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German Pages 337 Year 1963
HANNS L I N H A R D T Angriff und Abwehr im Kampf um die Betriebswirtschaftslehre
Betriebswirtschaftliche Heft 11
Schriften
Angriff und Abwehr i m Kampf um die Betriebswirtschaftslehre
Von
Dr. H a n n s L i n h a r d t ord. Professor der Betriebswirtschaftslehre an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen — Nürnberg
D U N C K E R
&
H U M B L O T
/
B E R L I N
A l l e Hechte vorbehalten © 1963 D u n c k e r & H u m b l o t , B e r l i n Gedruckt 1963 bei A l b e r t Sayffaerth, B e r l i n 61 Printed in Germany
Vorwort Die deutsche Betriebswirtschaftslehre steht nach Ansicht ihrer Fachvertreter an den Universitäten und Hochschulen i n einem durchgreifenden Wandel, nach Ansicht anderer sogar i n einer ernsten Krise. Ob Wandel oder Krise, i n jedem Fall dürfte bei aller Besorgnis der gegenwärtige Zustand dieser Disziplin nicht ernster und auch nicht beunruhigender sein als der jeglicher Wissenschaft, der unserer europäischen K u l t u r oder derjenigen der Welt samt und sonders, und zwar i n jeder Hinsicht. Es gab schon zu Anfang der Betriebswirtschaftslehre geringschätzige Urteile über diese seit der Jahrhundertwende und damals unter verschiedenen Bezeichnungen auftretende neue Wissenschaft; sie stammten von akademischen Volkswirten und Juristen, aber auch von Vertretern der Praxis. Heute w i r d die Geringschätzung der Betriebswirtschaftslehre nicht mehr laut vorgetragen und auch nicht i n umfangreichen Denkschriften, Studienplänen und Hochschulreformen dargelegt, sondern nur aphoristisch erwähnt oder i m vertrauten Kreis geflüstert. Eine Reihe von angrenzenden und benachbarten, aber auch von entfernteren Disziplinen hat durch die Ausdehnung der Betriebswirtschaftslehre i m akademischen Unterrichts- und Prüfungswesen Anregungen und Aufgaben erhalten; gleiches gilt für zahlreiche neuartige akademische Examina. A l l e diese Disziplinen gruppieren sich i n den W i r t schaf ts- und Sozial wissenschaftlichen Fakultäten, vor allem den größeren i n Frankfurt, Köln, Hamburg, Berlin, u m die Betriebswirtschaftslehre als Kernfach, aus dem sie ja schließlich als erweiterte Fakultätsteile hervorgegangen sind. Die Zahl der Studierenden der Betriebswirtschaftslehre überwiegt diejenige der Volkswirtschaftslehre und der Hechtswissenschaften u m ein beträchtliches, mitunter sogar u m ein Vielfaches. Galten noch vor Jahrzehnten der Volkswirt und der Jurist als die entschiedenen Gegner der Betriebswirtschaftslehre, so ist zwischen ihnen durch neue Studien- und Prüfungsordnungen und die dazu erforderliche Zuordnung der Fächer und Zusammenarbeit ihrer Vertreter viel Konflikt ausgeräumt. Hingegen bildet sich eine neuartige, für Forschung und Lehre spannungsgeladene, womöglich aber auch fruchtbare Frontstellung zwischen der Betriebswirtschaftslehre und den neueren Diszi-
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Vorwort
plinen der technischen Wissenschaften und der Ingenieurwissenschaften, wie sie an den Technischen Hochschulen, mitunter unter der Bezeichnung Betriebswissenschaft u. ä., neuerdings auch an Technischen Fakultäten älterer Universitäten vertreten oder bei neu geplanten Universitäten einer anderen Struktur als der bisherigen, auch einer anderen Gliederung der Disziplinen und Fächer und vielleicht auch einer anderen wissenschaftlichen Grundhaltung, vorgesehen sind. Dies erklärt sich aus dem Vordringen wissenschaftlicher Methoden i n der modernen Technik gemeinhin, etwa auf solchen Arbeitsgebieten wie der Planung, Fertigung, Abrechnung und Kontrolle, insbesondere der Fertigungsplanung, Material« und Qualitätskontrolle, Arbeitsvorbereitung — Gebieten, die ohne M i t w i r k u n g des Ingenieurs und Diplom-Ingenieurs nicht zu bewältigen sind. Ähnliches gilt für die Soziologie und Psychologie. Sie knüpfen mit verschiedenartigen Forschungsansätzen beim Betrieb an und setzen betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse dabei voraus, wie dies i n der Betriebssoziologie, Betriebspsychologie, Arbeits- und Werbepsychologie, Unternehmungsforschung oder i n der Analyse unternehmerischer Verhaltensweisen und Entscheidungen geschieht. Die folgenden Aufsätze wären nicht noch einmal i n der hier gebotenen Zusammenfassung veröffentlicht worden, wenn die darin vertretene Auffassung, die der herrschenden nicht folgt, hinreichend diskutiert worden wäre. I n dieser Zusammenfassung und i n der Ergänzung durch das Namen- und Stichwortverzeichnis w i r d dem Studierenden der Betriebswirtschaftslehre ein Einblick und Überblick geboten, der womöglich das eine oder andere bringt, was sonst verloren gegangen oder schon vergessen worden wäre, wie dies bei Zeitschriftenaufsätzen doch leichter der Fall ist als i n der wenigstens äußerlich dauerhaften Form einer Buchveröffentlichung. Für freundliche Unterstützung bei Anfertigung der Namen- und Stichwortregister danke ich Herrn Dipl.-Kfm. Leo Schuster herzlich. Für den Nachdruck der folgenden A r t i k e l ist bei sämtlichen Verlagen und Herausgebern die schriftliche Druckerlaubnis eingeholt worden. Der Verfasser ist dieserhalb den folgenden Verlagen zu Dank verpflichtet: Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler (Zeitschrift für Betriebswirtschaft) W. Kohlhammer Verlag GmbH. (Die Unternehmung i m Markt) Verband Deutscher Diplom-Kaufleute e. V. (Betriebswirtschaftliche Umschau)
Vorwort
Verlag „Der V o l k s w i r t " (Der Volkswirt) Verlag Duncker & Humblot (Gestaltwandel der Unternehmung; Festgabe für Friedrich Bülow zum 70. Geburtstag; Festgabe für Georg Bergler zum 60. Geburtstag; „Der Mensch i m M a r k t " ; Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspraxis) Verlag Neue Wirtschaftsbriefe GmbH. (Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis) Verlagsgesellschaft „Recht und Wirtschaft" m . b . H . (Neue Betriebswirtschaft) Verlag Walter de Gruyter & Co. (Aktuelle Betriebswirtschaft) Nürnberg, Mai 1963 Hanns Linhardt
Inhaltsverzeichnis Die Betriebswirtschaftslehre an den deutschen Hochschulen (1949)
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Kosten und Kostenlehre (1952)
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KapitalWirtschaft und Kapitalrechnung (1953)
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Die Unternehmung i m Wandel von Geld und Währung (1954)
66
Der Betrieb als Kapitalanlage oder als lebende Einheit (1954)
88
Anschaulichkeit der Wirtschaft und Anschauungsmittel der Wirtschaftswissenschaft (1955) 105 Die Begründung des Wertes aus dem System der Wirtschaftseinheit (1955) 124 Die Betriebswirtschaftslehre (1955)
131
Das Objekt der Wirtschaftswissenschaft. Seine Bestimmung durch die Grenzen der Verkehrswirtschaft (1956) 148 Die Krise in der Betriebswirtschaftslehre (1957)
175
Wilhelm Riegers Einfluß in der jüngeren Betriebswirtschaftslehre. Objektverirrung oder Methodenstreit (1958) 181 Neue Tendenzen in der Betriebswirtschaftslehre (1959)
198
Unternehmenspolitik und Jahresabschluß (1960)
215
Volkswirtschaftliche Lehrmeinungen über die Betriebswirtschaftslehre (1960) 230 Objektivation und Subjektivation der Beziehungen von Mensch und Markt (1960) 249 Die Nachbarwissenschaften der Betriebswirtschaftslehre, gesehen unter den Auspizien der Trinität von Markt, Unternehmung und Betrieb (1961) 266 Sternstunden der älteren deutschen Betriebswirtschaftslehre (1962)
283
Anmerkungen
292
Namenverzeichnis
324
Sachverzeichnis
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Die Betriebswirtschaftslehre an den deutschen Hochschulen* 1. Der gegenwärtige Stand der Betriebswirtschaftslehre Nach 50 Jahren aufsteigender Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre, die zur Errichtung selbständiger Handelshochschulen, zur Angliederung des Lehr- und Prüfungsgebietes an Technischen Hochschulen und Universitäten führte, steht die Betriebswirtschaftslehre heute keineswegs gefestigt und unbestritten da. I n der Festschrift des Fachorgans der Wirtschaftsprüfer zu Ehren von Eugen Schmalenbach, erschienen i m September 1948, gibt K a r l Hax einen Überblick über „Gegenstand, Entwicklung und gegenwärtigen Stand der Betriebswirtschaftslehre" (1), i n welchem er aus der früheren Arbeit von Alfred Isaac die Lehrbesetzung 1923 und 1948 gegenüber stellt. Beide Übersichten sind unvollständig und lückenhaft. 1923 gab es danach an allen deutschen Hochschulen 30 betriebswirtschaftliche Dozenten, 1948 41, davon 9 ao. Pr., 27 o. Pr. und 5 Privatdozenten: von diesen 41 Dozenten waren nur 4 unter 39 Jahre alt, 14 zwischen 40 und 49, 14 zwischen 50 und 59, 9 über 60. Es fehlen i n der Übersicht 1948 die Namen Auler, Banse, FleegeAlthoff, Hintner, Henzel, Henzler, Geldmacher, Hohlfeld, Hummel, Kosiol, Lehmann, Otto Reuther, Sandig, Scheller, Schmaltz, Seischab, Sieber, Sommerfeld, Theisinger, Thoms und viele andere. Es sind dafür eine Reihe von Namen enthalten, deren Träger hart an oder über der Altersgrenze und an "der Grenze ihrer physischen Leistung stehen. Die Übersicht ist erschütternd. Eine genaue Verlustliste einschließlich der Verstorbenen (Heber, Leitner, Mahlberg, Nicklisch, Obst, Prion, Walb) wäre vermutlich erheblich größer als die Anwesenheitsliste. Ich weiß nicht, wie viele Habilitationen i n unserem Fach seit 1933 erfolgt sind. Ich vermute, es sind erschreckend wenig. Bei der zehnjährigen Unterbrechung eines Kontaktes nimmt es nicht wunder, wenn der einzelne Fachkollege heute nicht mehr weiß, ob namhafte Fachvertreter überhaupt noch am Leben sind. Die Anlegung eines umfassenden Verzeichnisses aller Hochschullehrer und Assistenten ist dringend erforderlich. Es muß ein erschöpfendes Verzeichnis • Referat auf der Tagung betriebswirtschaftlicher Hochschullehrer in Frankfurt am 22. und 23. Oktober 1948. Abgedruckt in: Neue Betriebswirtschaft, Beilage Nr. 1 zum „Betriebs-Berater", Heft 2,20.1.1949, S. 1—4.
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Die Betriebswirtschaftslehre an den deutschen Hochschulen
sein, welches auch diejenigen Kollegen enthält, die noch nicht wieder zugelassen sind und deren Namen i n den Vorlesungsverzeichnissen bis heute noch fehlen (2). Die Stellung der Betriebswirtschaftslehre an den deutschen Hochschulen ist heute von vielen Vertretern der Volkswirtschaftslehre stärker bestritten als je. Die Studenten der Volkswirtschaftslehre sagen mir, sie hören i n ihren Kollegs, daß die moderne Marktforschung und Marktanalyse von Volkswirten erarbeitet sei, daß die Schmalenbachschen Kostenbegriffe aus der volkswirtschaftlichen Literatur entnommen seien, daß die Standortlehre weiter nichts als volkswirtschaftlich sei und schließlich von der Betriebswirtschaftslehre nichts übrigbleibe als die Technik der Buchhaltung. Dies sind keine Ladenhüter aus 1900, sondern Neuigkeiten aus 1948 (3). Bezüglich der Stellung der Betriebswirtschaftslehre an den Hochschulen bin ich nicht der Meinung der Kölner Schule, wie sie auch in der Festschrift bei Hax zum Ausdruck kommt, daß der theoretische Gehalt und die Systematik des Lehrgebietes weniger wichtig seien als die praktische Verwendbarkeit und Nähe der an der Hochschule vermittelten Kenntnisse (4). Es hat seine tieferen Gründe, daß die groben Ansätze zur Systematisierung gescheitert sind. Das Handwörterbuch der Betriebswirtschaft von Heinrich Nicklisch war ein mutiger Versuch, aber i n seiner ersten Auflage ein glatter Fehlschlag. Die zweite Auflage bedeutet eine wesentliche Verbesserung, sie hat das Ansehen des Faches gewiß gestärkt, wenn auch die Stoffeinteilung noch immer große Mängel und Lücken aufweist. Der von Schmalenbach in Gemeinschaft mit Mahlberg, Schmidt und Walb herausgegebene „Grundriß der Betriebswirtschaftslehre", i n 16 Bänden geplant, ist niemals über einige Bände hinausgekommen eine Reihe der vorgesehenen 43 Mitarbeiter hat sich seit Bekanntgabe des geplanten Gesamtwerkes eigenen, selbständigen Veröffentlichungen zugewandt, so Schmalenbach, Prion, Kalveram und Walb und der Gesamtplan blieb und bleibt wohl für immer liegen (5). Ich erblicke darin eine innere Schwäche des Faches und auch den deutlichen Ausdruck für die fehlende einheitliche, wissenschaftliche Fundierung des betriebswirtschaftlichen Lehrgebäudes. Was bis 1933 nicht fertig wurde, konnte hernach nicht mehr gedeihen, aber gerade hier zeigt sich, daß schon vor 1933 Schäden eingerissen waren. Das gilt auch für die Kommissionsarbeit zur Aktienrechtsreform u m 1927, für die Gemeinschaftsarbeit am Kontenrahmen u m 1930, für die Zusammenarbeit m i t dem R K W u m 1931, für den theoretischen Gehalt des Sammelwerkes „Die Handelshochschule". Die theoretischen Bemühungen um die weitere Fundierung und Klärung des Faches setzten um 1930 in einer Reihe beachtlicher Habilita-
Die Betriebswirtschaftslehre an den deutschen Hochschulen
tionsschriften recht lebhaft ein und zeichneten die ersten Konturen der zweiten Generation ab (Gutenberg, Henzler, Kosiol, Schäfer, Mellerowicz, Sieber, später auch Lohmann, Schnettler, Schönpflug u. a.). Die Lehrgebäude von Leitner, Nicklisch, Prion und Walb stehen i n ihrer individuellen Prägung und reichen Stoff- und Gedankenfülle vereinzelt da. Unausgeglichen ist noch immer der Gegensatz der herrschenden Fachmeinung gegenüber dem konsequenten Einzelgänger Wilhelm Rieger (6). Ich bin zu sehr Rieger-Schüler, um übersehen und verwinden zu können, daß Riegers Kampf um die Wissenschaft i n unserem Fach niemals recht gewürdigt und seine K r i t i k verstanden und beachtet worden ist. Es ist nicht gut, wenn man der wissenschaftlichen Auseinandersetzung aus dem Wege geht. Eine Förderung des Faches ist nur durch ständige Besinnung auf die wissenschaftlichen Grundlagen und dies ist nur durch ständige Selbstkritik und ehrliche Fachkritik zu erreichen. Hierin hat es i n unserem Fach jederzeit entscheidend gefehlt. Ich betrachte die ganze Entwicklung der Bilanztheorien seit 1919 als eine bedauerliche Fehlentwicklung. Was unter der Hand der älteren Fachvertreter auf diesem Gebiet entstanden ist, bestimmte die Arbeitsrichtung des Faches für Jahrzehnte und führte durch den Eifer der Epigonen zu Verirrungen und Einseitigkeiten und i n wissenschaftliche Sackgassen hinein (7). Man verwendete die Bilanz wie einen leeren Sack, i n den man alles Erdenkliche so lange hineinstopfte, bis der Sack platzte. Unversehens wurde aus der dynamischen Bilanz von Schmalenbach, aus der organischen Bilanz von Schmidt eine voluminöse Betriebswirtschaftslehre. Es wäre besser gewesen, Bilanz und Betrieb sauber zu trennen und dem Betrieb als solchem mehr wissenschaftliche Beachtung zu schenken, dann wären auch die Gebiete der Absatzwirtschaft, Lagerwirtschaft, Personalwirtschaft nicht so vernachlässigt geblieben, wie dies wirklich geschah und nur durch die Nürnberger Leistungen von Vershofen, Schäfer und deren Kreis i n etwa ausgeglichen werden konnte. Wo ist die allgemeine Betriebswirtschaftslehre? Wo besteht Klarheit darüber, daß die Betriebswirtschaftslehre den gewerblichen Betrieb oder nur die Unternehmung oder auch die öffentliche Verwaltung zum Gegenstand hat? Wo besteht Klarheit darüber, daß die Betriebswirtschaftslehre m i t dem tragenden Grundprinzip der Wirtschaftlichkeit auch i m sozialistischen Gemeinwesen ihr Objekt beibehält? (8) Ich bestreite dies voll und ganz. Ich kann mich nicht genug wundern über solche Formulierungen, wie Hax sie i n seinem A r t i k e l der Schmalenbach-Festschrift, September 1948, bringt, wenn er sagt: „Denn, wenn auch die Unternehmung ein Produkt der kapitalistischen Wirtschaftsordnung ist, so w i r d sie doch in einer zukünftigen anders gestalteten
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Die Betriebswirtschaftslehre an den deutschen Hochschulen
Wirtschaftsordnung weiterbestehen. Der Unternehmer w i r d möglicherweise verschwinden, nicht aber die Unternehmung als streng nach dem Rationalprinzip geführtes, organisatorisches Gebilde. Die Betriebswirtschaftslehre ist aber eine Wirtschaftslehre der Unternehmung und nicht eine Wirtschaftslehre des Unternehmers." Ich denke ganz anders und sage: Keine Unternehmung ohne Unternehmer, kein Unternehmer ohne Unternehmung. Kein Unternehmer und keine Unternehmung ohne Kapitaleinsatz und Kapitalrechnung für sich und bei selbständiger wirtschaftlicher Entscheidung und Verantwortung i m Markt. Das Rationalprinzip kennzeichnet die Unternehmung nicht allein, sie w i r d wesentlich gekennzeichnet durch die Selbständigkeit von Kapitaleinsatz und Kapitalrechnung (9). Beides unlöslich voneinander abhängig und miteinander verbunden. Darin liegen aber keine rationalen Bestandteile, die mitsamt der Betriebswirtschaftslehre i n eine andere Welt, eine so schüchtern genannte „anders gestaltete Wirtschaftsordnung" hinübergerettet werden könnten. Insofern ist die Betriebswirtschaftslehre wie ihr Objekt, die Unternehmung, historisch bedingt, und — wenn es einmal anders kommt — wie sie zeitlich begrenzt. Für andere betriebliche Formen i n einer anderen Wirtschaftsverfassung mag es einst andere Forschungs- und Lehrmethoden geben, wie dies Carl Wirtz i n seinem Beitrag der SchmalenbachFestschrift recht aufgeschlossen zu zeigen versteht. Aber die zentral gelenkte Wirtschaft läßt keinen Raum für die bisherige Behandlung der Finanzierung, Personalwirtschaft und der Bilanz mit ihrem Ausblick auf maßstäblichen Gewinn, wirtschaftlich richtige Kapitallenkung und die Methoden des Betriebsvergleichs. Der Rettungsversuch für die Betriebswirtschaftslehre mit Hilfe der Unternehmung unter Opferung — richtiger Verrat — des Unternehmers ist echt bürgerlich. So w ü r den es auch die Unternehmer mit den Vertretern der Betriebswirtschaftslehre machen und so haben es die Bürgerlichen aller Stände und Disziplinen nach 1933 miteinander und mit sich gemacht. Es ist so schön und so falsch wie die himmlisch-süße Formel vom Versagen der Christenheit bei völliger Bewährung des Christentums. Ich habe der Argumentation von Schmalenbach, daß er den gemeinwirtschaftlichen Effekt mit seiner bilanzmäßigen Erfolgsrechnung anstrebt, jederzeit mit dem Gefühl des Unbehagens gegenübergestanden (10). Ich sehe bei allem Suchen keine Verbindung zwischen einzelbetrieblichem Erfolg und gemeinwirtschaftlichem Effekt. Man folgt hier zu gern Wunschvorstellungen und überhört noch lieber die Warnungen, die vor solchen Wegen i m Namen der Wissenschaft abraten. Hier w i r d nach meinem Eindruck die Tragfähigkeit des Rationalprinzips überschätzt. Wilhelm Vershofen hat darauf etwa 1932 eindringlich hingewiesen. Man kann nicht den konkreten Tatbestand Betrieb restlos i n
Die Betriebswirtschaftslehre an den deutschen Hochschulen
rationale Begriffe und Begriffszusammenhänge auflösen und man sollte die Grenzen des Betriebes gegenüber der Verkehrswirtschaft ebensowenig überrennen, wie ich dies vorhin von der Grenze des Betriebes gegenüber der Bilanz gesagt habe. Wissenschaft treiben heißt nicht alles erklären wollen, sondern das Nicht-Erklärbare als solches erkennen und feststellen.
2. Die Organisationslehre als Grundlage der Weiterentwicklung Ein Versuch, der Betriebswirtschaftslehre ein wissenschaftlich tragfähiges Fundament zu geben, kann nach meinem Dafürhalten nur i n der allgemeinen Organisationslehre gefunden werden. Schmalenbach kommt dem i n der Unterscheidung der externen, internen und der allgemeinen Funktionskreise bereits sehr weit entgegen. Er faßt unter allgemeine Funktionskreise die uns bei der Stoffeinteilung immer wieder brauchbar erscheinenden Teilgebiete Finanzierung, Rechnungswesen und Organisation zusammen. Es ist ganz offenkundig und niemals bestritten gewesen, daß die Organisation i n ihrer bisherigen Abgrenzung nur ein Teilgebiet des betrieblichen Lebens betraf, meist das neueste wie etwa die Organisation der Werkstatt 1910, der Massenfertigung 1920, der Arbeitsorganisation 1930, der Planung 1940, während die länger erprobten und erfahrenen Einrichtungen und Methoden der Finanzierung und des Rechnungswesens schon längst ihren eigenen Standort i n der Praxis und i m Lehrbetrieb gefunden hatten (11). Aber wer wollte bestreiten, daß nicht auch das ganze Rechnungswesen Ausdruck und Erscheinungsform der Organisation darstellt, das gleiche gilt auch von der Finanzierung und ihren tragenden Grundbegriffen des inneren Gleichgewichts, der Angemessenheit von Zweck und Form, der Übereinstimmung von Zweck und Mittelwahl. Die Entwicklung der Organisationswissenschaft und der Literatur hierüber erschließt die Möglichkeit, eine theoretische Betriebswirtschaftslehre als Lehre von der Organisation der Unternehmung aufzufassen. Bei einer solchen Auffassung findet die Betriebswirtschaftslehre unmittelbare Stützen in der allgemeinen Organisationslehre und i m weiteren in der Soziologie, wie sie etwa Professor Johann Plenge in Münster seit Jahrzehnten vertritt, und wie sie leider in ihren Zielen und Möglichkeiten, ihren konkreten Methoden nur allzuwenig bekannt ist. Ich verweise nur auf das von Plenge seit Jahrzehnten geschaffene Tafelwerk zur Veranschaulichung wirtschaftlicher Vorgänge, Z u sammenhänge und Strukturformen in grundsätzlicher Anknüpfung und Fortentwicklung von Quesnays „Tableau Economique". Ich bin nicht genug unterrichtet, um über den Stand der Soziologie in Deutschland und im Ausland ein Urteil abgeben zu können, möchte aber meine Meinung dahin äußern, daß die Soziologie in USA und England immer stärker zu einer Grundwissenschaft ausgebaut worden ist, die für die Volks- und Betriebswirtschaftslehre zugleich und für beide ohne gegenseitige Abhängigkeit das Fundament in
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Die Betriebswirtschaftslehre an den deutschen Hochschulen
Methodik, Systematik und Terminologie abgeben kann, ausgehend von dem Grundbegriff der Beziehung, sei es zwischen Mensch und Mensch oder Mensch und Sache, sei es einer zahlenmäßigen, quantifizierten oder einer werthaften Beziehung. I n den genannten Ländern sind seit Jahrzehnten erstaunliche Leistungen der speziellen Soziologie erbracht worden. Der Titel des bekannten Buches von Harold G. Moulton „The Financial Organization of Society" (3. Aufl. 1930) ist dafür kennzeichnend, wenn man hinter diesem Titel Ausführungen über das Geldwesen, Schuldenwesen, den Kredit und die moderne Efïektenfinanzierung sowie über das Bankwesen findet. Aus meiner Frankfurter Studienzeit habe ich noch in Erinnerung, daß mich Schmidt immer wieder vor der Soziologie warnte, nur weil ich in meiner Dissertation ein paar anspruchslose Lesefrüchte aus Oppenheimer untergebracht hatte. Ich habe die stille Neigung zur Soziologie nicht abtöten können. Es ist für mich die Liebe zu einer großen Unbekannten geblieben. Dennoch glaube ich richtig zu ahnen, wenn ich in der Soziologie die Fundierung einer theoretischen Betriebswirtschaftslehre sehe, insbesondere in der aus der allgemeinen Soziologie abgeleiteten allgemeinen Organisationslehre, aus welcher sich die Lehre von der Organisation der Unternehmung und des Betriebes weiterhin ableiten läßt. Ich gehe ein Stück weiter und sage, die Soziologie übernimmt eines Tages das ganze Erbe der Philosophie und der Naturwissenschaften und wird für beide die gemeinsame und tragende Grundwissenschaft, ohne jedoch die Philosophie oder die Religion zu verdrängen oder zu ersetzen, wie dies Auguste Comte vor 100 Jahren irrtümlich geglaubt und erwartet hat. Die Soziologie löst i n ihrem Grundbegriff der Beziehung oder Relation, des V e r hältnisses, auch den begrifflichen Gegensatz von Objekt und Subjekt, von Geist und Materie und räumt die Hindernisse aus dem Wege, die der Philosophie noch seit der Scholastik anhaften. Die moderne Physik findet i m Atom auch nichts anderes als ein Verhältnis, das Verhältnis von Elektronen und Neutronen. Das letzte geistig Nachweisbare ist nicht das Ding an sich, hinter den Dingen der Erscheinung, es ist „das Verhältnis", das „Zwischen". Nach der Philosophie des „An-Sich" und der Philosophie des „Als-Ob" treten wir in die Soziologie des „Dazwischen". Statt Raum und Zeit als Denkkategorie oder als Erfahrungswert zu diskutieren, leben wir zwischenzeitlich i m Z w i schenraum. Der Existentialismus ist grob materiell, peinlich fleischlich gegenüber dem feinen Netz- und Aderwerk der positiven „Zwischenlehre" von Gott und Mensch, Ich und Welt, Subjekt und Objekt, Stoff und Geist, Weltund Volkswirtschaft, Volks- und Betriebswirtschaft, Zentralstelle und A r beitsplatz, Aufwand und Kosten, Einnahme jetzt und Ausgabe später. Nehmen Sie, was Sie wollen, zwischenzeitlich und zwischenräumlich kann ich alles unterbringen: Materielles und Ideelles, Mengen- und Werthaftes, Sachliches und Persönliches, ich kann Beziehungsfelder bilden und abgrenzen, ausfüllen und zuordnen, wie wir dies mit dem Betrieb in seinen Marktbeziehungen tun und durch Unterscheidung und Unterteilung der inneren und äußeren Betriebsvorgänge im Beziehungsfelde Betrieb—Markt auswerten. Ich sehe die Dinge in der Schwebe und sehe zu, was sie in der Schwebe hält. Ich kann weitgehend Begriffe der Physik, der Mechanik auf wirtschaftliche Zustände und Abläufe anwenden, insbesondere die Begriffe Statik und D y namik, den Begriff des Gleichgewichts, der Angemessenheit in seiner tausendfältigen Anwendbarkeit.
Die Betriebswirtschaftslehre an den deutschen Hochschulen
3. Die Technik als Bestandteil der Betriebswirtschaftslehre Die häufige Verwendung des Begriffs Technik in dem abschätzigen Sinn einer vorwissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Befassung ist abzulehnen. Sie geht noch zurück auf die frühere, von der alleinherrschenden Nationalökonomie zur Distanzierung vorgenommene Bezeichnung Handelstechnik und setzt sich fort i n solchen Vorlesungsstoffen wie Vertragstechnik, Technik des Bankbetriebs, Technik des Zahlungsverkehrs usw. Wenn Schmalenbach von seinen Seminarteilnehmern den Nachweis eines gewissen Könnens i m Addieren verlangte, wenn er und Walb oder Findeisen während der Vorlesung selten die Kreide aus der Hand legten und ihre Aufmerksamkeit zwischen der Wandtafel und dem Auditorium teilten, so halte ich diese Lehrmethode für tausendmal richtiger als die hochnäsige, wissenschaftlich-theoretisch-stolzierende Betriebswirtschaftslehre, mit den Entlehnungen von und Anlehnungen an Pareto, Marshall und Clark (gegen die ich ebensowenig habe wie gegen J. M . Keynes, Cassel oder Wicksell). Ich habe aber sehr viel gegen die Darbietung des Lehrstoffs unter Verwendung von Kurven und mathematischem Abrakadabra unter Weglassung der Buchhaltung und des Abschlusses, des kaufmännischen Rechnens, der Kameralistik, der Kostenrechnung und anderer sogenannten Techniken und Überlassung an den damit beauftragten Assistenten, Repetitor, Diplom-Handelslehrer. Diese nach meiner Ansicht falschen, weil zur Geringschätzung der wesentlichen Grundlagen des Faches führenden Unterscheidungen zwischen den rein technischen und rein rechnerischen oder propädeutischen gegenüber den eigentlich wissenschaftlichen Kollegs halte ich für einen gefährlichen Irrweg (12). Ich glaube als Betriebswirt gerade in der Art, wie ich Buchhaltung und A b schluß, Bilanz und Bilanzanalyse vor Studenten behandle, mein Bestes gegeben zu haben, weil und soweit ich es nicht so behandle wie es der Handelslehrer in der Handelsschule bringt oder bringen muß. Wer die Buchhaltung als reine Technik behandelt und in die Propädeutik verweist, versündigt sich an dem Geist der Betriebswirtschaftslehre, verleugnet geschichtliche Tatsachen und Entwicklungen, verkennt den unlöslichen Wesenszusammenhang zwischen Konto und Kapitalwirtschaft, zwischen Kapitalkonto und Kapitalismus und verliert die besten Gelegenheiten, Wirtschaftliches aus der Kenntnis historischer Formen lehrbar zu machen und mit den Mitteln der Buchhaltung demonstrieren zu können: etwa die Entwicklung vom Handels- zum Industriebetrieb seit 50 Jahren analog der Entwicklung der Betriebs- aus der Finanzbuchhaltung, der Konterklassen der Betriebsabrechnung 4—8 aus dem gemischten Warenkonto. Der Betriebswirt, der die einschlägigen wirtschaftsgeschichtlichen Forschungen von Sombart, Ehrenberg, Sieveking, Max Weber auch nur einigermaßen kennt, der die Zusammenhänge aufgreift, um deren Sicherung Walb und Seyffert, Penndorf und von den jüngeren Löffelholz u. a. so Wertvolles geleistet haben, wird niemals in bloße handelsschulmäßige Technik abrutschen können. Nicht umsonst sagt Spengler unter Berufung auf Sombart, daß die Erfindung der Buchhaltung den geistigen Taten von Kopernikus und Columbus ebenbürtig an die Seite gestellt werden kann. Selbst die Logik, die Philosophie hat aus diesem Geist der Buchhaltung in späteren Jahrhunderten geschöpft und profitiert, wie sich insbesondere in dem philosophischen System des größten englischen Philosophen Thomas Hobbes nachweisen läßt und wie es sich noch heute in der italienischen Sprache äußert, 2
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Die Betriebswirtschaftslehre an den deutschen Hochschulen
die unter dem gleichen Wort „raggione" sowohl Vernunft wie Rechnungswesen versteht. Vergessen wir nicht, daß unsere ersten Vertreter des Faches vorwiegend Praktiker und elementare Pädagogen, HandelsschuUehrer, Gewerbelehrer waren, wie übrigens auch Oswald Spengler, was man wissen muß, um seinen Dilettantismus und Minderwertigkeitskomplex zu verstehen. Die ersten akademischen Betriebswirte, vor deren Tüchtigkeit ich den Hut bis tief zur Erde ziehe, waren nicht nur keine Akademiker, es waren auch vorwiegend wissenschaftlich ungebildete Leute. Daß sie insoweit auch unverbildet waren, macht durchaus ihre Frische und Unbekümmertheit i m Reden und Schreiben aus. Sie schrieben lieber als zu lesen, und so entdeckten sie auf ihren wissenschaftlichen Morgenwanderungen die Schönheit der Welt in ihrer Taufrische und ließen ihre Schüler freudig an ihren Entdeckungen teilnehmen. Die zweite Generation ist schon mehr mit volkswirtschaftlichem Lesestoff belastet und i m Abschreiben besser geübt. Sie hat an Wissenschaft zugenommen, was sie an Charakter verlor und an Forschheit eingebüßt, indes sie an Präzision gewann.
4. Die Betriebswirtschaftslehre als politische (nicht parteipolitische) Wissenschaft Die Betriebswirtschaftslehre gehört zu den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, sie ist i n einem Sinn, der i n den letzten Jahrzehnten leider zunehmend verlorengegangen ist, politische Wissenschaft, i n dem Sinn, daß sie vom wirtschaftenden Menschen, also dem Menschen i n der Gemeinschaft, also dem politisch organisierten Menschen handelt. Der Verlust dieses politischen Grundcharakters ist schon i n der Volkswirtschaftslehre eingetreten und i n der Preisgabe des früheren Namens „Politische Ökonomie" für die neuere Bezeichnung „Nationalökonomie" erkennbar. Wäre die Betriebswirtschaftslehre vor 1933 i n diesem echten Sinn mehr eine politische Wissenschaft gewesen, so wäre sie auch nach 1933 mehr wissenschaftlich geblieben und weniger parteipolitisch geworden. Gerade die sogenannte ethisch fundierte Richtung (13) Nicklisch — Thoms — Sandig läßt diese parteipolitische Hinneigung am deutlichsten erkennen und vollzog mit der Änderung des ethischen Vorzeichens die Gleichschaltung am ersten und deutlichsten. I n meinem Kölner Referat 1938 habe ich vergeblich klarzustellen versucht, daß eine Wissenschaft als Lehre vom Allgemeinen auf den Verstand, nicht auf das Gewissen gestützt sein muß. Die gegenteiligen Äußerungen, wie sie Kalveram i n der Diskussion vorbrachte, waren höchst unsachlich und unwissenschaftlich. Ich habe nicht das Gewissen verworfen, oder ausgeschaltet, sondern als höchst persönlich und deshalb für die wissenschaftliche Verallgemeinerung als unbrauchbar bezeichnet. Daran ist nicht zu deuteln.
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Die Unwissenschaftlichkeit in unserem Fach ist kein Zustand, der erst seit 1933 aufgetreten ist. Er bestand bei aller ehrlichen Wissenschaftlichkeitsbemühung des Faches i m ganzen da und dort als Zeichen persönlicher U n zulänglichkeit, mangelnder Selbstkritik und fehlender Fachkritik. Nach 1933 wurde jedoch diese Unwissenschaftlichkeit vorherrschend und ihre Vertreter erreichten einen beherrschenden Einfluß. Es kam zu Äußerungen, die aus dem politischen Opportunismus nicht ganz zu erklären, sondern nur aus der wissenschaftlichen Unzulänglichkeit zu verstehen waren. Die Redensart „dafür sorgt der Führer" fand auch in der betriebswirtschaftlichen Literatur reichlich Eingang, das politische Bekenntnis trat an die Stelle wissenschaftlicher Erkenntnis. Die Fragen der Sicherheit der Währung wurden mit den hohlsten Phrasen abgetan, die geschichtliche Tatsache der Knappheit des Kapitals wurde rundweg bestritten, die Ergänzung des Preisstops durch den Lohnstop wurde begrüßt trotz der damit gegebenen Acceleration in die Totalität der Vernichtung hinein, sachliche Argumente der Kostenrechnung wurden höhnisch durch politische Argumente verdrängt, und wehe, wenn einer sich zu der schlichten Tatsache bekannte, daß die Rentabilität ein unentbehrliches rechnerisches Hilfsmittel und ein erstrebenswertes Ziel der Privatwirtschaft sei. Ebenso unhaltbar waren die eifrigen Vorschläge für die Einheitsbilanz anstelle der getrennten Handels- und Steuerbilanz, nicht minder bedenklich der offene Kampf der meisten Betriebswirtschaftler gegen die stillen Reserven. Überall waren bei solchen Gedankengängen die wissenschaftlichen Möglichkeiten der Kritik, der Beweisführung und Widerlegung ausgeschaltet. „Wir müssen unsere Leser vor dem gefährlichen Liberalismus von Linhardt warnen", hieß es in der Zeitschrift „Die Betriebswirtschaft" 1937. Ich w i l l weitere Einzelheiten dieser A r t übergehen, möchte aber feststellen, daß die wissenschaftliche Kritik die Literatur zwischen 1933 und 1945 nicht „im Zuge der Entnazifizierung" als erledigt und begraben ansehen kann. Manche eifrigen Autoren vor 1945 haben bei einer erstaunlichen Wendigkeit in der mehrmals geübten politischen Umstellung ihren Publikationseif er beibehalten und setzen sich damit der berechtigten immanenten K r i tik aus ihren Äußerungen vor und nach 1945 aus. Diese Kritik wird niemand erspart bleiben dürfen, wenn Wissenschaft noch etwas gelten soll.
5. E h r e und Ansehen der Wissenschaft stehen auf dem Spiel! Z u r U n w i s s e n s c h a f t l i c h k e i t i m eigenen Fach g e h ö r t v o r u n d nach 1933 v o r a l l e m die B e t o n u n g des Z w e c k c h a r a k t e r s v o n D i s s e r t a t i o n e n u n d H a b i l i t a t i o n s s c h r i f t e n . M a n c h e r Rezensent m u ß t e i n oft h e f t i g e n P o l e m i k e n seitens des A u t o r s d e n E i n w a n d h ö r e n , seine A r b e i t sei eine Z w e c k a r b e i t f ü r d e n Z w e c k der P r o m o t i o n oder d e r H a b i l i t a t i o n gewesen, k ö n n e also n i c h t nach o b j e k t i v wissenschaftlichen M a ß s t ä b e n gemessen w e r d e n . W e n n dieser E i n w a n d A n e r k e n n u n g findet, ist jede Wissenschaft a m Ende. W e r n u r e i n e n persönlichen Z w e c k i m A u g e h a t u n d diesen i m B e k e n n t n i s z u einer L e h r - oder S c h u l m e i n u n g z u e r r e i chen g l a u b t , b e w e i s t i m höchsten G r a d u n d i n e i n e m s c h l i m m e n S i n n seine U n w i s s e n s c h a f t l i c h k e i t , b e i noch so v i e l T ü c h t i g k e i t . D i e B u c h besprechungen erreichten schon v o r 1933 e i n e n a l l g e m e i n e n N i e d e r gang, nachher aber einen u n ü b e r t r e f f l i c h e n Tiefstand. 2*
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Die Betriebswirtschaftslehre an den deutschen Hochschulen
Unwissenschaftlichkeit hat sich i n der sogenannten Verwaltung der Wissenschaft, i n den Fakultätsgeschäften, bei Prüfungen, Promotionen und bei der Begutachtung von wissenschaftlichen Arbeiten allerorts eingeschlichen. Es ist mir oft und oft mündlich und schriftlich entgegengehalten worden, daß ich den Ordinarius nicht respektiere. Ich respektiere ihn nach der Besoldungsordnung, aber nicht nach der wissenschaftlichen Argumentation. Die Hervorhebung des Ordinarius in wissenschaftlichen Fragen ist unangebracht und jederzeit eine Illustrierung der Fragwürdigkeit der beamteten Wissenschaft, wie sie K a r l Jaspers noch vor zwei Jahren eindringlich vor Augen stellte (14). Ein anderer Punkt ist das geistige Eigentum. Hier ist von Ordinarien recht oft und recht umfangreich gesündigt worden. Es w i r d geradezu unmoralisch, sogar kriminell, wenn ein amtliches Lehrverhältnis dazu mißbraucht wird, abhängige Personen, die auf ihr Examen hoffen, nach Abgabe ihrer schriftlichen Arbeiten so lange damit warten zu lassen, bis solche Arbeiten unter dem Namen eines Ordinarius wörtlich oder auszugsweise veröffentlicht sind, es w i r d k r i minell, wenn wirtschaftlich bedürftige Kandidaten Jahre lang geistig erpreßt und ausgebeutet werden. Es ist mehr als verdächtig, wenn Seminarleiter mit dem Notizbuch und Taschenkalender arbeiten, um sich geeignete Gedankensplitter und Satzwendungen für eine baldige Veröffentlichung unter eigenem Namen alsbald zu notieren. Die Ehre der Wissenschaft i n unserem Fach steht aber auch noch in anderer Hinsicht auf dem Spiel: i n der Übernahme bezahlter Gutachten, die seitens der Interessenten und Auftraggeber fertiggestellt und von Fachvertretern mit ihrem Namen gedeckt werden. Auch dies ist vor 1933 oft genug geschehen und in unserem Fach, wo die Versuchung so oft gegeben ist, besonders bedenklich. Von hier aus gesehen w i r d es geradezu zu einer kulturpolitischen Aufgabe des Staates, für die materielle Unabhängigkeit von Vertretern der Wissenschaft zu sorgen. Auch der Berufsstand des praktischen Betriebswirts, des freiberuflichen Beraters, des Steuerberaters, Buchprüfers und Wirtschaftsprüfers bedarf dringend der wissenschaftlichen Fühlung und Erhaltung der wissenschaftlichen K r i t i k und der inneren Unabhängigkeit gegenüber wirtschaftlichen Interessentengruppen (15). 6. Die Weiterentwicklung birgt Gefahren! Die Betriebswirtschaftslehre hat nach der volkswirtschaftlichen Seite h i n starke Berührungspunkte, insbesondere nach der neueren Richtung der volkswirtschaftlichen Kostentheorie, der Theorie der Marktfor-
Die Betriebswirtschaftslehre an den deutschen Hochschulen
men, der Marktforschung und Marktanalyse, auch nach der Seite der Unternehmungsformen und der Steuerlehre, aber auch hinsichtlich der Spezialforschung auf dem Gebiet der Verkehrswissenschaft, des Versicherungswesens, Genossenschaftswesens, Bankwesens und der Arbeitswissenschaft. I m Bankwesen ist eine wissenschaftliche Verflachung innerhalb unseres Fachgebietes unverkennbar. I n der Industriebetriebslehre haben die Praktiker, vor allem Ingenieure, nach meinem Eindruck die Führung der Literatur der letzten 2—3 Jahrzehnte übernommen. So auch i n der Spezialliteratur über Fertigung, B - Α , Organisation.
7. Schlußbemerkung Ich komme zum Schluß: als ich Pfingsten 1938 mein Kölner Referat „Überwindung des Gelddenkens" hielt, kommentierte Geldmacher mein damaliges Referat mit der Bemerkung: „Damit kommt man nicht weiter, daß einer alle übrigen für dumm erklärt". Ich bin auch der Meinung, daß solche Leute nicht weiterkommen dürfen. Man muß sie nach den erprobten Methoden der deutschen beamteten Wissenschaft isolieren und totschweigen, denn sie untergraben nicht nur das Ansehen des Faches und das natürliche Selbstvertrauen, sie stören nicht nur die Kollegialität und Solidarität der Disziplinen, sondern der Wissenschaft überhaupt. Sie sind gefährliche Narren, denn nicht die Wissenschaftler, sondern nur Kinder und Narren sagen die Wahrheit. Sie zerschlagen Porzellan, wo immer sie auf- und hintreten. Nun, es wäre besser gewesen, w i r hätten i n den letzten 20—30 Jahren einen Haufen Porzellanscherben gemacht und bei Ludwig Erhard nachbestellt auf Basis Wiederbeschaffungspreis zum Scherbentage, statt mitzuhelfen, das Gebäude der Wissenschaft in Schutt und Trümmer zu legen (16). Mein Anliegen das ich hier und heute vorbrachte, ist, die Wissenschaft höher zu stellen als A m t und Versorgung, Schüleranhang, Herausgeberschaft und Auflagenziffern. Dies gegen alle Etikette auszusprechen i m Sinne meines Grundsatzes: Objektivität vor Kollegialität, Sauberkeit vor Solidarität, Reinlichkeit statt Einigkeit, erscheint m i r Pflicht eines aus Zufall und ohne Verdienst Überlebenden nach einer Phase der Lebensvernichtung, in dieser Phase der Wahrheitsvernichtung.
Kosten und Kostenlehre* I. Einige Klarstellungen zum Kostenbegriff Preise sind eine Markttatsache; sie werden gefordert und bezahlt. Kosten sind eine Betriebstatsache; sie werden aufgewendet und verrechnet. Aus Preisen werden Kosten, aus Kosten werden Preise. Jede Kostenrechnung bleibt i m Grunde ein Vergleichen zweier Geldgrößen, wie Einkaufspreis und Verkaufspreis bei der Handelskalkulation. Alle Einschaltungen der Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung, aller Zubehör sonstiger Kalkulationszwecke bei der Industriekalkulation können hieran nichts ändern. Kosten sind in jedem Fall das unvermeidliche Zwischenglied zwischen Preis und Preis. I h r Aufwand erfolgt i m Hinblick auf den Ersatz aus dem bei Veräußerung erzielten Erlös. Ihre Verrechnung nach Ursprung, Produktionsanteil und Deckung i m Erlös ist für den erwerbswirtschaftlichen Betrieb typisch und auf ihn beschränkt. Die Beschränkung der Kosten auf den Erwerbsbetrieb (kurz Betrieb) ist Voraussetzung zur Bildung eines wissenschaftlichen Kostenbegriffs. Durch diese Beschränkung scheiden alle sonstwie i n Verbrauchs w i r t schaftlicher und außerwirtschaftlicher Wendung vorkommenden Ausdrücke und Wortbezeichnungen aus, die sich des sprachlichen Ausdrucks Kosten bedienen. Wo außerhalb der Wirtschaft davon die Rede ist, daß etwas Mühe, Anstrengung oder Überwindung kostet, besteht kein kostentheoretischer Zusammenhang. Dieser ergibt sich erst aus der Erkenntnis der Kosten als Korrelatbegriff. Der Ergänzungsteil hierzu ist der Begriff Erlös. Beide Begriffe sind aus dem Kapitalbegriff gewonnen. Kosten sind Kapitaleinsatz, Erlös ist Kapitalersatz. Das Kapital seinerseits ist der Korrelatbegriff zu Ertrag (Reinertrag). Geschichtlich und logisch steht Kapital als Hauptsache neben Ertrag als Nebensache. Aus diesem Zusammenhang stammt am Anfang der Geschichte der Buchhaltung seit dem 12. Jahrhundert der erste Nachweis des Ausdrucks Kapital. Kapital- und Ertragsbegriff stehen wiederum i n einer höheren, begrifflichen Einheit. Diese ist der Betrieb. Außerhalb des Betriebes gibt es kein Kapital. Kapital gibt es nicht ohne, nicht außerhalb der Buchhaltung. So gibt es auch keine Kapitalwirt• Quelle: Aktuelle Betriebswirtschaft. Festschrift für Konrad Mellerowicz, Berlin 1952, S. 124—140.
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schaft ohne und außerhalb der Kapitalrechnung, i m wesentlichen der doppelten Buchhaltung, ergänzt durch die übrigen Rechnungsteile (17). Kapital schließt begrifflich die Bewirtschaftung auf Ertrag ein. Unentbehrliches Hilfsmittel der Bewirtschaftung ist die Kapitalrechnung. Kapitalwirtschaft und Kapitalrechnung bilden die lebendige Einheit des Betriebes. Der Betrieb findet seine begriffliche und tatsächliche Entsprechung i m Markt. Betrieb und Markt bilden i n der freien Gesellschaft die oberste Einheit des Wirtschaftens, die Verkehrswirtschaft. Sie ist die i n Geld organisierte, von selbständigen Erwerbsbetrieben getragene Wirtschaft des weltweiten Marktes. Die Betriebswirtschaftslehre der letzten drei Jahrzehnte sieht die Dinge anders. Da gibt es kein geistiges Band zwischen Betrieb und Markt. Die Verkehrswirtschaft ist geschichtlich bedingt, daher geschichtlich beschränkt, aber der Betrieb ist davon unabhängig; wie auch immer die Verkehrswirtschaft gestaltet sein mag, Betriebe w i r d es immer geben. Da besteht zwischen Kosten und Kapital überhaupt kein Zusammenhang, die Geldrechnung ist störend und täuschend. Kapital ist ein Haufen Sachen, Kosten ist Güterverzehr, hinterher kommt zu dem Güterverzehr der Geldausdruck hinzu, vergleichbar der Preisauszeichnung der Ware i m Schaufenster. Kapital und Kosten sind i n der betriebswirtschaftlichen Behandlung der letzten drei Jahrzehnte immer weiter auseinandergerückt. Ihre Entfremdung geschah überwiegend durch eine zunehmende Verkennung der Kapitalnatur und wachsende Vernachlässigung der Kapitalrechnung. Hieraus erklärt sich auch die Isolierung der Kostenrechnung, der Betriebsbuchhaltung und Betriebsabrechnung und die vorherrschende Auffassung einer Sonderbehandlung und Sonderbewertung von Kosten und Aufwand. Trotz alledem ist die Kostenrechnung ein Teil der Kapitalrechnung. Als solche ist sie eine reine Geldrechnung, keine Güter- oder Substanzrechnung. Wie die gesamte Kapitalrechnung ist sie dies i n allen Einzelheiten, allen Stadien, allen Blickrichtungen und Zielsetzungen. Die Verkehrsakte, die sich von Betrieb zu Betrieb abspielen, sind i m wesentlichen Kaufgeschäfte, d. h. Wirtschaftsvorgänge, denen die Geldform eigen ist. Diese Eigenschaft kann nicht weggelassen, weggenommen oder wedisputiert werden. Nimmt man aus der Verkehrswirtschaft das Geld, so bleibt nichts übrig. Lüftet man den über der Wirtschaft liegenden Geldschleier, so guckt man ins Leere. Nicht einmal i m theoretischen Schema der Verkehrsakte ist eine Abstraktion vom Geld möglich. Es bleiben nicht auch ohne Geld die gleichen Verkehrsakte. Wer den empirischen Nachweis hierfür noch verlangt, sei an die
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wirtschaftlichen Zustände in Deutschland 1945—1948 erinnert. Die Zerstörung der Brücken, Bahnen, die Unterbindung von Telefon, Telegraph und Post sind für diese Zeit nicht so bestimmend wie die Zerstörung des Geldwesens. Die innerhalb eines Betriebes sich abspielenden wirtschaftlichen Vorgänge der Fertigung und Lagerhaltung sind zwar keine Tauschakte der Verkehrswirtschaft, sind diesen jedoch hinsichtlich ihrer Geldnatur gleichartig. Ein Konsumgut wie das Auto kann einen Entstehungsgang durch 50 oder 100 Tauschvorgänge über Betrieb und Markt zurücklegen oder in einem einzigen Betrieb durch 50 oder 100 analoge Herstellungsvorgänge entstehen. Was i m einzelnen Betrieb geschieht, unterliegt der geldlichen Erfassung, Vergleichung und Verrechnung wie i m Falle der Tauschakte des Marktes. Diese geldliche Erfassung usw. braucht nicht ebenso häufig oder exakt zu sein. I m Wesen ist sie nicht anders. Sie ist jeweils ein Vorstadium, ein Behelf, ein Operationsmittel für den erwarteten geldlichen Ausdruck i m Markt. Jedem Erzeugungsteilvorgang i m Betrieb kann bei gleicher Herstelltechnik und gleichem Endprodukt ein Tauschvorgang i m Markt gegenübergestellt werden. I n jedem Stadium würde dann den Preisen i m Markt eine Kostenziffer i m Betrieb entsprechen. Preise sind auszuhandeln und für Kaufgeschäfte unentbehrlich. Kosten sind auszurechnen und für Erzeugungsvorgänge nützlich, jedoch nicht unentbehrlich; von allen Preisen, die an einem Tage bezahlt werden, sind die durch eine Kostenrechnung ermittelten Preise eine w i n zige Ausnahme. Es geht nicht mit rechnerischen, eher mit mysteriösen Dingen zu, wenn man auf dem Wochenmarkt für je 20 Gemüse-, Fleisch-, Wurst-, Fisch-, Blumensorten je 20 verschiedene Preise ermittelt. Es hat nichts mit Kosten zu tun, wenn zwischen Bier und Frischmilch, zwischen Schokolade und Zigaretten Preisrelationen nachgewiesen werden, und der Preis eines Modellkleides, eines Damenhutes ist ganz und gar nicht durch die Kosten des Materials und Lohnes und auch nur zum geringsten Teil durch die Kosten eines vornehmen Ateliers bestimmt. Die herrschende Kostenlehre geht i n der Regel von der industriellen Massenfertigung aus, verliert diesen Ausgangspunkt jedoch sehr bald, wenn sie ihn überhaupt bezeichnet, und gerät in Verallgemeinerungen, die schließlich sogar den Anspruch einer allgemeinen Gültigkeit erheben und dann i n ihre Grenzen verwiesen werden müssen (18). Der Preis ist erst durch die Verkehrssitte zu einem unerschütterlichen Faktum i m Verkehr zwischen Händler und Verbraucher geworden, während das Aushandeln noch vor einer Generation eine Beschäftigung war, der man mit Kennermiene und Muße oblag. Selbst in der industriellen Produktion, die am stärksten von der Kostenrechnung durchsetzt ist und i n ihrer Preisbildung davon entscheidend bestimmt wird,
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sind keineswegs alle Preise durch Kosten bestimmt. Ganz und gar nicht dürfte dies der Fall sein für medizinische, pharmazeutische, kosmetische und ähnliche Erzeugnisse, für solche der Modeindustrie und für jede A r t von Preisgestaltung, die sich wesentlich durch die soziale Distinktion unterscheidet (Kleidung, Verpflegung, Hotel, Theater, Kino). Das Gebiet der Preise und das Problem ihrer Entstehung ist unendlich mannigfaltiger als das Gebiet der Kosten. Kostenbestimmte Preise sind nur ein geringer Teil aller tatsächlichen Preise. Kostenberechnete Preise sind hiervon wiederum nur ein geringer Bruchteil. Wenn alle Industrieerzeugnisse, die tatsächlich hergestellt und verbraucht werden, kalkuliert sein müßten, dann wären viele Märkte öde und leer. Wenn alle Unternehmer, welche behaupten, ihre Erzeugnisse kalkuliert zu haben, dies beweisen müßten, gäbe es sehr viel lange Gesichter. Kosten i m Betrieb sind aber ebenso wie Preise i m Markt wesentlich Geldgrößen. Wer Kosten beobachten, erfassen und verteilen w i l l , kann nicht vorerst anders verfahren und hinterher den Geldausdruck hinzunehmen. Wo Materialeinsatz in Mengen erfaßt, wo Arbeitsstunden und Maschinenstunden verglichen werden ohne Ansehung von Geld, geschieht zwar nichts Sinnloses, jedoch keine Kostenüberlegung und keine Kostenrechnung. Mengenvergleiche ohne Geldbezug sind allerdings sinnwidrig, falls ihnen ein Zusammenhang mit Kostenüberlegungen und Kostenrechnung beigelegt wird. Von einem solchen Zusammenhang aus könnte sogar Mengengleichheit oder Mengenminderung kostenwidrig sein, zum Beispiel wenn durch Mengenmehrung eine größere Mengenminderung an anderer Stelle oder i m ganzen je Leistungseinheit erreicht w i r d oder vielleicht nicht je Leistungseinheit, sondern je Erfolgsperiode und wenn nicht eine Kostenminderung, dann womöglich eine Ertragsmehrung; solches kann geschehen durch Änderung der Losgröße, durch Übernahme bestimmter Teile der Auftragsfertigung auf Lager, durch Erhöhung der Qualität, der Haltbarkeit, der Verpakkung und Ansehnlichkeit, durch Preisänderung. Derartige Feststellungen sind aber nur mittels der Geldrechnung möglich, jeder Mengenvergleich kann dazu hinderlich sein, er kann durch die Unterbrechung der Relation von Kosten und Erlös die betriebliche Kausalforschung und das Handlungsfeld nach der Absatzseite beeinträchtigen. Die Kostenwirtschaft ist das auseinandergezogene, i n seine Bestandteile zerlegte, i m einzelnen beobachtete Gebiet der Kapitalwirtschaft. Was von der Kapitalwirtschaft i m allgemeinen gilt, gilt von der Kostenrechnung i m besonderen, was von der Kapitalstruktur i m allgemeinen gilt, gilt von der Kostenstruktur i m besonderen. Die Statik der Kapitalstruktur laut Bilanz entspricht, soweit erkennbar und ausgewiesen, der Dynamik des Kostenverlaufs laut Erfolgsrechnung. Wo Kapitalrechnung vorhanden, ist Erfolgsrechnung nichts anderes als entfaltete Kapi-
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talrechnung (zur näheren Darstellung der Kapitalbewegungsvorgänge). Wo Kapitalrechnung fehlt, bedarf die Erfolgsrechnung anstelle der fehlenden Grundbeziehung zum Kapital eines Ersatzes und einer Stütze durch Sollstellung, Etatisierung und Haushaltskontrolle. Kapital ist wirklich eine Rechengröße des Betriebes allein. Soweit i m Kreditverkehr Kapital außerhalb des Betriebes i n Rechtsschöpfungen, Urkunden und Verkehrsinstrumenten vorkommt, haben solche Vorkommnisse nur in Verbindung mit der i m Betrieb erfolgenden Kapitalbewirtschaftung einen Sinn (Leihkapital, Beteiligungskapital, Zins und Dividende). Es gibt kein Kapital, wo nicht Kapitaleinsatz erfolgt und Kapitalersatz folgt. Kosten werden nur da aufgewendet, wo Kapital sie bestreitet, damit sie wieder zu Geld werden. Geld ist i m Betrieb immer Kapital, wesentlich aus der Zugehörigkeit zu dem übrigen Vermögenskomplex des Betriebes i m Rahmen der Verkehrswirtschaf-t. Was für die Kapitalrechnung richtig ist, kann für die Kostenrechnung nicht falsch sein: das Rechnen i n Geld. Darum kann nicht richtig sein, Kosten als Güterverzehr und Produktion als Gütervernichtung zu definieren. Es kann auch nicht richtig werden, wenn Kosten zuerst und zunächst als Realverbrauch (E. Schneider), als Gerüst bezeichnet werden und wenn hernach und schließlich der geldmäßige Ausdruck hinzugefügt wird. Die Kosten sind kein Tannenbaum, der m i t Glaskugeln behangen wird, um ein Christbaum zu werden. Kosten würden überhaupt nicht und nicht i n dieser Größe und Zusammensetzung aufgewendet, wenn sie nicht sofort i n ihren Teilen und ihrer Zusammenfassung zur Betriebsleistung als Geldgröße erfaßt und behandelt würden. Die Wortbildungen Mengenkosten und Kostenmengen sind höchst unglücklich. I m Wort Mengenkosten soll die Proportionalität des Fertigungsmaterials und Fertigungslohns zum Unterschied von den fixen Kosten ihren Ausdruck finden, wobei der Geldcharakter solcher Kosten gar nicht bestritten wird, i n der Kostenlehre jedoch unbewußt schwindet. I m Wort Kostenmengen ist, wenn auch unklar und widerspruchsvoll, an Gütermengen zum Unterschied von Geldbeträgen gedacht, wobei die Loslösung vom Gelddenken erheblich weiter fortgeschritten ist. Das einzelne Vermögensstück i m Betrieb hat Sinn und Zweck nur als Bestandteil des Kapitals, das i n einer bestimmten Zusammensetzung der fortgesetzten Leistungserstellung dient. Das einzelne Kostenelement i m Betriebsprozeß hat Sinn und Zweck nur als Bestandteil des Leistungsträgers (Kostenträgers), der i n seiner bestimmten Zusammensetzung der Leistungserstellung i m einzelnen oder in isolierter Betrachtung dient (Stück, Stückrechnung). Die mikro-ökonomische Betrachtung ergänzt sich mit der makro-ökonomischen Betrachtung nicht erst i n weiter Marktferne, sondern bereits i m Betriebsbereich und i m Betriebsdenken. Die Produktionsumwege des Kapitals sind Kostenumwege.
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II. Kostenrechnung und Kapitalrechnung Daß Kosten nicht Ausgaben sind, muß jedermann komisch anmuten, der das Wesen der Kapitalwirtschaft begreift. Dieses Begreifen ist i n der Gegenwart soziologisch dadurch erschwert, daß Verdienen und Nachdenken darüber weiter auseinanderfallen als Handeln und Denken schlechthin und — es kostet die Theoretiker nichts, heute nicht einmal mehr Prestige, anderer Leute Kapital ohne Kosten i n Ansatz zu bringen und mit Vorschlägen zu prunken, die Abschreibung mangels Wiederbeschaffung ebenso wegzulassen wie auf den Zins mangels Spürbarkeit zu verzichten. „Schon die Vorräte haben gekostet. Die Kosten entstehen nicht erst i m Prozeß", sagt Nicklisch (Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 2. Aufl., 1939, 2. Bd., Spalte 683). Natürlich gilt das gleiche für jeden anderen Vermögensgegenstand, der vorher angeschafft ist, ehe er ganz oder teilweise, durch Verarbeitung oder Verschleiß in die Kosten eingeht. Der Betrieb hat die Anschaffung hierfür i m voraus bestritten. Die Anschreibung und Abschreibung der Anlagegüter, die Verbuchung der Zu- und Abgänge auf den Bestandskonten, die Erfassung der i n die Betriebsleistung eingehenden Aufwendungen ist der eigentliche Kern der kapitalistischen Rechnung. I m wesentlichen ist Aufwand zweckbestimmt und mit Kosten identisch. Was nicht Aufwand ist, gehört weder i n die Aufwandrechnung noch i n dié Kostenrechnung, sondern unmittelbar i n die Kapital(bestands)rechnung. Über das zeitliche Auseinanderfallen von Kosten und Ausgaben ist nicht zu streiten. Über das sachliche Auseinanderfallen von Kosten und Aufwand ist noch nicht genug gestritten. Hinter der neueren Kostenterminologie und der betonten Unterscheidung von Kostenrechnung und Bilanz verbirgt sich eine mit wissenschaftlichen Argumenten betriebene Abwehr gegenüber einer auf dem Grundsatz Mark gleich Mark beruhenden Preisgesetzgebung und behördlichen Preiskontrolle (19). I m Ergebnis sucht die Privatwirtschaft unter Heranziehung wissenschaftlicher Argumente einen materiellen Schutz und Vorteil, den sie aus der Isolierung der Kostenrechnung von der Kapitalrechnung i n Zeiten schwindender Kaufkraft findet. Betrügt der Staat, der die Kaufkraft verschlechtert, auf seine Weise, so betrügt die Privatwirtschaft, die mit anderen Kosten als Aufwand und Ausgaben rechnet, auf ihre Weise. Der eigentliche Betrogene i n der wesentlich auf Kredit beruhenden Verkehrswirtschaft ist der Gläubiger und Sparer. Dadurch, daß die Kostenhöhe anders bestimmt oder angesetzt w i r d als die Ausgabenhöhe, w i r d der Ausgabencharakter der Kosten nicht aufgehoben. Wohl liegt ein Unterschied nach A r t der Kostenent-
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stehung darin, daß ein Teil Zahlgrößen, ein anderer Teil Rechengrößen sind. Zahlgrößen sind Material und Löhne bei sofortigem Einsatz. Materialverbrauch bei Lagerwirtschaft und Preisdifferenzen machen auch diesen zu Rechengrößen. Fertigungslohn, Gemeinkostenlohn und Urlaubslohn machen schließlich auch den Lohn mehr und mehr zu Rechengrößen. Das Rechnen ist in der kapitalistischen Wirtschaft der unvermeidliche Ersatz für das Zahlen. Würden dem Kostenaufwand nur Zahlungsvorgänge zugrunde liegen, wie i n der primitivsten Handwerkswirtschaft bei Tagewerk und Tagelohn, dann brauchte nicht gerechnet zu werden. Die Kostenrechnung ist entfaltete Kapitalrechnung. Ist sie aber von der Ausgabenrechnung w i r k l i c h getrennt und unabhängig? Daß eine Ausgabe vorausging, ist i m gewöhnlichen Wirtschaftsleben unbestreitbar. Hauptmerkmal der Wirtschaft ist, daß es nichts umsonst gibt. W i r d jedoch ein Vermögensteil verwendet, der keine Ausgabe verursacht hat, weil er geschenkt wurde, so liegt eine Ausnahme vor, mit der die Regel nicht widerlegt, sondern bestätigt wird. Für den Betrieb sind selbstverständlich Schenkungen buchungspflichtig, sie sind wie Kapitaleinlagen zu behandeln. Dagegen sind verlorene Zuschüsse keine Geschenke, sondern bestimmungsgemäß, wie etwa bei der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, zur Senkung der Anschaffungskosten (Baukosten) oder zur Ergänzung (Zuschuß!) der Erträge bestimmt und demnach zu verbuchen. W i r d aber ein Vermögensteil verwendet, dessen Ausgabe schon bestritten ist, z.B. eine noch arbeitende, schon abgeschriebene Maschine, so liegt i n der weiteren kalkulatorischen Abschreibung ein falscher Kostenansatz vor. Abschreibung ist Ausgabenverteilung i n der Bilanz wie in der Kostenrechnung. Verschiebungen innerhalb der beiden Rechnungen können nur i m Rahmen des Anschaffungswertes (Ausgabenbetrag) des Vermögensgegenstandes erfolgen. Die seit Jahrzehnten so beliebt gewordene weiter fortgesetzte kalkulatorische Abschreibung über den Anschaffungswert hinaus löst die Kostenrechnung aus der Kapitalrechnung. Sie findet ihre Scheinbegründung i n der Ersatzbeschaffung zum Tageswert, ihre praktische Rechtfertigung und Anwendung jedoch nur bei steigenden Preisen. Als Kalkulationsmethode ist dieses Verfahren dazu erdacht, die Betriebssubstanz i n Zeiten der Kaufkraftverschlechterung zu erhalten. Dadurch w i r d die Übereinstimmung von Kostenrechnung und Kapitalrechnung aufgegeben. Eine Unzulänglichkeit, die von Staats wegen durch die Kaufkraftschwankung eintritt, w i r d nicht als solche erkannt und durch zusätzliche Kapitalkonten (Reservekonten) behoben, der fiskalische Standpunkt verhindert die Bildung und Verwendung solcher zusätzlichen Kapitalkonten, statt dessen setzt sich die Unzulänglichkeit in die Kapitalwirtschaft und Kostenwirtschaft des Betriebes hinein fort. Es
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folgt die Lockerung und Entfremdung der Kostenrechnung gegenüber der unsicher gewordenen und unbrauchbar gemachten Kapitalrechnung. Stimmen Kapitalrechnung als periodische Gesamtrechnung und Kostenrechnung als aperiodische Teilrechnung nicht überein, so mögen dafür außerdem noch mancherlei Gründe gegeben sein. Keinesfalls jedoch ist hieraus ein hinreichender Grund herzuleiten, Kosten anders denn als Ausgabe zu definieren, gleichgültig ob die Ausgabe jetzt, früher oder später, ob sie höher oder niedriger erfolgt. Daß sie später erfolgt, wenn nämlich die Anschaffung kreditiert wird, hat noch niemand dazu verführt, den Ausgabencharakter zu bezweifeln. Warum sollte man ihn bezweifeln, wenn die Ausgabe früher erfolgt? Früher oder später — Kosten sind Ausgaben. Sie sind teils Zahlgrößen, teils Rechengrößen, letztere um so mehr, je genauer die auf eine Leistung entfallende Ausgabe i n der Kostenrechnung ermittelt wird. Untersucht man aber die Gründe, die das Auseinanderfallen der Kostenrechnung und Kapitalrechnung angehen, so stößt man auf gewollte und ungewollte Abweichungen. Ungewollt sind diejenigen, die i n Preisschwankungen, Geldwertveränderungen, Produktionsverteuerungen oder Produktionsverbilligungen liegen. Gewollt sind diejenigen, die in anderen Aufwandgrößen oder in einem anderen Wertansatz in der Kostenrechnung, verglichen mit der Kapitalrechnung, liegen. Gewollt ist der andere Ansatz vor allem dann, wenn dadurch höhere Kosten nachzuweisen sind. Ein höherer Kostennachweis ist dann gesucht, wenn der Kostennachweis für die Preisbewilligung entscheidet. Dies ist bei amtlicher Markteinwirkung, amtlicher Wirtschaftslenkung, amtlicher Preiskontrolle, amtlichen Kalkulationsvorschriften der Fall, kurz bei Beseitigung des Marktmechanismus in der Verwaltungs-, Plan-, insbesondere Kriegswirtschaft. A u f einmal werden serienweise Kosten gefunden und erfunden, welche keine Ausgaben sind: Unternehmerlohn, Eigenkapitalzins, Risikoprämie, Eigenmiete, kalkulatorische Abschreibung, kalkulatorischer Zins auf Grund einer Sonderberechnung des betriebsnotwendigen Kapitals. Werden solche Kosten, denen keine Ausgaben gegenüberstehen, berechnet und i m Preis vergütet, so stecken sie i m Ertrag, ohne daß dem ein Aufwand gegenübersteht. Fälschlicherweise werden solche kalkulatorischen Kosten sogar als erfolgsunwirksam bezeichnet, weil sie ein- und ausgebucht werden. Tatsächlich erfolgt die buchtechnische Behandlung auf die bekannte Weise, daß die Aufwandkonten in Kontenklasse 4 belastet und die entsprechenden Gegenkonten i n Kontenklasse 2 erkannt werden, mit der zwangsläufigen Folge der Überführung über Betriebsergebniskonto auf Gewinn- und Verlustkonto. Ergebnis? Erfolgsneutralisierung? Neutralisiert w i r d der Fabrikationsertrag des Fabrikbetriebes, der Handelsertrag des Handelsbetriebes, allgemein gesagt der betriebstypische Ertrag. Nicht neutralisiert w i r d
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der Gesamtertrag, folglich ist die Verwendung des Ausdrucks „erfolgsunwirksam" für die kalkulatorischen Kosten unrichtig. Was als solche berechnet, bewilligt und i m Erlös erzielt, folglich i m Gewinn- und Verlustkonto ausgewiesen ist, bedeutet eine echte Preiserhöhung über die effektiven Kosten hinaus. Dies dient nur der Mehrversteuerung unter sämtlichen Steuerarten vom Einkommen und Gewinn, aber auch unter einer Reihe anderer Steuern. I I I . Betriebstypologie nach Kostenmerkmalen Was die bisherige Kostenlehre nicht geleistet hat, ist eine Unterscheidung des Betriebs vom Kostenstandpunkt, eine Unterscheidung des Marktes von einem damit ursächlich zusammenhängenden Preisstandpunkt, also eine Untersuchung der Beziehungen zwischen Betrieb und Kosten einerseits, Markt und Preisen anderseits. A m meisten hat die Kostenlehre bezüglich des ersten Fragenkomplexes geleistet, am wenigsten bezüglich des zweiten, einiges bezüglich des dritten, insbesondere durch die Arbeiten von E. Schmalenbach und F. Schmidt. Schmalenbach hat diesen Gedankengängen i n seinen späteren Auflagen seiner Selbstkostenrechnung eine zunehmende Beachtung geschenkt. Schmidt hat sie nicht nur i n seiner „Kalkulation und Preispolitik", sondern i n den früheren Auflagen seiner organischen Bilanz bereits aufgegriffen. Die Volkswirtschaftslehre hat sich erst i n den letzten Jahrzehnten der Frage der Marktformen zugewandt. Sie versteht darunter die Grundformen von Angebot und Nachfrage, bestimmt durch vollständige Konkurrenz, Monopol oder Zwischenformen. Die Zahl der Marktformen ist beschränkt. Ihre theoretische Untersuchung stellt eine wesentliche Leistung der volkswirtschaftlichen Theorie dar. Die Betriebswirtschaftslehre hat ihrerseits Fortschritte darin zu verzeichnen, daß sie die Absatzpolitik näher untersucht hat. Hierzu zählen die betriebswirtschaftlichen Arbeiten über Marktbeobachtung, Marktanalyse, Absatzwirtschaft und Markenartikel. Hier entsteht die Frage, ob i n Fortsetzung der eingeschlagenen Forschungsrichtung Betriebsformen nach Kostengesichtspunkten unterschieden werden können und danach eine Betriebssystematik gewonnen werden kann. Versuche i n dieser Richtung müßten anstreben, eine Gegenüberstellung kostenbestimmter Betriebsformen und preisbestimmter Marktformen zu versuchen. Bei den Marktformen würden sich zunächst eine Einschränkung auf den Konkurrenzpreis empfehlen. Es wären die Fälle einer Übereinstimmung zu ermitteln und i n den Fällen ohne Übereinstimmung die Gründe zu erforschen. Von vornherein wäre zu überlegen, ob die Übereinstimmung oder die Nichtübereinstimmung die bessere Arbeitshypothese sein könnte.
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Für die versuchsweise Gewinnung einer Betriebstypologie vom Standpunkt der Kosten könnte i m Gegensatz zu den theoretisch gewonnenen Marktformen nicht von der Unterschiedslosigkeit des Marktgutes, sondern von den konkreten Betriebsverhältnissen mit vielfältiger Produktion ausgegangen werden, wobei die Austauschbarkeit jedes möglichen Fertigungsteiles und auch jede A r t von Materialbearbeitung, Kombination, Fertigung und Lagerung zu würdigen wäre. Hierbei müßte nicht nur auf die Kostenelastizität, sondern auch auf die Gewinnelastizität geachtet werden. Eine solche Betriebstypologie könnte die ersten Unterscheidungsmerkmale darin finden, ob die Gesamtkosten einer Betriebsleistung starr, halbstarr oder elastisch sind. Die unterscheidenden Merkmale der Starrheit, Halb- und Vollelastizität wären ferner anzuwenden auf Angebot und Nachfrage. Beim Angebot sowie bei der Nachfrage wäre zwischen A r t und Menge, Preis und den hieraus möglichen Kombinationen zu unterscheiden. A u f der Angebotseite wäre dann das Verhältnis von Leistung und Kosten, das Verhältnis von Fertigung, Lagerung und Umsatz, schließlich die Gewinngröße und die absatzpolitischen Ausgleichsmöglichkeiten des Betriebes (Saisonausgleich, Lagerung, Preisdifferenzierung usw.) näher zu untersuchen. Ist ein solches Schema versuchsweise aufgestellt, so wäre es durch empirische Formen auszufüllen. Auf diese Weise w i r d der empirischen Betriebsforschung ein gewaltiger Auftrieb gegeben. Bei gründlicher Würdigung und Erfassung empirischer Formen erfährt das theoretische Schema eine ständige Überprüfung und Ergänzung; umgekehrt w i r k t das Schema auf eine möglichst umfassende und richtige Eingliederung des empirischen Einzelfalles hin, es erzieht zur Beobachtung des Betriebslebens, zur wissenschaftlichen Genauigkeit und hinsichtlich der Methode zur ständigen Handhabung und Ergänzung von Empirie und Theorie, von Induktion und Deduktion. Hier könnte die Betriebswirtschaftslehre ähnliche Leistungen zuwege bringen wie sie die Chemie seit Aufstellung der Atomtafel zuwege gebracht hat. Damit verglichen, steht sie heute noch auf der Stufe der Chemie vor hundert Jahren. Wie auch ein solcher Versuch i m Ergebnis ausfallen mag, bedeutsame Erkenntnisse würden auf dem Wege zu einem so bezeichneten Ziele liegen. Als nahezu sicherer Erfolg solcher Untersuchungen kann die gleichzeitige Befassung m i t Betriebs- und Marktformen, die engere Verknüpfung von Kosten- und Preisproblemen, ihre Ableitung und Begründung aus den jeweiligen Formen von Betrieb und Markt angesehen werden. Die Wirtschaftstheorie steht, so gesehen, am Anfang einer ungeheuren Forschungsaufgabe, die die Frage der Zusammenarbeit und Zusammengehörigkeit von Volks- und Betriebswirtschaftslehre verstummen läßt.
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Hier liegt bei vollstem Einsatz aller verfügbaren Kräfte und Forschungseinrichtungen ein Arbeitsvorrat von Jahrzehnten. Eine solche Untersuchungsrichtung würde auch zu der unausweichlichen Erkenntnis zwingen, der die Fachvertreter beider Disziplinen bisher gerne ausgewichen sind, daß die i m einzelnen untersuchten Betriebs- und Marktformen i n ihrem empirischen Vorkommen von solchen gestaltenden Kräften gebildet werden, die nicht nur aus ökonomischen, sondern auch aus historischen und politischen, kulturellen und geistigen Quellgründen stammen. Diese Erkenntnis führt jeden aufnahmewilligen und lernbereiten Intellekt an historische und soziologische Fragen und somit zu einer geistigen Orientierung, die i n der zeitgenössischen Wissenschaft offenbar verkümmert, an deren Fehlen gerade die modische Wirtschaftstheorie krankt. Sie kann zu einer Annäherung und Vertiefung der internationalen ökonomischen Forschung führen.
I V . Die Leistungen der Kostenlehre Die betriebswirtschaftliche Kostenlehre hat beträchtliche und theoretisch gesicherte Leistungen aufzuweisen, die insbesondere u m die folgenden Gebiete gruppiert werden können: a) Kosten und Preispolitik b) Kosten und Kostenrechnung c) Kosten und allgemeine Theorie. Eine Würdigung der Leistungen der Kostenlehre i n einem skizzenhaften Überblick w i r d wohl kaum mit einer literarhistorischen Analyse oder gar mit der Wertung einzelner Leistungen verwechselt werden können. Immerhin soll einer solchen Verwechselung ausdrücklich vorgebeugt werden. Es unterbleibt jeder Hinweis auf solche einzelnen Werke, und die angeführten Autorennamen erheben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Sie dienen lediglich zur Kennzeichnung der da und dort erwähnten Forschungsrichtungen. a) Kosten und Preispolitik Hierzu hat die Kölner und Frankfurter Forschungsrichtung entscheidend beigetragen, insbesondere die fruchtbringende Auseinandersetzung zwischen Schmalenbach und F. Schmidt, aber auch die tragende Fortsetzung dieser Arbeiten durch Gutenberg, Schäfer, Schnettler, Kosiol, Lohmann, nicht minder die selbständigen, i n Epigonenkreisen nicht genügend gewürdigten Leistungen von Hellauer, Nicklisch und Leitner. Die herrschende Meinung i n der Betriebswirtschaftslehre überschätzt die Möglichkeiten der Preispolitik durch den Betrieb, sie unterschätzt
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aber gleichzeitig die Preisanpassung infolge der Fixkosten. Diese Überund Unterschätzung hat mehrfache Gründe. Hauptsächlich beruht sie auf der mangelnden Unterscheidung der Betriebe nach ihrer Kostenstruktur. Was für den Industriebetrieb gelten mag, kann bei einem Dienstleistungsbetrieb falsch oder sinnlos sein. Was vom Industriebetrieb der Kohstofïwirtschaft gilt, mag beim Industriebetrieb der Verbrauchsgütererzeugung entweder nur beschränkte oder gar keine Geltung haben. Andere Betriebe, wie Privattheater, Filmtheater, Vergnügungsindustrie, Fremdenverkehrsindustrie sind bisher kostentheoretisch kaum gewürdigt. Verwaltungsbetriebe mit und ohne Umsatz von der A r t eines Investment Trust, Finanztrust, einer Terraingesellschaft, einer Holdinggesellschaft verwalten Milliardenbeträge mit winzigstem Kostenaufwand, der unter Umständen nur einen geringen Bruchteil von 1 °/o des investierten Kapitals umfaßt. Ihre wirtschaftliche Funktion i m Marktgeschehen ist unschätzbar, ihr Kostenaufwand ist kaum der Beachtung wert. I n der bisherigen Kostenlehre ist der Grundfehler einer falschen Generalisierung auf Schritt und T r i t t greifbar. Denkvorstellungen von fraglosem Erkenntniswert werden als theoretisch gesicherte Erkenntnisse angeboten und hingenommen, obwohl solche Vorstellungen nur einen bedingten Nützlichkeitschrakter haben. Praktische Maximen werden als theoretische Erkenntnisse ausgegeben. Solche Mängel werden begreiflich angesichts des Standes der theoretischen Betriebswirtschaftslehre. Diese ist noch nicht so weit entwickelt, daß sie für die Überprüfung vorgetragener Kostenauffassungen hinreichende Urteile und Kontrollmittel liefern könnte (20). Der weitere Grund für den hier gewürdigten Zustand ist eine mangelnde Unterscheidung zwischen Kostenrechnung und Preispolitik. Es läßt sich leicht nachweisen, am leichtesten an Hand von Schmalenbach und F. Schmidt, daß die Preispolitik i n die Kostenrechnung eingedrungen ist. Preispolitik und Kostenrechnung verhalten sich wie Handeln und Denken. Das eine ist vorwiegend praktisch, das andere vorwiegend theoretisch. Für das Handeln gelten eigene Kategorien, andere als für das Denken, auch wenn Handeln und Denken aufeinander angewiesen, voneinander abhängig sind und i m primitivsten wie i m kompliziertesten, i m individuellen wie i m sozialen Verhalten miteinander zu verbinden sind. Das Handeln beruht auf Grundsätzen, Maximen, Postulaten. Das Denken unterliegt wesentlich den Gesetzen der Logik, den Grenzen menschlicher Erkenntnis und Urteilsfähigkeit. Die „ K r i t i k der praktischen Vernunft" ergründet die Gesetze des Handelns, die „ K r i t i k der reinen Vernunft" zieht die Grenzen des Denkens. Voneinander wesensverschieden und unabhängig, gehören beide doch zusammen wie Handeln und Denken, selbst in der geringsten Handlung, deren Ausführung Überlegung und Entschluß erfordert. Wo 3
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immer die Wissenschaft m i t menschlichem Handeln zu tun hat, bleiben ihre Erkenntnisse unbefriedigend. Das Denken i m Betrieb hat viele Erscheinungsformen. Dazu gehört das Planen, Ordnen, Unterscheiden, Beschreiben, Erfassen, Wählen, Werten, vor allem aber das Rechnen. I n der Betriebsrechnung steckt eine wesentliche Denkleistung. Rechnen ist aber nicht Handeln. Kostenrechnung ist völlig verschieden von Preispolitik. Dringt die Preispolitik i n die Kostenrechnung ein, so w i r d der Wunsch der Vater des Gedankens, der Kostenrechner unterliegt dem „wishful thinking", er stürzt mitten aus dem Höhenflug der Erkenntnis i n die Felsschlucht des Wollens. Er unterbricht verfrüht einen komplizierten Vorgang, der i h m erst nach seiner zugleich empirischen wie gedanklichen Vollendung ein Ergebnis liefert, welches dem Betrieb eine Stütze sein soll. Es mag nicht die Absicht der Betriebswirtschaftslehre gewesen sein, der Praxis vorschnelle Empfehlungen zu geben, die zu gleichbleibender Beschäftigung, Kostensenkung und Leistungssteigerung führen sollten. Die Praxis hat jedoch die neueren betriebswirtschaftlichen Kostentheoreme bereitwillig aufgegriffen, wenn dies ihren Wünschen entsprach. Daß sie dies i m umgekehrten Fall nicht getan hat und aus mangelnder Überlegung nicht zu tun vermochte, beweist das Verhalten der Unternehmungen während der Wirtschaftskrise 1929—1932, wo die Erstarrung der Märkte und Betriebe durch ein entschlossenes Kalkulieren zu niedrigen Preisen und durch die von F. Schmidt empfohlene Umwandlung von Vermögen i n Einkommen hätte gelöst werden können (21). Die von der Kostentheorie entwickelten Gedankengänge der kalkulatorischen Kosten, der Unterscheidung von Kosten und Aufwand einerseits, von Kosten und Ausgaben anderseits, sind von der Praxis bereitwillig aufgenommen worden. Die Einverleibung i n die amtlichen Kostenrechnungsgrundsätze und Richtlinien seit 1938 hat solchen Gedankengängen eine weitere Sanktion verschafft, die politischen Zeitumstände verhinderten damals eine wissenschaftliche Diskussion. Auch nach 1945 und bisher ist eine solche nicht i n Gang gekommen, eigene Schritte hierzu sind vom Fach, von der Wirtschaft und der Presse zurückgewiesen worden. Neuere Fassungen von Kostenrechnungsrichtlinien für einzelne Wirtschaftszweige halten an den bisher als allgemeingültig verstandenen Auffassungen fest. Diese allgemein verbreiteten Auffassungen bedürfen einer eingehenden und kritischen Prüfung. Sie halten einer solchen nicht stand. I h r Ursprung liegt bei der üblichen Definition der Kosten als Güter verzehr zur Leistungserstellung. Hiermit ist der Anfang zur Abtrennung, schließlich sogar Herauslösung aus dem Geldzusammenhang aller betrieblichen Vorgänge und aller Marktvorgänge gemacht, und die Verbindung zur
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betrieblichen Kapitalrechnung ist unterbrochen. Aus dieser Unterbrechung leitet sich alles übrige her: die Herauslösung der Betriebsbuchhaltung aus der Geschäfts- oder Finanzbuchhaltung, die Verselbständigung der Kontenklassen der Betriebsabrechnung i m Kontenrahmen, die Loslösung einer für Kostenzwecke besonders aufgemachten Vermögensrechnung (betriebsnotwendiges Kapital) aus der Bilanzrechnung, die Einführung der kalkulatorischen Kosten als Wenn- und Aberkosten, für die weder ein Aufwand gegeben, noch eine Ausgabe auffindbar ist, damit die Preisgabe des einzig richtigen Kostenbegriffs i m Sinne eines tatsächlich erfolgten, i n diesem Betrieb erfolgten, nicht von einem anderen Betrieb abgenommenen, auf einer beliebigen Annahme beruhenden Kostenaufwands, sogar die Spaltung der grundlegenden Bewertungsvorgänge i n Bilanz und Kostenrechnung, alles in allem: die Abkehr vom Faktischen und Zukehr zum Fiktiven und i m Fiktiven der Verlust der Betriebsmitte, die Verquickung von Betrieb i n der Realität mit dem Betrieb i n der Phantasie, die Vermischung von tatsächlich gehabten, genau erfaßten mit kühn erfundenen Kosten, die Preisgabe des hic et nunc als dem einzigen K r i t e r i u m der Wahrheit. Der letzte Grund für die geschilderte Sachlage liegt i n den ungenügend geklärten marktwirtschaftlichen Ausgangspunkten der Kostenlehre. Erst jetzt, nach wiederholten Erfahrungen der Friedenskonjunktur, Kriegswirtschaft, Geldentwertung, Preisverschiebung und ihren Auswirkungen auf das Rechenwerk des Betriebes ist es rückblickend möglich, zu überlegen, aus welchen Zeitumständen die eine oder andere Kostenerkenntnis und Ableitung für die Preispolitik entstanden sein mag. Schutz des Betriebes, Erhaltung der Substanz, Abwehr gegen Schäden von außen waren entscheidende Anstöße und oftmals die äußeren Anlässe. Die amtlichen Kostenrechnungsgrundsätze und Richtlinien seit 1938 stammen ganz und gar aus einer Zeit, i n der ein freier Markt, eine freie Preisbildung nicht mehr bestanden. Diese Kostenrechnungsrichtlinien hatten gewollt und erklärt einen staats- und wirtschaftspolitischen A n laß, keinen theoretischen Grund. Erst jetzt, wo über die Marktformen neuere Erkenntnisse vorliegen und hieraus mögliche Folgerungen für die Preispolitik und Absatzpolitik des Betriebes zu ziehen sind, können die zeitbedingten Umstände und Anlässe der Kostenlehre seit 1920 kritisch gewürdigt werden. Eine rationale Betrachtung von Kosten und Erlös, eine sinnvolle Untersuchung auf beiden Seiten (Analyse) und der Zusammenhänge (Synthese) kann nur erfolgen, wenn dieses Begriffspaar und all das, was es an tatsächlichem Geschehen umschließt, eingebettet bleibt i n den darüberliegenden Spannungsrahmen Kapital und Ertrag, und dieser wiederum kann nur vernünftig ausgefüllt und beobachtet werden, wenn er von dem äußersten Rahmen alles w i r t a·
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schaftlichen Geschehens umschlossen ist, dem Beziehungs- und Handlungsfeld Betrieb : Markt. Die vom Markt, insbesondere vom Absatz ausgehenden Untersuchungen (21 a), etwa der Nürnberger Fachrichtung, sind i n dieser Hinsicht bisher schon ein wirksames Korrektiv gewesen und können es noch weiter sein. Mag der Betrieb i n wirtschaftsunruhigen Zeiten seine Maximen des Handelns wählen wie er will, die Wissenschaft der Kostenlehre darf durch keine Handlungsmaxime ihre Erkenntnisse trüben oder fälschen oder auch nur um Fingerbreite von dem reinen Erkenntnisstreben abirren. Eine „Verantwortung für Volk, Reich und Führer" kann die Kostenlehre nicht übernehmen. Sie hat es auch nicht zu ihrer Obliegenheit zu machen, wie die Vollbeschäftigung erreicht und erhalten wird, wie die Massen mit ausreichenden Gütern billig versorgt werden — sie nicht, wer auch immer! b) Kosten und Kostenrechnung Hier liegen die besten Leistungen des Faches und die stärksten W i r kungen auf die Praxis. Bei ihrer Würdigung ist des entscheidenden Verdienstes Schmalenbachs, nicht nur aus seiner Kostenrechnung, sondern gerade auch aus dem von ihm gerade nach der Kostenseite so entworfenen Kontenplan und seinem Finanzplan, zu gedenken. Die Übernahme des theoretischen Gedankengutes i n die Wirtschaftspraxis erreichte mit der Einführung des Pflichtkontenrahmens und den W i r t schaftlichkeitserlassen des Reichswirtschaftsministeriums seit 1937 einen Höhepunkt und setzte sich dann i n einer großangelegten Breitenwirkung durch die einschlägigen Arbeiten der damaligen Organisationen der gewerblichen Wirtschaft (Reichs-, Wirtschafts-, Fachgruppen) fort. Die Zusammenarbeit zwischen Theorie und Praris, von den obersten Verwaltungsbehörden bis i n die wirtschaftliche Selbstverwaltung und i n die einzelnen Wirtschaftsbetriebe hinein, war vorbildlich. Zahlreiche Veröffentlichungen einzelner Wirtschaftsvereinigungen, Berufsgruppen und Verbände führten die grundlegenden Gedanken der Praxis zu, beginnend mit den Veröffentlichungen des Vereins Deutscher Maschinenbau-Anstalten (VDMA), des Reichskuratoriums für W i r t schaftlichkeit (RKW), des Verbandes Deutscher Ingenieure (VDI), des Verbandes Deutscher Diplomkaufleute (VDDK) und zahlreicher anderer Vereinigungen. A u f keinem Gebiet der Fachliteratur ist eine so schnelle Spezialisierung erfolgt wie auf dem Gebiet der Kostenrechnung. Einzelne Fachveröffentlichungen solcher Autoren wie Kosiol, Norden, Schnettler sind hierfür kennzeichnend. Z u m Glück sind diese Arbeiten nach längerer Unterbrechung i n der unmittelbaren Nachkriegszeit inzwischen wieder aufgenommen worden, und es liegen neue Ver-
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öffentlichungen aus der Stahl- und Eisenindustrie, Kohlenindustrie, Gießereiindustrie, Textilindustrie und aus anderen Wirtschaftszweigen vor. c) Kosten und allgemeine Theorie Die ersten kostentheoretischen Arbeiten von Leitner und Schmalenbach lösten das Kostenproblem aus den allgemeinen Betriebsproblemen heraus. Die ersten Werke der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre (Leitner, Nicklisch, Rieger) lassen das Kostenproblem i m Wesen unberührt, wenn auch nicht unerwähnt. Erst die jüngeren Fachautoren der theoretischen Betriebswirtschaftslehre bemühen sich u m einen organischen Einbau der Kostenprobleme in den gesamten Problemkreis einer betriebswirtschaftlichen Theorie. Hierfür dürften die Arbeiten von Gutenberg, Lehmann, Lohmann und Schäfer kennzeichnend sein. Hier finden die einschlägigen Arbeiten von Mellerowicz ihren richtigen Standort, und zwar sowohl die grundlegende und umfassende Untersuchung über Kosten» und Kostenrechnung i n theoretischer Hinsicht wie die von ihm verfaßte allgemeine Betriebswirtschaftslehre i m Hinblick auf die zentrale Eingliederung des Kostenproblems i n die theoretische Problemstellung und Problembehandlung. Die allgemeine Betriebswirtschaftslehre befaßt sich mit den betrieblichen Grundfunktionen Einkauf, Verkauf, Fertigung, Lagerung, Absatzpolitik und Werbung. D u r d i die Kostenlehre ist die Behandlung dieser Grundfunktionen entscheidend geklärt und gefördert worden. Aus der lebendigen Verbindung zwischen Betriebsfunktionen und Kostenproblemen entspringt das Bedürfnis nach begrifflicher Klärung der Funktionen und nach zuverlässiger Erfassung der praktischen Betriebsverhältnisse möglichst m i t Hilfe der Zahl. Aus diesem Bedürfnis wiederum sind der Kostenrechnung die dringlichsten Aufgaben gestellt worden. Hieraus entspringt ferner eine Befruchtung der funktional gegliederten Betriebsstatistik und ihrer einzelnen Sparten, eine Anregung für die Betriebsorganisation, sowohl i n ihrer theoretischen Fundierung wie auch i n ihrer praktischen Durchführung, es entsteht eine Bereicherung des Forschungsgegenstandes durch immer neue Aufnahme praktischer, konkreter Stoffgebiete und ihre theoretische Durchdringung. Für die hier angedeuteten Zusammenhänge genügt die Nennung einiger Autorennamen, m i t denen gewisse Forschungsrichtungen gekennzeichnet sind: etwa für die Untersuchungen von Markt, Absatz, Verbrauch und Werbung die Autoren Vershofen, Schäfer, Bergler, Erhard, Hundhausen, Kapferer, Reithinger, Seyffert, Ruberg; für die Untersuchungen über die Organisation der industriellen Fertigung die Autoren Beste, Frenz, Gobbers, Müller, Kreis, Schulz-Mehrin, Henzel, Schütz, Knecht; für die Untersuchungen über allgemeine Organisationslehre die
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Autoren Nicklisch, Nordsieck, Hennig, Schnutenhaus, Stefanic-Allmayer, Ulrich. Schließlich hat die Kostenlehre auch die Vertiefung der speziellen Betriebslehren entscheidend beeinflußt, nicht zuletzt die handwerkliche Betriebslehre seit Rößle. Ursprünglich war es der Handelsbetrieb, aus dem die ersten kalkulatorischen Überlegungen stammen (Hellauer, Stern, Seyffert, Kosiol u. a.). Als die industrielle Selbstkostenrechnung ihren Anfang nahm (Leitner, Calmes, Schmalenbach), ließ die Spezialisierung nach einzelnen Industriezweigen nicht lange warten (Lilienthal, Rummel, Funke, Schlesinger, Grull, Kienzle, Michel). Ein deutliches Vorherrschen der Ingenieure gegenüber den Kaufleuten ist auf diesem Gebiet und auch i n der Wiedergabe der genannten Autorennamen erkennbar. Trotz vorzüglicher Leistungen bestehen gerade hier noch klaffende Lücken, die ohne die Anregung und Mitarbeit der Praxis nicht geschlossen werden können, weil der Vertreter der Theorie gar nicht i n der Lage ist, sich die nötigen Kenntnisse auf Spezialgebieten selbst zu holen. Es genügt, auf die Automobil-, Flugzeug-, Filmindustrie und andere neuere Industriezweige hinzuweisen. Was hier noch fehlt, w i r d am besten durch die kostentheoretischen Durchdringungen solcher Industriezweige wie der Industrie für Eisenbahnbedarf, der Maschinenindustrie, der Kohleindustrie verdeutlicht. A n der kostentheoretischen Durchdringung einzelner Wirtschaftszweige haben die Wirtschaftsverbände einen hervorragenden Anteil. Das grundlegende Werk von Mellerowicz über Kosten und Kostenrechnung hat i n hervorragender Weise dazu gedient, die vorhandenen Lücken aufzuzeigen, und entscheidend dabei mitgewirkt, soweit dies nach dem Stand der empirischen Forschung möglich war, solche L ü k ken zu schließen. M i t der Veröffentlichung der Kostenrechnung von Mellerowicz 1933 (und 1950) konnte die deutsche Fachwissenschaft ersehen, wie stark der Vorsprung der Kostenerfassung, Kostenanalyse, Kostenauswertung bei einzelnen Wirtschaftszeigen i m Ausland, insbesondere i n USA, war. Hierdurch wurde einer weiteren Einseitigkeit nach der industriellen Kostenrechnung wirksam vorgebeugt. Es wurde aber durch Mellerowicz überzeugend und an Hand eines sorgfältig gewonnenen Zahlenmaterials dargetan, daß Kosten des Vertriebs, der Werbung, der Lagerung oder Finanzierung nicht minder wichtig sein können als Kosten der Fertigung. Auch die Kostenuntersuchungen auf bankwirtschaftlichem Gebiet (Isaac, Hasenack, Plum u. a.) haben hinsichtlich der Betriebsgliederung, der Terminologie und der Methodik für die allgemeine Betriebswirtschaftslehre fördernd gewirkt. Die Untersuchungen nach der Kostenseite sind bei der Bankenquête von 1932/33 nicht intensiv betrieben worden, i n späteren Bankveröffentlichungen spielen Kostenfragen kaum
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eine Rolle, ausgenommen die Spezialuntersuchungen von Rummel (Deutsche Bank) und die Detailuntersuchungen aus dem 1942 errichteten und von Theisinger geleiteten Institut für das Kreditwesen an der Universität Frankfurt. Die Verkehrswirtschaft ist von der Kostentheorie noch kaum erschlossen. Die Reichsbahn schien wohl dafür zu unzugänglich oder zu unüberschaubar (22). Der Lastkraftwagenverkehr bringt neue Probleme, die der theoretischen Bearbeitung harren. Die Versorgungsbetriebe für Gas, Wasser und Elektrizität sind ebenfalls ein noch kaum bearbeitetes Gebiet des Kostentheoretikers. Ähnlich liegen die Dinge i m Versicherungswesen, i m Speditionsgewerbe, i m Verlagsgeschäft. Große Bereiche der Dienstleistungsbetriebe aller A r t harren noch immer einer erschöpfenden kostentheoretischen Analyse und Darstellung. Sind solche Darstellungen einmal gewonnen, so werden sie auf die Problemfassung und Problembehandlung der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre nicht ohne Einfluß bleiben . — Neben der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre führen einige i n Praxis und Lehre feststehende Sondergebiete ein selbständiges Dasein: die Finanzierung, die Unternehmungsformen, darunter die Genossenschaften, die Wohnungs W i r t s c h a f t , der Betriebs vergleich, der Kosten- und Leistungsvergleich. Es wäre durchaus denkbar und begrüßenswert, wenn solche Sondergebiete eine gewisse Annäherung und Gruppierung um ein Zentralthema finden würden. Dafür ist kein anderes Zentralthema besser geeignet als die Kostenwirtschaft und Kostenrechnung. Somit ergibt sich auch über vereinzelte und verstreute Arbeitsgebiete der Betriebswirtschaftslehre hinweg eine Möglichkeit der stofflichen und gedanklichen Konzentration auf dem Weg der kostentheoretischen Befassung. Verglichen mit dem Ausland mag die deutsche Betriebswirtschaftslehre i n mancher Hinsicht weniger spezialisiert sein, i m Hinblick auf ihre gesicherten kostentheoretischen Leistungen braucht sie den Vergleich auch m i t der neuesten Literatur nicht zu scheuen.
Kapitalwirtschaft und Kapitalrechnung* I. Die Kapitalwirtschaft Kapitalwirtschaft und Kapitalrechnung gehören zusammen. Das eine ist ohne das andere nicht möglich, nicht einmal denkbar. Beides zusammen findet i m Betrieb statt. I m Betrieb vollzieht sich eine eigenartige und dauerhafte Verbindung zwischen Denken und Handeln. Es gehört zu seinem Wesen, daß er Handlungen für andere vollzieht und daraus einen Erwerb erstrebt. Der Erwerbsbetrieb bildet ein System (23), welches an den M a r k t angeschlossen ist und vom M a r k t seine A n triebe empfängt. Der Markt seinerseits bildet ein System. Jedes dieser Systeme zerfällt i n weitere Gliedsysteme, beide zusammen bilden das System der Verkehrswirtschaft. Diese ist nur ein Bestandteil und nicht das Ganze der Wirtschaft überhaupt. Das Marktsystem zerfällt i n den Warenmarkt, Geldmarkt und Arbeitsmarkt. Über diese drei Teilmärkte hinaus sind weitere Bestandteile des Marktes nicht gegeben. Jeder der Teilmärkte unterliegt einer funktionalen, räumlichen und soziologischen Aufteilung. Während der Markt als die Zusammenfassung von Angebot und Nachfrage nur in der Idee besteht, bilden sich i n der wirklichen Wirtschaft die konkreten Märkte i n verschiedenem Grad und Umfang für verschiedene Teilnehmer und für die verschiedenen Marktobjekte Ware, Geld und Arbeit. I n der Richtung vom Weltmarkt zum Fachmarkt und Lokalmarkt vollzieht sich eine zunehmende Konkretisierung. Das Betriebssystem findet seine erste Erklärung aus dem Zusammenwirken zwischen dem Betrieb und den Teilmärkten. Vom Standpunkt des einzelnen Betriebes aus zerfällt der Warenmarkt i n den Beschaffungsmarkt und den Absatzmarkt. Jeder Betrieb ist nach vier Seiten vom Markt umschlossen. Die A r t seiner Marktumschließung formt die Betriebsgestalt, wobei innere Betriebskräfte mitwirken. Als Ergebnis der Betriebsgestaltung bietet sich die Betriebsgliederung i n Abteilungen, die Betriebsordnung i n Gestalt von Verfahrensweisen, Arbeitsanweisungen, technischen Mitteln und Einrichtungen unter Einwirkung der Finanzierung, Organisation und des Rechnungswesens. * Quelle: Die Unternehmung i m Markt. Festschrift für Wilhelm Rieger, Stuttgart und Köln 1953, S. 39—65.
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Die Verkehrswirtschaft kann nur aus dem Systemcharakter des Marktes und aus dem Systemcharakter des Betriebes erklärt werden. Die Kapitalwirtschaft des Betriebes ist ganz und gar auf den Markt gerichtet. Der Wettbewerb der Betriebe erfolgt i m Markt, er macht einen wesentlichen Teil des Marktgeschehens aus, er bildet die Vielfalt der A n gebote und Kaufabschlüsse. Er ist die Grundvoraussetzung für alle Betriebsaussagen und für die Kapitalwirtschaft schlechthin. Der Betrieb entnimmt aus dem Markt die Chancen und übernimmt das bei ihrer Wahrnehmung entstehende Risiko. Chance ist die Möglichkeit des Gelingens, Risiko die Möglichkeit des Mißlingens. Die Möglichkeit, für andere eine gewinnbringende Erzeugung zu erstellen, heißt Absatz erzielen. Die Ausrichtung des Betriebes auf den Markt gilt nicht nur für die gedankliche Zielsetzung, Planung und Vorbereitung, sie gilt ständig und für alle Einzelheiten des betrieblichen Geschehens, also für den gesamten Umsatz. Dieser gesamte Umsatz ist nicht etwa nur der Kapitalumschlag oder der Warenumschlag, sondern der Gesamtumsatz des Betriebes i n seiner totalen rechnerischen Erfassung und dem entsprechenden Einsatz und Ersatz. Dieser totale Betriebsumsatz ist als Rechengröße, Wirtschaftstatsache und Vergleichsmaßstab unbenützt. Unbekannt ist er nicht, denn er liegt i n der Summation aller Konten des Hauptbuches vor (24). Der praktische Gebrauch dieser Summen von Verkehrszahlen beschränkt sich auf die immanente Zahlenkontrolle und auf flüchtige Vergleiche i m Vorfeld der Abschlußtechnik, während ein wissenschaftlicher Gebrauch überhaupt nicht stattfindet. Die wissenschaftliche Würdigung des totalen Betriebsumsatzes würde wertvollste Aufschlüsse über den Betriebsablauf und die Marktbedingtheiten des Betriebes liefern, zur Charakteristik seiner Struktur und zur Erfassung seiner Dynamik beitragen. Die Kapital Wirtschaft umfaßt folgende Hauptphasen: A. Errichtung und Entwicklung des Betriebes 1. Phase: Kapitalansatz und Kapitaleinsatz 2. Phase: Kapitalumsatz und Kapitalersatz 3. Phase: Kapitalakkumulation und Strukturbildung 4. Phase: Arbeitskapital und Kapitalarbeit B. Verdichtung und Verflechtung des Betriebes 5. Phase: Kreditgeld und Geldkredit 6. Phase: Warenentstehung und Warenumsatz 7. Phase: Betrieb und M a r k t
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Zu A. Errichtung
und Entwicklung
des Betriebes
Zu 1: Kapitalansatz und Kapitaleinsatz. Der Ansatz des Kapitals findet vom Kapitalmarkt aus statt (25). Ein für die Errichtung eines Unternehmens erforderlicher Geldbetrag w i r d vorher angesammelt. Eine solche Ansammlung findet durch Sparen bei Banken oder Sparkassen oder durch Einladung des Publikums zur Kapitalhergabe gegen Effekten statt. Der voraussichtliche Unternehmer spart so lange und sammelt die nach seinen Plänen erforderlichen Teilbeträge, bis er an die V e r w i r k lichung seines Planes zur Unternehmungsgründung gehen kann. Erst von da ab beginnt der eigentliche Kapitaleinsatz. I h m gehen somit bestimmte Sparvorgänge der Kapitalansammlung voraus. Sie sind vom eigentlichen Kapitaleinsatz (Investierung) zu unterscheiden. Sparen und Investieren (26) fallen verkehrswirtschaftlich auseinander und dies nicht nur i n zeitlicher, sondern auch in sachlicher und funktionaler Hinsicht. Beides vollzieht sich in verschiedenen Teilmärkten, das Investieren i m Warenmarkt, das Sparen i m Geldmarkt, das Investieren findet nur durch Betriebe, das Sparen auch durch Einzelpersonen statt. Die Finanzierung geht der Investierung voran. Die Investierung bezieht sich auf die Mittelverwendung durch Umsetzung von Geldbeträgen i n Maschinen, Geräte, Rohstoffe und so weiter. Es erfolgt die Beschaffung von Betriebsmitteln aus dem Beschaffungsmarkt. Hier liegt i n der Genetik der Unternehmung der erste A k t des Kapitaleinsatzes vor. Er bestimmt den Umfang der unternehmerischen Tätigkeit und w i r d seinerseits bestimmt durch den Umfang der vorhandenen geldlichen Mittel. Zu 2: Kapitalumsatz und Kapitalersatz. Der Kapitalumsatz liegt i n der zweiten Phase der Kapitalwirtschaft. Er betrifft die Erstellung und Abgabe der Betriebsleistung: die Erstellung im Betrieb und die Abgabe an den Absatzmarkt. Zur Erstellung wirken die von drei verschiedenen Marktsektoren herrührenden Betriebsvorgänge zusammen: die Beschaffung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen aus dem Beschaffungsmarkt, von Arbeitskräften aus dem Arbeitsmarkt, von Geld aus dem Geldmarkt. Die zweite Teilphase beruht i m Kapitalersatz. Dieser ergibt sich aus dem Zufluß von Erlösen, die aus der Veräußerung der Betriebsleistungen stammen. Kapitalumsatz und Kapitalersatz fallen nicht zusammen. Dazwischen liegt die Lagerdauer, die Produktionsdauer einschließlich der Kapitalbindung i n Zwischenlagern und die Nutzungsdauer von Gegenständen des Anlagevermögens. Zu 3: Kapitalakkumulation (27) und Strukturbildung. Die A k k u m u lation ist ein Vorgang, der sich nicht nur auf das Kapital bezieht, sondern auf Arbeit, Ware, Geld und Gewinn erstreckt. Der Kapitalakkumulation geht voraus:
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die Akkumulation der Arbeit, zugleich Arbeitsgliederung, die Akkumulation der Ware, zugleich Warenvielfalt, die Akkumulation des Geldes, zugleich Geldformfülle, die Akkumulation des Gewinnes, zugleich Gewinnartmehrung Die Akkumulation der Arbeit ergibt sich aus der Mehrung der Arbeitshandlungen bei Mehrung der Aufträge, Arbeitskräfte und Erzeugnisse. Es ist eine auf Mehrung beruhende Teilung des gesamten Betriebsprozesses mit Ausformung, Absonderung, Herausbildung besonderer Maschinen, Geräte, Arbeitsmethoden, Berufe und Arbeitshandlungen. Die Akkumulation der Ware betrifft zunächst eine Mehrung von Güterbeständen, dann aber auch eine Mehrung der Sorten, eine Steigerung der Formen, Gattungen, Klassen und Qualitäten der Ware, eine Differenzierung der Gegenstände des Anlagevermögens. Die Akkumulation des Geldes geschieht durch Ansammlung von Bargeld, Bankguthaben und Vermögensteilen von geldähnlicher Form. Sie erfolgt i m Zeichen der Betriebsentwicklung und dient der Finanzierung des betrieblichen Wachstums. Sie ermöglicht dem Betrieb Neuanschaffungen, Anpassungen und Umstellungen, nicht nur von einer Maschine auf die andere, von einer Fertigungsweise auf die andere, sondern auch von einem Endprodukt auf das andere. Die Akkumulation des Kapitals bedeutet eine absolute Vermehrung von Anlage- und Umlaufvermögen, und zwar nicht neben der A k k u mulation von Arbeit, Ware und Geld, sondern als Gesamtausdruck dieser Akkumulation. Sie zeitigt ein weiteres Eindringen des Betriebes in den Markt, eine Verfestigung seiner Stellung i n einem erweiterten Markt; diese Stellung des Betriebes w i r d breiter, sein Fundament geht tiefer, seine Macht ist stärker, seine Berührungen sind häufiger, seine Beziehungen bedeutungsvoller, seine Potenzen größer. Der Betrieb wächst i m Markt, der Markt wächst i n der Verkehrswirtschaft. Die Aufnahme von fremdem Kapital i m Betrieb bildet einen Sonderfall der Kapitalbildung; diese beschränkt sich nicht auf vorhergehende Geldansammlung, sondern greift über das mögliche Tempo der Bildung von Überschüssen und Vermehrung von Gütervorräten hinaus. I m Fall der Kapitalbildung aus fremden Kapitalquellen ist die Umwandlung i n Eigenkapital angestrebt. Sie erfolgt wesentlich aus Gewinn und Eigenfinanzierung. Die Gewinnakkumulation stellt i n der geschilderten Reihenfolge die letzte Stufe der Kapitalakkumulation dar. Wesentlich ist, daß es sich hier um Vorgänge aus sämtlichen Teilmärkten, dem Absatz- und Beschaffungsmarkt wie dem Arbeits- und Geldmarkt des Betriebes und um die internen Betriebs Vorgänge handelt. Sie alle greifen ineinander. Die Akkumulation ist ein durchgängiger Prozeß, der sich nicht nur i n
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allen Märkten des Betriebes auswirkt, sondern auch auf alle internen Bereiche und Akte des Betriebes erstreckt. Zu 4: Arbeitskapital und Kapitalarbeit. Die Bildung von Kapital aus Arbeit (Arbeitskapital) und die Bildung von Arbeit aus Kapital (Kapitalarbeit) sind zwei Vorgänge, die streng wechselseitig und nicht einseitig stattfinden; gleichwohl ist der eine Vorgang vom anderen unterscheidbar. Ohne Zweifel entsteht Kapital aus Arbeit. Ein solcher Vorgang findet aber nur i m Erwerbsbetrieb und nirgendwo außerhalb des Erwerbsbetriebes statt (28). Dagegen findet Arbeit überall außerhalb des Erwerbsbetriebes statt, ohne jedoch sonstwo zur Kapitalbildung zu führen. Diese Arbeit liegt außerhalb der Betrachtung der Kapitalwirtschaft, mag sie noch so wertvoll, häufig, sittlich hochstehend oder wirtschaftlich ergiebig sein, wie die Arbeit der Hausfrau oder die Liebhab er arbeit außerhalb des Berufes. Da auch das Kapital i m gleichen Sinne nur i m Erwerbsbetrieb anzutreffen ist, kann die Entstehung oder Gewinnung von Arbeit aus Kapital ebenfalls nur i m Erwerbsbetrieb vor sich gehen. M i t dem Ausdruck Kapitalarbeit ist eine solche wirtschaftliche Leistung verstanden, die i n der Erstellung und Abgabe beruht, wie sie oben bei Kapitaleinsatz und Kapitalumsatz beschrieben wurde. Der Kapitalprozeß geht ohne Unterlaß vor sich, er umfaßt den ganzen Betrieb und erfaßt jeden Betriebsteil anders. Sein Anfang liegt bei der Setzung des Betriebes, gegeben in Planung, Grundlegung, Errichtung, sein Fortgang liegt bei der Entfaltung der Keimzellen durch A k k u m u lieren, Accompagnieren, Akkordieren und weiter bei den Betriebsstadien der Absetzung, Umsetzung, Ersetzung, Zusammensetzung und Zersetzung. Die Absetzung enthält die erste Fruchttrennung, das Ausscheiden, Abnehmen, Abgrenzen und Veräußern, die Umsetzung erklärt die Fortführung nach Einsetzung und Absetzung vermittels Umwandlung oder Umformung, die Ersetzung gilt der Nachschaffung, Nachholung, der Erhaltung der Stoffe und Mittel, der Teile und des Ganzen des Betriebes, die Zusammensetzung betrifft speziell die Erhaltung der Struktur, der Betriebsproportionen. Die Zersetzung ist das Ende des Betriebes durch Beschluß oder durch Kräfte der Auflösung. Die Erforschung dieser Schichten des Kapitalprozesses i n wissenschaftlicher Weise ist nur mit den Mitteln der Kapitalrechnung möglich. Zu B. Verdichtung
und Verflechtung
des Betriebes
Zu 5: Kreditgeld und Geldkredit. Auch die Entstehung von Geld aus Kredit (Kreditgeld) und von Kredit aus Geld (Geldkredit) vollzieht sich in strenger Wechselseitigkeit. Der Kredit ist ein echtes Marktphänomen. Er entsteht und vergeht innerhalb der Marktgesellschaft. Er ist i m Markt und durch den Markt organisiert. Er ist als Warenkredit älter als das Geld. Das Buchgeld außerhalb der Bank w i r tschaft wiederum ist
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älter als das Bankgeld, welches entweder als Bankguthaben i n den Bankbüchern steht oder als Banknote umläuft. Aus den Kreditverhältnissen entspringen die Umlaufmittel der Geldwirtschaft, mit denen die Warenumsätze bemessen, bestritten und beglichen werden. Der moderne Kredit der Verkehrswirtschaft setzt das Vorhandensein von Geld voraus. Seine häufigste Form ist die Geldform, seine vorherrschende Bestimmung und Begrenzung erfährt er durch die Geldsumme, auf die er lautet. Erst das allgemein zur Geltung kommende Wechselverhältnis von Geld und Kredit, wie es m i t der Entgoldung des inländischen und schließlich auch des ausländischen Zahlungsverkehrs, mit der Schaffung von nationalen und internationalen Clearingeinrichtungen eingetreten ist, macht die wechselseitige Natur von Kreditgeld und Geldkredit klar. I h r Ursprung ist der Erwerbsbetrieb und der wirtschaftliche Verkehr aller Erwerbsbetriebe untereinander. Erst die Entstofflichung des Geldes, das heißt die Entkleidung von seinem ursprünglichen Warencharakter und Ablösung von seiner Metallsubstanz hat das Eindringen staatlichen Kreditgeldes i n das Kreditgeld privatrechtlichen Ursprungs möglich gemacht (29). Z u 6: Warenentstehung und Warenumsatz. Der Warencharakter des Kapitals bezeichnet einen Sachverhalt i m Betrieb. Dieser Sachverhalt findet seine Ergänzung i m Rechtscharakter des Warenumsatzes i m Markt. Genau gesehen ist i m Betrieb nicht von Waren, sondern von Gütern die Rede. Waren gibt es nur i m Markt, Güter außerhalb des Marktes. Ein Gut w i r d dadurch zur Ware, daß es zum Markt gebracht wird. Da aber die Güterherstellung i m Erwerbsbetrieb unter der Absicht der Veräußerung i m Markt erfolgt, beginnt der Warencharakter schon bei der Warenentstehung aus Be- und Verarbeitung, Lagerung und Sortierung i m Betrieb. Erst die Ware kann Gegenstand eines Warenumsatzes i m Markt sein. Trotz der besonderen Natur unbeweglicher Sachen wie Gebäude und Grundstücke sind solche i n wirtschaftlicher Betrachtung ebenfalls Gegenstand des Marktumsatzes und nicht zu Unrecht w i r d i m Wirtschaftsleben vom Grundstücksmarkt, Grundstückshandel und Grundstücksmakler gesprochen. Der Umsatz vollzieht sich i n anderer Rechtsform als der Umsatz beweglicher Sachen. I m wirtschaftlichen Tatbestand der Ware ist derjenige des Marktes bereits einbegriffen und umgekehrt: ohne Markt keine Ware, ohne Ware kein Markt. Es geht nicht allein um wirtschaftliche Sachverhalte i m Sinne ökonomischer Wertung und Nutzung, sondern um diejenigen juristischen Sachverhalte (30), die den Kauf und Verkauf als ständige Einrichtungen und Handlungen der Wirtschaft ermöglichen, die insbesondere die formlose, schnelle Abwicklung der Rechtsakte durch eine organisatorische A r t der Darbietung, Einigung und Übergabe ermög-
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liehen. Der Markt bildet hierzu die erforderliche Einrichtung, vom K r a m laden i m Dorf bis zum super-market i n der Millionenstadt; er w i r d veranstaltet, er hat seine Träger, seine Besucher, seine Ordnung. Diese Ordnung besteht einerseits aus der behördlichen, polizeirechtlichen Marktordnung, einst wie jetzt, anderseits aus der zivilrechtlichen Ordnung durch Satzungen, Regeln und Beschlüsse, die die Marktträger sich selber geben (vgl. Rules and Regulations of the London Stock Exchange). I n öffentlich-rechtlicher Hinsicht steht der Markt i m Vordergrund, i n privatrechtlicher Hinsicht der Kauf, i n wirtschaftlicher Betrachtung der Absatz und die Ware selbst. Zu 7: Betrieb und Markt. Die letzte Phase der Kapitalwirtschaft ist durch das Verhältnis von Betrieb und Markt gekennzeichnet. Beide stehen miteinander i n funktionalem Zusammenhang. Der eine kann nicht ohne den anderen gedacht werden, wenigstens nicht i n der Verkehrswirtschaft, und soweit diese als System begriffen wird, ist nichts, was i n Betrieb und Markt geschieht, systemindifferent, bezogen auf das System der Verkehrswirtschaft (31). Diese stellt eine solche W i r t schaftsverfassung dar, i n welcher der Markt durch die Betriebe gemacht und alle Tätigkeit der Betriebe auf den Markt gerichtet ist. Das Grundverhältnis zwischen Betrieb und Markt w i r d klarer, wenn es auf den Erwerbsbetrieb unter Ausschaltung der öffentlichen und privaten Haushalte beschränkt wird. Diese sind zwar über ihre Einnahmen und Ausgaben an die Verkehrswirtschaft angeschlossen, sie haben aber keinen umfassenden Marktkontakt, sind nicht nach vier Seiten vom Markt umschlossen und werden nicht durch ihre Stellung i m Markt bestimmt. I h r Inhalt, ihre etwaigen Leistungen erfolgen nicht aus Marktüberlegungen und tragen nicht die Merkmale von Betriebsleistungen für andere aus Erwerbsgründen. Die öffentlichen und privaten Haushalte haben auch keine vollständige Rechnung, am wenigsten die privaten; die öffentliche Haushaltrechnung ist eine Einnähmen- und Ausgabenrechnung, keine konsequente Kapitalrechnung und keine schlüssige Ertragsrechnung. Beim öffentlichen wie beim privaten Haushalt besteht kein ökonomischer Zusammenhang zwischen Einnahmen und Ausgaben. Die öffentlichen Ausgaben müßten auch dann erfolgen, wenn sie i m Sinne der Kapitalrechnung nicht wirtschaftlich wären, und sie erfolgen i n der Tat ohne Rücksicht darauf. Soweit wirtschaftliche Handlungen und Leistungen vorliegen, kann ohne eine vollständige Wirtschaftsrechnung ein Urteil über die Wirtschaftlichkeit nicht gefällt werden. Die klare Kenntnis des Betriebes beginnt erst m i t der Unterscheidung des Erwerbsbetriebes i m Vollsystem der Märkte. Der Erwerbsbetrieb kann hiernach als Allmarkt-Betrieb bezeichnet werden, wäh-
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rend der öffentliche und private Haushalt bestenfalls von zwei oder höchstens von drei Seiten, aber niemals von vier Marktseiten umschlossen sind.
II. Die Kapitalrechnung Die Kapitalrechnung als Betriebsrechnung beschränkt sich auf bestimmte Betriebsvorgänge. Nur ein geringer Teil aller Betriebsvorgänge geht i n die Betriebsrechnung ein. Es sind diejenigen, die zunächst als Eingänge und Ausgänge von Bargeld auftreten (Rechnungsstufe I), ferner diejenigen Betriebsvorgänge, denen i n der weiteren wirtschaftspolitischen und rechnungstechnischen Behandlung das Merkmal der Einnahmen und Ausgaben (Rechnungsstufe II) zukommt, i m weiteren diejenigen Betriebsvorgänge, denen das Merkmal der Aufwendungen und Erträge (Rechnungsstufe III), schließlich diejenigen Betriebsvorgänge, denen das Merkmal der Kosten und Erlöse zukommt (Rechnungsstufe IV), bis i m innersten Kern der Betriebsrechnung und als Ergebnis periodischer Feststellungen die Zunahme oder Abnahme des Kapitals (Rechnungsstufe V) ausgewiesen wird. Die Unterscheidung der Betriebsvorgänge ist i n zunehmendem Maße von I - V nur m i t Hilfe der Betriebsrechnung möglich, so auch ihre Erfassung, Zusammenfassung, Gruppierung und Gegenüberstellung. Deshalb spricht die Buchhaltungslehre von primären und sekundären Buchungen. Aus dem Zusammenhang von Geldeingang und Geldausgang einerseits und der Kapitalzunahr me und Kapitalabnahme anderseits über die genannten Stufen (I-V) hinweg erklärt sich, daß nur Geld Veränderungen i n der Betriebsrechnung erfaßt werden können. Das schließt nicht aus, daß an gewissen Stellen zu bestimmten Zwecken daneben Mengen und Sorten erfaßt werden (32). Unter den Geldbewegungen treten zwei verschiedene Arten auf, die effektive und die fiktive; die eine ist tatsächlich erfolgt und w i r d rechnerisch sekundär erfaßt, die andere w i r d rechnerisch primär ausgedrückt, ohne daß ein identischer tatsächlicher Vorgang nachweisbar wäre. Dies gilt für die Abschreibung i m Verhältnis zur Nutzung. Tatsächliche Geldbewegungen sind Lohnzahlungen und eingehende Rech^ nungsbeträge, rechnerische Geldbewegungen sind Umbuchungen aller A r t wie Abschreibungen, Übertragungen von offenen Reserven auf Eigenkapital oder von Gewinn auf Kapitalkonto. Die fiktive Geldrechnung findet i n der effektiven Geldrechnung ihre äußere Begrenzung und innere Kontrolle. Der Erwerbsbetrieb erfordert nicht nur die Abrechnung i m Sinne der Rechnungslegung gegenüber dem Käufer, die Rechnungslegung seitens
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des Verkäufers, die Abrechnung gegenüber dem Gläubiger und Teilhaber, er erfordert die laufende und periodische Abrechnung aus dem Interesse und Bedürfnis des Betriebes selbst. Die Betriebsrechnung entspricht nicht nur, sie entspringt dem Wesen des kapitalistischen Betriebes. Er wäre nicht kapitalistisch, wenn er nicht stündlich, täglich, monatlich und jährlich, ja sogar auf Jahrzehnte vor und zurück rechnen würde. Dieses Rechnen ist kein äußeres Merkmal, kein Zubehör und A t t r i b u t des kapitalistischen Betriebes, es gehört zu seinem innersten Wesenskern. I n der folgenden Betrachtung der Kapitalrechnung werden einige Hauptgesichtspunkte antithetisch behandelt, nämlich: 1. Denkend handeln und handelnd denken 2. Rechnend schreiben und schreibend rechnen 3. Spekulierend kalkulieren und kalkulierend spekulieren 4. Regulierend disponieren und disponierend regulieren 5. I m Kleinsten das Größte, i m Größten das Kleinste sehen 6. I m Bestehen wechseln, i m Wechsel bestehen. Die Reihenfolge der Hauptgesichtspunkte entspricht einer Ausweitung vom einzelnen Geschehnis zum Gesamtgeschehnis, welches i m Markt ausmündet. Zwischen dem kleinsten und dem größten, dem ursprünglichen und dem auslaufenden Geschehen besteht ein sinnvoller Zusammenhang, der stufenförmig vom Ursprung der Betriebshandlung bis zur Ausmündung des Gesamtgeschehens trägt. Verglichen mit dem Fließen des natürlichen Flusses gilt hier die Frage, wie das Fließen des betrieblichen Flusses zustande kommt, denn er hat ja kein natürliches Gefälle und bedarf jener Antriebe aus Handeln, die m i t „Wertgefälle" und „Gewinnstreben" trefflich benannt, aber nicht erklärt sind; nicht erklärt ist der oben so bezeichnete sinnvolle Zusammenhang, der nicht nur alles einzelne Geschehen vom Ursprung bis zur Mündung sichtbar verbindet, sondern bewegt, durch alles hindurch geht und daraus ein Ganzes bewirkt. Dieser Zusammenhang entsteht erst mit der Kapitalrechnung, insbesondere m i t der restlosen Erfassung des Vermögens und seiner Umwandlung auf Grund des Geldausdruckes seiner einzelnen Teile. Die Kapitalrechnung ist nicht i m engsten Sinn einer Operation mit Zahlen zu verstehen, die durch gegebene Größen zu gesuchten Größen führt (33). Es gibt daneben eine zweite A r t der Rechnung i n dem weiteren Sinne der Übersicht und Beherrschung gegebener, obwohl nicht zahlenmäßig genau bestimmter Größen und ihres Einsatzes zur Erzielung angestrebter Größen. Die Kapitalrechnung hat eine exakte und
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eine nichtexakte Wurzel. Die eine bedient sich der Regeln der Arithmetik, die andere bedient sich der Kausalität menschlichen Denkens und Handelns und erstrebt, das Unbestimmte mittels des Bestimmten zu erreichen. Auch dieses nennen w i r rechnen, und so verwenden die lebenden Sprachen den Begriff des Rechnens i m allgemeinen und i m W i r t schaften. Diese zweite A r t des Rechnens bedeutet nicht die Ausführung von Rechenoperationen, aus denen eine gesuchte Größe hervorgeht, sondern ein Überlegen, Ermessen und Abwägen unter bestimmten Annahmen, die als sicher gelten und so in die Rechnung eingestellt werden. A u f dieser Annahme beruhen dann weitere Erwägungen. Sie sind weniger sicher, werden auch nicht so unterstellt, dienen jedoch ausreichend zur Fortsetzung eines Gedankengebäudes, welches i n seinem zweiten und dritten Stockwerk mehr den Charakter der Sicherheit verliert und den Charakter der Spekulation annimmt. I n der Entwicklungsrichtung von der gesicherten Ausgangsbasis bis zum Giebel des Gedankengebäudes vollzieht sich stufenweise eine Umbildung der weniger gesicherten Stockwerke. Das gleiche geschieht innerhalb aller Betriebshandlungen auf Grund der Betriebsrechnung. Der Betrieb w i l l nicht nur sehen und wissen, sondern sehen, um zu entscheiden, wissen, um zu handeln, und dieses Entscheiden und Handeln w i r d gestützt durch jene Erwägungen, i n denen tatsächlich das Gewisse und das Ungewisse abgewogen werden, i n denen das Wägen dem Wagen vorausgeht. Wieviel Papier und wieviel Gedächtnis, wieviel Zahlenwerk und wieviel Gedankenkombination dabei verwandt werden, ist grundverschieden. Glänzende Rechner sind oftmals schlechte Ökonomen und umgekehrt. Der Wirtschaftsstratege rechnet nicht mit abstrakten Zahlen, sondern m i t Menschen und Kräften, m i t Konstellationen und Kombinationen, mit Situationen und Konjunkturen. Große Wirtschaftspioniere vermochten durch solches Rechnen nicht nur das Fundament ihrer Gedankengebäude zu sichern, sondern auch, Stockwerk für Stockwerk, Notlösungen, Stützen und Hilfskonstruktionen durch die massive Bauweise zu ersetzen. Zu 1: Denkend handeln und handelnd denken. Menschliches Handeln beruht mehr oder weniger auf Denküberlegungen, wirtschaftliches Handeln beruht ganz ausgesprochen auf Denkvorgängen, und zwar erstrecken sich diese auf umfassende Stadien der Vorbereitung, Ausübung und nachträglichen Würdigung wirtschaftlicher Handlungen. Die Denküberlegungen sind i n die Betriebshandlungen eingegliedert, mit Betriebsfunktionen und Betriebsaufgaben organisatorisch verbunden, auf Grund der Betriebsorganisation funktionell zerlegbar und kumulierfähig. Die Kapitalrechnung ist mit der Kapitalwirtschaft so verwachsen, daß die eine ohne die andere nicht bestehen kann. Die Rechnung ist nicht etwa eine Verfeinerung, sie ist ein wesentlicher Be4
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standteil aller wirtschaftlichen Überlegungen. Sie ist keine isolierte arithmetische Operation, die anderswo, nebenher, vor- oder nachher erfolgt und deren Ergebnisse einfach auf den wirtschaftlichen Sachverhalt angewendet werden, u m diesen genauer zu erfassen, richtiger zu beurteilen, besser zu anderen Sachverhalten ins Verhältnis zu setzen. Die Kapitalrechnung setzt die logischen Zusammenhänge menschlichen Handelns voraus, sie muß sich auf das Kausalgesetz menschlichen Handelns verlassen können. Die Kapitalrechnung kann nichts zutage fördern, was nicht i n den menschlichen Handlungen bereits enthalten ist. Daß sie dennoch keine bloße Klärung, Verfeinerung oder Verbesserung, sondern einen Wesenskern wirtschaftlicher Handlungen darstellt, liegt i n der Natur der Kapitalwirtschaft. Die Kapitalwirtschaft beginnt m i t dem Kapitaleinsatz und endet m i t dem Kapitalersatz, u m von hier erneut zu beginnen, zu enden und wieder zu beginnen, ohne i m Leben des Betriebes jemals auszusetzen, so wie Puls und A t m u n g i m lebenden Körper niemals aussetzen. Zur Verfolgung dieses Kapitaleinsatzes sind wesentlich Geldgrößen gegeben, hinter denen die verschiedensten Mengengrößen, Materialien, Werkzeuge oder immaterielle Werte stehen können. Jede substantielle Erscheinungsform eines Vermögensstückes trägt i m Rahmen eines Betriebes streng subjektive Züge, die i h m aus der Zugehörigkeit zu diesem Betrieb und aus der Zweckbestimmung und Verwendungsweise i n diesem Betrieb eigen sind. Der Weg aus diesen Eigenheiten des Betriebes i n die Allgemeinheit des Marktes führt über das Geld. I m Geldausdruck verliert das Gut seine Subjektivität und t r i t t i n die Güterkolonnen aller anderen durch den Geldausdruck uniformierten Güter, die i m Markt aufmarschieren. I n der Geldrechnung w i r d das Gut zu einem Bruchteil des Bilanzwertes oder, je nach der Rechnungsart und Betrachtungsweise, des Betriebsteiles oder der Leistungseinheit. Die rechnerischen Erkenntnisse dienen als Grundlage für betriebliche Dispositionen i n genau der Weise, wie ein Gedankengebäude i m Kopf eines nüchtern rechnenden Menschen von der sicheren Basis sich zu dem zunächst noch nicht völlig gesicherten nächsten Stockwerk erhebt. Ob die Betriebsleistung berechnet, der Umsatz erfaßt, die Kosten kalkuliert, der Aufwand ermittelt, der Periodengewinn ausgewiesen wird, immer und überall geschieht dies durch Heraustreten der subjektiven Tatbestände auf das Rechenplateau der objektiven Geldrechnung. Dieses Rechenplateau ist zugleich das W i r t schaftsplateau des Marktes, auf welchem der rauhe Wind weht, der Pappkulissen und Wunschträume einreißt, schwache Bäume entwurzelt und dafür sorgt, daß die gesunden Bäume nicht i n den Himmel wachsen. Das denkende Handeln i m Betrieb erfährt erst durch die Kapitalrechnung jene überpersönliche Ausweitung, jenes sachliche Fassungsvermögen und jene überindividuelle Zeiterstreckung, die den kapitalisti-
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sehen Betrieb befähigt, die i h m eigene Reichhaltigkeit und Nachhaltigkeit seiner Zielsetzungen zu verfolgen. Zu 2: Rechnend schreiben und schreibend rechnen. Das Schreiben und das Rechnen gehen in der kaufmännischen Buchhaltung eine intime Verbindung ein. Die Buchhaltung war i n ihrem Anfang mehr Schreibwerk als Rechenwerk. Die überlieferten Handelsbücher des 12. und 16. Jahrhunderts geben einen sprechenden Beweis dafür, daß weder die Exaktheit der Zahl noch die Beschränkung des Textes üblich waren (34). Es fehlte auch durchaus noch die innere Abstimmung, die Zahlenkontrolle und der periodische Abschluß. Erst das 17. Jahrhundert hat die innere Systemanlage der doppelten Buchhaltung entfaltet, und i m 19. Jahrhundert ist es zu einer zunehmenden Reduzierung des Textes und Vereinheitlichung der Methoden gekommen. Dadurch war die Verwendung von Buchungs- und Rechenmaschinen, von vollautomatischen Systemen und die Grundlegung des Kontenrahmens eingeleitet. Inzwischen ist die Schreibarbeit i n der Buchhaltung noch weiter durch Abkürzungen und Symbole reduziert oder i n Ziffern umgewandelt worden, wie dies beim Lochkartensystem der Fall ist. Nicht nur innerhalb der Buchhaltung sind Schreiben und Rechnen aufs äußerste voneinander getrennt, auch in der allgemeinen Betriebsverwaltung treten beide immer mehr auseinander. Eine letzte Trennung ist weder möglich noch angestrebt. Das wirtschaftliche Rechnen ist ein Rechnen mit gegebenen, verfügbaren, nämlich durch Besitz, Kredit und Verfügungsgewalt beschränkten Größen, es ist empirisches Rechnen. Wie jedes Rechnen setzt es die Unterscheidbarkeit von Merkmalen der Zugehörigkeit und der Gruppenbildung voraus. Zu 3: Spekulierend kalkulieren und kalkulierend spekulieren. Das Kalkulieren i n der Wirtschaftsrechnung ist stets ein Spekulieren und umgekehrt. Das spekulierende Kalkulieren besteht darin, m i t den gegebenen Größen des Mitteleinsatzes zu rechnen, um die gesuchte Größe des erzielbaren Erlöses damit zu finden. Der kalkulierte Preis ist eine Rechengröße, der erzielte Preis eine empirische, ökonomische Größe. Das eine ist das Produkt einer Rechenoperation auf dem Papier, das andere ist der Gegenwert auf der flachen Hand. Daran ändert nichts, daß m i t unter, nämlich bei der sogenannten Auftragsfertigung, erst das Erzeugnis hergestellt und dann die Kalkulation aufgemacht wird. Hier liegt eine Umkehrung der sonst geltenden Regel vor, daß die Kalkulation der Produktion vorangeht. Aber auch i m Falle der Auftragsfertigung erfolgt die Festsetzung des Kaufpreises erst auf Grund der vorher getroffenen Vereinbarung, also unter M i t w i r k u n g des Käufers und i m Verlaß auf ein kalkulatorisch nachprüfbares wirtschaftliches Verhalten des Herstellers. 4*
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Das spekulierende Kalkulieren geht so vor sich, daß zunächst an die Herstellung eines bestimmten Erzeugnisses i n einer bestimmten Weise gedacht wird. Die bestimmte Weise bezieht sich auf die Qualität des Endproduktes und die Einsatzpreise sowie den Arbeitsaufwand. Spekulativ ist dieses Kalkulieren deshalb, w e i l es unter der Annahme erfolgt, daß ein solches Erzeugnis von solcher Beschaffenheit zu einem solchen Preis absetzbar ist, der die Kosten deckt und außerdem noch einen Gewinn abwirft. Selbst beim Monopolbetrieb besteht der spekulative Charakter des Kalkulierens, weil Monopole nicht unangreifbar, insbesondere Monopole der Lage, der Qualität, des Namens relativ leicht angreifbar sind. Ein noch so richtiges Rechnen bietet keine Gewähr für die daran geknüpften Erwartungen. Der Genauigkeitsgrad der Rechnung mag gesteigert, der Unsicherheitsgrad des Absatzes kann jedoch damit nicht gemindert werden. Darum trifft es zu, daß mancher Fabrikant zwar schlechter kalkuliert, aber doch besser verkauft, ohne darum zu schlechteren Preisen oder geringeren Gewinnen zu verkaufen. Angebotspreise wie die für Weine, Spirituosen, Kosmetika, Arzneimittel, Konfektion, Modeartikel können niemals kalkulatorisch begründet werden. Betriebe wie Gaststätten, Hotels, Theater, Filmverleihe, Speditionen, Verkehrsbetriebe, Konsumgüterindustrien können m i t keiner Rechenkunst der Welt die von ihnen getroffenen Unterschiede ihrer A n gebotspreise aus Kostengründen rechtfertigen. Selbst bei Maschinen und Geräten dürfte dies weitgehend der Fall sein, man denke nur an die Preise von Personenwagen oder von Zeitschriften und Büchern der Unterhaltungsliteratur oder an Kunstgegenstände. Kalkulieren ist exaktes Rechnen mit bestimmten Größen. Wie bestimmt sind aber diese Größen? Vor jedem Kostenansatz einer Kalkulation muß das Wörtchen wenn gesetzt werden. Wenn das Wörtchen wenn nicht wäre, gäbe es keine Kalkulation. Kalkulieren ist ein echtes ökonomisches, empirisches Verhalten. Es hat nur soweit einen Sinn, wie echte ökonomische Tatbestände darin erfaßt werden, so gut wie nur die m i t echten Werten gefüllte Bilanz echter Unternehmen zu bestimmten Zeiten und Orten einen Sinn hat, nicht aber die ausgeräumte, entleerte Bilanz der gelehrten Bilanztheorie jenseits von Zeit und Raum und gar noch jenseits vom Unternehmen und vom Geld. Sobald sich das Rechnen von empirischen Größen und kontrollierbaren Verhältnissen sowie beherrschbaren Zuständen entfernt, liegt keine Kalkulation, sondern eine mathematische Rechenübung vor. Kalkulieren heißt die Vorgänge und Tatbestände des wirklichen Betriebes innerhalb der wirklichen M a r k t w i r t schaft richtig erfassen. Dies bedeutet, i n die Kostenrechnung nur das zu bringen, was Kostencharakter hat, nichts darüber, nichts darunter, nichts dazwischen. Daß i n den neuesten Kostenrechnungsleitsätzen 1952 die alten Fehler und Irrtümer der kalkulatorischen Kosten wie Unterneh-
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merlohn, kalkulatorischer Zins aus dem betriebsnotwendigen Kapital und kalkulatorische Abschreibungen wieder aufleben, entspricht zwar der Unternehmermentalität, findet aber keine theoretische Stütze, so wenig wie der Kostenansatz zum Tageswert. Der Kostencharakter ist nur i m Bereich des Betriebes und nirgendwo sonst gegeben. Stützt man Kostenrechnungen auf falsche Kostenbegriffe, so werden sie falsch. Falsche Kostenrechnungen führen, soweit überhaupt preisbestimmend, zu falscher Preisbildung und dann weiterhin zu falscher Kapitalinvestition und zu falscher Finanz- und Betriebspolitik. Kosten sind betriebsindividuell. I n ihnen drücken sich alle Züge eines Betriebes aus, nicht nur die Betriebsgröße, auch die Betriebsorganisation, Kapitalausstattung, die Tüchtigkeit der Arbeitskräfte, die Wirksamkeit der gesamten technischen Apparatur, die Gestaltung des Produktionssystems, die Auflagenhöhe und Fertigungsweise. Erst die Zusammenfassung aller Kostenarten, die ihrerseits nur als Geldgrößen und nicht anders erfaßt und verstanden werden können, zu der Geldgröße Gestehungskosten macht diese für mehrere Betriebe vergleichbar. Erst hieraus sind Preisunterschiede soweit verständlich, wie Kosten ausschließliche Bestimmungsgründe für Preise sind. Erst von hier ab ist der Vergleich der „comparative costs" und der darauf fußende Wahlakt des freien Handelns zur billigsten Beschaffung möglich. Negierung des Geldcharakters der Kosten ist Wirtschaftseparatismus aus Marktfeindschaft. I n der Kalkulation steckt ein spekulatives Element, welches das Denken und Handeln des Kaufmannes immer auszeichnet. Kalkulatorisches Bemühen geht darauf aus, mehr und mehr bestimmte Größen für Erwägungen zu gewinnen. Es bedeutet also die Vergrößerung des gesicherten Bodens, die Verlängerung der wirtschaftlich abschätzbaren Zeiträume, die Erhöhung der Sicherheit betrieblicher Erwägungen und sonach die Möglichkeit, weitere Unsicherheitsmomente auf dem gesicherten Fundament tragbar zu machen. Die Kalkulation macht die Spekulation zu einem aus Erfahrung und aus der Erfassung verfügbarer Größen gestützten, wohlfundierten Versuch richtiger wirtschaftlicher Entscheidung. Sie unterscheidet dieses Spekulieren eindeutig von jenem anderen, bei dem auf gut Glück ein Einsatz gewagt wird. Das kaufmännische Kalkulieren ist das Gelenk zwischen Denken und Handeln. Es bewirkt die Umsetzung von Kausalfaktoren i n Realfaktoren, ja die Umsetzung von Kausalität i n Realität, die Umwandlung überlegter Tat i n vollendete Tatsache. Mengen interessieren i n der Kalkulation nur aus Qualitätsüberlegungen. Sie haben i n der Wirtschaft überhaupt nur insoweit Interesse, wie sie eine Qualitätsbewandtnis haben. Die Qualitätsbewandtnis ist i n der Beziehung
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zum Betrieb und i n der Begrenzung seiner Größen und Proportionen gegeben. Aus der Zwecksetzung alles Wirtschaftens leitet sich die Qualitätseigenschaft wirtschaftlicher Mengen, sei es Geld oder Gut, ab. So sind auch die chemischen, physikalischen und technischen Eigenschaften der Stoffe vom Standpunkt des Betriebes die ihnen für wirtschaftliche Zwecke zukommenden Qualitäten. Erst aus solchen Qualitätsermittlungen interessieren Quantitätsfeststellungen. Hierbei ist die Qualität nicht nur wichtiger, sondern durchaus primär. Vor der Quantifizierung i m wirtschaftlichen Bereich steht die allgemein menschliche Erfahrung, aus der die chemische und physikalische Analyse zur Beurteilung des Stoffeinsatzes ihre Sinngebung empfängt. Zu 4: Regulierend disponieren und disponierend regulieren. Das Disponieren enthält Entscheidungen über Menschen und Sachen, insbesondere über ihren zeitlichen Einsatz, ihre Kombination und zweckdienliche Verwendung. Je nach A r t der Betriebsarbeit ist das Disponieren nur für einen einmaligen Zweck oder für die Dauer eines einmaligen Auftrages oder als bleibende Anordnung bis auf weiteres bestimmt. Aus der Natur der Betriebsarbeit ergibt sich, daß die bis auf weiteres geltende Disposition einen breiten Raum einnimmt. Die Betriebsarbeit ist ein ständig fließender Strom. Er soll nach ökonomischen Überlegungen keine Unterbrechung, aber auch keine Stauung und Überflutung zeigen. Aus diesem Grunde erfolgt die Disposition jederzeit m i t dem Ziel einer Regulierung. Wenn die Regulierung den Gleichlauf sichern soll, so kann dies nur unter Beachtung der gegebenen Mittel und Möglichkeiten des Betriebes i m Verhältnis zu den gestellten Aufgaben geschehen. Die Disposition erfolgt i n der bekannten Abstufung von der obersten Entscheidungsstelle bis zur eigentlichen und schließlich letzten Ausführungsstelle. Die Betriebsbeteiligten wissen, welche Entscheidungen an jeder entscheidenden Stelle damit verbunden sind und welche Handlungen sich daran knüpfen. Die oberste Entscheidung kann einfach lauten: es w i r d gemacht, und dann w i r d es gemacht; sie kann aber auch lauten: so w i r d es gemacht, jetzt w i r d es gemacht, aus dem und dem Material, m i t den und den Maschinen, Werkzeugen und Arbeitskräften, i n der und der Zeit. Die Stufenfolge der von oben nach unten verlaufenden Entscheidungen bringt die Durchführung m i t jeweils neuen Zwischenentscheidungen und detaillierten Ausführungsanweisungen i n Verbindung. Sie haben den Sinn, das Ergebnis der Betriebsarbeit mit der ursprünglichen Anordnung i n Einklang zu bringen. Diesen Einklang kann die oberste Betriebsleitung nicht von sich aus unmittelbar herbeiführen, sie kann i h n nur i m Instanzenweg sichern. A n jeder Entscheidungsstelle sind die entsprechenden Ermittlungen und Anordnungen zu treffen. Dabei ist die Disposition über den Einzelfall darauf bedacht, eine über diesen hin-
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ausgehende Regulierung zu treffen, damit der Einzelfall das Ganze nicht stört. Soweit der Arbeitsfluß reguliert wird, erfolgt die Regulierung i m Wege der Disposition, die von Aufträgen veranlaßt, durch die Betriebsbereitschaft bedingt und unter Berücksichtigung der allgemeinen Umstände vorgenommen wird. Den Anstoß gibt der Arbeitsfluß selbst. Die Entscheidungen der Disposition knüpfen an gegebene Anlässe: Auftragserteilung, Materialbestellung, Maschinenbereitschaft, Vorrathaltung, Arbeitseinsatz und so weiter. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, zwischen den Betriebsteilen dasjenige Verhältnis herzustellen, welches aus der laufenden Betriebs arbeit wesentlich bestimmt wird, beziehungsweise diejenigen Betriebsverhältnisse zu erfassen und zu beachten, die die Maximalbeanspruchung der Betriebsteile (Engpässe) kennzeichnet. Soweit keine dynamischen Faktoren der Änderung der Betriebsdaten auftreten, geht es um die Beachtung und Wiederherstellung der gegebenen Grundverhältnisse. Soweit neue Aufträge zu einer Änderung der Betriebsdaten führen, t r i t t eine Änderung i n den Grundverhältnissen ein, wie dies bei Erweiterung der Anlagen, Erhöhung der Warenbestände, Verstärkung der Arbeitskräfte, Verlängerung der A r beitszeit oder bei Einschränkung all dessen der Fall ist. Es gibt kein Regulieren und Disponieren ohne die Kapitalrechnung. Sie umfaßt nicht nur die Unterlagen der Geschäfts- und Betriebsbuchhaltung einschließlich der Anlagen- und Lagetfbuchhaltung, sondern auch die Unterlagen der Betriebsplanung einschließlich der Planungsrechnung, Betriebsstatistik, allgemeinen Verwaltung, Personalverwaltung und Organisation. Diese Unterlagen sind so angeordnet, daß sie die Anordnung auf dem Weg von der Entscheidung bis zur Ausführung begleiten und jeweils von oben nach unten, wenigstens bis zum Ende des jeweiligen Entscheidungsbereiches, i n der Regel bis i n den nächsten Entscheidungsbereich hinein reichen. Dem Sinn jeder Organisation entspricht es, daß einzelne Entscheidungen zweiter und dritter Instanz die Entscheidung erster Instanz nicht belasten, aber so getroffen werden, daß die vierte und fünfte Instanz weiterarbeiten kann. Dies ist nur mit Hilfe der Betriebsrechnung möglich. Zur Durchführung dient der Instanzenzug mit der darin enthaltenen Konkretisierung der Betriebsaufgaben. Während zum Beispiel die Bestandskonten der Klasse 3 für die ursprüngliche Hauptdisposition genügen, bedarf die Durchführung der Aufträge einer genauen Kontrolle der nach Mengen und Sorten gegliederten Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, wie dies nur mit Hilfe der detaillierten Lagerbuchführung und Lagerkartei möglich ist. Ein geordneter Arbeitseinsatz w i r d sich nicht mit der Gesamtzahl der Belegschaft begnügen, sondern mit ihrer Gliederung nach Abteilungen, Gruppen, Kolonnen und so weiter befassen müssen, und dies ist
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nur i n Zusammenarbeit von Personal- und Organisationsabteilung und Betriebsleitung möglich. Die erforderlichen Unterlagen für den geordneten Arbeitseinsatz umfassen außer denen der Lohnbuchhaltung diejenigen der Fertigungsplanung, der Arbeitsvorbereitung und so weiter. Eine solche Betrachtung verwischt keineswegs die bisherigen Grenzen der Betriebsrechnung durch Einbeziehung anderer als der rechnerisch erfaßten Faktoren. I m Sinne des Zahlenwerkes w i r d lediglich jener Zusammenhang hergestellt, der die Kapitalrechnung kennzeichnet und der für das Gebiet des Material- und Arbeitseinsatzes ebenso wie für jedes andere Gebiet der Kapitalwirtschaft gilt. Z u 5: I m Kleinsten das Größte, i m Größten das Kleinste sehen. Das Größte nicht nur sehen, sondern auch wollen und tun, das Kleinste nicht übersehen, sondern erkennen und berücksichtigen: beides kann nur mit Hilfe der Kapitalrechnung geschehen. Wie soll der Betriebsleiter einer Großunternehmung i n den nächsten fünf Minuten eine richtige Entscheidung treffen, die erst nach 50 Jahren zum Tragen kommt? Das kann ebenso die Einbeziehung eines jungen Arbeiters i n die Gefolgschaftsversicherung wie die Entscheidung über einen Fabrikneubau oder die Anschaffung von Maschinen oder die Kapitalinvestierung i n Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sein. Welches Bindemittel besteht zwischen dem Augenblick der Entscheidung und dem Augenblick der Beurteilung, die erst nach Jahrzehnten möglich ist? Hier hilft kein menschliches Gedächtnis und kein Verlaß auf die getreue Fortführung einer Betriebstradition über Generationen hinweg. Hier kann nur das künstliche Gedächtnis, die synthetische Betriebstradition, die unpersönliche Verknüpfung von Gegenwart und Zukunft helfen. Dies ist allein mit der Kapitalrechnung möglich. Die neuzeitliche Ausgliederung jener Rechnungszweige, die als Planrechnung, Budgetrechnung und Vergleichsrechnung ihre besonderen Bezeichnungen gefunden haben, sind echte Triebe am Baume der Kapitalrechnung. Es ist auch richtig, ihnen eigene Namen zu geben. Nicht richtig ist es und w i r d mit der Zeit verfänglich, den Stamm der Kapitalrechnung innerhalb der Verzweigung des „neuzeitlichen Rechnungswesens" zu übersehen. Jede Rechnung im Betrieb dient dem Kapital und hat nichts anderes als das Kapital zum Gegenstand, ist also ein Bestandteil der Kapitalrechnung. Gäbe es keine Kapitalrechnung, so gäbe es keinen Anfang, kein Ende, keinen Unterschied, keine Grenze, keine Mehrung und Minderung, keine Form, keinen Vergleich. Die Rechnung macht es erst möglich, das Betriebsvermögen vom privaten Vermögen, den Betrieb vom Haushalt abzugrenzen, und zu periodisieren. Daß Gelehrte wie Werner Sombart und Oswald Spengler die Buchhaltung mit der Entdeckung der astronomischen Gesetze von Galilei und Newton gleichgesetzt haben, ist keine Übertreibung, sondern nur die schlichte Anerkennung der Tatsache,
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daß kein moderner Betrieb und Markt, folglich die gesamte Verkehrswirtschaft mit ihren weltumspannenden Handlungsfeldern, ohne Buchhaltung möglich wäre. Die Kapitalrechnung erfaßt das Kleinste und projiziert es auf das Ganze des Betriebes. Sie würdigt das Kleinste i m Hinblick auf das Ganze. Sie ist totalitäres Rechnen aus totalitärem Denken. Die Spannweite der Kapitalrechnung reicht vom millionstel Pfennig bis zur Milliardensumme. Die Kapitalrechnung ist darin frei, wo sie das Minimum der Ermittlungseinheit und der Verfolgungsfeinheit festsetzt. Sie verfolgt nicht alle Vorgänge mit gleicher Genauigkeit; wo sie die minuziöse Genauigkeit anwendet, geschieht es aus Gründen der Relevanz und Repräsentanz einer ökonomischen Messung, aus Gründen der millionenfachen Wiederholung des gemessenen Vorganges und aus Gründen der Erzielung vergleichbarer Standardwerte maschineller und menschlicher Leistung. Es gibt kaum eine hinlängliche Vorstellung von der Mannigfaltigkeit und Fülle der Anwendungsformen der Kapitalrechnung und von der Zahl ihrer Genauigkeitsgrade. Die gleiche Unternehmung mag ihre guten Gründe haben, wenn sie an einer Stelle die hundertstel Sekunde, den millionstel Pfennig erfaßt und an einer anderen Stelle Beträge von Millionen lässig behandelt. Hier liegen keine willkürlichen und unerträglichen Widersprüche, sondern in der Sache begründete Genauigkeitsgrade vor. Das Kleinste w i r d m i t Hilfe der Kapitalrechnung gesehen, aber auch gewollt und getan. Erst durch die Bewaffnung des menschlichen Bewußtseins mit dem Orientierungs- und Auskunftsmittel der Buchhaltung, die zugleich Gedächtnis und Gewissen der Handelnden ist, kann die Kontinuität der Betriebswirtschaft erreicht und gesichert werden. Die Erziehung der Mitarbeiter zur Beachtung des Kleinsten bedarf ständiger persönlicher Einwirkung, aber sie wäre hoffnungslos ohne die Erfassung kleinster Vorgänge und Begebenheiten mittels der Kapitalrechnung. Die Portokasse muß stimmen, und es kommt nicht darauf an, ob der Lehrling, der sie führt, den fehlenden Groschen ersetzen kann. Der Spannungsbogen der Kapitalrechnung verläuft vom Pfennig zur Milliarde und von der Milliarde zum Pfennig, er bildet ein Kraftfeld, aus welchem Wirkungen ausstrahlen, die gewillt sind, aus dem Pfennig eine Milliarde zu machen, und entschlossen, die Milliarde bis zum letzten Pfennig zu verteidigen. Wenn vom Geld wie von Schrift, Sprache und Zahl gesagt werden kann, daß diese großen Erfindungen des menschlichen Geistes soziale Bindemittel und Lösemittel sind, so genügt es zur Erkenntnis der Kapitalwirtschaft nicht, vom Geldwesen betont festzustellen, es sei Binde- und Lösungsmittel zugleich; es bedarf der grundlegenden Einsicht vom Geld als Rechenpfennig und vom Rechnungswesen als Organisationsmittel (J. Schumpeter, J. Plenge) (35). Erst das auf Geld beruhende Rechnungswesen des Betriebes
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macht die Zusammenfassung wirtschaftlicher Vorgänge über homogene Verkehrsakte und Umsatzziffern zur Bilanzsumme und umgekehrt die Aufgliederung der Vermögensstruktur, die Spaltung des Betriebserfolges, die Zurückverfolgung über Verkehrsziffern, Haupt- und Nebenkonten bis i n die Ursprünge der Verkehrsakte möglich. Kapitalrechnung ist Synthese und Analyse. Eine Verallgemeinerung der Betriebsvorgänge, eine Verknüpfung m i t Markttatsachen durch Beobachten, Vergleichen und Auswählen ist erst nach der Einkleidung der Wirtschaftsvorgänge i n den Geldausdruck möglich. Erst hier nimmt die Wissenschaft vom Betrieb ihren Anfang, denn erst von hier ab ist eine wissenschaftliche Verbindung zum Markt möglich. Was darunter liegt, ist nicht Wirtschaftswissenschaft, sondern Technologie und Psychologie. Das ökonomische Streben, den Betrieb elastisch zu halten, sein Gleichgewicht zu sichern, hat i n den Dingen (36) selbst keinen Sitz. Es wohnt i m Bewußtsein der Betriebsleitung und ist auf die M i t w i r k u n g der Belegschaft angewiesen. Seine Objektivierung und dadurch seine relative Sicherung findet es i m System der Kapitalrechnung. Sie ist Mahner i n dem rastlosen Streben nach Realisierung unter dem Gesetz der Vergänglichkeit, welches auch dem Betrieb i n keiner Ewigkeit zurückbringt, was er in der Minute ausgeschlagen. Wollte man finden, daß eine solche Betrachtungsweise organisatorisch sei, so kann dies i n dem Sinne gelten, daß die Kapitalrechnung das oberste und entscheidende Mittel der Betriebs- und Marktorganisation — der Betriebsorganisation über die Kosten, der Marktorganisation über den Preis — ist. Zu 6: I m Bestehen wechseln, i m Wechsel bestehen. Der Betrieb ist ein Kontinuum ständiger Umsetzung von Betriebsleistung i n Marktleistung und umgekehrt. Er bestimmt seine Existenz aus immantem Willen unter bestem Vollzug der i h m erkennbaren Marktgebote. Er kennt kein anderes Soll als das aus freier Wahl i m freien Marktverkehr übernommene Soll gemäß Vertrag. Die Erstellung der Betriebsleistung setzt eine bestimmte Betriebsstruktur voraus, der kontinuierliche Prozeß der Betriebsleistung erfordert die Wiederherstellung nach eintretenden Strukturveränderungen; der Betrieb bestimmt ständig nicht nur über seine Leistung, seinen Absatz, sondern über sich selbst. Seine Entscheidungen und seine Wahlfreiheit beziehen sich nicht nur auf die Betriebs- und Marktleistung, sondern auch auf die Betriebsgröße und Ausdehnung. Es ist dem Wesen des Betriebes gemäß, i m Bestehen zu wechseln, und es ist seine Aufgabe, i m Wechsel zu bestehen. Um dieses zu vermögen, um dem Vermögen diejenige Struktur zu erhalten, die der Betriebsaufgabe entspricht, dazu bedarf es der Vermögensrechnung und all jener ausgegliederten Bestandteile der Kapitalrechnung, die sich fächerartig über die Betriebsaufgaben ausbreiten. Sie vermitteln die Erkenntnis der Wechselwirkungen zwischen Sta-
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t i k und Dynamik des Betriebes. Sie ist es auch, die eine betriebskonforme Marktpolitik und eine marktkonforme Betriebspolitik unterstützt und das Dauerhafte aus augenblicklichen Entscheidungen gewährleistet.
I I I . Kapitalwirtschaft und Kapitalrechnung Rechnung und Wirtschaft verhalten sich wie Kopf und Fuß beim schreitenden Menschen. Dies soll abschließend an folgenden Überlegungen erhärtet werden: 1. Ordnung und Planung 2. Verwaltung 3. Gestaltung 4. Struktur und Ablauf 5. Ergebnis. Zu 1: Ordnung und Planung. Die Ordnung unterscheidet die Betriebseinrichtungen als Teile des Ganzen. Sie versucht auf Grund dieser Unterscheidung, den Sinn des Ganzen i n jedem Teil wachzuhalten, die Zielrichtung jedes Teiles auf das Ganze zu lenken. Als Ordnung der Beziehungen zwischen Mensch und Mensch und zwischen Mensch und Sache verdient eine solche Regelung die dafür verwendete Bezeichnung Organisation. Eine Organisation, die sich der Kapitalrechnung nicht bedienen würde, um die Regelung der Beziehungen i m Betrieb vorzunehmen, würde diesen Namen nicht verdienen. Während das Ordnen zunächst die Erhaltung eines gegebenen Zustandes und seine Wiederherstellung nach erfolgten Abweichungen betrifft, bedarf der hochentwickelte Betrieb einer i n Niederschriften, Zeichnungen und Berechnungen zutage tretenden Teil- und Gesamtplanung. Diese Planung unterliegt verschiedenen Phasen der Realisierung. Der Plan selbst enthält verschiedene Vorstadien, von der reinen Idee bis zur konkreten Gestalt. Die Planung w i r k t auf die Gestaltung ein wie der Wille auf das Tatgeschehen, wie der Verstand auf den Körper. Sie setzt die Betriebsmittel in Bewegung und garantiert die Proportionierung der Betriebsteile, die Abstimmung des Produktions- und Arbeitstempos, die Ausnutzung der Sachmittel und Arbeitskräfte. Die Planung durchdringt die Wirtschaftshandlung als Wirtschaftsrechnung eigener Art, nämlich i n Form der Planrechnung und Plankostenrechnung. I m Industriebetrieb erfaßt die Planung nicht nur die Produktion, ausgehend von einem geplanten Verkaufsvolumen, sondern auch Einkauf, Lagerung und Finanzierung. Die Produktionsplanung führt zur Kostenplanung. Dies ist ein überzeugendes Beispiel für den betrieblichen Umgang m i t empirischen Größen. Die Sollziffern der Kostenpia-
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nung sind empirische Größen, weil sie innerhalb der Gegebenheiten und Möglichkeiten des Betriebes liegen. Die Planrechnung mit Sollziffern stellt ein Gerüst von Größen und Proportionen dar, welches i m Produktionsverlauf durch die danach bestimmten Einsatzmengen und Arbeitshandlungen ausgefüllt wird. Sie ist also eine Rechnung anderer A r t als die übliche, die mit gegebenen Größen gesuchte Größen findet. Sie ist in sich geschlossen und findet Inhalt und Grenzen durch das für die Verkehrswirtschaft gültige autonome Betriebsgesetz, welches über die Produktionsgröße und Produktionsweise entscheidet. Auf diese Weise leitet die Planungsrechnung das Betriebsgeschehen i n die Zukunft und erweitert den Zeitraum, i n welchem Betriebshandlungen rational bestimmbar sind. Zu 2: Verwaltung. Die Aufgaben der Verwaltung gehen über die Betriebsrechnung hinaus. Sie umfassen die Obliegenheiten der Personalwirtschaft, der Menschenökonomik, der betrieblichen Sozialpolitik (37) und der Pflege der menschlichen Beziehungen. Sie umfassen außerdem die Pflege, Erhaltung und Sicherung des Betriebsganzen zum Unterschied von den Abteilungen. Dazu gehört auch die Pflege der bisherigen Beziehungen zu den Kunden und Lieferanten und die Aufnahme neuer Beziehungen dieser Art. Die Betriebsrechnung sucht diesen Aufgaben gerecht zu werden. Vor allem ist es die Statistik, die das Zahlenwerk für die allgemeine Betriebsverwaltung liefert und dort weiter in die Betriebsobliegenheiten vordringt, wohin die Buchhaltung aus ökonomischen, rechnungstechnischen und organisatorischen Gründen nicht folgen kann. Die Personalverwaltung eines Großbetriebes erfordert nicht nur die Führung von einzelnen Personalakten, sondern auch die Gewinnung von Übersichten über den gesamten Personalstand, die Zu- und Abgänge, die geleistete Arbeitszeit, die Ausfälle durch Krankheit und Urlaub, die Stellenbesetzung. Solche Übersichten werden mit den Ergebnissen der Buchhaltung i n Verbindung gebracht. Dabei verfolgt die Betriebsstatistik kein anderes Ziel, als ihr i m Sinne der Kapitalrechnung und als Bestandteil derselben zugedacht werden kann. Die Betriebsbühne als Schauplatz des Wechsels bedient sich der Kapitalrechnung zur Vorbereitung und Durchführung der Betriebshandlungen. Die Kassen- und Warenumsätze werden nicht um ihrer selbst willen i n der Kapitalrechnung erfaßt. Der Einzelhandel umfaßt sämtliche Kassenumsätze, jedoch nicht sämtliche Warenbestandsänderungen. Der Bank- und Sparkassenbetrieb ist aus rechtlichen Gründen genötigt, jeden Kassenumsatz getrennt nach Ein- und Auszahlung sämtlicher Kunden auf deren Konten einzeln darzustellen, ohne daß hier wie beim Einzelhandel ein Kausalzusammenhang zum Warenvorrat als Vermögensteil besteht. Der Industriebetrieb erfaßt in seiner Kapitalrechnung die Hunderte oder Tausende interner Buchungsvorgänge, die sich aus
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dem Produktionsprozeß ergeben. Die städtische Straßenbahn oder die Bundesbahn erfassen den einzelnen Fahrschein, aber nicht den einzelnen Fahrgast. Nur aus der Natur der Kapitalrechnung ist zu erklären, warum die Buchhaltung der Sparkasse jeden kleinsten Ein- und Auszahlungsbetrag getrennt erfaßt, während das Verkehrsunternehmen die Tageseinnahme i n einer Summe verbucht, obwohl sie sich aus Millionen Beförderungsleistungen (Verträge) zusammensetzt. Die Fülle und Vielseitigkeit der Buchungsfälle, das Auseinanderklaffen ihrer Zahl gegenüber der Zahl der Geschäftsfälle (Umsatz), ist ein kaum beachtetes Phänomen i m Betriebsleben. Die mögliche Erklärung liegt i n der aus der Kapitalwirtschaft zu fordernden und nur durch diese so gestalteten Kapitalrechnung. Die Kapitalrechnung ihrerseits versorgt den Betrieb mit jenen Kontrollmitteln, die zur Zusammenfassung von Planung und Handlung, von Anordnung und Ergebnis und zur kritischen Würdigung von alledem gehören. Die eigenartige Kontrollbedürftigkeit der hochentwickelten Kapitalwirtschaft verlangt nach der so und so gestalteten Kapitalrechnung. Das betriebliche Kontrollbedürfnis ist der Schlüssel für die Entfaltung der Kapitalrechnung seit 50 Jahren. Die Kontrolle w i r d zu einem gebieterischen Ordnungsmittel der allgemeinen Verwaltung aus der unabweisbaren Notwendigkeit geistiger Herrschaft über das Betriebsgeschehen. Hieraus erklärt sich auch die Fülle und der Reichtum der angelsächsischen Literatur über Betriebskontrollen, ihre Mittel und Systeme. Das Wirklichkeitsbild von Betrieb und Markt w i r d nicht erfaßt ohne Erkenntnis des echten Systemcharakters der Kapitalrechnung aus dem Systemcharakter von Betrieb und Markt. Der Weg vom theoretischen Ausgangspunkt zum konkreten Betriebsbild w i r d gesichert und markiert durch solche umgreifenden Unterscheidungen wie Kapitalwirtschaft und Kapitalrechnung. Sie ermöglichen die Filtrierung und Separierung der Betriebsvorgänge und ersetzen weitgehend, was der Wirtschaftstheorie am Experiment versagt bleibt. Erst die lebendige Verbindung von Kapitalwirtschaft und Kapitalrechnung, die i m Schul- und Hochschulunterricht über die Buchhaltung aus pädagogischen Gründen unterbleibt, macht die wechselseitige Systembezogenheit und Systemabhängigkeit klar und unterscheidet den Buchhalter vom Betriebswirt. Zu 3: Gestaltung. A u f den Betrieb als soziologisches Gebilde sind die soziologischen Grundbegriffe der Differenzierung und Integrierung anwendbar. Sie bezeichnen Entwicklungen, die zu einer Ausprägung verschiedenartiger Glieder (Differenzierung) und zur Durchdringung aller Teile aus gleicher Zweckverfolgung und oberster Aufgabensetzung (Integration) führen. Anknüpfend an diese soziologischen Gegebenheiten macht es sich die Betriebsorganisation zum Ziel, die Betriebsgestaltung bewußt vorzunehmen. Da es sich hierbei um ökonomische Gestaltung
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handelt, unterliegt ihre Beurteilung den Kriterien des ökonomischen Gesetzes. Die Beurteilung kann deshalb immer nur vom jeweiligen Zweck aus vorgenommen werden. Der Zweck ist jedoch wandelbar, wie Wirtschaft und Leben überhaupt. Eine sofortige Änderung der Betriebsteile ist gar nicht immer vorteilhaft, die größtmögliche Betriebselastizität ist keineswegs ein optimaler Zustand, sie geht auf Kosten der Form und Dauer. W i l l man mit Hilfe der Kapitalrechnung den Veränderungen der Kapitalwirtschaft folgen, so kann dies nur in einer relativen Anpassung an die veränderten Betriebszwecke geschehen. Es kann betriebswirtschaftlich geboten sein, nicht jede mögliche Betriebsanpassung vorzunehmen, nicht jedes mögliche Geschäft mitzumachen, nicht jeder kurzlebigen Schwankung des Marktes, des Geschmacks oder der Mode zu folgen. Der dauerhafte Betrieb ist durch seine Struktur auf bestimmte Geschäfte eingerichtet und infolge seiner Spezialisierung auf diese angewiesen. Er muß sie aufsuchen, wo er sie findet, und ginge er auch bis ans Ende der Welt. Hierin liegt die Höchstempfindlichkeit der Betriebe und hieraus erklärt sich ihre äußerste Hilfsbedürftigkeit und Abhängigkeit von der Kapitalrechnung. Wie sollten die Weltfirmen von Markenartikeln ihren Umsatz auf jene Produktmenge bringen, die die Verwendung modernster Verarbeitungs- und Verpackungsmaschinen und Transportvorrichtungen rechtfertigt, wenn ihre Kundenbuchhaltung den Zusammenhang mit dem Absatzmarkt nicht sichern würde! Wie könnte der Konsumentenkredit als eine grundwichtige Neuerscheinung des Wirtschaftslebens seit einigen Jahrzehnten ohne die Millionen Kreditakten und Personenkonten durchgeführt werden! Das Geld kann solche Wunder nicht vollbringen, wohl aber das Rechenwesen i n der Form der Kapitalrechnung, welche auf dem Geld beruht. Gibt es doch Unternehmungen mit über einer Million Kunden und m i t nahezu einer M i l l i o n Teilhabern wie die großen amerikanischen Banken, Eisenbahnen, Elektrizitätsgesellschaften. Die BEWAG, Berlin, führt 700 000 Konten m i t 250 Buchhaltungskräften, die General Motors hat über 500 000 Aktionäre, die American Telephone and Telegraph Company über 700 000 Aktionäre (38). Für den Produzenten und Händler ist der Markt ein weites Handlungsfeld, für den Buchhalter ein Arbeitsfeld zur Bewältigung, Führung und Abstimmung von 100 000 Konten und mehr. Ein Tag ohne Kapitalrechnung ist das Ende der Kapitalwirtschaft. Man mache sich klar, daß Betriebe seit 500 Jahren und länger bestehen, Königreiche und Imperien überdauert haben und daß der Pulsschlag ihrer Rechnung an keinem Tage ausgesetzt hat. Umgekehrt ist nicht zu ermessen, welche Verheerung durch die Unterbrechung der Kapitalrechnung für die Kapitalwirtschaft eintritt, ja welcher Verderb bereits durch Verschlechterung und Störung der Kapitalrechnung infolge der Geldwertschwankungen
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für die Kapitalwirtschaft gegeben ist. W i r d erst einmal das Geld verdorben, so w i r d bald die Geldrechnung außer Kurs gesetzt, die Kostenrechnung vernachlässigt, die Umsatzrechnung w i r d liederlich, der Betrieb unehrlich und der Markt verkommt unter den Händen derer, die diesen Prozeß einleiten, seine Ausbreitung rühmen und an solchem Zerfall profitieren. Zu 4: Struktur und Ablauf. Der statische Betrieb bedarf der Kapitalrechnung zur Erhaltung und Wiederherstellung seiner Betriebsstruktur, der dynamische Betrieb zur Erreichung der angestrebten Betriebsstruktur. Häufige Zustandsbilder mit Hilfe der Kapitalrechnung geben zu Strukturänderungen aus Maßnahmen der Betriebspolitik Anlaß. Es mag dem Willen des Betriebsinhabers entsprechen, daß ein Betrieb i m statischen Markt selbst statisch bleibt. Dann w i r d auf eine mögliche Entwicklung verzichtet. Es mag ebenfalls dem Willen der Betriebspolitik entsprechen, daß selbst i m dynamischen Markt die Betriebsstat i k erhalten bleibt, also weder Produktionsausweitungen noch Betriebsumstellungen erfolgen. I n beiden Fällen ist eine solche Betriebspolit i k darauf angewiesen, mit Hilfe der Kapitalrechnung ein so gefaßtes Ziel zu verfolgen. Für den dynamischen Betrieb gilt folgendes: bringt man es i m statischen Markt zuwege, seinen Umsatz zu vergrößern, so kann dies nur unter Beeinträchtigung der Wettbewerbsbetriebe geschehen. Dabei w i r d die Kapitalrechnung, insbesondere die Kostenrechnung, i n erhöhtem Maße zu Rate gezogen. W i l l ein dynamischer Betrieb i m dynamischen Markt der relativen Wirtschaftsentwicklung folgen oder ihr sogar vorauseilen, so bedarf er nicht minder der Orientierungsmittel und Maßstäbe seiner Kapitalrechnung. Diese ist unbegrenzt entwicklungs- und ausdehnungsfähig und kann den Prozeß der Kommerzialisierung unbedenklich mitmachen. Dabei bewahrt das Unterscheidungsvermögen der Kapitalrechnung vor der Gefahr der Vermassung, die auch durch eine Pauschalierung von Gebühren (Strom, Gas, Wasser, Beförderung) eintreten würden. Es ist soziologisch bisher nicht begriffen, welchen Schutz vor Vermassung die Kapitalrechnung so lange bietet, wie die getrennte Kontierung des Beziehers von Leistungen der öffentlichen Versorgungs-, Verkehrsbetriebe den Zusammenhang zwischen Nutzung und Kosten, zwischen Inanspruchnahme und finanzieller Verpflichtung schützt und solange auch die wirtschaftliche Tugend der Sparsamkeit achtet. Die Kapitalrechnung respektiert die Individualität des Kunden und die privatrechtliche Natur des Eigentums. Sie allein ermöglicht die korrekte Abrechnung der Entgelte i m Verhältnis zur Beanspruchung und Nutzung. Was diese Sicherung der Individualität des Verbrauchers für den Schutz von Person, Eigentum und Freiheit bedeutet, mögen Historiker und Soziologen, wenn sie sich selbst darüber klar geworden sind, denjenigen klar machen, die es den Betriebswirten
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nicht glauben können. Ein späteres Zeitalter mag darüber lächeln, daß man einst für die Benutzung der Straßenbahn je nach der Strecke einen anderen Fahrschein lösen mußte, für den Eintritt zu Konzerten, Theater und Kino je nach Rang und Reihe einen anderen Preis erlegen mußte. Unserem Zeitalter dürfte diese Sitte durchaus bekömmlich sein. Wo aber der Sozialismus die Individualität unterbindet, mag Rechenarbeit erspart und Schreib- und Büroarbeit freigesetzt werden (was er wiederum nicht möchte), dies geschähe aber nur unter einem unwirtschaftlichen Mehraufwand. Es geht dabei nicht nur darum, das Wirtschaftsgut einer wirtschaftlichen Verwendung zuzuführen, sondern das sittliche Gut der Sparsamkeit zu schützen, die hohe Tugend persönlicher Verantwortung zu achten und den Reiz zur Anwendung von Witz und Verstand am Leben zu erhalten, der ein wichtiger Anreiz für die Entfaltung geistiger Kräfte und die Gestaltung der menschlichen Persönlichkeit überhaupt ist. Die Sozialisierung des englischen Gesundheitswesens seit 1947 zeigt von alledem das Gegenteil. Zu 5: Ergebnis. Die letzte Betrachtung gilt dem Ergebnis der Kapitalwirtschaft und seiner Ermittlung mit Hilfe der Kapitalrechnung. Hier streiten sich schon seit 100 Jahren die Volks- und Betriebswirte. Die einen betonen die Wirtschaftlichkeit i m Sinne der Produktivität, die anderen die Ergiebigkeit i m Sinne der Rentabilität (39). Während der landwirtschaftliche Betrieb seine Erträge auf die Bodenfläche bezieht, ist der gewerbliche Betrieb auf die Vergleichsbasis seines Kapitals angewiesen. Hier setzt die Rechnung ein, welche der günstigsten Kapitalverwendung dient. Sie stellt den Nettoertrag der Kapitalbasis gegenüber und berechnet hieraus die Rentabilität. Sie bleibt trotz ihrer Mängel das entscheidende Führungsmittel der Kapitalwirtschaft, während die Wirtschaftlichkeit, gegeben durch Gegenüberstellung von Brutto- und Nettoertrag, diejenigen Aufschlüsse vermittelt, die bei konstantem Betriebszweck und gegebener Betriebsgröße wie Produktionsweise gewonnen werden können, wonach eine günstigere Auswahl der Ertragsquellen oder Änderung der Aufwendungen erfolgt. I n der Rentabilitätsrechnung erfährt die Kapitalrechnung eine äußerste Zuspitzung, die erst die letzten Vergleiche und Entscheidungen über eine Kapitalverlagerung erlaubt. Änderungen des Betriebszwecks und daraus hergeleitete Kapitalwanderungen können erst vor sich gehen, wenn rechnerische Überlegungen stattgefunden haben, die an der Rentabilität orientiert sind. Die Mängel der Rentabilitätsrechnung sind i n der Natur der Kapitalwirtschaft begründet. Sie beruhen i n der Ungenauigkeit der Kapitalgröße durch Über- und Unterbewertung und Reservenbildung. Solche Ungenauigkeiten werden aber durch staatliche Eingriffe in das Geldwesen, den Geldmarkt und die Finanzierung herausgefordert und durch Maßnahmen der Bewirtschaftung noch verstärkt.
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Rentabilität findet ihre Rechtfertigung nur i m Wettbewerb und aus ihm ihre Annäherung an die Wirtschaftlichkeit. Der Kampf der Vertreter der Betriebswirtschaftslehre gegen die stillen Reserven wäre besser gegen die Verfälschung der Kapitalrechnung durch die staatliche Verschlechterung des Geldes gerichtet. Die Reserven stellen eine Regulierung der Umsatzwirtschaft dar, vergleichbar der Luftregulierurig bei Feuerungen. Die i m Abschlußzeitpunkt richtige Rechnung ist ein Phantom der Rechenkünstler. Die auf die Dauer des Betriebes tragbare Rechnung ist auch theoretisch als die allein richtige erweisbar. Bewertungsfragen werden i n der Theorie nur deshalb überbetont, weil man daran ohne Schaden seinen Scharfsinn zeigen kann. I n der wirklichen W i r t schaft gilt die Volks Weisheit: der Markt w i r d es lehren. — Man glaubte, es als eine Blasphemie bezeichnen zu dürfen, daß noch zu Anfang dieses Jahrhunderts die gebundenen Bücher der kaufmännischen Buchhaltung den Aufdruck trugen: M i t Gott. Weiß man wirklich, daß die Buchhaltung des 20. Jahrhunderts einen solchen A n fang nicht verdient, oder ist es zweifelhaft geworden, daß jede Epoche ein unmittelbarer Weg zu Gott sei (L. v. Ranke)? Eine Flut zeitgenössischer Literatur findet den Kapitalismus gottlos. Der als Erfinder der doppelten Buchhaltung genannte Angelo Senisio (1348) war Benediktiner, der als erster Darsteller der doppelten Buchhaltung berühmte Luca Pacioli (1494) war Franziskaner, der Verfasser von „Deila Mercatura et del mercante perfetto" (1568) (40), Benedetto Cotrugli aus Ragusa, war ein gar frommer Mann, der von Gebet und Almosen sehr viel hielt und zu sagen wußte. Die Kapitalwirtschaft ist aus christlichem Geist erwachsen. Die Kapitalrechnung entspringt christlicher Gedankenzucht und christlicher Tat. Erst der allgemeine Abfall vom Geist hat es i m Abfall vom Geist der Buchhaltung und der Kapitalwirtschaft so weit gebracht, diese selbst als Abfall zu mißdeuten. Wo aber noch erkannt ist, „daß der Geist nichts kann und nichts sein eigen nennt als was Form ist, daß der Mensch sein Inneres veräußert und alles Äußere formt und da dem Schrecknis überlegen ist, wo er i h m Form zu geben und es i n sein Objekt zu verwandeln weiß" (F. Schiller), da ist Hoffnung.
Die Unternehmung i m Wandel von Geld und Währung* I. Die Unternehmung 1. Geld und Währung Geld und Währung sind Staatssache, niemals Privatsache. Dies ist zu allen Zeiten so gewesen; darin macht auch das Geld gegenüber der Währung keinen Unterschied. Was Geld und Währung unterscheidet, ist der Innenwert und der Außenwert des Geldes. Solange der Außenwert des Geldes nicht durch einen Gesetzesakt der Abwertung oder Aufwertung geändert wird, mag er sich m i t dem Innenwert durch Kaufkraftsteigerung und Kaufkraftminderung de facto ändern, ohne daß dadurch eine Änderung der Währung de jure eintritt. Der Innenwert des Geldes mag sich durch Veränderung der Umlaufsmenge und durch andere Ursachen ändern, ohne daß die Währung geändert wird. Das Neue an der gegenwärtigen Währungsordnung ist ihre ausschließlich rechtliche und kreditpolitische Regelung an Stelle der sogenannten Automatik einer Goldwährung m i t metallischer Geldsubstanz. A n der Funktion des Geldes ändert sich dadurch nichts, nur hat es mangels eigenen Warencharakters nicht die inneren und äußeren AusgleichsWirkungen wie bei der Goldumlaufwährung. Theoretisch kann ein ungedecktes Geld stabiler sein als ein vollgedecktes und überdecktes Geld. Praktisch hat sich i n der Geschichte von Jahrhunderten erwiesen, daß der staatliche Einfluß auf Substanzverschlechterung und Substanzbeseitigung hinausläuft. Der Staat stellt durch eigene Geldschöpfung schlechtes m i t gutem Geld gleich, der Wirtschaftsverkehr kann zweierlei Geld nicht unterscheiden und muß die Vermischung von schlechtem mit gutem Geld nach dem Grundsatz Mark = Mark hinnehmen. Der Grundsatz selbst ist nicht falsch und muß für Perioden gesunder wie schlechter Währung gelten. Es ist eine falsche Ansicht, wenn die deutsche Betriebs* Referat während der Nürnberger Hochschulwoche v. 16.—20. 9. 1953, abgedruckt in der Referatsammlung: Gestaltwandel der Unternehmung, Nürnberger Abhandlungen, hrsg. v. H. Proesler, M. R. Lehmann, W. Weddigen, Heft 4, Berlin 1954, S. 185—206. Auf eine historische Behandlung des Themas, wie sie erwartet werden könnte, ist mit Rücksicht auf andere Themen in der Vortragsreihe verzichtet worden.
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wirtschaftslehre nach 1920 glaubte, diesen fundamentalen Satz der Geldordnung als falsch durchschaut zu haben. Hier liegt eine folgenschwere Verwechselung zwischen dem Nennbetrag eines Geldzeichens, der ihm aufgeprägt oder aufgedruckt ist, und der Kaufkraft der Geldeinheit vor. Geld ist das deklarierte Nominale, aber nicht das garantierte Reale. Deshalb kann es kein absolut stabiles Geld geben, und ein stabiler Preisindex kann immer nur historisch aus bestimmten statistischen Ermittlungen gewonnen, aber nicht dekretiert werden. Bundeswirtschaftsminister Professor L u d w i g Erhard hat i n seinen entscheidenden Reden und Erklärungen vor und nach der Währungsumstellung vom 20. Juni 1948 immer wieder dargelegt, daß das Geld i n der Marktwirtschaft der einzige Bezugschein für die Ware ist. Damit ist gegen den Extra-Warenbezugschein neben dem Geld i n der Verwaltungswirtschaft Stellung genommen, aber nicht gesagt, daß es ein Geld gäbe, welches ein Bezugsrecht auf eine bestimmte Menge und Qualität von Ware bescheinige oder den Bezug garantiere. Das kann eine Biermarke für die kurze Dauer einer Kneipe, aber nicht das Geld für die unbeschränkte Dauer einer Volkswirtschaft. 2. Unternehmung
und Betrieb
Der Betrieb stellt nach einem Ausdruck von Wilhelm Rieger den Kern, die Unternehmung den Mantel dar 1 . Daraus ergibt sich die Frage, welche Veränderungen i m K e r n und i m Mantel durch einen Wandel von Geld und Währung sich vollziehen. Wenn die Unternehmung m i t dem Mantel verglichen wird, so ist damit gesagt, daß sie die äußere Hülle ist, die sich mit der Umwelt berührt. W i r können diese Umwelt kurz als den Markt der Unternehmung bezeichnen. Ändert sich das Geld, so ändert sich nicht nur der Mantel, sondern auch der Kern, weil beide wie Organ und Organismus durch tausend Lebensfäden miteinander verknüpft sind. Welches von beiden sich stärker verändert, ist leicht, aber nicht einheitlich zu sagen. Freie Wirtschaft m i t freier Entscheidung vorausgesetzt, würde sich der Unternehmungsmantel i n solchen Unternehmungen am stärksten ändern, die einen sehr intensiven Kapitalumschlag (Umsatz) aufweisen, also ζ. B. bei Kreditbanken stärker als i m Handel, i m Handel stärker als i n der Fertigwarenindustrie, i n der Fertigwarenindustrie stärker als i n der Grundstoff- und Produktionsmittelindustrie. Wie sich der Unternehmungsmantel ändert, ob günstig oder ungünstig, richtet sich nach den vor und während der Geldänderung eingegangenen Kreditverhältnissen; sie erst entscheiden darüber, ob die einen Unternehmungen stagnieren, die anderen vegetieren, die drit1
Wilhelm Rieger, Einführung in die Privatwirtschaftslehre, 1928, S. 40. 5*
Nürnberg
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ten luxurieren. Bei freier Wirtschaft ist die Umsatztätigkeit und ihre Intensität i n das Belieben der Unternehmung gestellt. Eine Unternehmung, die aus irgendwelchen Gründen, ζ. B. solchen des Selbstschutzes, ihren Umsatz verlangsamt oder sogar vorübergehend unterbricht und einstellt, mag dadurch besser abschneiden als eine Unternehmung mit lebhaftem, vielleicht sogar gesteigertem Umsatz, der bei entsprechender Preisstellung zu laufenden Verlusten und einer A r t unfreiwilligen Ausverkaufs mit Auszehrungssymptomen führt. Praktisch w i r d mit einer erheblichen Geldvermehrung und wesentlichen Geldwertverschlechterung die Handlungsfreiheit der Unternehmung durch Preisvorsehriften und Maßnahmen der Verwaltungswirtschaft und der staatlichen Gesetzgebung eingeschränkt werden, bis schließlich der sogenannte Preismechanismus mit seinen ihm innewohnenden Lenkungsfunktionen für Kapitalbildung, Investition und Verbrauch ganz außer Kurs gesetzt wird. Trotz des Prinzips von „ t r i a l and error" ist die freie Marktwirtschaft i n Leistung und Anpassung (Produktivität und Elastizität) der Verwaltungswirtschaft überlegen, w e i l sie frei ist von den Fehlern der zentralen Planung und von der W i l l k ü r und Herrschaft der Planer und weil sie die Symptomatik der Markterscheinungen i m Preis, Gewinn und Zins zur Hand hat. Geldwertverschlechterung durch staatliche Geldschöpfung und Beseitigung der Marktfreiheit bis zur völligen Unfreiheit der Zwangswirtschaft verhalten sich wie Ursache und Folge. Ein Unternehmungswandel w i r d mit einem Betriebswandel einhergehen. Der eine kann schneller und intensiver sein als der andere. Es ist nicht so, daß auf Grund eines Wandels von Geld und Währung nur ein Unternehmungswandel ohne Betriebswandel oder nur ein Betriebswandel ohne Unternehmungswandel vor sich geht. Unternehmungsänderungen solcher A r t bleiben keine bloßen marktwirtschaftlichen Größenverschiebungen ohne Positionsänderungen, sondern greifen auf das Warensortiment i m Handel, das Fertigungsprogramm in der Industrie, die Kombination von Konzerngliedern, Beteiligungen, leitenden Personen über. Betriebsveränderungen wirken sich i n Höhe und Zusammensetzung des Kapitals und i n der Rechtsform aus (Stinnes, Flick, Otto Wolff). Die Betriebswirtschaftslehre ist nicht um Haaresbreite über den Stand vor 50 Jahren hinausgekommen, als Johann Plenge („Das System der Verkehrswirtschaft", Tübingen 1903, S. 12) (41) i n seiner Probevorlesung feststellte: „Eine solche Beschreibung muß nach aller Möglichkeit die inneren Zusammenhänge der Sache selbst herausarbeiten, aber das endgültige Ziel einer exakten Kausalerkenntnis und einer festen Begriffsbildung haben w i r i n den Gesellschaftswissenschaften noch nicht entfernt erreicht..." Die Betriebswirtschaftlehre hat weder einen eigenen Kapitalbegriff noch einen klaren, brauchbaren Gewinnbegriff,
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noch eine Vorstellung davon, daß es keine inneren Zusammenhänge aus der Sache selbst heraus zwischen Kapital und Gewinn i m Sinne einer exakten Kausalerkenntnis gibt. Franz Oppenheimer, Das Kapital, Leiden 1938 sagt dazu (S. 176): „Vor allem besteht nicht die geringste funktionale Beziehung zwischen dem Werte des sachlichen Substrats einerseits und der Höhe seines Gewinnes andererseits." Und S. 163: „Jede Hebung des Kurses einer Aktie oder eines Staatsschuldscheins usw. aus allgemeinen Gründen der Konjunktur schafft neues Kapital, und jede Senkung vernichtet altes Kapital." Und S. 168: „ I n der Statik ist der Additionswert (der ,autogene Wert') der Bestandteile eines ,normalen' volkswirtschaftlichen Kapitals genau gleich dem Kapitalisierungswert des mit diesem Kapital gewonnenen Ertrages. Eher kann die Konkurrenz nicht r u h e n . . . Leider versucht die bürgerliche Apologetik, die ihr Ziel der Rechtfertigung unmöglich erreichen kann, wenn sie nicht mehr i m Trüben unsauberer Begriffe fischen darf, immer wieder, diese klare Unterscheidung zu verwischen." Die Betriebswirtschaftslehre hat sich nicht einmal einen der in der Sache übereinstimmenden Kapitalbegriffe von J. Plenge, W. Sombart oder J. Schumpeter zu eigen gemacht. Sie ist hierin wie i n der Klärung des Gewinnbegriffs, wie i n der exakten Kausalerkenntnis, infolge ihrer mangelhaften Kenntnis des Geldes, des Wesens der Geldrechnung, des inneren Zusammenhangs zwischen „Kapitalwirtschaft und Kapitalrechnung" (vgl. H. Linhardt, Rieger-Festschrift, Stuttgart 1953) gescheitert. Wie könnte auch ohne Kenntnis der Sache — Kapital und Gewinn — ein innerer Zusammenhang aus der Sache selbst nach den Worten Plenges erkannt werden? Unter ausdrücklicher Berufung auf die Physiologie und Psychologie sagt Plenge (S. 17): „Deshalb müssen w i r ebenso verfahren, wie jene Wissenschaften, w i r müssen einen komplizierten Gesamtverlauf i n seine Elemente, Teilvorgänge und Sonderverlaufe zergliedern..." Knüpfen w i r an die heutigen Erkenntnisse der Physiologie, Psychologie und der Physik wie der Biochemie an, so müssen w i r gestehen, daß die Betriebswirtschaftslehre i m Vergleich dazu um 200 Jahre zurücksteht. Sie lehrt noch das „Phlogiston" als Ursache des Brennprozesses, wenn sie von Substanzerhaltung, Wirtschaftlichkeit und Wirtschaftlichkeitsmessung mittels des Gewinnes redet, während die Biochemie den Zellkreislauf i m Zitronensäure-Zyklus annähernd geklärt hat (Nobelpreisträger Krebs, 1953). Die Fachwissenschaft ist also von der Klärung der Zusammenhänge zwischen Unternehmungs- und Betriebsveränderungen einerseits (Mantel und Kern) und dem Wandel von Geld und Währung noch himmelweit entfernt. Neben der herrschenden Betriebswirtschaftslehre schneidet bei solcher negativen Beurteilung lediglich die Privatwirtschaftslehre von F. Leitner, W. Rieger und A. Hoffmann besser ab, die neueste theoretische Fachrichtung,
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soweit sie davon Elemente und Grundauffassungen enthält (E. Schäfer, E. Sieber, ζ. T. E. Gutenberg, W. Hasenack). I n dem Gesamtbild der Unternehmung haben w i r auch die Auflösungen und Neugründungen zu bedenken. Da gilt die historische Erfahrung, daß Perioden schlechten Geldes infolge allgemeiner Flüssigkeit und neuartiger Verwendungs- und Gewinnungsmöglichkeit zugleich Perioden lebhafter Neugründungen sind, während Perioden der Stabilisierung und einer nachfolgenden Politik des knappen Geldes bei freier Wirtschaft von Auflösungen und Konkursen begleitet sind. 3. Das Märktesystem Der Markt der Unternehmung, den w i r zunächst zur Kennzeichnung ihrer Umwelt genannt haben, besteht aus einem System von Teilmärkten, nämlich dem Beschaffungs- und Absatzmarkt, ergänzt durch den Arbeits- und Kapitalmarkt. Dieses System der Teilmärkte bildet für die einzelne Unternehmung ihren Eigenmarkt, während Unternehmungen gleicher A r t an ihrem gemeinsamen Fachmarkt als konkurrierende Unternehmungen teilnehmen, und der gesamte Markt aller Branchen sich zum Sozialmarkt der Volkswirtschaft ergänzt 2 . Der Eigenmarkt ist i m strengen Sinne der eigene Markt der Unternehmung, i n dem sie Einfluß nimmt, ihre Position hat, die sie verteidigt, verliert oder verbessert, genau so, wie der Mensch seinen Puls, seine Temperatur, seinen Blutdruck, seinen Grundumsatz, seine Krankheit und nicht die Krankheit, seinen Arzt und nicht diesen oder jenen Arzt hat, seinen Tag und nicht irgendeinen Tag lebt, sein Schicksal und nicht irgendein Schicksal erfährt. Dies gilt für die Unternehmung allgemein und gerade auch für ihre Wahrnehmung der Gelegenheit, die Auslösung ihres Handelns aus ihrer Beobachtung und Überlegung, d.h. für die Chance, i n der das Risiko steckt. Es bedurfte derjenigen Einzeluntersuchungen des Marktes, die gerade durch die Nürnberger Schule unter Führung von W. Vershofen, E. Schäfer, L. Erhard, G. Bergler u. a. begonnen worden sind, und es bedarf einer weiteren intensiven Forschung, um die Erscheinungen des Marktes i n seinen Schichten und Zonen unter dem Einfluß der staatlichen Gesetzgebung und Wirtschaftspolitik (Kartellgesetzgebung, Wettbewerbsordnung, Wirtschafts- und Steuerrecht) weiter zu erforschen und die Probleme der Marktstörungen und Marktdekadenz für die einzelne Unternehmung zu klären. Der Wandel von Geld und Währung überträgt sich erst auf das System der Märkte und von hier aus auf die Unternehmung. Die Auswirkungen von Geld- und Währungsänderungen erfolgen erst i n den Teilmärk1 Näheres zur Terminologie vgl. H. Linhardt, Grundlagen der Betriebsorganisation, W. Girardet, Essen 1954.
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ten für Ware, Arbeit und Kapital, dann i n der Unternehmung selbst. Diese Auswirkungen sind i n den einzelnen Teilmärkten sehr verschieden, z.B. beim Lohn und Gehalt anders als bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen und innerhalb des Arbeitsmarktes wieder anders, je nach der Organisation und Machtstellung der Lohn- und Gehaltsempfänger durch die Gewerkschaften, ihrer Tarifpolitik und den von ihnen abgeschlossenen Kollektivverträgen, innerhalb des Beschaffungs- und des Absatzmarktes anders, je nach dem Mengenverhältnis der Einsatzstoffe und der Preis Veränderung, innerhalb des Kapitalmarktes anders, je nach A r t und Umfang der Finanzierungsvorgänge i m Kunden-, Lieferanten·, Konsumenten-, Bank- und Emissionskredit. Der Wandel vollzieht sich über kurz oder lang, er zieht sich aber auch über eine kurze oder lange Zeitstrecke hin. I n der Theorie ist der Zeitfaktor noch immer das ungeklärte Problem aller dynamischen Erklärungsversuche. I n der Praxis hat die Unternehmung eine gewisse Meinung und in etwa zuverlässige Erfahrung darüber, ob ihr Rhythmus einen Gleichlauf m i t ungefährer Wiederholung ihres Grundumsatzes auf weist, ob nur Oberflächenstörungen oder aber Gefährdungen des Lebenszentrums auftreten. Eine Verkennung der Situation, eine Verwechslung von Oberflächenstörung und Gefährdung des Lebenszentrums kann tödlich w i r ken. Genaue Beobachtung der Geldverfassung, Währungs- und Kreditpolitik, des Geld- und Kapitalmarktes ist für jede Unternehmung unerläßlich; an ihrer Vernachlässigung muß der beste Spezialist der Produktion, ja selbst der versierteste Händler scheitern. Die Unternehmungsführung ist i n erster Linie eine finanzielle, erst dann eine kommerzielle, personelle und materielle Führung; ihre Bestandteile kommen nur über die finanzielle Führung zur Einheit. Während Geld und Währung Staatssache sind., ist die Unternehmung Privatsache. Ihre Beziehungen sind solche zu Gläubigern, Kunden, Lieferanten, Arbeitnehmern und zwischen Inhabern, d. h. privatrechtliche Beziehungen. Daran kann auch die sozialrechtliche Ausweitung und Interpretation des Arbeitsrechtes, die öffentlich-rechtliche Aufweichung des Gewerbe-, Handels-, Aktienrechtes nichts ändern. Ebenso sind ihre Rechtsgrundlagen — ob mündlicher, schriftlicher oder notarieller Gesellschaftsvertrag, ob Satzung — eindeutig privatrechtlicher Natur, so auch ihre Lebensäußerungen i n Form von Kauf, Miete, Pacht, Dienstvertrag, Werkvertrag, Verpfändung, Grundstücksbelastung. Die Unternehmung stützt sich auf die staatliche Rechtsordnung und entnimmt hieraus die ihrer Natur gemäßen Rechtsformen; aber ihre Rechtsordnung ist zum überwiegenden Teil Privatrecht. Die allgemeine Gültigkeit der Rechtsformen leitet sich aus der Wirtschaftsgesellschaft und ihren Verkehrsgepflogenheiten, zum geringsten Teil aus geschriebenem Recht her; insbesondere sind es die ungeschriebenen Regeln der
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Marktgesellschaft, die ihre Lebensäußerungen entscheidend bestimmen. Zwischen der staatlichen Rechtssphäre des Geld- und Währungswesens und der privaten Rechtssphäre der Unternehmung besteht eine echte Bipolarität.
II. Das Kapital 1. Der Kapitalprozeß
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Der Kapitalprozeß spielt sich i n drei Phasen ab, denen eine Vorstufe der Kapitalansammlung (Bargeldsparen, Sachgutansammlung) vorausgehen kann. Die drei Phasen sind der Einsatz, Umsatz und Ersatz, die Vorstufe ist der Ansatz von Kapital. Der Unternehmer kann mit der Erkenntnis des Kapitalprozesses ohne Bücher nichts anfangen. Er w i l l den Kapitalprozeß beherrschen. Das aber ist nur «durch die Kapitalrechnung möglich. Diese begleitet nicht nur den Prozeß, sondern sie gestaltet ihn mit. Buchhaltung und Bilanz sind keineswegs nur formale Zugaben, sondern Wesensbestandteile der Kapitalwirtschaft. Es gibt kein Kapital ohne Kapitalrechnung. Der Kapitalismus beginnt mit der doppelten Buchführung (vgl. W. Sombart, Der moderne Kapitalismus, Bd. II, 1917). Nur mittels der Kapitalrechnung kann die geistige Herrschaft über die Güterwelt angetreten und diese der Idee der Bewirtschaftung auf Ertrag unterworfen werden. Die effektive Dynamik des Kapitalprozesses ist nicht zu vollziehen ohne die fiktive Statik der Kapitalrechnung. Dies gilt für die ganze Kapitalrechnung, also auch für die Buchhaltung und Erfolgsrechnung und für die Bilanz. F i k t i v ist die Erfolgsrechnung nicht minder als die Vermögensrechnung. (Vgl. E. Schmalenbach, Dynamische Bilanz, Bremen 1947, S. 9.) Der Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen Anfangs- und Endbestand des Kapitals. Zu seiner Feststellung bedarf es eines Bestandsvergleichs und zum Bestandsvergleich bedarf es eines Bestandes. Wäre das Kapital nur Prozeß und nichts als Prozeß, dann könnte niemals ein Bestand aufgenommen, verglichen und ein Gewinn als Bestandsdifferenz ermittelt werden. Die Erfassung der Kapitalbewegungen durch die Buchhaltung dient der Beherrschung des Kapitalprozesses, der Prozeß dient der Kapitalmehrung, die Dynamik des Prozesses dient rechnerisch der Statik der Ergebnisfeststellung, ökonomisch der Bestandsmehrung. 2. Die Kapitaldisposition Die Kapitaldisposition umfaßt die laufenden und periodischen Entscheidungen der Unternehmung, die zur Wiederherstellung der geldlichen Grundproportionen nach eingetretenen Veränderungen oder Störungen führen. Als Grundlage der Kapitaldisposition dient der Finanz-
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plan und, wo keiner vorhanden ist, die Vorstellung und Erfahrung, die sich mit den Einnahmen und Ausgaben (Ε-A) der Unternehmung verbindet. Sie sind die Elemente jeder Kapitaldisposition, aber auch nicht mehr als die Elemente. Es liegt i m Wesen der Kapitaldisposition, die E A kausal zu erfassen und final zu bestimmen und nach Kausalität und Finalität aufeinander abzustimmen. Der Finanzplan ist eine solche Gesamtabstimmung aus der ökonomischen Finalität der Unternehmung heraus, nicht etwa aus der Natur jeglicher E-A-Rechnung. Erst der unternehmerische Geist und Wille der Wirtschaftsgestaltung und der Beherrschung des Kapitalprozesses gibt der E-A-Rechnung der Unternehmung jenen spezifischen Inhalt, der sie von der E-A-Rechnung des Haushalts unterscheidet und zur kapitalistischen Rechnung macht. Es gibt nur eine E-A-Rechnung, keine einfache, komplizierte, doppelte, verbesserte usw. Für die kapitalistische Rechnung ist das Kapital das Novum, das sie zu einer Rechnung sui generis macht, für welche Ε - A nur Elemente einer gestaltenden Kapitaldisposition, nicht hinzunehmende, unbeeinflußbare Größen einer teilnahmslosen, prozeßneutralen Addition i n vorgesehenen Rubriken nach vorbestimmten Haushaltplänen zur Durchführung vorbestimmter Aufgaben sind. Die Verwandtschaft der E-A-Rechnung mit der kapitalistischen Rechnung auf Grund von Geist und Willen der Kapitaldisposition ist so eng wie die Verwandschaft aller Säugetiere mit den Wirbeltieren auf Grund des Skeletts oder die des Menschen m i t allen Säugetieren auf Grund der Fortpflanzung. Die Kapitaldisposition ist eine echte Wiederherstellung der geldlichen Grundproportionen der Unternehmung, wenn sich keine Änderungen oder Verschiebungen i m Geldwesen ergeben. Die Kapitaldisposition betrifft jedoch echte Korrekturen und tiefer greifende Anpassungsvorgänge, wenn i m Geldwesen nachhaltige Änderungen auftreten. Beides zu unterscheiden, ist die hohe Kunst der Unternehmungsführung. Neuerungen und Anschaffungen, die nicht aus dem Preis gedeckt sind, müssen durch Finanzoperationen bestritten werden oder es ergeben sich Verlagerungen zwischen dem Eigen- und Fremdkapital, zwischen den kurzund langfristigen Verbindlichkeiten oder Umfinanzierungen und Verlagerungen von der Obligation auf die Aktie i n Zeiten der Geldentwertung. Weitere Ausführungen hierzu unterbleiben hier besonders mit Rücksicht auf angrenzende Referate. 3. Die Kapitalrechnung Die Kapitalrechnung umfaßt sämtliche Teile des betrieblichen Rechnungswesens, also Buchhaltung und Bilanz, Kostenrechnung, Statistik und Planrechnung. Die Kapitalrechnung als die von mir so bezeichnete fiktive Statik innerhalb der effektiven Dynamik des Kapitalprozesses — i n diesen hineingesetzt, mit ihm verwoben, zu ihm gehörig wie Fluß-
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bett und Strömung — hat seit drei Jahrzehnten eine starke Fächerung, aber auch Einsenkung i n die Betriebsvorgänge erfahren. Manchmal glaubt der Betriebswirt, daß er i n der Kapitalrechnung dank ihrer heutigen Verfeinerung ein untrügliches Instrument der Wirtschaftsnavigation i n die Hand bekommen habe. Dieser Glaube trügt, denn Wert und Unwert der Kapitalrechnung hängen völlig von der Stabilität des Rechenpfennigs ab (J. Schumpeter). Je größer die Wirtschaftsperiode, etwa die Nutzungszeit eines Gebäudes, ist und je häufiger und stärker die Geldschwankungen (43) i n einer solchen Periode sind, um so unbrauchbarer w i r d die Rechnung. A n diesem Tatbestand scheitern alle optimistischen Glaubensbekenntnisse zu einem echten Rechnungsfortschritt und irrigen Erkenntnisse über den Wert der Verfeinerung. Die Buchhaltung ist davon weniger betroffen als die Bilanz, die Buchhaltung ist nicht in allen Teilen gleich betroffen, bei den Konten des Vorratsvermögens weniger als bei denen des Anlagevermögens, bei den Konten des materiellen Umlaufvermögens weniger als bei den Konten des immateriellen Umlaufvermögens, wie Außenstände und geldähnliche Vermögenswerte. Die Kostenrechnung w i r d durch Geldwertveränderungen nicht sofort problematisch und auch nicht gänzlich unbrauchbar. Die theoretischen und praktischen Probleme einer Kostenrechnung bei schwankender Währung sind lösbar. Sie sind aber nicht entscheidend, sobald der Unternehmer durch Preis- oder Kalkulationsvorschriften und durch W i r t schaftsgesetze gebunden wird. Dann gilt eben nicht mehr die unternehmerische Rechnung, sondern Gesetze, Verordnungen und Erlasse, und der Preissünder w i r d gehängt, obwohl er nur zu seinem Recht zu kommen versuchte, nachdem der Hauptsünder Staat sich am Gelde vergangen hat. Es gibt keine Bilanzkorrektur durch Umrechnung, es gibt kein Ausscheiden aus der geltenden Währung durch private Übernahme einer ausländischen Valuta. Es gibt kein Ausscheiden zweier privater Kontrahenten i n Geldsachen aus dem öffentlichen Geltungsbereich des Geldes, mögen sie sich auf Sachwerte, Umrechnungsschlüssel, Valutaklauseln oder sonstwas einigen, festlegen, verpflichten: Leistungen i n Geld werden in dem vom Staat gesetzlich bestimmten Geld erfüllt. Geld ist Staatssache, Verträge sind Privatsache, vertragliche Verpflichtungen i n Geld sind in gesetzlich bestimmter Weise zu erfüllen. Das eine ist das Wie (Vertrag), das andere das Was (Geld). Wenn der Kaufmann 1923 auf Dollarbasis kalkulierte und verkaufte, so mußte er doch immer die Papiermark für seine Ware i n Empfang nehmen und konnte sich nicht gänzlich sichern, den eingesetzten Kalkulationswert für die Wiederbeschafiung der gleichen Ware oder der Rohware zu erhalten. Ebenso falsch ist die ganze Theorie des eisernen Bestandes, des Scheingewinnes und der Methoden „last in — first out" und wie sie alle heißen mögen. Falsch daran ist der Versuch, durch Rechenmethoden einer
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volkswirtschaftlichen Gesamtlage oder Gesamttendenz zu entgehen. Verständlich sind solche Methoden überhaupt erst i n Verbindung mit gesetzlichen Bestimmungen, die i n der Geldentwertung ihren Ursprung haben. Die Anerkennung von Scheingewinnen, die Anerkennung des eisernen Bestandes oder bestimmter Bewertungsmethoden beim Umlaufvermögen sind überhaupt nur als behördlich akzeptierte Ausnahmen von den behördlich dekretierten Regeln der Preisgesetze oder Kalkulationsvorschriften zu begreifen. Es geht ganz und gar nicht um betriebswirtschaftliche Probleme, sondern um die Veränderung klarer wirtschaftlicher Verhältnisse durch das eingreifende Wirtschaftsrecht. Man könnte statt dessen auch von einer Politisierung der Wirtschaft zugunsten der Besitzlosen auf Kosten der Besitzenden sprechen, wovon gewisse Gruppen der Besitzenden für sfich mit Hilfe ad hoc gefundener Begründungen Ausnahmen erstreben. Solche Begründungen werden wissenschaftlich verbrämt oder auch von Wissenschaftlern geliefert; aber das macht noch keine Wissenschaft aus.
I I I . Der Ertrag 1. Dienen und Verdienen „Wie sich Verdienst und Glück verketten, das fällt den Toren niemals ein; wenn sie den Stein der Weisen hätten, der Weise mangelte dem Stein." (Faust I I )
Die Verkettung von Dienst und Verdienst, Wirtschaftlichkeit und Gewinn, Dienen und Verdienen ist durch keine rechnerische Analyse, durch keine ökonomische Theorie, durch keine wissenschaftliche Definition zu lösen. Der Unternehmergewinn ist kein Entgelt für die unternehmerische Leistung. Er wäre stets mehr oder weniger, falls die unternehmerische Leistung beziffert werden könnte. Wer durch den Reißverschluß Millionen verdient, kann nicht sagen, daß diese Millionen sein Leistungsentgelt als Unternehmer seien. Wer als Unternehmer eine zehnjährige industrielle oder organisatorische Aufbauarbeit ohne Gewinn geleistet hat und dann um die Früchte seiner Leistung durch Gesetz oder durch ein Unglück oder durch höhere Gewalt gebracht wird, hat gegen niemand einen Anspruch auf Entgelt. Es hat Erfindungen gegeben, die der Menschheit zum Segen, dem Urheber zum Fluch gereichten, und andere, die einen winzigen Trick oder Dreh darstellten und Millionen brachten. I m Dienen erfüllt sich die sozialökonomische, i m Verdienen die privatökonomische Funktion der Unternehmung. Beide Funktionen liegen
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i n der Unternehmung, nicht die eine drinnen, die andere draußen. Beide verhalten sich wie Mittel und Zweck. Das Verdienen i m Dienen unterliegt einerseits der Erfüllung gewisser Erwartungen Dritter, der Abgabe bestimmter Leistungen an den Markt, andererseits zugleich der rechnerischen Ermittlung. Ohne Abschluß (Inventur und Bilanz) weiß der Unternehmer nicht, wieviel er verdient hat. Der Steuerrechtler Ottmar Bühler glaubte irrtümlich in seinem Buch: „Bilanz und Steuer" (5. Aufl. 1952) die Sache so sehen zu dürfen, daß der Kaufmann die Bilanz dazu benütze, seinen Gewinn zu verschweigen. Das wäre dann so wie Voltaire einmal vom Menschen gesagt hat, er benütze die Sprache, um seine Gedanken zu verschweigen. Die Bilanz enthält nicht den richtigen, echten, wahren Gewinn, sondern jene durch Bewertung und Schätzung ermittelte Differenz zwischen Anfangs- und Endkapital, gleich der Differenz zwischen Rohertrag und Aufwand, welche teils versteuert, teils reinvestiert, teils entnommen und außerhalb der Unternehmung verbraucht wird, ohne das Kapital anzugreifen. Die Erfolgsrechnung dient in erster Linie zum Schutz des Kapitals (als Hauptsache), zur Trennung von Kapital oder Hauptsache und Erfolg (Gewinn, Reinertrag) oder Nebensache, zur Vermeidung gutgläubiger Verwechslung und böswilliger Vertauschung von Kapital und Gewinn. Dazu allein dient die Bilanzgröße Kapital i n der Verkehrswirtschaft, nämlich als Verkehrsgröße für Einlagen und Entnahmen, für Gewinnberechnung und Machtbegrenzung, für Kredit-, Zahlungs-, Kapital- und Finanzierungsvorgänge, aber niemals dazu, das richtige Kapital i m Wirtschaftsprozeß, den echten Gewinn hieraus oder gar seine Maßstäblichkeit für die Wirtschaftlichkeit zu ermitteln 3 . Der Feststellung der Verkehrsgröße des Kapitals dienen die gesetzlichen Bewertungs- und Prüfungsvorschriften, insbesondere die des Aktiengesetzes (1937) und der Bilanzierungssondergesetze (Goldmarkbilanz-VO 1923, DM-Umstellungsgesetz 1949), keineswegs der Ermittlung des richtigen Kapitals und des richtigen Gewinns. Dazu aber reichen sie einst (1900) wie heut trotz zunehmender Kompliziertheit der wirtschaftlichen Erzeugungs- und Verwertungsvorgänge und Bewertungsprobleme, und es bedarf durchaus keiner weiteren gesetzlichen Bewertungsbestimmungen, Wert- und Bilanztheorien, die hierin weder einen besonderen Schutz noch einen allgemeinen Fortschritt zeitigen könnten. Die Bilanzrechnung, welche die gesuchte Größe des Jahreserfolges ausweist, ist eine Rechnung mit tausend Wenn und Aber, mit hundert Annahmen und Vorbehalten, mit Dutzend Befürchtungen und Erwartungen über das, was kommen mag, bis die Debitoren bezahlt haben und die Rohstoffe verarbeitet, die Fertigwaren verkauft, die Anlagen abgeschrieben 8
Vgl. H. Linhardt, Die britischen Investment Trusts, Berlin 1935, S. 305 ff.
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sind. Wie kann aus so vielen Vorbehalten eine Größe entspringen, die zum Maßstab der Wirtschaftlichkeit erhoben werden kann? Dies ist schon unhaltbar bei absolut stabiler Währung mit gleicher Kaufkraft i n Jahrzehnten, w i r d aber geradezu absurd selbst schon bei geringen und noch mehr bei erheblichen Geldwertschwankungen. 2. Sparen und Investieren (44) Sobald w i r dem Geschehenen der Vergangenheit den Kücken kehren und uns dem Geschehen der Gegenwart und Zukunft zuwenden, verwandelt sich die Gleichung Sparen = Investieren (S = I) i n ein Fragezeichen. Sobald w i r an Stelle von S und I die realen Größen des konkreten Wirtschaftens setzen, treten Zwischenglieder i n der Zwischenzeit und i m Zwischenraum wirtschaftlichen Geschehens auf. Der Betriebsw i r t wendet seine volle Aufmerksamkeit gerade diesen Zwischengliedern zu. Er spricht nicht von Investieren schlechthin, sondern von der Finanzierung der Beschaffung und der Erneuerung von Anlagen, von der Umsetzung und Wiederbeschaffung von Vorräten, von der Einschränkung und Ausweitung des Anlage- und Umlaufvermögens bei Anpassungs- oder auch nur bei Bewertungsvorgängen. Diesen Zwischengliedern der Gleichung muß von betriebswirtschaftlicher Seite aus sehr genau nachgegangen werden. Die Unternehmung interessiert sich selbstverständlich für das Sparen i n der Volkswirtschaft, davon hängt die Einkommensbildung für andere Wirtschaftssubjekte und Unternehmungen, das Produktionsvolumen und die Preisbildung ab. Die Unternehmung interessiert sich viel mehr für ihr eigenes Sparen, die Einbehaltung von erzielten und errechneten Gewinnen. Sie möchte einen Gleichfluß zwischen ihrem Erlös, ihrer Kapitalbildung und Investierung und möchte diesen Gleichfluß sichern durch Kalkulation, Preispolitik und Investitionsplan. Sie kann es, wenn nicht die Schwankungen i m Geldwert ihr einen Strich hindurchmachen. Bei stabiler Währung ist der angestrebte Gleichfluß nicht von der Geldseite gestört, ist also eine Sache richtiger Erwägung der Verhältnisse am Beschaffungs- und Absatzmarkt. Bei schwankender Währung bedarf es zusätzlicher Beachtung der Veränderungen i m Geldmarkt. W i r d die Anschaffung eines Ersatzgutes verteuert, so bedarf es einer Änderung der Abschreibung i n K a l kulation und Bilanz. Die Verteuerung der Anschaffung kann ohne zusätzliche Finanzierung nur aus Rücklagen und dadurch gebundenen l i quiden Mitteln bestritten werden. Wenn die Erneuerungsrücklagen, wie es bisher geschieht, steuerlich erfaßt werden, so ist nur der versteuerte Restbetrag bei stabiler Währung erneuerungswirksam, bei verschlechterter Währung auch nur teilweise. Das Geschehen der letzten Jahrzehnte drängt die Unternehmung aus ihrer Beschaulichkeit und Selbstsicherheit heraus und zwingt zu einer kritischen Überprüfung und
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Gegenüberstellung der rechnerischen Ergebnisse und der faktischen Vermögensbefunde, zur Aufgabe einer naiven Haltung gegenüber einer täuschend exakten und ziffernmäßig stimmenden Rechnung. A n der Richtigkeit der Rechnung ist nicht zu zweifeln, aber die Konstanz der Werte, der Wertrelationen und Sachproportionen ist durch eine i m Wesen nur nominale Geldrechnung nicht gewährleistet. Darauf ist das Augenmerk der Unternehmung seit den Erfahrungen von Inflation, Deflation und Währungsumsteilung gerichtet. Die exakteste Rechnung und raffinierteste Abschreibungsmethode, progressiv, degressiv oder auch logarithmisch, ändert an der Ungenauigkeit und Ungewißheit der Abschreibung und Rückstellung nichts. Sie bleibt ungenau und ungewiß bis zum Tage der Anschaffung, auch wenn dieser durch die Planung Jahre vorher schon feststeht. Die Betriebsforschung muß zur Marktforschung nicht nur i m Warenmarkt, sondern gerade auch i m Geldmarkt kommen, sie muß zur Geldmarktforschung erweitert werden. Die Absicht, durch Betriebssparen zur Erhaltung, Erneuerung und Erweiterung des Betriebes zu kommen, kann nur über die Kapitaldisposition verfolgt werden. Bis zu ihrer Erreichung ist der weite Weg über die Zwischenstadien einer endgültigen Finanzierung zurückzulegen. Eine Kraftzentrale, ein Maschinenaggregat, eine Werkausrüstung kauft man nicht wie eine Schachtel Zigaretten, man spart sie auch nicht i n einem Monat oder Jahr. Je nach der Größe des Unternehmens und seiner Gewinne muß auf das Ziel der erstrebten Anlage, die Hunderttausende und Millionen kosten kann, i n Abschnitten hingearbeitet werden. Diese Abschnitte mögen sich über Jahre erstrecken. Wo bleiben i n diesen Jahren die Gewinnrückstellungen oder Abschreibungsbeträge? Irgendwo müssen sie bleiben. I n anderen Anlagen? Das wäre verkehrt, da sie aus solchen nicht i m Bedarfsfall herausgelöst werden können. I m Vorratsvermögen? Das wäre bedenklich, da eine Ausweitung und Verminderung dem oberen Grundsatz der Mengenproportionierung und Faktorenkombination widerspricht. Solche Zwischenstadien verlaufen über nicht an den betrieblichen Absatzmarkt gebundene, geldnahe, zinsbringende, aus dem Geld- und Kapitalmarkt entnommene und i m Bedarfsfalle an diesen Markt wieder zurückgegebene Anlagen wie Wertpapiere (Staatsanleihen, Pfandbriefe, Industrieobligationen), Handelswechsel, Sparguthaben, laufende Bankguthaben. Diese sogenannten neutralen Anlagen i n Effekten und ähnlichem spielen i n der Industriebilanz seit Jahrzehnten eine zunehmende Rolle. Ich habe in Münster (1936) eine Dissertation über das Thema „Die Effekten i n der Industriebilanz" angeregt (Irmin Bergschneider). Der Sinn dieser Untersuchung liegt i m Nachweis der geldmarktgebundenen Z w i schenfinanzierung bis zur betriebsgebundenen Endfinanzierung von Vorräten und Anlagen. Die Zwischenfinanzierung verharrt unter Um-
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ständen jahrelang i n betriebsneutralen Vermögensteilen. Versagt der Geld- und Kapitalmarkt, weil er keine geeigneten, sicheren und ertragbringenden Anlagemöglichkeiten i n Effekten bietet, so ist die Endfinanzierung durch Mängel und Lücken der Zwischenfinanzierung beeinträchtigt. Hier ist zu erkennen, daß ein funktionsfähiger Kapitalmarkt für die Industrieunternehmung lebenswichtig und ganz und gar kein Privatvergnügen für den Aktionär und Spekulanten ist. Deshalb ist die Kapitalmarktpolitik der Bundesregierung so grundfalsch. Sie bricht aus dem System der Märkte das Zwischenstück heraus, welches die Güterwelt der Produktion untereinander und m i t den Geldeinkommen der Verbraucher und Sparer verbindet. Sie verhindert den Kapitalfluß, den Ertragsausgleich und begünstigt die Verewigung fragwürdiger Selbstfinanzierung und schädlicher Monopolpositionen, während die Bundesregierung i m gleichen Atemzug nach Wettbewerb ruft (45). 3. Produzieren und Organisieren Die Unternehmung kann auf ihrem eigenen Fachmarkt nicht gedeihen, wenn i n der Volkswirtschaft der Kapitalmarkt ausfällt. Das Geld, welches nach Johann Plenge („System der Verkehrswirtschaft", Tübingen, 1903) Organisationsmittel 4 des Güteraustausches ist, verfehlt bei Verschlechterung schon die Geldfunktion. Es lockt die Güter nicht mehr aus der Hand des Erzeugers und Sachbesitzers. Knappes Geld macht die Ware wohlfeil, wohlfeiles Geld macht die Ware knapp. Nur solches Geld ist gutes Geld, welches die Ware aus der Werkstatt, aus dem Lager, aus der Theke herauslockt und an den Markt, an den Mann bringt. Viel wichtiger aber und von Geldwertschwankungen viel stärker betroffen ist die Kapitalfunktion des Geldes; es ist die potenzierte Geldfunktion i n Händen des Unternehmers, i m Rahmen seines Unternehmens, i n den Sachen seiner Disposition, den Zahlen seiner Kalkulation und den Posten seiner Buchhaltung. Wie sich durch die Handlungen der Unternehmung eine Industriebilanz bei stabiler Währung verlängert oder verkürzt, ist kein Problem, sondern das Ergebnis eigener Rechnung, Erwägung und Entscheidung. Was aber an Verlängerungen und Verkürzungen der Industrieibilanz auf das Konto eigener Handlungen und auf das Konto der Geldwertveränderungen zu buchen ist, das macht die Unternehmungsführung und Kapitalrechnung bei schwankender Währung problematisch. Die Unternehmung produziert nicht erst, u m dann zu sehen, wo sie bleibt, sie überlegt erst, wo sie bleiben würde, und dann entscheidet sie über A r t und Umfang der Produktion — einer Produktion, die erst als 4 Näheres hierzu vgl. H. Linhardt, Grundlagen der Betriebsorganisation, W. Girardet, Essen 1954.
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„Verwertungsproduktion" (J. Plenge) ihren ökonomischen Inhalt und Sinn erhält, über Technologie und Psychologie hinausreicht und ins Soziale übergreift. Den Erwerbsbetrieb i n der Volkswirtschaft als Zelle zu sehen, ist kurzsichtig, ich glaube sogar, falsch. Er kann nur mit einem hochorganisierten, höchstdifferenzierten und subtilen Organismus, einer ungeheuren Zellkolonie von Millionen und Milliarden leibender Zellen verglichen werden. Erst wo das Verständnis für die Geldfunktion bei dem kleinsten Zellvorgang, z.B. Stundenlohn oder Materialkilopreis vorhanden ist — vergleichbar dem biochemischen Zitronensäurezyklus i m Zellkreislauf —, kann von einem Verständnis der Unternehmung i m Markt die Rede sein. Ihre Regulierungsgüter (W. Osbahr), ihre Reservegüter und ihre Reserveposten sind vom Geldwert nicht nur berührt, sondern werden davon i m innersten Kern getroffen. Wenn ich von der Verlängerung und Verkürzung der Bilanz gesprochen habe, so möchte ich auch einmal einen waagerechten Bilanzbalken ins Auge fassen: die Wertebene zwischen den Anlagen links und den Rücklagen und Rückstellungen rechts, die Wertebene zwischen materiellen Bestandsgrößen links und reinen Rechengrößen rechts. Seit den Kommissionsarbeiten zum neuen HGB von 1900, auf welche vor allem Ernst Walb und auch Wilhelm Rieger wiederholt eingegangen sind, bis zum heutigen Tag ist der früher noch lebendige Zusammenhang zwischen effektiven Beständen links und rechnerischen Posten rechts immer mehr gelockert worden. Man hat sogar einen Fortschritt darin erblickt, daß die Fachwelt sich unter einem Reservefonds nicht etwa die Aussonderung eines konkreten Vermögensbestandes, sondern eben nur noch eine Rechengröße vorstellt. Es wäre i n den letzten dreißig Jahren besser gewesen, man hätte an der Idee des Reservefonds wie zur Zeit unserer Väter und Großväter i n den 80er Jahren und am Marktverständnis für betriebsneutrale Anlagen festgehalten (46). Die Währungsschwankungen verkürzen oder verlängern nicht nur die Bilanz der Unternehmung, sie verändern ihre Vermögens- und ihre Kapitalstruktur. Ich berühre hier absichtlich den Zusammenhang zwischen der Bilanz und der Besteuerung nicht mehr, weil darüber gesondert vorgetragen wurde. Ich möchte statt dessen einen möglichst präzisen Ausdruck für das Problem der organisierten Produktion innerhalb der Verkehrswirtschaft geben und diesen i n der Wechselwirkung zwischen Kapital und Arbeit, i n der Wechselwirkung zwischen Ware und Geld und schließlich i n der Wechselwirkung zwischen Unternehmung und Markt sehen. I n der Weltwirtschaftskrise haben Millionen von Sparern i n USA durch Zusammenbrüche der Banken ihre Einlagen verloren, Millionen von Aktienbesitzern haben die fiktiven Werte überhöhter Aktien nicht nur eingebüßt, sondern hinterher noch die Abzahlungsbeträge nachleisten müssen. Die Unternehmungen haben sich viel
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langsamer und viel später erholt als die Lohn- und Gehaltsempfänger. Die Hebung des Reallohns war bereits 1930, die Beseitigung der Arbeitslosigkeit war wesentlich um 1934 bis 1936 erfolgt, während die Gewinne der Korporationen erst gegen 1938 wieder die Höhe von 1928 erreichten. Die Akkumulierung des Kapitals (47) war i n der Krise plötzlich unterbrochen, die Wiederherstellung war ein langwieriger Prozeß von rund zehn Jahren.
IV. Schlußfolgerungen Die Schlußfolgerungen w i l l ich unter drei Hauptgruppen fassen: 1. Gesetzgebung und Rechtsprechung, 2. Zahlungs-, Kredit- und Kapitalverkehr, 3. Gesamtschau der Verkehrswirtschaft. I.
Gesetzgebung und Rechtsprechung
Die Wirtschaftsgesetzgebung enthält seit 30 Jahren einen verdächtigen Zug zum Sozialrecht, i n welchem die W i l l k ü r des Staates nistet und das Regiment der Bürokratie brütet. Der Satz der Weimarer Verfassung: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch s o l l . . . " usw. ist immer nur so gedeutet worden, daß der Eigentümer zu einem sozialen Gebrauch verpflichtet sei. Wer hätte schon einmal diesen fundamentalen Rechtssatz i n dem Sinn ausgelegt, daß der Staat verpflichtet sei, das Eigentumsrecht als Privatrecht zu respektieren, als Privatrecht zu sichern und zu entwickeln! So hört sich dieser Fundamentalsatz fast fatal an für die Ohren der Wirtschaftstheoretiker des billigen Geldes und des Wohlfahrtsstaates, deren ganze Weisheit m i t der von Evita Peron gleichzusetzen ist, die Hemdlosen aus dem K a t t u n der reichlich Behemdeten zu kleiden. Als Anwendungsfall der Bergpredigt, als Versuch praktischen Christentums sind solche Maximen ganz beachtlich, als neue Wirtschaftstheorie sind sie reichlich dünn! — Das Gesetzgebungswerk seit 1918 und erst recht seit 1933 und leider auch noch seit 1945 hat den einheitlichen Zug der Überbetonung des Sozialrechts und der Unterbetonung des Privatrechts. Das Steuerrecht nimmt überhand, es überwuchert Arbeit und Leben, gleich, ob es viel oder wenig bringt, ob es mit seinen Hebesätzen die Wirtschaft erdrückt oder leben läßt. Das Paragraphengestrüpp seit der Erzbergerschen Steuerreform von 1920 muß jeden Steuerjuristen, jeden Verwaltungsfachmann bis ins Innerste beschämen. Das Dritte Reich versprach die große Steuerreform, die das Zweite Reich versäumte, das Vierte Reich ist sie seit der Währungsreform, mit der sie eigentlich hätte kommen müssen, schuldig geblieben. Wie steht es i m Wirtschaftsrecht? Ich denke da an das Handels- und Gesellschafts-, aber auch an das Arbeits-, 6 Linhardt
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Krédit- und Bankrecht (48). Ist da nicht sehr viel überständig und höchst reformbedürftig? Das Kreditwesengesetz vom Dezember 1934 (neu gefaßt 25.9.1939) habe ich von Anbeginn als ein schlechtes Gesetz betrachtet und hunderte Male i n Vorlesungen, Vorträgen und öffentlichen Versammlungen so bezeichnet (49). Das Aktiengesetz von 1937 nannte ich von Anbeginn ein ganz miserables, schier wertloses, heilloses Gesetz. Es ist eine Sammlung von Gemeinplätzen, mit denen die Entrechtung des Aktionärs zugunsten von „Volk und Reich" verbrämt wird. Wo man etwas erfahren oder nachlesen w i l l , heißt es: Näheres bestimmt der Reichsj ustizminister i m Einvernehmen m i t dem Reichswirtschaftsminister. Die so sehr strapazierte, als Hilfsmittel arg überschätzte Publizität ist ebensowenig wieder hergestellt — acht Jahre nach dem Ende der schrecklichen Zeit — wie die einwandfreie Abschlußprüfung. Die Wirtschaftsprüfer haben es i n 20 Jahren seit Bestehen nicht einmal zur Einhaltung des gesetzlichen Bilanzschemas, geschweige zur Durchsetzung fachlicher Grundsätze gebracht trotz der Beschlüsse ihrer Fachausschüsse. U m das neue Notenbankgesetz bemühten sich die höchsten Bundesressorts und sogar das „Wirtschaftswissenschaftliche Institut der Gewerkschaften" (Agartz, Sieber u. a.) schon seit Jahren. So wichtig und eilig ist das nicht, wenn auch die Landeszentralbankgesetzgebung nicht eben ein Prachtstück genannt werden kann. Noch weniger prächtig ist die Bankpolitik auf Landesebene und das dunkle Kapitel der öffentlichen Vermögensverwaltung und Sonderkredite. Das Wettbewerbsgesetz ist i n vier Jahren der Bundesregierung nicht zustande gekommen. Die Rechtsprechung ist nicht besser als die geltenden Gesetze, sondern weit schlechter. Wo findet der Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht heute einen gerechten Richter? Wo findet der Gläubiger vor dem ordentlichen Gericht Schutz und Hilfe? Wem dient die richterliche Vertragshilfe i n ihrer praktischen Anwendung, ja auch schon in ihrer formalen, verbalen Ausrichtung? Doch dem Schuldner, nicht dem Gläubiger! Kann der Wertpapierbesitzer als einzelner sein Recht erstreiten? M i t welchen Mitteln, mit welcher Ausdauer und Rechtshilfe müßte er ausgerüstet sein? Wo findet eine Anzeige über Kreditbetrug, Kreditschädigung, Krediterschleichung ihre konsequente Verfolgung nach dem geltenden und hierfür ausreichenden Strafgesetz? „Der Spiegel" (Sie kennen doch alle den Spiegel) berichtet über den Unfug des übertriebenen Konsumentenkredits (Juli 1952)5, über den Betrug der sog. „Kapitalanzeiger", die sich als Fachanzeiger ausgeben und die nichts als teure, sogar fingierte und wertlose Kapitalsuchannoncen sammeln und angeblich verbreiten. Die Zeitungen nach der Währungsreform sind voll 5
Vgl. hierzu „Die Zeit" v. 16. November 1953.
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Anzeigen über Geldangebote und Suchanzeigen, die den Tatbestand des Wuchers oder Betrugs erfüllen. Ich habe trotz besonderer Aufmerksamkeit nie von einer Strafanzeige oder Strafverfolgung gehört oder gelesen. Wer sich demnach von einer guten Anwendung schlechter Gesetze das Heil verspicht, muß von der Rechtsprechung nach 1945 arg enttäuscht sein. Die Richter gehen m i t der Zeit, ohne freilich durch die Einseitigkeiten von heute die von gestern gutzumachen. 2. Zahlungs-, Kredit- und Kapitalverkehr I m Zahlungsverkehr haben w i r zunächst die Tatsache zu vermerken, daß bisherige Institute, die i n der Zeit schlechten Geldes zurückgetreten sind, wieder verstärkt hervortreten, die privaten Versicherungen und die öffentlichen und privaten Banken. Ich meine nicht das Hervortreten i m Straßenbild, das etwas peinlich an die Bauten der Rathäuser, Landratsämter und Krankenkassen i n den Notjahren um 1930 erinnert und den politischen Kampf der Nazis sehr gefördert hat, ich meine das Wiedereinrücken bestimmter Träger der papiernen Wirtschaft i n die Regionen der Güterwirtschaft. Das ist zu begrüßen und keineswegs zu beklagen, trotz der Schönheitsfehler falscher Fassaden und Dimensionen, trotz der Unterlassung ernster Anstrengungen zur Beseitigung der Devisenbewirtschaftung (50). Nicht minder erfreulich und keineswegs bedauerlich — außer für die Nutznießer — ist das Verschwinden des schwarzen und grauen Warenmarktes, die Absage an das falsche Theorem einer offiziellen Marktspaltung (W. Kromphardt, 1948), welches allerdings offiziell für den Kapitalmarkt zugunsten des Staates aufrechterhalten wird, die Wiederkehr ordentlicher Fakturierung und Honorierung von Rechnungen, die Wiederverwendung des Wechsels i n der Hand des Kaufmanns. Man hat dem Wechsel die Antiquierung zu früh bescheinigt, sein Tod 1945 war ein Scheintod, sein Wiederaufleben ist echtes Leben. Die Bankwelt hat wieder eine Verantwortung i m Kreditverkehr übernommen, die sie zunächst dem knappen Bargeld und knappen Bankgeld, nicht aber ihrer eigenen Tüchtigkeit und Überlegenheit verdankt. Diese muß sich nach einer Bewährungspause von 25 Jahren erst neu erweisen. Der Kunden- und Lieferantenkredit unter Industrie- und Handelsfirmen ist nach 1948 wieder i n seine alten Rechte eingerückt. Die Klage über verwilderte Zahlungssitten ist m. E. nicht so ernst zu nehmen, am meisten wohl beim Handwerker und nicht zuletzt i m Geschäftsverkehr mit behördlichen Auftraggebern. Der Konsumentenkredit erreicht i n Westdeutschland nach Schätzungen des Einzelhandels 3 Mrd. DM; er mag sogar höher liegen. I n USA 6·
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erreichte er Ende 1951 25 Mrd. Dollar, davon allerdings etwa vier Fünftel sog. „instalment credit", Ende 1953 über 30 Mrd. Dollar (51). M i t der Wieder anwendung des Kredits i n allen Formen des Bank-, Lieferanten- und Konsumentenkredits t r i t t das nicht neue Problem der Kreditkontrolle i n ein neues, augenblicklich auf weltweiter Ebene höchst aktuelles Stadium. Der Problemkern liegt i n der Abschirmung des privaten Wirtschaftskredits gegenüber den schädlichen Einflüssen staatlicher Geldschöpfung, i n der Beseitigung einer angemaßten Vorzugs« und Sonderstellung des Staates als Schuldner und als Geldsucher i m Geld- und Kapitalmarkt, i n der klaren Abgrenzung von Schatzamt einerseits und Zentralnotenbank andererseits®. I m Kapitalverkehr liegen die Dinge noch ganz i m argen. Sie sind seit etwa einem Jahr vorerst nur i n der Diskussion gelockert. Mittlerweile behauptet Bundesfinanzminister F. Schäffer — zu meiner ungeheuchelten Überraschung —, daß er die Zinsbegünstigung der öffentlichen Hand, die Emissionsbegünstigung von Bund und Ländern, die Steuerfreiheit der öffentlichen Anleihen beileibe nicht aus fiskalischen, sondern nur aus wirtschaftspolitischen Gründen angewandt habe. Ähnlich haben die Alliierten die Steuererhöhungen vom 1. Januar 1946 mit der Geldabschöpfung, die Verschleppung der Währungsreform mit sonstwas, die Unterlassung der Steuerreform bei der Währungsreform mit was anderem motiviert. Worte sind hier Schall und Rauch. Nur Taten können überzeugen. Sie müssen bald kommen und mit ihnen muß die erbärmliche Phrase von dem zu schwachen Kapitalmarkt verschwinden. Er ist und bleibt schwach, solange die falsche Kapitalmarktpolitik des Staates ihn geknebelt am Boden niederhält. I n einem Jahr hat die B d L zwischen Juni 1952 und Juni 1953 viermal den Diskont gesenkt, 1951 und 1952 die Notenausgabegrenze von 10 auf 11, von 11 auf 12, 1954 auf 13 Mrd. DM, den Kreditplafond des Bundes auf 1500 Mill. D M erhöht. Diese Diskontsenkungen sind ganz und gar nicht marktkonform. Durch Geldmarktstauung w i r d der falsche Eindruck der Fülle und Überfülle erzeugt und damit werden die doch nur dem Staat als Schuldner zugute kommenden, dagegen der Sparkapitalbildung abträglichen Zinssenkungen zu rechtfertigen versucht. Stauungen am Geldmarkt durch Abflußverhinderung zum Kapitalmarkt sind sowenig Zeichen echter Fülle wie ein Wasserkopf ein Zeichen von Intelligenz ist. Solange nach den zuletzt (Herbst 1953) veröffentlichten Statistiken der Aktiengesellschaften die Rendite sich um 3 °/o statt normal 7 °/o bewegt und Hunderte von Gesellschaften noch mit Verlust und N u l l Gewinn abschließen, ist dem Aktienmarkt und der Aktienfinanzierung 6
Vgl. H. Linhardt, Kreditkontrolle, W. Girardet, Essen 1954.
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nicht auf die Beine zu helfen. Der Versuch m i t der Wandelobligation entspricht dem Versuch, ein Krebsgeschwür mit einem Kukirolpflaster heilen zu wollen (52). 3. Gesamtschau der Verkehrswirtschaft Die Verkehrs Wirtschaft ist aus zwei Stücken zusammengesetzt, aus der Güterwelt und der Scheinwelt. Die Scheinwelt w i r d hier nicht als Welt des Scheins, sondern als Welt der Scheine (Rechtsscheine, Papiere) verstanden. I n der Natur steht die Sache für sich, Kohle ist Kohle, Holz ist Holz, Eisen ist Eisen. I n der Verkehrswirtschaft steht nichts für sich, da drängt eins zum anderen, hängt eins am andern, alles drängt zum Geld und hängt am Geld. Aus dem Gut w i r d i n der Verkehrswirtschaft Ware und Ware ist ein solches Gut, das gegen Geld überall unbegrenzt zu haben ist — unbegrenzt i n dem praktischen Sinn der einzelnen Begrenzung durch Einkommen und Nachfrage. Mehr Einkommen und Nachfrage bringen mehr Ware auf den Markt, höhere Preise erhöhen das Angebot. Breitet sich die Verkehrswirtschaft durch Ausweitung der Marktproduktion und i n Verbindung damit das Geld i m Verkehr weiter aus, strömt es aus Kästen und Strümpfen i n den Verkehr, so lockt es mëhr Ware, neue Ware an, denn es ist lockende Nachfrage. Breiten sich die Methoden der Bankzahlung i n Bereichen aus, wo sie vorher nicht bestanden, in Handwerk und Landwirtschaft, durch die Waren- und Kreditgenossenschaften, die Spar- und Bausparkassen, die Lebens- und Sachversicherungen, so ergießt sich ein befruchtender Strom über die wirtschaftlichen Gefilde. Was vorher Geld und nur Geld war bei Unterbrechung seiner geldlichen Funktionen des Kaufes, w i r d Kapital i n Händen des Unternehmers, was vorher Gut und nur Gut war, ruhendes, schlummerndes, wartendes Gut i n und unter der Erde, i n und unter marktfremden Vorräten, w i r d nun Ware durch die Vermählung mit Geld (Prozeß der Kommerzialisierung). Ware, die durch die Unternehmung wandert, ist Kapital, ist ein Tropfen aus dem Kapitalstrom, ist Einsatz, Umsatz und Ersatz i m ständigen Fluß zwischen Markt und Unternehmung. Kosten i m Betrieb werden zu Preisen i m Markt und Preise i m Markt begleiten die Ware bis zum Verbrauch. Nominalkapital ist nicht Kapital, Realkapital ist nicht Kapital, Kapital ist nur beides zusammen. Jedes Ding — sagt man — hat zwei Seiten, eine Münze auch; aber man kann Bildnis und Wappen nicht voneinander trennen. Ebenso kann man die nominale von der realen Seite des Kapitals zwar unterscheiden, aber nicht trennen. Das setzt sich fort i n die A k t i v - und Passivseite der Bilanz hinein und bestätigt den von m i r bildlich vorgenommenen Einbau des horizontalen Querbalkens i m Bilanzschema 7 . Die „reale 7 Vgl. H. Linhardt, Die britischen Investment Trusts, Berlin 1935, 522 S., zur Bilanztheorie S. 285, 301 if.
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Güterwelt" der Verkehrswirtschaft — der Ausdruck ist schon schief — ist demnach nicht die Welt der Sachen, da ist Holz nicht mehr Holz und Eisen ist nicht mehr Eisen, da sind Holz und Eisen ein Stück Kapital, also Geldwert dieser oder jener Stoff art und Menge. Soll nun das Holz zum Eisen, der Zement zum Backstein kommen, damit ein Haus daraus werde, so muß immer und überall das Geld dazu und dazwischen treten, die Bewegungs- und Umsatzakte müssen bewerkstelligt werden. Das Dazwischentreten des Geldes i n der Güterwelt verwandelt das Gut zur Ware, webt mit ihr den bunten Teppich von Markt und Unternehmung, flicht die Faser der Unternehmung zum Faden des Teilmarktes, dreht den Faden zum Z w i r n der Märkte, knüpft die Fäden zum Muster des Sozialmarktes. Geld ist das Vehikel der Verkehrswirtschaft, wie Zugmaschinen und Wagen die Vehikel des Transports sind. Die Umlaufmittel Scheck, Wechsel und Giro sind die künstliche Fahrbahn, auf der die Geschwindigkeit und die Bremswirkung zum Halten und Anfahren, zum Ein- und Ausladen, zum Aus- und Umsteigen erzielt werden. Die Güterwelt w i r d erst durch die Verschlingung und Umfassung mittels der abermillionen Fäden der Scheinwelt zu dem, was sie ist. Die Scheinwelt umfaßt alles mit dem Schein des Rechts, nicht — wie aus dem Wort fälschlich geschlossen werden könnte, m i t dem Schein des Trugs. Der Schein des Rechts liegt i n allem vor, was dem Papier anvertraut wird, was i m Papier bewegt wird, was i m Papier an Recht verkörpert und i n dieser Verkörperung übertragen w i r d : Geld, Beleihung, Versicherung, Faktura, Anweisung, Zahlungsversprechen, Schuldanerkenntnis, das sind Scheine des Rechts, dazu zählt die Briefhypothek wie der Hypothekenpfandbrief, der Scheck wie der Wechsel, der Frachtbrief, die Buchungsanzeige, der Bestellzettel, die Rechnung. Das alles ist i n der papiernen Wirtschaft Rohmaterial für die Buchhaltung. I n der Buchhaltung w i r d es kontiert, skontriert, saldiert, kontrolliert und reguliert. Versagt der Mechanismus der papiernen Wirtschaft, insbesondere durch Funktionsstörungen infolge empfindlicher Geldwertschwankungen, so bleiben Holz und Eisen nicht was sie vorher i m Markt waren, sie fallen i n den Naturzustand des Gutes ohne Tausch zurück. Die w i r t schaftlichen Energien, die sie bisher hoben und beförderten, fallen aus, wenden sich anderen Dingen zu oder erlahmen. 1945—1948 haben w i r auch gearbeitet, haben für zehn Pfund Kartoffeln 20 k m zurückgelegt, haben zehn Stunden täglich Steine gepickt, Nägel grade geklopft, Schutt beseitigt, Brennholz gesammelt, Wasser geschleppt — es hätte eine Freude sein müssen für diejenigen, die i m Geld das Übel der Menschheit und i n der Befreiung vom Geld das Heil der Menschheit sehen. Es war nicht so.
Die Unternehmung i m Wandel v o n Geld u n d W ä h r u n g
Damals waren unsere Wirtschaftspläne zur Magenfrage von Tag und Stunde zusammengeschrumpft. W i r waren auf die Kartoffellinie animalischer Existenz herabgesunken. Erst die Wiederherstellung der Währung hob unser Denken und Trachten wieder auf die Höhe einer W i r t schaftsplanung von Monaten. Erst jetzt kann die Unternehmung wieder eine Finanz- und Investitionsplanung auf Jahre hinaus vornehmen. Von hier entwickeln sich wieder diejenigen Kräfte, die auf die Güterwelt einwirken und i n ihr Bewegungen auslösen, die das Holz zum Eisen bringen, damit ein Haus daraus werde.
Der Betrieb als Kapitalanlage oder als lebende Einheit* A. Kapital und Leben Das Kapital ist die Wertsubstanz des Wirtschaftslebens. Eine Substanz, die Leben trägt und bildet, ist am Leben unmittelbar erhaltend und formend beteiligt. Ihre Umformung ist nicht mit dem Leben identisch, dieses erschöpft sich nicht darin, könnte aiber ohne sie nicht sein. Ist das Wirtschaftsleben ein Prozeß, so ist der Inhalt der Verkehrswirtschaft der Kapitalprozeß. Er spielt sich ab in den Unternehmungen oder Erwerbsbetrieben, und zwar als Einsatz, Umsatz und Ersatz; er spiegelt sich wider i n den Märkten der Verkehrswirtschaft (Waren-, Arbeits-, Geldmarkt) als Auftrieb, Umtrieb und Abtrieb und reicht heran an die Haushaltungen als Einkommen, Verbrauch und Sparen (53). Leben jeder A r t ist ein Prozeß der Umweltreaktion, erkennbar in seinen einfachsten Äußerungen der Nahrungsaufnahme und der Bewegung; höheres Leben äußert sich durch Wachstum und Differenzierung, durch Dauer und Anpassung, bei Trägern von Bewußtsein und Geist durch das Streben nach Gestaltung und Beherrschung bis hinein in die politischen Herrschafts- und Gemeinschaftsformen von geschichtlicher Dauer. Verdient nun das Wirtschaftsleben diese Bezeichnung Leben i m gleichen Sinne wie i n der Biologie oder nur i n einem metaphorischen, übertragenen und eingeschränkten Sinn? Das Wirtschaftsleben ist echtes Leben m i t Auf- und Abbauerscheinungen, mit Lebensäußerungen der Entwicklung und Rückbildung und schließlich des Verfalls. Es ist Leben wie das des Staates und Volkes, der K u l t u r und des Geistes, Leben des sozialen Körpers (A. Schäffle), des „body politique". Als solches ist das Wirtschaftsleben kein natürliches Leben und nach natürlichen Lebensgesetzen i n seinen Formen und Abläufen nicht bestimmbar, wenn auch jederzeit von natürlichen Grundlagen bestimmt und von natürlichen Voraussetzungen abhängig. Es ist nicht ohne Hilfsmittel des Verstandes zu führen, nicht ohne Mittel und Einrichtungen der Erfassung, Abrechnung, der Planung und des geordneten Vollzugs zu kontrollieren, nicht ohne Entschluß, Antriebe und Willensimpulse fortzusetzen, ist * Quelle: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 24. Jg., 1954, S. 257—270.
Der Betrieb als Kapitalanlage oder als lebende Einheit
kein Stoffwechsel wie das nur natürliche Leben der Pflanzen- und Kleinlebewelt (54). Demnach besteht kein Gegensatz zwischen Kapital und Leben. Es gibt kein Kapital ohne Leben, denn Kapital findet sich nur i m Betrieb, und der Betrieb (55) ist stets etwas Lebendiges. Ob und warum er eine lebende Einheit ist, haben w i r zu untersuchen. Es gibt aber auch kein Leben ohne Kapital, wenn w i r hier an das Leben des Volkes, der modernen Zivilisation unter entsprechender Herrschaft über die Naturkräfte durch die Technik denken. Denken w i r dagegen an das Leben des einzelnen, der nicht am Kapital unmittelbar als Unternehmer oder Arbeitnehmer teilnimmt, so ist dieses entweder nur auf primitivster Kulturstufe ohne Kapital möglich, oder es ist in abgeleiteter Form aus den Erträgen des Kapitals ernährt, wie die Existenz der Arbeitslosen, der Rentenempfänger, der Wohlfahrts- und Unterstützungsempfänger, die aus Fonds der Sozialversicherung oder aus öffentlichen Mitteln unterhalten werden. Das Kapital bildet i n der Wirtschaft einen Prozeß. Wenn w i r vom Kapitalprozeß sprechen und fragen, wo sich dieser abspielt, wo er entspringt und mündet, wodurch er getragen, gelenkt wird, so stoßen w i r immer und überall auf den Betrieb. Wir müssen, um genügend klar zu sein, verschiedene Arten von Betrieben unterscheiden, nämlich den sog. Haushaltsbetrieb oder Haushalt und den Erwerbsbetrieb oder die kapitalistische Unternehmung. Der Haushalt ist entweder öffentlich oder privat. Zu den öffentlichen Haushalten gehören die Staatsverwaltungen von Bund und Ländern und die Kommunalverwaltungen von Stadtund Landgemeinden. Sie sind i n ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Aufgabenerfüllung durch Gesetz und Beschluß geregelt, durch Verfassungs- und Haushaltsrecht einerseits, durch die Beschlüsse der Finanz-, Haushaltsausschüsse und der Abgeordneten i m Plenum anderseits. Die öffentliche Wirtschaft hält Haus i m Sinne des sorgsamen Hausvaters, der Vorkehrung trifft, Fürsorge walten läßt, für notwendige Ausgaben Mittel beschafft und die verfügbaren, stets begrenzten M i t t e l auf den Zweck und Zeitabschnitt richtig verteilt. Wie das höchstentwickelte Gemeinschaftsleben nach dem Vorbild des pater familias der erweiterten Familien-, Arbeits- und Lebensgemeinschaft nach römischem Vorbild geprägt ist, so ist auch der Grundgedanke der öffentlichen Haushaltswirtschaft dem Vorbild der privaten Haushaltsführung nachgebildet — eine alte Weisheit, die von der modernsten Soziologie neu bestätigt wird. Anders liegen die Dinge beim kapitalistischen Betrieb. Hier liegt keine Verwaltung, sondern eine Bewirtschaftung vor. Während die Verwaltung nach allgemein geltenden Grundsätzen oder besonderen A n ordnungen das Bestehende durch sorgsame Pflege zu erhalten sucht, ist
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die Bewirtschaftung bestrebt, das Vorhandene durch riskanten Einsatz zu mehren. Dieses Streben unterliegt den sittlichen und rechtlichen Grundsätzen, die sich aus Gemeinschafts- und Rechtsordnung ergeben. Die Mehrung kann also nur aus der Leistung stammen. Die Leistung ihrerseits bestimmt sich nach den Wünschen der Käufer und Verbraucher, also in der rechtlich geordneten Verkehrswirtschaft nach A r t und Intensität der Nachfrage. W i r haben nicht zu untersuchen, ob es sittlich vertretbar ist, zu rauchen, zu trinken, ins Kino zu gehen, den Kindern Eis und Bonbons zu kaufen und sich Tand und Flitter an den Leib zu hängen. Die Wirtschaft ist zwar nicht ethisch neutral (56), wie mitunter versuchsweise zur Rettung gewisser fragwürdiger Positionen, ζ. B. der Grundstück- und Effektenspekulation oder des Fußballtotos behauptet wird, aber w i r haben hier nicht die sittliche Mitverantwortung des Produzenten zu untersuchen, sondern können uns mit der Feststellung einer Nachfrage und ihrer Befriedigung durch die kapitalistische Unternehmung begnügen. W i r können dies wirklich i m streng wissenschaftlichen Sinn der Objekt- und Methodenbestimmung der Betriebswirtschaftslehre, nicht etwa i m uneingestandenen Sinn einer Ausflucht. Wir können die moralischen Implikationen der Unternehmung nicht bestreiten (57), wer wollte sie leugnen, aber w i r müssen sie der Morallehre überlassen. Bewirtschaften heißt, aus den gegebenen Mitteln durch Leistungsabgabe an andere ein Mehr erzielen wollen. Praktisch kommt es darauf an, ein solches Mehr auf die Dauer wirklich nachweislich in der Rechnung und nachhaltig i m Markt zu erzielen, während für die theoretische Kennzeichnung des kapitalistischen Betriebes das Wollen genügt. Der Kapitalprozeß spielt sich i m Einsatz, Umsatz und Ersatz ab. Diese drei Stadien sind streng an die Unternehmung gebunden und unterscheiden sie vom nichtkapitalistischen Betrieb. Der Einsatz bedeutet die Verwendung gegebener Mittel für einen bestimmten Betriebszweck, der Umsatz bedeutet die Durchführung wirtschaftlicher Handlungen, sei es der Be- oder Verarbeitung, der Orts- und Zeitveränderung, der Übernahme bestimmter Dienstleistungen, wie Transport, Kreditgewährung, Versicherung, Auskunfterteilung, Nachrichtenvermittlung. Der Ersatz bedeutet den Geldrückfluß bei Leistungsabgabe. Kein Einsatz ohne Einkauf oder Beschaffung, kein Umsatz und Ersatz ohne Verkauf oder Absatz; Ein- und Verkauf verknüpfen den kapitalistischen Betrieb mit dem Markt, und zwar hier mit seinem ihm eigenen Beschaffungsmarkt und Absatzmarkt. Nur der kapitalistische Betrieb hat diese eigenartige Marktverknüpfung als seinen Zugang zur Ware und zum Warenerlös, ergänzt und erweitert durch die Beziehungen zum Arbeitsmarkt und zum Kapital-
Der Betrieb als Kapitalanlage oder als lebende Einheit
markt. Man kann ihn deshalb als einen Vier-Märkte-Betrieb oder einen Vollmarktbetrieb wegen seiner vollständigen Umfassung und vierfachen Beziehung zum Markt insgesamt bezeichnen1. Das unterscheidet ihn von den Haushalten. Das Kapital strömt durch die Unternehmung, es w i r d von ihr aufgebracht, durch ihre Tätigkeit erhalten, bewegt und vermehrt und während des Prozesses vermittels der Kapitalrechnung erfaßt, beobachtet und kontrolliert. Der Kapitalprozeß ist jederzeit ohne weiteres und ohne Ausnahme ein sozialer Prozeß. Das gilt auch für den sog. Ein-Mann-Betrieb. Ein solcher hat zwar nur einen einzigen Menschen als Träger, er hat aber Kunden und Lieferanten. Mancher Flickschuster und Hosenschneider hat mehr Kunden als diese oder jene Großunternehmung, die jahraus, jahrein nur für einen einzigen Auftraggeber wie Bundespost oder Bundesbahn arbeitet. Der Kapitalprozeß ist eo ipso ein sozialer Prozeß, weil der kleinste Wettbewerbsbetrieb wie der ausgesprochenste und größte Monopolbetrieb Einkünfte und Verkäufe, d.h. Beschaffungs- und Absatzakte aufweisen, welche Beziehungen zu Lieferanten und Kunden voraussetzen, mit denen der Betrieb ein Stück Sozialwirtschaft darstellt. Es steht schlecht m i t gewissen Unterscheidungen, die die Privatwirtschaft ganz woanders hinsetzen als die Sozialwirtschaft. Die älteren Volkswirte setzen sie hintan, die neueren Soziologen nebenan. Die Privatwirtschaft ist mitten i n die Sozialwirtschaft hineingesetzt und davon selbst ein Teil (58). I n der Unternehmung und nirgends sonst geht die Umsetzung (59) privatökonomischer Überlegungen, Ziele und Handlungen i n sozialökonomische Wirkungen vor sich. Sie findet nicht i n den Köpfen sanktionierender /Volkswirte und meditierender Soziologen statt, weder danach noch daneben. Die Umsetzung von privatökonomischen Überlegungen i n sozialökonomische Wirkungen geschieht auf dem Wege über die Anstrebung von Gewinn vermittels Diensten und Leistungen. Es gibt keinen Schleichweg und kein Hintertürchen, u m hernach die unreine Profitgier dazwischenzuschmuggeln, wenn zuvor die reine Ökonomie dargestellt ist. Es gibt auch nicht die unreine Profitgier als Pflanzbeet, auf dem die Nutzpflanze der K u l t u r und Zivilisation blüht. Eins steckt i m andern und stammt vom andern, wie das Auge von der Sonne nach Goethes Naturbetrachtung: „Müsset im Naturbetrachten Immer eins wie alles achten, Nichts ist drinnen, nichts ist draußen; Denn was innen, das ist außen. So ergreifet ohne Säumnis Heilig öffentlich Geheimnis." J. W. v. Goethe 1 I n der französischen Sprache leiten sich marchandise, marchand von marché ab. „Le bon marché" ist für alle Teilnehmer der günstige Treffpunkt,
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Der Sozialprozeß ist die menschliche, der Kapitalprozeß die sachliche Seite desselben Wirtschaftsvorganges der Güterbewirtschaftung auf Geldertrag durch Dienst für andere. Dieser Dienst für andere geht miteinander, zueinander, füreinander und nacheinander vonstatten: miteinander, wenn mehrere Menschen gemeinsam i m Betrieb zusammenwirken, angefangen beim handwerklichen Kleinbetrieb mit Meister, Gesellen und Lehrling bis zum Riesenbetrieb mit zehn-, fünfzig- und hunderttausend Beschäftigten; zueinander in der Einbeziehung der K u n den und Lieferanten von einem einzigen bis zu vielen Millionen; füreinander eingedenk der über Betriebe verlaufenden Arbeitsteilung und der dadurch bedingten gegenseitigen Abhängigkeit; nacheinander bei Vorliegen abhängiger Produktionsstufen, wie z.B. von der Rohstoffgewinnung (Erz, Kohle, Baustoffe, Metalle) über die Weiterverarbeitung bis zum Fertigprodukt. Der Produzent kann sein Erzeugnis nur so lange i n dem bestehenden Umfang herstellen, wie die Vorstufen ihn mit Material beliefern. So könnte dieses M i t - und Füreinander auch dahin unterschieden werden, daß bei singulärer Beziehung einer den anderen beliefert und bei pluralistischer Beziehung ein einziger viele andere, wie es etwa der Fall ist bei einer Kaffeerösterei und vielen Einzelhändlern, einer Bierbrauerei und ihren Hunderten und Tausenden von Gaststätten in allen Teilen des Landes, bei Coca-Cola und seinen Hunderten von Millionen täglichen Trinkern in allen Teilen der Erde. Man kann auf diese Weise den Sozialprozeß des Kapitals richtig, nämlich vollständig fließen sehen, so wie er aus der sachlich-ökonomischen und der menschlich-soziologischen Quelle gespeist ist. I m Betrieb, der Kapital auf Ertrag bewirtschaftet, ist alles Kapital: das leerstehende Wohnhaus, das nicht genutzte Grundstück, das anscheinend überflüssige Bargeld und Bankguthaben, das über den laufenden Bedarf hinausgehende Vorratsvermögen und die Reservegüter des Anlagevermögens. Dies alles ist Kapital (oder auch genannt Kapitalanlage oder Anlage), weil es zur Einheit des Betriebes gehört und mittelbar wie unmittelbar, heute schon oder erst demnächst dem Umsatz mit dem Ziel des Erlöses, dem Erlös m i t dem Ziel des Gewinnes dient. I n dieser Betrachtung verschwindet der Kapitalist als Ausbeuter, wie ihn K a r l Marx i n geflissentlicher Verkennung seiner echten Stellung nur soziologisch-politisch, aber nicht soziologischökonomisch gezeichnet hat, sonst hätte er den Unternehmer und Manager nicht übersehen, die Finanzwelt neben der Güterwelt nicht geleugzu dem Käufer und Verkäufer marschieren. Dorthin sind sie unterwegs, in Bewegung. Das drückt die Vorsilbe „entre-" in den Wörtern entreprendre, entretenir, entrepreneur deutlich aus. Der Unternehmer ist ein Marktgänger, er ist zwischen Betrieb und Markt dauernd unterwegs. Die Unternehmung ist ein zu Markt gehender Betrieb.
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net und den Weg zur wirtschaftlichen Freiheit über das Sparen nicht verkannt. Seine Zeichnung des Kapitalisten als Ausbeuter ohne Leistung und Verantwortung ist eine Karikatur; seine Schilderung des Kapitals als Nur-Prozeß ohne Anfang und Ende, ohne Aufenthalt und Übersicht, ohne Kontrolle und Ergebnis ist ein Zerrbild. Das gleiche gilt von seinem Kapitalbegriff, von dem J. Plenge („Kapital und Geld", Weltw. Archiv, Bd. 24, 1926, S. 310) sagt: „So bleibt das Helldunkel, in dem der Kapitalbegriff bei Marx schimmert, charakteristisch für die Agitations absieht, die seine ganze Wissenschaft i m geheimen durchtränkt (60)."
B. Kapitalanlage und Lebenseinheit I. Der Betrieb als technisch-ökonomisch-soziale
Einheit
Worin liegt die Einheit des Betriebes? U m hier aus dem Vielen das Eine zu machen, muß alles Detail einer leitenden Idee unterworfen und aus der Leitidee untereinander verbunden, miteinander abgestimmt und -zum Ganzen zusammengefaßt sein. Dies aber ist nur möglich durch die Erfassung des Betriebes als Kapitalanlage und zugleich als lebende Einheit, durch die Erfassung des Kapitals mit Hilfe der Kapitalrechnung. Die Kapitalrechnung gliedert den Betrieb in sachlicher und zeitlicher Hinsicht, wie w i r es aus dem System der Konten, der Einteilung des Kontenrahmens, dem Aufbau der Kostenrechnung, den Abschnitten des Finanzplanes und der Zeitfolge und Gliederung der Jahresbilanz kennen. Die Kapitalrechnung setzt die Kapitalteile miteinander i n Beziehung, die Güter zum Geld, die Anlagen zu den Umsatzgütern, die Schulden zu den Außenständen usw. Die Kapitalrechnung bildet aus den von ihr und nicht anders erfaßten Beziehungen bestimmte Verhältnisse oder Grundrelationen, drückt diese i n Kennziffern (Ratios) aus, findet dafür Vergleichsmaßstäbe und Vergleichsmöglichkeiten und entwickelt hieraus Kontrollmöglichkeiten nach innen und außen (interner und externer Betriebsvergleich 2 . Wenn es gelingt, den Betrieb als soziale Einheit einwandfrei nachzuweisen, dann haben w i r zugleich auch das Leben i m Betrieb nachgewiesen, denn eine soziale Einheit ohne Leben ist nicht denkmöglich, nicht vorstellbar und nicht i n der Wirklichkeit nachzuweisen. Ehe uns der Nachweis des Betriebes als soziale Einheit i m Sinn einer aus sozialen Rücksichten bestimmten, nicht von unsozialem Verhalten der Führung 2 Hierzu: H. Linhardt, KapitalWirtschaft und Kapitalrechnung, W. RiegerFestschrift, W. Kohlhammer, Stuttgart 1953; ders., Grundlagen der Betriebsorganisation, W. Girardet, Essen 1954.
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getragenen Ordnung gelingt, müssen w i r mit den ursprünglichen Lebenselementen des Betriebes, seinen technischen und ökonomischen Bestandteilen zurechtkommen. Diese sind sprachlich wie logisch, logisch wie faktisch dem A t t r i b u t sozial vorgeschaltet. M i t irgend etwas fängt der Betrieb an. Der Flickschuster braucht wenigstens das Dreibein zum Sitzen, die Bank zum Arbeiten, jeder Handwerker braucht Werkstück und Werkzeug und dazu ein bißchen Platz. Zum Gerät kommt bald die A r beitsmaschine, kurz das Sachareal. Beim Industriebetrieb sprechen w i r vom materiellen Anlagevermögen. Das einzelne Werkzeug, Hammer und Zange, das einzelne Gerät, Schraubstock und Hobelbank, die einzelne Maschine, Presse, Stanze, Fräse bilden zunächst für sich eine technische Einheit. Jedes Werkzeug, jedes Gerät, jede Maschine ist für sich eine solche Einheit und hat auch i n der Sprache des Technikers seine entsprechende Leistungseinheit (Gewicht, PS, Umdrehungszahl, Druckvermögen usw.). Faßt man aber gewisse Werkzeuge, Geräte und Maschinen zusammen, sagen w i r 100 Spinnmaschinen und 500 Webstühle m i t Zubehör i n einer Textilfabrik oder einen Räumbagger und drei Fließbänder i n einem Bauunternehmen oder zehn Zugmaschinen und 40 Anhänger i n einem Transportunternehmen, so ist .die Zusammenfassung aller vorhandenen Maschinen und Geräte eines Betriebes die technische Einheit dieses Betriebes. Man drückt sie i n technischer Betrachtung auch als technische Kapazität auf Grund der vorhandenen Maschinen und Geräte oder auch an Hand des Material-, Kohlen- oder Stromverbrauches aus. Hier haben w i r Stufen der Objektivation und der Zweck-Mittel-Relation (61) vor uns bis zur höchsten Stufe des Betriebes als Kapitalanlage. Gibt es — so können w i r jetzt weiter fragen — eine technisch-ökonomische Einheit, die noch keine soziale Einheit i m Sinne einer nicht unsozialen Einheit ist? Dies ist der Fall und trifft auf solche i n W i r k lichkeit vorhandenen Betriebe zu, die sich der menschlichen Arbeitskraft bedienen, ohne die menschliche Freiheit und Selbstbestimmung zu achten, ohne die M i t w i r k u n g des Menschen i m Betrieb durch freien Entschluß und vertragliche Abmachung zu erreichen. Das gilt für jede A r t von Sklavenarbeit, beispielsweise für die Antike, für die nordamerikanischen Tabak- und Baumwollplantagen bis 1863, für die nach verschiedenen Schätzungen mit 12—15 Millionen Menschen bezifferten russischen Zwangsarbeitslager zur Förderung von Erz, Kohle, Holz, Steinen oder zur industriellen und landwirtschaftlichen Erzeugung, für die verstaatlichten Betriebe der Ostzone mangels Vertrags- und Koalitionsfreiheit, mangels Freizügigkeit. Nehmen w i r den sozialen Faktor zu den technisch-ökonomischen Faktoren hinzu, so langen w i r beim Betrieb i n Freiheit, Einigkeit und Recht an: i n Freiheit, weil das Arbeits- und Vertragsverhältnis zwischen A r -
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beitgeber und Arbeitnehmer beiderseits auf freiem Entschluß und freiwilliger Vereinbarung beruht, auch wenn die beiderseitigen Interessenvertreter, die sogenannten Vertrags- und Sozialpartner, kollektive A r beitsverträge miteinander abschließen; i n Einigkeit, weil über das Zusammenwirken i m Betrieb eine grundsätzliche Übereinstimmung bestehen muß, ohne welche der Vertrag nicht ausgefüllt, die Betriebsordnung nicht verwirklicht, der Betriebszweck nicht erreicht werden kann; i m Recht deshalb, weil die entscheidende Regelung des Betriebsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer i m Wege des Vertragsrechtes erfolgt und i m Streitfall durch Rechtsmittel des Arbeits- und Sozialrechtes geklärt wird. Man könnte nun den Gedanken der Einheit noch weiter fortsetzen, indem man darauf hinweist, daß der Betrieb als soziale Einheit von einem zwar abgestuften, aber doch gleichgerichteten Willen beseelt, von einem verwandten Geist erfüllt, von einer tüchtigen Gesinnung getragen ist und insofern eine Leistungs-, Geistes- und Gesinnungseinheit darstellt. Man könnte ferner die Gemeinschaftseigenschaften des Betriebes näher würdigen, die sich in der Verbundenheit aller Beschäftigten durch gleiche Gefahren, gleiches Schicksal und voneinander abhängige Erfolgs aussieht en äußern und den Betrieb zur Gefahren-, Schicksals- und Erfolgsgemeinschaft (62) machen. Dies wäre i n anderer Hinsicht lohnend und dankenswert, bedarf aber für unsere Betrachtung keiner weiteren Darlegung. Der Betrieb als soziale Einheit verträgt keine Teilung i n einem anderen Sinn als durch die weitgehend gleichförmige Leistungsabgabe aus der betrieblichen Leistungserstellung. Die Leistungsabgabe fällt vom Betrieb wie die Frucht vom Baum; es ist m i t dem Betrieb als Einheit unvereinbar, gewisse Teile anders als durch regulären Umsatz aus ihm herauszulösen. Dies wäre ein Zerteilen, gleichbedeutend mit einem Zerstören. Anlagen werden i m Betrieb nur ausgeschieden bei beabsichtigter Verkleinerung des Betriebes oder Erneuerung der Anlagen; Rohstoffe werden nur i m Verhältnis zum laufenden Umsatz verarbeitet, aber regulär nicht als Rohstoffe an den Beschaffungsmarkt zurückgegeben. Immer steht bei allen Entscheidungen die Erhaltung der betrieblichen Einheit voran, und dies meint der Praktiker, wenn er — vor schwierige Entscheidungen gestellt — sagt: Das kann ich nicht machen, dabei geht mein Betrieb zugrunde, dies und jenes kann sich unser Betrieb nicht leisten usw. Die Betrachtung des Betriebes als Einheit hat noch eine letzte Blickrichtung. Sie zielt auf die Frage ab, was Einheit überhaupt sei. Von Einheit spricht man immer da, wo man auf eine Zweiheit oder eine solche Vielheit stößt, die durch Geist und Willen zusammengehalten werden, so daß aus der Zusammenfassung ein sinnvolles Ganzes entsteht, welches die Bezeichnung Einheit verdient. Die militärische Organisation
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kennt den Begriff der Einheit von der Korporalschaft bis zur Heeresgruppe, die politische Verwaltung kennt die Verwaltungseinheit von der Gemeinde bis zum Staat, die kirchliche Verwaltung vom Sprengel und der Pfarrei bis zum Bistum oder der Landeskirche. Die Einheit i m größten Rahmen von Heer, Staat und Kirche beruht auf der Gliederung i n kleinste Einheiten und der Verbindung aller Einheiten aller Größen; dies ist der organisatorische Sinn des nicht nur historischen und politischen, sondern stets aktuellen, organisatorischen „Divide et impera!" Bis auf den heutigen Tag sind die militärischen und kirchlichen Gliederungen für die öffentliche und wirtschaftliche Verwaltung vorbildlich gewesen, die militärischen auch zum Teil für die kirchlichen, wie i n Ordensregeln (Gesellschaft Jesu) erkennbar. Ämter, Rechte, Zeremonien, Trachten und Titel i n der Wissenschaft, Diplomatie, Staatsverwaltung können darauf zurückgeführt werden (Consul, Council, Conseil, Dekan, Kanzler, Minister, Oberhaupt, Präsident, Kommissar, General). I n diesen Fällen ist die Einheit äußerlich durch die Organisation, innerlich durch Geist und Gesinnung gebildet. IL
Die Betriebsauf gäbe: Erwerb und Bedarfsdeckung
Hier liegen keine zweierlei Aufgaben nebeneinander. Die Bedarfsdeckung liegt nicht neben dem Erwerb, die Privatwirtschaft nicht neben der Sozialwirtschaft. Bedarfsdeckung verhält sich zum Erwerb nicht wie edel zu unedel, wie gut zu böse, wie lobenswert zu verwerflich, sondern Bedarfsdeckung verhält sich zum Erwerb wie M i t t e l und Zweck. Der kapitalistische Betrieb w i l l den Erwerb, gleichgültig, ob er es eingesteht oder nicht, ob man wie Henry Ford vom Dienen spricht, womit er als letzter Puritaner das Verdienen meint, ob dem Dienen das Verdienen folgt wie der Schatten dem Licht, gleichgültig, ob das Erwerbsstreben brutal eingestanden und verfolgt oder verbrämt und m i t Wohltätigkeit sofort oder später umkleidet w i r d (Rockefeiler, Carnegie, Mellon). Der Betrieb muß den Bedarf decken, wenn er einen Erwerb erzielen will. Man kann es mit Wilhelm Hegel als eine „List der Vernunft" bezeichnen, daß dies so ist, oder man kann es als einen, wie die Sozialisten glauben, verlustreichen und vermeidbaren Umweg betrachten, den Bedarf aller über den Erwerb einiger zu decken. Für die Erkenntnis der Betriebsaufgabe ist unwiderleglich richtig, daß der Erwerb nur über die Bedarfsdeckung erfolgen kann, wobei Erwerb Zweck und Bedarfsdeckung Mittel ist. Der Erwerb steht als oberstes Leitmotiv obenan, die Bedarfsdeckung liegt als Basis der Zweckreihe betriebswirtschaftlicher Motivation zugrunde. Ich habe i n meiner Arbeit über „Die Grundlagen der Betriebsorganisation" (W. Girardet, Essen 1954) zehn verschiedene Betriebszwecke unterschieden, die beim Erwerb anfangen und bei der Bedarfsdeckung enden. Die Zweckreihe ist
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so zu verstehen, daß je nach der Betrachtungsrichtung von oben nach unten oder von unten nach oben der eine Zweck den anderen voraussetzt oder zur Folge hat, wobei inmitten der Zweckskala kein einzelner Zweck übersprungen oder umgestellt werden kann. W i l l ich die Produktion, so brauche ich zuvor die Kombination (der Produktionsfaktoren); w i l l ich aus der Produktion den Erlös, so brauche ich dazu den Umsatz; w i l l ich den Ertrag, so brauche ich die Planung und Resolution als Vorstufe. I n dieser Zweckskala berühren sich -die privatwirtschaftlichen und die sozialökonomischen Überlegungen und Entscheidungen, und zwar nicht irgendwo, sondern ganz klar und eindeutig an der Schwelle, wo die Produktion aus den Vorstufen der Planung und Resolution hervorgeht und i n die folgenden Stufen der Bedürfnisbefriedigung und Bedarfsdeckung einmündet. Hier liegt die Umsetzung privatwirtschaftlicher Motivation i n sozialökonomische Wirkungen vor, und diese Umsetzung geschieht, wie schon gesagt, mitten i m Betrieb, und da an ganz bestimmter Stelle, nicht irgendwo da oder irgendwo außerhalb, nicht hernach und nebenbei und schon gar nicht i m Gehirn eines Professors der Volkswirtschaftslehre. Nun ist augenblicklich von den betrieblichen Einzelzwecken und ihrer Zusammenfassung i n einer logisch verknüpften und praktisch nachweisbaren Zweckskala die Rede, während w i r uns doch m i t der Betriebsaufgabe auseinanderzusetzen haben. Wie verhalten sich Zweck und Aufgabe? Zweck ist objektivbestimmt, Aufgabe ist subjektbezogen. Der Betrieb selbst stellt eine Objektivation der von Subjekten angestrebten Zweckverfolgung (63) mit den gesamten vorhandenen Sachmitteln und Arbeitskräften dar. Dies ist sein Eindruck für den außenstehenden wissenschaftlichen Beobachter. I n diesem Eindruck überwiegt das Beständige gegenüber der Veränderung, die Zweckbezogenheit nach außen gegenüber der Ichbezogenheit von innen. Dagegen würde der darinnen stehende Mitarbeiter jederzeit als einzelner von sich aus seine Obliegenheit, seinen Arbeitsplatz, sein Arbeitspensum i m Auge haben und von der i h m zugewiesenen und von i h m übernommenen Aufgabe sprechen. Wie dem einzelnen, so ist auch der Arbeitsgruppe, Abteilung, dem Werk innerhalb der Unternehmung eine eindeutige, wenn auch komplexe Aufgabe zugewiesen. W i r können also sagen, daß die Objektivation des Betriebes mit seiner Zweckskala und den darin verknüpften Einzelzwecken sich i m Hinblick auf die Gestaltung der Mitarbeit aufteilt und umsetzt i n die an Einzelpersonen und Personengruppen verteilten Aufgaben, die dann unter allen möglichen Namen, der Obliegenheit, der Kompetenz, der Zuständigkeit, des Bereiches, der Entscheidungsbefugnis, Verantwortung usw. erscheinen. So läßt sich also i m Betrieb eine totale ObjektSubjekt-Beziehung herstellen und ein Schema mit immer größerer De7 Linhardt
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taillierung bis zur letztmöglichen Vereinzelung von Mensch und A r beitsgerät am Arbeitsplatz gewinnen. M i t Hilfe dieses Schemas läßt sich wie auf einer Begriffsleier das Spiel der totalen und partialen ObjektSubjekt-Beziehung i m Betrieb und schließlich des Betriebes selbst aufführen. M i t dieser Begriffsleier hat es eine ähnliche Bewandtnis wie m i t der von Marx hundertfach genannten, aber niemals ausgeführten „erweiterten Stufenleiter der kapitalistischen Produktion". Dieser erweiterten Stufenleiter liegt ein genialer Gedanke zugrunde, nur hat die Stufenleiter weder bei ihrem Urheber noch bei seinen Epigonen und Gegnern seit fast 100 Jahren eine Darstellung gefunden. (Frühe, aber nicht verfolgte Ansätze bei J. Plenge, System der Verkehrswirtschaft, 36 S., Tübingen 19033.) Die Darstellung müßte so aussehen, daß i n die Grundformel Geld-Ware-Geld immer neue Glieder eingesetzt werden, bis schließlich an Stelle der Ware die ganze linke Bilanzseite der materiellen Anlage- und Umsatzgüter der Einzelunternehmung und an Stelle des Geldes die sämtlichen betriebsneutralen geldähnlichen Vermögenstitel der Unternehmung, wie Effekten des Umlaufvermögens, Akzepte, Schecks, Wechsel, Bankguthaben, Kassenbestände figurieren; die Formel wäre erst dann bis zur äußersten Grenze erweitert, wenn sie die Umsätze sämtlicher Erwerbsbetriebe einer Volkswirtschaft umfaßt. Die neueren Versuche des sogenannten social accounting liegen etwa i n dieser Richtung. Es gäbe noch eine andere Anwendung der erweiterten Stufenleiter, nicht wie eben nach der Formel Geld-Ware-Geld, sondern nach einer sehr naheliegenden, aber ebensowenig aufgegriffenen Formel: BetriebMarkt-Betrieb und Markt-Betrieb-Markt. Wer hat sich schon einmal die Mühe gemacht, die Marktbeziehungen eines einzelnen Betriebes nach Zahl der Kunden und Lieferanten, nach Zahl und Höhe der Umsatzakte einer Periode, nach A r t und Umfang der Märkte zu erfassen? Wer hätte schon einmal daran gedacht, eine Schätzung der Anzahl (Posten, nicht Wert) sämtlicher Käufe und Verkäufe einer Volkswirtschaft bis herunter zum Einkaufsakt von drei Brötchen oder einer Schachtel Streichhölzer zu erfassen, die Zahl der Lieferanten- und Kundenkonten der gesamten Erwerbswirtschaften eines Landes zu ermitteln, die Zahl der Spar- und Kontokorrentkonten der gesamten Kreditwirtschaft (Westdeutschland ca. 100 Mill., USA ca. 750 Mill, nach Schätzungen des Verf.). Hier liegen große Lücken i n der Theorie und i n der Statistik. Man ist noch nicht einmal darauf gekommen, den Umsatz des Hauptbuches eines einzelnen Erwerbsbetriebes volkswirtschaftlich auszuwerten, und nichts läge näher, als hieraus einen echten volkswirtschaft3 Vgl. hierzu: H. Linhardt, Plenges System der Verkehrswirtschaft, F i nanz«Archiv, Neue Folge, Tübingen, 1954.
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liehen Gesamtumsatz zu gewinnen und dazu die verschiedenen Teilumsätze der Kostenträger, der Anlagen, der Kreditposten usw. usf. zu Vergleichszwecken von Einzelunternehmungen, ihren Größenklassen, ihren Wirtschaftszweigen ins Verhältnis zu setzen. Die Formel BetriebMarkt-Betrieb läßt sich ausweiten vom lokalen über den regionalen bis zum nationalen Bereich, vom Einzelbetrieb und seinem Eigenmarkt über die Summe der Wettbewerbsbetriebe und ihren Fachmärkten bis zur Summe aller Erwerbsbetriebe, gegliedert nach ihren Fachmärkten und zusammengefaßt i m sozialen Markt der Nation. Dann hätten w i r erst die Erwerbswirtschaften der Nation. Hätten w i r diese erst, dann könnten w i r die Gesamtwirtschaft in Schema und Zahl bringen, indem w i r die nichtkapitalistischen Betriebe, z.B. die nicht allseitig an den Markt angeschlossenen bäuerlichen und handwerklichen Betriebe und die ganz und gar nichtkapitalistischen öffentlichen und privaten Haushalte mit i n das Gesamtbild hereinnehmen. Wie arm ist unsere Vorstellung, gemessen an den Möglichkeiten einer logischen Erfassung und Durchdringung mit einfachsten Denkmitteln! Wie arm ist unser wissenschaftliches Wissen von den tatsächlichen Einheiten und Größenordnungen, Verhältnissen und Proportionen, gemessen an der offenen Zugänglichkeit der Sachwelt! Der literarische Ansatz ist nicht älter als einige Jahrzehnte; die betriebswirtschaftliche Literatur über Statistik und Organisation beginnt um 1910. Wie weit ärmer noch ist unser sicher verfügbares, einsatzfähiges Wissen i m Ansatz der Verwaltung und Politik, wie seltsam w i r k t dagegen der Steilflug der Ökonometrie. Z u den unausgeschöpften M i t teln unserer wirtschaftlichen Erkenntnis gehört schließlich noch die Betrachtung der immer wieder i n Wechselwirkung innerhalb und außerhalb des Betriebes vor sich gehenden Objektivation und Subjektivation. Hierbei geht es um psychologische Prozesse der Aneignung subjektiver Aufgaben und ihrer Bewältigung i n objektiver Weise, also um höchst bedeutsame Prozesse der Bewältigung der obersten Wirtschaftsaufgabe und der darin enthaltenen Aufgabenstufen durch richtigen Einsatz menschlicher Kräfte 4 . Beim einzelnen Arbeiter muß aus der objektiven Betriebsordnung die subjektive Einordnung durch Einweisung, Einführung und Eingewöhnung durchgeführt werden. Hunderte von verwandten Prozessen verlaufen über den Klein- und Mittelbetrieb und über die Gliederungen des Großbetriebes und lassen sich mit den hier verwendeten Stichworten der Objektivation und Subjektivation spielend erfassen, wenn nur der Inhalt dieser Bezeichnungen wechselseitiger Prozesse verstanden wird. 4 Hierzu ausführlicher: H. Linhardt, Grundlagen der Betriebsorganisation, Essen 1954.
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Auch bei der Betrachtung der Betriebsaufgabe, ist das Eine i n allem das Kapital. Ich sage mit besonderer Betonung das Kapital und nicht der Mensch, jedenfalls nicht der Mensch als Beschäftigter oder als Inhaber, aber auch nicht der Mensch als Kunde und Lieferant und am wenigsten der Mensch überhaupt und so — nämlich als Abstraktion (64). Wer es anders haben w i l l , hat zwar eine beifällige Formel gefunden, aber dafür die Möglichkeit der wissenschaftlichen Betrachtung und Behandlung des Betriebes aus der Hand gegeben. Wer den Menschen i n den Vordergrund und i n den Mittelpunkt (wessen eigentlich?) stellt, ist mancher Zustimmung i n Volkskreisen gewiß, hat aber die Plattform der Wissenschaft vom Betrieb i m Sinne der Betriebswirtschaftslehre verlassen. Kapital als das auf Mehrgeld bewirtschaftete Geld ist das eine in allem, das Einende i m Vielerlei, das Einheitliche in sämtlichen Einzelheiten, kurz das geistige Band, wodurch die bereits untersuchte Einheit des Betriebes gebildet und zusammengehalten wird. I I I . Betriebswirtschaft
und Wirtschaftsordnung
Die Betriebswirtschaft steht in der Wirtschaftsordnung wie das Thema i n einer musikalischen Komposition, wie das Muster in einem Stoffgewebe. Der Betrieb ist zugleich ein Markteinschnitt und ein Marktausschnitt. Er nimmt und gibt wie der „Römische Brunnen" nach dem Gedicht von Conrad Ferdinand Meyer. Er ist aber nicht nur durch Nehmen und Geben am Marktgeschehen beteiligt, sondern ist selbst ein Stück dieses Marktgeschehens: Einschnitt, weil er mit seinen Entschlüssen und Handlungen i n das Marktgeschehen eingreift, Ausschnitt, weil er vom Marktgeschehen nach allen Seiten umschlossen und durchschossen ist. Wo Betrieb ist, ist nicht Markt; aber nichts ist i m Betrieb, was nicht vom Markt kommt und zum Markt geht, wie auch immer es i m Betrieb gewandelt w i r d und wie lange es dort verbleibe. I m Betrieb w i r d die thematische Einheit der Wirtschaftsordnung wie i n einer musikalischen Komposition festgehalten, und diese thematische Einheit heißt Freiheit aller Marktteilnehmer auf allen Teilmärkten i m Rahmen der durch Gesetz, Verwaltung und Wirtschaftspolitik bestimmten Grundordnung. Diese Grundordnung i n Betrieb und Markt entspricht der Grundstimmung einer musikalischen Komposition, der Übereinstimmung von allen Teilen des Kunstwerkes aus der Stileinheit des Ganzen (65). Die vorhin erwähnte Ausweitung und Ausfüllung des Grundschemas Betrieb-Markt-Betrieb und Markt-Betrieb-Markt läßt sich i n der Weise vornehmen, daß erst Betrieb und Markt i m Sinne des allgemeinen Grundschemas, dann der Betrieb und seine Teilmärkte i m Sinne des betrieblichen Eigenmarktes betrachtet werden, schließlich die Wettbewerbsbetriebe i n ihrer Stellung innerhalb ihres gemeinsamen Fachmarktes und endlich sämtliche kapitalistischen Betriebe innerhalb des
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die gesamte Verkehrswirtschaft umfassenden Sozialmarktes. Hierbei ist immer vom kapitalistischen Vollmarktbetrieb, also von der Unternehmung, die Rede. Die Unternehmung bildet durch ihr Zusammenwirken mit den Märkten die Verkehrs Wirtschaft (66). A n dem Marktgeschehen nehmen außerdem die nichtkapitalistischen Erzeugungsbetriebe i n Landwirtschaft und Handwerk, die mehr oder weniger geschlossenen Selbstversorgungsbetriebe und die öffentlichen und privaten Haushalte teil. Unsere Betrachtung beschränkt sich auf die Unternehmung. Sie ist nach den gleichen Prinzipien gestaltet, nach denen der Wettbewerb geordnet, der Markt gebildet, die Verkehrswirtschaft organisiert ist. Es sind die Prinzipien des Kapitaleinsatzes, der freien Preisbildung nach den Grundprinzipien der Gewerbefreiheit, des Eigentumsschutzes und der Gewährleistung der Vertragsfreiheit. Es sind i m wesentlichen Rechtsprinzipien, durch welche die Arbeits-, Sozial-, Sachordnung des Betriebes, zusammengefaßt zur Betriebsordnung, i m allgemeinen Sinne bestimmt werden. Die Arbeitsordnung umfaßt das einschlägige Arbeitsund Sozialrecht über den Schutz der Volksgesundheit, durch Verbot von Kinderarbeit, Beschränkung der Frauenarbeit, Verbot der Nachtarbeit, Beschränkung der Arbeitszeit, Kündigungsschutz, Urlaub usw. Die Arbeitsordnung umfaßt außerdem diejenigen technischen Regelungen und organisatorischen Inhalte, die das Schaffen des Menschen i m Betrieb, seine Ausrichtung auf die Verfolgung der Betriebszwecke, die Betriebsarbeit i n ihren Stadien der Planung, Vorbereitung, Aufsicht und Durchführung betreffen. Die Sozialordnung greift regelnd und ergänzend i n die Arbeitsordnung ein, z.B. durch das gesetzliche M i t bestimmungsrecht des Betriebsrates bei Einstellung, Kündigung, Entlassung, Beförderung usw., sie w i r k t durch zusätzliche Schutzmaßnahmen i m Sinne der Unfallverhütung, Krankheitsvorbeugung, Schonung der Arbeitskraft durch Einrichtung von Aufenthalts- und Erfrischungsräumen, Abgabe von Speisen und Getränken, Schutzkleidung, Einlegung von Arbeitspausen, Altersversorgung und ähnliches. Die Sachordnung umfaßt die i m Interesse der Durchführung des Betriebsprozesses notwendigen Gliederungen des Betriebes i n Abteilungen, die Zuständigkeiten der Abteilungen, die Übertragung von Aufgaben an die Beschäftigten, die richtige Pflege und Bedienung der technischen Einrichtungen, Maschinen und Geräte, die richtige Verwendung von Werkzeugen und Werkstoffen in Verbindung mit der kaufmännischen Verwaltung. Diese einzeln genannten Ordnungsbereiche bilden zusammen die Betriebsordnung, deren Grundzug dem riskanten Kapitaleinsatz i m freien Markt unter eigener Verantwortung für den Fortbestand und das Gedeihen des Betriebs entspringt und entspricht. Der Betrieb ist zwar eine Kapitalanlage und kann nur so als lebende Einheit geschaffen und ge-
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sichert werden, aber er ist keine Kapitalanlage wie Aktie oder Pfandbrief, die man heute erwirbt und morgen veräußert. Er ist als Ganzes kein Gegenstand des Handels, es gibt keinen Markt für die Unternehmung als Marktobjekt. Die Aktie repräsentiert einen ideellen Anteil an einem Aktienunternehmen i n Form eines Rechtstitels, und i n diesen höchstentwickelten Verkehrsformen sind Unternehmungsanteile, die man auch i n anderen Sprachen, i m Englischen, Französischen, Holländischen, Italienischen, Spanischen usw. als Anteile bezeichnet, käuflich und verkäuflich. Hier findet das Auswechseln von Bauelementen i m Unternehmungsbau, und zwar i m Kapitalgerüst des Unternehmungsbaues statt, ohne daß der Bestand der Unternehmung davon berührt wird. Gerade diese Tatsache sollte vor dem I r r t u m bewahren, die Unternehmung als Kapitalanlage, ähnlich oder gleich der Aktie und Obligation, zu betrachten. Man kann als Inhaber und Teilhaber einer Unternehmung sich nicht von dieser trennen wie von dem Rechtstitel einer mittelbaren Kapitalanlage, die aus dem Kapitalmarkt entnommen ist. Man w i r d eine Unternehmung nicht auflösen, weil sie sich zunehmend schlechter und eines Tages überhaupt nicht mehr rentiert, so wie man Marktobjekte erwirbt und veräußert. Die Auflösung einer Unternehmung ist ihre Zerschlagung und die Veräußerung ihrer Teile. Es geschieht nicht nur aus sozialen Rücksichten, daß man bei Geschäftsrückgang nicht sofort die Belegschaft entläßt und die Tore schließt, es geschieht aus ökonomischen Unmöglichkeiten, die dies unterbinden. Die Betriebsordnung beruht auf der Anwendung von Ordnungsmitteln. Unter diesen Ordnungsmitteln steht die Betriebsführung an erster Stelle. Sie beruht in der Regelung der Beziehungen zwischen Mensch und Sache i m Betrieb unter Ausrichtung auf die Leitidee der Ertragserzielung. Die Betriebsführung bedarf nicht wie die politische Führung einer Legitimation und Limitation durch ein Mandat und auch keiner Qualifikation durch sachliche oder sittliche Überlegenheit; sie versteht sich auch bei mangelnder Überlegenheit und selbst Gleichwertigkeit von selbst i n dem Sinne, daß sie sich aus der rechtlich begründeten Verfügungsgewalt (67) über die vorhandenen M i t t e l und Einrichtungen herleitet. Man muß den Begriff und Tatbestand der Gewalt nicht scheuen und nicht übersehen. Zur Führung des Betriebes gehört die Gewaltausübung, so wie zur Aufrechterhaltung der Ordnung i m Staat die Ausübung der Staatsgewalt gehört. Schlechte Machthaber sind solche, die die Macht nur haben, ohne sie anzuwenden; sie verkümmert unter ihren Händen. Wo Ordnung geschaffen und Arbeit geleistet werden soll, ist der faktische Machteinsatz gegen Zersetzung und Zerstörung erforderlich. Zur Gewaltausübung gehört auch die Schaffung von Einordnungsund Unterordnungsverhältnissen, von Befehlsstellen und Ausübungskontrollen. Die philosophische und politische Frage nach den Unterschie-
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den von Macht und Gewalt (power und force), Macht und Willkür, Macht und Ordnung kann hier unberührt bleiben. Die zur Betriebsführung erforderliche Gewaltausübung ist eine auf Recht beruhende, i m Recht begründete, durch Macht getragene, aber immer echte Gewaltausübung; ohne sie w i r d i n der Sachwelt nichts vom Platze gerückt, kein Stein auf den anderen gelegt. Dazu gehört die Gewalt über die Mitmenschen, worüber weder die gewaltsame noch die kraftvolle, sondern allein die machtvolle Persönlichkeit, mitunter mit subtilsten Mitteln, verfügt. Soviel über die Ordnungsmittel. Nun ein kurzes Wort über die Führungsmittel. Sie beruhen i n dem Zusammenwirken von Anordnung, Leitung und Kontrolle (68). Die Anordnung w i l l aus dem Willen der Führung und i m Wege der von der M i t w i r k u n g aller Beteiligten gesicherten Durchführung die Welt des Bestehenden ändern, nicht aus dem Ungeist des Umsturzes, sondern aus dem Geist. Die Leitung ist auf die an der Durchführung der Anordnung beteiligten Menschen gerichtet. Sie ist ein Teil der Organisation. Die Kontrolle ist das Schlußglied der kombinierten Führungsmittel. Sie hat ihrerseits besondere Kontrollmittel, die sich i n dem aus Wahrnehmung der Betriebsinteressen erfolgenden Vergleich von Soll und Ist ergeben. Dieser Vergleich ist i m weitesten Umfange bis zur kleinsten Einzelheit alles Betriebsgeschehens durchführbar, sei es als rechnerischer oder augenscheinlicher, laufender oder periodischer Vergleich des Betriebszustandes i m ganzen oder der Betriebsabteilungen oder der Teilvorgänge, Produktionsprozesse usw., bis hinein i n die Selbstkontrolle des Arbeitenden während seiner Arbeit. Die Kontrolle (69) hat bestimmte Vergleichsmittel entwickelt und das Rechnungswesen, die Buchhaltung, die Bilanz, die Statistik, die Kosten- und Planrechnung immer stärker nach ihren Gesichtspunkten ausgebaut, untereinander verbunden und ergänzt. Der Betrieb wendet außer dem Rechnungswesen noch andere Beobachtungs- und Vergleichsmittel, sei es m i t dem bewaffneten oder unbewaffneten Auge, sei es durch Augenschein oder Beobachtungsapparate und -geräte an und bedient sich ihrer einzeln und kombiniert. Die Betriebswirtschaft i n der hier gezeichneten Gestaltung der Betriebsordnung m i t Führungs- und Kontrollmitteln unter Anwendung von Vergleich und Beobachtung atmet i m ganzen den gleichen Geist der Ordnung, den die Verkehrswirtschaft mit ihren Märkten und Verkehr seinrichtungen widerspiegelt, zwar nicht immer zur vollen Bewunderung des Beobachters, der sich an vielen Unzulänglichkeiten stört, aber doch i m Ergebnis nicht ohne jene Ordnungselemente, ohne welche der gesamte Wirtschaftsablauf i n Freiheit nicht vollzogen werden könnte. Das innerste Wesen der auf Freiheit beruhenden Wirtschaftsord-
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nung ist die freiwillige Anerkennung der Regeln eines geordneten und gesunden Wettbewerbs unter Verzicht auf alles, was unordentlich und ungesund wäre. So drückt die Wirtschaftsordnung in ihren Teilen jene Einheit aus, die aus dem Geist der Freiheit erwächst wie die Gesamtwirkung eines Kunstwerks aus der inneren Seele des Künstlers, wie der i n der Grundstimmung seines Bewußtseins geborene Stil. Wie das große Kunstwerk um so stärker w i r k t , je überwältigender sein Eindruck als lebendige Einheit ist, und wie dieser Eindruck nur aus der nachhaltigen Seelenstärke des Künstlers geboren sein kann, die mitunter ein Leben lang gehalten wird, so ist die Harmonie zwischen Betriebswirtschaft und Wirtschaftsordnung nur als Ausdruck der Seelenlage eines Volkes mit gesundem Rechtsempfinden und wachem Geschichtsbewußtsein und der Besinnung darauf bei den stärksten Belastungen i n Notzeiten gegeben; ohne ein Festhalten an geschichtlich erprobter Erfahrung und persönlich erkannter Einsicht i n die harte Lehre des Sozial- und W i r t schaftslebens ist diese Harmonie nicht möglich. A l l das klägliche Gerede von der Gebrochenheit des Menschen und seinem Geworfensein i n dieser Welt des Argen, all die Klagen über die Einseitigkeiten der Philosophie des deutschen Idealismus können nichts verkleinern an der Geisteshöhe und Erkenntniskraft der deutschen Klassik. Harmonisch war die Welt auch ehedem nicht, und gütig ist die Natur nicht anders als der Engel Jakobs und das Himmelreich selbst, welches Gewalt leidet. „ I m Schweiß der Nasen", sagt Martin Luther, „sollst du dein Brot essen." Die Musen schweigen, wenn Mars regiert, sie sterben nicht. Die Harmonie w i r d nie vertrieben werden können aus der Welt der Ideen; von hier gehen immer Wirkungen aus auf die Welt der Sachen, die Welt des Geschehens, das Wirkungsfeld des Menschen bis hinein i n die zwar nüchterne, notwendig sachliche, aber weder herzlose noch geistlose und unmenschliche Welt des Betriebes, dessen Leben der Kapitalprozeß ist.
Anschaulichkeit der Wirtschaft und Anschauungsmittel der Wirtschaftswissenschaft* I. Anschauung und Anschaulichkeit Anschauung kommt dem Subjekt, Anschaulichkeit dem Objekt zu. Die Anschaulichkeit setzt zwar die Anschauung des Subjekts voraus, ist aber jedem zugänglich, der sehen will. Es ist die Offenhaltung der Verbindung zwischen Subjekt und Objekt und zugleich die Eröffnung des Verbindungsweges für andere Subjekte. Anschauung und Anschaulichkeit haben beide zweierlei Bedeutung. Anschauung bedeutet die unmittelbar durch das leibliche Auge gewonnenen Sinneseindrücke der sichtbaren Welt wie auch die mittelbar durch das geistige Auge aus Verstand und Gedächtnis gewonnenen Gebilde der unsichtbaren Welt. Anschaulichkeit bedeutet das körperlich Schaubare und das geistig Vorstellbare. M i t diesen Unterscheidungen sind nur die äußersten Pole leiblichen und geistigen Schauens berührt, ohne die zahlreichen Verknüpfungen und Übergänge zu erörtern. Die Anschauung als Zugang zur Erkenntnis w i r d seit Beginn der abendländischen Philosophie gering geschätzt. Plato betrachtet unsere Sinne als trügerisch, Aristoteles bezeichnet die Wahrnehmung als unterste Stufe der Erkenntnis. Zu den großen Geistern, die der Anschauung als Erkenntnismittel den ersten Hang eingeräumt haben, gehören vor allem Rousseau und Pestalozzi, Goethe und Hegel, vor ihnen die englischen Philosophen Thomas Hobbes und John Locke, ihnen allen i n der Geschichte voran Comenius, der wie kein anderer die Anschauung als Bildungs- und Erziehungsmittel erkannte und einsetzte. Der heutige Mensch sieht das Leben der Meerestiefen in künstlicher Beleuchtung, die Bewegung der Moleküle in 1 000 OOOfacher Vergrößerung, das Licht erloschener Sterne aus Millionen Lichtjahren, die Krümmung der Erdoberfläche i m Luftbild (70). Sehen und Denken werden bei einer bestimmten geistigen Entwicklung des heranwachsenden Menschen, einer bestimmten geistigen Haltung des reifen Menschen und einer Bewaffnung des Auges des heutigen * Vortrag, gehalten während der Universitätswoche der Stadt Mülheim an der Ruhr, vom 7.—14. 11. 1954, abgedruckt in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 7. Jg. 1955, S. 1—18.
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Menschen mehr und mehr eins. Seh- und Denkvermögen steigern sich wechselseitig. Man w i r d dem Sehen und Denken nur gerecht, wenn man leibliches und geistiges Sehen unterscheidet, ohne den inneren Zusammenhang zwischen beiden zu durchschneiden. Wer ungezählte Bäume als Wald sieht, gebraucht einen Gattungsbegriff, wer ungezählte Sterne als Himmelszelt sieht, tut ein gleiches, und wer einen Gattungsbegriff gebraucht, der denkt — hier i m Sehen, sonst an Geschehenes oder Denkbares. Das leibliche Auge sieht einen Ausschnitt aus der W i r k lichkeit, das geistige Auge verknüpft ihn mit anderen und mit der Idee. „Den Sinnen hast D u dann zu trauen, Nichts Falsches lassen sie Dich schauen, Wenn Dein Verstand Dich wach erhält." (Goethe, Vermächtnis, 4. Strophe, 1829)
Die optische Wahrnehmung w i r d durch den wachen Verstand kontrolliert, die Sinnestäuschung w i r d eingeschränkt. Die experimentelle Psychologie klärt den Zusammenhang zwischen Auge, Nerv und H i r n aus den physikalischen Erkenntnissen des Lichtes, Mediums und der Erhellung. Der Zusammenhang zwischen Sinn und Verstand ist in dem Doppelwort „Sinn und Verstand" ebenso sinnfällig gemacht, wie das Wort sinnfällig dies zu offenbaren vermag. So ist es mit zahlreichen Worten und Ausdrücken i n allen Sprachen, etwa dem lateinischen perceptio, ratio, relatio und deren Ableitungen, dem französischen considération, dem englischen reason. II. Anschaulichkeit der Wirtschaft Für die Anschaulichkeit der Wirtschaft gilt, was von der Anschaulichkeit eben gesagt wurde, sie ist teils durch das leibliche, teils durch das geistige Auge zu gewinnen. Das geistige Auge holt die i m Gedächtnis verwahrten Eindrücke des leiblichen Auges heran und zieht die durch Vorstellung und Umbildung gewonnenen Bilder (71) herzu. Der w i r t schaftende Mensch, der die Unzulänglichkeit des leiblichen Auges kennt, macht sich von der Wirtschaft ein Bild, so wie er es braucht, ein Gedankenbild vom Ganzen (wonach die wenigsten ein Verlangen haben), ein Abbild von dem Teil, der ihn interessiert; den er gestalten und beherrschen will, vielleicht nur beschreiben und lehren möchte, sei es i m Zeichensaal der Fabrik, am Schreibtisch des Verwaltungsbüros, an der Wandtafel i m Schulraum und Hörsaal, sei es als Karte, Lageplan, Verkehrs·, Versorgungsnetz, Fahrplan oder Organisationsschema. Der Sämann auf dem Acker, Urbild allen Wirtschaftens, ist ein w i n ziger Ausschnitt aus der Wirklichkeit, der Handwerker in der Werkstatt, der Arbeiter an der Maschine sind andere, ebenso winzige Ausschnitte. Aus ihnen kann das B i l d der Wirtschaft nicht gewonnen wer-
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den und nicht aus Millionen anderer Bilder, die sich wie Dominosteine aneinandersetzen ließen. Erst das geistige Auge findet Zusammenhänge zwischen dem Sämann auf dem Acker und Haus und Hof, Stall und Scheune, Anbau und Nahrungsbedarf; erst der kombinierende Verstand setzt den Sinneseindruck vom Handwerker fort zur Absatzfähigkeit des Erzeugnisses, Leistungsfähigkeit des Betriebes, Aufnahmefähigkeit des Marktes; erst das begriffliche Denken erhebt sich vom Sinneseindruck der Fertigungsstelle über Abteilung, Werk und Unternehmung zur Einsicht i n Wirtschaftszweig, Wirtschaft und Volk. Eine Volkswirtschaft wäre nicht zu ordnen, gäbe es keine Anschauungsmittel wie den Verwaltungsplan, den Haushalt, die statistische Tabelle; eine Stadtwirtschaft wäre nicht zu vollziehen, gäbe es nicht die Lagepläne der Katasterämter, die Übersichtspläne der technischen Büros für die Gas-, Wasser- und Stromversorgung, für das Verkehrsnetz, die Pläne für die innere Verwaltung; eine Unternehmung wäre nicht zu leiten, gäbe es nicht das Organisationsschema, den Struktur- und Ablaufplan, den Stellenplan und die Anschauungsmittel von Konto, Bilanz und davon immer mehr Detail- und Gesamtübersichten i n Gestalt des Kontenplanes, des Betriebsabrechnungsbogens, der Monatserfolgsbilanz. Ehe der Mensch sich die Erde Untertan machen konnte, mußte er den Globus und Kompaß erfinden, die Erde nach Länge und Breite einteilen, See- und Landkarten zeichnen. Was von nun an als richtig und gerecht galt, war dies nach seiner Bestimmung — nämlich des Ortes (72). Weder äußere Eindrücke noch innere Einblicke der Wirtschaft sind zu einem Gesamtbild der Wirtschaft anzuhäufen. Zwar sieht das menschliche Auge i m L u f t b i l d und in der Luftbildaufnahme die K u l t u r - und Industrielandschaft, Städte und Dörfer, Kirchtürme, Fördertürme und Bohrtürme, Wald und Feld, Flußlauf und Rebenhügel, aber es sieht nicht die Wirtschaft. Zwar sieht das leibliche Auge die Sägemühle, den Kalkofen, den Steinbruch oder eine Ziegelei, einen Hochofen oder ein Bürohaus, aber den Betrieb generell, die Betriebsfunktionen, den Zusammenhang bis zum Eintritt des Sinnvollen kann man nicht sehen, das muß man begreifen lernen. Die sichtbare Stoffumformung ist Technik, nicht Wirtschaft, die Technik aber zeigt dem Auge keinen Zusammenhang zwischen dem Kapitaleinsatz und dem Kapitalertrag. Der Wert, um den es dabei geht, ist ein A t t r i b u t der Dinge. Dinge kann man sehen. Attribute kann man nicht sehen. Wirtschaften ist ein geistiges Bemühen und Geist ist unsichtbar. Die Wirtschaft selbst versucht längst vor der Wissenschaft, diesem Umstand abzuhelfen. Sie w i l l Unsichtbares behelfs- und ersatzweise sichtbar machen und kann es in einem beträchtlichen Umfang. Sie entwickelt einen Reichtum von Darstellungsmitteln i n Form von Katalogen, Auslagen, Mustern, sie bedient sich der Vorführung, der Ausstellung, der Bücher-, Modell- und
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Modenschau. Die Warenverpackung bietet dem menschlichen Auge eine Stütze, mehr als sie dem kritischen Verstand eine Gewähr bieten würde und dient als Garantie für Inhalt und Wirkung auf Grund eines beinah mysteriösen Vertrauens, das man dem bedruckten Papier, der Aufschrift einer Schachtel, dem Etikett und Verschluß einer Flasche entgegenbringt. Und so leben w i r glücklich mit dem Fewamädchen, Sarottimohren, Erdalfrosch, Mampeelefanten, haben keine Angst vor dem Schnupfenbazillus, dem zerbrochenen Krug, denn Uhu leimt, klebt, kittet alles, Persil bleibt Persil, und Underberg bleibt Semper idem.
I I I . Anschauungsmittel der Wirtschaftswissenschaft 1. Begriffliche
Einengung
Die Wirtschaftswissenschaft nimmt ihre Sachverhalte und Probleme aus dem Wirtschaftsleben; dieses ruht i m Leben des einzelnen, des Standes, der Klasse, des Wirtschaftszweiges und der Volkswirtschaft, m i t allen anderen Lebensäußerungen verschlungen. Daher übernimmt die Wirtschaftswissenschaft mit dem Sachverhalt notgedrungen den Ausdruck des Alltags und des vorwissenschaftlichen Sprachgebrauchs. Dies ist eine stets munter fließende Quelle reichen Mißverständnisses und Ärgernisses auf beiden Seiten, auf Seiten der Wissenschaft wie der Laienwelt. U m diesem Übel in etwa abzuhelfen, versucht die Wissenschaft, ihre Begriffe durch Definition abzugrenzen und ihren Gebrauch abzusondern. Sie w i l l der rauhen Wirklichkeit nicht für immer entfliehen, aber erst i n ihrer Rüstung, gewappnet mit dem Brustschild der Meduse, bewehrt mit dem Speer der Weisheit, geschmückt mit dem Helm des Geistes, dorthin zurückkehren, um den Kampf mit Unverstand und Finsternis zu bestehen. So nimmt denn die Wirtschaftswissenschaft begriffliche Einengungen vor. Sie verlangt nicht, daß der Unternehmer ihr allein gehöre, das Wagnis nur ihr zuerkannt werde, Einsatz und Erfolg nur bei ihr Geltung habe und das Rechnen nur bei ihr sinnvoll sei. Solche und hundert andere, für sie grundwichtige Begriffe sind woanders als bei ihr zu Hause, weder von ihr geprägt noch i n der Wirtschaft ursprünglich beheimatet. Das macht ihr das Arbeiten schwer. Durch die unerläßliche Einengung verliert sie an Anschauung i m Denken und an Anschaulichkeit der Sache. Das muß i n Kauf genommen werden. Eine Jagd, Seefahrt, eine politische Demarche, eine Schlacht können Unternehmungen sein und werden auch so bezeichnet; mit gleichem Recht nennt man Kriegshelden und Seefahrer, Missionare und Entdekker Unternehmer. Das Wagnis ist kein Reservat der Wirtschaft. Es ge-
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hört zum Leben i n allen seinen Äußerungen und Ungewißheiten. Kosten und Erfolg sind kein Spezifikum der Privatwirtschaft, sie gehören zum menschlichen Leben schlechthin. Aber mit solchen Ausdrücken wäre i n der Wirtschaftswissenschaft nichts anzufangen. A n ihre Stelle t r i t t der oft gleichnamige, aber völlig anders verstandene Begriff. Dann ist Unternehmung ein Erwerbsbetrieb, Unternehmer derjenige, welcher Kapital mit selbständiger Verantwortung einsetzt, Kosten der auf Erlös abzielende Kapitaleinsatz, Kapital auf Mehrgeld bewirtschaftetes Geld (73). Und auch die Rechnung ist etwas völlig anderes als die Mathematik als Umgang m i t angenommenen Zahlen i m Bereich des Abstrakten. Die Wirtschaftsrechnung samt und sonders ist Umgang mit gegebenen bzw. beschränkt zugänglichen Größen i m Bereich des Konkreten. Die i n der Wirtschaft so umfassend verwendeten Begriffe wie Planung, Führung, Bedürfnis sind nicht aus ihr selbst geboren und auf sie beschränkt. Es gibt eine Planung i m Siedlungswesen, i m Städtebau, i n der Architektur wie i n der politischen Arbeit der Parteien, der Verwaltung des Staates, der Liebestätigkeit der Karitas, es gibt eine Führung i n der geistigen Welt der Kunst und Literatur und der Begriff des Bedürfnisses gehört mindestens der seelischen und sittlichen, der religiösen und ästhetischen Welt ebenso gut, wenn nicht eher und mehr an als der Welt der materiellen Güter. M i t der Einengung verliert der Begriff an allgemeiner Geltung, um dafür die wissenschaftliche Geltung zu gewinnen, er verliert das Schillernde und gewinnt das Klare, er büßt den natürlichen Glanz ein und nimmt den geistigen Abglanz an; während sein Gegenstand aus der unmittelbaren Anschauung des leiblichen Auges zurücktritt, t r i t t die mittelbare Anschaulichkeit des geistigen Auges vor. Dazu verhilft der Gebrauch des Kontrastes und der Korrelation: Kosten i m Gegensatz zu Erlös, Einnahmen i m Gegensatz zu Ausgaben, Erzeugung i m Gegensatz zu Verbrauch, Kapitalgut i m Gegensatz zu Konsumgut. Wirklichkeit und Leben sind für die Wissenschaft allzeit unerschöpflich. Da aber, wo Wirklichkeit und Leben vielgestaltig und wechselvoll sind, w i l l die Wissenschaft eindeutig und einfach sein. Die Vielfalt eindeutig zu erklären, i m Wechsel das Bleibende zu finden, ist ihr Bemühen. Dari n ist sie der Kunst verwandt. Die eigentliche Verschiedenheit beruht i n der Gewinnung von Bildern. Für die Wissenschaft sind sie Hilfsmittel, für die Kunst Ausdruck schlechthin. 2. Der wirtschaftliche Vorgang und seine wissenschaftliche Erfassung Die Wirtschaft ist ein Prozeß ohne Anfang und Ende und — weil geschichtlich — ohne Wiederkehr. Wie kann da die Wissenschaft Fuß fassen? Sie braucht Ansatzstellen und Zielpunkte. So nur findet sie Rieh-
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tung und Richtigkeit. I m Prozeß gibt es keins von beiden. Da gibt es Vorgänge aller A r t , seltene und häufige, einmalige und wiederkehrende, solche mit und ohne Zusammenhang, mit und ohne sichtbares oder sofortiges Ergebnis. Der Einzelvorgang als solcher kann nicht Gegenstand der Wirtschaftswissenschaft sein, weder der pflügende Bauer „upp'n Kamp" noch der Handwerker i n der Werkstatt oder der Arbeiter an der Maschine. Wenn die Wissenschaft sich dafür interessiert, geschieht es um des Ganzen willen, wovon das Beobachtete ein Teil ist. Das Ganze ist aber nur gedanklich durch Begriffe und Begriffszusammenhänge zu gewinnen. Dazu bedarf es des Systems (74). Vom System aus lassen sich Haupt- und Nebenvorgänge unterscheiden, aus ihrer sinnvollen Zuordnung entsteht es als geistiger komplettierender Nachbau der Wirklichkeit. I m System ist der Nebenvorgang nicht genauso wichtig, aber genauso unentbehrlich wie der Hauptvorgang, er bezieht seine Stellung aus dem System. Systemvorgänge können nur mit wissenschaftlichen Mitteln erfaßt werden. Damit ein System ausreichend sei, muß es nicht alle, aber die typischen Wirtschaftsvorgänge enthalten, es muß nicht alle überhaupt, aber die erfaßten einheitlich erklären. Selbst bei diesen zulässigen Einschränkungen ist das ernsthaft betriebene Geschäft der Wissenschaft noch mühsam genug, denn es muß immer wieder neue Erscheinungen einbeziehen, neue Tatsachen erklären, neue Zusammenhänge herstellen, zugleich das Falsche ausmerzen, das Unnötige auslassen, das nicht Zugehörige ausscheiden. So existiert die Wirtschaftswissenschaft nur i m System, und zwar i m ständigen Streben u m dessen innere Widerspruchslosigkeit, Vollständigkeit und Geschlossenheit. Was für sie von Belang sein kann, w i r d dies nur als Systembestandteil. Was sie nicht dem System einverleiben kann, kann sie nicht fassen. Wirtschaftswissenschaftliche Systeme wollen anschaulich sein. Sie können dies nur vermittels des geistigen Auges der Abstraktion unter Heranziehung abgeleiteter und Verwendung kontrastierender und korrespondierender Begriffe. Was körperlich anschaulich ist, ist nicht Gegenstand der Wirtschaftswissenschaft, was Gegenstand der Wirtschaftswissenschaft ist, das ist nicht körperlich anschaulich. Nur über einengende Begriffsbildung und zunehmende Abstraktion führt der Weg zur Erkenntnis. Hierbei vermag die Anschauung sichernd und fördernd m i t zuwirken, indem der Weg von ihr zur Abstraktion hinauf- und von dort zurückgegangen wird. Dadurch w i r d die Anschauung i n die Begriffsbildung hinaufgehoben, die Begriffsbildung in die Anschauung hineingesenkt. 3. Anschauliche Begriffe Ich meine mit anschaulichen Begriffen solche, die aus der Anschauung stammen, aus ihr abgeleitet, auf sie zurückgeführt und somit nach-
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geprüft werden können. Sie stammen aus der Natur, aus den Naturwissenschaften und der Philosophie, aus den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Nicht alle Begriffe können anschaulich sein, weder sinnlich noch abstrakt anschaulich; von den anschaulichen sollen hier einige genannt und in ihrem Ursprung und Gebrauch erläutert werden. a) Die aus der Natur gewonnenen Begriffe haben ihren Gegenstand i n der unreflektierten, vom menschlichen Bewußtsein und Denken ungebrochenen Natur. Es sind Begriffe wie Boden, Wachstum, Klima, Leben. Der Begriff Boden findet eine verschiedene, natürliche Anwendung. Man spricht vom Land i m Gegensatz zum Wasser, vom Nutzland i m Gegensatz zum Ödland, vom Ackerland i m Gegensatz zu Wiesen, vom Bauland i m Gegensatz zu nicht erschlossenem Gelände. Während hieraus andere Disziplinen ihren Bodenbegriff ableiten — die Geographie als Teil der Erdoberfläche, die Geologie als Beschaffenheit der Erdrinde, die Agronomie als Beschaffenheit der Humusschicht, leitet die Wirtschaftswissenschaft aus dem natürlichen Tatbestand des Bodens den Produktionsfaktor Boden ab und setzt i h n neben die übrigen Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital. Das Wachstum beobachtet selbst der primitivste Mensch an Pflanze und Tier wie an sich und seinesgleichen. Die schlichte Naturbeobachtung erschließt die natürlichen Bedingungen des Wachstums, die wissenschaftliche Beobachtung eröffnet die chemo-biologischen Wachstumsgesetze. Die Wirtschaftswissenschaft spricht vom Wachstum der Volkswirtschaft, ihrer Glieder und Zweige, deren Gruppen und Einheiten, sie versucht die Wachstumsmerkmale zu klären, die Wachstumsprozesse zu untersuchen, die Wachstumsrate zu schätzen, die Wachstumsbedingungen zu fördern (75). Wie Pflanze und Tier haben auch soziale Gebilde, wirtschaftliche Lebensformen ihr Alter (76). Seine Beachtung klärt manches bezüglich Unternehmungsstruktur, Betriebsgröße, Marktbeziehungen, Kapitalbildung, Kostenelastizität. Hierin bleibt noch viel zu erforschen. Das K l i m a ist eine vielfältig bedingte Naturerscheinung, ursprünglich ein Gegenstand der physikalischen Naturbetrachtung. Der Begriff w i r d neuerdings i m großen und i m kleinen, passend und unpassend auf die Wirtschaft angewendet. Daraus entstehen dann Bezeichnungen wie Wirtschaftsklima, Exportklima, Kapitalmarkt-, Arbeits-, Betriebsklima. M i t solchen Modeausdrücken w i r d vorübergehend mancher Unfug getrieben und viel Gedankenlosigkeit überdeckt, dennoch ist der bleibende Nutzen des zusammengefaßten Ausdrucks verschiedenartiger Tatbestände m i t einem geeigneten Wort gegeben. Das Leben mit seinem ruhigen Fluß, m i t seinen tiefen Einschnitten gehört zur Natur. Unser Denken überträgt es auf K u l t u r , Geist und Wirtschaft, w i r sprechen dann vom K u l t u r - und Geistesleben, so auch vom Wirtschaftsleben. Die organischen Lebensformen von Pflanze und Tier mit ihren Lebens-
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gewohnheiten i m Rudel, i m Verband, i n der Kolonie liefern der W i r t schaftswissenschaft einen ungeheuren Reichtum abgeleiteter Begriffe größter Anschaulichkeit und darum auch Tragfähigkeit, wie es die Begriffe Wirtschaftsform, Wirtschaftsbedingung, Wirtschaftslage, W i r t schaftsentwicklung sind. Die anorganischen Lebensformen der Mineralien, Gesteine, Metalle lenken den Blick des Wirtschaftswissenschaftlers auf große Zeiträume der Vergangenheit und Zukunft; wecken die Zukunftsvorsorge für Energievorräte, den Erfindergeist für neue Energiegewinnung und Umformung. b) Anschauliche Begriffe aus den Naturwissenschaften stammen vor allem aus der Physik, Chemie, Botanik, Zoologie und Biologie, aber auch aus anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen wie Geologie, M i neralogie, Geographie usw. A m reichsten ist der Gewinn, den die W i r t schaftswissenschaft aus der Physik zieht. Sie bedient sich der Begriffe Körper, Ausdehnung, Bewegung, Gleichgewicht, spricht von Expansion und Kontraktion, von Volumen und Dichte, sie verwendet die Begriffe des Mediums, der Friktion und Induktion, ja eigentlich alle grundlegenden Begriffe der Mechanik, insbesondere solche der Dynamik wie die Akzeleration und andere mehr. Sie bemüht sich ähnlich wie die Physik, freilich mitunter nur sehr entfernt ähnlich, um die Messung w i r t schaftlicher Größen und Vorgänge und um die Gewinnung dazu geeigneter Methoden der Quantifizierung. Es gibt keinen Wissensbereich, der der Wirtschaftswissenschaft soviel begriffliches und auch methodisches Rüstzeug geliefert hätte wie die Physik. Dies führt sogar zu Übertreibungen und unzulässigen Übertragungen von Einzelbestimmungen und Bewegungsgesetzen der Physik auf das wirtschaftliche Leben und dessen psychologische Motivationen. Der Weitläufigkeit dieses Gebietes wegen können hier nur einige kurze Ableitungen wirtschaftswissenschaftlicher Hilfsbegriffe aus physikalischen Grundbegriffen genannt werden und auch nur zu dem Zweck, solche Ableitungen aus dem Bedürfnis nach Anschauungsmitteln zu kennzeichnen. M i t dem Körper i m physikalischen Sinne ist die äußere Begrenzung und die dadurch bestimmte Form gegeben. K ö r perliche Vorstellungen drängen zur Untersuchung der inneren Struktur, zur Erfassung ihrer Elemente, zur Beobachtung ihrer Veränderungen. Alle diese Vorstellungen und Wortbildungen vom Wirtschaftskörper und seiner Gliederung, von der Glied- und Organschaft vorhandener Einrichtungen, von der Zuordnung äußerer Gliedmaßen, der Funktion innerer Organe sind entweder unmittelbar auf dem Mutterboden der Physik entstanden oder mittelbar der Physiologie entnommen. Die aus der Physik entnommenen Begriffe zwingen die Wirtschaftswissenschaft zu einem gewissen Grade, wenn nicht naturwissenschaftlich exakt, so doch begrifflich und logisch sauber zu operieren. Klare Denkarbeit
Anschaulichkeit u n d Anschauungsmittel der Wirtschaftswissenschaft
vorausgesetzt, ist die Anwendung physikalischer Begriffe i m Bereich der Wirtschaftswissenschaft fruchtbar. Die aus der Chemie übernommenen Begriffe betreffen die Elemente, ihre Verbindungen und Lösungen, die quantitative Analyse, die Arbeitshypothese und ihre Verifikation. Die Wissenschaft nennt das Geld ein Bindemittel. Es ist das Bindemittel zwischen Kauf und Verkauf, Erzeugung und Verbrauch, zwischen allen Unternehmungen, Haushalten und Märkten. M i t gleichem Recht könnte es i n diesem und i n zahlreichen anderen Fällen auch als Lösemittel bezeichnet werden (77). Die Wirtschaftswissenschaft verwendet die chemischen Begriffe der Homogenität und andere. Die Zoologie und Botanik liefern der Wirtschaftswissenschaft älteste und bis ins kleinste durchgearbeitete Begriffe der Systematik und Klassifizierung i n ihren Arten und Abarten, ihren Familien und Stämmen, ihren Gruppen, Verwandtschafts- und Vererbungskomplexen. c) Anschauliche Begriffe aus der Philosophie sind solche der Form, der Größe, der Beziehungen, während die Philosophie betont abstrakte und nichtanschauliche Begriffe wie die des Wertes, des Nutzens, der Gerechtigkeit liefert. Ohne Zweifel gehören Begriffe wie Natur, Gesellschaft, Geschichte, Kunst und Recht ebenfalls in den Arbeitsbereich der Philosophie und können für die Wirtschaftswissenschaft keinen eigenen Stand beanspruchen. Ein besonderer Nachweis für die Entnahme anschaulicher wirtschaftswissenschaftlicher Begriffe aus der Theologie erübrigt sich. Die Theologie ist nicht nur die älteste Geistesdisziplin, sondern auch nach Gegenstand und Methode die kühnste und trächtigste. Sie ist der Träger der Welt- und Lebensanschauung und der Ursprung der fundamentalsten und höchsten Wertungen, die der Mensch überhaupt vorzunehmen vermag. d) Die tragenden Grundbegriffe der Sozialwissenschaften wie diejenigen von Volk und Staat, Gesellschaft und Individuum, Macht und Herrschaft, Masse und Führung, Freiheit und Bindung kehren alle i n der Volks- und Staatswirtschaft, in den Lehren hiervon wieder und steigern den Grad ihrer Anschaulichkeit. Aus der Gesellschaftslehre gewinnt die Wirtschaftswissenschaft den Begriff der Marktgesellschaft, der Unternehmungsformen, des Vertrages. Der Begriff des Invidiuums und der Rechtspersönlichkeit (78) findet seine vielfältige Anwendung bei den juristischen Personen des öffentlichen Rechts, des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts. e) Wirtschaftswissenschaftliche Begriffe eigenen Gepräges und anschaulichen Ursprungs sind der Markt, das Einkommen, das Sozialprodukt, die Erzeugung, um nur einige zu nennen. Solche Begriffe entstanden durch Einengung aus dem vorwissenschaftlichen Sprachgebrauch. 8
Linhardt
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Ihr Ursprung liegt eindeutig i n den elementaren Wirtschaftsvorgängen des alltäglichen Lebens. Vom Markt, wie er hier und heute zwischen dem einzelnen Käufer und Verkäufer sich abspielt, w i r d der Begriff des allgemeinen Marktes dadurch gewonnen, daß von den Besonderheiten des Ortes und der Zeit, der Gegenstände und der Personen immer mehr abgesehen wird. Dadurch verliert der Ausdruck Markt den ursprünglichen und gewinnt dafür einen neuartigen Inhalt, aus dem örtlichen w i r d der regionale, nationale und internationale Markt, wobei das Ortselement immer mehr zurücktritt und das Zeitelement hervortritt. M i t dem allgemeinen Begriff Markt verbinden sich Vorstellungen und Begriffe, zu denen andere wie Planung, Reglementierung, Dirigismus i m Gegensatz stehen. Zwischen dem konkretesten und dem abstraktesten Markt liegen zahlreiche Abstufungen der Realität wie der Definition, an deren Identität und Verbesserung die Wissenschaft ständig arbeitet. Der Begriff des Einkommens, wesentlich jünger als der des Marktes, ist von der Einzelperson, dem einzelnen Beruf, Unternehmen abgeleitet, schließlich auf Stände, Wirtschaftszweige und Volkswirtschaften übertragen. Einkommen ist, was hereinkommt und der Gegensatz zu dem, was herausfließt. Zur Feststellung des Einkommens gehört demnach die Umgrenzung der Wirtschaftseinheit und dazu verhilft und führt die Vorstellung des Körperhaften. Der Einkommensbegriff findet m i t der Ausbildung der Geldwirtschaft eine allgemeine Ausdehnung. Der Begriff Sozialprodukt stammt aus der Vorstellung der zusammengefaßten Erzeugung eines Volkes. Dabei erfährt dieser Begriff eine Abwandlung. Sein Gegenstand ist nicht ein fertiges und nachweisbares Produkt am Ende einer Produktionsperiode wie beim Erzeugerbetrieb, sondern der verbleibende Rest am Ende (79) einer m i t ständiger Erzeugung und Konsumtion des Erzeugten angefüllten Wirtschaftsperiode. 4. Anschauliche
Konzeptionen
Begriffe sind das Baumaterial für wissenschaftliche Systeme, wissenschaftliche Systeme sind fertige Gebäude aus tragenden Begriffen. Dazwischen liegt ein Baugelände, erfüllt von Plänen, Konstruktionen, Entwürfen, denen insgesamt der Grad von Objektivität, wie ihn Systeme aufweisen, nicht zukommt, aus denen aber mit Wahrscheinlichkeit ein Zuwachs zum Systemreichtum der Wissenschaft erwartet werden kann. Aus diesem Grunde sollen hier einige Beispiele anschaulicher Konzeptionen genannt und ihr Ursprung aufgezeigt werden. a) Aus der Natur entnimmt die Wirtschaftswissenschaft die Konzeption des Kreislaufs. Sie ist vorzüglich dazu geeignet, alle Einzelvor-
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gänge des Wirtschaftslebens zu einer totalen Einheit zusammenzufassen und aus einem einheitlichen Prinzip zu erklären. Der Kreislauf der Wirtschaft spielt i n der Dogmengeschichte der Wirtschaftswissenschaft mit Recht eine große Rolle. Er wurde erstmalig i m Tableau Économique von François Quesnay (1758) angewandt, rund 100 Jahre nach der Entdeckung des Blutkreislaufs durch den englischen Landarzt W i l liam Harvey (80). Der Zusammenhang zwischen dieser Entdeckung und ihrer Übertragung auf das Wirtschaftsleben ist historisch erwiesen, von Quesnay selbst bekundet und um so einleuchtender, da dieser als Naturwissenschaftler und Arzt, zuletzt Leibarzt des französischen Königs, von der Entdeckung des Blutkreislaufs i m menschlichen Körper ausging. Diese Konzeption des Blutkreislaufs erschöpft sich nicht i n der Zusammenfassung der Teilgebiete einer Gesamtwirtschaft, wie sie von J. B. Say in zwei, drei und vier Phasen als Produktion und Konsumtion, als Produktion, Distribution und Konsumtion und schließlich als Produktion, Distribution, Zirkulation und Konsumtion in seinen beiden Hauptwerken „Traité d'Économie Politique" (1. Aufl. 1803, 2. Aufl. 1814) und „Cours complet" (1826, deutsch 1829) dargestellt worden sind; man könnte selbstverständlich die Teilgebiete des gesamten Kreislaufs vermehren und statt zwei bis vier zehn bis fünfzig Teilgebiete einführen, darunter eigene Abschnitte für Transport, Versicherung, Kreditwirtschaft usw., aber man würde dadurch an Übersicht und Einheitlichkeit verlieren, was an Detaillierung gewonnen würde. Die Kreislaufidee (81) ist noch gar nicht ausgeschöpft. Sie läßt sich auf das einzelne Unternehmen und den einzelnen Haushalt, also auf die Hauptbereiche der Erzeugung und des Verbrauchs anwenden, wodurch die Einkommentheorie weiter an Interesse gewinnt. Selbstverständlich ist die Kreislaufidee auf größere Komplexe, Wirtschaftszweige, Berufe, Stände und Klassen anwendbar, wie dies i m Wirtschaftskampf um Preise und Löhne und i n dem Streben nach der Begründung wirtschaftlicher Forderungen mit Hilfe der Statistik der Produktion, der Preise und der Lebenshaltung geschieht. Die Kreislaufidee findet außerdem eine weitere Ausgestaltung durch Unterscheidung des Güterstroms und des Geldstroms, wobei ebenfalls naheliegende Probleme des Stromverlaufs, der Stromstärke und ihrer Schwankungen der Wissenschaft immer wieder neue Aufgaben stellen. Eine andere Konzeption ist die von Kern- und Randgebieten der Wirtschaft, was etwa den Vorstellungen intensiver und extensiver W i r t schaftsvorgänge entspricht. Man bedient sich auch der Konzeption von Schwerpunkten wirtschaftlicher Hilfsmaßnahmen wie etwa denen der öffentlichen Investitionen zum Ausgleich regionaler Unterschiede, zur Katastrophenbekämpfung (Überschwemmungen, Dürreschäden, Aufforstung, Verkehrserschließung) und zum Ausgleich der Arbeitsmarkt8*
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läge. I n ähnlicher Weise bemüht sich die Wirtschaftswissenschaft um die Erfassung typischer Erscheinungen und die Lösung grundlegender Probleme auf Grund der Typisierung wirtschaftlicher Erscheinungen und der Auswahl nach objektiven Gesichtspunkten, wie sie beispielsweise die Statistik durch Repräsentativerhebungen zu gewinnen versucht. Ein anderes Beispiel wirtschaftswissenschaftlicher Konzeption ist diejenige des Verkehrs i m Sinne des Güteraustausches und Leistungsaustausches einschließlich der Dienstleistungen wie Vermittlung, Versicherung, Kreditgewährung, Transport; hier knüpft die Konzeption des Wirtschaftsverkehrs an die Einrichtung des Güter-, Personen- und Nachrichtenverkehrs i m engeren Sinne an, bedient sich der anschaulichen Tatbestände der Verkehrswege, Verkehrsmittel, Verkehrszeiten, Zeitpläne, Verkehrsleistungen und überträgt solche Begriffe und zahlreiche Abwandlungen auf den Wirtschaftsverkehr zur Ermittlung seiner Organisation, Vertragsformen, Dichte und Frequenz, ganz i m Sinne eines abstrakten Systems, das sich an dem Gerüst des konkreten Verkehrssystems emporrankt. b) Die Wirtschaftsstufen (82) sind eine aus den Naturwissenschaften entlehnte Konzeption, angeregt durch das Studium der Kosmologie und Geologie, durch Alter und Entwicklung des Weltalls und der Erdkugel und fortgesetzt i n den Forschungen über die Entwicklung der Lebewesen auf der Erdoberfläche. Dieser Grundgedanke der Evolutionstheorie ist auf die Wirtschaftsgeschichte nicht ohne weiteres übertragbar. Wirtschaftsstufen werden nicht i m naturwissenschaftlichen Sinne als Entwicklungsstadien der Wirtschaftsformen verstanden, sondern historisch interpretiert. Sie stellen Unterscheidungsmerkmale zum Verständnis der geschichtlichen Entwicklung des Wirtschaftslebens dar. Richtig verstanden bilden sie keine exakt nachweisbaren Unterschiede, sondern durch Auswahl dominierender Merkmale gewonnene Entwicklungsstadien, die ineinander ragen, statt sich schroff abzuheben oder abzulösen. Sie sind deduktiv gewonnen, nicht empirisch entnommen. Sie dienen der Wirtschaftsgeschichte als Unterscheidungs- und Einteilungsprinzip, wie etwa die Staatsformen oder die großen Zeitalter der politischen Geschichte dienen (83). c) Aus der Philosophie ist unter Anknüpfung an den Wertbegriff (84) die Konzeption der Wertbildung und des Anteils der menschlichen, insbesondere der körperlichen Arbeit hergeleitet. M i t dem Hinweis auf den Zentralbegriff des Mehrwertes i n der marxistischen Wirtschaftstheorie ist das Nötige gesagt. I n Anlehnung an die Geschichte könnte man auch die Konzeption der ständischen Ordnung aus der Philosophie herleiten, denn die i m Mittelalter verwirklichte und von den Vertretern einer ständischen Wirtschaft zum Vorbild genommene Lebensordnung ist keine materiell-wirtschaftliche, sondern eine ideell-kulturelle Ord-
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nung, deren letzte Wurzeln i n der Bodenschicht von Religion und Metaphysik stecken. d) Sozialwissenschaftliche Konzeptionen sind solche der Staats- und Wirtschaftsformen, der Staat- und Wirtschafts Verfassungen, des Privatund Gemeineigentums, der Industrialisierung, Integration und Interdependenz. Hier greifen historische, rechtsphilosophische, anthropologische und soziologische Disziplinen ineinander und fördern Konzeptionen (85) zutage, deren Übernahme i n die Wirtschaftswissenschaft die fruchtlose Erörterung irrealer Fragestellungen einschränkt, die geleistete Geistesarbeit anderer Disziplinen übernimmt und das Zusammenwirken aller geistigen Bemühungen fördert. Rechtsnormen beeinflussen die Wirtschaftsgestaltung und werden ihrerseits von der Rechtsauffassung und Rechtsidee einer Zeit, eines Volkes bestimmt. Die Ausdehnung der Weltwirtschaft stellt das Problem der farbigen Völker, des Kolonialismus, der Neuregelung, wie sie die englische Völkerfamilie i m Commonwealth, die französische in der Französischen Union anstrebt (86). e) Eigentliche wirtschaftswissenschaftliche Konzeptionen, die die Wirtschaftswissenschaft selbst entwickelt hat, sind diejenigen des Institutionalismus, des Preismechanismus. Man meint mit Institutionalismus solche dauernden Einrichtungen wie Staat, Kirche, Korporationen, die gewöhnlich eine eigene Rechtsstruktur und typische Funktion i m W i r t schaf tsgeschehen haben (87). Zahlreiche Erscheinungen des Wirtschaftslebens sind dadurch überhaupt erst oder leichter erklärbar, daß von vorhandenen Einrichtungen ausgegangen w i r d i n der richtigen Vermutung, an verschiedenartigen Einrichtungen verschiedenartige Funktionen zu finden, deren Aufweisung das sinnvolle Zusammenwirken ganzer Komplexe zu erklären vermag. Dies ist augenscheinlich i m Kreditwesen der Fall, für welches die Theorie ohne Anknüpfung an vorhandene Kreditinstitute, Kreditarten und Kreditfunktionen keine Erklärung zu liefern vermag, weil eine solche ohne Zuhilfenahme der Institutionen die Qualitätsunterschiede verfehlt und i m leeren Raum schwebt. Der Preismechanismus ist ein Gedankengebäude, welches auf den Fundamenten der freien Betätigung wirtschaftender Einheiten i n Erzeugung, Verteilung und Verbrauch beruht. Die Regeln der Preisbildung werden unter der Annahme des Wettbewerbs aufgestellt und mit entsprechenden Einschränkungen für verschiedene Marktformen abgeleitet. 5. Anschauliche Systeme a) Die Natur bietet Zusammenhänge und Abhängigkeiten, die aus bloßer Beobachtung, ohne Hilfsmittel und wissenschaftliche Ableitung erkannt werden können, wenn sie auch nicht als Systeme benannt werden. Dazu zählt das System des Wasserhaushalts, des Pflanzenwachs-
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turns, die Systeme der Nerven, Blutgefäße, Muskeln, Sehnen, Knochen i m tierischen Körper und die zahlreichen weiteren Systeme einzelner Organe und Organbestandteile wie Blatt und Blüte der Pflanzen und die inneren Organe des menschlichen und tierischen Organismus. Die Wirtschaftsvorgänge lassen sich mit Hilfe des Wasserhaushalts i n der Natur veranschaulichen und erklären. Wie die Fakten des Niederschlages und der Verdunstung aus der Vorstellung des Wasserkreislaufs ihren Zusammenhang gewinnen, wie die Fakten von Quelle und Bach, Fluß, Strom und Meer hieraus ein umfassendes Verständnis finden, so gewinnen Einzelheiten wie Einkommen und Verbrauch, Lohn, Sparen und Investition i n der Wirtschaft aus der analogen Kreislaufidee Zusammenhang und Verständnis. Wie in der Natur Wolkenbildung, Windrichtung, Luftfeuchtigkeit und Pflanzendecke symptomatische und kausale Bedeutung erlangen, so findet i n der Konjunkturtheorie die Preisentwicklung, Abschreibung, Nettoinvestition plötzlich Beachtung, das Detail findet i m System seinen Ort und am Ort seine Bestimmung. W i r d auch mit dem Wasserhaushalt der Natur nichts in der Wirtschaft erklärt, so dient er doch samt seiner Vorstellungs- und Begriffsinhalte zum Verständnis des Problems, zur Erleichterung der Lehre. Das Arbeitseinkommen bildet sich i n der Produktion, vergleichbar den unterirdischen Sammelbecken, es verdichtet sich in verschiedenen Einkommenschichten, den Erdschichten vergleichbar, t r i t t aus den Haushalten i n den Markt, ähnlich den Austrittstellen des Quellwassers. Die Anwendung eines anschaulichen natürlichen Systems hilft Zusammenhänge finden, Einzelheiten verbinden und Geringfügiges aufnehmen. Die allgemeine Kenntnis natürlicher Systeme macht ihre Anwendung wertvoll und als Auftakt neuer Erkenntnisse verheißungsvoll. Wenn sie auch keine theoretischen Fachkenntnisse vermitteln, so vermögen sie doch den Zugang zu erleichtern. Die zahlreichen Versuche einer organischen Wirtschafts- und Gesellschaftslehre mögen nicht immer zu haltbaren Ergebnissen geführt haben, die häufigen Analogien zwischen dem organischen Leben i n der Natur und dem W i r t schaftsleben mögen oftmals übertrieben oder falsch angewandt worden sein, vor allem dann, wenn sie als Ersatz für theoretische Erkenntnisse und Begründungen verwendet wurden; trotzdem gilt, daß die Natur der größte Lehrmeister des menschlichen Geistes ist. Hinsichtlich der wissenschaftlichen Erfassung verhält sich die Natur zur Physik wie die Wirtschaft zur Verkehrswirtschaft. Nicht die Natur, wohl die Physik i n ihrer Körperlichkeit ist mathematisierbar, nicht die Wirtschaft, wohl die Verkehrswirtschaft mit ihren Geldgrößen ist theoretisierbar. Die Wirtschaftstheorie beginnt, wie am Beispiel des Tableau Économique zu erweisen, damit, das Gut aus dem Geld, das Geld aus dem Gut zu erklären, das eine als Ware, das andere als Verkehrsmittel,
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beides aus dem Tausch, aus dem wiederum der Markt als Tauschort, die Unternehmung als Marktpartner zwangsläufig und spielend zu erklären sind — alles i n der Verkehrswirtschaft, anders nicht. (Vgl. H. Linhardt, Plenges System der Verkehrswirtschaft, Finanz-Archiv, Juni 1954, Bd. 15, Heft 1, S. 21—71.) b) Die Natur w i r d nicht minder zum Lehrmeister der Wirtschaftswissenschaft, wenn zwischen beide die Naturwissenschaft als Brücke tritt. Was hierdurch über die Zellvorgänge, die Bewegungen der H i m melskörper, das Verhalten der Stoffe und Kräfte, die Formen und Wandlungen der Energien, die Licht-, Ton- und Stromwellen dem menschlichen Geist an Erkenntnis und Methodik zuwuchs, ist i n der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung spürbar, mitunter sogar übertrieben, wenn der Unterschied zwischen Natur und Geist verkannt wird. Auch die Erkenntnisse der Medizin mit ihren Ubergriffen auf die Psychologie und Tiefenpsychologie sind nicht ohne Wirkung, wie an Fachbezeichnungen wie Wirtschaftstherapie, Konjunkturdiagnose, Kreditinjektion, an Vergleichen des Geldes mit dem Blut, des Geldmarktes m i t dem Herzen und vielem anderen leicht zu erweisen ist. Naturwissenschaftliche Grundvorstellungen werden auf die Wirtschaft angewandt, auch wenn ihre praktische Realisierbarkeit ausgeschlossen ist. Darum w i r d doch immer wieder vom Gleichgewicht der Ein- und Ausfuhr, der Investition und des Sparens, der Märkte, Preise, Einkommen i n bestimmten Annahmen gesprochen. Deshalb braucht ein solches Gleichgewicht nie und nirgends vorhanden gewesen zu sein. Es w i r d vom Schwebezustand der Konkurrenz, von der Reagibilität der Produktion, von der Elastizität der Nachfrage noch lange gesprochen werden, obwohl die Wirtschaft Menschenwerk ist und deshalb niemals auf mechanische Prinzipien reduziert werden kann. Die Wirtschaftswissenschaft kann ihr Erkenntnisstreben darauf richten, eine einheitliche Erklärung der kleinsten wie der größten Erscheinungen zu finden. Sie tut dies, indem sie alle Vorgänge aus Einkommen, Sparen und Investieren erklärt, so wie die moderne Physik die Materie aus Energiezuständen erklärt. Damit sind aber keine Größen, Farben und Formen, keine Variationen und Mutationen erklärt. Die stolze Wissenschaft, die einen schon erloschenen Stern i m Fernrohr zeigt, einen Kometen voraussagt, scheitert i n der Vorhersage des Fluges eines Maikäfers, der Krümmung eines Regenwurms; die Wissenschaft, die mit Millionen Lichtjahren und Millionstel Millimeter rechnet, verrechnet sich bei der Krankheit wie beim Wetter. Sie kann an dem Schlag der Nachtigall ebenso wenig bestimmen wie an dem Lächeln der Mona Lisa. Die Tonhöhe, Tonfolge, Tonlänge und alles sonst noch Meßbare macht den Schlag der Nachtigall nicht aus, nicht nur auf seiten des Senders, sondern auch auf seiten des Empfängers, für den er Seligkeit oder
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Gleichgültigkeit bedeuten mag. So geht es -der Wirtschaftswissenschaft. Sie erfaßt Geldvolumen und Kredit, Scheckclearing und Wechselumlauf, kann aber nicht sagen, wo der fruchtbare Geldregen herniederrieselt und wo es i n die Rabatten hagelt; sie quantifiziert und eliminiert und kann nicht den alten westfälischen Bauernspruch widerlegen: Was dem einen seine Nachtigall ist, ist dem andern sin Ul. — „Individuum est ineffabile." c) Die anschaulichen Systeme der Philosophie sind nicht zur Übernahme i n die Wirtschaftswissenschaft gedacht und dazu nicht gebrauchsfertig gemacht. Aus ihnen sind aber die Kategorien der Anschauung, des Denkens, die Regeln der Logik, die Grenzen der Erkenntnis und Urteilsfähigkeit zu entnehmen. Seit Kant sind Raum und Zeit Kategorien der Anschauung. Seit Einstein ist die Zeit eine Funktion des Raumes. Gleichwohl w i r d es für die Wirtschaftswissenschaft dabei bleiben können, sogar müssen, daß Raum und Zeit Realitäten des Soziallebens sind. Die Organisationslehre bedient sich ihrer als Gestaltelemente, die Organisationspraxis verwendet oftmals Raumlösungen aus Zeitmangel und Zeitlösungen aus Raummangel. Denkt man an die Natur- und Geschichtsgebundenheit menschlichen Handelns, an die Klärung menschlichen Handelns durch die Ethik, speziell durch die Praxeologie (vgl. L. v. Mises, 1949, New Haven), so findet die Wirtschaftswissenschaft als Lehre von der Wirtschaftspolitik i n den psychologischen, soziologischen, ethischen, sozialen Kategorien wertvolle Hilfen. Kein disziplinierter Wirtschaftsforscher w i r d sich der philosophischen Gedankenzucht und Methodik entziehen, keiner w i r d philosophische Denksysteme ohne Nutzen anwenden (88). Grundbegriffe wie Objekt und Subjekt, Wert und Nutzung, Freiheit und Recht drängen zur Systembildung und Systembehandlung in der Wirtschaftswissenschaft genauso wie i n der Philosophie, das principium individuationis setzt alledem Grenzen. d) Schließlich hat die Sozialwissenschaft ihre eigenen Systeme, teils in Fortentwicklung, teils i m Gegensatz zur Philosophie. Das Verhältnis zwischen beiden schwankt zwischen völliger Ablehnung und uneingeschränkter Anerkennung der Soziologie (89) als Grund- und Universalwissenschaft der Sozialwissenschaft. Das Zentralproblem der Soziologie, die Macht, i n ihren verschiedenen Ursprüngen und Ausstrahlungen als politische, wirtschaftliche, finanzielle, eigene, übertragene und sonstwie faktische Macht bietet der Wirtschaftswissenschaft unentbehrliche Erklärungsgründe, ohne die der Markt, der Tausch, der Preis, ja i m Grunde alles wirtschaftliche Geschehen schlechthin unerklärbar bliebe. Bei den mathematischen Erklärungen w i r d das alles schon i m Ansatz eliminiert, deshalb muß die Anwendung genauso scheitern wie die Verfolgung des Maikäferfluges und die Analyse des Nachtigallenschlages. Die Soziologie bietet zugleich politisch neutrale Begriffe und Ordnungs-
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mittel zur Unterscheidung sozialer Gebilde und zur Ergänzung der politischen und der wirtschaftlichen Geschichte. e) Nach dem Gesagten hat die Wirtschaftswissenschaft keine eigenen Systeme. Das liegt nicht an ihrer Jugend, sondern an ihrem Gegenstand (90). Die echte wirtschaftswissenschaftliche Leistung liegt i n der Übernahme solcher natürlicher, naturwissenschaftlicher und anderer Systeme und der Anwendung auf wirtschaftliche Tatbestände und Probleme. Darum nennt man mit Recht das wiederholt erwähnte Tableau économique den Anfang der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie. Der ältere Mirabeau nannte die Erfindung des Geldes die große Leistung des menschlichen Geistes, ebenbürtig der Erfindung der Sprache und der Schrift. David Hume und andere vor ihm verglichen das Geld mit dem Blut i m Körper, mit dem Schmieröl der Wirtschaftsmaschine. Werner Sombart und auf ihn bezugnehmend Oswald Spengler bezeichnen die Erfindung der Buchhaltung, jenes Systems der Kapitalrechnung, ohne welches es keine Kapitalwirtschaft gäbe, als Großtat des menschlichen Geistes, den Geistestaten eines Kopernikus, eines Kolumbus ebenbürtig. Es blieb dem Unverstand unserer Zeit vorbehalten, über das System der Buchhaltung geringschätzig zu urteilen und dies eigentlich nur deshalb, weil ein durch den Genius geschaffenes System jederzeit so simpel ist, daß es von jedem Banausen verlacht werden kann. Spricht man aber mit einigem Ernst das Wort vom Weltgewissen, Weltbürger, von der Weltmeinung und von der Weltwirtschaft aus, so dürfte man sich auch daran erinnern, daß eine solche Ausweitung des menschlichen Handlungsfeldes und Vorstellungskreises nicht ohne geistige Verpflichtung gewonnen wird, wozu auch das Verständnis für das System der Buchhaltung als Organisationsmittel der Kapitalwirtschaft i m weitesten Sinne gehört. 6. Anschauungshilfsmittel
der Wirtschaftswissenschaft
Nach dem bisher Gesagten ist nur noch mit einem Wort auf solche Hilfsmittel hinzuweisen, die zur Veranschaulichung wirtschaftlicher Sachverhalte dienen können. Dazu gehört das Bild, das Symbol, das Schema und schließlich der Film. Vom B i l d w i r d i n der Wirtschaftswissenschaft viel zu wenig Gebrauch gemacht. Die Zeichnung, Photographie, die vergrößerte oder verkleinerte Aufnahme wie etwa das L u f t bild der schon genannten K u l t u r - und Industrielandschaft öder das Abbild bestimmter Ausschnitte der Wirklichkeit, wie der erwähnten Hafenanlagen oder Förderanlagen, Betriebe und Betriebsteile, könnten der lernenden Jugend i n Schulen und Hochschulen, aber auch den Erwachsenen in ihrer Fortbildung manche Einsicht erleichtern oder vermitteln. Wissenschaft ist Mitteilung. Ihr Erfolg hängt entscheidend von
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der Aufnahme und Verbreitung ab und dabei kann das B i l d i n Verbindung mit dem gesprochenen oder gedruckten Wort viel helfen. Das Symbol findet eine vielfache Verwendung als geometrische Figur zur räumlichen Begrenzung und dann zur Veranschaulichung wirtschaftlicher ΒewegungsVorgänge m i t der Verdeutlichung des Ein und Aus, woraus Einnahmen und Ausgaben verständlich werden, und zur Verdeutlichung des H i n und Her, woraus die Güterströme und entgegengerichteten Geldströme ihre Erklärung finden mögen. Da die W i r t schaft aus menschlichen und sachlichen Beziehungen besteht, ist es möglich, m i t Hilfe von Flächen, Linien und Farben Beziehungen anschaulich zu machen, Verhältnisse und Zusammenhänge aufzuzeigen. Da die Wirtschaft ein Prozeß ist, ist es möglich, die Vorgänge ihres Kreislaufs und der darin eingeschlossenen kleinen und kleinsten Kreisläufe durch eine Unterscheidung von Stufen, Niveauunterschieden und durch Angabe von Bewegungsrichtungen anschaulich zu machen. Auch hiervon geschieht i n Lehre und Unterricht zu wenig. Das Schema dient zur Veranschaulichung abstrakter Gedankengänge, denen kein konkreter Sachverhalt zugrunde gelegt werden kann. Wo von Schema F oder von Begriffshülsen oder leerer Abstraktion gesprochen wird, steht für jeden Kenner fest, daß hier der Unverstand ein anmaßendes Urteil fällt, denn ein Schema muß leer sein wie die Dienststelle i m Organisationsplan zum Unterschied von der Stellenbesetzung i m Haushalts- oder Verwaltungsplan. Der Sinn des Schemas ist seine Unterscheidung von der Realität und die Gestaltung der Realität nach dem geistig vorgedachten Plan, von dem das Schema ja nur der äußerlich erkennbare Ausdruck ist. Wo allerdings der Geist nicht weht, aber auch nur da, ist das Schema wertlos und verwerflich. Bei geistiger A n wendung dient es zur Darstellung wirtschaftlicher Strukturen, Beziehungen und Abläufe. Seine Anwendungsmöglichkeit ist nahezu unerschöpflich. Der F i l m w i r d i n zahlreichen Formen als wirtschaftswissenschaftliches Hilfsmittel der Anschauung verwendet, als Natur-, Kultur-, als Lehr- und Schulfilm, als Ton-, Färb- und Trickfilm. Ich denke an die Kulturfilme, die uns die Gewinnung und Verarbeitung der Weltprodukte wie Baumwolle, Gummi, Seide, der Nahrungsmittel wie Getreide, Kaffee, Tee usw. vermitteln. Solche Filme liefern der Wirtschaftswissenschaft wertvollste Aufschlüsse. Der Trickfilm würde für ernsthafte wissenschaftliche Zwecke eine ungeahnte Bedeutung deshalb haben können, weil er es vermag, Unsichtbares mittels symbolischer Figuren sichtbar zu machen und die Bewegung zu zeigen. Ich wünsche unserer Schuljugend schon seit langem eine Micky-Maus zur wirtschaftlichen Belehrung und unserer akademischen Jugend einen volkswirtschaftli-
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chen Struwwelpeter. Schul- und Lehrfilm, so vielseitig sie bereits i m Schul- und Betriebsunterricht verwendet werden, stehen erst am A n fang ihrer Möglichkeiten. I h r Erfolg hängt von der Mitarbeit wissenschaftlicher und pädagogischer Kräfte bei ihrer Gewinnung ab. I n Goethes Faust heißt es: „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie und grün des Lebens goldner Baum."
Grau wie alle Theorie ist der Novembernebel, das weite Meer, grau ist auch die Ferne. Solange es Menschen gibt, w i r d es unter ihnen immer solche geben, die nach grauer Ferne streben und das Abenteuer des Geistes suchen. Hoffen wir, daß sich auch i n der Jugend unseres Volkes immer wieder Menschen finden, die dieses Abenteuer bestehen und uns und der Nachwelt davon gute Kunde bringen.
Die Begründung des Wertes aus dem System der Wirtschaftseinheit* Der Wert w i r d i n der Theorie entweder aus den Kosten oder aus Nutzenschätzungen erklärt. I n jedem Falle werden zur Erklärung des Wertes Beziehungen gesucht. Bei der objektiven Wertlehre fand man diese Beziehungen i n den Gütern selbst und i n der A r t ihrer Hervorbringung. Bei der subjektiven Wertlehre fand man diese Beziehungen in psychologischen Momenten. I n beiden Fällen findet eine Ableitung des Wertes aus wirtschaftlichen Komplexen statt, ohne daß diese Komplexe analysiert und der Wirkungsanteil an der Wertentstehung auf die Elemente solcher Komplexe bezogen wird. Die Wertlehre krankt an dem fehlenden Verhältnis zwischen dem Wertphänomen und seinem konkreten Entstehungsgebiet. Der Wert w i r d gewöhnlich als ein immer und überall gleichartig gegebenes und so auch gleichartig zu erklärendes Phänomen behandelt. Darin w i r d verkannt, daß trotz zahlreicher Übereinstimmungen von Wertgrößen, die i n der Verkehrswirtschaft auf Grund der Marktausdehnung, der Markttransparenz, der Gleichförmigkeit der Massenbedürfnisse bestehen, die gegebene Gleichartigkeit von Wertschätzungen und so auch von Marktpreisen stets nur erklärbar ist als ein jetzt und hier auftretendes Phänomen, und zwar ein den Gütern nicht innewohnendes, sondern ihnen durch Erzeuger und Verbraucher beigefügtes A t t r i but, welches sich mit deren Schätzungen ändert, ohne daß sich am Gut selbst eine physikalische, quantitative oder qualitative Änderung vollzieht oder vollziehen muß. Es gibt eine Möglichkeit, diesen einzelnen, einmaligen Wert unter Erkenntnis seines geschichtlichen Charakters auf Grund objektiver Befunde zu erklären. Diese Möglichkeit knüpft nicht unmittelbar an die Menschen, ihre Handlungen und Schätzungen, ihre Wünsche und U r teile an, folgt also nicht ohne weiteres der subjektiven Wertlehre, sondern an die gegebenen Betriebe, und zwar i m weitesten Sinne, nämlich die Betriebe der Erwerbswirtschaft wie der Verbrauchswirtschaft (Unternehmungen und Haushalte). Von diesen Betrieben lassen sich nicht nur Unterschiede der Größe und Zwecksetzung, sondern auch Unterschiede der Form, der Struktur und des Systems feststellen. Es kommt vor • Quelle: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 25. Jg., 1955, S. 340—345.
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allem auf solche Systemunterschiede an, die, dem Wesen eines jeden Systems zufolge, das eigenartige Zusammenwirken von Teilen innerhalb eines Ganzen ausmachen. Zum Systemcharakter (91) gehört eine solche relativ beständige Ausformung der Teile und Festlegung der Funktionen, daß der Betrieb als Ganzes zugleich starre und elastische Teile aufweist und die Eigenschaften einer strukturellen Starrheit mit denen einer relativen Beständigkeit i n Tateinheit verbindet. Beim Erwerbsbetrieb ist die erste Möglichkeit zur Erkenntnis der Systemteile i n der Unterscheidung derjenigen Märkte gegeben, i n welchen der Erwerbsbetrieb steht. Die Unterscheidung der sogenannten Teilmärkte erfolgt i n zweifacher Hinsicht: einmal vom Marktsystem aus, welches in den Warenmarkt, Kapitalmarkt und Arbeitsmarkt zerfällt, und dann vom Betriebssystem aus, welches eine Unterscheidung konzentrischer Marktkreise zuläßt, unter denen je nach der Ausführlichkeit der Unterscheidung der Eigenmarkt vom Fachmarkt, der aktuelle vom potentiellen, der nahe vom fernen, der gesicherte vom umstrittenen Markt unterschieden werden kann 1 . Nun ist es ein leichtes, das Betriebssystem als ein Schema darzustellen, welches die Gliederung der Teilmärkte i n dieser zweifachen Hinsicht enthält und dadurch die Möglichkeit gewährt, jeden wirtschaftlichen Vorgang zu lokalisieren. Hier folgt die Betrachtungsweise Gedankengängen von Lorenz Oken, wenn er sagt: „Die Natur ist streng geometrisierend", von Rudolf Virchow, wenn er i n seiner „Zellularpathologie" die Krankheitsursachen nicht etwa nur wie die ältere Medizin i n irgendeinem Organe, sondern i n bestimmten Zellvorgängen des Organs sucht, oder von Carl Schmitt (Nomos der Erde, 1951), wenn er vom richtigen Recht als dem Recht am rechten Ort spricht (Ortung). Die Lokalisierung i m Betriebssystem (92) bedeutet zugleich eine Funktionsbestimmung und die Gewinnung eines objektiven Befundes aus dem System- und Funktionszusammenhang. Beim Verbrauchsbetrieb ist die Lokalisierung ebenso möglich wie beim Erwerbsbetrieb. Nur ist sein Systemcharakter ärmer, weil seinem Bezugssystem die Vollständigkeit der Teilmärkte ebenso fehlt wie der Kostencharakter seines Aufwandes, der Schwebecharakter seines Zustandes zwischen Beschaffung und Absatz und der Charakter der Vorläufigkeit seiner Dispositionen i m Hinblick auf einen angestrebten Ertrag. Dennoch sind auch beim Verbrauchsbetrieb Systemglieder erkennbar, Systemteile und Funktionen vorhanden und objektive Aussagen zur Klärung des Wertproblems möglich 2 . Nur sind eben solche Feststellungen beim Erwerbsbetrieb reicher auf Grund einer größeren Reichhal1
H. Linhardt, Grundlagen der Betriebsorganisation, Essen 1954. H. Linhardt, Die Unternehmimg i m Wandel von Geld und Währung. In: Nürnberger Abhandlungen, Heft 4,1954. 2
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tigkeit der Tatbestände und auch auf Grund einer beim Verbrauchsbetrieb nicht vorhandenen vergleichsweisen Rationalität 3 . Die Wirtschaftslehre hat zwar den Systemgedanken seit den Physiokraten aufgegriffen, ihn aber nicht auf die Wirtschaftseinheiten und deren Struktur und Abläufe angewandt. Das Universum ist ein System wie das Atom, das höchst organisierte Lebewesen als Einheit wie auch seine Teile bis zu den Zellen. Die Naturwissenschaften sprechen nicht etwa behelfsweise und mangels ausreichender Erklärungen vom System, sondern sie weisen die i n der Natur vorhandenen Systeme nach und erklären ihre Wirkungsweise aus den Systemzusammenhängen, etwa zwischen Nahrungsaufnahme und Zellbildung, physikalischen und chemischen Vorgängen i n und an der Zelle, zwischen Organfunktionen und Gesamtbefund i m Organismus, zwischen Organismus und Umwelt usw. Den Naturwissenschaften ist es geläufig, vom System des Wasserhaushalts i n der Natur, des Blutkreislaufs, der Nerven, der Atmungsorgane, der Verdauungsorgane usw. zu sprechen; es ist gelungen, das System i m Laufe der Gestirne wie i n dem Wachstum der Pflanze nachzuweisen. So wenig nach einem bekannten Wort von Hegel das A l l gemeine als Allgemeines i n der Natur vorhanden und die Gesetze der Bewegung der Himmelskörper ans Firmament geschrieben sind, so wenig sind natürliche Systeme m i t dem leiblichen Auge auffindbar, sondern erfordern die Naturbetrachtung mit bewaffnetem geistigem Auge 4 . Mehr noch als i n der Natur bedarf es i n der vom Menschen geschaffenen und getragenen Wirtschaft des geistigen Auges, u m darin vorhandene Systeme zu erkennen. Sie sind aber dennoch echt vorhanden, aus den Beziehungen der Sachen zueinander und der Menschen zueinander sowie aus den Beziehungen zwischen Sachen und Menschen herzuleiten. Nur da, wo die Beobachtung statt eines Systems vorerst nur Ansätze oder Möglichkeiten dazu erkennt, hilft der kombinierende Verstand mit, u m das System auszudenken, ehe es seine Ausformung erfährt, und eine solche Ausformung w i r d dann unter dem Einfluß konstruktiven Denkens vor sich gehen, ähnlich wie das Staatsrecht auf die Staatsordnung, das Wirtschaftsrecht auf die Wirtschaftsordnung gestaltend einwirkt, so wie neue Wirtschaftsgebilde durch eine neue Gesamtschau ihren funktionellen Standort i n dem vorausgedachten W i r t schaftssystem finden, ehe dieses seine Realisierung und neue Gebilde dadurch ihre hinlängliche Erklärung erfahren. 8 G. Bergler, Wandlungen des Verbrauchs, in: FAZ, Nr. 24, v. 29. 1. 1955, vgl. insbesondere Schlußabsatz. 4 H. Linhardt, Anschaulichkeit der Wirtschaft und Anschauungsmittel der Wirtschaftswissenschaft, in: BFuP, Heft 1,1955.
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Der Systemcharakter der Wirtschaft ist i n der kleinsten Wirtschaftseinheit des Einzelbetriebes wie i n der größten Wirtschaftseinheit der Volks- und Weltwirtschaft nachweisbar. A m Arbeitsplatz ist der engste Zusammenhang durch Arbeitsgegenstand, Arbeitsmittel, Person und Umstände gegeben. Z u jeder Person paßt nicht das gleiche Gerät, für jede Person eignet sich nicht die gleiche Arbeitsaufgabe. Die richtige Bestimmung der zur Person am Arbeitsplatz zählenden Teilfaktoren erfordert bereits die gedankliche Erfassung des hier gegebenen Systems. Auch die Teilfunktionen eines Erwerbsbetriöbes oder die räumlich und funktional getrennten Abteilungen eines solchen haben Systemcharakter. Dies gilt für die betrieblichen Grundfunktionen, die systemgegliedert und systemverknüpft sind. Einkauf, Lagerung, Fertigung, Werbung, Verkauf, Finanzierung sind solche Grundfunktionen. Leitung und Überwachung, Arbeitsplanung, Arbeitsgestaltung und Terminregelung sind weitere Funktionen. Immer läßt sich ein gegebenes System aus dem Zusammenwirken darin erfaßter Systeme erklären; dies reicht bis zum Einzelmenschen am Arbeitsplatz, verstanden als zweckbestimmter Zusammenhang von Sachmitteln, verbunden durch Denkvorgänge und Handlungen. Der Systemcharakter ist von größter Tragweite für die betriebsund volkswirtschaftliche Erkenntnis 5 . Er trägt weiter als geahnt und reicht weiter als versucht wurde. Ansätze hierzu finden sich überall, und es mutet wie ein unterhaltsames Spiel an, diese Ansätze selbst als Stükke eines jeweils erkennbaren Systems, sei es der Verkehrswirtschaft, der Märkte, des Betriebes, der Betriebsteile zusammenzubringen. Ist erst der Systemgedanke erfaßt, so drängen sich diese Teile zusammen, wie von einem Magneten angezogen, um das Systemganze sichtbar zu machen8. Der Kreislaufgedanke der Physiokraten ist ein solcher Ansatz zum Systemdenken, bemerkenswert ist sein konsequentes Aufgreifen durch W. Leontieff seit drei Jahrzehnten; die Untersuchung der Verkehrslage bei Heinrich v. Thünen ist ein solcher Ansatz, bemerkenswert die Fortsetzung des Gedankenganges i n den Untersuchungen von Alfred Weber über den industriellen Standort; andere beachtliche A n sätze sind die Komplementärgüter, etwa i n der organischen Denkweise von Adam Müller und die bei Othmar Spann gegebene Fortsetzung in Gestalt seines Grundbegriffs der Entsprechung; in ähnlicher Weise können die kostentheoretischen Arbeiten von H. v. Stackelberg und E. Schneider als Systemansätze gewürdigt werden wie die neueren Untersuchungen über die Marktformen (W. Eucken u. a.) oder die Untersuchungen über die Mengenbestimmungen und die Optimalmengenkom8 H. Linhardt, Plenges System der Verkehrswirtschaft, in: Finanzarchiv, Bd. 15, Heft 1, 1954. β Η . Linhardt, Die Betriebswirtschaftslehre, in: ZfB, Nr. 3,1955.
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bination von E. Gutenberg 7 . I n gleicher Weise sind die von der Zeitsituation ausgehenden Versuche einer Konjunkturtheorie als Systemansätze zu werten. Was aus diesen Hinweisen deutlich gemacht werden soll, ist das Bedürfnis nach Zusammenfassung derart wertvoller Ansätze zur vollständigen Objekterfassung. Wenn das Objekt Wirtschaft heißt, so kann seine Erfassung nur i n einem Netz von Systemen unter Nachweis ihrer Verknüpfung und ihrer Struktur erfolgen 8 . Der hier versuchsweise vorgetragene Grundgedanke zielt nun dahin ab, i m Systemcharakter vom Kleinsten bis zum Größten und i m Systemzusammenhang die Ursache für den Wert i n jeder Ausdrucksform zu finden, sei es als Güterpreis oder Lohn, als Kapitalzins oder Miete und Pacht. Die Wertgründe werden also nicht mehr i n psychologischen Motiven, sei es eines Robinson oder einer homogenen Käuferschicht herangeholt und werden auch nicht i n die Güter hineinverlegt — homogene Güter gibt es nicht für den Verbraucher —, sondern aus den gegebenen, nicht bloß erdachten Systemen nachgewiesen. Damit der Gedankengang veranschaulicht wird, soll folgendes angeführt werden: Es ist gewiß, daß die Preisbildung vielfältiger ist, als jede Wirtschaftsbeobachtung, Marktanalyse und Preisstatistik je erfassen könnte.. Die Preisbildung auf dem kleinsten Wochenmarkt unterliegt nicht nur den Schwankungen der Anfuhr, sondern auch solchen der Besucher und der Tageszeiten. Die Preisschwankungen an den Effektenbörsen — hier erfolgt die Preisfestsetzung durch Dritte (Makler!) — werden durch die amtliche Kursnotiz (Einheitskurs) nur sporadisch und höchst unzulänglich und unzuverlässig, durch die sogenannte laufende Notiz erheblich besser wiedergegeben und durch die Nennung der Umsätze (New York) wirksam ergänzt. Gegenstände des täglichen Bedarfs wie Frischobst, Frischfisch, Gemüse haben nachweislich sogar bei gleicher Qualität am gleichen Tag i n mehreren Filialgeschäften des gleichen Unternehmens am gleichen Ort, i m gleichen Stadtbezirk verschiedene Preise, die sich nicht etwa aus den üblichen Unterschieden der Wohn- und Geschäftslage erklären. Der Erwerbsbetrieb bietet ein unendlich mannigfaltiges B i l d der Preise, das i n keine Statistik und Marktberichterstattung eingeht. Wie erklärt sich die Verschiedenheit der Preise unter gleichen Umständen bei der gleichen Sache? Wie erklärt sich die Gleichheit der Verkaufpreise für die gleiche Ware an verschiedenen Orten bei verschiedenen Verkäufern? U m diesen Phänomenen auf den Leib zu rücken, ist der Einblick i n die Kostenlage der Erwerbsbetriebe ebenso unerläßlich wie der Einblick i n die Einkommensverhältnisse der Haushalte. Aber 7 Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. I , Die Produktion, BerlinGöttingen-Heidelberg 1951. 8 Ε. H. Sieber, Objekt und Betrachtungsweise der Betriebswirtschaftslehre, Leipzig 1931.
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auch dieses ist nur Stückwerk, solange der Einblick i n den Erwerbsbetrieb nicht die Gliederung und Schichtung in den Teilmärkten, wie oben dargelegt, aufweist und eine Lokalisierung der Ursachen in diesen Teilbezirken ermöglicht, und auch solange die Einkommensverhältnisse nicht nach den Schichten der Bevölkerung, ihres Alters, Geschlechtes, Berufes und nach den Schichten ihres Einkommens, ihrer Lebenshaltung, ihrer Grundbedürfnisse, ihrer wirtschaftlichen Erwartungen gegliedert werden und solange i n diesen Gliederungen nicht die Systeme gefunden werden, aus denen sich Preise erklären. Ist ein Betrieb i n der Lage, für Rohstoffe oder Löhne höhere Preise zu bezahlen als sein nächstwichtiger Konkurrenzbetrieb, so kann die Erklärung hierfür nur aus dem Systemcharakter dieses Betriebes und aus den feststellbaren Unterschieden gegenüber seinen Konkurrenzbetrieben erklärt werden. Die Erklärung kann i n der Lagerhaltung, der Fertigungsweise, i n der Umschlagshäufigkeit des Kapitals, i n finanziellen Umständen wie Reserven, Barmitteln, Kreditpolitik, Höhe der Außenstände und Verpflichtungen, Höhe der Bankzinsen, aber auch i n Umständen des Arbeitsmarktes, der Arbeitsplanung, der Arbeits- und Sozialordnung, etwa tüchtigen Arbeitern, vorzüglicher Arbeitsorganisation, menschlicher Betreuung, freiwilligen sozialen Leistungen liegen. Sehr anschauliche Beispiele lassen sich aus der Landwirtschaft bringen. Nicht nur die Betriebsgröße, sondern die Bodenform und Bodenbeschaffenheit, auch die Arbeitskräfte bestimmen den Anbau, ehe dieser von den Preisen näher bestimmt werden kann. Ein Betrieb ist eher für Hafer oder Gerste, ein anderer am gleichen Ort eher für Hackfrucht, ein dritter für Gemüse- oder Milchwirtschaft geeignet. Wenn nun ein Betrieb ständig Hafer anbaut, so ist es erklärlich, daß er aus diesem Zusammenhang Pferde als Spanntiere der Verwendung eines Traktor vorzieht. Ein landwirtschaftliches Gut i n der Nähe von Hannover war m i t einer landwirtschaftlichen Brennerei verbunden. Der Anfall von Schlempe veranlaßte den Gutsbesitzer außer der üblichen Unterhaltung eines Abmelkstalles zur Unterhaltung von ca. 30 Zugochsen m i t dem dafür erforderlichen und gar nicht leicht zu besorgenden Personal. Englische Schiffahrtsgesellschaften haben noch lange nach Einführung der Ölfeuerung die Kohlefeuerung beibehalten, weil englische Kohle billiger und zum Unterschied von ö l i m eigenen Lande zu haben war und die Kosten der technischen Umstellung vermieden werden sollten. Unzählige solcher Beispiele sind aus dem gegebenen Systemzusammenhang und nicht anders zu erklären. Dies gilt auch für bestimmte Konsumentenwünsche, etwa für Ersatzteile, für Automobile, Haushaltsgeräte bis zur Bleistiftmine, Taschenlampenbatterie und Einlagsohle, für Gebrauchsgegenstände bis zur Füllung und Ladung vorhandener Packungen und Umhüllungen. Wer auf einem nicht erschlossenen Grundstück 9
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am Walde wohnt, w i r d sich des Holzes als Heizmaterial bedienen, wer Koksheizung i m Wohnhaus oder Bürohaus angelegt hat, w i r d trotz erhöhter Kokspreise nicht auf Anthrazit-, Brikett- oder ölfeuerung umstellen können. Die Sägefabrik, bei der täglich erhebliche Mengen von Spänen und Heizabfällen anfallen, richtet die Feuerung auf Holz, nicht auf Anthrazit, Koks oder Brikett ein. Isolierte kostentheoretische Überlegungen reichen nicht aus, um die Güterwahl i m Erzeugungsprozeß zu begründen. So kann ein Betrieb bei gleichem Verkaufspreis eines qualitätsgleichen Produktes höhere Rohstoffpreise bewilligen, wenn er aus der Arbeitsorganisation, der Fertigungsweise, der Absatzorganisation Vorteile erzielt. Kosten sind niemals abstrakte, sondern durch die Situation, durch Ort und Zeit, kurz durch die Betriebsumstände bestimmte konkrete Größen, und es sind immer Geldgrößen, i m System der Betriebsrechnung erfaßt und anders nicht gegeben (93). Auch die Bankwirtschaft liefert illustrative Beispiele, die ohne Heranziehung des Systemcharakters nicht verständlich wären. Es ist bekannt, daß Geschäftsbanken verschiedener A r t nicht um jedes Geschäft und jeden Kunden miteinander konkurrieren, und es hat aus dem System bestimmter Kreditbanken heraus seine guten Gründe, wenn ζ. B. die Aktienbanken sich nicht gerne m i t dem Kleinkredit, die ländlichen Genossenschaftskassen nicht m i t dem Investitionskredit, die Hypothekenbanken nicht m i t dem landwirtschaftlichen Realkredit, die Sparkassen nicht m i t dem Industriekredit befassen. Es gibt eine Abgrenzung i m Geschäftskreis und eine Abgrenzung i m Kundenkreis, die sich beide nur aus dem Systemcharakter bestimmter Bankengruppen wie etwa der hier genannten erklären lassen. Hieraus erklärt sich auch ein sehr verschiedenes Ergebnis der Bankenrentabilität und der Kostenstruktur einzelner Geschäftssparten 0. Würde der Systemcharakter von Märkten, Wirtschaftszweigen, Betrieben und Betriebsabteilungen einmal gründlich erforscht -und analysiert, so würde ein wesentliches Erklärungsmoment für die Wertbegründung und Preisbildung an die Hand gegeben sein. Nur damit wäre die trotz gegenteiliger Tendenz zur Vereinheitlichung doch immer noch vorhandene und auch immer wieder neu auftretende Eigenwilligkeit der Preisbildung erklärbar.
9 Vgl. D. A. Alhadeff, Monopoly and Competition in Banking, Berkeley and Los Angeles 1954, insbesondere hinsichtlich der verschiedenen Zinshöhe beim Klein- und Großkredit und Β. H. Beckhart, Banking Systems, New York 1954.
Die Betriebswirtschaftslehre* I. Entwicklung und bisherige Leistung Die erste Periode der Einzelwirtschaft ist älter als die der Volkswirtschaft; eine Lehre fehlt noch. Sie umfaßt die Zeit vom 12! bis zum Ende des 15. Jahrhunderts und enthält die Quellen (94) zur Geschichte der ersten kapitalistischen Unternehmung, ihre Handelsbücher, Vertragsformen und Organisationsarten, die Geschichte des interlokalen und überstaatlichen Geldverkehrs, des Kredit- und Bankwesens. Diese Periode ist zuerst durch Tradition, zuletzt durch Rationalisierung der Unternehmung gekennzeichnet. Die zweite Periode der Einzelwirtschaftslehre begnügt sich wesentlich mit den Betriebs Vorgängen und umgreift noch nicht die wirtschaftlichen Zusammenhänge von Betrieb zu Betrieb. Ihr Objekt endet, wo der Betrieb aufhört und der Markt anfängt. Sie umfaßt den Zeitraum vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, i n Deutschland gekennzeichnet durch die führenden Kameralisten und Handelsakademielehrer, die Minister der Landesherren, ihre Sachverständigen und Berater. I n dieser zweiten Periode untersucht die Einzelwirtschaftslehr e den Betrieb nach seinen wichtigsten Funktionen des Einkaufs, Verkaufs, der Lagerhaltung und des Fertigungsprozesses, soweit ein solcher vorliegt. Sie berücksichtigt bereits die vorhandenen Rechtsformen des Handels-, Wechsel-, Kreditund Gesellschaftsrechtes und sammelt praktische Beispiele. Eine Verbindung zur Gesamtwirtschaft ist noch nicht vorhanden. Die dritte Periode der Einzelwirtschaftslehre betrachtet den Betrieb i n seiner Verknüpfung mit dem Markt und i n der durch seine Schwankungen und Störungen gegebenen Beunruhigung. Sie umfaßt die Zeit vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart, das Jahrhundert der Technik und das gegenwärtige der Organisation. Inzwischen ist die Trennung von Staat und bürgerlicher Gesellschaft, Staats- und Vertragsrecht einerseits, Staats- und Privatwirtschaft andererseits erfolgt. Der Einzelbetrieb steht den Möglichkeiten und Gefahren der nunmehr i n großen Herr* Die folgende Abhandlung, die aus einem Vortrag in der Universitätswoche der Freien Universität Berlin vom 6.—8. Januar 1955 hervorgegangen ist, berichtet über die Betriebswirtschaftslehre und ihr Verhältnis zur Ausbildung und zur Praxis. Abgedruckt in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 25. Jg., 1955, S. 129—141. 8·
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schaftsbereichen zwar nicht gleichartig wirkenden, aber einheitlich geltenden Politik, der kriegerischen Verwicklung eines Landes, der Änderung der Gesetzgebung gegenüber. Sein Schicksal ist nicht mehr ein glatter, linearer Verlauf, es ist gebrochen durch die Unruhe, wie sie J. Plenge i n seinem „System der Verkehrswirtschaft" (1903) eindrucksvoll schildert und als ständiges Merkmal erkennt. Hier ist der letzte Schritt vom gelegentlichen oder zusätzlichen Individualtausch zum ständigen und unerläßlichen Sozialtausch vollzogen. Die Produktion ist eindeutig Verwertungsproduktion, ihr Erfolg hängt von den Erwartungen und Schätzungen der Anderen ab, die Anderen werden immer mehr, die Bedürfnisse der Millionen und Hunderte von Millionen Verbraucher der Massengesellschaft werden immer zahlreicher und einheitlicher. Erst nach der Begründung des Systems der Verkehrswirtschaft kann der Einzelbetrieb darin seinen theoretischen Standort finden, einen aus dem System bestimmbaren Standort. Von da ab ist es Sache der Einzelwirtschaftslehre, die Betriebsvorgänge aus den Marktbeziehungen und umgekehrt die Marktbeziehungen aus den Betriebsvorgängen zu erklären, die Preise als Umwandlung der Kosten, die Kosten als Umwandlung der Preise zu verstehen, die Ware als Erscheinung des Gutes i m Markt, das Gut als Erscheinung der Ware i m Betrieb, das Kapital als Erwerbsgeld i m Betrieb (95), das Tauschmittel als Zahlgeld i m Markt zu begreifen. Erst i n der Zusammenfassung von Betrieb und Markt w i r d die Synthese der Verkehrswirtschaft gewonnen und das Wirtschaftsgeschehen als Kapitalprozeß, der durch Betrieb und Markt hindurchgeht, begriffen. So teilt sich das wirtschaftliche Gesamtgeschehen i n Betriebs- und Marktgeschehen; dementsprechend teilt sich die Wirtschaftslehre i n Betriebswirtschafts- und Volkswirtschaftslehre. Die Objekte der beiden Disziplinen unterscheiden sich darin, daß die Volkswirtschaftslehre den Marktprozeß der Einkommenbildung, Einkommenverteilung und Einkommenverwendung analysiert, ausgehend vom Kreislaufschema und von der Preistheorie. Dagegen analysiert die Einzelwirtschaftslehre den Betriebsprozeß, hauptsächlich die Organisation der Betriebsstruktur und der Betriebsabläufe, das Rechnungswesen als Organisationsmittel der Kapitalwirtschaft. Hierbei unterscheidet die Einzelwirtschaftslehre die Unternehmung vom öffentlichen und privaten Verbraucherhaushalt. Sie gewinnt das Unterscheidungsmerkmal aus der Gliederung der Märkte und betrachtet die Unternehmung als einen nach allen Seiten vom Markt umschlossenen, m i t allen drei Märkten, dem Waren-, Kapital- und Arbeitsmarkt ständig verkehrenden Vollmarktbetrieb, während der Haushalt, ob öffentlich oder privat, stets ein Teilmarktbetrieb ist, der niemals mit sämtlichen Teilmärkten verbunden ist, keinen Systemcharakter aufweist und deshalb aus der Einzelwirtschaftslehre ausscheidet; bei ihm ist der
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Zusammenhang zwischen Einnahmen und Ausgaben ein völlig anderer, seine Ausgaben sind endgültig und durch keine Beziehung zu den Einnahmen begründet. Es besteht kein ursächlicher Zusammenhang zwischen „Aufwand und Ertrag"; der Zweck der Gewinnerzielung, aus dem ein solcher Zusammenhang herzuleiten wäre, fehlt. Deshalb ist beim Haushalt niemals i m ganzen von Wirtschaftlichkeit die Rede, sondern bestenfalls i n beschränktem Umfang, auf bestimmten Teilgebieten, z.B. bei Verwaltung, Transportwesen, Materialaufwand, Personalwirtschaft. Die Betriebswirtschaftslehre hat i n den letzten fünfzig Jahren eine wissenschaftliche Vertiefung, stoffliche Auslese und formgerechte Darstellung ihres Lehrbetriebes erfahren. Sie hat sich von der Routine einer Kontorlehre mit Geschäftsgang und Buchungsfall frei gemacht und die Gefahr der Verschmelzung mit der Volkswirtschaftslehre ebenso vermieden wie die andere Gefahr der Unterordnung unter die Technologie. I n den letzten drei Jahrzehnten hat sie sich eine eigene wissenschaftliche Basis erarbeitet. Von ihrem gesicherten Objekt und Verfahren aus lassen sich die Verbindungen zur Volkswirtschaftslehre und Soziologie, zu den Rechtswissenschaften, zur Geschichte und Philosophie herstellen und fruchtbar gestalten (96). Die Betriebswirtschaftslehre hat bei ihrem jetzigen Zustand freilich noch Mängel und Lücken. Diese liegen auf dem Gebiet mangelnder Rechtskenntnisse (97), insbesondere i n der Verkennung der Rechtsnatur der Verkehrsformen, Marktobjekte, Vertragsabschlüsse, Gesellschaftsverhältnisse, i n der Verkennung der Rechtsgestaltung und Rechtsentwicklung des Geldes, der Ware, des Marktes, der Unternehmung. Die wissenschaftlichen Grundlagen sind noch ungesichert, zumal über die Abgrenzung zwischen Unternehmung und Betrieb, über die Begriffe Kapital, Gewinn, Rentabilität und Wirtschaftlichkeit durch die Zeitströmungen nach 1918 eine geringere Klarheit besteht als zuvor. Die Organisation w i r d kasuistisch betrieben, die Marktvorgänge werden nicht universell, sondern speziell untersucht, insbesondere fehlt die Verbundenheit der Marktforschung mit dem Geld- und Kapitalmarkt und die Verbindung zwischen Waren- und Arbeitsmarkt vermittels des Geld- und Kapitalmarktes. Dadurch fehlt die Eingliederung der Finanzierung i n die Betriebs Vorgänge. Das Verständnis für die Veränderungen der Wirtschaftsgesellschaft, für die politischen Gegebenheiten, die Willensbildung und Rechtsgestaltung ist unzulänglich. Gegenwärtig vollzieht sich die Wiederbelebung eines zwangswirtschaftlichen Denkens m i t der Neufassung der Kostenrechnungsrichtlinien, aus falschem Kostendenken entspringt ein falsches Kostenmachen. Das Fach widmet sich weiterhin der liebevollen Pflege solcher Scheinprobleme wie dem der Schweingewinne, des eisernen Bestandes, der pseudowissenschaft-
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liehen Bewertungs- und Abschreibungsmethoden, einer falsch verstandenen Publizität. Die geistigen und politischen Gefahren der zentrifugalen Kräfte des Dezentraiismus und Föderalismus, die Auswüchse falsch verstandener Wirtschaftsfreiheit und Wirtschaftsdemokratie werden nicht erkannt, die Unternehmung w i r d nicht als Ausdruck w i r t schaftlicher Freiheit, beruhend auf politischen Freiheiten, begriffen und systemindifferent hingestellt 1 .
II. Die Betriebswirtschaftslehre an Universitäten und Handelshochschulen Die Betriebswirtschaftslehre gehört, zusammen mit der Volkswirtschaftslehre, zu den Wirtschaftswissenschaften. Die Wirtschaftswissenschaften gehören zusammen mit den Sozialwissenschaften zu den Geisteswissenschaften. Diese Zugehörigkeiten bedürfen einer besonderen Hervorhebung, da sie neuerdings wieder bestritten werden, und zwar innerhalb des eigenen Faches von solchen Vertretern, die die Betriebswirtschaftslehre als Technologie verstanden und zu den technischen Wissenschaften oder Ingenieurwissenschaften gerechnet wissen wollen. Wer den Diplomkaufmann schnell zuschanden richten will, w i r f t ihn mit dem Diplomingenieur i n einen Topf und schwört alles ab, was Geist von Natur, Freiheit von Naturgesetz, politische Willensbildung und gesellschaftliche Lebensform von Energiegewinnung und Stoffumformung unterscheidet. Die Betriebswirtschaftslehre w i r d i n Deutschland nach guter Tradition i n engster Verbindung von Forschung und Lehre gepflegt und an Universitäten, Handelshochschulen und Technischen Hochschulen vorgetragen. Das heißt nicht, daß jeder Lehrstuhlinhaber und Fachvertreter eine vorgeschriebene Portion von Lehre zu bestreiten und ein erwartetes Maß von Forschung durch Ergebnisse nachzuweisen habe. Es gibt innerhalb der deutschen Hochschulen i n allen Fächern, so auch i n der Betriebswirtschaftslehre Lehrstühle m i t einem Schwerpunkt entweder i n der Forschung oder i m Lehr- und Ausbildungswesen. Es heißt jedoch, daß die Lehre aus der lebendigen Verbindung mit der Forschung (98) A n triebe empfängt und der Lehrer seinem Hörerkreis die Probleme und Ergebnisse eigener Forschung nahebringt und nicht bloß überlieferte Schulweisheit und wiedergekauten Lernstoff vermittelt. Die Betriebswirtschaftslehre hat kein praktisches Berufsziel und kein festes Ausbildungsprogramm. Hätte sie ein solches, so müßte es i n kurzer 1 Vgl. H. Linhardt, Die Unternehmung i m Wandel von Geld und Währung, Nürnberger Abhandlungen, Heft 4, Duncker & Humblot, Berlin 1954, S. 185—206.
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Frist überprüft und ergänzt werden. Da sie es nicht hat, vermag sie den Wandlungen in Wirtschaft und Gesellschaft am schnellsten zu folgen. Wie dies geschieht, ist dem einzelnen Fachvertreter überlassen, unterliegt jedoch der Zusammenarbeit in den Fakultäten bzw. der Fachgruppen innerhalb des Lehrkörpers und i m weiteren der Fachikritik. Die Forschung erarbeitet wirtschaftliche Tatbestände und Vorgänge durch Beschreibung, Analyse u n d Auswahl. Sie erreicht ihre Verknüpfung durch Denksysteme (99), die auf dem Weg der Abstraktion gewonnen werden. Aus solchen Denksystemen kann keine unmittelbare Nutzanwendung für die Praxis gezogen werden. Dazu sind sie nicht da. Sie sollen wirtschaftliche Sachverhalte überschaubar und lehrbar, also begreiflich machen; sie zwingen dazu, etwas i n Gedanken Erfaßbares zu Ende zu denken. Dies w i l l begriffen sein. Aus der Praxis kann es kaum begriffen werden. Die Finanzierung verlangt die Kenntnis ihrer Funktionen, hergeleitet aus Ertragstreben und Sonderanlässen wie Umstellung, Erweiterung, und die Beherrschung und Auswahl der zweckmäßigen Formen. Dazu gehört Urteil und Erfahrung, das eigene Urteil aus eigener Erfahrung, aber auch das Urteil aus der Erfahrung anderer Unternehmungen und anderer Wirtschaftsperioden. Für den Betriebswirt heißt dies, höchste Aktualität des gegenwärtigen Geschehens mit richtiger geschichtlicher Erfahrung verknüpfen. Schließlich entwickelt die betriebswirtschaftliche Organisation eigene Prinzipien und Methoden, zumal i m Großbetrieb. Betriebsorganisation als Gestaltung von Dauereinrichtungen m i t erwerbswirtschaftlicher Zielsetzung ist eine Organisation anderer A r t als die von Kirche und Wehrmacht oder die Organisation einmaliger und vorübergehender Veranstaltungen. Worin der Unterschied liegt, muß der Betriebswirt lernen, sonst schwimmt er i m Kielwasser der Phrase und kommt nicht zu verantwortlichen Entscheidungen. I n Großunternehmungen, die beim besten Willen zur Einarbeit und Eingewöhnung junger Diplomkaufleute mitunter schlechte Erfahrungen machen, w i r d geklagt, daß diese über alles reden, aber nichts entscheiden oder zur Entscheidung vorbereiten können. Nach 1948 t r i t t erneut i m Lehrfach der Betriebswirtschaftslehre die Frage: Universität oder Handelshochschule auf. Eine Gruppe von Fachvertretern hält die Handelshochschule für den besseren Platz zur Ausbildung von Diplomkaufleuten, neigt also dem Prinzip der Fachausbildung betont zu. Dabei w i r d nicht nur übersehen, daß die früheren Handelshochschulen, wie in K ö l n und Frankfurt, sich zu Universitäten entwickelt und ihrer Selbständigkeit begeben haben, die Handelshochschulen i n München, Aachen, Berlin aufgelöst sind, andere eine völlige Wandlung durchgemacht haben wie Nürnberg (Ausweitung des Lehrstoffes und Lehrkörpers auf Sozialwissenschaften, Ausweitung der I n -
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stitute, Vermehrung der Fachrichtungen, Examina und Diplome). Wären die Universitäten Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts für neue Disziplinen aufnahmefähig gewesen, so wären zahlreiche Typen von Fachhochschulen unnötig gewesen, angefangen mit der École Polytechnique, Paris, einem echten K i n d der französischen Revolution 2 . Nun da die Aufgeschlossenheit der Universitäten nicht nur für die Weiterentwicklung der Naturwissenschaften, sondern auch die Pflege der Sozialund Wirtschaftswissenschaften besteht, dürfte i n der Gegensätzlichkeit „hie Universität hie Handelshochschule" kein geeignetes Feldgeschrei gefunden werden. Die ältesten englischen Universitäten wie Oxford und Cambridge haben die Assimilierung neuesten Wissensstoffes zustande gebracht, die ältesten auf amerikanischem Boden (Harvard, Yale, Columbia) vollziehen die Aufnahme neuer Disziplinen, die ältesten der Welt (Bologna, Paris) stehen darin nicht zurück. Die Geschichte der wiederholten und immer wieder gescheiterten Gründung der Wiener Hochschule für Welthandel, die Leiden und Nöte der Handelshochschulen München, Leipzig, Königsberg, Nürnberg, Mannheim sind für das Fachprinzip nicht ermutigend.
ΙΠ. Lehre und Forschung Die Lehre muß zwischen Forschung und Ausbildung eine Brücke schlagen, die die berechtigten Wünsche der Wirtschaftspraxis mit den unerläßlichen Erfordernissen der Wissenschaft richtig verbindet. Eine solche Verbindung muß den Änderungen der Wirtschaft Rechnung tragen, und dazu wiederum ist nötig, daß der Hochschullehrer mit den Wandlungen i n Wirtschaft und Gesellschaft Schritt hält. Er muß die Erfordernisse der Praxis i n Wirtschaft und Verwaltung gründlich kennen, muß wissen, wohin die Entwicklung des Jahrhunderts geht, zur Agrarisierung oder Industrialisierung, zur Verdichtung oder Auflockerung der Großstadt, des Wohn- und Geschäftsviertels i n der Großstadt, zur Neubelebung oder Rückbildung des Handwerks, zur Verflechtung oder Entflechtung des Verkehrs, Entleerung oder Anfüllung des materiellen Daseins mit Bedürfnissen, Wünschen und den Mitteln ihrer Befriedigung. Er muß dem Leben nahe, m i t der Wirtschaft vertraut sein und die Ereignisse seiner Zeitlage beobachten, die Erlebnisse seiner Generation miterleben, sonst erfährt er sie erst aus dem Zusammenprall m i t der akademischen Jugend, statt diese aus vorheriger Kenntnis führen zu können. Der Hochschullehrer der Betriebswirtschaftslehre muß die Anforderungen der öffentlichen und der privaten Berufe (100) i n ihrer zeitlichen 2
Vgl. Franz Schnabel, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, 3. Bd.
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Veränderung kennen. Das Finanzamt von 1950 hat einen anderen Bedarf an akademischen Kräften als das von 1900. Innerhalb der öffentlichen Verwaltung besteht ein neuartiger Bedarf an akademischen Kräften i n der Stadtkämmerei, beim Verkehrsamt, Gesundheitsamt, den städtischen Wirtschaftsbetrieben. Die Privatwirtschaft von heute hat i n dreißig und fünfzig Jahren Methoden der Finanzierung u n d Kapitalrechnung entwickelt, durch die erst neue Berufe und Berufsbezeichnungen geschaffen, neue Arbeitsplätze für akademisch vorgebildete Kräfte eingerichtet worden sind (Betriebsabrechnung, Finanzbuchhaltung, Arbeitsvorbereitung, Steuertechnik, Werbung, Marktanalyse). Die Wissenschaft verlangt einen gewissen Abstand vom Leben und kann die unmittelbare ständige Berührung gar nicht vertragen. Der akademische Überblick über die Anfofderungen der privaten und öffentlichen Berufe setzt einen notwendigen Abstand vom Leben und Verzicht auf die oft falsch verstandene Lebensnähe voraus. Die W i r t schaftspraxis zeitigt neue Probleme, ringt um neue Formen und Gestaltungen des Rechtes, bringt Änderungen der Vertragsverhältnisse, der Unternehmung als Ganzes, ihrer Teile, ob Betrieb, Werk oder Abteilung. Diese Gestaltungen wollen in ihrer Richtung verstanden, in ihrem Inhalt und Sinn erklärt werden. Dazu bedarf es der weitgehenden Erfassung, systematischen Ordnung, theoretischen Klärung und richtigen Interpretation. Das kann nur die Wissenschaft, gleichgültig, ob sie es immer und sofort befriedigend oder ungenügend vermag. Die Wissenschaft ist hier ein vom einzelnen Vertreter absehender objektivierter Tatbestand, für den bei aller Unzulänglichkeit i m einzelnen die Aussage gilt, sie sei das reine Gewissen, das zuverlässige Gedächtnis und das abgeklärte Urteil der Nation. Die Befassung mit der Betriebswirtschaftslehre führt den Lehrer wie den Schüler über den persönlichen Erfahrungsbereich hinaus ins Reich des Geistigen hinüber, in welchem Erkenntnisse und Urteile von überpersönlicher, historischer Gültigkeit gewonnen werden. Die Betriebswirtschaftslehre hat keine wesentlich anderen Lehrmittel als die Volkswirtschaftslehre. Sie hat mit ihr die Grundbegriffe der Produktionsfaktoren, des Einkommens, des Wertes und Preises, der Produktion, Verteilung usw. gemeinsam. Sie kann jedoch aus der Organisation des Einzelbetriebs und der individuellen A r t seiner Eingliederung in das Dreimärktesystem typische Ableitungen gewinnen, das Generelle herausarbeiten und i m abstrakten Schema unter Verwendung eigener Anschauungsmittel zeigen3. M i t der Verwendung geeigneter Anschauungsmittel vermag der Studierende wertvolle Erkenntnishilfen und Gedächtnisstützen zu erlan8 Vgl. H. Linhardt, Anschaulichkeit der Wirtschaft und Anschauungsmittel der Wirtschaftswissenschaft, BFuP, Göttingen, Januarheft 1955.
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gen. Sie sind um so wertvoller, je trefflicher sie aus der Wirklichkeit ausgewählt und für Lehrzwecke vereinfacht werden. Die Praxisnähe ist kein echter Voraug, die treffende Auswahl beruht allein in der gelungenen Typisierung. Gelungen ist sie dann, wenn das Wesentliche herausgehoben, das Unwesentliche weggelassen wird. Vor fünfzig Jahren nannte man in akademischen Kreisen den Diplomkaufmann einen besseren Buchhalter. Heute betrachtet man ihn gerne als ausgebildeten Spezialisten des Rechnungswesens, der Betriebsabrechnung, Kostenrechnung und kurzfristigen Erfolgsrechnung, der entweder selbst keine höheren Ansprüche auf Führerstellen erhebt oder als Rechnungsspezialist für solche nicht qualifiziert erscheint. Der akademische Betriebswirt konkurriert weder früher noch heute mit dem Buchhalter; er bedient sich des Rechnungswesens als einer Methode der Darstellung, Erfassung und Kontrolle wirtschaftlicher Grundvorgänge (101). Für ihn ist Rechnung die Form, die das wirtschaftliche Geschehen gewinnt, und Form ist Geist (102). Erst durch das Rechnungswesen w i r d der Wirtschaftsprozeß geformt, aus den kontinuierlichen Betriebsvorgängen werden Zustände gewonnen, aus Zuständen werden Vergleichsmöglichkeiten und hieraus Urteile über Erfolg und Mißerfolg der Perioden ermöglicht. Sobald der Studierende der Betriebswirtschaftslehre durch Beherrschung der Rechnungsmethoden sicheren Boden gewonnen hat, w i r d er durch die wissenschaftliche K r i t i k angehalten, Größenvorstellungen zu gewinnen, solche zu beurteilen, Relationen zwischen Wertgrößen, Proportionen zwischen Materialmengen analytisch zu ermitteln, kritisch zu beurteilen, betriebspolitisch zu gestalten und auszuwerten. A n jeder geeigneten Stelle werden die Unterschiede von Minimum, Maximum und Optimum erläutert, beim Beschäftigungsgrad, bei der Betriebskapazität, dem Lagerwesen, Produktionsprozeß, bei der Gestaltung der Vermögens-, Kapital- und Kostenstruktur. Die Betriebswirtschaftslehre lehrt den Ablauf der Betriebsvorgänge i m Einzelunternehmen, die Problematik seiner Verknüpfung m i t der Marktwirtschaft durch seine Handlungen und die dadurch entstehenden Strukturveränderungen von Betrieb und Markt. Hierzu sind die Begriffe und Methoden des Rechnungswesens unerläßlich. Diesem liegen eindeutige Begriffe zugrunde. Jedoch stehen ihm durchaus nicht immer eindeutige Größen zur Verfügung, etwa bei der Kostenermittlung und Kostenverteilung, bei der Bewertung i n der Bilanz. Hieraus erklärt sich, daß auch die Ergebnisse des Rechnungswesens, der kalkulierte Gewinn, der bilanzierte Jahreserfolg, die wirtschaftlich begründete Abschreibung keine eindeutigen mathematischen Größen, sondern nach Abwägung der Umstände und Interessen vertretbare und auf die Dauer für das Unternehmen tragbare Größen sind, die nur aus der Wahlfreiheit privaten Wirtschaft ens, dem Bewertungs- und Ermessensspiel-
Die Betriebswirtschaftslehre
räum der privaten Wirtschaftsrechnung und den handels- und steuerrechtlich vorgenommenen Einschränkungen solcher Freiheit erklärbar sind. I m Rechnungswesen ist die Klarheit der Grundbegriffe und die Ungewißheit der nur durch Schätzung bestimmbaren Sachverhalte streng zu unterscheiden. Durch noch soviel Klarheit der einen A r t w i r d die Ungewißheit der anderen A r t nicht behoben. Bei genügend theoretischer Schulung w i r d der Studierende sich mit fortschreitendem Studium zunehmend den Einzelfragen der Betriebspolitik, den praktischen Beispielen der Betriebswirtschaft, den bestimmten Situationen des Betriebslebens widmen. Er vermag dies erst, wenn ihm der Sinn für die Lokalisierung des Wirtschaftsgeschehens i m Betrieb und des Betriebsgeschehens i m Werk, des Werkgeschehens i n der Abteilung, des Abteilungsgeschehens am Arbeitsplatz aufgegangen ist, wenn er den Denkzugang zur nächstkleineren und nächstgrößeren Einheit der Wirtschaftsrealität aus der dahinter liegenden durchgängigen Einheit der Wirtschaftsidealität begriffen und i n vereinfachten Formeln sich erschlossen hat. Hier liegen heute engste Parallelen zwischen der Lehrbarkeit des Betriebes i m Sinne einer Betriebspolitik und der Möglichkeit der politischen Soziologie und der sogenannten Wissenschaft von der Politik (103). Hier wie dort lautet die wissenschaftliche Aufgabe, das einzelne Ereignis aus seiner tausendfältigen Verknüpfung herauszuschälen und es nach wissenschaftlicher Analyse wieder einzubetten. I n seinem Bemühen, die Grundfunktionen des Betriebslebens i m Zusammenhang mit der Verkehrswirtschaft und der Gesamtwirtschaft einschließlich der öffentlichen Wirtschaft zu verstehen, Daten als Probleme zu betrachten und so die Grenzen seiner Erkenntnis auszuweiten, dringt der Betriebswirt i n die Stoffgebiete und Problemkreise der angrenzenden Wissensdisziplinen der Volkswirtschaft, des Rechtes, der Geschichte, der Soziologie, der Psychologie lernend ein und empfängt wissenschaftliche Aufschlüsse, methodische Anregungen und materielle Erkenntnisse. Die Vermittlung praktischer Einsichten kann i m akademischen Unterricht nur i n schrittweiser Annäherung über Schulfälle, charakteristische Beispiele bis zum gelegentlichen Einblick i n das farbige und satte Leben der Wirtschaft erfolgen. Das Erziehungswerk des Lehrers w i r d nur dann richtig ausgeübt, wenn er die Stufen der Annäherung scharf markiert und den Weg zum Schulbeispiel über den vereinfachten Fall bis zum unverfälschten praktischen Geschehen deutlich kennzeichnet. Die Beispiele werden aus ruhigen und unruhigen Zeitläuften der W i r t schaft, aus den Phasen des Aufschwungs und Abschwungs entnommen. Sie gewinnen erst dann ihren vollen Wert, wenn der technische Faktor der Neuerungen und Erfindungen mit seinen wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Betriebskapazität, die Kapitalinvestition und Kosten-
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struktur voll gewürdigt wird. Die Aussagen der Betriebswirtschaftslehre unterliegen den gleichen Einschränkungen und Vorbehalten wie alle Aussagen der Wirtschaftswissenschaften. Sie sind nur insoweit richtig, wie sie eindeutig und kontrollierbar sind. Dies aber ist i m Gegensatz zu den Naturwissenschaften nur innerhalb eines größeren Ganzen zutreffend, worüber nach den Erfordernissen eines Systems oder Systembestandteiles einheitliche und eindeutige Vorstellungen vorhanden sind. Darum bedarf es in der Betriebswirtschaftslehre immer wieder der Überprüfung der Zusammenhänge zwischen dem Teil und dem Ganzen, der Überprüfung der Systemmerkmale des Ganzen, ζ. B. der Definition der Preisbildung i m freien und i m kontrollierten Markt, der Klärung des Preises bei stabiler und schwankender Währung, es bedarf der Definition der Produktion in der Marktwirtschaft u n d in der Verwaltungswirtschaft usw. I m Hörsaal kann das richtige Verhalten, wie es später das Leben erfordert, nicht gelehrt werden, wohl aber kann der Hörsaal Kenntnisse und Vorstellungen darüber vermitteln, was der Mensch i n unserer Zeit vom Leben und von der Wirtschaft zu gewärtigen hat, worauf er gefaßt sein muß, worauf er zu achten hat, wenn er bestehen, wom i t er sich abzufinden hat, wenn er nicht verzweifeln soll. Erst i n den höheren Regionen finden sich Wissen und Leben zur Einheit zusammen. Es gelingt nicht ohne ein beträchtliches Maß von Anstrengung, i n diese höheren Regionen zu gelangen, in denen Widersprüche aufgehoben sind 4 .
IV. Wirtschaft und Verwaltung Damit die Betriebswirtschaftslehre ohne Studienplan und Ausbildungsprogramm der wirtschaftlichen Entwicklung folgen kann, ist der Lehrstoff der allgemeinen Vorlesungen i n Abständen von etwa fünf bis zehn Jahren grundlegend zu überprüfen und den Veränderungen anzupassen. Diese Anpassung betrifft sowohl die Systematik und die Methodik wie die Aufnahme neuer Tatsachen und Probleme. Anders kann das in neuen Formen sich manifestierende Wirtschaftsleben nicht i n den Hör- und Übungssaal hereingeholt werden. Vor etwa dreißig Jahren kannte man noch keine Vorlesung über Werbewirtschaft, es genügte die Handelsbetriebslehre, man kannte noch keine Vorlesung über Wohnungs-, Verkehrs- oder Versicherungswirtschaft, es genügte die Volkswirtschafts- und Gewerbepolitik. Heute werden den Studierenden neben den Hauptvorlesungen eine Reihe von Spezialvorlesungen der Industrie-, Handels- und Bankwirtschaft geboten, ζ. B. die industriellen 4 Vgl. The Case Method at the Harvard Business School, edited by M a l colm P. Mc Nair and Anita C. Hersum, New York 1954, X V I , 292 S.
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Spezialvorlesungen über Anlagenbuchhaltun'g, Betriebsabrechnung, Fertigungsmethoden, Arbeitsvorbereitung, die bankwirtschaftlichen Spezialvorlesungen über Notenbanken, Kreditbanken, Hypothekenbanken, Sparkassen, Zahlungsverkehr, Geldmarktforschung, Kapitalmarktpolitik, Anlagepolitik, die handelsbetrieblichen Spezialvorlesungen über Marktforschung, Marktanalyse, Meinungsforschung, Einzelhandel, Personalschulung. Das Stoffgebiet der Spezialvorlesungen bedarf einer ständigen Auslese, Ausscheidung und Umformung, keineswegs einer ständigen Erweiterung, damit die Veränderungen von Gestalt und Inhalt des Wirtschaftslebens, von Zielsetzung und Durchführung der W i r t schaftshandlungen erfaßt werden. Das gleiche gilt für die Unternehmungsformen, Vertragsverhältnisse, Finanzierung, das betriebswirtschaftliche Steuer- und Prüfungswesen. Was i m Leben abstirbt, muß rechtzeitig aus der Lehre ausgeschieden bzw. als überlebt erkannt werden; es hat dann nur noch „akademischen Wert" (104). Die Erkenntnis des Bleibenden i m ständigen Wechsel kann durch wissenschaftliches Studium wesentlich erleichtert werden. Der akademische Betriebswirt w i r d geistig vorbereitet, trainiert und gerüstet gegen den Ansturm des Veränderlichen, er lernt die Statik des Denkens wie des Geschehens. Neben den Betrieben entstehen die anspruchsvollen und machtvollen Verbände (105), neben der Wirtschaftspolitik der Verbände entstehen i m Interessengegensatz und politischen Machtkampf die Gruppen und ihre Sonderinteressen, die i n der Gesetzgebung des Staates einen Ausgleich suchen. Hierzu hat der akademische Betriebswirt eine Orientierung und Kräfteeinschätzung nötig. Seit 1945 erlebte die westdeutsche Industrie das Schicksal der Entflechtung und Rückverflechtung, die Bankwirtschaft das Schicksal der Dekonzentration und neuerlichen Konzentration; die Privatversicherung, das Verkehrswesen, der Handel stehen inmitten weitreichender Form- und Funktionsveränderungen. Solche können ohne historische und soziologische Einführung nicht begriffen werden. Die Übungen bedürfen einer ständigen Angleichung an Grund- und Sondervorlesungen. Dazu ist die vermehrte Heranziehung von Dozenten, Lehrbeauftragten und Assistenten unerläßlich. Der Lehrstuhlinhaber soll wissen, was not tut. Er kann nicht alles selbst beherrschen, was bei der jeweiligen Zusammensetzung seiner Fakultät i n seinen Lehrbereich fällt oder diesem anvertraut ist. Dazu bedarf es der Zusammenarbeit zwischen Ordinarius und übrigen Lehrpersonen. Dies ist u m so erforderlicher, als der Lehrstuhl eine relativ starre, durch Bezeichnung -der venia legendi, des Lehrstuhls und des Faches begrenzte Einrichtung ist, die den Ansprüchen an ein elastisches Lehrsystem nicht genügen kann.
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Der Lehrkörper bedarf i n seiner ganzen Struktur der ständigen Selbstprüfung hinsichtlich Anpassung, Ergänzung, Ausgleichung der Lehrpersonen, des Lehr- und Prüfungsstoffes, der Fächer, Vorlesungen, Übungen, Institute, Seminare, Hilfskräfte und Einrichtungen. Ein von den Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultäten aufgestellter Lehrplan mit zeitlicher Festlegung eines Wiederholungsturnus ist erwünscht. Hierbei findet die Propädeutik und das kaufmännische Prakt i k u m für den künftigen Diplomkaufmann seine Berücksichtigung, soll aber keine Überbetonung und Übertreibung erfahren, damit nicht zuviel Studienzeit verlorengeht und der Drang zur eigentlichen Wissenschaft nicht schon am Anfang erlahmt. Der heranwachsende Akademiker soll erst dem wissenschaftlichen Geist erschlossen und für ihn gewonnen werden, u m diesem sein ganzes Leben treu zu bleiben. Der i m jungen Menschen keimende Geist der Wissenschaft soll nicht unter sinnlosen Stoffanhäufungen und unpraktischen Examensanforderungen ersticken. Wenn der Studierende eine abgeschlossene kaufmännische Lehrzeit nachweist, kann die Propädeutik um die Hälfte bis ein Drittel der bisherigen Anforderungen zurückgeschraubt werden. Keineswegs w i r d dam i t ein Nachgeben i n den Anforderungen eingeräumt, sondern i m Gegenteil eine Verschärfung der eigentlichen wissenschaftlichen Anforderungen i n den Übungen, i m Seminar und i m Schlußexamen angestrebt. Ein Zwang zum Besuch von Pflichtvorlesungen, Vor- und Mittelseminaren, zum Nachweis von Mindeststunden für Prüfungs-, Pflicht- oder Wahlfächer ist abzulehnen. Schön wäre, die Zwischenprüfung ganz aufzuheben, noch schöner, auf jede Abschlußprüfung zu verzichten. Dieser Weg kann nicht wieder zurückgegangen werden. Das Examenswesen ist keine deutsche Eigenart mehr. Es liegt i n der Verwissenschaftlichung unseres abendländischen Daseins, i n dem unleugbaren Bedarf an wissenschaftlich geschulten Kräften und der unabweisbaren Notwendigkeit ihrer fachgerechten und durch ein Diplom bestätigten Ausbildung. So muß am Schluß- wie am Zwischenexamen festgehalten werden. Die Universität kann sich bemühen, den wissenschaftlichen Charakter des Doktorgrades wieder deutlicher herzustellen, die späteren Semester von angehäuftem Wissensstoff und technischen Fertigkeiten zu entlasten. Ein Lehrplan oder ein für bestimmte Fachrichtungen aufgestellter Studienplan ist nur als Richtlinie vertretbar und soll keine Konzession an menschliche Unzulänglichkeit sein, weder an mangelnde Einsicht der Jungen noch an mangelnde Anpassung der Alten. Würden Fachrichtung und Studienpläne obligatorisch, so wäre jeder geistige Fortschritt unterbunden. Wirtschaft und Verwaltung lieben die Parole: „Aus der Praxis für die Praxis." Das ist eine armselige Phrase. A m besten zeigt es sich bei
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der Erlernung des Rechnungswesens. Der angehende Praktiker kommt von der Buchhaltungs- i n die Kalkulationsabteilung, von der Lohn- i n die Finanzbuchhaltung, die Bilanz bekommt er nie zu sehen, er weiß nicht, wie sie aufgestellt wird, eine Buchung bei Zusammenlegung des Aktienkapitals, Aufnahme von Obligationen erfährt er so gut wie nie. I n wenigen Stunden lernt der Student die typischen Buchungsfälle kennen, die der Praktiker i n Jahren und Jahrzehnten nicht antrifft, weil er ja i n der Regel i n einem bestehenden Unternehmen und auch da nur i n einem begrenzten Arbeitsgebiet tätig ist, so daß ihm die t y pischen Finanzierungsfälle i n ihrer buchtechnischen Darstellung nicht begegnen. Der unschätzbare Vorteil des akademischen Buchhaltungsunterrichts liegt i n der sofortigen und ständigen Heranziehung des Kapitalkontos, welches dem Buchhaltungspraktiker stets ungeläufig bleibt, sogar geflissentlich vorenthalten wird. Der Student dagegen übt die Verbuchung von Einlagen und Entnahmen, die Umwandlung von Fremdi n Eigenkapital, die Legung und Auflösung offener Reserven und überlegt die Auswirkung jeder einzelnen Buchung auf der einen oder auf der anderen Bilanzseite oder auf den beiden Bilanzseiten. Hier erweist sich eine Überlegenheit des akademischen Unterrichts, die i n der Praxis niemals eingeholt werden kann. Es w i r d nicht etwa eine gehobene Buchungstechnik unterrichtet, sondern mit Hilfe der Buchungstechnik die Formung des Wirtschaftsgeschehens und durch die Formung seine Beherrschung erklärt; das Typische der Wirtschaftsabläufe und weiterhin das Generelle der Kapitalwirtschaft findet auf diese Weise seine Darstellung 5 . Was i n der Praxis auch bei bestem Willen nicht gezeigt werden kann, weil es hinter der Zettelwirtschaft und dem vorgedachten Formularwesen verschwindet, w i r d hier durch wissenschaftliche Anschauungsmittel sichtbar. Dadurch werden die Beziehungen aufgedeckt, die zwischen Bestand und Umsatz, zwischen Kapital und Gewinn, zwischen Kosten und Erlös bestehen. Diese Beziehungen werden i m Netz des Rechnungswesens eingefangen. Sein fiktiver Charakter gilt nicht nur für einzelne Teile, sondern für alle Teile. Erst durch die Fiktion der Statik des Rechnungswesens gelingt die Formung und Beherrschung der Dynamik der rechnerisch erfaßbaren Betriebsvorgänge. Anders können, wie bereits dargelegt, keine Ergebnisse erfaßt werden. Durch die Ausdrucksformen und Erfassungsvorgänge des Rechnungswesens w i r d die elastische Masse der Wirtschaftsvorgänge ausgeformt, ausgeprägt, ausgeschnitten. Ohne die grundlegende Fiktion und ordnende Funktion des Rechnungswesens wäre der Betrieb W i r r warr, Gewimmel, Gerümpel. Es wäre solchem menschlichen Leben vergleichbar, dem ein inneres Ordnungs- und Wertprinzip fehlt und da5 H. Linhardt, Kapitalwirtschaft und Kapitalrechnung, Rieger-Festschrift, W. Kohlhammer, Stuttgart 1953 (S. 39—65).
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durch das Streben nach Fortsetzung, Steigerung und Ausformung abgeht. Z u diesem Ende treibt der Studierende an der Hochschule Buchhaltung. Die Zahl der Praktiker, die darüber lächeln, nimmt ab. Die Meinung derer jedoch, die den akademischen Diplomkaufmann auf der Stufe des Rechnungswesens festhalten und daran hindern wollen, die Leiter der Führungshierarchie emporzuklettern, gilt bei der Beurteilung seines Leistungsvermögens nicht mehr als die alte Ansicht, daß nicht jeder durch Leistung oder Studium nach oben kommt. I n seiner Jenaer Antrittsvorlesung sprach F. Schiller über das Thema „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?" (1789). Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalbetriebslehre? Dieses Studium bedeutet den Zugang zur Erkenntnis der Leitungsaufgaben und Führungsprobleme von Betrieb und Unternehmung aus der gegebenen Tatsache, daß Betrieb und Unternehmung i n jedem Wirtschaftssystem systemeigene Merkmale tragen, ihre Handlungen und Entscheidungen auf andere Betriebe und Märkte i n einer zwar nicht eindeutig und unwiderleglich bestimmbaren, aber vermutlich und wahrscheinlich bestimmbaren Weise einwirken. Das Kausalgesetz gilt für menschliches Handeln (106), sofern es nicht als physikalisches Naturgesetz, sondern als psychologische Regel des Verhaltens und Reagierens und logische Folgerung aus zutreffenden Annahmen verstanden und i m Ergebnis des Handelns bestätigt wird. Die Betriebswirtschaftslehre dient wie die anderen Gebiete der W i r t schaftswissenschaften der Erkenntnis und nicht der Berufsausbildung. Wenn ein akademischer Betriebswirt m i t wissenschaftlichen Kenntnissen umgehen kann, ist dies sein Vorteil, der sich dann auch praktisch auswirkt. Das betriebswirtschaftliche Studium vermag wie jedes andere Studium die Entscheidungsreife des i n der Wirtschaft tätigen Akademikers zu fördern, soweit £ie durch Denkschulung und Befähigung zur Urteilsbildung überhaupt gefördert werden kann, soweit der Verstand diszipliniert ist und der Mensch der Zumutung einer Denkanstrengung nicht aus dem Wege geht. I n diesem Sinne gibt es für den aufgeschlossenen Menschen auch keinen Ballast wertlosen Wissens. I h m muß alles zum Heile gereichen. Sein Wissen findet überall Verbindungen und rundet sein Weltbild ab, indem es dieses zugleich ausfüllt und ausweitet. Wer sich am Ende seines Studiums über wertloses Schulwissen beklagt, hat von Anfang an nicht den richtigen Gebrauch von seinen Wissensquellen gemacht. Professor F. Schmidt, Frankfurt, sagte einmal i m persönlichen Gespräch: „Wer nicht vom schlechtesten Lehrer noch etwas lernen kann, ist kein richtiger Student." Jedes Studium, auch das des Theologen, Mediziners und Pädagogen, ist ein Fachstudium und Brotstudium. A m Fach kann es nicht liegen, daß die Menschen zu Speziali-
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sten werden. Sie wollen es selbst so aus Bequemlichkeit, um den kürzesten Weg i m Studium, aber auch zum Studienziel und hernach zum Berufsziel zu gehen. Wo solches Streben auf seiten der Lehrpersonen anerkannt wird, gilt, daß jeder Student den Professor hat, den er verdient und umgekehrt. Die Fachwissenschaft kann nicht dafür verantwortlich gemacht werden, daß später mancher Akademiker den engen Pfad des Spezialistentums nicht mehr verläßt und sich -zugleich von den allgemeinen menschlichen Bezügen des geselligen, kulturellen und politischen Daseins abschnürt. Die Universität ihrer Zeit ist nicht besser und schlechter als der Gerichtshof, die Predigtkanzel, das Ordinationszimmer der gleichen Zeit. Eine Hochschulreform mag nötig sein oder nicht, geschehen oder nicht, richtig oder schlecht geschehen, sie allein w i r d keine soziale Reform, keine kulturelle Reformation oder geistige Renovation bringen. Die Praxis ist für die Lehrpersonen der Betriebswirtschaftslehre weniger zur Anfüllung mit Kenntnissen als zur Gewinnung von Lebenserfahrung erheblich. Wer heute i m Lebensalter von fünfzig und sechzig lehrt, vermag dem Zwanzigjährigen aus unmittelbarem Erleben zu vermitteln, was Krieg und Inflation, Vermögensvernichtung, Vertreibung, Zerstörung der Produktionsstätten i n wirtschaftlicher Auswirkung bedeuten. Der akademische Lehrer bildet seinen Schüler nicht für den Schreibtisch und die Theke, für das Regal und den Arbeitsplatz aus. Je weniger eine solche Ausbildung versucht wird, um so besser ist dies für den künftigen Praktiker (107). Er weiß nicht zuvor, wo er i m Berufsleben beginnt und abschließt. Je mehr er für das Allgemeine vorbereitet und für die Relativität aller Erscheinungen ausgerüstet und abgehärtet ist, um so besser ist es für ihn und die Stätte seines Wirkens. I n England gilt der Spruch, ein Vikar könne eher General werden als Bischof, ein Major eher Bischof als General, eben deshalb, weil man die Einseitigkeit und auch Überheblichkeit des reinen Spezialisten eher fürchtet als die Unzulänglichkeit eines zwar nicht eingearbeiteten, aber geistig disziplinierten Menschen. Von Goethe stammt das bekannte Wort von der „Produktivität der Unzulänglichkeit".
V. Der zukünftige Ausbau der Betriebswirtschaftslehre Der zukünftige Ausbau der Betriebswirtschaftslehre liegt eindeutig i n der Richtung auf eine einheitliche, wenn auch nicht vereinheitlichte Wirtschaftswissenschaft. Die Betriebswirtschaftslehre kann eine philosophisch-psychologische Grundlegung nicht entbehren. Von den Zumutungen, sie i n eine Technologie umzufälschen und innerhalb der tedilo
Linhardt
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nischen Wissenschaften verkümmern zu lassen, kann nicht scharf genug abgerückt werden, nicht allein wegen der Stellung der Fachdisziplin als Lehr- und Prüfungsfach an den Universitäten, sondern auch wegen der Stellung des Diplomkaufmanns i m Beruf zwischen dem Techniker und dem Juristen. Eine berufspolitische Unterscheidung zwischen dem Diplomkaufmann und dem Diplomvolkswirt nach Wirtschaftspraxis und öffentlicher Verwaltung ist völlig abwegig. Eine verfrühte Spezialisierung auf W i r t schaft oder Verwaltung schon während des Studiums und auch eine fachliche Spezialisierung des Diplomkaufmanns ist eine freiwillige Blickverengung und geistige Selbstverstümmelung. Die Herausgeber der „Beiträge zur betriebswirtschaftlichen Forschung" (Gutenberg, Hasenack, Hax, Schäfer) sprechen i n ihrem Geleitwort zum 1. Band (1954) davon, daß die deutsche betriebswirtschaftliche Forschung und Lehre sich i n einem auffallenden Wandlungsprozeß befinde, der „nicht nur einen kleinen Wellenschlag, eine Modelaune bedeute, vielmehr den Übergang zu einer neuen Gestalt dessen bildet, was w i r Betriebswirtschaftslehre nennen". Die Betriebswirtschaftslehre dürfte ihre neue Gestalt aus der wissenschaftlichen Berührung und wechselseitigen Durchdringung von Betrieb und Markt empfangen. Das einheitliche Prinzip ist dasjenige des Kreislaufs, wie es vor zweihundert Jahren für die Gesamtwirtschaft konzipiert, dagegen bis heute noch nicht für die Betriebswirtschaft durchdacht ist. Ihre Vorgänge sind zirkulär, nicht linear, ihr Markt ist trinitär, nicht singulär; die Ontogenesis der Betriebswirtschaft ist eine Rekapitulation der Phylogenesis der Verkehrswirtschaft; i n ihr vollziehen sich die Vorgänge des Zellkreislaufs unter einheitlichem Willen wie die Verkehrsakte der Verkehrswirtschaft nach dem Willen der Parteien. Aus der Kreislaufidee i m System der Verkehrswirtschaft ergibt sich unverkennbar die Ausscheidung der diesem Kreislauf nicht vollständig angehörigen Betriebe (Hauswirtschaft, öffentliche Verwaltung). Aus dem System der Verkehrs Wirtschaft leitet sich zwangsläufig das System der Märkte, hieraus das System der Betriebe und der Betriebsfunktionen ab. Dann ist es ein leichtes, die Stellung bestimmter Typen, etwa der gemeindlichen Versorgung, des Versicherungswesens, der reinen Dienstleistungen zu klären, die endogenen und exogenen Faktoren von der gesicherten Grenze des Systems der Verkehrswirtschaft aus zu unterscheiden, das systembedingte Verhalten des Betriebs bei Marktveränderungen, ζ. B. die Reaktivierung von Reservegütern, die Wiederaufnahme bisher unrentabler Fertigungs- und Arbeitsweisen bei erhöhter Rentabilität und gesunkener Wirtschaftlichkeit zu erklären. Der Arbeitsprozeß findet seine Fortsetzung und Verknüpfung i m Kostenprozeß, dieser i m Betriebsprozeß, dieser i m Kapitalprozeß, dieser im
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Marktprozeß, dieser i m Verkehrswirtschaftsprozeß, dieser i m Gesamtwirtschaftsprozeß. Erst dadurch w i r d der bisher verschwommene Leistungsbegriff (108) wissenschaftlich brauchbar gemacht, nämlich durch Unterscheidung der betrieblichen Teilleistung (Maschine, Arbeitsplatz, Werkstatt usw.), Betriebsleistung und Marktleistung, wobei das entscheidende K r i t e r i u m die Tauschfähigkeit bildet; Leistungsvermögen, Leistungssteigerung, Leistungserstellung werden hieraus definierbar. Die Eigenarten der Wirtschaftswissenschaften beruhen i n den flüssigen Grenzen des Objekts „Verkehrswirtschaft", an den Übergängen zur Güterwelt einerseits, zur Finanzwelt andererseits (109), da also, wo sich die klaren Konturen der Verkehrswirtschaft i m Rahmen des Kreislaufs und seiner Phasen nicht mehr scharf abzeichnen. Dies gilt ζ. B. für das volkswirtschaftliche Entsparen (disinvestment), die Überführung von Privatvermögen i n Betriebsvermögen, die Inbetriebnahme ruhender Anlagen, stillgelegter Betriebsteile, die Bebauung neuen Bodens i n der Landwirtschaft und für entgegengesetzte Vorgänge wie die Umwandlung von Acker- und Gemüseland i n Parkanlagen, von Betriebs- i n Privatwohngebäude und Erholungsstätten usw. Die theoretische Aussage über Einzelvorgänge und Gesamtzusammenhänge der Wettbewerbswirtschaft gilt nur für den Grundvorgang des Tausches und seine Abarten i m Rahmen der Verkehrswirtschaft. Erst mit dieser Grenzziehung fallen die zahlreichen Zweideutigkeiten der Begriffe Betrieb, Kapital, Gewinn, Gebrauchswert usw. Es bleibt aber immer noch die Vielschichtigkeit und Vieldeutigkeit zahlreicher anderer Begriffe, und dies liegt nicht i m Mangel des Ausdrucks, der Denkschärfe oder Logik der Fachdisziplin, es liegt i n der Natur des Gegenstandes und seiner Vorbelastung durch den nichtwissenschaftlichen Sprachgebrauch i m ganzen wie i n Teilerscheinungen. Die Wirtschaftswissenschaft hat sich niemals der gleichen Wertschätzung erfreut wie die Philosophie i m 18. Jahrhundert, die Naturwissenschaften i m 19. Jahrhundert. Wer die Unfähigkeit der Ämter, die Gleichgültigkeit der Organisationen, die Unzulänglichkeit der Menschen kennt und beim Namen nennt, kann nicht lieb K i n d sein. Es w i r d auch i n Zukunft keinen Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaft geben.
Das Objekt der Wirtschaftswissenschaft* Seine Bestimmung durch die Grenzen der Verkehrswirtschaft
I. Begriff und Inhalt der Verkehrswirtschaft Die Verkehrswirtschaft w i r d seit Jean^Baptiste Say überwiegend in die drei Phasen der Produktion, Verteilung und des Verbrauchs unterschieden. J.-.B. Say hat außer der Dreigliederung auch eine Zwei- und Viergliederung vorgenommen 1 . Es steht nichts i m Wege, mehr als vier Phasen der Verkehrswirtschaft zu unterscheiden, etwa durch Einbau des Transport-, Bank- und Versicherungswesens usw. Damit verliert das Schema der Verkehrswirtschaft jedoch seine beabsichtigte und nur durch äußerste Abstraktion erreichbare Vereinfachung 2 . Geht man davon aus, daß die Verkehrswirtschaft aus den genannten drei Phasen besteht, so dürfte selbstverständlich sein, daß jede der drei Phasen nur als eine jeweilige Phase der Verkehrswirtschaft verstanden wird. So ist ja auch das abstrakte Schema der Verkehrswirtschaft von seinem Schöpfer gemeint. Damit ist aber gesagt, daß die Produktion nicht anders zu verstehen ist als Phase der Verkehrswirtschaft. Sie ist Verwertungsproduktion. Eine Verwertungsproduktion ist jede A r t der Produktion, die nicht um ihrer selbst willen, nicht zur Bedarfsdeckung des Produzenten, sondern zur Bedarfsbefriedigung der Verbraucher über die Verteilung durch den Markt geschieht. Die Verteilung, verstanden als zweite Phase der Verkehrswirtschaft, ist wiederum nicht anders zu verstehen als Verkaufsverteilung. Dies bedeutet, daß es noch andere Formen und Arten der Verteilung geben mag, wie etwa die Schenkung, die Subvention, die Spende, die Unterstützung aus öffentlichen oder privaten Mitteln; solche Arten anderer Verteilung gehören aber nicht zur zweiten Phase der Verkehrswirtschaft, die sich ausschließlich auf den Verkauf i m Markt zur Verwertung der Produktion beschränkt. Dasselbe gilt für die letzte Phase, den Verbrauch. Unter ihn fällt lediglich der Sozialverbrauch. Darunter w i r d die Entnahme von Gütern aus dem Markt (110) gegen • Quelle: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 26. Jg., 1956, S. 197—218. Vgl. H. Linhardt, Plenges System der Verkehrswirtschaft, Finanzarchiv, Bd. 15, Heft 1,1954. 2 Vgl. W. Leontieff, Die Wirtschaft als Kreislauf, Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, 60. Bd., 1. Heft, Tübingen 1928. 1
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Entgelt verstanden, aber nicht der Verbrauch der Güter i m privaten oder öffentlichen Haushalt. Mag es also Produktion, Verteilung und Verbrauch außerhalb der Verkehrswirtschaft geben, so gehören solche Tatbestände nicht i n die Betrachtung der Wissenschaft von der Wirtschaft, sofern unter Wirtschaft das System der Verkehrswirtschaft (111) verstanden wird. Es mag eine wissenschaftliche Befassung mit solchen Tatbeständen geben. Die Kulturwissenschaft befaßt sich m i t der Freizeit und der Beschäftigung des Menschen nach seiner Berufsarbeit (Basteln, Liebhaberei). Die Sozialwissenschaft, Karitaswissenschaft, Ethik befassen sich mit dem Verhalten des Menschen i n der Gesellschaft, seiner Hilfsbereitschaft und werktätigen Nächstenliebe, wobei kein Zweifel besteht, daß solche Tatbestände außerhalb der Verkehrswirtschaft liegen. Der Verbrauch i m Privathaushalt mag 80 % des Volkseinkommens umfassen, zählt aber nicht zum Tatbestand und Problemkreis der Verkehrswirtschaft. Dies ist im einzelnen näher zu behandeln. 1. Produktion
als Verwertungsproduktion
I n der Verkehrswirtschaft findet die Produktion unter der einen Voraussetzung statt, daß sie sich lohnt. Eine lohnende Produktion ist eine solche, deren Produkt laufend abgesetzt werden kann. Ein laufender Absatz ist einer zu Erlösen, die die Kosten decken und einen Gewinn enthalten. Der Gewinn ist für den erwerbswirtschaftlichen Produzenten, der ohne öffentliche Zuschüsse i n eigener Verantwortung und aus eigenem Unternehmungskapital produziert, unerläßlich, nicht nur um die Rentabilität des investierten Kapitals zu erzielen und mindestens die Verzinsung zu erreichen, sondern um über schlechte Zeiten hinwegzukommen, den unerläßlichen technischen Fortschritt zu sichern, die betriebliche Kapazitätsausdehnung zu erreichen. Da die genannten Voraussetzungen nur ideell bestimmbar, jedoch materiell nicht garantieifoar sind, existieren sie für den Produzenten lediglich i n Form von Annahmen. Wieweit solche Annahmen richtig sind, entscheidet erst das erhoffte Ereignis nach Eintritt. Je besser der Produzent den Markt kennt und seine voraussichtliche Entwicklung einschätzt, um so treffender sind seine Antizipationen des Bedarfs anderer. Je genauer sie sind, um so zutreffender sind seine Kalkulationen, je zutreffender diese sind, um so sicherer findet eine Produktion statt. Es mag neben und außerhalb dieser Verwertungsproduktion manche andere, sogar wichtige und erwünschte Produktion geben. Dies gilt für jede menschliche Wirtschaftstätigkeit, die nicht i m Beruf gegen Bezahlung und nicht aus Erwerbsmotiven ausgeübt wird, z.B. i n Fürsorgeund Strafanstalten, Heimen. Dazu gehört jede auf Stoff Veränderung und Umformung gerichtete sinnvolle wirtschaftliche Tätigkeit des söge-
Das O b j e k t der Wirtschaftswissenschaft
nannten Selbstverbrauchers, nicht dagegen die Heimarbeit gegen Lohn. Ihre Träger sind Privatpersonen, nicht Unternehmungen. Es gibt auch für Unternehmungen den Verbrauch und den Selbst verbrauch. Er unterliegt den gleichen Grundsätzen und Absichten, die für die Verwertungsproduktion gelten. Selbstverständlich muß für die Verwertungsproduktion der Unternehmung auch der Begriff des Verbrauchs i m Sinne der Be- und Verarbeitung gewonnener oder bezogener Stoffe gelten, so auch der Begriff des Selbstverbrauchs (Baustoffe bei der Bauindustrie, Werkzeugmaschinen bei der Maschinenfabrik). Zum außergewerblichen Selbstverbrauch gehört z.B. jede gärtnerische Betätigung, die nicht auf die Veräußerung der Produkte abzielt. Soweit die Kleingärtner (112) aus ihrer Ernte von Obst und Gemüse Erlöse erzielen, fallen sie mit i n die Verkehrswirtschaft. Soweit sie aber als Selbstversorger ihre Erzeugnisse i m eigenen Haushalt verbrauchen, fällt diese Erzeugung nicht unter die Verwertungsproduktion, also überhaupt nicht unter die Produktion als Phase der Verkehrswirtschaft. Dafür gelten ja auch keine Kostenüberlegungen. Dasselbe ist der Fall, wenn erwachsene Personen m i t der A x t i m Haus den Zimmermann i n vielerlei Formen ersparen, vielfach handwerkliche Arbeiten, nicht nur Reparaturarbeiten, sondern auch die Herstellung von Gegenständen aller A r t selbst vornehmen (113). Auch hier können keine Kostenüberlegungen und Vergleiche der aufgewandten Zeit gelten. Eine Produktion liegt dennoch vor. Sie liegt selbstverständlich auch bei aller Arbeit der Hausfrau vor, die auf Zubereitung der Mahlzeiten, Instandhaltung und Herstellung der Wäsche, Kleidung usw. gerichtet ist. Da jedoch die Merkmale der Lohnarbeit fehlen und die Würdigung der aufgewendeten Zeit nicht unter den Kosten-Nutzen-Vergleich fällt, scheidet eine solche Arbeit und das hieraus entspringende Arbeitsprodukt aus der Produktion aus. 2. Verteilung
als Verkaufsverteilung
Die Verkehrswirtschaft kennt nur eine einzige A r t der Verteilung. Es ist der Verkauf. Verkauf ist die Überlassung von Gütern gegen Geld (114). Güter, die gegen Geld käuflich sind, nennt man Waren. Ware ist also ein Gut, welches gegen Geld überall zu haben ist. „Überall" heißt i m Markt erhältlich. Die Verkehrswirtschaft kennt keine andere Verteilung als die mittels der Märkte. Eine solche Verteilung ist entgeltlich, ihr Entgelt ist Geld. Die Geldgröße ist i m vereinbarten Kaufpreis ausgedrückt. Sie ist nach den Marktregeln von Angebot und Nachfrage bestimmt, sei es ausgehandelt oder hingenommen. Sie w i r d zwischen Unternehmungen mehr ausgehandelt als hingenommen, zwischen Handel und Verbraucher mehr hingenommen als ausgehandelt, seitdem sich i m Einzelhandel das Prinzip der Festpreise gegen die frühere Gepflogenheit des Feilschens durchgesetzt hat.
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Es gibt andere Arten der Verteilung, aber sie fallen aus der Verkehrswirtschaft heraus. Solche Verteilungsarten mögen die Verkehrswirtschaft ergänzen, sogar das auf nüchterner Berechnung und Gewinnstreben beruhende Verteilungsprinzip der Verkehrswirtschaft menschlich erträglich machen und größeren Bevölkerungsgruppen, wie den Arbeitslosen, Sozialrentnern und Privatrentern, ihr menschliches Los erleichtern oder eine erträgliche Lebenshaltung sichern. Z u solchen Verteilungsarten gehören die öffentliche und private Wohlfahrt, die Fürsorge, die Sozialversicherung, die konfessionellen und sonstigen karitativen Verbände und Einrichtungen, die Kirchengemeinden, die Privatpersonen. Sie umfassen Naturalspenden, Geldspenden, laufende Unterstützungen, die Übernahme der Ausbildungs- und Erziehungskosten für Verwandte und anderes. Eine völlig andere A r t der Verteilung ist diejenige der Planwirtschaft (115) auf Grund von Bedarfsberechnungen und Bedarfsdeckungsbegrenzungen, wie dies für die Kriegswirtschaft, das Markensystem, das Zuteilungswesen nicht nur für Lebensmittel und Bekleidung, sondern auch für industrielle Rohstoffe und die A r t ihrer Verarbeitung gilt. Ein behördlich geregeltes Verteilungssystem ist dann nicht mehr die zweite Phase der Verkehrswirtschaft, denn diese beruht auf selbständiger, freier Willensentscheidung des Einkommensbeziehers. Sie ist bereits die Einverleibung der dritten i n die zweite Phase, also die Aufhebung der Verkehrswirtschaft selbst. Wer die Verteilung als Phase der Verkehrswirtschaft richtig definieren w i l l , kann sich unter Berufung auf ihre Prinzipien damit begnügen, daß er sie als Mittelstück zwischen Erzeugung und Verbrauch definiert und sagt: Verteilung ist alles, was weder Produktion noch Verbrauch i n der Verkehrswirtschaft ist. Das gleiche gilt für jede andere Phase und ihre Definition. Hiermit ist erwiesen, daß die drei Phasen der Verkehrswirtschaft genau abgrenzbar sind. 3. Verbrauch als Sozialverbrauch Betrachtet man den Verbrauch als Phase der Verkehrswirtschaft, so fällt darunter nur die Entnahme von Gütern aus der Verteilung gemäß dem dafür geltenden und erläuterten Prinzip, d. h. eine Entnahme gegen Entgelt. Verbrauch ist also nicht mehr und nichts anderes als die Güterentnahme aus der Verteilungsphase der Verkehrswirtschaft. Dam i t ist klargestellt, was Verbrauch i n der Wirtschaftswissenschaft nicht sein kann, sofern sie die Verkehrswirtschaft zum Gegenstand hat. I h r Gegenstand kann nicht der Güterverzehr i m privaten und öffentlichen Haushalt sein. Die Wirtschaftswissenschaft hat keinen Anlaß, durch den Türspalt der Behörde oder das Schlüsselloch der Privatwohnung zu gucken, u m zu erfahren, wie der Verbraucher mit seinen Sachen und Gütern verfährt. Sein Verhalten gegenüber den Sachen und Gütern ist
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ein wirtschaftliches Verhalten i m positiven oder negativen Sinne, es kann ein höchst unwirtschaftliches Verhalten sein. Ein solches w i r d auch der Wirtschaftswissenschaft nicht gleichgültig sein können. Sie kann sich i n einer Verbrauchsforschung oder auch Haushaltslehre damit befassen. Was sie aber nicht kann, ist, den Güterverzehr i m Haushalt zu einer Sache der Verkëhrswirtschaft zu machen und mit der dritten Phase, genannt Verbrauch, zu identifizieren (116). Unglückliche Versuche einer solchen Identifizierung haben zur Trübung der wirtschaftswissenschaftlichen Grundbegriffe und zur Verwirrung der Köpfe beigetragen, vielfach ausgehend von Wertungen, etwa der A r t , daß nicht die Gütererzeugung das Wichtigste, sondern der sparsame und vernünftige Gebrauch und Verbrauch viel wichtiger sei. So gern man dies zugibt, so wenig kann hieraus die Einbeziehung des eigentlichen und endgültigen Güterverzehrs i n die Verkehrswirtschaft begründet werden. Dies erklärt auch, warum die Wirtschaftslehre sich so wenig mit dem Verbrauch befaßt hat. Hierüber w i r d schon seit Adam Smith und David Ricardo geklagt. Die großen Lehrbücher, die sich wesentlich auf die klassische Nationalökonomie stützen, befassen sich tatsächlich kaum mit dem Verbrauch; was sie bringen, ist wesentlich die Einkommenslehre, einschließlich Verteilung und Verwendung. Es wäre dienlich, die Einkommenslehre und die Verbrauchslehre streng zu trennen, und es wäre weiterhin dienlich, i n der Lehre vom Verbrauch denjenigen Teil, der i n die Verkehrswirtschaft fällt, von dem anderen Teil zu trennen, der herausfällt. Dann erst ist der Boden bereitet, u m eine eigentliche Forschung des Haushaltsverbrauchs unter den verschiedensten Arbeitsrichtungen zu betreiben, wie etwa die Rationalisierung des Haushalts, Erziehung zur Sparsamkeit, Aufklärung über die Verwendung von Geräten und Stoffen bis zur Biologie, Nahrungswissenschaft und weit über die schätzenswerte Kochkunst hinaus 3 . Für den Verbrauchshaushalt werden nicht dieselben rationalen Gesichtspunkte gelten wie für die Verkehrswirtschaft. Je mehr der Verbrauchshaushalt erforscht wird, u m so mehr w i r d sich zeigen, daß hier andere Prinzipien, andere Überlegungen, ja sogar eine andere Rationalität Geltung haben. Hierauf weist Georg Bergler i n verschiedenen Veröffentlichungen hin. Beim Verbrauchshaushalt gelten gewiß die rationalen Überlegungen des billigen Einkaufs, der vorteilhaften Verwertung, der vernünftigen Vorratspolitik auch, aber einmal hören sie allesamt auf. Sie hören da auf, wo der Mensch als Lebewesen gegen den homo oeconomicus sein Recht fordert. Die Mutter spart nicht an Milch und Fett bei der Ernährung der Kinder, sie gibt
3 Vgl. Charlotte Lorenz, Soziologische und marktwirtschaftliche Verbrauchsforschung, in: Festgabe für Georg Jahn, Berlin 1955, hierzu Buchbesprechung vom Verf. in der Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 1956.
Das Objekt der Wirtschaftswissenschaft
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dem körperlich schwachen K i n d Stärkungsmittel und Zusatznahrung, sie ernährt den Ernährer der Familie, wie es seinem Beruf nach den Anforderungen an körperliche Leistung und Energieverbrauch entspricht. Der Verbraucherhaushalt kann nicht auf ökonomische Überlegungen, Kostenerwägungen, Ertragserwartungen reduziert werden, sonst würde sein kultureller und seelischer Inhalt entleert. Aber statt dessen nur den wirtschaftlichen Inhalt gelten zu lassen, ist eine Schnapsidee! Die Unterscheidung zwischen dem Verbrauch als Phase der Verkehrswirtschaft, gleichbedeutend mit der Güterentnahme aus der Verteilungsphase und dem Haushaltsverbrauch, gleichbedeutend mit der endgültigen Verwendung der Güter durch Verzehr, rechtfertigt die Begriffsunterscheidung zwischen Sozialverbrauch und Individualverbrauch. Nur der Sozialverbrauch fällt i n die Verkehrswirtschaft, der Individualverbrauch fällt gänzlich heraus. Der Sozialverbrauch ist die alleinige Größe, die die Verwertungsproduktion i m Auge hat, die die Verteilung zu treffen versucht, die das abstrakte Schema der Verkehrswirtschaft, genannt Sozialökonomik, zum Kreislauf zusammenschließt. Hinter dem Sozialverbrauch steht der endgültige Individualverbrauch des Letztverbrauchers. Es fragt sich, ob die richtige Erkenntnis des Sozialverbrauchs ein weiteres wissenschaftliches Interesse für den Individualverbrauch erübrigt. Der Individualverbrauch enthält viel Wissenswertes, was Produktion und Verteilung in der Verkehrswirtschaft wissen möchten und was die Wissenschaft wissen müßte. Und da fragt sich weiter, ob dies die Wissenschaft der Verkehrswirtschaft, die Sozialökonomik sein kann. Praktisch ist diese Frage innerhalb der Nürnberger Richtung der Marktund Verbrauchsforschung bereits beantwortet. Der Unterschied ist durch die Auffassung von Erich Schäfer einerseits und Wilhelm Vershofen 4 mit Georg Bergler 5 andererseits bezeichnet. E. Schäfer verzichtet i n seinem umfassenden Werk über die Marktforschung® auf jede Erörterung des Verbrauchs und begnügt sich mit dem Begriff des Bedarfs. I n der hier verwendeten Terminologie würde Schäfer sagen: M i r genügt die richtige Bedarfsschätzung, die ich durch hinreichende Marktbeobachtung zu erreichen vermag; was jedoch hinter der Bedarfsschätzung steht, A r t des Güterverzehrs, der Bedürfnisbefriedigung, braucht mich nicht zu in4 Wilhelm Vershofen, Handbuch der Verbrauchsforschung, Bd. I : Grundlegung, 1940. Hierzu Buchbesprechung vom Verf. in Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 1940, S. 603—605. 5 Jahrbuch der Verbrauchsforschung, 1954. Frankfurter Allg. Ztg., Sonderdruck vom 29. 1. 1954, „Wandlungen des Verbrauchs", Vortrag Deutscher Betriebswirtschaftertag, Berlin 1953 „Produktivitätssteigerung durch Konsumforschung ". β Erich Schäfer, Grundlagen der Marktforschung (1935), 3. Aufl., Köln und Opladen 1953 (117).
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teressieren; denn es t r i t t i n der Größe des Bedarfs (Intensität, Richtung, Wiederholung, Änderung usw.) zutage. Dagegen würden W. Vershofen und G. Bergler anders argumentieren und sagen: Uns genügt selbst die richtige und rechtzeitig geschätzte Größe des Bedarfs nicht, vor allem weil sie erst i m Markt und dann vielleicht schon zu spät festgestellt wird. Deshalb gehen w i r aus der Schicht des Sozialverbrauchs heraus und bohren tiefer, bis w i r zur Schicht des Individualverbrauchs kommen. Was w i r hier erforschen können, dient zur Erhellung des Bedarfs, deshalb treiben w i r Verbrauchsforschung i n ganzer Breite, deshalb Analyse der Verbraucherpsychologie, deshalb Beobachtung der Massenpsychologie und der Möglichkeiten ihrer Beeinflussung (z.B. durch Werbung, Preispolitik). Hier eröffnet sich ein Fragengebiet, welches nicht nur für die Abgrenzung und Systematik von Teildisziplinen, sondern auch als Zentralproblem der Verkehrswirtschaft interessiert. Dieses Zentralproblem lautet: Welche Symptome der Marktwirtschaft reichen zur richtigen Bedarfsschätzung zwecks richtiger Verteilung der Produktion hin, um ein weiteres Eindringen der dahinter liegenden Schichten wie Verbrauchergewohnheiten, Nutzenschätzungen, psychische Motivationen zu erübrigen? Die Schäfersche Grundauffassung kann für sich geltend machen, daß auch die Marktforschung ökonomische Grenzen hat und nicht in die Tiefenpsychologie oder seelische Therapie hinein fortgesetzt werden kann. Der Venbrauchsforschung i m Sinne des Individualverbrauchs fehlt bei den bisherigen ersten Ansätzen durchaus noch die schlüssige Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis ihrer gesicherten Erkenntnisse zu denjenigen der Verkehrswirtschaft. Es ist die Frage der Fortsetzung individueller Tatbestände i m Sozialbereich, der Umsetzung ihrer Erkenntnisse in der Sozialökonomik.
II. Wert, Kosten, Preis Die hier genannten Begriffe stehen am Anfang der volkswirtschaftlichen Lehrbücher, am meisten noch Wert und Preis, weniger dagegen die Kosten. Jeder dieser Begriffe erscheint i n einem schillernden und i m Geisterhauch flatternden Gewand. Ihre Brauchbarkeit ist schnell zu erweisen, der Einwand rasch zu widerlegen, man müsse sie zum alten Eisen werfen, weil sie eben altes Eisen geworden sind. Dies geschieht durch die Grenzziehung zwischen Verkehrswirtschaft und anderen W i r t schaftsbereichen. 1. Wert als Tauschwert Was ist nicht seit Adam Smith und David Ricardo über den Wert geschrieben worden! Was hat nicht Friedrich List 1841 i n seinem „Nationalen System der politischen Ökonomie" mit seiner „Theorie der pro-
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duktiven Kräfte" gegen die englische „Kontorlehre der Werte" gewettert! Würde bei allen modernen Theorien abgegrenzt, was i n die Verkehrswirtschaft hineinfällt und aus ihr herausfällt, dann würden zahlreiche Kontroversen in sich zusammenfallen. Was hat die Aufzählung von Dutzend Wertbegriffen für einen Sinn, wenn nicht gesagt wird, wo sie gelten? Was ist der Unterschied zwischen Gebrauchs-, Substanz-, Ertrags-, Kostenwert und Dutzend anderen? Gibt es eine Hoffnung, aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen? Gibt es den Zentralwert der Verkehrswirtschaft, der sich von allen anderen klar unterscheiden und dann für die Verkehrswirtschaft reklamieren läßt? Gewiß doch. Es ist der Tauschwert. Er ist der einzige i n der Verkehrswirtschaft relevante Wert. Alle anderen mögen auftreten, wo sie wollen, mit welchen Ansprüchen und Begründungen auch immer, sie werden den Tauschwert nicht von seinem Platz verdrängen. Damit ist auch ein Urteil über die österreichische Wertlehre gegenüber der klassischen, sogenannten objektiven Wertlehre gesprochen. Die objektive Wertlehre geht vom Tausch i n der Verkehrswirtschaft unter der Geltung des Wettbewerbsprinzips aus, i h r Zentralwert ist völlig richtig der Marktpreis. Die österreichische Wertlehre versenkt sich i n die tiefere Schicht, die außer- und unterhalb der Verkehrswirtschaft liegt, und kommt mit der Erkenntnis der Sättigungsgrade und dadurch bedingten Nutzenschätzungen und dadurch bedingten Nachfrageintensitäten wieder in die Verkehrswirtschaft zurück. Unser Blick für das Verständnis des Wertungsprozesses ist dadurch erweitert, unsere Erkenntnis der Wertfunktion i n der Verkehrswirtschaft aber nicht um einen Deut bereichert. Man kann mit viel Geduld und Freude andere Wertkategorien aufstellen, innere Verwandtschaften aufzeigen, logische Begründungen versuchen, man w i r d aber zur Erkenntnis des Tauschwertes i n der Verkehrswirtschaft nichts beitragen, zumal wenn man wie Max Weber und Johann Plenge zurückgehend bis Heinrich Dietzel und Wilhelm Dilthey die wissenschaftliche Methodik der Wirtschaftswissenschaft i n der Selektion typischer Vorgänge erblickt. Man mag unbedenklich den Liebhaberwert untersuchen, den Unternehmungsgesamtwert als Kombination aus Substanz- und Ertragswert konstruieren. Man befindet sich auf anderem Boden als demjenigen des Tausches i n der Verkehrswirtschaft. Man hat auch nicht das Typische und Wiederkehrende der Verkehrswirtschaft untersucht. Typisch ist für die Verkehrswirtschaft der Marktabsatz von Waren, aber nicht der Eigentums Wechsel von Unternehmungen. Bei Finanzierungsvorgängen, auch bei Β est euerungs Vorgängen (GmbH-Anteile) haben bestimmte finanzierungstechnische Verfahren Anwendung und Anklang gefunden. Sie sind brauchbare Annäherungen an einen niemals gegebenen Marktpreis, weil weder ein Markt für
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Unternehmungen noch folglich ein Preis für solche i n der Verkehrswirtschaft anzutreffen ist und niemals eingerichtet werden kann. Erkennt man i m Tauschwert den Zentralwert der Verkehrswirtschaft, so verschwinden alle Nebel, die durch unzählige andere Wertbegriffe diesen Zentralbegriff umhüllen, und es ist möglich, ihn wissenschaftlich weiter zu vertiefen, sowohl nach der Angebotsseite der Produzenten, ihrer Kosten, und zwar der Kostenstruktur unterschieden von der Vermögensstruktur, und nach der Nachfrageseite und der dort anzutreffenden Zusammensetzung der Nachfrager, Höhe ihrer Einkommen und daraus bedingten Nachfragewirkungen. 2. Kosten als Unternehmungskosten Der Kostenbegriff ist durch vor- und unwissenschaftliche Anwendung unbrauchbar gemacht; er kann nur dadurch entschlackt werden, daß er auf die Unternehmung begrenzt wird. Jede Anwendung außerhalb der Unternehmung führt ins Uferlose. Die Wirtschaftswissenschaft steht jederzeit i n Gefahr, Begriffsverwirrung herbeizuführen, weil ihre Grundbegriffe i m Gegensatz zur Physik und Mathematik nicht auf den streng wissenschaftlichen Gebrauch beschränkt sind, sondern i m Vulgärgebrauch vorkommen. Dies gilt gerade für den Kostenbegriff. Er t r i t t i m Privathaushalt wie i n der öffentlichen Verwaltung, ja nicht nur i m Bereich der Wirtschaft, sondern auch i m gesellschaftlichen und seelischen Bereich auf. Was die Hausfrau i m Laden einkauft, „kostet" Geld, was die Behörde aus dem bewilligten Etat an „Ausgaben" vornimmt, „kostet" Geld. Aber man sagt auch, es „kostet" mich keine Mühe, jemand zu veranlassen, zu überreden, einem anderen eine Gefälligkeit zu erweisen u. dgl. mehr. Hier hat offenbar der Ausdruck Kosten keinerlei Zusammenhang mit wirtschaftlichem Aufwand, Leistungseinsatz und Geldausgabe. Der Kostenbegriff w i r d dadurch eindeutig, daß er als Korrelat zum Erlösbegriff verstanden wird. Dadurch w i r d eine ausschließliche Gedankenverbindung zwischen der Unternehmung und den Kosten hergestellt. Die Unternehmung ist als wirtschaftliche Veranstaltung zu verstehen, welche Kosten aufwendet; Kosten sind wirtschaftliche Aufwendungen, die ausschließlich i n der Unternehmung gemacht werden. Sie werden dort gemacht, um Erlös zu erzielen. Sie dienen der Verwertungsproduktion, sind demgemäß zweckbedingte Produktionsausgaben 7 . A l l dies liegt eindeutig i n der Verkehrswirtschaft, während — wie dargelegt — der Haushalts verbrauch außerhalb liegt; er wendet keine Kosten auf, er macht Ausgaben. Der Hamburger Versuch, die Kostenrechnung, 7 Vgl. H. Linhardt, schrift, Berlin 1951.
Kosten
und
Kostenlehre,
in:
Mellerowicz-Fest-
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auch die Kostenstellenrechnung, den Kostenvergleich auf die öffentliche Verwaltung zu übernehmen, ist abwegig 8 . Die Kosten sind nur als Geldgrößen richtig erklärt. Sie können gar nicht anders als m i t Hilfe der kaufmännischen Buchhaltung und Kostenrechnung erfaßt werden, auch nicht definiert, verrechnet, zugeteilt oder geschlüsselt. Nicht umsonst sieht man die echten Fortschritte des Rechnungswesens auf dem Gebiete der Kostenrechnung und der Ausweitung des Kontensystems, insbesondere i n den Klassen der Kostenrechnung (Klasse 4 Kostenarten, Klasse 5 und 6 Kostenstellen, Klasse 7 Kostenträger). Die i n der neueren Theorie, vor allem bei E. Schneider und E. Gutenberg, vorgenommene Trennung zwischen Mengen- und Geldgrößen ist unhaltbar. Kosten können niemals als Mengengrößen definiert oder behandelt werden. Eine solche Auffassung ist deshalb unrichtig, weil sie die inneren Zusammenhänge zwischen Kosten als Geldgrößen der Buchhaltung und Kalkulation übersieht. Sie übersteht auch die Abhängigkeit der Kosten vom einzelnen Betrieb, ihre Betriebsindividualität zum Unterschied von einem volkswirtschaftlich verwendeten generellen Kostenbegriff. Diese Betriebsindividualität der Kosten gilt für ihre absolute Größe und auch für ihre Zusammensetzung wie für ihr Verhalten gegenüber dem Beschäftigungsgrad. Die Kostenstruktur ist in jedem Falle eine andere als die Vermögens- und Kapitalstruktur. Daß erst die kaufmännische Kostenrechnung Kostengrößen liefert und ohne sie keine Kosten, wohl Ausgaben, z.B. für Straßen, Bauten, Kraftwerke u. a. existieren, hat weitreichende Folgen. Einmal w i r d dadurch die Bedeutung des betrieblichen Rechnungswesens erst voll gewürdigt, sein Zusammenhang mit der Kapitaldisposition nachgewiesen, die unlösliche Verwandtschaft zwischen Kapitalwirtschaft und Kapitalrechnung aufgezeigt 9 . Dann w i r d der Geldcharakter der Kosten hierdurch unwiderleglich dargetan. Schließlich ist damit auch erwiesen, daß Mengengrößen keinen begrifflichen Zusammenhang mit Kostengrößen haben können. Wo sie auftreten und als Beobachtungs- und Kontrollmittel der technischen Erstellung und des technischen Produktionsvollzugs ausgewertet werden, liegen sie i m Bereich der Technologie, also außerhalb des Bereichs der Wirtschaft. Der Einwand, die Geldgrößen können täuschen, weil der Geldwert schwankt, weshalb die Mengengrößen zuverlässiger seien, ist völlig ab8 Herbert Weichmann und Curt Wawrezeck, Neuordnung der öffentlichen Haushalte, Hamburg o. J. — Vgl. Diskussionsbeitrag des Verf. in der Sitzung des Finanzausschusses des Vereins für Socialpolitik, Bad Nauheim, 19. 9.1954. • Vgl. H. Linhardt, Kapitalwirtschaft und Kapitalrechnung, in Rieger-Festschrift, Stuttgart 1953.
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wegig. Der Geldwert mag schwanken, die Aussagekraft von Geldgrößen mag darunter leiden, deshalb kann aber auf den Geldausdruck nicht verzichtet werden, solange die Marktwirtschaft auf dem Geld als Tauschmittel, die Unternehmungswirtschaft auf dem Geld als Rechenmittel beruht. Für die Unternehmung bedeutet dies den Zwang zur Wachsamkeit und Vorsorge, zur Beobachtung der Preisveränderungen, aber niemals die Möglichkeit, sich gegen die Auswirkung von Geldwertänderungen anders als wesentlich durch Preismaßnahmen i n der geltenden Währung zu schützen, während die Maßnahme einer Geldwertkorrektur (118) durch Umrechnung auf Goldbasis, Dollar-, Index- oder Sachwertbasis ein Rechenexempel außerhalb des Tauschverkehrs bleibt. 3. Preis als Marktpreis Für die Verkehrswirtschaft gibt es nur einen Preis, den Marktpreis. Wenn man außerdem noch andere Preise nennt, so fehlt ihnen samt und sonders das Merkmal der Einigung beim freiwilligen Tausch. Dieses gilt immer noch beim Monopolpreis, wenigstens soweit eine A r t Substitution des Gutes oder der Leistung möglich ist, wie etwa bei Gas gegenüber dem elektrischen Strom, dem Eisen- und Straßenbahntarif gegenüber dem Privatwagen, Motorrad und Fahrrad usw. Das Monopol ist eine Erscheinungsform i m Markt, wenn auch die Ausnahme von der Marktregel. Der Marktpreis ist das Tauschentgelt, also der Verkaufserlös des Produzenten beim Markttausch. Anders liegen die Dinge, wenn von einem behördlichen, amtlichen, vorgeschriebenen Preis die Rede ist. Dazu zählt der staatlich subventionierte Brotpreis, der staatlich vorgeschriebene Mietpreis 10 . Dazu zählen die Beförderungs-, Strom-, Gas- und Wassertarife der gemischtwirtschaftlichen und öffentlichen Versorgungsbetriebe und Verkehrsanstalten einschließlich Bundespost und Bundesbahn. Für die Versorgungsbetriebe gilt der Kontrahierungszwang. Dadurch ist ein Gegengewicht i n A r t einer wirtschaftstheoretischen Begründung des Liefermonopols und des Ausschlusses der Konkurrenz i m Lieferbezirk geschaffen. Hiermit ist auch das wesentliche Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem echten Marktpreis genannt, der Wettbewerb. Auch der auf Kalkulationsrichtlinien (LSÖ u. a.) beruhende Preis ist kein echter Marktpreis. Er beruht auf der verhängnisvollen Fehlansicht, daß i m Markt der Wettbewerb abgeschafft, seine günstige Auswirkung jedoch durch die Kalkulation erhalten, gleichsam ersetzt werden kann. Diese Fehlansicht traut dem Unternehmer zu, ohne Konkurrenz genauso gut und billig zu produzieren wie unter dem Zwang der Konkurrenz. Der 10 Vgl. H. Linhardt, Wohnungswirtschaft und Marktwirtschaft, in Deutsche Wohnungswirtschaft, 7. Jg. 1955, Heft 6 und 7.
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Fehler beruht i n der Verkennung der wirtschaftlichen Macht des Gruppenegoismus und der Annahme ihrer Neutralisierung aus wirtschaftlicher Einsicht. Die Einseitigkeiten i m Marktgeschehen, die durch staatliche Eingriffe der Bewirtschaftung aller A r t vorkommen, können durch Kalkulationsvorschriften und darauf beruhende Preise nicht ungeschehen gemacht werden. Dies gilt i n doppelter Hinsicht, einmal hinsichtlich des Prinzips, wonach Wettbewerb durch keine Rechenoperation ersetzt werden kann, einmal hinsichtlich der Methode, weil die Rechenoperation mißbraucht, halb oder gar nicht verstanden und vom Lieferer gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber mit allen Finessen zur Erzielung von Überpreisen angewandt wird. Dies ist die Tragödie der Kriegswirtschaft i m zweiten Weltkrieg. Sie ist nicht kleiner als die Tragödie der Preistreibereiverordnungen i m ersten Weltkrieg. I n beiden Fällen sind trotz aller Warnungen Kriegsgewinnler groß geworden und zahllos aufgetreten.
I I I . Geld, Kapital, Gewinn Während die bisher erörterten Grundbegriffe jeweils gegenüber gleichlautenden Ausdrücken des Vulgärgebrauchs und außerwirtschaftlichen Vorkommens abgegrenzt werden mußten, handelt es sich i m folgenden um ausgesprochen und ausschließlich wirtschaftliche Grundbegriffe, wenigstens bei Geld und Kapital, während bei Gewinn auch der außerwirtschaftliche Gebrauch vorkommt. Oft genug ist vom Gewinn i m außerwirtschaftlichen Sinne die Rede. Es gibt verwandte Vorstellungen und Anwendungen, die i n der Kunst, der ihr zugrunde liegenden Technik, i m Gebrauch von Werkzeugen und Geräten liegen. Es gibt aber auch Anwendungen i m Wirtschaftsbereich, die vom Grundbegriff Gew i n n i m Bereich der Verkehrswirtschaft streng zu trennen sind. Dazu gehören alle jene Vorstellungen von der „Gewinnung" wie i m Bergbau, i n der Grundstoffindustrie, vor allem Grundstoffchemie, wobei es sich um die Stoffgewinnung, also um die Mengenerzeugung, Stückausbringung handelt. Hier liegen die Vorgänge wiederum i m Bereich der Technologie und nicht bereits i m Bereich der Wirtschaft. Wenn man aus Kohle Treibstoff oder Fett, aus Petroleum Leichtöl gewinnt, so sind das technische Vorgänge, und die Verwendung des von alters her dafür gebräuchlichen Begriffs der Gewinnung und des Gewinns tut keinen Schaden. Verwirrung kann erst dann entstehen, wenn die Mengenausbringung mit der Erzielung von Gelderlös verwechselt oder für wichtiger erachtet wird, ohne Rücksicht auf den Kosteneinsatz. Die letzte A n sicht kann i n der Verkehrs W i r t s c h a f t nicht gelten, mag sie außerhalb, wie etwa i m technologischen Bereich, vorkommen.
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1. Geld als Verkehrsmittel Das Geld ist ein Verkehrsmittel der Wirtschaft, ja sogar das entscheidende M i t t e l der Verkehrswirtschaft. Es dient dieser Verkehrsfunktion i n dreifacher Weise, einmal als Tauschmittel, als Rechenmittel und schließlich als Gestaltungsmittel. Tauschmittel ist es i m Marktverkehr, wo Käufer und Verkäufer sich treffen und einigen, Rechenmittel ist es für die Unternehmung, wo Kosten i n Erlöse umgesetzt, Erlöse wiederum i n Kosten verwandelt werden. I n diesen Umsetzungsprozeß, dem Kapitalprozeß innerhalb der Unternehmung, fortgesetzt durch den Kapitalprozeß innerhalb des Marktes, der dann zur Unternehmung zurückführt, dient das Geld als Rechenmittel, um den Kapitaleinsatz zu erfassen, i n Kosten auszudrücken und i m Erlös zu realisieren. I n der Kapitalgesellschaft höchster Vollendung, d. h. i n der Aktiengesellschaft, wächst dem Geld eine weitere Funktion zu. Es w i r d hier zum Gestaltungselement der Finanzdispositionen und Finanzoperationen. Es w i r d Binde- und Lösemittel i n einem weitläufigen Sinn und Zusammenhang 11 . I n dieser dritten Eigenschaft erreicht die Geldwirtschaft ihre bisher höchste Vollendung. Dies hat R. Hilferding (Das Finanzkapital, Wien 1910) richtig gesehen. Dies hat Johann Plenge gründlich und unübertrefflich an verschiedenen Stellen seiner Hauptschriften dargelegt (u. a. Diskontpolitik 1913, Wirtschaftsstufen 1916, Stammformen 1919, Vorwort zur deutschen Übersetzung von W. Bagehot, Lombard Street, 1920). Das Geld ermöglicht Transaktionen und Finanzoperationen der Kapitalbeteiligung, Kapitalübertragung, Kapitalassoziation, Kapitalakkumulation bis i n die bisher bekannten komplizierten Gebilde der Konzerne, Trusts und Holdinggesellschaften. Es ermöglicht über den Weg der Rechtsschöpfung durch Ausgestaltung des Wertpapierrechts einen ständigen Eigentumswechsel i n Rechtstiteln und die dadurch vollzogene Bindung und Lösung von Kapitalverhältnissen zwischen Unternehmungen und Kapitaleignern, darunter insbesondere Unternehmungen. Wesentlich ist bei dieser Feststellung, daß es sich um Kapitalbesitz in Form von Rechtstiteln und ihre Mobilität auf Grund des entwickelten Wertpapierrechts handelt, so daß Kapital wie Geld die Hand wechseln und so leicht wie Geld gegeben und genommen werden kann, ohne doch selbst Geld zu sein. Geld gehört zu denjenigen Erscheinungsformen der Wirtschaft, die nicht auf die Verkehrswirtschaft beschränkt werden können. Der Geld11 Vgl. H. Linhardt: Würzburger Referat am 5. 10. 1955 über „Der Kapitalmarkt im System der Märkte und die Kapitalmarktpolitik der Banken", abgedruckt österr. Bankarchiv, Jan. 1956. — Ders., Markttheorie des Geldes, BFuP, Jan. 1956, und „Die Gestaltfunktion des Geldes und der Finanzverkehr der Aktiengesellschaft", österr. Betriebswirt, 1956.
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begriff kann auch nicht dadurch gereinigt und vor Mißdeutungen geschützt werden, daß man Geld nur innerhalb der Verkehrswirtschaft, ζ. B. nur als Tausch- und Zahlungsmittel, definiert. Geld bleibt, was es bei jedermann ist, ob es nun kurz oder lang bei jedermann bleibt. Geld fließt als Einkommen i n die Haushalte und bleibt Geld, ob es demnächst verbraucht, gespart oder investiert wird. Die A r t des Sparens, ob Hortung oder verkehrswirtschaftliches Sparen i m Banksystem, macht allerdings einen wesentlichen Unterschied. Beim bankorganisierten Geldsparen t r i t t eine Geldforderung an die Stelle des unmittelbaren Geldbesitzes, und zugleich t r i t t der Zins als Zeichen dafür auf, daß Bankgeld (Einlagen) sich auf dem Weg zur Kapitalanlage befindet; denn anders ist der Zins nicht zu erklären. Geld bleibt überall in seiner ganzen Natur, was es innerhalb und außerhalb der Verkehrswirtschaft ist: A n spruch auf Gut i m legitimen Marktverkehr, ohne allerdings Menge oder Güte eines bestimmten Gutes zu gewährleisten, ohne den reibungslosen Bezug an jedem Ort und zu jeder Zeit zu verbürgen. Daran ändert auch nichts, ob Geld i m Strumpf oder Sparbuch, i n der Kapitalbeteiligung oder sonstwie angelegt oder für des Tages Notdurft ausgegeben wird. Alles, was durch Geld geschehen kann, mag durch seinen Inhaber nach dessen Wahl i n jedem Augenblick geschehen. Die Theorie kann vom Mittelpunkt des Tausches konzentrische Kreise ziehen, i n denen der innerste Kreis nur dem Tausch (Ausgabe zwecks Verbrauchs), der zweite auch der Produktion und Vorrathaltung (Kosten zwecks Erlöses), der äußerste auch dem Aufbau der Kapitalgesellschaft und der Kontrolle ihrer Abläufe dient. Es können dadurch Betonungen der jeweiligen Geldfunktion unterschieden werden; dies ändert aber nichts an der Eigenart des Geldes, mehrfache Funktionen zugleich zu erfüllen, wie dies nur von der Entscheidung seines Inhabers abhängt. 2. Kapital als Investitionskapital Der Begriff des Kapitals kann nur dann taugen, wenn er streng auf die Unternehmung beschränkt wird. Dies haben die Definitionen von Marx bis Johann Plenge einschließlich Max Weber, Joseph Schumpeter, Franz Oppenheimer und Werner Sombart i n weitgehender Übereinstimmung zum Ausdruck gebracht; sie entsprechen weitgehend den Definitionen von A. Smith und D. Ricardo und der von ihnen vorgenommenen Unterscheidung zwischen Gebrauchs- und Verbrauchsgütern analog Produktionsmitteln und Konsumgütern, wobei auch die weitere Unterscheidung des Unternehmungskapitals i n fixes und variables auf diejenige von Gebrauch und Verbrauch i n der Unternehmung zurückgeht. Die Unternehmungszugehörigkeit von Gebrauchs- und Verbrauchsgütern ist von stärkerer Bindekraft als die Gleichartigkeit zweier Gebrauchs- oder zweier Verbrauchsgüter, wovon je eines i n der Unterneh11
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mung und eines i m Verbraucherhaushalt verwendet wird. Alles, was i n der Unternehmung vorhanden ist und i n der Rechnung erfaßt wird, ist Kapital. Alles, was i m Verbraucherhaushalt vorhanden ist und worüber keine Bestands- und Erfolgsrechnung, wenn auch womöglich eine Einnahmen- und Ausgabenrechnung (Haushaltsrechnung) aufgemacht wird, ist Vermögen, Hausrat, Privatbesitz, alber niemals Kapital. A l fred Marshall w i r d i n seinen „Principles of Economics", 1890, mit dem unzulänglichen Kapitalbegriff bei Adam Smith nicht fertig, wenn er zwischen der Verwendung des Pferdewagens zum gewerblichen Transport und zum Vergnügen unterscheidet. Eine Unterscheidung der Kapitaleigenschaft kann niemals nach dem Objekt, auch nicht nach der jeweiligen Verwendung, sondern nur nach der Zugehörigkeit zur Unternehmung und ihrer Kapitalrechnung erfolgen. Der Unternehmer kann i n seiner Privatkalesche einen Geschäftskunden spazieren fahren, dann ist der damit begründete Aufwand auf Geschäftskosten zu buchen, aber die Kalesche w i r d dadurch nicht Bestandteil des Unternehmens. Der Unternehmer kann m i t Pferd und Wagen, die zum Anlagevermögen der Firma gehören, eine Spazierfahrt zum eigenen Vergnügen machen. Dadurch bleiben Pferd und Wagen Bestandteil des Anlagevermögens, und die Kosten dieser Sonderfahrt wären dem Unternehmer auf Privatkonto zu belasten. Über den Sachverhalt des Kapitals entscheidet — die Buchhaltung (119). Kapital ist ein Gütervorrat, aber nicht irgendwo, i n jeder Hand, sondern nur derjenige Gütervorrat i n Händen der Unternehmung, die ihn um des Erwerbs w i l l e n auf Mehrgeld bewirtschaftet und worüber sie deshalb notgedrungen Rechnung legt. Fraglos ist der Gütervorrat i m Sinne des Realkapitals letztlich für die Größe des Unternehmungskapitals entscheidend, aber ebenso fraglos ist ein Gütervorrat als solcher niemals Kapital. Was dazu fehlt, ist die Erfassung durch die Kapitalrechnung, die Bewirtschaftung durch Kauf und Verkauf, die wiederum nur auf Grund der Kapitalrechnung möglich ist, und das Streben nach Gewinn, für dessen Realisierung hinsichtlich der Rechnung das gleiche gilt. Man w i r d deshalb auch die Kapitalwirtschaft trotz einer Jahrhunderte vorher vorhandenen, sogar erheblichen Güterakkumulation nicht früher ansetzen können als seit einer hinreichenden Kapitalrechnung i m 15. Jahrhundert. Löffelholz sagt daher m i t Recht: „Es entstand m i t dem ersten Kapitalkonto das erste K a p i t a l . . . Die Entstehung der Buchhaltung, des Kapitals und der Unternehmung ist also ganz der gleiche Prozeß, nur daß man ihn infolge des veränderten Gesichtspunktes begrifflich anders formuliert 1 2 ." 12 Löffelholz, Geschichte der Betriebswirtschaft und der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1935, S. 138. — Vgl. auch Aloys Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft 1380—1530, 3 Bde., Berlin
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K a r l Marx nennt Kapital schlechthin Vorrätigkeit und Eugen Schmalenbach übernimmt diese Deutung i n seinem von ihm selbst als seine beste Arbeit bezeichneten Werk „Kapital, Kredit und Zins i n betriebswirtschaftlicher Beleuchtung" (Leipzig 1933), wo er wörtlich sagt: „Für uns ist Kapital der Vorrat derjenigen Güter, die für kürzere oder längere Zeit für den Konsum nicht benötigt werden. Kurz ausgedrückt kann man sagen: Kapital ist G ü t e r v o r r a t . . . Es erscheint als logisch vertretbar, das Kapital überhaupt nicht als konkrete Gütermasse, sondern als Vorrätigkeit an sich zu betrachten." (S. 1) „Auch Konsumtionsgüter gehören zu unserem Kapitalbegriff... Zum Kapitalbegriff, wie w i r ihn brauchen, gehören auch der Hausrat und die Hausvorräte, soweit sie Wert h a b e n . . . Ein Stuhl ist so viel wert wie der auf heute diskontierte Wert der zukünftigen Nutzungen..." (S. 3) Was soll die seltsame Wertbetrachtung i n Verbindung m i t dem Kapitalbegriff? Was soll die Ansicht, Hausrat und Hausvorräte gehörten auch zum Kapitalbegriff? Ein Brillantring i n oder an den Händen der Ehefrau ist niemals Kapital, so wenig wie die Kartoffeln i m Keller, aber Brillantring und Kartoffeln sind Kapital beim Juwelier und Kartoffelhändler. Wo man diese Unterschiede nicht gelten läßt, gewinnt man überhaupt keinen brauchbaren Kapitalbegriff, und es kommt soweit wie bei Erich Preiser und H. Sauermann, den Kapitalbegriff überhaupt abzuschaffen, soweit wie bei E. Gutenberg, i h n auf ca. 1000 Seiten seines zweibändigen Werkes „Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre" (1951/55) nahezu gänzlich zu vermeiden 13 . Man kommt auf anderem Wege zu der gleichen unbegründeten Resignation, nämlich über die Verneinung des Zinses als Preis für Leihgeld und die seit Jahrzehnten betriebene „Politik des billigen Geldes". Verneint man den Zins, so hebt man den Unterschied zwischen Geld und Kapital auf und kann um so leichter den Kapitalbegriff entbehren. Freilich w i r d dadurch der Kapitalprozeß nicht erkannt und, was K a r l Marx dazu beigetragen hat, verschleudert, statt es durch die bei i h m fehlende, aber leicht zu gewinnende Klärung des Kapitalbegriffes zu sichern 14 . Erst wenn das Kapital auf die Unternehmung beschränkt wird, hat eine Unterscheidung von Anlage- und Umlaufkapital (in der Bilanzsprache Anlage- und Umlaufvermögen) einen Sinn. Erst von der Kapi1923, ferner die Forschungen von R. Ehrenberg, H. Sieveking, Frhr. v. Pölnitz, M . Weber, B. Kuske u. a. (120) 13 Vgl. A. Forstmann, ökonomische Theorie des Geldes, Bd. I I , 1955, S. 842. (121). 14 Vgl. H. Linhardt, Grundlagen der Betriebsorganisation, Essen 1954, S. 48 und 64. — J. Plenge, Kapital und Geld, Weltwirtschaftliches Archiv 1926, S. 310: „So bleibt das Helldunkel, in dem der Kapitalbegriff bei Marx schimmert, charakteristisch für die Agitationsabsicht, die seine ganze »Wissenschaft 4 im geheimen durchtränkt." 11*
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talrechnung aus kann der Unterschied erklärt werden. Anlagekapital w i r d angeschrieben und innerhalb der Lebensdauer abgeschrieben, d. h. auf die Produktionsperiode i n der Bilanz und die Produktionseinheit in der Kostenrechnung verrechnet. Das Umlaufkapital, bestehend aus Gütern, Forderungen und Geld (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, Halb- und Fertigfabrikaten, Forderungen, Wertpapieren, Bankguthaben, Kasse), dient unmittelbar dem Umlaufprozeß. Dazu gehört auch Bargeld und Bankguthaben, beides dient sowohl zum regulären Umsatz als auch zur Überbrückung von Zahlungsstockungen und Marktstörungen. Gerade diese Ausgleichsfunktion des Geldes innerhalb des Umlaufkapitals macht die spezifische Rolle des Kapitals als Vorrätigkeit i n der Verkehrswirtschaft deutlich und den Unterschied gegenüber jeglicher Vorrätigkeit außerhalb der Verkehrswirtschaft klar. Je besser die Mengenproportionen des Umlaufvermögens auf den Umsatzprozeß abgestimmt sind, je kleiner die Rohstofflager und Zwischenlager wie Fertigwarenlager dadurch gehalten werden können, u m so geringer kann der Vermögensbestand an liquiden Mitteln (Bankguthaben, Wertpapieren, Schecks, Wechseln und Bargeld) sein. Je schärfer die Außenstände überwacht werden, je pünktlicher sie eingehen, um so geringer kann der Barbestand aus Liquiditätsgründen sein. Macht also die Vorrätigkeit überhaupt noch kein Kapital, sondern erst die Vorrätigkeit i n der Unternehmung zum Zweck der Verwertungsprodukition innerhalb der Verkehrswirtschaft, so ist durch den Begriff der Mengenproportion auch bereits die Grenze der wirtschaftlich vertretbaren Vorrathaltung i n einzelnen Gütern und insgesamt gezogen. Die Vorrathaltung insgesamt kann nicht größer sein als das gesamte Unternehmungskapital, die Vorrathaltung· i m einzelnen nicht größer als die wirtschaftlich vertretbare Mengenproportion; über allem steht das Streben nach Gewinnerzielung aus der Verwertungsproduktion, worin auch das Problem der Kapazitätsausnutzung enthalten ist. Diese Vorgänge sind nie ohne Rechnung — Buchhaltung und Bilanz, Kostenrechnung, Statistik und Planrechnung — möglich. Es ist nicht zu verstehen, wie E. Gutenberg i n seinen beiden Bänden über die Produktion (1951) und den Absatz (1955) völlig auf die Rechnung jeder Art, ihre Prinzipien, Formen und Methoden verzichtet (122). Es ist nur als Geringschätzung des wissenschaftlichen Kerns der Betriebswirtschaftslehre und seine Preisgabe gegenüber der Volkswirtschaftslehre begreiflich. Definiert man Kapital als ausschließlich zur Unternehmung gehörig, dann w i r d die öffentliche und gemischtwirtschaftliche Unternehmung insoweit Kapitalträger und Kapitalbewirtschafter, wie der Tatbestand der Unternehmung auf sie zutrifft. Dies ist der Fall bei eigener Kapitalausstattung, rechtlicher Selbständigkeit und autonomer Preispolitik, also nicht bei gemeindeeigenen Versorgungsbetrieben ohne Rechtsperson-
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lichkeit und mit Eingliederung i n den Gemeindehaushalt und Abhängigkeit der Betriebsverwaltung und Preispolitik von der Gemeinde (123). Dagegen treffen die Tatbestände der Unternehmung bei rechtlich selbständigen öffentlichen Unternehmungen wie Kreditanstalten, Versorgungs- und Verkehrsunternehmungen zu und machen die von sozialistischer Seite gern als Überwindung des Kapitalismus geschilderte „Gemeinwirtschaft" zu kapitalistischen Unternehmungen 15 . 3. Gewinn als Unternehmungsgewinn Der Gewinn ist Einkommensbestandteil. So w i r d er i n der Wirtschaftstheorie und i m Steuerrecht bezeichnet. Gewinn ist ausschließlich an die Unternehmung geknüpft und nur i n diesem Sinne durch definitorische Beschränkung auf die Verkehrswirtschaft zu einem brauchbaren Begriff zu machen. Der Totogewinn und Lottogewinn gehören folglich nicht unter diesen Begriff. Jede andere Einkommensart scheidet hierfür aus. Auch der sogenannte Unternehmerlohn und der kalkulatorische Zins für das betriebsnotwendige Kapital können nicht als getrennter Bestandteil des Unternehmungsgewinnes bezeichnet werden, obwohl mancher vernünftige interne Anlaß bestehen mag, solche Unterscheidungen vorzunehmen. Gewinn ist der Überschuß der Erlöse gegenüber den Aufwendungen einer Wirtschaftsperiode. Erlöse u n d Aufwendungen sind Rechenergebnisse, folglich ist der Gewinn als Differenzbetrag zwischen beiden ebenfalls ein Rechenergebnis. Gewinn kann erst errechnet werden, wenn er vorher erzielt ist, und er w i r d erzielt durch Tätigsein, Leistungen und . Umsätze, deren Erlöse mehr einbringen, als die Kosten des Tätigseins und der Leistungen erfordern. Dieser Gewinn kann verteilt und verbraucht werden. Damit nicht mehr verbraucht wird, als verdient wurde, schreibt das Handelsgesetz vor, nur realisierte Gewinne auszuweisen, während nichtrealisierte Gewinne (Werterhöhungen ohne Umsatz) nicht ausgewiesen werden dürfen. Dies bedeutet das Prinzip der Vorsicht i n der Bilanzbewertung nach Handelsrecht. Die Unternehmung kann ihren Gewinn nur durch Abschluß der Periode mittels Aufstellung der Bilanz errechnen, anders nicht. Es ist auch für den Unternehmer mit all seinen internen Kenntnissen nicht möglich, den Gew i n n ohne Bilanz zu wissen; dazu reicht weder die Kenntnis eines vollen Lagers oder größeren Maschinenparks, auch nicht die Kenntnis des Umsatzes und der kalkulatorischen Gewinnspanne; denn zwischen solchen Größen und der Gewinngröße (124) mögen faktische Veränderungen durch äußere Einwirkungen ohne rechnerische Veränderungen, aber auch Wertschwankungen oder Ermittlungsfehler liegen. Aus diesem 15 Vgl. H. Ritsehl, Gemeinwirtschaft und kapitalistische Marktwirtschaft, Tübingen 1931. — G. Weisser, Form und Wesen der Einzelwirtschaften, Stuttgart 1947.
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Grunde schreibt das Handelsrecht die jährliche Aufnahme des Inventars vor Aufstellung der Bilanz vor. Wenn die Wissenschaft ohne den Kapitalbegriff auszukommen glaubt, was wenig überzeugend klingt, so kann es die Wirtschaftspraxis nie und nimmer. Der Kaufmann kann keinen Gewinn ausweisen, ohne zu sagen, wie hoch sein Kapital ist; denn sein Gewinn ist die Differenz zwischen Anfangs- und Endbestand des Kapitals der abgerechneten Periode. Die Bestandsermittlung ist unerläßliche Voraussetzung der Gewinnermittlung, ja der Gewinn selbst ist schließlich nichts weiter als eine Bestandsdifferenz. Die Bestandsrechnung ihrerseits ist eine Geldrechnung, i n welcher Vermögen und Schulden nach ihrem jeweiligen Wert anzusetzen sind (§§ 39/40 HGB). Die vorausgehende Mengenerfassung durch das Inventar ist nur ein Vorspiel zur Bilanz. Die Gefahren und Bedenken der Geldwertschwankungen i n der Bilanz müssen mit klarem Blick gesehen werden. Sie können mit keiner sogenannten Geldwertkorrektur aus der Bilanz beseitigt und i n ihren nachteiligen Wirkungen auf Höhe und Zusammensetzung des Bilanzvermögens hintangehalten werden — es sei denn durch produktions-, absatz- und bilanzpolitische Korrekturmaßnahmen, soweit solche mit dem jeweils geltenden W i r t schaftsrecht i m weitesten Sinne vereinbar sind. I V . Sozialökonomik und Privatökonomik Der Grenzverlauf zwischen der Sozialökonomik und der Privatökonomik w i r d weder durch die Größe der Wirtschaftseinheit noch durch den Aspekt und Abstand der Betrachtung, auch nicht durch den Unterschied von Gut und Geld analog von Wirtschaftlichkeit und Rentabilität oder Gemeinnutz und Eigennutz bestimmt. Die Größe der W i r t schaftseinheit kann kein K r i t e r i u m sein, sonst wären die Schweizer Kantone und Luxemburg der MikroÖkonomik, dagegen General Motors und Imperial Chemical Industries der MakroÖkonomik zuzuteilen. Der Aspekt kann es nicht sein, sonst wären die Zeiß-Werke Jena für die Geltungsdauer der Stiftung jedem Manufaktur-, Agrikultur-, Handelsstaat und jedem Wohlfahrtsstaat vorzuziehen. Der Abstand deshalb nicht, weil er bei Staatsgebilden oftmals kürzer ist als bei Privatunternehmungen, nicht nur was die Blickweite der Leitung, sondern auch die Ausdehnung i n der Zeit betrifft. Während seit 1914 auch i n Deutschland Staatsgebilde geschaffen und zertrümmert, Staatsformen viermal umgeändert und neu modelliert worden sind, leben unter solchen schwankenden politischen Verhältnissen Unternehmungen und Betriebe seit fünfhundert Jahren und länger, sogar seit Jahrhunderten unverändert i m gleichen Familienbesitz. Die Unterscheidung von Geld und Gut kann es auch nicht sein, denn beide gehören zur Sozial- wie zur
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Privatökonomik. Es ist grundfalsch, wenn Geheimrat Prof. Adolf Weber i n seinem Vortrag an der Technischen Universität Berlin auf Einladung der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät am 17. Nov. 1955 ausführte, der Betriebswirt denke i n Geld, der Volkswirt i n Gütermengen, der Betriebswirt müsse nach Rentabilität streben, der Volkswirt nach Produktivität (125), und deshalb müsse er i n Produktionseinheiten denken. Die Produktivität gehört dem technischen, nicht dem wirtschaftlichen Bereich menschlicher Realisierung an. Sie ist kein brauchbarer Begriff der Verkehrswirtschaft, die Rentabilität dagegen ist der einzig brauchbare Begriff der Verkehrswirtschaft zur Orientierung, Disposition und Beurteilung der Unternehmung i m Markt. Sie ist kein Ideal, sondern nur ein Behelf, aber es gibt keinen 'besseren1®. Man treibt mit dem Rentabilitätsbegriff Schindluder, wenn man ihn aus der Verkehrswirtschaft herausnimmt und dann solchen Kriterien gegenüberstellt, die i h m wesensfremd sind. Die Grenzziehung verläuft auch nicht zwischen Eigennutz und Gemeinnutz; denn der Unternehmer, der Gewinn erzielen w i l l , muß i h n durch Leistung verdienen. Wenn i h m weniger Leistung abgefordert wird, liegt dies an der fehlenden Marktmacht oder Urteilskraft der Marktpartner. Die Privatökonomik hat nicht etwa nur eine sozialökonomische Komponente, sondern ein tief gegliedertes sozialökonomisches Handlungsfeld, das sich von der Betriebsachse aus erstreckt und nach den logisch aufeinanderfolgenden Teilzwecken der Unternehmung stuft 1 7 . Wo verläuft dann die Grenze zwischen Sozialökonomik und Privatökonomik? Sie kann begrifflich klar gezogen und eindeutig bestimmt werden. Sie geht durch die privatwirtschaftliche Unternehmung. Diese ragt weit i n den Sozialbereich hinein. Eine begriffliche Abgrenzung bedeutet noch nicht die faktische Abgrenzung. Ein Weltunternehmen hat i n größerem Umfange und auf längere Sicht sozialökonomische Überlegungen anzustellen, es nimmt Schätzungen vor, plant seine I n vestitionen, regelt seine Grundfunktionen durch eine umfassende, i n ihren Teilen ausgeführte Gesamtplanung u n d treibt eine sozial ausgerichtete Produktions-, Absatz-, Preis- und Beschäftigungspolitik. Es ist nicht schon eine natürliche Begleiterscheinung zunehmender Größe und längerer Lebensdauer, wenn i n der Privatökonomie die Überlegungen der Sozialökonomie stärker zur Geltung kommen als bei der kleinen und neuen Unternehmung. Es ist i m wesentlichen die Rücksicht aus verstandenem Eigeninteresse und sozialer Eingliederung, Störungen durch eigene Handlungen zu vermeiden. Wenn J. M. Clark i n den Schriften seiner letzten Lebensjahre über Unternehmertum und soziale Kon16 17
H. Linhardt, Kapitalwirtschaft und Kapitalrechnung, a. a. O. H. Linhardt, Grundlagen der Betriebsorganisation, Essen 1954, S. 106 ff.
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trolle der Unternehmung die sittliche Einsicht, das Rechtsempfinden, die politische Klugheit der Unternehmer auf den Plan ruft, wenn der Bundeswirtschaftsminister Professor Erhard i m September 1955 seinen psychologischen Feldzug gegen die überhitzte Konjunktur i n zahlreichen Reden, Verhandlungen und Empfehlungen führte, so entspringt dies einer Ganzheitsbetrachtung der Wirtschaft und des Menschen (126). 1. Die Unternehmung Die Unternehmung ist wesentlich verschieden vom Betrieb. Zum Betrieb rechnen die internen Einrichtungen und Abläufe: Arbeitsverrichtung, Organisation, Rechnungswesen, technischer Vollzug. Zur Unternehmung rechnen das Verhalten i m Markt, die Formen der Finanzierung und der Investierung, die aus dem Umsatzprozeß entstammenden Kosten und Erlöse, das Verhältnis von Nominal- und Realkapital. Unternehmimg und Betrieb sind i n ihrer beiderseitigen Bedingtheit kaum untersucht 18 . Das Verhalten der Unternehmung i m Markt betrifft i n erster Linie ihre Stellung zwischen der von ihr ausgehenden Nachfrage und dem von ihr ausgehenden Angebot. Diese Stellung ist durch ihre Kapitalkraft, Kapitalbasis (Bilanzsumme) ökonomisch bestimmt. Es gehört die ganze verfügbare Kapitalausstattung, zusammen mit der darin enthaltenen Gliederung dazu, um diese Nachfrage auszulösen, um dieses Angebot zu machen. Hier w i r d die höchste Individualität des Einsatzes, Umsatzes und Ersatzes von Kapital der generellsten Beurteilung, nämlich derjenigen des Marktes, unterzogen. Die Unternehmung w i r d danach gewogen. Sie t r i t t als Nachfrager von Gütermengen und Bewilliger von Angebotspreisen, als Anbieter von Gütermengen und Handlungspartner i m Absatz auf. Nach innen eröffnet sich die Vielgestaltigkeit der jeweiligen, täglich und stündlich wechselnden Kapitalstruktur, die Lagerhaltung von Tausenden und Hunderttausenden von Sorten und Stücken wie etwa in einem Großwarenhaus, einer Uhrenfabrik. Nach außen wie nach innen t r i t t diese Fülle der Güter i n Erscheinung, aber dahinter steht das Substrat des Kapitals, welches seinen Wert zu halten und zu steigern verlangt, indem die äußere Form stets geändert, auf Mehrwert bewirtschaftet wird. Seitdem die Chemie und Medizin den Vitamingehalt von Frischobst und Frischgemüse nachgewiesen hat, erlangten solche Frischwaren eine neuartige Wertung, die auf keine Preisverbilligung hoffen läßt. I n seiner Streitschrift gegen Schulze-Delitzsch sagt noch Ferdinand Lassalle (1863), die Armen w ü r den durch ständigen Kartoffelgenuß ihre Gesundheit schädigen. 18 Vgl. H. Linhardt, Die Unternehmung im Wandel von Geld und Währung, in: Nürnberger Abhandlungen, Duncker & Humblot, Berlin 1954, ferner Geleitwort zur Schriftenreihe „Die Unternehmung i m Markt", Duncker & Humblot, Bd. 1, 1955.
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Das Kapital, worüber die Unternehmung verfügt, ist ein Aufenthalt im ständigen Fließen, die Drehscheibe, durch welche der gewünschte Gleisanschluß an den Absatz hergestellt wird. Der Kapitalprozeß innerhalb der Unternehmung bildet für sich einen eigenen Kreislauf m i t Zufluß und Abfluß i m Verhältnis zum volkswirtschaftlichen Gesamtkreislauf. Die Finanzierung der Unternehmung regelt die zugleich innere und äußere Ordnung der ökonomischen und rechtlichen Verhältnisse, die innere der Güter und ihrer Proportionen, die äußere zu den Teilhabern und Gläubigern aller A r t und aller Fristen. Finanzierung und Investierung gehören zusammen (127). Die Investierung entspringt aus dem Lebensbereich der Unternehmung, ihre Schöpfungen werden Bestandteil des Betriebes. Die wechselnden Verhältnisse der Finanzierung bleiben allein der Unternehmungssorge üb er antwortet, die Liquidität wie die Rentabilität. Die Finanzierung ist das unentbehrliche, i n der volkswirtschaftlichen Gesamtbetrachtung übergangene Mittelstück zwischen Investieren und Sparen. Dieses Mittelstück auch i n der Betriebswirtschaftslehre zu übergehen, ist unmöglich (128). Bei langperiodischer Produktion erstreckt sich ein Zwischenstadium zwischen Kapitaleinsatz und Kapitalersatz, das Stadium der Produktion und Lagerhaltung. I n allem vollzieht sich der betriebsgebundene Kapitalumschlag der Unternehmung. Die Bindung an den Betrieb läßt sich mit dem Begriff des Realkapitals einigermaßen, wenn auch nicht ganz widerspruchsfrei, ausdrücken. Patente und ähnliche Rechte, Forderungen und Wertpapiere sind kein Realkapital! Die Verbindung der Unternehmung zum Markt läßt sich nur mit den Doppelbegriff der Investierung und Finanzierung ausdrücken, womit zugleich die Fortsetzung des Kapitalprozesses i n der Unternehmung durch den Kapitalprozeß i m Markt umschrieben wird. Das Fremdkapital mag unverändert bleiben, das Realkapital i m tätigen Betrieb ist keine Stunde unverändert. Das Fremdkapital mag verändert werden, während die Investition an Sachgütern davon unberührt bleibt. Solange die Unternehmung als Einheit besteht, ist zur theoretischen Erkenntnis notwendig, Nominalund Realkapital auseinanderzuhalten. Sobald aber die lebendige Einheit der Unternehmung geschaffen und entwickelt wird, ist es darum zu tun, Nominal- und Realkapital zusammenzubringen, das eine aus dem anderen hervorzubringen, den technischen Prozeß durch das ökonomische Urteil zu steuern und i n den (ökonomischen) Kapitalprozeß zu überführen, aus den Wertschätzungen des Marktes den Wertauftrieb der Unternehmung herzuleiten. Die Unternehmung steht mit allem, was sie hat, in Abschlußbereitschaft. Sie kauft von jedem und verkauft an jeden nach wirtschaftlichen Urteilen und nicht nach irgendwelchen Vorurteilen. Sie fügt sich der Marktordnung und — soweit solche gelten — auch den Marktgesetzen und der daraus begründeten Marktkontrolle.
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Sie steht jedoch unter keinem Kontrahierungs-, Produktions- oder Preiszwang, sonst wäre sie nicht, was sie ist. 2. Der Markt Der Markt hält die Unternehmungen untereinander zusammen und bringt sie mit den Haushalten i n Tauschverbindung. Albrecht Forstmann sagt i n seiner „Ökonomischen Theorie des Geldes" (Teil II, Berlin 1955), man müsse die geldseitigen und güterwirtschaftlichen Erscheinungen und Vorgänge streng auseinanderhalten. I n Gedanken ja, i n der Tat nicht. I n der Tat müssen Unternehmung und Markt stets zusammenkommen, Geld und Ware müssen sich ständig suchen19. Die Verkehrswirtschaft ist eine lebendige Einheit wie der Betrieb und die Unternehmung. Der Markt w i r d von Menschen gemacht 20 . Die Marktgesellschaft ist ein soziologisches Gebilde eigener A r t , anders als das Staatsvolk, die Stände, Klassen und Berufe. Es ist ein Gebilde i m Geschehen und nicht ohne Geschehen. (129) Wie kann man die geldseitigen und güterwirtschaftlichen Tatbestände und Vorgänge auseinanderhalten, ohne die Gegenfrage zu beantworten, wie sie zusammenkommen, wie es geschieht, daß Geld und Gut zusammenfinden, wo die Natur und ihre innere Bestimmung dazu drängen, wo ihr Wesen sich erst i n dieser Begegnung erfüllt, während alles andere nur Hoffnung und Erwartung war? Warum spricht A. Forstmann deutlich von güterwirtsdiaftlich und ausgesprochen undeutlich i n einer anderen Tonart von geldseitig? Gibt es nicht auch den Geldmarkt (Geldund Kapitalmarkt)? Spricht man nicht i m Englischen vom money-dealer, money-lender, money-broker, ist es nicht honorig, i m Beruf und Geschäft Geld zu verdienen? „God makes bees, and bees make honey, God makes men, and men make money",
lautet ein englischer Kinderreim. Gibt es aber einen Geldmarkt neben dem Arbeits- und Warenmarkt, so heißt es zu fragen, wie diese Teilmärkte zusammenwirken, damit das Geschehen der Verkehrswirtschaft sich hieraus erfülle 21 . Es ist keine neuartige, sondern die mit dem Kreislaufschema gestellte Frage, wie die Produktion i m Warenmarkt durch Einsatz aus dem Arbeits- und Kapitalmarkt sich vollziehe. A n diese drei Teilmärkte ist jede Unternehmung angeschlossen, das Zusammenwirken der drei Teilmärkte füllt 19 H. Linhardt, Grundlagen der Betriebsorganisation, a. a. O., Abschnitt S. 19 f. „Die durch Geld organisierte Verkehrswirtschaft". 20 H. Linhardt, Unternehmer machen die Märkte. In: Der praktische Betriebswirt, 20. Jg. Nr. 11, Nov. 1940. 21 H. Linhardt, Markttheorie des Geldes, Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, Januar 1956.
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die drei Phasen der Verkehrswirtschaft wie auch die drei Handlungsfelder der Unternehmung aus. Anders beim Haushalt. 3. Der Haushalt Der Haushalt w i r d von der neueren Richtung der Betriebswirtschaftslehre auch als Betrieb bezeichnet. Dies geht auf eine merkwürdige Auffassung und Darstellung von W. Mahlberg in dem Sammelband „Die Betriebsverwaltung, Grundriß der Betriebswirtschaftslehre", Band 2, zurück („Der Betriebsbegriff und das System der Betriebswirtschaftslehre", 1926). Danach glaubt man i n weiten Kreisen der Betriebswirtschaftslehre, ihre Erkenntnisse ohne weiteres auf jeden Betrieb jeder A r t anwenden zu können und hält dies für das Betriebsgeschehen und die Rechnung für möglich. Davon kann keine Rede sein. I m Haushalt ist alles, was geschieht, endgültig, am eindeutigsten der Verbrauch. Es wurde bei Erörterung des Verbrauchs schon gesagt, daß hier einmal alles Wirtschaftliche, sogar das ewige Sparen aufhört. Verbrauchen heißt vernichten, um zu leben. Der Haushalt bezieht Einkommen. Er kann ein Budget ex ante aufstellen, um die Ausgaben zu kontrollieren und zu beschränken. Ein Haushaltsplan ist in nichts mit dem Rechenwerk der Unternehmung vergleichbar. Der Haushalt produziert nichts, er lebt nur innerhalb der Verbrauchswirtschaft aus Vorräten, er hat kein Kapital, also kann er auch keines auf Ertrag bewirtschaften. Jeder Versuch, unternehmerische Grundbegriffe auf den Haushalt zu übertragen, muß kläglich scheitern. Der Haushalt hat Ausgaben, aber seine Ausgaben haben keinen Kostencharakter, weil sie nicht um eines Erlöses willen, sondern endgültig gemacht werden. Seine Ausgaben sind von völlig anderer A r t als die zur Durchführung des Kapitalprozesses i n der Unternehmung erforderlichen Aufwendungen. Soweit i m Haushalt Vorräte stecken, sind sie zum alsbaldigen oder demnächstigen Verbrauch bestimmt, dazu bedarf es keiner Buchhaltung und Terminverfolgung. Der Gebrauch und Verbrauch der Güter ist völlig anders als i n der Unternehmung. Während die Unterscheidung i n Gebrauchsgüter und Verbrauchsgüter sinnvoll und literarisch älter ist als ihre Anwendung auf die Unternehmung, ist die Identifizierung mit Anlage- und Umlaufkapital (oder Vermögen) völlig sinnlos. Die ganze Rationalität der Haushaltswirtschaft ist eine andere als die der Unternehmung. Der Verbraucher mag monatelang sparen, um einmal vergnügt zu sein. Mancher verzichtet auf zahlreiche Genüsse u m eines einzigen Gegenstandes oder Genusses willen. Das Sparen i m Haushalt ist aufgeschobener Verbrauch, das Sparen i n der Unternehmung aufgeschobene Produktion, deshalb kann auch Sparen und Sparen nicht dasselbe sein. Das hat schon Adam Smith gewußt und gesagt. Dem Verbrauchersparen kommt die moderne
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Finanzierung des Konsumentenkredits zu Hilfe, um zu einem früheren Verbrauch zu verhelfen (130). Das Unternehmungssparen vollzieht sich i m Rahmen der unternehmerischen Gesamtplanung und der darin zusammengefaßten Teilpläne (s. o.), um eine Abstimmung der Produktionsfaktoren und ihres Einsatzes zu ermöglichen.
Schluß Die Grenze zwischen Sozialökonomik und Privatökonomik verläuft anders, als sie i n Lehrbüchern und herrschender wissenschaftlicher A n sicht gezogen wird. Sie verläuft mitten durch die Unternehmungen, mitten durch die Märkte, an denen die Haushaltungen als Käufer teilnehmen, aber sie verläuft nicht mitten durch die Haushaltungen, in denen der endgültige Verbrauch vor sich geht. Was bedeutet diese Feststellung für die Gültigkeit der Grundgleichungen, wie sie J. M. Keynes aufstellt und A. Forstmann i n seiner „ökonomischen Theorie des Geldes" (1955) formuliert und zu 85 Gleichungen erweitert? Diese Grundgleichungen gelten nur für die Verkehrswirtschaft. Hier und nur hier ist die Produktion (Sozialprodukt) gleich der Summe der i n der Periode erzeugten Gebrauchsgüter und Verbrauchsgüter, der laufende Verbrauch gleich der Summe der Verbrauchsgüter, das Einkommen gleich dem laufenden Verbrauch plus den Ersparnissen usw. Aber unter welcher Voraussetzung und in welchen Grenzen funktioniert die Verkehrswirtschaft? Müßte nicht hierzu das Verhältnis zwischen Sozialökonom i k und Privatökonomik weiter geklärt werden als bisher? Hierzu mögen nur einige flüchtige Feststellungen anregen: Die Sozialökonomik ist wesentlich Ablauf, dafür ist die Verlaufsanalyse geeignet; das ist aber nicht die ganze Wahrheit. Es geht nicht minder um den Bestand, die Lagerhaltung, die Vergrößerungen und Verminderungen der Realgüter. Dafür aber bedarf es des Einblickes i n die Privatökonomik, denn der Bestand schwimmt nicht irgendwo, vor allem nicht herrenlos i m Markt, sondern befindet sich i n festen Händen seiner Besitzer, das sind die gewerblichen Unternehmer, i n deren Unternehmungen das Kapital arbeitet. Das Kapital ist wesentlich Bestand, nicht Ablauf (131). Jeder Ablauf, verstanden als Kapitalprozeß i m Markt oder Umsatzvorgang, ist nur die Veränderung des Kapitalsubstrats und führt zu einer neuen, größeren oder kleineren Bestandsgröße. Die Sozialökonomie wechselt faktisch i n die Privatökonomie hinüber. Die historische Entwicklung zum Kapitalismus ist i n dieser Hinsicht richtig gekennzeichnet, wenn auch tendenziös gefärbt i n den Untersuchungen von K a r l Marx über das Kapital, in dem Hauptwerk von F. Lassalle (Das System der erworbenen Rechte, 1860), i n den neueren Veröffentlichungen von R. H. Tawney: The Acquisitive Society (London
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1948) und von Thorstein Veblen: The Theory of Business Enterprise (New York 1927). Umgekehrt wechselt die Privatökonomie, wie bereits dargelegt, faktisch i n die Sozialökonomie über, teils als ständiger Vorgang des Eintretens der Unternehmung i n den Markt und ihres Auftretens dort, teils als periodischer Vorgang einer Grenzveränderung durch Privatisierung und Sozialisierung, wobei gegenwärtig letztere überwiegt, erstere jedoch durchaus vorkommt. Die Privatökonomie zielt auf die Sozialökonomie, wie diese aus jener stammt. Solche Grenzverhältnisse sollten näher geprüft werden, um die volle Gültigkeit der Grundgleichungen der Verkehrswirtschaft zu erweisen und nicht gegen jede einzelne Gleichung mit dem überholten Einwand vorzugehen, der aus unklarer Grenzziehung oder willkürlicher Grenzveränderung stammt. Zurückblickend auf die untersuchten Grundbegriffe läßt sich feststellen, daß die Grundbegriffe „Produktion — Verteilung — Verbrauch" nicht sämtlich der Sozialökonomik oder der Privatökonomik angehören. Zur Sozialökonomik gehört die Verteilung, zur Privatökonomik die Produktion und der Verbrauch. Bei der nächsten Begriffsreihe „Wert — Kosten — Preis" zählen Wert und Preis zur Sozialökonomik, sowohl i n der psychologischen Verursachung des Wertes wie in der konkreten Vereinbarung des Preises; dagegen fällt der Begriff der Kosten eindeutig i n die Unternehmung, zählt also ausschließlich nur zur Privatökonomik. Hinsichtlich der nächsten Begriffsreihe „Geld—Kapital—Gewinn" dürfte das Geld ausschließlich der Sozialökonomik, wenn auch dem in die Privatökonomik hereinragenden Teil angehören, während Kapital und Gew i n n genau und einwandfrei der Privatökonomik zuzuweisen sind. Schließlich ergibt sich bei Betrachtung der letzten Begriffsreihe „Unternehmung — Markt — Haushalt", daß der Markt eindeutig der Sozialökonomik angehört, obzwar er von Unternehmung und Haushalt aufgesucht wird, während diese ebenso eindeutig der Privatökonomik angehören und ihren sozialökonomischen Kontakt nicht anders als i m Markt finden. Man kann nun die vier Begriffsreihen auch vertikal betrachten. Dann fallen, wie dargelegt, i n die Privatökonomik: Produktion — Kosten — Kapital — Unternehmung, i n die Sozialökonomik: Verteilung — Wert — Markt, dagegen i n die Privatökonomik der Gewinn, und am Ende ergibt sich als Bestandteil der Privatökonomik der Verbrauch und der Haushalt, als Bestandteil der Sozialökonomik der Preis und das Geld. Es versteht sich, daß solche begriffliche Zuordnungen zwar eine hinreichende Genauigkeit der Unterscheidung für sich haben, jedoch keinen gleich hohen Grad der Trennschärfe. Betrachtet man die wissenschaftliche Leistung der Betriebswirtschaftslehre nach den hier versuchten Grenzziehungen, so liegen solche so-
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wohl innerhalb der Betriebswirtschaftslehre als der Lehre von Unternehmung und Erwerbsbetrieb als auch innerhalb der Verkehrswirtschaft als der Lehre vom Zusammenwirken der Unternehmungen und Haushalte i m Markt und seinen Teilmärkten für Arbeit, Ware und Kapital. Das Schwergewicht der letzten Jahrzehnte hat sich von den Verkehrserscheinungen zu den Betriebsvorgängen verlagert. Die von Josef Hellauer, Joh. Friedrich Schär eingeschlagene Arbeitsrichtung ist nicht fortgesetzt worden, am ehesten noch bei Ernst Walb i n seiner „Kaufmännischen Betriebswirtschaftslehre" und der dort überwiegenden Darstellung der Verkehrsvorgänge, am wenigsten i n der durch Schmalenbach betonten Fachrichtung trotz seiner persönlichen Leistungen auf verkehrswirtschaftlichem Gebiet (Finanzierungen: Kapital, Kredit, Zins u. a.). Die Epigonen haben die Spezialisierung des Rechnungswesens durch eine erhebliche Einengung des Blickfeldes bezahlt und scheinen diese auch weiterhin i n Kauf zu nehmen. Das System der Verkehrswirtschaft ist ein geschlossenes System, logisch durchdacht und widerspruchslos. Es ist i n Kreisen der Betriebswirtschaftslehre nicht genügend angewandt, ebensowenig wie das Schema des Wirtschaftskreislaufs 22 . Hier wäre der Ansatzpunkt für eine theoretische Fundierung und Vertiefung der Betriebswirtschaftslehre, statt einer Verwässerung und Aufweichung ihres wissenschaftlichen Kerns zugunsten einer fragwürdigen Einheitswissenschaft, die auf die wertvolle Unterscheidung von Sozialökonomik und Privatökonomik verzichtet und das Keimplasma zerstört, das i n diesem K e r n eingeschlossen liegt: die K a p i talwirtschaft und die Kapitalrechnung.
12 Vgl. H. Linhardt, Betriebswirtschaftslehre, wirtschaft, 1955, S. 130.
Zeitschrift für
Betriebs-
Die Krise i n der Betriebswirtschaftslehre* Kürzlich erschien ein Buch von Wirtschaftsprüfer Dr. Otto Bredt m i t dem anspruchsvollen Titel „Die Krise der Betriebswirtschaftslehre" (Düsseldorf 1956, Verlagsbuchhandlung des Instituts der Wirtschaftsprüfer GmbH, 200 S.). Was ist daran? Der Verfasser findet an dem grundlegenden Werk von Prof. Erich Gutenberg nicht alle seine Erwartungen erfüllt 1 . Bredt erwähnt lediglich Band 1 des Werkes von E. Gutenberg. Was ihm daran mißfällt, ist eine von i h m festgestellte geistige Verwandtschaft m i t der betriebswirtschaftlichen Literatur der Eisenhüttenleute und der Refa-Fachleute, außerdem mißfällt i h m der bei Gutenberg festgestellte Grad der Abstraktion, den er außerdem i n den Schriften von Erich Schneider findet und den er deshalb beklagt, weil dadurch die Ganzheitsschau, überhaupt die Anschaulichkeit leidet. Kann man aus einem Mißfallen gegenüber der Darstellung eines einzelnen Autors gleich eine Krise der ganzen wissenschaftlichen Disziplin herleiten? Kann das Mißfallen, selbst wo es berechtigt ist, so weit tragen, einen derart sensationellen und alarmierenden Titel zu rechtfertigen, wie er von Bredt gewählt worden ist? Beide Fragen dürften bei gründlicher Abwägung der wissenschaftlichen Situation, i n der sich die Betriebswirtschaftslehre i n Deutschland heute befindet, i n aller Ruhe und zur Beruhigung aller verneint werden. Man kann weitergehen und von der Krisenhaftigkeit unseres politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens sprechen, wobei es nicht wundernimmt, daß die Wissenschaft i n Forschung und Lehre mit erfaßt ist, die Naturwissenschaften so gut wie die Geisteswissenschaften und hier die Nationalökonomie ebenso wie die Geschichte und Soziologie. Man w i r d sogar von der Betriebswirtschaftslehre feststellen dürfen, daß sie i m Wandel des Weltund Geschichtsbildes, i n der Veränderung der Grenzen der Disziplinen innerhalb einer Systematik der Wissenschaften am wenigsten i n M i t leidenschaft gezogen ist und i n ihrem Fundament am wenigsten bedroht und beeinträchtigt wird. I m Gegenteil, es drängen immer mehr Diszipli* Quelle: Der Volkswirt, 11. Jg., 1957, S. 1147—1148. E. Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. I : Die Produktion, 1951, 3. Aufl. 1957, Bd. I I : Der Absatz, 1 Aufl. 1955, 2. Aufl. 1957; hierzu Buchbespr. H. Linhardt in Schmollers Jahrbuch 1952 und 1955. 1
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nen zum Betrieb und mühen sich um den Betrieb: Die Rechtswissenschaft (Sozial- und Arbeitsrecht), die Soziologie (Betriebs- und Gruppensoziologie), die Psychologie (Berufs-, Arbeits-, Werbe- usw. -psychologie), die Medizin, Hygiene, Geschichte (Enterpreneurial History, Harvard) u. a. Ohne Zweifel sind die Veränderungen i n der Politik, die mehrfach die Staatsform und die Wirtschaftsverfaissung grundlegend geändert haben, nicht spurlos an dieser Disziplin vorübergegangen. Einige ihrer Vertreter haben ehrlich und mit den Mitteln der Erkenntnis darum gerungen, andere haben vornehmlich die äußere Anpassimg an jeweils geltende Prinzipien und Parolen vollzogen. Schon u m die Jahrhundertwende hob der Nationalökonom und Soziologe Johann Plenge das Moment der Unruhe als das entscheidende Moment der modernen Verkehrswirtschaft hervor 2 . Ist doch die Krise ein Problem der Wirtschaftswissenschaften seit der Klassik bis zurück zu J. B. Say und seiner ausführlichen Darstellung der Handelskrise 1827, bis zu der fundamentalen Krisentheorie von K a r l Marx und den modernen Versuchen der Konjunkturforschung, Konjunkturdiagnose und Konjunkturprognose. Es gibt i n der modernen Betriebswirtschaft und auch Betriebswirtschaftslehre echte Krisenmomente, von denen man annehmen darf, daß sie bereits erkannt sind, so daß die heilenden Kräfte zeitig entwickelt werden. Dazu zählen die Probleme der Finanzierung, der Qualitätskontrolle i n der industriellen Produktion, die Führungsprobleme, die Koordinierung betrieblicher Teilfunktionen, das Management, die Planung, die Automation, die Umstellung auf Elektronenrechnung i m Großbetrieb. Wer die betriebswirtschaftliche in- und ausländische Fachliteratur der letzten Jahre kennt, weiß, wie stark sie sich gerade m i t diesen Problemen beschäftigt. Die Qualität und Quantität der betriebswirtschaftlichen Literatur ist zu allerletzt ein Warnsignal, um auf eine Krise i n der Betriebswirtschaftslehre hinzudeuten. Was allein i n Westdeutschland nach 1950 literarisch an individuellen Einzelleistungen, i n der engen und weiten Gemeinschaftsarbeit (132) von Büchern, Schriftenreihen und Sammelwerken geleistet worden ist, bildet einen eindurcksvollen Nachweis auf dem Gebiet der Grundlagenforschung wie auf zahlreichen Einzelgebieten. Z u der Grundlagenforschung zählen die Veröffentlichungen von E. Gutenberg, M. R. Lehmann, M. Lohmann, E. Schäfer, daneben stehen die Untersuchungen über Organisation, Management und Führungsprobleme von L. Illetschko, F. Nordsieck, O. 2 Johann Plenge, Das System der Verkehrswirtschaft, Tübingen 1903; hierzu H. Linhardt, Plenges System der Verkehrswirtschaft, Finanz-Archiv 1954.
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Schnutenhaus, Ε. H. Sieber, die Untersuchungen über Rechnungswesen, Betriebskonitrollen, Betriebsanalyse und Vergleich von A. Hertlein, R. Johns, E. Kosiol, A. Schnettler, K. Schmaltz, die Untersuchungen auf kreditwirtschaftlichem Gebiet von H. Hohlfeld, H. Rittershausen, H. Seischab, die Einzelhandelsforschungen von C. Hundhausen, C. Ruberg, R. Seyffert, E. Sundhoff, schließlich die neueren Veröffentlichungen auf dem Gebiet der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, des Treuhandwesens wie die von E. Aufermann, P. Scherpf, K. Schwantag, nicht zuletzt diejenigen über die Unternehmung, Marktforschung und Konsumforschung von G. Bergler, J. Fettel, C. Sandig; bei dieser lückenhaften Übersicht ist jeder Autor nur einmal genannt und mancher, der es verdient hätte, nicht erwähnt, wie J. Löffelholz (Geschichte), W. Hasenack (Grundlagen und Grundbegriffe), K . Hax (Versicherungslehre). Die Fachvertreter der Betriebswirtschaftslehre, an die man doch wohl zu denken hat, wenn die Frage einer Krise gestellt wird, haben weder früher noch heute mit Scheuklappen gearbeitet, ohne sich um das Ganze ihres Faches zu kümmern. Dafür ist die Entfaltung einer breiten wissenschaftlichen Diskussion, wie sie vor einigen Jahren durch die Kontroverse E. Gutenberg — K. Mellerowicz vertieft wurde, ein lebendiges Zeugnis. Sie wurde von diesen beiden nicht erst eingeleitet, das beweisen zahlreiche Veröffentlichungen i n Zeitschriften und Büchern aus den Jahren 1947—1952, wie die von G. Fischer, F. Haas, W. Hasenack, K. Hax, A. Isaac, H. Linhardt, E. Schäfer, um nur einige zu nennen. Nach der genannten Kontroverse, welche trotz des Vergreifens i m Ton auf beiden Seiten die Auseinandersetzung wesentlich gefördert hat, liegen mehrere neue grundlegende Veröffentlichungen wie die von H. Keinhorst 3 und die von Adolf Moxter 4 vor (133). Wie i n dem früheren Methodenstreit, der durch Wey ermann — Schönitz (1912) ausgelöst wurde, wie i n dem Bilanzstreit, der von H. Nicklisch gegen E. Schmalenbach (um 1920) eingeleitet wurde, so geht es i n der gegenwärtigen Auseinandersetzung i m Fach durchaus nicht u m die Erschütterung und Neufestigung der wissenschaftlichen Grundlagen, auch nicht um eine Abgrenzung einzelner Forschungs- und Arbeitsbereiche innerhalb der Disziplin, auch nicht u m eine neue Abgrenzung gegenüber den Nachbardisziplinen der Volkswirtschaftslehre und der Rechtswissenschaften, sondern u m eine angebrachte Überprüfung der Arbeitsweise, ohne daß hierbei das wissenschaftliche Objekt i n Frage gestellt wäre. A n der Auseinandersetzung haben noch kurz vor ihrem Tode die älteren Fachvertreter wie 8 H. Keinhorst, Normative Betriebswirtschaftslehre, Bd. I V der Schriftenreihe „Die Unternehmung i m Markt", Berlin 1956. 4 A. Moxter, „Methodologische Grundfragen der Betriebswirtschaftslehre", Bd. I V der Beiträge zur betriebswirtschaftlichen Forschung, Köln 1957, X I I & 119 S.
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J. Hellauer (gest. 1956), W. Kalveram (gest. 1951), E. Schmalenbach (gest. 1955), F. Schmidt (gest. 1951) teilgenommen; der demnächst 80-jährige und jetzt lebende älteste Fachvertreter Wilhelm Rieger ist hierbei besonders zu nennen, einmal m i t der Neuauflage seiner Buchveröffentlichung „Schmalenbachs dynamische Bilanz", 1954, vor allem aber m i t seiner ausführlichen K r i t i k der 2. Auflage von F. Schönpflug, „Das Methodenproblem i n der Betriebswirtschaftslehre", i n der Ausgabe und Einleitung durch H. Seischab (1954)5. Man braucht nicht erst auf die Ausweitung des Lehrfaches der Betriebswirtschaftslehre an allen Universitäten und Hochschulen, auf die Zahl der von ihr vertretenen Lehrstühle, geleiteten Institute, Seminare und Forschungseinrichtungen einzugehen, auf die Zahl der Studierenden und abgelegten Examina hinzuweisen, auf die Eingliederung des Faches i n der Ausbildung der Diplom-Volkswirte, DiplomHandelslehrer, Diplom-Ingenieure und Juristen und i m Doktorexamen hinzudeuten, um die Existenzsicherung der Betriebswirtschaftslehre nachzuweisen, denn solche Tatsachen vermögen unter Umständen eine innere Krise weder zu widerlegen noch zu ersparen oder aufzuhalten; bei Überprüfung der wissenschaftlichen Situation sind sie allerdings auch nicht zu übersehen (134). Somit kann festgestellt werden: Weder i n den Forschungsergebnissen noch i n der literarischen Produktion, noch i m Lehrbetrieb sind echte u n d ernsthafte Krisenanzeichen gegeben. Hingegen ist nicht zu übersehen, mit welcher Anerkennung ausländische Fachvertreter nicht nur i n der zurückliegenden Vergangenheit von Jahrzehnten deutsches Gedankengut und deutsche Vertreter übernommen haben, es ist auch festzustellen, daß das Ausland i m allgemeinen eine eigene Disziplin der Betriebswirtschaftslehre neben den allgemeinen Wirtschaftswissenschaften und den politischen Wissenschaften nicht besitzt und dies als Mangel empfindet. Was i n einer Aufbauarbeit eines halben Jahrhunderts an tragfähigem Fundament und Systemgehalt gewonnen worden ist, hat stärksten Belastungsproben standgehalten. Und es hat längst nicht alles Bestand gehabt, das am lautesten als neue Erkenntnis Verkündete am wenigsten. Nach 1918 ist unter der unbestrittenen Führung von Eugen Schmalenbach, nach 1933 ist ohne seinen sichtbaren Einfluß die geistige Kontinuität nicht verlorengegangen. Dies gilt auch für E. Gutenberg, gleichgültig, ob seine K r i t i k ausgesprochen oder unausgesprochen erfolgt ist und ob sie sich manchmal i n die kleingedruckte Fußnote begeben hat. 5 W. Rieger, Fritz Schönpflug: Das Methodenproblem in der Einzelwirtschaftslehre, in Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, Heft 5, 1955, S. 268 ff.
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Die Wachstumserscheinungen der Betriebswirtschaftslehre i n einer Epoche der ökonomisierung unseres Lebens und der Betriebsausweitung unseres Wirtschaftslebens könnten eher zu Bedenken Anlaß geben als andere Krisensymptome. Es ist auch nicht zu übersehen, daß i m Berufskampf und i m Geltungsanspruch verschiedener Ausbildungsrichtungen der heutige Diplomkaufmann nicht unbestritten bleibt. Während aber die frühere Kampfstellung gegenüber dem reinen Praktiker, vor allem i n der Bank- und Industriewirtschaft nahezu völlig aufgegeben ist, weil der Diplomkaufmann sich durchgesetzt hat und in der Organisation und Finanzierung, i n der Planung und Rechnungsführung der mittleren und größeren Betriebe nicht entbehrt werden kann, während sich die alte Frontstellung gegenüber dem Volkswirt und Juristen merklich gemildert hat (135), t r i t t der akademische Kaufmann i n seiner Eignung und seinem Anspruch, an der Verwaltung der W i r t schaftsbetriebe teilzunehmen, i n immer schärfere, mitunter harte Berührung mit dem Ingenieur des Polytechnikums und dem Diplom-Ingenieur der Technischen Hochschule. Hier liegen die interessantesten Ansatzpunkte einer echten und wissenschaftlichen Auseinandersetzung, hier liegen die begründeten Anlässe zu einer Uberprüfung der bisherigen Leistungen und der künftigen Aufgaben, zumal die Gliederung der speziellen Berufs- und Fachausbildung, etwa des Steuerberaters, Werbefachmannes, Treuhänders, des Wirtschaftsberaters, zugleich m i t der Spezialisierung der Fachkenntnisse die Sicherung und Abrundung durch ein fundiertes Allgemeinwissen immer stärker erfordern, so wie von seiten der Praxis gerade die echt wissenschaftliche Bildung anstelle eines engen Spezialistentums immer stärker betont und gefordert w i r d (A. Flender, H. C. Paulssen, K. Pentzlin, H. Reusch, H. Vits, u. a.). Es ist bedauerlich, daß bei dieser Würdigung einer Disziplin die Verhältnisse i n der deutschen Ostzone nicht mit berücksichtigt werden können, da die dort an Universitäten und Hochschulen gepflegte, besser gesagt geforderte Betriebswirtschaftslehre durch die politische Kontrolle und Ausrichtung materiell, institutionell und personell m i t Westdeutschland nicht mehr vergleichbar ist, abgesehen von der fast ausnahmslosen Abwanderung bisheriger Vertreter nach Westdeutschland (136). Otto Bredt und sein Verleger haben sich etwas weit nach vorne begeben. Seine Veröffentlichung, die i n einer Artikelserie teilweise vorweggenommen wurde, ist bereits mit Entschiedenheit kritisiert worden®. Er beruft sich an mehreren Stellen auf den „verehrten Altmeister β Ο. Bredt, Die Krise der Betriebswirtschaftslehre, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, Heft 2—5, 1956. Vgl. Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, Heft 10, 1956, S. 532/33, Carl Wirtz, Entgegnung zu O. Bredt.
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E. Schmalenbach". Aber gerade an solchen Stellen ist die Berufung schief und inhaltlich unhaltbar, so bei der Betonung der Kapitalrechnung (S. 35—41, S. 131 ff.). Die Gedankengänge von Bredt müssen einer strengen K r i t i k unterzogen werden, vor allem sein verschwommener Leistungsbegriff, seine Ausführungen zum Verbrauch, wobei nicht fixiert wird, ob dieser innerhalb oder außerhalb der Verkehrswirtschaft erfolgt 7 , nicht zuletzt seine Ansicht von der Fortentwicklung des Haushalts zum Betrieb, der Kardinalpunkt seiner Denk- und Darstellungsweise, an der seine Betriebswirtschaftslehre scheitert, soweit vorhanden. Was er vom „Betrieb als Betrieb" sagt, ist klar und selbstverständlich, was er vom „Betrieb als Wirtschaft" sagt, ist unklar und unhaltbar. Die schon genannte Neuerscheinung von A. Moxter (s. o.) (137) stellt eine einseitige Parteinahme für Schmalenbach und dessen Grundgedanken der Gemeinwirtschaftlichkeit und ihrer Messung dar, zugleich eine völlig unsachliche und einseitige, äußerst lückenhafte Wiedergabe der Veröffentlichungen und Grundgedanken von E.H. Sieber, E. Preiser, vor allem aber von W. Rieger. Die Neuerscheinung von H. Keinhorst (138) versucht eine objektive Würdigung der Leistungen des Faches unter Hervorhebung der wichtigsten Beiträge seiner namhaftesten Vertreter. Sie ist insgesamt eine vom Geist der Objektivität getragene Darstellung, bei der ein gewisser Spielraum des subjektiven Wertens unerläßlich bleiben muß. Die Beurteilung dieser Arbeit i n der Fachkritik steht noch aus. I n einer weiteren Neuerscheinung von K u r t Kolbe 8 w i r d ebenfalls auf Schmalenbach Bezug genommen und der Versuch gemacht, i m Anschluß an die Schmalenbachschen Bemühungen nach einer exakten Messung wirtschaftlicher Tatbestände und unter Zuhilfenahme mathematischer Darstellungsmittel einen neuen Beitrag zu dieser Seite der Finanzwirtschaft der Unternehmung zu leisten. Hierzu hat der Verf. i n einer Buchbesprechung kritisch Stellung genommen 8 . So ist zu sagen, die Betriebswirtschaftslehre zeigt erfreuliche Äußerungen echten geistigen Lebens und Schaffens, ihr Fundament ist gefestigter als vor 10 und 30 Jahren, ihre Einzelleistungen sind bemerkenswert, ohne sich durch unerträgliche Widersprüche aufzuheben, ihre Fachvertreter stehen i n fruchtbarem Gedankenaustausch (139), der begreiflicherweise wieder lebhafter ist als nach 1933. U m das Bildungsideal und Ausbildungsziel w i r d gerungen wie woanders i n Forschung, Lehre und Schule. Das ist gut. Und das wäre alles. 7
Vgl. H. Linhardt, Zur Objektbestimmung der Wirtschaftswissenschaften . . . , Zeitschrift für Betriebswirtschaft, M a i 1956. H. Linhardt, Buchbesprechung O. Bredt, Krise der Betriebswirtschaftslehre, Schmollers Jahrbuch. 1957. 8 K. Kolbe, Der Finanzbedarf, Düsseldorf 1956; hierzu Buchbesprechung von H. Linhardt, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschimg, 1957.
W i l h e l m Riegers Einfluß i n der jüngeren Betriebswirtschaftslehre* Objektverirrung oder Methodenstreit I n der periodischen Literatur der Betriebswirtschaftslehre sind seit einigen Jahren lebhafte Auseinandersetzungen i m Gange, die mittlerweile auch auf die Buchliteratur übergegriffen haben u n d für die sich nach und nach das Stichwort „Methodenstreit" durchgesetzt hat. I n diesem Streit, der eigentlich durch die Veröffentlichung des Hauptwerkes von Erich Gutenberg i n seinen bisher vorliegenden zwei Teilen 1 und durch die K r i t i k von Konrad Mellerowicz ausgelöst worden ist, geht es aber i m Grunde gar nicht u m die Methode, sondern u m das Objekt der Betriebswirtschaftslehre (140). Es handelt sich darum, ob die Unternehmung oder der Betrieb das Objekt ist; erst von hier aus entsteht die eine oder andere Methodenfrage. Es geht also nicht i n erster Linie u m die Anwendung der Mathematik oder der mathematischen Statistik, um das Verhältnis von Induktion und Deduktion, es geht auch nicht um die Ergiebigkeit des Betriebs Vergleichs oder der Bilanzanalyse, sondern es geht um die seit Jahrzehnten u n d bis zum heutigen Tag i n der Fachdisziplin nicht entschiedene Frage, ob die Unternehmung oder der Betrieb Forschungs- und Erkenntnisobjekt sei. Hinter dem sogenannten Methodenstreit verbirgt sich eine Verwirrung und Verirrung i m Objekt. Die Verwirrung ist jüngst durch mehrfache Äußerungen Gutenbergs, u. a. i n seinem Kölner Referat vom A p r i l 1955, i n seiner Berliner Ansprache vom Februar 1957, i n seiner Kölner Festrede vom Mai 1957 (sämtlich gedruckt) gesteigert worden. Denn bei sämtlichen Gelegenheiten vermied Gutenberg jede Unterscheidung von Betrieb und Unternehmung, er setzt beides gleich, sagt dies aber nicht, sondern sagt statt dessen „Betrieb oder Unternehmung, wenn Sie so wollen". Diese Gleichsetzung von Betrieb und Unternehmung ist falsch, weil damit die i n Wirklichkeit bestehenden Unterschiede übersehen oder geleugnet werden. Es sind Unterschiede i n der Sache, * Anläßlich des 80. Geburtstages von Wilhelm Rieger am 7. M a i 1958. Quelle: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 10. Jg., 1958, S. 143 bis 158. 1 Erich Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1: Die Produktion, 1951; Bd. 2: Der Absatz, 1955.
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nicht nur i n der Bezeichnung. Aber i n der Bezeichnung drücken sich diese Unterschiede durch die Fachbezeichnung „Privatwirtschaftslehre" statt „Betriebswirtschaftslehre" aus. Es gibt nicht nur i n Deutschland und i m deutschen Sprachbereich und i m übrigen Ausland, und zwar nicht nur dort, wo der Einfluß der deutschen Fachdisziplin gegeben ist, die Richtung und auch die Fachbezeichnung „Privatwirtschaftslehre" oder „Wirtschaftslehre der Unternehmung", Business Economics, Business Administration, „Theory of the Firm, Theory of Enterprise, Economics of Business Enterprise". (141) Für die Schweiz w i r d dies i n der kürzlich erschienenen „Gedenkschrift für Alfred Walther, Aktuelle Fragen der Unternehmung" (1957) eindrucksvoll dokumentiert. Aber damit auch hier der Pferdefuß, auf dem die Fachdisziplin einherschreitet, nicht fehlt, trägt die Gedenkschrift den Obertitel „Beiträge zur Betriebswirtschaftslehre". Die Unschlüssigkeit, zwischen Betrieb und Unternehmung i n der Objektbestimmung der Betriebswirtschaftslehre klar zu unterscheiden, was nicht hindert, beides zu seiner Zeit und an seiner Stelle wissenschaftlich zu behandeln, w i r d geradezu eine Kalamität, eine Misere. Wilhelm Rieger hat zur Klarstellung alles Nötige gesagt. Mag man i m Fach manche Zersplitterung bedauern, sie kann nicht behoben werden, solange man nicht dem Übel an die Wurzel geht und das Übel ist die trotz der Klarstellungen von Wilhelm Rieger und auch anderen Fachvertretern, wie Friedrich Leitner, Alexander Hoffmann, Erich Schäfer, W i l l i Prion, E.H. Sieber fortbestehende, ja sogar kultivierte und propagierte Unklarheit in der Unterscheidung von Betrieb und Unternehmung. Nach der von Rieger vorgenommenen, i n seinem Hauptwerk durchgeführten Abgrenzung zwischen Unternehmung und Betrieb und mit der für die Privatwirtschaftslehre charakteristischen Betonung der Unternehmung stellt diese nach Rieger den Mantel dar, während der Betrieb der Kern ist. Unbekümmert um die seitherige K r i t i k an seinen letzten Hauptschriften, unberührt von neueren Fachveröffentlichungen fährt Gutenberg fort, den Unterschied von Unternehmung und Betrieb zu bagatellisieren, als ob damit schon zuviel wertvolle Zeit vertan worden wäre. I n seinem Kölner Referat bei der Tagung der Institute zur Erforschung der Morphologie der einzelwirtschaftlichen Gebilde (vom 26.—29.4.1955), veröffentlicht Ende 19572, stellt Gutenberg wie bei anderen Äußerungen und Gelegenheiten wiederum Betrieb und Unternehmung unterschiedslos nebeneinander. Anläßlich der erwähnten Tagung sollte er über „Die 2 Tagungsbericht über „Die Morphologie der einzelwirtschaftlichen Gebilde", hrsg. von Prof. Gerhard Weisser, Göttingen 1957; vgl. Buchbesprechung vom Verf. in ZfhF 1958.
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Stellung der Unternehmensmorphologie i n der Betriebswirtschaftslehre" sprechen. Schon das Zentralthema der Tagung, nicht minder aber das Thema des Gutenbergschen Referates hätte solche Gleichgültigkeit in der Unterscheidung von Unternehmung und Betrieb oder eine trutzige Gleichstellung — „wenn Sie so wollen", um mit Gutenberg zu sprechen — ausschließen müssen. Statt dessen sagt Gutenberg: „ N u n sind es gerade die einzelwirtschaftlichen Gebilde, die Betriebe, die Unternehmen, die den Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre bilden." Aus dieser Gleichsetzung spricht m. E. Verlegenheit. Das Fach befindet sich seit Jahrzehnten i n dieser Verlegenheit und es kommt nicht aus ihr heraus, solange die von Rieger geforderte, von Schmalenbach verweigerte Auseinandersetzung über Betrieb und Unternehmung nicht erfolgt ist. Diese Verlegenheit beschleicht den Leser Gutenbergscher Ausführungen von Anfang bis Ende und sie steigert sich bei solchen Stellen wie den folgenden aus dem Kölner Referat (April 1955): „Denn es ist gerade die ökonomische Substanz der Betriebe oder Unternehmungen — wie immer Sie die einzelwirtschaftlichen Gebilde nennen wollen —, die nach einer betriebswirtschaftlichen Ordnung verlangt" (S. 22).
Ist es dieselbe Ordnung, ist es dieselbe ökonomische Substanz i n beiden Fällen? Ist es nur eine Geschmackssache, eine Namensfrage oder eine Angelegenheit der Definitionsfreiheit, diese oder jene Bezeichnung zu gebrauchen, diesen oder jenen Begriffsinhalt festzulegen, dieses oder jenes Objekt einer Disziplin zu bestimmen? Die Definitionsfreiheit einer wirtschaftswissenschaftlichen Disziplin wie der Betriebswirtschaftslehre w i r d durch den Allzusammenhang sämtlicher Teilobjekte dieser und aller anderen wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen und durch das wissenschaftliche K r i t e r i u m der Kontrollierbarkeit einer Aussage begrenzt. Gutenberg knüpft an eine Äußerung an, wonach „für Begriffe das K r i t e r i u m der Wahrheit nicht gilt", und sagt anschließend, es bestünde heute i n Wissenschaft und Praxis eine Fülle von Bestimmungen der Begriffe „Unternehmung" und „Betrieb" (142), ohne daß man sagen könne, daß sie richtig, noch daß sie falsch sind, wenn sie nur „für den Zusammenhang zweckmäßig gebildet sind, um dessen Analyse es geht". — Es gibt aber Grenzen der Definitionsfreiheit, nicht nur nach den Regeln der Logik, sondern auch nach den Gesetzen der Sprache, nach den Abgrenzungen und Wechselseitigkeiten aller Wissenschaften und nach der Tradition einer Teildisziplin. Gutenberg sagt weiter: „Jeder Betrieb (im umfassenden Sinn des Wortes) ist erstens ein soziales, zweitens ein technologisches und drittens ein ökonomisches Gebilde" (S. 26).
Diese Aufzählung darf wohl als erschöpfend verstanden werden; wenn man sich der kurz vorher erfolgten Gutenbergschen Aussage von
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der Emanzipation betriebswirtschaftlicher Systematisierung von der j u ristischen Systematisierung bewußt ist (S. 25), so w i r d man Gutenberg richtig dahin intepretieren, daß für ihn die ökonomischen und die juristischen Sachverhalte weit auseinander liegen. Wo bleibt bei Gutenberg der rechtliche Betriebsinhalt, der Betrieb als ein rechtliches Gebilde, geschaffen durch Arbeitsvertrag, Dienstvertrag, Werkvertrag, Kaufvertrag, Mietvertrag, Pachtvertrag, Darlehensvertrag, Gesellschaftsvertrag, Beteiligungsvertrag und die ganze Fülle des sonstigen Rechtes? Wo bleibt bei Gutenberg außerdem der rechtliche Inhalt der Gesamtwirtschaft, die Durchformung und Durchdringung durch das Recht? Wo bleibt bei dieser Art, die Betriebswirtschaftslehre zu vertreten, die sonst so vielgerühmte Einheit der Wirtschaftswissenschaften, die dann auch die großen Leistungen, die konstruktiven Ideen, die systembildenden Gedanken der deutschen Nationalökonomie m i t einzubeziehen hätte, Leistungen, die man nicht wegdiskutieren kann? Die Vertreter der modernen Wirtschaftstheorie in Deutschland, die gern und mit gutem Grund aus der angelsächsischen Fachliteratur ihre Grundkonzeption, Denk- und Verfahrensweise entnehmen, vergessen vielleicht, daß der angelsächsischen Grundkonzeption der Wirtschaftstheorie aus historischen, soziologischen und politischen Gründen diejenigen Elemente fehlen, welche die deutsche Nationalökonomie seit dem Merkantilismus und der Kameralistik enthält: die „Elemente der Staatskunst", wie bei Adam Müller; die Philosophie der Geschichte, des Rechtes, wie bei Wilhelm Hegel; die „Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen", wie bei Wilhelm von H u m boldt. Wenn J. M. Keynes sich durch ein K r i t e r i u m von der Fachliteratur seines Sprachbereiches klar unterscheidet, wenn er sich einem verständnisvollen Leserpublikum in Deutschland nach seinen wiederholten Äußerungen i n seinen Schriften besonders verbunden fühlte, wenn sogar der Versuch unternommen wurde, i h n unter die Neo-Merkantilisten einzureihen (143), so liegt es daran, daß in seiner Grundkonzeption der Staat ein anderes Gewicht hat als sonst i n der angelsächsischen Fachliteratur, wohingegen die Gesellschaft verblaßt (144), die Marktgesellschaft zurücktritt, der Markt an Eigengesetzlichkeit verliert. Daß dies alles m i t dem Verhältnis von Wirtschaft und Recht zu tun hat, liegt auf der Hand, auch, daß die Epigonen meist unverbindlicher polemisieren und unversöhnlicher argumentieren als der Meister. Die Sinnverbundenheit und Systembezogenheit von Wirtschaft und Recht ist beste deutsche, um nicht zu sagen europäische Tradition. Sie hat über die Aufklärung und Renaissance zur Wiederbelebung edelsten Geistesgutes der Antike und zu den gewaltigen Leistungen des Naturrechts und der Naturphilosophie, ja entscheidend zur Befreiung des europäischen Geistes
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aus erstarrten Formen und Fesseln geführt 8 . Gutenberg fährt in seinem Referat fort: „Diese drei Schichten so zu ordnen, daß aus ihnen eine funktionsfähige Betriebseinheit wird, ist die Aufgabe, die zu allen Zeiten in allen W i r t schaftssystemen gelöst werden muß" (S. 26).
Ist es, so muß man fragen, die gleiche Aufgabe i n der freien westlichen Welt, wie i n den Zwangsarbeitslagern der Sowjetunion? Ist es die gleiche Aufgabe i n der Tempelwirtschaft der Sumerer und Ägypter, in der Sklavenwirtschaft Athens und Roms? Was unterscheidet die Unternehmenslösung von solchen früheren, wie auch von anderen heutigen Lösungen? Doch die Freiheit des Lebens und der Person, die Freiheit des Willens und des Vertragsschlusses, die Freiwilligkeit vertraglicher Bindung und Verpflichtung i m Beruf wie i m Betrieb und so auch i m Aufbau, i n der Finanzierung und Disposition der Unternehmung. Die Unterscheidung, u m die es geht, ist die zwischen Unternehmung und Betrieb. Und dann muß es heißen: „Unternehmung, solange w i r die Freiheit der Wirtschaft, des Marktes, des Wettbewerbs, des Vertrags, der Person haben und behalten wollen." Und „Betrieb oder Unternehmung — wie Sie wollen", heißt es erst dann, wenn diese Freiheiten keinen Pfifferling mehr wert sind, wenn w i r nichts mehr zu wollen haben. Ist es nun Methodenmonismus, wie Löffelholz 4 meint, wenn man auf den Unterschied von Betrieb und Unternehmung pocht und ihn nicht preisgeben will? Erst kommt doch das Objekt und dann die Methode. Solange man aber zwischen Betrieb und Unternehmung nicht klar unterscheidet 5 , geht es nicht u m einen Methodenstreit, sondern um das Objekt. Was kann die Betriebswirtschaftslehre vom Betrieb nicht aussagen? Sie kann nicht erklären, wie ein Betrieb entsteht, warum er so oder so beschaffen ist, warum er dann und dann gegründet, weshalb sein Betriebsobjekt geändert wurde® (145). Die Betriebswirtschaftslehre kann nicht erklären, warum eine Schokoladenfabrik Bonbons und Pfefferminz herstellt, warum eine Brauerei Mineralwasser fabriziert, eine Eisenbahngesellschaft den Transport von Personen und Gütern durch Kraftwagen betreibt, warum Grundig-Fürth die Triumph-Werke i n Nürnberg, die Adler-Werke i n Frankfurt a. M. erwirbt, warum Oetker3 Vgl. Joseph Schumpeter, Zur Dogmen- und Methodengeschichte, Grundriß der Sozialökonomik, I. Abt., 1. Teil, 2. Aufl. 1924, S. 20—124; vgl. hierzu A. E. Brinckmann, Geist der Nationen, Hamburg 1943. 4 J. Löffelholz, Der Stand der methodologischen Forschung in der Betriebswirtschaftslehre, ZfB Nr. 9/1957, S. 479/80. 5 H. Linhardt, Grundlagen der Betriebsorganisation, Essen 1954, insbesondere Begriff „Vollmarktbetrieb", S. 28. ® Vgl. Maria Miller, Die Berücksichtigung von Geldwertschwankungen in Buchhaltung und Bilanz, Nürnberg 1932.
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Bielefeld unter die Schiffsreeder geht usw. usw. Nichts von alledem kann die Betriebswirtschaftslehre erklären, denn sie geht vom Betrieb als Erkenntnisobjekt aus, nicht von der Unternehmung, die auf Erwerb ausgeht und deshalb Betriebe gründet — vielleicht Tausende unter dem gleichen Namen, innerhalb der gleichen Unternehmung oder unter den kompliziertesten und höchst dauerhaften Systemen und Gebilden —, die Betriebe aufgibt, erweitert, stillegt oder zusammenlegt. Wie man es auch nimmt, am Kapital kommt man nicht vorbei und man w i r d als Wirtschaftswissenschaftler mit K a r l Marx nicht fertig, indem man das Wort Kapital nicht mehr gebraucht, wie ich dies seit Jahren bei Gutenberg, Lohmann u. a. nachgewiesen habe. Die Rieger-Schülerin Maria Miller schreibt: „Für die Unternehmung gibt es darum nur eines zu besorgen, nämlich vorzudringen bis zur Geldsphäre; damit ist ihr Interessenkreis geschlossen (a. a. O. S. 8 ) . . . Die Instrumente der kapitalistischen Rechnungsführung sind Buchhaltung und Bilanz (S. 9 ) . . . Das Kapitalkonto aber erscheint als Hauptträger des Geldrechnungsgedankens" (S. 12).
Man prüfe an Hand des 1951 erschienenen Buches von Schmalenbach „Die doppelte Buchführung" 7 , welche Rolle i n einer solchen Darstellung das Kapitalkonto spielt. Man w i r d es dort kaum mehr entdecken. Das ist konsequent. „Das Kapitalkonto aber erscheint als Hauptträger des Geldrechnungsgedankens" ..., schreibt eine Rieger-Schülerin i m Jahre 1932. Aber man möchte der Betriebswirtschaftslehre i m Jahre 1958 wünschen, daß sie der Rieger-Schülerin Maria Miller auf dem Wege folge, auf dem, wie sie sagt, die Unternehmung „vordringt bis zur Geldsphäre", natürlich i m Geist der Forschung und i m Sinne des Erkenntnisobjektes (146). Dann hätte die Betriebswirtschaftslehre die Ruhe gefunden, 'die man zum Forschen braucht, und würde nicht mehr den Eindruck machen, sie „zerflattere", wie Gutenberg in seinem Kölner Referat vom A p r i l 1955 sagt. Hier geht es nicht um Worte, sondern um die Sache, um das Objekt einer Wissenschaft, deren Aufgaben wachsen, deren Berührungen mit Nachbarwissenschaften sich verdichten, deren Leistungen von anderen Disziplinen, von wichtigen und einflußreichen Berufsschichten und von der Wirtschaftspraxis immer kritischer beurteilt werden. Es sind einige Rieger-Schüler mit einer neuen Schriftenreihe aufgetreten; sie veröffentlichten einige ihrer Schüler arbeiten 8 . I n dem von ihnen entwickelten Programm ihrer Schriftenreihe haben sie sich eindeutig für die Unternehmung i m Markt und für den Betrieb nur insoweit entschieden und zuständig erklärt, wie dieser als Glied oder Bestandteil 7 Vgl. hierzu die Buchbesprechung vom Verf. in „Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis", 3. Jg. 1951, S. 762. 8 Schriftenreihe: Die Unternehmung im Markt, Berlin seit 1955.
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der Unternehmung, nach Rieger als Kern, gegeben ist. Von hier aus kommt Löffelholz zur Anwendung seiner Ausdruckes vom „Methodenmonismus" und zur Ablehnung der hier angekündigten, nicht neuen, aber i n ihrer Absicht klaren Forschungsrichtung. Diese Rieger-Schüler sind der Meinung, daß mangels einer Abgrenzung zwischen Betrieb und Unternehmung die Betriebswirtschaftslehre ebenso i m Universum wie i m Kochtopf enden kann, und sie w i r d bei dem gegenwärtigen Betrieb u m so schneller „zerflattern", je schneller sie sich auf Universum und Kochtopf erstreckt. Die Ansätze hierfür sind da®. Je nach der Forschungsrichtung kann der neue Geistesflug vom Universum ausgehen u n d im Mülleimer enden oder umgekehrt. Die Objektbestimmung ist auch keine Sache der A r t und Zahl der Temperamente, wie Löffelholz mit Gutenberg meint (a. a. O., S. 555). Ob ein Forscher oder tausend Forscher mit mancherlei Eigenarten am selben Objekt arbeiten, ist sicher nicht gleichgültig, und es wäre wahrhaftig nicht gleichgültig, wenn i n Deutschland fünfzig Ordinarien und einige hundert Dozenten und Lehrbeauftragte der Betriebswirtschaftslehre den angeblichen Methodenstreit hinter sich brächten und den dahinter versteckten Objektstreit beilegen würden. Die zu Lebzeiten von Schmalenbach versäumte Auseinandersetzung mit Rieger ist nachzuholen. Gutenberg nimmt auch i n seinem Hauptwerk „Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre" (I und II) keinen anderen Standpunkt ein als den i n seinen jüngsten Äußerungen vertretenen. I m zweiten Band „Die Produktion" ist unter etwa 800 Stichwörtern des Sachverzeichnisses das Wort oder die Wortverbindung Kapital nur ein einziges Mal enthalten. Dort erscheint der Ausdruck „Kapitalerhaltung, Substantielle" mit dem Seitenhinweis 296, 297, und an dieser Stelle ist zu lesen: „Es ist deshalb durchaus möglich, daß sich auch bei einer Preisstellung auf Basis der Wiederbeschaffungskosten ein Verlust ergibt, und zwar ein echter Verlust i m Sinne des Prinzips der substantiellen Kapitalerhaltung." Für Gutenberg ist sonach ein echter Verlust ein solcher im Sinne der substantiellen Kapitalerhaltung, und für den echten Gewinn ergibt sich logisch dasselbe. Hieraus folgt, was Gutenberg i n seinen beiden A n sprachen in Berlin und Köln vom Jahre 1957 ausgeführt hat, seine Absage der nominalen Geldrechnung und Gewinnermittlung. (147) I n der „Mitteilung" der ZfhF (12/1957 S. 633) w i r d dargelegt, daß Gutenberg von seinem Lehrer Fritz Schmidt-Frankfurt mitunter fasziniert war. I n der Grundfrage der Geldrechnung und Gewinnermittlung, die 9 Hans-Achim Dubberke, Betriebswirtschaftliche Theorie des privaten Haushalts, Berlin 1958; vgl. hierzu H. Linhardt, Die Objektbestimmung der Wirtschaftswissenschaft, ZfB, Heft 4/1956; J. Fettel, Betriebswirtschaftslehre als Geisteswissenschaft, ZfB, April 1958.
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das Problem der Substanzerhaltung und steht Gutenberg eindeutig auf Seiten der gen Rieger und die von ihm vertretene nehmung und Betrieb, von Geldrechnung
der Scheingewinne einschließt, Geldwert-Umrechner, also geGrundanschauung von Unterund Gewinnermittlun'g.
Statt zu sagen „Betrieb oder Unternehmung — wenn Sie so wollen" — hätte Gutenberg an dieser Stelle sagen müssen: Ich kann nicht anders und muß zwischen Betrieb und Unternehmung schärfstens unterscheiden, ich muß einräumen, daß die Unternehmung der eigentliche Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre ist und der Betrieb nur soweit, wie er Teil oder Organ der Unternehmung darstellt. Da bei Gutenberg diese Unklarheit bestehen bleibt, w i r d sich die jüngere Generation auf ihre Weise damit auseinandersetzen müssen. Wie dies geschieht, soll an einigen Beispielen der jüngeren Fachliteratur gezeigt werden. Wilhelm H i l l veröffentlicht 1957 eine Schrift „Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft 10 . Er setzt sich darin mit Rieger so gut wie gar nicht auseinander, während sonst die Schweizer Fachliteratur sehr häufig auf ihn Bezug nimmt, überwiegend mit Zustimmung. Die einzige Erwähnung findet sich in der Anmerkung Nr. 20 zum IV. Kapital (S. 107), wo der Verfasser die unterschiedliche Behandlung von Unternehmung und Betrieb bei den verschiedenen Fachrichtungen erörtert, ohne jedoch sich selbst zu entscheiden und das Bedenkliche i n der uferlosen Ausweitung des Betriebsbegriffs bei W. Mahlberg, H. Nicklisch und E. Schmalenbach zu ahnen. I n meiner Buchbesprechung der Schrift von Wilhelm H i l l führe ich aus: „Obwohl der Verfasser die Geldrechnung als konstitutives Element des Betriebes würdigt und i m Nachweis von Aufwand und Ertrag das entscheidende Kriterium des Betriebes findet, kommt er nicht zu dem klärenden Entschluß, die Unternehmung, welche unter eigenverantwortlichem Kapitaleinsatz tätig ist, als einziges Objekt der Betriebswirtschaftslehre herauszuheben. Das Ergebnis seiner Untersuchung ist eine uneingeschränkte Anerkennung der Privatwirtschaftslehre im Sinne von F. Leitner, W. Rieger, A. Hoffmann u. a Der Verfasser dringt nicht zur letzten Klärung vor, weil er das von ihm grundlegend verwendete Begriff spaar: Aufwand und Ertrag nicht als Geldgrößen (148) für den Kapitaleinsatz der Unternehmung im Markt sieht, die mit ihr allein und mit keinem Betrieb sonst sinnvoll zu verbinden sind. Was ihn daran hindert, ist das womöglich unter Gutenbergs Einfluß geförderte Haften an der Güterwelt (S. 98, 117), von der Fr. List im Vorwort zu „Das Nationale System der Politischen Ökonomie" (1841, Neudruck Jena 1910, S. 29) sagt: „ . . . eure Güterwelt ist eine Chimäre."
Werner Muscheid widmet Rieger in seiner Veröffentlichung 11 „Schmalenbachs Dynamische Bilanz" eine eingehende Darstellung. Er nennt 10 Vgl. die Buchbesprechung vom Verf. in Schmollers Jahrbuch, 78. Jg., 1. Heft 1958. 11 Werner Muscheid, Schmalenbachs Dynamische Bilanz, Köln-Opladen 1957.
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d r e i K r i t i k e r Schmalenbachs, M a x L i o n , W i l h e l m Hasenack u n d W i l h e l m Rieger. L i o n s K r i t i k w i r d v o n M u s c h e i d als „ s c h e i n b a r - d e s t r u k t i v " , Hasenacks K r i t i k als „ k o n s t r u k t i v " , Riegers K r i t i k als „ d e s t r u k t i v " bezeichnet ( V o r w o r t ) . H i e r ist z u fragen, ob eine d e s t r u k t i v e K r i t i k n i c h t d a n n w i r k l i c h k o n s t r u k t i v ist, w e n n sie z u r a l s b a l d i g e n B e s e i t i g u n g s c h w e r w i e g e n d e r F e h l e r u n d b e d e n k l i c h e r I r r t ü m e r i n der K o n s t r u k t i o n eines Gedankengebäudes b e i t r ä g t , welches d e n W e g wissenschaftlicher E r k e n n t n i s sonst v e r b a u e n w ü r d e . Ebenso ist z u fragen, ob eine k o n s t r u k t i v e K r i t i k n i c h t d a n n w a h r h a f t d e s t r u k t i v ist, w e n n sie d i e Wesensunterschiede z w e i e r A u t o r e n ü b e r k l e b t u n d ü b e r k l e i s t e r t , w o es a u f H a u e n u n d Stechen 1 2 (149) gehen m u ß . Muscheids L e h r e r W i l h e l m Hasenack k o m m t b e i einer solchen E t i k e t t i e r u n g der K r i t i k e r Schmalenbachs a m besten w e g , m e i n L e h r e r W i l h e l m Rieger a m schlechtesten, u n d der n a m h a f t e K r i t i k e r M a x L i o n k o m m t eben noch g l i m p f l i c h d a v o n . M u s c h e i d l ä ß t Riegers Sonderschrift „ U b e r G e l d w e r t s c h w a n k u n g e n " ( S t u t t g a r t 1938) beiseite. D a r i n steht, w a s l a n d l ä u f i g e Fehlansicht e n i m F a c h u n d n i c h t n u r solche ü b e r R i e g e r b e r i c h t i g e n w ü r d e . I m V o r w o r t z u d e r g e n a n n t e n S c h r i f t h e i ß t es b e i Rieger: „ V i e l m e h r l i e g t der A u s g a n g s p u n k t nach w i e v o r b e i der K r i t i k v o n Schmalenbach u n d seiner A r t der G e l d w e r t k o r r e k t u r " (S. I V ) . E i n i g e Z e i l e n später h e i ß t es w e i t e r : „ W e n n i c h m i r d e n S t a n d der D e b a t t e überlege, so d r ä n g t sich
12 Anmerkung von Professor W. Hasenack, Herausgeber der BFuP: Ich bin der Meinung, daß es in der Wissenschaft dort niemals auf Hauen und Stechen um jeden Preis ankommt, wo es um sachliche Klärung geht, an der auch Rieger mit Recht immer so viel liegt. Hauen und Stechen à tout prix pflegt immer nur dann „Panier" zu sein, wenn Gegensätze, die vielleicht echt, vielleicht auch nur scheinbar sind, dogmatisch überspitzt werden und dann leicht zu Grundbegriffeleien führen. Von diesem Aspekt aus muß ich es, bei aller Hochschätzung der ehrsamen Anstreicherzunft, ablehnen, daß ich Wesensunterschiede zwischen Schmalenbach und Rieger „überklebe und verkleistere". Rieger hat mir nach Lektüre des manche Zusammenhänge klärenden Buches von Muscheid geschrieben, er sei selbstverständlich nicht mit allem einverstanden (ich habe Rieger gebeten, in der BFuP ausgiebig Stellung zu nehmen), daß aber diese aus meinem Seminar hervorgegangene Doktorarbeit die erste Kritik an seinen Auffassungen sei, die er ernst nähme. Daß die antikritische Stellungnahme von Rieger trotzdem, seiner erfreulichen Natur gemäß, eine frisch-fröhliche Husarenattacke mit messerscharf geschliffenen Säbeln sein wird, ist selbstverständlich und sogar zu erhoffen; bestimmt wird sie aber auch die Dinge sachlich weiter klären, und zwar wünschenswerterweise nicht allein in dem „methodenmonistischen" Sinn: „Wer nicht für mich, der ist wider mich." I m übrigen habe ich bei der Entstehung der Doktor-Arbeit von Muscheid gegen jene Etikettierung dem Doktoranden gegenüber schwere Einwände erhoben, schon weil der Gegensatz „konstruktiv/destruktiv" erst von einem wertenden Aspekt aus I n halt bekommt und „Standpunkt"-Begriffe zugrunde liegen. Aber es ist nicht die Aufgabe des Doktorvaters, einem jungen Wissenschaftler Meinungen zu oktroyieren, ganz besonders dann nicht, wenn es sich, wie bei Muscheid, i m großen und ganzen um mit Akribie belegte, an den Quellen gewissenhaft nachgewiesene Auffassungen handelt, nicht um ein besseres oder schlechteres „Wegkommen" der besprochenen Autoren, von dem Linhardt spricht.
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m i r immer mehr die Überzeugung auf, daß hier der Dialektik eine besonders schwere und dankbare Aufgabe zufällt; mit der bloßen Darstellung des Sachverhaltes ist es ganz und gar nicht getan." Diese Zeilen sind i m Oktober 1937 geschrieben. Seitdem häufen sich die Beispiele i n der Fachliteratur, die von Riegers Gedanken, von der A r t und dem Gegenstand seiner Beweisführung nicht die geringste Notiz nehmen und nach wie vor den Scheingewinn, die Substanzerhaltung, die Geldwertkorrektur usw. i n einer prä-Riegerschen Manier traktieren. Rieger ist ein Denker, der die i n letzter Zeit so oft erhobenen Klagen über den Verlust des Organischen, der Ganzheit u. dgl. verstummen lassen müßte. Seine organische, ganzheitliche Denkweise ist i n seinem Hauptwerk (1928) unverkennbar, ist aber durch Entstellung und Verschweigen verschüttet. Leider ist es ein fast unbekannter Rieger, der von der Unteilbarkeit des Lebens, vom Fluß der Ereignisse, von der Rücksicht auf die anderen schreibt, der auf die Zusammenhänge, die zeitlichen Gegebenheiten, die Umstände, die Umwelt hinweist, wie man aus seinem Werk über Geldwertschwankungen, z. B. S. 6, 30, 37, 45, 58, 75 nachweisen kann. Rieger erhält durch die jüngste Veröffentlichung von K a r l Hax „Die Substanzerhaltung der Betriebe", K ö l n 1957, eine neue Aktualität. Bei Hax ist Riegers Buchveröffentlichung über „Schmalenbachs dynamische Bilanz" i m Literaturverzeichnis nicht enthalten und es fehlt auch die i n Riegers „Über Geldwertschwankungen" erwähnte Schülerarbeit von Maria Miller (1932). I n der Erwiderung von Hax auf eine höchst unsachliche Buchbesprechung seines jüngsten Werkes i n der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen (v. 15.3.1958) legt Hax dar, daß er hier in eine geistige Auseinandersetzung mit Rieger eintreten mußte. Er sagt: „Diese Konzeption ist der Gedankenwelt von Fritz Schmidt, der jede Bindimg an Nominalwerte grundsätzlich ablehnte, völlig fremd, sondern ist im Gegenteil entscheidend durch die Kritik Riegers beeinflußt, die sich nicht nur gegen Schmalenbach, sondern noch viel eindeutiger gegen die Bilanzauffassung Schmidts richtete... Jeder Kenner wissenschaftlicher Arbeitsweise wird jedoch vom Autor erwarten, daß er auf die effektiven Ausgangspunkte seiner theoretischen Überlegungen hinweist, und das sind nun einmal bei mir die Untersuchungen Schmalenbachs, Walbs und Riegers 13 ."
Hax steht hier auf dem Boden der Kölner Tradition, wie sie von Schmalenbach geschaffen worden ist, und steht in der gleichen Gedankenrichtung mit Gutenberg. Weder Hax noch Gutenberg nehmen an den Schriften von Rieger Anstoß, keiner nennt die beachtlichen Veröffentlichungen von Rieger-Schülern (M. Miller, W. Braun, E. Enderlen, 18 Zuschrift von K a r l H a x an die Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, abgedruckt in Heft 6 v. 15. 3.1958, S. 211.
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H. Holzer u. a.). Gutenberg spricht in seiner Kölner Festrede davon, daß sich die Betriebswirtschaftslehre vor allem durch drei Anlässe zur Wissenschaft entwickelt habe: durch das Problem der Geldentwertung, durch das Kostenproblem (150) und durch die Marktforschung. Von dem erstgenannten Problem sagt Gutenberg, eine schwere Zeit wie die der deutschen Inflation 1922/23 habe i n der Betriebswirtschaftslehre 'große Männer gefunden, die ihr gewachsen waren 14 . M i t Hax und Gutenberg sieht der überwiegende Teil der Fachvertreter i n der literarischen Produktion zum Problem „Geldentwertung und Bilanz" hervorragende Leistungen des Faches. M i t Rieger bewerte ich diese angeblichen Leistungen völlig anders, nämlich negativ (151). Von der Bilanztheorie, i n der man ebenfalls große Leistungen des Faches erblickt, habe ich i n meinem Referat bei der ersten Tagung des Verbandes der deutschen Hochschullehrer der Betriebswirtschaftslehre nach Kriegsende (Frankfurt 1948) gesagt, die Bilanztheorie sei die Sackgasse, i n die die Betriebswirtschaftslehre geraten sei und aus der sie herausgeführt werden müsse 15 . Zur herrschenden Kostenlehre und ihren Hauptirrtümern und Einseitigkeiten habe ich i n der Mellerowicz-Festschrift (1951) einige A n merkungen gemacht, die i n der Schweizer Fachwelt ausführlich kommentiert, i n der deutschen Literatur seit Jahren mit keiner Silbe erwähnt worden sind, ausgenommen in der Habilitationsschrift von Johannes Fettel „Marktpreis und Kostenpreis", Meisenheim, 19541®. Kehren w i r noch einmal zu Muscheid zurück. Er glaubt, die Einwendungen Riegers gegen die Schmalenbachsche Auffassung über die Geldwertschwankungen beiseite lassen zu können, weil Rieger hierüber eine selbständige Veröffentlichung gebracht hat. Aber gerade dieser Teil der Riegerschen K r i t i k gehört zu seiner Stellungnahme gegenüber Schmalenbach und seinem umfangreichen wissenschaftlichen Anhang, der die Geldwertkorrektur akzeptiert, die Bilanzumrechnung für möglich hält, den nominalen Charakter der Geldrechnung und der Gewinngröße bestreitet. Die Äußerungen von Gutenberg und die Buchveröffentlichung von Hax geben diesen Fragen eine neue Aktualität. Muscheid hätte gut daran getan, sie breiter zu erörtern. Er w i r f t Rieger vor, nicht genügend in die Gedankenwelt Schmalenbachs eingedrungen zu sein und die zahl14 E. Gutenberg, Festrede anläßlich der Gründungsfeier der Universität Köln, gehalten am 22. 5. 1957, gedruckt beim Scherpe-Verlag Krefeld, 1957. 15 H. Linhardt, Die Stellung der Betriebswirtschaftslehre an den deutschen Hochschulen, Der Betrieb, Januar 1949. 18 H. Linhardt, Kosten und Kostenlehre, Beitrag zur Mellerowicz-Festschrift „Aktuelle Betriebswirtschaft", Berlin 1951.
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reichen A r t i k e l und Buchbesprechungen Schmalenbachs bei seiner K r i t i k nicht mit herangezogen zu haben, während er sich statt dessen zu sehr an den Buchstaben und die Formulierungen Schmalenbachs klammere und dabei ins Negative gerate. Dieser Einwand ist nicht berechtigt. Wenn ein Autor sich m i t dem Werk eines anderen Autors auseinandersetzt und dabei, wie der Titel ansagt, ein bestimmtes, einzelnes Werk behandelt, kann i h m nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe zahlreiche andere Veröffentlichungen mit Äußerungen und Ansichten i n der gleichen Sache außer acht gelassen17. Für die innere Geschlossenheit und Widerspruchslosigkeit eines Gedankengebäudes hat der Autor zu sorgen, dazu muß nicht der K r i t i k e r bemüht werden. Gerade bei Schmalenbach kommt man zu nichts, wenn man sich nicht bei einer ernstgemeinten K r i t i k auf eine einzelne Veröffentlichung beschränkt. Er und sein Schülerkreis sind jederzeit schnell zur Hand, den K r i t i k e r durch Hinweise auf andere Veröffentlichungen entkräften, wenn nicht widerlegen zu wollen. Helmut Koch hat i n seinem Gutenberg-Gedenkartikel zu dessen 60. Geburtstag i n der ZfhF (Dezember 1957) eine äußerst interessante Gedankenverbindung zwischen Rieger und Gutenberg hergestellt. Er sagt i m vorletzten Abschnitt einer gründlichen und ausführlichen Würdigung der wissenschaftlichen Leistungen Gutenbergs: „Der Gedanke aber, daß unser Fach lediglich als betriebswirtschaftliche Technik und als (durch empirische Forschung fundierte) Theorie, nicht aber als Normenlehre ein Instrument der Unternehmensführung darstellt, ist keineswegs neu. Wilhelm Rieger ist es gewesen, der der betriebswirtschaftlichen Forschung erstmalig mit dieser Konzeption der Betriebswirtschaftslehre als einer „wertfreien" Wissenschaft eine gültige Grundlage gegeben hat. Diese Konzeption, nicht aber die der normativen Betriebswirtschaftslehre, ist es, welche in sich — das zeigen die Untersuchungen auf den verschiedenen Gebieten der Unternehmungspolitik — die großen Leistungen in der bisherigen betriebswirtschaftlichen Forschung einordnen lassen."
Koch sieht eine innere Verwandtschaft zwischen Gutenberg und Rieger, sagt aber nicht, daß diese Verwandtschaft für den älteren Autor Gutenberg i n seinen neueren Ansichten nicht mehr gilt, wohl für den jüngeren Gutenberg i n seinen älteren Ansichten 18 . Bei dem jüngeren Gutenberg geht es, wie es der Titel seiner Habilitationsschrift von 1929 erkennen läßt, eindeutig um die Unternehmung. Da heißt es noch nicht: „Betrieb oder Unternehmung, wenn Sie so wollen." Bei dem älteren Gutenberg ist von der Unternehmung kaum noch die Rede und das Wort Kapital kommt kaum noch vor (s. o.). Irgendwelche 17 W. Rieger, Schmalenbachs dynamische Bilanz (1936): „Es handelt sich um die dynamische Bilanz, und um sonst gar nichts" (S. VI). 18 E. Gutenberg, Die Unternehmung als Gegenstand betriebswirtschaftlicher Theorie, Berlin 1929.
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erkennbaren Zusammenhänge mit der Riegerschen Gedankenwelt in Thema und Auffassung sind nicht mehr vorhanden. Eine andere Neuerscheinung, die sich an einigen Stellen mit Rieger beschäftigt, ist die Schrift von Adolf Moxter 1 9 : „Methodologische Grundfragen der Betriebswirtschaftslehre." Rieger ist dort an mehreren Stellen einseitig und voreingenommen beurteilt. So heißt es, der allenthalben anzutreffende Optimismus einer Konsolidierung der Disziplin sei durch Riegers „Einführung i n die Privatwirtschaftslehre" (1928) recht bald widerlegt worden: „Es war nicht so sehr sein hervorragender sachlicher Inhalt, der vielmehr kaum beachtet wurde, als seine Äußerungen über die methodologische Grundlegung des Faches, die nichts anderes als einen ,Rückfair i n die ,Privatwirtschaftliche Wissenschaft 4 darstellten und das Werk sehr rasch bekanntwerden ließen." I n der Feststellung dieses Rückfalles stützt sich Moxter auf A. Isaac (S. 22). Er sagt dann S. 72: „Tatsächlich fehlt es, nach den meisten Äußerungen in der Literatur zu schließen, bislang an einer klaren Vorstellung über das Wesen dieser gemeinwirtschaftlichen Betrachtungsweise. Doch warum haben diese Autoren das bislang Versäumte nicht nachgeholt, weshalb tragen sie nur (höchst brüchige) Gegenargumente zusammen, ohne auch nur den ernsthaften Versuch zu machen, in das Wesen dieser gemeinwirtschaftlichen Betrachtungsweise einzudringen, obgleich dies doch offenbar ihre Aufgabe — als Methodologen — und nicht so sehr die Schmalenbachs war? Diese A n sicht von der gemeinwirtschaftlichen Betrachtungsweise als einer bloßen Fassade kann daher nur aus einer Voreingenommenheit einerseits oder einer recht oberflächlichen Kenntnis der betriebswirtschaftlichen Literatur andererseits erklärt werden."
Dieser Textstelle ist eine Fußnote angefügt, i n der es heißt: „Es ist außerordentlich merkwürdig, mit welch einem geringen Aufwand man neuerdings Urteile über das Wesen der Betriebswirtschaftslehre zu fällen wagt." Das obige Zitat, worin durch Moxter die Beweislast umgekehrt wird, ist ausdrücklich gegen E. Preiser und E. H. Sieber gerichtet, die bei Moxter einmal für, einmal gegen Rieger zeugen sollen. W. Wittmann nennt i n seiner Veröffentlichung „Der Wertbegriff i n der Betriebswirtschaftslehre 20 " die Hauptschriften von Rieger, jedoch nicht seine Buchveröffentlichung „Über Geldwertschwankungen". Unter der „Darstellung nach Autoren" erscheint Rieger mit einer kurzen Würdigung, i n der es heißt: „Die Besprechung von Wert und Wertarten nimmt i n dem Lehrgebäude von Rieger keinen allzu großen Raum e i n . . . " Wittmann zitiert einige markante Sätze aus Riegers „Einführung i n die Privatwirtschaftslehre" und Schmalenbachs „Dynamische 10 Adolf Moxter, Methodologische Grundfragen der Betriebswirtschaftslehre, Köln 1957; vgl. hierzu die Buchbesprechung vom Verf. in Schmollers Jahrbuch 1957, 77. Jg., 5. Heft, S. 117.
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Bilanz" und sagt dann: „Es ist erstaunlich, daß gerade Rieger, der Schmalenbach wegen seiner verschiedenen Wertarten so heftig k r i t i sierte, i n seiner eigenen Lehre so verschiedene Tatbestände unter dem Terminus Wert zusammenfaßt." Wittmann führt dies näher aus an Hand des allgemeinen Wertes, der bei Rieger m i t dem Marktpreis zusammenfalle, an Hand des Sachwertes, der bei Rieger als Ausdruck für Güter zu verstehen sei, und an Hand des heutigen Wertes, der nach Wittmann „das Ergebnis einer gedanklichen Rechenoperation ohne festen Hintergrund darstellt" (S. 25); auf der letzten Seite seiner Veröffentlichung sagt Wittmann: „Der Wertbegriff enthält nichts, was man ohne Schaden für das sachliche Problem i n jenem Teil der Betriebswirtschaftslehre, wo man mit Ziffern und Zahlen arbeitet, als Teil einer Theorie oder gar Theorie für sich verwenden könnte" (S. 106). A m Ende staunt man, wie der Hax-Schüler Dr. W i t t mann so negativ über den Wertbegriff und doch so positiv über Schmalenbach urteilen kann, denn bei Schmalenbach sind die Wertbegriffe ein integrierender Bestandteil seiner Lehre, bei Rieger sind sie so erwähnt und behandelt, wie sie i n der Praxis vorkommen, ohne daß ihnen eine wissenschaftliche Bedeutung beigelegt würde. Bei der bereits erwähnten Gedenkschrift für Adolf Walther (Bern 1957) ist bemerkenswert, daß sie zwar als eine Sammlung betriebswirtschaftlicher Beiträge bezeichnet wird, aber überwiegend spezifische Themen der Unternehmungsführung, Unternehmungsrechnung und Unternehmungsdisposition enthält 21 . Hier ist eine Linie gezogen und durchge>halten, die Gutenberg nicht sehen w i l l . R. Zahnd, Bern, weist i n seinem Beitrag „Grundfragen der öffentlichen Unternehmung" darauf hin, daß der verstorbene Fachvertreter A. Walther i n Zusammenarbeit mit dem Nationalökonomen A. Ammon die Grenze zwischen der Privatwirtschaftslehre i m Sinne einer Wirtschaftslehre der Unternehmung und der Volkswirtschaftslehre herauszuarbeiten versucht hat. Das liegt ganz i n der Arbeitsrichtung von Wilhelm Rieger. Von den zahlreichen Erwähnungen i n der jüngsten periodischen L i teratur, die hier gar nicht hinreichend erörtert werden konnte, soll ein Zitat von Privatdozent Dieter Pohmer aus einem A r t i k e l „Betriebswirtschaftliche Bedeutung und Ermittlung der betrieblichen Wertschöpfung" i n der Zeitschrift für Betriebswirtschaft (März 1958) wiedergegeben werden. Pohmer schreibt: „Wie ist es aber möglich, daß man der Größe, die den Beitrag der einzelnen Unternehmung zum Volkseinkommen bestimmt, in der Betriebs20
1957.
W. Wittmann, Der Wertbegriff in der Betriebswirtschaftslehre,
Köln
21 Beiträge zur Betriebswirtschaftslehre, Aktuelle Fragen der Unternehmung, Gedenkschrift für Alfred Walther, Bern 1957.
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wirtschaftslehre bisher so wenig Aufmerksamkeit gewidmet hat? Diese Tatsache brauchte uns nicht zu erstaunen, wenn sich unsere Disziplin zu einer ,Privatwirtschaftslehre' entwickelt hätte, wie sie Wilhelm Rieger vorschwebt, in der die Unternehmung einseitig unter dem Blickwinkel des unternehmerischen Gewinnstrebens betrachtet wird. Folgt man indessen den modernen Lehrmeinungen, dann hat die Betriebswirtschaftslehre das Erkenntnisobjekt Wirtschaft mit der Volkswirtschaftslehre gemeinsam, und es fällt ihr im Rahmen der wirtschaftswissenschaftlichen Arbeitsteilung die Aufgabe zu, den Wirtschaftsablauf, ausgehend von den Zellen, d. h. den Betrieben und umgekehrt bis in diese Zellen hinein zu verfolgen" (S. 150). Was P o h m e r h i e r sagt, e n t h ä l t die Feststellung, daß m a n n i c h t ohne Schaden die U n t e r n e h m u n g als E r k e n n t n i s o b j e k t der B e t r i e b s w i r t schaftslehre aufgeben u n d n i c h t ohne V e r l u s t die E i n h e i t v o n V o l k s u n d B e t r i e b s w i r t s c h a f t s l e h r e schaffen k ö n n t e . D e r Schaden b e i V e r z i c h t der B e t r i e b s w i r t s c h a f t s l e h r e auf i h r eigenes E r k e n n t n i s o b j e k t , die U n t e r n e h m u n g i m M a r k t , ist e v i d e n t . U n t e r d e m T i t e l „ D i e U n t e r n e h m u n g i m M a r k t " erscheint seit 1955 b e i D u n c k e r u n d H u m b l o t , B e r l i n , eine S c h r i f t e n r e i h e , v o n der bisher v i e r B ä n d e erschienen s i n d 2 2 . Z u d e m ersten H e f t dieser S c h r i f t e n r e i h e h a b e n die Herausgeber — G e o r g B e r g l e r , Johannes F e t t e l , H a n n s L i n h a r d u n d E u g e n H . Sieber — e i n G e l e i t w o r t verfaßt, i n w e l c h e m das A r b e i t s p r o g r a m m der S c h r i f t e n r e i h e angezeigt ist. Das G e l e i t w o r t e n t h ä l t eine D a r l e g u n g des wissenschaftlichen Standortes der Herausgeber u n d eine A u f z ä h l u n g d e r j e n i g e n P u n k t e , i n denen sie sich v o n der h e r r schenden, n a m e n t l i c h der K ö l n e r R i c h t u n g , unterscheiden. D i e A n k n ü p f u n g a n Riegersches G e d a n k e n g u t i n diesem G e l e i t w o r t ist u n v e r k e n n b a r . D i e U n t e r n e h m u n g s t e h t h i e r ganz i m V o r d e r g r u n d , der B e t r i e b ist l e d i g l i c h als G l i e d u n d O r g a n der U n t e r n e h m u n g aufgefaßt. Es h e i ß t dort: „ . . . Als eigentliches Betriebsgeschehen kann das zwischen dem M a r k t geschehen liegende Blickfeld verstanden w e r d e n . . . Sonach kann die Bindung und Lösung der Marktbeziehungen, wie sie von der Unternehmung tausendfältig erfolgt, nach ihren zugrunde liegenden Überlegungen und Entscheidungen untersucht werden. Was dabei als richtig oder falsch, bekömmlich oder unzuträglich, günstig oder ungünstig festgestellt wird, ist dies stets im Sinne des Systemgerechten, Systembildenden, und das K r i terium dafür ist die Unternehmung im Markt. Der geistig gesicherte Standort der Unternehmung ist durch ihren rechtlich-ökonomischen Tatbestand lokalisiert... Eigenes Objekt der Betriebswirtschaftslehre ist die Erforschung des Betriebsprozesses... Die Unternehmung steht i m Markt, ruhend auf dem Boden der durch das Geld einheitlich und durchgängig organisierten Verkehrswirtschaft... Es kann einen systemindifferenten 22 Schriftenreihe: Die Unternehmung i m Markt: Bd. 1, H. G. Merkel, Theorie der Kapitalmarktpolitik, 1955; Bd. 2, F. Worret, Bankpolitik als Machtfrage, 1955; Bd. 3, K. Thomas, Ausleihungen, Diskontierungen und Wertpapiereinlagen der Kreditbanken, 1956; Bd. 4, H. Keinhorst, Die normative Betrachtungsweise in der Betriebswirtschaftslehre, 1956.
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Teil der Unternehmungswirtschaft nicht geben, denn die Unternehmimg besteht nur in der Marktwirtschaft, ihre Lebensäußerungen hängen von der Marktfreiheit a b . . . Dië Herausgeber versuchen den Systemcharakter der Unternehmungswirtschaft aus dem Systemcharakter der M a r k t w i r t schaft abzuleiten und die hierzu erforderlichen politischen und soziologischen, historischen und rechtlichen Voraussetzungen ins Blickfeld zu rücken."
H. Keinhorst weist in seiner Veröffentlichung i m Band 4 dieser Schriftenreihe nach, daß Eugen Schmalenbach neben J. F. Schaer, H. Nicklisch, W. Kalveram zu den Vertretern der normativen Betriebswirtschaftslehre zählt. Er begründet dies mit dem von Schmalenbach als wissenschaftliche Norm verwendeten Begriff der „Gemeinwirtschaftlichen Produktivität" und der Auffassung des Gewinns „als Ausdruck der Wirtschaftlichkeit" (S. 66, 74). Für Rieger sind rechtliche Tatbestände, soziologische Sachverhalte, historische Gegebenheiten, volkswirtschaftliche Überlegungen — anders wie für manche heutigen Vertreter des Fachs — jederzeit selbstverständlich gewesen, wie dies noch i n der lebendigen Tradition der deutschen Nationalökonomie bei solchen Repräsentanten wie Georg Friedrich Knapp, galt, i n dessen Umgang Rieger herangewachsen ist. Dort hat er gelernt, was unerbittliche Logik, Meisterung des Ausdrucks, Sinn der Wirtschaft, Wesen des Geldes bedeuten. Bei Wilhelm Rieger i n Nürnberg hat dies einer gelernt, der von sich selbst unmißverständlich bekennt, daß er mit allem was er zu denken, zu handeln und zu helfen vermochte, keinem Menschen, keinem Gelehrten so verpflichtet sei wie dem Lehrer Wilhelm Rieger: L u d w i g Erhard. Wenn Rieger keinen einzigen seiner Schüler anerkennen w ü r de, diesen könnte er nicht leugnen, m i t all seinen Schicksal und Geschichte gewordenen Leistungen. Er allein würde alle Enttäuschungen eines reichen Forscherlebens, dessen Früchte man jahrzehntelang vertrocknen ließ, wettmachen. I n entscheidender Stunde hat L u d w i g Erhard, allein auf sich selbst gestellt und gegen den Unverstand, ja sogar gegen den Haß einer ganzen Welt das getan, was Rieger i h n gelehrt hat. Er hat das Geld wieder zum alleinigen Bezugschein für die Ware gemacht und die i n Jahrzehnten mißhandelte Marktwirtschaft wiederhergestellt. So hat er auch den Unternehmer wieder zu Ehren gebracht, von dem man lange so sprach, wie es J. M. Keynes i n „Die wirtschaftlichen Folgen des Friedensvertrages" (dtsch. 1920) schildert. Erhard hat den unlöslichen Zusammenhang zwischen der Unternehmung und dem Unternehmer i n soziologischer Sicht, zwischen der Unternehmung und dem M a r k t i n ökonomischer Sicht, der i n der Betriebswirtschaftslehre sich zu verflüchtigen schien, erneut i m wissenschaftlichen Bewußtsein des Faches gefestigt. Männer der Tat haben mitunter einen nachweisbaren Einfluß auf Männer der Wissenschaft. Eduard Spranger sagt von Immanuel Kant, seine K r i t i k der praktischen Vernunft, sein kategori-
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scher Imperativ, sei unter dem Einfluß von Friedrich dem Großen konzipiert worden. Wo der Anschluß an den neuesten Stand der wissenschaftlichen Diskussion i m In- und Ausland gesucht w i r d — an sich keine originelle Bemühung, die schöpferische Leistung verlangt —, sollte der Blick i n die Wirtschaftswelt nicht unterbleiben, auch nicht der Griff ins volle Wirtschaftsleben.
Neue Tendenzen i n der Betriebswirtschaftslehre* Meine Ausführungen beschränken sich i n der Hauptsache auf Forschung und Lehre und gehen nicht näher darauf ein, wieweit die Betriebswirtschaftslehre Bildungsgut vermittelt und Ausbildungsaufgaben erfüllt. U m von den neuen Tendenzen sprechen zu können, muß mit einigen Worten die Hauptrichtung der alten Tendenzen gekennzeichnet werden. Als Periode der älteren Hauptrichtungen lege ich die Zeit von 1898 bis 1950 zugrunde und behandle i n kurzen Zügen die Periode seitdem. Ich versuche dabei, die Frage des Objekts mit einiger Ausführlichkeit, dafür aber die Frage der Systematik und der Forschungs- und Lehrmethode mit der gebotenen Kürze abzuhandeln. Die Betriebswirtschaftslehre (152) ist eine an Universitäten und Hochschulen vertretene geisteswissenschaftliche Disziplin. I n genau 60 Jahren ihres Bestehens hat sie wiederholt ihren Namen gewechselt. Die Disziplin nannte sich erst Handelswissenschaft, dann Privatwirtschaftslehre, schließlich Betriebswirtschaftslehre, wobei Wilhelm Rieger-Nürnberg, Alexander Hoffmann-Leipzig, Friedrich Leitner-Berlin nicht nur i n der Auffassung, sondern i n der Namengebung die Privatwirtschaftslehre in Vorlesungen und Veröffentlichungen beibehielten — i m Widerspruch zu Schmalenbachs Feststellung nach 1950, daß es eine Privatwirtschaftslehre i n Deutschland nicht mehr gäbe. Die Betriebswirtschaftslehre hat wiederholt ihren Hochschulschwerpunkt verlagert. Erst entwickelte sie sich an eigenen Handelshochschulen wie in Leipzig 1898, Frankfurt und K ö l n 1901, Aachen 1903, Berlin 1906, Mannheim 1907, München 1910, Königsberg 1915, Nürnberg 1919. Dann erfolgte entweder die Umwandlung solcher Handelshochschulen i n Voll-Universitäten mit 4, sogar 5 Fakultäten, wie i n Frankfurt und Köln, oder die Angliederung an Universitäten oder Technische Hochschulen am gleichen oder benachbarten Ort, wie in Mannheim und München, oder es folgte an älteren wie neueren Universitäten die Entwicklung vom betriebswirtschaftlichen Lehrauftrag, Lektorat und einzigen Lehrstuhl zu der vollausgebauten Disziplin mit 3 bis 5 Lehrstühlen, einer Reihe Dozenturen und Assistentenstellen und den erforderlichen Seminaren, Instituten und Prüfungseinrichtungen (153). Diese Entwicklung wurde i n Westdeutsch* Vortrag anläßlich des Verbandstages des Verbandes Deutscher DiplomKaufleute e. V. in Nürnberg am 2.11.1958. Abgedruckt in: Betriebswirtschaftliche Umschau, 29. Jg., 1959, Heft 1, S. 4—15.
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land mitbestimmt durch das Schicksal der Handelshochschulen Berlin, Königsberg, Leipzig. Während die Universitäten i n Deutschland noch nach dem ersten Weltkrieg die Betriebswirtschaftslehre nicht haben wollten und ihr Ansehen dadurch wahrten, daß sie dieser „Kunstlehre, Profitlehre, Kontorlehre", wie sie noch von Richard Ehrenberg, Lujo Brentano, Othmar Spann u. a. bezeichnet wurde, ihre Pforten verschlossen, glauben die Universitäten heute, ohne die Betriebswirtschaftslehre nicht mehr existieren zu können. Vor einigen Jahren erst haben die Universität Göttingen, die Universität Münster und jüngst auch die Universität Würzburg die Voraussetzungen zur Schaffung eines kaufmännischen Diploms erhalten. A n der neu errichteten Freien Universität Berlin, der neu ausgebauten Technischen Universität Berlin (früher TH), an der Universität Saarbrücken wurden die dafür notwendigen Voraussetzungen sogleich geschaffen. I m Verhältnis zur Volkswirtschaftslehre überschneiden sich die Tendenzen der Anlehnung zu Beginn, der Ablehnung und Auflehnung i n der zweiten Hälfte der älteren Periode. Die Detailarbeiten, wesentlich getragen von der Grundauffassung kaufmännischer Verwaltung i m Sinne der Handelstechnik, ergänzten sich m i t den ersten systematischen Versuchen von Josef Hellauer — System der Welhandelslehre, 1910 —, von Johann Friedrich Schär — Allgemeine Handelsbetriebslehre, 1911 — und Heinrich Nicklisch — Allgemeine kaufmännische Betriebslehre als Privatwirtschaftslehre des Handels und der Industrie, 1912. Neben der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre, die später durchaus neuartige Darstellungen gefunden hat, wie die von Gutenberg, 1929, W i l l i Prion, 1935, erfährt die Industriebetriebslehre eine vielseitige und geschlossene Darstellung; ich verweise auf M. R. Lehmann und W. Kalveram (154). Neben der Bankbetriebslehre, deren Stoffgebiete unter verschiedenen Bezeichnungen, wie Zahlungsverkehr, Banktechnik auftreten, erfahren auch andere Gebiete, die öffentlichen Betriebe, die Verkehrsunternehmen, das Handwerk, das Genossenschaftswesen eine spezielle Bearbeitung (155). I n der Handelsbetriebslehre w i r d das Gebiet der Personalverwaltung und Leistungskontrolle besonders vertieft (J. Hirsch, R. Seyffert u. a.). Zwischen 1925 und 1930, also dem Ende der Inflation und dem Auftakt der Weltwirtschaftskrise, erscheinen großangelegte Sammelwerke: Der Grundriß der Betriebswirtschaft, hrsg. von W. Mahlberg, E. Schmalenbach, F. Schmidt und E. Walb (7 von 16 geplanten Bänden); das Handwörterbuch der Betriebswirtschaft (l.Aufl. 1927); das sechsbändige Werk: Die Handelshochschule (l.Aufl. 1927); daneben w i r d die 1914 begründete Schriftenreihe von Gloeckners Handelsbücherei fleißig fortgesetzt; an verschiedenen Universitäten und Handelshoch-
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schulen erscheinen eigene Schriftenreihen. Die Zahl der Zeitschriften wächst und findet in der Wirtschaft zunehmende Verbreitung. Ich komme auf einige Fragen des Objektes der Betriebswirtschaftslehre. Heute wie früher herrscht keine Einigkeit i m Fach, was Forschungs- und Lehrgegenstand der Betriebswirtschaftslehre ist. Dies war schon in der ersten Periode bei den ersten systematischen Darstellungen vor 1914 der Fall. Die Neuauflage 1957 eines erstmalig i m Jahre 1923 erschienenen Aufsatzes von Rudolf Seyffert über „Begriff und Aufgaben der Betriebswirtschaftslehre" läßt alte Irrtümer wieder aufleben. Von Seyffert erfährt man, daß die Grundlinie der Entwicklung m i t J. Fr. Schär beginnt, über H. Nicklisch verläuft und bei Seyffert kulminiert. Einige Seiten- und Nebenlinien erscheinen wie Pünktchen am Horizont, darunter solche markanten Fachvertreter wie Friedrich Leitner, Fritz Schmidt, Eugen Schmalenbach. Die heutigen wie die ehemaligen Kölner Vertreter werden nur sehr vorsichtig erwähnt, E. Gutenberg und E. Kosiol mit keiner Silbe, K. Hax mit Ablehnung und eine ganze Reihe Nachwuchskräfte verschiedener Universitäten, auch des Auslandes, werden überhaupt nicht genannt. Für W. Rieger genügt ein zweisilbiges Wort, die Nennung seines Namens in der kleingedruckten Fußnote, und für W. Prion eine einzige Zeile auf der gleichen Seite (S. 30). Schär ist für Seyffert ein kleiner Vorläufer von Nicklisch, Nicklisch der große Vorbote von Sevffert. Als ob zwischen 1933 und 1945 nichts gewesen wäre, denn Seyffert hat schon 1925 seine Eingebungen gehabt, und, wie er jetzt sagt, „die Grundgedanken der ersten drei Auflagen beibehalten". Sevffert ist die Höhe und Vollendung des Faches — nach Seyffert. Die große Leistung des Faches besteht nach ihm in der Abkehr von der Rentabilität und i n der Entdeckung der Gemeinwirtschaftlichkeit, erst noch unklar bei Schär, 1911, dann prägnant bei Nicklisch, 1915, schließlich überdeutlich bei Schmalenbach, 1919. Hierzu sagt Sevffert (S. 48/49): „Geeen die einseitige Einstellung der betriebswirtschaftlichen Forschung auf die Rentabilität des Kapitals hat schon Schär (1911) durch die Einführung seines Idealbegriffes des Handels eine klare Stellung eingenommen . . . Daß es überhaupt nicht der Unternehmer, sondern die Betriebswirtschaft ist, die i n Lehre und Forschung i m Mittelpunkt zu stehen hat . . . : darauf als auf Kernfragen der Betriebswirtschaftslehre hat ausdrücklich zuerst Nicklisch... hingewiesen... Schmalenbach fordert als Prinzip alles Wirtschaftens das ökonomische Prinzip i m Sinne der gemeinwirtschaftlichen Wirtschaftlichkeit. Als ausschlaggebend w i r d also nicht die höchste Rentabilität des Betriebes, sondern die höchste Wirtschaftlichkeit seiner Dienstleistungen erkannt. Das heißt aber endgültige Abkehr von einer zweieinhalb Jahrhunderte lang gepflegten Tradition."
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Hierzu meine ich, 2V2 Jahrhunderte können weniger irren als drei prominente Vertreter i n einigen Jahren und ihr höchster Vollender in einer schwachen Stunde. Erst nennt Seyffert die Erforschung der Rentabilität des Kapitals eine einseitige Einstellung, dann spricht er von einem „Idealbegriff des Handels" — nicht etwa des Handelsbetriebes —, dann w i r f t er den Unternehmer hinaus und stellt die Betriebswirtschaft in den Mittelpunkt, um schließlich das ökonomische Prinzip, jenes ebenso oft genötigte wie mißdeutete Prinzip, welches nicht einmal der Nationalökonomie eigen ist, sondern den technischen Wissenschaften, den Naturwissenschaften ebenso angehört, mit gemeinwirtschaftlicher W i r t schaftlichkeit gleichzusetzen, über die er sich allerdings ausschweigt. Vorher aber führt er noch einen kleinen Trick vor, indem er plötzlich von der „höchsten" Rentabilität des Betriebes spricht und uns wiederum verschweigt, was die „höchste Wirtschaftlichkeit" ist. Ich w i l l es sagen. Höchste Wirtschaftlichkeit ist das Ansteigen der Kohlenhalden i m Ruhrgebiet auf über 10 Millionen Tonnen (156). Die Kumpels hauen, aber die Räder rollen nicht für den Abtransport. Höchste Wirtschaftlichkeit ist das Ansteigen der Autoproduktion bei BMW, der Zweiradproduktion bei NSU und anderswo, aber die Bankkonten zeigen kein Ansteigen der Guthaben aus Umsätzen und Erlösen. I n der Textilindustrie steckt man die Köpfe zusammen, weil man so günstig produziert hat und nicht weiß, wohin mit dem Segen der Produktivität. Es gibt noch ein anderes Beispiel, worüber die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28. Oktober 1958 (S. 13) unter der Überschrift: „Prämien für UnWirtschaftlichkeit" berichtet. Dort heißt es: „Vor zwei Jahren ist i n Nordrhein-Westfalen eine Verordnung i n Kraft getreten, die die Gehälter der Leiter kommunaler Verkehrs- und Versorgungsbetriebe von technischen Schlüsselzahlen abhängig macht. Die Höhe des Gehaltes richtet sich nicht etwa nach den Leistungen des Betriebsleiters oder dem finanziellen Erfolg des Eigenbetriebes, sondern nach der Zahl der beförderten Personen, nach der in Kilowatt gemessenen Menge von verfügbarem Gas oder Wasser. Je größer der Absatz — gleich zu welchen Preisen —, je höher werden die Bezüge der die kommunalen Eigenbetriebe leitenden Beamten... Dadurch w i r d ein Anreiz geschaffen, die vielfach unwirtschaftliche Produktion nicht etwa einzuschränken, sondern noch auszudehnen." Die Väter dieser Verordnung müssen in K ö l n studiert haben. Die Sache ist zwar simpel und man könnte darüber lachen, wenn ihr nicht von Seyffert 1957 unter seinem Siegel die wissenschaftliche Beglaubigung ausgestellt wäre. Die Vertreter der gemeinwirtschaftlichen W i r t schaftlichkeit müssen die Faulheitsprämie an die bequemen Leiter schlechter Betriebe als echte Leistungsprämie gelten lassen. Folgt man der gemeinwirtschaftlichen Wirtschaftlichkeit, so gibt es noch einen
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schnelleren Weg, der außerdem widerspruchsloser als die Auszehrung eines Betriebes durch Preisunterbietung und Kostenunterdeckung i m Laufe von Jahren ist, nämlich den Weg, Geld mit leichter Hand unter die dafür stets empfängliche Menge zu streuen. Wer hingegen die Unternehmung zum Objekt der Disziplin macht, wer, wie die Rieger-Schülerin Maria Miller 1 i n ihrer Schrift 1932 es ausdrückte, die Unternehmung allein darum besorgt sein läßt, „bis zur Geldsphäre vorzudringen", stößt unausweichlich auf die Rentabilität als dem einzigen, klar definierbaren Ziel der Unternehmung. Dies ist noch immer die unwiderlegte Ansicht von Wilhelm Rieger, wie er sie i n seiner „Einführung i n die Privatwirtschaftslehre" 1928 dargelegt hat und wie sie auch heute nicht nur von einer Anzahl seiner Schüler auf Lehrstühlen an verschiedenen Universitäten, sondern auch von anderen Fachvertretern i m In- und Ausland für richtig gehalten w i r d (157). Es ist die Ansicht, die einer Gruppe von Herausgebern 2 wie Georg Bergler, Johannes Fettel, Eugen H. Sieber zusammen mit mir zugrunde liegt und von der aus eine Unterscheidung von Lehrmeinungen in einer kürzlichen Schülerarbeit Berglers, dem Buch von Hermann Keinhorst: „Die normative Betrachtungsweise i n der Betriebswirtschaftslehre", 1956 entstanden ist. Keinhorst ist in einigen ähnlichen, fast gleichzeitig erschienenen Arbeiten von A. Moxter, W. Wittmann, W. H i l l noch nicht berücksichtigt, er ist in den Einführungsschriften dieses Jahres von Erich Gutenberg und Erich Schäfer leider auch nicht behandelt, hat aber bei J. Löffelholz 3 i n der „Zeitschrift für Betriebswirtschaft" und Curt Sandig 4 in der Hasenack'schen Zeitschrift wegen der Einreihung Schmalenbachs als Normativist i m einen Fall und wegen der Beurteilung von H. Nicklisch und F. Findeisen i m anderen Fall offensichtlich Groll erregt und Ärgernis gegeben. Hierzu stelle ich fest: I n der Wissenschaft gibt es keine Entnazifizierung, wie es auch i n der Wissenschaft des Dritten Reiches nicht jenen Gewissenszwang gab, der dazu nötigte, den Führer zu glorifizieren und die nationalsozialistische Wirtschaft als die einzig mögliche und einzig richtige zu preisen. Die Privatwirtschaftslehre, die nach Schmalenbach wenigstens für Deutschland endgültig tot ist, lebt nicht nur unter diesem Namen i n Vorlesungsverzeichnissen und Buchtiteln, sie lebt auch 1 Maria Miller, Die Berücksichtigung von Geldwertschwankungen in Buchhaltung und Bilanz, Nürnberg 1932, S. 8. 2 Schriftenreihe „Die Unternehmung im Markt", seit 1955, Verlag Duncker & Humblot, Berlin. 3 J. Löffelholz, Der Stand der methodologischen Forschung in der Betriebswirtschaftslehre, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Nr. 9/1957, S. 479/80. 4 C. Sandig, Besprechungsaufsatz zu H. Keinhorst, Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, Oktober 1958.
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i n einer Anzahl gegenwärtiger Vertreter, nicht nur des Inlandes, sondern auch des Auslandes, nicht zuletzt in der Schweiz. I h r unstreitbarer Vorteil ist die Sicherung des Objektes durch eine scharfe Begrenzung gegenüber jedem nicht auf Erwerb gerichteten Betrieb, durch die Begrenzung der Umwelt der Unternehmung auf die Marktwirtschaft, durch die zentrale Behandlung des Kapitals als Bestand und Prozeß i m Geschehen wirtschaftlicher Handlungen und i n ihrer Erfassung, Begleitung und Auswertung durch die kapitalistische Unternehmungsrechnung als Bestands- und Bewegungsnachweis (158). Geht man von der Unternehmung i m Markt aus und vorher vom Markt in der Verkehrswirtschaft und vorher von der Verkehrswirtschaft i n der Sozialwirtschaft, so ist die Verkehrswirtschaft Gegenstand der Volkswirtschaftslehre, die Unternehmung hingegen Gegenstand der Privatwirtschaftslehre, die Sozialwirtschaft Gegenstand beider Disziplinen. Die Privatwirtschaftslehre vollzieht nicht nur eine scharfe Abgrenzung des Objektes, sondern zugleich eine Reduktion der Empirie, eine Selektion empirischer Erscheinungen, eine Typisierung der Betriebsarten i n Rahmen der Unternehmung. Nach einer solchen Abgrenzung und Bestimmung erfolgt die Analyse des Betriebes als Glied und Bestandteil der Unternehmung i n zweifacher Hinsicht, nämlich als Erfassung der Kapitalgrößen und ihrer Gliederungen, Relationen und Proportionen und als Erfassung des Kapitalprozesses. Das eine ist Ausgangspunkt, das andere ist Fortgang. Das eine dient dem Bestand oder Befund, somit der Statik des Betriebes, das andere dient dem Geschehen oder Ablauf, somit der Dynamik des Betriebes. I n der ersten Betrachtung ist die Frage nach der Struktur gestellt, in der zweiten Betrachtung die Frage nach der Konjunktur. Die erste Frage geht darum, wie man sich einrichtet und ausrüstet, die zweite darum, wie man sich m i t dem verhält, was man hat. I n diesem Verhalten steckt das Problem der Anpassung oder Elastizität, des Ausgleichs von Schwankungen, wie sie der Markt mit sich bringt. (159) Schließlich trifft die wissenschaftliche Betrachtung i m Betrieb auf zwei letzte Elemente — Kapital und Arbeit. Nur i n der lebendigen Betriebseinheit, die auf dem Zusammenwirken von Kapital und Arbeit beruht, geht jener Prozeß vor sich, durch den Kapital aus Arbeit entsteht, Arbeit i n Kapital verwandelt wird. Das ist eine alte Weisheit, keine neue wissenschaftliche Erkenntnis. Ich habe sie hier näher dargelegt, weil sie in einer Reihe neuerer und grundlegender Veröffentlichungen, wie i n den beiden letzten Hauptwerken von Erich Gutenberg, aber auch i n der zweiten Auflage von Martin Lohmann „Einführung i n die Betriebswirtschaftslehre", 1955, und in der Grundhaltung solcher Fachvertreter wie W. Hasenack und E. Kosiol fehlt. Daß das Kapital das Zentralpröblem unserer Disziplin ist, das ist die Meinung der Privatwirtschaftslehre,
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aber auch die Ansicht solcher Volkswirte wie Werner Sombart, Joseph Schumpeter, Johann Plenge, A r t h u r Spiethoff, Franz Oppenheimer, Robert Liefmann. Der Wirtschaftshistoriker Edgar Salin sagt i n seiner „Geschichte der Volkswirtschaftslehre", 4. Aufl., 1951 (S. 197): „Wenn aber aus diesem Grunde heute wieder einmal die Neigung besteht, Begriffe wie ,Kapitalismus' und dergleichen zu vermeiden, so ist demgegenüber zu betonen, daß nicht Flucht vor der Wirklichkeit, sondern K l ä rung die Möglichkeit und das Ziel der Theorie ist." Es gibt eine gegenwärtige Tendenz, wie sie etwa E. Kosiol vertritt — bei Hasenack klingt sie an —, den Betrieb jeder A r t zum Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre zu machen. Legt man, wie es Seyffert u. a. tut, das ökonomische Prinzip zugrunde, dann muß man für die Betriebswirtschaftslehre folgerichtig fordern, daß sie zur Grundwissenschaft aller Wissenschaften wird, zur umfassenden Universalwissenschaft, i n der die Philosophie und Naturwissenschaft und alles übrige nur noch Sonderabteilungen bilden können. Dann hätten w i r es wirklich weit gebracht — „bis an die Sterne weit". Kosiol hat i n einer Schülerarbeit eine „Betriebswirtschaftliche Theorie des privaten Haushaltes" schreiben lassen. Verfasser Hans-Achim Dubberfce, erschienen 1958. Er sagt i m Vorwort, für ihn sei es selbstverständlich, daß auch der private Haushalt zum Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre gehöre. Die gleiche Meinung w i r d auch von Hasenack und Seyffert vertreten und von anderen geteilt. Ja, man sieht sogar i n der wissenschaftlichen Behandlung des privaten Haushalts eine künftige Entwicklungsrichtung und wichtige Aufgabe des Faches. Seyffert hat dafür auch den passenden Namen, das zehnsilbige Wort: Konsumtionsbetriebswirtschaftslehre neben der Produktionsbetriebswirtschaftslehre und der Distributionsbetriebswirtschaftslehre (S. 20). Es stand nicht immer so schlecht m i t der Objektbestimmung, aber es steht auch nicht gänzlich hoffnungslos. K a r l Hax hat sich deutlich gegen die Einbeziehung des Haushalts ausgesprochen, ebenfalls Albert Schnettler. I n seinem Jubiläumsbeitrag zur Festnummer der Zeitschrift „Die Wirtschaftsprüfung" i m September 1948 zum 75. Geburtstag von Eugen Schmalenbach bestimmt Hax das Objekt der Betriebswirtschaftslehre wie folgt: S. 3: „Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre ist die gesamte Wirtschaft." S. 4: „Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre ist also der Wirtschaftsbetrieb." S. 5: „Die Betriebswirtschaftslehre ist also eine Lehre von den Unternehmungen." Na: „Also". Ein bißchen Spielraum w i l l ja schließlich jeder haben, und man muß ein paar Schritte vor und zurück können, um einparken und ausfahren zu können. Jedenfalls versteht Hax den W i r t schaftsbetrieb als Produktionsbetrieb i m weitesten Sinn, nicht als Kon-
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sumbetrieb oder Haushalt, und er sagt noch: „Die Betriebswirtschaftslehre hat ihren Arbeitsbereich insofern noch enger gefaßt als sie sich lediglich mit den Unternehmungen beschäftigt." I n einer neusten Veröffentlichung des gleichen Autors, seinem Beitrag über „Die langfristigen Finanzdispositionen", Bd. 1 „Betriebswirtschaft" des von ihm gemeinsam mit dem Kölner Volkswirt Theodor Wessels herausgegebenen Handbuchs der Wirtschaftswissenschaften ( l . B d . 1958), bringt es wohl das Stoffgebiet mit sich, daß Hax sich hier mit der Unternehmung eindeutig und nahezu ausschließlich beschäftigt. Den gleichen Standpunkt kann er allerdings in seinem Einzelwerk „Substanzerhaltung der Betriebe", 1957, nicht aufrechterhalten. Er sagt dort i m Vorwort: „Daraus ergeben sich aber erhebliche Schwierigkeiten, weil die Methoden der Unternehmungsrechnung, soweit sie i m Handelsund i m Steuerrecht fundiert sind, nach einer reinen Geldkapitalrechnung h i n ausgerichtet sind." Er meint, man habe „das Problem bisher nicht i n voller Klarheit erkannt" und w i l l i n seiner Arbeit versuchen, „das grundlegende Problem des Einbaus einer Substanzrechnung i n die traditionelle Geldkapitalrechnung systematisch zu analysieren und darzustellen". Er hat nicht gesagt: Das Problem zu lösen. Es ist nicht zu lösen. Man kann i n die Geldrechnung keine Substanzrechnung einbauen und man w i r d die Geldrechnung weder dem Handelsrecht noch dem Steuerrecht zur Last legen können. Das liegt i n der Sache, nämlich i m Wesen des Geldes, i n der unverrückbaren Gültigkeit des so und so oft an- und umgestoßenen Satzes Mark = Mark. Es ist ein Fundamentalsatz unserer Rechtsordnung, und die Rechtsordnung ist das Fundament des W i r t schaftsverkehrs. Der Satz bedeutet, daß ohne Rücksicht auf Kaufkraftveränderung der Schuldner mit dem gleichen Nennbetrag zurückzahlt, der Jurist fügt hinzu — mit befreiender Wirkung; der Betriebswirt kann zum Uberfluß hinzufügen: und ohne Rücksicht auf Preisverschiebungen, d.h. Kaufkraftveränderungen des Geldes. Offenbar ist dies ein ganz anderer Sachverhalt als er i m Tauschverhältnis des Geldes zur Ware tagtäglich oder jahraus jahrein beobachtet werden kann. Die Unternehmungsrechnung ist nicht nur traditionell, wie Hax sagt, eine Geldrechnung, sie muß dies für immer bleiben. Das gilt nicht nur für den Niederschlag des Materialeinsatzes, Lagerbestandes und Lohnaufwandes, für die detaillierte Erfassung des Produktionsprozesses, es gilt für sämtliche kurz- und langfristigen Kreditverhältnisse i m Soll und Haben, vom heute fälligen Wechsel bis zu der i n 30 oder 50 Jahren fälligen Hypothek oder Obligation. Darüber hat Rieger i n mehreren Buchveröffentlichungen (1936) das Nötige gesagt. Eine Reihe von Rieger'schen Schülerarbeiten haben sich dazu geäußert, aber i m anderen Lager bemüht man sich immer noch, das Gelddenken zu überwinden (160), statt es zu Ende zu denken.
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Albert Schnettler hat sich auch gegen die Einbeziehung des Haushalts erklärt. Dies ist um so bemerkenswerter, als seine Stellungnahme i n einem neueren Werk „öffentliche Betriebe", 1956, enthalten ist. Er meint, das Wort Betriebswirtschaftslehre würde den Haushalt ausschließen. Ich habe aber nachgewiesen, daß dies für Kosiol, Seyffert, Hasenack u. a. nicht zutrifft. Schnettler definiert die Unternehmung durchaus zutreffend und grenzt den Betrieb von. Haushalt ab, um ihn von der Betriebswirtschaftslehre auszuschließen. Daß man den vorher von m i r hervorgehobenen Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit als solchen empfindet, ist ideologisch begründet, politisch verständlich, vor allem interessenpolitisch begreiflich. Auch, daß hieraus eine feindliche Front und eine unversöhnliche Haltung entstehen kann, ist begreiflich. Aber dies gehört nicht i n die Betriebswirtschaftslehre. Dort gilt die schlichte Tatsache, daß der Ausdruck Kapital die höchste Objektivation, dagegen der Ausdruck Arbeit die höchste Subjektivation des gleichen Sachverhaltes Betrieb ist. (161). Es ist deshalb eine grobe Verkennung, die wissenschaftlichen Bemühungen zur Erkenntnis des Betriebes dadurch zu diffamieren und dahin zu mißdeuten, daß nur noch das Kapital interessiere und der Mensch übergangen werde. (Vgl. die Entstellung der Privatwirtschaftslehre bei Josef Kolbinger i m Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 3. Aufl., 13. Lfg., Sp. 3784 f. A r t . „Leistungsidee".) Damit vom Kapital vernünftig gedacht und gesprochen werden kann, muß der Mensch übergangen werden. Dieser Satz w i r d tausend Fehldeutungen ausgesetzt sein, denen ich nicht aus dem Wege gehe. Wenn Kapital nur i n der lebendigen Betriebseinheit vorhanden ist, so steht fest, daß der Mensch diese lebendige Betriebseinheit erst schafft, den Betrieb einleitet, i n Gang hält und fortführt. Geht es um den Menschen i m Betrieb, so gilt die Subjektivation in der Gestaltung seiner Arbeit, dann geht es um ihn als Träger der Arbeitskraft und u m die Gestaltung und Ordnung der menschlichen A r beit — aber nicht überall und irgendwo, sondern der menschlichen A r beit i m Betrieb. Da aber alles Arbeiten i m Betrieb dem unausweichlichen Gebot der Rentabilität unterliegt, ist die Subjektivation eine zwar wichtige, aber nicht die einzige und schon gar nicht die bessere Betrachtungsweise. Sie bedarf der Ergänzung durch die i m Kapital mündende Objektivation. M i t dem Kapitalbegriff steht und fällt die Möglichkeit, den Betrieb wissenschaftlich i m Sinne der Betriebswirtschaftslehre zu erfassen. Es gibt nur diese einzige Möglichkeit. Daneben gibt es Dutzend andere Möglichkeiten seiner Erfassung durch andere Disziplinen. Ich verweise hier nur der Kürze halber auf einschlägige Ausführungen von W i l l i Prion i n seinem Hauptwerk „Die Lehre
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vom Wirtschaftsbetrieb" (1935), wo er u. a. sagt, daß die schnelle Einbürgerung des Namens Betriebswirtschaftslehre nach der Änderung 1919, auf die ich hingewiesen habe, den damaligen Schöpfern des Wortes eine große Überraschung gewesen sein mag, und er fährt fort: „Denn ich kann m i r denken, daß ihnen dieser Notbehelf ernste Sorgen gemacht hat." Er führt das weiter aus. Die Wirtschaftlichkeit des Betriebes, von der so viel die Rede ist, ist also eine untere Region und nicht das Letzte, nicht das Entscheidende betrieblichen Geschehens und betrieblicher Problemstellung. Sie ist Vorstufe und Voraussetzung, reicht aber nicht bis zum Markt, i n welchem über den Erfolg der Unternehmung entschieden wird. Man spricht also nicht von der gleichen Sache, wenn man auf der einen Seite von der Rentabilität der Unternehmung spricht und auf der anderen Seite von der Wirtschaftlichkeit des Betriebes. (162) Das eine kann das andere weder verdrängen noch ersetzen, auch nicht widerlegen. Die Rentabilität der Unternehmung ist aber auch nicht die Folge der Wirtschaftlichkeit i m Betrieb. Dazwischen können starke Einwirkungen, Brechungen und Verwerfungen liegen. Man kann folglich auch nicht u m den Rang und die A r t der Kausalverknüpfungen beider Sachverhalte streiten, wie es Schmalenbach und Nicklisch jahrelang getan haben. Der Begriff der Produktivität, mit dem der Wirtschaftlichkeit weitgehend identisch, liegt immer noch innerhalb der Produktionssphäre, innerhalb der Güterwelt und Güterrechnung und bedarf des Fortgangs durch Umsetzung i n finanzwirtschaftliche Entscheidungen. Man muß sich wundern, daß i m Grunde volkswirtschaftliche Streitfragen, wie der Gegensatz von Gelddenken und Güterdenken, von realen und finanzwirtschaftlichen Größen, innerhalb der Betriebswirtschaftslehre soviel Unruhe stiften konnten. Der Gegensatz geht auf die von J. B. Say (1803) unterschiedenen drei Phasen i m Kreislaufschema der Verkehrswirtschaft — Produktion, Distribution und Konsumtion — zurück. Diese 'drei Phasen, die i n dem Kreislaufschema des Tableau Economique von F. Quesnay, welches i n diesem Jahr seinen 200. Geburtstag begehen konnte, bereits vorliegen, erklären sich aus der gegenläufigen Verknüpfung der Geld- und Güterströme in der Volkswirtschaft. Da aber die Unternehmung sich i n der Kapitalbewirtschaftung erschöpft und dazu der Kapitalrechnung bedient und da Kapitalbewirtschaftung nichts anderes heißt als Gelderträge erzielen wollen, indem für Andere Leistungen erstellt und i m Markt abgegeben werden, so geht es niemals, wie schon Johann Plenge (System der Verkehrswirtschaft, 1903) dargelegt hat, um die Produktion, auch nicht um die Produktion für mich oder die Produktion an und für sich, sondern immer nur um die Produktion für Andere gegen Entgelt, d. h. um die Verwertungsproduktion (163). Deshalb hat die Rentabilität das letzte Wort und der Betriebsprozeß verläuft vom Kapitaleinsatz
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mittels Maschinen, Rohstoffen und Arbeitskräften über den Kapitalumsatz mittels Verkauf und Werbung zum Kapitalersatz mittels Rückfluß i n Form des Gelderlöses. Darin steckt System, damit kann man wissenschaftlich arbeiten, danach kann man den Betriebsprozeß vom Kapitalprozeß, den Betrieb von der Unternehmung unterscheiden, sich den erst so darbietenden Problemen, insbesondere denen der Zwischenregionen widmen. Wer hingegen das Kapital vermeidet, die Unternehmung verwirft, der w i r f t das wissenschaftliche Rüstzeug unserer Disziplin weg. I n neueren Schriften sind solche Systemmerkmale stark vernachlässigt. Bei Gutenberg, Band I „Die Produktion" (1951) ist diese i m Sinne der Gütergewinnung überbetont, die Verwertungsproduktion übergangen, wie auch der Kapitalbegriff i n den zwei Bänden so gut wie nirgends vorkommt. Bei Martin Lohmann ist es ähnlich, anders bei Erich Schäfer, der eindeutig zwischen Betrieb und Unternehmung unterscheidet und versucht, das Beziehungs- und Handlungsfeld zwischen Betrieb und Unternehmung durch die Bildung von Stufen, Schichten und Zonen, durch den Einbau geistiger Verbindungen zu klären und zu verknüpfen. Es w i r d viel von der Einheit der Wirtschaftswissenschaften geschrieben und man meint, daß sowohl von seiten der Betriebswirtschaftslehre wie auch von seiten der Volkswirtschaftslehre daran mit sichbarem Erfolg gearbeitet wird. Hiervon ist vor allem Erich Kosiol überzeugt. Ausdruck dieser Überzeugung ist die von der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Freien Universität Berlin 1957 erfolgte Ehrung des Betriebswirts Erich Gutenberg und zugleich des Volkswirts Erich Schneider durch die gleichzeitige Verleihung der Würde eines Ehrendoktors an beide i m Februar vorigen Jahres. Eine Einheit der W i r t schaftswissenschaft ist aber etwas ganz anderes als die Einheitlichkeit der Wirtschaftswissenschaften. Die Einheitlichkeit versteht sich von selbst, die Einheit kann es nicht geben. Die Betriebswirtschaftslehre ist ja daraus entstanden, daß die Volkswirtschaftslehre ihr Arbeits- und Forschungsgebiet jahrzehntelang vernachlässigt hat. Wenn es nun zu einer Gegenbewegung und starken Betonung der Betriebswirtschaftslehre gekommen ist, wenn zehnmal mehr Betriebswirte als Volkswirte an den großen Universitäten studieren und Examen machen, so muß es Verdacht erwecken, daß jemand, der ein Kräfteverhältnis 1:10 aufweist, eine Fusion 1:1 vorschlägt. Das gilt für die Wissenschaft, die Fakultäten und Lehrstühle, die Hörer und Hörsäle an den Universitäten und Hochschulen, das gilt auch für den Berufsstand i n den beiden Lagern und ihre berufsständische Organisation. Die Nationalökonomie hat den Gesamtprozeß der Volkswirtschaft, die Einkommensbildung und -Verteilung, die Produktion, den Verbrauch analysiert, sie hat die Grundbegriffe Wert und Preis, Bedürfnis und
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Bedarfsdeckung, sie hat die Motive und Handlungen des wirtschaftenden Menschen nicht nur in ökonomischer, auch i n psychologischer und soziologischer Hinsicht untersucht, sie hat den Menschen als Einzelwesen, den Menschen i n der Gruppe und i m Verband betrachtet, aber sie hat nicht den Betrieb und die Unternehmung mit ihren Erscheinungsformen, Zielsetzungen, Arten und Abarten zu ihrem Arbeitsgebiet gemacht. Dadurch erst ist jene Kluft, auch jene Vernachlässigung der Thematik und Problematik gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden, i n die die Betriebswirtschaftslehre einrücken konnte. Die Robinsonaden der Nationalökonomie und ihre Eskapaden zum Homo Oeconomicus sind amüsante Gedankenspiele, so interessant wie die i n den modernen Werkstätten der Oekonometrie gebastelten Wirtschaftsmodelle, aber die Wirtschaft spielt sich i n den Produktionsbetrieben samt ihren Beschaffungsvorgängen und Absatzvorkehrungen ab. Z u Zeiten von Adam Smith bereits war dies nicht mehr bloß die Dorfschmiede und die Webstube, sondern die ihm wohlbekannte Manufaktur i n ihrer Umwandlung zur Industrie, i n unseren Tagen sind es Siemens und AEG, Esso und Shell, Opel und Mercedes, der Chemietrust, der Warenhauskonzern. Neben den Klein- und Mittelbetrieben sind es i n dem winzigen Staat der Bundesrepublik die Riesenunternehmungen wie Mannesmann und Rheinmetall, Badische A n i l i n - und Sodafabrik und Gutehoffnungshütte, Unternehmungen mit 5 und mehr Milliarden Umsatz, 500 und mehr Millionen Aktienkapital, 150—200 000 Beschäftigten, 150 000 und mehr Aktionären, von denen außer Erich Nold jüngst 2—3000 zu den Generalversammlungen, wie bei Badische A n i l i n - und Sodafabrik, Mannesmann, Gelsenkirchener Bergwerks AG, erschienen sind. Das führt zu den Problemen der Publizität, Beziehungspflege, Konzerndurchleuchtung, Konzernbilanzausweisung, zu den Problemen der Bewertung, Investition, Abschreibung, Gewinnerzielung, -Verwendung, -Verteilung, wie sie unsere Gegenwart beschäftigen. Die Deutsche Bundesbahn m i t einem Vermögen von erheblich über 30 Milliarden D M bietet das traurige B i l d von jährlich 4—600 Millionen Verlusten. Dieses Jahr weicht der vorausberechnete Wirtschaftsplan vorerst u m 500 Millionen D M ab. Man hat i m Wirtschaftsplan einen Gewinn errechnet und bisher 500 Millionen D M Verlust erzielt — aber ein Betriebswirtschaftlicher Ausschuß ist ja auch erst 1956 geschaffen worden; bisher ruhte die Bundesbahn auf dem Fundament der Diplomingenieure und dem Weitblick der Verwaltungsjuristen. Seyffert spöttelt über die Herausgeber der neuen Schriftenreihe „Beiträge zur betriebswirtschaftlichen Forschung", die „von einem auffallenden Wandlungsprozeß" der Forschung sprechen, der den Übergang „zu einer neuen Gestalt dessen, was w i r Betriebswirtschaftslehre nennen", bildet. „ W i r " sind die nicht genannten Fachvertreter Gutenberg, 14
Linhardt
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Hasenack, Hax und Schäfer. Seyffert zitiert nach Fr. Leitner „die widerstandslose und unkritische Rezeption der betrieblichen Auslandsliteratur" (S. 54). Demgegenüber darf ich auf die verdienstvollen Veröffentlichungen und Übersetzungen von Carl Hundhausen hinweisen, der einmal i n Abwandlung des bekannten Goethewortes „Amerika, D u hast es besser", gesagt hat, „Amerika, D u machst es besser". Amerika hat nicht nur „keine Burgen und Basalte, wie unser Kontinent, der alte", es hat auch keine 10 bis 20 Bilanztheorien — die große Katastrophe i n unserem Fach, vergleichbar dem preußischen Baurat i m 19. Jahrhundert, von dem ein Stuttgarter Professor gesagt hat, er sei die größte Katastrophe nach der Eiszeit, der Völkerwanderung und dem 30jährigen Krieg gewesen. Ich erinnere an die Gutachten des Kollegen Heinrich Rittershausen zur Investitions- und Finanzpolitik der Deutschen Bundespost, an die M i t arbeit des Kollegen Eugen Sieber an den Problemen der deutschen L u f t fahrt, des Top Management, woran der Wiener Kollege Leopold IIletschko und andere ebenfalls mitarbeiten. Die Probleme der Verkehrswirtschaft, der Energiewirtschaft, der Atomenergie, Automation, Investitionsplanung werden immer wieder genannt. Ohne den Betriebswirt werden sie nicht gelöst. Dazu fehlt es aber noch bei weitem an der Forschung, an der Besetzung m i t Lehrstühlen und Schaffung von Forschungseinrichtungen, an der Aufstellung von Programmen und Besetzung mit Männern, die i m „team work" zusammenarbeiten wollen. Das wissen Bund und Länder, Stifterverband und Deutsche Forschungsgemeinschaft (164), aber was auf betriebswirtschaftlichem Gebiet geschieht,ist gleich Null. Kann man diese Dinge m i t der Verächtlichmachung überlegener Literatur des Auslandes abtun? Geht es nicht u m die Überlegenheit der Forschung drüben und den Rückstand hüben? Geht es nicht ums Wirtschaftsleben, statt ums Bücherlesen? Der Vorwurf von Löffelholz (165) gegen die Herausgeber der Schriftenreihe „Die Unternehmung i m Markt", wovon ich sprach, ging völlig daneben. Der sogenannte Methodenstreit zwischen Gutenberg und Mellerowicz ist gar kein Methodenstreit, sondern eine Unklarheit i m Objekt. Das hat Otto Schnutenhaus richtig erkannt, auch einer von denen, die i m Weltmeer des Allerweltsbetriebes nicht ertrinken wollen. Aber es gibt neuartige Verschiedenheiten i n der Forschungs- und Lehrweise. Sie entstehen i n den letzten Jahren aus der Betonung der sogenannten funktionalen Betrachtungsweise i m Gegensatz zu der Stoffbehandlung der sogenannten speziellen Betriebslehren, etwa für Handel, Bank und Industrie. Die betriebswirtschaftliche Funktionenlehre (166), wie Hasenack sie nennt, der sie zusammen mit W i l l i Prion i n den 30er Jahren an der T H Charlottenburg i m Lehr- und Prüfungsbetrieb entwickelt hat, ist eher alt als neu, gehört eher einem vorwissenschaft-
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liehen Stadium unseres Faches an, kennzeichnet bereits Jacques Savary den Älteren (1675). Die Ansätze einer funktionalen Betriebswirtschaftslehre nach 1900 finden sich überall. I h r größere Bedeutung beizumessen als den speziellen Betriebslehren, entbehrt jeder Einsicht und Begründung. Es ist abwegig zu sagen, jede Einteilung der speziellen Betriebslehren, so auch die in Handels-, Bank und Industriebetriebslehre, sei „ein sehr zufälliger Katalog", denn „Betriebsgruppen können nach sehr verschiedenen Gesichtspunkten und i n beträchtlicher Zahl ausgebildet werden" (Seyffert S. 19). I n der Beschränkung, nicht i n der Beschränktheit zeigt sich der Meister. Es kommt nicht auf die Verschiedenheit, sondern auf das Wesentliche der Gesichtspunkte an, nicht auf die beträchtliche Zahl des Möglichen, sondern auf die begrenzte Zahl des Vernünftigen und mehr als 4—6 halte ich für unvernünftig. Das ist auch nicht versucht worden. Hingegen droht unserem Fach die Gefahr einer unheimlich schnellen Entwicklung, nicht nur Aufzählung, sondern Ausarbeitung, funktionaler Sachverhalte. Was man vom Einkauf sagen kann, daß er richtig, sorgfältig, gut, sparsam erfolgen soll, kann man von allem anderen auch sagen, das hat kein Ende und auch nicht viel Sinn. Es erinnert mich an meine Feststellung zur funktionalen Kontentheorie von Walter Thoms, er habe die Vielzahl der Grundbücher mit der Einzahl der Bilanz verwechselt. Schon liegt aus dem neuen Gemeinschaftswerk „Die W i r t schaftswissenschaften" „Die Materialwirtschaft" von E r w i n Grochla vor (1958). M i r hätte die Lagerwirtschaft von Fritz Henzel schon genügt. Bald gibt es die Einkaufswirtschaft, die Absatzwirtschaft, die Personalwirtschaft und noch einige Dutzend Wirtschaften, i n denen man schwelgen kann, ohne die Grundfragen gefördert zu haben. Eugen H. Sieber zitiert i n seinem Wiener Vortrag, abgedruckt i m österreichischen Betriebswirt, Heft X, 1958, eine Bemerkung von Gutenberg, die ausgezeichnet hierher paßt. Gutenberg sagt, i n jeder Teilaufgabe steckt nach den Spielregeln der Wirtschaftsordnung die zu erfüllende Gesamtaufgabe „ m i t drin" (Gutenberg I, S. 395). Ich kann Gutenberg nicht verbessern, möchte aber für den Betrieb und die Unternehmung hinzufügen, gleiches gilt hinsichtlich der betrieblichen Funktionen und hinsichtlich der unternehmerischen Funktionen, auf Grund der bestehenden Betriebs- und Unternehmungsordnung. Sie faßt nämlich die Funktionen zusammen, ihre isolierte Betrachtung führt zu nichts, bleibt unverbindlich, endet in Begriffsspielerei und fruchtloser Wiederholung. I m Gegensatz zur Überbetonung der funktionalen Betrachtungsweise bei F. Henzel, Waldemar Koch, i n grundsätzlicher Übereinstimmung m i t W. Hasenack bin ich der Meinung, daß mit dem Auftreten der funktionalen Betrachtungsweise die jeweils andere Funktionenkombi14*
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nation i n den verschiedenen Betriebsarten so zu würdigen ist, wie es nur i n der speziellen Betriebslehre des Handels usw. geschehen kann. Außerdem ist aus dem gleichen Grunde die Pflege der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre heute dringender als je, wenn nicht der Betrieb als Erkenntnisobjekt unter den Händen der akademischen Planer und A b rechnen der Kostenanalytiker, Finanzdisponenten und Leistungskontrolleure versinken soll. Z u den ungelösten, nicht einmal ernsthaft i n Angriff genommenen Gemeinschaftsaufgaben des Faches gehören die freilich um so häufiger genannten Probleme des Management und Top Management, der Automation und sozialen Betriebsführung, der Elektronik und Modernisierung des Rechnungswesens. Welche Lehrmethoden stehen der Betriebswirtschaftslehre zur Verfügung und welche werden vorzugsweise angewandt? Unser Fach hat gegenüber der Volkswirtschaftslehre die größere Praxisnähe, es kann jederzeit aus Bilanzen und Geschäftsberichten der publizitätspflichtigen Unternehmungen, aus Prospekten, Jubiläumsschriften von Unternehmungen und Verbänden wertvolles Material über die Geschichte und Entwicklung der Einzelunternehmung und der Branche, über die Spezialprobleme der Bewertung, Abschreibung und Investition, der Absatzund Preispolitik entnehmen. Von Dozenten und Studenten w i r d dieses Material viel zu wenig ausgewertet, am wenigsten i n den Übungen und Seminaren, wo es zuerst benützt werden sollte. Das Organisationsschema findet i n Vorlesungen vielfältige Anwendung, der Betriebswirt als akademischer Lehrer w i r d sich stets mit Erfolg der graphischen Zeichnung, des Zeichensymbols, der geometrischen Figur wie etwa zur Darstellung des Stab- oder Liniensystems, des Leitungsaufbaus, zur Veranschaulichung der Betriebsorganisation, zur Aufweisung der Struktur eines Industriekonzerns bedienen. Was dem akademischen Betriebswirt i m Hörsaal nicht zur Verfügung steht, ist das Anschauungsmaterial (167), wie es die Naturwissenschaften i n Vergrößerungen und Querschnitten, i n Modellen und Präparaten so reichlich anzuwenden und auszubreiten vermögen. Dafür muß ein geeigneter Ersatz gewonnen werden. Hinsichtlich der Lehrmethoden besteht wenig Erfahrungsund Gedankenaustausch unter den Fachvertretern. Man vermeidet dieses Thema, vielleicht i n der irrigen Annahme, dabei die niedrigere Stufe des Diplom-Handelslehrers und Wirtschaftspädagogen zu betreten, oder i n der nicht minder irrigen Annahme, ein rechter Betriebswirt sei immer ein ausgezeichneter Lehrer und was er sage, sei so plastisch und anschaulich, daß kein B i l d am Bildschirm, keine Zeichnung an der Tafel dies zu übertreffen vermag. Wo ist der geistige Standort der Betriebswirtschaftslehre von heute, ist es die Universität oder die Fachhochschule, oder nach neueren Vor-
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Schlägen i m Dienst der Entlastung der Hochschulen die gehobene Fachschule und der Werkunterricht? Überall findet die Betriebswirtschaftslehre Eingang. I h r Bedarf an Lehrkräften an Handelsschulen, W i r t schaftsschulen, Wirtschaftsoberschulen, Werks- und Betriebsschulen, vor allem solchen von Großunternehmungen ist ungesättigt. Ohne lange theoretische Erörterung ist die Frage nach dem geistigen Standort der Betriebswirtschaftslehre i n kurzer Entwicklungsphase zugunsten der Universität entschieden worden. Nur schade, daß die Betriebswirtschaftslehre am Ende dieser schnellen Entscheidung nicht problemfrei und für wenigstens fünfzig Jahre geborgen i n die Arme der Universität aufgenommen wurde. Warum nicht? Weil die Universität selbst um das neue Menschenbild, Leitbild, Weltbild und andere „Bilder" ringt, weil sie den Versuch der Wiederherstellung der Universität i m Sinne des Studium generale nicht durchgeführt hat und nun dieses Studium generale als Anhängsel nachschleppt, statt es i m Sinne geistiger Fundierung und Durchdringung durch alle Fakultäten, Disziplinen und Fächer, durch alle Abteilungen und Sektionen hindurch eindringen zu lassen. Es gibt heute keine Universität i n Westdeutschland ohne ein M i n i mum an betriebswirtschaftlichen Vorlesungen, sei es an den Rechtsund Staatswissenschaftlichen oder Philosophischen Fakultäten, sei es i n Verbindung mit dem öffentlichen und privaten Recht, der politischen Wissenschaft oder der Soziologie, also da, wo nicht die Wirtschaftsund Sozialwissenschaften mit betriebswirtschaftlicher Vollbesetzung bestehen. Das Neuartige solcher Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultäten ist das Hinzutreten eigener Lehrstühle für Soziologie, W i r t schaftsgeschichte, Wirtschaftspsychologie, Fremdsprachen i n Verbindung mit Auslandskunde zu den bisherigen Lehrstühlen für Betriebs-, Volkswirtschaftslehre und Rechtswissenschaften neben gleichlautenden oder eng verwandten Lehrstühlen in den Philosophischen Fakultäten. Die Frage der Stoffgliederung und Stoffbehandlung erhält durch die Verlängerung des Studiums auf einheitlich acht Semester mit der Einrichtung juristischer Vorprüfungen und der Vor Schaltung der obligatorischen propädeutischen Fächer ein neues Gewicht. Kollege Erich Schäfer hat schon auf der Herbstkonferenz 1954 in Frankfurt angeregt, über die „Struktur und Intensivierung des betriebswirtschaftlichen Studiums", wie er es nannte, Überlegungen anzustellen 5 . Sein durchaus richtiger und beachtenswerter Gedanke ist, daß acht Semester von den Lehrpersonen eine andere Stoffeinteilung ermöglichen und verlangen als vier Semester, mit denen man noch vor dreißig Jahren das kaufmännische Diplom, vor 35 Jahren sogar den Doktor rer. pol. ablegen konnte. 5 Vgl. Erich Schäfer, Zur Gestaltung des achtsemestrigen Wirtschaftswissenschaftlichen Studiums BFuP, März 1958, vgl. zu den Schäferschen Vorschlägen H. Linhardt, ebda., Mai-Heft 1958.
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Hat die akademische Jugend acht Semester vor sich, sei es an der gleichen oder an verschiedenen Hochschulen, so kann man der Frage nicht ausweichen, was i n jedem Semester ungefähr geboten werden soll, wie die Hauptvorlesungen und die Spezialvorlesungen von Semester zu Semester zueinander passen, wie Vorlesung, Übung, Praktikum und Seminar aufeinander abgestimmt werden sollen und wie ein gewisser Aufbau eines achtsemestrigen Studienplanes i m Interesse der Freizügigkeit der Studenten, der Anrechnungsfähigkeit von Semestern und Diplomen erreicht werden soll. Bisher fehlt jeder Versuch zu einem einheitlichen Lehrplan. Gegen die ständige Verlängerung des Studiums von einst vier auf jetzt acht Semester plus Praktikantenjahr nach dem Abitur habe ich erhebliche Bedenken. Der Student w i r d nicht unbegrenzt von Semester zu Semester klüger. Lebenserfahrung gewinnt man auf der Hochschule nicht schneller und besser als i m Beruf und die Spezialausbildung erhält man erst nach dem Hochschulstudium. Aus einer Reihe beachtlicher Ä u ßerungen aus der Praxis, darunter solchen von prominenten W i r t schaftsführern (Paulssen, Pentzlin, H. Vits, Α. E. Friedrich u. a.) ist der Wunsch laut geworden, die Hochschule möge der Praxis keine Spezialisten schicken, solche habe man oder könne sie leicht selbst ausbilden. Was die Praxis von der Hochschule erwartet, sei eine allgemeine, solide, wissenschaftliche Ausbildung®.
β Vgl. die Denkschrift „Gedanken zur Wissenschaftsförderung", A r beitsmaterial für den „Gesprächskreis Wissenschaft und Wirtschaft BDI/SV", erstmalig veröffentlicht nach der Gründung am 27. 11. 1957 in Köln; nicht zur Veröffentlichung bestimmt.
Unternehmenepolitik und Jahreeabechluß* I. Wo eine Unternehmenspolitik (168) überhaupt besteht, unterscheidet sie sich von der Unternehmerpolitik durch jenen Grad der Objektivation (169), der das Unternehmen von seinen Inhabern bzw. Leitern und von seinen Eigentümern unterscheidet. Hiermit ist zugleich gesagt, daß Sich auf der subjektiven Seite der Unternehmerpolitik zwei Gegensätze auftun. Es sind die sogar sehr tiefreichenden Gegensätze zwischen Verfügungsmacht und Eigentum. Sie reichen so tief, daß i n dem bekannten Buch von James Burnham über „The Managerial Revolution" 1 die These vertreten wird, die soziale und wirtschaftliche Revolution, die der Marxismus ideologisch gefordert und der Leninismus politisch i n Sowjetrußland vollzagen hat, sei für die freie westliche Welt überholt, denn die Revolution der Manager sei bereits hinter uns (170). Danach liegt die faktische Verfügungsgewalt in der Wirtschaft, zumal i n den Großunternehmungen, bei jenem ziffernmäßig äußerst niedrigen, machtmäßig äußerst einflußreichen Personenkreis der Manager, d. h. der leitenden Persönlichkeiten in Handel und Industrie, die zur Ausübung ihrer Machtbefugnis keiner Legitimation als Eigentümer, sondern nur jener Legitimation durch die Eigentümer selbst bedürfen. Das war nicht immer so, wurde aber durch die Rechtsschöpfung der juristischen Person des Handelsrechtes begründet, innerhalb unserer modernen Wirtschaft seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts, seitdem die Rechtsform der Aktiengesellschaft (englisch: company, amerikanisch: corporation) erst i m Eisenbahnwesen, dann i n Handel und Industrie, schließlich i m Bankund Versicherungswesen Fuß gefaßt hat. Die Ursprünge der Handelsgesellschaften gehen bereits ins 16. Jahrhundert zurück. Die Anwendung der juristischen Person i m Wirtschaftsleben ist nicht unbestritten. Der Angriff richtet sich gegen die Zubilligung von Rechten, wie sie i m Grunde nur der physischen Person i m Rahmen ihrer sittlichen Selbstbestimmung und Selbstverantwortung zustehen können 2 . • Vortrag beim Verband Deutscher Diplom-Kaufleute e. V. in M ü n chen am 23. Februar und in Nürnberg am 24. Februar 1960. Abgedruckt in: Betriebswirtschaftliche Umschau, 30. Jg., 1960, S. 3—12. 1 New York 1941, deutsche Ausgabe: J. Burnham: Das Regime der M a nager, Stuttgart 1948. Ä Vgl. Thurman W. Arnold: The Folklore of Capitalism, New HavenLondon-Oxford 1937, 14th Printing 1956 (171).
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I n unserer heutigen Wirtschaft ist durch die Rechtsschöpfung der j u ristischen Person des Handelsrechtes die Verfügungsgewalt vom Eigentum weitgehend getrennt, so weit, daß der Eigentümer formalrechtlich nur noch sehr wenig und faktisch so gut wie nichts mehr zu sagen hat, umgekehrt so weit, daß der Verfügungsgewaltige unmittelbar über den materiellen Besitz von Milliarden von DM, über die Arbeit von Hunderttausenden von Arbeitern und Angestellten und mittelbar über M i l lionen von Aktionären, Einlegern, Versicherungsnehmern, Kunden, Lieferanten, Zulieferern verfügt, ohne zu diesem materiellen Besitz aus eigener Tasche einen Pfennig beizutragen 8 (172). A u f der anderen Seite, wo von der Unternehmenspolitik zum Unterschied von der Unternehmerpolitik gesprochen wird, bedeutet dies jenen Grad der Objektivation, den das Eigenleben der Unternehmung gegenüber ihren Inhabern oder Leitern beansprucht und tatsächlich auch aufweist. Die Unternehmenspolitik stellt jenen Grad der Objektivation dar, der das Unternehmen selbst gegenüber seinen Inhabern oder Leitern i n den Vordergrund rückt, der i m Konfliktsfall das Unternehmensinteresse (173) denjenigen seiner leitenden Personen wie auch der Eigentümer voranstellt. Dies w i r d bei Entscheidungen über die Investition aus Gewinnen und über die Gewinnverteilung am deutlichsten, gilt aber auch für alle anderen Teilgebiete der Unternehmenspolitik, also für Einkauf, Verkauf, Produktion, Preis-, Absatz-, Werbe-, Sozialpolitik. Von einer Unternehmenspolitik darf man erwarten, daß sie eine innere Ausgeglichenheit und Ubereinstimmung aufweist, also nicht etwa Preisunterbietungen aus Hungerlöhnen finanziert, Schleuderpreise aus Qualitätsunterbietung trägt, Betriebs- und Marktexpansion durch eine ungesunde Schuldenwirtschaft verfolgt. Wenn man von der Bundesregierung eine „Wirtschaftspolitik aus einem Guß" gefordert hat, so könnte man auch für die Unternehmenspolitik unserer Großunternehmungen eine ähnliche Forderung stellen und von einer Unternehmenspolitik aus einem Guß sprechen (174). Dann würde der Jahresabschluß mit einer solchen Unternehmenspolitik übereinstimmen. Er würde nicht i n Gegensatz dazu geraten und die Disponenten der Werke und Abteilungen würden dem Bilanztermin nicht mit Schrecken entgegensehen, voller Angst, was da wieder passiert, was herausgeworfen und hineingepflanzt Wird, wenn die Jahresbilanz ihre ersten Schatten vorauswirft, die manchmal bis zum Hochsommer des laufenden Geschäftsjahres zurückreichen, oder wenn gar die ersten bilanzpolitischen Besprechungen — erst i m Vorstand, dann i m Aufsichts8 Die Rural Electrification Administration hatte beim 25. Jubiläum (1960) 16 Millionen Kunden (vgl. New York Times v. 22. Februar 1960, S. 8).
Unternehmenspolitik u n d J a h r e s a b s l u ß
rat, dann mit dem Wirtschaftsprüfer, vielleicht auch noch mit der Hausrevision, Konzernleitung und anderen Stellen — geführt werden. Es war kein Versehen, wenn eben von bilanzpolitischen Erwägungen die Rede war. Dies bedeutet, daß es eine Bilanzpolitik gibt. Und wenn es eine solche gibt, sollte man meinen, auch für sie gelte das schöne Ziel, zur inneren Harmonie der Unternehmenspolitik beizutragen, ohne sie zu stören oder von ihr gestört zu werden. A n dieser Stelle kann man die eingeweihten Fachleute seufzen hören. Jeder Seufzer kommt aus einem anderen Herzenswinkel. Der Seufzer des Chefkonstrukteurs einer Motoren- oder Automobilfabrik, des technischen Leiters einer Maschinenfabrik kommt aus dem Gefühl mangelnder Unterstützung für notwendige Entwicklungspläne. Die Seufzer des Produktionsleiters kommt aus der ewigen Unruhe zwischen A l t und Neu und der ständigen Not der Anpassung, die nicht selten im Zwischenstadium des Abwartens und Weiterwursteins ungewöhnlich lange verharrt. Der Seufzer des Verkaufs- und Werbeleiters kommt aus dem Widerspruch zwischen klaren Markteinsichten und unklaren Unternehmensdispositionen, k l u ger Konkurrenzbeobachtung und unkluger Aufnahme u n d Reaktion an oberster Stelle. Ein ganzes Bündel von solchen Seufzern steigt zum Himmel und verhallt dort ungehört. Die Unternehmenspolitik bildet einen schroffen Gegensatz zum Jahresabschluß, wenn man diesen so ganz nüchtern und sachlich mit dem anspruchslosen Wort Abschluß bezeichnet, ohne die bilanzpolitische Komponente zu sehen. Versuchen w i r einmal, so zu verfahren, obwohl bereits gesagt wurde, daß es einen bilanzpolitisch neutralen Abschluß nicht geben kann. Was wäre aber ein solcher bilanzpolitisch neutraler Abschluß? Es wäre das Finale wie i n einem Musik- oder Theaterstück, in einem Roman, in einem menschlichen Werk, welches seinen Abschluß und darin sozusagen seine Krönung findet. Kann man nicht auch ein Geschäftsjahr ebenso abschließen? Man muß ja doch die Bücher und Konten abschließen, indem man den Schlußstrich zieht. Sehen w i r uns einmal genauer an, was i m Leben und in der Buchhaltung geschieht, wenn der Schlußstrich gezogen wird. I m Leben gibt es nach einem Schlußstrich keine Fortsetzung. I n der Buchhaltung folgt dem Schlußsaldo der Saldovortrag, der Jahresabschlußbilanz (175) folgt die Jahreseröffnungsbilanz. I m Leben der Unternehmung ist der Tag des Jahresabschlusses kein Ende, sondern nur ein Übergang zum neuen Jahre. Die Bilanz unterliegt dem Erfordernis der Kontinuität. Das wirtschaftliche Leben braucht aber Zäsuren, Ruhepunkte, überschaubare und vergleichbare Rechnungsabschnitte und Abschnittsrechnungen. Aus diesem Grund müßte man den Jahresabschluß auch dann durchführen, wenn er vom Gesetzgeber nicht einheitlich und regelmäßig für jeden Vollkaufmann vorgeschrieben wäre. Aber dieser Jahresabschluß ist eine
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reine Fiktion, denn er erfolgt nicht zu dem Zweck, den inneren oder tatsächlichen oder wahren Wert einer Unternehmung und den echten oder eigentlichen oder richtigen Gewinn einer Periode zu ermitteln, sondern er erfolgt lediglich unter einer zwar nicht unwichtigen, aber doch weniger weittragenden Zielsetzung, nämlich unter der Zielsetzung, den Stand des Vermögens und damit zugleich die Höhe des Gewinns zu beziffern, wie es i m § 39 und § 40 HGB vorgeschrieben ist, ohne daß i m Wortlaut dieser beiden auch heute noch für alle Kaufleute jeder Rechtsform grundlegenden Paragraphen vom Gewinn die Rede ist. Der erwähnte Gegensatz zwischen Unternehmenspolitik und Jahresabschluß ergibt sich daraus, daß die Unternehmenspolitik das ganze Geschäftsjahr ausfüllt, während der Jahresabschluß auf einen Zeitpunkt bezogen ist. Während des Geschäftsjahres erfolgen Handlungen und Entscheidungen, die Tätigkeit füllt das Jahr 4 . Zum Bilanzstichtag hingegen ist jede Tätigkeit, die der Produktion, dem Erwerb und so auch dem Gewinn und der Vermögensmehrung dient, unmöglich, und es geht nur noch darum, Rechnung zu legen. So verhält sich die Unternehmenspolitik zum Jahresabschluß wie menschliches Handeln zum Denken, wie A k t i o n und Reflexion. Menschliches Handeln kann rationale Wurzeln haben. Auch der einzelne Mensch glaubt an einen gewissen Sinn des irdischen Daseins und mag vielleicht darum bemüht sein, diesem Dasein einen Sinn zu geben oder einen darin zu finden. Sicherlich ist wirtschaftliches Handeln ohne eine gewisse Rationalität nicht erklärbar. I n einem gesteigerten Sinn dürfte dies vom wirtschaftlichen Handeln des Kaufmanns, noch mehr aber des Unternehmens einer gewissen Größe gelten. Ein Unternehmen ist stets als eine Einrichtung von Dauer gedacht. Die Unternehmenspolitik ist auf gewisse, mitunter sogar sehr erhebliche Zeiträume von Jahren und Jahrzehnten abgestellt. Aus der Grundkonzeption der Unternehmenspolitik entwickeln sich i m Laufe von Jahrzehnten bestimmte Pläne, die dem laufenden Geschäftsjahr zugrunde liegen. Die Planungsidee (176) hat i n den Großunternehmungen seit wohl einem halben Jahrhundert schon so weit Fuß gefaßt, daß i n den nicht seltenen Fällen einer durchgeführten Vollplanung der Jahresablauf nur noch die Verwirklichung des Gesamtplanes vom Einkauf über die Investition und Fertigung bis zum Verkauf darstellt. Wo derartig umfangreiche Planungselemente anzutreffen sind, ist auch der rationale Charakter der Unternehmenspolitik nicht abzustreiten. Er enthält mehr Rationalität als i m Fall des persönlichen Inhabers kleiner und mittlerer Unternehmungen und wesentlich mehr als im Fall der einzelnen Privatpersonen in wirtschaftlichen Dingen. 4
„Denn das wahre Leben ist des Handelns ewge Unschuld, die sich so erweiset, daß sie niemand schadet als sich selber." J. W. Goethe: „Westöstlicher Divan", Buch Hafis.
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Trotzdem wäre es falsch, die Unternehmenspolitik samt und sonders über den rationalen Leisten zu schlagen. Es wäre völlig abwegig, alles zu verdammen, was innerhalb eines Jahres geschehen ist oder noch geschehen mag, denn es gibt gar kein rationales Prinzip, welches ein solches Verdammnisurteil rechtfertigen könnte. Es gibt auch kein Rationalprinzip i m ganzen, welches bei sämtlichen Unternehmensfunktionen die gleiche Geltung haben könnte. Auch die sogenannte Gewinnmaximierung ist mit keinem einheitlichen Rationalprinzip in Einklang zu bringen und sie wäre völlig falsch verstanden, wenn man sie als das äußerste Bestreben der Unternehmung auffassen würde, i n jedem Fall aus jeder Möglichkeit und jeder Handlung und Entscheidung das Ä u ßerste herauszuholen. Alle praktischen Erfahrungen sprechen gegen dieses absolut kalte, ich möchte sogar sagen abstoßend kaltschnäuzige und i m Grunde völlig falsche Prinzip der Gewinnmaximierung (177). Wenn der Verkäufer i n Verhandlungen sagt, w i r kommen Ihnen entgegen, hat er das Maximalprinzip verletzt, aber er weiß, daß dieses Entgegenkommen i m Liefertermin, i n den Zahlungsbedingungen oder i m Preis und i n der kostenlosen Berücksichtigung von Sonderwünschen liegt. Die Gewinnmaximierung, die i n der modernen Theorie der Unternehmenspolitik eine große Rolle spielt, ist ein greuliches Gespenst an einem dürren Ast der Wirtschaftserkenntnis, kein grüner Zweig am goldenen Baum des Lebens. Sie gilt weder i m ganzen noch für einzelne Teile der Unternehmenspolitik. Zwar möchte jede Unternehmung i m ganzen und auf die Dauer möglichst gut verdienen, aber das ist etwas ganz anderes, als i n jedem Augenblick das Äußerste verdienen zu wollen. Keine Unternehmung kann sich die Maxime des ambulanten Hausierers oder Schaubudenbesitzers zu eigen machen, der auf eine Stammkundschaft kein Gewicht legt und froh ist, wenn er einmal an eine ihm völlig gleichgültige Person Schundware absetzt oder ihr wenigstens Geld abgenommen hat. Die stationäre Unternehmung, die auf Tradition und Qualität ihrer Erzeugnisse, auf Ruf und Ansehen ihres Hauses hält, nimmt nie den maximalen Gewinn, sondern sucht den auf die Dauer unter jeweilig anderen Umständen erzielbaren Gewinn. Die Rationalität i n der Unternehmenspolitik ist auch nicht darin zu erblicken, daß das viel beanspruchte und arg strapazierte ökonomische Prinzip immer und überall zur Geltung kommt. Kein Praktiker w i r d dem Gedankengang folgen, wie er i n so vielen Lehrbüchern dargestellt wird, daß wirtschaftliches Verhalten den geringsten Mitteleinsatz erfordere. Zum Beispiel kann man nicht zugleich eine Produktion unter größter Beschleunigung durchführen und dabei Material und A r beitslöhne, vielleicht auch noch Licht und Heizung aufs äußerste sparen. Man kann auch nicht die neu propagierte Winterarbeit i m Baugewerbe durchführen und auch da an Licht und Wärme, sei es für die Arbeitskräfte oder Wärme zur Austrocknung sparen. Und wenn der Kunde bei seinem
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Maßschneider 600 D M für den Maßanzug bezahlt, dann braucht weder die Arbeitsstunde noch der Zentimeter Stoff, noch Nadel und Faden oder Kreide und Z w i r n geschont zu werden. Die Unternehmenspolitik enthält zwar rationale Elemente, solche lassen sich sogar zu gewissen rationalen Prinzipien verdichten, aber niemals kann die gesamte Unternehmenspolitik aus dem Rationalprinzip allein erklärt werden. Dafür gilt schon die Klugheit von Onkel Bräsig aus Fritz Reuters Schriften: N i m m D i r nichts vor, dann geht Dir nichts fehl. Gegenüber der Unternehmenspolitik ist der Jahresabschluß in erhöhtem Maß von rationalen Überlegungen bestimmt. Der L ä r m des Handelns ist verstummt. Die Türen zum abgeschlossenen Jahr sind zugeschlagen, keine Handlung kann jetzt ungeschehen, keine Minute anders gemacht werden. Jetzt kann man nur noch an der Bilanz und in der Bilanz feilen, frisieren oder, wie der Außenstehende sagen würde, mogeln. Der Jahresabschluß fordert geradezu zum Mogeln heraus: „ N u n hat man sich das ganze Jahr geplagt, hat schließlich auch etwas zuwege gebracht und nun soll man dafür bluten." So etwa beginnt die Meditation rund um den Bilanztermin. Da man damit allein nicht fertig wird, holt man den Abschlußprüfer, Bilanzsachverständigen und Steuerberater und fragt, wo kann man jetzt noch etwas ändern, wo kann man noch von den Gewinnen etwas unterbringen, wegdrücken, verstecken? Da gibt es kluge Ratgeber, die dem Bilanzpflichtigen schon immer empfohlen haben, anzuschaffen, daß es nur so raucht, um dann abschreiben zu können, daß es nur so knallt. Anschaffen heißt abschreiben, nämlich auf den Konten des Anlage- und Umlaufvermögens, und abschreiben heißt den Gewinn schmälern, damit die Steuerlast nicht zu drückend, die Entnahmen der Gesellschafter nicht zu bedenklich und die Forderungen der Aktionäre nicht zu übermütig werden. Der Jahresabschluß sieht nach dem anspruchslosen Wort, das ihn kennzeichnet, sehr harmlos und anspruchslos aus, ist aber voller Tücken wie ein Hornissennest. Der Jahresabschluß hat zwei Entstehungsräume, die Werkstatt des Buchhalters und das Chefkabinett. I n der Werkstatt des Buchhalters entsteht der Rohbau der Zahlen. Dort steht der Gewinn i m Fall der gutgehenden Unternehmung 5 in seiner unverhüllten Größe. I m Chefkabinett erfolgt die Anprobe des Bilanzkostüms. Der wegen seiner Bosheiten gefürchtete Bankier Carl Fürstenberg, Mitinhaber der Berliner HandelsGesellschaft, sah einmal zwei weibliche Plastiken, die in einer Eingangshalle standen. Die eine war in klassische Gewänder gehüllt, die andere 5
„So laßt mich scheinen bis ich werde; zieht mir das weiße Kleid nicht aus!" (Mignon, Wilhelm Meister)
Unternehmenspolitik u n d Jahresabschluß
war unbekleidet. I m Vorbeigehen sagte er: „Dies ist die verschleierte Bilanz, jenes die nackte Pleite." Nun kann die unverschleierte Bilanz, wie dies in unseren Tagen beinah zu einer liebgewordenen Denkgewohniheit wurde, auch eine Summe von Reizen und Schönheiten aufweisen und weit entfernt von einer Pleite sein. Auch eine solche Schönheit kann Kopfzerbrechen verursachen und zu der Überlegung veranlassen, einige ihrer Reize zu verhüllen, um nicht allzuviel Begehrlichkeit -zu wecken. Überlegungen dieser A r t gehören i n das Chefkabinett. Dort beginnt die bilanzpolitische Erörterung des Jahresabschlusses, anschließend an die i m Rohbau vorliegende Arbeit des Bilanzbuchhalters. Das Aktiengesetz unterscheidet diese beiden Stadien der Bilanzentstehung m i t zwei fast gleichlautenden, aber inhaltlich sehr unterschiedlichen Begriffen, wie sie i m § 125 und § 127 vorkommen. Es heißt i m § 125 über „Feststellung des Jahresabschlusses" (1): „Der Vorstand hat i n den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres für das vergangene Geschäftsjahr die Jahresbilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung (Jahresabschluß) aufzustellen und dem Aufsichtsrat vorzulegen..." und i m dritten Absatz: „Billigt der Aufsichtsrat den Jahresabschluß, so ist dieser festgestellt...". I n § 127 ist wiederum von der Aufstellung des Geschäftsberichtes (im ersten Absatz), i m zweiten Absatz von der Feststellung des Jahresabschlusses die Rede. Diese beiden Ausdrücke von der Aufstellung einerseits und der Feststellung anderseits bezeichnen ganz treffend den von m i r hervorgehobenen Unterschied zwischen der Werkstatt des Buchhalters und dem Chefkabinett der Inhaber bzw. Vorstandsmitglieder. Die Aufstellung betrifft das Zahlenwerk ohne unternehmenspolitische Nuancen und Varianten. Die Feststellung betrifft den Jahresabschluß nach allen bilanzpolitischen Erwägungen und Entscheidungen, so also wie der Jahresabschluß von Gesetzes wegen zu gelten hat für jeden, ob er drinnen oder draußen steht, ob er Eigentümer, Manager, Auskunfts- oder Prüfungsberechtigter ist, ob es sich um die Gläubiger oder die Bank, um die Mutter- oder die Tochtergesellschaft handelt. Es gibt nur eine einzige Jahresbilanz. Wenn man von den zweierlei Bilanzen nach Handelsrecht und nach Steuerrecht spricht, so gilt dafür bekanntlich die Maßgeblichkeit der ersteren für die letztere. Es gibt auch nur ein einziges Kapital der Unternehmung, es ist das Gesamtkapital gleich der Bilanzsumme bzw. das Eigenkapital, bestehend aus Grundkapital und offenen Reserven bei der Aktiengesellschaft, und es gibt nicht außerhalb der Bilanz die echte und tatsächliche Größe des Gesamtbzw. Eigenkapitals. Also kann man auch nur auf Grund einer Bilanz und nicht ohne sie und jenseits einer solchen von dem inneren Wert, den stillen Reserven und dem Eigentumsanteil und -anspruch des A k t i o närs hierauf sprechen. Dies w i r d allzu oft, vor allem i n handelsrecht-
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licher und steuerrechtlicher Behandlung des Jahresabschlusses, übersehen. Ich spreche hier nur von dem Jahresabschluß. Damit ist nicht bestritten, daß es auch noch zahlreiche andere Anlässe für die Ermittlung des Eigenkapitals, für die Schätzung der Reserven geben kann, ζ. B. die sogenannte Auseinandersetzungsbilanz oder die Eröffnungsbilanz bei einer OHG bei Austritt oder Eintritt eines Gesellschafters oder bei A b findung von Erben eines verstorbenen Gesellschafters, falls nach dem Vertrag keine Pauschalierung zur Abgeltung etwaiger stiller Reserven vorgesehen ist. Der Jahresabschluß hat die einzige Aufgabe, zum Bilanztermin gemäß § 39 und § 40 HGB zu sagen, wie groß die Forderungen und Schulden und das Vermögen sind. Diese einzige Auskunft, die ohne Zweifel auch die Gewinnfeststellung einschließt, muß für alle Beteiligten und Interessenten gelten. Man kann also nicht, wie manche handelsrechtlichen Kommentare es seit Jahrzehnten versuchen, zwischen einer sogenannten öffentlich-rechtlichen und einer sogenannten privatrechtlichen Bilanz nach Handelsrecht unterscheiden. Man kann nicht sagen, für die Bank muß eine freundlichere Bilanz zugrunde gelegt werden, die als Kreditunterlage taugt, für den stillen Gesellschafter aber eine triste Bilanz, die i h m seinen Verlustanteil zeigt. Man kann zwar für gewisse Zwecke besondere Aufstellungen und Berechnungen machen, man kann stille Reserven auf dem Papier auflösen und einem ausscheidenden Gesellschafter davon etwas auszahlen, aber man kann nie und nimmer zweierlei oder zehnerlei Handelsbilanzen i m Sinn der Jahresbilanzen aufstellen. Die Jahresbilanz steht unter einem eindeutigen Zweck. Er lautet Vermögens- und Erfolgsnachweis mit dem Ziel, die Unternehmung fortzuführen. N u r so sind die Wertansätze zu begründen, vielleicht auch Unterbewertungen von Aktivposten zu rechtfertigen. Die Überbewertungen von Passivposten verbietet der Gesetzgeber. Der Gedanke, die Jahresbilanz unter den Gesichtspunkt der Fortsetzung des Unternehmens (178) zu stellen, macht mit einem Schlage alle bilanzpolitischen Erwägungen zu einem harmonischen Bestandteil der Unternehmenspolitik. Man hat nicht dreihundert Tage geschuftet und w i l l sich i n der Bilanz zum Bettler machen. Man kann auch nicht dreihundert Tage Mißwirtschaft und Schlendrian getrieben haben und hernach eine bewundernswerte Bilanz zustande bringen. Schließlich ist jede Rechnung, so auch die Bilanz, nichts als das Fazit aus dem Geschehen. Wenn also i m Geschehen selbst der Grundsatz der Vorsicht Geltung hat, und er kann weder unter Kaufleuten bestritten noch den Kaufleuten von anderen streitig gemacht werden, so muß i n bilanzpolitischer H i n sicht auch der Grundsatz der vorsichtigen Bewertung seine Geltung haben. Darin liegt nur scheinbar ein Widerspruch, wie er etwa i n dem Ausdruck von einer vorsichtigen Messung gefunden werden könnte (179).
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Scheinbar ist ein solcher Widerspruch deshalb, weil die Bilanz keine mathematisch-abstrakte Rechenaufgabe, sondern eine ökonomisch-empirische Leistungsaussage darstellt. Sie enthält konkrete Dinge, Gegenstände und Rechte i n der konkreten Unternehmung. Das ist etwas ganz anderes als die mathematische Operation mit angenommenen abstrakten Ziffern. „Soll und Haben" gilt auch für die Bilanz i m vollen Sinn der Verpflichtung und der Forderung. Dies aber heißt, daß „Soll und Haben" die Unternehmung mit abertausend Fäden an die Mitwelt binden. Einige amerikanische und kanadische Großbanken nennen die Zahl ihrer Einleger m i t mehreren Millionen. So vielfach sind die Fäden, aus denen das Rechenwerk einer Bilanz besteht. Ähnliches gilt für die laufenden Verträge einer Versicherungsgesellschaft, für die Beleihungen einer H y pothekenbank, für die Außenstände einer Konsumfinanzierungsunternehmung. Die Bilanzpolitik ist die Fortsetzung der Unternehmenspolitik m i t anderen Mitteln. So etwa könnte man das bekannte Wort von Clausewitz variieren, wonach der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist. Die Bilanzpolitik muß ja auch wieder i m neuen Jahr durch die Unternehmenspolitik fortgesetzt werden, und was man m i t ihrer Hilfe erreicht, um sich ärmer zu machen, muß man i m nächsten und i n 'den folgenden Jahren büßen, wenn man wider Willen reicher geworden ist, wenn die Sonder- und Überabschreibungen entweder zu überhöhten und überhitzten Neuanschaffungen drängen und dann zu Liqüiditätsschwierigkeiten führen oder wenn für die Unternehmungsexpansion keine Marktaussichten bestehen oder wenn die stillen Reserven bei den Gegenständen des Umlaufvermögens durch Umsatz freigesetzt werden und die Verlegenheit auftritt, sie wieder unterzubringen. Wenn also am Anfang unserer Überlegung ein gewisser Gegensatz zwischen Unternehmenspolitik und Jahresabschluß aufgezeigt wurde, ergibt sich am Ende des ersten Teils, daß er nicht größer ist als alles, was i m Leben des Unternehmens vorkommt und sein Recht verlangt®. Auch die Bilanzpolitik hat trotz ihrer Rechenhaftigkeit, die bei der Aufstellung überwiegt, doch jene Rücksichten zu nehmen, die der Feststellung nach dem Aktiengesetz innewohnen, und gerade diese Rücksichten lassen es zu, die Bilanzpolitik i n der Linie der Unternehmenspolitik zu sehen. Sie sind es schließlich, die es verständlich machen, wenn ein Unternehmen über persönliche Interessen einzelner Personen oder einzelner Gruppen hinausstrebt, wenn es gegen die Dividendenansprüche einzelner Aktionäre die Zukunftssorge betont, wenn es die Entwicklung und Modernisierung i m Zeichen des Wettbewerbs i m Auge hat. Mitunter mag auch der umgekehrte Sachverhalt zutreffen, daß Expansionsziele β
Vgl. Hanns L i n h a r d t : Bankbilanzen, K ö l n u n d Opladen 1960.
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m i t Recht der Mehrheit der Aktionäre übertrieben scheinen und die Berufung des Vorstandes auf § 112 Akt.Ges. gegenüber dem Auskunftsrecht des Aktionärs als Vorwand wirkt. II. I m zweiten Teil meines Vortrages möchte ich die Finanzpolitik (180) des Unternehmens mit dem Jahresabschluß i n Verbindung bringen, um zu sehen, welche Beobachtungen, Überlegungen und Wirkungen sich dabei herausstellen. Sie ist eine der wichtigsten, nach meiner Ansicht sogar die wichtigste Seite der Unternehmenspolitik. Ich halte sie deshalb für die wichtigste, weil i n ihr alle anderen Bereiche der Unternehmenspolitik gipfeln, weil sie ausschließlich i n Geldüberlegungen und Geldgrößen erfolgt, so daß man sie als Basis und Spitze, Anfang und Ende aller Unternehmenspolitik bezeichnen kann. Die Finanzpolitik bildet zugleich den Rahmen für die anderen Bereiche der Unternehmenspolitik, denn von ihr aus werden die Geldgrößen bestimmt, die ihrerseits für die Investition, Produktion und die anderen Bereiche bestimmend sind. Die Finanzpolitik umfaßt nicht nur das Geldnehmen wie die Finanzierung, sondern auch das Geldgeben, denn es gehört ja auch zur Finanzpolitik, zinslose Kassenreserven zu unterhalten, Bankguthaben zu geringem, Termingelder zu höherem Zinsfuß, Wertpapiere unter den Gegenständen des Umlaufvermögens zu haben. Solche Bilanzposten können gar nicht anders als in Verbindung mit dem Finanzplan und dem Investitionsplan verstanden werden, wie er i n der Großindustrie üblich ist. Ich kann als Bilanzkritiker daran Anstoß nehmen, daß eine Industriebilanz 1 % der Bilanzsumme an Barreserven, 5°/o an laufendem Bankguthaben, 10 % an Wertpapieren des Umlaufvermögens aufweist und kann m i r sehr klug dabei vorkommen, wenn ich i n den Bericht hineinschreibe, die Firma habe schlecht disponiert, sie leide offenbar an Geldfülle und an Gedankenarmut und es sei an der Zeit, i n der Verwaltung einige Änderungen, vielleicht auch personeller Art, eintreten zu lassen. Ein Bilanzkritiker kann sich bös irren, wenn er nicht weiß, daß einige Tage nach dem Bilanztermin beträchtliche Zahlungen an Baufirmen oder Lieferanten oder vertragliche Vorauszahlungen für Großaufträge fällig werden. Nicht von ungefähr setzt die Finanzverwaltung Vorauszahlungen für eine Reihe von Steuerarten auf den 10. des Monats und nicht auf den letzten Tag des Vormonats fest. Dies hat für das Aussehen einer Bilanz zum Monatsende erhebliche Bedeutung. Manche Bilanz würde an Schönheit verlieren, vor allem aber an Liquidität einbüßen, wenn Fälligkeitstermine, wie solche für Steuerzahlungen, vor dem Abschlußtermin liegen oder mit ihm zusammenfallen. Ich
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würde es für sehr gut halten, wenn Zahlungstermine zum 31. Dezember, der als Jahresbilanztermin immer mehr Anwendung findet und ab 1961 auch noch zum Jahrestermin der öffentlichen Haushalte wird, wenigstens um einige Tage, etwa fünf bis zehn Tage, von den gerade zum Jahresende gehäuften Zahlungsterminen getrennt würden. Es scheint mir z.B. für die Hypothekenbanken ein leichtes, Zinsen und Annuitäten zum 5. oder 10. Januar statt zum 31. Dezember festzusetzen. Zum Teil erfolgt bei Banken und Sparkassen bereits die Zinsberechnung zum Jahresschluß vor dem 31. Dezember. Gleiches wäre durchführbar für Mieten, Versicherungen, Gebühren, Steuern, Frachten und vieles andere. Hätten w i r eine solche Zeitspanne, so wäre der Liquiditätsvorsorge zum 31. Dezember manche Schärfe genommen, es wäre niemandem etwas geschenkt und allen Bilanzpflichtigen geholfen. Die meisten Liquiditätsverschönerungen, wie Ziehungen auf Debitoren, Wechseldiskontierungen, Wertpapierverkäufe, könnten unterbleiben. Der Gedanke ließe sich noch weiter ausdehnen, nämlich auf solche Büroarbeiten i n der Privatwirtschaft und i n der öffentlichen Verwaltung, die m i t der Errechnung von Zinsen, Annuitäten, Gebühren, Prämien, Provisionen usw. zu tun haben. Man könnte den Jahresschlußtermin um einiges entlasten, wenn die Zahlungsvorgänge zwischen dem 15. Dezember und dem 15. Januar gleitend und nicht für das Gros aller Zahlungen gehäuft durchgeführt würden. Hier könnten die Behörden und die Wirtschaftsverbände zu Empfehlungen und Vereinbarungen kommen, die wahrscheinlich gerne von allen Beteiligten aufgegriffen würden. Es wäre auch bei Zinscoupons an vierteljährliche Zahlungen anstelle der halbjährlichen Zahlungen zu denken. Dadurch würde ein beträchtlicher Teil von Rechenarbeiten zur Ermittlung der Stückzinsen an Wertpapierbeständen in der Bilanz entfallen. Die volkswirtschaftliche Abstimmung der Zahlungstermine zum Jahresende müßte einmal von übergeordneter Stelle auf die Gesamtsumme und ihre Verteilung nach Empfängern und Zahlenden überprüft werden; dann könnte eine A r t Planung erfolgen, wie sie eines Tages in den Millionenstädten für die Benützung der Verkehrsmittel oder die Sperre bestimmter Straßen i n der Innenstadt i m Sinne eines Verkehrszeitplans unentbehrlich sein dürfte. Ich würde den von m i r vorgeschlagenen Abstimmungsplan den Jahresabschlußzahlungsplan nennen. A n i h m wären alle Banken, Sparkassen, Versicherungsgesellschaften, alle Hypotheken-, Anleihe- und andere Schuldner und Gläubiger interessiert. Die Finanzpolitik w i r d den Bilanztermin wenigstens einige Monate vorher bereits ins Auge fassen. Sie w i r d auf eine gute Liquidität hinarbeiten, folglich kurz vor dem Bilanztermin keine größeren Anschaffungen aus Liquiditätsgründen vornehmen. Allerdings können andere 15
Linhardt
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Gründe, wie solche der Abschreibung auf Neuanlagen, selbst noch kurz vor dem Bilanztermin dabei überwiegen. Die Abstoßung von Anlagegütern zur Entlastung der Inventur, von Ladenhütern und Restbeständen i m Vorratslager bei Halbzeug und Fertigware kann ebenfalls durch den Bilanztermin angeregt oder ausgelöst werden, wie dies i m größten Umfange beim Inventurausverkauf und Jahresabschluß- oder Winterausverkauf i m Einzelhandel, vor allem bei Warenhäusern, der Fall ist. Auch i m Beschaffungssektor hat der Bilanztermin i m voraus seine Wirkung. Je nach der Liquiditätslage w i r d man m i t der Rohstoffbeschaffung zurückhalten oder zur Regulierung einer Überliquidität ausgleichend operieren. Ist das Jahr gut, so macht man noch gerne allerlei Spesen vor Jahresabschluß und auch noch das eine oder andere schlechte Geschäft. War das Jahr weniger gut, so achtet man mehr auf die Liquidität und w i l l auch die ausgewiesene Rentabilität nicht noch drükken. Dann verlangsamt man die Lagerproduktion, reduziert vielleicht auch die Arbeitszeit und i n gewissem, wenn auch geringem Umfang die Belegschaft, was i n der Bauindustrie trotz technischer Bemühungen um den sogenannten Winterbau noch immer nicht ganz zu vermeiden ist. Man achtet auf den geordneten Rückfluß der Außenstände, reguliert die größeren Kunden- und Lieferantenkonten und dergl. mehr. Wie weit kann i m Zeitpunkt der Feststellung der Bilanz (181) eine Finanzpolitik Platz greifen? Eine solche betrifft die Rücklagen und i n etwa auch die Wertberichtigungen und Rückstellungen, sowie die Posten der Rechnungsabgrenzung — die Rücklagen ganz ausgesprochen und unmittelbar, die anderen Posten indirekt. Die Dotierung der Rücklagen ist eine der wichtigsten Entscheidungen bei Aktiengesellschaften. Die Verwaltung ist darauf bedacht und die Hauptversammlung nicht immer damit einig, die Rücklagen zu stärken. Es ist nicht bloß Eigensinn und Unvernunft, wenn Aktionäre bei guten Gewinnjahren auch gute D i v i dendenauszählungen verlangen. Es ist einfach ihr berechtigtes Interesse. Hingegen w i r d die Rücklagenbildung von den Verwaltungen i n den letzten Jahren nicht nur leicht, sondern stark übertrieben (182). Damit w i r d aber ein anderer Fehler nicht gutgemacht: die dauernd unterlassene Stärkung des Grundkapitals. Warum hat man bei den westdeutschen Aktiengesellschaften so wenig dafür getan? Man schiebt alles auf die Steuern. Aber sie können Fehler und Unterlassungen der Finanzpolitik der Unternehmungen, insbesondere der Kapitalisierung, nicht rechtfertigen. Es ist bequemer, Rücklagen zu bilden und auf ein steriles Grundkapital dynamische Dividenden vorzuschlagen. Nur zu gerne betrachten die Verwaltungen den Dividendensatz als Maßstab ihrer unvergleichlichen Tüchtigkeit, während es doch nur rechnerische Mätzchen sind, die uns von der 6—8 °/oigen Dividende vor fünf Jahren zu der 14 bis 16 %igen für 1959 emporgehoben haben. Rücklagen und Traktoren
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fressen kein Heu, sie arbeiten mit und bekommen nichts. Die Verwaltung denkt von ihnen wie die Bauern, die ihre Pferde dem Roßhändler als Schlachtvieh verkaufen. Aber es ist ein arger Irrtum, das Grundkapital zu vernachlässigen und bei so winzigen Summen wie i m Falle Daimler das Börsenspiel bis i n die Höhenregionen von über 3000 °/o hinaufzutreiben. Es ist auch nicht ganz k l u g und verantwortungsvoll, auf solche Weise das Börsenspiel anzulocken. Wenigstens i n den letzten fünf Jahren betrachte ich die Unterlassung, das Grundkapital der Großindustrie, der Großbanken zu erhöhen, als eine echte, auf Bequemlichkeit und falscher Schlauheit begründete Unterlassung. Die Folgen sehen w i r an anderer Stelle, nämlich an der bedenklichen Erhöhung der fremden Gelder, vor allem i n der Großindustrie. Die mittel- und langfristigen Verbindlichkeiten zusammen erreichen i n einigen Konzernen 40—50 %>, die kurzfristigen 20—25 °/o der Bilanzsumme, darunter Bank-, Lieferanten·, Wechsel- und Akzeptschulden. Das sind tiefe Schatten auf der Sonnenseite unserer Wirtschaftskonjunktur und man soll nicht leichtfertig davon reden, wie es auch i m Dritten Reich gegenüber den 300 Mrd. R M Reichsschulden geschah, und soll nicht sagen, das bleibe alles i m Land und, soviel die einen schulden, soviel haben die anderen gut. Die Frage ist doch, wer wem etwas schuldet und wann unter Umständen der Gläubiger es zurückfordert. Der Engländer gebraucht seit Jahrzehnten einen dratischen Ausdruck über den Bankkredit, wenn er sagt: „Bei Sonnenschein leiht die Bank den Regenschirm und wenn es regnet, verlangt sie ihn zurück." Die Umstände können sich ändern und der Hochtourist weiß, wie schnell dies i n den höheren Lagen über 3000 Metern der Fall sein kann. Unsere Wirtschaft atmet nur noch Höhenluft. Unsere Konzerne haben alle die höheren Lagen erreicht. Bilanzsummen von 3—4 Mrd. D M in Industriebilanzen erschüttern uns nicht mehr. Das Grundkapital erreicht davon rund 20 % ! Keine sechs aller westdeutschen Aktiengesellschaften haben zum 31.12.1959 mehr als 500 Mill. D M Aktienkapital, einige m i t einigen Mrd. D M Bilanzsumme haben nur 200—300 Mill. D M Aktienkapital, einige Banken und Versicherungen erheblich weniger 7 . Summen von 5—10 Mrd. D M unserer westdeutschen Großbanken verdienen kein Aufhebens, und die „Times" hat in einer Nummer Ende Januar 1960 durch ihren Bonner Korrespondenten i n einem Leitartikel sogar geschrieben, Krupp schließe das Jahr 1959 mit einer Bilanzsumme von 40 Mrd. D M oder 3600 Mill. £. Vielleicht w i r d durch die fälschliche Anfügung einer N u l l der englische Groll gegen Krupp noch ein bißchen mehr verstärkt. Aber man sollte derartiges lieber nicht tun. Die Rückstellungen und Wertberichtigungen werden immer mehr zu einem Gegenstand der Finanzpolitik und verlieren dadurch die frühere 7
1δ·
Vgl. dazu umseitige Tabelle.
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harmlose Eigenschaft einer neutralen Rechenoperation zur Ermittlung des echten Aufwandes am Anlagevermögen und der nur dem Grunde, aber noch nicht der Höhe nach feststehenden Verbindlichkeiten. Diese beiden Posten sind i m Zeichen der hohen Körperschaft-, Einkommenund Gewerbesteuer alles andere als steuerneutral. Gelingt es, sie hoch anzusetzen und den hohen Ansatz auch gegenüber der Steuerverwaltung bei Veranlagung und Prüfung durchzusetzen, so sind Steuern aller A r t und bei großen Unternehmungen i n Millionensummen gespart. Das Geld bleibt in der Unternehmung! Mitunter ist die Freude kurz, aber bis zur Steuerprüfung und Erledigung etwaiger Einsprüche oder Entscheidungen vor dem Finanzgericht sind mitunter Jahre vergangen, und inzwischen hat man mit Steuergeldern ganz gut arbeiten können. Jeder Steuerpflichtige lebt i n dem guten Glauben, die Nachzahlung würde immer noch glimpflicher als die genaue steuerliche Erfassung und man tröstet sich damit, daß der Fiskus seine Steuerzahler doch nicht ruinieren kann. Manchmal, wenn die Nachprüfungen einige Jahre ausbleiben und die Einsprüche noch einige Jahre erfordern, erreichen die Nachzahlungssummen schicksalhafte Höhen. Das gilt auch dann, wenn bei Großkonzernen die Steuerprüfungen überhaupt nicht abreißen. Ich w i l l hier nicht näher auf die Pensionsrückstellungen eingehen. Sie gewinnen immer mehr den Charakter von zusätzlichem Eigenkapital unter fremdem Namen. Die Nachsicht, mit der die Finanzverwaltung die Posten der Pensionsrückstellungen behandelt, könnte mich mißtrauisch machen. Aber die Finanzverwaltung weiß, daß ihr niemand entgeht und daß sie auch sehr abgelegene Hühnernester ohne Wünschelrute aufzufinden versteht, obwohl ihr nicht gleichgültig ist, ob sie sofort oder später kassiert. Sie weiß auch, daß ihrem wachsamen Auge nichts verborgen bleibt, auch wenn es i n der Bilanz noch so gut versteckt ist. Vielleicht ist die Finanzverwaltung auch so klug, zu wissen, daß es keine Möglichkeit für die Groß-Aktiengesellschaft gibt, etwas außerhalb der Bilanz zu verstecken. Diese Auffassung erinnert an Voltaire, der gesagt hat, der Mensch habe die Sprache erfunden, um seine Gedanken zu verbergen. Mancher betrachtet analog die Bilanz als die Erfindung des Kaufmanns, um seinen Gewinn zu verbergen. Das mag eine gewisse Zeit von der Steuerverwaltung geduldet, von den Teilhabern und Aktionären gebilligt und von den Gläubigern begrüßt werden. Aber eines kann nie und nimmer sein: Daß es eine Gewinnermittlung ohne Bilanz, eine Kapitalberechnung außerhalb der Bilanz geben könne. Nur ganz kluge Leute, die von der Bilanz recht wenig und von der Unternehmung noch weniger verstehen, mögen der Meinung sein, die eingeweihten Personen hätten neben der Handels- und Steuerbilanz noch eine eigene, diskrete Bilanz, die nur bei besonderen Anlässen aus dem Stahlfach genommen wird, die tatsächliche Bilanz, in der das wirkliche Kapital
Unternehmenspolitik u n d Jahresabschluß
und der echte Gewinn stehen. Derartiges gibt es nicht. Es gibt nur das Bilanzkapital, errechnet unter dem Gesichtspunkt der Fortführung der Unternehmung, aber es gibt kein anderes, weder besser noch ehrlicher berechnetes Kapital außerhalb der Bilanz, mag es noch so viel andere Berechnungen, Listen und Aufstellungen internen und geheimen Charakters geben. Bilanzen kann man sie nicht nennen.
Z u r K a p i t a l s t r n k t u r ausgewählter westdeutscher Aktiengesellschaften (Mill. D M )
Gesellschaft
Bilanztermin
Bilanz· summe
Akt.Kap.
VerRück- Rück- Pens.· bind- G e w i n i lagen stellang. Rück* stellg. l i d i k e i t .
Mannesmann (koneol.) 31. 12. 1957
2822
560
406
205
301
1003
48
Farben Bayer
31. 12. 1958
2217
660
236
287
—
866
92
Hoeech (koneol.)
30. 9. 1958
1728
375
261
381
—
612
30
AEG
30. 9. 1958
1708
310
116
250
77
897
35
—
MAN
30. 6. 1959
915
75
64
141
588
10
Deutsche Bank
31. 12. 1958
9111
250
215
75
130
8287
35
Dresdner Bank
31. 12. 1958
6517
180
170
114
91
5657
25
Bayer. Vereinsbank
31. 12. 1958
2258
50
33
30
23
2093
6
Allianz Lebensvers.
31. 12. 1958
1847
12
4
1166
108
1
(Deckunge· rückstellg.)
—
Volkswirtschaftliche Lehrmeinungen über die Betriebswirtschaftslehre* I. Z w e i D i n g e s i n d es, die m i c h b e i m S t u d i u m der neuesten w i r t s c h a f t s wissenschaftlichen L i t e r a t u r m i t g r ö ß t e r B e w u n d e r u n g e r f ü l l e n : D i e B e t o n u n g der E i n h e i t u n d i h r Z e r f a l l . D i e B e t o n u n g der E i n h e i t l i e g t i n solchen V e r ö f f e n t l i c h u n g e n v o r wie Handbuch der Wirtschaftswissenschaften, hrsg. v. K a r l H a x und Theodor Wessels, Köln (Band I Betriebswirtschaft 1958, Band I I Volkswirtschaft 1959) oder dem Sammelwerk: Die Wirtschaftswissenschaften, hrsg. v. Erich Gutenberg, Wiesbaden 1958 f. Daneben finden sich zahlreiche Äußerungen i n Dissertationen, Z e i t schriftenartikeln und Beiträgen zu Sammelwerken, die die Einheit der Wirtschaftswissenschaften entweder schon verwirklicht sehen oder für erstrebenswert halten. D e r Zerfall der Einheit t r i t t in umfangreichen S a m m e l w e r k e n i n Erscheinung, i n denen weder die Grundauffassung noch die Stoffeinteilung oder die W a h l der Mitarbeiter auch nur die Spur einer einheitlichen Wirtschaftswissenschaft erkennen lassen. H i e r z u zählen das Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, seit 1956. Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, begründet von Heinrich Nicklisch, 3. Auflage, hrsg. v. Hans Seischab und K a r l Schwantag, 1955/59. A u ß e r d e m l i e g e n neueste V e r ö f f e n t l i c h u n g e n z u r W i r t s c h a f t s t h e o r i e , Wirtschaftsgeschichte u n d W i r t s c h a f t s p h i l o s o p h i e v o r , i n denen k e i n e Ansätze z u r E i n h e i t der Wirtschaftswissenschaften sichtbar w e r d e n . D a z u zählen: Walter Weddigen, Theoretische Volkswirtschaftslehre als System der W i r t schaftstheorie, 2. Auflage, Berlin 1958 (1. Auflage 1948). Gerhard Stavenhagen, Geschichte der Wirtschaftstheorie, 2. Auflage 1957 (1. Auflage 1951). Otto Weinberger, Grundriß der allgemeinen Wirtschaftsphilosophie, Berlin 1958. Edgar Salin, Geschichte der Volkswirtschaftslehre, 4. Auflage, Bern-Tübingen 1951 (1. Auflage 1923). * Quelle: Festgabe für Friedrich Bülow zum 70. Geburtstag, hrsg. v. O. Stammer und K. C. Thalheim, Berlin 1960, S. 237—255.
V o l k s w i r t s c h a f t . Lehrmeinungen über die Betriebswirtschaftslehre
Weddigen nennt i n seinem eben zitierten Werk von der Fülle der seit sechs Jahrzehnten in Deutschland erschienenen betriebswirtschaftlichen Literatur nur das Buch von Eugen H. Sieber „Objekt und Betrachtungsweise der Betriebswirtschaftslehre" (Leipzig 1931), ohne auf die Handbücher, Lehrbücher, Sammelwerke, Lexika und Einzeldarstellungen der Betriebswirtschaftslehre über Rechnungswesen, Finanzierung, Organisation, Unternehmungsformen, Kostenanalyse, Bewertungsprobleme, Absatzpolitik oder auf die zahlreichen speziellen Betriebslehren des Handels, der Industrie, der Banken und Versicherungen, der Verkehrswirtschaft und der öffentlichen Betriebe mit einem einzigen H i n weis überhaupt einzugehen. Über die Betriebswirtschaftslehre heißt es S. 25: „ I n der erstgenannten Hinsicht berät die Betriebswirtschaftslehre die Führung des Erwerbsbetriebes. Diese Disziplin w i r d mitunter auch als Privatwirtschaftslehre bezeichnet, aber auch sie beauskunftet und berät die Einzelwirtschaften unter Berücksichtigung der Gemeinschaftsgesichtspunkte, also nicht als ,private 4 (d. h. von der Gemeinschaft abgesonderte), sondern als wirtschaftspolitische Gebilde, als Glieder der Volksgemeinschaft." Gerade dies, was Weddigen hier von der Betriebswirtschaftslehre behauptet, tut sie nicht; weder berät sie die Einzelwirtschaften, noch berücksichtigt sie in ihrer Lehre die „Gemeinschaftsgesichtspunkte". Wo dies innerhalb der Betriebswirtschaftslehre einer bestimmten Richtung behauptet wird, ist es ohne wissenschaftliche Haltbarkeit geblieben. Ganz und gar weist es die Privatwirtschaftslehre von sich, solche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, ja sie stellt eindeutig fest, daß dies unmöglich ist. Ob Betriebs- oder Privatwirtschaftslehre, i n keinem Falle befaßt sich diese Disziplin mit der Beauskunftung und Beratung der Einzelwirtschaften. So etwas zu sagen heißt, über eine wissenschaftliche Disziplin das Todesurteil sprechen, und dies geschieht bei Weddigen i n einem Abschnitt betitelt „Das System der Wirtschaftswissenschaft" (183). Darin heißt es einige Zeilen weiter (S. 25 f.): „Eine andere Auffassung möchte der Betriebswirtschaftslehre mit der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre nicht nur einen angewandt-theoretischen, sondern einen eignen rein-theoretischen Teil zuweisen, der dann i n mikroökonomischer Betrachtung die partielle Gleichgewichtsbildung in der Betriebswirtschaft zu untersuchen habe. Das würde aber jede einheitliche Systematik in der Wirtschaftstheorie und i n der Wirtschaftswissenschaft überhaupt vereiteln." Hier folgt ein Hinweis auf S. 92, wo die Kostentheorie als gemeinsames Arbeitsgebiet der Theoretiker der Volkswirtschaft und der Betriebswirtschaft genannt wird. Nach Weddigen darf es also eine theo-
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V o l k s w i r t s c h a f t . Lehrmeinungen über die Betriebswirtschaftslehre
retische Betriebswirtschaftslehre deshalb nicht geben, weil sonst sein System der Wirtschaftswissenschaft nicht stimmt oder, wie Christian Morgenstern sagen würde, „ w e i l nicht sein kann, was nicht sein darf". Die gleiche Ansicht vertritt Weddigen i n einem Aufsatz 1 , worin er wiederum die Betriebswirtschaftslehre als „praktische oder angewandte Disziplin" bezeichnet, „die der Beratung der wirtschaftlichen Praxis" dient (S. 629), während die „Wirtschaftstheorie" (s. E. fälschlich „Volkswirtschaftslehre" genannt) „ i n ihrem rein-theoretischen Kern die W i r t schaft schlechthin (ohne Rücksicht auf Raum und Zeit)" betrachtet (S. 629)2. Eine reine Wirtschaftstheorie „ohne Rücksicht auf Raum und Zeit" ist problematisch. Volkswirtschaftliche Grundbegriffe wie Eigentum und Einkommen, Tausch, Wert, Preis usw. sind an die Voraussetzungen der staatlichen Ordnung, der rechtlichen und sittlichen Grundlagen der menschlichen Gesellschaft gebunden. Es gibt kein Wertproblem ohne Tauch, keinen Tausch ohne Eigentum und Vertragsfreiheit, kein Lohnproblem ohne das freie Arbeitsverhältnis, keine Abschreibung ohne Buchhaltung, keine Steuern ohne Staatsgesetz. So gibt es auch keinen Betrieb ohne Raum, kein Wirtschaftsgeschehen ohne Zeit, folglich keine Wirtschaft schlechthin. Wirtschaftstheorie ist in diesem Sinne keine Seinswissenschaft, sondern eine Tunswissenschaft. I n diesem Sinne bedeutet Wissenschaft, zu sagen „was sich t u t " (184), nicht zu fordern, „wie man's tun sollte"; wenn man aber von Seinswissenschaft spricht, dann gibt die als solche verstandene Wirtschaftswissenschaft Antwort auf die Frage: Was ist eine Unternehmung, was ist ein Betrieb, was ist Gewinn, aber nicht nach Weddigen Auskunft auf Befragen und auch keine Beratung darüber, wie man eine Unternehmung, einen Betrieb leitet, wie man Gewinn erzielt 3 . Die Ansicht Weddigens von der Betriebswirtschaftslehre als Kunstlehre deckt sich mit der von Werner Sombart, demzufolge sich die Betriebswirtschaftslehre wie auch die Finanzwissenschaft und die „praktische" Volkswirtschaftslehre „zwischen die Wissenschaft und die Praxis schieben", wie dies auch „ i n dem Bereiche des Naturerkennens die zahlreichen ,Technologien' t u n . . . Die grundsätzliche Eigenart der Kunstlehren ist auch i n beiden Gebieten dieselbe" 4 . Allein, bei Sombart gibt 1 W. Weddigen, Der Doktorgrad der Wirtschaftswissenschaft. I n : Deutsche Universitätszeitung, Göttingen, Oktober 1958, S. 628—630. 2 Vgl. hierzu Sven Heiander und die Kritik von Rudolf Stolzmann (s. u.). 3 H. Linhardt, Kapitalwirtschaft und Kapitalrechnung. I n : Rieger-Festschrift „Die Unternehmung i m Markt", Stuttgart und Köln 1953; ders., Wilhelm Riegers Einfluß in der jüngeren Betriebswirtschaftslehre. In: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, März 1958, S. 143—158. 4 W. Sombart, Weltanschauung, Wissenschaft und Wirtschaft. In: Probleme des deutschen Wirtschaftslebens, hrsg. v. Deutschen Institut für Bankwirtschaft und Bankwesen, Berlin und Leipzig 1937.
V o l k s w i r t s c h a f t . Lehrmeinungen über die Betriebswirtschaftslehre
es keine „Wirtschaft schlechthin (ohne Rücksicht auf Raum und Zeit)" wie bei Weddigen; hier heißt es: „Die Wirtschaftswissenschaft soll die Einsichten in das ,Hier und Jetzt' der ökonomischen Lage eines Landes vermitteln" (S. 786); ähnlich äußert sich Heinrich Dietzel 5 . Einige Seiten weiter heißt es bei W. Sombart: „Ich habe bisher keinen Vorschlag gehört, der ein besseres Ordnungsprinzip enthält als die Idee des W i r t schaftssystems" (S. 787) (185). Diese Idee des Wirtschaftssystems ist doch wohl die Absage, ja die Widerlegung von Weddigens „Wirtschaft an sich", wie sie auch Sven Helander® unter Herauslösung aus der Staatsordnung und der W i r t schaftsverfassung vergeblich zu konstruieren versucht, ein Versuch, der durch die K r i t i k von Rudolf Stolzmann 7 überzeugend widerlegt wird. Sombarts Idee des Wirtschaftssystems folgt den Realtypen nach Carl Menger, der Unterscheidung von Konkurrenz- und Verwaltungswirtschaft nach Adolph Wagner und Heinrich Dietzel, der Einbeziehung der Unternehmung in die Wirtschaftstheorie, wie es W. Roscher, C. Knies, Lorenz von Stein unternommen, wie es Knies-Schüler wie E. v. BöhmBawerk und J. B. Clark, Dietzel-Schüler wie J. Plenge, wie es G. Cassel, A. Spiethoff weitergeführt haben und schließlich durch W. Eucken 8 neu aufgenommen worden ist. Stavenhagen 9 hat nach jedem Kapitel eine ausführliche Literaturangabe angefügt. Das Namenverzeichnis (S. 510—518) umfaßt 1000 Namen mit 2000 Hinweisen. Darin sind sechs Betriebswirte mit neun Hinweisen enthalten, nämlich W. le Coutre, M. R. Lehmann, E. Gutenberg, J. Hirsch, H. Möller und E. Schmalenbach. Weinberger bringt in seinem „Grundriß der allgemeinen Wirtschaftsphilosophie" 10 i m I. Teil eine Darstellung über „Begriff, Geschichte und Literatur der Wirtschaftsphilosophie" (1.—3. Kap.). I m II. Teil (4.—15. Kap.) behandelt er: Wirtschaftslehre und Logik, Mathematik, Naturwissenschaften, Psychologie, Metaphysik, Geschichtswissenschaft, Rechtswissenschaft, Ethik, Theologie, Gesellschaftsfragen, Staat. I n dieser weit gegliederten Darstellung fehlen: Soziologie, Betriebswirtschaftslehre, technische Wissenschaften, Arbeitswissenschaft, Sozialpolitik. I m Sach5 H. Dietzel, Theoretische Socialökonomik, Bd. I, Leipzig 1895. Vgl. Einleitung S. V. und S. 4, 44 f. ® S. Helander, Die Ausgangspunkte der Wirtschaftswissenschaft, Jena 1923. 7 R. Stolzmann, Die Krisis in der heutigen Nationalökonomie, Jena 1925. 8 W. Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, Jena 1939. 9 G. Stavenhagen, Geschichte der Wirtschaftstheorie, 2. neubearb. Aufl., Göttingen 1957 (1. Aufl. 1951). 10 O. Weinberger, Grundriß der allgemeinen Wirtschaftsphilosophie, Berlin 1958.
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V o l k s w i r t s c h a f t . Lehrmeinungen über die Betriebswirtschaftslehre
register steht das Wort „Betriebswirtschaftslehre" nicht. I m I. Teil von Weinbergers Wirtschaftsphilosophie werden „Die praktischen Denkrichtungen der Wirtschaftslehre" dargestellt (2. Kap., 2. Abschn.). Dieser Teil enthält: die Merkantilisten und Kameralisten, J. G. Fichte, Sozialrechtler, Planwirtschaftler und Marktwirtschaftler, Bodenreformer, A n archisten. Unter den Merkantilisten und Kameralisten erscheint kein einziger Name. I m I I . Teil w i r d über „Die Stellung der Wirtschaftslehre i m System der Wissenschaften" (S. 73) ausgeführt: „Wohl aber werden w i r prüfen müssen, auf welchen Wegen die uns hier interessierende Wissenschaft, die Nationalökonomie, zu richtigen Begriffen und brauchbaren Voraussetzungen für ihre Urteile und Schlüsse gelangt." Die Wirtschaftsphilosophie interessiert sich also nur für die Nationalökonomie, und dies an der Stelle, wo gefragt ist, welchen Standort die Wirtschaftslehre i m System der Wissenschaften einnimmt. Weinbergers Wirtschaftsphilosophie zeigt keinen Weg zur einheitlichen Wirtschaftswissenschaft; von einer Geschlossenheit und Einheit ihres Objektes ist hier nichts zu finden. Von der Einzelwirtschaft fehlt jede Silbe, jeder Literaturhinweis auf die Veröffentlichungen des In- und Auslandes seit mehr als einem halben Jahrhundert, wohingegen Vertreter der W i r t schaftsphilosophie wie Theo Suranyi-Unger und Herbert Schack in ihren Darstellungen eingehend über die Literatur der Betriebswirtschaftslehre, ihr Objekt und ihre Problematik berichten und urteilen. Der gleiche Verfasser äußert sich in seinem 1949 erschienenen Grundriß der Volkswirtschaftsslehre 11 : „Vielen Ballast habe ich über Bord geworfen. Es schien m i r ganz überflüssig, die vielfach bis zum Überdrusse erörterten, unergiebigen Streitfragen ü b e r . . . den Kapitalbegriff zu behandeln... Als Wirtschaftswissenschaft w i r d man jene Wissenschaft bezeichnen, die die aus der Erfahrung gewonnenen, die dauernde Versorgung der Menschen mit Sachgütern betreffenden Lehrsätze zu einem widerspruchslosen Ganzen zusammenfaßt." (S. 3). Man darf hierzu fragen, aus welcher Erfahrung diese Wissenschaft schöpft und für welche Menschen sie widerspruchslos gilt, aus der Erfahrung des Individuums i n seiner kurzen Lebensspanne, aus schriftlicher Überlieferung von Jahrhunderten und Jahrtausenden? Gleiches gilt für die „Versorgung der Menschen" und für den Begriff der Sachgüter. Stammen Rechtsbegriffe und Rechtssätze, Staatsformen, Denkkategorien, Wertvorstellungen aus der Erfahrung? Salin bringt i n der vierten Auflage seiner „Geschichte der Volkswirtschaftslehre" 12 hunderte ausländischer Autoren, vermittelt gelehrte 11 O. Weinberger, Grundriß der Volkswirtschaftslehre, Bd. 2, Grundriß der Sozialwissenschaften, hrsg. v. A. Tautscher, Wien 1949. 12 E. Salin, Geschichte der Volkswirtschaftslehre, 4. Aufl. Bern und T ü bingen 1951 (1. Aufl. 1923).
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Einsichten und tiefe Gedanken i n einer wohldurchdachten Stoffanordnung. Das Werk enthält kein Wort über die Literatur der Betriebswirtschaftslehre, auch keine Silbe über die Schweizer Veröffentlichungen von Fachvertretern an Universitäten, Handels-Hochschulen und Technischen Hochschulen wie i n Basel, Bern, Zürich und St. Gallen, keinen einzigen Hinweis auf Fach Vertreter wie H. Toendury, E. Gsell, A. Walther, A. Lisowsky, H. Mötteli, A. Gutersohn, O. Angehrn, H. Ulrich, W. H i l l , E. Bossard, Κ . H. Volk u. a. Salin nennt zwar Johann Joachim Becher, Johann G. Justi und andere Kameralisten, aber nicht die Handelsakademiker Carl Günther L u dovici, Johann Georg Büsch, Johann Michael Leuchs und nicht einen einzigen Vertreter der Betriebswirtschaftslehre von 1900—1951, wie J. F. Schär, J. Hellauer, E. Schmalenbach, H. Nicklisch, F. Leitner oder die wichtigsten Vertreter i m 19. Jahrhundert wie A. L i n d w u r m und A. Emminghaus. Er behandelt das Goldproblem und erwähnt G. F. Knapp, nicht aber dessen Schüler Wilhelm Rieger und die einschlägigen Arbeiten von Rieger-Schülern, von E. Schmalenbach 13 und F. Schmidt 14 . Bei Behandlung der Reparationen nennt Salin weder W. Mahlberg 1 5 noch E. Geldmacher1® oder W. Prion 1 7 . Bei Behandlung des Risikos nennt er weder K. Oberparieiter 18 noch A. Hoffmann 19 , bei Behandlung der Unternehmung und des Unternehmers auch nicht W. Rieger 20 . Salin betont die Bedeutung des Rechtes und des Staatsbaus für die Wirtschaft (S. 16). Er nennt die antike Wirtschaft eine echte Verkehrs Wirtschaft und widerspricht der von K . Rodbertus und K . Bücher vertretenen A n sicht von der vorherrschenden antiken Hauswirtschaft (S. 18/26). Die römische Wirtschaft bezeichnet er als die erste Weltwirtschaft (S. 28), mindestens seit dem zweiten Punischen Krieg. Seine Ausführungen zu 18 E. Schmalenbach, Dynamische Bilanz, 12. Aufl., K ö l n und Opladen 1956 (1. Aufl. 1919); ders., Die Goldmarkbilanz, Leipzig 1924. 14 F. Schmidt, Bilanzwert, Bilanzgewinn und Bilanzumwertung, Berlin 1924; ders., Die organische Bilanz i m Rahmen der Wirtschaft, Leipzig 1921, Neudruck der 3. Aufl. von 1929 unter dem Titel: Die organische Tageswertbilanz, Wiesbaden 1951; ders., Die Industriekonjunktur — ein Rechenfehler, Berlin o. J. (1927), in 4. Aufl. 1933 erschienen als „Betriebswirtschaftliche Konjunkturlehre", Berlin und Wien. 15 W. Mahlberg, Reparationssabotage durch die Weltwirtschaft, Leipzig 1928. 16 E. Geldmacher, Wirtschaftsunruhe und Bilanz, Berlin 1923; ders., Das Ende deutscher Wirtschaft, Leipzig 1931. 17 W. Prion, Kapital und Betrieb, Leipzig 1929. 18 K . Oberparieiter, Funktionen- und Risikenlehre des Warenhandels, Berlin und Wien 1930, 2. Aufl. Wien 1955 unter dem Titel: Funktionen und Risiken des Warenhandels. 19 A. Hoffmann, Wirtschaftslehre der kaufmännischen Unternehmung — Betriebswirtschaftslehre, Leipzig 1932. 20 W . Rieger, E i n f ü h r u n g i n d i e Privatwirtschaftslehre, N ü r n b e r g 1928.
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Quesnays Tableau Economique (1758) sind eingehend (S. 69 f.) seine L i teraturhinweise hierzu umfangreich (S. 100); Justus Moser (1720—1794) nennt er „den wahren A h n der geschichtlichen Wirtschaftsschule" (S. 138). Durch solche Proben aus der gelehrten Produktion der jüngsten Zeit war mein Interesse geweckt, die volkswirtschaftliche Lehrmeinung über die Betriebswirtschaftslehre näher zu erkunden, wenn auch nur in Auswahl. Die neueren volkswirtschaftlichen Lehr- und Handbücher haben nach A r t von Weinberger sehr viel Ballast abgeworfen. Es scheint, daß damit beträchtliche Mengen wertvoller Nutzladung m i t über Bord gegangen sind. Die neuesten Handbücher der Sozialwissenschaften stellen nicht etwa eine stoffliche Ausdehnung gegenüber den volkswirtschaftlichen Schriften durch Einbeziehung der Unternehmung und ihrer M a r k t probleme, durch Erörterung der Kostenprobleme, Preispolitik, Absatzmethoden oder der Probleme der Finanzierung und Organisation dar. Sie übergehen dieses gewaltige Stoffgebiet, nicht aber mit dem Hinweis, daß es i n der Betriebswirtschaftslehre neuerdings seinen unbestrittenen wissenschaftssystematischen Standort habe. Es ist i n zweifacher Hinsicht eine Verdorrung der Volkswirtschaftslehre eingetreten, worüber schon W. Sombart vor Jahrzehnten geklagt hat, einmal hinsichtlich der Stoffbehandlung der Unternehmungsprobleme und dann hinsichtlich der Erwähnung dieses Stoffgebietes als Arbeitsbereich der Betriebswirtschaftslehre. I n beiderlei Hinsicht war es zu Zeiten von Gustav Schmoller und Adolph Wagner, auch noch bei Heinrich Dietzel und Robert Liefmann, bei Joseph A. Schumpeter und Fr. v. Wieser besser bestellt. Dort wurden noch Unternehmungsprobleme gründlich und eingehend erörtert, systematisch dargestellt, Kostenbegriffe gebildet, Kosten- und Ertragsarten gegliedert, und die volkswirtschaftlichen Darstellungen von der Unternehmungsleistung und dem Unternehmergewinn im Rahmen der Verteilungs- und Einkommenslehre hatten noch Gehalt. J. Schumpeter nennt seine „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" i m Untertitel „Eine Untersuchung über Unternehmergewinn, Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus" 2 1 . E. Schmalenbach wählte für sein nach eigener Ansicht bestes Werk 2 2 den Ausschnitt aus Schumpeters Untertitel „Kapital, Kredit und Zins". Friedrich von Wieser widmet sich in seiner „Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft" 2 3 eingehend der Unternehmung, dem Unternehmer und dem Unternehmereinkommen (S. 438 f.). Th. Suranyi-Unger erörtert i n seinem Werk „Die 21 J. Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 2. neubearb. Aufl., München und Leipzig 1926. 22 E. Schmalenbach, Kapital, Kredit und Zins, Leipzig 1933. 28 Fr. v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft, im Grundriß der Sozialökonomik, Abteilung I, Teil 2, 2. Aufl. 1924.
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Entwicklung der theoretischen Volkswirtschaftslehre i m ersten Viertel des 20. Jahrhunderts" 2 4 nicht nur die philosophischen Einflüsse von Dilthey, Windelband, Rickert, Cohen, Natorp, Cassirer auf die Nationalökonomie (M. Weber, W. Sombart), er würdigt auch die literarische Leistung der deutschen Betriebswirtschaftslehre und nennt ihre ältesten und namhaftesten Vertreter (S. 56 f.). Die Bemühungen von R. Ehrenberg, eine von ihm geforderte „Privatwirtschaftslehre" zur Gewinnung von „Meßbarkeiten, Vergleichseinheiten und experimentellen Beobachtungen" zu schaffen, wurden damals mißdeutet. W. Sombart zählt die Privatwirtschaftslehre (Betriebswissenschaft) zu den drei Wirtschaftskunstlehren neben der Staatswirtschaftslehre (Finanzwissenschaft) und der „praktischen" Volkswirtschaftslehre und sagt, sie habe i m letzten Menschenalter eine Wiedergeburt erfahren, sei zu einer beachtenswerten Disziplin entwickelt, „der eine segensreiche Tätigkeit bevorsteht", sollte aber die Betriebslehren des öffentlichen, bäuerlichen und handwerklichen Betriebes „ohne die Grundlage der Rentabilitätsrechnung" entwickeln i m Hinblick auf die Umwandlung der Konkurrenz- i n die Verwaltungswirtschaft 25 (186).
Π. Die deutsche Nationalökonomie hatte von Anfang an zu den englischen Klassikern einen engeren Kontakt als zu dem wissenschaftlich gesicherten Gedankengut des eigenen Sprach- und Kulturbereiches. Zu diesem Gedankengut zählt insbesondere die wissenschaftliche Leistung der deutschen Handelsakademiker. Unter ihnen sind vor allem Carl Günther Ludovici (1707—1778)2β, Johann Georg Büsch (1728—1800)27 und Johann Michael Leuchs (1763—1836) zu nennen 28 . I n den Hand- und Lehrbüchern der politischen Ökonomie finden diese drei Handelsakademiker, die in den üblichen Darstellungen der Geschichte der Betriebswirtschaftslehre einen gesicherten Platz einnehmen, eine sehr unterschiedliche Würdigung. K a r l Heinrich Rau nennt 24 Th. Suranyi-Unger, Die Entwicklung der theoretischen Volkswirtschaftslehre im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts, Jena 1927. 25 W. Sombart, Weltanschauung, Wissenschaft und Wirtschaft, Berlin 1937, S. 779 f. 28 C. G. Ludovici, Grundriß eines vollständigen Kaufmannssystems, Leipzig (1752 bis 1756). 27 J. G. Büsch, Theoretisch-Praktische Darstellung der Handlung in deren mannigfaltigen Geschäften (2. Teil Hamburg 1792). 28 J. M. Leuchs, System des Handels, zwei Bände, Nürnberg 1804, F a k similedruck der 1. Aufl. mit einer Einleitung von R. Seyffert, Stuttgart 1933.
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J. M. Leuchs i n seinem Hauptwerk 2 9 an mehreren Stellen ausführlich, Wilhelm Roscher erwähnt i n seinen „Grundlagen der Nationalökonomie" 8 0 J. G. Büsch neben J. J. Becher, jedoch weder C. G. Ludovici noch J. M. Leuchs. W. Sombart würdigt sowohl C. G. Ludovici als auch die übrigen Handelsakademiker 31 . Insgesamt kann man nicht sagen, die deutsche Nationalökonomie habe die Schriften der genannten Handelsakademiker hinlänglich genannt und vollinhaltlich ausgewertet (187). Die Wertlehre und die Begründung des Wertes wirtschaftlicher Güter aus Seltenheit und Nützlichkeit ist bei C. G. Ludovici ausführlich dargestellt, 20 Jahre vor dem Hauptwerk von Adam Smith (1776) und über 100 Jahre vor der subjektiven Wertlehre der österreichischen Schule. Auch Schmalenbach, der sich i n verschiedenen Schriften eingehend mit den Kameralisten befaßt, hat den Handelsakademikern kein besonderes Augenmerk geschenkt. Er schreibt in der 4. Aufl. seiner „Grundlagen der Selbstkostenrechnung und Preispolitik" 3 2 : „Erstens müssen w i r uns befreien von der Vorstellung, daß der Preis i n allen Fällen durch die Selbstkosten bestimmt werde. Hier werden w i r uns i m wesentlichen auf die Ergebnisse der sogenannten Wiener Schule der Volkswirtschaftslehre stützen. Zweitens müssen w i r die Einflüsse der Kostenprogression und Kostendegression auf den Preis kennen lernen; hier werden wir, wenigstens soweit ich es übersehe, von den Nationalökonomen i m Stiche gelassen und sind auf eigene Erwägungen angewiesen." (188) Die Wiener Schule hat sich mit dem Wertproblem, aber nicht mit der Preisbestimmung durch die Selbstkosen befaßt. Die Nationalökonomie hat längst vor der Wiener Schule preisanalytische Untersuchungen angestellt. Die grundlegenden und originellen Erkenntnisse von C. G. Ludovici über die bestimmenden Faktoren des Wertes scheint Schmalenbach nicht gekannt zu haben. (Vgl. S. 41.) Friedrich List berichtet i n seinem Hauptwerk 3 3 ausführlich über seine häufigen Gespräche mit Nürnberger Kaufleuten wie Bauereiß und Schnell, dürfte jedoch von ihnen oder sonstwie keine Kenntnis der Schriften von J. M. Leuchs gehabt haben (189). Die deutschen HandelsM K a r l Heinrich Rau, Lehrbuch der politischen Ökonomie, 3 Bände, 1826 bis 1837. 80 Wilhelm Roscher, Grundlagen der Nationalökonomie, 16. Aufl. 1882 (1. Aufl. 1854). 81 W. Sombart, Der moderne Kapitalismus, 2. Bd., 2. Aufl. 1917 (1. Aufl. 1902). 82 Eugen Schmalenbach, Grundlagen der Selbstkostenrechnung und Preispolitik, 4. unv. Aufl. Leipzig 1927, S. 40. 88 Friedrich List, Das nationale System der politischen Ökonomie, Stuttgart 1841 (Neudruck hrsg. v. H. Waentig, 2. Aufl. Jena 1910), s. Vorwort.
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akademiker stützten ihre Darstellungen auf die volkswirtschaftlichen Grundbegriffe Bedürfnis und Tausch, Wert und Preis; sie behandelten die Einzelprobleme des Geld- und Kreditwesens, der Noten- .und Depositenbanken, der Versicherungswjrtschaft (Brandkassen, Sterbekassen), des Wechsel- und Aktienverkehrs i m Rahmen des von ihnen beschriebenen Handelsverkehrs. Ihre Leistungen hinsichtlich der Systemat i k sind nicht minder beachtlich als ihre Einzelerkenntnisse hinsichtlich des Außenhandels, des Wechselkurses, des Risikos usw. Von den älteren volkswirtschaftlichen Autoren behandelt G. Schmoller i n seinem Grundriß 3 4 zwar J. J. Becher (S. 87, 112, 174), Jacques Savary (S. 112, 349, 491), J. G. Büsch (S. 113, 267, 441) neben Justus Moser (S. 213, 260). Er erwähnt jedoch weder J. M. Leuchs noch C. G. Ludovici. Adolph Wagner bringt i n seiner „Theoretischen Sozialökonomik" 35 eine Fülle von Literaturhinweisen zu den einzelnen Kapiteln, i n denen die Handelsakademiker neben den Kameralisten vorkommen. Über Adolph Wagner urteilt Eugen von Philippovich 3 6 : „ K e i n anderer Schriftsteller hat i n so eindringlicher Weise die Gegensätze der privatwirtschaftlichen (unternehmungsweisen) und gemeinwirtschaftlichen (sozialistischen) Organisation der Volkswirtschaftslehre verglichen und abgewogen." Kein anderer Nationalökonom hat die Wirtschaftstheorie so tief i n die Unternehmung hinein verfolgt und aus der Person des Unternehmers wie aus den Sachverhalten der Unternehmung unter Würdigung der Beobachtungs-, Ordnungsmittel und Wirtschaftsweisen so viel Grundlegendes zur Erkenntnis der Unternehmung beigesteuert, darin am ehesten mit Alfred Marshall vergleichbar. Hingegen liegen die Darstellungen der Einzelunternehmung bei G. Schmoller und seinem Schülerkreis i m empirisch-historischen, nicht jedoch i m ökonomisch-theoretischen Arbeitsbereich. Wie bei A. Wagner ist bei Lorenz von Stein die „gedankenlose Stoffhäufung" ebenso glücklich vermieden wie die „stofflose Gedankenhäufung" (nach E. Salin). Auch Lorenz v. Stein hat i n seinen Hauptschriften 37 der Unternehmung eine bis i n die schwierigsten Details des Rechnungswesens, der Organisation und Finanzierung vordringende, umfangreiche Darstellung gewidmet, die i n der heutigen Generation der Betriebswirte kaum bekannt, sicherlich nirgendwo erwähnt ist. 34 Gustav Schmoller, Grundriß der allgemeinen Volkswirtschaftslehre, 2. Teü, 1.—6. Aufl. Leipzig 1904. 35 Adolph Wagner, Theoretische Sozialökonomik I , Leipzig 1907. 8β Ε. v. Philippovich, Grundriß der politischen Ökonomie, 1. Bd., 15. Aufl. Tübingen 1920, S. 72 (1. Aufl. 1893). 87 Lorenz von Stein, System der Staatswissenschaften, 1852/56; Verwaltungslehre, 8. Bde. 1865—1884.
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Die ältere Betriebswirtschaftslehre ist eindeutig von der Nationalökonomie abhängig. A m stärksten ist dies bei Weyermann-Schönitz 88 der Fall, nicht minder bei J. F. Schär 39 und F. Leitner 4 0 . Bei F. Leitner sind die Nationalökonomen A. Wagner, H. Dietzel, R. Liefmann und Ε. v. Philippovich i n der Hauptsache zugrunde gelegt. M i t einer solchen Fundierung ist in der ersten Periode der modernen deutschen Betriebswirtschaftslehre eine enge Verbindung zur Rechtswissenschaft hergestellt, wie dies nach den Gepflogenheiten der deutschen Nationalökonomie i m Gegensatz zu der englischen Political Economy sich versteht; zugleich ist eine innige Verknüpfung mit der Geschichte für die ältere deutsche Nationalökonomie kennzeichnend. Diese Zusammenhänge verlieren sich i n der zeitgenössischen Volks- und Betriebswirtschaftslehre, deren herrschende Richtungen sich in der Geringschätzung historischen Wissens und rechtswissenschaftlicher Sachverhalte nicht mehr unterscheiden.
m. Geht man einzelnen Problemen nach, so ergeben sich aufschlußreiche Verbindungen zwischen der Volks- und Betriebswirtschaftslehre und nicht selten markante Urteile der erster en über die letztere; sie sind selten anerkennend und noch weniger schmeichelhaft (Othmar Spann). Die Drei-Phasen-Gliederung der Verkehrslehre i n Produktion, Distribution und Konsumtion, die die Systematik der Nationalökonomie seit Jean Baptiste Say beherrscht und vergeblich angegriffen wurde (J. Plenge 41 ), setzt sich bis i n das neueste Werk von Gutenberg 42 über die Betriebswirtschaftslehre fort. Hingegen behandelt Weddigen (a. a. O.) weder die Produktion noch die Konsumtion und beschränkt sich i n der Hauptsache auf eine Ertrags- und Einkommenstheorie. I n den letzten Jahrzehnten haben sich zahlreiche Betriebswirte 43 der Geschichte ihrer Disziplin i n gedrängten Übersichten und i n Spezial88 M. Weyermann und H. Schönitz, Grundlegung und Systematik einer wissenschaftlichen Privatwirtschaftslehre und ihre Pflege an Universitäten und Fach-Hochschulen, Karlsruhe 1912. 89 Johann Friedrich Schär, Allgemeine Handelsbetriebslehre, 1. Teil, Leipzig 1911. 40 Friedrich Leitner, Privatwirtschaftslehre der Unternehmung, Berlin und Leipzig 1919. 41 J. Plenge, das System der Verkehrswirtschaft; vgl. hierzu H. Linhardt, Plenges System der Verkehrswirtschaft, in: Finanzarchiv N. F., Bd. 15, 1954/55, S. 21—71. 48 E. Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1 „Die Produktion", Berlin-Göttingen-Heidelberg, 2. Aufl. 1955 (1. Aufl. 1951); Bd. 2 „Der Absatz" ebda. 1955. 48 Balduin Penndorf, Geschichte der Buchhaltung in Deutschland, Leip-
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Untersuchungen liebevoll angenommen, während vorher geschichtliche Studien ausschließlich von Vertretern der Nationalökonomie und der Wirtschaftsgeschichte vertreten worden sind. Neuerdings ist eine von Erich Schäfer angeregte Habilitationsschrift von Dr. E. Leither er „Geschichte der handels- und absatzwirtschaftlichen Literatur" (190) vorgelegt worden, die eine Fülle unbekannter betriebswirtschaftlicher Schriften aus dem historisch noch ungenügend erforschten Fachschrifttum des 19. Jahrhunderts und das betriebswirtschaftliche Schrifttum des romanischen und angelsächsischen Kulturkreises darstellt. M i t der Änderung der Fachbezeichnung seit 1919 bilden sich innerhalb der Betriebswirtschaftslehre zwei ungleich starke Gruppen, die der Privatwirtschaftslehre strenger Observanz, die die Unternehmung i m Markt als einzigen Gegenstand der Forschung und Lehre betrachtet. Dazu gehören W. Rieger i n Nürnberg 44 , F. Leitner i n Berlin 4 5 , A. Hoffmann i n Leipzig4®. Die andere Gruppe unter Anführung von E. Schmalenbach entscheidet sich für die neue Fachbezeichnung Betriebswirtschaftslehre (191), verwirft die Rentabilität der Unternehmung als Zentralproblem und systembildendes Element der Disziplin, dehnt das Objekt auf jeden Betrieb jeder A r t und Größe aus, unterläßt die Determinierung des Betriebes durch die Verkehrswirtschaft i m Sinne der durch Kapitaleinsatz, Preisautonomie und Einzelwirtschaftsplan bestimmten Unternehmung i m Rahmen der durch das Geld organisierten Verkehrswirtschaft. Zu dieser Richtung zählen trotz erheblicher, innerer Gegensätze H. Nicklisch, F. Schmidt und i m ganzen die Kölner, Frankfurter und Berliner Richtung (ausgenommen F. Leitner). Dank dieser Abkehr von der Unternehmung als Erkenntnisobjekt, von der Rentabilität als theoretisches Problem, ist die Betriebswirtschaftslehre als Fachdisziplin expropriiert und als Universalwissenschaft proklamiert. Sie kommt einer allgemeinen Verwaltungslehre nahe (vgl. oben W. Sombart), und es nimmt nicht wunder, wenn E. Schäfer 47 i n einer neueren Veröffentlichung feststellt, E. Schmalenbach habe tatsächlich an eine solche allgemeine Verwaltungslehre gedacht: zig 1913; Rudolf Seyffert, Geschichte der Betriebswirtschaftslehre, Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 2. Aufl. 1938, 3. Aufl. 1957; Ernst Walb, Die deutschen Kameralisten, Kölner Rektoratsrede 1931; Josef Löffelholz, Geschichte der Betriebswirtschaft und der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1935. 44 Wilhelm Rieger, Einführung in die Privatwirtschaftslehre, Nürnberg 1928, unv. Neudruck 1959. 45 Friedrich Leitner, Privatwirtschaftslehre der Unternehmung, 5. Aufl. Berlin und Leipzig 1926 (1. Aufl. 1919). 46 Alexander Hoffmann, Wirtschaftslehre der kaufmännischen Unternehmung — Betriebswirtschaftslehre, Leipzig 1932. 47 Erich Schäfer, Grundfragen der Betriebswirtschaftslehre. In: Handbuch der Wirtschaftswissenschaften, Bd. I Betriebswirtschaft, Köln und Opladen 1958, S. 28. inhrdt
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„Es ist klar, daß eine Lehre, die sich auf einen derart umfassenden Bereich erstrecken soll, nur auf eine allgemeine Organisations- oder Verwaltungslehre hinauslaufen kann. I n der Tat hat Schmalenbach lange Zeit die Idee vorgeschwebt, die Betriebswirtschaftslehre als Verwaltungslehre aufzufassen. Dann könnte allerdings weitgehend offen bleiben, an welchen Objekten i m einzelnen sich diese Verwaltungslehre zu bewähren hätte." Der von W. Mahlberg, F. Schmidt, E. Schmalenbach und E. Walb seit 1926 herausgegebene, unvollständig gebliebene „Grundriß der Betriebswirtschaft" enthält einen Sammelband (2) „Die Betriebsverwaltung", der weniger grundsätzliche als ziemlich willkürliche und nebensächliche Beiträge verschiedener Autoren zusammenfaßt. Würde der literarische Einfluß L. v. Steins stärker gewesen sein, so würde vermutlich der seit 1900 auftretende Gegensatz zwischen Volks- und Betriebswirtschaftslehre geringer gewesen sein. L. v. Stein wäre i n seiner „Verwaltungslehre", aber auch i n seiner „Nationalökonomie" eine lebendige Brücke zwischen den beiden Disziplinen geworden. Sie hätte dann eine tiefe Ausstrahlung i n die Literatur des Auslandes und eine stärkere W i r kung i n der Praxis erlangen können. Die angelsâchsischë Forschungsrichtung betont die Verkehrserscheinungen stärker als die Unternehmungsprobleme (ausgenommen A. Marshall, H. J. Davenport); die romanische Richtung betont die Unternehmungsprobleme, ohne zur verkehrswirtschaftlichen Gesamtkonzeption zu kommen (ausgenommen J. B. Say). I n seinem Beitrag zur Festschrift zum 80. Geburtstag von Lujo Brentano, 1925, schreibt Charles Gide über „Die sozialökonomische L i teratur i n Frankreich seit dem Beginn dieses Jahrhunderts": „Bis zu diesem Zeitpunkt (1878) gab es i n Frankreich — so unwahrscheinlich das den Ausländern klingen mag — keinen volkswirtschaftlichen Unterricht, weder auf der juristischen noch auf einer anderen Universitätsfakultät. Es gab nur vereinzelte Lehrstühle i n Spezialinstituten, die außerhalb der Universität standen..." (a. a. O. S. 39). Die neuere Volkswirtschaftslehre hat m i t den grundlegenden Untersuchungen über die Wirtschaftsverfassung, die Marktformen und das Preissystem unter der Herrschaft des Konkurrenzprinzips (W. Eucken, Η . v. Stackelberg) einen entscheidenden Schritt zur Wiederanknüpfung theoretischer an historische Gedanken unternommen. Die volkswirtschaftlichen Untersuchungen der Marktformen sind nach der Fragestellung wie nach der Methode anders geartet als die betriebswirtschaftlichen Untersuchungen zur Markt-, Absatz- und Konsumforschung 48 . Die betriebswirtschaftliche Marktforschung geht von der Unterneh48 Erich Schäfer, Grundlagen der Marktforschung, 3. Aufl. Köln und Opladen 1953, 1. Aufl. Nürnberg 1928 unter dem Titel: Grundlagen der
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mung und ihrem Informationsstreben gegenüber den Gegebenheiten des Marktes aus und untersucht die Möglichkeiten der Marktanpassung und die Voraussetzungen der Unternehmungspolitik gegenüber den Marktveränderungen. Innerhalb der Betriebswirtschaftslehre unterscheidet sich die Marktforschung nach der Darstellung von E. Schäfer durch ihre Systematik und wesentliche Begrenzung auf die Verkehrswirtschaft, während die Absatz- und Konsumforschung von W. Vershofen und G. Bergler über die Grenzen der Verkehrswirtschaft (192) hinausgreift. Die volkswirtschaftliche Funktionslehre hat sowohl bei den deutschen Handelsakademikern wie bei den Kameralisten echte Vorläufer. J. J. Becher 49 unterscheidet bereits das Oligopol neben dem Monopol und bringt eine Systematik der Unternehmungsfunktionen, darunter auch die Realisation, die in der Gegenwart als Realisationsprinzip für das Verständnis der Geldwirtschaft, des Umsetzungsprozesses Geld— Ware—Geld und der Bewertung i n der Bilanz nach Handels- und Steuerrecht unentbehrlich ist. Die volkswirtschaftlichen Schriften zum Verkehrswesen lassen kaum erkennen, daß einschlägige betriebswirtschaftliche Arbeiten seit den grundlegenden Veröffentlichungen von Josef Hellauer 5 0 vorliegen und die Unterscheidung zwischen Betriebslehre und Verkehrslehre von jeher eine beträchtliche Rolle gespielt hat, wobei freilich diese Unterscheidungen vornehmlich dazu dienen, interne Vorgänge und Einflüsse von externen zu unterscheiden. Neben J. Hellauer hat vor allem E. Walb diese Unterscheidung verwendet 51 . Unter die Verkehrslehre fallen nach Walb alle Vorgänge und Probleme des Güter-, Personen- und Nachrichtenverkehrs, des Geld-, Kredit- und Kapitalverkehrs, somit auch die Vorgänge des Scheck-, Wechsel- und Effektenverkehrs. Dazu gehört die Darstellung der einschlägigen Aufgaben und Leistungen der Banken und Börsen, der Wirtschafts- und Finanzpresse. Die Volkswirtschaftslehre hat diese Seite der Verkehrswirtschaft stets vernachlässigt. Die Entwicklungsansätze aus dem Bereich der Finanzsphäre wurden immer wieder durch das Streben nach elementarer Erkenntnis und Herausstellung der Grundvorgänge der Güterwirtschaft vereitelt. Dies ist von alters her i n der Zinstheorie und Einkommenstheorie so geschehen und Marktbeobachtung; ders., Betriebswirtschaftliche Marktforschung, Bd. A / I I I der Betriebswirtschaftlichen Bibliothek, hrsg. v. W. Hasenack, Essen 1955; Georg Bergler, Beiträge zum Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung, hrsg. im Auftrag der Gesellschaft für Konsumforschung e. V., Berlin, 1. Jahrgang 1954. 49 J. J. Becher, Politischer Diskurs, 1668; vgl. hierzu Ferdinand August Steinhüser, Johann Joachim Becher und die Einzelwirtschaft, Nürnberg 1931. 50 J. Hellauer, System der Welthandelslehre, 1. Bd. Allgemeine Welthandelslehre, Berlin 1910. 51 E. Walb, Kaufmännische Betriebslehre, Leipzig 1938. 16*
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w i r d auch heute noch in der Geldtheorie weiterhin versucht (vgl. Otto Veit 5 2 , Rudolf Schilcher 53 ) (193). Die rechtlichen Erklärungen der Finanzsphäre, ihrer Vorgänge, Institutionen und Instrumente sind unter der Herrschaft des angeblich allein richtigen Güterdenkens i n der Volkswirtschaftslehre ebenso gemieden worden wie die Aufgabe, den Zusammenhang zwischen der Geldsphäre und der Gütersphäre aus den Funktionen des Geld- und Kapitalmarktes innerhalb der modernen Verkehrswirtschaft zu erklären (ausgenommen H. v. Beckerath 54 ). Dieser Zusammenhang ist ein organisatorischer. Er w i r d nicht i m Denkmodell, sondern mittels Durchdenkung der Wirklichkeit erkannt. Denkmodelle entheben allzu sehr der Tatsachenkenntnis, i n der solche unübertroffenen Theoretiker wie Carl Knies, K a r l Rodbertus, Adolph Wagner, Heinrich Dietzel groß waren. Die Wirtschaf t kann sich ändernder Mensch auch. Die Wirtschaft kann nie ohne Form sein, so wenig wie der Mensch aus seiner Haut kann. Formprobleme sind es, die aller Wirtschaft -zugrunde liegen, aber i n keiner Quantifizierung erfaßt werden. Allein schon deshalb mußte die grandios konzipierte und gigantisch eingeleitete NIRA-Administration von Franklin D. Roosevelt (1933—1937) scheitern. Das größte Formproblem der Wirtschaft ist die Organisation des Marktes. I n ihr allein, nicht i n mathematischen Gleichungen, vollzieht sich i n Verkehrsvorgängen das Geschehen der Wirtschaft, gestaltet durch Vertrags-, Rechts-, insbesondere Effektenformen, die zugleich als A n lage- und als Finanzierungsmittel dienen und auf diese Weise die Gütersphäre mit der Finanzsphäre zusammenbringen (194). IV. Schließlich sollen noch zwei markante Vertreter der Volkswirtschaftslehre i n ihrer Ansicht über die Betriebswirtschaftslehre gewürdigt werden, die beide für die Einheit der Wirtschaftswissenschaft Zeugnis ablegen: Erich Schneider 55 und Walter Eucken 58 . Ihrem Zeugnis w i r d die gegenteilige Ansicht von Adolf Weber gegenübergestellt. I m Vorwort zur 1. Aufl. sagt E. Schneider: „Die Wirtschaftstheorie hat i n den letzten zwanzig Jahren grundlegende Änderungen erfahren... Die Einheit der Wirtschaftstheorie, von vielen Forschern seit langem 52 O. Veit, Der Wert unseres Geldes, Frankfurt 1958; vgl. hierzu Buchbesprechung des Verf. in Schmollers Jahrbuch 1958, S. 751. 58 R. Schilcher, Geldfunktionen und Buchgeldschöpfung. Ein Beitrag zur Geldtheorie, Berlin 1958. 54 Herbert von Beckerath, Kapitalmarkt und Geldmarkt, Jena 1916. 55 Erich Schneider, Einführung in die Wirtschaftstheorie, I . Teil, Theorie des Wirtschaftskreislaufs, 4. Aufl. Tübingen 1953. 56 Walter Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, 6. Aufl., Berlin-Göttingen-Heidelberg 1950 (1. Aufl. 1939).
Volkswirtschaft. Lehrmeinungen über die Betriebswirtschaftslehre
erstrebt und gefordert, ist heute Wirklichkeit geworden, Preis-, Geld-, Konjunktur-, Finanztheorie und Betriebswirtschaftslehre sind in einer großen umfassenden Wirtschaftstheorie aufgegangen" (S. III). Das zweite Zeugnis für die Einheit der Wirtschaftswissenschaften findet sich bei W. Eucken. Er schreibt in der Einführung zu seinen Grundlagen; „Die Zeit, als die Finanzwissenschaft, die Wirtschaftspolitik mit ihren vielen Teilgebieten und die Betriebswirtschaftslehre unverbunden neben der Wirtschaftstheorie standen, ist vorbei, niemand bestreitet mehr ernstlich, daß es i m Grunde nur eine Lehre von der Wirtschaft gibt" (S. VII). Eucken sagt dann am Ende seines Werkes: „Daß die A b spaltung der Betriebswirtschaftslehre von der Nationalökonomie nicht aufrechterhalten werden kann, ergab sich aus dem gesamten Gedankengang. Sie wäre nur dann gerechtfertigt, wenn besondere Problemgruppen vorlägen. Denn nur die Selbständigkeit der Probleme konstituiert die Selbständigkeit einer Wissenschaft. — Die Probleme der Nationalökonomie und der Betriebswirtschaftslehre gehören zusammen. Betriebe und Haushaltungen sind Glieder der gesamten W i r t schaftsordnung, und die Hergänge in den Betrieben und Haushaltungen sind Teilhergänge des gesellschaftlichen Gesamtherganges. Die beiden Hauptprobleme der Nationalökonomie sind auch die beiden Hauptprobleme der Betriebswirtschaftslehre: Aufbau und Führung der Betriebe und Haushaltungen können nur i m Rahmen der Wirtschaftsordnung und des gesamten Wirtschaftsablaufs verstanden werden. Deshalb gelangen alle wissenschaftlichen Betriebswirte m i t Notwendigkeit i n die Untersuchung der Wirtschaftsordnungen und der verkehrswirtschaftlichen Gesamtzusammenhänge h i n e i n . . . (S. 237). Die Abspaltung der Betriebswirtschaftslehre von der Nationalökonomie ergab sich insbesondere daraus, daß viele Nationalökonomen versuchten, unter Umgehung der Einzelwirtschaften gesamtwirtschaftliche Probleme zu lösen. Es entstand — w o diese Schulen herrschten — ein Vakuum. Aufbau und Verhalten der Einzelwirtschaften blieben ungeklärt. Das Vakuum suchte die Betriebswirtschaftslehre auszufüllen. Sobald daher die Notwendigkeit erkannt wird, durch Untersuchung des einzelwirtschaftlichen Ordnungsgefüges und der Hergänge i n den Einzelwirtschaften die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge zu finden, fallen Vakuum und Abtrennung der Betriebswirtschaftslehre fort." (S. 238) I n der Fußnote Nr. 73 zu der obigen Textstelle heißt es: „Daß die Notwendigkeit, die Spaltung von Nationalökonomie und Betriebswirtschaftslehre zu überwinden, vielfach noch nicht gesehen wird, liegt am Verkennen der Probleme und fhrer Einheit. Zur Haltung der neueren betriebswirtschaftlichen Literatur: M. Lohmann i m Weltw. Archiv 1936, 44. Bd. Von neueren betriebswirtschaftlichen Arbeiten, in denen die Verbindung hergestellt wird, seien genannt: M. R. Lehmann, A l l -
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Volks wirtschafti. Lehrmeinungen über die Betriebswirtschaftslehre
gemeine Betriebswirtschaftslehre, 2. Aufl., 1949; W. Prion, Die Lehre vom Wirtschaftsbetrieb, insbesondere I. Buch, 1935; M. Lohmann, Betriebswirtschaftslehre, 1936" (195). Zu diesen beiden markanten Zeugnissen ist folgendes zu sagen: Beide Autoren geben hier eine Ansicht kund, zu deren Verwirklichung sie selbst erstaunlich wenig beitragen. Ein Literaturhinweis, wie der von W. Eucken in seiner obigen Anmerkung, kann nicht anders als lückenhaft und unzulänglich bezeichnet werden, wenn er dazu dienen soll, den Nachweis für die Herstellung der Verbindung zwischen Nationalökonomie und Betriebswirtschaftslehre zu erbringen. Drei Autoren werden hier i n einer Veröffentlichung aus dem Jahre 1950 genannt, i n einer Zeit also, die Dutzende von Einführungen, Grundlagen, Lehrbüchern und Sammelwerken aufweist, von einigen hundert Spezialwerken auf betriebswirtschaftlichen Einzelgebieten gar nicht zu sprechen. Eucken glaubt eine Einheit der Probleme nachweisen zu können und sieht dari n das Merkmal für die Selbständigkeit einer Wissenschaft, er spricht aber dann wieder von Zusammenhängen, von dem Gefüge, von den Hergängen und hinterläßt insgesamt den Eindruck, die Nationalökonomie, wie er sie betreibt, habe die früheren Lücken ausgefüllt und deshalb bestehe für die Fortsetzung einer abgespalteten Betriebswirtschaftslehre kein Grund. Tatsache jedoch ist, worauf Gutenberg in seiner Kölner Festrede 57 eingehend hinweist, daß die Betriebswirtschaftslehre nicht durch eine Abspaltung von der Nationalökonomie entstanden ist; gerade die Versuche von R. Ehrenberg, die Auffassungen von L. Brentano, die Schriften von Weyermann und Schönitz, die i n dieser Richtung liegen, sind fehlgeschlagen. Ein zweiter Einwand gegen die Auffassung von W. Eucken liegt darin, daß seine Befassung mit der Unternehmung durchaus nicht genügt, die Abspaltung der Betriebswirtschaftslehre von der Nationalökonomie zu überwinden; wenn sie genügen würde, müßte Eucken 58 aus dem Titel seines Werkes diejenige Konsequenz ziehen, die E. Schneider gezogen hat: er müßte nicht länger von der Nationalökonomie, sondern wie dieser von der Wirtschaftstheorie sprechen. E. Schneider befaßt sich i n den drei Bänden seiner Wirtschaftstheorie wesentlich eingehender m i t der Unternehmung, auch mit der Unternehmungsrechnung. Soweit er jedoch betriebswirtschaftliche Hinweise gibt, sind diese mehr als spärlich. Er zitiert i m zweiten Band F. Henzel (S. 81), H. Möller (S. 61) (196), E. Gutenberg, aber er nennt außer E. Walb 57 E. Gutenberg, Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft, Krefeld 1957 (Kölner Universitätsreden, Heft 18). 58 Eucken zitiert lt. Autorenverzeichnis insgesamt 222 Autoren, darunter die oben namentlich genannten und in der Anmerkung Nr. 73 (S. 271 f.) enthaltenen vier Betriebswirte.
V o l k s w i r t s c h a f t . Lehrmeinungen über die Betriebswirtschaftslehre
keinen weiteren betriebswirtschaftlichen Autor, und Walb erwähnt er an mehreren Stellen auch nur ohne Quellennachweis und nähere Erläuterung (vgl. I, S. 34 und I I I , S. 1). I m II. Band sind unter 104 Autoren lt. Autorenverzeichnis nur die obengenannten drei Betriebswirte zitiert, i m I I I . Band unter 98 Autoren nur ein Betriebswirt (E. Walb). Diesen beiden Ansichten darf eine gegenteilige von Adolf Weber5® gegenübergestellt werden. Er sagt: „Unsere Wissenschaft (Volkswirtschaftslehre, Anm. d. Verf.) hat ein anderes Erkenntnisobjekt als sonstige Wissenschaften, für die ebenfalls der wirtschaftende Mensch von Interesse ist. Jede Wissenschaft muß aber die ihrer Eigenart angepaßten Methoden handhaben. Die Betriebswirtschaftslehre hat es mit einer technischen, kommerziellen und finanziellen Einheit zu tun, die planmäßig von einer Zentralstelle aus geleitet w i r d ; sie bemüht sich um den Wirtschaftlichkeitsgrad der einzelnen Betriebe... Die Betriebswirtschaftslehre muß m i t einem anderen Begriffsapparat arbeiten als die Volkswirtschaftslehre. Es ist kennzeichnend, daß Gutenberg i n seinen „Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre" (1951) den Begriff Kapital, der für uns Volkswirte so entscheidend wichtig ist und so viele Schwierigkeiten i n sich schließt, gar nicht verwendet, er begnügt sich mit dem Ausdruck Arbeits- und Betriebsmittel". Der Einwand gegen die grundsätzliche Vermeidung des Kapitalbegriffs bei Gutenberg (197) ist gerade innerhalb der betriebswirtschaftlichen Fachdisziplin erhoben worden. Diese Vermeidung begründet keinen echten Unterschied zwischen der Volks- und der Betriebswirtschaftsléhre, kennzeichnet sie doch die moderne Richtung i n beiden Lagern. Der Betriebswirt kann weniger ohne den Kapitalbegriff auskommen als der Volkswirt; er verliert mehr, wenn er ihn preisgibt, für ihn ist das einseitige Güterdenken ein größerer Sündenfall als für den Volkswirt. Adolf Weber fährt fort: „Der eigentliche Auftraggeber ist die Volkswirtschaft; die Betriebe und Unternehmungen sind nur Zwischeninstanzen. — Es handelt sich also bei beiden Wissenschaften u m wesentlich verschiedene Aufgaben. Die Volkswirtschaft ist überhaupt keine Wirtschaft (198), sie stellt den Inbegriff einer unübersehbaren Zahl von Einzelleistungen dar, die sich über die ganze Welt verteilen und nicht von einer zentralen Stelle aus i n Ordnung gehalten werden. Die sich theoretisch ergebende Einheit ist ein Wunsch- und Gedankenbild" (S. 32). I n seinem Literaturhinweis zu diesem Abschnitt nennt Adolf Weber eine Reihe von Betriebswirten, wie G. Fischer, E. Pape, A. Isaac, A. L i sowsky, E. Walb, W. Rieger, M. R. Lehmann, K . Roessle, E. Gutenberg. Zum Kapitalbegriff führt A. Weber später (S. 210) aus: „Wenig Sorge 59 Adolf Weber, Allgemeine Volkswirtschaftslehre. 6. Aufl., Berlin 1953 (1. Aufl. 1929) S. 31.
Eine
Einführung,
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V o l k s w i r t s c h a f t . Lehrmeinungen über die Betriebswirtschaftslehre
um den Kapitalbegriff machen sich einige betriebswirtschaftlich orientierte neuere Vertreter der Volkswirtschaftslehre. I n dem dreibändigen Ldhrwerk von E. Schneider ist nirgends von dem Produktionselement ,Kapital· die Rede. Stackelberg läßt ,Kapital' als drittes Produktionselement gelten, definiert aber sehr summarisch: ,Das Kapital ist der gesamte jeweils vorhandene Bestand an produzierten Gütern' (,Grundlagen', 1951, S. 6)." I n seiner Behandlung der Kosten führt Adolf Weber aus: „ I n den einzelnen Betrieben handelt es sich um eine große Mannigfaltigkeit von Geldkosten für die verschiedenen Artikel, die bei der Produktion Verwendung finden, i n der Regel auch um Kosten für verschiedenartige Waren, die Gegenstand der Produktion i n ein und demselben Betrieb sind; es sind jeweils zu berücksichtigen Kosten der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Daraus ergibt sich die , erwerbswirtschaftliche Kalkulation'. Aufgabe der Betriebswirtschaftslehre ist es, sich damit eingehend zu beschäftigen. Aber diese betriebswirtschaftlichen Erwägungen tragen nur wenig dazu bei, volkswirtschaftliche Rätsel zu lösen und volkswirtschaftliche Schwierigkeiten zu beseitigen" (S. 219). Hier berührt Adolf Weber das Problem der Unternehmung. Es ist weder durch die Fiktion der „repräsentativen Firma" von Alfred Marshall, noch durch die Simplifikation der „Einprodukt-Unternehmung und Mehrprodukt-Unternehmung" nach E. Schneider zu lösen. Diese Fiktion bzw. Simplifikation liegt i n der gleichen Gedankenrichtung wie die theoretisch unterstellte Homogenität der Güter, die Transparenz des Marktes, die Mengenanpassung der Erzeuger und viele andere axiomatische, völlig irreale Hilfskonstruktionen, die zwar der Gedankenlogik Rechnung tragen, aber die Wirklichkeitserkenntnis verhindern. M i t Recht kritisiert Adolf Weber jene volkswirtschaftliche Ansicht, die zwischen Unternehmer und Unternehmung i n dem Sinne unterscheidet, „daß es »Unternehmungen 4 auch da geben könne, wo ein Unternehmer nicht mehr vorhanden s e i . . . " (S. 228). Er behandelt später „die Einzelwirtschaft als Haushaltswirtschaft" und faßt darunter die „Haushaltswirtschaften der Familien, der Vereine, der Aktiengesellschaften, der Gemeinden, der Staaten (S. 241), fügt aber hinzu: „Genau genommen gehört das Durchdenken der wirtschaftlichen Phänomene dieser Haushaltswirtschaften nicht mehr zum Erkenntnisobjekt der Volkswirtschaftslehre. Es müssen sich dafür besondere Disziplinen herausbilden: Privatwirtschaftslehre, Staatswirtschaftslehre (Finanzwissenschaft)" (S. 241). I n dieser Darstellung stimmt A. Weber mit W. Sombart überein. Es geht jedoch nicht an, die Unternehmung aus der Haushaltswirtschaft herzuleiten. Dies widerspricht allen Überlegungen zur Erklärung des Kapitalismus und den historischen Tatsachen seiner Entsteh-ung in einer begrenzbaren Periode des Abendlandes.
Objektivation und Subjektivation der Beziehungen von Mensch und M a r k t * 1.
Die beiden Begriffe Objektivation und Subjektivation 1 bezeichnen diejenigen Überlegungen und Ergebnisse, die aus einem nachprüfbaren Denkprozeß herrühren und eine Entwicklungsrichtung vom Subjekt zum Objekt (Objektivation) oder vom Objekt zum Subjekt (Subjektivation) (199) i n der Beobachtung und Beurteilung der Beziehungen zwischen beiden kennzeichnen. Bei Denküberlegungen i m sozialen und w i r t schaftlichen Bereich lassen sich unterschiedliche Ergebnisse am Ende des Denkprozesses gegenüber dem Anfang feststellen, ohne daß genaue Stadien und Etappen zwischen Anfang und Ende unterschieden werden können. Solche Zwischenstadien sollen hier ins Auge gef aßt werden. Wo das Subjekt dem Objekt gegenübergestellt wird, um von dem Denkergebnis einer Subjektivation i m Gegensatz zur Objektivation sprechen zu können, w i r d unter Subjekt nicht das denkende u n d aussagende Subjekt verstanden, sondern ein Objekt der sozialen Welt i n seiner subjektiven Form und Erscheinung. So ist bei Anwendung des Begriffspaares Subjektivation und Objektivation (200) auf den Sachverhalt der Beziehungen zwischen Mensch und Markt nicht etwa der Mensch Subjekt (im Sinne des Betrachters) und der Markt Objekt (im Sinne des Betrachteten), sondern Mensch und Markt können jeweils mehr Subjekt als Objekt oder mehr Objekt als Subjekt sein, nicht bloß mehr subjektiv oder mehr objektiv gesehen werden. Es geht also nicht allein um das Sehen i m Sinne der Betrachtungsweise, des Aspektes, sondern um die Begrenzung und Bestimmung des Objekts (201) und Subjekts i n der realen Erscheinungswelt durch Hervorhebung der Bestimmungsfaktoren der Begriffsinhalte Mensch und Markt, die einmal dem konkreten Gegenstand, ein andermal der abstrakten Idee näherkommen und * Quelle: Der Mensch im Markt, Festschrift für Georg Bergler, hrsg. von W. Vershofen, P. W. Meyer, H. Moser und W. Ott, Berlin 1960, S. 191—207. 1 Häufig und grundlegend verwendet bei W. Vershofen. Vgl. Referat zur 25-Jahrfeier der Gesellschaft für Konsumforschung am 21. 10. 1959; Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung; Handbuch der Verbrauchsforschung, 1. Aufl. 1940, 2. Aufl. 1959; vgl. hierzu Buchbesprechung des Verf. in Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 1940, S. 603—605, sowie vom Verf.: Grundlagen der Betriebsorganisation, Essen 1954.
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auf diese Weise dazu dienen, die Beziehungen zwischen Mensch und Markt i n ihrer Vielfalt von Stadien und Etappen zu klären. Spricht man vom Markt an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit, so ist durch die Orts- und Zeitbestimmung ein begrenztes Marktgeschehen zum Objekt einer Aussage gemacht worden, etwa einer wirtschaftswissenschaftlichen Analyse, wie es die Auswertung eines Marktberichtes sein kann. Dann ist nicht nur eine einschränkende Betrachtungsweise erfolgt, sondern ein i n der realen Welt gegebenes, durch Zeit und Ort bestimmtes, insoweit subjektiviertes Objekt erfaßt worden. Wenn vom Menschen i m Verhältnis zum Markt die Rede ist, so ist der Mensch Objekt der Betrachtung und Aussage i n den zahlreichen Stadien seines Marktverhaltens als Anbieter und Nachfrager, als Käufer und Verkäufer, als einzelner oder i n Verbänden organisierter Marktteilnehmer usw. Wird der Denkprozeß der Objektivation und Subjektivation auf die sozialen Gegebenheiten von Mensch und Markt angewandt, so entsteht die Frage, welche Stufe dieser Denkprozeß jeweils auf seiten des Menschen wie auf seiten des Marktes einnimmt. Diese Frage wäre überflüssig, wenn Mensch und Markt auf der richtigen Erkenntnis der beiden Gegebenheiten beruhen und ihre einwandfreie Wiedergabe i n einer wissenschaftlichen Aussage auf der gleichen Stufe stehen würden und ein Stufenunterschied auch dann ausgeschlossen wäre, wenn über die Stufengleichheit keine Klärung vorläge. Prüfen w i r den Sachverhalt an Hand einiger Formulierungen, die zum Zweck der Verdeutlichung frei erfunden sind, die aber aus Lehrbüchern, wissenschaftlichen Texten, üblichen Wirtschafts- und Presseberichten, wie auch aus herkömmlichen Äußerungen nachzuweisen sind. So heißt es etwa: Der Mensch verhält sich i m Markt rational (1). I m Mittelpunkt des Marktes steht der Mensch (2). Der Mensch beschafft sich seine Befriedigungsmittel aus dem Markt (3). I n diesen drei Aussagen stehen Mensch und Markt bei erster Sicht auf einem vergleichbaren Niveau der Objektivation. Wo vom Markt gesprochen wird, ist an jene Einrichtung der Verkehrs Wirtschaft (202) gedacht, die nicht an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit stattfindet, sondern als ein ständige, überall permanent vor sich gehende Veranstaltung mit typischen Wiederholungshandlungen verstanden wird, die weitgehend von den gleichen Personen, mehr noch von den gleichen Institutionen in etwa gleichen Formen ausgeübt werden. Hierm i t ist der Markt i m höchsten Grade der Objektivation gemeint. Wo vom Menschen i n den obigen drei Sätzen die Rede ist, w i r d offenbar nicht ein bestimmter einzelner Mensch i m Sinne des Individuums gemeint, obwohl jedesmal der Singular verwendet ist, sondern der
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Mensch als ein gedachtes, i n seinem wirtschaftlichen Verhalten bestimmbares und in seinem Marktverhalten hinreichend bestimmtes Wesen verstanden. Prüft man genauer, ob der Mensch i n den obigen drei Sätzen auf der gleichen Stufe der Objektivation steht wie der Markt, so läßt sich dies erst aus einer näheren Bestimmung der Begriffsinhalte von Mensch und Markt einwandfrei bestimmen. Dafür sind zwei Gründe maßgebend: Einmal die Genauigkeit der Aussage über Mensch und Markt und ihre Beziehungen zueinander, woraus gewisse Anhaltspunkte für den Grad der Objektivation zu entnehmen sind, zum anderen die Bezeichnung der Stufen, die ja rein gedanklich konstruiert sein müßten und für die keine objektiven Maßstäbe zur Hand sind. Es ist durchaus möglich, einen genauen Grad der Stufenunterschiede (203) zu gewinnen, wenn erst der Versuch gemacht wäre, zwischen den Endpunkten der Objektivation und der Subjektivation eine Reihe von Stufen zu unterscheiden. Wie viele sollen es sein? Man kann fünfundzwanzig, ebenso hundert oder einige Tausend bilden. Für den Hausgebrauch kann man sich mit der Unterscheidung von ein Dutzend Insektenarten begnügen, indessen es ihrer etwa 700 000 gibt. Man kann die Stufen m i t Worten oder Zeichen versehen und in die Aussage einbauen. I m Sinne der Übermittlung einer wissenschaftlichen Aussage müßte über die Zahl der Stufen und ihre Bezeichnung eine A r t Übereinkunft hergestellt werden, wie es das Alphabet in der Sprache, das Zahlensystem i n der Mathematik, das Notensystem i n der Musik, die Verwendung von Symbolen und Kurzzeichen i n den Naturwissenschaften aller A r t geschieht. I n der Mathematik hat man keine Angst vor Gleichungen mit mehreren Unbekannten, i n der Musik schreibt, spielt und singt man das dreigestrichene C, i n den Naturwissenschaften rechnet man m i t Millionen Lichtjahren, ermittelt die Zahl der roten Blutkörperchen auf 1 cmm Blut, den Blutdruck des Kaninchens in m m Quecksilber, die Samenzähl der Pappel, den Flügelschlag der Stubenfliege, die Milliarden Lebewesen i m Wassertropfen. — Aber i n den Wirtschaftswissenschaften hat man Angst vor der Größenbestimmung i m großen und i m kleinen, vor der Orts- und Zeitbestimmung i m ganzen und i m einzelnen, kurz vor der Genauigkeit der Aussage und ihrer Nachprüfbarkeit (204). Statt konkrete Größenbeziehungen aus der empirischen Wirtschaft zu gewinnen, werden abstrakte, mathematische Formeln entwickelt, die nichts an Wirklichkeit enthalten und bei „approximativer Annäherung" (nach E. Gutenberg) auf kompliziertesten Umwegen bestenfalls zu Simpeleien führen, wie sie G. A. Bürgers Schäfer i n dem Gedicht: „Der Kaiser und der A b t " auch schon gewußt hat. Einstweilen liegen keine Versuche vor, zur Erfassung der Marktfiguren zwischen dem Individuum und der Gesamtheit eines Volkes oder der
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Menschheit genauere Unterscheidungen vorzunehmen als sie bisher durch die Geschichte und die Soziologie i n den Grundbegriffen der Berufe, Stände und Klassen einerseits, i n den Grundbegriffen der soziologischen Gruppen andererseits erarbeitet sind. Würden solche Gliederungsmöglichkeiten i n wirtschaftstheoretische Aussagen über Mensch und Markt eingebaut, so wäre viel gewonnen. Daß dies nicht geschieht, hat verschiedene Gründe. Einer der Gründe liegt i n der Abneigung des W i r t schaftstheoretikers gegenüber solchen historischen Kategorien 2 (205) wie Stand, Klasse und Beruf und gegenüber dem soziologischen Grundbegriff der Gruppe. Ein anderer Grund ist die Gegensätzlichkeit zwischen historischen und soziologischen Kategorien. Beide lassen sich nicht zum Vorteil ökonomischer Ansichten miteinander verbinden. Die einen entstammen der Welt der Tatsachen, die anderen dem Reich der Ideen. H i storische Kategorien unterliegen dem Prüfstein des „hic et nunc", soziologische Kategorien sind frei wählbar 8 . Stellt man Mensch und Markt gegenüber, so können die beiden Gegebenheiten entweder auf der gleichen Stufe der Objektivation oder Subjektivation oder auf einer verschiedenen, vielleicht sogar extrem verschiedenen Stufe stehen. Ist die Aussage richtig, wenn Stufengleichheit vorliegt, ist sie unrichtig, wenn Stufenungleichheit vorliegt? I m letzteren Fall ist die Aussage falsch, da der Begriffsinhalt von Mensch und Markt inkongruent, die Voraussetzung der Identität nicht gegeben ist, folglich die beiden Gegenstände der Aussage nicht adäquat sind. I m ersten Fall kann jedoch die Richtigkeit nicht unterstellt, wohl aber kann geltend gemacht werden, der Ansatz- oder Ausgangspunkt für die Aussage sei durch die Stufengleichheit richtig gewählt. Versuchen w i r , drei weitere Sätze zu bilden, in denen offenbar keine Stufengleichheit von Mensch und Markt vorliegt, so daß hieraus bereits das Fehlerhafte der Aussage nachgewiesen werden kann. Wäre dies möglich, so wäre ein wichtiges K r i t e r i u m für eine gültige wirtschaftswissenschaftliche Aussage gewonnen. Die Hausfrau (206) verhält sich im Markt emotional und nicht rational (4). Der Arbeiter (206) kauft i m Markt stets das Teuerste (5). 2 Es ist bezeichnend für die sog. „Historische Schule" der deutschen Nationalökonomie, welche Rolle in ihren Forschungen das Zunftwesen, die soziale Frage, die Arbeiterfrage, das Bildungsproblem gespielt haben (vgl. Lorenz v. Stein, Karl Rodbertus, Gustav Schmoller, Heinrich Herkner, Lujo v. Brentano). 8 Zum Begriff der elementaren Gebilde und der elementaren Vorgänge im Wirtschaftsprozeß — Wirtschaftsmensch und Wirtschaftsgruppen. — Vgl. Johann Plenge, Das System der Verkehrswirtschaft, Tübingen 1903; hierzu vgl. Hanns Linhardt, Plenges System der Verkehrswirtschaft, in Finanzarchiv 1954, S. 21—71.
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Der Verbraucher (206) ist gegenüber den Preisschwankungen des Marktes machtlos (6). I n den obigen Aussagen (4—6) ist jeweils vom Markt i m allgemeinen die Rede, nicht aber vom Menschen i m allgemeinen, sondern vom Menschen, der einer bestimmten wirtschaftlichen oder sozialen Gruppe angehört (Hausfrau, Arbeiter, Verbraucher). I m Fall der Hausfrau ist die soziale Gruppe weiter gefaßt, sie enthält dementsprechend alle Schattierungen des Standes und Berufes, der Bildung, des Einkommens und der örtlichen Verhältnisse. Der Begriff Arbeiter unter Ausschluß des Angestellten und Beamten ist enger gefaßt als der der Hausfrau, enthält jedoch, ähnlich wie der der Hausfrau, noch immer zahlreiche Schattierungen des Berufes und des Einkommens wie auch der Bildung. Der Begriff Verbraucher ist weiter als die beiden vorher verwendeten Begriffe. I n den drei Fällen (4—6) liegt eine Stufenungleichheit des Satzgegenstandes — Hausfrau, Arbeiter, Verbraucher — gegenüber der Satzaussage — Markt — vor, aus der bereits die Ungültigkeit der Aussage hergeleitet werden kann. Die Hausfrau steht nicht dem Markt i m abstrakten Sinne der Wirtschaftstheorie gegenüber, sie t r i t t nur dem örtlich begrenzten konkreten Markt, z.B. dem Wochenmarkt für Obst, Fleisch und Gemüse, dem örtlich und zeitlich begrenzten Lebensmitteloder Textilmarkt gegenüber und bildet davon einen Teil. Die Aussage ist außerdem deshalb angreifbar, weil sie ein Verhalten der Hausfrau behauptet, wie es allgemein nicht gelten kann. Nicht jede Hausfrau verhält sich emotional, während etwa der Hausvater, der Junggeselle sich als Käufer rationaler verhalten. Gleiches gilt für die Aussage i m Satz 5, der Arbeiter kaufe i m Markt stets das Teuerste. Die Stufenungleichheit macht die Aussage wiederum unzutreffend. Der Arbeiter verhält sich anders i m Lebensmittelgeschäft, i m Warenhaus, i m Textilfachgeschäft usw. Die Aussage kann also nicht allgemein für den Markt i n seiner Abstraktion gelten, sie bedarf der Einschränkung auf bestimmte konkrete Märkte. Ihre Gültigkeit bedarf aber weiterhin der Einschränkung von seiten des Arbeiters hinsichtlich Beruf, Einkommen, Alter usw. I m Satz 6 ist nicht erkennbar, ob es sich nur um den persönlichen, individuellen Verbraucher oder um jeden Verbraucher einschließlich der gewerblichen Betriebe, Fürsorgeanstalten, Verwaltungen und Unternehmung handelt. W i r d der Verbraucher i m Sinne des individuellen sogenannten Letztverbrauchers verstanden, dann kann wiederum von seiten des Marktes nur der örtlich und zeitlich begrenzte Markt (ζ. B. für Lebensmittel, Haushaltwaren, Textilien) verstanden werden. Dann ist die Aussage nicht gültig, denn i m örtlich begrenzten Markt ist ein wirksames Gegenmittel der Verbraucher nicht nur denkbar, sondern i n zahlreichen Fällen erfolgreich angewandt worden (örtliche Käuferstreiks
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gegen Preiserhöhungen bei Brot, Fleisch- und Wurstwaren, Obst und Gemüse). Die Aussagen der Sätze 4—6 würden noch mehr an Gültigkeit verlieren, wenn sie für den Markt schlechthin gemacht blieben, hingegen bezüglich der Marktteilnehmer noch stärker eingeschränkt oder subjektiviert würden, etwa durch regionale und personale Beschränkung. Die Aussagen würden anderseits an Gültigkeit gewinnen, wenn sie auf beiden Seiten von Mensch und Markt eingeschränkt wären, ζ. B. Die Arbeiterhausfrau geringeren Bildungsgrades und schwankenden Einkommens verhält sich i m Lebensmittelmarkt stärker emotional als rational (7). Der ledige Bauhilfsarbeiter kauft i m Fleischerladen stets das Teuerste (8). Der persönliche Verbraucher ist gegenüber den Preisschwankungen am Markt für Güter des unentbehrlichen Bedarfs machtlos (9). Die Einschränkungen erhöhen die Gültigkeit der Aussagen dadurch, daß i m Satz 7 nur von der Arbeiterhausfrau geringeren Bildungsgrades und schwankenden Einkommens i n ihrem Verhalten auf dem Lebensmittelmarkt die Rede ist. I m Satz 8 ist vom ledigen Bauhilfsarbeiter gesagt, er kaufe i m Fleischerladen stets das Teuerste. Er w i r d sich i m Konfektionsgeschäft oder Juwelierladen nicht ebenso verhalten, weil dies m i t seinem Einkommen, aber auch m i t seinem Urteil und Geschmack nicht vereinbar ist. I m Satz 9 sind auf der Seite der Marktteilnehmer die Unternehmung, soziale Anstalt, öffentliche Verwaltung als Verbraucher ausgeschaltet, auf seiten des Marktes ist die Einschränkung auf „Güter des unentbehrlichen Bedarfs" erfolgt. Dadurch ist zum Ausdruck gebracht, daß der persönliche Verbraucher i m Falle von Preissteigerungen keine wirksame Zurückhaltung seiner Nachfrage, sei es auf Grund der Vorrathaltung, Marktübersicht oder Nachfrageminderung, vornehmen kann und auf seiten des Marktes ist nicht von entbehrlichen Waren, wie etwa Luxusartikeln oder allgemeinen Gegenständen des aufschiebbaren oder relativ entbehrlichen Bedarfs (Modewaren, Literatur, Musik) gesprochen. I n wirtschaftswissenschaftlichen Äußerungen werden mitunter die Grenzen des Objektes als flüssig, die Begriffe als wandelbar, die Tatsachen als wechselvoll, die Probleme als nicht faßbar bezeichnet. Eine solche Ausdrucksweise ist nur zu oft das verbrämte Eingeständnis wissenschaftlicher Unzulänglichkeit, die sich hinter der Nebelwand ständigen Wechsels versteckt. Warum versucht man überhaupt wirtschaftswissenschaftliche Aussagen, wenn man doch weiß, daß sich i m menschlichen, gesellschaftlichen wie i m individuellen Leben täglich und stündlich alles ändert! Warum macht man Aussagen über die Erdbevölkerung, ohne auch nur die Zahl der täglichen Geburten und Todesfälle zu kennen, über den Einzelmenschen, ohne über seine Handlungsantriebe je
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ins Reine zu kommen? Kann man dem ständigen Wechsel mit wandelbaren Begriffen beikommen? Gibt es solche? Das geht nicht an. Begriffe (207) müssen nicht nur handfest wie ein brauchbares Werkzeug sein — man kann m i t einer Gummizange keinen Nagel ziehen, m i t einem Gummihammer keinen einschlagen, m i t einer Gummisäge kein noch so dünnes Brett sägen —, man muß mit ihnen, unserem geistigen Werkzeug der Erfassung, Unterscheidung und B i l dung, treffen, trennen, fugen und bauen können. Der Wissenschaftler braucht, wie der Schreiner und der Schlosser, ein nicht n u r handfestes, sondern auch tüchtiges und hartes Werkzeug. Ein solches kann nur i n Begriffen unveränderlichen Inhalts dank hinreichender Definition gegeben sein. Besonders starke Unruheherde i m sozialen Leben, besonders heftige Bewegungen i m Wirtschaftsleben mögen eine wissenschaftlich zuverlässige Beschreibung oder Analyse unzweckmäßig und unzulänglich erscheinen lassen, wie etwa während eines Streiks oder einer nationalen Katastrophe. Sie mögen die wissenschaftliche Beschreibung übertreffen, sie vermögen sie jedoch nicht zu widerlegen. Die Krisentheorie, jener Auftakt der i m Grunde verfehlten Konjunkturtheorie, ist schon ein Fehltritt. Es gibt die gesunde Wirtschaft wie es den gesunden Menschen gibt, es gibt normale Wirtschaftsverhältnisse genauso wie normalen Puls, Blutdruck, normale Atmung, aber beides nur i m Sinn zunehmender, vom Konkreten ausgehender Objektivation.
2. Eingangs wurden die Objektivation und die Subjektivation als Denkprozeß bezeichnet. Objektivation ist nur als Denkprozeß möglich, ausgehend von einem konkreten Ausgangspunkt, von dem aus eine zunehmende Generalisierung möglich ist. Soweit dies gilt, besteht Übereinstimmung zwischen Objektivation und Generalisierung, jedoch m i t dem Unterschied, daß Objektivation auf der Erweiterung des Personenkreises der Marktteilnehmer bzw. des sachlichen Geltungs- und räumlichen Wirkungsbereiches des Marktes beruht. Die Objektivation kann auch darauf beruhen, daß eine vorher aus dem Marktgeschehen ausgeschaltete Personenzahl von unkundigen, wenig urteilsfähigen Menschen einbezogen wird, wodurch das Ergebnis objektiviert wird, denn der homo oeconomicus (208) ist eine Abstraktion, keine Objektivation. Dies ist der Grund für die empirische Marktforschung, die mühsam, umständlich und kostspielig nach dem Verhalten der wirklichen Menschen i m Markt fragt, damit nicht der Erzeuger seine Produktion nach einem Wunschbild seiner (!) Erwartungen, statt nach dem B i l d der Verbraucher er war-
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tungen richtet (vgl. Zweiradindustrie 1956/58). Die gedankliche Annäherung von Erzeuger und Verbraucher i n Richtung auf den Markt leitet den Prozeß der Objektivation bereits ein. Der Erzeuger überlegt: Was w i l l der Verbraucher, was kann ich bieten, bei welchen Kosten, mit welchem Gewinn, zu welchen Preisen? Der Verbraucher überlegt: Was w i l l ich haben, was kann ich bezahlen, bei welchem Einkommen, mit welchem Nutzen, zu welchen Preisen? Hieraus ergibt sich, daß der Erzeuger sich i n die Lage des Verbrauchers versetzt, um mit seiner Ware zu dessen Geld zu kommen. So suchen sich Ware und Geld i m Markt, verkörpert durch die Marktpartner. Erzeuger (nebst Handel) und Verbraucher, finden sich i m Kauf und decken sich i m Preis. Dies geschieht unter der Wirkung des Wettbewerbs. Von ihr kommt der ständige Hauch der über den Markt wehenden Objektivation. Sie kann mit der Generalisierung (209) einhergehen und zur Abstraktion führen, kann aber auch bei begrenzten Marktgütern, bestimmten Personengruppen und Orts- und Zeitumständen enden. Die Marktbegriffe Lebensmittelmarkt und Konsumgütermarkt sind i n Richtung zunehmender Objektivation, zugleich Generalisierung gebildet. Die Marktbegriffe Mastochsenfleischmarkt und Fleischmarkt können von den folgenden, generellen Begriffen abgelöst werden, für sie gibt es jedoch keine gleich gültigen Aussagen, denn der Markt für Mastochsenfleisch kann nicht unbegrenzt mittels Ausdehnung von Zeit und Raum generalisiert werden. Wohl kann es einer zunehmenden Objektivation gelingen, von einer konkreten Marktsituation ausgehend, -zu erweiterten Aussagen fortzuschreiten, sie kann dies nicht 'bis zur denkmöglichen letzten Generalisierung, weil sie damit — schon dem Worte nach — ihr Objekt verlieren würde. I n jedem Ort oder Bezirk hat nur ein Fleischer das beste Mastochsenfleisch, mehrere Fleischer führen vergleichbare Qualitäten, feststellbar i n kurzen Vergleichsperioden; die Aussage über Mastochsenfleisch ist nicht über das 'ganze Land und eine längere Zeit auszudehnen, ohne daß der M a r k t für Mastochsenfleisch verlorengeht. Die Statistik über den Verbrauch pro Jahr und Kopf der Bevölkerung ist keine Marktaussage. I m Sinne eines bewußt eingeleiteten und kontrollierbaren Prozesses muß auch 'beim Denkprozeß nicht nur Anfang und Ende bestimmbar, sondern auch der Zwischenraum begehbar sein, damit eine Nachprüfung erfolgen kann. I m gleichen Sinne werden die verwendeten Begriffe auf die Gegebenheiten Mensch und Markt angewandt. Es ist also darum zu tun, einen Denkvorgang der Subjektivation bzw. Objektivation aufzuzeigen und zwischen Anfang und Ende Zwischenstadien festzuhalten. Wenn man die Subjektivation als Denkprozeß versteht, muß sich ihr Grad an Hand einer Aussage nicht nur feststellen lassen, sondern es muß von der jeweiligen Aussage die eine Denkrichtung zur abnehmen-
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den, die entgegengesetzte zur zunehmenden Subjektivation führen. Gilt die Aussage dem Thema „Mensch und Markt", so w i r d für ihre Gültigkeit die Stufengleichheit vorausgesetzt. Wo also die Subjektivation als Prozeß aufgefaßt und dargestellt wird, muß es einen gesicherten Weg nach vorwärts zur fortschreitenden, nach rückwärts zur abnehmenden Subjektivation geben. Versuchen wir, diese Überlegung an Hand dreier konstruierter Sätze einer fortschreitenden Objektivation des Menschen i n seinem Verhalten i m Markt (10—12) an Hand von weiteren drei Sätzen mit fortschreitender Objektivation des Marktes zu verdeutlichen. Aussagen mit zunehmender Objektivation des Menschen bei gleichbleibender Objektivation des Marktes: Jugendliche (210) verhalten sich i m Markt nicht wählerisch (10). Die Sozialrentner (210) gewinnen i m Markt zunehmend an Gewicht
(11).
Der Verbraucher verfügt i m Markt über sein Einkommen (12). I n jeder der drei Aussagen (10—12) ist ohne Einschränkung vom Markt die Rede. Inhaltlich kann jedoch i n den Aussagen 10 und 11 nicht der abstrakte Markt als die Organisation der Verkehrswirtschaft, sondern nur der konkrete Markt gemeint sein, wobei schon im Satz 10 bestimmte Teilmärkte des Verbrauchermarktes ausgeschlossen sind. Auch i m Satz 11 w i r d niemand an den Grundstücksmarkt oder Aktienmarkt, sondern eher an den Markt für Nahrung und Kleidung i m Sinne des täglichen und kurzperiodischen Bedarfs dieser bestimmten Verbrauchergruppe denken. Es ist aber weder i m Satz 10 noch i m Satz 11 eine entsprechende Einschränkung gemacht, und bei Nachprüfung der Gültigkeit der darin enthaltenen Aussage ist es mehr oder weniger unerläßlich, eine entsprechende Einschränkung zu unterstellen. Die Unterstellung mag sich aus dem Zusammenhang ergeben, z.B. wenn vom Verbrauch an Getränken und Erfrischungen, an Sportkleidung oder Lektüre bei Jugendlichen die Rede ist. Das kann aber immer nur i m Zusammenhang ermittelt werden. Wo dieser nicht gegeben ist, führt die Aussage wie i m Satz 10 zu Verwirrung und Widerspruch und w i r d zur Quelle von Enttäuschung, sogar Verachtung, wie sie wirtschaftswissenschaftlichen Äußerungen, vor allem von naturwissenschaftlicher, aber auch philosophischer Seite widerfährt. Unter Umständen ist auch bei speziellen Marktuntersuchungen, etwa über das Verhalten der Jugendlichen, die Aussage von seiten des Marktes einschränkungsbedürftig. Die Jugendlichen verhalten sich i n der Weinhandlung weniger wählerisch als beim Buchhändler, weil ihnen i m ersten Fall Erfahrung, Sachkenntnis und Geschmacksurteil mehr abgehen oder weil sie i m zweiten Fall an Hand bekannter Autoren sich ein besseres Urteil zutrauen. Unter Ernest He17
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mingway stellt sich der Jugendliche etwas Genaueres vor als unter 1957er Kallstadter Saumagen, unter Françoise Sagan etwas Genaueres als unter 55er Sommeracher Katzenkopf. I m einen wie i m anderen Fall hat man Namen zur Wahl und die Namen mögen für die Echtheit bürgen, aber m i t dem Namen einer Weinprovenienz ist i n der Regel bei einem Jugendlichen eine weniger klare Geschmacksorientierung und Geschmacksvorstellung verbunden als mit dem moderner Autoren. Da man aber beim Einkauf nicht gern mangelnde Sachkenntnis und fehlende Erfahrung zugibt und sie weder durch ihr Eingeständnis noch durch eine sachkundige Beratung ersetzen kann, fühlt man sich beim Einkauf von Büchern wohler und sicherer, man kauft wählerischer. Die Aussage: Jugendliche verhalten sich i m Markt nicht wählerisch, würde also für die Weinhandlung eher gelten als für den Buchladen, für Fruchtsäfte weniger als für Weine, für Speiseeis weniger als für Dauerwurst. Je nach der Konkretisierung von seiten des Marktes erhält die Aussage über das Marktverhalten der Jugendlichen einen anderen Grad der Gültigkeit. Nehmen w i r das folgende Beispiel (Satz 11): Die Sozialrentner gewinnen i m Markt zunehmend an Gewicht. Warum denkt man hier ohne einen vorausgehenden Zusammenhang nicht gleich an den Grundstücksmarkt oder den Aktienmarkt? Aus dem einfachen Grund, w e i l das Einkommen des Sozialrentners beschränkt ist und schon deshalb eine gewichtige Nachfrage i m Grundstücks- und Aktienmarkt nicht vorliegen kann. Soll der Satz gegen Angriffe gesichert werden, so wäre auf der Marktseite näher zu bezeichnen, ob es sich um den Markt für Presseerzeugnisse (z.B. Illustrierte, Zeitungen) oder um den Lebensmittelmarkt usw. handelt. Würde man die Aussage für den textilen Markt machen, so würde sie für Sportkleidung anders lauten als für Winterkleidung. Eine weitere Genauigkeit würde die Aussage gewinnen, wenn sie von seiten des Menschen näher bezeichnet würde, z.B. durch Angabe von Alter, Geschlecht, Familienverhältnisse einzelner Gruppen der Sozialrentner. Die kinderlose, alleinstehende Sozialrentnerin w i r d für caritative, kirchliche Zwecke stärker ins Gewicht fallen als die Rentnerin m i t Kindern und Enkeln, denen sie gern Geschenke macht. Folgen w i r der Aussagerichtung der Sätze 10—12, so finden w i r i n Satz 12 einen höheren Grad der Objektivation auf seiten des Menschen i m Verhältnis zum Markt als i n Satz 10 und 11. Hier ist vom Verbraucher die Rede. Es ist gesagt: Der Verbraucher verfügt i m M a r k t über sein Einkommen. Das Subjekt dieses Satzes steht i m Singular. Es ist jedoch nicht an einen einzelnen und auch nicht an eine größere oder kleinere Gruppe von Verbrauchern, sondern an die Gesamtheit aller persönlichen Verbraucher gedacht, wie sie i m Wege der zunehmenden Objektivation gewonnen wird. Es ist nicht gesagt, daß der Verbraucher über sein gesamtes laufendes Einkommen restlos verfügt. Der Inhalt von Satz 12
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besagt, daß die Verfügung über das Geldeinkommen i m Markt und nicht anderswo und anderswie geschieht. Verbraucher ist man i n der Verkehrswirtschaft i m Sinne dieses Satzes, soweit man an den Markt geht und dort durch Einkäufe über sein Einkommen verfügt. Nun kann man die drei Sätze 10—12 i n der Richtung (10 nach 12) einer zunehmenden Objektivation oder i n der umgekehrten Richtung (12 nach 10) einer abnehmenden Objektivation des Menschen i m Marktverhalten verfolgen. I n der Argumentation könnte also vom Satz 12 ausgegangen werden, der eine Aussage über den Verbraucher enthält, und die Aussage könnte bei abnehmender Objektivation für die Sozialrentner anders lauten als für die Jugendlichen, ohne daß eine Einschränkung auf der Marktseite der Aussage gemacht wird. Die abnehmende Objektivation kann aber, wie dargelegt, auch von der Marktseite Platz greifen: der Büchermarkt bei Jugendlichen ist anders als der Weinmarkt, der Markt für Sportkleidung bei Sozialrentnern ist anders als der Markt für Winterkleidung. Aussagen m i t zunehmender Objektivation des Marktes (211) bei gleichbleibender Objektivation des Menschen: Der Mensch kauft i m Obstmarkt ohne vorherige Markterkundung (13). Der Mensch kauft i m Lebensmittelmarkt ohne vorherige Markterkundung (14). Der Mensch kauft i m Konsumgütermarkt ohne vorherige Markterkundung (15). Die Aussagen von Satz 13—15 sind sämtlich unhaltbar wegen der Stufenungleichheit von Subjekt und Objekt. Nicht jeder Mensch verhält sich i m Obstmarkt gleich, entgegen der Aussage i n Satz 13; Kinder und Jugendliche verhalten sich anders als Frauen und Männer verschiedenen Alters, Einkommens und Bildungsgrades. Satz 14 und 15 sind ebenfalls nicht haltbar aus den gleichen Gründen. Wäre i m Satz 15 vom Markt schlechthin die Rede, somit scheinbare Stufengleichheit gegeben, so wäre dennoch auch diese Aussage aus ähnlichen Gründen wie i m Fall von Satz 13 und 14 nicht haltbar. Sie w i r d durch die zahlreichen Einrichtungen der Markterkundung von seiten des individuellen Letztverbrauchers, nicht erst durch die Methoden der Markterkundung von seiten des Kaufmanns und der Großunternehmung widerlegt. Die zunehmende Objektivation des Marktes i n den Aussagen von Satz 13—15 liegt i n der Ausweitung der Marktsphäre, angefangen bei dem nach Marktobjekten eindeutig begrenzten Obstmarkt, der allerdings regional über Länder und Meere reicht und beim Großhandel auf geringste Preisschwankungen, Zolländerungen, Mengenvariationen, Qualitätsschwankungen empfindlich zu reagieren vermag. Der Lebensmittelmarkt hingegen umfaßt heterogene Teile, wie Fisch und Fleisch, 17*
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Milch- und Molkereiprodukte, Frischwaren und Konserven, Inlandsund Auslandserzeugnisse. Die Gegenüberstellung von Mensch und Lebensmittelmarkt ist ohne Einschränkung auf seiten des Menschen wertlos. Nicht nur sind Personen ohne Geschäftsfähigkeit, ohne Einkommen ausgeschlossen, es fallen auch die Millionen von Erwachsenen und Einkommensbeziehern nicht darunter, soweit sie ihren Nahrungsbedarf nicht durch eigene Einkäufe, sondern als Angehörige, Insassen und Gäste von Hotels, Pensionen, Fürsorgeanstalten, Kurhäusern, Krankenhäusern, Strafanstalten und Heimen aller A r t beziehen. Der Konsumgütermarkt stellt gegenüber dem Obst- und Lebensmittelmarkt i n Satz 13 und 14 eine erhebliche Ausweitung der Marktobjekte (Kleidung, Möbel, Hausrat, Körperpflege usw.) dar, rechtfertigt aber nicht die i n Satz 15 enthaltene Aussage, beruht auch nicht auf der Stufengleichheit der Objektivation bei Mensch und Markt. Die Aussage krankt an einer unzulässigen Verallgemeinerung hinsichtlich des Marktteilnehmers, wie dargelegt, und an dem für den Konsumgütermarkt uneingeschränkt behaupteten Fehlen der Markterkundung. Die Haltbarkeit der vorstehenden Sätze 13—15 könnte durch Stufengleichheit verbessert werden, indem statt des Subjektes Mensch i m Verhältnis zum Obstmarkt das Subjekt weibliche Büroangestellte gesetzt würde, bei Satz 14 an Stelle des Menschen i m Verhältnis zum Lebensmittelmarkt das Subjekt die berufstätige Hausfrau und i m Satz 15 der versierte Kaufmann i n privaten Käufen. Die beiden Begriffe Mensch und Markt liegen scheinbar eindeutig auf der gleichen Gedankenebene komplementärer, ökonomischer Kategorien, aber der Schein trügt. Gebraucht man den Begriff Mensch, so ist auch da, wo es sich um den wirtschaftenden Menschen, den bewirtschaftenden und den bewirtschafteten, handelt, nicht klar, ob der lebendige Mensch von Fleisch und Blut oder die gedankliche Konstruktion des homo oeconomicus Gegenstand der Aussage ist. Eine reine Wirtschaftstheorie bedarf der gedanklichen Konstruktion des homo oeconomicus (212), denn sie unterstellt dessen rationales Verhalten zu seinesgleichen (Grundthese der klassischen Nationalökonomie seit Adam Smith: Jeder sucht seinen wirtschaftlichen Vorteil) und auch zur Umwelt i m engsten und i m weitesten Verstand. Aber der Mensch, jenes wandelbare, anpassungsfähige, offene, soziale Wesen, welches mit noch so viel Bezeichnungen nicht erschöpfend charakterisiert werden kann, weil es weder als Gattung zu bestimmen noch als Individuum zu charakterisieren ist (213), gehört als Leib-Seele-Einheit zugleich der Natur und der K u l t u r , zugleich dem Reich der Materie und dem Reich des Geistes an. Seine Lebensäußerungen machen ihn zum homo faber, homo sapiens, homo creator, homo ludens, homo intellectualis, animale sociale usw. usw.
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Betrachtet man die Stufen und Wandlungen, Schattierungen und Nuancen des Begriffs vom Menschen4 (214), zugleich auch die möglichen Variations- und Kombinationsfälle der menschlichen Grundeigenschaften, so w i r d verständlich, daß in allgemeiner wie i n wirtschaftlicher Hinsicht der Begriff Mensch außerhalb der Anthropologie und Ethnologie kaum definierbar ist. Er ist innerhalb der Geisteswissenschaften ein ewiges Ärgernis, weil er sich hier jeder Definition widersetzt. Allein der Dichter, der es versteht, menschliche Züge i n ihrer Individualität, ihrer flüchtigen Erscheinung und wechselnden Gestalt nachzuzeichnen, vermag dies in den Kunstformen des Romans, der Novelle und der modernen Kurzgeschichte 5 . Die Wissenschaft vom Menschen als soziales, zugleich denkendes und reflektierendes Wesen muß ihre Unzulänglichkeit eingestehen, wenn sie ehrlich sein will. A m höchsten ist dieser Grad der objektbedingten Unzulänglichkeit i n der Soziologie und Psychologie. Deshalb sind diese beiden Disziplinen mehr m i t der Schaffung und Vernichtung von Begriffen und Systemen als m i t der Erkenntnis der unter den Händen zerrinnenden Realität beschäftigt; kühne Konstruktionen und beschämende Fehlleistungen (215), geniale Gedanken und stumpfsinnige Kärrnerarbeit wohnen dort nah beieinander. Vom Inhalt des Marktbegriffes möchte man meinen, er sei eindeutig der Wirtschaft entsprungen und außerhalb der Wirtschaft nicht anwendbar. Aber diese Meinung w i r d schon durch den Sprachgebrauch, durch die K u l t u r - und Sozialgeschichte bis ins frühe Altertum, selbst durch die Philosophie, widerlegt. W i r kennen i n allen lebenden Sprachen, wie i m klassischen Griechisch und Latein den Marktbegriff. W i r finden ihn an zahlreichen Stellen des Neuen Testaments, am häufigsten bei Matthäus, der das öffentliche Wirken Jesu schildert, aber auch bei Lukas, der sich hauptsächlich mit der Kindheit Jesu befaßt. Der Markt bildet in der Geschichte des Abendlandes seit seiner Besiedlung durch die Kelten und Germanen einen wesentlichen Bestandteil der geographischen und politischen Siedlungs- und Lebensformen, die Abgrenzung des geistlichen und weltlichen Regiments, den Gegenstand des Staats- und Verwaltungsrechtes, das Hauptstück der Verleihung kaiserlicher und königlicher Privilegien. Der Markt ist untrennbar mit der Stadtkultur verbunden, i n Deutschland vor allem seit Heinrich I. (919—36), genannt der Städtebauer. I n Italien spricht man seit Jahrhunderten von den „Cento Città d'Italia", den hundert Städten Italiens, die alle eine ehr4 Arnold Gehlen, Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt, 4. verbesserte Aufl., Bonn 1950; K a r l Mannheim, Diagnose unserer Zeit, Zürich 1951; Hartley, Observations on Man, London 1749. 5 Zur Würdigung des dichterischen Werkes von Wilhelm Vershofen vgl. „Der Dichter" von Josef Winckler, in: Kultur und Wirtschaft, Festschrift zum 70. Geburtstag von Wilhelm Vershofen, Berlin/Nürnberg 1949, S. 9—17.
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würdige Vergangenheit haben, manche bis i n die etruskische Epoche i m 1. Jahrtausend vor Chr. zurückreichen (216). Der Marktbegriff begegnet uns i n der Philosophie und Dichtkunst. Sir Francis Bacon (1561—1626) schildert i n seinem philosophischen Spätwerk „Novum Organum" (1620) die Idole menschlicher Vorstellung, durch welche die reine Erkenntnis der Wahrheit getrübt wird. Zu diesen Idolen, d. h. Trugbildern, falschen Vorstellungen und den menschlichen Verstand schwächenden Motiven, gehören die „Idole des Marktes". Bacon behandelt sie i n großer Ausführlichkeit. Sein großer Zeitgenosse Thomas Hobbes (1588—1679) bedient sich zur Erklärung philosophischer Probleme rein ökonomischer Begriffe, vornehmlich solcher der kaufmännischen Buchhaltung, mit deren Hilfe er den von ihm neu begründeten, jedoch längst bei den griechischen Vor-Sokratikern entwickelten Nominalismus darlegt. Er erklärt auch das Wesen der Konkurrenz aus dem Sport, insbesondere dem Pferderennen. Dies ist amüsant, weil sprachlich und historisch der Wettbewerb oder die Konkurrenz nichts anderes als den Wettlauf i m sportlichen wie i m übertragenen ökonomischen Sinn bedeutet, während anläßlich der Vorschläge des Bundeswohnungsministers Lücke der Mieterschutzverband am 9.10.1959 erklärte, nach den Vorschlägen des Ministers gehe es nicht mehr u m einen Wettbewerb, sondern um ein Wettrennen (gemeint ist das Wettrennen der Mieter um geeignete, tragbare Wohnungen). I n der Dichtung gibt es unzählige Beispiele, in denen der Markt nicht etwa beiläufig, sondern grundlegend verwendet wird. Es kommt i n der ersten Zeile von Goethes „Hermann und Dorothea" vor: „Hab ich den Markt und die Straßen noch nie so einsam gesehen, ist doch die Stadt wie gekehrt, wie ausgestorben.. I n einem wenig bekannten Gedicht Goethes vergleicht er Gedichte mit „gemalten Fensterscheiben". Grau und farblos wirken sie vom Markt, aber leuchtend und prächtig vom Kircheninnern her gesehen. Wer dächte nicht an den Kontrast zwischen Kirche und Markt, zwischen dem Ort der Stille, der Andacht und Erbauung und unmittelbar daneben, wie noch heute i n Freiburg, Ulm, Regensburg, Nürnberg, der Ort des Kreischens und Feilschens, die Stätte von „Gestank und Tätigkeit", wie sie Goethe nennt und i n seinem „Osterspaziergang" i m Faust I eindrucksvoll kontrastiert: Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, Aus Handwerks- und Gewerbesbanden, Aus dem Druck von Giebeln und Dächern, Aus der Straßen quetschender Enge, Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht, Sind sie alle ans Licht gebracht. (V. 923—28)
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Wer dächte nicht bei der Prosa europäischer Literatur seit Boccaccio bis zu den lebenden Dichtern einschließlich der Nord- und Südamerikaner an diesen Kontrast von Dom und Kathedrale einerseits, zum Markt (217) als dem Zentrum des zivilen Lebens und den zahlreichen angegliederten Nebenmärkten anderseits, auf denen einst ein echtes Marktgeschehen sich abspielte und von denen heute nur noch der Name als Straßenbezeichnung Übriggeblieben ist. Die wenigsten Einwohner und Passanten werden dadurch an das erloschene Leben auf solchen Märkten erinnert. Da ist der Hauptmarkt i n Nürnberg und neben i h m der Obstmarkt, Weinmarkt, am Schönen Brunnen der sogenannte Herrenmarkt, auf dem Geldgeschäfte abgewickelt wurden, unweit davon der Milchmarkt. I n Münster gliedert sich an den sogenannten Prinzipalmarkt unweit vom Domplatz der Roggenmarkt, der Alte Fischmarkt — heute noch gültige Straßenbezeichnungen, einst streng geordnete Marktveranstaltungen. I n Paris und London treffen w i r alte, heute abgestorbene Markteinrichtungen, wie den Londoner Hay-Market neben den lebenden Markteinrichtungen Covent Garden, dem Großmarkt für Obst, Gemüse und Südfrüchte, vergleichbar den Markthallen für den Groß- und Einzelhandel i n Paris, Berlin, Wien. W. M. Thackeray (1811— 63) dichtete die „ V a n i t y fair", deutsch unter dem Titel „Jahrmarkt der Eitelkeit". Die Oper „Martha" von Flotow hat den Untertiel „Der Markt von Richmond", jener Markt, auf dem die Mägde Wie Vieh zur Schau gestellt wurden, u m einen neuen Dienstherren zu finden. I n Schleswig gibt es den sogenannten „Heiratsmarkt". Das Marktgeschehen hat nicht nur i n der Literatur, sondern auch i n der Malerei seine Darstellung gefunden, freilich nicht schon i n der mittelalterlichen Malerei, die sich vornehmlich religiösen Themen widmete, um so mehr aber mit Beginn des bürgerlichen Zeitalters, am meisten i m 19. Jahrhundert (Menzel, Liebermann, Corot, Monet, Manet) (218) und bei einzelnen Vorläufern, wie Pieter Breughel, William Hogarth. Ehe w i r also die beiden Begriffe Mensch und Markt i n wirtschaftswissenschaftlicher Betrachtung verwenden, haben w i r zu klären, ob w i r sie als rein ökonomische oder als gemischt ökonomisch-soziologische oder allgemein kultur- und geisteswissenschaftliche Begriffe gebrauchen. Für unser Thema ist nur die rein ökonomische Beschänkung des Begriffsinhaltes brauchbar. Diese Beschränkung kann aber nicht so weit getrieben werden, daß nur noch der homo oeconomicus übrigbleibt. Das wissenschaftliche Werk von Wilhelm Vershofen und ein beträchtlicher Teil der von Georg Bergler vertretenen Ansichten enthalten die A u f fassung, der wirtschaftende Mensch handle nicht etwa nur als Erzeuger rational, er handle auch als Verbraucher rational, aber es gäbe eine Rationalität der Produktion und eine andere, die Rationalität des Verbrauchs. Dadurch entsteht aber ein sehr schwieriges Dilemma, denn es
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kann nicht zweierlei Rationalität und schon gar nicht zwei diametral w i dersprechende Arten der Rationalität geben. W i r finden aus diesem Dilemma nur dann heraus, wenn w i r versuchen, den Grad der Objektivation oder Subjektivation i n jeder Aussage zu bestimmen, die Mensch und Markt betrifft. Es ist also zu überlegen, ob die logisch unerträglichen Widersprüche zwischen der Rationalität der Produktion und jener der Konsumtion sich auflösen lassen durch eine Unterscheidung je nach dem Grad der Objektivation oder Subjektivation von Mensch und Markt. Aber wie soll das geschehen? Ganz einfach durch die Entwicklung von einigen hundert oder tausend Begriffen, die zwischen dem äußersten Anfang der Objektivation und dem äußersten Ende der Subjektivation innerhalb einer beliebig lange zu denkenden Strecke aufgetragen werden. Man erschrickt vor den möglichen Wortungeheuern und dem entsetzlichen Mißbrauch der Sprache, die bei einer solchen Entwicklung neuer Begriffe entstehen. Aber dagegen ist durch Selbstkritik und immanente K r i t i k der Wissenschaft manches zu tun. Der Wissenschaftler erschrickt nicht vor den Wortbildungen, die es ermöglichen, den Mikrokosmos und den Makrokosmos zu erfassen. Der Physiker denkt in Neutronen und Protonen, der Chemiker i n Vitaminen und Sulfonamiden, der Botaniker beherrscht die lateinische Fachsprache, die bis an die Theke des Drogisten heranreicht, der Astronom überzieht den gestirnten Himmel mit dem Vokabular der abertausend Sternnamen (219). Unsere Meßtechnik erfaßt das millionstel Gramm, den millionstel Millimeter, die billionstel Sekunde. Hingegen ist das wissenschaftliche Handwerkszeug des Volks- und Betriebswirts heute noch so primitiv wie das Handwerkszeug des Maurers beim Bau der Pyramiden. Gewiß sind Senkblei und Wasserwaage auch heute noch unentbehrliche und unverbesserliche Werkzeuge i n der Hand des Maurers und daneben sind Winkel und Zirkel unentbehrlich i n der Hand des Baumeisters und des Steinmetzen. Aber die moderne Technik bedient sich außerdem der algebraischen Formel und geometrischen Symbolik, der mathematischen Gleichung. Nichts davon weist die Wirtschaftswissenschaft m i t ihrem armseligen Begriffsapparat auf, auch da, wo es nicht um exakte Messung, sondern u m anschauliche Begriffsbildung geht. Hier liegt eine Verkümmerung geistiger Schöpfungskraft, eine echte Verarmung wirtschaftlicher Vorstellungsgabe und ihrer Verwendung zur immer mehr zunehmenden Abstraktion vor. Von nichts kann man nicht abstrahieren. W i l l man also bessere und mehr abstrakte Begriffe, wie solche des Marktes, des Kapitals, der Arbeit, so braucht man neue anschauliche Ausgangspositionen, auf die man zur Beseitigung von Zweifel und Irrtümern zurückgreifen kann. Solche Ausgangspositionen sind der Verbraucher, der Normalver-
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braucher, der vierköpfige Arbeiterhaushalt, die Hausfrau, die Arbeiter-, Bauers- und Handwerkerfrau i m Konsumbereich und anderes mehr. Es sind Abstraktionen, die aber von einem i n der Wirklichkeit gegebenen Ausgangspunkt entnommen sind und auf ihn wieder zurückgeführt, mit ihm verglichen, an ihm orientiert werden können. Warum gibt man jedem Stern bis zu den entferntesten, die nur noch i m stärksten Fernrohr zu sehen sind, einen Namen? I n dem hübschen Kinderlied „Weißt du wieviel Sternlein stehen..., Weißt du wieviel Mücklein spielen..." heißt die Antwort i n beiden Strophen: „Gott, der Herr, hat sie gezählet, daß ihm auch nicht eines fehlet an der ganzen großen Zahl." Man hat noch keinen Versuch gemacht, auch den Mücklein einen Namen zu geben wie den Sternen und der Grund ist leicht zu finden. Es wäre wegen der Zahl und der Veränderung ebenso schwierig wie undankbar und unlohnend. Ebenso unlohnend und undankbar wäre es, jedem einzelnen Käufer, Kunden, Verbraucher, Einkaufsvorgang wissenschaftliche Beachtung zu schenken. Aber die Wirtschaft wie das Leben überhaupt vollziehen sich i n abermillionen Wiederholungsvorgängen. Diese gilt es zu typisieren, die typischen Vorgänge gilt es zu analysieren, mit ihnen ist der leere Raum des abstrakten Beziehungsfeldes „Mensch und M a r k t " auszufüllen, so eben, daß sie zunächst geklärt, geordnet, bezeichnet sind, um dann abgeklärt, abgezogen, abgenommen zu werden, damit sie dem einfalls- und erkenntnisreichen Denkprozeß der Subjektivation und Objektivation i m Rahmen (wörtlich!) eines Bezugssystems „Mensch und M a r k t " dienen, i n welchem die Bezugspunkte fixiert, die Bezugsebenen lokalisiert, die Bezugsgrößen analysiert sind, so daß die Aussagen über die Beziehungen soweit kontrolliert werden können.
Die Nachbarwissenschaften der Betriebswirtschaftslehre gesehen unter den Auspizien der Trinität von Markt Unternehmung und Betrieb* Die Betriebswirtschaftslehre ist ein Zweig der Wirtschaftswissenschaften. Diese gehören nach herrschender Ansicht und nach der von Rickert und Dilthey getroffenen Unterscheidung von Natur- und Geisteswissenschaften zu den Geisteswissenschaften. Die Einteilung in nomothetische und idiographische Wissenschaften nach Windelband würde die Betriebswirtschaftslehre vorwiegend, aber nicht auschließlich zu den ersteren rechnen. Mitunter w i r d die Ansicht vertreten, die Betriebswirtschaftslehre bilde mit der Volkswirtschaftslehre bereits eine Einheit. Diese Ansicht w i r d stärker von volkswirtschaftlicher als von betriebswirtschaftlicher Seite vorgetragen, wenn auch Erich Gutenberg, Erich Kosiol, Martin Lohmann ebenfalls dazu neigen. I m anderen Fall dürfte ein Wunschdenken vorliegen, da die deutsche Volkswirtschaftslehre an Geltung eingebüßt hat, seitdem sie eine innere Krise nach dem Anpassungs- bzw. Emigrationsprozeß während des Dritten Reiches und nach dem Anschluß an den internationalen Stand der Forschung durchzustehen hat, der nunmehr eine Neuorintierung folgt. Aber diese Neuorientierung vermittelt kein einheitliches B i l d der Volks- und Betriebswirtschaftslehre i m Ausland und schon gar nicht den Eindruck einer die beiden Disziplinen umfassenden, einheitlichen W i r t schaftswissenschaft. Ja, man kann sogar von einer betonten Sonderentwicklung i n den USA durch Pflege der Business Economics neben der Business Administration (220) vor allem an den ältesten und größten Universitäten der Oststaaten, seit Jahrzehnten nicht minder an den neueren Universitäten des Westens sprechen. Eine ähnliche Distanzierung zwischen Volks- und Betriebswirtschaftslehre unter Betonung der letzteren läßt sich auch i n England sowohl an den ältesten Universitäten wie an den neueren feststellen. Parallelen zu dieser Entwicklung bestehen i n Frankreich, Italien, noch stärker i n den Teilen Europas wie Schweden, Holland, Österreich und der Schweiz, die noch auf ein mit Deutschland gemeinsames historisches Bildungs- und Sprachgut zurückgreifen. * Quelle: Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspraxis. Festschrift für Konrad Mellerowicz, hrsg. von H. Schwarz und K. H. Berger, Berlin 1961, S. 229—245.
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Solange Individuum und Gesellschaft andere Formen ausbilden und verschiedene Ziele des Wirtschaftens verfolgen, w i r d es auch keine einheitliche Wirtschaftswissenschaft geben können. Selbst wenn die Neugestaltung der nachbarlichen Beziehungen beider Disziplinen zu den angrenzenden Wissenschaften Berührungen und Querverbindungen i n größerem Umfang als bisher schaffen sollte, würde doch ein echter Fortschritt kaum anders als in der Herausarbeitung der verschiedenartigen Problemstellung, noch mehr aber i n der Unterscheidung der verschiedenen Objekte beider Disziplinen erwartet werden können 1 . I m folgenden sollen diese nachbarlichen Beziehungen betrachtet werden. Dabei sind als Nachbarwissenschaf ten die Volkswirtschaftslehre, Soziologie, Geschichte, Politikwissenschaften, Rechtswissenschaften und die Psychologie zu würdigen. Sie bilden mit den Sprachwissenschaften, der Geographie und der Philosophie zusammen die Nachbarschaft der Betriebswirtschaftslehre in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultäten (221). A u f die Betrachtung der Disziplinen der zuletzt genannten Gruppe konnte verzichtet werden, weil sie i m Verhältnis zu der Betriebswirtschaftslehre und zu den übrigen Disziplinen keine besonderen Probleme aufwerfen oder Aufschlüsse gewähren, auch weil sie eben durch dieses Verhältnis weniger gekennzeichnet sind als die Disziplinen der zuerst genannten Gruppe. I h r aber, der die Betriebswirtschaftslehre das meiste verdankt und am meisten bedarf, soll sogleich die Würdigung unter dem dreifachen Aspekt des Marktes, der Unternehmung und des Betriebes angedeihen, unter dem sie selbst steht. Eine solche Betrachtung erweist zugleich, wie eigenständig jede Diszip l i n ist und wie verschieden der Begriffsinhalt vom Markt, Unternehmung und Betrieb (222) — jener Trinität, unter der alles wirtschaftliche Sein i n der freien Welt steht und deren besserer Erkenntnis jede Disziplin auf ihre Weise dient, unbekümmert darum, ob sie selbst der anderen Disziplin gleichrangig oder als Herrin oder Dienerin gegenübersteht. Die Volkswirtschaftslehre betrachtet den Markt als die Veranstaltung des Tausches unter der Voraussetzung wirtschaftlicher Freiheit. I n ökonomischer Betrachtung ist der Markt diejenige ständige Tauschorganisation, bei der sich Angebot und Nachfrage treffen. Darin ist zugleich die abstrakteste Definition des Marktes i m ökonomischen Sinn gegeben. Diese abstrakteste Auffassung vom Markt kann nicht zugleich die wirklichkeitsnächste sein. I n Wirklichkeit treffen sich Anbieter und Nachfrager, d. h. Personen und Firmen, die Ware gegen Geld oder Geld gegen Ware hinzugeben bereit sind. Die einen sind Kaufinteressenten, 1 Vgl. H. Linhardt, Das Objekt der Wirtschaftswissenschaft, ZfB, April 1956, S. 197—218.
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die anderen Verkaufinteressenten. Aus den Interessenten werden durch den Kaufabschluß Käufer und Verkäufer. Soweit findet ein ständiger Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage statt. Hierin erfüllt sich die gesamte wirtschaftliche Aufgabe des Marktes. Zur ökonomischen Marktlehre gehören die Grundfragen der Marktformen, der Preisbildung, der Anpassung von Angebot und Nachfrage durch den Preis und die von ihm aus gesteuerten Änderungen i n den Kosten der Erzeugerbetriebe, i n der A r t und Menge der erzeugten Waren. Die ökonomische Marktlehre ist an bestimmte wissenschaftliche Voraussetzungen gebunden. Sie untersucht nicht den konkreten, an Ort und Zeit gebundenen Markt bestimmter Käufer und Verkäufer, bestimmter Güter, sondern den abstrakten Markt in dem oben beschriebenen Sinn, örtliche Umstände und zeitliche Besonderheiten, wie auch sachliche Beschränkungen bleiben grundsätzlich außer Betracht, wenn die auf die Dauer wirksamen Kräfte des Marktausgleichs aufgezeigt werden und die ständige Wiederholung der Marktvorgänge bei ständiger Begegnung der Marktpartner i n ständiger Reproduktion der Marktgüter untersucht wird. Anders ist das Verhältnis der Betriebswirtschaftslehre zum Markt. Hier steht nicht das Marktgleichgewicht, die Marktanpassung, auch nicht die Untersuchung der Marktformen zur Diskussion, sondern der Markt vom Standpunkt der Unternehmung. Dabei sind die i n der Volkswirtschaftslehre seit J. B. Say zugrunde gelegten drei Phasen der Produktion, Distribution und Konsumtion wegen ihres höchsten Abstraktionsgrades nicht brauchbar 2 . Somit ergeben sich i n der Natur der Sache begründete, nicht nach der Forschungsmethode oder Betrachtungsweise verschiedene Abweichungen zwischen den beiden Disziplinen. Sie sind geringer bei der Privatwirtschaftslehre, weil diese von aller Produktion nur die Verwertungsproduktion, von aller Verteilung nur die Ertragsverteilung, von aller Konsumtion nur den Einkommens verbrauch als Objekt betrachtet, also jeden der drei Grundvorgänge als Marktvorgang sieht, jedesmal vom Standpunkt der Unternehmung, folglich anders als die Volkswirtschaftslehre, deren neuere Richtung die Unternehmungsforschung i m Gegensatz zur älteren Richtung kaum noch pflegt 3 . Die Betriebswirtschaftslehre hingegen neigt dazu, das wissenschaftliche Arbeitsfeld zwischen Unternehmung und M a r k t zu vernachlässigen, sogar jenes zwischen Unternehmung und Betrieb zu übersehen und sich einseitig m i t internen Betriebs2 Vgl. H. Linhardt, Die Betriebswirtschaftslehre, ZfB, 1955, S. 129—141, ders., „Objektivation und Subjektivation der Beziehungen von Mensch und Markt" in „Der Mensch im Markt", S. 191—209, Festschrift für G. Bergler, 1960, Duncker & Humblot, Berlin. 8 Vgl. hierzu: H. Linhardt, Volkswirtschaftliche Lehrmeinungen über die Betriebswirtschaftslehre, Bülow-Festschrift, Berlin 1960.
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Vorgängen zu beschäftigen (Rechnungswesen, Kostenrechnung, Betriebsorganisation, Betriebsverwaltung usw.). Es steht zu erwarten, daß der weitere Kontakt der deutschen Betriebswirtschaftslehre m i t dem Ausland zu einer Neubesinnung auf die Unternehmung hinführt, anders wäre auch eine gegenseitige Befruchtung von In- und Ausland i m Bereich dieser Disziplin nicht zu erhoffen. Das dritte Gebiet wirtschaftswissenschaftlicher Forschung ist der Betrieb, verstanden als Glied der Unternehmung, nicht jedoch als Haushalt i m Sinne des Verbrauchs (223). Hier sind zwar gelegentlich Versuche unternommen worden, die aber eher als Fachanspruch und weniger als wissenschaftliche Leistung zu gelten haben (Mellerowicz, Seyffert, Kosiol). Die Soziologie hat Aussicht und Anspruch, als nächststehende Nachbarwissenschaft der Betriebswirtschaftslehre gewürdigt zu werden. Sie findet ihrerseits ihre Ergänzung durch die Anthropologie, Ethnographie und ihren Schwerpunkt in der Wirtschaftssoziologie. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß gerade dieser Zweig und seine zahlreichen Untergliederungen und Nebenzweige nicht sehr intensiv gepflegt werden. Verständlich w i r d dies aus den vorhandenen Vorleistungen der Nationalökonomie und dem dabei unverkennbaren soziologischen Einschlag wie etwa bei K a r l Marx, Werner Sombart, Max Weber, K. Mannheim, G. Weippert, A. Müller-Armack. Immerhin ist es verwunderlich, daß keine befriedigenden und i n sich geschlossenen Leistungen einer Wirtschaftssoziologie (224) oder gar der Marktsoziologie, Kreditsoziologie usw. vorliegen. I n der Wirtschaftstheorie herrscht noch immer die Abstraktion des isolierten Individuums, während die Gesellschaftsformen i n Recht und Wirtschaft, ihre gegenseitige Durchdringung, die Zweckmäßigkeit ihrer Formen und Anwendungen je nach der soziologischen Gruppe, je nach ihrer Ideologie, Mitgliederzahl, nicht genügend gewürdigt werden. Die Schulökonomik beachtet noch immer zu wenig, daß die Wirtschaft innerhalb der menschlichen Gesellschaft und i n deren Austauschformen vor sich geht. Der Tausch als der eigentliche w i r t schaftliche Grundbegriff ist nur soziologisch zu erklären, der Markt nicht anders und so der Unterschied von Stadt und Land, von Warenhaus und Versandhaus von Massen- und Markenartikel. Die Soziologie kann demnach nicht erst eine spätere Beigabe oder Ergänzung zu ökonomischen Grundbegriffen, sondern muß bereits ein integrierender Bestandteil der Problematik und Thematik am Anfang aller wirtschaftstheoretischen Fragen sein. Sie wendet auf die Marktgruppen das von ihr erarbeitete wissenschaftliche Rüstzeug an, indem sie die Marktpartner nach Alter und Geschlecht, Beruf, Stand, Einkommen, ländlicher und städtischer Herkunft,
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einfacher und gehobener Bildungsschicht gliedert und das verschiedenartige Marktverhalten einzelner Gruppen zu analysieren versucht. Es liegt nahe, eine Wirtschaftssoziologie i n die Teile des Marktes, der Unternehmung und des Betriebes zu untergliedern, d. h. die zwar bisher noch wenig entwickelte Marktsoziologie durch die Unternehmungssoziologie (225) und die Betriebssoziologie zu ergänzen. Dabei bedarf es der Durchtränkung soziologischer Betrachtung mit ökonomischer Substanz an Stelle der bisher allzu zurückhaltenden Distanz. Es bedarf eher jener durchdrungenen ökonomischen Soziologie Johann Plenges als der betont neutralen Leopold von Wieses. Die engsten Berührungen zwischen der Betriebswirtschaftslehre und der Soziologie ergeben sich innerhalb der Betriebssoziologie (226), denn hier geht es u m den Menschen i n seiner beruflichen Tätigkeit, seiner Erwerbsarbeit, seiner Eingliederung i n die Wirtschaftsgesellschaft und i n die Arbeitsgruppe, u m die Arbeitsgestaltung, Arbeitsvorbereitung, Arbeitsleistung und vieles außerdem, was nur noch aus der Zusammenarbeit des Betriebswirts m i t dem Soziologen, Ingenieur, Pädagogen, Psychologen künftig gewonnen werden kann. Nicht daß die Unternehmungssoziologie weniger wichtig wäre und zur Zusammenarbeit mit der Betriebswirtschaftslehre weniger Gelegenheit böte — hier liegen die Probleme der Beziehungspflege, Unternehmungsführung, Leitungsorganisation, Kompetenzabgrenzung, Befugnisdelegierung, der Information, Kommunikation, Zielfunktion und vieles andere —, aber die Betriebsprobleme sind schon wegen des geringeren Abstraktionsgrades, der größeren Vielgestaltigkeit der W i r t schaftsbranchen, Betriebsgrößen und der Betriebsfunktionen unendlich zahlreicher und schwieriger als die vorwiegend finanzielle und kontraktuelle Unternehmungsführung. Noch ist innerhalb der Wirtschaftssoziologie nicht erkennbar, ob sie sich hilfreich und gut vom Markt über die Unternehmung zum Betrieb herabläßt und wiederum mit weichem Flügelschlage vom Betrieb über die Unternehmung zum Markt erhebt, ohne sich auf ökonomischen Gemeinplätzen niederzulassen oder i n ökonomischen Vorstellungen aufzuhalten und i n ökonomischen Begriffen lediglich zu wiederholen. Die Marktsoziologie vertieft die Marktökonomik, bestärkt die empirische Marktbeobachtung, erweitert die systematische Marktbearbeitung und vermehrt die auswertbare Marktsymptomatik. Wo die ökonomische Fragestellung aufs ganze gehen muß, wenn sie Mengen- und Preisbeobachtungen vornehmen und Gesetzmäßigkeiten erkennen w i l l , etwa solche der Marktelastizität i m Verhältnis zur Betriebsgröße und zur Kapitalstruktur der Unternehmung, vermag die Marktsoziologie das verschiedenartige Marktverhalten des Individuums i n der Gruppe, der Gruppe i n der Gesellschaft, der Gesellschaft i m Rechts- und Wohlfahrts-
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Staat zu erforschen. Hierbei w i r d ihr die Individual- und Sozialpsychologie wirksam zu Hilfe kommen; von ihr ist noch die Rede. Die Geschichtswissenschaft untersucht den Markt wie die Unternehmung und auch den Betrieb. Für sie ist der Markt ein Faktum ersten Ranges. Sie führt zur glücklichen Ergänzung marktökonomischer und marktsoziologischer Fragestellung. Was einmal war, ist weder durch Leugnen noch durch Widerspruch ungeschehen zu machen und der Versuch der auf- und abwertenden Fehlinterpretation, die Umdeutung von Niederlagen i n Siege, von Missetaten i n Segnungen hält nicht länger vor als die Macht der Interessenten. Dies gilt für den Markt als historisches Faktum nicht minder als für Schlachten, Reiche und Kronen. Die Marktgeschichte ist vornehmlich Stadtgeschichte wie i n Babylon, Ägypten, Athen und Rom. Der Mittelpunkt der mittelalterlichen Stadt ist der Markt. Ihre Peripherie sind die Mauern, Türme und Tore. A m Markt finden w i r das Rathaus und die Kathedrale als Sitz der weltlichen und geistlichen Obrigkeit, zeitlich sogar das Kaufmannshaus (Gildehaus) noch vor dem Rathaus, wie Fritz Rörig für Lübeck und andere für Köln, Freiburg, Soest, Goslar u. a. nachgewiesen haben. Der Marktplatz ist durch stattliche Bürgerhäuser, Zunfthäuser als Sitz stolzer Kaufmannsgeschlechter und weiter Geschäftsbeziehungen gekennzeichnet. Die Marktgeschichte (227) ist der K e r n der Stadtgeschichte, die Stadtgeschichte der Kern der politischen Geschichte überhaupt, angefangen von der Gründung, den Privilegien, den verbrieften oder wiederholt bestätigten und auch erweiterten Rechten des Rates und Patriziates. Das Magdeburger Stadtrecht ist jahrhundertelang das Vorbild für neue Stadtgründungen, vor allem während der Kolonisation der deutschen Ostgebiete, das Lübecker Stadtrecht ist Vorbild bei der Gründung und Sicherung der Ostseestädte bis Nowgorod gewesen. Das Stadtrecht regelt das Marktgeschehen, verbürgt die Marktprivilegien, die Sicherheit des Lebens und Eigentums (in erhöhtem Maße während der Marktzeit), auf dem Markt erfolgt die Verkündung der Ratsbeschlüsse, am M a r k t findet sich der Roland als Wahrzeichen der Herrschaft, der Pranger als Warnung für Übeltäter. A m Streitobjekt des Marktes haben sich nicht nur die Geister der zünftigen Historiker entzündet (Fritz Rörig gegen Georg von Below), an ihm hafben sich auch die Gegensätze der Historiker und Ökonomen befruchtend entwickelt (Eduard Meyer gegen K a r l Bücher). Zum Glück werden solche Gegensätze bei Heranziehung der Markthistorie nicht verdreifacht, sondern vereinfacht. Die Historie ist unbestechlich. Sie stellt sich nicht auf die ökonomische oder die soziologische Seite und läßt sich von keiner unterwerfen. I h r Eigengewicht w i r k t ausgleichend auf der Waage ökonomischer und soziologischer Marktbetrachtung. Während
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die Soziologie auf dem Gebiet der Marktlehre frei schaffen, eigene Begriffe bilden, selbständige empirische Nachweise führen kann, ist die Markthistorie wie jede Historie an Ort und Zeit und Sprachgebrauch gebunden. Was sie an Erkenntnissen des Marktgeschehens gewinnt, dient zur Überbrückung, mitunter zur Klärung und Einschränkung ökonomischer und soziologischer Markterkenntnisse (vgl. die Markttopologie von Lübeck, K ö l n u. a.). I n der Pflege der Markthistorie liegen die echten Verdienste der deutschen historischen Schule der Nationalökonomie. Ihre älteren Vertreter haben sich intensiv mit dem Patriziat und den Zünften (Venedig, Florenz, Straßburg, Basel, Augsburg, Nürnberg) und mit den Herrschaftsund Regierungsformen der italienischen Stadtrepubliken und der deutschen Reichs- und Hansestädte beschäftigt. Nicht minder bedeutsam, aber weniger entwickelt ist bisher die Unternehmungs- und Betriebsgeschichte. Hier verdanken w i r einer neueren Richtung innerhalb der amerikanischen Geschichtsforschung wesentliche Antriebe und großartige Leistungen, wie sie etwa i n den Forschungen der Institute für Unternehmungsgeschichte (Institute of Enterpreneurial History der Universitäten Yale, Columbia, Harvard, H. Redlich) oder i n den jüngsten Veröffentlichungen zur Wirtschaftsgeschichte des Altertums und des Mittelalters vorliegen (Raymond, Lopez u. a.) oder i n den Beiträgen zur Cambridge Economic History (Postan u. a.) sowie i n den jüngeren Forschungsarbeiten von M. Rostovtzeff, Ashton, Sayers, abgesehen von den Konzeptionen des geschichtlichen Ablaufs bei A. Toynbee, Trevelyan und von einigen neueren deutschen Historikern wie L. Beutin, B. Kuske, H. Kellenbenz, G. von Pölnitz. Die amerikanische Geschichtsforschung der Unternehmung und des Betriebes ist schon aus nationalen Gründen stark soziologisch fundiert und orientiert. Die ältesten Wirtschaftspioniere waren vielfach die Begründer wirtschaftlicher Dynastien, aus deren Ursprung und Entwicklung die Gegenwart rückblickend historische Interessen gewinnt (Harriman, Vanderbilt, Astor, Rockefeller, Ford usw.). Eines der umfangreichsten monographischen Werke dieser A r t von Gustavus Myers 4 ist von Franz Oppenheimer bei Erscheinen der deutschen Übersetzung eingeleitet worden. Die Unternehmerbiographien und Unternehmungsmonographien amerikanischer Familien und Konzerne haben immer wieder neue Bearbeiter gefunden (Samuel Crowther u. a.). Die deutsche Betriebshistorie harrt bisher noch einer angemessenen Bearbeitung, wenn auch zahlreiche wertvolle Monographien aus dem 19. und 20. Jh. bereits vorliegen, darunter diejenigen von B. Kuske, W. Däbritz, wäh4 Myers, Gustavus, Die Entstehung der großen amerikanischen Vermögen, 2. Bd., Berlin 1916.
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rend die Vertreter der Betriebswirtschaftslehre zu keiner Zusammenarbeit m i t zünftigen Historikern, auch nicht zu selbständigen Leistungen gelangt sind. Die Pflege der Betriebsgeschichte innerhalb der Betriebswirtschaftslehre ist noch nicht über den ersten zaghaften Schritt hinausgekommen. Zwar haben Autoren wie B. Penndorf, R. Seyffert, J. Löffelholz erhebliche Verdienste um den geschichtlichen Anschluß der Betriebswirtschaftslehre, um den vor ihnen bereits die Vertreter der ältesten Generation, E. Schmalenbach und E. Walb, insbesondere auf dem Gebiet der Kameralistik sich bemüht haben, aber diese historischen Bemühungen galten nicht der eigentlichen Betriebsgeschichte, sondern überwiegend der Geschichte der Betriebswirtschaftslehre 5 . Was unter Betriebsgeschichte bisher erarbeitet wurde, sind die größeren Jubiläumsschriften anläßlich des 100-(75-, 125-)jährigen Bestehens solcher Firmen wie Bochumer Verein, Hanomag, Bayerische Staatsbank, Essener Credit-Anstalt, Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank, Reichsbarik, Vereinsbank Hamburg usw. Solche Denkschriften sind i n ihrem Umfang und Gehalt sehr ungleichwertig, vor allem dann, wenn sie nicht die Handschrift eines geschulten Historikers tragen. Zur Betriebsgeschichte gehört die Vorbereitung, Sammlung und Sichtung historischen Materials, wie es i m Leben eines Betriebes anfällt: Verträge, Dokumente, denkwürdige Ereignisse. Dazu bedarf es des Werks- oder Betriebsarchivs wie es bei größeren und älteren Firmen (Krupp, Mannesmann, Siemens) seit Jahrzehnten bereits geführt w i r d oder auch bei den größten Verbänden und Beruf s Vereinigungen (VDMA, VDI). I n Verbindung mit der Betriebsmonographie fehlt die hinreichende Pflege der Unternehmerbiographie zur Überlieferung persönlicher Leistungen echter Wirtschaftspioniere, wie sie C. Matschoß®, R. Baumgardt 7 i n verdienstvoller Weise bearbeitet haben 8 (228). Wendet man die trinitäre Unterscheidung von Markt, Unternehmung und Betrieb auf die Rechtswissenschaften an, so entfällt der weitaus größere Teil rechtlicher Regelungen auf den Markt, der zweitgrößte Teil auf den Betrieb, der geringere auf die Unternehmung. Das Marktrecht gilt dem Wettbewerb und Wettbewerbsschutz, das Betriebsrecht
5 H. Linhardt, Volkswirtschaftliche Lehrmeinungen über die Betriebswirtschaftslehre, Bülow-Festschrift, Berlin 1960, S. 237—255, insbes. S. 247. β
Conrad Matschoß, Große Ingenieure, 3. Aufl., München 1942.
7
R. Baumgardt, Das Fundament, Berlin 1941.
8 H. Linhardt, Das Betriebsarchiv, Westfälische Wirtschaft, Dortmund, 4. Jg., H. 13, V. 22. 6.1940.
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Linhardt
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dem Arbeits- und Sozialverhältnis, das Unternehmungsrecht dem Vertrag (Kauf-, Pacht-, Mietvertrag, Schuldverhältnis). Ohne Zweifel steht der wirtschaftende Mensch von heute i n zahlreicheren rechtlichen Beziehungen als der wirtschaftlich in stärkerem Maße autarke öder i n sozial größerem Maße abhängige Mensch vor 50 oder 100 Jahren. Damals spielten noch gesellschaftliche und örtliche Bindungen zwischen Herrschaft und Dienerschaft, ständische Ordnungen unter Beamten und Bürgern, Arbeitern und Bauern eine größere Rolle. Der heutige Wirtschaftsmensch begründet und beendet tagtäglich Dutzende von Rechtsverhältnissen, wie sie beim Einkauf von Waren, bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, beim Besuch von Gaststätten, Kinos und Theatern vorkommen. Er steht außerdem i n zahlreichen ständigen Rechtsverhältnissen aus Miet-, Pacht- und Dienstleistungsverträgen (Teilzahlung, Versicherung), die sich auf Personen und Tiere, Haus, Fahrzeug, Mobiliar beziehen mögen. Dazu kommen die Mitgliedschaften i n geselligen, kulturellen, karitativen Vereinigungen einschließlich Buch-, Film-, Phono- und Fotoklub mit den hieraus resultierenden M i t gliedschafts- und Beitragsverpflichtungen. Je mehr die Wirtschaft aus dem Rahmen der Selbstgenügsamkeit herausfällt, je öfter der wirtschaftende Mensch mit seinesgleichen i n Beziehung tritt, um so stärker entwickeln sich die gemeinhin unter dem Begriff der Arbeitsteilung verstandenen, anscheinend wirtschaftlichen, i n Wirklichkeit rechtlichen Beziehungen. Man produziert für andere, bezieht von mehreren, vielleicht sogar von zahlreichen, sachlich und räumlich verschiedenen Quellen. Selbst ein kleiner Privathaushalt verfügt über Dutzende verschiedener Bezugsquellen des Einzelhandels (Ladengeschäft, Kaufhaus, Versandhaus), ein Großunternehmen hat Tausende von Bezugsquellen, Hunderte für einen einzigen Artikel; die Automobilfabrik Daimler-Benz berichtet von über 13 000 Zulieferbetrieben, die General Electric Co., New York, beziffert ihre Zulieferbetriebe auf ca. 40 000, ihre Vertragshändlerfirmen auf über 400 0009. Beim heutigen Marktrecht steht nicht mehr wie in der Vergangenheit die Rechtsbegründung oder RechtsauSdehnung, sondern der Rechtsgedanke der förmlichen Gleichheit, die Startgleichheit und Gleichberechtigung i m Marktzugang i m Vordergrund. Was man gemeinhin Geschäfts« oder Wirtschaftsbeziehungen nennt, sind genau gesehen Rechtsverhältnisse, in denen sich die Beziehungen der Tauschpartner und die darin eingeschlossenen Tauschvorgänge vom Unternehmen bis zum Letztverbraucher, vor allem aber die zumeist übersehenen Rechtsbezie9 Lt. Bericht des Präsidenten der General Electric Co. an den US-Kongreß, Juli 1956 (Mitteilungsblatt der Deutschen Gesellschaft für Betriebswirtschaft).
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hungen der Unternehmungen untereinander als Käufer und Verkäufer, als Mitglieder von Arbeitgeber-, Markt- und Wirtschaftsverbänden abspielen. Jeder Warenumsatz, ob bei Hingabe eines Pfennigartikels oder bei Errichtung eines Kraftwerks ist Gegenstand eines Kaufvertrages. Beim Pfennigartikel erfolgt die Vertragschließung durch „Einigung und Übergäbe" ohne Form und Feierlichkeit, indem das Geld und die Ware über den Ladentisch („over the counter") gereicht werden. Jede Förmlichkeit oder Feierlichkeit, wie sie früher beim Viehkauf, Hauskauf, bei der Einstellung eines Dienstboten oder bei Gewährung eines Darlehens üblich war, ist weggefallen, der Handschlag, der Umtrunk, der Schwur bei Gott und allen seinen Heiligen, bei Kerze und Bibel. Beim Kraftwerk arbeitet auf jeder Seite der Parteien ein Stab von Juristen an den Entwürfen von Vor-, Neben- und Hauptverträgen. Ihre Gestaltung mag sich über Jahre, ihr Text über Hunderte von Seiten, ihre Erfüllung über weitere Jahre erstrecken, bis der leitende Ingenieur erklärt, das Werk sei getan, bis der letzte Mann die Arbeitsstelle verläßt. Die Marktwirtschaft erschließt ihre farbigen Seiten und reizvollen Spannungen, die hinter der Einheit der Rechtsform liegen, erst i n der soziologischen Betrachtung. Jeder Verkehrsakt der Wirtschaft, der eine Übertragung von Gütern, Leistungen und Nutzungen bezweckt, ist eo ipso ein Rechtsakt; er bezweckt und bewirkt eine Veränderung der Rechtsverhältnisse unter den Beteiligten. I m Krämerladen genügen dazu zwei Personen. I m Falle der Ausschreibung und Vergabe von Baulosen einer Gemeinde, eines Kreises, sind es Dutzende auf der Angebotsseite gegenüber einem einzigen Auftraggeber. I m Fall der Holzversteigerung aus Staatsforsten sind es Dutzende von Nachfragern gegenüber einem einzigen Anbieter. I m Falle der Auflegung einer öffentlichen Anleihe durch Land oder Bund oder der Ausgabe einer Pfandbriefemission durch eine öffentliche oder private Hypothekenbank mögen es auf seiten der Gläubiger Tausende, sogar Hunderttausende und Millionen von Wertpapierzeichnern und späteren (der Person nach nicht mehr identischen) Wertpapierinhabern sein. Mittlerweile hat der Begriff der Masse auch das Aktienwesen in Westdeutschland erfaßt. Die V W - A G hat nach der Privatisierung i m Frühjahr 1961, 1,5 Mill. Aktionäre und erreicht bei der Hauptversammlung am 1. 7.1961 ca. 30 000 Teilnehmer. Andere Aktiengesellschaften erreichten i n den letzten Jähren eine Gesamtzahl von 2—300 000 Aktionären und eine Besucherzahl ihrer Hauptversammlungen von 2—3000 Personen. Das Aktienrecht nimmt von diesen revolutionären Wandlungen auch i n den vorliegenden Entwürfen (Referentenentwurf vom Oktober 1958, Regierungsentwurf vom März 1960) keine Notiz, die Satzungen bleiben hinsichtlich der M i t w i r k u n g der Aktionäre noch immer unverändert, weil man bei Anwendung neuerer Formen der M i t w i r k u n g und Bera18*
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tung Machtbeschränkungen bei den Verwaltungen und Banken befürchtet 1 0 . Zum Marktrecht gehört nicht nur die staatliche Wettbewerbsordnung und ihre Sicherung durch Gesetz und Rechtsprechung, sondern auch das Privatrecht der Wirtschaftsverbände i n ihrer weiten Verzweigung und einem immer noch zunehmenden Formenreichtum der Orts-, Landesund Berufsverbände der Industrie, des Handwerks, des Handels, der Spitzenverbände, der freien Berufe (Ärzte, Architekten, Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsberater), der Vereinigungen wirtschaftlicher Interessenten, der lockeren Zwischenformen wie den freiwilligen Handelsketten, Arbeits- und Bürogemeinschaften und den höheren Formen, wie Kartellen, Konzernen, Holdinggesellschaften. Die wirtschaftlichen Fortschritte (229) die ohne die Technik der industriellen Produktion, des Verkehrs und der Energiewirtschaft nicht denkbar sind, hätten ohne die Entwicklung des Rechtes nicht verwirklicht werden können. Wo der Erzeuger nicht den Rechtsschutz seines Eigentums und die Sicherung i m Schuldrecht findet, vermag er nicht nach dem Prinzip der Verkehrswirtschaft zu handeln, indem er für andere produziert, m i t anderen tauscht. Wo i n einem Land kein zureichender Rechtsschutz für Leben und Eigentum geboten ist oder dieser Rechtsschutz durch politische Wirren beeinträchtigt wird, wendet sich der ausländische Kaufmann und Kapitalgeber ab. Es genügt nicht, das Recht als Grundlage des Staates und Garantie der Freiheit zu bezeichnen, denn das Recht durchzieht alle Fasern und Zellen des Wirtschaftskörpers, es stellt eine A r t Bindegewebe innerhalb des lebenden Wirtschaftsorganismus dar. Ohne die Weiterbildung des Rechts gibt es auch keine Ausdehnung des Marktes. Bester Beweis hierfür ist die Kodifizierung des Rechtes der Handelsgesellschaften i n Europa seit Anfang und Mitte des 19. Jh., die Kodifizierung des Wechsel-, Bank- und Wertpapierrechts einige Jahrzehnte später. Wenn man von einer Kommerzialisierung der Wirtschaft seit Mitte des 19. Jh., einer Industrialisierung der Produktion schon seit Mitte des 18. Jh. spricht und die Wirtschaftsstufen nach dem Grad der Marktbildung und Marktentfaltung einteilt (G. Schönberg, K. Bücher, J. Plenge, H. Proesler), so ist m i t der Nachzeichnung der wirtschaftlichen Entwicklung zugleich die Entfaltung der Rechtsformen und die Vermehrung vielfältiger Rechtsverhältnisse gegeben (W. Endemann, M. Weber, L. Goldschmidt). Die moderne Wirtschaftstheorie von heute würdigt die rechtliche Seite der Wirtschaft weniger als dies noch i n der Historischen Schule der deutschen National10 H. Linhardt, „Zur Aktienrechtsreform", Die Aussprache, Okt. 1958; ders., „Mitbestimmung der Aktionäre", BFuP, Januar, 1961, ders., „Zur Bildung von Aktionärsausschüssen, ebda. Jan. 1961, vgl. Beüage zum „Volkswirt" über VW-Aktionärausschüsse v. 27. 5.1961.
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Ökonomie geschah (G. Schmoller, R. Ehrenberg, H. Sieveking, L. Brentano), von denen führende amerikanische Nationalökonomen als Hörer und Leser Entscheidendes gelernt haben (J.B. Clark, Th. Vehlen, W. C. Mitchell). Das Marktrecht steht so lange vor neuen Aufgaben, wie Technik und Erfindungsgeist neue Formen der industriellen Produktion, Gewinnung und Stoffverarbeitung, aber auch der Beförderung, Vermittlung und Versorgung entwickeln. Dies gilt für den Flugverkehr wie das Seerecht, die Kreditwirtschaft wie die Atomenergie, das Versicherungswesen wie für neuartige Formen der Wirtschaftsberatung 11 , der Finanzierung und der Einschaltung von Unternehmungen auf beiden Seiten. Das Marktrecht ist wie jedes Recht die formale Seite der Willenserklärung und Beziehungsregelung. Sie ergänzt sich mit dem materiellen Inhalt der Güterverteilung und Dienstleistung. Das Unternehmensrecht, wesentlich als Vertragsrecht verstanden, dient der Errichtung und Führung von Unternehmungen durch Satzung, Gesellschaftsvertrag, Geschäftsbedingungen und schematische Regelung der Kauf-, Pacht-, Pfand-, Versicherungs-, Spar-, Bauspar-Verträge. Ein großer Raum rechtlicher Regelung w i r d von den Verbandsbedingungen und Verbandsbestimmungen (Energie, Transport, Kredit, Versicherung) eingenommen. Die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen" übersteigern die Rechtseinheit und reduzieren die Willensentscheidung der Vertragspartner, wie es bei den Banken der Fall ist. Juristische Fachkräfte sind bei Unternehmungen, Verbänden und Kammern i m Unternehmungsrecht tätig. Die Vernachlässigung der Rechtswissenschaften oder auch nur ihre Zurückdrängung durch die Vorwegnahme der Rechtsprüfung beim kaufmännischen und volkswirtschaftlichen Diplom bringt die Brücke zwischen Wirtschaft und Recht ins Wanken. (230) Auch die Überbetonung der Güterwirtschaft gegenüber der Finanzwelt, der Produktivität gegenüber der Rentabilität, der Haushalte gegenüber den Unternehmungen hat in der Vernachlässigung des Rechts als der formalen Seite der Verkehrswirtschaft und seiner formbildenden Kraft ihre tieferen Wurzeln. Dies gilt für das Marktrecht wie für das Unternehmungsrecht. Hier ist Adolf Weber zuzustimmen, wenn er feststellt, der Versuch der „Neuen Wirtschaftstheorie", eine ausgeweitete Privatwirtschaftslehre an die Stelle der Volkswirtschaftslehre zu setzen, sei gescheitert 12 . Das Betriebsrecht unterliegt am stärksten den Einflüssen der politischen Ideologie. I m Arbeitsrecht streiten sich die Geister um dessen öf11 H. Linhardt, Wirtschaftsberatung und Wirtschaftsprüfung, Vortrag im V D D K , Nürnberg am 2. 3. 1961, abgedruckt im Mitt.-Bl. Betriebswirtschaft!. Umschau, April 1961. 12 Adolf Weber, Geld und Kredit, Banken und Börsen, 7. Aufl. Heidelberg 1959, Vorwort; ders., Stand und Aufgaben der Volkswirtschaftslehre in der Gegenwart, erweiterter Vortrag an der Technischen Universität Berlin am 17.11.1955 (Berlin 1956).
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fentlichen oder privaten Charakter, i m Sozialrecht begegnen sich die beiden Materien i n der gesetzlichen und freiwilligen Altersversorgung und der Versicherung gegen Unfall, Krankheit und Invalidität. Der Betrieb ist der Rahmen und Schauplatz der wirtschaftlichen Verwertung menschlicher Arbeitskraft. Der Betrieb als Glied der Unternehmung unterliegt deren Rechtswillen. Über der Betriebsleitung steht die Unternehmungsleitung. Das Betriebsrecht regelt die Rechtsverhältnisse zur Belegschaft (Einstellung, Beschäftigung, Entlohnung, Kündigung), zu Kunden und Lieferanten (Auftrag, Lieferung, Bezahlung), zu Agenten, Kommissionären (Maklern, Vertretern, Inkasso-Bevollmächtigten) neben den sonstigen Rechtsbeziehungen wie i m Bank-, Speditions- und Versicherungsgeschäft. Hier hat das Betriebsrecht die Individualität des Auftraggebers, Einlegers, Arbeitnehmers, Versicherungsnehmers zu respektieren, jeder Arbeiter hat Anspruch auf Abrechnung und Auszahlung seines Arbeitsverdienstes, jeder Sparer und Depotkunde, jeder Versicherte i n der Lebens- und Sachversicherung erwartet die Einhaltung und Erfüllung des mit ihm geschlossenen Individuai-, Kontokorrent·, Spar-, Depot-, Versicherungsvertrages. Die politischen Wissenschaften (231), m i t den Rechtswissenschaften am engsten verwandt und von ihnen am entschiedensten abgelehnt, gewinnen ein immer engeres Verhältnis zur Betriebswirtschaftslehre. Folgt man auch hier der Unterscheidung von Markt, Unternehmung und Betrieb, so erfüllt die Marktordnung einen erheblichen Teil dessen, was i n der politischen Wissenschaft als Ordnung des politischen Lebens und Gemeinwesens verstanden wird. Die politischen Körperschaften von Bund und Ländern und Gemeinden sind die wichtigsten Träger politischer Ordnung. Die Struktur der Bundesrepublik als Bundesstaat m i t wirtschaftlich ungleich stärkeren Gliedstaaten verschiedenartiger Wirtschaftsstruktur auf engstem Raum, birgt zahlreiche Spannungsmomente und bietet immer wieder neue Reibungsflächen, wie auf dem Gebiet der Finanz-, K u l t u r - und Verkehrspolitik. Die jüngsten Auseinandersetzungen über die Regierungsvorlage -zur Neufassung des Kreditwesengesetzes (vom 5. 12. 1934 i n der Fassung vom 25. 9. 1939), vorgelegt i m Mai 1959, (232) läßt erkennen, daß kein leichter Ausweg aus der Kontroverse über die angestrebte Bundesbankenaufsicht und die bisherige Landesbankenaufsicht gangbar scheint. Das föderalistisische Prinzip, welches der provisiorischen Bonner Bundesverfassung von 1949 zugrunde liegt, hat sich schnell abgenützt und i n seiner überspitzten A n wendung i m Kulturbereich und i n anderen Verwaltungsbereichen als schädlich erwiesen. Der Streit um das zweite Fernsehprogramm ist dafür ebenso aufschlußreich wie das Tauziehen um die Kulturpolitik von Bund und Ländern und die Bereitstellung von Etatmitteln für die Forschung. Noch i m Oktober 1959 hat das Bundesinnenministerium die Er-
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gebnislosigkeit aller bisherigen Konferenzen der Kultusminister der Länder und der Rektoren der westdeutschen Hochschulen festgestellt. Dafbei beträgt nach der Kopfzahl der Anteil der Studierenden an der Gesamtbevölkerung in der Sowjetunion mehr als das Doppelte desjenigen i n den USA und in Westdeutschland erheblich weniger. Über die Qualität der sowjetischen wissenschaftlichen Ausbildung ist ebensowenig zu streiten wie über den Zugang, Eifer und die Auslese. Die politischen Wissenschaften, gesehen unter dem Aspekt des Marktes, führen über die Landesgrenzen hinaus zu internationalen Gebilden, Verflechtungen und Verpflichtungen. Das militärische Bündnis der Nato ' zieht solche Verpflichtungen für die Bundesrepublik nach sich. Die w i r t schaftlichen Abmachungen des EWG-Vertrages, i n K r a f t seit Januar 1958, mit den übrigen fünf Vertragspartnern sehen Etappen des Gemeinsamen Marktes vor, die bisher i n kürzerem Zeitraum zurückgelegt w u r den, und die offenen Probleme der Agrar-, Verkehrs- und Industriepolitik, der Kredit- und Versicherungswirtschaft u m so näher rücken. Das Verhältnis der 6 EWG-Länder zu den 7 EFTA-Ländern ist seit Jahren und Monaten das ständige Gespräch der westeuropäischen Politiker. Die 1952 als Hilfsorganisation zur Erleichterung westeuropäischer Zahlungen geschaffene Europäische Zahlungsunion (EZU) beendete 1958 ihre Tätigkeit und fand unter Ausweitung der bis dahin geschaffenen Europäischen Wirtschaftsorganisation (OEEC) eine Umbildung i n der OECD, die unter Einbeziehung der USA und Kanadas Pläne zur Verminderung oder wenigstens Überwindung von Konjunkturrückschlägen durch B i l dung gemeinsamer Konjunkturreserven verfolgt 18 . Die politischen Wissenschaften wirken da mit, wo es um die Idee der Freiheit, die soziale Verpflichtung des Unternehmers, seine politische Aktivierung, sein Verhältnis zur Belegschaft (Mitbestimmung, Mitbeteiligung, Eigentumsstreuung, Belegschaftsaktien) geht. Der Unternehmer von heute w i r d durch die Verbände belehrt und unterrichtet, die ihrerseits den Kontakt zur Gesetzgebung und Verwaltung suchen, sei es i n der erwünschten Form der sachlichen Beratung und Vorbereitung, sei es i n der unerwünschten Form der pressure groups und der lobby oder auch i n der Form der Zusammenarbeit und gemeinsamen Stellungnahme, wie es die Bundesverbände der Industrie, Banken, Versicherungen in ihrer Stellung zur Aktienrechtsreform (1959) erreicht haben. Erinnert man sich an die jahrelange heftige und hitzige „Kartelldebatte" (Name eines Publizitätsorgans) und die nicht immer glimpflichen A t tacken gegen die prominentesten Vertreter der Wettbewerbswirtschaft 13 Vgl. Reinhold Henzler, Die Marktunion — eine betriebswirtschaftliche Wende, Köln 1958; vgl. A. Müller-Armack, Vorschläge für eine übereuropäische Konjunkturstabilisierung, 1958 f.
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wie Ludwig Erhard, Wilhelm Röpke, Franz Böhm, so ist mit diesen Hinweisen auf das Kampfobjekt und die Kampftruppen auch der politische Akzent gesetzt, und gerade hier war es ein ungewöhnlich kräftiger Akzent. Die politischen Wissenschaften finden i m Betrieb den Menschen i n verschiedenster Zusammenfassung und Gruppierung nach Alter, Beruf, Geschlecht und Vorbildung. Sie treffen auf die Probleme der Mitbestimmung, der gewerkschaftlichen Organisation, der Vertrauensperson und Betriebsräte, der Unterwanderung durch verbotene politische Parteien und ihre Tarnorganisationen. Sie interessieren sich für das Problem der politischen Bildung und Reife, welches nicht nebensächlich mit den betrieblichen Einrichtungen zur Ausbildung, Fortbildung und Erwachsenenbildung i m Betrieb einhergeht. Die Demokratie erwartet von dem Mitbürger ein politisches Verhalten, das man als Wohlverhalten (W. Flume) bezeichnen kann, vor allem, wo das Gegenteil eines solchen Verhaltens nicht eindeutig oder nachweislich die geltenden Bestimmungen des Strafgesetzbuches berührt, wie dies i n solchen Angelegenheiten der Fall sein kann, die an Bestechung, Landesverrat, Verschwörung, Erpressung grenzen. Wenn man an die zahlreichen Äußerungen eines Vertreters dieser politischen Wissenschaften, des Tübinger Professors Th. Eschenburg, an seine Rektoratsrede zu Beginn des WS 1960/61, an seine Presseäußerungen und Fernseh- sowie Rundfunkkommentare zur Frage der politischen Parteien, ihrer finanziellen Unterstützung aus Steuermitteln, zur Frage des 2. Fernsehprogramms, der Außenpolitik, des Kanzlernachfolgers, der Verbände und ihrer Einflußnahme auf die Gesetzgebung erinnert, ist leicht ersichtlich, welch engen Zusammenhang gerade die politischen Wissenschaften mit dem Betrieb haben. Ein Teil ihrer Fragestellung entspricht den i m angelsächsischen Ausland von den Political Sciences verfolgten Problemen, wie es etwa i n den USA der Kampf um die politische und wirtschaftliche Freiheit, der Kampf gegen die Monopolbestrebungen der Großindustrie, gegen die Korruption i n der Privatwirtschaft, i m politischen Leben, i n den Gewerkschaftsorganisationen ist (Hoffa). Schließlich gehört die Psychologie zu den Nachbarwissenschaften der Betriebswirtschaftslehre. Die Marktpsychologie befaßt sich mit dem Behauptungswillen, Macht- und Erfolgsstreben, dem Prestige der Unternehmung und ihrer Verbände. Dazu gehört das Ansehen einer Firma, der Ruf ihrer Fabrikate, ihrer Tradition über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg. Die Unternehmungen bedienen sich bewußt der Massenpsychologie (Le Bon, Ortega y Gasset) zur Sicherung und Stärkung ihres Einflusses i m Bereich der Beziehungspflege (Public Relations), der Werbefeldzüge und der Anwendung und Kombination einzelner Werbemittel.
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Die Unternehmungspsychologie betrifft die Probleme der Führung, bei privaten Unternehmungen auch der Kontinuität der Besitzerfamilien, i m übrigen vor allem die Probleme der Durchsetzung rationaler Unternehmungsziele und der Anwendung geeigneter Methoden der Organisation, Marktanalyse, Massenbeobachtung, Meinungsforschung und Meinungsbefragung. I m sozialen Zeitalter gilt nicht mehr der nackte Erfolg und das rücksichtslose Gewinnstreben 14 . Die Unternehmungen sind bemüht, ihre soziale Verantwortung unter Beweis zu stellen, nach außen durch Betonung der nationalen Solidarität, der gemeinsamen Verantwortung gegenüber wirtschaftlichen Schwankungen, durch Zurückhaltung i m Aufschwung und gemeinsame Initiative zur Überwindung von Rückschlägen, nach innen durch Einrichtungen und Maßnahmen der betrieblichen Sozialpolitik. Die Begriffe der Selbstkontrolle, wie sie etwa i n der Filmindustrie oder i n den Programmen der Rundfunkanstalten vorkommen, die Begriffe des freiwilligen Selbst Verzichts, wie sie i n der amerikanischen Bankwirtschaft versucht worden sind (Voluntary Credit Restraint), sind Ausdruck solcher Bemühungen. Ein entscheidendes psychologisches Moment innerhalb der Unternehmungswirtschaft ist das Verhältnis von Führung und Gefolgschaft unter den Unternehmungen und die Nachahmung. Hierauf hat vor Jahrzehnten Götz Briefs eingehend hingewiesen. Der gleiche Zusammenhang t r i t t bei den Übertretungen der Gesetze zum Schutz des Wettbewerbs i n zahlreichen, oftmals knifflig ausgedachten Formen und Verkleidungen auf, um dadurch die Verletzung gesetzlicher Bestimmungen zu vermeiden. Die Unternehmerpsyche ist in der Zeit der sozialen Marktwirtschaft stärker umstritten als nach dem 1. Weltkrieg, wo sie bereits einer äußerst strengen und überwiegend negativen K r i t i k ausgesetzt war 1 5 . Die Betriebspsychologie befaßt sich mit Zuständen und Abläufen i m Betrieb, mit den Betriebsangehörigen als Individuen und als Zugehörige bestimmter Arbeitsgruppen. Sie untersucht die psychischen Umwelteinflüsse, die äußeren Arbeitsbedingungen, die Einwirkungen der Arbeitshandlung auf das Seelenleben; sie unternimmt die Beratung der Unternehmungsführung bei Auswahl und Einstellung von Arbeitskräften, entwickelt Beobachtungs- und Untersuchungsverfahren und Kurzverfahren (Tests) zur Beurteilung allgemeiner Eigenschaften, die für bestimmte Arbeiten und Berufe von Bedeutung sind 16 . Das soge14 „To be rich and nothing else, is nowadays a disgrace" (Will Rogers, New York Times, 1929). 15 Vgl. die Äußerungen von J. M. Keynes in seinem Werk „Die w i r t schaftlichen Folgen des Friedensvertrages", deutsch 1920, zit. bei H. L i n hardt „Unternehmertum und Sozialpolitik", S. 7. Vortrag, gehalten am 19. Dezember 1947 vor den Vereinigten Arbeitgeberverbänden von Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf. 16 Vgl. Th. Scharmann, Arbeit und Beruf, Tübingen 1956. A. Dörschel, Arbeit und Beruf in wirtschaftspädagogischer Betrachtung, Freiburg 1960.
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nannte Betriebsklima w i r d nach psychologischen Erkenntnissen untersucht, um Spannungen und Reibungen zu vermeiden, die Arbeitsfreude zu heben und den Arbeitsertrag zu steigern, wie dies i n amerikanischen empirischen Untersuchungen erreicht werden konnte (E. Mayo, Röthlisberger). Das Betriebsklima soll eine gewisse Neutralisierung durch Herabsetzung solcher Reibungen erfahren und doch die menschliche Wärme nicht entbehren (Humanisierung der Betriebsarbeit). Zur Neutralisierung dienen die Maßnahmen der Stellenbesetzung, der Dienststellenplan (233), die objektiven Einrichtungen betrieblichen Vorschlagswesens, die man auch mitunter als innerbetriebliche Werbung bezeichnet. Träger solcher psychologischen Empfehlungen und Maßnahmen sind vielfach Betriebspsychologen, die als freiberufliche Berater selbständig tätig sind oder großen Unternehmungsberaterfirmen angehören. Die Neutralisierung des Betriebsklimas und die Humanisierung der Betriebsarbeit können nicht um ihrer selbst willen betrieben und verfolgt werden, solche Bestrebungen lassen sich nicht von dem unverzichtbaren Ziel des Gewinnstrebens ablösen 17 . Aber es wäre falsch, zu unterstellen, daß die Unternehmungen sich der Beratung durch den Betriebspsychologen nur bedienen, um ihr Gewinnstreben zu bemänteln oder durch die Salbung mit sozialem ö l glatter und reibungsloser zu machen, ebenso falsch wie die Unterstellung, die Betriebspsychologen würden eine solche Einstellung zwar kennen, aber daran keinen Anstoß nehmen. Objektiv ist die Erkenntnis vor allem seit der Weltwirtschaftskrise (1929 bis 1932) i n Unternehmerkreisen gewachsen, daß ein gutes Einvernehmen mit der Belegschaft sich auch gut bezahlt macht, aber auch die Ansicht ist i m Wachsen begriffen, daß die Pflege der menschlichen Beziehungen i m Betrieb, der Human Relations und Industrial Relations an sich und ohne Rücksicht auf das Erfolgskonto einen Aktivposten der Volkswirtschaft darstellt. Kein Wunder, wenn an der Stärkung dieses Aktivpostens die Betriebspsychologie beteiligt ist.
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H. Linhardt, Grundlagen der Betriebsorganisation, Essen 1954.
Sternstunden der älteren deutschen Betriebswirtschaftslehre* Jeder Gelehrte, so sagte einmal ein Vertreter der Betriebswirtschaftslehre, hat i n seinem ganzen Leben nur eine einzige gute Idee. Ich w i l l versuchen, von einigen Fachvertretern während der letzten Jahrzehnte festzuhalten, was als deren beste Idee, vielleicht nach ihrem eigenen Urteil, vielleicht nach Ansicht des Faches oder der Fach- und Wirtschaftspresse dafür gelten kann. Die eigentlichen wissenschaftlichen Leistungen, die nicht i n der Abfassung von Büchern, sondern i n der Herausgabe von Sammelwerken und Zeitschriften oder in der M i t w i r k u n g i n wissenschaftlichen Gremien, Kommissionen, in der Erstattung von Berichten und Gutachten bestehen mögen, kommen dabei freilich nicht zu Wort. Fangen w i r bei den Kölner Vertretern an. Eugen Schmalenbach ist der Verfasser der Selbstkostenrechnung, der Finanzierungen, der Dynamischen Bilanz, des Kontenrahmens, Finanzplans und zahlreicher anderer Veröffentlichungen zwischen 1919 und 1931. Er selbst bezeichnete sein Buch über „Kapital, Kredit und Zins in betriebswirtschaftlicher Beleuchtung" 1 als sein bestes Werk. Sicherlich hat diese Veröffentlichung allein schon wegen des ungünstigen Erscheinungsdatums nicht die verdiente Beachtung gefunden und sich neben den Finanzierungen kaum ein eigenes Echo gesichert. Fragt man, womit Schmalenbach den größten Widerhall hervorgerufen hat, so waren es nicht seine Vorschläge und Vorträge zur Geldwertkorrektur in der Bilanz, seine viel diskutierten Steinkohlen- und Braunkohlengutachten2, sondern sein Wiener Vortrag „Die Betriebswirtschaftslehre an der Schwelle der neuen Wirtschaftsverfassung", 1928. Der Inhalt dieses bei der Pfingsttagung des Verbandes der Betriebswirtschaftler an deutschen Hochschulen am 31. Mai in Wien gehaltenen Vortrags 8 war, kurz gesagt, eine Absage an die freie Wirtschaft aus der Überzeu* Quelle: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 32. Jg., 1962, S. 257—263. Eugen Schmalenbach: Kapital, Kredit und Zins in betriebswirtschaftlicher Beleuchtung, 4. Aufl., bearb. von R. Bauer, Köln-Opladen 1961, 1. Aufl., 1933. 2 Zum Beispiel Gutachten über die gegenwärtige Lage des Rhein.-Westf. Steinkohlenbergbaus, dem Reichswirtschaftsministerium erstattet von einer Kommission unter dem Vorsitz von E. Schmalenbach, Berlin 1928. 8 Abgedruckt in: ZfhF, 22. Jg., 1928, S. 241—251. 1
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gung, daß sie keine genügenden Regenerierungskräfte — weder materiell noch personell — auf weise, dem „Gesetz der fixen Kosten" unentrinnbar unterliege) weshalb die unternehmerische Entscheidung hinfällig sei, der Unternehmer als Akteur der Wirtschaft ausgespielt habe. Solche Gedankengänge waren bei Schmalenbach nicht neu, aber vorher weder mit solcher Deutlichkeit vorgetragen noch mit den sich ergebenden Konsequenzen versehen worden. Bemerkenswert ist nicht so sehr der Grad ihrer Deutlichkeit gegenüber Schmalenbachs Verlautbarungen i m vorhergehenden Jahrzehnt, als die Vorwegnahme der erst 1931 auf ihrem Höhepunkt angelangten europäischen und deutschen Auswirkung der Weltwirtschaftskrise seit Herbst 1929. A n der Schmalenbachschen Diagnose und Prognose hat sich so gut wie alles als irrig herausgestellt. Schmalenbach unterlag einem fundamentalen Irrtum, weil er zu sehr unter dem Eindruck großer Fehlinvestitionen, Überkapazitäten und unsozialer Rationalisierungsmaßnahmen i m Bergbau, in der Grundstoffindustrie, i m Verkehrswesen, i n der Energiewirtschaft, überhaupt bei den Großunternehmungen 1926—1928 stand und die Widerstandsfähigkeit der mittleren und kleineren Unternehmungen, vielleicht auch ihre aktuelle Bedeutung, dazu noch die Ausgleichskräfte des Marktes gegenüber der Unternehmung, die Preiswirkung gegenüber der Kostenrechnung stark unterschätzte. Dies ist um so erstaunlicher, als Schmalenbach selbst aus dem Milieu der westfälischen Kleineisenindustrie, einer ausgesprochenen Domäne der mittleren, kleinen und kleinsten Unternehmungen, stammt. Die damals gegen seine Prognose gerichteten heftigen Angriffe hinderten ihn nicht, dieser Grabrede 1928 eine Neufassung 19494 folgen zu lassen, i n der man wiederum lesen konnte, er habe ein besonderes Recht, sie zu halten; denn er habe die freie Wirtschaft geliebt, und man solle doch versuchen, von ihr soviel wie möglich noch am Leben zu halten. Echt Schmalenbachsche Logik! Die freie Wirtschaft ist tot, es lebe, was von ihr noch am Leben erhalten werden kann — beileibe nicht etwa nur das Gedächtnis und ihre pietätvolle Pflege, sondern jedes Stück von ihr. Es ist dieselbe Logik, die das Geld und die Geldwerte in der Bilanz umrechnet, ohne sich an seiner Entstehung i m Hoheitsbereich des Staates und seiner Umlauffunktion i m Markt zu stoßen, die die Kosten als Güterverzehr definiert, ohne ihren Geldcharakter anzuerkennen, und die gemeinwirtschaftliche Wirtschaftlichkeit an Stelle der privatwirtschaftlichen Rentabilität zu setzen versucht, ohne jemals sagen zu können, was dies ist und wie man damit verfährt, um die Rentabilität als Ziel und als Rechen-, Vergleichs- und Kontrollmittel entbehren zu können. 4
Eugen Schmalenbach: Der freien Wirtschaft zum Gedächtnis, Köln-Opladen 1949.
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Andere Kölner Kollegen haben auch ihre Sternstunde erlebt. Die von Ernst Walb mag wohl i n seinem Vortrag „Das Problem der Scheingewinne", 1921®, bestanden haben, nicht aber in seiner „Kaufmännischen Betriebswirtschaftslehre"® oder seiner „Erfolgsrechnung", 19267. Der Erfolg dieser Abhandlung war durch die Aktualität der Scheingewinne i m Höhepunkt der Inflation gegeben. Walb hatte i n scharfer Logik verschiedene Kategorien der Kapitalerhaltung, vor allem die reale und nominale Kapitalerhaltung unterschieden und glaubte, ähnlich wie Schmalenbach, einen Weg zum Schutz vor Scheingewinnen durch eine Änderung der Bilanzrechnung gefunden zu haben. Es war ein Holzweg, aber er ist bis heute nicht als solcher allgemein eingesehen und zugegeben8. Walter Mahlberg, Verfasser zahlreicher Schriften, erreichte den Höhepunkt seines literarischen Ansehens durch seine Kampfschrift „Reparationssabotage durch die Weltwirtschaft", 1928. Sie erschien i n einer Zeit, als das Reparationsproblem die Politik und Wirtschaft mehr als alles andere überschattete. Aus einer langen öffentlichen Diskussion seit etwa 1927, die wesentlich von der Frankfurter Zeitung durch eine Serie von Veröffentlichungen geführt wurde, ergab sich, daß das Reparationsproblem i n das der Aufbringung und das des Transfers unterschieden werden mußte. A n dieser Artikelserie nahmen u. a. teil: Albert Hahn, Gustav Cassel, Zwiedineck-Südenhorst, Adolf Weber, W i l l i Prion. Mahlbergs Kampfschrift befaßte sich mit dem Transferproblem und wies darauf hin, daß internationale Übertragungen i m Ergebnis nur in Warenform erfolgen können, gleichgültig ob private, kommerzielle oder öffentliche Kredite, kurzfristige oder langfristige, den Anlaß und die Voraussetzung dafür bieten. Sein Nachweis war auf die Entwicklung der amerikanischen Handels- und Zahlungsbilanz gerichtet, vor allem auf die Tatsache, daß nach der ersten Phase (1924—1928) der US-Auslandkredite mit gesteigerter Warenausfuhr bei Beginn der Schuldnerleistungen eine Änderung der Handelspolitik zur Aufnahme in Warenform Platz greifen mußte. I m Jahre 1929 wurden die letzten Reparationsverhandlungen i n Paris geführt, an denen von deutscher Seite der Groß5 Ernst Walb: Das Problem der Scheingewinne, Akademische Antrittsrede, Universität Freiburg i. Br., gehalten am 10. 11. 1921, Freiburg i. Br. o. J. β Ernst Walb: Kaufmännische Betriebswirtschaftslehre, Leipzig 1938; vorher erschienen in: Rothschilds Taschenbuch für Kaufleute, 59. Aufl., Leipzig 1922. 7 Ernst Walb: Die Erfolgsrechnung privater und öffentlicher Betriebe. Eine Grundlegung, Berlin-Wien 1926. 8 Vgl. Erich Gutenberg: Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft. Festrede bei der Universitätsgründungsfeier am 22. 5. 1957 in Köln, Krefeld 1957; vgl. dazu Hanns Linhardt: Wilhelm Riegers Einfluß in der jüngeren Betriebswirtschaftslehre, in: BFuP, 10. Jg., 1958, S. 143—158.
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industrielle Albert Vögeler und der damalige Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht teilnahmen. Schacht verließ die Beratungen vorzeitig und überraschte die Weltöffentlichkeit mit seiner sensationellen Schrift „Das Ende der Reparationen", 19319. Diesem faktischen Ende folgten das Hoover-Moratorium i n der Zeit der republikanischen Präsidentschaft von Herbert Hoover (1929/33) und eine Reihe von Stillhalteabkommen zwischen der deutschen Regierung und den ausländischen Gläubigerstaaten, an erster Stelle den USA. Damit war der wohldurchdachte Plan 'des Versailler Vertrages mit den späteren Änderungen durch den sogenannten Dawes-Plan und den späteren Young-Plan, zu dessen Durchführung der Reparationsagent Parker Gilbert und ein Sachverständigenausschuß zur Beobachtung des Wohlstandsindexes (u. a. W. Layton) eingesetzt war, endgültig begraben. Mahlbergs Verdienst war es, als einziger Betriebswirt auf die internationalen Komplikationen und Unmöglichkeiten bei dem Versuch, die deutschen Sachleistungen und Aufbringungen an die Gläubigerländer zu übertragen, hingewiesen zu haben. Zu diesen Feststellungen, die die Technik internationaler Zahlungen i n Verbindung mit der Zahlungs- und Handelsbilanz der betroffenen Länder berührten, war Mahlberg aus seinen früheren Arbeiten, z.B. über Asiatische Wechselkurse 10 , Neubau des Kredits 1 1 , Goldmarkverrechnung i m Verkehr 1 2 u. a., berufen. E r w i n Geldmacher fand größte Beachtung durch seine Veröffentlichung „Wirtschaftsunruhe und Bilanz", 192313. Sie packte das Problem der Geldentwertung von der gleichen Seite, wie es Schmalenbach und Walb schon zu fassen versuchten, gab dabei aber der Bilanz eine unverdiente Rolle als Urheber und so auch als Friedensstifter bei Wirtschaftsunruhen. Nicht die Bilanz, sondern die staatliche Geldschöpfung war der Urheber, und nur dort konnte Ruhe gestiftet werden durch Verstopfung der Kanäle i m Wege der Gesetzgebung, nicht aber i m Wege der Bilanzkorrektur. Die Inflation hat noch andere Gedanken nicht sehr origineller A r t und auch nicht wirksamer Natur zutage gefördert, wie sie etwa Wilhelm Kalverams „Praxis der Goldmarkbilanzierung", 192414, darstellte. Ä u • Hjalmar Schacht: Das Ende der Reparationen, Oldenburg i. O. 1931. 10 Walter Mahlberg: Über Asiatische Wechselkurse, 1. Aufl. 1914, 2. Aufl. 1921. 11 Walter Mahlberg: Zum Neubau des Kredits, Leipzig 1924. 12 Walter Mahlberg: Die Notwendigkeit der Goldmarkverrechnung im Verkehr, Leipzig 1922. 13 Erwin Geldmacher: Wirtschaftsunruhe und Bilanz, 1. Teil: Grundlagen und Technik der bilanzmäßigen Erfolgsrechnung, Betriebswirtschaftliche Zeitfragen, hrsg. von der Gesellschaft für wirtschaftliche Ausbildung, 2. Heft, Berlin 1923. 14 Wilhelm Kalveram: Praxis der Goldmarkbilanzierung und der Kapitalumstellung auf Grund der Bilanz-Verordnung vom 28. 12. 1923 und der
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ßerst originell und heftig diskutiert jedoch war die Veröffentlichung von Fritz Schmidt, Frankfurt, i n seiner „Zeitschrift für Betriebswirtschaft", 1927: „Die Industriekonjunktur — ein Rechenfehler!" 15 . Schon der Titel ist nur zu gern mißdeutet worden, u m dem Angriff eine möglichst breite Fläche zu bieten. Schmidt war nicht so borniert und als Betriebswirt so ungebildet (was man nicht nur ihm, sondern seinen Fachkollegen von volkswirtschaftlicher und juristischer Seite gerne nachsagte und zutraute), um die Industriekonjunktur nur als Rechenfehler erklären zu wollen. Man übersah auch gerne, daß er sich nur mit der Industriekonjunktur, nicht aber mit der weltwirtschaftlichen Konjunktur, etwa infolge von Ernteschwankungen und großen Vorrats- und Bedarfsverschiebungen, beschäftigte. Sein Beitrag sollte nach seiner eigenen und eindeutigen Erklärung lediglich versuchen, jenen unerklärten Rest des Konjunkturphänomens zu erklären, der zurückblieb, wenn man alle anderen Erklärungsmomente i n Betracht zog, die Überinvestition, Rationalisierung, Kostensenkung bis zu den Sonnenflecken seit Stanley Jevons 10 . Die Wirkung dieser Veröffentlichung war deshalb so stark, weil ihr Zeitpunkt äußerst günstig getroffen war; es war die Zeit der ersten Auswirkungen der in Deutschland seit 1924 begonnenen industriellen Investitions- und Rationalisierungsperiode m i t steigenden Preisen, Löhnen, Umsätzen und Gewinnen, verstärkt durch kurz- und langfristige Auslandskredite. Schmidt legte seine Veröffentlichung nicht auf eine Sensation an, aber er erreichte sie. Er arbeitete an dieser Veröffentlichung mehrere Jahre unter Auswertung empirischer Zahlen, vor allem aus der Grundstoffindustrie (Stahl, Eisen, Kohle), wobei er an die Untersuchungen von A r t h u r Spiethoff anknüpfte 17 . Sein Schüler Alfred Isaac, schon als Assistent und Privatdozent ein eifriger Publizist, erreichte einen ungewöhnlichen Grad fachlicher Beachtung und Erörterung durch sein zweifellos überraschendes, nach Ansicht einiger älterer Fachvertreter verfrühtes Werk „Die Entwicklung der wissenschaftlichen Betriebswirtschaftslehre i n Deutschland seit 1898" 18 . Diese Beachtung erhielt er vor allem i m Fach selbst; sie erklärt sich aus dem sicherlich wohl bedachten und auch weitgehend begründeDurchführungsbestimmungen vom 28. 3. 1924, Berlin 1924; 2. Aufl. unter dem Titel: Goldmarkbilanzierung und Kapitalumstellung als Grundlage zukünftiger Bilanzgestaltung, Berlin-Wien 1925, Bücherei für Bilanz und Steuern, hrsg. von H. Großmann, Bd. 13. 15 ZfB, 4. Jg., 1927, S. 1—29, später in stark erweiterter Form als Buch erschienen (41933). 1β William Stanley Jevons: Investigations in Currency and Finance, postum hrsg. von H. S. Foxwell, London 1884. 17 Vgl. Arthur Spiethoff: Krisen, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 4. Aufl., 6. Bd., Jena 1925, S. 8—91. 18 Alfred Isaac: Die Entwicklung der wissenschaftlichen Betriebswirtschaftslehre in Deutschland seit 1898, Berlin 1923.
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ten Versuch, die bedeutendsten Repräsentanten der Betriebswirtschaftslehre nach ihren hauptsächlichen Veröffentlichungen, Arbeitsgebieten und Arbeitsweisen zu klassifizieren. Daß dabei die eine oder andere Einstufung anders ausfiel, als der Betroffene erwartete, erklärt die W i r kung dieser Schrift, die zweifellos den ersten Versuch für eine immanente K r i t i k des Faches und die erste Anregung zu ihrer geschichtlichen Darstellung enthielt, wie sie später von R. Seyffert 19 und nach ihm von J. Löffelholz 20 , B. Penndorf 21 , M. R. Lehmann 2 2 u. a. versucht wurde. Schmidts Frankfurter Kollege Josef Hellauer zog zeitlebens die still dahinfließende wissenschaftliche Arbeit gegenüber dem Eingreifen i n Zeit- und Streitfragen vor, so daß der Rückblick auf seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen keine Sensationsmeldungen enthält. Seine Schüler wußten jedoch, daß er zu den Tagesereignissen, von denen die Betriebswirtschaftslehre nach allen Seiten, zumal i n den unruhigen Zeiten (1918—1933), erfaßt und berührt wurde, oft und gründlich Stellung nahm. Dies beschränkte sich jedoch auf die akademische Lehrtätigkeit und fand i n Veröffentlichungen keinen Niederschlag außer i n gelegentlichen Artikeln, die das Problem der Kalkulation, den Tageswert i n Kalkulation und Bilanz betrafen 23 . Fragt man nach einer besonders nachhaltigen Wirkung der Veröffentlichungen der beiden Berliner Lehrstuhlinhaber Friedrich Leitner und Heinrich Nicklisch, so liegen solche wiederum nicht i n größeren Werken und deren wiederholten oder zahlreichen Auflagen, sondern i m Falle Leitners i n seiner Rektoratsrede „Renaissance der Privatwirtschaftsle Rudolf Seyffert: Über Begriff und Aufgaben der Betriebswirtschaftslehre, in: Zeitschrift für Handelswissenschaft und Handelspraxis, 18. Jg., 1925, S. 48—54; eine erweiterte Fassung erschien unter dem Titel: Über Begriff, Aufgaben und Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre, 4. Aufl., Stuttgart 1957; ders.: Betriebswirtschaftslehre, Geschichte, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 1. Aufl., Stuttgart 1926, 1. Bd., Sp. 1198—1220; 2. Aufl., Stuttgart 1938, 1. Bd., Sp. 932—956; 3. Aufl., Stuttgart 1956, 1. Bd., Sp. 995—1011. 20 Josef Löffelholz: Geschichte der Betriebswirtschaft und der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1935. 21 Balduin Penndorf: Die geschichtliche Entwicklung der Handelswissenschaften bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, in: Zur Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre, Festgabe zum 70. Geburtstage von R. Stern, BerlinLeipzig-Wien 1925, S. 7—19; ders.: Entwicklungsgeschichte des Betriebslebens, in: Die Handelshochschule, 2. Aufl., Berlin-Wien o. J., Bd. 3, Teil 2; neu bearb. von R. Henzler, Wiesbaden. 22 M a x Rudolf Lehmann: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Leipzig 1928, S. 1 ff. 23 Zum Beispiel Josef Hellauer: Kalkulation nach den „Wiederbeschaffungs"- oder nach den tatsächlichen Gestehungskosten, in: Zeitschrift für Handelswissenschaft und Handelspraxis, 17. Jg., 1924, S. 38—42; ders.: K a pitalzins und Zinsenverlust in der Kalkulation, in: Annalen der Betriebswirtschaft, I I I . Bd., 1929—1930, S. 368—381.
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lehre" 2 4 und i n der kleinen Schrift von H. Nicklisch „Der Weg aufwärts! — Organisation — Versuch einer Grundlegung" 25 . Leitners Rektoratsrede war eine Kampfansage an die unter dem Einfluß Schmalenbachs seit 1919 an Stelle der jahrzehntelang üblichen, von Schmalenbach früher selbst verwendeten Fachbezeichnung Privatwirtschaftslehre vorherrschend gewordene Fachbezeichnung Betriebswirtschaftslehre, mit dem darin enthaltenen politischen und ideologischen Einschlag, wie er aus dem verlorenen Krieg und dem Auftrieb sozialistischer Gedankengänge erklärlich ist. Insofern ist wie i n mancher anderen Hinsicht Leitners Position eine Opposition zu seinem Berliner Kollegen H. Nicklisch, der mit seiner „Organisation" den sozialistischen Weg zu zeigen versuchte und selbst zu gehen entschlossen war. Als diese Schrift erschien, schrieb ihm Franz Findeisen und bat um Aufklärung einiger dunkler Punkte. Er las i n der Vorlesung i m Sommersemester 1921 an der Handelshochschule Nürnberg das Antwortschreiben von Nicklisch vor. Die dunklen Punkte sind dadurch noch dunkler und tiefsinniger geworden. Ein Satz des Antwortschreibens hieß: „Die Ursache ist die Ur-Sache." Der Mannheimer Fachvertreter Walter le Coutre trat durch eine Veröffentlichung besonderer A r t hervor, die allerdings nicht unter seinem Familiennamen, sondern unter einem angenommenen Autorennamen erschienen war. Es war ein bei Leopold Weiß i n Berlin verlegtes Buch „Die Sanierung" 26 , w o r i n eine umfangreiche Materialsammlung von Sanierungs- und einschlägigen Finanzierungsfällen geboten war, wie sie aus der Sammlung von Zeitungsberichten gewonnen wurde. Die Beschränkung auf das rein Empirische war zweifellos ein Mangel dieser Veröffentlichung, gleichwohl hätte die Empirie auf diesem Gebiet wohl verdient, stärker betrieben zu werden. Bei Georg Obst, dem Breslauer Ordinarius, ist angesichts der Fülle seiner Veröffentlichungen während eines halben Jahrhunderts die Entscheidung über das, was davon am meisten beachtet wurde, schwierig, und doch muß man bei aller K r i t i k an der von ihm bevorzugten A r t der Publizistik dieser selbst gerecht werden. Sie lag ganz und gar in der Popularisierung und gar nicht i n der Originalität des Gedankens und der Darstellung. Sein zweibändiges „Bankgeschäft" 27 hätte i n der Tat 24 Friedrich Leitner: Renaissance der Privatwirtschaftslehre, Einzelwirtschaftliche Abhandlungen, Bd. 5, Berlin 1931. 25 H. Nicklisch: Der Weg aufwärts! Organisation, Versuch einer Grundlegung, 1. Aufl. 1920, 2. Aufl., Stuttgart 1922. 26 Walter Mannheimer: Die Sanierung. Ein Handbuch für die Praxis, Berlin 1924. 27 Georg Obst: Das Bankgeschäft, 2. Bd., 1. Aufl. 1914, 9. Aufl., Stuttgart 1930.
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neuere Auflagen verdient, aber er selbst wurde durch stoffgleiche Veröffentlichungen das Hindernis dazu. Immerhin ist sein „Geld-, Bankund Börsenwesen" 28 nicht nur i m Titel, sondern auch i n der kurzen Fassung der früheren Auflagen verdienstvoll und fand Nachahmer 29 . Denkt man an Wilhelm Rieger, seine Lehrtätigkeit i n Nürnberg und Tübingen und seine schriftstellerische Arbeit, so hat nicht seine „Einführung i n die Privatwirtschaftslehre" 30 , auch nicht seine Sonderveröffentlichung „Über Geldwertschwankungen" 31 , sondern die zwei Jahre vorher erschienene Kampfschrift „Schmalenbachs Dynamische Bilanz" 3 2 am stärksten gewirkt. Es ist eine Kampfschrift, wie es keine zweite i m halben Jahrhundert bis 1950 und auch 1960 innerhalb unseres Faches gegeben hat, scharf, unerbittlich und unwiderlegbar. Weder der Angegriffene, E. Schmalenbach, noch seine Anhänger unter allen Fachvertretern, die auf die eine oder andere Weise die Geldumwertung i n der Bilanz für möglich und zur Vermeidung von Geldentwertungsschäden für w i r k sam hielten, haben sich dem Angriff Riegers gestellt. Schmalenbach teilte i m Vorwort der folgenden Auflagen seiner „Dynamischen Bilanz" 3 3 zwar kräftige Seitenhiebe aus an diejenigen, die ihn noch immer nicht verstanden hatten und denen man eigentlich noch eine besondere A n leitung liefern müßte, aber die Schrift von Rieger hat bis zum heutigen Tag ihren Zweck, die Unmöglichkeit der Geldwertkorrektur i n der Bilanz so weit nachzuweisen, daß weitere Empfehlungen dieser A r t unterbleiben, nicht erreicht. Beweis dafür sind die späteren Auflagen von Schmalenbachs Dynamischer Bilanz, i n denen die alten Kapitel zur Geldwertkorrektur nicht fehlen und die Erörterungen über die Substanzerhaltung i n dem gleichnamigen Buch von K a r l Hax 3 4 und anderswo, nicht zuletzt durch die amerikanischen Erfahrungen zweier Inflationsperioden (nach 1920 und nach 1947), ausgelöst. Wie Rieger i n seinem Vorwort festhält, hat er fast zwei Jahrzehnte zu sämtlichen Neuauflagen von Schmalenbachs Dynamischer Bilanz geschwiegen, i n der Erwartung, daß andere das Wort der kritischen Klärung finden. Erst als dies nicht 28
Georg Obst: Geld-, Bank- und Börsenwesen, 1. Aufl. 1901, 34. Aufl., fortgeführt von O. Hintner, Stuttgart 1955. 29 Vgl. Adolf Weber: Geld, Banken, Börsen, 1. Aufl. 1939, 6. Aufl. 1959. 80 Wilhelm Rieger: Einführung in die Privatwirtschaftslehre, Nürnberg 1928, unv. Nachdruck, Erlangen 1959. 31 Wilhelm Rieger: Über Geldwertschwankungen, Stuttgart 1938. 32 Wilhelm Rieger: Schmalenbachs Dynamische Bilanz. Eine kritische Untersuchung, 1. Aufl. 1936, 2. Aufl. Stuttgart-Köln 1954. 33 Eugen Schmalenbach: Grundlagen dynamischer Bilanzlehre, in: ZfhF, 13. Jg. 1919, S. 1—101; in Buchform erschienen unter dem Titel: D y namische Bilanz, 12. Aufl., bearbeitet von R. Bauer, Köln-Opladen 1956. 34 K a r l Hax: Die Substanzerhaltung der Betriebe, Köln und Opladen 1957.
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geschah, zog er „die vergilbten Blätter seiner früheren Notizen wieder hervor". Was seine Ablehnung Schmalenbachscher Gedankengänge i m wesentlichen begründet, ist seine Auffassung vom Geld, wie er sie als Schüler von Georg Friedrich Knapp in Straßburg übernommen hat 3 5 . Noch i n der Festrede von Erich Gutenberg zur Sechs-Jahrhundert-Feier der Universität K ö l n (1957)3® hat dieser die einschlägigen Leistungen der Betriebswirtschaftslehre zur Geldwertkorrektur trotz der Widerlegungen von Rieger positiv gewürdigt 3 7 .
85 Vgl. Georg Friedrich Knapp: Staatliche Theorie des Geldes, 1. Aufl. 1905, 4. Aufl., München-Leipzig 1923. 86 Vgl. Fußn. 8. 87 Vgl. Hanns Linhardt: Wilhelm Riegers Einfluß in der jüngeren Betriebswirtschaftslehre, in BFuP, 1958, S. 143—158; ders.: Neue Tendenzen in der Betriebswirtschaftslehre, in: Betriebswirtschaftliche Umschau, Januar 1959, S. 4—14.
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Anmerkungen
Die folgenden Anmerkungen sollen in erster Linie geeignete oder notwendige Ergänzungen seit der Veröffentlichung enthalten. Aus diesem Grunde werden bei älteren Artikeln mehr, bei jüngeren weniger Anmerkungen vorkommen. I n einigen Fällen enthalten sie Druckfehlerberichtigungen oder auch sachliche Richtigstellungen, in anderen Fällen bringen sie Hinweise auf gleichartige oder entgegengesetzte Auffassungen in der Fachliteratur. H i n weise auf eigene Veröffentlichungen sind nur dann mit Quellenangabe versehen, wenn solche Veröffentlichungen nicht in diesem Band enthalten sind, i m anderen Falle erfolgen sie lediglich durch einen Seitenvermerk. I m übrigen sollen alle diejenigen Anmerkungen unterbleiben, die sich aus dem mit Überlegung ausführlich gehaltenen und gründlich angelegten N a men- und Sachregister ergeben. Soweit unter den Stichworten des Sachverzeichnisses Seitenhinweise auf solche Begriffe wie Kapital, Kapitalrechnung, System, Kreislauf usw. enthalten sind, mag der Leser außer der unvermeidlichen Wiederholung gewisser Gedankengänge ihre Fruchtbarkeit bei verschiedenartiger Anwendung entnehmen.
Die Betriebswirtschaftslehre an den deutschen Hochschulen (1949) (1) Vgl. dazu den Stand der Betriebswirtschaftslehre in dem Artikel des Verf.: Die Stellung der Betriebswirtschaftslehre an den deutschen Hochschulen, in: Die Wirtschaftsprüfung, 3. Jg., 1950, S. 337—339, und 4. Jg. 1951, S. 175—178, sowie die umfassende Übersicht in den „Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum Ausbau der wissenschaftlichen Einrichtungen", Teil I , Wissenschaftliche Hochschulen, Tübingen I960; ferner die lfd. Hochschulnachrichten in: Betriebswirtschaftliche U m schau (Mitteilungsblatt des Verbandes deutscher Diplom-Kaufleute e. V.), April 1962. (2) Ein Verzeichnis aller Hochschullehrer und Assistenten, soweit sie M i t glieder sind, ist vom Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V. nach dem Stand vom 1. Januar 1960 und 1. Januar 1962 angelegt worden. Die „Lebensbeschreibungen" in der 2. Aufl. (1939) des Handwörterbuchs der Betriebswirtschaft — unter Buchstabe L zusammengefaßt, mit Bibliographie, während in 1. Aufl. (1926/28) unter A n fangsbuchstaben des Familiennamens verteilt — sind in der 3. Aufl. (1956 ff.) nicht fortgesetzt worden; nach dem Stand Ende 1958 ist vom Verein für Socialpolitik (Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften) im Verlag Duncker & Humblot, Berlin 1959, eine Darstellung „Die Hochschullehrer der Wirtschaftswissenschaften in der Bundesrepublik Deutschland einschl. Westberlin, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz — Werdegang und Schriften" herausgegeben worden (515 S.). Allgemeine Nachschlagewerke sind „Kürschners Gelehrten-
Anmerkungen
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kalender" (9. Ausg., Berlin 1961); „Leitende Männer der Wirtschaft. Ein wirtschaftliches ,Who is Who'", hrsg. Verlag Hoppenstedt & Co., 10. Aufl. Darmstadt 1962 (1. Aufl. 1955). (3) Die gleichen Streitfragen sind seit 1948 nicht beigelegt, sondern durch neuere Streitfragen noch vermehrt worden, wie die um das Ertragsgesetz (E. Gutenberg: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, 1. Bd.: Die Produktion, 6. Aufl. Berlin-Göttingen-Heidelberg, 1961, S. 240 ff.; ders.: Über den Verlauf von Kostenkurven und seine Begründung, in: ZfhF, N. F., 5. Jg., 1953, S. 1—35; ders.: Zum „Methodenstreit", in: ZfhF, N. F., 5. Jg., 1953, S. 327—355; K. Mellerowicz: Kosten und Kostenrechnung, Bd. I : Theorie der Kosten, 3. Aufl., Berlin 1957, S. 293 ff.; ders.: Kostenkurven und Ertragsgesetz, in: ZfB, 23. Jg., 1953, S. 329—346; W. Weddigen: Die Ertragstheorie in der Betriebswirtschaftslehre, in: ZfB, 30. Jg., 1960, S. 1—14, 65—84), die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (W. Leontieff, G. Strickrodt, W. Krelle, M . Kichnau), die Vorläufer der Volks- und Betriebswirtschaftslehre (Kameralisten, Handelsakademiker). Die Volkswirtschaftslehre versucht, das ungleich günstigere V e r hältnis der Zahl ihrer Lehrstühle zur Zahl ihrer Hörer, verglichen mit der Betriebswirtschaftslehre unter Betonung der theoretischen Grundlagen der Wirtschaftswissenschaften zu rechtfertigen. Daß die Unterlegenheit der absoluten Hörerzahl bei der Volkswirtschaftslehre mit ein Grund sei, die Einheit der Wirtschaftswissenschaften in den Vordergrund zu rücken, wird von den Berufsverbänden der Volkswirte und von Lehrstuhlinhabern der Volkswirtschaftslehre bestritten (vgl. H. L.: Neue Tendenzen..., S. 208). (4) Die Frage, ob Theorie und Systematik in der Betriebswirtschaftslehre wichtiger seien als praktische Verwendbarkeit und Praxisnähe, worin der Verf. der Ansicht von K. H a x widerspricht, bildet seit Jahrzehnten den Kern der oft heftig geführten Auseinandersetzung zwischen E. Gutenberg (für Theorie und Systematik) und K . Mellerowicz (für praktische Verwendbarkeit und Praxisnähe). Beide machen ihre Eignung und Neigung zur Richtschnur am Lehrgebäude. (5) Die mehrfachen, jedesmal gescheiterten Versuche zur Errichtung eines einheitlichen Lehrgebäudes setzen sich in solchen Gesamtdarstellungen wie „Handbuch der Wirtschaftswissenschaften", hrsg. v. K . H a x und Th. Wessels, 2 Bde., Köln-Opladen 1958/59, in den von E. Gutenberg herausgegebenen Lieferungen „Die Wirtschaftswissenschaften", Wiesbaden 1958 ff. (als Neuauflage des von F. Schmidt in mehrfacher Auflage herausgegebenen Werkes „Die Handelshochsschule"), in der 3. Aufl. des „Handwörterbuchs der Betriebswirtschaft", Stuttgart 1956 ff., fort, woraus die Nachblüte der vonH. Seischab herausgegebenen „Betriebswirtschaftlichen Studienbücher", C. E. Poeschel, Stuttgart 1961 ff., entsprungen ist. Der Mangel an innerer Geschlossenheit schon vor 1933 und früher wird jetzt vergrößert, angesichts der Spezialisierung der Arbeitsgebiete und Forschungsergebnisse, zwischen denen kein geistiges Band mehr zu bestehen scheint, vor allem die Unklarheit über das Objekt der Betriebswirtschaftslehre (s. H. L.: Das O b j e k t . . . , S. 148 ff.), über das Verhältnis von Betrieb und Unternehmung, von Unternehmung und Markt, worüber oberflächlich hinweggeredet und ausweichend hinweggehuscht wird (vgl. E. Gutenberg: Einführung in die Betriebswirtschaftslehre. Die Wirtschaftswissenschaften, Reihe A, Bd. 1, Wiesbaden 1958; vgl. die
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Anmerkungen Rezension des Verf. in: Schmollers Jahrbuch, 80. Jg., 1960, I. Halbbd., S. 95—103; im Widerspruch dazu Gutenbergs Ausführungen: Die gegenwärtige Situation der Betriebswirtschaftslehre, in: ZfhF, N. F., 12. Jg., 1960, S. 118). Die Buchbesprechungen der betriebswirtschaftlichen Fachliteratur entbehren der ernsten und fördernden Kritik, wie sie gerade jüngeren durch ältere Autoren angedeihen sollte. Die Auswertung gehaltvoller Buchbesprechungen in der Literatur fehlt gänzlich; die Schüler werden dazu in Dissertationen nicht angehalten, eher davon abgehalten.
(6) Die Stellung des „konsequenten Einzelgängers Wilhelm Rieger" im Fach ist zweifellos durch das Echo der Rieger-Festschrift zu seinem 75. Geburtstag, „Die Unternehmung im Markt", Stuttgart-Köln 1953, erneut aktualisiert worden. Der Verf. bekennt sich als Autor des Beitrages „Zur Würdigung der Persönlichkeit von Wilhelm Rieger als Forscher und Lehrer" in dieser Festschrift. Deutlich erkennbar ist die von Rieger eingeschlagene und nach ihm vernachlässigte, sogar verlassene Richtung der Unternehmungsforschung bei zahlreichen jüngeren Autoren, auch aus dem Schülerkreis von E. Gutenberg, K . Hax, E. Kosiol. Verständlich wird dies aus der wachsenden Einsicht in die wissenschaftliche Unbrauchbarkeit des Begriffs der Wirtschaftlichkeit, vor allem der von Schmalenbach geforderten „gemeinschaftlichen Wirtschaftlichkeit", angesichts der Zusammenhanglosigkeit zwischen Betriebsvorgängen und Marktvorgängen, solange das Bindeglied der Unternehmung mit den ihr angehörigen Problemkomplexen der Absatz- und Preispolitik, der Investition und Finanzierung, der Planung usw. fehlt. Was die heutige Betriebswirtschaftslehre in vier Jahrzehnten nicht von W. Rieger an geistigem Rüstzeug annehmen wollte, bezieht sie jetzt auf Umwegen aus ausländischen, vor allem amerikanischen Quellen, ζ. B. auf dem Gebiet der unternehmerischen Entscheidungen, der Unternehmungsorganisation, der Marktforschung, Marktbeobachtung, Marktstrategie, Werbung usw. So erstaunlich die Entfremdung Gutenbergs gegenüber W. Rieger in seinem Hauptwerk: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. I und I I , Berlin-Göttingen-Heidelberg 1951/55, gemessen an seiner Habilitationsschrift: Die Unternehmung als Gegenstand betrieblicher Theorie, Berlin 1929 ist, so erfreulich sind Anknüpfungen hinsichtlich der Geldrechnung, Bilanztheorie, Planung, wie etwa bei K. H a x und Helmut Koch, und beachtliche Auseinandersetzungen mit W. Rieger, wie bei W. Hill, A. Moxter, W. Muscheid, A. Waither. Der Trend vom Betrieb zur Unternehmung, von E. Schmalenbach zu W. Rieger wird bestätigt von H. Rittershausen: „Die Betriebswirtschaftslehre hat in den letzten zehn Jahren die ,Unternehmenspolitik 1 als neuen Zweig herausgearbeitet" (Industriekurier v. 15. M a i 1962). (7) Neuere theoretische Versuche (H. Albach, W. Wittmann, G. Wöhe) entgehen dieser Gefahr, die auch E. Gutenberg sieht, wenn er davon spricht, daß es auch in der Betriebswirtschaftslehre Holzwege gebe (Die gegenwärtige Situation der Betriebswirtschaftslehre, in: ZfhF, 1960, S. 118 f.). Die nach meiner Darstellung 1948 vernachlässigten Gebiete der Absatzwirtschaft, Lagerwirtschaft, Personalwirtschaft sind in einer Reihe von Spezialuntersuchungen aufgegriffen worden (O. R. Schnutenhaus, F. Henzel, E. Grochla, F. Goossens, E. Leitherer, E. Sundhoff, R. Dahrendorf, H. Koch, letztere aus der Gutenbergschen Schriftenreihe „Die Wirtschaftswissenschaften").
Anmerkungen
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(8) Zur Klärung des Problemkreises Unternehmung — Unternehmer, U n ternehmung — Betrieb haben i m letzten Jahrzehnt soziologische, betriebspsychologische, wirtschaftspädagogische Untersuchungen und A r beiten aus dem Bereich der oft nur mit Widerwillen aufgenommenen Politischen Wissenschaft (O. von der Gablentz, Th. Eschenburg u. a.) beigetragen (H. Böhrs, A. Dörschel, Th. Scharmann, H. Schelsky, K. G. Specht). (9) Zum Verhältnis zwischen Unternehmung und Unternehmungsrechnung s. Verf. in dem Beitrag zur Rieger-Festschrift 1953 S. 40ff.); zum historischen Nachweis der Verwaltungswirtschaft s. L. Brentano: Das W i r t schaftsleben der antiken Welt, Jena 1929; W. Eucken: Die Grundlagen der Nationalökonomie, 2. Aufl., Jena 1941 (1. Aufl. 1939); E. Meyer: Geschichte des Altertums, 5 Bde., Stuttgart, letzte Aufl. seit 1953 (1. Aufl. seit 1884); s. S. 241 f. (10) Zur Frage der gemeinwirtschaftlichen Wirtschaftlichkeit nach Schmalenbach vgl. A. Moxter: Methodologische Grundfragen der Betriebswirtschaftslehre, Köln-Opladen 1957; dazu Buchbesprechung des Verf. in: Schmollers Jahrbuch 77. Jg., 1957,2. Halbbd., S. 628—630. (11) Zur neueren Literatur über betriebswirtschaftliche Organisation vgl. L. Illetschko, F. Nordsieck, O. R. Schnutenhaus, K. Stefanic-Allmayer, H. Ulrich. Diese neuere Literatur knüpft vorwiegend an die Unternehmung an. (12) Der von der Buchhaltung wegführende Irrweg ist seitdem weiter begangen worden, ζ. B. in der Ausgliederung der sog. propädeutischen Fächer aus dem sog. theoretischen Lehrstoff, in der Verkümmerung der praktischen Beispiele in den Finanzierungen — trotz des lauten Rufes nach der „case-method", in den Änderungen der Prüfungsordnungen für die verschiedenen wirtschaftswissenschaftlichen Diplome. Die historische Seite des Rechnungswesens ist seit B. Penndorf von Betriebswirten nicht weiter gepflegt worden (s. Anm. 34). (13) Zur „ethisch fundierten Richtung der Betriebswirtschaftslehre" vgl. die Nürnberger Dissertation von H. Keinhorst: Die normative Betrachtungsweise in der Betriebswirtschaftslehre, Die Unternehmung im Markt, hrsg. v. G. Bergler, J. Fettel, H. Linhardt, Ε. H. Sieber, Bd. 4, Berlin 1956, und den Besprechungsaufsatz von C. Sandig in: BFuP, 10. Jg., 1958, S. 588—593. Berichtigung: statt „Volkswirtschaftslehre" (5 Zeilen vorher) steht im Original „Volkswirtschaft". (14) K. Jaspers: M a x Weber. Politiker, Forscher, Philosoph, 3. Aufl. Bremen 1948 (1. Aufl. 1932). (15) Die Unabhängigkeit der Wissenschaft gegenüber materiellen Interessen und Interessentengruppen bleibt ein brennendes Problem. Der Verein für Socialpolitik veranlaßte im Frühjahr 1962 eine Sondersitzung über die Frage der wissenschaftlichen Unabhängigkeit bei wirtschaftswissenschaftlichen Gutachten. Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e. V. bemüht sich um eine Neutralisierung unentbehrlicher Geldzuwendungen an die Wissenschaft. Der Wissenschaftsrat weist ausdrücklich auf „Gefährdungen und Verluste seit 1930" in seinen „Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum Ausbau der wissenschaftlichen
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Anmerkungen Einrichtungen", Bd. I , Tübingen 1960, S. 19 f., S. 160 f. hin; unveröffentlichte Gutachten und Berichte der letzten Jahre befassen sich mit dem gleichen Problem.
(16) Meine Kritik von 1948 wird 1962 kaum weniger verstanden werden. Auch in der Betriebswirtschaftslehre ist die Vergangenheit unbewältigt geblieben. Bei einer Tagung i m M a i 1962 wies der Kultusminister Dr. Schütz von Nordrhein-Westfalen auf den Niedergang der deutschen Literatur, das Fehlen der immanenten Fachkritik, den Mangel geistiger Auseinandersetzung eindrucksvoll hin, mit dem Ziel, die Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung für solche Aufgaben stärker einzusetzen (Zur Kritik ihrer Mitglieder s. K. Ziesel: Das verlorene Gewissen, 8. Aufl., München 1962).
Kosten und Kostenlehre (1952) (17) S. H. L.: Kapitalwirtschaft und Kapitalrechnung (S. 40 ff.). (18) Zur Kostenrechnung vgl. H. Ludwig: Die Größendegression der technischen Produktionsmittel, Beiträge zur betriebswirtschaftlichen Forschung, hrsg. v. E. Gutenberg, W. Hasenack, K. Hax, E. Schäfer, Bd. 12, Köln-Opladen 1962. (19) Zur Frage der Preispolitik in der staatlich gebundenen und in der grundsätzlich freien Marktwirtschaft vgl. H. L.: Die Unternehmung im Wandel . . . , (S. 66 if.). (20) Zur Frage der Kostenkontrolle vgl. neuere Arbeiten aus dem Schülerkreis von E. Gutenberg (H. Albach, E. Heinen, W. Kilger, H. Koch), von E. Kosiol (K. Bleicher, E. Grochla, H. Kloidt, H. Langen) sowie die Buchveröffentlichungen von Th. Ellinger, J. Fettel, L. Illetschko, P. Riebel, H. Vormbaum, W. Wittmann, G. Wöhe. (21) Z u m Verhalten der Unternehmungen in der Weltwirtschaftskrise 1919 bis 1932 vgl. W. Hasenack: Unternehmertum und Wirtschaftslähmung, Berlin 1932. (21a) Stilistische Änderung. (22) Zu den betriebswirtschaftlichen Problemen der Verkehrswirtschaft vgl. Bd. 10 der Nürnberger Abhandlungen „Betriebsgröße und Unternehmungskonzentration", Berlin 1959, mit Beiträgen von H. Jürgensen, H. Reißermayer (Oberpostdirektion Nürnberg) und F. Zepeck (Bundesbahndirektion Nürnberg).
Kapitalwirtschaft und Kapitalrechnung (1953) (23) Zum Systembegriff s. H. L.: Plenges System der Verkehrswirtschaft, in: Finanz-Archiv, Bd. 15, H. 1, 1954, S. 21—71; sowie ders.: Die Begründung des Wertes . . . , S. 124 if.; ders.: Volkswirtschaftliche Lehrmeinungen . . . , S. 230 ff.; ders.: Objektivation . . . , S. 249. (24) Beispiele veröffentlichter Umsatzziffern der Reichsbank und der früheren Großbanken s. H. L.: Bankbetriebslehre, Bd. I : Bankbetrieb und Bankpolitik. Bankwirtschaftliche Schriftenreihe, hrsg. v. H. Linhardt, Köln-Opladen 1957.
Anmerkungen
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(25) Zur Kapitalbeschaffung s. H. L.: Sonderdruck unter gleichnamigem Titel, Leipzig 1939; Beitrag zum Handbuch der Aktiengesellschaften, Verlag Dr. O. Schmidt K. G., Köln (im Erscheinen); sowie Wegweiser für die Prüfung der Finanzierung und Sanierung, in: Gerstner/Meyer: Wegweiser für die Wirtschaftsprüfenden und wirtschaftsberatenden Berufe, eine umfangreiche Schriftenreihe bei Haude & Spener, Berlin 1962 f. (im Erscheinen). (26) Zum Verhältnis von Sparen und Investieren vgl. H. L.: Der Kapitalmarkt im System der Märkte und die Kapitalmarktpolitik der Banken, in: österreichisches Bank-Archiv, 4. Jg., 1956, S. 8—24. (27) Zum Begriff der Kapitalakkumulation vgl. K. Marx: Das Kapital, Bd. I , Hamburg 1867; R. Hilferding: Das Finanzkapital, Wien 1910; R. L u xemburg: Die Akkumulation des Kapitals, Berlin 1913. (28) Die scharfe Unterscheidung von Erwerbsbetrieb und Haushaltsbetrieb wird abgelehnt von E. Schmalenbach und seinem Schülerkreis (E. K o siol, R. Seyffert). S. die bei Kosiol geschriebene Dissertation von H.-A. Dubberke: Betriebswirtschaftliche Theorie des privaten Haushaltes, Berlin 1958. Eine schärfere Trennung nehmen K . Hax und A. Schnettler vor, s. H. L.: Neue Tendenzen . . . (S. 204). (29) Zur Frage stofflichen und stofflosen (chartalen) Geldes s. G. F. Knapp: Staatliche Theorie des Geldes, 4. Aufl., München-Leipzig 1923 (1. Aufl. 1905); F. Bendixen: Das Wesen des Geldes, 4. Aufl., München 1926 (1. Aufl. 1908); W. Rieger: Einführung in die Privatwirtschaftslehre, Nürnberg 1928, unv. Neudruck 1959. (30) Die Außerachtlassung des Rechtes bei der Erklärung betriebswirtschaftlicher Grundbegriffe, wie Markt, Unternehmung, Betrieb, Ware, Umsatz, Verkauf usw., ist besonders kennzeichnend für E. Gutenberg, E. Kosiol, R. Seyffert, zwar verständlich aus dem Bestreben zur Sicherung und Abgrenzung des Objektes der Betriebswirtschaftslehre, jedoch nicht überzeugend angesichts der überall vorhandenen Rechtsformen w i r t schaftlicher Grundvorgänge und ihrer unlöslichen Verbindung mit w i r t schaftlichen Inhalten. (31) Die Betonung der ausnahmslosen Abhängigkeit aller in Betrieb, Unternehmung und Markt enthaltenen wirtschaftlichen Tatbestände und Vorgänge — auch der geringsten — vom System der Verkehrswirtschaft richtet sich gegen die Unterscheidung systembezogener und systemindifferenter Tatbestände bei E. Gutenberg (Bd. I, Produktion). (32) Über die Stufenfolge des betrieblichen Rechnungswesens und die eindeutige Erklärung seiner sämtlichen, noch so weit auseinandergezogenen Teile als Bestandteile der Kapitalrechnung, s. H. L.: Grundlagen der Betriebsorganisation, Essen 1954. (33) Zum Systembegriff s. Anmerkung 23. (34) Die ältesten überlieferten deutschen Handelsbücher sind die von Wittenborg und Warendorp (nach B. Penndorf: Geschichte der Buchhaltung in Deutschland, Leipzig 1913), von Holzschuher (nach A. Chroust - H. Proesler [Hrsg.] : Das Handlungsbuch der Holzschuher in Nürnberg von
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Anmerkungen 1304—1307, Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische schichte, Reihe X , Bd. I, Erlangen 1934) und Matthias Runtinger, gensburg (nach F. Bastian: Das Runtingerbuch 1383—1407 und wandtes Material zum Regensburger-Südostdeutschen Handel Münzwesen, 3 Bde., Regensburg 1935—1944).
GeReverund
(35) Zur Funktion des Geldes als Organisationsmittel der Unternehmung s. H. L.: Die Gestaltfunktion des Geldes und der Finanzverkehr der A k tiengesellschaft, in: österreichisches Bank-Archiv, 6. Jg., 1956, S. 35 —48; ders.: Markttheorie des Geldes, in: BFuP, 8. Jg., 1956, S. 6—15; ders.: Liquiditätsprobleme der Unternehmensfinanzierung, in: BFuP, 13. Jg., 1961, S. 613—629. (36) J. B. Say gebraucht in seinen klassischen nationalökonomischen Schriften immer wieder den Ausdruck vom „Eigengewicht der Dinge" im Sinn der wirtschaftlichen Tatbeständen innewohnenden inneren Logik trotz so vieler Fehlinterpretationen. Ein wahrer Trost! (37) Zur Frage der betrieblichen Sozialpolitik vgl. Vortrag des Verf. „Unternehmertum und Sozialpolitik" vor dem Arbeitgeber-Ausschuß Nordrhein-Westfalen am 19. Dezember 1947 in Düsseldorf (als Manuskript gedruckt) ; von 10 000 Exemplaren schickten die Veranstalter mehr als 9000 an den Verf. zurück, da in Unternehmerkreisen kein Interesse an der (kostenlosen) Verteilung vorlag. (38) Die Zahlen der Aktionäre größter amerikanischer und deutscher Aktiengesellschaften sind seit 1953 weit überholt und überschreiten bei den größten amerikanischen Gesellschaften die erste und bereits die zweite Million. Nach der Privatisierung der Volkswagen A G 1961 (Gründung am 22. 8.1960) war in der Presse von 1,7 Mill. Aktionären die Rede. Über den Stand amerikanischer Aktionärlisten der größten Gesellschaften, wie American Telephone and Telegraph Co., General Motors Corp., Ford Motor Co., First National City Bank u. a. berichtet F. H. Rosenstiel in Abständen in der FAZ. (39) Über die Kontroverse Wirtschaftlichkeit oder Rentabilität s. H.-J. Forker: Das Wirtschaftlichkeitsprinzip und das Rentabilitätsprinzip, ihre Eignung zur Systembildung. Die Unternehmung im Markt, hrsg. v. G. Bergler, J. Fettel, H. Linhardt, Ε. H. Sieber, Bd. 6, Berlin 1960. (40) Die Schrift von B. Cotrugli „Deila Mercatura et del Mercante perfetto" wurde zwar erst 1568 in Venedig gedruckt, war aber bereits 1458 als Manuskript abgefaßt und bekannt (vgl. E. Weber: Literaturgeschichte der Handelsbetriebslehre, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, hrsg. v. K. Bücher, Ergänzungsheft X L I X , Tübingen 1914, S. 8). Vgl. auch L. Goldschmidt: Universalgeschichte des Handelsrechts, 1. Lieferung, 1. Abteilung des 1. Bd. vom „Handbuch des Handelsrechts", 3. Aufl., Stuttgart 1891 (1. Aufl. 1864).
Die Unternehmung im Wandel von Geld und Währung (1954) (41) Vgl. H. L. : Plenges System . . . (Anm. 33). (42) Zum Kapitalprozeß vgl. H. L.: Das Objekt der Wirtschaftswissenschaft (S. 148 ff.); ders.: Die Betriebswirtschaftslehre... (S. 131 ff.).
Anmerkungen
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(43) Zum Problem der Geldwertschwankungen vgl. W. Hieger: Über Geldwertschwankungen, Stuttgart 1938; K. Hax: Die Substanzerhaltung der Betriebe, Köln-Opladen 1957; B. Bellinger: Offene Fragen der betrieblichen Substanzerhaltung, in: Gegenwartsfragen der Unternehmung. Offene Fragen der Betriebswirtschaftslehre. Festschrift zum 70. Geburtstag von Fritz Henzel, hrsg. v. B. Bellinger, Wiesbaden 1961, S. 13—25. (44) Zur Gleichsetzung von Sparen und Investieren (S = I) vgl. H. L.: Der Betrieb als Kapitalanlage . . . (S. 88 ff.). (45) Zur Kapitalmarktpolitik der Bundesregierung vgl. Arbeiten von Schülern des Verf. (H. G. Merkel: Theorie der Kapitalmarktpolitik, Berlin 1955; K. Thomas: Ausleihungen, Diskontierungen und Wertpapieranlagen der Kreditbanken, Berlin 1956; H. Krämer: Die Finanzpolitik westdeutscher Konzerne der Elektroindustrie, der chemischen Industrie und des Kohle-, Eisen-, Stahlbereiches von 1950 bis 1959, Nürnberger Abhandlungen, Bd. 13, Berlin 1961; J. Heinze: Die Entwicklung des Geldmarktes in Deutschland seit der Währungsreform, Diss. Nürnberg 1959; G. Tegethoff: Das Treuhandgeschäft der westdeutschen und amerikanischen Banken, Diss. Nürnberg 1962, erscheint in der Bankwirtschaftlichen Schriftenreihe, hrsg. v. H. Linhardt, Köln, Opladen 1962). (46) Zum Wesen der Bilanzwerte s. R. Fischer: Die Bilanzwerte, was sie sind und was sie nicht sind, 2 Teile, Aktien- und bilanzrechtliche Schriften, hrsg. v. R. Fischer, Bd. I, Leipzig 1905/08; W. Osbahr: Die Bilanz vom Standpunkt der Unternehmung, 3. Aufl. Berlin-Leipzig 1923 (1. Aufl. 1918); E. Enderlen: Nominale und reale Bilanz, Stuttgart 1931; K. Barth: Die Jahresbilanz der Unternehmung, Stuttgart 1950. (47) Zur Kapitalakkumulierung s. H. L.: Kapitalwirtschaft . . . (S. 42 f.). (48) Uber das geltende Aktiengesetz vom 30. 1. 1937, das Kreditwesengesetz vom 5. 12. 1934 in der neuen Fassung vom 10. 7. 1961 s. H. L.: Zur Reform des Aktienrechts, in: Die Aussprache, 8. Jg., Oktober 1958, S. 331 — 336; ders.: Vergessene Gratisaktie, in: Der Volkswirt, Beilage zu Heft 39 v. 28. 9. 1957, 11. Jg., S. 45—48; ders.: Entwurf eines Gesetzes über das Kreditwesen, insbesondere die Regelung der Bankliquidität, in: Die Aktiengesellschaft, 5. Jg., 1960, H. 6, S. 153—157; ders.: Kreditkontrolle, Essen 1954, Vorwort. (49) Meine Warnungen während der Beratung des neuen Kreditwesengesetzes vom 10. 7. 1961 blieben ebenso unbeachtet wie diejenigen während der Beratung des neuen Bundesbankgesetzes vom 26. 7. 1957 und des Gesetzes über die Kapitalanlagegesellschaften vom 17. 4. 1957. Von ca. zehn einschlägigen Artikeln hierüber in wissenschaftlichen Fachzeitschriften findet sich keine Spur in den seit Ende 1961 erschienenen KWG-Kommentaren von Szagunn/Neumann und Zimmerer/ Schönle; vgl. hierzu H. L.: Kommentar zum Kommentar über das Kreditwesengesetz vom 10. Juli 1961 von Szagunn und Neumann, in: BFuP, 14. Jg., 1962, S. 193—198. (50) Zur Beurteilung der Geld-, Währungs- und Kreditpolitik s. Buchveröffentlichung des Verf. : Kritik der Währungs- und Kreditpolitik, Westdeutscher Verlag, im Erscheinen (1963).
Anmerkungen Der Konsumentenkredit in Westdeutschland wird Ende 1961 auf ca. 10 Mrd. D M , in den USA auf ca. 60 Mrd. $ beziffert. Die von Regierungsseite angekündigten azyklischen finanzpolitischen Maßnahmen blieben trotz der kritischen Phase um 1951 unerfüllt (vgl. hierzu neuere Veröffentlichungen aus dem Kreis der Nationalökonomie und Finanzwissenschaft, insbesondere von W. Ehrlicher, H. Giersch, W. Hankel, G. Schmölders, R. Stucken, O. Veit, G. Zeitel). Die zwei Phasen ungesunder Entwicklung der Aktienkurse, die eine seit Mitte 1954, die andere um 1958/59, sind eindeutig durch die zur falschen Zeit vorgenommenen und zu lange beibehaltenen Diskontsenkungen eingeleitet worden. Die Aktienrenditen sanken damals bei führenden Börsenwerten auf 2 °/o und weniger. Der Rückschlag seit Juni 1961 ist noch nicht überwunden. Zu Unrecht warnt die Bundesbank, statt ihrerseits rechtzeitig die an sie gerichteten Warnungen zu beachten (s. Anm. 49 und 50). Nach Pressemeldungen beträgt der (theoretische) Kursverlust in der zweiten Maiwoche 1962 allein 7 Mrd. D M , in Einzelfällen 7 % des Höchstkurses am Anfang der Woche; die Kurseinbußen der Festverzinslichen sind beträchtlich, Emissionen zu 100 °/o Ausgabekurs bei 53/4 °/o Nominalzins konnten nicht glatt untergebracht werden — und dies bei einem Diskontsatz von 3 °/o seit 5. M a i 1961 ! Wäre er damals 5°/o gewesen und im M a i 1962 um 1—VhVo gesenkt worden, d a n n . . . Aber von 3 °/o ausgehend, wo käme man da hin! Die Bundesbank hat sich selbst die Hände gebunden; so konnte sie nach dem „Schwarzen Montag", 28. M a i 1962, der New Yorker Börse nichts tun, ihr Präsident K. Blessing konnte nur wiederum sagen, man habe ja schon immer gewarnt. Die Kursverluste an der New Yorker Börse betrafen 9 0 % aller 1500 notierten Werte mit 20,8 Mrd. davon wurden am Dienstag, 29. M a i 1962, 13,5 Mrd. am Donnerstag 8,1 Mrd. $ aufgeholt — Mittwoch war Feiertag.
Der Betrieb als Kapitalanlage oder als lebende Einheit (1954) Zum Begriff des Prozesses, verstanden als Wirtschaftsprozeß, Kapitalprozeß u. a., s. H. L.: Die Betriebswirtschaftslehre... (S. 132). Die Begriffe Auftrieb, Umtrieb und Abtrieb stammen aus der Land- und Forstwirtschaftslehre. E. Schmalenbach sagt: „Die Wirtschaft ist ein Stoffwechsel" und fügt hinzu, er meine dies wörtlich, nicht nur bildlich (Dynamische Bilanz, 11. Aufl. Köln-Opladen 1953); dasselbe führt K a r l Marx wesentlich ausführlicher aus (Das Kapital, Bd. I). I n beiden Fällen wird der geistige Inhalt und die Problematik des Wirtschaftstausches und des Tauschwertes entweder verkannt oder geflissentlich übersehen, um auf Kosten des individuellen Charakters allen Wirtschaftens die Homogenität ihrer Vorgänge zwecks Reduzierung auf die Grundformel Geld — Ware — — Geld vornehmen zu können; dies geschieht in Anlehnung an naturwissenschaftliche Gedankengänge, unter Außerachtlassung geisteswissenschaftlicher Zusammenhänge. Betrieb wird hier als Erwerbsbetrieb im Sinn eines Vollmarktbetriebes, gleichbedeutend mit Unternehmung, verstanden, was aus den folgenden Zeilen deutlich wird; vgl. hierzu H. L.: Grundlagen der Betriebsorganisation, Essen 1954.
Anmerkungen
301
(56) Der Begriff der „ethischen Neutralität" wird von O. v. Nell-Breuning in seinem Buch: Grundzüge der Börsenmoral, Freiburg 1928, grundlegend verwendet und zur Hechtfertigung der Börsengewinne herangezogen, v. Verf. verworfen (vgl. Buchbespr. Z. f. B. 1928). (57) Diese unangreifbare Position betrifft nicht die eben zurückgewiesene ethische Neutralität oder eine mögliche Position neutraler Ethik des Handelnden, sondern die nach Objekt, Methode und Problemstellung neutrale Position der Betriebswirtschaftslehre gegenüber „moralischen Implikationen"; so auch W. Rieger: Einführung in die Privatwirtschaftslehre, Nürnberg 1928; J. Fettel, diverse Schriften 1950 f. (58) Zur Unterscheidung zwischen Privatwirtschaft und Sozialwirtschaft s. auch H. L.: Grundlagen der Betriebsorganisation, Essen 1954; sowie ders: Die Nachbarwissenschaften... (S. 266 ff.) und Volkswirtschaftliche Lehrmeinungen . . . (S. 230 ff.). (59) Der Begriff der Umsetzung wird grundlegend von Wühelm Vershofen verwendet, ζ. B. in Bd. 1 seines Werkes „Handbuch der Verbrauchsforschung", Berlin 1940, zur Erklärung wirtschaftlicher Vorgänge aus seelischen Antrieben. Der Verf. wies in seiner Buchbesprechung (in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 152. Bd., 1940, S. 603—605) darauf hin, daß der gleiche Begriff auf den umgekehrten Sachverhalt, als Umsetzung wirtschaftlicher in seelische Vorgänge (Sparen unter Entbehrung, Konsumverzicht für andere, Opfer durch Almosen, Spenden, Geschenke usw.) anzuwenden sei. Weitere Anwendung s. W. Bierfelder: Information i m Dienste ökonomischer Grundentscheidungen der Unternehmung (Habilitationsschrift, Nürnberg 1963); vgl. W. Vershofen: Wirtschaft als Schicksal und Aufgabe, Wiesbaden 1950 (1. Aufl. 1929). (60) Ähnliches, was von J. Plenge über den Kapitalbegriff bei Marx festgestellt wird, findet sich bei H. Klages in seiner Nürnberger Habilitationsschrift 1961: Arbeit und Emanzipation. Eine soziologische Untersuchung über den Begriff der Arbeit bei K a r l Marx. (61) Über die Zweck-Mittel-Relation als logisches Formalprinzip des Betriebes und seiner Gliederung s. H. L.: Grundlagen der Betriebsorganisation, Essen 1954; zum Begriff der Objektivation s. H. L.: Objektivation und Subjektivation . . . (S. 249 ff.). (62) Die Auffassung und Führung des Betriebs als Gefahren-, Schicksalsund Erfolgsgemeinschaft gilt im mittelalterlichen Silber- und Kupferbergbau, in der Schiffahrt. Sie führt gerade hier erstmalig zu kapitalistischen Unternehmungsformen unter Vermehrung der Zahl der Kapitalgeber, Haftbeschränkung auf die Höhe der Einlage. Nach H. Bechtel wurde bei den österreichischen Gewerken infolge steigender Abbauschwierigkeiten und sinkender Ausbeute das Verlangen nach Entlassung aus unternehmerischer Haft und Unsicherheit und Herstellung eines strikten Arbeitsverhältnisses im Sinne des Lohnempfängers und der Existenzsicherung laut. Vgl. hierzu auch G. v. Pölnitz: Anton Fugger, Bd. 1:1453—1535, Tübingen 1958. (63) s. Anm. 61.
Anmerkungen (64) Die populäre und vulgäre Formel „Der Mensch steht i m Mittelpunkt der Wirtschaft" ist wertlos, weil sie etwas Selbstverständliches besagt (F. Th. Vischer: „Das Moralische versteht sich von selbst"); in w i r t schaftswissenschaftlicher Hinsicht stellt sie eine Abstraktion an ungeeigneter Stelle dar, ohne den Menschen in seinen soziologischen Beziehungen zu unterscheiden und darin zu würdigen. S. auch H. L.: Neue Tendenzen . . . (S. 198 ff.). (65) Zum Begriff des Stils und der Stileinheit i m Wirtschaftlichen vgl. A. Müller-Armack: Genealogie der Wirtschaftsstile, 3. Aufl. Stuttgart 1944 (1. Aufl. 1941); H. Bechtel: Wirtschaftsstil des deutschen Spätmittelalters, München-Leipzig 1930. (66) Zum Zusammenwirken der Unternehmungen i m Markt s. auch H. L.: Das Objekt der Wirtschaftswissenschaft (S. 148 ff.). (67) Z u m Begriffspaar Macht und Gewalt s. auch H. L.: Die Nachbarwissenschaften . . . (S. 266 ff.). (68) Die hier verwendete Dreiheit der Begriffe Anordnung, Leitung und Kontrolle übernahm der Verf. bereits in seinem Buch: Die Kontrolle im Bankbetrieb, Stuttgart 1926, aus F. Leitner: Die Kontrolle in kaufmännischen Unternehmungen, 2. Aufl. Frankfurt a. M . 1920 (1. Aufl. 1917). (69) I n meiner „Kontrolle i m Bankbetrieb" werden auch die Beziehungen zwischen Kontrolle und Rechnungswesen (Statistik, Kalkulation), zum Recht, zur Psychologie usw. untersucht. I n jüngster Zeit erscheint der Kontrollbegriff mit immer noch zunehmender Bedeutung in der angelsächsischen Fachliteratur über Unternehmungs- und Betriebsorganisation, Finanzdisposition, unternehmerische Entscheidungen, Lenkung der Produktion (Finanz-, Erfolgs-, Qualitäts- etc. -kontrolle), aber auch in der rechtspolitischen und wirtschaftspolitischen Diskussion des Wettbewerbsschutzes, der Tarifpartner, der Gesetzgebung und Rechtsprechung, der Konzerngewalt und Marktmacht (Social Control of Business, Restraint of Trade, Taft-Hartley-Act, Small Business Administration, SBA).
Anschaulichkeit der Wirtschaft und Anschauungsmittel der Wirtschaftswissenschaft (1955) (70) Hingewiesen sei auf die Filmaufnahmen der gekrümmten Erdoberfläche durch Erdsatelliten, erstmals i m geophysikalischen Jahr 1957 in Rußland gestartet, sowie auf die Berichte der ersten Astronauten Gagarin, Titow, Glenn, Carpenter (1961/62). (71) Der Gebrauch des Wortes Bild ist für die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Gegenwart im I n - und Ausland besonders charakteristisch (vgl. Wortbildungen wie Wirtschaftsbüd, Berufsbild, Leitbild, Richtbild, vor allem in der Wirtschaftspädagogik, oder den Gebrauch des Wortes „image" in der angelsächsischen Literatur). Bilder sind Behelfe, keine Erklärungen. Die bilderreiche Sprache gehört der Poesie an, nicht der Wissenschaft; dennoch sind gedankliche Vorstellungen und Konzeptionen, die unter Anknüpfung an konkrete Formen oder
Anmerkungen
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unter Verwendung abstrakter Formen vor sich gehen, in keiner Wissenschaft, am wenigsten in der Betriebswirtschaftslehre, entbehrlich. Ja, die neueste psychologische Forschung stellt Phantasie und Vorstellungskraft über Intellekt und Unterscheidungsvermögen. Oscar Wilde sagt: „Es ist wichtiger, daß jemand sich über eine Hosenblüte freut, als daß er ihre Wurzeln unter das Mikroskop bringt." Dies entspricht freilich der ästhetischen, nicht der wissenschaftlichen Grundhaltung und Weltbetrachtung des Menschen, aber bei aller Unterscheidung i m I n teresse logischer Begriffsbildung dürfte auch in der Betriebswirtschaftslehre eine Spur ästhetischer Betrachtung neben der eigentlich wissenschaftlichen ihren Platz haben, so gut wie Wertungen unentbehrlich sind, ohne daß der Wertbegriff und der Wertungsvorgang jemals befriedigend erklärt werden könnten, auch nicht der Wert der Arbeit. Hier hat sich die Wirtschaftswissenschaft mit Behelfen, wie dem Tauschwert, unter Außerachtlassung des ästhetischen und sittlichen Wertes zu begnügen. (72) Zur Lokalisierung vgl. solche Anwendungen wie bei A. Rüstow: Ortsbestimmung der Gegenwart. Eine universalgeschichtliche Kulturkritik in drei Bänden, Erlenbach-Zürich-Stuttgart 1950—1957; oder C. Schmitt: Der Nomos der Erde i m Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum, Köln 1950. (73) Zur Erklärung von Geld und Kapital s. H. L.: Kapitalwirtschaft... (S. 40ff.); Die Betriebswirtschaftslehre... (S. 131 ff.); Der Betrieb als Kapitalanlage... (S. 88 ff.). (74) Zum Systembegriff s. Anmerkung (23). (75) Der Wachstumsvorgang in der Wirtschaft ist zu einem fruchtbaren Forschungsansatz in der Volkswirtschaftslehre geworden, vgl. „Finanzund währungspolitische Bedingungen stetigen Wirtschaftswachstums" (Verhandlungen auf der Tagung des Vereins für Socialpolitik, Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Baden-Baden 7.—10. 10. 1958, hrsg. v. W. G. Hoffmann, Schriften des Vereins für Socialpolitik), N. F., Bd. 15, Berlin 1959. Der Wachstumsbegriff wird in der Boden- und Aktienspekulation wie vor 1929 wiederum seit 1951 gewaltig mißbraucht. (76) Über den Altersfaktor der Unternehmung und seine Bedeutung für ihre Finanzstruktur s. H. L.: Die Britischen Investment Trusts, Berlin-Wien 1935. (77) Über die Eigenschaft des Geldes und des Geldmarktes, zu binden und zu lösen, s. H. L.: Grundlagen der Betriebsorganisation, Essen 1954, in Anknüpfung an Plenges Zitat aus Mirabeaus Schriften; s. auch H. L.: Die Unternehmung im W a n d e l . . . (S. 66 ff.). (78) Zum Begriff der Rechtspersönlichkeit i m wirtschaftlichen Bereich s. H. L.: Nachbarwissenschaften . . . (S. 273 ff.). (79) Berichtigung: Statt „sondern der verbleibende Rest am Ende" jetzt: „sondern die Summe der Geldwerte aller hergestellten Güter und erbrachten Dienste während".
Anmerkungen (80) Hundert Jahre vor Quesnay's Tableau Economique entdeckte William Harvey den Blutkreislauf, hundert Jahre vor ihm der Aragonese Miguel Serveto den kleinen Blutkreislauf. Serveto wurde von J. Calvin der Ketzerei angeklagt; 1553 lebendig verbrannt (vgl. S. Hunke: Allahs Sonne über dem Abendland, Stuttgart 1960). (81) Die Kreislauf idee wird näher dargestellt bei H. L.: Plenges S y s t e m . . . (s. Anm. 33). (82) Über die Wirtschaftsstufen vgl. K. Bücher, J. Plenge, H. Proesler, A. Dopsch, G. Schönberg und die Dissertation von G. Kalveram bei W. Weddigen: Die Theorien von den Wirtschaftsstufen, Frankfurter wirtschaftswissenschaftliche Studien, Heft 1, Leipzig 1933. (83) Hierzu die Kritik des Historikers Eduard Meyer an K. Bücher. (84) Der Wertbegriff in der Philosophie ist grundlegend untersucht worden durch F.-J. v. Rintelen (Das philosophische Wertproblem, Bd. I, Teil I , Halle [Saale] 1932). Er bildet die Grundlage der Ethik und ein wichtiges Erklärungsprinzip menschlichen Handelns, sei es zur Realisierung von Werten oder zur Werterhöhung des eigenen Daseins i m eigenen und im Urteil der M i t - und Nachwelt. (85) Historische Konzeptionen und Interpretationen bilden einen lebendigen Zusammenhang zwischen dem Anfang der modernen Geschichtsschreibung seit Machiavelli und der Gegenwart. Zwischenglieder, die von M a chiavelli beeinflußt sind, bilden Montesquieu und Rousseau, dessen Einfluß auf Herder und Goethe, auf Kant und Hegel über Dilthey und Rickert, auf M . Weber und W. Sombart weiterreicht bis O. Spengler und R. H. Tawney. (86) Auflösungserscheinungen des britischen Commonwealth zeigen sich nach dem zweiten Weltkrieg u. a. bei der Wahl der republikanischen Staatsform in Indien, der Trennung von Indien und Pakistan, der Autonomie von Ceylon, dem Austritt der Südafrikanischen Union. Die Französische Union war seit Verwendung dieses Begriffes mehr ein Traum als eine Realität. Dieser Traum verflog nach kriegerischen Auseinandersetzungen im Fernen Osten, in Nordafrika (Marokko, Tunis, Algerien), nicht minder nach den peinlichen Enthüllungen über grobe Mißstände der französischen Kolonialverwaltung (Haushaltsfälschungen, Devisenschiebungen usw.). Vgl. hierzu W. Vollrodt: Die finanzielle Einheit der Französischen Union, Volkswirtschaftliche Schriften, H. 23, Berlin 1956 (vom Verf. angeregt). (87) Die Anwendung der Idee und des Begriffs der juristischen Person auf die privatwirtschaftliche Unternehmung in Form der amerikanischen Corporation (engl. Company) wird aufs schärfste verurteilt von T. W. Arnold: The Folklore of Capitalism, New Haven-London-Oxford, 13th printing 1950 (1st edition 1937). Die Auffassung Arnolds verdient erhöhtes Interesse dank seiner mehrjährigen Tätigkeit am Obersten Gerichtshof der USA (Supreme Court). (88) Philosophische Denkformen werden mit erkenntnistheoretischem Erfolg von Vertretern der Wirtschaftswissenschaften übernommen; z. B. wendet der Betriebswirt W. Hasenack überzeugend das Kategoriensystem von Nicolai Hartmann an. Ähnlich werden statistische Begriffe,
Anmerkungen
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wie Gruppe, Reihe, Gliederung, Verhältniszahl usw. in der Soziologie angewandt; umgekehrt soziologische Begriffe in der Statistik, Psychologie, Pädagogik, Wirtschaftstheorie, ζ. B. bei den empirisch-soziologischen Untersuchungen über die Begabtenauslese, über das Bildungs- und E r ziehungswesen, über die Einkommensverteilung, ebenso bei der Bildung von Denkmodellen (Marktformen, Machtpositionen, Organisationsschemata). (89) Die Ablehnung der Soziologie ist um die Jahrhundertwende noch drastisch bei Rechtsgelehrten, Historikern und Wirtschaftstheoretikern. Sie ist indessen längst gemildert, zumal durch eindrucksvolle Leistungen solcher Gelehrter wie F. Oppenheimer, V. Pareto, W. Sombart, M. Weber, K. Mannheim, welche die Soziologie als Grundwissenschaft mit ihrer jeweiligen Fachwissenschaft, sei es Recht, Geschichte, Psychologie oder Wirtschaftstheorie zu verbinden wissen (vgl. die folgende Generation u. a. F. Bülow, A. Gehlen, A. Günther, R. König, H. Proesler, H. Schelsky, G. Weippert u. a.). Die Macht als Zentralproblem der Soziologie ist am schärfsten herausgearbeitet bei V. Pareto, E. Barone, W. Eucken. (Vgl. die vom Verfasser angeregte Dissertation von Worret: Bankpolitik als Machtfrage, Die Unternehmung i m Markt, hrsg. von G. Bergler, J. Fettel, H. Linhardt, E. H. Sieber, Bd. 2, Berlin 1956). (90) Vgl. hierzu H. L.: Die Nachbarwissenschaften... (S. 266 ff.).
Die Begründung des Wertes aus dem System der Wirtschaftseinheit (1955) (91) Zum Systembegriff vgl. H. L.: Plenges System... (Anm. 33), sowie die Buchbesprechung des Verf. von: Handbuch der Wirtschaftswissenschafren, hrsg. v. K a r l Hax und Theodor Wessels, 2 Bd., Köln-Opladen 1958/ 1959, in: Schmollers Jahrbuch, 80. Jg., 1960, I. Halbbd., S. 95—103. (92) Zur Anwendung des Begriffs der Lokalisierung im Betrieb, verstanden als Ordnungsaufgabe, und der Lokalisierung i m Betriebssystem, verstanden als Erkenntnisproblem, s. H. L.: Die Betriebswirtschaftslehre, (S. 139) und: Der Betrieb als Kapitalanlage . . . (S. 101 ff.). (93) Die Individualität der Kosten zum Unterschied von der Generalität der Preise wird ausführlich gewürdigt in H. L.: Kosten und Kostenlehre (S. 22 ff.).
Die Betriebswirtschaftslehre (1955) (94) Ursprungsgebiete der ältesten betriebswirtschaftlichen Literatur sind Oberitalien (Lucca, Pisa, Florenz, Genua), Burgund, Flandern; Hauptquellen im 14. Jh.: Uzzano, Davanzatti; i m 15. Jh.: Cotrugli; im 17 Jh.: Peri, J. Savary, J. J. Becher; im 18. Jh.: J. G. Justi, P. J. Marperger, C. G. Ludovici, J. G. Büsch; im 19. Jh.: J. M. Leuchs, I'm 20. Jh.: Eduard Weber, J. Löffelholz, R. Seyffert, B. Penndorf u. a. (95) Der Betrieb wird hier verstanden als „Vollmarktbetrieb'^Unternehmung im Sinne der Ausführungen des Verf. in: Grundlagen der Betriebsorganisation, Essen 1954. 2
Linhardt
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Anmerkungen
(96) Zur Klärung und Verdichtung der Verbindungen zwischen Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Soziologie, Recht, Geschichte und Philosophie s. H. L.: Die Nachbarwissenschaften..., (S. 266 ff.). (97) Zur Vernachlässigung des Rechtes in betriebswirtschaftlichen Vorlesungen und Lehrbüchern s. H. L.: Das Objekt der Wirtschaftswissenschaft, (S. 148 ff.). (98) Die Einheit von Forschimg und Lehre wird erneut in den „Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum Ausbau der wissenschaftlichen Einrichtungen" (Tübingen 1960) bekräftigt, entgegen häufig und schon seit Jahrzehnten vorgebrachten Empfehlungen, beides personell zu trennen. (99) Zum Systembegriff vgl. H. L.: Plenges S y s t e m . . . (Anm. 33). (100) Z u den Anforderungen der öffentlichen und privaten Berufe vgl. Gesetz über eine Berufsordnung des Wirtschaftsprüfers, vom 24. 7. 1961, BGBl. I , S. 1049; Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten, vom 16. 8.1961, BGBl. I, S. 1301. (101) Über die Fehlinterpretation der Betriebswirtschaftslehre, vgl. ihre Definition von W. Weddigen (Theoretische Volkswirtschaftslehre als System der Wirtschaftstheorie, 2. Aufl., Berlin 1958, S. 25, 28 und 29). S. dazu H. L.: Volkswirtschaftliche Lehrmei'nungen . . . , (S. 230 ff.). (102) Rechnung als Form, Form als Geist wird erörtert in: Kapitalwirtschaft und Kapitalrechnung, Beitrag des Verf. zur Rieger-Festschrift: Die Unternehmung i m Markt, Stuttgart und Köln 1953, S. 39—65 (S. 40 ff.). (103) Über Parallelen zwischen der Betriebswirtschaftslehre, politischer Soziologie und der Wissenschaft von der Politik vgl. H. L.: Die Nachbarwissenschaften . . . , (S. 269 ff.). (104) Zur Stoifbehandlung in allgemeinen und besonderen Vorlesungen der Betriebswirtschaftslehre s. H. L.: Neue Tendenzen..., (S. 198 ff.). (105) Über Bankenverbände vgl. H. L.: Bankbetriebslehre, Bd. I : Bankbetrieb und Bankpolitik. Köln und Opladen 1957. (106) Zur Frage menschlichen Handelns in Betrieb, Unternehmung und Markt s. L. v. Mises: Human Action. A Treatise on Economics. New Haven 1949; vgl. hierzu Besprechungsaufsatz des Verf. in: BFuP, 3. Jg., 1951, S. 151—162. (107) Zur Ausbildung des akademischen Volkswirts s. H. L.: Neue Tendenzen . . . , (S. 198 if.). (108) Der Leistungsbegriff wird grundlegend verwendet bei F. Schmidt (Die organische Tageswertbilanz, 3. Aufl. Leipzig 1929), bei E. Walb (Die Erfolgsrechnung privater und öffentlicher Betriebe, Berlin-Wien 1926), bei E. Schäfer (Die Unternehmung, 4. Aufl. Köln-Opladen 1961); vgl. „Leistungswirtschaft", Festschrift für F. Schmidt, hrsg. v. Fr. Henzel, Berlin-Wien 1942. (109) Über das Verhältnis der Güterwelt zur Finanzwelt, den volkswirtschaftlichen Kreislauf und seine Phasen vgl. H. L.: Plenges S y s t e m . . . (Anm. 33).
Anmerkungen
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Das O b j e k t der Wirtschaftswissenschaft (1956) (110) Die Marktentnahme ist Gegenstand verschiedener Buchveröffentlichungen, u. a. W. Vershofen: Die Marktentnahme als Kernstück der Wirtschaftsforschung, Köln 1955; W. Bierfelder: Die Marktentnahme — Eine Analyse ihrer Bestimmungsfaktoren; Schriftenreihe „Marktwirtschaft und Verbrauch", hrsg. i m Auftrag der Gesellschaft für Konsumforschung e. V. von Georg Bergler, Bd. 10, Nürnberg 1959. (111) Zum „System der Verkehrswirtschaft" s. Plenges Habilitationsschrift gleichen Titels, Tübingen 1903, und Artikel des Verf. hierüber (Anm. 33), sowie H. L.: Die Unternehmung im W a n d e l . . . , (S. 66 ff.). (112) Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Kleingärtner ist in einer vom Verf. angeregten Schülerarbeit von K. Wille (Die Entwicklung und wirtschaftliche Bedeutung des Kleingartenwesens, rechts- und staatswiss. Diss. Münster v. 13. 4. 39, Frankfurt/Oder, Berlin 1939) untersucht worden. (113) Die amerikanische „do-it-yourself"-Bewegung wird für 1961 auf 10—15 Mrd. $ Umsatz (für Material, Werkzeuge etc.) geschätzt. (114) Das moderne „güterliche Denken" der Volkswirte leugnet die Verbundenheit von Ware und Geld, behauptet den Primat der Güter und zerstört auf diese Weise den Wirtschaftskreislauf; vgl. W. Hankel: Die zweite Kapitalverteilung, Frankfurt 1961, S. 36 und außerdem Anm. 121. (115) Zur sowjetischen Planwirtschaft vgl. Adolf Weber: Marktwirtschaft und Sowjetwirtschaft. Ein Vergleich, München 1949; ders.: Sowjetwirtschaft und Weltwirtschaft, Berlin 1959; G. Wagenlehner: Das sowjetische Wirtschaftssystem und K a r l Marx, Köln-Berlin 1960; S. Friebe: Der Kredit in der Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen Typs unter besonderer Berücksichtigung der Kreditpolitik in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, Bd. 5 der Wirtschaftswissenschaftlichen Veröffentlichungen des Osteuropa-Instituts an der Freien Universität Berlin, Berlin 1957. (116) Mangels eines identischen Prinzips in der Verkehrs Wirtschaft und in der Haushaltwirtschaft kann auch von einer identischen Rationalität der Erzeugung innerhalb der Verkehrswirtschaft und des Verbrauchs innerhalb der Haushaltwirtschaft keine Rede sein; die Anwendung des Rationalprinzips auf beide Teile führt zu grotesken Widersprüchen. (117) Vgl. auch E. Schäfer: Betriebswirtschaftliche Marktforschung, Betriebswirtschaftliche Bibliothek, hrsg. v. W. Hasenack, Reihe A / V I I I , Essen 1955. (118) Zur Frage der Geldwertkorrektur s. J. Fettel: Marktpreis und Kostenpreis, Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Forschung, Bd. 1, Meisenheim am Glan 1954; W. Rieger: Uber Geldwertschwankungen, Stuttgart 1938; E. Gutenberg: Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft. Festrede bei der Universitätsgründungsfeier am 22. 5. 1957 in Köln, Krefeld 1957; vgl. hierzu H. L.: Neue Tendenzen . . . , (S. 198 ff.); K. Hax: Die Substanzerhaltung der Betriebe, Köln-Opladen 1957; hierzu B. Bellinger: Offene Fragen der betrieblichen Substanzerhaltung in: Gegenwartsfragen der Unternehmung. Offene Fragen der Betriebs20*
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Anmerkungen wirtschaftslehre. Festschrift zum 70. Geburtstag von Fr. Henzel, hrsg. von B. Bellinger, Wiesbaden 1961.
(119) A m Sachverhalt des Kapitals in der Buchhaltung ist M a r x als Theoretiker gescheitert, am deutlichsten an der Abschreibung; vgl. K. H a x : K a r l M a r x und Friedrich Engels über den „Kapazitätserweiterungs-Effekt", in: ZfhF, 10. Jg., 1958, S. 222—226. (120) Neuere historische Forschungen über die Buchhaltung s. auch bei F. Rörig: Wirtschaftskräfte i m Mittelalter. Abhandlungen zur Stadt- und Hansegeschichte, hrsg. v. P. Kaegbein, Graz 1959; Postan, M., und Rieh, Ε. E. (Hrsg.): The Cambridge Economic History of Europe, Planned by the Late Sir John Clapham and the Late Eileen Power, Bd. 2, Cambridge 1952; Lopez, Robert S., und Raymond, Irving W.: Medieval Trade in the Mediterranean World. Illustrative Documents translated w i t h I n troductions and Notes, Records of Civüization, Sources and Studies, hrsg. v. A. P. Evans, Bd. L I I , New York 1955; Müller, K a r l Otto: Welthandelsbräuche (1480—1540), Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit, Bd. V, Stuttgart-Berlin 1934; De Roover, Raymond: L'Evolution de la Lettre de Change, X I V e — X V I I I e siècle, Ecole Pratique des Hautes Etudes — V I e Section, Centre de Recherches Historiques, Affaires et Gens d'Affaires, I V , Paris 1953; Ceccherelli, Alberto: Studi di Ragioneria e Tecnica Economica, Florenz 1960 (s. a. Anm. 34). (121) Z u A. Forstmann: Volkswirtschaftliche Theorie des Geldes, 2. Bd.: Monetäre Ökonomie, Berlin 1955; vgl. Besprechungsaufsatz des Verf. in: ZfhF, N. F., 8. Jg., 1956, S. 491—496. (122) E. Gutenberg zeigt in den Neuauflagen seiner beiden Bände nach 1956 keine Neigung zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit seinen Kritikern, so wenig wie E. Schmalenbach vor ihm, was der junge Gutenberg dem alten Schmalenbach sehr übel nahm; Gutenberg zeigt davon nichts in seiner „Einführung in die Betriebswirtschaftslehre", Die W i r t schaftswissenschaften, Reihe A, 1. Beitrag, Wiesbaden 1958; vgl. hierzu Besprechungsaufsatz des Verf. (Anm. 5). (123) Zur betriebswirtschaftlichen Behandlung der öffentlichen Betriebe und ihrer Rechnung vgl. A. Schnettler: öffentliche Betriebe, Essen 1956; C. Ruberg, E. Walb, E. Thieß, R. Johns. (124) Zum Gewinnbegriff vgl. K . H a x : Der Gewinnbegriff in der Betriebswirtschaftslehre, Leipzig 1926 (Diss.); ders.: Wandlungen der Gewinnvorstellungen, Nürnberger Abhandlungen, Heft 4, Berlin 1954, S. 207— 222; K. Barth: Die Jahresbilanz der Unternehmung. Wesen und Gestalt. Eine betriebswirtschaftliche und handelsrechtliche Untersuchung, Stuttgart 1950. (125) Zum Begriffspaar Produktivität und Rentabilität vgl. H. L.: Wilhelm Riegers Einfluß..., (S. 198ff.), sowie: Neue Tendenzen..., (S. 200ff.); ferner H. Forker: Das Wirtschaftlichkeitsprinzip und das Rentabilitätsprinzip, ihre Eignung zur Systembildung, Die Unternehmung im Markt, hrsg. v. G. Bergler, J. Fettel, H. Linhardt, E. H. Sieber, Bd. 6, Berlin 1960. (126) Zur sozialen Kontrolle im allgemeinen und Kreditkontrolle im besonderen vgl. H. L.: Kreditkontrolle, Essen 1954; zur Fortsetzung der
Anmerkungen
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psychologischen Einwirkungsversuche des Bundeswirtschaftsministers Prof. Erhard vgl. seine Fernsehansprache am 21. 3. 1962 und die anschließende Diskussion um die Preiserhöhung der Volkswagenwerk AG. (127) Das Verhältnis von Investierung und Finanzierung ist grundlegend erörtert bei H. L.: Die Britischen Investment Trusts, Berlin 1935; s. auch H. L.: Die Unternehmung i m W a n d e l . . . , (S. 66 ff.). (128) Das Mittelstück zwischen Investieren und Sparen ist bei E. Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. I und I I , Berlin-Göttingen-Heidelberg 1951 und 1955 (1. Auflagen), ausgelassen; vgl. auch seine Kölner Festrede zur Universitätsgründungsfeier am 22. 5. 1957: Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft, Krefeld 1957, und seine: Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 1958. (129) Hinsichtlich der Soziologie der Marktflnanzierung und der Kapitalgesellschaft vgl. H. L.: Wider das Depotstimmrecht der Banken, in: Die Aktiengesellschaft, 3. Jg., 1958, S. 169—176; Zur Reform des A k tienrechts (S. Anm. 48); Mitbestimmung der Aktionäre, in: BFuP, 13. Jg., 1961, S. 1—8; sowie: Zur Bildung von Aktionärausschüssen, ebda., 1961, S. 321—328; ferner: Markttheorie des Geldes (Anm. 35) und Grundlagen der Betriebsorganisation, Essen 1954. (130) Gegen die Gleichsetzung von Betrieb und Haushalt mittels des Begriffs der Einzelwirtschaft oder der Einzelgebilde unter Auslassung der U n nehmung s. W. Eucken, E. Gutenberg, E. Kosiol; gegen die historische Ableitung der Unternehmung aus dem Haushalt bei A.Weber vgl. H . L . : Volkswirtschaftliche Lehrmeinungen . . . , (S. 248). (131) J. Plenge bezeichnet Kapital als Bewegungsablauf (Kapital und Geld, Weltwirtschaftliches Archiv, 24. Bd., Juli 1926); hierzu H. L.: Grundlagen der Betriebsorganisation, Essen 1954.
Die Krise in der Betriebswirtschaftslehre (1957) (132) A n größeren Gemeinschaftsarbeiten sind zu nennen und mehrfach bereits erwähnt: Das Sammelwerk „Die Wirtschaftswissenschaften", hrsg. v. E. Gutenberg, 1958 f.; das Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 3. Aufl., hrsg. v. K. Schwantag und H. Seischab, 1956 ff.; das Handbuch der Wirtschaftswissenschaften, I u. II., hrsg. v. K. H a x und Th. Wessels, 1958/59; ferner die Sammlung Poeschel, Betriebswirtschaftliche Studienbücher, hrsg. v. H. Seischab, in 7 Abteilungen, seit 1961; Der Wegweiser für die Wirtschaftsprüfenden und wirtschaftsberatenden Berufe, Reihe Α-C, seit 1962 hrsg. v. Privatdozent C. W. Meyer; die Schriftenreihen Beiträge zur betriebswirtschaftlichen Forschung, hrsg. v. E. Gutenberg, W. Hasenack, K. Hax, E. Schäfer, Köln-Opladen, bisher 12 Bände; die Unternehmung im Markt, hrsg. v. G. Bergler, J. Fettel, H. Linhardt, Ε. H. Sieber, bisher 8 Bde.; Die Wirtschaftswissenschaftlichen, Volks- u. Betriebswirtschaftlichen Schriftenreihen der W i r t schafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultäten, Institute, Seminare, Lehrstühle der Universitäten Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt/M.; die Schriften des Vereins für Socialpolitik, insbesondere zum Wirtschaftswachstum, zur Konzentration in der Wirtschaft (1961); die Bankwirt-
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Anmerkungen schaftlichen Schriftenreihen von H. Linhardt, Westdeutscher Verlag; H. Rittershausen, Fritz Knapp-Verlag; K. F. Hagenmüller, Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler; die Festschriften für A. Walther, R. Seyffert, G. Bergler, C. Ruberg, F. Henzel, K. Mellerowicz, O. R. Schnutenhaus, W. Vershofen, W. Rieger.
(133) Weitere einschlägige Veröifentlichungen über allgemeine Betriebswirtschaftslehre einschließlich Methodenprobleme: W. Hill, E. Hostettler, G. Wöhe, H.-J. Forker, M. Scheytt, M. Kilthau, W. Muscheid. (134) Zur Stellung der Betriebswirtschaftslehre an den deutschen Hochschulen s. S. 11 ff. (135) Über den Vorschlag, die Universitäten durch Ausgliederung der Betriebswirtschaftslehre zu „entrümpeln" (H. Coing) s. ν. Verf.: Gegen Philologenhochmut und Juristendünkel, in: Industriekurier, 12. Jg., No. 189, v. 5.12.1959, S. 5. (136) Aus der Ostzone nach der Bundesrepublik sind abgewandert die Fachvertreter W. Löbner, W. Hasenack, P. Deutsch, sämtlich aus Leipzig, E. Gutenberg aus Jena, A. Hertlein, O. Hintner aus Dresden. (137) S. Anm. 10. (138) Zu H. Keinhorst, s. Anm. 13. (139) A n der lebendigen Auseinandersetzung in der Betriebswirtschaftslehre nehmen die Schweizer Fachvertreter A. Walther (t), C. Gasser, K. K ä fer, H. Ulrich in ihren eigenen Veröifentlichungen, Schriftenreihen und den Arbeiten ihrer Schüler einen wesentlichen Anteil. Bemerkenswert hierbei ist die eindeutige Unterscheidung von Unternehmung und Betrieb und die ausdrückliche Bevorzugung der Unternehmungsprobleme.
Wilhelm Riegers Einfluß in der jüngeren Betriebswirtschaftslehre (1959) (140) Die Behandlung des Objektproblems Betrieb oder Unternehmung von E. Gutenberg in seiner: Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 1958, ist ausweichend und unbefriedigend; anders als hier ist seine Stellungnahme zugunsten der Unternehmung in seinem Referat bei der Tagung der Schmalenbachgesellschaft: Die gegenwärtige Situation der Betriebswirtschaftslehre, abgedruckt in: ZfhF, N. F., 1960, 12. Jg., S. 118—129 und in seiner Buchveröffentlichung: Über j a panische Unternehmungen, Wiesbaden 1960. (141) I n gleicher Richtung, die Unternehmung (business enterprise) vom Betrieb (business, shop) zu unterscheiden, ihre dominierende Stellung und Funktion gegenüber dem Betrieb zu betonen, liegen die betriebswirtschaftlichen Diskussionsbeiträge zur Business Administration Conference on the Ford and Carnegie Foundation Reports, vgl. Proceedings, hrsg. v. Michigan State University, 1960. (142) Vor der bei E. Gutenberg besonders scharf durchgeführten Trennung von Wirtschaft und Recht, von Betriebswirtschaft und Betriebsrecht hat der Verf. auch i m Hinblick auf die sog. Vorprüfung in den Rechtswissenschaften bei den wirtschaftswissenschaftlichen Diplomprüfungen
Anmerkungen
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gewarnt. Durch eine solche Trennung wird die angestrebte Eigenständigkeit der Betriebswirtschaftslehre nicht gefördert, eher wird die Ausgangsposition des Betriebes als Erfahrungsobjekt verfehlt und die Problematik des Betriebes als Erkenntnisobjekt verfälscht, da alle Grundfragen der Betriebswirtschaft, wie ζ. B. die der Kosten- und Lohnpolitik, der Beschaffungs-, Absatz-, Finanzierungspolitik zugleich Fragen der Verfügungsmacht sind, sei es durch Besitz, sei es durch Vertrag. Wer als akademischer Betriebswirt schon das Recht meidet, scheut um so mehr die Soziologie. Die von E. Gutenberg betont in Anspruch genommene Definitionsfreiheit (Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 1958) wird auch von E. Kosiol vertreten; sie entspringt in beiden Fällen einer naturwissenschaftlich-mathematischen Denkhaltung, die den Qualitätsmomenten der Betriebswirtschaftslehre nicht gerecht wird. Bezeichnend ist die Kosiol-Schülerarbeit von N. Szyperski: Zur Problematik der quantitativen Terminologie in der Betriebswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftliche Forschungsergebnisse, hrsg. v. E. Kosiol, Bd. 16, Berlin-München 1962. (143) S. Wilhelmine Dreißig: Die Geld- und Kredittheorie des deutschen Merkantilismus, Berlin 1939. (144) Die Gegensätzlichkeit von Staat und Gesellschaft wird in den politischen Schriften von O. Spengler besonders hervorgehoben, und zwar gegen die englische, gesellschaftsbetonte und für die deutsche, staatsbetonte Auffassung, vgl. Preußentum und Sozialismus, München 1920, Neudruck 1942; ders.: Jahre der Entscheidung, 1. Teil: Deutschland und die weltgeschichtliche Entwicklung, München 1933, Neudruck 1953. Die enge Verbindung von Wirtschaft und Recht findet sich bei den deutschen Nationalökonomen des 19. Jh., am stärksten bei Knies, Rodbertus, L. von Stein und bei dem letzten Repräsentanten der historischen Schule, C. Brinkmann (Wirtschafts- und Sozialgeschichte, MünchenBerlin 1927; Wirtschaftstheorie, Göttingen 1948). (145) Zur Unternehmungs- im Gegensatz zur Betriebskonzentration s.: Betriebsgröße und Unternehmungskonzentration, Nürnberger Hochschulwoche 16.—20. 2. 1959, Nürnberger Abhandlungen, Heft 10, Berlin 1959; Die Konzentration in der Wirtschaft, Schriften des Vereins für Socialpolitik, 3 Bde., Berlin 1960. Bedeutsam für die Unterscheidung von Betrieb und Unternehmung sind die sog. freiwilligen Handelsketten, die sog. Filialunternehmungen (Einzelhandel, Banken, Versicherungen) die Definitionen von Konzern, Unternehmung und Betrieb im Steuerrecht zwecks Klärung des Steuerpflichtigen und der Erhebungsgrundlage in der Umsatzsteuer, Einkommensteuer, Lohnsteuer, Gewerbesteuer, überhaupt alle auf die Unternehmung — nicht auf den Betrieb — gerichteten wirtschaftspolitischen, gesetzlichen und administrativen Maßnahmen wie die der Versicherungs-, der Bankenaufsicht, des Wettbewerbsschutzes. (146) Dieser Sinn der Unternehmung, zugleich der theoretische Gehalt der Unternehmungsforschung wird gröblich verkannt, so auch von W. Weddigen, der davon spricht, daß die Betriebswirtschaftslehre die U n ternehmung berate und beauskunfte; s. H. L.: Volkswirtschaftliche Lehrmeinungen..., (S. 231). Vgl. auch die Fettel-Schülerarbeiten von H.-J. Forker, M. Scheytt, M. Kilthau (1961/62).
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Anmerkungen
(147) Zum Problem der nominalen Geldrechnung vgl. K. Hax: Die Substanzerhaltung der Betriebe, Köln-Opladen, 1957; s. a. B. Bellinger: Offene Fragen der betrieblichen Substanzerhaltung, in: Gegenwartsfragen der Unternehmung. Offene Fragen der Betriebswirtschaftslehre, Festschrift für F. Henzel, hrsg. v. B. Bellinger, Wiesbaden 1961, S. 13—25. Hax hält eine Ergänzung der nominalen Geldrechnung für möglich; neuerdings in vorsichtiger Beurteilung; s. K. Hax: Kontrolle der Substanzerhaltung mit Hilfe der Unternehmungsrechnung, in: Stahl und Eisen, 82 (1962) Heft 6, S. 375/80. (148) Eine bevorzugte Verwendung von Mengengrößen auch zur Definition von Kosten und Erträgen als Gütermengen findet sich bei volkswirtschaftlichen Autoren wie A. Forstmann, W. Ehrlicher, A. Paulsen, H. Schilcher, E. Schneider. (149) Mein Ausdruck „Hauen und Stechen" wird von W. Hasenack umgemünzt in „Hauen und Stechen um jeden Preis" und in der nächsten Zeile seiner Anmerkung noch einmal wiederholt als „Hauen und Stechen à tout prix". Für mich ist Hauen und Stechen der Umgang mit Säbel und Degen nach den Regeln der Fechtkunst. „Catch as catch can" ist weder das Prinzip der Unternehmung in der Praxis, noch der Privatwirtschaftslehre in der Theorie. Ein Methodenmonismus, wie er mir hier von W. Hasenack, aber auch anderswo, z. B. von J. Löffelholz (in der ZfB) zu Unrecht entgegengehalten wird, kann nicht mit dem Spruch „Wer nicht für mich ist, der ist wider mich" widerlegt werden. Gegen die Verwechslung von Objekt und Methode in der Kontroverse E. Gutenberg/K. Mellerowicz, aber auch in den methodologischen Untersuchungen von A. Moxter, W. Muscheid und früher von F. Schönpflug habe ich wiederholt Stellung genommen. Eine Klärung ist nicht möglich durch das „argumentum ad hominem", sondern nur durch das „argumentum ad rem". (150) Zum Kostenproblem s. H. L.: Kosten und Kostenlehre, S. 22 ff.) sowie H. Koch: Zur Diskussion über den Kostenbegriff, in: ZfhF, N. F., 10. Jg., 1958, S. 355 f., ders.: Zur Frage des pagatorischen Kostenbegriffs, in: ZfB, 29. Jg., 1959, S. 8 f.; H. Ludwig: Die Größendegression der technischen Produktionsmittel, (s. o.) Köln 1962. (151) Die entschiedene Ablehnung aller Versuche der Geldwertkorrektur, die von E. Gutenberg mit zu den Leistungen der Betriebswirtschaftslehre gerechnet werden, stützt sich wesentlich auf W. Rieger: Einführung in die Privatwirtschaftslehre, Nürnberg 1928, Neudruck Erlangen 1959. Sie wird auch nicht von allen Vertretern der Privatwirtschaftslehre geteilt, wohl von J. Fettel, nicht aber von E. H. Sieber. I m Grunde steckt das Kernproblem einer Unternehmungssicherung gegen Schäden, Verluste und Irrtümer infolge von „Geldwertschwankungen", besser gesagt Preisveränderungen, in der Bilanzpolitik, insbesondere der Bildung von Rücklagen und ihrer steuerlichen Behandlung, also in einer gleichwie bedingten Anwendung des R e c h n u n g s w e s e n s , aber nicht in einer Änderung des G e l d wesens. „Das erste steht uns frei, beim zweiten sind wir Knechte." (Vgl. H. L. Unternehmenspolitik und Jahresabschluß, I960, S. 215 ff.
Antnérkungen
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N e u e T e n d e n z e n i n der B e t r i e b s w i r t s c h a f t s l e h r e (1959) (152) Zur Stellung der Betriebswirtschaftslehre an den deutschen Hochschulen s. die gleichnamigen Artikel des Verf. (Anm. 1). (153) s. S. 11 lf. (154) Weitere grundlegende Veröffentlichungen aus dem Bereich der Industriebetriebslehre sind K. Mellerowicz: Betriebswirtschaftslehre der Industrie, 2. Bde., 3. Aufl. Freiburg i. Br. 1958; H. G. Abromeit, H. A l bach, H. Koch, E. Heinen, P. Nowak, A. Müller, H. Ludwig. (155) Weitere Veröffentlichungen über Handwerks Wirtschaft und Genossenschaftswesen von L. Fröhler, R. Henzler, L. Münster, K. Rößle, E. Tuchtfelds (156) Der Stand der Kohlenhalden, die sich seit 1958 häuften, war noch Ende 1960, als das Maximum bereits überschritten war, 6,3 Mill, t Steinkohle. Vgl. hierzu die Äußerung v. V. Muthesius in der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 10. Jg., Nr. 16 vom 15. 8. 1957, S. 642 („Der Nürnberger Trichter"): „Linhardt leistete sich aber auch noch andere rein sachliche, gedankliche Fehlinvestitionen, so ζ. B. wenn er die Bilanzstruktur des Hauses Siemens u. a. mit derjenigen der Harpener Bergbau A G verglich, d. h. also eines Unternehmens, das eine Produktion betreibt, die sozusagen am Erzeugungstag unmittelbar in den Verkauf geht (einer Firma, die, wie Abs treffsicher sagte, weder Bestände noch Debitoren hat) ; . . . " (157) Die Unternehmungswirtschaft wird im Sinne der Riegerschen Privatwirtschaftslehre insbesondere vertreten in der Schweiz, in Schweden, Dänemark, Holland, Belgien; aber auch in anderen Ländern überwiegen in Lehre und Forschimg die Sachverhalte und Probleme der Unternehmung gegenüber denen des Betriebes, am stärksten in der Behandlung der Unternehmungsplanung, Unternehmungsorganisation, U n ternehmungsflnanzierung, Marktforschung. A m wenigsten ist bisher die wissenschaftliche Verknüpfung von Unternehmung und Betrieb versucht worden. Sie wird bei der Behandlung der Kollektivgebilde aller Art (Konzerne, Einkaufsvereinigungen, Handelsketten, Organisationsführungsunternehmungen usw.) nicht mehr entbehrt werden können (s. Anm. 145). (158) Die Bewegungsbilanz ist gefördert worden durch Spezialuntersuchungen von G. Scholz, H. Neubert, K. Kolbe u. a. M i t Blickrichtung auf die Unternehmung erfolgten jüngste Untersuchungen über Entscheidungsprozesse, Einsatz elektronischer Rechenanlagen, Programmierung, Automation in der Verwaltung. (159) Betriebswirtschaftliche Vorleistungen zu den Problemen der Konjunkturanpassung und Unternehmungselastizität aus den 20er und 30er Jahren sind die Untersuchungen von W. Hasenack, P. Deutsch, E. Geldmacher, F. Schmidt und die Habilitationsschrift von E. Gutenberg: Die U n ternehmung als Gegenstand betriebswirtschaftlicher Theorie, Berlin 1929. (160) Bei der Kölner Pflngsttagung des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft i m Jahre 1938 referierte der Verf. über „Uber-
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Anmerkungen Windung des Gelddenkens" und löste durch seine bewußt einseitige Betonung der Geldrechnung gegenüber dem damals modisch gewordenen Güterdenken eine heftige Diskussion aus, an der sich wohl 15 Redner beteiligten, W. Kalveram, F. Schmidt, W. Auler mit 3—4 Wortmeldungen.
(161) Zum geistigen Vorgang der Objektivation, wie er sich i m Ausdruck K a pital niederschlägt, so daß man diesen Ausdruck als Objektivation eigenverantwortlichen menschlichen Könnens in der Wirtschaft verstehen kann, s. H. L.: Objektivation und Subjektivation... (S. 249 if.). K a r l Marx hat gewiß nicht den Menschen übersehen. Er hat mit dem unvergleichlichen Aufgebot historischer Forschungsmühe und logischer Denkschärfe um den Menschen als Individuum und als Angehöriger einer Klasse gerungen und gleichwohl sein Hauptwerk „Das Kapital" genannt. Wer hätte je versucht, ihm hieraus den Vorwurf zu machen, sich nur für das Kapital interessiert und den Menschen übergangen zu haben. Eine ähnliche Argumentation bringt J. Kolbinger gegen die Privatwirtschaftslehre vor (vgl. Leistungsidee, Geschichte d e r . . . , in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaftslehre, 3. Aufl., Bd. I I I , Stuttgart 1960, Sp. 3779—3788). (162) Wirtschaftlichkeit und Rentabilität sind in zahlreichen Untersuchungen der letzten Jahre weiterhin erörtert worden, u. a. von A. Moxter, W. Muscheid, H.-J. Forker, aber auch bei H. Albach, H. Koch, W. Bierfelder u. a. (163) Der bei J. Plenge grundlegend verwendete Begriff der Verwertungsproduktion geht auf K a r l Marx zurück; vgl. zur Kritik des Marxschen Kapitalbegriffes, J. Plenge: Kapital und Geld, Weltwirtschaftliches Archiv, 24. Bd., Okt. 1926, S. 299—330; hierzu auch H. L.: Grundlagen der Betriebsorganisation, Essen 1954; ferner J. Plenge: Marx und Hegel, Tübingen 1911; S. Heiander: Marx und Hegel. Eine kritische Studie über sozialdemokratische Weltanschauung, übers, v. M. Langfeldt, Jena 1922 (ohne Plenge zu erwähnen). (164) Außer den genannten Instanzen hat sich der Wissenschaftsrat in seinen „Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum Ausbau der wissenschaftlichen Einrichtungen, Teil I, Wissenschaftliche Hochschulen", T ü bingen 1960, hiermit befaßt. (165) Zum Vorwurf des Methodenmonismus von Löffelholz s. meine Erwiderung auf einen ähnlichen Einwand von W. Hasenack in seiner Fußnote zu meinem Artikel: Wilhelm Riegers Einfluß . . . (vgl. Anm. 149). Übrigens liegt ein umgekehrter und trotzdem nicht weniger falscher Vorwurf in der Schmalenbachschen Beschuldigung, die Bilanzauffassung als Vermögens- und Erfolgsrechnung sei dualistisch und deshalb unwissenschaftlich. So gesehen ist unwissenschaftlich, weil dualistisch, wer Frucht und Fruchtträger — Apfel und Apfelbaum, Kartoffel und K a r toffelstaude — unterscheidet (vgl. H. L.: Buchbesprechung F. Helpenstein: Wirtschaftliche und steuerliche Erfolgsbilanz, Berlin 1932, in: Schmollers Jahrbuch, 59. Jg., 1935, S. 117—122). O. R. Schnutenhaus hält die ihm hier nachgesagte Linie in seinem letzten Werk: Absatzpolitik und Unternehmungsführung, Freiburg i. B. 1961, eindeutig inne. (166) Die Funktionenlehre ist nur in soweit sinnvoll und verbürgt nur dann
Anmerkungen
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einen wissenschaftlichen Fortschritt, wenn statt der isolierten Behandlung einzelner Funktionen die Kombination mehrerer Funktionen und die Schwerpunktverteilung, woraus die hauptsächlichen speziellen Betriebslehren sich herleiten, in den Mittelpunkt gerückt werden. (167) Zur Frage der Anschauung s. H. L.: Anschaulichkeit der Wirtschaft . . . , (S. 105); dort Hinweise auf Comenius, Herbart u. a. und neueste Beachtung des Bildhaften und der Bildvorstellungen (Vorbild, Richtbild, Leitbild usw.); in der neuesten Psychologie wird das visuelle und visionäre gegenüber dem intellektuellen, analytischen Vermögen höher bewertet (s. Anm. 71).
Unternehmenspolitik und Jahresabschluß (1960) (168) Die neuere betriebswirtschaftliche Forschung seit etwa 1955 neigt stärker als seit vierzig Jahren der Unternehmung und ihren Problemen zu (E. Gutenberg, „Japanische Unternehmungen", E. Kosiol, Ε. H. Sieber, H. Koch, H. Albach; vgl. Anm. 145,157,176). (169) Zum Begriff der Objektivation s. H. L.: Objektivation und Subjektivation . . . (S. 249 ff.). (170) W. Weddigen versteht die These von Burnham anders; s. seinen Vortrag: Der Unternehmer in der Volkswirtschaft, in: Gestaltwandel der Unternehmung, Nürnberger Abhandlungen, Heft 4, Berlin 1954, S. 23 — 43. (171) Vgl. Α. M. Schlesinger: Der Aufstieg der USA, 1865—1951, (aus der 2. amerikanischen Aufl. New York 1954, 1. Aufl. 1951 übers, v. K. Demmer) Salzburg o. J.; ferner R. L. Bruckberger: Amerika — Die Revolution des Jahrhunderts (aus dem Französischen, Paris 1958, unter Berücksichtigung der amerikanischen Ausgabe, New York 1959, übersetzt v. A. R. L. Gurland) Frankfurt/M. 1959; D. W. Brogan: America in the Modern World, Rutgers, 1960; vgl. Anm. 87. (172) Die formal juristische Interpretation der Aktiengesellschaft ohne Rücksicht auf ihre soziologischen Beziehungen zu Beschäftigten, Kunden, Lieferanten, Zulieferern usw. herrscht bei juristischen Autoren, wie E. J. Mestmäcker (Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, Karlsruhe 1958), R. Wiethölter (Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft im amerikanischen und deutschen Recht, Karlsruhe 1961) vor, daher zahlreiche Schiefheiten und falsche Werturteile. (173) Die Kollision des Unternehmensinteresses mit dem Interesse der Verwaltung oder der Aktionäre trat bei der Umwandlung nach den U m wandlungsgesetzen von 1956 und 1957 auf, am deutlichsten bei C. H. Knorr AG, Heilbronn, und Feldmühle Papier- und Zellstoffwerke AG, Düsseldorf-Oberkassel. (174) Zur Wirtschafts- und Unternehmenspolitik vgl. E. Grochla: Interne und externe Betriebsplanung (Formen, Möglichkeiten und Grenzen) Diss. Berlin 1953, veröff. unter dem Titel: Betrieb und Wirtschaftsordnung. Das Problem der Wirtschaftsordnung aus betriebswirtschaftlicher Sicht, wirtschaftswissenschaftliche Abhandlungen, hrsg. v. E. Ko-
Anmerkungen siol und A. Paulsen, Heft 3, Berlin 1954; sowie F. Mertsch: Die Aufgaben der Statistik in den verschiedenen Wirtschaftsordnungen. M i t einleitenden Ausführungen zum Begriff der Statistik, Berlin 1954; zur Finanzpolitik größerer Industriekonzerne s. H. Krämer: Die Finanzpolitik westdeutscher Konzerne der Elektroindustrie, der chemischen Industrie und des Kohle-Eisen-Stahlbereichs von 1950—1959, BerlinMünchen 1961. (175) s. Anm. 46. (176) Zur Betriebs- und Unternehmungsplanung s. M. Lohmann: Der W i r t schaftsplan des Betriebes und der Unternehmung, Berlin-Leipzig-Wien 1928; F. Leder, Schüler des Verf.: Die Planung der Unternehmung, Diss. Münster 1937; H. Koch: Betriebliche Planung. Grundlagen und Grundfragen der Unternehmungspolitik, Die Wirtschaftswissenschaften, hrsg. v. E. Gutenberg, 36. Lieferung, Reihe A, Beitrag 4, Wiesbaden 1961, dort ausführliche Literatur; ders.: Absatzplanung, in: HdSW, 1. Bd., Tübingen-Göttingen 1956, S. 15—20; ders.: Finanzplanung, in: HdB, 3. Aufl. Stuttgart 1958, Bd. I I , Sp. 1910—1925; ders.: Planung, in: HdB, 3. Aufl. Stuttgart 1960, Bd. I I I , Sp. 4340—4352. H. Weber: Die Planung der Unternehmer (Eine wirtschaftstheoretische Untersuchung), Diss. Nürnberg 1962; G. Pöhlmann: Die wissenschaftliche Fundierung unternehmerischer Entscheidungen (insbesondere im industriellen Großbetrieb), Diss. Nürnberg 1963. Über Betriebsplanung in der sowjetischen Zone s.H.Heuer: Zur Organisation der Betriebsplanung in der volkseigenen Industrie des sowjetischen Besatzungsgebietes, Wirtschaftswissenschaftliche Abhandlungen. Volks- und betriebswirtschaftliche Schriftenreihe der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Freien Universität Berlin, hrsg. v. E. Kosiol und A. Paulsen, Heft 10, Berlin 1958. (177) Das Prinzip der Gewinnmaximierung mag zwar als Axiom seine Dienste tun, um wissenschaftliche Systeme zu stützen, dann ist es ein Axiom und kein Prinzip. (178) Zum Gedanken der Unternehmungsfortsetzung als Leitgedanken der Bilanzbewertung s. H. L.: Bilanz und Steuer, Besprechungsaufsatz zu dem gleichnamigen Buch von O. Bühler, in: Zahlungsverkehr und Bankbetrieb, 1936, 18. Jg., S. 243—247, und in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 145, 1937, S. 508—511 (Besprechung der 2. Aufl., Berlin 1936) sowie in: ZfB, 1937, S. 104—105 (Besprechung der 3. Aufl., Berlin 1937). (179) Zwischen Messen und Bewerten besteht ein fundamentaler Unterschied: Die Messung setzt eine Maßeinheit voraus, die Bewertung erfolgt entweder in Geld oder mittels qualitativer Merkmale durch rohe Klassizierung (Bonität, erste, zweite Wahl, Prima, Auslese, usw.). (180) Zur Finanzpolitik s. H. Krämer: Die Finanzpolitik westdeutscher Konzerne der Elektroindustrie, der chemischen Industrie und des KohleEisen-Stahlbereiches von 1950—1959, Berlin 1961; K. Kolbe: Der F i nanzbedarf, Planung, Steuerung, Überwachung, Düsseldorf 1956; dazu Buchbesprechung des Verf. in: ZfhF, N. F., 9. Jg., 1957, S. 407—408. Vgl. außerdem Buchveröfüentlichungen und Beiträge zum HdB von K. F. Bußmann, L. Beckmann, E. Pausenberger sowie die beiden Beiträge
Anmerkungen
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über kurzfristige und langfristige Kapitaldisposition von K. H a x und H. E i e r s h a u s e n i m Handbuch der Wirtschaftswissenschaften, KölnOpladen 1959. (181) Der Unterschied zwischen Aufstellung oder Erstellung der Bilanz und ihrer Feststellung ist den Bestimmungen des Aktiengesetzes zugrunde gelegt (Aufstellung des Geschäftsberichtes gem. § 127, 1, Feststellung des Jahresabschlusses gem. Abs. 2, in Verbindung mit § 125,4). (182) Vgl. H. Krämer: Die Finanzpolitik westdeutscher Konzerne... (vgl. Anm. 180).
Volkswirtschaftliche Lehrmeinungen über die Betriebswirtschaftslehre (1960) (183) Auf meine Kritik seiner Definition der Betriebswirtschaftslehre antwortet W. Weddigen in einer Fußnote zu dem Artikel „Die Ertragstheorie in der Betriebswirtschaftslehre" in der ZfB, 30. Jg., 1960, S. 68 f., ohne jedoch auf meine Einwendungen einzugehen, immerhin mit dem bemerkenswerten Passus... „das muß genügen". Zweifellos genügt das nicht; s. Anm. 101. (184) Zur Auffassung der Betriebswirtschaftslehre als „Tunswissenschaft" statt einer „Seinswissenschaft" s. L. v. Mises: Human Action. A Treatise on Economics, New Haven 1949, S. 151—162; sowie (S. 12, 137 ff., Anm. 4). (185) Zum Systembegriff vgl. H. L.: Plenges System..., Anm. 33, sowie die Nürnberger Habilitationsschrift von W. Bierfelder „Information im Dienste ökonomischer Grundentscheidungen der Unternehmung", 1963. Bei E. Gutenberg wird der Systembegriff grundlegend verwendet, aber nicht geklärt. (186) Die Abhandlung W. Sombarts: Weltanschauung, Wissenschaft und Wirtschaft in: Probleme des deutschen Wirtschaftslebens, Berlin-Leipzig 1937, ist im fünften Jahr des Dritten Reiches geschrieben worden; sie steht i m Zeichen der damaligen Wirtschaftsideologie. Sombart fühlte sich, wie mancher deutsche Gelehrte damals, von den Machthabern des Dritten Reiches übergangen. Seine entwicklungsgeschichtliche Perspektive betont die Verwaltungswirtschaft, beruhend auf der Umwandlung der Konkurrenz; sie ist, wie seine tragenden Grundgedanken überhaupt, von der Marxschen Konzeption bestimmt. Die Wiederherstellung der Marktwirtschaft in der freien westlichen Welt nach Kriegsende unter amerikanischer Führung widerlegte auch diese wie so manche andere säkulare Schau des kurzsichtigen Sehers W. Sombart. Er teilt darin das Schicksal ähnlicher Seher, wie H. Nicklisch und E. Schmalenbach, die ebenfalls der Morgenröte des heraufdämmernden echten (ihres) Sozialismus jahrzehntelang vergeblich entgegenharrten. (187) Die deutschen Kameralisten und Handelsakademiker sind auch bei Eugen Dühring vielfach gewürdigt, freilich in einer verkrampften Denkhaltung, die für den Antisemitismus deutscher Gelehrtenkreise Ende des 19. Jahrhunderts typisch ist.
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Anmerkungen
(188) Schmalenbach hat nicht nur hier, sondern auch anderswo das meiste „übersehen" (vgl. H. Ludwig: Die Größendegression der technischen Produktionsmittel, Köln-Opladen 1962); s. dort die ausgewertete L i teratur um 1850—1910; hierzu Besprechung von G. Wepner in: BFuP, M a i 1962, S. 318 f. (189) Eine Parallele zwischen F. Lists „Das Nationale System der Politischen Oekonomie", Stuttgart-Tübingen (1841) und J. M. Leuchs „System des Handels" ergibt sich hinsichtlich der Länderdarstellungen (vgl. hierzu A. Anderson: Historische und chronologische Geschichte des Handels von den ältesten bis auf jetzige Zeiten, aus dem Englischen übers., 6 Bde., Riga 1773—1779). (190) Die Habilitationsschrift von E. Leitherer ist erschienen i m Westdeutschen Verlag unter dem Titel „Geschichte der Handels- und Absatzwirtschaftlichen Literatur", Köln-Opladen 1961. (191) Zur Diskussion der Fachbezeichnung — Privatwirtschaftslehre oder Betriebswirtschaftslehre — vgl. H. L.: Neue Tendenzen..., (S. 202f.). und Hinweis auf W. Prion; vgl. außerdem H. J. Forker: Das W i r t schaftlichkeitsprinzip und das Rentabilitätsprinzip, ihre Eignung zur Systembildung. Die Unternehmung i m Markt, hrsg. von G. Bergler, J. Fettel, H. Linhardt und Ε. H. Sieber, Bd. 6, Berlin 1960. (192) Zur Abgrenzung zwischen der Absatz- und Konsumforschung und der Verkehrswirtschaft vgl. H. L.: Das Objekt der Wirtschaftswissenschaft, (S. 152 f.). (193) Vor den Schriften der erwähnten Autoren O. Veit und R. Schilcher (beide 1958) ist die „Monetäre Ökonomie" von A. Forstmann erschienen (Bd. 2 von: Volkswirtschaftliche Theorie des Geldes, Berlin 1955), worin ebenfalls die Gütersphäre einseitig betont und die Geldsphäre vernachlässigt wird; vgl. hierzu Besprechungsaufsatz des Verf. in: ZfhF, N. F., 8. Jg., 1956, S. 491—496. (194) Ebenfalls liegt diese Einseitigkeit bei W. Hankel vor (Die Zweite K a pitalverteilung, Frankfurt a. M. 1961; vgl. Buchbesprechung des Verf. in: Schmollers Jahrbuch, 1963). (195) Wo bleibt bei W. Eucken die Unternehmung, wo der Unterschied zwischen ihren „Hergängen" und denen anderer „Einzelwirtschaften"? Hier, wie bei M. R. Lehmann, werden die Hergänge zwischen den Unternehmungen (!) i m Markt übersehen — und das sind doch wohl die wichtigsten. (196) H. Möller wird hier mit Betriebswirten in einer Reihe genannt. Er ist Volkswirt, wenn auch stark betriebswirtschaftlich orientiert, s. seine „Kalkulation, Absatzpolitik und Preisbildung", Wien 1941. (197) S. H. L.: Buchbesprechung der beiden Bände von E. Gutenberg in Schmollers Jahrbuch, 72. Jg., 1952, I I . Halbbd., S. 755—758 und 75. Jg., 1955, I I . Halbbd., S. 740—744, sowie H. L.: Kapitalwirtschaft . . . (S. 40 if.) und Neue Tendenzen... (S. 208). (198) A. Weber widerspricht sich selbst in den wenigen Zeilen. Wenn die Volkswirtschaft, wie er sagt, „überhaupt keine Wirtschaft ist", kann sie auch nicht, wie er sagt, „der eigentliche Auftraggeber" sein.
Anmerkungen
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Objektivation und Subjektivation der Beziehungen von Mensch und Markt (1960) (199) Der Begriff der Objektivation wird vor allem zur Erklärung der Preisbildung i m Gegensatz zur subjektiven Wertschätzung verwendet, indem dem Markt die Rolle abnehmender Subjektivation durch Einbeziehung von immer mehr Marktvorgängen und einer größeren Zahl von Marktteilnehmern zugedacht wird. (200) Die „Anwendung des Begriffspaares Subjektivation und Objektivation auf den Sachverhalt der Beziehungen zwischen Mensch und Markt" bedeutet die Heranziehung soziologischer Erkenntnisse zur Erklärimg wirtschaftlicher Sachverhalte. (201) I n der modernen Betriebswirtschaftslehre und auch Nationalökonomie wird viel zuviel vom Aspekt oder von der Betrachtungsweise statt vom Objekt gesprochen. Die Wissenschaft sollte sich die Dinge (!) nicht so leicht machen und sich nicht sämtliche Hintertüren offenhalten. (202) Der Begriff der Verkehrswirtschaft wird hier i m Sinne der durch Geld organisierten Marktwirtschaft verstanden (vgl. Plenges System, Anm. 33). (203) Die Stufenbildung ist nicht nur bei den Wirtschaftswissenschaften, sondern bei allen Geisteswissenschaften ein unentbehrliches Erkenntnismittel (vgl. die Lehre von den Wirtschaftsstufen, die Lehre von den Entstehungsperioden der Erde, von den Geschichtsepochen überhaupt). (204) M i t der Vermeidung historischer Datierung und der ängstlichen A b kehr von einer deduktiven Stufenbildung sind die angeblichen Genauigkeitsziele mathematischer Ableitungen gänzlich unvereinbar; damit wird auch die Betriebswirtschaftslehre nicht als eine exakte Wissenschaft begründet, sondern nur ihr eigentlicher Charakter als Geisteswissenschaft geleugnet. (205) Historische Kategorien würden mehr als nur einen Ersatz für soziologische und politische Grundbegriffe bei der Bemühung um die Gewinnung von Zwischenstufen zwischen Individuum und Volk im Marktgeschehen bedeuten, aber solange sie ebenso gemieden werden wie jene, büden sie dafür nicht einmal einen Ersatz; die reine Ökonomie ist eine der trübsten Pseudo-Wissenschaften. (206) Bei den Marktaussagen wird, wie ersichtlich, immer wieder an typisierte Marktbesucher angeknüpft (Hausfrau, Arbeiter, Verbraucher, später Arbeiterhausfrau, lediger Bauhilfsarbeiter, persönlicher Verbraucher), womit bestimmte, aus der Erfahrung ableitbare Eigenschaften der Marktteilnehmer gekennzeichnet werden, bei denen Herkunft, Bildung, Milieu und Einkommen eine Rolle spielen. (207) I n der Frage der Begriffsbildung nimmt E. Gutenberg eine entgegengesetzte, übertrieben individualistische, um nicht zu sagen anarchistische Haltung ein. Für ihn spielt die Brauchbarkeit des Begriffs für andere keine Rolle; s. Anm. 6, 31,142. (208) Der homo oeconomicus ist heute wie zur Zeit seiner Erfindung eine nützliche Denkfigur, keine Verzerrung des Menschenbildes. Jede an-
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Anmerkungen dere Bezeichnung des Menschen (homo faber, ludens, sapiens u. a.) ist ebenfalls nur die Hervorhebung eines bestimmten Zuges und nicht eine umfassende Charakterisierung des Menschen überhaupt.
(209) Die Generalisierung ist das Endergebnis gedanklicher Prozesse, der homo oeconomicus ist ihr abstrakter Ausdruck. Auf die Problematik der Preis- und Lebenshaltungsstatistik weist H. Hittershausen im I n dustriekurier vom 15. 5. 1962 an Hand zahlreicher Beispiele solcher Artikel hin, bei denen in Jahren wesentliche Qualitätsverbesserungen ohne Preissteigerungen erfolgt sind. Die Problematik des Lebenshaltungsindex wird am deutlichsten in der sog. dynamischen Rente seit 1957 und den bei gewerkschaftlichen Lohnforderungen üblichen Gegenüberstellungen von Löhnen, Verbraucherpreisen und Produktivitätssteigerungen; vgl. das Gespräch Adenauer—Willi Richter, Ende Juli 1962. (210) Die zunehmende Bedeutung von Kindern, Jugendlichen und Sozialrentnern bei der nationalen Einkommensverwendung (Marktentnahme) wird hier nicht grundsätzlich gewürdigt, verdient aber angesichts der Alterspyramide der Bevölkerung steigende Beachtung, wie dies in der Werbung, Meinungsforschung und Marktanalyse tatsächlich geschieht. (211) Ähnliches wie bei Anm. 210 gilt hinsichtlich der in Betracht gezogenen Marktausschnitte: Obstmarkt, Lebensmittelmarkt, Konsumgütermarkt; ihre Bedeutung wächst mit der wachsenden Zahl der Einkommensbezieher, dem steigenden Pro-Kopf-Einkommen und den höheren Lebensansprüchen. (212) Bei H. Dietzel (Theoretische Socialökonomik, 1. Bd., Lehr- und Handbuch der politischen Ökonomie hrsg. v. A. Wagner, 2. Hauptabteilung, Leipzig 1895) spielt der homo oeconomicus diejenige Rolle, die ihm in der klassischen Nationalökonomie von jeher zukam; dafür gilt der bekannte, von Adolf Weber häufig zitierte Ausspruch Dietzels: „Das theoretische Lehrgebäude der Classiker gleicht einer starken Festung mit einigen noch nicht völlig ausgebauten, bezüglich mangelhaft angelegten Außenwerken. Die Feinde können die Festung nicht einnehmen, wohl aber in diesen Außenwerken sich zeitweilig festsetzen — um schließlich vertrieben zu werden." S. V I f. (Vorwort). (213) Das Unzulängliche bei jedem Versuch zur Charakterisierung des I n dividuums ist unübertrefflich in dem alten Ausspruch formuliert: „Individuum est ineffabile", vgl. H. L.: Bankbetriebslehre, Bd. I : Bankbetrieb und Bankpolitik, Köln und Opladen 1957, (S. 113). Dies war die Devise des berühmten Berliner Historikers und Ehrenrektors der Freien Universität Berlin, Friedrich Meinecke. (214) Zur anthropologischen Klärung des Menschenbegriffs s. B. Malinowski, R. Thurnwald und die neueste populärwissenschaftliche Veröffentlichung: Die Welt, aus der wir kommen. Die Vorgeschichte der Menschheit, hrsg. v. S. Piggott, London 1961, aus dem Englischen, übers, v. E. Ehm, München-Zürich 1961. (215) Z u den größten Fehlleistungen der Soziologie und Psychologie der letzten Jahrzehnte wird man ihre Verkennimg des Nationalsozialismus, nicht erst die verspätete Reaktion auf seine Erscheinungsformen
Anmerkungen
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bei den Emigranten nach 1933, die Fehleinschätzungen der öffentlichen Meinung und die Fehlergebnisse von Reihen- und Massenuntersuchungen nach 1945 bezeichnen müssen, vergröbert durch blinde I m i tation neuer Verfahrensweisen statt kritischer Prüfung. (216) Zur historischen Genesis des Marktes vgl. A. Böckh: Die Staatshaushaltung der Athener, 4 Bücher, Berlin 1817; K. J. Beloch, Griechische Geschichte, Bd. 1, 2 Abteilungen, Berlin-Leipzig 1924—26, Bd. 2, 2 Abteilungen, Straßburg 1914—16; E. Meyer: Geschichte des Altertums, 5 Bde., Stuttgart, letzte Aufl. seit 1953 (1. Aufl. seit 1884); L. v. Brentano: Geschichte der wirtschaftlichen Entwicklung Englands, 3 Bde., Jena 1927—29; M. Rostovtzeff: Die Hellenistische Welt, Gesellschaft und Wirtschaft, aus dem Engl, übers, v. G. und E. Bayer, Titel der Originalausgabe: The Social and Economic History of the Hellenistic World (Oxford 1941), 3 Bde., Tübingen 1955—56; ders.: Gesellschaft und Wirtschaft im Römischen Kaiserreich, 2 Bde., aus dem Englischen (1929) übers, v. L. Wickert, Leipzig 1929. M. Postan und E. E. Rieh (Hrsg.) The Cambridge Economic History of Europe, Bd. 2, Cambridge 1952; R. S. Lopez und I. W. Raymond: Medieval Trade in the Mediterranean World, New York 1955; P. Grimal: Römische Kulturgeschichte, aus dem Französischen (La Civilisation Romaine, Paris 1960) übers, v. M . Petzet, hrsg. v. W. A n dreas, München-Zürich 1961. (217) Literarische Quellen zur Marktgeschichte sind bei den Philologen unerschlossen geblieben, weil das Formale gegenüber der Würdigung des Inhaltlichen überwiegt, sonst würden die Franzosen, Engländer, Russen, Amerikaner — verstanden als Repräsentanten der schöngeistigen Literatur seit Anfang des 19. Jahrhunderts — unerschöpfliche Quellen der Marktgeschichte erschließen lassen: H. de Balzac, E. Zola, Ch. Dickens, W. M. Thackeray, I. Turgenjew, M. Gorki, N. Lesskow, M a r k Twain, H. W. Longfellow, S. Lewis. (218) Z u den Malern dieser Richtung gehören insbesondere H. Daumier, F. Goya, G. Courbet, J. F. Millet. (219) Wilhelm Hegel: „Der Lauf der Sterne ist nicht an den Himmel geschrieben."
Die Nachbarwissenschaften der Betriebswirtschaftslehre, gesehen unter den Auspizien der Trinität von Markt, Unternehmung und Betrieb (1961) (220) Vgl. and and gan,
„Proceedings. Business Administration Conference on the Ford Carnegie Foundation Reports", hrsg. vom College of Business Public Service, Michigan State University, East Lansing, Michivom 11. 3. 1960.
(221) Der Gliederung der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultäten entsprechend gehören die Ingenieurwissenschaften, Technischen Wissenschaften, wie sie an den Technischen Hochschulen vertreten sind, nicht zu dem hier behandelten Kreis von Disziplinen. 21
Linhardt
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Anmerkungen
(222) Wird hier vom Betrieb gesprochen, so ist der Betrieb als Glied der Unternehmung gemeint, nicht die Einzelwirtschaft, nicht jedes W i r t schaftsgebilde; auch werden Betrieb und Unternehmung nicht gleichgesetzt, wie das etwa W. Eucken und E. Gutenberg tun. Eine solche Gleichsetzung ließe ein wesentliches Kriterium der Objektbestimmung und der Problem- und Funktionszuordnung verlorengehen (s. Anm. 5 if., 130, 140). (223) Wiederholt wird auf die andere Ansicht hingewiesen, wonach die U n ternehmung nur aus dem Haushalt historisch entstanden sei und theoretisch abgeleitet werden kann. Diese Ansicht ist unhaltbar, sie verkennt die aus ihrer Marktposition gegebenen Wesensunterschiede von Unternehmung und Haushalt und steht im Widerspruch zur Entstehung des Kapitalismus (vgl. A. Weber, O. Bredt); s. S. 132 f. (224) Zur Wirtschaftssoziologie vgl. „Wörterbuch der Soziologie", hrsg. v. W. Bernsdorf und F. Bülow, Stuttgart 1955; „Handbuch der Soziologie", hrsg. v. W. Ziegenfuß, Stuttgart 1956; sowie die empirischsoziologischen Untersuchungen von K a r l V. Müller und diejenigen des Instituts für Demoskopie, Allensbach/Bodensee, des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschimg, München, der E M N I D GmbH & Co. (Deutsches Gallup-Institut), Bielefeld, der GfK-Gesellschaft für Konsumforschung e. V., Nürnberg, des Instituts für M a r k t - und Verbrauchsforschung an der Freien Universität Berlin (Prof. K a r l Ch. Behrens). (225) Ansätze einer Unternehmungssoziologie bei K. Wiedenfeld, W. Sombart, Th. Pütz, W. Kellner, J. Winschuh, K. Pritzkoleit, neuerdings auch Georg Bergler, K a r l G. Specht. (226) Vertreter der Betriebssoziologie: H. Lechtape, A. Geck, F. Scherke, Th. Scharmann. (227) Zur Marktgeschichte vgl. H. L.: Objektivation . . . , (S. 249 if.); ferner die Veröffentlichung „Die Chroniken der deutschen Städte", hrsg. durch die Historische Commission bei der Königlichen Academie der Wissenschaften, Leipzig 1862. Neudrucke hrsg. v. d. Historischen Kommission d. Bayerischen Akademie der Wissenschaft, erschienen ab 1961 bei Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, sowie die Monographien über Frankfurt (A. Dietz), Nürnberg (A. Jegel, J. F. Roth), die historischen Schriften von H. Mauersberg, F. Rörig u. a. (228) S. auch K. Pritzkoleit: Bosse, Banken, Börsen. Herren über Geld und Wirtschaft, Wien-München-Basel 1954; ders.: Männer, Mächte, Monopole. Hinter den Türen der westdeutschen Wirtschaft, Düsseldorf 1953; ders.: Auf einer Woge von Gold. Der Triumph der Wirtschaft, Wien-München-Basel 1961. (229) S. H. L.: Der Einfluß des technischen Fortschritts auf den Markt, in: Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung, 6. Jg., 1960, Heft 1, S. 10—27. (230) Diese Vorwegnahme der Rechtsprüfung wurde an der Universität Köln eingeleitet, vermutlich aus Mißhelligkeiten der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät mit der Juristischen Fakultät (s. Anm. 30, 142).
Anmerkungen
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(231) Vertreter der politischen Wissenschaften: Th. Eschenburg — Tübingen; E. Fischer-Baling, Ο. von der Gablentz — Freie Universität Berlin; E. Vögelin — München; W. Besson — Erlangen-Nürnberg. (232) Das neue Kreditwesengesetz stammt vom 10. 7. 1961, in Kraft seit 2. 1. 1962. Seitdem besteht ein Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, Sitz Berlin (vgl. H. L.: Kommentar zum K o m m e n t a r . . . Anm. 49). (233) S. H. L.: Der Dienststellenplan der privaten Wirtschaft, in: BFuP, 9. Jg., 1957, S. 1—15.
Namenverzeichnis Abromeit, H. G. 313 Adenauer, Κ . 320 Agartz, V. 82 Albach, Η . 294, 296, 313 fï. Alhadeff, D. Α. 130 Ammon, Α. 194 Anderson, Α. 318 Andreas, W. 321 Angehrn, O. 235 Aristoteles 105 Arnold, T. W. 215, 304 Ashton, T. S. 272 Astor, J. J. 272 Aufermann, E. 177 Auler, W. 11, 314 Bacon, F. 262 Bagehot, W. 160 Balzac, H. de 321 Banse, K. 11 Barone, E. 305 Barth, K. 299, 308 Bastian, F. 298 Bauer, R. 283, 290 Bauereiß 238 Baumgardt, R. 273 Bayer, E. 321 Bayer, G. 321 Becher, J. J. 235, 238 f., 243, 305 Bechtel, H. 301 f. Beckerath, H. v. 244 Beckhart, Β. H. 130 Beckmann, L. 316 Bellinger, B. 299, 307 f., 312 Beloch, K. J. 321 Below, G. v. 271 Bendixen, F. 297 Berger, K. H. 266 Bergler, G. 37, 70, 126, 152 f., 177, 195, 202, 243, 249, 263, 268, 295, 298, 305, 307—310, 318, 322 Bergschneider, I. 78 Besson, W. 323 Beste, T. 37 Beutin, L. 272 Bierfelder, W. 301, 307, 314, 317 Bleicher, K. 296 Blessing, Κ . 300 Böckh, Α. 321 Böhm, F. 280 Böhm-Bawerk, E. v. 233
Böhrs, H. 295 Bossard, E. 235 Braun, W. 190 Bredt, O. 175, 179 f. Brentano, L. 199, 242, 246, 252, 277, 295, 321 Breughel, P. 263 Briefs, G. 281 Brincia mann, Α. E. 185 Brinkmann, C. 311 Brogan, D. W. 315 Bruckberger, R. L. 315 Bücher, K. 235, 271, 276, 298, 304 Bühler, O. 76, 316 Bülow, F. 230, 268, 273, 305, 322 Bürger, G. A. 251 Büsch, J. G. 235, 237 fP., 305 Burnham, J. 215, 315 Bußmann, K. F. 316 Calmes, A. 38 Calvin, J. 304 Carnegie, A. 96 Carpenter, S. 302 Cassel, G. 17, 233, 285 Cassirer, E. 237 Ceccherelli, A. 308 Chroust, A. 297 Clapham, J. 308 Clark, J. B. 17, 233, 277 Clark, J. M. 167 Clausewitz, C. v. 223 Cohen, H. 237 Coing, H. 310 Columbus, C. 17, 121 Comenius, J. A. 105, 315 Comte, A. 16 Corot, C. 263 Cotrugli, B. 65, 298, 305 Courbet, G. 321 Crowther, S. 272 Däbritz, W. 272 Dahrendorf, R. 294 Daumier, H. 321 Davanzatti, B. 305 Davenport, H. J. 242 Dawes, C. G. 286 Demmer, K. 315 De Roover, R. 308
Namenverzeichnis Deutsch, P. 310, 313 Dickens, C. 321 Dietz A. 322 Dietzel, H. 155, 233, 236, 240, 244, 320 Dilthey, W. 155, 237, 266, 304 Dörschel, A. 281, 295 Dopsch, A. 304 Dreißig, W. 311 Dubberke, H. A. 187, 204, 297 Dühring, E. 317 Ehm, E. 320 Ehrenberg, R. 17, 163, 199, 237, 246, 277 Ehrlicher, W. 300, 312 Einstein, A. 120 Ellinger, T. 276 Emminghaus, A. 235 Endemann, W. 276 Enderlen, E. 190, 299 Engels, F. 308 Erhard, L. 21, 37, 67, 70, 168, 196, 280, 309 Erzberger, M . 81 Eschenburg, T. 280, 295, 323 Eucken, W. 127, 233, 242, 244, 246, 295, 305, 309, 318, 322 Evans, A. P. 308 Fettel, J. 177, 187, 191, 195, 202, 295 f., 298, 301, 305, 308 f., 311 f., 318 Fichte, J. G. 234 Findeisen, F. 17, 202, 289 Fischer, G. 177, 247 Fischer, R. 299 Fischer-Baling, E. 323 Fleege-Althoff, F. 11 Flender, A. 179 Flick, F. 68 Flotow, F. v. 263 Flume, W. 280 Forker, H.-J. 298, 308, 310 f., 314, 318 Ford, H. 96, 272 Forstmann, A. 163, 170, 172, 308, 312, 318 Foxwell, H. S. 287 Frenz, G. 37 Friebe, S. 307 Friedrich, A. E. 214 Friedrich d. Gr. 197 Fröhler, L. 313 Fürstenberg, C. 220 Funke, H. 38 Gablentz, O. v. d. 295, 323 Gagarin, J. A. 302 Galilei, G. 56 Gasser, C. 310 Geck, L. H. A. 322 Gehlen, A. 261, 305
325
Geldmacher, E. 11, 21, 235, 286, 313 Gerstner, P. 297 Gide, C. 242 Giersch, H. 300 Gilbert, S. P. 286 Glenn, J. H. 302 Gobbers, E. 37 Goethe, J. W. v. 75, 105 f., 123, 145, 210, 218, 220, 262, 304 Goldschmidt, L. 276, 298 Goossens, F. 294 Gorki, M. 321 Goya, F. 321 Grimal, P. 321 Grochla, E. 211, 294, 296, 315 Großmann, H. 287 Grull, W. 38 Gsell, E. 235 Günther, A. 305 Gurland, A. R. L. 315 Gutenberg, E. 13, 32, 37, 70, 128, 146, 157, 163 f., 175 f., 177 f., 181—188, 190 if., 194, 199f., 202f., 208f., 2101, 230, 233, 240, 246 f., 251, 266, 285, 291, 293 f., 296 f., 307—313, 315—319, 322 Gutersohn, A. 235 Haas, F. 177 Hagenmüller, K. F. 310 Hahn, A. 285 Hankel, W. 300, 307, 318 Harriman, E. H. 272 Hartley, D. 261 Hartmann, N. 304 Harvey, W. 115, 304 Hasenack, W. 38, 70, 146, 177, 189, 203 f., 206, 210 f., 243, 296, 304, 307, 309 f. 312 ff. Hax, K . ' l l ff., 146, 177, 190 f., 194, 200, 204 f., 210, 230, 290, 293 f., 296 f., 299, 305, 307 ff., 312, 317 Heber, A. 11 Hegel, W. 96, 105, 184, 304, 321 Heinen, E. 296, 313 Heinrich I. 261 Heinze, J. 299 Helander, S. 232 f., 314 Hellauer, J. 32, 38, 174, 178, 199, 235, 243, 288 Helpenstein, F. 314 Hemingway, E. 257 Hennig, K. W. 38 Henzel, F. 11, 37, 211, 246, 294, 299, 308, 310, 312 Henzler, R. 11, 13, 279, 288, 313 Herbart, J. F. 315 Herder, J. G. 304 Herkner, H. 252 Hersum, A. C. 140
326
Namenverzeichnis
Hertlein, Α. 177, 310 Heuer, Η . 316 Hilferding, R. 160, 297 Hill, W. 188, 202, 235, 294, 310 Hintner, O. 11, 290, 310 Hirsch, J. 199, 233 Hobbes, T. 17, 105, 262 Hoffa, J. 280 Hoffmann, Α. 69, 182, 188,198, 235, 241 Hoffmann, W. G. 303 Hogarth, W. 263 Hohlfeld, H. 11, 177 Holzer, H. 191 Hoover, H. 286 Hostettler, E. 310 Humboldt, W. v. 184 Hume, D. 121 Hummel, O. 11 Hundhausen, C. 37, 177, 210 Hunke, S. 304 Illetschko, L. 176, 210, 295 f. Isaac, A. 11, 38, 177, 193, 247, 287 Jahn, G. 152 Jaspers, K. 20, 295 Jegel, A. 322 Jesus 261 Jevons, W. S. 287 Johns, R. 177, 308 Jürgensen, H. 296 Justi, J. G. 235, 305 Käfer, K. 310 Kaegbein, P. 308 Kalveram, W. 12, 18, 178,196, 199, 286, 304, 314 Kant, I. 120, 197, 304 Kapferer, C. 37 Keinhorst, H. 177, 180, 195 f., 202, 295, 310 Kellenbenz, H. 272 Kellner, W. 322 Keynes, J. M. 17, 172, 184, 196, 281 Kichnau, M. 293 Kienzle, O. 38 Kilger, W. 296 Kilthau, M. 310 f. Klages, H. 301 Kloidt, H. 296 Knapp, G. F. 196, 235, 291 Knecht, V. 37 Knies, C. 233, 244, 311 Koch, H. 192, 294, 296, 312—316 Koch, W. 211 König, R. 305 Kolbe, Κ . 180, 313, 316 Kolbinger, J. 206, 314 Kolumbus s. Columbus Kopernikus, Ν . 17, 121
Kosiol, E. 11 ff., 32, 36, 38, 177, 200, 203 f., 206, 208, 266, 269, 294, 296 f., 309, 311, 315 f. Krämer, H. 299, 316 f. Krebs, H. A. 69 Krelle, W. 293 Kreis, H. 37 Kromphardt, W. 83 Kuske, B. 163, 272 Langen, H. 296 Langfeldt, M. 314 Lassalle, F. 168, 172 Layton, W. 286 Le Bon, G. 280 Lechtape, H. 322 Le Coutre, W. 233, 289 Leder, F. 316 Lehmann, M. R. 11, 37, 66, 176, 199, 233, 245, 247, 288, 318 Leitherer, E. 294, 318 Leitner, F. 11, 13, 32, 37 f., 69, 182, 188, 198, 200, 210, 235, 240 f., 288 f., 302 Lenin, W. I. 215 Leontieff, W. 127, 148, 293 Lesskow, N. 321 Leuchs, J. M. 235, 237 ff., 305, 318 Lewis, S. 321 Liebermann, M. 263 Liefmann, R. 204, 236, 240 Lilienthal, J. 38 Lindwurm, A. 235 Lion, M. 189 Lisowsky, Α. 235, 247 List, F. 154, 188, 238, 318 Locke, J. 105 Löffelholz, J. 17, 162, 177, 185, 187, 202, 210, 241, 273, 288, 305, 312, 314 Lohmann, M. 13, 32, 37, 176, 186, 203, 208, 245 f., 266, 316 Longfellow, H. W. 321 Lopez, R. S. 272, 308, 321 Lorenz, C. 152 Ludovici, C. G. 235, 237 ff., 305 Ludwig, H. 312 f., 318 Lücke, P. 262 Lukas 261 Luther, M. 104 Luxemburg, R. 297 Machiavelli 304 Mahlberg, W. 11 f., 171, 188, 199, 235, 242, 285 f. Malinowski, B. 320 Manet, E. 263 Mannheim, K. 261, 269, 305 Mannheimer, W. 289 Marperger, P. J. 305 Marshall, A. 17, 162, 239, 242, 248 Marx, K. 93, 98, 161, 163, 172, 176, 186, 215, 269, 297, 300 f., 307 f., 314
Namenverzeichnis Matthäus 261 Matschoß, C. 273 Mauersberg, H. 322 Mayo, E. 282 McNair, M. P. 140 Meinecke, F. 220 Mellerowicz, K. 13, 22, 37 f., 156, 177, 181, 191, 210, 266, 269, 293, 310, 312 Mellon, A. W. M. 96 Menger, K. 233 Menzel, A. v. 263 Merkel, H. G. 195, 299 Mertsch, F. 216 Mestmäcker, E. J. 315 Meyer, C. F. 100 Meyer, C. W. 297, 309 Meyer, E. 271, 295, 304, 321 Meyer, P . W . 249 Michel, E. 38 Miller, M . 185 f., 190, 202 Millet, J. F. 321 Mirabeau, d. Ä. 121, 303 Mises. L. v. 120, 306, 317 Mitchell, W. C. 277 Möller, H. 233, 246, 318 Moser, J. 236, 239 Mötteli, H. 235 Monet, C. 263 Montesquieu, C. d. S. 304 Morgenstern, C. 232 Moser, H. 249 Moulton, H . G . 16 Moxter, A. 177, 180, 193, 202, 294 f., 312 314 Müller, A. 127, 184, 313 Müller, K. O. 308 Müller, Κ . V. 322 Müller 37 Müller-Armack, A. 269, 279, 302 Münster, L. 313 Muscheid, W. 188 f., 191, 294, 310, 312, 314 Muthesius, V. 313 Myers, G. 272 Natorp, P. 237 Nell-Breuning, Ο. v. 301 Neubert, Η . 313 Neumann, W. 299 Newton, I. 56 Nicklisch, H. 11, 13, 18, 27, 32, 37 f., 177, 188, 196, 199 f., 202, 207, 230, 235, 241, 288 f., 317 Norden, H. 36 Nordsieck, F. 38, 176, 295 Nowak, P. 313 Oberparieiter, K. 235 Obst, G. 11, 289 f. Oken, L. 125
327
Oppenheimer, F. 16, 69, 161, 204, 272, 305 Ortega y Gasset, J. 280 Osbahr, W. 80, 299 Ott, W. 249 Pacioli, L. 65 Pape, E. 247 Pareto, V. 17, 305 Paulsen, Α. 312, 316 Paulssen, H.-C. 179, 214 Pausenberger, E. 316 Penndorf, Β. 17, 240, 273, 288, 295, 305 Pentzlin, Κ . 179, 214 Peri, G. D. 305 Perón, E. 81 Pestalozzi, J. H. 105 Petzet, M. 321 Philippovich, E. v. 239 f. Piggott, S. 320 Plato 105 Plenge, J. 15, 57, 68 f., 79 f., 93, 98, 119, 127, 132, 148, 155, 160 f., 163, 176, 204, 207, 233, 240, 252, 270, 276, 297 f., 301, 303 f., 305 if., 309, 314, 317, 319 Plum, G. 38 Pöhlmann, G. 316 Pölnitz, G. v. 163, 272, 301 Pohmer, D. 194 f. Postan, M. 272, 308, 321 Power, E. 308 Preiser, E. 163, 180, 193 Prion, W. U f f . , 182, 199 f., 206, 210, 235, 246, 285, 318 Pritzkoleit, Κ . 322 Proesler, Η . 66, 276, 297, 304 f. Pütz, T. 322 Quesnay, F. 15, 115, 207, 236, 304 Ranke, L. v. 65 Rau, K . H . 237 Raymond, I. W. 272, 308, 321 Redlich, H. 272 Reißermayer, H. 296 Reithinger, A. 37 Reusch, H. 179 Heuter, F. 220 Reuther, O. 11 Ricardo, D. 152, 154, 161 Rieh, E. E. 308, 321 Richter, W. 320 Rickert, H. 237, 266, 304 Riebel, P. 296 Rieger, W. 13, 37, 40, 67, 69, 80, 93, 157, 178, 180—183, 186—196, 200, 202, 205, 232, 235, 241, 247, 290 f., 294, 297, 299, 301, 306 ff., 312, 314 Rintelen, F.-J. v. 304
143, 198, 285, 310,
328
Namenverzeichnis
Ritsehl, H. 165 Rittershausen, H. 177, 210, 294, 309, 317 320 Rockefeller, J. D. 96, 272 Rodbertus, J. K. 235, 244, 252, 311 Röpke, W. 280 Rörig, F. 271, 308, 322 Rößle, Κ . 37, 247, 313 Roethlisberger, F. 282 Roosevelt, F. D. 244 Roscher, W. 233, 238 Rosenstiel, F. H. 298 Rostovtzeff, M . 272, 321 Roth, J. F. 322 Rousseau, J. J. 105, 304 Ruberg, C. 37, 177, 308, 310 Rüstow, A. 303 Rummel, B. 39 Rummel, K. 38 Runtinger, M. 298 Sagan, F. 257 Salin, E. 204, 230, 234 f., 2S9 Sandig, C. 11, 18, 177, 202 Sauermann, H. 163 Savary, J. 211, 239, 305 Say, J. B. 115, 148, 176, 207, 240, 242, 268, 298 Sayers, R. S. 272 Schacht, H. 286 Schack, H. 234 Schäfer, E. 13, 32, 37, 70, 146, 153 f., 176 f., 182, 202, 208, 210, 213, 241 ff., 296, 306 f., 309 Schäffer, F. 84 Schäffle, A. 88 Schär, J. F. 174, 196, 199 f., 235, 240 Scharmann, T. 281, 295, 322 Scheller, G. 11 Schelsky, H. 295, 305 Scherke, F. 322 Scherpf, P. 177 Scheytt, M . 310 f. Schilcher, R. 244, 312, 318 Schiller, F. 65, 144 Schlesinger, A. M. 315 Schlesinger, G. 38 Schmalenbach, E. 11—15, 30, 321, 36 f., 38, 72, 163, 174, 177 f., 180, 183, 186—193, 196, 198 ff., 202, 204, 207, 233, 235 f., 238, 241 f., 273, 283, 286, 289 ff., 294, 300, 308, 314, 317 f. Schmaltz, Κ . 11, 177 Schmidt, F. 12 f., 30, 32 ff., 144, 178, 187, 190, 199 f., 235, 241 f., 287 f., 293, 306, 313 f. Schmitt, C. 125, 303 Schmölders, G. 300 Schmoller, G. 236, 239, 252, 277 Schnabel, F. 136
Schnell 238 Schneider, E. 26,127,157,175, 208, 244, 246, 248, 312 Schnettler, A. 13, 32, 36, 177, 204, 206, 297, 308 Schnutenhaus, O. R. 38, 176 f., 210, 294 f., 310, 314 Schönberg, G. 276, 304 Schönitz, H. 177, 240, 246 Schönle, H. 299 Schönpflug, F. 13, 178, 312 Scholz, G. 313 Schütz, W. 296 Schütz, W. v. 37 Schulte, A. 162 Schulz-Mehrin, O. 37 Schulze-Delitzsch, H. 168 Schumpeter, J. 57, 69, 74, 161, 185, 204, 236 Schwantag, K. 177, 230, 309 Schwarz, H. 266 Seischab, H. 11, 177 f., 230, 293, 309 Senisio, A. 65 Serveto, M. 304 Seyffert, R. 17, 37 f., 177. 199 ff., 204, 206, 209 ff., 241, 269, 273, 288, 297, 305, 310 Sieber, E. H. 11, 13, 70, 128, 177, 180, 182, 193, 195, 202, 2101, 231, 295, 298, 305, 308 f., 312, 315, 318 Sieber, G. 82 Sieveking, H. 17, 163, 277 Smith, A. 152, 154, 161 f., 171, 209, 238, 260 Sokrates 262 Sombart, W. 17, 56, 69, 72, 121, 161, 204, 2321, 236 ff., 241, 248, 269, 304 f., 317, 322 Sommerfeld, H. 11 Spann, O. 127, 199, 214 Specht, K. G. 295, 322 Spengler, O. 17 f., 56, 121, 304 Spiethoff, A. 204, 233, 287 Spranger, E. 197 Stackelberg, H. v. 127, 242, 248 Stammer, O. 230 Stavenhagen, G. 230, 233 Stefanic-Allmayer, K. 38, 295 Stein, L. v. 233, 239, 242, 252, 311 Steinhüser, F. A. 243 Stern, R. 38, 288 Stinnes, H. 68 Stolzmann, R. 232 f. Strickrodt, G. 293 Stucken, R. 300 Sundhoff, E. 177, 294 Suranyi-Unger, T. 234, 236 f. Szagunn, V. 299 Szyperski, N. 311
Namenverzeichnis Tautscher, Α. 234 Tawney, R. H. 172, 304 Tegethoff, G. 299 Thackeray, W. M. 263, 321 Thalheim, K. C. 230 Theisinger, K. 11, 39 Thieß, E. 308 Thomas, K. 195, 299 Thoms, W. 11, 18, 211 Thünen, J. H. v. 127 Thurnwald, R. 320 Titow, G. 302 Töndury, H. 235 Toynbee, A. 272 Trevelyan, G. M. 272 Tuchtfeldt, E. 313 Turgenjew, I. S. 321 Twain, M. 321 Ulrich, H. 235, 295, 310 Uzzano, G. A. da 305 Vanderbilt, C. 272 Veblen, T. 173, 277 Veit, O. 244, 300, 318 Vershofen, W. 13 f., 37, 70, 153, 243, 249, 261, 263, 301, 307, 310 Virchow, R. 125 Vischer, F. T. 302 Vits, H. 179, 214 Vögeler, A. 286 Vögelin, E. 323 Volk, Κ . Η . 235 Vollrodt, W. 304 Voltaire, F.-M. 76, 228 Vormbaum, H. 296 Waentig, H. 238 Wagenlehner, G. 307 Wagner, Α. 233, 236, 239 f., 244, 320 Walb, E. 11 f., 13, 17, 80, 174, 199, 241 ff., 246 f., 273, 285 f., 306, 308 Walther, A. 182, 194, 235, 294, 310 Wawrezeck, C. 157
Weber, Adolf 167, 244, 247 f., 277, 285, 290, 307, 309, 318, 320, 322 Weber, Alfred 127 Weber, E. 298, 305 Weber, H. 316 Weber, M. 17, 155, 161, 163, 237, 269, 276, 295, 304 f. Weddigen, W. 66, 230—233, 240, 293, 304, 306, 311, 315, 317 Weichmann, H. 157 Weinberger, O. 230, 233 f., 236 Weippert, G. 269, 305 Weiß, L. 289 Wepner, G. 318 Weisser, G. 165, 182 Wessels, T. 205, 230, 293, 305, 309 Weyermann, M. 177, 240, 246 Wickert, L. 321 Wicksell, K. 17 Wiedenfeld, K. 322 Wiese, L. v. 270 Wieser, F. v. 236 Wiethölter, R. 315 Wilde, O. 303 Wille, K. 307 Winckler, J. 261 Windelband, W. 237, 266 Winschuh, J. 322 Wirtz, C. 14, 179 Wittmann, W. 193 f., 202, 294, 296 Wöhe, G. 294, 296, 310 Wolff, Ο. 68 Worret, F. 195, 305 Young, O. D. 286 Zahnd, R. 194 Zeitel, G. 300 Zepeck, F. 296 Ziegenfuß, W. 322 Ziesel, K. 296 Zimmerer, C. 299 Zola, E. 321 Zwiedineck-Südenhorst, O. v. 285
Sachverzeichnis Absatz 52, 1681 Abschlußprüfung 76, 82 Abschreibung 271, 7 7 1 Abstraktion 110, 255 f., 264 f., 2691 Adler-Werke 185 A E G 229 Aktiengesellschaft 102, 215, 226 ff. — gesetz 76, 82, 275, 299 — markt 84 f., 102, 300 — rechtsreform 12, 299 — rendite 84, 300 Aktionär 223 f., 226, 275, 298 Allianz Lebensversicherungs A G 229 American Telephone & Telegraph Co. 62, 298 Anordnung 103, 302 Anschaifungswert 28 Anschaulichkeit 105 Anthropologie 261, 269, 320 Arbeitsakkumulation 43 — kapital 44 — Ordnung 101 — recht 278 Aufwand 27, 29, 35, 188 Ausgaben 271, 341, 73, 171 Bank deutscher Länder 84 Banken 21, 83, 85, 130 Bankenquête 38 — geld 45, 83 — kostenrechnung 38 f. — kredit 227 Bargeld 83, 92 Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank 273 Bayerische Staatsbank 273 Bayerische Vereinsbank 229 Bedarfsdeckung 961, 148, 1531 Begriffe 255, 264 — anschauliche 110—113 Betrieb 13, 15 f., 30, 67, 88 f., 97—100, 1241, 133, 168, 171, 181 ff., 1851, 188, 192, 195, 200 f., 203, 206, 208 f., 211, 266—288, 300, 310 if., 322 — Kapitalanlage 88—104 —, lebende Einheit 88—104, 206 —, soziale Einheit 93 ff. —, technische Einheit 94 Betriebsaufgabe 96 f., 100 — buchhaltung 35, 55 — formen 30 f.
— — — — — —
forschung, empirische 31 klima 281 f. leistung 26 f., 58 Ordnung 40, 95, 101 ff. organisation 16, 58, 61, 302 prozeß 24, 26, 43, 54 f., 146, 195, 207 f. — rechnung 47, 130 — recht 277 f. — Soziologie 270, 322 — system 40, 61, 125 , Lokalisierung 125, 305 — typologie 30 f., 33 Betriebswirtschaftslehre 15, 31, 58, 641, 681, 74, 77, 100, 131—147, 167, 169, 182, 203, 207, 230—248, 266, 301, 303, 311, 319 —, Allgemeine 13, 37, 39, 199 —, Aufgabe 180, 185 f., 198, 248 —, Ausbau 145 —, Ausbildungsziel 134—137, 140, 143 ff., 179, 214 —, ausländische 178, 244, 266, 294 —, deutsche 11—21, 66 f., 175, 181 bis 197, 198—214 —, ethisch fundierte Richtung 18, 295 —, Fachbezeichnung 241, 289 — Fachkritik 13, 19, 135, 177, 180, 189, 191—194, 202, 294 — Fachvertreter 11 ff., 18, 201, 32, 134 ff., 176 ff., 187, 200, 2091, 212, 230, 233, 235, 237—241, 243, 245 ff., 293 —, Forschung 134—140, 176 f., 180, 198, 209 f., 306 —, funktionale 210 f., 314 f. —, Geschichte 11, 17 ff., 99, 131 ff., 198, 200, 240, 273, 287 f., 296, 305, 321 — Grundbegriffe 297 —, Habilitationen 11 ff., 19 —, Krise 175—180 —, Kunstlehre 232 — Lehrbetrieb 15, 1341, 140—145, 198, 208, 210, 213 f., 293 —, Lehre 134—140, 180, 198, 210, 306 —»Lehrgebäude 1 2 1 —, Lehrmethode 12, 212 —, Literatur 12, 1761, 1801, 188— 196, 230 f., 235, 241, 294, 305 —, Mathematik 17, 181 —, Methoden 16, 180 f., 185, 1921
Sachverzeichnis —, Methodenmonismus 185, 187, 312, 314 —, Methodenstreit 181, 185, 187, 210 —, Nachbarwissenschaften 139, 176 f., 186, 266—282, 295 —, Neue Tendenzen 198—214 —, normative 192, 202 — Objekt 13 f., 23, 90, 1321, 1381, 1461, 171, 1731, 181 ff., 185—188, 192, 194 f., 200, 202 f., 204, 206, 212, 241, 246 f., 268, 293 f., 297, 318 f., 322 —, Parteipolitik 1 8 1 —, Praxisnähe 12, 34, 36, 137 ff., 142 f., 212, 293 —, Promotionen 19 f., 178, 189, 213 —, spezielle 38 f., 140 f., 199, 210 ff. —, Stellung 12, 19 f., 134, 136, 178, 198 f., 208, 210, 212 — Sternstunden 283—291 — Studienplan 2 1 3 1 —, Systematik 12, 16, 243, 293 —, Technik 17, 192 —, theoretische 15, 17, 27, 295 —, Theorie 12, 15, 33, 37 f., 192 —, Universalwissenschaft 241 —, Unwissenschaftlichkeit 19 f. —, Volkswirtschaftliche Lehrmeinungen über 230—248 B E W A G 62 Bewegungsbilanz 313 Bewertung 65, 76, 165 f., 222, 316 Bewirtschaftung 89 f., 92 Beziehung(en) 16, 30, 36, 591, 971, 102 Bilanz 14, 27, 165 f., 228 f. Bilanzkontinuität 217 — korrektur 74 f., 189 ff. — kritik 224 — politik 217, 220—224 — termin 225 f. — theorien 13, 52, 76, 191, 299 — Umstellung 76 Biologie 111 f., 152 Blutkreislauf 115, 304 B M W 201 Bochumer Verein 273 Börse 128, 227 Botanik 1121 Buchgeld 44 — halter 138, 142 f. — haltung 12, 17, 22, 51, 57, 60 1, 65, 72, 143, 217, 308 Bundesregierung Kapitalmarktpolitik 79, 83 f. Bundesrepublik Deutschland, Aktiengesellschaften 226 f., 229, 275 —, Grundgesetz 278 —, Konsumentenkredit 83 —»Sparkonten 98 Bundeswirtschaftsminister 67, 168
331
Chemie 31, 54, 69, 80, 111 ff., 168 Coca Cola 92 Commonwealth 304 Daimler-Benz A G 274 Deduktion 31, 181 Definitionsfreiheit 183 Denken 33 f., 40, 48—51, 53, 105 1 Denkprozeß 249, 255 f., 264, 320 —, Stufen 250—253, 257 ff. Deutsche Bank 229 Deutsche Bundesbahn 209 Deutsche Bundesbank 82, 299 f. Deutsche Bundespost 210 Deutsche Forschungsgemeinschaft 210 Dichtkunst 261 ff. Dienen 7 5 1 Diplom-Handelslehrer 17, 178, 212 Diplom-Ingenieur 134, 1781, 209 Diplom-Kaufmann 1341, 138, 141 1, 144, 146, 179, 199, 213 Diplom-Volkswirt 146, 178 Disponieren 54 f. Dresdner Bank 229 Drittes Reich 81, 227, 266 Dynamik 16, 58 f., 63, 71 ff., 112, 203 Effektenanlagen, Industrie 78 f. E F T A 279 Eigenkapital 43, 221, 228 Eigenmarkt 70, 99 f. Eigentum 63, 81, 215 f. Einkommen 114 Einnahmen 73 Einzelwirtschaftslehre 131 f., 234 Eiserner Bestand 74 f., 133 Empirie 31 Entscheidungen 49, 53 f. Erfolg 14, 76 Erfolgsneutralisierung 29 — rechnung 25 f., 29 f., 76 Erlös 22, 156 Ertrag 29, 35, 64, 75, 89, 92, 188 Erwerb 96 Erwerbsbetrieb 221, 26, 36, 401, 44 ff., 56, 80, 89, 96, 124 f., 127 ff., 174, 297 —, Entwicklung 42—44 —»Errichtung 42—44 —»Verdichtung 44—47 —, Verflechtung 44—47 Erwerbstreben 96 Essener Credit-Anstalt 273 Ethik 149 Ethnologie 261, 269 Evolution 116 E W G 279 E Z U 279 Fachmarkt 70, 79, 99 f. Farbenfabriken Bayer 229 Film 1221
332
averzeichnis
Finanzbuchhaltung 35, 55 Finanzierung 15,42,73,77,133,135,169 Finanzplan 36, 72 f., 224 — politik 225 ff., 300 — sphäre 92, 243 f. — Verwaltung 228 First National City Bank 298 Föderalismus 278 f. Ford Motor Co. 298 Frankfurter Schule 32, 287 f. Frankreich 266 Französische Union 304 Freiheit 100, 103 f., 134, 267, 279 Fremdfinanzierung 43 Führungsmittel 103 Funktionen 37, 49, 127, 211 Funktionskreise 15 Geisteswissenschaften 134, 175, 261, 266 Geld 50, 54, 57, 66 f., 85 f., 113,118,150, 159 ff., 163, 166 f., 170, 173, 196, 291 Geldakkumulation 43 — bewegungen 47 — denken 21, 26, 205, 313 f. — funktion 79 f., 161 f. — großen 50, 157 f., 188, 190, 224 — kredit 44 f. — markt 170, 244 — marktforschung 78, 133 —, Organisationsmittel 79 —, Rechenmittel 57, 74 — rechnung 23, 25, 50, 69, 187 f., 205, 294 — schleier 23 — Schöpfung, staatliche 66, 68, 84 — Sphäre 186, 202, 244 —, Staatssache 66, 71, 74 —, Tauschmittel 160 f. —, Verkehrsmittel 160 f. — volumen 66, 68 —, Wandel 66—87 Geld—Ware—Geld 98, 300, 307 Geldwertschwankungen 19, 29, 35, 62 f., 67 f., 74, 77, 79 f., 86, 157 f., 166, 189 f., 191, 286, 290 f., 299, 312 — wesen 16, 64 — Wirtschaft 45, 243 Gemeinwirtschaftlichkeit 14, 180, 193, 200 f., 239, 284, 294 General Electric Corp. 274 Generalisierung 255 f., 260, 320 General Motors Corp. 62, 298 Geographie 111 f., 267 Geologie 111 f., 116 Geschichte 17, 116, 133, 139, 175 f., 184, 196, 240, 252, 261, 267, 270, 272, 321f. Gesetz der fixen Kosten 284 Gesetzgebung 81 ff. Gewalt 102 f.
Gewinn 68 f. 72, 75, 133, 149, 159, 165 f., 173, 228 f. Gewinnakkumulation 43 — maximierung 219, 316 — streben 48, 91, 167, 281 Gläubigerschutz 82 Gleichgewicht 16 Goldwährung 66 Großbritannien, London Stock Exchange 46 —, Sozialisierung 64 Großunternehmung 56, 209, 313, 227 — Verbindlichkeiten 227 Grundig-Werke 185 Grundkapital 85, 169, 227 Gütersphäre 85 ff., 92,188, 207, 244, 277 Gut 45, 50, 54, 85 f., 118, 132, 150, 166 ff., 170 Handel 200 f. Handeln 33 f., 40, 48—51, 53, 218, 220 Handelsakademiker, deutsche 237 ff., 242, 317 Handelsbilanz 221 f. — bûcher 51, 297 f. — gesetzbuch (HGB) 80 — hochschulen 11, 135 f., 198 f. — schulen 2, 13, 17 Hanomag 273 Haushalt 46, 56, 88 f., 91, 99, 101, 124 f., 128, 132 f., 151 ff., 156 f., 162, 170 bis 174, 204, 206, 248, 269, 277, 297, 309, 322 Hochschulen s. Universitäten Hoesch A G 229 Holland 266 Homogenität 128 Homo oeconomicus 152, 209, 255, 260, 263, 319 f. Human Relations 282 Individualität 63 f., 168 Individuum 113, 320 Induktion 31, 181 Industrialisierung 276 Industriebetriebslehre 21, 37, 313 Ingenieure 21, 38 Instanzenzug 54 f. Institute of Enterpreneurial History 272 Interessenkollision 315 Interessenten 20 Investierung 42, 77 ff., 169, 299 Investitionsplan 224 Jahresabschluß 215—229 —, Aufstellung 217, 220 f., 223, 226, 317 —, Feststellung 221, 223, 226 —, Politik 226 —, Zweck 218, 222 Jubiläumsschriften 273
Sachverzeichnis Juristen 82 f., 209, 315 Juristische Person 215 f., 304 Kalkulation 25, 51 f., 302 Kalkulieren 51—54 Kameralistik 17, 184, 243, 317 Kapital 22 f., 26, 35, 44, 69, 72 f., 76, 86, 88 f., 92 f., 100, 132 f., 159—162, 168 f., 172 f., 187, 192, 203, 206, 208, 247 f., 309, 314 Kapitalakkumulation 42 f., 299 — anlage 93 — gesellschaften, Gesetz 299 — ansatz 42 — arbeit 44 — begriff 68 f., 161—164, 166, 206, 247 f., 301 — bewirtschaftung 26, 207 — disposition 72 f. — einsatz 14, 22, 26, 42, 50, 90, 101, 169, 188, 207 — erhaltung 285 — ersatz 22, 26, 42, 50, 90, 169, 208 Kapitalismus 13, 17, 72, 165, 172, 204, 248, 322 Kapitalist 92 f. Kapital, Knappheit 19 Kapitalkonto 17, 186 — markt 42, 79,170, 244 —, Marktforschung 71, 133 — prozeß 44, 72 f., 88—92, 104, 132, 146, 160, 169, 171, 300 —, Rechengröße 26 — rechnung 14, 23, 25 ff., 28 f., 35, 40—65, 72—75, 91, 93, 121, 157, 162, 164, 180, 207 —, Genauigkeit 57, 60 f., 64 f., 74, 78 —, Hauptgesichtspunkte 48—59 — struktur 25, 229 — Umsatz 42, 90, 208 — Umschlag 41 — verkehr 83 f. —, Verkehrsgröße 76 — Wirtschaft 17, 22 f., 25, 27 f., 40—65, 72, 157 —, Phasen 41—47 —, Vorrätigkeit 162 ff. Kaufkraftveränderung 27 f., 35, 77 Kausalität 49, 53 f., 69, 73 Kölner Schule 12, 32, 190, 195, 200 f., 283—286 Kohlenhalden 201, 313 Kompetenz 97 Konjunktur 203, 287, 313 Konkurrenz s. Wettbewerb Konsumentenkredit 82 ff., 172, 300 Kontenrahmen 12, 35 f. Konto 17 Kontrolle 55, 61, 93, 103, 302 —, soziale 167 f.
Konzeptionen, anschauliche 114 Kosten 22—39, 63, 156, 171, 173, 191, 248, 284, 305 —, Ausgabencharakter 27, 29 —, Begriff 12, 22, 35, 53, 156 —, elastizität 31 — entstehung 28 f. —, Geldgrößen 25 f., 53, 157 —, Güterverzehr 23, 26, 34 —, kalkulatorische 28 ff., 34 f., 52 f., 165 —, Kapitalnatur 23 — lehre 22—39, 191 — mengen 26 —, Rechengröße 28 — rechnung 19, 22—29, 33 f., 37, 157 —, Geldrechnung 23 —, Güterrechnung 23 — rechnungsvorschriften, amtliche 29, 34 f., 52, 74 f., 133, 158 f. — struktur 25 — verlauf, Dynamik 25 —, Zahlgröße 28 Kreditbetrug 82 f. — geld 44 f. — kontrolle 84 — verkehr 83 f. Kreditwesengesetz (KWG) 82, 278, 299, 322 Kreislauf 114 f., 207 — idee 115, 127, 146 Krupp 227, 273 Kulturwissenschaft 149 Landeszentralbanken, Gesetze 82 Lebensformen 111 f. Leistung 180, 201, 306 Leistungserstellung 26 — prämie 201 Leitung 103, 147, 302 Lieferantenkredit 83 f. Liquidität 169, 223—226 Lochkartensystem 51 Logik 17, 33, 183, 196 Lohnstop 19 LSÖ 158 Macht 102 f., 159, 305 M A N 229 Manager 92, 215 Mannesmann 229, 273 M a r k = M a r k 27, 66, 205 Markt 23 f., 30, 34, 36, 401, 43—46, 50, 57, 67, 86, 98—101, 114, 119, 132, 150, 170, 1721, 186, 1951, 207, 266—282, 318 f., 320 f. —, abstrakter 257, 267 f. —, Begriff 261—264 — entnähme 307, 320 — ferne 260 — formen 301, 35, 242
384
Sachverzeichnis
— forschung 12,30,153 f., 191,242 f., 255 — geschehen 100, 195, 262 f., 319 — geschichte 271 f., 321 f. — gesellschaft 170, 184 — konformität 59 —, konkreter 257 — leistung 58 — Ordnung 278 — organisation 45 f., 58, 169, 244, 257 — preis 155 f., 158, 194 — recht 274, 276 f. — Soziologie 270 — Stellung 43 — system 40—44, 54 f., 61, 70 f., 79, 88, 90 f., 99 f., 125,129,132,137,146,170 f. Marktwirtschaft s. Verkehrswirtschaft Marxismus 215 Masse 275, 280 Medizin 119, 144, 176 Mengengrößen 50, 53 f., 157, 167 — kosten 26 — rechnung 25 Mensch 16, 18, 100, 206, 260 f., 274, 320 Mensch und Markt, Beziehungen 249—265, 319 Merkantilismus 184 Messen 316 MikroÖkonomik 166 Monopol 52 Nationalsozialismus 83, 202, 320 Natur, Begriff 111 f. —»Konzeptionen 114 ff. —, Systeme 117 ff. Naturwissenschaften 16, 140, 175, 201, 204, 212 —, Begriffe 112 f. —»Konzeptionen 116 —, Systeme 119 f., 126 N S U 201 Nürnberger Schule 13, 36, 79, 153 Nutzen 63 Nutzenschätzungen 124, 155 Objekt 16, 105, 249, 250 Objektivation 50, 58, 97, 99, 206, 215 f., 249—265, 314, 319 —, Stufen 250—253, 257—260, 264 OEEC/OECD 279 Oetker 185 f. öffentliche Betriebe 308 ökonomisches Prinzip 201, 204, 219 Ökonometrie 99, 209 Österreich 266 Ordnung 59 f., 103 Organisation 15, 55, 59, 79, 103, 133, 135, 289 Organisationslehre 15 f., 37 f. — schema 106 f.
Pädagogik 144 Philosophie 16 f., 102 f., 105, 133, 184, 204, 261 f., 267, 304 —, Begriffe 113 —, Konzeptionen 116 f. —, Systeme 120 Physik 16, 54, 69, 106, 112, 118, 144 Physiokraten 126 Planung 56, 59 f., 87, 97, 109, 218, 316 Planwirtschaft 13 f., 29, 68, 140, 151, 185 Politik 102 f., 176, 184 Politik des billigen Geldes 163 Politische Wissenschaften 139, 213, 267, 278 ff., 322 Preis(e) 22, 24 f., 33, 51, 158, 173, 238 f. Preisbildung 24 f., 51 ff., 117, 128, 140, 319 Preiskontrolle, behördliche 27, 29, 68, 74 f., 158 f. — politik 32—35 — relationen 24 — stop 19 Privatisierung 275, 298 Privatökonomik 166 f., 172 f. Privatwirtschaft 27, 91, 96 f., 108, 301, 304 Privatwirtschaftslehre 69, 182, 188, 193 ff., 198, 202 f., 231, 237, 239, 241, 268, 277, 288 f., 313 f., 318 Produktion 148 ff., 153, 169, 173, 204, 207 Produktivität 64, 79 f., 167, 201, 207, 277, 308 Propädeutik, 17, 142, 213, 295 Psychologie 58, 69, 80, 99, 106, 112, 119, 124, 128, 139, 144, 176, 209, 261, 267, 280, 302 f., 320 Public Relations 280 Qualität 52 ff. Quantifizierung 112, 120 Quantität 54 Rationalität 218 ff., 263 f. Rationalprinzip 14, 219 f. Realkapital 85, 162, 169 Rechnen 48 f., 51 Rechnungswesen 15, 18, 103, 109, 138, 143, 164, 297, 302 Recht 29, 184, 196, 297, 302, 310 Rechtsform 275 — Ordnung 71 f., 86, 90, 117, 205 — sprechung 81 ff. — Verhältnisse 274 f. — Wissenschaft 133, 139, 176 f., 184, 213, 240, 267, 273 f., 277 f. Regulieren 54 f. Reichsbahn 39 Reichsbank 273
Sachverzeichnis Rentabilität 64 f., 133, 146, 149, 167, 169, 200 ff., 206 f., 277, 284, 308, 314 Reparationen 285 f. Reservefonds 80 — güter 80 Reserven, stille 19, 65, 223 Risiko 41 R K W 12, 36 Rücklagen 226 f. Rückstellungen 227 f. Sammelwerke 12, 199 f., 292 f. Scheingewinne 74 f., 133, 188 f., 285 Schema 122 Schenkung 28 Schreiben 51 Schwarzer Montag 300 Schweiz 266 Sehen 105 f. Selbstfinanzierung 78 f. Siemens 273 Sowjetunion 94, 215, 307 Sowjetzone 94 Sozialismus 13, 64, 96, 165 Sozialmarkt 70, 86, 99 ff. Sozialökonomik 97, 153 f., 166 f., 172 f. Sozialordnung 101 Sozialprodukt 114 Sozialrecht 81, 278 Sozialverbrauch 151, 153 f. Sozialversicherung 89 Sozialwirtschaft 91, 96, 203, 301 Sozialwissenschaften 134, 149, 213 —, Begriffe 113 —, Konzeptionen 117 —, Systeme 120 f. Soziologie 15 f., 27, 40, 61, 63, 89, 91, 120 f., 133, 139, 175 f., 184, 196, 209, 213, 252, 261, 267, 269 f., 272, 305, 309 320 Sparen 42, 64, 77 ff., 93, 161, 171 f., 299 Sparer 27 Spekulieren 51—54 Spezialisten 144 f., 179 Sprachgebrauch 261 Sprachwissenschaften 267 Staat 81, 102, 141, 166, 184, 311 Stadtgeschichte 271 f. Statik 16, 58 f., 63, 72 f., 203 Steuerbilanz 221 f. Steuern 226,228 Steuerreform 81, 84 Stillhalteabkommen 286 Struktur 63 Strukturbildung 42 Stufenbildung 98, 319 Subjekt 16, 97, 105, 249 Subjektivation 50, 99, 206, 249—265, 319 —, Stufen 250 ff., 257—260, 264
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Substanzerhaltung 35, 69, 187 f., 189, 290 Symbol 122 System 110, 124 f., 140, 317 Systemdifferenz 144, 195 f., 297 Systeme, anschauliche 117—121 Systemindifferenz 46, 134, 195 f., 297 Tableau Economique 304 Tageswert 28, 53 Tausch 267, 300 Tauschakt 24, 275 — wert 154 ff., 300 Technik 54, 107 Technologie 58, 80, 133 f., 1451, 159, 201 Teilmärkte s. Marktsystem Theologie 113, 144 Theorie 31 Triumph-Werke 185 Umsatz 41, 45, 67 — akte 98 —, volkswirtschaftlicher 98 f. Umsetzung 301 Universitäten 11 f., 134 ff., 142, 145, 178, 198 f., 212 f., 279, 321 f. Unsicherheit 53 Unternehmer 14, 92, 108 f., 196, 200 f., 279, 284 Unternehmung 13 f., 52, 66 f., 70 f., 75, 85 f., 89 f., 101, 108 f., 133 ff., 161 bis 174, 181 ff., 185—188, 192, 194 ff., 202 f., 206—209, 211, 223, 233, 239, 241 f., 246, 248, 266—282, 2941, 300, 310 f., 318, 322 —, Auflösung 102 —, Marktobjekt 102 Unternehmungsform 301 — forschung 294 — führung 73 — geschichte 272 — gewinn 1651 — organisation 151, 302 — politik 215—229, 242, 294 — psychologie 281 — recht 277 — Soziologie 270, 322 —, Wandel 66—87 Verbände 36, 38, 141, 276, 279 Verband Deutscher Diplom-Kauf leute (VDDK) 36 Verbrauch 148 ff., 152 ff., 171 ff., 204 f. Verbraucherverhalten 257 ff. Verbrauchsbetrieb 125 1, 204 f. Verbrauchsforschung 152 ff. Verdienen 7 5 1 Verein Deutscher Ingenieure (VDI) 36 Verein Deutscher MaschinenbauAnstalten (VDMA) 36
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averzeichnis
Vereinigte Staaten von Amerika 94, 98, 210, 266, 300, 307, 315 —, Konsumentenkredit 83 f. Vereinsbank Hamburg 273 Verfügungsgewalt 216 Verkauf 150 Verkehr 116 Verkehrswirtschaft 15, 23, 27, 40 f., 45 f., 52, 57, 60, 76, 80, 85 f., 88, 90, 101, 127, 132, 140, 146 f., 148—152, 154 f., 158—161, 164, 167, 170, 172 if., 185, 195 f., 203, 235, 243 f., 245, 257, 275 ff., 284, 297, 319 —, Phasen 115, 148, 151, 153, 171, 207, 240, 268 Versicherungen 83, 85 Verteilung 148—151, 153, 173 Vertrag 94 f. Verwaltung 60 f., 89 Verwertungsproduktion 80, 132, 148 ff., 156, 207, 314 Volkswagenwerk A G 275, 298, 308 Volkswirtschaftslehre 12, 15, 17 f., 20 f., 30, 32, 64, 91, 97, 107, 133 f., 137, 139, 154, 167, 175, 177, 194 ff., 199, 203 f., 207 ff., 212, 230—248, 266 f., 268 f., 277, 303, 318 —, Fachvertreter 12, 239, 244 —, Historische Schule 252, 272, 276 f. —, Hörerzahl 293 —, Literatur 12, 236, 243 —, Objekt 132, 247 f., 319 —, Systematik 240 Vollmarktbetrieb 46, 91, 100 f., 132, 300, 305 Währimg 66 f. Währungsreform 67, 84 Währung, Staatssache 66, 71 —, Wandel 66—87 Wandelschuldverschreibung 85 Ware 45, 85 f., 132, 170 Warenakkumulation 43 — umsatz 45 Wechsel 83 Weltwirtschaftskrise 34, 80 f., 284 Werbung 280 Wert 116, 124—130, 154 f., 194, 238 f. Wertansatz 29 — berichtigung 27 f. — gefälle 48 — kategorien 155 — lehre 124, 154, 238 — Schätzungen 124 Wettbewerb 41, 63, 65, 79, 101, 104, 158 f., 262, 275 Wettbewerbsordnung 275 — prinzip 242, 279 Wiederbeschaffungspreis 21, 74 Wiener Schule 238
Wirtschaft 107, 300, 302 f. —, Anschaulichkeit 105—123 —, ethische Neutralität 90, 301 Wirtschaftlichkeit 64 f., 69, 75, 133, 146, 200 f., 207, 294, 314 Wirtschaftlichkeitserlasse 36 — prinzip 13 Wirtschaftsbild 106 f. — einheit 124—130 — leben 88 f. — Ordnung 13 f., 100, 103 f., 117, 126, 176 — philosophie 233 f. — prozeß 109, 122, 300 — prüfer 20, 82, 306 — rechnung 46 — Soziologie 260 f., 322 — Stil 302 — stufen 116, 276 — system 233 — theorie 31, 269, 276 f. —, reine 232, 260 — verbände 276, 279 Wirtschaftswissenschaften 58, 108, 132, 134, 140, 147, 152, 186, 213, 264, 266, 269, 319 —, Anschauungshilfsmittel 121 ff. —, Anschauungsmittel 105—123,137 f., —, 143, 212 —, Anschaulichkeit 108 f. —, Begriffe 108—114, 156, 159, 173,183, 251, 256, 262, 264, 319 —»Einheit 31, 145, 184, 195, 208, 230 —248, 266 f., 293 —»Konzeptionen 114 —, Mathematik 244 —, Objekt 110, 147, 148—174 —, Spezialisierung 293 —, Systeme 110, 117—121, 230—248 —, Typisierung 116 —»Unzulänglichkeit 254 —, Zerfall 230 Wirtschaft, Systemcharakter 126—130 Wirtschaftszweige 37 ff. Wissenschaft 14 f., 20 f., 34, 58, 99 f., 107, 137, 175 f., 232, 250 f., 254 f., 257, 264, 279, 319 —, idiographische 266 —»nomothetische 266 —, Unabhängigkeit 20, 295 Zahlungssitten 83 — termine 225 — verkehr 83 — Vorgänge 28 Zentralnotenbank 84 Zins 27, 161, 163 Zoologie 112 f. Zwischenfinanzierung 78 f.