statikprinzip liegt sicher nicht in erster Linie im Gedanken der Ausgleichung eines Zuviel mit einem Zuwenig: Dafür, daß die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten durch solche Ausgleichungen gekennzeichnet sind, müßte man sich wirklich nicht auf Aristoteles berufen, 86 schon um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, eine beliebige eigene Theorie mit dem Nimbus letztgültiger Aussagen der Menschheitsgeschichte versehen zu wollen. 87 Der eingangs hergestellte Zusammenhang mit der aristotelischen Konzeption geht jedoch deutlich tiefer. Muß das Gesetz bzw. der Richter zum Ausgleich einer eingetretenen Störung eingreifen, dann ist nämlich nach dem Statikgedanken nur ein solches Ergebnis gerecht bzw. stabil, bei dem nicht der eine Teil einen Gewinn in der Form eines Restvorteils, der andere hingegen einen Verlust in der Form eines Restnachteils davonträgt: „So ist denn das Gerechte die Mitte zwischen Gewinn und Verlust ,..". 88 Anzustreben ist demnach die Ausgangsverteilung, die jedenfalls im Kontext des privatrechtlichen Ausgleichsanspruchs eine präsumtiv erwünschte ist: „Es bedeutet, daß man vorher und nachher das Gleiche hat." Womöglich noch bedeutsamer ist die Parallele, die in der Idee streng mathematischer Verrechnung korrespondierender Vorteile und Nachteile liegt.89 Diese Verrechnung hat ohne Rücksicht auf die Stellung der Beteiligten in der Gesellschaft 90 und insbesondere ohne Rücksicht auf den Vergeltungsgedanken stattzufinden: „Die Wiedervergeltung paßt weder zu der verteilenden noch zu der regelnden Gerechtigkeit... " 91 Man könnte das Statikprinzip so gesehen - ebenso wie das aristotelische Verrechnungsprinzip - als Formalprinzip bezeichnen, 92 86

Es muß als eine Unart bezeichnet werden, wenn im anglo-amerikanischen Rechtskreis ein Rekurs auf Aristotle und corrective justice offenbar in keiner wissenschaftlichen Stellungnahme - insbesondere zum Deliktsrecht - fehlen darf; vgl. aus der unübersehbaren Literatur nur den offensichtlich verfehlten Versuch von Posner, 10 Journal of Legal Studies (1981), 187 [201 ff.], Nikomachische Ethik und Ökonomische Analyse auf einen Nenner zu bringen. 87 Treffend hat dies auch Simons, 38 U C L A Law Review (1990), 113 [128] umschrieben: „One suspects that the startling diversity of scholarly interpretations of corrective justice ist due to some scholars' desire, first, to adopt a noninstrumental theory of tort and, second, to give it a respectable (preferably ancient Greek) pedigree." 88 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V, Kapitel 7,1132 a und b. 89 Hierzu vgl. Benson, 11 Iowa Law Review (1992), 515 [539]. 90 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V, Kapitel 7, 1131 b und 1132 a: „Doch das Gerechte ... hält sich nicht an jene Proportion, sondern an die arithmetische. Denn es liegt nichts daran, ob der Gute den Schlechten um etwas betrogen hat, oder der Schlechte den Guten ...: das Gesetz schaut nur auf den Unterschied zwischen Höhe [des Unrechts und] des Schadens ...". 91 Aristoteles, a.a.O., Kapitel 8,1132 b. 92 Treffend m. E. Weinrib, The Idea of Private Law, S.57: „Because he ist primarily concerned with structure rather than substance, Aristotle's account is sparse and formal. Aristotle presents corrective justice in mathematical terms, as an equality between the two parties to a bi-

44

Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

dem im Privatrecht eine vergleichbare Stellung zukommt wie dem Übermaßverbot im Öffentlichen Recht, wobei das Statikprinzip ebenso in das Öffentliche Recht hineinragt wie das Übermaßverbot ins Privatrecht. 93 Insoweit bestehen also selbst im Detail Parallelen zwischen dem Statikprinzip und den Ausführungen der Nikomachischen Ethik zur Wirkungsweise der iustitia correctiva, die es rechtfertigen dürften, eine ausdrückliche Verbindung herzustellen. Andererseits beschränken sich die Parallelen aber auch auf das Gesagte. Insbesondere ist es ganz offensichtlich, daß sich die Aussagen des Aristoteles nicht in erster Linie auf dasjenige beziehen, was hier als Reststörung bezeichnet wurde, sondern bereits auf haftungsbegründende Vorteile und Nachteile. 94 Da Aristoteles selbst schon Zweifel geäußert hat, ob man den Verletzungserfolg wirklich als Gewinn des Verletzers deuten könne, und diese Deutung bei Fahrlässigkeitstaten ganz offensichtlich versagt, stellt die hier vertretene Konzeption aber doch einen „Rettungsversuch" dar, der sich so weit an die Vorgaben der Nikomachischen Ethik hält, wie dies ohne Sinnverlust möglich ist.

IV. Abgrenzung

in sachlicher und methodologischer

Hinsicht

Es erscheint angezeigt, bereits an dieser Stelle eine deutliche Abgrenzung zu verschiedenen Ansätzen vorzunehmen, die auf den ersten Blick strukturelle und argumentative Parallelen zum Statikgedanken aufweisen, indem sie privatrechtliche Ansprüche als wechselseitigen Ausgleich einander korrespondierender Gewinne und Verluste deuten und dabei mehr oder weniger explizit auch auf die Nikomachische Ethik Bezug nehmen. Das betrifft zum einen das allgemeine Postulat, daß niemand sich mit dem Schaden eines anderen bereichern dürfe, zum anderen aber auch verschiedene Ansätze der Corrective Justice Theory.

polar transaction.". Weil es sich um ein Formalprinzip handelt, das von vorneherein keine Aussage darüber treffen will, was im einzelnen als korrekturbedürftiges Unrecht anzusehen ist, trifft auch Kelsens Vorwurf der Tautologie ins Leere, siehe Kelsen, Was ist Gerechtigkeit? (1953), S.35f. 93 Vgl. dazu unten, Sechstes Kapitel, § 15 II 1 [S.518ff.]. 94 Ferner ist nicht auszuschließen, daß er - hätte er den Fall, daß Vorteil und Nachteil der Höhe nach differieren, in Betracht gezogen - zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre als dies vom Statikprinzip vorgezeichnet wird. Trägt etwa Anton einen Restvorteil von 20 und Berta einen Restnachteil von 10 davon, dann fordert das Statikprinzip einen Ausgleich in Höhe von 10, weil sich nur in dieser Höhe ein Vorteil und korrespondierender Nachteil ausgleichsfähig gegenüberstehen; Aristoteles hingegen hätte vermutlich jedem Beteiligten das arithmetische Mittel zugesprochen, also eine Umverteilung von Anton auf Berta in Höhe von 15 vorgenommen.

§ 1 Das Allokatorische

1. Der Unterschied zu neminem cum alterius

Modell

45

detrimento...

Das so formulierte Statikprinzip ist keinesfalls identisch mit dem römischrechtlichen Grundsatz iure naturae aequum est neminem cum alterius detrimento et iniuriafieri locupletiorem,9S und ebensowenig mit demjenigen der anglo-amerikanischen £f/M¡7v-Rechtsprechung, wonach niemand aus seinem eigenen Unrecht profitieren dürfe. 96 Denn diese Prinzipien setzen gleichsam eine Stufe früher an als der Statikgedanke, indem sie die Grundlage dafür schaffen wollen, einem Beteiligten, der Unrecht erlitten hat, einen Ausgleichsanspruch zu geben, oder auch demjenigen, der Unrecht begangen hat, die Geltendmachung eines Anspruchs zu versagen. Sie betreffen also den Bereich der Anspruch sbegrändung. Ihr fundamentaler Gerechtigkeitsgehalt ist nahezu unbestritten, doch ist man sich heute ebenso darüber einig, daß sie der näheren Ausfüllung bedürfen und für sich genommen nicht geeignet sind, rechtlich relevantes Unrecht von rein moralischem Unrecht und von erlaubtem Verhalten zu unterscheiden, wie das Beispiel des Wettbewerbsrechts anschaulich vor Augen führt. 97 In scharfem Gegensatz dazu will das Statikprinzip keine Aussage dahingehend treffen, unter welchen Voraussetzungen aus einem Lebenssachverhalt ein Ausgleichsanspruch erwächst. Vielmehr setzt es das Bestehen eines solchen voraus und betrifft nunmehr die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Unzulänglichkeiten des Ausgleichsbefehls einen ergänzenden Mechanismus des Reststörungsausgleichs erforderlich machen. Insofern betrifft es ausschließlich den Bereich der Anspruchsausfüllung. 2. Verhältnis zur Corrective Justice

Theory

In diesem Punkt unterscheidet es sich auch von verschiedenen Ansätzen aus dem Bereich des Common Law, die unter dem Oberbegriff Corrective Justice Theory zusammengefaßt werden können. 98 Ihre bekanntesten Vertreter sind wohl Weinrib, Coleman, Fletcher und Epstein, 99 aber auch die Arbeiten von Schroeder, Wright, Perry oder Benson haben inzwischen über den anglo-amerikanischen Rechtskreis hinaus Bekanntheit erlangt. 100 Sie begreifen sich in erster 95

Siehe Pomponius, D. 50.17.206. Statt aller Riggs v. Palmer 115 N.Y. 506 [511], 22 N.E. 188 [190] (1889): „No one shall be permitted to profit by his own fraud, or to take advantage of his own wrong, or to found any claim upon his own iniquity, or to acquire property by his own crime." 97 Hierzu statt aller etwa von Caemmerer, in: Festschrift Rabel I (1954), S.333 [334ff.]. 98 Gute Darstellung bei Englard, The Philosophy of Tort Law (1987), S. l l f f . 99 Beispielhaft können als Publikationen genannt werden Weinrib, The Idea of Private Law (1995); Coleman, Risks and Wrongs (1992); Fletcher, Fairness and Utility in Tort Theory, 85 Harvard Law Review (1972), 537; Epstein, A Theory of Strict Liability, 2 Journal of Legal Studies (1973), 151. 100 Siehe etwa Schroeder, Corrective Justice and Liability for Increasing Risks, 37 U C L A Law Review (1990), 37; Wright, Substantive Corrective Justice, 77 Iowa Law Review (1992), 96

46

Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

Linie als Gegenbewegung zu den immer mehr im Vordringen befindlichen instrumentalistischen Privatrechtstheorien, die das Privatrecht ebenso als Mittel zur Durchsetzung politischer Zielsetzungen auffassen wie das Öffentliche Recht. Die wohl einflußreichste instrumentalistische Theorie stellt derzeit die Ökonomische Analyse des Rechts dar. 101 a)

Überblick

Die selbstdefinierte Rolle der Corrective Justice Theory als Gegenbewegung zur Ökonomischen Analyse hat es mit sich gebracht, daß sich zu ihr die verschiedensten Konzeptionen bekennen, die mit den Aussagen der Nikomachischen Ethik wenig bis gar nichts mehr gemeinsam haben. 102 Gewissermaßen am einen Ende eines Spektrums bewegen sich Formalisten wie Weinrib, die aus Elementen aristotelischen, kantianischen und hegelianischen Gedankenguts die Vorstellung einer dem Privatrecht immanenten moralischen Rationalität entwikkelt haben, die durch maximale Kohärenz gekennzeichnet ist und alle normativen Aspekte einer Rechtsbeziehung in einer einzigen, einheitlichen Rechtfertigung für diese Rechtsbeziehung vereinigt. 103 Am anderen Ende stehen Pragmatisten wie Pierce Wells oder S. D. Smith, die jede Möglichkeit leugnen, der Konzeption ausgleichender Gerechtigkeit materiale Gehalte zu entnehmen, und für die corrective justice lediglich einen offenen Prozeß zur Herbeiführung praxisorientierter und kontextspezifischer Konfliktlösungen bezeichnet, der sich auf intuitive moralische Urteile stützt. 104 Ein anderes Spektrum läßt sich ziehen von den Schriften Epsteins oder Fletchers, die sehr nahe an konkreten Fragen des geltenden Rechts argumentieren, hin zu Arbeiten wie denen von Benson oder Wright, die ihr Augenmerk unmittelbar auf die aristotelischen Gerechtigkeitsbegriffe richten.

625.; Perry, The Moral Foundations of Tort Law, 77 Iowa Law Review (1992), 449; Benson, The Basis of Corrective Justice and Its Relation to Distributive Justice, 77 Iowa Law Review (1992), 515. 101 Siehe dazu schon oben, § 1 I 1 a) [S. 10]. 102 Siehe etwa die Übersicht bei Wright, 11 Iowa Law Review (1992), 625 [626ff.] mit umfangreichen Nachweisen. 103 y/einrib^ The Idea of Private Law, S. 22ff.; zum Kohärenzbegriff bei Weinrib näher unten, Siebentes Kapitel, § 17 II 2 a) [S. 606f.]. Fast bekannter als die Selbstdarstellung des Legal Formalism ist die einflußreiche Kritik von Unger, 96 Harvard Law Review (1983), 561 [563ff.] geworden, die die wesentlichen Elemente dieser Denkrichtung sehr klar herausarbeitet; siehe auch Röckrath, A R S P 1997,506 [508ff.], der vor allem Weinribs angeblichen Prinzipienmonismus kritisiert. 104 Siehe hierzu Pierce Wells, Tort Law as Corrective Justice: A Pragmatic Justification of Jury Adjudication, 88 Michigan Law Review (1990), 2348 [2376ff.]; ähnlich auch S. D. Smith, Rhetoric and Rationality in the Law of Negligence, 69 Minnesota Law Review (1984), 277 [285ff.].

§ 1 Das Allokatorische

Modell

47

b) Die bislang vertretenen Verrechnungsmodelle Die aristotelische Idee der wechselseitigen Verrechnung von Gewinnen und Verlusten haben letztlich nur Coleman und Weinrib konsequent weitergedacht, in jüngster Zeit auch Matthew Kramer, der allerdings der Corrective Justice Theory ansonsten eher kritisch gegenübersteht. Dabei unterscheiden sich die einzelnen Ansätze vor allem durch die Definition dessen, was als Gewinn und was als Verlust zu gelten hat. Im folgenden sollen die drei wichtigsten der bislang vertretenen Verrechnungsmodelle kurz dargestellt werden, um sodann das Statikprinzip deutlich von ihnen abzugrenzen. aa) Die Annullierungsthese

Colemans

In seinen frühen Werken hat Coleman die von ihm so bezeichnete annulment thesis entwickelt. Sie beinhaltet im Grunde nichts anderes, als daß ausgleichende Gerechtigkeit die Annullierung ungerechtfertigter Verluste und Gewinne verlange, wobei noch nichts darüber ausgesagt werden soll, durch wen und auf welche Weise dies zu geschehen hat.105 Da nach diesem Gerechtigkeitsmodell nicht begründet werden kann, warum gerade ein bestimmter Schuldner für einen ungerechtfertigten Verlust einstehen soll, hat sich Coleman von seiner ursprünglichen Theorie in neuerer Zeit distanziert bzw. sie wesentlich ergänzt, indem er anerkennt, daß die Verbindung zwischen einem bestimmten Schuldner und einem bestimmten Gläubiger durch das verletzte Recht und die ihm korrespondierende Pflicht hergestellt werde.106 Ein Gebot der Verrechnung eines bestimmten Verlusts mit einem bestimmten Gewinn bestand auch bereits nach der ursprünglichen Annullierungsthese dann, wenn der Gewinn allein durch den Verlust verursacht worden ist,107 doch blieben Colemans Versuche, zu einer allgemein für das Deliktsrecht brauchbaren Definition von Gewinn und Verlust zu gelangen, in Ansätzen stecken.108 105 Eine Darstellung des Coleman 'sehen Standpunkts wird dadurch erheblich erschwert, daß sich die zahlreichen Veröffentlichungen inhaltlich überschneiden und eine stetige Veränderung und Entwicklung der Theorien widerspiegeln; zur hier wiedergegebenen Aussage vgl. etwa Coleman, Corrective Justice and Wrongful Gain, 11 Journal of Legal Studies (1982), 421 [424ff.]; ders., Property, Wrongfulness and the Duty to Compensate, 63 Chicago-Kent Law Review (1987), 451 [460ff.]. 106 Coleman, Risks and Wrongs (1992), S. 31 Iff.; er nennt dieses zweite Element der ausgleichenden Gerechtigkeit „relational conception" und gelangt durch die Kombination mit der ursprünglichen annulment thesis insgesamt zu einer „mixed conception of corrective justice". 107 Coleman, Corrective Justice and Wrongful Gain, 11 Journal of Legal Studies (1982), 421 [424]. 108 So nimmt Coleman, a.a.O. [Fn. 108], S.425f. etwa an, daß der fahrlässige Autofahrer aus seiner Fahrlässigkeit Gewinn ziehe, weil er sich Vorsichtsmaßnahmen erspart. Dieser werde jedoch nicht mehr erhöht, wenn er einen Fußgänger verletze, so daß der ungerechtfertigte Gewinn nicht auf den ungerechtfertigten Verlust zurückzuführen sei. Für den Fall, daß der Gewinn ausnahmsweise auf den Verlust zurückzuführen ist, gerät Coleman in weitere Schwierig-

48 bb) Weiterentwicklung

Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

durch Kramer

Hier hat in jüngster Zeit Kramer angesetzt und die Annullierungsthese Colemans konsequent weiterentwickelt. 109 Danach soll etwa bei einer fahrlässigen Körperverletzung die momentane physische Gewalt des Verletzers über sein Opfer für diesen deswegen einen Gewinn darstellen, weil das Opfer eine derartige Gewaltanwendung unter Bedingungen freier Verhandlungsmöglichkeiten nur gegen ein Entgelt gestattet hätte. 110 Kramer ist es durch den Rückgriff auf Gedankengut der Ökonomischen Analyse gelungen, eine Annullierungsthese zu entwickeln, die vielleicht sogar sehr nahe an dasjenige herankommt, was Aristoteles mit der Verrechnung korrespondierender Gewinne und Verluste tatsächlich meinte. Eine Antwort auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Ausgleich überhaupt stattzufinden hat, gibt diese These allerdings ebensowenig wie diejenige Colemans, und will sie wohl auch nicht geben. cc) Verrechnung normativer Posten: Der Ansatz von Weinrib Dieses Defizit überwindet Weinrib, indem er nicht mit faktischen oder ökonomischen Gewinnen und Verlusten arbeitet, sondern mit normativen,m Wann ein normativer Gewinn oder Verlust gegeben ist, bestimme sich danach, ob dem Sachverhalt die Verletzung eines Rechts im Sinne Kants und einer diesem Recht korrespondierenden Pflicht zugrundeliege. 112 Das kantische Recht als der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit vereinigt werden kann, 113 lege damit die Parteien des Ausgleichsschuldverhältnisses fest. Es bilde zugleich die Grundlage dafür, die faktischen Gegebenheiten als normative Gewinne und Verluste zu deuten. 114 Der aristotelische Gedanke ausgleichender Gerechtigkeit - im Sinne der Verrechnung korrespondierender Gewinne und keiten, wenn Gewinn und Verlust sich betragsmäßig nicht decken, vgl. Tort Law and the Demands of Corrective Justice, 67 Indiana Law Journal (1992), 349 [352ff.], wo er eine Lösung letztlich nicht anbietet. 109 Kramer, Of Aristotle and Ice Cream Cones: Reflections on Jules Coleman's Theory of Corrective Justice, in: Kramer, In the Realm of Legal and Moral Philosophy (1998), S. 135ff. 110 Kramer, a.a.O., S. 141 ff. 111 Weinrib, The Ideaof Private Law (1995), S. 115ff.; das Buch stellt eine Zusammenstellung von bereits früher publizierten Essays dar, die Weinrib etwas überarbeitet hat, vgl. für die hier relevanten Punkte vor allem Weinrib, Law as a Kantian Idea of Reason, 87 Columbia Law Review (1987), 472; ders., Corrective Justice, 77 Iowa Law Review (1992), 403.; ders., The Gains and Losses of Corrective Justice, 44 Duke Law Review (1994), 277. Im folgenden wird nur vom 1995 erschienenen Buch zitiert. 112 Zur Bedeutung des kantianischen Rechtsgedankens Weinrib, The Idea of Private Law, S. 84 ff., 122 ff. 113 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 230 (zitiert nach der Ausgabe der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Bandö, Berlin 1914). 114 Der notwendige Rückgriff auf die faktischen Gegebenheiten, also etwa auf einen tatsächlich erlittenen Schaden, ist derjenige Schritt in seiner Argumentation, der Weinrib die

§ 1 Das Allokatorische

Modell

49

Verluste - sei es sodann, der nach erfolgter Rechtsverletzung einen Ausgleich erfordere. c) Eigenständigkeit

des

Statikgedankens

Der Statikgedanke unterscheidet sich von den skizzierten Ansätzen ganz grundlegend, ebenso wie sich generell der hier entwickelte Ansatz von den derzeit vertretenen Corrective Justice Theories deutlich abhebt. Zunächst trifft er überhaupt keine Aussage hinsichtlich der Begründung, sondern nur hinsichtlich der Ausfüllung von Ansprüchen. Der Statikgedanke stellt also - dies kann nicht oft genug betont werden - keine Kriterien dafür auf, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang jemand für einen verursachten Schaden einzustehen hat, ihm nicht gebührendes Vermögen herauszugeben hat usw. Vielmehr enthält er lediglich Kriterien dafür, nach welchen Regeln die von der Rechtsordnung einmal getroffene Entscheidung, einen bestimmten Ausgleichsanspruch entstehen zu lassen, vollzogen und gegebenenfalls einzelfallabhängig korrigiert wird. Von der Annullierungsthese Colemans unterscheidet er sich zusätzlich dadurch, daß er einen Ausgleich strikt von der Existenz korrespondierender Störungen abhängig macht, die durch ihren Entstehungsvorgang miteinander verknüpft sind. Dabei - und diese Feststellung ist von ausschlaggebender Bedeutung - muß es sich bei den Reststörungen grundsätzlich um faktische handeln, während bloß normative Effekte im Sinne Weinribs nicht genügen können. Dies muß schon deswegen so sein, weil das Statikprinzip nicht deskriptiv, sondern auch präskriptiv verstanden werden will, d.h. zur Entscheidung dienen möchte, ob bei einem bestimmten Lebenssachverhalt eine ergänzende Ausgleichung von Restvorteilen stattzufinden hat oder nicht. Die Annahme rein normativer Reststörungen würde aber zu einem Zirkelschluß führen. Denn besteht eine entsprechende Norm, aus der sich ergibt, daß ein bestimmter Effekt ein auszugleichender ist, dann ist der Ausgleichsbefehl schon gegeben und bedarf es keines Statikgedankens mehr, um denselben zu begründen. Ohne eine solche Norm fehlt aber die Grundlage für die Annahme einer normativen Reststörung im Sinne Weinribs.115

größte Mühe kostet, vgl. a.a.O., S. 122ff., weil dieser Rückgriff den Wert seiner Ausgangsthese von den bloß normativen Gewinnen und Verlusten in Frage stellt. 115 Es wird allerdings an verschiedenen Stellen nötig sein, vom Erfordernis einer meßbaren Vermögensdifferenz abzuweichen, so etwa wenn jemand zurechenbar eine unkörperliche Leistung eines anderen in Anspruch genommen und dies nicht zu einer bleibenden Ersparnis geführt hat: Er muß sich in diesem Fall an seiner Entscheidung, die Leistung in Anspruch zu nehmen, festhalten lassen; vgl. zu weiteren Ausnahmen vom Erfordernis einer Vermögensdifferenz unten, Sechstes Kapitel, § 16 II 1 b) [S.559].

50

Erstes Kapitel:

Grundüberlegungen

3. D e r induktive A n s a t z d e r A r b e i t Methodisches Neuland auch und gerade gegenüber den verschiedenen Ausformungen der Corrective Justice Theory beschreitet diese Arbeit in zweierlei Hinsicht. Z u m einen versucht sie nicht, die vorgegebenen Strukturen des geltenden Rechts auf die Nikomachische Ethik zu projizieren oder umgekehrt die Nikomachische Ethik auf das geltende Recht. Vielmehr übersetzt sie beide zunächst in die Elemente des Allokatorischen Modells, also eines tertium, um sie operationabel zu machen, wobei der Schwerpunkt der Übersetzungsarbeit zweifellos im Bereich des geltenden Rechts liegt. Vor allem aber - und dieser Umstand kann nicht deutlich genug hervorgehoben werden - verzichtet die Arbeit trotz ihres hochgegriffenen Ausgangspunktes auf jegliche Deduktion: Wer die Antwort auf die Frage nach einer Gefährdungshaftung oder Vorteilsausgleichung nicht im geltenden Privatrecht, sondern bei Aristoteles sucht, der hat m. E. etwas falsch gemacht. 116 Vielmehr kann es doch lediglich darum gehen, zu ermitteln, ob und inwieweit die aristotelische Konzeption für das geltende Recht überhaupt Relevanz besitzt, und das ist nur auf induktivem Wege zu erreichen. Gerade hier sehe ich den wesentlichen Diskussionsbeitrag, den die kontinentaleuropäischen Rechtssysteme zu liefern vermögen: G r o ß e Kodifizierungen machen es zumindest leichter, auch die Schritte, die zu einem bestimmten Ergebnis führen, noch im Detail exakt nachzuzeichnen, womit sie eine hinreichend breite Grundlage für eine induktive Untersuchung bieten. Im folgenden wird sich die Arbeit daher allein auf die Anspruchsgrundlagen des geltenden deutschen Schuldrechts konzentrieren, um erst im abschließenden Kapitel die gefundenen Ergebnisse in einen weiteren Kontext zu stellen. Die Deutung schuldrechtlicher Ansprüche als Ausgleichsmechanismen sowie das Vorhaben, diese Mechanismen auf gemeinsame Grundsätze eines Reststörungsausgleichs hin zu untersuchen, machen es scheinbar erforderlich, das geltende Schuldrecht Anspruch für Anspruch abzutasten. D a ß eine solche Vorgehensweise die Konzeption der Arbeit sprengen würde und zudem der Übersichtlichkeit der Darstellung abträglich wäre, liegt auf der Hand. Die für die Untersuchung relevanten Ansprüche lassen sich jedoch in verschiedener Hinsicht reduzieren bzw. zusammenfassen. Zunächst muß ohnehin eine Einschränkung auf Ausgleichsansprüche erfolgen, also auf solche Ansprüche, die im weiteren Sinne der Regulierung einer Verteilungsstörung dienen. Wenn ferner oben vom Primäranspruch einerseits und andererseits von Sekundäransprüchen, Subansprüchen und begleitenden Ausgleichsmechanismen anderer Art die R e d e war, dann ist dies ein weiterer wichtiger Schritt hin zu einer Strukturierung des vorgegebenen Materials. E r erlaubt es nämlich, nicht mehr einzelne Anspruchsgrundlagen, sondern ganze Anspruchs Verhältnisse zu betrachten, die durch den 116

Vgl. auch die Kritik von Röckrath, ARSP 1997, 506 [532ff.].

§ 1 Das Allokatorische

Modell

51

jeweiligen Primäranspruch gekennzeichnet sind. Auch diese Primäransprüche lassen sich wiederum auf wenige Typen zurückführen, die jeweils eine vergleichbare Funktion erfüllen und im wesentlichen gleichen Regeln folgen. In diesem Sinne wird sich das folgende Kapitel der Arbeit zunächst mit gesetzlichen Schadensersatzansprüchen befassen und das Dritte Kapitel mit Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung. Im Vierten Kapitel werden sodann die wichtigsten übrigen gesetzlichen Schuldverhältnisse behandelt, namentlich das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis sowie Rückabwicklungsverhältnisse, und im Fünften Kapitel schließlich die vertraglichen und quasi-vertraglichen Schuldverhältnisse. Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei klargestellt, daß die Arbeit keine rechtsvergleichende sein kann und sein will, und das gilt in sachlicher ebenso wie in methodologischer Hinsicht. Vereinzelte Seitenblicke auf den Rechtskreis des Common Law dürfen daher nicht als Hinweise auf einen entsprechenden Ansatz mißverstanden werden. Insbesondere darf kein Zweifel darüber bestehen, daß diese Arbeit ausschließlich auf dem deutschen Recht aufbaut und auch ausschließlich eine Aussage für das deutsche Recht treffen will. Eine irgendwie systematisch angelegte rechtsvergleichende Betrachtung würde den Rahmen der Arbeit sprengen und muß einer gesonderten Publikation vorbehalten bleiben.117

117 Zu den Schwerpunkten der Untersuchung sind zahlreiche Vorarbeiten vorhanden, auf die verwiesen werden kann, vgl. Sonnenberger, in: Festschrift Trinkner (1995), S.723ff. zur schadensrechtlichen Vorteilsausgleichung; Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion (1996); Kaehler, Bereicherungsrecht und Vindikation - Allgemeine Prinzipien der Restitution (1972) zum Bereicherungs- und Vindikationsrecht; von Caemmerer, in: Festschrift Rabel I (1954), S. 333f£; König, in: Festschrift von Caemmerer (1978), S. 179f£; Fritz Schulz, AcP 105 (1909), 1 ff.; Wilburg, JherJb 82 (n.F.46), 51f£; Flessner, Wegfall der Bereicherung (1970); Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung (1969) zum Bereicherungsausgleich und zur Haftung auf den Verletzergewinn.

Zusammenfassung des Ersten Kapitels Die Herausarbeitung allgemeiner Grundsätze der Vorteils- und Nachteilsausgleichung ist bislang vor allem daran gescheitert, daß die Begriffe des Vorteils oder des Nachteils mehr oder weniger konturenlos sind. Dem möchte die vorliegende Arbeit dadurch abhelfen, daß sie schuldrechtliche Ausgleichsmechanismen auf bestimmte Grundelemente reduziert und so zu einer Definition von Vorteil und Nachteil gelangt, die einerseits cum grano salis mit dem übereinstimmt, was nach gängigem Sprachgebrauch - etwa im Schadensrecht oder im Bereicherungsrecht - als ausgleichsfähiger Vorteil oder Nachteil bezeichnet zu werden pflegt, die andererseits aber auch hinreichend fest umrissen ist, um eine sichere Abgrenzung zur Frage der Bestimmung des Schadensumfangs, der Bereicherung usw. zu gewährleisten. Zu diesem Zweck werden schuldrechtliche Ansprüche als Mechanismen zur Regulierung von Störungen gedeutet, die in einer auf zwei oder jedenfalls wenige Rechtssubjekte bezogenen Vermögensverteilung aufgetreten sind. Vermögensverteilungen lassen sich entweder als Verteilung konkreter Gegenstände {Realverteilung) oder als Verteilung abstrakter Werte (Wertverteilung) darstellen. Dementsprechend können Verteilungsstörungen sowohl in der Realverteilung als auch in der Wertverteilung auftreten. Welche Verteilung jeweils betroffen ist, bestimmt sich anhand der zugrundeliegenden Wertungen oder indem etwa geprüft wird, ob eine Störung auch bei wertneutralen Austauschvorgängen, bei Betroffenheit immaterieller Güter oder bei bloßen Wertschwankungen zu verzeichnen ist. Auch Ausgleichsmechanismen können sowohl einen Ausgleich in der Realverteilung bewirken (Realausgleich) als auch einen Ausgleich in der Wertverteilung (Wertausgleich). Welcher Ausgleichstypus jeweils gegeben ist, bestimmt sich wiederum anhand der dem Ausgleich zugrundeliegenden Wertungen sowie bestimmter Kriterien, so etwa, ob eine Geldleistung nur die eigentlich geschuldete Leistung in natura surrogiert, inwieweit die Ausgleichshöhe von Wertungen im Einzelfall abhängt, oder auch danach, welcher Zeitpunkt für die Berechnung der Ausgleichshöhe maßgeblich ist bzw. ob hypothetische Abläufe beachtlich sind oder nicht. Ein Ausgleichsschuldverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner läßt sich in verschiedene Ausgleichsbefehle aufschlüsseln, die sich bei natürlicher Betrachtung jeweils als einheitliche darstellen und als solche nur entweder den Regeln des Realausgleichs oder den Regeln des Wertausgleichs folgen können.

Zusammenfassung

des Ersten

Kapitels

53

Die Ausgleichsschuldverhältnisse des geltenden Schuldrechts bestehen dabei zunächst aus dem Primäranspruch, der das Schuldverhältnis ursprünglich zum Entstehen gebracht hat, aus Sekundäransprüchen, die unter bestimmten Voraussetzungen an die Stelle des Primäranspruchs treten, sowie gegebenenfalls aus Subansprüchen und ergänzenden Ausgleichsmechanismen anderer Art. Unerwünschte Ereignisse, die eine Verteilungsstörung hervorrufen und nach einer Regulierung verlangen, haben oft Veränderungen der Realverteilung und Veränderungen der Wertverteilung zur Folge. Da der als einheitlicher definierte Primär- oder Sekundäranspruch nur entweder den Regeln den Realausgleichs oder den Regeln des Wertausgleichs folgen kann, werden durch ihn auch nur entweder Störungen der Realverteilung oder Störungen der Wertverteilung behoben und bleiben Störungen in der jeweils anderen Verteilung gegebenenfalls als Reststörungen bestehen. Sie können sich für einen Beteiligten als Restvorteile oder Restnachteile darstellen. Es drängt sich ein gewisser Anfangsverdacht auf, daß die Primär- und Sekundäransprüche des geltenden Schuldrechts den Regeln eines reinen Realausgleichs folgen und dementsprechend Reststörungen in der Wertverteilung zurücklassen. Unter welchen Voraussetzungen, durch welche Mechanismen und aufgrund welcher Wertungen solche Restvorteile und Restnachteile einem ergänzenden Ausgleich unterliegen, ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Dabei soll die These aufgestellt werden, daß Ausgleichsschuldverhältnisse immer eine maximale Eliminierung von Reststörungen anstreben. Postuliert werden soll die Existenz eines allgemeinen Rechtsprinzips, wonach ein Restnachteil möglichst dann - aber auch nur dann - ausgeglichen werden soll, wenn und soweit ihm ein korrespondierender Restvorteil des anderen Beteiligten gegenübersteht, und umgekehrt. Dieses Rechtsprinzip soll als Statikprinzip bezeichnet werden. Da es ein Formalprinzip darstellt, das im wesentlichen auf einer streng mathematischen Verrechnung korrespondierender Gewinne und Verluste beruht und weder auf die Verdienstlichkeit der Beteiligten noch insbesondere auf den Vergeltungsgedanken abstellt, erscheint es nicht fernliegend, Parallelen zur ursprünglichen Formulierung der iustitia correctiva durch Aristoteles zu ziehen.

Zweites Kapitel

Ausgleich von Reststörungen im gesetzlichen Schadensrecht Es sprechen verschiedene Gründe dafür, die Analyse des geltenden Schuldrechts beim gesetzlichen Schadensrecht zu beginnen. Zum einen darf der Schaden im rechtlichen Sinn gleichsam als die Urform einer Verteilungsstörung betrachtet werden, weil die Störungsqualität eines Schadens unmittelbar dem natürlichen Bewußtsein entspricht und auch aus der juristischen Definition - ungeachtet der unterschiedlichen Schadensbegriffe - nicht hinweggedacht werden kann. Dementsprechend lassen sich die dogmatischen Figuren des Schadensersatzrechts den Elementen des Allokatorischen Modells in besonders anschaulicher Weise zuordnen. Zum anderen kommt Ansprüchen, die auf Schadensersatz gerichtet sind, in unserer Privatrechtsordnung eine besonders herausgehobene Stellung zu.1 Sie findet ihren Ausdruck unter anderem darin, daß Schadensersatzansprüche in nahezu allen Regelungskomplexen des Bürgerlichen Gesetzbuchs wie auch der übrigen Privatrechtsgesetze auftreten und daher offenbar geeignet sind, einem breiten Spektrum unterschiedlicher Interessenlagen und Regelungsbedürfnisse gerecht zu werden.

1 Vgl. Stoll, Haftungsfolgen im bürgerlichen Recht (1993), S. 3, oder Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2 (1993), §30 vor I [S. 155], wonach Schadensersatzansprüchen eine „das gesamte Schuldrecht mitgestaltende Stellung" zukomme.

§ 2 Schadensersatz und Allokatorisches Modell Voraussetzung jedes Schadensersatzanspruchs ist das Vorliegen eines Schadens. So selbstverständlich diese Aussage klingen mag, so kontrovers sind doch die Meinungen dazu, was unter einem Schaden im Rechtssinne zu verstehen ist. Es kann hier keine umfassende Diskussion der unterschiedlichen Schadensbegriffe erfolgen, die im Laufe der Zeit aus unterschiedlichen Vorverständnissen heraus entwickelt worden sind. Dies wäre im Hinblick auf die Themenstellung der Arbeit von fraglichem Erkenntniswert, zumal auf einschlägige Darstellungen verwiesen werden kann. 2 Um einen Zusammenhang herzustellen zwischen den Figuren der herrschenden schadensrechtlichen Dogmatik und den Elementen des Allokatorischen Modells, muß vielmehr in erster Linie herausgearbeitet werden, ob und inwiefern der Schaden im juristischen Sinn sich als Verteilungsstörung deuten läßt. Nur in dem Umfang, wie es zur Beantwortung dieser Frage erforderlich scheint, kann das Eingehen auf verschiedene Schadenstheorien sinnvoll sein.

I. Das Wesen des Schadens im rechtlichen Sinn Es entspricht der gängigen Darstellungsweise, das Recht der Schadensersatzleistungen ungeachtet der Qualität des zugrundeliegenden Anspruchs weitgehend als Einheit aufzufassen. Diese Darstellungsweise findet eine Stütze in der Systematik des Gesetzes, wonach die §§249ff. BGB grundsätzlich für alle Schadensersatzansprüche gelten sollen. 3 Insbesondere wird hinsichtlich der Ausgestal2 Vgl. etwa die Zusammenstellungen bei Lange, Schadensersatz, § 1 I bis III [S.27ff.] sowie bei Magnus, Schaden und Ersatz (1987), S. 9ff.; Schiemann, Argumente und Prinzipien bei der Fortbildung des Schadensrechts (1981), S. 164ff.; Hohloch, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts (1981), S. 375 [395ff.]. Jegliche Berechtigung spricht Selb, AcP 173 (1973), 366 [367] der Bildung von Schadensbegriffen ab. Indessen dürfte er mit dieser Reaktion auf die eigenen Erfahrungen, die er in Zusammenhang mit dem ihm zugeschriebenen „normativen" Schadensbegriff machen mußte, zu weit gehen. 3 Das betrifft sowohl die Schadensersatzansprüche, die sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ergeben, als auch grundsätzlich Schadensersatzansprüche aus anderen Gesetzen. Modifikationen können sich aus der jeweiligen Haftungsnorm oder einer Parteivereinbarung ergeben, vgl. hierzu Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 32 vor I [S. 186] sowie die Übersichten bei MünchKommi-Grunsky, vor §249 BGB R n . l ; Staudinger 12 -A/ed/cu.i, vor §§249-254 BGB Rn.4ff.; Hohloch in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 375 [383],

§ 2 Schadensersatz

und Allokatorisches

Modell

57

tung der Haftung weder näher danach differenziert, ob es sich um einen gesetzlichen oder einen vertraglichen Schadensersatzanspruch handelt, noch auch danach, ob ein Primäranspruch vorliegt oder aber ein sekundärer Schadensersatzanspruch bzw. gar ein bloßer, auf Schadensersatz gerichteter Subanspruch. Dabei sind sekundäre Schadensersatzansprüche und Subansprüche dadurch gekennzeichnet, daß sie einem ganz anderen und nicht auf Schadensersatz gerichteten Primäranspruch zugeordnet sind. 4 Die fehlende Differenzierung zwischen primären und sekundären Schadensersatzansprüchen sowie Subansprüchen nimmt nicht wunder, ergibt sich doch die entsprechende Einteilung der scheinbar gleichrangigen Anspruchsgrundlagen des geltenden Schuldrechts erst aus der hier so genannten allokatorischen Betrachtungsweise. 1. Präzisierung des U n t e r s u c h u n g s g e g e n s t a n d s Die folgenden Ausführungen befassen sich - dem allgemeinen Aufbauschema der Arbeit getreu - ausschließlich mit schadensrechtlichen /V/maransprüchen. Diese sind dadurch gekennzeichnet, daß sie aus dem Eintritt eines unerwünschten Ereignisses heraus originär entstehen und nicht von einem anderen Ausgleichsanspruch abhängig sind. Zusätzlich soll der Untersuchungsgegenstand zunächst auf gesetzliche Schadensersatzansprüche eingegrenzt werden, weil vertragliche Schadensersatzansprüche einige Besonderheiten aufweisen, die es angeraten erscheinen lassen, sie erst im Fünften Kapitel der Arbeit zu erörtern. Im Ergebnis beziehen sich die folgenden Ausführungen damit im wesentlichen auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung. 5 Nicht hingegen gelten sie für sekundäre Schadensersatzansprüche oder für auf Schadensersatz gerichtete Subansprüche. a) Ausgrenzung

sekundärer

Schadensersatzansprüche

Z u den sekundären Schadensersatzansprüchen gehört vor allem der Schadensersatz wegen Nichterfüllung im vertraglichen Schuldrecht, der die ursprünglich geschuldete Leistung ersetzen soll, doch ist dieser schon deswegen erst später zu erörtern, weil sich die Ausführungen dieses Kapitels ja auf das gesetzliche Schadensrecht beschränken. Ein Beispiel für einen gesetzlichen, sekundären Schadensersatzanspruch stellt etwa der Anspruch gegen den verschärft haftenden Besitzer gemäß §§989, 990 B G B dar. Dieser entsteht nicht originär allein mit Eintritt der Zerstörung, Verschlechterung, Weggabe usw. der Sache, sondern 4 Ähnlich - ohne freilich die hier gebrauchte Terminologie zu verwenden - schon Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse (1855), S. 10. 5 Auch Schadensersatzansprüche aus Vertrauenshaftung sowie verschiedene andere vertragliche Haftungsmechanismen werden sich als primäre Ersatzansprüche herausstellen, vgl. unten, Fünftes Kapitel, § 1412 [S. 484ff.], doch ist ihre Behandlung zusammen mit der Vertragshaftung aus Gründen des Sachzusammenhangs vorzuziehen.

58

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

setzt das Bestehen eines anderen, primären Ausgleichsanspruchs voraus, nämlich des Herausgabeanspruchs aus §985 BGB. D a der sekundäre Schadensersatzanspruch aus §§989, 990 Abs. 1 B G B an die Stelle der Vindikation tritt, ist die A n n a h m e mindestens plausibel - und unter dem Gesichtspunkt der Folgerichtigkeit der Rechtsordnung heraus nahezu zwingend - daß er in a l e a t o r i scher Hinsicht mehr Ähnlichkeiten mit der Vindikation aufweist als mit deliktischen Schadensersatzansprüchen: Es wäre verwunderlich, wenn etwa die vindikationsrechtliche Soll-Verteilung oder die vindikationsrechtlichen Regeln über den Reststörungsausgleich mit Eintritt der Unmöglichkeit der Herausgabe plötzlich in die Soll-Verteilung usw. eines ganz anderen Ausgleichsschuldverhältnisses „umschlagen" würden. Derartige sekundäre Ersatzansprüche sind daher zweckmäßigerweise im R a h m e n des Vindikationsrechts usw. zu erörtern, wobei natürlich viele Erkenntnisse, insbesondere zum Wesen des Schadens und zum Inhalt der Ausgleichsleistung, auch dort sinngemäß Geltung besitzen. b) Ausgrenzung

auf Schadensersatz

gerichteter

Subansprüche

Als bloße Subansprüche, die inhaltlich auf Schadensersatz gerichtet sind, müssen dagegen die privatrechtlichen Ansprüche mit Aufopferungscharakter qualifiziert werden, so etwa der Anspruch des Duldungspflichtigen aus § 904 Satz 2 B G B beim Angriffsnotstand oder aus § 906 Abs. 2 Satz 2 B G B bei Beeinträchtigungen durch den Grundstücksnachbarn. Die Qualifizierung wird sich deswegen als zutreffend erweisen, 6 weil diese Ansprüche von Bestehen und Erfüllung eines übergeordneten Ausgleichsanspruchs abhängig sind, der allerdings nicht wie die meisten Ausgleichsansprüche - auf Leistung, sondern auf Duldung gerichtet ist. Allokatorisch betrachtet führen indessen Ansprüche, die es dem Begünstigten gestatten, eine bestimmte Sache an sich zu nehmen, sie zu benutzen, auf sie einzuwirken usw. zum gleichen Ergebnis wie Ansprüche, die den Anspruchsgegner verpflichten, die Sache zu übergeben, den Gebrauch an ihr zu überlassen oder sie zur Einwirkung zur Verfügung zu stellen, so daß insoweit zwischen Leistungs- und Duldungsansprüchen kein fundamentaler Unterschied besteht. Aufopferungsansprüche sind somit nur untergeordnete Ausgleichsmechanismen im R a h m e n desjenigen Ausgleichsschuldverhältnisses, das durch den Duldungsanspruch gebildet wird. Als solche haben sie mit deliktischen Schadensersatzansprüchen im G r u n d e wenig gemeinsam. U m den Unterschied zwischen schadensrechtlichen Primäransprüchen und auf Schadensersatz gerichteten Subansprüchen besser veranschaulichen zu können, sollen die Aufopferungsansprüche jedoch unmittelbar im Anschluß an die deliktischen Schadensersatzansprüche erörtert werden.

6

Siehe zur A r g u m e n t a t i o n unten, § 5 II 1 [S. 191 ff.].

§ 2 Schadensersatz

und Allokatorisches

Modell

59

2. D e r Schaden als Verteilungsstörung Eine Verteilungsstörung zeichnet sich durch das unerwünschte Abweichen der Ist- von der Soll-Verteilung aus. Sie definiert sich also erstens durch den Vergleich des aktuellen Zustands mit einem hypothetischen und zweitens durch ein Präferenzgefälle zwischen diesen beiden Zuständen, das anhand der dem Recht zugrundeliegenden Wertungen festgestellt werden kann. Daran, daß der Schaden im juristischen Sinn zumindest grundsätzlich durch den Vergleich zweier Zustände ermittelt werden muß, kommt man - ungeachtet aller dogmatischen Streitpunkte im Detail - nicht vorbei. Dies bringt §249 Satz 1 BGB sinnfällig zum Ausdruck, und gleichfalls, welche Zustände es sind, die miteinander verglichen werden sollen: Es ist dies zum einen der aktuelle Zustand des Geschädigtenvermögens und zum anderen der Zustand, in dem dieses Vermögen sich befände, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. 7 Das ist die Grundaussage der sogenannten Differenzhypothese, 8 und allein mit dieser Bedeutung wird der Begriff der Differenzhypothese hier auch verwendet. Damit soll zugleich allen Ansätzen, den Begriff mit Aussagegehalten zu überfrachten, die ihm nicht von vorneherein oder zumindest nicht notwendig zukommen, eine klare Absage erteilt werden. Denn die Entscheidung für die Differenzhypothese wird - je nach dem persönlichen Standpunkt des Autors gerne gleichgesetzt mit einer Entscheidung für den natürlichen Schadensbegriff 9 , für die Qualität des Schadens als rechnerische Größe 10 , gegen den gemeinen Wert als Mindestschaden 11 und vieles mehr. Richtigerweise ist eine solche Anreicherung des Begriffs aber auch dann nicht gerechtfertigt, wenn man die Differenzhypothese untrennbar mit der Lehre Mommsens vom Interesse verknüpft. 12

7

Es ist an dieser Stelle noch einmal darauf hinzuweisen, daß der in dieser Arbeit verwendete Vermögensbegriff ein denkbar weiter ist, der offen ist für den Einbezug immaterieller Rechtspositionen oder bloßer Chancen, soweit diesen von den dafür maßgeblichen Normen rechtliche Relevanz zugesprochen wird, vgl. hierzu Erstes Kapitel, § 1 11 vor a) [S. 8]. 8 Der Begriff geht zurück auf Heck, Grundriß des Schuldrechts (1929), § 11 Nr.4 [S. 37], 9 So offenbar Magnus, Schaden und Ersatz, S. 10; Hohloch, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 375 [395]; der Sache nach wohl auch Palandt 5 7 -//««richs, vor §249 BGB Rn. 14 passim, obgleich er in diesem Zusammenhang nicht vom natürlichen Schaden spricht. 10 Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens (1967), S.67; implizit wohl auch Palandt 57 Heinrichs, vor § 249 BGB Rn. 8 sowie alle, die auf den Schaden als Saldo abstellen, so etwa Lange, Schadensersatz, § 1 1 [S. 28/29]. 11 Lange, Schadensersatz, § 1 III 4 [S. 45]. 12 Sicherlich wird aus dem Werk Mommsens stellenweise eine bestimmte Haltung zu den angeschnittenen Fragen erkennbar, so etwa wenn dieser von der Differenz zwischen dem gegenwärtigen Vermögen und dem Betrage spricht, den dieses hypothetisch haben würde, vgl. Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, S. 3, doch darf darin nicht seine zentrale Aussage gesehen werden.

60

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

a) Geltungsumfang

der

im gesetzlichen

Schadensrecht

Vergleichsmethode

Die prinzipielle Geltung der Differenzhypothese ist in Rechtsprechung und Lehre praktisch unbestritten. 13 Allerdings entspricht es heute herrschender Meinung, daß die Differenzhypothese und damit auch die eine Verteilungsstörung charakterisierende Vergleichsmethode lediglich den Ausgangspunkt für die Schadensfeststellung bilde. Von den vielen in dieser Richtung gemachten Ansätzen - etwa dem sogenannten Sozialschaden 14 oder einem ökonomischen Schadensbegriff 15 - hat sich vor allem der normative Schadensbegriff bzw. die Auffassung durchgesetzt, daß die Differenzhypothese aus normativen Erwägungen heraus zu korrigieren sei. aa) Der faktisch-normative

Schadensbegriff

Der sogenannte normative Schadensbegriff wird gemeinhin als eine Abkehr von der Vergleichsmethode betrachtet. 16 Angeregt vor allem durch die Arbeiten von Selb17 und Steindorff 18 hat er zeitweise auf die rechtswissenschaftliche Diskussion eine erhebliche Faszination ausgeübt, 19 die inzwischen nicht nur abgeklungen ist, sondern sich eher in breite Kritik verwandelt hat. 20 In ihrem Kern 13 Aus der Rechtsprechung vgl. etwa B G H Z 27,181 [183f.]; 40, 345 [347]; 75, 366 [371]; 86, 128 [130]; 99, 182 [196]; 114, 193 [196], aus der Kommentarliteratur Palandt"-Heinrichs, vor §249 B G B Rn.8; Staudinger 12 -Med/cui, § 249 BGB Rn.4f.; Soergel 12 -Mertem, vor §249 BGB Rn.41f.; Erman 9 -Kuckuk, vor §249 BGB Rn.25. Für ungeeignet für die Feststellung eines Schadens halten die Differenzhypothese dagegen MünchKomm 3 -Gran.siry, vor §249 BGB Rn.7; Schilcher, Theorie der sozialen Schadensverteilung (1977), S.31ff.; Honsell, JuS 1973,69 [74], wonach die Differenzhypothese aufzugeben sei, weil sie „operational und heuristisch nichts leistet". 14 Gemeint ist die Übernahme des Individualschadens durch ein Kollektiv, wie etwa bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, vgl. Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht (1996), Rn. 922 m.w.N.. 15 Hierzu etwa Köndgen, AcP 177 (1977), 1 [5ff.] m.w.N. 16 Dies wird aus Formulierungen deutlich, wonach „nicht allein auf die Differenzhypothese abzustellen sei" usw., siehe etwa B G H Z 74, 231 [233] m.w.N. Vgl. zum normativen Schadensbegriff die Darstellungen bei Medicus, JuS 1979,233ff., der a.a.O., S. 236/237 sehr klar herausarbeitet, in welchen unterschiedlichen Bedeutungen der Begriff verwendet wird. 17 In erster Linie Selb, Schadensbegriff und Regreßmethoden (1963); den Begriff des normativen Schadens erwähnt Selb a.a.O. allerdings nur beiläufig, so auf S. 11, 60 und 78, und hat sich später deutlich davon distanziert, einen eigenen Schadensbegriff prägen zu wollen, Selb, AcP 173 (1973), 366 [367], 18 Steindorff, AcP 158 (1959/60), 431 ff. Steindorff vertritt dort die These, daß die sogenannte abstrakte Schadensberechnung nicht nur die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen erleichtern solle und damit prozessualen Charakter habe, sondern vielmehr bereits aus den zugrundeliegenden materiellen Haftungsnormen folge; ders., J Z 1961,12ff. 19 Hansen, Normativer Schadensbegriff und Schadensberechnung (1977); Hagen, in: Festschrift für Hauß (1978), S. 83ff. Auch die Rechtsprechung konnte sich dem nicht entziehen, vgl. B G H Z 50, 304 [306], 20 So Keuk, Vermögensschaden und Interesse (1972), S.37, 41ff.; Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens, S. 87ff.; Eike Schmidt, Grundlagen des Vertrags- und Schuldrechts (1972),

§ 2 Schadensersatz

und Allokatorisches

Modell

61

besagt die Lehre vom normativen Schaden - sofern sie nicht ganz in der Auffassung von einem normgeprägten Schaden aufgeht21 - daß eine rechnerisch bezifferbare oder gar sinnlich wahrnehmbare Verminderung des Geschädigtenvermögens für die Annahme eines Schadens nicht konstitutiv sei. Mit anderen Worten: Ein Unterschied zwischen der aktuellen Lage des Geschädigten und seiner hypothetischen Lage bei Hinwegdenken eines potentiell schädigenden Ereignisses müsse nicht erkennbar sein. Vielmehr sei zu fragen, inwieweit normative Gesichtspunkte es gebieten, die aktuelle und die hypothetische Lage unterschiedlich zu bewerten. Die herrschende Meinung in der Rechtsprechung geht heute zwar nicht von einem normativen, aber doch von einem faktisch-normativen22 oder dualistischen23 Schadensbegriff aus. Auf dieser Grundlage wurden etwa der Ausfall an der Arbeitsstätte trotz freiwilliger Lohnfortzahlüngen,24 der Ausfall bei der Hausarbeit trotz Besorgung des Haushalts durch andere25 oder der Entzug von Gebrauchsmöglichkeiten26 als Schaden im Rechtssinn bezeichnet. Die Literatur ordnet teilweise alle wertenden Konkretisierungen der Differenzhypothese - von der Nutzungsausfallentschädigung bei Kraftfahrzeugen bis hin zur Rechtsprechung zum „vertanen Urlaub" - dem normativen Schadensbegriff zu.27 Wenn es für notwendig erachtet wird, die Differenzhypothese aus normativen Gesichtspunkten heraus zu korrigieren, und wenn man darin eine Abkehr S. 554ff.,562f.; Medicus, JuS 1979,233 [239]; Littbarski, Rechtstheorie 1984,171 [190]; Wille, Die Erkenntnis des Schadens und seines Ersatzes (1983), S. 119. Die Ablehnung, die der Lehre vom normativen Schaden heute zuteil wird, dürfte darauf zurückzuführen sein, daß sie oft an die Stelle exakter Begründungsversuche gesetzt und dazu mißbraucht wurde, ein beliebiges gewünschtes Ergebnis herbeizuführen, vgl. hierzu Lange, Schadensersatz, §1 III 1 [S.41]: „Wer sich in einschlägigen Sach- und Rechtslagen mit dem schlagwortartigen Gebrauch einer n o r mativen' Schadensfeststellung begnügt, gleicht dem Münchhausen, der sich selbst mit dem Schöpfe aus dem Sumpf zieht." 21 Solche Ansätze sind gelegentlich zu verzeichnen, so etwa wenn die Lehre Robert Neuners vom Ersatz des objektiven Werts (AcP 133 (1931) 277 [290ff.]) der Sache nach dem normativen Schadensbegriff zugeordnet wird, vgl. Medicus, JuS 1979,233 [236]; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn.784; Hohloch, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 375 [398], 22 Staudinger 12 -Med/c«i, vor §249 BGB Rn.34.; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn.786. 23 B G H Z 75,366 [371 f.] (ohne den Ausdruck zu gebrauchen); Palandt S1 -Heinrichs, vor § 249 BGB Rn. 14; Staudinger 12 -Med/ciis, § 249 BGB Rn.5. Kritisch hierzu MünchKomm 3 -Grwns/ty, vor § 249 BGB Rn. 7; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 786. Von einem „dualistischen" Schadensbegriff wird allerdings auch in anderen Zusammenhängen gesprochen, so meint damit etwa Köndgen, AcP 177 (1977), 1 [8] die Gliederung des Schadens in einen materiellen und einen immateriellen Schaden. 24 So B G H Z 43, 378 [381], wo der B G H erstmals auf die Figur des „normativen Schadens" rekurriert. 25 Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen, B G H Z 50, 304 [306]; vgl. hierzu etwa Hagen, JuS 1969, 61ff.; Lieb, J Z 1971, 358ff. 26 B G H NJW 1969,1477 [1478], 27 Vgl. vor allem Hagen, in: Festschrift Hauß (1978), S.83 [85ff.].

62

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadebsrecht

von der Vergleichsmethode erkennen will,28 so ist dies nur symptomatisch für die oben erwähnte Tendenz, die Differenzhypothese mit Bedeutungsgehalten zu überfrachten, die ihr nicht von vorneherein zukommen. Die Sachverhalte, in denen man mit einem normativen Schaden operieren zu müssen glaubt, ließen sich mühelos auch anderen Rechtsinstituten und Problemfeldern zuordnen und auf diese Weise befriedigend lösen. So liegt es doch etwa beim Hausfrauenschaden sowie im Fall freiwilliger Lohnfortzahlungen auf der Hand, daß das gleiche Ergebnis aus dem Rechtsgedanken des § 843 Abs. 4 BGB oder der Annahme einer Zessionspflicht zugunsten des freiwillig leistenden Dritten gefolgt wäre, oder auch aus dem anerkannten Grundsatz, daß eine Vorteilsausgleichung nicht zulasten nachrangig Haftender gehen dürfe. 29 Soweit sich die normative Sicht in der Erkenntnis erschöpft, daß das Inkrafttreten der Gleichberechtigung von Mann und Frau die rechtliche Einordnung der Haushaltsführung grundlegend geändert habe, 30 hat das mit dem bürgerlichrechtlichen Schadensbegriff nicht viel zu tun. Was schließlich den Ersatz des abstrakten Nutzungsausfalls bei Kraftfahrzeugen betrifft, so ist er bei der Problematik der Abgrenzung zwischen materiellem und immateriellem Schaden anzusiedeln. 31 Die kritische Frage ist demnach nicht diejenige, ob überhaupt ein Schaden vorliegt, sondern vielmehr, ob und in welcher Höhe dieser Schaden als ersatzfähiger Vermögensschaden anerkannt werden darf. Daß nun diese Frage anhand einer normativen Bewertung, und nicht bloß einer wertfreien Betrachtung beantwortet werden muß, läßt sich nur schwer bestreiten, und ebensowenig, daß es sich beim Schaden im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs um einen Rechtsbegriff handelt, der als solcher zwangsläufig normativ zu verstehen ist.32 Das letztgenannte Verständnis von Normativität - also die Einbindung in und die Abhängigkeit von gesetzlichen Vorschriften - ist es auch, was dem „normativ-faktischen" Schadensbegriff richtigerweise zugrundeliegt. 33

28 So die wohl überwiegende Auffassung, vgl. nur Littbarski, Rechtstheorie 1984, 171 [176ff.]; Medicus, JuS 1979, 233 [236]; demgegenüber weist Lieb, J Z 1971,358 [359] zutreffend darauf hin, daß die Differenztheorie durchaus Wertungen in sich aufnehmen könne. 29 Zutreffend Hagen, JuS 1969, 61 [69]; Lieb, J Z 1971, 358 [361]; anders allerdings Medicus, JuS 1979, 233 [238], der glaubt, das Problem sei mit der Versagung der Vorteilsausgleichung nicht in den Griff zu bekommen. 30 B G H Z 50, 304 [305f.]. 31 Zutreffend etwa Keitk, Vermögensschaden und Interesse, S. 208ff.; ausführlich zum Verhältnis von „Kommerzialisierungsthese", „Frustrationslehre" und dem Stand der Rechtsprechung unter dem Aspekt der normativen Schadenskomponente Hohloch, in; Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 375 [409ff.] mit umfangreichen Nachweisen. 32 Anders Ernst Wolf, in: Festschrift Schiedermair (1976), S. 545 [550]: „Der Begriff Schaden ist somit kein Rechtsbegriff. Mit der Einbeziehung .rechtlicher Erwägungen'... werden Bedingung und Bedingtes miteinander vermengt." Sehr treffend die Analyse bei B G H Z 98. 212 [217f.J sowie von Larenz, Schuldrecht I (1987), $27 II a) [Fn. 12]; Gottwald. Schadenszurechnung und Schadensschätzung (1979), S.46.

§ 2 Schadensersatz

und Allokatorisches

bb) Die sogenannten Durchbrechungen

der

Modell

63

Differenzhypothese

Ebenfalls als Durchbrechung der Differenzhypothese wird die Rechtsprechung zum Ersatz des merkantilen Minderwerts angesehen. 34 Auch diese Einschätzung ist indessen m. E. keinesfalls zwingend, weil die Frage nach der Ersatzfähigkeit des merkantilen Minderwerts schlicht eine Frage der Schadensberechnung darstellt. Daß zwischen dem reparierten Unfallwagen und dem Wagen in seinem vorherigen Zustand ein Unterschied - also eine Differenz - zum Nachteil des Eigentümers besteht, erschließt sich der natürlichen Lebensauffassung unmittelbar, und problematisch ist lediglich, ob man die Minderung des objektiven Verkehrswerts oder des subjektiven Gebrauchswerts zum Maßstab nimmt. Tatsächlich eine Durchbrechung der Differenzhypothese stellt dagegen die Rechtsprechung zur Beachtlichkeit von Vorsorgeaufwendungen dar, indem der G E M A unter Hinweis auf deren kostspielige Überwachungsmaßnahmen pauschal das Doppelte der Normalgebühr 35 oder anderen Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen Ausgleich für Vorhaltekosten als Schadensersatz zugesprochen wird.36 Die GEMA-Rechtsprechung ist aber als eigenständiges Rechtsinstitut des Gewohnheitsrechts, und nicht als Gewährung von Schadensersatz anzusehen. 37 Was den Ersatz von Vorhaltekosten anbelangt, so hat man streng genommen weniger an der Differenzhypothese manipuliert - die Kosten sind dem Geschädigten ja tatsächlich während des verletzungsbedingten Ausfalls erwachsen - sondern vielmehr am Erfordernis der Kausalität. 38 Auf die dogmatische Einordnung dieser Rechtsentwicklung wird weiter unten noch zurückzukommen sein. 3 '

34 So ausdrücklich B G H J Z 1967, 360 [360/361], mit Anmerkung von Steindorff, Stoll, JuS 1968, 504; Lieb, J Z 1971, 358 [359]: anders noch die Entscheidung B G H Z 27, 181 [183f.], die sich auf dem Boden der Differenzlehre sah. 35 Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs B G H Z 17, 376 [383]; 59, 286 [287ff.]. 36 Vgl. etwa schon R G Z 74, 362 [365] zu den Hebekosten für gesunkene Schiffe (Vorhaltekosten als „Kosten der Beseitigung"); ferner B G H Z 32,280 [284ff.]; 70,199 [201], B G H VersR 1961, 358 [359]; 1976,170 [171]; 1986,1125 [1127], 37 Zutreffend Palandt 51 -Heinrichs, vor § 249 BGB Rn. 45; Lange, Schadensersatz, § 6 VIII 2 [S. 295]; von „Ausnahmecharakter" spricht auch B G H Z 97, 37 [50] - Filmmusik; B G H G R U R 1990,353 [355] - Raubkopien. Dem B G H steht denn die ganz überwiegende Literatur auch ablehnend gegenüber, MünchKomm 3 -G™«sfcy, vor §249 BGB Rn.77; Staudinger 1 2 -Medicus, §249 BGB Rn. 123; Soergel l2 -Mertem. §249 BGB Rn.56; Niederländer, J Z 1960, 617 [618]; Loewenheim, J Z 1972, 12 [13ff.]; ders., J Z 1973. 792 [793]; Jürgen Schmidt, J Z 1974, 73 [83]; Hagmann, J Z 1978. 133 [234f.]; sehr kritisch Schiemann, Argumente und Prinzipien bei der Fortbildung des Schadensrechts, S. 231 f.; für verallgemeinerungsfähig hält die GEMA-Rechtsprechung demgegenüber Canaris, NJW 1957, 521 [524f.]. 38 Statt aller hier einstweilen Lange, Schadensersatz. §6 VIII 4 [S.299] mit umfangreichen Literaturhinweisen in Fn. 264 /.u § 6. 39 Siehe unten. 54 13 (S. 16! ff.].

64

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

cc) Bedeutung fiir die

im gesetzlichen

Schadensrecht

Vergleichsmethode

Insgesamt hat sich gezeigt, daß die Differenzhypothese trotz aller Konkretisierungen, die sie erfahren hat, immer noch den Kern der Schadensfeststellung bildet. Inwieweit nicht nur von Konkretisierungen, sondern auch von Korrekturen der Differenzhypothese die Rede sein muß, hängt davon ab, welche Bedeutungsgehalte man in den Begriff hineinlegt. Nach dem hier zugrundegelegten Verständnis bedeutet die Entscheidung für die Differenzhypothese nicht auch bereits eine Entscheidung für die Vorteilsausgleichung, für eine bestimmte Abgrenzung zwischen immateriellem und materiellem Schaden oder für eine bestimmte Methode, die Ersatzleistung zu berechnen. 40 Auch wenn man ein abweichendes Begriffsverständnis zugrundelegt, wird man jedoch am umfassenden Geltungsanspruch der Vergleichsmethode als solcher kaum vorbeikommen. b) Umfang des angestellten Vergleichs Wenn der Schaden durch den Vergleich zweier Zustände des Geschädigtenvermögens ermittelt werden soll, dann ist damit noch nichts darüber ausgesagt, welcher Ausschnitt desselben der Betrachtung zugrundeliegt. Dabei entspricht es inzwischen der ganz überwiegenden Auffassung, daß stets das Gesamtvermögen des Geschädigten zu betrachten sei.41 Damit ist sicher nicht gemeint, daß in der Praxis stets eine Gesamtinventur des Geschädigtenvermögens durchgeführt werden müßte. Vielmehr wird der Schaden durch Erfassung aller beeinträchtigten Vermögenspositionen erlangt, wobei es dem Gläubiger möglich bleibt, sich gegenüber einer gemachten Einschränkung auf den Grundsatz vom Gesamtvermögensvergleich zu berufen. 42 Dem tritt die sogenannte Lehre vom Einzelschaden entgegen, die ursprünglich von Möller ganz speziell zum Versicherungsrecht entwickelt worden ist.43 Sie besagt in ihrem Kern, daß der Schaden nie auf das Gesamtvermögen des Geschädigten, sondern immer nur auf ein bestimmtes, betroffenes Rechtsgut bezogen sein könne. Im Recht der Privatversicherung mag es in der Tat sinnvoll 40 In diesem Sinne wollte auch Mommsen seine Lehre nicht verstanden wissen. Er hebt a.a.O., S. 27ff. ausdrücklich hervor, daß das festgestellte Interesse nicht mit dem etwa zu leistenden Schadensersatz identisch sei. 41 Lange, Schadensersatz, § 1 I [S. 29]; Hohloch, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, S.375 [396], der aber feststellt, daß dem BGB insoweit nichts entnommen werden kann; Roussos, Schaden und Folgeschaden, S. 172, jeweils m.w.N. Kritisch dagegen Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S.20ff., 24, wonach die Summe vieler Einzelschäden erst den Gesamtvermögensschaden ergibt; kritisch auch Honseil, luS 1973, 69 [71]; Ernst Wolf, Die Unhaltbarkeit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Schadensersatz bei Totalschäden an Kraftfahrzeugen, S.45ff.; Wilk, Die Erkenntnis des Schadens und seines Ersatzes (1983), S. 147; Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, §31 II 1 a) [S. 172], 42 Zutreffend Lange, Schadensersatz, § 1 III 4 [S.45]. 43 Möller, Summen- und Einzelschaden (1937), der a.a.O., S. 9 sehr anschaulich von der Zergliederung des „Schadensklumpens" spricht.

§ 2 Schadensersatz

und Allokatorisches

Modell

65

sein, im Interesse der Kalkulierbarkeit von Risiken den Versicherungsschutz auf ganz bestimmte Schadensfolgen zu reduzieren. 44 Teilweise wird der Lehre vom Einzelschaden jedoch ein weitergehender Geltungsanspruch für das allgemeine Zivilrecht nachgesagt, etwa in dem Sinne, daß aus jedem individualisierbaren Schadensposten ein selbständiger Anspruch entstehe. Konsequenzen hätte das für Fragen der Verjährung, des Umfangs einer Legalzession, der gerichtlichen Geltendmachung usw.45 So verstanden vermöchte die Lehre allerdings nicht zu überzeugen. Will sie nämlich nicht die Atomisierung in eine unüberschaubare und möglicherweise unendliche Zahl von Einzelansprüchen in Kauf nehmen und bei einer „vernünftigen" Aufspaltung stehenbleiben, setzt sie sich dem Vorwurf der Willkürlichkeit aus. Eine vollkommene Aufspaltung des Schadens ist nämlich nicht möglich. So kann etwa ein Verkehrsunfall dazu führen, daß der Wagen des Verletzten stark beschädigt wird, daß er Arztkosten zu begleichen hat, daß ihm ein lukratives Geschäft entgeht oder daß er eine Urlaubsreise nicht antreten kann. Hier ließe sich noch mit einiger Sicherheit eine Einteilung in „Eigentumsschäden", „Gesundheitsschäden" und „sonstige Schäden" vornehmen, wobei sich bei letzteren bereits akut die Frage nach einer weiteren Unterteilung stellte. Doch auch die Beschädigung des Wagens läßt sich bei näherer Betrachtung vielleicht in den Bruch der Windschutzscheibe, die Verformung der Stoßstange, den Minderwert als Unfallwagen, den Verlust des Schadensfreiheitsrabatts bei der Kaskoversicherung, die entgangene Nutzungsmöglichkeit usw. aufgliedern. Für die zivilrechtliche Dogmatik sind solche Überlegungen jedoch insofern von Erkenntniswert, als sie den Blick dafür schärfen, daß aus einem individualisierbaren historischen Ereignis mehrere - unter einem letztlich beliebigen Aspekt - unterscheidbare Nachteile für den Geschädigten resultieren, die gegebenenfalls auch einer unterschiedlichen rechtlichen Beurteilung unterliegen können. Daran, daß der Gesamtschaden sich immer erst aus der Summe der so individualisierten Einzelschäden ergibt, wird man schon aus denklogischen Gründen kaum vorbeikommen, so daß eine „gemäßigte" Einzelschadensbetrachtung vollkommen konsensfähig sein dürfte. 46 Andererseits wird man aber auch am Prinzip des Gesamtvermögensvergleichs nicht ganz vorbeikommen, 44 Dazu bedarf es allerdings keines eigenständigen Schadensbegriffs, weil sich die Einschränkung durch eine entsprechende vertragliche Gestaltung mühelos herbeiführen läßt, vgl. Staudinger 1 2 -Meifci«, vor §§249-254 BGB Rn.18. 45 Lange, Schadensersatz § 1 II 8 [S. 36] in m. E. nicht ganz zutreffender Interpretation von Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 32ff.. Es geht Keuk a.a.O. nicht darum, aus der Geltung des Einzelschadensbegriffs Konsequenzen für Verjährung, Klagesubstantiieruitg usw. abzuleiten, sondern allein darum, aus tatsächlich und notwendigerweise vorgenommenen Aufspaltungen des Gesamtschadens heraus zu begründen, weshalb sich der Schaden immer als Beeinträchtigung eines konkreten Rechtsguts denken lasse. 46 In diesem Sinne vor allem Gottwald, Schadenszurechnung und Schadensschätzung, S. 46 ff.

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Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

weil nur mit seiner Hilfe gewährleistet ist, daß mögliche Interdependenzen zwischen den Verletzungsfolgen berücksichtigt werden können. 4 7 c) Das

Präferenzgefälle

Von einem Schaden im Rechtssinn kann nur gesprochen werden, wenn der Vergleich zwischen aktuellem und hypothetischem Zustand nicht nur ein Auseinanderfallen beider Zustände ergibt, sondern wenn dieses Auseinanderfallen zudem unerwünscht ist. Dies umschreibt sehr treffend Zeuner, wenn er darauf hinweist, ein Loch als solches sei noch kein Schaden, sondern könne eine durchaus nützliche Einrichtung sein. 48 Es ist an dieser Stelle, wo die R e d e vom „faktisch-normativen" Schadensbegriff ihre volle Berechtigung hat. D e n n die Erwünschtheit oder Unerwünschtheit einer Differenz läßt sich nicht allein nach der natürlichen Anschauung, sondern nur im Wege einer umfassenden Wertung feststellen, wobei die maßgeblichen Anhaltspunkte dem Gesetz und den unserer Rechtsordnung zugrundeliegenden allgemeinen Prinzipien, namentlich auch der Privatautonomie des einzelnen 49 entnommen werden müssen. Von den laufenden Zustandsveränderungen, denen das Vermögen einer Person ausgesetzt ist, haben eben nur wenige die Qualität eines Schadens im rechtlichen Sinn. Auf der Stufe der erforderlichen Wertung ist nun ein gänzlich „natürlicher" Schadensbegriff unbehelflich, und die Diskussion zwischen Naturalisten und Normativisten dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, daß zwischen den Schritten der Differenzbildung einerseits und der Qualifizierung der Differenz als Schaden nicht klar unterschieden wird: Wer seinen Schneider beauftragt, ein Kleid aus wertvollem Material um die Hälfte zu kürzen, der hat keinen Schaden im rechtlichen Sinn erlitten, selbst wenn das gekürzte Kleid an Wert ebenso wie an Brauchbarkeit verloren hat. Das liegt daran, daß eine in freier Selbstbestimmung getroffene Disposition über das eigene Vermögen von unserer Rechtsordnung nicht als unerwünscht eingestuft wird, selbst wenn sie zu einer Zerschlagung oder Verschwendung von Werten führt. Nach der natürlichen Lebensauffassung dagegen dürfte von einem Schaden wohl gesprochen werden dürfen. Zusammenfassend läßt sich hier also feststellen, daß der Schaden im rechtlichen Sinn durch eine rechtlich mißbilligte Abweichung der Ist- von der Soll47 Zutreffend Lange, Schadensersatz, § 1 II 7 [S. 36]. Man denke etwa nur an die Notwendigkeit, die Interdependenz zwischen Verletzungsschaden und Folgeschaden aufzudecken, hierzu näher unten 4 c) [S.84ff.]. 48 Zeuner, AcP 163 (1964), 380 [381], 49 Das ist es auch, was Larenz, Schuldrecht I, §27 II a) [S.426], meinen dürfte, wenn er schreibt: „Daß der Schaden .erlitten' wird, bringt zum Ausdruck, daß er den Geschädigten als etwas betrifft, das dieser nicht gewollt, meist nicht vorhergesehen, jedenfalls nicht eingeplant hat." Vgl. auch Walsmann, Compensatio lucri cum damno, S. 8f.; Reinicke, Schaden und Interesseeinbuße (1968), S. 81 f.; Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens, S. 121.

§ 2 Schadensersatz

und Allokatorisches

Modell

67

Verteilung beschrieben werden kann. Damit dürfte auch hinreichend dargelegt sein, daß er eine Verteilungsstörung im Sinne des Allokatorischen Modells darstellt, was unmittelbar die weitere Frage aufwirft, ob die Störung auf der Ebene der Realverteilung oder derjenigen der Wertverteilung auftritt. 3. Realer oder rechnerischer Schaden? Von den unzähligen Ansätzen zu einer weiteren Strukturierung des Schadensbegriffs hat einer vergleichsweise wenig Beachtung gefunden, der für die Einordnung als Störung der Realverteilung oder der Wertverteilung von grundlegender Bedeutung ist. Gemeint ist die Unterscheidung zwischen realem und rechnerischem Schaden.50 Der reale Schaden wird gelegentlich auch als „konkreter", der rechnerische dagegen als „abstrakter" Schaden bezeichnet,51 doch soll diese Terminologie wegen der drohenden Verwechslung mit konkreter und abstrakter Schadensberechnung hier vermieden werden. Der reale und der rechnerische Schadensbegriff unterscheiden sich durch ihre unterschiedliche Bezugsgröße. Unter einem realen Schaden wird die konkrete Einbuße verstanden, die jemand infolge eines bestimmten Ereignisses an seinen Lebensgütern materieller wie immaterieller Art erleidet.52 Er äußert sich also in einer - zumindest theoretisch - sinnlich wahrnehmbaren Veränderung oder ausgebliebenen Veränderung der realen Güterwelt, die allerdings nicht unbedingt auf eine körperliche Einwirkung zurückzuführen sein muß.53 Der Begriff des rechnerischen Schadens meint dagegen die bezifferbare Differenz zwischen dem aktuellen Wert des Gesamtvermögens und seinem hypothetischen Wert, der sich bei Hinwegdenken der Verletzung ergäbe. Es ist offensichtlich, daß der Begriff des realen Schadens einer Störung der Realverteilung entspricht, während der rechnerische Schaden eine Störung der Wertverteilung bezeichnet. In der Feststellung, daß der Schaden im Rechtssinne ein realer oder ein rechnerischer sei, liegt daher zugleich auch die Feststellung, daß die anspruchsauslösende Verteilungsstö50

Grundlegend Lorenz, Schuldrecht I, § 27 II b 2 [S. 429]; Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S.20ff.; Roussos, Schaden und Folgeschaden, S.35f.; Oertmann, Die Vorteilsausgleichung beim Schadensersatzanspruch (1901), S.6ff; von Caemmerer, Das Problem der überholenden Kausalität, S. 6; Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens, S. 67f.; Walsmann, Compensatio lucri cum damno, S. 10f.; Zeuner, AcP 163 (1964) 380 [382ff.]; kritsch dagegen Rümelin KritVSchr 45,189 [197], der die „ganze Fabel von den zwei Schadenstheorien" verwirft. 51 So vor allem die ältere Literatur, vgl. etwa Oertmann, a.a.O.. Vom „konkreten" im Gegensatz zum „rechnerischen" Schaden spricht auch Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 790. 52 Vgl. die Definitionen von Lorenz, Schuldrecht I, § 27 II b 2 [S. 429]; Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S.20; Roussos, Schaden und Folgeschaden, S.35. 53 Dies stellt Oertmann, Die Vorteilsausgleichung beim Schadensersatzanspruch, S.7, noch einmal ausdrücklich klar. Dabei ist nicht nur an den Eingriff in Forderungen zu denken, die zum Vermögen des Geschädigten gehören, sondern etwa auch an eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts usw., die prinzipiell wahrnehmbare Wirkungen vielleicht erst in der Psyche des Geschädigten oder im späteren Zusammentreffen mit anderen zeigt.

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Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

rang im Sinne des Allokatorischen Modells eine solche der Real- oder der Wertverteilung darstelle. a) Dogmatische Einordnung des realen

Schadensbegriffs

Es beruht auf einem Mißverständnis, wenn den Verfechtern des realen Schadensbegriffs vorgeworfen wird, den Boden der Vergleichsmethode verlassen zu haben. 54 Wenn von realen Einbußen gesprochen wird, dann impliziert dies bereits, daß ein Vergleich zweier Zustände vorgenommen wurde, anderenfalls eine Einbuße sich gar nicht feststellen ließe. Zwar scheint die Rede von der Differenzhypothese nahezulegen, daß es sich bei der Ermittlung des Schadens um einen streng mathematischen Vorgang handele, der allein mit abstrakten Rechengrößen arbeitet. Indessen sind künstlich geschaffene Begriffe erstens ein schwaches Sachargument und kennt zweitens auch die Mathematik Mengen individualisierter und miteinander nicht verrechenbarer Einzelgrößen sowie entsprechend auch Differenzmengen.5S Mißverständnisse bestehen aber vor allem hinsichtlich des Verhältnisses des realen Schadensbegriffs zum natürlichen Schadensbegriff und zur sogenannten Lehre vom Einzelschaden. au) Verhältnis zum natürlichen

Schadensbegriff

Die Deutung des Schadens als reale Einbuße wird oft mit dem sogenannten natürlichen Schadensbegriff unmittelbar in Verbindung gebracht, wenn nicht sogar gleichgesetzt, 56 und der angebliche Widerspruch zum faktisch-normativen Schadensverständnis ist es, der für die Ablehnung des realen Schadensverständnisses vor allem verantwortlich sein dürfte. Daß realer und natürlicher Schadensbegriff leicht zu verwechseln sind, liegt daran, daß man beide mit ähnlichen Formulierungen zu umschreiben pflegt. So ist der natürliche Schaden nach Larenz die Einbuße, die jemand infolge eines bestimmten Ereignisses an seinen Lebensgütern erleidet. 57 Das stimmt nur scheinbar mit der Definition des realen Schadens überein. Denn dem natürlichen Schadensbegriff kommt es weniger auf den Bezugspunkt - also Güterwelt oder bezifferbares Vermögen - an, sondern vielmehr darauf, daß der Schaden etwas dem Recht Vorgegebenes sei, das sich schon der natürlichen Auffassung als solcher erschließe. Dagegen geht der 54 So aber etwa von Caemmerer, Das Problem der überholenden Kausalität, S.5: „Schaden ist nicht ein realer Verlust, nicht eine Veränderung der Körperwelt, sondern der Vergleich zweier Güterlagen."; ähnlich Zeuner, AcP 163 (1964), 380 [381/382], 55 Anders Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens, S. 67, wenn er ausführt, das Vermögen als Einheit lasse sich nicht „als Summe denken, solange man es konkret anschaut". Zutreffend aber jetzt Soerge.\ X2 -Mertens, vor §249 BGB Rn.43; Zeuner, AcP 163 (1964), 380 [382]. 56 So etwa Palandt 51 -Heinrichs, vor §249 BGB Rn.7, der den Begriff als für die schadensrechtliche Dogmatik unergiebig verwirft. 57 Lorenz, Schuldrecht I, §27 II a) [S.426f.]; zum natürlichen Schadensbegriff auch Lange, Schadensersatz, § 1 I [S.27ff.]; Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, §31 I [S.168ff.].

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Modell

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faktisch-normative Schadensbegriff davon aus, daß der Schaden im Rechtssinne durch das Gesetz, das an das natürliche Vorverständnis anknüpft, konkretisiert und präzisiert werden müsse. 58 Nun ist es aber vom logischen Standpunkt her nicht einzusehen, weshalb dies etwas mit der realen oder rechnerischen Natur des Schadens zu tun haben soll. Auch und gerade nach der natürlichen Lebensauffassung ist nämlich ein Schaden in Betracht zu ziehen, wenn sich nur der rechnerische Betrag des Vermögens verringert, während eine normative Betrachtungsweise wohl stets nach dem betroffenen Rechtsgut und der konkreten Ursache der Verringerung fragen müßte. bb) Verhältnis zur Lehre vom

Einzelschaden

Auch mit der Lehre vom Einzelschaden wird der reale Schadensbegriff gerne in Zusammenhang gebracht, 59 und auch dem ist entgegenzutreten. Denn bei dem Plädoyer für einen realen Schadensbegriff geht es allein um die Abkehr vom Schaden als abstrakter Rechengröße und um das Bewußtsein, daß sich der Gesamtschaden aus einzelnen tatsächlichen Einbußen des Geschädigten an seinen Rechtsgütern zusammensetzt. Das schließt es in keiner Weise aus, stets das gesamte Vermögen des Geschädigten zu betrachten und in den Vergleich miteinzubeziehen. 60 Das schließt es ferner nicht aus, bei den aus einem individualisierbaren historischen Vorgang resultierenden Einbußen von einem Schaden und einem Schadensersatzanspruch auszugehen. Natürlich baut der reale Schadensbegriff insoweit auf der Vorstellung von Einzelschäden auf, als er gezwungen ist, stets das einzelne betroffene Rechtsgut zu betrachten, und bildet umgekehrt die Erkenntnis, daß der Schaden als reale Veränderung der Vermögenssphäre gedacht werden kann, eine wesentliche Voraussetzung für die Aufspaltung in Einzelschäden. Auch der rechnerische Schadensbegriff muß jedoch notwendigerweise das einzelne betroffene Rechtsgut betrachten, um festzustellen, hinsichtlich welcher Beeinträchtigung die Voraussetzungen einer Haftung - namentlich auch der Adäquanzzusammenhang - gegeben sind.61 Nur läßt er es bei der Einzelbetrachtung nicht bewenden, sondern bewertet die Einbußen und stellt die einzelnen Posten in einen Saldo ein, bevor er von einem Schaden im rechtlichen Sinne spricht. 58 Hinsichtlich der Einbindung des natürlichen Schadensbegriffs in die Rechtsordnung kann auf die Ausführungen von Larenz, Schuldrecht I, §27 II a) [Fn. 12] verwiesen werden. 59 So etwa implizit von Lange, Schadensersatz § 1 II 8 [S. 36], bei der Auseinandersetzung mit Keuk\ ebenso Hans Albrecht Fischer, Der Schaden nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche (1903), S.25; Gottwald, Schadenszurechnung und Schadensschätzung, S.47. 60 Zutreffend Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 24, obgleich sie gerade in diesem Punkt immer wieder mißverstanden wird. 61 Sehr deutlich Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, §31 II [S. 172], wonach es erforderlich sei, „zunächst den Blick auf das jeweils betroffene Gut zu richten und dann zu eruieren, welchen Stellenwert im Gesamtgefüge des Vermögens der Ersatzberechtigten es nach deren Dispositionen innehatte.".

70

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

b) Der sogenannte allgemeine

im gesetzlichen

Schadensrecht

Vermögensschaden

Vor allem Larenz vertritt die Auffassung, daß der sogenannte allgemeine Vermögensschaden stets ein nur rechnerischer sei.62 Neben dem Begriff des „allgemeinen Vermögensschadens" werden auch Umschreibungen wie „reiner Vermögensschaden", „reiner Interesseschaden" usw. gebraucht, und eine einheitliche Terminologie ist nicht festzustellen. 63 Ungeachtet der unterschiedlichen Formulierungen besteht jedoch über das, was damit ausgedrückt werden soll, im Ergebnis Einigkeit. aa) Begriffliche

Klärung

Gemeint ist stets die Beeinträchtigung vermögenswerter Positionen, die sich in Zuweisungsgehalt und Abwehrfunktion noch nicht so weit verdichtet haben, daß sie in den Kreis der von §823 Abs. 1 BGB erfaßten Rechte aufgenommen worden wären. 64 Damit reduziert sich etwa die Aussage, § 823 Abs. 1 BGB schütze nicht das Vermögen als solches, letztlich auf einen Zirkelschluß. 65 Denn die Definition von Vermögen „als solchem" im Gegensatz zu individualisierbaren Gütern und Rechten stellt ja maßgeblich auf den Schutz durch eben diese Vorschrift ab. Wie insbesondere die Diskussion darüber zeigt, ob der Eingriff in Forderungsrechte bzw. in die Forderungszuständigkeit ebenso von § 823 Abs. 1 BGB erfaßt sein müsse wie etwa der Eingriff in ein beschränktes dingliches Recht, 66 besteht zwischen den gerade noch geschützten und den gerade nicht 62 Larenz, Schuldrecht I, § 27 II b 2 [S. 429]: „... ein allgemeiner Vermögensschaden ist stets ein rechnerischer Schaden', weil er sich nur als Minderung des Gesamtwertes des Vermögens erfassen läßt.". 63 So spricht Canaris, in: Zweite Festschrift Larenz (1983), S.27 [29] vom „reinen Vermögensschaden", Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn.856 vom „reinen Interesseschaden", Lange, Schadensersatz, § 1 III 4 [S. 45] und § 4 VII [S. 185] vom „unmittelbaren Vermögensschaden". Anzumerken ist, daß diese Begriffe vor dem Hintergrund des §253 BGB irreführend sind, weil sie an den Gegensatz zwischen materiellem und immateriellem Schaden erinnern und man in bezug auf diesen Gegensatz etwa die Beschädigung einer Sache, an der kein Affektionsinteresse besteht, als „reinen Vermögensschaden" bezeichnen könnte. Besser wäre es sicherlich gewesen, Gesichtspunkte der Haftungsbegründung und der Haftungsausfüllung auseinanderzuhalten und von einer „reinen Vermögens Verletzung" zu sprechen. Indessen hat sich die Terminologie inzwischen so weit gefestigt, daß sie hier beibehalten werden soll. 64 Vgl. beispielsweise Canaris, in: Zweite Festschrift Larenz (1983), S.27 [85]: „...Rechte und Rechtsgüter im Sinne von §823 I B G B einerseits sowie reine Vermögensschäden andererseits..."; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994), §77 I [S.431]: „Die zweite Hauptfunktion von § 823 II B G B liegt in der Ersatzfähigkeit von allgemeinen oder primären Vermögensschäden. Da diese von § 8231 BGB tatbestandlich von vorneherein nicht erfaßt werden..."; B G H Z 41,123 [126/127]; Fikentscher, Schuldrecht (1997), Rn. 1204,1320. 65 Mit Unterschieden in der Formulierung etwa Palandt 57 -7T!omas, §823 B G B Rn. 1; Erman 9 -Schiemann, vor §823 BGB Rn.2; Sotxgs\n-Zeuner, §823 BGB Rn.42; B G H Z 27, 137 [140]; B G H NJW 1978,2031 [2032], 66 Dafür von einem sehr weitgehenden Ansatz aus Löwisch, Der Deliktsschutz relativer Rechte (1970), S.80ff.; Mincke, J Z 1984, 862 [863ff.]; beschränkt auf Eingriffe in die Forde-

§ 2 Schadensersatz

und Allokatorisches

Modell

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mehr geschützten Rechtspositionen ein fließender Übergang und erweist es sich vielleicht als sachgerecht, nicht jedoch als denknotwendig, die Grenze des allgemeinen Vermögensschadens gerade zwischen den absolut und den bloß relativ wirkenden Rechten zu ziehen. bb) Kritik an der Annahme

einer eigenen

Schadenskategorie

Der Vorstellung vom reinen Vermögensschaden als einer qualitativ eigenen Schadenskategorie ist zu widersprechen. Das Vermögen einer Person existiert nicht als amorphe Masse, sondern setzt sich denknotwendig aus individualisierbaren Vermögensgegenständen - körperlichen und unkörperlichen - zusammen, wobei unkörperliche Gegenstände sich dadurch auszeichnen, daß sie sowohl positiver als auch negativer Art sein können. Das, was gemeinhin als allgemeiner Vermögensschaden bezeichnet wird, stellt sich immer auch als Abwesenheit eines konkreten positiven oder als Anwesenheit eines konkreten negativen Vermögensbestandteils dar. 67 So liegt beispielsweise bei der arglistigen Verleitung zum Abschluß eines nachteiligen Vertrages 68 - und allgemeiner kann man sich einen allgemeinen Vermögensschaden nicht vorstellen - der Schaden zunächst in der Anwesenheit einer Verbindlichkeit und sodann, wenn erfüllt worden ist, in der Abwesenheit des Eigentums an bestimmten Zahlungsmitteln oder in der Verminderung einer Forderung gegen die Hausbank. Ebenso läßt sich auch der Schaden, der im entgangenen Gewinn liegt, als Abwesenheit konkreter Zahlungsmittel deuten. Der Grund, weshalb man etwa den Fall einer Eigentumsbeschädigung und denjenigen des entgangenen Gewinns unterschiedlich bewerten möchte, ist ein zweifacher. Zunächst ist er in der allgemeinen Verkehrsauffassung zu suchen, wonach man typischerweise ein vernünftiges Interesse daran hat, etwa ganz bestimmte Sachen zu seinem Eigentum zu zählen, während kein vergleichbares Interesse daran besteht, eine Sparforderung oder Banknoten gleichen Wertes oder gar ganz bestimmte Banknoten sein eigen zu nennen. Man ist daher bei oberflächlicher Betrachtung geneigt, den Verlust der Banknote allein als Verlust ihres Wertes anzusehen, weil der Verlust des konkreten Stückes Papier nicht als Schaden empfunden wird.69 Dieser Unterschied ist jedoch nur ein gradueller, und kein prinzipieller, zudem sich oft beide Sichtweisen gleichermaßen anbieten. Erleidet jemand durch Betrug oder Untreue einen reinen Vermögensschaden, dann wird man einerseits den wirtschaftlichen Verlust im Vordergrund rungszuständigkeit Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 II 4 g) [S. 397]; eingehend auch ders., in: Festschrift Steffen (1995), S.85; von Caemmerer, in: Festschrift Rabel I (1954), S.333 [355]; Stoll, AcP 162 (1963), 203 [212]; dagegen Otte, JZ1969,253 [255ff.]; Gemhuber, Das Schuldverhältnis (1989), §3 II 8 [S.39ff.]; Erman 9 -Schiemann, §823 B G B Rn.36. 67 Überzeugend Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 23/24. 68 Siehe hierzu jüngst Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag (1997). 69 Diesen Aspekt arbeitet Zeuner, AcP 163 (1964), 380 [383f.] sehr deutlich heraus.

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Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

sehen, andererseits aber auch judizieren, der Täter habe die ertrogenen oder veruntreuten Beträge zurückzuerstatten, weil sie dem Geschädigten gebührten. Auch hat der Geschädigte vielleicht ein Interesse daran, im Wege der Naturalrestitution vom betrügerischen Vertrag befreit zu werden, die eigene Leistung zurückzuerlangen usw.: Soweit das der Fall ist, kann von einem rechnerischen Schaden eigentlich nicht mehr gesprochen werden. Sodann aber ist die herrschende Denkweise sehr stark durch die Charakteristika deliktischer Haftungstatbestände geprägt. Denn es gibt Anspruchsgrundlagen wie § 823 Abs. 1 BGB, welche die Haftung vorwiegend an die Art des beeinträchtigten Objekts knüpfen, und solche wie § 826 BGB, welche vorwiegend auf ein bestimmtes Verhalten des Schädigers abstellen.70 Bei der letztgenannten Gruppe ist es - im Gegensatz zur erstgenannten - egal, welche konkreten Vermögensbestandteile betroffen sind, so lange es sich nur um Vermögensbestandteile handelt. Daher ist man geneigt, anzunehmen, der Schaden beziehe sich das eine Mal auf ein bestimmtes Objekt, während er das andere Mal nur in der rechnerischen Wertminderung des Gesamtvermögens liege. Indessen besteht bei näherem Hinsehen zwischen beiden Gruppen von Anspruchsgrundlagen kein wesensmäßiger Unterschied. Denn auch bei §823 Abs. 1 BGB ist es beispielsweise egal, welche konkrete Sache im Eigentum des Geschädigten beeinträchtigt wird, so lange es sich nur um Eigentum handelt. Es wäre nur konsequent, wenn man schon vom „allgemeinen Vermögensschaden" spricht, wenigstens auch vom „allgemeinen Eigentumsschaden" zu sprechen. Denn der einzige Unterschied zwischen beiden besteht darin, daß man beim einen alle Vermögensgegenstände des Geschädigten betrachtet, während man sich beim anderen auf das Sacheigentum beschränkt. Aus dem Umstand, daß etwa § 826 BGB keine näheren Angaben über die Qualität des betroffenen Rechtsguts macht, läßt sich daher keinesfalls schließen, daß die den Schaden charakterisierende wertungsmäßige Mißbilligung allein den rechnerischen Verlust betreffe. cc) Vermittelnde

Stellungnahme

Es kann und soll hier nicht geleugnet werden, daß die Wertungen, die zur Qualifizierung einer Einbuße als Schaden führen, bei den allgemeinen Vermögensschäden weniger objektbezogen und verstärkt wirtschaftlicher Art sind. Wie aber bereits das oben genannte Beispiel des durch Betrug oder Untreue erlittenen Schadens zeigt, gehen die einen Wertungen fließend in die anderen über.71 Man wird sich daher einstweilen mit der Feststellung zufriedengeben müssen, daß es durchaus möglich wäre, den allgemeinen Vermögensschaden als rein 70

Statt aller Canaris, in: Zweite Festschrift Larenz (1983), S.28 [30ff.]. Zeuner, AcP 163 (1964), 380 [384]: „Konkreter und rechnerischer Schaden gehen damit ineinander über." 71

§ 2 Schadensersatz

und Allokatorisches

Modell

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rechnerischen zu begreifen. Es wäre aber auch möglich, in ihm zugleich einen realen Schaden zu sehen. Man wird daher die weitere Diskussion abwarten müssen, um entscheiden zu können, ob man im Sinne der Stimmigkeit der Gesamtkonzeption insgesamt von einem rein realen Schadensbegriff auszugehen hat, oder ob es Sinn macht, mit Larenz einen gemischten Schadensbegriff zugrundezulegen. 72 Das Schlagwort vom „allgemeinen Vermögensschaden" liefert eine hinreichende Entscheidungsgrundlage jedenfalls nicht. c) Diskussion der einschlägigen

Argumente

Es entspricht einer gängigen Auffassung, daß die Entscheidung für die Differenzhypothese auch die Entscheidung für einen rein rechnerischen Schadensbegriff präjudiziere. Zwar spricht man das selten in dieser Deutlichkeit aus, weil die Unterscheidung zwischen realem und rechnerischem Schaden in der wissenschaftlichen Diskussion kaum Beachtung findet, doch umschreibt man die Differenzhypothese üblicherweise damit, daß maßgeblich der Saldo zwischen aktuellem und hypothetischem Wert des Gesamtvermögens sei.73 Teilweise ergibt sich dieses Verständnis implizit auch daraus, daß man in Anerkennung einer realen Schadenskomponente die Differenzhypothese durchbrechen müsse. 74 Es ist aber bereits gezeigt worden, daß die Differenzhypothese für die Frage in Wahrheit nichts hergibt, weil sich der reale Schaden mühelos als Differenzmenge darstellen läßt. 75 Damit muß anhand anderer Kriterien ermittelt werden, ob der Schaden im Rechtssinn ein realer oder ein rechnerischer oder etwa auch ein gemischt real-rechnerischer ist. aa)

Vorteilsausgleichung

Die angebliche Geltung eines rechnerischen Schadensbegriffs ist mit dem Argument untermauert worden, daß anderenfalls eine compensatio lucri cum damno nicht möglich sei, wobei Notwendigkeit und Berechtigung einer solchen unkritisch vorausgesetzt wurden. 76 Daran ist jedenfalls so viel richtig, als sich die Anrechnung von Folgevorteilen vom Standpunkt des rechnerischen Schadensbegriffs aus leichter begründen läßt. Ein zwingender Schluß vom einen auf das andere läßt sich indessen nicht ziehen. Das liegt zum einen daran, daß auch der rechnerische Schadensbegriff weder in bezug auf einzelne Schadensposten noch in bezug auf einzelne Vorteile daran vorbeikommt, letztlich doch eine wer72

Larenz, Schuldrecht I, §27 II b) 2 [S.429]. Vgl. etwa die unterschiedlichen Formulierungen in B G H Z 101, 325 [330] („rechnerischer Vergleich"); Palandt 57 -Heinrichs, vor § 249 BGB Rn. 8 („... wenn der Wert des Vermögens geringer ist..."); Lange, Schadensersatz, § 1 I [S.28] („... der Saldo entscheidet..."). 74 So etwa B G H J Z 1967, 360 zum merkantilen Minderwert. 75 Deutlich Staudinger 12 -Medic«i, § 249 B G B Rn. 6; Zeuner, AcP 163 (1964), 380 [382]; Hohloch, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, S.375 [396]. 76 So H. A. Fischer, Der Schaden nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, S.24. 73

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Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

tende Einzelbetrachtung anzustellen, 77 solange man nicht eine unbedingte Ausgleichung aller adäquat kausal herbeigeführten Vorteile befürworten möchte. Mit der bloßen Verrechnung hat es also offenbar nicht sein Bewenden. Auch die Vertreter eines rein rechnerischen Schadensbegriffs gehen nämlich ganz überwiegend davon aus, daß etwa ersparte Aufwendungen und überobligationsgemäßer Ersatzerwerb im Rahmen der Vorteilsausgleichung unterschiedlich zu behandeln sind. Umgekehrt ist eine Vorteilsausgleichung auch vom Standpunkt eines realen Schadensbegriffs aus denkbar, weil das Argument, ein Schaden sei nicht entstanden, keinesfalls das einzig denkbare Begründungsmuster für die compensatio lucri cum damno darstellt. Ganz im Gegenteil handelt es sich dabei gerade um dasjenige Begründungsmuster, das ihre Existenzberechtigung als eigenständiges Rechtsinstitut ganz in Frage stellt, und so wird denn auch überwiegend mit einem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot oder ähnlichen Gedanken gearbeitet. 78 Daher ist die Entscheidung für den realen oder den rechnerischen Schadensbegriff nicht zugleich eine Entscheidung für oder gegen die Vorteilsausgleichung. bb) Merkantiler Minderwert und abstrakter

Nutzungsausfall

Als Argument für die Existenz eines nur rechnerischen Schadens könnte man die Rechtsprechung zum sogenannten merkantilen Minderwert heranziehen. Danach soll schon die bloße Minderung des Wiederverkaufswerts, die auf dem üblicherweise bestehenden Argwohn potentieller Käufer gegenüber einem Unfallwagen beruht und die unabhängig davon besteht, ob sich bei einer Überprüfung der Sache - meist eines Kraftfahrzeugs - technische Mängel tatsächlich feststellen lassen, einen ersatzfähigen Schaden darstellen. Die frühere Rechtsprechung hatte hier noch angenommen, daß ein Ausgleich nur in Betracht komme, wenn der Geschädigte den Wagen auch tatsächlich veräußern will.79 So gesehen wäre der Ersatz des merkantilen Minderwerts nichts anderes als Ersatz für entgangenen Gewinn. Allerdings hat die Rechtsprechung diese Einschränkung bald aufgegeben, so daß der merkantile Minderwert heute selbst dann als ersatzfähiger Schaden behandelt wird, wenn der Geschädigte den Wagen behält. 80 Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen nur rechnerischen Schaden. 77 Vgl. hierzu Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 843; das bestreitet im übrigen auch H. A. Fischer Der Schaden nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, S.24, nicht. 78 Dazu ausführlich unten, §3 II [S.131ff.]. 79 So B G H Z 27, 181 [187], allerdings nicht mit der Begründung, daß sich der Minderwert nur bei Weiterverkauf auswirke, sondern mit dem Argument, daß der Minderwert durch die längere Benutzung des Fahrzeugs sich immer weiter verringere und schließlich ganz entfalle. 80 Ständige Rechtsprechung seit B G H Z 35, 396 [397]. Die Rechtsprechung findet in der Literatur auch überwiegend Zustimmung, vgl. nur etwa Lange, Schadensrecht, §6 IV 1 [S. 264]; Lorenz, Schuldrecht I, §28 II [S.473]; Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, §32 II [S. 195]; Staudinger l 2 -Medicus, § 251 BGB Rn. 34ff.; MünchKomm 3 -Gransfcy, vor § 249 BGB Rn. 14; Soergel 12 -

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Modell

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D e n n die Rechtsprechung stützt sich maßgeblich auf das Argument, daß auch dann, wenn sich technische Mängel bei der Ü b e r p r ü f u n g nicht feststellen lassen, Unfallwagen bei statistischer Betrachtung dennoch eine erhöhte Schadensanfälligkeit zeigen, so daß der Geschädigte, der den Wagen weiterhin fährt, also auch einen mutmaßlich verminderten Gebrauchswert in Kauf nehmen muß. In einem derartigen technisch begründeten „Schadenskeim" ist aber offenkundig auch ein realer Schaden zu sehen, der gemäß § 251 Abs. 1 Alt. 2 in Geld ausgeglichen werden muß, weil die Naturalherstellung für den Geschädigten nicht genügend ist.81 D e r merkantile Minderwert ebenso wie der Ersatz des abstrakten Nutzungsausfalls werden denn auch von der Rechtsprechung im Gegenteil als Fallgestaltungen genannt, in denen ohne eine reale Schadenskomponente nicht auszukommen sei.82 cc)

Naturalrestitution

Ein starkes Argument für die Geltung eines realen Schadensbegriffs ist zweifellos immer der in § 249 Satz 1 verankerte Grundsatz der Naturalrestitution gewesen. Dies schon deswegen, weil Naturalrestitution nicht nur die erlittene rechnerische, sondern zugleich die reale Einbuße des Geschädigten rückgängig macht und es dogmatisch unstimmig wäre, wenn der Schadensersatz nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch regelmäßig mehr, oder zumindest etwas anderes zum Ausgleich bringen würde als den Schaden im rechtlichen Sinn. 83 Freilich baut dieses Argument auf der Prämisse auf, daß der U m f a n g der geschuldeten Ausgleichsleistung den Schadensumfang nicht wesentlich übersteigen dürfe, und ein derartiges Regelverhältnis zwischen entstandener und auszugleichender Differenz erscheint logisch zumindest nicht zwingend. 84 Deutlicher wird das Mertens, § 249 BGB Rn.76; Ernst Wolf, Schuldrecht I, S.234E; Fritz Baur, in: Festschrift Raiser (1974), S. 119 [129ff.]. 81 Das betont zutreffend Lorenz, Schuldrecht I, §28 II [S.473]. 82 B G H JZ1967,360 spricht beim merkantilen Minderwert von „Anerkennung eines realen Schadens an einem konkreten Vermögensgut"; ähnlich B G H Z 45,212 [218] und 101,128 [330] zum abstrakten Nutzungsausfall. 83 Oertmann, Die Vorteilsausgleichung, S. 11, hat versucht, den realen Schadensbegriff auf diese Weise zu begründen, weil seiner Meinung nach Naturalrestitution bei Zugrundelegung des rechnerischen Begriffs nicht stattfinden könnte, sobald Vorteile ausgeglichen werden müssen. Nach Oertmann a.a.O. ist die compensatio lucri cum damno ein Argument nicht gegen, sondern für den realen Schadensbegriff, ähnlich Walsmann, Compensatio lucri cum damno, S. 14. Dem hat H. A. Fischer, Der Schaden nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, S.27ff., 222ff. entgegengehalten, daß auch bei Naturalrestitution eine Ausgleichung von Vorteilen in der Form ihrer Auskehr stattfinden könne. Die Tatsache, daß man auszugleichende Vorteile gemeinhin als etwas vom Schaden Verschiedenes betrachte, sei nur darauf zurückzuführen, daß die Ausgleichung der Ersatzleistung zeitlich oft nachfolge, a.a.O., S.222. 84 So hat schon Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, S.27ff., ausgeführt, daß Interesse und zu leistender Schadensersatz keinesfalls übereinstimmen müßten. Versuche, die Naturalrestitution auf der Grundlage des rechnerischen Schadensbegriffs befriedigend zu erklären, sind allerdings bislang regelmäßig gescheitert, vgl. nur das wenig überzeugende „Zwei-Spuren-

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Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im gesetzlichen

Schadensrecht

Dilemma jedoch bei reinen Austauscheorgängen, also dann, wenn dem Vermögen des Geschädigten seitens des Schädigers oder von anderer Seite etwas zufließt, das den Wert des ursprünglichen Verlusts erreicht: Nimmt ein Sammler rechtswidrig das wertvolle Bild eines anderen an sich, das dieser nicht verkaufen möchte, und überweist er ihm dafür einen Geldbetrag, der dem Verkehrswert des Bildes entspricht oder diesen gar übersteigt, dann liegt ein rechnerischer Schaden des Eigentümers nicht vor. Wer einen rechnerischen Schadensbegriff vertritt, der muß in solchen Fällen entweder Ersatz zusprechen, ohne daß ein Schaden gegeben wäre, 85 oder aber akzeptieren, daß die Korrektur widerrechtlich erfolgter Austauschvorgänge schadensrechtlich nicht zu bewältigen, sondern vielmehr Aufgabe des Geschäftsführungsrechts, des Vindikationsrechts usw. ist.86 Die letztgenannte Ansicht, die sich namentlich auf eine entsprechende Wertung beim strafrechtlichen Betrugstatbestand beruft, 8 7 ist jedoch ganz und gar unhaltbar. Sie übersieht, daß die genannten Normenkomplexe nur in einem eng begrenzten Bereich Abhilfe schaffen 88 und daß die ganz unterschiedlichen Zielrichtungen eine Übertragung der bei § 263 StGB geltenden Grundsätze verbieten. 89 Sie hätte zur Folge, daß Eingriffen in fremde Vermögensbestände nicht nur Tür und Tor geöffnet, sondern dem Schädiger auch freigestellt wäre, einen verursachten Schaden mit einer Ersatzleistung beliebiger Qualität zu beseitigen. Der Grundsatz der Naturalrestitution, wie er in §249 Satz 1 B G B zum Ausdruck kommt, ist demnach doch ein zwingendes ArModell" von Frieser, Der Bereicherungswegfall in Parallele zur hypothetischen Schadensentwicklung (1987), S.48ff. 85 Einen bloß normativen Schaden nehmen hier etwa an: Hagen, Die Drittschadensliquidation im Wandel der Rechtsdogmatik (1971), S. 165f.; Stoll, Begriff und Grenzen des Vermögensschadens (1973), S. 11; Küppers, Verdorbene Genüsse und vereitelte Aufwendungen im Schadensersatzrecht (1976), S.70f.. Keine Probleme hat dagegen etwa der Ansatz von Wilk, Die Erkenntnis des Schadens und seines Ersatzes (1983), der von einem streng individualistisch geprägten Schadensbegriff ausgeht und a.a.O., S. 150f. von „individuellen Möglichkeiten personenhaften Existierens" spricht. 86 So schon H. A. Fischer, Der Schaden nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, S. 28ff., 320ff., dessen Ansatz allerdings nicht ganz konsequent erscheint. So nimmt er a.a.O., S.28 [Fn.41] bei Austauschvorgängen einen immateriellen Schaden an, weil nicht das Vermögens-, sondern nur das Affektionsinteresse verletzt sei. Dieser Schaden sei nach dem Recht der Geschäftsführung ohnehin auszugleichen, a.a.O., S.322. Unklar Lange, Schadensersatz, § 1 III 2 [S.42], 87 H. A. Fischer, a.a.O., S.29f.; Lange, a.a.O., § 1 III 2 [S.42/43], 88 So bedarf es für Ansprüche aus §§ 677ff. BGB entweder eines Fremdgeschäftsführungswillens oder aber, für §687 Abs. 2 BGB, des vorsätzlichen Eingriffs in ein fremdes Recht. Außerdem führen sie - ebenso wie Ansprüche aus Vindikations- oder Bereicherungsrecht - nur dann zu einer Rückgabe, wenn der Schuldner den ganz konkreten Vermögensgegenstand noch hat. Anderenfalls bleibt es bei Ansprüchen auf Schadensersatz, womit sich das gleiche Dilemma wieder stellt. 89 § 263 StGB schützt eben nur den rechnerischen Vermögensbestand, und nicht etwa das Eigentum, vgl. hierzu statt aller BGHSt 16, 220 [221] sowie Schönke/Schröder25, §263 StGB, Rn. 1 mit umfangreichen Nachweisen. Außerdem geht es im Strafrecht um die Person des Schädigers, und nicht darum, den Verlust des Geschädigten auszugleichen.

§ 2 Schadensersatz

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Modell

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gument dafür, daß ein nur realer Schaden jedenfalls ein Schaden im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs sein muß. 90 dd) Immaterielle

Schäden

Zwingend dürfte vor allem aber auch die Argumentation sein, daß §253 B G B die Existenz eines Schadens voraussetze, der in einer nicht in Geld bewertbaren Einbuße besteht, d. h. daß § 253 B G B die Aussage trifft, auch der immaterielle „Schaden" sei ein Schaden im rechtlichen Sinn. Soweit ersichtlich, ist dies auch ganz unbestritten. 9 1 Vom Standpunkt eines rein rechnerischen Schadensbegriffs aus könnte etwa der Widerruf einer ehrverletzenden Äußerung nicht verlangt werden, sofern durch die Ehrverletzung nicht nachweisbar Erwerbsinteressen des Betroffenen beeinträchtigt worden sind. Die Vertreter eines rechnerischen Schadensbegriffs lösen dieses Problem dadurch, daß sie die Differenzhypothese nur auf Vermögensschäden beziehen und die Nichtvermögensschäden getrennt davon als eigene Schadenskategorie behandeln. 9 2 Weil die entsprechenden Haftungstatbestände - etwa § 823 Abs. 1 B G B - aber nur einheitlich vom „Schaden" sprechen, erscheint eine solche Aufspaltung in verschiedene Schadenskategorien unbefriedigend, und die Tatsache, daß sie für die Vertreter des rechnerischen Schadensbegriffs notwendig ist, indiziert die mangelnde Brauchbarkeit dieses Schadensverständnisses. ee) Beachtlichkeit von

Reserveursachen

Auch die Behandlung sogenannter Reserveursachen, auf die weiter unten noch näher einzugehen sein wird, 93 kann als Bestätigung des realen Schadensbegriffs angesehen werden. Das Gesetz selbst nimmt zu dieser Frage bekanntlich nicht eindeutig Stellung. 94 Als unproblematisch sind dabei stets die Fallgruppen er90 So auch Staudinger 12 -Me>, vor §249 BGB Rn.65; abweichend Thiele, in: Festschrift Felgentraeger (1969), S. 407: „Dienen sie [= die Vorsorgemaßnahmen] etwa der Verhinderung von Rechtsverletzungen, nicht aber der Schadensabwehr oder auch der Verfolgung

§ 2 Schadensersatz

und Allokatorisch.es

Modell

115

Beseitigung einer gegenwärtigen Beeinträchtigung im Sinne von § 1004 Abs. 1 Satz 1 B G B dienen, also um Restnachteile in bezug auf den Unterlassungsanspruch, der streng genommen jedem Schadensersatzanspruch zeitlich, logisch und funktionell vorgelagert ist.232 Sie stellen damit in Wahrheit nur einen Unterfall der Rechtsverfolgungskosten dar, weil sie ja der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs dienen, und sind daher als Restnachteile zu qualifizieren. Ganz unproblematisch ist dagegen wiederum die A n n a h m e eines Folgeschadens, wenn der Geschädigte sich durch eine bereits erfolgte Verletzung zu konkreten Kontrollmaßnahmen veranlaßt sehen mußte. 233 Weder einen Folgeschaden noch übrigens auch einen Restnachteil stellen die durch eine Verletzung veranlaßten M a ß n a h m e n dar, die der Geschädigte ausschließlich zur A b w e h r künftiger Schädigungen ergreift. 234 d)

Zwischenergebnis

Als Ergebnis kann festgehalten werden, daß es sich bei den Rechtsverfolgungskosten des Geschädigten ungeachtet der Tatsache, daß diese gemeinhin als adäquate Folgeschäden behandelt zu werden pflegen, um Restnachteile des Geschädigten handelt, die streng genommen nicht nach §§249ff. BGB, sondern im R a h m e n eines ergänzenden Wertausgleichs erstattet werden. 3. R e s t s t ö r u n g e n b e i m Schädiger Während die Berücksichtigung von Vorteilen und Nachteilen, die in der Sphäre des Geschädigten auftreten, seit jeher Gegenstand der Diskussion gewesen ist, haben die Auswirkungen des Schadensersatzanspruchs auf das Vermögen des Schädigers bislang keine Beachtung gefunden, oder jedenfalls nur Beachtung unter anderen Gesichtspunkten, namentlich den möglicherweise ruinösen Folgen unverhältnismäßig hoher Ersatzforderungen. 2 3 5 Eine gewisse Einseitigkeit künftiger Schadensersatzansprüche, müssen sie allein der Sphäre des Vermögenssubjekts zugerechnet werden." 232 Derartige Kosten können zwar normalerweise mit der Aufwendungskondiktion oder nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag geltend gemacht werden, vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §86 VI 1 e) [S.701]; B G H Z 110, 313 [318]; B G H NJW 1991, 2826, doch gilt dies nicht bei Maßnahmen, die sich gezielt gegen die Person des Störers richten, weil es sowohl an einer Ersparnisbereicherung als auch an einem Geschäft des Störers fehlt und auch die Voraussetzungen von §679 BGB selten darzutun sein werden. 233 So B G H Z 103,129 [140] für die Kosten von Wasseranalysen nach Einleitung von Schadstoffen in ein Gewässer. 234 B G H Z 75, 230 [237f.]; B G H NJW 1992,1043. Auch eine Aufteilung der Kosten kommt nicht in Betracht, B G H a.a.O.; abweichend Canaris, NJW 1974, 521 [525], der im Hinblick auf § 254 Abs. 1 und 2 BGB solche Abwehrmaßnahmen mit schadensvermindernden Maßnahmen gleichsetzen möchte. 235 Grundlegend zu den Implikationen des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots Canaris, J Z 1987, 993 [1001 ff.] m. w.N.; abweichend Medicus, AcP 192,35 [65ff.].; zur Frage nach der

116

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

der Sichtweise ist natürlich insofern berechtigt, als die anspruchsauslösende Verteilungsstörung nur in einem Zuwenig beim Verletzten besteht und auch der Ausgleich selbst darauf gerichtet ist, das Vermögen des Verletzten wiederherzustellen. a) Verpflichtung zum Schadensersatz als Restnachteil des Verletzers Daß allein der Geschädigte als Opfer der Ereignisse gilt, ist symptomatisch für das gängige Verständnis, wonach ausschließlich die unmittelbaren Folgeerscheinungen der Verletzungshandlung berücksichtigt werden und die Situation mit der Leistung des Schadensersatzes als bereinigt gilt. Es ist jedoch unverkennbar, daß es nach Regulierung des Schadens der Schädiger ist, der regelmäßig einen Nachteil davonträgt. 236 Das gilt immer dann, wenn die Verletzung eine solche war, die das im betrachteten System insgesamt vorhandene Vermögen vermindert hat, etwa weil ein Gegenstand beschädigt oder zerstört worden ist. Nur in seltenen Fällen wird der Schädiger auch nach Erfüllung des Ersatzanspruchs nicht schlechter stehen, als er bei regelmäßigem Verlauf stünde, so beispielsweise dann, wenn es nur um die Rückgabe einer entwendeten Sache geht. Im Regelfall weist jedoch die Belastung mit der Schadensersatzpflicht und die Einbuße, die aus deren Erfüllung resultiert, alle Merkmale eines Restnachteils auf.237 Daneben kann der Schädiger natürlich auch noch andere bleibende Verluste erlitten haben, die gleichfalls als Restnachteile zu qualifizieren sind, so etwa, wenn er bei dem von ihm verschuldeten Unfall selbst zu Schaden gekommen ist. b) Restvorteile des Verletzers Die Rechtsgutsverletzung kann dem Schädiger jedoch auch Vorteile gebracht haben. Regelmäßig sorgt die Verpflichtung zum Schadensersatz dafür, daß solche Vorteile nicht entstehen können, doch kann dies gelegentlich auch anders sein. Zu denken ist dabei zunächst an ähnliche Vorgänge, wie sie auch zu Rest-

Notwendigkeit einer Reduktionsklausel auch Canaris, in: Zweite Festschrift Larenz (1983), S.27 [33]; Hohloch, in: Gutachten und Vorschläge zu einer Überarbeitung des Schuldrechts, S.375 [454ff.]; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn.629ff. m.w.N. 236 Dies dürfte einer der Punkte sein, in denen die Ökonomische Analyse wertvolle Denkanstöße liefern kann, vgl. grundlegend Coase, 3 Journal of Law & Economics (1960), 1 [2]; zur Einordnung des Schadensrechts vgl. auch etwa Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts (1995), S.95ff.; Cooter/Ulen, Law and Economics (1997), S.270ff. 237 Vgl. hierzu auch Frieser, Der Bereicherungswegfall in Parallele zur hypothetischen Schadensentwicklung, S. 43, der in dem Umstand, daß beim Schuldner ein Minus zurückbleibt, den wesentlichen Unterschied zur Bereicherungshaftung erblickt. Symptomatisch für die Ignoranz bezüglich dieses Zusammenhangs dagegen B G H Z 53,133 [138], wo argumentiert wird, die Anrechnung eines bestimmten Vorteils würde dem Schädiger einen Gewinn bringen, weshalb man ihn noch lieber dem Geschädigten zukommen lassen müsse.

§ 2 Schadensersatz

und Allokatorisches

Modell

117

vorteilen des Verletzten führen. 238 In aller Regel entstehen Restvorteile des Schädigers jedoch dadurch, daß dieser unter Ausnutzung von Rechtsgütern des Verletzten am Wirtschaftsverkehr teilnimmt. Solche Restvorteile stimmen cum grano salis mit dem überein, was gängigerweise als „Verletzergewinn" oder „Eingriffsgewinn" bezeichnet wird. Sie entstehen beispielsweise, wenn jemand ohne Lizenz ein patentiertes Produkt herstellt und dadurch Gewinne erzielt, die den gemäß §§249ff. BGB zu leistenden Schadensersatz übersteigen. Dabei ist es allerdings vollkommen irrelevant, ob der Verletzte einen rechnerischen Schaden erlitten bzw. ob er am Ende wirklich etwas zu fordern hat, solange ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach gegeben wäre. Aus diesem Grund läßt sich auch nicht einwenden, es handele sich um ein allenfalls kondiktionsrechtlich relevantes Phänomen: 239 Ob und inwieweit bestimmte Verletzervorteile Gegenstand eines Bereicherungsanspruchs sein können, darf hier dahinstehen, weil jedenfalls auch eine Deutung als Restvorteil in bezug auf den Schadensersatzanspruch möglich ist. 4. Zusammenfassung Zusammenfassend kann gesagt werden, daß auf der Seite des Geschädigten ein Restvorteil immer dann entsteht, wenn er sich nach Erfüllung des ungekürzten Schadensersatzanspruchs infolge einer „überschießenden" Ausgleichsleistung, infolge der Ersparnis von Aufwendungen, der Erzielung von Ersatzerwerb usw. besser steht als er bei Hinwegdenken des haftungsbegründenden Ereignisses stünde. Dagegen entstehen Restnachteile konsequenterweise durch eine bleibende Schlechterstellung, namentlich durch eine selbst zu tragende Schadensquote, aber auch - wie sich gezeigt hat - durch den Anfall von Rechtsverfolgungskosten, weil diese entgegen der ganz herrschenden Meinung nicht vom Schutzzweck der Haftungsnorm umfaßt sind und daher auch nicht als Folgeschäden gemäß §§249ff. BGB ersetzt werden. Auf der Seite des Verletzers sind es die Belastung mit der Schadensersatzverpflichtung selbst, die zu einem Restnachteil, und sind es überschießende Eingriffsgewinne, die zu einem Restvorteil führen können.

238

Beispiele: Anton zerstört das ihm und Berta jeweils zur Hälfte gehörende und unter Denkmalschutz stehende Haus im Wert von 100, wodurch sich der Verkehrswert des Grundstücks aber um 200 erhöht. Oder: Cäsar kommt durch die Tötung eines Dritten, der Dora unterhaltspflichtig war, in den Genuß einer Erbschaft, die er sonst nicht erhalten hätte. 239 So aber etwa Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung (1969), etwa S.71,152.

§ 3 Ausgleich von Restvorteilen des Verletzten Es hat sich gezeigt, daß der Begriff des Restvorteils auf der Seite des Verletzten keinesfalls ganz mit dem Verständnis von „Vorteil" übereinstimmt, das man herkömmlicherweise zugrundelegt, wenn von Vorteilen bzw. von Vorteilsausgleichung die Rede ist. Es hat sich aber auch gezeigt, daß der Begriff des Restvorteils eher als der herkömmliche Vorteilsbegriff in der Lage ist, Phänomene, die gängigerweise als ausgleichsrelevant angesehen werden, von nicht ausgleichsrelevanten zu unterscheiden. Das spricht entscheidend dafür, den Begriff des Restvorteils generell beizubehalten. Die aufgezeigten Divergenzen führen jedoch dazu, daß die Fragen nach einem Ausgleich von Restvorteilen des Verletzten einerseits und nach einer compensatio lucri cum damno andererseits nur in einem Teilbereich gleichgesetzt werden dürfen.

I. Die anerkannten Grundsätze einer

Ausgleichung

Das bedeutet insbesondere, daß in Zusammenhang mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Ausgleichung von Restvorteilen des Verletzten stattfindet, nicht nur die Vorteilsausgleichung im klassischen Sinn erörtert werden muß, sondern etwa auch der sogenannte Abzug „neu für alt" oder die Berücksichtigung von Reserveursachen. Es sind demnach in Wahrheit mindestens drei unterschiedliche Rechtsinstitute, die nach der hier entwickelten Terminologie dem Ausgleich von Reststörungen dienen, von denen die compensatio lucri cum damno allerdings zweifellos am anerkanntesten ist. Gewisse Berührungspunkte mit dem Ausgleich von Restvorteilen weisen auch die Grundsätze über die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Geschädigten sowie über die Liquidation des Drittinteresses auf,240 und ebenso die Berücksichtigung aller für den Verletzten positiven und negativen Folgen im Rahmen der Bemessung des Schmerzensgeldes. 241 Um Mechanismen des Reststörungsausgleichs handelt es sich dabei aber nicht, weshalb auf die genannten Rechtsinstitute hier auch nicht näher eingegangen werden soll. 240 Z u m Z u s a m m e n h a n g zwischen compensatio lucri cum damno u n d Drittschadensliquidation vgl. etwa Wilburg, J h e r J b 82 (n.F.46), 51 [95ff.]. 241 Als Frage der Vorteilsausgleichung im technischen Sinn sieht dies Klimke. VersR 1969, 111 [113]; gegen ihn zu R e c h t Hüffer, VersR 1969, 50011

§ 3 Ausgleich von Restvorteilen des Verletzten

119

1. Die klassische Vorteilsausgleichung Es würde zu weit führen, die Entwicklung, die das Institut der Vorteilsausgleichung in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs durchlaufen hat, sowie die Argumentationsmuster, die dabei mit wechselnden Nuancierungen verwendet wurden, im einzelnen nachzuzeichnen. 242 Ein solches Vorhaben wäre der Übersichtlichkeit der Darstellung abträglich und könnte zudem leicht den Blick auf die wesentlichen Punkte verstellen. Diese aber lassen sich ungeachtet der reichen Kasuistik in wenigen Worten zusammenfassen. a) Gesetzliche

Anrechnungsverbote

Keine Zweifel darüber, daß im Ergebnis eine Anrechnung zu unterbleiben hat, konnten seit jeher in den Fällen bestehen, in denen das Gesetz eine solche ausdrücklich oder wenigstens implizit verbietet. Mit einem impliziten Verbot sind dabei vor allem die zahlreichen Fälle gemeint, in denen eine Legalzession des Schadensersatzanspruchs stattfindet. 243 Denn wenn der Anspruch gegen den Schädiger auf einen leistenden Vorsorgeschuldner usw. übergehen soll, dann macht dies nur Sinn, wenn der Anspruch nicht durch eben diese Leistung gekürzt oder ganz entfallen ist. Auf der Grundlage der hier entwickelten Konzeption kann sich freilich die Anrechnungsfrage von vorneherein nicht stellen, weil der etwaige Ausgleich von Restvorteilen dem Schadensausgleich gedanklich nachgeordnet ist und sich daher die Überlegung verbietet, der Schadensersatzanspruch könnte wegen der Leistung des Vorsorgeschuldners gar nicht entstanden sein: Durch die Legalzession wird im Gegenteil gerade verhindert, daß der Geschädigte überhaupt einen Restvorteil erlangt. Ein ausdrückliches Ausgleichsverbot enthält dagegen die Vorschrift des §843 Abs. 4 BGB, auf die an zahlreichen anderen Stellen verwiesen ist.244 Danach wird die Verpflichtung zum Schadensersatz nicht dadurch ausgeschlossen, daß ein Dritter dem Verletzten Unterhalt zu gewähren hat.245 Ein indirektes Anrechnungsverbot kann sich auch 242

Ältere Darstellungen bei B G H Z 30. 29 [30ff.]; Cantzler, AcP 156 (1957), 29 [33ff.]; Rother, Haftungsbeschränkung im Schadensrecht (1965), S.222ff.; für die neuere Rechtsprechung vor allem die Kommentarliteratur, so etwa V&XanAf1 -Heinrichs, vor §249 BGB Rn. 119ff. mit umfangreichen Nachweisen. 243 So etwa an den Arbeitgeber gemäß § 6 EFZG, an den Dienstherrn gemäß §§ 87a BBG, 52 BRRG, an den Sozialversicherungsträger gemäß § 116 SGB X, an die private Schadensversicherung gemäß § 67 VVG usw. Ähnlich wie eine Legalzession sind auch die Vorschrift des § 255 B G B sowie vertraglich im Vorfeld vereinbarte Zessionen zu bewerten, hierzu Lange, Schadensersatz, §9 III 4 [S. 493]. 244 So etwa in §§618 Abs. 3, 844 Abs. 3, 845 BGB. §§ 13 Abs. 2 StVG, 9 Abs. 2 ProdHaftG, 15 Abs. 2 UmweltHG, 90 Abs. 2 ArzmG, 30 Abs. 2 AtomG, 38 Abs. 2 LuftVG, § 8 Abs. 2 HaftPflG. 245 Nach herrschender Meinung betrifft dies aber nicht den Fall, daß das Rechtsverhältnis, aufgrunddessen Unterhalt geschuldet ist, erst durch die Schädigung ermöglicht wurde, etwa eine zweite Ehe durch Tötung des ersten Ehegatten, so die ständige Rechtsprechung, vgl. R G JW 1905,143 [144]; B G H Z 58,15 [20]; BGH NJW 1970,1127 [11281'.]; Staudinger l 2 -Atofeis. §249

120

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im gesetzlichen

Schadensrecht

aus anderen Rechtsmaterien ergeben. So sollen zwar Steuervergünstigungen des Geschädigten grundsätzlich zu berücksichtigen sein, doch gilt das nicht für solche Vergünstigungen, die dem Geschädigten aufgrund seiner neuen Situation gerade zusätzlich zukommen sollen, so etwa bei einem Pauschbetrag für Behinderte, 246 weil die Anrechnung der Zwecksetzung der Steuergesetze zuwiderliefe. b) Die allgemeinen

Entscheidungskriterien

Sofern das Gesetz eine Anrechnung nicht ausdrücklich oder implizit verbietet, müssen allgemeine Kriterien herausgearbeitet werden, anhand derer sich die Entscheidung über die Anrechnung oder Nichtanrechnung eines Restvorteils treffen läßt. Dabei ist ganz überwiegend zunächst gefordert worden, daß das schadensstiftende Ereignis für den Vermögenszufluß beim Geschädigten kausal gewesen sein müsse. Seit sich im Zivilrecht die Lehre vom adäquaten Kausalzusammenhang durchgesetzt hat, ist dieser Kausalitätsbegriff auch auf die Vorteilsausgleichung übertragen worden. 247 Zugleich hat die Rechtsprechung im Laufe der Zeit weitere Entscheidungskriterien entwickelt. Namentlich ist immer wieder die Rede von einer umfassenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalls sowie vom Erfordernis der Rechnungseinheit bzw. der Kongruenz. aa) Erfordernis adäquaten

Kausalzusammenhangs

Es entsprach lange Zeit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß nur solche Vorteile des Geschädigten für eine etwaige Ausgleichung in Betracht zu ziehen seien, die adäquat kausal durch den haftungsbegründenden Vorgang verursacht sind.248 Aufgrund der Kritik, welche die Heranziehung des Adäquanzkriteriums in der Literatur erfahren hat, 249 entschloß sich der Bundesgerichtshof zwischendurch, die Frage offenzulassen 250 und stattdessen in die Bildung von Fallgruppen zu flüchten, ist dann aber doch wieder zum AdäquanzBGB Rn. 160; Soergel 12-Mertens, vor §249 BGB Rn.239; MünchKomm 3 -Grara/cy, vor §249 BGB Rn. 108a; Palandt^-Heinrichs, vor §249 BGB Rn.138 m.w.N.. Gleichfalls anzurechnen soll der Unterhalt sein, der ausschließlich aus dem Nachlaßvermögen des getöteten Unterhaltsverpflichteten bestritten wird, B G H NJW 1969, 2008 m.w.N. 24(1 Zu verschiedenen Beispielen vgl. B G H Z 53,132 [136f.]; 74,103 [116]; B G H NJW 1986, 245f.; 1993,1643; NJW 1994, 2084 [2085]; O L G Hamburg NJW 1991, 849 [850], 247 So richtungweisend schon R G Z 80,155 [160]; 84, 386 [388], 248 B G H Z 8,325 [328]; 10,107 [108]; 49,56 [61]; B G H NJW 1957,138 [139]; 1976,747 [748], 1978, 536f. 249 Grundlegend Cantzler, AcP 156 (1957), 29 [36ff.]; später auch Staudinger 1 2 -A/ed;a«, §249 BGB Rn. 145; Lorenz, Schuldrecht I, §30 II a); Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn.843; Rother, Haftungsbeschränkung im Schadensrecht, S.232; Thiele, AcP 167 (1967), 193 [196]; Rudioff., in: Festschrift von Hippel (1967), S.433 [427]; Lange, JuS 1978, 649 [651]; Hamm, Vorteilsausgleichung und Schadensminderungspflicht im Rahmen des §844 Abs. 2 BGB (1978), S. 63ff. 250 Zweifel schon in B G H NJW 1979,760; offengelassen dann in B G H Z 77,151 [153],

f 3 Ausgleich von Restvorteilen des Verletzten

121

kriterium zurückgekehrt. 251 Bereits im Ersten Kapitel dieser Arbeit ist näher dargelegt worden, daß auf das Mindesterfordernis der Adäquanz im Sinne eines reinen Wahrscheinlichkeitsurteils nicht verzichtet werden kann. 252 Denn es ist als solches Ausdruck des berechtigten Unbehagens, Rechtsfolgen aus einem rein zufälligen Kausalzusammenhang ableiten zu wollen, und die Anrechnung gänzlich inadäquater Vorteile wird denn auch ersichtlich nicht vertreten. 253 Jedoch ist der Adäquanzbegriff aller Elemente zu entkleiden, die allein in Zusammenhang mit der Schadenszurechnung entwickelt wurden und dort die Haftung für solche Folgen ausschließen sollen, die auch nicht von einem gedachten optimalen Beobachter beherrscht werden können und daher keine Verbindung mit der freien Selbstbestimmung des Menschen haben. 254 bb) Die allgemeine

Abwägungsformel

Die Entscheidung über die Anrechnung adäquater Folgevorteile soll nicht allgemein, sondern nur anhand der Umstände des Einzelfalls zu treffen sein. Dabei hat man die hierfür maßgeblichen Kriterien schon bald auf eine gängige Formel gebracht. Mit geringfügigen Abweichungen in der Formulierung bekundet eine ständige Rechtsprechung, die Anrechnung müsse dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen, sie müsse dem Geschädigten zumutbar sein und dürfe den Schädiger nicht unbillig entlasten. 255 Die Formel hat in der Literatur viel Kritik erfahren. Vor allem hat man ihr vorgeworfen, daß sie aufgrund ihrer Weite jeglicher Aussagekraft entbehre und nicht geeignet sei, im konkreten Fall über die Anrechnung oder Nichtanrechnung zu entscheiden. 256 Allerdings ist es bislang auch nicht gelungen, der Formel ein irgendwie überzeugendes, allgemei251 Vgl. etwa B G H NJW 1983,2137; NJW 1989,2388 [2389]; NJW 1990,1360; extrem B G H NJW 1989, 2117 [2118], wonach im Rahmen des für den Geschädigten Zumutbaren alle adäquaten Folgevorteile anzurechnen seien. 252 Siehe oben, § 1 II 3 a) [S.33f.]. 253 Nicht haltbar m. E. Cantzler, AcP 156 (1957), 29 [49]; Lange, JuS 1978, 649 [651]; Weychardt, D B 1966,1552 [1554], wonach ein Ausgleich adäquat kausal verursachter Vorteile den Schädiger zur Schädigung ermuntern könnte: Die logische Konsequenz dieses Arguments wäre es, entweder gar keine oder nur inadäquate Vorteile auszugleichen! 254 Zu diesem Zweck des Adäquanzkriteriums Lorenz, Hegels Zurechnungslehre (1927), S.82ff.; Cantzler, AcP 156 (1957), 29 [48], Bydlinski, Probleme der Schadensverursachung, S.58ff. 255 S o - m i t kleineren Abweichungen in der Formulierung-etwa B G H Z 1 0 , 1 0 7 [108]; 30,29 [33]; 49, 56 [62]; 54, 269 [272]; 91, 206 [209f.]; 109,380 [392]; B G H NJW 1990,1360; NJW 1997, 2378, st. Rspr.. Das Reichsgericht hatte sich demgegenüber noch mit dem Adäquanzerfordernis begnügt, vgl. etwa R G Z 133, 221 [223ff.]; 146, 275 [278], 256 So besonders Lange, Schadensersatz, §9 III 3 [S.491]: Die Formel liege „im Bereich des Irrationalen und gibt für die Lösung einzelner Sachprobleme kaum etwas her."; ähnlich dezidiert Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, §33 V [S. 236]: „Diese Allerweltsformel läßt jegliche Rationalitätsgarantien vermissen."; zurückhaltender die Kritik von Larenz, Schuldrecht I, § 33 II [S.531]; eine Lanze für die Rechtsprechung bricht dagegen MünchKomm'-Gran.s/ry, vor §249 BGB Rn.95.

122

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

nes Konzept entgegenzusetzen. Stattdessen sucht man das Heil in der Bildung von Fallgruppen, ohne offenzulegen, nach welchen Kriterien man dann eigentlich die Entscheidung jeweils treffen will. Es ist denn auch bemerkenswert, daß ungeachtet der Einwände, die gegen die Formel der Rechtsprechung vorgebracht werden, in der Behandlung der einzelnen Fallgruppen weitgehender Konsens herrscht. cc) Kriterien der Kongruenz und der

Rechnungseinheit

In einem Zug mit der Abwägungsformel verlangt die Rechtsprechung in der Regel noch unter Berufung auf Thiele, 257 daß „Vorteil und Nachteil bei wertender Betrachtung gleichsam zu einer Recheneinheit verbunden" sein müssen. 258 Gelegentlich findet sich zusätzlich auch das Erfordernis eines gewissen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Vorteil und Schaden. 259 Die Literatur hat demgegenüber stets eher ein Erfordernis der Kongruenz betont, wonach ein Vorteil des Geschädigten nur auf denjenigen Teil des Schadensersatzes anzurechnen sei, dem er bei wertender Betrachtung entspreche. Das soll sowohl in sachlicher als auch gegebenenfalls in zeitlicher Hinsicht gelten. 260 Die Rechtsprechung hat in einer neueren Entscheidung nun das Kongruenzerfordernis aufgegriffen und mit dem Erfordernis, daß Vorteile und Nachteile bei wertender Betrachtung zu einer Rechnungseinheit verbunden sein müssen, gleichgesetzt. 261 Allerdings bleibt völlig unklar, wonach sich das Vorliegen einer Rechnungseinheit bestimmen soll und wird von einer Rechnungseinheit meist gesprochen, um die wahren Wertungen nicht gesondert offenlegen zu müssen. 262 257

Thiele, AcP 167 (1967), 193ff., siehe hierzu ausführlicher unten, II 1 b) [S. 134f.]. Siehe nur B G H Z 91, 206 [210]; B G H NJW 1990, 1360; NJW 1997, 2378. 255 B G H Z 53,133 [137]; 77,151 [154] (zusätzlich Wertung nach Risikosphären); B G H VersR 1967,187 [189], 260 Unter ausdrücklichem Verweis auf die Lehre vom Einzelschaden Thiele, AcP 167 (1967), 193 [202]; ferner Lange, Schadensersatz, § 9 III 12 [S. 498]; ders., JZ1997,97 [98f.]; Staudinger 12 Medicus, §249 BGB Rn.151; Palandt S7 -//emric/w, vor §249 B G B Rn.123; MünchKomm 3 Grunsky, vor §249 BGB Rn. 112b; eher zurückhaltend bis ablehnend dagegen jetzt ders., J Z 1997, 767 [771/772], 261 So ganz deutlich B G H NJW 1997, 2378. 262 Paradigmatisch - allerdings zum vertraglichen Schadensersatz - B G H NJW 1997,2378f„ wo ein Grundstücksverkäufer nach erfolgloser Zahlungsaufforderung an den Käufer das Grundstück an einen Dritten veräußert hatte und nunmehr Schadensersatz wegen Nichterfüllung begehrte. Das Gericht führt zunächst aus, daß sich die Vorteilsausgleichung nach dem Kriterium der Rechnungseinheit oder auch Korrespondenz bzw. Kongruenz zwischen Vorteil und Nachteil bestimme. Es verneint sodann die Anrechnung eines den Verkehrswert übersteigenden Erlöses auf den Ersatz für frustrierte Aufwendungen mit den üblichen Argumenten (überobligationsgemäßer Ersatzerwerb, Zumutbarkeit usw.), um dies am Ende dahingehend zusammenzufassen, daß Vor- und Nachteile hier nicht korrespondierten. Dagegen sei Korrenspondenz von Vorteil und Nachteil gegeben hinsichtlich des Mehrerlöses und der Kosten des Dekkungsgeschäfts, wobei nicht offengelegt wird, weshalb die Grundsätze über einen überobligationsgemäßen Ersatzerwerb usw. hier nicht greifen sollen. 258

§ 3 Ausgleich von Restvorteilen des Verletzten

123

Eine konsequente Linie ist sowohl in der Lehre als auch in der Rechtsprechung zu vermissen: So mag es nicht einleuchten, daß es an der Kongruenz zwischen Umschulungskosten und umschulungsbedingtem Mehrverdienst mangeln soll,263 nicht hingegen zwischen dem Verlust einer Unterhaltsquelle und erbrechtlichem Erwerb. 264 Das Kongruenzkriterium ist ursprünglich im Zusammenhang mit Legalzessionen entwickelt worden und besagt dort, daß nur jener Teil des Schadensersatzanspruchs auf den Arbeitgeber, den Sozialversicherungsträger usw. übergeht, der sachlich derjenigen Leistung entspricht, die vom Legalzessionar an den Geschädigten erbracht worden ist.265 Dort hat das Kongruenzkriterium auch seine volle Berechtigung. Wenn aber einerseits vertreten wird, daß häusliche Verpflegungskosten, die infolge eines Krankenhausaufenthalts erspart worden sind, nur auf die Kosten der Heilbehandlung, und nicht auf den Verdienstausfallschaden angerechnet werden dürften, 266 wenn sich dann aber andererseits die cessio legis zugunsten des Sozialversicherungsträgers in Höhe der Ersparnis auch auf den Verdienstausfallschaden erstrecken soll,267 wird die Fragwürdigkeit einer Übertragung auf die Vorteilsausgleichung gänzlich offenbar. c) Betrachtung typischer

Fallgruppen

Ungeachtet der reichen Kasuistik, die sich zur Frage der Vorteilsausgleichung inzwischen herausgebildet hat, lassen sich gewisse zentrale Problemfelder ausmachen. Abgesehen von wenigen Entscheidungen, die Einzelfälle betroffen ha263 So etwa die Entscheidung B G H NJW 1987, 2741 f.: Der Geschädigte mußte sich verletzungsbedingt umschulen lassen, verdiente aber in seinem neuen Beruf erheblich mehr. Der B G H hat eine Anrechnung des Mehrverdienstes auf die Umschulungskosten verneint und dabei zunächst angedeutet, daß Vorteil und Schadensereignis hier nicht korrespondierten. Später (a.a.O. 2741/2742) stützt er die Entscheidung aber doch maßgeblich auf Unzumutbarkeit für den Verletzten sowie darauf, daß dem Mehrverdienst auch eine Mehrleistung gegenüberstehe. Zustimmend zur Entscheidung unter dem Gesichtspunkt fehlender sachlicher Kongruenz Palandt 51 -Heinrichs, vor § 249 BGB Rn. 123. 264 Hierzu B G H VersR 1967, 1154 [1155]; NJW 1974, 1236 [1237]; 1979, 760 [761]; O L G Frankfurt NJW-RR 1990,1440 [1443]; das Schrifttum stimmt dem im wesentlichen zu, vgl. Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, §33 V 3 a) [S.236]; Lange, Schadensersatz §9 IV 4 c) [S.505ff.]; John, J Z 1972,543 [545ff.], jeweils m.w.N.. Doch fehlen auch nicht kritische Stimmen, vgl. Staudinger U -Medicus, § 249 BGB Rn. 168; Soergel a -Mertens, vor § 249 BGB Rn. 234., die sich allerdings nicht an der fehlenden Kongruenz, sondern an anderen Erwägungen stoßen. 265 Statt aller Palandt^-Heinrichs, vor §249 BGB Rn. 152 mit umfangreichen Nachweisen. 266 B G H NJW 1980,1787; NJW 1984,2628f. Allerdings wird diese Einschränkung nicht unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung gemacht, sondern unter dem Gesichtspunkt der Schadensberechnung: Nur in Höhe der Differenz zwischen Krankenhauskosten und den Kosten privater Verpflegung sei überhaupt ein Schaden wegen der Heilbehandlung entstanden. 267 B G H NJW 1984,2628f.; Schmalzt, VersR 1995,516; die Konsequenz, daß sich der Arbeitgeber, der kraft Legalzession den Anspruch hinsichtlich des Verdienstausfalls behält, mit einem verringerten Anspruch zufriedengeben soll, wird vom B G H a.a.O., S. 2629 obiter in Kauf genommen.

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Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

ben, 268 läßt sich die Mehrzahl der entschiedenen Sachverhalte doch der einen oder anderen umfassenderen G r u p p e zuordnen. Dabei beschränkt sich die folgende Betrachtung auf den Bereich des gesetzlichen Schadensrechts, weil die Probleme, die etwa beim Anspruch auf den Verzögerungsschaden oder beim Schadensersatz wegen Nichterfüllung auftreten, im Zusammenhang mit den entsprechenden Anspruchsgrundlagen im Fünften Kapitel erörtert werden sollen. aa) Ersparte

Aufwendungen

Ungeachtet des Problems der dogmatischen Einordnung ist man sich hinsichtlich kaum einer Fallgruppe im Ergebnis so einig wie hinsichtlich ersparter Aufwendungen. Unkosten, die der Geschädigte durch das haftungsbegründende Ereignis erspart hat, sollen in jedem Fall auf den Ersatzanspruch angerechnet werden, sofern ihnen keine entsprechende Entbehrung gegenübersteht. 2 6 9 Ähnliches gilt für steuerliche Vorteile, wenn nicht der Zweck des Steuerrechts eine Ausgleichung verbietet. 270 bb) Anrechnung von

Ersatzerwerb

Wird im R a h m e n gesetzlicher Schadensersatzansprüche Ersatz für entgangenen Erwerb geschuldet, dann indiziert nach herrschender Meinung § 254 B G B die Grenze, bis zu der realer oder fiktiver Ersatzerwerb auf den Anspruch angerechnet werden muß und darf, d.h. der Umfang der Erwerbsobliegenheit präzisiert zugleich, inwieweit erzielter Ersatzerwerb der Anrechnung unterliegt. 271 Danach muß der Gläubiger eine bekannte und zumutbare Erwerbsmöglichkeit wahrnehmen, während er zu überobligationsgemäßen und damit unzumutbaren Anstrengungen nicht angehalten ist. Macht er sie dennoch, soll nach wohl einhelliger Auffassung der dadurch erzielte Mehrerlös nicht der Anrechnung

268 So etwa B G H NJW 1988,1837 [1838] zur Anrechnung des durch Wegfall des Denkmalschutzes eintretenden Werterhöhung auf den Anspruch wegen Zerstörung des Gebäudes, oder B G H NJW 1980,2183 [2184] zu dem Fall, daß einer Spielbank entwendetes Geld sofort wieder bei dieser verspielt wurde. 269 Vgl. etwa nur B G H NJW 1997, 250 [251] m.w.N. Allerdings können etwa auf den Anspruch wegen der Krankenhauskosten nur die ersparten Aufwendungen für eine einfache Verpflegung angerechnet werden, auch wenn der Verletzte privat eine sehr aufwendige Lebensführung hat, MünchKomm'-Gru/iity, vor § 249 BGB Rn. 97; Staudinger 12 -Med;c«i, § 279 BGB Rn. 170. 270 Vgl. B G H VersR 1980,529 sowie die Nachweise oben Fn. 246; näher zur Anrechnung von Steuervorteilen Boelsen, W R 1988, 2187; Trüter, BB 1986, 265ff. 271 Einhellige Meinung, vgl. B G H Z 4,170 [172ff.]; 55, 329 [332ff.]; 58,14 [18]; B G H VersR 1969,469; NJW 1974,602 [603f.], st.Rspr.; ebenso die Literatur, vgl. Lange, Schadensersatz, § 9 V 2 [S.509]; MünchKomm 3 -Gnmsfcy, vor §249 BGB R n . l l l ; Palandt^-Heinrichs, vor §249 BGB Rn. 126; timatf-Kuckuk, vor § 249 BGB Rn. 106; Stürner, J Z 1984, 461 [467],

§ 3 Ausgleich von Restvorteilen des Verletzten

125

unterliegen. 272 Dabei dürfte vor allem die Überlegung eine Rolle spielen, daß nach unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung grundsätzlich jeder für sich selbst wirtschaften und das so Erwirtschaftete auch behalten darf.273 cc) Leistungen von dritter Seite Der Vorschrift des §843 Abs. 4 BGB ist schon früh ein allgemeiner Rechtsgedanke entnommen worden. Dieser wurde seit jeher für Ersatzansprüche außerhalb der §§ 823ff. BGB fruchtbar gemacht oder etwa auch für den Fall, daß der Beitrag einer nicht erwerbstätigen Hausfrau zum Familienunterhalt bei deren Tötung oder Verletzung durch die Familiengemeinschaft aufgefangen wird.274 Im einzelnen ist umstritten, wie weit man die Geltung des allgemeinen Rechtsgedankens ziehen möchte, insbesondere, ob damit auch das Problem der Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber außerhalb entsprechender Legalzessionen, 275 das Problem freigiebiger Leistungen Dritter 276 oder auch das Problem von Leistungen privater Schadensversicherungen gelöst werden darf.277 Der Streit dürfte allerdings vorwiegend akademischer Natur sein, weil man sich in den genannten Fallgruppen hinsichtlich des Ergebnisses weitestgehend einig ist. So ist es unbestritten, daß bei freiwilligen Leistungen Dritter die Zweckbestimmung des Dritten entscheiden muß, d.h. ob er den Geschädigten oder den Schädiger entlasten wollte.278 Das beruht auf der Überlegung, daß es einen untragbaren Eingriff in die Dispositionsfreiheit des Dritten über das eigene Vermögen darstellen würde, wenn er nicht frei darüber bestimmen könnte, wem er es im Ergebnis zuwendet. Ferner hat sich inzwischen die Ansicht durchgesetzt, daß der Arbeitnehmer auch in Ermangelung einer Legalzession jedenfalls analog §§255,281 BGB verpflichet ist, seine Ansprüche an den Arbeitgeber abzutreten, weshalb sich eine Anrechnung verbietet. 279 Eine Anrechnung verbietet 272

Zur Abgrenzung im einzelnen vgl. die Nachweise bei Palandt 57 -Heinrichs, § 254 B G B Rn.36ff.; MünchKomm 3 -Gr«nsfcy, §254 BGB Rn.48ff. 273 Der herrschenden Meinung ist allerdings dann nicht ganz zuzustimmen, wenn der überobligationsgemäße Erwerb ausschließlich durch die Schädigung überhaupt möglich wurde, so im „Fahrlehrer-Fall" B G H Z 55, 329 [332], vgl. hierzu oben, §2 III 1 a) cc), [S.103], 274 Hierzu Lange, Schadensersatz, § 9 VI 2 [S.514] m.w.N. 275 B G H Z 21,112 [116], Reinicke, NJW 1953,1243 [1244]; Harms, J Z 1958,156 [157], 276 B G H NJW 1963,1051 [1052]; B G H NJW 1982, 2864 [2865], 277 Kritisch zur Ausdehnung des Rechtsgedankens Hamm, Vorteilsausgleichung und Schadensminderungspflicht, S.152ff.; Thiele, AcP 167 (1967), 193 [219f.]. 278 Ganz einhellige Meinung, vgl. Thiele, AcP 167 (1967), 193 [225ff.]; Larenz, Schuldrecht I, §30 II b) [S.534]; Lange, Schadensersatz, §9 VII [S.518Í.]; MünchKomn^-GrartsA^, vor §249 B G B Rn. 99; Palandt 51 -Heinrichs, vor §249 BGB Rn.131. 279 Vgl. B G H Z 21, 112 [119]; 107, 325 [329]; Palandt 51 -Heinrichs, vor §249 B G B Rn.136; Machleid, J Z 1952,644 [645f.]; Harms, J Z 1958,156 [157]; auf die zahlreichen anderen vertretenen Lösungen, zu denen sich eine nahezu unüberschaubare Literatur herausgebildet hat, kann hier nicht eingegangen werden, vgl. dazu Selb, Schadensbegriff und Regreßmethoden, S. 53ff.; Kollhosser, AcP 166 (1966), 277 [306ff.] (Liquidation des Drittinteresses); Gegenposition bei

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Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

sich ebenso, wenn ein Vorsorgeschuldner unter Vorbehalt der Rückerstattung bei Zahlung durch den Schädiger gezahlt hat, auch wenn auf die Rückforderung im konkreten Fall verzichtet wird. 280 Bei M a ß n a h m e n privater Schadensvorsorge hat eine Anrechnung schon deswegen zu unterbleiben, weil der Geschädigte diese selbst durch Versicherungsprämien usw. erkauft hat. 281 dd) Erbrechtlicher

Erwerb

Problematisch bleibt beim Anspruch aus §844 Abs. 2 B G B die Berücksichtigung einer Erbschaft, die durch die Tötung des Unterhaltsverpflichteten angefallen ist. Die herrschende Meinung befürwortet hier eine Anrechnung des Stammwerts insoweit, als dieser dem Unterhaltsberechtigten mutmaßlich sonst nicht zugefallen wäre, etwa weil der Getötete sein Vermögen verbraucht hätte.282 Entsprechend sollen Erträgnisse der Erbschaft angerechnet werden, wenn und soweit diese nicht zur Vermehrung oder Substanzerhaltung des Vermögens des Getöteten verwendet worden wären. 283 Gegen diese Rechtsprechung werden in der Literatur allerdings auch Bedenken vorgebracht, weil der Schädiger nicht durch die Mühewaltung des Erblassers für künftige Generationen entlastet werden dürfe und außerdem Spekulationen über zukünftige Ereignisse mit Unsicherheiten belastet seien. 284 2. D e r A b z u g „neu f ü r alt" Eine gewisse Sonderstellung nimmt der sogenannte Abzug „neu für alt" in der Diskussion ein, 285 wobei auf die Problematik, inwiefern überhaupt ein Fall der Vorteilsausgleichung vorliegt, schon oben eingegangen worden ist.286 Die Sonderstellung rührt daher, daß der angebliche Vorteil des Geschädigten hier erst durch die Ersatzleistung entsteht, wie sie nach der Konzeption der §§249ff. B G B nun einmal geschuldet ist, und namentlich durch den Grundsatz der Naturalrestitution bzw. der Maßgeblichkeit des Wiederbeschaffungswerts. Wer hier eine Ausgleichung vornehmen möchte, muß demnach entweder vom RestituSiebert, in: Festschrift Lehmann II (1956), S.670 [673ff.]; Rother, Haftungsbeschränkung im Schadensrecht, S.240ff. 280 B G H NJW 1992,1556 [1557], 281 Anders, aber kaum mehr haltbar, etwa noch Walter, JW 1937, 846 [849ff.]; Werner, NJW 1955, 769 [773]; für Risikolebensversicherung auch noch B G H Z 39, 249 [252ff.], ausdrücklich aufgegeben aber durch B G H Z 73, 109 [lllff.]. 282 Lange, Schadensersatz, § 9 IV 4 c) bb) [S. 506] m.w.N.; John, J Z 1972, 543ff. 283 Siehe hierzu die Nachweise oben, Fn.264. 284 Statt aller Staudinger , 2 -Medicus, §249 BGB Rn.168; Soergel"-Mertens, vor §249 BGB Rn.234. 285 Vgl. aus der Rechtsprechung beispielsweise B G H Z 30, 29 [30ff.]; 102, 322 [331]; B G H NJW 1997, 520; NJW 1997, 2879 [2880], 286 Vgl. oben, §2 III 1 b) [S.103f.].

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tionsgrundsatz abrücken oder aber dem Geschädigten auferlegen, seinerseits eine Ausgleichszahlung in Höhe des Mehrwerts an den Schädiger zu entrichten. Dementsprechend machen denn auch Rechtsprechung und Literatur wesentliche Einschränkungen, was die Berücksichtigung des Vorteils „neu für alt" anbelangt.287 So wird gefordert, daß eine deutlich spürbare Vermögensmehrung eingetreten ist,288 und zwar nicht nur in objektiver Hinsicht, sondern auch unter Berücksichtigung der konkreten Verwendungsmöglichkeiten und -absichten des Geschädigten. 289 Wenn nur der Wiederverkaufswert des ersetzten Gegenstands erhöht ist, soll die Ausgleichung unter Umständen bis zu einem tatsächlichen Verkauf zurückzustellen sein.290 Ferner ist man noch eher als sonst geneigt, den Abzug aus allgemeinen Billigkeitserwägungen im Einzelfall abzulehnen, so etwa wegen der sozialen Schwäche des potentiell ausgleichsverpflichteten Geschädigten 291 oder weil die Ausgleichszahlung für den Geschädigten eine wirtschaftliche Härte darstellen würde. 292 3. Berücksichtigung von Reserveursachen Was die Berücksichtigung von Reserveursachen betrifft, so hat seit jeher Einigkeit darüber bestanden, daß eine Reserveursache unbeachtlich sein muß, wenn und soweit aus dieser Ursache ein anderer dem Geschädigten ersatzpflichtig gewesen wäre. Daß dies die wertungsmäßig allein plausible Lösung darstellt, folgert man meist daraus, daß der Geschädigte sonst leer ausginge. 293 Richtigerweise folgt hier allerdings schon aus der Differenzbetrachtung, daß der Betroffene einen Restvorteil nicht erlangt hat: Bei Hinwegdenken des haftungsbegründen287 Gänzlich ablehnend, weil der Abzug das Bestimmungsrecht des Geschädigten über den Einsatz seines Vermögens verletze, Oertmann, LZ 1916, 1513 [1516f.]; für unbeachtlich hält dies Voss, VersR 1956,143 [144], unter Hinweis auf einen angeblichen wirtschaftlichen Schadensbegriff. 288 KG NJW 1971, 142 [144]; O L G Koblenz NJW-RR 1990, 149 [150]; A G Landshut NJW 1990, 1537; zur Berechnung im einzelnen B G H NJW 1996, 584 [585f.], 289 Zumutbarkeit für den Geschädigten ist vor allem bei Bauwerken und Kraftfahrzeugen zu bejahen, vgl. B G H Z 30, 29 [34]; 102, 322 [331]; B G H NJW 1992, 2884; NJW-RR 1995, 415 [416]; NJW 1997, 520; O L G Düsseldorf NJW-RR 1993, 664, O L G H a m m NJW-RR 1993,1236 [1237]; NJW-RR 1994, 345 [346], 290 Lange, Schadensersatz, §6 V 3 [S.260]; Palandt 57 -//emric/ii, vor §249 BGB Rn.146 m.w.N. 291 So SchlHOLG M D R 1952,747 bei Beschädigung von getragener Kleidung einer Unterstützungsempfängerin. 292 So B G H Z 30, 29 [34] obiter. 293 Wiederum ganz herrschende Meinung, vgl. B G H NJW 1958,705; aus der Literatur etwa von Caemmerer, Das Problem der überholenden Kausalität, S.21f.; Kohrs, Kausalität und überholende Kausalität im Zivilrecht, S. 164ff.; Lemhöfer, JuS 1966, 337 [338ff.]; Lange, Schadensersatz, § 4 X 4 [S. 192f.]; Staudinger 12 -Medi'ci«, § 249 BGB Rn. 100. Ganz anders dagegen Bydlinski, Probleme der Schadensverursachung, S.94ff., der eine Schadensteilung zwischen den einzelnen Verursachern für möglich hält.

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Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im gesetzlichen

Schadensrecht

den Ereignisses hätte er ja zumindest den Anspruch gegen den Dritten gehabt. 294 Die Fallgruppe der hypothetischen Verantwortlichkeit eines Dritten soll daher aus der folgenden Betrachtung ausgeklammert werden, und ebenso das schon weiter oben erörterte Phänomen, 295 daß später eintretende Vermögensfolgeschäden nicht mehr geltendgemacht werden können: Es handelt sich dabei lediglich um eine Konsequenz aus dem realen Schadensbegriff. a) Die sogenannten

Anlagefälle

Weitgehende Einigkeit besteht seit jeher allerdings noch in einer weiteren Fallgruppe, nämlich derjenigen der sogenannten „Anlagefälle". Damit sind Konstellationen gemeint, bei denen das beeinträchtigte Rechtsgut bereits einen „Schadenskeim" in sich trug, der auch von selbst zur Beschädigung oder Zerstörung geführt hätte. Dies soll dem Schädiger zugutekommen. 296 Schulbeispiel ist hier das bei einem Unfall zerstörte Auto, das so starke Rostschäden an der Karosserie aufwies, daß es wenige Wochen später ohnehin hätte verschrottet werden müssen. Gerade in diesem Schulbeispiel geht es allerdings in Wahrheit kaum um ein Problem hypothetischer Kausalverläufe, sondern um ein Problem der Bestimmung des Verkehrswerts des beeinträchtigten Rechtsguts: Die Schadensanlage mindert nämlich bereits den Wert des Vermögensgegenstands, selbst wenn sie zum betreffenden Zeitpunkt noch nicht manifest geworden ist.297 Auch in den anderen Fallkonstellationen ist das Kriterium des Schadenskeims weitgehend unbehelflich, und es muß erstaunen, daß es von der ganz überwiegenden Literatur bis heute unkritisch übernommen wird.298 So weckt es bereits dann einiges Unbehagen, wenn es nicht um die Beschädigung oder Zerstörung von Sachen geht, sondern wenn Leben oder Gesundheit von Menschen betroffen sind. Soll man die Angehörigen eines Kranken, die Ansprüche aus §844 Abs. 2 BGB geltendmachen, wirklich mit dem Argument leer ausgehen lassen, der Getötete habe bereits eine Schadensanlage in sich getragen und sei daher als Unterhaltspflichtiger „weniger wert" gewesen? Vor allem aber zeigt ein Blick auf die einschlägige Judikatur, daß die Sachverhalte, die bislang mit einem lapidaren Hinweis auf die Anlage-Fälle entschieden wurden, meist mit Konstellationen wie der des verrosteten Autos wenig bis gar nichts ge294 Zutreffend MünchKomm3-GraraA:;y, vor § 249 BGB Rn. 84; Lange, Schadensersatz, § 4 X 4 [S. 192f.]; Lemhöfer, JuS 1966, 337 [341], Diese Autoren gelangen allerdings folgerichtig zu dem Ergebnis, daß dann Beschränkungen der Haftung, die im Verhältnis zum Dritten gegeben wären, voll berücksichtigt werden müßten, dagegen Larenz, Schuldrecht I, §30 I [S. 527] und Staudinger 12 -A/ed/cus, § 249 BGB Rn.101. Siehe auch oben §2 III 1 c) [S.106]. 295 Siehe §2 I 3 c) ee) [S.77ff.]. 296 Ganz herrschende Meinung, vgl. R G Z 129, 316 [321]; 156, 187 [191] (stellt auf örtliche Lage ab); B G H Z 20,275 [279ff.]; 78, 209 [213f.]; 125, 56 [62]; NJW 1985, 676 [677] passim\ Pa\&nA\sl-Heinrichs, vor §249 BGB Rn.99; Staudinger 12 -MeÄc«i, §249 BGB Rn. 103. 297 Zutreffend MünchKomm3-Gr«nsA:y, vor §249 BGB Rn. 80 sowie B G H Z 20, 275 [281], 298 Kritisch allerdings Grunsky, in: Festschrift Hermann Lange (1992), S.469 [477],

§ 3 Ausgleich von Restvorteilen des Verletzten

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meinsam haben. So hat man einen „Schadenskeim" etwa bejaht für den Fall, daß ein Grundstück infolge seiner örtlichen Lage ohnehin von einer Überschwemmung erfaßt werden mußte. 299 Ebenso hat man es eingeordnet, wenn ein Haus ohne Abrißverfügung dem Erdboden gleichgemacht wurde, der Gesamtplan für die Anlegung einer Brandgasse das Haus aber ursprünglich zum Abriß vorgesehen hatte: Das Haus sei zum Zeitpunkt des rechtswidrigen Abrisses schon wertlos gewesen, weil eine entsprechende Verfügung sicher ergangen wäre, wenn man den Fehler bemerkt hätte. 300 Ähnlich hat man es als vorhandene Anfälligkeit des betroffenen Rechtsguts gewertet, wenn Fernmeldekabel beschädigt wurden, deren Beseitigung aufgrund des privatrechtlichen Titels eines Grundstückseigentümers ohnehin hätte verlangt werden können 301 oder eine zu Fluchtzwecken entwendete Zugmaschine ohnehin von den Besatzungsmächten beschlagnahmt worden wäre.302 In allen diesen Fallgestaltungen gründet sich die Analyse, daß das verletzte Rechtsgut bereits einen Schadenskeim in sich trug und daher zum Zeitpunkt des Schadenseintritts schon praktisch wertlos war, letztlich nur ganz allgemein auf die Existenz einer Reserveursache: So gesehen müßten demnach alle Fälle hypothetischer Kausalität auch sogenannte „Anlagefälle" sein. b) Keine schuldtilgende

Kraft?

Eine abschließende Stellungnahme zu der Frage, ob Reserveursachen generell - d . h . über ihre Berücksichtigung bei Vermögensfolgeschäden sowie bei einer vorhandenen Schadensanlage hinaus - beachtlich sein können, hat die Rechtsprechung bislang vermieden. Als solche abschließende Stellungnahme wird zwar gelegentlich eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs angeführt, in der es darum ging, daß in den Jahren 1938 und 1939 zur Anlegung einer Prachtstraße rechtswidrig abgerissene Gebäude vermutlich später infolge der Kriegsereignisse ohnehin zerstört worden wären. 303 Das Gericht hatte einen entsprechenden Einwand der Beklagten abgewiesen. Soweit dies mit der Begründung geschah, das Gesetz habe nachträglichen Ereignissen keine schuldtilgende Kraft beigemessen, 304 so ist dies allerdings ein offensichtlicher Fehlgriff. Denn im Rahmen der Vorteilsausgleichung, zu der sich ja auch der Bundesgerichtshof bekennt, wird nachfolgenden Vermögenszuflüssen sehr wohl schuldtilgende 299

R G Z 156, 187 [191]. B G H Z 20, 275 [280f.]. 3(,i So B G H Z 125, 56 [62], wo im konkreten Fall der Titel aber verjährt war. 302 Ausdrücklich unter Verweis auf die Rechtsprechung zur Schadensanfälligkeit O L G Stuttgart NJW 1949, 585. 303 Gemeint ist die Entscheidung B G H Z 29, 207; für abschließend gehalten wird sie etwa von Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 177; in B G H Z 125,56 [62] urteilt das Gericht allerdings fast noch apodiktischer. 304 B G H Z 29, 207 [215], 300

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Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

Kraft beigemessen. Ferner wird wohl auch nicht zu leugnen sein, daß ein einmal eingetretener Schaden nachträglich wieder entfallen kann, etwa, wenn der durch Fremdverschulden verrenkte A r m sich von selbst wieder einrenkt, so daß eine ärztliche Behandlung nicht notwendig wird: D a n n kann nur noch Schmerzensgeld geschuldet sein, nicht aber Schadensersatz. c) Auswertung der Ergebnisse Der schlaglichtartige Überblick über die Rechtsprechung dürfte gezeigt haben, daß es sich bei der Entscheidung über die Beachtlichkeit oder Unbeachtlichkeit einer Reserveursache in Wahrheit um eine wertende Entscheidung im Einzelfall handelt. Dagegen konnten alle Hinweise auf ein festes Entscheidungsschema - mag dieses nun auf einen angeblichen „Schadenskeim" abstellen oder auf die fehlende schuldtilgende Kraft nachfolgender Ereignisse - als Scheinargumente entlarvt werden. aa) Abwägung

aller

Umstände

Besonderes Gewicht wird im R a h m e n der Abwägung offenbar auf den Unwertgehalt des Schädigerverhaltens gelegt. Nur so ist es zu erklären, daß der Bundesgerichtshof beim rechtswidrigen Abriß von Gebäuden während des Krieges völlig unterschiedlich judiziert hat: Für beachtlich wurde die Reserveursache gehalten, wo es um die Anlegung einer Brandgasse zur Rettung der Wohnbevölkerung eines Stadtviertels ging, für unbeachtlich dagegen, wo die Anlegung einer Prachtstraße im Auftrag eines NS-Regimes zur Beurteilung anstand. Ebenso ist es symptomatisch, daß im Prachtstraßen-Fall eine Berücksichtigung der hypothetischen Zerstörung der G e b ä u d e durch Bomben zusätzlich mit dem Argument abgelehnt wurde, daß diese Zerstörung keinesfalls sicher gewesen sei, obgleich das betreffende Stadtviertel später tatsächlich nahezu völlig zerstört wurde. Dagegen wurde im Zugmaschinen-Fall, wo es darum ging, daß der Betreffende mit der Maschine Frau und Kinder in Sicherheit gebracht hatte, die spätere Beschlagnahme durch die Alliierten als sicher eintretendes Ereignis bezeichnet und entsprechend berücksichtigt. D e r zuletzt genannte Punkt macht zugleich deutlich, daß auch die Wahrscheinlichkeit, mit der die hypothetische Ursache sich verwirklicht hätte, einen entscheidenden Abwägungsfaktor ausmacht. 3 " 5 So dürfte etwa der Überschwemmungs-Fall des Reichsgerichts maßgeblich darauf beruht haben, daß die Überschwemmung ja tatsächlich eingetreten war und es auch naturwissenschaftlich ausgeschlossen erschien, daß das Grundstück seine örtliche Lage verändert hätte und der Katastrophe entkommen wäre. 305 Auf die Sicherheit stellen auch maßgeblich ab von Caemmerer, Das Problem der überholenden Kausalität, S. 19f. m.w.N.; Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, S. 146; Going, SJZ 1950, 866 [868f.]; unhaltbar dagegen Lemhöfer, JuS 1966, 337 [341], der dem Geschädigten sogar die Beweislast dafür auferlegen will, daß keine Reserveursache in Betracht kommt.

§ 3 Ausgleich von Restvorteilen des Verletzten

bb) Bedeutung für die vorliegende

131

Betrachtung

Für die vorliegende Untersuchung bedeutet das, daß eine Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe auch hinsichtlich des eigentlichen Verletzungsschadens jedenfalls grundsätzlich - und insbesondere auch nicht auf bestimmte Fallgruppen beschränkt - von der Rechtsprechung vorgenommen wird. Ob und inwieweit ein solcher ergänzender Ausgleich des Geschädigtenvorteils stattzufinden hat, wird im Wege einer wertenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalls entschieden. 306 Das unterstreicht noch einmal, daß die oben mit Grunsky307 vorgenommene Einordnung des Problems der Reserveursachen in den Kontext der Vorteilsausgleichung berechtigt war. Wenn im folgenden der Frage nachgegangen wird, worin der tiefere Gerechtigkeitsgehalt der Vorteilsausgleichung liegt, dann gelten diese Ausführungen sinngemäß auch für den Gerechtigkeitsgehalt der Berücksichtigung von Reserveursachen 308 sowie natürlich auch des Abzugs „neu für alt".

II. Gerechtigkeitsgehalt der

Vorteilsausgleichung

Was den Rechtsgrund der Vorteilsausgleichung anbelangt, so hat man sich darüber in der Rechtspraxis nie sonderlich tiefgreifende Gedanken gemacht. Die grundsätzliche Berechtigung einer compensatio lucri cum damno war seit den Pandekten anerkannt. 309 Man konnte sich also hinsichtlich der generellen Zulässigkeit einer Anrechnung mit gängigen Formeln zufriedengeben und mußte sein Augenmerk nur noch auf die Frage richten, ob eine solche auch nach den im konkreten Einzelfall maßgeblichen Wertungen vorzunehmen war oder nicht. Schon Mommsen hatte die Berücksichtigung von Vorteilen des Geschädigten als „natürlich und selbstverständlich" bezeichnet, 310 und von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen ist die Notwendigkeit und Berechtigung eines entsprechenden Ausgleichsmechanismus kaum ernsthaft in Zweifel gezogen worden. 311 Aus 306

So auch Grunsky, in: Festschrift Hermann Lange (1992), S.469 [474], der aber dann auf S.476 nicht den naheliegenden Weg über eine Prinzipienkollision geht. Zu den Umständen des Einzelfalls, die es zu berücksichtigen gilt, gehören namentlich auch die Wahrscheinlichkeit, mit der sich die Reserveursache ausgewirkt hätte, sowie der zeitliche Zusammenhang, vgl. hierzu schon (wenngleich auch in anderem Kontext) Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. lOOff. 307 Grunsky, a.a.O. [Fn.306], sowie MünchKomm 3 -G™«i/ty, vor §249 B G B Rn.83. 308 Ähnlichkeiten in der Begründung sind denn auch allenthalben zu verzeichnen, so meint etwa Lemhöfer, JuS 1966, 337 [339], der Geschädigte dürfe weder besser noch schlechter stehen; auf das Prinzip der Gewinnabwehr verweist auch Knappe, Das Problem der überholenden Kausalität, S. 111. 309 Siehe etwa die Darstellung bei Walsmann, Compensatio lucri cum damno, S.52ff. 310 Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, S. 192. 311 Ganz gegen die Vorteilsausgleichung etwa Stintzing, Findet Vorteilsausgleich beim Schadensersatzanspruch statt?, der unter anderem a.a.O., S. 6ff. argumentiert, dem Geschädigten zugeflossene Vorteile gebührten nicht dem Schädiger und ihre Anrechnung sei für den Ge-

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Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

dem Bürgerlichen Gesetzbuch ergibt sich ein allgemeines Rechtsinstitut der Vorteilsausgleichung freilich nicht. Die Verfasser haben eine diesbezügliche Regelung bewußt nicht mitaufgenommen, weil man die Lösung des Problems lieber Rechtsprechung und Lehre überlassen wollte.312 1. Begriffliche Begründungsansätze Die gerne formulierte Frage, ob die Versagung oder die Durchführung der Vorteilsausgleichung die Regel sei und ob man dementsprechend für die Anrechnung oder Nichtanrechnung eines Vorteils einer gesonderten Begründung bedürfe, ist nicht ganz richtig gestellt. 313 Ein solches Regel-Ausnahme-Verhältnis mag tatsächlich bestehen, doch ändert das nichts daran, daß es jedenfalls vom Standpunkt des realen Schadensbegriffs aus zunächst die Berücksichtigung von Restvorteilen ist, die sich rechtfertigen muß, und nicht ihre Außerachtlassung.314 Jeder Lebenssachverhalt setzt sich nämlich aus einer unendlichen Menge juristisch irrelevanter und einer begrenzten Menge juristisch relevanter Umstände zusammen. Möchte der Rechtsanwender bei seiner Tätigkeit ein Element des Lebenssachverhalts berücksichtigen, dann bedarf er hierzu einer Begründung, da gewissermaßen eine Vermutung für die juristische Irrelevanz des Elements streitet. Die gängige Formel der Rechtsprechung, wonach die Anrechnung von Vorteilen erstens mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruches vereinbar und zweitens dem Geschädigten zumutbar sein müsse sowie drittens den Schädiger nicht unbillig entlasten dürfe, 315 beinhaltet eine Begründung jedenfalls nicht: Keine der drei Aussagen ist geeignet, zu begründen, warum Vorteile überhaupt angerechnet werden sollen. Vielmehr sind die genannten Kriterien allenfalls geeignet, im Einzelfall abzuwägen, ob ein konkreter Vorteil angerechnet werden muß oder nicht: Auch eine pauschale Kürzung jedes Schadensersatzanspruchs um einen Pfennig wäre wohl mit dem Zweck des Ersatzes noch vereinbar, dem Geschädigten zumutbar und würde den Schädiger kaum entlasten, doch besteht für eine derartige Kürzung eben kein rechtlicher Grund.

schädigten unzumutbar. Skeptisch aus rechtsvergleichender Sicht auch Sonnenberger, in: Festschrift Trinkner (1995), S.723 [746f.]. 312 Motive II S. 18/19: „Die Entscheidung der Frage, ob und inwiefern bei Schadensersatzansprüchen der Vortheil, welcher dem Beschädigten durch den schadenbringenden Umstand zugefallen ist, von der Ersatzsumme in Anrechnung zu bringen sei (compensatio lucri cum damno), muß der Rechtswissenschaft und Praxis überlassen werden." 313 Kritisch zu dieser Fragestellung - wenngleich von einem ganz anderen Standpunkt aus auch Lange, Schadensersatz, §9 III 3 [S.492], Sie hat allerdings gewisse Implikationen für die Beweislast, hierzu R. Neuner, AcP 133 (1931), 277 [310/311], 314 Dies hat Thiele, AcP 167 (1967), 193 [199] sehr schön herausgearbeitet; ebenso (aus dem Gesichtspunkt eines objektiven Schadensbegriffs heraus) R. Neuner, AcP 133 (1931), 277 [310], 315 Ständige Rechtsprechung, siehe die Nachweise oben Fn.255.

§ 3 Ausgleich von Restvorteilen des Verletzten

a) Ansatz am

133

Schadensbegriff

Z u einer Begründung der Vorteilsausgleichung im eigentlichen Sinne sind in der Literatur verschiedene Ansätze gemacht worden. Davon sollen zunächst diejenigen betrachtet werden, die sich um eine eher begriffich-formale Herleitung bemühen. Wohl am häufigsten findet sich der Ansatz am Schadensbegriff selbst. Dabei ist es letztlich nur eine Sache der Formulierung, ob hierzu auf §249 Satz 1 BGB, 316 auf die Differenzhypothese, 3 1 7 auf das Wesen des Schadens als Saldo 318 oder gar auf den normativen Schadensbegriff 319 verwiesen wird. Gemeinsam ist diesen Ansichten jedenfalls, daß sie bei der Ermittlung eines Schadens positive wie negative vermögensmäßige Auswirkungen der Verletzungshandlung grundsätzlich als gleichwertig betrachten, so daß die wechselseitige Verrechnung ebenso selbstverständlich erscheint wie die Addition verschiedener Schadensposten. Es ist offensichtlich, daß dieser Ansatz von einem rein rechnerischen Schadensbegriff ausgeht. Damit legt er genau jene D e u t u n g der Differenzhypothese zugrunde, die oben als Fehlverständnis entlarvt wurde. 320 Die innere Widersprüchlichkeit des rechnerischen Schadensbegriffs wird auch - wie bereits erwähnt - gerade im Zusammenhang mit der Vorteilsausgleichung besonders deutlich. D e n n man geht gemeinhin ungeachtet jedes Bekenntnisses zur Gesamtsaldierung davon aus, daß nicht alle positiven Vermögensposten, die adäquat kausal auf die Schädigung zurückzuführen sind, in den Saldo eingestellt werden dürfen. Vielmehr soll es zur Berücksichtigung von positiven Posten noch mehr als zur Berücksichtigung von negativen Posten - einer wertenden Betrachtung im Einzelfall bedürfen. 3 2 1 D e r gegenständliche Bezug, der mit der Deutung des Schadens als rechnerischer Saldo verlassen wird, muß daher letztlich doch wieder hergestellt werden, um eine Wertung sinnvoll vornehmen zu können. 322

316

So aber wohl Staudinger n -Medicus, §249 BGB Rn. 137. Esser/Schmidt, Schuldrecht I, §33 V 1 [S.232]; Honseil, JuS 1973, 69 [74], 318 Crome, System des Deutschen Bürgerlichen Rechts II (1902), S.77; Höhn, Allgemeines Schuldrecht (1934), § 13 B I [S.48]; R G R K l l - / V a s ( Ä , vor §§249-255 B G B Anm.66. 319 Reimer, Die aufgedrängte Bereicherung (1990), S.41. 320 Siehe oben, § 2 I 3 d) vor aa) [S. 80f.]. 321 So deutlich jetzt B G H NJW 1997, 2378, wo das Prinzip der Gesamtsaldierung als Ausgangspunkt der Diskussion genommen, sodann aber klargestellt wird, daß stets ein Bezug auf einzelne Positionen erforderlich sei. 322 Deutlich diesbezüglich Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 843; „Die Differenzlehre ist also weder der Grund für die Vorteilsausgleichung noch eine besondere Hilfe bei ihrer Durchführung."; die Differenzhypothese als Rechtsgrund wird denn auch heute weitgehend verworfen, vgl. nur Thiele, AcP 167 (1967), 193 [196f.]; Lange, Schadensersatz, § 9 III 3 [S.492]; MünchKomm 3 -GransÄ:}', vor §249 BGB Rn.96 passim. 317

134

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im gesetzlichen

b) Gedanke der

Schadensrecht

Rechnungseinheit

Großer Beliebtheit erfreut sich ferner die Auffassung, die Vorteilsausgleichung beruhe auf dem speziellen inneren Zusammenhang einzelner vermögensmäßiger Auswirkungen des schädigenden Ereignisses. Dieser Gedanke, wonach Vorteil und Nachteil quasi eine Rechnungseinheit unter dem Aspekt der Schadensberechnung bilden müßten, hat vor allem auf die Rechtsprechung einige Faszination ausgeübt. 323 Dabei bringt es die Natur dieses Gedankens mit sich, daß er ein doppelfunktionaler ist, d.h. sowohl zur Begründung der Vorteilsausgleichung an sich als auch zur Abwägung im Einzelfall dienen kann. Er wird in beiderlei Funktion herangezogen. So ergibt sich nach Zeuner der Anrechnungsgrund nicht aus dem Begriff des Schadens. Die Berücksichtigung von Vorteilen setze vielmehr voraus, daß die verschiedenen Rechnungsposten über die Abhängigkeit von einer gemeinsamen Ursache hinaus innerlich miteinander verbunden sind.324 Dem vergleichbar ist der Ansatz von Thiele, der in der Vorteilsausgleichung ein Problem der Schadensberechnung sieht.325 Dabei sei die Suche nach einem generellen, inneren Ausgleichungsgrund von vorneherein verfehlt, da ein solcher nicht bestehe.326 Vielmehr müsse nach Kriterien gesucht werden, wann die in der Sphäre des Verletzten entstandenen Vorteile und Nachteile eine Rechnungseinheit unter dem Begriff des Schadens bildeten, d.h. zwischen ihnen ein unlösbarer innerer Zusammenhang unter dem Aspekt der Schadensberechnung bestehe. 327 Der so verstandene unlösbare Zusammenhang könne niemals zwischen dem Gesamtschaden einerseits und der Summe der Vorteile andererseits, sondern immer nur zwischen einzelnen Rechnungsposten bestehen. 328 Gegenüber dem Ansatz der Gesamtsaldierung aller positiven und negativen Auswirkungen hat der Gedanke der Rechnungseinheit den Vorzug, daß er mit dem realen Schadensbegriff vereinbar ist. Er mag auch wertvolle Hinweise für die Entscheidung für oder gegen eine Anrechnung im Einzelfall liefern können sowie dafür, ob ein Fall der oben so genannten „begriffsimmanenten" Saldie-

323

B G H Z 77, 151 [154]; 91, 206 [210]; 91, 357 [363]; B G H NJW 1997, 2378. Zeuner, AcP 163 (1964), 380 [384ff., 385]; vor ihm hatten dies allerdings auch schon etwa vertreten von Bredow, Verminderung der Schadensersatzpflicht als Folge von Rechtsverhältnissen des Geschädigten zu Dritten (1930), S.40ff.; Erdmann, Anrechnung schadenmindernder Handlungen des Geschädigten auf den ihm zu leistenden Ersatz (1934), S. 34ff. 325 Thiele, AcP 167 (1967), 193 [197ff., 200], 326 So ausdrücklich Thiele, a.a.O., S. 197. Zu diesem - als Grundlage seines eigenen Standpunktes dienenden - Ergebnis gelangt Thiele allerdings in überraschend lapidarer Weise: ,,a) Die formale Differenzhypothese und das (ebenso formale) Prinzip der Gewinnabwehr müssen als mögliche Ansätze von vorneherein ausscheiden, da sie keine Wertungen enthalten, sondern sie voraussetzen, b) Die Kausalität allein ist als Anrechnungsgrund ebenfalls ungeeignet...". 327 Thiele, a.a.O., S. 201. 328 Thiele, a.a.O., S. 202. 324

§ 3 Ausgleich von Restvorteilen des Verletzten

135

rung vorliegt. 329 Als Begründung für die Vorteilsausgleichung schlechthin erscheint er allerdings nicht geeignet. Denn der unlösbare Zusammenhang zwischen zwei tatsächlichen Erscheinungen, von denen eine rechtlich relevant ist, bedeutet noch nicht, daß auch die andere Erscheinung rechtliche Relevanz besäße. Rechtliche Relevanz eines Ereignisses usw. bezieht sich notgedrungen immer nur auf einzelne seiner Aspekte, mögen diese auch unlösbar und wesensmäßig miteinander verbunden sein: Beschädigt jemand das rote Auto eines anderen, dann sind - bezogen auf den konkreten Verletzungserfolg - die Funktionsbeeinträchtigung des Wagens und der Umstand, daß dieser rot ist, untrennbar miteinander verbunden. Daraus allein kann man aber noch nicht ableiten, daß die Farbe des Wagens ebenso rechtlich relevant sein müsse wie dessen Beschädigung. Im Grunde beruht der Gedanke der Zusammengehörigkeit von Vorteil und Nachteil auf demjenigen der Natur der Sache.330 Warum es der Natur der Sache entsprechen soll, Vorteile des Geschädigten zu berücksichtigen, ist jedoch nach wie vor offen. c) Ansatz am

Normzweck

Weiterhin findet sich die Auffassung, daß die Anrechenbarkeit von Vorteilen aus dem Zweck der betreffenden Haftungsnorm heraus zu begründen sei.331 Ebenso wie der Schutzzweck der Norm im Rahmen des haftungsausfüllenden Tatbestands darüber entscheide, welche Nachteile des Ersatzberechtigten zu berücksichtigen sind, entscheide er auch über die Berücksichtigung von Vorteilen. Dieser Lösung läßt sich zunächst entgegenhalten, daß der Normzweck stets ein spezifischer, auf die einzelne Haftungsnorm bezogener sein muß. Zur Abwendung welcher Nachteile des Geschädigten eine bestimmte Norm dienen soll, läßt sich noch vergleichsweise sicher feststellen, nicht dagegen, zur Anrechnung welcher Vorteile. 332 Vielmehr drängt sich - wie gelegentlich auch bei der Eingrenzung der ersatzfähigen Folgeschäden - der Verdacht auf, daß das Schlagwort vom Normzweck blankettartig dazu verwendet wird, ein konkret gewünschtes Ergebnis herbeizureden. Vor allem aber spricht gegen diesen Ansatz ein grundlegenderes Argument: Schadensrechtliche Haftungsnormen bezwecken den Schutz von Rechtsgütern und Interessen des einzelnen sowie den 329

Hierzu oben, §2 I 3 d) bb) [S.81f.]. So ausdrücklich Dernburg, Die Schuldverhältnisse I (1909), S.85; zur Natur der Sache siehe etwa die Darstellungen bei Diesselhorst, Die Natur der Sache als außergerichtliche Rechtsquelle (1968), S. 3ff.; Larenz/Canaris Methodenlehre der Rechtswissenschaft (1995), S.236ff. mit umfangreichen Nachweisen. 331 Als Vertreter der Normzwecklehre ist namentlich zu nennen MünchKomm3-Graii.sfc>>, vor §249 B G B Rn.95. 332 So zutreffend schon Thiele, AcP 167 (1967), 193 [199]; Thomas Raiser, Schadensbegrenzung nach dem Vertragszweck (1962), S. 21. Selbstverständlich läßt sich dagegen aus Vorschriften über die Legalzession usw. ein Verbot der Vorteilsausgleichung ableiten. 330

136

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

Ausgleich von Beeinträchtigungen derselben. Nicht hingegen bezwecken sie als solche die Abschöpfung zugeflossener Vermögensvorteile. Selbst wenn sich also ein Kreis von Vorteilen ermitteln ließe, die zu bewirken die konkrete Verletzungshandlung generell geeignet ist und die daher als „risikotypisch" oder „normadäquat" zu gelten haben, so läge darin vielleicht ein taugliches Kriterium für die Abgrenzung der anrechenbaren von den nicht anrechenbaren Vorteilen, aber noch keine Begründung, weshalb eine Anrechnung überhaupt zu erfolgen habe. So verführerisch ein Hinweis auf den Normzweck stets sein mag,333 so wenig läßt er sich zur Begründung der Vorteilsausgleichung doch fruchtbar machen, sofern er nicht alle Konturen verlieren und sich letztlich im Beliebigen auflösen soll. d) Die Theorie von der Förderung des verletzten

Rechts

Das Gleiche läßt sich auch den Ausführungen Cantzlers und dem von ihm entwickelten Gedanken entgegenhalten, wonach es auf die Förderung des verletzten Rechts ankomme. 334 Zugunsten des Schädigers sollen danach grundsätzlich solche Vorteile auszugleichen sein, die eine Förderung derselben Pflicht bzw. derselben Rechtposition darstellen, die durch den haftungsbegründenden Vorgang verletzt wurde. 335 Zumindest wenn man das verletzte Rechtsgut normativ ermittelt und darunter das tatbestandlich geschützte versteht, also etwa Gesundheit, Eigentum, Vermögen als ganzes usw., ergibt sich aus dieser Konzeption die Gefahr von Wertungswidersprüchen. Das tatbestandlich geschützte Rechtsgut ist nämlich bei den einzelnen Ansprüchen unterschiedlich konkret, weil einmal eine Verletzung des Körpers erforderlich ist, das andere Mal hingegen die Verletzung einer beliebigen Sache im Eigentum des Geschädigten oder gar eines beliebigen Gegenstands in dessen Vermögen genügt. Wären nun allein solche Vorteile auf den Ersatzanspruch anzurechnen, die gerade das verletzte 333 Der Hinweis auf den Normzweck darf wohl als die sicherste Aussage schlechthin bezeichnet werden. Denn wer möchte dem entgegenhalten, daß ein normzweckvWiinge.? Ergebnis in Betracht zu ziehen sei? 334 Cantzler, AcP 156 (1957), 29ff. 335 Im einzelnen Cantzler, a.a.O., S. 51 ff. Cantzler selbst wollte mit dem Gedanken wohl weniger die Frage beantworten, warum eine Anrechnung überhaupt zu erwägen sei, als vielmehr konkret anstehende Abgrenzungsfragen lösen. Den Rechtsgrund der Vorteilsausgleichung sah er vorrangig in anderen Überlegungen, namentlich darin, daß der Sinn des Schadensersatzes, wie er in § 249 BGB zum Ausdruck gelangt, eine Gesamtbereinigung der zuungunsten wie auch zugunsten des Geschädigten geschaffenen Situation fordere (a.a.O., S. 31) und daß sich der Geschädigte nicht bereichern dürfe (a.a.O., S. 31 Fn. 5). Jedoch dürfte Cantzler dem Gedanken der Rechtsförderung zumindest auch die Rolle eines zusätzlichen Begründungselements zugedacht haben. So schreibt er a.a.O., S.52: „Damit wird das Verhältnis von Schadensersatz zur Vorteilsausgleichung und der innere Grund der Vorteilsausgleichung deutlich. Es wird eine Ersatzpflicht statuiert, weil eine Vertragspflicht oder ein Rechtsgut verletzt wurde. In diesem Fall verlangen Logik und Gerechtigkeit, daß dem Schädiger auch die Förderung des Rechtsgutes oder der Vertragspflicht zugute kommt."

§ 3 Ausgleich von Restvorteilen des Verletzten

137

Rechtsgut gefördert haben, dann würde das bei Ansprüchen wie § 826 oder teilweise § 823 Abs. 2 BGB zu viel weitergehenden Anrechnungsmöglichkeiten zugunsten des Schädigers führen als etwa bei § 823 Abs. 1 BGB oder bei Tatbeständen der Gefährdungshaftung. Dafür ist aber kein einleuchtender Grund ersichtlich: Ganz im Gegenteil erscheint der Schädiger eher umso weniger schutzwürdig, je größer der Unwertgehalt der Tat ist. Zudem ist anzumerken, daß sich viele Fallgruppen, in denen eine Ausgleichspflicht gemeinhin anerkannt ist und als gerecht empfunden wird, mit solchen Überlegungen des Normzwecks oder der Förderung des verletzten Rechtsguts kaum erklären lassen. So läßt sich etwa nicht begründen, weshalb ersparte häusliche Verpflegungskosten auf den Anspruch auf Ersatz der Heilungskosten angerechnet werden sollten. Denn zwischen Ersparnis von Ausgaben für die Haushaltsführung und dem verletzten Recht des Geschädigten auf Wahrung seiner körperlichen Integrität besteht kein besonderer Zusammenhang. Daher kann die Begründung mit der Förderung des verletzten Rechts der Vorteilsausgleichung, wie sie derzeit von der herrschenden Meinung befürwortet wird, jedenfalls nicht generell zugrundeliegen, sondern kann allenfalls im Einzelfall der Gesichtspunkt, daß das verletzte Rechtsgut selbst gefördert worden ist, ein Argument für die Anrechnung darstellen. 2. Wertende Begründungsansätze Nachdem sich die eher begrifflich-formalen Begründungsansätze als letztlich nicht tragfähig erwiesen haben, muß der Blick auf diejenigen Ansätze gelenkt werden, die eher mit Wertungen operieren. Dazu gehören natürlich auch Aussagen dahingehend, daß Gesichtspunkte der Billigkeit und Angemessenheit 336 oder das Prinzip von Treu und Glauben 337 eine Berücksichtigung von Vorteilen geböten. Meist lassen sie aber nähere Aussagen dahingehend vermissen, wie das Billigkeitsurteil konkret zustandekommt. Obgleich sicher nicht jede wertende Entscheidung auf eine gesetzliche Vorschrift oder ein klar formulierbares Rechtsprinzip zurückgeführt werden kann und ein letzter Freiraum bestehen

336

Der Boden juristischer Argumentation wird dabei zuweilen verlassen, vgl. etwa Baur, JW 1937,1463, wonach die Entscheidung „nicht mit dem Verstand errechnet, sondern mit dem Gefühl gestaltet" werden soll; Rother, Haftungsbeschränkung im Schadensrecht, S. 231/232: „... durchaus zu überlegen, ob dieser nicht doch dem Schädiger zugute gerechnet werden darf. Denn gerade die ganz ungewöhnliche und unwahrscheinliche Vorteilsfolge gibt dem Fall etwas Versöhnendes und den Nimbus der höheren Fügung, so daß derjenige, der unter diesen Umständen noch den alten Schaden geltend macht, jedenfalls die moralische Mißbilligung gegen sich hat."; zustimmend Rudioff, in: Festschrift von Hippel (1967), S.423 [433]. 337 So B G H Z 60, 353 [358]; 120, 261 [268]; Erman 8 -Ä/-p, §249 BGB Rn.108; Gähler, JW 1938,428 [430ff.], der daraus die Geltung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung auch für andere als Schadensersatzansprüche folgert.

138

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

muß, wo nur das „Rechtsgefühl" spricht, 338 wird dieses Rechtsgefühl doch maßgeblich durch bestimmte systemtragende Grundsätze unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung geprägt und läßt es sich näher spezifizieren. Eine pauschale Berufung auf Recht und Billigkeit ist demgegenüber bequem, aber gefährlich. a) Das sogenannte

Bereicherungsverbot

Eine der häufigsten Begründungen, die für die Vorteilsausgleichung gegeben werden, ist der Hinweis auf ein sogenanntes Bereicherungsverbot 339 oder auch eine „Tendenz zur Gewinnabwehr". 340 Damit ist gemeint, daß der Geschädigte im Ergebnis durch die Ersatzleistung zwar genauso, aber auch nicht besser gestellt werden dürfe, als er gestanden hätte, wenn das zum Ersatz verpflichtende Ereignis nicht eingetreten wäre. Nur eine andere Formulierung stellt in der Regel der Hinweis auf das Ausgleichsprinzip dar. 341 Soll das Bereicherungsverbot zumindest für den Bereich des Schadensrechts einen allgemeinen Rechtsgrundsatz darstellen, dann bedarf es allerdings entweder der induktiven Ableitung aus Einzelregelungen, deren Geltungsanspruch gesichert ist, oder aber der deduktiven Ableitung aus einem höherrangigen Rechtsprinzip. Eine solche Ableitung wird von denjenigen, die sich zum Bereicherungsverbot bekennen, indessen nicht gegeben, weshalb es auch teilweise als aussagelos kritisiert wird.342 Darauf, daß der Hinweis auf das Bereicherungsverbot einen richtigen Kern besitzt und letztlich zur Erklärung der Vorteilsausgleichung beiträgt, wird noch zurückzukommen sein. Der pauschale Verweis auf ein angebliches Bereicherungsverbot dürfte sich indessen als reines Schlagwort darstellen. Würde man es konsequent durchführen, müßte man annehmen, daß der Geschädigte dem Schädiger auch einen über den Schaden hinausgehenden Vorteil auszukehren habe, was gänzlich abwegig wäre. Daß der Geschädigte aus dem schädigenden Ereignis nicht profitieren dürfe, folgt an sich auch weder aus einem allgemein geteilten Rechtsempfinden noch eindeutig aus den gesetzlichen Vorgaben. 338 Weitgehend kritisch Riezler, Das Rechtsgefühl (1969); Bihler, Rechtsgefühl, System und Wertung (1979). 339 Larenz, Schuldrecht I, § 30 II [S. 531]; Erman 8 -5;>p, § 249 BGB Rn. 108; Gähler, JW 1938, 428; Kreß, Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts (1929), 287; Nikisch, Bürgerliches Recht (1947), S. 114; Bauer-Mengelberg, Vorteilsausgleichung (1929), S. 18. 340 Als Schöpfer des Begriffs wird gemeinhin zitiert Heck, Grundriß des Schuldrechts (1929), § 11 Nr.8 [S.41], § 15 Nr.4 [S.50]. Besonders hervorzuheben ist ferner Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht Rn. 842; vgl. auch Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 33 V 1 [S. 232], für die der Gedanke einer Gewinnabwehr aber offensichtlich aus der Differenzhypothese folgt; Fikentscher, Schuldrecht, § 55 VI [Rn.562]; Machleid, J Z 1952, 644 [645]; Rudioff, in: Festschrift von Hippel (1967), S. 423 [424,428], Den Begriff erwähnt ferner Gernhuber, J Z 1961,148 [151], 341 So etwa Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn.844 („Ausgleichszweck"); Esser/ Schmidt, Schuldrecht 1/2, §33 V 1 [S.232] („Ausgleichsfunktion"). 342 So besonders dezidiert von MünchKomm 3 -Gra«i/cy, vor §249 B G B Rn.96, der darin nichts weiter als eine andere Formulierung für die strenge Differenzhypothese erblickt; für unbeweisbar hält es Rother, Haftungsbeschränkung im Schadensrecht, S.238.

§ 3 Ausgleich von Restvorteilen des Verletzten

139

Vielmehr ist sowohl im allgemeinen Bewußtsein als auch in vielen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs - etwa in §§847, 687 Abs. 2 BGB - ein nicht zu leugnendes Genugtuungs- oder Präventionsdenken 343 verwurzelt, das dem angeblichen Bereicherungsverbot zuwiderläuft. Es ist auch nicht ohne weiteres offensichtlich, daß der Geschädigte nicht für Aufregung, Schmerz und andere immaterielle Nachteile, die mit nahezu jedem Schadensfall notwendigerweise verbunden sind, über §847 B G B hinaus entschädigt werden sollte.344 Weshalb schließlich sollte die Tatsache, daß der Geschädigte noch einmal „Glück im Unglück" hatte, ausgerechnet dem Schädiger zugutekommen, wenn auch sonst ohne entsprechende gesetzliche Anordnung niemand verpflichtet ist, sein Glück mit anderen zu teilen? b) Der Gedanke der

Glücksteilhabe

Genau eine solche Verpflichtung sieht allerdings Rudioff als gegeben an und zieht den Gedanken der Glücksteilhabe neben demjenigen der Gewinnabwehr heran. 345 Soweit Vorteile dem Geschädigten „unumsorgt und nur durch besonders glückhafte Umstände im Ablauf einer Schadenszufügung" zufallen 346 und nicht auf die Sorge und Mühewaltung des Geschädigten oder eines Dritten zurückzuführen sind, soll eine Ausgleichung zu erwägen sein. Entscheidende Bedeutung komme dann dem Kriterium zu, ob der Schädiger der Teilhabe am Glück würdig bzw. bedürftig ist.347 Völlig unklar bleibt bei Rudioffs Ausführungen, ob der Gesichtspunkt der Glücksteilhabe nur als Korrektiv dienen, 348 oder ob er selbständig die Vorteilsanrechnung begründen soll.349 Der Gedanke vermag allerdings bereits vom Ansatz her nicht zu überzeugen. Denn wie schon oben bemerkt, gibt es in unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung kein allgemeines Prinzip, wonach man empfangene Vorteile mit anderen zu teilen habe. Hier läßt sich allenfalls mit diffusen Gefühlsargumenten arbeiten, die in einer juristischen Herleitung fehl am Platze und nicht geeignet sind, eine rechtlich verbindliche Vorteilsanrechnung zu begründen. Das hat auch 343

Dagegen kein Sanktionsdenken, vgl. schon Motive II, S. 17. von Bredow, Verminderung der Schadensersatzpflicht als Folge von Rechtsverhältnissen des Geschädigten zu Dritten, S. 38f., weist zutreffend darauf hin, daß dem Verletzten ja schließlich auch Verluste verbleiben. 345 Rudioff, in: Festschrift von Hippel (1967), S.423 [433ff.]. 346 Rudioff, a.a.O., S. 434. 347 Vgl. etwa die Formulierung bei Rudioff, a.a.O., S.460. 348 In diese Richtung scheinen etwa die Ausführungen Rudioffs a.a.O., S.435 zu weisen, wo er zunächst auf das Verbot der Bereicherung hinweist und sodann als Einschränkung formuliert: „Eine Vorteilsausgleichung in diesen Glücksfällen wird freilich dem Geschädigten nur dann zugemutet werden können, wenn sich der Schädiger der Teilhabe am Glück nicht durch eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Handlungsweise unwürdig gezeigt hat." 349 Dies legt der Gedankengang von Rudioff, a.a.O., S. 432/433 nahe. Vgl. auch a.a.O., S. 460: „... unter dem Gesichtspunkt der Gewinnabwehr oder der Glücksteilhabe ...". 344

140

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im gesetzlichen

Schadensrecht

dann zu gelten, wenn der Schädiger den Vorteil mitverursacht hat. Gibt es nämlich schon bei verkehTsrichtigem Verhalten des anderen - außerhalb der speziellen Anspruchsgrundlagen des Bürgerlichen Gesetzbuchs - keine Verpflichtung, das Glück, das dieser verursacht hat, mit ihm zu teilen, dann kann das erst recht nicht bei Verkehrs widrigem Verhalten der Fall sein. c)

Einwirkungstendenz

Von Heck 350 ist zusätzlich eine sogenannte Einwirkungstendenz ins Spiel gebracht worden. Dahinter verbirgt sich letztlich nichts anderes als die Präventionsfunktion des Schadensersatzrechts, 351 d.h. die Tatsache, daß zivilrechtliche Haftungsnormen auch als Regulator für menschliches Verhalten dienen sollen. Heck bleibt eine nähere Erläuterung schuldig, inwiefern die Anrechnung von Vorteilen menschliches Verhalten positiv zu beeinflussen vermag, doch erweist sich bei einiger Überlegung die Bemerkung Hecks als zumindest teilweise überzeugend. D e n n zwar geht das Gesetz von einem Grundverständnis aus, wonach der Schädiger Täter und der Geschädigte Opfer ist, und trägt es einem eventuellen Mitverursachungsbeitrag des Geschädigten in §254 B G B Rechnung. Das vermag allerdings nicht darüber hinwegzutäuschen, daß die Nichtanrechenbarkeit von Vorteilen für den Geschädigten einen Anreiz bietet, riskante Situationen zu provozieren oder sogar herbeizuführen. D e n n in der Realität sind die Voraussetzungen einer Schadensquotelung oftmals schwer nachzuweisen und liegen eine Vielzahl von schadensprovozierenden Handlungen unterhalb der von § 254 B G B erfaßten Grenze: Wer weiß, daß er sich auf seinen Schadensersatzanspruch nicht den Vorteil „neu für alt" anrechnen lassen muß, der wird gerne auf seinem abgenutzten Teppich und seinem alten Sofa Rotwein servieren, in der Hoffnung, daß irgendeinem Gast einmal ein Malheur passiert. O b darin allein die Begründung für die Vorteilsausgleichung liegen kann, ist allerdings zweifelhaft. D e n n dem fehlenden Anreiz für den Geschädigten, Gefahrensituationen zu provozieren, steht natürlich auch ein vermindertes Abschreckungspotential für den Schädiger gegenüber: Der Gast, der weiß, daß er im Ernstfall nur den gegen Null strebenden Zeitwert des Teppichs ersetzen muß, wird sich mit seinem Glas Rotwein weniger in acht nehmen, als wenn er die Haftung auf den Neuwert auf sich zukommen sieht. Im Ergebnis dürfte die Anrechnung von Vorteilen daher nicht generell geeignet sein, Verletzungshandlungen präventiv entgegenzuwirken, und dürfte hier die Erklärung für die Vorteilsausgleichung nicht zu finden sein. 350

Heck, Grundriß des Schuldrechts, § 11 Nr.8 [S.41], § 15 Nr.4 [S.50]. Die Präventionsfunktion des Schadensrechts ist heute nahezu unbestritten, statt aller Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 12 i) [S. 354] m. w.N.; gegen jede präventive oder rechtsverfolgende Funktion des Schadensrechts mit kaum haltbaren Argumenten freilich Hagmann, J Z 1978, 133 [136], 351

§ 3 Ausgleich

von Restvorteilen

des

Verletzten

141

3. These: Vorteilsausgleich als A u s p r ä g u n g des Statikprinzips Von den dargelegten Begründungsversuchen vermochte keiner für sich gesehen völlig zu überzeugen. Das betraf auch das sogenannte Bereicherungsverbot bzw. die Tendenz zur Gewinnabwehr, weil sich die Frage aufdrängt, welche Wertungen hinter diesem Schlagwort stecken und ob und inwieweit sie berechtigt sind. Indessen ist am Ende des Ersten Kapitels die Existenz eines allgemeinen Statikprinzips postuliert worden, wonach aus einem unerwünschten Ereignis kein Beteiligter einen Restvorteil erlangen dürfe, soweit ein anderer Beteiligter zugleich einen Restnachteil erleidet; vielmehr seien solche korrespondierenden Reststörungen grundsätzlich in der Höhe, bis zu der sie sich decken, miteinander zum Ausgleich zu bringen. E b e n diese Situation ist bei der compensatio lucri cum damno jedoch gegeben: D e m Restnachteil des Schädigers, der in der Belastung mit der Ersatzverpflichtung liegt, stünde ein Restvorteil des Geschädigten gegenüber. Beide Reststörungen wären nach dem Statikgedanken somit gegeneinander auszugleichen. D a in aller Regel der Vorteil des Geschädigten deutlich geringer ist als die Ersatzleistung, also der Nachteil des Schädigers, bedeutet dies im Ergebnis meist eine Ausgleichung in der H ö h e des Geschädigtenvorteils. Es liegt in der Natur einer induktiven Vorgehensweise, daß ein erst nachzuweisendes Rechtsprinzip bis zu dem Punkt, an dem seine Existenz induktiv gezeigt werden konnte, eine schwache „Begründung" bildet. Das gilt umso mehr, wenn es sich bei dem Rechtsprinzip weitgehend um ein Formalprinzip handelt, dessen Verhältnis zu herkömmlichen Begründungsmustern an dieser Stelle noch völlig offen erscheint. Wenn daher der Gerechtigkeitsgehalt der Vorteilsausgleichung hier mit dem Statikprinzip erklärt werden soll, dann hat auch dies nur thesenartigen Charakter.

III. Stimmigkeit des vermuteten

Ergebnisses

Im engeren Sinne eine Begründung für die Vorteilsausgleichung vermag der Statikgedanke demnach nur zu liefern, wenn sich seine Qualität als Rechtsprinzip und damit sein normativer Gehalt nachweisen läßt. O b und inwieweit dies gelingt, wird erst im Sechsten Kapitel der Arbeit zu zeigen sein. Immerhin kann aber bereits hier eine gewisse Stimmigkeitskontrolle angestellt werden, also ein kurzer Ausblick, welche Implikationen die vertretene Konzeption mit sich bringen würde und ob sie vor dem Hintergrund dieser Implikationen zu überzeugen vermag. Dabei sollen hier nur zwei Punkte herausgegriffen werden, nämlich erstens die Frage, warum in bestimmten Fällen die Vorteilsausgleichung zu versagen ist, und zweitens, ob die praktizierte Vorteilsausgleichung den Regeln des Realausgleichs oder des Wertausgleichs folgt.

142

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

1. Versagung der Vorteilsausgleichung als Prinzipienkollision Bislang wurde nur nach einer Begründung für die Vorteilsausgleichung an sich gefragt, was auch berechtigt war, liegt doch das eigentlich Verwunderliche darin, daß man Vorteile überhaupt anrechnen möchte und diese Anrechnung offenbar auch immer schon als billig empfand. Die Tatsache, daß die Antwort auf diese Frage zumindest vorläufig mit dem Statikgedanken gegeben wurde, vermag natürlich nicht darüber hinwegzutäuschen, daß die Vorteilsausgleichung in vielen Fällen auch versagt wird und daß diese Versagung vom Rechtsempfinden ebenso geboten erscheint. Dabei ist bereits oben, im Rahmen des Überblicks über die derzeit praktizierten Grundsätze der Vorteilsausgleichung, zugleich auch darauf eingegangen worden, in welchen Fällen man eine Ausgleichung überwiegend versagt. Die folgende Darstellung kann sich daher auf eine kurze Zusammenfassung beschränken. a) Zusammenfassung

und Analyse der Fallgruppen

Von einer Versagung der Vorteilsausgleichung kann von vorneherein nur die Rede sein, wenn ein Restvorteil im hier zugrundegelegten Sinne überhaupt entstanden ist. Das bedeutet, daß alle Konstellationen, in denen sich der Geschädigte nach Erfüllung des Ersatzanspruchs gar nicht besser steht, weil die Ersatzleistung nicht ihm, sondern einem Vorsorgeschuldner zufließt, auszugrenzen sind: Gemeint sind die Fälle einer Legalzession oder Zessionsverpflichtung. Aus dem gleichen Grund sind auch wiederum die Fälle auszugrenzen, in denen zwar eine Reserveursache den Schadenserfolg gleichfalls herbeigeführt hätte, für diese jedoch ein Dritter dem Geschädigten in mindestens dem gleichen Umfang haftbar gewesen wäre. Die danach noch verbleibenden Fälle lassen sich in wenige Gruppen einteilen. aa) Schutz unbeteiligter

Dritter

Ein Beispiel für eine wirkliche Versagung der Vorteilsausgleichung stellt die Vorschrift des § 843 Abs. 4 BGB dar, wonach eine Kürzung des Anspruchs nicht dadurch stattfindet, daß ein anderer dem Verletzten Unterhalt zu gewähren hat. Der Rechtsgedanke von § 843 Abs. 4 BGB wird auf viele vergleichbare Konstellationen übertragen. 352 Dem liegt die klare Wertung zugrunde, daß die Vorteilsausgleichung nicht zulasten Dritter gehen darf, die gegenüber dem Schädiger nachrangig für die Versorgung des Geschädigten haften. Zwar gibt es keine Legalzession zugunsten etwa von Familienangehörigen, die die Arbeit des Verletzten mitbesorgen, jedoch ist auch nicht zu verkennen, daß nur die Versagung der Vorteilsausgleichung es den Betroffenen ermöglicht, einen freiwilligen Aus352 Siehe etwa R G Z 92, 57 [59]; B G H Z 9,179 [191]; 13, 360 [364]; 21,112 [116], sowie ganz allgemein oben, I 1 c) cc) [S. 125f.].

§ 3 Ausgleich von Restvorteilen des Verletzten

143

gleich im Rahmen der Familiengemeinschaft vorzunehmen und damit zu verhindern, daß die Angehörigen im Ergebnis den Schaden anstelle des Schädigers getragen haben. 353 Fällt der Verletzte etwa mit seiner Arbeit im Familienbetrieb aus und wird dies nur durch Nachtarbeit der Ehefrau und der schulpflichtigen Kinder aufgefangen, dann wird es dem Verletzten durch die nachträgliche Gewährung ungekürzten Schadensersatzes ermöglicht, seiner Frau etwa eine Urlaubsreise zu schenken, den Kindern ein großzügiges Taschengeld zu zahlen usw. Sollte dies im Einzelfall tatsächlich unterbleiben, dann ist das Sache der Familiengemeinschaft, nicht des Verhältnisses zum Schädiger. bb) Sicherung der

Privatautonomie

Eine Vorteilsausgleichung findet nach ganz herrschender Meinung ferner nicht statt bei Ansprüchen aus § 844 Abs. 2 BGB, wenn der Unterhaltsberechtigte erst durch den Tod des Unterhaltsverpflichteten eine Erwerbstätigkeit aufnehmen kann und im Rahmen dieser Tätigkeit überobligationsgemäß viel leistet und verdient. Ganz allgemein wird bei Erwerbsschäden und Verdienstausfällen die Anrechnung überobligationsgemäßen Ersatzerwerbs versagt. 354 Dabei ist anzumerken, daß erhöhtes Erwerbseinkommen oft nur eine Gegenleistung für verbesserte Fähigkeiten oder erhöhten Einsatz darstellt, so daß von einem Restvorteil richtigerweise nicht gesprochen werden sollte. Der Zusammenhang mit dem Schadensereignis ist dann eher ein psychisch vermittelter in dem Sinne, daß der Geschädigte sich ohne den „Anstoß" nie um erhöhtes Einkommen bemüht hätte. 355 Im gleichen Zusammenhang ist zu erwähnen, daß freiwillige Zuwendungen Dritter anläßlich des Schadensfalles, die dem Geschädigten, und nicht dem Schädiger zugutekommen sollen, der Ausgleichung ebensowenig unterliegen wie Leistungen aus Maßnahmen privater Schadensfürsorge des Geschädigten. Der allgemeine Rechtsgedanke, der diesen Fällen versagter Vorteilsausgleichung zugrundeliegt, ist derjenige der freien Selbstbestimmung des einzelnen bzw. der Privatautonomie. So muß es etwa einem freigiebigen Dritten überlassen bleiben, ob er sein eigenes Vermögen dem Geschädigten oder dem Schädi353 Umgekehrt, aber kaum haltbar die Argumentation von Esser, M D R 1957,522 [523], der meint, nur bei Durchführung der Vorteilsausgleichung hätten die Verwandten einen Anspruch aus § 812 BGB gegen den Schädiger. 354 Siehe oben, I 1 c) bb) [S.124f.]. 355 So lag es etwa im „Zahntechniker-Fall" (BGH NJW 1987,2741) wo sich der Geschädigte verletzungsbedingt umschulen lassen mußte, in seinem neuen Beruf als Zahntechniker aber erheblich mehr verdiente. Der B G H hat eine Anrechnung des Mehrverdienstes auf den Anspruch auf Ersatz der Umschulungskosten mit dem Argument mangelnder Kongruenz von Vorteil und Nachteil verneint. Treffender war wohl die beiläufig erwähnte Begründung, daß dem Mehrverdienst auch eine Mehrleistung gegenüberstehe. Zahntechniker hätte der Betroffene schließlich auch ohne Körperverletzung werden können. Wieder anders, aber ähnlich, lag es im „Fahrlehrer-Fall" B G H Z 55, 329, hierzu siehe oben, §2 III 1 a) cc) [S. 103],

144

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im gesetzlichen

Schadensrecht

ger zugutekommen lassen will und hätte eine Vorteilsausgleichung für den Dritten geradezu „enteignende" Wirkung, weil sein Vermögen gegen seinen Willen wirtschaftlich dem Schädiger zugewiesen würde, ohne daß dieser darauf einen entsprechenden Anspruch hätte. Dem Schutz der freien Selbstbestimmung dient auch die Nichtanrechnung von Leistungen aus privater Schadensfürsorge. Es muß allein dem Geschädigten und der betreffenden Versicherung überlassen bleiben, in Ausübung ihrer Privatautonomie zu vereinbaren, daß der Geschädigte sich für den Schadensfall eine zusätzliche Leistung erkauft, denn nur für eine zusätzliche Leistung zahlt der Versicherungsnehmer die Prämien, die gegenüber den Prämien bei einem Versicherungsvertrag, auf den § 67 Abs. 1 VVG anwendbar bleibt, deutlich erhöht sein werden. Schließlich folgt auch die Nichtanrechnung überobligationsgemäßen Ersatzerwerbs aus dem Selbstbestimmungsrecht des einzelnen. Denn es gehört in unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung zu den fundamentalen Rechten des einzelnen, die Früchte der eigenen Arbeit genießen und damit selbst zu Wohlstand gelangen zu können, soweit man nicht ausnahmsweise von Rechts wegen verpflichtet ist, die Früchte einem anderen zugutekommen zu lassen. Das wäre nicht mehr gewährleistet, wenn jeder Mehrverdienst - also nicht nur der ohnehin gemäß § 254 Abs. 2 BGB obligationsgemäße - ipso iure zur entsprechenden Verringerung eines anderen Vermögensbestandteils führen würde. cc)

Aufdrängungsschutz

Differenzierter stellt sich die Lage beim sogenannten Abzug „neu für alt" dar. Von einer Versagung der Vorteilsausgleichung kann dann gesprochen werden, wenn zwar das Geschädigtenvermögen objektiv erhöht worden ist, etwa durch Einbau eines neuen Motors in ein altes Fahrzeug, wenn der Geschädigte diesen Vermögenszuwachs jedoch nicht verspürt, etwa weil die Lebensdauer des Fahrzeugs gering ist und eine anderweitige zumutbare Möglichkeit der Realisierung des Mehrwerts nicht in Betracht kommt. 356 Ferner ist hier auf vereinzelte Entscheidungen zu verweisen, in denen von einer Vorteilsausgleichung im Hinblick auf die schlechte soziale Lage des Geschädigten oder eine besondere wirtschaftliche Härte abgesehen wurde. 357 Was dem zugrundeliegt, ist letztlich der Gedanke des Schutzes der Dispositionsfreiheit des Geschädigten über sein Vermögen: Es muß im wesentlichen dem Geschädigten überlassen bleiben, zu entscheiden, ob er lieber eine höherwertige Sache oder lieber einen entsprechenden Geldbetrag zu seinem Vermögen rechnen möchte, und das gilt noch verstärkt, wenn er liquide Mittel dringend für seine Lebenshaltung benötigt.

356 357

Zum Problemkreis siehe näher oben, § 3 I 2 [S. 126f.]. Siehe etwa SchlHOLG MDR 1952, 747; B G H Z 30,29 [34],

§ 3 Ausgleich von Restvorteilen des Verletzten

dd) Weitere

145

Erwägungen

Nicht durchzusetzen vermocht hat sich die These Wilburgs, daß eine Anrechnung auf den Ersatz für das unmittelbar geschützte Rechtsgut nicht vorzunehmen sei.358 Ebensowenig durchzusetzen vermochte sich ein genereller Ausschluß der Anrechnung bei vorsätzlichen Schädigungen, wie er in der älteren Literatur vereinzelt befürwortet wurde. 359 Bei der Frage nach der Beachtlichkeit von Reserveursachen hat als weitere Erwägung aber noch die sozialethische Wertigkeit des Schädigerverhaltens eine Rolle gespielt. Eine Rolle spielte dort ebenso die Frage, mit welcher Sicherheit davon auszugehen ist, daß der Geschädigte sich infolge des Schadensereignisses tatsächlich besser steht als bei Hinwegdenken desselben. 360 Der letztgenannte Aspekt kommt auch dann zum Tragen, wenn es um die Anrechnung erbrechtlichen Erwerbs geht: Indem nach herrschender Meinung gefragt werden muß, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Geschädigte auch bei Hinwegdenken des Schadensereignisses in den Genuß der Erbschaft gekommen wäre, wird nichts anderes angestellt als eine Schätzung, mit welcher Sicherheit tatsächlich vom Vorliegen eines Restvorteils ausgegangen werden kann. 361 b) Deutung als

Prinzipienkollision

Soll der Statikgedanke den Rang eines allgemeinen Rechtsprinzips haben, dann kann er als solcher mit anderen Rechtsprinzipien selbstverständlich in Kollision treten, namentlich etwa mit dem Prinzip der freien Selbstbestimmung des einzelnen oder mit dem Prinzip des Schutzes an einem Rechtsverhältnis nicht beteiligter Dritter. Damit läßt sich die Begründung mit dem Statikgedanken auch mit der Abwägungsformel der Rechtsprechung in Einklang bringen, wonach eine Vorteilsausgleichung nur stattfinden darf, wenn diese mit dem Zweck des Schadensrechts vereinbar und dem Geschädigten zumutbar ist sowie den Schädiger nicht unbillig entlastet: In dieser Formel wird nichts anderes zum Ausdruck gebracht als die prinzipielle Offenheit des Entscheidungsvorgangs gegenüber möglicherweise entgegenstehenden Prinzipien und Einzelwertungen. Zugleich ist damit aber auch gezeigt, daß die Formel entgegen der im Schrifttum geäußerten Kritik 362 erstens berechtigt ist und sich zweitens auch auf eine dogmatische Grundlage stellen läßt.363 358

Wilburg, JherJb 82 (n.F. 46), 51 [125ff.]. So etwa Stoll/Felgentraeger, Vertrag und Unrecht I (1943), S.238; Baur, JW 1937,1463. 360 Hierzu oben, I 3 c) aa) [S. 130], 361 Hierzu oben, I 1 c) dd) [S. 126], 362 Insbesondere von Lange, Schadensersatz, §9 III 3 [S.491]; Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, §33 V [S.236]; in gewisser Weise auch Lorenz, Schuldrecht I, §33 II [S.531], 363 Das sollte man indessen m. E. nicht mit MünchKomm 3 -Gn/m&y, vor §249 B G B Rn.95 unter die allgemeine Formel des Normzwecks pressen, weil diese die zugrundeliegende Prinzi359

146

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

2. Vorteilsausgleichung als Ausprägung reinen Wertausgleichs Daß der allokatorische Ansatz insgesamt zu stimmigen Ergebnissen gelangt, wird nicht zuletzt dadurch bestätigt, daß die tatsächlich praktizierte Vorteilsausgleichung den Regeln eines reinen Wertausgleichs folgt. Damit wird der im Ersten Kapitel hergestellte Zusammenhang zwischen dem Ausgleichstypus des zugrundeliegenden Anspruchs und dem Typus eines etwaigen Reststörungsausgleichs bestätigt: Da Schadensersatz eine Ausprägung reinen Realausgleichs darstellt, können Reststörungen der Wertverteilung im Rahmen des eigentlichen Normbefehls nicht berücksichtigt werden. Sie unterliegen daher gegebenenfalls einem ergänzenden Wertausgleich. a) Inhalt des Ausgleichs Zunächst kann es schlechterdings nicht angenommen werden, daß der Geschädigte verpflichtet sei, das lucrum, das zusammen mit der Ersatzleistung zu einem Restvorteil führt, gegenständlich an den Schädiger auszukehren. Die für einen Realausgleich kennzeichnende Idealvorstellung gegenständlicher Ausgleichsleistung fehlt bei der Vorteilsausgleichung demnach völlig. So wäre etwa die Auffassung gänzlich abwegig, daß der Geschädigte, der sich erbrechtlichen Erwerb auf seinen Schadensersatzanspruch nach § 844 Abs. 2 BGB anrechnen lassen muß, „eigentlich" zur Herausgabe der Nachlaßgegenstände an den Schädiger verpflichtet sei. Eine Verpflichtung zu gegenständlicher Auskehr scheint allerdings §255 BGB zu statuieren. Diese Vorschrift sieht vor, daß der Geschädigte in bestimmten Fällen dem Schädiger die Ansprüche abzutreten habe, die der Geschädigte aufgrund des haftungsbegründenden Ereignisses gegen Dritte geltendmachen kann. Solche Ansprüche können insoweit, als der Geschädigte durch sie etwas zusätzlich zum Schadensersatz erhalten würde, einen Restvorteil des Geschädigten bewirken. Allerdings wird die Formulierung in § 255 BGB als verfehlt betrachtet und dahingehend teleologisch korrigiert, daß der Geschädigte etwa dann, wenn die abhandengekommene Sache später wieder auffindbar wird, trotz erfolgter Abtretung aller Herausgabeansprüche an den Ersatzpflichtigen seine Sache zurückfordern und einen entsprechenden Teil des Schadensersatzes zurückzahlen kann. 364 § 255 BGB kann demnach nur die Befugnis, nicht aber die pienkollision nicht hinreichend zum Ausdruck bringt, es sei denn, man versteht den Begriff in einem weiteren Sinne. 364 P a l a n d t - H e i n r i c h s , §255 B G B Rn.9; AUKomm-Rüßmann. §255 BGB Rn.2; MünchKomm i -Grunsky, §255 BGB Rn.5; Erm'dri'-Kuckuk, §255 BGB Rn. 5; eine Kondiktionsmöglichkeit des Ersatzpflichtigen nehmen sogar an Staudinger 12 -Seft, §255 BGB Rn. 15; ders., Festschrift Larenz (1973), S.517 [547]; Reeb, JuS 1970,214 [215]; anders dagegen Lange, Schadensersatz, §11 B I [S. 682]; Münchbach, Regreßkonstruktionen in Schadensfällen (1976), S. 114ff.; Jürgens, Teilschuld-Gesamtschuld-Kumulation (1988), S. 165ff. Die Letztgenannten stützen sich allerdings auf das angebliche Interesse des Geschädigten und nehmen teilweise ein

§ 3 Ausgleich von Restvorteilen des Verletzten

147

Verpflichtung des Geschädigten entnommen werden, Vorteile gegenständlich an den Schädiger auszukehren und damit die Anrechnung abzuwenden, wenn die Anrechnung - wie in den Fällen des § 255 BGB typischerweise - nicht im Interesse des Geschädigten wäre. Ganz ähnlich liegt es auch mit der Frage, ob der Geschädigte die Verwertung des zurückbehaltenen Fahrzeugwracks auf den Schädiger abwälzen kann. 365 b) Abhängigkeit

von einer Abwägung aller Umstände

Daß bei der Entscheidung über das Ob einer Vorteilsausgleichung subjektive Kriterien eine wichtige Rolle spielen, ist evident, weil die Entscheidung ja ausdrücklich von der Zumutbarkeit für den Geschädigten und der Schutzwürdigkeit des Schädigers abhängen soll. Subjektive Kriterien dürften jedoch auch bei der Bemessung der Ausgleichs/iö/ie zu berücksichtigen sein, sofern man die beiden Fragen hier überhaupt voneinander trennen kann. Jedenfalls entspricht es herrschender und zutreffender Ansicht, daß die Methode der Wertermittlung eine subjektive sein muß. Das wird naturgemäß deutlich vor allem dort, wo es um die subjektive Brauchbarkeit eines bestimmten Gegenstands geht, also namentlich beim sogenannten Abzug „neu für alt". Weiter oben ist bereits erläutert worden, 366 daß ein derartiger Abzug nur in Betracht kommt, wenn und soweit der Geschädigte den Mehrwert unter Achtung seiner persönlichen Dispositionsfreiheit wirtschaftlich realisieren kann. Dabei geht man sogar so weit, den Ausgleich gegebenenfalls bis zu einem späteren Verkauf zurückzustellen. 367 c) Maßgeblicher

Zeitpunkt

Welcher Zeitpunkt für die Bestimmung des Wertes der Vorteile maßgeblich ist, wird kaum diskutiert. Wo das Problem auftritt, scheint jedoch weitgehend Einigkeit zu herrschen, daß hypothetische Abläufe voll beachtlich sind und dabei sogar ganz erhebliche Zeiträume in die Betrachtung miteinbezogen werden müssen. Verwiesen werden sollte hier vor allem auf die Rechtsprechung, wonach es für die Anrechenbarkeit einer Erbschaft, die infolge der Tötung des Unterhaltsverpflichteten gemacht worden ist, namentlich darauf ankommen soll, Wahlrecht an, so etwa Jürgens, a.a.O., S. 167 bei einem besonderen Affektionsinteresse des Geschädigten gerade an der konkreten Sache. 365 Dies befürworten mit überzeugenden Argumenten etwa MünchKomm 3 -GraníA:y, §251 BGB Rn. 12; Lange, Schadensersatz, § 6 XIV5f.) bb) [S.408]; Staudinger 12 -Afe//Ci«, §251 B G B Rn.54; Soergel n -Mertens, §249 BGB Rn.90; Marschall von Bieberstein, in: Festschrift Hauß (1978), S.241 [244ff.]; weitere Nachweise, auch zu Gegenmeinungen, bei Klimke, VersR 1984, 1123 [Fn. 5], Die Rechtsprechung scheint dem zu folgen, vgl. B G H NJW1983,2694f.; LG Stuttgart NJW-RR 1993, 672 [673], 366 Siehe oben, §3 12 [S.126f.]. 367 Zum Ganzen die Nachweise oben a.a.O. sowie bei Lange, Schadensersatz, § 6 V 3 [S. 260]; Palandt 51 -Heinrichs, vor §249 BGB Rn. 146 m.w.N.

148

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

ob der Stammwert der Erbschaft dem Unterhaltsberechtigten ohnehin einmal zugefallen wäre oder nicht, sowie ob der Getötete die Erträge der Erbschaft verbraucht oder angesammelt hätte. 368 3. Zwischenergebnis Nach dem zuletzt Gesagten sprechen nunmehr alle maßgeblichen Kriterien dafür, daß das Rechtsinstitut der Vorteilsausgleichung so, wie es tatsächlich praktiziert wird, eine Ausprägung reinen Wertausgleichs darstellt. Das ist zwar in keiner Hinsicht ein „Beweis" dafür, daß die hier vorgenommene Deutung des Vorteilsausgleichs als Reststörungsausgleich auf der Grundlage des Statikgedankens das tatsächliche Rechtsgeschehen zutreffend zu erfassen vermag. Zusammen mit dem Umstand, daß die Fälle versagter Vorteilsausgleichung sich bruchlos als Ergebnis einer Prinzipienkollision erklären lassen, gibt es der entwickelten Konzeption aber doch so etwas wie eine gesteigerte Plausibilität, so daß sich die Darstellung nicht im Zirkulären erschöpft.

368

Siehe hierzu oben, I 1 c) dd) [S. 126],

§ 4 Ausgleich weiterer Reststörungen Der Ausgleich von Restvorteilen des Verletzten stellt von denjenigen Mechanismen des Reststörungsausgleichs, die bei primären Schadensersatzansprüchen zu beobachten sind, in verschiedener Hinsicht den wichtigsten dar: Dies einmal deswegen, weil er - zumindest partiell - durch das Rechtsinstitut der compensatio lucri cum damno allgemein anerkannt ist, sodann aber auch, weil es bei ihm besonders deutlich wird, daß es sich um einen eigenständigen und vom zugrundeliegenden Schadensersatzanspruch selbst verschiedenen Ausgleichsmechanismus handelt. Das tritt beim Ausgleich der übrigen Reststörungen nicht mit derselben Klarheit hervor. Gemeint ist hier zunächst vor allem die Erstattung von Rechtsverfolgungskosten des Geschädigten, die ja weiter oben als Restnachteile qualifiziert werden mußten, deren Ausgleich sich aber rein äußerlich vom Folgeschadensersatz nur schwer unterscheiden läßt. Gemeint ist hier aber auch der Ausgleich von Restvorteilen des Verletzers, der sich teilweise von einer besonderen Methode der Schadensberechnung kaum abzuheben scheint. Diesen Ausgleichsmechanismen wird sich die Untersuchung im folgenden zuwenden. Dagegen existiert für Restnachteile des Verletzers ein eigenständiger Ausgleichsmechanismus nicht. Zwar erlauben es vereinzelte Vorschriften - etwa §§847 und 829 BGB - individuelle Umstände in der Vermögenssphäre des Verletzers in die Abwägung miteinzubeziehen, doch ist darüber hinaus für eine Berücksichtigung von Restnachteilen des Verletzers kein Raum. Das liegt vor allem daran, daß dem deutschen Schadensersatzrecht jeder Strafcharakter fehlt und daß daher der Rechtsgedanke ausreichender anderweitiger Bestrafung, wie er beispielsweise in §§46 Abs. 2 Satz 2, 60 StGB, 153b StPO zum Tragen kommt, von vorneherein nicht greift.

I.

Rechtsverfolgungskosten

Weiter oben konnte dargelegt werden, daß Rechtsverfolgungskosten des Geschädigten nicht als adäquate Folgeschäden, sondern als Restnachteile zu qualifizieren sind.369 Auf den ersten Blick mag dieser Befund erstaunlich wirken. Das liegt daran, daß die ergänzende Berücksichtigung von Nachteilen eines Beteilig369

Siehe oben, §2 III 2 [S. 106ff.].

150

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

ten zwar aus dem Bereicherungsrecht, dem Geschäftsführungsrecht usw. bekannt ist, daß es sich dort jedoch nie um eine anspruchserwe/femde Berücksichtigung handelt, sondern immer nur um eine anspruchsbeschränkende. Die allokatorische Betrachtung ist indessen an herkömmliche juristische Kategorien als solche nicht gebunden, so daß der Annahme eines anspruchserweiternden Reststörungsausgleichs prinzipiell nichts entgegensteht. Die Differenzierung zwischen Ersatz von Folgeschäden und Ausgleich von Restnachteilen ist auch alles andere als dogmatische Haarspalterei, weil die korrekte allokatorische Einordnung - wie sich herausstellen wird - durchaus praktische Konsequenzen hat. 1. Die a n e r k a n n t e n Grundsätze Wie bereits mehrfach erwähnt, qualifiziert die ganz herrschende Meinung Rechtsverfolgungskosten des Gläubigers als Folgeschäden und hält sie für nach allgemeinen Grundsätzen ersatzfähig. Im Ergebnis läuft das auf einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch hinaus, der in Zusammenhang mit anderen Ansprüchen als solchen, die auf Schadensersatz gerichtet sind, nicht gewährt wird.370 Vielmehr soll der Gläubiger dort Ausgleich für seine Unkosten nur erlangen können, sofern dafür eine gesonderte Anspruchsgrundlage besteht, also vor allem bei Schuldnerverzug gemäß §286 Abs. 1 BGB. a) Kosten präventiver

Rechtsverfolgung

Ausgleichsfähig sind nach herrschender Meinung zum einen die Kosten verletzungsabwendender Maßnahmen, also Maßnahmen präventiver Rechtsverfolgung, soweit sie der Bedrohte den Umständen nach als erforderlich und der Schwere der drohenden Rechtsgutsverletzung angemessen ansehen durfte. 371 Ansonsten wird diesen Kosten in Rechtsprechung und Literatur wenig Beachtung geschenkt. Es ist bereits gesagt worden, daß die Kosten solcher Maßnahmen eigentlich nicht Restnachteile in bezug auf einen entstandenen Schadensersatzanspruch darstellen, sondern Restnachteile in bezug auf einen jedem Schadensersatzanspruch logisch, zeitlich und funktionell vorgelagerten Unterlassungsanspruch aus bzw. analog §1004 BGB. 372 Denn es ist der Unterlas370

Palandt 51 -Heinrichs, § 249 BGB Rn. 20; vgl. etwa zur Frage der Berücksichtigung von Aufwendungen zur Feststellung des Sachmangels bei §472 BGB MünchKomm 3 -//..PW&siermann, §472 BGB R n . 8 m.w.N.: „Aufwendungen zur Feststellung des Minderwerts in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, geht nicht an. Es handelt sich um Rechtsverfolgungskosten, mithin um einen Schaden, der nur aufgrund spezieller Grundlage, etwa positiver Vertragsverletzung, zu ersetzen ist."; anders allerdings Soergsl12-Huber, §472 BGB Rn. 11 m.w.N. 371 So etwa MünchKomirf-Gransfcy, vor §249 BGB Rn.65; ähnlich Staudinger 12 -Me>, vor §249 BGB Rn.66ff. 374 B G H NJW-RR 1989,953 [956]; O L G München, VersR 1988,525 [526]; O L G H a m m BB 1994,1524f.; O L G Stuttgart NJW-RR 1996,255; zum Kfz-Sachverständigen im einzelnen Lange, Schadensersatz, §6 XIV 5 b) [S.398f.] m.w.N. 375 O L G Hamm NJW-RR 1993,1044 [1045], 376 Klimke, Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten im Zuge außergerichtlicher Schadensregulierung (1977), Rn. lff.; B G H Z 30,154 [157ff.]; 39,60 [68]; B G H NJW1963,640; 1986,2243 [2244f.]; O L G Köln VersR 1975,1105 [1106]; B G H Z 127, 348 [350],

152

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im gesetzlichen

Schadensrecht

diebes gezahlt werden. Denn es ist unverkennbar, daß die Verpflichtung zur Zahlung der Fangprämie schon lange eingegangen wurde, bevor es zur haftungsbegründenden Rechtsgutsverletzung gekommen ist, und auch als besonderer Lohnbestandteil zur Förderung der Aufmerksamkeit des Personals gewertet werden kann. 377 Die Fangprämie trägt insofern Doppelcharakter und ist einerseits als Ausgabe für die Rechtsverfolgung gegen den konkreten Schädiger zu qualifizieren, weist andererseits aber auch Merkmale allgemeiner Sicherungsmaßnahmen auf.378 Ersatz für solche Fangprämien wird dem Geschädigten nur in beschränktem Umfang und nach dem Warenwert gestaffelt zugesprochen. 379 Als Kosten der Rechtsverfolgung werden auch die Gebühren für die Einschaltung eines Inkassobüros angesehen, sofern dessen Einsatz erfolgversprechend schien. 380 Sogar die Ausgaben, die der Geschädigte durch das erfolglose Vorgehen gegen einen Dritten gehabt hat, sollen ersetzbar sein, wenn der Schädiger sie durch unrichtige Angaben über den Verletzungshergang veranlaßt hat.381 Nicht hingegen sollen ersatzfähig sein die Kosten einer sira/rechtlichen Verfolgung des Schädigers, auch wenn dadurch Ermittlungen für die zivilrechtliche Rechtsverfolgung erspart werden. 382 Die Rechtsprechung hat das vor allem aus dem abschließenden Charakter der strafprozessualen Kostenerstattung gefolgert, 383 während die Literatur eher argumentiert, die Kosten seien für die Realisierung des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs nicht erforderlich384 bzw. eine Erstattung befürwortet. 385

377

Vgl. die Abwägung bei Lange, Schadensersatz, § 6 VIII 6 [S. 305f.]. Sie ist insofern mit Kosten einer Alarmanlage usw. zu vergleichen, ablehnend daher MünchKomm 3 -Grans/ry, vor §249 BGB Rn.76a; Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, §32 III 2 b) [S. 207]; AltKomm-Rüßmann, vor §§249 bis 253 BGB Rn.41. 379 Grundlegend die Entscheidung B G H Z 75,230 [235ff.]; vorher bereits einige Obergerichte, so etwa O L G Hamburg NJW 1977,1347 [1348f.]. Aus dem fast unübersehbaren Schrifttum folgen dem B G H etwa Hagmann, JZ1978,133 [137]; Deutsch, J Z 1980,102 [103]; Staudinger 12 Medicus, §249 BGB Rn. 124; Schiemann, Argumente und Prinzipien bei der Fortbildung des Schadensrechts, S. 233f.; sogar weitgehend gegen eine Staffelung nach dem Warenwert Merlins, JR 1980, 357 [359], 380 Vgl. zur umfangreichen Kasuistik die Nachweise bei Palandt S1 -Heinrichs, §286 B G B Rn.9; Jäckle, NJW 1995, 2767ff. 381 B G H NJW 1969,1109 [1110]; NJW 1971, 134 [135f.]; NJW-RR 1991,1428t; offengelassen jetzt O L G Nürnberg NJW-RR 1996, 1369. 382 Grundlegend B G H Z 24,263 [266ff.] (Kosten einer Nebenklage); 75,230 [235] (Auslagen für Einleitung eines Strafverfahrens); auch O L G Düsseldorf VersR 1972,52 [53](Privatklage); ablehnend Canaris, NJW 1974, 521 [522], 383 B G H Z 24, 263 [267], 384 Siehe etwa MünchKomm 3 -Gra«ifcy, vor § 249 BGB Rn. 69; Josef Georg Wolf Der Normzweck im Deliktsrecht, S.56ff. 385 So vor allem Lange, Schadensersatz, §3 X 2 c) [S. 140]; Canaris, NJW 1974,521 [522], 378

§ 4 Ausgleich weiterer

bb) Versicherungsrechtliche

Reststörungen

153

Nachteile

Was die - oben auch zu den Rechtsverfolgungskosten im weiteren Sinne gerechneten - versicherungsrechtlichen Nachteile betrifft, so bejaht die Rechtsprechung einen Ausgleich für den Verlust des Schadensfreiheitsrabatts in der Kaskoversicherung 386 sowie für den Verlust eines sonstigen Beitragsnachlasses bei einer Versicherung des Geschädigten. 387 Allerdings soll dies nur unter der Voraussetzung gelten, daß der Schädiger die Ersatzleistung über Gebühr verzögert, nicht hingegen etwa dann, wenn der Geschädigte nur in den Genuß einer Neuwertklausel gelangen möchte. 388 Soweit ein Ausgleich auch für den Fall bejaht worden ist, daß der Geschädigte einen nicht unerheblichen Mitverschuldensanteil zu tragen hat, 389 kann dem allerdings nicht zugestimmt werden. Denn zutreffend wird der Ersatz von Nachteilen aus der Inanspruchnahme der eigenen Haftpflichtversicherung des Geschädigten verneint, weil diese nicht durch die fremde unerlaubte Handlung entstanden sind, sondern durch das eigene Verhalten. 390 Dieses Argument trifft aber gleichermaßen auf den Fall zu, daß bei Mitverschulden der eigene Anteil den Rückstufungsverlust überwiegt. Ferner kann es nicht angehen, daß der Geschädigte den Rückstufungsverlust umso eher soll auf den Schädiger überwälzen können, je größer sein Mitverschuldensanteil war. cc) Das Problem der

Bearbeitungskosten

Eine andere Frage ist, ob der Geschädigte eine Erstattung in Geld für eigene Mühewaltung bei der Schadensbearbeitung fordern kann. Eine Vergütung für geopferte Zeit und Arbeit wird dem Privatmann oder dem Unternehmer, bei dem eine Gewinneinbuße nicht zu verzeichnen ist, versagt. 391 Das ist nur konsequent, wenn man mit der herrschenden Meinung Kosten der Rechtsverfolgung als Folgeschäden qualifiziert, weil vertane Freizeit und der Einsatz eigener Arbeitskraft auch sonst nicht ohne weiteres als ersatzfähige Vermögensschäden behandelt werden. 392 Zögernd bejaht wird eine Vergütung für eigenen Einsatz 386 B G H Z 44, 382 [387]; B G H NJW 1992,1035; sogar die Anwaltshonorare für den Rechtsstreit mit der Kaskoversicherung sollen ersetzbar sein, O L G Karlsruhe NJW-RR 1990, 929. 387 B G H NJW 1984, 2627; O L G Zweibrücken VRS 89 (1995), 10 [12]; B G H Z 107, 258 [260ff.] zu Beitragsnachlaß bei Berufsgenossenschaft, kritisch hierzu Löwisch, J Z 1990, 188 [189]. 388 O L G Saarbrücken NJW-RR 1986,194; OLG Stuttgart VersR 1987,65f.; L G Köln VersR 1988, 1074 [1075]; LG Bremen VersR 1993, 710 [711]; im übrigen die Nachweise bei Lange, Schadensersatz, §6 XIV 5 [S.399], 389 O L G Hamm VersR 1993, 1544f. m.w.N. 390 B G H Z 66,398 [400]; BVerwG NJW 1995,411 [412]; Palandt 51 -Heinrichs, vor §249 B G B Rn. 93. 391 B G H Z 66,112 [114f.]; 75,230 [231f.]; 76, 216 [218f.]; 111,168 [177], 392 Teilweise wird darin allerdings ein Widerspruch zur Rechtsprechung zum „Hausfrauenschaden" gesehen ( B G H Z 50, 304), so MünchKomm 3 -G™«sÄ:y, vor §249 B G B Rn.25; Schmidt, NJW 1976,1932 [1933] schlägt deswegen vor, wie bei den Anwaltshonoraren auf die Art der Kosten und weniger auf die Person abzustellen, der sie entstanden sind.

154

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

allerdings dann, wenn es sich bei dem Geschädigten um einen Rechtsanwalt handelt: Dieser soll für die von ihm selbst durchgeführte außergerichtliche Regulierung die entsprechenden Gebühren nach B R A G O dann verlangen können, wenn man auch einem durchschnittlichen Geschädigten die Beauftragung eines Anwalts hätte zubilligen müssen. 393 Sehr umstritten ist, ob Bearbeitungskosten ersetzt verlangen kann, wer zu diesem Zweck eigene Angestellte beschäftigt. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat dies bislang durchweg abgelehnt, 394 und zwar vor allem mit dem Argument, das Recht weise aus Gründen der Interessenbewertung und der Praktikabilität solche Mühewaltung dem Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich des Geschädigten zu, weshalb die entstehenden Unkosten nicht dem Schutzzweck der Haftung unterfielen. 395 Ferner wird argumentiert, ein Ersatz würde auf eine sachlich nicht zu rechtfertigende Bevorzugung von Großbetrieben hinauslaufen. 396 Beiden Argumenten ist die Literatur entgegengetreten, 397 weil hier eine Durchbrechung des Grundsatzes der Totalreparation vorliege 398 und zudem Großbetriebe in anderer Hinsicht auch schlechter stünden als der Privatmann, dem etwa die Beauftragung eines Anwalts viel eher zugestanden wird.399 Überzeugen dürfte jedoch ein Argument, das in der einschlägigen Rechtsprechung eher beiläufig anklingt: Die angefallenen Personalkosten sind offenkundig nicht kausal auf den konkreten Schadensfall zurückzuführen, sondern wären ohnehin angefallen. 400 Insofern liegt eine Parallele zu den Fällen einer Reservehaltung vor, wo dieselbe Literatur den von der Rechtsprechung gewährten Ausgleich mit eben diesem Kausalitätsargument kritisiert. Der Bun393

BAG ZIP 1995, 499 [502f.]; LG Mainz NJW 1972, 161 [162]; Schmidt, NJW 1970, 1406 [1407]; weitere Nachweise, auch zur Gegenansicht, bei Lange, Schadensersatz, §6 XIV 3 [S. 386]. 394 B G H Z 66, 112 [117] mit Anm. Schmidt, NJW 1976, 1932; B G H Z 75, 230 [231ff.]; B G H NJW 1983,2815 [2816]; B G H Z 76,216 [218]; B G H NJW 1961,729f.; zugesprochen wurden solche Kosten der Sache nach durch B G H Z 76, 216 [220ff.], wo nach einem Diebstahl in einem Archiv Personal für die Ordnung und Sichtung der Bestände eingesetzt werden mußte, allerdings gestützt auf § 249 Satz 2 BGB unter dem Aspekt der Beschädigung einer Sachgesamtheit. Anders viele erstinstanzliche Gerichte, besonders dezidiert etwa LG Braunschweig NJW 1976, 1640 [1642], 395 B G H Z 76, 216 [218]; zustimmend Soerge[ u -Mertens, §249 BGB Rn.65f.; Palandt 57 Heinrichs, vor §249 BGB Rn.37; Lorenz, Schuldrecht I, §24 II c) [Fn.85]; Wollschläger, NJW 1976, 12 [ 14f.]; wohl auch Hagmann, J Z 1978, 133 [136], 396 So vor allem B G H Z 66,112 [117]; zusammenfassend B G H Z 75, 230 [231 ff.]; B G H NJW 1983,2815 [2816], 397 Staudinger 12 -Medi'cws, §253 B G B Rn.53; MünchKomm 3 -Grunsky, vor §249 BGB Rn.24ff., 76b; Spengler, VersR 1973, 115 [116]; Klimke, NJW 1974, 81 [85ff.]; Canaris, NJW 1974, 521 [522f.]; Jürgen Schmidt, NJW 1976, 1932 [1933]; Pecher, JuS 1981, 645 [647ff.]; Reinhard Wilhelm, WM 1988, 281 [ 283ff.]. 398 Zu diesem Argument sogleich unter 2 a) aa) [S. 156], 399 Zutreffend Lange, Schadensersatz, §6 XIV 3 [S.388], 400 B G H Z 75, 230 [233] unter Berufung auf Stoll; Lange, Schadensersatz, § 6 XIV 3 [S. 388/ 398],

§ 4 Ausgleich weiterer

Reststörungen

155

desgerichtshof hat denn auch die Erstattungsfähigkeit obiter für den Fall bejaht, daß es zur Feststellung eines Schadens notwendig ist, einen oder mehrere Mitarbeiter für einen gewichtigen Zeitraum von der üblichen Tätigkeit freizustellen, oder wenn ein zusätzlicher Mitarbeiter eingestellt werden muß. 401 2. Rechtsgrund und Gerechtigkeitsgehalt der Ausgleichung Es liegt auf der Hand, daß sich die Frage nach Rechtsgrund bzw. Gerechtigkeitsgehalt der schadensrechtlichen Kostenerstattung für die herrschende Dogmatik nicht ebenso akut stellt wie hier. Denn wenn man eine Unterscheidung zwischen Folgeschäden einerseits und Restnachteilen andererseits nicht vornimmt, kann man auch den Ausgleich einheitlich auf die §§249ff. BGB stützen. Anders als bei der compensatio lucri cum damno, wo sich Literatur und Rechtsprechung stets bewußt gewesen sind, einen ungeschriebenen Ausgleichsmechanismus durchzuführen und dies dogmatisch bzw. wertungsmäßig rechtfertigen zu müssen, ist die Frage nach dem „Rechtsgrund" der schadensrechtlichen Kostenerstattung daher nur bedingt sinnvoll, mag man sie nun als Rechtsfehler bei der Anwendung des Schutzzweckkriteriums, als richterliche Rechtsfortbildung oder als Gewohnheitsrecht ansehen. Es bleibt jedoch die Frage nach der „psychologischen" Erklärung für ihre Konsensfähigkeit, also nach den Wertungen, aufgrund derer die Überwälzung von Rechtsverfolgungskosten auf den Schadensersatzverpflichteten offenbar durchgehend als richtig empfunden wird. a) Versuch einer genuin schadensrechtlichen

Begründung

Die generelle Abwälzung von Verlusten auf ihren Verursacher führt zu entsprechenden Verlusten des Verursachers, und es bedarf stets einer positiven Rechtsgrundlage dafür, nicht beim Prinzip des casum sentit dominus zu verharren. Wie namentlich Canaris herausgearbeitet hat, 402 kann eine Rechts- und Wirtschaftsordnung, welche die allgemeine Handlungsfreiheit zu ihren tragenden Grundsätzen rechnet und die den freien Wettbewerb auf ihre Fahnen geschrieben hat, nicht auch umfassenden Vermögensschutz garantieren. Denn die Verwirklichung von Handlungsfreiheit und Wettbewerb setzt voraus, daß die Beeinträchtigung fremder Vermögensinteressen in gewissen Grenzen legal und sogar legitim ist. Es streitet damit eine gewisse Anfangsvermutung gegen die Ausgleichsfähigkeit von Rechtsverfolgungskosten, die widerlegt werden muß.

401 402

B G H Z 75, 230 [233]; 76, 216 [219]; B G H NJW 1977, 35. Canaris, in: Zweite Festschrift Larenz (1983), S.27 [35ff.].

156

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

aa) Der Grundsatz der

im gesetzlichen

Schadensrecht

Totalreparation

Im deutschen Schadensrecht gilt der Grundsatz der Totalreparation. Damit ist ein Zweifaches ausgesagt. Zunächst - und dies ist der Sinn, der ihm meistens beigelegt wird - bedeutet er, daß der Schädiger grundsätzlich unabhängig vom Grad seines Verschuldens, von seiner persönlichen Leistungsfähigkeit, von der Bedürftigkeit des Geschädigten und ähnlichen Faktoren für den ganzen angerichteten Schaden einzustehen hat: 403 Auch wem nur leichteste Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, kann in vollem Umfang für einen Millionenschaden haften. 404 Sodann kann Totalreparation aber noch in einem weiteren Sinne verstanden werden, nämlich als Grundsatz, demzufolge der Geschädigte umfassend in die Lage versetzt werden muß, in der er sich ohne die Verletzung befände. 405 Indessen steht dieses Prinzip ja notwendigerweise unter der Einschränkung des Schutzzweckzusammenhangs, und können Kosten der Rechtsverfolgung gerade deswegen nicht als echte Schäden ersatzfähig sein, weil bei ihnen dieser Zusammenhang nicht gegeben ist. Umfassender Verlustschutz des Opfers einer haftungsbegründenden Handlung läßt sich also nicht aus sich selbst heraus rechtfertigen, denn man sähe sich hier sehr schnell mit einem Zirkelschluß konfrontiert: Aus der Ausgleichsfähigkeit von Restnachteilen müßte ein in diesem Sinne verstandenes Prinzip der Totalreparation, und aus dem Prinzip der Totalreparation müßte die Ausgleichsfähigkeit von Restnachteilen geschlossen werden. bb)

Präventionsprinzip

Erwägen ließe sich auch, den Ausgleich von Rechtsverfolgungskosten aus dem Gedanken der Schadensprävention bzw. des präventiven Rechtsgüterschutzes heraus zu rechtfertigen. Indessen dürfte sich der Gedanke als nicht tragfähig erweisen. Zwar erhöht eine dahingehende Haftung des Schädigers noch das Abschreckungspotential, das in der Ersatzverpflichtung selbst liegt, doch vermöchte der Gedanke des Abschreckungseffekts nicht zu erklären, warum sich der Ausgleich von Rechtsverfolgungskosten an den Kriterien der Erforderlichkeit und Angemessenheit aus der Sicht des Geschädigten orientiert, und nicht etwa an Gesichtspunkten wie dem der Verletzlichkeit der betroffenen Rechtsgüter, des Unwertgehalts der Tat, der Wiederholungsgefahr usw. Außerdem ist jede 403 So das gängige Begriffsverständnis, vgl. etwa Hohloch, in: Vorschläge und Gutachten zu einer Überarbeitung des Schuldrechts, S.375 [458]. 404 Einschränkungen bestehen etwa bei einem Mitverschulden des Geschädigten nach § 254 BGB oder im Bereich der Gefährdungshaftung, wo meist Haftungshöchstbeträge der Ersatzleistung nach oben hin eine Grenze setzen. So verstanden ist die Totalreparation wiederholt heftig kritisiert worden, was allerdings nicht zu einer Änderung des Schadensrechts hat führen können, vgl. näher Hohloch a.a.O. 405 So etwa wohl das Begriffsverständnis von Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, §30 I vor 1 [S. 156].

§ 4 Ausgleich weiterer

Reststörungen

157

Argumentation, die ausschließlich auf den Präventionsgedanken abstellt, sehr gefährlich, weil sich damit nahezu jedes beliebige Ergebnis bis hin zum reinen Strafschadensersatz begründen läßt. cc) Spiegelbild der

Vorteilsausgleichung

Ernster zu nehmend als die vorgenannten Ansätze ist derjenige, der im Ausgleich gewisser Restnachteile nur die logische Konsequenz der Vorteilsausgleichung sieht.406 Bei der Anrechnung von Restvorteilen des Geschädigten auf den Schadensersatzanspruch geht es um die Berücksichtigung von adäquaten Folgevorteilen, die - wie gezeigt - nicht auf den Schutzzweck der verletzten Haftungsnorm gestützt werden kann. Angesichts dessen mag es nur recht und billig erscheinen, daß auch adäquate Folgenachteile, die nicht vom Schutzzweck umfaßt sind, zugunsten des Geschädigten berücksichtigt werden. Allerdings wäre ein solches Argument bedenklich, weil sich die bei der Vorteilsausgleichung vorgenommene Haftungsbeschränkung zumindest nicht ohne weiteres mit einer Haftungserweiterung, wie sie der Ausgleich von Rechtsverfolgungskosten zweifellos darstellt, gleichsetzen läßt, und weil auf der Grundlage dieses Arguments kein Anlaß besteht, die ergänzende Ausgleichung auf Rechtsverfolgungskosten zu beschränken. b) Kostenerstattung als Ausprägung des

Statikgedankens

Eine Überlegung, die in den zu den Rechtsverfolgungskosten ergangenen Entscheidungen immer wieder anklingt, ist diejenige des Handelns im Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich des Schädigers. Dies geschieht nicht nur implizit dadurch, daß der Ausgleich von Rechtsverfolgungskosten vereinzelt mit dem Argument versagt wird, daß diese Kosten dem Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich des Geschädigten zugewiesen seien,407 oder dadurch, daß Rechtsverfolgungskosten sachlich der Schadensbeseitigung zugeordnet werden, welche das Recht stets als Aufgabe des Schädigers ansehe. 408 Vielmehr geschieht dies vor allem dadurch, daß als alternative Anspruchsgrundlage für Rechtsverfolgungskosten regelmäßig ein Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag diskutiert wird. Ein solcher ist im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes aufgrund der besonderen Gepflogenheiten in diesem Gebiet bejaht worden, 409 weil es im Interesse des Störers liege, wenn der Betroffene nicht 406 Angedeutet wird dies von Palandt^-Heinrichs, § 249 B G B Rn. 18 in bezug auf steuerliche Nachteile, die er zusammen mit Kosten der Rechtsverfolgung behandelt, die allerdings vom hier vertretenen Standpunkt aus zu den Folgeschäden gehören. 407 So für die Bearbeitungskosten B G H Z 75, 230 [232], 408 So der B G H a.a.O., S.234. 409 Ausdrücklich mit Hinweis auf diese Gepflogenheiten B G H Z 52, 393 [399f.]; vgl. auch B G H NJW1973,901 [903]; NJW1981,224; NJW1984,2525; zu Unrecht sieht Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 34. Kapitel Rn.3, darin eine Ausnahme vom Grundsatz der

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Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im gesetzlichen

Schadensrecht

sofort den für den Störer kostspieligeren Weg zu den Gerichten beschreite. Ansonsten wird ein Anspruch aus §§683, 670 BGB mit der Begründung verneint, daß die Rechtsverfolgung nicht dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen des Schädigers entspreche. 410 Man mag nun die unterschiedliche Beurteilung des Schädigerinteresses im gewerblichen Rechtsschutz einerseits und im allgemeinen Bürgerlichen Recht andererseits bewerten wie man möchte. Jedenfalls zeigt der Rekurs auf die Vorschriften über den Aufwendungsersatz des Geschäftsführers jeweils sehr deutlich auf, worum es der Sache nach geht: Nach der Idealvorstellung des Gesetzgebers - wie sie nicht zuletzt in § 271 Abs. 1 BGB Ausdruck erlangt - sollen begründete Ansprüche bei ihrer Entstehung möglichst sofort beglichen werden. Es ist eine Aufgabe jedes Teilnehmers am Rechtsverkehr, gegen ihn geltend gemachte Ansprüche auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen und gegebenenfalls umgehend zu erfüllen. Wer die Begründetheit eines Anspruchs bzw. seine Höhe in Zweifel ziehen darf, dem gebieten es Treu und Glauben, wenigstens seine Verhandlungs- und grundsätzliche Leistungsbereitschaft zu bekunden sowie gegebenenfalls gewisse Tatsachen bindend anzuerkennen. Kommt der Schädiger dieser Aufgabe nicht nach, dann ist der Geschädigte gezwungen, kostspielige Maßnahmen der Beweissicherung einzuleiten, rechtlichen Beistand zu suchen, eine Versicherung in Anspruch zu nehmen usw. Diese Maßnahmen der Rechtsverfolgung ersetzen also die Kooperation durch den Schädiger. Damit wird der Geschädigte bei der Rechtsverfolgung letztlich im Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich des Schädigers tätig. aa)

Vorteil-Nachteil-Analyse

Dieses Tätigwerden ist dem Schädiger evidentermaßen unerwünscht. Ebenso evidentermaßen hätte er entsprechende Maßnahmen gegen sich selbst nie eingeleitet und hätte auch keine dahingehende Verpflichtung bestanden. Er erlangt demnach keinen konkret bezifferbaren Vorteil in dem Sinne, daß die Ausgabe des Geschädigten auf seiner Seite zu einer entsprechenden Ersparnis führen würde. Indem der Schädiger die ihm obliegende Kooperation verweigert, wälzt er jedoch zugleich das Risiko der Beweisbarkeit der Anspruchsvoraussetzungen sowie die sonstigen mit der Rechtsverfolgung verbundenen Risiken in vollem Umfang auf den Geschädigten ab. Während ein kooperationsbereiter Schädiger gleichsam spiegelbildlich einen Teil des Beweisrisikos sowie des Risikos einer Fehleinschätzung der Sach- und Rechtslage selbst trägt, hat ein nicht koopeschadensrechtlichen Kostenerstattung, weil im betreffenden Fall ein eigener Schadensersatzanspruch des klagenden Verbandes nicht gegeben war. Eine Ausdehnung der geschäftsführungsrechtlichen Kostenerstattung über das Wettbewerbsrecht hinaus hat der B G H ausdrücklich abgelehnt, B G H NJW 1986, 2243 [2245], 410 B G H NJW 1986,2243 [2245]; ein Anspruch aus § 684 Satz 1 BGB scheidet dagegen mangels einer entsprechenden Ersparnisbereicherung des Schädigers aus.

§ 4 Ausgleich weiterer

Reststörungen

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rationsbereiter Schädiger sogar gute Aussichten, der Inanspruchnahme ganz zu entgehen: Der Geschädigte hat schließlich stets die Kosten der Rechtsverfolgung mit dem bestenfalls erreichbaren Ergebnis abzuwägen und läuft in jedem Stadium des Verfahrens Gefahr, seine Rechte doch nicht durchsetzen zu können. Da der Schädiger somit - aus durchaus rationalen Gründen - eine ihm obliegende Aufgabe durch den Geschädigten vornehmen läßt, ist es auch gerechtfertigt, von einem Restvorteil des Schädigers zu sprechen, obgleich sein Vermögen tatsächlich nicht erhöht ist. Die Lage kann nicht anders bewertet werden, als wenn er eine Dienstleistung in Ansprach genommen hätte, und ein Restvorteil ist insofern zu fingieren: Zwar ist der Schuldner nicht um die Ersparnis der Rechtsverfolgungskosten bereichert, jedoch muß er sich daran festhalten lassen, daß er den Geschädigten in seinem Obliegenheitsbereich tätig werden ließ und daß dieses Tätigwerden auf dem Markt seinen Preis hat, der in den tatsächlich erforderlichen Anwaltshonoraren, Auslagen usw. zum Ausdruck gelangt. Dieser fingierte Restvorteil steht dem tatsächlichen Restnachteil des Geschädigten gegenüber, so daß wiederum eine Situation gegeben ist, in welcher der Statikgedanke einen wechselseitigen Ausgleich der Reststörungen gebietet. Daß diese Einschätzung richtig ist, d.h. daß dem Ausgleich in der Tat eine wertungsmäßige Gleichsetzung der Rechtsverfolgungstätigkeit mit einer dem Schädiger erbrachten Dienstleistung zugrundeliegt, wird auch dadurch bestätigt, daß ein Ersatz für eigene Mühewaltung des Geschädigten dann bejaht wird, wenn er dabei im Rahmen seines Berufs oder Gewerbes tätig wird. Denn diese Sonderstellung gegenüber dem Privatmann wäre dogmatisch schwer einzusehen, 411 wenn es tatsächlich nur auf den Nachteil des Geschädigten ankäme. Wie nicht zuletzt der Grundsatz des § 1835 Abs. 3 B G B deutlich macht, der auch auf die Geschäftsführung ohne Auftrag erstreckt wird,412 ist diese Sonderstellung dagegen für eine Begünstigtenhaftung charakteristisch. bb) Ausprägung des

Statikgedankens?

Es bleibt allerdings nicht zu verkennen, daß die Anwendung des Statikgedankens in diesem Fall nicht ganz in der gleichen Weise erfolgt wie etwa bei der Ausgleichung von Restvorteilen des Verletzten. Das liegt nun weniger an der 411 Dies zumindest, solange nicht der Anwalt seinen eigenen Schadensfall während der üblichen Kanzleistunden bearbeitet hat und ihm dadurch ein entsprechender anderweitiger Gewinn entgangen ist, was allerdings in der Regel nicht zutreffen wird; zurückhaltend auch StauAmgexn-Medicus, §249 BGB Rn.232. 412 Allgemeine Meinung, vgl. B G H Z 65, 384 [390]; B G H W M 1989, 801 [802]; Palandt 57 Thomas, §683 BGB Rn.4; im Grundsatz auch Köhler, J Z 1985, 359 [363], der allerdings den Weg über eine Ermittlung des mutmaßlichen Parteiwillens geht; noch weitergehend (auch berufsfremde Tätigkeiten) MünchKomm 3 -5ei7£r, § 683 BGB Rn. 25; Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag (1976), S.316.

160

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

Tatsache, daß der Restvorteil des einen Beteiligten hier nur ein fingierter ist. Vielmehr liegt das daran, daß der Verletzer aufgrund des erheblichen Restnachteils, der in der Verpflichtung zum Schadensersatz selbst zu sehen ist, nach Erfüllung des Primäranspruchs im Ergebnis meist immer noch schlechter steht, als er bei Hinwegdenken der anspruchsauslösenden Verteilungsstörung stünde. Der Statikgedanke kann hier also nur unter der Prämisse herangezogen werden, daß nicht vorrangig eine Verrechnung der Restvorteile und Restnachteile für jeden der Beteiligten stattfindet, sondern der Restvorteil, der in der Vermögenswerten Chance der Nichtinanspruchnahme liegt, unmittelbar mit den Rechtsverfolgungskosten des anderen zum Ausgleich gebracht wird. Das würde indessen m. E. keine Modifizierung, sondern lediglich eine Präzisierung des Statikgedankens bedeuten. Denn dieser schließt in der Weite der Formulierung, die im Ersten Kapitel gewählt wurde, nicht aus, daß bestimmte Reststörungen, die in besonders qualifizierter Weise innerlich miteinander verbunden sind, auch vorrangig gegeneinander „verrechnet" werden. c) Ergänzende

Wertungen

Die Konsensfähigkeit der schadensrechtlichen Kostenerstattung dürfte allerdings nicht allein auf dem Statikgedanken bzw. auf einer irgendwie erfühlten Ähnlichkeit mit fremdnützigen Aufwendungen im Sinne von § 670 BGB beruhen, sondern auf einer Kumulation verschiedener Rechtsgedanken. Hierzu gehört zunächst der vergleichsweise offenkundige Wertungswiderspruch zu den §§ 91 ff. ZPO. Denn geht der Geschädigte zu Gericht, erhält er seine Kosten der Rechts Verfolgung ja ersetzt. Wären außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten nicht erstattungsfähig, bestünde für ihn keinerlei Anreiz, seine Rechte auf außergerichtlichem Weg zu verfolgen und durchzusetzen, was angesichts der bestehenden Überlastung der Gerichte nicht unbedenklich erscheint. Ob dieser Wertungswiderspruch es rechtfertigt, auf der Grundlage eines argumentum a fortiori die §§ 91 ff. Z P O analog bei der außergerichtlichen Streitbeilegung heranzuziehen, erscheint freilich zweifelhaft. 413 Richtigerweise wird man sagen müssen, daß eine teleologische Lücke nicht vorliegt, weil die Interessenlage im Prozeß derjenigen im vorprozessualen Stadium nicht vergleichbar ist.414 413 So O L G München NJW 1958,1000 [1002]; Stoll, Haftungsfolgen im bürgerlichen Recht, S.472; Friedlaender, JW 1932, 1160f.; Kniestedt, WPR 1960, 147 [148ff.]; Klaka, G R U R 1970, 190 [191]; fragend angedeutet in B G H Z 52,393 [396]; B G H NJW 1981,224; NJW 1983,284; dagegen B G H NJW 1986, 2243 [2245]; NJW 1988, 2033 [2034]; Stein/Jonas n -Leipold, vor §91 ZPO, Fn.51 bei Rn. 14 mit umfangreichen Nachweisen; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann 5 6 , Übersicht §91 ZPO, Rn.44; Lipp, JuS 1990, 790 [791]; Lepke, D B 1985, 1231 [1233]; Roussos, Schaden und Folgeschaden, S.379. 414 Statt aller ausführlich Becker-Eberhard, Grundlagen der Kostenerstattung bei der Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche, S. 129ff. Er mußte jedoch - in Ermangelung des Statikprinzips - auch das Vorliegen einer Prinzipienlücke verneinen, so resignierend a.a.O., S. 134ff.

§ 4 Ausgleich weiterer

Reststörungen

161

Schließlich liegt es auch auf der Hand, daß dann, wenn Kosten der Rechtsverfolgung nicht ersatzfähig wären, keinerlei Anreiz für den Schädiger bestünde, sich bei der Feststellung und Abwicklung des Schadens kooperativ zu zeigen. Im Ergebnis sind es demnach vor allem rechtspolitische Erwägungen, die ergänzend zum Statikgedanken den Gerechtigkeitsgehalt der schadensrechtlichen Kostenerstattung ausmachen. 3. Exkurs: Ersatz von Vorsorgekosten Weder als Folgeschaden noch als Restnachteil wurden oben Vorsorgeaufwendungen bzw. Vorhaltekosten qualifiziert, weil sie nicht adäquat kausal durch das haftungsbegründende Ereignis hervorgerufen wurden. 415 Bei Ansprüchen der G E M A aus Urheberrechtsverletzungen gewährt die Rechtsprechung aber dennoch einen pauschalierten Ausgleich. 416 Als erstattungsfähig hat sie derartige Kosten vor allem auch angesehen, wenn ein Verkehrsunternehmen für ein beschädigtes Fahrzeug ein Reservefahrzeug eingesetzt hat. Hier sollen die auf die Einsatzzeit entfallenden anteiligen Kosten der Reservehaltung im Rahmen des Schadensersatzes berücksichtigt werden. Dabei sollte es zunächst genügen, daß das Reservefahrzeug im Hinblick auf fremdverschuldete Unfälle gehalten wurde.417 Gestützt wurde diese Rechtsprechung auf zwei Erwägungen, die sehr eng miteinander verknüpft sind. Die eine Erwägung ist diejenige, daß es für den Schädiger weitaus teurer gewesen wäre, wenn der Geschädigte für die betreffende Zeit anderweitig ein Ersatzfahrzeug angemietet hätte, und daß es mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren sei, wenn dem Geschädigten aus seiner auch dem Interesse des Schädigers dienenden Vorsorge ein Nachteil erwachse.418 Die zweite Erwägung ist die, daß der Geschädigte aus seiner Obliegenheit zur Schadensminderung gemäß §254 Abs. 2 BGB heraus angehalten war, das Ersatzfahrzeug zum Einsatz zu bringen, daß ganz generell aber die Kosten schadensbegrenzender Maßnahmen vom Schädiger zu tragen seien. 419 Diese Rechtsprechung ist im weiteren Verlauf dahingehend eingeschränkt worden, daß die Reservehaltung mit Rücksicht auf fremdverschuldete Ausfälle merklich erhöht gewesen sein mußte. 420 Später hat man die Ersatzfähigkeit von Vorsorgekosten wieder erweitert, indem nicht mehr verlangt wurde, daß die Betriebsreserve speziell für fremdverschuldete Ausfälle gehalten wurde. Ersatz war aber nur so-

415

Hierzu § 2 III 2 c) cc) [S. 114]. Vgl. etwa B G H Z 17, 376 [383]; 59, 286 [287ff.]. B G H Z 32,280 [284ff.]; das entsprach auch schon der Rechtsprechung des Reichsgerichts, vgl. R G Z 74, 362 [365], 418 So die Argumentation des B G H a.a.O., S.285 oben. 419 So unter Berufung auf B G H Z 10,18 [20] der B G H a.a.O., S.285 f. 420 B G H NJW 1976, 286 [287], 416

417

162

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

weit geschuldet, wie sich der Einsatz auch tatsächlich schadensmindernd ausgewirkt hat. 421 In der Literatur hat die Rechtsprechung teilweise Zustimmung, 422 teilweise aber auch vehemente Ablehnung erfahren. 423 Es dürfte mittlerweile geklärt sein, daß die Rechtsprechung zu den Vorhaltekosten eine offene Durchbrechung der Differenzhypothese darstellt. Wer sie befürwortet, der tut dies allein aus rechtspolitischen Erwägungen heraus. 424 Die Wertung, die dem zugrundeliegt, lautet, daß der Schädiger nicht aus dem Umstand profitieren dürfe, daß der Geschädigte unter erheblichen Unkosten eine Reservehaltung führt, wozu er nicht gemäß § 254 BGB angehalten ist. Das stellt - so formuliert - scheinbar wieder eine reine Ausprägung des Statikgedankens dar: Dem unmittelbaren und auch konkret bezifferbaren Vorteil des Schädigers steht ein Nachteil des Geschädigten gegenüber. Indessen ist nicht zu verkennen, daß zwischen dieser Vorteil-Nachteil-Wertung und dem Statikgedanken, wie er hier entwickelt wurde, zwei bedeutende Unterschiede bestehen. Erstens bezieht sich auch der Statikgedanke nur auf Vorteile oder Nachteile, die adäquat kausal durch den anspruchsauslösenden Vorgang hervorgerufen worden sind. Der Nachteil des Geschädigten wäre aber ohnehin entstanden, ja im Gegenteil: Würde man einen Ausgleich vornehmen, würde der Geschädigte einen Restvorteil erlangen, weil sich für ihn die Reservehaltung endlich „auszahlt", indem ein anderer ihre Kosten trägt. Zweitens aber kann der Vorteil des Schädigers hier - anders als etwa bei den Rechtsverfolgungskosten - sachlich und allokatorisch nicht von seinem Restnachteil, der in der Verpflichtung zum Schadensersatz besteht, getrennt werden, so daß im Ergebnis kein Restvorteil, sondern nur ein verminderter Restnachteil des Schädigers vorliegt und sich korrespondierende Reststörungen nicht ausgleichsfähig gegenüberstehen. Man kann daher sagen, daß sich die Rechtsprechung auf eine dem Statikgedanken ähnliche Wertung stützt, die aber dem Statikgedanken nicht wirklich 421

B G H Z 78,199 [201], Auf unterschiedlicher dogmatischer Grundlage etwa von Falkenhausen, Vorhalte- und Vorsorgekosten (1979), S.34ff., 52; Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens, S. 191; Herrmann, VersR 1964, 991 [992f.]; Beuthien, NJW 1966,1996 [1998f.]; Marschall von Bieberstein, in: Festschrift Rheinstein (1969), S.625 [640f.]; Thiele, in: Festschrift Felgentraeger (1969), S.393 [407]; Staudinger l 2 -Med/a«, §249 BGB Rn. 125; Jauernig 8 -Teichmann, §249 BGB Rn.8; Tirman9-Kuckuk, § 249 BGB Rn.71f.; Palandt S1 -Heinrichs, vor §249 BGB Rn.43. 423 So Lange, Schadensersatz, § 6 VIII 4 [S.298ff.]; MünchKomm 3 -Gnmsi:y, vor §249 BGB Rn.75; Soergel"-Mertens, §249 BGB Rn.112; Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, §32 III 2 b [S.206f.]; Niederländer, J Z 1960, 617, der allerdings a.a.O., S. 620 im Ergebnis zustimmt, weil Schadensersatz wegen des Nutzungsausfalls zu gewähren sei; Rother, Haftungsbeschränkung im Schadensrecht, S. 157ff. (nur gegen Erweiterung der Rechtsprechung); Schiemann, Argumente und Prinzipien bei der Fortbildung des Schadensrechts, S. 221 f.; zusammenfassend und differenzierend Jürgen Schmidt, J Z 1974, 73 ff. 424 So deutlich Etman9-Kuckuk, § 249 BGB Rn.72. 422

§ 4 Ausgleich weiterer

Reststörungen

163

entspricht, weil sie maßgeblich auf der abzulehnenden Prämisse aufbaut, der Schädiger habe eine bestimmte H ö h e der Ersatzleistung „verdient". 425 Viel mehr als die prinzipielle Verankerung des Vorteil-Nachteil-Denkens im allgemeinen Rechtsbewußtsein dürfte sich aus der Rechtsprechung zum Ersatz von Vorsorgekosten für die Fragestellung der Arbeit nicht ableiten lassen.

II. Gewinnhaftung

im

Wirtschaftsrecht

In der Diskussion um Sinn oder Unsinn einer H a f t u n g auf den Verletzergewinn werden gerne zwei gänzlich unterschiedliche Fragen miteinander vermengt: Die eine ist diejenige, ob die Erlangung von Verletzervorteilen für sich genommen den Tatbestand eines Primär-bzw. Sekundäranspruchs erfüllt. In Betracht kommen hier vor allem die allgemeine Eingriffskondiktion aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB, der Herausgabeanspruch gegen den angemaßten Eigengeschäftsführer aus §§ 687 Abs. 2,681 Satz 2,667 B G B und möglicherweise der Anspruch aus §281 Abs. 1 BGB. 426 In Betracht kommen aber auch spezialgesetzliche A n spruchsgrundlagen, namentlich die Eintrittsrechte der §§61 Abs. 1 Halbsatz 2, 113 Abs. 1 Halbsatz 2 HGB, §§88 Abs. 2 Satz 2, 284 Abs. 2 Satz 2 A k t G sowie möglicherweise deren analoge Anwendung. Davon scharf zu trennen ist jedoch die ganz andere Frage, ob solche Verletzervorteile im R a h m e n des bestehenden Unterlassungs- oder Schadensersatzanspruchs selbst, also gerade als Restvorteile ausgeglichen werden. D e n n einmal geht es um ihre Herausgabe als primäre Verteilungsstörungen, die - wie es an dieser Stelle bereits vermutet werden kann - den Regeln eines Realausgleichs folgt und von den tatbestandlichen Voraussetzungen des jeweiligen Primäranspruchs abhängig ist. Das andere Mal hingegen geht es um ihre Abschöpfung als Reststörungen im Wege eines ergänzenden Wertausgleichs, die nur unter den tatbestandlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs stattfinden kann, und allein darauf beziehen sich die folgenden Ausführungen. 1. D i e G r u n d s ä t z e d e r „ o b j e k t i v e n S c h a d e n s b e r e c h n u n g " Unter dem Aspekt des Schadensersatzes werden Verletzervorteile berücksichtigt, wenn es um den schuldhaften Eingriff in bestimmte wirtschaftsrechtliche 425 Symptomatisch die Argumentation von Erman 9 -Kuckuk, § 249 B G B Rn. 72: „Dem ist zuzustimmen, weil auf diesem Wege der zu vollem Ersatz verpflichtete Schädiger nur den dem Geschädigten tatsächlich entstandenen Schaden ersetzen muß, mag diese Schadensbegrenzung auch eine Auswirkung von Umständen sein, die ... dem Schädiger mithin unverdient zugutekommen." 426 Der Anspruch aus § 281 Abs. 1 B G B ist ein Sekundäranspruch, der den Regeln des Realausgleichs folgt, vgl. hierzu etwa die Ausführungen bei R G R K n - A t f f , §281 BGB.

164

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im gesetzlichen

Schadensrecht

Positionen geht. Schon unter der Rechtsprechung des Reichsgerichts hat hier eine Rechtsfortbildung stattgefunden, die inzwischen als gewohnheitsrechtlich verfestigt gelten kann und wonach der Träger eines Immaterialgüterrechts bei dessen schuldhafter Verletzung anstelle des konkret erlittenen Schadens auch Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr oder den Verletzergewinn verlangen kann. 427 Bekannt ist diese Rechtsfortbildung unter dem Schlagwort der „objektiven Schadensberechnung" 428 oder auch der „Lizenzanalogie". 429 Da die letztgenannte Bezeichnung aber insoweit zu eng erscheint, als sie die Haftung auf den Verletzergewinn nicht umfaßt, soll sie im folgenden vermieden werden. a) Sachlicher

Anwendungsbereich

Ein derartiges Wahlrecht des Verletzten ist heute in §§97 Abs. 1 Satz 2 U r h G und 14a Abs. 1 Satz 2 GeschmMG ausdrücklich vorgesehen, und in die §§139 Abs. 2 PatG und 24 Abs. 2 GebrMG wird es aufgrund der Ähnlichkeit mit den genannten Vorschriften gerne hineingelesen. 430 Dabei sehen die §§139 Abs. 2 Satz 2 PatG, 15 Abs. 2 Satz 2 GebrMG vor, daß der Richter die Verpflichtung auf den Verletzergewinn beschränken kann, wenn dem Verletzer bloß leichte Fahrlässigkeit zur Last fällt. Schon vor Erlaß der betreffenden Vorschriften hatte die Rechtsprechung den Anwendungsbereich der objektiven Schadensberechnung jedoch immer weiter ausgedehnt. Ausgehend von Patentverletzungen, Urheberrechtsverletzungen, Geschmacksmusterverletzungen und Gebrauchsmusterverletzungen 431 wurde er später erstreckt auf Verletzungen eines Warenzeichenrechts 432 oder des Firmennamens. 433 Anwendbar soll die objektive Schadensberechnung nunmehr ferner bei allen Wettbewerbsverletzungen sein, die in Ausnutzung einer fremden, zur Gewinnerzielung dienenden Rechtsposition erfolgen, so namentlich bei wettbewerbswidriger sklavischer Nachahmung, bei der Benutzung fremder Vorlagen, Geschäftsgeheimnisse und technischen

427 Ständige Rechtsprechung seit R G Z 35, 63 [67ff.J (noch nach Gemeinem Recht ergangen); 46,14 [18]; 50,111 [115f.]; 84,370 [376/377]; 95, 220 [223f.]; 130,108 [109f.]; 156, 65 [67] Scheidenspiegel; zur Berechnung eingehend etwa Theo Fischer, Die Schadensberechnung im gewerblichen Rechtsschutz, Urheberrecht und unlauteren Wettbewerb (1961), S. 35ff. 428 So die von der Rechtsprechung selbst stets verwendete Terminologie, vgl. jetzt nur die Entscheidung B G H G R U R 1995, 347 - Objektive Schadensberechnung. 429 Vgl. den Sprachgebrauch B G H G R U R 1990, 1008 - Lizenzanalogie. 430 Lange, Schadensersatz, §6 X I I 1 [S.358], 431 Für Patentverletzung B G H G R U R 1962, 401 [402f.] - Kreuzbodenventilsäcke III; für Urheberrechtsverletzung B G H G R U R 1959, 379 [383] - Gasparone; für Geschmacksmusterverletzung B G H G R U R 1963,640 [642] - Plastikkorb; G R U R 1975, 85 [86] - Clarissa; für Gebrauchsmusterverletzung B G H Z 82, 299 - Kunststoffhohlprofil II (allerdings hauptsächlich zum Bereicherungsanspruch). 432 B G H Z 34, 320 [323] - Vitasulfal; 44, 372 [374] - Meßmer-Tee II. 433 B G H Z 60, 206 [208] - Miss Petite.

§ 4 Ausgleich weiterer

Reststörungen

165

Know-hows 434 und nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ganz generell in allen Fällen wettbewerbswidriger Leistungsübernahme. 4 3 5 b) Verhältnis zum Ersatz des konkreten

Schadens

Das Opfer solcher Verletzungen kann selbstverständlich auch einen konkret nachweisbaren Schaden erlitten haben. In der Regel handelt es sich dabei um entgangenen Gewinn, um einen sogenannten Marktverwirrungs- bzw. Diskreditierungsschaden 436 oder um die Kosten für die Abwendung eines solchen. Es stellt sich daher die Frage, in welchem Verhältnis die sogenannte objektive Schadensberechnung zu derartigen konkret nachweisbaren Schäden steht. D e r Bundesgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung von einem Verbot der Verquickung unterschiedlicher Berechnungsarten aus.437 Aus der überwiegenden Mehrzahl der einschlägigen Entscheidungen 4 3 8 läßt sich ableiten, daß das sogenannte Verquickungsverbot nicht generell die Geltendmachung eines konkreten Schadens neben der Lizenzanalogie ausschließt, sondern daß insbesondere ein tatsächlich eingetretener Marktverwirrungsschaden 4 3 9 oder entgangener Gewinn 440 zusätzlich ersetzt verlangt werden können. Das Verquickungsverbot schließt es danach nur aus, ein- und denselben Schaden doppelt zu berücksichtigen, also neben der Lizenzanalogie Ersatz für denjenigen Verlust zuzusprechen, der vom Inhalt und Wesen einer Lizenzvergabe mitumfaßt ist. D a jedoch auch einem Lizenznehmer die Gewährleistung gewisser Qualitätsstandards sowie gewisse Verhaltenspflichten auferlegt zu werden pflegen, ist die Geltendmachung eines weitergehenden Marktverwirrungsschadens nicht ausgeschlossen, wenn er auf der Unterschreitung solcher, auch für einen rechtmäßig handelnden Lizenznehmer geltenden Standards beruht. 441 Das entspricht 434 So etwa B G H G R U R 1977,539 [541] - Prozeßrechner bzgl. Verwertung von Betriebsgeheimnissen; B G H Z 57, 116 [120] - Wandsteckdose II; B G H Z 60, 168 [173] - Modeneuheit; B G H G R U R 1991, 914f. - Kastanienmuster bzgl. sklavischer Nachahmung. 435 B G H G R U R 1993,55 [57] - Tchibo/Rolex II; B G H Z 122,262 [266f.] - Kollektion Holiday. 436 Damit ist die durch Gegenmaßnahmen nicht beseitigte oder nicht zu beseitigende Diskreditierung gemeint, die infolge einer Wettbewerbsverletzung entstanden ist, etwa durch Entwertung einer Marke, eines Firmennamens oder durch die Schädigung des Ansehens eines Unternehmens oder Produkts, vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 34. Kapitel, Rn.5ff. 437 R G Z 156, 65 [68] - Scheidenspiegel; B G H Z 77, 16 [25] - Tolbutamid; B G H Z 119, 20 [24f.] - Tchibo/Rolex II. 438 In einer vereinzelt gebliebenen und von der Literatur mit Kopfschütteln betrachteten Entscheidung hat er mit diesem Argument einen Ersatz von Rechtsverfolgungskosten neben der Lizenzanalogie abgelehnt, B G H G R U R 1977, 539 [543] - Prozeßrechner. 439 B G H Z 44,372 [380,382] - Meßmer Tee II; B G H G R U R 1973,375 [378] - Miss Petite (insoweit nicht in BGHZ); B G H G R U R 1975, 85 [87] - Clarissa. 440 B G H Z 77, 16 [25] - Tolbutamid. 441 Deutlich B G H Z 44, 372 [382] - Meßmer Tee II.

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Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im gesetzlichen Schadensrecht

auch der überwiegenden Interpretation durch die Literatur. 442 Konsequenterweise muß dann allerdings eine Geltendmachung des konkret nachweisbaren Schadens neben der Abschöpfung des Verletzergewinns unzulässig sein, weil sich bei diesem eine entsprechende Aufteilung nicht vornehmen läßt. c) Rechtfertigung der objektiven

Schadensberechnung

In aller Regel kann sich die Rechtsprechung für die objektive Schadensberechnung auf deren gewohnheitsrechtliche Anerkennung berufen, so daß sie einer weitergehenden dogmatischen Rechtfertigung nicht bedarf. Immerhin muß sie jedoch dann, wenn sie den Anwendungsbereich der objektiven Schadensberechnung erweitern will, die tragenden Wertungen offenlegen, auf denen dieses Rechtsinstitut beruht. Denn nur so kann sie begründen, weshalb die Interessenlage im konkret zu entscheidenden Fall derjenigen in den bereits anerkannten Fallgruppen vergleichbar sei. aa)

Präventionsbedarf

Zunächst beruft man sich zur Rechtfertigung der objektiven Schadensberechnung auf einen allgemeinen Grundsatz, wonach niemand durch unerlaubten Rechtseingriff besser stehen dürfe als er im Fall rechtmäßigen Verhaltens gestanden hätte. 443 Darin dürfte nicht nur ein fundamentales Gerechtigkeitsurteil zum Ausdruck kommen, sondern vor allem auch die Überlegung, daß anderenfalls das Haftungsrecht seine Präventionsfunktion nicht mehr zu erfüllen vermöchte: Es bestünde kein „vernünftiger" Grund für einen wirtschaftlich denkenden Verletzer, rechtswidrige Eingriffe in fremde Vermögenssphären zu unterlassen. Einen in der Literatur wiederholt geforderten allgemeinen „Verletzerzuschlag" hat der Bundesgerichtshof allerdings abgelehnt, weil das deutsche Schadensrecht dem Schadensersatz keine Straffunktion zumesse. 444 bb) Gesteigerter

Schutzbedarf

In eine ähnliche Richtung weisen Aussagen dahingehend, die objektive Schadensberechnung sei durch die gesteigerte Verletzlichkeit der betroffenen Rechtspositionen gerechtfertigt. 445 Diese Verletzlichkeit findet ihre Ursache 442 Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche. 34. Kapitel Rn.23f.; ders., in: Festschrift Traub (1994), S.401 [408ff.]; Baumbach/HefermehP, Einleitung UWG, Rn.381; Köhler/Piper, vor § 13 UWG, Rn.56 a.E. 443 RGZ144,187 [189f.]; BGHZ 44,372 [379] - Meßmer Tee II; 57,116 [119] - Wandsteckdose II; BGH GRUR1990,1008 [1009] - Lizenzanalogie; vgl. auch schon das Herrenreiter-Urteil (BGHZ 26, 349 [352]) sowie das Paul-Dahlke-Urteil (BGHZ 20, 345 [353]). 444 BGHZ 77,16 [26f.] - Tolbutamid; 82, 310 [316] - Fersenabstützvorrichtung passim. 445 BGHZ 57, 116 [118] - Wandsteckdose II; 60, 168 [173] - Modeneuheit; BGH GRUR 1977, 539 [541] - Prozeßrechner.

§ 4 Ausgleich weiterer Reststörungen

167

zum einen darin, daß der Rechtsinhaber kaum Vorkehrungen gegen rechtswidrige Eingriffe treffen sowie daß er erfolgte Eingriffe nicht oder nur mit größerem Aufwand entdecken kann, zum anderen aber auch darin, daß der Nachweis einer schuldhaften Verletzung sowie eines tatsächlich erlittenen Schadens mit erhöhten Schwierigkeiten verbunden ist.446 Ein Haftungsrecht, das dem Inhaber solcher Rechtspositionen abverlangen würde, seinen Schaden ähnlich präzise nachzuweisen wie etwa der Eigentümer einer Sache, käme seiner Ausgleichsund Rechtsverfolgungsfunktion nicht mehr nach. cc) Vermutungsgrundlage

für einen konkreten

Schaden

Die objektive Schadensberechnung wird auch damit begründet, es könne nach der Lebensauffassung davon ausgegangen werden, daß dem Verletzten die Verwertung des Immaterialgüterrechts entweder durch Vergabe von Lizenzen oder im Wege der Eigennutzung möglich gewesen wäre und daß ihm daher eine entsprechende Lizenzgebühr entgangen ist bzw. er bei einer eigenen Verwertung seiner Rechte den gleichen Gewinn erzielt haben würde, den der Verletzer in ursächlichem Zusammenhang mit der Nutzung des fremden Rechtsguts erzielt hat. 447 Die Schadensvermutung sei zum Schutze des Verletzten erforderlich, weil dieser seinen tatsächlich entstandenen Schaden kaum nachweisen könne.448 Diese Argumentation, die an die abstrakte Schadensberechnung erinnert, überzeugt nur bedingt, weil der Anspruch auch dann greift, wenn der Verletzte eine entsprechende Lizenz sicher nicht vergeben hätte 449 und weil der Verletzte ganz regelmäßig aufgrund seiner anderen Unternehmensorganisation, Marktzutrittsmöglichkeiten usw. den Gewinn des Verletzers selbst gar nicht hätte erzielen können. 2. Die dogmatische E i n o r d n u n g des Anspruchs Die Rechtsprechung vertritt den Standpunkt, daß es sich beim Anspruch auf die Lizenzgebühr oder den Verletzergewinn nicht um eine gesonderte Anspruchsgrundlage, sondern um eine besondere Form der Schadensberechnung handele.450 In den wenigen Fällen, in denen tatsächlich der Verletzergewinn gefordert 446 Eingehend zum Kriterium der Verletzlichkeit Loewenheim, ZHR 135 (1971), 97 [115ff.]; vgl. auch Steindorff, AcP 158 (1959/60), 429 [455]; zu den Schwierigkeiten für den Verletzten, seinen Schaden darzutun, Theo Fischer, Die Schadensberechnung im gewerblichen Rechtsschutz, Urheberrecht und unlauteren Wettbewerb, S. 4. 447 BGH GRUR 1995, 349 [351f.]; ebenso schon BGHZ 57,116 [118/119] - Wandsteckdose II; 60, 206 [209] - Modeneuheit; zustimmend Baumbach/Hefermehl19, Einleitung UWG, Rn.381. 448 BGHZ 77,16 [25] - Tolbutamid; 119, 20 [30] - Tchibo/Rolex II. 449 BGHZ 44, 372 [379] - Meßmer Tee II; 60, 206 [211] - Miss Petite; BGH GRUR 1993, 55 [58] - Tchibo/Rolex II. 450 R G Z 35,63 [67f.]; 156,65 [67] - Scheidenspiegel; BGH GRUR 1963, 640 [642] - Plastik-

168

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

wurde, und nicht die Lizenzgebühr, hat der Bundesgerichtshof zwar nach alternativen Deutungen gesucht und von „rechtsähnlicher Anwendung" der §§687 Abs. 2, 667 BGB 451 oder von einer „Entschädigung unter dem Titel des Schadensersatzes" gesprochen. 452 Ungeachtet solcher gelegentlicher Abweichungen ist eine Abkehr von der ursprünglich eingeschlagenen Linie jedoch nicht festzustellen, und überwiegt die Qualifizierung als Methode der Schadensberechnung immer noch deutlich. 453 Indessen bleibt nicht zu verkennen, daß sich die Rechtsfortbildung, die noch aus der Zeit vor Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs stammt, in die Dogmatik des geltenden Schadensrechts kaum einpassen läßt.454 Die Literatur qualifiziert daher auch den Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr vorwiegend als solchen aus Eingriffskondiktion 455 und denjenigen auf Herausgabe des Verletzergewinns vorwiegend als modifizierten Anspruch aus §687 Abs. 2 BGB, 456 während die deliktsrechtliche Deutung als Konsequenz eines objektiven oder gegliederten Schadensbegriffs eher selten vertreten wird.457 a) Zuordnung

der Lizenzanalogie

zum

Bereicherungsrecht

Letztlich ausschlaggebend für die dogmatische Einordnung haben die Voraussetzungen zu sein, an die der Ausgleich geknüpft ist. Daraus folgt aber, daß ein besonderer Erklärungsbedarf lediglich für die dritte Berechnungsart besteht, nämlich die Abschöpfung des Verletzergewinns. Es ist nämlich nicht zu verkennen, daß die tatbestandlichen Voraussetzungen der allgemeinen Eingriffskondiktion ein Minus zu den Voraussetzungen des entsprechenden Schadensersatzkorb; B G H Z 44, 372 [374] - Meßmer Tee II; 57,116 [118] - Wandsteckdose II; 60, 206 [208] Miss Petite; B G H Z 119,20 [23] -Tchibo/Rolex II; die Ähnlichkeit mit der Eingriffskondiktion wird aber nicht verkannt, vgl. B G H Z 77,16 [25] - Tolbutamid. 451 B G H Z 34,320 [324] - Vitasulfal; B G H G R U R 1962,401 [402] - Kreuzbodenventilsäcke III; auch bereits R G Z 156, 65 [67] - Scheidenspiegel. 452 B G H G R U R 1962, 509 [512] - Dia-Rähmchen II. 453 Vgl. nur B G H G R U R 1995,349 [351] - Objektive Schadensberechnung. 454 Pietzner, G R U R 1972, 151 [153ff.], wonach es sich um eine gewohnheitsrechtliche, auf dem Gedanken der Generalprävention beruhende Fortentwicklung des allgemeinen Schadensrechts handelt, die nicht den Ausgleich, sondern die Verhinderung von Eingriffen bewirken soll, Pietzner, a.a.O., S. 160; Rogge, Festschrift Nirk (1992), S.929 [932], 455 Eingehend Sack, in: Festschrift Hubmann (1985), S.373ff.; Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung in der Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung (1964), S. 67ff., 81 ff.; Staudinger 12 -Meifc«.s, § 249 B G B Rn. 180; von Caemmerer, Festschrift für Rabel I (1954), S.333 [354/355]; Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht (1977), S. 57, 69ff. 456 Theo Fischer Schadenberechnung im gewerblichen Rechtsschutz, Urheberrecht und unlauteren Wettbewerb, S. 2; von Caemmerer, a.a.O.; ders., Problem der überholenden Kausalität, S.9; Wilburg, AcP 163 (1964), 346 [351]; Staudinger 1 2 -Meifci«, §249 B G B Rn.180; Lorenz, Schuldrecht I §29 III b) [S.516]; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn.825. 457 So von Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens, S.226; Steindorff, AcP 158, 429 [451 ff.]; R. Neuner, AcP 133 (1931), 277 [308f.]; einschränkend Loewenheim, Z H R 135 (1971), 97 [114ff.]; noch weiter einschränkend Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S.86ff.

§ 4 Ausgleich weiterer

Reststörungen

169

anspruchs darstellen, indem sie nicht einmal ein Verschulden des Eingreifenden voraussetzen. Und was die Frage anbelangt, ob den betreffenden Rechtspositionen Zuweisungsgehalt zukommt oder nicht, so läßt sich mit guten Gründen vertreten, daß der Zuweisungsgehalt eines Leistungsergebnisses schon dadurch indiziert wird, daß es einen Vermögenswert hat, der es zur Lizensierung geeignet erscheinen läßt. 458 Wenn man mit Canaris das Kriterium des Zuweisungsgehalts am Deliktsschutz festmacht, 459 kann erst recht kein Zweifel mehr bestehen, daß neben der Lizenzanalogie immer auch zugleich die allgemeine Eingriffskondiktion gegeben ist, und soweit man den Anwendungsbereich der Lizenzanalogie in der Vergangenheit immer weiter ausgedehnt hat, war man damit zugleich Schrittmacher für eine Ausdehnung der allgemeinen Eingriffskondiktion. Das bedeutet für die vorliegende Untersuchung, daß es vergleichsweise müßig ist, nach dem „Gerechtigkeitsgehalt" usw. der Lizenzanalogie weiter zu forschen, denn jedenfalls aus Gründen der Praktikabilität erscheint es gerechtfertigt, dem Geschädigten die nach Bereicherungsrecht ohnehin zu fordernde Lizenzgebühr, die einen erlittenen Schaden ganz oder teilweise abdeckt, schon im Rahmen des Schadensersatzanspruchs zuzusprechen. b) Zuordnung

der Gewinnabschöpfung

zum

Schadensrecht

Wenn maßgeblich für die dogmatische Einordnung jeweils die Haftungsvoraussetzungen sind, so kann hinsichtlich der Abschöpfung des Verletzergewinns kein Zweifel bestehen, daß es allein und ausschließlich die Voraussetzungen des betreffenden Schadensersatz&nspruchs sind, und nicht die Voraussetzungen eines anderen einschlägigen Primäranspruchs, an die der Ausgleich geknüpft ist. Denn weder ist es erforderlich, daß der Verletzer vorsätzlich gehandelt hat, wie es §687 Abs. 2 BGB nun einmal unbestreitbar voraussetzt, noch auch, daß zwischen den Beteiligten eine Sonderverbindung bestand und der Verletzer im Geschäftszweig des Verletzten tätig geworden ist, wie es gemeinsames Merkmal der speziellen Eintrittsrechte des Handels- und Gesellschaftsrechts darstellt. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung muß die Haftung auf den Verletzergewinn daher als schadensr&cht\\ch&s Rechtsinstitut behandelt werden, ungeachtet des Umstands, daß gegebenenfalls im Einzelfall Herausgabe zugleich auf konkurrierende Primäransprüche gestützt werden könnte. 458 Dazu paßt es auch, daß der B G H die Ausdehnung der Grundsätze auf jede Form wettbewerbswidriger Leistungsübernahme damit begründet hat, die verletzte Verhaltensnorm des § 1 U W G diene in solchen Fällen dazu, die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers gegen eine sittenwidrige Ausnutzung seiner Leistung zu schützen. Die objektive Schadensberechung sei deswegen angemessen, weil es allein in der Rechtsmacht desjenigen liege, dessen Leistung nachgeahmt wird, das Verhalten des Dritten zu unterbinden oder zu dulden, B G H Z 122, 262 [267] - Kollektion Holiday; hierzu Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 34. Kapitel Rn.20. 459 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §69 I 1 c) [S.170f.].

170

Zweites Kapitel: Ausgleich

von Reststörungen

c) Schadensersatz oder ergänzender

im gesetzlichen

Schadensrecht

Vorteilsausgleich?

Die Einordnung der Gewinnabschöpfung als genuin schadensrechtliches Rechtsinstitut sagt noch nichts darüber aus, ob es sich dabei um abstrakt berechneten Schadensersatz im engeren Sinne handelt, also um einen integralen Bestandteil des primären Ausgleichsbefehls, oder aber um einen vom Schadensersatz selbst zu trennenden, ergänzenden Ausgleichsmechanismus. Immerhin stellt die Tatsache, daß der Verletzte den Verletzergewinn nicht anstelle, sondern zusätzlich zum konkret nachweisbaren Schaden verlangen kann, ein gewisses Indiz für die zuletzt genannte Deutung dar. aa) Vorteilsausgleich contra

Nachteilsausgleich

Für eine Deutung als ergänzender Vorteilsausgleich spricht auch, daß sie überzeugender zu erklären vermag, warum es für die Bemessung des Anspruchsumfangs ausschließlich darauf ankommen soll, was der Verletzer erlangt hat, und nicht darauf, welche Einbuße der Verletzte erlitten hat. 460 Denn auch eine Form der abstrakten Schadensberechnung muß doch wenigstens geeignet sein, auch quantitativ einen groben Anhaltspunkt für den tatsächlich erlittenen Schaden zu liefern, und gerade dazu ist die sogenannte dritte Berechnungsart evidentermaßen nicht in der Lage. Ob und in welcher Höhe der Verletzter einen Gewinn erzielt, hängt nämlich ab von seinem unternehmerischen Geschick und von Entwicklungen der für ihn maßgeblichen Bezugs- und Absatzmärkte, nicht jedoch von der Einbuße des Verletzten. Allenfalls wenn beide Beteiligte miteinander in einem unmittelbaren Konkurrenzverhältnis stehen und im wesentlichen dieselben Bezugs- und Absatzmärkte haben, läßt sich eine hinreichende Interdependenz zwischen Gewinn des einen und Verlust des anderen nicht leugnen. Auch dann kann jedoch der Verletzergewinn infolge unterschiedlicher Produktionsmethoden, eines unterschiedlichen Produktionsorts oder unterschiedlicher Finanzierungsformen erheblich vom entgangenen Gewinn des Verletzten abweichen. U m eine annäherungsweise Ermittlung des entstandenen Schadens handelt es sich bei der Gewinnhaftung demnach nicht. Sie ist wesensmäßig Vorto'/sausgleichung, und nicht Schadensausgleich. bb) Indizien für einen reinen

Wertausgleich

Mit der Deutung als abstrakte Schadensberechnung schwer zu vereinbaren sind auch manche der Wertungen, die dem Ausgleich zugrundeliegen und die auf einen reinen Wertausgleich hindeuten. So ist die entscheidende Rolle, die dem Präventionsgedanken hier zukommt, für einen Schadensersatzanspruch untypisch: Zwar gehört Prävention - im Gegensatz zu reiner Sanktion - zu den aner-

460

Vgl. Rogge, in: Festschrift Nirk (1992), S.929 [930],

§ 4 Ausgleich weiterer

Reststörungen

171

kannten Funktionen des privaten Schadensrechts, 461 doch wäre eine gänzliche Zurückdrängung des Ausgleichsprinzips zugunsten des Präventionsprinzips im geltenden Schadensrecht zumindest einzigartig. O b tatsächlich reiner Wertausgleich vorliegt, ist aufgrund der Eigenarten des Anspruchs allerdings schwer darzulegen. Aus der gängigen Bezeichnung als „Herausgabe" des Verletzergewinns kann jedenfalls nichts gefolgert werden, weil - wie etwa der Sprachgebrauch in §§ 687 Abs. 2 Satz 2,684 Satz 1 B G B deutlich macht - von „Herausgab e " oft auch die Rede ist, wenn offensichtlich nur Entschädigung in Geld gemeint ist.462 cc) Das

Systemargument

Die D e u t u n g als ergänzender Wertausgleich würde sich jedenfalls reibungsloser in das geltende Schuldrecht einpassen. Denn ein Primäranspruch, der schon bei bloß fahrlässigen Verletzungen auf gegenständliche Herausgabe des Verletzervorteils ginge, würde sich zum System abgestufter Haftungsintensität in Widerspruch setzen, das von §812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB, §§823ff. B G B und §687 Abs. 2 B G B gebildet wird und wonach ein solcher Anspruch nur bei vorsätzlichem Handeln gegeben ist. Kein solcher Widerspruch besteht indessen zwischen diesem System von Primäransprüchen, die den Regeln eines reinen Realausgleichs folgen, und einem ergänzenden Reststörungsausgleich, der einen reinen Wertausgleich darstellt. D e n n erstens handelt es sich dabei um eine schwächere Ausgleichsform, und zweitens ist der ergänzende Wertausgleich offen für Wertungen vielfältiger Art, die im Einzelfall mit dem Statikprinzip kollidieren oder das Statikprinzip unterstützen können. Die hier vertretene D e u t u n g würde also keinerlei Systembruch beinhalten, so daß sie der herkömmlichen auch insoweit überlegen ist. 3. D i e R o l l e des S t a t i k g e d a n k e n s Ist die Abschöpfung des Verletzergewinns einmal als Ausgleich von Restvorteilen identifiziert worden, verlangt es die spezifische Fragestellung dieser Arbeit, zu untersuchen, ob und inwieweit dieser Ausgleich auf dem Statikgedanken beruht. Wenn dabei im folgenden der Verletzergewinn in vollem U m f a n g als Restvorteil des Verletzers bezeichnet wird, beruht dies implizit auf der Überlegung, daß der Verletzte durch die Wahl der dritten Berechnungsart auf die Geltendmachung eines konkret erlittenen Schadens verzichtet hat, daß also der „eigentliche" Schadensersatzanspruch als erfüllt betrachtet werden kann.

461 462

Statt aller Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §75 I 2 i) [S.354] m.w.N. Hierzu Drittes Kapitel, §9 II 2 [S.302].

172

a)

Zweites Kapitel: Ausgleich

von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

Vorteil-Nachteil-Analyse

Aufgrund des hohen Verflechtungsgrades des Marktgeschehens und der prinzipiell unabschätzbaren Fern- und Langzeitwirkungen jedes Wettbewerbsverstoßes muß der Verletzte stets damit rechnen, einen über den konkret nachweisbaren Marktverwirrungsschaden erheblich hinausgehenden Verlust erlitten zu haben oder in Zukunft noch zu erleiden. Dieser Verlust setzt sich aus Nachteilen verschiedenster Art zusammen, die sich cum grano salis in Abnutzungseffekte einerseits und in die Vereitelung von Chancen andererseits einteilen lassen. So hat die Duldung der Übernahme eigener Leistungsergebnisse unabhängig von der Tatsache, daß sie nur gegen Entgelt gestattet zu werden pflegt, 463 einen gewissen Abnutzungseffekt zur Folge, indem etwa potentielle Lizenznehmer in der Zukunft tendenziell umso weniger für eine Lizenz zahlen werden, je öfter und je intensiver die Rechtsposition auf dem Markt bereits verwertet worden ist. In der bloßen Duldung wettbewerbswidriger Leistungsübernahmen liegt damit ein „latenter" Nachteil verborgen, der sich nicht unbedingt sofort in einer nachweisbaren Gewinneinbuße niederschlagen muß. Größtenteils stellen sich die Nachteile indessen als Vereitelung bloß entfernter Chancen dar, die aufgrund ihrer Entferntheit und Bedingtheit nicht weiter individualisiert und noch viel weniger als Schäden im Rechtssinn eingeklagt werden können. Man kann von einem „wesensmäßig diffusen Schädigungspotential" sprechen. Ohne diesen im konkreten Fall näher spezifizieren zu können, wird man daher aufgrund der Lebenserfahrung von einem „gewissen" Restnachteil des Verletzten ausgehen müssen, der ihm auch nach Ersatz des nachweisbaren Schadens verbleibt. Dieser „gewisse" Restnachteil läßt sich allerdings naturgemäß nicht beziffern. 464 b) Anwendung

des

Statikgedankens

Die vorstehenden Überlegungen führen dazu, daß dem konkreten Restvorteil des Verletzers ein „gewisser" Restnachteil des Verletzten gegenübersteht, d.h. ein Restnachteil, dessen Existenz zwar nach der Lebenserfahrung zu vermuten 463

Dieses Kriterium bietet allenfalls Anhaltspunkte dafür, ob ein Bereicherungsanspruch gegeben sein kann, nicht aber für die vorliegende Frage nach einem rechnerischen Vermögensnachteil des Verletzten: Wer etwa während urlaubsbedingter Abwesenheit nicht verhindern kann, daß ein anderer seinen Privatparkplatz benutzt und sich dadurch die übliche Parkgebühr spart, der kann einen rechnerischen Nachteil unter keinem d e n k b a r e n Aspekt erlitten haben, auch wenn er den Parkplatz hätte vermieten können. 464 Hinsichtlich der Lizenzgebühr hat der Bundesgerichtshof zwar formuliert, die gegenleistungslose Nutzung eines Leistungsergebnisses, das einen Vermögenswert hat, der es zur Lizensierung geeignet erscheinen läßt, indiziere eine Vermögenseinbuße auf Seiten des Verletzten, die im Regelfall der nicht geleisteten Vergütung entspreche, B G H G R U R 1 9 9 5 , 3 4 9 [351] — Objektive Schadensberechnung. Diese Formulierung ist indessen zu eng, weil sie zwar den Weg für die Berechnung nach der Lizenzgebühr ebnet, dafür aber den für die dritte Berechnungsart gänzlich versperrt.

§ 4 Ausgleich weiterer

Reststörungen

173

ist, hinsichtlich dessen Höhe die Lebenserfahrung allerdings nichts hergibt. Es wäre auch unrichtig, von einer Vermutung dahingehend auszugehen, daß der Verlust des Verletzten in etwa dem Verletzervorteil entspreche. Wie die vorstehenden Untersuchungen gezeigt haben, ist der Verletzervorteil ein gänzlich ungeeigneter Maßstab für den nicht näher spezifizierbaren Verlust, den der Verletzte trotz Ersatz des ihm nachweisbar entstandenen Schadens mutmaßlich erleidet. Vielmehr bleibt es dabei, daß sich ein konkreter Restvorteil und ein „gewisser" Restnachteil gegenüberstehen und daß daher der Statikgedanke einen „gewissen" Ausgleich erfordert. Will man den Statikgedanken hier anwenden und einen ergänzenden Wertausgleich vornehmen, befindet man sich in einem Dilemma. Denn weil die Höhe des Restnachteils nicht bekannt ist, besteht immer sowohl die Möglichkeit, daß man dem Geschädigten mehr gibt, als es seinem Restnachteil entspricht, als auch, daß man ihm weniger gibt. aa) Maximale Eliminierung

von

Reststörungen

Diese Unsicherheit besteht natürlich auch, wenn man ihm einen Ausgleich genau in Höhe des korrespondierenden Restvorteils zuspricht: Dieser Ausgleich kann in bezug auf den Geschädigten betrachtet zu hoch sein, er kann aber auch zu niedrig sein. Jedoch ist man sich bei dieser Lösung wenigstens sicher, daß in der Sphäre des Verletzers ein Restvorteil nicht verbleibt. Man hat demnach das Bestmögliche getan, um auf dem Weg zu einer Eliminierung von Reststörungen einen Schritt weiter zu kommen, und „schlimmstenfalls" hat der ergänzende Wertausgleich dazu geführt, daß nunmehr eben der Verletzte den Restvorteil davonträgt, und nicht mehr der Verletzer. Die Abschöpfung genau des Verletzergewinns garantiert demnach grundsätzlich eine maximale Eliminierung der entstandenen Reststörungen. bb) Erklärung von

Ausnahmen

Das gilt freilich nicht, wenn aufgrund der Besonderheit des Sachverhalts auch ein „gewisser" Restnachteil des Geschädigten von vorneherein ausgeschlossen erscheint und anzunehmen ist, daß die Verletzungshandlung seine Interessen eher gefördert hat: Denn dann wird durch den ergänzenden Ausgleich offenkundig eine Eliminierung von Reststörungen nicht erreicht, sondern womöglich ein Restvorteil noch erhöht, der ohnehin schon auf der Seite des Geschädigten zu verbuchen war. Damit scheint das skizzierte Erklärungsmuster insoweit nicht zu passen, als die ältere Rechtsprechung auch in solchen Fällen einen Anspruch auf den Verletzergewinn für möglich gehalten hat.465 Allerdings läßt be465

Vgl. etwa den berühmten Ariston-Fall R G Z 35, 63 [67ff.], wo der Urheber durch die unerlaubte Vervielfältigung und Verbreitung seiner Musikstücke überhaupt erst bekannt wurde und im Ergebnis keinen Schaden erlitten, sondern eher einen erheblichen Vorteil erlangt hatte.

174

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

reits die „Herrenreiter-Entscheidung" anklingen, daß die Grundsätze über die dreifache Form der Schadensberechnung nicht in Betracht kämen, wenn ein tatsächlicher Vermögensschaden gar nicht in Frage steht. 466 In jüngster Zeit hat der Bundesgerichtshof diese Einschränkung weiter präzisiert und klargestellt, daß Auskehr des Verletzergewinns nicht geltend gemacht werden könne, wenn im konkreten Fall der normalerweise bestehende oder zumindest nach der Lebensauffassung naheliegende Zusammenhang zwischen einem Gewinnentgang auf Seiten des Verletzten und einem Gewinn auf Seiten des Verletzers fehlt. 467 Damit sieht sich der hier vertretene Ansatz durch die Entwicklung der Rechtsprechung auch insoweit bestätigt. c) Bedeutung für den Gerechtigkeitsgehalt

des Ausgleichs

Trotz seiner Komplexität ist das soeben entwickelte Erklärungsmuster m. E. durchaus geeignet, den spezifischen Gerechtigkeitsgehalt der wirtschaftsrechtlichen Gewinnhaftung zu erfassen. Denn einer pauschalen Abschöpfung von Verletzergewinnen stehen normalerweise Bedenken entgegen, die dafür verantwortlich sind, daß eine allgemeine Gewinnhaftung im deutschen Recht nicht anerkannt wird. Diese Bedenken lassen sich zerstreuen, indem man sich die zumindest tendenziell kompensierende Wirkung der Gewinnhaftung vor Augen führt, d. h. die Tatsache, daß die Abschöpfung des Verletzergewinns nicht ohne weiteres eine Bereicherung des Geschädigten bewirkt, sondern mindestens teilweise bloß einen nach der Lebenserfahrung zu vermutenden Nachteil abdeckt. Damit werden aber auch zugleich die Grenzen deutlich, die dem Statikgedanken als Erklärungsmuster hier zukommen: Er ist geeignet, Bedenken zu zerstreuen, nicht aber ist er alleine in der Lage, den Ausgleich zu rechtfertigen. Vielmehr dürfte eine weitere „treibende Kraft" im Präventionsgedanken bzw. im Gedanken effektiven Rechtsgüterschutzes zu sehen sein, weil ohne eine entsprechende Haftungsverschärfung Rechtsverletzungen im Wirtschaftsverkehr Tür und Tor geöffnet wäre. Hier ist insbesondere die von der Rechtsprechung wiederholt erwähnte, besondere Verletzlichkeit der betroffenen Rechtsgüter zu beachten. Im Ergebnis wäre es somit wiederum erst das spezifische Zusammenspiel des Statikgedankens mit einem anderen allgemeinen Rechtsprinzip - in concreto dem Präventionsprinzip - das den spezifischen Gerechtigkeitsgehalt des Ausgleichs ausmacht.

466

B G H Z 26, 349 [353], B G H G R U R 1995, 349 [351f.]: Die Beklagte hatte Abbildungen für den Hauptkatalog ihres Versandhandels aus dem Jahreskatalog der klagenden Herstellerfirma übernommen, von der sie die betreffenden Produkte bezog. Es war in diesem Fall offensichtlich, daß eine etwaige Absatzsteigerung des Versandhandels auch den Gewinn der Klägerin erhöhte und keinesfalls zu deren Schaden wirken konnte; vgl. auch Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 34. Kapitel Rn.36. 467

§ 4 Ausgleich weiterer

III. Die

Reststörungen

175

Deliktskondiktion

Angesichts des zur Gewinnhaftung im gewerblichen Rechtsschutz Gesagten ist es vergleichsweise offensichtlich, daß auch §852 Abs. 3 BGB als eine Regelung angesehen werden kann, die dem Ausgleich von Restvorteilen des Schädigers dient. Danach hat der wegen einer unerlaubten Handlung Verpflichtete auch nach Vollendung der Verjährung dasjenige herauszugeben, was er aus der Schädigung auf Kosten des Verletzten erlangt hat. Sowohl die systematische Stellung der Vorschrift als auch die tatbestandliche Bezugnahme auf das Vorliegen einer unerlaubten Handlung deuten darauf hin, daß es sich dabei nicht um einen primären Bereicherungsanspruch handelt, sondern vielmehr um einen deliktsrechtlichen Subanspruch. Diese funktionelle Einbindung in das deliktische Anspruchsverhältnis rechtfertigt es, von Deliktskondiktion zu sprechen. Parallele Vorschriften finden sich in §§ 102 Satz 3 UrhG, 141 Satz 3 PatG sowie 20 Abs. 3 MarkenG. 1. D a s Normverständnis der herrschenden Meinung Wenn soeben gesagt wurde, § 852 Abs. 3 BGB betreffe den Ausgleich von Restvorteilen des Verletzers, so bedarf dies sofort einer näheren Begründung und Präzisierung. Denn sowohl hinsichtlich der Rechtsnatur als auch hinsichtlich des Regelungsgehalts der Vorschrift hat seit jeher Unklarheit bestanden, wobei sich die Kontroverse vor allem darauf bezieht, ob man es mit einer Rechtsgrund- oder einer Rechtsfolgenverweisung zu tun hat. Im Ergebnis hat man die Vorschrift zu weitgehender Bedeutungslosigkeit verurteilt, und in den führenden Kommentaren und Lehrbüchern ebenso wie in der übrigen Fachliteratur wird §852 Abs. 3 BGB nur noch am Rande erwähnt. a) Die Rechtsnatur der Vorschrift Das Reichsgericht, 468 und mit ihm die ältere Literatur, 469 hatte in § 852 Abs. 3 BGB nicht nur eine Klarstellung gesehen, daß Bereicherungsansprüche mit unerlaubten Handlungen konkurrieren können und auch nach deren Verjährung fortbestehen, sondern vielmehr einen eigenständigen Tatbestand der ungerechtfertigten Bereicherung. 470 In seinem bahnbrechenden Aufsatz über Bereicherung und unerlaubte Handlung hatte sodann von Caemmerer den Standpunkt eingenommen, daß § 852 Abs. 3 BGB lediglich klarstellenden Charakter 468 R G JW1935,512 Nr. 6; DJZ1913,530 [531]; H R R 1 9 3 6 Nr. 258; erwähnt auch in R G Z 71, 358 [360f.]; R G H R R 1935 Nr.669. 469 Siber, Schuldrecht (1931), S.468; Enneccerus-Lehmann Schuldrecht (1958), §222 II 1 b [S.890], §251 3 [S. 1008].; etwas unklar Planck 3 -Gra//, §852 BGB Anm.4. 470 Bei der Lektüre des einschlägigen Schrifttums ist zu beachten, daß die Regelung damals noch im zweiten Absatz von § 852 BGB enthalten war.

176

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im gesetzlichen

Schadensrecht

habe und besage, daß der tatbestandlich gegebene Bereicherungsanspruch auch nach Verjährung des Deliktsanspruchs fortbestehe, für ihn also nicht die kurze Verjährungsfrist des §852 Abs. 1 BGB, sondern die regelmäßige Frist gemäß §194 BGB gelte.471 Es handele sich um eine Rechtsgrundverweisung auf die §§812ff. BGB, und es sei insbesondere erforderlich, daß alle tatbestandlichen Voraussetzungen einer Eingriffskondiktion erfüllt sind. Die herrschende Meinung hat sich inzwischen unter Berufung auf eine grundlegende Entscheidung des Bundesgerichtshofs 472 dazu durchgerungen, §852 Abs. 3 BGB als Rech ts/iy/ge« Verweisung auf das Bereicherungsrecht zu begreifen. 473 Der Vorschrift soll danach nicht bloß eine Klarstellung, sondern eine eigenständige Anspruchsgrundlage zu entnehmen sein. Der Bundesgerichtshof stellt in seiner Entscheidung fest, der Anspruch des § 852 Abs. 3 BGB behalte die Rechtsnatur als Schadensersatzanspruch und erfordere dieselben Voraussetzungen wie der verjährte Anspruch aus unerlaubter Handlung. 474 Diese dogmatische Einordnung des Anspruchs, wonach er nur „eine Fortsetzung des Schadensersatzanspruchs in anderem rechtlichem Kleid" darstelle, wirkt zunächst befremdlich, und man mag einwenden, daß es einer solchen dogmatischen Zwittergestalt nicht bedürfe. 475 Indessen steckt in dieser Aussage ein wahrer Kern, weil sie andeutet, daß es sich bei §852 Abs. 3 BGB um einen deliktsrechtlichen Ausgleichsmechanismus handelt, und nicht um einen bereicherungsrechtlichen Primäranspruch, so daß die üblichen Tatbestandsvoraussetzungen der allgemeinen Eingriffskondiktion nicht zu prüfen sind. Das gilt insbesondere für das Tatbestandsmerkmal des Zuweisungsgehalts der betroffenen Rechtsposition. 476 Für die Deutung als bloß klarstellende Vorschrift ließe sich in gewisser Weise der Wortlaut des Gesetzes anführen, wo davon die Rede ist, daß der Ersatzpflichtige „auf Kosten" des Verletzten „etwas erlangt" habe. Die tatbestandli471

von Caemmerer, in: Festschrift für Rabel I (1954), S. 394ff.; ihm folgend Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 1357. 472 B G H Z 71, 86 [98ff.] - Fahrradgepäckträger II; angedeutet bereits in B G H Z 68,90 [96] Kunststoffhohlprofil. 473 Vgl. nur Palandt 57 -Thomas, §852 BGB Rn.21; Erman 9 -Schiemann, §852 BGB Rn.24; MünchKomm 3 -Ston, §852 BGB Rn.70. 474 B G H Z 71, 86 [98f.], kritisch hierzu Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §83 V 2 [S. 595]; ähnlich wie der BGH auch R G Z 71, 358 [360], 475 In der Tat ist dem B G H vorzuwerfen, daß er seine sprachlich wenig geglückte Aussage nicht näher untermauert. Mit der Überlegung, daß § 852 Abs. 3 BGB nicht dieselben Voraussetzungen habe wie §812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB läßt sie sich jedenfalls nicht hinreichend begründen, weil nicht jeder Kondiktionstyp denselben Tatbestand haben muß. Insofern ist der Kritik von Canaris beizupflichten, der lieber von einer „Zeitablaufskondiktion" als eigenem Kondiktionstypus spricht, vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 §83 V 2 S.595f. 476 B G H Z 82, 299 [306]; 99, 385 [387]; 107, 117 [120f.]; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn.709f£; Esser/Weyers, Schuldrecht II, §50 11 a) [S.462]; Mestmäcker, JZ 1958, 521 [523ff.]; Erman 9 -Westermann, § 812 BGB Rn. 65; MünchKomm 3 -Lkö, § 812 BGB Rn. 204ff.; Palandt 57 Thomas, § 812 BGB Rn. 93.

§ 4 Ausgleich weiterer

Reststörungen

III

che Fassung weist damit nämlich sehr weitgehende Parallelen zu §812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB auf, so daß die Überlegung naheliegt, der Gesetzgeber habe sicher nicht zwei nahezu gleichlautende, aber voneinander unabhängige Anspruchsgrundlagen schaffen wollen. Dennoch ist dies kein wirklich schlagendes Argument. Zwar muß man auch die abweichende Verjährung des Bereicherungsanspruchs nicht unbedingt als eine blanke Selbstverständlichkeit bezeichnen, die der Klarstellung nicht bedürfe, 477 denn immerhin kennt das deutsche bürgerliche Recht eine Reihe von Fällen, in denen spezielle Verjährungsfristen auf typischerweise konkurrierende Ansprüche „durchschlagen", um den mit der kurzen Verjährung verfolgten Zweck nicht zu unterlaufen. 478 Jedoch deutet gerade auch die grammatikalische Konzeption ganz darauf hin, daß sich der Regelungsgehalt von § 852 Abs. 3 BGB nicht in einer Klarstellung der Verjährungsfrage erschöpft. Wäre dies der Fall, hätte es nämlich viel näher gelegen, sinngemäß zu formulieren, daß konkurrierende Bereicherungsansprüche von der kurzen Verjährung gemäß §852 Abs. 1 BGB unberührt bleiben. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Sprachgebrauch des historischen Gesetzgebers sich in vielen Punkten vom heutigen unterscheidet, läßt sich nicht nachvollziehen, wie die in § 852 Abs. 3 BGB getroffene Wortwahl zustandegekommen sein könnte, hätte man damit nur ausdrücken wollen, daß die kurze Verjährungsfrist sich auf den deliktischen Anspruch beschränkt. Der Einordnung der Vorschrift als Rechtsfolgenverweisung durch die nunmehr herrschende Meinung ist demnach zuzustimmen. b) Unmittelbarkeit der

Vermögensverschiebung?

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs soll der Gläubiger nach § 852 Abs. 3 BGB - über die allgemeine Eingriffskondiktion hinausgehend - auch solche Vorteile des Schuldners abschöpfen können, bei denen das Kriterium der Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung nicht erfüllt ist. In dieser Auffassung stimmt er übrigens auch mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts überein, die §852 Abs. 3 BGB ebenfalls in Sachverhalten herangezogen hat, in denen Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung nicht gegeben war.479 Der Bun477 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §83 V 2 [S.595]; R G R K 1 l-Kreft, § 852 BGB Anm. 17; R G JW 1935, 512 Nr. 6; R G H R R 1936 Nr. 258. 478 Man denke etwa an die kurzen Verjährungsfristen der §§558, 606, 1057 BGB, die beispielsweise auch dann zu gelten haben, wenn der Vermieter usw. seinen Ersatzanspruch wegen Verschlechterung der Sache auf unerlaubte Handlung oder §§ 989, 990 BGB stützt, zum Ganzen vgl. Palandt 51 -Heinrichs, §194 BGB Rn.9 m.w.N. 479 So in R G DJZ1913,530 [531]: „Die von der Rechtsprechung erforderte unmittelbare Beziehung zwischen dem Geschädigten und dem Bereicherten werde durch die unerlaubte Handlung und den Umstand hergestellt, daß die Mitbeteiligten als Werkzeuge den Uebergang des Vermögenswertes in die Hände des Bereicherten vermittelten.... Der ursächliche Zusammenhang mit der unerlaubten Handlung genüge danach, um die Bereicherung zu einer ungerechtfertigten zu machen;..."; R G H R R 1936 Nr.258.

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Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

desgerichtshof stützt sich dabei auf die Überlegung, das Unmittelbarkeitserfordernis sei für den Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB lediglich deswegen notwendig, weil der ungerechtfertigten Bereicherung nach dieser Bestimmung „nicht der Makel des schuldhaft begangenen Unrechts gegenüber einem geschützten Rechtsgut" des Verletzten anhafte. Daher bedürfe es eines zuverlässigen Kriteriums, um eine unangemessene Ausweitung der Bereicherungshaftung auf alle noch so mittelbar verursachten Folgevorteile zu verhindern. Dieses Anliegen - nämlich die sinnvolle Begrenzung des Umfangs der kondiktionsrechtlichen Haftung - sei bei §852 Abs. 3 BGB im Prinzip auch gegeben, doch erlaube der erhöhte Unrechtsgehalt des anspruchsauslösenden Vorgangs eine weniger strenge Handhabung des Merkmals, als dies bei der allgemeinen Eingriffskondiktion der Fall sei, und erfordere sie sogar, weil derjenige, der durch eine unerlaubte Handlung einen anderen geschädigt und dadurch sein eigenes Vermögen vermehrt hat, nicht im Genuß des unrechtmäßig erlangten Vorteils bleiben dürfe. 480 An dieser Stelle ist anzumerken, daß vom sogenannten Unmittelbarkeitserfordernis mit wechselnder Bedeutung gesprochen wird. Zum einen - und dies ist die Bedeutung, die der Bundesgerichtshof in der hier einschlägigen Entscheidung zugrundelegt - soll damit ausgedrückt werden, daß der Vorteil des Eingreifen unmittelbar aus dem Vermögen des Anspruchstellers stammen muß und daß er insbesondere nicht den Umweg über eine dritte Vermögenssphäre genommen haben darf.481 In dieser Bedeutung sind jedoch Überschneidungen mit dem Kriterium des Zuweisungsgehalts unverkennbar. Denn entweder ist der Erwerb im Widerspruch zum Zuweisungsgehalt einer Rechtsposition des Anspruchstellers erfolgt oder nicht, und wenn dies der Fall ist, dann stammt der Erwerb auch unmittelbar aus dieser Rechtsposition. Das so verstandene Unmittelbarkeitskriterium - soweit es nicht ohnehin untrennbar mit der alten „Vermögensverschiebungstheorie" 482 verknüpft ist - geht also letztlich in dem Kriterium des Zuweisungsgehalts auf. Wer beispielsweise in Verletzung eines fremden Immaterialgüterrechts Geschäfte mit Dritten abschließt und daraus Gewinne erzielt, der hat auf Kosten des Verletzten nicht den vollen Erlös erlangt, sondern den Gebrauch des Rechts. Das liegt daran, daß die betreffenden Einzelgeschäfte mit den Dritten dem Verletzten nicht zugewiesen waren, sondern das Immaterialgüterrecht mit der ihm innewohnenden Vermarktungsbefugnis. 480 B G H Z 71, 86 [99] - Fahrradgepäckträger II, unter Berufung auf B G H NJW 1965,1914 [1915], 481 In diesem Sinne auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 67 II 2 b) [S. 135]. Oft findet sich diesbezüglich die Aussage, das Unmittelbarkeitskriterium diene dazu, die Parteien der Nichtleistungskondiktion festzulegen. 482 Darstellungen etwa bei Batsch, Vermögensverschiebung und Bereicherungsherausgabe, S.24ff.; Joachim Wolf \ Stand der Bereicherungslehre und ihre Neubegründung (1980), S. 16ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung (1988), §9 I 5 b) [S.85f.].

§ 4 Ausgleich weiterer

Reststörungen

179

Ebenso kann man aber auch sagen, daß der Erlös nicht unmittelbar aus der Vermögenssphäre des Verletzten, sondern aus der Vermögenssphäre der Dritten stamme. Die andere Bedeutung von „Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung" besagt, daß derselbe historische Vorgang, der zum Erwerb durch den A n spruchsgegner geführt hat, auch eine Beeinträchtigung des Anspruchstellers beinhaltet. 483 In dieser schwächeren Ausprägung wollte möglicherweise auch der Bundesgerichtshof das Unmittelbarkeitserfordernis aufrechterhalten, weil es als solches verhindert, daß bloße Reflexvorteile von der bereicherungsrechtlichen Haftung umfaßt werden und weil das Tatbestandsmerkmal „auf Kosten" in dieser Restbedeutung nicht leerlaufen darf. c) Verhältnis zum

Schadensersatzanspruch

Was das Verhältnis der Deliktskondiktion zum Schadensersatzanspruch anbelangt, so soll - wie der von Canaris geprägte Terminus der „Zeitablaufskondiktion" 484 sinnfällig zum Ausdruck bringt - der Anspruch aus §852 Abs. 3 B G B erst in dem Augenblick zur Entstehung gelangen, in dem der Schadensersatzanspruch verjährt ist. Weiterhin scheint es der herrschenden Meinung zu entsprechen, daß der Bereicherungsanspruch umfangsmäßig streng an den Schadensersatzanspruch gebunden sei.485 Geht man davon aus, daß der Bereicherungsanspruch erst mit Verjährung des Schadensersatzanspruchs entsteht, dann ist freilich auch die A n n a h m e einer umfangsmäßigen Begrenzung zwingend. D e n n es wäre in der Tat ein zweifelhaftes Ergebnis, wenn der Gläubiger nach Verjährung des ursprünglichen Anspruchs mehr verlangen könnte als vor Verjährungseintritt. 2. E r g e b n i s einer Auslegung Bei dem skizzierten Normverständnis der herrschenden Meinung fallen zwei Punkte auf. Z u m einen ist dies die Lockerung des Unmittelbarkeitskriteriums durch den Bundesgerichtshof sowie auch bereits durch das Reichsgericht, und zum anderen die Tatsache, daß zumindest die neuere Auffassung wie selbstverständlich davon ausgeht, daß der Bereicherungsanspruch erst mit Eintritt der 483

So hatte in B G H Z 99,385 [387] ein Grundschuldgläubiger, dessen dingliches Recht dem vormerkungsberechtigten Kläger gegenüber unwirksam war, in Ausübung des Rechts eine Versicherungssumme eingezogen. Der B G H hat Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung bejaht, weil der Vormerkungsberechtigte durch die Auszahlung der Versicherungssumme an den Grundschuldgläubiger die Möglichkeit verloren habe, nach Eintritt der Rückauflassungsvoraussetzungen gemäß §281 Abs. 1 BGB gegen den Vormerkungsverpflichteten vorzugehen. Damit dürfte das Kriterium der Unmittelbarkeit wohl alle Konturen verloren haben. 484 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §69 IV 1 c) [S. 196], §83 V 2 [S.596], 485 So Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung (1983), §23 IV 6 [S. 739]; anders wohl auch noch die ältere Rechtsprechung, vgl. RG H R R 1936 Nr. 258.

180

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

Verj ährung des Schadensersatzanspruchs entstehe und zudem auch noch der Höhe nach durch diesen beschränkt sei.486 Beide Annahmen müssen kritisch hinterfragt werden, weil sie durch eine Auslegung der Vorschrift nicht gestützt werden. a) Abhängigkeit

von Verjährung und Höhe des

Schadensersatzanspruchs?

Dafür, daß der Anspruch aus §852 Abs. 3 BGB erst mit Verjährung des Schadensersatzanspruchs zur Entstehung gelangt, ließe sich in der Tat die systematische Stellung der Vorschrift inmitten der Regelungen zur Verjährung deliktischer Ansprüche anführen: Würde es sich um einen eigenständigen Kondiktionstatbestand handeln, hätte es weitaus näher gelegen, ihn unmittelbar in §§812ff. BGB zu regeln. Alle anderen anerkannten Auslegungsmethoden führen indessen sämtlich zu dem Ergebnis, daß der Vorschrift eine entsprechende Einschränkung nicht entnommen werden kann. ua)

Wortlautinterpretation

Nicht ganz passen zur gängigen Abhängigkeitsthese will bereits der Gesetzeswortlaut, wonach der Verletzer auch nach Vollendung der Verjährung zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet ist. Diese Formulierung impliziert, daß nicht mit Eintritt der Verjährung ein neuer Anspruch entsteht, sondern daß ein von vorneherein entstandener Anspruch /ortbesteht. Eine ähnliche Formulierung findet sich etwa auch bei den Regelungen hinsichtlich der Einreden der Arglist nach §853 BGB, der ungerechtfertigten Bereicherung nach §821 BGB und des Sachmangels nach § 478 BGB, wo es jeweils heißt, der Gläubiger könne eine bestimmte Leistung auch dann verweigern, wenn der gegen den Schuldner gerichtete Anspruch verjährt ist. In diesen Fällen ist man sich darüber einig, daß die entsprechende Einrede nicht erst mit der Verjährung des ursprünglichen Anspruchs entsteht, sondern der Gesetzgeber unausgesprochen vorausgesetzt hat, daß die Einrede auch bei unverjährtem Anspruch geltendgemacht werden kann: 487 Es ist dann nur von untergeordneter Bedeutung, ob man die entsprechenden Vorschriften vor Eintritt der Verjährung direkt oder analog heranzieht oder ob man stattdessen lieber auf dolo petit qui petit quod statim redditurus est zurückgreift. Auch für eine umfangsmäßige Begrenzung des Anspruchs auf die Höhe des Schadensersatzanspruchs lassen sich dem Wortlaut der Vorschrift übrigens keinerlei Anhaltspunkte entnehmen. Vielmehr deutet die Formulierung des Gesetzes ganz darauf hin, daß der Gläubiger die volle Bereicherung des Schuldners abschöpfen kann. 486

Den Entscheidungen des Reichsgerichts läßt sich eine diesbezügliche Einschränkung nicht entnehmen, vgl. etwa R G JW1935,512 Nr. 6; R G H R R 1 9 3 5 Nr. 669, doch wird auch nicht mitgeteilt, daß der Schadensersatzanspruch nicht verjährt sei. 487 Zu §478 BGB etwa Palandt 57 -P«izo, §478 BGB Rn.3; zu §821 etwa Palandt 5 7 -Thomas, §821 BGB Rn. 1 m.w.N.; zu §853 statt aller MünchKomm 3 -5tem, § 853 BGB R n . l .

§ 4 Ausgleich weiterer

bb) Aussage der

Reststörungen

181

Gesetzesmaterialien

Wie den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch deutlich entnommen werden kann, ging der Gesetzgeber bei Schaffung der Vorschrift wie selbstverständlich davon aus, daß jedes Delikt - auch das bloß fahrlässige - eine Kondiktion des Verletzervorteils begründen soll.488 Daraus, sowie aus Äußerungen, wonach die Deliktskondiktion der condictio ob turpem causam sehr nahe stehe sowie daß sich nicht einmal der bloß fahrlässig handelnde Täter auf Wegfall der Bereicherung solle berufen dürfen, 489 läßt sich schließen, daß eine entsprechende Einschränkung des Anspruchs keinesfalls beabsichtigt war. cc) Teleologische

Interpretation

Zur herrschenden Auffassung will aber vor allem die ratio legis nicht passen, die der Bundesgerichtshof zutreffend darin gesehen hat, daß derjenige, der durch eine unerlaubte Handlung einen anderen geschädigt und dadurch sein eigenes Vermögen vermehrt hat, nicht im Genuß dieses unrechtmäßig erlangten Vorteils bleiben darf. Diese Überlegung, die sich teilweise mit dem Präventionsprinzip überschneidet, müßte eigentlich unabhängig davon gelten, ob der entsprechende Schadensersatzanspruch verjährt ist oder nicht. Damit ist also davon auszugehen, daß nach der ursprünglichen gesetzlichen Konzeption der Bereicherungsanspruch weder vom Eintritt der Verjährung des Schadensersatzanspruchs abhängig noch - was daraus logisch folgt - der Höhe nach auf diesen beschränkt sein sollte.490 b) Gelockertes

Unmittelbarkeitskriterium?

Was sodann die Frage betrifft, ob der Vorteil des Schädigers unmittelbar aus dem Vermögen des Verletzten stammen muß oder nicht, so deutet die Formulierung „auf Kosten", die mit der Formulierung von § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB übereinstimmt, darauf hin, daß keine anderen Grundsätze gelten können als bei der allgemeinen Eingriffskondiktion. Daß die Deliktskondiktion sich diesbezüglich von der allgemeinen Eingriffskondiktion oder der condictio ob turpem 488 Es heißt dort ausdrücklich: „Die kurze Verjährung läßt die auf anderen Gründen als der Beschädigung durch das Delikt beruhenden Anprüche unberührt. Der § 720 hebt dies in Ansehung des Kondiktionsanspruches, wenn durch das Delikt nicht nur ein Schaden gestiftet, sondern der Thäter auch bereichert ist, hervor, indem zugleich der Kondiktionsanspruch inhaltlich geregelt wird." (Motive II, S.743); die Protokolle sind hierzu unergiebig, vgl. die Behandlung am Rande in Protokolle II, S. 611. 489 Motive, a.a.O.. 490 Allerdings wird auch nach dieser ursprünglichen Konzeption davon auszugehen sein, daß die Grundsätze des §254 BGB mindestens entsprechend zur Anwendung gelangen. Denn es kann nicht angehen, daß derjenige, dessen Schadensersatzanspruch wegen eigener Mitverursachung erheblich zu kürzen wäre, dieser Kürzung dadurch entgeht, daß er den Schadensersatzanspruch verjähren läßt und stattdessen mit der Deliktskondiktion vorgeht.

182

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

causam irgendwie unterscheiden würde, ist auch den Materialien nicht zu entnehmen. Im Gegenteil kann aus der Sorgfalt, die man in den Motiven auf die Frage verwendet hat, ob sich der Schuldner einer Deliktskondiktion auf §818 Abs. 3 BGB berufen könne, 491 geschlossen werden, daß man mögliche Unterschiede zu den Kondiktionen der §§ 812ff. BGB sehr wohl reflektiert hat. Wenn der Bundesgerichtshof deswegen einen lockereren Maßstab anlegen will, weil der Bereicherung bei § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB „nicht der Makel des schuldhaft begangenen Unrechts gegenüber einem geschützten Rechtsgut" anhafte, so ist dies deswegen nicht überzeugend, weil er dann folgerichtig auch bei der allgemeinen Eingriffskondiktion den Maßstab je nach der konkret vorliegenden Schuld bzw. Gesinnung des Empfängers variieren müßte. c) Bedeutung für die vorliegende

Untersuchung

Für die vorliegende Untersuchung bedeutet das Gesagte, daß der Aussagegehalt, welcher der Vorschrift von der heute herrschenden Meinung zugeschrieben wird, sich in Wahrheit als Produkt richterlicher Rechtsfortbildung darstellt. Das gilt sowohl, was die Lockerung des Unmittelbarkeitserfordernisses in Verjährungsfällen betrifft, als auch vor allem für die Auffassung, wonach der Bereicherungsanspruch nach Entstehungszeitpunkt und Höhe vom verjährten Schadensersatzanspruch abhängig sein soll. 3. Verwirklichung des Statikgedankens Weil §852 Abs. 3 BGB unmittelbar den Ausgleich von Reststörungen regelt, muß untersucht werden, ob und gegebenenfalls welche Bedeutung dem für die Verifizierung oder Falsifizierung der Ausgangsthese zukommt. Erforderlich ist hierzu eine Vorteil-Nachteil-Analyse für beide in Frage kommenden Konstellationen, also sowohl für den Fall, daß der Schadensersatzanspruch verjährt ist, als auch für den Fall, daß er weiterhin durchsetzbar ist. a) Zusätzlicher Reststörungsausgleich

bei Verjährung

In der zentralen Entscheidung des Bundesgerichtshofs, in der er seine These vom gelockerten Unmittelbarkeitserfordernis aufgestellt hat, hatte ein Patentinhaber durch eine unberechtigt ausgesprochene Verwarnung erhebliche Vorteile erlangt, weil dadurch potentielle Lizenznehmer des Verwarnten zum Verwarnenden abgewandert waren. Dem Verwarnten war dadurch zugleich ein entsprechender Gewinn entgangen. 492 Nun war allerdings der Schadensersatz41,1

Motive II, S. 743/744. Siehe den in B G H Z 71,86ff. mitgeteilten Sachverhalt; der Anwendungsbereich der objektiven Schadensberechnung war nicht eröffnet, weil es nicht um die Verletzung eines Patents 492

ging-

§ 4 Ausgleich weiterer

Reststörungen

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ansprach auf Ersatz des entgangenen Gewinns usw. verjährt. Auch ein Anspruch aus Eingriffskondiktion führte nicht weiter, weil die Vorteile unmittelbar nur aus der Vermögenssphäre Dritter, nämlich der Lizenznehmer stammten. Der Bundesgerichtshof sah sich somit vor der Situation, daß dem Restvorteil des Verletzers in Höhe des vollen Verletzergewinns nicht nur der „gewisse" Restnachteil des Verletzten gegenüberstand, der aufgrund des wesensmäßig diffusen Schädigungspotentials derartiger Handlungen anzunehmen ist, sondern auch noch der konkret bezifferbare Nachteil in der Gestalt des nachgewiesenen, aber nicht mehr ersatzfähigen Gewinnausfalls, Marktverwirrungsschadens usw. Betrachtet man diese Situation unter dem Gesichtspunkt des Statikgedankens, dann wird deutlich, daß sich korrespondierende Reststörungen gegenüberstehen. Das ist natürlich sehr oft der Fall, wenn ein Anspruch verjährt ist, ohne daß deswegen die Verjährungsvorschriften im Wege des Statikgedankens umgangen werden dürften. Jedoch erlaubt § 852 Abs. 3 BGB nun einmal ausdrücklich einen Ausgleich auch nach Eintritt der Verjährung, soweit dadurch nur der Verletzervorteil abgeschöpft wird, so daß ein ergänzender Wertausgleich ausnahmsweise in Betracht gezogen werden darf. Daß der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung ein Bedürfnis nach Ausgleich empfand, lag offenbar daran, daß es besonders anstößig erschienen wäre, hätte der Verletzer einen konkreten Vorteil, der Verletzte dagegen einen konkreten Nachteil aus dem Geschehen davongetragen. Das ist nichts anderes als eine Formulierung des Statikgedankens, und die einzige Möglichkeit, diese Wertung durchzusetzen, bestand in einer Manipulation am Kriterium der Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung. b) Ablehnung einer allgemeinen

Gewinnhaftung

Ließe man die Deliktskondiktion von vorneherein zu und gewährte man mit ihr den gesamten Verletzergewinn, dann würde das bedeuten, daß Restvorteile des Verletzers bei gesetzlichen Schadensersatzansprüchen einer generellen Ausgleichspflicht unterlägen. Insbesondere wäre eine solche Ausgleichspflicht unabhängig von einem etwaigen Restnachteil des Verletzten, weil ein solcher nur unter besonderen Umständen angenommen werden kann, wie sie etwa bei den meisten Wettbewerbsverletzungen gegeben sind. Diese Konsequenz, die aus dem oben dargelegten Auslegungsergebnis gezogen werden müßte, wagt jedoch ersichtlich niemand zu ziehen. So kann insbesondere den Ausführungen von Caemmerers, der für die Zurückdrängung des § 852 Abs. 3 BGB hauptverantwortlich sein dürfte, deutlich eine gewisse Ergebnisorientierung entnommen werden. Denn letztlich stützt er seine Position vor allem darauf, daß die hier vertretene und auch schon vom Reichsgericht zugrundegelegte Deutung der Vorschrift „von allergrößter Tragweite" wäre, und daß

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Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

er nicht glaube, daß das richtig sei.493 Dies wiederum stützt er auf eine rechtsvergleichende Untersuchung sowie darauf, daß die bewirkte Ausweitung der Bereicherungshaftung auf Eingriffe in wettbewerbsrechtlich geschützte Positionen und das Recht am Gewerbebetrieb ihm weder praktikabel noch sachgerecht erscheine. 494 c) Bedeutung für die vorliegende

Betrachtung

Die Vermutung, daß der Statikgedanke nicht nur positiv einen Reststörungsausgleich zu begründen vermag, sondern daß auch gleichsam negativ ein solcher ausgeschlossen wird, wo die Voraussetzungen des Statikgedankens nicht erfüllt sind, dürfte sich angesichts der doppelten Modifizierung, die § 852 Abs. 3 BGB durch die Rechtsprechung erfahren hat, bestätigt finden. Das bedeutet zugleich, daß das immer wieder erhobene Postulat der Gewinnhaftung, wonach niemand aus dem widerrechtlichen Eingriff in ein fremdes Recht Gewinn ziehen dürfe, 495 kein systemtragendes Prinzip des deutschen Rechts darstellt. Aus a l e a t o r i scher Sicht läßt sich dies dahingehend auf den Punkt bringen, daß durch eine reine Abschöpfung von Verletzergewinnen, denen kein entsprechender Restnachteil des Verletzten gegenübersteht, die im betrachteten System auftretenden Reststörungen insgesamt nicht verringert werden.

493 von Caemmerer, in: Festschrift Rabel I (1954), S. 333 [394f.]; paradigmatisch auch die folgenorientierte Argumentation bei Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 2 3 I V 6 [S. 740]: „§ 852 III BGB bleibt also in seiner Konfliktsträchtigkeit im Verhältnis zum System des Bereicherungsrechts noch hinter den regulären Ansprüchen aus den §§823ff. BGB zurück. Folglich besteht kein Anlaß, von seinem Verständnis als Rechtsfolgenverweisung abzurükken." 494 von Caemmerer, a.a.O., S.396ff. 495 Fritz Schulz, AcP 105 (1909), 1 [443]; Kellmann, Gewinnhaftung, u.a. auf S. 16.; Moser, Die Herausgabe des widerrechtlich erzielten Gewinns (1940), S. 8ff.; Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung in der Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, (1964) S. 24.

§ 5 Schadensersatz als Reststörungsausgleich Während bislang der Frage nachgegangen wurde, inwieweit Reststörungen, die nach Erfüllung eines primären Schadensersatzanspruchs auftreten, einem ergänzenden Ausgleichsmechanismus unterliegen, gelten die folgenden Untersuchungen Schadensersatzansprüchen, die als Subansprüche in ein umfassenderes Ausgleichsschuldverhältnis eingegliedert sind, mithin also selbst dem Ausgleich von Reststörungen dienen. Das betrifft Ansprüche mit Aufopferungscharakter, also Tatbestände wie § 904 Satz 2 oder § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Als Subansprüche müssen sie deswegen bezeichnet werden, weil sie von Bestehen und Erfüllung eines übergeordneten Ausgleichsanspruchs abhängig sind, der allerdings ausnahmsweise nicht auf Leistung, sondern auf Duldung gerichtet ist.

I. Überblick

über die

Haftungstatbestände

Ihren Schwerpunkt haben derartige Ansprüche zweifellos im Bereich des öffentlichen Rechts, wo sie als Anspruch auf Enteignungsentschädigung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG bzw. von Spezialvorschriften in den einschlägigen Gesetzen, als Anspruch auf Entschädigung wegen enteignenden oder enteignungsgleichen Eingriffs oder als Anspruch wegen Aufopferung für das gemeine Wohl auftreten. 496 Entsprechend der thematischen Beschränkung der Arbeit auf das Privatrecht sollen diese Ansprüche indessen hier ausgespart werden und soll sich die Untersuchung auf die genuin privatrechtlichen Ansprüche aufopferungsrechtlichen Charakters beschränken. Diese sind dadurch gekennzeichnet, daß in einer Interessenkollision die Interessen des einen Privaten den höherrangigen oder im Einzelfall gewichtigeren Interessen eines anderen Privaten zu weichen haben, mithin also „aufgeopfert" werden, daß dieses Sonderopfer aber nur gegen eine finanzielle Entschädigung zugemutet wird.

496

Siehe zu den einzelnen Ansprüchen eingehend Ossenbiihl, Staatshaftungsrecht (1998), S. 124ff., S. 145ff., S.214ff., S.269ff.

186

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

1. Aufopferungshaftung im engeren Sinn Die erste Gruppe von Haftungstatbeständen, die es hier zu erwähnen gilt, kann unter die Oberbezeichnung der „Aufopferungshaftung im engeren Sinn" zusammengefaßt werden. 497 Dabei handelt es sich um Fälle, in denen das Gesetz in außergewöhnlichen Situationen mit Rücksicht auf das überwiegende Interesse eines anderen einen Eingriff in ein gegen jedermann geschütztes Recht gestattet und dem Berechtigten eine Duldungspflicht auferlegt bzw. ihm normalerweise gegebene Abwehrbefugnisse versagt. Der praktisch und dogmatisch wichtigste Tatbestand ist dabei der Ersatzanspruch gemäß §904 Satz 2 BGB beim Angriffsnotstand. 498 a) Der Anspruch aus §904 Satz 2 BGB Anders als der Anspruch aus § 228 Satz 2 BGB beim Verteidigungsnotstand und der aus § 229 BGB beim Putativnotstand, die Fälle echter Schadensersatzhaftung darstellen, ist der Anspruch des Duldungspflichtigen aus § 904 Satz 2 BGB beim Angriffsnotstand wesensmäßig ein Aufopferungsanspruch. Er gibt demjenigen Eigentümer einen Entschädigungsanspruch, der die Einwirkung auf seine Sache zu dulden hat, weil die Einwirkung zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr notwendig und der drohende Schaden gegenüber dem aus der Einwirkung dem Eigentümer entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist. Obgleich das Gesetz nur vom „Eigentümer" spricht, wendet die herrschende Meinung die Vorschrift zutreffenderweise auch sinngemäß zugunsten des Besitzers sowie jedes dinglich Berechtigten an, soweit der Schaden gerade diesen trifft. 499 Probleme hat die Vorschrift bislang in erster Linie dadurch verursacht, daß sie eine offene Normlücke aufweist, indem der Passivlegitimierte nicht genannt wird.500 Die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur wollen den Anspruch gegen den Einwirkenden gehen lassen.501 Sie nehmen eine Ausnahme an, wenn der Einwirkende nur auf Weisung des letztlich Begünstigten handelte, 502 doch ist darin eine echte Ausnahme nicht zu sehen, weil in diesen Fällen die Handlung dem Hintermann zugerechnet werden kann und insofern er als Einwirkender anzuse497

Die Bezeichnung als „Eingriffshaftung", so Konzen, Aufopferung im Zivilrecht (1969), S. 30, ist irreführend, weil in Zusammenhang mit dem Streit über die Passivlegitimation bei § 904 Satz 2 BGB die Theorien der „Eingriffshaftung" und der „Begünstigtenhaftung" unterschieden werden, vgl. etwa Staudinger I3 -Sei7er, §904 BGB Rn.55 m.w.N. 498 Zusammenstellung der einzelnen Anspruchsgrundlagen etwa bei Spyridiakis, in: Festgabe Sontis (1977), 241 [242f.]. 499 MünchKomm 3 -5äci:er, § 904 BGB Rn.15. 500 Es handelt sich dabei nach Canaris um eine sogenannte „Rechtsverweigerungslücke", vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz (1983), S. 141. 501 R G Z 113, 301 [303]; B G H Z 6, 102 [105f.]; Palandt 51 -Bassenge, §904 B G B Rn.5; RGRK 1 2 -/l«g«sim, § 904 BGB Rn.9; Soergel 12 -Bimr, § 904 BGB Rn.23; Erman 9 -Hagen, §904 BGB Rn.8; Baur/Stürner, Sachenrecht (1998), §25 III 1 c) [S.245f.]. 502 R G Z 113, 301 [303]; B G H Z 6,102 [105f.].

§ 5 Schadensersatz

als

Reststörungsausgleich

187

hen ist.503 Eine beachtliche Gegenansicht im Schrifttum sieht demgegenüber den von der Notstandshandlung Begünstigten als Passivlegitimierten an.504 Teilweise wird auch von einer gesamtschuldnerischen Haftung des Eingreifenden und des Begünstigten ausgegangen. 505 Die Ansicht, die denjenigen haften lassen will, zu dessen Vorteil die Notstandshandlung letztlich erfolgt, beruft sich vor allem auf den Charakter der Aufopferungshaftung als Begünstigtenhaftung. 506 Der Streit um den Passivlegitimierten muß an dieser Stelle nicht endgültig entschieden werden. Der zuletzt genannten Theorie ist uneingeschränkt zuzugestehen, daß ein einleuchtender Haftungsgrund nur insoweit besteht, als man ihn in der Aufopferung der Eigentümerinteressen für die konkret gewichtigeren Interessen eines anderen erblickt, der durch diese Aufopferung begünstigt wird.507 Indessen hat schon Fritz Baur treffend erkannt, daß nicht notwendigerweise ausschließlich derjenige als Begünstigter anzusehen ist, in dessen Interesse die Notstandshandlung erfolgt, sondern ebenso derjenige, der die Notstandshandlung vollzieht: Er ist es schließlich, der ganz ausnahmsweise in die ansonsten absolut geschützte Rechtssphäre eines anderen eingreifen „darf", d.h. demgegenüber die Ansprüche aus §§862,1004 BGB versagt werden, die dem Duldungspflichtigen normalerweise zustehen. 508 Die Frage hat daher richtigerweise nicht zu lauten, ob der Eingreifende oder der Begünstigte haftet, sondern vielmehr, ob der „materiell Begünstigte" oder der „formell Begünstigte" haftet. 509 Wird die Frage in dieser Form gestellt, dann ist es nicht mehr ein grundsätzliches dogmatisches Argument, das für die eine oder andere Lösung spricht, sondern sind es eher rechtspolitische Argumente bzw. solche der Praktikabilität. Was diesbezüglich bislang in die Diskussion eingebracht wurde, führt zu keinem eindeutigen Ergebnis, weil die meisten Argumente ambivalent sind. So läßt sich etwa dasjenige der leichteren Ermittelbarkeit für eine Haftung des Eingreifenden anführen, 510 aber ebenso für eine Haftung des Begünstigten, sobald man etwa den Fall betrachtet, daß bei einem Unfall ein später nicht mehr zu ermittelnder Nothelfer spontan eingesprungen ist. Ähnliches gilt für das Argument mit der Gesetzgebungsgeschichte, weil man einerseits die Tatsache, daß ursprüng503

Zutreffend MünchKomm 3 -Säcto\ §904 BGB Rn.16. LarenzJCanaris, Schuldrecht II/2, §85 I 1 b) [S.655]; Canaris, NJW 1964, 1987 [1993]; ders., J Z 1971, 399; MünchKomm3-SäcA:e/-, §904 BGB Rn.17; Kraffert, AcP 165 (1965), 453 [461]; Hubmann, J Z 1958,489 [493]; ders., AcP 155 (1955), 85 [131 Fn. 191]; Horn, J Z 1960,350 [352]; Konzen, Aufopferung im Zivilrecht (1969), S. 108ff. 505 Manfred Wolf, Sachenrecht (1997), Rn.253, Pawlowski, Allgemeiner Teil des BGB Rn.859; Wieling, Sachenrecht I, §8 II 2 c) [S.267], 506 Besonders deutlich Hubmann, J Z 1958,489 [493]: „... es ist zu bedenken, daß der Aufopferungsanspruch in einer Vorteilsausgleichung besteht."; zu den einzelnen Argumenten statt aller LarenzJCanaris, Schuldrecht II/2, §85 I 1 b) [S.655], 507 Siehe statt aller die Diskussion bei Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, S. 108ff. 508 Heute Baur/Stürner, Sachenrecht, §25 III 1 c) [S.246], 509 Im Kern zutreffend erkannt von Kraffert, AcP 165 (1965), 453 [456ff.]. 510 So beispielsweise von Palandt-Bassenge, §904 B G B Rn.5. 504

188

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

lieh immer von einer Haftung des Eingreifenden die Rede war, 511 dafür ins Feld führen kann, daß dies auch heute noch so sei, oder auch einen Gegenschluß ziehen kann. D e n Ausschlag hat m. E. letztlich die Überlegung zu geben, daß es rechtspolitisch unbefriedigend erschiene, den altruistisch handelnden Nothelfer heranzuziehen, weil man dadurch die Neigung Dritter, in Notfällen einzugreifen, nicht gerade fördern würde. 512 Aus diesem G r u n d erscheint in der Tat die Haftung durch den materiell Begünstigten als die bessere Lösung. b) Weitere

Haftungstatbestände

Einzelne Tatbestände einer Aufopferungshaftung im engeren Sinn finden sich auch in §§ 867 Satz 2,962 Satz 3,1005 B G B zugunsten des Grundstückseigentümers, der die Aufsuchung und Wegschaffung einer Sache bzw. eines Bienenschwarms durch den Besitzer bzw. Eigentümer zu dulden hat, und ebenso in § 912 Abs. 2 B G B beim entschuldigten Ü b e r b a u sowie in § 917 Abs. 2 B G B beim zu duldenden Notweg. Probleme hinsichtlich des Passivlegitimierten ergeben sich hier nicht, weil Begünstigter und Eingreifender typischerweise identisch sind. Umstritten ist, ob darüber hinaus dem § 904 B G B ein allgemeines Rechtsprinzip entnommen werden kann, daß für Schäden Unbeteiligter, die diese wegen höherrangiger privatrechtlicher Interessen hinnehmen müssen, Ersatz zu leisten sei.513 Richtigerweise ist dies zu verneinen, weil das geltende Recht mit gutem G r u n d Eingriffe in absolut geschützte Rechte Dritter nur ausnahmsweise gestattet. In den von der Rechtsprechung behandelten Fällen ging es letztlich meist um höherrangige Interessen der Allgemeinheit, 514 mithin um Konstellationen, in denen auch Entschädigungsansprüche öffentlichrechtlicher Art grundsätzlich in Betracht zu ziehen gewesen wären und nur aufgrund der im Einzelfall gegebenen privatwirtschaftlichen Organisationsform des unmittelbar Handelnden einem bürgerlichrechtlichen Anspruch zu weichen hatten. 515 Allerdings ist eine analoge Anwendung der Vorschrift in den Fällen rechtfertigenden und entschuldigenden Notstands gemäß §§34, 35 StGB geboten. 516 511

Siehe Protokolle II S. 247ff., 280ff. Zutreffend Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, S. 111 m.w.N. 513 So MünchKomm'-Sacfter, §904 BGB Rn.24; Hubmann, AcP 155 (1955), 85 [129f.]; ders., J Z 1958, 489 [490ff.]; Spyridiakis, in: Festgabe Sontis (1977), 241 [247f£]; Hemsen, Der allgemeine bürgerlichrechtliche Aufopferungsanspruch (1961), S.97ff.; dagegen dezidiert Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, S. 152ff.; Staudinger 13 -S«7er, § 904 BGB Rn. 46. 514 Siehe etwa B G H Z 48, 98 [101] zur Belästigung durch Bau einer Autobahn; B G H Z 60, 119 [122f.] zur Verlegung von Hochspannungsleitungen. 515 Siehe etwa B G H Z 60,119 [121/122]: „Die Beklagte erfüllt zwar mit der Stromversorgung der Bevölkerung eine der öffentlichen Daseinsvorsorge zuzurechnende Aufgabe. Sie ist jedoch eine juristische Person des privaten Rechts und nimmt ihre Aufgabe ausschließlich mit den Mitteln des Privatrechts wahr.... Die Grundlage für einen Entschädigungsanspruch der Kläger kann mithin allein im bürgerlichen Recht gefunden werden." 516 Statt aller LarenzJCanaris, Schuldrecht II/2, § 8512 [S. 656] sowie § 8 5 I V 1 [S. 668] m.w.N. 512

§ 5 Schadensersatz als

Reststörungsausgleich

189

2. N a c h b a r r e c h t l i c h e Ausgleichsansprüche Die zweite G r u p p e von Haftungstatbeständen, die es im vorliegenden Zusammenhang zu erörtern gilt, ist diejenige der nachbarrechtlichen Ausgleichsansprüche im weiteren Sinne. Von den oben skizzierten Tatbeständen unterscheiden sie sich vor allem dadurch, daß hier nicht einem einzelnen ein unvorhersehbares Sonderopfer abverlangt wird, sondern daß eine allgemeine Abwägung der möglicherweise kollidierenden Interessen von Grundstücksnachbarn getroffen wird, wobei diese Abwägung gelegentlich zu dem Ergebnis führen kann, daß den Interessen des einen Nachbarn ein deutliches Übergewicht gegenüber den Interessen des anderen zukommt. a) Der Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB D e r wichtigste Tatbestand, der - wenn auch erst vergleichsweise spät - im Bürgerlichen Gesetzbuch selbst normiert wurde, ist hier der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Danach hat der Eigentümer eines Grundstücks die Z u f ü h r u n g von Imponderabilien von einem Nachbargrundstück, die eine wesentliche Beeinträchtigung seines Grundeigentums darstellen, zu dulden, sofern die Z u f ü h r u n g auf einer ortsüblichen Benutzung des Nachbargrundstücks beruht und nicht durch M a ß n a h m e n verhindert werden kann, die Benutzern der betreffenden Art wirtschaftlich zugemutet werden dürfen. Wird durch diese Duldung die ortsübliche Benutzung des Grundeigentums oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt, dann kann der Eigentümer diesbezüglich Ausgleich in Geld verlangen. Es entspricht dabei heute herrschender Auffassung, daß - über den Wortlaut der Vorschrift hinaus aktivlegitimiert nicht nur der Eigentümer eines Grundstücks sein kann, sondern auch der aufgrund dinglichen oder schuldrechtlichen Nutzungsrechts Berechtigte. 517 Passivlegitimiert, d.h. „Benutzer" im rechtlichen Sinn, ist richtigerweise nicht unbedingt der tatsächlich Handelnde, sondern derjenige, der über die Nutzungsart des Grundstücks bestimmen kann, also etwa bei einer Baustelle nicht der Bauunternehmer, sondern der Bauherr. 518 D e r Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 B G B gilt nur für Beeinträchtigungen, welche die Substanz oder Nutzung eines Grundstücks betreffen, nicht dagegen grundsätzlich für Beschädigungen beweglicher Sachen. 519

517

B G H Z 30,273 [280]; MünchKomm 3 -Säcfer, § 906BGB Rn. 134; Staudinger 12 -#oi/i, §906 BGB Rn. 97; R G R K n - A u g u s t i n , §906 BGB Rn.84. 518 MünchKomm 3 -5äcfcer, §906 BGB Rn.134; B G H Z 72, 289 [297]; B G H NJW 1966, 42 (nicht Bauunternehmer); unklar B G H M D R 1968,912; NJW 1982,440; NJW 1991,1671 [1673]; Staudinger 1 '-Roth, §906 BGB Rn.231; der Sache nach gleich - trotz abweichender Formulierung - SoergeF-Baur, §906 BGB Rn.100; RGRK 12 -/liigii«;>i. §906 B G B Rn.85. 519 Vgl. etwa B G H Z 92,143 [145f.]; B G H J Z 1984,1106; sehr kritisch dazu Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §85 II 6 [S.663f.].

190

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

b) Anspruch gemäß § 14 Satz 2

im gesetzlichen

Schadensrecht

BImSchG

Soweit weder eine bloß unwesentliche Beeinträchtigung vorliegt, die gemäß §906 Abs. 1 BGB ausgleichslos hinzunehmen ist, noch eine wesentliche, aber ortsübliche Beeinträchtigung, die bereits gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ausgeglichen wird,520 können sich weitergehende Duldungs- und Ausgleichspflichten aus § 14 BImSchG ergeben. 521 Gemäß § 14 Satz 1 BImSchG kann aufgrund privatrechtlicher und nicht auf besonderen Titeln beruhender Ansprüche nicht die Einstellung des Betriebs einer Anlage verlangt werden, deren Genehmigung unanfechtbar ist. Stattdessen können nur Vorkehrungen verlangt werden, die die benachteiligenden Wirkungen ausschließen. Soweit solche Vorkehrungen nach dem Stand der Technik nicht durchführbar oder wirtschaftlich nicht vertretbar sind, gewährt § 14 Satz 2 BGB dem Duldungspflichtigen einen Schadensersatzanspruch. Der Anwendungsbereich der Vorschrift wird durch entsprechende Verweisungen in §§ 11 LuftVG, 7 Abs.6 A t G erweitert. 522 c) Allgemeiner nachbarrechtlicher

Ausgleichsanspruch

Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung kommt eine analoge Anwendung der §§906 Abs.2 Satz 2 BGB, 14 Satz 2 BImSchG in Betracht, wenn eine unzumutbare, nicht ortsübliche Beeinträchtigung eines Grundstücks vorliegt und der davon betroffene Eigentümer aus rechtlichen oder faktischen Gründen gehindert ist, diese Einwirkungen gemäß § 1004 Abs. 1 BGB zu unterbinden. 523 Ein solcher Hinderungsgrund kann beispielsweise in einer über § 906 BGB hinausgehenden Duldungspflicht aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis liegen524 oder in der mangelnden Erkennbarkeit der schädlichen Auswirkung.525 Es muß sich dabei nicht um Feinimmissionen im Sinne von § 906 BGB handeln. Vielmehr kommt ein allgemeiner nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch auch in Betracht bei Grobimmissionen, 526 bei Vertiefungsschäden, 527 bei der Behinderung des Kontakts nach außen 528 und ähnlichen Konstellationen. 529

520 Zu diesem Subsidiaritätsverhältnis etwa Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §85 II 3 [S. 661]; P a l a n d t - B a s s e n g e , §906 BGB Rn.37; Engelhardt/Schlicht, § 14 BImSchG Rn.5, jeweils m.w.N. 521 Das gilt allerdings nur, soweit nicht bereits § 10 Abs. 3 Satz 3 BImSchG zu einem Ausschluß von Ansprüchen führt. 522 Eine ähnliche Vorschrift enthält auch § 11 Abs. 2 WHG. 523 Eingehend Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §85 III [S.664ff.]. 524 B G H Z 28, 225 [230]; 58,149 [158ff.]; 68, 350 [353f.]; B G H NJW 1987,2808 [2810], 525 B G H NJW 1990, 3195 [3196], 526 B G H Z 48,149 [159]; 111,158 [162], 527 B G H Z 72, 289 [292]; 85, 375 [384], 528 Zu einem solchen Fall B G H Z 62, 361 [366f.]. 529 Siehe etwa B G H Z 90, 250 [262f.] (Zuführung von Herbiziden); 110,17 [23] (Tiefennutzung); B G H NJW 1990, 3195 [3196] (Unterwanderung durch Baumwurzeln).

§ 5 Schadensersatz

als

Reststörungsausgleich

II. Betrachtung aus allokatorischer

191

Sicht

Was die allokatorische Analyse der privatrechtlichen Aufopferungsansprüche anbelangt, so ist eine wichtige Weichenstellung die eingangs vorgenommene Qualifizierung als Subansprüche, d.h. die Erkenntnis, daß Aufopferungsansprüche funktionell in ein anderes Ausgleichsschuldverhältnis eingebunden sind, das durch einen Duldungsanspruch als Primäranspruch charakerisiert ist. Diese Qualifizierung verlangt zunächst nach einer näheren Untermauerung. Sodann ist aus allokatorischer Sicht wiederum zu prüfen, ob Aufopferungsansprüche den Regeln des Realausgleichs oder des Wertausgleichs folgen sowie ob und inwieweit sie eine Verwirklichung des Statikgedankens darstellen, also der Verifizierung oder Falsifizierung der Ausgangsthese dienen.

1. Primäranspruch oder Subanspruch? Die Qualifizierung der Aufopferungsansprüche als bloße Subansprüche ist nicht selbstverständlich. Vielmehr ist bei unbefangener Lektüre des Gesetzes mindestens auch die konkurrierende Deutung möglich, wonach es sich um ganz „normale" gesetzliche Schadensersatzansprüche handele, und liegt die Begründungslast gleichsam bei dem, der eine andere Deutung behauptet. Im folgenden sollen beide Sichtweisen kurz erläutert und soll sodann begründet werden, warum ich die Deutung als Subansprüche für die zutreffende halte. a) Deutung als

Subanspruch

Aufopferungsansprüche lassen sich als Subansprüche deuten, die in das umfassendere Ausgleichsschuldverhältnis integriert sind, das durch den Duldungsanspruch gebildet wird. Daß ein Duldungsanspruch als Primäranspruch in Betracht kommt, erhellt daraus, daß der Anspruch auf Duldung eines Eingriffs bzw. einer Einwirkung einem Anspruch auf Leistung durchaus vergleichbar ist, mag diese nun in der Zurverfügungstellung einer Sache zu Rettungszwecken wie bei § 904 Satz 1 BGB, zu Nutzungszwecken wie bei §§ 867 Satz 1,912 Abs. 1, 917 Abs. 1 Satz 1 BGB oder aber zu „Entsorgungszwecken" wie bei §§906 Abs. 2 Satz 2 BGB, 14 Satz 2 BImSchG bestehen. Der Unterschied zu einem echten Leistungsanspruch besteht lediglich darin, daß der Schuldner an der Erfüllung des Anspruchs nicht aktiv mitzuwirken braucht. Dieser „passive Leistungsanspruch" indiziert eine Verteilungsstörung, die so lange vorliegt, wie das Objekt der Duldungspflicht noch nicht in den Dienst des höherrangigen Interesses gestellt ist. Zur Verdeutlichung führe man sich das Schulbeispiel vor Augen, daß jemand, um einen Brand in einem vollbesetzten Zug zu löschen, rasch den Mantel eines Mitreisenden über den Brandherd wirft und so das Feuer erstickt: Während der kurzen Zeit zwischen Entstehen der In-

192

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

teressenkollision und dem Zugriff auf den Mantel bestand eine Verteilungsstörung insofern, als der Mantel noch nicht dem höherrangigen Zweck, nämlich der Rettung von Leib und Leben der Passagiere zugeführt war, sondern noch seinem Eigentümer zu Bekleidungszwecken diente. Diese Verteilungsstörung ist durch die Wegnahme des Mantels - mithin also durch „Erfüllung" des Duldungsanspruchs - reguliert worden. b) Deutung als

Primäranspruch

Der Qualifizierung privatrechtlicher Aufopferungsansprüche als Subansprüche zum übergeordneten Duldungsanspruch läßt sich die These entgegensetzen, daß diese Ansprüche lediglich das „eigentlich" gegebene Abwehrrecht des Eigentümers oder sonstigen Berechtigten, das sich normalerweise aus §1004 Abs. 1 BGB ergibt, fortsetzten. Damit würden sie aus allokatorischer Sicht letztlich mit deliktischen Schadenseratzansprüchen auf einer Stufe stehen und wären wie diese als Primäransprüche zu qualifizieren. Der einzige Unterschied bestünde darin, daß es im Deliktsrecht um rechtswidrige, im Recht der Aufopferungsansprüche hingegen um recht mäßige Eingriffe geht. So wird denn auch immer wieder erwähnt, es handele sich bei den fraglichen Anspruchsgrundlagen um Rechtsfortsetzungsansprüche. 530 c)

Stellungnahme

Die Diskrepanz zwischen beiden Deutungen läßt sich dahingehend auf den Punkt bringen, daß einmal der Duldungsbefehl als „Innenschranke" des Eigentums usw., das andere Mal dagegen als dessen „Außenschranke" erscheint. 531 Es geht hier also gleichsam darum, ob das Gesetz dem Zugriff auf die Rechtsposition des Duldungspflichtigen als akzeptable Lösung einer Interessenkollision oder als inakzeptablen Störfall qualifiziert. Dabei sprechen meiner Ansicht nach die besseren Argumente für die Deutung als Innenschranke des Eigentums. Für das Vorliegen einer Innenschranke spricht zunächst, daß den Duldungsansprüchen letztlich der Gedanke der Sozialpflichtigkeit des Privateigentums zugrundeliegt, der mit Art. 14 Abs. 2 G G verfassungsrechtlich untermauert ist und gleichsam das Paradigma einer Innenschranke repräsentiert. Das ist nahezu evident bei den nachbarrechtlichen Duldungspflichten, die sich namentlich aus der Umgebungsgebundenheit des Grundeigentums heraus erklären, gilt jedoch ebenso für die Duldungspflichten bei der hier so genannten Aufopferungshaftung im engeren Sinn, also etwa beim Angriffsnotstand. 530

Besonders dezidiert hinsichtlich des Anspruchs aus § 14 Satz 2 BImSchG sowie des allgemeinen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs Staudinger 12 -Ro//i, §906 BGB Rn.234, 241; der Sache nach für den Anspruch aus § 904 Satz 2 BGB auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §85 I I a ) [S. 655]. 531 Den Hinweis hierauf verdanke ich einer Anregung von Canaris.

§ 5 Schadensersatz als

Reststörungsausgleich

193

Für das Vorliegen einer Innenschranke spricht aber ferner auch der Gedanke von der Folgerichtigkeit der Rechtsordnung. Denn einer der Gründe dafür, daß auch das Zivilrecht klar zwischen gerechtfertigten und bloß entschuldigten Eingriffen trennt, ist doch, daß die erstgenannten gerade nicht in Widerspruch mit einer fremden Rechtsposition treten. Sie sind also rechtmäßig im doppelten Sinne des Wortes, d.h. sie befinden sich sowohl im Einklang mit dem objektiven Recht als auch mit subjektiven Rechten anderer. Dementsprechend hebt § 1004 Abs. 2 BGB noch einmal ausdrücklich hervor, daß ein Unterlassungsanspruch, in dem sich die Abwehrfunktion des Eigentumsrechts manifestiert, nie existiert hat. Wollte man auch rechtmäßige Beeinträchtigungen als Außenschranken gelten lassen, würde man schließlich die Differenzierung zwischen Außen- und Innenschranken des Eigentums sofort wieder in Frage stellen: Die Pflicht, Passanten an meinem Grundstück vorüber gehen zu lassen, und die Pflicht, ihnen zum Zwecke der Rettung eines Unfallopfers auch das Betreten des Grundstücks zu gestatten, unterscheiden sich letztlich nur durch die statistische Häufigkeit, mit der sie akut werden. Die erstgenannte Pflicht stellt aber doch wohl ganz eindeutig eine Innenschranke meines Eigentums dar, wenn dieser Begriff überhaupt einen Anwendungsbereich haben soll.

2. Qualifizierung als Reststörungsausgleich Da nach der hier zugrundegelegten Deutung die anspruchsauslösende Verteilungsstörung durch die auftretende lnieicssenkollision, d.h. die Notstandslage usw. hervorgerufen wird, ist Soll-Verteilung des Anspruchs der Zustand, der bei Hinwegdenken dieser Interessenkollision bestünde. Ferner muß nicht näher ausgeführt werden, daß Duldungsansprüche der betreffenden Art Ausprägungen reinen Realausgleichs darstellen, weil sie zur Duldung der Einwirkung auf ein ganz bestimmtes Rechtsgut verpflichten. Damit aber steht zugleich fest, was in bezug auf den primären Duldungsanspruch als Restvorteil oder Restnachteil eines Beteiligten anzusehen ist: Gefragt werden muß, ob sich nach erfolgter Duldung - also nach „Erfüllung" des Duldungsanspruchs im Wege des Realausgleichs - zugunsten oder zulasten eines Beteiligten eine positive oder negative Vermögensdifferenz ergibt. a) Identifizierung

der

Reststörungen

Es liegt auf der Hand, daß der Duldungsverpflichtete einen Restnachteil dadurch erleiden kann, daß die in Anspruch genommene Sache zerstört oder beschädigt wird oder in sonstiger Weise an Wert verliert, und ebenso dadurch, daß sie ihm während der Zeit der Inanspruchnahme durch den Begünstigten vorenthalten bleibt. Was nun diesen Begünstigten anbelangt, so dürfte es ebenso ver-

194

Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im gesetzlichen

Schadensrecht

gleichsweise offensichtlich sein, daß er aus dem ganzen Geschehen einen Restvorteil davonträgt. Dieser Restvorteil ist darin zu sehen, daß die Duldung der Förderung seines Zuständigkeits- und Interessenbereichs dient. 532 Selbst wenn im Einzelfall eine positive rechnerische Vermögensdifferenz auf seiner Seite fehlen sollte, m u ß er sich dennoch daran festhalten lassen, daß er eine fremde Rechtssphäre für sich in Anspruch genommen hat und daß diese Inanspruchnahme ihren Preis hat, der mit dem Wert der Unkosten anzusetzen ist, die dem Duldungspflichtigen entstanden sind; insofern ist die Lage derjenigen bei den Rechtsverfolgungskosten vergleichbar und kann nach oben verwiesen werden. 533 b) Verwirklichung des

Statikgedankens

Ist einmal der Verlust des Duldungspflichtigen als Restnachteil identifiziert und die Förderung der Interessen des Begünstigten als Restvorteil, dann ist es nur ein kleicher Schritt zu der Erkenntnis, daß es sich bei den entsprechenden Entschädigungsansprüchen um Mechanismen eines Reststörungsausgleichs handelt und daß diese Mechanismen den Statikgedanken in reiner Form verwirklichen. D e n n zum Ausgleich wird hier nichts anderes gebracht als die korrespondierenden Reststörungen. Aus diesem Grund können die privatrechtlichen Aufopferungsansprüche unmittelbar als Bestätigung für die Geltung des eingangs postulierten Statikprinzips herangezogen werden. D a ß der spezifische Gerechtigkeitsgehalt der Aufopferungsansprüche auf einer Vorteil-NachteilAnalyse beruht, ist denn auch ganz unbestritten und kommt in Bezeichnungen wie „Begünstigtenhaftung" sinnfällig zum Ausdruck. 534 3. Stimmigkeitskontrolle: A u s p r ä g u n g r e i n e n Wertausgleichs Es drängt sich ein gewisser Anfangsverdacht auf, daß es sich bei den genannten Ansprüchen nicht - wie bei schadensrechtlichen Primäransprüchen - um Ausprägungen eines Realausgleichs, sondern vielmehr um Ausprägungen eines reinen Wertausgleichs handelt. Dieser Anfangsverdacht wird gestärkt durch vereinzelt anzutreffende Äußerungen, wonach es sich bei der Entschädigung nicht 532 Das gilt auch dann, wenn der Rettungsversuch usw. fehlschlägt, hierzu zutreffend Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, S. 115: „Bei erfolglosem Rettungsversuch ist nun eine Vermögenswerte Begünstigung nicht greifbar. Im Gegenteil, der Träger des gefährdeten Rechtsguts hat nun einen doppelten Schaden: den Verlust seines Rechtsguts und den auf ihn abwälzbaren Vermögensnachteil des Eigentümers. Dennoch besteht auch hier eine Begünstigung insoweit, als der Eingriff in seinem Interesse erfolgt ist." 533 Zur Parallelproblematik bei den Rechtsverfolgungskosten oben, §4 I 2 b) aa) [S. 159]. 534 Siehe nur etwa die Ausführungen von Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, S. 19,110,115; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 V 1 a) [S. 670] („Begünstigtenhaftung"); Hubmann, AcP 155 (1955), 85 [129/130]; ders., J Z 1958, 489 [493] („Vorteilsausgleichung").

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um Schadensersatz im engeren Sinne, sondern um bloßen Billigkeitsausgleich handele 535 oder wonach die entsprechenden Ansprüche nicht zum Ziel hätten, einen geschehenen Eingriff ungeschehen zu machen. 536 Eine Heranziehung der üblichen Kriterien, die der Identifizierung des Ausgleichstypus dienen, bestätigt das und dient damit zugleich einer Stimmigkeitskontrolle, ob die oben gefundenen Ergebnisse den allokatorischen Stellenwert der Aufopferungshaftung zutreffend wiedergeben. a) Ausschluß der

Naturalrestitution

Für das Vorliegen eines reinen Wertausgleichs spricht zunächst, daß eine Verpflichtung des Begünstigten zur Naturalrestitution nicht anzunehmen ist. Soweit sich der Ausschluß der Naturalrestitution bereits aus dem Gesetz ergibt, so namentlich bei §§ 906 Abs. 2 Satz 2,912 Abs. 2 Satz 1,917 Abs. 2 Satz 1 BGB, bedarf dies keiner näheren Begründung. In den verbleibenden Fällen wäre nach dem Gesetzeswortlaut die Verpflichtung des Schuldners zur Herstellung in natura dagegen denkbar und auch keinesfalls unsinnig, weil Herstellung in natura ja nicht Einstellung bzw. Unterlassung der Beeinträchtigung, sondern die gegenständliche Beseitigung der Folgeerscheinungen bedeuten würde: So hätte danach der Anlagenbetreiber, dessen chemische Immissionen das Kupferdach des Nachbarn zerstören, diesem ein gleichwertiges Dach herstellen zu lassen, oder hätte der Notstandshelfer im obengenannten Beispiel dem Mitreisenden einen identischen Mantel zu kaufen. 537 Daß dieses Ergebnis Unbehagen hinterläßt, dürfte daran liegen, daß der Entzug des konkreten Gegenstands ja gerade vom Gesetz gebilligt und ausdrücklich für rechtmäßig erklärt wird. Soweit ersichtlich, ist eine Verpflichtung zur Naturalrestitution von der Rechtsprechung bislang auch nicht angenommen worden. b) Abhängigkeit

von Wertungen im Einzelfall

Während die Frage, ob der Duldungspflichtige Naturalrestitution verlangen kann, kaum praktische Relevanz besitzt, ist es bei den einzelnen Haftungstatbeständen außerordentlich umstritten, ob der Höhe nach voller Schadensersatz im 535

Staudinger 12 -Äo//i, § 906 BGB Rn.226. So Spieß, JuS 1980, 100 [103], 537 In diesem Sinne in der Tat Ule/Laubinger-Storosi, § 14 BImSchG Rn. D26, doch erweckt die Darstellung den Eindruck, daß nur unkritisch der allgemeine Regelungsgehalt der §§ 249ff. BGB wiedergegeben wird. Es bedarf keiner Erwähnung, daß Naturalrestitution nach allgemeinen Regeln gefordert werden kann, wenn der Geschädigte deliktische Schadensersatzansprüche geltend macht, die bei Verschulden des Eingreifenden mit Ansprüchen aus Aufopferungshaftung konkurrieren können, so etwa wenn derjenige, dessen Fußball auf dem Nachbargrundstück gelandet ist, infolge seiner Fahrlässigkeit die Blumen des Nachbarn zerstört; in diesem Fall stehen dem Eigentümer sowohl Rechte aus § 867 Satz 2 BGB als auch aus § 823 Abs. 1 B G B zu. 536

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Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

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Sinne der §§ 249ff. BGB verlangt werden kann oder aber bloß ein angemessener Ausgleich, dessen Höhe sich nach den im konkreten Einzelfall maßgeblichen Wertungen bestimmt. Die beiden Punkte hängen allerdings insofern zusammen, als sich für die Vertreter der Ansicht, wonach nur angemessener Ausgleich geschuldet ist, auch die Frage nach der Naturalrestitution erübrigt. Die Entscheidung für die eine oder die andere Lösung ist für die Identifizierung des Ausgleichstypus von maßgeblicher Bedeutung. aa) Der Meinungsstreit zu §906 Abs. 2 Satz 2 BGB Der Streit hat sich vor allem auf § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB konzentriert, weil das Gesetz dort ausdrücklich nicht von „Schadensersatz", sondern von „angemessenem Ausgleich in Geld" spricht. 538 Die Rechtsprechung hat daraus stets die Konsequenz gezogen, daß nicht voller Schadensersatz, sondern nur ein billiger Ausgleich in Anlehnung an die Grundsätze verlangt werden könne, wie sie bei der Enteignungsentschädigung gelten. 539 Das bedeutet zunächst, daß jeweils eine Abwägung aller im Einzelfall maßgeblichen Umstände zu erfolgen habe. 540 Je nach den konkreten Umständen könne auch ein Ausgleich in voller Höhe eines Schadensersatzanspruchs angemessen sein, also einschließlich etwaiger Folgeschäden. 541 Richtwert sei jedoch grundsätzlich bei gewerblich genutzten Grundstücken der Ertragsverlust, der gerade auf demjenigen Teil der Beeinträchtigung beruht, der das noch zumutbare Maß übersteigt, nicht hingegen die hypothetische Vermögensentwicklung des Eigentümers unter Einschluß entgangenen Gewinns usw.542 Dabei komme es ganz generell nicht auf den objektiven Verkehrswert von Grundstücken an, sondern auf deren Nutzwert. 543 Der Auffassung der Rechtsprechung ist ein Teil der Literatur gefolgt. 544 Die Gegenansicht tritt demgegenüber für einen vollen Ersatz des entstandenen Schadens ein, also vor allem einschließlich individueller Nutzungs- und Verwertungsabsichten des Beeinträchtigten. 545 538 Umfassend zum Meinungsstreit Petersen, Duldungspflicht und Umwelthaftung (1996), S.48ff. 539 Ständige Rechtsprechung, vgl. B G H Z 48, 98 [105]; 49, 148 [155]; 62, 361 [371]; 58, 159 [160]; 85,375 [386]; 90,255 [263]; I I I , 158 [167]; O L G Hamm ZMR1992,194 [196]; B G H NJWR R 1988,1291 [1292], 540 B G H Z 48, 98 [105]; 49,148 [155], 541 B G H Z 58,159 [160], 542 B G H Z 62,361 [371] unter Verweis auf B G H Z 57,359 [368f.]; B G H NJW-RR 1988,1291 [1292]; B G H LM Nr. 18, Blatt 2 (zu §26 G e w O a.F.). 543 Hierzu näher Kleindienst, Der privatrechtliche Immissionsschutz nach §906 BGB (1964), S.52f. 544 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 1 b) [S. 657]; Petersen, Duldungspflicht und Umwelthaftung, S.51f.; Kleindienst, Der privatrechtliche Immissionsschutz nach §906 BGB, S.51ff.; Erman 9 -Hagen, § 9 0 6 B G B Rn.26; S o e r g e F - ß a u r , § 9 0 6 B G B Rn. 109; RGRK"-/l(ig«stin, §906 BGB Rn.80; unentschlossen Bälz, J Z 1992, 57 [58], 545 Jauernig, J Z 1986, 605 [612]; MünchKoinm '-Äic/ier. §906 BGB Rn.135; Palandt 57 -Sfli-

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Der herrschenden Meinung, die lediglich einen angemessenen Ausgleich gewährt, der sich am Nutzungsverlust durch Überschreiten der Zumutbarkeitsgrenze orientiert und dessen Höhe aufgrund einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalls korrigiert werden kann, ist zuzustimmen. Sie hat nicht nur den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes auf ihrer Seite, sondern berücksichtigt auch, daß die Beeinträchtigung dem Grundstück des Betroffenen als „umgebungsbedingt" mitzuzurechnen ist546 und sorgt überdies für die gebotene Harmonisierung mit den Grundsätzen über die Entschädigung wegen Enteignung, enteignungsgleichem und enteignendem Eingriff sowie Aufopferung für das gemeine Wohl: Ob ein bürgerlichrechtlicher oder ein öffentlichrechtlicher Entschädigungsanspruch geltendgemacht wird, hängt nämlich in der Realität oft nur von der mehr oder weniger zufälligen Organisationsform des im öffentlichen Interesse Handelnden ab; es sollte aber für den Betroffenen keinen Unterschied machen, ob eine emittierende Müllverwertungsanlage durch die Gemeinde selbst oder durch eine von der Gemeinde beauftragte GmbH betrieben wird. Das Gegenargument von der teleologisch gebotenen Harmonisierung mit Ansprüchen gemäß §§ 14 BImSchG, 11 LuftVG, 7 Abs. 6 AtG 547 überzeugt nicht, weil ja umgekehrt eine Angleichung dieser Ansprüche an die Enteignungsgrundsätze näherläge.548 Aus einem ähnlichen Grund überzeugt auch nicht das Argument mit der Gesetzgebungsgeschichte, wonach die Gesetzesverfasser zunächst die Formulierung „Schadensersatz" wählen wollten, jedoch der irrigen Annahme unterlagen, daß dann ein umfassender Vorteilsausgleich nicht möglich wäre:549 Auch der Begriff des „Schadensersatzes" ist keinesfalls eindeutig und kann sich - wie etwa der Anspruch aus §§ 989,990 BGB anschaulich vor Augen führt 550 durchaus einmal auf den Entziehungsschaden beschränken. Abzulehnen ist schließlich auch die Argumentation, wonach es sich überhaupt nicht um einen senge, § 906 BGB Rn. 33. Dabei ist anzumerken, daß die Gegenpositionen teilweise aneinander vorbeireden. Wenn etwa Säcker, der als einer der Hauptvertreter der Schadensersatztheorie gilt, Ersatz des vollen Schadens definiert als den Differenzbetrag zwischen dem tatsächlichen und dem hypothetischen Nutzungswert, den das Grundstück hätte, wenn die Duldungsgrenze nicht überschritten worden wäre (MünchKomm 3 -Säcfcer, §906 B G B Rn. 135), wird nicht ganz klar, ob überhaupt eine Divergenz auch der Sache nach besteht. Keinen nennenswerten Unterschied zwischen beiden Entschädigungsformen sieht denn auch Spieß, JuS 1980,100 [103]. 546 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §85 II 1 b) [S. 657]. 547 MünchKomm 3 -5äcfcef, §906 BGB Rn.135. 548 Erwogen von Bälz, J Z 1992, 57 [58], 549 Hierzu eingehend Jauernig, J Z 1986, 605 [611], 550 Nach herrschender Meinung ist nach § 989 BGB nur der Substanzschaden unter Einschluß des gerade durch den endgültigen Verlust der Sachsubstanz entgehenden Gewinns zu ersetzen, vgl. B G H NJW-RR 1993, 626 [628]; VaimAi51-Bassenge, § 989 BGB Rn.2; Staudinge r U - G u r s k y , §989 BGB Rn.21; ders., J Z 1997, 1154 [1158]; aus rechtsvergleichender Sicht Kaehler, Bereicherungsrecht und Vindikation, S. 147 Fn. 506; noch weitergehend für Beschränkung auf den reinen Substanzwert Westermann/Pinger, Sachenrecht 1,6. Auflage 1990, § 32 IV 2 a) [S.217]; anders dagegen, d.h. für vollen Ersatz Wieling, M D R 1972, 645 [646/647]; Klaus Müller, Sachenrecht, Rn.542.

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Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

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Aufopferungsanspruch handele, weil die Duldungspflicht nicht höherer Interessen wegen, sondern nur deshalb angeordnet werde, weil der Immittent keine zumutbaren und geeigneten Schutzmaßnahmen ergreifen kann: 551 Das höhere Interesse liegt nämlich in der Ermöglichung der ortsüblichen Benutzung. bb) Die übrigen Fälle Auch was die übrigen Haftungstatbestände betrifft, ist Einigkeit nicht zu erzielen. So wird etwa beim Ersatzanspruch aus § 904 Satz 2 B G B sowohl eine volle Einstandspflicht für Substanz- und Folgeschäden angenommen, 5 5 2 als auch wiederum ein nur angemessener Ausgleich. 553 Ähnliches gilt für den allgemeinen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch, 554 während man sich für den Anspruch aus § 14 Satz 2 BImSchG vorwiegend für vollen Schadensersatz ausspricht. 555 D e n Vorzug verdient auch hier - t r o t z der gesetzlichen Formulierung „Schadensersatz" - wiederum eine flexible Lösung unter Anlehnung an die Grundsätze der Enteignungsentschädigung, wonach ja bei einer entsprechenden Wertungslage auch voller Schadensersatz angemessen sein kann. 556 D e n n die entsprechenden Duldungspflichten des Eigentümers sind Ausfluß der Sozialbindung seines Eigentums. Auch der gewährte Nachteilsausgleich hat sich daher streng auf den Nutzwert des Eigentums zu beziehen, während besondere Folgeschäden, die gerade in der Person des konkret Betroffenen entstehen, allenfalls bei der vorzunehmenden Abwägung aller Umstände einfließen können. Anderenfalls würde die vom Gesetz scharf gezogene Grenze zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Beeinträchtigungen verwischt, und etwa der Betreiber einer Anlage, deren Genehmigung bestandskräftig ist, wie ein deliktischer Schädiger behandelt; dem widerspräche das G e b o t der Folgerichtigkeit der Gesamtrechts551 Jauernig, J Z 1986, 605 [611]; zweifelnd auch Petersen, Duldungspflicht und Umwelthaftung, S.47. 552 B G H Z 36,217 [221 f.] (primär zu § 2 Abs. 3 TeleWG ergangen, aber auf § 904 BGB Bezug genommen); MünchKomm 3 -5äcfcer, § 904 BGB Rn.24; Staudinger 13 -Se:fe/-, § 904 B G B Rn.41. 553 O L G Freiburg J Z 1951, 223 [226]; Erman 9 -Hagen, §904 B G B Rn.8. 554 Für vollen Schadensersatz Staudinger 12 -Roth, § 906 BGB Rn. 234; Jauernig, J Z 1986,605 [611 Fn. 94]; für angemessenen Ausgleich nach den Grundsätzen über die Enteignungsentschädigung RGRK 1 2 -A«g!iiim, §906 BGB Rn.71; Hagen, WM 1984, 677 [680]; Schuck, BB 1965, 341 [343]; ders., D B 1968, 2115 [2117]; differenzierend Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §85 III 2 c) [S. 667/668], 555 So O L G Frankfurt bei: Ule/Laubinger § 14 Nr.4 [B1.2]; O L G Köln bei: Ule/Laubinger § 14 Nr.8 [B1.4]; Ule/Laubinger-.Sforavi, § 14 BImSchG Rn. D 26; Stich/Porger, § 14 BImSchG Rn.21 ; Jarass1, § 14 BImSchG Rn.27; GcmKominBImSchG-«o/>Mge/, § 14 BImSchG Rn.83; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §85 II 3 [S.661]; Staudinger 12 -Äoi/i, §906 BGB Rn.234; anders allerdings AltKomm-Wnter, §906 BGB Rn.32. 556 Hierzu B G H Z 58,159 [160]; das dürfte dann auch übereinstimmen mit dem Ergebnis von Petersen, Duldungspflicht und Umwelthaftung, S.58: „Das steht im übrigen im Einklang mit der Gewährung .voller Schadloshaltung' ... die die Rechtsprechung in den Fällen der ungeschriebenen Duldungspflicht zuspricht."

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Ordnung. Was § 14 Satz 2 BImSchG betrifft, ist ferner zu beachten, daß der Anspruch auf „Schadensersatz" inhaltlich nicht weiter gehen kann als der Anspruch auf entsprechende Vorkehrungen, d.h. insoweit, als der Schaden auch durch eine zivilrechtlich gerade noch zulässige Einwirkung entstehen würde, kann er von der Ersatzpflicht nicht umfaßt sein.557 c) Beachtlichkeit von Reserveursachen

usw.

Es ist auffällig, daß im Zusammenhang mit Aufopferungsansprüchen in der Regel eine volle Beachtlichkeit von Reserveursachen befürwortet wird. Das betrifft zunächst den Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, 558 vor allem aber den Anspruch aus § 904 Satz 2 BGB, wo dies teilweise mit der „Sondernatur" dieses Haftungstatbestands begründet wird,559 teilweise auch damit, daß man die Sachverhalte den „Anlage-Fällen" zuweist.560 Es drängt sich der Verdacht auf, daß diejenigen, die besonders dezidiert für eine volle Verpflichtung zum Schadensersatz eintreten, die notwendigerweise unbefriedigenden Ergebnisse durch eine exzessive Heranziehung der Grundsätze über hypothetische Kausalverläufe, Mitverschulden des Betroffenen und Vorteilsausgleichung korrigieren wollen.561 4. Bewertung der Ergebnisse Es sprechen somit die maßgeblichen Kriterien dafür, daß es sich bei den Aufopferungsansprüchen um Ausprägungen reinen Wertausgleichs handelt. Daraus folgt zugleich, daß die Bezeichnung als „Schadensersatz" durchaus doppeldeutig sein kann und nicht viel mehr zum Ausdruck bringt, als daß es um die Ausgleichung einer Einbuße geht. Das wirft auch zugleich ein neues Licht auf die Anwendbarkeit der Grundsätze über die Vorteilsausgleichung, wie sie von der herrschenden Meinung bei Ansprüchen mit Aufopferungscharakter befürwor557 Zur Beschränkung des Anspruchs auf entsprechende Vorkehrungen Jarass3, §14 BImSchG Rn. 18; Stich/Porger, § 14 BImSchG Rn. 15. 558 MünchKomm 3 -SäcA:er, § 906 B G B Rn. 135; Palandt 5 7 -ßa«engi' §906 B G B Rn.33. 559 O L G Stuttgart NJW1949,585: „Es widerspräche dem Sinn des § 904 BGB, dem Eigentümer, dem seine Sache sowieso verlorengegangen wäre, deshalb einen Ersatz zu verschaffen, weil ein anderer sie vorher noch zur Abwendung eines Notstands in einer von der Rechtsordnung gebilligten Weise benutzte."; MünchKomm 3 -5acA:er, § 904 B G B Rn. 15: „Diese Einschränkung rechtfertigt sich aus der Sondernatur des § 904 als Haftung für rechtmäßiges Verhalten"; für eine volle Berücksichtigung auch Staudinger 1 X-Seufert, §904 B G B Rn.29 m.w.N. 560 R G Z 156, 187 [191 f.] (Grundstück wäre infolge seiner Lage ohnehin überschwemmt worden); O L G Stuttgart NJW 1949,585 (rechtswidrig benutzte Zugmaschine wäre von Besatzungsmacht beschlagnahmt worden); ganz generell hält die Grundsätze zu den Anlagefällen für einschlägig Staudinger 13 -Se;7er, §904 BGB Rn.41; ähnlich auch Baur/Stürner, Sachenrecht, §25 H i l f . ) [S. 246f.]. 561 Siehe vor allem die Argumentationslinie von Münch Kamm^-Säcker, § 906 BGB Rn. 135; Palandt 57 -Bassenge, § 906 BGB, Rn.33.

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Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im gesetzlichen

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tet wird:562 Es handelt sich dabei nicht um Vorteilsausgleichung im technischen Sinn, also um die Ergänzung eines Realausgleichs durch einen nachgeschalteten, korrigierenden Wertausgleich, sondern um die flexible Berücksichtigung aller positiven und negativen vermögensmäßigen Auswirkungen im Rahmen eines einheitlichen Wertausgleichs. Ob überhaupt von „Restvorteilen" gesprochen werden kann, ist eine Frage der terminologischen Übereinkunft.

562 Siehe nur B G H NJW 1992, 2884; Palandt 57 -Heinrichs, vor §249 BGB Rn.124; MünchKomm 3 -Grunsky, vor §249 BGB Rn. 112c; Lange, Schadensersatz, §9 XII [S.531].

Zusammenfassung des Zweiten Kapitels Entgegen der gängigen Darstellungsweise, wonach der Inhalt von Schadensersatzansprüchen im wesentlichen einheitlichen Grundsätzen folgen soll, ist aus allokatorischer Sicht von vorneherein zwischen primären Schadensersatzansprüchen, sekundären Schadensersatzansprüchen und auf Schadensersatz gerichteten Subansprüchen zu unterscheiden. Zu den primären Schadensersatzansprüchen gehören etwa alle deliktischen Ansprüche, weil sie nicht von einem anderen Ausgleichsanspruch abhängig sind und mit Auftreten einer Verteilungsstörung originär entstehen. Demgegenüber tritt etwa der Anspruch aus §§989, 990 Abs. 1 BGB nur an die Stelle der verlorenen Vindikation und ist daher als Sekundäranspruch zu qualifizieren, der dem Vindikationsrecht zuzuordnen und daher im Vierten Kapitel zu behandeln ist. Auf Schadensersatz gerichtete Subansprüche stellen die Ansprüche aufopferungsrechtlichen Charakters dar, so etwa aus § 904 Satz 2 oder § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, weil sie in ein andersartiges Ausgleichsschuldverhältnis eingegliedert sind und dort dem Ausgleich von Reststörungen dienen. Es kann gezeigt werden, daß sie den Regeln eines reinen Wertausgleichs folgen und in ihrer Funktion als Mechanismen zum Ausgleich von Reststörungen den Statikgedanken unmittelbar verwirklichen. Sie sind trotz ihres abweichenden allokatorischen Stellenwerts bereits in diesem Kapitel behandelt worden, um den Unterschied zu den eigentlichen, d.h. primären Schadensersatzansprüchen zu verdeutlichen. Was nun diese primären Schadensersatzansprüche betrifft, so kann in Widerlegung aller gängigen Aussagen, wonach der Schaden im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs einen abstrakten Vermögenssaldo zuungunsten des Verletzten darstelle, gezeigt werden, daß sich die Rechtspraxis sowie viele allgemein anerkannte Ergebnisse allein auf der Grundlage eines realen Schadensbegriffs erklären lassen. Der Schaden im Rechtssinn stellt damit eine Störung der Realverteilung dar, die meist reflexartig auch entsprechende Konsequenzen für die Wertverteilung nach sich zieht. Ferner konnte gezeigt werden, daß sowohl Naturalrestitution als auch Geldersatz so, wie sie herkömmlicherweise gehandhabt werden, den Regeln eines reinen Realausgleichs folgen. Danach ist nach gedachter Erfüllung des Schadensersatzanspruchs auf der Seite des Verletzers grundsätzlich deswegen ein Restnachteil zu verbuchen, weil dieser wirtschaftlich schlechter steht als bei Hinwegdenken des haftungsbegründenden Ereignisses. Er kann allerdings auch einen Restvorteil erlangen,

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Zweites Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

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nämlich dann, wenn ein Verletzergewinn ausnahmsweise den zu leistenden Schadensersatz übersteigt. Von einem Restvorteil des Geschädigten kann dagegen gesprochen werden, soweit dessen Gesamtvermögen nach gedachter Erfüllung des unmodifizierten Primäranspruchs höher ist als bei Hinwegdenken des haftungsbegründenden Ereignisses. Das umfaßt zunächst alles, was unter dem Gesichtspunkt einer compensatio lucri cum damno schon herkömmlicherweise als Vorteil gewertet wird, aber auch einen etwaigen Neuwertvorteil, der erst durch die Restitution entsteht, sowie schließlich günstige Auswirkungen in gewissen Konstellationen, die man gemeinhin unter dem Schlagwort der Reserveursachen zu diskutieren pflegt. Ein Restnachteil des Geschädigten entsteht schließlich immer dann, wenn nicht alle wirtschaftlichen Nachteile, die er infolge der Verletzung erlitten hat, auf den Schädiger übergewälzt werden können. Das betrifft etwa eine selbst zu tragende Schadensquote, aber auch alle Kosten der Rechtsverfolgung, die entgegen der herrschenden Meinung nicht vom Schutzzweck schadensrechtlicher Haftungsnormen umfaßt und daher nicht als Folgeschäden, sondern allenfalls als Restnachteile auszugleichen sind. Was den Ausgleich von Restvorteilen des Geschädigten anbelangt, so hat die Untersuchung ergeben, daß die Deutung als ergänzender Reststörungsausgleich auf der Grundlage des Statikprinzips den bislang gegebenen Erklärungen überlegen wäre, sofern sich die normative Geltungskraft des Statikprinzips im Sinne eines allgemeinen Rechtsprinzips nachweisen läßt. Diese Deutung beruht darauf, daß sowohl bei der klassischen Vorteilsausgleichung als auch beim sogenannten Abzug „neu für alt" sowie bei der eingeschränkten Berücksichtigung von Reserveursachen, welche den Realausgleich zunächst unberührt gelassen haben, in Wahrheit eine Verrechnung des Restvorteils des Geschädigten mit dem Restnachteil des Schädigers stattfindet. Eine Versagung der Vorteilsausgleichung bzw. eine Nichtberücksichtigung von Reserveursachen wäre danach nur das Ergebnis einer Prinzipienkollision, d.h. das Statikprinzip wird im konkreten Fall durch das Prinzip der Privatautonomie, das Prinzip des Schutzes unbeteiligter Dritter usw. verdrängt. Auch der Ausgleich von Rechtsverfolgungskosten des Verletzten sowie der Ausgleich des Verletzergewinns, wie er im Rahmen der objektiven Schadensberechnung im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht erfolgt, können als Mechanismen eines ergänzenden Reststörungsausgleichs gedeutet werden. Ferner kann gezeigt werden, daß diesem Reststörungsausgleich jeweils Wertungen zugrundeliegen, die mit dem Statikprinzip letztlich identisch sind. Um diese Übereinstimmung zu zeigen, ist das Statikprinzip allerdings in verschiedener Hinsicht zu präzisieren und ist unter anderem die Existenz bloß vermuteter bzw. fingierter Reststörungen anzuerkennen. Die damit einhergehende Abschwächung der Überzeugungskraft, die dem Statikgedanken als Erklärungsmuster zukommt, wird jeweils dadurch kompensiert, daß auch andere Prinzipien, namentlich das Präventionsprinzip, für einen Ausgleich sprechen, der sich somit

Zusammenfassung

des Zweiten

Kapitels

203

als das Ergebnis einer Prinzipienbündelung darstellt. Unmittelbar durch das Statikprinzip läßt sich demgegenüber wieder der Regelungsgehalt erklären, der dem §852 Abs. 3 BGB im Wege richterlicher Rechtsfortbildung beigemessen worden ist.

Drittes Kapitel

Ausgleich von Reststörungen im Bereicherungsrecht Daß zwischen Schadensrecht auf der einen Seite und Bereicherungsrecht auf der anderen Seite tiefgreifende funktionelle und strukturelle Zusammenhänge bestehen, ist keine neue Erkenntnis. So ist die Deutung des Bereicherungsrechts gleichsam als spiegelbildliches Gegenstück zum Schadensrecht und vice versa inzwischen zum Schlagwort geworden1 und hat man auch Parallelen zwischen der compensatio lucri cum damno und der Betrachtung der Bereicherung als Saldo gezogen.2 Ein Rückblick auf die Probleme, die sich bei der Einordnung der Elemente des Schadensersatzanspruchs in das Allokatorische Modell gestellt haben - also namentlich auf die Fragen nach der realen oder rechnerischen Natur des Schadens sowie der gegenstandsorientierten oder vermögensorientierten Natur seines Ausgleichs - erhärtet noch den Verdacht, daß sich Querverbindungen auch unter allokatorischen Gesichtspunkten zeigen werden: Schließlich ist die Kontroverse zwischen gegenständlicher und saldierender Betrachtungsweise bislang nirgends so offen zutage getreten und hat sie auch nirgends so gravierende Konsequenzen wie im Bereicherungsrecht. 3 Inwieweit dieser Anfangsverdacht sich zu sicherer Erkenntnis verdichten läßt und inwieweit die angeblichen Gemeinsamkeiten hinsichtlich des Ausgleichs von Vorteilen und Nachteilen - in der Sprache der vorliegenden Arbeit: von Reststörungen - tatsächlich bestehen, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen. 1

Vgl. etwa Hagen, in: Festschrift Larenz (1973), S.867ff., der a.a.O., S.868 sogar von einer „Konformitätsvermutung" als Auslegungsregel spricht; ebenso Reimer, Die aufgedrängte Bereicherung (1990), S.39ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994), §67 I 1 b) [S. 128]; von Caemmerer, in: Festschrift Rabel I (1954), S.333 [334f.]; Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, S.22; Fritz Schulz, AcP 105, 1 [445]; Hans Albrecht Fischer, in: Festschrift Zitelmann (1913), S. 1 [3]; Frieser, Der Bereicherungswegfall in Parallele zur hypothetischen Schadensentwicklung (1987), S. 29ff. 2 Grundlegend R G Z 54, 137 [140f.]. Vgl. auch von Mayr, Der Bereicherungsanspruch des deutschen bürgerlichen Rechts (1903), S. 625 und Frieser, Der Bereicherungswegfall in Parallele zur hypothetischen Schadensentwicklung, S.31 m.w.N., die im Rahmen von §818 Abs. 3 BGB von „compensatio damni cum lucro" sprechen, sowie Reimer, Die aufgedrängte Bereicherung, S. 40. 3 Gemeint ist vor allem die Entwicklung vom ausschließlich wertorientierten Ansatz, der den Bereicherungsanspruch von vorneherein auf einen rechnerischen Vermögenssaldo gerichtet sah (H. A. Fischer, in: Festschrift Zitelmann (1913), S. 1 [10ff.]; Flume, in: Festschrift Niedermeyer (1953), S. 103 [153f.]), hin zum gegenstandsorientierten Ansatz, wonach im Zentrum des Bereicherungsanspruchs das Erlangte steht (von Caemmerer, in: Festschrift Rabel I (1954), S.333 [368]; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 7 1 1 1 [S.254]), die erhebliche Bedeutung für das gesamte Bereicherungsrecht hat. Darauf wird unten noch näher einzugehen sein.

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches Modell Was im folgenden unter Bereicherungshaftung verstanden werden soll, ist die in § 818 Abs. 1 bis Abs. 3 BGB geregelte, privilegierte Haftung des gutgläubigen und unverklagten Schuldners. Unter bestimmten Voraussetzungen tritt stattdessen eine verschärfte Haftung ein, nämlich bei Bösgläubigkeit des Empfängers, bei Gesetzes- oder Sittenverstoß oder in bestimmten Fällen ungewissen Erfolgseintritts, wenn der Empfänger mit seiner Herausgabepflicht von vorneherein rechnen mußte. 4 Gemäß §818 Abs. 4 BGB bedeutet das eine Haftung nach allgemeinen Vorschriften. Damit ist in erster Linie auf die §§291, 292 BGB verwiesen, welche im Falle einer Geldschuld die Pflicht des Schuldners enthalten, daß selbige zu verzinsen sei, und im Falle der Verpflichtung zur Herausgabe bestimmter Gegenstände auf die entsprechenden Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses weiterverweisen. Insofern ist es nicht ganz gerechtfertigt, mit „der" Bereicherungshaftung allein die §§812ff. BGB zu meinen, weil bedacht werden muß, daß auch die §§987ff. B G B Vorschriften enthalten, die für die Bestimmung des Anspruchsinhalts von Bedeutung sein können. 5 Im Anschluß an von Caemmerer 6 wird sogar teilweise vertreten, die verschärfte Haftung stelle den normalen Anspruchsinhalt, und §818 Abs. 3 BGB eine ausnahmsweise Privilegierung des Schuldners dar. 7 Dem ist insofern zuzustimmen, als sich herausstellen wird, daß §818 Abs. 3 BGB nicht den Inhalt des Bereicherungsanspruchs bestimmt, sondern einen nachgeschalteten Ausgleichsmechanismus darstellt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß die Haftung des gutgläubigen Empfängers den gesetzlichen Regelfall darstellt. Daher - und dies sei an dieser Stelle ausdrücklich betont - beziehen sich die folgenden Ausführungen ausschließlich auf die Haftung des redlichen Bereicherungsschuldners und wird hinsichtlich des verschärft haftenden auf die Ausfüh4

Damit folgt die Darstellung der Auffassung von Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 71 III 1 b) [S.261]; Flume, NJW 1970,1161 [1163]; Medicus, JuS 1993,705; anders die Schwerpunktsetzung bei von Caemmerer, in: Festschrift Rabel I (1954), S.333 [368], wonach die verschärfte Haftung den „normalen" Anspruchsinhalt darstellen soll. 5 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, 71 II 1 c) und 2 a) [S.258f.] bezeichnet die Haftung des redlichen Bereicherungsschuldners als „Abschöpfungskondiktion", diejenige des verschärft Haftenden dagegen als „Fremdgeschäftsführungs- und Fremdnutzungskondiktion". 6 von Caemmerer, in: Festschrift Rabel I (1954), S.333 [368], 7 So B G H Z 5 5 , 1 2 8 [135]; Lorenz, Schuldrecht II (12. Auflage 1981), §70 II [S. 576]; MünchKomm3-Li'e£>, § 818 BGB Rn.49.

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

207

rungen verwiesen, die im Vierten Kapitel zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis gemacht werden.

I. Das Wesen der ungerechtfertigten

Bereicherung

Jede Fragestellung nach dem Wesen der Bereicherung im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs setzt sich sofort dem Vorwurf aus, einem Rückfall in angeblich überholtes Einheitsdenken verfallen zu sein. Ausgehend von Wilburg8 und begründet durch die bahnbrechenden Arbeiten von Caemmerers9 hat sich nämlich die Auffassung durchgesetzt, daß Leistungs- und Nichtleistungskondiktion als zwei grundsätzlich wesensverschiedene Kondiktionstypen angesehen werden müssen.10 Dieses Trennungsdenken darf heute als herrschende Meinung angesehen werden,11 und spätere Ansätze, den Tatbestand der ungerechtfertigten Bereicherung als einen mehr oder weniger einheitlichen aufzufassen, haben sich nicht durchzusetzen vermocht.12 Im Gegenteil entspricht es einer vorherrschenden Tendenz, die Kondiktionen in immer mehr Tatbestände zu untergliedern, um damit den Besonderheiten der jeweiligen Materie gerecht zu werden.13 Ob und inwieweit eine derartige Untergliederung auch für die hier anzustellende allokatorische Betrachtung sinnvoll und erforderlich ist, wird sich zeigen.

8 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach österreichischem und deutschem Recht (1934); die Unterscheidung nach der Art des zur Bereicherung führenden Vorgangs zieht sich durch das ganze Werk. 9 von Caemmerer, in: Festschrift Rabel I (1954), S.333 [340ff.]. 10 Zum früher herrschenden Einheitsdenken vgl. Batsch, Vermögensverschiebung und Bereicherungsherausgabe in den Fällfen unbefugten Gebrauchens bzw. sonstigen Nutzens von Gegenständen (1968), S. 23ff.; Joachim Wolf, Der Stand der Bereicherungslehre und ihre Neubegründung (1980), S.3ff. 11 Siehe nur Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §67 IV 1 a) [S. 142]; Palandt 5 7 -Thomas, § 812 BGB R n . l ; Staudinger 13 -Lorenz, §812 BGB R n . l ; nrmatf-Westermann, vor §812 B G B Rn. lf., jeweils mit umfangreichen Nachweisen. 12 Zu nennen sind hier vor allem Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung als Grundlagen und Grenzen des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung (1973), S. 173ff.; ders., JuS 1973, 1 [2ff.]; Frieser, Der Bereicherungswegfall in Parallele zur hypothetischen Schadensentwicklung (1987), S.33ff.; Kaehler, Bereicherungsrecht und Vindikation (1972), S. 157f.; Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung (1969), S. 106ff.; Kupisch, in: Festschrift von Lübtow (1980), S.501 [511ff.]; ders., J Z 1985, 163ff.; Pinger, AcP 179 (1979), 301 [314ff.]; Stathopoulos, in: Festgabe Sontis (1977), S.203 [216ff.]; Reimer, Die aufgedrängte Bereicherung, S.33f.; Batsch, Vermögensverschiebung und Bereicherungsherausgabe, S.91ff.; ders., J Z 1985,163; Joachim Wolf, Der Stand der Bereicherungslehre und ihre Neubegründung, S. 153ff.; Knieper, BB 1991,1578 [1580ff.]. 13 Vgl. dazu die Untergliederung bei Larenz/Canaris, [S. 145 ff.].

Schuldrecht II/2, §§68 und 69

208

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

1. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands Die Systematik der Bereicherungsansprüche, wie sie sich im Bürgerlichen Gesetzbuch darstellt, ist unklar oder jedenfalls wenig geglückt. 14 So enthält §812 BGB einen Generaltatbestand der ungerechtfertigten Bereicherung, der sich dem Wortlaut nach bereits mindestens in zwei Tatbestandsalternativen aufspalten läßt, nämlich in die Bereicherung durch Leistung und die in sonstiger Weise. Demgegenüber stellen die Kondiktion wegen Bestehens einer dauernden Einrede gemäß §813 BGB sowie diejenige wegen verwerflichen Empfangs gemäß § 817 Satz 1 BGB nur besondere Ausprägungen der ersten Tatbestandsalternative dar, die speziellen Tatbestände des § 816 Abs. 1 und Abs. 2 BGB hingegen besondere Ausprägungen der zweiten. Bei den Kondiktionen im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB lassen sich zum einen die allgemeine Eingriffskondiktion und zum anderen die „übrigen Nichtleistungskondiktionen" unterscheiden, wobei erstere durch das Merkmal der einseitigen Usurpation fremder Rechtspositionen gekennzeichnet ist.15 Versuche, die übrigen Nichtleistungskondiktionen weiter zu strukturieren, sind dagegen regelmäßig bei einer Aufzählung der wichtigsten Fallgruppen stehengeblieben. 16 Die Durchgriffskondiktion des § 822 BGB schließlich ist keinem der vorgenannten Kondiktionstypen zuzuordnen. Auf sie soll im folgenden nicht gesondert eingegangen werden, weil sie im Grunde nur eine „Verlängerung" des ursprünglich gegebenen Kondiktionstatbestands bewirkt 17 und daher jeweils auf die Ausführungen zu den anderen Kondiktionstatbeständen verwiesen werden kann. a) Sonderstellung der

Gegenleistungskondiktion

Charakteristikum und Kernpunkt der Bereicherungshaftung im engeren Sinne ist die Vorschrift des §818 Abs. 3 BGB. Denn dadurch unterscheidet sich die Haftung des Bereicherungsschuldners maßgeblich von derjenigen anderer Herausgabeschuldner, die gewöhnlich für jedes Verschulden haften, wenn der Gegenstand nicht oder nur in verschlechtertem Zustand herausgegeben werden kann. Demgegenüber schadet es dem unverklagten und redlichen - d.h. hin14

Eiman9-Westermann, vor §812 BGB Rn.6. Grundlegend Fritz Schulz, AcP 105 (1909), 1 [u.a. 63ff.]. 16 Insbesondere dürfte der Versuch von Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung (1983), §9 [S. 371 ff.], die übrigen Nichtleistungskondiktionen unter dem Begriff der „Abschöpfungskondiktionen" zusammenzufassen und damit im Ergebnis zu einem „trichotomen Kondiktionensystem" aus Leistungs-, Eingriffs- und Abschöpfungskondiktion zu gelangen, nicht viel bringen. Denn erstens vermag das nicht darüber hinwegzutäuschen, daß auch zwischen den verbleibenden Nichtleistungskondiktionen bedeutende Unterschiede bestehen können, und zweitens ist der Begriff der „Abschöpfungskondiktion" unglücklich gewählt. Eine gewisse abschöpfende Funktion ist nämlich für alle Kondiktionen charakteristisch, doch wie sich noch zeigen wird, ist diese Funktion bei den von Reuter/Martinek so genannten „Abschöpfungskondiktionen" noch am schwächsten ausgeprägt. 17 LarenzJCanaris, Schuldrecht II/2, §69 IV 1 a) [S. 195]. 15

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

209

sichtlich des Mangels seiner Rechtsposition gutgläubigen - Bereicherungsschuldner auch nicht, wenn er etwa den Untergang des Anspruchsobjekts vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. 18 Innerer Grund dieser Privilegierung ist der Gedanke des Vertrauensschutzes, weil der gutgläubige Empfänger auf die Beständigkeit seines Erwerbs vertraut und auch vertrauen darf. 19 Allerdings ist es inzwischen anerkannt, daß die übliche Handhabung von §818 Abs. 3 BGB bei der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge zu unangemessenen Ergebnissen führt. Diese Erkenntnis hat das Reichsgericht schon 1903 zur Entwicklung der sogenannten Saldotheorie geführt, 20 die allerdings nicht unmittelbar die Vorschrift des §818 Abs. 3 BGB, sondern bereits den Begriff des Erlangten bei §812 BGB modifiziert. Dem hat sich die Literatur weitgehend entgegengestellt und eine Fülle anderer Theorien entwickelt. Auf sie braucht an dieser Stelle nicht näher eingegangen zu werden. 21 Denn jedenfalls ist mit Canaris anzunehmen, daß die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung des gegenseitigen Vertrages so viele Besonderheiten aufweist, daß es gerechtfertigt erscheint, von einem eigenständigen Kondiktionstyp der Gegenleistungskondiktion zu sprechen, 22 bei dem § 818 Abs. 3 BGB zumindest der Sache nach nur mit wesentlichen Einschränkungen und Modifikationen angewendet werden kann. Diese Modifikationen sind nur Symptome eines unterschiedlichen allokatorischen Stellenwerts, der es erforderlich macht, die Gegenleistungskondiktion nicht zusammen mit den übrigen bereicherungsrechtlichen Primäransprüchen, sondern getrennt im nächsten Kapitel der Arbeit zu behandeln. b) Sonderstellung sekundärer Bereicherungsansprüche Subansprüche

und bloßer

Nicht alle Ansprüche des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die als bereicherungsrechtliche bezeichnet zu werden pflegen, stellen echte Bereicherungsansprüche im Sinne von bereicherungsrechtlichen Primäransprüchen dar. Denn ein Primäranspruch zeichnet sich dadurch aus, daß er unabhängig von der Vorschaltung eines anderen Ausgleichsanspruchs durch eine neu eintretende Verteilungsstörung originär begründet wird. Das trifft jedenfalls im Grundsatz auf diejenigen Ansprüche zu, die sich unmittelbar aus den §§812ff. BGB ergeben, 18 Auch gegenüber der Haftung des redlichen Vindikationsschuldners, die wegen §§ 989,990 B G B ähnlich milde ausgestaltet ist, steht sich der Bereicherungsschuldner noch erheblich besser, weil ihm nach herrschender Meinung aufgrund von §818 Abs. 3 B G B ein umfassender Nachteilsausgleich zuteil werden soll, worauf noch zurückzukommen sein wird. 19 Das ist wohl ganz unbestritten, was die Enthaftung wegen verhaltensbedingten Verlusts des ursprünglich Erlangten betrifft. Hinsichtlich des zufälligen Verlusts sowie hinsichtlich der Berücksichtigung von Folgenachteilen bestehen hingegen (m. E. geringfügige) Divergenzen, vgl. hierzu näher Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 I 1 a) und b) [S.295f.]. 20 So die grundlegende Entscheidung R G Z 54,137 [141 f.], 21 Vgl. dazu näher unten, Viertes Kapitel, § 11 12 a) [S. 376ff.]. 22 Grundlegend Canaris, in: Festschrift Lorenz (1991), S. 19ff.

210

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

nicht jedoch regelmäßig etwa auf Ansprüche, die bloße Rechtsfolgenverweisungen auf das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung darstellen. Für den Aufbau der vorliegenden Untersuchung, die sich ja maßgeblich an den einzelnen Primäransprüchen orientiert und hinsichtlich dieser jeweils untersucht, ob und inwieweit in ihrem Rahmen auch Reststörungen zum Ausgleich kommen können, hat dies erhebliche Konsequenzen. aa) Vindikationsersetzende

Kondiktionen

Selbst für diejenigen Ansprüche, die unmittelbar aus den §§ 812ff. BGB folgen, trifft die Qualifikation als primäre Bereicherungsansprüche eben nur im Grundsatz zu. Dies deswegen, weil ein Teil dieser Ansprüche funktionell an die Stelle der verlorenen Vindikation tritt und damit Charaktermerkmale eines Sekundäranspruchs aufweist. 23 Solche vindikationsersetzenden Kondiktionen sind vor allem der Anspruch aus §816 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn der Nichtberechtigte auch Besitzer war, sowie der Anspruch aus §§951 Abs. 1, Satz 1, 812 BGB für den Fall, daß die Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung einem unberechtigten Besitzer als gewinnendem Teil zuzurechnen ist, also ein Fall der Eingriffskondiktion vorliegt. Denn dann hat der Anspruchsteller mit dem Eigentum auch den Anspruch aus § 985 BGB verloren, wird dafür aber mit einem Bereicherungsanspruch entschädigt. Dagegen tritt §§951 Abs. 1 Satz 1, 812 B G B immer dann nicht an die Stelle der Vindikation, wenn die Verbindung usw. dem verlierenden Teil zuzurechnen ist, weil die zurechenbare Verwendungshandlung ähnlich zu bewerten ist wie die Einräumung eines Rechts zum Besitz des gewinnenden Teils im Sinne von §986 BGB. bb) Kondiktion

als

Aufwendungsersatz

Gleichfalls eine Mittelstellung nehmen die Aufwendungskondiktionen ein. Das sind vor allem die Ansprüche aus § 684 Satz 1 sowie aus §§951 Abs. 1 Satz 1,812 BGB in seiner Funktion als Verwendungskondiktion im engeren Sinne, also für den zuletzt angesprochenen Fall, daß die Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung dem verlierenden Teil zuzurechnen ist und sich auch nicht als Leistung darstellt. 24 Vereinzelt werden rechtsgrundlos getätigte Aufwendungen auch allein vom Auffangtatbestand des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB erfaßt. Hier wird man auch die Rückgriffskondiktion einzuordnen haben, die als besondere Ausprägung einer Nichtleistungskondiktion etwa dann entsteht, wenn jemand eine fremde Schuld zum Erlöschen bringt oder eine eigene Forderung selbst erfüllt. 25 23

Zur Vindikationsersatzfunktion hier statt aller Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 I 5 a) bis d) [S.302ff.] m.w.N. sowie unten §8 II. 24 Zur Abgrenzung im einzelnen einstweilen nur MünchKomm'-L/efc, § 812 BGB Rn. 186. 25 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §69 III 2 [S. 191]; MünchKomm-Lieft, §812 BGB Rn. 186. Dagegen möchte ich die Direktdurchgriffskondiktion, also die ausnahmsweise Über-

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

211

Diese Kondiktionen stellen sich zwar auf den ersten Blick als Primäransprüche dar, übernehmen jedoch größtenteils die Funktion von bloßen Subansprüchen. Besonders deutlich wird dies dort, wo die Vorschrift des §684 Satz 1 BGB kraft Verweisung anwendbar ist, also beispielsweise in Verbindung mit §994 Abs. 2 BGB, weil dort Primäranspruch ganz offensichtlich der Herausgabeanspruch des Eigentümers aus §985 BGB ist. Beim isolierten §684 Satz 1 BGB tritt der Charakter als bloßer Subanspruch deswegen weniger klar hervor, weil auch der zugehörige Primäranspruch nur undeutlich in Erscheinung tritt. Es wird jedoch im Fünften Kapitel näher dargelegt werden, daß ein solcher Primäranspruch im Anspruch des Geschäftsherrn auf den Geschäftserfolg zu sehen ist, wie er in §§681 Satz 2, 667 BGB zum Ausdruck kommt. 26 In den übrigen Fällen der Aufwendungs- oder Verwendungskondiktion und insbesondere bei §§951 Abs. 1 Satz 1, 812 BGB fällt es auf den ersten Blick schwer, einen Primäranspruch auszumachen. Dieser liegt jedoch - zumindest dem Prinzip nach - im Anspruch des gewinnenden Teils auf das Ergebnis der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung: Ist etwa der verlierende Teil noch unberechtigt im Besitze des Produkts, könnte der gewinnende Teil gegen ihn mit der Vindikation vorgehen. Damit wird aber auch deutlich, daß hier nicht nur die Verwendungskondiktion im engeren Sinne einzuordnen ist, sondern auch alle übrigen Fälle eines Legalerwerbs, mag die bereichernde Handlung auch auf einem Naturvorgang oder auf dem Tun eines Dritten beruhen, sofern sie weder eine Leistung des verlierenden Teils darstellt noch dem gewinnenden Teil als Eingriff zuzurechnen ist.27 Daß zwischen dieser letztgenannten, sehr inhomogenen Gruppe von Nichtleistungskondiktionen einerseits und den Aufwendungskondiktionen andererseits eine tiefgreifende Wesensverwandtschaft besteht, wird bereits dadurch indiziert, daß sich nur bei diesen Kondiktionen die Frage nach Aufdrängungsschutz akut stellt.28 springung eines Gliedes in einer Leistungskette hier nicht einordnen (vgl. aber Larenz/Canaris, a.a.O., § 69 III 3 [S. 194f.], § 70 VI 4 [S. 251]). Dabei kann ich offenlassen, ob sich die Zuwendung etwa des Angewiesenen an den Anweisungsbegünstigten bei Fehlen einer zurechenbaren Anweisung mit einem „natürlichen" Leistungsbegriff adäquat erfassen läßt, vgl. hierzu MünchKomm 3 -i-/ei> § 812 B G B Rn. 51. Jedenfalls unter allokatorischen Gesichtspunkten steht die Direktdurchgriffskondiktion der Leistungskondiktion näher als der Aufwendungskondiktion, weil es bei ihr an einem übergeordneten Primäranspruch bzw. Primärrechtsverhältnis gerade fehlt. 26

Fünftes Kapitel, § 12 11 a) [S.423f.]. Zu diesen Kondiktionen vgl. MünchKomm^Lii-ö, §812 BGB Rn.190; Staudinger 13 -Lorenz, § 812 BGB Rn.28, 30. 28 von Caemmerer, in: Festschrift Rabel I (1954), S.333 [366f., 375]; MünchKomm 3 -Lie£>, § 812 BGB Rn. 186,258ff.; Goetzke, AcP 173 (1973), 289 [318]; anders allerdings Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 7 2 I V 4 a) [S. 292f.], der Bedarf nach Aufdrängungsschutz auch in Fällen sieht, in denen die Vermögensmehrung durch eine Rechtsgrundabrede gedeckt war. Indessen sehe ich hier keinen vergleichbaren Schutzbedarf gegeben: Wußte der gewinnende Teil sowohl von der Vermögensmehrung als auch vom Fehlen eines wirksamen Rechtsgrunds (etwa wenn der künftige Erwerber eines Grundstücks im Einvernehmen mit dem Veräußerer bereits im 27

212

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im

cc) Konsequenz für den Aufbau der

Bereicherungsrecht

Untersuchung

Es läge in der Konsequenz des gewählten Aufbaus, die vindikationsersetzenden Ansprüche erst weiter unten, im Zusammenhang mit §985 BGB zu behandeln. Andererseits ist aber auch deutlich geworden, daß die meisten dieser Kondiktionen nicht immer an die Stelle einer verlorenen Vindikation treten, so etwa wenn der Eingriff bei §§951 Abs. 1 Satz 1,812 BGB oder die Verfügung im Sinne von § 816 Abs. 1 BGB durch einen Nichtbesitzer erfolgt. Diese Gemengelage unterschiedlicher Funktionen, wonach sich die Ansprüche einmal als primäre, das andere Mal hingegen funktionell als sekundäre darstellen, rechtfertigt es, die vindikationsersetzenden Kondiktionen bereits in diesem Kapitel - allerdings deutlich getrennt von den echten Primäransprüchen - unter einer eigenen Überschrift zu untersuchen. Ebenso wie die vindikationsersetzenden Kondiktionen könnte man auch die Kondiktionen, die bloße Subansprüche darstellen, zusammen mit dem jeweiligen - wenigstens latent gegebenen - Primäranspruch behandeln. Die besseren Argumente dürften wiederum dafür sprechen, sie gleich im Anschluß an die bereicherungsrechtlichen Primäransprüche zu untersuchen, weil nur auf diese Weise die Eigenheiten, die auf die unterschiedliche funktionelle Stellung im Anspruchsgefüge zurückzuführen sind, unmittelbar anschaulich werden. c) Die verbleibenden

Kondiktionen

Der Gegenstand der unmittelbar folgenden Untersuchungen ist damit stark eingegrenzt. Im wesentlichen handelt es sich dabei um die allgemeine Eingriffskondiktion sowie um die isolierte, d.h. nicht in die Rückabwicklung eines synallagmatischen Vertrags eingebundene Leistungskondiktion. Was diese beiden Kondiktionstypen anbelangt, so können sie im folgenden gemeinsam behandelt werden. Das bedeutet allerdings keineswegs eine Entscheidung für die Einheitstheorie, sondern bietet sich deswegen an, weil der Gesetzgeber nun einmal die Rechtsfolgen für beide Kondiktionstypen einheitlich in §818 BGB geregelt hat. Darauf, ob isolierte Leistungskondiktion und allgemeine Eingriffskondikvoraus Baumaßnahmen einleitet, der Kauf aber scheitert), ist er m. E. nicht schutzwürdig, weil er gemäß § 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB verschärft haftet, und ebensowenig, wenn er das Scheitern des Vertrages zu vertreten hat. Sollte das Scheitern des Vertrages vom Käufer zu vertreten sein, kann der Verkäufer Gegenansprüche aus culpa in contrahendo geltendmachen. Wußte er von der Vermögensmehrung, ging er aber von einem wirksamen Rechtsgrund aus, gelten die besonderen Grundsätze über die Gegenleistungskondiktion m. E. auch dann, wenn es sich um eine bloße Nebenleistung handelte. Wußte er auch nichts von der Vermögensmehrung (etwa weil der künftige Erwerber eigenmächtig gehandelt hat), sollte man den Fall den Aufwendungskondiktionen zuordnen. Zum Aufdrängungsschutz, der durch Anwendung von §818 Abs. 3 B G B etwa bei Genuß unkörperlicher Vermögensvorteile gewährt wird, siehe unten, II 2 b) aa) [S. 228f.]. Anders auch Reimer, Die aufgedrängte Bereicherung, S. 25f. unter der Prämisse, daß der Bereicherungsvorgang für die Ausgestaltung der bereicherungsrechtlichen Haftung irrelevant sei.

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

213

tion in einem bestimmten Punkt unterschiedlich bewertet werden müssen, wird erst dort zurückzukommen sein, wo sich dies konkret anbieten sollte. 2. Bereicherung als Verteilungsstörung Der Begriff der Bereicherung wird in unterschiedlichem Sinne verwendet. 29 Gelegentlich wird schon das Erlangte als Merkmal des jeweiligen Bereicherungstatbestands so bezeichnet oder auch der Vorgang des Erlangens. 30 Meistens hingegen setzt man das tatbestandlich Erlangte und die Bereicherung zueinander eher in Gegensatz und versteht unter letzterem dasjenige, was unter Berücksichtigung von § 818 Abs. 3 BGB noch Gegenstand der Haftung bildet. 31 Verliert man diese terminologische Mehrdeutigkeit nicht aus den Augen, ist es m. E. allerdings unschädlich, auch auf tatbestandlicher Ebene von Bereicherung zu sprechen, zumal sich die These vom qualitativen Unterschied zwischen Erlangtem und Herauszugebendem ohnehin als fragwürdig erweisen wird. a) Die beiden idealtypischen

Standpunkte

Was nun ihre Einordnung in das Allokatorische Modell betrifft, so darf die Bereicherung im Sinne des Erlangten nur dann als Verteilungsstörung bezeichnet werden, wenn es gelingt, sie im wesentlichen als Differenz zwischen zwei Zuständen zu beschreiben. Dabei kann sich eine solche Beschreibung sowohl am Vermögen des Schuldners orientieren als auch am Vermögen des Gläubigers. Im Schadensrecht war es schon wegen §249 Satz 1 BGB unbezweifelbar, daß nur das Geschädigtenvermögen maßgeblich sein konnte. Die Orientierungsfrage mußte daher nicht weiter problematisiert werden. Im Bereicherungsrecht dagegen fehlt eine Klarstellung dahingehend, ob die anspruchsauslösende Störung in einem Zuviel beim Schuldner oder in einem Zuwenig beim Gläubiger bzw. in beidem zugleich zu sehen ist. aa) Schuldnerorientierung:

Abschöpfungstheorie

Das gängige Schlagwort, wonach es sich bei den §§812 bis 822 BGB um ßereicherungsrecht und nicht um £«ireicherungsrecht handele, 32 scheint darauf hinzudeuten, daß die anspruchsauslösende Störung allein im Zuviel beim Schuld29

Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §71 III 2 b) [S.262], So immer, wenn von „Bereicherung durch Leistung" oder „Bereicherung in sonstiger Weise" die Rede ist, vgl. etwa Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 6712 a) [S. 129], denn eigentlich kommt es nach dem Gesetz darauf an, ob etwas durch Leistung oder in sonstiger Weise erlangt worden ist. 31 Etwa in dem bekannten Streit, ob die Kondiktion in erster Linie auf das Erlangte oder auf die Bereicherung gehe, vgl. hierzu Flume, in: Festschrift Niedermeyer (1953), 103 [153f.]) einerseits und von Caemmerer, in: Festschrift Rabel I (1954), S.333 [368] andererseits. 32 Esser, Schuldrecht II, 4. Auflage (1971), § 104 II 1 b) [S. 370]; Larenz/Canaris, Schuldrecht 30

214

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

ner liege.33 Den Merkmalen „Leistung eines anderen" und „auf dessen Kosten" käme danach lediglich eine gewisse Bedeutung für die Feststellung zu, ob das Haben des Empfängers ein kondiktionsrechtlich relevantes ist, sowie vor allem dafür, die Person desjenigen festzulegen, zu dessen Gunsten die Umverteilung am sinnvollsten erscheint: 34 Eine staatliche Konfiskation überschüssigen Vermögens kommt schließlich nicht in Betracht. Symptomatisch für diese Haltung ist die Aussage, die Bereicherung stelle gleichsam das Spiegelbild zum Schaden im Sinne des Schadensrechts dar.35 Symptomatisch ist gleichfalls ein Hinweis auf Gesichtspunkte der Billigkeit, wie er in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowie in der Literatur vereinzelt zu finden ist36 und letztlich auf die Billigkeitstheorie des Gemeinen Rechts zurückzuführen ist.37 Man kann diese Sichtweise als schuldnerorientierte bezeichnen, weil es ihrzufolge auf die Interessen des Gläubigers eigentlich nicht ankommt. Vielmehr profitiert jener eher reflexartig von der Abschöpfung. Wer diesen Ansatz vertritt, muß in gewissen Konflikt geraten mit der Aussage der § 818 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, wonach sich die Verpflichtung des Schuldners auf Wertersatz beschränkt und er insbesondere ein darüber hinausgehendes commodum ex negotiatione behalten darf. Daher liegt es in der Konsequenz der Abschöpfungstheorie, durch Manipulationen am Wert- oder Nutzungsbegriff eine volle Gewinnherausgabe zu fordern, wenn der Schuldner das Erlangte günstig veräußert, als Betriebsmittel verwendet oder sonstwie gewinnbringend eingesetzt hat.38 Auf der anderen Seite steht aus diesem Blickwinkel heraus aber II/2, §71 I 2 b) [S. 256]; MünchKomm 3 -L/e6, §812 BGB Rn.208; Staudinger 13 -Lorenz, §812 BGB Rn.24; sinngemäß auch B G H Z 17, 236 [239]; 20, 345 [355]; 36, 232 [233], 33 So bereits Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, S.22; Fritz Schulz, AcP 105 (1909), 1 [445], 34 Die Festlegung der Parteien soll in der Tat wesentliche Funktion des sogenannten Unmittelbarkeitserfordernisses darstellen, das dem Merkmal „auf dessen Kosten" entnommen wird, vgl. B G H Z 94,160 [165] m.w.N.; implizit wohl auch B G H Z 68, 276 [278]; 99, 385 [390], 35 Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §67 11 b) [S. 128], wenngleich auch ansonsten ein anderer Ansatz verfolgt wird; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 14 I 1 [S. 516f.]; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung (1988), § 11 [S. 1]; Hagen, in: Festschrift Larenz (1973), S.867 [868].; von Tuhr, in: Festschrift Bekker (1907), S.291 [303]; H. A. Fischer, in: Festschrift Zitelmann (1913), S.l [3ff.]. 36 B G H Z 36,232 [234f.]; 55,128 [134]; 132,198 [215]; B G H WM 1978,708 [711]: „Die Bereicherungsansprüche gehören dem Billigkeitsrecht an. Sie sind dazu bestimmt, eine gerechte und billige Regelung der Vermögensverhältnisse gerade dann zu verwirklichen, wenn Gründe der Rechtslogik oder sonstige Umstände zu einem anderen Ergebnis geführt haben." In der neueren Literatur vor allem Kohler, Die gestörte Rückabwicklung gescheiterter Austauschverträge (1989), S. 124ff.; Spyridiakis, in: Festgabe Sontis (1977), S. 241 [250], der im Bereicherungsrecht eine Ausprägung der iustitia distributiva erblickt. 37 Siehe dazu sogleich unter b) aa) [S.216f.]. 38 So für die Eingriffskondiktion Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 15 II 3 b) [S.538ff.]; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, §16 II 1 a) und b) [S. 155ff.]; Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung in der Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung (1964), S. 17ff., 64ff.; ders., lucrum ex negotiatione (1993), S. lOlff.

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

215

auch nichts entgegen, die Vorschrift des § 818 Abs. 3 BGB großzügig anzuwenden, weil Abschöpfungsbedarf nur insoweit besteht, als noch eine positive Vermögensdifferenz beim Schuldner zu verbuchen ist. Oft, aber nicht notwendigerweise, geht man dabei von einem eher Vermögens- bzw. wertorientierten Bereicherungsanspruch aus und tendiert zur Einheitslehre. 39 bb) Gläubigerorientierung:

Restitutionstheorie

Was das Verständnis von den Funktionen bereicherungsrechtlicher Ansprüche betrifft, so hat in jüngerer Zeit eine Entwicklung stattgefunden, 40 wonach die Leistungskondiktion der Rückabwicklung einer zweckverfehlten Güterbewegung, die Eingriffskondiktion hingegen insoweit dem Güterschutz dienen soll, als es darum geht, dem Gläubiger Entgelt für einen Eingriff zukommen zu lassen, den er nur gegen Entgelt hätte dulden müssen. 41 Es soll sich dabei um eine eigenständige Ausgleichsfunktion zur Korrektur irregulärer Vermögenszuordnungen handeln, 42 und nicht gleichsam nur um einen Reflex der Abschöpfungsfunktion. Wer so argumentiert, der sieht die anspruchsauslösende Störung auch oder sogar in erster Linie im unerwünschten Zuwenig beim Bereicherungsgläubiger. Dieser Standpunkt kann daher als eher gläubigerorientierter bezeichnet werden. Ihn einzunehmen, bietet sich vor allem an, wenn es um die Rückgabe einer rechtsgrundlos erbrachten Leistung oder eines dem Gläubiger entzogenen Gegenstands geht. Er läßt sich aber auch bei der Vermögenswerten Nutzung fremder Rechtsgüter durchhalten, weil in der Duldung durch den Berechtigten, die normalerweise nur gegen Entgelt hätte erwartet werden dürfen, ein Vermögensfluß vom Gläubiger zum Schuldner gesehen werden kann. 43 39 Stathopoulos, in: Festgabe Sontis (1977), S. 203 [214f.] setzt der Sache nach die Kontroverse zwischen Abschöpfungs- und Restitutionstheorie sogar mit der Kontroverse zwischen Einheits- und Trennungstheorie gleich und sieht vor allem Konsequenzen für die Behandlung von Dreiecksverhältnissen; ähnlich Reimer, Die aufgedrängte Bereicherung, S.22ff. Das dürfte indessen zu weit gehen. 40 Auf ein verändertes Verständnis des Bereicherungsrechts weisen maßgeblich hin Rengier, AcP 177 (1977), 418 [421] m.w.N.; MünchKomm 3 -L/eft, §818 BGB Rn.50; Esser/Weyers, Schuldrecht II, §51 II 1 c) [S.498]; Reeb, JuS 1974, 513 [514], 41 Zu den Funktionen der Rückabwicklung einerseits und des Güterschutzes andererseits schon von Caemmerer, in: Festschrift Rabel I (1954), S. 333 [352], der sich auf die vorbereitenden Arbeiten vor allem von Wilburg und Fritz Schulz stützen konnte; heute herrschende Meinung, vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §67 I 2 b) [S. 130]. Dagegen will Bälz, in: Festschrift Gernhuber (1993), S.3 [5ff.] Leistungs- wie Eingriffskondiktion auf die „Fortwirkung" eines subjektiven Rechts stützen. 42 MünchKomm 3 -Li'e6, §818 BGB Rn.50; Flessner, Wegfall der Bereicherung (1970), S. 102f. m.w.N. 43 Wer dagegen die Betonung auf die Tatsache legt, daß im Wege des Zugriffs auf fremde Rechtsgüter neue wirtschaftliche Werte geschaffen werden, dem verbietet sich eine solche Sichtweise, und er muß zwischen den einzelnen Kondiktionstypen differenzieren, so wohl dem Grundverständnis nach Reuter/Martinek, § 14 I 3 [S.520ff.], die die Verschiedenheit der Kondiktionsarten in den Kondiktionsinhalt hinein verlängern wollen.

216

Drittes Kapitel: Ausgleich

von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

In der Konsequenz dieses Ansatzes liegt es, eine Gewinnhaftung des Schuldners zu verneinen. Denn damit würde man dem Gläubiger ja mehr geben, als er verloren hat, so daß es am Ende der Gläubiger wäre, der „grundlos" auf Kosten des Schuldners bereichert ist. Ferner muß dieser Ansatz bestrebt sein, die Vorschrift des §818 Abs. 3 BGB zurückzudrängen. Vor dem Hintergrund anderer Restitutions- bzw. Rückgabeansprüche des Bürgerlichen Gesetzbuchs - seien diese vertraglicher oder gesetzlicher Natur - erhellt nämlich, daß eine umfassende Nachteilsausgleichung zugunsten des redlichen Schuldners nicht ohne weiteres in das Bild paßt. Die Privilegierung des Bereicherungsschuldners durch § 818 Abs. 3 BGB würde sich vielmehr als „normale" Haftungsmilderung darstellen, die sich von Haftungsmilderungen bei anderen Rückgabeansprüchen - etwa der Beschränkung der Haftung des unentgeltlichen Verwahrers in § 690 BGB - nur in gradueller, nicht aber auch in qualitativer Hinsicht unterscheidet. Sie müßte möglichst eingeschränkt werden, um das Ziel des Anspruchs, dem Gläubiger das rechtsgrundlos Verlorene zurückzugeben, nicht zu unterlaufen. Wer diesen Ansatz vertritt, muß von einem eher gegenstandsorientierten Bereicherungsanspruch ausgehen und tendiert zur Trennungslehre, weil der Tatbestand, der zur Bereicherung des Schuldners geführt hat, für die Beurteilung der Schutzwürdigkeit des Gläubigers nicht irrelevant sein kann. b)

Diskussion

Beide der idealtypisch skizzierten Auffassungsweisen von Funktion und Wirkungsweise des Bereicherungsrechts sind mit der gesetzlichen Regelung in §§812ff. BGB grundsätzlich vereinbar. Beide lassen sich auch vergleichsweise reibungslos in das System des geltenden Schuldrechts einpassen: die Abschöpfungstheorie deswegen, weil sie das Bereicherungsrecht als logisches Spiegelbild zum Schadensersatzrecht begreift, und die Restitutionstheorie, weil sie in der Lage ist, das Bereicherungsrecht nahtlos in die Reihe der übrigen Herausgabeansprüche einzufügen. Für die Abschöpfungstheorie spricht zusätzlich ein historisches Argument, für die Restitutionstheorie ein funktionelles sowie ein systematisches. Die drei Argumente sollen kurz erläutert werden. aa) Das historische

Argument

Die Auffassung von der reinen Abschöpfungsfunktion des Bereicherungsrechts entsprach bereits der sogenannten Billigkeitstheorie des Gemeinen Rechts, die das Vorverständnis der Gesetzesverfasser maßgeblich bestimmt hat und wonach der Gläubiger seine Leistung usw. nur aus Gründen der Billigkeit zurückfordern dürfe. Mit anderen Worten: Der Gläubiger habe auf die einmal hingegebene Leistung „eigentlich keinen Anspruch", und die Kondiktionen räumten ihm kein vergleichbar starkes Recht ein wie andere Herausgabeansprüche, sondern gäben ihm nur aus Gründen der Billigkeit, was der Schuldner nicht haben

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

217

soll.44 Dementsprechend war man sich bei den Beratungen auch stets einig gewesen, daß - zumindest bei der Eingriffskondiktion - der Vermögensvorteil des Schuldners sich weder dem Gegenstand noch dem Umfang nach mit einem Vermögensnachteil des Gläubigers decken müsse.45 Zwar ging der historische Gesetzgeber davon aus, daß dem Vermögensvorteil des Schuldners normalerweise ein entsprechender Vermögensnachteil des Gläubigers gegenüberstehe, 46 und entsprach die „Vermögensverschiebungstheorie" dem Standpunkt von weiten Kreisen der älteren Literatur, 47 doch war es ebenso anerkannt, daß sich das Entbehren des Gläubigers nicht unbedingt in einem rechnerischen Verlust niederzuschlagen brauche und ein solcher Verlust keinesfalls zu den notwendigen Tatbestandsvoraussetzungen zähle. 48 bb) Das funktionelle

Argument

Demgegenüber kann die Restitutionstheorie für sich die praktische Bedeutung geltend machen, die vor allem der Leistungskondiktion in der heutigen Rechtswirklichkeit zukommt und die eben ganz wesentlich in der Rückabwicklung fehlgeschlagener Güterbewegungen liegt:49 Ist etwa ein Darlehensvertrag wegen Dissens nichtig, dann erscheint es gänzlich lebensfremd und der Zielrichtung des Anspruchs ganz und gar nicht angemessen, im Anspruch des Darlehensgebers auf Rückzahlung der Valuta lediglich ein Instrument zur Eliminierung unerwünschter Gewinne zu sehen: Vielmehr geht es bei natürlicher Auf44 Vgl. besonders deutlich Protokolle II, S.706: „Die Vermögensverschiebung entspreche dem Willen des Leistenden. Wenn demselben trotzdem das Recht eingeräumt werde, die Leistung zurückzufordern, so beruhe dies lediglich auf Gründen der Billigkeit." 45 So auch schon Protokolle II, S.685 passim, doch wollte man das Nähere der Rechtsprechung überlassen. 46 Vgl. Motive II, S.830: „Ist durch einen den Vermögensübergang an sich begründenden Akt das Vermögen des Einen vermindert und das Vermögen eines Anderen vermehrt und fehlt hierzu ein rechtlicher Grund, so...". Wenn für die Gegenansicht gerne Protokolle II, S.685 angeführt wird, so von B G H Z 17, 236 [239] oder Staudinger I 3 -Lorenz, §812 BGB Rn.24, dann überzeugt das nicht, weil die betreffenden Ausführungen in einem Antrag enthalten sind, der von der Mehrheit nicht angenommen wurde. 47 So etwa H. A. Fischer, in: Festschrift Zitelmann (1913), S. 1 [16]; Kress, Schuldrecht (1929), S. 368, sowie die weiteren bei Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, S. 97f., genannten Autoren. Darstellungen über den Meinungsstand auch bei Batsch, Vermögensverschiebung und Bereicherungsherausgabe, S.24ff.; Joachim Wolf, Stand der Bereicherungslehre und ihre Neubegründung, S. 16ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, §9 I 5b [S.85f.] Heute steht auf dem Boden der strengen Vermögensverschie57 bungstheorie noch Palandt - Thomas, §812 BGB Rn.32: „Der Vermögensvorteil muß zu einem entsprechenden Vermögensnachteil auf der anderen Seite führen. Dafür genügt jede wirtschaftliche Schlechterstellung." 48 Siehe hierzu die umfassende Darstellung bei Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, S.98ff. 49 Vgl. die Forderung von MünchKomm 3 -Li'e6, §818 BGB Rn.52, das Bereicherungsrecht zu einem in sich stimmigen Rückabwicklungssystem auszubauen.

218

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

fassung doch in erster Linie darum, dem Darlehensgeber das rechtsgrundlos Hingegebene wiederzugeben. Jedenfalls bei der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge hat sich die Abschöpfungstheorie als gänzlich unbrauchbar erwiesen und hat man stattdessen eine Gegenleistungskondiktion entwickelt, die jedenfalls - sofern sie mit den §§ 812ff. B G B überhaupt noch etwas gemeinsam hat nur eine Ausprägung der Restitutionstheorie sein kann. 5 0 cc) Das systematische

Argument

Die Restitutionstheorie vermeidet übrigens auch einen Bruch beim Übergang der Haftung des redlichen Schuldners in diejenige des bösgläubigen oder verklagten. D e n n beim bösgläubigen oder verklagten Schuldner geht es nun ganz unbestreitbar darum, den Gläubiger so zu stellen, wie er stünde, wenn bei Eintritt der verschärften H a f t u n g die mißbilligte Vermögenslage nicht bestanden hätte. D a ß dem so ist, erhellt schon aus der Tatsache, daß bei verschuldeter Unmöglichkeit der Herausgabe Schadensersatz gemäß §§818 Abs. 4, 292 Abs. 1, 989 B G B zu entrichten ist, daß gemäß §§818 Abs.4,292 Abs. 2, 987 Abs.2 B G B auch für schuldhaft nicht gezogene Nutzungen Ersatz zu leisten ist sowie ganz generell aus der Verweisung auf die §§987ff. BGB. 51 Ein derartiges „Umschlagen" der Funktion bereicherungsrechtlicher Ansprüche mit Eintritt der verschärften Haftung erscheint aber mindestens unplausibel. c)

Bewertung

Eine abschließende Entscheidung darüber, welches der skizzierten Modelle das zutreffende ist und mit welcher Deutlichkeit seine idealtypischen Merkmale ausgebildet sind, kann an dieser Stelle noch nicht getroffen werden, weil es durchaus unklar ist, nach welchen Kriterien sich die „Richtigkeit" in erster Linie bestimmen soll: Etwa nach den gesetzgeberischen Intentionen? Oder dem Bedürfnis nach einem allgemeinen Rückabwicklungsmechanismus, der nicht an die besonderen Voraussetzungen eines Vertrags, der Vindikation oder des Geschäftsführungsrechts gebunden ist? Für die isolierte Leistungs- und Eingriffskondiktion ist keine der beiden Konzeptionen so evident ungerecht oder unangemessen, daß sie - wie für die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge - unbedingt der Korrektur bedürfte. D e n n die Restitutionstheorie führt ja gleichsam reflexartig auch zu einer Abschöpfung des mißbilligten Habens beim Schuldner, und ebenso führt die Abschöpfungstheorie reflexartig dazu, daß der Gläubiger das ihm Zugewiesene erlangt. Man wird die Ergebnisse der weiteren Untersuchung abwarten müssen, und insbesondere, welche praktischen Unter50

Dazu eingehend Viertes Kapitel, § 11 I 2 [S.376ff.]. Vgl. für die verschärfte Haftung Motive II, S.55: „... daß dagegen der Beklagte sich vom Streitbeginne an als Verwahrer und Verwalter fremden Gutes zu betrachten habe." 51

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

219

schiede die Entscheidung für die eine oder andere Lösung überhaupt mit sich bringt. Das bedeutet für den A u f b a u der vorliegenden Arbeit, daß an den Stellen, an denen solche praktischen Unterschiede manifest werden, jeweils eine alternative Betrachtung zu erfolgen hat. 3. S t ö r u n g d e r R e a l v e r t e i l u n g o d e r der Wertverteilung? Ein ungerechtfertigtes H a b e n kann sich - ebenso wie jede andere Verteilungsstörung - auf die Realverteilung oder auf die Wertverteilung beziehen, also ein reales oder ein rechnerisches sein. Das Bereicherungsrecht gehört zu den wenigen Materien, bei denen der Unterschied zwischen Realverteilung und Wertverteilung bzw. zwischen Realausgleich und Wertausgleich der Sache nach erkannt und eingehender diskutiert worden ist. Allerdings bedient man sich dabei einer anderen Terminologie: Anstelle der hier verwendeten Begriffe stehen meist die der Gegenstandsorientierung und der Vermögensorientierung, wobei damit allerdings sowohl die Tatbestandsseite als auch die Rechtsfolgenseite gemeint sein kann. 52 a) Der Wandel der

Rechtsprechung

Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 53 der zunächst auch der Bundesgerichtshof gefolgt ist,54 war der Begriff des Erlangten im Sinne von § 812 B G B rein wirtschaftlich zu verstehen und bezog sich auf das Ergebnis eines Gesamtvermögensvergleichs. Erlangt war danach der Differenzbetrag, um den das Schuldnervermögen infolge des bereichernden Vorgangs aktuell erhöht worden war, wobei nicht ganz klar erschien, ob der aktuelle gegenwärtige Zustand mit dem tatsächlichen Zustand vor Eintritt der Vermögensverschiebung verglichen werden sollte, oder ob - nach dem Prinzip des § 249 Satz 1 B G B - auf den hypothetischen Zustand abgestellt werden sollte, in dem sich das Schuldnervermögen bei Hinwegdenken der Störung befände. Diese Auffassung kann als „Saldotheorie im engeren Sinn" bezeichnet werden, weil sie der dogmatische Ausgangspunkt für diejenige Theorie zur RückabWicklung gegenseitiger Verträge war, die heute im allgemeinen mit dem Begriff der Saldotheorie gemeint ist.55

52

Zum Gegensatz zwischen beiden Ansätzen Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 141 [S. 516ff.]; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 71 III 2 a) [S. 262]; Frieser, Wegfall der Bereicherung in Parallele zur hypothetischen Schadensentwicklung, S. 18; Joachim Wolf, Der Stand der Bereicherungslehre und ihre Neubegründung, S.7ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 12 V b [S. 115]. 53 R G Z 54,137 [141]; 94, 253 [255]; 105, 29 [31f.]; 114, 342 [344]; 170, 65 [67], 54 B G H Z 1, 75 [81 f.]; B G H LM §818 Abs.3 BGB Nr.6. 55 Hierzu näher unten, Viertes Kapitel, § 11 I 2 a) aa) [S.377ff.].

220

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

Die neuere Rechtsprechung verfolgt keinen einheitlichen Ansatz. Einerseits hat sie die dogmatische Überzeugungskraft des gegenständlichen Ansatzes erkannt und konzediert, daß es auf tatbestandlicher Ebene allein auf das gegenständlich Erlangte ankommt, während vermögensbezogene Elemente erst auf der Ebene der Rechtsfolgen Eingang finden. 56 Insofern hat man sich deutlich von der Saldotheorie im engeren Sinn distanziert, wie sie die ältere Rechtsprechung noch vertreten hat. Andererseits wird die Rechtsprechung jedoch auch in neuerer Zeit - vor allem bei der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge - nicht müde, zu betonen, daß die Bereicherung von vorneherein nur im Überschuß der Aktiv- über die Passivposten, also in dem Saldo bestehe, wie er sich bei Verrechnung aller adäquat kausal auf den bereichernden Vorgang zurückzuführender Vermögensvorteile und Vermögensnachteile ergibt. 57 Dabei wird oftmals deutlich, daß mit diesem Saldo nicht nur die verbleibende Bereicherung im Sinne von §818 Abs. 3 BGB gemeint ist, sondern bereits die Bereicherung im Sinne des Erlangten, also auf tatbestandlicher Ebene. Insofern ist es zutreffend, wenn die Haltung der neueren Rechtsprechung als „Mischtheorie" bezeichnet wird. 58 b) Standpunkt

der Literatur

Was die Literatur betrifft, so verfolgen einen vermögensorientierten Ansatz zunächst diejenigen Autoren, die den Bereicherungsanspruch gleichsam als Spiegelbild zum Schadensersatzanspruch auffassen und das Erlangte im Sinne der §§812ff. BGB nach schadensrechtlichen Grundsätzen ermitteln wollen. Geschuldet sei hier wie dort das id quod interest, nur mit dem Unterschied, daß es im Schadensrecht um eine negative Vermögensdifferenz beim Gläubiger, im Bereicherungsrecht hingegen um eine positive Differenz beim Schuldner gehe.59 Die Auffassung von der Bereicherung als eines variablen, abstrakten Vermögenswerts hat in der frühen Literatur zu den §§812ff. BGB vorgeherrscht 60 und ist im neueren Schrifttum vor allem von Flume und seinen Schülern aufrechterhalten und weiterentwickelt worden. 61 Neuerdings wird sie auch von Reimer vertreten. 62 Dem vermögensbezogenen Ansatz diametral entgegengesetzt ist der Ansatz, der streng auf den konkreten, dem Schuldner zugeflossenen Vermögensgegenstand als Gegenstand der Bereicherung abstellt. Erlangt hat 56

So grundlegend die „Flugreise-Entscheidung" B G H Z 55,128 [133]. B G H Z 53,144 [145]; B G H NJW 1988,3011; 1995, 454 [455]; 1995,2627 [2628], 58 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 14 I 2 c) [S.519], 59 Hagen, in: Festschrift Larenz (1973), S.867 [868]; ansatzweise auch Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §14 I 1 [S.516ff.] m.w.N. 60 von Mayr, Der Bereicherungsanspruch des deutschen bürgerlichen Rechts, S. 589; H. A. Fischer, in; Festschrift Zitelmann (1913), S. 1 [11]. 61 Siehe vor allem Flume, in: Festschrift für Niedermeyer (1953), S. 103 [175]; ders NJW 1970, 1161 [1162f.]; Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, S. 62ff. 62 Reimer, Die aufgedrängte Bereicherung, S. 36. 57

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

221

Modell

der Schuldner danach nicht oder zumindest nicht in erster Linie einen positiven Vermögenssaldo, sondern etwa Eigentum, Besitz, eine Forderung oder eine andere vorteilhafte Rechtsstellung. Diese Auffassung, die namentlich auf von Caemmerer 63 und Larenz 64 zurückgeht, kann heute im Schrifttum als ganz herrschende Meinung angesehen werden. 65 In die Terminologie des Allokatorischen Modells übersetzt besagt sie, daß die Bereicherung als anspruchsauslösende Verteilungsstörung in erster Linie eine Störung der Realverteilung ist. c) Identifizierung

des Störungstypus

anhand der üblichen

Kriterien

Ebenso wie die Entscheidung für einen realen und gegen einen rechnerischen Schadensbegriff anhand der Kriterien getroffen werden konnte, die im Ersten Kapitel zur Abgrenzung zwischen Störungen der Realverteilung und Störungen der Wertverteilung herausgearbeitet wurden, muß auch hier nach den Wertungen gefragt werden, die für die Qualifizierung als Störung maßgeblich sind, sowie danach, ob ein Bereicherungsanspruch auch durch bloße Austauschvorgänge im Vermögen des Schuldners oder durch die Erlangung immaterieller Positionen ausgelöst werden kann. Eine Heranziehung dieser Kriterien ergibt, daß der heute herrschenden Meinung darin zuzustimmen ist, wenn sie das Erlangte ausschließlich in einem bestimmten Vermögensgegenstand sehen will. Dahinter haben Spekulationen über die historische Entwicklung und das Vorverständnis der Gesetzesverfasser zurückzutreten, zumal sie keinesfalls ein einheitliches Bild ergeben. 66 aa) Wertungsmäßige

Betrachtung

Was die Wertungen anbelangt, die den Umverteilungsbefehl tragen, so müssen sie im Merkmal des mangelnden Rechtsgrunds liegen. Denn dieser Mangel des Rechtsgrunds ist es, worin die spezifische rechtliche Mißbilligung der geschaffenen Vermögenslage zum Ausdruck gelangt. Bei der Leistungskondiktion wird der Rechtsgrund überwiegend in der von der schuldrechtlichen Erfüllungspflicht unabhängigen, subjektiven Zweckbestimmung des Leistenden gesehen. 67 Die besseren Argumente dürften indessen dafür sprechen, den Rechts63

von Caemmerer, in: Festschrift Rabel I (1954), S.333 [368]. Larenz, Schuldrecht II (12. Auflage 1981), §70 II [S.576f.]; LarenzJCanaris, Schuldrecht II/2, §71 I 1 m.w.N. 65 MünchKomm 3 -L/efc, §812 B G B Rn.284 m.w.N., §818 BGB R n . l ; Staudinger l 3 -Lore«z. §812 BGB Rn.65; Erman 9 -Westermann, §812 BGB Rn.3; Canaris, J Z 1971, 560 [561]; Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts (1975), S. 8ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 12 I a [S. 110]; Goetzke, AcP 173 (1973) 473 [309f.]. 66 Zur Entwicklung vgl. etwa Niederländer, Die Bereicherungshaftung im klassischen römischen Recht (1953). 67 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §4 II 4 und 5 [S. 106ff.]; Erman 9 -Westermann, §812 BGB R n . l ; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, §4 II 64

222

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

grund im zugrundeliegenden Schuldverhältnis zu erblicken. 68 Welche Auffassung die zutreffende ist, kann hier letztlich dahinstehen, weil die Wertungen jedenfalls darauf hindeuten, daß die Leistungskondiktion durch eine Störung der Realverteilung ausgelöst wird: Schuldverhältnisse als Rechtsgrund einer Vermögensverschiebung regeln nämlich typischerweise die Frage, wer was erhalten soll, also wem was gebührt, und nicht, wer aus einem bestimmten Umstand keinen rechnerischen Vorteil oder Nachteil soll davontragen dürfen. Ebenso entspricht es typischerweise der subjektiven Zweckbestimmung des Leistenden, dem Leistungsempfänger einen konkreten Gegenstand zukommen zu lassen, nicht aber einen abstrakten Vermögenswert. Das liegt bei Sachleistungen sowie bei Geldsummenschulden auf der Hand, trifft aber ebenso für Geldwertschulden zu, weil auch diese, um überhaupt erfüllbar zu sein, im Erfüllungszeitpunkt auf einen bestimmten Betrag konkretisiert werden müssen. Diese Überlegung läßt sich aber gleichsam „umkehren", so daß auch die spezifische Mißbilligung, die einer rechtsgrundlosen Leistung zuteil wird, auf Wertungen vom Typus „... gebührt nicht... gehört nicht..." beruht. Bei der Nichtleistungskondiktion ist die Lage etwas komplizierter, weil die spezifische rechtliche Mißbilligung nicht nur im Merkmal „ohne rechtlichen Grund", sondern vor allem auch im Merkmal „auf dessen Kosten" zum Ausdruck gelangt. Nach der älteren Auffassung sollte es hier darauf ankommen, ob der Vorteil rechtswidrig erlangt wurde. 69 Dem ist zutreffend engegengehalten worden, daß damit diejenigen Fälle nicht zu erfassen seien, bei denen der Zugriff auf die fremde Rechtsposition rechtmäßig erfolgt ist oder auf einem Naturvorgang beruht, die Vorteile dem Zugreifenden aber dennoch nicht verbleiben dürfen. 70 Als herrschende Meinung dürfte inzwischen die sogenannte Zuweisungslehre angesehen werden, wonach das Merkmal „auf dessen Kosten" dann erfüllt ist, wenn der Erwerb im Widerspruch zum Zuweisungsgehalt eines fremden Rechts steht, das Erlangte dem Empfänger nach der für den Einzelfall maß[S. 15]; Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, S.29f.; Weitnauer, in: Festschrift von Caemmerer (1978), S. 255 [272ff.]; Klinke, Causa und genetisches Synallagma (1983), S.64f.; Schnauder, Grundfragen zur Leistungskondiktion bei Drittbeziehungen (1981), S.35ff., 77ff. 68 Sogenannte objektive Rechtsgrundtheorie, vgl. hierzu mit überzeugenden Argumenten Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §67 III 1 a) [S. 136/137]; MünchKomm 3 -Liefo, §812 BGB Rn. 137ff.; Kupisch, Gesetzespositivismus im Bereicherungsrecht (1978), S.61f.; ders., in: Festschrift von Lübtow (1980), S.501 [527]; zustimmend Härder, JuS 1979, 76 [79]. 69 Fritz Schulz, AcP 105 (1909), 1 in seiner Definition des Eingriffserwerbs; Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, S.90ff.; Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb (1970), S. 8 6 f f J a k o b s , Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, S.50ff., der allerdings mit seinem Kriterium der widerrechtlichen Verwendung fremder Rechtsgüter schon sehr nah an der Zuweisungstheorie ist; eingeschränkt Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, S.90ff.; vgl. auch die Darstellung bei Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §7 II [S.241 ff.]. 70 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, S.27; von Caemmerer, in: Festschrift Rabel I (1954), S.333 [353]; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §69 11 b) [S. 169f.].

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

223

geblichen rechtlichen Güterzuordnung also nicht verbleiben soll, sondern vielmehr dem Gläubiger zugewiesen ist.71 Damit spricht aber die wertungsmäßige Betrachtung dafür, daß auch die Nichtleistungskondiktion durch eine Störung der Realverteilung ausgelöst wird, weil Störungen der Realverteilung dadurch gekennzeichnet sind, daß der Mangel auf Gesichtspunkten der Güterzuweisung beruht. bb)

Austauschvorgänge

Auch die Behandlung von Austauschvorgängen spricht ganz klar dafür, daß eine Reaktion auf eine Störung der Realverteilung vorliegt, und dies dürfte beinahe das stärkste Argument gegen die Theorie von der Vermögensorientierung darstellen. D e n n es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß ein Bereicherungsanspruch auch dann gegeben ist, wenn für einen rechtsgrundlos aus fremdem Vermögen erlangten Gegenstand ein gleichwertiger Gegenstand hingegeben wurde: Übereignet der E r b e einem vermeintlichen Vermächtnisnehmer ein wertvolles Bild aus dem Nachlaß und stellt sich das Testament, in dem die Vermächtnisanordnung enthalten war, später als unwirksam heraus, dann ist der E m p f ä n g e r unbestrittenermaßen auch dann zur Rückgabe verpflichtet, wenn er dem E r b e n rasch einen entsprechenden Geldbetrag überwiesen hat. Selbst bei der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, wo die D e u t u n g des Erlangten als Saldo in der Rechtsprechung noch unumstößlich zu sein scheint, geht man auch bei Äquivalenz der ausgetauschten Leistungen übrigens nicht so weit, Ansprüche aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 B G B ganz zu versagen. Vielmehr sind die beiderseits rechtsgrundlos erbrachten Leistungen nach wohl einhelliger Meinung Zug um Zug rückauszutauschen. 7 2

71 B G H Z 82, 299 [306]; 99, 385 [387]; 107,117 [120f.]; Medicus, Bürgerliches Recht (1996), Rn.709ff.; Esser/Weyers, Schuldrecht II (1991), §50 I 1 a) [S.462]; Mestmäcker, J Z 1958, 521 [523ff.]; Erman 9 -Westermann, §812 BGB Rn.65; MünchKomm 3 -L*'eft, §812 BGB Rn.204ff.; Palandt 5 7 -Thomas, § 812 BGB Rn. 93. Freilich bedarf der Begriff des Zuweisungsgehalts noch der Konkretisierung, was auch die entscheidende Schwachstelle der Theorie und den hauptsächlichen Angriffspunkt für ihre Gegner darstellt. Eine richtig befriedigende Antwort auf die Frage, wann ein solcher Zuweisungsgehalt im Ergebnis zu bejahen ist und wann nicht, ist bisher auch nicht gegeben worden. Vielmehr wird das Problem in der Praxis eher mittels der Schaffung von Fallgruppen oder aber gewissermaßen im Wege eines beweglichen Systems gelöst. Dabei sind Kriterien, die für einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt sprechen, vor allem der deliktsrechtliche Schutz (Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §69 I 1 c) [S. 170]), die gegenständliche Identifizierbarkeit des Rechtsobjekts (Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, S. 84), die Möglichkeit des Inhabers, über das Recht zu verfügen (MünchKomm 3 -L/eö, § 812 BGB Rn. 208) oder aber auch das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs gegen ungewollte Zugriffe Dritter (Kleinheyer, J Z 1970, 421 [475]; Kellmann, a.a.O., S.92). 72

Vgl. etwa B G H NJW 1995, 454 [455],

224

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

cc) Immaterielle Vorteile Im Anschluß an eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs 73 entsprach es lange Zeit einer gängigen Auffassung, daß Kondiktionsgegenstand nur sein könne, was einen meßbaren Vermögenswert hat.74 Diese Auffassung ermangelt einer dogmatischen Begründung und darf mittlerweile wohl als überholt angesehen werden. 75 So verfährt denn auch die Rechtsprechung heute sehr großzügig damit, bestimmten Rechtspositionen Vermögenswert beizumessen, und hat sich damit faktisch von ihrem ursprünglich geäußerten Standpunkt distanziert. 76 Richtigerweise ist eine entsprechende Einschränkung von vorneherein verfehlt. Warum auch sollte im vorgenannten Beispiel die Rückforderung ausgeschlossen sein, wenn es sich nicht um ein wertvolles Bild, sondern um einen persönlichen Brief ohne Vermögenswert gehandelt hätte? 77 Im Ergebnis ist daher festzuhalten, daß auch Gegenstände, die keinen in Geld meßbaren Vermögenswert haben, selbstverständlich „Erlangtes" im Sinne der einzelnen Kondiktionstatbestände sein können, was wiederum dafür spricht, daß anspruchsauslösend eine Störung der Realverteilung ist.

II. Ausgleichstypus

bei Herausgabe

und

Wertersatz

Während die Gegenstandsorientierung des Bereicherungsanspruchs auf der Tatbestandsseite heute anerkannt ist, herrscht über die Gegenstands- oder Vermögensorientierung auf der Rechtsfolgenseite noch weitgehend Unklarheit. Zwar werden die meisten noch konzedieren, daß in erster Linie Herausgabe des Erlangten in natura geschuldet ist und daß der Anspruch insoweit, als diese möglich ist, auch notwendig gegenstandsorientiert sein muß. Anders wird dies aber vielfach gesehen, sobald die Herausgabe des ursprünglich Erlangten in gegenständlicher Form nicht möglich und der Schuldner daher gemäß § 818 Abs. 2 BGB zum Wertersatz verpflichtet ist. Dies vor allem deswegen, weil man den zweiten und dritten Absatz des § 818 BGB zusammen zu lesen pflegt und nahezu unbestrittenermaßen auf der Ebene des §818 Abs. 3 BGB vermögensorientierte Elemente eine gewisse Rolle spielen müssen. Indessen indiziert bereits die Tatsache, daß § 818 Abs. 3 BGB als Einwendung des Schuldners ausgestaltet 73

NJW 1952, 417. Die Entscheidung bezog sich auf eine Ehrenerklärung. So heute noch etwa Palandt 57 -77ioma.s, §812 BGB Rn.16. 75 Larenz/Canaris, Schuldrecht \V2, § 71 I I [S. 255] mit Fn. 2; Köhler, AcP 190,496 [531] mit Nachweisen. 76 Einen bedenklichen „Rückschlag" stellt allerdings B G H NJW 1995, 32 dar, wo das Gericht die Frage offengelassen hat, aber feststellte, daß als Erlangtes jedenfalls wirtschaftliche Vermögensvorteile in Betracht kämen. 77 Zutreffend Canaris, J Z 1971, 560 [561]; Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, S.10. 74

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

225

ist, eine prinzipielle Unabhängigkeit des „eigentlichen" Anspruchsinhalts, wie er sich aus § 818 Abs. 1 und 2 BGB ergibt, vom dritten Absatz. Schon daher muß es an dieser Stelle nicht weiter gerechtfertigt werden, wenn hier - nach dem Anspruch auf gegenständliche Herausgabe - zunächst der Wertersatzanspruch ohne Eingreifen von § 818 Abs. 3 BGB einer allokatorischen Betrachtung unterzogen wird. 1. Anspruch auf gegenständliche Herausgabe des Erlangten Der ursprünglich ausgetragene Streit um die Vermögens- oder Gegenstandsorientierung des Bereicherungsbegriffs darf zumindest für den gesetzlichen Idealfall, daß das Erlangte unverändert herausgegeben werden kann, als bedeutungslos bezeichnet werden. 78 Denn an der gesetzlichen Grundkonzeption, wonach in erster Linie Herausgabe des konkret empfangenen Gegenstands geschuldet ist, kommt wohl keine noch so vermögensorientierte Auffassung vorbei.79 Insbesondere kann der Bereicherte den Gläubiger nicht allgemein mit einer Geldzahlung abfinden und drängt sich insofern eine Parallele zum Schadensrecht auf, wo gemäß § 249 Satz 1 BGB gleichfalls in erster Linie eine Rückgängigmachung der Verletzung mittels restitutio in natura zu erfolgen hat. Dies gilt nicht nur hinsichtlich des sogenannten primären Gegenstands der Bereicherung. Vielmehr stellt §818 Abs. 1 BGB klar, daß der Bereicherte auch Nutzungen oder ein Surrogat des Erlangten grundsätzlich nicht gegen eine entsprechende Zahlung behalten darf, sondern daß er die betreffenden Vorteile gegenständlich an den Gläubiger auskehren muß. 2. Anspruch auf Wertersatz Anstelle des gegenständlich Erlangten schuldet der Bereicherte unter bestimmten Voraussetzungen Wertersatz. Dabei behandelt §818 Abs. 2 BGB zwei ganz unterschiedliche Sachverhaltskonstellationen, nämlich zum einen den Fall, daß das Erlangte aus Gründen seiner Beschaffenheit gegenständlich ohnehin nie hätte herausgegeben werden können, und zum anderen den Fall, daß die Herausgabe aufgrund eines nachfolgenden Ereignisses scheitert. Man kann auch von ursprünglichem Wertersatzanspruch einerseits und nachträglichem andererseits sprechen. Ersterer greift etwa dann ein, wenn der Vermögensvorteil entweder untrennbar mit dem Vermögen des Schuldners verbunden wurde 78 Insofern ist die Kritik von Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung (1988), § 12 V b) [S. 115] an der Differenzierung zwischen Vermögens- und Gegenstandsorientierung sicher berechtigt. 19 Vgl. nur die Bemühungen von Flume, in: Festschrift Niedermeyer (1953), S. 103 [153], trotz der unleugbaren Verpflichtung zur Auskehrung des gegenständlich Erlangten noch eine vermögensorientierte Sichtweise aufrechtzuerhalten.

226

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

oder aber ein unkörperlicher ist. Letzterer betrifft die Situation, daß das Erlangte zerstört, verschlechtert, verbraucht oder abhandengekommen ist oder aus einem anderen Grunde nicht mehr herausgegeben werden kann. 80 Da der Wertersatzanspruch auf Geldzahlung gerichtet ist, erscheint es angeraten, zur Ermittlung des Ausgleichstypus die üblichen Kriterien heranzuziehen. a) Surrogatcharakter

der Geldleistung

Kann das Erlangte wegen seiner tatsächlichen Beschaffenheit nicht herausgegeben werden, liegt also ein ursprünglicher Wertersatzanspruch vor, dann tritt ein entsprechender Anspruch auf Geldersatz an seine Stelle. Die geschuldete Summe repräsentiert das Erlangte unmittelbar. Damit ist in gewisser Weise sogar ein noch stärkerer gegenständlicher Bezug und ein noch deutlicherer Surrogatcharakter der Zahlung gegeben als in den meisten Fällen, in denen Geld an die Stelle des idealiter geschuldeten Gegenstands tritt. Das spricht ganz entscheidend für das Vorliegen eines Realausgleichs. Auch der nachträgliche Wertersatz tritt funktionell an die Stelle der eigentlich geschuldeten gegenständlichen Leistung. Zwar mag der Surrogatcharakter des Wertersatzes insofern weniger deutlich hervortreten als beim Geldersatz gemäß §251 BGB, als es nicht darum geht, dem Gläubiger die Beschaffung eines entsprechenden Ersatzgegenstandes zu ermöglichen. Jedoch ist auch hier Geld nicht von vorneherein und als solches geschuldet, sondern nur hilfsweise anstelle des ursprünglichen Bereicherungsobjekts, also als dessen Surrogat. Das spricht dafür, daß auch insofern ein reiner Realausgleich gegeben ist. Es wäre übrigens - den möglichen Einfluß von § 818 Abs. 3 BGB wiederum außer acht gelassen - auch wenig plausibel, daß sich durch den Eintritt der Unmöglichkeit einer Herausgabe etwas an den Wertungen geändert hätte, die dem Ausgleichsbefehl zugrundeliegen: War das Objekt der Bereicherung vorher deswegen geschuldet, weil es nach der maßgeblichen rechtlichen Güterzuordnung unter namentlicher Berücksichtigung der schuldrechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien dem Gläubiger zugewiesen war, dann spricht vieles da80

Problematisch ist, ob hier auch der Fall einzureihen ist, daß der Schuldner den primären Gegenstand der Bereicherung wesentlich verändert hat. Dieser Konflikt tritt dann besonders deutlich zutage, wenn der Schuldner zunächst rechtsgrundlos den Besitz und sodann gemäß §950 BGB das Eigentum an der verbesserten Sache erlangt hat, weil sich dann wegen §951 Abs. 1 Satz 2 BGB zwei miteinander unvereinbare Normbefehle gegenüberstehen. Die Rechtsprechung nimmt auch in diesem Fall gerne Unmöglichkeit der Herausgabe an, vgl. R G Z 133, 293 [294f.]; B G H NJW 1981, 2687 [2688]; B G H WM 1987,1533 [1534], In der Literatur ist das auf berechtigte Kritik gestoßen: Richtigerweise muß danach differenziert werden, ob der Gläubiger ein legitimes Interesse an der gegenständlichen Rückübertragung hat, so Larenz/ Canaris, Schuldrecht II/2, §72 III 1 a) [S.274]; MünchKomm 3 -Lieö, §818 BGB Rn.31. Anzumerken ist, daß in Argumentationsmustern wie diesem sehr deutlich wird, daß der Ansatz der Abschöpfungstheorie nicht generell der zutreffende sein kann: Offensichtlich kommt es eben doch maßgeblich auf das Restitutionsinteresse des Gläubigers an!

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

227

für, daß dies so bleibt, auch wenn das Erlangte vom Schuldner verbraucht oder veräußert worden ist. b) Abhängigkeit

von einer Abwägung im Einzelfall?

Umstritten ist dagegen - für den ursprünglichen ebenso wie für den nachträglichen Wertersatzanspruch - ob der Wert des Erlangten objektiv oder subjektiv ermittelt werden muß. Dabei entspricht der objektive Wert dem Verkehrswert, also dem Wert, den der betreffende Gegenstand für den durchschnittlichen Nachfrager auf dem Markt besitzt und der dem Preis entspricht, den dieser Nachfrager auf dem zwischen den Parteien maßgeblichen Markt zu zahlen hat. Auf diesen Wert stellt die ganz herrschende Meinung ab,81 was für das Vorliegen eines Realausgleichs spricht. Der subjektive Wert hingegen orientiert sich an der konkreten Brauchbarkeit für den Empfänger, also dem Wert, dessen Realisierung ihm unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verwendungsmöglichkeiten und Pläne zugemutet werden kann. Die dabei vorzunehmende Abwägung aller Umstände des Einzelfalls würde das Vorliegen eines reinen Wertausgleichs indizieren. Für eine subjektive Methode der Wertermittlung werden verschiedene Argumente ins Feld geführt. 82 aa) Argument

der aufgedrängten

Bereicherung

Derjenige, dem ein nicht rückübertragbarer Vermögensvorteil zugeflossen ist und der ihn zum objektiven Verkehrswert zu vergüten hat, wird diesen objektiven Vorteil oftmals subjektiv als aufgedrängt empfinden, weil er selbst über unterdurchschnittliche individuelle Verwendungsmöglichkeiten für diesen Vorteil verfügt oder ihn zumindest bei Kenntnis seiner späteren Ersatzpflicht nie angenommen hätte. Stellt etwa jemand seinen Wagen zwei Wochen lang auf den Privatparkplatz eines anderen, der nunmehr im Wege der Eingriffskondiktion den ortsüblichen Mietzins für einen Abstellplatz verlangt, dann wird der Eingreifer geltend machen, er hätte bei Kenntnis von seiner Zahlungspflicht notfalls länger gesucht und einen kostenlosen Parkplatz gewählt. Solche Fälle, die gemeinhin unter dem Stichwort „aufgedrängte Bereicherung" diskutiert werden, will eine nicht unbeachtliche Meinung in der Literatur dadurch lösen, daß sie den Wert des Erlangten im Sinne von §818 Abs. 2 BGB generell subjektiv ermittelt. 83 81 So die ständige Rechtsprechung, vgl. R G Z 147, 396 [398]; B G H Z 5,197 [201f.]; 10, 171 [180]; 17, 236 [240]; 36, 321 [323]; 37, 258 [264]; 55,128 [135]; 132,198 [207]; NJW 1982,1154 [1156], sowie die überwiegende Literatur, Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §72 III 2 b) [S.275]; MünchKomm 3 -Li'efc, §818 BGB Rn.34f.; Staudinger 13 -Lore«z, §818 B G B Rn.26ff.; Soergel n -M«W, §818 BGB Rn.33; Larenz, in: Festschrift von Caemmerer (1978), S.209 [218ff.]; Fikentscher, Schuldrecht (1997), Rn.1167; Goetzke, AcP 173 (1973), 289 [308ff.]. 82 Z u diesen Argumenten und ihrer mangelnden Stichhaltigkeit umfassend Goetzke, AcP 173 (1973), 289ff.; Larenz, in: Festschrift v.Caemmerer (1978), S.209ff. 83 Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 16 II 3 c) [S. 168]; Koppenstei-

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Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

Um die Rechtslage zutreffend beurteilen zu können, muß zunächst die Vorfrage beantwortet werden, ob nicht bei unkörperlichen Vermögensvorteilen ganz generell aufgrund deren transitorischen Charakters die Bereicherung im Sinne von §818 Abs. 3 BGB weggefallen ist. Sollte dies zu bejahen sein, würde sich zumindest insoweit das Problem des Aufdrängungsschutzes nicht mehr stellen, sondern stattdessen nur noch das Problem, ob und auf welchem Wege eine etwaige subjektive Ersparnisbereicherung noch berücksichtigt werden kann. Daß bei fungiblen Vermögenszuflüssen die Bereicherung ohne weiteres sofort wieder wegfalle und der Schuldner gemäß § 818 Abs. 3 BGB nur auf die verbleibende Ersparnisbereicherung hafte, wird auch von einer beachtlichen Meinung im Schrifttum vertreten. 84 Gegen diese Auffassung spricht indessen, daß dann konsequenterweise die Anordnung eines ursprünglichen Wertersatzanspruchs in §818 Abs. 2 BGB praktisch nur noch für den verschärft haftenden Bereicherungsschuldner von Bedeutung wäre, was unplausibel erscheint, zumal dem ursprünglichen Wertersatzanspruch in der Formulierung des Gesetzes keinesfalls weniger Gewicht beigemessen wird als dem nachträglichen. Die Annahme eines - gleichsam auf der ersten Stufe der rechtlichen Prüfung - zunächst entstandenen Wertersatzanspruchs macht m. E. auch durchaus Sinn, weil auch bei unkörperlichen Vorteilen die Beweislast für einen Wegfall der Bereicherung beim Schuldner liegen muß. Wer indessen hier den Wegfall der Bereicherung als Regelfall und eine verbleibende Ersparnisbereicherung als Ausnahme ansieht, tut sich mit der Begründung dieser Beweislastverteilung schwer. Obgleich also bei unkörperlichen Vorteilen nicht von vorneherein von Wegfall der Bereicherung ausgegangen werden kann 85 , läßt sich daraus ein Argument für einen subjektiven Wertbegriff denn doch nicht ableiten. Die Lösung des Aufdrängungsproblems ist nämlich richtigerweise in einem Wertungsvergleich mit dem nachträglichen Wertersatzanspruch zu sehen. Es kann schlechterdings für die Beurteilung der Lage keine Rolle spielen, ob der Empfänger einen unkörperlichen Vorteil genossen oder einen körperlichen Vorteil verbraucht, etwa eine rechtsgrundlos erlangte Flasche Wein geleert hat. Im letzteren Fall ist man sich hinsichtlich der sachgemäßen Lösung jedoch einig, nämlich daß grundsätzlich von einer Verpflichtung zum Wertersatz ausgegangen werden muß, daß die Bereicherung jedoch weggefallen ist, wenn und soweit der Schuldner sich keine entsprechenden Ausgaben erspart hat. Daß diese Lösung bei un-

ner, NJW 1971,1769 [1771 f.]; Pinger, Funktion und dogmatische Einordnung des EigentümerBesitzer-Verhältnisses (1973), S. 126f.; Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, S. 101 (nur für die Nichtleistungskondiktion). 84 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 12 b) [S.298]; Canaris, J Z 1971, 561; Lorenz, Festschrift von Caemmerer (1978), S.209 [223f.]; Erman 9 -Westermann, §818 B G B Rn.28; anders Mestmäcker, J Z 1958,521 [524]; Batsch, NJW 1969,1743 [1745]; einschränkend Kleinheyer, J Z 1961, 473 [475], 85 Siehe aber auch unten, §6 III 2 b) cc) [S.246f.].

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

229

körperlichen Vorteilen nicht ohne weiteres auf der Hand liegt, ist darauf zurückzuführen, daß §818 Abs. 3 BGB von „nicht mehr bereichert" spricht, was bei engherziger Auslegung den Schluß zuließe, daß nur der nachträgliche Wegfall des Erlangten gemeint sei. Indessen ist man sich heute im wesentlichen darüber einig, daß §818 Abs. 3 BGB auch den Fall erfaßt, daß eine Bereicherung von vorneherein gefehlt hat. 86 Daher wird das Problem des Aufdrängungsschutzes hier richtigerweise im Rahmen von § 818 Abs. 3 BGB ohnehin gelöst, so daß es einer subjektiven Wertberechnung nicht bedarf. bb) Grundlage einer

Gewinnhaftung

Manche Autoren wollen mit Hilfe einer subjektiven Methode der Wertermittlung zu einer allgemeinen Gewinnhaftung gelangen. Praktisch relevant wird dies vor allem dann, wenn eine Leistung den Weg über eine Verkäuferkette nimmt und die Beteiligten auf unterschiedlichen Handelsstufen wirtschaften. 87 Der Endverteiler kann für die Ware nämlich einen erheblich höheren Preis erzielen als der Großhändler oder gar der Hersteller. Auch in fast allen Verbrauchsfällen, bei denen das Erlangte etwa als Betriebsmittel eingesetzt wird, stellt sich die Gewinnproblematik ganz deutlich. Dagegen sind die vielerörterten Fälle eines glückhaft hohen Verkaufserlöses in Wahrheit unproblematisch: Wie Canaris treffend herausstellt, kommt es bei der Veräußerung des Erlangten nämlich nicht auf einen ex ante zu ermittelnden, durchschnittlichen Verkehrswert an, sondern auf eine konkrete ex posi-Betrachtung: 88 Hat der Bereicherungsschuldner für das Erlangte etwa einen hohen Preis erzielen können, dann ist dieser als Verkehrswert anzusetzen, sofern der Preis nicht gerade auf der besonderen Geschäftstüchtigkeit, den Kenntnissen usw. des Bereicherungsschuldners beruht. 89 Es ist jedoch schon rein gedanklich zweifelhaft, ob die Subjektivierung des Wertbegriffs überhaupt zu einer Gewinnhaftung führen könnte. 90 Denn der subjektive Wert eines Gegenstands ist doch - soll der subjektive eine sinnvolle Alternative zum obj ektiven Wertbegriff bilden - insofern aus dem obj ektiven Wert abgeleitet, als gefragt wird, ob der individuelle Vermögensinhaber einen überdurchschnittlichen oder unterdurchschnittlichen Nutzen aus dem Gegenstand 86

So ausdrücklich auch die Lösung von B G H Z 55,128 [134], Dies wird erstaunlicherweise kaum je erkannt, zutreffend von Caemmerer, in: Festschrift Lewald (1953), S.443 [447]; König, in: Festschrift v.Caemmerer (1978), S. 179 [185], 88 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 72 III 3 a) und b) [S.277f.]; ähnlich Staudinger 13 -Lorenz, §818 BGB Rn.27 a.E. 89 Wenn der Frage nach einer Gewinnhaftung entgegengehalten wird, daß sie nur wenig praktische Relevanz besitze (vgl. etwa Staudinger 13 -Lore«z, §816 BGB Rn.25 [S. 199]), mag das auf den Schulfall, bei dem der rechtsgrundlose Empfänger eines Gemäldes dieses auf einer Auktion zu einem glückhaft hohen Preis losschlägt, also wirklich zutreffen. 90 Hierzu Goetzke, AcP 173 (1973), 289 [319f.]. 87

230

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

ziehen kann. Dagegen hat der ganz durchschnittliche und bestimmungsgemäße Nutzen, den er aus dem Gegenstand zieht, mit einem subjektiven Wertbegriff allenfalls am R a n d e etwas zu tun. Wer Ware im Einkaufswert von 100 nicht absetzen kann, weil sie nicht in sein Sortiment paßt, oder wer sie wegen besonderer Absatzmöglichkeiten zu einem ungewöhnlich hohen Preis losschlagen kann, für den hat sie subj ektiv einen - verglichen mit dem Durchschnittspreis - niedrigeren oder höheren Wert. Wer die Ware aber zum regulären Verkaufspreis von 200 weiterveräußert, für den ist sie subjektiv genau den Durchschnittspreis wert. Jede andere Definition des „subjektiven Werts" würde - gerade im R a h m e n von § 818 Abs. 2 B G B - zu ganz unhaltbaren Ergebnissen führen, weil der Betreffende wohl konsequenterweise selbst dann primär auf den Verkaufspreis von 200 haften müßte, wenn er die Ware nicht veräußert, sondern verloren hat. Wer dem entgegenhält, daß in diesem Fall der subjektive Wert eben Null sei, der offenbart, daß er „subjektiver Wert" mit „positiver Vermögensdifferenz infolge des Erwerbs" gleichsetzt, was aber deswegen unzulässig ist, weil dann der jedem Wertbegriff immanente Bezug auf ein zu bewertendes Objekt verlorengegangen ist. Selbst wenn eine Subj ektivierung des Wertbegriffs eine Gewinnhaftung zu begründen vermöchte, wäre sie jedenfalls abzulehnen. So will es erstens nicht einleuchten, daß der Bereicherte kurz vor der Veräußerung nur die Ware im Marktpreis von 100 soll herausgeben müssen, kurz nach der Veräußerung jedoch auf den vollen Erlös von 200 haften soll, zumal der Erlös maßgeblich auf seine Unternehmensorganisation, seinen Arbeitseinsatz, sein Know-how, seine Marktzutrittsmöglichkeiten usw. zurückzuführen ist und zu einem nicht unerheblichen Anteil auch deren Wert widerspiegelt. 91 Das Unbehagen, das zumindest in unserem Rechtskreis gegen eine volle Gewinnherausgabe e m p f u n d e n wird, beruht nicht zuletzt auf den Rechtsgedanken der anteiligen Verursachung sowie der Verhältnismäßigkeit. 92 Ü b e r diese Bedenken setzt man sich zwar hinweg bei §687 Abs. 2 B G B und vor allem auch bei der objektiven Schadensberechnung im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht. Doch handelt es sich dabei eben um Sondertatbestände, die an die schuldhafte Verletzung fremder Rechtsgüter anknüpfen 9 3 und deren Rechtsfolgen daher nicht bedenkenlos 91 Es kann daher ohnehin von vorneherein immer nur um eine anteilsmäßige Gewinnherausgabe gehen, vgl. MünchKomm3-Li'e£>, § 818 BGB Rn. 21; dagegen wäre es nicht sachgerecht, jeden Gewinn, der den objektiven Wert des Erlangten übersteigt, in vollem Umfang dem unternehmerischen Geschick des Empfängers zuzurechnen, so aber offenbar Kohler, Die gestörte Rückabwicklung gescheiterter Austauschverträge, S. 688; Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, S. 140 befürwortet eine „am Zweck der Gewinnhaftung orientierte wirtschaftliche Betrachtungsweise" (a.a.O., S. 137ff.), deren Konturen im einzelnen jedoch unklar bleiben. 92 Grundlegend Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, S. 128ff.; ihm folgend Bydlinski, JB1 1969, 252 [254ff.]. 93 Bei der objektiven Schadensberechnung kommen noch ein wesenmäßig diffuses Schädigungspotential und eine besondere Verletzlichkeit der betroffenen Rechtsgüter ergänzend hinzu, vgl. oben, Zweites Kapitel, §4 II 3 a) [S. 172],

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

231

auf alle schuldlosen Rechtsgutsverletzungen ausgedehnt werden dürfen. Die Annahme einer Gewinnhaftung auch bei der Leistungs- und der allgemeinen Eingriffskondiktion würde somit das gesetzliche System einer nach Verschuldensgraden abgestuften Haftungsintensität 94 unterlaufen. Ferner würde man damit den gutgläubigen Schuldner in doppelter Weise belasten, indem er zusätzlich zum gewöhnlichen Geschäftsrisiko, daß seine Tätigkeit zu Verlusten führt, noch ständig damit rechnen müßte, wegen schuldloser Rechtsverletzungen seinen vollen Gewinn abführen zu müssen. 95 cc) Schutz auch des bösgläubigen

Empfängers

Gleichsam ein Nebeneffekt der subjektiven Wertermittlung besteht darin, daß auch der bösgläubige Bereicherungsschuldner von vorneherein nur insoweit haften kann, als er sich durch die Inanspruchnahme des unkörperlichen Bereicherungsgegenstands einen bleibenden Vorteil gesichert, also vor allem Aufwendungen erspart hat. 96 Damit tritt zwar eine gewisse Angleichung der Haftung des redlichen und des verschärft haftenden Schuldners ein, jedoch soll dies angeblich hinzunehmen sein, weil im Rahmen der Nachteilsausgleichung ja noch genug Privilegierungen des redlichen gegenüber dem unredlichen Schuldner verblieben, der Gläubiger durch Deliktsansprüche hinreichend geschützt sei und die Berufung auf einen nachträglichen Wegfall der Bereicherung dem Bösgläubigen jedenfalls versagt bleibe. 97 Daran ist sicher soviel richtig, als der Grundgedanke der verschärften Haftung, nämlich daß der Empfänger wie ein Verwahrer fremden Gutes behandelt werden müsse und ihn daher entsprechend strenge Sorgfaltspflichten im Umgang mit dem Erlangten treffen, bei unkörperlichen Vorteilen nicht greift. Andererseits aber besteht wertungsmäßig auch keine Veranlassung, denjenigen, der wissentlich ohne Rechtsgrund fremde Leistungen in Anspruch nimmt, nicht an seiner Entscheidung festzuhalten. 98

94

Hierzu Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 726. LarenzJCanaris, Schuldrecht II/2, §72 III 3 c) [S.279]; genau umgekehrt Koppensteiner/ Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, §16 II 1 c) [S. 159], wonach der Gewinn nach dem Grundsatz cuius periculum eius commodum dem Gläubiger gebühre, der ja schließlich auch das Risiko einer Unterwert-Veräußerung tragen müsse; ähnlich Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, S. 100. 96 Die Verankerung des Problems bei § 818 Abs. 2 B G B ist teilweise nur die Konsequenz aus der nahezu unhaltbaren Annahme, §818 Abs. 3 erfasse nicht den ersatzlosen Wegfall des Erlangten, so (kaum nachvollziehbar) Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 16 II 4 a) [S. 170] mit § 14 1 1 [S. 128f.], 97 So etwa Erman 9 -Westermann, § 818 BGB Rn. 18. 98 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 72 III 2 d); insoweit aufgrund des Verbots des venire contra factum proprium auch Koppensteiner, NJW 1971,1769 [1775]. 95

232 dd)

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

Bewertung

Insgesamt betrachtet erscheint es unvertretbar, eine klare Entscheidung, die der Gesetzgeber auf der Stufe des § 818 Abs. 1 BGB getroffen hat, auf der Stufe des §818 Abs. 2 BGB durch eine Konstruktion zu unterlaufen," die weder mit dem Wortlaut noch mit der nachweisbaren Absicht des historischen Gesetzgebers zu vereinbaren ist.100 Es ist vielmehr mit der herrschenden Meinung davon auszugehen, daß der Wertbegriff in § 818 Abs. 2 BGB ein ausschließlich objektiver sein muß. c) Zeitpunkt der

Wertermittlung

Fraglich bleibt, welcher Zeitpunkt für die Ermittlung des objektiven Verkehrswerts maßgeblich ist. Diesbezüglich ist man sich dann, wenn etwa wegen der Beschaffenheit des Erlangten eine Herausgabe in natura nicht in Betracht kommt, darüber einig, daß es auf den Zeitpunkt des Eintritts der Bereicherung ankommt. Das ist auch schon deswegen sachgerecht, weil sich etwa bei erlangten Dienstleistungen usw. ein späterer Anstieg der Lohnkosten im Vermögen des Anspruchsgegners nie ausgewirkt hat.101 Soweit die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur ganz generell auf den Zeitpunkt abstellen wollen, in dem die Bereicherung eingetreten ist,102 muß dem mit dem mittlerweile wohl überwiegenden Schrifttum für den nachträglichen Wertersatzanspruch widersprochen werden. Denn im Fall des § 818 Abs. 2 Alt. 2 BGB ist es schwer einzusehen, daß der Gläubiger kurz vor Eintritt der Unmöglichkeit den Gegenstand zurückerhalten und dementsprechend auch alle Wertsteigerungen und Wertminderungen verspürt hätte, die dieser Gegenstand zwischenzeitlich erfahren hat, daß er kurz nach Eintritt der Unmöglichkeit dagegen auf den Wert verwiesen sein sollte, den der Gegenstand bei Eintritt der ungerechtfertigten Bereicherung hatte. 103 Andererseits kann auch ein späterer Zeitpunkt nicht maßgeblich sein, weil sich weitere Schwankungen im Vermögen des Empfängers nie ausgewirkt haben, 104 so daß allein auf den Zeitpunkt der Umwandlung abgestellt werden darf.105 99

Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §72 III 3 a) [S.277], 100 Ygj Motive II, S.836, wo ausdrücklich vom „gemeinen Wert" die Rede ist, der dem außerordentlichen Wert in § 220 des Entwurfs gegenübergestellt wird. 101 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §72 III 5 b) [S. 283]; MünchKomm 2 -Liefo, §818 B G B Rn.43; Staudinger 13 -Lorenz, § 818 BGB Rn.31 a.E. 102 RGZ101,389 [391]; 119,332 [336]; 82,310 [322]; BGHNJW1963,1299 [1301].; Palandt 57 Thomas, §818 B G B Rn.26; Wilburg, AcP 163 (1964), 346 [353]; Staudinger 1 3 -Guri^, §951 BGB Rn.31; RGRK12-Heimann-Trosien, §818 BGB Rn.19. 103 So überzeugend Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §72 III 5 a) [S.282f.]. 104 Hierzu Koppensteiner, NJW 1971, 588 [591]; anders Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 16 III 3 [S. 178], die den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung für maßgeblich halten; dagegen überzeugend Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §72 III 5 a) [S. 283]; MünchKomm 3 -L/ei>, §818 BGB Rn.44. 105 So auch das überwiegende Schrifttum, vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 72 III 5 a)

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

233

Im Ergebnis ist daher sowohl beim ursprünglichen als auch beim nachträglichen Wertersatzanspruch auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem alle Tatbestandsmerkmale verwirklicht sind, was gleichfalls auf einen reinen Realausgleich hindeutet. Zwar ist Anspruchsgrundlage richtigerweise §812 B G B und sind dessen Tatbestandsmerkmale mit dem Eintritt der Bereicherung erfüllt. Jedoch erfährt der Anspruchsinhalt mit dem Eintritt der Unmöglichkeit eine wesentliche Umwandlung von einem Natural- in einen Geldanspruch, was der Erfüllung eines eigenen Tatbestands gleichzustehen hat. d) Bedeutung für die weitere

Untersuchung

Alle hierfür maßgeblichen Unterscheidungskriterien weisen darauf hin, daß es sich beim Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung auch insoweit, als er gemäß § 818 Abs. 2 B G B auf Wertersatz in Geld gerichtet ist, um eine Ausprägung reinen Realausgleichs handelt. Die Prüfung ist damit allerdings nicht unbedingt abgeschlossen, weil ja der Schuldner stets den Einwand der Entreicherung geltend machen kann. Es stellt sich daher die Frage, ob und welche Konsequenzen der Vorschrift des §818 Abs. 3 B G B für den Ausgleichstypus zukommen. D e m wird im folgenden nachzugehen sein. 3. D i e K o n s e q u e n z e n von §818 Abs. 3 B G B f ü r d e n Ausgleichstypus D e r dritte Absatz des § 818 B G B darf als die eigentliche Kernvorschrift des Bereicherungsrechts aufgefaßt werden. Denn in ihm ruht die besondere Privilegierung, die der gutgläubige und unverklagte Bereicherungsschuldner gegenüber anderen Herausgabeschuldnern genießt. 106 Diese haften nämlich grundsätzlich für jedes Verschulden, wenn aufgrunddessen der Gegenstand nicht mehr oder nur mit vermindertem Wert herausgegeben werden kann, wohingegen dem redlichen Bereicherungsschuldner selbst Vorsatz nicht schadet. In §818 Abs. 3 B G B ruht aber auch besonderes rechtsdogmatisches Konfliktpotential, dem für die Frage nach dem Ausgleichstypus beim Bereicherungsanspruch erhebliche Bedeutung zukommt. 1 0 7 [S. 283]; Staudinger 13 -Lorercz, §818 BGB Rn.31; MünchKomm2-LieZ>, §818 BGB Rn.44; Erman'-Westermann, §818 BGB Rn.21; Furtner, M D R 1961, 649 [650]; Koppensteiner, NJW 1971, 588 [591]; Pinger, M D R 1972, 187 [188], 106 Teilweise wird behauptet, daß § 818 Abs. 3 BGB für den gut- und bösgläubigen Bereicherungsschuldner gleichermaßen anwendbar sei, so etwa Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, S. 182; Frieser, Der Bereicherungswegfall in Parallele zur hypothetischen Schadensentwicklung, S.87ff.; Reimer, Die aufgedrängte Bereicherung, S.68. Das ist abzulehnen, weil kein Anlaß besteht, denjenigen zu enlasten, der wissentlich unberechtigt eine Leistung usw. in Anspruch nimmt, und derjenige, der erkennt, aber nicht verhindern kann, daß ihm eine Vermögensmehrung aufgedrängt wird, durch die Grundsätze über die aufgedrängte Bereicherung geschützt wird. 107 Den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Vermögens- oder Gegenstandsorien-

234

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

a) „ Wegfall der Bereicherung" als offener

im

Bereicherungsrecht

Regelungsauftrag

Die Diskussion um das richtige Verständnis von § 818 Abs. 3 B G B leidet seit jeher daran, daß man nicht exakt genug trennt zwischen dem, was der Gesetzgeber konkret und rechtsverbindlich angeordnet hat, und dem, was er lediglich in Form von Leitlinien vorgezeichnet hat. Ein Blick in die Gesetzesmaterialien erhellt jedoch, daß die Vorschrift des §818 Abs. 3 B G B in erster Linie einen Auftrag an Rechtsprechung und Lehre darstellen möchte, ein im wesentlichen ungeschriebenes Rechtsinstitut „Wegfall der Bereicherung" auszugestalten, das die Form einer Einrede des Schuldners gegen den Bereicherungsanspruch haben 108 und dabei drei unterschiedliche Funktionen erfüllen soll. Die erste Funktion ist die Haftungsfreistellung des Schuldners für den Fall, daß die Herausgabe des ursprünglich Erlangten nachträglich unmöglich geworden ist, weil dieses zerstört, verschwendet, gestohlen wurde oder auf andere Weise ersatzlos weggefallen ist. Diesbezüglich hat der Gesetzgeber festgelegt, daß der redliche Bereicherungsschuldner für den ersatzlosen Wegfall des ursprünglich Erlangten selbst dann nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann, wenn er diesen Wegfall verschuldet hat. 109 Die zweite Funktion betrifft die Behandlung von Ersatzvorteilen, d.h. den Fall, daß das ursprünglich Erlangte nicht ersatzlos untergegangen ist, sondern veräußert, verbraucht oder anderweitig wirtschaftlich verwertet worden ist. Im Bereicherungsrecht stellt sich die Frage nach der Berücksichtigung von Ersatzvorteilen - soweit sie nicht Surrogate im Sinne von §818 Abs. 1 B G B sind - umso dringlicher, als §281 Abs. 1 B G B auf den redlichen Bereicherungsschuldner nicht anwendbar ist.110 Diesbezüglich hat der Gesetzgeber einerseits klargestellt, daß der Empfänger in der H ö h e der ihm bleibenden Ersparnisbereicherung nicht entlastet werden könne, andererseits aber auch betont, daß die Ausgestaltung des Bereicherungsbegriffs Wissenschaft und Praxis überlassen bleiben solle.111

tierung des Bereicherungsanspruchs und der Deutung von § 818 Abs. 3 BGB hat vor allem Frieser, Der Bereicherungswegfall in Parallele zur hypothetischen Schadensentwicklung, S. 19, treffend herausgearbeitet. 108 So ausdrücklich Motive II, S.837, vgl. unten c) aa) [S.238], 109 So heißt es in Motive II, S. 836: „Der Empfänger ist hiernach haftfrei, wenn und soweit er zu der entscheidenden Zeit das Empfangene resp. den Werth nicht mehr hat und die durch den Empfang entstandene Bereicherung wieder weggefallen ist, gleichviel, ob der Grund in einem Zufalle oder in einem vorsätzlichen oder fahrlässigen Handeln oder sonstigen Gebahren des Empfängers bestand." 110 B G H Z 75, 203 [206], 111 So heißt es in Motive II, S. 837 einerseits: „Die Verpflichtung beschränkt sich diesfalls auf die Herausgabe dessen, was der Empfänger von dem Geleisteten oder dem Werthe des Geleisteten zu der gedachten Zeit noch hat, und dessen, um was er zu jener Zeit durch das Geleistete (z.B. durch Verzehren und Ersparen, Verbrauchen, Veräußern) bereichert ist.", doch wird danach auch wieder festgestellt: „... hinsichtlich des Begriffes der Bereicherung überhaupt in den denkbar verschiedenen Fällen, darf der Wissenschaft und Praxis nicht vorgegriffen werden."

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

235

D a ß konkrete Vorgaben bewußt nicht gemacht wurden, gilt erst recht hinsichtlich der dritten Funktionsebene, nämlich der Frage, ob und inwieweit Verluste im Stammvermögen bereicherungsmindernd geltendgemacht werden können. Hier hat der Gesetzgeber nur noch signalisiert, daß Verluste im Stammvermögen prinzipiell geeignet seien, die H a f t u n g des Schuldners zu beschränken, nicht mehr jedoch, unter welchen Voraussetzungen dies im einzelnen zu erfolgen habe: Dies sollte ausdrücklich der weiteren Entwicklung vorbehalten bleiben. 112 G e r a d e was den Ausgleich derartiger Verluste betrifft, m u ß man § 818 Abs. 3 B G B daher als eine „offene N o r m " betrachten, die in erster Linie einen Regelungsauftrag an Rechtsprechung und Lehre enthält. 113 b) Ausfüllung des

Regelungsauftrags

D e n skizzierten Funktionen hat man stets dadurch gerecht zu werden gesucht, daß man das Wort „bereichert" rechnerisch verstanden und auf die Gesamtvermögensentwicklung des Empfängers bezogen hat. Im R a h m e n von § 818 Abs. 3 B G B habe danach eine Gesamtsaldierung aller durch den Erwerb adäquat kausal verursachten Vorteile und Nachteile zu erfolgen. Als berücksichtigungsfähiger Vermögensvorteil wird vor allem dasjenige angesehen, was vom ursprünglich Erlangten noch übrig ist, sowie rechtsgeschäftliche Gewinne, die Ersparnis von Aufwendungen, die Tilgung eigener Schulden oder der Anspruchserwerb gegen einen Dritten, 114 als Vermögensnachteil vor allem Verluste im Stammvermögen des Empfängers. Hinsichtlich des Stellenwerts der Gesamtsaldierung im Anspruchsaufbau lassen sich indessen zwei unterschiedliche Standpunkte ausmachen.

Als feste Leitlinie wird man es dabei vor allem ansehen müssen, daß der gemäß §818 Abs. 2 B G B geschuldete Wert die Obergrenze der Haftung bildet. 112 Motive II, S. 838: „Im Uebrigen enthält sich der Entwurf, wie bemerkt, einer Bestimmung über den Begriff der Bereicherung oder des Wegfalls derselben. ... Es ist auch eine spezielle Vorschrift zu der Frage entbehrlich ... Im Uebrigen ist die Entscheidung der Wissenschaft und Praxis zu überlassen. Eine gesetzliche Bestimmung könnte nur zu Mißdeutungen, wie zur Hervorrufung und Verlängerung der Prozesse führen.". Die Motive enthalten zwar einige Anmerkungen, wie die Verfasser tendenziell entscheiden würden, nämlich daß Folgenachteile wohl ausgeglichen werden müßten, sofern der Kausalzusammenhang mit dem Erwerb gegeben ist. Allerdings wird man diesen Anmerkungen, die nur flüchtig eingestreut wirken, nicht zu viel Gewicht beimessen dürfen. 113 So auch Flessner, Wegfall der Bereicherung, S. 94ff., doch wird hier entgegen Flessner vertreten, daß der Gesetzgeber trotz aller Offenheit der Konzeption dennoch feste Leitlinien vorgegeben habe, die eine gänzlich eigenständige Lösung, wie etwa diejenige als „Schadensproblem" (Flessner, a.a.O., S. 103ff.) nicht zuläßt; ebenso Reeb, JuS 1974,513 [514]. Kritisch dagegen Kohler, Die gestörte Rückabwicklung gescheiterter Austauschverträge, S. 122. 114 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 73 13 [S. 301]; Palandt 5 7 -Thomas, § 818 B G B Rn. 37ff.

236

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im

Bereicherungsrecht

aa) Theorie der originären Haftung auf den Saldo Da die Frage nach einem Wegfall der Bereicherung die letzte Stufe der rechtlichen Prüfung bildet und die herrschende Meinung § 818 Abs. 3 BGB - wie soeben dargelegt - vermögensorientiert deutet, mußte sie es stets als naheliegend betrachten, von vorneherein nur noch die Gesamtsaldierung vorzunehmen und den Bereicherungsanspruch schon von vorneherein auf den Vermögenssaldo gehen zu lassen: Ergibt sich ein positiver Überschuß der Aktiv- über die Passivposten, dann sei der Schuldner um genau diesen Betrag bereichert und stelle dieser Betrag den normalen Anspruchsinhalt dar. Die Auffassung vom originären Anspruch auf den Saldo ist denn auch recht verbreitet. 115 Sehr dezidiert wurde sie natürlich von jener älteren Rechtsprechung vertreten, die schon auf tatbestandlicher Seite das Erlangte in einem Vermögenssaldo erblickte. 116 Die jüngere Rechtsprechung hat zwar inzwischen die dogmatische Überlegenheit der Auffassung erkannt, wonach es auf tatbestandlicher Ebene zunächst um das gegenständlich Erlangte geht, und hat auch nicht umhinkönnen, die Herausgabe in natura gemäß §818 Abs. 1 BGB als gewisse Gegenstandsorientierung zu werten. 117 Man glaubt aber immer noch ganz überwiegend, das Erlangte einerseits und die Bereicherung andererseits streng voneinander trennen zu müssen: Der Anspruch möge durch den Zufluß eines konkreten Vermögensgegenstands ausgelöst werden, sei aber von vorneherein auf den gleitenden Betrag einer rechnerisch verstandenen Bereicherung beschränkt. Vom Charakter der bereicherungsrechtlichen Haftung als reinem Realausgleich bliebe damit nichts mehr übrig. bb) Deutung als nachgeschalteter

Ausgleichsmechanismus

In scharfem Gegensatz dazu geht eine im Vordringen befindliche Ansicht davon aus, daß der Inhalt des Bereicherungsanspruchs in erster Linie den §818 Abs. 1 und Abs. 2 BGB entnommen werden müsse 118 und daß §818 Abs. 3 bzw. das Rechtsinstitut des Wegfalls der Bereicherung nur ein ausnahmsweise nachgeschaltetes Korrektiv zum Schutze des redlichen Bereicherungsschuldners

115 B G H Z 1,75 [81]; 9,333 [335]; B G H NJW 1988,3011; aus dem Schrifttum heute noch vor allem Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 14 I 2 [S. 129]; Palandt 57 -Thomas, §818 B G B Rn.29. Letztlich nur eine andere Formulierung stellt der Ansatz von Frieser, Der Bereicherungswegfall in Parallele zur hypothetischen Schadensentwicklung, S. 182ff., dar, wonach die hypothetische Vermögenslage des Schuldners bei Hinwegdenken des ungerechtfertigten Erwerbs betrachtet wird. 116 Statt aller B G H Z 1, 75 [81]. 117 B G H Z 55, 128 [133]; 72, 252 [255/256], 118 Damit ist nichts darüber ausgesagt, ob die Vorschriften über die verschärfte Haftung oder diejenigen über die milde Haftung den „normalen" Anspruchsinhalt darstellen, vgl. zu dieser Kontroverse Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §71 III 1 b) [S.261f.] m.w.N.

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

237

darstelle. 119 Das würde bedeuten, daß der Primäranspruch, wie er sich als einheitlicher Ausgleichsbefehl darstellt, nach wie vor den Regeln eines reinen Realausgleichs folgt, daß aber dieser Realausgleich durch einen Wertausgleich ergänzt werden kann, wenn die entsprechenden Voraussetzungen dafür gegeben sind. c) Diskussion: Unzulänglichkeit

einer

Saldohaftung

Mit der Erkenntnis, daß hier ein offener Regelungsauftrag des Gesetzgebers vorliegt, ist es nur noch bedingt möglich, nach der „Richtigkeit" der von der Rechtsprechung entwickelten Lösung zu fragen, weil dieser bei der Ausführung des Regelungsauftrags ein Ermessensspielraum verblieb. Gefragt werden muß jedoch erstens, ob die von der Rechtsprechung entwickelte Lösung sich im Rahmen des gesetzgeberischen Regelungsauftrags hält, und zweitens, ob sie sich in die Systematik des geltenden Schuldrechts einpassen läßt oder nicht vielmehr Wertungswidersprüche hervorruft. Das gilt nicht nur in bezug auf die erzielten Ergebnisse, sondern auch in bezug auf die dogmatische Konstruktion. Bereits hiernach ergibt sich aber, daß die Auffassung, wonach der Bereicherungsanspruch selbst von vorneherein auf den verbleibenden Vermögenssaldo gerichtet sei - wonach also das Rechtsinstitut „Wegfall der Bereicherung" quasi den Bereicherungsanspruch selbst ersetze - unhaltbar ist. aa) Sachliche Überschreitung des

Regelungsauftrags

Es liegt auf der Hand, daß - wäre die Auffassung von der Haftung auf den Vermögenssaldo zutreffend - die oben gemachten Ausführungen zur Gegenstandsorientierung des Herausgabeanspruchs wie auch des Wertersatzanspruchs überflüssig wären. Denn jedenfalls auf der Stufe des §818 Abs. 3 BGB würde der bis dahin gegenstandsorientierte Ausgleich in einen vermögensorientierten „umschlagen" 120 und sich der Realausgleich am Ende doch in einen reinen Wertausgleich verwandeln. Den gegenstandsorientierten §818 Abs. 1 und Abs. 2 BGB käme nur noch die Funktion zu, eine Höchstsumme der Haftung festzulegen. Das ist zwar für sich betrachtet durchaus theoretisch denkbar, vermag dogmatisch aber nicht zu befriedigen. Denn erstens sollte man generell ei119 MünchKomm 3 -Li'eö, §818 BGB Rn.49; Erman 9 -Westermann, §818 B G B Rn.2; auch bereits von Caemmerer, in: Festschrift Rabel I (1954), S.333 [368]; Rengier, AcP 177 (1977), 418 [431]; Flessner, Wegfall der Bereicherung, S.99ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 14 I 2 [S. 129f.]; Reuter, J Z 1991, 872 [873], 120 Zutreffend Rengier, AcP 177 (1977), 418 [432]; Beuthien, Jura 1979, 532; ebenso auch schon H. A. Fischer, in: Festschrift Zitelmann (1913), S. 1 [10f.], der allerdings daraus die Konsequenz zieht, daß § 812 Abs. 1 falsch sei oder zumindest restriktiv interpretiert werden müsse; auch Reimer, Die aufgedrängte Bereicherung, S. 36 will § 812 BGB aus § 818 Abs. 3 B G B heraus korrigieren. Als unproblematisch sieht das offenbar an von Tuhr, in: Festschrift Bekker (1907), S. 293 [304],

238

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

ner Lösung mit Skepsis begegnen, wonach sich schon der primäre Ausgleichsbefehl selbst als gänzlich hybrides Gebilde aus gegenstands- und wertorientierten Faktoren darstellt, und zweitens würde dadurch die zentrale Vorschrift des § 818 Abs. 2 BGB weitgehend zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. 121 Der Regelungsauftrag an Rechtsprechung und Lehre beschränkt sich jedoch auf die nähere Ausgestaltung allein des dritten Absatzes und dürfte mit einer Lösung, die den zweiten Absatz von § 818 BGB ganz ausschaltet, klar überschritten sein. Zudem ist anzumerken, daß der Regelungsauftrag sich ausdrücklich nur auf die nähere Ausgestaltung einer Einrede bezog.122 Ob man ihn bereits dadurch überschritten hat, daß man den Wegfall der Bereicherung nicht als Einrede, sondern als Einwendung behandelt, kann hier dahinstehen. Jedenfalls aber war eine gänzliche Ersetzung des Anspruchs auf das Erlangte oder seinen Wert, wie er sich aus §818 Abs. 1 und 2 BGB ergibt, sicher nicht gedeckt. bb) Unvereinbarkeit mit dem Wortlaut Eng verwandt mit dem Argument, daß eine originäre Saldohaftung den gesetzgeberischen Regelungsauftrag überschritte, ist das Argument, daß eine solche Konzeption mit dem Wortlaut von § 818 Abs. 3 BGB nicht mehr zu vereinbaren wäre. Denn das Gesetz spricht davon, daß die „Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersätze des Wertes... ausgeschlossen" sein soll, „soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist". Damit bringt es zum Ausdruck, daß die aus den vorstehenden Bestimmungen folgende Haftung eingeschränkt werden soll, wobei gerade die Formulierung „soweit" verdeutlicht, daß die Einschränkung sich auf den Anspruch nur quantitativ, aber nicht qualitativ auswirkt. Würde §818 Abs. 3 BGB eine Modifizierung der Haftung zugunsten einer reinen Saldohaftung beinhalten, hätte es weitaus näher gelegen, zu formulieren: „... ist ausgeschlossen. Der Empfänger haftet, soweit er noch bereichert ist.", bzw. hätte es näher gelegen, die ersten beiden Absätze ganz zu streichen. cc) Erklärungsbedarf

für bestimmte

Ergebnisse

Schließlich lassen sich auch nur bei einer Deutung als nachgeschalteter Ausgleichsmechanismus verschiedene Ergebnisse befriedigend erklären, deren Richtigkeit allgemein anerkannt ist. So ist die Annahme, daß der Bereicherungsschuldner zunächst und in erster Linie auf das Erlangte oder dessen Wert hafte und sich erst in einem zweiten Schritt - unter bestimmten Voraussetzungen - auf Wegfall der Bereicherung berufen kann, nahezu konstitutiv für die 121

S.11. 122

Zutreffend Joachim Wolf Der Stand der Bereicherungslehre und ihre Neubegründung,

So heißt es in Motive II, S. 837 ausdrücklich: „Den Wegfall der Bereicherung sowie den Umfang, in welchem die Bereicherung weggefallen ist, hat, wie durch die Fassung des Entwurfes ausgedrückt wird, immer der Empfänger einredeweise zu behaupten und zu beweisen."

§ 6 Bereicherung und Allokatorisch.es

Modell

239

Haftung des bösgläubigen Empfängers einer unkörperlichen Leistung. Betrachtet man § 818 Abs. 3 B G B von vorneherein als ergänzenden Ausgleichsmechanismus, dann wird etwa die Haftung des blinden Passagiers in der FlugreiseEntscheidung des Bundesgerichtshofs 1 2 3 zu einer baren Selbstverständlichkeit, weil er etwas erlangt hat, nämlich die Beförderung, und daher zunächst einmal dessen Wert ersetzen, also den üblichen Flugpreis zahlen muß. D a ß es sich beim Erlangten um einen unkörperlichen Vorteil handelt, spielt dafür nach oben vertretener Ansicht keine Rolle. 124 Im Rahmen des zweiten Schritts, also der Frage, ob und inwieweit der Empfänger sich auf Wegfall der Bereicherung berufen darf, kann dann berücksichtigt werden, daß er in bösem Glauben handelte. 125 Die Tatsache, daß es sowohl an einem positiven Vermögenssaldo auf seiner Seite als auch an einem Schaden der Fluggesellschaft fehlt, stellt sich deshalb gar nicht als Problem dar. 126 Ferner ist es auch nur so ohne Systembruch möglich, dem gutgläubigen Schuldner einen Abzug des an einen Dritten gezahlten Kaufpreises bei § 816 Abs. 1 B G B zu versagen. 127 D e n n §818 Abs. 3 B G B ist auf den Anspruch aus §816 Abs. 1 B G B in gleicher Weise anwendbar wie auf denjenigen aus §812 B G B unmittelbar. Sowohl das Argument der mangelnden Kausalität als auch dasjenige der angemessenen Verteilung des Insolvenzrisikos können als Scheinbegründungen entlarvt werden. 128 Ein ergänzender Mechanismus der Nachteilsausgleichung hingegen kann und muß berücksichtigen, daß es sich bei § 812 B G B um einen primären Bereicherungsanspruch handelt, bei § 816 Abs. 1 B G B hingegen um einen bloß sekundären, der an die Stelle der verlorenen Vindikation tritt. dd)

Zwischenergebnis

Aus den genannten Argumenten heraus erscheint allein die Deutung zulässig, wonach es sich bei dem Rechtsinstitut des Wegfalls der Bereicherung um einen 123 Grundlegend zum Problem B G H Z 55,128 [131 ff.] sowie MünchKomm 3 -/.««. § 818 B G B Rn. 106a ff. 124 Siehe oben, §6 II 2 b) aa) [S.228]. 125 Generell für ausgeschlossen halten eine Anwendung von § 818 Abs. 3 BGB auf den bösgläubigen Empfänger etwa Staudinger 13 -Lorenz, §818 BGB Rn.52 m.w.N.; andeutungsweise MünchKomm 3 -Li'eb, § 818 BGB Rn. 112; ausdrücklich, aber ohne Nachweise, ferner Palandt 57 Thomas, §818 BGB Rn.53, §820 BGB Rn.7; Restwirkungen von §818 Abs. 3 B G B für den bösgläubigen Schuldner vertritt dagegen Medicus, JuS 1993,705 [708ff.]. Kein echtes Beispiel für eine solche Restwirkung ist allerdings B G H Z 132,198 [213], wo ein beklagtes Energieversorgungsunternehmen im Vertrauen auf die entgeltfreie Nutzungsbefugnis der städtischen Verkehrswege die Tarife gegenüber den Endabnehmern gesenkt hatte und diese Tarife auch nach Eintritt der Rechtshängigkeit nicht wieder erhöhen konnte. Denn es muß für Wegfall der Bereicherung auf den Zeitpunkt der Vornahme der schädigenden Disposition ankommen. 126 127 128

Hierzu Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §71 II 2 c) [S.260] und §73 II 5 [S.319f.]. R G Z 106,4 [7]; B G H Z 14,7 [9f.]; 47,128 [130f.]; 55,176 [179f.]; 100, 95 [101], Hierzu eingehend unten, §8 II 1 b) [S.289ff.].

240

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

vom Bereicherungsanspruch selbst gedanklich zu trennenden, ergänzenden Ausgleichsmechanismus handelt, der erst nach Festlegung des Anspruchsinhalts durch § 818 Abs. 2 BGB korrigierend zum Zuge kommt. Mit anderen Worten handelt es sich um einen Mechanismus zum Ausgleich von Reststörungen, nicht um einen integralen Teil des Primäranspruchs. 129

III. Reichweite

und Bestand

des

Primäranspruchs

Die Erkenntnis, daß der Inhalt des Primäranspruchs durch §§812 Abs. 1, 818 Abs. 1 und 2 BGB bestimmt wird, bedarf in verschiedener Hinsicht der Präzisierung. Insbesondere wenn man die auftretenden Reststörungen ermitteln und zu diesem Zwecke fragen möchte, inwieweit die nach Erfüllung des Primäranspruchs erreichte Verteilung noch von der Soll-Verteilung abweicht, müssen Umfang und Bestand des Primäranspruchs exakt feststehen. 1. Die sekundären Bereicherungsgegenstände Das bedeutet, daß zunächst darauf eingegangen werden muß, was genau vom Herausgabeanspruch umfaßt ist, d.h. wie der Kreis der sogenannten sekundären Bereicherungsgegenstände von sonstigen Vorteilen des Bereicherten abzugrenzen ist. Vom Bereicherungsanspruch umfaßt ist nämlich nicht nur derjenige reale Vermögenszufluß beim Schuldner, der den Anspruch ausgelöst hat, also der sogenannte primäre Bereicherungsgegenstand. Vielmehr umfaßt der Bereicherungsanspruch ebenso wie das ursprünglich Erlangte auch bestimmte Folgevorteile, die in §818 Abs. 1 BGB näher spezifiziert sind und die als sekundäre Bereicherungsgegenstände bezeichnet werden. a) Nutzungen und Surrogate Der Begriff der Nutzungen nimmt nach herrschender Ansicht Bezug auf die Legaldefinition in § 100 BGB.130 Danach sind Nutzungen zum einen die Früchte 129 Dagegen verschlägt m. E. auch der Hinweis nicht, daß die Haftung des redlichen Bereicherungsschuldners völlig unabhängig sei von seinem Verhalten sowie von Zurechnungsgesichtspunkten in seiner Person (siehe Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 67 11 b) [S. 128], § 71 II 1 b) [S. 258], § 7311 b) [S. 296f.], § 73 16 a) [S. 309]) und daß daher dieser Schuldner von vorneherein und nur auf das haften dürfe, was er noch hat. Denn auch nach der hier vertretenen Ansicht ist ja - wie weiter unten ( § 7 1 und II, S. 255ff.) gezeigt wird - sichergestellt, daß der redliche Bereicherungsschuldner im Ergebnis nur auf die verbleibende Vermögensmehrung haftet. Es geht allein um die Frage, ob dieses Ergebnis aus allokatorischer Sicht durch einen einheitlichen oder durch einen zusammengesetzten Ausgleichsmechanismus herbeigeführt wird, und diesbezüglich sprechen die genannten Argumente doch recht deutlich für die letztgenannte Deutung. 13(1 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §72 III 2 [S.271]; Staudinger 1 3 -Lorau, §818 BGB

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

241

und zum anderen die Gebrauchsvorteile einer Sache oder eines Rechts. Wenn §99 Abs. 3 B G B auch von den Erträgen spricht, die eine Sache oder ein Recht vermöge eines Rechtsverhältnisses gewährt, sind dabei nur solche Rechtsverhältnisse gemeint, die auf Gewährung der Nutzung oder des Gebrauchs des betreffenden Gegenstands gerichtet sind.131 Obgleich im Z u s a m m e n h a n g mit § 818 Abs. 1 B G B meist verkürzend von „Nutzungen und Surrogaten" die Rede ist, verwendet das Gesetz selbst den Begriff des Surrogats nicht, sondern spricht davon, was der Empfänger „auf G r u n d eines erlangten Rechtes oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt". Auf G r u n d eines erlangten Rechtes erworben ist dasjenige, was in bestimmungsgemäßer Ausübung des Rechtes erworben wird, also etwa der Leistungsgegenstand bei Einziehung einer Forderung. 132 Ansonsten unterfallen dem § 818 Abs. 1 B G B etwa Versicherungssummen oder Schadensersatzansprüche gegen Dritte. aa) Ausgrenzung

rechtsgeschäftlicher

Surrogate

Rechtsgeschäftliche Gewinne, die bei der Veräußerung des ursprünglich Erlangten erwirtschaftet worden sind, stellen daher weder Nutzungen noch Surrogate dar, 133 und ebensowenig der Nutzen, den der Empfänger durch Verbrauch, Verarbeitung usw. des erlangten Gegenstands erzielt. Das Gegenargument, wonach der Bereicherungsgläubiger auch das Risiko eines Unterwertverkaufs trage und daher auch von einem Überwertverkauf profitieren müsse, verschlägt ebensowenig wie die Parallele zu §281 BGB: Unter Zugrundelegung der Abschöpfungstheorie deswegen, weil die Interessen des Gläubigers danach ja gar keine Rolle spielen sollen, und unter Zugrundelegung der Restitutionstheorie besteht kein Anlaß, dem Gläubiger mehr zu geben, als er zunächst verloren hat. Rn. 10; Erman^-Westermann, §818 BGB Rn.9; Palandt 5 7 -Thomas, §818 BGB Rn.8, jeweils m.w.N. 131 Es wird im Gegenteil erwogen, §818 Abs. 3 BGB dahingehend einzuschränken, daß Miet- und Pachterträge als typische commoda ex negotiatione gleichfalls nicht dem Nutzungsbegriff unterfallen, sondern nur insoweit, als der Schuldner den Kondiktionsgegenstand schon in vermietetem oder verpachteten Zustand erhalten hat, Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 72 II 3 b) [S.271f.], während es ansonsten beim Ersatz des marktüblichen Mietzinses usw. im Rahmen von § 818 Abs. 2 BGB zu bleiben habe. Mir erscheint das deswegen zweifelhaft, weil doch auch im Rahmen der Wertermittlung richtigerweise eine konkrete ex-post-Betrachtung anzustellen ist, Larenz/Canaris, a.a.O., § 92 III 3 b) [S. 277f.], und man die Parallele zur Veräußerung wohl auch insoweit ziehen muß. 132 Vgl. näher MünchKomm 3 -L;efe, §818 BGB Rn.24; Erman 9 -Westermann, §818 B G B Rn. 14. 133 So die herrschende Meinung, B G H Z 24, 106 [110/111]; 75, 203 [206]; 112, 288 [295]; BVerwG NJW 1992,328 [329] sowie die ganz überwiegende Literatur, statt aller Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §72 I 1 c) [S.266f.] m.w.N.; anders allerdings MünchKomm3-Li'e£>, §818 BGB Rn. 26 ff.; Koppensteiner, NJW 1971,1169 [\\ll\,Jakobs, lucrum ex negotiatione, S. lOlff.; Heinrich Lange, NJW 1951, 685 [687] mit Hinweis auf §281 BGB.

242

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

Vielmehr ist zu akzeptieren, daß die Bereicherungshaftung vom Gesetzgeber nun einmal vergleichsweise milde ausgestaltet wurde. 134 bb) Teleologische Extension von §818 Abs. 1 BGB Bei strikter Anwendung dieses Grundsatzes entstehen allerdings Wertungswidersprüche. So erfaßt § 818 Abs. 1 BGB seinem klaren Wortlaut nach auch nicht die Nutzungen aus rechtsgeschäftlichen Surrogaten. 135 Das kann zu grotesken Ergebnissen führen. So will es beispielsweise nicht einleuchten, daß der Empfänger die Gebrauchsvorteile des rechtsgrundlos erlangten blauen Autos herausgeben muß, jedoch nicht diejenigen des roten Autos, welches er mit einem Dritten der Farbe wegen gegen das blaue eingetauscht hat, und ebensowenig die aus dem Veräußerungserlös für das blaue Auto gezogenen Zinsen. Für derartige Konstellationen ist eine Analogie zu § 818 Abs. 1 BGB vorgeschlagen worden. 136 Dem ist zuzustimmen, doch wäre methodologisch eine teleologische Extension wohl vorzuziehen: Es geht nämlich weniger um einen Ähnlichkeitsvergleich, als vielmehr darum, daß der Zweck der Norm ohne eine entsprechende Erweiterung nur unvollkommen erreicht würde. Diese Erweiterung hat sich allerdings nur auf diejenigen Vorteile zu erstrekken, die ihrem Wesen nach im erlangten Gegenstand selbst angelegt sind und nicht nur auf einer besonderen investorischen Entscheidung des Empfängers beruhen: Wer rechtsgrundlos erlangtes Bargeld auf sein Konto einzahlt und dafür Zinsen bekommt, der muß ebenso behandelt werden, als wenn er gleich die Sparforderung erlangt hätte, weil in der Einzahlung von Geld auf ein Sparkonto keine besondere investorische Entscheidung liegt und Zinsen nun einmal die typische Nutzung darstellen, die man aus erlangtem Geld zu ziehen pflegt. Wer dagegen vom rechtsgrundlos erlangten Bargeld ein Auto kauft und durch dessen Vermietung Gewinne erzielt, der hat damit eine individuelle Entscheidung getroffen, die allein ihm, nicht aber dem Erlangten zuzurechnen ist, so daß sich insofern eine erweiternde Anwendung von §818 Abs. 1 BGB verbietet. b) Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeit

als unmittelbar

Erlangtes?

Problematisch ist dabei allerdings, daß mit jedem rechtsgrundlos erlangten Gegenstand streng genommen zugleich auch die Möglichkeit erlangt wird, diesen Gegenstand zu nutzen oder zu verwerten, und daß man diese Nutzungs- bzw. Verwertungsmöglichkeit ihrerseits als unkörperlichen Bereicherungsgegen-

134

Zu den Argumenten im einzelnen Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §72 11 c) [S.266f.]. Ganz herrschende Meinung, vgl. MünchKomm 3 -L/e£>, §818 B G B Rn.25; Staudinger 13 Lorenz, §818 BGB Rn.15; Palandt 57 -77iomas, §818 BGB Rn. 11, jeweils m.w.N. 136 Koppensteiner, NJW 1971, 588 [594]; tendenziell ebenso Erman 9 -Westermann, §818 BGB Rn. 12; dagegen aber B G H NJW 1983, 868 [870], 135

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

243

stand im Sinne von § 812 Abs. 1 BGB ansehen kann. 137 Auf diese Weise würde jeder Bereicherungsschuldner primär auf den objektiven Wert dieser Nutzungsmöglichkeit haften, wobei sich allerdings der redliche Bereicherungsschuldner gemäß § 818 Abs. 3 BGB darauf berufen könnte, daß er diese Nutzungsmöglichkeit ersatzlos hat verstreichen lassen. Konsequenzen hätte dies etwa für Gewinne aus einem rechtsgrundlos erlangten Unternehmen. Die Rechtsprechung hat solche Gewinne überwiegend wie Nutzungen behandelt, soweit sie nicht bloß auf den persönlichen Leistungen und besonderen Fähigkeiten des rechtsgrundlosen Inhabers beruhen und daher nicht als Ertrag des Unternehmens angesehen werden können. 138 Diese Ansicht hat heftige Kritik erfahren, 139 weil der Unternehmensgewinn wesensmäßig dem commodum ex negotiatione weitaus näher stehe als einer Nutzung, bei der das Gesetz davon ausgeht, daß sie gleichsam im Erlangten selbst angelegt ist und prinzipiell von jedermann gleichermaßen gezogen werden kann. Die Eigentümlichkeit unternehmerischer Tätigkeiten lasse sich mit der Deutung als Nutzung nicht erfassen. Vielmehr sei davon auszugehen, daß die Nutzung im Sinne von § 818 Abs. 1 BGB hier im rechtsgrundlosen Innehaben des Unternehmens über eine gewisse Zeitspanne liege, also letztlich in einem Gebrauchsvorteil, dessen objektiver Wert dann gemäß §818 Abs. 2 BGB erstattet werden müsse. Bei der Ermittlung dieses objektiven Ertragswerts könne dann im Einzelfall angemessen berücksichtigt werden, welche Chancen bereits im Unternehmen selbst angelegt waren und welche auf die besonderen Fähigkeiten des Inhabers zurückzuführen sind.140 Indessen müßte die Vergütung der abstrakten Nutzungs- bzw. Verwertungsmöglichkeit dazu führen, daß der bösgläubige Schuldner entgegen der Wertung in §§ 818 Abs. 4,292 Abs. 2,987 Abs. 2 BGB nicht nur auf schuldhaft nicht gezogene Nutzungen haftet, sondern ganz allgemein auf die durchschnittlich ziehbaren Nutzungen, auch wenn ihm persönlich ein Schuldvorwurf nicht gemacht werden kann.141 Gerade bei rechtsgrundlos erlangten Unternehmen kann das zu ganz unerträglichen Ergebnissen führen, weil etwa der verklagte Empfänger stets auf den gewöhnlichen Ertragswert des Unternehmens haften würde, auch wenn er aufgrund einer momentanen Verschlechterung der Auftragslage oder 137 Hierzu umfassend MünchKomm 3 -L/eö, §818 BGB Rn.lOff.; vgl. auch den ähnlichen Standpunkt von Goetzke, AcP 173 (1973), 289 [311]. 138 So zumindest für die verwandte Problematik des §987 B G B in B G H Z 63, 365 [368]; B G H NJW 1978,1578; B G H LM Nr.7 zu §818 Abs.2 BGB; nicht aber, wenn der Empfänger den Betrieb erst selbst eingerichtet hat, vgl. B G H Z 109,179 [191]. Dagegen findet sich in älteren Entscheidungen auch die Auffassung, zwischen Unternehmensgewinnen und Nutzungen bestehe ein tiefgreifender Unterschied, vgl. etwa B G H Z 7, 208 [218]. 139 Statt aller Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §72 II 3 c) [S.272f.] m.w.N. 140 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §72 II 3 c) [S.272f.]; Schwintowski, J Z 1987, 588 [593]; Ballerstedt, in: Festschrift Schilling (1973), S.289 [300f.]. 141 So auch Canaris, J Z 1971, 560 [561]; ders., in: Festschrift Lorenz (1991), S. 19 [50],

244

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

aufgrund einer nicht zu beanstandenden unternehmerischen Entscheidung vorübergehend weniger Gewinne erzielt. Insgesamt scheint mir auch diesbezüglich eine Analogie oder teleologische Extension von § 818 Abs. 1 BGB als der bessere Weg. Eine Gesetzeslücke liegt jedenfalls vor, weil der Gesetzgeber das Unternehmen als Gegenstand von Rechtsgeschäften bei der Konzeption des Bürgerlichen Gesetzbuchs schlicht „vergessen" hat. 142 2. Anspruchsschicksal bei gegenständlichem Wegfall des Erlangten Es muß an dieser Stelle nicht nur erörtert werden, was genau vom Primäranspruch umfaßt ist, sondern auch, ob der gegenständliche Wegfall des ursprünglich Erlangten den Anspruch in seinem Bestand berührt. Dies könnte entweder der Fall sein, wenn § 275 BGB Anwendung fände, oder auch aufgrund von § 818 Abs. 3 BGB selbst, falls diese Vorschrift eine Gefahrtragungsregel enthält. Auf beide Möglichkeiten soll nacheinander eingegangen werden. a) Die mangelnde Anwendbarkeit

von §275 BGB

Nach der Auffassung insbesondere von Canaris, wonach § 818 Abs. 3 BGB eine reine Norm des Vertrauensschutzes darstelle, soll die Vorschrift nur für eine verhaltensbedingte Entreicherung greifen, während dann, wenn der Wegfall des Erlangten auf Zufall beruht, schon § 275 BGB heranzuziehen sei.143 Das soll daraus folgen, daß nur verhaltensbedingte Entreicherungen als Vertrauensdispositionen interpretiert werden können. Zwar setze auch niemand seine eigenen Rechtsgüter absichtlich Verlusten aus, jedoch beruhe das zum Verlust führende Verhalten, etwa die Benutzung einer Sache, nur auf dem Vertrauen auf die Beständigkeit des Erwerbs. 144 Dagegen ist indessen verschiedenes einzuwenden: Zunächst stellt diese Betrachtung darauf ab, daß derjenige, der von seiner Rückgabepflicht weiß, das Erlangte vernünftigerweise keinerlei Gefahren mehr aussetzt. Das ist vom juristischen Standpunkt aus sicherlich zutreffend, nicht unbedingt aber auch vom psychologischen: Wer weiß, daß er einen rechtsgrundlos erlangten Wagen am nächsten Tag herausgeben muß, der kann auch versucht sein, vorher noch rasch einige Besorgungen mit ihm zu erledigen. Sodann würde die Anwendung von §275 BGB voraussetzen, daß überhaupt von Vertretenmüssen des Empfängers im technischen Sinn gesprochen werden kann. Derjenige, der einen vermeintlich zu behaltenden Gegenstand beschädigt, zerstört usw., handelt jedoch in der 142

Zutreffend MünchKomm 3 -Lieö, §818 BGB Rn.21c m.w.N. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 11 a) [S. 295/296]; die extreme Gegenposition vertritt Kohler, Die gestörte Rückabwicklung gescheiterter Austauschverträge, S.81f., der §818 Abs. 3 BGB anstelle von § 275 oder einer Entlastung gemäß §§ 989,990 BGB selbst dann heranziehen möchte, wenn der Schuldner verschärft haftet. 144 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 I 2 b) [S. 297/298], 143

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

245

Regel nicht schuldhaft, sondern allenfalls obliegenheitswidrig. Ferner müßte man, wenn man schon § 275 BGB heranzieht, folgerichtig wohl auch § 281 BGB heranziehen, also dem Gläubiger einen Anspruch auf gegenständliche Auskehrung auch rechtsgeschäftlicher Surrogate einräumen, und zwar auch dann, wenn diese das ursprünglich Herauszugebende wertmäßig übersteigen. Diese Konsequenz widerspräche aber der Entscheidung des Gesetzes, die Haftung des redlichen Bereicherungsschuldners auf den Ersatz des objektiven Wertes zu beschränken. Vor allem aber, und dies scheint mir das schlagendste Gegenargument zu sein, läßt § 818 Abs. 2 BGB den Wertersatzanspruch verschuldensunabhängig entstehen, bevor überhaupt Unmöglichkeit der Leistung geprüft werden muß. Eine Geldleistung kann jedoch normalerweise nach einem allgemeinen Rechtsgedanken, der in § 279 BGB Ausdruck findet, nicht unmöglich werden. Aus den genannten Gründen erscheint mir die Sichtweise vorzugswürdig, wonach §818 Abs. 3 BGB die verhaltensbedingte und die zufallsbedingte Entreicherung gleichermaßen erfaßt und § 275 BGB nach dem Grundsatz lex specialis derogat lege generali gänzlich verdrängt wird.145 b) Die Wirkung von §818 Abs. 3 BGB Wenngleich im Zusammenhang mit § 818 Abs. 3 BGB auch vieles umstritten ist, so besteht doch Einigkeit darüber, daß der redliche Empfänger für den Untergang, das Abhandenkommen usw. des Bereicherungsgegenstands nicht haftet. Es sind aber mindestens zwei unterschiedliche dogmatische Konstruktionen denkbar, um dieses Ergebnis herbeizuführen. Welche Konstruktion man der eigenen Sichtweise zugrundelegt, hängt maßgeblich davon ab, ob man aus der Perspektive der Abschöpfungstheorie oder aus der Perspektive der Restitutionstheorie heraus argumentiert. aa) Abschöpfungstheorie:

Einheitliche

Deutung

Aus der Sicht der Abschöpfungstheorie muß es sich anbieten, der Vorschrift des §818 Abs. 3 BGB eine einheitliche Deutung als Nachteilsausgleichung zugrundezulegen. Sobald sich der Empfänger auf Wegfall der Bereicherung beruft, müßte geprüft werden, inwieweit sich sein Vermögen seit dem ursprünglichen Zufluß des Vorteils wieder verringert hat, und um diesen Betrag wäre der Bereicherungsanspruch zu kürzen. Dabei bestünde etwa zwischen der Beschädigung des Erlangten und seinem Verkauf unter Wert keinerlei Unterschied, weil nur der rechnerische Verlust betrachtet würde. Im Extremfall könnte der Verlust den Wert des Objekts erreichen, so daß der Bereicherungsanspruch zwar gleich145 Abwegig erscheint mir bis heute die Ansicht von Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 1411 [S. 128], § 15 II 1 b) [S. 149f.], wonach der ersatzlose Wegfall des gegenständlich Erlangten weder von §818 Abs. 3 noch von §275 BGB erfaßt werde.

246

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

falls dem Grunde nach fortbestünde, aber der Höhe nach auf Null reduziert wäre. bb) Restitutionstheorie:

§818 Abs. 3 BGB als

Gefahrtragungsnorm

Demgegenüber liegt es in der Konsequenz der Restitutionstheorie, wonach die Herausgabeansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung mit anderen Herausgabeansprüchen des Bürgerlichen Gesetzbuchs in einer Reihe stehen, §818 Abs. 3 BGB als Gefahrtragungsnorm zu begreifen, also als Vorschrift, die darüber bestimmt, wer die Gefahr eines Untergangs des Leistungsobjekts zu tragen hat. In dieser mehr oder weniger „rechtstechnischen Funktion" 146 wäre §818 Abs. 3 BGB der Vorschrift des §275 BGB vergleichbar und würde ebenso wie § 275 BGB bewirken, daß der Anspruch auf Herausgabe oder Wertersatz mit dem gegenständlichen Wegfall des Bereicherungsobjekts unmittelbar erlischt. Von diesem Ausgangspunkt aus würde sich dann allerdings die weitere Frage stellen, ob und inwieweit - da § 281 Abs. 1 BGB nicht eingreift - ein ergänzender Ausgleich von Ersatzvorteilen stattzufinden hat. Konstruktiv wäre dieser Ausgleich entweder positiv im Wege eines ergänzenden Vorteilsausgleichs oder aber negativ im Wege einer Einschränkung der Gefahrtragungsregelung vorzunehmen. 147 Der Sache nach würde jedenfalls bei gegenständlichem Wegfall des ursprünglich Erlangten ein kombinierter Ausgleichsmechanismus angenommen, der sich erstens aus dem erloschenen Primäranspruch und zweitens aus einer ergänzenden Ausgleichung von Ersatzvorteilen zusammensetzt. cc)

Diskussion

In den praktisch erzielten Ergebnissen unterscheiden sich die beiden Ansätze nicht. Allerdings ist schon der Gesetzeswortlaut von § 818 Abs. 3 BGB ein recht starkes Argument für die Lösung der Abschöpfungstheorie und gegen die Lösung der Restitutionstheorie. Denn er deutet darauf hin, daß das Rechtsinstitut ein einheitliches sein soll, das nicht auf die verbleibende Bereicherung, sondern auf die weggefallene abstellt. Gegen die Restitutionstheorie spricht ferner, daß konsequenterweise bei unkörperlichen Bereicherungsgegenständen stets von Enthaftung plus ergänzendem Ausgleich des Ersparnisvorteils ausgegangen werden müßte, 148 womit §818 Abs. 2 Alt. 1 BGB überflüssig wäre und allenfalls noch Bedeutung für den bösgläubigen Schuldner hätte. Auch die Bedeutung von § 818 Abs. 2 Alt. 2 BGB wäre auf die einer bloßen Beweislastregel reduziert, 146

Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 I 1 a) [S.296], Der letztgenannte Ansatz dürfte es sein, der Formulierungen von der Art „Auf Wegfall der Bereicherung kann sich der Schuldner nicht berufen, wenn ..." zugrundeliegt, vgl. Palandt 5 7 -Thomas, §818 BGB Rn.34ff. m.w.N. sowie aus der Rechtsprechung etwa B G H Z 56, 173 [179]; 56, 317 [322]; 83, 278 [283]; 109, 139 [144]; 110, 47 [79]; 118, 383 [387], 148 So in der Tat Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 I 2 b) [S.298] m.w.N. 147

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

247

d.h. es würde lediglich ein Regel-Ausnahme-Verhältnis aufgestellt, indem man zunächst vermuten würde, daß der Empfänger sich einen entsprechenden Ersatzvorteil gesichert hat, der Empfänger diese Vermutung jedoch widerlegen könnte: 149 Ob man dem Regelungsgehalt von §818 Abs. 2 BGB damit gerecht wird, ist überaus fraglich. Vom dogmatischen Standpunkt aus sprechen daher die besseren Gründe für eine einheitliche Deutung, d.h. dafür, daß der Bereicherungsanspruch an sich bei gegenständlichem Wegfall des Erlangten zunächst unberührt bleibt, daß jedoch ein entsprechender Abzug erfolgt, wenn der Empfänger nachweisen kann, daß sein Vermögen nicht mehr bleibend erhöht ist. Die einheitliche Deutung verliert jedoch dort an Überzeugungskraft, wo die Abschöpfungstheorie auf den zugrundeliegenden Bereicherungsanspruch von vorneherein nicht zu passen vermag. Das kann vor allem der Fall sein, wenn kein primärer Bereicherungsanspruch, sondern nur ein sekundärer - wie etwa § 816 Abs. 1 BGB - oder ein bloßer Subanspruch vorliegt. Denn wie noch zu zeigen sein wird, orientieren sich solche Ansprüche hinsichtlich einer vorzunehmenden Vorteils- oder Nachteilsausgleichung am jeweils übergeordneten Primäranspruch, und dieser wird normalerweise nicht auf bloße Abschöpfung abzielen. Ohne daß dies an dieser Stelle der Arbeit bereits näher dargelegt werden kann, wird es beispielsweise doch einleuchten, daß der Vindikationsschuldner im Rahmen des gegen ihn gerichteten Bereicherungsanspruchs aus §988 BGB Nachteile, die er im Zusammenhang mit der Vindikationslage erlitten hat, nicht im gleichen Umfang geltend machen kann wie etwa im Rahmen einer allgemeinen Eingriffskondiktion: 150 Dadurch würde das ausgewogene Regelungswerk der §§ 994ff. BGB unterlaufen. Dennoch muß es bei dem Ergebnis bleiben, daß er für einen auch verschuldeten Wegfall von Nutzungen nicht haftet. Dies wird gewährleistet durch die „latente" Funktion von § 818 Abs. 3 BGB als Gefahrtragungsnorm, die dann - der Lösung der Restitutionstheorie entsprechend durch einen Mechanismus des Vorteilsausgleichs ergänzt werden muß. 3. Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, daß der primäre Bereicherungsanspruch umfangsmäßig sowohl das Erlangte als auch dessen Nutzungen und Surrogate sowie gewisse weitere Vorteile umfaßt, die im Bereicherungsgegenstand selbst angelegt sind und keine besondere investorische Eigenleistung des Empfängers voraussetzen. Das betrifft normalerweise nicht sogenannte commoda ex negotiatione. Ferner hat sich gezeigt, daß bei einem Wegfall des ur149 Daß die Beweislast für die Umstände, die zu einer Reduzierung der Haftung führen, jedenfalls der Empfänger trägt, ist ganz allgemeine Meinung, statt aller Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 I 1 c) [S.297], 150 Anders jetzt freilich - mit bedenklichen Argumenten - B G H Z 137, 314 [316ff.]; B G H NJW 1998, 1709 [1710]; vgl. dazu unten, § 10 III 3 b) [S. 360],

248

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

sprünglich Erlangten nach der Restitutionstheorie auch der Primäranspruch erlischt, während er nach der Abschöpfungstheorie zunächst unverändert bestehen bleibt.

IV. Identifizierung

der

Reststörungen

Angesichts der Klarstellung, die durch die vorstehenden Untersuchungen erreicht werden konnte, ist es nunmehr auch möglich, die auftretenden Reststörungen zu identifizieren. Unter welchen Voraussetzungen bei den Beteiligten von Reststörungen gesprochen werden kann, hängt allerdings wiederum maßgeblich davon ab, ob man die Abschöpfungstheorie oder die Restitutionstheorie zugrundelegt. 1. Reststörungen beim Bereicherten Restnachteil des Bereicherten ist jede negative Vermögensdifferenz, die sich auf seiner Seite ergibt, wenn man sein Gesamtvermögen nach gedachter Erfüllung des Primäranspruchs mit dem Gesamtvermögen vergleicht, wie es sich darstellen würde, wenn er den Gegenstand der Bereicherung nie erlangt hätte. Konsequenterweise ist ein Restvorteil des Bereicherten durch eine entsprechende positive Vermögensdifferenz definiert. a) Reststörungen nach der

Abschöpfungstheorie

Unter Zugrundelegung der Abschöpfungstheorie kommen als Restvorteile des Bereicherten nur commoda ex negotiatione in Betracht, soweit sie den zu leistenden Wertersatz übersteigen. Als Restvorteil sind demnach etwa der Reingewinn aus der Veräußerung des Bereicherungsgegenstands anzusehen oder Gewinne eines Unternehmens insoweit, als sie nur auf den persönlichen Leistungen und besonderen Fähigkeiten des rechtsgrundlosen Inhabers beruhen und daher nicht als Ertrag des Unternehmens angesehen werden können. Schließlich ist noch an solche Nutzungen aus rechtsgeschäftlichen Surrogaten zu denken, hinsichtlich derer eine teleologische Extension von §818 Abs. 1 BGB nicht angezeigt ist, weil sie wesentlich auf individuellen investorischen Entscheidungen des Empfängers beruhen. Was die Restnachteile anbelangt, ist indessen eine nähere Differenzierung angezeigt: aa)

Umsetzungsverluste

Indem das Gesetz in § 818 Abs. 2 BGB als Regelfall Ersatz des objektiven Verkehrswerts anordnet, also des Preises, den der Empfänger auf dem für ihn maßgeblichen Bezugsmarkt für einen entsprechenden Gegenstand hätte zahlen

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

249

müssen, geht es implizit von der Vermutung aus, daß die wirtschaftliche Verwertung dem Empfänger einen entsprechenden Ersatzvorteil gebracht hat. Dieser kann sich als positiver Vermögensgegenstand niederschlagen - etwa in Form eines Veräußerungserlöses - oder als Fehlen eines negativen Vermögensgegenstands - etwa in Form einer ersparten Aufwendung. In der Realität zeigt es sich jedoch, daß die Umsetzung von Vermögensgegenständen mit Verlusten verbunden ist, die als „Umsetzungsverluste" bezeichnet werden können und die in Zusammenhang mit einer ungeschmälerten Wertersatzpflicht zu Restnachteilen des Schuldners führen. Ganz offen zutage treten solche Verluste, wenn das Erlangte ersatzlos entfallen ist, etwa durch Zerstörung oder Diebstahl. Bei Verbrauch oder Verarbeitung beurteilt sich die Frage, ob der Untergang ersatzlos war, vor allem nach den konkreten wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeiten des Empfängers: Wer regelmäßig Wein einer entsprechenden Qualität trinkt, kann eine rechtsgrundlos erworbene Flasche wirtschaftlich durch Konsum realisieren, weil er sich eine Ausgabe beim nächsten Einkauf erspart. Wer sich dagegen nie Wein leistet oder nur Wein einer minderen Qualitätsstufe, für den stellt sich der Konsum als wirtschaftlicher Verlust dar. Ein Umsetzungsverlust besteht dann in Höhe der Differenz zwischen zu leistendem Wertersatz und Wert der Ersparnis. Bei Veräußerung des Erlangten entstehen Umsetzungsverluste vor allem, wenn ein zu geringer Preis erzielt wird, oder bei hohen Geschäftskosten. Ausgaben, die anläßlich Veräußerung, Verarbeitung usw. des primären Gegenstands der Bereicherung anfallen, schmälern bei wertender Betrachtung den erlangten Ersatzvorteil und sind daher im Rahmen der Umsetzungsverluste zu berücksichtigen. bb) Verluste im

Stammvermögen

Davon scharf zu unterscheiden sind jedoch Verluste im Stammvermögen des Bereicherten, die unabhängig von einer Umsetzung des Erlangten eintreten. Solche Verluste können sich als Verwendungen auf das Erlangte darstellen, also als freiwillige Vermögensopfer, die dem Erlangten zugute kommen sollen, indem sie es bewahren, wiederherstellen oder verbessern. Zu denken ist aber ebenso an sonstige Dispositionen, die der Empfänger im Hinblick auf das Erlangte trifft, indem er etwa Anschaffungen macht, die nur in Verbindung mit dem Erlangten Sinn machen, oder gewisse Rechtshandlungen unterläßt, so etwa die Verjährungsfrist gegen den wahren Schuldner verstreichen läßt, auf Sicherheiten verzichtet oder ein vielversprechendes Konkurrenzangebot ablehnt.151 Erwerbskosten, die der Empfänger aufgewendet hat, um überhaupt in den Genuß der ungerechtfertigten Bereicherung zu gelangen, sind dann als Restnachteile zu qualifizieren, wenn sie bei natürlicher Betrachtung auf dem151

Vgl. B G H Z 26,185 [195]; 66,150 [155]; 82, 28 [34],

250

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im

Bereicherungsrecht

selben historischen Vorgang beruhen, der zum rechtsgrundlosen Erwerb geführt hat; ob dies noch zu bejahen ist, kann vor allem fraglich sein, wenn es um die Kosten des Geschäfts mit einem Dritten geht, die schon im Vorfeld gemacht wurden und die auch angefallen wären, wenn der rechtsgrundlose Erwerb unterblieben wäre. 152 Verluste im Stamm vermögen entstehen natürlich auch durch Schäden, also unfreiwillige Vermögensopfer, die das Erlangte beim Empfänger anrichtet. Wie schon die unermüdlich angeführten Schulbeispiele vom rechtsgrundlos erlangten Hund, der den Teppich des Empfängers zerbeißt, oder von der rechtsgrundlos erlangten Kuh, die sein Vieh mit einer tödlichen Krankheit ansteckt, indizieren, kommt solchen Begleitschäden allerdings weit weniger praktische Relevanz zu als Aufwendungen. 153 b) Reststörungen nach der

Restitutionstheorie

Ganz anders stellt sich die Lage dar, wenn man der Betrachtung die Restitutionstheorie zugrundelegt. Da diese ja davon ausgehen muß, daß der Bereicherungsanspruch mit gegenständlichem Wegfall des ursprünglich Erlangten erloschen ist, schlagen auch alle Ersatzvorteile, die sich der Schuldner etwa gesichert hat, auf seiner Seite unmittelbar als Restvorteile zu Buche. Das betrifft zum einen rechtsgeschäftliche Surrogate, vor allem aber auch Ersparnisvorteile. Demgegenüber entstehen ihm durch Umsetzungsverluste keinerlei Restnachteile, weil er ja von vorneherein nur auf dasjenige haftet, was vom ursprünglich Erlangten in seiner Sphäre gegenständlich noch vorhanden ist. Gleichermaßen zu Restnachteilen wie nach der Abschöpfungstheorie führen dagegen Verluste, die der Bereicherte infolge des Erwerbs in seinem Stammvermögen erleidet, seien sie freiwilliger oder unfreiwilliger Art. 2. Reststörungen beim Gläubiger Der korrekten Identifizierung dessen, was als Restvorteil oder Restnachteil des Gläubigers angesehen werden muß, kommt eine Schlüsselfunktion zu für die Bewältigung zahlreicher bereicherungsrechtlicher Probleme. Sie setzt indessen eine korrekte Identifizierung der Soll-Verteilung voraus, und diesbezüglich ha152 Vgl. hierzu B G H NJW 1995, 3315 [3317], wo es um die Einlösung eines fehlerhaften Schecks ging und der Einlösende dem Bereicherungsanspruch entgegenhielt, er habe den Scheck einem anderen abgekauft und sei somit um den Kaufpreis entreichert. 153 Staudinger 1 3 -Loraiz, § 818 BGB Rn. 40 weist zutreffend darauf hin, daß der Schuldner in diesen Fällen kaum darauf dringen wird, den Gegenstand der Bereicherung zurückzubehalten. Vor allem bei gegenseitigen Verträgen - für welche die hier gemachten Ausführungen allerdings nicht unmittelbar Geltung besitzen - lassen sich praktische Anwendungsfälle durchaus denken, da gerade nichtige oder vernichtbare Rechtsgeschäfte oft deswegen nichtig oder vernichtbar sind, weil ein bestimmtes Objekt ein erhöhtes Schädigungspotential in sich trägt. So ist etwa daran zu denken, daß der arglistig über schadhafte Bremsbeläge getäuschte Autokäufer infolge eines Bremsversagens einen Unfall erleidet und körperliche Verletzungen davonträgt.

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

251

ben sich die bislang gemachten Ausführungen einer eindeutigen Aussage bewußt enthalten. a) Das Dilemma der zutreffenden

Soll-Verteilung

Im Schadensrecht durfte man ohne weitere Diskussion davon ausgehen, daß Soll-Verteilung der status quo ante ist, die rechtlich gebilligte Ausgangsverteilung, in der sodann erst eine Störung auftritt. Das stellte § 249 Satz 1 BGB zwar nur für die Vermögenssphäre des Geschädigten ausdrücklich klar, doch bestand auch kein Anhaltspunkt dafür, daß auf der Seite des Schädigers etwas anderes gelten könnte. Es scheint auf den ersten Blick alles dafür zu sprechen, daß im Bereicherungsrecht Soll-Verteilung eben der Zustand sei, der bei Hinwegdenken des mißbilligten Vermögenszuflusses beim Schuldner bestünde. Das ist auch grundsätzlich zutreffend, doch ist die rechtlich gebilligte Ausgangsverteilung nach der Restitutionstheorie eine andere als nach der Abschöpfungstheorie. aa)

Restitutionstheorie

Die Restitutionstheorie, die ja die anspruchsauslösende Verteilungsstörung zumindest auch in einem Zuwenig beim Gläubiger erblickt, muß als Soll-Verteilung den Zustand ansehen, der bestünde, wenn der Gläubiger nie etwas rechtsgrundlos an den Schuldner geleistet hätte, wenn nie ein Eingriff des Schuldners in seine Rechtssphäre stattgefunden hätte usw. Mit anderen Worten wird zum Vergleich in der Tat beiderseits der status quo ante herangezogen bzw. der Zustand, der bestünde, wenn das konkrete historische Ereignis, das zur ungerechtfertigten Bereicherung geführt hat, nie stattgefunden hätte. Ein Unterschied etwa zum Schadensrecht besteht insofern nicht. bb)

Abschöpfungstheorie

Die Abschöpfungstheorie dagegen baut auf der Vorstellung auf, daß insbesondere derjenige, der rechtsgrundlos leistet, damit sein Vermögen in zurechenbarer und rechtlich an sich nicht zu mißbilligender Weise vermindert habe. Mit dem Tatbestand der Leistung sei - zumindest was die Sphäre des Leistenden betrifft - ein neuer, rechtlich gebilligter Zustand geschaffen, der dann auch einer allokatorischen Betrachtung als Ausgangszustand und Soll-Verteilung zugrundezulegen wäre.154 Anders ausgedrückt: Wenn die anspruchsauslösende Vertei154 Zutreffend Reimer, Die aufgedrängte Bereicherung, S.23: „Ebenso wie bei §985 BGB und § 1004 BGB das Entstehen der Eigentumsbeeinträchtigung nicht anspruchsbegründend wirkt, wirken auch die Umstände, die zu dem vom Gesetz nicht gebilligten Vermögensvorteil geführt haben, im Recht der ungerechtfertigten Bereicherung nicht anspruchsbegründend. Der materiale Haftungsgrund besteht danach allein im Vorliegen einer aktuellen Beeinträchtigung des Eigentümers bei § 985 BGB und § 1004 BGB beziehungsweise eines aktuellen ungerechtfertigten Vermögensplus des Bereicherungsschuldners bei § 812 BGB."

252

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

lungsstörung ausschließlich im Zuviel beim Schuldner zu sehen sei und auch nicht teilweise in einem Zuwenig beim Gläubiger, dann könne die durch das Entbehren des Gläubigers geschaffene Lage, die dem Zuviel beim Schuldner ja denklogisch um mindestens die berühmte „juristische Sekunde" vorgelagert ist, nicht als rechtlich mißbilligt betrachtet werden. Soll-Verteilung wäre somit hinsichtlich des Schuldners der status quo ante, hinsichtlich des Gläubigers dagegen der neue status quo. Bei den Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch kam diese Haltung sehr deutlich zum Ausdruck: Die Vermögensverschiebung entspreche dem Willen des Leistenden. Wenn demselben trotzdem das Recht eingeräumt werde, die Leistung zurückzufordern, so beruhe dies lediglich auf Gründen der Billigkeit.155 Konsequenterweise mußten sich bei den Beratungen Zweifel regen, ob diese Argumentation auch bei der Eingriffskondiktion möglich sei, doch glaubte man, diese Zweifel beseitigen zu können: An die Stelle des Willens des Leistenden trete hier die gesetzliche Vorschrift, kraft welcher die Vermögensverschiebung erfolge. 156 Dies sei zwar vielleicht in manchen Fällen nicht sachgerecht: Im Großen und Ganzen aber werde sich der hervorgehobene Gesichtspunkt als zutreffend erweisen und müsse sich der Gesetzgeber hierdurch leiten lassen.157 b) Reststörungen nach der

Abschöpfungstheorie

Denkt man den Ansatz der Abschöpfungstheorie konsequent weiter, dann muß man zu dem Ergebnis gelangen, daß alles, was der Gläubiger aufgrund des Bereicherungsanspruchs vom Schuldner ausgekehrt erhält, für diesen einen Restvorteil darstellt. Denn mit der Leistung oder dem anderweitigen Erwerbstatbestand ist ein neuer, in bezug auf den Gläubiger an sich rechtlich nicht mißbilligter Zustand geschaffen worden. Wohl ist dieser Zustand rechtlich mißbilligt, was den Schuldner anbelangt, weshalb von einer anspruchsauslösenden Verteilungsstörung gesprochen werden kann, doch hat sich nichtsdestoweniger der rechtlich gebilligte Ausgangszustand für den Gläubiger verändert. Will man demnach die Reststörungen auf der Seite des Gläubigers ermitteln und fragt man, um wieviel er sich nach Erfüllung des unmodifizierten Primäranspruchs besser oder schlechter steht als bei Hinwegdenken der auslösenden Störung, so ist dieser neue status quo, und nicht der Zustand vor der Leistung oder dem anderweitigen bereichernden Vorgang zum Vergleich heranzuziehen. Und dieser Vergleich ergibt ganz offensichtlich, daß sich der Gläubiger genau um den Wert des Herausgegebenen besser steht, also einen Restvorteil erlangt hat. Konse-

155 156 157

Wörtlich zitiert nach Protokolle II, S.706. Zitiert nach Protokolle II, S.707. Protokolle, a.a.O..

§ 6 Bereicherung und Allokatorisches

Modell

253

quenterweise kann von Restnachteilen des Gläubigers praktisch nie die Rede sein.158 Daß dieses zunächst frappierend wirkende Ergebnis nicht ganz und gar abwegig ist, erhellt schon ein Vergleich mit dem Schadensersatzrecht, wo die Belastung mit der Ersatzpflicht grundsätzlich als Restnachteil des Schädigers qualifiziert werden mußte, was in gewisser Weise spiegelbildlich der hier vorliegenden Situation entspricht.159 Man kann das natürliche Unbehagen, das man angesichts der Annahme empfindet, einstweilen auch damit beruhigen, daß ja nach der Abschöpfungstheorie in der Tat nur etwas beim Schuldner weggenommen werden soll. Daß der Gläubiger dabei am Ende etwas erlangt, mag ein erwünschter Nebeneffekt des Ausgleichs sein, aber auch nicht mehr, d.h. ob und wieviel er ausgekehrt erhält, ist für das Erreichen des Ausgleichsziels vollkommen unerheblich. Ganz im Sinne des Schlagworts, daß es sich bei den §§812ff. BGB um fiereicherungsrecht, und nicht um £«ireicherungsrecht handele,160 könnte man auch sagen, dem Gesetz sei es gewissermaßen „egal", ob der Gläubiger im Ergebnis noch etwas erhält oder nicht: Für den Ausgleich seiner Verluste müsse er sich an Schadensersatzansprüche halten, während Bereicherungsansprüche ungeeignet seien, für die Wiederherstellung seiner Vermögenssphäre zu sorgen. c) Reststörungen

nach der

Restitutionstheorie

Unter Zugrundelegung der Restitutionstheorie stellt sich die Beurteilung dessen, was jeweils als Restvorteil oder Restnachteil des Gläubigers anzusehen ist, völlig anders dar. So kann von einem Restvorteil des Gläubigers nur die Rede sein, wenn der Schuldner den Gegenstand der Bereicherung verbessert oder mehr Nutzungen gezogen und herauszugeben hat, als der Gläubiger selbst gezogen hätte. Restvorteile können auch bei der unbefugten Nutzung fremder 158 Allenfalls könnte man geneigt sein, hier Rechtsverfolgungskosten des Gläubigers anzuführen, die gegebenenfalls den Wert des Herausgegebenen auch übersteigen und so im Ergebnis zu einem Verlust führen können. Obgleich dieser Einwand durchaus stichhaltig ist, sollte man Rechtsverfolgungskosten im Bereicherungsrecht - wie übrigens auch bei allen folgenden Anspruchsverhältnissen - aus der Betrachtung besser ausklammern. Sie stellen nämlich unter allokatorischen Gesichtspunkten insofern ein Sonderproblem dar, als dem Nachteil des Gläubigers unabhängig von der Soll-Verteilung des verfolgten Anspruchs stets ein abstrakter Vorteil des Schuldners unmittelbar korrespondiert und diese unmittelbare Verbundenheit dazu führt, daß insoweit eine vorrangige Verrechnung stattzufinden hat. Darauf wird im Sechsten Kapitel noch näher einzugehen sein. 159 Hierzu oben, Zweites Kapitel §2 III 3 a) [S. 116]. Doch sollte man mit diesem Vergleich auch sehr vorsichtig umgehen, weil er in einem wichtigen Aspekt hinkt: Der Schadensersatzschuldner hat ja - zumindest in der Regel - zunächst nichts erlangt, was ihm durch den Schadensersatz wieder genommen würde. 160 Esser, Schuldrecht II, 4. Auflage (1971), §104 II 1 b) [S.370]; LarenzJCanaris, Schuldrecht II/2, §71 I 2 b) [S. 256]; MünchKomm 3 -L/eft, §812 B G B Rn.208; Staudinger ^-Lorenz, §812 B G B Rn.24; sinngemäß auch B G H Z 17, 236 [239]; 20,345 [355]; 36,232 [233],

254

Drittes Kapitel: Ausgleich

von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

Rechtspositionen entstehen, vor allem beim Eingriff in fremde Immaterialgüterrechte, soweit der entrichtete Wertersatz den tatsächlich entgangenen Gewinn oder Marktverwirrungsschaden übersteigt. Dagegen erleidet der Gläubiger einen Restnachteil, wenn der Schuldner auf weniger haftet als dem Gläubiger infolge der rechtsgrundlosen Leistung usw. entgangen ist, ganz typischerweise also insoweit, als er sich auf Wegfall seiner Bereicherung berufen kann.

§ 7 Ausgleich von Reststörungen im Bereicherungsrecht Was den Ausgleich von Reststörungen betrifft, so sind es im wesentlichen zwei unterschiedliche Mechanismen, die genannt werden müssen. Zum einen ist dies der Ausgleich von Umsetzungsverlusten oder auch von Ersatzvorteilen, je nachdem, ob man von der Abschöpfungstheorie oder von der Restitutionstheorie her argumentiert. Zum anderen ist dies die bereicherungsrechtliche Nachteilsausgleichung, d.h. die Geltendmachung von Verlusten durch den Schuldner, die dieser in seinem Stammvermögen erlitten hat und die unabhängig davon eintreten können, ob er das ursprünglich Erlangte verloren hat oder noch herausgeben kann. Von diesen beiden Mechanismen soll zunächst der erstgenannte erörtert werden, weil er weniger Probleme aufwirft.

I. Ausgleich

von Umsetzungsverlusten

bzw.

Ersatzvorteilen

Bei der Analyse der Rechtsprechung und Literatur ist es oft schwer abgrenzbar, ob eine bestimmte Argumentationsweise sich auf der Grundlage der Abschöpfungstheorie oder der Restitutionstheorie bewegt, d.h. ob sie von einem Ausgleich von Umsetzungsverlusten oder von einem Ausgleich von Ersatzvorteilen ausgeht. Denn die gängigen Formulierungen - etwa: der Schuldner könne dem Gläubiger „den Einwand des Wegfalls der Bereicherung entgegenhalten",161 der Schuldner „könne sich auf Wegfall seiner Bereicherung nicht berufen, wenn...",162 der Schuldner „sei nicht entreichert"163 - legen dies nicht offen. Da die tatsächlich erzielten Ergebnisse von der gewählten Konstruktion weitestgehend unabhängig sind, muß auf diesen Punkt im folgenden aber auch nicht näher eingegangen werden. 1. Die anerkannten Grundsätze Bei der Feststellung, ob und inwieweit sich der Schuldner auf Wegfall seiner Bereicherung berufen kann, findet nur teilweise eine echte Ermittlung und Bewer161

So etwa BGHZ 118, 383. BGHZ56,173 [179]; 56,317 [322]; 83,278 [283]; 109,139 [144]; 110,47 [79]; 118,383 [387]; BGH NJW 1996, 926. 163 BGHZ 110, 247 [252]; 111,125 [132], 162

256

Drittes Kapitel: Ausgleich

von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

tung des erlangten Umsetzungsverlusts bzw. Ersatzvorteils statt. Das ist noch am ehesten der Fall, wenn der Empfänger für das Erlangte eine Gegenleistung oder einen Anspruch gegen einen Dritten erlangt hat: Ein solcher Anspruch wird nicht nur auf seine Höhe, sondern auch auf seine Durchsetzbarkeit hin überprüft, und gegebenenfalls wird es dem Schuldner gestattet, dem Gläubiger eine unsichere Forderung abzutreten und sich in voller H ö h e auf Wegfall der Bereicherung zu berufen. 1 6 4 Ansonsten wird der Einwand des § 818 Abs. 3 B G B gerne pauschal entweder bejaht oder verneint, wobei die Entscheidung eine wertende ist und an die schadensrechtliche Vorteilsausgleichung erinnert, wo im Einzelfall geprüft wird, ob die Anrechnung mit dem Zweck des Schadensersatzes vereinbar und dem Geschädigten zumutbar ist sowie den Schädiger nicht unbillig entlastet. Dieser Befund, der sogleich anhand von Beispielen näher untermauert werden soll, unterstreicht nur noch einmal die hier vertretene Auffassung, wonach es sich beim Ausgleich von Umsetzungsverlusten bzw. Ersatzvorteilen um ein eigenständiges Rechtsinstitut handelt, das anderen Regeln folgt als der eigentliche Bereicherungsanspruch. a) Wertende Gewährung des

Einwands

In einer Reihe von Fallkonstellationen pflegt die Rechtspraxis einen sehr großzügigen Maßstab anzulegen und dem Schuldner den Einwand der Entreicherung zuzugestehen, obgleich man mit guten Argumenten auch eine Ersparnisbereicherung annehmen könnte. Im einzelnen betrifft dies den Verbrauch von überzahlten Beträgen für die Lebenshaltung, die sogenannten Luxusaufwendungen sowie Fälle nicht mehr deckenden Aktivvermögens. aa) Verbrauch für die

Lebenshaltung

Geht es um rechtsgrundlos entrichtete Lohnzahlungen oder Unterhaltsleistungen geringer oder mittlerer Höhe, wird in der Praxis nur noch geprüft, ob der Empfänger besondere Rücklagen gebildet hat. 165 Ansonsten wird vermutet, daß überzahlte Beträge restlos für die allgemeine Lebensführung verbraucht worden sind. 166 Das gilt sogar dann, wenn mit den Überzahlungen ein Darlehen getilgt worden ist, der Empfänger aber nachweisen kann, daß er das Darlehen auch ohne die Überzahlungen notfalls unter Einschränkung seiner übrigen Lebensführung getilgt hätte. 167 Eine Ersparnisbereicherung wird hier regelmäßig 164 R G Z 86, 343 [348/349]; B G H Z 72, 9 [13]; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 7 3 I 3 b) [S. 301]; bei wertlosen Forderungen ist ohne weiteres von Wegfall der Bereicherung auszugehen, O L G Frankfurt NJW-RR1995,1348. Ansonsten bleibt es allerdings bei der Verpflichtung zum Wertersatz, MünchKomm 3 -Li'efe, §818 B G B Rn.78. 165 Vgl. etwa B G H FamRZ 1984, 767 [768], 166 B A G NJW 1994, 2636 [2637f.]; O L G H a m m FamRZ 1994, 1119; FamRZ 1996, 1406; B G H NJW 1981, 2183 [2184], 167 BVerwG 15,15 [18]; B G H 118, 383 [388],

§ 7 Ausgleich von Reststörungen im Bereicherungsrecht

257

nicht mehr konkret geprüft, obgleich es oft auf der Hand liegt, daß der Empfänger anderenfalls Habseligkeiten hätte verkaufen oder verpfänden müssen, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Diese Praxis dürfte allenfalls teilweise ihren Grund in der Schwierigkeit der Beweisführung haben und vor allem darauf zurückzuführen sein, daß man eine Rückforderung in derartigen Fällen unter sozialen Gesichtspunkten als dem Empfänger unzumutbar empfindet. Ganz in diesem Sinne ist denn ein Ausgleich auch verneint worden, wenn jemand erhebliche Summen in einer Spielbank verloren hat, in der Meinung, es handele sich dabei um die wirklich geschuldete Leistung eines Dritten: 168 Auch hier geht es letztlich nur um den Verbrauch des Erlangten für einen „Lebensbedarf", der allerdings sehr üppig ausfällt, und es ist zu erwarten, daß der Betreffende auch die später wirklich eintreffende Leistung ebenso verspielen wird. Unzumutbar erscheint hier die Annahme einer Ersparnisbereicherung aber keineswegs, weil Erwägungen der Zumutbarkeit nicht entgegenstehen und Glücksspiel gemeinhin sozialethisch anders bewertet zu werden pflegt als die Bestreitung eines bescheidenen Lebensunterhalts. bb)

Luxusausgaben

In gewisser Weise trifft das Gesagte auch auf die Fallgruppe der Luxusausgaben zu,169 wenn es sich nicht gerade um eines der Schulbeispiele vom mittellosen Rentner handelt, der sich vom rechtsgrundlos erlangten Geld eine teure Kreuzfahrt leistet. Denn es entspricht der Lebenserfahrung, daß jeder Mensch ein Bedürfnis nach einem bestimmten Maß von Luxusausgaben hat: Wer sich etwa vom versehentlich überzahlten Lohn ein teures Kleid leistet, der befriedigt damit ein bestimmtes Bedürfnis, das er anderenfalls vielleicht zwei Monate später mit Hilfe des Weihnachtsgeldes befriedigt hätte. Wenn bei Luxusausgaben dennoch Entreicherung ganz generell angenommen wird, dann beruht auch das im Grunde auf sozialen Erwägungen. Paradigmatisch ist etwa eine Entscheidung, in der ein Empfänger vom rechtsgrundlos erlangten Geld neue Wohnzimmermöbel angeschafft hatte, deren Veräußerung aber nur zu einem Bruchteil des Anschaffungswerts möglich gewesen wäre: Hier wurde der Einwand der Entreicherung in vollem Umfang gewährt, 170 obgleich man schwerlich bestreiten konnte, daß sich ein gewisser Gegenwert noch im Vermögen des Empfängers befand und daß dieser nur eine Ausgabe getätigt hatte, die sich zum konkreten Zeitpunkt vielleicht als „Luxus" darstellte, die er aber irgendwann ohnehin hätte tätigen müssen. In Wahrheit liegt eine reine Billigkeitsent168

OLG Hamm NJW-RR 1991, 155. Siehe nur die Nachweise bei Palandt 57 -Thomas, § 818 BGB Rn. 35; Erman 9 -Westermann, §818 BGB Rn. 35. 170 Siehe BGH MDR 1959, 109 [110]; zustimmend R G R K n - S c h e f f l e r , §818 BGB Rn.43; MünchKomm3-L;'e£>, § 818 BGB Rn. 83a; Flessner, Wegfall der Bereicherung, S. 18. 169

258

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

Scheidung vor, und so betonte der Bundesgerichtshof auch bei seiner Argumentation, daß es sich um einen „in beengten wirtschaftlichen Verhältnissen lebenden Beamten" handelte. cc) Nicht mehr deckendes

Aktivvermögen

Ganz deutlich wird die Tatsache, daß man in Wahrheit keine Berechnung, sondern eine Bewertung anstellt, schließlich auch in der Fallgruppe des nicht mehr deckenden Aktivvermögens. 171 Denn es läßt sich nicht leugnen, daß die Verringerung von Schulden eine Bereicherung darstellt, und zwar unabhängig davon, wie hoch das übrige Vermögen des Betreffenden ist.172 Hier den Einwand des Bereicherungswegfalls zu gewähren, beruht wiederum allein auf Zumutbarkeitserwägungen. 173 b) Wertende Versagung des Ausgleichs Dagegen wird ein Ausgleich vielfach auch dann versagt, wenn es an einer Ersparnis eindeutig fehlt. Hier ist vor allem die Rechtsprechung zu nennen, die eine Ersparnis der üblichen Lizenzgebühr bei der schuldlosen Verletzung fremder Immaterialgüterrechte angenommen hat, obgleich der Betreffende bei Kenntnis der wahren Sachlage um eine Lizenz nie nachgesucht hätte. Dies wird damit begründet, daß der Bereicherte sich an der geschaffenen Sachlage festhalten lassen müsse.174 Eben dasselbe könnte man dem Bereicherten aber in dem Schulfall entgegenhalten, in dem er das rechtsgrundlos erlangte Geld vertrinkt oder verspielt. Tatsächlich liegt der abweichenden Rechtsprechung bei Lizenzverletzungen wohl die Überlegung zugrunde, daß man Eingriffen in Immaterialgüterrechte aufgrund deren erhöhter Verletzlichkeit präventiv entgegentreten müsse und daß es sich überdies meist um wirtschaftlich potente Schuldner handelt. 175 171

R G Z 68,269 [270]; B G H M D R 1957, 598 [599]; NJW 1958,1725. Kritisch mit Recht Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 I 2 i) [S.300f.]; MünchKomm 3 Lieb, § 818 B G B Rn. 69; Erman 9 -Westermann, § 818 B G B Rn. 35; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 17 III 2 b) [S. 594]. 173 Als Konsequenz des Differenzdenkens deuten die Rechtsprechung dagegen etwa MünchKomm 3 -L/eö, a.a.O. und Reuter/Martinek, a.a.O.. 174 B G H Z 20,345 [355]; B G H NJW 1979,2205 [2206]; NJW-RR 1987, 231 [232]; NJW 1992, 2084 [2085], hierzu kritisch Canaris, JZ1992,1114 [1120] m. w.N.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 17IV 3 b [S.618ff.]; Sack, in: Festschrift Hubmann (1985), S.373 [386]; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 16 II 2 b [S. 162ff.]; MünchKomm 3 Lieb, §818 BGB Rn.l06d. 175 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 I 5 i) [S.307f.], will darin eine einzelfallbezogene Korrektur aufgrund des Rechtsmißbrauchseinwands gemäß §242 B G B sehen. Indessen vermisse ich bei den einschlägigen Entscheidungen die dafür nötige Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und müßte doch wenigstens dem Bereicherten der Nachweis möglich bleiben, daß er tatsächlich nicht einmal eine Absatzsteigerung erzielt hat. 172

§ 7 Ausgleich von Reststörungen im

Bereicherungsrecht

259

2. E r k l ä r u n g aus allokatorischer Sicht Im Hinblick auf das Anliegen dieser Untersuchung ist wiederum eine Stimmigkeitskontrolle durchzuführen, und zwar in zweifacher Hinsicht. Zunächst gilt es zu prüfen, welcher Ausgleichstypus bei dem skizzierten Mechanismus der Nachteils- bzw. Vorteilsausgleichung verwirklicht ist: Reibungslos in das entwickelte Gesamtkonzept einfügen ließe sich nur eine Ausprägung reinen Wertausgleichs. Sodann stellt sich erneut die Frage nach dem Verhältnis zum Statikgedanken. a) Ausprägung

reinen

Wertausgleichs

D a ß der ergänzende Ausgleich von Umsetzungsverlusten bzw. Ersatzvorteilen tatsächlich eine Ausprägung reinen Wertausgleichs darstellt, läßt sich vergleichsweise einfach darlegen. Indiziert wird dies durch den Umstand, daß der Bereicherungsgläubiger gegenständliche Herausgabe von Ersatzvorteilen nicht verlangen kann, sowie dadurch, daß eine umfassende Berücksichtigung hypothetischer Entwicklungen stattfindet, wie etwa die oben genannte Rechtsprechung zum überzahlten Unterhalt belegt. 176 Vor allem aber spricht für das Vorliegen eines reinen Wertausgleichs, daß es bei der Entscheidung über den Ausgleich und seinen Umfang offenbar ganz maßgeblich auf Wertungen des Einzelfalls ankommt. D a h e r löst sich übrigens auch das Problem des Aufdrängungsschutzes, das gerne als Argument für einen subjektiven Wertbegriff bei §818 Abs. 2 Alt. 1 B G B genannt wird, 177 zwanglos durch die im R a h m e n von § 818 Abs. 3 B G B vorzunehmende Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. So ist etwa der rechtsgrundlose Empfänger einer Dienstleistung zwar primär zur Vergütung des vollen Verkehrswerts der Leistung verpflichtet, doch ist in einem zweiten Schritt zu fragen, inwieweit er sich durch die Dienstleistung einen bleibenden Vorteil hat schaffen können, oder umgekehrt, inwieweit von einem subjektiv zu ermittelnden UmsetzungsVerlust auszugehen ist. Ebenso kann sich der Bauherr, in dessen Haus rechtsgrundlos geleistetes Material eingebaut wurde, darauf berufen, daß dieses Material beim Einbau beschädigt worden ist oder aus einem sonstigen G r u n d nicht zur erwarteten Wertsteigerung geführt hat. 178

176 Gemeint ist etwa B G H Z 118,383 [388], wo die Empfängerin zuviel gezahlten Unterhalts geltendmachte, sie habe mit dem Überschuß zwar ein Darlehen getilgt, hätte dies aber auch sonst unter Einschränkung ihrer übrigen Lebensführung getan. 177 Hierzu oben, §6 II 2 b) aa) [S. 227ff.]. 178 Sofern eine Leistung vorliegt, d.h. die Vermögensmehrung in Hinblick auf eine wenigstens vermeintlich wirksame Rechtsgrundabrede erfolgt ist, kann der Empfänger m. E. freilich nicht einwenden, die Wertsteigerung sei eine aufgedrängte, siehe hierzu oben Fn. 28.

260

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

b) Vorteil-Nachteil-Analyse:

Verwirklichung des

im

Bereicherungsrecht

Statikprinzips

Was die Vorteil-Nachteil-Analyse nach der Abschöpfungstheorie anbelangt, so muß man sich ins Gedächtnis rufen, daß danach alles, was der Gläubiger aufgrund des Primäranspruchs erhält, auf seiner Seite als Restvorteil zu Buche schlägt. Dem Restnachteil des Schuldners in Höhe des Umsetzungsverlusts steht somit ein Restvorteil des Gläubigers in Höhe des objektiven Wertes des Erlangten einschließlich der Nutzungen und Surrogate gegenüber. Schon eine Anwendung des Statikgedankens auf diese Konstellation würde es demnach gebieten, beide Reststörungen bis zu der Höhe, zu der sie sich betragsmäßig dekken, miteinander zum Ausgleich zu bringen. Das würde bedeuten, daß die Verpflichtung zum Wertersatz um den Umsetzungsverlust verringert und äußerstenfalls auf Null reduziert wird. Nach der Restitutionstheorie kann freilich von einem Restvorteil des Bereicherungsgläubigers keine Rede sein. Dennoch führt der Statikgedanke auch unter Zugrundelegung dieser Sichtweise zum gleichen Ergebnis. Denn zwar muß man nach der Restitutionstheorie davon ausgehen, daß eine Kürzung des Bereicherungsanspruchs aufgrund von §818 Abs. 3 BGB dem Gläubiger grundsätzlich einen Restnachteil zufügt, indem dieser nicht mehr bekommt, was er verloren hat bzw. was ihm gebührt. Indessen ergibt sich aus der Funktion von §818 Abs. 3 BGB als Gefahrtragungsnorm, daß das Risiko des gegenständlichen Untergangs des Erlangten vom Gläubiger zu tragen ist. Der Restnachteil des Gläubigers, der darin liegt, daß er den Bereicherungsgegenstand verliert, ist dem Gläubiger damit von Gesetzes wegen ebenso zugewiesen wie etwa der Restnachteil, der in der Belastung mit der Schadensersatzforderung liegt, dem Schädiger zugewiesen ist. Von diesem Ausgangspunkt aus betrachtet entspricht es dann aber wieder dem Statikgedanken, daß dieser Restnachteil insoweit ausgeglichen wird, als ihm ein Restvorteil in der Form einer Ersparnisbereicherung usw. des Schuldners gegenübersteht. Damit liegt der Unterschied zwischen beiden Betrachtungsweisen vor allem darin, daß die Abschöpfungstheorie den Restnachteil des Schuldners mit dem gesetzlich - durch die Anspruchsnatur - zugewiesenen Restvorteil des Gläubigers verrechnet, die Restitutionstheorie dagegen einen Restvorteil des Schuldners mit einem gesetzlich - kraft Gefahrtragungsnorm - zugewiesenen Restnachteil des Gläubigers. c)

Bewertung

Die Tatsache, daß der Schuldner einerseits wegen des Wegfalls des ursprünglich Erlangten nicht auf Schadensersatz haftet, daß er aber andererseits Wertersatz in Höhe der verbleibenden Ersparnis oder eines anderweitigen Ersatzvorteils zu leisten hat, steht damit in vollem Einklang mit der zu verifizierenden These, wonach sich der Ausgleich von Reststörungen nach den Regeln des Statikge-

§ 7 Ausgleich von Reststörungen im Bereicherungsrecht

261

dankens vollzieht. Dabei liegt die Bedeutung dieser Erkenntnis nicht darin, daß man eine Rechtfertigung für die bezeichnete Lösung gefunden hätte: Daß der Schuldner im Ergebnis just auf die verbleibende Ersparnisbereicherung haftet, läßt sich auch unabhängig von irgendwelchen Vorteil-Nachteil-Wertungen erschließen. Vielmehr liegt die Bedeutung dieser Erkenntnis darin, daß nicht nur die „besonderen" Mechanismen des Reststörungsausgleichs, d.h. diejenigen, die schon rein äußerlich als ergänzende und erklärungsbedürftige Korrekturmechanismen in Erscheinung treten, sondern auch ganz „normale" Mechanismen Reststörungen insoweit - und nur insoweit - zum Ausgleich bringen, als dies durch den Statikgedanken geboten ist.

II. Die bereicherungsrechtliche

Nachteilsausgleichung

Wie bereits mehrfach angedeutet, beschränkt sich ein ergänzender Ausgleich von Reststörungen nicht auf die Konstellationen, in denen das ursprünglich Erlangte ganz oder teilweise gegenständlich weggefallen ist. Vielmehr besteht ein ergänzender Ausgleich auch für Restnachteile, die aus Verlusten herrühren, die der Schuldner in seinem Stammvermögen erlitten hat. Hat also der Schuldner etwa Erwerbskosten zu tragen gehabt, Aufwendungen auf den Gegenstand der Bereicherung getätigt oder hat das Erlangte in seinem Vermögen Schaden angerichtet, dann soll dies unter gewissen Voraussetzungen seine Haftung einschränken. Schon bei den Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch hat eine heftige Kontroverse geherrscht über Art und Umfang der Nachteile, die der Schuldner auf den gegen ihn gerichteten Anspruch anrechnen darf.179 Diese Kontroverse hat sich bis heute letztlich nicht gelegt. Bei der Sichtung des Streitstands trifft man allerdings auf die Schwierigkeit, daß viele Äußerungen ausdrücklich oder zumindest implizit auf den Sonderfall der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge bezogen sind und es jeweils schwer feststellbar ist, ob und inwieweit auch eine allgemeinere Aussage gemacht werden soll. 1. Meinungsstand zum Nachteilsausgleich Als Extrempositionen lassen sich einerseits die Auffassung der Rechtsprechung ausmachen, die man als Adäquanzlehre bezeichnen kann und wonach der Bereicherungsschuldner alle adäquat kausal durch den Erwerb verursachten Verluste anspruchsmindernd geltendmachen könne, sowie andererseits die Auffassung, wonach § 818 Abs. 3 BGB nur den Wegfall des ursprünglich Erlangten betreffe und Verluste im Stammvermögen allenfalls mit Hilfe eigenständiger Ge-

179

Vgl. hierzu Protokolle II, S. 703ff.

262

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

genansprüche des Schuldners geltend zu machen seien.180 Nahezu alle anderen vertretenene Ansichten - insbesondere soweit sie eine Vertrauensdisposition des Schuldners verlangen - stellen sich letztlich als mehr oder weniger weitgehende Einschränkungen der Adäquanzlehre dar und bewegen sich daher auf einer Skala, die durch die beiden genannten Extrempositionen gebildet wird. a) Die ursprüngliche Adäquanzlehre

der Rechtsprechung

Die schuldnerfreundlichste Auffassung vertritt die Rechtsprechung, indem sie alle Nachteile des Bereicherungsschuldners berücksichtigen will, die äquivalent und adäquat kausal durch die Bereicherung hervorgerufen worden sind.181 Ist ohnehin Wertersatz gemäß §818 Abs. 2 BGB geschuldet, erfolgt dies im Wege einfacher Verrechnung, anderenfalls soll der Schuldner ein Zurückbehaltungsrecht haben, bis ihm die Aufwendungen Zug um Zug gegen Herausgabe des Bereicherungsgegenstands erstattet werden. 182 Der Ausgleich umfaßt zunächst freiwillige Aufwendungen, die der Empfänger in Zusammenhang mit dem Bereicherungsvorgang getätigt hat. Grundsätzlich müßten nach der Auffassung der Rechtsprechung auch Folgeschäden ausgleichsfähig sein, die der Bereicherte infolge der unberechtigten Vermögensverschiebung erlitten hat. Die Abzugsfähigkeit auch unfreiwillig erlittener Nachteile ist die logische Konsequenz daraus, daß nach der Rechtsprechung zwischen Bereicherung und Nachteil nur adäquater Kausalzusammenhang gegeben sein muß, wenngleich dies auch bislang praktisch nicht relevant geworden ist.183 b) Einschränkungen

der

Adäquanzlehre

In der Literatur sind unzählige Versuche unternommen worden, die Abzugsfähigkeit von Nachteilen weiter einzuschränken, und auch die Rechtsprechung läßt in jüngerer Zeit verstärkt Ansätze erkennen, die Adäquanzlehre mit Wertungen anzureichern und sich von ihrer ursprünglichen Theorie der pauschalen Abzugsfähigkeit aller Folgenachteile zu distanzieren. Im wesentlichen kann man die Einschränkungsversuche einteilen in diejenigen, die auf Gedanken der 180

Rengier, AcP 177 (1977), 418 [430ff.]. R G Z 94,253 [254f.]; 106,4 [7]; 114,342 [345/346]; B G H Z 1 , 7 5 [81]; B G H MDR1957,598 [599]; NJW 1981,277 [278], Siehe aber auch O L G Hamm NJW-RR 1995,1010 [1012], wo eine Vertrauensdisposition des Schuldners verlangt wird. 182 B G H NJW 1980,1789 [1790] m. w.N.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 7314 a) [S. 301]; MünchKomm 3 -L/eö, §818 BGB Rn.54a. 183 Die einhellige Ablehnung durch die Literatur, vgl. schon Flume, in: Festschrift Niedermeyer (1953), 103 [155f.]; sowie heute MünchKomm 3 -Lieft, §818 B G B Rn.68; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §17 III 2 b) [S.592f.]; Erman9-Westermann, §818 BGB Rn.37; Soergel"-Mühl, §818 BGB Rn.39 gründet sich daher eigentlich nur auf wenige abweichende Kommentarstellen, so Palandt 5 7 -Thomas, §818 B G B Rn.44; Planck 4 -Landois, §818, BGB A n m . 5 c; RGRK n -Heimann-Trosien, §818 B G B Rn.26, und gleicht daher etwas einem Kampf gegen Windmühlen. 181

§ 7 Ausgleich von Reststörungen im

Bereicherungsrecht

263

Risikoverteilung abstellen, in diejenigen, die den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes hervorheben und schließlich in die hier so genannten Zurechnungslehren. aa) Gedanke der

Risikoverteilung

Die neuere Rechtsprechung läßt eine differenzierende Haltung erkennen, was den Abzug von Erwerbskosten anbelangt. Vor allem bei der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge soll im Einzelfall geprüft werden, wem das Entreicherungsrisiko nach dem zurundeliegenden Geschäft, nach dem Willen der Parteien oder nach einschlägigen Vorschriften zugewiesen war.184 Aufsehen hat insbesondere eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erregt, bei welcher dem Käufer eines rückabzuwickelnden Grundstückskaufvertrags der Abzug bestimmter Erwerbskosten mit der Begründung versagt wurde, diese seien ausschließlich in seinen Interesse und auf sein Risiko getätigt worden. 185 Der Gedanke der Risikoverteilung soll aber offenbar nicht auf gegenseitige Verträge beschränkt bleiben. So hat es der Bundesgerichtshof mit dem gleichen Argument auch abgelehnt, zugunsten des Einlösers von Schecks, dem die Scheckforderungen nicht zustanden, im Rahmen der gegen ihn gerichteten Leistungskondiktion bereicherungsmindernd zu berücksichtigen, daß er die Schecks einem Dritten abgekauft und keine Aussicht hatte, den Kaufpreis zurückzuerlangen. 186 Ob in der letztgenannten Entscheidung allerdings wirklich eine Einschränkung der Adäquanzlehre gesehen werden kann, ist zweifelhaft, weil die Zahlung des Kaufpreises an den Dritten schon gar nicht adäquat kausale Folge der Einlösung der Schecks und damit des rechtsgrundlosen Erwerbs war.187 Vielmehr hat man hier nur in einem Fall, in dem der Empfänger wegen seines grob fahrlässigen Verhaltens nicht schutzwürdig erschien, die Konsequenz aus der Erkenntnis gezogen, daß nicht alle Erwerbskosten ausnahmslos als potentiell ausgleichsfähige Restnachteile in Betracht kommen, so insbesondere nicht solche, die auf einem dem Bereicherungsvorgang vorgelagerten und von ihm prinzipiell unabhängigen Sachverhalt beruhen. 188

184 B G H Z 1 0 9 , 1 3 9 [145] zum Kaufpreis, den der Leasinggeber an den Verkäufer gezahlt hat; B G H Z 116, 251 [255ff.] zu einem Grundstückskaufvertrag; B G H NJW 1998, 2529 [2530] zur Zuweisung des Entreicherungsrisikos durch §§52ff. BörsG; vgl. auch Schröder, J Z 1989, 717 [721 f.], 185 B G H 116, 251 [256]; B G H NJW-RR 1992, 589 [590]; vgl. hierzu O L G H a m m NJW-RR 1993,590ff.; kritisch Kohler, NJW 1992,3145 [3146f.]; Canaris, J Z 1992,1114 [1115]; kritisch zu den konkreten Entscheidungen auch Münch Komm 5 -/Je/;, § 818 BGB Rn. 59ff., der aber a.a.O. im Ergebnis doch für eine Verteilung nach Risikogesichtspunkten plädiert. 186 B G H NJW 1995, 3315 [3317], 187 So ähnlich auch der B G H a.a.O.. 188 Hierzu schon oben, §6 IV 1 a) bb) [S.250],

264 bb) Die

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

Vertrauenslehren

Als in der Literatur herrschend kann der von Wilburg189 begründete und von Esser 190 und Larenz191 fortentwickelte Ansatz bezeichnet werden, wonach zu fordern ist, daß der Nachteil gerade aufgrund des schutzwürdigen Vertrauens auf die Beständigkeit des Erwerbs erlitten worden ist. Dieses Erfordernis tritt nicht an die Stelle des Adäquanzerfordernisses, sondern stellt eine zusätzliche Voraussetzung dar. Aufwendungen des Schuldners sowie sonstige freiwillige Vermögensverfügungen sollen danach nur zu ersetzen sein, wenn sie im Hinblick auf die endgültige Inkorporierung des Erlangten in das Empfängervermögen erfolgt sind.192 Darauf stellt mittlerweile auch die Rechtsprechung vereinzelt ab.193 Die Testfrage soll lauten, wie der Bereicherungsschuldner bei rechtzeitiger Kenntnis von der Rechtsgrundlosigkeit seines Erwerbs stünde.194 Ein Abzug wird danach bejaht für Vertrags- und Erwerbskosten, sofern sie ihren Sinn allein bei Wirksamkeit des Geschäfts entfalten, für bestimmte Dispositionen des Empfängers über sein übriges Vermögen, etwa durch Aufgabe einer Sicherheit, sowie für alle Aufwendungen auf das Erlangte oder seine Nutzung. Das soll grundsätzlich selbst für frustrierte Aufwendungen gelten. 195 Nicht hingegen könnten unfreiwillig erlittene Vermögensverluste geltend gemacht werden, weil sie mit einer Vertrauensdisposition nichts zu tun hätten und somit ein innerer Grund für ihre Berücksichtigung fehle. 196

189

Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, S. 153ff. Esser, Schuldrecht II (4. Auflage), § 105 II 1 c) [S.380ff.]. 191 Larenz, Schuldrecht II (12. Auflage 1981), §70 II [S.577f.]. 192 So etwa Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 11 b) [296]; Esser/Weyers, Schuldrecht II, §51 II 2 b) [S.501 f.]; Beuthien, Jura 1979,532 [533]; Soergel"-Mühl, § 818 BGB Rn.39; Erman 9 Westermann, §818 BGB Rn.32. Diese Überlegung führt Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 1411 [S. 128] zu dem Ergebnis, daß auch der ersatzlose Untergang des Empfangenen nicht als Wegfall der Bereicherung im Sinne von § 818 Abs. 3 BGB gewertet werden könne, weil er regelmäßig keine Vertrauensdisposition des Bereicherten darstellt. 193 B G H Z 1 3 2 , 1 9 8 [210]; O L G Hamm NJW-RR1995,1010 [1012]; fragend offengelassen in B G H W M 1970, 1421 [1422], 194 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 I 2 a) [S.297], 195 Die von Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 73 I 2 d) [S. 299] gemachte Differenzierung zwischen dem Luxusfutter für den rechtsgrundlos erlangten Hund einerseits und dem Bauwerk auf dem rechtsgrundlos erlangten Grundstück, welches später abbrennt, andererseits, will mir allerdings nicht einleuchten. Denn im einen wie im anderen Fall ist der wirtschaftliche Verlust doch bereits in der Vermögenssphäre des Empfängers eingetreten, beruhte auf seinem Vertrauen in die Beständigkeit des Erwerbs und war auch nicht notwendig. Die Differenzierung danach ob sich die Rechtsgrundlosigkeit noch „ausgewirkt" hat, erscheint mir als eine bedenkliche Vermischung zwischen den Grundgedanken der §§ 994ff. BGB, die auch auf den Vorteil des Eigentümers abstellen, mit § 818 Abs. 3 BGB, wo es allein auf den Nachteil des Schuldners ankommt. 190

196 Larenz/Canaris, Rn.68 m.w.N.

Schuldrecht II/2, §73 I 2 g) [S.300]; MünchKomm 3 -Lief>, §818 B G B

§ 7 Ausgleich von Reststörungen im

cc) Die

Bereicherungsrecht

265

Zurechnungslehren

Von den unzähligen weiteren Versuchen, die in der Literatur unternommen worden sind, um die Adäquanzlehre weiter einzuschränken, hat sich keiner richtig durchzusetzen vermocht. Sie können daher hier eher kursorisch behandelt werden. Im wesentlichen handelt es sich dabei um Ansätze, die darauf abstellen, daß der zur Bereicherung führende Vorgang oder ein bestimmter Verlust eher dem einen als dem anderen Beteiligten zuzurechnen ist.197 So hat zunächst von Tuhr hinsichtlich der über den Wegfall des Erlangten hinausgehenden Verluste zwischen notwendigen bzw. wertsteigernden Verwendungen und anderen Vermögensnachteilen differenziert. Erstere seien stets auf den Anspruch anzurechnen, weil anderenfalls der Gläubiger ungerechtfertigt bereichert werde. 198 Differenziert hat er ferner zwischen Eingriffs- und Leistungskondiktion: D e r Eingreifer müsse seine Verluste selber tragen, da sie dem Gläubiger nicht zugerechnet werden könnten, der Leistungsempfänger dagegen könne sie analog § 122 B G B auf den Gläubiger überwälzen, sofern dieser den Grund für die Rückabwicklung gesetzt hat. 199 Wilburg hat die starre Differenzierung zwischen Leistungs- und Eingriffskondiktion, wie sie von Tuhr vertreten hat, aufgegeben zugunsten der Frage, ob der Gläubiger die Vermögensverschiebung veranlaßt habe. 200 Zusätzlich hat er die weitere Einschränkung gemacht, daß nur solche Verluste geltend gemacht werden könnten, die im Vertrauen auf die Unwiderruflichkeit des Erwerbs gemacht worden sind. 201 Die wohl bedeutendste Zurechnungstheorie ist schließlich die von Flume: E r fragt nicht mehr, welchem Beteiligten die Bereicherung bzw. die auf die Bereicherung zurückzuführenden Verluste zuzurechnen sind, sondern vielmehr, ob sie dem indebite-Erwerb zuzurechnen sind oder auf einer davon unabhängigen vermögensmäßigen Entscheidung des Empfängers beruhen. 2 0 2 Letztlich auch unter die Zurechnungslehren einzuordnen ist der völlig eigenständige Ansatz von Flessner, für den es beim Wegfall der Bereicherung um ein Schadensproblem geht. Die Vorschrift des §818 Abs. 3 B G B sei eine offene Norm, die durch Wertungen der verschiedensten Art aufzufüllen sei, so namentlich Verursachung und Verschulden, Schutzzweck der kondiktionsbegründenden Norm, Gefahrensphären usw.203 Die Abwägung dieser Wertungen un197 MünchKomm'-L/eh, a.a.O. spricht diesbezüglich von „schadensersatzrechtlichen Begrenzungsversuchen", doch ist mir dieser Begriff etwas zu eng, weil nicht jede Verlustzurechnung als schadensersatzrechtlich qualifiziert werden kann. 198 von Tuhr, in: Festschrift Bekker (1907), S.293 [313]; ähnlich übrigens Esser Schuldrecht II (4. Auflage), § 105 II 1 c) [S.350/351], 199 von Tuhr, a.a.O., S.314ff. 200 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, S. 145ff., 147ff. 201 Wilburg, a.a.O., S.153ff. 202 Flume, in: Festschrift Niedermeyer (1953), 103 [151ff.]; ders., NJW 1970,1161 [1163f.]. 203 Flessner, Wegfall der Bereicherung, S. 103ff., 112ff.

266

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

tereinander will Flessner im Rahmen eines beweglichen Systems vornehmen. 204 Bemerkenswert an seiner Lösung ist weiterhin, daß nach ihr der Schuldner auch für den Wegfall des ursprünglich Erlangten auf Wertersatz haften kann. Bei dem Argument, der redliche Schuldner habe ja die Sache zulasten seines eigenen Vermögens bewußt aufs Spiel gesetzt, übersieht er allerdings offenbar den Unterschied zwischen dem Bewußtsein von einer erfolgten Selbstschädigung und einer Verpflichtung zum Nachschuß. 205 Daß er dabei „nur" auf Wertersatz, nicht aber auf Schadensersatz haftet, wird den Nachschußpflichtigen wenig trösten. 206 c) Ablehnung

eines

Nachteilsausgleichs

Der Adäquanzlehre der Rechtsprechung diametral entgegengesetzt ist die Auffassung von Rengier, wonach §818 Abs. 3 BGB Verluste im Stammvermögen von vorneherein nicht erfassen soll.207 Vielmehr seien Verwendungen auf das Erlangte mit einer eigenständigen Aufwendungskondiktion gegen den Gläubiger geltendzumachen und könnten Vertrauensschäden ansonsten nur nach den allgemeinen Vorschriften der §§122,179 Abs. 2,307,309 BGB oder der Haftung aus culpa in contrahendo ersetzt werden. Rengier geht dabei von einem extrem gegenstandsorientierten Verständnis der Bereicherungshaftung aus, das allerdings bereits eine Antwort schuldig bleibt auf die Frage, wie denn Ersatzvorteile des Schuldners zu behandeln seien: Rengier sieht offenbar nur den ersatzlosen Wegfall des Erlangten.

204

Flessner, a.a.O., S. 156ff. So übrigens auch Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung,•§ 17 V 3 [S.629f.], wonach bei außergewöhnlicher Vernachlässigung der eigenen Interessen, wenn der Schuldner „nicht wie ein ordentlicher und verständiger Mensch reagiert", eine Berufung auf § 818 Abs. 3 BGB zu versagen sei. Bezeichnenderweise geben Reuter/Martinek aber dafür kein Beispiel an, und die Einschränkung läßt sich m. E. auch nicht vertreten. Konsequenterweise müßte man nämlich entweder den Einwand bei allen uneigennützigen Schenkungen versagen, weil eine bewußtere Selbstschädigung kaum denkbar ist, oder aber, falls man auf die sozialethische Wertigkeit des Verhaltens abstellen wollte, das Vertrauen des Bereicherungsschuldners enttäuschen: Wer Spaß daran findet, einen Wagen im Wert von 1000 mutwillig zu Schrott zu fahren, der handelt dabei im Bewußtsein einer Selbstschädigung von 1000, nicht aber in dem Bewußtsein, zusätzlich zum Wagen noch weitere 1000 als Wertersatz aus seinem Stammvermögen „drauflegen" zu müssen. 205

206 Durch diese Lösung ergibt sich eine durch nichts zu rechtfertigende Schlechterstellung des Bereicherungsschuldners, der sogar Eigentum erworben hat, gegenüber dem Vindikationsschuldner, der bloß Besitz erlangt hat. Sie kann man auch nicht dadurch hinwegdeuten, daß man die Vindikation im gegenseitigen Vertrag durch die Leistungskondiktion als verdrängt ansieht, weil damit ja immer noch die isolierten Kondiktionen und Vindikationen übrigbleiben, und erst recht nicht dadurch, daß man auch den redlichen Vindikationsschuldner auf Wertersatz haften läßt, so aber offenbar Flessner, a.a.O., S. 149 unter Berufung auf die Arbeiten von Glaß. 207

Rengier, AcP 177 (1977), 418 [430ff.].

§ 7 Ausgleich von Reststörungen im Bereicherungsrecht

267

2. Gerechtigkeitsgehalt der Nachteilsausgleichung Auch der Ausgleich von Verlusten, die der Bereicherungsschuldner in seinem übrigen Vermögen erlitten hat, war vom Regelungsauftrag des historischen Gesetzgebers gedeckt. Dennoch muß gefragt werden, welche Wertung den Gesetzgeber wie auch Rechtsprechung und Lehre stets dazu bewogen hat, Restnachteile des Bereicherten überhaupt ausgleichen zu wollen, ganz egal, nach welchen Kriterien man diesen Ausgleich dann im einzelnen wieder einschränken möchte. Denn das Abweichen vom Grundsatz des casum sentit dominus und die Überwälzung von Verlusten auf einen anderen, der selbst nicht den Tatbestand einer Haftungsnorm erfüllt hat, ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit, und jede richterliche Rechtsfortbildung hat streng darauf zu achten, sich mit dem bestehenden System der betreffenden Rechtsmaterie nicht in Widerspruch zu setzen. Insbesondere der volle Ausgleich aller adäquat kausal erlittenen Nachteile ist im Rahmen des geltenden Schuldrechts aber ganz einzigartig, so daß sich der Verdacht eines Systembruchs geradezu aufdrängt. Der adäquate Kausalzusammenhang alleine liefert den Grund jedenfalls nicht,208 und ebensowenig die Annahme, daß wie bei der Schadensermittlung eine streng rechnerische Differenzrechnung anzustellen sei, in die wie selbstverständlich nicht nur alle auf den Erwerb zurückzuführenden Vorteile, sondern auch alle Nachteile mit einzufließen hätten: 209 Schon Wilburg hat überzeugend nachgewiesen, daß die Berufung auf eine derartige Differenzrechnung die Nachteilsausgleichung nicht zu tragen vermag.210 a) Oberster Grundsatz der

Bereicherungshaftung?

Die Rechtsprechung leitet den Ausgleich vor allem ab aus dem „obersten Grundsatz der Bereicherungshaftung", wonach beim Bereicherten keine Vermögensminderung eintreten dürfe, die die Bereicherung übersteigt. 211 In Anlehnung an die Terminologie bei der schadensrechtlichen Vorteilsausgleichung wird teilweise auch vom „Schädigungsverbot" des Bereicherungsrechts gesprochen.212 Der Vergleich mit dem sogenannten Prinzip der Gewinnabwehr erscheint zwar auf den ersten Blick bestechend, hinkt aber doch an entscheidender Stelle: Während im Schadensrecht die Anrechnung dazu führt, den anderen Teil zu entlasten, also die Folgen des unerwünschten Ereignisses auch für ihn weniger gravierend zu machen, bewirkt die Anrechnung im Bereicherungsrecht, daß der andere Teil mit Verlusten belastet wird, die er nach Maßgabe des 208

Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 11 b) [S.296], Grundlegend RGZ 54,137 [141]; in diesem Sinne auch schon RG HRR 1933, Nr. 1842; RGZ 44,136 [144], von Tuhr, in: Festschrift Bekker (1907), S.291 [303], 210 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, S. 142f. m.w.N. 211 R G Z 118,185 [187]; BGHZ 1,75 [81]; 55,128 [131], 212 Beuthien, Jura 1979, 532. 209

268

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im

Bereicherungsrecht

unmodifizierten Primäranspruchs nicht zu tragen hätte. Mit anderen Worten besteht der entscheidende Unterschied darin, daß es bei der Vorteilsausgleichung im Schadensrecht um die Verkettung eines unerwünschten und eines erwünschten oder zumindest neutralen Ereignisses geht - nämlich Schadensentstehung und Zufluß des Vorteils - während bei der bereicherungsrechtlichen Nachteilsausgleichung zwei unerwünschte Ereignisse aufeinanderfolgen und sich nunmehr die Frage stellt, wer die wirtschaftlichen Folgen des zweiten Ereignisses zu tragen hat. 213 Es bedarf im Bereicherungsrecht demnach noch einer tragenden Wertung, um die Anrechnung und damit die Überwälzung der Verluste auf den anderen Teil zu stützen. 214 Diese Wertung kann aber nicht in einem „Schädigungsverbot" als solchem liegen. Denn existierte wirklich ein solches Prinzip, das den Verlustschutz des Schuldners radikal über die Vermögensinteressen des anderen Teils stellte, dann müßte man konsequenterweise wohl annehmen oder zumindest erwägen, daß der Schuldner auch einen Anspruch auf Ersatz desjenigen Teils seiner Verluste habe, um den diese den Wert des rechtsgrundlos Erlangten übersteigen: Wer mit einem rechtsgrundlos erlangten Auto einen Unfall erleidet, müßte vom Bereicherungsgläubiger auch Körperschäden usw. ersetzt verlangen können, selbst wenn diese ein Vielfaches des Wertes des Autos ausmachen. Das nimmt ersichtlich niemand an. Daher kann der Nachteilsausgleichung ein irgendwie verselbständigtes Prinzip des Verlustschutzes nicht zugrundeliegen, sondern ist Verlustschutz nur Konsequenz der Nachteilsausgleichung. b) Gedanke der

Rechnungseinheit

Auch im Bereicherungsrecht klingt vielfach der Gedanke an, ein Ausgleich von Nachteilen sei geboten, wenn sie mit dem Tatbestand, der die Grundlage des Anspruchs darstellt, unmittelbar verbunden sind, so daß die Bereicherung nicht ohne den Nachteil betrachtet werden könne und beide sozusagen eine Rechnungseinheit bildeten. 215 Allerdings läßt sich der Gedanke für die Abzugsfähigkeit von Nachteilen aus verschiedenen Gründen kaum fruchtbar machen. Zunächst ist ihm - ebenso wie bereits im Kontext der schadensrechtlichen Vorteilsausgleichung 216 - entgegenzuhalten, daß der innere Zusammenhang mit einem rechtlich relevanten Phänomen allein noch keine rechtliche Relevanz begrün213 Der Vergleich wäre also nur dann stimmig, wenn man dem Schadensersatz Pönalfunktion zuspräche. Denn dann könnte man argumentieren, die Belastung mit der Ersatzpflicht sei dasjenige, was der Schädiger sowieso „verdient", so daß sich die Frage einer Vorteilsanrechnung als bloßes Verteilungsproblem darstellt, wie es in der Tat B G H Z 53,133 [138] annimmt. 214 Vgl. in ähnlichem Zusammenhang die plastische Forderung von Wilburg, AcP 163 (1964), 346 [355] nach einer „neuen Kraft"; kritisch zur Terminologie Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz (1983), S.75 Fn.8. 215 So etwa Palandt 57 -Thomas, §818 BGB Rn.53. 2,6 Zweites Kapitel, §3 II 1 b) [S.134f.].

§ 7 Ausgleich von Reststörungen im Bereicherungsrecht

269

det. Sodann ist der Gedanke der Rechnungseinheit zwar in einem Kernbereich eindeutig, verliert in Randbereichen aber zu sehr an Konturen. Letztlich endet er auch vielfach in bloßen Formulierungsfragen, weil sich nahezu jeder Vorgang in positive und negative Auswirkungen zerlegen läßt. Das gilt in sachlicher wie in zeitlicher Hinsicht.217 Vor allem aber mag der unmittelbare Zusammenhang von Verlusten mit der Bereicherung zwar ein Kriterium bilden, das bei bestimmten Posten für die Verrechenbarkeit spricht. Eine eigenständige Begründung für die generelle Berücksichtigungsfähigkeit von Restnachteilen vermag er jedoch nicht zu bieten. c) Gedanke der

Risikoverteilung

Bestechend erscheint auf den ersten Blick der Ansatz, wonach dem Sachverhalt, welcher der ungerechtfertigten Vermögensverschiebung zugrundeliegt, eine bestimmte Risikoverteilung zwischen den Parteien entnommen werden könne. 218 In der Tat ließe sich so bei der Leistungskondiktion dann argumentieren, wenn die Leistung aufgrund eines zwischen Gläubiger und Schuldner geschlossenen, aber unwirksamen Vertrags erfolgt ist, weil es nicht von der Hand zu weisen ist, daß zumindest die Risikoverteilung des unwirksamen Vertrages auf die bereicherungsrechtliche Abwicklung ausstrahlen kann. Grundlage der Risikoverteilung ist dann eigentlich der Konsens, der in der faktischen Durchführung des unwirksamen Geschäfts zum Ausdruck kommt, und dies ist ja auch der Ausgangspunkt der Theorie vom faktischen Synallagma.219 Vom Fall der Rückabwicklung zweiseitiger Rechtsgeschäfte abgesehen - der von dieser Darstellung ja ausdrücklich ausgenommen sein soll - ist es jedoch nicht ersichtlich, wodurch die Risikoverteilung mangels Konsens denn verbindlich gesetzt werden soll, wenn nicht durch die §§812ff. BGB selbst, die dafür keine Anhaltspunkte bieten. d) Prinzip des Vertrauensschutzes Ob das Prinzip des Vertrauensschutzes die Nachteilsausgleichung als solche begründen oder aber die als gegeben vorausgesetzte Nachteilsausgleichung teleologisch einschränken soll, bleibt bei manchen Vertretern der Vertrauenslehre gelegentlich unklar. Ein Indiz für die zuletztgenannte Haltung ist jedenfalls der Hinweis auf den Schutzzweckzusammenhang mit § 818 Abs. 3 BGB, der eine zu217

So kann man bei einem Geschäft von Einnahmen einerseits und Ausgaben andererseits sprechen, man kann aber auch die Differenz zwischen beiden als Gewinn betrachten. Den Gewinn kann man bezogen auf einen Tag, einen Monat usw. betrachten, wobei dann auch die in den jeweiligen Zeitraum fallenden Verluste verrechnet werden. 218 So jetzt andeutungsweise MünchKomin 1 -/.ifft, §818 BGB Rn.59. 219 Hierzu Leser, Von der Saldotheorie zum faktischen Synallagma (1965); ders., Der Rücktritt vom Vertrag (1975), S. llOff.; 117ff.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 17 III 3 a) [S.595ff.] wohl auch von Caemmerer, in: Festschrift Larenz (1973), S.621 [635ff.].

270

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im Bereicherungsrecht

sätzliche Voraussetzung für eine Anrechnung von Nachteilen darstellen soll.220 Dabei bedürfte es aber erst einmal eines tragenden Rechtsgedankens, der die Anrechnung überhaupt fordert, da sich dem Wortlaut von §818 Abs. 3 B G B diesbezüglich nicht allzu viel entnehmen läßt. 221 O b das Prinzip des Vertrauensschutzes diese Funktion zu erfüllen vermag, muß allerdings kritisch hinterfragt werden. aa) Der Gegenstand schutzwürdigen

Vertrauens

Worauf der gutgläubige Bereicherungsschuldner vertraut, ist in erster Linie, daß er das Erlangte oder damit erwirtschaftete Ersatzvorteile behalten darf. G e n a u dieses Vertrauen kann aber nicht geschützt werden, weil die §§812ff. B G B gerade das Gegenteil bezwecken und die Regulierung von Verteilungsstörungen über das Vertrauen in die Beständigkeit des Erwerbs stellen. Z u m anderen vertraut der Bereicherungsschuldner auch darauf, daß er für die Verschlechterung, Zerstörung oder die unwirtschaftliche Verwertung des Gegenstands nicht haften muß. D e n n der Gutgläubige handelt auch dann, wenn die Voraussetzungen von Vorsatz und Fahrlässigkeit eigentlich gegeben wären, lediglich im Bewußtsein einer nicht rechtswidrigen Selbstschädigung, die eine weitere Haftung nicht auslösen kann, und zwar auch keine Haftung auf Wertersatz. Dieses Vertrauen ist es, das - wie oben näher dargelegt 222 - durch den Ausgleich von Umsetzungsverlusten bzw. durch die Wirkung von § 818 Abs. 3 B G B als Gefahrtragungsnorm auch umfassend geschützt wird. Mit der Geltendmachung sonstiger Folgenachteile, die im Stammvermögen des Schuldners eingetreten sind, hat das indessen nichts zu tun. Die wohl herrschende Meinung hat den G e d a n k e n aber darüber hinausgehend stets so aufgefaßt, daß geschützt das Vertrauen des Schuldners auf die Beständigkeit seines Gesamtvermögens sei, d.h. das Vertrauen darauf, daß er aufgrund des betreffenden historischen Vorgangs nicht mehr verliert, als er durch die ungerechtfertigte Bereicherung zunächst gewonnen hat. 223 Indessen besteht gerade dieses Vertrauen beim gutgläubigen Bereicherungsschuldner nicht, weil er von seiner Rückgabepflicht naturgemäß nichts weiß. Für ihn hat sein Vermögen mit dem Zufluß der Bereicherung einen neuen Ausgangsstand erreicht, von dem aus gesehen jede Ausgabe sich als Nachteil darstellt, sofern sie sich nicht in einer entsprechenden Wertsteigerung niederschlägt. U n d diejenigen Ausgaben, die sich tatsächlich in einer entsprechenden Wertsteigerung niederschlagen, 22(1 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 I 1 b) [S.296]; Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, S. 153. 221 So etwa Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 11 b) [S.296]; Wilburg, Die Lehre von der Ungerechtfertigten Bereicherung, S. 153. 222 Hierzu oben, I [S.255ff.]. 223 Vgl. die Rede vom „obersten Grundsatz" der Bereicherungshaftung, RGZ 118, 185 [187]; BGHZ 1, 75 [81]; 55,128 [131],

§ 7 Ausgleich von Reststörungen im Bereicherungsrecht

271

könnte er gegenüber dem Gläubiger mit einer eigenständigen Aufwendungskondiktion oder aufgrund einer Analogie zu §§ 994ff. BGB 2 2 4 ersetzt verlangen, so daß es eines weiteren Schutzes durch §818 Abs. 3 B G B eigentlich gar nicht bedürfte. Allenfalls der bösgläubige Bereicherungsschuldner, dem stets das Damokles-Schwert der Rückforderung vor Augen hängt, mag abwägen, ob die in Zusammenhang mit der Bereicherung erlittenen Nachteile insgesamt immer noch geringer sind als der Wert der Bereicherung, so daß sich das rechtsgrundlose Behalten für ihn noch lohnt. Für ihn wäre ein entsprechender Vertrauensschutz äußerst willkommen, doch gerade für ihn sollen die Grundsätze der ergänzenden Nachteilsausgleichung normalerweise nicht gelten. Auch der redliche Kondiktionsschuldner vertraut jedoch bei der Vornahme bestimmter Dispositionen darauf, daß sie für ihn sinnvoll sind, also sich für ihn entweder positiv oder zumindest nicht negativ auswirken. Das betrifft nicht nur notwendige oder zumindest objektiv wertsteigernde Verwendungen, die der Schuldner auf den erlangten Gegenstand macht, sondern etwa auch solche, die den Gegenstand lediglich subjektiven Bedürfnissen anpassen oder die sich im Ergebnis als wirtschaftlich sinnlos erweisen, also die sogenannten frustrierten Aufwendungen. D e n n bei ihnen hat er doch wenigstens im Zeitpunkt der Vorn a h m e an ihren wirtschaftlichen Sinn geglaubt. Ferner betrifft dies alle Kosten, die mit dem rechtsgrundlosen Erwerb oder dem betreffenden Kausalgeschäft zusammenhängen. Schließlich besteht typischerweise auch ein Vertrauen des Schuldners dahingehend, daß er aus bestimmten Unterlassungen keinen Schaden erleidet, so etwa dadurch, daß er die Forderung gegen den wahren Drittschuldner verjähren läßt oder es versäumt, Sicherheiten zu verlangen. Es hat sich demnach gezeigt, daß sich das Vertrauen des Bereicherungsschuldners auf einen eng begrenzten Gegenstand bezieht und daß insbesondere ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Beständigkeit seines Gesamtvermögens nicht besteht. D a ß der Schuldner nach Ausgleich der Bereicherung in gewisser Weise schlechter steht, als er bei Hinwegdenken des historischen Vorgangs stünde, der zur Bereicherung geführt hat, ist vielmehr auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes hinzunehmen. bb) Mangel einer allgemeinen

Zurechnungsgrundlage

Auch in dem Teilbereich, in dem ein schutzwürdiges Vertrauen des Bereicherungsschuldners anzuerkennen ist, m u ß jedoch kritisch hinterfragt werden, ob der Vertrauensschutzgedanke zur Begründung des Nachteilsausgleichs ausreichen kann. Ein umfassender Schutz vor Vertrauensschäden wäre im R a h m e n 224 Dies etwa unter Zugrundelegung des bekannten argumentum a fortiori, wonach der Bereicherungsschuldner, der ja oft wenigstens Eigentum erworben hat, nicht schlechter stehen darf als derjenige, der nur Besitz erworben hat, siehe hierzu etwa Viertes Kapitel, § 1013 a) aa) [S. 331].

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Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

des Bürgerlichen Gesetzbuchs einzigartig. Sowohl die gesetzlich normierten Ausprägungen der Vertrauenshaftung nach §§ 122,179 Abs. 2,307,309 B G B als auch die culpa in contrahendo verlangen nach einer Grundlage, entstandene Vertrauensschäden dem anderen Teil zurechnen zu können. Canaris hat dies prägnant dahingehend formuliert, dem Vertrauensgedanken lasse sich nur entnehmen, warum der Vertrauende schutzwürdig erscheint und warum ihm daher gegebenenfalls ein Anspruch zuzuerkennen ist, nicht aber auch, warum es gerecht ist, für die Folgen dieses Vertrauens einen anderen a u f k o m m e n zu lassen und diesem eine entsprechende Pflicht aufzuerlegen. 225 Es bedarf daher eines positiven Zurechnungsgrunds. Als solcher k o m m e n neben einem engen Bereich, in dem sich das reine Rechtsscheinprinzip verwirklicht, 226 vor allem das Veranlassungsprinzip, das Verschuldensprinzip und das Risikoprinzip in Betracht. 227 Die Sachverhalte, aus denen heraus bereicherungsrechtliche Ansprüche entspringen, sind jedoch mannigfaltig und erlauben es nicht, den Fällen einer Vertrauenshaftung pauschal gleichgesetzt zu werden. Insbesondere geht es ebensowenig an, das Risiko der Rechtsgrundlosigkeit generell dem Leistenden zuzuweisen, wie es nicht angeht, die mit einer Erklärung verbundenen Risiken generell dem Erklärenden zuzurechnen, 2 2 8 weil die Erbringung von Leistungen im Rechtsverkehr ebenso unerläßlich ist wie die Abgabe von Erklärungen und daher zumindest grundsätzlich beiden an einem Rechtsverhältnis Beteiligten gleichermaßen zugerechnet werden kann. Was ist aber etwa, wenn der Empfänger ohne Fahrlässigkeit irrtümlich angenommen hat, daß ein anderer ihm etwas schulde, und dieser auf sein Verlangen hin leistet? Oder wenn der E r b e dem vermeintlichen Vermächtnisnehmer einen Nachlaßgegenstand übereignet hat und sich nachträglich ein späteres Testament findet? Oder wenn der Leistende geschäftsunfähig ist? Eine generelle Zurechnungsgrundlage, wie sie hier erforderlich wäre, läßt sich nicht ausmachen. U n d um Haftung des Gläubigers für Vertrauensschäden des anderen handelt es sich in der Tat, auch wenn diese Haftung sich rein äußerlich nicht in einer Verpflichtung zum Schadensersatz, sondern in einem Abzug von einem ursprünglich begründeten Anspruch äußert. cc)

Wertungswidersprüche

Derartigen Vertrauensschutz genießen überdies weder der redliche Vindikationsschuldner oder Erbschaftsbesitzer noch der gutgläubige Fremdgeschäftsführer, Rücktrittsschuldner usw. Ein wertungsmäßiger Unterschied ist dabei 225 So der Wortlaut von Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht (1971), S. 470f.; grundlegend zum Zurechnungsgedanken und seiner Bedeutung für die Vertrauenshaftung, Canaris, a.a.O., S. 467ff., 517f. 226 Hierzu Canaris, a.a.O., S. 471 ff. 227 Canaris, a.a.O., S. 473ff. 228 Sehr deutlich Canaris, a.a.O., S.481f.

§ 7 Ausgleich von Reststörungen im

Bereicherungsrecht

273

aber nicht unbedingt zu erkennen. Zahlt beispielsweise A n t o n irrtümlich eine bestimmte Summe an Berta und hält Berta die Zahlung für die schon lange erwartete Leistung ihrer Schuldnerin Dora, dann soll sie A n t o n entgegenhalten können, sie habe im Vertrauen auf die Beständigkeit des Erwerbs die Forderung gegen D o r a nicht geltend gemacht und diese sei nun verjährt. Dagegen kann die redliche Vindikationsschuldnerm Berta gegenüber dem Eigentümer A n t o n nicht geltend machen, sie habe im Vertrauen darauf, die Sache ihrer Schuldnerin Dora zu besitzen, den Übereignungsanspruch gegen diese verjähren lassen. Vielmehr können diese Schuldner - von eigenständigen Anspruchsgrundlagen der Vertrauenshaftung abgesehen - Aufwendungen und Begleitschäden nur in sehr eingeschränktem Umfang geltend machen, so etwa nach §§994ff. oder §§683, 684 BGB. Dies erscheint auch dem Rechtsgefühl nach wohlbegründet, weil für eine umfassende Überwälzung von Vertrauensschäden auf den Gläubiger kein Grund ersichtlich ist. Es ist demnach nicht ohne Wertungswidersprüche möglich, umfassenden Schutz vor Vertrauensschäden allein dem redlichen Bereicherungsschuldner zu gewähren. D e r Vertrauensschutzgedanke mag bei der bereicherungsrechtlichen Nachteilsausgleichung eine gewisse Rolle spielen. E r allein reicht indessen nicht aus, um sie in befriedigender Weise zu erklären. Vielmehr m u ß die eigentliche Wertung, die der Nachteilsausgleichung zugrundeliegt, erst gesucht werden. e)

Zurechnungsgedanke

Das soeben Gesagte legt die Schlußfolgerung nahe, daß wenigstens in den Fällen, in denen sich der Gläubiger den Bereicherungsvorgang oder den Mangel des rechtlichen Grundes eher zurechnen lassen muß als der Schuldner, eine hinreichende Begründung für die Nachteilsausgleichung gegeben sei. Indessen ist auch das in dieser Allgemeinheit zweifelhaft. D e n n ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Inhalts, daß man für alle nachteiligen Folgen solcher Ereignisse einzustehen habe, die man zurechenbar hervorgerufen hat, existiert nicht. Vielmehr müssen zusätzliche Elemente hinzukommen, und hier zeigt ein Blick auf das geltende Recht, daß zu diesen Elementen grundsätzlich entweder Verschulden oder die Inanspruchnahme von Vertrauen bzw. beides zusammen gehören. Damit ist man letztlich bei der Lösung von Wilburg angelangt, der für eine Nachteilsausgleichung erstens verlangt, daß die Vermögensverschiebung auf Veranlassung des Gläubigers erfolgt ist,229 und zweitens, daß der konkrete Nachteil gerade auf dem Vertrauen des Schuldners in die Beständigkeit seines Erwerbs beruht. 230

229 230

Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, S. 145ff., 147ff. Wilburg, a.a.O., S. 153ff.

274

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im

Bereicherungsrecht

Es stehen m. E. auch keine grundsätzlichen Bedenken entgegen, etwa in Analogie zu § 122 BGB einen kondiktionsspezifischen Tatbestand der Vertrauenshaftung zu entwickeln, sofern dieser einen hinreichenden Zurechnungsgrund enthält, d.h. voraussetzt, daß gerade der Bereicherungsgläubiger den Mangel des Rechtsgrunds verursacht und nicht bloß an der Vermögensverschiebung mitgewirkt hat. Allerdings bleibt nicht zu verkennen, daß man damit die Nachteilsausgleichung im eigentlichen Sinne verlassen und die ganz andere Frage nach einer echten Schadensersatzhaftung des Bereicherungsgläubigers gestellt hat. Insofern geben auch die Zurechnungslehren für die Ausgleichung von Nachteilen als Restnachteile nichts her. 3. Erklärung aus allokatorischer Sicht Der Versuch, die innere Rechtfertigung für die bereicherungsrechtliche Nachteilsausgleichung aus anerkannten Grundsätzen abzuleiten, muß als gescheitert betrachtet werden. Dennoch kann es nicht allein auf blindem Beharrungsgeist beruhen, daß der Ausgleich von Restnachteilen des Bereicherungsschuldners ganz überwiegend als gerecht empfunden wird und weite Kreise der Rechtsgemeinschaft sogar eine umfassende Abzugsfähigkeit aller Verluste befürworten, die auf den unerwünschten Erwerb zurückzuführen sind. Vielmehr wird sich zeigen, daß auch hier der Statikgedanke wiederum eine konsistente Erklärung nicht nur für den Nachteilsausgleich an sich zu bieten vermag, sondern auch für das Meinungsspektrum, das hinsichtlich seiner Durchführung zu beobachten ist. Keiner näheren Darlegung bedarf es dagegen wohl an dieser Stelle, daß auch die bereicherungsrechtliche Nachteilsausgleichung eine Ausprägung reinen Wertausgleichs darstellt. a) Ergebnis einer Anwendung

des

Statikgedankens

Wie schon so oft im Laufe dieser Untersuchung ist es auch hier erforderlich, für die beiden idealtypischen Standpunkte der Abschöpfungstheorie einerseits und der Restitutionstheorie andererseits jeweils eine getrennte Vorteil-NachteilAnalyse vorzunehmen. aa) Vorteil-Nachteil-Analyse

nach der

Abschöpfungstheorie

In der Konsequenz der Abschöpfungstheorie lag es, alles, was der Gläubiger in Erfüllung des ungekürzten Primäranspruchs erhält, auf seiner Seite als Restvorteil zu werten. Mit einfachen Worten ausgedrückt: Der Gläubiger soll froh sein, daß er überhaupt etwas bekommt, er hätte ja auch leer ausgehen können. Wenn aber alles, was der Schuldner an den Gläubiger herausgibt, diesem einen Restvorteil bringt, auf den er nicht von vorneherein hätte hoffen dürfen und auf den er für sich betrachtet „eigentlich keinen Anspruch" gehabt hätte, dann gebietet

§ 7 Ausgleich von Reststörungen im

Bereicherungsrecht

275

es der Statikgedanke unmittelbar, auch insoweit einen Ausgleich mit den Restnachteilen des Schuldners vorzunehmen, als diese Restnachteile aus Verlusten im Stammvermögen herrühren. Unter Zugrundelegung der Abschöpfungstheorie ist demnach der Statikgedanke grundsätzlich geeignet, den umfassenden Ausgleich aller adäquat kausalen Folgenachteile des Bereicherungsschuldners zu erklären. bb) Vorteil-Nachteil-Analyse

nach der

Restitutionstheorie

Die Restitutionstheorie, derzufolge der Bereicherungsanspruch ja jedenfalls auch das Ziel hat, dem Gläubiger zu geben, was er verloren hat, kann von einem Restvorteil des Gläubigers nur dann sprechen, wenn dieser von einem besonders hohen Nutzungsertrag des Schuldners profitiert oder wenn der Schuldner objektbezogene Dispositionen getätigt hat, die am Ende dem Gläubiger zugutekommen. Lediglich in dem Umfang, wie dies der Fall ist, stehen sich ein Restvorteil des Gläubigers und ein Restnachteil des Schuldners gegenüber und kann der Statikgedanke einen ergänzenden Ausgleich gebieten. Eine Vorteil-Nachteil-Analyse ist vor dem Hintergrund des Statikgedankens damit von vorneherein nur geeignet, die Nachteilsausgleichung in einem engen Teilbereich zu erklären. Sie würde den Nachteilsausgleich in den weiteren Kontext des Aufwendungsersatzes rücken. Damit könnte der Bereicherungsschuldner zum einen solche Aufwendungen erstattet bekommen, deretwegen er sonst eine selbständige Aufwendungskondiktion gegen den Gläubiger anstrengen müßte, zum anderen wohl aber auch frustrierte Verwendungen und die Kosten anderer objektbezogener Maßnahmen. 231 Was den Schutz eines redlichen Schuldners anbelangt, kann man nämlich den §§994ff., 2022 BGB einen Mindeststandard entnehmen, weil es nicht angehen kann, daß der Kondiktionsschuldner, der erstens oftmals aufgrund seiner dinglich wirksamen Rechtsposition „mit mehr Recht" handelt und zweitens in seinem Vertrauen vom Gesetz für schutzwürdiger befunden wird, schlechter stünde als der Vindikationsschuldner oder Erbschaftsbesitzer. 232 Zum gleichen Ergebnis hätte übrigens wohl auch eine Gesamtanalogie zu den übrigen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs geführt, die dem Aufwendungsersatz zugunsten eines Herausgabeschuldners gewidmet sind. b) Entstehung eines

Meinungsspektrums

Es liegt gewissermaßen auf der Hand, daß die Anwendung des Statikgedankens auf der Grundlage der Abschöpfungstheorie unmittelbar zur Adäquanzlehre der Rechtsprechung führt, auf der Grundlage der Restitutionstheorie dagegen 231 Die Tatsache, daß eine rechnerische Bereicherung des Gläubigers in diesen Fällen nicht eintritt, steht nicht entgegen, weil angesichts der fremdnützigen Tendenz der Maßnahmen von einem abstrakten Restvorteil des Gläubigers gesprochen werden könnte. 232 Anders allerdings Protokolle II, S.704.

276

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

unmittelbar zu der von Rengier entwickelten Extremposition, wonach der Schuldner lediglich Aufwendungsersatz sowie Ersatz von Vertrauensschäden nach den allgemeinen Grundsätzen der culpa in contrahendo usw. verlangen kann. 233 Da sie letztlich auf dem Boden der Adäquanzlehre stehen und diese lediglich unter bestimmten Gesichtspunkten wertend korrigieren, lassen sich zugleich die hier so genannten Vertrauenslehren, Zurechnungslehren sowie jene Ansätze, die den Gedanken der Risikoverteilung heranziehen, jedenfalls im Ausgangspunkt durch den Statikgedanken erklären. Indem nun etwa nach der Vertrauenslehre nur noch solche Nachteile ausgleichsfähig sein sollen, die gerade durch eine Vertrauensdisposition des Bereicherten zustandegekommen sind, wird letztlich eine offene Abwägung zwischen Schutzbedarf des Schuldners und Zumutbarkeit für den Gläubiger vorgenommen, und nur wenn der Schutzbedarf des Schuldners überwiegt, kann eine Ausgleichung stattfinden. Fraglich erscheint jedoch, ob die korrigierende Heranziehung des Vertrauenskriteriums wiederum Ausdruck einer in concreto gegebenen Prinzipienkollision bzw. Prinzipienbündelung zwischen Statikprinzip und anderen Wertungen ist, oder etwas anderes. Bei genauem Hinsehen wird deutlich, daß es schon denklogisch nur entweder um die Bündelung von schwachem Statikprinzip einerseits und ergänzendem Vertrauensschutzprinzip andererseits gehen kann, oder aber um die Kollision zwischen einem starken Statikprinzip und dem Gedanken des Gläubigerschutzes. Welche Interpretation die zutreffende ist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Beide Interpretationen - sowohl diejenige als Prinzipienbündelung als auch diejenige als Prinzipienkollision - offenbaren jedenfalls, daß die Vertrauenslehre die Basis der Abschöpfungstheorie eigentlich verlassen hat: Sowohl durch die nur schwache Gewichtung des Statikprinzips als auch durch den Gedanken des Gläubigerschutzes würde den Interessen des Gläubigers ein maßgeblicher Stellenwert eingeräumt und implizit gefragt, ob dieser auch bekommt, was er verloren hat bzw. was ihm gebührt. Die Einschränkung durch das Vertrauenskriterium stellt sich damit als offener Versuch dar, eine Mittelstellung zwischen Abschöpfungs- und Restitutionstheorie einzunehmen. Er ist jedenfalls rechtspolitisch begrüßenswert, weil er die Diskrepanz zwischen den beiden Grundpositionen einzuebnen versucht.

233 Ganz streng genommen unterscheidet sie sich von der Position von Rengier zwar freilich dadurch, daß sie Aufwendungsersatz im Rahmen eines integrierten Ausgleichsmechanismus zusprechen will, während Rengier den Schuldner auf eine isolierte Aufwendungskondiktion verweisen möchte. Dieser rein formale Unterschied ist jedoch für die zugrundeliegenden Gerechtigkeitsvorstellungen unerheblich.

§ 7 Ausgleich von Reststörungen im

Bereicherungsrecht

277

4. R e s ü m e e : D i e F r a g e n a c h d e r „richtigen" T h e o r i e Die Frage, ob die Abschöpfungstheorie oder die Restitutionstheorie das „richtige" Verständnis vom Bereicherungsrecht widerspiegelt, muß vor allem anhand der unterschiedlichen praktischen Auswirkungen beantwortet werden. 234 Damit läßt sie sich umformulieren in die Frage, in welchem U m f a n g eine Nachteilsausgleichung zugunsten des redlichen Bereicherungsschuldners anerkannt werden sollte. Auch nach dieser Umformulierung ist es indessen schwierig, eindeutige Vorzüge der einen oder der anderen Theorie auszumachen. a) Das Dilemma des

Rechtsempfindens

Angesichts der Enthaftungswirkung von § 818 Abs. 3 B G B für den Fall, daß das ursprünglich Erlangte untergegangen ist, mag es in der Tat einem spontanen Billigkeitsgefühl entsprechen, daß der Schuldner, der das Erlangte schließlich auch hätte mutwillig zerstören, verspielen, verprassen können, ohne daß dadurch die Interessen des Gläubigers in rechtlich erheblicher Weise verletzt worden wären, nicht mit anderweitigen Verlusten belastet bleiben darf. Unwillkürlich kommt hier nämlich die Überlegung ins Spiel, daß der Bereicherungsschuldner das Erlangte ja auch hätte zu Geld machen und davon die Verluste in seinem übrigen Vermögen decken dürfen: So hätte der rechtsgrundlose E m p fänger des Hundes, der dann den Teppich zerbeißt, schließlich auch den H u n d an einen Dritten weiterveräußern können, um dann den Erlös zur R e p a r a t u r des Teppichs zu verwenden. Das Billigkeitsurteil ändert sich allerdings abrupt, wenn man den Blick auf den Gläubiger richtet: Warum soll er, der ja schon das Zerstören, Verspielen, Verprassen usw. hätte hinnehmen müssen und der gerade noch Glück gehabt hat, „seinen" Gegenstand nur gegen eine Ausgleichszahlung zurückerlangen? Wenn derjenige, der den Hund rechtsgrundlos geleistet hat, seinen H u n d wiederbekommt, dann erscheint das nicht mehr als recht und billig und man vermag nicht einzusehen, weshalb er mit einer Ausgleichszahlung für die Schäden aufk o m m e n soll, die der Empfänger an seinem Inventar erlitten hat und in erster Linie nur diesem zuzurechnen sind. Einen solchen Ausgleich mag man befürworten bei Aufwendungen, die dem Objekt zugutekommen sollten oder sich in sonstiger Weise auf das Erworbene beziehen. Z u denken ist an die Fütterungskosten für den Hund, eventuell aber auch an den Erwerb eines Luxushalsbands,

234 Weiter oben war an einer Stelle so etwas wie eine „Zwischenentscheidung" für die Abschöpfungstheorie gefallen, nämlich in bezug auf die Frage, ob § 818 Abs. 3 B G B einen einheitlichen Mechanismus der Nachteilsausgleichung oder eine Kombination aus Gefahrtragungsnorm und Vorteilsausgleichung darstelle, siehe oben, § 6 III 2 b) cc) [S. 246f.]. Jedoch sollte man die Entscheidung für die eine oder die andere Betrachtungsweise m. E. nicht maßgeblich an solchen Weichenstellungen festmachen, die vornehmlich von akademischem Interesse sind.

278

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

das für den Bereicherungsschuldner nach Rückgabe des Hundes wertlos ist. Das ist die Argumentation der Restitutionstheorie. In ähnlichen Dilemmata befanden sich übrigens schon die Gesetzesverfasser, was sich anhand der Protokolle nachverfolgen läßt. Es war ein ausführlicher Antrag ergangen, die in Aussicht genommene Regelung dahingehend abzuändern, daß Verluste, die sich allein auf das übrige Vermögen des Empfängers beziehen, nicht auf den Gläubiger abgewälzt werden dürften. Begründet wurde dies mit denjenigen Argumenten, die vom Standpunkt der Rückgabetheorie her naheliegend erscheinen: Für eine Abwälzung auf den Gläubiger bestehe kein rechtfertigender Grund, auch der redliche Besitzer könne solche Verluste nicht geltend machen, man müsse den Grund für die Rechtsgrundlosigkeit berücksichtigen usw.235 Dem war die Mehrheit mit der Billigkeitstheorie des Gemeinen Rechts entgegengetreten, auf deren untrennbare Verknüpfung mit der Abschöpfungstheorie bereits hingewiesen wurde: Die Billigkeit erfordere und gestatte nur insoweit ihm einen Anspruch einzuräumen, als der gutgläubige Empfänger dadurch nicht geschädigt werde. Dieser würde aber Schaden leiden, wenn er mehr herausgeben müßte als die Bereicherung.236 Hinsichtlich der Eingriffskondiktion äußerte man an der Berechtigung dieses Arguments zwar gewisse Zweifel, sah sich zu einer Änderung des Entwurfs aber nicht veranlaßt: Weil die Vermögensverschiebung auf gesetzlicher Vorschrift beruhe, rechtfertige es sich auch hier, den Empfänger, welcher sich auf diese Vorschrift verlasse, nicht über die Bereicherung hinaus haften zu lassen. Allerdings seien Fälle denkbar, in denen es zweifelhaft erscheine, ob dies eine billige Lösung darstelle.237 b) Konsequenzen de lege lata Man wird sich damit abfinden müssen, daß sich eine eindeutige Antwort auf die Frage nach der „richtigen" Theorie nicht geben läßt und daß es daher in erster Linie Rechtsprechung und Lehre überlassen bleiben muß, sich für die eine oder die andere Lösung zu entscheiden. Diese Entscheidung ist wohl überwiegend für die Abschöpfungstheorie ausgefallen. Ganz deutlich ist dies, was den ursprünglichen Standpunkt der Rechtsprechung anbelangt, weil der von ihr befürwortete Abzug aller adäquat kausal infolge des Erwerbs erlittenen Nachteile nur aus der Abschöpfungstheorie heraus zu verstehen ist. Das gilt aber letztlich auch für die Vertrauenslehre und die meisten Zurechnungslehren und Risikoverteilungslehren, soweit diese sich auf der Grundlage der Abschöpfungstheorie als Ergebnis einer Prinzipienbündelung oder Prinzipienkollision deuten lassen. Daher ist wohl de lege lata von der Abschöpfungstheorie auszugehen. Al235 236 237

Vgl. den Antrag in Protokolle II, S. 703ff. Zur Stellungnahme der Mehrheit siehe Protokolle II, S. 706ff. Vgl. die Protokolle, a.a.O..

§ 7 Ausgleich von Reststörungen im

Bereicherungsrecht

279

lerdings nehmen die genannten Lehren - wie oben im einzelnen dargelegt - teilweise auch eine gewisse Mittelposition ein. c) Konsequenzen

de lege ferenda

Was die Betrachtung de lege ferenda betrifft, so soll hier nur eine These aufgestellt werden, deren Verifizierung oder Falsifizierung schon aus Raumgründen nicht erfolgen kann. Diese These lautet, daß innerhalb gesetzlicher Vertrauensschuldverhältnisse derjenigen Art, wie sie einer Haftung aus culpa in contrahendo oder positiver Vertragsverletzung zugrundeliegen können, die Restitutionstheorie der Abschöpfungstheorie überlegen ist. Denn mit den Tatbeständen der Vertrauenshaftung steht dem Schuldner -anders als noch bei Erlaß des Bürgerlichen Gesetzbuchs - heute ein sachgerechtes Instrumentarium zur Verfügung, erlittene Vertrauensschäden auf den anderen Teil einer Sonderverbindung abzuwälzen. Dieses Instrumentarium stellt ein in sich ausgewogenes System dar, das nicht durch die Zulassung weiterer Mechanismen zur Abwälzung von Vertrauensschäden gestört werden darf, zumal dann nicht, wenn diese Mechanismen an den Umstand anknüpfen, daß „zufällig" ein Bereicherungsanspruch im Spiel ist. Stützen läßt sich diese Überlegung femer dadurch, daß innerhalb von Sonderverbindungen auch den Leistungsempfänger bestimmte Schutzpflichten gegenüber den Vermögensinteressen des rechtsgrundlos Leistenden treffen, womit eine generelle Abwälzung von Schäden, die der Leistende nicht wenigstens mitverschuldet hat, nicht zu vereinbaren ist.238 Nicht das Vorliegen einer Leistung, sondern einer Sonderverbindung mit entsprechenden Schutzpflichten zwischen den Parteien ist denn auch das eigentlich prägende Kriterium, anhand dessen eine Zweiteilung der in § 812 BGB enthaltenen Kondiktionstypen vorgenommen werden sollte.

238 In diese Richtung weist auch die - in verschiedener Hinsicht problematische - Rechtsprechung, wonach ein Kontoinhaber, dem positive Kenntnis einer Doppelüberweisung nicht nachgewiesen werden kann, der angesichts des hohen Betrags aber hätte Verdacht schöpfen müssen, sich nach rascher Weitergabe des Geldes nicht auf §818 Abs. 3 B G B berufen könne bzw. aus positiver Verletzung des Girovertrags auf Schadensersatz hafte, vgl. B G H Z 72, 9 [14] oder O L G Zweibrücken W M 1997, 2398 [2399]: „Die Schutzgrenze der §§818 Abs. 3, 819 Abs. 1 B G B ist im Giroverhältnis ausgeschaltet."

§ 8 Vindikationsersetzende Kondiktionen Anders als die bislang behandelten, primären Bereicherungsansprüche, wie sie vor allem die isolierte Leistungskondiktion und die allgemeine Eingriffskondiktion darstellen, sind verschiedene Ansprüche bereicherungsrechtlichen Charakters funktionell in ein anderes Anspruchsverhältnis eingebunden, vor allem in ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. Es soll hier die These vorangestellt werden, daß sich diese funktionelle Einbindung auf die allokatorische Analyse der betreffenden Ansprüche insoweit auswirkt, als sie die Soll-Verteilung des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses teilen und sich auch der Ausgleich von Reststörungen nach vindikationsrechtlichen Grundsätzen richtet. Dabei ist es nicht unproblematisch, die vindikationsersetzenden Kondiktionen bereits an dieser Stelle der Arbeit zu erörtern, und nicht erst nach einer allokatorischen Analyse des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses. Aus den bereits eingangs 239 erwähnten Gründen ist der gewählte Aufbau jedoch einer Aufspaltung der Untersuchung auf verschiedene Kapitel vorzuziehen.

I. Überblick über die einzelnen

Ansprüche

Die funktionelle Einbindung der vindikationsersetzenden Kondiktionen in das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis äußert sich leider nicht immer in einer entsprechenden systematischen Stellung im Bürgerlichen Gesetzbuch, und es ist anzunehmen, daß sich der Gesetzgeber bei der Ordnung der Regelungsmaterien und Paragraphen dieses funktionellen Zusammenspiels entweder nicht bewußt war oder aber der Frage, an welcher Stelle des Gesetzes eine bestimmte Anspruchsgrundlage zu finden ist, nur untergeordnete Bedeutung beigemessen hat. So wirken etwa die Anspruchsgrundlagen des §816 Abs. 1 BGB dort, wo sie der Gesetzgeber eingeordnet hat, wie ein Fremdkörper. 240 Denn die Verfügung über fremde Rechte oder Sachen stellt selbstredend auch einen Eingriff in ein Rechtsgut dar, das mit Zuweisungsgehalt ausgestattet ist, und ist damit ohne weiteres geeignet, schon die allgemeine Eingriffskondiktion auszulösen. 241 Wes239

Dazu oben, §6 1 1 b) cc) [S.212], Hierzu auch Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb (1991), S. 97. 241 So auch die wohl herrschende Lehre, vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 69 II 1 a) 240

§ 8 Vindikationsersetzende

Kondiktionen

281

halb das Gesetz ausgerechnet diesen Spezialfall einer gesonderten Erwähnung für würdig befunden und zudem mit der von § 812 Abs. 1 BGB etwas abweichenden Formulierung der Rechtsfolge für zusätzliche Verwirrung gesorgt hat, erscheint unklar. Auf der anderen Seite vermißt man in den §§987ff. BGB eine Vorschrift, die regeln würde, was zu geschehen hat, wenn der redliche Besitzer die Sache veräußert. Lediglich § 993 Abs. 1 BGB ordnet hinsichtlich der „Früchte, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft nicht als Ertrag der Sache anzusehen sind" Herausgabe nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen an, und es bleibt dem Rechtsanwender überlassen, ob er dieser dunklen Formulierung Entsprechendes für den Veräußerungserlös entnehmen und §816 BGB trotz der grundsätzlich abschließenden Regelung der §§987ff. BGB parallel heranziehen will. Vergleichbares gilt hinsichtlich anderer Bereicherungsansprüche, die es im folgenden zu erörtern gilt. 1. Die Ansprüche aus §816 B G B Die Vorschrift des §816 BGB enthält drei verschiedene Tatbestände. Zum einen verpflichtet §816 Abs. 1 Satz 1 BGB denjenigen, der als Nichtberechtigter über einen Gegenstand wirksam verfügt, zur Herausgabe des aus der Verfügung Erlangten. Eine vergleichbare Verpflichtung trifft gemäß § 816 Abs. 2 BGB denjenigen, an den eine Leistung bewirkt worden ist, hinsichtlich derer er als Nichtberechtigter zu gelten hat. Von diesen beiden Tatbeständen unterscheidet sich der Anspruch aus § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB strukturell und funktionell deutlich: Hier kann es von vorneherein nicht um eine vindikationsersetzende Kondiktion gehen, sondern um eine „normale" Ausprägung der Eingriffskondiktion, weil im Verhältnis zwischen Anspruchsteller und drittem Erwerber eine Vindikationslage offensichtlich nie bestanden hat und auch nicht entstehen wird.242 Eine [S.180f.]; von Caemmerer, in: Festschrift Rabel I (1954), S.333 [353]; ders., in: Festschrift Lewald (1953), S.443 [446]; Schlechtriem, Symposion für König (1984), S.57 [63ff.]; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 8 1 1 [S.282ff.]; Erman 9 -Westermann, §826 BGB Rn. 1; Staudinger 13 -Lorenz, § 816 BGB Rn.2; Esser/Weyers, Schuldrecht II, §50 II 1 [S.470], Den oft heraufbeschworenen Widerspruch zwischen der hier vorgenommenen Qualifizierung von § 816 Abs. 1 BGB als Spezialfall der Eingriffskondiktion und der Gegenauffassung, die § 816 Abs. 1 BGB die Funktion der Überleitung der Passivlegitimation vom dritten Erwerber auf den Verfügenden zuschreiben will (so vor allem MünchKomm 3 -L;'ei>, § 816 B G B Rn. 6ff.; Rothoeft, AcP 163 (1964), 215 [221]), vermag ich übrigens nicht zu erblicken. Diese Überleitungsfunktion kommt §816 Abs. 1 BGB ganz offensichtlich auch zu, wofür schon die Gesetzgebungsgeschichte spricht, vgl. hierzu Staudinger 13 -Lorenz, §816 B G B R n . l . Gegen den Einwand von MünchKomm 3 -L/ei>, §816 BGB Rn. 11, daß beim nichtberechtigt Verfügenden ein bereicherungsrechtlich relevantes, real erlangtes Etwas nicht festzustellen sei, überzeugend LarenzJCanaris, Schuldrecht II/2, § 69 II 1 a) [S. 181], Dem Einwand läßt sich auch bereits entgegenhalten, daß bei der Eingriffskondiktion das vom Schuldner Erlangte mit einem vom Gläubiger Verlorenen nicht stoffgleich sein muß. 242 Es sei denn, die Verfügung wird erst durch die Genehmigung des Anspruchstellers wirksam, hierzu unten Fn.253.

282

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im

Bereicherungsrecht

Qualifizierung als Sekundäranspruch für die verlorene Vindikation bietet sich daher nur hinsichtlich der anderen beiden Tatbestände an. a) Qualifizierung

von §816 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 als

Vindikationsersatz

Wenn § 816 Abs. 1 BGB von Verfügungen spricht, dann umfaßt das natürlich nicht nur Verfügungen über das Eigentum an Sachen, sondern auch Verfügungen über beschränkt dingliche Rechte sowie über Forderungen, soweit - wie etwa im Wertpapierrecht - ausnahmsweise deren gutgläubiger Erwerb möglich ist.243 Ferner muß der Verfügung des Nichtberechtigten keinesfalls immer eine Vindikationslage vorausgegangen sein. Daher bedarf die Aussage, § 816 Abs. 1 BGB ersetze funktionell eine verlorene Vindikation, dringend der Präzisierung. Die Aussage kann aber cum grano salis dennoch aufrechterhalten werden. Denn erstens stellt die Entziehung des Eigentums durch einen verfügenden Nichtbesitzer jedenfalls die Vereitelung einer potentiellen Vindikationslage dar, weil eine Vindikationslage ja jederzeit hätte entstehen können, wenn der Betreffende auch den Besitz erlangt hätte. Und zweitens sind die von §816 BGB erfaßten Fälle samt und sonders dadurch gekennzeichnet, daß jemand sich das Eigentum an einer Sache oder die Inhaberschaft an einem beschränkt dinglichen Recht bzw. an einer Forderung anmaßt, obgleich das betreffende Recht einem anderen zustünde: Auch in den von §816 Abs. 2 BGB geregelten Sachverhalten bemächtigt sich jemand einer gegen Dritte prinzipiell absolut geschützten Rechtsposition 244 und hätte der Berechtigte vor Einziehung der Forderung durch den Nichtberechtigten von diesem verlangen können, alles zu unterlassen, was den Anschein erwecken könnte, der Nichtberechtigte sei der wahre Forderungsinhaber. Die von § 816 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB erfaßten Situationen werden demnach nicht immer alle Merkmale einer Vindikationslage erfüllen, aber sie begründen doch so etwas wie eine vindikationsä/m/ic/ze Lage. Es wäre vielleicht präziser, nicht von Ersatz für die verlorene Vindikation zu spre243

MünchKomm 3 -Li'ei>, § 816 BGB Rn. 13. Dagegen ist § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB auf eine unbefugte schuldrechtliche Gebrauchs- oder Nutzungsüberlassung nicht analog anzuwenden, so aber von Caemmerer, in: Festschrift Rabel I (1954), S.333 [358]; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 9 III 2 d) bb) [S. 96]; differenzierend Esser/Weyers, Schuldrecht II, § 50 II 2 a) [S. 471 f.]; für einen engen Teilbereich auch Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 717. Eine solche Überlassung kann schon begrifflich gegenüber dem Berechtigten nicht „wirksam" sein und würde überdies eine nicht sachgemäße generelle Gewinnhaftung bewirken, vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §69 II 1 d) [S. 182]; wie hier auch Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 8 I 3 [S. 307ff.]; MünchKomm 3 -Liefe, § 816 BGB Rn.16. 244 O b der Eingriff in Forderungen durch Dritte einen Eingriff in ein absolutes Recht im Sinne von § 823 BGB darstelle, ist umstritten, bejahend etwa Löwisch, Der Deliktsschutz relativer Rechte (1970), S.80ff.; Mincke, J Z 1984, 862 [863ff.]; einschränkend Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §76 II 4 g) [S.397]; von Caemmerer, in: Festschrift Rabel I (1954), S. 333 [355]; Stall, AcP 162 (1963), 203 [212]; dagegen Otte, J Z 1969, 253 [255ff.]; Gernhuber, Das Schuldverhältnis (1989), §3 II 8 [S.39ff.]; Erman>-Schiemann, §823 BGB Rn.36.

§ 8 Vindikationsersetzende

Kondiktionen

283

chen, sondern von Ersatz für den Entzug einer gegen jedermann geschützten Rechtsposition. b) Der Streit um den Anspruchsinhalt

bei §816 Abs. 1 Satz 1 BGB

Der Anspruch gegen denjenigen, der wirksam eine Verfügung über einen Gegenstand des Berechtigten vornimmt, geht nach dem gesetzlichen Wortlaut auf das „durch die Verfügung Erlangte". Es ist umstritten, wie der Wortlaut des § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB zu verstehen ist. Die herrschende Meinung hat ihn stets auf den bei der Veräußerung des fremden Gegenstands erzielten Erlös bezogen und kommt so, wenn dieser Erlös den Verkehrswert des Erlangten übersteigt, folgerichtig zu einer Gewinnhaftung des Empfängers,245 umgekehrt aber auch zu einer milderen Haftung, wenn der Gegenstand unter Wert veräußert wurde.246 Eine starke Mindermeinung im Schrifttum geht demgegenüber davon aus, erlangt sei die Befreiung von der schuldrechtlichen Verbindlichkeit gegenüber dem dritten Erwerber, und diese Befreiung sei mit dem Verkehrswert des Gegenstands anzusetzen.247 Teilweise sind auch differenzierende Lösungen entwikkelt worden, die auf der Überlegung beruhen, daß die Aufteilung von Gewinnen oder sonstigen zu liquidierenden Vermögensmassen unter mehreren Beteiligten in der Regel nach dem Verhältnis ihrer Beiträge erfolgt,248 doch dürften diese einer Grundlage im Gesetz entbehren. Für eine Beschränkung der Haftung auf den Verkehrswert des Gegenstands spricht zweifellos, daß der bloß fahrlässig oder gar schuldlos Handelnde anderenfalls strenger haften würde, als es „eigentlich" der gesetzlichen Haftungssystematik entspräche:249 Denn dem Bürgerlichen Gesetzbuch läßt sich eine ge245 R G Z 88, 351 [359f.]; B G H Z 29, 157 [159f.]; B G H WM 1975, 1179 [1180f.]; MünchK o m m 3 - L ^ , §816 BGB Rn.29; Esser/Weyers, Schuldrecht II, §50 II 2 c) [S.473ff.]; mit Hinweis auf den Grundsatz cuius periculum eius commodum auch Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, §13 I 2 b) [S. 123]; unter Surrogationsgesichtspunkten Loewenheim, Bereicherungsrecht (1997), S. 107f.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §8 1 1 4 d) [S.321ff.]. 246 Dies allerdings nicht, wenn man mit Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 8 11 4 e) [S. 325ff.]; Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S.96ff. den objektiven Wert als Untergrenze der Haftung begreift. Doch wird man dabei dem Umstand nicht gerecht, daß § 818 Abs. 3 BGB auch für den Anspruch aus § 816 Abs. 1 BGB gilt, weshalb der Hinweis auf die Parallele zum objektiven Wert als Mindestschaden, so Reuter/Martinek, a.a.O., S. 326, nicht verschlägt. 247 von Caemmerer, in: Festschrift Rabel I (1954), S.333 [357]; Staudinger 13 -Lorercz, §816 BGB Rn.23; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn.723. 248 Vgl. etwa Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, S. 128ff.; Bydlinski, JB1 1969, 252 [254]; Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, S. 140f.; dagegen will Fritz Schulz, AcP 105 (1909), 1 [345f.] einen festen Abzug der Veräußerungskosten zuzüglich einer Vergütung für die Geschäftstätigkeit vornehmen; zu flexiblen Alternativlösungen vgl. Erman 9 -Westermann, §816 BGB Rn.20 m.w.N. 249 In diese Richtung weisen Staudinger 13 -Lorenz, § 816 B G B Rn. 23; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn.726.

284

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

wisse Stufenfolge entnehmen, wonach der vorsätzliche Eingreifer seinen vollen Gewinn nach §§687 Abs. 2,681 Satz 2,667 BGB herauskehren muß, der fahrlässig Handelnde immerhin aus konkurrierenden Anspruchsgrundlagen auf Schadensersatz haftet und dem gutgläubigen und schuldlosen Bereicherten sogar das Haftungsprivileg des §818 Abs. 3 BGB zugute kommt. 250 Dagegen spricht, daß die Haftung auf den vollen Erlös dem natürlichen Verständnis des Gesetzeswortlauts entspricht, wie es auch dem Gesetzgeber vorgeschwebt haben dürfte, 251 zumal die subtile Deutung mit der Befreiung von der Verbindlichkeit nicht einmal bei spezifisch rechtlicher Betrachtung überzeugt. 252 Ferner ist zu berücksichtigen, daß die Vertreter der Auffassung, wonach geschuldet nur der Verkehrswert des Gegenstands sei, dabei implizit eine vor der Verfügung bestehende Vindikationslage zum Ausgangspunkt ihrer Betrachtung wählen, denn anderenfalls, d.h. wenn man nur und allein den Herausgabeanspruch aus §816 Abs. 1 BGB betrachtet, macht das Argument mit der Haftungssystematik ja gar keinen Sinn: War herauszugeben von vorneherein nur der Erlös, ist von einer „Gewinnhaftung" keine Spur. Gerade wenn man den Blick auf die vorher gegebene Vindikationslage richtet, wird aber deutlich, daß die Haftung auf den vollen Erlös der in §993 Abs. 1 BGB getroffenen Entscheidung entspricht, Übermaßfrüchte in vollem Umfang dem Eigentümer zuzuweisen. Denn es ist kein Grund ersichtlich, den Fall, daß das fremde Rind erst geschlachtet und das Fleisch dann verkauft wird, anders zu behandeln als die Veräußerung des lebenden Rindes. 253 2. § 951 Abs. 1 Satz 1 B G B im Fall der Eingriffskondiktion Während der Bundesgerichtshof mit einem Teil des Schrifttums bei § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Verweisung auf den gesamten Tatbestand des §812 BGB annimmt, 254 will die wohl überwiegende Literatur die Verweisung allein auf die 250 Nicht dagegen verschlägt der Einwand von Staudinger 13 -Lorenz, § 816 BGB Rn.23, daß dadurch ein Unterschied zu Verbrauch, Verarbeitung usw. entstünde: Auch dort ist die volle Wertsteigerung bzw. Ersparnis abzuschöpfen, sofern ein Fall der Eingriffskondiktion vorliegt. 251 Hierzu Kupisch, in: Festschrift Niederländer (1991), S.305 [307ff.]. 252 Der Schuldner hat nämlich aus der Verfügung jedenfalls erlangt, daß sein Anspruch auf den Kaufpreis nicht mehr vernichtbar ist, vgl. zur Argumentation im einzelnen Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §72 I 2 a) [S.267f.]. 253 Damit erklärt sich übrigens auch, weshalb eine Haftung auf den vollen Erlös unangemessen erscheint, wenn der Anspruch aus § 816 Abs. 1 BGB bei wertender Betrachtung nicht als Ersatz für eine verlorene Vindikation angesehen werden kann. Das ist der Fall, wenn der Eigentümer mit der Vindikation gegen den dritten Erwerber vorgehen hätte können, aber stattdessen die Verfügung lieber genehmigt, hierzu treffend Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 721 2 b) [S.268f.]. 254 B G H Z 40, 272 [276]; NJW 89, 2745 [2746]; E r m a n ' - H e f e r m e h l , §951 BGB Rn.3; RGRK12-Pi&tf/-i, § 951 BGB Rn.7; Schopp, Sachenrecht (1995), Rn.276; Schwab/Prütting, Sachenrecht (1997), Rn.467.

§ 8 Vindikationsersetzende Kondiktionen

285

Nichtleistungskondiktion beziehen. 255 Dies geschieht mit dem Argument, bei Vorliegen einer Leistung im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 B G B beruhe der Rechtserwerb auf dem Willen des Leistenden, selbst wenn er sich im Einzelfall nach §§ 946ff. B G B vollzieht. Diese Ansicht befindet sich auch in der Rechtsprechung im Vordringen. 256 Auch was die Verweisung von §951 Abs. 1 Satz 1 B G B auf die Nichtleistungskondiktion anbelangt, m u ß jedoch der Fall, daß die Verbindung, Vermischung usw. dem verlierenden Teil zuzurechnen ist, streng von dem Fall einer Zurechnung an den gewinnenden Teil unterschieden werden. Nur im letztgenannten Fall kann von einer Eingriffskondiktion im engeren Sinne sowie davon gesprochen werden, daß § 951 Abs. 1 Satz 1 B G B für den verlierenden Teil an die Stelle der verlorenen Vindikation tritt. D e n n wenn der verlierende Teil die Vermögensverschiebung selbst zurechenbar veranlaßt hat, dann ist dieser Umstand der Einräumung eines Rechts zum Besitz des gewinnenden Teils im Sinne von § 986 B G B wertungsmäßig gleichzuachten. a) Modifizierung

von §818 Abs. 1 BGB

Weitgehende Einigkeit besteht darüber, daß es sich bei der Vorschrift um eine Rechtsgrundverweisung, und nicht bloß um eine Rechtsfolgenverweisung handelt. 257 Das muß schon deswegen so sein, weil sonst etwa auch der mit rechtlichem G r u n d erfolgte Einbau usw. zu einem entsprechenden Ausgleichsanspruch führen würde, was selbstredend nicht Ziel der gesetzlichen Regelung sein kann. Zugleich nimmt §951 Abs. 1 B G B aber auch wesentliche Modifizierungen des üblichen Inhalts bereicherungsrechtlicher Ansprüche vor, wie dieser in § 818 Abs. 1 B G B vorgezeichnet ist. aa) Keine gegenständliche

Herausgabe

Die offenkundigste Modifizierung von §818 Abs. 1 B G B ist der ausdrückliche Ausschluß gegenständlicher Herausgabe durch §951 Abs. 1 Satz 2 BGB. Als Sinn und Zweck dieses Ausschlusses wird es vor allem angesehen, eine Zerschlagung wirtschaftlicher Werte zu verhindern. 258 D a dieses gesetzgeberische Anliegen nicht nur für die Eingriffskondiktion gilt, sondern ganz allgemein, wollen sogar diejenigen Autoren § 951 Abs. 1 Satz 2 B G B entsprechend auf Fäl255 Palandt 57 -Saiienge, §951 BGB Rn.2; MünchKomm'-ßuadt, §951 BGB Rn.3, 5; Jauernig"-Jauernig, §951 BGB Rn.l; Staudinger13-Gu/-sA:y, §951 BGB Rn.2; Wieling, Sachenrecht (1994), §11 115 a, bb [S.136]. 256 OLG Hamm NJW-RR 1992,1105. 257 Vgl. nur BGHZ 17, 236 [238/239]; 40, 272 [276]; 41, 157 [159]; 55, 176 [177], BGH WM 1964,422 [423]; Palandt57-Bassenge, § 951 BGB Rn.3; MünchKomm3-ßi(ücfc, § 951 BGB Rn.3; Erman 9 -Hefermehl, § 951 BGB Rn. 3; anders Hadding, in: Festschrift Mühl (1981), S. 225 [263]; Imlau NJW 1964,1999f. 258 Statt aller MünchKomm3-ßuac/t, §951 BGB Rn.l; Soerge\ u -Mühl, §951 BGB Rn.15 m.w.N.

286

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

le der Leistungskondiktion anwenden, die sonst die Verweisung strikt auf die Nichtleistungskondiktion beschränken. 2 5 9 bb) Höhenmäßige

Begrenzung?

Angesichts der Formulierung des Gesetzes, das von einer „Vergütung in Geld" für den erlittenen Rechtsverlust spricht, könnte man erwägen, den Anspruch der H ö h e nach auf den Betrag zu beschränken, um den der Anspruchsteller entreichert ist. Praktische Bedeutung erlangt die Frage immer dann, wenn das Produkt der Verbindung, Verarbeitung usw. wertvoller ist als seine einzelnen Bestandteile: Man nehme etwa an, daß ein Marmorblock im Einkauf 20 kostet, der Werklohn für die Bearbeitung eines Marmorblocks ebenfalls 20 beträgt, daß sich aber ein schon bearbeiteter Marmorblock für 50 verkaufen läßt. H a t nun der Schuldner den Marmorblock des Gläubigers an sich genommen und bearbeitet, dann stellt sich die Frage, ob letzterer nur 20, oder aber die vollen 30 verlangen kann. Indessen wird man eine solche höhenmäßige Begrenzung bei der Eingriffskondiktion nicht annehmen können, weil ein Wertungsvergleich mit § 816 Abs. 1 B G B dagegen spricht: Dort muß der Nichtberechtigte, der durch die Verfügung dem anderen sein Eigentum entzieht, ja auch den vollen Erlös auskehren. Es kann aber wertungsmäßig keinen Unterschied machen, ob die Sache des Gläubigers veräußert oder verarbeitet wird. cc) Das Problem der

Nutzungen

Auch was die Haftung auf die aus dem Erlangten gezogenen Nutzungen anbelangt, bedarf die übliche Rechtsfolge des § 818 Abs. 1 B G B einer Modifizierung. D e n n diese Regelung baut auf der Vorstellung auf, daß der Bereicherungsschuldner Nutzungen bis zu dem Zeitpunkt ziehen kann, zu dem er den primären Bereicherungsgegenstand herausgibt. Die Herausgabe des ursprünglich Erlangten und die Herausgabe aller Nutzungen können damit in einem Erfüllungsakt zusammengefaßt werden, und ist das Erlangte gegenständlich weggefallen, dann können Nutzungen ohnehin nicht mehr gezogen werden. Anders ist dies bei § 951 Abs. 1 BGB, wo das ursprünglich Erlangte gegenständlich nie herausgegeben wird, obgleich es sich noch gegenständlich in der Sphäre des Schuldners befindet und es es ihm auch in Z u k u n f t ermöglicht, Nutzungen zu ziehen. Streng genommen müßte der gewinnende Teil also „in alle Ewigkeit" die gezogenen Nutzungen abführen, und dies - da er inzwischen Kenntnis von den wahren Verhältnissen hat - sogar unter Bedingungen verschärfter Haftung. Das kann nicht angenommen werden, so daß entgegen § 818 Abs. 1 B G B bei den von §951 Abs. 1 Satz 1 B G B erfaßten Fällen Nutzungsherausgabe überhaupt

259

Palandt57-ßasienge, § 951 BGB Rn.4; Staudinger13-G«/-^, § 951 BGB Rn.2 m.w.N.

§ 8 Vindikationsersetzende

Kondiktionen

287

nicht geschuldet wird.260 Dogmatisch läßt sich dieses Ergebnis zum einen dadurch stützen, daß man § 818 Abs. 1 BGB nur auf die Nutzungen bezieht, die aus dem Herauszugebenden gezogen wurden, und zum anderen mit der Überlegung, daß der gewinnende Teil hier nur seine eigene Sache nutzt.261 Die Konsequenz der „ewigen" Nutzungsherausgabe zieht natürlich auch die Gegenmeinung nicht, sondern will nur Ersatz der bis zur Erfüllung oder letzten mündlichen Verhandlung angefallenen Nutzungen zusprechen.262 Diese Mischlösung entbehrt indessen jeder Stütze im Gesetz. b) Der

Ausgleichstypus

Die Tatsache, daß durch § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB die gegenständliche Herausgabe des Erlangten ausgeschlossen wird und daß auch sonst die Rechtsfolgen der Bereicherungshaftung nur in stark modifizierter Form gelten, wirft die Frage auf, ob der Anspruch überhaupt eine Ausprägung reinen Realausgleichs, und nicht vielmehr eine Ausprägung bloßen Wertausgleichs darstellt. Letzteres ist jedoch zu verneinen. Denn erstens ändert sich durch den Ausschluß gegenständlicher Rückgabe nichts daran, daß der Ausgleichsbefehl ganz wesentlich auf Zuweisungskriterien beruht, Herausgabe in natura nur aufgrund des übergeordneten Gesichtspunkts der Erhaltung von Werten zu unterbleiben hat und die Geldzahlung sich somit funktionell als Surrogat des eigentlich geschuldeten Eigentums darstellt. Zweitens aber läßt sich als Argument wieder der Wertungsvergleich mit der Situation bei §816 Abs. 1 BGB heranziehen: Es wäre schlechterdings nicht einzusehen, daß der Schuldner bei Verarbeitung der fremden Sache nach einem schwächeren Ausgleichstypus haften sollte als bei deren Veräußerung. 3. Weitere vindikationsersetzende Kondiktionen Der in § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB geregelten Situation der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung steht wertungsmäßig der Fall gleich, daß jemand eine fremde Sache an sich genommen und verbraucht hat. Denn durch den Verbrauch der Sache wird die Vindikation ebenso vereitelt wie etwa durch ihre Verarbeitung. Anwendbar ist in diesen Fällen die Eingriffskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB, doch kann hinsichtlich der im einzelnen auftretenden Fragen weitgehend auf die Ausführungen zu den anderen vindikationsersetzen260 Das muß entsprechend auch für die Leistungskondiktion gelten, sofern man die Verweisung in § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Nichtleistungskondiktion beschränkt. 261 So Palandt 5 7 -ßimenge, § 951 BGB Rn. 17; Staudinger 1 3 -Gwri^, § 951 B G B Rn. 34; B G H LM § 951 Nr. 13. 262 Koppensteiner, NJW 1971, 588 [594]; Pinger, M D R 1972, 187 [189f.]; MünchKomm 3 Lieb, § 818 BGB Rn. 46; MünchKomm 3 -Quack, § 951 B G B Rn. 18; Erman 9 -Westermann, § 818 B G B Rn.13.

288

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

den Kondiktionen verwiesen werden. 263 Gleichfalls in diesem Zusammenhang zu nennen ist der Fall der Zwangsvollstreckung in einen schuldnerfremden Gegenstand. D e n n durch den Zuschlag wird dem wahren Eigentümer sein Eigentum entzogen, jedoch ist der Vollstreckungsgläubiger auf seine Kosten ungerechtfertigt bereichert. 264

II. Besonderheiten

des

Nachteilsausgleichs

Wenn sich die oben aufgestellte Vermutung, wonach die funktionelle Einbindung der vindikationsersetzenden Kondiktionen in das Eigentümer-BesitzerVerhältnis bewirkt, daß diese Kondiktionen sich auch in allokatorischer Hinsicht an den §§ 985ff. B G B ausrichten, bewahrheiten soll, müßte gezeigt werden können, daß sich vor allem die Nachteilsausgleichung bei den vindikationsersetzenden Kondiktionen nicht an denselben Grundsätzen orientiert wie bei den primären Bereicherungsansprüchen, sondern stattdessen an den §§ 994ff. BGB. Darauf ist im folgenden einzugehen. 1. Skizzierung des M e i n u n g s s t a n d s Gängigerweise werden die Besonderheiten des Nachteilsausgleichs bei den vindikationsersetzenden Kondiktionen nicht als in sich geschlossener Problemkreis angesehen, sondern betrachtet man vielmehr Einzelfragen und nimmt bei der Entscheidung, ob ein Ausgleich jeweils vorzunehmen oder abzulehnen ist, mehr oder weniger explizit auch auf den funktionellen Zusammenhang der Kondiktion mit der Vindikation Bezug. Die Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen vindikationsersetzenden Kondiktionen bzw. zwischen den Fällen der Veräußerung, Verarbeitung, Verbindung usw. werden dabei kaum gesehen. 265 a)

Verwertungskosten

Weitgehende Einigkeit besteht hinsichtlich derjenigen Kosten, die anläßlich der Veräußerung, Zwangsvollstreckung usw. selbst angefallen sind: Diese Kosten soll der Schuldner in vollem U m f a n g in Abzug bringen dürfen. Das betrifft etwa Vermittlerkosten sowie die vom dritten Erwerber gezahlte und sodann an das Finanzamt abgeführte Umsatzsteuer. 2 6 6 Das betrifft aber ebenso denjenigen 263 Unter dem Aspekt der Vindikationsersatzfunktion stellt auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 I 5 a) [S. 302] die Verbrauchsfälle den Einbau- und Veräußerungsfällen gleich. 264 Grundlegend B G H Z 32, 240ff. 265 So allerdings von Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 I 5 [S.302ff.]. 266 Vgl. B G H NJW1970,2059; die Entscheidung wird von Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 7 3 1 2 b) [S. 303]; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 17IV 3 c) [S. 622]; B G H

$ 8 Vindikationsersetzende

Kondiktionen

289

Teil der Kosten der Zwangsvollstreckung, der gerade für die Verwertung des gepfändeten Gegenstands angefallen ist, d.h. für den Erwerb des Erlöses selbst, und nicht dafür, die Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung überhaupt erst zu schaffen. 267 b) Der an einen Dritten gezahlte

Kaufpreis

Kontrovers diskutiert worden ist dagegen stets die Behandlung des an einen Dritten gezahlten Kaufpreises im Rahmen des Anspruchs aus § 816 Abs. 1 BGB oder aus § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB als Eingriffskondiktion. Gemeint ist damit etwa die Situation, daß der Nichtberechtigte, der über eine Sache wirksam verfügt oder sie mit seinem Eigentum verbindet, die Sache seinerseits entgeltlich von einem Dritten erworben hatte und sich nun die Frage stellt, ob er den an den Dritten gezahlten Kaufpreis anspruchsmindernd geltend machen könne. Die herrschende Meinung lehnt dies ab und stützt sich dabei auf unterschiedliche Argumentationsmuster. aa) Argument der mangelnden

Kausalität

Ein schlagendes Argument ist in den meisten Fällen dasjenige der mangelnden Kausalität. 268 Denn der ungerechtfertigte Erwerb, der einen Anspruch aus § 816 Abs. 1 BGB überhaupt erst begründet, ist die Erlangung des Veräußerungserlöses. Die Erlangung des Veräußerungserlöses ist jedoch nicht ursächlich dafür, daß der Schuldner seinerseits einem Dritten den Kaufpreis zahlt. Vielmehr ließe sich eher umgekehrt argumentieren, daß die Zahlung des Kaufpreises an den Dritten kausal für den Erwerb der Sache und der Erwerb der Sache kausal für die Erzielung des Veräußerungserlöses ist. Allerdings wendet sich das Blatt, wenn der Kaufpreis an den Dritten erst nach Erzielung des Veräußerungserlöses entrichtet wird. Dann ließe sich nämlich argumentieren, daß der Bereicherungsschuldner den Kaufpreis sicher nicht entrichtet hätte, wenn er gewußt hätNJW1976,1091 [1092] zwar anders interpretiert, nämlich so, daß sich die Bemerkung des B G H auf Kosten der Anschaffung des fremden Gegenstands bezogen hätten. Das ist aber m. E. vom Sinnzusammenhang (auch des vollständigen Urteils mit Sachverhalt) nicht geboten und widerspricht im übrigen der Behandlung der Entscheidung in B G H Z 66,150 [157f.], wo in einem Fall der Vollstreckung in schuldnerfremdes Vermögen die Abzugsfähigkeit der Vollstreckungskosten selbst bejaht, die Abzugsfähigkeit auch der Zustellungskosten hingegen mit dem Argument verneint wurde, daß diese notwendig gewesen seien, um die Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung überhaupt erst zu schaffen. 267 Vgl. B G H Z 66,150 [156ff.]; keine nähere Spezifizierung zwischen den einzelnen Posten bei den Vollstreckungskosten findet sich dagegen bei B G H Z 32,240 [244]; 83,76 [82], Weitere Nachweise zum Abzug von Vollstreckungskosten bei MünchKomm 2 -L/eö, § 818 B G B Rn. 63; ablehnend O L G München W M 1975,281 [283] sowie Gerlach, Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung und ungerechtfertigte Bereicherung (1986), S.64f., mit der Begründung, daß damit faktisch ein Dritter zum Kostenschuldner würde. 268 So etwa R G Z 106, 4 [7]; B G H Z 14, 7 [9f.]

290

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

te, daß der Dritte ihm kein Eigentum verschafft hat und er deswegen den Veräußerungserlös nicht behalten darf. 269 Weiterhin urteilt die herrschende Meinung auch sonst nicht so streng, wenn es um die Berücksichtigung von Erwerbskosten geht, sondern nimmt einen Abzug unproblematisch an. 270 Damit büßt das Argument merklich an Überzeugungskraft ein. bb) Argument der

Interessenabwägung

Ferner wird argumentiert, daß es dem nichtberechtigt Verfügenden eher zuzumuten sei, sich den Kaufpreis im Wege der Rechtsmängelhaftung beim Dritten zurückzuholen, als dem Bereicherungsgläubiger, deswegen auf seinen Anspruch zu verzichten oder sich zumindest einen erheblichen Abzug gefallen zu lassen. 271 Auch dieses Argument ist nur scheinbar überzeugend. Zunächst ist anzumerken, daß der Versuch, sich den Kaufpreis beim Dritten zurückzuholen, in der Realität meist scheitern wird, weil es sich dabei oft um einen Dieb handelt. 272 Sodann aber entscheidet die herrschende Meinung bei primären Bereicherungsansprüchen wiederum anders: Hat dort der Bereicherungsschuldner einen Anspruch gegen einen Dritten als Ersatzvorteil erlangt, verweist man ihn nur dann darauf, diesen geltendzumachen, wenn der Anspruch gegen den Dritten sicher ist. Ansonsten erlaubt man es dem Bereicherungsschuldner, den Anspruch gegen den Dritten an den Bereicherungsgläubiger abzutreten. 2 7 3 Diese Lösung böte sich auch bei §816 Abs. 1 B G B ohne weiteres an, zumal der gutgläubige Schuldner hier keinesfalls weniger schutzwürdig erscheint als bei der Leistungs- und allgemeinen Eingriffskondiktion. cc) Argument vom

Vindikationsersatz

Hauptargument der Rechtsprechung gegen die Abzugsfähigkeit des Kaufpreises ist die Überlegung, daß der Anspruch an die Stelle der Vindikation trete, der gegenüber der Verfügende den gezahlten Kaufpreis auch nicht hätte geltend 269

Hierzu Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 I 5 a) [S.303], Vgl. etwa nur MünchKomm 3 -Lzeb, §818 BGB Rn.61; Staudinger 13 -Lore«z, §818 BGB Rn.37; Erman 9 -Westermann, §818 BGB Rn. 39, jeweils mit umfangreichen Nachweisen. 271 B G H Z 9,333 [335f.]; wohl auch B G H NJW 1995,3315 [3317] passim\ Medicus, Bürgerliches Recht, Rn.725; Beuthien, Jura 1979, 532 [533]; Staudinger 13 -Lore«z, §818 BGB Rn.37; MünchKomm 3 -L/eö, § 818 B G B Rn. 62; Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, S. 120; für eine flexiblere Lösung unter Heranziehung von Risikogesichtspunkten Strutz, NJW 1968, 141 [143], 272 Zutreffend Erman 5 - Westermann, § 818 BGB Rn. 40. Ist die Sache nicht abhandengekommen, hat der Verfügende nämlich meist gutgläubig Eigentum erworben und handelt somit nicht als Nichtberechtigter. Und ist er bösgläubig, dann gelten für ihn ohnehin die Vorschriften über die verschärfte Haftung, so daß ihm die bereicherungsrechtliche Nachteilsausgleichung nicht zugute kommt. 273 R G Z 86, 343 [348/349]; B G H Z 72, 9 [13]; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 I 3 b) [S.301], 270

§ 8 Vindikationsersetzende

Kondiktionen

291

machen können.274 Es erschiene indessen kaum gerechtfertigt, daß der unrechtmäßige Besitzer einer Sache nach deren Veräußerung usw. besser stünde als er noch kurz vor dieser Maßnahme stand.275 Ergänzend ließe sich argumentieren, daß die Veräußerung den Eingriff in die Rechtssphäre des Gläubigers gegenüber der Vindikationslage noch deutlich intensiviert, daß aber der Schuldner bei der schwereren Rechtsbeeinträchtigung nicht besser stehen könne als bei der leichteren. Das dürfte überzeugen. c) Andere Restnachteile Was für den an einen Dritten gezahlten Kaufpreis gilt, müßte folgerichtig auch für andere Erwerbskosten gelten, so etwa Maklerprovisionen, Transportkosten usw. Soweit dies gelegentlich anders beurteilt und eine Unterscheidung zwischen dem Kaufpreis selbst, der für die Substanz entrichtet wird, und anderen Erwerbskosten gemacht wird, ist dies abzulehnen, weil für eine solche Unterscheidung kein sachlicher Grund besteht.276 Ähnlich müßte auch entschieden werden, wenn der Nehmer einer unwirksam bestellten Sicherheit diese Sicherheit verwertet hat und dem Bereicherungsanspruch aus §816 Abs. 1 BGB entgegenhalten will, er habe im Vertrauen auf die Sicherheit einen Kredit ausgereicht, auf dessen Rückzahlung er nun wegen der Insolvenz des Sicherungsgebers nicht mehr hoffen könne, sowie in vergleichbaren Konstellationen. Ganz konsequent ist diese Linie allerdings nie durchgehalten worden.277 Was Aufwendungen auf den Gegenstand betrifft, über den später verfügt wird, scheint die Rechtsprechung jedenfalls davon auszugehen, daß sich der Umfang ihres Ersatzes an §§994ff. BGB zu orientieren habe, weil der Bereicherungsschuldner nicht besser stehen dürfe, als er noch als Vindikationsschuldner stand.278 2. Zusammenfassung und Bewertung Nach dem Gesagten besteht Einigkeit hinsichtlich der Abzugsfähigkeit derjenigen Kosten, die unmittelbar mit der Verwertung des fremden Gegenstands zusammenhängen, während die herrschende Meinung hinsichtlich der schon vorher angefallenen Kosten ein völlig einheitliches Bild nicht liefert. Ganz überwiegend - so insbesondere was die Behandlung des an einen Dritten gezahlten 274

R G Z 106, 4 [7]; B G H Z 14, 7 [9/10]; 47,128 [130f.]; 55,176 [179f.]; 100, 95 [101], von Caemmerer, in: Festschrift Rabel I (1954), S.333 [385f.]. 276 Vgl. den wenig überzeugenden „Rettungsversuch" von Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §17 IV 3 c) [S.623f.], die am Rechtsfortwirkungsprinzip ansetzen. 277 Im einzelnen kann hier auf die Diskussion bei Canaris verwiesen werden, vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 I 5 a) bis e) [S.302ff.]. 278 B G H Z 100, 95 [101] unter Berufung auf die entsprechende Judikatur zum an Dritte gezahlten Kaufpreis in B G H Z 55,176 [179f.]; 47, 128 [130f.]. 275

292

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im

Bereicherungsrecht

Kaufpreises, die Differenzierung zwischen Verwertungs- und Pfändungskosten sowie den Abzug von Aufwendungen betrifft - scheint man jedoch Ergebnisse zu befürworten, die der Sache nach auf einen Nachteilsausgleich nach dem Vorbild der §§994ff. B G B hinauslaufen. a) Kern der angeführten

Argumente

Sowohl dem Argument vom Vindikationsersatz als auch dem von der mangelnden Kausalität liegt in Wahrheit das berechtigte Unbehagen zugrunde, daß der Schuldner nach Entstehen eines Bereicherungsanspruchs Nachteile sollte geltend machen können, die er vor Entstehen dieses Anspruchs hätte selber tragen müssen. Das nun allerdings wäre an sich nur die logische Konsequenz aus der Abschöpfungstheorie - wenn diese hier maßgebend wäre - und wird bei den primären Bereicherungsansprüchen weitgehend akzeptiert, ohne daß man dem Kausalitätsargument oder einer Vorher-nachher-Überlegung jemals wesentliches Gewicht beigemessen hätte: Wer im Vertrauen darauf, daß ihm A n t o n etwas schuldet, die Forderung gegen die wahre Schuldnerin Berta verjähren läßt, wird nicht geschützt. Das müßte sich nach insoweit anerkannten Grundsätzen ändern, wenn A n t o n gezahlt hat, weil der Vertrauende dann Bereicherungsschuldner ist und in den G e n u ß der Nachteilsausgleichung kommt. Unter Zugrundelegung der Abschöpfungstheorie ist das Ergebnis auch durchaus akzeptabel: Wer zahlt, hat eben Pech gehabt, und soll froh sein, wenn er aus §§ 812ff. B G B überhaupt noch etwas bekommt. Weshalb beim Anspruch aus § 816 Abs. 1 B G B nun das Unbehagen angesichts einer solchen plötzlichen Verbesserung der Schuldnerposition überwiegt, liegt daran, daß man sich der Tatsache bewußt wird, daß der Bereicherungsgläubiger auch schon vorher einen Ausgleichsanspruch gegen den Schuldner hatte, nämlich in der Regel die Vindikation. D a ß er diese wohlerworbenen Rechte, die nur durch einen viel milderen Nachteilsausgleich eingeschränkt waren, nunmehr ersatzlos verlieren soll, erscheint wertungsmäßig nicht stimmig. Stimmig erscheint es jedoch, daß der Schuldner diejenigen Kosten, die mit der Verwertung des fremden Gegenstands selbst zusammenhängen, von dem gegen ihn gerichteten Anspruch in Abzug bringen kann. D e n n die Veräußerung usw. des Gegenstands kann wertungsmäßig nicht anders gesehen werden als die Ziehung von Übermaßfrüchten. Gegenüber dem Anspruch aus § 993 Abs. 1 B G B kann der Schuldner sich aber auf § 102 B G B berufen. U m wieder auf das schon oben bemühte Beispiel zurückzukommen: Wer ein fremdes Rind veräußert und dabei Kosten für Transport und tierärztliche Untersuchung aufbringen muß, darf nicht anders stehen, als wer das Rind schlachtet und den Lohn für den Metzger bezahlen muß.

§ 8 Vindikationsersetzende

b) Erklärung aus allokatorischer

Kondiktionen

293

Sicht

Aus allokatorischer Sicht lassen sich die Ergebnisse dadurch erklären, daß für den Anspruch aus § 816 Abs. 1 BGB die Abschöpfungstheorie, wie sie den primären Bereicherungsansprüchen größtenteils zugrundegelegt wird, keine Geltung beanspruchen kann. Vielmehr ist zunächst auszugehen von der Soll-Verteilung, wie sie den Vindikationsanspruch kennzeichnet. Es wird im Vierten Kapitel noch näher auszuführen sein, daß diese ganz „normal" in derjenigen Verteilung zu sehen ist, die gegeben wäre, wenn das unerwünschte Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz nicht eingetreten wäre.279 Daher kann auch von einem Restvorteil des Gläubigers regelmäßig nicht gesprochen werden, sofern nicht der Schuldner werterhöhende Maßnahmen vorgenommen hat, die gemäß §§994ff. BGB konsequenterweise ja auch ausgeglichen werden. Wird der Vindikationsanspruch dadurch zum Erlöschen gebracht, daß dem Gläubiger das Eigentum entzogen wird, dann tritt an die Stelle der Vindikation der Anspruch aus § 816 Abs. 1 BGB, der also funktionell einen vindikationsrechtlichen Sekundäranspruch darstellt. Dadurch ändert sich allerdings weder an der Soll-Verteilung etwas noch auch an der Beurteilung dessen, was jeweils als Restvorteil oder Restnachteil der Beteiligten angesehen werden kann. Das Gesagte bedeutet, daß sich auch die ergänzende Ausgleichung von Restnachteilen des Schuldners an den für das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis geltenden Regeln zu orientieren hat. c) Verbleibender Spielraum für die

Nachteilsausgleichung

Auf diese Regeln wird im Vierten Kapitel der Arbeit noch ausführlich einzugehen sein, so daß an dieser Stelle ein pauschaler Hinweis auf die §§994ff. B G B genügen kann. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß der Gläubiger mit dem betreffenden Sekundäranspruch auch weit besser stehen kann als er mit der Vindikation gestanden hätte. Das ist immer dann der Fall, wenn der Schuldner durch die Veräußerung usw. Gewinn gemacht hat. Kauft beispielsweise Anton von einem Dritten Waren zum Marktpreis von 100, die in Wahrheit der Berta gehören, und veräußert und übereignet er sie wirksam für 200 an verschiedene Endabnehmer weiter, dann kann Berta von Anton die vollen 200 herausverlangen. In diesem Fall erlangt Berta einen Restvorteil von 100, während Anton einen Restnachteil erleidet, dessen Höhe von den konkreten Umständen abhängt, so namentlich davon, ob er mit Erfolg Rechtsmängelansprüche gegen den Dritten geltend machen kann. Mit anderen Worten eröffnen sich trotz der Orientierung an der Soll-Verteilung der Vindikation für den Gläubiger Möglichkeiten, allein infolge des Kondiktionsanspruchs und seiner Erfül-

279

Viertes Kapitel, §10 I 2 a) [S.329f.].

294

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

lung noch Restvorteile zu erlangen. In dem Umfang, wie dies der Fall ist, sollte man eine Ausgleichung von Restnachteilen des Schuldners im Hinblick auf den Statikgedanken - vorbehaltlich dessen normativen Geltungsanspruchs - weiterhin zulassen.

§ 9 Kondiktion als Aufwendungsersatz Während die Besonderheit der vindikationsersetzenden Kondiktionen darin zu sehen war, daß sie an die Stelle eines anderen primären Ausgleichsanspruchs treten und daher bei funktioneller Betrachtung als Sekundäransprüche qualifiziert werden müssen, zeichnet sich eine andere Gruppe von Kondiktionen dadurch aus, daß sie die Aufgabe von Subansprüchen übernehmen. Es ist bereits im Rahmen des Überblicks über die Bereicherungstatbestände, der diesem Kapitel vorangestellt wurde, näher dargelegt worden, daß vor allem die sogenannten Aufwendungskondiktionen jeweils einem primären Ausgleichsanspruch und einem entsprechenden umfassenden Anspruchsverhältnis zugeordnet werden können, innerhalb dessen sie lediglich eine ergänzende und korrigierende Funktion erfüllen.280 I. Überblick

über die

Ausgleichsmechanismen

Mit dem Begriff der Aufwendungskondiktionen werden gemeinhin diejenigen Bereicherungsansprüche belegt, bei denen der Bereicherungsgläubiger selbst die rechtsgrundlose Güterbewegung ausgelöst hat bzw. sie ihm zumindest zugerechnet werden kann.281 Vor allem betrifft dies die Verweisung in § 684 Satz 1 BGB, doch ist der Begriff etwas weiter und umfaßt auch jene Fälle des §812 BGB, bei denen jemand zurechenbar fremdes Vermögen mehrt und dies entweder nicht willentlich tut oder aber sein willentliches Handeln zumindest nicht als Leistung qualifiziert werden kann. Mit dem Begriff der Verwendungskondiktion ist dagegen in der Regel die Verweisung in § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB auf das Bereicherungsrecht gemeint. 1. §951 Abs. 1 Satz 1 BGB als Verwendungskondiktion Der Anspruch aus §§ 951 Abs. 1 Satz 1,812 BGB regelt den Fall, daß jemand zurechenbar sein Eigentum dadurch verliert, daß er es mit dem Eigentum eines anderen verbindet, vermischt oder es einem anderen zur Verarbeitung überläßt, wodurch dieser andere einen Vermögenszuwachs erfährt. Wie bereits 280 281

Hierzu oben, §6 1 1 b) bb) [S.210f.]. Statt aller Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §69 III vor 1 [S. 188].

296

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

mehrfach ausgeführt, ist dieser Fall streng von demjenigen zu unterscheiden, daß der Rechtsverlust durch eine Handlung des erwerbenden Teils herbeigeführt wird: Dann handelt es sich nämlich nicht mehr um eine Verwendungskondiktion, sondern um einen Unterfall der Eingriffskondiktion, hinsichtlich dessen auf die oben gemachten Ausführungen verwiesen werden kann. 282 Das muß konsequenterweise auch gelten, wenn der gewinnende Teil als bösgläubiger Erwerber nicht nach §932, sondern erst nach §§946ff. BGB Eigentum erwirbt. Denn dann beruht der Rechtserwerb letztlich auf der Eingriffshandlung des Erwerbers, weshalb eine vindikationsersetzende Eingriffskondiktion gegeben ist, mag man diese nun im Weg über die Verweisung in §951 Abs. 1 Satz 1 BGB oder unmittelbar aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB gewähren. Ferner kann von vorneherein immer dann kein Fall der Verwendungskondiktion vorliegen, wenn sich die Verbindung usw. als Leistung des verlierenden Teils darstellt.283 a) Verbleibender

Anwendungsbereich

Der danach verbleibende Anwendungsbereich von §§951 Abs. 1 Satz 1, 812 BGB als VerwendungskondikXion ist vergleichsweise klein und diesem Anspruch kommt gegenüber spezielleren Regelungen nur eine Auffangfunktion zu.284 Im wesentlichen kommt er dann zum Zuge, wenn der verlierende Teil sein Eigentum mit einer fremden Sache verbindet und dabei irrtümlich davon ausgeht, daß es sich um seine eigene Sache handele bzw. um eine Sache, die er behalten darf oder die er später erwerben wird. Im erstgenannten Fall stellt sich freilich - soweit der verwendende Teil zugleich Besitzer ist - das bekannte Konkurrenzproblem, ob die Verwendungskondiktion überhaupt parallel neben den §§ 994ff. BGB zum Zuge kommen kann. Es ist hier sicher nicht der richtige Ort, dieses Problem ausführlich zu erörtern, weil darauf im Vierten Kapitel der Arbeit noch einzugehen sein wird.285 Jedoch ist bereits an dieser Stelle vorauszuschicken, daß die Verwendungskondiktion aus §§951 Abs. 1 Satz 1, 812 BGB richtigerweise schon wegen ihrer gänzlich unterschiedlichen Zielrichtung von den §§994ff. BGB nicht verdrängt wird. b) Beschränkung auf den Materialverlust Gerade in Zusammenhang mit der Frage um das Konkurrenzverhältnis zu §§994ff. BGB scheint man unausgesprochen davon auszugehen, daß §§951 Abs. 1 Satz 1,812 BGB vollen Aufwendungsersatz gewähre, also etwa bei einem Bau auf fremdem Boden die vollen Kosten für Planung, Baumaterial und Ar282 Siehe zu den vindikationsersetzenden Kondiktionen aus § 951 Abs. 1 Satz 1 B G B oben § 8 I 2 [S.284ff.]. 283 Dazu, daß die für die Leistungskondiktion geltenden Grundsätze hier nicht passen wollen, statt aller von Caemmerer, in: Festschrift Rabel I (1954), S.333 [366] m.w.N. 284 MünchKomm 2 -Quack, §951 BGB Rn.2, 31. 285 Eingehend Viertes Kapitel, § 10 III 1 c) [S.352ff.].

§ 9. Kondiktion als Aufwendungsersatz

297

beitslöhne abdecke. Indessen spricht die Vorschrift nicht von „Aufwendungen", sondern von einem „Rechtsverlust", den jemand „infolge der Vorschriften der §§946 bis 950" erleidet. Dieser Wortlaut macht deutlich, daß von §951 Abs. 1 Satz 1 BGB nur gerade der Materialverlust gemeint ist, nicht aber auch etwa sonstige Unkosten, die in Zusammenhang mit dem Vorgang der Verbindung usw. angefallen sind. Dem läßt sich übrigens auch nicht entgegenhalten, daß etwa beim Bau auf fremdem Boden die Arbeitslöhne auf das Haus verwendet würden und sodann „das Haus", dessen Wert nun die für seine Herstellung aufgewendeten Arbeitslöhne umfasse, mit dem Grundstück verbunden werde. Denn „das Haus" konnte nach Maßgabe der §§93, 94 BGB nie Gegenstand eines besonderen Rechts sein, das dann infolge von §946 BGB hätte verloren werden können. Daß sich §951 Abs. 1 Satz 1 BGB nur auf den Materialverlust bezieht, entspricht übrigens dort, wo man die Frage nach den konkret umfaßten Kosten einmal ausdrücklich gestellt hat, auch der ganz überwiegenden Auffassung.286 Wenn dies in der Diskussion um die Konkurrenz zu §§994ff. BGB bislang nicht hinreichend problematisiert worden ist, dann dürfte das darauf zurückzuführen sein, daß man §951 Abs. 1 Satz 1 BGB zutreffend als Rechtsgrundverweisung auf die §§ 812ff. BGB auffaßt. Wenn aber der eigentliche Prüfungsmaßstab §812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB ist, dann muß man sich auf der Ebene des §951 Abs. 1 Satz 1 BGB über die von der Verweisung konkret umfaßten Posten nicht allzu viele Gedanken machen. 2. § 684 Satz 1 B G B und seine A n w e n d u n g e n Da §951 Abs. 1 Satz 1 BGB nur für den Materialverlust gilt, ist oft in ein- und demselben Sachverhalt die Verweisung des §684 Satz 1 BGB hinsichtlich des Arbeitsaufwands und sonstiger Unkosten des Einbauenden neben derjenigen in §951 Abs. 1 Satz 1 BGB anwendbar. Schon daher besteht zwischen beiden Normen eine tiefe innere Verwandtschaft, die sich auch auf die strukturellen Besonderheiten des Anspruchsinhalts auswirkt. Allerdings handelt es sich bei § 684 Satz 1 BGB nach herrschender, aber umstrittener Auffassung um eine bloße Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht, weil sich der Mangel des rechtlichen Grundes bereits aus dem Tatbestand einer unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag ergebe. 287 Dem Anspruch kommt durch die Ver286 BGH NJW 1954, 265; BGH WM 1966, 369 [370]; BGH LM §946 BGB Nr.6 [B1.2]; Palandt57-Bassenge, §951 BGB Rn. 11; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn.898; Westermann/Gursky, Sachenrecht (1998), § 54 4 b) [S. 446]; Götz, Der Vergütungsanspruch gemäß § 951 Absatz 1 Satz 1 BGB (1974), S. 196ff.; anders Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, S. 176 Fn.81. 287 So zumindest die herrschende Meinung in der Rechtsprechung, RGZ 81,204 [206]; BGH WM 1976,1056 [1060]; OLG Hamm NJW 1974,951 [952]; anders Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §21 II 2 [S.712]; Fikentscher, Schuldrecht, Rn.943; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 947; MünchKomm3-5e//er, §684 BGB Rn.4.

298

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

Weisungen etwa in §§ 547 Abs. 2 BGB, 601 Abs. 2,994 Abs. 2 BGB auf das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag ein vergleichsweise größerer Anwendungsbereich zu, als dies seine systematische Stellung vermuten ließe. 3. Einzelfälle im R a h m e n von §812 B G B Weit weniger klar konturiert sind die Ausprägungen einer Aufwendungskondiktion, die sich weder an §951 Abs. 1 Satz 1 noch an §684 Satz 1 BGB festmachen lassen, sondern unmittelbar an § 812 BGB. Eine Subsumtion entweder unter §684 Satz 1 BGB oder unter §812 Abs.l Satz 1 Alt. 2 B G B kommt etwa meist in Frage bei den sogenannten Rückgriffskondiktionen. 288 Schulfall ist die Tilgung einer fremden, vermeintlich eigenen Verbindlichkeit, die wegen § 267 BGB Erfüllungswirkung hat. Die Kondiktion bei demjenigen, der durch eine solche Zahlung von einer Schuld befreit wird, und nicht beim Zahlungsempfänger, kann dann von eminentem Interesse sein, wenn letzterer insolvent ist, stellt aber auch abgesehen davon in der Regel den unkomplizierteren Weg dar. Diskussionen haben sich hier seit jeher mehr um Einzelprobleme entfacht, so insbesondere um die Streitfrage, ob der zunächst auf eine vermeintlich eigene Verbindlichkeit Leistende rückwirkend seine Tilgungsbestimmung ändern könne, was die Rechtsprechung bedingt unter dem Gesichtspunkt von §242 BGB zuläßt. 289 Was Grundgedanken und Mechanismus des bereicherungsrechtlichen Ausgleichs betrifft, sieht die herrschende Meinung wohl keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen der Rückgriffskondiktion und anderen Nichtleistungskondiktionen. Ob dieses Verständnis der Korrektur bedarf und in Wahrheit ein tiefgreifender Unterschied zu verzeichnen ist, wird die weitere Untersuchung zeigen.

II. Besonderheiten gegenüber anderen Kondiktionen Die soeben in Umrissen skizzierten Aufwendungskondiktionen zeichnen sich gegenüber anderen Nichtleistungskondiktionen durch eine Reihe von Besonderheiten aus. Bereits angesprochen wurde das Merkmal, daß die rechtsgrundlose Vermögensverschiebung hier regelmäßig durch den späteren Gläubiger des Bereicherungsanspruchs selbst vorgenommen wird oder daß sie zumindest dem gewinnenden Teil wertungsmäßig nicht zugerechnet werden kann. Hierin liegt auch die innere Berechtigung dafür, von § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB alle Fälle auszunehmen, in denen der Gegenstand dem gewinnenden Teil geleistet worden ist, weil der Tatbestand einer Leistung - ohne hier auf die unterschiedlichen 288

Vgl. statt aller Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §69 III 2 a) [S. 191]. Zum ganzen Problem vgl. die Darstellungen bei Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 69 III 2 c) [S.1921] und MünchKomm'-Lieft, § 812 B G B Rn.96ff. 289

§ 9. Kondiktion

als

Aufwendungsersatz

299

zum Leistungsbegriff vertretenen Theorien näher eingehen zu wollen - zumindest grundsätzlich eine Zweckvereinbarung zwischen den Parteien voraussetzt,290 so daß sich der Empfänger den Erwerbstatbestand in gewisser Weise mitzurechnen lassen muß. 1. H ö h e n m ä ß i g e Begrenzung? Was die Aufwendungskondiktionen von den primären Kondiktionen vor allem unterscheidet, ist ihre Kompensationsfunktion. Während es bei den bislang betrachteten Ansprüchen um die Abschöpfung mißbilligter Vorteile ging, geht es hier auch und gerade um den Ausgleich von Nachteilen. Dieser Umstand läßt sich etwa bei §951 Abs. 1 Satz 1 BGB angesichts der Formulierung der Vorschrift kaum hinwegleugnen: Es geht hier ganz ausdrücklich um die Vergütung für einen Rechts vertust, nicht für einen Rech tse werft. Zwar nicht aus der Formulierung, wohl aber aus der systematischen Stellung, läßt sich Vergleichbares auch für §684 Satz 1 BGB ableiten. Denn wenn §683 BGB eine Vorschrift für den Aufwendungsersatz des berechtigten Geschäftsführers darstellt, dann ist §684 BGB die entsprechende Vorschrift zum Aufwendungsersatz des unberechtigten Geschäftsführers. Aufwendungsersatz erfüllt aber ganz typischerweise Kompensationsfunktion, nicht Abschöpfungsfunktion. 291 Das wirft die Frage auf, ob nicht überhaupt der Anspruch des verlierenden Teils der Höhe nach auf den Verlust beschränkt sein müsse. a) Die Diskussion bei §§951 Abs. 1 Satz 1, 812 BGB Bei §§951 Abs. 1 Satz 1, 812 BGB soll nach Auffassung vor allem der Rechtsprechung, aber auch weiter Teile der Literatur, der Anspruch des verlierenden Teils nicht der Höhe nach auf seinen tatsächlichen Verlust beschränkt sein, wobei man sich zur Begründung auf die Abschöpfungsfunktion des Bereicherungsanspruchs beruft. 292 Vielmehr soll auch ein Vermögenszuwachs des Er290 Unter einer Leistung ist eine bewußte und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens, unter Zweckgerichtetheit grundsätzlich die Bezogenheit auf ein Kausalverhältnis zu verstehen, statt aller Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §67 II 1 d) [S. 132], 291 So auch - in unterschiedlichen Zusammenhängen - MünchKomm 3 -Lf'ei>, §812 BGB Rn.265; Klauser, NJW 1965, 513 [517]; Haas, AcP 176 (1976), 1 [18]; Feiler, Aufgedrängte Bereicherung bei Verwendungen des Mieters oder Pächters (1968), S. 103; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 900; Baur/Stürner, Sachenrecht (1998), § 53 c III 2 c) cc) [S. 559]; Götz, Der Vergütungsanspruch gemäß §951 Abs. 1 Satz 1 BGB, S. 178ff.; anders freilich Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §69 III 1 c) [S. 190]; Reuter/Martinek, § 15 III 3 [S. 548f.]; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 16 II 3 d) [S. 169]; Pinger, Funktion und dogmatische Einordnung des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, S. 129f. 292 B G H Z 1 7 , 2 3 6 [249]; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 69 III 1 c) [S. 190]; Reuter/Martinek, §15 III 3 [S.548f.]; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 16 II 3 d) [S. 169]; Reimer, Die aufgedrängte Bereicherung, S.79f.; Pinger, Funktion und dogmatische Einordnung des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, S. 129f., der allerdings im Ergebnis für ei-

300

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im

Bereicherungsrecht

werbenden herauszuverlangen sein, der den Rechtsverlust des Verlierenden übersteigt. Diese Konsequenz ist indessen fragwürdig, weil, wie oben erwähnt, der Wortlaut von § 951 Abs. 1 BGB nahelegt, daß hier ein besonders enger Zusammenhang mit der Entreicherung des Verlierenden besteht. 293 Ferner ist den §§946, 947 Abs. 2 BGB die Wertung zu entnehmen, daß das Ergebnis der Verbindung dinglich voll dem gewinnenden Teil zugewiesen ist, womit die volle wirtschaftliche Zuweisung an den verlierenden Teil nicht übereinstimmen mag. So nimmt denn auch eine im Vordringen befindliche Ansicht im Schrifttum zutreffend an, daß der Anspruch durch den Betrag der gemachten Aufwendungen zu limitieren sei.294 Dogmatisch läßt sich dieses Ergebnis dadurch in überzeugender Weise erklären, daß das Erlangte im Sinne von §812 BGB in den von §951 BGB erfaßten Fällen der Verwendungskondiktion ein anderes ist als in den Fällen der Eingriffskondiktion. Daß der bereicherungsauslösende Vorgang bei der Verwendungskondiktion nicht als Eingriff gewertet werden kann, bringt es mit sich, daß das Kriterium des Zuweisungsgehalts des beeinträchtigten Rechtsguts seine kondiktionsbegrenzende Wirkung, die ihm bei der Eingriffskondiktion zukommt, nicht entfalten kann. Daher wird zutreffend vertreten, daß das Erfordernis der Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung besonders streng zu verstehen sei und der fragliche Vermögenswert grundsätzlich bis zu dem kondiktionsauslösenden Vorgang zum Vermögen des Bereicherungsgläubigers gehört haben müsse.295 Zum Vermögen des Gläubigers hat aber nur ein seinem Verlust entsprechender Vermögenswert gehört. Wer für eine volle Abschöpfung beim Schuldner ganz lapidar die allgemeine Abschöpfungsfunktion des Bereicherungsrechts ins Feld führt, der läßt außer acht, daß zwischen primären Bereicherungsansprüchen nach §§812ff. einerseits und bereicherungsrechtlichen Subansprüchen andererseits ein fundamentaler Unterschied besteht. Daß §951 Abs. 1 Satz 2 BGB die Rechtsfolge des §818 Abs.l BGB modifiziert, ist anerkannt, und daß die Haftung aus Verwendungskondiktionen auch in anderen Punkten von der Haftung aus primären Bereicherungsansprüchen abweichen könnte, erscheint daher zumindest plausibel. b) Die übrigen

Aufwendungskondiktionen

Im Geschäftsführungsrecht zieht eine herrschende Meinung im Schrifttum aus dem systematischen Zusammenhang mit § 683 BGB die Konsequenz, daß die Höhe des Anspruchs nach oben hin durch die tatsächlich gemachten Aufwenne Quotelung entsprechend dem Verhältnis zwischen dem Wert der Hauptsache und dem Wert der verbundenen Sache plädiert. 293 Kritisch Erman 9 -Hefermehl, §951 BGB Rn.12; Klauser, NJW 1965, 513 [517]; Staudingeru-Gursky, § 951 BGB Rn.30. 294 Siehe die oben, Fn.291 Genannten. 295 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §69 III 1 b) [S. 189].

§ 9. Kondiktion

als

Aufwendungsersatz

301

düngen begrenzt sei, weil sonst der berechtigte Geschäftsführer schlechter stünde als der unberechtigte. 296 Canaris hat dem entgegengesetzt, daß die gegebenenfalls entstehende Besserstellung des unberechtigten Geschäftsführers gegenüber dem berechtigten nach dem anerkannten Grundsatz der Korrespondenz von Vorteil und Risiko gerechtfertigt sei.297 Dem ist indessen zu widersprechen. Zwar mag ein Grundsatz cuius periculum eius commodum bestehen, 298 wonach demjenigen, der das Risiko einer Unternehmung trägt, auch der daraus fließende Vorteil gebührt, doch kann er sich jedenfalls nur auf ein erlaubtes Risiko beziehen. Nicht jedoch darf man m. E. argumentieren, daß derjenige, der unberechtigt in eine fremde Rechtssphäre eingreift und dadurch das Risiko eingeht, Verwendungen nicht ersetzt zu bekommen oder gar Schadensersatz leisten zu müssen, für dieses unerlaubt geschaffene Risiko den Vorteil aus der Rechtsverletzung müsse liquidieren dürfen. Auch das Formalargument, daß es sich bei §684 Satz 1 BGB um Bereicherungsausgleich, und nicht um Aufwendungsersatz handele, 299 vermag nicht zu überzeugen. Denn erstens wäre es etwa in den Fällen des §687 Abs. 2 BGB schlicht widersinnig, dem Geschäftsherrn, der das Geschäft gemäß § 687 Abs. 2 Satz 1 BGB an sich ziehen darf, den Geschäftserfolg durch §§687 Abs.2 Satz 2, 684 Satz 1 BGB wieder zu entziehen und macht die Verweisung deutlich, daß volle Herausgabe der Bereicherung vom Gesetzgeber gar nicht gemeint sein kann. 300 Zweitens aber besteht auch bei einer Beschränkung auf die tatsächlich gemachten Ausgaben ein bedeutender Unterschied zum echten Aufwendungsersatz gemäß §§670, 683 BGB: Der Geschäftsführer kann Erstattung seiner Unkosten nicht nur bis zu der Höhe fordern, bis zu der er sie für erforderlich halten durfte, sondern bis zur Höhe der Bereicherung des Begünstigten. Aus eben diesem Grunde ist auch das Argument nicht stichhaltig, daß damit die Genehmigungsmöglichkeit gemäß § 684 Satz 2 BGB keinen Sinn mehr ergäbe. Sie wahrzunehmen kann im Gegenteil für den Begünstigten dann sinnvoll sein, wenn dem Geschäftserfolg unnötig hohe Aufwendungen des Geschäftsführers gegenüberstehen. Der herrschenden Meinung ist demnach zuzustimmen, weil nur sie dem Charakter des §684 BGB als einem auf die Bereicherung beschränkten Aufwendungsersatzanspruch gerecht wird. Allerdings ist die gegebene Begründung, daß der unberechtigte Geschäftsführer sonst besser stünde als der berechtigte, leicht zu modifzieren, weil man ihm immer entgegenhalten 296 MünchKomm3-L/eZ>, §812 BGB Rn.265; Erman"-Ehmann, §684 B G B R n . l ; Manfred Wolf, JZ1966,467 [470]; R G R K n - S t e f f e n , § 684 BGB Rn. 9; Jauernig 8 -Vollkommer, § 684 B G B Rn. 1; siehe auch etwa Falandt57-Thomas, §684 BGB Rn. 1; R G Z 1 3 8 , 4 5 [50] (bloßer Aufwendungsersatz); R G Z 81, 204 [206] (§684 BGB soll Herausgabepflichtigen besser stellen, als er bei §670 BGB stünde). 297 So aber Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §69 III 1 c). 298 Hierzu etwa Härder, in: Festschrift Käser (1976), S. 351 ff. 299 Siehe nur MünchKomm3-&>ifei-, §684 B G B Rn.9. 300 Dazu sogleich unten, 2 [S.302],

302

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im Bereicherungsrecht

kann, daß der Begünstigte ja genehmigen könne: Das entscheidende Wertungsargument ist vielmehr darin zu sehen, daß der unberechtigte Geschäftsführer ohne die Beschränkung aus rechtlich mißbilligtem Tun Profit schlagen könnte. 2. Herausgabe oder Geldleistung? Daß im Falle des §951 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Verpflichtung zur Herausgabe des Erlangten in natura ausgeschlossen sein soll, ergibt sich aus Satz 2 der Regelung, wonach die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands nicht verlangt werden kann.30' Bei den Rückgriffskondiktionen dürfte gegenständliche Herausgabe in aller Regel ohnehin nicht möglich sein. Bei der Aufwendungskondiktion nach § 684 Satz 1 BGB scheint hingegen der Wortlaut der Vorschrift auch oder sogar in erster Linie eine gegenständliche Auskehrung des Erlangten nahezulegen. Allerdings ist wieder der systematische Zusammenhang des § 684 Satz 1 BGB mit § 683 BGB zu beachten, der hinsichtlich des Aufwendungsersatzes des berechtigten Geschäftsführers auf die Vorschriften des Auftragsrechts verweist. Dieser Zusammenhang deutet nicht nur darauf hin, daß das Gesetz den Anspruch aus §684 Satz 1 BGB der Höhe nach auf den Vermögensverlust des Gläubigers beschränkt wissen wollte, sondern zugleich darauf, daß der Anspruch aus §684 Satz 1 BGB auch in qualitativer Hinsicht nicht über den aus §§683, 670 BGB hinausgehen kann. Ganz in diese Richtung deuten auch die Verweisungen in §§547 Abs. 2 BGB, 601 Abs. 2,687 Abs. 2 Satz 2 oder 994 Abs. 2 BGB, die nahelegen, daß das Gesetz den Anspruch aus §684 Satz 1 BGB als einen echten Aufwendungsersatzanspruch ansieht. Ferner kann hier wieder das Argument mit §687 Abs. 2 Satz 2 BGB angeführt werden, weil ein Anspruch auf gegenständliche Herausgabe des Geschäftserfolgs zu einem „juristischen Karussell" führen würde.302 Aufwendungsersatz geht aber - und dadurch unterscheidet er sich grundlegend vom Wegnahmerecht - stets auf eine Geldzahlung. Allerdings muß es selbstverständlich dem Geschäftsherrn überlassen bleiben, sich dadurch vom Ersatzanspruch zu befreien, daß er das Erlangte gegenständlich an den Geschäftsführer auskehrt. 3. Das Problem der aufgedrängten Bereicherung Von den übrigen Kondiktionen unterscheiden sich die Aufwendungskondiktionen schließlich auch dadurch, daß sich nur bei ihnen das Problem des Aufdrängungsschutzes wirklich akut stellt. Denn erstens kann sowohl bei der Eingriffs301

Einschränkend Jakobs, AcP 167 (1967), 350 [373ff.], der zur Gewährung von Aufdrängungsschutz den Anspruch auf Herausgabe gehen lassen will, sofern dies dem Willen des Eigentümers nicht widerspricht. 302 So zutreffend Medicus, Bürgerliches Recht, Rn.419; wohl auch ganz herrschende Meinung, ausdrücklich etwa Erman 9 -Ehmann, §687 BGB Rn. 16; RGZ 138, 45 [50],

§ 9. Kondiktion als

Aufwendungsersatz

303

als auch bei der Leistungskondiktion die Vermögensmehrung dem gewinnenden Teil in irgendeiner Weise mitzugerechnet werden und muß dieser sich daher an der auch von ihm selbst geschaffenen Lage festhalten lassen. Demgegenüber besteht dann, wenn die Vermögensmehrung eher dem verlierenden als dem gewinnenden Teil zugerechnet werden kann, ein eminentes Bedürfnis danach, den Schuldner vor einer unangemessenen Ersatzpflicht zu schützen. § 818 Abs. 3 BGB hilft allerdings dann nicht weiter, wenn - wie es bei Verwendungen oftmals der Fall ist - der Verwendungserfolg als solcher noch im Vermögen des gewinnenden Teils vorhanden ist und etwa nur deswegen nicht gegenständlich herausgegeben werden kann, weil er mit diesem Vermögen fest verbunden ist.303 Wie insbesondere Canaris herausgearbeitet hat, kann in diesen Fällen der Anspruch nicht schon tatbestandlich entfallen304 und kann ihm wohl auch nicht die rechtsvernichtende Einwendung des § 818 Abs. 3 BGB entgegenstehen, weil es eines Aufdrängungsschutzes ja unzweifelhaft nicht bedarf, wenn der gewinnende Teil die Vermögensmehrung tatsächlich realisiert hat.305 Dies umso mehr, als für den Bereicherungsschuldner bei der Aufwendungskondiktion zum Zeitpunkt der Realisierung des Vermögenswerts regelmäßig auch § 818 Abs. 3 BGB nicht mehr ohne weiteres anwendbar ist, weil er vom Erwerb und seiner Rechtsgrundlosigkeit Kenntnis hat. a) Eingrenzung

des

Problems

Insgesamt ist der Kritik von Canaris beizupflichten, wonach die Diskussion stark unter einer zu weitgehenden Pauschalisierung leidet.306 So stellt sich die Frage nach besonderen Schutzmechanismen dann nicht, wenn und soweit der gewinnende Teil die Vermögensmehrung realisiert hat. Denn entweder liegt darin bereits eine konkludente Genehmigung der Aufwendungen, oder aber der Betreffende ist jedenfalls nicht mehr schutzbedürftig. Ansonsten stellt sich die Frage in vielen Fällen als ein Scheinproblem dar, weil bereits andere als bereicherungsrechtliche Regelungen hinreichend Aufdrängungsschutz gewährleisten. Es erscheint daher ratsam, hier zunächst zu klären, inwieweit überhaupt Bedarf nach einer Lösung innerhalb des Bereicherungsrechts selbst besteht.

303

Zum im Rahmen von §818 Abs.3 BGB gewährten Aufdrängungsschutz oben, §7 I 2 a) [S. 259]. 304 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 72 IV 3 vor a) [S.288], 305 Darin ist auch der entscheidende Unterschied zum Fall des unkörperlichen Erlangten bei den primären Bereicherungsansprüchen zu sehen. Denn derjenige, der etwa rechtsgrundlos die Dienstleistung eines anderen genossen und es versäumt hat, aus dieser Dienstleistung auch subjektiv entsprechenden Nutzen zu ziehen - etwa weil er normalerweise niemanden angestellt hätte und den Betreffenden auch gar nicht richtig beschäftigen konnte - kann den unkörperlichen „Vermögenszufluß" nicht mehr realisieren. 306 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) §72 IV 2 a) [S.287],

304

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

aa) Beseitigungsverlangen

und Verweisung auf

im

Bereicherungsrecht

Wegnahmerecht

Der Schutz des gewinnenden Teils ist dann gewährleistet, wenn er vom verlierenden Beseitigung der Beeinträchtigung seiner Vermögenssphäre aus §§823ff., 249 Satz 1 oder aus §1004 Abs. 1 BGB verlangen kann. Denn wenn §951 Abs. 1 Satz 2 BGB besagt, die Wiederherstellung des früheren Zustands könne nicht verlangt werden, dann ist damit nur gemeint, daß der Verlierende keine Wiederherstellung verlangen kann, nicht jedoch sollen auch Schadensersatz- oder Beseitigungsansprüche des anderen ausgeschlossen werden. Ein kritischer Punkt dabei ist freilich, unter welchen Umständen Beseitigung verlangt werden kann. Das hängt davon ab, welche Einwirkung auf die Rechtssphäre des Gewinnenden als realer Schaden bzw. als Beeinträchtigung im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB gewertet werden kann. 307 Das wird man nicht allein anhand der subjektiven Vorstellungen des Betreffenden beantworten dürfen, weil sonst Verwendungsersatz praktisch nur noch bei Genehmigung der Verwendungen geschuldet wäre. Daher muß ein gewisser objektiver Aspekt unbedingt miteinfließen und muß es auch die Verkehrsanschauung zulassen, die Veränderung als negative zu beurteilen: Wer einen fremden Altbau saniert, der fügt dem Eigentümer nach der Verkehrsauffassung damit keinen Schaden zu und beeinträchtigt auch nicht sein Vermögen. Es wäre auch ganz und gar unsinnig und mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren, würde man den Verwender für verpflichtet halten, die restaurierten Wände wieder zu beschädigen, dem Dach wieder undichte Stellen zuzufügen usw. Jedenfalls §242 BGB müßte dann einer Forderung nach Rückgängigmachung im Wege der Naturalrestitution bzw. nach Beseitigung entgegenstehen. Ferner ist bei unverhältnismäßig hohen Kosten der Rechtsgedanke des §251 Abs. 2 BGB entsprechend heranzuziehen. 308 Ein ganz ähnlicher Ansatz ist derjenige, wonach der gewinnende Teil den verlierenden Teil auf ein Wegnahmerecht verweisen kann. 309 Er ist bedenklich, weil das Gesetz bewußt Wegnahmerechte, und keine Wegnahmepflichten geschaffen hat, und ebenso dem Verwender vielfach ein Wahlrecht eingeräumt hat, ob er Verwendungsersatz geltend machen oder von seinem Wegnahmerecht Gebrauch machen möchte. 310 Man wird eine Verweisung des Verwenders auf sein Wegnahmerecht daher nur zulassen dürfen, wenn die Entscheidung gegen das Wegnahmerecht im konkreten Fall rechtsmißbräuchlich erscheint: Der Gärtner, der versehentlich auf dem Boden des benachbarten Bauern ein Blu307

Nicht gefolgt werden kann dagegen der Ansicht, daß die abgeschlossene Veränderung einer Sache keine Eigentumsbeeinträchtigung nach § 1004 BGB darstellen könne, so aber StauAingsru-Gursky, §996 BGB R n . l l ; Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch (1972), S. 86 f., 116ff. 308 Hierzu LarenzJCanaris, Schuldrecht II/2, §72 IV 3 a) [S.288], 309 B G H Z 23, 61 [64f.] hat dies für den Fall angenommen, daß der Erwerb ohne Zustimmung des Gewinnenden erfolgte und für ihn erst nach weiteren Aufwendungen nutzbar ist. 310 Kritisch auch Staudinger 13 -Gursfcy, § 951 BGB Rn.41.

§ 9. Kondiktion

als

305

Aufwendungsersatz

menbeet anlegt, kann die Blumen problemlos schneiden und verkaufen, wie er es ja auch vor Entdeckung des Irrtums ursprünglich geplant hatte. Demgegenüber wäre es rechtsmißbräuchlich, vom Bauern Erstattung in Geld zu verlangen. bb) Analoge Anwendung

von §§404, 406ff BGB

Erfüllt jemand die Schuld eines anderen ohne dessen Einverständnis, was nach §267 BGB möglich ist, dann ist dieser andere durch die Befreiung von der Verbindlichkeit bereichert. Dennoch kann ihm diese Bereicherung höchst unerwünscht sein, etwa weil die Forderung gegen den ursprünglichen Schuldner kurz vor der Verjährung stand, ihm gegen diesen Schuldner Einreden zustanden usw. In solchen Fällen ist es anerkannt, daß die Rückgriffskondiktion gegen den Bereicherten in analoger Anwendung von §§404, 406ff. BGB denselben Einschränkungen unterliegt wie die getilgte Schuld;311 insofern wird bereits auf diesem Wege ein gewisser Aufdrängungsschutz bewirkt. cc) Ergebnis: Bedarf nach einer Lösung innerhalb des

Bereicherungsrechts

Es hat sich gezeigt, daß Vorschriften anderer Regelungskomplexe das Problem der aufgedrängten Bereicherung vielfach, aber keinesfalls immer lösen. So schaffen die §§404ff. BGB analog nur in einem engen Teilbereich Abhilfe. Sowohl der Aufdrängungsschutz über §§249 Satz 1 oder 1004 Abs. 1 BGB als auch der über die Verweisung auf ein Wegnahmerecht ist im wesentlichen auf Einwirkungen auf das Sacheigentum beschränkt und überdies nicht geeignet, die auftretenden Fallgestaltungen auch nur annähernd vollständig zu erfassen. Daher erscheint es geboten, eine allgemeinere Lösung im Rahmen des Bereicherungsrechts selbst zu entwickeln. Dabei vermag das berechtigte Anliegen, den gewinnenden Teil vor Aufdrängung zu schützen, allerdings nichts daran zu ändern, daß dem gleichfalls berechtigte Interessen des anderen Teils entgegenstehen. Ein Bedürfnis nach einer Regelung im Rahmen des Bereicherungsrechts selbst kann also bloß insoweit bestehen, als die Interessen des gewinnenden Teils schutzwürdiger sind als die des verlierenden. Das berücksichtigen diejenigen nicht hinreichend, die pauschal von dem Problem der aufgedrängten Bereicherung sprechen und es ungeachtet der konkreten Anspruchsgrundlage einer generellen Lösung zuführen wollen.

311 Canaris, in: Festschrift Larenz (1973), S. 845; ihm folgend Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 952; MünchKomm 3 -L/e&, § 812 BGB Rn. 106; Erman 5 -Westermann, § 812 BGB Rn. 27; von Olshausen, Gläubigerrecht und Schuldnerschutz bei Forderungsübergang und Regreß (1988), S. 332ff.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 12 III 4 b) [S. 476]; demgegenüber hat B G H Z 128,135 [139] die im Schrifttum vertretene Lösung, daß der Empfänger einer Gutschrift diese analog §333 BGB zurückweisen könne, abgelehnt.

306

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im Bereicherungsrecht

D a ß die Interessen des gewinnenden Teils diejenigen des verlierenden Teils zumindest bei der Verwendungskondiktion aus §§951 Abs. 1 Satz 1, 812 B G B sowie bei der Aufwendungskondiktion aus § 684 Satz 1 B G B oder gegebenenfalls unmittelbar aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 B G B deutlich überwiegen, läßt sich aber mit guten Argumenten darlegen. Geradezu evident ist dies beim Anspruch des unberechtigten Geschäftsführers ohne Auftrag, weil dieser eben per definitionem unberechtigt und damit auf eigene Gefahr in einen f r e m d e n Geschäfts- und Zuständigkeitsbereich eingreift. Das gilt aber auch für die Verwendungskondiktion aus §§951 Abs. 1 Satz 1, 812 BGB, weil diese als subsidiäre Regelung 312 nur dann heranzuziehen ist, wenn die Verwendung nicht im Rahmen eines spezifischen Rechtsverhältnisses erfolgt ist, also insbesondere weder im R a h m e n eines Leistungsverhältnisses noch aber auch eines Rechtsverhältnisses, das eine Regelung über den Aufwendungsersatz bereithält. Außerhalb solcher Rechtsverhältnisse fehlt es jedoch regelmäßig an einem Vertrauenstatbestand, der es gebieten könnte, die schutzwürdigen Interessen des gewinnenden Teils zugunsten des verlierenden Teils gänzlich hintanzustellen. Damit ist aber nur gezeigt, daß bei den Aufwendungskondiktionen Aufdrängungsschutz zu gewähren ist. Auf welcher dogmatischen Grundlage dieser zu erfolgen und wie weit er zu gehen hat, bedarf der Erörterung. b) Ansatz am subjektiven

Wertbegriff

Eine Auffassung in der Literatur, die mittlerweile als herrschend angesehen werden muß, will Aufdrängungsschutz dadurch gewähren, daß sie den Wert des Erlangten entgegen der sonst geltenden Grundsätze ausnahmsweise subjektiv ermittelt. 313 Es soll demnach gefragt werden, ob und inwieweit der Schuldner im R a h m e n seiner persönlichen Vermögensplanung und seiner Möglichkeiten aus dem Vermögenszuwachs wirklich Nutzen ziehen kann. Teilweise wird dabei auch der Weg über §818 Abs. 3 B G B beschritten, d.h. im Abweichen des subjektiven vom objektiven Wert wird eine anfängliche Entreicherung gesehen, die einer nachträglichen gleichzusetzen sei.314 312

MünchKomm3-ßuac/fc, §951 BGB Rn.2, 31. Aus dem nahezu unübersehbaren Schrifttum MünchKomm3-Lie£>, §812 BGB Rn.262; Palandt51-Bassenge, §951 BGB Rn.21; Loewenheim, Bereicherungsrecht, S. 121; Koller, DB 1974, 2385 [2389]; Pinger, Funktion und dogmatische Einordnung des Eigentümer-BesitzerVerhältnisses, S. 123; letztlich auch Goetzke, AcP 173 (1973), 289 [319], obgleich er sich auf §818 Abs. 3 beruft: das kann wohl nur heißen, daß bis zum geringeren subjektiven Wert ein Wegfall der Bereicherung angenommen werden soll. Ein Teil der Autoren will freilich u.a. mit dem Argument des Aufdrängungsschutzes die subjektive Wertberechnung zur Regel machen, Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, §16 II 3 c) [S. 168f.]; Esser/Weyers, Schuldrecht II, §51 I 4 e) [S.496]; Erman9-Westermann, §814 BGB Rn.6, §818 BGB Rn.17; Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, S. 101 f.; auf den Verkehrswert stellen dagegen ab BGHZ 10,171 [180]; 17, 236 [240/241], 314 Lorenz, in: Festschrift von Caemmerer (1978), S.209 [227f.]; ders., Schuldrecht II (12. 313

§ 9. Kondiktion

als

Aufwendungsersatz

307

aa) Verhältnis zum Ansatz von Canaris Dem Ansatz an einer ausnahmsweise subjektiven Wertermittlung hat Canaris daher zu Recht entgegengehalten, die Frage, was das Erlangte für den Bereicherten wert ist, sei zu ungenau und mit der Frage, ob dieser den Vermögenszuwachs realisiert hat oder dazu verpflichtet ist, nicht identisch. 315 Er hat stattdessen das Modell einer ungeschriebenen Kondiktionssperre entwickelt, die grundsätzlich nur zulasten des bösgläubigen Bereicherungsgläubigers wirkt und nach § 242 bzw. analog § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB entfällt, sobald dem Schuldner eine Realisierung des Vermögenswertes zuzumuten ist. Geht man indessen zutreffenderweise davon aus, daß sich hinter dem „subjektiven Wert" eines Gegenstands nichts anderes verbirgt, als derjenige Wert, dessen Realisierung dem Bereicherten unter Berücksichtigung aller Umstände und namentlich auch der Schutzwürdigkeit des verlierenden Teils zugemutet werden kann, 316 scheint zwischen dem Ansatz am subjektiven Wertbegriff und dem Ansatz von Canaris kein unüberbrückbarer Gegensatz mehr zu bestehen. Denn selbstverständlich gibt es weder einen subjektiven Einheitswert, der etwa besagen würde, was eine Halle gerade für einen Bauunternehmer wert ist, noch kann es beim subjektiven Wert allein auf die persönlichen und vielleicht aus trotziger Verbitterung geborenen Vorstellungen des Schuldners ankommen. Das Adjektiv „subjektiv" besagt nichts weiter, als daß es auf den Wert ankommt, den das Erlangte für einen vernünftigen Angehörigen des betreffenden Verkehrskreises in der Lage des Ansprachsgegners hat, der neben seinen eigenen Interessen auch die Notwendigkeit anerkennt, dem anderen je nach dem Maß des Vorwurfs, der ihm zu machen ist, einen billigen Ausgleich zukommen zu lassen. Gegebenenfalls ist der Ausgleich danach auch bis zu einer Veräußerung usw. zurückzustellen. bb) Behandlung

des gutgläubigen

Anspruchstellers

Was den gutgläubigen Anspruchsteller betrifft, so will Canaris ihm den vollen Anspruch - sogar einschließlich der Wertsteigerung etwa des bebauten Grundstücks - mit dem Argument zusprechen, der gutgläubige Besitzer hätte die Sache ja auch schwer beschädigen können, ohne dem Eigentümer dafür haftbar zu sein. Dann sei es aber für diesen noch das kleinere Übel, wenn er durch eine Verbesserung seiner Sache zu deren Veräußerung genötigt werde. 317 Dieser Aussage ist grundsätzlich zuzustimmen, doch läßt sich mit ihr m. E. keine Haftung auf den objektiven Verkehrswert begründen. Man muß sich Auflage), §70 II [S.580], wo allerdings weniger deutlich wird, ob er den Wert von vorneherein subjektiv bestimmen oder den Weg über § 818 Abs. 3 gehen will; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 899. 315 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §72 IV 5 [S.293f.]. 316 Hierzu schon Erstes Kapitel, § 1 I 3 c) bb) [S.25], 317 So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §72 IV 3 b) [S.289],

308

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

nämlich wieder vor Augen führen, daß der Bereicherungsschuldner zu dem Zeitpunkt, in dem eine Realisierung des Vermögenswerts in Betracht kommt, bereits verschärft haftet, sich also nicht ohne weiteres auf §818 Abs. 3 BGB berufen kann. Verluste bei der Veräußerung oder anderweitigen Verwertung würden somit voll zu seinen Lasten gehen, was der Sache nach quasi auf eine verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung etwa des Eigentümers gegenüber dem unberechtigten Besitzer 318 hinausläuft. 319 Auch kann die Veräußerung für den Eigentümer gänzlich unzumutbar sein, etwa in einer Zeit niedriger Grundstückspreise oder wenn er das bebaute Grundstück für eine spätere Erweiterung seines Betriebs benötigt. Daher halte ich es für besser, auch hier einen subjektiven Wertbegriff zugrundezulegen, jedoch bei der Abwägung der Gutgläubigkeit des Anspruchstellers einen maßgeblichen Stellenwert einzuräumen. cc) Behandlung

des bösgläubigen

Anspruchstellers

Was nun die Situation bei Bösgläubigkeit des Anspruchstellers betrifft, so stellt sich natürlich die Frage, wie weit die Obliegenheit des Gläubigers zur Realisierung des Vermögenswertes reicht. Hier will Canaris dem Bereicherungsschuldner einen breiten Ermessensspielraum zugestehen und insbesondere seinen Affektionsinteressen ein hohes Gewicht zukommen lassen. Abzuwägen sei immer, was dem Betroffenen unter Berücksichtigung seiner Dispositionsfreiheit einerseits und dem Verbot schikanösen Verhaltens andererseits zuzumuten ist.320 So kann es dem Bauunternehmer, auf dessen Boden unbefugt eine Halle gebaut wurde, zuzumuten sein, sie anstatt des benötigten bescheidenen Lagerhauses zu benutzen, und sie nicht ungenutzt stehen zu lassen oder den Erbauer gar auf den Abriß zu verweisen. Aber dabei kann er wohl nur zum Ausgleich des für ihn realisierbaren Wertes eines entsprechenden Lagerhauses verpflichtet werden, und nicht des objektiven Wertes der Halle. Hat der bösgläubige Anspruchsteller in Kenntnis von seiner mangelnden Berechtigung gehandelt, dann läßt sich §§687 Abs.2, 684 Satz 1 BGB sogar die Wertung entnehmen, daß es dem Bereicherten frei steht, ob er den Vermögenszuwachs realisieren möchte oder nicht: Nur wenn er sich dafür entscheidet, ist Ausgleich geschuldet. 318

Die Konkurrenzproblematik zu den § § 994ff. BGB sei dabei unberücksichtigt gelassen. Nach Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 7 2 I V 3f.) [S. 291/292] soll der Schuldner gemäß §§818 Abs.4, 292, 989 BGB nur für einen verschuldeten Wegfall der Bereicherung haften und sollen ihm zudem umfangreiche Haftungsmilderungen zugutekommen. Indessen ist diese Paragraphenkette nicht heranzuziehen, weil § 989 BGB ja nur den Schadensersatz wegen Unmöglichkeit der Herausgabe betrifft. Bei der Verwendungskondiktion hat der Schuldner aber nichts herauszugeben, sondern von vorneherein nur Ausgleich in Geld zu entrichten, was durch einen späteren Wegfall des gegenständlich Erlangten - etwa Zerstörung des Gebäudes nicht unmöglich wird. Dieser Wegfall ist vielmehr unbeachtlich, sofern er eintritt, wenn der Bereicherungsschuldner bereits bösgläubig ist vgl. aber Medicus JuS 1993, 705 [708ff.]. 320 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 72IV 3 d) [S. 290f.], auch zum folgenden Beispielsfall. 319

§ 9. Kondiktion

c)

als

309

Aufwendungsersatz

Zwischenergebnis

Im Ergebnis meine ich, daß Aufdrängungsschutz auch wertungsmäßig gegenüber dem gutgläubigen Bereicherungsgläubiger ebenso stattzufinden hat wie gegenüber dem bösgläubigen und wie dort im Wege der subjektiven Ermittlung des Wertes erfolgen muß. Der Unterschied liegt aber darin, daß angesichts der Gutgläubigkeit des Verwenders seinen Interessen mehr Gewicht im R a h m e n der Zumutbarkeitsprüfung verliehen werden muß. Die Realisierung eines Vermögenswerts, die dem Bereicherten einem bösgläubigen Verwender gegenüber unzumutbar ist, kann einem redlichen gegenüber sehr wohl anzusinnen sein.

III. Bewertung aus allokatorischer

Sicht

Die Einordnung der Aufwendungskondiktionen in die Elemente des Allokatorischen Modells unterscheidet sich ganz grundlegend von der Einordnung der übrigen Nichtleistungskondiktionen. Zunächst ist festzustellen, daß es sich dabei allenfalls scheinbar um Primäransprüche, in Wahrheit jedoch um Subansprüche handelt. Sie sind nämlich durchweg funktionell in ein umfassenderes Rechtsverhältnis eingebunden, das durch einen nicht bereicherungsrechtlichen Primäranspruch gekennzeichnet ist. Dies erhellt in aller Deutlichkeit bei § 684 Satz 1 BGB, der offenkundig einen Subanspruch im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag darstellt. Primäranspruch dieses Anspruchsverhältnisses ist - wie im Fünften Kapitel noch näher zu zeigen sein wird 321 - der Anspruch des Geschäftsherrn auf Überlassung des Geschäftserfolgs, wie er vor allem in § 667 B G B zum Ausdruck kommt. Es ist symptomatisch für die Schwierigkeiten, welche die herrschende Rechtsprechung und Lehre mit der funktionellen Einordnung der Aufwendungskondiktionen hat, daß die Verweisung des § 684 Satz 1 B G B bei der Diskussion fast gänzlich unter den Tisch gekehrt wird, obgleich sie in sehr vielen Fällen einschlägig sein dürfte. 322 Was für § 684 Satz 1 B G B evident ist, gilt in Wahrheit aber auch für die Verwendungskondiktion des §§951 Abs. 1 Satz 1,812 BGB. Zwar ist hier - anders als im Geschäftsführungsrecht - ein zugehöriger Primäranspruch nicht ausdrücklich formuliert. Doch m u ß man sich vor Augen führen, daß die zentrale Rechtsfolge der §§ 946ff. BGB, auf die § 951 Abs. 1 Satz 1 B G B Bezug nimmt, der Eigentumserwerb eines der Beteiligten ist. Dieser gewinnende Teil kann infolge seines Eigentumserwerbs gegen den verlierenden Teil mit der Vindikation vorgehen oder sonstige, aus dem Eigentum 321

Fünftes Kapitel, § 12 11 a) [S.423f.]. So wird etwa der Problemkreis „aufgedrängte Bereicherung" bei Aufwendungskondiktionen in den führenden Kommentaren und Lehrbüchern traditionell im Rahmen der allgemeinen Erörterung von § 812 BGB oder § 818 BGB diskutiert, vgl. nur MünchKomm 3 -L;'ei>, §812 B G B Rn.258ff.; Erman 9-Westermann, §814 BGB Rn.2ff.; Staudinger "-Lorenz, vor §§812ff. B G B Rn.46. 322

310

Drittes Kapitel: Ausgleich

von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

fließende Rechte geltend machen. Auch wenn eine Vindikationslage nicht immer vorliegen wird - etwa weil der gewinnende Teil ohnehin bereits Besitzer ist - oder wenn die Geltendmachung sonstiger aus dem Eigentum sich ergebender Rechte nicht immer im Raum stehen wird, bleibt doch so etwas wie ein „latenter" Primäranspruch oder zumindest eine Primärrechtsfolge, der gegenüber sich §951 Abs. 1 Satz 1 BGB als bloßer Subanspruch darstellt. 1. Aufwendungskondiktion als Reststörungsausgleich In bezug auf den jeweils übergeordneten Primäranspruch betrachtet dienen Aufwendungskondiktionen dem Ausgleich von Reststörungen. Freilich setzt diese Feststellung streng genommen voraus, daß zunächst die Soll-Verteilung der in Frage kommenden Primäransprüche ermittelt wird. Jedoch wird es ohne nähere Erörterung einleuchten, daß Soll-Verteilung bei der Verwendungskondiktion der Zustand ist, der bestünde, wenn die Verbindung usw. nie vorgenommen worden und daher die „latente" Vindikationslage nie entstanden wäre. Bei der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag ist es der Zustand, der bestünde, wenn das unerwünschte Tätigwerden in fremdem Interesse nicht stattgefunden hätte. Behält man dies im Auge, ist es vergleichsweise evident, daß der verlierende Teil infolge der unberechtigten Geschäftsführung, der Verbindung, Vermischung, Verarbeitung, Tilgung usw. einen wirtschaftlichen Nachteil erleidet, der als Restnachteil zu qualifizieren ist. Ebenso evident ist es aber auch, daß diesem Restnachteil ein Restvorteil des gewinnenden Teils gegenübersteht: Um dessen wirtschaftlichen Vermögenszuwachs geht es ja gerade. Der Statikgedanke gebietet es somit, beide Reststörungen miteinander zum Ausgleich zu bringen, allerdings nur bis zu der Höhe, zu der sich die Reststörungen decken. Auch mit Hilfe des Statikgedankens läßt es sich somit erklären, weshalb die Auskehrung einer Bereicherung, die den Verlust des Anspruchstellers übersteigt, nicht verlangt werden kann. 2. Aufwendungskondiktionen als Wertausgleich Die Stimmigkeit der hier entworfenen Konzeption, wonach Aufwendungskondiktionen nicht dem Ausgleich einer primären Verteilungsstörung dienen, sondern vielmehr dem Ausgleich von Reststörungen, sieht sich dadurch bestätigt, daß alle einschlägigen Kriterien auf das Vorliegen eines reinen Wertausgleichs hindeuten. In diesem Punkt unterscheiden sich Aufwendungskondiktionen ganz grundlegend von den bislang behandelten Bereicherungsansprüchen, was zugleich deutlich macht, daß jeder Versuch, die jeweils auftretenden dogmatischen Probleme - wie etwa „Methode der Wertermittlung", „maßgeblicher Zeitpunkt", „Wegfall der Bereicherung" usw. - gemeinsam zu behandeln, von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist.

§ 9. Kondiktion

als

Aufwendungsersatz

311

a) Keine Herausgabe in natura Aufwendungskondiktionen heben sich schon äußerlich von anderen Bereicherungsansprüchen ganz deutlich dadurch ab, daß sie nicht die gegenständliche Rückgängigmachung der auslösenden Verteilungsstörung anstreben, sondern daß gerade in Kauf genommen wird, daß die Realverteilung in der Sphäre des verlierenden Teils bleibend verändert wird. Bei der Verwendungskondiktion im engeren Sinne ergibt sich das klar aus dem Gesetz, weil gemäß § 951 Abs. 1 Satz 2 B G B die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands gerade ausgeschlossen sein soll. D e r Ausschluß der Wiederherstellung ist das Ergebnis der Abwägung, die in den §§ 946ff. zwischen den Interessen des gewinnenden und des verlierenden Teils vorgenommen wird und die zugunsten der Erhaltung neu geschaffener Vermögenswerte aufgelöst wird. A b e r auch hinsichtlich der übrigen Fälle - insbesondere desjenigen des § 684 Satz 1 B G B - wurde oben gezeigt, daß das Gesetz nicht einmal der Idealvorstellung nach eine gegenständliche Rückgängigmachung der auslösenden Vermögensverschiebung anstrebt. Die im Ergebnis zu entrichtende Geldzahlung hat also nicht den Charakter einer Ersatzleistung, stellt nicht das Surrogat für die „an sich" geschuldete gegenständliche Wiederherstellung dar. b) Einfluß von Wertungen im Einzelfall Für das Vorliegen eines reinen Wertausgleichs spricht ferner, daß - wie oben im einzelnen dargelegt - eine Abwägung aller im Einzelfall maßgeblichen Wertungen unerläßlich ist, um Aufdrängungsschutz zu gewährleisten. D e r U m f a n g des zu leistenden Wertersatzes kann nur unter umfassender Abwägung der gesetzlichen Zielsetzung, der Zumutbarkeit für den Ausgleichsverpflichteten sowie der Schutzwürdigkeit des Ausgleichsberechtigten ermittelt werden. Gleichsam auf umgekehrtem Wege - nämlich im Wege über die Identifizierung des Ausgleichstypus - wird nunmehr auch die Entscheidung für einen „subjektiven Wertbegriff" plausibel. Was ursprünglich als systemwidrig eingestuft werden und aus diesem G r u n d Bedenken erwecken mußte, das erscheint nunmehr im Gegenteil höchst systemgerecht. Das Problem der aufgedrängten Bereicherung ist damit nicht ein „Unfall", ein Defizit der gesetzlich vorgesehenen Lösung, das ausnahmsweise bei bestimmten Sachverhalten zu einer regelwidrigen Rechtsanwendung zwingt. Es ist vielmehr nur charakteristisches Merkmal des verwirklichten Ausgleichstypus, der ja verstärkt auf subjektive Kriterien des Einzelfalls und eine umfassende Abwägung von Zumutbarkeit für den Ausgleichsverpflichteten einerseits und Schutzwürdigkeit des Ausgleichsberechtigten andererseits abstellt.

312

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

c) Der maßgebliche

im

Bereicherungsrecht

Zeitpunkt

Umstritten ist bei der Verwendungskondiktion die Frage, welcher Zeitpunkt der Wertermittlung zugrundezulegen ist. Insbesondere in den Fällen eines Baus auf fremdem Boden kommt dem auch ganz erhebliche praktische Bedeutung zu, so etwa dann, wenn jemand als vermeintlicher Eigentümer ein Grundstück bebaut und die Nichtigkeit erst nach längerer Zeit entdeckt wird, während die Boden- und Gebäudepreise inzwischen beträchtlich gestiegen sind. Dabei bieten sich im wesentlichen drei Zeitpunkte an, nämlich erstens derjenige der Verbindung, Verarbeitung usw., zweitens derjenige, zu dem der gewinnende Teil die faktische Verfügungsmacht über das Produkt erhält und drittens der Zeitpunkt, zu dem der Anspruch erfüllt wird bzw. die letzte mündliche Tatsachenverhandlung stattfindet. aa) Der Standpunkt

der

Rechtsprechung

Wollte man - wie bei den primären Bereicherungsansprüchen - auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs als Geldanspruch abstellen, dann würde das bedeuten, die Grundstückspreise zum Zeitpunkt der Errichtung zugrunde zu legen. Diese Lösung wird auch von der Rechtsprechung überwiegend vertreten. 323 Im wesentlichen auf der Linie der Rechtsprechung liegt der differenzierende Ansatz von Lorenz, 324 der auch innerhalb der Verwendungskondiktionen noch verschiedene Fälle unterscheidet. Er spricht sich dafür aus, dann auf den Errichtungszeitpunkt abzustellen, wenn dem Bebauer zuzumuten war, den Ersatzanspruch unmittelbar nach der Errichtung geltendzumachen. Hingegen soll ein späterer Zeitpunkt maßgeblich sein, wenn sich der Bebauer aufgrund der gesamten Umstände auf die Beständigkeit seines Vermögens verlassen durfte, so wenn er den bebauten Grund infolge eines nichtigen Übereignungsakts besessen hatte und sich die Nichtigkeit erst nach längerer Zeit herausstellt. In diesem Zusammenhang nennt Lorenz auch die Fallgestaltungen, bei denen die Bebauung im Hinblick auf einen späteren Erwerb erfolgt ist und bei denen auch die Rechtsprechung den Zeitpunkt heranzieht, zu dem das Fehlschlagen des Erwerbs feststeht. 325 In Wahrheit stellt sich dort aber das Problem schon deswegen nicht, weil der Bereicherte das Eigentum an dem Bauwerk bis zu diesem Zeitpunkt wegen einer gegebenenfalls konkludenten Rechtsgrundabrede nicht sine causa innehatte. 326 323 R G Z 130, 310 [313]; B G H NJW 1954, 265 [266]; B G H W M 1961,179 [181]; NJW 1962, 2293; M D R 1963, 120; W M 1973, 71 [73] (auch zu den Ausnahmen); anders B G H Z 10, 171 [180], wonach der Zeitpunkt maßgeblich sein soll, zu dem der Eigentümer die Sache wiedererlangt. Aus der Literatur vertritt diesen Standpunkt z.B. Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rn. 467. 324 Staudinger 13 -Lorenz, §818 BGB Rn.31. 325 B G H Z 35, 356 [358]; B G H WM 1961, 700 [702]; 1962, 768 [769]; 1966, 369 [370]; 1968, 1038 [1039]; NJW 1970,136 [137] 326 So zutreffend Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §72 III 5 d) [S.285],

§ 9. Kondiktion

als

Aufwendungsersatz

313

Die Auffassung, daß maßgeblich der Zeitpunkt des Eintritts der Bereicherung sei, macht für sich vor allem die Übereinstimmung mit der bei den primären Bereicherungsansprüchen getroffenen Lösung geltend. Dieses Argument ist - wie an dieser Stelle kaum noch erwähnt werden m u ß - nur ein scheinbares, weil beachtliche Argumente dafür sprechen, daß es sich bei primären Bereicherungsansprüchen einerseits und Aufwendungskondiktionen andererseits bei ale a t o r i s c h e r Betrachtung um völlig unterschiedliche Ausgleichsmechanismen handelt. bb) Standpunkte

in der Literatur

In der Literatur wird ganz überwiegend entweder vertreten, daß maßgeblich der Zeitpunkt der Erfüllung bzw. letzten mündlichen Verhandlung sei,327 oder aber, daß auf den Zeitpunkt abzustellen sei, zu dem der gewinnende Teil die Verfügungsgewalt über das Produkt der Verbindung usw. erlangt. 328 Für diesen Standpunkt wird zunächst geltend gemacht, daß anderenfalls dem Bereicherungsschuldner der volle Wertzuwachs von Grundstück und G e b ä u d e zufiele, obgleich zumindest die Wertsteigerung des G e b ä u d e s allein auf die Investitionsentscheidung und den Kapitaleinsatz des Erbauers zurückgeht und dem rechtsgrundlos Erlangten ähnlich wie die Möglichkeit zur Ziehung von Nutzungen immanent sei. Insofern biete sich eine parallele Wertung oder gar ein Erstrecht-Schluß zu §818 Abs. 1 B G B an, wonach der Bereicherte die gezogenen Nutzungen herauszugeben hat. 329 Sodann wird argumentiert, daß der E r b a u e r ja auch das Riskiko eines späteren Wertverfalls zu tragen habe, so daß ihm auch eine Wertsteigerung zugutekommen müsse. 330 cc) Eigene

Stellungnahme

Auf den ersten Blick ließe sich für die Auffassung der Rechtsprechung die Überlegung anführen, daß anderenfalls, d.h. wenn man als maßgeblichen Zeitpunkt die Rückgabe des Produkts oder die Erfüllung der Aufwendungskondiktion bzw. die letzte mündliche Verhandlung annehmen wollte, für den E r b a u e r ein Anreiz geschaffen würde, diesen Zeitpunkt möglichst weit hinauszuschieben. 331 Dieses Argument hat aber allein deswegen Gewicht, weil es sich rein sta327 Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 16 III 3 a) [S. 178], die diesen Zeitpunkt allerdings ganz generell für maßgeblich halten; Koppensteiner, NJW1971,588 [591]; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 16 III 4 c) [S.575]; MünchKomm 3 -, §818 BGB Rn.45. 329 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §72 III 5 d) [S.284], 330 So etwa Larenz/Canaris, a.a.O.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §16 III 4 c) [S.574], 331 Staudinger 13 -Lorercz, §818 BGB Rn.31.

314

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen im

Bereicherungsrecht

tistisch betrachtet bei den relevanten Fällen meist um G r u n d und Boden handelt und in der Bundesrepublik in den vergangenen Jahrzehnten die Gebäudepreise eher gestiegen sind. Ganz allgemein läßt sich das Argument aber nicht führen, weil der Verwender ja grundsätzlich auch das Entreicherungsrisiko trägt. Auch zu den Argumenten der Gegenauffassung ist indessen verschiedenes anzumerken. Zunächst ist der Schluß aus der Regelung über die Nutzungen deswegen problematisch, weil - wie oben dargelegt - richtigerweise eine Pflicht des Schuldners zur Nutzungsherausgabe in dem von § 818 Abs. 1 B G B gezeichneten U m f a n g nicht angenommen werden kann. 332 A b e r auch die Überlegung, daß der Mehrwert des Gebäudes dem E r b a u e r eher als dem Grundstückseigentümer zugewiesen sei, weil dieser die Investitionsentscheidung getroffen und in schutzwürdiger Weise auf deren Erfolg vertraut habe, ist nicht so selbstverständlich, wie es im Schrifttum gerne dargestellt wird. O h n e das Grundstück hätte der E r b a u e r nämlich eventuell überhaupt nicht bauen und daher auch keinen Wertzuwachs erlangen können. Bei der insoweit unumgänglichen typisierenden Betrachtung dürfte das Argument aber dennoch überzeugen. Insgesamt ist daher der maßgeblich von Canaris begründeten Auffassung der Vorzug einzuräumen, wonach grundsätzlich auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem der Eigentümer die Sache wiedererlangt. D e n n ab diesem Zeitpunkt kann er über die Gewinnrealisierung frei entscheiden 3 3 3 und läßt sich somit der subjektive Wert überhaupt erst ermitteln. Vom allokatorischen Standpunkt aus betrachtet entspricht dieser Zeitpunkt dem Zeitpunkt der Erfüllung dessen, was hier als „latenter" Primäranspruch bezeichnet wurde, nämlich der Herausgabe des bebauten Grundstücks usw. dd) Bedeutung für den

Ausgleichstypus

Der zuletzt hergestellte Zusammenhang macht deutlich, daß auch das Kriterium des für die Wertermittlung maßgeblichen Zeitpunkts entscheidend für das Vorliegen eines reinen Wertausgleichs spricht. D e n n kennzeichnend für einen Wertausgleich war ja die Maßgeblichkeit des letztmöglichen Zeitpunkts, in der Regel des Zeitpunkts der Erfüllung des Primäranspruchs oder der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung, in der über den Primäranspruch verhandelt wurde. 3. B e w e r t u n g d e r E r g e b n i s s e Wenn sich bereits bei den vindikationsersetzenden Kondiktionen abgezeichnet hat, daß nicht überall dort, wo das Gesetz einen Kondiktionstatbestand aufstellt 332 333

Vgl. oben, §8 I 2 a) cc) [S.286f.]. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §72 III 5 d) [S. 285].

§ 9. Kondiktion

als

Aufwendungsersatz

315

bzw. auf die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung verweist, damit auch das Gleiche gemeint ist, so wurde dies durch die bereicherungsrechtlichen Subansprüche nur noch einmal bestätigt. Zwischen primären Bereicherungsansprüchen einerseits und solchen Ansprüchen andererseits, die als Subansprüche in ein anderes Ausgleichsschuldverhältnis eingegliedert sind, besteht in Wahrheit nicht viel mehr Gemeinsamkeit, als daß es um die Auskehrung einer Vermögensmehrung geht, auf die der gewinnende Teil keinen Anspruch gehabt hätte. Ansonsten überwiegen deutlich die Unterschiede. Insbesondere sind primäre Bereicherungsansprüche - ebenso wie die betrachteten Sekundäransprüche - Ausprägungen reinen Realausgleichs, während es sich bei den Aufwendungskondiktionen um Ausprägungen reinen Wertausgleichs handelt.

Zusammenfassung des Dritten Kapitels Nach herkömmlicher Auffassung lassen sich zwar unterschiedliche Kondiktionstatbestände ausmachen, stimmen diese jedoch in Wesen und Rechtsfolgen mehr oder weniger überein. Dagegen führt eine allokatorische Betrachtung zu der Erkenntnis, daß zwischen den einzelnen Kondiktionstypen fundamentale Unterschiede bestehen, die einer einheitlichen Analyse entgegenstehen. Eine gänzlich eigenständige Stellung nimmt zunächst die Gegenleistungskondiktion ein, die den Rückabwicklungsverhältnissen zugeordnet und erst im nächsten Kapitel erörtert werden muß. Es konnte sodann gezeigt werden, daß lediglich die isolierte Leistungskondiktion sowie die allgemeine Eingriffskondiktion als primäre Bereicherungsansprüche zu qualifizieren sind, die auf eine Störung der Realverteilung reagieren und den Regeln eines reinen Realausgleichs folgen. Dagegen stellen etwa der Anspruch aus § 816 Abs. 1 BGB oder aus §§ 951 Abs. 1 Satz 1, 812 BGB als Eingriffskondiktion in Wahrheit keine primären, sondern sekundäre Ansprüche dar, die an die Stelle einer verlorenen Vindikation treten. Konsequenzen hat dies vor allem für die maßgebliche Soll-Verteilung und damit für den ergänzenden Ausgleich von Reststörungen, der sich an den entsprechenden Regelungen der §§994ff. BGB orientiert. Weder als Primär- noch als Sekundäransprüche, sondern vielmehr als Subansprüche, sind demgegenüber die Aufwendungskondiktionen zu qualifizieren, also etwa die Verwendungskondiktion gemäß §§951 Abs. 1 Satz 1, 812 BGB oder der Anspruch des unberechtigten Geschäftsführers aus § 684 Satz 1 BGB. Sie sind in ein umfassendes, nicht kondiktionsrechtliches Ausgleichsschuldverhältnis eingegliedert, wobei der jeweils übergeordnete Primäranspruch teilweise nur indirekt zu erschließen ist, so etwa der „latente" Vindikationsanspruch des gewinnenden Teils gegen den verlierenden Teil im Falle der §§ 946ff. BGB. Soweit Kondiktionen bloße Subansprüche darstellen, reagieren sie auf Reststörungen, die im Rahmen des übergeordneten Anspruchsverhältnisses auftreten. Sie folgen den Regeln eines reinen Wertausgleichs und verwirklichen unmittelbar das Statikprinzip. Praktische Konsequenzen hat dies etwa für den Einfluß subjektiver Kriterien und den für die Wertermittlung maßgeblichen Zeitpunkt. Bei der allokatorischen Betrachtung der primären Bereicherungsansprüche, also der isolierten Leistungskondiktion und der allgemeinen Eingriffskondiktion, sind idealtypisch zwei verschiedene Grundpositionen auszumachen. Die eine Grundposition geht davon aus, daß die anspruchsauslösende Verteilungs-

Zusammenfassung

des Dritten

Kapitels

317

Störung ausschließlich in einem Zuviel beim Anspruchsgegner liege (Abschöpfungstheorie), die andere hingegen sieht die anspruchsauslösende Störung mindestens teilweise in einem Zuwenig beim Anspruchsteller (Restitutionstheorie). Die gewählte Sichtweise präjudiziert zugleich, welcher Zustand als Soll-Verteilung des Ausgleichsschuldverhältnisses anzusehen ist. Nach der Abschöpfungstheorie - die in diesem Punkt mit der gemeinrechtlichen Billigkeitstheorie übereinstimmt - ist dies der Zustand, der gleichsam eine juristische Sekunde nach dem etwaigen Verlust des Bereicherungsobjekts durch den Anspruchsteller bestand: Insbesondere durch die bewußte Weggabe des Objekts wird ein neuer, rechtlich insoweit gebilligter Ausgangszustand geschaffen. Im Ergebnis ist damit Soll-Verteilung hinsichtlich des Schuldners der status quo ante, hinsichtlich des Gläubigers dagegen der status quo. Die Restitutionstheorie betrachtet demgegenüber den gesamten Erwerbsvorgang als einheitlich unerwünschtes Ereignis, so daß Soll-Verteilung für beide Beteiligte der status quo ante ist. Was die auftretenden Reststörungen nach der Abschöpfungstheorie anbelangt, so erleidet der Schuldner zum einen dann einen Restnachteil, wenn und soweit er das Erlangte verloren und dafür keinen gleichwertigen Ersatzvorteil behalten hat, zum anderen dann, wenn er Aufwendungen auf das Erlangte getätigt oder sonst infolge des Erwerbs Verluste in seinem Stammvermögen erlitten hat: In beiden Fällen steht er sich bei ungekürzter Verpflichtung zum Wertersatz nämlich schlechter als er bei Hinwegdenken des Erwerbs stünde. Was die Sphäre des Gläubigers betrifft, so ist für die Abschöpfungstheorie alles, was der Gläubiger am Ende ausgekehrt erhält, als dessen Restvorteil zu verbuchen: Da ein rechtlich gebilligter Zustand ja auch geschaffen worden wäre, wenn der Schuldner das Erlangte ersatzlos verloren hätte, ist dem Gläubiger mehr als genüge getan, wenn er überhaupt noch etwas erhält. Es steht somit in vollem Einklang mit dem Statikgedanken, wenn der Schuldner alle Verluste, die adäquat kausal auf den Erwerb zurückzuführen sind, anspruchsmindernd geltend machen kann. Die Auffassung in der Literatur, die zugunsten des Schuldners nur solche Nachteile berücksichtigen möchte, die auf einer Vertrauensdisposition beruhen, argumentiert grundsätzlich von der Abschöpfungstheorie aus, schränkt diese jedoch wertend ein und nimmt damit auch Rücksicht auf die Interessen des Gläubigers. Nach der Restitutionstheorie hingegen erlischt der primäre Bereicherungsanspruch, wenn das Erlangte gegenständlich wegfällt, und erleidet der Gläubiger einen entsprechenden Restnachteil. Soweit der Schuldner Ausgaben erspart oder sich einen sonstigen Ersatzvorteil gesichert hat, schlägt dies auf seiner Seite als Restvorteil zu Buche, der dem Restnachteil des Gläubigers gegenübersteht. Wendet man in dieser Situation den Statikgedanken an, kommt man insoweit zum gleichen Ergebnis wie die Abschöpfungstheorie. Anders dagegen, wenn es um den Ausgleich von Verlusten geht, die der Schuldner in seinem

318

Drittes Kapitel: Ausgleich von Reststörungen

im

Bereicherungsrecht

Stammvermögen erlitten hat. Diesen Restnachteilen steht nur dann ein entsprechender Restvorteil des Gläubigers gegenüber, wenn es sich um eine Aufwendung handelt, die im weitesten Sinne dem Bereicherungsgegenstand zugutekommt. Auf der Grundlage der Rückgabetheorie wird die bereicherungsrechtliche Nachteilsausgleichung somit in den weiteren Kontext des Aufwendungsersatzes gerückt.

Viertes Kapitel

Weitere gesetzliche Schuldverhältnisse Ansprüche aus unerlaubter Handlung und aus ungerechtfertigter Bereicherung stellen die beiden wichtigsten Anspruchstypen dar, die dem Ausgleich von Verteilungsstörungen dienen. Vor allem hat man bei ihnen die Möglichkeit einer eher gegenstandsorientierten und einer eher wertorientierten Sichtweise zumindest im Ansatz erkannt und sich mit dem Problem in gewissen Grenzen auch auseinandergesetzt. Eine Bestandsaufnahme der Ausgleichsmechanismen des deutschen Schuldrechts, die Anspruch auf eine gewisse Vollständigkeit erhebt, kann hier freilich nicht stehenbleiben. Denn jedenfalls die Normenkomplexe des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, der Mechanismen zur Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, des Rechts der Geschäftsführung ohne Auftrag sowie des vertraglichen Schuldrechts - soweit dessen Ansprüche als Ausgleichsansprüche qualifiziert werden können - stehen als klassische Instrumente der Umverteilung in ihrer Bedeutung kaum nach. Alle diese Normenkomplexe sind ihrerseits in vielfacher Hinsicht miteinander verzahnt und enthalten spezielle Schadensersatzansprüche oder verweisen auf die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung, wie bereits zuletzt anhand der vindikationsersetzenden Kondiktionen und der bereicherungsrechtlichen Subansprüche hinreichend deutlich geworden sein dürfte. Von den genannten Normenkomplexen sollen zum einen das Vindikationsrecht und zum anderen die diversen Mechanismen der Rückabwicklung eines fehlgeschlagenen gegenseitigen Vertrags hier an nächster Stelle behandelt werden, weil es sich dabei eindeutig um gesetzliche Schuldverhältnisse handelt.

§10 Eigentümer-Besitzer-Verhältnisse Als Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im engeren Sinne wird in der Regel nur das besondere Schuldverhältnis bezeichnet, das zwischen dem Eigentümer einer Sache und demjenigen besteht, der diese Sache unrechtmäßig besitzt. Geprägt wird das Rechtsverhältnis durch den Primäranspruch des §985 BGB, wonach der Eigentümer seine Sache vom Besitzer herausverlangen, also Übertragung des Besitzes fordern kann. Ganz eng mit der Vindikation gemäß §985 BGB verwandt ist der Herausgabeanspruch des Erben gegen den Erbschaftsbesitzer aus § 2018 BGB. Im Gegensatz zu § 985 B G B handelt es sich dabei um einen Gesamtanspruch, der nicht auf Übertragung des Besitzes an einer einzelnen Sache, sondern der tatsächlichen Herrschaft über Nachlaßgegenstände gleich welcher Art gerichtet ist.1 Sowohl was die Interessenlage anbelangt als auch hinsichtlich der Behandlung von Restvorteilen und Restnachteilen der Beteiligten weisen die §§985ff. einerseits und die §§2018ff. B G B andererseits so viele Parallelen auf, daß es gerechtfertigt erscheint, beide unter einen weiter verstandenen Begriff der „Eigentümer-Besitzer-Verhältnisse" zu fassen. Der gleiche Sprachgebrauch ist angebracht hinsichtlich der zahlreichen Rechtsverhältnisse mehr oder weniger sachenrechtlicher Prägung, auf welche die §§987ff. BGB kraft Gesetzes oder richterlicher Rechtsfortbildung unmittelbare oder entsprechende Anwendung finden, so etwa bei den dinglichen Herausgabeansprüchen des Nießbrauchers aus §1065, des Pfandgläubigers aus §1227 BGB, des Dauerwohnberechtigten aus §34 Abs. 2 WEG, des Erbbauberechtigten aus § 11 Abs. 1 Satz 1 ErbbauVO, bei der petitorischen Besitzklage gemäß § 1007 Abs. 3 Satz 2 oder beim Verhältnis zwischen Vormerkungsberechtigtem und Zwischenerwerber. 2

1 Statt aller Palandt 5 7 -Edenhofer, vor §2018 BGB Rn. 1; der Gesamtanspruch ist vom Gesetzgeber der hereditatis petitio des Römischen und Gemeinen Rechts nachgebildet, vgl. nur Wieling, J Z 1986,5 [7]; MünchKomm 3 -Fra«/t, § 2018 BGB Rn. 3 m. w.N.; die Notwendigkeit eines Gesamtanspruchs zusätzlich zu den Einzelansprüchen war lange umstritten, vgl. zum Diskussionsstand bei den Beratungen Motive V, S.576f. 2 Zum weiteren Anwendungsbereich vgl. die Zusammenstellung bei Staudinger 13 -Gwr?fcy, vor §§987-993 BGB Rn. 68-72.

§ 10

321

Eigentümer-Besitzer-Verhältnisse

I. Vindikation und Allokatorisches

Modell

Die erwähnte Übereinstimmung sowohl der anstehenden Regelungsprobleme als auch der gesetzlichen Konzeption, die zur Bewältigung dieser Probleme geschaffen wurde, rechtfertigt es, die allokatorische Betrachtung vor allem auf die Vindikation nach §985 BGB und das durch sie begründete, komplexe Rechtsverhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer zu konzentrieren. Durch Verweisungen kommt den §§ 987ff. BGB beachtliche Bedeutung für den Ausgleich von Restvorteilen und Restnachteilen auch im Bereich des Schuldrechts im engeren Sinne zu. Besonders hingewiesen werden soll hier auf die Verweisung in § 292 BGB, die vor allem für den verschärft haftenden Bereicherungsschuldner Bedeutung erlangt, 3 sowie auf diejenige in §§347, 467 BGB. 4 Ferner ist zu beachten, daß nach umstrittener Auffassung die §§987ff. BGB subsidiär sogar im Rahmen solcher vertraglicher Rechtsverhältnisse gelten sollen, hinsichtlich derer spezielle Vorschriften etwa über Nutzungsherausgabe oder Verwendungsersatz fehlen. 5 Hervorgehoben werden sollte jedoch an dieser Stelle, daß sich die folgenden Ausführungen nicht auf die vindikationsrechtliche Rückabwicklung eines gegenseitigen Vertrags beziehen, d.h. auf den Fall, daß ein vertraglicher Leistungsaustausch sowohl auf schuldrechtlicher als auch auf dinglicher Ebene gescheitert ist. Vielmehr wird darauf erst weiter unten im Rahmen der Analyse der Rückabwicklungsverhältnisse zurückzukommen sein. 1. Struktur des Anspruchsverhältnisses Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis der §§985ff. BGB in das Allokatorische Modell einordnen zu wollen, heißt zunächst, die Struktur des Anspruchsverhältnisses mit seinen vielfältigen und ineinander verschränkten Einzelansprüchen zu analysieren. Um eine Aussage über die Behandlung von Reststörungen treffen zu können, müssen zunächst diese einzelnen Ausgleichsbefehle eindeutig als Primäransprüche, Sekundäransprüche oder Subansprüche gekennzeichnet werden. Dabei ist bereits der Umfang dessen, was aus allokatorischer Sicht als Primäranspruch angesehen werden muß, keinesfalls so eindeutig, wie dies auf den ersten Blick den Anschein haben mag. 3

Hierzu ausführlich Medicus, JuS 1993, 705ff. Zu den notwendigen Einschränkungen dieser Verweisung unten, § 11 I 1 a) aa) [S. 369ff]. 5 B G H WM 1970,1366 [1367]; NJW 1995, 2627; Staudinger 13 -Gure/ty, vor §§987-993 B G B Rn. 14; ablehnend MünchKomm 3 -Aied/cui, vor §§987-1003 BGB Rn. 19; Palandt 51 -Bassenge, vor §987 B G B Rn.3; Köbl, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im Anspruchssystem des BGB (1971), S. 145ff.; Lent, Die Gesetzeskonkurrenz im bürgerlichen Recht und Zivilprozeß I (1912), S. 258; Schirmer, JuS 1983,265 [266f.]. Ebenso diejenigen, die schon die Vindikation als verdrängt ansehen, vgl. etwa Wolff/Raiser, Sachenrecht (1957), § 8 4 1 2 [S. 320 Fn. 3]; Soergel 12 Mühl, vor § 987 BGB Rn. 12; Baur/Stürner, Sachenrecht (1998), § 11 B I 2 [S. 95]; Wieling, Sachenrecht I (1990), § 12 I 3 b) und c) [S.535ff.]. 4

322

Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

a) Umfang des

Primäranspruchs

Schuldverhältnisse

Es bedarf keiner näheren Ausführungen, daß zum Primäranspruch jedenfalls der Anspruch aus § 985 BGB auf Herausgabe der Sache gehört. Es ist aber zweifelhaft, ob sich der Primäranspruch darin bereits erschöpft, oder ob nicht vielmehr auch die Vorschriften über die Nutzungsherausgabe ganz oder teilweise zum Primäranspruch gerechnet werden müssen. Inwiefern dies der Fall ist, hängt davon ab, ob die Herausgabe von Nutzungen auf denselben Wertungen beruht und nach demselben Ausgleichstypus erfolgt wie die Herausgabe der Sache selbst. Demgegenüber ist es von untergeordneter Bedeutung, daß das Gesetz die entsprechenden Normbefehle auf verschiedene Paragraphen verteilt hat. 6 aa) Herausgabe von Nutzungen nach §987 Abs. 1 BGB Gemäß § 987 Abs. 1 hat der verschärft haftende Besitzer die gezogenen Nutzungen herauszugeben, was sowohl einen integralen Teil des Primäranspruchs als auch einen bloßen vindikationsrechtlichen Subanspruch darstellen könnte. Anders als im Bereicherungsrecht, wo durch die Gleichstellung der Nutzungen mit dem Erlangten in § 818 Abs. 1 BGB klargestellt worden ist, daß es sich um einen Teil des Primäranspruchs handelt, enthalten die §§ 987ff. BGB eine solche Klarstellung nicht. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß der bösgläubige oder verklagte Besitzer gemäß §§ 954,955 Abs. 1 Satz 2 BGB an Früchten kein Eigentum erwirbt. In den weitaus meisten Fällen hätte der Besitzer gezogene Früchte daher ohnehin nach §985 BGB selbst herauszugeben und kommt der Vorschrift des § 987 Abs. 1 BGB konstitutive Bedeutung nur noch hinsichtlich der Gebrauchsvorteile zu. Das deutet eher darauf hin, daß Nutzungen ganz allgemein der Sache selbst gleichstehen und der Besitz an beidem im Rahmen eines einheitlichen Herausgabeanspruchs auf den Eigentümer zu übertragen ist. In die gleiche Richtung weisen auch die Formulierung des Gesetzestextes, wo ausdrücklich von „Herausgabe" die Rede ist7 - sowie der Grundgedanke der Regelung, daß die Nutzungen der Sache dem Eigentümer gebühren. Insgesamt dürften daher die besseren Argumente dafür sprechen, § 987 Abs. 1 BGB als Teil des Primäranspruchs zu begreifen. bb) Herausgabe von Nutzungen nach §988 BGB Komplizierter ist die Lage bei §988 BGB, wonach die gezogenen Nutzungen herausgeben muß, wer den Besitz an der Sache unentgeltlich erlangt hat. 8 Dies 6

Zum Ganzen vgl. Erstes Kapitel, §1 II 1 a) [S.28f.]. Diesem Argument darf im Hinblick auf die entsprechende Formulierung bei §§ 687 Abs. 2 Satz 2, 684 Satz 1 BGB allerdings nicht allzuviel Gewicht beigemessen werden. 8 Zum Begriff der Unentgeltlichkeit B G H W M 1995,1848 [1854], wonach es auf ein tatsäch7

§ 10

Eigentümer-Besitzer-Verhältnisse

323

zum einen deswegen, weil der Besitzer hier gemäß § 955 Abs. 1 Satz 1 BGB an gezogenen Früchten Eigentum erlangt hat und somit die Rechtslage derjenigen bei § 987 BGB nicht ganz vergleichbar ist, zum anderen aber auch, weil - anders als nach §§985, 987 BGB - nicht schlicht Herausgabe geschuldet ist, sondern nur Herausgabe nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung. Die Regeln des Bereicherungsrechts und die Regeln des Vindikationsrechts sind aber nicht identisch, so daß man zunächst geneigt ist, die Frage, ob der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB hinsichtlich der Sache einerseits und derjenige aus § 988 BGB hinsichtlich der Nutzungen andererseits auf einem einzigen Ausgleichsbefehl beruhen, rundheraus zu verneinen. Indessen muß man sich vor Augen führen, daß die Rechtsfolgen bereicherungsrechtlicher Haftung einerseits und die Rechtsfolgen der Haftung des redlichen Vindikationsschuldners andererseits sehr ähnlich sind. Sowohl bei § 988 als auch bei § 985 BGB haftet der Besitzer nämlich nicht für einen Wegfall des Erlangten, auch wenn dieser verschuldet sein sollte: Läßt der unentgeltliche und redliche Besitzer die Früchte der fremden Sache verderben, dann haftet er ebensowenig, wie wenn er die Sache selbst verderben läßt. Nach beiden Vorschriften ist er jedoch auf der anderen Seite gehalten, einen gewissen Wertersatz zu entrichten, soweit er sich einen Ersatzvorteil geschaffen hat. Verbraucht der Besitzer die gezogenen Früchte, dann hat er - vorbehaltlich einer Entreicherung - gemäß §§ 988,818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten. Verbraucht er die Sache, dann folgt die Verpflichtung aus §§993 Abs. 1,812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2,818 Abs. 2 BGB. Geringfügige Unterschiede können sich freilich beispielsweise im Fall des Verkaufs ergeben, weil der Besitzer bei Verkauf der Sache gemäß § 816 Abs. 1 BGB den vollen Veräußerungserlös, bei Verkauf der Nutzungen hingegen auf den ersten Blick gemäß §§ 988,818 Abs. 2 BGB nur den objektiven Verkehrswert herauszugeben hat. Indessen ist es sehr fraglich, ob der Gesetzgeber diese Konsequenz gesehen hat. Deshalb sprechen die besseren Argumente dafür, daß auch der Anspruch aus § 988 BGB auf den vollen Veräußerungserlös geht. Daß der Gesetzgeber sich hier des Verweises auf das Bereicherungsrecht bedient hat, dürfte allein auf gesetzestechnischen Erwägungen beruhen. Hätte er nämlich schlichtweg Herausgabe angeordnet, wäre die erforderliche Privilegierung des gutgläubigen Besitzers entfallen. Er hätte also alternativ nur „Herausgabe nach denselben Vorschriften, wie sie für die Sache gelten" anordnen können. Das wäre aber erstens der Regelungsklarheit nicht gerade förderlich gewesen und hätte außerdem leicht zu Mißverständnissen geführt, vor allem hinsichtlich der Anwendung von §§989, 990 BGB für den Fall, daß den redlichen Besitzer am Untergang der gezogenen Nutzungen ein Verschulden bzw. ein Obliegenheitsverstoß trifft: Der unentgeltliche, redliche Besitzer soll ja unabhänliches Vermögensopfer nicht ankommen soll, sondern vielmehr die rechtliche Entgeltpflichtigkeit maßgeblich ist.

324

Viertes Kapitel: V/eitere gesetzliche

Schuldverhältnisse

gig von Gut- oder Bösgläubigkeit zur Herausgabe verpflichtet sein, so daß sich die Frage stellt, ob §§ 989, 990 von Anfang an, erst nach Rechtshängigkeit oder überhaupt nicht zur Anwendung gelangen. Obgleich also der unentgeltliche und redliche Besitzer nach § 955 Abs. 1 Satz 1 BGB Eigentum zumindest an den Früchten der Sache erworben hat, sind die Ausgleichsbefehle nach §985 BGB und nach § 988 BGB sowohl in ihren Rechtsfolgen als auch in ihrem tragenden Grundgedanken, nämlich daß die Nutzungen letztlich dem Eigentümer gebühren, so weitgehend identisch, daß die Auffassung vorzuziehen ist, wonach auch dieser Anspruch auf Nutzungsherausgabe integraler Teil des Primäranspruchs ist." b)

Sekundäransprüche

Vindikationsrechtliche Sekundäransprüche sind dadurch gekennzeichnet, daß sie hilfsweise an die Stelle des Primäranspruchs oder einzelner Teile desselben treten, wenn dieser wegen Unmöglichkeit oder aus einem anderen Grund erloschen ist, insbesondere, wenn der Vindikationsgläubiger durch eine Handlung des Vindikationsschuldners sein Eigentum verloren hat. Der wichtigste Sekundäranspruch des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses ist zweifellos derjenige auf Schadensersatz aus §§ 989,990 Abs. 1 BGB. Bereits im Dritten Kapitel ist ferner dargelegt worden, daß auch bestimmte Kondiktionen die Funktion vindikationsrechtlicher Sekundäransprüche übernehmen. Auch der Anspruch auf Ersatz schuldhaft nicht gezogener Nutzungen aus § 987 Abs. 2 BGB läßt sich hier einordnen. aa) Schadensersatz aus §§989, 990 Abs. 1 BGB Beruht der Umstand, daß die Sache nicht mehr oder nur in beschädigtem Zustand herausgegeben werden kann, auf einem Verschulden des verschärft haftenden Besitzers, dann ist dieser zum Schadensersatz verpflichtet. Daß es sich bei dem Anspruch aus §§ 989,990 Abs. 1 BGB um einen vindikationsrechtlichen Sekundäranspruch, und nicht etwa um eine spezielle Ausprägung des tatbestandlich an sich gleichfalls einschlägigen § 823 Abs. 1 BGB handelt, wird vor allem auch aus den Schadensposten ersichtlich, die nach herrschender Auffassung vom Schutzzweck der Haftungsnorm umfaßt sind. So soll § 989 BGB nur den Substanzschaden umfassen, nicht hingegen auch den Vorenthaltungsschaden, und soll bei entgangenem Gewinn oder adäquaten Begleitschäden des Eigentümers folgerichtig zu differenzieren sein, ob sie gerade aus dem endgültigen Verlust der Sache, oder aus deren zeitweiser Entbehrung resultieren. 10 Das unter9 Der Anspruch aus § 988 B G B weist deutliche Parallelen auf zu demjenigen aus § 977 BGB, der auch an die Stelle des Vindikationsanspruchs tritt, wenn der Finder infolge der §§973 ff. BGB Eigentum erworben hat. 10 B G H NJW-RR 1993, 626 [628]; MünchKomm 3 -Med/cws, §989 BGB R n . l l ; Palandt 57 -

§ 10

Eigentümer-Besitzer-Verhältnisse

325

streicht noch einmal, daß sich die Funktion des Schadensersatzes darauf beschränkt, an die Stelle der verlorenen Vindikation zu treten. bbj Vindikationsersetzende

Kondiktionen

Sekundäransprüche der Vindikation sind auch alle Kondiktionen, auf die § 993 Abs. 1 BGB verweist oder die zumindest trotz § 993 Abs. 1 a.E. BGB anwendbar bleiben. Seinem Wortlaut nach spricht § 993 BGB von Früchten, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft nicht als Ertrag der Sache anzusehen sind. Gemeint sind damit in erster Linie die Erträge aus substanzschädigenden Maßnahmen, wie etwa zerstörerischer Ausbeutung, trotz des von §§ 1039 Abs. 1,2133 BGB abweichenden Wortlauts aber wohl auch Früchte, die infolge besonderer Ereignisse gezogen werden mußten, wie etwa durch die Notschlachtung einer Viehherde.11 Die Einordnung als Sekundäranspruch ist deswegen gerechtfertigt, weil der Anspruch auf Herausgabe der Übermaßfrüchte an die Stelle des Anspruchs auf Herausgabe der betreffenden Sachsubstanz tritt.12 Ob etwa auch der vollständige Verbrauch oder die Verarbeitung der Sache noch als Fruchtziehung im weiteren Sinne gewertet werden kann, ist zweifelhaft. 13 Es darf aber auch dahinstehen, weil die §§ 987ff. BGB nur hinsichtlich der Verpflichtung zum Schadensersatz sowie zur Herausgabe von Nutzungen für abschließend erklärt werden. Schon aufgrund ihrer Funktion, den Eigentümer für die verlorene Vindikation zu entschädigen, müssen etwa die Eingriffskondiktionen aus §§951 Abs. 1 Satz 1,812 Abs. 1 Satz 1 BGB ebenso neben den §§ 987ff. BGB anwendbar bleiben wie § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB bei Veräußerung der Sache.14 Da der bösgläubige oder verklagte Schuldner auch bereicherungsrechtlich verschärft haftet, können diesbezüglich im Wege über §§818 Abs. 4, 292 BGB wiederum die §§ 987ff. BGB zum Zuge kommen. Das ist indessen kein Zirkelschluß, weil nunmehr diese Vorteile selbst, und nicht die Muttersache das Herauszugebende im Sinne der §987ff. BGB darstellen.

Bassenge, §989 BGB Rn.2; Staudinger n -Gursky, §989 B G B Rn.21; Soergel n -Mühl, §989 BGB Rn.9; Erman 9 -Hefermehl, §989 BGB Rn.7; ganz ablehnend gegenüber entgangenem Gewinn etwa Wieling, M D R 1972, 645 [646/647], 11 MünchKomm 3 -Meifci«, § 993 B G B Rn. 1,6; Staudinger "-Gu/'.i/fcv, §993 B G B Rn.3ff.; Erman 9 -Hefermehl, § 993 BGB Rn.4; Wieling, Sachenrecht I, § 12 IV 7 [S. 572], 12 Zur Zuordnung der Übermaßfrüchte zur Sachsubstanz sowie zur Herkunft der Vorschrift Staudinger13-G«™yt>>, §993 BGB Rn.3. 13 Ablehnend WhmchKomvc^-Medicus, § 993 BGB Rn. 10; indessen sehe ich keinen Grund, Verarbeitung und Verbrauch, die infolge besonderer Ereignisse vorgenommen werden (Viehseuche, Windschlag usw.) unter dem Aspekt von § 993 BGB wesentlich anders zu behandeln als Verarbeitung und Verbrauch, die ohne einen solchen zwingenden Anlaß erfolgen. 14 Ganz herrschende Meinung, vgl. nur R G Z 1 5 8 , 4 0 [47]; 163,348 [353]; B G H Z 14,7 [8]; 55, 176 [178]; B G H NJW 1953, 58 [59]; B G H W M 1970,1297 [1298]; Palandt^-Bassenge, vor § 987 BGB Rn. 12; MündaKomm^-Medicus, § 993 BGB Rn. 10, jeweils m.w.N.

326

Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche Schuldverhältnisse

cc) Ersatz schuldhaft nicht gezogener

Nutzungen

Sekundäranspruch ist schließlich auch der Anspruch aus § 987 Abs. 2 BGB, wonach der bösgläubige oder verklagte Besitzer schuldhaft nicht gezogene Nutzungen zu ersetzen hat. Der Streit, ob es sich bei der Vorschrift der Sache nach um einen Schadensersatzanspruch handelt, 15 dürfte weitgehend auf einem Mißverständnis beruhen: Natürlich kommt es bei § 987 Abs. 2 BGB nicht darauf an, welche Nutzungen dem Eigentümer entgangen sind, und erst recht nicht darauf, welche weiteren Folgeschäden er in seinem Vermögen erlitten hat. Nichtsdestoweniger tritt der Anspruch auf Geldersatz an die Stelle der eigentlich geschuldeten Nutzungen selbst und übernimmt insofern zwar nicht die Funktion eines primären, wohl aber die eines sekundären Schadensersatzanspruchs. Es ist dies einer der seltenen Fälle, in denen ein Sekundäranspruch nicht wegen nachträglicher Unmöglichkeit entsteht, etwa weil das Herauszugebende untergegangen ist, sondern gleichsam wegen anfänglicher Unmöglichkeit, weil das Herauszugebende nie entstanden ist. dd) Herausgabe nicht rechtsgeschäftlicher

Surrogate

Hinsichtlich solcher commoda ex re, die sich nicht als Nutzungen qualifizieren lassen, also insbesondere hinsichtlich dessen, was der Besitzer aufgrund eines in der Sache verbrieften Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung der herauszugebenden Sache erlangt hat, enthalten die §§987ff. keine ausdrückliche Regelung. Regelmäßig wird man in diesen Fällen von einer Leistung an den Nichtberechtigten ausgehen müssen, 16 die der Schuldner gemäß § 816 Abs. 2 BGB herauszugeben hat. Dieser Anspruch ist wie derjenige auf den Veräußerungserlös - als Sekundäranspruch anzusehen. Das ist allerdings dann anders, wenn die Ersatzleistung aus einer Sonderverbindung mit dem Besitzer resultiert. Auch der Vermieter, der nicht Eigentümer der Sache ist, kann Schadensersatz wegen deren Beschädigung verlangen, und eine Hausratsversicherung kann auch Einrichtungsgegenstände umfassen, die dem Versicherungsnehmer nicht selbst gehören. Eine Herausgabepflicht wäre dann nur über §281 Abs. 1 BGB zu konstruieren. Indessen lehnt die herrschende Meinung die Anwendung von § 281 Abs. 1 BGB dann, wenn die Herausgabe der Sache ganz oder teilweise unmöglich wird, ausdrücklich ab.17 Begründet wird 15 Für eine Einordnung als Schadensersatzanspruch etwa Dimopoulos-Vosikis, Die bereicherungs- und deliktsrechtlichen Elemente der §§ 987-1003 BGB (1966), S. 156ff.; Erman 9 -Hefermehl, §987 BGB Rn.5; dagegen Staudinger13-GursAry, §987 BGB Rn.27; MünchKomm 3 Medicus, § 987 BGB Rn. 21; Roth, AcP 180 (1980), 273 [276]; Kohler, Die gestörte Rückabwicklung gescheiterter Austauschverträge (1989), S. 344; Pinger, Funktion und dogmatische Einordnung des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses (1973), S. 17. 16 Siehe § 851 BGB für die Leistung eines dritten Schädigers oder einer Versicherung an den Besitzer. 17 R G Z 115,31 [33]; 157,40 [45]; Staudinger 13 -Löimc/i, §281 BGB Rn. 11; Soergel12-MüW,

§ 10

Eigentümer-Besitzer-Verhältnisse

327

dies mit einer Reihe unterschiedlicher Argumente, die allerdings sämtlich nur für rechtsgeschäftliche Surrogate passen. Das betrifft sowohl die Argumentation mit der mangelnden Identität zwischen dem geschuldeten Besitz und dem ersetzten Eigentum 18 als auch diejenige mit der ungerechtfertigten Verdoppelung der Ansprüche des Eigentümers bzw. seiner Möglichkeit, eine Verfügung zu genehmigen und gemäß §816 BGB vorzugehen.19 Wenn in bezug auf Versicherungsleistungen argumentiert wird, daß dem Besitzer das den Gegenstand der Versicherung bildende Eigentümerinteresse fehle und der Versicherungsvertrag daher unwirksam und nach §68 VVG abzuwickeln sei,20 so ist das schlichtweg unrichtig, wie etwa ein Blick auf die derzeit geltenden Allgemeinen Hausratsversicherungsbedingungen zeigt.21 Auch der Einwand, daß selbst bei Wirksamkeit des Versicherungsvertrags nur das Eigeninteresse des Besitzers gedeckt sei,22 läßt sich mit einem Hinweis auf die Hausratsversicherung widerlegen, weil dort eben der Wiederbeschaffungspreis ersetzt wird, und nicht das Nutzungsinteresse für eine bestimmte Zeit. Daß dem Besitzer derartige Vorteile aber nicht endgültig verbleiben dürfen, folgt zumindest für den Fall rechtsgrundlosen Besitzerwerbs aus einem Wertungsvergleich mit dem Bereicherungsrecht: Hätte etwa der Käufer vom Verkäufer rechtsgrundlos Eigentum erlangt, müßte er nicht rechtsgeschäftliche Surrogate nach § 818 Abs. 1 BGB auskehren. Er darf aber nicht deswegen besser stehen, weil auch der Eigentumserwerb fehlgeschlagen ist, seine Rechtsposition also an einem doppelten Mangel leidet.23 Daher sollte man §281 Abs. 1 BGB als vindikationsrechtlichen Sekundäranspruch heranziehen, soweit andere als rechtsgeschäftliche Surrogate betroffen sind.24

§985 BGB Rn.20; VaUaäl51-Heinrichs, § 281 BGB Rn.3; MünchKomm3-Med;c«s, § 985 BGB Rn.33ff.; Baur/Stürner, Sachenrecht, §11 C I 3 a) bb) [S. 99]für eine eingeschränkte Anwendung, etwa bei zufälligem Untergang oder bei der Veräußerung durch einen unredlichen Besitzer, mit Abweichungen im Detail Westermann/Pinger, Sachenrecht 1,6. Auflage 1990, § 31IV 2 [S.206]; Deubner, MDR 1958, 197 [198f.]; Klapproth, MDR 1965, 525 [527]; Erman 9 -Hefermehl, vor § 987 BGB Rn. 32; Wieling, Sachenrecht I, § 1 I 3 mit Fn. 34. 18 Jochem, MDR 1975,177 [179f.]; Merle, AcP 183 (1983), 81 [85], 19 Palandt 51 -Heinrichs, §281 BGB Rn.3, Medicus, Bürgerliches Recht (1996), Rn.599. 20 MünchKomm 3 -Med;cui, §985 BGB Rn. 35; Jochem, MDR 1975,177 [184f.]; Westermann/ Gursky, Sachenrecht (1998), §31 V 3 a) [S.209f.]. 21 Vgl. etwa Allgemeine Hausratsversicherungsbedingungen (VHB 92), § 1 Abs. 3: „Die in Nr. 1 und Nr. 2 genannten Sachen sind auch versichert, soweit sie fremdes Eigentum sind." 22 So aber MünchKomm'-A/ei/iCiiv, §985 BGB Rn.35; daß eine (wohl nur anteilsmäßige!) Erstattung der Versicherungsprämien als Verwendungen oder analog § 102 BGB erwogen werden muß, steht dem nicht entgegen. 23 Vgl. die parallele Argumentation hinsichtlich Nutzungen, dazu unten, 3 a) aa) [S.331f.]. 24 So auch schon überzeugend Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz (1983), S. 94f.

328 c) Subansprüche

Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

auf

Schuldverhältnisse

Verwendungsersatz

Eindeutig als Subansprüche zu qualifizieren sind dagegen die Ansprüche des Besitzers auf Ersatz seiner Verwendungen. Diese Ansprüche können nicht Teil des Primäranspruchs sein. Das ist schon deswegen evident, weil es sich um Gegenrechte des Besitzers handelt. Ebenso evident ist es aus diesem Grund, daß Verwendungsersatzansprüche nicht hilfsweise an die Stelle des Primäranspruchs oder an die Stelle einzelner seiner Teile treten. Vielmehr bestehen sie neben dem primären Herausgabeanspruch sowie etwaigen Sekundäransprüchen, sind jedoch in ihrer Entstehung vom Bestehen einer Vindikationslage abhängig.25 Vor dem Hintergrund der bis hierher gemachten Ausführungen muß kaum noch gesondert begründet werden, daß es sich beim Verwendungsersatz um einen ergänzenden Ausgleich von Restnachteilen des Besitzers handelt, doch wird darauf weiter unten noch näher einzugehen sein.26 Zweifelhaft erscheint, ob man auch die Vorschrift des § 102 BGB in diesem Zusammenhang nennen sollte, wonach derjenige, der zur Herausgabe von Früchten verpflichtet ist, Ersatz der Gewinnungskosten insoweit verlangen kann, als diese einer ordnungsgemäßen Wirtschaft entsprechen, d.h. ökonomisch sinnvoll sind, und den Wert der herauszugebenden Früchte nicht übersteigen. Einerseits handelt es sich dabei nicht um einen speziell vindikationsrechtlichen Anspruch, andererseits bleibt aber auch nicht zu verkennen, daß § 102 zusammen mit § 998 BGB im Verhältnis zu denjenigen Teilen des Primäranspruchs, die in §§987 Abs. 1, 988 BGB enthalten sind, die gleiche Funktion übernimmt, wie die Ansprüche auf Verwendungsersatz im Verhältnis zu § 985 BGB selbst. Aufgrund dieser funktionellen Einbindung in das Haftungssystem des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses sollte man § 102 BGB daher insoweit als vindikationsrechtlichen Subanspruch begreifen.27

25 Die Rechtsprechung läßt es allerdings genügen, daß zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Ansprüche eine Vindikationslage gegeben ist, vgl. B G H Z 34, 122 [131f.]; 75, 288 [292f.]; 100, 95 [102]; B G H NJW 1996, 921; offengelassen in B G H Z 51, 250 [252]; zustimmend Palandt 51 -Bassenge, vor §994 BGB Rn.3; Firsching, AcP 162 (1962), 440 [454]; Berg, JuS 1970,12 [14f.]. In der Literatur überwiegen jedoch die ablehnenden Stimmen, vgl. MünchKomm 3 -A/edicus, vor §§987-1003 BGB Rn. 10; den-. Bürgerliches Recht, Rn. 587ff.; SUuidinger '-GiinTcy, vor §§987-993 BGB Rn.10; Erman 9 -Hefermehl, vor §994 BGB Rn.9; Soergel 1 2 -Afö«, vor §994 B G B Rn.7 jeweils m.w.N. 26 Siehe unten, II [S.337ff.]. 27 Hinsichtlich der Vorschrift des § 102 BGB ist umstritten, ob sie eine eigenständige Anspruchsgrundlage oder aber nur ein Zurückbehaltungsrecht beinhaltet. Für einen eigenständigen Anspruch Palandt^-Heinrichs, §102 BGB R n . l ; Erman9-Michalski, §102 BGB Rn.3; Soergel 12 -MüW, § 102 BGB Rn.2, mit Nachweisen auch zur Gegenansicht, die ein bloßes Zurückbehaltungsrecht annimmt. Die These vom selbständig einklagbaren Anspruch ist schon angesichts des Gesetzeswortlauts vorzuziehen, doch ist § 1001 Satz 2 BGB entsprechend anzuwenden, d.h. die Gewinnungskosten sind nicht zu ersetzen, wenn dem Besitzer die Nutzungen belassen werden.

§ 10

Eigentümer-Besitzer-Verhältnisse

329

2. Allokatorische Analyse des Primäranspruchs Wenn oben darauf hingewiesen worden ist, daß die Haftung des redlichen Vindikationsschuldners der Haftung des redlichen Bereicherungsschuldners in den praktischen Ergebnissen recht nahe kommt, so könnte dies zu der Annahme verleiten, daß die auslösende Verteilungsstörung auch bei der Vindikation zunächst nur im Zuviel beim Besitzer liege. Gegen diese Annahme bestehen indessen gewichtige Bedenken, weil sie dem Charakter der Vindikation nicht gerecht würde, bei der es sich - wie schon die Überschrift zum Vierten Titel des Dritten Buches zeigt - um einen Anspruch aus dem Eigentum handelt, also um einen Anspruch in erster Linie des Eigentümers zur positiven Sicherung seiner aus dem Eigentum fließenden Rechte, und eher in zweiter Linie um einen Anspruch gegen den Besitzer.28 Es ist daher davon auszugehen, daß die Vindikation vor wie nach Eintritt der verschärften Haftung vor allem durch ein Zuwenig beim Eigentümer ausgelöst wird und daß insoweit eine Deutungsalternative, die derjenigen zwischen Abschöpfungstheorie und Restitutionstheorie im Bereicherungsrecht vergleichbar wäre, nicht besteht. a) Identifizierung

der Soll-Verteilung

Für die Soll-Verteilung bedeutet das, daß sie ganz „normal" in derjenigen Verteilung zu sehen ist, die gegeben wäre, wenn das rechtlich mißbilligte Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz nie entstanden wäre. Mit anderen Worten ist zum Vergleich der Zustand heranzuziehen, der bestünde, wenn der Besitzer die Sache entweder nie erlangt oder aber mit Eintritt der Vindikationslage - also gleichsam in derselben „juristischen Sekunde" - an den Eigentümer herausgegeben hätte. Es wäre übrigens ganz falsch, dagegen einzuwenden, die §§ 987ff. BGB wollten den Eigentümer gar nicht in diesen status quo ante zurückversetzen, sondern allenfalls in den Zustand, der bestünde, wenn der Besitzer die Sache zum Zeitpunkt des Eintritts verschärfter Haftung herausgegeben hätte: Zwar mag das Gesetz insbesondere durch die Einschränkung der Nutzungsherausgabe und der Schadensersatzhaftung beim redlichen Besitzer bewußt in Kauf nehmen, daß die Vermögenssphäre des Eigentümers nur unvollständig in den Zustand zurückversetzt wird, in dem sie sich bei Hinwegdenken der Vindi28 Daran vermag auch der weitgehend akademische Streit nichts zu ändern, ob die §§ 987ff. BGB in erster Linie als Privilegierung des unverklagten, redlichen Besitzers zu deuten seien (so Staudinger I3 -G«rs/:)>, vor §§987-993 BGB Rn.4f. m.w.N.; einschränkend auch MünchKomm3-Medicus, vor §§987-1003 BGB Rn.7; umfassend zum Meinungsstand Pinger, Funktion und dogmatische Einordnung des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, S. 8ff.), oder aber als mindestens teilweise Haftungsverschärfung (so vor allem Pinger, a.a.O., S. 15ff., der überdies die allgemeinen Vorschriften neben den §§ 987ff. B G B anwenden will). Denn auch eine Privilegierung des Schuldners vermag an der Gläubigerorientierung eines Anspruchs nichts zu ändern, wie etwa Haftungsmilderungen bei Schadensersatzansprüchen beweisen, die schließlich den Prototyp gläubigerorientierter Ansprüche darstellen.

330

Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

Schuldverhältnisse

kationslage befände. Jedoch führt dies nur zum Entstehen von Reststörungen, nicht hingegen zu einer Änderung der Soll-Verteilung. b) Konsequenzen

für die verschärfte Haftung des

Bereicherungsschuldners

Weil gemäß §§819 Abs. 1,818 Abs. 4,292,987ff. BGB für den verschärft haftenden Kondiktionsschuldner dieselben Vorschriften gelten wie für den verschärft haftenden Vindikationsschuldner, bedeutet das zugleich, daß im Bereicherungsrecht der Störungscharakter mit Eintritt der verschärften Haftung „umschlägt": War es vorher - zumindest nach der Abschöpfungstheorie - nur Ziel des Anspruchs, ein unerwünschtes Zuviel beim Schuldner abzuschöpfen, geht es nunmehr darum, dem Gläubiger dasjenige zu verschaffen, was bei Eintritt der verschärften Haftung noch an Bereicherung beim Schuldner vorhanden ist. Hier nun ist es in der Tat angebracht, als neue Soll-Verteilung den Zustand anzusehen, der bestünde, wenn das Bereicherungsobjekt unmittelbar mit dem Eintritt verschärfter Haftung an den Bereicherungsgläubiger herausgegeben worden wäre. Das liegt aber nur daran, daß beim Anspruch gegen den Bereicherungsschuldner, der zunächst redlich ist und sodann bösgläubig wird, gleichsam zwei verschiedene Haftungsformen „hintereinandergeschaltet" sind. c) Ermittlung des

Ausgleichstypus

Ansprüche auf Herausgabe einer Sache sind stets auf gegenständliche Rückgängigmachung gerichtet, und es handelt sich dabei um eine klassische Ausprägung des Realausgleichs. Dies äußert sich nicht nur im absoluten Vorrang gegenständlicher Rückübertragung, sondern vor allem auch in der zugrundeliegenden Wertung, dem Gläubiger zu geben, was ihm zugewiesen ist. Ist die Herausgabe in natura nicht möglich, dann haftet der Schuldner stattdessen bei Verschulden gegebenenfalls gemäß § 989,990 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz. Der Schadensersatzanspruch tritt funktionell an die Stelle der eigentlich geschuldeten Sache und trägt damit deutlichen Surrogatcharakter. Ferner muß nicht näher dargelegt werden, daß bei der Berechnung des Substanzschadens im Sinne von §989 BGB subjektive Kriterien nicht in stärkerem Maße berücksichtigt werden können, als dies etwa bei einem Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB der Fall ist.29 Auch die Ausführungen zu dem für die Wertberechnung maßgeblichen Zeitpunkt können hier sinngemäß Geltung beanspruchen, weil Unterschiede in der Interessenlage nicht ersichtlich sind.30 Damit kann hier ohne weitere Prüfung davon ausgegangen werden, daß eine Ausprägung reinen Realausgleichs vorliegt.

29 30

Hierzu oben, Zweites Kapitel, §2 II 2 b) [S.93ff.]. Siehe dazu a.a.O., §2 II 2 c) [S.97ff.].

§ 10

Eigentümer-Besitzer-Verhältnisse

331

3. R e s t v o r t e i l e u n d R e s t n a c h t e i l e des Besitzers D a ß die H a f t u n g des redlichen Besitzers einerseits und des verschärft haftenden Besitzers andererseits unterschiedlich ausgestaltet ist, führt nach dem Gesagten zwar nicht zu einer unterschiedlichen Soll-Verteilung, wohl aber natürlich dazu, daß die entstehenden Reststörungen unterschiedlicher Art sind. Allerdings sind die jeweils auftretenden Fallgruppen doch so ähnlich, daß eine getrennte Darstellung nicht angezeigt erscheint: Sowohl bei der H a f t u n g des redlichen als auch bei der des bösgläubigen oder verklagten Besitzers ist ein Restnachteil bei einem Beteiligten dann zu verbuchen, wenn er nach Erfüllung des Primäranspruchs, wie er sich aus der Zusammenschau von §§985, 987 Abs. 1, 988 B G B ergibt, bzw. nach Erfüllung eines an die Stelle des Primäranspruchs tretenden Sekundäranspruchs, wirtschaftlich schlechter steht als er bei Hinwegdenken der Vindikationslage stünde. Entsprechend kann von einem Restvorteil bei einer wirtschaftlichen Besserstellung gesprochen werden. a) Restvorteile des Besitzers Eine solche Besserstellung liegt beim Besitzer jedenfalls nicht schon dann vor, wenn der Besitzer die Sache verbraucht, veräußert usw., weil dann entsprechende vindikationsersetzende Kondiktionen als Sekundäransprüche dafür sorgen, daß ihm ein Vorteil nicht verbleibt. Als Restvorteile k o m m e n auf seiner Seite vielmehr vor allem die bei Redlichkeit gemäß §§987, 988 B G B verbleibenden Nutzungen in Betracht. Insoweit ist jedoch streng zu prüfen, in welchem U m fang die §§987, 988 B G B dem Besitzer Vorteile tatsächlich belassen wollen. aa) Nutzungen bei rechtsgrundlosem

Erwerb

Soweit der Besitz zwar entgeltlich, aber rechtsgrundlos erworben wurde, entsteht der bekannte Wertungswiderspruch, daß der rechtsgrundlose Eigentümer schlechter stünde als derjenige, der nicht einmal Eigentum erworben hat. E r ist als klare Fehlleistung des Gesetzgebers im Wege der analogen Anwendung des § 988 B G B im zweigliedrigen Verhältnis 31 oder aber dadurch zu lösen, daß m a n parallel zu den §§ 987ff. B G B die Leistungskondiktion zuläßt. 32 Für die letztge31

So die ständige Rechtsprechung, vgl. etwa R G Z 1 6 3 , 3 4 8 [350ff.]; B G H Z 7,208 [218]; 10, 350 [356/357]; 32, 76 [94]; 71, 216 [225/226]; B G H NJW 1983,164 [165]; NJW 1995, 454 [455]; NJW1995,2627 [2628]. Im zweigliedrigen Verhältnis lassen sich gegen die Analogie auch nicht die Argumente vorbringen, die die Literatur gegen diese Lösung anführt, nämlich daß damit dem Besitzer mögliche Einreden gegen den Dritten, von dem er entgeltlich erworben hat, abgeschnitten würden. 32 So die überwiegende Literatur, vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §74 I l a [S.340]; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 600; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 11 B II 3 [S. 97]; Wolff/Raiser, Sachenrecht, §85 II 6 [S. 333]; Westermann/Gursky, Sachenrecht, §31 II 2 [S.204]; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung (1988), §20 III 2 b) [S.200].

332

Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

Schuldverhältnisse

nannte Lösung müßte §993 Abs. 1 Halbsatz 2 a.E. BGB teleologisch reduziert werden. Sie wird von der ganz überwiegenden Literatur befürwortet. Man stützt sich dabei auf die Überlegung, daß der Besitzer, der die Sache entgeltlich von einem Dritten erworben hat, diesem wenigstens die Nutzungen einredeweise solle vorenthalten können und nicht mit einem doppelten Verlust belastet werden dürfe. Das ist zwar zutreffend, doch läßt sich auch die Analogie zu § 988 BGB mühelos auf Zweipersonenverhältnisse beschränken, wo sie durchaus sachgerecht ist, weil rechtsgrundloser und unentgeltlicher Erwerb dort - und nur dort - in der Tat vergleichbar sind: Der Besitzer hat jeweils keinen Erwerbspreis an einen Dritten gezahlt, weshalb er der Privilegierung in §987 Abs. 1 BGB nicht bedarf. Im übrigen ist zu bemerken, daß der Große Senat des Reichsgerichts, auf den die Analogie zu § 988 BGB zurückgeht, obiter zu verstehen gab, daß der Besitzer den an einen Dritten gezahlten Kaufpreis dem Eigentümer bereicherungsmindernd entgegenhalten könne. 33 Das ist zwar deswegen bedenklich, weil § 988 BGB Teil der Vindikation ist und auf ihn daher nicht die Regeln der Nachteilsausgleichung übertragen werden können, die allein auf bereicherungsrechtliche Primäransprüche zugeschnitten sind,34 zeigt aber immerhin, daß dem Reichsgericht die Problematik des Dreipersonenverhältnisses wohl bewußt war. Im Ergebnis ist es m. E. also gleichgültig, welche dogmatische Konstruktion man wählt, doch scheint mir die Analogie zu §988 BGB ein durchaus sachgerechter Weg zu sein, sofern man sie auf das Zweipersonenverhältnis beschränkt. Nach allen vertretenen Auffassungen kann jedenfalls ein Restvorteil des Besitzers beim rechtsgrundlosen Erwerb vom Eigentümer nicht entstehen. bb) Von Gesetzes wegen verbleibende Nutzungen als Restvorteile? Der redliche Besitzer, auf den auch § 988 BGB direkt oder analog nicht anwendbar ist, darf gemäß §§ 987 Abs. 1, 993 Abs. 1 a.E. die gezogenen Nutzungen behalten, muß für diese Zeit dann allerdings auch die gewöhnlichen Erhaltungskosten tragen. Indessen wäre es vorschnell, deswegen bereits von einem Restvorteil zu sprechen. Die im Vergleich zu anderen Anspruchsverhältnissen sehr ungewöhnliche Regelung, daß der gutgläubige, entgeltliche Besitzer im Gegensatz zum unentgeltlichen die Nutzungen behalten darf, ist nämlich im Hinblick auf den Fall getroffen worden, daß der Besitzer die Sache von einem Dritten erworben hat und nun das Risiko trägt, den an diesen gezahlten Kaufpreis wieder zurückzuerlangen. 35 Als Entschädigung dafür, daß das deutsche Recht dem gut33

R G Z 163, 348 [360f.]. Anders jetzt freilich B G H Z 137, 314 [316ff.]; B G H NJW 1998, 1709 [1710], 35 Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion (1996), S.229; Köbl, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im Anspruchssystem des BGB, S.226f. („Minimalform gutgläubigen Erwerbs"); Staudinger U -Gursky, vor §§987-993 BGB Rn.4; von Caemmerer, in: Festschrift Boehmer (1954), S. 145 [154 Fn. 42]; Heck, Grundriß des Sachenrechts (1960), § 68,4 34

§10

Eigentümer-Besitzer-Verhältnisse

333

gläubigen Erwerber kein Lösungsrecht gewährt,36 soll er nicht auch noch dem Eigentümer gegenüber auf die Nutzungen haften, obgleich er den an einen Dritten gezahlten Erwerbspreis zumindest nach herrschender Auffassung nicht bereicherungsmindernd geltend machen kann.37 Kommt es zu einer Rückabwicklung zwischen Besitzer und Drittem - normalerweise nach den Grundsätzen der Rechtsmängelhaftung, 38 bei Nichtigkeit auch des Grundgeschäfts nach Bereicherungsrecht - dann verliert der Besitzer regelmäßig die Nutzungen im Rahmen der Vorteilsausgleichung39 oder gemäß § 818 Abs. 1 BGB, während umgekehrt der Dritte oftmals diesbezüglich gegenüber dem Eigentümer haftet. 40 §987 Abs. 1 BGB will damit keineswegs bewirken, daß dem Besitzer die Nutzungen endgültig verbleiben, sondern ihn nur davor bewahren, zusätzlich zum Verlust des gezahlten Kaufpreises auch noch die Nutzungen ersetzen zu müssen, also mit einem noch größeren Verlust aus dem ganzen Geschäft herauszukommen. Wenngleich der Gesetzgeber dem Besitzer gemäß §§ 987, 988 BGB Nutzungen nur belassen wollte, um den Ausgleich im Umweg über den Dritten zu ermöglichen, von dem der Besitzer die Sache entgeltlich erworben hat, so ist dennoch nicht zu verkennen, daß ein solcher Ausgleich im Einzelfall unterbleiben kann. Das wird nicht selten vorkommen, weil auf vielfältigem Wege die Situation eintreten kann, daß der Besitzer entgegen der Intention des Gesetzgebers die Nutzungen endgültig behalten darf und gleichzeitig vom Dritten hinsichtlich des gezahlten Kaufpreises sowie etwaiger Folgeschäden voll befriedigt wird.41 In diesem Fall stellt der Wert der Nutzungen einen echten Restvorteil des Besitzers dar. [S.284]; in erster Linie auf den deutschrechtlichen Grundsatz „Wer säet, der mähet" führt die Regelung zurück Siber, JherJb 89 (n.F.53), 1 [93], 36 Siehe Motive III, S.417ff. zu den Erwägungen. 37 Hierzu oben, Drittes Kapitel, §8 II 1 b) [S.289ff.]. 38 Vgl. §§440, 325 BGB. Im Einzelfall kann sich ein Schadensersatzanspruch des Besitzers natürlich auch aus anderen Anspruchsgrundlagen ergeben, so etwa bei Betrug aus §§826, 823 Abs. 2 B G B i.V.m. 263 StGB. 39 So zumindest die herrschende Meinung zu §326 BGB, vgl. B G H NJW 1982,1279 [1280]; ebenso zur culpa in contrahendo, vgl. B G H NJW 1983,868 [870]; NJW 1984,229 [239]; zustimmend MünchKomm 3 -Grarafc>>, vor §249 BGB Rn.98. 40 Die Verpflichtung gegenüber dem Eigentümer kann je nach der spezifischen Sachverhaltskonstellation auf Schadensersatz, ungerechtfertigter Bereicherung, angemaßter Eigengeschäftsführung usw. beruhen. 41 So ist daran zu denken, daß der Besitzer gegenüber dem Dritten geltend macht, er hätte sich eine andere Sache gekauft und aus dieser die gleichen Nutzungen gezogen, oder daß der Dritte auf Herausgabe der Nutzungen verzichtet, etwa weil er selbst redlicher Besitzer war und dem Eigentümer gegenüber nicht haftet. Nicht hier zu nennen ist dagegen die - praktisch wohl recht häufige - Konstellation, daß der Dritte nicht auffindbar ist. Denn zwar unterbleibt ein entsprechender Ausgleich zwischen Besitzer und Drittem auch in diesem Fall. Jedoch steht dem Vorteil des Besitzers in der Form der zurückbehaltenen Nutzungen der regelmäßig größere Nachteil des verlorenen Kaufpreises gegenüber, so daß insgesamt von einem Restvorteil nicht die Rede sein kann.

334

Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

cc) Unternehmensgewinne

und

Schuldverhältnisse

Investitionsmehrwert

Gemäß § 100 BGB sind Nutzungen die Gebrauchsvorteile der Sache sowie die aus ihr gezogenen Früchte, wozu wiederum die Erzeugnisse der Sache zählen, eine sonstige bestimmungsgemäße Ausbeute sowie die Erträge, die aufgrund eines auf Nutzung oder Gebrauch gerichteten Rechtsverhältnisses erzielt werden. Dieser Nutzungs- bzw. Fruchtbegriff ist es, der sowohl den §§987, 988 als auch dem § 993 BGB zugrundeliegt, wobei sich Übermaßfrüchte von den „normalen" Früchten nur dadurch unterscheiden, daß ihre Gewinnung die Substanz der Sache angreift. Wie bereits im Drittel Kapitel an entsprechender Stelle zum Bereicherungsrecht erläutert, 42 wendet nun die Rechtsprechung die Vorschriften über Nutzungen auf Unternehmensgewinne direkt oder entsprechend an, schließt aber solche Gewinne aus, die ausschließlich auf den persönlichen Fähigkeiten und dem unternehmerischen Geschick des unberechtigten Inhabers beruhen 43 und beschränkt damit die Herausgabepflicht in der Praxis meist auf den objektiven Ertragswert, weil nur dieser einer Sachnutzung im Sinne von §§987, 988 BGB gleichgesetzt werden könne.44 Aus den gleichen Gründen wie dort ist auch hier der Rechtsprechung insofern recht zu geben, als die §§ 987,988 BGB im Hinblick auf die Tatsache, daß die Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuchs dem Unternehmen als Gegenstand des Rechtsverkehrs zu wenig Beachtung geschenkt haben, teleologisch zu erweitern sind. Die in der Literatur vertretene Gegenauffassung, wonach unabhängig von den tatsächlich erzielten Erträgen der Marktwert der Sachnutzung geschuldet sei, weckt deswegen Bedenken, weil dann entgegen § 987 Abs. 2 BGB der verschärft haftende Besitzer auch für schuldlos nicht erzielte Erträge haften müßte. Ansonsten stimmen die Lösungen in ihren praktischen Ergebnissen überein, so daß m. E. die erweiternde Anwendung von §§987,988 BGB insgesamt als die stimmigere Lösung angesehen werden muß. Jedenfalls darf der Besitzer auch dann, wenn er zur Herausgabe von Nutzungen verpflichtet ist, denjenigen Teil der Unternehmensgewinne behalten, der nicht gerade als Ertragswert des rechtsgrundlos erlangten Betriebsgrundstücks, Unternehmens usw. angesehen werden kann, und stellen diese überschießenden Gewinne für ihn einen Restvorteil dar. Gleichfalls nicht herauszugeben und daher als Restvorteil zu qualifizieren - ist der sogenannte Investitionsmehr-

42

Siehe Drittes Kapitel, § 6 III 1 b) [S.243f.]. So B G H Z 63, 365 [368] mit Beschränkung auf den objektiven Ertragswert; B G H NJW 1978,1578; B G H LM Nr. 7 zu §818 Abs. 2 B G B ; nicht aber, wenn der Empfänger den Betrieb erst selbst eingerichtet hat, vgl. B G H Z 109,179 [191]; anders auch noch B G H Z 7, 208 [218], D e m folgen im wesentlichen etwa Palandt 5 1 -Bassenge, § 987 B G B Rn. 2; S o e r g e l n - M ü h l , § 987 B G B Rn.2; E r m a n 9 - H e f e r m e h l , §987 B G B Rn.3. 44 D i e s e Analyse der verwirrenden Rechtsprechung teilt offenbar auch MünchKomnr'-Medicus, § 987 B G B Rn. 13 passim. 43

§ 10

Eigentümer-Besitzer-Verhältnisse

335

wert. Das ist der erhöhte Gewinn, den der Besitzer aufgrund eigener Investitionen erwirtschaftet hat, wobei dies nicht nur für Unternehmen gilt.45 b) Restnachteile

des

Besitzers

Restnachteile des Besitzers entstehen zunächst durch Verwendungen, die er auf die Sache gemacht hat, sowie durch sonstige freiwillige Vermögensopfer, die aufgrund des unrechtmäßigen Besitzes erbracht worden sind. Gleichfalls hier zu nennen sind unfreiwillige Verluste, welche die Sache im übrigen Vermögen des Besitzers angerichtet hat. Insgesamt ist die Lage derjenigen im Bereicherungsrecht weitgehend vergleichbar, so daß auf die Ausführungen des Dritten Kapitels verwiesen werden kann. Allerdings läßt sich - anders als beim Bereicherungsschuldner - nicht von Umsetzungsverlusten sprechen. Beim redlichen Besitzer lassen die §§ 989,990 BGB nämlich insoweit einen Sekundäranspruch gar nicht erst entstehen, sei er nun auf Wertersatz oder auf Schadensersatz gerichtet. Und beim verschärft haftenden Besitzer schlägt ohnehin regelmäßig jeder Schadensersatz, den er gemäß §§ 989f. BGB zu entrichten hat, ebenso als Restnachteil zu Buche wie auch der Ersatz schuldhaft nicht gezogener Nutzungen gemäß §987 Abs. 2 BGB, so daß „Umsetzungsverluste" keine eigenständige Nachteilskategorie mehr darstellen. c) Die Sphäre des

Eigentümers

Die besondere Struktur des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses sowie die enge wechselseitige Verschränkung seiner Bestimmungen bringen es mit sich, daß die Restnachteile des Besitzers vielfach den Restvorteilen des Eigentümers unmittelbar entsprechen und umgekehrt. Macht der Besitzer Verwendungen auf die Sache und wird deren objektiver Wert dadurch erhöht, dann bewirkt das für den Eigentümer in dem Augenblick, in dem er die Sache wiedererlangt, unmittelbar einen Vermögenszuwachs. Da er adäquat kausal auf die Vindikationslage zurückzuführen ist, kann von einem Restvorteil des Eigentümers gesprochen werden. Sofern die Sache durch den Besitzwechsel nicht objektiv an Wert gewonnen hat, ist zu prüfen, ob der Eigentümer eigene Aufwendungen erspart und wenigstens insofern einen bleibenden Vorteil erlangt hat. Restvorteile des Eigentümers können selbstredend auch auf anderem Wege entstehen, so etwa

45

BGHZ 63, 365 [368]; 109,179 [191]; BGH NJW 1978,1578; BGH NJW 1992, 892; NJW 1995, 2627. Man wird dies wohl nur bei Investitionen annehmen dürfen, die der Eigentümer nach §§994ff. nicht zu ersetzen hat, so Medicus, JZ 1996, 153 [154]; ihm folgend Gursky, JZ 1997, 1154 [1156]. Allerdings wird der Eigentümer dann, wenn die investitionsbedingte Umsatzsteigerung die invesitionsbedingten Unkosten übersteigt, die Verwendungen meist genehmigen und dadurch auch die Grundlage für eine Abschöpfung des entsprechenden objektiven Ertragswerts schaffen.

336

Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

Schuldverhältnisse

wenn der Besitzer mehr Nutzungen gezogen hat, als sie der Eigentümer gezogen hätte, und diese nach §988 B G B herausgeben muß. A n z u m e r k e n ist, daß die dem Besitzer dabei entstandenen Kosten der H ö h e nach keinesfalls mit den Kosten übereinstimmen müssen, die der Eigentümer erspart hat. Das liegt daran, daß unterschiedliche Teilnehmer am Rechtsverkehr über unterschiedliche Möglichkeiten verfügen, bestimmte sachbezogene M a ß n a h m e n durchzuführen bzw. durchführen zu lassen: Ist der Eigentümer Autohändler und der Besitzer Privatmann und läßt dieser Instandhaltungsmaßnahmen in einer teuren Fachwerkstatt vornehmen, dann werden seine Verwendungen dasjenige, was der Eigentümer an Einsatz seines eigenen Mechanikers erspart hat, um ein Vielfaches übersteigen. Ist umgekehrt der Eigentümer Privatmann und der Besitzer Autohändler und läßt dieser den Wagen bei sich reparieren, dann sind die Verwendungen weitaus geringer als die Ersparnis des Eigentümers. Z u m Zwecke der Identifizierung der Reststörungen ist in erster Linie auf den objektiv erlittenen Verlust bzw. die objektive Ersparnis oder Wertsteigerung abzustellen. O b und inwiefern dann vielleicht ein Ausgleich nur in der H ö h e des gerade für den Eigentümer erzielbaren Preises anerkannt werden kann, ist ein Problem des Aufdrängungsschutzes, das sich bei der rechtlichen Prüfung gleichsam erst einen Schritt weiter stellt. Einen Restnachteil erleidet der Eigentümer hingegen immer dann, wenn er nach Erfüllung des Primäranspruchs, wie er sich aus §§ 985,987 Abs. 1,988 B G B ergibt, oder nach Erfüllung eines entsprechenden Sekundäranspruchs schlechter steht als bei Hinwegdenken der Vindikationslage. Ein Restnachteil des Eigentümers liegt daher in der Regel im Vorenthaltungsschaden sowie in sonstigen Begleitschäden, die vom Schutzzweck des Anspruchs aus §§989,990 Abs. 1 B G B nicht umfaßt werden, 4 6 sofern der Besitzer nicht gemäß §§990 Abs. 2, 992 B G B in weiterem U m f a n g haftet. Als Vorenthaltungsschaden kann es gleichfalls angesehen werden, wenn der Eigentümer selbst mehr Nutzungen gezogen hätte als er im Ergebnis nach §987 B G B ausgekehrt erhält. Restnachteile entstehen auf seiner Seite aber vor allem dann, wenn er die Sache nicht oder nur in entwertetem Zustand zurückerhält, wenn aber auch kein entsprechender Sekundäranspruch dafür sorgt, daß ihm wenigstens in wirtschaftlicher Hinsicht ein Verlust erspart bleibt. Das ist der Fall, wenn die Sache beim Besitzer zerstört oder beschädigt wird oder aus einem anderen G r u n d e nicht mehr herausgegeben werden kann, ohne daß den Besitzer daran ein Verschulden trifft. Das ist aber auch der Fall, wenn der gemäß §816 Abs. 1 Satz 1 B G B herausverlangte 46 B G H NJW-RR1993,626 [628]; P a l a n d t - B a s s e n g e , §989 BGB Rn.2; Staudinger 13 -Gtir.sky, §989 BGB Rn.21; ders., J Z 1997,1154 [1158]; aus rechtsvergleichender Sicht Kaehler, Bereicherungsrecht und Vindikation (1972), S. 147 Fn. 506; noch weitergehend für Beschränkung auf den reinen Substanzwert Westermann/Pinger, Sachenrecht I, 6. Auflage 1990, § 32 IV 2 a) [S.217]; anders dagegen, d.h. für vollen Ersatz Wieling, M D R 1972, 645 [646/647]; Klaus Müller, Sachenrecht (1997), Rn.542.

§10

Eigentümer-Besitzer-Verhältnisse

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Veräußerungserlös unter dem Verkehrswert der Sache liegt oder bereicherungsrechtliche Sekundäransprüche aus einem anderen Grund keinen vollen Ersatz bieten, vor allem weil der Besitzer durch §818 Abs. 3 BGB entlastet wird.47

II. Ausgleich von Restnachteilen des Besitzers Die wohl praktisch wichtigsten Restnachteile des Besitzers stellen Verwendungen dar, für deren Ersatz die §§994ff. BGB spezielle Regelungen bereithalten. Auf diese Regelungen soll im folgenden eingegangen werden. Streng genommen keine Verwendungen auf die Sache stellen die Kosten dar, die der Besitzer für die Gewinnung von Nutzungen hat aufbringen müssen. Die §§ 102,998 BGB ordnen ihren Ersatz ungeachtet der Redlichkeit oder Bösgläubigkeit des Besitzers an, soweit die Kosten unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten vertretbar erscheinen und den Wert der Früchte nicht übersteigen. Wertungsmäßig entspricht dieser Impensenersatz dem Ersatz notwendiger Verwendungen. Daher kann auf eigene Ausführungen zu den §§ 102, 998 BGB verzichtet und im wesentlichen auf das zu den notwendigen Verwendungen Gesagte verwiesen werden. 1. Ausgleich zugunsten des redlichen Besitzers Anders als beim redlichen Kondiktionsschuldner, der nach herrschender Meinung auch Erwerbskosten sowie Begleitschäden, die er infolge der Bereicherung in seinem übrigen Vermögen erlitten hat, im Rahmen des bereicherungsrechtlichen Nachteilsausgleichs geltend machen kann, wird ein derart umfassender Ausgleich beim redlichen Vindikationsschuldner ersichtlich nicht einmal diskutiert. Ebenfalls nicht diskutiert wird ein Ausgleich für Dispositionen des Besitzers, die nicht die Sache selbst betreffen, auch wenn sie im Vertrauen auf die Beständigkeit des Erwerbs getätigt worden sind. Vielmehr wird ein Ausgleichsbedarf grundsätzlich allein für Verwendungen anerkannt: Gemäß §§994 Abs. 1, 996 B G B kann der redliche Besitzer notwendige Verwendungen ganz, bloß nützliche wenigstens insoweit geltend machen, als der Wert der Sache durch sie noch bleibend erhöht ist, wenn der Eigentümer sie wiedererlangt. a) Der maßgebliche

Verwendungsbegriff

Dabei herrscht ein alter Streit, welcher Verwendungsbegriff den §§994ff. B G B zugrundezulegen ist. Einigkeit herrscht insoweit, als unter Verwendungen 47

Das kann er möglicherweise trotz seiner verschärften Haftung dann, wenn er hinsichtlich des Mangels seines Rechts nur grob fahrlässig ist, weil diesbezüglich der Maßstab von § 819 Abs. 1 BGB nicht mit demjenigen der §§990 Abs.l, 932 Abs.2 BGB übereinstimmt.

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Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche Schuldverhältnisse

grundsätzlich alle freiwilligen Vermögensopfer verstanden werden, die der Sache zugutekommen sollen, indem sie sie erhalten, verbessern oder wiederherstellen.48 Nach Auffassung der Rechtsprechung sollen jedoch solche Aufwendungen nicht als Verwendungen im Rechtssinn zu qualifizieren sein, welche die Sache in ihrer Substanz verändern und wesensmäßig umgestalten.49 Dieses Verständnis wird als „enger Verwendungsbegriff" bezeichnet, wohingegen der sogenannte „weite Verwendungsbegriff" auch Umgestaltungsverwendungen umfaßt.50 Der enge Verwendungsbegriff ist sehr einseitig auf den - zugegebenermaßen wichtigsten, aber nicht einzigen - Anwendungsfall des Baus auf fremdem Boden bezogen und zudem stark von rechtspolitischen Erwägungen getragen: Errichtet der unberechtigte Besitzer eines Grundstücks auf diesem ein Bauwerk, dann fällt das Eigentum am Bauwerk wegen §§ 94,946 BGB automatisch dem Eigentümer des Grundstücks zu. Wegen der hohen Summen, um die das Grundstück durch die Bebauung im Wert gestiegen ist, könnte der Eigentümer Verwendungsersatz oftmals nur leisten, indem er es veräußert, was wegen der besonderen Bedeutung von Grund und Boden als Vermögensbestandteil bedingt durch seine begrenzte Verfügbarkeit und die Einmaligkeit jedes Grundstücks - als besondere Härte empfunden wird.51 Indessen können die Summen, die auf dem Spiel stehen, kein Argument für die grundsätzliche rechtliche Einordnung sein. Ein solches Argument wäre denn sogar unter sozialstaatlichen Gesichtspunkten bedenklich, weil es denjenigen, der nur eine vergleichsweise geringwertige Sache sein Eigentum nennt, gegenüber dem Grundeigentümer schlechter stellte. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die §§ 946ff. BGB letztgültig festlegen, wann eine Sache aufgrund einer Umgestaltungsmaßnahme nicht mehr als dieselbe angesehen werden kann, sondern eine andere geworden ist.52 Ist keiner der dort angeführten Tatbestände der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung mit den entsprechenden Rechtsfolgen für die Eigentumsverhältnisse an der betreffenden Sache erfüllt, dann muß davon ausgegangen werden, daß alle werterhöhenden Maßnahmen

48 So - mit Unterschieden in der Formulierung - etwa RGZ 152, 100 [101/102]; BGHZ 10, 171 [177]; 34,122 [124]; 41,157 [160]; 68,323 [329]; 87,104 [106]; 109,179 [183]; NJW1996,921; Staudinger]3-Gwrsfc}>, vor §§994-1003 BGB Rn.4; MünchKomm3-Afe/iai.v, §994 BGB Rn.6, jeweils m.w.N. 49 Grundlegend BGHZ 10,171 [178]; 41,157 [1601]; BGH NJW 1954, 265; im wesentlichen zustimmend Waltjen, AcP 175 (1975), 109 [136f.]; Palandt57-Bassenge, vor §994 BGB Rn.5; Pinger, Funktion und dogmatische Einordnung des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, S. 101f.; Eichler, JuS 1965, 479 [480], 50 Vgl. den Sprachgebrauch bei Pinger, a.a.O., S. 98ff.; Staudinger13-Gu/-s&}>, vor §§ 994-1003 BGB Rn.5; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §74,1 3 [S.345f.]. 51 Bloßer Wiederaufbau eines zerstörten Gebäudes auf einem Grundstück soll keine Sachänderung sein, vgl. BGHZ 41, 341 [346], ebenso nicht die Errichtung einer Stützmauer zur Grundstückserhaltung, BGHZ 10, 171 [178], 52 Manfred Wolf, AcP 166 (1966), 188 [206],

§ 10

Eigentümer-Besitzer-Verhältnisse

339

auch Verwendungen im Rechtssinn sind.53 Im Grunde versucht die Rechtsprechung mit dem engen Verwendungsbegriff, die gesetzgeberische Entscheidung in §§94, 946 BGB zu korrigieren, wonach Bauwerke wesentliche Bestandteile des Grundstücks sind und diesem gegenüber als Nebensache angesehen werden müssen. 54 Man mag diese gesetzgeberische Entscheidung angesichts der Tatsache, daß die Baukosten in der Realität dem Grundstückspreis oft gleichkommen, für verfehlt halten, aber man hat sie hinzunehmen. Auch den berechtigten rechtspolitischen Bedenken läßt sich nicht dadurch gerecht werden, daß man am Verwendungsbegriff manipuliert. Denn worum es sich in Wahrheit handelt, ist ein Problem des Aufdrängungsschutzes, nicht des Verwendungsbegriffs. 55 Dabei muß in erster Linie entschieden werden, ob und inwieweit der Eigentümer auch gegenüber dem redlichen Besitzer überhaupt Aufdrängungsschutz genießen soll. In dem Umfang, in dem solcher Schutz geboten ist, muß er mit denselben oder ähnlichen Instrumenten bewirkt werden, die etwa auch bei der Aufwendungskondiktion dafür sorgen, daß der Bereicherte nicht durch Ausgleichsforderungen in seiner Dispositionsfreiheit unzumutbar beeinträchtigt wird.56 Denn diese Instrumente wären - anders als eine Verengung des Verwendungsbegriffs - in der Lage, die Interessen beider Beteiligter in angemessener Weise zu berücksichtigen. Den Ausgleich für Umgestaltungsverwendungen beim redlichen Besitzer gänzlich auszuschließen kann schon deswegen nicht die richtige Lösung sein, weil auch Herausgabeschuldner aus anderem Rechtsgrund jederzeit die Aufwendungskondiktionen gemäß §§951 Abs. 1 Satz 1, 684 Satz 1 BGB oder unmittelbar aus §812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB geltend machen können. Der redliche Besitzer, der ansonsten sehr weitreichende Privilegierungen genießt, wäre somit gegenüber dem Nichtbesitzer erheblich schlechter gestellt. Auch das Wegnahmerecht bietet dem Besitzer keinen hinreichenden Schutz, weil dieses gerade in den fraglichen Fällen, nämlich vor allem beim Bau auf fremdem Boden, meist wertlos ist.57 53 Das entsprach auch dem Begriffsverständnis des historischen Gesetzgebers, vgl. hierzu Motive II, S.394: „Dieses Recht wird von Belang, wenn durch die Verwendung eine Eigenthumserweiterung eingetreten ist, z.B. durch die unbefugte Errichtung eines Gebäudes (§§ 890, 782,785), während es in anderen Fällen sich von selbst versteht."; ähnlich Protokolle III, S. 353; auch die unterschiedliche Wortwahl in § 2381 Abs. 1 einerseits und Abs. 2 andererseits vermag mich entgegen Waltjen, AcP 175 (1975), 109,135ff. nicht vom Gegenteil zu überzeugen, zumal man den Unterschied auch dahingehend deuten kann, daß mit „Aufwendungen" in §2381 Abs. 2 B G B auch die nicht notwendigen Verwendungen gemeint sind. 54 So tendenziell wohl auch Pinger, Funktion und dogmatische Einordnung des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, S. 102, wenn er argumentiert, daß umgestaltende Veränderungen meist als Verarbeitung im Sinne von §950 B G B angesehen werden müßten. 55 Zutreffend etwa MünchKomm 3 -MeÄcf«, §994 B G B Rn.9; Jakobs, AcP 167 (1967), 356 [362], 56 MünchKomm 3 -Medicus, §994 BGB Rn. 10; hierzu vgl. die Ausführungen zum Problem der aufgedrängten Bereicherung, Drittes Kapitel, §9 II 3 [S.302ff.]. 57 Wenn der Bundesgerichtshof in der grundlegenden Entscheidung B G H Z 41,157 [164] die

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Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

Schuldverhältnisse

Aus den genannten Gründen ist davon auszugehen, daß der redliche Besitzer nach §996 BGB auch Ausgleich für solche Wertsteigerungen verlangen kann, die die Sache wesentlich verändert haben. Dabei dürfte der Zugrundelegung des weiten Verwendungsbegriffs gegenüber den zahlreichen anderen Lösungen, die zur Milderung der entstehenden Härten entwickelt worden sind, der Vorzug zu geben sein. Zu nennen sind hier vor allem die Ansätze von Waltjen, wonach in der Nutzung der umgestalteten Sache durch den Eigentümer eine konkludente Genehmigung zu sehen sei,58 der Ansatz Westermanns, wonach die §§951 Abs. 1 Satz 1, 812 im Prinzip neben den §§994ff. BGB gelten sollen, 59 sowie die Ausweichlösung des Bundesgerichtshofs, der im Einzelfall einen Ausgleich nach §242 BGB vorgenommen hat. 60 Ob diese Ansätze ganz oder teilweise durchaus praktikabel wären, kann so lange dahinstehen, wie bereits ein korrektes Verständnis des Verwendungsbegriffs - gleichsam eine Stufe früher ansetzend - zu einem dogmatisch überzeugenden und befriedigenden Ergebnis führt. 61 b) Problem des Aufdrängungsschutzes

bei §996 BGB

Wenn insbesondere im Bau auf fremdem Boden nicht ein Problem des Verwendungsbegriffs, sondern des Aufdrängungsschutzes liegen soll, dann muß natürlich auch eine Antwort darauf gegeben werden, ob und inwieweit Aufdrängungsschutz bei § 996 BGB tatsächlich zu gewähren ist. Dabei gilt es zu berücksichtigen, daß wegen § 993 Abs. 1 a.E. BGB Aufdrängungsschutz im Wege über Erbauerin auf ihr (im konkreten Fall ausgeschlossenes) Wegnahmerecht verweist und ausführt: „Das würde im vorliegenden Fall bedeuten, daß die Beklagte den Teil des Hochhauses, den sie auf die Grundstücke der Klägerin hinübergebaut hat, abbrechen und die dabei freiwerdenden Baustoffe wegnehmen und anderweitig verwenden dürfte.", dann klingt das für jeden, der sich eine bildliche Vorstellung von Bau und Abriß eines Hochhauses machen kann, wie Hohn. 58 Waltjen, AcP 175 (1975), 109 [140ff.]; dagegen hält Medicus, Bürgerliches Recht, Rn.896 für zutreffend, daß der Eigentümer oft nur die Möglichkeit habe, die Sache entweder in ihrer umgestalteten Form oder aber überhaupt nicht zu nutzen, so daß der quasi erzwungenen Nutzung kein Erklärungswert beigemessen werden könne; siehe zum Ansatz von Waltjen eingehender unten, III 1 b) [S.351f.]. 59 Westermann, Sachenrecht (5. Auflage 1966), § 33 13 b [S. 158f.]; ähnlich auch Jakobs, AcP 167 (1967), 350 [370ff.]. Dem stimmen mit unterschiedlichen Argumenten etwa zu Medicus, Bürgerliches Recht, Rn.897; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §741 3 [S. 346]; Koppensteiner/ Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 20 III 3 d) [S. 207ff.]; Eike Schmidt, AcP 175 (1975), 165 [172]; Staudinger "-Lorenz, vor §§812ff. BGB Rn.43. 60 So die wegweisende und vielkritisierte Entscheidung B G H Z 41,157 [165f.]. Das Gericht stützte diesen Ausgleichsanspruch auf die Tatsache, daß der Erbauerin von Gebäuden auf fremdem Grund im konkreten Fall das Wegnahmerecht nach § 22 des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes vom 31.03. 1953 verwehrt war. Der Gedanke, daß jemand, der von einer ihm nach allgemeinen bürgerlichrechtlichen Vorschriften zustehenden Befugnis keinen Gebrauch machen kann, angemessen entschädigt werden muß, sei dem geltenden Recht immanent. 61 So auch die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Canaris, J Z 1996, 344 [348]; MünchKomm 3 -MeÄCT«, §994 BGB Rn.10; Staudiger13-G«r?A:>>, vor §§994-1003 BGB Rn.7; Manfred Wolf., AcP 166 (1966), 188 [199ff.]; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 11 C IV 1 [S. 103],

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341

§§823ff., 249 Satz 1 oder §1004 Abs.l BGB praktisch nicht zu erreichen ist.62 Als geeignetes Mittel bietet sich daher nur die Zugrundelegung eines subjektiven Wertbegriffs an, d.h. die Zugrundelegung desjenigen Wertes, dessen Realisierung dem Eigentümer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zugemutet werden kann. Die Frage nach Aufdrängungsschutz ist damit letztlich identisch mit der Frage, ob der Begriff der Werterhöhung bei §996 BGB objektiv oder subjektiv zu verstehen ist. aa) Meinungsstand

in der

Literatur

Der Gesetzeswortlaut legt zunächst eine objektive Deutung nahe. Denn erstens ist in § 996 BGB die Rede nur vom Wert der Sache, nicht hingegen von ihrem Wert gerade für den Eigentümer oder einer ähnlichen Bezugnahme auf dessen Person. Das Wortlautargument wiegt umso schwerer, als ja in § 997 Abs. 2 Alt. 3 B G B ausdrücklich von einem „Wert für ihn" die Rede ist.63 Zweitens aber - und dieses Argument dürfte das eigentlich schlagende sein - ist es nur für eine objektive Werterhöhung plausibel, daß sie ganz oder teilweise wegfallen kann, bis der Eigentümer die Sache wiedererlangt, wie die Formulierung „insoweit verlangen, als ... noch zu der Zeit erhöht ist..." impliziert: Die subjektive Werterhöhung läßt sich nämlich zu diesem Zeitpunkt überhaupt erst feststellen. Diese objektive Deutung wird denn auch von einem Teil der Literatur vertreten. 64 Der wohl überwiegende Teil jedoch hat sich der Auffassung von Medicus angeschlossen, wonach bei der Bestimmung des Wertes maßgeblich auf die Nützlichkeit für den Eigentümer abzustellen sei.65 Die dafür gegebene Begründung mit der Gesetzgebungsgeschichte 66 ist allerdings schon im Ansatz nicht überzeugend, weil sich den Materialien nur entnehmen läßt, daß der Verkaufswert dann nicht maßgeblich sein solle, wenn die Sache mit anderen Vermögensgegenständen des Eigentümers zusammengehört und ihre Veräußerung daher auch diese Gegenstände entwerten würde. 67 Triftiger erscheint auf den ersten Blick das Argument, die Interessenlage sei hier derjenigen in Fällen aufgedrängter Bereicherung vergleichbar. 68 62 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §72 IV 3 b) [S.289]; MünchKomm3-Med/cMS, §1004 BGB Rn.64; Fritz Baur, AcP 160 (1961), 465 [491 ff.]; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 12 IV 1 c) [S. 113]. 63 So zutreffend Staudinger13-Gwrsfcy, § 996 BGB Rn.6. 64 So vor allem Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §72 IV 3 b) [S.289]; Staudinger 13 -Gurifcy, §996 BGB Rn.5ff. mit umfangreichen Nachweisen. 65 MünchKomm 3 -Med;ci«, §996 BGB Rn.5; ebenso bzw. auf gemischt subjektiv-objektive Kriterien abstellend Jakobs, AcP 167 (1967), 350 [359]; Haas, AcP 176 (1976), 1 [26]; Wieling, Sachenrecht I, §12 V 4 b [S.589]; Erman 9 -Hefermehl, §996 BGB Rn.2; PalandX 51 -Bassenge, §996 BGB R n . l . 66 MünchKomm 3 -Medi'ci«, §996 BGB Rn.5 mit §994 BGB Rn.2 und 4; Wieling, Sachenrecht I, § 12 V 4 b) bb) [S.588f.]; Jakobs, AcP 167 (1967), 350 [358], 61 Mit Recht gegen die Begründung auch Staudinger13-G«rsfc_y, §996 BGB Rn.7f. 68 Palandt57-Bassenge, § 996 BGB Rn. 1; MünchKomm 3 -A/e^ci«, § 996 BGB Rn. 12.

342 bb)

Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

Schuldverhältnisse

Stellungnahme

Genau dies ist indessen eine blanke Behauptung, die in verschiedener Hinsicht nicht zu befriedigen vermag. Zunächst erwecken der Hinweis auf die Regeln der aufgedrängten Bereicherung oder ähnliche Formulierungen den Eindruck, daß es sich dabei um ein feststehendes Rechtsinstitut handele. In Wahrheit wird mit dem Schlagwort der aufgedrängten Bereicherung aber kaum mehr als ein Problem umschrieben, und zwar ein Problem, das nicht nur im Bereicherungsrecht auftritt, sondern immer dann, wenn Vergütung für einen zugeflossenen Vermögensvorteil geschuldet sein könnte. Sodann aber ist es alles andere als evident, daß die Abwägung zwischen den Interessen des gewinnenden und denen des verlierenden Teils bei jeder Anspruchsgrundlage in der gleichen Weise zu erfolgen habe. Wie es im Dritten Kapitel zu den Aufwendungskondiktionen auch richtigerweise geschehen ist, müßte vielmehr in einem ersten Schritt ermittelt werden, ob und wieviel Aufdrängungsschutz gerade bei § 996 BGB überhaupt gewährt werden soll. Wenn bei den Aufwendungskondiktionen festgestellt werden konnte, daß es normalerweise an einem besonderen Vertrauenstatbestand zugunsten des verlierenden Teils fehlt und daher den Interessen des gewinnenden Teils Beachtung geschenkt werden muß,65 ist dies beim redlichen Besitzer anders. Denn sein Vertrauen darauf, daß der ausgeübte Besitz ein berechtigter ist, wird von den §§987ff. BGB in vielfältiger Weise geschützt und auch und gerade §996 BGB ist Ausdruck dieses Vertrauensschutzes.70 Nur die Auffassung, wonach der Begriff der Werterhöhung auf den objektiven Verkehrswert bezogen ist, läßt sich in die vom Gesetz geschaffene Hierarchie unterschiedlicher Schutzintensitäten einpassen, wonach dem redlichen Bereicherungsschuldner, dem redlichen Erbschaftsbesitzer, dem redlichen Vindikationsschuldner und schließlich dem redlichen Verwender, den mit dem anderen Teil kein entsprechendes Rechtsverhältnis verbindet, ein abgestuftes Maß an Vertrauensschutz zuteil wird: Der redliche Bereicherungsschuldner kann nach der Abschöpfungstheorie alle Vertrauensschäden, nach der Restitutionstheorie jedenfalls alle objektbezogenen geltendmachen,71 der redliche Erbschaftsbesitzer gemäß §2022 BGB alle Verwendungen sowie bestimmte objektbezogene Aufwendungen. Derjenige Verwender, den überhaupt kein Vertrauenstatbestand schützt, hat immerhin die Verwendungs- oder Aufwendungskondiktion, und zwar dies gemäß §§687 Abs. 2, 684 Satz 1 BGB sogar dann, wenn er vorsätzlich unberechtigt gehandelt hat, sofern der andere Teil die Vermögensmehrung realisieren will.72 Möchte man nun den redlichen Vindikationsschuldner in dieses System 69 70 71 72

Siehe Drittes Kapitel, §9 II 3 a) cc) [S.305f.]. Zutreffend die Analyse von S t a u d i n g e r ^ - G u r a ^ , §996 BGB Rn.8. Vgl. hierzu Drittes Kapitel, §7 II 3 [S.274ff.]. Vgl. hierzu Canaris, J Z 1996, 344 [346],

§ 10

Eigentümer-Besitzer-Verhältnisse

343

einordnen, dann wird deutlich, daß er wertungsmäßig dem Erbschaftsbesitzer viel näher steht als demjenigen, der nur die Verwendungs- oder Aufwendungskondiktion hat.73 Jedenfalls gebührt ihm im Vergleich zu letzterem, der ja gemäß §§951 Abs. 1 Satz 1, 812 BGB Verwendungsersatz bis zur Höhe der subjektiv zu ermittelnden Wertsteigerung verlangen kann, ein deutlich höheres Schutzniveau, woraus nahezu zwangsläufig folgt, daß der Begriff der Wertsteigerung bei § 996 BGB ein objektiver sein muß. Denn darin, daß überhaupt eine Obergrenze des Ersatzes aufgestellt ist, liegt ja bereits eine empfindliche Schlechterstellung gegenüber etwa dem Erbschaftsbesitzer oder gar dem Bereicherungsschuldner. Daß die Beschränkung des Verwendungsersatzes auf die objektive Wertsteigerung bereits die äußerste Grenze bezeichnet, bis zu der dem Eigentümer Schutz gewährt wird, findet eine gewisse Bestätigung in §§ lOOOff. BGB, und insbesondere in § 1003 BGB, weil danach der Besitzer die Veräußerung der Sache zum Zwecke seiner Befriedigung erzwingen kann.74 Wenn aber dem Eigentümer der Verlust der Sache im Wege des Pfandverkaufs oder der Zwangsversteigerung zugemutet werden kann, sofern er dem Besitzer Ersatz nicht leistet, dann ist auch anzunehmen, daß er bereits im Vorfeld notfalls auch die Veräußerung der Sache oder aber eine Umstrukturierung seines Vermögens in Kauf nehmen muß. 2. Ausgleich beim verschärft haftenden Besitzer Die Rechte des nicht redlichen Besitzers unterscheiden sich von denen des redlichen Besitzers nicht so sehr, was den Ersatz notwendiger Verwendungen anbelangt. Zwar verweist § 994 Abs. 2 BGB diesbezüglich auf die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag, so daß jeweils zu prüfen ist, ob die Vornahme der Aufwendungen gerade durch den Besitzer dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Eigentümers im Sinne von §683 BGB entsprach. Ist dies nicht der Fall, kann Ersatz gemäß § 684 Satz 1 BGB nur in Höhe der dem Eigentümer verbleibenden Bereicherung verlangt werden.75 Allerdings zeichnen sich notwendige Verwendungen ja gerade dadurch aus, daß sie jeder verständige, auf Erhaltung seiner Sache bedachte Eigentümer in der betreffenden Situation gleichfalls getätigt hätte, weil sie zur Erhaltung und ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Sache erforderlich sind und nicht nur den Sonderzwecken des Be73

Man kann schon den Gerechtigkeitsgehalt des unterschiedlichen Schutzstandards hinterfragen, vgl. Staudinger 13 -G«rsfcy, § 996 B G B Rn. 8; Hans Albrecht Fischer, in: Festschrift Zitelmann (1913), S. 1 [40]; doch sollte man die Unterschiede nicht noch zusätzlich dadurch verschärfen, daß man dem Eigentümer Aufdrängungsschutz gewährt. 74 Aus §§ 1000,1001 Satz 2 B G B heraus argumentiert dagegen Canaris, J Z 1996, 344 [348], 75 Dazu, daß die tatsächlich getätigten Aufwendungen die Obergrenze des Ersatzes bilden, vgl. Drittes Kapitel, §9 II 1 b) [S.300f.].

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Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

Schuldverhältnisse

sitzers dienen. 76 D a h e r werden sie auch nahezu immer entweder dem Willen des Eigentümers entsprechen oder zumindest dazu führen, daß der Eigentümer durch eigene Aufwandsersparnis bereichert ist.77 Eine Schlechterstellung ergibt sich bei notwendigen Verwendungen praktisch nur dann, wenn der Eigentümer die Sache entweder gar nicht mehr erhalten wollte oder aber die entsprechenden M a ß n a h m e n selbst bedeutend billiger hätte vornehmen können: Läßt der unberechtigte Besitzer das schadhafte Dach eines fremden Hauses durch einen Handwerker reparieren, dann kann es an einem entsprechenden subjektiven Vermögensvorteil des Eigentümers fehlen, wenn dieser das schadhafte Dach hätte abreißen und noch zwei Etagen aufstokken wollen oder wenn er durch die eigene Baufirma die Reparatur für die Hälfte der Kosten hätte vornehmen können. D e r Anspruch aus §§994 Abs. 2, 684 Satz 1 B G B geht dann nur auf einen entsprechenden Betrag oder entfällt gegebenenfalls ganz. D e r maßgebende Unterschied zwischen den Verwendungsersatzansprüchen vor und nach Eintritt der verschärften H a f t u n g liegt vielmehr jedoch in der Regelung über den Ersatz nützlicher Verwendungen, weil § 996 B G B dem insofern klaren Wortlaut nach einen Anspruch des Vindikationsschuldners selbst dann ausschließt, wenn die Sache erheblich an Wert gewonnen hat. A n der Tatsache, daß der bösgläubige Besitzer auch nicht in eingeschränktem U m f a n g Verwendungsersatz im Sinne der §§ 994ff. B G B verlangen kann, sofern der Eigentümer die M a ß n a h m e n nicht genehmigt, ist angesichts der eindeutigen Gesetzeslage nicht vorbeizukommen. O b ihm wenigstens andere Ausgleichsmechanismen zu Hilfe kommen, wird weiter unten zu erörtern sein. 78 3. V e r w e n d u n g s e r s a t z aus allokatorischer Sicht Was die Verwendungsersatzansprüche des Besitzers anbelangt, so sind sie für die allokatorische Betrachtung in zweierlei Hinsicht interessant. Beachtenswert ist zum einen die Tatsache, daß es sich dabei wiederum um Ausprägungen reinen Wertausgleichs handelt, und zum anderen, daß der Ausgleich den Grundsätzen des Statikprinzips folgt: Z u m Ausgleich gebracht wird hier der Restnachteil des Besitzers mit einem korrespondierenden Restvorteil des Eigentümers. Was die Merkmale im übrigen betrifft, ist die Lage im wesentlichen derjenigen bei den 76 R G Z 1 3 9 , 3 5 3 [357]; BGHZ131,220 [222/223]; B G H NJW1996,921 [922]; NJW-RR1996, 336 [337]; Palandt 5 7 -ßajsenge, §994 BGB R n . l ; MünchKomm 3 -Med;'c«i, §994 BGB Rn.16 m.w.N.; zu Einzelfällen eingehend Staudinger 13 -G«rsfcy, §994 BGB Rn. 9. 77 Dagegen ist hinsichtlich der Abgrenzung zwischen nützlichen und notwendigen Verwendungen nicht von vorneherein auf die subjektive Zweckbestimmung des Eigentümers abzustellen, weil die subjektiven Vorstellungen des Eigentümers erst bei § 994 Abs. 2 BGB relevant werden, vgl. mit weiteren Argumenten MünchKomm 3 -A/edi'cwi, § 994 BGB Rn. 15; ders., Bürgerliches Recht, Rn. 879; Staudinger 13 -GursAy, §994 BGB Rn.7. 78 Dazu sogleich unter III 1 [S.349ff.].

§ 10

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Aufwendungskondiktionen vergleichbar, so daß auch auf die entsprechenden Ausführungen des Dritten Kapitels verwiesen werden kann. Die folgende Betrachtung darf sich daher auf eine Stimmigkeitskontrolle beschränken. a) Ausprägung des

Statikgedankens

D e r innere Grund für die Gewährung von Verwendungsersatz kann nur teilweise im Grundsatz des Vertrauensschutzes liegen. 79 D e n n dieser vermag zwar die Abstufung zwischen den Rechten des redlichen und denen des bösgläubigen Verwenders zu erklären, nicht jedoch, warum Verwendungsersatz überhaupt geschuldet ist, weil ja zumindest der Ersatz notwendiger Verwendungen des bösgläubigen Besitzers gemäß § 994 Abs. 2 B G B wohl nicht auf Gründen des Vertrauensschutzes beruhen kann. D e m Verwendungsersatz liegt auch nicht der G e d a n k e zugrunde, daß der Verwendungserfolg wirtschaftlich dem Besitzer eher als dem Eigentümer zugewiesen wäre, weil er auf seiner Investitionsentscheidung beruht. 8 0 Dies erstens deswegen, weil sich Verwendungen nicht immer in einem gegenständlichen Substrat niederschlagen, das einer Person zugewiesen sein könnte, und ferner, weil doch der Zuweisung an den Besitzer wohl die stärkere dingliche Zuweisung an den Eigentümer vorgeht. Vielmehr dürfte es wiederum der G e d a n k e sein, daß dem Besitzer kein Restnachteil aus einer M a ß n a h m e erwachsen soll, die dem Eigentümer zu einem Restvorteil verhilft, und umgekehrt. 8 1 D a ß die Regelungen über den Verwendungsersatz wertungsmäßig auf dem Zusammenhang zwischen Nachteil des Besitzers und Vorteil des Eigentümers beruhen, wird noch dadurch zusätzlich unterstrichen, daß eine Korrelation auch in quantitativer Hinsicht besteht, indem nach §996 B G B Ausgleich nur bis zur H ö h e der bleibenden Wertsteigerang verlangt werden kann. Allerdings nimmt es das Gesetz bei notwendigen Verwendungen eines redlichen Besitzers durchaus in Kauf, daß ein Ausgleich des Restnachteils auch insoweit stattfindet, als er den Restvorteil des Eigentümers in concreto ausnahmsweise übersteigt. Das ist zwar nicht schon dann der Fall, wenn der Eigentümer die M a ß n a h m e billiger hätte vornehmen lassen können oder die Sache gar nicht mehr erhalten wollte: Eine Vermögensmehrung ist ja objektiv eingetreten, und daß der Eigentümer sie subjektiv nicht als Vorteil empfindet, ist allein ein Problem des Aufdrän19 Zum Vertrauensschutzgedanken als Grundlage des Verwendungsersatzes etwa Staudinge r n - G u r s k y , §996 BGB Rn.8. 80 In diese Richtung weisen oft Äußerungen, die in Zusammenhang mit der Frage gemacht werden, ob bei Bau auf fremdem Boden die Wertsteigerungen dem Verwender oder dem Eigentümer zugewiesen seien, vgl. etwa Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 72 III 5 d) [S. 284]. 81 Es ist dies letztlich dasselbe, was Canaris hinsichtlich des Aufwendungsersatzes mit dem Prinzip des „Begünstigungsausgleichs" meint; vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht (1971), S.472f. mit Fn.22; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn.879 (vorletzter Absatz), meint darüber hinausgehend, daß der redliche Besitzer vor jedem Verlust aus der unrechtmäßigen Besitzerrolle bewahrt werden müsse, auch wenn dies zulasten des Eigentümers geht.

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Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

Schuldverhältnisse

gungsschutzes. Zu einer Diskrepanz kommt es indessen dann, wenn der Besitzer die Maßnahmen zu einem ungewöhnlich hohen Preis hat vornehmen lassen oder wenn die Maßnahmen fehlgeschlagen sind, weil auch eine objektive Vermögensmehrung beim Eigentümer ausbleibt. Viel Bedeutung wird man dem allerdings nicht beimessen dürfen. Denn notwendige Verwendungen sind ja dadurch gekennzeichnet, daß sie jeder verständige und auf Erhaltung der Sache bedachte Eigentümer auch vorgenommen hätte. 82 Es besteht also bei fehlgeschlagenen oder überteuerten Maßnahmen eine Vermutung, daß sie auch der Eigentümer selbst in gewissem, vielleicht sogar in noch größerem Umfang vorgenommen hätte, daß er auch insoweit also etwas erspart hat. Wenn das Gesetz hier eine typisierende Betrachtung anlegt, dann steht dies zum Statikgedanken nicht in Widerspruch. 83 b) Verwendungsersatz

als Wertausgleich

Von den Aufwendungskondiktionen unterscheiden sich die Vorschriften über den Verwendungsersatz nur scheinbar dadurch, daß diese sich eher am Restnachteil des Schuldners orientieren, während jene verstärkt auf den Restvorteil des Gläubigers abstellen, wobei sich die Bezeichungen „Schuldner" und „Gläubiger" auf den jeweils übergeordneten Primäranspruch beziehen. Es konnte im Dritten Kapitel gezeigt werden, daß in Wahrheit auch die Aufwendungskondiktionen keine Vorteilsausgleichung, sondern eine reine Nachteilsausgleichung darstellen, die lediglich zulasten des Aufwendenden durch die zusätzliche Beschränkung auf die Bereicherung des gewinnenden Teils geschwächt ist. Diese funktionelle Gemeinsamkeit läßt es naheliegend erscheinen, daß auch der Ausgleichstypus identisch ist. aa) Fehlender

Surrogatcharakter

Für das Vorliegen eines reinen Wertausgleichs spricht zunächst, daß die §§ 994ff. BGB auch nicht idealiter auf gegenständliche Rückgängigmachung gerichtet sind, so daß den Ersatzleistungen des Eigentümers keinerlei Surrogatcharakter anhaftet. Daran vermag das Wegnahmerecht des Besitzers nach § 997 BGB nichts zu ändern. Denn erstens handelt es sich dabei um einen Duldungsanspruch gegen den Eigentümer, nicht um einen Zahlungsanspruch, so daß Wegnahmerecht und Verwendungsersatz schon insofern ganz unterschiedliche Rechtsbehelfe des Besitzers darstellen und sich Rückschlüsse vom einen auf die 82 Der Entscheidung B G H NJW-RR 1996,336 [337] läßt sich fernerpassim entnehmen, daß von einer notwendigen Verwendung wohl nicht gesprochen werden kann, wenn an einem an sich erhaltungsfähigen Haus eine notwendige Reparatur durchgeführt wird, dieses Haus aber konkret zum Abbruch vorgesehen war. 83 Vgl. B G H Z 131, 220 [223], wonach sich das Gesetz hier für Verlustabwälzung, nicht für Abschöpfung einer Bereicherung entschieden habe.

§ 10

Eigentümer-Besitzer-Verhältnisse

347

Rechtsnatur des anderen nicht ziehen lassen. Sodann aber ist zu beachten, daß der Eigentümer die Ausübung des Wegnahmerechts abwenden kann, indem er dem Besitzer gemäß § 997 Abs. 2 Alt. 3 B G B eine Geldsumme in H ö h e des Wertes ausbezahlt, den der Bestandteil nach der Abtrennung für ihn haben würde. D e r Besitzer kann also nicht einmal insofern auf gegenständlicher Herstellung bestehen. Dies deutet darauf hin, daß nicht hilfsweise eine Geldzahlung an die Stelle der „eigentlich" geschuldeten Duldung der Wegnahme, sondern umgekehrt Duldung der Wegnahme hilfsweise an die Stelle der „eigentlich" geschuldeten Geldzahlung tritt. bb) Abhängigkeit

von einer wertenden Abwägung im Einzelfall?

O b und inwiefern es für die Entscheidung über die H ö h e des Verwendungsersatzes auf eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ankommen soll, ist auf den ersten Blick nicht ganz einfach zu erkennen. Freilich wird eine gewisse A b wägung zwischen Schuldner- und Gläubigerinteressen schon allein durch die Differenzierung zwischen notwendigen und bloß nützlichen Verwendungen vorgenommen, doch ist der dabei anzulegende Maßstab so weit typisiert, daß sich Rückschlüsse auf den vorliegenden Ausgleichstypus kaum ziehen lassen. Eine echte Einzelfallabwägung erfolgt demgegenüber beim Ersatz notwendiger Verwendungen eines verschärft haftenden Besitzers gemäß §994 Abs. 2 BGB, hinsichtlich dessen auf die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag verwiesen wird: D e n n im R a h m e n dieser Vorschriften ist konkret zu prüfen, ob die Vornahme der Aufwendungen gerade durch den Besitzer dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Eigentümers im Sinne von § 683 B G B entsprach, sowie - falls dies nicht der Fall sein sollte - bis zu welcher H ö h e dem Eigentümer eine Realisierung des erlangten Vermögenszuwachses im Sinne von § 684 Satz 1 B G B zuzumuten ist. D a r ü b e r hinaus ist für eine Abwägung im Einzelfall wenig Raum. Z u erwägen ist allerdings, ob nicht der Wert von Sachaufwendungen des Besitzers generell nach subjektiven Kriterien bestimmt werden muß, was wiederum eine gewisse Einzelfallwertung erfordern würde. Hat etwa der Besitzer die f r e m d e Sache mit eigenem Lack ausgebessert, den er übrig hatte und der anderenfalls verdorben wäre, dann stellt sich die Frage, ob er dennoch den vollen Verkehrswert des verwendeten Materials in Rechnung stellen kann, oder ob eine Abwägung stattzufinden hat, in welchem U m f a n g eine spürbare Vermögenseinbuße vorliegt. Überzeugender erscheint die zuletzt genannte Lösung, weil dem Besitzer Ausgleich gemäß §§994ff. B G B nur aus Billigkeitsgründen gewährt wird und verhindert werden soll, daß er durch sein schutzwürdiges Vertrauen wirtschaftliche Nachteile davonträgt. 8 4 Daher ist eine subjektive Methode der Werter84 Man könnte zunächst geneigt sein, eine Parallele zu §249 Satz 2 B G B zu ziehen, wo der Geschädigte nach herrschender Meinung in der Verwendung des Betrags frei ist. Wie dort

348

Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

Schuldverhältnisse

mittlung hier vorzugswürdig, 85 doch dürfte die praktische Relevanz dieser Erkenntnis gering sein. cc) Der maßgebliche

Zeitpunkt

Was schließlich den für die Wertermittlung maßgeblichen Zeitpunkt anbelangt, so kann im wesentlichen auf die Ausführungen verwiesen werden, die an entsprechender Stelle zu den Aufwendungskondiktionen gemacht worden sind.86 Wie dort sprechen die besseren Argumente dafür, als maßgeblichen Zeitpunkt denjenigen der Erfüllung des Primäranspruchs oder der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung anzusehen. Dafür spricht beim Verwendungsersatz zusätzlich die entsprechende Entscheidung, die der Gesetzgeber in § 996 BGB getroffen hat und der entnommen werden kann, daß es allgemein für die Beurteilung der Wertverhältnisse auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem der Eigentümer die Sache wiedererlangt.

III. Weitergehender Ausgleich von

Reststörungen?

Das von der Rechtsprechung gerne propagierte Ausschließlichkeitsdogma, wonach die §§987ff. BGB hinsichtlich der wechselseitigen Ausgleichung von Vorteilen und Nachteilen grundsätzlich abschließend zu verstehen seien, 87 gibt der Fragestellung nach ergänzenden Ausgleichsmechanismen eine heikle Note. Indessen beruht die sogenannte Ausschließlichkeit der §§987ff. BGB zum einen auf dem Grundsatz lex specialis derogat lege generali und zum anderen auf der Überlegung, daß die vom Gesetzgeber in den §§987ff. BGB vorgesehene und bis in Einzelheiten durchdachte Interessenabwägung nicht auf dem Umweg über konkurrierende Anspruchsgrundlagen unterlaufen werden dürfe. 88 Der erstgenannte Aspekt vom Vorrang der spezielleren Norm kann jedoch nur greikönnte man argumentieren, die Sparsamkeit des Ausgleichsberechtigten solle prämiert werden und es müsse ihm überlassen bleiben, wie er den Betrag verwendet, der normalerweise für eine entsprechende Reparatur auf dem Markt zu zahlen gewesen wäre. Indessen wäre eine solche Argumentation hier nicht angemessen. Denn beim Geldersatz gemäß §249 Satz 2 BGB hätte der Geschädigte vom Schädiger ja auch gegenständliche Wiederherstellung verlangen können, während der Besitzer gegen den Eigentümer naturgemäß nie einen Anspruch auf Vornahme der entsprechenden erhaltenden oder verbessernden Maßnahmen gehabt hat. 85 So wohl auch MünchKomm 3 -Medicus, §994 BGB Rn.20 passim. 86 Hierzu Drittes Kapitel, §9 III 2 c) [S.312ff.]. 87 B G H Z 39, 186 [189]; 41, 157 [158]; 41, 341 [346]; B G H W M 1973, 560 [563]; 1983, 393 [394]; NJW 1996, 52; offengelassen in B G H Z 64, 333 [339], 88 Zustimmend etwa Waltjen, AcP 175 (1975), 109 [133f.]; Haas, AcP 176 (1976), 1 [16ff.]; Wieling, Sachenrecht I, § 12 V 6 [S.591 f.]; SoergeF-MüM, vor § 994 BGB Rn. 3; Staudinger 13 Gursky, vor §§994-1003 BGB Rn.39; R G R K n - P i k a r t , §996 BGB Rn.8; Palandt"-ßavve«, ? e. vor § 994 BGB Rn. 2; beschränkt auf die Eingriffskondiktion etwa Köbl, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im Anspruchssystem des BGB, S.300.

§10

Eigentümer-Besitzer-Verhältnisse

349

fen, wenn derselbe Regelungsgegenstand betroffen ist, und auch die entworfene Interessenabwägung unterliegt allgemeinen Rechtsprinzipien. Damit ist ein gewisser Freiraum abgesteckt, innerhalb dessen die Frage nach ergänzenden Ausgleichsmechanismen legitim bleibt. 1. Ausgleich von Restvorteilen des Eigentümers Es ist bereits weiter oben festgestellt worden,89 daß aufgrund der besonderen Struktur des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses sowie der engen wechselseitigen Verschränkung seiner Bestimmungen die Restvorteile des Eigentümers vielfach spiegelbildlich den Restnachteilen des Besitzers entsprechen. Das ist vor allem der Fall, wenn der Besitzer Verwendungen auf die Sache macht. Insoweit, als solche Verwendungen nach §§994ff. BGB ersetzt werden, wird damit also zugleich ein Ausgleich von Restvorteilen des Eigentümers vorgenommen, so daß auf diese Mechanismen hier nicht noch einmal eingegangen werden muß. Nicht zum Ausgleich gelangen Restvorteile des Eigentümers freilich, wenn man mit der Rechtsprechung sogenannte Umgestaltungsverwendungen vom Verwendungsersatz ausnimmt, wobei diese Einschränkung schon weiter oben verworfen wurde. Unausgeglichen bestehen bleiben Restvorteile des Eigentümers auch, soweit der bösgläubige Besitzer nach § 996 BGB Ersatz für andere als notwendige Verwendungen nicht verlangen kann. Für die vorliegende Betrachtung ist die Frage deswegen von eminenter Wichtigkeit, weil die Versagung eines Ausgleichs eine Durchbrechung des Statikprinzips bedeuten könnte. Gerade in diesem Punkt hat die Rechtsprechung entgegen der Kritik der Literatur 90 das Ausschließlichkeitsdogma streng gehandhabt und erneut bekräftigt, daß die §§994ff. BGB hinsichtlich Aufwendungen des Besitzers eine abschließende Sonderregelung darstellten91 und der Eigentümer den Mehrwert ersatzlos behalten dürfe. a) Die entstehenden

Wertungswidersprilche

Daß der völlige Ausschluß von Verwendungsersatzansprüchen des bösgläubigen oder verklagten Besitzers Zweifeln begegnen muß, liegt vor allem daran, daß sowohl ein Vergleich mit den Rechten des nicht besitzenden Verwenders als auch mit denen des berechtigt Besitzenden sowie des angemaßten Eigengeschäftsführers untragbare Wertungswidersprüche aufdeckt. 89

Siehe oben, I 3 c) [S.335], Vgl. Canaris, J Z 1996, 344 [346ff.]; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn.897; Staudinger 13 Lorenz, vor §§ 812ff. BGB Rn.43; Pinger, Funktion und dogmatische Einordnung des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, S. llOff.; Esser/Weyers, Schuldrecht II, §52 I 4 c) [S.516]; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, §20 III 3 [S. 204ff.]; Jakobs, AcP 167 (1967) 350 [370ff.]; Reimer, Die aufgedrängte Bereicherung (1990), S. 154. 91 Vgl. nur B G H NJW 1996, 52. 90

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Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

aa) Vergleich mit dem nicht besitzenden

Schuldverhältnisse

Verwender

Der nicht besitzende Verwender, auf den die §§ 994ff. BGB ja nicht anwendbar sind, kann ungehindert Ausgleich nach den Grundsätzen der Aufwendungskondiktion suchen. Es besteht aber eine allgemeine Tendenz des Bürgerlichen Gesetzbuchs, den Besitzer gegenüber demjenigen zu bevorzugen, der nicht einmal die tatsächliche Herrschaft über die Sache ausübt. Diese Tendenz kommt in zahlreichen Vorschriften zum Ausdruck, so etwa in §§ 859ff., 932ff., 937ff., 1006, 1007 BGB und nicht zuletzt natürlich auch in den §§987ff. selbst. 92 Mit dieser Bevorzugung des Besitzers wäre es schwer vereinbar, ihn in einem wesentlichen Punkt schlechter zu stellen als den Nichtbesitzer. 93 Nun mag man dagegen einwenden, daß der Ausschluß ja nur den Bösgläubigen treffe, daß dieser nicht schutzwürdig sei und daß der Wertungswiderspruch zum nicht besitzenden Verwender dahingehend gelöst werden müsse, daß man die Sperre des §996 BGB analog auf die Aufwendungskondiktion überträgt. 94 Dem steht indessen wieder ein Wertungsvergleich mit § 687 Abs. 2,684 Satz 1 BGB entgegen 95 sowie ferner, daß das Unwerturteil, das den bösgläubig unberechtigten Besitzer trifft, einen völligen Ausschluß der Ansprüche rechtsethisch nicht zu rechtfertigen vermag. Dies umso mehr, wenn man bedenkt, daß § 990 BGB schon bei grob fahrlässiger Verkennung der Rechtslage eingreift und daß auch das Wissen von Hilfspersonen bei Besitzerlangung zugerechnet wird. 96 Der Hinweis darauf, daß der Eigentümer das Risiko eines zufälligen Schadens zu tragen habe und ihm daher nach dem Satz cuius estpericulum eius et commodum esse debet auch die Vorteile gebührten, 97 ist m. E. ganz verfehlt, weil jeder Beteiligte eines Rechtsverhältnisses irgendwelche Risiken zu tragen hat und er daraus ein Recht auf bestimmte Vorteile nur dann ableiten kann, wenn sich in diesen Vorteilen gerade diejenige Gewinnchance realisiert hat, die der Verlustgefahr entspricht, die dem betreffenden Risiko innewohnt. 98 bb) Vergleich mit dem berechtigten

Besitzer

Auch der Vergleich mit dem berechtigten Besitzer fördert gewisse Wertungswidersprüche zutage. So hängt es oftmals nur an Geringfügigkeiten, ob ein Miet92 Anders freilich Pinger, Funktion und dogmatische Einordnung des Eigentümer-BesitzerVerhältnisses, S. 15ff., der die §§ 987ff. BGB als mindestens teilweise Haftungsverschärfung gegenüber den allgemeinen Vorschriften auffaßt; wie hier dagegen die herrschende Meinung, vgl. die Nachweise bei Staudinger13-Gw™fcy, vor §§987-993 BGB Rn.4f. 93 Medicus, Bürgerliches Recht, Rn.897; Canaris, J Z 1996, 344 [347], 94 So in der Tat Staudingerl3-Gwr.sA:y, vor §§994-1003 B G B Rn.39 [S.225] m.w.N. 95 Überzeugend Canaris, J Z 1996, 344 [347], 96 Der Ausschluß jeglicher Ansprüche käme einer unangebrachten Privatstrafe gleich, so MünchKomm 3 -Med/a«, §996 BGB R n . l l . 97 So aber Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §20 III 3 b) aa) [S.700f.]. 98 Canaris, J Z 1996, 344 [347]; MünchKomm 3 -Me, § 818 BGB Rn. 59ff., der aber a.a.O. im Ergebnis doch für eine Verteilung nach Risikogesichtspunkten plädiert. 207 So insbesondere B G H Z 116, 251 [256f.]. 208 Vgl. die positive Bewertung von Martinek, EWiR §818 B G B 1/92 [S.344]: „... goldene Worte, die ein Gefühl tiefer Befriedigung über die jedenfalls langfristige praktische Wirkung rechtswissenschaftlicher Bemühungen vermitteln."

386

Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

Schuldverhältnisse

bb) Der Ansatz von Canaris Bezüglich der Aufwendungen, die der Empfänger der Sachleistung im Hinblick auf dieselbe tätigt, will dagegen Canaris die Grundsätze der Nachteilsausgleichung unverändert heranziehen, weil der Empfänger die Aufwendungen in der Annahme mache, daß ihm die Sache verbleibe, und ihm daher nicht zusätzlich zu der Einbuße der Sache das Risiko auferlegt werden dürfe, daß seine Aufwendungen nutzlos waren oder werden. 209 Mir leuchtet das nicht ganz ein. Was zunächst notwendige oder zumindest wertsteigernde Verwendungen auf die Sache betrifft, so ist für § 818 Abs. 3 BGB kein Bedarf, weil der Bereicherungsschuldner dem Gläubiger insoweit eine Aufwendungskondiktion entgegenhalten kann. 210 Was aber nun frustrierte Aufwendungen betrifft, wirken sie sich bei wirtschaftlicher Betrachtung auch für denjenigen Empfänger, der die Sache behalten darf, nicht anders aus als etwa deren Verschlechterung. Im einen wie im anderen Fall ist er sich dessen bewußt, daß er die Gegenleistung endgültig verloren hat und sich durch sein zurechenbares Tun einen zusätzlichen Nachteil zufügt. Ähnliches gilt im Prinzip hinsichtlich Aufwendungen, die nicht eigentlich frustriert, aber auch nicht werterhöhend sind, so etwa beim Umbau der Sache für die persönlichen Zwecke des Empfängers. Denn zwar wird der Empfänger den Umbau subjektiv als sinnvoll betrachten, was aber nichts daran ändert, daß er ihn wirtschaftlich als Verlust empfinden muß, den er zusätzlich zur verlorenen Gegenleistung auf sich zu nehmen hat. Zu nennen sind hier vor allem Vertragskosten und ähnliche Aufwendungen: Wer einen fabrikneuen Wagen seinem persönlichen Geschmack entsprechend in mintgrün umlackieren läßt oder für seine Überführung zum Wohnort Transportkosten zu zahlen hat, der weiß, daß er damit einen Vermögensnachteil erleidet, dem kein entsprechend erhöhter Verkehrswert der Leistung gegenübersteht. Stichhaltig ist die Argumentation von Canaris allerdings, wenn man bedenkt, daß etwa der Käufer sich nach erfolgter Rückabwicklung vielleicht eine gleichartige Sache beschaffen muß und entweder infolge dieses neuen Kaufvertrags wiederum die gleichen Aufwendungen zu tätigen hat oder aber im Vertrauen auf den rückabgewickelten Vertrag auf ein anderes günstiges Angebot verzichtet hatte und nunmehr zu einem höheren Preis abschließen muß. 211 Der eigentliche Vertrauensschaden liegt in diesen Fällen aber nicht in der ursprünglichen Aufwendung, sondern in der neu209

LarenzJCanaris, Schuldrecht II/2, §73 III 6 c) [S. 333f.]; Canaris, in: Festschrift Lorenz (1991), S. 19 [46f.], 210 Insoweit wird man sich an §§ 994ff. orientieren müssen, vgl. Kohler, Die gestörte Rückabwicklung gescheiterter Austauschverträge, S.463ff., der §818 Abs.3 BGB bei Aufwendungen des Empfängers überhaupt nicht heranziehen will. 211 Darum geht auch die Argumentation von Diesselhorst, Die Natur der Sache als außergesetzliche Rechtsquelle, S. 112, 122 fehl, wonach der Empfänger das Verwendungsrisiko auch bei wirksamem Geschäft hätte tragen müssen.

§ 11

Räckabwicklungsverhältnisse

387

en, und stellt sich auch oft erst bei Tätigung der neuen Aufwendung heraus. So ist es im Beispielsfall ja durchaus denkbar, daß der Käufer zum gleichen Preis, wie er ihn für den ersten Wagen bezahlt hat, einen mintgrünen Wagen in angemessener Nähe zu seinem Wohnort angeboten bekommt. Es erscheint aber sehr zweifelhaft, ob der Käufer derartige, gleichsam außerhalb des ursprünglichen Vertragsverhältnisses erlittene Vertrauensschäden stets auf den Verkäufer soll abwälzen dürfen. cc)

Stellungnahme

M. E. sollte man den Empfänger der Sachleistung grundsätzlich auf die Aufwendungskondiktion und in dem schmalen Bereich, in dem Aufwendungen einen Vertrauensschaden darstellen, auf etwaige Ansprüche aus §122 Abs. 1 BGB, aus culpa in contrahendo usw. verweisen.212 Zwar mag es unbefriedigend erscheinen, daß ihm zusätzlich zu der Einbuße der Sache das Risiko auferlegt wird, daß seine Aufwendungen nutzlos sind oder werden. Es erscheint aber nicht minder unbefriedigend, dieses Risiko just dem Erbringer der Sachleistung aufzuerlegen, der ja schließlich auch der empfangenen Gegenleistung verlustig wird. Nicht zuletzt aus Gründen der Stimmigkeit der Gesamtlösung erscheint es mir daher vorzugswürdig, auch diesbezüglich eine Gleichschaltung der Haftung aus Gegenleistungskondiktion mit der Haftung des bösgläubigen Bereicherungsschuldners anzustreben,213 der gemäß §§819 Abs. 1,818 Abs. 4,292 Abs. 2, 994ff. BGB nur eingeschränkt Verwendungsersatz fordern kann. 3. Rückabwicklung durch Vindikation Während die Besonderheiten des Bereicherungsausgleichs im gegenseitigen Vertrag seit jeher Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion gewesen sind, hat man sich über Auswirkungen des Synallagmas auf die vindikationsrechtliche Rückabwicklung eines fehlgeschlagenen Leistungsaustauschs viel weniger Gedanken gemacht. Zwar hat man in einzelnen Punkten durchaus erkannt, daß Vindikationsrecht und Leistungsbeziehungen in ein Spannungsverhältnis treten können. So ist mittlerweile anerkannt, daß dann, wenn der Besitz dem Schuldner vom Eigentümer rechtsgrundlos geleistet worden war, Nutzungsherausgabe abweichend von §§987 Abs. 1, 993 Abs. 1 a.E. BGB erfolgen muß,214 oder vertritt eine beachtliche Mindermeinung den Standpunkt, daß die § § 985 ff. gegenüber der Leistungskondiktion ohnehin subsidiär seien.215 Dabei ging es 212

Z u diesen Möglichkeiten eingehend Canaris, J Z 1992,1114 [1115ff.]. S o j a ausdrücklich Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 III 7 e) [S.337]. 214 Hierzu oben, § 10 I 3 a) aa) [S.331f.]. 215 von Caemmerer, in: Festschrift Boehmer (1954), S. 145 [154, Fn. 42]; Wieling, Sachenrecht I, § 1213 c) [S. 877]; ders., zu LM § 100 BGB Nr. 4 [B14ff.]; Ludwig Kaiser, in: Festschrift Martin Wolff (1952), S. 123 [139f.]; ders., J Z 1961,529 [531 Fn.8]; Waltjen, AcP 175 (1975), 109 [118ff.]; 213

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Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

Schuldverhältnisse

aber stets eher um die Stellung des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses im Anspruchssystem des Bürgerlichen Gesetzbuchs bzw. um das allgemeine Konkurrenzverhältnis zwischen Vindikation und Leistungskondiktion, nicht aber um Korrekturen, die gerade ein zugrundeliegendes Synallagma vielleicht im Vindikationsrecht selbst erforderlich machen könnte, also speziell um das Konkurrenzverhältnis zwischen Vindikation und Gegenleistungskondiktion. a) Die Konkurrenz

mit der

Gegenleistungskondiktion

Sind bei einem gegenseitigen Vertrag sowohl das schuldrechtliche Grundgeschäft unwirksam als auch die darauf beruhenden dinglichen Rechtsgeschäfte, dann stehen sich nicht nur zwei Ansprüche aus Gegenleistungskondiktion gegenüber, sondern auch zwei Vindikationen. 216 Während die Anspruchskonkurrenz zwischen Vindikation und Kondiktion nicht zu Problemen führt, wenn es um die Herausgabe einer geleisteten Sache selbst geht, sind Konflikte unausweichlich, sobald die Frage etwa nach der Herausgabe von Nutzungen oder nach dem Ersatz von Verwendungen gestellt wird. aa) Das strenge

Subsidiaritätsdogma

Kein Konflikt ergibt sich allerdings für jene Stimmen in der Literatur, die ohnehin für eine Subsidiarität der Vindikation gegenüber der Leistungskondiktion plädieren. 217 Hauptargument ist dasjenige Raisers, wonach in der freiwilligen Weggabe des Besitzes im Rahmen einer Leistung eine Einschränkung des Eigentums liege, die dazu führe, daß sich der Eigentümer seiner Rechte aus §§985ff. BGB begebe. 218 Die bereicherungsrechtliche Abwicklung sei für die Rückabwicklung von Leistungen auch das adäquatere Instrument, und die Vindikation trete nur konkurrierend neben bzw. an die Stelle der Eingriffskondiktion. Die Unwirksamkeit auch der dinglichen Einigung sei interpartes wertungsmäßig nicht relevant, sondern äußere sich erst im Verhältnis zu Dritten. 219 Indessen ist dieses strenge Subsidiaritätsdogma 220 abzulehnen. Daß nicht nur das Günter Hager, JuS 1987,877 [888]; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 2012 c) cc) [S.581 ff.]; Martinek, EWiR §986 BGB 1/95 [S.978] (Übernahme der Saldotheorie ins Eigentümer-Besitzer-Verhältnis als „Bankrotterklärung der Ausschließlichkeitstheorie"). 216 Natürlich ist es auch denkbar, daß nur einem der Beteiligten sowohl die Vindikation als auch die Kondiktion zusteht, der andere hingegen nur die Kondiktion hat, so etwa, wenn nur eines der dinglichen Rechtsgeschäfte unwirksam ist. Die Tatsache, daß eine synallagmatische Leistung in einer Geldleistung besteht, hindert die Vindikation an sich noch nicht, vgl. zum ganzen Problem MünchKomm 3 -A/edio«, §985 BGB Rn. 15ff. m.w.N. 217 Vgl die in Fn.215 Genannten. 218 Ludwig Raiser in: Festschrift Martin Wolff (1952), S. 123 [139f.]. 219 von Caemmerer, in: Festschrift Boehmer (1954), S. 145 [154 Fn.42]; Günter Hager, JuS 1987, 877 [880], 220 Mit dem Begriff „Subsidiaritätsdogma" wird gemeinhin nur die Ansicht bezeichnet, wonach die Vindikation hinter den speziellen Abwicklungsregeln eines beendeten - aber grund-

§ 11

Rückabwicklungsverhältnisse

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schuldrechtliche Grundgeschäft, sondern auch die dingliche Einigung unwirksam sind, ist nämlich auch inter partes alles andere als blanker Zufall, sondern vielmehr die Konsequenz eines besonders schweren Verstoßes gegen die Anforderungen der Rechtsordnung. Aus guten G r ü n d e n hat somit etwa der Geschäftsunfähige, der Bewucherte oder der arglistig Getäuschte die Rechte sowohl aus seiner Eigentümerstellung als auch aus seiner Stellung als Leistender, 221 während etwa bei Irrtumsanfechtung, Dissens oder Formnichtigkeit nur Rechte aus der Zweckverfehlung der Leistung abgeleitet werden können. bb) Divergenzen

zwischen Kondiktion

und

Vindikation

Wenn also grundsätzlich Anspruchskonkurrenz anzunehmen ist zwischen Vindikation und Gegenleistungskondiktion, muß unbedingt entschieden werden, nach welchen Vorschriften sich im Einzelfall etwa die Verpflichtung zum Schadens- oder Wertersatz, zur Herausgabe von Nutzungen und Surrogaten oder zum Ersatz von Verwendungen bestimmen. Verglichen werden dürfen allerdings nicht die „normale" Leistungskondiktion einerseits und die Vindikation, wie sie etwa gegenüber dem Erwerber einer abhandengekommenen Sache durchgreift, andererseits. 222 Vielmehr gilt es, die Gegenleistungskondiktion mit der Vindikation zu vergleichen, wie diese sich gerade im synallagmatischen Leistungsverhältnis darstellt. Das führt zu der Erkenntnis, daß durch die Erweiterung der Nutzungsherausgabe für den rechtsgrundlosen Besitzer - mag man diese mit der Rechtsprechung auf eine Analogie zu §988 B G B oder mit der überwiegenden Literatur auf eine trotz § 993 Abs. 1 B G B a.E. zulässige Leistungskondiktion stützen - eine Angleichung der §§987, 988 B G B an §818 Abs. 1 B G B bewirkt worden ist. Folgt man der oben dargelegten Ansicht, wonach nicht-rechtsgeschäftliche Surrogate auch im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis herauszugeben sind, 223 ergibt sich auch diesbezüglich zu § 818 Abs. 1 B G B kein Unterschied mehr. Hinsichtlich der Nachteilsausgleichung muß Canaris von seinem Standpunkt aus, wonach bei der Gegenleistungskondiktion der bereicherungsrechtliche Nachteilsausgleich keine Einschränkungen erfahre, von einem „krassen Wertungswiderspruch" zwischen den bereicherungsrechtlichen Regeln einerseits und den §§ 994ff. B G B andererseits sprechen. 224 Was die Auffassung der Rechtsprechung betrifft, so hängt das Auftreten eines Widerspruchs davon ab, welche Gestalt die mehr oder weniger undurchsichtigen Erwägungen annehmen, nach sätzlich wirksamen - Vertrags zurückzustehen habe. Sie entspricht auch weitgehend der h.M., wenngleich diese die Vindikation nur im Konfliktsfall für verdrängt hält. Das „strenge" Subsidiaritätsdogma bezieht in diese Abwicklungsregeln auch die Leistungskondiktion mit ein. 221 Zutreffend Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §74 11 c) [S.342], 222 So aber der Ansatz von Waltjen, AcP 175 (1975), 109 [112], 223 Hierzu oben, § 10 11 b) dd) [S.326f.]. 224 So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 74 11 c) [S.341],

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Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche Schuldverhältnisse

denen in neuerer Zeit das Entreicherungsrisiko einmal der einen und einmal der anderen Partei zugewiesen wird. 225 Dagegen tritt ein solcher Widerspruch nach der hier vertretenen Auffassung nicht ein: D e r Schuldner einer Gegenleistungskondiktion ist auch insoweit wie ein verschärft haftender zu behandeln und kann daher Nachteilsausgleich nur gemäß §§819 Abs. 1, 818 Abs.4, 292 Abs. 2, 994ff. B G B geltend machen. In der Vermeidung von Wertungswidersprüchen zum Vindikationsrecht darf wohl ein weiteres Argument für die Richtigkeit dieser Auffassung gesehen werden. D e r eigentliche Unterschied zwischen Gegenleistungskondiktion und Vindikation besteht danach nur im Einstehenmüssen des Schuldners für Untergang, Verschlechterung oder Weggabe der empfangenen Leistung. D e n n bei der Gegenleistungskondiktion wird im Falle der Zurechenbarkeit immer gemäß §818 Abs. 2 B G B auf den objektiven Verkehrswert gehaftet, während der Vindikationsschuldner gemäß §§989, 990 Abs. 1 B G B nur bei Rechtshängigkeit oder Bösgläubigkeit in Anspruch genommen werden kann, und dies auch nur bei Verschulden im technischen Sinn. Die Diskrepanz wirkt sich natürlich im Ergebnis nur für die Saldotheorie in vollem U m f a n g aus. D e n n der Eigentümer ist ja keinesfalls gezwungen, mit der Vindikation vorzugehen, so daß ihm eine Gegenleistungskondiktion, die an der Einschränkung von §818 Abs. 3 B G B beim Empfänger der Sachleistung ansetzt, weiterhin zu G e b o t e stünde. b) Anwendung

der

Saldotheorie?

Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht für den Fall des rechtsgrundlosen Besitzerwerbs sowie den eines beendeten Besitzmittlungsverhältnisses davon aus, daß ebenso wie bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung die Saldotheorie anwendbar sei.226 Dies sei entweder schon deswegen angezeigt, weil die Leistungskondiktion von den §§985ff. B G B in diesen Fällen nicht verdrängt werde, oder zumindest deswegen, weil sonst der rechtsgrundlose Besitzer besser stünde als der rechtsgrundlose Eigentümer. 2 2 7 Die der Anwendung der Saldotheorie zugrundeliegende Erwägung ist damit die gleiche, wie sie bereits zur analogen Anwendung des § 988 B G B herangezogen wurde.

225 BGH 116, 251 [256]; BGH NJW-RR 1992, 589 [590]; vgl. hierzu OLG Hamm NJW-RR 1993, 590ff.; siehe auch schon BGHZ 109, 139 [145] (Finanzierungsleasing); BGH NJW 1995, 3315 [3317] (unberechtigte Einlösung eines Schecks); kritisch Kohler, NJW 1992,3145 [3146f.]; Canaris, JZ 1992,1114 [1115]; MünchKomm3-L!eft, § 818 BGB Rn. 59ff„ der aber a.a.O. im Ergebnis doch für eine Verteilung nach Risikogesichtspunkten plädiert. 226 BGH NJW 1995, 454 [455]; NJW 1995,2627 [2628], 227 So der BGH NJW 1995, 2627 [2628],

§ 11

aa) Analyse der

Rückabwicklungsverhältnisse

391

Rechtsprechung

Was mit der Berufung auf die „Saldotheorie" gemeint ist, entspricht allerdings höchstens teilweise der Vorgehensweise im Bereicherungsrecht. Das betrifft zunächst ganz allgemein das Konzept der Gesamtsaldierung: Würde man dieses Vorgehen verallgemeinern und entweder alle gezogenen Nutzungen und alle Verwendungen und sonstigen Folgenachteile miteinbeziehen oder aber eine freie Verteilung des Entreicherungsrisikos vornehmen, träte man in offensichtlichen Konflikt mit der speziellen Wertung der §§ 987ff. BGB, wonach nur ganz bestimmte Vorteile herauszugeben und nur ganz bestimmte Nachteile zu ersetzen sind. 228 So geht denn auch die Rechtsprechung implizit davon aus, daß in die Saldierung nur dasjenige einzustellen sei, was als prinzipiell herausgabepflichtiger Vorteil oder als prinzipiell ersatzfähiger Nachteil nach gedachter Anwendung der §§987ff. B G B verbleibt. So dürfte es auch zu erklären sein, daß teilweise gar nicht mehr von einer Saldierung von Vorteilen und Nachteilen die Rede ist, sondern von einer Saldierung von Ansprüchen.229 Danach würde zunächst bei jeder Partei ermittelt, was sie nach §§985ff. B G B der anderen leisten muß und was sie von dieser zu fordern hat, und nur wer mehr zu fordern als zu leisten hat, kann noch einen Anspruch geltendmachen. Im Ergebnis kommt dies einer Aufrechnung ipso iure gleich. Das aber hat mit der bereicherungsrechtlichen Saldotheorie nichts zu tun, sondern verkehrt sie geradezu in ihr Gegenteil. Die Rechte der Beteiligten auf Herausgabe der Sache und der Nutzungen, Rückzahlung des Kaufpreises sowie Ersatz von Verwendungen sind vom Gesetz ohnehin jeweils in die Form selbständiger Ansprüche gefaßt worden. Diese stehen sich aufrechenbar gegenüber, wenn sie inhaltlich gleichartig sind, 230 oder sind im Falle der Ungleichartigkeit zumindest aufgrund ihrer Konnexität geeignet, Zurückbehaltüngsrechte nach §§ 273,1000 B G B zu begründen. Wenn sich der Bundesgerichtshof nun auf die Saldotheorie beruft, um zu begründen, weshalb ein Zurückbehaltungsrecht nur insoweit geltend gemacht werden könne, als unter Verrechnung der wechselseitig bestehenden Verbindlichkeiten noch etwas zu fordern bleibt, 231 so ist 228

Eine solche Vorgehensweise mag dann unschädlich - aber auch unnötig - sein, wenn es allein um den bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Nutzungsherausgabe gemäß §§ 988,818 B G B auf der einen und den gleichfalls bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises auf der anderen Seite geht. Dafür ist die Rechtsprechung zur Saldotheorie im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis ursprünglich auch offenbar entwickelt worden, vgl. B G H NJW 1995, 454. 229 B G H NJW 1995, 2627 : „... daß beim rechtsgrundlosen Besitzerwerb der Anspruch des Besitzers auf Rückzahlung des Kaufpreises und der Anspruch des Eigentümers auf Herausgabe der Nutzungen in Höhe der gezogenen Nutzungen nach den Grundsätzen der Saldotheorie zu verrechnen sind ...". 230 So zutreffend Medicus, J Z 1996,153 [155]; Gursky, J Z 1997,1154 [1157f.]; kritisch auch Wilhelm, J Z 1995, 573 [575], 231 B G H NJW 1995, 454 [455],

392

Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

Schuldverhältnisse

die Verwendung des dogmatisch so stark aufgeladenen Begriffs unnötig. Dasselbe folgt nämlich schon aus einem richtigen Verständnis von § 273 BGB, der ohnehin in einer Reihe von Fällen eingeschränkt wird, wenn die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts unverhältnismäßig wäre oder aus einem anderen Grund gegen Treu und Glauben verstieße, und Vergleichbares gilt für § 1000 BGB. 232 bb) Die eigentlichen Konsequenzen:

Untergang der Sachleistung

Auch wenn die Rechtsprechung ihre Vorgehensweise als entsprechende Anwendung der Saldotheorie deklarieren mag, ist sie, wie soeben dargelegt, der Sache nach vom Grundprinzip der Saldotheorie weit entfernt. Wollte man dieses Grundprinzip tatsächlich auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis übertragen, würde dies nämlich bedeuten, daß der redliche Besitzer, bei dem die Sache untergegangen oder verschlechtert worden ist oder der sie aus einem anderen Grunde nicht herausgeben kann, auch den Kaufpreis nicht zurückverlangen dürfte. Denn beim redlichen Vindikationsschuldner hat die Haftungsfreistellung gemäß §§989, 990 Abs. 1, 993 Abs. 1 a.E. dieselbe Wirkung wie der Einwand des Bereicherungsfortfalls nach § 818 Abs. 3 beim redlichen Kondiktionsschuldner. Da die Saldotheorie aber auf der Annahme aufbaut, daß die Hingabe der eigenen Leistung als Abzugsposten im Rahmen des - fälschlicherweise vermögensorientiert verstandenen - Bereicherungsanspruchs anzusehen sei, ist für die Rechtsprechung der Weg versperrt, die eigentliche Kernaussage auf das Vindikationsrecht zu übertragen. Denn daran, daß §§989, 990 Abs. 1 BGB gegenstandsorientiert sind und der Wegfall der Sache nicht mit sonstigen Vermögensverlusten gleichgesetzt werden kann, wird man nicht vorbeikommen. cc) Notwendigkeit

einer

Gegenleistungsvindikation?

Daß die Konsequenzen aus der synallagmatischen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung für das Vindikationsrecht ebenso gezogen werden müßten wie für das Bereicherungsrecht, ist allerdings nicht von der Hand zu weisen. 233 Wenngleich dies auf der Grundlage der Saldotheorie nicht möglich ist, ließe sich bereits die von Canaris entwickelte Modifizierung der Zweikondiktionentheorie, wonach auch der redliche Empfänger einer Sachleistung, der diese zurechenbar zerstört, verschlechtert oder weggegeben hat, wie ein verschärft haftender zu behandeln ist, durchaus auf das Vindikationsrecht übertragen: 234 Auch der redliche Vindikationsschuldner könnte sich nicht auf sein Haftungs232

Hierzu statt aller Palandt 51 -Heinrichs, §273 BGB Rn.l2ff. (insbesondere Rn.18); PaUnAi -Bassenge, § 1000 BGB Rn.4, jeweils m.w.N. 233 Hierzu schon Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S. 338f. 234 Z u weiteren Harmonisierungsmöglichkeiten Stadler, a.a.O., S.340ff. 51

§ 11

393

Rückabwicklungsverhältnisse

Privileg gemäß §§ 989ff. BGB berufen, und § 993 Abs. 1 a.E. BGB wäre insoweit wieder ebenso teleologisch zu reduzieren, wie dies bereits hinsichtlich der Herausgabe von Nutzungen notwendig war.235 Wertungsmäßig greifen jedenfalls die von Canaris für eine Zurückdrängung von §818 Abs. 3 B G B angeführten Erwägungen in gleichem Maße: Auch die Haftungsprivilegierung des redlichen Besitzers dient nämlich dem Vertrauensschutz und soll verhindern, daß derjenige, der vermeintlich nicht mehr als die eigene Sache aufs Spiel setzt, am Ende noch nachschußpflichtig wird. Die Vorstellung des Besitzers umfaßt aber das Bewußtsein, die Gegenleistung endgültig an den anderen Teil verloren zu haben. Auch die Parallelwertung zu §351 BGB läßt sich im Vindikationsrecht ebenso ins Feld führen wie im Bereicherungsrecht. 236 Die Argumente, die zur Entwicklung der Gegenleistungskondiktion geführt haben, gelten danach sinngemäß auch für die vindikationsrechtliche Rückabwicklung. Hinzu kommt hier noch die Überlegung, daß der Empfänger der Sachleistung, der bloß Besitz erlangt hat, nicht besser stehen darf als derjenige, der wenigstens Eigentum erlangt hat. 237 Es sprechen also gute Gründe dafür, nicht bei der Entwicklung einer Gegenleistungskondiktion stehenzubleiben, sondern auch die Existenz einer eigenständigen „Gegenleistungsvindikation" anzuerkennen. Durch die erweiterte Nutzungsherausgabe beim rechtsgrundlos entgeltlichen Besitzer im Zweipersonenverhältnis, die der zentralen Aussage des § 993 Abs. 1 a. E. eigentlich klar widerspricht, wird ein eigenständiger Vindikationstypus teilweise bereits praktiziert.

II. Rückabwicklungsfunktion

und Allokatorisches

Modell

Bei den Betrachtungen, die bis hierher zu den einzelnen Rückabwicklungsverhältnissen angestellt wurden, sind es zwei Punkte, die Aufmerksamkeit erwekken. Zum einen ist dies die Tatsache, daß man sich bei der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge mühelos über sonst eisern durchgehaltene Regeln hinwegzusetzen scheint, so etwa über § 993 Abs. 1 a.E. BGB oder über die Privilegierung des redlichen Bereicherungsschuldners durch §818 Abs. 3 BGB. Z u m an235

Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §74 I 1 a) [S.340], Z u diesen Argumenten bei der Gegenleistungskondiktion Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 III 2 a) [S.324f.]; Canaris, in: Festschrift Lorenz (1991), S. 19 [20f.]. 237 Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß es dem Erbringer der Sachleistung ja unbenommen bleibe, seinerseits mit der Kondiktion vorzugehen. Denn erstens hilft ihm das schon dann nichts, wenn man bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung die Saldotheorie anwendet, und auf der Grundlage einer Zweikondiktionentheorie zeichnet sich die Lösung über einen „gemischten" Rückabwicklungsmechanismus, bei dem sich eine Vindikation und eine Kondiktion gegenüberstehen, nicht gerade durch ihre Eleganz aus. Ferner kann der Gläubiger auch ein Interesse daran haben, die Vindikation anstelle der Kondiktion geltend zu machen, vgl. hierzu eingehend Staudinger 1 3 -G«rfay, §985 BGB Rn.24. 236

394

Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

Schuldverhältnisse

deren fällt auf, daß die verschiedenen Mechanismen der Rückabwicklung bzw. die verschiedenen zur Gegenleistungskondiktion angebotenen Lösungen zu weitgehend identischen Ergebnissen gelangen, obgleich sie jeweils mit ganz unterschiedlichen Argumenten arbeiten müssen. 238 Das deutet darauf hin, daß ihnen eine gemeinsame Wertung zugrundeliegt, die etwa von spezifisch bereicherungsrechtlichen oder vindkationsrechtlichen Wertungen ebenso unabhängig ist wie von der konkret gewählten dogmatischen Konstruktion. O b und wie sich dieses Phänomen aus allokatorischer Sicht erklären läßt, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen. 1. Einheitlichkeit des A n s p r u c h s Verhältnisses Was Schuldverhältnisse, die der Rückabwicklung eines gegenseitigen Vertrags dienen, von den bislang betrachteten Schuldverhältnissen maßgeblich unterscheidet, ist der Umstand, daß sie sich im G r u n d e aus zwei Ausgleichsschuldverhältnissen zusammensetzen. Von diesen Ausgleichsschuldverhältnissen würde jedes für sich betrachtet eigentlich nicht nur aus einem Primäranspruch bestehen, sondern auch aus sekundären Ansprüchen sowie etwaigen weiteren Mechanismen, die dem Ausgleich von Reststörungen dienen. Die zwei einander gegenüberstehenden Primäransprüche stützen sich jedoch nicht nur formell auf dieselbe Anspruchsgrundlage. Zwar beruhen die Primärstörungen, welche die wechselseitigen Rückgewähransprüche der Beteiligten überhaupt erst auslösen, auf zwei unterscheidbaren Leistungsakten. Diese wiederum beruhen jedoch auf dem fehlgeschlagenen synallagmatischen Vertrag als dem eigentlich auslösenden Ereignis. Ferner entspricht es heute herrschender und zutreffender Auffassung, daß die gegeneinander gerichteten Ansprüche nicht nur bei Anwendbarkeit von §348 BGB, sondern ganz allgemein aufgrund der gewollten synallagmatischen Verknüpfung der fehlgeschlagenen Leistungen Zug um Zug zu erfüllen sind. 239 Dieser besondere genetische und funktionelle Zusammenhang bringt es mit sich, daß die wechselseitig bestehenden Ansprüche und sonstigen Rechte und Pflichten nicht isoliert voneinander betrachtet werden können. Vor allem Reststörungen, die definitionsgemäß nicht unbedingt adäquat kausale Folge der auslösenden Verteilungsstörung sein müssen, sondern bei denen es auch ausreicht, wenn sie durch dasselbe Ereignis verursacht wurden wie diese, können nur einheitlich für das gesamte Rückabwicklungsverhältnis er238

Der wesentlichste Unterschied dürfte in der Behandlung der Vorleistungsfälle zu sehen sein, in denen die Vertreter der Saldotheorie einen Schutz des Vorleistenden beharrlich ablehnen, vgl. B G H LM Nr.2 zu §818 Abs.3 BGB; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn.226; Esser/ Weyers, Schuldrecht II, § 51 II 3 c) [S. 506] mit dem Argument, es gehe hier um das übliche Kreditierungsrisiko des Vorleistenden. 239 Für die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung B G H NJW 1980, 1789 [1790]; NJW 1988,3011; LarenzJCanaris, Schuldrecht II/2, § 73 III 2 c) [S. 325]; Kohler, Die gestörte Rückabwicklung gescheiterter Austauschverträge, S. 117.

§ 11

395

Rückabwicklungsverhältnisse

mittelt werden: Zu fragen ist demnach nicht mehr, ob nach Erfüllung eines Primäranspruchs eine Abweichung von der Soll-Verteilung verbleibt, sondern ob dies auch nach Erfüllung beider Ansprüche der Fall ist. 2. Konsequenzen aus der Rückabwicklungsfunktion Es besteht ein gewisser Anfangsverdacht, daß es bei Rückabwicklungsverhältnissen mindestens auch um ein Zuwenig beim jeweiligen Gläubiger, nicht nur um ein Zuviel beim jeweiligen Schuldner geht. Denn wenn auch etwa die isolierte Leistungskondiktion auf Abschöpfung, und nicht auf Restitution zielen mag, dann paßt das doch evidentermaßen nicht für die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge: Hier geht es wertungsmäßig nicht bzw. nicht in erster Linie darum, jedem Beteiligten zu nehmen, was ihm nach der maßgeblichen Güterordnung nicht gebührt, sondern vielmehr auch und gerade darum, jedem Beteiligten zurückzugehen, was er entgegen der maßgeblichen Güterordnung verloren hat. Das gilt auch in Vorleistungsfällen, d.h. wenn es ausnahmsweise nur um die Rückgabe einer Leistung geht. a) Die rücktrittsrechtliche Rückabwicklung

aus allokatorischer

Sicht

Was den rücktrittsrechtlichen Primäranspruch aus § 346 Satz 1 BGB betrifft, der allerdings nur in Vorleistungsfällen als isolierter denkbar ist, so reagiert er eindeutig auf ein Zuwenig beim Gläubiger, nicht auf ein Zuviel beim Schuldner. Das folgt nicht allein aus der Verweisung in § 347 BGB auf die Regeln des Vindikationsrechts, wie sie nach Eintritt der verschärften Haftung gelten, sondern auch aus dem Gesetzeswortlaut, wonach die empfangenen Leistungen zurückzugewähren sind. Der Begriff der Rückgewähr eines Gegenstands beinhaltet nach allgemeinem Sprachgebrauch aber die Zielrichtung, den Rückgewährgläubiger wieder in den Zustand zu versetzen, in dem er sich vor Weggabe des Gegenstands befand. Nicht hingegen beinhaltet er in erster Linie die Zielrichtung, dem Rückgewährschuldner etwas zu entziehen: Das mag denknotwendige Folge der Rückgabe sein, aber nicht ihr eigentlicher Sinn und Zweck. Das Gesagte gilt für beide Rückgewähransprüche, soweit sie beide auf § 346 Satz 1 BGB gestützt sind, also bei im wesentlichen gleicher Schutzwürdigkeit der Parteien. Hat dagegen eine Partei den Rücktrittsgrund nicht zu vertreten, haftet sie nach herrschender Auffassung analog §327 Satz 2 B G B nur nach Bereicherungsrecht, 240 was für die allokatorische Betrachtung nicht ohne Bedeutung sein kann. Nach Bereicherungsrecht haftet die Partei, die den Grund für das Scheitern des Vertrags nicht zu vertreten hat, nicht nur im Rücktrittsrecht aufgrund der Analogie zu § 327 Satz 2 BGB, sondern ebenso auch etwa bei §§ 557a Abs. 1 und 628 Abs. 1 Satz 3 BGB. Allerdings besteht im Bereicherungsrecht das Di240

Hierzu oben, 11 a) aa) [S.369ff.].

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Viertes Kapitel:

Weitere gesetzliche

Schuldverhältnisse

lemma zweier möglicher Deutungen, nämlich einmal der Restitutionstheorie und einmal der Abschöpfungstheorie. Das führt dazu, daß bei den bezeichneten Rückabwicklungsverhältnissen dann, wenn der Grund für die Rückabwicklung einseitig von einer Partei zu vertreten ist, ebenfalls zwei mögliche Deutungen bestehen, nämlich erstens die Deutung, wonach beide Parteien nach Restitutionsgrundsätzen haften und lediglich eine Partei für Untergang oder Verschlechterung des Erlangten nicht schadensersatzpflichtig wird, und zweitens die Deutung, wonach nur die eine Partei nach Restitutionsgrundsätzen, die andere hingegen nach Abschöpfungsgrundsätzen haftet. b) Verallgemeinerung der

Grundsätze

Das Rückgewährschuldverhältnis gemäß §§ 346ff. BGB kann als Prototyp eines Rückabwicklungsverhältnisses angesehen werden, und der rücktrittsrechtlichen Regelung kommt daher in gewisser Weise Modellcharakter zu für die allokatorische Betrachtung auch der anderen Rückabwicklungsverhältnisse. Das gilt zunächst jedenfalls, was den echten Rückgewähranspruch aus §346 Satz 1 BGB betrifft, eventuell aber auch hinsichtlich der Modifizierung durch §327 Satz 2 BGB. aa) Regelfall der

Restitutionshaftung

Zumindest für den Fall, daß beide Parteien im wesentlichen gleichermaßen schutzwürdig sind, führt dies zu der Erkenntnis, daß Rückabwicklungsverhältnisse ungeachtet ihrer rein äußerlichen Verwurzelung im Rücktritts-, Bereicherungs- oder Vindikationsrecht schon aufgrund ihrer konkreten Funktion stets gläubigerorientiert, also auf Regulierung eines Zuwenig beim jeweiligen Gläubiger, nicht allein eines Zuviel beim jeweiligen Schuldner gerichtet sind. Insgesamt betrachtet ist Soll-Verteilung des Rückabwicklungsverhältnisses demnach der Zustand, der bestünde, wenn beide Parteien das jeweils Geleistete nie weggegeben hätten, also hinsichtlich beider Parteien der status quo ante. Damit aber entsteht - jeweils redliche Schuldner vorausgesetzt - bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung ein offensichtlicher Konflikt zwischen der Soll-Verteilung des isolierten Primäranspruchs und der Soll-Verteilung des gesamten Anspruchsverhältnisses. Man könnte auch sagen, daß die Kondiktion bei der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge „zweckentfremdet", also für eine Funktion eingesetzt wird, die ihrem eigentlichen Anspruchscharakter zuwiderläuft. Nun kommt man bei der Leistungskondiktion nicht daran vorbei, daß die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge ihr Hauptanwendungsfall und auch kein anderer Mechanismus ersichtlich ist, der diese Funktion übernehmen könnte. Daher war es auch unausweichlich, im Wege offener Rechtsfortbildung einen neuen Kondiktionstyp - eigentlich einen neuen Anspruchstyp - zu entwickeln, der zwar aus der Leistungskondiktion abgeleitet sein mag, der aber mit

§11

Rückabwicklungsverhältnisse

397

dieser eigentlich kaum noch etwas gemeinsam hat. Dies liegt auch nicht etwa daran, daß die Leistungskondiktion funktionell in ein vertragliches Anspruchsverhältnis integriert wäre, denn dieses Anspruchsverhältnis ist ja eben wegen der Unwirksamkeit des Vertrages als solches nicht mehr vorhanden und vermag somit nichts daran zu ändern, daß die entstehenden Bereicherungsansprüche primäre sind. bb) Abschöpfungshaftung

der schutzwürdigeren

Partei?

Konsequenterweise wird man aber dann, wenn der Grund für die Rückabwicklung einseitig von einer Partei zu vertreten ist, auch bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von einer Deutungsalternative ausgehen müssen. Mit anderen Worten kann man entweder annehmen, daß beide Vertragspartner nach Restitutionsgrundsätzen haften, oder aber, daß für den schutzwürdigeren Vertragspartner - etwa den minderjährigen oder arglistig getäuschten - nur die Abschöpfungshaftung gilt. Soll-Verteilung des gesamten Anspruchsverhältnisses wäre dann der Zustand, der bestünde, wenn die schutzwürdigere Partei nichts geleistet und nichts empfangen hätte, während es auf die Sphäre der anderen Partei nicht ankäme. Mit anderen Worten: Soll-Verteilung wäre hinsichtlich der schutzwürdigeren Partei der status quo ante, hinsichtlich der anderen Partei der status quo. Ob und inwieweit eine derartige „gemischte" Lösung tatsächlich angenommen wird, kann nur indirekt aus den praktischen Ergebnissen geschlossen werden, die man in Rechtsprechung und Lehre erzielt. Von vorneherein ausgeschlossen ist eine einseitige Abschöpfungshaftung freilich etwa bei der vindikationsrechtlichen Rückabwicklung, weil hinsichtlich des Anspruchs aus § 985 BGB eine entsprechende Deutungsalternative nicht besteht.

3. Zwischenergebnis Die verschiedenen Anspruchsverhältnisse zur Rückabwicklung eines gegenseitigen Vertrags weisen unabhängig von ihrer rein äußerlichen Verankerung im Rücktrittsrecht, Bereicherungsrecht, Vindikationsrecht usw. in allokatorischer Hinsicht zwei Besonderheiten auf. Zum einen kann die Soll-Verteilung des Rückabwicklungsverhältnisses wegen der genetischen und funktionellen Verknüpfung der wechselseitigen Rückgewähransprüche nur eine einheitliche sein, der gegenüber die Soll-Verteilungen der isolierten Primäransprüche zurücktreten, und können auch die auftretenden Reststörungen immer nur in bezug auf das ganze Rückabwicklungsverhältnis betrachtet werden. Zum anderen ist die Soll-Verteilung zumindest dann, wenn beide Parteien etwa gleich schutzwürdig sind, hinsichtlich beider Parteien immer der status quo ante, d.h. beide haften nach Restitutionsgrundsätzen. Ist eine Partei deutlich schutzwürdiger als die andere, ist auch eine Deutung möglich, wonach sie nur nach Abschöpfungsgrundsätzen haftet.

398

Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

III. Ausgleich von Reststörungen bei der

Schuldverhältnisse

Gegenleistungskondiktion

Weil er dogmatisch am interessantesten ist, soll im folgenden der Ausgleich von Reststörungen bei der Gegenleistungskondiktion näher untersucht werden, doch gelten die Ausführungen sinngemäß auch für die vindikations- und rücktrittsrechtliche Rückabwicklung. Dabei muß danach differenziert werden, ob von einer beidseitigen Restitutionshaftung oder von einer „gemischten" Lösung ausgegangen wird, bei der die schutzwürdigere Partei bloß nach Abschöpfungsgrundsätzen haftet. Das ist zwar der Übersichtlichkeit und Klarheit der Darstellung nicht gerade zuträglich, läßt sich aber letztlich nicht vermeiden, sofern man auf eine korrekte Analyse Wert legt. Im folgenden soll zunächst die Lage bei Annahme beidseitiger Restitutionshaftung betrachtet werden. Das bedeutet insbesondere, daß bei einem gegenständlichen Wegfall des ursprünglich Erlangten jeweils ohne weiteres von einem Erlöschen des Bereicherungsanspruchs ausgegangen werden kann, d. h. § 818 Abs. 3 BGB in seiner Funktion als latente Gefahrtragungsnorm zum Zuge kommt, 241 was für die Identifizierung der Reststörungen von Bedeutung ist. 1. Vorteil-Nachteil-Analyse bei zweiseitiger Restitutionshaftung Weil angesichts der Tatsache, daß es hier stets um zwei Ausgleichsansprüche geht, die übliche Einteilung in Reststörungen beim Schuldner einerseits und solche beim Gläubiger andererseits nicht aufrechtzuerhalten ist, bietet es sich an, die Darstellung nach typischen Sachverhaltskonstellationen zu gliedern. Dabei erweist es sich als brauchbarer Ansatz, die Fälle des zufallsbedingten und des zurechenbaren Wegfalls einer Sachleistung, 242 den einer unkörperlichen Leistung sowie schließlich den Fall zu betrachten, daß der Empfänger einer Sachleistung Verluste in seinem Stammvermögen erleidet. Was die Differenzierung zwischen zurechenbarem und zufallsbedingtem Wegfall anbelangt, soll an die Konzeption von Canaris angeknüpft werden, wonach als zurechenbar auch ein Wegfall angesehen werden muß, der bei der bestimmungsgemäßen Verwendung der Sache eintritt, sofern sich dabei ein verwendungstypisches, und kein verwendungsfremdes Risiko verwirklicht. 243 Scheitert die Zurechnung nur an speziellen Zurechnungshindernissen oder vorrangigen gesetzlichen Schutzzwecken, soll der Wegfall - zumindest für die folgende Darstellung - nicht als zufallsbedingter qualifiziert werden. 241

Hierzu Drittes Kapitel, § 6 III 2 b) bb) und cc) [S.246ff.]. Zwischen Untergang und Verschlechterung besteht dabei nur ein gradueller Unterschied, so daß beides im folgenden unter dem Begriff „Wegfall" zusammengefaßt werden kann. Daß es sich bei der Gegenleistung um eine Geldzahlung handelt und daß hinsichtlich dieser ein Wegfall nicht erwogen werden muß, wird jeweils unterstellt. Die damit einhergehende Vergröberung der Sichtweise dürfte im Sinne der Klarheit der Darstellung gerechtfertigt sein. 243 LarenzJCanaris, Schuldrecht II/2, §73 III 4 c) [S.329], 242

§ 11

a) Zurechenbarer

Rückabwicklungsverhältnisse

399

Wegfall der Sachleistung

Bei wortgetreuer Anwendung des Gesetzes und vor allem von § 818 Abs. 3 BGB als Gefahrtragungsnorm wäre der Käufer bei ersatzlosem Wegfall der Sache von jeder Haftung befreit, könnte aber dennoch vom Verkäufer den gezahlten Kaufpreis in voller Höhe zurückverlangen. Vergleicht man nun zunächst die Lage des Käufers mit der Lage, in der er sich befände, wenn der unerwünschte Leistungsaustausch nie stattgefunden hätte, dann ist auf seiner Seite scheinbar weder ein Restvorteil noch ein Restnachteil zu verbuchen: Hat beispielsweise Viktor an Karl einen Gebrauchtwagen im Wert von 90 zum Preis von 100 verkauft und übereignet und geht der Wagen infolge Zufalls unter, dann erhält Karl bei der Rückabwicklung die gezahlten 100 zurück, Viktor hingegen erhält nichts. Karl hat demnach scheinbar weder einen Gewinn noch einen Verlust gemacht, sondern ein Verlust entsteht allein in der Sphäre des Viktor. aa) Der Risikovorteil des Käufers Allerdings stimmt es mit der natürlichen Lebensauffassung nicht überein, zu sagen, der Käufer habe in diesem Fall weder einen Vorteil erlangt noch einen Nachteil erlitten. Vielmehr ist man unwillkürlich geneigt, die Lage des Käufers mit „Glück gehabt!" zu umschreiben. Führt man sich etwa den Fall vor Augen, daß der Kaufvertrag wegen Dissens nichtig war und die Sache infolge leicht fahrlässigen Umgangs durch den Käufer zerstört worden ist, dann wird deutlich, daß der Käufer aus der nachträglich festgestellten Vertragsunwirksamkeit profitiert: Schließlich hätte er sich normalerweise durch die Zerstörung der Sache einen endgültigen Verlust in Höhe des Sachwerts zugefügt, der nun durch die Rückzahlung des Kaufpreises ungeschehen gemacht wird: Im oben gebildeten Gebrauchtwagenfall hätte der Käufer bei Hinwegdenken des konkreten Leistungsaustauschs vermutlich mit demselben oder einem anderen Verkäufer einen wirksamen Kaufvertrag über einen entsprechenden Gebrauchtwagen geschlossen. Hätte er diesen fahrlässig zerstört, hätte er sich einen Verlust von 90 zugefügt. So hingegen kann er die zurückerlangten 100 nehmen und sich wieder einen Wagen kaufen. Was der Käufer erhalten hat, ist demnach eine „doppelte Chance", mit anderen Worten: Aufgrund des unwirksamen Leistungsaustauschs durfte er einmal eine ihm gehörige Sache zerstören, ohne die daraus normalerweise folgenden vermögensmäßigen Konsequenzen tragen zu müssen. 244 Schon Frieser hat herausgearbeitet, daß zwischen dieser Situation und derjenigen einer Aufwendungsersparnis des Bereicherungsschuldners wesentliche Parallelen bestehen, doch hat er beide Situationen fälschlicherweise gleichge244

Vgl. auch die Argumentation von Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 73 III 4 c) [S. 329]: „... ist es durchaus unangemessen, daß der Käufer auf Risiko des Verkäufers Auto fahren und sich auf dessen Kosten ein neues kaufen kann."

400

Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

Schuldverhältnisse

setzt und auch bei Verlust der Sache von einer Ersparnisbereicherung gesprochen. 245 Daran ist richtig, daß es in den Fällen der Erparnisbereicherung ein freiwilliges Vermögensopfer ist, das berücksichtigt wird, beim Wegfall der Sache hingegen ein unfreiwilliges, daß beide jedoch gleichermaßen hypothetisch sind. Ein maßgeblicher Unterschied besteht indessen in der Wahrscheinlichkeit, mit der von ihrem Eintritt ausgegangen werden kann. Bei freiwilligen Vermögensopfern sind es der präsumtiv konstante Wille und ein präsumtiv konstant bleibender Bedarf, die eine hinreichende Vermutungsgrundlage bilden: Wird das rechtsgrundlos erlangte Geld zur Bezahlung der schon lange fälligen Heizungsrechnung verwendet, dann besteht hinreichend Grund zu der Vermutung, daß diese Rechnung auch bei Hinwegdenken des Erwerbs irgendwie - und sei es im Rahmen der Zwangsvollstreckung - beglichen worden wäre. Zwar ist es theoretisch denkbar, daß der Vermieter auf seine Forderung verzichtet hätte, wenn der Betrag nicht eingegangen wäre, doch ist diese Möglichkeit so unwahrscheinlich, daß sie mangels entsprechender Anhaltspunkte nicht in Betracht gezogen werden muß. Anders ist dies, wenn der rechtsgrundlose Käufer eines Wagens diesen bei einem Unfall verliert: Vielleicht wäre dann, wenn er den konkreten Wagen zum konkreten Zeitpunkt und am konkreten Ort nicht erworben hätte, ja alles ganz anders gekommen. Ein ersparter Schaden ist einer ersparten Aufwendung nur dann gleichzusetzen, wenn für dessen Eintritt eine ähnlich hohe Wahrscheinlichkeit spricht, so etwa, wenn erstens positiv feststeht, daß der Käufer ein anderes Auto erworben hätte, zweitens, daß er auch dieses Auto hätte im Freien stehen lassen, und drittens, daß alle Kraftfahrzeuge der Gegend bei einem Hagelsturm schwer beschädigt worden sind. Solche Fälle sind aber äußerst selten. 246 Indessen ist Friesers Argument letztlich doch zutreffend, bedarf aber der Ergänzung. Es kann nämlich nicht auf eine konkrete hypothetische Betrachtung ankommen, sondern allein auf eine wertend typisierende. Man würde sonst auch zu ganz grotesken Differenzierungen gelangen. So müßte ein Restvorteil etwa allein deswegen verneint werden, weil der Unfall sich auf dem Weg vom Autohändler nach Hause ereignet hat oder weil der Unfall am Montag geschehen ist, der Käufer einen anderen Wagen aber erst am Dienstag erworben hätte, usw. Vielmehr ist hier darauf abzustellen, daß der Käufer die wirksame vermö245 Frieser, Der Bereicherungswegfall in Parallele zur hypothetischen Schadensentwicklung (1987), S. 182ff., 203.; nach Frieser soll eine solche Ersparnisbereicherung rechtlich ebenso relevant sein wie entgangener Gewinn des Gläubigers beim Schadensersatzanspruch. 246 Anzumerken ist, daß die These Friesers von der Ersparnisbereicherung - denkt man sie konsequent weiter - kaum übersehbare Folgen für das gesamte Schuldrecht mit sich brächte, weil nunmehr eigentlich stets und nicht nur im Sonderfall der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge gefragt werden müßte, ob derjenige Schuldner, bei dem ein herauszugebender Gegenstand untergegangen ist, dadurch nicht vielleicht den Untergang eines eigenen und nicht herauszugebenden Gegenstands vermieden hat und somit auf Kosten des Gläubigers einen Vorteil erlangt.

§ 11

Rückabwicklungsverhältnisse

401

gensmäßige Entscheidung getroffen hat, den konkreten Wagen zum konkreten Zeitpunkt gegen Hingabe des Kaufpreises seinem Vermögen einzuverleiben, 247 und daß er sich deswegen daran festhalten lassen muß, was mit diesem konkreten Wagen tatsächlich geschehen ist. Dies vorausgesetzt, kann in der Tat von einem Restvorteil des Käufers in der Form eines „Risikovorteils" gesprochen werden. bb)

Erfordernis

der

Differenzierung

Das Gesagte gilt aber nur, soweit keine anderen Anhaltspunkte gegeben sind. Denn wenn etwa der Kaufvertrag wegen arglistigen Verschweigens eines Mangels angefochten wurde, die Kaufsache aber nur infolge desselben Mangels untergegangen ist - mag dabei auch eine Unachtsamkeit des Käufers mitgespielt haben - dann kann von einem Risikovorteil nicht die Rede sein:248 Hat der Verkäufer den Käufer arglistig darüber im unklaren gelassen, daß die Bremsbeläge des Wagens abgenutzt sind, und ist der Käufer durch das Versagen der Bremsen in einen Auffahrunfall verwickelt worden, dann hätte bei wertend typisierender Betrachtung mit einem anderen Wagen nicht dasselbe Risiko einer Zerstörung bestanden, das sich konkret verwirklicht hat. Dagegen läßt sich nicht generell sagen daß der arglistig Getäuschte nie einen Restvorteil davontrüge. Hat sich nämlich nicht das mangelspezifische, sondern ein anderes Risiko verwirklicht, dann hätte auch eine andere Sache als die konkret erworbene mit derselben Wahrscheinlichkeit untergehen können. Ähnlich verhält es sich, wenn ein Geschäftsunfähiger den Vertrag geschlossen hat oder ein beschränkt Geschäftsfähiger ohne Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters. 249 Denkt man den unerwünschten Leistungsaustausch hinweg und wäre alles regelgemäß verlaufen, hätte der Betreffende nämlich meist gar keinen Kaufvertrag geschlossen. Zumindest wäre auch ein anderer Kaufvertrag über eine vergleichbare Sache mit demselben Mangel behaftet und daher gleichfalls rückabzuwickeln gewesen: Wird der Gebrauchtwagenkauf von einem Siebzehnjährigen getätigt und der Kaufpreis verbotswidrig mit Geld bezahlt, das er geerbt hat und für seine Ausbildung bestimmt war, dann hätte der Siebzehnjährige auch mit einem anderen Gebrauchtwagenhändler keinen wirksamen Vertrag schließen können und hätte er richtigerweise in jedem Falle die Zahlungsmittel von 100 behalten. 250 247

Damit wird das von Flume entwickelte Kriterium der „vermögensmäßigen Entscheidung" in einem anderen Kontext, aber mit ähnlichem Wertungsgehalt fruchtbar gemacht, vgl. hierzu oben, I 2 a) bb) [S.379f.]. 248 Unter Berufung auf fehlende Ersparnisbereicherung ebenso Frieser, Der Bereicherungswegfall in Parallele zur hypothetischen Schadensentwicklung, S. 187. 249 Wiederum unter Berufung auf eine fehlende Ersparnisbereicherung Frieser, a.a.O., S. 200. 250 Alternativ läßt sich hier auch argumentieren, daß es in diesem Fall an einer wirksamen

402

Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche Schuldverhältnisse

Auch hier gilt es jedoch zu differenzieren. Steht es beispielsweise fest, daß der gesetzliche Vertreter den Kauf genehmigt hätte oder daß die Genehmigung nur an Umständen gescheitert ist, die mit dem Risiko des Sachuntergangs nichts zu tun haben, dann ist wiederum ein entsprechender Risikovorteil zu verbuchen: War der Autokauf grundsätzlich abgesprochen, hat sich der Siebzehnjährige aber abredewidrig ein rotes Auto gekauft, obgleich die Eltern ihre Zustimmung nur für ein weißes gegeben haben, dann hat die Farbe des Wagens die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls bei wertungsmäßig typisierender Betrachtung nicht erhöht. Ähnliche Differenzierungen können je nach den Umständen des konkreten Einzelfalls gleichfalls geboten sein, wenn der Vertrag durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossen wurde oder wegen Sittenwidrigkeit oder Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig ist.251 cc) Die Sphäre des Verkäufers Was nun die Vorteil-Nachteil-Analyse für die Seite des Verkäufers betrifft, so muß man davon ausgehen, daß der Verkäufer immer einen Restnachteil erleidet, wenn der Käufer die Kaufsache nicht unbeschädigt herausgeben kann: E r steht sich eindeutig genau um den Wert bzw. Minderwert des Wagens schlechter, als er stünde, wenn er den Wagen nie weggegeben hätte. Z u berücksichtigen ist dabei allerdings, daß der Käufer dann, wenn ein Dritter den Untergang verschuldet hat, gegebenenfalls einen Schadensersatzanspruch gegen diesen erlangt und als Surrogat im Sinne von § 818 Abs. 1 B G B an den Verkäufer ausgekehrt haben wird. b) Zufallsbedingter

Wegfall der Sachleistung

Nur scheinbar ist die Lage identisch, wenn der Untergang oder die Verschlechterung der Sachleistung auf Zufall beruht. Als Schulbeispiel für einen zufallsbedingten Untergang kann man sich etwa den Fall vor Augen führen, daß der rechtsgrundlos erlangte Wagen von einem Brand auf dem Nachbargrundstück erfaßt wird. Auch dann wird der Käufer durch § 818 Abs. 3 B G B als Gefahrtragungsnorm befreit, während er nicht gehindert ist, den gezahlten Kaufpreis zurückzuverlangen. O b ein Restnachteil auf der Seite des Verkäufers zu verbuchen ist, hängt wiederum von der gewählten Sichtweise sowie von der konkreten Situation ab: Insofern gelten die gleichen Grundsätze wie bei zurechenbarem Untergang der Sachleistung. O b der Käufer hingegen einen Risikovorteil erlangt, erscheint zweifelhaft.

vermögensmäßigen Entscheidung fehle, den Wagen gegen Hingabe des Kaufpreises seinem Vermögen einzuverleiben. 251 Hierzu Larenz/Canaris, Schuldrecht \V2, §73 III 5 a) und c) [S.330f.].

§ 11

Rückabwicklungsverhältnisse

403

Vergleicht man die Lage mit derjenigen bei zurechenbarem Wegfall der Sachleistung, gerät man in ein argumentatives Dilemma. Einerseits umfaßt die vermögensmäßige Entscheidung des Käufers, die Sache gegen Hingabe des Kaufpreises dem eigenen Vermögen einzuverleiben, auch die Übernahme des Zufallsrisikos. Andererseits aber bleibt nicht zu verkennen, daß es hier nicht in gleichem Maße angebracht ist, von einer „doppelten Chance" zu sprechen oder davon, daß der Käufer einmal „umsonst" eine Sache zerstören durfte, ohne die vermögensmäßigen Folgen seines Tuns tragen zu müssen. Daß nun einmal die Sache zerstört worden ist, die er wegen der Unwirksamkeit des Kaufvertrags zurückgeben kann, und nicht eine andere, ist ebenso Schicksal wie die Zerstörung selbst: Durch Zufall hätte der Wagen bei jedem gleichermaßen untergehen können, also beim redlichen Käufer ebenso wie beim verschärft haftenden, der die Sache in Kenntnis seiner Rückgabepflicht pflichtgemäß in die Garage gestellt hat, und übrigens ebenso auch beim Verkäufer selbst. Es erscheint mir als die wertungsmäßig überzeugendste und vor allem ehrlichste Lösung, hier zwar grundsätzlich von einem Risikovorteil des Empfängers auszugehen, jedoch von einem nur sehr schwach ausgeprägten. c) Unkörperliche

Leistungen

Bei unkörperlichen Leistungen ist die Lage derjenigen bei körperlichen Leistungen vergleichbar, doch läßt sich - wie oben ausgeführt - die Unterscheidung zwischen zufallsbedingtem und zurechenbarem Wegfall nicht in der üblichen Weise treffen, sondern muß danach differenziert werden, ob sich die Tatsache, daß ein entsprechender subjektiver Nutzen nicht gezogen werden konnte, auf das Verhalten des Empfängers oder auf die Eigenart des Vertragsverhältnisses zurückführen läßt.252 Die folgenden Beispielsfälle sollen demonstrieren, wie sich dies auf die allokatorische Beurteilung auswirkt. Zum einen nehme man an, daß Karl mit Viktor einen Dienstvertrag schließt, wonach Viktor für einen Tageslohn von 10 einen Monat lang jeden Tag Schneeräumen soll. Nach zehn Tagen stellt sich der Dienstvertrag als wegen Dissens nichtig heraus. Bei der Rückabwicklung macht Karl geltend, daß er wegen des unerwartet milden Winters durch das Tätigwerden des Viktor nur an zwei Tagen etwas erspart habe. Bei wortgetreuer Anwendung des Gesetzes könnte Karl erstens den gezahlten Lohn von 100 zurückverlangen. Weil ein unkörperliches Erlangtes gegenständlich ohne weiteres wegfällt, wäre Karl gemäß §818 Abs. 3 BGB als Gefahrtragungsnorm zunächst von jeder Haftung freigestellt. Damit würde Viktor einen Restnachteil erleiden, und zwar grundsätzlich in der Höhe des objektiven Wertes seiner Leistungsbereitschaft, also in Höhe von 100, denn insoweit hat er etwas geleistet, ohne ein wirtschaftliches Äquivalent zu erhalten. 252

Hierzu näher oben, I 2 b) [S.383f.].

404

Viertes Kapitel:

Weitere gesetzliche

Schuldverhältnisse

Der Dienstberechtigte Karl hätte allerdings zunächst einen Restvorteil von 20 wegen seiner tatsächlichen Ausgabenersparnis erlangt. Zusätzlich erhält er, indem er den „sinnlos" gezahlten Lohn zurückfordern kann, wiederum eine zweite Chance: Er kann das nächste Mal vorsichtiger sein und die Möglichkeit einer milden Witterung in seine Überlegungen miteinbeziehen. Diese zweite Chance ist wirtschaftlich als weiterer Restvorteil in Höhe des sinnlos gezahlten Lohnes, also in Höhe von 80 zu betrachten. Damit stehen sich hier insgesamt ein Restvorteil von 100 und ein Restnachteil von 100 gegenüber. Zum anderen nehme man an, daß Karl mit Viktor einen Dienstvertrag schließt, wonach Viktor wiederum für einen Tageslohn von 10 einen Monat lang im Betrieb des Karl dessen individuell auf Karl abgestimmtes Softwaresystem optimieren und die Mitarbeiter entsprechend schulen soll. Dabei bringt es die gestellte Aufgabe mit sich, daß Viktor die ersten Wochen zur Einarbeitung in das Softwaresystem benötigt. Wiederum stellt sich der Vertrag nach 10 Tagen als nichtig heraus. Bei wortgetreuer Anwendung des Gesetzes könnte Karl den gezahlten Lohn zurückfordern und wäre gemäß §818 Abs. 3 BGB als Gefahrtragungsnorm wiederum von jeglicher Haftung befreit. In diesem Fall erleidet der Dienstverpflichtete zwar wieder einen Restnachteil in der Höhe des objektiven Wertes der Dienstleistung. Der Dienstberechtigte Karl erlangt jedoch weder einen Restvorteil in der Form einer Ausgabenersparnis noch in der Form einer doppelten Chance: Er wird einem anderen Spezialisten auch wieder die Einarbeitungszeit bezahlen müssen, und bei Wirksamkeit des Vertrages hätte der Lohn für die Einarbeitungszeit durchaus eine sinnvolle Investition dargestellt. Dem Restnachteil des Viktor steht somit kein entsprechender Restvorteil des Karl gegenüber. d) Verluste im

Stammvermögen

Hat der Empfänger der Sachleistung nicht diese Sachleistung ersatzlos verloren, sondern infolge des rechtsgrundlosen Erwerbs Verluste in seinem Stammvermögen erlitten, dann führt dies bei unmodifizierter Anwendung des Gesetzes auf seiner Seite zu einem Restnachteil. Haften beide Parteien nach Restitutionsgrundsätzen, dann kann von einem entsprechenden Restvorteil des Verkäufers nur dann gesprochen werden, wenn dieser infolge objektbezogener Aufwendungen des Käufers eigene Aufwendungen erspart hat oder die Sache im Wert gestiegen ist. Bei nicht werterhöhenden, aber dennoch notwendigen Verwendungen sind die Gegebenheiten im konkreten Fall zu berücksichtigen, d.h. etwa der Umstand, daß der Verkäufer die Sache sofort anderweitig veräußert und somit Erhaltungskosten ohnehin nicht getragen hätte. Soweit dem Käufer für den Vertrag selbst Unkosten entstanden sind, kann von einem Restvorteil des Verkäufers nur gesprochen werden, wenn die Vertragskosten ausnahmsweise gerade zu seinem Interessen- und Risikobereich ge-

§ 11

Rückabwicklungsverhältnisse

405

hört hätten: In diesem Fall ist zwar eine positive Vermögensdifferenz auf seiner Seite nicht zu verzeichnen, jedoch muß er sich daran festhalten lassen, daß er den Käufer zurechenbar in seinem Interessen- und Risikobereich tätig werden ließ und daß dieses Tätigwerden seinen Preis hat, der in den verursachten Unkosten zum Ausdruck kommt. Entsprechendes gilt vice versa bei Vertragskosten, die der Verkäufer getragen hat. 2. Vorteil-Nachteil-Analyse bei einseitiger A b s c h ö p f u n g s h a f t u n g Geht man davon aus, daß einer der Vertragspartner nur einer Abschöpfungshaftung unterliegt, ändert sich zwar manches an der Struktur der allokatorischen Argumentation, aber kaum etwas am Ergebnis einer Vorteil-NachteilAnalyse an sich. Als Beispiel hierfür mag der Fall dienen, daß die Nichtigkeit des Kaufvertrags eindeutig vom Verkäufer zu vertreten ist, weil er den Käufer über einen Mangel arglistig getäuscht oder ihm wucherische bzw. sonst sittenwidrige Vertragsbedingungen aufgezwungen hatte. Charakteristisch für die „gemischte" Lösung ist nun vor allem, daß auf der Seite des Verkäufers alles, was er vom Käufer noch ausgekehrt erhält, als Restvorteil zu Buche schlägt, daß er aber umgekehrt einen Restnachteil praktisch nie erleiden kann. Daß auf der Seite des Käufers nicht mehr von einer Haftungsbefreiung gemäß §818 Abs. 3 B G B als Gefahrtragungsnorm und einem etwaigen Restvorteil in der Form einer bleibenden Ersparnisbereicherung ausgegangen werden kann, sondern von einem Umsetzungsverlust, ändert - wie im Dritten Kapitel gezeigt werden konnte 253 - im Ergebnis wenig, weshalb auf diesen Punkt hier nicht näher eingegangen werden soll. Vielmehr sollen die Unterschiede nur anhand der zwei wichtigsten Fallkonstellationen aufgezeigt werden. a) Wegfall der Kaufsache bei arglistiger Täuschung usw. Die eine Fallkonstellation ist diejenige, in der zwar der Käufer arglistig über einen Mangel der Kaufsache getäuscht worden ist, diese dann aber infolge eines solchen Umstands untergeht oder beschädigt wird, der mit dem Mangel in keinerlei innerem Zusammenhang steht. Hat beispielsweise der Verkäufer eines Gebrauchtwagens dem Käufer arglistig einen unzutreffenden Kilometerstand vorgespiegelt, wird der Wagen dann aber bei einem Auffahrunfall zerstört, mußte ja bei beidseitiger Restitutionshaftung von einem Risikovorteil des Käufers und einem Restnachteil des Verkäufers ausgegangen werden. Auch bei Annahme einseitiger Abschöpfungshaftung des Käufers muß man konsequenterweise zu einem Risikovorteil kommen, oder - ganz korrekt gesprochen - dazu, daß der Umsetzungsverlust durch einen entsprechenden Risikovorteil kompen253

Drittes Kapitel, §7 I 2 b) [S.260f.].

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Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

Schuldverhältnisse

siert wird. Jedoch entsteht auf der Seite des Verkäufers allenfalls ein Restvorteil - sofern er noch etwas ausgekehrt erhält - keinesfalls jedoch ein Restnachteil. b) Verluste im

Stammvermögen

Weiterhin ändert sich etwas an den auftretenden Reststörungen, wenn der Käufer Verluste im Stammvermögen erleidet, also etwa Aufwendungen auf die Kaufsache getätigt hat, im Vertrauen auf den Erwerb ein günstiges Angebot hat verstreichen lassen oder wenn die Kaufsache in seinem übrigen Vermögen Schaden angerichtet hat. Sowohl bei Annahme beidseitiger Restitutionshaftung als auch bei Annahme einseitiger Abschöpfungshaftung entsteht dadurch ein Restnachteil des Käufers. Ein Unterschied ergibt sich hingegen, was die Sphäre des Verkäufers betrifft. Während bei Annahme einseitiger Abschöpfungshaftung generell auf seiner Seite von einem Restvorteil auszugehen ist, ist das bei Annahme beiderseitiger Restitutionshaftung nur der Fall gewesen, wenn der Käufer die Sache verbessert oder der Verkäufer sich jedenfalls Ausgaben erspart hat. 3. A n w e n d u n g des Statikgedankens Soweit sich jeweils ein Restvorteil und ein Restnachteil gegenüberstehen, würde es der Statikgedanke - seine normative Geltung einmal unterstellt - gebieten, einen ergänzenden Wertausgleich durchzuführen. Rein äußerlich würde dieser die Form einer Ausgleichszahlung annehmen oder auch, wo sich dies anbietet, einer entsprechenden Anspruchskürzung. Es besteht bereits hier ein gewisser Anfangsverdacht, daß die Ergebnisse, die im Wege eines solchen ergänzenden Wertausgleichs auf der Grundlage des Statikgedankens erzielt werden, weitgehend mit den Ergebnissen der Saldotheorie bzw. einer teleologischen Zurückdrängung von §818 Abs. 3 BGB übereinstimmen. Dem soll im folgenden näher nachgegangen werden. a) Beidseitige Haftung nach

Restitutionsgrundsätzen

Haften beide Parteien nach Restitutionsgrundsätzen, dann kommt es zu korrespondierenden Reststörungen immer dann, wenn die Sachleistung beim Käufer untergegangen ist und dieser Untergang auch weder gerade auf den Mangel zurückzuführen ist, dessentwegen der Vertrag angefochten wurde, noch auch der Empfänger Verträge der betreffenden Art aufgrund einer gesetzlichen Schutznorm überhaupt nicht hätte schließen können. Ferner kommt es zu korrespondierenden Reststörungen dann, wenn der Empfänger etwa einer Dienstleistung diese Leistung nicht gewinnbringend verwenden kann und dieser Umstand nicht schon zwangsläufig aus der Art der konkret vereinbarten Leistung folgt. In beiden skizzierten Fallkonstellationen sind es jeweils ein Restvorteil des

§ 11

Rückabwicklungsverhältnisse

407

Käufers, Dienstberechtigten usw. und ein Restnachteil des Verkäufers, Dienstverpflichteten usw., die sich ausgleichsfähig gegenüberstehen. Nimmt man hier einen Ausgleich der korrespondierenden Reststörungen vor, dann läuft das im Ergebnis darauf hinaus, daß der Käufer, der die Kaufsache nicht mehr oder nicht mehr unbeschädigt zurückgeben kann, normalerweise - d.h. abgesehen von den genannten Ausnahmefällen des mangelbedingten Untergangs usw. - in der H ö h e ihres Wertes oder der Wertminderung auch seinen Kaufpreis nicht mehr zurückerhält. Entsprechend kann der E m p f ä n g e r etwa einer Dienstleistung den von ihm gezahlten Lohn normalerweise insoweit nicht mehr zurückverlangen, als sich nicht aus der Natur der Dienstleistung ergibt, daß sie nur im Falle einer längeren Vertragsdauer wirtschaftlich sinnvoll ist. Zu korrespondierenden Reststörungen kommt es auch immer dann, wenn der Käufer Verwendungen auf die Sache gemacht hat, die anderenfalls der Verkäufer selbst hätte tragen müssen oder die zumindest den Wert der Sache erhöht haben. Ebenso ist der Fall zu nennen, daß eine Partei Vertragskosten getragen hat, die eindeutig in den Risiko- und Interessenbereich der anderen Partei gefallen wären. Nimmt man nun wiederum einen Ausgleich nach Maßgabe des Statikgedankens vor, dann führt das ungefähr zu einer Nachteilsausgleichung, wie sie der bösgläubige Besitzer gemäß §§ 994ff. B G B - allerdings unter Einschluß der Aufwendungskondiktion - geltend machen kann. b) Haftung einer Partei nach

Abschöpfungsgrundsätzen

Haftet der Käufer nur nach Abschöpfungsgrundsätzen, was vor allem in Betracht kommt, wenn er den Kaufvertrag wegen einer arglistigen Täuschung durch den Verkäufer anficht, dann ändert sich die Vorteil-Nachteil-Analyse in zwei Punkten: Erstens steht jeder Aufwendung und jedwedem sonstigen Verlust, den der Käufer in seinem Stammvermögen erleidet, auch ein entsprechender Restvorteil des Verkäufers gegenüber, soweit dieser überhaupt noch etwas zurückerhält. Bei Anwendung des Statikgedankens hat somit ein voller Nachteilsausgleich zugunsten des Käufers stattzufinden. Zweitens aber kommt es auch dann, wenn die Sache untergegangen oder beschädigt worden ist, zwar gegebenenfalls zu einem Risikovorteil des Käufers, nicht aber auch zu einem korrespondierenden Restnachteil des Verkäufers. Für die Anwendung des Statikgedankens bedeutet das etwa, daß ein Ausgleich schon deswegen zu unterbleiben hat, weil der Käufer arglistig getäuscht wurde, auch wenn der Untergang der Sache in keiner Weise gerade auf den Mangel zurückzuführen ist, auf den sich die Täuschung bezog: In diesem Fall kann der Käufer den Kaufpreis in vollem U m f a n g zurückverlangen.

408

Viertes Kapitel: V/eitere gesetzliche

Schuldverhältnisse

c) Vergleich mit den Ergebnissen von Canaris und der Saldotheorie Es fällt auf, daß die Ergebnisse, die mit Hilfe eines ergänzenden Wertausgleichs auf der Grundlage des Statikgedankens erzielt werden, sehr weitgehend sowohl mit den Ergebnissen der Saldotheorie übereinstimmen als auch mit den Lösungen, die bei einer teleologischen Reduktion von §818 Abs. 3 BGB entstehen. Was letztere betrifft, so wird sich der folgende Vergleich auf die von Canaris entworfene Konzeption einer Gegenleistungskondiktion beschränken. Der von Canaris vorgeschlagenen Lösung entspricht in den praktischen Ergebnissen im wesentlichen ein Reststörungsausgleich, der eine beidseitige Haftung nach Restitutionsgrundsätzen voraussetzt. Ein möglicher Unterschied ergibt sich vor allem bei der Behandlung der zufallsbedingten Entreicherung, bei der Canaris eine kategorische Entlastung des Leistungsempfängers vertritt, während der Reststörungsausgleich eine Einzelfallwertung ermöglicht. 254 Geringfügige Divergenzen bestehen auch in bezug auf unkörperliche Leistungen, wo der Reststörungsausgleich ebenfalls zu flexibleren Lösungen gelangt, und ebenso bei der Ausgleichung von Aufwendungen: Während Canaris diesbezüglich die üblichen Grundsätze herangezogen und solche Aufwendungen stets ausgeglichen wissen möchte, ist ein Ausgleich auf der Grundlage des Statikgedankens nur möglich, wenn der andere Teil ausnahmsweise zugleich einen Restvorteil erlangt. Ansonsten hat der Aufwendende den wirtschaftlichen Verlust zu akzeptieren und darf dieser nicht dem anderen als zusätzlicher Restnachteil aufgebürdet werden. Ein ergänzender „Ausgleich", der Reststörungen schafft bzw. wmschafft, und nicht beseitigt, kann vom allokatorischen Ansatz her nämlich nicht zulässig sein. Demgegenüber entspricht der Saldotheorie in den praktischen Ergebnissen im wesentlichen ein Reststörungsausgleich, der in gewissen Fällen - nämlich wenn der Verkäufer arglistig getäuscht hat, selbst verschärft haftet, der andere minderjährig ist usw. - den schutzwürdigeren Teil nur nach Abschöpfungsgrundsätzen haften läßt. Auffällige Gemeinsamkeiten - zumindest mit der neueren Rechtsprechung - sind auch erkennbar, soweit die Frage der Nachteilsausgleichung betroffen ist. Denn seit Einführung des Prüfungskriteriums, in wessen Interesse und Verantwortungsbereich etwa Erwerbskosten getätigt worden sind,255 stellt die Rechtsprechung cum grano salis auf die gleichen Gesichtspunkte ab, wie sie oben zur Feststellung eines Restvorteils herangezogen wurden. Ein gravierender Unterschied ergibt sich freilich, was die Behandlung von Vorleistungen betrifft, wo die Saldotheorie den im voraus leistenden Verkäufer leer ausgehen läßt, die Verrechnung von Restnachteil und Risikovorteil 254 Indessen denke ich nicht, daß eine solche Wertung mit seiner Konzeption gänzlich unvereinbar wäre, zumal Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 73 III 3 b) [S. 327] selbst eine Differenzierung nach dem Grund der Vertragsnichtigkeit erwägt. 255 B G H Z 1 1 6 , 251 [256f.].

§ 11

Rückabwicklungsverhältnisse

409

hingegen in gleicher Weise erfolgen kann wie nach beidseitigem Leistungsaustausch. 256 d) Vorzüge der hier vorgenommenen

Deutung

Die Deutung als Ausprägung des Statikgedankens scheint mir gegenüber den verschiedenen Konzeptionen, die mit einer Zurückdrängung von §818 Abs. 3 BGB arbeiten, gewisse Vorzüge zu haben. Denn diese Konzeptionen vermögen mich zwar im Ergebnis, nicht aber in der Begründung ganz zu befriedigen: Es geht nämlich eigentlich nicht darum, daß der redliche Empfänger einer synallagmatischen Leistung für deren Verlust generell strenger haften müßte als der Empfänger einer anderen Leistung oder daß sein Vertrauen, für den Wegfall des Erlangten nicht haften zu müssen, weniger schutzwürdig wäre. Worum es der Sache nach geht, bringt doch vielmehr § 351 BGB sinnfällig zum Ausdruck: Wer die selbst empfangene Leistung nicht mehr oder nur in erheblich entwertetem Zustand zurückgeben kann und sich dies zurechnen lassen muß, der handelt treuwidrig, wenn er dennoch die Gegenleistung zurückfordert und damit auf Kosten des anderen die vermögensmäßigen Folgen des eigenen Tuns ungeschehen macht. 257 Das entspricht dem Gedanken des Risikovorteils, der durch einen Verlust des anderen Teils erkauft wird.258 Kritikwürdig am Ansatz der modifizierten Zweikondiktionentheorien ist daher, daß es sich bei der entreicherungswrcabhängigen Zahlung des Leistungsempfängers wertungsmäßig nicht um Wertersatz für die empfangene Sache handelt, sondern um einen Ausgleich für den sonst erlangten Vorteil auf Kosten des anderen. aa) Ergebnisse bei Höherwertigkeit

der Sachleistung

Daß es auf die Bewußtseinslage des Empfängers allein nicht ankommen kann, erhellt ja schon daraus, daß §818 Abs. 3 BGB eine Restfunktion als vertrauens256 Allerdings erscheint es zweifelhaft, ob der Bundesgerichtshof - hätte er einen entsprechenden Fall zu entscheiden - heute noch Vorleistungen unterschiedlich behandeln würde. Die einzige einschlägige Entscheidung ist offenbar B G H LM §818 Abs. 3 B G B Nr. 2 a.E., jedoch hat bereits B G H Z 85, 50 [61] deutlich vermieden, den Vorleistenden leer ausgehen zu lassen, indem dem Reiseveranstalter die Berufung auf § 818 Abs. 3 BGB abgeschnitten und statt der vom Gesetzeswortlaut nahegelegten bereicherungsrechtlichen Haftung eine Haftung entsprechend §§ 346ff. BGB angenommen wurde. 257 Der Rücktrittsberechtigte muß sich vielmehr - beim gesetzlichen Rücktritt - an konkurrierende Ansprüche auf Minderung oder Schadensersatz halten, oder aber - beim vertraglichen Rücktritt - sich mit der zurechenbar geschaffenen Lage abfinden. 258 In der Konsequenz dessen hätte es gelegen, analog §351 BGB eine Kondiktionssperre anzunehmen. Daß die Lösung über den entreicherungsunabhängigen Wertersatz dennoch gegenüber einer Kondiktionssperre noch die bessere ist, liegt daran, daß im Rücktrittsrecht der Vertrag an sich wirksam, beim Bereicherungsausgleich dagegen gerade unwirksam ist und man nicht im Wege einer Kondiktionssperre der Kaufpreiszahlung oder sonstigen Gegenleistung nachträglich einen Rechtsgrund „unterschieben" darf.

410

Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

Schuldverhältnisse

rechtliche Opfergrenze behält, wenn die Sache mehr wert war, als ihr Empfänger für sie bezahlt hat. Kauft jemand etwa einen Gebrauchtwagen im Wert von 90 zum Preis von 60 und geht er mit dem Wagen unsorgfältig um, dann tut er das in dem Bewußtsein, seinem Vermögen einen Schaden von 90 zuzufügen, und nicht bloß einen Schaden von 60. Dennoch ist eine Nachschußpflicht ausgeschlossen. Würde man das Vertrauensargument hier folgerichtig weiterdenken, könnte man auch zu dem Schluß gelangen, daß der Käufer nicht nur seine Gegenleistung für verloren geben, sondern dem Verkäufer noch die Differenz zwischen Kaufpreis und Sachwert draufzuzahlen hätte: Schließlich hat er - zumindest bei Kenntnis von seinem guten Geschäft - in dem Bewußtsein gehandelt, sich den vollen Sachwert als Schaden zuzufügen, und nicht nur die verlorene Gegenleistung. 259 Eine Vorteil-Nachteil-Analyse ergibt hingegen, daß zwar der Verkäufer einen Restnachteil in Höhe des vollen Sachwerts von 90 erleidet, der Käufer jedoch nur einen Restvorteil von 60 erlangt: Nur in dieser Höhe kann er seinen Verlust ungeschehen machen und erlangt er eine „doppelte Chance". bb) Behandlung von

Gebrauchsvorteilen

Ähnliches erhellt aus der Behandlung von Gebrauchsvorteilen einer Kaufsache, die ihrerseits nicht als Gegenleistung für die Hingabe des Kaufpreises gewertet werden können. So erscheint es etwa in dem von Canaris gebildeten Schulfall des rechtsgrundlos erlangten Gemäldes nicht tragbar, den redlichen Erwerber gemäß § 818 Abs. 1 BGB auf den in Anlehnung an den üblichen Mietzins berechneten Gebrauchsvorteil haften zu lassen, ohne ihm zugleich die Möglichkeit offenzuhalten, sich diesbezüglich auf §818 Abs. 3 BGB zu berufen.260 Ähnliches gilt etwa im Fall des rechtsgrundlos erlangten Autos: Auch dort erscheint es unangemessen, den redlichen Erwerber auf den vollen Mietwagenpreis haften zu lassen, obgleich er normalerweise nicht den vollen Mietzins, sondern nur den Abnutzungsverlust am eigenen Wagen erspart hat.261 Dem Empfänger bei den Gebrauchsvorteilen der Sachleistung die Berufung auf § 818 Abs. 3 BGB im „normalen" Umfang zuzugestehen ist auf der Grundlage einer Zweikondiktionentheorie aber nur möglich, indem man die bei §818 Abs. 3 BGB vorgenommene teleologische Reduktion ihrerseits wiederum teleologisch präzisiert, wobei allerdings nicht ganz klar ist, wie man dann die Haftung auf just das tatsächlich Ersparte - also etwa den Abnutzungsverlust am anderenfalls eingesetzten eigenen Wagen - stimmig in die vertrauensrechtliche Argumentation einpassen kann: Der Vorstellung des Empfängers entsprach es 259 Diesbezüglich sind allerdings unterschiedliche Sichtweisen möglich, anders etwa Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 73 III 6 a) [S.332], der auf das Bewußtsein vom Verlust der selbst erbrachten Leistung abstellt. 260 Larenz/Canaris, Schuldrecht \V2, §73 III 6 b) [S. 333]. 261 Näher hierzu Canaris, in: Festschrift Lorenz (1991), S. 19 [56f.] m.w.N.

§ 11

Rückabwicklungsverhältnisse

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nun einmal, den Kaufpreis für das Eigentum am Wagen zu opfern, und nicht für ersparte Abnutzungsverluste. Die hier entwickelte Konzeption kommt in derartige Dilemmata nicht, weil sie nicht darauf angewiesen ist, den Käufer wie einen verschärft haftenden Bereicherungsschuldner zu behandeln, sondern vielmehr in die Vorteil-Nachteil-Analyse nur einstellt, was dieser tatsächlich an Ersparnisvorteilen, Risikovorteilen usw. erlangt. 4. B e w e r t u n g d e r E r g e b n i s s e Es ist sicher nicht vorrangiges Anliegen der Untersuchung, den bislang zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung des gegenseitigen Vertrags entwickelten Lösungen eine weitere hinzuzufügen, auch wenn die Deutung als Reststörungsausgleich gewisse Vorzüge mit sich bringt. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung viel wichtiger ist erstens die Bedeutung, die den gefundenen Ergebnissen für die Verifizierung der Ausgangsthese zukommt, und zweitens eine Stellungnahme dazu, ob nun eigentlich die beidseitige Restitutionshaftung oder die einseitige Abschöpfungshaftung die „richtige" Deutung darstellt. a) Bedeutung für die Verifizierung des

Statikgedankens

Für die spezifischen Zwecke der vorliegenden Untersuchung bedeutet das Gesagte, daß es mit einiger Wahrscheinlichkeit wiederum eine dem Statikgedanken entsprechende Vorteil-Nachteil-Wertung ist, die letztlich den Besonderheiten der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung im gegenseitigen Vertrag zugrundeliegt. Für die Verifizierung der These, daß ein Ausgleich von Reststörungen grundsätzlich dann und nur dann zu erfolgen hat, wenn sich ein Restvorteil und ein Restnachteil gegenüberstehen, ist diese Erkenntnis sogar von ganz besonderem Wert. D e n n weil die Saldotheorie der Rechtsprechung lediglich historisch aus einem überholten Ansatz heraus zu erklären ist, der inneren Logik entbehrt und allenfalls deswegen akzeptiert werden kann, weil sie gleichsam „zufällig" bzw. mit Hilfe unsystematischer Korrekturen meist zu annehmbaren Ergebnissen führt, besteht auch ein verstärkter Begründungsbedarf, weshalb sie bis heute aufrechterhalten wird. Diese Begründung vermag meiner Ansicht nach der Statikgedanke zu bieten. D e n n er ist dem Prinzip nach einfach und besagt schlicht, daß infolge der Rückabwicklung nicht ein Beteiligter einen Restvorteil erlangen soll, soweit ein anderer dabei einen Restnachteil erleidet. Daher vermag er auszudrücken, was einem spontanen Rechtsempfinden entspricht: Die bei wortgetreuer Anwendung des Gesetzes erzielten Ergebnisse erscheinen nun einmal genau deswegen unbefriedigend, weil dadurch ein Beteiligter auf Kosten des anderen profitiert.

412

Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

b) Die Frage nach der „richtigen"

Schuldverhältnisse

Deutung

Ob derjenige Vertragspartner, der die Rückabwicklung eines gegenseitigen Vertrages zu vertreten hat, nach Restitutionsgrundsätzen oder nach Abschöpfungsgrundsätzen haftet, ist in erster Linie eine Frage, die der Gesetzgeber zu beantworten hat. Hat der Gesetzgeber sich nicht eindeutig geäußert, dann sind Rechtsprechung und Lehre berufen, diejenige Deutung zu wählen, welche sich besser in das System des geltenden Schuldrechts einzupassen vermag und eher geeignet ist, Wertungswidersprüche zu vermeiden. Das ist aber vergleichsweise eindeutig die Theorie von der beidseitigen Restitutionshaftung. Zunächst ergibt sich dies schon aus dem Wesen der Rückabwicklung an sich. So mag es bei der isolierten Leistungskondiktion - etwa bei irrtümlicher Zuvielüberweisung von Gehaltszahlungen - wertungsmäßig noch angehen, darin lediglich das Problem eines Zuviel beim Schuldner zu erblicken, weil der Überweisende mit der freiwilligen Weggabe des Geldes seine eigene Vermögenssphäre in einen neuen, privatrechtlich nicht mißbilligten Zustand versetzt habe. Nicht mehr ist dies hingegen möglich, wenn es um die Rückforderung einer synallagmatischen Leistung geht, weil eine solche Leistung stets implizit unter dem Vorbehalt des endgültigen Erhalts der Gegenleistung steht und somit mit Weggabe der Leistung ein privatrechtlich gebilligter status quo von vornerherein auch nur unter dieser Bedingung entstehen kann. Weiterhin aber ist die Lösung im Wege einer einseitigen Abschöpfungshaftung auch nicht geeignet, Einzelfallgerechtigkeit zu gewährleisten. Angemerkt sei zunächst, daß es bereits an allgemeinen Kriterien mangelt, in welchen Fällen von einer überwiegenden Schutzwürdigkeit einer Partei ausgegangen werden kann, und in welchen nicht. Dabei muß man stets im Auge behalten, daß die einseitige Abschöpfungshaftung einer Partei für den anderen Teil eine erhebliche Benachteiligung bedeutet, die auch nur unter ganz besonderen Umständen gerechtfertigt erscheint. Läßt man dafür - wie offenbar der Bundesgerichtshof bereits genügen, daß der andere Vertragspartner verschärft haftet, 262 dann steht die „Sanktion", diesem Vertragspartner seinen Restitutionsanspruch zu entziehen und ihm lediglich einen Abschöpfungsanspruch zu geben, außer Verhältnis zum Unwertgehalt seines Verhaltens. Zumindest nimmt man in Kauf, daß man in einem großen Teil der Fälle das Kind mit dem Bade ausschüttet. Das gilt übrigens auch in den Konstellationen mit scheinbar eindeutigem Schutzbedarf nur eines Vertragspartners, so etwa wenn der Empfänger der Sachleistung minderjährig ist oder arglistig getäuscht wurde. Denn daß der Verkäufer eines Gebrauchtwagens dem Käufer arglistig einen unzutreffenden Kilometerstand vorgespiegelt hat, ist mangels eines inneren Zusammenhangs noch kein Grund, ihm das volle Risiko eines vom Käufer verursachten Unfalls aufzubürden, son262

So B G H Z 57,137 [151]; 72, 252 [254ff.].

§ 11

Rückabwicklungsverhältnisse

413

dern kommt vielmehr einer Privatstrafe gleich. Aus den genannten Gründen ist daher der Annahme beiderseitiger Restitutionshaftung der Vorzug zu geben.

IV. Die übrigen

Rückabwicklungsverhältnisse

Angesichts der identischen allokatorischen Ausgangslage sind es bei den einzelnen Rückabwicklungsverhältnissen auch im wesentlichen die gleichen Fallkonstellationen, in denen Restvorteile oder Restnachteile auftreten. Insbesondere erleidet - da sich die beiderseitige Haftung nach Restitutionsgrundsätzen als die zutreffende Deutung erwiesen hat - der Erbringer einer Leistung einen Restnachteil dadurch, daß seine Leistung beim Empfänger untergegangen ist und dieser entweder gemäß §§ 989ff. BGB haftungsmäßig entlastet wird bzw. gemäß § 350 BGB trotz Wegfalls der empfangenen Leistung weiterhin den Rücktritt erklären kann.263 Umgekehrt erlangt in diesen Fällen der Empfänger der untergegangenen Leistung einen Restvorteil, sofern nicht der Untergang gerade durch denjenigen Umstand bedingt ist, dessentwegen die Rückabwicklung erfolgt, oder der Empfänger einen Vertrag über eine solche Leistung von Gesetzes wegen überhaupt nicht hätte schließen können. 1. Vergleich mit der vindikationsrechtlichen Rückabwicklung Anders als bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung hat man bei der vindikationsrechtlichen bislang das Ergebnis, wonach unter Umständen der eine Teil das Geleistete zurückfordern darf, ohne selbst noch etwas zurückgeben zu können, weitgehend akzeptiert. Freilich stellt sich das Problem dort nur dann in voller Schärfe, wenn man bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung die Saldotheorie zugrundelegt, weil diese den Leistenden bei Doppelnichtigkeit ebenso schutzlos läßt wie in Vorleistungsfällen. Legt man dagegen eine Modifizierung der Zweikondiktionentheorie zugrunde, bleibt es dem Leistenden, gegen den mit der Vindikation vorgegangen wird, unbenommen, seinerseits Wertersatz gemäß § 818 Abs. 2 BGB zu fordern.264 Eine weitere Entschärfung erfährt die Abweichung von der bereicherungsrechtlichen Lösung dadurch, daß ja gerade in Fällen von Doppelnichtigkeit der Empfänger der Sachleistung sehr häufig minderjährig oder das Opfer von Wucher, arglistiger Täuschung usw. sein 263

Das Rücktrittsrecht unterscheidet sich von den beiden anderen betrachteten Rückabwicklungsverhältnissen vor allem dadurch, daß §351 B G B bei zurechenbarem Wegfall der empfangenen Leistung die Rückabwicklung ganz ausschließt, was unter anderem bedeutet, daß der Empfänger eine gezahlte Gegenleistung auch nicht insoweit zurückverlangen kann, als sie den Wert der empfangenen und untergegangenen Leistung übersteigt. D a allerdings in diesem Fall ein Ausgleichsmechanismus gar nicht in Gang gesetzt wird, ist es auch müßig, über Reststörungen und deren etwaigen ergänzenden Ausgleich zu sprechen. 264 Statt aller Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §74 11 b) [S.340],

414

Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

Schuldverhältnisse

wird, er also auch nach Bereicherungsrecht den gezahlten Kaufpreis zurückfordern kann, obgleich er die Sache nicht mehr unbeschädigt zurückgibt. a) Lückenhafte

Verwirklichung des

Statikgedankens

Dennoch bleibt eine Reihe von Fällen, in denen die Abweichung von den Lösungen der Gegenleistungskondiktion manifest wird und sich ein Restvorteil und ein Restnachteil unausgeglichen gegenüberstehen. Man denke nur an den Fall, daß der Verkäufer nicht voll geschäftsfähig ist, oder an „neutrale" Nichtigkeitsgründe, wie etwa, daß das dingliche Geschäft formbedürftig war, daß Dissens oder Irrtum auch das dingliche Geschäft betreffen 265 oder das dingliche Geschäft nach den Grundsätzen über die Geschäftseinheit von der Nichtigkeit des Grundgeschäfts erfaßt wird.266 Geht in einem solchen Fall eine Sachleistung bei ihrem redlichen Empfänger unter oder wird sie verschlechtert, dann wird der Betreffende gemäß §§989, 990 Abs. 1 BGB haftungsmäßig entlastet, kann aber dennoch die Gegenleistung vindizieren. In der Regel erlangt er dadurch einen Risikovorteil, während der Vertragspartner einen entsprechenden Restnachteil erleidet. Besondere Wertungen, die einer Verwirklichung des Statikgedankens in solchen Fällen generell entgegenstehen würden, sind nicht ersichtlich. b) Bedeutung für die vorliegende

Untersuchung

Der eingangs postulierte, umfassende Geltungsanspruch des Statikgedankens ist damit erneut partiell widerlegt, und es fragt sich, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Anders als bei der Einschränkung des Verwendungsersatzes des Vindikationsschuldners ist hier auch keine einhellige Literaturmeinung ersichtlich, die eine Verwirklichung des Statikgedankens einfordern würde. Dennoch wird man dem ein besonders starkes Argument gegen die Geltung des Statikgedankens nicht entnehmen dürfen. Denn offenbar ist die Frage bislang noch nicht relevant geworden, so daß gar nicht geklärt ist, ob sich die Rechtsprechung im Ernstfall nicht sogar für einen Vorrang der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung, für eine teleologische Reduktion von §§989, 990 Abs. 1 BGB oder für eine andere Möglichkeit der Abhilfe entscheiden würde. Daß sie die Notwendigkeit einer Angleichung der vindikationsrechtlichen Rückabwicklung an die bereicherungsrechtliche wenigstens im Ansatz erkannt hat, folgt ja schon daraus, daß sie - allerdings in der Sache fehlgehend - mehrfach von einer Anwendbarkeit der Saldotheorie auf die Vindikation gesprochen hat.

265 Zu den Grundsätzen der Fehleridentität statt aller Palandt^-Heinrichs, vor § 104 BGB Rn.23f. m.w.N. 266 Letzteres setzt nur voraus, daß nach der Auslegung des Vertrags das eine Teilgeschäft mit dem anderen gleichsam stehen und fallen sollte, vgl. dazu B G H Z 50, 8 [13]; B G H NJW 1976, 1931; NJW 1990,1473 [1474]; B G H LM §139 BGB Nr.34.

§ 11

Rückabwicklungsverhältnisse

415

2. Gesetzlicher Rücktritt und verwandte Rechtsverhältnisse Vergleichbare Konstellationen treten auch beim gesetzlichen Rücktritt auf, wo der Rücktrittsberechtigte den Rücktritt auch dann noch erklären kann, wenn die empfangene Leistung bei ihm durch Zufall untergegangen ist. Denn dann steht dem Risikovorteil des Rücktrittsberechtigten ein entsprechender Restnachteil des Rücktrittsgegners gegenüber, was nur durch eine ergänzende Ausgleichszahlung des Rücktrittsberechtigten in Höhe des Sachwerts vermieden werden könnte. Das entspricht übrigens im Ergebnis einer im Vordringen befindlichen Ansicht in der Literatur, die von einer hilfsweisen Verpflichtung des Rücktrittsschuldners zum Wertersatz ausgeht. 267 Im Hinblick auf den Statikgedanken und unter Zugrundelegung der Annahme, daß beide Parteien nach Restitutionsgrundsätzen haften, ist die Annahme einer solchen Ausgleichszahlung stimmig.268 Sie kann sich allerdings bislang auf nicht viel mehr stützen als auf die Materialien, und dem ist entgegenzuhalten, daß eine derartige Wertersatzpflicht zwar vom Gesetzgeber vorgesehen gewesen sein mag, daß sie aber jedenfalls nicht Gesetz geworden ist. a) Bedeutung der rücktrittsrechtlichen Untersuchung

Regelung für die vorliegende

Nach dem Gesagten wird auch bei der rücktrittsrechtlichen Rückabwicklung der Statikgedanke letztlich nicht in vollem Umfang verwirklicht. Anders als im Vindikationsrecht ist man sich der praktischen Konsequenzen für den Erbringer der Sachleistung wohl auch durchaus bewußt. Indessen wäre es vorschnell, deswegen bereits von einer Durchbrechung des Statikgedankens zu sprechen. Denn auch wenn die Annahme einer einseitigen Abschöpfungshaftung sich weiter oben als deutlich unterlegen erwiesen hat, bleibt es doch dabei, daß diese Deutung beim gesetzlichen Rücktritt prinzipiell möglich ist: Bis auf den Ausnahmefall des § 636 BGB hat ja der Rücktrittsgegner den Grund für die Rückabwicklung des Vertrags immer zu vertreten, so daß auch im Wege der analogen Anwendung von § 327 Satz 2 BGB immer von einer bloßen Abschöpfungshaftung des Rücktrittsberechtigten ausgegangen werden könnte. Das würde bedeuten, daß alles, was der Rücktrittsberechtigte an den Rücktrittsgegner noch auskehrt, auf dessen Seite einen Restvorteil darstellte, während er einen Rest267 Glaß, Gefahrtragung und Haftung beim gesetzlichen Rücktritt, S.41f., 105; Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 199ff.; Bremecker, Die Bereicherungsbeschränkung des §818 Abs. 3 BGB bei nichtigen gegenseitigen Verträgen, S. 151 ff.; Kohler, Die gestörte Rückabwicklung gescheiterter Austauschverträge, S.21ff., 46ff.; Soergel U -Wiedemann, §327 B G B Rn.26; Flume, NJW 1970, 1161 [1166]; MünchKomm 3 -£mmerid!, §327 B G B Rn.15; Staudinger 13 -KöMer, §347 B G B Rn.25ff.; Manfred Wolf, AcP 153 (1954), 97 [128], 268 Anzumerken ist, daß die befürwortete Verpflichtung zum Wertersatz in Anlehnung an §487 Abs. 2 und 3 BGB dann, wenn sie Gesetz geworden wäre, eine Ausprägung reinen Realausgleichs darstellen würde.

416

Viertes Kapitel: Weitere gesetzliche

Schuldverhältnisse

nachteil praktisch nicht erleiden könnte. Der Empfänger der Sachleistung, der den Rücktritt erklärt, mag daher einen Risikovorteil erlangen oder auch nicht, doch stünde dem jedenfalls kein Restnachteil des anderen gegenüber, weshalb ein Widerspruch zum Statikgedanken insofern nicht ersichtlich ist. Die Tatsache, daß die Regelung des §350 BGB nur von einem Teil der Literatur als gerecht betrachtet, 269 von einem anderen Teil dagegen vehement kritisiert und als rechtspolitisch verfehlt angesehen wird,270 kann daher in gewisser Weise als Bestätigung dafür gewertet werden, daß die hier vorgenommene Deutung tragfähig ist: In der Kontroverse spiegelt sich nichts anderes wider als die Divergenz zwischen einseitiger Abschöpfungshaftung und beidseitiger Restitutionshaftung. b) Vergleich mit den spezialgesetzlichen

Vorschriften

Beidseitig nach Restitutionsgrundsätzen wird jedenfalls bei den entsprechenden Regelungen in jüngeren Gesetzen gehaftet, so namentlich nach §3 HausTWG sowie nach § 4 Abs. 4 FernUSG. Im Unterschied zu der in §§350,351 BGB gewählten Lösung, wonach eine Rückabwicklung bei zurechenbarem Untergang usw. des Empfangenen überhaupt nicht mehr verlangt werden kann, ähnelt die Lösung insoweit eher der Gegenleistungskondiktion nach Canaris, als die Rückabwicklung trotz zurechenbaren Untergangs usw. stattfindet, derjenige, der das Empfangene nicht mehr zurückgeben kann, jedoch Wertersatz bzw. Schadensersatz zu entrichten hat.271 Die Beschränkung des Geldersatzes auf die Unkosten des anderen Teils sowie die Haftungsmilderung, wonach bei nicht erfolgter Belehrung nur der Sorgfaltsmaßstab der diligentia quam in suis anzulegen ist, tragen den besonderen Zielsetzungen des Verbraucherschutzes Rechnung. Daß bei § 4 Abs. 5 FernUSG kein Ersatz für genossene Dienstleistungen und Gebrauchsvorteile geschuldet wird, ist vor dem Hintergrund der gemachten Ausführungen gleichfalls stimmig, weil der Teilnehmer eines Fernunterrichtskurses typischerweise nur mit einem abgeschlossenen Kurs etwas anfangen kann und die vorübergehende Gebrauchsüberlassung - obgleich auf dem 269

Vgl. etwa Medicus, Bürgerliches Recht, Rn.229\ Rengier, AcP 177 (1977),418 [426ff.]; Flume, NJW1970,1161 [1165]; Flessner, NJW1972,1777 [1780f.]; Weitnauer, NJW1970,637 [638], 270 So vor allem von Ulrich Huber, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, S.647 [667]; Honsell, M D R 1970,717 [719]; zu den diversen Versuchen, die Vorschrift zu korrigieren, vgl. etwa Honsell, a.a.O.; Manfred Wolf, AcP 153 (1954), 142ff. (Orientierung an § 323 BGB); Wieling, JuS 1973, 397 [399] (Manipulation am Verschuldensbegriff); Schwenn, AcP 152,138 [149ff.] (Orientierung an Saldotheorie bzw. Differenzierung danach, ob die Sache auch beim Leistenden untergegangen wäre); implizit auch alle, die mit Glaß, Gefahrverteilung und Haftung beim gesetzlichen Rücktritt, S. 41 f., 105, eine subsidiäre Wertersatzhaftung annehmen, siehe hierzu die in Fn. 267 Genannten. 271 Eine Bestätigung der Lösung der Gegenleistungskondiktion ist vor allem darin zu sehen, daß auch der Kunde, der von seiner Rückgabepflicht nichts weiß, keinesfalls haftungsmäßig völlig entlastet wird, vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §73 III 5 d) [S. 331],

§ 11

Rückabwicklungsverhältnisse

417

Markt gewöhnlich nur gegen Bezahlung erhältlich - aufgrund der konkreten Merkmale des Geschäfts für ihn keinen Vorteil darstellt. Ähnliche Grundsätze spiegeln sich in § 5 Abs. 6 TzWrG wider, doch ist die Vorschrift wenig ergiebig, weil sie - wie erwähnt - einen Spezialfall betrifft, in dem der Gesetzgeber viele zu regelnde Fragen offenlassen durfte.

Zusammenfassung des Vierten Kapitels Eine Analyse des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses sowie des Rechtsverhältnisses zwischen Erbe und Erbschaftsbesitzer hat ergeben, daß die jeweiligen Primär- und Sekundäransprüche den Regeln eines reinen Realausgleichs folgen. Mechanismen zum Ausgleich von Reststörungen stellen die Regelungen über den Verwendungsersatz dar. Sie sind Ausprägungen eines reinen Wertausgleichs und verwirklichen - soweit sie Verwendungsersatz gewähren - unmittelbar den Statikgedanken. Eine offene Abweichung vom Statikgedanken liegt dagegen lediglich in der Auffassung der Rechtsprechung, wonach der Vindikationsschuldner ganz allgemein für umgestaltende Maßnahmen überhaupt keinen Ausgleich verlangen und im Falle verschärfter Haftung der Vindikationsschuldner jedenfalls für nicht notwendige Verwendungen leer ausgeht. Daß dieses Ergebnis wertungsmäßig unhaltbar ist, hat die Literatur auf vielfältige und von allokatorischen Erwägungen unabhängige Weise bewiesen, dabei einen restlos befriedigenden Ausweg allerdings bislang nicht anzubieten vermocht. Was die verschiedenen Anspruchsverhältnisse betrifft, die der Rückabwicklung eines gegenseitigen Vertrags dienen, so weisen sie ungeachtet ihrer dogmatischen Verwurzelung im Rücktritts-, Bereicherungs-, Vindikationsrecht usw. in allokatorischer Hinsicht verschiedene Besonderheiten auf. Zunächst bringt es die genetische und funktionelle Verknüpfung der wechselseitigen Rückgewähransprüche mit sich, daß die Soll-Verteilung des Rückabwicklungsverhältnisses eine einheitliche ist, der gegenüber die Soll-Verteilungen der isolierten Primäransprüche zurücktreten. Auch die Reststörungen können daher immer nur in bezug auf das ganze Anspruchsverhältnis identifiziert werden. Was die SollVerteilung des Rückabwicklungsschuldverhältnisses betrifft, so ist sie zumindest dann, wenn beide Parteien etwa gleich schutzwürdig sind, der Zustand, der bestünde, wenn keine der Parteien das von ihr Geleistete je weggegeben hätte, d.h. hinsichtlich beider Parteien der status quo ante. Die auslösende Verteilungsstörung ist also eine an den jeweiligen Rückgewährgläubigem orientierte, was dazu führt, daß vor allem die de lege lata schuldnerorientierte Leistungskondiktion im Kontext der Rückabwicklung wesentlicher Modifizierungen bedarf und ein eigenständiger Kondiktionstyp der Gegenleistungskondiktion entsteht, der ganz den Grundsätzen der Restitutionstheorie folgt. Ist der Grund für die Rückabwicklung allerdings einseitig von einer Partei zu vertreten, so wäre - ausgelöst durch die Verweisungen in §§557a Abs. 1, 628

Zusammenfassung

des vierten

Kapitels

419

Abs. 1 Satz 3 und analog § 327 Satz 2 BGB auf das Bereicherungsrecht - alternativ auch die Deutung möglich, wonach die schutzwürdigere Partei nur nach Abschöpfungsgrundsätzen haftet. Soll-Verteilung des Rückabwicklungsverhältnisses wäre dann der Zustand, der bestünde, wenn diese Partei nie etwas weggegeben, aber auch nichts empfangen hätte, also hinsichtlich der schutzwürdigeren Partei der status quo ante und hinsichtlich der Gegenpartei der stalus quo. Diese Deutung - obschon möglich - ist jedoch letztlich der Wertungslage bei der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge nicht angemessen. Würde man alle Modifizierungen, die die Leistungskondiktion bei der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge erfährt, hinwegdenken und die wechselseitigen Primäransprüche wie isolierte Kondiktionen behandeln, d.h. die §§812ff. BGB im Sinne einer unmodifizierten Zweikondiktionentheorie wortgetreu anwenden, dann würde dies bei den Beteiligten zu bestimmten Reststörungen führen. Insbesondere der Empfänger einer Sachleistung, bei dem diese zurechenbar untergegangen ist und der dennoch die Gegenleistung zurückverlangen kann, würde dadurch einen Restvorteil in der Form eines Risikovorteils, d.h. einer „doppelten Chance" erlangen. Führt man die jeweils korrespondierenden Reststörungen nach Vorgabe des Statikprinzips einem ergänzenden Wertausgleich zu, dann führt dies zu Ergebnissen, die sowohl mit denen der Saldotheorie als auch mit den verschiedenen Versuchen einer Zurückdrängung von § 818 Abs. 3 BGB - insbesondere der Konzeption einer Gegenleistungskondiktion nach Canaris - im wesentlichen identisch sind. Die Divergenzen zwischen den vorgenannten Lösungen können aus allokatorischer Sicht darauf zurückgeführt werden, daß die Saldotheorie bestimmte Personen - etwa arglistig Getäuschte, Minderjährige usw. - nur nach Abschöpfungsgrundsätzen haften läßt, während die konkurrierenden Theorien überwiegend von beiderseitiger Restitutionshaftung ausgehen. In der Übereinstimmung kann eine weitere Bestätigung für die normative Geltung des Statikprinzips gesehen werden. Nur unvollkommen verwirklicht wird der Statikgedanke allerdings bei der vindikationsrechtlichen Rückabwicklung. Doch sind die entsprechenden Fallkonstellationen auch bislang offenbar nicht sonderlich relevant geworden, so daß sich dem Umstand für die Verifizierung oder Falsifizierung der Ausgangsthese nicht viel entnehmen läßt. Jedenfalls erscheint es angeraten, nicht bei der Entwicklung einer Gegenleistungskondiktion stehenzubleiben, sondern den Schritt zu einer Gegenleistungsvindikation zu vollziehen, den man durch die Erweiterung der Nutzungsherausgabe beim rechtsgrundlosen Besitzer im Zweipersonenverhältnis ja bereits begonnen hat. Die Regelung des gesetzlichen Rücktritts entspricht dem Statikgedanken dann, wenn man voraussetzt, daß die schutzwürdigere Partei nur nach Abschöpfungsgrundsätzen haftet, nicht hingegen, wenn man zutreffenderweise von einer beiderseitigen Haftung nach Restitutionsgrundsätzen ausgeht. Eine Durchbrechung des Statikgedankens kann darin jedenfalls nicht gesehen werden.

Fünftes Kapitel

Vertragliche und quasi-vertragliche Schuldverhältnisse Das Allokatorische Modell ist in erster Linie zur Beschreibung von Vorgängen geeignet, die von gesetzlichen Schuldverhältnissen erfaßt werden. Das hat zwei Ursachen. Zum einen sind es gesetzliche Schuldverhältnisse, die ganz regelmäßig die Reaktion des Privatrechts auf eine eingetretene Verteilungsstörung darstellen - ja, aufgrund derer eine rechtlich relevante Verteilungsstörung überhaupt erst in Erscheinung tritt - während vertragliche Schuldverhältnisse zunächst einmal die Reaktion auf eine Freiheitsbetätigung der beteiligten Individuen darstellen und die Vorschriften über ihre Abwicklung als solche keine korrigierende, sondern eine fördernde und lenkende Funktion übernehmen. Da die Idealsituation harmonierender Interessen der Vertragsparteien und reibungsloser Abwicklung der Geschäfte sehr schnell in eine Situation der Interessenkollision und des Unfriedens umschlagen kann, ist das Privatrecht indessen auch hier berufen, korrigierend einzugreifen, indem einem Beteiligten bei bestimmten, besonders gravierenden Störungen der Vertragsabwicklung ein Anspruch gegen den anderen Teil gegeben wird.1 Allerdings - und hier kommt man zur zweiten Ursache, weshalb das Allokatorische Modell auf vertragsrechtliche Ansprüche nur bedingt paßt - können die Parteien durch die zugrundeliegenden Abreden diese Ansprüche oft ausdrücklich oder konkludent abbedingen oder zumindest modifizieren, so daß - von einem kleinen Bereich absolut zwingenden Rechts abgesehen - nahezu jede Aussage unter den Vorbehalt zu stellen ist, daß sich aus dem konkreten Schuldverhältnis nichts anderes ergibt. Es ist sogar möglich, vertragsrechtliche Ausgleichsansprüche insgesamt nur als gesetzlich geregelte Fälle ergänzender Vertragsauslegung zu deuten. Dies vorausgeschickt, wird es verständlich, daß die Erörterung vertraglicher und quasi-vertraglicher Schuldverhältnisse in dieser Arbeit nur einen vergleichsweise geringen Raum einnehmen kann und sich auf die schlaglichtartige Beleuchtung von Einzelfragen beschränkt.

1 Die Korrekturmechanismen des Vertragsrechts beschränken sich allerdings nicht auf Ausgleichsansprüche, sondern setzen bereits eine Stufe früher an, indem sie das Zustandekommen unerwünschter Verträge verhindern oder zumindest die Lösung von unerwünschten Verträgen ermöglichen.

§12 Geschäftsführung ohne Auftrag Der enge systematische Zusammenhang mit den gesetzlichen Schuldverhältnissen - der auch schon bei der Analyse der Aufwendungskondiktion nach § 684 Satz 1 BGB zum Vorschein gekommen ist - spricht dafür, an dieser Stelle zunächst Ausgleichsansprüche der Geschäftsführung ohne Auftrag unter Einbezug der angemaßten Eigengeschäftsführung zu betrachten. Die Beschränkung auf diese Rechtsinstitute und die Aussparung insbesondere des echten Auftragsverhältnisses sowie der entgeltlichen Geschäftsbesorgung ist sinnvoll. Denn als unerwünschte Ereignisse, die geeignet sind, Ausgleichsansprüche auszulösen, wird man im engeren Sinn nur die Tatbestände des § 687 Abs. 2 BGB sowie der unberechtigten Geschäftsführung ansehen dürfen, in einem weiteren Sinn auch den der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, nicht hingegen vertragliche Rechtsverhältnisse. Das Eingreifen eines berechtigten Geschäftsführers ohne Auftrag als unerwünschtes Ereignis zu qualifizieren, ist deswegen gerechtfertigt, weil zwar sein Eingreifen vom Gesetz gebilligt wird, es aber doch eine Abweichung vom regelmäßigen Lauf der Dinge darstellt, wonach grundsätzlich jeder Teilnehmer am Rechtsverkehr seine eigenen Geschäfte selbst wahrnimmt oder zumindest andere mit ihrer Wahrnehmung beauftragt. Allerdings handelt es sich um einen Grenzfall. 2

I. Geschäftsführung

und Allokatorisches

Modell

Bei den bislang behandelten Anspruchsverhältnissen mag zwar die exakte Definition dessen, was als Primärstörung angesehen werden muß, Schwierigkeiten bereitet haben, nicht jedoch bereits seine grobe Identifizierung. Das lag daran, daß derjenige Vorgang oder Zustand, der das zwischen den Beteiligten bestehende Rechtsverhältnis überhaupt erst ausgelöst hat, sich schon der natürlichen Anschauung nach als Verteilungsstörung darstellte, also als unerwünschte Verschiebung in den Vermögensverhältnissen der Beteiligten. Beim Geschäftsführungsrecht hingegen ist man unwillkürlich geneigt, den zugrundeliegenden Vor2 Zu den Schwierigkeiten der Einordnung der Geschäftsführung ohne Auftrag gegenüber dem Delikts-, Bereicherungs- und Vertragsrecht vgl. Esser/Weyers, Schuldrecht II (1991), § 461 2 d) [S.289f.].

§ 12 Geschäftsführung

ohne

Auftrag

423

gang als Verhalten von Personen zu deuten, das Verteilungsstörungen zur Folge haben kann - etwa wenn der Geschäftsführer die Besorgung nicht ordnungsgemäß erledigt und dem Geschäftsherrn daraus ein Schaden erwächst - aber nicht zur Folge haben muß. 1. Struktur des Anspruchsverhältnisses Das ist für den Bereich der vertraglichen Geschäftsführungsverhältnisse auch sicher zutreffend. Je weiter man sich indessen vom echten Auftragsrecht entfernt und je eher die Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten den Charakter eines gesetzlichen Schuldverhältnisses annimmt, umso deutlicher wird, daß bereits der Anspruch des Geschäftsherrn auf den Geschäftserfolg einen echten Ausgleichsanspruch darstellen kann. Insbesondere der Herausgabeanspruch gegen den angemaßten Eigengeschäftsführer aus §§687 Abs. 2, 681 Satz 2, 667 BGB läßt sich ohne Probleme als gesetzlicher Ausgleichsanspruch deuten, der mit anderen Herausgabeansprüchen - etwa aus Eingriffskondiktion oder Delikt letztlich auf einer Stufe steht. 3 Die eigentliche Geschäftsführung ohne Auftrag bewegt sich nun zwischen diesen diesen beiden Extremen, doch sind die strukturellen Parallelen zur angemaßten Eigengeschäftsführung so deutlich, daß man den Herausgabeanspruch aus §§681 Satz 2, 667 BGB noch als primären Ausgleichsanspruch identifizieren kann, obgleich er gegenüber seinem Pendant bei der angemaßten Eigengeschäftsführung nur eine vergleichsweise untergeordnete Bedeutung einnimmt. Letzteres gelangt nicht zuletzt zum Ausdruck in der üblichen nichtamtlichen Überschrift des § 681 BGB, die von „Nebenpflichten des Geschäftsführers" spricht. Lediglich spezielle Ausprägungen des Herausgabeanspruchs aus §667 BGB sind die Eintrittsrechte gemäß §§61 Abs. 1 Halbsatz 2, 113 Abs.l Halbsatz 2 HGB, §§88 Abs. 2 Satz 2, 284 Abs. 2 Satz 2 AktG, so daß die folgenden Ausführungen sinngemäß auch für diese Geltung besitzen. u) §§681 Satz 2, 667 BGB als primärer

Ausgleichsanspruch

Es versteht sich nicht von selbst, daß es sich beim Anspruch aus §§681 Satz 2, 667 BGB gegen den Geschäftsführer ohne Auftrag um einen Ausgleichsanspruch handelt, also um einen solchen, der die Reaktion des Gesetzes auf eine regelwidrige Abweichung der Ist- von der Soll-Verteilung darstellt. Denn immerhin gehört es zum ganz regelmäßigen Ablauf einer Geschäftsbesorgung, 3 Bei Eingriffen in fremde, absolut geschützte Rechtspositionen gehört der Anspruch gemäß § 687 Abs. 2 BGB zur „Haftungstrias" des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wonach bei schuldlosem Eingriff Wertersatz gemäß § 818 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB, bei mindestens fahrlässigem Verhalten Schadensersatz gemäß §§823ff. BGB und bei vorsätzlicher Usurpation auch Gewinnherausgabe gefordert werden kann.

424

Fünftes Kapitel: Vertragliche und quasi-vertragliche

Schuldverhältnisse

daß Gegenstände aus dem Vermögen des Geschäftsherrn vorübergehend in die Sphäre des Geschäftsführers gelangen. Nach Abschluß der Geschäftsbesorgung jedoch - also wenn das Geschäft objektiv beendet ist oder der Geschäftsherr weiteres Tätigwerden des Geschäftsführers erkennbar nicht wünscht - stellt jeder weitere Verbleib von solchem Vermögen beim Geschäftsführer, das dem Geschäftsherrn gebührt, eine Verteilungsstörung dar. Insoweit unterscheidet sich der Herausgabeanspruch aus §§681 Satz 2,667 BGB nicht maßgeblich von Herausgabeansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen späteren Wegfalls des rechtlichen Grundes. Er stellt zugleich auch einen primären Ausgleichsanspruch dar, weil er genuin aus der Fehlallokation von Vermögen heraus entsteht und nicht vom Bestehen eines anderen Ausgleichsanspruchs abhängig ist. Die Tatsache, daß der Herausgabeanspruch des Geschäftsherrn zwar bei der angemaßten Eigengeschäftsführung, nicht aber auch bei der echten Fremdgeschäftsführung unmittelbar als Ausgleichsanspruch empfunden wird, dürfte ihren Grund darin haben, daß bei der echten Fremdgeschäftsführung der Geschäftsführer in der Regel dasjenige, was er aus der Geschäftbesorgung erlangt, von selbst an den Geschäftsherrn abliefert, weil er es definitionsgemäß von Anfang an für diesen erlangen wollte. Das Maß an Bereitwilligkeit, mit dem ein Schuldner einem Anspruch nachkommt, sollte jedoch für die Einordnung als Ausgleichsanspruch oder echter Erfüllungsanspruch nicht ausschlaggebend sein. b) Weitere primäre und sekundäre Ansprüche Während die Unterschiede zwischen angemaßter Eigengeschäftsführung und Fremdgeschäftsführung zwar nichts an der Einordnung von §§681 Satz 2, 667 BGB als primärer Ausgleichsanspruch zu ändern vermögen, bleibt doch nicht zu verkennen, daß der Herausgabeanspruch bei beiden Rechtsverhältnissen einen anderen Stellenwert besitzt. Während er bei der angemaßten Eigengeschäftsführung eine geradezu zentrale Stellung einnimmt und der Geschäftsherr die Rechte gemäß § 687 Abs. 2 BGB vor allem seinetwegen geltend machen wird, tritt er bei der echten Geschäftsführung ohne Auftrag in seiner Bedeutung eher zurück hinter dem primären Anspruch auf ordnungsgemäße Durchführung des einmal übernommenen Geschäfts gemäß §677 BGB - wenngleich auch nicht auf die Durchführung selbst4 - sowie hinter etwaigen Ansprüchen auf Schadensersatz gemäß §678 BGB bzw. aus positiver Forderungsverletzung des quasi-vertraglichen Schuldverhältnisses,5 bei denen es sich - wie weiter un4

Statt aller MünchKomm'-.S'ei/er. §677 BGB Rn.46. Zur Anwendbarkeit der Grundsätze über die positive Vertragsverletzung Fikentscher, Schuldrecht (1997), Rn. 938; Erman 9 -Ehmann, § 677 BGB Rn. 4; Palandt 57 -Thomas, § 677 BGB Rn. 15; Staudinger13-Wittmar«, §677 BGB Rn.8; OLG Köln NJW 1993, 793 [794]; für Schadensersatz aus § 280 BGB MünchKomm1-.S'«7tT, § 677 BGB Rn. 49 Fn. 130; ohne jede dogmatische Einordnung Medicus, Bürgerliches Recht (1996), Rn.426; BGH NJW 1993,3196. 5

§ 12 Geschäftsführung

ohne

Auftrag

425

ten in Zusammenhang mit dem vertraglichen Schadensersatz noch zu zeigen sein wird 6 - um eigenständige und nur in Teilaspekten abhängige Primäransprüche handelt. Bei der Fremdgeschäftsführung stehen demnach verschiedene primäre Ansprüche nahezu gleichberechtigt nebeneinander, die sich teilweise als Ausgleichsansprüche, teilweise als quasi-vertragliche Erfüllungsansprüche darstellen. Demgegenüber sind echte Sekundäransprüche in den §§677ff. B G B selbst nicht enthalten. D a der Geschäftsherr gegen den Geschäftsführer keinen Anspruch auf ein Tätigwerden hat, verbietet sich die Frage nach einem A n spruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung von selbst, aber auch ein spezieller Sekundäranspruch wegen Unmöglichkeit der Herausgabe dessen, was der Geschäftsführer zur Ausführung der Besorgung oder aus der Geschäftsführung erlangt hat, existiert nicht. Vielmehr greift etwa bei verschuldeter Unmöglichkeit der Herausgabe der allgemeine Sekundäranspruch des § 280 B G B ein, bei nicht verschuldeter Unmöglichkeit wird der Geschäftsführer gemäß §275 B G B frei. 7 c)

Subansprüche

Eindeutig um Subansprüche handelt es sich demgegenüber beim Anspruch des Geschäftsführers auf Ersatz seiner Aufwendungen, entweder nach §§683, 670 B G B für den berechtigten oder nach § 684 Satz 1 B G B für den unberechtigten Geschäftsführer bzw. wegen der Verweisung in § 687 Abs. 2 B G B auch für den angemaßten Eigengeschäftsführer. Obgleich der Anspruch aus §684 Satz 1 B G B rein äußerlich als Anspruch zur Abschöpfung der Bereicherung des Geschäftsherrn ausgestaltet ist, stellt er - wie im Dritten Kapitel näher ausgeführt 8 - in Wahrheit nur einen besonders schwach ausgestalteten Aufwendungsersatzanspruch dar, der erstens durch den Nachteil des Aufwendenden und zweitens durch den Vorteil des Begünstigten begrenzt ist und zudem auch noch durch das Ergebnis einer Abwägung, bis zu welcher H ö h e dem Begünstigten eine Realisierung des Mehrwerts zugemutet werden kann. 2. A l l o k a t o r i s c h e A n a l y s e des P r i m ä r a n s p r u c h s Was die allokatorische Analyse des Herausgabeanspruchs des Geschäftsherrn gegen den Geschäftsführer betrifft, so erweist sich ein Vergleich mit der allgemeinen Eingriffskondiktion gegen den redlichen Schuldner als fruchtbar. Ä h n lich wie es de lege lata dort der Fall ist, kann es im Geschäftsführungsrecht nämlich nicht um Ausgleich eines Zuwenig beim Gläubiger, sondern nur um Ausgleich eines Zuviel beim Schuldner gehen, und ähnlich wie dort kann auch Soll6 7 8

Hierzu unten, § 14 I 2 [S.484ff.]. Statt aller MünchKomm 3 -Sei/er, § 667 BGB Rn.23. Siehe Drittes Kapitel, §9 II 1 b), 3 [S.300ff.].

426

Fünftes Kapitel: Vertragliche und quasi-vertragliche

Schuldverhältnisse

Verteilung nur der Zustand sein, der bereits berücksichtigt, daß etwaiges Vermögen aus der Sphäre des Geschäftsherrn zum Zwecke der Ausführung der Besorgung in die Sphäre des Geschäftsführers gelangt ist.9 a) Auslösende

Störung und

Soll-Verteilung

Daß diese Sichtweise zutreffend ist, erhellt, wenn man sich die wesensmäßigen Merkmale fremdnützigen Tätigwerdens vor Augen führt: Geschäftsbesorgungen verlangen im weitesten Sinne den Einsatz vermögenswerter Güter, und sei es nur der Arbeitskraft des Geschäftsführers. Sofern sie nicht ganz einfach strukturiert sind und bloße Verwahrung von Gegenständen beinhalten, geht damit auch der Umsatz vermögenswerter Güter einher. Daß zur Besorgung Erhaltenes und aus der Besorgung Erlangtes nicht nur in die Sphäre des Geschäftsführers gelangt, sondern dort verarbeitet, verbraucht wird oder in gewissen Grenzen sogar ersatzlos untergeht, entspricht dem regelmäßigen Gang der Dinge und kann an sich noch nicht als Abweichung der Ist- von der Soll-Verteilung gewertet werden. Hinzu kommt, daß der Geschäftsherr nicht von vorneherein einen Anspruch auf ein bestimmtes Tätigwerden des Geschäftsführers und dementsprechend auch keinen Anspruch auf einen bestimmten Geschäftserfolg hat. Dasjenige, was dem Geschäftsherrn zusteht, ist daher typischerweise nicht von vorneherein konkret festgelegt, sondern hängt von vielen Zufälligkeiten ab. Freilich muß der Geschäftsführer das einmal übernommene Geschäft sorgfältig ausführen und läßt sich ein Zeitpunkt festlegen, von dem an es nicht mehr toleriert werden kann, daß der Geschäftsführer entsprechende Vermögensgegenstände zurückbehält oder gar weitergibt oder verbraucht. Wann dieser Zeitpunkt eintritt, hängt jedoch von vielen Umständen ab, namentlich vom Inhalt der konkreten Besorgung, davon, ob die Besorgung dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht oder wann der Handelnde einen entgegenstehenden Willen des Geschäftsherrn erkennen muß. Selbst eine feste Regel dahingehend, daß der Geschäftsführer sich von diesem Augenblick an sofort jedes weiteren Verbrauchs usw. von fremdem Vermögen zu enthalten hätte, gibt es nicht: Es kann im Einzelfall im Interesse des Geschäftsherrn geboten sein, das einmal begonnene Geschäft zu Ende zu führen. 10 Entgegen erstem Anschein ist die Lage aber auch nicht anders zu beurteilen, wenn es sich von vorneherein um unberechtigte Geschäftsführung oder gar um angemaßte Eigengeschäftsführung handelt. Denn auch dann bleibt es dabei, 9 Vgl. schon Esser/Weyers, Schuldrecht II, § 4 6 1 2 d) [S. 390]: „Vom Grundgedanken der Institute her können sich die Anwendungsbereiche des Bereicherungs- und des Geschäftsführungsrechts überschneiden, soweit nämlich Vermögensveränderungen auszugleichen sind, die sich bei Geschäftsherr oder -führer ergeben haben." 10 Eine Verpflichtung des Geschäftsführers, das begonnene Geschäft weiterzuführen, besteht aber nicht immer, Erman 9 -Ehmann, §677 BGB Rn.5; Palandt 57 -T/jornos, §677 B G B Rn. 16.

§ 12 Geschäftsführung ohne Auftrag

All

daß jede Geschäftsbesorgung erstens wesensmäßig auf produktive Veränderung angelegt ist und daß zweitens die Zuweisung des Geschäftserfolgs dem Geschäftsherrn Gewinn bringen soll, es also von vorneherein nicht darum gehen kann, ihn in die Lage zu versetzen, in der er sich bei Hinwegdenken der Besorgung befände. Soweit dem Geschäftsherrn ein Verlust zugefügt worden ist, stehen ihm ja Schadensersatzansprüche als konkurrierende Primäransprüche zur Hand. b) Identifizierung

des

Ausgleichstypus

Was den Ausgleichstypus betrifft, so deutet bereits die Wortwahl des Gesetzgebers, der in § 667 B G B von „Herausgabe" spricht, auf das Vorliegen eines reinen Realausgleichs hin. Es besteht auch keinerlei Anhaltspunkt, diesen ersten Befund wieder in Zweifel zu ziehen. D e n n der Anspruch des Geschäftsherrn auf Auskehrung der Geschäftserfolge ist seinem Wesen nach stets auf streng gegenständliche Leistung gerichtet. 11 Das Geschäftsführungsrecht selbst weist einen entsprechenden Geldanspruch, hinsichtlich dessen sodann die Einordnung als Ersatz- oder Ausgleichsanspruch zu diskutieren wäre - nicht einmal auf, sondern es ist insoweit auf das allgemeine Schuldrecht zurückzugreifen, wonach bei bestimmten Leistungsstörungen an die Stelle des Geschuldeten eine Schadensersatzleistung tritt. 12 Diese trägt nun ganz offensichtlich Surrogatcharakter, was gleichfalls auf das Vorliegen eines Realausgleichs hindeutet. Von einer Diskussion der übrigen Kriterien, die zur Ermittlung des Ausgleichstypus gemeinhin zu prüfen sind, etwa der Frage, ob in die Entscheidung subjektive bzw. wertende Faktoren miteinfließen oder welcher Zeitpunkt für die Wertermittlung maßgeblich ist, kann im Lichte der bis hierhin gemachten Ausführungen abgesehen werden. 3. Identifizierung der R e s t s t ö r u n g e n Die Identifizierung der auftretenden Reststörungen hängt maßgeblich davon ab, was der Geschäftsführer nach §§681 Satz 2, 667 B G B genau herauszugeben hat. Selbstverständlich hat weder der Geschäftsführer ohne Auftrag noch der angemaßte Eigengeschäftsführer etwas vom Geschäftsherrn „zur Ausführung der Besorgung" erhalten. Die erste Alternative des Tatbestands von § 667 B G B ist daher entsprechend auf das zu beziehen, was der Geschäftsführer an Rechtsgütern des Geschäftsherrn in Anspruch nimmt, um überhaupt tätig zu werden. 11

MünchKomm3-Se//er, §667 BGB Rn.6,11; Palandt 57 -Thomas, §667 BGB Rn.6f. In Frage kommen vor allem §§280,286 Abs.2 BGB; vgl. hierzu BGHZ 85,11 [13]; BGH WM 1992,538 [539]; BGH LM § 665 BGB Nr. 7; etwas unklar hinsichtlich der Anspruchsgrundlage BGH NJW1997,47 [49]; bei schuldloser Unmöglichkeit gilt § 275 BGB, BGH JZ1996,416 [418]. 12

428

Fünftes Kapitel: Vertragliche und quasi-vertragliche

Schuldverhältnisse

Ob er demgegenüber etwas „aus der Geschäftsbesorgung erlangt" hat, ist ähnlich schwer festzustellen wie es bei der Eingriffskondiktion mitunter schwer zu entscheiden sein kann, ob der Schuldner etwas „auf Kosten" des Gläubigers „ohne rechtlichen Grund" erlangt hat. a) Vorüberlegung: Umfang der

Herausgabepflicht

Im Gegensatz zur Situation im Bereicherungsrecht ist dem vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit in der wissenschaftlichen Diskussion zuteil geworden. Praktische Bedeutung erlangt die exakte Abgrenzung allerdings meist bei vertraglichen Auftragsverhältnissen und namentlich bei der Frage, ob der Beauftragte Vorteile, die ihm persönlich von dritter Seite zukommen, an seinen Prinzipal auszukehren hat. Auf diese Frage wird weiter unten, im Rahmen der Diskussion vertraglicher Rechtsverhältnisse, zurückzukommen sein.13 aa) Subjektiver oder objektiver

Zusammenhang

Die herrschende Meinung verlangt für die Anwendbarkeit von §667 BGB einen inneren Zusammenhang zwischen Geschäftsführung und Vorteil, 14 dessen Konturen im einzelnen verschwommen sind. Jedenfalls wird jedoch ein subjektiver Zusammenhang mit der Geschäftsführung genügen müssen. Das bedeutet, daß solche Vorteile die der Geschäftsführer mit Fremdgeschäftsführungswillen erwirtschaftet hat, automatisch auch dem Anspruch aus §§681 Satz 2,667 BGB unterliegen. Ein Abgrenzungsproblem stellt sich hier nicht. Weitaus problematischer ist die Frage, ob auch ein rein objektiver Zusammenhang eines Vorteils mit dem fremden Geschäft ausreicht, und vor allem, wie dieser beschaffen sein muß. Bedeutung erlangt dies vor allem bei der angemaßten Eigengeschäftsführung, wo ein Fremdgeschäftsführungswille von vorneherein fehlt, aber auch bei der Geschäftsführung ohne Auftrag, weil der Geschäftsführer dort manche Folgevorteile für sich selbst mag erwirtschaften wollen. Letzteres trifft vor allem bei ersparten Aufwendungen zu, so etwa wenn derjenige, der zur Besorgung einer fremden Angelegenheit eine Auslandsreise antritt, diese zugleich zur Wahrnehmung eigener Angelegenheiten nutzt. Das gilt aber auch für Zuwendungen von dritter Seite, etwa Prämien für Flugmeilen, wenngleich sie bei der Geschäftsführung ohne Auftrag weit weniger häufig vorkommen dürften als bei echten Auftragsverhältnissen.

13

Siehe unten, § 14 II 2 [S.488ff.]. B G H NJW-RR 1992, 560f.; NJW 1994, 3346 [3347]; Staudinger 13 -Mwmarm, §667 BGB Rn. 9; MünchKomm 3 -5e;'fcr, § 667 BGB Rn. 9; Palandt 5 7 -Thomas, § 667 BGB Rn. 3; nach Isele, in: Liber Amicorum Cohn (1975), S. 75 [82ff.] ist die Abgrenzung danach zu treffen, ob ein bestimmter Vorteil seinen wirtschaftlichen Grund und seine Rechtfertigung in der Geschäftsbesorgung hat, doch dürfte damit auch nicht viel gewonnen sein. 14

§ 12 Geschäftsführung ohne Auftrag

429

In der Regel wird das Merkmal des inneren Zusammenhangs nicht positiv definiert, sondern nur negativ gegenüber der Gruppe derjenigen Vermögens vorteile abgegrenzt, die bloß bei Gelegenheit der Besorgung erlangt worden sind. Diese scheinbar griffige Formel mag eine gute Faustregel abgeben, erweist sich jedoch bei näherem Hinsehen als wenig aussagekräftig, weil nicht einzusehen ist, daß Gelegenheitsgewinne immer und in jedem Fall dem Geschäftsführer zustehen sollen. Wenn die herrschende Meinung darauf abstellt, ob die Annahme des Vorteils Interessen des Geschäftsherrn beeinträchtigen kann oder nicht,15 so ist dem entschieden zu widersprechen. Dieser Maßstab erweist sich zur Abgrenzung als völlig ungeeignet, weil die Beeinträchtigung von Interessen des Geschäftsherrn keinen besonderen inneren Zusammenhang zur konkreten Geschäftsbesorgung schaffen kann, eher im Gegenteil. Wäre dieses Kriterium zutreffend, müßte der Beauftragte konsequenterweise auch etwa private Einkäufe herausgeben, die er während der Zeit getätigt hat, die er eigentlich den Interessen des Geschäftsherrn hätte widmen müssen.16 Vielmehr wird man zunächst von einer umfassenden Pflicht zur Herausgabe aller adäquat kausal durch die Geschäftsbesorgung verursachten Vorteile ausgehen und von dieser Pflicht sodann allein solche Vorteile ausnehmen müssen, die der Geschäftsherr bei persönlicher Besorgung schon gleichsam naturgemäß nicht hätte erzielen können, weil sie ein objektiv eigenes Geschäft des Geschäftsführers darstellen. Bei Zuwendungen Dritter ist folgerichtig zu unterscheiden, ob sie konkret der Person des Geschäftsführers zukommen sollen, oder ob der Dritte sich keine weiteren Gedanken macht über die Verteilung der Zuwendung im Innenverhältnis zwischen Geschäftsführer und Prinzipal. bb) Das Problem mittelbarer Folgevorteile Vor allem bei der angemaßten Eigengeschäftsführung, wo es an einem Fremdgeschäftsführungswillen fehlt, ergibt sich ein weiteres Abgrenzungsproblem, weil eine Entscheidung darüber getroffen werden muß, ob auch mittelbar aus einem fremden Geschäft resultierende Vorteile von der Herausgabepflicht umfaßt sind: Investiert etwa der angemaßte Eigengeschäftsführer die aus dem fremden Geschäft erzielten Gewinne in seinem eigenen Unternehmen und führt die Investition dort zu einer merklichen Produktionssteigerung, dann ist zweifelhaft, ob diese mittelbaren Folgevorteile noch „aus der Geschäftsbesorgung erlangt" sind. Daß sich die Herausgabepflicht bei §§687 Abs. 2,681 Satz 2, 667 BGB auch auf noch so entfernte Folgevorteile der ursprünglichen Besor15 Vgl. etwa Staudinger 13 -Wittmann, §667 BGB Rn.9: „Ein innerer Zusammenhang ist schon dann zu bejahen, wenn objektiv die Gefahr besteht, daß der Beauftragte infolge der Zuwendung das Interesse seines Auftraggebers hintanstellen könnte."; ebenso BGHZ 39,1 [4]; BGH MDR 1987, 825; NJW-RR 1992,560 [561]; OLG Koblenz NJW-RR 1991, 921 [922]; Palandt 57 -Thomas, §667 BGB Rn.3, wohl auch Ermm'-Ehmann, §667 BGB Rn.4. 16 Vgl. zum Ganzen unten, § 14 II 2 a) aa) [S.489f.].

430

Fünftes Kapitel: Vertragliche und quasi-vertragliche

Schuldverhältnisse

gung erstrecken soll,17 weckt Bedenken, weil dem deutschen Zivilrecht - über die wenigen, ausdrücklich geregelten Fälle einer Surrogation hinaus - die unbegrenzte gegenständliche Verfolgung von Vermögen fremd ist.18 Man wird daher im Ergebnis nicht umhinkönnen, auch im Geschäftsführungsrecht ein gewisses Kriterium der „Unmittelbarkeit" einzuführen. Das kann allerdings nicht heißen, daß der Gewinn des Geschäftsführers nicht den Umweg über eine dritte Vermögenssphäre genommen haben darf. 19 D e n n erstens stammen Vorteile, die der Geschäftsführer aus der Geschäftsbesorgung erlangt, typischerweise aus der Vermögenssphäre von Dritten, und zweitens würde damit der Anspruch aus §§687 Abs. 2,681 Satz 2, 667 B G B nicht weiter gehen als der Anspruch aus allgemeiner Eingriffskondiktion selbst, womit das gesetzlich intendierte Gefälle zwischen der H a f t u n g des vorsätzlichen und der des schuldlosen Eingreifers zerstört würde. Vielmehr kann es sich lediglich um Unmittelbarkeit in dem Sinne handeln, daß der Vorteil des Geschäftsführers bei natürlicher Betrachtung durch genau dasjenige historische Ereignis verursacht sein muß, das die Besorgung eines fremden Geschäfts darstellt. Soweit diese unmittelbar erlangten Vorteile gegenständlich nicht mehr vorhanden sind, haftet der angemaßte Eigengeschäftsführer wegen schuldhafter Unmöglichkeit der Herausgabe auf Schadensersatz: 20 Freilich gelangt man dann insofern zu einer gewissen Surrogation, als man folgerichtig auch §281 Abs. 1 B G B anwenden muß, doch gilt dies erstens nur bei Identität von Geschuldetem und Ersetztem - wird also bei „gemischten" Investitionen schwierig - und ist ferner deswegen nur von eingeschränktem Interesse, weil der Schuldner aus § 281 Abs. 1 B G B sämtliche in Zusammenhang mit dem Erwerb des commodum erlittene Nachteile anspruchsmindernd geltend machen kann. 21 b) Reststörungen

beim

Geschäftsführer

Ein Restvorteil des Geschäftsführers ist durch die positive Vermögensdifferenz definiert, um die er sich infolge der Geschäftsbesorgung besser steht als er bei deren Hinwegdenken stünde. Nach dem Gesagten k o m m e n als Restvorteile des Geschäftsführers zum einen solche in Betracht, die er anläßlich der Besorgung für sich selbst erzielt und die der Geschäftsherr bei persönlicher Besorgung 17 So in der Tat Isele, in: Liber Amicorura Cohn (1975), S.75 [83], der das Beispiel anführt, daß der angemaßte Eigengeschäftsführer aus der Besorgung Aktien erlangt, diese in ein Grundstück umsetzt, dieses wiederum in Waren, diese schließlich in Beteiligungen; nach Isele, a.a.O. soll der Geschäftsherr in diesem Fall die Beteiligungen gegenständlich herausfordern dürfen. 18 Anders wohl Isele, a.a.O., der von einer vollen Surrogation ausgeht, weil derartige mittelbaren Folgevorteile nicht anders behandelt werden könnten als Früchte und Nutzungen bzw. ein stellvertretendens commodum im Sinne von §281 Abs. 1 BGB. 19 Siehe hierzu oben, Zweites Kapitel, §4 III 1 b) [S. 178f.]. 20 Siehe BGH WM 1992,538 [539]; BGH LM §665 BGB Nr. 7. 21 Hierzu näher unten, § 13 III 3 [S. 474ff.].

431

§ 12 Geschäftsführung ohne Auftrag

auch nicht theoretisch hätte erzielen können, weil sie aus objektiv eigenen Geschäften des Handelnden stammen. Das betrifft vor allem persönlich ersparte Aufwendungen sowie Zuwendungen Dritter, die gerade für die Person des Geschäftsführers bestimmt sind. Zum anderen sind Restvorteile auch Folgevorteile, die nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar aus einem objektiv fremden Geschäft gezogen wurden, soweit sie den für die unmittelbar gezogenen Vorteile zu leistenden Ersatz übersteigen. Zu Restnachteilen des Geschäftsführers kommt es durch alle freiwilligen oder unfreiwilligen Vermögensverluste, die er infolge der Besorgung des fremden Geschäfts erlitten hat, also durch Aufwendungen ebenso wie durch Begleitschäden. c) Reststörungen beim

Geschäftsherrn

Die Ähnlichkeit der für §§681 Satz 2, 667 BGB maßgeblichen Soll-Verteilung mit der Soll-Verteilung beim Bereicherungsanspruch bringt es mit sich, daß hier wie dort alles, was der Geschäftsherr vom Geschäftsführer erlangt, auf seiner Seite als Restvorteil zu verbuchen ist. Vor dem Hintergrund der bis hierher erfolgten Untersuchungen wird es allerdings deutlich, daß der Begünstigte bei der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag auch darüber hinaus, d.h. selbst in Ermangelung einer aktuellen Vermögensmehrung, einen Restvorteil erlangt. Denn es muß bedacht werden, daß bereits das Tätigwerden eines anderen in seinem Zuständigkeits- und Interessenbereich, das zudem von seinem wirklichen oder mutmaßlichen Willen getragen ist, einen Vorteil darstellt und auch einen Preis hat. Diesbezüglich kann auf die Ausführungen verwiesen werden, die im Zweiten Kapitel zum Ausgleich von Rechtsverfolgungskosten gemacht wurden22. Ferner ist nach der Lebenserfahrung zu vermuten, daß auch der Geschäftsherr bei eigenhändiger Ausführung der Besorgung ähnliche Aufwendungen getätigt hätte wie der Geschäftsführer und vielleicht auch ähnliche Schäden erlitten hätte.

II. Ausgleich

von Restnachteilen

des

Geschäftsführers

Ähnlich wie im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis besteht auch im Geschäftsführungsrecht eine ausdrücklich normierte Regelung nur für die freiwilligen Vermögensverluste des Schuldners, also für dasjenige, was das Bürgerliche Gesetzbuch gemeinhin als Aufwendung zu deklarieren pflegt. 23 Gemäß §§670, 683 Satz 1 BGB kann der berechtigte Geschäftsführer Ersatz seiner Aufwendungen insoweit verlangen, als er sie zur Ausführung den Umständen nach für erforder22

Siehe Zweites Kapitel, §4 I 2 b) aa) [S. 158f.]. Zu nennen sind etwa die Regelungen zum Ersatz von Aufwendungen bzw. Verwendungen in §§27 Abs. 3, 48 Abs. 2, 450, 547 Abs. 2, 601 Abs. 2, 713, 994 Abs. 2, 1216 BGB. 23

432

Fünftes Kapitel: Vertragliche und quasi-vertragliche

Schuldverhältnisse

lieh halten durfte. Das geht über die Aufwendungskondiktion hinaus, weil die Vermögensopfer des Beauftragten nicht unbedingt zu einer bleibenden Bereicherung des Geschäftsherrn in gleicher H ö h e führen müssen, also auch Ersatz für im Ergebnis unwirtschaftliche Ausgaben verlangt werden kann. Allerdings ist der Anspruch insofern gegenüber der Kondiktion auch wieder eingeschränkt, als §670 B G B nur von den Aufwendungen spricht, die der Geschäftsführer erstens zum Zwecke der Ausführung des Auftrags macht und die er zweitens den Umständen nach für erforderlich halten darf. Beim unberechtigten Geschäftsführer ohne Auftrag dagegen ergibt sich die Besonderheit, daß der Geschäftsherr die Wahl hat, die Geschäftsführung zu genehmigen und damit die Rechtsfolgen der berechtigten Geschäftsführung herbeizuführen. Genehmigt er nicht, dann m u ß er dem Handelnden zwar keinen echten Aufwendungsersatz leisten, hat dafür aber auch gemäß § 684 Satz 1 B G B nach den Grundsätzen über die ungerechtfertigte Bereicherung alles herauszugeben, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt. Das kann freilich nicht so verstanden werden, daß er dem Geschäftsführer den gesamten Geschäftserfolg auszukehren und insbesondere auch dem Eingreifer den erzielten Gewinn, den er gemäß §§ 687 Abs. 2, 681 Satz 2, 667 B G B herausverlangen kann, nach §684 Satz 1 B G B wieder zurückzuzahlen hätte. 24 Wie bereits im Dritten Kapitel ausgeführt, ist die Ausgleichspflicht des Geschäftsherrn vielmehr gegenständlich auf eine Geldzahlung und der H ö h e nach auf die Aufwendungen des Geschäftsführers beschränkt. 25 1. A u f w e n d u n g s e r s a t z aus allokatorischer Sicht Aus allokatorischer Sicht bringt der Aufwendungsersatz des Geschäftsführers im Vergleich zu den bislang behandelten Mechanismen des Aufwendungsersatzes wenig Neues, und was die Aufwendungskondiktion des unberechtigten Geschäftsführers anbelangt, so wurde ja bereits im Dritten Kapitel erwähnt, daß es sich dabei erstens um eine Ausprägung des Wertausgleichs handelt, und daß darin zweitens der Statikgedanke in reiner Form verwirklicht wird. 26 D a ß beides auch für den Aufwendungsersatzanspruch aus §§683, 670 B G B zutreffen muß, dürfte im Lichte der zur Aufwendungskondiktion und zum Verwendungsersatz des Vindikationsschuldners gemachten Ausführungen naheliegen.

24 So aber wohl MünchKomm 3 -5e;7£r, §684 B G B Rn. 9; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994), § 69 III 1 c) [S. 190]; etwas mißverständlich die Auffassung, wonach der Berechtigte dem Eingreifer Aufwendungen insoweit zu erstatten hat, als er durch dessen Tätigwerden eigene erspart hat, vgl. Staudinger 1 3 -Mttmann, § 687 BGB Rn. 15. 25 Hierzu Drittes Kapitel, §9 II 1 b), 2 [S.300ff.]. 26 Ausführlich Drittes Kapitel, §9 III [S.309ff.].

§ 12 Geschäftsführung

a) Verwirklichung des

ohne Auftrag

433

Statikgedankens

Die Vermutung, wonach auch durch §§683, 670 BGB der Statikgedanke verwirklicht wird, läßt sich unschwer erhärten. Denn wie weiter oben dargelegt, steht dem Restnachteil des Geschäftsführers, der durch Aufwendungen hervorgerufen wird, auch dann stets ein korrespondierender Restvorteil des Geschäftsherrn gegenüber, wenn bei diesem eine positive Vermögensdifferenz nicht zu verzeichnen ist: Der Restvorteil ist schon darin zu sehen, daß ein anderer in seinem Interesse und in Übereinstimmung mit seinem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen tätig wird und daß dieses Tätigwerden seinen Preis hat, der jedenfalls die dafür erforderlichen Aufwendungen abdecken muß. Insofern stehen sich ein Restvorteil und ein Restnachteil ausgleichsfähig gegenüber und wird im Aufwendungsersatz der Statikgedanke unmittelbar verwirklicht. b) Ausprägung

reinen

Wertausgleichs

Was den Ausgleichstypus betrifft, so haftet der Ausgleichsleistung des Geschäftsherrn keinerlei Surrogatcharakter an und liegt §§683, 670 BGB keine Wertung des Inhalts zugrunde, daß dem Geschäftsführer durch die Erbringung der Vermögensopfer etwas gegenständlich entzogen worden wäre, das ihm eigentlich gebührt. Soweit der Geschäftsherr eigene Mittel in die Besorgung eingebracht hat, hat er die zunächst bestehende positive Güterzuweisung kraft autonomer Entscheidung aufgehoben und sich der entsprechenden Vermögensgegenstände freiwillig entäußert. Ziel der Ersatzleistung ist es dann lediglich, sicherzustellen, daß der in fremdem Interesse und zu fremdem Nutzen Handelnde im Ergebnis keinen wirtschaftlichen Schaden davonträgt. Wieder liegt also eine Wertung nach dem Muster „darf keinen Nachteil daraus erleiden, daß ..." zugrunde und deutet das auf einen reinen Wertausgleich hin. Deutliches Indiz dafür ist auch die Tatsache, daß das Gesetz nicht einmal der Idealvorstellung nach die gegenständliche Rückgängigmachung der entsprechenden Vermögensnachteile anstrebt. So wäre es verfehlt, anzunehmen, der Geschäftsführer könne etwa für verbrauchtes Schreibmaterial, Benzin oder für Verpflegung verlangen, daß der Geschäftsherr ihm eine entsprechende Anzahl an Briefkuverts besorgt, seinen Wagen volltanken läßt usw.27 Eine gesetzlich normierte Ausnahme von diesem Grundsatz stellt zwar die Vorschrift des § 257 BGB dar, wonach der Ersatzberechtigte verlangen kann, von eingegangenen Verbindlichkeiten befreit zu werden. Sie dürfte ihren Grund aber darin haben, daß mit der Beendigung der Geschäftsbesorgung eine endgültige Bereinigung der Vermögensverhältnisse einhergehen und der Geschäftsführer nicht auch in Zukunft mit den Folgen der Besorgung belastet bleiben soll. Schließlich spricht für das Vorliegen 27 MünchKomm 3 -Se;7er, §670 B G B Rn. 11; das kann etwa in Zeiten starker Geldentwertung ausnahmsweise anders sein, vgl. die Nachweise a.a.O. Fn.44.

434

Fünftes Kapitel: Vertragliche und quasi-vertragliche

Schuldverhältnisse

eines reinen Wertausgleichs auch der Umstand, daß bei der Bemessung der Höhe des Ausgleichs maßgeblich auf subjektive Kriterien abgestellt wird, namentlich darauf, ob und inwieweit der Geschäftsführer die betreffenden Ausgaben aus seiner Sicht für erforderlich halten durfte. 2 8 2. D i e auftragsrechtliche Nachteilsausgleichung Mit der Frage, ob nicht nur Aufwendungen, sondern auch unfreiwillige Vermögensverluste, die der Geschäftsführer ohne sein Verschulden in Ausführung der Besorgung erlitten hat, zum Ausgleich gelangen können, bewegt man sich immer mehr Problemkreisen zu, wie sie verstärkt bei vertraglichen oder vertragsähnlichen Rechtsverhältnissen auftreten, auf die §670 B G B unmittelbar anwendbar ist. Dieses Spannungsverhältnis zwischen genuin rechtsgeschäftlichen und gesetzlichen Elementen ist für das Geschäftsführungsrecht charakteristisch und erschwert zugleich eine allokatorische Argumentation, weil sie stets unter dem Vorbehalt einer abweichenden Vereinbarung rechtsgeschäftlicher Natur steht. Das gilt für das vieldiskutierte Problem der Begleitschäden des Geschäftsführers sogar in besonderem Maße, weil die richtige Lösung von Natur und Risikoverteilung des konkreten Rechtsverhältnisses abhängt. Die folgenden Ausführungen werden sich daher speziell auf die Rechtslage bei der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag beziehen. a) Skizzierung

des

Meinungsstands

Ausgelöst wird das Problem durch die enge Interpretation des Aufwendungsbegriffs bei § 670 BGB, wonach diese Vorschrift unmittelbar nur freiwillige Vermögensopfer erfassen soll, nicht hingegen auch Begleitschäden. Die einschränkende Auslegung steht auch im Einklang mit der Intention des historischen Gesetzgebers, der die Frage nicht abschließend regeln wollte. 29 Die frühe Rechtsprechung des Reichsgerichts hat hier Abhilfe geschaffen, indem sie einen stillschweigend geschlossenen Garantievertrag zugunsten des Beauftragten annahm. 30 Allerdings paßt diese Konstruktion von vorneherein nicht bei der Geschäftsführung ohne Auftrag sowie übrigens auch dann nicht, wenn die Gefährlichkeit des Auftrags von den Parteien nicht vorhergesehen wurde. 31 Angesichts 28 MünchKomm 3 -Se//er, § 670 BGB Rn. 11 will Sachaufwendungen stets mit dem objektiven Verkehrswert vergüten, was in gewisser Weise gegen das Vorliegen eines reinen Wertausgleichs sprechen könnte. Das scheint mir in dieser Allgemeinheit aber schon deshalb bedenklich, weil das für den Geschäftsführer, der etwa zur Besorgung des Geschäfts ohnehin angefallene Materialreste einsetzt, auf ein von den §§ 677ff. B G B nicht vorgesehenes Entgelt hinausläuft. Große praktische Bedeutung wird dem Unterschied freilich kaum zukommen. 29 Motive II, S.541; Protokolle II, S. 367 ff. 30 R G JW 1914,676 [677]; R G Z 94,169 [170]; R G JW 1927,441; JW 1931, 3441 [3442], 31 Staudinger 13 -Wittmann, § 670 B G B Rn. 10.

§ 12 Geschäftsführung

ohne

Auftrag

435

der erkannten Schwächen dieser Lösung haben Rechtsprechung und Literatur im Laufe der Zeit eine Vielzahl abweichender Konzeptionen entwickelt. So ist der Anspruch des Geschäftsführers etwa als Aufopferungsanspruch bzw. als Anspruch eigener Art mit Aufopferungscharakter gewertet oder auf § 242 BGB gestützt worden. 32 Im wesentlichen sind es indessen zwei Hauptstandpunkte, die sich bis heute kontrovers gegenüberstehen und die als aufwendungsersatzrechtlicher Ansatz einerseits und als schadensersatzrechtlicher andererseits bezeichnet werden können. Insgesamt krankt die Diskussion wohl an einer unzulässigen Pauschalisierung, weil die Unterschiede zwischen den verschiedenen Rechtsverhältnissen, bei denen sich das Problem der Begleitschäden stellt, nicht hinreichend gewürdigt werden. aa) Theorie von der analogen Anwendung des §670 BGB Schon das Reichsgericht hat - nach Überwindung der Lehre vom Garantievertrag die Vorschrift des §670 BGB entsprechend herangezogen und damit Begleitschäden wertungsmäßig den freiwillig getätigten Aufwendungen gleichgestellt. 33 Dies entspricht auch heute noch der wohl herrschenden Meinung. 34 Voraussetzung soll es allerdings sein, daß sich in den Begleitschäden gerade dasjenige Risiko verwirklicht hat, das der Geschäftsbesorgung eigentümlich ist und das eine gegenüber dem allgemeinen Lebensrisiko deutlich gesteigerte Gefahr für die Rechtsgüter des Geschäftsführers beinhaltet. 35 Dem Umfang nach billigt die Rechtsprechung mit der Begründung, daß auch der Geschäftsführer eine Ursache für die Gefahr gesetzt habe, sowie unter Hinweis auf allgemeine Grundsätze, wie sie etwa im Seerecht bei der großen Haverei zum Ausdruck kommen, 36 keinen vollen, sondern nur einen „angemessenen" Ausgleich zu.37 Für die Beschränkung auf angemessenen Ausgleich werden gelegentlich auch der Rechts32

Übersichten zum Meinungsstand bei Genius, AcP 173 (1973), 481 [484ff.]; Blaschczok, in: Festschrift Gitter (1995), S. 105ff.; Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag (1976), S. 286ff. 33 R G Z 98, 197 [200]; R G JW 1937,152f. 34 Ständige Rechtsprechung seit R G Z 167, 85 [89], vgl. nur B G H Z 33, 251 [257]; 38, 270 [277]; 52, 115 [116]; aus dem Schrifttum Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht (1958), §162, 4 [S. 687]; Fikentscher, Schuldrecht Rn.921; Deutsch, AcP 165 (1965), 193 [211 ff.]; Steindorff., in: Festschrift Dolle (1963), S.276 [293]; Otto, JuS 1984, 684 [687]; Staudinger 1 3 -Wittmann, §670 BGB Rn.14 (teleologische Extension). Etwas anders B G H Z 89, 153 [157], wo auf Gesichtspunkte der Risikoverteilung abgestellt wird. 35 Otto, JuS 1987, 684 [687]; MünchKomm 3 -Sei7er, §683 BGB Rn.19; Palandt 5 7 -Thomas, §670 BGB R n . l l m.w.N.; ablehnend Blaschczok, in: Festschrift Gitter (1995), S.105 [llOff.], dessen im wesentlichen sozialversicherungsrechtlich orientierte Lösung aber letztlich in einem Fragezeichen endet, vgl. Blaschczok, a.a.O., S. 121. 36 So B G H Z 38, 270 [278], 37 Canaris, J Z 1963, 655 [662] hält dies allerdings für mit der analogen Heranziehung von § 670 B G B vereinbar, indem er eine „teilweise" oder „beschränkte" Analogie annimmt, die nicht den Umfang des Ersatzes umfaßt.

436

Fünftes Kapitel: Vertragliche und quasi-vertragliche

Schuldverhältnisse

gedanke des §254 BGB, 38 das Wesen des Anspruchs als Aufopferungsanspruch 39 oder der Grundsatz der Vorteilsausgleichung 40 ins Feld geführt. Trotz der dogmatischen Verankerung der Lösung im Geschäftsführungsrecht werden in der Praxis die §§844 bis 846 B G B zugunsten von Angehörigen des Geschäftsführers herangezogen, wenn dieser in Ausführung der Besorgung getötet worden ist.41 bb) Theorie der Gefährdungs- bzw.

Risikohaftung

Nach einer maßgeblich von Canaris begründeten, 4 2 im Vordringen befindlichen Ansicht soll die Ausgleichung von Zufallsschäden dagegen auf dem Grundsatz der Risikozurechnung bei schadensgeneigter Tätigkeit in f r e m d e m Interesse beruhen. 4 3 Auch auf den Rechtsgedanken des § 110 Abs. 1 H G B wird in diesem Zusammenhang verwiesen. 44 Es handele sich um eine auf richterlicher Rechtsfortbildung beruhende Gefährdungshaftung des Geschäftsherrn, der das auftragsspezifische Schadensrisiko zu tragen habe, während der Beauftragte mit dem allgemeinen Lebensrisiko belastet bleibe. D a es sich bei einem solchen Anspruch des Geschäftsführers - mit den Worten des Allokatorischen Modells gesprochen - um einen primären Schadensersatzanspruch handeln müßte, und nicht um einen auf Schadensersatz gerichteten Subanspruch mit Aufopferungscharakter, würden hinsichtlich des Inhalts des Anspruchs die §§ 249ff. B G B gelten. cc)

Diskussion

Beide Auffassungen sind problematisch. So wird zunächst der analogen A n wendung von §670 B G B vor allem entgegengehalten, daß sich der Geschäftsführer eines erhöhten Risikos oftmals nicht bewußt geworden sei oder er jedenfalls gehofft habe, es vermeiden zu können. Deshalb sei die Gleichstellung von

38

O L G Düsseldorf D A R 1962, 150 [151]; Deutsch, AcP 1965, 193 [217]; dagegen überzeugend Canaris, J Z 1963, 655 [662], 39 Siehe nur Canaris, a.a.O.. 40 O L G Oldenburg NsRpfl. 1972, 273 [275]; Canaris, J Z 1963,655 ; Hagen, NJW 1966,1892 [1896]; Helm, VersR 1968, 209 [212ff.]. 41 R G Z 167, 85 [89]; B G H Z 7, 30; O L G Tübingen M D R 1950, 160; zustimmend Soergel 11 Mühl, §670 BGB Rn. 18; kritisch Canaris, J Z 1963,655 [661]; Lorenz, JuS 1965,373 [375]; ders., Schuldrecht II/l (1986), §56 III [S.419]; MünchKomm 3 -5eifer, §683 BGB Rn.19. 42 Grundlegend Canaris, R d A 1966, 41 ff.; vgl. auch Anton Huber, Die Haftung des Geschäftsherrn für schuldlos erlittene Schäden des Geschäftsführers beim Auftrag und bei der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (1965), S.49ff. 43 Ebenso nun etwa Larenz, Schuldrecht II/l (1986), § 57 I b); Medicus, Bürgerliches Recht, Rn.429; Honsell, in: Festgabe von Lübtow (1980), S.485ff., 498ff.; Soergel n -M«M, §670 BGB Rn. 18; Erman 9 -Ehmann, § 670 B G B Rn. 8; Palandt 57 -7'/iomav, § 670 BGB Rn. 12. 44 Genius, AcP 173 (1973), 481 [512ff.]; Soergel"-Mühl, §670 BGB Rn. 18.

§ 12 Geschäftsführung

ohne

Auftrag

437

risikotypischem Begleitschaden und Aufwendung in diesen Fällen verfehlt. 45 Das wäre aber nur dann ein schlagendes Argument, wenn das Bewußtsein des Geschäftsführers und die Freiwilligkeit der Vermögenseinbuße tragende Grundgedanken von §670 BGB darstellten, ohne die eine analoge Heranziehung der Vorschrift nicht denkbar wäre. Genau dies muß aber entschieden bezweifelt werden. Denn § 670 BGB stellt allein darauf ab, daß der Geschäftsführer die Aufwendung zum Zwecke der Ausführung des Auftrags tätigt sowie daß er sie den Umständen nach für erforderlich halten darf. Dieses finale Element ist auch dann gewahrt, wenn der Geschäftsführer zum Zwecke der Ausführung des Auftrags ein riskantes Verhalten zeigt, das er den Umständen nach für erforderlich halten durfte, auch wenn er an das Risiko überhaupt nicht gedacht hat. Die Grenzen zwischen freiwilligem, billigend in Kauf genommenem und unfreiwilligem Nachteil sind ohnehin fließend: Ist es etwa zur Erreichung des Geschäftszwecks zwingend erforderlich, daß der Geschäftsführer seinen Wagen kurz im Parkverbot abstellt, und hat er infolgedessen eine Geldbuße zu zahlen, dann ließe sich diese sowohl als Aufwendung als auch als Begleitschaden qualifizieren. Denn das Risiko des Bußgelds hat der Geschäftsführer bewußt und zweckgerichtet auf sich genommen, daß auch tatsächlich ein Bußgeld verhängt wird, hat er hingegen sicher nicht gewollt. Problematisch an der Rechtsprechung ist demnach weniger die Gleichstellung von unfreiwilligen und freiwilligen Vermögenseinbußen, sondern vielmehr, daß man Voraussetzungen und Rechtsfolgen von § 670 B G B in stärkerem Maße modifiziert, als dies für eine Analogie statthaft erscheint. So ordnet etwa § 670 BGB vollen Ersatz der getätigten Aufwendungen an, soweit diese erforderlich scheinen mußten. Überträgt man dies sinngemäß auf Begleitschäden, müßte auch hier voller Ersatz geschuldet sein, sofern nicht den Geschäftsführer bei der Eingehung des Risikos oder bei der Ausführung der Besorgung ein Mitverschulden trifft. Dazu will es aber nicht passen, daß die Rechtsprechung keinen vollen, sondern nur einen „angemessenen" Ausgleich zuspricht. Mit der analogen Anwendung von § 670 BGB ist es ferner nicht vereinbar, daß in der Praxis die §§ 844 bis 846 BGB zugunsten von Angehörigen des Geschäftsführers herangezogen werden, der in Ausführung der Besorgung getötet worden ist, weil es sich dabei um Vorschriften handelt, die für die außervertragliche Schadensersatzhaftung gelten und einer aufwendungsersatzrechtlichen Anspruchsgrundlage nicht angemessen sind. Diese letztere Überlegung scheint auf den ersten Blick für die schadensrechtliche Theorie zu sprechen. Denn es bestünden keine dogmatischen Schwierigkeiten, den § 254 und die §§ 844 bis 846 BGB unmittelbar oder analog heranzu45

Siehe nur Larenz, Schuldrecht II/l, §56 III [S.418] m.w.N.; Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 290ff.; zu den Argumenten gegen eine analoge Anwendung von §670 BGB im Arbeitsrecht ausführlich Langenbucher, Z f A 1997, 523 [535f.].

438

Fünftes Kapitel: Vertragliche und quasi-vertragliche

Schuldverhältnisse

ziehen und zu einer entsprechenden Quotelung sowie einem Anspruch auch naher Angehöriger zu gelangen. Allerdings ist es mit dieser Konstruktion noch viel problematischer, den Anspruch des Geschäftsführers auf „angemessenen Ausgleich" zu beschränken und dabei Aspekte des Einzelfalls zu berücksichtigen, die sich nicht gerade unter Mitverschulden im Sinne von § 254 BGB subsumieren lassen: Das wäre nur bei einer aufopferungsrechtlichen Lösung möglich, von der die Theorie von der Gefährdungs- bzw. Risikohaftung aber weit entfernt ist. Vielmehr präjudiziert diese Theorie zugleich eine Entscheidung für den Grundsatz der Totalreparation. 46 Im Ergebnis hat sich daher keine der beiden Auffassungen als restlos überzeugend erwiesen. b) Deutung als Reststörungsausgleich

auf der Grundlage des

Statikgedankens

Den gängigerweise vertretenen Auffassungen soll hier die eigene Konzeption, die den Ausgleich von Begleitschäden des Geschäftsführers wiederum als Reststörungsausgleich deutet, weniger entgegengesetzt, als vielmehr zur Seite gestellt werden. Da man sich in den praktischen Ergebnissen wohl weitgehend einig sein dürfte, ist die Suche nach der richtigen Konzeption nämlich in erster Linie von dogmatischem Interesse. 47 Überdies ist anzumerken, daß in den meisten Fällen bereits das Sozialversicherungsrecht bewirkt, daß ein Versorgungsproblem nicht entsteht. 48 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ist die weitere Hinterfragung allein deswegen unentbehrlich, weil geprüft werden muß, inwieweit die Erstattung von Begleitschäden zur Verifizierung des Statikprinzips beitragen kann. Die Deutung als Reststörungsausgleich, der dem Statikgedanken folgt, beruht auf der Erkenntnis, daß der Geschäftsherr bei risikotypischen Begleitschäden - und nur bei risikotypischen - einen „gewissen" Restvorteil erlangt. Denn nach der Lebenserfahrung ist zu vermuten, daß mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch der Geschäftsherr bei eigenhändiger Besorgung einen ähnlichen Schaden erlitten hätte bzw. einer anderen Person ersatzpflichtig gewesen wäre, die er mit der Besorgung beauftragt hätte. Diese Ersparnis läßt sich indessen weder konkret nachweisen noch beziffern, doch ist ein entsprechender Ausgleich vom Statikgedanken getragen, wenn man ihn vor dem Hintergrund des 46

Genius, AcP 173 (1973), 481 [516] m.w.N.; die mißlichen Konsequenzen, die dabei entstehen können, will Genius ausdrücklich in Kauf nehmen, weil diese auch sonst im Schadensrecht auftreten. 47 Offenlassend daher MünchKomm 3 -Se;7er, § 683 BGB Rn. 19, § 670 BGB Rn. 14. 48 Vgl. umfassend die Analyse von Blaschczok, in: Festschrift Gitter (1995), S. 105 [106ff.]. Im wesentlichen wird das Problem nur noch relevant bei Sachschäden sowie allgemein bei Tätigkeiten, die im Interesse von Privaten aufgenommen wurden. Beim Nothelfer ist nur noch die Regreßfrage relevant, doch ist ein Regreß gegen den schuldlosen Geschäftsherrn richtigerweise ohnehin abzulehnen, vgl. grundlegend B G H Z 92, 270 [271ff.]; Gitter, J Z 1985, 392; Blaschczok, a.a.O., S. 108.

§ 12 Geschäftsführung

ohne

439

Auftrag

Ziels maximaler Eliminierung von Reststörungen betrachtet. Diesbezüglich kann auf die Ausführungen zur Gewinnhaftung bei wirtschaftsrechtlichen Sachverhalten im Zweiten Kapitel verwiesen werden. 49 Zusätzlich zum Statikgedanken spricht für einen Ausgleich der Gedanke der Förderung altruistischen Verhaltens. Da es sich um eine Ausprägung reinen Wertausgleichs handelt, wäre eine wertende Betrachtung anzustellen und - ähnlich wie bei der Aufopferungshaftung - zu fragen, ob und in welchem Umfang der Ausgleichsberechtigte schutzwürdig ist und der Ausgleichsverpflichtete nicht unzumutbar belastet wird. 50 Möglich dürfte es auf diesem Wege insbesondere auch sein, bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs des Geschäftsführers selbst zu berücksichtigen, daß dieser seiner Familie unterhaltsverpflichtet war, was dann seinen Erben zugutekommt. 51 c) Stimmigkeitskontrolle

im Vergleich zur Theorie der

Risikohaftung

In scharfem Gegensatz zur Deutung als Reststörungsausgleich geht die Theorie der Risikohaftung von einem eigenständigen Primäranspruch aus, der mit dem Statikgedanken nichts zu tun hat, sondern auf der Zuweisung von Risiken beruht. Im unterschiedlichen allokatorischen Stellenwert darf auch der Hauptunterschied zwischen den vertretenen Lösungen gesehen werden. 52 Insoweit ist also eine Stimmigkeitskontrolle erforderlich, ob die hier vertretene Konzeption der schadensersatzrechtlichen wirklich überlegen ist. Diese mag im Rahmen vertraglicher Auftragsverhältnisse zutreffend sein, doch läßt sie sich gerade dort auch mit rein vertragsrechtlichen Argumenten begründen, so etwa dem Gedanken einer stillschweigend übernommenen Garantie oder der vertraglichen Treuepflicht unter besonderer Berücksichtigung der Fremdnützigkeit oder Unentgeltlichkeit des Tuns. Außerhalb von Verträgen und namentlich bei der Ge49

Siehe Zweites Kapitel, § 4 II 3 b) aa) [S. 173], Zur Abhängigkeit der Aufopferungshaftung von Wertungen des Einzelfalls oben, Zweites Kapitel, § 5 II 3 b) [S. 195ff.]. 51 Das bedeutet natürlich eine gewisse Abweichung gegenüber der Lösung, die bei Heranziehung der §§844ff. BGB erzielt wird, so etwa wenn der Geschäftsführer die unterhaltsberechtigten Personen enterbt hat. Die Abweichung ist aber m. E. gerechtfertigt. Denn dem Ziel des Anspruchs, einen billigen Interessenausgleich herbeizuführen, entspricht es, nur die nächsten Angehörigen in den Ausgleich miteinzubeziehen. Wenn aber der Geschäftsführer diese selbst enterbt hat, dann ist der Verlust der Versorgung allein seiner Entscheidung zuzurechnen. Ein anderer - vielleicht ehrlicherer - Weg scheint mir der von Otto, JuS 1984,684 [689] zu sein, in offener Rechtsfortbildung ein gesetzliches Schuldverhältnis zugunsten Dritter zu schaffen. 50

52 Zutreffend weist Blaschczok, in: Festschrift Gitter (1995), S. 105 [112] daraufhin, daß der Ansatz an der entsprechenden Anwendung von § 670 BGB und die Theorie der Risikohaftung nur scheinbar einen Gegensatz darstellen, sondern vielmehr auf demselben Grundprinzip beruhen können. Den §670 BGB zugrundeliegenden Gedanken definiert er a.a.O., S. 113ff. als „Neutralisierungsbestreben", also das Bestreben, die Habenseite beim Geschäftsführer aufzufüllen, was letztlich wiederum auf den Gedanken der Risikoverteilung zurückzuführen sei.

440

Fünftes Kapitel: Vertragliche und quasi-vertragliche

Schuldverhältnisse

schäftsführung ohne Auftrag ist sie jedoch - wie im folgenden zu zeigen sein wird - aus verschiedenen Gründen nicht haltbar. 53 aa) Grenzen richterlicher

Rechtsfortbildung

Z u m einen ist es sehr fraglich, ob bei A n n a h m e einer verschuldensunabhängigen Schadensersatzhaftung im Sinne von §§249ff. B G B die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung nicht deutlich überschritten wären. D e n n anerkanntermaßen ist der Katalog verschuldensunabhängiger Haftungstatbestände grundsätzlich abschließend und darf nur unter sehr engen Voraussetzungen richterrechtlich erweitert werden. 54 Das geltende Recht bietet zu wenig Anhaltspunkte für eine allgemeine Zurechnung des mit einer Tätigkeit verbundenen spezifischen Schadensrisikos an denjenigen, in dessen Interesse die risikobehaftete Tätigkeit ausgeführt wird, als daß von einer ausfüllungsfähigen Prinzipienlücke gesprochen werden könnte: Die früher von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Haftung bei gefahrgeneigter Arbeit, die nunmehr auf alle betrieblich veranlaßten Tätigkeiten ausgedehnt worden sind, 55 stellen sich als spezifisch arbeitsrechtliches Rechtsinstitut dar, das seine Legitimation als richterliche Rechtsfortbildung in der offenen Regelungslücke findet, die der Gesetzgeber hinsichtlich des Individual- und Kollektivarbeitsrechts zurückgelassen hat. Als solches bildet es keine hinreichende Basis für die Feststellung eines allgemeinen Haftungsprinzips, das dem Bürgerlichen Recht zugrundeliegen soll, zumal es maßgeblich durch arbeitsrechtsspezifische Gedanken, wie arbeitgeberische Fürsorgepflicht, Betriebsrisiko, soziale Verantwortlichkeit, angemessene Haftungsverteilung zwischen wirtschaftlich extrem ungleich potenten Partnern usw. getragen ist.56 D a die vom Geschäftsführungsrecht erfaßten Sachverhalte jedoch sehr vielgestaltig sind, würde man eine prinzipiell unübersehbare Menge von Tatbeständen verschuldensunabhängiger Haftung schaffen, was 53 Symptomatisch ist, daß die Theorie von der Risikohaftung in der Regel allein zu vertraglichen Geschäftsführungsverhältnissen entwickelt und sodann lapidar bemerkt wird, daß bei der Geschäftsführung ohne Auftrag nichts anderes gelten könne, vgl. etwa Erman 9 -Ehmann, § 670 BGB Rn. 8; Canaris, RdA 1966, 41 [43]; besonders abrupt Anton Huber, Haftung des Geschäftsherrn für schuldlos erlittene Schäden, S.76f. 54 B G H Z 55, 229 [234]; 63, 234 [237]; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §84,1 1 b) [S.601]; MünchKomm 3 -Merte«s, vor §§823ff. BGB Rn.53. 55 Seit dem Beschluß des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27.09. 1994, abgedruckt u.a. in NJW 1995, 210ff. 56 Auch Canaris, als dessen Verdienst es angesehen werden muß, die Ersatzfähigkeit von Schäden des Geschäftsführers als Ausprägung einer Risikohaftung zu interpretieren, hat sein Konzept in allererster Linie für das Arbeitsrecht entwickelt. Er meint aber ( R d A 1966, 41 [47f.]), daß die Grundsätze über die schadensgeneigte Tätigkeit sowie die analoge Anwendung von § 670 BGB bereits eine hinreichende Grundlage für eine Weiterentwicklung bildeten, ja eine Erstreckung auf rechtsähnliche Fälle sogar geböten. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Situation bei der Geschäftsfühung ohne Auftrag eben nicht generell rechtsähnlich ist und daher hier Ungleiches gleich behandelt wird.

§ 12 Geschäftsführung

ohne Auftrag

441

mit dem Verschuldensprinzip des deutschen Schadensersatzrechts nicht mehr zu vereinbaren wäre. bb) Mangel eines hinreichenden

Zurechnungsgrundes

Sodann mangelt es bei der Geschäftsführung ohne Auftrag an einer hinreichenden Grundlage, dem Geschäftsherrn die vom Geschäftsführer erlittenen Schäden zurechnen zu können, sofern dem Geschäftsherrn kein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann. 57 Anknüpfungspunkt für die Zurechnung des Schadens an den Geschäftsherrn soll nach der Theorie von der Risikohaftung dessen Wille sein.58 Das ist indessen m. E. nicht konsequent. 59 Denn wenn man schon beim Geschäftsführer genau differenziert, ob sein Wille auf ein riskantes Verhalten oder den Schadenseintritt gerichtet war, dann muß man dies auch beim Geschäftsherrn tun. Dieser aber will vielleicht, daß ein bestimmtes Geschäft besorgt wird, kaum aber, daß der Geschäftsführer dabei einen Schaden erleidet. Richtiger wäre es daher, nicht den Willen des Geschäftsherrn, sondern die Veranlassung der Besorgung durch einen Umstand der eigenen Güter- und Interessensphäre zum Anknüpfungspunkt zu machen. Auch dies kann aber für einen Zurechnungsgrund nicht allgemein ausreichen, weil ja dann erst recht auch im Rahmen etwa von Werkverträgen verschuldensunabhängig für risikotypische Begleitschäden des anderen gehaftet werden müßte. Das würde beispielsweise bedeuten, daß der Bauherr den Angehörigen des Handwerkers, der bei einem Sturz vom Gerüst tödlich verunglückt ist, unter Umständen lebenslang eine Geldrente zu zahlen hätte. Daß diese Konsequenz nicht gezogen wird, liegt erstens daran, daß bei solchen Verträgen der andere Teil grundsätzlich selbst über die genaue Ausgestaltung seiner Tätigkeit entscheiden kann, und zweitens daran, daß mit der vereinbarten Gegenleistung auch das zu tragende Risiko mitabgegolten ist. Das bestätigt noch einmal die Vermutung, daß der Zurechnungsgrund bei der Risikohaftung ein rein vertraglicher ist und Begleitschäden eines

57 D a ß die Haftung des Geschäftsherrn aus §§823ff. B G B nach den zu den „Herausforderungsfällen" entwickelten Grundsätzen oder aus positiver Forderungsverletzung der durch die §§677ff. BGB begründeten Sonderverbindung unberührt bleibt, bedarf keiner Erwähnung: Wer vorhersehen und vermeiden konnte, daß andere durch sein Verhalten zu riskanten Rettungsaktionen herausgefordert werden, haftet auch ohne besondere Grundsätze einer Nachteilsausgleichung, so etwa, wer ohne hinreichende Schwimmfähigkeiten mit dem Bewußtsein ins Meer hinausschwimmt, ihn werde schon jemand retten. Anders ist die Lage jedoch, wenn der Betreffende völlig unvorhergesehen von einem Krampf befallen wird. 58 So Canaris, R d A 1966, 41 [43], was bei vertraglichen Rechtsverhältnissen natürlich auch zutrifft; Larenz, JuS 1965, 373 [375] und Honseil, in: Festgabe von Lübtow (1980), S.485 [499], wollen die Zurechnung auf den Umstand stützen, daß das Handeln des Geschäftsführers interessegemäß ist. 59 Ablehnend auch etwa Otto, JuS 1984, 684 [686f.]; Staudinger 1 3 -Wittmann, §683 BGB Rn.5.

442

Fünftes Kapitel: Vertragliche und quasi-vertragliche

Schuldverhältnisse

Geschäftsführers ohne Auftrag nicht erfassen kann. Dort zählt allein der Gesichtspunkt der Begünstigung. Als überaus problematisch erscheint mir unter Zurechnungsgesichtspunkten übrigens auch, ob und wie nach der Theorie der Risikohaftung die Einstandspflicht eines Geschäftsherrn konstruiert werden soll, der geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig ist. Die normierten Tatbestände der Gefährdungshaftung müssen sich des Problems in der Regel nicht annehmen, weil die A u f n a h m e der gefährlichen Tätigkeit - also die Eigenschaft als Halter eines Tieres im Sinne von § 833 BGB, als Hersteller eines Produkts im Sinne von § 4 P r o d H a f t G usw. bereits der Mitwirkung mindestens des gesetzlichen Vertreters bedarf. Das ist anders bei der Geschäftsführung ohne Auftrag, wo es sogar sehr oft Minderjährige sein werden, die eine Rettungshandlung provozieren. Die analoge Anwendung der §§ 828,829 B G B ist aber wertungsmäßig bedenklich, 60 und nicht in allen Fällen kann der Aufsichtsp/Z/c/zf/ge als Geschäftsherr angesehen werden. cc) Reduzierung

auf angemessenen

Ausgleich

Die A n n a h m e eines ergänzenden Wertausgleichs hat zudem den Vorteil, daß sie viel leichter erklären kann, weshalb bloß angemessener Ausgleich, und nicht voller Schadensersatz gemäß §§249ff. B G B geschuldet ist. Zwar kennen auch die §§249ff. B G B eine Anspruchsbeschränkung wegen Mitverschuldens des Geschädigten und läßt sich §254 B G B durchaus direkt oder wenigstens dem Rechtsgedanken nach heranziehen, wenn dem Geschäftsführer eigene Nachlässigkeit vorzuwerfen ist, wenn er auch eine weniger riskante Vorgehensweise hätte wählen können oder wenn das Risiko, das sich verwirklicht hat, sehr nahe an seinem allgemeinen Lebensrisiko liegt. Gelegentlich mag auch der G e d a n k e der Vorteilsausgleichung herangezogen werden können. 6 1 Indessen wirkt die Heranziehung der Grundsätze über Mitverschulden und Vorteilsausgleichung stets etwas gekünstelt und verbleiben über ihren möglichen Anwendungsbereich hinaus viele Fallgestaltungen, in denen der volle Ersatz für den Geschäftsherrn eine unzumutbare H ä r t e darstellen würde. Mit dem Hinweis auf den Charakter des Anspruchs als Billigkeitsanspruch sowie darauf, daß der Zurechnungsgrund hier wesentlich schwächer sei als bei der herkömmlichen Schadensersatzhaftung, ist daher zu Recht vertreten worden, daß nach den Grundsätzen eines beweglichen Systems alle im Einzelfall maßgeblichen Wertungen in die Bestimmung der Anspruchshöhe miteinzufließen hätten, 6 2 was bei A n n a h m e eines ergänzenden Wertausgleichs selbstverständlich würde. 60 Zur Anwendbarkeit bei der Gefährdungshaftung allgemein Canaris, NJW 1964, 1987 [1990f.]; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §84 I 2 g) [S.609], 61 O L G Oldenburg NsRpfl. 1972, 273 [275]; Canaris, J Z 1963, 655; Hagen, NJW 1966,1892 [1896]; Helm, VersR 1968, 209 [212ff.]. 62 Besonders deutlich Honseil, in: Festgabe von Lübtow (1980), S.485 [500].

§ 12 Geschäftsführung

dd) Das allokatorische

ohne

Auftrag

443

Argument

Unter allokatorischen Gesichtspunkten läßt sich der Theorie vom Schadensersatz übrigens noch ein weiteres Argument entgegenhalten, das zugegebenermaßen leicht in die Gefahr der Zirkularität gerät. Beim Anspruch des Geschäftsführers auf Aufwendungsersatz handelt es sich nämlich um bloßen Wertausgleich. Außervertraglicher Schadensersatz im Sinne der §§249ff. BGB stellt demgegenüber - wie im Zweiten Kapitel dargelegt - seinem Wesen nach reinen Realausgleich dar. Es wäre aber wertungsmäßig nicht stimmig, den Geschäftsherrn wegen risikotypischer Begleitschäden nach einer stärkeren Ausgleichsform haften zu lassen als für Aufwendungen. d) Bewertung der Ergebnisse Insgesamt hat sich die Deutung der auftragsrechtlichen Nachteilsausgleichung als ergänzender Wertausgleich, der als solcher den Statikgedanken unmittelbar verwirklicht, gegenüber der Deutung als primärer Schadensersatzanspruch und Realausgleich überlegen gezeigt. Das lag im einzelnen daran, daß mit der Einführung eines ungeschriebenen Tatbestands verschuldensunabhänigiger Haftung die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten wären, es an einer hinreichenden Zurechnungsgrundlage mangelt sowie daß die §§249ff. eine Reduktion auf angemessenen Ausgleich nicht vorsehen. Zudem erscheint es bedenklich, den Geschäftsherrn für Begleitschäden nach einem strengeren Ausgleichstypus haften zu lassen als für Aufwendungen. Ob man den ergänzenden Wertausgleich nun auf eine Analogie zu § 670 BGB stützt, auf die Grundsätze der Aufopferungshaftung oder aber unmittelbar auf den Statikgedanken, ist im Grunde nebensächlich, weil es sich dabei jeweils um Mechanismen zum Ausgleich von Reststörungen handelt, die den Regeln eines reinen Wertausgleichs folgen. Der Geltungsanspruch des Statikgedankens sieht sich jedenfalls unabhängig von der konkret gewählten Konstruktion bestätigt.

§13 Vertragliche Erfüllungsansprüche Bereits die Ausführungen zum Geschäftsführungsrecht haben deutlich gemacht, daß im Rahmen vertraglicher oder quasi-vertraglicher Schuldverhältnisse besondere Behutsamkeit bei der allokatorischen Betrachtung gefordert ist. Das liegt daran, daß diese Betrachtungsweise auf Ausgleichsansprüche zugeschnitten ist, also auf solche Ansprüche, die eine eingetretene Störung des Rechtsverkehrs bzw. der Vermögensverteilung regulieren sollen. Was nun das Recht der Verträge anbelangt, so dient ein großer Teil seiner Anspruchsgrundlagen nicht der Regulierung von Verteilungsstörungen, sondern der Herbeiführung der von den Vertragsparteien einvernehmlich gewollten neuen Vermögensverteilung und damit der Sicherstellung geregelter Abläufe. Gemeint sind Erfüllungsansprüche im weitesten Sinn. Dabei wird sich die folgende Betrachtung meist explizit oder implizit auf den praktisch wichtigsten Fall der Hauptleistungspflichten im gegenseitigen Vertrag beziehen, doch beanspruchen die meisten Aussagen sinngemäß auch Geltung bei einseitig verpflichtenden Rechtsgeschäften.

I. Erfüllungsanspruch

und Allokatorisches

Modell

Auch Erfüllungsansprüche beruhen in gewisser Weise auf einer Abweichung der Ist- von der Soll-Verteilung. Denn die Beteiligten haben kraft Parteiautonomie die erwünschte Vermögensverteilung neu definiert und damit die aktuelle Verteilung jedenfalls für den Zeitraum ab Fälligkeit der resultierenden Erfüllungsansprüche zu einer unerwünschten erklärt. Worin sich jedoch Erfüllungsansprüche von echten Ausgleichsansprüchen ganz maßgeblich unterscheiden, ist der Umstand, daß für eine korrigierende Ausgleichung von Restvorteilen und Restnachteilen grundsätzlich kein Anlaß besteht, ja daß grundsätzlich von Reststörungen überhaupt nicht gesprochen werden kann. Vertragliche Rechtsverhältnisse sind nämlich wesensmäßig darauf angelegt, daß eine Partei daraus profitieren, aber ebenso einen Verlust erleiden kann. Bestandteil der Vertragsfreiheit ist es auch und gerade, daß innerhalb der von §§ 134, 138 BGB sowie verbraucherschutzrechtlichen und ähnlichen Sondervorschriften gezogenen Grenzen schon ein bestimmtes Äquivalenzverhältnis der Leistungen vom Gesetz nicht vorgegeben ist, und erst recht keine gesetzliche Zielvorgabe dahinge-

§ 13 Vertragliche

Erfüllungsansprüche

445

hend besteht, daß die Gesamtvermögenslage der Beteiligten sich durch den Leistungsaustausch bei rechnerischer Betrachtung nicht verändern solle.

1. Die B e d e u t u n g von Äquivalenzstörungen Das Gesagte will natürlich nicht heißen, daß nicht auch bei plangemäßem Leistungsaustausch das wirtschaftliche Ergebnis für einen oder beide Teile ein anderes sein kann, als es der gemeinsamen Vorstellung der Parteien bei Abschluß des Vertrages entsprach. Insbesondere aufgrund unvorhersehbarer bzw. unvorhergesehener Umstände kann sich ein Teil besser oder schlechter stehen als zunächst von beiden Teilen erwartet. Solche Entwicklungen können im weiteren Sinne als Äquivalenzstörungen bezeichnet werden, wobei der Begriff hier nicht nur auf Preisschwankungen, Leistungserschwernisse usw. in bezug auf die Hauptleistung beschränkt werden soll, sondern auch sonstige ungeplante Auswirkungen umfaßt, die der Leistungsaustausch für die Vermögenssphäre eines ober beider Vertragspartner mit sich bringt. Insbesondere ist also auch an Vorteile und Nachteile zu denken, die im übrigen Vermögen der Vertragspartner auftreten, so beispielsweise an Vertragskosten oder an Begleitschäden, die bei der Leistungserbringung erlitten werden. a) Ursache der allokatorischen

Irrelevanz

Der Umstand, daß solche Äquivalenzstörungen grundsätzlich nicht als Reststörungen angesehen werden können, ist darauf zurückzuführen, daß die Parteien in der Realität kaum die Herbeiführung einer bestimmten rechnerischen Gesamtvermögensverteilung vereinbaren werden. Vielmehr wird in aller Regel nur eine Vereinbarung über einen kleinen Ausschnitt der Vermögensverteilung getroffen, etwa daß der Verkäufer dem Käufer ein bestimmtes Buch zu übergeben und zu übereignen und der Käufer dafür Zahlungsmittel eines bestimmten Wertes hinzugeben habe. Welche weiteren Auswirkungen nun die Übereignung des Buches oder der Empfang der Zahlungsmittel auf die Vermögenssphäre der Parteien hat, insbesondere, inwieweit das Buch sich für den Käufer als nützlich erweist, ob zwischen Vertragsschluß und Vertragsdurchführung die Einkaufspreise für Bücher gestiegen sind usw., ist rechtlich grundsätzlich irrelevant. Die Verteilung, die Gegenstand der Vereinbarung ist und die entsprechend die anzustrebende Verteilung bezeichnet, ist demnach eine in zweifacher Hinsicht beschränkte: Erstens bezieht sie sich auch nicht theoretisch auf das Gesamtvermögen der Parteien, sondern nur auf dasjenige, was jede Partei aus dem Vertrag erhalten soll: Wieviel jede Partei aufzuwenden hat, ist dagegen typischerweise Sache ihrer internen Kalkulation. Und zweitens beziehen sich Vereinbarungen ebenso typischerweise nur auf einen Ausschnitt der Äea/verteilung, nicht auch der Wertverteilung.

446

Fünftes Kapitel: Vertragliche und quasi-vertragliche

Schuldverhältnisse

Als Beispiel führe man sich vor Augen, daß Anton der Berta Lieferung eines bestimmten Buches gegen Zahlung des objekiven Marktpreises von 100 versprochen hat und daß nach Abschluß des Kaufvertrags der Preis für dieses Buch unvorhergesehenermaßen auf 120 ansteigt. Die parteiautonom definierte SollVerteilung beschränkt sich dann auf A = ¡100) A B = {Buch). Das bedeutet erstens eine Beschränkung darauf, was jede Partei aus dem Vertrag erhält, denn eine umfassendere Realverteilung müßte sich ja etwa darstellen als A = {100; Abwesenheit von Zahlungsmitteln für Einkauf und Fixkosten} A B = {Buch; Abwesenheit von Zahlungsmitteln von 100). Gestehungskosten für die jeweils zu erbringende Leistung bleiben also unberücksichtigt. Das bedeutet aber zweitens auch, daß es vom allokatorischen wie vom rechtlichen Standpunkt aus grundsätzlich irrelevant ist, wenn den Parteien insgeheim eine Wertverteilung von A = 100 A B = 100 vorgeschwebt hat, der Leistungsaustausch aber tatsächlich zu einer Wertverteilung von A = 100 A B = 120 führt. Auf der Ebene der Wertverteilung muß also diejenige Lage, die nun einmal tatsächlich - d.h. nach den zufällig gegebenen Marktverhältnissen - bei Herbeiführung der realen Soll-Verteilung entsteht, unabhängig von irgendwelchen internen Kalkulationen der Parteien umfassend als Soll-Verteilung anerkannt werden. b) Verhältnis zum Wegfall der

Geschäftsgrundlage

Das bedeutet letztlich, daß die Parteien mit der Vereinbarung der wechselseitig geschuldeten Leistungen auch eine Vereinbarung darüber treffen, wer das Risiko bestimmter Unwägbarkeiten zu tragen hat. Erst wenn durch eine Äquivalenzstörung die vertraglich vorgesehene Risikoverteilung deutlich überschritten ist und das Ergebnis, das bei unveränderter Durchführung des Vertrages herbeigeführt würde, sich insgesamt als ein unerträgliches darstellt, können auch Erfüllungsansprüche durch das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage korrigiert werden. Dieses Rechtsinstitut zeigt zwar gewisse Gemeinsamkeiten mit Mechanismen des Reststörungsausgleichs, ist aber keinesfalls zu diesen zu rechnen. Das folgt schon daraus, daß der Wegfall der Geschäftsgrundlage keinen ergänzenden Ausgleichsmechanismus auf den Plan ruft, sondern eine Vertragsanpassung bzw. Vertragsauflösung bewirkt, 63 also die parteiautonom definierte Soll-Verteilung umdefiniert. c) Abweichende

Beurteilung bei entsprechender

Vereinbarung?

Denkt man das Gesagte konsequent weiter, ließe sich freilich leicht zu dem Schluß gelangen, daß von Reststörungen auch beim vertraglichen Erfüllungsanspruch dann die Rede sein könne, wenn die Parteien ausnahmsweise eine be63 Siehe nur die umfangreichen Nachweise bei MünchKomm 3 -7ioi/!, §242 BGB Rn.544ff.; Palandt 51 -Heinrichs, §242 BGB Rn. 130f£; Erman 9 -Werner, § 242 BGB Rn. 179f.

§ 13 Vertragliche

Erfüllungsansprüche

447

stimmte Werfverteilung zum Gegenstand der Vereinbarung machen. Natürlich werden sie dies schon mangels eines allgemeinen Bewußtseins für den Unterschied zwischen Real- und Wertverteilung nicht ausdrücklich tun, jedoch kann die Auslegung ergeben, daß das Gesamtvermögen der Beteiligten mit Hilfe der Durchführung des Vertrages auf einem bestimmten rechnerischen Stand gehalten bzw. auf einen bestimmten Stand gebracht werden soll. In der Realität dürften solche Verträge praktisch übrigens kaum vorkommen. Entgegen erstem Anschein lassen sich insbesondere Versicherungsverträge hier letztlich nicht einordnen. Denn erstens wollen auch sie trotz ihres Charakters als Dauerschuldverhältnis das Vermögen des Versicherten allenfalls punktuell - nämlich bezogen auf den Versicherungsfall - konstant halten, und zweitens rühren die auszugleichenden Vermögensschwankungen in der Sphäre des Versicherten ja gerade nicht aus dem Versicherungsvertrag her, sondern sind auf externe Ursachen zurückzuführen. Zu denken ist allenfalls etwa an einen Verlustausgleich, der bei der Übernahme eines Unternehmens den Anteilseignern vertraglich zugesichert wird, oder ähnliche Beispiele. Nichtsdestoweniger ist es selbst in solchen, seltenen Konstellationen nicht angebracht, von Restvorteilen und Restnachteilen zu sprechen. Denn wenn die Herbeiführung eines bestimmten rechnerischen Gesamtvermögensbetrags an sich vertraglich geschuldet ist, dann sind bei einer Abweichung der erreichten Wertverteilung von der vereinbarten eben die vertraglichen Primäransprüche noch nicht erfüllt, weshalb nach Reststörungen noch gar nicht gesucht werden darf. 2. D i e Lage bei gestörtem Leistungsaustausch Anders ist die Lage dann, wenn nicht nur die durch den Leistungsaustausch erzielte Wertverteilung von der erwarteten abweicht, sondern wenn der Leistungsaustausch selbst gestört wird, also vor allem auch die erzielte oder erzielbare Äea/verteilung nicht mit der in Aussicht genommenen übereinstimmt. Zwar können die Parteien auch für diesen Fall Vereinbarungen treffen und stehen die im folgenden gemachten Ausführungen stets unter dem Vorbehalt anderweitiger vertraglicher Bestimmung. Regelmäßig hingegen ist bei einer Störung des Leistungsaustauschs das Gesetz berufen, zwischen den Parteien einen gerechten Interessenausgleich herbeizuführen. Dieser Ausgleich erfolgt mit Hilfe von Ansprüchen, die zwar in gewisser Weise aus dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch heraus entwickelt werden, die sich aber in unterschiedlichem Maße von diesem auch wesensmäßig entfernen und den Charakter gesetzlicher Ausgleichsansprüche annehmen. Der Übergang zwischen vertraglichen Leistungsansprüchen und echten Ausgleichsansprüchen verläuft dabei fließend.

448

Fünftes Kapitel: Vertragliche und quasi-vertragliche

a) Vertragliche Ansprüche mit

Schuldverhältnisse

Ausgleichscharakter

Ausgleichscharakter kommt danach jedenfalls solchen Ansprüchen zu, die bei einer Leistungsstörung an die Stelle von Erfüllungsansprüchen treten, vor allem Ansprüchen auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Generell sind vertragliche und quasi-vertragliche Schadensersatzansprüche stets als Ausgleichsansprüche zu qualifizieren, egal, ob sie auf der Verzögerung der Leistung, der Verletzung einer Aufklärungspflicht, dem grundlosen Abbruch von Vertragsverhandlungen usw. beruhen. Ausgleichsansprüche sind zweifellos auch Ansprüche auf Gewährleistung wegen Sach- oder Rechtsmängeln der Leistung, also etwa Ansprüche auf Wandlung oder Minderung sowie solche, die sich als modifizierte Erfüllungsansprüche darstellen, namentlich Ansprüche auf Nachbesserung oder Ersatzlieferung. 6 4 Schließlich kann auch der Anspruch aus §281 Abs. 1 B G B auf Herausgabe des stellvertretenden commodum als Ausgleichsanspruch bezeichnet werden. D a r a n ändert sich nichts dadurch, daß die Vorschrift des § 281 Abs. 1 B G B verbreitet als Ergebnis ergänzender Vertragsauslegung qualifiziert wird: 65 Dies kann allenfalls dazu dienen, den der Vorschrift innewohnenden Gerechtigkeitsgehalt zu untermauern, denn wie nicht zuletzt §§281 Abs. 2,323 Abs. 2,325 Abs. 1 Satz 3 B G B deutlich machen, steht der Anspruch funktionell mit dem Ersatz des Nichterfüllungsschadens auf einer Stufe.66 Selbst der unmodifizierte Erfüllungsanspruch kann in besonderen Konstellationen Ausgleichscharakter annehmen. Das ist etwa der Fall, wenn im gegenseitigen Vertrag eine der synallagmatischen Leistungspflichten wegfällt, die andere aber dennoch zum Schutze desjenigen, der sie zu fordern hatte, bestehen bleibt. D e n n dann ist die verbleibende Leistungspflicht gleichsam zur Entschädigung des anderen Teils geschuldet, nicht aber deswegen, weil auch dieser eine entsprechende Leistung erbringt. Dagegen macht der Umstand, daß wegen eines Erfüllungsanspruchs die Zwangsvollstreckung betrieben wird, das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien noch nicht zu einem Ausgleichsschuldverhältnis im hier zugrundegelegten Sinn, weil die Zwangsvollstreckung die materiellrechtliche Natur des Anspruchs nicht berührt. 6 7 64 Zur Einordnung als Erfüllungsanspruch bei §633 Abs. 2 Satz 1 BGB, vgl. B G H Z 26, 337 [340]; 51,275 [277]; 55,354 [357]; 61,42,45; 68,372 [374], ständige Rechtsprechung; B G H NJW 1963,806; 1963,811; 1959,142; 1958,706. Die exakte Einordnung von § 480 Abs. 1 B G B ist strittig. Für eine Deutung als Erfüllungsanspruch etwa B G H NJW 1958,418; NJW 1961,117; NJW 1985, 2526; Palandt 57 -Puizo, §480 BGB Rn.4; für eine Deutung als aus dem Erfüllungsanspruch abgeleiteter Anspruch etwa MünchKomm 3 -Westermann, §480 BGB Rn. 1 m.w.N. 65 B G H Z 25,1 [9]; 99,385 [388]; nach B G H Z 114,34 [37] soll der Anspruch aus § 281 Abs. 1 BGB den Charakter eines Gewährleistungsanspruchs haben. 66 Dem entspricht es, wenn immer wieder betont wird, § 281 B G B diene der Korrektur einer unrichtig gewordenen Vermögenslage, vgl. nur R G Z 1 2 0 , 2 9 7 [300]; 120,347 [351]; 138,45 [48]; 157, 40 [44], 67 Siehe zum Problemkreis unten, Sechstes Kapitel, § 15 IV 2 b) [S.541f.].

§ 13 Vertragliche

Erfüllungsansprüche

449

b) Ermittlung der Reststörungen Bei derartigen Ausgleichsansprüchen vertraglichen Ursprungs ist es wiederum sinnvoll, Reststörungen zu ermitteln und nach ihrem ergänzenden Ausgleich zu fragen. Das setzt allerdings zunächst voraus, daß die zugehörige Soll-Verteilung feststeht. Es muß sich dabei jedenfalls um eine andere Soll-Verteilung handeln, als sie etwa für Rückabwicklungsverhältnisse charakteristisch ist. aa) Konsequenzen aus den Besonderheiten der Soll-Verteilung Während es bei den Rückabwicklungsverhältnissen darum ging, möglichst diejenige Verteilung wiederherzustellen, die bestünde, wenn der unerwünschte Leistungsaustausch nie stattgefunden hätte, müssen Ausgleichsansprüche, die auf einem fortbestehenden Vertrags Verhältnis aufbauen, diejenige Verteilung anstreben, die hypothetisch bei ungestörtem Leistungsaustausch entstanden wäre. Die Soll-Verteilung ist also nicht wiederherstellender bzw. rückwärtsgerichteter Natur, sondern vielmehr vorwärtsgerichtet, auf Veränderung angelegt. Man kann von einem status ad quem sprechen. Wenn ferner oben festgestellt wurde, 68 daß die parteiautonom definierte Soll-Verteilung nur eine partielle ist, d.h. sich ihre Definition auf denjenigen Ausschnitt der Realverteilung beschränkt, der bezeichnet, was jede Partei aus dem Vertrag erlangt, dann hat auch das unmittelbare Konsequenzen für die Identifizierung dessen, was als Abweichung der erreichten Verteilung angesehen werden darf. Sofern ein gegenseitiger Vertrag vorliegt, ist zusätzlich zu beachten, daß aufgrund der genetischen und funktionellen Verknüpfung der wechselseitig bestehenden Ansprüche die Soll-Verteilung nur eine einheitliche sein kann und dementsprechend auch die Reststörungen immer nur in bezug auf das gesamte Vertragsverhältnis ermittelt werden können. bb) Veranschaulichung durch Beispiele Zur Veranschaulichung führe man sich wieder das Beispiel vor Augen, wonach Anton der Berta Lieferung eines bestimmten Buches gegen Zahlung des Marktpreises von 100 versprochen hat und die parteiautonom definierte SollVerteilung sich dementsprechend als A = {100} A B = {Buch} schreibt. Geht man der Einfachheit halber davon aus, daß der Marktpreis konstant bleibt, dann würde dem auf der Ebene der Wertverteilung eine „latente" Soll-Verteilung von A = 100 A B = 100 entsprechen. Man nehme nun an, daß eine Störung des Leistungsaustauschs eintritt, indem Anton der Berta ein Exemplar liefert, das auf dem Transport stark beschädigt wurde, so daß Berta die Lieferung eines neuen, einwandfreien Buches verlangt. Kommt Anton diesem Verlangen nach, dann ist die erreichte Realverteilung A = (100) A B = {Buch} und die erreichte Wertverteilung A = 100 A B = 100, obgleich A sicher durch die Verdoppelung 68

Siehe oben 1 a) [S.445],

450

Fünftes Kapitel: Vertragliche und quasi-vertragliche

Schuldverhältnisse

der Gestehungskosten einen wirtschaftlichen Verlust erlitten hat: Darauf kommt es aber nicht an, weil nur darauf abgestellt wird, was jede Partei infolge des Vertrages erlangt. Eine Reststörung liegt jedenfalls nicht vor. Liefert Anton nicht und verlangt Berta schließlich Schadensersatz wegen Nichterfüllung, ist die erreichte Realverteilung A = {100) A B = {100} und die erreichte Wertverteilung A = 100 A B = 100, weshalb eine Reststörung auch hier nicht entsteht. 69 Ähnlich ist die Lage, wenn Anton der Berta arglistig verschwiegen hat, daß es sich bei dem Buch um einen Fehldruck handelt, bei dem einige Seiten fehlen, so daß das Buch nur noch 50 wert ist, und B den mangelbedingten Minderwert als Schadensersatz im Sinne von §463 Abs. 1 BGB verlangt. Dann schreibt sich die Realverteilung nämlich als A = {100} A B = {beschädigtes Buch, {50}} und die erreichte Wertverteilung A = 100 A B = 100. Entschließt sich Berta nicht für Schadensersatz, sondern für Minderung, dann ist die erreichte Realverteilung A = {50} A B = {beschädigtes Buch} und die erreichte Wertverteilung A = 50 A B = 50, doch kann auch hier richtigerweise von Reststörungen nicht gesprochen werden, weil durch den Vollzug der Minderung im Sinne von § 465 BGB die Soll-Verteilung einverständlich abgeändert wurde. Liefert Anton hingegen deswegen nicht, weil er das Buch für 120 an einen Dritten verkauft hat, kann Berta gemäß § 281 Abs. 1 BGB diesen Erlös herausverlangen. Die erreichte Realverteilung schreibt sich dann A = {100} A B = {120} und die erreichte Wertverteilung A = 100 A B = 120. In diesem Fall weicht die erreichte Wertverteilung von der „latenten" Soll-Verteilung ab und erlangt Berta einen Restvorteil von 20.

II. Vorteilsausgleich bei einseitiger

Vertragsdurchführung

Es ist oben erwähnt worden, 70 daß gelegentlich auch der inhaltlich unveränderte Erfüllungsanspruch den Charakter eines Ausgleichsanspruchs annehmen kann. Das ist der Fall, wenn nach einer Störung des geplanten vertraglichen Leistungsaustauschs eine der Erfüllungsverpflichtungen bestehenbleibt, wenn sie jedoch nicht mehr um des Erhalts einer Gegenleistung willen geschuldet ist, sondern um den anderen Teil vor einem Vertrauensschaden zu bewahren. Gemeint sind damit vor allem die gemäß §§ 324 Abs. 1 Satz 1,552 Satz 1,615 Satz 1,616 Satz 1, 649 Satz 1 BGB, 11 KSchG fortbestehenden Erfüllungsansprüche mit Entschädigungscharakter. 71 69 Dabei soll die Problematik, ob beim Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach der Differenz- oder nach der Surrogationstheorie vorzugehen ist, hier ebenso unberücksichtigt bleiben wie die Möglichkeit, daß Berta einen über das Entbehren der Leistung hinausgehenden Folgeschaden erlitten hat. 70 Siehe oben I 2 a) [S.448], 71 Dagegen sollte §642 Abs. 2 B G B nicht in diesem Zusammenhang genannt werden, ob-

§ 13 Vertragliche

Erfüllungsansprüche

451

1. Voraussetzungen und U m f a n g des Ausgleichs Alle genannten Ansprüche stellen die Reaktion auf ein Ereignis dar, das die planmäßige Durchführung des vereinbarten Leistungsaustauschs vereitelt und damit als regelwidrig und unerwünscht eingestuft werden muß. Bei § 324 B G B besteht dieses Ereignis etwa im Unmöglichwerden einer Leistung, bei §552 BGB in der Verhinderung des Mieters am Gebrauch der Mietsache und bei §615 BGB im Annahmeverzug des Dienstherrn. Zweifel an der Qualifizierung als regelwidriges Ereignis mögen im Fall des §649 BGB aufkommen, weil der Besteller, der kündigt, damit nur von einem ihm gesetzlich zustehenden Recht Gebrauch macht. Wesensmäßig aber liegt in der Kündigung nichts anderes als die vorzeitig erklärte Weigerung, die Leistung des Unternehmers annehmen zu wollen, die vom Gesetz ausnahmsweise für legitim erklärt wird, weil an der Werkleistung nur der Besteller ein Interesse hat. 72 Daher dürfte die vorgenommene Qualifizierung als regelwidrig berechtigt sein. a) Gesetzlich normierte

Vorteilsanrechnung17'

Jedenfalls derjenige Teil, dessen Erfüllungsanspruch unberührt bleibt, erhält normalerweise genau das, was er auch bei regelgemäßer Durchführung des Vertrags erhalten hätte. Allerdings ist es auch denkbar, daß er sich gerade infolge der Störung und des Wegfalls der eigenen Leistungspflicht sogar besser steht, als er bei regelgemäßer Vertragsdurchführung gestanden hätte. Denn durch den Wegfall der eigenen Leistungspflicht erspart er gegebenenfalls Aufwendungen und werden ferner Ressourcen frei, die er anderweitig gewinnbringend einsetzen kann. Dadurch können auf seiner Seite Restvorteile entstehen, deren Ausgleich das Gesetz in den genannten Vorschriften regelt. 74 aa) Vom Gläubiger zu vertretende

Unmöglichkeit

§ 324 BGB behandelt den Fall, daß die Erfüllung einer aus einem synallagmatischen Vertrag folgenden Leistungsverpflichtung aus einem Grunde unmöglich wird, den der Leistungsberechtigte zu vertreten hat. 75 Gemäß § 324 Abs. 2 B G B steht dem der Fall gleich, daß Unmöglichkeit eintritt, während sich der Berechgleich die Vorschrift äußerlich Parallelen aufweist, vgl. sogleich unten, 1 a) dd) [S.454], Die Vorschrift des § 74c Abs. 1 H G B enthält eine Sonderregelung, die im vorliegenden Zusammenhang gleichfalls ausgespart werden kann. 72 Palandt 57 -77ioma?, §649 B G B Rn. 1. 73 Zum Ganzen siehe auch die Abhandlung von Decker, Die Vorteilsanrechnung beim Erfüllungsanspruche nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche (1907). 74 Von einem Restvorteil kann deswegen gesprochen werden, weil der Gläubiger des verbleibenden Erfüllungsanspruchs infolge der (rudimentären) Vertragsdurchführung ja mehr erlangt, als er bei planmäßiger Durchführung hätte erlangen können. 75 Auf die Schwierigkeiten, die in Zusammenhang mit dem Begriff des Vertretenmüssens auftreten, braucht hier nicht eingegangen zu werden.

452

Fünftes Kapitel: Vertragliche und quasi-vertragliche

Schuldverhältnisse

tigte im Annahmeverzug befindet. In dieser Situation behält der ursprünglich Verpflichtete seinen Anspruch auf die Gegenleistung, muß sich darauf jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er „infolge der Befreiung von der Leistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt". Wenn die Gegenleistung des Gläubigers nicht in Geld besteht, wird vertreten, daß der Gläubiger gegen den Schuldner einen selbständigen Ausgleichsanspruch aus dem Gesichtspunkt des § 242 B G B erlange.76 Dieser geht dann auf Herausgabe der tatsächlich gezogenen Vorteile bzw. auf deren Ersatz in Geld. 77 Mit den Ersparnissen sind in erster Linie solche an Material-, Personal- und sonstigen Unkosten gemeint, nicht aber wohl an eigener Arbeitskraft, weil der weitere Wortlaut der Vorschrift deutlich macht, daß rechtserheblich nur der durch Einsatz der Arbeitskraft erzielte Erwerb ist. Dabei dürfte der Begriff der Arbeitskraft nicht wörtlich aufzufassen sein, sondern auch sonstige Mittel des Schuldners und beispielsweise auch den Erlös umfassen, den er aus einer Veräußerung von Resten des Leistungssubstrats erhält. 78 Wichtig für die Anrechnungspflicht ist jedoch, daß der Schuldner den Erwerb gerade infolge des Umstands erzielt, daß er gemäß § 275 B G B von seiner Leistungspflicht gegenüber dem Schuldner freigeworden ist. Nicht anzurechnen ist demnach der Erwerb, den der Schuldner ohnehin erzielt hätte. Nur bei Böswilligkeit des Schuldners besteht darüber hinaus auch eine Anrechnungspflicht hinsichtlich bloßer Erwerbsmöglichkeiten. Eine Schädigungsabsicht ist dabei nicht erforderlich. 79 Vielmehr genügt es, wenn der Schuldner eine zumutbare Erwerbsmöglichkeit kennt und vorsätzlich nicht wahrnimmt, 8 0 doch kann grobe Fahrlässigkeit keinesfalls ausreichen. 81 bb) Verhinderung des Mieters Eine dem §324 A b s . l Satz 2 B G B ähnliche Vorschrift enthält §552 BGB. Danach hat der Mieter den vereinbarten Mietzins auch dann zu entrichten, wenn er durch einen in seiner Person liegenden G r u n d an der Ausübung des Gebrauchs verhindert wird, es sei denn, der Vermieter wäre infolge Gebrauchsüberlassung an einen Dritten zur Gewährung des Gebrauchs gar nicht in der Lage. Jedoch muß sich der Vermieter anrechnen lassen, was er an Aufwendungen erspart oder aus einer anderweitigen Verwertung des Gebrauchs erlangt. 82 Eine Oblie76

Münch Komm 3 - Emmerich, §324 B G B Rn.44. Vgl. zur identischen Lage im Schadensrecht B G H Z 27, 241 [248f.]. 78 MünchKomrr^-Emmerich, §324 BGB Rn.47; VaUndl51-Heinrichs, § 234 BGB Rn.7. 79 So allerdings noch - zu eng - Motive II, S.209. 80 MünchKomm^-Emmerich, §324 BGB Rn.48; Erman 9 -Battes, §324 BGB Rn.5; Staudinger 13 -Otto, § 324 BGB Rn. 46 jeweils m.w.N. 81 Staudinger 1 3 -0«o, § 324 BGB Rn.46. 82 Dabei ist insbesondere an sehr kurzfristige Vermietungen zu denken, die es erlauben, dem eigentlichen Mieter den Gebrauch bei dessen Bereitschaft jederzeit wieder einzuräumen. 77

§ 13 Vertragliche

Erfüllungsansprüche

453

genheit zur Ersatzverwertung begründet die Vorschrift dagegen nicht. Die Vorschrift stellt eine Spezialregelung zu §§323, 324 B G B dar. Was den ersten Satz anbelangt, wonach der Mieter durch einen in seiner Sphäre liegenden G r u n d von der Entrichtung des Mietzinses nicht befreit wird, so drückt er im G r u n d e nur eine Selbstverständlichkeit aus und folgt dasselbe bereits aus der allgemeinen Risikoverteilung des Vertrags, wonach die sinnvolle Verwendung der Mietsache ausschließlich Sache des Mieters ist. D e r eigentliche Sinn der Vorschrift liegt damit in der Klarstellung, daß auch für diesen Fall ein Ausgleich von Ersatzerwerb des Vermieters stattzufinden hat. Diese Klarstellung gegenüber § 324 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 B G B ist deswegen erforderlich, weil man daran zweifeln mag, ob hier wirklich ein Fall der Unmöglichkeit der Leistungserbringung vorliegt: Zwar tritt wegen des strengen Fixschuldcharakters der Miete Unmöglichkeit schon durch bloßen Zeitablauf ein, 83 andererseits spricht aber auch vieles dafür, daß die Leistung des Vermieters mit dem Zurverfügungstellen der Mietsache bereits voll erbracht ist und es der Gebrauchsübernahme durch den Mieter nicht bedarf. 84 Die Bedeutung von § 552 B G B gegenüber den allgemeinen Vorschriften liegt ferner in der Einführung des Sphärengedankens, was insbesondere bedeutet, daß der Mieter dann von der Verpflichtung zur Zahlung befreit wird, wenn der Gebrauch durch einen Umstand in der Sphäre des Vermieters unmöglich wird oder die Verhinderung auf objektiven U m s t ä n d e n beruht. 85 cc) Vorschriften des

Dienstvertragsrechts

Die Regelung des § 615 Satz 2 B G B stellt von ihrem Regelungsgedanken und ihrer Struktur her eine Kombination aus § 324 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 und § 552 Satz 2 B G B dar. Wie §552 B G B betrifft sie den Fall, daß bei einem Dauerschuldverhältnis der eine Teil leistungsbereit ist, es aber aufgrund eines in der Sphäre des anderen liegenden Grundes nicht dazu kommt, daß jener die Leistungsbereitschaft ausnutzen kann. 86 Mit § 324 Abs. 2 B G B verbindet sie dagegen das Erfordernis des Annahmeverzugs sowie die Obliegenheit zur Erzielung von Ersatzerwerb. Eine sehr ähnliche Regelung enthält §11 KSchG für die Anrechnung von Ersatzerwerb auf entgangenen Zwischenverdienst. In gewisser Hinsicht den entgegengesetzten, in gewisser Hinsicht aber auch einen vergleichbaren Fall betrifft die Regelung des § 616 Satz 2 BGB. Hier ist es derjenige Teil, in dessen Sphäre die Ursache für die Störung zu suchen ist, der seinen Erfüllungsan-

83

Ganz allgemeine Meinung, statt aller Palandt 57 -Pwrzo, §535 BGB Rn.9. Anders allerdings B G H NJW-RR 1991, 267 [268], wonach es zumindest bei erstmaliger Ingebrauchnahme der Mietsache offenbar eines Mitwirkungsaktes bedürfen soll. 85 MünchKomm 3 -Voelskow, §552 B G B Rn.3. 86 Die Parallele zu §552 B G B gilt auch insofern, als Annahmeverzug des Dienstherrn kein Verschulden desselben voraussetzt. 84

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Fünftes Kapitel: Vertragliche und quasi-vertragliche

Schuldverhältnisse

spruch behält, und der anzurechnende Ersatzerwerb ist auch kein selbst erwirtschafteter, sondern besteht aus den Leistungen der gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung. Ferner kommen bei §616 BGB zusätzliche Wertungen ins Spiel, so namentlich das soziale Sicherungsbedürfnis des Dienstverpflichteten als Grundgedanke der Lohnfortzahlung. Ansonsten bestehen jedoch zwischen §615 Satz 2 und §616 Satz 2 BGB deutliche Parallelen. dd) Vorschriften des Werkvertragsrechts Weitgehende Ähnlichkeit mit den vorstehend besprochenen Vorschriften weist auch diejenige des §649 Satz 2 BGB auf.87 Von jenen unterscheidet sie sich lediglich dadurch, daß die eine Partei den Genuß der ihr geschuldeten Leistung zurechenbar verhindert, indem sie den Vertrag kündigt. Nicht in diese Reihe paßt hingegen § 642 Abs. 2 BGB. Obgleich rein äußerlich Parallelen in der Formulierung unverkennbar sind, handelt es sich dabei nicht um Anrechnung, sondern um Abwägung: Was der Unternehmer an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann, stellt nichts weiter als einen von mehreren Faktoren dar, die bei der Festsetzung einer angemessenen Entschädigung zu berücksichtigen sind. Für die folgenden Untersuchungen kann §642 Abs. 2 BGB daher außer Betracht bleiben. b) Verallgemeinerung durch die Rechtsprechung Daß die in Einzelvorschriften vorgesehene Anrechnung beim vertraglichen Erfüllungsanspruch, der bestehen bleibt, obwohl die Erbringung der Gegenleistung scheitert, Ausdruck eines weiterreichenden Prinzips der Vorteilsausgleichung im Vertragsrecht sei, wird weitgehend abgelehnt. 88 Zaghafte Schritte zu einer Verallgemeinerung der Grundsätze sind allenfalls zu beobachten, wo der zugrundeliegende Sachverhalt den in §§324,552,615, 616,649 BGB geregelten Konstellationen eng verwandt ist. So hat der Bundesgerichtshof den Vergütungsanspruch eines Ingenieurs gekürzt, der laut § 18 Abs. 1 GOI in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung bei vom Auftraggeber zu vertretender Beendigung des Vertragsverhältnisses fortbestehen sollte, weil auf den Vergütungsanspruch aus dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung anzurechnen sei, was der Ingenieur durch die Beendigung anderweitig erwirbt bzw. an Aufwendungen erspart. 89 87

Übersicht zur Rechtsprechung bei Schmeel, M D R 1997,109f. Das läßt sich zumindest in einem argumentum e contrario daraus schließen, daß meist nur Schadensersatzansprüche und wenige funktionell ähnliche Ansprüche als Anwendungsbereich der Vorteilsausgleichung genannt werden, vgl. B G H Z 9,179 [190]; Erman8-SiV/>, § 249 Rn 110; RGRKn-Nastelski, vor §§249-255 BGB Anm.70ff.; MünchKomm'-Gram/cy, vor §249 B G B Rn. 112c; Lange, Schadensersatz (1990), §9 XII [S.531], 89 B G H Z 60, 353 [358f.]. 88

§ 13 Vertragliche

Erfüllungsansprüche

455

2. Bewertung aus allokatorischer Sicht Hinsichtlich des vorliegenden Ausgleichstypus liegt der Verdacht nahe, daß die beschriebenen Mechanismen jeweils den Regeln eines reinen Wertausgleichs folgen, und hinsichtlich der zugrundeliegenden Wertung, daß es sich um eine Ausprägung des Statikgedankens handelt, daß also wie bei der klassischen compensatio lucri cum damno eine wechselseitige Verrechnung korrespondierender Reststörungen stattfindet. Allerdings weisen die einzelnen Mechanismen doch in bezug auf die jeweils geregelte Situation so viele Unterschiede auf, daß eine differenzierende Betrachtung angezeigt erscheint. a) Erklärung durch den

Statikgedanken

Daß durch die Anrechnung der Statikgedanke verwirklicht wird, dürfte am deutlichsten bei §324 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ausdruck kommen. In Abweichung von der Regelung in § 323 Abs. 1 BGB, wonach bei Wegfall einer synallagmatischen Leistungspflicht grundsätzlich auch der Anspruch auf die Gegenleistung entfällt, bleibt die Verpflichtung zur noch möglichen Leistung bestehen. Da der Verpflichtete seinerseits nichts zu fordern hat, steht er infolge der Unmöglichkeit schlechter als er bei planmäßiger Durchführung des Vertrages gestanden hätte und erleidet er einen Restnachteil in Höhe des Wertes der ursprünglich zu fordernden Leistung. 90 Diesem Restnachteil steht der bezeichnete Restvorteil des anderen gegenüber, der dadurch entsteht, daß dieser im Ergebnis mehr als den Wert der zu fordernden Leistung erlangt. So wird denn auch zum inneren Grund der Anrechnung - wie bei der Vorteilsausgleichung im Schadensrecht - vertreten, daß der Schuldner der gestörten Leistung durch § 324 BGB nur ebenso gut, aber nicht besser stehen dürfe, als er bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vertrages gestanden hätte. 91 Die gleiche Wertung liegt § 615 Satz 2 BGB zugrunde. 92 Denn aufgrund des strengen Fixschuldcharakters der Dienstleistung wird diese ohne weiteres 90 Vgl. hierzu auch schon Kisch, Die Wirkungen der nachträglich eintretenden Unmöglichkeit der Erfüllung bei gegenseitigen Verträgen (1900), S.93, wonach die Vorteilsausgleichung beim Erfüllungsanspruch immer dann stattzufinden habe, wenn der andere Teil keine Gegenleistung erhält. 91 MünchKomm 3 -£mmeric/!, § 324 BGB Rn. 1,43; so auch bereits Kisch, Unmöglichkeit der Erfüllung, S.89, Walsmann, Compensatio lucri cum damno (1900), S.69. 92 Anders freilich Boecken, NJW 1995,3218 [3222f.], der argumentiert, die Überlegung, daß der Arbeitnehmer nicht auf Kosten des Arbeitgebers eine Besserstellung erlangen dürfe, könne der Vorschrift nicht zugrundeliegen, weil ja sonst auch ein überschießender Ersatzerwerb an den Arbeitgeber ausgekehrt werden müßte. Die Argumentation muß aber als verfehlt betrachtet werden, weil sie übersieht, daß der Arbeitnehmer um den überschießenden Betrag nicht auf Kosten des Arbeitgebers bereichert wird. Die von Boecken, a.a.O., S. 3223 selbst vertretene Lösung, wonach §615 Satz 2 B G B verhindern solle, daß der Arbeitnehmer für dieselbe Arbeitsleistung von zwei Seiten eine Gegenleistung erhalte, ist denn auch nichts weiter als eine Behauptung, für die Boecken eine weitere Rechtfertigung schuldig bleibt.

456

Fünftes Kapitel: Vertragliche und quasi-vertragliche

Schuldverhältnisse

schon durch bloßen Zeitablauf unmöglich, während sich der Dienstherr im Annahmeverzug befindet. Daher ist §615 BGB streng genommen neben §324 Abs. 2 BGB überflüssig. Ähnliche Überlegungen gelten hinsichtlich §11 KSchG. Auch im Falle des § 616 BGB erleidet der Dienstberechtigte einen Restnachteil in Höhe des Wertes der entgangenen Dienste, dem bei ungeschmälerter Vergütung ein Restvorteil des Dienstverpflichteten gegenübersteht. Zusätzlich zum Statikgedanken spricht hier für eine Anrechnung allerdings der Umstand, daß der Dienstberechtigte sich durch seine Beitragshälfte zur Sozialversicherung des Angestellten bereits „freigekauft" hat, daß er es demnach ist, der den Ersatzerwerb indirekt mitfinanziert hat, so daß eine ungekürzte Lohnzahlung doppelt unbillig erschiene. Schwieriger gestaltet sich die Beurteilung bei .§552 BGB. 93 Denn jedenfalls für die Zeit nach Überlassung der Mietsache ist nicht zu verkennen, daß der Mieter die ihm geschuldete Leistung - nämlich Erhalt der ständigen Gebrauchsmöglichkeit - in vollem Umfang erlangt. Daß er den Gebrauch aufgrund besonderer und in seiner Person liegender Umstände nicht ausüben kann, ist letztlich nicht viel anders zu beurteilen, als wenn der Käufer für die Kaufsache keine Verwendung hat oder diese bei ihm nach Gefahrübergang zerstört wird. So betrachtet liegt ein Restnachteil des Mieters eigentlich nicht vor. Andererseits aber muß man berücksichtigen, daß es wegen des Fixschuldcharakters der Gebrauchsüberlassung keinen wesentlichen Unterschied machen kann, ob sich der Mieter im Annahmeverzug befindet oder lediglich am Gebrauch der Mietsache gehindert ist. Zwischen Verhinderung des Gebrauchs und Nichtannahme ist ohnehin ein fließender Übergang. Die Anwendung von § 552 BGB anstelle der allgemeinen Vorschriften über den Annahmeverzug wird lediglich durch die besondere Interessenlage im Mietrecht gerechtfertigt, wonach etwa weder die Haftungsmilderung des § 300 Abs. 1 BGB noch die gemäß § 324 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 BGB bestehende Obliegenheit zur Erzielung eines Ersatzerwerbs auf den Vermieter passen wollen. 94 Letzteres deswegen, weil jener sich durch anderweitige Vermietung stets der Gefahr aussetzt, selbst vertragsbrüchig und damit schadensersatzpflichtig zu werden. Ferner vermag auch die Tatsache, daß der Mieter genau das erhält, worauf er einen Anspruch hatte, nichts daran zu ändern, daß der Vermieter dann, wenn er die Mietsache zwischenzeitlich anderweitig verwertet, vom „Unglück" des Mieters profitiert. Auch insoweit ist die Interessenlage derjenigen bei Unmöglichkeit der Leistung ähnlich 93

Eingehend zur Vorschrift Rädler, NJW 1993, 689ff. Problematisch ist, daß B G H NJW-RR 1991, 267 [268] einerseits zwar §552 BGB schon vor Übernahme des Mietobjekts durch den Mieter heranzieht, andererseits aber die Rechtsfolge dem § 324 Abs. 2 B G B entnimmt, weil sich dann die Frage stellt, ob auch § 324 Abs. 1 Satz 2 B G B anwendbar ist; für eine Analogie zu den Anrechungsvorschriften der §§324 Abs. 1 Satz 2, 615 Satz 2, 616 Satz 2, 649 Satz 2 BGB Röhrmann, NJW 1971, 787 [788]; dagegen Rädler, NJW 1993, 689 [692ff.]. 94

§ 13 Vertragliche

Erfüllungsansprüche

457

zu achten und sprechen die besseren Argumente dafür, daß die Anrechnung anderweitigen Erwerbs auf demselben Gedanken beruht wie bei den §§324, 615, 616 BGB. Auch bei der Kündigung durch den Besteller weicht die Interessenlage in gewisser Weise von derjenigen bei Unmöglichkeit der Leistung ab. Zwar erlangt der Besteller nach Kündigung des Vertrages nicht mehr das zu fordernde Werk, während er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet bleibt. D e r Vergleich mit der Lage bei durchgeführtem Leistungsaustausch ergibt also ganz offensichtlich einen Verlust auf seiner Seite. Allerdings stellt das Recht zur Kündigung ein Gestaltungsrecht dar, mit dessen Hilfe der Besteller auf den Vertrag durch einseitige Erklärung einwirken kann. Zwar ändert das - wie § 649 Satz 2 Halbsatz 1 B G B deutlich macht - grundsätzlich nichts an der maßgeblichen Soll-Verteilung, jedoch ist zweifelhaft, ob man den freiwillig in Kauf genommenen Verlust des Bestellers als Restnachteil qualifizieren kann. Wenngleich sich gewisse Unterschiede zu den Unmöglichkeitsfällen sicher nicht hinwegleugnen lassen, bleiben aber doch so maßgebliche Gemeinsamkeiten, daß es gerechtfertigt erscheint, die Fälle wertungsmäßig gleich zu behandeln. D e n n ob der Besteller vorsätzlich Unmöglichkeit herbeiführt - etwa durch Entzug des Leistungssubstrats - und damit in G e n u ß der Anrechnungsvorschrift des § 324 Abs. 1 Satz 2 B G B gelangt, oder ob er vorsätzlich den Vertrag durch Kündigung beendet, kann keinen wesentlichen Unterschied machen. Auch bei § 649 Satz 2 B G B wird demnach der Sache nach der Restvorteil des Unternehmers mit dem - wenn auch selbstverschuldeten - „Restnachteil" des Bestellers zum Ausgleich gebracht. b) Ausprägung

reinen

Wertausgleichs

Es ist leicht nachzuvollziehen, daß die Anrechnung von tatsächlich erzieltem oder fiktivem Ersatzerwerb eine Ausprägung reinen Wertausgleichs darstellt. Das wird schon dadurch indiziert, daß gegenständliche Auskehrung des Ersatzerwerbs nicht gefordert werden kann und die Anrechnungspflicht auch eindeutig nicht darauf beruht, daß der Ersatzerwerb als solcher etwa dem anderen Teil zugewiesen wäre. Ferner müssen hypothetische Abläufe in vollem U m f a n g beachtlich sein, weil anrechenbar von vorneherein nur ein solcher Erwerb sein kann, der nicht auch bei Hinwegdenken der Störung im Leistungsaustausch erwirtschaftet worden wäre. 95 O b und inwieweit schließlich in die Entscheidung über den Ausgleich wertende Überlegungen miteinzufließen haben - insbesondere die jeweiligen Ersatzvorteile nach subjektiven Kriterien zu bewerten sind ist eine Frage, die sich in der Regel nicht stellt, weil es sich um Gelderwerb handelt. Es sind jedoch auch Fälle denkbar, in denen die Bewertung des Ersatzvorteils Schwierigkeiten aufwerfen kann. So soll es insbesondere bei §§ 324 und 649 95

Statt aller e t w a Palandt 5 1 -Heinrichs, §324 B G B R n . 7 .

458

Fünftes Kapitel: Vertragliche und quasi-vertragliche

Schuldverhältnisse

BGB einer Ersparnis gleichzuachten sein, wenn der Schuldner Reste des Leistungsgegenstands zurückbehält. 96 Das ist in dieser Allgemeinheit deswegen bedenklich, weil der Schuldner die Reste nicht unbedingt gewinnbringend verwerten kann. Ferner ist zu beachten, daß die Abnahme des Leistungsgegenstands eine wesentliche, zuweilen sogar eine synallagmatische Vertragspflicht des anderen Teils darstellt,97 also das Risiko der Verwertbarkeit diesem Teil anheimfällt. Daher muß der Wert solcher zurückbehaltener Gegenstände jedenfalls subjektiv bestimmt werden, wobei in die subjektive Wertermittlung auch miteinzufließen hat, in welchem Umfang eine Erwerbsobliegenheit des Ausgleichsverpflichteten besteht.98 3. Bewertung der Ergebnisse Die an verschiedenen Stellen des Bürgerlichen Gesetzbuchs ausdrücklich vorgesehene Anrechnung bestimmter Ersatzvorteile auf einen vertraglichen Erfüllungsanspruch, der nicht mehr um des Erhalts der Gegenleistung willen geschuldet ist, sondern um den anderen Teil vor einem Vertrauensschaden zu bewahren, läßt sich wiederum als Ausgleich von Reststörungen deuten. Es handelt sich dabei um eine Ausprägung reinen Wertausgleichs, in der ein Restvorteil des Gläubigers mit dem Restnachteil des Schuldners, der durch den Verlust des Anspruchs auf die Gegenleistung entsteht, unmittelbar gegeneinander verrechnet werden. Insofern stellen diese Mechanismen eine weitere Bestätigung für den allgemeinen Geltungsanspruch des Statikgedankens dar.

III. Modifizierte

Erflillungsansprüche

und

Sekundäransprüche

Probleme der Vorteilsausgleichung werden im Vertragsrecht auch bei Sekundäransprüchen diskutiert, die an die Stelle der ursprünglich geschuldeten Leistung treten. Dabei ist hier in erster Linie auf diejenigen Ansprüche einzugehen, die wesensmäßig dem Erfüllungsanspruch sehr nahe stehen. Dazu zählen beispielsweise der Anspruch gemäß § 633 Abs. 2 und 3 BGB auf Nachbesserung oder Erstattung der Kosten der Ersatzvornahme oder gemäß §480 Abs. 1 BGB auf Nachlieferung, aber auch der Anspruch auf Herausgabe des stellvertretenden commodum gemäß § 281 Abs. 1 BGB. Die Natur dieser Ansprüche - insbe96

MünchKomm^-Emmerich, §324 B G B Rn.47; Palandt S1 -Heinrichs, §324 B G B Rn.7. Im besonders wichtigen Beispiel des Kaufvertrags steht die Abnahmepflicht des Käufers nur dann im Gegenseitigkeitsverhältnis, wenn sie im Vertrag ausdrücklich oder stillschweigend zur Hauptpflicht gemacht worden ist, Palandt 5 7 -P«izo, §433 BGB Rn.36; Erman 9 -Grunewald, §433 BGB Rn.35; MünchKomm 3 -Westermann, §433 B G B Rn.77; kritisch Soergel12-Huber, §433 B G B Rn.273. 98 Gegen eine solche allerdings offenbar die Gesetzesverfasser, vgl. Motive II, S. 209. 97

§ 13 Vertragliche

Erfüllungsansprüche

459

sondere die Abgrenzung zwischen echten Gewährleistungsansprüchen, gewährleistungsähnlichen Ansprüchen und modifizierten Erfüllungsansprüchen - ist im einzelnen umstritten," kann aber für die vorliegende Betrachtung letztlich dahinstehen. Auch Ansprüche auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung treten zumindest im Prinzip an die Stelle der ursprünglich geschuldeten Leistung und haben damit den Charakter von Sekundäransprüchen. 1. Ansprüche auf Mängelgewährleistung Vor allem die Rechtsprechung zur Mängelgewährleistung im Werkvertragsrecht ist es gewesen, die die Frage nach einer Anwendung der Grundsätze der compensatio lucri cum damno außerhalb des Schadensersatzrechts immer wieder aufgeworfen hat. Das Werkvertragsrecht ist wohl auch der einzige Bereich des Vertragsrechts, bei dem die Vorteilsausgleichung inzwischen zum gesicherten Bestand des juristischen Instrumentariums geworden ist. Zu Unrecht wird dabei allerdings die Berücksichtigung sogenannter Sowieso-Kosten mit compensatio lucri cum damno in Zusammenhang gebracht.100 Nach gefestigter Rechtsprechung sollen auf Gewährleistungsansprüche des Bestellers diejenigen Kosten anzurechnen sein, um die das Werk bei ordnungsgemäßer Ausführung ohnehin teurer gekommen wäre, sofern nicht der Unternehmer einen bestimmten Preis versprochen hat.101 Die Berücksichtigung von Sowieso-Kosten ist aber richtigerweise kein Problem der Vorteilsausgleichung. Vielmehr handelt es sich dabei schlicht um einen zusätzlichen Vergütungsanspruch für eine zusätzliche Leistung, der übrigens dann nicht in Betracht kommen kann, wenn die zusätzliche Leistung von vorneherein zum vereinbarten Preis geschuldet war und der Unternehmer vertragswidrig nur eine minderwertige Lösung gewählt hat.102 Von Vorteilsausgleichung kann beim werkvertraglichen Nachbesserungsanspruch ausschließlich dann gesprochen werden, wenn die Vorteile allein durch die Gewährleistung, außerhalb ohnehin bestehender vertraglicher Verpflichtungen erlangt werden.103 99

Hierzu oben, I 2 a) [S.448], Ständige Rechtsprechung, etwa B G H Z 90, 344 [346/347]; 91, 206 [211]; 126, 326 [334]; B G H NJW-RR1990,89; die Literatur stimmt dieser Einordnung ganz überwiegend zu, vgl. nur MünchKomm 3 -5oerg£-/, § 633 BGB Rn. 123; Erman'-Se/fer, § 633 BGB Rn. 29; Palandt57-.S>rai