Angewandte Geodäsie: Vermessungskunde [20. völlig neu bearb. Aufl.] 9783110911145

This book discusses how grounded coordinate systems can be implemented by means of state-of-the-art technologies and how

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German Pages 699 [700] Year 2011

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Table of contents :
Vorwort zur 20. Auflage
Inhaltsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1 Grundlagen
2 Einige Grundlagen der Physik und Nachrichtentechnik
3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln
4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten
5 Kombinierte Richtungs- und Distanzmessung
6 Grundaufgaben der ebenen Koordinatenrechnung, Koordinatensysteme, Koordinatentransformation
7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern
8 3D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern
9 3D-Trägheitsnavigation
10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren
11 Verfahren der Höhenmessung und Höhensysteme
12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung
13 Trigonometrische Höhenmessung
14 Barometer und barometrische Höhenmessung
15 Hydrostatisches Nivellement
16 Grundlagen der Landesvermessung
17 Aufnahmeverfahren für großmaßstäbige Karten und topographische Vermessungen
18 Navigation mit Satellitenverfahren, Location Based Services
19 Ingenieurgeodäsie
Literaturverzeichnis
Index
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Angewandte Geodäsie: Vermessungskunde [20. völlig neu bearb. Aufl.]
 9783110911145

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de Gruyter Lehrbuch Kahmen · Angewandte Geodäsie: Vermessungskunde

Heribert Kahmen

Angewandte Geodäsie: Vermessungskunde 20., völlig neu bearbeitete Auflage



Walter de Gruyter Berlin · New York

O. Univ. Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Heribert Kahmen Forschungsgruppe Ingenieurgeodäsie Institut für Geodäsie und Geophysik der Technischen Universität Wien Gußhausstr. 27⫺29/128 1040 Wien · Österreich Auflagen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19.

Auflage 1910 Auflage 1920 Auflage 1922 Auflage 1926 Auflage 1932 Auflage 1938 Auflage 1942 Auflage 1943 Auflage 1949 Auflage 1958 Auflage 1962 Auflage 1965 Auflage 1969 Auflage 1972 Auflage 1976 Auflage 1985 Auflage 1988 Auflage 1993 Auflage 1997

앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt. 앪

ISBN-13: 978-3-11-018464-8 ISBN-10: 3-11-018464-8 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ⬍http://dnb.ddb.de⬎ abrufbar.

쑔 Copyright 200 6 by Walter de Gruyter & Co., 10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Umschlaggestaltung: Hansbernd Lindemann, Berlin. Konvertierung von LATEX-Dateien des Autors: I. Zimmermann, Freiburg. Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen.

Vorwort zur 20. Auflage

Dieses Werk hat seinen Ursprung in den in der Sammlung Göschen“ erschienenen ” Bänden Vermessungskunde I, II und III. Verfasser der 1. bis 9. Auflage des Bandes I, der 1. bis 7. Auflage des Bandes II und der 1. bis 6. Auflage des Bandes III (1910 – 1949) war Prof. Dr.-Ing. Paul Werkmeister. Von 1959 – 1982 setzte Prof. Dr.Ing. Walter Großmann die Neubearbeitung fort, für den Band I bis zur 15. Auflage, den Band II bis zur 12. Auflage und den Band III bis zur 11. Auflage. Seit 1983 übernahm Prof. Dr.-Ing. Heribert Kahmen die Weiterbearbeitung der Bände, die zu diesem Zeitpunkt schon eine Geschichte und Tradition von mehr als siebzig Jahren aufweisen konnten. Er bearbeitete den Band I bis zur 17., den Band II bis zur 14. und den Band III bis zur 12. Auflage. Ab 1993 wurden die drei Bände zu einem gemeinsamen Werk zusammengefasst, das 1993 als 18. Auflage und 1997 als 19. Auflage erschienen ist. Die nun neu vorgelegte 20. Auflage umfasst 19 Kapitel. Weitgehende Neuorientierungen und Schwerpunktverschiebungen machten erneut eine Neugliederung des Stoffgebietes notwendig. Seit der ersten Auflage befasst sich das Werk mit der Thematik, wie sich mit unterschiedlichsten Messsystemen, die sich in Satelliten, Flugzeugen, Schiffen oder auf der Erde befinden, Informationen über die Gestalt der Erdoberfläche sammeln lassen und wie diese in Referenzsystemen (Koordinatensystemen) dargestellt werden können, um sie einer Vielzahl interessierter Nutzer zur Verfügung zu stellen. Rasante Fortschritte in verschiedenen Bereichen wie Satelliten-, Laser-, Computertechnologien bedingen nicht nur eine ständige Erneuerung der Stoffgebiete, sondern auch interessante Ausweitungen der Anwendungen in anderen Ingenieur- und Wissenschaftsbereichen. Ein einführendes Kapitel behandelt Grundbegriffe des Messwesens, der Geodäsie und der Ausgleichungsrechnung. Messen ist heute weitgehend mit einer parallel laufenden funktechnischen Übertragung von Daten verbunden. Nahezu alle Bereiche des Spektrums der elektromagnetischen Wellen kommen heute bei geodätischen Messverfahren und dem Datenfunk zur Anwendung. Dieser Thematik widmet sich das 2. Kapitel. In Kapitel 3 – 5 werden die Instrumente und Messverfahren für die Richtungs- und Streckenmessung dargestellt. Neuere Instrumente arbeiten mit elektrischen Sensoren und lassen daher von der Aufnahme der Messwerte im Feld bis zur Übernahme in Informationssysteme oder bis zur Herstellung von Karten und

vi

Vorwort zur 20. Auflage

Plänen weitgehend automatische Arbeitsprozesse zu. Höchste Entwicklungsstufen der Messsysteme haben Robotereigenschaften und werden daher Messroboter genannt. Die folgenden Kapitel 6 – 8 führen den Inhalt konsequent weiter, indem von den Messverfahren zu den Berechnungsmethoden übergegangen wird. Sie behandeln Koordinatensysteme und das Berechnen von Lagepunkten in Bezug auf diese, wobei Kapitel 6 als einfache Einführung dient. Kapitel 9 befasst sich mit der 3DTrägheitsnavigation. Die hier beschriebenen Strap-down-Systeme dienen einerseits der Navigation und kommen andererseits zunehmend zum Einsatz, wenn Messdaten in bewegten Fahrzeugen erfasst werden sollen. In Kapitel 10 wird gezeigt, dass insbesondere die Satellitenverfahren heute ein weites Spektrum neuer Aufgaben eröffnen, das von Arbeiten des amtlichen Vermessungswesens über die Ingenieurvermessung bis zur Navigation von Land- und Wasserfahrzeugen reicht. Auf diesem Gebiet vollzieht sich zur Zeit in der Geodäsie ein revolutionärer Schritt: der Übergang von den vermarkten zu den nicht vermarkten Festpunktfeldern. Letztere werden heute durch die permanent betriebenen Satelliten-Referenzstationen in Referenzstationsnetzen zur Verfügung gestellt. Die Kapitel 11 – 15 befassen sich mit dem weiten Spektrum der Höhenmessverfahren. Da heute der Vermessungsingenieur nicht nur nationale, sondern auch vielfach länderübergreifende Aufgaben lösen muss, behandelt das 16. Kapitel einführend den historischen Aufbau sowie die Weiterentwicklung nationaler, kontinentaler und globaler Festpunktfelder. Kapitel 17 beschreibt die Aufnahme großmaßstäbiger und topographischer Karten. Der Automatisierung sowie der Erfassung und Verarbeitung der Messwerte wird hier besondere Bedeutung gegeben. Neu wird in Kapitel 18 auf Grundbegriffe der Navigation und der Location Based Services eingegangen. Wie die Methoden der Geodäsie in anderen Ingenieurbereichen und wissenschaftlichen Disziplinen eingesetzt werden können, ist Gegenstand von Kapitel 19. Da es sich hier um ein sehr breites Anwendungsgebiet handelt, kann die Vorgehensweise nur exemplarisch gezeigt werden. Kapitel 16 wurde weitgehend von Herrn Prof. Dr. Wolfgang Augath und Kapitel 18.2 von Herrn Ass. Prof. Dr. Günther Retscher formuliert. Besonderer Dank gebührt meiner Frau Mechthild, die mit viel Mühe und Geduld die Texte mit dem Satzsystem LATEX in die digitale Form übertragen hat. Dank gebührt außerdem Frau Dr. Irene Zimmermann; sie hat nicht nur die Texte durchgesehen, sondern auch Texte und Bilder in ein neues Format gebracht. Herrn Dr. Manfred Karbe, der bis Ende 2004 das Buch und auch diese Neuauflage für denVerlag betreute, möchte ich für die langjährige Zusammenarbeit und viele wertvolle Hinweise danken.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort Symbolverzeichnis 1

2

Grundlagen 1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Bezugsflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Koordinatensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Messen, Grundbegriffe und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Maßsysteme und Maßeinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.1 Vom Archivmeter zum Einheitensystem SI . . . . . . . . . 1.5.2 Grundlegende Vorschriften des Einheitengesetzes . . . . . . 1.5.3 Die alten und die neuen Maßeinheiten in der Vermessungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.4 Seltener gebrauchte SI-Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . 1.6 Fehlerrechnung und Ausgleichungsrechnung . . . . . . . . . . . . . 1.6.1 Die Aufgabe der Fehlerrechnung . . . . . . . . . . . . . . . 1.6.2 Fehlerarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6.3 Mittelwerte und Streuungsmaße . . . . . . . . . . . . . . . 1.6.4 Das Fehlerfortpflanzungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . 1.6.5 Ausgleichung direkter Beobachtungen von gleicher Genauigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6.6 Ausgleichung direkter Beobachtungen von verschiedener Genauigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6.7 Ausgleichung von direkten Beobachtungen mit einer Summenbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6.8 Berechnung der Standardabweichungen aus Doppelmessungen 1.6.9 Ausgleichungsalgorithmus für vermittelnde Beobachtungen 1.6.10 Fehlergrenzen und Vertrauensbereich . . . . . . . . . . . .

v xix 1 1 1 3 5 8 8 9 11 15 16 16 16 17 19 22 23 26 27 27 32

Einige Grundlagen der Physik und Nachrichtentechnik 36 2.1 Elektromagnetische Wellen für die Positionierung und den Datenfunk 36 2.1.1 Ausbreitung elektromagnetischer Wellen . . . . . . . . . . 36

viii

Inhaltsverzeichnis

2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5

2.2

2.3

2.4

2.5 3

Modell einer linearpolarisierten monochromatischen Welle . Bahnkrümmung der Raumwellen . . . . . . . . . . . . . . Absorption elektromagnetischer Wellen in der Atmosphäre . Bereiche des Spektrums für Positionierungsverfahren und den Datenfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Optische und optoelektronische Bausteine . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Konzept für die Übertragung von Messsignalen mit Trägern des sichtbaren Lichts oder Infrarot . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Der Aufbau eines Messfernrohrs . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Vergrößerung, Gesichtsfeld, Helligkeit und Auflösungsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Der Gebrauch des Fernrohrs . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Detektoren mit elektronischer Bildwandlung . . . . . . . . Antennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Abstrahlung, Ausbreitung und Empfang elektromagnetischer Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Die Richtcharakteristik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datenfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Konzepte für die Übertragung von Daten in der Atmosphäre 2.4.2 Datenübertragungseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . Datenfunk bei der Objektvermessung . . . . . . . . . . . . . . . .

Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln 3.1 Richtungen, Horizontal-, Vertikal- und Positionswinkel . . . . . . . 3.2 Der Theodolit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Der äußere Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Die Achsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Die Kreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Klemme, Feintrieb, Motorantrieb . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5 Libellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Kreisablesung, Kreisabtastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Die Kreisablesevorrichtungen analoger Theodolite . . . . . 3.3.2 Die Ablesemikroskope . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Vorrichtungen für die elektronische Kreisabtastung . . . . . 3.3.4 Steuerung und Überwachung elektronischer geodätischer Messgeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5 Analog/Digital-Wandlung der Winkel digitaler Theodolite . 3.3.6 Einrichtungen des Theodolits für die Vertikalwinkelmessung 3.4 Automatisches Zielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Optoelektronische Bilderfassung und die Zielmarken (Bildvorbereitung, Bilderfassung) . . . . . . . . . . . . . .

39 40 43 45 46 46 47 50 53 54 56 56 58 59 59 60 63 65 65 67 67 68 70 71 73 78 78 78 79 80 82 89 91 92

Inhaltsverzeichnis

Grob- und Feinzielung unterstützt durch digitale Bildverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Klassifizierung der Theodolite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1 Theodolite niederer Genauigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2 Theodolite mittlerer Genauigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.3 Theodolite hoher Genauigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.4 Theodolite höchster Genauigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Horizontieren und Zentrieren der Messgeräte . . . . . . . . . . . . 3.6.1 Horizontieren und Zentrieren mit einem Schnurlot . . . . . 3.6.2 Horizontieren und Zentrieren mit einem starren Lot . . . . . 3.6.3 Horizontieren und Zentrieren mit einem optischen Lot . . . 3.6.4 Horizontierung und Zentrierung mit einem Laserlot . . . . . 3.6.5 Zwangszentrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Untersuchung und Berichtigung des Theodolits für die Horizontalwinkelmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.1 Die Achsenfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.2 Die Exzentrizitätsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8 Die Horizontalwinkelmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.1 Allgemeine Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.2 Die einfache Winkelmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.3 Die Richtungs- oder Satzmessung . . . . . . . . . . . . . . 3.8.4 Besondere Winkelmessverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 3.9 Die Zenitwinkelmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.9.1 Anordnung der Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.9.2 Berechnen von Zenitwinkel und Indexabweichung . . . . . 3.9.3 Beseitigen der Indexabweichung . . . . . . . . . . . . . . . 3.9.4 Genauigkeit der Zenitwinkelmessung . . . . . . . . . . . . 3.9.5 Praktische Berechnung und Genauigkeitsuntersuchungen von Zenitwinkeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.10 Orientierung mit Vermessungskreiseln . . . . . . . . . . . . . . . . 3.10.1 Die Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.10.2 Kräftefreie und gefesselte Kreisel . . . . . . . . . . . . . . 3.10.3 Der mechanische Aufbau bandgehängter Meridiankreisel . . 3.10.4 Beobachtungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.10.5 Der geodätische Richtungswinkel und die Instrumentenkonstante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.11 Kollimation, Autokollimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.11.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.11.2 Technische Anwendung der Autokollimation . . . . . . . . 3.11.3 Technische Anwendung der gegenseitigen Kollimation . . . 3.11.4 Autokollimationstheodolite . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ix

3.4.2

93 97 97 97 98 98 98 99 101 102 103 103 105 106 111 113 113 113 114 116 117 117 118 119 120 121 121 121 122 126 128 133 135 135 135 137 138

x

Inhaltsverzeichnis

3.11.5 Autokollimationsspiegel, Autokollimationsprismen . . . . . 138 4

5

Distanzmessung mit Distanzmessgeräten 4.1 Längenmessung mit Stahlmaßstäben . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Längenmessung mit Stahlmessbändern und Drähten . . . . . . . . 4.2.1 Längenmessung mit frei hängenden Stahlmessbändern . . 4.2.2 Rollbandmaße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Die Kalibrierung von Stahlmessbändern . . . . . . . . . . 4.2.4 Präzisionsmessungen mit Drähten . . . . . . . . . . . . . 4.2.5 Genauigkeit der Längenmessung mit Bändern und Drähten 4.3 Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen . . . . . . . . . 4.3.1 Grundlagen und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Messprinzipien elektronischer Distanzmesser . . . . . . . 4.3.3 Grundlagen für elektrooptische Distanzmesser . . . . . . 4.3.4 Vereinfachte Modelle elektrooptischer Distanzmesser . . . 4.3.5 Instrumentelle Fehlerquellen; Kalibrierung . . . . . . . . 4.3.6 Ausbreitung der Signale in der Troposphäre . . . . . . . . 4.3.7 Korrektionen wegen fehlerhaften Brechungsindexes . . . 4.3.8 Geometrische Reduktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.9 Elektrooptische Distanzmesser . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . .

140 140 142 144 147 148 148 150 151 151 151 154 159 167 170 172 172 180

Kombinierte Richtungs- und Distanzmessung 5.1 Elektronische Tachymeter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Unterscheidungsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Zusatzeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Messroboter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Definition des Messroboters . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Flexibilität und unterschiedliche Grade der Automatisierung 5.2.3 Technische Komponenten der Messroboter . . . . . . . . . 5.2.4 Ausstattung der Roboter für unterschiedliche Messaufgaben 5.3 Lasertracker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Die Komponenten des Tracking Systems . . . . . . . . . . 5.3.2 Das Messprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3 Technische Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.4 Aufgabenbereiche und Spezialentwicklungen . . . . . . . . 5.4 Abbildende terrestrische Laserscanner . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 Das Messverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2 Gerätekonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.3 Auswertestrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.4 Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

184 184 184 192 193 194 195 196 199 200 201 202 203 204 205 205 208 210 212

Inhaltsverzeichnis

6

7

Grundaufgaben der ebenen Koordinatenrechnung, Koordinatensysteme, Koordinatentransformation 6.1 Rechtwinklige Koordinaten, Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Berechnung rechtwinkliger Koordinaten aus Polarkoordinaten (Erste Grundaufgabe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.2 Berechnung von Polarkoordinaten aus rechtwinkligen Koordinaten (Zweite Grundaufgabe) . . . . . . . . . . . . . 6.2 Schnitt zweier Geraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Koordinatentransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 2D-Ähnlichkeitstransformation . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.2 3D-Ähnlichkeitstransformation . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.3 2D-Affin-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Systeme rechtwinkliger Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.1 Die Soldnerschen Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.2 Die Gaußschen Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.3 Reduktion gemessener Größen auf ihren Wert in der Gaußschen Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.4 Die Gauß-Krügerschen Meridianstreifensysteme . . . . . . 6.4.5 Das Universal Transverse Mercator Grid System (UTM-System) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern 7.1 Arten der Punktbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.1 Arten der numerischen Punktbestimmung . . . . . . . . . . 7.1.2 Arten der technischen Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Unsicherheiten bei der Bestimmung und Definition von Lagepunkten 7.3 Vorbereitende Berechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1 Zentrieren beobachteter Richtungen und Strecken . . . . . . 7.3.2 Orientieren beobachteter Richtungen . . . . . . . . . . . . 7.4 Punktbestimmung durch Richtungsmessungen . . . . . . . . . . . . 7.4.1 Vorwärtseinschneiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2 Vorwärtseinschneiden durch Geradenschnitt und linearisierte Beobachtungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3 Mehrfaches Vorwärtseinschneiden durch eine Ausgleichung 7.4.4 Genauigkeit des Vorwärtseinschneidens . . . . . . . . . . . 7.4.5 Rückwärtseinschneiden als Schnitt von drei Geraden . . . . 7.4.6 Genauigkeit des Rückwärtseinschneidens . . . . . . . . . . 7.5 Punktbestimmung durch Distanzmessung . . . . . . . . . . . . . . 7.5.1 Einfacher Bogenschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.2 Mehrfacher Bogenschnitt durch eine Ausgleichung . . . . . 7.5.3 Genauigkeit des einfachen Bogenschnitts . . . . . . . . . .

xi 217 217 219 219 220 223 223 227 229 230 230 231 233 237 239 241 241 241 242 243 245 246 248 250 251 252 255 258 259 262 263 264 268 271

xii

Inhaltsverzeichnis

7.6

7.7

7.8

Punktbestimmung durch kombinierte Richtungs- und Distanzmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.1 Eindeutige Punktbestimmung mit Hilfe der Ähnlichkeitstransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.2 Punktbestimmung mit Hilfe der Helmerttransformation . . . 7.6.3 Genauigkeit der mit Richtungen und Strecken berechneten Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polare Aufnahme von Objektpunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.7.1 Polare Aufnahme von einem Festpunkt aus . . . . . . . . . 7.7.2 Polare Aufnahme bei freier Stationierung und zwei angemessenen Festpunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.7.3 Polare Aufnahme bei freier Stationierung und mehr als zwei angemessenen Festpunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.7.4 Genauigkeit der polar aufgenommenen Punkte . . . . . . . Polygonometrische Punktbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . 7.8.1 Anlage und Messen von Polygonnetzen . . . . . . . . . . . 7.8.2 Berechnen der Polygonzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.7.3 Auffinden grober Beobachtungsfehler . . . . . . . . . . . .

273 274 275 277 279 280 281 282 283 285 285 288 295

8

3D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern 296 8.1 Räumliches Vorwärtseinschneiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 8.2 Punktbestimmung mit polaren Vermessungssystemen . . . . . . . . 299 8.3 Basis-Koordinatensystem, Objekt-Koordinatensystem . . . . . . . . 300

9

3D-Trägheitsnavigation 9.1 Grundlagen . . . . . . . . 9.2 Laserkreisel . . . . . . . . 9.3 Strap-down-Systeme . . . 9.4 Genauigkeitsbetrachtungen

. . . .

. . . .

302 302 304 306 309

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren 10.1 Bahnen künstlicher Erdsatelliten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Satellitensysteme für Positionsbestimmungen und Navigation . . . 10.2.1 Das Global Positioning System GPS . . . . . . . . . . . . 10.2.2 Das Satellitensystem GLONASS . . . . . . . . . . . . . 10.2.3 Das Satellitensystem GALILEO . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Das Nutzersegment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.1 Empfängerstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.2 Antennen für Satellitenempfangsanlagen . . . . . . . . . 10.3.3 Kanäle mit Korrelationstechnik (Correlation Channel) . . 10.3.4 Empfängertypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Beobachtungsgleichungen und Positionsbestimmung mit Satelliten

. . . . . . . . . . .

310 310 314 315 322 325 332 332 334 338 340 341

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xiii

Inhaltsverzeichnis

10.5

10.6

10.7

10.8

10.9

10.4.1 Ursprüngliche Beobachtungsgleichungen bei Codemessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.2 Positionierung mit Codemessungen . . . . . . . . . . . . . 10.4.3 Ursprüngliche Beobachtungsgleichungen bei Phasenmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.4 Abgeleitete Beobachtungsgleichungen durch Differenzbildungen von Beobachtungen und relative Positionierung . . . 10.4.5 Abgeleitete Beobachtungsgleichungen durch Linearkombinationen von Phasenmessungen mit verschiedenen Trägerwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.6 Linearkombinationen von Phasen- und Codemessungen . . 10.4.7 Ergänzungen zur Modellbildung . . . . . . . . . . . . . . . Methoden der Punktbestimmung in der Praxis . . . . . . . . . . . . 10.5.1 Absolute Positionierung mit einem Empfänger . . . . . . . 10.5.2 Relative Positionierung mit zwei oder mehreren Empfängern Planung und Durchführung von Messungen . . . . . . . . . . . . . 10.6.1 Karten und Diagramme als Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . 10.6.2 Netzaufbau und Beobachtungsplan . . . . . . . . . . . . . . Auswertestrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.7.1 Navigationsberechnungen, absolute Positionierung . . . . . 10.7.2 Auswertestrategien bei der relativen Positionierung . . . . . Transformation in Netze der Landes- und Ingenieurvermessung . . . 10.8.1 Transformation eines globalen Bezugssystems in ein regionales Bezugssystem, wobei der Maßstab des ursprünglich berechneten Netzes erhalten bleibt . . . . . . . . . . . 10.8.2 Transformation eines globalen Bezugssystems in ein regionales Bezugssystem, wobei die Höhen unberücksichtigt bleiben sollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Höhenmessung mit Satellitenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . .

11 Verfahren der Höhenmessung und Höhensysteme 11.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Höhensysteme und Definitionen der Höhen . . . 11.2.1 Niveauflächen und geopotentielle Koten . 11.2.2 Orthometrische Höhen . . . . . . . . . . 11.2.3 Dynamische Höhen . . . . . . . . . . . . 11.2.4 Normalhöhen . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.5 Ellipsoidische Höhen . . . . . . . . . . . 11.2.6 Höhensysteme und Höhenmessverfahren

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342 344 346 348

355 357 358 363 364 365 380 380 382 385 385 387 388

389

389 391 393 393 395 395 398 398 399 399 400

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung 401 12.1 Grundprinzip und einfache Geräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401

xiv

Inhaltsverzeichnis

12.2 Nivelliere mit Libellenhorizontierung . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.1 Mechanischer Aufbau der Libellennivelliere . . . . . . . . 12.2.2 Regeln für den Gebrauch der Libellennivelliere . . . . . . 12.3 Nivelliere mit Kompensator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.1 Grundprinzip der Kompensatoren . . . . . . . . . . . . . 12.3.2 Regeln für den Gebrauch der Nivelliere mit Kompensator . 12.4 Digitale Datenerfassung, digitale Nivelliere . . . . . . . . . . . . 12.4.1 Grundkonzept eines digitalen Nivelliersystems . . . . . . 12.4.2 Ein Mess- und Auswertekonzept von Trimble/Zeiss . . . . 12.4.3 Ein Mess- und Auswertekonzept von Leica . . . . . . . . 12.4.4 Eigenschaften digitaler Nivelliere . . . . . . . . . . . . . 12.5 Klassifizierung der digitalen Nivelliere . . . . . . . . . . . . . . . 12.6 Nivellierlatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6.1 Einfache Nivellierlatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6.2 Präzisions-Nivellierlatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.7 Justieren und Kalibrieren von Nivelliersystemen . . . . . . . . . . 12.7.1 Justieren von Nivellieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.7.2 Kalibrieren von Nivelliersystemen . . . . . . . . . . . . . 12.8 Nivellierverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.8.1 Festlegung der Nivellementpunkte (NivP) . . . . . . . . . 12.8.2 Fehlerquellen beim Nivellement . . . . . . . . . . . . . . 12.8.3 Festpunktnivellements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.8.4 Das motorisierte Präzisionsnivellement . . . . . . . . . . 12.9 Genauigkeit des Nivellements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.9.1 Fehlerfortpflanzung zufälliger Fehler und die Standardabweichung für 1 km Nivellement . . . . . . . . . . . . . 12.9.2 Fehlerfortpflanzung zufälliger und systematischer Fehler .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

401 401 402 405 406 410 414 414 416 421 426 426 427 427 429 430 430 434 436 436 437 439 444 446

. 446 . 449

13 Trigonometrische Höhenmessung 13.1 Grundgleichung der trigonometrischen Höhenmessung . . . . . . . 13.2 Trigonometrische Höhenübertragung auf kurze Entfernungen . . . . 13.2.1 Turmhöhenbestimmung mit horizontalem Hilfsdreieck . . . 13.2.2 Turmhöhenbestimmung mit vertikalem Hilfsdreieck . . . . 13.2.3 Genauigkeit der trigonometrischen Höhenmessung auf kurze Entfernungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3 Trigonometrische Höhenmessung über größere Entfernungen . . . . 13.3.1 Erdkrümmung und Refraktion . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3.2 Höhenunterschiede aus einseitig beobachteten Zenitwinkeln 13.3.3 Höhenunterschiede aus gegenseitigen Zenitwinkeln . . . . . 13.3.4 Refraktionskoeffizient aus Gegenvisuren . . . . . . . . . . . 13.3.5 Reduktion von Zenitwinkeln auf den Stationsnullpunkt . . . 13.3.6 Berücksichtigung der Lotabweichung und des Geoids . . . .

451 451 452 452 453 454 456 456 460 460 461 462 463

xv

Inhaltsverzeichnis

13.3.7 Genauigkeit der trigonometrischen Höhenübertragung über große Entfernungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 13.4 Trigonometrisches Nivellement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 14 Barometer und barometrische Höhenmessung 14.1 Physikalische Grundlagen . . . . . . . . . . 14.2 Barometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.1 Die Quecksilber- oder Hg-Barometer 14.2.2 Barometer mit Membrandose . . . . 14.3 Barometrische Höhenmessung . . . . . . . . 14.3.1 Die Barometerformel von W. Jordan . 14.3.2 Die Formel für Altimeter . . . . . . . 14.3.3 Genauigkeit . . . . . . . . . . . . . . 14.3.4 Beobachtungsverfahren . . . . . . . .

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468 468 469 470 472 477 477 480 481 482

15 Hydrostatisches Nivellement 15.1 Die einfache Schlauchwaage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Die Präzisionsschlauchwaage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.1 Grundprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.2 Der Niveauunterschied der Flüssigkeitsstände . . . . . 15.2.3 Nullpunktskorrektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.4 Sensoren mit analoger und digitaler Messwertausgabe

. . . . . .

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485 485 485 485 487 490 490

16 Grundlagen der Landesvermessung 16.1 Grundlagen und Festsetzungen in Referenzsystemen . . 16.2 Ältere Referenzsysteme und ihre Weiterentwicklung . . . 16.2.1 Ältere Referenzsysteme . . . . . . . . . . . . . 16.2.2 Erneuerung und Erweiterung . . . . . . . . . . . 16.3 Globale Referenzsysteme und ihre Verdichtung . . . . . 16.3.1 Globale Referenzsysteme . . . . . . . . . . . . . 16.3.2 Landesvermessung und globale Referenzsysteme 16.4 Positionierungsdienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.4.1 Regionale Positionierungsdienste . . . . . . . . 16.4.2 Überregionale Positionierungsdienste . . . . . . 16.4.3 Der Internationale GPS-Service (IGS) . . . . . . 16.5 Höhenreferenzsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.5.1 Reichshöhennetze von 1912 . . . . . . . . . . . 16.5.2 Weiterentwicklung des klassischen Konzeptes . . 16.5.3 Europäische Höhenreferenzsysteme . . . . . . . 16.5.4 Weitere Entwicklung in der Höhenreferenzierung

. . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . .

492 493 493 493 496 499 499 501 504 504 507 509 509 510 511 512 515

. . . . . . . . .

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xvi

Inhaltsverzeichnis

17 Aufnahmeverfahren und topographische Vermessungen 17.1 Unterschiedliche Messsysteme und die Anbindung an das Landesnetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2 Aufnahme und Erstellung großmaßstäbiger Karten . . . 17.3 Flächenberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4 Topographische Vermessungen . . . . . . . . . . . . . . 17.4.1 Karteninhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4.2 Digitale Geländemodelle . . . . . . . . . . . . . 17.4.3 Geländeaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4.4 Hydrographische Vermessungen . . . . . . . . . 17.4.5 Kartenherstellung . . . . . . . . . . . . . . . . .

517 . . . . . . . . .

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18 Navigation mit Satellitenverfahren, Location Based Services 18.1 Einige Grundlagen der Navigation . . . . . . . . . . . . . . . 18.2 Location Based Services und persönliche Navigation . . . . . 18.2.1 Ortung von Mobiltelefonen . . . . . . . . . . . . . . . 18.2.2 Positionsbestimmung in Gebäuden . . . . . . . . . . . 18.2.3 Anwendung der Positionierungsverfahren in LBS und persönlicher Navigation . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Ingenieurgeodäsie 19.1 Aufgaben und Besonderheiten der Ingenieurgeodäsie . . . . . 19.2 Ingenieurgeodätische Arbeiten bei Verkehrsanlagen . . . . . . 19.2.1 Herstellen der Entwurfsunterlagen . . . . . . . . . . . 19.2.2 Berechnung und Absteckung von Geraden . . . . . . . 19.2.3 Berechnung und Absteckung von Kreisbögen . . . . . 19.2.4 Berechnung und Absteckung von Übergangsbögen . . 19.2.5 Bogenfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.6 Absteckung von Bogenfolgen . . . . . . . . . . . . . 19.3 Erdmassenberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3.1 Erdmassenberechnung aus Querprofilen . . . . . . . . 19.3.2 Einfache Erdmassenberechnungen mit prismatischen Körpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3.3 Erdmassenberechnungen aus Höhenlinienplänen . . . 19.3.4 Erdmassenberechnung aus digitalen Geländemodellen 19.4 Absteckung von Ingenieurbauten . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.1 Allgemeine Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . 19.4.2 Absteckung von Brücken . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.3 Tunnelabsteckungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.4 Absteckung und baubegleitende Qualitätskontrolle bei Hochbauten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.5 Die Absteckgenauigkeit bei Ingenieurbauten . . . . .

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517 519 525 526 527 529 530 533 537

. . . .

. . . .

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538 538 541 541 546

. . . 550 . . . . . . . . . .

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553 553 554 554 556 559 569 580 588 590 591

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594 595 597 599 599 600 603

. . . 607 . . . 617

Inhaltsverzeichnis

19.5 Überwachungsmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.5.1 Definitionen, Aufgabenstellungen . . . . . . . . . . . . . . 19.5.2 Planung und Durchführung von Überwachungsmessungen . 19.5.3 Auswahl der Messverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.6 Überwachung von Staumauern und Staudämmen . . . . . . . . . . 19.6.1 Geodätische Verfahren für absolute Deformationsmessungen 19.6.2 Relative Deformationsmessungen mit Lotungs- und Alignementsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.6.3 Berechnung und Darstellung der Ergebnisse . . . . . . . . .

xvii 618 618 619 625 650 650 654 654

Literaturverzeichnis

657

Index

671

Symbolverzeichnis

Messwerte R Z DA T, T p

Richtungen Zenitwinkel am Entfernungsmesser abgelesene Distanz Temperatur des trockenen bzw. feuchten Thermometers Luftdruck

Abgeleitete bzw. reduzierte Messergebnisse r ro t z z D SR SO S s H H β

Richtungen orientierte Richtungen Richtungswinkel Zenitwinkel Zenitwinkel (beeinflusst durch Refraktion) geometrische Weglänge Schrägstrecke Strecke in Meereshöhe ellipsoidische Länge Strecke im Gauß-Krüger-Koordinatensystem Höhe über NN Höhendifferenz Brechungswinkel (Polygonzug)

Koordinaten rechtwinklige Koordinaten x, y, z x, y; ζ , ν X, Y , Z

in nordorientierten Abbildungssystemen in örtlichen Systemen in äquatorialen Systemen

Polarkoordinaten x, s s, t 

in nordorientierten Abbildungssystemen in örtlichen Systemen

xx

Symbolverzeichnis

Statistik s2( · ) σ 2( · ) s( · ) σ(·) σP

empirische Varianz theoretische Varianz empirische Standardabweichung theoretische Standardabweichung Standardabweichung eines Punktes

1 Grundlagen

1.1

Einleitung

Das Vermessungswesen bzw. die Geoinformation befasst sich mit der Vermessung und Berechnung größerer oder kleinerer Teile der Erdoberfläche und ihrer Darstellung: digital in räumlichen Informationssystemen oder analog in Karten und Plänen. Wenn die Bestimmung der Figur und des Schwerefeldes der Erde sowie die Erdrotation von besonderer Bedeutung sind, verwendet man den Begriff Geodäsie“. ” Im allgemeinen beschreibt man die Objekte in erdgebundenen Koordinatensystemen. Dies schließt auch Aufgaben der Navigation ein. Die Definition und Realisierung von Koordinatensystemen sowie die Herstellung von Beziehungen zwischen diesen ist folglich eine der wichtigsten Grundaufgaben der Geodäsie. Bei hohen Genauigkeitsanforderungen und bewegten Objekten kommt noch die Zeit als vierter Parameter hinzu. Das Vermessungswesen bzw. die Geoinformation lässt sich in vier Teilgebiete untergliedern, wobei – die Erdmessung sich mit der Bestimmung der Erdrotation sowie der Form und Größe der Erde und ihres Schwerefeldes auseinandersetzt, – die Landesvermessung sich mit der großräumigen Erfassung der Landesoberfläche durch Festpunktfelder, geographische Informationssysteme und amtliche topographische Karten befasst, – der Katastervermessung die örtliche Feststellung, Abgrenzung und Sicherung des Eigentums an Grund und Boden durch Vermessung der Flurstücke obliegt und – die Ingenieurvermessung (häufig auch Ingenieurgeodäsie genannt) sich mit der Anwendung der Methoden der Geodäsie in anderen Ingenieurdisziplinen (Bauingenieurwesen, Maschinenbau, Flugzeugbau, Fahrzeugbau,. . . ) auseinandersetzt.

1.2

Bezugsflächen

Zur Bestimmung der Position feststehender oder beweglicher Objekte sind zunächst Aussagen über Bezugsflächen zu treffen. Letztere sollen sich der Erde möglichst gut anpassen. Eine sehr einfache Bezugsfläche ist die Kugel mit einem Radius von 6371,0 km. Für viele Aufgabenstellungen ist diese Approximationsfläche bereits genau genug. Eine genauere Anpassung ist jedoch gegeben, wenn man die Erdfigur

2

1 Grundlagen

durch ein Rotationsellipsoid annähert. Die Definition eines solchen mittleren Erdellipsoides für die gesamte Erdoberfläche ist erst mit Hilfe von Messungen zu künstlichen Erdsatelliten möglich geworden. In der Vergangenheit haben aus praktischen Gründen einzelne Staaten ihre Landesvermessung auf einem eigenen sogenannten Referenz- oder Bezugsellipsoid berechnet, welches jeweils andere Dimensionen und eine spezielle Lagerung zum Erdkörper hat. Die Länder haben dabei stets versucht, ihr Referenzellipsoid dem jeweiligen Vermessungsgebiet möglichst gut anzupassen. Im Vermessungswesen sind Niveauflächen – Flächen gleichen Schwerepotentials – von besonderer Bedeutung. Laut physikalischer Definition wird bei Bewegungen entlang einer Niveaufläche keine Arbeit verrichtet, d. h. es kann auch kein Wasser fließen. In der unendlichen Schar der Niveauflächen gibt es eine ausgezeichnete, die etwa in mittlerer Höhe der ruhend gedachten Meeresoberfläche verläuft; diese bezeichnet man als Geoid. Abb. 1.1 zeigt die Anpassung eines Geoids und Ellipsoids an die feste sichtbare Erdoberfläche (Lithosphäre) und Meeresoberfläche (Hydrosphäre). Erdoberfläche N Geoid

Meer

Ellipsoid Abbildung 1.1. Geoid, Ellipsoid

Die Abstände zwischen dem Geoid und mittleren Erdellipsoid bezeichnet man als absolute Undulation (Geoidundulation N ); sie können Werte bis ±100 m annehmen. Bei Referenzellipsoiden betragen die Abweichungen nur wenige Meter. Hier spricht man von relativen Undulationen. In der Vergangenheit wurden geodätische Lagenetze auf einem Ellipsoid berechnet. Dabei wurden die Lage- und Höhenbestimmung getrennt, da man technisch brauchbare Höhen nur erhält, wenn man sie auf eine durch das Schwerefeld beeinflusste Fläche wie z. B. das Geoid bezieht. Ellipsoidische Koordinaten dienen als Ausgangsprodukt für die Herleitung ebener Kartensysteme. Für die Höhen entstand ein eigenes Höhennetz mit der Bezugsfläche Geoid. Aufgrund dieser Aufteilung sprach man in der Vergangenheit häufig von einer zweidimensionalen Geodäsie. Mit Hilfe der Satellitenpositionierungsverfahren ist heute die gleichzeitige und gleichberechtigte Bestimmung der drei kartesischen Raumkoordinaten möglich. Diese lassen sich in ellipsoidische Koordinaten (ellipsoidische Länge L, ellipsoidische Breite B, ellipsoidische Höhe h) umrechnen (Abb. 1.2). Die Verbindung zwischen den Geoidhöhen und den ellipsoidischen Höhen ist über die Geoidundulationen gegeben.

3

1.3 Koordinatensysteme

ZCIS

ZCTS h

.

. B XCIS XCTS

YCTS

L YCIS

Abbildung 1.2. Referenzellipsoid mit ellipsoidischen und kartesischen Koordinaten

1.3

Koordinatensysteme

Um die Erdoberfläche mit all ihren natürlichen und künstlichen Objekten darstellen zu können, müssen die Bezugsflächen mit Koordinatensystemen verknüpft werden. Je nach dem Zweck der gestellten Aufgabe arbeitet man im Vermessungswesen (in der Geoinformation) mit unterschiedlichen Koordinatensystemen, wobei orthogonale kartesische und orthogonale Flächenkoordinaten bevorzugt sind. Die Definition von Koordinatensystemen beruht je nach der Zielsetzung der gestellten Aufgabe auf Vereinbarungen der Nutzer. Allgemein unterscheidet man noch zwischen dem ideellen Konzept und der Realisierung eines Koordinatensystems; das erste nennt man international Coordinate ” System“, das zweite Coordinate Frame“. ” Für die Erfassung der Erdoberfläche sind die Koordinatensysteme ausgehend vom globalen Bereich bis in den lokalen hinein hierarchisch gegliedert. Das moderne Vermessungswesen stützt sich heute wesentlich auf ein globales, geozentrisches, mit der Erde fest verbundenes kartesisches System: das Conventional Terrestrial System (CTS). Dies ist in einem Inertialsystem – Conventional Inertial System (CIS) – gelagert (Abb. 1.2). Laut Vereinbarung weist die Z-Achse des CTS zum mittleren Pol der Jahre 1900 bis 1905, bezeichnet als Conventional International Origin (CIO); die XZ-Ebene liegt im mittleren Meridian von Greenwich. Der International Terrestrial Reference Frame (ITRF) ist eine Realisierung des CTS. Dieser Referenzrahmen stützt sich erdumspannend auf mehr als 250 Beobachtungsstationen. Die innere Genauigkeit des ITRF wird mit wenigen Zentimetern angegeben. Da Bewegungen innerhalb der Erdkruste vergleichsweise größere Beträ-

4

1 Grundlagen

ge pro Jahr annehmen, gelten die Realisierungen nur für einen bestimmten Zeitpunkt, was durch eine angehängte zweistellige Jahreszahl ausgedrückt wird (z. B. ITRF 89). Das World Geodetic System 84 (WGS 84) ist ein weiteres globales Koordinatensystem, welches ebenfalls mit dem CTS übereinstimmt. Dieses System ist durch fünf weltweit verteilte Kontrollstationen und eine Anzahl ITRF-Stationen realisiert. Das WGS 84 und der ITRF sind beide mit dem Satellitensystem Global Positioning System (GPS) verknüpft, so dass im Zusammenhang mit Messungen zu Satelliten auch von beiden Satellitenbahndaten zur Verfügung gestellt werden können. Um in Europa ein weiter verdichtetes Netz aufzubauen, hat man sich 1990 entschlossen, mit 1989-ITRF-Koordinaten von 35 europäischen Stationen den Europäischen Terrestrischen Referenzrahmen (ETRF 89) zu definieren. Aufbauend auf diesem Rahmen entstanden inzwischen nationale Netze wie ein Deutscher Referenzrahmen (DREF). Auf diese Weise liegen inzwischen ITRF-Koordinaten in einer hohen Verdichtungsstufe vor. In den vergangenen Jahrhunderten entwickelten die einzelnen Länder aus politischen und praktischen Gründen je eigene Landesvermessungssysteme (LS). Basis ist ein orthogonales (rechtwinkliges) kartesisches System, dem ein Ellipsoid zugeordnet ist. (Ein geeignetes kartesisches System (X, Y, Z)LS für das Referenzellipsoid ist gegeben, wenn man den Ursprung in den Mittelpunkt legt und die ZLS -Achse mit der kleinen Halbachse zusammenfallen lässt.) Die LS weisen gegenüber dem CTS leichte Verschiebungen und Verdrehungen auf. Beide Systeme lassen sich über Koordinatentransformationen miteinander verknüpfen: ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ X X ⎣Y ⎦ ⇔ ⎣Y ⎦ , Z LS Z CTS wobei ⇔ für Hin- und Rücktransformation steht. Über weitere Transformationen lassen sich die kartesischen und ellipsoidischen Koordinaten ineinander umrechnen: ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ B X ⎣ Y ⎦ ⇔ ⎣L⎦ . h LS Z LS Für viele technische Aufgaben in der angewandten Geodäsie benötigt man eine ebene Abbildung des Ellipsoids, d. h. ein ebenes rechtwinkliges Koordinatensystem. Man bevorzugt hierfür isotherme Koordinaten, da sie eine konforme, d. h. winkeltreue Abbildung ermöglichen. Isotherm“ bedeutet, dass die Parameterlinien (Meri” diane, Parallelkreise) orthogonal sind und auf ihnen ein gleicher Maßstab gegeben ist; d. h. es wird ein Netz aus infinitesimalen Quadraten gebildet. Eine konforme Abbildung hat zwar den Nachteil, dass Längenverzerrungen unvermeidlich sind, von besonders praktischer Bedeutung ist jedoch, dass sie von der Richtung unabhängig sind.

5

1.4 Messen, Grundbegriffe und Definitionen

In der Praxis hat sich heute die Meridianstreifenabbildung – vielfach auch GaußKrüger-Abbildung genannt – weltweit durchgesetzt. Ein schmaler Streifen östlich und westlich ausgewählter Mittelmeridiane wird so konform in die Ebene abgebildet, dass im Mittelmeridian Streckentreue vorliegt (Abb. 1.3). Die x-Achse in der Abbildungsebene ist das Bild des Mittelmeridians des Referenzellipsoids und die y-Achse das Bild des Äquators. Die ellipsoidischen Koordinaten und die rechtwinkligen Koordinaten(XGK , YGK ) lassen sich über Transformationsformeln ineinander umrechnen:     X B ⇔ . Y GK L LS Auf Baustellen benötigt man spezielle Baustellenkoordinatensysteme (BKS) zur optimalen Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten. Die Definition eines speziellen Systems ist auch dann notwendig, wenn die Genauigkeitsanforderungen der Baustelle nicht von dem übergeordneten System erfüllt werden können. x

x

P2

P2 P1 P1

y

y

Abbildung 1.3. Abbildung ellipsoidischer Koordinaten in rechtwinklige Koordinaten

1.4

Messen, Grundbegriffe und Definitionen

Der Ablauf einer Messung ist einerseits durch das Erfassen und Darstellen physikalischer Größen, andererseits durch das Zuordnen einer Maßzahl gekennzeichnet. Der Größe X wird die Maßzahl x als Vielfaches der Vergleichsgröße N, dem sogenannten Normal, zugeordnet X = x · N. Für die Definition gilt analog: [d] = [−] · [d]. Für den Ablauf einer Messung müssen zwei Fundamentalvoraussetzungen erfüllt sein:

6

1 Grundlagen

– die zu messende Größe muss eindeutig definiert sein – das Normal muss durch eine Konvention festgelegt sein [1.5]. Die charakteristischen Merkmale eines Messvorganges zeigt Abb. 1.4. In dem idealisierten Schema wird der Messvorgang nur durch die Messgröße und das Normal beeinflusst. Abb. 1.5 gibt ein fehlerbehaftetes Messsystem wieder. Normal Prozess

Messeinrichtung Messgröße, X

Angezeigte Größe, X a (Anzeige) Messsystem

Abbildung 1.4. Schema des fehlerfreien Messvorganges

äußere Störungen dem Messsignal superponiert

das Übertragungsverhalten deformierend Ausgabe

Prozess

Messgröße

Übertragungsverhalten

Rückwirkung innere Störung

Abbildung 1.5. Schema des fehlerbehafteten Messvorganges

In Anlehnung an die DIN-Normen (DIN 1319) seien folgende Begriffe zusammengestellt: Messgröße: Die Messgröße ist die physikalische Größe, die durch die Messung erfasst wird (z. B. Höhe, Länge, Temperatur, u. s. w.). Anzeige: Die Anzeige ist die an einer Skala abgelesene Marke oder an einer Ziffernanzeigeeinrichtung abgelesene Größe. Die Anzeige kann in Einheiten der Messgröße, in Skalenteilen oder in Ziffernschritten angegeben werden. Anzeigebereich: Der Anzeigebereich umfasst die Messwerte, die am Anzeigeinstrument abgelesen werden können.

1.4 Messen, Grundbegriffe und Definitionen

7

Messbereich: Der Messbereich umfasst den Teil des Anzeigebereichs, in dem Fehler innerhalb vorgeschriebener Fehlergrenzen bleiben. Messwert: Der Messwert ergibt sich aus der Anzeige; er ist das Produkt aus Zahlenwert und Messgröße (z. B. 10 mm). Messergebnis: Das Messergebnis erhält man mit Messwerten aus vorgegebenen Beziehungen. Messeinrichtung: Eine Messeinrichtung ist die Gesamtheit der für die Messung benutzten Komponenten wie: Sensoren, Steuerrechner, Auswerterechner, Anzeigeeinheit,. . . Messsystem: Das Messsystem umfasst einerseits die Messeinrichtung und andererseits den Bereich des Prozesses, der durch den Messvorgang beeinflusst wird (vgl. Abb. 1.4). Messgerät: Das Messgerät ist ein Baustein, welcher Teil oder Ganzes einer Messeinrichtung sein kann. Messprinzip: Das Messprinzip umfasst das physikalische Phänomen, das seiner Messung zugrunde liegt. Messverfahren: Das Messverfahren umfasst die Funktionsweise einer Messeinrichtung. Man unterscheidet analoge/digitale und direkte/indirekte Messverfahren. Wie schon am Anfang dieses Kapitels beschrieben wurde, ist der Messwert das Produkt der Maßzahl x und der Dimension des zugehörigen Normals. Bei einem Messvorgang wird die Information über diese Maßzahl durch Signale übertragen. Analoge Messverfahren enthalten diese Informationen in der direkten Zuordnung der Maßzahl der Messgröße zur Maßzahl der physikalischen Größe des Signals; nicht die Maßzahl selbst, sondern eine analoge Größe wird verarbeitet. Für digitale Messverfahren ist charakteristisch, dass sie die Ziffer der Maßzahl verarbeiten und ausgeben. Bei digitalen Verfahren wird die Maßzahl abgesehen von Rundungsfehlern fehlerfrei verarbeitet. Bei analogen Verfahren muss noch die Analog/Digital Wandlung zwischengeschaltet werden, wobei die Genauigkeit dieses Schrittes von der Genauigkeit der Interpolation abhängt. Direkte Messverfahren kann man daran erkennen, dass der gesuchte Messwert einer Messgröße durch unmittelbaren Vergleich mit der Messgröße gewonnen wird (Beispiel: Längenmessung). Indirekte Messverfahren sind dadurch charakterisiert, dass der gesuchte Messwert aus andersartigen physikalischen Größen auf der Basis physikalischer Gesetzmäßigkeiten abgeleitet wird (Beispiel: Brechungsindex). Abb. 1.5 zeigt das Schema eines fehlerbehafteten Messsystems. Eine Vielzahl von Störeinflüssen kann wirksam werden. Ein erster Störeinfluss ergibt sich durch die Rückwirkung der Messeinrichtung auf den Prozess, der beobachtet wird. Wird z. B. die Lage eines Gegenstandes mit einem Messband beobachtet, das an diesem befestigt ist, so kann bereits die Zugspannung des Messbandes Formveränderungen

8

1 Grundlagen

des Objektes und damit scheinbare Verschiebungen vortäuschen. Man unterscheidet noch zwischen äußeren Störungen und inneren Störungen. Sehr häufig treten dem Messsignal sich überlagernde äußere Störungen auf. Typisch hierfür sind z. B. Verfälschungen der Richtungsmessung mit einem Theodolit oder der Distanzmessung mit einem elektronischen Distanzmesser, indem die Atmosphäre die physikalischen Eigenschaften der Messsignale ändert. Zusätzlich müssen deformierende äußere Störungen in Betracht gezogen werden; es sind dies Störungen, die das Übertragungsverhalten der Messeinrichtung beeinflussen. Unter dem Übertragungsverhalten versteht man die Beziehung zwischen der Ein- und Ausgangsgröße einer Messeinrichtung. So kann z. B. die Umgebungstemperatur oder die Sonneneinstrahlung die Übertragungseigenschaften der Mechanik eines Theodolits oder Nivelliergerätes beeinflussen. Innere Störungen können vielfältige Ursachen haben, z. B. die Reibung von Lagern oder das Spiel mechanischer Übertragungseinrichtungen. Die Art und Handhabung der Fehlereinflüsse ist sehr komplex und wird überblicksweise in [1.6] behandelt.

1.5

Maßsysteme und Maßeinheiten

1.5.1 Vom Archivmeter zum Einheitensystem SI Auf Vorschlag der Pariser Akademie der Wissenschaften beschloss im Jahre 1791 die damalige französische Nationalversammlung, ein einheitliches Längenmaß einzuführen, das dem zehnmillionsten Teil eines Erdmeridians gleichen und Meter“ ” heißen sollte. Die Größe des Meters wurde in den nächsten Jahren aus mehreren Gradmessungen abgeleitet. Damit es aber jederzeit zu reproduzieren war, wurde ein Prototyp aus Platin hergestellt und im französischen Staatsarchiv niedergelegt. Dieses Archivmeter“ ist die Grundlage des Metersystems, auf das außer dem Län” genmaß auch die Einheiten des Flächenmaßes, des Raummaßes und des Gewichts bezogen wurden. Um die internationaleAnerkennung des Metersystems weiter zu betreiben, schlossen im Jahre 1875 die damaligen Teilnehmerstaaten die Internationale Meter” Konvention“ ab und luden alle Staaten der Erde zum Beitritt ein. Die Staaten einigten sich ferner auf die Einrichtung eines Internationalen Büros für Maß und Gewicht in Breteuil bei Paris; doch sollte die Entscheidungsbefugnis über neue Vorlagen den Zusammenkünften der Delegierten der Teilnehmerstaaten verbleiben, die fortan als Generalkonferenz für Maß und Gewicht“ bezeichnet wurden. ” Als erste größere Aufgabe erarbeitete das Büro in 10-jährigen Versuchen einen neuen Meterprototyp mit X-förmigem Querschnitt aus Platin-Iridium, der das Meter noch genauer festlegen sollte als dasArchivmeter. Diesen Stab erklärte die 1. Generalkonferenz (1889) zum neuen internationalen Meterprototyp und definierte das Meter

9

1.5 Maßsysteme und Maßeinheiten

als den Abstand zweier auf den Prototyp von Breteuil angebrachten Strichmarken bei 0◦ C. Auch diese Definition hat sich auf die Dauer als nicht ausreichend erwiesen. Sie wurde daher, ohne dass die Länge des Meters geändert wurde, abgelöst durch den Beschluss der 11. Generalkonferenz für Maß und Gewicht vom 14. Oktober 1960. Danach ist das Meter das 1 650 763,73fache der Wellenlänge der von den Atomen des Nuklids 86 Kr, eines Isotops des Edelgases Krypton mit der Masse 86, beim Übergang vom Zustand 5d zum Zustand 2p10 ausgesandten Strahlung. Diese Strahlung lässt sich unter bestimmten Voraussetzungen mit der sogenannten Engelhard-Lampe realisieren, die sich dabei in einem Kältebad von 63 Kelvin befindet. Die 13. Generalkonferenz für Maß und Gewicht definierte 1967 die Atomse” kunde“ mit dem Cäsiumatom 133. Mit Hilfe der Cäsiumfrequenz wurden jetzt Zeit−13 −14 messungen mit relativen Unsicherheiten von 10 bis 10 möglich. Gleichzeitig entstanden hochgenaue Techniken, Längenmessungen auf Laufzeitmessungen elektromagnetischer Wellen zurückzuführen. Nicht zuletzt aus dem Grunde wurde auf der 15. Generalkonferenz für Maß und Gewicht 1975 ein Wert für die Ausbreitungsgeschwindigkeit elektromagnetischer Wellen im Vakuum neu festgesetzt. Er beträgt c = 299 792 458 m/s. Es waren jetzt nochmals die Voraussetzungen für eine neue Definition des Meters gegeben. So beschloss man auf der 17. Generalkonferenz für Maß und Gewicht 1983 in Paris die Definition: Das Meter ist die Länge der Strecke, die Licht im leeren Raum während der Dauer von 1/299 792 458 Sekunden durchläuft. In den Jahrzehnten nach 1875 wurden die elektromagnetischen Einheiten Volt, Ampere, Ohm und Watt eingeführt. 1901 erkannte der italienische Physiker Giovanni Giorgi, dass man aus diesen Einheiten und den mechanischen Einheiten Meter, Kilogramm und Sekunde ein kohärentes (= eng zusammenhängendes) Einheitensystem mit nur vier Grund- oder Basiseinheiten bilden könne, wenn man nur die Definitionen der elektromagnetischen Einheiten etwas anders formulierte. Später wurden noch rund 15 weitere Einheiten, darunter das Kelvin für die thermodynamische Temperatur und die Candela für die Lichtstärke, festgelegt. Alle diese Einheiten aber ließen sich nach dem Vorgang von Giorgi auf (z. Zt.) 7 Basiseinheiten reduzieren. Diesem großartigen System erteilte im Jahre 1954 die 10. Generalkonferenz für Maß und Gewicht ihre Zustimmung. Die 11. Generalkonferenz (1960) gab ihm den Namen Système International d’Unités“, abgekürzt SI. (Ledersteger 1956; Straßer ” 1974; Bayer-Helms 1974). In den nun folgenden Abschnitten sind die Regelungen zusammengestellt, die das Vermessungswesen an irgend einer Stelle berühren.

1.5.2

Grundlegende Vorschriften des Einheitengesetzes

Das SI kennt nach § 2 und 3 des Gesetzes die folgenden 7 Basiseinheiten und Einheitenzeichen für die Länge für die Masse

das Meter = m das Kilogramm = kg

10

1 Grundlagen für die Zeit für die elektrische Stromstärke für die thermodynamische Temperatur für die Lichtstärke für die Stoffmenge

die Sekunde das Ampère das Kelvin die Candela das Mol

= = = = =

s A K cd mol.

Nach §5 des Gesetzes und dem 2. Abschnitt der Ausführungsverordnung können aus den 7 Basiseinheiten durch Multiplikation mit 1 oder mit einem von 1 verschiedenen Faktor neue Einheiten abgeleitet werden. Durch Multiplikation mit dem Faktor 1 entstehen die kohärenten Einheiten des SI, z. B. für die Fläche für die Geschwindigkeit für die Beschleunigung für die Kraft für den Druck

1 m2 1 m s−1 1 m s−2 1 m kg s−2 , genannt 1 Newton (N) 1 m−1 kg s−2 = 1 N/m2 = 1 Pascal (Pa).

Nicht kohärente Einheiten können mit einer ganzzahligen Potenz von 10 oder mit einer anderen Zahl zusammengesetzt werden, z. B. die Fläche 102 m2 die Beschleunigung 10−2 m s−2 die Kraft 10−5 m kg s−2 der Druck 105 m−1 kg s−2

=1a = 1 Gal = 10−5 N =1 dyn = 105 N/m2 = 1 bar

die Kraft 9,806 65 m kg s−2 der Druck 101 325 m−1 kg s−2

= 9,806 65 N =1 kp = 101 325 N/m2 = 1 atm.

und

Nach §6 des Gesetzes lassen sich aus den vorgenannten Einheiten durch Vorsätze dezimale Vielfache und Teile bilden und durch Vorsatzzeichen folgendermaßen kennzeichnen.

101 102 103 106 109 1012

Vorsatz

Vorsatzzeichen

Deka Hekto Kilo Mega Giga Tera

da h k M G T

10−1 10−2 10−3 10−6 10−9 10−12

Vorsatz

Vorsatzzeichen

Dezi Zenti Milli Mikro Nano Piko

d c m μ n p

11

1.5 Maßsysteme und Maßeinheiten

1.5.3

Die alten und die neuen Maßeinheiten in der Vermessungstechnik

1.5.3.1 Die Einheiten des Längen-, Flächen- und Volumenmaßes Diese sind in ihrer 1875 von der Meterkonvention erarbeiteten Form durch das Einheitengesetz bestätigt. Lediglich die Einheiten des Längenmaßes sind um einige Zehnerpotenzen nach oben und unten erweitert worden. Nach dem Einheitengesetz und der Ausführungsverordnung gilt nunmehr folgendes: a) Die SI-Einheit des Längenmaßes ist die Basiseinheit Meter (m). Aus ihr folgen mit dem Vorsatzzeichen unter [1.5.2] 1 Dekameter 1 Hektometer 1 Kilometer 1 Megameter 1 Gigameter 1 Terameter

= 101 m = 102 m = 103 m = 106 m = 109 m = 1012 m

= 1 dam = 1 hm = 1 km = 1 Mm = 1 Gm = 1 Tm

1 Dezimeter 1 Zentimeter 1 Millimeter 1 Mikrometer 1 Nanometer 1 Pikometer

= 10−1 m = 10−2 m = 10−3 m = 10−6 m = 10−9 m = 10−12 m

= 1 dm = 1 cm = 1 mm = 1 μm = 1 nm = 1 pm.

b) Die SI-Einheit des Flächenmaßes ist die abgeleitete Einheit Quadratmeter (m2 ). Aus ihr folgt mit den obigen Vorsatzzeichen 1 Ar = 102 m2 = 1 a 1 Hektar = 104 m2 = 1 ha 1 Quadrat- = 106 m2 = 1 km2 kilometer usw.

1 Quadratdezimeter = 10−2 m2 = 1 dm2 1 Quadratzentimeter = 10−4 m2 = 1 cm2 1 Quadrat= 10−6 m2 = 1 mm2 millimeter usw.

c) Die SI-Einheit des Volumenmaßes ist die abgeleitete Einheit Kubikmeter (m3 ). Daraus sind mit den Vorsätzen in 1.5.2 das dm3 , das cm3 und das mm3 usw. abgeleitet worden. Zu Fläche und Volumen bestimmt die Ausführungsverordnung: Die Flächenmaße Ar (a) und Hektar (= Hektoar: ha) werden als abgeleitete Maßeinheiten für Grundstücksflächen beibehalten (§48). Die amtliche Begründung hierzu bezieht sich ausdrücklich auf den Ausweis der Grundstücksflächen in den Grundbüchern. 1.5.3.2 Die SI-Einheiten des ebenen Winkelmaßes Sie weichen von den überkommenen Maßeinheiten in unterschiedlicher Weise ab. Daher müssen – schon im Hinblick auf die vorhandene Literatur – der bisherige und der neue Zustand einander gegenübergestellt werden. Bislang wurden benutzt: die Sexagesimalteilung, die Zentesimalteilung und das Arcus- oder Bogenmaß. Im einzelnen sind die beiden ersten Systeme folgendermaßen aufgebaut:

12

1 Grundlagen

die Sexagesimalteilung: 1◦ = 60 (Minuten)

1 Vollkreis = 360◦ (Grad) 1 = 60 (Sekunden)

die Zentesimalteilung: 1g = 100c (Neuminuten)

1 Vollkreis = 400g Neugrad oder Gon 1c = 100cc (Neusekunden),

wobei das hochgestellte c als Abkürzung für centi“ stand. ” Die Sexagesimalteilung ist wegen ihrer engen Beziehungen zur Astronomie und zum Gradnetz der Erdoberfläche mit ihren bisherigen Einheiten Grad, Minute und Sekunde und deren Zeichen in das SI unverändert übernommen worden. Die früher gerne benutzten BezeichnungenAltgrad,Altminute undAltsekunde sind fortgefallen. Die Zentesimalteilung kennt als SI-Einheit nur noch das Gon (Einheitenzeichen gon); die Bezeichungen Neugrad, Neuminute und Neusekunde sind ebenfalls fortgefallen. Die Bruchteile des Gon sind im SI im Prinzip als Dezimale des Gon darzustellen; doch ist es mit den in 1.5.2 angegebenen Vorsätzen erlaubt, das Zentigon (Einheitenzeichen cgon) und das Milligon (Einheitenzeichen mgon) zu bilden. Ein Einheitenzeichen für die ehemalige Neusekunde (cc ) gibt es nicht. Vielmehr ist künftig 1cc = 1 · 10−4 gon = 0,1 mgon. Für den rechten Winkel oder den Rechten“ ist das Einheitenzeichen 1 geschaffen ” worden. Das Bogenmaß eines Winkels, die dritte der überkommenen Winkeleinheiten, ist das Verhältnis des Bogens b, den die Schenkel eines Winkels α aus einem um seinen Scheitelpunkt geschlagenen Kreis ausschneiden, zu dem Kreishalbmesser r (Abb. 1.6). Die Einheit des Bogenmaßes ist der Winkel, für den dieses Verhältnis gleich 1 ist, d. h. für den b = r ist. Dieser Winkel wird als Radiant“ bezeichnet, ” weil er entsteht, wenn der Halbmesser eines Kreises auf seinem Umfang abgewickelt wird. Das Bogenmaß des vollen Winkels ist daher 2π, das des rechten π/2.

b α0

b0 = 1 m

=

r0 = 1 m

r0 = 1

ad

1r

α r

U0 = 2π U = 2rπ

Abbildung 1.6. Definition des Bogenmaßes

U0 = 2π m

Abbildung 1.7. Das Bogenmaß im Einheitskreis

13

1.5 Maßsysteme und Maßeinheiten

Das Bogenmaß ist also der Quotient zweier Längen, und wohl deshalb ist der Radiant (Einheitenzeichen rad) im SI, das die Anzahl der Basiseinheiten möglichst klein halten möchte, zur (abgeleiteten) SI-Einheit des ebenen Winkels erklärt worden. Etwas spezieller als im vorigen Absatz heißt es im §5 der Ausführungsverordnung: 1 Radiant ist gleich dem ebenen Winkel, der als Zentriwinkel eines Kreises vom ” Halbmesser 1 m aus dem Kreis einen Bogen der Länge 1 m ausschneidet“. Zur Veranschaulichung dieses Satzes sind in Abb. 1.7 (Einheitskreis) der Zentriwinkel α, der zugehörige Bogen b und der Halbmesser r mit dem Index Null (0 ) versehen worden. Um aber dem Bedürfnis der Praxis nach den Einheiten der Sexagesimal- und Zentesimalteilung gerecht zu werden, sind – ebenfalls in §5 a.a.O. – aus dem Radianten noch folgende Einheiten abgeleitet, bei deren Erläuterung für das Wort Einheitenzeichen hier die Abkürzung Ez benutzt ist. Vollwinkel (kein EZ.) = 2π rad = 360◦ = 400 gon = π/2 rad = 90◦ = 100 gon 1 Rechter (Ez.:  ) π rad = 90ster Teil des Rechten 1 Grad (Ez.: ◦ ) = 180 π rad = 60ster Teil des Grades 1 Minute (Ez.:  ) = 180 · 60 π 1 Sekunde (Ez.:  ) = rad = 60ster Teil der Minute 180 · 602 π 1 Gon (Ez.: gon) = rad = 100ster Teil des Rechten 200 π = 100ster Teil eines Gon 1 Zentigon (Ez.: cgon) = 200 · 102 π = 1000ster Teil eines Gon. 1 Milligon (Ez.: mgon) = 200 · 103

(1.1)

1.5.3.3 Vermessungstechnische Sonderzeichen Die Reziproken der in (1.1) auftretenden Quotienten π/180◦ und π /200 gon – allgemein π/2 – werden in der Geodäsie so häufig benutzt, dass dafür das Symbol eingeführt ist, und zwar ist 180/π = (◦) (lies in Grad)

und

200/π = (gon) (lies in gon).

(1.2)

Zu einer ersten Anwendung entnehme man der Abb. 1.6 den Ansatz α : b = 4 : 2π. Im Einheitskreis (Abb. 1.7) folgt daraus wegen b0 = r0 = 1 für einen Winkel α0 = 1 rad, wenn die jeweiligen Winkeleinheiten eingesetzt werden, α=

2 ; π

α (◦) =

180◦ ; π

α (gon) =

200gon . π

14

1 Grundlagen

Die Winkelwerte der im Sexagesimal- und Zentesimalsystem sind demnach gleich denen des Radianten in den entsprechenden Maßsystemen. Zahlenmäßig sind diese Werte (◦) = 

( ) =

( )

57,295779 . . . 3437,7467 . . .

= 206264,8 . . .

(gon) = 63,661977 . . . (cgon) = 6366,1977 . . . (mgon) = 63661,977 . . .

(1.3)

Für eine zweite Anwendung ergibt sich aus Abb. 1.2 b : 2rπ = α : 4 . Multipliziert man beide Seiten dieser Gleichung mit 2π , so erhält man mit (1.2) die in der Vermessungstechnik viel benutzte Formel b : r = α : ,

(1.4)

in die b und r bzw. α und jeweils mit den einander entsprechenden Einheiten einzusetzen sind. Zahlenbeispiel: Eine 150 m lange Achse soll um 12 cgon verschwenkt werden. Um welchen linearen Betrag b wird dadurch das freie Ende der Achse seitwärts verlegt? Die Gleichung (1.4) ergibt mit dem (gon) aus (1.3) b(m) = r (m)

150 · 12 · 10−2 α (gon) = = 0,283 m . 63,66 (gon)

Eine dritte Sonderanwendung ist der Übergang auf andere Winkeleinheiten. Die Umwandlung von Grad oder Gon in die Einheit Radiant und umgekehrt ist in der Vermessungstechnik kaum erforderlich. Auch der Übergang von der Sexagesimalteilung in die Zentesimalteilung und umgekehrt verliert an Bedeutung, weil das Sexagesimalsystem in der Vermessungspraxis nur noch selten gebraucht wird. Zum Übergang vom Sexagesimal- in das Zentesimalsystem gibt es zahlreiche Tafeln. Bequemer ist heute das Umrechnen mit einem elektronischen Taschenrechner unter Verwertung nachstehender Identitäten: 1◦ = 10/9 gon = 1,111 . . . . . . gon 1 = 1,85185185 . . . . . . . . . . cgon 1 = 0,308641975308 . . . . mgon

1 gon = 0,9◦ 1 cgon = 0,54 1 mgon = 3,24 .

Auch hierfür wird man zweckmäßig zuvor die Sexagesimalminuten und -sekunden in Dezimale des Grades verwandeln.

15

1.5 Maßsysteme und Maßeinheiten

Für Überschlagsrechnungen merke man: 1 ≈ 2 cgon;

1 ≈ 0,3 mgon = 3 · 10−4 gon.

In der Bautechnik werden die Höhenunterschiede meistens in Prozenten des Längenunterschiedes oder durch das Steigungsmaß 1 : n, seltener durch den Neigungswinkel α, ausgedrückt.

1.5.4

Seltener gebrauchte SI-Einheiten

1.5.4.1 Die (abgeleitete) SI-Einheit des räumlichen Winkels Die SI-Einheit des räumlichen Winkels ist nach §6 der Ausführungsverordnung der Steradiant (Einheitenz. sr). 1 Steradiant ist gleich dem räumlichen Winkel, der als gerader Kreiskegel mit der Spitze im Mittelpunkt einer Kugel vom Halbmesser 1 m aus der Kugeloberfläche eine Kalotte der Fläche 1 m2 ausschneidet. 1.5.4.2 Die (abgeleitete) SI-Einheit des Drucks Die SI-Einheit des Drucks oder der mechanischen Spannung, die in der Vermessungstechnik vor allem für die barometrische Höhenmessung gebraucht wird, ist nach §20 a. a. O. das Pascal (Einheitenz.: Pa). 1 Pascal ist gleich dem auf eine Fläche gleichmäßig wirkenden Druck, bei dem senkrecht auf die Fläche 1 m2 die Kraft 1 N = 1 Newton ausgeübt wird. 105 Pa sind gemäß [1.5.2] 1 Bar (bar), 102 Pa 1 Millibar (mbar). Die Einheiten technische Atmosphäre (at), physikalische Atmosphäre (atm), Torr (torr), Meter-Wassersäule (mWs), Millimeter-Quecksilbersäule (mm Hg) waren nur noch bis Ende 1977 zugelassen. 1.5.4.3 Die Basiseinheit der (thermodynamischen) Temperatur (T) Die Basiseinheit der Temperatur, auch Kelvintemperatur genannt, ist nach §3 des Einheitengesetzes das Kelvin (Einheitenzeichen K). Dieses ist definiert als der 273,16 ste Teil der thermodynamischen Temperatur des Tripelpunktes des Wassers. Hierzu vermerkt das Normblatt DIN 1301 S.11: Die Einheit, das Kelvin, gilt auch für die Angabe von Temperaturdifferenzen. – Als Celsius-Temperatur (t) wird die besondere Differenz einer beliebigen thermodynamischen Temperatur T gegenüber der Temperatur T0 = 273,15 K bezeichnet. Es ist also t = T − T0 = T − 273,15 K. Bei der Angabe von Celsius-Temperaturen sind der Einheitenname Grad Celsius und das Einheitenzeichen ◦ C anzuwenden. Die Differenz t zweier CelsiusTemperaturen, z. B. der Celsius-Temperaturen t1 = T1 − T0 und t2 = T2 − T0 ,

16

1 Grundlagen

ist t = t1 − t2 = T1 − T2 = T . Eine derartige Temperaturdifferenz ist nicht mehr auf die dynamische Temperatur T0 bezogen, somit keine Celsius-Temperatur im Sinne der Definition nach der ersten der beiden obigen Gleichungen. 1.5.4.4 Die (abgeleitete) SI-Einheit der Frequenz Die SI-Einheit der Frequenz ist nach §12 der Ausführungsverordnung das Hertz (Einheitenzeichen Hz). 1 Hertz ist gleich der Frequenz eines Schwingungsvorgangs der Periodendauer 1 s. Zur Kennzeichnung von Vielfachen und Teilen dienen die Vorsatzzeichen in [1.5.2].

1.6 1.6.1

Fehlerrechnung und Ausgleichungsrechnung Die Aufgabe der Fehlerrechnung

Die geodätischen Messungen müssen im Hinblick auf ihren jeweiligen Zweck mit einer bestimmten Genauigkeit ausgeführt und gegen Irrtümer gesichert sein. Völlig fehlerfreie Messungen sind infolge der Mängel der Messgeräte und der Unvollkommenheit der menschlichen Sinne nicht möglich. Die Messungen werden daher in der Regel mehrere Male wiederholt und möglichst noch durch zusätzliche Messungen gestützt, indem man z. B. außer den Katheten noch die Hypotenuse misst, oder neben zwei Dreieckswinkeln, die man braucht, auch den dritten beobachtet. Bei der Auswertung der Messungen entsteht die Aufgabe, 1. aus den Beobachtungen den günstigsten Mittelwert der gesuchten Größe abzuleiten, 2. eine Maßzahl für die Genauigkeit einer einzelnen Messung oder ihre Streuung“ ” anzugeben, 3. die Genauigkeit oder die Streuung des Mittelwertes und seinen Vertrauensbe” reich“ abzuschätzen.

1.6.2

Fehlerarten

Die Messungsfehler unterteilt man nach Art ihrer Entstehung in grobe, systematische und zufällige Fehler. Grobe Fehler sind grob fehlerhafte Ablesungen an den Messinstrumenten, Zielverwechslungen und dergleichen. Sie werden durch Kontrollmessungen entdeckt und ausgeschieden. Systematische Fehler verfälschen das Messergebnis stets in demselben Sinne. Sie werden hervorgerufen durch unzureichende Eichung und einseitige Handhabung der

1.6 Fehlerrechnung und Ausgleichungsrechnung

17

Messinstrumente sowie durch einsinnig wirkende Einflüsse von Temperatur, Luftdruck usw. auf das Messinstrument oder den zu messenden Gegenstand. Diese Fehler lassen sich in allen Regelfällen durch Eichung der Messinstrumente, Wahl geeigneter Messverfahren und rechnerisches Berücksichtigen der einsinnigen Einflüsse zum größten Teil eliminieren. Als zufälligen Fehler einer Messung betrachtet man die Summe der nach dem Ausscheiden der groben und der systematischen Fehler übrigbleibenden unbekannten Elementarfehler“, die auf begrenzte Schärfe der menschlichen Sinne, Unvoll” kommenheiten der Messinstrumente, unkontrollierbare Veränderungen der äußeren Umstände und gelegentlich auch des Gegenstandes der Messung zurückzuführen sind. Die zufälligen Fehler werden ebenso oft positives wie negatives Vorzeichen annehmen und sind im Sinne der mathematischen Statistik stochastisch unabhängige Veränderliche. Trotz ihrer scheinbaren Regellosigkeit unterliegen sie den Gesetzen des Zufalls. Abb. 1.8 lässt die Verteilung der wahren Fehler εi [1.6.3] erkennen, die bei 160 Beobachtungen desselben Winkels gemacht wurden. Die εi sind dazu ihrer Größe nach in die auf der Abszissenachse angedeuteten Gruppen von je 0,1 mgon Breite eingeordnet, und über den Abszissenabschnitten sind Rechtecke eingezeichnet, deren Höhe der Anzahl der in die betreffende Gruppe fallenden Fehler proportional ist. Wie die so entstandene Treppenkurve (= Histogramm) zeigt, ist die Häufigkeit, mit der ein Fehler ε auftritt, eine Funktion seiner Größe. Diese Erscheinung ist von C. F. Gauß in das nach ihm benannte Fehlergesetz h 2 2 ϕ(ε) = √ e−h ε π

(1.5)

gebracht worden, in dem ϕ(ε) die relative – d. h. prozentuale – Häufigkeit des Auftretens, e die Basis der natürlichen Logarithmen und h eine Konstante ist, die die Messungsgenauigkeit charakterisiert. Die danach zu erwartende theoretische Fehlerverteilungskurve ist in Abb. 1.8 als durchlaufende Kurve eingezeichnet; sie stimmt mit der aus den Messungen gewonnenen Treppenkurve gut überein. Das gilt für alle größeren Messungsreihen, die überwiegend zufällige Fehler aufweisen. Solche Messungsreihen besitzen in der Sprache der Statistik eine Normalverteilung. Die überwiegend durch zufällige Fehler verursachten Messungswidersprüche aber lassen sich nach der auf C. F. Gauß zurückgehenden Methode der kleinsten Quadrate willkürfrei ausgleichen.

1.6.3

Mittelwerte und Streuungsmaße

Die Einzelergebnisse li , die sich ergeben würden, wenn man eine Größe beliebig oft (n → ∞) durch gleichgenaue, unabhängige und nur mit zufälligen Fehlern behaftete Messungen bestimmte, werden um einen gewissen Mittelwert ξ schwanken, den man

18

10 %

16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1

9 8 7 6 5 4 3 2

Relative Häufigkeit

Fehlerhäufigkeit

1 Grundlagen

1 _ 13

_ 10

_5

0

+5

+ 10

+ 13

Fehlerausmaß

Abbildung 1.8. Histogramm eines wiederholt gemessenen Winkels

den Erwartungswert oder auch den wahren Wert der Größe nennt. Da jedoch in allen Regelfällen nur eine begrenzte Anzahl von Messungen (eine Stichprobe vom Umfang n) vorliegt, benutzt man als Näherungswert für den wahren Wert das arithmetische Mittel 1 1 (1.6) xˆ = (l1 + l2 + · · · + ln ) = [l]1 . n n Für die nach dem Bilden des arithmetischen Mittels übrigbleibenden Fehler oder Verbesserungen v1 = xˆ − l1 ;

v2 = xˆ − l2 ; . . .

vn = xˆ − ln

gilt, dass deren Quadratsumme [vv] ein Minimum wird, also [vv] = v12 + v22 + · · · + vn2 = Min.

(1.7)

Das ist gleichzeitig die Grundforderung der Methode der kleinsten Quadrate, aus der das arithmetische Mittel sich als Sonderfall herleiten lässt. Um gemäß [1.6.1] Ziff. 2 ein Maß für die Streuung einer einzelnen Messung li zu bekommen, betrachtet man – zunächst für n → ∞ – die Abweichungen der Beobachtungen li von dem wahren Wert ξ , die sogenannten wahren Fehler ε 1 = ξ − l1 ;

ε2 = ξ − l2 ; . . .

εn = ξ − ln

1 In der Fehlerrechnung verwendet man nach dem Vorbild von C. F. Gauß gern eckige Klammern als

Summenzeichen.

1.6 Fehlerrechnung und Ausgleichungsrechnung

19

und definiert als Genauigkeitsmaß für eine einzelne Messung li die theoretische ” Standardabweichung“  [εε] ; n → ∞. (1.8) σ = n Die εi sind jedoch in allen Regelfällen nicht bekannt; man muss daher auf die in [1.6.3] eingeführten übrigbleibenden Fehler vi zurückgehen und erhält daraus aufgrund einer statistischen Abschätzung anstelle von σ den Näherungs- oder Schätzwert  [vv] , (1.9) s= n−1 der als empirische Standardabweichung“ einer einzelnen Beobachtung bezeichnet ” wird 2 . Das arithmetische Mittel aus n Beobachtungen hat, wie in [1.6.4] begründet werden wird, die Standardabweichung s s(x) ˆ =√ . n

(1.10)

Damit sind die in [1.6.1] gestellten Aufgaben für den Fall gleich genauer Beobachtungen gelöst.

1.6.4

Das Fehlerfortpflanzungsgesetz

Neben der Standardabweichung einer einzelnen Messung wird oftmals auch die Standardabweichung einer Funktion gemessener Größen benötigt. Das leistet das Fehlerfortpflanzungsgesetz. Lineare Funktionen: Gegeben seien die Messungen l1 und l2 sowie deren Standardabweichungen σ1 und σ2 . Gesucht werde die Standardabweichung s(x) der Funktion (1.11) x = l1 + l2 . Zur Berechnung von s(x) geht man zurück auf die Definitionsgleichung (1.8) und unterstellt, die li in (1.11) seien die Mittel aus ν Urmessungen mit den wahren Fehlern ε1 , ε1 , . . . , ε1(ν) bzw. ε2 , ε2 , . . . , ε2(ν) , wobei unter ν eine sehr große Zahl verstanden sei. Dann bestehen ν Gleichungen von der Form εx = ε1 + ε2 , aus denen durch Quadrieren, Aufaddieren und Division durch ν folgt [εx εx ] [ε1 ε1 ] [ε2 ε2 ] 2[ε1 ε2 ] = + + . ν ν ν ν Die 3 ersten Ausdrücke ergeben nach (1.8) die Werte σ (x)2 , σ12 und σ22 . Im letzten Ausdruck werden die gemischten Produkte, da nur zufällige Fehler, d. h. stochastisch 2 In der Vergangenheit wurde in der Regel die Bezeichnung mittlerer Fehler verwendet.

20

1 Grundlagen

unabhängige Variable vorausgesetzt sind, im Durchschnitt gleich oft positiv und negativ sein und sich daher beim Aufaddieren so weitgehend tilgen, dass der Ausdruck, zumal nach Division durch ν, gegen Null geht. Also bleibt σ (x)2 = σ12 + σ22 . Ersetzt man dann noch, wie beim Übergang von (1.8) auf (1.9), die σ durch die entsprechenden Schätzwerte s, so erhält man zur Berechnung eines Schätzwertes für die Standardabweichung der in (1.11) erhaltenen Summe x die Regel s(x)2 = s12 + s22 .

(1.12)

Anwenden desselben Gedankenganges auf die Funktion x = α1 l1 + α2 l2 + · · · + αn ln gibt

s(x)2 = α12 s12 + α22 s22 + · · · + αn2 sn2 .

(1.13)

Man beachte folgende Sonderfälle: a) Ist s1 = s2 = · · · = sn = s, so wird s(x)2 = [αα]s 2 .

(1.14)

b) Sind ferner alle αi entweder +1 oder −1, so ist s(x)2 = ns 2

√ oder s(x) = s n.

(1.15)

Dieser Fall tritt z. B. beim Nivellement und bei der Streckenmessung auf. In Worten lautet die Regel: Werden mehrere gleich genaue Einzelmessungen zu einer Summe oder Differenz vereinigt, so wächst die Standardabweichung des Ergebnisses mit der Quadratwurzel aus der Anzahl der Einzelmessungen. c) Bringt man die Gleichung (1.6) in die Form xˆ =

l2 ln l1 + + ··· + , n n n

ˆ 2 der bereits in (1.10) wobei alle si = s sind, so folgt daraus nach (1.13) für s(x) angegebene Wert s(x) ˆ 2=

s2 s2 s2 + + · · · + n2 n2 n2

s oder s(x) ˆ =√ . n

1.6 Fehlerrechnung und Ausgleichungsrechnung

21

In Worten: Wird ein und derselbe Gegenstand n mal mit gleicher Genauigkeit gemessen, so geht die Standardabweichung des arithmetischen Mittels mit der Quadratwurzel aus der Anzahl der Wiederholungen zurück. Der Leser möge die Fälle b) und c) wohl auseinanderhalten; vgl. die nachfolgenden Beispiele 1 und 2. Nichtlineare Funktionen macht man gewöhnlich mit Hilfe der Taylorschen Reihe linear und wendet auf das Ergebnis die Gleichung (1.13) an. Das Fehlerfortpflanzungsgesetz lautet dann in seiner allgemeinsten Form: Für x = f (l1 , l2 , . . . , ln ) ist 2 2

∂f ∂f ∂f 2 2 2 2 2 σ1 + σ2 + · · · + σn . (1.16) σ (x) = ∂l1 ∂l2 ∂ln Zahlenbeispiele: 1. Bei einer Längenmessung mit einem 20 m-Messband ist die von dem ungenauen Aneinanderlegen des Messbandes herrührende Standardabweichung einer einzelnen Messbandlage gleich 2 mm. Wie groß ist die Standardabweichung einer Strecke vom 100 m? Aus (1.15) folgt:

√ s100 = 2 5 = 4 mm.

2. Eine Strecke von 160 m wurde viermal unabhängig gemessen. Eine einzelne Messung hat die Standardabweichung 12 mm. Wie groß ist die Standardabweichung des arithmetischen Mittels aus den 4 Messungen? Aus (1.10) folgt:

12 s(x) ˆ = √ mm = 6 mm. 4 3. Gegeben ist a = 87,46. Wie groß ist die Standardabweichung von x = lg a, wenn s(a) = 0,04 ist? Aus (1.16) folgt: s(x) =

Mod 0,4343 d lg a s(a) = s(a) = · 0,04 = 0,00020. da a 87,46

4. Die Seiten eines Rechtecks und ihre Standardabweichungen sind a = 39,12 m, b = 71,38 m, s(a) = 0,02 m und s(b) = 0,04 m. Gesucht sind die Fläche des Rechtecks und ihre Standardabweichung. Aus F = ab folgt gemäß (1.16) s(F )2 = (bs(a))2 + (as(b))2 und mit den gegebenen Zahlen F = 2792 m2 mit s(F )2 = 2,1 m2 . 5. Im Dreieck ABC sind gemessen b = 221,41 m, c = 166,14 m und α = 54,2110 gon, wobei s(b) = 0,06 m, s(c) = 0,05 m und s(α) = 4,0 mgon ist. Gesucht sind die Seite a und ihre Standardabweichung.

22

1 Grundlagen

Aus a =

√ b2 + c2 − 2bc cos α folgt gemäß (1.16)

2

2

b − c cos α c − b cos α bc sin α s(α) 2 s(a) = s(b) + s(c) + · a a a 2

und mit den gegebenen Zahlen a = 167,80 m mit s(a) = 0,04 m.

1.6.5 Ausgleichung direkter Beobachtungen von gleicher Genauigkeit Ist eine Größe mehrfach gemessen worden, so müssen die Messungen zur Lösung der Aufgaben in [1.6.3] nach (1.6), (1.9) und (1.10) ausgeglichen werden. Um mit kleinen Zahlen rechnen zu können, führt man für die Unbekannte einen Näherungswert x0 ein und setzt x = x0 + δx. Bezeichnet man dann die Messungsgrößen anstatt mit li künftig mit Li , so hat man die Ausgangsgleichung Li + vi = x0 + δx.

(1.17)

Darin bringt man Li nach rechts und erhält die Fehlergleichung vi = δx − (Li − x0 ) = δx − li ,

(1.18)

in der li eine neue Bedeutung erhalten hat. Damit ergibt sich folgendes Rechenschema: Bilde

3. die übrigbleibenden Fehler

− li = −(Li − x0 ) 1 δx = [l] n v1 = δx − li

4. die [v]-Probe

[v] = 0

1. die Absolutglieder 2. den Mittelwert

[l]2 [vv] = [ll] − [l]δx = [ll] − n  [vv] 6. die Standardabweichung einer Messung s= n−1 s 7. die Standardabweichung des Mittelwertes s(x) ˆ =√ n 5. die [vv]-Proben

und setze als Schlussprobe die gewonnenen Ergebnisse in Gleichungen (1.17) ein, die erfüllt sein müssen. Zahlenbeispiel: Zur Bestimmung eines Winkels seien die in Spalte 1 des nachstehenden Schemas eingetragenen Beobachtungen gemacht. Als Näherungswert werde x0 = 52,350 gon eingeführt.

23

1.6 Fehlerrechnung und Ausgleichungsrechnung Li

li = Li − x0

vi = δx − li +



mgon

mgon

vv

ll

mgon2

mgon2

4

5

28

36

gon

mgon

1

2

52,356

+6

52,348

−2

2,7

07

04

52,346

−4

4,7

22

16

52,347

−3

3,7

14

09

52,352

+2

1,3

01

04

52,355

+5

4,3

18

25

10,9

90

94

+4

δx =

3 5,3

11,1

+4 = 0,7 mgon; 6

[v] = 0,2;

[vv] = 94 − 4 · δx = 94 −

42 = 91; 6

soll = Null, soll = 90.

Ausgleichsergebnisse: xˆ = x0 + δx = 52,351 gon;  0,90 0,004 s= = 0,004 gon; s(x) ˆ = √ = 0,0013 gon . 6−1 6

1.6.6 Ausgleichung direkter Beobachtungen von verschiedener Genauigkeit 1.6.6.1 Einführen von Gewichten Ist eine Messungsgröße mehrere Male mit verschiedener Genauigkeit beobachtet worden, müssen beim Bilden des Mittelwertes die Genauigkeitsverhältnisse oder – in der Sprache der Ausgleichungsrechnung – die Gewichte der einzelnen Messungen berücksichtigt werden. Eine Messung habe das Gewicht p, wenn sie die gleiche Standardabweichung hat wie das arithmetische Mittel aus p tatsächlichen oder fingierten Standardmessungen mit dem Gewicht 1. Mithin gilt im Hinblick auf (1.10) für die Messungen L1 , L2 , . . . , Ln mit den Gewichten p1 , p2 , . . . , pn der Ansatz p1 : p2 : · · · : pn =

σ2 σ2 σ2 : : · · · : . σn2 σ12 σ22

(1.19)

24

1 Grundlagen

Die Gewichte sind also den Quadraten der Standardabweichungen umgekehrt proportional. Die Standardabweichungen einer Messung vom Gewicht 1 wird Gewichtseinheitsfehler genannt und gewöhnlich mit σ0 bezeichnet. Zur Berechnung des Gewichts pi einer Beobachtung Li mit der Standardabweichung σi hat man dann die Gleichung σ2 pi = 02 . (1.20) σi Die Gewichtseinheit wählt man so, dass die Gewichte möglichst wenig von 1 abweichen. Gebräuchliche Gewichtseinheiten sind die Gewichte einer Streckenmessung von 100 m, eines Nivellements von 1 km und das Gewicht eines in beiden Fernrohrlagen einmal beobachteten Winkels. Aus dem Fehlerfortpflanzungsgesetz (1.13) folgt mit den aus (1.20) abzuleitenden Werten der σi2 das Gewichtsfortpflanzungsgesetz α2 α2 1 α2 = 1 + 2 + ··· + n. px p1 p2 pn

(1.21)

Multipliziert man eine Beobachtung Li mit der Wurzel aus ihrem Gewicht, so erhält nach (1.21) der Ausdruck √ Li pi (1.22) das Gewicht 1. Dieser Ausdruck wird als normierte oder standardisierte Variable bezeichnet. Zahlenbeispiel: In einem Dreieck wurde Winkel α mit s(α) = 0,6 mgon und Winkel β mit s(β) = 0,4 mgon beobachtet. Gefragt ist a) wie groß ist pβ , wenn pα = 1 gesetzt wird; b) wie groß ist pγ für γ = 200 gon −α − β? Zu a) Zu b)

1 1 0,36 0,36 : = : ; 2 2 0,6 0,4 0,36 0,16 1 1 1 1 1 = + = + = 1,45; pγ pα pβ 1 2,2

pα : pβ =

pβ = 2,2. pγ = 0,7.

1.6.6.2 Das gewogene Mittel Um einen Mittelwert aus Messungen verschiedenen Gewichts zu erhalten, ersetzt man wegen (1.22) die Minimumsbedingung (1.7) durch die allgemeine Forderung [vvp] = Minimum.

(1.23)

An die Stelle des einfachen Mittels (1.6) tritt dann, wenn man wie in (1.17) einen Näherungswert x0 abspaltet, als Mittelwert aus n Messungen Li mit verschiedenen Gewichten das gewogene Mittel xˆ =

[lp] L1 p1 + L2 p2 + · · · + Ln pn = x0 + = x0 + δx. p1 + p2 + · · · + pn [p]

(1.24)

25

1.6 Fehlerrechnung und Ausgleichungsrechnung

Die Standardabweichungen einer Beobachtung vom Gewicht 1 bzw. vom Gewicht pi sind gemäß (1.9) und (1.22)  s0 =

[vvp] n−1

s0 bzw. si = √ . pi

(1.25)

Die Standardabweichung und das Gewicht des gewogenen Mittels sind s0 s(x) ˆ =√ [p]

bzw. px = [p].

(1.26)

Der Rechenweg entspricht durchaus dem Verfahren in 1.6.5. Hinzu kommt lediglich, dass jede Fehlergleichung ihr besonderes Gewicht hat. Dadurch treten im nachstehenden Zahlenbeispiel an die Stelle von [1.6.5] Ziffer 2., 6. und 7. die Gleichungen (1.24) bis (1.26); es erscheinen zusätzlich die Spalten lp und vp; und vv und ll werden durch vvp und llp ersetzt. Ferner erhalten die [v]-Probe und die [vv] – vgl. [1.6.5] Ziffer 4. und 5. – die Formen [vp] = 0

(1.27)

[vvp] = [llp] − [lp]δx = [llp] −

[lp]2 . [p]

(1.28)

Zahlenbeispiel: Ein Winkel wurde am 1. Tage 8mal, am 2. Tage 4mal, am 3. Tage 12mal und am 4. Tage 8mal gemessen. Man erhielt als Tagesmittel der Reihe nach 40,1714 gon, 40,1718 gon, 40,1721 gon und 40,1725 gon. Gesucht sind der Mittelwert und seine Standardabweichung. Als Näherungswert sei 40,17 gon gewählt. Die Gewichtseinheit sei ein viermal gemessener Winkel. Damit erhält man: p

li = Li − x0

lp

vi = δx − li

vp +



mgon

mgon

vvp

llp

mgon2

mgon2

6

7

mgon

mgon

mgon

1

2

3

4

2

1,4

2,8

+0,6

+1,2

0.72

3,92

1

1,8

1,8

+0,2

0,2

0,04

3,24

3

2,1

6,3

−0,1

0,3

0,03

13,23

2

2,5

5,0

−0,5

1,0

0,50

12,50

1,3

1,29

32,89

8

15,9

5

1,4

26

1 Grundlagen

δx =

15,9 = 1,988 mgon; 8

[vp] = +0,1 mgon

[vvp] = 32,89 − 15,9 · δx = 32,89 −

(soll = Null);

15,92 = 1,29 8

(soll = 1,29).

(Beachte: Damit die [vvp]-Probe stimmt, muss δx auf 1 bis 2 Stellen genauer berechnet werden, als sachlich notwendig ist). Ausgleichsergebnisse: xˆ = 40,17 gon + 0,002 gon = 40,1720 gon;  s0 =

1,29 = 0,7 mgon; 4−1

7 s0 = √ = 0,24 mgon. s(x) ˆ =√ [p] 8

1.6.7 Ausgleichung von direkten Beobachtungen mit einer Summenbedingung Oftmals müssen die ausgeglichenen Werte mehrerer Messungen Li einer mathematischen Bedingung genügen, z. B. muss die Summe der den Horizont füllenden Winkel 400 gon betragen, und eine Nivellementschleife, die zum Ausgangspunkt zurückgeführt wird, muss mit Null abschließen. Für die Ausgleichung solcher Messungen ergibt das Prinzip des gewogenen Mittels folgenden Weg: Ist S der Sollwert und [L] die Summe aus den Ergebnissen der n die Summe bildenden Messungen, so wird der Widerspruch w = [L] − S bei lauter gleichgewichtigen Messungen auf alle Einzelmessungen zu gleichen Teilen verteilt. Die Standardabweichungen einer ursprünglichen Messung Li bzw. die einer ausgeglichenen Messung xi sind w si = √ n

 bzw. s(xi ) = si 1 −

1 . n

(1.29)

Bei ungleichen Gewichten der Einzelmessungen dagegen wird der Widerspruch proportional zu den reziproken Gewichten 1/pi verteilt. Die Standardabweichung einer ursprünglichen Messung von Gewicht 1 bzw. die einer ausgeglichenen Messung xi sind dann     1 s0 1 1 s0 = w : bzw. s(xi ) = √ . (1.30) 1− : p pi pi p

1.6 Fehlerrechnung und Ausgleichungsrechnung

1.6.8

27

Berechnung der Standardabweichungen aus Doppelmessungen

Oftmals werden der Sicherheit halber n gleichartige Größen (Winkel, Strecken, Höhenunterschiede, Flächeninhalte usw.) je zweimal mit gleicher Genauigkeit beobachtet. Li und εi seien die Beobachtungen und die wahren Fehler der ersten Serie, Li und εi die der zweiten Serie. Beobachtung plus wahrer Fehler ergeben laut Definition den wahren Wert einer Größe. Also muss sein Li + εi = Li + εi

oder Li − Li = di = −εi + εi .

Mithin sind die di = −εi + εi als die Differenz Li − Li bekannt. Werden die n möglichen Gleichungen für die di zuerst quadriert, dann aufsummiert und schließlich durch n geteilt, so erhält man, weil wie in [1.6.4] die gemischten Glieder gegen Null gehen, [dd] = s 2 + s 2 . n Da aber s und s  , wenn beide Male nach dem gleichen Verfahren gemessen wird, als gleich angenommen werden können, erhält man bei gleichgewichtigen Messungen als Standardabweichung einer einzelnen Beobachtung  [dd] , (1.31) s= 2n als Standardabweichung einer aus beiden Messungen gemittelten Beobachtung  1 [dd] . (1.32) sM = 2 n Bei Messungen mit verschiedenen Gewichten ist die Standardabweichung einer Beobachtung vom Gewicht 1  [ddp] . (1.33) s0 = 2n Beim Nivellement ist das Gewicht, da die Standardabweichung nach der Regel bei (1.15) mit der Wurzel aus der nivellierten Strecke wächst, gemäß (1.21) der Strecke umgekehrt proportional; also ist, wenn die Strecke Ri heißt, pi = 1/Ri . Für die Fehlerrechnung ergeben sich dann die in [12.9.1] abgeleiteten Formeln.

1.6.9 Ausgleichungsalgorithmus für vermittelnde Beobachtungen Die Ausgleichung nach vermittelnden Beobachtungen wendet man an, wenn mehrere Unbekannte gemeinsam zu bestimmen sind und die Anzahl der Beobachtungen größer ist als die der Unbekannten. In vielen Fällen sind nicht die Unbekannten selbst beobachtet worden, sondern andere Größen, die mit ihnen in einem funktionalen Zusammenhang stehen. So werden z. B. beim trigonometrischen Einschneiden

28

1 Grundlagen

Winkel gemessen; als Unbekannte aber werden die Koordinaten des Neupunktes N bestimmt [vgl.7.4]. Zur Lösung drückt man zunächst in den Fehlergleichungen die Beobachtungen durch die Unbekannten aus. Alsdann werden die dabei auftretenden Verbesserungen ν aufgrund der Forderung [νν] zum Minimum ausgeglichen. Ein einfaches Beispiel für das Aufstellen von Fehlergleichungen ist bereits in [1.6.5] gegeben. Nachfolgend soll ein Lösungsweg für die Bestimmung mehrerer Unbekannter beschrieben werden. Für jede Beobachtung Li erhält man eine Fehlergleichung. Bei mehreren Unbekannten x, y, z haben diese, falls ein linearer Zusammenhang Li + νi = fi (x, y, z) gegeben ist, die Form L1 + ν1 = a11 x + a12 y + a13 z L2 + ν2 = a21 x + a22 y + a23 z .. . Lm + νm = am1 x + am2 y + am3 z,

(1.34)

wobei die aij die bekannten Koeffizienten (vgl. z. B. 1.43) beschreiben. Der Index i bezeichnet die Beobachtungen, j die Unbekannten. In Matrizenschreibweise hat (1.34) die Form L + v = Ax, ⎤ L1 ⎢ L2 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ .. ⎥ = L, ⎣ . ⎦ ⎡

Lm



⎤ ν1 ⎢ ν2 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ .. ⎥ = v, ⎣ . ⎦

(1.35) ⎡

⎡ ⎤ x ⎣y ⎦ = x, z

νm

a11 ⎢ a21 ⎢ ⎢ a31 ⎢ ⎢ .. ⎣ . am1



a12 a13 a22 a23 ⎥ ⎥ a32 a33 ⎥ ⎥ = A. .. .. ⎥ . . ⎦ am2 am3

NachAnwenden der Methode der kleinsten Quadrate erhält man aus (1.35) für gleichwertige Beobachtungen die Normalgleichungen A Ax − A L = 0 und daraus die Unbekannten −1    A L xˆ = A A

( ˆ: Schätzwert).

(1.36)

(1.37)

Von besonderem Interesse in der Gleichung (1.37) ist die Kofaktormatrix (A A)−1 . Mit dieser berechnet man die Varianz-Kovarianzmatrix der Unbekannten: ⎡ 2 ⎤ σx σxy σxz   ⎣σyx σy2 σyz ⎦ = σ02 A A −1 . (1.38) σzx σzy σz2

29

1.6 Fehlerrechnung und Ausgleichungsrechnung

Die Größen in der Diagonalen sind die Varianzen der Unbekannten, die seitwärts liegenden die Kovarianzen. Der Faktor σ02 ist eine Konstante. Eine unverzerrte Schätzung für die Konstante ist die empirische Varianz s02 =

v v , n−u

(1.39)

wobei n die Anzahl der Beobachtungen und u die Anzahl der Unbekannten ist. Bei einer ausreichenden Anzahl von Überbestimmungen (n − u > 5) kann s02 in (1.38) an Stelle von δ02 verwendet werden. Die Verbesserungen erhält man nach (1.35) aus v = Aˆx − L.

(1.40)

Bei Beobachtungen mit unterschiedlichen Gewichten erhält man an Stelle von (1.36), (1.37), (1.38):  −1 A PA x − A PL = 0, (1.36a)  −1 (1.37a) xˆ = A PA A PL, ⎡ 2 ⎤ σx σxy σxz ⎣σyx σy2 σyz ⎦ = σ02 (A PA)−1 = N−1 (1.38a) σzx σzy σz2 mit





P1

⎢ ⎢ ⎢ ⎣

⎥ ⎥ ⎥=P ⎦

P2 ..

. Pn

und

v Pv . n−u Sind die ursprünglichen Fehlergleichungen (1.34) s02 =

(1.39a)

Li + ν = fi (x, y, z) nicht linear, so werden sie – mit Hilfe der Taylorschen Reihe für mehrere Unbekannte – linear gemacht. Nach Einführen von Näherungswerten x = x0 + dx,

y = y0 + dy,

z = z0 + dz,

(1.41)

30

1 Grundlagen

erhält man an Stelle von (1.34) die linearisierten Fehlergleichungen:



∂fi ∂fi ∂fi Li + νi = fi (x0 , y0 , z0 ) + dx + dy + dz + · · · . (1.42) ∂x 0 ∂y 0 ∂z 0

Setzt man

∂fi ∂x



= ai1 , 0

und

∂fi ∂y



= ai2 , 0

∂fi ∂z

= ai3

(1.43)

0

Li − fi (x0 , y0 , z0 ) = li ,

(1.44)

so bekommen die umgeformten Fehlergleichungen die Form νi = ai1 dx + ai2 dy + ai3 dz − li .

(1.45)

Beispiele3 : a) Die ursprünglichen Fehlergleichungen für die von Festpunkten (xi , yi ) zu einem Neupunkt (x, y) gemessenen Strecken lauten:  (1.46) si + νi = q (y − yi )2 + (x − xi )2 , bzw. nach Einführen von Näherungskoordinaten für den Neupunkt N  si + νi = q0 (y0 − yi + dy)2 + (x0 − xi + dx)2 . q ist ein Maßstabsfaktor, q0 ein Näherungswert. Für die einzelnen Glieder von (1.45) erhält man dann  fi (x0 , y0 ) = q0 (y0 − yi )2 + (x0 − xi )2 = si0 ,

∂fi ∂y

= ai1 = q0 0

y0 − y i , si0



∂fi ∂x

= ai2 = q0 0

x0 − x i , si0



∂fi ∂q

0

= ai3 = si0 ,

so dass die umgeformten Fehlergleichungen lauten νi = q0

  y0 − yi x0 − x i dy + q0 dx + si0 dq − si − si0 . 0 0 si si

(1.47)

b) Bei Richtungsbeobachtungen von Festpunkten (xi , yi ) zu einem Neupunkt (x, y) gelten die ursprünglichen Fehlergleichungen:  3 vgl. [7.4, 7.5]

rN0

 i

+ νi = arctan

y − yi , x − xi

(1.48)

31

1.6 Fehlerrechnung und Ausgleichungsrechnung

wobei (rN0 )i die zum Neupunkt weisenden orientierten Richtungen sind [7.4]. Nach Einführen von Näherungswerten yi = y0 + dyi , erhält man durch Linearisieren 

rN0

 i

+ νi = arctan

y0 − yi + x0 − xi

mit g=

∂ arctan g ∂y ∂ arctan g ∂x





xi = x0 + dxi

∂ arctan g ∂y



dy + 0

∂ arctan g ∂x

dx 0

y0 + dy − yi , x0 + dx − xi

0

x0 − xi 200 = ai1 = +  2 · , π si0

0

y0 − yi 200 = ai2 = −  2 · , π si0





 0 2 si = (y0 − yi )2 + (x0 − xi )2 .

0 i Setzt man noch arctan yx00 −y −xi = ti , so gilt für die umgeformten Fehlergleichungen:

   x0 − xi 200 y0 − yi 200 ν i =  2 · dy −  2 · dx − rN0 i − ti0 . 0 0 π π si si

(1.49)

c) Sind auf einem Neupunkt (x, y) Richtungen ri zu mehreren Festpunkten (xi , yi ) gemessen, so gilt für die Richtung nach einem beliebigen Punkt: ri + νi = −ϕ + arctan

yi − y . xi − x

(1.50)

Die arctan Funktion unterscheidet sich von der in (1.48) auftretenden dadurch, dass im Zähler und Nenner des Quotienten die Vorzeichen vertauscht sind. Im Vergleich zu (1.49) haben daher auch die Koeffizienten der Fehlergleichungen ein umgekehrtes Vorzeichen; der Betrag der Koeffizienten bleibt erhalten, ϕ ist eine Orientierungsunbekannte. An Stelle von (1.49) erhält man:   x0 − xi 200 y0 − yi 200 ν i = −  2 · dy +  2 · dx − ri − ti0 π π si0 si0 mit ti0 = arctan

y0 − yi ± 200 gon . x0 − xi

(1.51)

32

1 Grundlagen

Beim Rückwärtseinschneiden sind nicht nur die Koordinaten des Neupunktes, sondern auch die Orientierung ϕ der gemessenen Richtungen unbekannt. Das System der Fehlergleichungen kann daher gelöst werden, wenn auch für die Unbekannte ϕ eine Fehlergleichung aufgestellt ist. Da hierfür keine Beobachtung vorliegt, muss eine fingierte Gleichung eingeführt werden. Diese lautet nach Schreiber: νn+1 = [ai1 ]n1 dy + [ai2 ]n1 dx − [li ]n1 ; wobei

Gewicht: pn+1 =

1 , [pi ]n1

(1.52)

  li = ri − ti0 .

Einzelne Aufgaben kann man nach folgendem Rechenschema lösen: Bilde (1) Näherungskoordinaten

x0 , y0

(2) die linearen bzw. nichtlinearen Beziehungen zwischen den Beobachtungen und Unbekannten, d. h. stelle jede Beobachtung als Funktion der Unbekannten auf

Li + νi = fi (x, y, z)

(3) die Koeffizienten

ai1 , ai2 , . . .

(4) die Absolutglieder

li = Li − fi (x0 , y0 , z0 )

(5) die Matrix der Koeffizienten

A

(6) die Matrix der Absolutglieder

l

(7) die Unbekannten

xˆ = (A A)−1 (A l) = N−1 n

(8) die Verbesserungen der Beobachtungen

v = Aˆx − l

(9) die Ausgleichungsprobe

v v = −l v

(10) die empirische Varianz

s02 = v v/(n − u)

(11) die Varianz der Unbekannten

((A A)−1 )s02

(12) das Endergebnis

xˆ .

1.6.10

Fehlergrenzen und Vertrauensbereich

Die Fläche unter der Kurve Abb. 1.8 repräsentiert die Gesamtheit aller aufgetretenen Fehler. Die Wahrscheinlichkeit, bei einer Messung einen Fehler zwischen den Grenzen ε = a und ε = b zu begehen, erhält man demnach durch Integration von (1.5)

33

1.6 Fehlerrechnung und Ausgleichungsrechnung

zu h ϕ(ε) ¯ =√ π

b

e−h

2 ε2

dε.

(1.53)

ε=a

Wählt man als Grenzen a = −us σ und b = +us σ , wobei us ein Zahlenfaktor und σ der nach (1.8) für den Fall n → ∞ gefundene theoretische Wert der Standardabweichung ist, so gewinnt man für bestimmte Werte von us die in der Tabelle 1.1 vermerkten Prozentsätze der Sicherheit S dafür, dass die Beobachtungen in dem Vertrauensbereich (1.54) x ± us σ liegen. Nach der letzten Zeile dieser Tabelle wird also der dreifache Wert von σ nur in 0,3% aller Fälle überschritten. Tabelle 1.1 us

S%

1

68,3

1,96

95

2

95,4

2,58

99

3

99,7

Gestützt auf diese Erkenntnisse und auf langjährige praktische Erfahrungen betrachten die Vermessungsverwaltungen den 3- bis 4 fachen Betrag der theoretischen Standardabweichung der verschiedenen Messungsarten als Fehlergrenze und schreiben vor, dass Messungen, bei denen die jeweiligen Fehlergrenzen überschritten werden, wiederholt werden müssen. Diese Vorschrift führt vielfach zu der Auffassung, dass ein Messungsergebnis, bei dem die aus den Messungen selbst errechnete Standardabweichung den durch die Fehlergrenzen gesteckten Rahmen nicht überschreitet, als gesichert angesehen werden kann. Das trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Aus der begrenzten Zahl der Messungen gewinnt man nämlich nicht den theoretischen Wert σ der Standardabweichung, sondern z. B. nach (1.9) oder (1.31) lediglich den Näherungswert s, und nach [1.6.5] und [1.6.6] den Näherungswert s(x). ˆ s und s(x) ˆ aber sind um so ungenauer, je kleiner die Anzahl f der zu ihrer Berechnung verwandten überschüssigen Messungen ist. Die mathematische Statistik verzichtet daher auf den Begriff der Fehlergrenze und ermittelt statt dessen für das Messungsergebnis den sogenannten Vertrauensbereich,

34

1 Grundlagen

dessen untere und obere Grenze beschrieben wird durch die Formel x ± ts s(x). ˆ

(1.55)

Der darin auftretende Faktor ts ist eine Funktion der Anzahl f der zur Berechnung von s(x) ˆ benutzten überschüssigen Messungen und des je nach Lage des Falles für erforderlich gehaltenen Sicherheitsprozentsatzes S. Einige Zahlenwerte dieser sog. Studentschen“ Funktion sind in der Tabelle 1.2 wiedergegeben. In diese geht man ” ein mit f und findet rechts daneben die Werte für ts bei S = 95% und S = 99%. Tabelle 1.2 Wert von t für f

S = 95%

S = 99%

1

12,71

63,66

2

4,30

´9,92

3

3,18

5,84

4

2,78

4,60

5

2,57

4,03

8

2,31

3,36

10

2,23

3,17

20

2,09

2,85

50

2,01

2,68



1,96

2,58

Der sogenannte Erwartungswert oder wahre Wert der Messungsgröße selbst liegt dann mit dem gewählten Sicherheitsprozentsatz S in dem durch (1.36) beschriebenen Bereich. Zahlenbeispiele: 1. Im Zahlenbeispiel zu [1.6.5] wurden xˆ = 52,351 gon und s(x) ˆ = 0,0013 gon mit f = 5 überschüssigen Beobachtungen berechnet. Also ist der Vetrauensbereich bei 95% Sicherheit: xˆ ± 2,57 · 0,0013

oder

52,351 gon ±0,003 gon,

35

1.6 Fehlerrechnung und Ausgleichungsrechnung

und bei 99% Sicherheit: xˆ ± 4,03 · 0,0013

oder

52,351 gon ±0,005 gon .

Die Unsicherheit des Ergebnisses ist also 3 bzw. 5mal größer als meistens aufgrund der berechneten Standardabweichung angenommen wird. 2. Im Zahlenbeispiel zu [1.6.6.2] ergab sich xˆ = 40,1720 gon und s(x) ˆ = 0,00024 gon mit f = 3. Also ist der Vertrauensbereich bei S = 95% xˆ ± 3,18 · 0,00024 gon

oder

40,1720 gon ±0,0008 gon

oder

40,1720 gon ±0,0014 gon .

und bei S = 99% xˆ ± 5,84 · 0,00024 gon

Der Schlusssatz zum vorigen Beispiel gilt entsprechend. Es überrascht zunächst, dass bei steigenden Ansprüchen an die Sicherheit in beiden Beispielen die Vertrauensgrenzen weiter nach außen gerückt sind und damit das Ergebnis x mit größerer Unsicherheit behaftet zu sein scheint als bei geringeren Ansprüchen. Die Erklärung ist jedoch einfach: Wenn zwischen den Vertrauensgrenzen bei sonst gleichbleibenden Verhältnissen ein größerer Prozentsatz an Sicherheit untergebracht werden soll, so müssen die Grenzen erweitert werden. Wünscht man dagegen das endgültige Messungsergebnis xˆ in engeren Grenzen einzuschließen, so muss man – eine aus (1.36) folgende triviale Erkenntnis – entweder durch genaueres Messen für eine kleinere Standardabweichung sorgen oder durch Vermehrung der Zahl der überschüssigen Beobachtungen in der Tabelle 2 zu einem kleineren Wert von ts kommen.

Zur Vertiefung von [1.6] kann noch auf folgende Literatur verwiesen werden: Benning 2002; Jäger u. a. 2004; Koch 1999, Niemeier 2002; Witte u. a. 2004.

2 Einige Grundlagen der Physik und Nachrichtentechnik

2.1

Elektromagnetische Wellen für die Positionierung und den Datenfunk

In der Geodäsie bestimmt man Positionen von feststehenden und beweglichen Objekten durch Richtungs- und Distanzmessungen. Wenn man großräumiger arbeiten will, nutzt man hierfür elektromagnetische Wellen. Es ist immer ein Sender und ein Empfänger beteiligt, zwischen denen mit elektromagnetischen Wellen Signale übertragen werden. Sender und Empfänger stehen dabei auf Punkten, deren Koordinaten bekannt sind oder solchen, deren Koordinaten zu bestimmen sind. Bei einigen Positionierungsverfahren wird zwischen dem Sender und Empfänger Datenfunk benötigt, um Messwerte, Korrekturwerte und/oder andere Informationen zwischen diesen auszutauschen. Das Messverfahren lässt sich dann häufig flexibler gestalten und es lassen sich Genauigkeitssteigerungen erzielen. Für die Positionierung und den Datenfluss nutzt man nahezu alle Wellenbereiche des Spektrums der elektromagnetischen Wellen. Tab. 2.1 gibt einen Überblick über die Wellenbereiche. Die physikalischen Bedingungen bei der Ausbreitung der einzelnen Wellenbereiche sind unterschiedlich. Je nach Aufgabenbereich müssen daher die nutzbaren Wellenbereiche sorgfältig ausgewählt werden.

2.1.1 Ausbreitung elektromagnetischer Wellen Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der elektromagnetischen Wellen ist abhängig vom jeweiligen Zustand der Erdatmosphäre, welcher sich geeignet durch den Brechungsindex beschreiben lässt. Dieser ist vom Ort und der Zeit abhängig [4.3; 10.4]. Die Ausbreitungsrichtung lässt sich bei sehr kleinen Wellenlängen des optischen Bereichs (< 100 μm) durch die Ausrichtung der optischen Achse eines Objektivs [2.2] und bei größeren Wellenlängen durch die Abstrahlcharakteristik der verwendeten Antenne beeinflussen. Es werden Richtantennen und Rundumstrahler eingesetzt [2.3].

2.1 Elektromagnetische Wellen für die Positionierung und den Datenfunk

37

Tabelle 2.1. Wellenbereiche

Wellenbereich Ultraschall- und Schallwellen Längstwellen (VLF) Langwellen (LF) Mittelwellen (MF) Kurzwellen(HF) Ultrakurzwellen (VHF) Dezimeterwellen (UHF) Zentimeterwellen (SHF) Millimeterwellen (EHF) Submillimeterwellen Infrarotstrahlung (IR) Sichtbares Licht Ultraviolette Strahlung (UV)

Wellenlänge

Frequenz

> 10 km 1 bis 10 km 100 bis 1000 m 10 bis 100 1 bis 10 m 1 bis 10 dm 1 bis 10 cm 1 bis 10 mm 0,1 bis 1 mm 750 nm bis 100 μm 400 bis 750 nm 100 bis 400 nm

< 30 kHz 300 bis 30 kHz 3 bis 0,3 MHz 30 bis 3 MHz 300 bis 30 MHz 3000 bis 300 MHz 30 bis 3 GHz 300 bis 30 GHz 3000 bis 300 GHz 4 · 1014 bis 3 · 1012 Hz 7,5 · 1014 bis 4 · 1014 Hz 3 · 1015 bis 7,5 · 1014 Hz

Für die Reichweite sind die Sendeleistung, die Art der verwendeten Antenne oder des Objektivs, der Aufstellungsort und die Empfindlichkeit des Empfängers maßgebend. Außerdem ist entscheidend, ob es sich um die Ausbreitung einer Bodenoder Raumwelle handelt (Abb. 2.1). Es ist von der Sendefrequenz abhängig, ob die sich ausbreitende Welle der Erdkrümmung folgt (Bodenwelle) oder in den Raum hinein (Raumwelle) strahlt. Je niedriger die Frequenz (< 300 MHz) ist, um so mehr passt sich die Welle der Erdkrümmung an. Bei höheren Frequenzen (> 300 MHz) erfolgt eine teilweise Abstrahlung in Richtung Weltraum und die Reichweite der Bodenwelle geht zurück. Dies ist eine Folge der mit steigender Frequenz stark anwachsenden Dämpfung der Bodenwellen sowie der ebenfalls wachsenden Beugungsdämpfung an Hindernissen und der Erdkrümmung. Lichtwellen und Wellen bis in den Bereich der Ultrakurzwelle (VHF) breiten sich fast geradlinig aus. Bei Ultrakurzwellen spricht man auch von der quasi-optischen Ausbreitungszone. Die Beugung dieser Wellen ist so gering, dass sie nicht zu einer Krümmung entlang der Erdoberfläche führt. Eine geringfügige Strahlungskrümmung entsteht durch Refraktion. Die Reichweite von Mess- und Datenfunkgeräten, welche mit Wellen dieses Bereichs arbeiten, wird durch die direkte Sicht begrenzt. Lässt man die Krümmung des Erdellipsoids (ohne Relief) und die Refraktion unberücksichtigt, so wird die Grenze der direkten Sicht zwischen zwei Punkten durch deren Höhen

38

2 Einige Grundlagen der Physik und Nachrichtentechnik Ionosphäre > 100 MHz Raumwelle

< 50 MHz

Troposphäre Bodenwelle

Empfänger

Sender Erdoberfläche

Abbildung 2.1. Wellenausbreitung

H1 und H2 bestimmt:  Smax = 3,57

H1 + m



H2 m

 km.

(2.1)

Will man zusätzlich die Refraktion berücksichtigen, so ist bei elektrischen Wellen anstelle von 3,57 der Koeffizient 4,12 und bei Lichtwellen 3,93 einzusetzen. Die Wellen bis in den VHF-Bereich durchdringen auch nahezu geradlinig die Ionosphäre, denn erst unterhalb 50 MHz übt die Ionosphäre auf die Ausbreitungsrichtung einen entscheidenden Einfluss aus, während sie die Frequenzen über etwa 100 MHz i. a. unbeeinflusst lässt (Abb. 2.1). Lang- und Mittelwellen werden an den Ionosphärenschichten der Atmosphäre, die in Höhen von mehr als 60 km gelagert sind, reflektiert. Zum Sender gelangt also nicht nur die längs der Erdoberfläche sich direkt ausbreitende Welle (Bodenwelle), sondern auch die von der Ionosphäre reflektierte Welle (Raumwelle) (Abb. 2.1). In dem Bereich, wo die Oberflächen- und Raumwelle zusammentreffen, interferieren diese. Aus Abb. 2.2 ist zu erkennen, dass die Reflexionsvorgänge sehr unterschiedlich ablaufen können. Dort, wo die Wellen interferieren, wird die Amplitude und Phase Inversion

Sender

Empfänger

Abbildung 2.2. Reflexionen von Wellen < 50 MHz

2.1 Elektromagnetische Wellen für die Positionierung und den Datenfunk

39

der Oberflächenwelle verzerrt. Befinden sich Empfänger in dieser Zone, so kann es zu erheblichen Störungen bei Messungen und der Datenübertragung kommen. Die von der Ionosphäre reflektierte Raumwelle kann sich über eine weit größere Entfernung als die Bodenwelle ausbreiten, für welche die Erde mit ihrem Relief hinderlich ist. Infolge der Beugung durch diese Hindernisse verläuft die Bodenwelle gekrümmt und ihrer Ausbreitung hängt von den absorbierenden Eigenschaften der Erdoberfläche ab. Auch die Raumwelle wird teilweise von der Ionosphäre und Erdoberfläche absorbiert. Die Absorption an der Erdoberfläche hängt von der Wellenlänge, der Polarisation und den elektrischen Charakteristika der Oberfläche ab. Im Mittelwellenbereich gibt es wegen der Reflexionen an der Ionosphäre eine starke Abhängigkeit der Feldstärke von der Tageszeit. Am Tag herrscht die Bodenwelle vor, die infolge der Beugungsvorgänge Reichweiten bis etwa 1000 km erreicht. Nachts ist im Mittelwellenbereich die Reichweite der Raumwelle größer. Im Langwellenbereich kann sich die Oberflächenwelle infolge Beugung bis zu 3000 km ausbreiten.

2.1.2

Modell einer linearpolarisierten monochromatischen Welle

Bei derAusbreitung einer Schwingung im Raum mit der Geschwindigkeit c entstehen Wellen mit der Wellenlänge c (2.2) λ= , f wobei f die Frequenz bezeichnet. Bei den elektromagnetischen Wellen kommt es zu Schwingungen der Spannungen der elektrischen und magnetischen Felder. Ein Spezialfall der Schwingungsprozesse sind die harmonischen Schwingungen der Spannungen der elektrischen und magnetischen Felder, welche ein sich im Raum ausbreitendes Wechselfeld, die elektromagnetischen Wellen, bilden. Die Vektoren der Spannungen dieser beiden Felder sind zueinander rechtwinklig und liegen in Ebenen rechtwinklig zum Vektor der Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wellen. Elektromagnetische Wellen unterliegen der Polarisation. Verlaufen die Schwingungen des elektrischen Vektors in der zur Ausbreitungsrichtung der Wellen rechtwinkligen Ebene nur in einer Richtung, so ist die Welle linear polarisiert; sind die Schwingungsrichtungen in dieser Ebene zufällig verteilt, so ist die Welle nicht polarisiert. Eine linear-polarisierte monochromatische Welle, welche sich längs der x-Achse mit der Geschwindigkeit c ausbreitet, lässt sich durch folgende Gleichung beschreiben:    x (2.3) + ϕ0 = A cos (ωt − kx + ϕ0 ) y = A cos ω t − c mit k = 2π/λ als Wellenzahl. Die Wellenzahl beschreibt, wie viele Wellenlängen in einem Abschnitt von der Länge 2π enthalten sind. Der Klammerausdruck beschreibt die Phase der Schwingung und ϕ0 die Anfangsphase. Die Ebene der Schwingungen

40

2 Einige Grundlagen der Physik und Nachrichtentechnik

des elektrischen Vektors ist die Schwingungsebene der linearpolarisierten Welle, die der Schwingungen des magnetischen Vektors die Polarisationsebene. Wellen aus Schwingungen mit nur einer Frequenz werden als monochromatisch bezeichnet. Wellen einer Frequenz mit konstant bleibender Phasendifferenz bezeichnet man als kohärent. Überlagern sich zwei kohärente, linearpolarisierte monochromatische Wellen, so hängt die Amplitude der Gesamtwelle von der Phasendifferenz der Teilwellen ab. Es entsteht Interferenz. Das Modell der monochromatischen Schwingungen und Wellen ist eine Idealisierung. In der Realität gibt es keine monochromatischen Wellen. Eine nicht monochromatische Welle kann jedoch mit Hilfe einer Fourier-Entwicklung in einzelne Komponenten monochromatischer Wellen zerlegt werden. Mit Hilfe des Modells der monochromatischen Wellen lassen sich die Prinzipien von Messverfahren darstellen, weshalb dieses hier eine besondere Bedeutung hat.

2.1.3

Bahnkrümmung der Raumwellen

Die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen durch die Troposphäre ist abhängig von der Veränderlichkeit des Brechungsindexes n und der Anfangsrichtung. Der Brechungsindex ist eine Funktion der Temperatur, des Luftdrucks und des Partialdrucks des Wasserdampfes [4.3]. Die Veränderlichkeit des Brechungsindexes in horizontaler Richtung kann im allgemeinen für die Wellenausbreitung in erster Näherung vernachlässigt werden. Man hat es daher primär mit einem vertikal geschichteten Medium zu tun, in dem der Brechungsindex n mit steigender Höhe abnimmt. Insbesondere in Bodennähe kann es auch zu Umkehrungen kommen, was jedoch zunächst nicht näher betrachtet werden soll. Bei ebener Erde und ebener Schichtung der Brechzahl gilt das Snellius-Gesetz (Abb. 2.3) n · cos ϕ = konstant.

ϕ1 ϕ0

(2.4)

n0 n1

Abbildung 2.3. Brechung an ebenen Schichten

2.1 Elektromagnetische Wellen für die Positionierung und den Datenfunk

41

Bei sphärisch gekrümmter Erde und sphärischer Schichtung des Brechungsindexes gilt (Abb. 2.4) n · ρ · cos ϕ = konstant. (2.5) ϕ2 ϕ1

n2

n1 n0

ϕ0

ρ0

ρ1

Abbildung 2.4. Brechung an sphärischen Schichten

Dabei beschreibt ϕ den Erhebungswinkel der Bahnkurve gegenüber der jeweiligen Kugelschale mit dem Radius ρ. Für die Richtungswinkel der Strahlbahn gilt (Abb. 2.5) dτ = ϕ0 + dϑ − ϕ = dϑ − dϕ d. h.

dτ dϑ dϕ = − . dh dh dh Nach Differentiation von (2.5) erhält man

(2.6)

ρ · cos ϕdn + n cos ϕdρ − nρ · sin ϕ · dϕ = 0, und da dρ identisch mit dh ist, gilt dϕ = cot ϕ dh



1 dn 1 + n dh ρ

.

(2.7)

In dem differentiellen Dreieck P1 P2 Q ergibt sich b = dh cot ϕ und außerdem ist dϑ = b/ρ, d. h. cot ϕ dϑ = . (2.8) dh ρ

42

2 Einige Grundlagen der Physik und Nachrichtentechnik dτ dD P2 dh

P1

ϕ

ϕ0 b

n2

dϑ Q

n1 n0

ρ

r dϑ dτ

Abbildung 2.5. Elemente der Differentialgleichung der Strahlbahn

Aus (2.6), (2.7) und (2.8) folgt nun 1 dn dτ = − cos ϕ · · . dh n dh

(2.9)

Der Krümmungsradius r ist gegeben durch r = dD/dϑ, wobei dD die Länge eines Bogenelementes beschreibt. Da in dem differentiellen Dreieck P1 P2 Q außerdem dD = dh/ sin ϕ gilt, erhält man für (2.9) 1 dn 1 = − cos ϕ · · . r n dh

(2.10)

Bei vielen terrestrischen Messverfahren, die elektromagnetische Wellen nutzen, ist ϕ sehr klein und n ≈ 1, so dass man ohne wesentlichen Genauigkeitsverfall schreiben kann dn 1 = . (2.11) r dh Aus (2.11) erkennt man: ändert sich der Brechungsindex linear mit der Höhe, d. h. ist der Gradient dn/dh konstant, so beschreibt die Bahn der Wellen einen Kreisbogen. Für die Troposphäre ist eine Standardatmosphäre definiert worden, welche auf Jahresmittelwerten beruht. In den unteren Kilometern wird dort dn/dh als konstant

2.1 Elektromagnetische Wellen für die Positionierung und den Datenfunk

43

betrachtet. Der Radius des Strahlenweges kann daher im Mittel als konstant betrachtet werden. In Abhängigkeit von der Frequenz der elektromagnetischen Wellen entspricht er einem Vielfachen des Erdradius. Das Verhältnis von Erdradius und Bahnradius bezeichnet man als Refraktionskoeffizient k: R (2.12) k= . r Als Durchschnittswerte für die ungestörte Atmosphäre gelten kL = 0,13 (für Infrarotstrahlung u. sichtbares Licht) und kM = 0,25 (für Zentimeterwellen (SHF) und Dezimeterwellen(UHF)). Also ist der Krümmungshalbmesser der Lichtkurve ≈ 8R und der der Mikrowellenkurve (SHF, UHF) ≈ 4R. Die Bahnkrümmung dieser Raumwellen kann daher einfach in geometrischen Modellen berücksichtigt werden, was bedeutet, dass sie sich für hochgenaue Richtungs- und Distanzmessungen geeignet nutzen lassen [3; 4; 10; 12; 13].

2.1.4 Absorption elektromagnetischer Wellen in der Atmosphäre

Absorption in dB/km

Je kürzer die Wellenlänge gewählt wird, um so mehr wächst die Dämpfung der Wellen an, welche die Reichweite der Messverfahren empfindlich beeinträchtigen kann. In der niederschlagsfreien Atmosphäre kann die Absorption der m-, dm-, und cmWellen vielfach vernachlässigt werden (Abb. 2.6). Erst im mm-Wellenbereich kommt 100

20 10 5 2 1 0,5 0,2 0,1 00,5 00,2 00,1 000,5 000,2 000,1 0000,5 0000,2 0000,1

Sauerstoff

Wasserdampf

3

6

9

15

20 60 90 150 Frequenz in GHz

10

5 4 3 2 1,5 10,8 0,4 0,3 0,2 Wellenlänge in cm

Abbildung 2.6. Atmosphärische Absorption (Großkopf 1970)

44

2 Einige Grundlagen der Physik und Nachrichtentechnik

es zu Dämpfungserscheinungen durch Resonanzeffekte der neutralen Sauerstoffmoleküle und der Moleküle des nicht kondensierten Wasserdampfes. Die Abb. 2.6 zeigt die Dämpfung in dB/km in Abhängigkeit von der Frequenz, berechnet für die Troposphäre in Höhe des Meeresspiegels. Die Absorption bei vertikalem Durchgang durch die freie Troposphäre ist im allgemeinen sehr klein. Sie beträgt bei 10 GHz etwa 0,1 dB. Die Resonanzspitzen bei λ = 13,5 mm (H2 O), 5 mm (O2 ), 2,5 mm (O2 ) und 1,63 mm (H2 O) sind um so schärfer ausgeprägt, je größer die Höhe der Troposphäre ist, bzw. je geringer die Dichte wird. Zusätzlich tritt Absorption durch kondensierten Wasserdampf in Form von Nebel und Wolken auf (Abb. 2.7). Sie ist proportional der Masse W des flüssigen Wassers

Dämpfung in dB/km

10

E 1 H

D

C

G B

0,1

A

F

0,01 3

10

30

100

Frequenz in GHz

——

Dämpfung in Regen mit einer Stärke von

A: B: C:

0,25mm/ h 1,0mm/ h 4,0mm/ h

D: E:

16,0mm/ h 100,0mm/ h

(Nieselregen) (leichter Regen) (mäßiger Regen)

– – – Dämpfung in Nebel oder Wolken F: G: H:

0,032 g/m3 0,32 g/m3 0,3 g/m3

(Sicht > 600 m) (Sicht ≈ 120 m) (Sicht ≈ 30 m)

(starker Regen) (sehr starker Regen)

Abbildung 2.7. Niederschlagsdämpfung in Abhängigkeit von der Frequenz (Großkopf 1970)

2.1 Elektromagnetische Wellen für die Positionierung und den Datenfunk

45

pro Kubikmeter und etwa umgekehrt proportional dem Quadrat der Wellenlänge: α = 0,483 ·

W λ2

(α in dB/km, λ in cm, W in g/m3 ).

Bei 18◦ C beträgt der Absorptionskoeffizient für λ = 10 cm etwa 0,005 dB/km pro g/ m3 und bei λ = 1 cm schon 0,4 dB/km. Der Wassergehalt der Wolken kann etwa 1g/ m3 erreichen. Höhere Werte erreicht die Dämpfung pro km durch Niederschläge, besonders im Frequenzbereich oberhalb 1 GHz. Abb. 2.7 zeigt die Frequenzabhängigkeit der Dämpfung für verschiedene Niederschlagsintensitäten in mm/Stunde. Zusammenfassend kann man sagen: Messgeräte für die Richtungs- und Distanzmessung, welche mit Wellen des sichtbaren Lichtes und Infrarot arbeiten, können wegen der begrenzten Reichweite nur im Nahbereich eingesetzt werden. Die Reichweite entspricht etwa der Sichtweite, welche wiederum stark abhängig von der Witterung ist. Messgeräte, die Mikrowellen nutzen, können zu jeder Zeit global unabhängig von der Witterung eingesetzt werden. Satellitengestützte Messverfahren arbeiten daher vorwiegend mit Wellen des UHF Bereiches. Erdgebundene Navigationsverfahren arbeiten mit elektromagnetischen Wellen des Mittelwellen- und Langwellenbereiches.

2.1.5

Bereiche des Spektrums für Positionierungsverfahren und den Datenfunk

Bei der Richtungsmessung verwendet man vorwiegend die Infrarotstrahlung (IR) und sichtbares Licht, da sich der Ausbreitungsweg der Wellen dieser Wellenlängenbereiche unter normalen Bedingungen (sphärische Schichtung, konstanter Gradient des Brechungsindexes) einfach und relativ genau mathematisch modellieren lässt [2.1.3]. Für die elektronische Distanzmessung werden Wellen fast aller in Tab. 2.1 enthaltenen Bereiche, außer der UV-Strahlung und der Kurzwellen, verwendet. Der Wellenbereich, der sich vom sichtbaren Licht bis zu den Dezimeterwellen erstreckt, erfüllt weitgehend alle Anforderungen an hohe Genauigkeit, denn der Ausbreitungsweg dieser Wellen folgt in der Regel genähert einem schwach gekrümmten Kreisbogen, der ohne merkbaren Genauigkeitsverlust vielfach einfach durch eine Gerade ersetzt werden kann. Die Bedingungen sind günstiger, je kürzer die Wellenlänge gewählt wird. Für Positionierungsaufgaben geringerer Genauigkeit – z. B. für die Positionierung von Schiffen – kann die Bodenwelle des Mittelwellen- und Langwellenbereichs genutzt werden. Man erzielt hier eine große Reichweite von mehr als 1000 km, hat jedoch Genauigkeitseinbußen, denn die sich ausbreitende Welle folgt etwa dem Bodenprofil, welches sich nur in grober Annäherung mathematisch modellieren lässt. Bei Positionierungsverfahren ist neben der mathematischen Modellierung des Ausbreitungsweges die Genauigkeit der Ausbreitungsgeschwindigkeit von großer

46

2 Einige Grundlagen der Physik und Nachrichtentechnik

Bedeutung. In dem Wellenbereich, der sich vom Infrarot bis zu den Mikrowellen (dm-Wellen) erstreckt, kann der Brechungsindex und somit die Ausbreitungsgeschwindigkeit sehr genau physikalisch mathematisch modelliert werden, und zwar um so genauer, je kürzer die Wellenlänge ist [4.3.10.4]. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Bodenwellen ist dagegen nur ungenauer zu bestimmen, da sie wesentlich von physikalischen Parametern der Erdoberfläche abhängt.

2.2

Optische und optoelektronische Bausteine

Nutzt man für die Richtungs- und Distanzmessung Wellen des sichtbaren Lichtes oder Infrarot, so benötigt man für die Übertragung der Signale vom Sender zum Empfänger optische und optoelektronische Bausteine.

2.2.1

Konzept für die Übertragung von Messsignalen mit Trägern des sichtbaren Lichts oder Infrarot

Bei der Richtungsmessung dienen Zielmarken als Sender und Messfernrohre als Empfänger (Abb. 2.8a). Die Zielmarken senden elektromagnetische Wellen aus, Sender

Empfänger

a) Richtungsmessung Detektor Zielmarke

Messfernrohr

b) Distanzmessung

Laserdiode

Photodiode

Abbildung 2.8. Übertragungsstrecken bei der Richtungs- und Distanzmessung

welche vom Objektiv des Messfernrohres empfangen und gebündelt werden. Bei der Richtungsmessung wird das Fernrohr so lange um eine vertikale und horizontale Achse verschwenkt, bis die optische Achse des Fernrohres auf das Zentrum der Zielmarke zentriert ist. Die optische Achse ist durch zwei Punkte definiert: den Mittelpunkt des Objektivsystems und den Mittelpunkt eines Strichkreuzes oder Detektors in der Bildebene des Objektivsystems. Praktisch erfolgt das Zielen so, dass der Mittelpunkt der durch das Objektiv abgebildeten Zielmarke mit dem Zentrum eines positionsgebenden Detektors oder eines Strichkreuzes zur Deckung gebracht

47

2.2 Optische und optoelektronische Bausteine

wird. Im Idealfall liegen dann der Mittelpunkt der Zielmarke, des Objektivsystems und des Detektors (bzw. des Strichkreuzes) auf einer Geraden. Bei der Distanzmessung erzeugt in einem Sender eine Lichtquelle (z. B. eine Laserdiode) infrarote Strahlung, welche durch ein Objektiv gebündelt und auf das Objektiv eines Empfängers ausgerichtet wird (Abb. 2.8b). In dem Empfänger wird die infrarote Strahlung durch das Objektiv auf eine Diode abgebildet. Im Sender kann der Strahlung durch Modulation ein Signal aufgeprägt werden, welches im Empfänger durch die Diode wiederum in ein elektrisches Signal umgewandelt wird. Der Empfänger bestimmt die Laufzeit des Signals, aus welcher dann die Distanz zwischen dem Sender und Empfänger gerechnet werden kann. Die Geräte lassen sich einfacher bauen, wenn Sender und Empfänger sich auf einer Station befinden; auf der Gegenstation benötigt man dann einen Reflektor, der das gesendete Licht parallel zu sich reflektiert.

2.2.2

Der Aufbau eines Messfernrohrs

Das Fernrohr besteht in seiner einfachsten, von J. Kepler bereits im Jahre 1611 angegebenen Form, aus zwei zentrierten Sammellinsen, und zwar einer Objektivlinse mit großer und einer Okularlinse mit kleiner Brennweite. Das Objektiv liefert ein umgekehrtes verkleinertes Bild, das durch das Okular betrachtet wird. Für einen in endlicher Entfernung befindlichen Gegenstand ergibt sich daraus der in Abb. 2.9 (oben) gezeichnete Strahlengang, während das untere Bild die Abbildung eines ∞ fernen Gegenstandes zeigt. Um das Fernrohr zu einem Messfernrohr umzugestal-

F1

y

F'1 F2 f1

f1

a

P

ω1

b

y' ω2 f2

∞ ∞ ∞

F'1 = F2

ω1

a=∞

F1 f1

f1

y' ω2 f2

Abbildung 2.9. Keplersches Fernrohr

48

2 Einige Grundlagen der Physik und Nachrichtentechnik

ten und gleichzeitig die Abbildungsfehler möglichst weit herunterzudrücken, sind einige Zusatzeinrichtungen und mehrere Abwandlungen vom ursprünglichen Typ erforderlich. 2.2.2.1 Das Strichkreuz Damit das Fernrohr auf ein Ziel eingestellt werden kann, ist am hinteren Ende eine Glasplatte mit einem feinen Strichkreuz eingebaut, das von 3 oder 4 Justierschrauben gehalten wird (Abb. 2.10). Das Kreuz befindet sich in der Regel kurz vor dem Okular, das zum Scharfsehen ein wenig verstellt werden kann. Optischer Mittelpunkt

a

Schnitt a-b Strichkreuzplatte

Gesichtsfeldblende b

Abbildung 2.10. Justierbares Strichkreuz

des Objektivs und Schnittpunkt der Striche bestimmen die Ziellinie. Um diese erforderlichenfalls parallel der Achse einer Fernrohrlibelle oder senkrecht zur Kippachse eines Theodolits machen zu können, wird das Strichkreuz von einem Ring gehalten, der mit Hilfe von Justierschrauben geringfügig verschoben werden kann (Justierung der Ziellinie). Beim automatischen Zielen [3.4] wird anstelle des Strichkreuzes ein positionsgebender Detektor [2.2.5] verwendet. 2.2.2.2 Die Zwischenlinse Wenn das Ziel in endlicher Entfernung liegt, entsteht das Bild hinter der Brennebene des Objektivs, und zwar um so weiter nach hinten, je näher der Gegenstand rückt. Das Strichkreuz ist normalerweise – abgesehen von kleinen Justierbewegungen senkrecht zur optischen Achse – fest in dem Fernrohr angebracht. Das vom Objektiv erzeugte Bild muss daher durch eine Zusatzeinrichtung in die Strichkreuzebene verlegt werden . Hierzu ist zwischen der Objektivlinse und ihrem hinteren Brennpunkt eine – meistens schwach negative – Zwischenlinse eingebaut, die die vom Objektiv

2.2 Optische und optoelektronische Bausteine

49

gesammelten Strahlen ein wenig zerstreut (Abb. 2.11). Die Strahlen vereinigen sich infolgedessen erst etwas später, d. h. das Bild entsteht weiter hinten, und zwar um so weiter, je näher die Zwischenlinse dem Objektiv ist.

Abbildung 2.11. Fernrohr mit Zwischenlinse

2.2.2.3 Objektiv und Okular Sie werden zur Bekämpfung von Farbabweichung und Kugelabweichung aus mehreren Linsen mit verschiedener Brechkraft und verschiedenen Halbmessern zusammengesetzt. Bei Okularen wird zur Minderung der Farbabweichung außerdem ein Abstand zwischen den Einzellinsen gelassen. Als Objektiv werden bei geodätischen Instrumenten in der Regel Apochromate gewählt. Diese dreilinsigen Systeme sind für die Abbildung unendlich ferner auf der optischen Achse liegender Objekte kleiner Ausdehnung korrigiert (Abb. 2.12).

Abbildung 2.12. Apochromatisches Objektiv

Abbildung 2.13. Orthoskopisches Okular

Als Okular verwendet man bei Messgeräten vorwiegend orthoskopische Okulare, die aus vier bis fünf gruppenweise verkitteten Linsen bestehen (Abb. 2.13). Sie sind weitgehend verzeichnungsfrei und können auch bei schlechter Beleuchtung benutzt werden. Wird in das Okular noch eine Umkehrlinse eingebaut, so erhält man ein terrestrisches Okular. Fernrohre mit terrestrischen Okularen liefern aufrechte Bilder. Solche Bilder lassen sich auch durch Einbau von Prismenkombinationen erzeugen.

50

2 Einige Grundlagen der Physik und Nachrichtentechnik

2.2.2.4 Die Blenden Um Astigmatismus, Bildfeldwölbung und Koma klein zu halten, werden die auf das Objektiv fallenden Strahlenbündel durch Öffnungsblenden begrenzt; ferner werden Bündel mit zu großer Neigung des Hauptstrahles durch Gesichtsfeldblenden abgeschnitten. Öffnungsblende ist in der Regel die Objektivfassung. Als Gesichtsfeldblende dient der Ring, der das Strichkreuz trägt; er bewirkt, dass ein schräg einfallendes Strahlenbündel nur dann ins Okular gelassen wird, wenn nicht mehr als die Hälfte des Bündels durch die Okularfassung abgeschnitten wird (Abb. 2.14). Denkt man sich die Gesichtsfeldblende durch das Objektiv in den Gegenstandsraum

d

l

γ /2

a

γ /2

b

f1

Abbildung 2.14. Öffnungsblende und Gesichtsfeldblende

abgebildet, so bewirkt sie eine scharfe Begrenzung des Gegenstandes, die wie eine in der Örtlichkeit aufgestellte Maske wirkt. Diese scheinbare Maske heißt Eintrittsluke. Die Bilder der Öffnungsblende heißen Pupillen. Ist die Objektivfassung Öffnungsblende, so ist sie auch gleichzeitig Eintrittspupille; ihr durch das Okular – gegebenenfalls über die Zwischenlinse – entworfenes, in Abb. 2.15 konstruiertes Bild, ist die Austrittspupille. Sie erscheint als heller Kreis in der Nähe des hinteren Brennpunktes des Okulars und kann dort auf einem Maßstab aufgefangen und ausgemessen werden.

2.2.3 Vergrößerung, Gesichtsfeld, Helligkeit und Auflösungsvermögen Dies sind Eigenschaften, die vor allen anderen den Wert eines Fernrohrs kennzeichnen. Fall ausgegangen werden; doch wird unter f2 die Brennweite des Okulars und bei Fernrohren mit Zwischenlinse unter f1 die Brennweite des Systems Objektiv plus Zwischenlinse bei Einstellung auf ∞ verstanden.

51

2.2 Optische und optoelektronische Bausteine

EP

AP F1 = F2

D

f1

F2

d

f2

Abbildung 2.15. Ein- und Austrittspupille

2.2.3.1 Die Fernrohrvergrößerung Die Fernrohrvergrößerung v ist das Verhältnis der Sehwinkel w2 und w1 , unter denen ein entfernter Gegenstand mit bewaffnetem und mit unbewaffnetem Auge gesehen wird. In Abb. 2.9 treten die Winkel w1 und w2 auch in dem Raum zwischen den beiden Linsen L1 und L2 auf. Danach ist w1 =

y ; f1

w2 =

y , f2

also v =

w2 f1 = . w1 f2

Es besteht ferner, wenn D der Durchmesser der Eintrittspupille (Objektivfassung) und d der Durchmesser der Austrittspupille ist, gemäß Abb. 2.15 das Verhältnis f1 : f2 = D : d, so dass v = D : d ist. Um v nach dieser Formel zu bestimmen, stelle man das Fernrohr auf ∞, messe D direkt und fange d mit einem hinter das Okular zu haltenden Maßstab oder besser noch mit einem Dynameter auf, d. h. mit einer Lupe, die in ihrem Gesichtsfeld eine feine Teilung trägt. Die Vergrößerung lässt sich genähert auch so ermitteln, dass man eine in einiger Entfernung aufgestellte Nivellierlatte mit einem Auge durch das Fernrohr, mit dem anderen direkt anvisiert und feststellt, wieviel mit freiem Auge gesehene Latteneinheiten eine im Fernrohr gesehene Einheit decken. Die Fernrohrvergrößerung liegt bei geodätischen Fernrohren zwischen 15- und 50fach. 2.2.3.2 Das Gesichtsfeld (Sehfeld) Dieses ist der kegelförmige Raum mit dem Öffnungswinkel γ , der bei Einstellung auf ∞ von den durch den Rand der Gesichtsfeldblende gehenden Hauptstrahlen gebildet wird (Abb. 2.14). Um γ überschlägig zu bestimmen, stelle man eine Nivellierlatte in nicht zu kurzem Abstand a vom Instrument auf, lese die äußersten im Gesichtsfeld

52

2 Einige Grundlagen der Physik und Nachrichtentechnik

wahrnehmbaren Striche an der Latte ab und bilde daraus den Lattenabschnitt l. Dann ist b l γ = ≈ . f1 a γ ist bei geodätischen Messfernrohren 1 bis 2 gon groß. 2.2.3.3 Die Fernrohrhelligkeit Hierunter ist das Verhältnis der Flächenhelligkeiten H und H0 verstanden, unter denen das bewaffnete und das unbewaffnete Auge den Gegenstand wahrnimmt. Sind d und p die Durchmesser von Austritts- und Augenpupille und ist c ein Koeffizient, der die Lichtdurchlässigkeit des Fernrohrs in Einheiten des ursprünglichen Lichtstroms kennzeichnet, so ist 2 d H =c . h= H0 p Dabei ist Voraussetzung, dass p ≥ d ist. Die durch das Fernrohr auf der Netzhaut entworfenen Bilder sind also nur im Idealfall – d. h. c = 1 und d = p – ebenso hell wie beim Sehen mit unbewaffnetem Auge. c ist jedoch immer kleiner als 1. Zur Abschätzung von c gilt die Regel, dass jede brechende Fläche 5% des Lichtes reflektiert und jeder Zentimeter Glasweg 0,5% Licht absorbiert. Die Reflexionsverluste gehen jedoch auf rund 1% zurück, wenn auf die Linsen der reflexmindernde T -Belag“ aufgedampft ist, den man an einem violetten Schimmer erkennt. Solche ” Linsen werden als vergütet“ bezeichnet. Ein Fernrohr mit Objektiv, Zwischenlinse, ” Strichplatte und zwei Okularlinsen verliert bei nicht vergüteten Linsen rund 40% Licht, bei T -Belag jedoch nur 10%, so dass c im ersten Fall 0,6 im zweiten 0,9 ist. Der T -Belag ist besonders für Messungen bei trübem Licht sehr vorteilhaft. Die optischen Firmen geben als Fernrohrhelligkeit häufig auch den als Dämmerungszahl bezeichneten Wert an:  Z = v∞ · D (D in mm). 2.2.3.4 Das Auflösungsvermögen Das Auflösungsvermögen des Fernrohrs ist seine Fähigkeit, zwei getrennte Dingpunkte getrennt abzubilden. Infolge der Wellennatur des Lichtes werden die Lichtstrahlen an den Rändern der Linsenfassungen und Blenden gebeugt. Das optische Bild eines Dingpunktes ist daher kein geometrischer Punkt, sondern ein Beugungsscheibchen, dessen Durchmesser sich mit dem Öffnungswinkel w2 und der Lichtwellenlänge λ ergibt zu 1,22 λ . b2 = n2 sin w2

2.2 Optische und optoelektronische Bausteine

53

Das Beugungsscheibchen lässt sich in den Dingraum zurück übertragen; doch kann die Größe dieses fiktiven Gegenstandes nur zur Hälfte ausgenutzt werden, weil das Auge das Beugungsscheibchen aus physiologischen Gründen nur zur Hälfte aufzulösen vermag. Die Grenze der Auflösungsmöglichkeit kann beim Fernrohr nur winkelmäßig erfasst werden. Mit f1 als Objektivbrennweite, 2f1 sin w2 als wirksamer Objektivöffnung und λ = 0,000 555 mm erhält man schließlich die dingseitige Auflösung des Fernrohrs in Winkelsekunden zu 140 mm 1,2 λ · 206265 = . Objektivöffnung Objektivöffnung in mm Die förderliche Vergrößerung V wird so bemessen, dass durch sie der Sehwinkel hinter dem Okular gleich dem physiologischen Grenzwinkel des Sehens wird, welcher rund 2 = 120 beträgt. Der Fall tritt ein, wenn 140/Objektivöffnung = 120 wird; demnach liegt die förderliche Vergrößerung des Fernrohrs bei V ≈ Objektivöffnung in mm. Die Hersteller geodätischer Fernrohre beschränken sich meistens auf etwa 70% dieses Wertes. 2.2.3.5 Genormte Kenngrößen Nach DIN 58386 T.1 werden für Zielfernrohre normalerweise folgende Kenngrößen ausgegeben: 1. Fernrohrvergrößerung v∞ , die fest oder veränderlich ausgeführt werden kann, 2. der Durchmesser D der Eintrittspupille, 3. das Sehfeld durch den Feldwinkel γ ≈ 2ω1 in Grad.

2.2.4

Der Gebrauch des Fernrohrs

Vor Beginn der Beobachtung muss eine etwaige Strichparallaxe“, d. h. ein Ausein” anderfallen von Bildebene und Strichkreuzebene, beseitigt werden. Das erreicht man in folgenden Schritten: 1. Fernrohr gegen den Himmel richten und Okular so lange verschieben, bis das Strichkreuz scharf gesehen wird; 2. Fernrohr auf den Gegenstand richten und Okularauszug oder Zwischenlinse bewegen, bis auch ein scharfes Bild des Gegenstandes erscheint; 3. zur Probe Kopf hin- und herneigen; dann darf das Bild seine Lage gegenüber dem Strichkreuz nicht mehr ändern. Nach Beseitigung der Parallaxe wird das Strichkreuz mit den Feinstellschrauben des Instruments genau in das Ziel gebracht. Die Standardabweichung einer Einstellung ist nach dem Ergebnis empirischer Unterschungen an Fernrohren von 10- bis

54

2 Einige Grundlagen der Physik und Nachrichtentechnik

50facher Vergrößerung in Milligon 1,0 s(e) = √ v

1,5 √ . v

bis

Bei Feldmessinstrumenten kann s(e) zu 2 oder 0, 6 mgon angenommen werden.

2.2.5

Detektoren mit elektronischer Bildwandlung

CCD-Bauelemente und Aktive-Pixel-Sensoren (APS) sind universelle Detektoren für die elektronische Bildwandlung, die sich jenseits des Video- und TV-Marktes Nischen in vielen wissenschaftlichen und technischen Bereichen erobert haben. Diese Scientific Imagers“ sind optimiert im Hinblick auf größtmögliche Ortsauflösung, ” Quanteneffizienz, elektronisches Rauschen, Auslesegeschwindigkeit, Anwendungen im infraroten und sichtbaren Licht. CCD und APS nutzt man z. B. in Theodoliten für automatisches Zielen, in Nivelliergeräten um die automatische Höhenmessung zu unterstützen. In der Ingenieurgeodäsie nutzt man sie für Deformationsmessungen. 2.2.5.1 Charge Coupled Devices (CCD) Ein CCD besteht aus einer Vielzahl von Säulen bzw. Zeilen von Pixeln (Bildelementen). Diese regelmäßig angeordneten Zellen definieren ein (x, y)-Koordinatensystem (Abb. 2.16 und 2.17). Auf den CCD einfallende Photonen regen während der BelichBildsensor

y 1 Bildelement analoger Output

b

δ sy x

h

α d

Silizium

Abbildung 2.16. CCD-Array

sx Abbildung 2.17. Geometrie eines CCD

tungszeit (Bildintegrationszeit) Elektronen durch den Photoeffekt in das SiliziumLeitungsband an. Am Konversionsort werden diese in den Pixelzellen gespeichert, wodurch dort Ladungspakete entstehen. Ein zweidimensionales Bild entsteht auf diese Weise, indem in jedem Pixel proportional zu der einfallenden Lichtintensität Ladungen erzeugt werden. Nach der Speicherung beginnt der Ausleseprozess, wofür es verschiedene Verfahren gibt. Eines der Verfahren wird nachfolgend beschrieben.

2.2 Optische und optoelektronische Bausteine

55

Abb. 2.18 zeigt das Schema eines Interline-Transfer-CCDs. Die Auslesezeit beginnt mit einem Spannungsimpuls auf Transfer-Gates, der die Ladungspakete der Pixelzeilen in die benachbarten vertikalen Schieberegister schiebt. Von dort werden die Ladungen parallel auf das serielle Schieberegister geschoben, von wo sie auf den Ausleseknoten getaktet werden. Parallele und serielle Schieberegister sind durch eine lichtdurchlässige Schicht abgedeckt.

Abbildung 2.18. Interline-Transfer CCD

Am Ausgangsknoten verwandeln ladungsempfindliche Verstärker die Ladungsmengen in messbare Spannungsimpulse, deren Amplituden als Maß der Ladungspaketgröße und damit der Lichtintensität (oder Photonenenergie) digitalisiert werden. Zu jedem Ladungspaket lässt sich durch Abzählen der Schiebezyklen die ursprüngliche Pixelposition zurückrechnen, so dass mit Hilfe eines Computers ein intensitätstreues Bildmuster rekonstruiert werden kann. Dieses Bildmuster liefert alle Ausgangsinformationen für die digitale Bildverarbeitung, mit der z. B. abgebildete Zielmarken in dem (x, y)-Koordinatensystem positioniert werden können; dies kann wiederum für automatisches Zielen genutzt werden. 2.2.5.2 Aktive-Pixel-Sensoren (APS) Bei den APS ist jedes Pixel mit mindestens einem Transistor verschmolzen, der die Pixelladung verstärkt und auf Abfrage direkt an den Ausleseknoten gibt. Mit einer intelligenten Logik kann dadurch jeder gewünschte Pixelbereich selektiert und ausgelesen werden. Dadurch wird das Schieben von Ladungen über viele Zeilen hinweg überflüssig. Die APS lassen sich mit Standard-CMOS-Technologie inklusive der Steuer- und Ausleseelektronik auf ein Chip bringen. Der Preis für die hohe Flexibilität und Geschwindigkeit des APS ist die um Größenordnung höhere Zahl von Auslesekanälen, die alle stabil laufen und kalibriert sein müssen.

56

2 Einige Grundlagen der Physik und Nachrichtentechnik

2.2.5.3 Auflösung der elektronischen Bildwandler Die geometrische Auflösung des Sensoren ist sehr hoch. Auflösung kann man hier mit der kleinsten noch detektierbaren Distanz gleichsetzen. Wenn in Abb. 2.17 sx und sy die kleinsten detektierbaren Distanzen sind und d die Brennweite eines optischen Abbildungssystems ist, so kann die Auflösung mit dem kleinsten detektierbaren Winkel sx /d = δx und sy /d = δy beschrieben werden. Die kleinste detektierbare Distanz entspricht Bruchteilen von einem Pixel. Der Durchmesser eines Pixels beträgt normalerweise nur wenige μm.

2.3 Antennen Positionsbestimmung mit Satelliten beruhen auf Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen im UHF-Bereich. Wie Abb. 2.19 zeigt, benötigt man einen Sender mit einer Sendeantenne und einen Empfänger mit einer Empfangsantenne.

Sender

Empfänger

Abbildung 2.19. Übertragungsstrecke bei der Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen des UHF Bereichs

2.3.1 Abstrahlung, Ausbreitung und Empfang elektromagnetischer Wellen Eine Sendeantenne entsteht beispielsweise durch Aufklappen einer symmetrischen leerlaufenden Doppelleitung (Abb. 2.20a). Antennen dieser Art bezeichnet man als Dipol-Antennen. Spezielle Bemessungen sind der Halbwellen- und Ganzwellendipol. Strom und Spannungsverteilung ähneln denen einer offenen Leitung. Es bilden sich stehende Wellen auf der Antenne, deren Strombauch in λ/4-Entfernung vom Ende und deren Spannungsbauch unmittelbar am Ende liegt. Für eine auf Resonanz abgestimmte Antenne der Länge λ/2 zeigt dies Abb. 2.20b. Voraussetzung für das Entstehen der Strahlung eines Dipols ist die endliche Geschwindigkeit der Ausbreitung elektrischer Feldzustände, die verhindert, dass bei der zeitlichen Änderung der Spannung auf der Antenne das Feld verzögerungsfrei folgt. Beim Nulldurchgang der Wechselspannung enden dann von der vorhergehenden Halbwelle im Raum vorhandene Feldlinien nicht mehr auf der Antenne, sondern schließen sich durch Bildung abgeschnürter Wirbel in sich selbst (Abb. 2.21a – e). Von der nächsten Halbwelle hervorgerufene Wirbel mit entgegengesetztem Richtungssinn lösen die schon vorhandenen Wirbel und damit die Energie mit der Geschwindigkeit v vom Strahler ab. Folge der elektrischen Feldänderung ist nach

57

2.3 Antennen U



λ/2 ≈



l

a)

b)

Abbildung 2.20. Entstehung eines Dipols aus einer aufgeklappten symmetrischen Doppelleitung

a)

b)

c)

d)

e)

Abbildung 2.21. Entstehung elektromagnetischer Wellen in der Umgebung eines Dipols, dargestellt mit dem elektrischen Feld: a) neutraler Zustand, b) nach einer Viertelschwingung, c) Beginn der Ablösung, d) nach einer Halbschwingung, e) nach einer weiteren Viertelschwingung (der Aufbau des Feldes erfolgt rotationssymmetrisch)

Maxwell ein sogenannter Verschiebungsstrom, der in seiner Wirkung einem Leitungsstrom entspricht. Dieser ist Ursache eines magnetischen Feldes. Es entstehen so fortlaufend miteinander verkettete elektrische und magnetische Felder, die sich wellenförmig mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Die Loslösung der Felder bzw. der Beginn der Strahlung erfolgt erst im Abstand λ/4 von der Antenne. Besonders wirksam ist die Strahlung daher bei hohen Frequenzen, denn die Ablösung erfolgt dann in unmittelbarer Umgebung der Antenne, wo noch hohe Feldstärken gegeben sind. Im Abstand vieler Wellenlängen von der Antenne, in der Fernzone, sind das elektrische und magnetische Feld zeitlich in Phase und stehen räumlich senkrecht aufeinander (Abb. 2.22). Unter der Wellenfront versteht man die Ebene senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. In Achsrichtung strahlt der Dipol nicht ab. In einer zur Achse rechtwinkligen Ebene ist die Strahlung maximal und in allen Richtungen gleich. Man unterscheidet

58

2 Einige Grundlagen der Physik und Nachrichtentechnik

noch Rund-um-Strahler und Richtstrahler: Rund-um-Strahler haben keine bevorzugte Ausbreitungsrichtungen, Richtstrahler haben diese. Empfangsantennen haben die Funktion, die in ihrer Umgebung auftretende Strahlungsleistung aufzunehmen und der Empfangsanordnung zuzuführen. Ihr Schwingungszustand wird anstelle eines Generators von dem umgebenden elektromagnetischen Feld aufrecht erhalten.

λ λ λ 2 2 2

a)

λ λ λ 2 2 2

λ 2

b)

Abbildung 2.22. a) elektrische und b) magnetisches Feld eines Dipols in der Fernzone

Die Antennensysteme sind umkehrbar, d. h. eine Sendeantenne kann als Empfangsantenne dienen und umgekehrt.

2.3.2

Die Richtcharakteristik

Die Richtwirkung einer Antenne kann man aus der Richtcharakteristik (dem Richtdiagramm) ablesen, welche die räumliche Verteilung der Feldstärke der von der Antenne abgestrahlten Wellen zeigt. Die Abhängigkeit der Feldstärke E(ϕ, ϑ) von der räumlichen Richtung wird mit sphärischen Winkeln ϕ und ϑ wiedergegeben. E(ϕ, ϑ) ist der Absolutwert der Feldstärke in der betreffenden Richtung und wird auch als Strahlungsmaß bezeichnet. C(ϕ, ϑ) ist das auf einen Bezugswert E(ϕ, ϑ) bezogene Strahlungsmaß und eignet sich daher für übersichtliche Darstellungen in dem

59

2.4 Datenfunk

Richtdiagramm. Nutzt man als Bezugswert E(ϕ, ϑ)max so wird C(ϕ, ϑ)max = 1. Abb. 2.23 zeigt ein Beispiel für eine Richtcharakteristik.

Abbildung 2.23. Richtcharakteristik einer Dipolantenne

2.4 Datenfunk Bei der satellitengestützten Positionierung werden Daten zwischen Empfängern ausgetauscht, um höhere Genauigkeiten zu erzielen [10.5]. Beim Einsatz von Tachymetern und Messrobotern werden Daten zwischen der Mess- und Reflektorstation ausgetauscht, um das Verfahren flexibler zu gestalten [5.1, 5.2]. In der Ingenieurgeodäsie besteht häufig die Notwendigkeit, Daten zwischen großräumig verteilten Sensoren und einem zentralen Rechner auszutauschen, damit der beobachtete Prozess on-line ausgewertet werden kann [19]. Je nach Aufgabenbereich sind unterschiedliche Reichweiten, Datenraten und Übertragungsfrequenzen zu bewerkstelligen. Für terrestrische Übertragungsverfahren gilt grundsätzlich : – Je größer die Wellenlänge, desto größer die Reichweite. – Je kürzer die Wellenlänge, desto höher die Datenrate. – Terrestrische Datenübertragungssysteme mit hoher Frequenz und kurzer Reichweite verlangen einen geringeren technischen Aufwand und sind kostengünstiger als Lang- oder Mittelwellenanlagen, mit denen sich andererseits große Reichweiten erzielen lassen. – Die Datensicherheit hängt ab vom Aufwand der Kanalcodierung.

2.4.1

Konzepte für die Übertragung von Daten in der Atmosphäre

Daten lassen sich über verschiedene Medien übertragen. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen leitungsgebundenen und nichtleitungsgebundenen Kommunikationstechniken. Als Leitungen nutzt man Draht oder Glasfaserkabel; je nach Adernzahl können die Daten seriell oder parallel übertragen werden. Alternativ kann man die drahtlose Übertragung über Funk einsetzen. Funkstrecken sind serielle Datenübertragungssysteme, d. h. die Datenbits werden nach-

60

2 Einige Grundlagen der Physik und Nachrichtentechnik

einander übertragen. Man unterscheidet verschiedene Konzepte von Übertragungsstrecken (Abb. 2.24). Je nachdem, in welcher Richtung Daten zwischen zwei Statioa) Simplex Sender

Empfänger Antenne

Antenne

b) Halbduplex Sender Empfänger Antenne

Sender Empfänger Antenne

c) Duplex (Vollduplex) Sender Empfänger Antenne

Sender Empfänger Antenne

Abbildung 2.24. Datenfunkstrecken mit Simplex- und Duplexbetrieb

nen übertragen werden, unterscheidet man zwischen dem Simplex- und Duplexbetrieb. Simplexverbindungen ermöglichen nur einen unidirektionalen Datentransfer. Andere Datenstrecken ermöglichen den Halbduplexbetrieb, d. h. es kann in beiden Richtungen, jedoch nicht gleichzeitig übertragen werden.

2.4.2

Datenübertragungseinrichtungen

Die Anzahl der Datenübertragungskanäle ist sehr begrenzt und ihre Nutzung ist daher vielfach genehmigungspflichtig. Nachfolgend soll auf einige Übertragungskanäle eingegangen werden, die für die Positionierungsaufgaben von Bedeutung sind. 2.4.2.1 Terrestrische Übertragungsverfahren Im Langwellenbereich (LF) – vgl. Tab. 2.1 – können Datenübertragungen über mehrere hundert km ausgeführt werden, da die Signale der Erdkrümmung folgen. LF Sender benötigen eine hohe Sendeantenne und verbrauchen viel Energie. Anwendungsbeispiele gibt es für DGPS Dienste [10.5].

2.4 Datenfunk

61

Im Mittelwellenbereich (MF) – vgl. Tab. 2.1 – stehen kaum Frequenzen für die Datenübertragung zur Verfügung. Sendereichweiten bis zu 500 km lassen sich erzielen. Anwendungsbeispiele gibt es im Küstenbereich: – DGPS-Mittelwellensender in Helgoland für den Bereich der Deutschen Bucht – DGPS-Mittelwellensender in Wustrow für die Ostsee. Übertragungen im Ultra-Kurzwellenbereich (UHF1 )/RDS – vgl. Tab. 2.1 – reichen bis zur Horizontfläche, d. h. die Reichweite beträgt einige Zehnerkilometer. Sie kann mit Relaisstationen vergrößert werden; diese empfangen die Signale und senden sie wieder aus. Öffentlich-rechtliche UKW Sender strahlen Daten im Unterträger RDS (Radio Daten System) aus. Anwendungsbeispiele sind DGPS Dienste [10.5]. Übertragungen mit UHF-Anlagen im 2 m-Band und 70 cm Band werden notwendig, wenn hohe Genauigkeiten erzielt werden sollen, denn nur mit diesen Einrichtungen wird die erforderliche Übertragungskapazität erreicht. Als typische Anwendungsbeispiele können genannt werden: – Der SAPOS HEPS mit Genehmigungen für den Betrieb von UHFAnlagen im 2 mBand für PDGPS-Anwendungen; Taktrate 1 Sek., Genauigkeit 1–5 cm. Reichweiten von 25–35 km können erzielt werden [10.5]. – Für RTK-Anwendungen bieten Hersteller zumeist Funkanlagen mit einer Wellenlänge von 70 cm an; Taktrate < 1 Sek., Genauigkeit 1–2 cm. Reichweiten bis 5 km werden erzielt [10.5]. Hohe Flexibilität bei der Durchführung von Messaufgaben erreicht man heute, wenn für die Datenübertragung Mobilfunksysteme eingesetzt werden. Zwei Klassen von drahtlosen Kommunikationssystemen lassen sich unterscheiden: (a) Drahtlose lokale Netze (lokale Funknetze) = wireless LAN (LokalArea Network). (b) Drahtlose Weitverkehrsnetze (Weitverkehrsfunknetze) = wireless WAN. In einem Weitverkehrsfunknetz kommt die GSM-Technologie zum Einsatz. Die GSM-Mobiltelefonnetze nutzen in Europa Frequenzbereiche von 890–960 MHz (GSM 900-D Netze) und etwa 1800 MHz (GSM 1800-E-Netz). Eine aufwendige Kanalcodierung und Fehlerschutz durch Convolutional-Codierung, Interleaving und Verschlüsselung ermöglichen eine hohe Datensicherheit. Die im UHF-Bereich liegenden Frequenzen ermöglichen eine hohe Datenübertragungskapazität. Typische Anwendungsbereiche sind RTK-Anwendungen [10.5]. Für räumlich begrenzte Projekte ist der mobile Zugang zu lokalen Netzen von Bedeutung. Es werden Netzwerkanwendungen mit mobilen Rechnern möglich. Typische Systeme nutzen für die Datenübertragung Infrarot- oder Funkübertragung im Millimeter- bzw. Mikrometerbereich. Setzt man Funk-LAN Systeme ein, so erzielt man bei nicht gerichteter Ausstrahlung eine Reichweite von 100– 200 m, bei Richtantennen sind Reichweiten bis 1000 m möglich. Die Funk-LANs werden mit eigenen Frequenzbändern betrieben, 1Anstelle der Abkürzung (UHF) verwendet man auch das Kürzel (UKW)

62

2 Einige Grundlagen der Physik und Nachrichtentechnik

wobei es sich z. B. um ISM-(Industrie, Scientific, Medicine) Bänder handeln kann. Datenraten bis zu 2 Mbit/s sind erreichbar. Mit Laser-LAN Systemen erzielt man Reichweiten von einigen hundert Metern und Datenraten von 10 Mbit/s sind erreichbar. LAN Systeme eignen sich z. B. für den innerbetrieblichen Datenaustausch oder den Datenaustausch in Forschungseinrichtungen. Spezielle Anwendungsbereiche sind: die Verbindung eines Laptops (Feldrechners) über ein Funk-LAN System mit einem Tachymeter (Abb. 2.25) oder die Verbindung eines Tachymeters über ein Laser-LAN System mit einer automatisch steuerbaren Baumaschine (Abb. 2.26).

Abbildung 2.25. Verbindung eines Tachymeters und eines Rechners mit einem FunkLAN System

Abbildung 2.26. Verbindung eines Tachymeters und des Steuerungssystems einer Baumaschine mit einem Laser-LAN System

Die mit einem Tachymeter bestimmten Daten werden mit dem Laser des Distanzmessers zu der Baumaschine übertragen.

63

2.5 Datenfunk bei der Objektvermessung

2.4.2.2 Satellitenfunk Großräumig lassen sich Korrektursignale mit dem Satelliten-Mobilfunk durch Kommunikationssatelliten übertragen. Reichweiten über 1000 km lassen sich erzielen. Global operierende DGPS Dienste nutzen z. B. die Korrektursignale geostationärer (z. B. INMARSAT) oder in niedriger Bahnhöhe (Low-Earth-Orbiter LEOs) fliegender Satelliten. 2.4.2.3 Technische Daten Tab. 2.2 gibt einen Überblick über die wichtigsten technischen Daten einiger Datenübertragungskanäle. Tabelle 2.2 Übertragungsmedium

Positionie-

Übertragungs-

geeignet

Reichweite

rungsintervall

rate (Bits/s)

für

Langwelle (140 kHz)(RDS)

3 Sek.

300

DGPS

600–800 km

Mittelwelle (300 kHz)

5 Sek.

90

DGPS

400 km

UKW-Rundfunk (RDS)

8 Sek.

70

DGPS

∼50 km

UKW-VHF (2 m Band)

1 Sek.

2400

P-DGPS

∼50 km

UKW-UHF (70 cm Band)

< 1 Sek.

2400–9600

P-DGPS

lokal < 50 km

Mobilfunk GSM-Standard

1 Sek.

9600

P-DGPS

lokal < 50 km

Satellitenfunk (z. B. Inmarsat)

1 Sek.

600

DGPS

> 1000 km

Standleitung

< 1 Sek.

fast beliebig

2.5

Datenfunk bei der Objektvermessung

Die Datenübertragung vom Messgerät über den vor Ort eingesetzten Computer (Laptop) bis zum zentralen Rechner im Büro lässt sich über eine Informationskette mit 5 Ebenen betreiben (Stark 1999): 1. 2. 3. 4. 5.

Verbindungen mit Netzwerken Informationsanbieter Mobilkommunikation Mobile Rechner Messgerät.

Abb. 2.27 zeigt die Systemarchitektur. Zwei Kommunikationswege können unterschieden werden:

64

2 Einige Grundlagen der Physik und Nachrichtentechnik

1. Verbindung zwischen den Messgeräten und dem mobilen Rechner. 2. Verbindung zwischen dem mobilen Rechner und dem Bürorechner. LAN

WLAN

Informationsdienste

(zentral und oder dezentral)

Informationsanbieter

Kommunikationssystem

(Modacom, GSM, etc.)

Mobilkommunikation

Personel digital Assistant

PDA

digitale Karte

Positionsmessmodul

GIS

GPS

Verbindung mit Netzwerken

Festnetz LVN

DGPS

mobiler Computer

digitaler Datenbestand

Tachymeter

erweiterbar

Messgeräte

Komponenten der Vermessung

Abbildung 2.27. Systemarchitektur für die Datenübertragung zwischen einem Feldmessgerät und dem Büro (nach Stark 1999)

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

3.1

Richtungen, Horizontal-, Vertikal- und Positionswinkel

Für viele Aufgaben im Vermessungswesen sind Punkte Pi und Pi (Abb. 3.1) in einem kartesischen Koordinatensystem durch Koordinatenberechnungen zu bestimmen. Die Koordinaten werden aus gemessenen Richtungen, Winkeln und Distanzen berechnet,was in Kapitel 7 und 8 ausführlich behandelt wird. Die gemessenen Richtungen sollen sich möglichst einfach auf die Koordinatenachsen beziehen. Die Lotrichtung können Geräte sehr einfach anzeigen. Lotrichtungen in Bezug auf eine Kugel oder ein Ellipsoid, in Abb. 3.1 mit z bezeichnet, eignen sich daher auch als (Zenit) z x

zi Pi

ri

Z

Pi

y h

L

B

P0

Y

X Abbildung 3.1. Horizontalrichtungen und Zenitwinkel in einem Horizontensystem

Bezugsrichtung für Vertikalwinkel. Bei den Vertikalwinkeln unterscheidet man zwischen Zenitwinkeln und Höhenwinkeln. Der Strahl zu dem Zielpunkt Pi bildet mit der durch den Standpunkt P0 gehenden Richtung zum Zenit den Zenitwinkel zi . Der

66

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

Strahl zu dem Zielpunkt und seine Projektionen auf eine Horizontalebene durch P0 schließt den Höhenwinkel (π/2 − zi ) ein. Die Horizontalebene ist durch die Achsen x  und y  gegeben. Diese stehen senkrecht aufeinander und senkrecht auf der z -Achse. Projiziert man den Zielstrahl P0 P1 senkrecht auf diese Ebene, so erhält man eine Horizontalrichtung ri . Horizontalwinkel berechnen sich aus der Differenz zweier Horizontalrichtungen. In Abb. 3.2 bilden z

P1

x z1

z2

r1

P1

w P0

y r2 P2 P2

Abbildung 3.2. Horizontalwinkel und Zenitwinkel

die Orthogonalprojektionen der Zielstrahlen P0 P1 und P0 P2 auf die Horizontalebene den Horizontalwinkel w. Koordinatenberechnungen mit gemessenen Richtungen und Winkeln werden in Koordinatensystemen durchgeführt, die durch eine ebene Abbildung des Ellipsoids [1.2, 1.3] entstehen. Wenn diese Abbildung winkeltreu ist [6.4], können die in dem Horizontsystem (Abb. 3.1, 3.2) gemessenen Richtungen und Winkel ohne Korrekturen für die Berechnungen übernommen werden. Das Horizontsystem muss nur so in das Koordinatensystem (x, y) der ebenen Abbildung hineingedreht werden, dass die z -Achse und die z-Achse zusammenfallen (Abb. 3.3). Für die Orientierung der z z

x

x r1

P1

P0 y

y

Abbildung 3.3. Horizontalrichtung in einem ebenen Koordinatensystem

67

3.2 Der Theodolit

horizontalen Richtungen r1 , r2 , . . . in Bezug auf die x-Achse gibt es rechnerische [7.3, 7.4] und instrumentelle Verfahren [3.10]. Der Winkel P1 P0 P2 heißt Positionswinkel; dieser wird mit einem Sextanten gemessen. Für die Geodäsie hat dieser Winkel keine Bedeutung.

3.2 3.2.1

Der Theodolit Der äußere Aufbau

Das Instrument, mit dem sich sowohl Horizontal- wie Vertikalrichtungen messen lassen, ist der Theodolit. Der Aufbau eines einfachen Theodoliten geht aus Abb. 3.4 hervor. Der Theodolit besteht aus einem festen und einem um eine vertikale Achse – P1

Zielachse z

Horiz.

Stehachse

Kippachse

P1

α

Vertikalkreis

Fernrohr Kippachse

Stütze Horizontalkreis Stehachse

Horizontierlibelle Kugellager Stehachsbuchse Dreifuß

Dreifußschraube

Abbildung 3.4. Darstellung eines einfachen Theodolits

68

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

Stehachse – drehbaren Teil. Der bewegliche Teil ist eine Stütze, die die Stehachse und Kippachse miteinander verbindet. Letztere ist in Kippachslagern der Stütze gelagert. Sie trägt das Fernrohr und den Vertikalkreis. Die Stehachse ist ein Teil der Stütze. Die Stehachsbuchse verbindet den Theodoliten mit dem horizontierbaren Unterbau – z. B. einem Dreifuß oder Kugelfuß – und trägt den Horizontalkreis. Der Unterbau ist über Dreifußschrauben mit einer oder zwei gekreuzten Libellen horizontierbar. Die Verbindung zwischen der Stehachsbuchse und dem Dreifuß kann fest sein oder in einer Zwangszentrierung abnehmbar [3.6.5]. Ein Theodolit realisiert das in Abb. 3.1, 3.2 dargestellte Koordinatensystem (x  , y  , z ). Die z -Achse ist durch die Stehachse und die x  -Achse durch die Nullrichtung des Teilkreises gegeben. Die y  Achse steht senkrecht auf den zwei Achsen. Der Ursprung P0 des Koordinatensystems ist durch den Schnittpunkt der Ziel-, Kippund Stehachse festgelegt. Mit Hilfe der Libellen kann die z -Achse (Stehachse) nur näherungsweise in Richtung des ellipsoidischen Lotes ausgerichtet werden, da die tatsächliche Lotrichtung aufgrund von Masseninhomogenitäten in der Erde immer etwas von dieser abweicht; dies ist besonders im Gebirge der Fall. Bei genaueren Messungen müssen diese Lotabweichungen daher bei Positions- und Höhenberechnungen berücksichtigt werden.

3.2.2

Die Achsen

3.2.2.1 Die Vertikal- oder Stehachse Die Stehachse hat zwei Aufgaben: sie nimmt das Gewicht der Stütze auf und bewirkt, dass die Drehachse der Stütze mit dem Zentrum der Teilung des Horizontalkreises zusammenfällt. Sie werden als Zylinderachsen entworfen und im allgemeinen aus gehärtetem Stahl hergestellt. Günstige Reibungsverhältnisse ergeben sich durch Verkleinern der Berührungsflächen zwischen Achse und Buchse sowie durch Stützen und Führen der Achse mit Kugellagern. Bei dem Theodoliten in Abb. 3.4 werden die Winkellage und das Zentrum der Stehachse durch einen unteren Führungsring und ein Kugellager zwischen Achsbuchse undAchsflansch am oberen Ende festgelegt. Das Kugellager nimmt dann gleichzeitig das Gewicht auf. Die Kugelführungsachse (Abb. 3.5) ist im Gegensatz zur Zylinderachse kein gleitendes, sondern ein rollendes Achssystem. Das System ist absolut spielfrei, da der Durchmesser der Kugeln um wenige μm größer ist als der Spalt zwischen Achse und Buchse. Das Gewicht der Stütze nimmt bei diesem System ein Stützkugellager am oberen Ende der Stehachsbuchse und der Stütze auf. In die Stehachse sind ein Laser und ein Laserkollimator für die Zentrierung des Theodolits eingebaut. Analoge Theodolite höherer Genauigkeit baute man in der Vergangenheit als zweiachsige Systeme. Der Kreis ist dann mit einer Kreisbuchse versehen und um die Stehachse drehbar. Durch spezielle Messanordnungen können dann Teilkreisfehler verringert werden und bei Ab-

3.2 Der Theodolit

69

Abbildung 3.5. Achssystem mit Kugelführungsachse und Laserlot (Beispiel Leica)

steckungsarbeiten kann man bestimmte Messwerte für die Orientierung des Horizontalkreises vorgeben. Bei digitalen Theodoliten ist das nicht mehr notwendig, da an der Festlegung einer Richtung normalerweise Gruppen von Teilstrichen beteiligt sind und beliebige Anfangsrichtungen bei einer Zielung über die Tastatur vorgegeben werden können.

Bei Instrumenten für die Zwangszentrierung [3.6.5] bilden Stütze, Kreise und Achssystem ein in sich zusammenhängendes Teil, das mittels einer Klemmvorrichtung im Unterbau festgehalten und nach Lösen der Klemme herausgehoben werden kann (Abb. 3.41, 3.42). 3.2.2.2 Die Horizontal- oder Kippachse Sie trägt den Vertikalkreis und ermöglicht das Auf- und Abwärtskippen des Fernrohres in der Vertikalen; sie ist senkrecht zur optischen Achse des Fernrohres angeordnet. Die zylindrischen Achszapfen der Kippachse ruhen normalerweise in V-Lagern (Abb. 3.6). Die Kippachse liegt dann auf zwei – um 45◦ von der Senkrechten entfernten – erhabenen Stellen auf. Die Achsführung ist spielfrei, da der wegen der kleinen Auflagefläche relativ hohe Druck den Fettfilm des Schmierfettes gleichmäßig verteilt. Bei vielen Instrumenten ist eines der Lager gegenüber der Stütze um kleine Beträge zu heben oder zu senken, damit die Kippachse senkrecht zur Stehachse eingestellt werden kann. Bei anderen Geräten lässt sich der Winkel zwischen Steh- und Kippachse durch einen keilförmigen Stehachsflansch verändern. Bei neueren Instrumenten kann nur der Hersteller die Kippachse einstellen. Das Messfernrohr befindet sich in der Mitte der Kippachse. Die Fernrohrstützen sollen so hoch sein, dass man das Fernrohr durchschlagen kann.

70

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

Abbildung 3.6. Kippachslager

3.2.2.3 Die Ziellinie des Fernrohres Sie ist die Gerade durch den Schnittpunkt des Strichkreuzes und den Mittelpunkt des Objektivsystems. Die Definition gilt bei Einstellungen auf ∞. Ihre Lage kann durch Justieren in beschränktem Umfang verändert werden [2.2.2]. 3.2.2.4 Vertikalstellen der Stehachse Zum Horizontieren des Theodolits befinden sich auf der Stütze normalerweise eine oder zwei Libellen, wobei eine in Richtung der Zielachse und die zweite in Richtung der Kippachse ausgerichtet ist. Digitale Theodolite verfügen über elektronische Libellen [2.3]. Bei einer Winkelmessgenauigkeit von 0,1 bis 2 mgon ist die Stehachse mit einer Toleranz von 1 mgon vertikal zu stellen. Normalerweise wird zunächst mit einer Dosenlibelle grob horizontiert. Das Feinhorizontieren erfolgt anschließend mit der oder den stützenfest angeordneten Präzisionslibellen. Bei Theodoliten mit elektronischen Libellen ist das Feinhorizontieren mit den Dreifußschrauben nur begrenzt erforderlich, wenn ein geräteinterner Rechner die Fehlereinflüsse der restlichen Stehachsschiefe korrigiert.

3.2.3

Die Kreise

Die Kreise bestehen in der Regel aus Glas. Die Abb. 3.7 a, b zeigen Ausschnitte von Teilkreisen einiger Theodolite mit analoger Messwertausgabe. Es gibt z. B. einfache Teilungen (a) und Doppelkreisteilungen (b). Die Bezifferung ist entweder in Gradoder Gonteilung ausgeführt. Abb. 3.8 a, b, c zeigen Ausschnitte der Kreise digitaler Theodolite; sie haben entweder Strichraster oder Kombinationen von Strichraster und einem zugeordneten Code [vgl. auch 3.3.5]. Je größer der Durchmesser der Teilung ist, um so weniger wirken sich etwaige Teilungsfehler aus; der Teilkreisdurchmesser wird daher vielfach als Gütemerkmal für

71

3.2 Der Theodolit

a)

a)

b)

b)

c)

Abbildung 3.7. Ausschnitte von Teilkreisen einiger Theodolite mit analoger Messwertausgabe a) mit Einfachteilung, b) mit Doppelteilung

Abbildung 3.8. Ausschnitte von Teilkreisen einiger Theodolite mit digitaler Messwertausgabe a) Teilkreis mit Strichraster b) Teilkreis mit Strichraster und paralleler Codierung c) Teilkreis mit Strichraster und serieller Codierung

einen Theodoliten angesehen. Theodolite haben normalerweise Kreisdurchmesser von 60 mm bis 100 mm.

3.2.4

Klemme, Feintrieb, Motorantrieb

Um das Fernrohr genau ausrichten zu können, müssen die gegeneinander drehbaren Teile des Theodolits (a) fest miteinander gekoppelt und zusätzlich mit einem Feintrieb um kleine Winkel gegeneinander verstellbar sein, oder (b) mit sehr genau steuerbaren Motoren (Schrittmotoren oder Servomotoren) gegeneinander gedreht werden können. 3.2.4.1 Ausrichtung mit Klemme und Feintrieb Während der Horizontalwinkelmessung befestigt man zeitweilig die Stütze mit einer Klemme an der Stehachsbuchse. Über einen Feintrieb lässt sich die Stütze dann noch um kleine Winkel um die Stehachse drehen. Eine einfache Ausführung zeigt Abb. 3.9. Mit einer Schraube S und einem Klemmstücke K wird ein mit einem Ausleger versehener Ring R fest an die Achsbuchse gepresst. Die Feinbewegungsschraube F und

72

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

ihre Gegenfeder G schließen einen Zapfen Z ein, der mit der Stütze verbunden ist. Der Feintrieb ermöglicht kleine Drehungen der Stütze. Bei Instrumenten höherer Ge-

Stb G

R KA

S

Z

F

Abbildung 3.9. Klemme mit Seitenfeintrieb

nauigkeit lässt sich die Einstellgenauigkeit durch eine zusätzliche Hebelübertragung steigern. Die Höhenklemme (Abb. 3.10) legt die Kippachse gegenüber der Stütze fest. Der Höhenfeintrieb ermöglicht das genaue Einstellen vertikaler Richtungen. Im Prinzip entsprechen die Konstruktionen denen, die der Horizontalwinkelmessung dienen.

Abbildung 3.10. Höhenklemme und Höhenfeintrieb

73

3.2 Der Theodolit

3.2.4.2 Ausrichtung mit Motoren In digitalen Theodoliten verwendet man vorwiegend Motoren für die Ausrichtung des Fernrohres. Die Motoren können entweder über Drehknöpfe, die Tastatur des Theodolits oder über einen externen Computer gesteuert werden. Die zuletzt genannte Steuereinrichtung muss dann gegeben sein, wenn Theodolite oder Tachymeter im Rahmen automatisierter Messprozesse als Messroboter betrieben werden sollen [5.2]. In der Regel wird, ähnlich wie in [3.2.4.1], zwischen einer Grob- und Feineinstellung unterschieden; die Grobeinstellung erfolgt mit einer höheren, die Feineinstellung mit einer niedrigeren Geschwindigkeit.

3.2.5

Libellen

Um die geodätischen Lage- und Höhenmessungen auf die in [1.2] eingeführten Bezugsflächen beziehen zu können, müssen die Achsen der Messinstrumente in die Lotrichtung gebracht oder rechtwinklig zu ihr eingerichtet werden. Hierfür bedient man sich in vielen Instrumenten der Libellen, die in unterschiedlichen Ausführungen als Dosenlibellen, Röhrenlibellen oder Libellen mit einem Flüssigkeitshorizont gefertigt werden. 3.2.5.1 Die Dosenlibelle Eine Dosenlibelle (Abb. 3.11a) besteht aus einem in Metall gefassten runden Glasgefäß, dessen Deckel auf der Innenseite kugelförmig ausgeschliffen und dessen Boden zugeschmolzen ist. Das Gefäß ist bis auf einen kleinen Rest – die Blase – mit Äther oder Alkohol gefüllt. Die Mitte des Gefäßes ist durch einen oder mehrere Kreise angedeutet.

M

a) Dosenlibellen

b) Röhrenlibellen

Abbildung 3.11. Analoge Libellen

74

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

Mit einer justierten Dosenlibelle wird eine auf Stellschrauben ruhende Ebene oder eine durch Stellschrauben gehaltene Vertikalachse lotrecht gestellt, indem man die Libellenblase mit den Stellschrauben zum Einspielen bringt. Die Dosenlibelle ist justiert, wenn eine an den Mittelpunkt der Kugelkappe gelegte Tangentialebene der Auflagenfläche der Libelle parallel ist oder wenn sie normal zu der Vertikal- oder Stehachse verläuft. Um eine Dosenlibelle zu justieren, lässt man die Blase mit Hilfe der Stellschrauben genau einspielen und bewegt die Libelle (durch Umsetzen auf dem Tisch bzw. Drehen der Stehachse) ganz langsam um 200 gon. Zeigt sich dabei ein Ausschlag, so beseitigt man ihn zur Hälfte mit den Stellschrauben, zur Hälfte mit den an der Libellenfassung sichtbaren Justierschrauben. 3.2.5.2 Die Röhrenlibelle Eine Röhrenlibelle (Abb. 3.11b) besteht aus einer in Metall gefassten zylindrischen Glasröhre, deren Innenseite im oberen Teil tonnenförmig ausgeschliffen ist, so dass sie im Längsschnitt als Kreisbogen erscheint. Die Röhre ist an beiden Enden zugeschmolzen und häufig mit Äther gefüllt bis auf die von Ätherdämpfen eingenommene längliche Blase, die an die jeweils höchste Stelle der Libelle wandert. An der Außenwand des Glaskörpers ist bei analogen Libellen eine Teilung angebracht, deren Striche (Tonnenreifen) bei älteren Libellen 2,26 mm (eine Pariser Linie), bei neueren Libellen 2 mm voneinander entfernt sind. Der Abstand zweier Teilstriche heißt Pars. Der Mittelpunkt der Teilung ist der Normalpunkt oder die Mittelmarke M; die in der Mittelmarke in Längsrichtung der Libelle an die innere Wandung gelegte Tangente ist die Libellenachse; ihre Projektion auf die Unterseite der Fassung – d. h. auf die Ebene, mit der die Fassung aufliegt – wird als Setzlinie bezeichnet. Der Winkel, um den die Libelle geneigt werden muss, damit die Blase um einen Pars weiterläuft, heißt die Angabe der Libelle. Sie wird in der Regel in Sexagesimalsekunden angegeben und liegt bei Präzisionslibellen bei 5 und bei einfachen Libellen bei 45 . Die entsprechenden Schliffhalbmesser sind 82,5 m und 9,2 m. Röhrenlibellen gibt es auch mit digitaler Ablesung (Michelbacher 1990). 3.2.5.3 Libellen mit einem Flüssigkeitshorizont Das Messprinzip basiert auf der Reflexion eines Lichtstrahls an einer Flüssigkeitsoberfläche (Abb. 3.12). Der Lichtstrahl einer Lumineszenzdiode wird nach der Reflexion an der Flüssigkeitsoberfläche als Lichtfleck auf ein CCD Array [2.2.5] abgebildet. Die Leuchtdiode, der Flüssigkeitsbehälter und das CCD Array sind gehäusefest angebracht; der Lichtpunkt wandert daher über den Detektor, wenn die Libelle unterschiedlich geneigt wird. Neigungen der Libelle werden von dem CCD Array als Positionen in zwei Koordinatenrichtungen detektiert. Die Positionen können durch einen Rechner in digitale Neigungsmesswerte umgewandelt werden. Das dafür not-

75

3.2 Der Theodolit

1 5 2

1. Gefäß mit Flüssigkeit 2. Abbildungssystem

6

3. Beleuchtungsdiode

3

4. CCD Array 5. Prisma

4

6. Pentaprisma

6

CCD Array Lichtpunkt

x y

Fernrohrrichtung

Kippachsrichtung

Abbildung 3.12. Libelle mit Flüssigkeitshorizont

wendige Kennlinienfeld erhält man aus Kalibrierungsmessungen. Befindet sich eine solche Libelle z. B. in einem Theodolit, so ordnet man die eine Koordinatenachse des CCD Arrays in Richtung der Kippachse und die andere in der Ebene der Zielachse an.

3.2.5.4 Justierung und Gebrauch der Libellen (1) Justierung und Gebrauch der Röhrenlibellen Befindet sich die Röhrenlibelle in einer Fassung, die das Umsetzen der Libelle ermöglicht, so heißt sie Setzlibelle; mit ihr lassen sich Geraden und Ebenen horizontieren. Die Setzlibelle ist justiert, wenn die Libellenachse der Setzlinie parallel ist. Wird eine justierte Setzlibelle auf eine horizontale Ebene gesetzt, so spielt die Blase auf die Mittelmarke ein.

76

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

Um Einblick in das Verhalten einer Setzlibelle zu gewinnen, stelle man mit Hilfe eines Legebrettes“, d. h. eines schmalen ebenen Brettes, das mit einer Stellschraube ” um eine horizontale Achse gekippt werden kann (Abb. 3.13), eine um α geneigte Ebene her und setze auf diese Ebene eine um β dejustierte Libelle. Tangente an S L1 MS

(L1 )

S M L2 β

α α

β α β

Figure 3.13. Gebrauch der Setzlibelle

Der Ausschlag L1 , den die Blase zeigt, ist das Ergebnis von Neigung und Dejustierung; er ist, wie man in Abb. 3.13 links erkennt, gleich (α + β). Setzt man die Libelle um (rechts im Bild), so schlägt die Blase um (α − β) nach der entgegengesetzten Seite aus. Der Weg der Blase von L1 bis zur neuen Stellung L2 beträgt also im Winkelmaß 2α, und wenn man den Punkt in der Mitte des Bogens L1 L2 , den Spielpunkt, mit S bezeichnet, so ist L1 S = SL2 = α. Folglich ist, wenn die Blase im Spielpunkt steht, α = 0, d. h. die Ebene ist horizontal. Der Bogen MS aber entspricht, wie man anhand der Zeichnung erkennt, dem Dejustierungswinkel β. Um die Libelle zu justieren, hat man mithin den Bogen MS gleich Null zu machen, oder, anders ausgedrückt, man hat den Spielpunkt mit Hilfe der Libellenjustierungsschraube auf die Mittelmarke zu verlegen. Die Justierung wird besonders einfach, wenn man zuvor α = β macht. Das wird automatisch erreicht, indem man zunächst die Blase mit den Stellschrauben des Legebrettes auf die Mittelmarke einstellt. Setzt man dann um, so schlägt die Blase um 2α = 2β aus. Jetzt wird eine Hälfte des Ausschlages mit der Stellschraube des Legebrettes beseitigt; dann ist die Setzlinie horizontal. Die andere Hälfte wird fortgeschafft, indem man die Blase mit den Justierschrauben der Libelle wieder auf die Mittelmarke bringt; damit ist die Libelle justiert. Wenn sich nach abermaligem Umsetzen noch ein Ausschlag zeigt, so ist der Vorgang zu wiederholen. Wird lediglich das Horizontalstellen der Setzlinie ohne Libellenjustierung verlangt, so bestimmt man durch Umsetzen der Libelle den Spielpunkt der Blasenmitte oder eines Blasenendes in Beziehung auf die Setzlinie und stellt die Blase mit Hilfe der Stellschraube des Legebrettes auf den Spielpunkt ein. Die Vertikalachsenlibelle wird – anders als die Setzlibelle – nicht als selbständiges Gerät gebaut, sondern sie findet sich als Zusatzeinrichtung z. B. an Theodoliten

77

3.2 Der Theodolit

und anderen Instrumenten, deren Vertikalachse mittels einer Vertikalachsenlibelle streng lotrecht gestellt werden soll. Eine Vertikalachsenlibelle ist justiert, wenn die Libellenachse – d. i. die Tangente in M – mit der Vertikalachse einen rechten Winkel bildet (Abb. 3.14). Man erhält den Spielpunkt der Libelle in Beziehung auf die Vertikalachse, indem man durch Drehen der Vertikalachse die Richtung der Libellenachse um 200 gon ändert und den Blasenweg L1 L2 halbiert.

L1 S M

Tangente an S M L2 S (L ) 1

β

β

β

β

α α

α

Abbildung 3.14. Gebrauch der Vertikalachsenlibelle

Um eine Vertikalachse lotrecht zu stellen und die Vertikalachsenlibelle zu justieren, geht man wie schon zuvor beschrieben, wieder von dem Fall α = β aus und hat dann folgende Schritte zu machen: 1. Vertikalachse mit Dosenlibelle genähert aufrichten. 2. Röhrenlibelle parallel zu zwei Fußschrauben stellen und Blase auf Mittelmarke einspielen lassen. 3. Achse nebst Libelle um 200 gon drehen und Ausschlag ablesen. 4. Die Hälfte des Ausschlages mit den Fußschrauben beseitigen; die Blase steht damit im Spielpunkt, und die Achse ist in einer Richtung aufgerichtet. 5. Achse nebst Libelle um 100 gon drehen und Blase mit der dritten Fußschraube auf den vorher bestimmten Spielpunkt bringen; damit ist die Achse auch in der zweiten Richtung aufgerichtet. 6. Zur Probe Achse langsam drehen; bleibt die Blase dann nicht im Spielpunkt stehen, so sind die Vorgänge 2. bis 5. zu wiederholen. 7. Wenn die Blase stehenbleibt, ist die Achse streng lotrecht. Stellt man alsdann die Blase mit den Libellenjustierschrauben auf die Mittelmarke ein, so wird der Spielpunkt auf die Mittelmarke verlegt; die Libelle ist justiert. Bei digitalen Libellen kann die Restabweichung auch gespeichert und rechnerisch in Form einer Korrektur berücksichtigt werden.

78

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

(2) Justierung und Gebrauch der Libellen mit einem Flüssigkeitshorizont Wird eine solche Libelle [vgl. 3.2.5.3] z. B. in einem Theodolit montiert, so wird sie bei vertikaler Stehachse so justiert, dass die Restausschläge in beiden Achsrichtungen nahezu Null sind. Die Restabweichungen werden wie in [3.2.5.4(1)] in einer Zweilagenmessung ermittelt; diese können schließlich mit Justierschrauben beseitigt oder abgespeichert und von einem Mikroprozessor als Korrektur berücksichtigt werden.

3.3 3.3.1

Kreisablesung, Kreisabtastung Die Kreisablesevorrichtungen analoger Theodolite

Sie sind allgemein als Messmikroskop ausgebildet. Bei den Mikroskopen unterscheidet man im wesentlichen zwischen: – – – –

Strichmikroskopen, Skalenmikroskopen, Strichmikroskopen mit optischem Mikrometer und Koinzidenzmikroskopen mit optischem Mikrometer.

Während bei den ersten drei Vorrichtungen eine Ablesung nur eine Teilkreisstelle erfasst, ermöglicht das Koinzidenzmikroskop das gleichzeitige Ablesen und Mitteln zweier Kreisstellen.

3.3.2

Die Ablesemikroskope

Sie erhöhen die Auflösung der nur einige hundertstel bis zehntel Millimeter breiten Teilungsintervalle. Die optischen Systeme sind meistens in der Stütze und einem Tubus neben dem Fernrohr untergebracht. Zielen und Ablesen erfolgt schnell und einfach, wenn sich das Mikroskopokular neben dem Fernrohrokular befindet und beide Kreisbilder in jeder Beobachtungslage gleichzeitig sichtbar sind. Der Strahlengang des Mikroskops entspricht weitgehend dem des Fernrohres; das Objektiv ist allerdings kurzbrennweitig. Der Gegenstand, ein Ausschnitt der Kreisteilung, befindet sich zwischen der einfachen und doppelten Brennweite. In der Bildebene des Mikroskops ist anstelle des Strichkreuzes eine Ablesemarke zu sehen, deren Abstand von dem vorhergehenden Teilstrich der Kreisteilung bestimmt werden muss. Die Ablesemarke kann ein Indexstrich, die Nullmarke einer Skala oder das Bild eines diametral liegenden Teilstriches sein. Zur Ablesung hat man lediglich den Abstand des Ablesestriches vom vorhergehenden Teilstrich des Teilkreisintervalls zu schätzen. Abb. 3.15 zeigt das Gesichtsfeld eines Strichmikroskops, in dem sowohl die Ablesungen am Vertikalkreis wie die am Horizontalkreis erscheinen.

79

3.3 Kreisablesung, Kreisabtastung

V : 103,75 gon H2 : 38,28 gon

Abbildung 3.15. Sehfeld eines Strichmikroskops mit Horizontal- und Vertikalkreisablesung

Wird eine höhere Ablesegenauigkeit angestrebt, so muss der Abstand des Ablesestrichs von dem vorangehenden Strich der Kreisteilung mit einer Skala oder anderen Hilfsmitteln gemessen werden. Eine ausführliche Beschreibung der Kreisablesevorrichtung findet man z. B. in (Kahmen 1997, Deumlich/Staiger 2002).

3.3.3 Vorrichtungen für die elektronische Kreisabtastung Bei den Abtastvorgängen kommen Code- und Inkrementalverfahren zum Einsatz. Diese Verfahren liefern die gemessenen Größen in Form von Dualzahlen, die von einem Rechner verarbeitet und auf einen elektronischen Speicher gegeben werden können. Über einen Codewandler und eine Ziffernanzeigeeinheit lassen sie sich dezimal anzeigen. Für Dualzahlen benötigt man zwei Symbole, wie z. B. die Ziffern 0 und 1, ein helles und ein dunkles Feld (Abb. 3.16, 3.17). Messgeräte stellen sie mit Hilfe zweier Zustände dar, wie Spannung und Nullspannung, Strom und Nullstrom, etc. Für den Verkehr mit dem Menschen benötigt man das Ergebnis wegen der größeren Anschaulichkeit in Form von Dezimalzahlen. Dual- und Dezimalzahlen lassen sich einander über einen Code zuordnen. Je nach Verwendung der Messgeräte sind unterschiedliche Codes gebräuchlich. Der einfachste Code ist der Dual-Code. Wie Abb. 3.16 zeigt, lassen sich mit vier Dualstellen, deren Wertigkeiten je einer Potenz von 2 entsprechen, 16 Dezimalzahlen darstellen. Für elektronische Zählvorgänge hat der 1-2-4-2 Code (Abb. 3.17) Vorteile. Die instrumentelle Arbeitsweise bei Zählvorgängen ist u. a. bei (Kahmen 1978) beschrieben.

80

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln 23 22 21 20 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1

0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 0 0 1 1 1 1

0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1

0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1

Abbildung 3.16. Dual-Code

3.3.4

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9

23

22

21

20

0 0 0 0 0 0 0 0 1 1

0 0 0 0 1 1 1 1 1 1

0 0 1 1 0 0 1 1 1 1

0 1 0 1 0 1 0 1 0 1

Abbildung 3.17. 1-2-4-2 Code

Steuerung und Überwachung elektronischer geodätischer Messgeräte

Zentrale Einheit für die Steuerung und Überwachung neuerer geodätischer Messgeräte ist ein Mikroprozessor bzw. Prozessrechner. Ihre Arbeitsweise bestimmt auch die der Messgeräte. Um die Funktionsabläufe der Messgeräte besser erläutern zu können, soll daher zunächst kurz auf die Funktionen eines Mikroprozessors und Prozessrechners eingegangen werden. Ein Mikroprozessor besteht im wesentlichen aus Zwischenspeichern, dem Datenregister und dem Befehlsregister, der arithmetisch logischen Einheit (dem Rechenwerk) und dem Steuerwerk (Befehlsdecodierer), Abb. 3.18. Die Daten und Befehle können heute mit einer sehr hohen Taktfolge vom Mikroprozessor aufgenommen und verarbeitet werden. Daten und Befehle werden zunächst in Zwischenregistern zwischengespeichert. Das Steuerwerk entschlüsselt die in das Befehlsregister gerufenen Befehle und übernimmt je nach Bedeutung der Befehle die Steuerung der einzelnen Einheiten des Mikroprozessors, z. B. bei arithmetischen Befehlen die Verknüpfung der Daten des Datenregisters im Rechenwerk. Abb. 3.18 verdeutlicht den Vorgang am Beispiel der Addition. Die Ergebnisse werden anschließend wieder in Registern zwischengespeichert und nach einem weiteren Takt über den Datenbus beispielsweise in den Datenspeicher gespeichert. Bei Ein-/Ausgabebefehlen übernimmt das Steuerwerk die Übertragung der Daten zwischen Zwischenspeicher und Ein-/Ausgaberegistern. Über die Ein-/Ausgaberegister werden Daten an periphere Module (Winkelmesssystem, Distanzmesser, Richtungsfühler für die Überprüfung der Stehachse) weitergegeben, oder es werden von dort Informationen eingeholt. Durch Ein-/Ausgabebefehle werden jedoch nicht nur Messwerte übertragen, sondern auch logische Informationen, die den Messablauf der einzelnen Messsysteme steuern.

81

3.3 Kreisablesung, Kreisabtastung Mikroprozessor Datenregister

0 0 1 0 0 0 0 1 0 1 0 0

0 0 1 1 0 0 0 1 0 1 0 0

Befehlsregister

0 1 1 1

Addition

Rechenwerk

Befehlsdecodierer

Datenspeicher

Programmspeicher I/0

Bus

Hz-Winkel Messsystem

(I/0: Ein/Ausgaberegister)

Abbildung 3.18. Vereinfachtes Funktionsschema eines Mikroprozessors

Aus der Kombination von Mikroprozessor, Speicher und Ein-/Ausgabeeinheiten entsteht ein Digitalrechner (bzw. Mikrocomputer). Abb. 3.19 verdeutlicht an einem Beispiel, wie die peripheren Rechnermodule – Speicher Ein-/Ausgabeeinheiten – über einen BUS mit dem Mikroprozessor verbunden werden können. Ein BUS ist eine vieladrige Verbindungsleitung, auf der sich Informationen übertragen lassen. Das Strukturdiagramm zeigt außerdem am Beispiel eines geodätischen Feldmessinstrumentes, wie zusätzliche periphere Einheiten – das Horizontal- und Vertikalwinkelmesssystem, das Streckenmesssystem und ein Richtungsfühler für die Überprüfung der Stehachsenrichtung – über den BUS mit dem Mikrocomputer verbunden werden können. Auf diese Weise ist der Digitalrechner unmittelbar mit dem Prozess gekoppelt und erfüllt zusätzlich wesentliche Funktionen eines Prozessrechners. Der Begriff Prozessrechner wird heute vorzugsweise auf frei programmierbare Digitalrechner einer bestimmten Bauform angewendet, die sich unmittelbar an einen Prozess (z. B. Messprozess) koppeln lassen und die Prozessdaten in Echtzeit (realtime) verarbeiten können. Ein weiteres typisches Merkmal der Prozessrechner ist die Möglichkeit der Vorrangunterbrechung, wodurch der Programmablauf in eine bestimmte Richtung beeinflusst werden kann. Prozessrechner haben in neueren geodätischen Instrumenten die Aufgaben übernommen, den gesamten Messvorgang sowie die Daten-Ein- und Ausgabe zu automatisieren und zu kontrollieren, Korrekturwerte zu ermitteln und schon im Feld aus den Messwerten bestimmte gewünschte Parameter (Horizontaldistanz, Höhenunterschied, etc.) zu berechnen.

82

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

Mikroprozessor Programmspeicher Bus

Datenspeicher Ein/Ausgabeeinheiten Digitalrechner Prozessrechner I/0 I/0 I/0 Feldmessinstrument

Abbildung 3.19. Vereinfachtes Funktionsschema eines prozessrechnergesteuerten Messgerätes

3.3.5 Analog/Digital-Wandlung der Winkel digitaler Theodolite Die gemessenen Winkel liegen zunächst als analoge Größen vor. Eine Kreisabtastvorrichtung stellt sie in Form binärer Zahlen dar, damit sie der zuvor beschriebene Prozessrechner verarbeiten kann. Die A/D-Wandlung der Winkel erfolgt nach dem Code- oder Inkrementalverfahren. Die Messwerterfassung kann man mit galvanischen, magnetischen oder optischen Abtastsystemen ausführen. 3.3.5.1 Codeverfahren Codeverfahren nutzen Kreise mit paralleler oder serieller Codierung (Abb. 3.8). Die Kreise werden – wie bei den analogen Verfahren – in Grobintervalle unterteilt, wobei diese hier jedoch binär durchnumeriert sind. Nachfolgend wird das Prinzip der Messwerterfassung an einem Beispiel erläutert, indem ein seriell codierter Kreis elektrooptisch abgetastet wird (Abb. 3.20). Der Winkelabgriff besteht aus einem binär codierten Kreis, einer Abbildungsoptik und einem Diodenarray als Abtasteinrichtung. Der Kreis ist in Grobintervalle geteilt, die durch breite Striche (Indexstriche) begrenzt sind. Jedes Grobintervall enthält eine Codierung in Form weiterer äquidistanter Striche, die zwei unterschiedliche Breiten haben. (Eine andere Art der Codierung könnte aus gleichbreiten Strichen mit unterschiedlichen Abständen bestehen). Bringt man in einem Grobintervall, wie in dem obigen Beispiel, 7 dieser Striche unter, so können 128 Intervalle durch binäres Numerieren voneinander unterschieden werden. Wie bei den analogen Theodoliten

83

3.3 Kreisablesung, Kreisabtastung Diodenarray Index

Kreisbeleuchtung Codierter Kreis

Abbildungsoptik

20 21 2 2 23 24 25 26

Diodenarray 7 äquidistante Striche

Abbildung 3.20. Prinzip der Winkelmessung mit seriell codierten Kreisen (Leica)

hat man also auch hier Teilkreise mit Teilstrichen, die jetzt allerdings mit binären Zahlen durchnumeriert sind. Der Bereich eines Grobintervalls wird auf das Diodenarray abgebildet und anschließend das Strichmuster mit Verfahren der digitalen Bildverarbeitung ausgewertet. Als Ergebnis der Auswertung erhält man eine Binärzahl, wodurch die Kreisstelle auf 400 : 128 = 3,1 gon genau bestimmt ist. Mit den zuvor beschriebenen Messanordnungen ist zunächst nur eine Grob” messung“ möglich, da lediglich festgestellt wird, welches Grobintervall im Bereich der Abtasteinrichtung positioniert ist. Die Winkelsensoren liefern daher bei Kreisdurchmessern von 70 bis 100 mm zunächst nur Genauigkeiten von ca. 0,1 bis 3 gon. Da dies für viele Messaufgaben nicht ausreicht, müssen in einem zweiten Schritt, der Feinmessung“, durch Interpolationsverfahren höhere Genauigkeiten angestrebt ” werden. (1) Interpolatoren niederer und mittlerer Genauigkeit In digitalen Theodoliten dieser Genauigkeitsklassen teilen die Grobintervalle die Kreise in Schritte von mindestens einigen gon; durch die Interpolation wird schließlich eine Richtungsauflösung von ca. 0,5 bis 3 mgon erzielt. Für die Feinmessung gibt es unterschiedliche technische Lösungen. Nachfolgend soll als Beispiel das in Abb. 3.21 wiedergegebene Prinzip näher erläutert werden. Wie die Prinzipskizze zeigt, werden den Grobintervallen Indexmarken (bzw. Teilstriche) zugeordnet, wodurch diese genauer auf dem Teilkreis festgelegt sind. Bei dem Interpolationsverfahren wird diese Indexmarke relativ zu den Empfängern eines Diodenarrays (der Abtasteinrichtung) positioniert (Abb. 3.21a). Da die Position der Empfänger in bezug auf eine Nullmarke bekannt ist, ist somit auch die Indexmarke relativ zu der Nullmarke positioniert. (Wie leicht zu erkennen ist, entspricht dieses Prinzip dem der Skalenmikroskope in analogen Theodoliten). Abb. 3.21b verdeutlicht, wie eine genaue Positionierung technisch realisiert werden kann. Während der transparente Indexstrich auf dem Diodenarray abgebildet wird, entsteht eine glockenförmige Intensitätsverteilung. Die Position des Indexstri-

84

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

Index

Diodenarray Codierter Kreis

a) Position x1

b) Empfänger Position x

Abbildung 3.21. Prinzip der Interpolation a) Position der Indexmarke innerhalb des Diodenarrays; b) Intensitätsverteilung der abgebildeten Indexmarke (Leica)

ches kann jetzt in bezug auf die Empfänger sehr genau gefunden werden, wenn mit Methoden der digitalen Bildverarbeitung die x-Koordinate des Schwerpunktes der von der Glockenkurve eingeschlossenen Fläche gebildet wird. Das in der Abb. 3.21 beschriebene Interpolationsverfahren kommt z. B. in den Theodoliten der Fa. Leica zur Anwendung; (Patentschrift der Fa. Leica 1986). (2) Interpolatoren hoher Genauigkeit Bei einer verfeinerten Codierung unterteilen in digitalen Theodoliten hoher Genauigkeit die Grobintervalle die Teilkreise in Schritte von ca. 0,1 bis 0,3 gon. Nach der Interpolation (Feinmessung) erzielt man eine Genauigkeit (1σ ) der Richtung von 0,1 bis 0,3 mgon. 3.3.5.2 Inkrementalverfahren Inkrementalverfahren nutzen Kreise mit radialen Gitterstrichen, die eine stets wachsende Folge von Hell-Dunkel-Feldern (Inkrementen) darstellen (Abb. 3.22). Man bezeichnet die Felder auch als Ja-Nein-Elemente und den Abstand der Striche als Gitterkonstante. Mit diesem Verfahren kann der Beobachter ohne Zusatzeinrichtung keine absoluten Richtungen bestimmen; es lassen sich nur Richtungsänderungen messen, indem die von einem Abtastsystem überstrichene Anzahl von Hell-DunkelFeldern gezählt wird. In der Regel ist das Abtastsystem stützenfest angeordnet. In neueren Instrumenten verwendet man vorwiegend elektrooptische Abtastsysteme. Die Ja-Nein-Elemente können dann aus durchleuchtbaren und nicht durchleuchtbaren Feldern bestehen. Befindet sich z. B. – wie in Abb. 3.22 – oberhalb des Rasters eine Lumineszenzdiode, so strahlt diese unterhalb des Rasters verschieden stark, je nachdem, ob sie sich ganz, teilweise oder nicht über einem durchleuchtbaren Feld

85

3.3 Kreisablesung, Kreisabtastung

Lumineszenzdiode

19

Fotodiode Zähler

I/0

Bus

Abbildung 3.22. Prinzip der Winkelmessung nach dem Inkrementalverfahren

befindet. Bewegt sich der Teilkreis relativ zu der Diode, so erfährt ihre Strahlung eine näherungsweise sinusförmige Intensitätsmodulation. Jedes Ja-Nein-Element erzeugt eine Periode eines solchen Sinussignals. Die Fotodiode (oder ein Fototransistor) unterhalb des Kreises und der Lumineszenzdiode erzeugt aus dem Lichtsignal ein elektrisches Sinussignal. Ein weiterer elektronischer Baustein wandelt das Sinussignal in ein Rechtecksignal um. Der Zähler zählt die Anzahl der bei einer Drehung erzeugten Signalperioden. Das Zählergebnis gelangt über einen BUS zum Rechner und Speicher und lässt sich nach weiterem Aufbereiten dezimal anzeigen. In der beschriebenen Form ist das System noch nicht voll funktionsfähig und ermöglicht nur grobe Richtungsauflösungen. Um allen Anforderungen bei Messaufgaben zu genügen, müssen folgende Erweiterungen vorgenommen werden: – damit sich nicht einzelne Teilstrichfehler voll auf das Messergebnis auswirken, sollten Gruppen von Teilstrichen an der Signalbildung beteiligt sein, – es sollten möglichst mehrere Messsignale erzeugt und so miteinander kombiniert werden, dass systematische Fehler entfallen, – aus der Kombination der ursprünglichen Messsignale müssen zwei um 90◦ phasenverschobene Messsignale hervorgehen, damit über logische Abfragen zwischen Vor- und Rückwärtszählung unterschieden werden kann. Die in der Abb. 3.23 wiedergegebene Messanordnung erfüllt diese Bedingungen. Der Abtastplatte A sind vier Gitterfelder aufgedampft, die je 90◦ bzw. 1/4 Gitterkonstante g gegeneinander versetzt sind. Gitterfelder und Kreisgitter haben das gleiche Muster. Bei einer Bewegung der Gitterplatte längs des Teilkreises wird die Strahlung der Lichtquelle sinusförmig moduliert, und es entstehen vier je um 90◦ phasenverschobene Messsignale der Form (Abb. 3.24) u1 = Uˆ 1 sin ϕ + C   u2 = Uˆ 2 sin ϕ + 90◦ + C   u3 = Uˆ 3 sin ϕ + 180◦ + C   u4 = Uˆ 4 sin ϕ + 270◦ + C,

(3.1)

86

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln g = Gitterkonstante

L

Gitter-Maßstab

g

K

1 2

G

1/4 g

R

A

3

1/2 g

E

L = Miniaturlampe, K = Kondensator, G = Gittermaßstab, R = Referenzmarke als "absoluter Nullpunkt", A = Abtastplatte, E = Silizium-Fotoelemente (4 für Gittermaßstab, 1 für Referenzmarke)

4 3/4 g

Abtastgitter

Abbildung 3.23. Inkrementalverfahren mit Richtungserkennung (Naumann, Schröder 1983)

wobei ϕ die Position der Abtastplatte relativ zum Teilkreis beschreibt. Durch Differenzbildung entstehen Signale der Form (Abb. 3.25)   u1d = u1 − u3 = Uˆ 1 + Uˆ 3 sin ϕ   u2d = u2 − u4 = Uˆ 2 + Uˆ 4 cos ϕ.

(3.2)

u Position x u4 u3 u1 u2

u 1 − u3 u2 − u4

Position x Abbildung 3.24. Signale der inkrementalen Winkelabtastung

Abbildung 3.25. Signalumformung durch Differenzbildung und Erzeugung von Zählimpulsen

Die Amplituden kann man abgleichen, womit gilt: Uˆ 1 = Uˆ 2 = Uˆ 3 = Uˆ 4 = Uˆ .

(3.3)

87

3.3 Kreisablesung, Kreisabtastung

Die Gleichungen (3.2) gehen dann über in u1d = 2Uˆ sin ϕ u2d = 2Uˆ cos ϕ.

(3.4)

In dieser Form dienen jetzt beide Signale der Messwerterfassung und Richtungserkennung. Die Messwerte bildet man in zwei Stufen: – in einem ersten Schritt – der Grobmessung – wird die Anzahl der vollen Signalperioden des sin- und des cos-Signals gezählt, um die sich die Abtastplatte relativ zum Kreis bewegt, – in einem zweiten Schritt – der Feinmessung – wird die Position ϕ der Abtastplatte noch genauer innerhalb einer Signalperiode interpoliert. Die Steuerung der Messvorgänge sowie die Zusammenfassung der Teilergebnisse zum endgültigen Messwert besorgt der Mikroprozessor des Theodolits. Auf den Teilkreisen mit paralleler oder serieller Codierung ist die Nullrichtung eindeutig definiert. Wendet man jedoch das Inkrementalverfahren an, so muss diese speziell definiert werden. Wie Abb. 3.23 an einem Beispiel zeigt, kann dies mit einer Referenzmarke (Hell-Dunkel-Felder) auf den Kreisen erfolgen. DieAbtastplatte trägt dann ebenfalls eine Marke des gleichen Musters. Die Orientierung des Vertikalkreises erfolgt mit einer stützenfesten und einer mit dem Vertikalkreis beweglichen Marke. Der operationelle Ablauf der Kreisorientierung ist sehr einfach: man braucht nur das Fernrohr ohne spezielles Zielen durch eine Bezugsrichtung (z. B. den Horizont) zu bewegen. In dieser speziellen Kreisstellung kommen die feste und bewegliche Marke zur Deckung, wobei sie ein elektrisches Signal erzeugen, mit dem der Zählvorgang gestartet werden kann. Die Orientierung des Horizontalkreises erfolgt in der Regel durch Nulltastung des Zählers; es kann aber auch hier mit Referenzmarken gearbeitet werden. (3) Interpolatoren niederer Genauigkeit Im einfachsten Fall erzeugt der Abtastkopf beim Drehen der Stütze für je ein Hell-Dunkel-Feld des Teilstrichrasters eine Periode eines elektrischen Sinussignals (Abb. 3.24). Bei der Grobmessung zählt ein elektronischer Zähler die Anzahl der Signalperioden. Die Länge einer Signalperiode ist 2π , bzw. λ.Allen Schwingungszuständen lassen sich Bruchteile von 2π , Phasenwinkel ϕ1 , ϕ2 , ϕ3 , . . . zuordnen. Diese Phasenwinkel sind ein Maß für die Feinmessung. Bei einfachenAbtastsystemen kann ein zugeschalteter elektronischer Interpolator innerhalb einer Signalperiode 4 Signalabschnitte durch unterschiedlich große Phasenwinkel voneinander unterscheiden (Abb. 3.25). Ein solcher Interpolator kann durch eine sehr einfache elektronische Schaltung realisiert werden. Diese Schaltung erzeugt jeweils an den Nulldurchgängen des sinund cos-Signals (Gleichung 3.4) einen Zählimpuls. Innerhalb einer Signalperiode

88

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

des sin- (bzw. cos-) Signals entstehen so vier Zählimpulse, die ebenfalls von einem Zähler gezählt werden und eine Viertelung der Periode ermöglichen. Durch diese Interpolation im Verhältnis 1 : 4 wird bei einem Strichraster von 2 0 00 Inkrementen eine Richtungsauflösung von 0,5 cgon erzielt. (4) Interpolatoren mittlerer Genauigkeit Bei den meisten Instrumenten werden die Kreise nur an einer Kreisstelle abgetastet. Zur Genauigkeitssteigerung wird jedoch in einigen Instrumenten die Exzentrizität der Kreisteilung [3.7.2] gespeichert und über den Mikroprozessor des Theodolits korrigiert Einige Geräte verfügen über einen Interpolator, der innerhalb einer Signalperiode 8 Signalabschnitte durch unterschiedlich große Phasenwinkel voneinander unterscheiden kann. Nach dieser Interpolation im Verhältnis 1 : 8 wird z. B. bei einem Strichraster von 25000 Inkrementen eine Richtungsauflösung von 0, 002 gon erzielt. Andere Interpolatoren arbeiten mit mathematischer bzw. der arctan- Interpolation. Aus den Gleichungen (3.4) gewinnt man durch Division tan ϕ =

sin ϕ cos ϕ

bzw. ϕ = arctan ϕ.

(3.5)

Die Auswertung der Signale in Gleichung (3.5) kann über den Mikroprozessor des Theodolits vorgenommen werden, wenn sie zuvor, z. B. mit einem Digitalvoltmeter, digitalisiert wurden. Abb. 3.26 zeigt, dass man bei der Auswertung unterschiedlich vorgehen kann:

sin-Signal cos-Signal Zählimpuls

tan-funktion

Abbildung 3.26. Grob- und Feinmessung durch arctan-Interpolation

3.3 Kreisablesung, Kreisabtastung

89

a) Man zählt bei der Grobmessung die Anzahl der vollen sin- (oder cos-) Signalperioden und berechnet für die Feinmessung den Phasenwinkel aus der arctanFunktion (3.5). Es muss dann noch festgestellt werden, in welchem Quadranten ϕ liegt. Dies lässt sich z. B. eindeutig anhand des Vorzeichens der cos-Funktion erkennen. b) Man erzeugt an den Nulldurchgängen des sin- und cos-Signals Impulse und zählt diese im Rahmen der Grobmessung. Bei der anschließenden Feinmessung interpoliert man innerhalb der verbleibenden Viertelperioden mit der arctan-Funktion. (5) Interpolatoren hoher Genauigkeit In den Geräten mit Interpolatoren hoher Genauigkeit werden die Kreise an zwei diametral gegenüberliegenden Kreisstellen abgetastet, um den Einfluss der Exzentrizitäten der Teilkreise herabzusetzen. Bei der Feinmessung arbeitet man im wesentlichen mit der mathematischen bzw. arctan-Interpolation allerdings wird die arctanFunktion nun mit höherer Auflösung ausgewertet. Interpolationen mit 100 Schritten pro Signalperiode sind möglich. Mit elektronischen Interpolatoren hoher Genauigkeit lassen sich Richtungen mit einer Genauigkeit von 0,1 bis 0,3 mgon auflösen.

3.3.6

Einrichtungen des Theodolits für die Vertikalwinkelmessung

Für die Vertikalwinkelmessung benötigen die Theodolite zwei zusätzliche Einrichtungen, nämlich den Vertikal- oder Höhenkreis und die Kreisablese- oder elektronische Kreisabtastvorrichtung. 3.3.6.1 Der Höhenkreis und die Ablese- bzw. elektronische Abtastvorrichtung Der Höhenkreis ist in der Regel zentrisch an der Kippachse befestigt, so dass er alle Kippbewegungen des Fernrohres mitmacht. Die Kippachse kann mit Hilfe einer Klemmvorrichtung [3.2.4.1] in einer bestimmten Stellung festgehalten und mit einer Feinbewegungsschraube für das Anzielen einer Zielmarke fein eingestellt werden. Bei der Mehrzahl der Instrumente lässt sich die Kippachse jedoch durch einen Motor positionieren [3.2.4.2]. Die Kreisablesevorrichtung bzw. -abtastvorrichtung, die kurz auch als Höhenzeiger oder Höhenindex bezeichnet wird, dient einerseits zum Ablesen der Höhenoder Zenitwinkel am Höhenkreis; andererseits muss sie die Ablesung auf die Richtung der Schwerkraft beziehen. Diese Beziehung wird bei fast allen Theodoliten mit Hilfe einer Libelle oder bei älteren Theodoliten durch einen Kompensator hergestellt. Die Libelle oder der Kompensator sind erforderlich, da sich in der Regel die Stehachse des Theodolits mit den Dreifußschrauben nicht ausreichend genau für die Vertikalmessung lotrecht stellen lässt.

90

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

Die Kreisablese bzw. -abtastvorrichtung arbeitet bei der Vertikalmessung nach dem gleichen Prinzip wie bei der Horizontalwinkelmessung. Die Ableseeinheit ist in der Regel die gleiche wie beim Horizontalkreis. 3.3.6.2 Libellengesteuerter Höhenindex Vorwiegend findet man in Theodoliten den libellengesteuerten Höhenindex. Dieser besitzt eine oder zwei Ablesestellen sowie eine Libelle, die so justiert werden muss, dass bei horizontaler Visur der Höhenwinkel 0 gon bzw. der Zenitwinkel 100 gon erscheint (Abb. 3.27). Vor der Ablesung bringt man den Höhenindex mit der justierten Libelle in die richtige Lage und kann dann die Höhen- oder Zenitwinkel ablesen.

Abbildung 3.27. Libelle an der Stütze des Fernrohres

Abbildung 3.28. Libelle am Höhenindex

Man verwendet fast ausschließlich Libellen mit digitaler Messwertanzeige. Diese sind – von Justiermöglichkeiten abgesehen – unbeweglich am Fernrohrträger befestigt und ihre Achse ist parallel zur Zielachse ausgerichtet. Normalerweise nutzt man die in Richtung der Zielachse weisende Horizontierlibelle [3.2.2.4]; sie kann nur mit Hilfe der Fußschrauben des Instruments zum Einspielen gebracht werden. Die beim Horizontieren des Theodolits in Richtung der Zielachse noch verbleibenden Stehachsenneigungen werden elektronisch abgegriffen und an den Mikroprozessor des Messinstrumentes weitergegeben, der die Ablesung am Vertikalkreis folgendermaßen automatisch korrigiert: z = Z + ζ + νz mit z : korrigierte V-Kreisablesung, Z : unkorrigierte V-Kreisablesung,

(3.6)

3.4 Automatisches Zielen

91

ζ : Indexabweichung [3.9.2], νz : restliche Stehachsenneigung in Zielrichtung. Bei älteren Theodoliten mittlerer, hoher und höchster Genauigkeit, die nur über analoge Horizontierlibellen verfügen, ist die Ablesevorrichtung meistens mit einer unmittelbar mit dem Höhenindex verbundenen Höhenindexlibelle ausgestattet (Abb. 3.28). Bei solchen Instrumenten kann die Ablesevorrichtung oder der Höhenindex um die Kippachse in beschränktem Umfang mit einer Präzisionsmessschraube gedreht werden, ohne dass dabei die Vertikalachse des Instruments ihre Lage ändert. Die Drehung der Ablesevorrichtung aber wird mittels der Höhenindexlibelle so gesteuert, dass – richtige Justierung vorausgesetzt – bei einspielender Libelle der Höhen- oder Zenitwinkel mit seinem Sollwert am Höhenzeiger abgelesen werden kann. 3.3.6.3 Höhenindex und Kompensator Der Kompensator für die Vertikalwinkelmessung ist eine Zusatzeinrichtung in analogen Theodoliten mit der Aufgabe, die Ablesungen am Vertikalkreis automatisch auf die Lotrichtung am Beobachtungsort zu beziehen. Er nutzt, beeinflusst durch die Schwerkraft, einen Flüssigkeitshorizont oder ein Pendel, um die in der Zielebene liegende Komponente der restlichen Stehachsenneigung automatisch zu kompensieren. Eine genauere Beschreibung solcher Kompensatoren findet man z. B. in (Kahmen 1997; 19. Aufl.)

3.4 Automatisches Zielen Beim automatischen Zielen wird die Ziellinie des Fernrohres [2.2.1] automatisch so ausgerichtet, dass sie durch das Zentrum einer Zielmarke verläuft. In der Regel geschieht dies in zwei Schritten: einer Grob- und einer Feinzielung. Mechanisch kann man dies bewerkstelligen, indem man die Kipp-und Stehachse des Theodolits mit digital gesteuerten Motoren bewegt. Höhere Geschwindigkeiten erzielt man, wenn bei der Feinzielung die Ausrichtung der Zielachsen mathematisch korrigiert wird. Beide Zielvorgänge beruhen auf videometrischer Bildverarbeitung (Videometric Imaging), welche folgende Schritte umfasst: die – Bildvorbereitung (Image Formation): sie befasst sich mit der Beleuchtung und den Reflexionseigenschaften des Objektes, das erfasst werden soll. – Bilderfassung (Image Acquisition): sie umfasst das optische und das optoelektronische System, mit dem das dreidimensionale Objekt in ein zweidimensionales digitales Bild umgewandelt wird. – Bildverarbeitung (Image Processing): sie umschließt in diesem Spezialfall die digitale Berechnung von Regel-oder Korrekturgrößen, mit denen die Ziellinie

92

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

des Fernrohres mechanisch oder rechnerisch auf das Zentrum der Zielmarken ausgerichtet werden kann. Mit dem Objekt ist hier die Zielmarke gemeint.

3.4.1

Optoelektronische Bilderfassung und die Zielmarken (Bildvorbereitung, Bilderfassung)

Für automatisches Zielen wird in den Strahlengang des Theodolitfernrohres (Abb. 3.29) normalerweise eine CCD-Kamera (2) eingebaut. Das CCD-Array (1) [2.2.5] hat dann die Funktion eines Strichkreuzes, d. h. dieses muss in der Strichkreuzebene positioniert sein. Um das Messfernrohr [2.2.2] jedoch auch in seiner herkömmlichen Funktion für visuelle Beobachtungen nutzen zu können, ordnet man in der Regel das CCD-Array seitlich vom eigentlichen Strahlengang des Fernrohres an. Dies gelingt mit einem teildurchlässigen Prisma (4), welches das von der Zielmarke durch das Objektiv (3) fallende Licht, das für den automatischen Zielvorgang

1

8

2

3 9 4

5

6

7

Abbildung 3.29. Optoelektronische Bilderfassung für das automatische Zielen (1 CCDArray, 2 CCD-Kamera, 3 Objektiv, 4 teildurchlässiges Prisma, 5 Fokuslinse, 6 Strichkreuz, 7 Okular, 8 Laserdiode, 9 teildurchlässiges Prisma)

benötigt wird, rechtwinklig ablenkt. Das Prisma lässt so außerdem ausreichend viel Licht durch die Fokuslinse (5), das Strichkreuz (6) und das Okular (7) passieren. Abb. 5.2 zeigt an einem Beispiel, wie ein solcher optischer Strahlengang in den Messkopf eines elektronischen Tachymeters integriert werden kann. Beim automatischen Zielen verzichtet man auf den Fokussiervorgang mit der Zwischenlinse [2.2.2], was bedeutet, dass die Zielmarke unscharf auf dem CCDArray abgebildet wird. Hierdurch entsteht jedoch kein Genauigkeitsverlust, da beim automatischen Zielen der Schwerpunkt des Bildes der Zielmarke ausgewertet und überprüft wird, wie weit dieser in der optischen Achse des Fernrohres liegt. Diese Art der Abbildung hat sogar Vorteile: (a) Bei der unscharfen Abbildung entsteht ein vergrößertes Bild der Zielmarke, was wiederum bedeutet, dass eine größere Anzahl von Elementen des CCD-Arrays

3.4 Automatisches Zielen

93

an der Schwerpunktbestimmung beteiligt werden kann, wodurch sich Genauigkeitssteigerungen erzielen lassen. (b) Das Gerät kann kostensparender gebaut werden. Kreisrunde Zielmarken liefern optimale Genauigkeiten. Man kann zwischen aktiven und passiven Zielmarken unterscheiden. Als passive Zielmarken kann man kreisförmige Reflexionsfolien oder Prismen verwenden, die von einer speziellen Halterung getragen werden. Passive Zielmarken lassen sich preisgünstig herstellen, haben jedoch Nachteile: (a) Bei schwacher Beleuchtung kann der Auswerteprozess bei der Schwerpunktbildung gestört werden. (b) Bei starkem Hintergrundlicht kann es vorkommen, dass die Zielmarke sich auf dem CCD-Array nicht mehr genügend von dem Restbild abhebt. Abhilfe kann man in beiden Fällen schaffen, wenn zusätzlich eine Zielpunktbeleuchtung in den Strahlengang eingebaut wird, welche in Abb. 3.29 aus der Laserdiode (8), dem teildurchlässigen Prisma (9) und dem Objektiv (3) besteht. Aktive Zielmarken sind selbst strahlend, vermeiden die zuvor beschriebenen Nachteile, sind jedoch kostenintensiver [5.1.2].

3.4.2

Grob- und Feinzielung unterstützt durch digitale Bildverarbeitung

Für die Grob- und Feinzielung werden unterschiedliche Regel- bzw. Korrekturgrößen bestimmt. 3.4.2.1 Regel- bzw. Korrekturgrößen für die Feinzielung Wichtige Schritte sind zunächst die Definition eines Fensters (Windowing), welches den Arbeitsbereich auf dem CCD-Array eingrenzt und die Definition eines Schwellwertes (Thresholding), wodurch festgelegt wird, bis zu welcher Ladung die einzelnen Elemente (Pixel) des CCD-Arrays an dem Auswerteprozess beteiligt werden sollen. Beide Definitionen entscheiden über die Genauigkeit und Schnelligkeit des Verfahrens. Das Beobachtungsfenster kann durch das Sehfeld des Fernrohres oder sogar einen schmaleren Radius vorgegeben sein. Durch die Schwellwertbildung sollen insbesondere Störsignale des Hintergrundes eliminiert werden. Als Schwellwert kann z. B. ein bestimmter Teilwert eines normalerweise auftretenden Maximalwertes der Ladungen der Pixel verwendet werden. Ein weiteres Verfahren ist die Hintergrundsubtraktion. Bei dieser Methode wird die Szene mit der Zieltafel mehrfach doppelt aufgenommen, während eine Lichtquelle Lichtimpulse sendet. Die Lichtquelle dient für das Beleuchten einer passiven Zielmarke. Man erhält dann binäre Bilder, indem folgendermaßen Differenzbilder

94

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

f1−2 (x, y) gerechnet werden: f1−2 (x, y) = f1 (x, y) − f2 (x, y); f1 (x, y): erstes Bild mit künstlicher Beleuchtung, f2 (x, y): zweites Bild ohne künstliche Beleuchtung. Die Hintergrundsubtraktion ist in Abb. 3.30 dargestellt. Die pulsierende Lichtquelle kann auch selber als Zielmarke dienen. x

Gesichtsfeld

x

x

y_

y

y



Abbildung 3.30. Entstehung des Binärbildes einer Zielmarke

Schließlich müssen noch die Koordinaten des Schwerpunktes des Binärbildes der Zielmarke berechnet werden. Ein sehr schnelles Verfahren erhält man, wenn die Ladungen (Intensitäten) der Elemente des CCD-Sensors getrennt zeilen- und spaltenweise aufaddiert werden (Abb. 3.31). Aus den so entstehenden Projektio” nen“ berechnet ein Prozessor den Schwerpunkt (xs , ys ). Dieses Verfahren hat noch den zusätzlichen Vorteil, dass im Zusammenhang mit der Schwerpunktberechnung Störeffekte wie z. B. Mehrfachziele leicht erkannt werden können. Zur Genauigxs

x Strichkreuz

Stehachse

x dV

ys y CCD-Array Beobachtungsfenster

Abbildung 3.31. Schwerpunktbildungdes Binärbildes der Zielmarke

xs ys

y dHz Koordinatenachsen des CCD-Arrays

Zielachse Kippachse

Abbildung 3.32. Korrekturwerte für die Hz- und V-Richtungen

keitssteigerung kann man den Schwerpunkt mehrfach bilden und den Mittelwert

95

3.4 Automatisches Zielen

berechnen. Mit den Schwerpunktkoordinaten können jetzt Korrekturgrößen dV und dHz für die Vertikal- und Horizontalrichtungen berechnet werden (Abb. 3.32):     tan dHz x = D −1 . s . tan dV ys D ist der Abstand zwischen dem CCD-Array und dem Schnittpunkt der Theodolitachsen und ist somit eine Gerätekonstante. Die korrigierten Horizontal- und Vertikalrichtungen (ri , Zi ) ergeben sich dann aus: 

ri = r + dHz  Zi = Z + dV, 



wenn r und Z die entsprechenden Näherungswerte bezeichnen. Alle Berechnungen führt ein Bildverarbeitungsprozessor automatisch aus. Für eine weitere Lösungsvariante können die Korrekturgrößen dV und Hz genutzt werden, um mit digital gesteuerten Motoren die Zielachse über Regelkreise in das Zentrum der Zielmarken zu bewegen [3.2.4.2, 5.2.3]. Das zuvor beschriebene Verfahren der Feinzielung funktioniert nur, wenn die Zielmarke bereits vom Beobachtungsfenster des Fernrohres (Abb. 3.33) erfasst wird. Ist Zielmarke

Beobachtungsfenster Fernrohrsehfeld

Abbildung 3.33. Spiralenförmiges Suchen

dies jedoch noch nicht ganz erreicht, so muss ein zusätzlicher Suchvorgang gestartet werden. Die Wahrscheinlichkeit, die Zielmarke zu finden, nimmt ab mit dem Abstand von der gesuchten Zielrichtung. Eine Suchmethode wird benötigt, die in der Umgebung der Näherungsrichtung ihre Prozedur beginnt und dann den Suchbereich stetig ausweitet. Der Suchbereich kann kreisförmig oder rechteckig sein und das Abtastmuster muss ausreichend dicht sein. Solch ein Suchvorgang kann durch ein Muster implementiert werden, welches in Abb. 3.33 dargestellt ist. Die Suche beginnt im Zentrum einer Spirale und weitet sich dann stetig aus, bis ein Schwellwert an reflektierter Strahlung empfangen wird. Wenn dies erreicht ist, kann das Suchen mit Schwerpunktbildung gestartet werden.

96

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

3.4.2.2 Regel-bzw. Korrekturgrößen für die Grobzielung Die in [3.4.2.1] beschriebenen Prozeduren für die Feinzielung funktionieren nur, wenn das Ziel schon näherungsweise eingestellt wurde. Dies kann durch Betätigung der Feintriebe und grobes Beobachten mit dem Fernrohr erfolgt sein [3.2.4], oder nur mit Hilfe von Schrittmotoren der Theodolitachsen. Im zweiten Fall müssen Näherungskoordinaten der Zielpunkte gegeben sein, aus welchen dann Regel- oder Steuerungsdaten für die Motoren berechnet werden können. In allen anderen Fällen muss ein Grobsuchvorgang vorausgehen. Ein Lösungsweg ist gegeben, wenn ein Laser und ein optisches System so in den Strahlengang des Theodolitfernrohres integriert werden, dass eine vertikale Laserebene“ erzeugt werden kann, welche entlang ” der optischen Achse verläuft (Abb. 3.34). Ein Reflektor dient hierbei als Zielmar-

Abbildung 3.34. 360◦ -Suchmethode (Feist u. a. 1998)

ke. Der Suchvorgang umfasst dann, eine anschließende Feinzielung eingeschlossen, neun Schritte: (1) Start des Messprozesses. (2) Senden eines Signals zum Rechner (Controller) des Theodolits; dies kann auch von der Prismenstation aus erfolgen, wenn diese als Positionierungseinheit ausgebaut ist [5.1.2]. (3) Die vertikale Laserebene wird eingeschaltet. (4) Ein Schrittmotor bewegt die Stütze des Theodolits um die Vertikalachse. (5) In dem Augenblick, in welchem die Laserebene den Reflektor der Zielstation trifft, wird automatisch der Horizontalkreis abgelesen; der Theodolit wird anschließend über einen Regelkreis in diese Richtung orientiert. (6) Ein Suchlichtstrahl wird längs der Zielachse des Fernrohres ausgesendet. (7) Das Fernrohr wird von einem Motor um die Kippachse rotiert.

3.5 Klassifizierung der Theodolite

97

(8) In dem Augenblick, in welchem der Zielstrahl den Reflektor der Zielstation trifft, wird der Vertikalkreis abgelesen; das Zielfernrohr wird anschließend in diese Richtung orientiert. (9) Für höhere Genauigkeitsanforderungen muss jetzt noch die in [3.4.2.1] beschriebene Feinzielung durchgeführt werden. Grob- und Feinzielung kommen auch zum Einsatz, wenn bewegte Ziele (z. B. bei Deformationsmessungen oder der Fahrzeugnavigation) verfolgt werden sollen; für Zielverfolgung verwendet man auch vielfach den Begriff Tracking“. Es können ” auch unterschiedliche Zielmarken nacheinander aufgesucht werden, man muss ihnen dann durch einen Code einen Namen geben oder ihre Näherungskoordinaten müssen bekannt sein.

3.5

Klassifizierung der Theodolite

Im Hinblick auf die Genauigkeit unterscheidet man Theodolite niederer, mittlerer, hoher und höchster Genauigkeit (Deumlich/Staiger 2002). Theodolite werden heute vorwiegend als Sensor für Richtungsmessungen in Tachymeter eingebaut [5]. Als Einzelinstrument werden sie hauptsächlich für Spezialaufgaben der Ingenieurvermessung eingesetzt.

3.5.1 Theodolite niederer Genauigkeit Als Theodolite niederer Genauigkeit, bzw. Bautheodolite oder Minutentheodolite, bezeichnet man gewöhnlich die einfachsten für Baumessungen und einfache Geländeaufnahmen bestimmten Theodolite. Handelt es sich um digitale Theodolite, so haben diese Interpolatoren niederer Genauigkeit mit einer Richtungsauflösung von ca. 0, 5 cgon. Die Durchmesser der Kreise liegen zwischen 50 und 80 mm; die Fernrohre haben 15 bis 20 fache Vergrößerung. Ein Höhenkreis ist nicht immer vorhanden. Soweit diese Theodolite Mikroskopablesung haben, handelt es sich um einfache Strich- oder Skalenmikroskope ohne Mikrometer. Allgemein kann der Beobachter Intervalle von 10 bzw. 10 cgon direkt ablesen und endgültige Richtungen mit einer Genauigkeit von 30 bzw. 0, 5 bis 1 cgon schätzen.

3.5.2 Theodolite mittlerer Genauigkeit Theodolite mittlerer Genauigkeit, für die gelegentlich auch die Bezeichnung ZehnSekunden-Theodolit bzw. Ingenieurtheodolit gebraucht wird, sind Instrumente, die in erster Linie für Arbeiten auf Baustellen und im Kataster eingesetzt werden.

98

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

Die Horizontalkreise haben Durchmesser von 70–100 mm. Die digitalen Theodolite arbeiten mit Interpolatoren mittlerer Genauigkeit und einer Richtungsauflösung von 1 bis 3 mgon. Die analogen Theodolite haben unterschiedliche Ablesemikroskope: Skalenmikroskope, Strichmikroskope oder Koinzidenzmikroskope. Abb. 5.3 zeigt als Beispiel einen digitalen Theodolit mittlerer Genauigkeit als Basisinstrument eines elektronischen Tachymeters.

3.5.3 Theodolite hoher Genauigkeit Die Theodolite hoher Genauigkeit werden vielfach auch Sekundentheodolite genannt. Der Kreisdurchmesser beträgt etwa 80 – 100 mm, der des Höhenkreises 70 – 90 mm. Die digitalen Theodolite arbeiten mit Interpolatoren hoher Genauigkeit, d. h. mit einer Richtungsauflösung von 0,1, . . . , 0,2 mgon. Die analogen Feinmesstheodolite weisen fast ausnahmslos Koinzidenzmikroskope mit optischen Mikrometern auf. Die Standardabweichung einer Ablesung liegt bei den gängigen Ausführungen bei 1 oder 0,2 bis 0,3 mgon. Abb. 5.10 zeigt als Beispiel einen digitalen Theodolit dieses Typs, hier als Basisinstrument eines Tachymeters.

3.5.4 Theodolite höchster Genauigkeit Theodolite höchster Genauigkeit sind Spezialausführungen für Aufgaben der Ingenieurgeodäsie mit sehr hohen Anforderungen. In diesen Instrumenten lässt sich die Standardabweichung einer Ablesung auf 0, 05 bis 0, 01 mgon bzw. 0, 1 herabdrücken. Damit reicht die Ablesegenauigkeit bereits weit in die Größenordnung der Refraktionseinflüsse hinein. Sie noch zusätzlich zu steigern, wäre wenig sinnvoll. Weitere firmenspezifische Angaben für Theodolite findet man z. B. unter: – www.leica-geosystems.com – www.trimble.com – www.sokkia.com – www.topconeurope.com.

3.6

Horizontieren und Zentrieren der Messgeräte

Die Verlängerung der Drehachse eines Theodolits oder Entfernungsmessers soll parallel zur Lotrichtung durch das Zentrum der Bodenmarke verlaufen. Nur wenn diese Bedingungen erfüllt sind, misst man die in [3.1] definierten Richtungen, Horizontal-

99

3.6 Horizontieren und Zentrieren der Messgeräte

und Vertikalwinkel und die in [4.3.3] definierten Distanzen. Das Ausrichten der Messgeräte erfolgt durch Horizontieren und Zentrieren. Zum Horizontieren benutzt man Libellen [3.2.5], zentriert wird durch seitliches Verschieben (Abb. 3.35).

Stativ Dreifußschrauben Schnurlot Festpunkt

Abbildung 3.35. Zentrieren eines Dreifußes durch seitliches Verschieben

Je nach Genauigkeitsanforderung stellt man die Verbindung zwischen dem Endpunkt der Drehachse und der Bodenmarke mit einem Schnurlot, einem starren Lot, einem optischen Lot oder einem Lotlaser her.

3.6.1

Horizontieren und Zentrieren mit einem Schnurlot

Das Schnurlot verwendet man bei einfachen Feldmessungen. Der Beobachter befestigt die Schnur an einem Punkt, der in der Verlängerung der Drehachse des Messgerätes liegt. Der Dreifuß wird zunächst durch Verschieben zentriert und anschließend – entweder mit einer einachsigen oder zweiachsigen Libelle eines aufgesetzten Theodolits – horizontiert. Ist nur eine einachsige Horizontierlibelle vorhanden, so bringt man die Libelle zunächst parallel zu den Dreifußschrauben A und B durch gegenläufiges Drehen der Fußschrauben zum Einspielen (Abb. 3.36). Anschließend wird sie um 100 gon gedreht und erneut in der Fußschraube C zum Einspielen gebracht. Zur Kontrolle wiederhole man den ersten Vorgang. Steht eine zweiachsige Horizontierlibelle zur Verfügung, so bringt man beide Libellen bei einer beliebigen Orientierung des Theodolits zum Einspielen; anschließend dreht man die Stütze des Theodolits um 100 gon und liest zur Kontrolle die Libellen erneut ab. Beim Verstellen der Dreifußschrauben treten Zentrierfehler auf; deren Größenordnung lässt sich nach Abb. 3.37 folgendermaßen abschätzen: Wird die Dreifußschraube C gedreht, so wandert der Punkt 0 – der in der Verlängerung der Stehachse liegt – nicht vertikal, sondern auf einem Bogen. Dabei entsteht

100

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

C

A

C

B

A

B

Abbildung 3.36. Horizontieren eines Dreifußes

C

d 0

A

0 α 0 h D e d/2 3d/2

D

C x C

Abbildung 3.37. Abschätzen der beim Horizontieren auftretenden Zentrierfehler

der Zentrierfehler e. d d d d e = − cos α = (1 − cos α) = 2 2 2 2 Da



α=

2x 3d

e=

x2 . 9d

α2 1−1+ − ··· 2!

=

d α2 · . 2 2!

gilt

Zahlenbeispiel: x = 10 mm, d = 50 mm, e = 0, 2 mm. Die Zentrierung gelingt mit einem Schnurlot, falls der Bodenpunkt scharf bezeichnet ist, bei Windstille auf ± 3 bis 5 mm. Der Zentrierfehler e ist daher normalerweise vernachlässigbar.

101

3.6 Horizontieren und Zentrieren der Messgeräte

3.6.2

Horizontieren und Zentrieren mit einem starren Lot

Für genaueres Messen empfiehlt sich – vor allem bei Wind – ein starres Lot, ein ausziehbares, am unteren Ende mit einer Spitze versehenes Leichtmetallrohr. Eine Konstruktion zeigt Abb. 3.38. Der Beobachter braucht den Stativteller (3) nur grob zu horizontieren. Den Zentrierstock (6) stellt er mit seiner Spitze über dem Zentrum der Bodenmarke auf. Dieser trägt an seinem oberen Ende einen rechtwinklig angeordneten Instrumenten-Aufnahmeteller (1), der auf einem Kugelkopf gleiten kann; der Kugelkopf kann sich relativ zum Stativteller bewegen. Beim Zentrieren

1 2 3 4 5 6

Abbildung 3.38. Konstruktionsprinzip eines Zentrierstativs

wird der Aufnahmeteller so lange über den Kugelkopf und dieser wiederum über den Stativteller geschoben, bis der Zentrierstock, kontrolliert durch eine Dosenlibelle (5), senkrecht steht. Aufnahmeteller, Kugelkopf und Stativteller lassen sich dann über einen Klemmgriff (4) fest miteinander verbinden. Der Beobachter zentriert und befestigt anschließend Messinstrument und Dreifuß mit einem Schnellverschlusshebel auf dem Aufnahmeteller (Abb. 3.38). Das Gerät ist mit den Dreifußschrauben normalerweise geringfügig nachzuhorizontieren. Ist die Dosenlibelle des Zentrierstocks dejustiert, so muss die Blase auf den Spielpunkt gebracht werden, den man durch Drehen des Lotes um 200 gon bestimmt. Die Zentriergenauigkeit mit einem starren Lot liegt bei etwa ±1 mm.

102

3.6.3

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

Horizontieren und Zentrieren mit einem optischen Lot

In genauere Theodolite sind vielfach optische Lote eingebaut. Ein solches besteht aus einem in die Vertikalachse des Theodolits eingelassenen kleinen Fernrohr, in das der Beobachter über ein Reflexionsprisma von der Seite her einblicken kann (Abb. 3.39). Stütze

Okular

Objektiv

Abbildung 3.39. Optisches Lot in der Stütze eines Theodolits

Man stellt das Stativ schon möglichst gut horizontiert und zentriert über der Bodenmarke auf. Anschließend blickt man durch das optische Lot und stellt dessen Strichkreuz durch Drehen der Dreifußschrauben auf die Bodenmarke. Danach zentriert man die Dosenlibelle durch Ein- und Ausfahren der Stativbeine, horizontiert mit Fußschrauben und Libelle und korrigiert die Zentrierung, falls notwendig, durch geringes Verschieben des Instruments auf dem Stativteller. Es gibt auch Dreifüße oder Zieltafelträger, die mit einem optischen Lot ausgerüstet sind; außerdem bieten einige Hersteller optische Lote als eigene Instrumenteneinheiten an. Es gibt Zenitlote, Nadirlote und kombinierte Geräte (Abb. 3.40). Typische Einsatzmöglichkeiten sind: Zentrieren eines Dreifußes über einem Bodenpunkt oder unter einem Firstpunkt, Lotungen an großen Bauwerken wie Hochhäusern, Hochkaminen, Brücken, Staumauern, etc. Das Zentrieren von Bodenpunkten gelingt mit einfachen optischen Loten bis auf 0,5 mm. Selbständige Präzisionsgeräte erreichen Zentriergenauigkeiten von 0,5 mm /100 m. Optische Lote sind regelmäßig zu überprüfen; dies gilt insbesondere für optische Lote in Dreifüßen, da man mit diesen nur in einer Lage beobachtet. Mit einem Bleistift zeichnet man hierfür die Umrisslinie der angeklemmten Dreifußgrundplatte auf den Stativteller, bringt die Dosenlibelle zum Einspielen und markiert den Lotungspunkt am Boden auf Millimeterpapier. Nach Lösen der Klemmschraube wird der Dreifuß noch zweimal um 120◦ gedreht, in die Umrisslinie eingepasst und jeder

3.6 Horizontieren und Zentrieren der Messgeräte

103

Abbildung 3.40. First- und Bodenlot (Leica ZBL) im Dreifuß

Lotungspunkt markiert. Fallen alle Markierungen zusammen, so ist das Lot richtig justiert; ansonsten justiert man das Strichkreuz auf den Schwerpunkt der drei Lotungspunkte.

3.6.4

Horizontierung und Zentrierung mit einem Laserlot

Horizontieren und Zentrieren mit dem Laserlot (Abb. 3.5) funktioniert ähnlich wie in [3.6.3] beschrieben, allerdings beobachtet man jetzt den Zentriervorgang nicht mehr durch das Okular, sondern mit der Leuchtmarke eines Lasers auf dem Bodenpunkt. Der Strahlengang entspricht dem von Abb. 3.39, allerdings ist das Okular durch eine Laserdiode ersetzt und ein Umlenkprisma wird nicht benötigt.

3.6.5

Zwangszentrierung

Die Zwangszentrierung garantiert eine gleichbleibende Zentrierung auch in den Fällen, in denen wie z. B. beim Messen eines Polygonzuges Theodolit, Entfernungsmesser, Reflektor und Zieltafel ausgetauscht werden. Der zentrierte Dreifuß bleibt auf einer Station bis zum Abschluss sämtlicher Messungen fest mit dem Stativ verbunden. Unter den Geräten sind ein oder drei Zentrierzapfen. Diese kann man in sehr genau vorgefertigte Passungen des Dreifußes einführen und dort während der Messungen fest verriegeln. Je nach Fabrikat erfolgt die Klemmung über eine seitliche Klemme oder einen zentral gelagerten Drehverschluss. Abb. 3.41 zeigt die Zwangszentrierung mit einem zentralen Zapfen und seitlicher Klemme. Die Systeme der Firma Leica z. B. arbeiten mit einer zentralen Verriegelung. Ein zentral gelagerter

104

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

Drehverschluss verriegelt die drei Zapfen des Zentrierflansches in der Zentrierbuchse des Dreifußes (Abb. 3.42). Die Genauigkeit der Zentrierung hängt davon ab, wie genau der Zapfen des Zentrierflansches in die Zentrierbuchse passt. Die Zwangszentrierung gewährleistet Zentriergenauigkeiten von 0, 03 mm bis 0, 1 mm.

Abbildung 3.41. Zwangszentrierung mit zentralem Flansch und seitlicher Klemme

Figure 3.42. Zwangszentrierung mit zentralem Drehverschluss (Leica)

3.7 Untersuchung und Berichtigung des Theodolits für die Horizontalwinkelmessung

105

Für die Vermessung dreidimensionaler Präzisionsnetze benötigt man eine Zwangszentrierung mit konstanter Instrumentenhöhe. Diese Forderung wird erfüllt, wenn eine der drei Fußschrauben beim Horizontieren stets unverändert bleibt; da das Horizontieren mit einer festgehaltenen Fußschraube mühsam ist, sind Spezialzentrierungen entwickelt worden. Eine solche Konstruktion zeigt z. B. Abb. 3.43. Damit die Instrumentenhöhe beim Horizontieren unverändert bleibt, ist einer der drei Auflagepunkte in die Stehachse gelegt und gegenüber der Punktversicherung festgehalten.

5 6

1 2

4 3

Abbildung 3.43. Zwangszentrierung mit konstanter Instrumentenhöhe (1 Kugel, 2 Konus, 3 Auflageplatte mit Vorrichtung für Zwangszentrierung, 4 Bodenplatte des Theodolits, 5 Unterteil, 6 Druckfeder) Die mechanische Lösung ermöglicht ein Gelenk in der Stehachse, das aus einer Kugel im Unterteil und einem Konus in der Bodenplatte der Theodolits besteht. Mit zwei rechtwinklig zueinander angeordneten Fußschrauben kann der Beobachter die Stehachse des Instruments um das Zentrum der Kugel kippen. Die azimutale Führung des Unterbaus besorgt eine spezielle Druckfeder (Aeschlimann, 1975).

3.7

Untersuchung und Berichtigung des Theodolits für die Horizontalwinkelmessung

Auch bei sorgfältigster Arbeit gelingt es dem Mechaniker nicht, die mathematische Konstruktionsidee beim Bau des Theodolits voll zu verwirklichen. Die einzelnen Bauteile können ferner durch die Beanspruchung beim Gebrauch, durch Temperatureinwirkungen und dergleichen ihre Sollage ein wenig verändern. Beide Tatsachen haben Fehler zur Folge, die entweder durch Justierung beseitigt oder durch die Anordnung der Messung eliminiert werden müssen. Die wichtigsten dieser Fehler sind Achsenfehler, Exzentrizitätsfehler und Teilungsfehler. Eingehende Darstellungen findet man z. B. in (Jordan/Eggert/Kneißl 1956, Scheel 1955, Matthias 1961).

106

3.7.1

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

Die Achsenfehler

Man unterscheidet beim Theodolit die Vertikal- oder Stehachse V V , die Horizontaloder Kippachse H H , die Kollimations- oder Zielachse ZZ; dazu kommen noch die Achsen der Libellen. Sollen Horizontalwinkel gemessen werden, so muss die Zielachse sich beim Kippen des Fernrohres in einer Vertikalebene bewegen. Das ist der Fall, wenn a) die Zielachse ZZ normal zur Kippachse H H ist, b) die Kippachse H H normal zur Stehachse V V liegt und c) die Stehachse V V streng lotrecht steht.

Abbildung 3.44. Theodolitachsen (schematisch)

Ist eine dieser Bedingungen nicht erfüllt, so spricht man vom Zielachsen- Kippachsenbzw. Stehachsenfehler. 3.7.1.1 Der Zielachsenfehler Der Zielachsenfehler ist der Winkel c, den die Zielachse mit der Normalen zur Kippachse bildet. Er lässt sich auf mehrfache Art sichtbar machen und beseitigen: a) Die Bestimmung des Zielachsenfehlers muss bei horizontaler Visur erfolgen, damit der Einfluss eines eventuell vorhandenen Kippachsenfehlers [3.7.1.2] entfällt. Man zielt im Standpunkt S (Abb. 3.45) einen etwa in Höhe der Kippachse liegenden Punkt A an und liest die zugehörige Kreisstelle ab.

3.7 Untersuchung und Berichtigung des Theodolits für die Horizontalwinkelmessung

107

A

A

c c

H

S

H

B

Abbildung 3.45. Bestimmung eines Zielachsenfehlers

Anschließend schlägt man das Fernrohr durch, so dass es in Richtung nach B weist und dreht die Stütze mittels der Kreisteilung um genau 200 gon weiter. Das Fernrohr weist dann nach A . Der Winkel A SA = 2c ist der doppelte Zielachsenfehler. Man justiert den Zielachsenfehler, indem man mit den seitlich wirkenden Justierschrauben des Strichkreuzes die Hälfte des Winkels ASA fortschafft. Dieses Verfahren wendet man bei Theodoliten mit geringerer Ablesegenauigkeit an. b) Statt wie bei a) die Stütze um 200 gon zu drehen, kann man das Fernrohr auf A zurückführen und eine zweite Kreisablesung machen. Die Differenz von Anfangsund Schlussablesung vermindert um 200 gon ist der doppelte Zielachsenfehler im Winkelmaß. Beseitigung wie oben. Dieses Verfahren kann man bei Theodoliten mit höherer Ablesegenauigkeit anwenden. c) Auf eine mechanische Korrektion kann man verzichten, wenn man diese rechnerisch ausführt. Die Korrektion in der Fernrohrlage I wegen der Zielachsenfehler lautet: c . (3.7) kcI = sin zI Dabei ist zI der wegen Indexabweichung korrigierte Zenitwinkel in Lage I. Die Bestimmung von c muss bei horizontaler Visur erfolgen: c=

R II − 200 gon −R I . 2

R I und R II sind die Ablesungen am Horizontalkreis in der ersten und zweiten Fernrohrlage, wenn Punkt A angezielt wird (vgl. Abschnitt b). d) Tabelle 3.1 zeigt Beträge von Zielachsenfehlern, die in Abhängigkeit von Zenitwinkel und Strecke eine lineare Querabweichung von 0,005 m hervorrufen.

108

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

e) Eine aus beiden Fernrohrlagen gemittelte Ablesung einer Richtung ist frei von den Auswirkungen des Zielachsenfehlers, denn kcI = −kcII . Bei horizontalen Visuren ist kc = c. Tabelle 3.1. Zielachsenfehler in [mgon], die eine Querabweichung von 0, 005 m hervorrufen

Zenitwinkel

Strecke [m]

[gon]

100

200

300

400

500

99

101

3,2

1,6

1,1

0,8

0,6

98

102

3,2

1,6

1,1

0,8

0,6

95

105

3,2

1,6

1,1

0,8

0,6

90

110

3,1

1,6

1,0

0,8

0,6

80

120

3,0

1,5

1,0

0,8

0,6

3.7.1.2 Der Kippachsenfehler Er liegt vor, wenn die Kippachse, wie in Abb. 3.46, bei lotrechter Stehachse den Winkel i mit der Horizontalen bildet. Man erkennt ihn meistens daran, dass das H

H H

i

i

H

Abbildung 3.46. Kippachsenfehler

Strichkreuz, das man auf das oberste Ende einer senkrechten Hauskante gerichtet hat, sich beim Herunterkippen in die Horizontale von der Hauskante entfernt. Zur genaueren Untersuchung gibt es mehrere Wege: a) Man richtet das Fernrohr, nachdem der Zielachsenfehler beseitigt ist, auf einen hochliegenden Punkt A, kippt es bis in die Horizontale herunter und macht an einem Maßstab, der in einiger Entfernung vom Instrument horizontal und rechtwinklig zur Visur niedergelegt ist, die Ablesung a1 (Abb. 3.47). Darauf schlägt man das Fernrohr durch, richtet es wieder auf A, kippt es abermals herunter und macht am Maßstab die Ablesung a2 . Dann hat man in dem Stück (a2 − a1 ) die verdoppelte

3.7 Untersuchung und Berichtigung des Theodolits für die Horizontalwinkelmessung

109

A

a1

a2

Abbildung 3.47. Bestimmung des Kippachsenfehlers

Auswirkung des Kippachsenfehlers. Um den Kippachsenfehler zu justieren, richtet man das Fernrohr auf den Punkt 1/2(a1 + a2 ) des Maßstabs, kippt das Fernrohr nach oben, bis A im Gesichtsfeld erscheint und hebt oder senkt ein Achslager mit Hilfe der in [3.2.2.2] beschriebenen Justiereinrichtungen so lange, bis der Punkt A sich genau in der Strichkreuzmitte befindet. Bei den heute üblichen Instrumenten mit verkapselter Kippachse kann das nur in einer mechanischen Werkstatt geschehen. b) Man erhält den verdoppelten Einfluss des Kippachsenfehlers im Winkelmaß – wiederum nachdem der Zielachsenfehler beseitigt ist –, wenn man den Punkt A in beiden Fernrohrlagen anzielt und die Differenz der zugehörigen Kreisablesungen vermindert um 200 gon bildet. Man berichtigt den Kippachsenfehler, indem man das Mittel der beiden Kreisablesungen einstellt und wie unter a) verfährt. c) Zur rechnerischen Bestimmung von i zielt man wie im Abschnitt b) den Punkt A in beiden Fernrohrlagen an und macht dabei die Richtungsablesungen R I , R II ; außerdem bestimme man den wegen Indexabweichung korrigierten Zenitwinkel zI in Lage I. Es gilt dann: i=

R II − 200 gon −R I c − 2 sin zI

tan zI

mit c/ sin zI Einfluss des Zielachsenfehlers. Die Korrektion wegen Kippachsenneigung lautet dann: ki I = i cot zI =

R II − 200 gon −R I − kcI . 2

(3.8)

d) Tabelle 3.2 zeigt Beträge von Kippachsenfehlern, die in Abhängigkeit von Zenitwinkel und Strecke eine lineare Querabwicklung von 0,005 m hervorrufen. e) Eine aus beiden Fernrohrlagen gemittelte Ablesung einer Richtung ist frei von den Auswirkungen des Kippachsenfehlers, denn ki I = −ki II . Nach (3.8) übt der Kippachsenfehler auf die Richtungen nach Zielen, die im Horizont liegen (z = 100 gon), keinen Einfluss aus.

110

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

Tabelle 3.2. Kippachsenfehler in [mgon], die eine lineare Querabweichung von 0, 005 m hervorrufen

Zenitwinkel [gon]

Strecke[m] 100

200

300

400

500

99

101

202,6

101,3

67,5

50,6

40,5

98

102

101,3

50,6

33,8

25,3

20,2

95

105

40,4

20,2

13,5

10,1

8,1

90

110

20,1

10,0

6,7

5,0

4,0

80

120

9,8

4,9

3,3

2,4

2,0

3.7.1.3 Gemeinsame Korrektion von Ziel- und Kippachsenfehlern Bei Tachymetervermessungen in einer Fernrohrlage wird man die Korrektionen wegen Ziel- und Kippachsenfehlern insbesondere dann rechnerisch vornehmen, wenn der Theodolit elektronisch die Richtungen bestimmt. Die Korrektionen werden dann entweder von dem Mikroprozessor des Messgerätes oder von dem Bürorechner im Rahmen der Gesamtauswertung automatisch vorgenommen. Für eine korrigierte Horizontalrichtung in Lage I gilt: r I = R I + kcI + ki I . 3.7.1.4 Der Stehachsenfehler Der Stehachsenfehler ν ist kein Instrumental-, sondern ein Aufstellfehler, der daher rührt, dass die Stehachse schief steht. Man vermeidet ihn, indem man die Stehachse durch Spielpunktbestimmungen nach [3.2.5.4] streng lotrecht stellt. Um dieAuswirkungen (ν) eines etwaigen Stehachsenfehlers ν auf eine gemessene Richtung angeben zu können, verstehe man unter z den Vertikalwinkel, unter dem das Ziel erscheint, und unter α den Winkel, den die Richtung nach dem Ziel mit der Vertikalebene bildet, die die schiefe Stehachse enthält. Dann ist (ν) = ν · sin α cot z.

(3.9)

Im Gegensatz zu den Zielachsen- und Kippachsenfehlern lässt sich (ν) nicht durch Beobachtung in zwei Fernrohrlagen tilgen. Da (ν) mit dem Cotangens des Zenitwinkels zunimmt, hat man die Stehachse um so sorgfältiger lotrecht zu stellen, je stärker der Zielstrahl geneigt ist.

3.7 Untersuchung und Berichtigung des Theodolits für die Horizontalwinkelmessung

111

Digitale Theodolite sind häufig mit einer elektrischen Libelle ausgestattet, die restliche Stehachsenschiefen in Richtung der Ziel- und Kippachse misst [3.2.5.3]. Es können dann die Zielachsen-, Kippachsen- und Stehachsenfehler von dem Mikroprozessor des Messgerätes automatisch korrigiert werden. Man fasst dabei den Kippachsen- und Stehachsenfehler zusammen und verwendet unter Bezug auf (3.7), (3.8) und (3.9) die Formel (Michelbacher 1990): r = R + c/ sin z + (νk + i) · cot z

(3.10)

mit r:

korrigierte Hz-Kreisablesung,

R : unkorrigierte Hz-Kreisablesung, νk : Stehachsenneigung in Kippachsenrichtung, z : korrigierte Zenitdistanz. Die korrigierte Zenitdistanz wird zuvor ebenfalls von dem Mikroprozessor nach Gleichung (3.6) berechnet [3.3.6.2]. Die beschriebene Messeinrichtung hat den Vorteil, dass geringe Veränderungen in der Stehachse während der Messungen keinen Einfluss auf die Messergebnisse haben, da sie permanent korrigiert werden.

3.7.2

Die Exzentrizitätsfehler

Damit an der Kreisteilung der Horizontalwinkel abgelesen werden kann, um den die Zielachse des Fernrohrs gedreht ist, müssen der Mittelpunkt der Kreisteilung und die Stehachse zusammenfallen, und es muss eine im Mittelpunkt der Kreisteilung errichtete Normale die Zielachse des Fernrohrs treffen. Ist das nicht der Fall, so liegt eine Exzentrizität der Kreisteilung bzw. des Fernrohrs vor. 3.7.2.1 Kreisteilungsexzentrizität und Zeigerarmknickung Wenn der Mittelpunkt L der Kreisteilung nicht identisch ist mit dem Mittelpunkt A der Drehung der Stütze (in ihrer Buchse), so sind auch die Kreisablesungen“ für die ” Schenkel von Winkeln nicht identisch mit der Drehung der Stütze. Es ist in Abb. 3.48 ϕ ein Winkel, dessen linker Schenkel zufällig in die Richtung AL der Exzentrizität e bzw. deren Verlängerung CC  fällt, während sein rechter Schenkel in die Richtung AZ1 weist. Um ϕ wird die Stütze beim Zielen gedreht. Die Kreisablesungen geben dann für ϕ an der Ablesestelle Z1 nicht CA Z1 , sondern CL Z1 = ϕ  = ϕ − ε

112

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln C

(Z2 ) Z2

ζ



A ϕ e ϕ ϕ L

Z1

ε

r

C Abbildung 3.48. Kreisteilungsexzentrizität

und an der Ablesestelle Z2 nicht C  A Z2 , sondern C  L Z2 = ϕ  = ϕ + ε. Da der Unterschied der beiden ε um eine Größenordnung kleiner ist als ε, ergibt sich durch Mitteln ϕ  + ϕ  = ϕ. 2 Man erhält also bei Ablesung an zwei gegenüberliegenden Ablesestellen und Mittelbildung den Drehwinkel ϕ unverfälscht. Wenn, wie häufig bei neueren Theodoliten mittlerer Genauigkeit [3.5], nur eine Ablesestelle vorhanden ist, wird die Kreisteilungsexzentrizität erst durch Mittelung der Ablesung in beiden Fernrohrlagen eliminiert. Bei Instrumenten mit zwei Ablesestellen kommt meistens noch eine Zeigerarm” knickung ζ“ hinzu, so dass in Abb. 3.48 der zweite Zeiger“ nicht nach Z2 sondern ” nach (Z2 ) weist. Während aber der durch die Exzentrizität hervorgerufene Fehler ε aufgrund der Gleichungen sin ε =

e sin(200g − ϕ) r

oder ε =

e · 200/π sin ϕ r

von der Größe des Winkels ϕ abhängt und daher alle Werte von Null bis zum Maximalbetrag εmax = (e · 200/π )/r annehmen kann, ist ζ konstant. ζ verfälscht also die Ablesung für beide Schenkel eines Winkels stets um den gleichen Betrag; ζ fällt daher beim Bilden der Differenz von rechtem minus linkem Schenkel heraus. Im übrigen wird ζ auch beim Durchschlagen eliminiert (Scheel 1955). Selbst eine kleine Exzentrizität hat einen sehr großen Einfluss auf die Ablesung. Es ist e = 0,01 mm bei einem Theodoliten mit einem Kreisteilungsdurchmesser von 10 cm; dann

113

3.8 Die Horizontalwinkelmessung ist nach der Formel εmax = (e · 200 000/π)/r in [mgon]

0,01 · 63662 = 12,7 mgon . 50 Die Firmen sind daher bemüht, den Exzentrizitätsfehler möglichst unter 1 μm herunterzudrücken. εmax =

3.7.2.2 Exzentrizität der Zielachse Es sei in Abb. 3.49, in dem L den Mittelpunkt der Teilung des Teilkreises darstellt, die Richtung nach dem Zielpunkt P zu bestimmen. P

ϕ ϕ

e L

e

Abbildung 3.49. Exzentrizität der Zielachse

Hat nun die Zielachse die Exzentrizität e, so ist sie bei ihren Drehungen stets Tangente an einen Kreis um L mit dem Radius e. Dadurch wird in beiden Fernrohrlagen die gleiche Richtungsabweichung ϕ, jedoch mit entgegengesetztem Vorzeichen verursacht, so dass das Mittel aus beiden Lagen durch die Exzentrizität der Zielachse nicht beeinflusst ist. Das gilt auch mit aller Strenge, wenn das ganze Fernrohr nicht auf der Mitte der Kippachse, sondern exzentrisch angebracht ist.

3.8

Die Horizontalwinkelmessung

3.8.1 Allgemeine Regeln Man unterscheidet bei der Horizontalwinkelmessung die einfache Winkelmessung und die Richtungsmessung; für bestimmte Aufgaben, z. B. in der Ingenieurgeodäsie, kommen gelegentlich besondere Winkelmessverfahren zum Einsatz.

3.8.2

Die einfache Winkelmessung

Sie ist das einfachste Verfahren zur Beobachtung des Winkels zwischen zwei Richtungen. Zuerst wird das Instrument zentriert und horizontiert. Dann stellt man das

114

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

linke Ziel ein, liest ab und notiert den Wert. Entsprechend verfährt man mit dem rechten Ziel und erhält, in der Differenz Ablesung rechts minus Ablesung links, den Winkel in der I. Fernrohrlage. Alsdann wird das Fernrohr durchgeschlagen und die Messung in der II. Fernrohrlage in derselben Weise – jedoch beginnend mit dem rechten Ziel – wiederholt; schließlich wird das Mittel aus beiden Fernrohrlagen gebildet, womit die 1. Messung des Winkels beendet ist. Soll der Winkel zur Erhöhung der Genauigkeit ein 2., 3. oder n-tes Mal beobachtet werden, so wird das Mittel aus allen Beobachtungen als endgültiger Wert angehalten. Bei analogen Theodoliten, die als zweiachsige Systeme ausgebildet sind [3.2.2], wird der Teilkreis vor jeder Wiederholung um 200/n gon weitergedreht.

Zahlenbeispiel: Messung eines Winkels Ziel

Fernrohrlage I

Fernrohrlage II

Winkel Lage I

Winkel Lage II

Mittel

1

2

3

4

5

6

gon

gon

gon

gon

gon

0,577 55,618

200,579 255,623

55,041

55,044

55,042

71 22

3.8.3

Die Richtungs- oder Satzmessung

Sie findet Anwendung, wenn von einem Punkt aus mehr als zwei Richtungen oder Strahlen ausgehen. Man zielt bei feststehendem Teilkreis alle Zielpunkte von links nach rechts der Reihe nach an und macht die zugehörigen Ablesungen; dann wird das Fernrohr durchgeschlagen, und es werden in der II. Fernrohrlage alle Ziele in umgekehrter Reihenfolge angezielt und die Mittel gebildet. Anschließend werden die gemittelten Richtungen auf den Anfangsstrahl bezogen (reduziert), indem man von jeder Richtung den für den Anfangsstrahl erhaltenen Richtungswert abzieht. Eine solche Messungsreihe heißt ein Satz oder auch ein voller Satz, während eine Beobachtung in nur einer Fernrohrlage als Halbsatz bezeichnet wird. In gleicher Weise können nun noch weitere Sätze beobachtet werden. (Beobachtet man mit einem analogen Theodolit, der als Zweiachser gebaut ist [3.2.2.1], so ist zur Genauigkeitssteigerung der Teilkreis vor jeder Satzmessung um 200/n gon zu verstellen). Am Schluss werden durch Mitteln der reduzierten Satzmittel die endgültigen Richtungen gebildet. Mittelung und Reduktion sind durch Summenproben zu sichern; siehe folgendes Zahlenbeispiel.

115

3.8 Die Horizontalwinkelmessung

Die für die II. Fernrohrlage vorgeschriebene Umkehrung der Zielfolge soll eine etwaige Pfeilerdrehung eliminieren. Bei sehr feinen Messungen soll man ferner die Stütze grundsätzlich nur im Uhrzeigersinn herumdrehen und die letzte Drehung an den Feinstellschrauben stets rechtsläufig, d. h. gegen den Druck der Gegenfeder, machen. Längstens nach drei Sätzen soll die Horizontierung des Instruments überprüft werden. Zahlenbeispiel: Messung von Richtungen Fernrohrlage I

Fernrohrlage II

Mittel aus I und II

2

3

4

gon

gon

gon

1

Red. Mittel

Endg. Richtung

d

v

vv

5

6

7

8

9

gon

gon

0,1 mgon

1. Satz 71

0,577

200,579

0,5780

0,0000

0,0000

0

+2

4

22

55,618

255,623

55,6205

55,0425

55,0420

−5

−3

9

2

95,341

295,345

95,3430

94,7650

94,7640

−10

−8

64

53

266,489

66,491

266,4900

265,9120

265,9127

+7

+9

81

187

−8

0

[d]1 : s =

−2

2. Satz 67,506

267,513

67,5095

0,0000

0

+2

4

122,548

322,553

122,5505

55,0410

10

+12

144

162,270

362,279

162,2745

94,7650

−10

−8

64

333,422

133,424

333,4230

265,9135

−8

−6

36

−8

0

[d]2 : s =

3. Satz 134,1540

0,0000

−2

334,158

189,1940

389,199

189,1965

55,0425

−5

−9

81

228,9130

28,919

228,9160

94,7620

+20

+16

256

0, 0640

200,069

0, 0665

265, 9125

+2

−2

4

592

652

6220

+17

+1

763

560 : 3 = 187 4 × 780 = 120







[d]3 : s =

+4

4 × 095 = 380 4 × 540 = 160

622 s(r) =

0

−4

134,1506

220 763 = 1,1 mgon (3 − 1)(4 − 1)

1,1 s(ˆr ) = √ = 0, 6 mgon 3

16

116

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

Für die Berechnung der Genauigkeitsmaße werde angenommen, es sei ein Richtungsbüschel mit s Strahlen in n Sätzen beobachtet worden. Man ermittelt zunächst für jede Richtung die Differenz d zwischen dem Satzmittel und der endgültigen Richtung, bildet in jedem Satz [d] und errechnet damit für jede gemessene Richtung die Verbesserung νi = di − [d] : s, wobei die Probe besteht, dass [ν] bis auf die Abrundungsfehler Null ergeben muss. Dann ergibt sich als Standardabweichung einer in einem Satz beobachteten Richtung s(r) =

[νν] (n − 1)(s − 1)

(3.11)

und als Standardabweichung einer aus n Sätzen gemittelten Richtung rˆ s(r) s(ˆr ) = √ = n

3.8.4

[νν] . n(n − 1)(s − 1)

(3.12)

Besondere Winkelmessverfahren

Bei speziellen Aufgaben, z. B. in der Ingenieurgeodäsie, kann es vorkommen, dass nicht alle Ziele gleichzeitig sichtbar sind. Man muss dann anstatt voller Sätze einzelne Winkel messen. Dabei unterscheidet man folgende Verfahren. 3.8.4.1 Die Winkelmessung mit Horizontschluss Man beobachtet alle Winkel zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Zielen, bis der Horizont geschlossen ist, und verteilt den Widerspruch gegen 400 gon gleichmäßig auf alle beobachteten Winkel. Diese Beobachtungsanordnung ist auch bei kürzeren Zielweiten zu empfehlen, wenn die Beobachtungspfeiler sich unter dem Einfluss der Sonne drehen oder aus anderen Gründen nicht sehr fest stehen. 3.8.4.2 Die Winkelmessung in allen Kombinationen Um eine noch bessere Fehlerverteilung zu erzielen als in [3.8.4.1], werden in einem Richtungsbüschel mit s Strahlen die s(s − 1)/1 · 2 möglichen Winkel zwischen den Zielpunkten gemessen, im Falle der Abb. 3.50 also die 6 Winkel 12, 13, 14, 23, 24, 34. Zur Beseitigung der Widersprüche berechnet man für die Winkel 12, 13 und 14, die den Anfangsstrahl als linken Schenkel haben, als günstigen Wert das allgemeine arithmetische Mittel [1.6.3] aus der direkten Messung des betreffenden Winkels mit dem Gewicht 2 und den ihn bildenden Summen und Differenzen jeweils mit dem Gewicht 1. Also ist, wenn z. B. (12) einen ausgeglichenen, 12 einen beobachteten

117

3.9 Die Zenitwinkelmessung 1 2 24 23 34

14 13 12

3

4

Abbildung 3.50. Winkelmessung in allen Kombinationen

Winkel darstellt: (12) = 1/4 · {2 · 12 + 1 · (13 − 23) + 1 · (14 − 24)}, (13) = 1/4 · {2 · 13 + 1 · (12 + 23) + 1 · (14 − 34)}, (14) = 1/4 · {2 · 14 + 1 · (12 + 24) + 1 · (13 + 34)}.

3.9

Die Zenitwinkelmessung

3.9.1 Anordnung der Messung Es wird unterstellt, dass der Theodolit einen libellengesteuerten Höhenindex oder einen Kompensator besitzt [3.3.6]; der Höhenkreis soll in 400 gon eingeteilt sein und Zenitwinkel liefern. Diejenige Fernrohrlage, bei der der Höhenkreis vom Beobachter aus gesehen links liegt, wird kurz mit Kreis links“ oder mit Lage I bezeichnet. Die ” andere Lage heißt Kreis rechts“ oder Lage II. Wo in unserem Text Höhenwinkel ” auftreten, sind sie aus den Zenitwinkeln rechnerisch abzuleiten. Ebenso wie die Horizontalwinkel werden auch die Vertikalwinkel zum Eliminieren von Instrumentalfehlern in beiden Fernrohrlagen beobachtet. Ferner sind zur Bestimmung eines Horizontalwinkels zwei Richtungen einzustellen; der Vertikalwinkel dagegen wird durch Messung einer Richtung, nämlich durch Einstellen und Ablesen der Richtung zum Zielpunkt erhalten. Der andere Schenkel oder die Ausgangsrichtung ist bei Höhenwinkeln die Horizontale und bei Zenitwinkeln die Richtung zum Zenit, die beide am Instrument mit Hilfe von Libellen oder Kompensatoren bestimmt werden.

118

3.9.2

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

Berechnen von Zenitwinkel und Indexabweichung

Zum Bestimmen des Zenitwinkels muss nach der obigen Beschreibung der Höhenindex in bezug auf die Visierachse des Fernrohrs so orientiert sein, dass bei einer Zielung zum Zenit sich die Ablesung z = 0 ergeben würde. Leider wird aber die Lage der Zielachse gegenüber dem Vertikalkreis beim Justieren des Strichkreuzes [2.2.2.1] etwas verändert. Ferner erleidet ein Höhenindex, der durch das Einspielen einer Libelle gesteuert wird, beim Justieren der Libelle eine Lageänderung gegenüber der Vertikalachse des Instruments. Hauptsächlich diese beiden Einflüsse bewirken, dass bei der Visur zum Zenit anstelle der Sollablesung z = 0 die fehlerhafte Ablesung z = ζ erscheint. Der Winkel ζ aber, der auch alle anderen Ablesungen am Vertikalkreis in gleichem Sinne verfälscht, wird als Indexabweichung oder Indexfehler bezeichnet. Seinem Wesen nach ist er ein Nullpunktsfehler, der theoretisch jede beliebige Größe annehmen kann und in ähnlicher Form, wenn auch aus etwas anderen Ursachen, auch bei Instrumenten mit Kompensatorhorizontierung auftritt. Nun ist die Richtung z zum Zenit in der Natur nicht gegeben. Der Zenitwinkel z und die Indexabweichung ζ können aber durch Messung eines Zenitwinkels in beiden Fernrohrlagen gemeinsam bestimmt werden. Der Zenitwinkel wird nämlich auf dem Vertikalkreis beim Einstellen des Ziels in der einen Fernrohrlage (Ablesung AI im linken Bild der Abb. 3.51) in Richtung der zunehmenden Bezifferung und Z

Z

0

0

P

P

ζ

ζ AI z

z Lage II

Lage I AII

Abbildung 3.51. Messen von Zenitwinkeln in 2 Fernrohrlagen

in der anderen Lage (Ablesung AII im rechten Bild der Abb. 3.51) entgegen dem positiven Sinn der Kreisteilung abgetragen. Demnach lassen sich in der Abb. 3.51 folgende Beziehungen ablesen: am linken Bild

am rechten Bild

z + ζ = +AI ,

(3.13)

z − ζ = 400 gon − AII .

(3.14)

119

3.9 Die Zenitwinkelmessung

Daraus folgen, wenn zuerst (3.13) + (3.14), dann (3.13) − (3.14) gebildet wird, zur Berechnung von Zenitwinkel und Indexabweichung die Gleichungen: 2z = (400 gon + AI ) − AII

(3.15)

2ζ = (AI + AII ) − 400 gon = −2νz ,

(3.16)

worin νz = −ζ die in der Praxis bevorzugte Indexverbesserung bedeutet. Beide Gleichungen können auf zwei Wegen ausgewertet werden: Erster Weg: Berechne z nach (3.15) und zweckmäßig zur Kontrolle auch ζ = −νz nach (3.16). Die Klammern in (3.15) und (3.16) sollen den einfachsten Rechensatz andeuten. Zweiter Weg: Bilde die Summe (AI + AII ) und stimme sie auf 400 gon so ab, dass AI und AII um je die Hälfte der Differenz gegen 400 gon verbessert werden. Dann hat man in den verbesserten Ablesungen den gesuchten Zenitwinkel z sowie dessen Ergänzung zu 400 gon und in den Abstimmungsbeträgen die Indexverbesserung νz oder den negativen Wert der Indexabweichung ζ ; vgl. das Zahlenbeispiel in [3.9.5]. Ein Zenitwinkel wird demnach folgendermaßen ermittelt: nach dem Horizontieren des Theodolits mit der Horizontierlibelle legt man den Vertikalkreis nach links (I. Lage) und bringt den mittleren Horizontalstrich des Fernrohrokulars ins Ziel; dann lässt man die Höhenzeigerlibelle einspielen oder den Kompensator zur Ruhe kommen und macht die Ablesung AI . In der II. Lage (Kreis rechts) sind die entsprechenden Handgriffe das Erfassen des Ziels mit dem Horizontalstrich, erneutes Einspielenlassen von Höhenzeigerlibelle oder Kompensator und Ablesung AII . Es folgt die Berechnung von z und νz nach (3.15) und (3.16) oder nach der Methode des Abstimmens. Zwar wird νz selbst meistens nicht benötigt; man bestimmt νz jedoch gelegentlich, weil sein Betrag bei allen Vertikalwinkelmessungen, die auf einem Stand gemacht werden, nahezu gleich sein muss, wodurch eine Messprobe gegeben ist. Allgemein beachte man folgendes: Wird der Vertikalkreis nur an einer Stelle abgelesen, wie es bei den meisten einfachen Theodoliten vorgesehen ist, so fällt eine möglicherweise am Vertikalkreis vorhandene Teilkreisexzentrizität – anders als bei der Horizontalwinkelmessung – durch Beobachten in beiden Fernrohrlagen nicht heraus. Bei hohen Genauigkeitsansprüchen wird man daher zweckmäßig Gegenvisuren beobachten.

3.9.3

Beseitigen der Indexabweichung

Beim Messen und Berechnen der Zenitwinkel ist es angenehm, wenn die Indexabweichung klein ist. Für untergeordnete Messungen, die nur in einer Fernrohrlage durchgeführt werden, sucht man sie ganz zu beseitigen. Das geschieht folgendermaßen:

120

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

Bei Theodoliten mit einer Libelle, die fest an der Stütze des Fernrohres befestigt ist, wird ebenfalls zuerst nach [3.9.2] die Sollablesung ermittelt. Zur Beseitigung der Indexabweichung stellt man bei scharf einspielender Horizontierlibelle entweder die Sollablesung am Vertikalkreis ein und bringt das Strichkreuz mit Hilfe der Fadenkreuzjustierschrauben ins Ziel, oder man bringt zunächst das Fadenkreuz ins Ziel und stellt die Sollablesung durch Verschieben der Zeiger her. Normalerweise bieten digitale Theodolite außerdem die Möglichkeit, die Indexabweichung rechnerisch zu eliminieren.

3.9.4

Genauigkeit der Zenitwinkelmessung

Die Standardabweichung eines beobachteten Zenitwinkels lässt sich aus der mehrfachen Bestimmung von ζ errechnen. Es ist nämlich aufgrund des Fehlerfortpflanzungsgesetzes [1.6.4], wenn s die Standardabweichung in einer Fernrohrlage ist, gemäß (3.15) und (3.16)  1 sζ2 = s 2 + s 2 = sz2 . 4 Wenn man nun auf einem Stand m Zenitwinkel in je n vollen Sätzen beobachtet hat, so berechnet man aus den m·n Beobachtungen von vz = −ζ das arithmetische Mittel ζm sowie die zugehörigen νζ = ζm −ζ und hat dann nach [1.6.5] als Standardabweichung einer aus beiden Lagen ermittelten Indexabweichung ζ und eines Zenitwinkels z  sζ =

 ν ζ νζ = sz . m·n−1

(3.17)

Da bei unserer Messungsanordnung ζ nm-mal, jedes z aber nur n-mal bestimmt wurde, sind die Standardabweichungen der gemittelten Werte sζ sζˆ = √ ; nm

sz szˆ = √ . n

(3.18)

Die Genauigkeit der Zenitwinkelmessung hängt weniger ab von der Güte des Teilkreises und der Ablesevorrichtung, als von der Sorgfalt, mit der die Höhenlibelle zum Einspielen bzw. der Kompensator zur Ruhe gebracht wird. Als groben Durchschnitt kann man für einen mit einem Theodolit mittlerer Genauigkeit einmal in beiden Lagen gemessenen Zenitwinkel eine Standardabweichung von ±2 mgon erwarten. Dazu kann jedoch bei Theodoliten mit nur einer Ablesestelle noch ein durch eine Exzentrizität des Vertikalkreises hervorgerufener systematischer Fehler bis zu etwa ±3 mgon hinzukommen (Soltau 1961). Bei höheren Genauigkeitsansprüchen wird man daher entweder diesen systematischen Fehler durch Messen in zwei Fernrohrlagen eliminieren, oder einen Theodolit hoher bzw. höchster Genauigkeit verwenden.

121

3.10 Orientierung mit Vermessungskreiseln

3.9.5

Praktische Berechnung und Genauigkeitsuntersuchungen von Zenitwinkeln

Zahlenbeispiel: Beobachtungen am Vertikalkreis und Berechnung der Zenitwinkel auf dem 2. Weg von [3.9.2]. Instrument: Elektronischer Theodolit mittlerer Genauigkeit.

Ziel

TP B

Ablesungen am Vert. Kr.

ζ

z 400−z

z gemittelt

νζ

νζ2

gon

mgon

gon

gon

mgon

(mgon)2

I

97,3820

−2,0

97,3800

97,3802

−0,8

0,64

II

302,6220

−2,0

302,6200 −0,3

0,09

+0, 7

0,49

+2

0,04

Satz Lage

1

400,0040 2

400,0000

I

97,3830

−2,5

97,3805

II

302,6220

−2,5

302,6195

400,0050 TP C

1

400,0000

I

97,8880

−3,5

97,8845

II

302,1190

−3, 5

302,1155

400,0070 2

400,0000

I

97,8870

−3, 0

97,8840

II

302,1190

−3, 0

302,1160

400,0060

400,0000

Im Mittel ζ = −2,8 oder νz = +2,8 0,65 sζˆ = √ = 0, 32 mgon 2·2

3.10 3.10.1

97,8842

 sζ =

1,26 = 0,65 mgon 2·2−1

√ = 0, 46 mgon szˆ B = szˆ C = 0,65 2

Orientierung mit Vermessungskreiseln Die Grundlagen

Der Kreisel wird aufgrund der Entwicklungsarbeiten von Anschütz (Kiel) und Schuler (Göttingen) im Markscheidewesen bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts als Kreiselkompass oder Meridianweiser benutzt und hat einige Jahrzehnte später auch

122

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

in die Vermessungstechnik Eingang gefunden. Dort wird er insbesondere zur Richtungsorientierung langer Polygonzüge beim Tunnelbau und für die Navigation benutzt (Caspary, Scheurig 1990, von Fabeck 1980, Magnus 1971, Schödlbauer 1990). In Sinne der Kreiselmechanik ist jeder Körper, der Drehbewegungen ausführt, ein Kreisel. Jeder Körper, auch der vollkommen unsymmetrische, besitzt drei körperfeste Drehachsen, um welche man den Körper rotieren lassen könnte, ohne dass nennenswerte Lagerkräfte zur Stabilisierung der Drehachsen im Raum erforderlich sind. Diese besonders ausgezeichneten potentiellen Drehachsen nennt man Hauptachsen. Normalerweise unterscheiden sich die zu den Hauptachsen gehörenden Massenträgheitsmomente. Technische Kreisel sind im allgemeinen symmetrische Kreisel (Abb. 3.52). Bei diesen unterscheidet sich nur noch ein Massenträgheitsmoment von den übrigen, d. h. es lässt sich nur noch die Lage der einen zu diesem Massenträgheitsmoment zugehörigen Hauptachse eindeutig angeben. Die Lage der übrigen Hauptachsen ist also in diesem Sonderfall nicht mehr definiert. Die einzig fest definierte Hauptachse nennt man bisweilen auch Figurenachse.

3.10.2

Kräftefreie und gefesselte Kreisel 





Der Kreisel besitzt grundsätzlich drei Freiheitsgrade der Drehung x , y , z . Ein  Freiheitsgrad ergibt sich aus der Rotation x des Läufers um seine Figurenachse (Abb. 3.52). Zwei Freiheitsgrade sind gegeben, wenn die Laufachse um eine ein  zige Achse (z. B. y oder z ) geschwenkt werden kann. Drei Freiheitsgrade liegen vor, wenn die Laufachse um beliebige Achsen geschwenkt werden kann. Im zweiten Fall spricht man von einem gefesselten Kreisel, im dritten von einem kräftefreien Kreisel. z x

y Abbildung 3.52. Freiheitsgrade der Drehung beim Kreisel

Ein Körper, der um eine durch seinen Schwerpunkt gehende Drehachse rotationssymmetrisch und im Schwerpunkt gelagert ist, wird als kräftefreier Kreisel bezeichnet. Die Schwerkraft kann in Bezug auf die Drehachse kein Drehmoment ausüben . Ein kardanisch gelagerter Kreisel ist in seinem Schwerpunkt gelagert. (Abb. 3.53). Da in einem Inertialsystem der Drehmomentvektor eines abgeschlossenen Systems konstant ist, bleibt die Drehachse eines freien Kreisels unverändert, solange keine

123

3.10 Orientierung mit Vermessungskreiseln

1

3

2 Abbildung 3.53. Kardanisch gelagerter Kreisel, kräftefreier Kreisel

F

äußeren Kräfte auf ihn wirken. Der Drehimpulsvektor eines technischen Kreisels kann daher als inertialraumfester Richtungsvektor verwendet werden. Stellt man die Drallachse eines freien Kreisels einmal in eine bestimmte Richtung ein, z. B. in Richtung auf einen Fixstern, so behält er diese stets bei (Abb. 3.54). Dabei wird idealisiert vorausgesetzt, dass keine Reibungskräfte wirksam sind. Da der freie Kreisel zur Festlegung einer Richtung im Raum genutzt werden kann, ist er folglich ein wichtiges Hilfsmittel für die Navigation. Richtung zum Fixstern F

F

F

F

F

F

ωE

Abbildung 3.54. Drehachse eines freien Kreisels in einem Inertialsystem

124

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

Wird ein Kreisel oberhalb seines Schwerpunktes aufgehängt, beeinflusst die Schwerkraft die Stellung der Kreiselachse; man spricht dann von einem schwe” regefesselten Kreisel“. Dieser Kreisel hat zwei Freiheitsgrade; bezieht man sich auf Abb. 3.52, so sind Drehbewegungen um die x- und z-Achse möglich. Das Verhalten eines solchen Kreisel ist besonders einfach, wenn er im Äquator aufgestellt wird (Abb. 3.55). In einer Anfangsstellung A möge die Kreiselachse horizontal und in Ost-

R = Richtmoment β

Schwerkraft β

A

West

tor

ua

Äq

B

M = Fesselmoment

Ost

Abbildung 3.55. Bandgehängter Meridiankreisel im Äquator

West-Richtung verlaufen. Infolge der Erdrotation erreicht der Kreisel kurz darauf die Stellung B. Die Kreiselachse versucht dabei, ihre Richtung im Raum beizubehalten; infolgedessen wird der Kreiselschwerpunkt aus der Lotrichtung des Aufhängepunktes herausgedrückt. Dem daraus resultierenden Fesselmoment M weicht der Kreisel durch Verschwenkung seiner Achse um die Lotrichtung, d. h. durch die Präzessionsbewegung, aus. Diese dem Kreisel aufgezwungene Bewegung währt so lange, bis die Rotationsachse des Kreisels parallel zur Erdachse verläuft und somit in die geographische Nordrichtung bzw.in Richtung des Meridians weist (Abb. 3.56). Man nennt ihn daher auch bandgehängter Meridiankreisel. Versteht man unter θK ωK ωE α

das Trägheitsmoment des Kreisels, die Winkelgeschwindigkeit des Kreisels, die Winkelgeschwindigkeit der Erde, den Winkel der Horizontalprojektion der Kreiselachse gegen den Meridian, also ihr Azimut,

so ist das Kreiselrichtmoment MK = θK ωK ωE sin α = Jω ωE sin α = DK · sin α,

(3.19)

125

3.10 Orientierung mit Vermessungskreiseln

worin Jω = θK ωK den Drehimpuls und DK = Jω ωE die Richtgröße des Kreisels bedeuten. Befindet der Kreisel sich in der Breite ϕ, so wird (Abb. 3.57) die Winkelgeschwindigkeit ωE der Erdrotation aufgespalten in ωE sin ϕ = Rotation um die Lotrichtung, ωE cos ϕ = Rotation um den Meridian.

(3.20)

Für die Größe des Richtmomentes ist die Rotation um den Meridian bestimmend. Mithin ist das Richtmoment in der Breite ϕ MK = θK ωK ωE cos ϕ sin α = Jω ωE cos ϕ sin α.

(3.21)

Demnach erreicht MK das Maximum in der Breite ϕ = 0, also am Äquator, und das Minimum in der Breite 90◦ , mithin am Pol. Im Azimut wirkt das Richtmoment um so stärker, je größer die Auslenkung α gegen den Meridian ist. Im Meridian selbst weist der Kreisel wegen sin α = 0 kein Richtmoment auf; er befindet sich in der Ruhelage.

z

co



Zenit ω

E

Achse der Aufhängung = Präzessionsachse

ωE sin

Nord

ϕ

x

ϕ Äquator

Rotationsachse y Lotrichtung

Abbildung 3.56. Nordsuchender Kreisel

Abbildung 3.57. Kreisel in der Breite ϕ

Die Rotationsachse des Kreisels stellt sich nicht direkt in die Nord-Süd-Richtung, sondern schwingt, wenn M das durch die Schwerebeschleunigung der Erde hervorgerufene Fesselmoment ist, mit der Schwingungszeit T0 Iω ≈√ T = 2π , (3.22) M (ωE cos ϕ + DB /Iω ) cos ϕ wobei DB das Rückstell- oder Torsionsmoment des Aufhängebandes und T0 die Schwingungszeit im Äquator bedeutet. Die Schwingungszeit nimmt also mit wachsender Breite zu. Praktische Werte für T0 und T sind T0 = 7 min.; T60◦ = 9,5 min.; T75◦ = 13,5 min.

126

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

Die Rotationskomponente der Erde um die Lotrichtung bewirkt, dass die Kreiselachse sich erheben, d. h. parallel zur Erdachse stellen möchte (Abb. 3.55). Dem Elevationsmoment (3.23) E = Jω ωE sin ϕ wirkt jedoch das Fesselmoment M entgegen, so dass der Elevationswinkel β = E/M zwar mit der Breite wächst, aber nicht größer als einige Bogenminuten wird.

3.10.3

Der mechanische Aufbau bandgehängter Meridiankreisel

Üblicherweise werden die Bauelemente des bandgehängten Meridiankreisels eingeteilt in das tragende, das richtunggebende und das richtungnehmende System. Bei dem in der schematischen Abb. 3.58 links skizzierten Kreiseltheodoliten besteht das tragende System aus dem äußeren Gehäuse (4) nebst einer Konstruktion, die den Theodolit, also das richtungnehmende System (3), trägt. Der Kreisel, das richtunggebende System (1), ist bei horizontaler Rotationsachse mit Hilfe eines dünnen elastischen Metallbandes wie ein Torsionspendel aufgehängt und vollführt aufgrund der Erddrehung Schwingungen um den Meridian. Richtunggebendes und richtungnehmendes System sind optisch (2) durch die Hohlachse des Theodolits hindurch über mehrere Prismen mit dem am Kreiselmast befindlichenAutokollimationsspiegel verbunden. Durch die Autokollimationseinrichtung werden die Kreiselschwingungen verfolgt, und aus den Beobachtungsergebnissen wird auf die gesuchte Mittellage geschlossen.

3 2

1 4

3 1 4

Abbildung 3.58. Kreiseltheodolit und Aufsatzkreisel

127

3.10 Orientierung mit Vermessungskreiseln

Der in Abb. 3.58 rechts wiedergegebene Aufsatzkreisel (1) ist mit der Stütze des Theodolits fest verbunden. Daher sind bei ihm die drei Systeme nicht so klar voneinander zu trennen. Hier übernimmt der Theodolit einen Teil der Funktionen des tragenden Systems, indem er das Kreiselgehäuse (4) trägt. Das richtungnehmende System besteht aus zwei getrennten Bauelementen, und zwar aus der Vorrichtung zur Beobachtung der Schwingungen (2) und aus dem Theodoliten (3) selbst. Nur die Funktion des Kreisels als richtunggebendes System (1) entspricht der gleichen Aufgabe wie beim Kreiseltheodoliten. In Abb. 3.59 ist eine Autokollimationseinrichtung dargestellt. Eine Kreiselmarke (6) wird durch eine Lichtquelle beleuchtet. Das Licht durchdringt die Marke und wird mit einem Strahlteiler in den Strahlengang des Kollimators [3.11] und auf den Kreiselspiegel (1) gelenkt. Die vom Spiegel reflektierten Strahlen erzeugen auf einem positionsempfindlichen Detektor, z. B. einem CCD-Array (5), ein Bild der Kreiselmarke. Die Schwingungen des an dem Torsionsband (3) hängenden Kreisels (7) bzw. die Auslenkungen des Kreiselspiegels (1) werden von dem Detektor automatisch registriert. Die Vororientierung erfolgt über einen Schrittmotor. Der Referenzspiegel ermöglicht es, das opto-elektronische Abgriffsystem zu kalibrieren. Die Steuerung des Kreisel- und Schrittmotors sowie des elektronischen Kollimators besorgt ein Steuer- und Auswerterechner. 6 9

3 5

8 1 7

Steuerung / Abtastung Kollimator Steuerwerk und Rechner

Kreiselmotor Ansteuerung Schrittmotor Ansteuerung

Abbildung 3.59. Autokollimationseinrichtung (GYROMAT)

Bei nicht automatisch arbeitenden Ableseeinrichtungen hat man anstelle des Detektors eine Skala, an der die Auslenkungen des Spiegels abgelesen werden. Die Kreiseltheodolite haben ohne Stativ und Stromversorgung eine Masse von ca. 20 kg. Aufsatzkreisel mit ca. 2 kg Masse werden über eine Brücke auf dem Theodoliten befestigt. Bei Beobachtungszeiten kleiner als 10 Minuten lassen sich Genauigkeiten bis zu 1 mgon (1, 5 cm/km) erzielen. Es stehen Geräte zur Verfügung bei denen die Messung und Auswertung automatisch erfolgt. Abb. 3.60 zeigt den

128

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

Kreiseltheodolit GYROMAT-200 der Firma DMT (Deutsche Montan Technologie) und Abb. 3.61 den Aufsatzkreisel GP 1-2 der Firma Sokkia. Der GYROMAT arbeitet voll automatisch, bei einer Messzeit von 9 (2) min. erzielt man eine Genauigkeit von 1 (10) mgon. Bei dem GP 1-2 erfolgt die Auswertung ebenfalls automatisch und die Messgenauigkeit beträgt nach 6 min. Messzeit 6 mgon.

Abbildung 3.60. GYROMAT (DMT)

3.10.4

Abbildung 3.61. GP 1-2 (Sokkia)

Beobachtungsverfahren

(1) Messbare Größen Löst man die Arretierung eines Kreisels unter einem beliebigen Azimut α, so schwenkt, wie mit Gleichung 3.21 beschrieben, das Richtmoment die Drehachse nach Norden. Wegen der Massenträgheit bewegt sich jedoch die Kreiselachse über die Nordrichtung hinaus bis zu der Position, an der das Richtmoment stärker als das Trägheitsmoment wird und den Kreisel nun in Gegenrichtung wieder nach Norden dreht. So entsteht eine Schwingung der Kreiselachse um die Nordrichtung. Da der Kreisel an einem torsionsfähigen Band aufgehängt ist, entsteht zusätzlich zum Kreiselrichtmoment MK ein Bandrichtmoment MB , welches die pendelnde Bewegung beeinflusst. Dieses Moment dreht den Kreisel in die Richtung, in der es torsionsfrei ist; man bezeichnet diese Richtung als Bandnullage. Für das Bandrichtmoment gilt: MB = DB (αB − α), (3.24)

129

3.10 Orientierung mit Vermessungskreiseln

mit DB = Torsionskonstante (Bandrichtgröße), αB = Azimut der Bandnullage, α = momentanes Azimut der Rotorachse. Wird nun bei einer beliebigen Anfangsrichtung und ruhendem Rotor der Kreisel entarretiert, so entsteht aufgrund von Trägheits- und Bandrichtmoment eine weitere Drehschwingung (Abb. 3.62), jetzt jedoch um die Bandnullage. Wird der Kreisel bei laufendem Rotor entarretiert, so überlagern sich die beiden Drehschwingungen und es entsteht eine resultierende Schwingung um die Gleichgewichtslage αG , welche sich durch Gleichsetzen von (3.19) bzw. (3.21) und (3.24) ergibt: DK · sin αG = DB (αB − αG ), bzw. αG = arcsin

DB (αB − αG ). DK

(3.25)

Die Auslenkungen der Kreiselachse bildet man mit einem Autokollimationssystem auf einer Skala ab [3.10.3] und die Ablesungen, die Gleichgewichtslage G der resultierenden Schwingung und die Torrsionsnullage B des Bandes, beziehen sich folglich auf die Nullmarke (Skalennull) Abb. 3.62. hw i ell ngun ag gs e -

αG G

α B B

G B

itt

Sc

α0

m

Skale

nnull

astr. Nord

jkl

Band

nulla

ge

Abbildung 3.62. Durch Kreiselbeobachtungen erfasste Größen G und B sowie auf astronomisch Nord bezogene Winkel αB und αG .

Die Richtung Skalennull weicht immer etwas von der Richtung nach astronomisch Nord ab, da man den Kreisel zu Beginn der Messungen nur näherungsweise in Richtung astronomisch Nord vororientieren kann. Der Unterschied beider Richtungen beträgt α0 . Dieses α0 muss aus Messungen berechnet werden. Hierfür benötigt man jedoch zunächst die Beziehungen zwischen αo und den Kreiselbeobachtungen: G = αG + α0 ,

(3.26)

130

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

B = αB + α0 .

(3.27)

Durch Differenzbildung von (3.27) und (3.26) erhält man außerdem αB − αG = B − G .

(3.28)

Gleichung (3.26) und (3.28) in (3.25) eingesetzt liefern schließlich die Beziehung α0 = G − arcsin

DB (B − G ), DK

(3.29)

welche die gesuchte Richtung α0 als Funktion des Richtgrößenverhältnisses K = DB /DK und der beobachteten Schwingungsmittellagen darstellt. (2) Azimutbestimmung Bei der Azimutbestimmung werden nun die Kreiselablesungen und die Theodolitablesungen miteinander verknüpft (Abb. 3.63). astr. Nord

age tell

win

ge Ba

B

nd

nu

ung

lla

ll

tier

G

mit

ennu

rien

α0

Sch

Skal

o Vor

gun

gs-

Zielachse Fernrohr

βv E βz Teilkreis

null

A

Ziel

Abbildung 3.63. Verknüpfung der Theodolitablesungen βv und βz mit den Kreiselablesungen G und B

Setzt man voraus, dass die rechtsdrehenden Winkel positiv und die linksdrehenden negativ gewertet werden, so kann man der Abb. 3.63 folgende Gleichung entnehmen: A = βz − βv − E − α0 .

(3.30)

A ist das momentane astronomische Azimut. βv und βz sind die Ablesungen am Horizontalkreis des Theodolits bei der Durchführung der Schwingungsbeobachtung

131

3.10 Orientierung mit Vermessungskreiseln

und bei der Einstellung des Ziels. Der Winkel E ist eine Instrumentenkonstante, welche die Richtungsabweichung zwischen der Zielachse des Theodolits und der Richtung von Skalennull darstellt. Dieser bei der Gerätemontage verbleibende Gerätefehler kann als Nullpunktsfehler betrachtet werden. Man bestimmt ihn auf einer Teststrecke, d. h. auf einer Linie mit bekanntem astronomischen Azimut. (3) Bestimmung der Schwingungsmittellagen B und G Die Bewegung der Kreiselmarke auf der Skala in Abhängigkeit von der Zeit lässt sich bei ruhendem und laufendem Motor durch eine gedämpfte harmonische Schwingung modellieren (Abb. 3.64). Das mathematische Modell der Schwingung, bzw. Beoachtungsgleichung, lautet: α(t) =  + Ae−λ(t−t0 ) sin ν(t − t0 ),

ν=

2π , T

(3.31)

wobei  die Abweichung der Schwingungsmittellage von Skalennull, A die Amplitude, λ einen Dämpfungsfaktor, t die Zeit und ν die Kreisfrequenz der Schwingung beschreiben. Die Abweichung der Schwingungsmittellage B bei ruhendem Motor ist die Bandnullage. Durch eine Gleichgewichtsbildung zwischen dem Torsionsmoment des Bandes und dem Richtmoment des Kreisels entsteht bei laufendem Rotor ebenfalls als Schwingungsmittellage die Gleichgewichtslage G . Einfache Messverfahren zur Bestimmung von  sind dadurch gekennzeichnet, dass nur wenige Ablesungen ausgeführt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Beobachtungszeit kürzer wird, denn bei allen Verfahren müssen eine bis zwei Perioden beobachtet werden. (a) Amplitudenmessung (Grobmessung) Nach der Vororientierung wird die Stütze des Theodolits festgeklemmt und an der Amplitudenskala auf Skalenmitte bezogen werden die Ausschläge der Kreiselmarke nach Ost αE und nach West αW in Skaleneinheiten abgelesen. Damit ergibt sich (Abb. 3.64) (3.32)  = 0, 5(αE − αW ) · m, wobei m ein Maßstabsfaktor ist, mit dem die Teilungseinheiten der Amplitudenskala und des Teilkreises des Theodolits verknüpft werden. Die Messgenauigkeit dieses Verfahrens liegt bei etwa δ = 1, 5c . Dieses Verfahren kann man z. B. einsetzen, um die Vororientierung zu überprüfen.

132

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln α αE1

αE2

αE2

A Schwingungsmittellage t1

t2

i t4 t5

t3

t6 αW3

αW2

αW1

t

T Abbildung 3.64. Zeitabhängige Darstellung der Kreiselschwingungen und der Beobachtungsgröße i ; i = G, B

(b) Automatisiertes Beobachtungsverfahren (Feinmessung) Die Ablesungen lassen sich automatisieren, wenn die Skala durch eine positionsempfindliche Diode ersetzt wird, mit der dann die Ausschläge kontinuierlich abgegriffen werden können (Abb. 59). Wählt man als Messzeit z. B. eine Periode, so ergibt sich die Abweichung der Schwingungsmittellage von Skalennull aus, 1 = T



t1

α(t)dt,

(3.33)

t0

was aus der Abb. 3.65 leicht zu erkennen ist. In der Praxis ersetzt man das Integral durch eine Summe, was bei genügend hoher Beobachtungsdichte ohne merkbaren Genauigkeitsverlust möglich ist. T

 t0

t1

t

Abbildung 3.65. Auswertung der Schwingungsmittellage bei automatischem Abgriff der Skala

133

3.10 Orientierung mit Vermessungskreiseln

Dieses Beobachtungsverfahren wird in dem Kreisel Gyromat 2000 angewendet und ermöglicht bei einer Messzeit von 9 Minuten sowie 20 Einzelmessungen eine Messgenauigkeit von 1 mgon(3 ). (c) Durchgangsmethode mit visueller Skalenbeobachtung (Feinmessung) Nach guter Vororientierung (z. B. mit Verfahren (a)) wird die Stütze des Theodolits festgeklemmt und es werden die Durchgangszeiten ti (Abb. 3.64) gemessen, d. h. es wird jeweils die Zeit registriert, wenn die Kreiselmarke die Indexmitte der Skala erreicht. An der Skala werden außerdem die Ausschläge der Kreiselmarke αE und αW ablesen. Die Abweichung  zwischen Schwingungsmitte und Skalennull ergibt sich dann aus:  = c · a · t, (3.34) mit a = 0, 5(αE − αw ) und t = (t2 − t1 ) − (t3 − t2 ) = tE − tw. Gleichung (3.34) ergibt sich, da bei einer harmonischen Schwingung folgende Proportionalität gilt (Abb. 3.66): π t T : =:a·m· 4 4 2 m · π/2 m · π/2 ; c= . T T Praktisch wird c aus Schwingungsbeobachtungen nach der Durchgangsmethode bei Messungen in verschiedenen Richtungen (z. B.  = +10c und  = −10c ) westlich und östlich der Schwingungsmitte bestimmt:  = a · t

1 = c · a1 t1 ,

3.10.5

2 = c · a1 · t2 ,

c=

1 −  2 . a1 t1 − a2 t2

Der geodätische Richtungswinkel und die Instrumentenkonstante

Um das momentane astronomische Azimut A in einen ebenen Richtungswinkel t der Gauß-Krüger- oder UTM-Projektion [6.3] umzuwandeln, müssen weitere Reduktionen berücksichtigt werden. (a) A → A: Berücksichtigung der Polbewegung durch Reduktion auf den CIO. Die Korrekturwinkel werden im Annual Report of the International Earth Rotation Service, Paris veröffentlicht. (b) A → α: Umwandlung des astronomischen Azimuts A in ein geodätisches Azimut α durch Projektion auf das Referenzellipsoid mit der Laplacegleichung α  = A − η tan B − (ξ sin α − η cos α) cot z

(3.35)

134

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

t/4

T /4 a·m a · m · π/2

 Abbildung 3.66. Auswertung der Schwingungsmittellage bei visueller Beobachtung

und der Höhenreduktion α = α +

ρe2 h cos2 B sin 2α. 2b

(3.36)

In den Gleichungen (3.35) und (3.36) bedeuten: ξ , η Nord- und Ostkomponente der Lotabweichung, B geographische Breite, z Zenitdistanz, e Exzentrizität und b kleine Halbachse des Bezugsellipsoids, ρ = 180◦ /π . (c) α → t; T : Übergang auf geodätische Richtungswinkel durch Berücksichtigung der Meridiankonvergenz. Bei der Gauß-Krüger Projektion erfolgt dies mit der Gleichung:

l3 3e2 2 2 t = α − l sin B − 2 sin B cos B 1 + cos B 2ρ 1 − e2

(3.37)

und bei einer UTM-Projektion mit der Beziehung T =t−

ρ (N1 − N2 )(E1 + 2E2 ), 6R 2

(3.38)

mit l Längenunterschied zwischen dem Haupt- und Ortsmeridian, R Erdradius, N Nord- und E Ostwert. Der zweite und dritte Term in (3.37) beschreiben die Meridiankonvergenz. Wenn absolute Richtungen mit einem Kreisel bestimmt werden sollen, so müssen alle Reduktionen streng berechnet werden. Bei der Bestimmung relativer Richtungen

3.11 Kollimation, Autokollimation

135

reicht es normalerweise aus, wenn die Reduktionen (3.37) oder (3.38) angebracht werden, d. h. α wird dann in (3.37) durch A ersetzt. Die Bestimmungen der Instrumentenkonstante erfolgt mit Hilfe der Gleichung (3.30), wobei das momentane astronomische Azimut A zunächst mit (3.37) in den geodätischen Richtungswinkel t umgerechnet werden muss. Es gilt dann: t = βz − βv − E − α0 − c bzw.

E = βz − βv − t − α0 − c.

(3.39)

mit c = b sin B. Vielfach reicht es aus, wenn die Meridiankonvergenz nur durch den zweiten Term von (3.37) berücksichtigt wird. Nach der Vororientierung und Bestimmung von βv und α0 auf dem Kreiselstandpunkt P1 zielt man dann den Festpunkt P2 an und liest βz ab. t berechnet man aus Koordinaten der Festpunkte.

3.11 3.11.1

Kollimation, Autokollimation Grundlagen

Unter Kollimation versteht man in der Optik die Erzeugung paralleler Strahlen. Ein Kollimator ist ein auf unendlich eingestelltes Fernrohr mit größerer Brennweite und beleuchtetem Strichkreuz in der Brennebene. Besitzt der Kollimator eine Libelle, so kann die Zielachse streng horizontal gestellt werden. In der Messtechnik verwendet man den Begriff gegenseitige Kollimation, wenn zwei Fernrohre mit parallelem Strahlengang (d. h. mit unendlicher Fokussierung) gegeneinander ausgerichtet werden. Die Zielachsen verlaufen dann parallel zueinander. Von Autokollimation spricht man, wenn parallele Lichtstrahlen durch einen rechtwinklig im Strahlengang stehenden Spiegel in sich selbst reflektiert werden (Abb. 3.67a).

3.11.2 Technische Anwendung der Autokollimation Mit dem Autokollimationsverfahren lassen sich sehr genaue Prüf- und Kontrollmessungen ausführen. Es eignet sich besonders zur Bestimmung kleiner Winkeländerungen [3.10.3] und anderer Abweichungen (wie Senkungen, Durchbiegungen, etc.), zur Überprüfung und Festlegung rechter Winkel sowie zur Überprüfung von Winkelmesseinrichtungen. Den Autokollimationsspiegel nutzt man außerdem als hochgenaue Bezugsrichtung bei Winkelmessungen, auch wenn die kürzeste Zielweite unterschritten wird, da sich aufgrund der Parallelstrahlen der Spiegel unmittelbar vor dem Fernrohrobjektiv befinden kann. Die Technik der Autokollimation besteht nun darin, einen Kollimator (Abb. 3.67) auf einen optisch planen Spiegel zu richten. Das von der beleuchteten Strichplatte kommende Licht verlässt das Objektiv als paralleles Strahlenbüschel. Ist der Spiegel

136

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln Fadenkreuz und sein reflektiertes Bild a)

Fadenkreuz b)

Planspiegel 2δ



reflektiertes Bild des Fadenkreuzes

δ

Abbildung 3.67. Autokollimation: a) Spiegelfläche steht rechtwinklig zur Ziellinie; b) Spiegel ist um den Winkel δ zur Ziellinie geneigt

exakt rechtwinklig zur Ziellinie ausgerichtet, so werden die Strahlen in sich selbst reflektiert und erzeugen ein Bild des projizierten Strichkreuzes in der Brennebene des Fernrohrs (Abb. 3.67a). Blickt man in das Okular, so sieht man das Fernrohrstrichkreuz in Koinzidenz mit dem projizierten Strichkreuz. Dreht man den Spiegel um einen kleinen Winkel δ, so werden die reflektierten Strahlen um 2δ abgelenkt (Abb. 3.67b). Da also eine Drehung des Spiegels eine Ablenkung der reflektierten Strahlen um den zweifachen Drehwinkel bewirkt, ist die Zielgenauigkeit mit dem Autokollimationsverfahren doppelt so groß als beim Anzielen eines herkömmlichen Kollimators. Mit können Theodolite in Autokollimationstheodolite umgewandelt werden [3.11.4]. Diese eignen sich, Winkel, um die ein Spiegel gedreht wird, mit hoher Genauigkeit zu messen. Hierfür sind folgende Schritte notwendig: – Durch Drehen der Feintriebe am Theodolit den Spiegel anzielen, bis das Strichkreuz mit seinem reflektierten Bild koinzidiert. Hz1 - und V1 -Richtung ablesen. – Drehen und/oder Neigen des Spiegels. – Spiegel wieder anzielen und Strichkreuz mit seinem reflektierten Bild wieder zur Koinzidenz bringen, Hz2 - und V2 -Richtung ablesen. Der Horizontal- und Vertikalwinkel der Drehung und Neigung des Spiegels betragen dann: Hz = Hz1 − Hz2 V = V1 − V2 . Der Zielvorgang ist praktisch ideal. Die Winkelmessgenauigkeit hängt daher wesentlich von der Genauigkeit der Ablese- oder Abtastvorrichtung des Theodoliten ab [3.5].

137

3.11 Kollimation, Autokollimation

Da ein auf unendlich fokussiertes Fernrohr parallele Strahlen erzeugt, braucht man bei der Autokollimation den Theodolit auf dem Messpunkt nicht exakt zu zentrieren (Abb. 3.68). Spiegel Spiegel

Abbildung 3.68. Zentrieren bei der Autokollimation Folgende praktische Hinweise sind noch von Bedeutung: – Wird das gesamte Strahlenbündel in das Fernrohr zurückgestrahlt, so ist das reflektierte Strichkreuz klar sichtbar. Gelangt nur ein Teilbündel zurück, so erscheint das Strichkreuz entsprechend abgeschwächt. – Die Einstellung des Fernrohres auf unendlich erfolgt, indem man zunächst das Fernrohr und/oder locker den Spiegel dreht, bis das Spiegelbild des erleuchteten Objektivs im Gesichtsfeld sichtbar wird. Danach dreht man die Fokussierhülse über die Unendlich-Stellung bis zum Anschlag und wieder zurück, bis das reflektierte Strichkreuz scharf erscheint. Befindet sich der Spiegel außerhalb des Bereichs der kürzesten Zielweite, so wird beim Fokussieren auf die Spiegeloberfläche das Strichkreuz ebenfalls abgebildet. Dieses Bild lässt sich jedoch für die Autokollimation nicht verwenden. Man kann es leicht von der Autokollimationsabbildung unterscheiden, da sich das projizierte Strichkreuz relativ zum Fernrohrstrichkreuz nicht bewegt, wenn der Theodolit oder Spiegel etwas gedreht werden. – Zielweiten bis zu 50 m können ohne weiteres eingeplant werden. In geschlossenen Hallen können sie bis 100 m betragen.

3.11.3 Technische Anwendung der gegenseitigen Kollimation Bei der gegenseitigen Kollimation richtet man zwei mit einem Strichkreuz ausgestattete auf unendlich fokussierte Fernrohre so gegeneinander aus, dass die Objektive einander gegenüber stehen. Man kann dann die Achsen parallel zueinander ausrichten, indem beide Strichkreuze zur Deckung gebracht werden. Zur Anwendung kommt dieses Verfahren z. B. bei der Überprüfung von Nivelliergeräten [12.7] oder bei der gegenseitigen Orientierung zweier Theodolite [8.1]

138

3 Der Theodolit und das Messen von Richtungen und Winkeln

3.11.4 Autokollimationstheodolite Bei Industrievermessungen verwendet man häufigAutokollimationstheodolite: Theodolite mit aufsteckbarem oder fest eingebautem Autokollimationsokular. Abb. 3.69 gibt den Strahlengang des fest im Theodolitfernrohr eingebauten Autokollimationsokulars GUFA der Firma Leica wieder. Eine zweite am Fernrohr angebrachte negative Strichplatte wird ausgeleuchtet. Es handelt sich um eine schwarze Scheibe mit hellgrünem Kreuz. Das Licht fällt durch das Kreuz und wird durch einen Strahlteiler in den Strahlengang des Fernrohrs und auf den Spiegel abgelenkt. Die vom Spiegel

Abbildung 3.69. Fest eingebautes Autokollimationsokular Leica T2 + GUFA

zurückkommenden Strahlen erzeugen ein Bild in der Ebene der Fernrohrstrichplatte. Blickt man durch das Fernrohrokular, so sieht man ein hellgrünes Kreuz, das in das Fernrohrfadenkreuz zentriert werden muss.

3.11.5 Autokollimationsspiegel, Autokollimationsprismen Spiegel für die Autokollimation müssen plan und oberflächenverspiegelt sein. Auf der Rückseite versilberte Spiegel verursachen unerwünschte Reflexe, die das Autokollimationsbild unscharf erscheinen lassen. Autokollimationsprismen sind horizontale 90◦ Dachkantprismen. In der Horizontalebene werden die Strahlen wie bei einem Spiegel reflektiert (Abb. 3.70a und b), in der Vertikalebene wird ein Strahl um 180◦ umgelenkt, d. h. in sich selbst zurückgeworfen (Abb. 3.70c).

139

3.11 Kollimation, Autokollimation

a)

b)

c)

Abbildung 3.70. Autokollimationsprisma

Autokollimationsprismen eignen sich z. B. für Richtungsübertragungen in verschiedene Messhorizonte.

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

Grundsätzlich kann man zwischen zwei Messverfahren unterscheiden: der Längenmessung mit mechanischen Messwerkzeugen und der Distanzmessung mit elektrischen Signalen. Im ersten Fall wird das Normal durch die Länge eines Stabes oder Abstände von Teilstrichen auf einem Metallband definiert, im zweiten durch die Wellenlänge eines elektrischen Signals, welches durch einen Oszillator erzeugt wird. Bei den zuvor besprochenen Normalen handelt es sich um sekundäre Längennormale, welche von dem auf der 17. Generalkonferenz für Maß und Gewicht 1983 in Paris definierten primären Längennormal hergeleitet werden [1.5.1].

4.1

Längenmessung mit Stahlmaßstäben

Sehr genaue Längenmessungen auf engem Raum lassen sich bei Spezialaufgaben vorteilhaft mit starren Stahlmaßstäben ausführen. Messungen dieser Art treten gelegentlich im Zusammenhang mit Ingenieuraufgaben des Maschinenbaus oder Bauwesens auf. Zweckmäßig verwendet man für die Längenmessung zwei 1 m lange glatte Stahlmaßstäbe mit schneidenförmigen Enden, deren Länge unter Normalbedingungen (z. B. bei 20◦ C) und Längenänderung in Abhängigkeit von der Temperatur durch Kalibrieren ermittelt sind. Diese Normalmeter“ sind gewöhnlich nicht mit einer ” Teilung versehen; die Reststrecken werden daher mit einem kurzen steifen Stahlmessband bestimmt oder, wenn es sich nur um geringfügige Abweichungen von einem vollen Meter handelt, mit einem stählernen Messkeil, dessen Gebrauch aus der Abb. 4.1 hervorgeht. Die bei beliebigen Temperaturen tatsächlich vorhandene Länge erhält man aus der Gleichung des Längenmaßstabes. (1) Kalibrierkorrektion Längenmessgeräte kann man mit Längenkomparatoren (z. B. einem Laserinterferometer) kalibrieren. Daraus ergibt sich die Kalibrierkorrektion kk = l

δ , L0

(4.1)

4.1 Längenmessung mit Stahlmaßstäben

141

mit L0 l δ = L0 − IE

δ L0

Sollänge des Maßstabs in m unter Normalbedingungen, die zu korrigierende Länge in m, der durch Kalibrieren des Maßstabs bei der Normaltemperatur (z. B. 20◦ C) erhaltene Überschuss über L0 in m (IE = Istlänge bei der Normaltemperatur), die auf die Längeneinheit bezogene Kalibrierkorrektion.

(2) Temperaturkorrektion Diese Korrektion beschreibt die Längenänderungen des Messgerätes in bezug auf die Normalbedingung (z. B. 20◦ C) kt = l · αSt (t − 20◦ C),

(4.2)

mit l αSt t

der zu korrigierenden Länge, linearer Temperaturausdehnungskoeffizient von Stahl, Temperatur bei der Messung in ◦ C.

Die Korrektionen fasst man in der Gleichung des Längenmaßstabes zusammen: L = L0 + kk + kt .

(4.3)

Prüfmeterstäbe werden mit einem Prüfschein satzweise in Holzkästen geliefert. Sie sind in der Regel mit A und B bezeichnet und haben eine Länge von 1000±0,02 mm. Normalerweise bestehen sie aus ungehärtetem Stahl mit einer Ausdehnungszahl von 11,5 · 10−6 m pro 1 Kelvin. Für jeden Stab wird aufgrund von Eichmessungen die Gleichung des Normalmeters in der Form (4.3) angegeben. Mit Hilfe der Stahlmaßstäbe lassen sich Werkstücke ihrer Länge nach leicht abgleichen. Für ein 5 m langes Werkstück soll dies nachfolgend beschrieben werden. Dazu nehme man eine starke, glatte Bohle und befestige darauf in der aus Abb. 4.1 ersichtlichen Weise in einem die Länge der Prüflinge um etwa 1 cm übersteigenden Abstand zwei Stahlschneiden. Der gegenseitige Abstand der Stahlschneiden wird, wie ebenfalls in Abb. 4.1 zu erkennen ist, mit Stahlmaßstäben und Keil ermittelt; alsdann werden die Prüflinge zwischen die Stahlschneiden der Bohle gelegt, und es wird für jeden Prüfling die Differenz di gegenüber dem Schneidenabstand mit Hilfe eines in mm eingeteilten Maßstabs, eines kurzen steifen Stahlbandes oder mit einem Messkeil bestimmt.

142

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

d

A

B

A

B

A

Abbildung 4.1. Abgleichung von Werkstücken

Beispiel: Abgleichung von 5 m-Werkstücken. Gleichungen der Normalmeter: Stab A = 1 m + 0,15 mm + 0,0115(t − 20◦ C) mm, Stab B = 1 m + 0,07 mm + 0,0115(t − 20◦ C) mm. Länge der Stäbe bei Abgleichungstemperatur t = 16◦ C: A = 1 m + 0,10 mm;

B = 1 m + 0,02 mm.

Zweimalige Messung der Komparatorlänge K5 : 1. 3A + 2B + d1 = 5 m + 0,34 mm + 9,10 mm, 2. 2A + 3B + d2 = 5 m + 0,26 mm + 9,20 mm. Mittel aus 1. und 2. Messung: K5 = 5 m + 9, 45 mm. Abgleichung von zwei Werkstücken: LI = K5 − dI = 5 m + (9,45 − 8,30) mm = 5 m + 1,15 mm, LII = K5 − dII = 5 m + (9,45 − 8,83 mm) = 5 m + 0,62 mm.

4.2

Längenmessung mit Stahlmessbändern und Drähten

Für spezielle Aufgaben der Ingenieurgeodäsie kommen immer wieder Messbänder und Drähte für Längenbestimmungen zum Einsatz. In ebenem Gelände werden die Messbandlängen vom Anfangspunkt aus (Mitte Grenzstein, Mitte Dränrohr, Mitte Fluchtstab) in einer durch Fluchtstäbe markierten Geraden sorgfältig aneinander gereiht. Das Messergebnis setzt sich dann zusammen aus der Anzahl der vollen Messbandlängen und der Ablesung innerhalb der letzten Messbandlänge. In geneigtem Gelände wird für die Längenmessung im Regelfall nur die horizontale Komponente in Ansatz gebracht. Geeignete Verfahren hierfür sind das Staffelverfahren und das Reduktionsverfahren.

143

4.2 Längenmessung mit Stahlmessbändern und Drähten

a) Beim Staffeln (Abb. 4.2) misst es sich am einfachsten bergab. Dabei wird das vordere Ende des Messbandes nach Augenmaß (rechten Winkel zwischen Messband und Lotschnur prüfen) oder mit Hilfe einer Wasserwaage bis in die Horizontale angehoben und mittels eines Fadenlotes abgelotet. Der Lotfußpunkt ist der Anlegepunkt für die nächste Messbandlänge. Der Vorgang wiederholt sich, bis schließlich am Ende der Strecke das die vollen Messbandlängen überschießende Reststück bei horizontal gehaltenem Messband abgelesen wird. Die Staffelmessung bergauf ist etwas unsicherer, weil dabei das Messband an die freihängende Lotschnur angelegt werden muss. Bei höheren Genauigkeitsansprüchen wird eine Strecke in beiden Richtungen gemessen, und es wird zur Elimination regelmäßiger Fehler das Mittel angehalten.

Abbildung 4.2. Staffelmessung

b) Beim Reduktionsverfahren werden Messbandlängen flach auf dem Erdboden längs einer Geraden aneinandergereiht; ferner wird für jede Länge der Neigungswinkel β (vgl. Abb. 4.4) des Messbandes bestimmt, damit rechnerisch die Reduktion auf die Horizontale vorgenommen werden kann. Werden Stahlmessbänder aufliegend benutzt, so treten außer der Reduktion auf die Horizontale, der Wärmeausdehnung, der Berücksichtigung der richtigen Zugspannung und der Forderung nach sorgfältiger Handhabung keine wesentlichen Probleme auf. Freihängend nehmen Bänder und Drähte die Form einer Kettenlinie an. Abb. 4.3 P2 LR P1

β

h

L l

Abbildung 4.3. Durchhang bei ungleich hohen Endpunkten

zeigt dies für unterschiedlich hohe AuflagepunkteP1 und P2 . Da in der Regel nicht die Bogenlänge l, sondern die Sehne LR von Interesse ist, muss auch noch eine

144

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

Durchhangreduktion berücksichtigt werden. Benötigt man außerdem die Horizontalprojektion L, so lässt diese sich einfach mit der zusätzlich gemessenen Größe β oder h berechnen.

4.2.1

Längenmessung mit frei hängenden Stahlmessbändern

Für die Praxis am wichtigsten sind die folgenden, jeweils in Metern zu nehmenden Korrektionen: (1) Kalibrierkorrektion und Temperaturkorrektion Ist L0 δ δ/L0 α t l

die Sollänge des Messbandes in m unter Normalbedingungen (z. B. 20◦ C), der durch Kalibrieren des Bandes bei Normalbedingungen erhaltene Überschuss über L0 in m, die auf 1 m bezogene Kalibrierkorrektion, der Ausdehnungskoeffizient des Bandes je m, die Bandtemperatur in ◦ C bei der Messung, die zu korrigierende Länge,

so lassen sich Temperatur- und Kalibrierkorrektion zusammenfassen zu (vgl. (4.1) und (4.2)): kk,t = l{δ/L0 + α(t − 20◦ C)};

(4.4)

α ist für Stahl 0,0115 · 10−3 . Die Temperaturkorrektion allein ist also für ein 20 mRollbandmaß aus Stahl bei t = 25◦ C kt = 0,23 · 10−3 (25 − 20) m = 1,15 mm. Auf 100 m und mit t = 5K würde kt also rund 6 mm ausmachen. Dieser Betrag liegt in der Größenordnung der bei Feinmessungen erstrebten Messungsgenauigkeit, er darf also nicht vernachlässigt werden. (2) Durchhangreduktion Wegen des Unterschiedes zwischen Kettenlinie und Sehne ist die Durchhangreduktion bei ungleicher Höhe der Bandenden (Abb. 4.3): rd = −

 l 3 p2 lp 2  2 2 cos β = − l − h2 ; 2 2 24P 24P

(4.5)

4.2 Längenmessung mit Stahlmessbändern und Drähten

p P

Masse pro Längeneinheit mal Erdbeschleunigung (kp/m), Zugkraft (N oder kp),

β h

Neigungswinkel der Sehne, Höhenunterschied der Endpunkte.

145

Bei gleich hohen Bandenden ist cos2 β = 1 und 2h2 = 0. In diesem Fall ist für unser 20 m-Rollbandmaß Pp = 4 · 10−3 mit p = 0,02 kp/m und P = 5 kp und damit die Verbesserung wegen Durchhangs rd0 =

−l 3 p2 −203 16 = = −5 mm. 24 P 2 24 106

Sind p und P unbekannt, so bestimme man durch Nivellement die Pfeilhöhe d0 des Durchhangs. Mit ihr ergibt sich bei d0 ≈

p l2 P 8

(4.6)

als Durchhangreduktion r d0 ≈ −

8 d02 . 3 l

(4.7)

Mit den obigen Ausgangsdaten für p, P und l errechnet sich nach (4.6) für unser 20 m-Band d0 = 20 cm; und wenn das in (4.7) eingesetzt wird, folgt wieder rd0 = −5 mm. Auf 100 m macht das 2, 5 cm aus; auf rd bzw. rd0 kann daher bei Feinmessungen nicht verzichtet werden. Wird das Band mit P = 10 kp gespannt, so gehen beide auf ein Viertel zurück. (3) Spannkraftkorrektion Bei verschiedenen Zugspannungen entstehen unterschiedliche elastische Dehnungen des Bandes. Bei einer Differenz zwischen Gebrauchs- und Bezugsspannung wird folgende Korrektion notwendig: kp =

l(P − P0 ) ; Q·E

P0

Zugspannung (z. B. 5 kp ≈ 50 N) beim Kalibrieren,

Q

Querschnitt des Bandes in cm2 ,

E

Elastizitätsmodul des Bandmaterials in N/cm2 .

(4.8)

146

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

Verwendet man z. B. bei einem 20 m-Messband mit (13 × 0,2) mm2 Querschnitt anstelle von 50 N eine Zugkraft von 80 N, so beträgt bei E = 2 · 107 N/cm2 die Korrektion

(80 − 50) · 20 · 103 N mm cm2 = 1,1 mm . kp = 1,3 · 0,02 · 2 · 107 N cm2 Für viele Anwendungsfälle genügt es folglich, wenn die Zugkraft mit einer Genauigkeit von 30 N eingehalten wird. (4) Alignementkorrektion wegen Messbandneigung sowie seitlicher Auslage Die Korrektionen berechnen sich nach (Abb. 4.4): a)

l 2 = h2 + (l − ka )2 ka (2l − ka ) = h2 ka ≈

b)

h2 ; 2l

(4.9)

ka = l(1 − cos β) = 2l sin2

l − ka

β . 2

ka

β

h l

Abbildung 4.4. Alignementkorrektion

Beträgt h z. B. 0, 2 m, so ergibt sich bei einer Messbandlänge von 20 m eine Korrektion von 1 mm. Für viele Anwendungsfälle reicht es daher aus, wenn die horizontale Lage des Bandes nach Augenmaß ermittelt wird. Zur Berechnung der Korrektionen und Reduktionen müssen p und P von vornherein bekannt sein, δ wird beim Kalibrieren ermittelt. l, t, β und h und gegebenenfalls d0 sind bei der Messung zu bestimmen. Nach Anbringung der Korrektionen und Reduktionen ist dann der horizontale Abstand zweier Messmarken P1 und P2 L = L0 + kk,t + rd + kp + ka .

(4.10)

4.2 Längenmessung mit Stahlmessbändern und Drähten

4.2.2

147

Rollbandmaße

Rollbandmaße aus Stahl (in DIN 6403 als Messbänder aus Stahl mit Aufrollrahmen ” oder Aufrollkapseln“ definiert) werden in Längen von 10, 20, 25, 30 und 50 m mit einem Querschnitt von etwa 13 × 0, 2 mm aus gewöhnlichem oder nicht rostendem Federbandstahl oder auch aus Invar gefertigt. Neuerdings werden sie auch mit einem Polyamidmantel (Nylon) versehen. Gewöhnlich sind die Bänder in m, dm und cm und im ersten Meter auch in mm geteilt. Ferner ist jedes Dezimeter beschriftet, so dass Ablesefehler kaum noch unterlaufen. Die Teilung ist entweder hoch- oder tiefgeätzt oder unverwischbar unter dem Polyamidmantel aufgebracht. Die Masse pro Längeneinheit beträgt z. B. bei den mit Nylon beschichteten Stahlmessbändern der Bayerischen Maßindustrie (BMI) und der Meywald KG übereinstimmend 18, 8 g je Meter. Für Messbänder aus Stahl wird als Ausdehnungskoeffizient 11, 5 · 10−6 K−1 und als Zugfestigkeit 1700 bis 1900 N/ mm2 angegeben. Für den Werkstoff nichtrostender Stahl gilt: 10 · 10−6 K−1 und 1600 bis 1800 N/mm2 . Am Anfang besitzen die Bänder einen Haltering; am Ende sind sie in einer Kapsel oder in einem Aufrollrahmen mit Kurbel befestigt, auf den die Bänder nach Gebrauch aufgerollt werden (Abb. 4.5). Der Nullpunkt der Teilung liegt meist an der Stoßstelle von Haltering und Band; besser ist eine Teilung, die 1 – 2 dm vom Haltering entfernt beginnt (Abb. 4.6).

Abbildung 4.5. Aufrollrahmen der BMI

Abbildung 4.6. Rollbandmaß mit Überteilung

148

4.2.3

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

Die Kalibrierung von Stahlmessbändern

Das Abgleichen kann mit einer für die meisten Fälle ausreichenden Genauigkeit in der Weise vorgenommen werden, dass eine etwa 100 m lange Vergleichsstrecke z. B. mit einem elektronischen Entfernungsmesser [4.3] bestimmt und dann mindestens einmal in jeder Richtung mit dem abzugleichenden Band gemessen wird. Die Gegenüberstellung der Ergebnisse liefert die Bandkorrektur; diese bezieht sich dann auf den ganzen Messvorgang, d. h. auf Messgerät und -verfahren. Bei höheren Genauigkeitsanforderungen führt man die Abgleichung der Bänder auf einem speziell hergerichteten Komparator aus, dessen Anfang und Ende durch Metallplatten mit Millimeterteilung definiert ist (Abb. 4.7). Für hohe Ansprüche kann man die Komparatorstrecke mit einem Interferometer ausmessen.

Komparatorlänge 0

0

Abbildung 4.7. Komparator zur Prüfung von Messbändern

Beispiel: Kalibrierung eines 20 m-Stahlmessbandes L20 Komparatorlänge: K = 20 m + 1,08 mm. Ablesung an der Millimeterteilung nach Einlegen des Bandes bei 5 kp Zug und t = 16◦ C ergab d = −1,5 mm. Mithin ist: L20 = K − 1,5 mm = 20 m − 0,42 mm bei t = 16 ◦ C. Ferner ist bei t = 20 ◦ C: L20 = 20 m − 0,42 mm − 20 · 0,0115(16 − 20) mm, bei t = t ◦ C: L20 = 20 m + 0,50 mm + 20 · 0,0115(t − 20) mm. Bei 10◦ C Temperaturzuwachs dehnt ein 20 m-Band sich um 2,3 mm aus, d. h. eine Strecke von 100 m würde um 11,5 mm zu kurz erhalten werden. Diese Beträge dürfen schon bei Messungen mittlerer Genauigkeit nicht vernachlässigt werden.

4.2.4

Präzisionsmessungen mit Drähten

Für feinste Streckenmessungen ist ein konstantes Verhalten der gesamten Messeinrichtungen von besonderer Bedeutung. In der Regel benutzt man Drähte aus Invar,

149

4.2 Längenmessung mit Stahlmessbändern und Drähten

einer Nickelstahllegierung, deren Wärmeausdehnungskoeffizient nahezu Null ist (Gigas 1934). Die Drähte werden durch Gewichte oder Federn einer gleichbleibenden Spannung unterworfen und normalerweise freihängend verwendet (Abb. 4.8). Damit der Durchhang gering bleibt, verwendet man Drähte mit kleinem Querschnitt. Bei der Messeinrichtung verzichtet man daher auf eine durchgehende Teilung. Im wesentlichen lassen sich folgende Messanordnungen unterscheiden:

1 2 G

3

1

5

G

2 4

5

4 L

Abbildung 4.8. Längenmessung mit frei hängenden Drähten

a) Entfernungsmessung mit Drähten fester Länge mit kleinen Maßstäben (8 cm) an beiden Enden. Die handelsübliche Länge der Drähte ist 24 m, ihre Dicke 1,65 mm. Die genaue Spannung wird durch Gewichte von meistens 10 kg hergestellt. Die zu messende Strecke, deren Neigung 3 gon nicht übersteigen soll, muss zuvor in Teilstrecken von rund 24 m unterteilt werden, deren jede mit mindestens 3 verschiedenen Drähten gemessen wird. Die in [4.2.1] beschriebenen Korrektionen sind mit großer Sorgfalt zu berücksichtigen. Wichtige Anwendungsbeispiele sind: – Messung von Basislinien. Genauigkeiten von 0,3 – 0,5 mm/ km lassen sich erzielen (Jordan-Eggert-Kneisel 1956). – Präzisionsmessungen bei Ingenieurvermessungen. Es werden Genauigkeiten von 0,03 mm/Bandlänge erreicht (Gervaise 1966; Löffler 1973). b) Bestimmung von Längenänderungen mit Drähten unbekannter aber konstanter Länge. Der Draht hat nur die Aufgabe, die Endpunkte einer Strecke zu verbinden. Die Längenänderungen brauchen dann nicht indirekt aus der Differenz großer Strecken abgeleitet zu werden, sondern lassen sich mit geringeren relativen Genauigkeitsanforderungen (10−2 bis 10−3 ) direkt bestimmen. Es gibt Messanordnungen mit und ohne Registrierung. – Ein Messsystem ohne Registrierung ist das Distometer ISETH der Firma Kern. Die Abb. 4.9 zeigt den Aufbau des Systems. Es besteht aus Messbolzen, dem Draht und dem Distometer als eigentlichem Messteil. Das Distometer lässt sich mit Drähten verschiedener Länge (1 bis 50 m) nacheinander an unterschiedlichen

150

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

Messplätzen einsetzen. Wie Abb. 4.10 zeigt, enthält das Messgerät zwei Uhren: eine dient der Längenmessung, die andere kontrolliert die Spannung des Drahtes. Die Strecken können beliebige Neigungen haben. Längenänderungen lassen sich mit einer Genauigkeit von 0, 02 mm /20 m und darüber hinaus mit 1 · 10−6 der Entfernung bestimmen (Kovari 1976; Kovari u. a. 1980). 7

1 3

4

6

2 5

8

Messbereite Distometer-Ausrüstung 1 Messbolzen, angeschweißt 2 Messbolzen, einbetoniert 3 Anschlussgelenk mit Halter für Drahtkupplung 4 Invardraht

5 Distometer ISETH 6 Drahtkupplung 7 Halter für Drahtkupplung am Distometer 8 Anschlussgelenk am Distometer

Abbildung 4.9. Aufbau des Distometer ISETH (Kern)

Abbildung 4.10. Messuhren des ISETH: (1) Längenmessuhr, (2) Messuhr zur Bestimmung der Zugkraft

– Messanordnungen mit Registrierung benutzen elektronische Analog/DigitalWandler in Verbindung mit elektronischen Speichern [19.5.3.3].

4.2.5

Genauigkeit der Längenmessung mit Bändern und Drähten

Die Fehler der Längenmessung treten teils regelmäßig, teils unregelmäßig auf. Zu den regelmäßig wirkenden Fehlern gehören unrichtige Länge der Messgeräte, Ausweichen aus der Geraden und aus der Horizontalen, Durchhang der Bänder usw. Unregelmäßige Fehler entstehen u. a. beim Aneinanderreihen der Bänder und beim Abloten; ferner beim Ablesen am Anfangs- und Endpunkt. Die unregelmäßigen Fehler wachsen gemäß [1.6.4] mit der Wurzel aus der Strecke, die regelmäßigen mit der Strecke selbst, und die Ablesefehler sind unabhängig von der Länge der Strecke. Im ungünstigsten Falle werden die drei Fehler-

4.3 Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen

151

bestandteile sich addieren. Man hat dann für den Gesamtfehler einer Strecke s den Ansatz √ dD = a s + bs + c.

4.3 4.3.1

Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen Grundlagen und Definitionen

Entfernungsmessverfahren mit elektromagnetischen Wellen, die in der Geodäsie zur Anwendung kommen, sind sowohl Mess- als auch Nachrichtenübertragungsverfahren, da der Messvorgang mit der Übertragung und Umformung eines Messwertes verbunden ist. Die elektromagnetischen Wellen werden von einem Anfangspunkt der Messstrecke ausgesendet und benötigen eine bestimmte Laufzeit bis zum anderen Endpunkt; diese Zeit wird gemessen. Es lassen sich prinzipiell alle elektromagnetischen Wellen verwenden [2.1.5]. Extrem kurze Wellen (wie z. B. ultraviolette Strahlen) scheiden jedoch aus, weil sie in der Atmosphäre zu stark absorbiert werden und ihre Reichweite daher gering ist. Sehr lange Wellenlängen lassen sich andererseits wegen ihrer geringen Bündelungsfähigkeit nicht verwenden. Die Bündelungsfähigkeit einer elektromagnetischen Welle ist ihrer Frequenz direkt proportional. Die Hersteller der Messgeräte sind daher bestrebt, möglichst kurze Wellenlängen zu verwenden. Vorwiegend kommen Mikrowellen, Wellen des sichtbaren Lichtes und Infrarot zum Einsatz. Bei Messungen unter Wasser nutzt man auch Schallwellen. Bei den sehr kurzen Wellen ist es problematisch, das vom Sender gesendete Signal zum Empfangszeitpunkt eindeutig zu detektieren. Man verwendet daher häufig die kurzwelligen Signale als Trägersignal und prägt diesen mit einem Modulationsverfahren Messsignale auf. Zum Teil arbeiten daher die Messverfahren mit Amplituden-, Phasen-, Polarisations- oder Impulsmodulation. Aus der Laufzeit bestimmt man mit Hilfe des Brechungsindexes der Atmosphäre die Distanz. Da der Brechungsindex eine Funktion des Ortes und der Zeit ist und sich folglich mit normalem Aufwand nur näherungsweise bestimmen lässt, begrenzt seine Erfassbarkeit wesentlich die Genauigkeit des Messverfahrens.

4.3.2

Messprinzipien elektronischer Distanzmesser

Elektronische Distanzmesser messen die Laufzeit t, welche ein Messsignal benötigt, um die auszumessende Distanz D zu durchlaufen. Die Distanz berechnet sich dann aus: D =c·t (4.11) mit c=

co . n

(4.12)

152

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

Dabei beschreibt c die aktuelle Ausbreitungsgeschwindigkeit der elektromagnetischen Wellen, co die Ausbreitungsgeschwindigkeit im Vakuum und n den Brechungsindex des Ausbreitungsmediums. Für die Laufzeitmessung werden die Messsignale den Trägerwellen aufgeprägt; einige Geräte messen die Laufzeit unmittelbar mit den Trägerwellen. Für elektrooptische Distanzmesser, die mit Trägerwellen des sichtbaren Lichtes oder Infrarot arbeiten, ist die Reichweite durch die Witterung begrenzt [2.1.4]; sie entspricht etwa der Sichtweite, d. h. bei dunstigem Wetter kann sie auf weniger als 100 m eingeschränkt sein. Mikrowellengeräte arbeiten unabhängig von der Witterung. Elektrooptische Distanzmesser setzt man für Distanzmessungen zwischen zwei Stationen auf der Erde, Mikrowellendistanzmesser für Distanzmessungen zu Satelliten ein. Die Messprinzipien sind in Abb. 4.11 wiedergegeben. Distanz R t

S

L

E

Impuls a)

Impuls S

b)

A

A

U

E

Ko

U

t



c)

φ

S

Ph

E ϕ

S

d)

R

U

A

A

E

U

Ph

φ

a), c) elektrooptische Distanzmessung b), d) Mikrowellengeräte

Abbildung 4.11. Prinzipien der Distanzmessung

Bei elektrooptischen Distanzmessern Abb. 4.11a und c befinden sich der Sender S und Empfänger E auf einer Station, auf der Gegenstation baut man einen Re-

4.3 Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen

153

flektor R (ein Prisma) auf. Beim Impulsverfahren (Abb. 4.11a) sendet der Sender durch Modulationsverfahren erzeugte Impulse aus, welche die zu messende Strecke durchlaufen, am Reflektor reflektieren und schließlich vom Empfänger empfangen werden. Zu dem Empfänger gelangt außerdem ein geringer Anteil des ausgesendeten Impulses unmittelbar. Ein hochgenauer Laufzeitmesser L bestimmt die Differenz der Laufzeit beider Impulse; diese entspricht der Zeit 2t, die der externe Impuls für das zweimalige Durchlaufen der Distanz D benötigt und muss daher noch halbiert werden. Geräte, die mit dem Phasenvergleichsverfahren arbeiten (Abb. 4.11c), sind ähnlich aufgebaut wie die Impulsentfernungsmesser. Hier wird mit einem Phasenmesser Ph die Differenz der Phasen φ gemessen, die das Messsignal im Sender und Empfänger hat. Die doppelte Laufzeit erhält man dann nach Division durch die Frequenz f des Messsignals: φ (4.13) 2t = . f Bei Mikrowellendistanzmessern befinden sich der Sender und Empfänger auf verschiedenen Stationen (Abb. 4.11b und d). Für das Aussenden und Empfangen der Messsignale benötigt man Antennen A. Sender und Empfänger müssen bei diesem Verfahren mit einer hochgenauen Uhr U gekoppelt sein; die Uhr im Sender bestimmt, wann die Signale gesendet werden, die Uhr im Empfänger die Empfangszeit. Da Sender und Empfänger sich auf getrennten Stationen befinden, erhält man hier unmittelbar die einfache Laufzeit t oder Phasendifferenz φ; Geräte des Typs b nutzen hierfür einen Korrelator Ko, Geräte des Typs d einen Phasenmesser Ph. Die Phasendifferenz besteht aus zwei Termen, einem ganzzahligen Vielfachen von 2π und einem Phasenreststück: φ = a · 2π + ϕ.

(4.14)

2π entspricht der Länge eines vollen Wellenzuges, a beschreibt die Anzahl der vollen Wellenzüge und ϕ ist die Phasendifferenz vom Ende des letzten vollen Wellenzuges bis zum Empfänger. Die gemessene Distanz erhält man durch Multiplikation mit λ/2π . Da bei elektrooptischen Distanzmessern die Strecke zweimal durchlaufen wird, gilt ϕ λ (elektroop. Distanzmessung) (4.15) 2D = aλ + 2π und bei Mikrowellengeräten, wo das Signal nur die einfache Strecke zurücklegt ϕ λ (mikrow. Distanzmessung) 2π Bei den elektrooptischen Distanzmessern gilt für die einfache Distanz D = aλ +

ϕ λ ϕ λ + · = aU + U. 2 2π 2 2π U wird als Maßstab bezeichnet. D=a

(4.16)

(4.17)

154

4.3.3

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

Grundlagen für elektrooptische Distanzmesser

(1) Eindeutigkeit der Distanzmessungen bei Phasenvergleichsverfahren Das Grundprinzip der Phasendistanzmesser ist in Abb. 4.11c dargestellt. Der Empfänger kann nur die Phasendifferenz ϕ messen. Damit ist nach (4.17) zunächst nur die Reststrecke ϕ λ λ · = r = rU (4.18) 2π 2 2 vom Ende des letzten vollen Wellenzuges bis zum Empfänger bekannt, wobei λ=

co . n·f

(4.19)

co = 299792, 5 km/s ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit elektromagnetischer Wellen im Vakuum und n der mittlere Brechungsindex längs der Strecke. Die Distanz D ist eindeutig bestimmbar, wenn sie nicht größer als die halbe Wellenlänge ist. Phasenmesser haben allerdings nur eine begrenzte Genauigkeit; diese beträgt etwa λ/4000 bis λ/8000. Arbeitet das Gerät z. B. mit einer Wellenlänge von 20 m und hat der Phasenmesser z. B. eine Genauigkeit von λ/4000, so löst er die Reststrecke mit einer Genauigkeit von 5 mm auf. Eindeutige Ergebnisse und eine hohe Genauigkeit lassen sich daher nur erzielen, wenn man den Messvorgang in einzelnen Schritten, jedoch je mit einer größeren Wellenlänge ausführt. Die Messung mit der kleinsten Wellenlänge bezeichnet man als Feinmessung, die weiteren als Grobmessung; entsprechend bezeichnet man den Maßstab, der sich aus der höchsten Messfrequenz ergibt als Feinmaßstab und die übrigen als Grobmaßstäbe. Ein Beispiel soll die schrittweise auszuführenden Messungen verdeutlichen: Messfrequenz

Wellenlänge

3. Messung

150 kHz

2000 m

2. Messung

1,5 kHz

200 m

1. Messung

15 MHz

20 m

789 88,2

Reststrecken  Grobmessungen

8,437 _________

Feinmessung

788,437m

Das Ergebnis erhält man schließlich, indem man zu der Feinmessung je die erste Ziffer der Grobmessungen hinzufügt. Es ist leicht zu erkennen, dass es jetzt völlig unbedeutend ist, wenn die einzelnen Messungen bei zunehmender Wellenlänge je um eine Zehnerpotenz ungenauer werden. Die Distanzmesser lassen sich einfacher und damit kostensparender bauen, wenn die einzelnen Maßstäbe indirekt aus möglichst dicht beieinanderliegenden Frequenzen gewonnen werden. Mit den Messfrequenzen f1 und f2 und den zugehörigen

4.3 Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen

155

Wellenlängen λ1 und λ2 ergibt sich mit (4.17) und (4.18) jeweils die doppelte Weglänge aus: 2D = a1 λ1 + r1 λ1 2D = a2 λ2 + r2 λ2 . Dividiert man beide Gleichungen durch ihre λi und subtrahiert man sie voneinander, so erhält man:

1 1 − = a2 − a1 + r2 − r1 2D λ2 λ1 bzw. (4.20) 2D = (a2 − a1 )λ2−1 + (r2 − r1 )λ2−1 wobei

λ 1 · λ2 λ1 − λ 2 . λ2−1 ist die Wellenlänge der Schwebung bzw. die Wellenlänge der Differenzfrequenz f2−1 = f2 − f1 . Da die ai ganze Zahlen sind, wird innerhalb der Weglänge λ2−1 =

2Do = λ2−1 der erste Term von Gleichung (4.20) Null. Dies bedeutet, dass in dem Fall sich die Strecke eindeutig aus (4.21) D = (r2 − r1 )λ2−1 /2 ergibt. Man berechnet nun also die Grobstrecke, indem man die mit λ2−1 /2 ermittelten Reststrecken subtrahiert. Führt man anstelle der Wellenlängen λ1 die Maßstabslängen Ui = λi /2 ein, so gilt für die einfache Entfernung D = (r2 − r1 )U2−1 mit U2−1 =

(4.22)

U2 · U1 . U1 − U2

Beispiel: f1 = 7,492700 MHz f2 = 7,434163 MHz f1−2 = 58,537 kHz

⇒ λ1 = 40,00 m ⇒ λ2 = 40,31 m ⇒

λ2−1 = Do ≈ 5000 m.

Die Strecke wird dann mit den Maßstäben U1 = 20 m (Feinmaßstab), U2−1 ≈ 2500 m (Grobmaßstab) gemessen, d. h. Eindeutigkeit der Messung ist über 2,5 km gegeben. Die einzelnen Messvorgänge steuert automatisch bei den Phasenvergleichsverfahren ein Mikroprozessor; dieser bildet auch aus den Teilergebnissen ein Gesamtergebnis und bringt zusätzlich weitere Korrekturen an.

156

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

(2) Definition der Nullpunktskorrektion Da die Parameter der Bauelemente temperaturabhängig sind, driftet die Phasenlage der Signale; es lässt sich daher mit Phasendifferenz- oder Impulsmessungen kein fester Anfangspunkt für die gemessene Distanz definieren. Man wiederholt daher die Messungen auf einer inneren Eichstrecke, indem ein geräteinterner Reflektor (Prisma) in den Strahlengang geschaltet wird (Abb. 4.12). Berechnet man anschließend die Distanz D  als Differenz D  = D2 − D1 des äußeren Weges D2 und inneren Weges D1 , so wirkt sich das Driften praktisch nicht mehr aus, wenn die Zeitspanne zwischen der äußeren und der inneren Messung sehr kurz ist. Die Distanz D  ist dann praktisch optisch-mechanisch definiert. Fällt

geräteinternes Prisma externes Prisma

Sender Empfänger

wirksame Reflexionsflächen Stehachse c1

D'1

Stehachse c2

D'2 D'

A

B

D

Abbildung 4.12. Definition der Nullpunktskorrektion

die wirksame Reflexionsfläche des geräteinternen Prismas nicht mit der Stehachse des Messgerätes zusammen und liegt die wirksame Reflexionsfläche des externen Prismas nicht in seiner Stehachse, so bilden die Abweichungen c1 und c2 die Nullpunktskorrektion: k0 = c1 + c2 . (4.23) Kapitel [4.3.5] beschreibt, wie sich die Nullpunktskorrektion bestimmen lässt. (3) Übertragung der Messsignale in der Atmosphäre Will man Distanzen mit hoher Genauigkeit messen, so kann der Sender die Messsignale nicht unmittelbar aussenden, da sich wegen ihrer größeren Wellenlänge die Ausbreitungseigenschaften nur ungenau erfassen lassen. Mit ausreichender Genauigkeit kann man die Ausbreitungseigenschaften elektromagnetischer Wellen höherer

4.3 Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen

157

Frequenzen (z. B. des Lichtes oder Infrarot) bestimmen. Man moduliert daher die Messsignale hochfrequenten Wellen – in diesem Zusammenhang Träger genannt – auf und sendet diese modulierten Träger. Bei den elektrooptischen Distanzmessern unterscheidet man zwischen Amplitudenmodulation und Impulsmodulation. Für die Übertragung der Messsignale eignen sich Lumineszenzdioden oder Laserdioden auf der Seite des Senders. In der Lumineszenzdiode (Abb. 4.13) sind zwischen zwei Kontakten Halbleiter (Gallium-Arsenid) angeordnet. Durch Einlagerung

Gießharzverguss

0,3 mm

p-Kontakt p-Gebiet (Ga) Übergangszone n-Gebiet (As) n-Kontakt Sockel

Abbildung 4.13. Wirkungsweise der Lumineszenzdioden

von Fremdatomen wird in der einen Hälfte der Diode ein Elektronenüberschuss (n-Gebiet) und in der anderen ein Elektronenmangel (p-Gebiet) erzeugt. In der etwa 10 μm starken Übergangszone haben sich freie Elektronen und Löcher vereinigt; die Übergangsschicht wirkt also als Sperrschicht. Wird nun eine Spannung im eingezeichneten Sinne angelegt, so bekommen die Elektronen und Löcher eine höhere Energie und werden in die Übergangsschicht geschwemmt, ein Vorgang, der als Energieinjektion bezeichnet wird. Die Ladungsträger vereinigen sich hauptsächlich an den Rändern der Übergangsschicht und geben die aus der Spannungsquelle stammende Energie in Form von Wärme und – hier von Interesse – als Lichtquanten ab. Die entstehende Lumineszenzstrahlung liegt im nahen Infrarot bei etwa 900 nm Wellenlänge. Liegen an der Diode unterschiedliche Spannungen, so fließen durch die Diode unterschiedliche Injektionsströme. In Abhängigkeit von der Stärke des Injektionsstroms entstehen unterschiedliche Strahlungsleistungen. Diesen Zusammenhang beschreibt die in Abb. 4.14 dargestellte Kennlinie der Diode. In einem bestimmten Bereich verläuft die Kennlinie geradlinig. Erzeugt die angelegte Wechselspannung Injektionsströme, die innerhalb des geradlinigen Bereichs der Kennlinie liegen, so werden die Spannungen linear in Intensitätsschwankungen des infraroten Trägers umgesetzt. Sinusförmige Spannungsschwankungen erzeugen sinusförmige Stromschwankungen und diese wiederum eine sinusförmige Amplitudenmodulation des Trägers. Abb. 4.15a zeigt ein sinusförmiges Messsignal und Abb. 4.15b den

158

rel. Strahlungsleistung

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

1, 0

mA Injektionsstrom

Abbildung 4.14. Kennlinie einer Lumineszenzdiode

Amplitude a)

Messsignal t

b)

A t

c)

A

Träger mit Amplitudenmodulation

Impulsmodulation t

Abbildung 4.15. Amplituden- und Impulsmodulation eines Trägers

mit diesem Messsignal amplitudenmodulierten Träger. Man erkennt, wie sich bei der Amplitudenmodulation die Amplitude des Trägers im Rhythmus des Messsignals ändert. Bei der Impulsmodulation wird in bestimmten Zeitabständen der Träger immer wieder für eine kurze Zeit mit konstanter Amplitude gesendet (Abb. 4.15c). Diese Form der Modulation entsteht, wenn in bestimmten Zeitabständen immer wieder für eine kurze Zeitspanne an die Diode eine konstante Spannung gelegt wird. Laserdioden sind ähnlich aufgebaut wie die Lumineszenzdioden. Sie haben eine höhere Strahlungsleistung als Lumineszenzdioden. Nachdem das Signal zu dem Empfänger übertragen ist, muss es dort wieder vom Träger getrennt werden. Den Vorgang nennt man Demodulation. Für die Demodulation eignen sich z. B. Fotodioden und Avalanche-Dioden. Fotodioden sind Halbleiterbauelemente (Abb. 4.16). Die Spannung wird an die pn-Elemente in Sperrichtung gelegt. Ohne Lichteinfall hat die Diode einen großen

159

4.3 Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen

Lichtquanten p-Kontakt p-Gebiet n-Gebiet n-Kontakt

Abbildung 4.16. Wirkungsweise einer Fotodiode

Widerstand und lässt praktisch keinen Strom fließen. Bei Lichteinfall entstehen durch Absorption von Lichtquanten Elektronen-Lochpaare. Diese werden durch das innere elektrische Feld der Übergangszone und die anliegende Spannung getrennt und erzeugen in dem äußeren Kreis einen Strom. Einen besonders hohen Wirkungsgrad haben Avalanche-Fotodioden. Die Kennlinie einer Fotodiode zeigt Abb. 4.17. Sie verläuft in einem größeren Bereich weitgehend geradlinig. Fotodioden können daher weitgehend linear sinusförmig amplitudenmodulierte Lichtsignale in elektrische Signale umwandeln.

Sperrstrom

mA

Lx Beleuchtungsstärke

Abbildung 4.17. Kennlinie einer Fotodiode

Avalanche-Fotodioden sind ähnlich aufgebaut wie Fotodioden. Sie weisen ein günstigeres Signal-Rausch-Verhältnis auf.

4.3.4 Vereinfachte Modelle elektrooptischer Distanzmesser Nach [4.3.3] eignen sich als Träger der Messsignale elektromagnetische Wellen aus dem Bereich des Infrarots oder sichtbaren Lichtes. Zu einem technisch verhältnismä-

160

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

ßig einfachen Geräteaufbau kommt man, wenn man als Träger die infrarote Strahlung wählt und sich auf Entfernungen bis zu 5 km beschränkt. Die Geräte lassen sich dann sehr leicht, klein und preisgünstig bauen. (1) Distanzmesser mit Phasenvergleichsverfahren Das nachstehende Blockschaltbild (Abb. 4.18) zeigt einen Distanzmesser, der mit dem Phasenvergleichsverfahren arbeitet.

Filterscheibe

Motor

Frequenz-Synthesizer Sender Master Osz. f1 , f2

Power

PLL Slave Osz.

innerer Lichtweg

Memory, RAM, Flash,...

Laser

fNR

äusserer Motor Lichtweg

Mikroprozessor Temp. Sensor

f1 , f2 Daten

Umschalter

APD

f1 , f2

Mischstufe

Niederfrequenzsignal Empfangsverstärker, Filter

Peripherie Anzeige, Tastatur, Datenschnittstelle

AD-Wandler

Abbildung 4.18. Blockschaltbild eines elektrooptischen Distanzmessers mit Phasenmessprinzip (Leica)

Das Trägersignal entsteht in einer Laserdiode. Ein Frequenz-Synthesizer erzeugt zwei sinusförmige Messsignale mit den Frequenzen f1 und f2 , wobei die zweite aus der ersten digital abgeleitet wird: f2 = f1 − f1 /128. Mit diesen Frequenzen wird nacheinander die Laserdiode gesteuert, wodurch dem Laser Amplitudenmodulation aufgeprägt wird. Die den Frequenzen entsprechenden Messsignale gelangen über den äußeren und inneren Lichtweg mit dem Träger zu einer Avalanche-Fotodiode (APD), werden dort vom Träger getrennt und in elektrische Signale umgewandelt. Zwei teildurchlässige Spiegel trennen den äußeren und inneren Lichtweg und sorgen dafür, dass über den inneren Lichtweg nur ein Bruchteil der Energie des Lasers

161

4.3 Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen

gelangt. Das Umschalten zwischen dem inneren und äußeren Lichtweg bewirkt ein Prismensystem (Abb. 4.19), welches von einem Motor in Rotation versetzt wird. Der

Laser für reflektorlose Messung

Laser für reflektorunterstützte Messung

Empfangsdiode

Motor Reflektor, Zielobjekt

äußerer/innerer Lichtweg

Fernrohr

Abbildung 4.19. Sender eines elektrooptischen Distanzmessers (Leica)

Mikroprozessor des Distanzmessers steuert den Motor. Von der APD gelangen die Signale in einer vom Mikroprozessor vorgegebenen Reihenfolge auf eine Mischstufe. Der Synthesizer liefert der Mischstufe zwei weitere Signale, deren Frequenzen f1 und f2 ebenfalls von der Grundfrequenz f1 abgeleitet werden: f1 = f1 − f1 /4096, f2 = f2 − f1 /4096. Mit diesen Frequenzen können jetzt die Messsignale nacheinander in niederfrequente Signale (f1 − f1 ) und (f2 − f2 ) umgewandelt werden, wobei gilt: (f1 − f1 ) = (f2 − f2 ) = fN . Bei der Umwandlung in die niedere Frequenz fN bleibt die Phaseninformation der Messsignale erhalten; die Transformation in die Niederfrequenz bringt den Vorteil, dass nun einfache digitale Schaltkreise für die eigentliche Phasenvergleichsmessung eingesetzt werden können. Von der Mischstufe gelangen die Niederfrequenzsignale auf einen Verstärker und von dort auf einen ADWandler. Das an demAD-Wandler anliegende Signal fN wird durch diesen abgetastet und die Daten fortlaufend in einem Speicher (RAM) des Mikroprozessors abgelegt. In dem Frequenz-Synthesizer wird zusätzlich aus der Musterfrequenz f1 ein niederfrequentes Referenzsignal fNR erzeugt und ebenfalls an den Mikroprozessor weitergegeben; hierdurch sind für die Abspeicherung der über den äußeren und inneren Lichtweg gesendeten Signale Zeitmarken gegeben (Abb. 4.20). Durch eine Fouriertransformation oder andere rechnerische Auswertemethoden können jetzt vom Mikroprozessor die Phasendifferenzen ϕ ermittelt werden, welche die über den äußeren und inneren Lichtweg gesendeten Signale relativ zum Referenzsignal

162

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

Amplitude

Referenzsignal fRN

Signal vom äußeren oder inneren Lichtweg fN

t





Abbildung 4.20. Phasendifferenz zwischen dem Referenz- und Messsignal

erfahren haben. Die ϕ werden so häufig gemessen, bis sich durch Mittelbildungen eine ausreichende Genauigkeit erzielen lässt. Je nachdem, welche Witterungsverhältnisse vorliegen, wird das über den äußeren Lichtweg verschieden stark gesendete Signal unterschiedlich gedämpft. Höhere Messgenauigkeiten lassen sich jedoch erzielen, wenn das Signal immer mit gleicher Signalstärke von der APD empfangen werden kann. In dem äußeren Lichtweg befindet sich daher noch eine Filterscheibe, welche von einem Motor gedreht wird. Je nach Umdrehungsgeschwindigkeit des Motors kann mit dieser Scheibe die Intensität des gesendeten Lichts reguliert werden. Die Umdrehungsgeschwindigkeit steuert der Mikroprozessor, welcher die Informationen für den Regelvorgang von der APD erhält. Dank der Miniaturisierung der elektronischen Bausteine können in einen Sender zwei verschiedene Laserdioden eingebaut werden, wobei eine für reflektorunterstützte Messungen und eine zweite für reflektorlose genutzt werden kann. Die Dioden können durch einen Spiegel oder ein Prisma wahlweise in den Strahlengang des Senders geschaltet werden (Abb. 4.19). Eine Distanzmessung besteht, wie das nachfolgende Beispiel zeigt, aus vier Messabschnitten [4.3.3(1)]: ! 1. n Phasenmessungen intern mit f1 und f1 ϕ1 2. n Phasenmessungen extern mit f1 und f1 3. n Phasenmessungen intern mit f2 und f2 4. n Phasenmessungen extern mit f2 und f2

! ϕ2

Das Ergebnis der internen Phasenmessung wird jeweils von dem der externen subtrahiert, wobei sich zwei Phasenmesswerte ϕ1 und ϕ2 ergeben. Aus diesen erhält man nach (4.18) die Reststrecke r1 und r2 . Das Ergebnis der Feinmessung lautet dann r1 · U1 und das der Grobmessung ergibt sich nach (4.22) aus (r2 − r1 )U2−1 , wobei

163

4.3 Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen

U1 der Maßstab der Frequenz f1 und U2−1 der indirekt aus den Frequenzen f2 und f1 nach (4.22) gebildete Maßstab ist. Beide Ergebnisse werden schließlich, wie in Tab. 3.1 (S. 108) dargestellt, zum Gesamtergebnis zusammengesetzt. Die Steuerung des gesamten Messvorganges und die Berechnungen besorgt der Mikroprozessor. (2) Distanzmesser mit Impulsverfahren Abb. 4.21 zeigt als Beispiel das vereinfachte Blockschaltbild von einem Distanzmesser, der mit dem Impulsverfahren arbeitet. Frequenzkontrolle M

Ref. Osz.

Display

μP Keyboard

GSI 12V

Start

LM

A/D

Sender

M Stop

Empfänger

Kontrolle

Spannungsversorgung

Abbildung 4.21. Blockschaltbild eines Distanzmessers, der mit dem Impulsverfahren arbeitet (A/D: Analog/Digital-Wandler; LM: Laufzeitmesser) (Leica)

Der Sender sendet einen Impuls, der über die Strecke läuft, an einem Prisma reflektiert und schließlich vom Empfänger aufgenommen wird. Zum Sendezeitpunkt startet der Impuls einen Laufzeitzähler und zum Empfangszeitpunkt stoppt er diesen (Abb. 4.22). Die Referenzfrequenz für das Auszählen der Laufzeit liefert der Referenzoszillator. Die von dem Laufzeitzähler gezählte Anzahl der Signalperioden ist ein Maß für die Laufzeit. Bei dem Zählvorgang bleiben die Restzeiten ta und tb unberücksichtigt, denn die Laufzeit beträgt insgesamt tm = n · T + ta − tb , mit T: n:

Schwingungsdauer einer Signalperiode, Anzahl der gezählten Signalperioden.

164

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

tm = n · T + ta − tb

Start

tm

Ref. Osz ta

n·T

tb

TAC Empfängersignal B Stop

Abbildung 4.22. Impulsplan eines Impulsentfernungsmessers (Leica)

Die Restzeiten werden mit einem Zeit-Spannungswandler bestimmt. In den Zeitspannen 1 – 2 und 3 – 4 wird ein Kondensator durch einen konstanten Strom kontinuierlich aufgeladen. Da eine Periode T einer bestimmten Spannung entspricht, können die Restzeiten aus den Spannungsverhältnissen ta /T und tb /T berechnet werden. Die Form des Impulses wird leicht durch Luftturbulenzen, Luftflimmern und ähnliche Einflüsse verzerrt. Der Empfänger muss folglich in der Lage sein, auch gestörte Impulse ohne Laufzeitfehler zu verarbeiten. Ein Lösungsweg besteht darin, mit dem empfangenen Lichtimpuls einen Schwingkreis anzustoßen. Ein zuvor definierter Nulldurchgang (z. B. der zweite) kann jetzt unabhängig von der Signalamplitude von einem Komparator detektiert und als Stop-Signal genutzt werden. Die Distanzmessgenauigkeit der zuvor beschriebenen Distanzmesser kann allgemein mit 1, . . . , 5 mm +1, . . . , 5 ppm angegeben werden, wenn auf der Gegenstation sich ein Prisma befindet. Die Genauigkeiten sind etwas geringer, wenn das Lasersignal an natürlichen Oberflächen reflektiert wird; (vgl. z. B. Tab. 5.5) die Problematik der Impulsverarbeitung wird für diese Bedingungen z. B. in (Wagner u. a. 2003) beschrieben. (3) Distanzmessung mit Interferometern Höhere Genauigkeiten erzielt man, wenn die Distanzen unmittelbar mit den Trägerwellen bestimmt werden. Dies gelingt mit Interferometern. Mit einem Michelson Interferometer lassen sich jedoch normalerweise nur kurze Punktabstände bestimmen, da bei längeren Distanzen Luftturbulenzen die Messungen stören. Man erhält den Abstand zweier Messpunkte als ganzzahliges Vielfaches von λ/4, wenn λ die Wellenlänge der Lichtquelle (z. B. eines Lasers) ist, die eine große Kohärenzlänge und hohe Langzeitstabilität der Frequenz aufweisen muss (Kahmen 1978).

165

4.3 Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen

Größere Reichweiten, bis zu 60 m , erzielt man mit Interferometern, die für die Distanzauswertung das Dopplerprinzip nutzen. Ein solches Doppler-Interferometer wird nachfolgend beschrieben (Abb. 4.23). Als Längenstandard dient die Wellenlänge eines He-Ne-Lasers. Durch den Einfluss eines axial liegenden Magnetfeldes wird die dem Laserübergang entsprechende Neonlinie in zwei Teillinien entgegengesetzter zirkularer Polarisation mit den Frequenzen f1 und f2 aufgespalten (ZeemannEffekt). Die Differenzfrequenz ist eine Funktion der magnetischen Feldstärke und optisch mechanischer Baustein fester Reflektor F1 f2

Zwei-Frequenz Zeemann Laser

bewegliches Objekt mit Reflektor optische Filter f1

F2 f1 ± f

f1 : f2

f1 : f2 ± f

Referenz-Fotodiode

Mess-Fotodiode

Referenz-Signal f1 _ f 2 1, 8 MHz

f1 − f2 ± f Doppler Signal (1, 8 ± 1, 55 MHz)

Verstärker und Trigger

Frequenzverdoppler

Frequenzverdoppler Zähler 3, 6 ± 3, 1 MHz

Rechner n-Korrektur

Subtraktor Zähler 3, 6 MHz

v = f · λ/4 " s = λ/4 f dt

Anzeige

Abbildung 4.23. Laser-Doppler-Interferometer

beträgt bei dem beschriebenen Gerät 1, 8 MHz1 . Der Zwei-Frequenz-Laser ermöglicht eine Frequenzstabilisierung, bei der das Gerät sofort betriebsbereit ist und keine 1 Die Längeneinheit des Interferometers ist eigentlich die Wellenlänge λ 01 einer der ZEEMANNLinien. Die Abweichung von der Wellenlänge λ0 der ursprünglichen Neonlinie ist jedoch so gering [λ01,02 = λ0 (1 ± 2 · 10−9 )], dass ohne Genauigkeitsverlust mit λ0 gerechnet werden kann.

166

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

Anheizzeit benötigt. Ein Servosystem vergleicht die Intensität der beiden Teillinien und korrigiert mit dem aus der Differenzmessung gewonnenen Fehlersignal die Länge des Resonators. Die beiden Teilstrahlen gelangen über ein strahlverbreiterndes Teleskop in das Interferometer. Mit zwei Polarisationsfiltern (F1 , F2 ) werden sie dort voneinander getrennt und jeweils einem Arm des Interferometers zugeführt. Bewegt man den externen Reflektor, so erfährt f1 je nach Bewegungsrichtung eine Dopplerverschiebung um ±f . Der von dem festen Reflektor zurückkommende Referenzstrahl mit der Frequenz f2 und der dopplerverschobene Messstrahl (f1 ± f ) überlagern sich interferometrisch. Sie werden in einer Fotodiode gemischt, wobei die Differenzfrequenz (f1 − f2 ± f ) entsteht. Die Differenzfrequenz liegt in dem Bereich von 1, 8 ± 1, 55 MHz. Vor dem Interferometer trennt ein weiterer Strahlteiler einen kleinen Teil der Zwei-Frequenz-Laserstrahlung ab. In einer zweiten Diode wird daraus das konstante Referenzsignal (f1 − f2 ) gemischt. Beide Signale werden über Wechselstromverstärker geführt, zur Erhöhung der Auflösung verdoppelt und die Perioden in getrennten Vorwärtszählern gezählt. Die Subtrahiereinheit bildet laufend die Differenz f der beiden Zähler. Sie ist positiv, wenn der Reflektor in Richtung auf das Interferometer bewegt wird und negativ bei entgegengesetzter Bewegung. Ein kleiner eingebauter Computer berechnet die Verschiebungsgeschwindigkeit des Reflektors sowie die Längenänderung der Messstrecke und berücksichtigt die Änderung der Wellenlänge in Abhängigkeit von dem Brechungsindex der Luft: λ0 =λ (λ0 = 0, 6328 μm). n Für die Geschwindigkeitsmessung kann der Inhalt des Subtraktors in kurzen Zeitabständen abgefragt werden. Beträgt das Intervall 1s und der Zuwachs des Subtraktors f , so gilt nach dem Dopplerprinzip für die Geschwindigkeit des Prismas (Kahmen 1978): vb = ±f · λ/4. Wegen der Frequenzverdopplung beträgt die Grundeinheit hier λ/4. Sollen Geschwindigkeitsänderungen – z. B. bei Schwingungen – ermittelt werden, so kann das Intervall weiter verkürzt werden. Mit einem Fourier-Analysator lässt sich gleichzeitig das Schwingungsspektrum ermitteln und aufzeichnen. Die Umwandlung der Geschwindigkeit in Längen erfolgt in dem Rechner automatisch, indem er die einzelnen Beträge f · λ/4 während der ganzen Messzeit aufaddiert. Er bildet so das Zeitintegral der Geschwindigkeit, und damit die Längenänderung  λ f dt. s = 4 Durch digitale Phaseninterpolation kann eine Auflösung von 0,01 μm erreicht werden. Für Geschwindigkeitsmessungen beträgt die obere Messgrenze 0,3 m/s bei

4.3 Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen

167

einer Auflösung von ±0,002 mm/s. Bisher konnten Entfernungen von mehr als 60 m überbrückt werden. Die geringere Empfindlichkeit gegen Luftturbulenzen beruht wesentlich darauf, dass die Bewegungsänderungen in Frequenzänderungen (Frequenzmodulation) umgewandelt und die Geschwindigkeit oder Streckenänderung über eine Frequenzmessung ermittelt wird. Frequenzmessungen sind gegenüber Amplitudenänderungen, wie sie z. B. durch Luftturbulenzen und Erschütterungen hervorgerufen werden, weitgehend unempfindlich. Interessante Einsatzgebiete sind u. a. das Kalibrieren von Messgeräten [12.7]; die Überwachung geometrischer und kinematischer Eigenschaften von Bauwerken mit einem Interferometer beschreibt (Grüner 1996).

4.3.5

Instrumentelle Fehlerquellen; Kalibrierung

(1) Beschreibung der instrumentellen Fehlerquellen Bei der Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen müssen zwei instrumentelle Fehler berücksichtigt werden: der Nullpunktsfehler ist bereits in [4.3.3(2)] dargestellt, der Maßstabsfehler entsteht durch Abweichungen der Messfrequenz von ihrem Sollwert. Der Sollwert der Messfrequenz f0 (Modulationsfrequenz) wird von dem Hersteller so gewählt, dass die Wellenlänge des Messsignals bei einem gewissen Durchschnittswert n0 für den Brechungsindex ein Rundes Maß (z. B. 20 m) annimmt: λ0 =

c0 . n0 f0

(4.24)

Wovon die Wahl des Wertes n0 abhängt, wird in [4.3.7] begründet. Abweichungen der Sollfrequenz f0 verfälschen die Länge von λ0 um dλ0 = −

c0 df0 f0 − f = −λ0 . n0 · f 0 f 0 f0

(4.25)

Die am Gerät unter Normalbedingungen abgelesene Distanz D0A = 21 (a · λ0 + λ0 ) muss daher um den Korrekturwert, die Frequenzkorrektur, kf = D A

f0 − f f0

(4.26)

verbessert werden.2 DA ist die am Gerät unter aktuellen Bedingungen abgelesene Distanz. 2 Eigentlich muss anstelle von D A die am Gerät unter Normalbedingungen (n = n ) abgelesene 0 Distanz D0A eingesetzt werden. Die in (4.26) beschriebene Lösung ist jedoch immer genau genug.

168

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

(2) Kalibrierung Die Kalibrierung der Modulationsfrequenz kann nur mit einem speziellen Frequenzprüfgerät durchgeführt werden. Der relative Frequenzfehler df0 /f0 beträgt bei den meisten Distanzmessern 1, . . . , 3 · 10−6 . Für eine 1 km lange Strecke bleibt dann die Korrektur auf 1 bis 3 mm begrenzt. Die Kalibrierung der Nullpunktsfehler setzt voraus, dass die am Gerät abgelesenen Distanzen D A bereits keine Maßstabsfehler mehr enthalten. Es müssen also an die Ablesungen die Frequenzkorrektur (Gleichung 4.26) und die in [4.3.7] noch herzuleitende Brechungsindexkorrektur (Gleichung 4.36) bereits angebracht seien. In der Regel genügt dazu eine sehr einfache Anordnung (Abb. 4.24). D1

D2 D

Abbildung 4.24. Einfache Überprüfung der Nullpunktskorrektion

Wenn kein Maßstabsfehler mehr vorliegt, gelten die Gleichungen: D = k0 + D A woraus folgt:

und

D = D1 + D2 = k0 + D1A + k0 + D2A ,

  k0 = D A − D1A + D2A .

(4.27)

Eine Neubestimmung der Nullpunktskorrektion und ihres Genauigkeitsmaßes erfordert eine größere Anzahl von Kalibrierungsmessungen. Diese lassen sich am einTeststrecke Messung in allen Kombinationen

Abbildung 4.25. Teststrecke und Messanordnung für die Neubestimmung der Nullpunktskorrektion eines Entfernungsmessers

fachsten auf einer mehrfach unterteilten Teststrecke ausführen (Abb. 4.25). Die Teststrecke sollte folgenden Anforderungen genügen:

169

4.3 Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen

– Die einzelnen Strecken sollten möglichst den gesamten in der Praxis vorkommenden Messbereich gleichmäßig überdecken, um auch distanzabhängige Einflüsse einzubeziehen. – Die Endmaße der Teilstrecken sollten über den Feinmaßstab des Gerätes gleichmäßig verteilt sein. – Die Soll-Maße sind mit einem Entfernungsmesser höchster Genauigkeit zu bestimmen. Normalerweise wird man allerdings wegen örtlicher Gegebenheiten und um den Einfluss eines fehlerhaft erfassten Brechungsindexes gering zu halten, die Gesamtstrecke < 1 km wählen. In der Regel wird dabei die Kennlinie der Messgeräte ausreichend genau erfasst. Zu einer größeren Anzahl von Vergleichsmessungen kommt man, wenn die Messungen in allen Kombinationen ausgeführt werden (Abb. 4.25). Die Auswertung der Messergebnisse führt man geeignet in zwei Schritten durch: (1) Graphische Darstellung der Differenzen D (Soll-Wert minus Ist-Wert) in Abhängigkeit von der Distanz D, (2) Bestimmung der Parameter der Kennlinie und der Genauigkeitsmaße durch ein Ausgleichungsverfahren. Abb. 4.26 zeigt typische Untersuchungsergebnisse. In Beispiel (a) handelt es sich um einen sehr sorgfältig kalibrierten Entfernungsmesser. Seine Kennlinie verläuft horizontal und fällt mit der Nullinie zusammen. Im Fall (b) weist die Nullpunktskorrektion im Bereich von 100 m einen Sprung auf. Es ist außerdem noch ein geringer Maßstabsfehler vorhanden.

D mm

Beispiel (a)

2 0 _2

300

m 600

Beispiel (b)

2

m

0 _2

300

600

Abbildung 4.26. Fehlerkurven unterschiedlicher Entfernungsmesser

170

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

4.3.6 Ausbreitung der Signale in der Troposphäre Als Troposphäre bezeichnet man die Lufthülle zwischen der Erdoberfläche und etwa 16 km Höhe. Die Troposphäre hat die größte Ausdehnung am Äquator und an den Polen reduziert sie sich zu einer Höhe von 9 km. In diesem Bereich von 0 bis 9 bzw. 16 km Höhe lagern etwa 90% der Atmosphärenmasse. Das gesamte Wettergeschehen spielt sich hier ab, was starke örtliche und zeitliche Schwankungen der Werte für den Luftdruck, die Lufttemperatur und den Wassergehalt der Luft bedingt. Licht- und Mikrowellen eignen sich besonders als Träger für die elektronische Distanzmessung [2.1.5]. Elektromagnetische Wellen werden auf ihrem Ausbreitungsweg durch die Beschaffenheit der Troposphäre unterschiedlich beeinflusst: die Amplitude, Geschwindigkeit und Phase können Veränderungen erfahren. Ein Medium, in dem die Ausbreitungsgeschwindigkeit frequenzabhängig ist, bezeichnet man als dispersives Medium. Die Troposphäre ist für Lichtwellen, nicht jedoch für Mikrowellen ein dispersives Medium. Das Verhältnis zwischen der Ausbreitungsgeschwindigkeit c0 im Vakuum und der c im realen Medium beschreibt der Brechungsindex n=

c0 . c

(4.28)

Anstelle des Brechungsindexes verwendet man in Formeln auch die Brechzahl N = (n − 1) · 106 .

(4.29)

Die Brechzahl für Mikrowellen berechnet sich in der Troposphäre nach der Formel von Smith und Weintraub (1953) zu

77,6 4810 p+ e (4.30) NM = T T mit p

Luftdruck [hPa]

e

Partialdruck des Wasserdampfes [hPa]

T

Temperatur [K].

Da die Troposphäre für die Lichtwellen ein dispersives Medium ist, muss hier zwischen dem Phasenbrechungsindex nPh und Gruppenbrechungsindex nGr unterschieden werden. Der Phasenbrechungsindex gilt für monochromatische Wellen und der Gruppenbrechungsindex für zusammengesetzte Signale, z. B. modulierte Träger. Die nachfolgend beschriebenen Messverfahren der elektrooptischen Distanzmessung arbeiten mit modulierten Trägerwellen. Es soll daher hier auch nur auf den

171

4.3 Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen

Gruppenbrechungsindex für Licht eingegangen werden. Für den Gruppenbrechungsindex nGr des Lichtes in trockener Luft und Normalatmosphäre (T = 273 K, P = 1013,25 hPa, 0,03% CO2 Gehalt) gilt die Formel von Barrel und Sears (Barrel, Sears 1939): 1,6288 0,0136 +5· , (4.31) (nGr − 1) 106 = 287,604 + 3 · λ2 λ4 wobei λ in μm zu nehmen ist. Dieser Wert ist noch umzurechnen auf den Luftzustand bei der Messung (t ◦ C Temperatur, p hPa Luftdruck, e hPa Dampfdruck) nach der Formel von Kohlrausch (nL − 1) = 98,7 · 10−5

4,1 · 10−8 (nGr − 1) e; p− 1 + αt (1 + αt)

α = 0,003661,

(4.32)

mit e = E  − D · p(T − T  ).

(4.33)

In (4.33) bezeichnen D: eine Konstante (0,000662 bei Messungen über Wasser; 0,000583 bei Messungen über Eis), E  : den Sättigungsdampfdruck bei der Temperatur des feuchten Thermometers und T  : die Feuchttemperatur. Für die Berechnung des Sättigungsdampfdruckes benutzt man normalerweise die Formel von Magnus-Tetens: log E  =

αt  + γ. t + β

Dabei sind: über Wasser α = 7,5 und β = 237,3; über Eis ist α = 9,5 und β = 265,5; γ beträgt stets 0,7857; t  : Feuchttemperatur in ◦ C. Abweichungen der errechneten Brechungsindizes nM und nL von der Gerätekonstanten n0 erfordern Korrektionen, die in [4.3.7] genauer beschrieben sind. Setzt man (4.33) in (4.30) und (4.32) ein, so erhält man nach Differentiation von (4.30) und (4.32) folgende Fehlerformel: dnL · 106 = −1,00 dT + 0,28 dp, wenn T = 288 K (t = 15 ◦ C), T − T  = 4 K, p = 1000 hPa (Durchschnittswerte). Bei der Berechnung von nL hat die Feuchttemperatur in der Regel nur untergeordnete Bedeutung. Bei Temperaturen T = 303 K (t = 30 ◦ C) und einer relativen Feuchte 60% ist der Einfluss 1 · 10−6 .

172

4.3.7

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

Korrektionen wegen fehlerhaften Brechungsindexes

Wie bereits in [4.3.5 (1)] gezeigt wurde, wird vom Hersteller die Wellenlänge λ0 für die Feinmessung so festgesetzt, dass sie ein rundes Maß annimmt. Dies ist nur möglich, wenn für die zugehörige Messfrequenz eine Sollfrequenz f0 und für den Brechungsindex n0 Normalbedingungen definiert werden. Die Normalbedingungen für den Brechungsindex, Durchschnittswerte für die Lufttemperatur, die Luftfeuchtigkeit und den Luftdruck, wählt man so, dass sie etwa den mittleren Werten in den Jahreszeiten entsprechen, in denen vorwiegend Messkampagnen ausgeführt werden. Die am Gerät angezeigte Distanz beträgt dann nach (4.11) und (4.12) DA =

c0 t, n0

(4.34)

wenn t die Laufzeit für die einfache Strecke ist und Normalbedingungen (n = n0 ) angenommen werden. D A soll bereits wegen Frequenz- und Nullpunktsfehlern [4.3.5] korrigiert sein. Ist längs der Strecke jedoch ein mittlerer Brechungsindex n gegeben, so ist die wirkliche Länge der Bahnkurve D= Die Differenz beider Distanzen ist kn = D − D = c0 t A



c0 t. n

1 1 − n n0

(4.35)

= c0 t

n0 − n n =D n · n0 n

bzw. kn ≈ D A (n0 − n).

(4.36)

Die am Gerät abgelesene Distanz muss daher um den Korrekturwert kn verbessert werden. Wie (4.36) zeigt, wirken sich Fehler des Brechungsindex als Maßstabsfehler aus. Die gemessene korrigierte Distanz beträgt dann mit (4.26), (4.27), und (4.36): D = D A + k0 + kf + kn .

4.3.8

(4.37)

Geometrische Reduktionen

Der mit (4.37) erhaltene Wert D ist genau genug ein Kreisbogen mit dem Halbmesser r zwischen den Endpunkten mit den Meereshöhen H1 und H2 [2.1.3]. Der Bogen ist schrittweise zu reduzieren (Abb. 4.27), und zwar: wegen der Bahnkrümmung mit rK auf die – schräge – Sehne S R ; wegen der Neigung und Höhe über der Bezugsebene, mit rH auf die Sehne S 0 des im Bezugshorizont verlaufenden Bogens der Erdoberfläche; schließlich wegen der Erdkrümmung mit rE auf S. Die endgültige

173

4.3 Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen

Entfernung ist dann, wenn der Höhenunterschied H2 − H1 = H der Endpunkte bekannt ist: (4.38) S = D + rK + rH + rE , mit rK = − k 2

rH

D3 , 24R 2

(4.39)

⎞ ⎛& ' 2  ' H ⎟ ⎜' 1 − SR ⎟ R ⎜     − 1 = ⎜' ⎟S , ( H1 H2 ⎠ ⎝ 1+ 1+ R

vgl. (4.43)

R

wobei S R = D + rK ≈ D rE =

D3 . 24R 2

(4.40)

Die Reduktionen rK und rE können in der Regel bei Distanzen < 10 km vernachlässigt werden. Wie Abb. 4.28 zeigt, ist H insbesondere bei kurzen Strecken und größeren Höhenunterschieden mit hoher Genauigkeit zu bestimmen. Sind für die geometrischen Reduktionen Zenitwinkel z gemessen, so gilt bei hohen Genauigkeitsanforderungen (Abb. 4.29) 

1 S ≈ S = S sin z 1 + R 0

R



−H1 − S cos z R





k 1− 2

 vgl. (4.48)

oder bei weniger hohen Genauigkeitsanforderungen und kürzeren Distanzen, s. [4.3.8.2]: 0

S ≈ S = S sin z R





H1 1− R

.

vgl. (4.50)

Um den Einfluss der Refraktion klein zu halten, wird die Reduktion über Zenitwinkel normalerweise nur für Distanzen < 3 km ausgeführt. Die Reduktionen (4.39) und (4.40) entfallen dann. Weiter gilt S R = D A + k0 + kf + kn .

(4.41)

Wie Abb. 4.30 zeigt, ist der Zenitwinkel bei zunehmendem Höhenunterschied mit größerer Genauigkeit zu messen. Abb. 4.31 gibt Aufschluss darüber, wann anstelle von (4.48) die vereinfachte Beziehung (4.50) eingesetzt werden kann.

174

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

4.3.8.1 Herleitung der Reduktionsformel bei bekanntem Höhenunterschied Auf der Erde gemessene Distanzen sind Vertikalschnittbogen der Oberfläche des Bezugsellipsoids. Die gemessenen Distanzen sind normalerweise kleiner als 100 km. In diesem Entfernungsbereich kann man den Schnittbogen durch einen Kreisbogen annähern. In Abb. 4.27 bezeichnen P1 und P2 zwei Geländepunkte in der Höhe H1 und H2 über der Bezugskugel vom Radius R. In dem Dreieck P1 , P2 , M gilt nach dem Kosinussatz

P2 D P1 H1

Q H2 H2 − H1

SR S S0

R γ M

Abbildung 4.27. Reduktion von Schrägstrecken mittels Höhenunterschied



SR

2

= (R + H1 )2 + (R + H2 )2 − 2 (R + H1 ) (R + H2 ) cos γ .

Da cos γ = 1 − 2 sin2 und sin wird

(a)

γ 2

γ S0 = , 2 2R 

2 S0 cos γ = 1 − . 2R 2

(b)

175

4.3 Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen

Setzt man (b) in (a) ein, so erhält man nach Quadrieren und Multiplizieren 

SR

2



 2 H1 H2 H 1 + H2 = (H2 − H1 )2 + S 0 + 1+ R R2

bzw. 

S

 0 2

 =

SR

1+

2

− (H2 − H1 )2

H1 H2 H 1 + H2 + R R2



2

− H 2



H2 H1 1+ 1+ R R

=

SR

mit H = H2 − H1 . Schließlich beträgt S 0 : & '  2 ' S R − H 2 0 ' S = '



H1 H2 ( 1+ 1+ R R

(4.42) .

Hieraus gewinnt man sehr einfach ein Korrekturglied für die Neigungs- und Höhenreduktion:

rH

⎛& ' ' ⎜' ⎜' ' =⎜ ⎜' ⎝(



H 2 ⎟ 1− ⎟ R SR



− 1⎟ ⎟S . H1 H2 ⎠ 1+ 1+ R R

(4.43)

Für längere Strecken (> 10 km), bei denen das Ellipsoid als Bezugsfläche zu berücksichtigen ist, berechnet man den Krümmungsradius des Normalschnitts des Ellipsoids im Azimut A mit der Formel von Euler (Torge 2001): cos2 A sin2 A 1 = + . R M N

(4.44)

Dabei bezeichnen: M:Meridiankrümmungsradius, N: Querkrümmungsradius, A: Azimut. H sind die Höhen über dem Bezugsellipsoid, berechnet aus H = Höhe über NN + Geoidhöhe. Bei kürzeren Strecken kann für größere Bereiche ein Mittelwert für R eingesetzt werden. Für bestimmte Aufgaben – z. B. bei der Absteckung von Bauwerken – müssen die Strecken auf einen Horizont reduziert werden, der in

176

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

der Höhe Hr über der Bezugskugel liegt: R + Hr , R

Hr 0 =S 1+ , R &  2

' S R − H 2 Hr ' ' = 1+



' R ( H1 H2 1+ 1+ R R .

S Hr = S 0 S Hr S Hr

(4.45)

Analysiert man (4.42) bzw. (4.45) mit Hilfe des Fehlerfortpflanzungsgesetzes, so gilt, wenn man die Erdkrümmung und Reduktion auf die Bezugskugel unberücksichtigt lässt, 

S0

2

 2 = S R − H 2 ,

2 S 0 dS 0 = −2H · dH,

(4.46)

lg S 0 = lg H + lg dH − lg dS 0 . Mit (4.46) lässt sich ein Diagramm herstellen, das beschreibt, mit welcher Genauigkeit der Höhenunterschied zu bestimmen ist, wenn z. B. eine Reduktionsgenauigkeit von dS 0 = 0,1 mm verlangt ist (Abb. 4.28). Bei einer Reduktionsgenauigkeit von dS 0 = 1 mm werden die Zahlenangaben auf den Geraden um eine Zehnerpotenz größer. Bei steilen Sichten und kürzeren Distanzen muss H mit hoher Genauigkeit bestimmt werden. 4.3.8.2 Herleitung der Reduktion der Schrägstrecke mittels Zenitwinkeln Gegeben sind die Punkte P1 und P2 in der Höhe H1 und H2 über der Bezugskugel, die Distanz D und der um den Refraktionswinkel verfälschte Zenitwinkel z . Gesucht ist die Strecke S Hr in einem beliebigen Horizont über der Bezugskugel und die Strecke S im Horizont der Bezugskugel (Abb. 4.29).   S R sin z + δ/2 S Hr tan γ = tan = tan . R + Hr R + H1 + S R cos (z + δ/2) Da man die Reduktion der Schrägstrecken mittels Zenitwinkeln normalerweise auf Distanzen von maximal 3 km begrenzt, gilt:   S R sin z + δ/2 S Hr = . R + Hr R + H1 + S R cos (z + δ/2)

177

4.3 Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen H [m] 1000

500 400 300 200 100 50 40 30

0,1 0,2 0,5

20

1 10

2 5

5 4 3

10 20

2 50 1 5

10

20 30 40 50

100

200

500

S 0 [m]

1000

Abbildung 4.28. Einzuhaltende Genauigkeit dH (mm) des Höhenunterschiedes H für eine Reduktionsgenauigkeit von dS 0 = 0, 1 mm (Schnädelbach 1983). Beispiel: für S 0 = 200 m und H = 10 m ist der Höhenunterschied mit einer Genauigkeit von 2 mm zu bestimmen, wenn eine Reduktionsgenauigkeit dS 0 = 0, 1 mm gefordert ist.

Mit Hilfe des Additionstheorems und durch Ausklammern findet man:   S R sin z cos δ/2 + cos z sin δ/2

=

. Hr  SR  H1   R 1+ + cos z cos δ/2 − sin z sin δ/2 R 1+ R R R S Hr

Da cos δ/2 ≈ 1, sin δ/2 ≈ δ/2 und sin z · sin δ/2 vernachlässigbar klein ist, gilt:



  Hr SR H1 Hr R    S sin z + δ/2 cos z − cos z . 1− S = 1+ R R R

178

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

P2 D

z

SR

P1 δ/2 S Hr

H1 Hr

H2

S S0 R γ M

Abbildung 4.29. Reduktion von Schrägstrecken mittels Zenitwinkel

Nach (Schnädelbach 1983) gilt für den Refraktionswinkel SR δ = k sin z , 2 2R (k: Refraktionskoeffizient) d. h.





Hr 1 SR H1 SR 1− S R sin z 1 + k · cos z − cos z , S Hr = 1 + R 2 R R R (4.47) 

 1 k Hr R  R  S = S sin z 1 + Hr − H1 − S cos z 1 − . R 2 Für die Strecke im Horizont der Bezugskugel gilt Hr = 0, d. h. 

1 S = S sin z 1 + R R



−H1 − S cos z R





k 1− 2

 .

(4.48)

Analysiert man (4.48) mit Hilfe des Fehlerfortpflanzungsgesetzes, so gilt, wenn man die Erdkrümmung, Refraktion und Reduktion auf die Bezugskugel unberücksichtigt

179

4.3 Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen

lässt: S = S R sin z , dS = S R cos z dz ,

(4.49)

dS = H dz (H = H2 − H1 ) lg dS = lg H + lg dz .

Mit (4.49) lässt sich ein Diagramm herstellen, das beschreibt, mit welcher Genauigkeit der Zenitwinkel zu bestimmen ist, wenn die Reduktionsgenauigkeit S verlangt ist (Abb. 4.30). Bei zunehmendem Höhenunterschied ist der Zenitwinkel mit höherer Genauigkeit zu messen (Schnädelbach 1983). H [m] 1000 500 400 300 200

0,1 100

0,5 50 40 30

1

20

5 10

10 5 4 3

50 100

2

S [mm]

1 0,05

0,1

0,2

0,5

1

2

3

4 5

Abbildung 4.30. Genauigkeit der Zenitwinkel in mgon für die Reduktion von Schrägstrecken; S = Genauigkeit der Reduktion. (Beispiel: Bei einem Höhenunterschied H = 7 m und einer Reduktionsgenauigkeit S = 1 mm ist der Zenitwinkel mit einer Genauigkeit von 10 mgon zu messen)

180

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

Man erhält aus (4.48) die vereinfachte Beziehung

H1 , S = S R sin z 1 − R

(4.50)

wenn der Einfluss der Erdkrümmung und Refraktion unberücksichtigt bleiben. Der Faktor (1 − H1 /R) reduziert die im Horizont der Kippachse des Theodolits liegende horizontale Strecke in den Horizont der Bezugskugel. Setzt man den Refraktionskoeffizienten k = 0 und multipliziert man den Klammerausdruck in (4.48) aus, so erkennt man, dass der Ausdruck 

2 SR |rE | = sin 2z 2R den Einfluss der Erdkrümmung auf die Streckenreduktion berücksichtigt. Der Reduktionsfehler nimmt mit dem Quadrat der Schrägstrecke zu und wächst zunehmend bei größer werdendem Zenitwinkel. Wie weit die vereinfachte Beziehung (4.50) anwendbar ist, kann man leicht der Abb. 4.31 entnehmen. 3000 2000 1000 S 500 400 300 200

10mm 5mm 1mm 0,5mm

100 80 60 40 30

0,1mm 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

30gon

Abbildung 4.31. Diagramm der Reduktionsfehler als Funktion von Strecke und Streckenneigung für die Näherungsformel (4.50)

Wie Abb. 4.31 erkennen lässt, entsteht erst bei einer Zenitdistanz von 10 gon und einer Schrägstrecke S R von 200 m ein Reduktionsfehler von 1 mm.

4.3.9

Elektrooptische Distanzmesser

Man unterscheidet zwischen Distanzmessern, die in das Fernrohr des Theodolits eines Tachymeters integriert sind und autonomen Instrumenten, den HandDistanzmessern.

4.3 Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen

181

4.3.9.1 Distanzmesser für polare Messsysteme (1) Distanzmesser mit Reflektor Im Zusammenhang mit Aufgaben der Kataster-, Landes- und Ingenieurvermessung sind vorwiegend Distanzen kleiner als 5 km zu messen; am häufigsten in dem Bereich von 0,01 km bis 1 km. Die Distanzmesser haben geringe Ausmaße, ein kleines Gewicht und lassen sich daher leicht in polare Messsysteme (Tachymeter, Lasertracker) einbauen; die Abb. 5.2, 5.3 und 5.11 zeigen dies an Beispielen. Die Leistungsaufnahme ist niedrig. Der Messvorgang ist automatisiert. Die Reichweite der Distanzmesser beträgt in der Regel 2 bis 5 km. Bei der Genauigkeit kann man zwischen zwei Gerätegruppen unterscheiden. Eine große Gruppe von Messgeräten hat eine Genauigkeit von 1 . . . 5 mm +1 . . . 5·10−6 ·D, wobei D die Distanz (in km) bezeichnet; vgl. auch Tab. 5.2. Diese Geräte eignen sich besonders für die Alltagsaufgaben des Vermessungsingenieurs wie: Polygonierung, Polaraufnahme, Absteckung von Bauwerken. Eine kleinere Gruppe weist Genauigkeiten im Bereich von < 1 mm auf; vgl. auch Tab.5.4. Diese Geräte eignen sich besonders für Präzisionsmessungen z. B. für Aufgaben der Ingenieurvermessung. Die Messzeit der Distanzmesser beträgt 0, 001 . . . 10 s. Kurze Messzeiten sind notwendig, wenn bewegte Objekte angemessen werden, lange, wenn hohe Genauigkeiten erzielt werden sollen. Reflektoren sind ein unentbehrlicher Bestandteil der Messausrüstung. Sie haben die Aufgabe, das von der Sendestation eines elektrooptischen Distanzmessers ausgehende Licht am Streckenendpunkt zu reflektieren und in die Sendestation zurückzulenken. Ein einfacher Planspiegel ist dazu wenig geeignet, weil dieser sehr genau ausgerichtet werden müsste. Als Reflektoren werden daher vorwiegend sogenannte Tripelprismen verwendet, d. h. Glaskörper mit drei senkrecht aufeinander stehenden Flächen, die man sich als abgeschnittene Ecke eines Glaswürfels vorstellen kann. Ein auf ein Tripelprisma auftreffender Lichtstrahl aber wird von diesem streng parallel zu sich selbst zurückgeworfen, ohne dass die Achse des Prismas genauer in die Lichtrichtung gestellt zu werden braucht als auf 10 – 20 gon. Zur Messung kurzer Strecken (etwa 2 bis 5 km) genügt bei den meisten Geräten ein einzelnes Prisma. Für längere Strecken werden Reflektoren mit 3 oder noch mehr Prismen benötigt. Die Reflektoren werden gewöhnlich auf Stative mit Dreifüßen gesetzt. Für die Aufnahme von Detailpunkten genügen vielfach einfache Lotstöcke, die am oberen Ende den Reflektor tragen und von Hand mit Hilfe einer Dosenlibelle senkrecht gehalten werden. Die Abb. 4.32 und 4.33 zeigen unterschiedliche Prismenträger und Prismenanordnungen. Tripelprismen und 360◦ Reflektoren verursachen bei Fehlausrichtungen Distanzfehler (Heister 1988; Favre und Hennes 2000).

182

Abbildung 4.32. Einerprisma auf einem Reflektorträger (Leica)

4 Distanzmessung mit Distanzmessgeräten

Abbildung 4.33. Rundum-Einerprisma auf einem Lotstock für automatische Zielverfolgung (Leica)

(2) Reflektorlos messende Distanzmesser Vielfach sind heute in Tachymeter und Laserscanner Distanzmesser eingebaut, die mit und ohne Prismen messen. Die Distanzmesser können so klein gebaut werden, dass man sogar zwei in das Fernrohr einbauen kann (Abb. 4.19). Ihr Strahlengang sollte koaxial mit der optischen Achse des Fernrohrs verlaufen, damit ohne zusätzliche Korrektionen Polarkoordinaten bestimmt werden können. Die Reichweite und Genauigkeit hängt ab von: – dem Material, der Struktur und der Rauhigkeit der Oberflächen – dem Durchmesser des Messstrahls – dem Auftreffwinkel – Abschattungen und – der Trägerwellenlänge. Abb. 4.34 lässt die Problematik größerer Messstrahldurchmesser an Ecken und glatten Flächen erkennen. Da bei der Streckenauswertung über Signale, welche von

Abbildung 4.34. Reflektorlose Distanzmessung:(a) mit einem größeren Durchmesser des Messstrahls, (b) mit einem kleineren Durchmesser des Messstrahls

sämtlichen Auftreffpunkten reflektiert werden, integriert wird, kann letztlich nur bei sehr kleinen Messkeulendurchmessern ein Auftreffpunkt scharf definiert werden. Bei unterschiedlichen Oberflächenbeschaffenheiten können Abweichungen von einigen

4.3 Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen

183

Millimetern auftreten. Über den Laserstrahl und seine Interaktion mit Oberflächen findet man genauere Untersuchungen in (Köhler 1995, Wagner u. a. 2003). Reflektorlos messende Distanzmesser können sowohl mit dem Impuls- als auch mit dem Phasenvergleichsverfahren betrieben werden. Über die Impulsverarbeitung nach Reflexionen an natürlichen Oberflächen findet man z. B. Lösungsansätze in (Wagner u. a. 2003). Sowohl bei Phasenvergleichsverfahren als auch bei Impulsverfahren lassen sich Genauigkeiten bis 3 mm ±2 ppm erzielen. Normalerweise weisen die in Tachymeter eingebauten Distanzmesser Reichweiten bis 200 m auf. Es werden aber auch Reichweiten bis 5 km angegeben. Typische Anwendungen sind: Messungen über hochfrequentierte Straßen, Aufnahme von Gebäudefassaden und Innenräumen, Profilmessungen und Messungen zu schwer zugänglichen Punkten.

5 Kombinierte Richtungs- und Distanzmessung

Messgeräte, welche kombiniert Richtungen und Distanzen messen, erzeugen unmittelbar Polarkoordinaten, die sich auf das Koordinatensystem des Messgerätes beziehen. Ist ein Theodolit Basisgerät, so ist dieses Koordinatensystem durch den Schnittpunkt der Achsen und die Nullrichtung des Horizontalkreises vorgegeben [3.2.1]. Bei Scannern oder 3D-Laser-Interferometern kann der Koordinatenursprung der Drehpunkt eines sich um zwei senkrecht aufeinander stehenden Achsen drehenden Spiegels sein; die Koordinatenachsen sind dann durch Nullrichtungen der Drehungen der Achsen festgelegt. Normalerweise benötigt man die Koordinaten der zu vermessenden Objekte in einem übergeordneten Koordinatensystem. Auf mathematische Lösungswege wird in den Kapiteln 6, 7 und 8 näher eingegangen.

5.1

Elektronische Tachymeter

Elektronische Tachymeter sind Messgeräte, die Horizontalwinkel, Vertikalwinkel und Distanzen messen. Basisgerät ist ein Theodolit [3.2], der mit einem Distanzmesser [4.3], einem Rechner und weiteren Komponenten erweitert ist. Die Daten werden automatisch gespeichert. Mit Tachymetern lässt sich daher ein automatischer Datenfluss herstellen, von der Erzeugung der Messdaten vor Ort bis zur Abspeicherung in Datenbanken und anschließenden Erzeugung von Karten, Plänen sowie CAD- oder GIS-Systemen.

5.1.1

Unterscheidungsmerkmale

Die elektronischen Tachymeter unterscheiden sich untereinander durch ihrenAufbau, ihre Ausbaustufe, ihre Zieleinrichtungen, die Reichweite der Entfernungsmesser, die Genauigkeit der Strecken- und Winkelmessung, den Umfang des geräteinternen Anwenderprogramms. Vom Aufbau her kann man im wesentlichen zwei Gerätetypen unterscheiden. Es gibt Geräte, a) bei denen das Entfernungs- und die Winkelmesssysteme sowie die Registriereinheit und ein Rechner mit seinen Peripheriegeräten in einem Instrument integriert sind. Je nach Gerätetyp kann zusätzlich ein Telemetrie-System eingebaut sein. b) bei denen der Theodolit nach dem Baukastenprinzip mit weiteren Komponenten ergänzt, umgestaltet und erneuert werden kann.

5.1 Elektronische Tachymeter

185

Abbildung 5.1. Schematischer Querschnitt eines Tachymeters (Feist u. a. 1998)

Den kompakten Aufbau eines Tachymeters des Typs a) zeigt Abb. 5.1 an einem Beispiel. Der feste Unterbau besteht aus – dem Dreifuß mit den Fußschrauben, – der Steckhülse zur Aufnahme des Steckzapfens der Zwangszentrierung, – dem Stehachsensystem mit dem feststehenden Hz-Teilkreis und dem Zahnrad für die Koppelung mit der Hz-Motorik, – der Schleifringschnittstelle zur Datenübertragung und Stromversorgung über eine externe Batterie. Die Stütze enthält – die in V-Lagern gelagerte Kippachse mit dem V-Teilkreis und das Zahnrad für die Koppelung mit der V-Motorik, – die Schleifringschnittstelle zur Daten- und Befehlsübertragung sowie für die Stromversorgung,

186

5 Kombinierte Richtungs- und Distanzmessung

– die Antriebssysteme mit Präzisionsgetrieben und den Servomotoren für die Drehung der Achsen, – die koaxial angeordneten Stellknöpfe für die Grob- und Feineinstellung der Achsen (die sogen. Jogshuttle) mit der Regel- und Steuerelektronik, – die Hz- und V-Abtastköpfe, – den zweiachsigen Neigungsgeber, – das optische Lot, – die Auslösetaste für die Auslösung der Messprozesse sowie die Tastatur für den Rechner, – einen PC für die Steuerung der Messsysteme und Datenerfassung, – eine PCMCIA-Speicherkarte mit ihren Trägerrahmen, – ein Funkmodul mit Antenne für die bidirektionale Übertragung von Daten und Steuerbefehlen zwischen Stand und Zielpunkt, – eine geräteinterne Batterie. In das Fernrohr lassen sich koaxial mehrere Abbildungssysteme für das Zielen und die Distanzmessung integrieren, was beispielsweise in Abb. 5.2 gezeigt wird (Feist u. a. 1998):

Abbildung 5.2. Fernrohr mit integrierten optischen Systemen und einem Distanzmesser (Feist u.a. 1998)

5.1 Elektronische Tachymeter

187

– Im ersten Abbildungssystem, dem visuellen Fernrohr, wird das vom Objektiv aufgenommene Licht durch den Selektivspiegel (3), das Teilerprisma (4), die Fokussierlinse (5) und das Abbe’sche Umkehrprisma (6) in die Strichkreuzebene (7) abgebildet. Das hier erzeugte Bild einer Zielmarke wird mit dem Okular (8) betrachtet. – Das zweite Abbildungssystem verbindet den Distanzmesser (10) mit dem optischen System. Es umfasst das Objektiv (1), den Selektivspiegel (3) und das Prisma (2) mit einer inneren Spiegelschicht und einer nach außen reflektierenden Spiegelschicht. Das vom Sender des Distanzmessers ausgesendete infrarote Licht wird vom Prisma (2) über den Selektivspiegel (3) zum Objektiv reflektiert und von diesem in den Raum des Reflektors projiziert. Das reflektierte Licht empfängt erneut das Objektiv, um es dann wieder über die Reflexionsschichten in das Optikmodul (10) des Distanzmessers abzubilden. – Das dritte Abbildungssystem dient der Beleuchtung einer Zielmarke (z. B. eines Reflektors) für die Feinzielung. Das Licht einer Laserdiode (12) wird mit der Optik (13) so fokussiert, dass es nach der Reflexion an dem Spiegel des Prismas (2) vom Objektiv (1) gebündelt zum Reflektor gelangt. Bei visueller Beobachtung kann dieses Abbildungssystem genutzt werden, nur den Reflektor zu beleuchten. Bei schwierigen Sichtbedingungen oder in der Dämmerung kann man dieses dann leichter erkennen. – Das vierte Abbildungssystem dient der Feinzielung. Das mit dem dritten Abbildungssystem über den Reflektor gesendete Licht gelangt durch das Objektiv (1), den Selektivspiegel (3) , das Teilerprisma(4) und das Telesystem (14) in die Ebene der Empfängermatrix (15) der CCD Kamera. Das CCD-Array dient als Strichkreuz und unterstützt so die automatische Feinzielung [3.4]. – Ein fünftes Abbildungssystem, ähnlich aufgebaut wie das vierte, erzeugt eine vertikale Laserebene für die Grobzielung. Diese ist notwendig, wenn das Ziel nicht näherungsweise visuell angezielt wird oder wenn keine Näherungskoordinaten des Ziels gegeben sind [3.4]. – Das sechste Abbildungssystem unterstützt Absteckungsarbeiten. Die optische Achse ist oberhalb des Fernrohrstrahlengangs angeordnet. Das Licht eines zueinander rechtwinklig liegenden Diodenpaares (16) wird an einer Spiegelkante (17) zusammengeführt und durch ein Objektiv (18) mit einer Strahldivergenz von etwa 3◦ abgestrahlt. Das Bündel ist so durch eine vertikale Trennlinie in eine rote und grüne Hälfte geteilt. Die Reichweite kann mehrere 100 m betragen und hier beträgt die seitliche Ausdehnung etwa 5 m. Der Träger des Reflektors kann bei Kontaktverlust jetzt leicht wieder den Zielstrahl aufsuchen, indem er sich mit dem Reflektor in die grün/rote Trennkante bewegt (Abb. 5.7). Messsysteme, die nach dem Baukastensystem konzipiert sind (Abb. 5.3), haben den Vorteil, dass einzelne Module je für sich oder in unterschiedlichen Kombinationen

188

5 Kombinierte Richtungs- und Distanzmessung

sehr Áexibel eingesetzt werden können. Durch die Austauschbarkeit einzelner Module lassen die Tachymeter sich : – einfach und kostensparend auf den neuesten Stand bringen, – unterschiedlichen Genauigkeitsklassen bei der Winkel- und Streckenmessung zuordnen, – mit unterschiedlichen automatischen Zieleinrichtungen und Anzielhilfen ausstatten, – mit unterschiedlichen Speichereinheiten ausrüsten, – zusätzlich mit einem Telemetriesystem ausstatten, – mit GPS-Empfängern koppeln. Abb. 5.3 zeigt an einem Beispiel, welche Module austauschbar angeordnet werden Überblick über Aufrüstungsmöglichkeiten und Optionen 1

Standard-Seitendeckel

12 DR 200+

2

Seitendeckel für Telemetrie

3

Interne Batterie

1

2

3

4

5

13 DR 300+ 14 Genauigkeit 1''/0,3 mgon Genauigkeit 2''/0,5 mgon Genauigkeit 3''/1,0 mgon Genauigkeit 5''/1,5 mgon

4 Tracklight, eingebautes Leitlicht mit 2 Intensitäten 5 Tracker

6

6 ACU-Controller 7

8

15

Geodimeter Kontrolleinheit, alphanumerische Tastatur Elta Kontrolleinheit (''offenes System'')

7 11 8

10

16

14

11a 20

15

Halterung für Kontrolleinheit

16

Speicherkarte

17

RMT Mini

18

RMT große Reichweite

19

RMT/TS

20

Teleskopstab

12 9 TSC

TM

10 Feldsoftware

23

9 13

21

11 DR-Standard 11a Hochpräzises DR-Standard-EDM

17 18

22

19

21

Externe Telemetrie

22

Halterung für Kontrolleinheit und externe Telemetrie

23

Großer, kippbarer Reflektor

Abbildung 5.3. Nach dem Baukastenprinzip konzipiertes Tachymeter mit einem Theodolit mittlerer Genauigkeit als Basisinstrument (Trimble)

können. Besondere Flexibilität ist gegeben, wenn das Gerät mit unterschiedlichen Kontrolleinheiten gekoppelt werden kann und diese sowohl für das Tachymeter als auch für die ReÁektorstationen und eine Satellitenempfangsstation genutzt werden können. Die Satellitenpositionierung kann dann sehr Áexibel mit der Tachymeterpositionierung verknüpft werden (Abb. 5.4). Die Kontrolleinheit ist ein Rechner, der die Steuerung der Messvorgänge sowie die Datenerfassung, Datenverarbeitung, Datenverwaltung und den Datenaustausch mit externen Systemen (wie z. B. GIS-

5.1 Elektronische Tachymeter

189

Systemen) übernimmt. An dem Display können Messdaten (Hz-Winkel, V-Winkel, Distanz,. . . ) oder Sachdaten (Datum, Zeit, Punktnummer, Jobnummer,. . . ) angezeigt werden. In der Regel ist das Display so groß gestaltet, dass bereits die im Feld erzeugten Werke (Karten, Höhenlinienpläne, digitale Geländemodelle,. . . ) dargestellt und in Echtzeit bearbeitet werden können (Abb. 5.4). Bei Absteckungsarbeiten lassen sich in dem Display Absteckhilfen anzeigen.

Abbildung 5.4. Kontrolleinheit als Verknüpfungsmodul für Tachymeter- und Satellitenpositionierung (Trimble)

Der Operateur kann über unterschiedliche Menüfunktionen durch verschiedene Mess- und Auswerteprogramme geführt werden; dies trägt im Feld wesentlich zu seiner Entlastung bei. Bei den Tachymetern lassen sich allgemein folgende Ausbaustufen unterscheiden: (a) (b) (c) (d) (e) (f) (g)

Tachymeter mit mechanischen Grob- und Feintrieben für die Achsen, Tachymeter mit motorisierten Achsantrieben, motorisierte Tachymeter mit automatischer Feinzielung, reflektorlos messende Tachymeter, reflektorlose, motorisierte Tachymeter mit automatischer Feinzielung, motorisierte Tachymeter mit Zielverfolgung und automatischer Feinzielung, reflektorlos messende, motorisierte Tachymeter mit Zielverfolgung und automatischer Feinzielung.

Bei umfangreicherer Ausstattung steigen die Kosten für die Geräte. Mit Instrumenten höherer Ausstattung lassen sich allerdings wirtschaftlich bessere Gewinne erzielen,

190

5 Kombinierte Richtungs- und Distanzmessung

wenn sie häufig eingesetzt werden. So lassen sich mit Geräten, welche auch reflektorlos messen können, Wirtschaftlichkeitssteigerungen bis 30% und mit solchen der Gruppe (g) Steigerungen bis 50% erzielen, wenn sie im Einmannbetrieb eingesetzt werden. Die geräteinternen Anwenderprogramme beziehen sich in der Regel auf zwei Aufgabenbereiche: a) Berücksichtigung von Gerätekonstanten (Ziellinienverbesserung, Indexverbesserung, Maßstabsfaktor, Nullpunktskorrektur. . . ), b) Berechnung von Parametern für die Absteckung und Aufnahme von Punkten (Koordinaten und Höhe des Gerätestandpunktes bei freier Stationierung, Orientieren von Richtungen, Polarkoordinaten für Absteckungen, Koordinatenunterschiede zwischen Standpunkt und Zielpunkt. . . ). Eine ausführliche Zusammenstellung heute von den Herstellern allgemein angebotener Anwenderprogramme findet man in Tab.5.1 Tabelle 5.1. Anwenderprogramme

1. Orientierung[7.3.2]

13. Digitales Geländemodell [19.2] Aufnahme und Absteckung

2. Satzmessung [3.8]

14. Höhenmessung [12]

3. Vorwärtseinschneiden [7.4]

15. Höhenmessung [13]

4. Bogenschnitt [7.5]

16. Schnurgerüst

5. Polaraufnahme [7.7]

17. Kanalvermessung

6. Freie Stationierung [7.6]

18. Trassenberechnung [19]

7. Polygonzug [7.8]

19. Scannen von Oberflächen

8. Helmerttransformation [6.3]

20. Profilberechnung

9. Absteckung

21. Deformationsmessung [19]

10. Spannmaß

22. Topographische Messungen [17.2]

11. Flächenberechnung [17.1]

23. Katasterlösungen

12. Flächenteilung

24. Datenverwaltung

Bei einfachen Geräten wird in der Regel ein begrenztes Programmpaket, bei aufwändigeren Geräten ein umfassendes geliefert. Einzelne Programme, wie z. B. die Katasterlösung, greifen auf andere Programme der Bibliothek zurück. In das Pro-

191

5.1 Elektronische Tachymeter Tabelle 5.2. Beurteilungskriterien elektronischer Tachymeter

Gerätetyp Ausbaustufe

Zieleinrichtung Winkelmessung Genauigkeit Streckenmessmethode Reichweite Genauigkeit Messzeit Laser Klasse 1,1 M, 2,2 M, 3 R, 3 B Automatic Tracking Reichweite Suchfenster max. Geschw. Messzeit Zielgenauigkeit Optik Vergrößerung Gesichtsfeld Speicherkarte Anzahl Punkte [Mb] int. Speicher Anwenderprogramme Spezielle Angaben von Herstellern findet man z. B. unter:

Kompaktgerät integriert Baukastensystem mechanische Grob- und Feintriebe, motorgetriebene Achsen, Messungen mit Reflektor oder reflektorlos, automatische Grob- und Feinzielung, Zielverfolgung visuell, Grobzielung, Feinzielung, Absteckhilfen (zweifarbiger Strahlenkegel) Codeverfahren, Inkrementalverfahren 0,1 bis 1,6 mgon mit Reflektor, ohne Reflektor, Phasenvergleichs-, Impulsverfahren bis 7500 m (abhängig von Leistung des Lasers und Anzahl der Prismen) 1 mm+ 1ppm bis 5mm + 3ppm 0,3 s bis 7,5 s je nachdem ob Tracking oder Standard Mode 1 bis 3 R

800 m bis 2200 m bis 360◦ bis 50 gon/s 0,3 s bis 4 s je nachdem ob Grob- oder Feinmessung ca, 1 bis 3 mm/100 m 26 x bis 33 x 23 m bis 27 m/km PCMCIA (normalerweise) bis 36000 bis 16 s. Tab.5.1 www.leica-geosystems.com; www.trimble.com; www.sokkia.com; www.topconeurope.com

192

5 Kombinierte Richtungs- und Distanzmessung

gramm Katasterlösung können z. B. die Programme 1, 2, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 24 integriert sein. Zusätzlich benötigt man Module für das Drucken von Protokollen. Das Prinzip der Distanzmesser ist in [4] beschrieben. Die Distanzmessung erfolgt wahlweise in Fuß oder Meter. Durchschnittlich werden Reichweiten von 2, . . . , 5 km angegeben. Die Genauigkeit beträgt je nach Gerät ±1, . . . , 5 mm ±1, . . . , 3 · 10−6 D (D = Distanz in km). Die Winkelmessung erfolgt nach dem Code- oder Inkrementalverfahren [3]. Das Ergebnis wird wahlweise in den Einheiten Gon oder ◦ Grad angezeigt. Mit den Sensoren für die Richtungsmessung erzielt man im allgemeinen eine Richtungsauflösung von 0,0001 , . . . , 0,0016 gon (0,3 , . . . , 3 ). Verschiedene Beurteilungskriterien für elektronische Tachymeter sind in Tab. 5.2 zusammengestellt. Bei den Zieleinrichtungen unterscheidet man: – Zielen durch Beobachten mit dem Auge durch ein Zielfernrohr [2.2.2] und – automatisches Zielen [3.4].

5.1.2

Zusatzeinrichtungen

Wichtige Zusatzeinrichtungen für die Absteckung und das Aufsuchen von Punkten sind: Prismen, die entweder mit einem Lotstock oder einem Stativ auf der Gegenstation aufgestellt werden [4.3.9]. Auf der Reflektorstation kann sich auch eine Positionierungseinheit befinden, die die gleichen Kommunikations- und Softwareeigenschaften wie das Instrument enthält (Abb. 5.5, 5.6). Man benötigt in dem Fall eine Funkverbindung zwischen der Prismenstation und dem Tachymeter. Nahezu alle Aktivitäten des Messablaufs sind dann auf die Prismenstation verlegt. Befindet sich auf der zentralen Station ein Tachymeter mit den Eigenschaften eines Messroboters [5.2], so kann sogar die Ansteuerung des Ziels von der Reflektorstation aus eingeleitet werden; die zentrale Station kann dann völlig autonom arbeiten. Sehr hilfreich sind Tracking-Funktionen, die das Nachlaufen gemessener oder berechneter Werte ermöglichen; eingeschlossen ist das Herunterzählen von Restkoordinatenwerten auf Null beim Aufsuchen bzw. Abstecken von Punkten. Diese unterstützen in der Regel über das Display der Positionierungseinheit eine Navigationshilfe, welche den Prismenträger z. B. mit einem Richtungspfeil und einer Entfernungsangabe schrittweise zu dem gesuchten Punkt führt. Je nach Hersteller trägt die Positionierungseinheit entweder eine passive Zielmarke, welche von der Zentralstation aus angestrahlt wird, oder eine aktive selbstleuchtende Zielmarke (Abb. 5.5 und 5.6). Hilfreich sind auch optische und akustische Signale, die dem Reflektorträger anzeigen, ob sich der Reflektor in der optischen Achse des gesendeten Strahlenbüschels des Distanzmessers befindet. Abb. 5.7 zeigt die Funktionsweise eines Tracklights“, ” das unterhalb des Fernrohres angebracht ist und ein Strahlenbüschel mit einem roten und grünen Sektor aussendet. Die Ziellinie liegt in der vertikalen Ebene, welche die Farbfelder trennt.

193

5.2 Messroboter

Abbildung 5.5. Positionierungseinheit mit passiver Zielmarke (Leica)

Abbildung 5.6. Positionierungseinheit mit aktiver Zielmarke (Trimble)

Weitere Informationen findet man z. B. in (Deumlich/Staiger 2002) und www.leicageosystems.com; www.trimble.com; www.sokkia.com; www.topconeurope.com.

5.2

Messroboter

Die Einführung der elektrischen Sensoren und der rechnergesteuerte, weitgehend automatische Datenfluss waren nur ein erster Schritt in der Automationskette geodätischer Messsysteme. Es folgte die Steuerung der Achsen über Motoren und die Erweiterung des Theodolitfernrohres mit Sensoren für automatisches Zielen. Um bei den Messaufgaben den Arbeitsaufwand und die Personalkosten zu reduzieren, und um die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Messungen zu steigern, war es außerdem notwendig, die Arbeitsabläufe neu zu organisieren. Ein Blick auf andere Fachgebiete, wie z. B. die Fertigungstechnik, schien in diesem Zusammenhang interessant. Ähnlich wie in der Fertigungstechnik werden auch bei 3D-Messsystemen häufig die gleichen Arbeitsgänge wiederholt. Da in der Fertigungsindustrie für die Optimie-

194

5 Kombinierte Richtungs- und Distanzmessung

Abbildung 5.7. Zweifarbiges Tracklight als Zusatzeinrichtungen für das Aufsuchen und Abstecken von Punkten

rung der Automationsprozesse mehr und mehr Roboter zum Einsatz kamen, schien es interessant, diesem Weg auch im Vermessungswesen zu folgen.

5.2.1 Definition des Messroboters Obwohl häufig das Wort Roboter benutzt wird, gibt es noch keine allgemeingültige Definition. Da Roboter am häufigsten in der Industrie eingesetzt werden, hat man sich dort sehr früh schon mit Definitionen befasst; es handelt sich hier allerdings um Formulierungen, die den speziellen Anwendungsbereich berücksichtigen. Eine häufig gebrauchte Definition lautet: Industrieroboter sind universell einsetzbare Bewegungsautomaten mit mehreren Achsen, deren Bewegungen hinsichtlich Bewegungsfolgen und Wegen bzw. Winkeln frei (d. h. ohne mechanischen Eingriff) programmierbar und gegebenenfalls sensorgeführt sind. Sie sind mit Greifern, Werkzeugen oder anderen Fertigungsmitteln ausrüstbar und können Handhabungs- und/oder Fertigungsaufgaben ausführen. In der Messtechnik benötigt man Messroboter. Die Definition eines solchen Roboters kann auf der des Industrieroboters beruhen, nur dass jetzt das andere Anwen-

5.2 Messroboter

195

dungsgebiet speziell mit seinen Werkzeugen“ zu berücksichtigen ist. Die Definition ” des Messroboters kann folglich lauten: Messroboter sind universell einsetzbare Bewegungsautomaten mit mehrerenAchsen, deren Bewegungen hinsichtlich Bewegungsfolgen und Wegen bzw. Winkeln frei (d. h. ohne mechanischen Eingriff) programmierbar und gegebenenfalls sensorgeführt sind. Sie sind mit Sensoren oder anderen Einrichtungen für das Messen von Distanzen und/oder Richtungen und deren Änderungen ausrüstbar und können Messaufgaben ausführen (Kahmen 1991, 1992a, 1992b). Der erste Messroboter bzw. das erste motorgetriebene automatisch zielende Tachymeter wurde 1983 entwickelt (Kahmen u. a. 1983 a , Kahmen u. a. 1983 b; Deutsches Patent 3324489.8)

5.2.2

Flexibilität und unterschiedliche Grade der Automatisierung

Geodätische Messsysteme unterscheiden sich sehr wesentlich in ihrem Grad der Flexibilität und Automatisierung. Man kann folgende Entwicklungsstufen unterscheiden: A. Manuell bedienbare Messsysteme. Messsysteme, deren Sensoren für Richtungs-, Richtungsänderungs-, Distanz-, Distanzänderungsmessungen über Bewegungsachsen manuell positioniert werden. Eine erste Stufe der Automation ist durch den rechnergesteuerten Messablauf in den Sensoren und die automatische Datenverarbeitung gegeben. B. Automatisch gesteuerte Messsysteme ohne selbsttätige Programmbeeinflussung. Die Messeinrichtung ist wie unter A. aufgebaut, allerdings werden jetzt die Achsen durch Motoren angetrieben; die Bewegungen steuert das Programm. Zusätzlich kann das Zielfernrohr für die Richtungsmessung mit einem Sensor für die automatische Zielerkennung ausgerüstet sein. Das Messsystem verfügt nur über ein festes oder mehrere feste, manuell wählbare Programme für die Steuerung des Arbeitsablaufs. Typisches Beispiel ist ein Messroboter, mit dem die Form oder Formveränderungen eines Objektes erfasst werden, ein Objekt abgesteckt wird oder die Bahn einer Baumaschine (z. B. einer Vortriebsmaschine im Tunnelbau) kontrolliert wird. C. Automatisch gesteuerte Messsysteme mit selbsttätiger Programmselektion. Die Messeinrichtung ist wie unter B. aufgebaut, allerdings verfügt das Messsystem jetzt über mehrere feste Programme, die selbsttätig über externe Signale ausgewählt werden. Ein typisches Beispiel ist die Durchführung verschiedener Überwachungsmessungen (Deformationsmessungen) an Industrieanlagen. D. Automatisch gesteuerte Messsysteme mit selbständiger Programmadaption. Die Messeinrichtung ist wie unter B. aufgebaut, es stehen jedoch ein Grundprogramm oder mehrere Grundprogramme zur Verfügung, die durch Sensorinformationen selbsttätig verändert werden. Der Sensor nimmt den Ist-Zustand auf und vergleicht ihn mit den vorher bestimmten Eingabewerten, um dadurch das Programm

196

5 Kombinierte Richtungs- und Distanzmessung

entweder zu verändern oder ein anderes Programm zu selektieren. Typisches Beispiel ist die Beobachtung der Kinematik von Hangrutschungen. Unterschiedlich geartete Rutschungen in Teilgebieten des Rutschungshanges können eine selbsttätige Abwandlung der Grundprogramme und ihren Einsatz in unterschiedlichen Zeitfolgen erforderlich machen. Ähnlich wie der Grad der Automation nimmt auch der Grad der Flexibilität bei der Abwandlung der Messeinrichtung von A nach D zu.

5.2.3 Technische Komponenten der Messroboter Messroboter bestehen vorwiegend aus folgenden Komponenten: Kinematik, Antrieb, Steuerung, Messsystem und Sensoren. (1) Arten der Messroboterkinematik Mit der Kinematik eines Messroboters ist die Zahl der Freiheitsgrade, also die Anzahl der Bewegungsachsen, die entweder eine translatorische oder rotatorische Bewegung ermöglichen, festgelegt. Durch die Bewegungsachsen sind die Koordinatenreferenzsysteme der Roboter definiert. Abb. 5.8 zeigt die kinematische Konzeption bzw. die Referenzsysteme einiger Messroboter. a)

b)

c)

Abbildung 5.8. Referenzsysteme einiger Messroboter

Typ a) Kartesische Koordinatenbauweise. Der Roboter verfügt nur über translatorische Freiheitsgrade. Der Messbereich ist in bezug auf seine Eigenabmessungen gering. Messroboter dieses Typs eignen sich für die sehr schnelle, hochgenaue Vermessung kleiner Objekte. Die Messeinrichtung kann unterschiedlich konzipiert sein. So kann z. B. in der x-Achse ein Sensor für Distanz- oder Distanzänderungsmessungen angeordnet sein, der mit Hilfe der y- und z-Bewegungsachsen parallel zu sich verschoben wird. Der Roboter lässt sich dann z. B. so programmieren, dass auf einem vor der x-Achse positionierten Objekt Höhenraster abgefahren werden. Typ b) Zylinderkoordinatenbauweise. Dieser Messroboter besitzt einen rotatorischen und zwei translatorische Freiheitsgrade. Mit dieser Bauweise lässt sich der

5.2 Messroboter

197

Arbeitsbereich wesentlich erweitern. Typische Anwendungsbereiche sind z. B. Profilvermessungen in Hohlräumen, wenn in der R-Achse ein Sensor für Distanz- oder Distanzänderungsmessungen angeordnet ist. Typ c) Kugelkoordinatenbauweise. Durch zwei rotatorische und einen translatorischen Freiheitsgrad ist der Arbeitsbereich wesentlich erweitert. Mit diesem Konzept lassen sich Raumvektoren zu Objektpunkten bestimmen, wenn in der R-Achse ein Sensor für Distanz- und Richtungsmessungen angeordnet ist. Grundbaustein eines solchen Messroboters kann z. B. ein motorgetriebenes elektronisches Tachymeter sein. Typische Anwendungsgebiete sind z. B. großräumige Deformationsmessungen, Ortungen und Navigation von Vermessungsschiffen, Steuerung von Baumaschinen oder Tunnelvortriebsmaschinen, Absteckung von Objekten, topographische Geländeaufnahmen. (2) Antriebsarten Roboter werden entweder pneumatisch, hydraulisch oder elektrisch angetrieben. Messroboter arbeiten in der Regel mit elektrischen Antrieben, da – allgemein nur kleine Momente und Kräfte zu übertragen sind, – diese eine hohe Positionierungsgenauigkeit liefern, – die Bauteile einfach sind und bei Ansteuerung durch Signalübertragung Reaktionen praktisch ohne Verzögerung erfolgen. (3) Steuerung, Weg- und Richtungsmesssysteme, Sensoren für automatische Zielpunkterfassung Das Konzept einer Robotersteuerung ist in der Abb. 5.9 dargestellt. Aufgabe der Steuerung ist es, für den Ablauf des momentan abzufahrenden Programmes zu sorgen, was mit einem unterschiedlichen Grad an Flexibilität und Automatisierung erfolgen kann [5.2.2]. Das Messprogramm schreibt daher vor, in welcher Folge mit den Bewegungsachsen die Achse des Zielfernrohres und/oder Distanzmessers auf vorgegebene Ziele auszurichten ist. Die für jeden Programmpunkt gespeicherten Positionssollwerte der Bewegungsachsen werden von dem Controller“ bereitgestellt. ” Die Programmierung des Bewegungsablaufs anhand der Sollwerte kann on-line oder off-line erfolgen. Die on-line-Programmierung wird direkt am Roboter durchgeführt. Eine häufig angewendete Methode besteht darin, den Roboter mit einer Joystick-Steuerung durch das Messprogramm zu führen und immer dann Sollpositionen der Bewegungsachsen abzuspeichern, wenn gerade eine exakte Ausrichtung der optischen Achse des Sensors für Distanz- oder Richtungsmessungen auf die gewünschten Zielpunkte erfolgt ist. Bei der off-line-Programmierung werden die Koordinaten der Zielpunkte einem theoretischen 3D-Modell entnommen. Von dem Controller sind dann noch die Zielpunktkoordinaten in Sollpositionen der Bewegungsachsen umzurechnen.

198

5 Kombinierte Richtungs- und Distanzmessung Joystick externes Programm

Controller Soll-Ist

Motor interne Sensoren Weg/Winkel

externer Sensor Zielsuche

Abbildung 5.9. Konzept einer Robotersteuerung

Im allgemeinen wird die Steuerung durch geschlossene Regelkreise kontrolliert. Häufig angewendete Steuerungsarten sind die PTP(point-to-point)-Steuerung, CP(continuous path)-Steuerung und die sensorgeführte Steuerung. a) Die durch einen Regelkreis kontrollierte PTP-Steuerung. Die PTP-Steuerung wird dann eingesetzt, wenn in einer bestimmten Sequenz Punkte angefahren werden müssen und das Abfahren einer bestimmten Bahn nicht erforderlich ist. Die Antriebe und die Übertragungsmechanik arbeiten normalerweise jedoch nur mit einer begrenzten Genauigkeit. Die endgültige Position wird daher durch einen Regelkreis korrigiert. Das Fehlersignal des Regelkreises entsteht, indem ständig in dem Controller die Soll- und Ist-Position der Bewegungsachsen verglichen werden. Die Ist-Position bestimmen Weg- oder Richtungsmesssysteme, die mit den Bewegungsachsen verbunden sind. Das Fehlersignal wird wiederum kontinuierlich in ein Steuersignal umgewandelt, mit dem die Achsen so lange nachgesteuert werden, bis vorgegebene Grenzwerte unterschritten sind. b) Die durch einen Regelkreis kontrollierte CP-Steuerung. Prinzipiell arbeitet die CP-Steuerung wie die PTP-Steuerung. Wesentlicher Unterschied ist, dass jetzt kontinuierlich Soll-Positionen längs einer Bahn vorliegen, um das Fehlersignal zu erzeugen. Die Soll-Positionen werden durch eine oder mehrere mathematische Funktionen vorgegeben. c) Die durch einen Regelkreis kontrollierte Sensornachführung. Die bisher unter (a) und (b) beschriebenen Steuerungen können allein nur begrenzt eingesetzt wer-

199

5.2 Messroboter

den. Sie reichen nicht aus, wenn bestimmte Zielpunkte angezielt werden müssen, die Verschiebungen unterliegen. Bei Bewegungen der Zielmarken muss zusätzlich ein Sensor für die Zielpunkterfassung eingesetzt werden. Mit diesem Sensor und speziellen Auswertemethoden lässt sich feststellen, um welchen Betrag die Bewegungsachsen des Roboters nachzusteuern sind, damit das Zielfernrohr oder der Distanzmesser erneut auf die Zielmarke ausgerichtet sind. Eine Beschreibung solcher Sensoren findet man z. B. in [3.4]. Die Korrekturen brauchen jedoch nicht immer durch Nachsteuern der Achsen minimiert zu werden. Bei bestimmten Aufgaben, z. B. der Überprüfung von Formveränderungen eines Objektes, kann die Korrektur auch rechnerisch erfolgen.

5.2.4 Ausstattung der Roboter für unterschiedliche Messaufgaben Je nach Aufgabenstellung werden die Messroboter mit unterschiedlichen Messwerkzeugen ausgestattet. Anhand eines Messroboters, der nach der Kugelkoordinatenbauweise konzipiert ist, soll dies nachfolgend verdeutlicht werden. Die R-Achse (Abb. 5.8c) kann optische Achse folgender Einrichtungen sein: Tabelle 5.3 Ausstattung der Messroboter mit den Komponenten Typ (a)

Optisches 3D-Messverfahren Triangulation

Typ (a), (b)

Triangulation

Typ (c)

Typ (b), (d) Typ (a), (b), (d)

Triangulation (in Kombination mit Typ (a), (b)) Trilateration Polarverfahren

Typ (b), (e)

Polarverfahren

Einsatzgebiete Auswahl – Messen von Richtungssätzen bei manueller Feinzielung [3.8] – Messen von Richtungssätzen [3.8] – Deformationsmessungen [19] – Deformationsmessungen [19]

– Deformationsmessungen [19] – Aufnahme (Kataster, Lagepläne, . . . ) – topographische Geländeaufnahme [17] – See- und Flussgrundvermessung [19] – Absteckung – Deformationsmessungen [19] – hochgenaue Bahnvermessung – Deformationsmessungen – Ebenheitsprüfungen, Alignements [19]

200 (a) (b) (c) (d) (e)

5 Kombinierte Richtungs- und Distanzmessung

eines Zielfernrohres, eines Sensors für automatische Zielpunkterfassung, eines Projektors für die Projektion von Zielmarken, eines elektrooptischen Distanzmessers, eines Interferometers.

Ein Messroboter kann mit einer oder mehreren koaxial angeordneten Komponenten ausgestattet sein. Als Messverfahren verwendet man optische 3D-Messverfahren (Gruen, Kahmen 2001, 2003): Triangulation, Trilateration und kombinierte Verfahren (Polarverfahren). Messroboter verschiedener Ausstattung, die mit ihnen ausführbaren Messverfahren und typische Einsatzgebiete sind in Tab. 5.3 zusammengestellt. Hat man als Basisgerät einen Theodoliten (Abb. 5.10), so dienen die Sensoren für die Horizontal- und Vertikalwinkelmessung gleichzeitig als interne Sensoren für die Ausrichtung der R-Achse.

Abbildung 5.10. Messroboter mit einem Theodolit hoher Genauigkeit als Basisinstrument (Leica)

5.3

Lasertracker

Lasertracker sind polare Messsysteme, mit denen interferometrische Messungen mit hoher Flexibilität im 3D-Raum ausgeführt werden können. Die Funktionsweise eines Laserinterferometers wurde bereits in [4.3] beschrieben. Laserinterferometer werden in der Industrie seit vielen Jahren für hochgenaue Distanzmessungen eingesetzt. Ihre Einsatzfähigkeit ist jedoch dadurch begrenzt, dass ein

201

5.3 Lasertracker

Reflektor oder ein Spiegel sehr genau längs einer Geraden geführt werden muss und Strahlunterbrechungen nicht auftreten dürfen. Wie nachfolgend gezeigt wird, sind bei Lasertrackern diese Einschränkungen nicht mehr gegeben. Mit einer relativ hohen Trackinggeschwindigkeit können sie eine Zielmarke im 3D-Raum positionieren, was natürlich eine hohe Datenrate voraussetzt.

5.3.1

Die Komponenten des Tracking Systems

Der Sensor des Systems kann mit hoher Abtastrate und Genauigkeit Horizontal-, Vertikalwinkel und Distanzen zu einer beweglichen Zielmarke erfassen. Um dies zu erreichen, ist in den Messkopf des Sensors ein Spiegel eingebaut, der sich mit hoher Geschwindigkeit um eine Vertikal- und Horizontalachse bewegen kann (Abb. 5.11); um die Vertikalachse wird er gemeinsam mit dem Messkopf gedreht. Jede der Achsen ist mit einem Winkelgeber [3.3] und einem Motor gekoppelt, damit die BewegunMotor

Encoder Spiegel

Reflektor

Encoder Motor PSD(x , y) Strahlteiler Distanzmesser Interferometer

Abbildung 5.11. Lasertracker (Leica)

Abbildung 5.12. Sensor des Lasertrackers mit Home Point

gen ferngesteuert werden können. Der Sensor enthält außerdem ein Interferometer, welches Entfernungen bestimmt, da vor Beginn der interferometrischen Messungen eine Ausgangsdistanz für den Reflektor in einer Anfangsposition gemessen wird. Der Laserstrahl des Interferometers, der die Zielachse des Messsystems verkörpert, kann über den motorgetriebenen Spiegel beliebig im 3D-Raum auf einen Reflektor ausgerichtet werden. Ein zweiachsiger positionsempfindlicher Detektor (PSD) oberhalb des Interferometers empfängt einen Teil des vom Reflektor zurückkommenden Lichtes über einen Strahteiler; er liefert in Abhängigkeit von der Position des auftreffenden Lichtes die Informationen, welche für das Nachsteuern des Spiegels benötigt werden. Unterhalb des Messkopfes des Sensors befindet sich eine Halterung mit ei-

202

5 Kombinierte Richtungs- und Distanzmessung

ner halbkugelförmigen Öffnung (Abb. 5.12); diese Halterung (auch Home Point“ ” genannt) kann den Reflektor aufnehmen. Aufwendigere Geräte verfügen zusätzlich über einen hochgenauen Distanzmesser (Abb. 5.11, 5.12). Eine elektronische Libelle kontrolliert, ob Neigungsänderungen während der Messungen auftreten. Zwei Räder des Grundgestells ermöglichen einen leichten Transport. Ein Controller (Steuerrechner) ist über Kabel mit dem Sensor verbunden; er steuert die Motoren, die Winkelgeber, das Interferometer, den Distanzmesser und das automatische Zielsystem. Die Auswertung und Analyse der Daten übernimmt ein Applikationsrechner.

5.3.2

Das Messprinzip

Der Laserstrahl durchläuft das optische System des Interferometers, wird zunächst von dem Spiegel in der Vertikalachse und dann von dem beweglichen Reflektor reflektiert. Auf dem gleichen Weg kehrt er zum Interferometer zurück, um dort mit dem Referenzstrahl zu interferieren. Der Strahlteiler (Abb. 5.11) sendet etwa 70% der Strahlungsenergie zum Interferometer zurück, damit dort die Entfernungsänderungen bestimmt werden können. Die restliche Strahlungsenergie wird zu dem PSD geleitet. Wird der Reflektor bewegt, so bedeutet dies, dass der auf dem (x, y)System des PSD erzeugte Lichtpunkt aus dem Ursprung des Koordinatensystems herauswandert. Die Abweichungen in x- und y- Richtung sind die Regelgrößen für die Regelkreise, durch welche die Motoren fortwährend so gesteuert werden, dass der Laserstrahl immer wieder das Zentrum des Reflektors und den Ursprung des (x, y)-Koordinatensystems trifft. Der Laserstrahl kann so den bewegten Reflektor innerhalb vorgegebener Grenzen verfolgen. Aus den vom Sensor gemessenen Winkeln und Distanzen können Polarkoordinaten und rechtwinklige Koordinaten im Koordinatensystem des Sensors (Abb. 5.13) bestimmt werden. Für die Transformation der Koordinaten in ein Objektkoordinatenz

D

ist

P

Hz

y

x

Abbildung 5.13. Koordinatensystem des Sensors

Abbildung 5.14. Anwendungen im Fahrzeugbau

203

5.3 Lasertracker

system müssen in diesem einige Festpunkte angemessen werden, damit ausreichend identische Punkte für die 3D-Transformation [6.3] zur Verfügung stehen. Ein wichtiger Schritt vor dem Beginn der Messungen ist, die Ausgangsdistanz des Reflektors zu bestimmen. Dies ist sehr einfach möglich, wenn der Reflektor in den Home Point (Abb. 5.12) gelegt wird; der Abstand des Reflektors vom Ursprung des Gerätekoordinatensystems ist als Geräteparameter gegeben. Bei komplexen umfangreichen Messaufgaben kann diese Methode jedoch zeitraubend sein, wenn häufiger Strahlunterbrechungen auftreten. Wirtschaftlicher ist es dann, die Kopplung zwischen relativen und absoluten Messungen mit einem Präzisionsdistanzmesser auszuführen, dessen Strahlengang mit dem des Interferometers nach der Reflexion am drehbaren Spiegel übereinstimmen sollte.

5.3.3 Technische Daten Am Beispiel des Lasertrackers LTD 500 soll nachfolgend verdeutlicht werden, welche Leistungsmerkmale neuere Entwicklungen hervorgebracht haben: Tabelle 5.4. Beurteilungskriterien des Lasertrackers LTD 500

Maximale Tracking Geschwindigkeit – in Richtung des Laserstrahls – senkrecht zur Richtung des Laserstrahls Maximale Beschleunigung (richtungsunabhängig) Maximale Datenrate Messbereich: – horizontal – vertikal – in Richtung des Messstrahls mit dem Interferometer – in Richtung des Messstrahls mit dem Distanzmesser Auflösung – Winkelmessung – Interferometer – Distanzmesser Genauigkeit – bei festen Zielpunkten – bei beweglichen Zielpunkten Genauigkeit des Distanzmessers Informationen über weitere Instrumentenentwicklungen findet man unter

> 4, 0 m/s > 6, 0 m/s > 2g 1000 Punkte/s ±235◦ ±45◦ 0–35 m 2–35 m 0,14 " 1, 15 μm 1 μm ±10 ·10−6 μm/m ±20–40 ·10−6 μm/m < ±0,05 mm www.leicageosystems.com

204

5 Kombinierte Richtungs- und Distanzmessung

5.3.4 Aufgabenbereiche und Spezialentwicklungen Lasertracker werden vorwiegend in der Industrievermessung eingesetzt. Typische Einsatzbereiche sind: der Flugzeugbau, Fahrzeugbau (Abb. 5.14), Anlagenbau, Maschinenbau und die Roboterkalibrierung. Für die Bewältigung der sehr unterschiedlichen Aufgabenbereiche musste spezielles Zubehör entwickelt werden. Neben Software Modulen für die Systemsteuerung und Auswertung der Messungen werden weitere graphische Module zur Verfügung gestellt, die den Import und Export von CAD Daten in den gängigsten Formaten erlauben und den Vergleich der Istmesswerte mit CAD Sollformen und Sollpositionen ermöglichen. Es wurde außerdem eine Reihe unterschiedlicher Reflektoren entwickelt, die den hohen Genauigkeitsanforderungen im μm-Bereich genügen. Normalerweise sind diese wegen der hohen Zentrier- und Anzielbedingungen in Präzisionskugeln unterschiedlichen Durchmessers montiert. Messwerte und die Prismenkonstanten beziehen sich daher immer auf den Kugelmittelpunkt. Drei unterschiedliche Reflektortypen stehen zur Verfügung. Sehr günstige Eigenschaften hat das sogenannte Cat‘s Eye“. Dieser Reflektor ” ist aus verschieden großen gläsernen Teilkugeln zusammengesetzt (Abb. 5.15), die

Abbildung 5.15. Cat‘s Eye

spezielle Brechungseigenschaften haben. Die gekrümmte Außenfläche der größeren Teilkugel ist mit einer feinen Silberschicht überzogen. Das Cat‘s Eye hat die Eigenschaften eines üblichen Glasreflektors, d. h. es wirft einfallende Strahlen in sich zurück; vorteilhaft ist allerdings, dass der Ausrichtbereich ±60◦ umfasst. Der zweite Typ, der Air Pass Corner Cube“, besteht aus drei senkrecht anein” andergekitteten Planspiegeln. Die Ausrichtung dieses Reflektors muss genauer als ±25◦ sein. Als dritter Typ kommen normale Glasreflektoren zum Einsatz, deren Ausrichtbereich ±20◦ beträgt.

5.4 Abbildende terrestrische Laserscanner

205

Werden diese kugelförmigen Reflektoren eingesetzt, so beziehen sich die Messwerte auf das Kugelzentrum und bei flächenhaften Aufnahmen ist dann eine Reduktion der Daten entlang der Oberflächennormalen notwendig, was mit komplizierteren mathematischen Problemstellungen verbunden ist. Je nach Kugelradius können außerdem häufig wegen Platzmangel Detailflächen nicht aufgenommen werden. Abhilfe schaffen spezielle Oberflächenreflektoren; sie bestehen aus einer Halterung, welche den Reflektor trägt und am unteren Ende als Messspitze geformt ist (Abb. 5.16). Um jetzt die Position des Reflektors auf die der Messspitze reduzieren zu können, müssen die 6 Freiheitsgrade der Halterungen in Bezug auf die Reflektorposition und der Abstand der Spitze bekannt sein. Die sechs Freiheitsgrade lassen sich bestimmen, wenn der Lasertracker zusätzlich mit einer digitalen Kamera ausgerüstet ist, die Monobilder von der Halterung und dort angebrachten Messmarken (in Form von Leuchtdioden) zur Verfügung stellt (Loser u. a. 2003).

Abbildung 5.16. Oberflächenreflektor

5.4 Abbildende terrestrische Laserscanner 5.4.1

Das Messverfahren

Bei den herkömmlichen Aufnahmeverfahren in der Geodäsie bzw. Geoinformation werden vor Beginn der Messungen zunächst einzelne Punkte in der Natur oder an Objekten diskretisiert, damit sie mit einem Theodolit, Tachymeter oder Messroboter aufgenommen werden können. Hierfür benötigt der Operateur vor Ort einiges an Wissen und Erfahrung. Die vorbereitenden Arbeiten und die Messungen sind relativ zeitaufwendig und daher kostspielig. Als Ergebnis erhält man Punkte höherer Genauigkeit, die bereits je nach ihrer Bedeutung klassifiziert sind und daher eine strukturierten Punktmenge darstellen; dies bedeutet, dass der Zeitaufwand bei der Auswertung geringer ist.

206

5 Kombinierte Richtungs- und Distanzmessung

Als Alternative bietet sich die rasterförmige Aufnahme einer sehr großen Anzahl von Punkten durch flächenhaftes Abscannen (Abb. 5.17 ). Man erhält dadurch eine unstrukturierte Punktmenge, die folglich im nachhinein klassifiziert werden muss, wodurch jetzt der Aufwand bei der Auswertung erhöht ist.

Abbildung 5.17. Flächenhaftes Abscannen (Niemeier u. a. 2002)

Für rasterförmige Aufnahmen stehen abbildende terrestrische 3D-Laser-Scanner zur Verfügung, die ähnlich wie die in 5.1 und 5.2 beschriebenen Tachymeter und Messroboter zu Objektpunkten Richtungen (α, β) und Distanzen d messen. Mit diesen Sensoren wird jedoch die Objektoberfläche kontinuierlich abgetastet, indem der Laser ein inkrementell vorgegebenes Punktraster durchläuft, welches durch fest vorgegebene Winkelschritte in zwei Richtungen erzeugt wird (Abb. 5.18). Es stehen heute Geräte zur Verfügung, die mehr als 100 Millionen Punkte/ h aufnehmen können. Für die Strahlablenkung wurden spezielle optomechanische Systeme entwickelt, bei denen im Gegensatz zu den Vorgängen bei Tachymetern und Messrobotern nur noch geringe Massen bewegt werden dürfen, um hohe Ablenkgeschwindigkeiten zu erzielen. Es werden 3D-Polarkoordinaten (α, β, d) gemessen (Abb. 5.18), die sich leicht in rechtwinklige kartesische Koordinaten (x, y, z) umrechnen lassen. Normalerweise können die Geräte außerdem die Intensität des reflektierten Signals messen und den einzelnen Pixeln (Lichtpunkte) zugeordnet abspeichern. Wenn verschiedene Flächen das Licht unterschiedlich reflektieren, lässt sich so zusätzlich ein digitales Schwarzweißbild oder Farbbild abspeichern, wenn man den Intensitäten unterschiedliche Grauwerte bzw. Farbwerte zuordnet. Mit den Bildern können die vom Sensor erfassten Daten klassifiziert und aufbereitet werden. Einzelnen Bildpunkten können Codes zugeordnet werden, die dann

207

5.4 Abbildende terrestrische Laserscanner Objektpunkt P

ay z

ax

d x β α y

Abbildung 5.18. Inkrementelles Punktraster

Auflösung: ax,y = 0, 25 mm (bei 50 m) ∅

Spot Größe: ∅ = 6 mm (bei 50 m) 3D Genauigkeit s = ±6 mm (bei 50 m)

Abbildung 5.19. Typische Qualitätsmerkmale eines Punktrasters in 50 m Entfernung vom Sensor

später der automatischen Erstellung von Plänen dienen können. Besonders vorteilhaft ist, dass den Bildern beliebige Maße entnommen werden können, da jedem Pixel 3D-Koordinaten zugeordnet sind.Abb. 5.19 zeigt an einem Beispiel die Qualität eines Punktrasters in 50 m Entfernung vom Sensor. Die Aufnahmeverfahren sind sehr flexibel, da die Geräte über beliebigen Punkten aufgestellt werden können. Das Aufnahmebündel, welches aus einer großen Anzahl von Vektoren besteht, bezieht sich zunächst, ähnlich wie bei Tachymetern oder Messrobotern (Kap. 5.1, 5.2), auf das Koordinatensystem des Messgerätes. Die Scans müssen jedoch in der Regel in ein übergeordnetes Koordinatensystem transformiert werden. Im einfachsten Fall, d. h. wenn der Scanner über Horizontierlibellen verfügt, bestimmt man die Koordinaten des Gerätestandpunktes und benötigt dann noch für die Orientierung einen weiteren Fixpunkt. Fehlen die Horizontierlibellen, so kann man das Gerät auch räumlich frei stationieren; man benötigt dann mindestens drei Festpunkte in der Umgebung. Die Verknüpfung mehrerer Scans kann über korrespondierende Objektpunktbereiche (Abb. 5.20) oder durch das Verwenden von Referenzmarken (Kugeln, Zielmarken) erfolgen (Abb. 5.21). Korrespondierende Objektpunkte können z. B. durch Textur auf der Oberfläche der aufzunehmenden Szene gegeben sein. Durch die korrespondierenden Punkte oder Referenzmarken können die Aufnahmebüschel relativ zueinander orientiert werden. In der Abb. 5.20 sind Innenräume mit 5 Scans aufgenommen worden. Teile der Wandflächen, in der Abbildung dunkler gezeichnet, sind mehrfach aufgenommen. Bei korrespondierenden Objektpunkten ist es teilweise nicht einfach, diese in den Punktwolken der Überlappungsbereiche zu identifizieren. Die Verknüpfung der Scans erfolgt schließlich über ein Ausgleichungsverfahren.

208

5 Kombinierte Richtungs- und Distanzmessung

Abbildung 5.20. Verknüpfung mehrerer Scans über korrespondierende Objektpunktbereiche (Niemeier u. a.2002)

5.4.2

Abbildung 5.21. Referenzmarken für den Überlappungsbereich

Gerätekonzepte

Die terrestrischen Laserscanner bestehen grundsätzlich aus drei Komponenten: – der Steuer- und Aufzeichnungseinheit, – dem Richtungsmesssystem und – dem Distanzmesssystem. Als Steuer- und Aufzeichnungseinheit dient in der Regel ein PC; er fungiert als Schnittstelle zwischen dem Scanner und dem Operateur. Der PC steuert die Messsysteme, speichert die Daten und kann bereits vor Ort für die Datenverarbeitung genutzt werden. Er kann einzelne Scans zu einem zusammenhängenden Modell verknüpfen und graphische Darstellungen der aufgenommenen Objekte erzeugen. Das Richtungsmesssystem kann so konzipiert sein, dass entweder die Strahlungsquelle bewegt wird oder diese ist gerätefest und nur der Laserstrahl des Distanzmessers wird durch bewegte Spiegel oder Prismen abgelenkt. Auch kombinierte Lösungen sind möglich. Hohe Abtastgeschwindigkeiten werden erreicht, wenn nur wenig Masse zu bewegen ist. Die Distanzmesser arbeiten mit dem Phasenvergleichs- oder Impulsmessverfahren; die Prinzipien wurden bereits in [4.3] beschrieben. Bezüglich des Aufnahmefeldes kann man noch zwischen einem PanoramaScanner und einem Kamera-Scanner unterscheiden. Mit Panorama-Scannern kann man den gesamten Horizont erfassen, während bei Kamera-Scannern das Gesichtsfeld, ähnlich wie bei einer Kamera, in horizontaler und vertikaler Richtung beschränkt ist. Panorama-Scanner haben eher einen tachymeterartigen Aufbau (Abb. 5.22) und normalerweise wird der Laserstrahl durch die Bewegung einer Ab-

209

5.4 Abbildende terrestrische Laserscanner

bildungsoptik und des Messkopfes, welcher die Optik trägt, abgelenkt. Bei KameraScannern erfolgt die Strahlablenkung normalerweise über zwei rotierende Spiegel (Abb. 5.23). 4

2

1 Distanzmesser 3

2 Laserstrahl 3 rotierendes Umlenkprisma 4 rotierende Stütze

1 5 Kabel zum Rechner 5

Abbildung 5.22. Panorama-Scanner mit bewegtem Messkopf und bewegterAbbildungsoptik (Riegl)

β

rotierender Spiegel

rotierender Spiegel Gesichtsfeld ca. 40◦ × 40◦ α

S fester Spiegel

Abbildung 5.23. Kamera-Scanner mit zwei bewegten Spiegeln (Leica)

Es lassen sich keine allgemeinen Regeln dafür angeben, wann und wo welcher Scannertyp optimal eingesetzt werden kann. Ausschlaggebend ist die Beschaffenheit der aufzunehmenden Szene. Verschiedene Beurteilungskriterien für terrestrische Laser-Scanner sind in Tab. 5.5 zusammengestellt. Die Zahlenwerte beschreiben, wie weit die Qualitätsangaben für die einzelnen Gerätetypen schwanken können. Je nach Fabrikat weisen die Scanner noch Besonderheiten auf. In einigen Geräten können die Rasterweite und der Scannbereich frei gewählt werden. Vorteilhaft ist in dem Fall noch, wenn zusätzlich

210

5 Kombinierte Richtungs- und Distanzmessung

eine Digitalkamera in den Strahlengang eingebaut ist; anhand von Digitalbildern können dann Scannbereiche vor der Aufnahme speziell ausgewählt werden. Für die Orientierung der Geräte nach der Aufstellung können Horizontierlibellen und ein elektronischer Kompass hilfreich sein. Tabelle 5.5. Beurteilungskriterien terrestrischer Laser-Scanner

Gerätetyp Distanzmessverfahren Laser: Wellenlänge Klasse Strahldivergenz Auflösung: horizontal vertikal Messbereich: Distanz horizontal vertikal Messungen/h Besonderheiten

Genauigkeit: Strecke Winkel Koordinaten Spez. Informationen v. Herstellern findet man z. B. unter:

Panorama-Scanner; Kamera-Scanner Impulsmessverfahren; Phasenvergleichsverfahren 530 nm bis 905 nm 1, 2, III a 1 mm /10 mm bis 30 mm /10 m 0, 3 mgon (0, 1 mm /10 m) bis 70 mgon (11 mm/10 m) 0, 3 mgon (0, 1 mm /10 m) bis 278 mgon (44 mm/10 m) 1, 5 mm bis 300 mm Panor.-SC. 400 gon, Kamera-Sc. 40 bis 90 gon bis 200 gon bis 380 gon 0,3 bis 2250 Millionen Rasterweite frei wählbar, Scannbereich frei wählbar, digitale Farbkamera, elektronischer Kompass, Horizontierlibellen 3 mm bis 100 mm 4 mgon bis 33 mgon 6 mm /50 bis 40 mm /50 mm www.leica-geosystems.com; www.trimble.com; www.riegl.com; www.mensi.com

5.4.3 Auswertestrategien Ziel der Geometrieerfassung von Objekten ist, das reale Objekt – z. B. ein Gebäude oder eine Industrieanlage – durch ein mathematisches Modell zu abstrahieren. Auf der Basis des mathematischen Modells kann dann eine Visualisierung der Objekte

211

5.4 Abbildende terrestrische Laserscanner

erfolgen. Die Vermessung eines Objektes unterstützt die Abbildung eines realen Modells in ein abstraktes mathematisches. Als Ergebnis eines Scannvorganges erhält man zunächst eine noch nicht georeferenzierte Punktwolke, denn die Punktkoordinaten beziehen sich zunächst nur auf das Koordinatensystem des Scanners. Die einzelnen Aufnahmebündel A, B,. . . sind daher zunächst in ein übergeordnetes System zu transformieren [6.3], wodurch sie dann mit einander verknüpft sind (Abb. 5.24). Anschließend können jetzt die Punktberei-

Verknüpfung verschiedener Szenen

A

Selektion

Approximation

+

B +... +

F

Entfernungsbereich, Einzelauswahl, Rechteck-, Kreisauswahl

geometrische Primitive (Ebene, Kugel, Zylinder,...)

Verschneidung

Auswertung von Laserscanner-Daten

Abbildung 5.24. Auswertevorgang für Laser-Scanner-Daten

che, welche von Interesse sind, manuell selektiert werden. Mit Hilfe einer Dreiecksvermaschung lassen sich diese dann in ein Flächenmodell überführen. Nachfolgend muss jetzt herausgefunden werden, ob benachbarte Dreiecksflächen sich zu einer größeren Fläche zusammenfügen lassen. Kriterium für die Zusammengehörigkeit kann z. B. sein, ob die Normalenvektoren benachbarter Flächen sich nur innerhalb vorgegebener Grenzwerte verändern. Für ideal geformte Flächen – wie Kegel, Zylinder, Kugeln,. . . – lassen sich andere Grenzwerte finden, um eine Klassifizierung der Dreiecksflächen vorzunehmen. Benachbarte Dreiecksflächen werden anschließend zu Gebieten zusammengefasst und einer Flächenapproximation unterzogen. Die dabei anfallenden Residuen sind zu analysieren, wobei herausgefunden werden muss, ob es sich um Ausreißer oder Systematiken unterhalb eines Grenzwertes der Gebietsextraktion handelt. So können z. B. im stumpfen Winkel aneinandergrenzende Wandflächen voneinander getrennt werden. Eine optimale Flächenapproximation wird normalerweise iterativ gefunden.

212

5 Kombinierte Richtungs- und Distanzmessung

Nachdem die Punktwolken in Flächen überführt sind, können diese mit einander zum Schnitt gebracht werden. Als Ergebnis erhält man ein Gittermodell (Abb. 5.25), aus dem sich dann zusätzlich Grundrissse und Schnitte berechnen lassen. Die Git-

Abbildung 5.25. Gittermodell, erzeugt aus mehreren Scans (Trimble-Mensi)

termodelle können nun wieder mit den Intensitätsbildern der Scans oder den Digitalbildern einer digitalen Kamera verknüpft werden, wodurch dann die Oberflächen der Objekte in ihren Details sichtbar gemacht werden können (Niemeier u. a. 2002, Kern u. a. 2002).

5.4.4 Anwendungsbeispiele Es ist ein breites Spektrum von Anwendungsmöglichkeiten gegeben. Vielfältige Möglichkeiten ergeben sich für die Bauaufnahme. Für die Denkmalpflege können Kulturdenkmäler (Schlösser, Burgen, Kirchen, Bürgerhäuser, Denkmäler,. . . ) aufgenommen werden. Es lassen sich nicht nur die Fassaden, sondern auch Innenräume, Dachstühle und andere Details erfassen. Abb. 5.26 zeigt zum Beispiel Punktwolken

5.4 Abbildende terrestrische Laserscanner

213

Abbildung 5.26. a) Punktwolke (Leica)

Abbildung 5.26. b) Rekonstruktion einer Hausfassade (Leica)

(5.26 a)) und die rekonstruierte Hauptfassade eines Bauwerkes (5.26 b)). Für Forschungsarbeiten können beliebig Maße entnommen werden. Da alle Details mit Koordinaten erfasst werden, können Datenbanken für Bauwerksinformationssysteme aufgebaut werden. Eine solche Datenbank dient dann als Basis für unterschiedliche Visualisierungen, und es können beliebig Duplikate angefertigt werden, um Schadstellen auszubessern.

214

5 Kombinierte Richtungs- und Distanzmessung

Da Details mit hoher Genauigkeit erfasst werden können, eignen sich Laserscanner auch für die Bauwerksüberwachung. Deformationsmessungen an Gebäuden, Brücken, Türmen,. . . sind interessante Einsatzgebiete. Vor dem Einsatz ist allerdings jeweils zu überprüfen, wie weit Laser-Scanner im Hinblick auf Genauigkeit und Wirtschaftlichkeit mit anderen Verfahren [vgl. 19.5] konkurrieren können. Abb. 5.27 a) – c) zeigt am Beispiel einer Brückenanlage die einzelnen Schritte für die Rekonstruktion und Visualisierung eines Bauwerkes. Das Foto und die Punktwolke dienen als Ausgangsmaterial. Endprodukte sind das Gittermodell und die Visualisierung. Das Gittermodell kann der Bauwerksüberwachung dienen; man kann es aber auch gemeinsam mit dem Foto für die Visualisierung nutzen. Besonders bewährt haben sich Laser-Scanner bei der Aufnahme von Industrieanlagen. Typische Objekte sind chemische Prozessanlagen mit komplexen Rohrleitungssystemen (Abb. 5.28) oder Fertigungsstraßen in der Autoindustrie. Nach der Aufmessung werden in der Regel CAD-Systeme entwickelt, die dann Grundlage für die Verwaltung, Neuplanung, Wartung und Reparatur der Anlagen sind.

Abbildung 5.27. a) Foto einer Brücke (Leica)

Abbildung 5.27. b) Punktwolke (Leica)

5.4 Abbildende terrestrische Laserscanner

215

Abbildung 5.27. c) Auswertung in einzelnen Schritten (Foto, Punktwolke, Gittermodell, Visualisierung) (Leica)

Abbildung 5.28. Rekonstruktion eines Rohrleitungssystems (Trimble-Mensi)

Weitere Einsatzgebiete sind: Facility Management, Massenermittlung, Qualitätssicherung, 3D-Stadtmodelle,. . . Beschreibungen durchgeführter Projekte findet man z. B. in (Grün/Kahmen 2001, Luhmann 2002, Grün/Kahmen 2003). Bisherige Verfahren zeigen, dass es sich bei Laser-Scannern keineswegs um eine Universaltechnologie handelt. Tachymetrie und Photogrammetrie müssen immer

216

5 Kombinierte Richtungs- und Distanzmessung

Rohrleitung Fassade -Plan) (2D/3D Oberfächenmodell (Nahbereich)

Laserscanning

Photogrammetrie

Ar FM chite , P ktu län r-B e au

Effizienz

tei

le

als Konkurrenzverfahren in Betracht gezogen werden. Als Entscheidungsgrundlage kann Abb. 5.29 herangezogen werden. Ist das Endprodukt ein Oberflächenmodell, so ist sicherlich Laserscanning ein nützliches Verfahren. Erfordert das Endprodukt sehr viel Abstraktionsvermögen, greift man besser nicht auf Punktwolken zurück, sondern auf Primärdaten, wie sie z. B. mit dem Tachymeter erfasst werden können. Ist eine Fassade inhaltlich auszuwerten, so kann sich die Photogrammetrie, das Messen in Bildern, als besonders effektiv erweisen. Eine sehr interessante Technik ist in dem Fall sicherlich das Kombinieren von Laser-Scanner-Daten mit digitalen Bildern.

Tachymetrie

Anwendungsgebiete und adäquate Technologien

Abbildung 5.29. Entscheidungsgrundlage für den Einsatz von Laserscanning, Photogrammetrie und Tachymetrie (Bringmann 2002)

6 Grundaufgaben der ebenen Koordinatenrechnung, Koordinatensysteme, Koordinatentransformation

Zu den Aufgaben der angewandten Geodäsie gehört es, geographische und ebene geradlinige rechtwinklige (kartesische) Koordinaten für ausgewählte Punkte der Erdoberfläche zu bestimmen [16]. In der Praxis arbeitet man wegen der einfacheren Handhabung vorwiegend mit ebenen Koordinaten. Die ebenen Koordinatensysteme entstehen aus ellipsoidischen durch eine mathematische Abbildung (geodätische Abbildung); hierfür gibt es unterschiedliche Lösungswege [6.4].

6.1

Rechtwinklige Koordinaten, Polarkoordinaten

Ein ebenes geodätisches Koordinatensystem ist ein kartesisches (x, y)-System, in dem die positive x-Achse (die Abszissenachse) nach Norden und die positive yAchse (die Ordinatenachse) nach Osten gerichtet ist. Die Lage eines Punktes ist durch seine rechtwinkligen Koordinaten – die Abszisse x1 und die Ordinate y1 – oder die Polarkoordinaten – den Winkel t und die Strecke s – bestimmt (Abb. 6.1). x

x P2

P1

x1

s12 s

t12

t 0

t21

y1

y

Abbildung 6.1. Rechtwinkliges und polares Koordinatensystem

P1

y

Abbildung 6.2. Richtungswinkel

Die Lage des Nullpunktes 0 ergibt sich aus der Festlegung, die bei der jeweiligen geodätischen Abbildung getroffen wird.

218

6 Grundaufgaben der ebenen Koordinatenrechnung, -systeme, -transformation

Der Winkel, den eine Strecke P1 P2 mit einer Parallelen zur Abszissenachse bildet, heißt der (geodätische) Richtungswinkel der Strecke (Abb. 6.2); er wird von dem nach Norden weisenden Ast der Parallelen an im Uhrzeigersinn gezählt und mit t12 bezeichnet. Entsprechend ist t21 der Richtungswinkel der Strecke P2 P1 im Punkte P2 . In der Ebene ist (6.1) t21 = t12 ± 200 gon . Ein Richtungswinkel kann alle Werte von 0 bis 400 gon annehmen. Die Regeln zur Ermittlung der trigonometrischen Funktionen von Winkeln, die größer als 100 gon sind, merkt man sich am einfachsten an einem Kreis mit dem Halbmesser 1: a) Der Sinus eines Richtungswinkels t ist die Projektion seines freien Schenkels auf die Ordinatenachse, der Cosinus die Projektion auf die Abszissenachse. Die Vorzeichen der Funktionen ergeben sich aus den Richtungen der betroffenen Achsenabschnitte. b) Ist α der die vollen Rechten übersteigende Teil des Winkels t, so ist der Absolutwert von sin t und cos t im I. und III. Quadranten gleich dem der entsprechenden Funktion von α, im II. und IV. Quadranten gleich dem der Cofunktion. Also ist: t= sin t = cos t =

α

100 gon + α

200 gon + α

300 gon + α

+ sin α + cos α

+ cos α − sin α

− sin α − cos α

− cos α + sin α

c) Die Vorzeichen und Funktionswerte von Tangens und Cotangens folgen aus tan = sin : cos, cot = cos : sin. Für praktischeArbeiten wählt man häufig örtliche Koordinatensysteme (Abb. 6.3). In den örtlichen Systemen werden nachfolgend die rechtwinkligen Koordinaten mit x  , y  oder ξ , η; und die Polarkoordinaten mit t  , s  bzw. θ, σ bezeichnet. x

x x2

 t12

 s12

P1

y2

P2

y y

Abbildung 6.3. Rechtwinklige- und Polarkoordinaten in örtlichen Systemen

219

6.1 Rechtwinklige Koordinaten, Polarkoordinaten

6.1.1

Berechnung rechtwinkliger Koordinaten aus Polarkoordinaten (Erste Grundaufgabe)

Gegeben x1 , y1 , s, t12 ; gesucht x2 , y2 . Aus sin t12 = folgt:

y y2 − y1 = s s

und

cos t12 =

x x2 − x1 = s s

x2 = x1 + s cos t12

(6.2)

y2 = y1 + s sin t12 .

(6.3)

x P2 t12 s P1 y

Abbildung 6.4. Koordinatenübertragung

Diese Aufgabe heißt auch Übertragung der Koordinaten des Punktes“ P1 nach ” P2“ oder Polares Anhängen des Punktes P2 an P1“. ” Zahlenbeispiel: Gegeben: y1 , x1 , s = 135, 25 m und t1,2 = 32, 9645 gon. sin t1,2 = +0, 49497 y = s sin t1,2 = + 66, 95 m y1 = 713, 64 m ______________ y2 = 780, 59 m

6.1.2

cos t1,2 = +0, 86891 x = s cos t1,2 = +117, 52 m x______________ 1 = 496, 72 m x2 = 614, 24 m

Berechnung von Polarkoordinaten aus rechtwinkligen Koordinaten (Zweite Grundaufgabe)

Gegeben x1 , y1 , x2 , y2 ; gesucht t12 , s.   2 2 s = (x2 − x1 ) + (y2 − y1 ) = x 2 + y 2

(6.4)

220

6 Grundaufgaben der ebenen Koordinatenrechnung, -systeme, -transformation

cos t12 =

x2 − x1 x = s s

sin t12 =

oder

y2 − y1 y = . s s

(6.5a) (6.5b)

Den genaueren Wert für t12 erhält man im Falle x > y aus (6.5a) und im Falle y > x aus (6.5b). Zu beachten ist: für y < 0 liegt der Richtungswinkel im 3. oder 4. Quadranten. Zahlenbeispiel: Gegeben y2 = y1 =

795,17 528,15

y = +267,02

x2 = x1 =

525,10 406,65

x = +117,45

 s = + 267,022 + 117, 452 = 291,71 m 117,45 = 73,6194 gon. t12 = arc cos 291,71

6.2

Schnitt zweier Geraden

(1) Erster Lösungsweg Nachdem in [6.1] und Abb. 6.2 der Richtungswinkel eingeführt ist, kann eine Gerade nicht nur durch zwei Punkte, sondern auch durch einen Punkt und den Richtungswinkel festgelegt werden. Dazu benötigt man tan t =

y2 − y1 =m x2 − x 1

(6.6)

den sogenannten Richtungskoeffizienten m der Geraden. Sind demnach von einer Geraden ein Punkt P1 (x1 , y1 ) und der Richtungskoeffizient m1 bekannt, so ist die Gerade in allen ihren ( laufenden“) Punkten festgelegt. ” Aus (6.6) aber folgt für die laufenden Koordinaten x und y einer Geraden durch P1 mit dem Richtungskoeffizienten m1 die Gleichung y − y1 = m1 (x − x1 ) .

(6.7)

Ebenso gilt für eine Gerade durch den Punkt P2 mit dem Richtungskoeffizienten m2 y − y2 = m2 (x − x2 ) .

(6.8)

221

6.2 Schnitt zweier Geraden

(6.7) und (6.8) sind in der Sprache der analytischen Geometrie die Gleichungen der beiden Geraden. Ihr Schnittpunkt P0 (x, y) aber ist der Punkt, der beiden Gleichungen genügt. Subtrahieren der Gleichung (6.8) und (6.7) führt auf x − x1 =

(y2 − y1 ) − m2 (x2 − x1 ) . m1 − m2

(6.9)

Ist demnach eine Gerade durch die Punkte P1 (x1 , y1 ) und P3 (x3 , y3 ) gegeben und eine weitere Gerade durch die Punkte P2 (x2 , y2 ) und P4 (x4 , y4 ), wobei ihre gegenseitige Lage entweder der Abb. 6.5a) oder b) entsprechen kann, so erhält man die Koordinaten des Schnittpunktes P0 (x0 , y0 ) aufgrund der folgenden Rechnungen. Bilde ⎫ y3 − y1 y4 − y2 1. nach (6.6) m1 = , m2 = ; ⎪ ⎪ ⎬ x3 − x 1 x4 − x 2 (6.10) 2. nach (6.9) (x0 − x1 ) , nach (6.7) (y0 − y1 ) ;⎪ ⎪ ⎭ 3. x0 = x1 + (x0 − x1 ) ; y0 = y1 + (y0 − y1 ). Die zuvor beschriebene Lösung ist für die Erklärung des Geradenschnitts – d. h. didaktisch – besonders geeignet, weist jedoch numerisch erhebliche Nachteile auf, da zwei tan-Funktionen im Nenner des Bruches (6.9) auftreten. Das Verfahren vera)

x

b)

P3

x P2

P2

P4 P

P P4

P1

y

P1

P3 y

Abbildung 6.5. Linienschnitt

sagt, wenn die beiden Geraden senkrecht aufeinander stehen und parallel zu den Koordinatenachsen verlaufen. (2) Zweiter Lösungsweg Es seien die Koordinaten der Punkte P1 (x1 , y1 ), P2 (x2 , y2 ), P3 (x3 , y3 ) und P4 (x4 , y4 ) bekannt, wodurch die Geraden P1 P3 und P2 P4 eindeutig festgelegt sind (Abb. 6.6). Der Schnittpunkt P0 lässt sich berechnen, wenn zuvor aus den Koordinaten die Seite s10 sowie der sin und cos ihres Richtungswinkels berechnet werden. Die Aufgabe ist dann auf die Erste Grundaufgabe“ [6.1.1] zurückgeführt. ”

222

6 Grundaufgaben der ebenen Koordinatenrechnung, -systeme, -transformation P2 P3 P0 s10 β

α

P1

s14

P4

Abbildung 6.6

Mit Hilfe des sin-Satzes in dem Dreieck P0 , P1 , P4 findet man: s10 = s14

sin β sin (t42 − t41 ) = s14 , sin γ sin (t31 − t24 )

(6.11)

mit γ = 200 − (α + β). Aus der Differenzgleichung der Additionstheoreme ergibt sich: sin t42 cos t41 − cos t42 sin t41 s10 = s14 sin t31 cos t24 − cos t31 sin t24 und mit s14 · cos t41 = x14 ; s14 sin t41 = y14 x14 sin t42 − y14 cos t42 s10 = . (6.12) sin t31 cos t24 − cos t31 sin t24 Schließlich erhält man die Koordinaten des Schnittpunktes P0 aus: x0 = x1 + s10 cos t13 y0 = y1 + s10 sin t13 mit

(6.13)

y3 − y1 x3 − x1 ; cos t13 = ; s13 s13  = (x3 − x1 )2 + (y3 − y1 )2 .

sin t13 = s13 Sonderfälle:

– Liegt der Schnittpunkt außerhalb der beiden Geraden (vgl. Abb. 6.5b), so ist dies leicht erkennbar, da s10 negativ wird. – Verlaufen die beiden Geraden parallel, so wird s10 = ∞, was am Rechner leicht abzufragen ist. – Soll ein weiterer Schnittpunkt gebildet werden, indem man eine der Geraden parallel zu sich versetzt, so brauchen in Gleichung (6.12) nur x und y verändert zu werden.

6.3 Koordinatentransformation

6.3

223

Koordinatentransformation

Häufig ist die Aufgabe gestellt, Punkte, die in dem einen System gegeben sind, in das Nachbarsystem zu überführen. Folgende Anwendungen stehen im Vordergrund: – Transformation der Koordinaten eines lokalen Netzes in die eines übergeordneten Netzes, wobei die örtlichen Koordinaten aus neuen Messungen (Orthogonalaufnahme, Polaraufnahme) hervorgegangen sind, – Transformation der Koordinaten eines übergeordneten Netzes in die eines lokalen Netzes, wobei diese als Absteckungselemente dienen sollen, – Transformation übergeordneter Koordinaten in andere übergeordnete Koordinaten. Dieser Fall tritt beispielsweise an den Rändern zweier sich überlappender Koordinatensysteme auf. Im allgemeinen sind die Voraussetzungen für eine Ähnlichkeitstransformation gegeben. Beide Koordinatensysteme können in dem Fall unterschiedliche Maßstabseinheiten haben; in den einzelnen Systemen muss dieser jedoch in beiden Koordinatenachsen übereinstimmen. Bei unterschiedlichen Maßstäben in den Koordinatenachsen und bei unterschiedlichen Winkeln zwischen den Koordinatenachsen verwendet man die Affintransformation.

6.3.1

2D-Ähnlichkeitstransformation

Bei der Ähnlichkeitstransformation ist das zu transformierende Punktfeld (Abb. 6.7) (1) in beiden Koordinatenrichtungen um x0 und y0 zu verschieben, (2) um den Winkel ϕ zu drehen und (3) durch Multiplikation der Maßstabseinheit mit dem Faktor q im Maßstab so zu ändern, dass dieser in beiden Systemen übereinstimmt. Zur Unterscheidung seien die Koordinaten des ersten Systems mit ξ , η und die des zweiten mit x, y bezeichnet. (1) Eindeutige Lösung der Koordinatentransformation Die Lösung ist eindeutig, wenn zwei Ausgangspunkte in beiden Systemen bekannt sind. Die Aufgabe lautet dann: Gegeben sind zwei identische Punkte A und E sowohl im (ξ, η)-System wie im (x, y)-System und die Punkte P1 , P2 , . . . , Pi nur im (ξ, η)System. Gesucht sind die Punkte P1 , P2 , . . . , Pi im (x, y)-System. Man überprüft zunächst die Identität der Punkte A und E, indem man in dem einen System die Strecke sAE , in dem anderen die Strecke σAE rechnet und anschließend beide vergleicht. Danach berechnet man die Transformationsparameter. Den Maßstabsfaktor erhält man aus:  s x 2 + y 2 q= = (6.14) σ ξ 2 + η2

224

6 Grundaufgaben der ebenen Koordinatenrechnung, -systeme, -transformation

x

ξ y

P1

η E



ϕ

x0

P0

σAE sAE x ϕ θ AE P2 tAE A

θAi

P3

σAi Pi (ξi , ηi ) η

y0

y

Abbildung 6.7. 2D-Koordinatentransformation

mit ξE − ξA = ξ ; xE − xA = x;

ηE − ηA = η yE − yA = y.

Der Drehwinkel ϕ ergibt sich aus der Differenz der Richtungswinkel tAE und θAE der Strecke AE im (x, y)- und (ξ, η)-System: ϕ = tAE − θAE = arccos

x ξ − arccos . sAE σAE

(6.15)

Dann ist nach Abb. 6.7 x = qσAE cos (θAE + ϕ) y = qσAE sin (θAE + ϕ) .

(6.16)

Mit den Additionstheoremen findet man x = σAE cos θAE q cos ϕ − σAE sin θAE q sin ϕ y = σAE cos θAE q sin ϕ + σAE sin θAE q cos ϕ und mit

σAE cos θAE = ξ ; q sin ϕ = o;

(6.17)

σAE sin θAE = η q cos ϕ = a

x = aξ − oη y = oξ + aη.

(6.18)

Die Punkte P1 , P2 , . . . , Pi aus dem (ξ, η)-System lassen sich nun mit (6.14), (6.15), (6.16) und (6.18) ausgehend von dem Drehpunkt A folgendermaßen in das (x, y)System übertragen:

225

6.3 Koordinatentransformation

a) wenn Polarkoordinaten (σAi , θAi ) gegeben sind: xi = xA + qσAi cos (θAi + ϕ) yi = yA + qσAi sin (θAi + ϕ) ; bzw. in Matrixschreibweise       x cos(θAi + ϕ) xi = A +q σ . sin(θAi + ϕ) Ai yi yA

(6.19a)

(6.19b)

b) wenn rechtwinklige Koordinaten (ξi , ηi ) gegeben sind: xi = xA + a (ξi − ξA ) − o (ηi − ηA ) yi = yA + o (ξi − ξA ) + a (ηi − ηA ) . bzw.

       xi xA cos ϕ − sin ϕ ξi − ξA = +q , sin ϕ + cos ϕ ηi − ηA yi yA

und mit der Rotationsmatrix

 cos ϕ − sin ϕ , Rϕ = sin ϕ + cos ϕ

(6.20a)

(6.20b)



(6.20c)

welche eine Drehung um den Winkel ϕ beschreibt, kann man für (6.20b) verkürzt schreiben:       x ξ − ξA xi = A + qRϕ i . (6.20d) yi yA ηi − η A Legt man den Drehpunkt in den Anfangspunkt P0 des örtlichen Koordinatensystems, so erhält man anstelle von (6.19a) mit Abb. 6.8:       xi x0 cos(θi + ϕ) σ, (6.21a) = +q yi y0 sin(θi + ϕ) i mit den Koordinaten des Drehpunktes       xA cos(θA + ϕ) x0 = −q σ , y0 yA sin(θA + ϕ) A und anstelle von (6.20d)

      xi x0 ξ = + qRϕ i , yi y0 ηi

mit den Koordinaten des Drehpunktes       x ξ x0 = A − qRϕ A . y0 yA ηA

(6.21b)

(6.22a)

(6.22b)

226

6 Grundaufgaben der ebenen Koordinatenrechnung, -systeme, -transformation

ξ

x

E Pi ϕ θi σ i P θA σA x0 0

A η

y0

y

Abbildung 6.8. Koordinatentransformation: Drehpunkt ist Ausgangspunkt des (ξ, η)-Systems Zahlenbeispiel: Das Beispiel behandelt die Transformation zwischen zwei Gauß-KrügerSystemen [6.4]. Gegeben sind die Koordinaten von A und E im (x, y)- und (ξ, η)-System. Die in dem (ξ, η)-System gegebenen Punkte P1 und P2 sind in das (x, y)-System zu überführen. Man wählt zunächst im (ξ, η)-System einen Drehpunkt – z. B. den Punkt A – und bestimmt nach (6.14) und (6.15) q und ϕ bzw. o und a. Die Transformation selbst wird dann nach (6.20d) vorgenommen.

Pkt. Nr. A E η, ξ θ, σ o, a P1 P2

(ξ, η)-System ηi ξi 97319,35 08802,06 98858,81 09717,54 +1539,46 +915,48 65,8456 1791,100 +0,041925 +0,999129 98338,99 08586,69 97918,31 09538,01

(x, y)-System yi xi 96935,27 08922,55 98511,77 09772,69 +1576,50 +850,14 68,514 1791,114 2,6698 1,0000078 97944,99 08664,62 97564,56 09632,75

A E y, x t, s ϕ, q P1 P2

(2) Koordinatentransformation bei mehreren identischen Punkten (Helmerttransformation) Die Helmerttransformation wendet man an, wenn für die Anzahl r der identischen Punkte gilt: r > 2. Die identischen Punkte sollen an den Rändern der umzuformenden Gebiete liegen und diese möglichst umschließen. Die Aufgabe lautet dann: Gegeben sind die Punkte P1 , P2 , . . . , Pr im (ξ, η)System wie im (x, y)-System und die Punkte Pr+1 , . . . , Pn nur im (ξ, η)-System. Gesucht sind die Punkte Pr+1 , . . . , Pn im (x, y)-System.

227

6.3 Koordinatentransformation

Um numerisch günstige Gleichungen zu erhalten, ist es zweckmäßig, bei der Berechnung der Transformationsparameter die Koordinaten jeweils vom Schwerpunkt der identischen Punkte aus zu zählen, wobei xs =

[x] , n

ys =

[y] , n

ξs =

[ξ ] , n

ηs =

[η] n

ist. Die Transformationsparameter berechnen sich jetzt nach (Wolf 1975):   q cos ϕ = ([ξ x] + [ηy]) / ξ 2 + η2  = a q sin ϕ = ([ξ y] − [ηx]) / ξ 2 + η2 = o

(6.23)

mit xi = xi − xs , yi = yi − ys , ξi = ξi − ξs , ηi = ηi − ηs (i = 1, . . . , r) und den Proben: [x] = [y] = [ξ ] = [η] = 0. Den Drehwinkel ϕ und Maßstabsfaktor q erhält man mit (6.23) aus  (6.24) q = o2 + a 2 ϕ = arctan

a o = arccos . a q

(6.25)

Die Punkte Pr+1 , . . . , Pn transformiert man mit den Gleichungen (6.22a):       x ξ xi = 0 + qRϕ i (i = r + 1, . . . , n) (6.26a) yi y0 ηi mit den Koordinaten des Drehpunktes (Anfangspunkt des (ξ, η)-Systems)       x ξ x0 = s − qRϕ s , (6.26b) y0 ys ηs Vorhandene Netzspannungen lassen sich mit den linearen Restabweichungen der identischen Punkte beurteilen:         xs ξi x dxi = + qRϕ − i (i = 1, . . . , r). (6.27) dyi ys ηi yi Zur Kontrolle rechne man: 





(dyi )2 + (dxi )2

6.3.2



[dyi ] = [dxi ] = 0,      = ξi2 + ηi2 a 2 + o2 + yi2 + xi2 .

3D-Ähnlichkeitstransformation

Das Punktfeld (Abb. 6.9) besteht aus zwei dreidimensionalen Koordinatensätzen (X, Y, Z), (x, y, z). Das zweite soll in das erste transformiert werden, und ist daher

228

6 Grundaufgaben der ebenen Koordinatenrechnung, -systeme, -transformation

(1) in den drei Koordinatenrichtungen um X0 , Y0 und Z0 zu verschieben, (2) um die Winkel ωx , ωy und ωz zu drehen und (3) durch Multiplikation der Maßstabseinheit mit dem Faktor q im Maßstab so zu ändern, dass dieser in beiden Systemen übereinstimmt. Z z ωz x X0

x

ωx X

ωy y Y

X Abbildung 6.9. 3D-Ähnlichkeitstransformation

Es wird die Rechtwinkligkeit der Koordinatenachsen beibehalten und von rechtsdrehenden Koordinatensystemen ausgegangen. Die Drehung erfolgt um die mitgeführten Achsen. Dreht man ein System nacheinander um die x-, y- und die z-Achse, so haben die Transformationsgleichungen die Form: ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ X X0 x ⎣ Y ⎦ = ⎣ Y0 ⎦ + qR(ωx , ωy , ωz ) ⎣y ⎦ . (6.28) Z Z0 z Die dreiachsige Rotationsmatrix R (ωx , ωy , ωz ) lässt sich zerlegen in: R(ωx , ωy , ωz ) = Rx (ωx ) · Ry (ωy ) · Rz (ωz ) mit den Rotationsmatrizen: ⎡ ⎡ ⎤ ⎤ 1 0 0 cos ωy 0 − sin ωy 0 ⎦; Rx (ωx ) = ⎣0 cos ωx sin ωx ⎦ ; Ry (ωy ) ⎣ 0 1 0 −sinωx cos ωx sin ωy 0 cos ωy ⎡ ⎤ cos ωz sin ωz 0 Rz (ωz ) = ⎣− sin ωz cos ωz 0⎦ . 0 0 1

(6.29)

(6.30)

Die Rotationsmatrizen sind orthogonal, d. h. es gilt R−1 = R . Mit (6.28) ist somit die allgemeine 7-Parameter-Transformation gegeben, die bei den Auswertealgorithmen von 3D-Messverfahren von großer Bedeutung ist [8,9,10].

229

6.3 Koordinatentransformation

Sind die 7 Parameter nicht gegeben, so sind diese mindestens über drei Stützpunkte zu schätzen. Lösungsansätze findet man z. B. in (Welsch 1993). Eine geschlossene Lösung der überbestimmten nicht linearen 7 Parameter-Transformation wird von Awange und Grafarend 2003 beschrieben.

6.3.3

2D-Affin-Transformation

Eine Erweiterung der Ähnlichkeitstransformation [6.3.1] führt zur 2D-Affin-Transformation mit 6 Parametern. Die erweiterten Eigenschaften lassen sich wie folgt beschreiben: (1) Je Koordinatenrichtung wird ein eigener Maßstabsfaktor qx , qy eingeführt. (2) Die Rechtwinkligkeit zwischen den Achsen des Ausgangskoordinatensystems wird aufgegeben, wobei für die x- und y-Achse die Rotationswinkel ϕx und ϕy eingeführt werden. Für die erweiterten Transformationsgleichungen gilt nun im Vergleich zu (6.22a): xi = x0 + qx (cos ϕx )ξi − qy (sin ϕy )ηi yi = y0 + qx (sin ϕx )ξi + qy (cos ϕy )ηi .

(6.31)

Verkürzt kann man für (6.31) auch schreiben: x = a + cx − dy y = b + ex + fy,

(6.32)

was sich durch einen Koeffizientenvergleich leicht bestätigen lässt. Die geometrischen Parameter lauten dann: – 2 Verschiebungen – 2 Drehwinkel – 2 Maßstabsfaktoren

x0 = a, y0 = b ϕx = arctan(e/c), ϕy = − arctan(d/f )   qx = c2 + e2 , qy = d 2 + f 2 .

(6.33)

Bei der Affin-Transformation bleibt die Geradlinigkeit und Parallelität, nicht jedoch die Form von Figuren erhalten. Man wendet die Transformation z. B. an, wenn Soldnersche Koordinaten [6.4.1] in Gauß-Krüger-Koordinaten [6.4.2] oder Koordinatensätze einer bereits vorhandenen Liegenschaftsvermessung in ein hochgenaues durch GPS-Messungen bestimmtes Festpunktfeld zu transformieren sind. Hier wird dann die maschenweise Affin-Transformation angewendet (Niemeier 2002).

230

6.4

6 Grundaufgaben der ebenen Koordinatenrechnung, -systeme, -transformation

Systeme rechtwinkliger Koordinaten

Systeme rechtwinkliger Koordinaten können nach verschiedenen Grundsätzen angeordnet werden. Die rechtwinkligen Koordinaten sollen nämlich nicht nur den Punkten des Lagefestpunktfeldes [16] einen festen Platz auf dem Ellipsoid anweisen, sondern sie sollen gleichzeitig die Grundlage für eine ebene Abbildung im Maßstab 1 : 1 sein, die dem ellipsoidischen Urbild so ähnlich wie möglich ist. Mathematische Ähnlichkeit oder gar Kongruenz ist nicht erreichbar, weil das Ellipsoid in der Ebene nicht ohne Verzerrungen abgebildet werden kann. Man muss daher zu Verfahren greifen, die die genannten Forderungen wenigstens genähert erfüllen. Als geeignet haben sich dabei vor allem zwei Systeme rechtwinkliger Koordinaten erwiesen: Das System des bayerischen Astronomen Soldner und das des Göttinger Mathematikers C. F. Gauß. Heute verwendet man, von Ausnahmen abgesehen, das Verfahren von C. F. Gauß.

6.4.1

Die Soldnerschen Koordinaten

Das Soldnersche System ist folgendermaßen definiert: Ein in der Mitte des Vermessungsgebiets liegender Hauptmeridian ist Abszissenachse, und ein ausgezeichneter Punkt auf der Abszissenachse ist Koordinatenanfangspunkt. Die Ordinate eines Punktes P ist das ellipsoidische Lot von P auf die Abszissenachse, und die Abszisse von P ist der Meridianbogen vom Koordinatenanfangspunkt bis zum Ordinatenfußpunkt. Für die Abszissen gilt als positive Richtung die Nordrichtung, für die Ordinaten die Richtung nach Osten. Wie Abb. 6.10 verdeutlichen soll, konvergieren die Ordinaten mit zunehmender Entfernung vom Hauptmeridian. In der Nachbarschaft des Hauptmeridians ist die Konvergenz jedoch absolut betrachtet so gering, dass zwei Ordinatenlinien, die am N +x

P2 y1 s P1

x1

Q

P0

+y −x S Abbildung 6.10. Soldnersches Koordinatensystem auf einer Kugel

6.4 Systeme rechtwinkliger Koordinaten

231

Hauptmeridian 1 km voneinander entfernt sind, sich einander in 64 km Abstand vom Hauptmeridian erst um 5 cm genähert haben. Darauf gründet sich folgendes Abbildungsverfahren: Man bildet den ellipsoidischen Hauptmeridian unter Wahrung seiner Länge auf der Abszissenachse eines ebenen kartesischen Systems ab und trägt die ellipsoidischen Ordinaten in ihrer wahren Länge auf den ebenen Ordinaten ab. Dabei nimmt man in Kauf, dass die ellipsoidischen Abszissenunterschiede mit zunehmender Entfernung vom Hauptmeridian immer stärker gedehnt werden. Damit aber die Dehnung den Betrag von 5 cmet je 1 km keinesfalls überschreitet, beschränkt man die Soldnerschen Systeme auf 64 km beiderseits des Hauptmeridians und ordnet bei größerer Ausdehnung des Vermessungsgebiets mehrere Systeme nebeneinander an. Das Soldnersche Verfahren ist z. B. bei vielen der größtenteils aus dem 19. Jahrhundert stammenden deutschen Katastervermessungen zur Anwendung gelangt. Es hat den Vorteil großer Einfachheit. Nachteilig ist jedoch, dass als Folge der Dehnung an den Rändern der Systeme die Richtungen von 1 km langen Dreiecksseiten Verschwenkungen bis zu 5 oder 1, 5 mgon erleiden können. Da dieser Betrag größer ist als die Beobachtungsungenauigkeit, musste er bei der Triangulierung I. bis III. O. berücksichtigt werden. Störend ist ferner, dass infolge der geringen seitlichen Ausdehnung der Systeme an deren Rändern häufig Koordinatentransformationen [6.3] erforderlich werden.

6.4.2

Die Gaußschen Koordinaten

Um den soeben beschriebenen Verschwenkungen oder Verzerrungen in den Richtungen entgegenzuwirken, hat C. F. Gauß für die von ihm geleitete Hannoversche Landesvermessung (1822 – 1847) das nach ihm benannte Verfahren der konformen Abbildung entwickelt, bei dem nach seinen Worten das ebene Abbild dem ellipsoidischen Urbild in den kleinsten Teilen“ – d. h. im Differentiellen – ähnlich ist. Da die ” Entwicklung der Abbildungsgleichungen zu weit führen würde (Heck 2003), sei der Unterschied der Gaußschen gegenüber der Soldnerschen Abbildung an den beiden differentiellen Figuren der Abb. 6.11 erläutert. Wie bei Soldner wird auch bei Gauß der Hauptmeridian, der gleichzeitig die ellipsoidische Abszissenachse ist, auf der Abszissenachse des ebenen kartesischen Systems in wahrer Länge abgebildet. Es ist also, wenn die Indizes E, S und G der Reihe nach ellipsoidische, Soldnersche und Gaußsche Größen bezeichnen, xE = xS = xG .

(6.34)

Die Abszissen stimmen demnach in beiden Abbildungen überein. Darüber hinaus werden auch bei Gauß die auf dem Ellipsoid konvergierenden Ordinaten unter Vernachlässigung der Konvergenz auf den Ordinatenlinien x = const. des ebenen kartesischen Systems abgebildet. Die Ordinaten erhalten aber infolge unterschiedlicher

232

6 Grundaufgaben der ebenen Koordinatenrechnung, -systeme, -transformation +x

+x P 

P  dy dx

α P

P

dy dx

P

α P

Abbildung 6.11. Verzerrungen eines ellipsoidischen Differentialdreiecks bei der Soldnerschen und bei der Gaußschen Abbildung

Abbildung des in den beiden Figuren der Abb. 6.11 auftretenden ellipsoidischen Differentialdreiecks mit dem Richtungswinkel α bei Soldner und Gauß verschiedene Werte: Beim Soldnerschen Verfahren (Abb. 6.11 links) erhält der Punkt P  in der Abbildung die Lage P  ; der dem ellipsoidischen Bogenelement P P  entsprechende ellipsoidische Ordinatenunterschied dy bleibt also seiner Größe nach erhalten. Der Abszissenunterschied – d. h. die dem Winkel α anliegende Kathete – aber wird, weil die Konvergenz der ellipsoidischen Ordinaten vernachlässigt wurde, gedehnt, so dass der ellipsoidische Richtungswinkel α verzerrt wird. Der Abszissendehnungsfaktor ist (1+y 2 /2R 2 ), worin y die ellipsoidische Ordinate und R der Krümmungshalbmesser derjenigen Schmiegungskugel ist, die sich der Oberfläche des Bezugsellipsoids an der betreffenden Stelle anpasst. Beim Gaußschen Verfahren (Abb. 6.11 rechts) wird, um der Verzerrung des Richtungswinkels entgegenzuwirken, außer dem ellipsoidischen Abszissenunterschied auch der Ordinatenunterschied mit dem obigen Faktor gedehnt. Damit bekommt der Punkt P  in der Gaußschen Ebene die Lage P  , so dass der Richtungswinkel α des Bogenelements P P  erhalten bleibt. Da ferner die Katheten des ellipsoidischen Differentialdreiecks ebenso wie die seines Gaußschen Bildes rechte Winkel miteinander bilden, ist in beiden Differentialdreiecken ein zweiter Winkel identisch. Das Abbild ist also bei Gauß dem Urbild ähnlich. Die Dehnung des Ordinatenunterschieds, durch die die Ähnlichkeit erreicht wurde, wiederholt sich nun in jedem der aufeinanderfolgenden Differentialdreiecke, die man sich längs der Ordinaten zu denken hat. Zur Berechnung einer endlichen Gaußschen Ordinate yG aus der ellipsoidischen bzw. der ihr längengleichen Soldnerschen Ordinate ys muss daher über das Produkt (1 + y 2 /2R 2 )dy integriert werden. Die Integration ergibt bei Verzicht auf Glieder von der Größenordnung 1/R 4 als Abbil-

233

6.4 Systeme rechtwinkliger Koordinaten

dungsgleichung für die Gaußschen Ordinaten yG = yS +

yS3 . 6R 2

(6.35)

Die auf die Gleichungen (6.34) und (6.35) gegründete Abbildung ist zwar dem Urbild im Differentiellen ähnlich und damit winkeltreu. Diese Eigenschaft konnte aber nur dadurch erreicht werden, dass das ebene Abbild gegenüber dem ellipsoidischen Urbild gedehnt wurde. Daraus folgen Verzerrungen, denen wir uns im folgenden Abschnitt zuwenden.

6.4.3

Reduktion gemessener Größen auf ihren Wert in der Gaußschen Abbildung

Das Verhältnis eines Bogenelements imAbbild zu seinem ellipsoidischen Urbild wird allgemein als Vergrößerungsverhältnis bezeichnet. Bei der Gaußschen Abbildung ist dieses, weil dabei die Bogenelemente der ellipsoidischen Abszissenunterschiede wie die der Ordinatenunterschiede mit dem gleichen Faktor (1 + y 2 /2R 2 ) gedehnt werden, vom Richtungswinkel unabhängig; das Vergrößerungsverhältnis hat demnach in allen Richtungen den gleichen Wert. Also werden auch die Bogenelemente beliebig gerichteter Strecken mit (1 + y 2 /2R 2 ) gedehnt. Nun ist ein Bogenelement zwar theoretisch ein differentielles Bogenstück. In der geodätischen Praxis darf darunter jedoch auch eine mäßig ausgedehnte Strecke, z. B. eine kurze Dreiecksseite, eine längere Polygonseite oder auch die Länge eines Polygonzuges verstanden werden. Wenn also S eine solche Strecke im ellipsoidischen Urbild oder eine gemessene Strecke ist, und s die entsprechende Strecke im ebenen Abbild, so erhält man für S mit der Mittelordinate ym den Wert s in der Gaußschen Abbildung mit Hilfe des Ansatzes 2

2 ym ym s = 1+ S. (6.36) S oder s − S = 2 2 2Rm 2Rm Dabei darf in dem Ausdruck auf der rechten Seite der zweiten Gleichung die ellipsoidische Strecke S ohne Genauigkeitsverlust durch die ebene Strecke s ersetzt werden; Rm ist der Halbmesser der Gaußschen Schmiegungskugel im Ordinatenfußpunkt von ym . Die Bedeutung der Formeln (6.35) und (6.36) für die Zahlenrechnung lässt Tab. 6.1 erkennen. Tab. 6.1 gibt in der 1. Spalte runde Soldnerordinaten und in der 2. Spalte die dem zweiten Glied auf der rechten Seite der Gleichung (6.35) entsprechenden Ordinatenzuschläge, durch die die Soldnerschen Ordinaten in Gaußsche überführt werden. Die 3. Spalte enthält die Beträge, um die entsprechend der zweiten Gleichung (6.36) eine 1 km lange ellipsoidische Strecke bei der Gaußschen Abbildung gedehnt wird, wenn ihre Mittelordinate die in der 1. Spalte angegebene Größe hat.

234

6 Grundaufgaben der ebenen Koordinatenrechnung, -systeme, -transformation Tabelle 6.1 Soldner-Ordinate

Ordinatenzuschlag

(s − S) auf 1 km

km 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 150 200

m 0,00 0,03 0,11 0,26 0,51 0,88 1,40 2,10 2,98 4,09 13,81 32,75

mm 1 5 11 20 31 44 60 79 99 123 276 491

Nach der Tabelle wird eine Strecke in der Gaußschen Ebene um so mehr gedehnt, je weiter die betrachtete Stelle von der Abszissenachse entfernt ist. Infolgedessen werden in einer nach dem Gaußschen Verfahren abgebildeten Figur mit größerer Ost-West-Erstreckung die der Abszissenachse ferneren Figurenteile stärker gedehnt als die ihr näher liegenden Teile. Bei der Abbildung einer großen Fläche bleibt daher die bei der Gaußschen Abbildung einer differentiellen Figur erzielte Ähnlichkeit nicht voll erhalten; oder anders ausgedrückt: bei der Abbildung größerer Flächen werden außer den Strecken auch die Richtungen und damit die Winkel etwas verzerrt. Die beobachteten Strecken und Richtungen müssen daher, bevor sie in die Rechnung eingeführt werden, auf ihren Wert in der Gaußschen Abbildung reduziert werden. Die Richtungsverzerrung ist bei der Gaußschen Abbildung im Gegensatz zur Soldnerschen so geringfügig, dass die Richtung einer 1 km langen Strecke selbst im Abstand von 200 km vom Hauptmeridian oder seinem Bilde, der Abszissenachse, bei Gauß nur um knapp 0, 2 mgon verzerrt wird. Dieser Betrag kann in der Praxis fast immer vernachlässigt werden. Erst bei längeren Strecken nimmt die Richtungsverzerrung etwas zu. Wie dann zu verfahren ist, möge der Leser erforderlichenfalls in der Spezialliteratur nachlesen (Heck 2003). Die Streckenverzerrung dagegen – also die Dehnung, die jede Strecke des Urbildes bei der Gaußschen Abbildung erfährt – wächst nach (6.36) mit dem Quadrat des Abstandes von der Abszissenachse; ihre Auswirkungen dürfen daher sogar bei manchen Aufgaben der einfachen Praxis nicht vernachlässigt werden. Der Betrag,

235

6.4 Systeme rechtwinkliger Koordinaten

um den die gemessenen Strecken vor Beginn der Rechnung auf ihren Wert in der Gaußschen Abbildung reduziert werden müssen, heißt die Streckenreduktion. Sie ist für 1 km lange Strecken nahezu identisch mit dem Dehnungsbetrag in Spalte 3 unserer obigen Tabelle. Das gilt streng jedoch nur für Strecken im Meereshorizont. Bei Messungen in höheren Lagen kommt noch eine weitere Reduktion hinzu. Die Höhenreduktion. Wie in [1.2] erläutert ist, werden alle Lagemessungen auf die Oberfläche des Bezugsellipsoids projiziert. Die Oberfläche des Bezugsellipsoids aber fällt mit einer für Lagemessungen (nicht für Nivellements) ausreichenden Annäherung mit dem Landeshorizont zusammen. Also ist die auf den Landeshorizont projizierte Strecke das Urbild für die Gaußsche Abbildung. Mithin muss an den Ergebnissen von Streckenmessungen und Flächenbestimmungen, die auf der physischen Erdoberfläche in einer bestimmten Höhe Hr über dem durch den Meeresspiegel gegebenen Landeshorizont Normal Null“ vorgenommen werden, eine ” Reduktion angebracht werden, durch die das Messungsergebnis auf den Landeshorizont reduziert wird. Zur Berechnung der Höhenreduktion betrachtet man eine in der Höhe Hr über dem Meere gemessene Strecke S Hr und ihre Projektion S auf den Landeshorizont; dann ist nach Abb. 6.12

Hr R Hr Hr ≈S 1− + ··· S=S R + Hr R oder S = S Hr −

H r Hr S . R

(6.37)

S Hr S

Hr

H =0 R

Abbildung 6.12. Höhenreduktion

Die Reduktion auf den Landeshorizont hat also eine Verkleinerung der gemessenen Strecke zur Folge; sie wirkt mithin der Dehnung durch die Gaußsche Abbildung entgegen. Zweckmäßig fasst man die Streckenreduktion und die Höhenreduktion zusammen und erhält dann für eine Strecke Si in km als Gesamtreduktionsbetrag

236

6 Grundaufgaben der ebenen Koordinatenrechnung, -systeme, -transformation

in mm

i = Si

Hr y2 − + m2 Rm 2Rm

106 ,

(6.38)

worin Hr die mittlere Meereshöhe und ym die Mittelordinate der Strecke ist, und Si ohne Genauigkeitsverlust durch s ersetzt werden kann. Tab. 6.2 zeigt einige nach (6.38) für S = 1 km gerechnete Werte. Selbstverständlich ist in einem Gauß-KrügerTabelle 6.2. Reduktion einer in 50◦ Breite, in der mittl. Meereshöhe Hr und mit der Mittelordinate ym gemessenen 1 km-Strecke auf ihren Wert in der GaußschenAbbildung

Reduktionsbetrag  in mm für 1 km Hr in m 0

ym in km 0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

0

+1

+5

+11

+20

+31

+44 +60 +79 +100 +123

50

−8

−7

−3

+3

+12

+23

+36 +52 +71

+92 +115

100

−16

−14

−11

−5

+4

+15

+28 +44 +63

+83 +107

200

−31

−30

−26

−20

−12

−1

+13 +29 +47

+68

300

−47

−46

−42

−36

−27

−16

−3 +13 +32

+52

+76

400

−63

−61

−58

−52

−43

−32

+37

+60

500

−78

−77

−73

−67

−59

−48

−34 −18

0

+21

+44

600

−94

−93

−89

−83

−74

−63

−50 −34 −15

+5

+29

700

−110 −108 −105

−99

−90

−79

−65 −50 −31

−10

+13

800

−125 −124 −120 −114 −106

−95

−81 −66 −47

−26

−3

900

−141 −140 −136 −130 −121 −110

−97 −81 −62

−42

−18

1000

−157 −156 −152 −146 −137 −126 −112 −97 −78

−57

−34

−18

−2 +16

+92

System unter ym nicht etwa der Rechtswert [6.4.4] eines Punktes zu verstehen, sondern sein von der Kennziffer und der Konstanten 50 000 befreiter Rechtswert; d. h. ym ist der Abstand des betrachteten Punktes vom Hauptmeridian bzw. von seinem Bilde, der Abszissenachse. Die Höhen- und Streckenreduktion ist insbesondere in folgenden Fällen anzubringen: a) Zur Berechnung von Gaußschen Koordinaten aufgrund von Streckenmessungen; insbesondere ist beim einfachen und mehrfachen Bogenschnitt und bei Punktbestimmungen aus kombinierten Richtungs- und Streckenmessungen jede gemessene Strecke vor dem Eintritt in die Rechnung auf ihren Wert in der Gaußschen Abbildung zu reduzieren.

237

6.4 Systeme rechtwinkliger Koordinaten

b) Auch beim Polygonzug empfiehlt es sich, die gemessenen Seiten zu reduzieren. Zwar werden durch das Verteilen des aus den Messungsungenauigkeiten und der Projektionsverzerrung herrührenden Koordinatenabschlussfehlers [7.8] die Streckenreduktion und die Höhenreduktion automatisch berücksichtigt; die Summe der Messungsungenauigkeiten und die Projektionsverzerrungen sind jedoch oftmals von der gleichen Größenordnung. Zusätze: 1. Für größere Werte gilt in Meereshöhe (H = 0) bei ym = 150 km

200 km

300 km

 = 276 mm

491 mm

1105 mm.

2. Nach der obigen Tabelle kann eine 10 km lange ostwestlich verlaufende Strecke mit ym = 100 km auf rund 1 cm genau reduziert werden. Den genauen Reduktionsbetrag für eine Strecke P1 P2 = S liefert die Formel (Großmann 1976) s−S =

S 2 12Rm



 2 + y2 . y12 + 4ym 2

(6.39)

c) Beim Berechnen der Länge einer örtlichen Strecke aus den Gaußschen Koordinaten ihrer Endpunkte wird die Reduktion mit umgekehrten Vorzeichen angebracht. Das ist besonders bei Feinabsteckungen und sonstigen Ingenieurarbeiten vor allem dann zu beachten, wenn die Absteckungen in größerer Entfernung von Hauptmeridian vorgenommen werden. d) Das gleiche gilt für die Flächenberechnung aus Gaußschen Koordinaten. Ist F die Feldfläche, f die aus Gaußschen Koordinaten errechnete Bildfläche, so errechnet die Flächenreduktion sich genau genug aus 2 ym f R2

(6.40)

F = f − (f − F ).

(6.41)

rA = f − F = und die Feldfläche aus

Die Formel reicht für die Reduktion der Fläche bis 10 km2 in jedem Falle aus. Gauß selbst hat über sein Abbildungsverfahren keine zusammenhängende Darstellung hinterlassen. Das hat zu Beginn des letzten Jahrhunderts Prof. Dr. L. Krüger, Abteilungsvorsteher im Geodätischen Institut in Potsdam, nachgeholt (Krüger 1912). Ihm zu Ehren werden die Gaußschen Koordinaten in Deutschland als Gauß-Krüger-Koordinaten bezeichnet. Im Ausland heißen sie meistens transversale Mercator-Koordinaten.

6.4.4

Die Gauß-Krügerschen Meridianstreifensysteme

Um von der Vielzahl der Soldnerschen Systeme loszukommen, hat man z. B. die deutschen Landesvermessungen seit dem Jahre 1927 allmählich auf Gauß-Krüger

238

6 Grundaufgaben der ebenen Koordinatenrechnung, -systeme, -transformation

umgestellt. Es wurden Systeme mit den Hauptmeridianen 6◦ , 9◦ , 12◦ und 15◦ östlich von Greenwich als Abszissenachsen eingerichtet (Abb. 6.13). Jedes System hat nach einem Beschluss der Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen (AdV) vom Jahre 1966 nach beiden Seiten eine Ausdehnung von 1◦ 40 in Länge (rund 100 km), so dass zwei benachbarte Systeme sich mit einem 20 Längenminuten, d. h. im Mittel rund 23 km breiten Streifen überdecken, in dem die Dreieckspunkte in beiden Systemen berechnet werden. Die Meridianstreifensysteme sind z. B. in Deutschland folgendermaßen eingerichtet: Die Gaußschen Ordinaten erhalten, damit negative Werte vermieden werden, einen Zuschlag von 50 000 m, vor den als Kennziffer die durch 3 geteilte Längengradzahl des Hauptmeridians gesetzt wird. Diese vergrößerten Ordinaten heißen Rechtswerte. Die Abszissen werden auf dem Hauptmeridian vom Äquator an gezählt und als Hochwerte bezeichnet.

Abbildung 6.13. Gauß-Krügersche Meridiansysteme Mit diesen Bezeichnungen hat die Michaelis-Kirche in Lüneburg folgende Gauß-KrügerKoordinaten: Im System des 9. Längengrades: Hoch = 5 902 863,21; Rechts = 3 593 571,20. Im System des 12. Längengrades: Hoch = 5 903 137,40; Rechts = 4 393 360,64. Also ist im ersten System der Ordinatenfußpunkt 5 902 863,21 m vom Äquator entfernt; die Kirche selbst liegt ostwärts des 9. Längengrades, und ihre Gaußsche Ordinate ist + 93 571,20 m lang. Im System des 12. Längengrades liegt der Ordinatenfußpunkt 5 903 137,40 m nördlich des Äquators, und die Kirche selbst liegt westlich des 12. Längengrades mit der Gaußschen Ordinate −106 639, 36 m. Bei täglichem Gebrauch werden, solange Verwechslungen nicht zu befürchten sind, die beiden ersten Ziffern der Hoch- und Rechtswerte weggelassen. Durch die Begrenzung der Meridianstreifensysteme auf praktisch rund 100 km beiderseits des Hauptmeridians wird die in [6.4.3] angegebene Streckenvergrößerung so gering gehalten

239

6.4 Systeme rechtwinkliger Koordinaten

(maximal 12 cm auf 1 km), dass sie in vielen praktischen Fällen nicht beachtet zu werden braucht. Bei Feinmessungen und Feinabsteckungen muss sie jedoch jedes Mal in Rechnung gestellt werden, wobei zu beachten ist, dass die aus Gaußschen Koordinaten errechnete Strecke immer länger ist als die auf dem Ellipsoid.

6.4.5

Das Universal Transverse Mercator Grid System (UTM-System)

Die Koordinaten der Universal Transverse Mercator“ (UTM)Abbildung beruhen auf ” der konformen Abbildung nach C. F. Gauß. Einige Modifikationen wurden allerdings vorgenommen: (1) Rotationsellipsoid ist das von Hayford, welches auch als Internationales Erdellipsoid von 1924 bekannt ist. (2) Der Hauptmeridian wird nicht längentreu, d. h. mit dem Maßstabsfaktor q = 1, sondern q = 0, 9996 abgebildet; dieser Maßstabsfaktor wird auch für die Ordinaten benutzt. (3) Aufgrund der Annahmen von (2) kann die Ost-West Ausdehnung der Meridianstreifen, hier als Zonen bezeichnet, auf 6◦ verdoppelt werden, ohne an den Rändern zu große Verzerrungen zu bekommen.

Zone Zone Zone 29 30 31

12˚ W

6˚ W



one Zone Z 33 32

6˚ O

12˚ O

16˚ O

Abbildung 6.14. UTM-Zonenausbildung in Europa

Das UTM-System umspannt demnach die Erde mit 60 je 6 Längengrade umfassenden Meridianstreifen, deren Mittelmeridiane ausgehend von dem 180. Längengrad Greenwicher Zählung und beginnend mit dem Streifen 180◦ bis 174◦ West – ostwärts fortschreitend – die Kennziffern 1, 2, 3, . . . , 60 erhalten. Man bezeichnet die Abszissen mit North (N) und die Ordinaten mit East (E), wobei 500 000 addiert und zusätzlich die mit 106 multiplizierte Zonennummer“ vorangestellt wird. Das ”

240

6 Grundaufgaben der ebenen Koordinatenrechnung, -systeme, -transformation

Gebiet der Bundesrepublik Deutschland wird von den Zonen 31, 32 und 33 mit 15◦ ö. L. überdeckt (Abb. 6.14). Auf dem beschriebenen System sind z. B. die Karten der Nato gegründet. In Deutschland wird aufgrund eines Beschlusses der AdV von 1995 nach diesem Modell ein neues Koordinatensystem für das amtliche Vermessungswesen aufgebaut, wobei jedoch das Bezugsellipsoid GRS80 im Geodätischen Datum ETRS89 zugrunde gelegt wird. Diese Koordinaten werden ebenfalls als UTM-Koordinaten (E,N) bezeichnet.

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

Ist die Lage einer Anzahl von Punkten durch ihre Koordinaten in einem rechtwinkligen Koordinatensystem gegeben, so kann man von ihnen ausgehend die Koordinaten weiterer Punkte bestimmen. Die gegebenen, bereits festliegenden Punkte bezeichnet man dabei als Festpunkte, die neu zu bestimmenden Punkte heißen Neupunkte. Die messtechnische Bestimmung von Neupunkten geschieht durch Messen von Richtungen, Winkeln, Strecken und Streckendifferenzen zwischen Punkten auf der Erdoberfläche oder zwischen Punkten auf und außerhalb der Erdoberfläche (Satelliten,. . . ). Nachfolgend werden verschiedene Wege der 2D-Punktbestimmung behandelt, die auf terrestrischen Messverfahren beruhen.

7.1 Arten der Punktbestimmung 7.1.1 Arten der numerischen Punktbestimmung Die numerische Bestimmung von Neupunkten geschieht in der Regel auf drei Arten: punktweise, linienweise und netzweise: – bei der punktweisen Bestimmung wird jeder Punkt für sich, – bei der linienweisen Bestimmung werden mehrere Punkte gemeinsam mit Hilfe eines gebrochenen Linienzuges und – bei der netzweisen Bestimmung werden mehr als zwei Punkte gemeinsam mit Hilfe von Netzen aus Dreiecken und Vielecken festgelegt. Misst man zur Bestimmung von Neupunkten nur so viele Größen, wie zu ihrer in geometrischem Sinn eindeutigen Festlegung erforderlich sind, so liegt eine eindeutige Punktbestimmung vor. Werden mehr Größen gemessen, so hat man eine überbestimmte Punktbestimmung. Die so vorhandenen überschüssigen Messungen“ rufen ” infolge der unvermeidlichen Messungsfehler Widersprüche“ hervor, die einer Aus” ” gleichung“ bedürfen. Im folgenden wird in der Hauptsache von einfachen Punktbestimmungen die Rede sein. Da sich kleinere Aufgaben mit überbestimmten Beobachtungen bereits mit den geräteinternen Rechnern der elektronischen Tachymeter bearbeiten lassen, sind auch hierfür einzelne Lösungsbeispiele angefügt. Die Theo-

242

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

rie dieser Lösungswege ist u. a. nachzulesen bei (Pelzer 1985, Koch 1999, Niemeier 2002).

7.1.2 Arten der technischen Hilfsmittel Als technisches Hilfsmittel für die netzweise Bestimmung von Punkten stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung: Die Triangulation (vom lat. angulus = Winkel), die Trilateration (vom lat. Latus = Seite), kombinierte Verfahren und Satellitenverfahren. Bei der Triangulation, die seit dem 17. Jahrhundert in größerem Umfang zum Einsatz kam, beobachtete man zur Bestimmung eines Dreiecksnetzes möglichst alle im Netzbild auftretenden Dreieckswinkel; es wurde ferner – um den Maßstab der Figur festzulegen – mindestens eine Seite gemessen (Abb. 7.1). In der Vergangenheit bestimmte man diese über ein Basisvergrößerungsnetz [16]. Die Triangulation ist insbesondere bei größeren Punktabständen sehr aufwendig und wird daher für großräumige Neuvermessungen nicht mehr eingesetzt.

Abbildung 7.1. Triangulationsnetz mit Basisvergrößerungsnetz

Die Trilateration ist erst seit 1956 durch das Aufkommen der elektronischen Entfernungsmesser wirtschaftlich geworden. Zusätzlich zu den Dreiecksseiten misst man die Länge mehrerer Diagonalen um überschüssige Beobachtungen zu bekommen (Abb. 7.2). Bei den kombinierten Verfahren kommen die Strecken- und Richtungsmessung gemeinsam zum Einsatz. Geometrische Grundfiguren sind Dreiecke und Vielecke mit Diagonalen. Satellitenverfahren nutzt man etwa seit 1970 für dreidimensionale Punktbestimmungen. Gemessen werden Distanzen (Abb. 7.3) zwischen Satelliten und Erdstationen, deren Koordinaten berechnet werden sollen. Beim Aufbau eines Landesnetzes schafft man sich mit Satellitenverfahren zunächst durch geschlossene Messungen und Berechnungen ein übergeordnetes Grundnetz [10], [16]. In diesem Grundnetz können die Punkte einen Abstand von

243

7.2 Unsicherheiten bei der Bestimmung und Definition von Lagepunkten

Bahn 2 S 2 Bahn 1

S3 Bahn 3

S1 D1

S4 Bahn 4

D2 D 3 D4

Erde

2 1 Abbildung 7.2. Trilaterationsnetz

3

Abbildung 7.3. Koordinatenbestimmung mit Satelliten durch Messen von Distanzen

40, . . . , 70 km haben. Für sehr ausgedehnte Flächen wählt man größere Punktabstände. In dieses übergeordnete Grundnetz werden weitere Neupunkte durch punktweise, linienweise und netzweise Bestimmung eingepasst. Die bekanntesten terrestrischen Verfahren der punkt-, linien- und netzweisen Bestimmung sind (Abb. 7.4): a) b) c) d) e) f) g)

Vorwärtseinschneiden durch Messen der Winkel W1 und W2 , Rückwärtseinschneiden durch Messen der Winkel W1 und W2 , Bogenschnitt durch Messen der Distanzen D1 und D2 , Polares Anhängen: durch Messen des Winkels W und der Distanz D, Kombiniertes Messen von einem Winkel W und zwei Distanzen D1 und D2 , Polygonzug durch Messen der Distanzen Di und der Winkel Wi , Messen von Richtungs- und Streckennetzen.

Neben dem terrestrischen Verfahren setzt man für die Verdichtung der Grundnetze Satellitenverfahren ein [10].

7.2

Unsicherheiten bei der Bestimmung und Definition von Lagepunkten

Die Unsicherheit eines Punktes lässt sich nach Helmert durch die Standardabweichung eines Punktes  σp = ± σa2 + σb2 (7.1) beschreiben. Dabei sind σa und σb die Standardabweichungen des Punktes in zwei senkrecht aufeinanderstehenden Richtungen. Die Richtungen können z. B. mit denen

244

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

P3

N

a)

N

b)

c) N

W2

D2

D1

W1 W1

W2 P2

P1

P2 N D

P1

d)

W P2 f)

P2

P1

P1 P1 e)

P2 D2

D1 W N

P3

P0 W5 W1 D1 W2 D2 W3 D3 W4 D4 P2 N1 P1 N2 N3

Abbildung 7.4. Schematisierte Darstellung der Verfahren für das punkt- und linienweise Bestimmen von Neupunkten (Pi : Festpunkte, Ni : Neupunkte)

des Koordinatensystems zusammenfallen; anstelle von σa und σb hat man dann die Standardabweichungen σ (x) und σ (y) der x- und y-Koordinate des Punktes. Ein Lagepunkt lässt sich nur mit einer begrenzten Genauigkeit definieren. Ursachen hierfür sind: – kleine unvermeidbare Bewegungen der Vermarkung, – unterschiedliche Auffassungen über das Punktzentrum und – Zentrierfehler. In der Regel kann man für die örtliche Definitionsunsicherheit in beiden Koordinatenrichtungen einen Betrag von 10 mm annehmen. Der Punkt ist dann örtlich mit einer Unsicherheit von ±15 mm definiert. Lagepunkte lassen sich in bezug auf Nachbarpunkte bei einer günstigen Netzkonfiguration etwa mit der Genauigkeit bestimmen, die auch für das Messverfahren angegeben wird. Im allgemeinen wählt man die Messverfahren so aus, dass die Unsicherheiten bei der Bestimmung und die Definitionsunsicherheit in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.

245

7.3 Vorbereitende Berechnungen

un

g

Für die Lagebestimmung von Punkten benutzt man Strecken-, Richtungs- und Winkelmessverfahren. Die Unsicherheit der Messverfahren ist, abgesehen von elektronischen Distanzmessungen im Nahbereich, entfernungsabhängig; folglich ist auch die relative Punktgenauigkeit, je nach angewandtem Messverfahren, entfernungsunabhängig oder entfernungsabhängig (Abb. 7.5).

ng

en

100 ng

ch.

20 15 10

ch Ri

40

tu

ssu

e enm eck

W I. inke O. lm e

ss

[mm] 200

Str

me

elektro-opt. Streckenmessung GPS

1 0,01

0,05 0,1

0,5

1

5

10

50 [km]

Abbildung 7.5. Messgenauigkeit und relative Punktgenauigkeit als Funktion der Entfernung bei durchschnittlichem Arbeitsaufwand

Bei der einfachen mechanischen Streckenmessung mit Messbändern übersteigt die Messunsicherheit schon bei Punktabständen von 50 m die Definitionsunsicherheit. Verfahren, bei denen die Richtungsmessung mit der elektronischen Entfernungsmessung kombiniert wird, eignen sich besonders für Entfernungsbereiche bis zu 3 km. Die Unsicherheiten der elektrooptischen Streckenmessung überschreiten erst bei Punktabständen größer als 15 km die Definitionsunsicherheit.

7.3 Vorbereitende Berechnungen Bevor die eigentlichen Berechnungen beginnen, ist zu überprüfen, ob an die Messwerte noch Korrektionen und Reduktionen anzubringen sind. Bei der Streckenmessung sind dies: die Nullpunktskorrektur, die Maßstabskorrektur und die geometrischen Reduktionen [4.3.5 bis 4.3.8]. Führt man die Winkel- oder Richtungsmessungen nur in einer Lage aus, so ist zu überprüfen, ob sich Zielachsen- oder Kippachsenfehler auf das Ergebnis auswirken; gegebenenfalls sind diese rechnerisch zu beseitigen [3.7].

246

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

Oft ist es nicht möglich, den Theodoliten oder Entfernungsmesser im Zentrum der Beobachtungsstation und die Zielzeichen im Zentrum der Zielpunkte aufzustellen. In dem Fall hat man vorbereitende Zentrierungsrechnungen auszuführen [7.3.1]. Für bestimmte Aufgaben ist es notwendig, die mit einem Theodoliten gemessenen beliebig orientierten Richtungen vorbereitend zu orientieren [7.3.2].

7.3.1

Zentrieren beobachteter Richtungen und Strecken1

Folgende Fälle sind zu unterscheiden: (1) Das Zentrum der Station ist zugänglich, aber die Sicht nach dem Zielpunkt ist nur von einem exzentrischen Standpunkt aus zu erhalten, von dem aus die Zentrierungselemente – d. h. die Entfernung und die Richtung zum Zentrum – direkt gemessen werden können. (2) Das Signal am Zielpunkt steht exzentrisch. (1) Standpunktzentrierung Es sei inAbb. 7.6 Z das Zentrum einer Station und B ein exzentrischer Beobachtungsoder Standpunkt. Auf B seien die Richtungen r1 , r2 , . . . , rn sowie die Richtung rz δ1 Pn

δn (−) Sn rn rn δn r0

δ1

S1 r1

Zr

z

e εε1 2

B

εn

P1

r1 r2 r2

S1 S2 S2

δ2 P2

Abbildung 7.6. Standpunktzentrierung

nach Z beobachtet; außerdem sei die Strecke BZ = e gemessen. Gesucht sind die auf Z reduzierten Richtungen r1 , r2 , . . . , rn . Zur Lösung denke man sich das auf B beobachtete Büschel r1 , r2 , . . . , rz , . . . , rn parallel nach Z verschoben, so dass der Strahl nach P1 in die in Abb. 7.6 fein punktierte Lage kommt. Da der dadurch entstehende Winkel δ1 auch bei P1 auftritt, lässt 1 In Abweichung vom Symbolverzeichnis werden in Kap. 7.3.1 wegen der einfacheren Schreibweise

die Strecken im Messungshorizont mit S bezeichnet.

247

7.3 Vorbereitende Berechnungen

r1 sich folgendermaßen berechnen:

ε1 = r1 − rz e sin δ1 = sin ε1 S1 r1 = r1 + δ1 .

(7.2) (7.3) (7.4)

Entsprechend werden die Richtungen r2 bis rn zentriert. Bei εi > 200 gon wird δi negativ. Sind auf B gemessene und bereits horizontierte Strecken Si gegeben, so berechnen sich die zentrierten Strecken Si nach:    2 Si = Si + e2 − 2Si e cos εi . (7.5) Werden keine Distanzen gemessen, so können in (7.3) näherungsweise – wie die nachfolgende Abschätzung zeigt – aus Koordinaten berechnete Strecken si ; eingeführt werden. Zur Abschätzung der Genauigkeit, mit der e und S beobachtet werden müssen, findet man aufgrund einer Differentiation von (7.3) für den ungünstigsten Fall de dS dδ = + ; δ e S

(7.6)

e und S werden also zweckmäßig mit der gleichen relativen Genauigkeit ermittelt. Dazu hat man e auf mm und S bei kürzeren Entfernungen auf dm, bei längeren Entfernungen auf m zu bestimmen.

Zahlenbeispiel: Zentrierung von n = 3 Richtungen

1 P1 P2 P3 Z

ri ________ rz 2 gon 94,1090 155,1759 281,4529 ________ 35,2520 565,9898 4rz

εi = ri − rz 3 gon 58,8570 119,9239 246,2009 424,9818 141,0080 ________ 565,9898

Si ________ e 4 m 2353,2 1346,8 1592,9 _______ 13,512

δi

ri = ri + δi

5 gon +0,2918 +0,6077 -0,3584

6 gon 94,4008 155,7836 281,0945

+0,5411

531,2789 -0,5411 35,2520 ________ 565,9898

248

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

Probe: [ri ] + rz = [εi ] + (n + 1)rz = [ri ] − [δi ] + rz . Die Summenprobe sichert nur die 3. und 6. Spalte, während die 5. Spalte nicht geprüft ist. Die δi kann man durch zweimaliges Rechnen proben. (2) Zielpunktzentrierung Es sei auf dem Beobachtungspunkt B an Stelle der Sollrichtung r nach dem Ziel P die Richtung rt nach der bei P exzentrisch aufgestellten Signaltafel T beobachtet. Zur Reduktion auf das Zentrum von P seien in T der Winkel ε und die Tafelexzentrizität e bestimmt. Dann ist nach Abb. 7.7 sin δ =

e sin ε s

r = rt + δ.

und

(7.7)

r0 T ε rt δ B

e r

e1

s P

Abbildung 7.7. Zielpunktzentrierung

7.3.2

Orientieren beobachteter Richtungen

Die mit einem Theodoliten beobachteten Richtungen sind zunächst willkürlich orientiert (Abb. 7.8). Die Orientierung der Richtungen ri eines Richtungsbüschels ist gegeben, wenn seine Nullrichtung in die Abszissenrichtung des für die Berechnungen verwendeten Koordinatensystems gedreht wird. Diesen Drehwinkel bezeichnet man als Orientierungsunbekannte. (1) Orientieren mit Hilfe eines Anschlusspunktes Gegeben sind die Festpunkte P0 und P1 und die Richtungen r1 , rN von P0 zu dem Festpunkt P1 und dem Neupunkt N (Abb. 7.8). Gesucht ist die zum Neupunkt N weisende orientierte Richtung rN0 . rN0 = rN + ϕ

(7.8)

ϕ = t1 − r 1 .

(7.9)

mit

249

7.3 Vorbereitende Berechnungen

Teil kr

Nu re llric du h zie tun g rte ei n Sa nes tze s

eis N ull

x

ϕ t1 P0

r1 αN

P1 (x1 , y1 )

N(xn , yN )

rN y

ri

Pi (xi , yi )

Abbildung 7.8. Orientieren von Richtungen

t1 berechnet man nach [6.1.2]. rN0 ergibt sich auch mit αN = rN − r1 (reduzierte Richtung) aus: (7.10) rN0 = t1 + αN . (2) Orientieren mit mehreren Anschlusspunkten Gegeben sind die Koordinaten der Festpunkte P0 , P1 , . . . , Pn und die auf dem Punkt P0 beobachteten Richtungen ri . Gesucht ist die zum Neupunkt N weisende orientierte Richtung rN0 (Abb. 7.8). Sind n Festpunkte beobachtet, so kann man die Orientierungsunbekannte n-mal rechnen. Aufgrund von Netzspannungen und Beobachtungsfehlern werden die Einzelwerte voneinander abweichen. Ein geeigneter endgültiger Wert ist das arithmetische Mittel [1.6]: (ϕ)i = ti − ri , [t − r] ϕ= . n

(7.11)

Schließlich erhält man die orientierte Richtung zum Neupunkt aus: rN0 = rN + ϕ.

(7.12)

Probe und Fehlerrechnung: Zwischen den orientierten Richtungen ri0 und Richtungswinkeln ti bestehen die Widersprüche: νi = ti − ri0 . Zur Probe rechne man: [ν] = 0.

250

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

Die Unsicherheit der Messungen und die vorhandenen Netzspannungen lassen sich durch die Standardabweichung einer orientierten Richtung   [νν] 0 σ r = (7.13) n(n − 1) und die seitlichen Querabweichungen der Richtungen beschreiben: Q = σ · s.

(7.14)

Dabei bezeichnen s die Zielweiten. Zahlenbeispiel: Orientierung von Richtungen Richtungswinkel ti

Gemessene Richtungen Ri

ti − Ri , ϕiT

Orientierte Richtungen Ri + ϕ T , Ri0

ti −Ri0 , ν mgon

gon

gon

gon

gon

1

46,4917

12,1346

34,3571

46,4920

−0,3

2

192,1544

157,7978

,3566

192,1552

−0,8

N

(256,2553)

221,8973

256,2547

(−0,6)

3 0

324,6356

290,2772

,3584

324,6346

+1,0

282,1069

,0721

—– n · ϕT

= 137,4296

34,3574 =

19,5365 ϕT

19,5365     s R 0 = [νν] : (n · (n − 1)) = 1,73 : (3 · 2) = 0,54 mgon . (3) Unterschiedliche Zielpunktabstände Bei stärker abweichenden Zielweiten ist zu berücksichtigen, dass auf Netzspannungen beruhende Koordinatenfehler und beim Aufstellen der Geräte und Zielmarken auftretende Zentrierfehler entfernungsabhängig wirken. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob diese Einflüsse durch einen Gewichtsansatz – z. B. p = const.·s – zu berücksichtigen sind. Anstelle von (7.11) verwende man dann das gewogene Mittel [1.6.6].

7.4

Punktbestimmung durch Richtungsmessungen

Grundsätzlich unterscheidet man zwei Verfahren: das Vorwärtseinschneiden, wenn Richtungen auf Festpunkten gemessen werden (Abb. 7.9) und das Rückwärtseinschneiden, wenn Richtungen auf einem Neupunkt bestimmt werden (Abb. 7.14).

251

7.4 Punktbestimmung durch Richtungsmessungen

Die Verfahren des Punkteinschneidens werden heute vorwiegend dann angewendet, wenn die Zielpunkte nicht oder nur unter Schwierigkeiten zugänglich oder hohe Genauigkeiten zu erzielen sind. Die Anwendungsmöglichkeiten dieser Verfahren sind beschränkt. Die Genauigkeit der Punktbestimmung ist abhängig von der Geometrie der Bestimmungsfigur; für manche Anordnungen versagen die Verfahren.

7.4.1 Vorwärtseinschneiden Beim Vorwärtseinschneiden bestimmt man einen Neupunkt N (x, y) durch Messen von Richtungen ri auf Festpunkten P (xi , yi ). Wird ein Neupunkt angezielt, so erhält

ϕi

Tei lk

reis

Nul l

x

N(x, y)

ri s

P (xk , yk ) P (xi , yi ) y Abbildung 7.9. Richtungsmessungen von einem Festpunkt aus

man die Gleichung (Abb. 7.9): ri = arctan

y − yi − ϕi . x − xi

(7.15a)

Gleichung (7.15a) bezeichnet man als Beobachtungsgleichung, links findet man die Beobachtung, rechts die Unbekannten. Man erkennt jedesmal, wenn der Theodolit auf einem Festpunkt aufgestellt und ein Neupunkt angezielt wird, ergeben sich drei Unbekannte: die Koordinaten (x, y) des Neupunktes und die Orientierungsunbekannte ϕi [7.3.2]. Wie bereits in dem vorausgehenden Kapitel gezeigt ist, erhält man die Orientierungsunbekannte ϕi mit einer zweiten Beobachtungsgleichung ri = arctan

yk − yi − ϕi = ti − ϕi . xk − xi

(7.15b)

Eine eindeutige Lösung der Aufgabe ergibt sich schließlich, wenn von einem weiteren Festpunkt aus wiederum Richtungsmessungen zu dem Neupunkt und einem

252

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

Festpunkt ausgeführt werde. Erneut tritt dann allerdings eine Orientierungsunbekannte auf. Insgesamt lassen sich jetzt jedoch vier Beobachtungsgleichungen vom Typ (7.15a) und (7.15b) aufstellen, mit denen sich die vier Unbekannten berechnen lassen. Es gibt eine Vielzahl von Lösungswegen, die teils die zuvor beschriebenen Beobachtungsgleichungen, teils aber auch andere Arten von Bestimmungsgleichungen nutzen. Zwei Lösungswege werden nachfolgend beschrieben.

7.4.2 Vorwärtseinschneiden durch Geradenschnitt und linearisierte Beobachtungsgleichungen (1) Eindeutige Lösung mit linearisierten Beobachtungsgleichungen Beim Vorwärtseinschneiden kann man für die gemessenen Richtungen Beobachtungsgleichungen des Typs (7.15a) oder (7.15b) aufstellen. Diese lauten nach Abb. 7.9 in allgemeiner Form Li = ri = f (x, y, ϕ)

(7.15c)

Li = ri = f (ϕ),

(7.15d)

wenn ein Neupunkt bzw. wenn ein Festpunkt angezielt wird. Wie in [7.4.1] gezeigt wurde, beobachtet man für eine eindeutige Lösung auf zwei Festpunkten je eine Richtung ri zu einem Festpunkt und einem Neupunkt. In der Abb. 7.10 wurden so beispielsweise die Richtungen r1N , P3 x

r3 P2

N

r2N

ψ β

r1N α ϕ P 1 P4

r4 y

Abbildung 7.10. Vorwärtseinschneiden

r2N , r3 und r4 beobachtet. Aus den vier Beobachtungen ergeben sich vier Beobachtungsgleichungen, mit denen sich die vier Unbekannten berechnen lassen.

253

7.4 Punktbestimmung durch Richtungsmessungen

Man kann die Lösung derAufgabe in zwei Operationen aufteilen: Im ersten Schritt berechnet man zunächst aus den Richtungen r3 und r4 , die zwischen Festpunkten gemessen wurden, mit Gleichung (7.15b) auf P1 und P2 die Orientierungsunbekannten. Die zwei verbleibenden Beobachtungsgleichungen haben dann nach (7.15a) die vereinfachte Form   y − yi Li = rN0 i = arctan , (7.16) x − xi wobei (rN0 )i = ri + ϕ für die orientierten Richtungen steht. Im zweiten Schritt lassen sich dann mit der linearisierten Form von (7.16) die restlichen zwei Unbekannten bestimmen. Für die Linearisierung nutzt man die Taylorsche Reihe:



∂fi ∂fi Li = fi (x0 , y0 , . . . ) + dx + dy + · · · , (7.17) ∂x 0 ∂y 0 wobei x0 und y0 Näherungskoordinaten2 des Neupunktes sind, d. h. x = x0 + dx Mit den partiellen Ableitungen

∂fi y0 − yi = ai1 =  2 ρ ∂x 0 si0

und

y = y0 + dy .

und

∂fi ∂y

0

(7.18)

x0 − xi = ai2 = −  2 ρ si0

geht (7.16) dann über in [1.6.9] 

rN0

 i

y 0 − yi x 0 − xi = ti0 −  0 2 ρdx +  0  2 ρdy si si

mit  0 2 si = (x0 − xi )2 + (y0 − yi )2 ,

ti0 = arctan

y0 − yi x0 − xi

und

In verkürzter Schreibweise lässt sich (7.19a) darstellen durch  0 rN i = ti0 − ai1 dx + ai2 dy.   Fasst man nun noch die Absolutglieder rN0 i und ti0 zusammen zu

(7.19a)

ρ = 200gon /π.

(7.19b)

  li = rN0 i − ti0 , 2 Die Näherungswerte kann man z. B. einer maßstäblichen Zeichnung entnehmen. Bei groben Näherungswerten wird die erstmalige Anwendung des Verfahrens die gesuchten Werte noch nicht mit der gewünschten Genauigkeit ergeben; man hat dann das Verfahren zu wiederholen. Ein Vergleich der neuen und zuvor berechneten Koordinaten lässt schließlich beurteilen, ob die Genauigkeit ausreicht.

254

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

so gilt in Matrizenschreibweise I = Ax, mit

  l I= 1 , l2



1 − y(s0 −y 0 )2

i A = ρ ⎣ y −y − (s0 0 )22 i

(7.20) x0 −x1 ⎤ (si0 )2 x0 −x2 (si0 )2

⎦,



 dx x= . dy

Die Koordinaten des Neupunktes ergeben sich schließlich aus x = A−1 l

(7.21)

mit x = x0 + dx und y = y0 + dy. (2) Eindeutige Lösung durch Geradenschnitt Eine weitere Lösung erhält man, wenn man den Neupunkt als Schnittpunkt zweier Geraden [6.2] betrachtet: y − y1 = tan (1N ) (x − x1 )

und

y − y2 = tan (2N) (x − x2 ) .

(7.22)

Die Richtungskoeffizienten berechnet man mit den orientierten Richtungen [7.3.2]: 

rN0

 1

  = (1N ) = t14 + ϕ; rN0 2 = (2N) = t23 + ψ.

(7.23)

Nachdem (1N ) und (2N ) bestimmt sind, hat man lediglich die beiden Gleichungen (y2 − y1 ) − (x2 − x1 ) tan (2N) , tan (1N ) − tan (2N) y − y1 = (x − x1 ) tan (1N)

x − x1 =

(7.24a)

aufzulösen. Zur Kontrolle hat man (y2 − y1 ) − (x2 − x1 ) tan (1N) , tan (1N ) − tan (2N) y − y2 = (x − x2 ) tan (2N) .

x − x2 =

(7.24b)

Wenn die Zielungen von P1 nach P2 und P2 nach P1 möglich sind, kann auf die Visuren nach P3 und P4 verzichtet werden. Anstelle von (7.23) tritt dann: (1N ) = (12) + α; (2N) = (21) − β.

(7.25)

Sind auf P1 und P2 Richtungen zu mehreren Festpunkten gemessen, so berechnet man die orientierten Richtungen nach (7.11).

255

7.4 Punktbestimmung durch Richtungsmessungen

Zahlenbeispiel: Vorwärtseinschneiden durch Geradenschnitt (Abb. 7.11) Pkt. Nr. P1 P4 P2 P3

Gegeben

Aus Koord. Beobachtet

(P4 P1 ) +ϕ (P4 N ) tan P4 N

Rechts y 24681,92 23231,58 24877,72 22526,65

= +324,6356 gon = 331,6174 gon = 256,2530 gon = +1,218621

Hoch x 90831,87 91422,92 89251,09 89150,52

(P2 P3 ) +ψ (P2 N) tan P2 N

= 297,2785 gon = 60,7510 gon = 358,0295 gon = −0,774937

tan P4 N − tan P2 N = +1,993558 y − ya = −629,13 y = 24052,79

x − xa = −516,27 x = 90315,60

P4 P1 ϕ N

ψ P3

P2

Abbildung 7.11. Skizze zum Zahlenbeispiel Vorwärtseinschneiden

7.4.3

Mehrfaches Vorwärtseinschneiden durch eine Ausgleichung

Neu bestimmte Koordinaten sollten möglichst durch Mess- und Rechenproben kontrolliert werden. Gegen Beobachtungsfehler, wie z. B. das Anzielen eines falschen Ziels oder Irrtümer bei der Entnahme der Ausgangsdaten, z. B. beim Abschreiben der

256

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

Koordinaten, sichern nur überschüssige Beobachtungen. Man beobachtet daher wenigstens eine überschüssige Richtung (Abb. 7.12). Die Koordinaten des Neupunktes sind dann durch eine Ausgleichung zu berechnen [1.6.9]. Als Beispiel diene die Berechnung des Neupunktes N in Abb. 7.12. Er ist durch Richtungsmessungen von 4 Festpunkten aus bestimmt. Gegeben seien die KoordiP2 P1

N

P3 P4 Abbildung 7.12. Mehrfaches Vorwärtseinschneiden

naten der Festpunkte und die auf den Festpunkten gemessenen und nach [7.3.2] orientierten Richtungen (rN0 )i ; s. Tab. 7.1. Tabelle 7.1

Punkt Nr. 1 2 3 4 N

Rechts y [m] 48 177,62 49 600,15 49 830,93 47 863,91 48 565,2 = y0

Hoch x [m] 06 531,28 07 185,19 05 670,69 05 077,24 06 059,0 = x0

(rN0 )i [gon] 156,2469 247,3104 318,9507 39,4912

Für jede orientierte Richtung erhält man eine Beobachtungsgleichung (vgl. (Gleichung 7.20), welche sich in folgende Fehlergleichung umwandeln lässt [1.6.9]: vi = ai1 dy + ai2 dx − li

257

7.4 Punktbestimmung durch Richtungsmessungen

mit

x0 − xi 200 y0 − yi 200 ai1 =  2 · ; ai2 = −  2 · , π π si0 si0  2  0 2 si = (x0 − xi )2 + y0 − yi ,   li = rN0 i − ti0 , ti0 = arctan

y0 − yi . x0 − xi

Man berechne zunächst Näherungskoordinaten3 x0 , y0 für den Neupunkt (s. Tab. 7.1), sowie die Koeffizienten aij und Absolutglieder li der Fehlergleichungen. y0 − y i

x0 − xi

si0

ti0

[m]

[m]

[m]

[gon]

ai1

ai2

li [gon]

P1 N

387,58

-472,28

610,956

156,2508

-0,08055

-0,06610

-0,0039

P2 N

-1034,95

-1126,19

1529,518

247,3139

-0,03065

0,02816

-0,0035

P3 N

-1265,73

388,31

1323,955

318,9504

0,01410

0,04597

0,0003

P4 N

701,28

981,76

1206,508

39,4877

0,04294

-0,03067

0,0035

Damit sind die Fehlergleichungen v = Ax − l A

·

x



l



⎤ ⎡ ⎤ −0,08055 −0,06610   −0,0039 ⎢−0,03065 0,02816 ⎥ dy ⎢−0,0035⎥ ⎥ ⎢ ⎥ v=⎢ ⎣ 0,01410 0,04597 ⎦ dx − ⎣ 0,0003⎦ 0,04294 −0,03067 0,0035 gegeben. Danach berechnet man   0,00947 0,00379 , A A = N = 0,00822 N−1 =





129,491 −59,704 , 149,182

A l = n = x = N−1 n =



 0,00058 , −0,00007





+0,071 . −0,024

(7.26)

3 Die Näherungswerte kann man z. B. einer maßstäblichen Zeichnung entnehmen. Bei groben Näherungswerten wird die erstmalige Anwendung des Verfahrens die gesuchten Werte noch nicht mit der gewünschten Genauigkeit ergeben; man hat dann das Verfahren zu wiederholen. Ein Vergleich der neuen und zuvor berechneten Koordinaten lässt schließlich beurteilen, ob die Genauigkeit ausreicht.

258

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

Nachdem die Verbesserungen

⎡ ⎤ −0,0002 ⎢ 0,0006⎥ ⎥ v =⎢ ⎣−0,0004⎦ 0,0003

gebildet sind, kann man die Ausgleichungsprobe v v = 0,0000006 −l v = 0,0000004, die empirische Varianz v v 0,000 000 650 = = 3,25 · 10−7 (Varianz einer Richtung: gon2 ),4 n−u 4−2 die Standardabweichung der Unbekannten  s(y) = 129,491 · 3,25 · 10−7 = ±0,007 m  s(x) = 149,182 · 3,25 · 10−7 = ±0,007 m s02 =

und die Standardabweichung σp = 0,010 m berechnen. n beschreibt die Anzahl der Beobachtungen, u die der Unbekannten. Für den Neupunkt erhält man schließlich die ausgeglichenen Koordinaten: yˆ = y0 + dy = 48 565,271 m,

7.4.4

xˆ = x0 + dx = 06 058,976 m.

Genauigkeit des Vorwärtseinschneidens

Die Genauigkeit des Vorwärtseinschneidens ist abhängig von der Genauigkeit der Richtungsmessungen und von der Gestalt des Dreiecks ABN (Abb. 7.13). Als Kriterium für die Güte der Punktbestimmung gelte die Standardabweichung eines Punktes [7.1]. Wie in (Jordan/Eggert/Kneißl, Band II, 1963) gezeigt wird, lässt diese sich aus der Standardabweichung σ (r 0 ) der orientierten Richtungen [7.3.2] abschätzen:   1  2 σp = a + b2 σ r 0 . (7.27) sin γ In (7.27) ist vorausgesetzt, dass die Standardabweichung für die beiden orientierten Richtungen gleich groß ist und die Koordinaten der Festpunkte fehlerfrei sind. Für α = β wird σp zum Minimum, wenn der Schnittwinkel γ der Bestimmungsstrahlen 121 gon beträgt. Bei γ ≈ 0 oder 200 gon wird die Lösung unbestimmt. Für ein tieferes Eindringen beachte man die Arbeiten von (Groten 1969, Hamacher 1969). 4 Wegen der geringen Anzahl der Überbestimmungen ist s 2 statistisch unsicher. Bei (n − u) < 5 ist s 2 0 0

gegebenenfalls durch praktische Erfahrungswerte zu ersetzen.

259

7.4 Punktbestimmung durch Richtungsmessungen N γ b a β

B

α A Abbildung 7.13

7.4.5

Rückwärtseinschneiden als Schnitt von drei Geraden

Man misst hierzu auf dem Neupunkt N Richtungen ri zu Festpunkten Pi (Abb. 7.14). Der Neupunkt ist eindeutig festgelegt, wenn man in N drei Richtungen zu umliegenden Festpunkten beobachtet. P3

Pi

N

P1 P2 Abbildung 7.14. Rückwärtseinschneiden, allgemeiner Fall

Gegeben sind in Abb. 7.15 die drei Festpunkte M, A und B. Um den Neupunkt zu bestimmen, sind auf N die Richtungen rm , rA und rB gemessen. Gesucht sind die Koordinaten von N und die Orientierung des gemessenen Richtungsbüschels. Die Lösung wird auf den Schnitt dreier Geraden zurückgeführt: y = ym + (x − xM ) tan (MN) = yA + (x − xA ) tan (AN) = yB + (x − xB ) tan (BN ) .

(7.28)

260

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern x x M

N

α β

A α β

B y

Abbildung 7.15. Rückwärtseinschneiden mit zwei Winkeln

Zur Vereinfachung werden relative Richtungen und Koordinaten in bezug auf M definiert: rA − rM = rA = α; rB − rM = rB = β; yi − yM = yi ; (AN ) = (MN ) + α; (BN) = (MN) + β.

xi − xM = xi

Anstelle von (7.28) erhält man dann in dem örtlichen System:   y  = x  tan(MN ) = yA + x  − xA tan((MN) + α)   = yB + x  − xB tan(MN) + β).

(7.29)

Durch Gleichsetzen zweier Gleichungen von (7.29) ergibt sich für x  : x =

yA − xA tan((MN) + α) tan(MN) − tan((MN) + α)

(7.30)

x =

yB − xB tan((MN) + β) . tan(MN) − tan((MN) + β)

(7.31)

oder

Da tan((MN ) + α) =

tan(MN) + tan α 1 − tan(MN) tan α

(7.32)

tan((MN ) + β) =

tan(MN) + tan β , 1 − tan(MN) tan β

(7.33)

und

261

7.4 Punktbestimmung durch Richtungsmessungen

wird nach Einsetzen von (7.32) bzw. (7.33) in (7.30) bzw. (7.31)      yA + xA cot α tan(MN) + xA − yA cot α  x = 1 + tan2 (MN) bzw.

   yB + xB cot β tan(MN) + xB − yB cot β . x = 1 + tan2 (MN)

(7.34)





(7.35)

Unbekannt ist noch tan(MN ). Man erhält tan(MN) durch Gleichsetzen der Zähler von (7.34) und (7.35):   yA cot α − yB cot β + xB − xA  . tan(MN ) =  (7.36) xA cot α − xB cot β − yB − yA Schließlich erhält man die Koordinaten des Neupunktes aus yN = y  + yM ;

xN = x  + xM .

Zahlenbeispiel für Rückwärtseinschneiden. Gegeben: ra = 66, 8117 gon, rb = 294, 7845 gon, rM = 362, 8516 gon; Rechts

Hoch

Punkt

y

x

Nr.

[m]

[m]

A

46 867,94

05 537,00

B

51 293,86

06 365,89

M

49 666,56

04 448,58

Auf M reduzierte Werte: rA = α = 103,9601 gon; rB = β = 331,9329 gon;

yA = −2798,62; xA = +1088,42 yB = +1627,30; xB = +1917,31   yA · cot α − yB · cot β + xB − xA   = −0,5506757 tan(MN ) =  xA · cot α − xB · cot β − yB − yA      yA + xA · cot α · tan(MN) + xA − yA · cot α  x = = +1912,590 1 + tan2 (MN)

262

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern



x =

 (yB + xB · cot β) · tan(MN) + (xB − yB · cot β) = +1912,590 1 + tan2 (MN) y  = x  · tan(MN) = −1053,217 yN = y  + yM = 48 613,34;

7.4.6

xN = x  + xM = 06 361,17.

Genauigkeit des Rückwärtseinschneidens

Geometrisch ist der Neupunkt N als Schnittpunkt zweier Kreise bestimmt. Ein Kreis verläuft durch die Punkte B, M, N der andere durch M, A, N (Abb. 7.16). Wenn der B

A M s1 M

s3 σ2

B r3

σ1 r1

σ3

s2 A

r2

N

Abbildung 7.16. Rückwärtseinschneiden geometrisch und das reziproke Hilfsdreieck

Neupunkt N auf dem durch die drei Festpunkte A, M, B gegebenen Kreis liegt, wird die Lösung unbestimmt. Man erkennt das sehr leicht: die beiden Hilfskreise fallen dann zusammen. Der Kreis durch M, A und B wird daher als der gefährliche Kreis bezeichnet: denn die Lösung wird bereits ungenau, wenn der Punkt N in der Nähe des gefährlichen Kreises liegt. Um das zu vermeiden, gehe man möglichst auf die in Abb. 7.17 skizzierten Punktlagen aus. Als Maß für die Genauigkeit eines Rückwärtseinschnitts diene die in [7.2] definierte Standardabweichung eines Punktes. Unter Verzicht auf die fehlertheoretische Herleitung wird hier nur das Ergebnis mitgeteilt: Man trage in einer maßstäblichen Zeichnung (Abb. 7.16) auf den Bestimmungsstrahlen von N aus die reziproken Längen der drei Bestimmungsstrahlen 1/s1 = r1 , 1/s2 = r2 , 1/s3 = r3 in beliebigem Maßstab ab, so dass das ReziprokenHilfsdreieck M  A B  entsteht. Bezeichnet man dessen Seiten mit σ1 , σ2 , σ3 und seinen Flächeninhalt mit , so erhält man unter der Voraussetzung, dass im Neupunkt N Richtungen (nicht Winkel) gemessen sind, deren Standardabweichung gleich dem in [3.8.3] errechneten s(ˆr ) ist, für die Standardabweichung des Neupunktes den Aus-

263

7.5 Punktbestimmung durch Distanzmessung B

A

B

A

M

N

N

M

Abbildung 7.17. Günstigste Lagen beim Rückwärtseinschneiden

druck

σp =

σ12 + σ22 + σ32 · 42



s(ˆr ) 200/π

2 .

Am günstigsten ist also eine Punktbestimmung, bei der die σi möglichst klein sind,  aber möglichst groß ist.

7.5 Punktbestimmung durch Distanzmessung Zur Bestimmung des Neupunktes N werden zwischen ihm und mehreren Festpunkten Pi die Strecken si bestimmt (Abb. 7.18). N ist geometrisch festgelegt durch den Bogenschnitt zweier Kreise mit den Mittelpunkten P1 und P2 und den Radien s1 und s2 . Die Lösung der Aufgabe ist daher eindeutig, wenn zwei Strecken bestimmt sind. Bei nur zwei Beobachtungen kann man allerdings nicht überprüfen, ob sich der Maßstab der gemessenen Strecken von dem des Festpunktfeldes unterscheidet. P2 s2 N s1

si Pi

P1 Abbildung 7.18. Punktbestimmung durch Bogenschnitt

264

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

Der einfache Bogenschnitt ist – ähnlich wie das Vorwärts- und Rückwärtseinschneiden – nur begrenzt anwendbar. Es gibt Bereiche, in denen die Bestimmung sehr unsicher wird oder gar versagt.

7.5.1

Einfacher Bogenschnitt

Beim Bogenschnitt bestimmt man einen Neupunkt N (x, y) durch Messen von Distanzen. Wird von einem Festpunkt ein Neupunkt angezielt, so erhält man die Beobachtungsgleichung (Abb. 7.19): x N(x, y) si

P (xi , yi ) y Abbildung 7.19. Distanzmessungen zwischen Fest- und Neupunkt

 si = q (x − xi )2 + (y − yi )2 .

(7.37a)

In dieser Gleichung treten drei Unbekannte auf, die Koordinaten (x, y) des Neupunktes und ein Maßstabsfaktor q, welcher Unterschiede zwischen der Maßeinheit des Messgerätes und der des Festpunktfeldes berücksichtigt. Eine eindeutige Lösung ergibt sich folglich, wenn zwischen einem Neupunkt und drei Festpunkten Distanzen gemessen werden (Abb. 7.18), denn dann lassen sich für das Berechnen der drei Unbekannten drei Beobachtungsgleichungen aufstellen. Lässt man den Maßstabsfaktor unberücksichtigt, so ist eine eindeutige Lösung mit zwei gemessenen Distanzen gegeben. Es gibt eine Vielzahl von Lösungsansätzen, die teils die zuvor beschriebene Beobachtungsgleichung, teils aber auch andere Arten von Bestimmungsgleichungen nutzen. Zwei Lösungswege werden nachfolgend beschrieben. (1) Eindeutige Lösung mit linearisierten Beobachtungsgleichungen Beim Bogenschnitt kann man für die gemessenen Distanzen Beobachtungsgleichungen des Typs (7.37a) aufstellen. Diese lauten nach Abb. 7.19 in allgemeiner Form Li = si = f (x, y, q).

(7.37b)

265

7.5 Punktbestimmung durch Distanzmessung

Die drei Unbekannten – die Koordinaten (x, y) des Neupunktes und der Maßstabsfaktor q – lassen sich eindeutig bestimmen, wenn mindestens drei aus Messungen abgeleitete Strecken si vorliegen. Im Beispiel (Abb. 7.20) sind dies die Strecken s1 , s2 und s3 . Mit den drei Beobachtungen lassen sich Beobachtungsgleichungen x P2

P1 s1

s2 s3

P3

N (x, y) y Abbildung 7.20

(7.37a) aufstellen, aus denen man die Unbekannten sehr einfach erhält, wenn diese zunächst linearisiert werden. Die Linearisierung ergibt sich aus der Taylorschen Reihe (7.17) mit x = x0 + dx y = y0 + dy q = q0 + q, wobei x0 , y0 Näherungskoordinaten5 des Nullpunktes N sind und q0 = 1 ein Näherungswert des Maßstabfaktors ist. Für die linearisierten Beobachtungsgleichungen gilt dann [1.6.9]: si = si0 +

x 0 − xi y 0 − yi dx + dy + si0 dq 0 si si0

mit den partiellen Ableitungen



x0 − xi ∂fi y0 − yi ∂fi = ai1 = ; = ai2 = ; 0 ∂x 0 ∂y 0 si si0 und si0 = fi (x0 , y0 ) =



(7.38a)

∂fi ∂q

0

= ai3 = si0

 (x0 − xi )2 + (y0 − yi )2 .

5 Die Näherungswerte kann man z. B. einer maßstäblichen Zeichnung entnehmen. Bei groben Näherungswerten wird die erstmalige Anwendung des Verfahrens die gesuchten Werte noch nicht mit der gewünschten Genauigkeit ergeben; man hat dann das Verfahren zu wiederholen. Ein Vergleich der neuen und zuvor berechneten Koordinaten lässt schließlich beurteilen, ob die Genauigkeit ausreicht.

266

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

In verkürzter Schreibweise lässt sich (7.38a) darstellen durch si = si0 + ai1 dx + ai2 dy + ai3 dq.

(7.38b)

Fasst man nun noch die Absolutglieder si und si0 zu li = si − si0 zusammen, so gilt für das System der Beobachtungsgleichungen in Matrizenschreibweise I = Ax mit ⎡ ⎤ l1 I = ⎣l2 ⎦ , l3

⎡ x0 −x1 0 1 ⎢ x0s−x ⎢ 02 ⎢ s2

A=⎢ ⎣ x0 −x3 s30

Der Lösungsvektor lautet:

y0 −y1 s10 y0 −y2 s20 y0 −y3 s30

(7.39) s10



⎥ s20 ⎥ ⎥, ⎥ ⎦ s30

  x = dx dy dq .

x = A−1 I.

(7.40)

Schließlich berechnen sich die Koordinaten des Neupunktes aus x = x0 + dx y = y0 + dy. (2) Eindeutige Lösung durch polares Anhängen Gegeben sind die Koordinaten von zwei Festpunkten P1 und P2 sowie die gemessenen und bereits in das Abbildungssystem reduzierten Strecken s1 , s2 . Gesucht sind die Koordinaten des Neupunktes N (Abb. 7.21). x P2

t21

β s2

x t12 P1

α

N s1

Abbildung 7.21. Einfacher Bogenschnitt

267

7.5 Punktbestimmung durch Distanzmessung

Die Koordinaten des Neupunktes lassen sich auch durch polares Anhängen bestimmen: x = x1 + s1 cos t1N = x2 + s2 cos t2N , y = y1 + s1 sin t1N = y2 + s2 sin t2N .   

(7.41a)

Probe ∗ und den Richtungswinkel Dabei berechnet man zunächst nach [6.1.2] die Strecke s12 t12 :  x2 − x1 ∗ = (x2 − x1 )2 + (y2 − y1 )2 ; t12 = arccos . s12 ∗ s12

Weiter ist t1N = t12 + α; t2N = t21 − β; t21 = t12 ± 200gon;     ∗2 ∗ ∗2 ∗ α = arccos s12 + s12 − s22 /2s1 s12 ; β = arccos s22 + s12 − s12 /2s2 s12 . Das Vorzeichen von α und β kehrt sich um, wenn N auf der gegenüberliegenden Seite der Linie P1 P2 liegt. Hat man zusätzlich die aus Messungen reduzierte Strecke s12 , so lässt sich der Maßstabsfaktor q berechnen, der eventuell vorhandene Maßstabsunterschiede zwischen der Maßeinheit des Entfernungsmessers und der des Festpunktfeldes beschreibt: s∗ q = 12 . s12 Bei einem Maßstabsunterschied berechnet man die Koordinaten des Neupunktes an Stelle von (7.41a) nach: x = x1 + qs1 cos t1N = x2 + qs2 cos t2N , y = y1 + qs1 sin t1N = y2 + qs2 sin t2N .    Probe

Zahlenbeispiel zum einfachen Bogenschnitt. Gegeben:

Punkt Nr. P1 P2

Rechts y [m] 328,76 925,04

Hoch x [m] 1 207,85 954,33

(7.41b)

268

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

Gemessen: s1 = 294,33 m, s2 = 506,42 m, s12 = 648,08 m.  ∗ = (+596,28)2 + (253,52)2 = 647,937 m; t = 125,5930 gon; 1) s12 12 q = 647,937 : 648,08 = 0,999779. 2) α = arccos{(294,332 +648,082 −506,422 ) : (2·294,33·648,08)} = 54,4686 gon; β = arccos{(506,422 +648,082 −294,332 ) : (2·506,42·648,08)} = 28,9178 gon; t1N = 125,5930 + 54,4686 = 180,0616 gon; t2N = 125,5930 − 28,9178 = 96,6752 gon. 3) y = 328,76 + q · s1 · sin t1N = 328,76 + 90,66 = +419,42; x = 1207,86 + q · s1 · cos t1N = 1207,85 − 279,95 = 927,90. 4) Probe: y2 = y + q · s2 · sin t2N = 419,42 + 505,62 = 925,04; x2 = y + q · s2 · cos t2N = 927,90 + 26,43 = 954,33.

7.5.2

Mehrfacher Bogenschnitt durch eine Ausgleichung

Beim Bogenschnitt lässt sich eine bessere Kontrolle der Messungen und Berechnungen sowie eine Genauigkeitssteigerung für die neu berechneten Koordinaten erzielen, wenn mehrere überschüssige Strecken beobachtet und verwertet werden. Werden n Strecken von bekannten Festpunkten Pi zum Neupunkt N gemessen und sind m = 3 Unbekannte – 2 Neupunktkoordinaten, ein Maßstabsfaktor – zu berechnen, so liegen (n − m) Überbestimmungen vor. Ihre Widersprüche sind durch Ausgleichung nach der Methode der kleinsten Quadrate zu beseitigen (vgl. [1.6.9]). Die Strecken misst man mit elektronischen Distanzmessern [4]. Dabei können, weil die Genauigkeit der elektromagnetisch gemessenen Strecken von ihrer Länge kaum beeinflusst wird, alle gemessenen Strecken mit dem Gewicht 1 in die Rechnung eingeführt werden. Der Rechengang soll anhand eines Beispiels erläutert werden. Als Beispiel diene die Berechnung des Neupunktes in N in Abb. 7.12. Zum Bestimmen der Gauß-Krüger-Koordinaten [6.4.2] des Neupunktes N seien jedoch hier in einem rund 100 m über dem Meere liegenden Gebiet die Distanzen von 4 bekannten Festpunkten Pi nach N gemessen. a) Zum Vorbereiten der Ausgleichung werden die Distanzen DiA mit Korrektionen [4.3.5 – 4.3.7] versehen und geometrisch reduziert [4.3.8]. Anschließend werden die Strecken Si mit Hilfe der Gleichung (6.36) oder (6.39) auf ihren Wert si in der Gaußschen Abbildung reduziert, und es wird mit zwei von diesen Strecken nach [7.5.1] für den Neupunkt N eine vorläufige Punktlage N0 ermittelt. Ausgangswerte zum Beispiel findet man in Tab. 7.2. b) Ermittlung der günstigsten Punktkoordinaten. Für jede Strecke si erhält man eine Beobachtungsgleichung (vgl. Gleichung 7.37a), welche sich in folgende Fehlergleichung umwandeln lässt [1.6.9]: νi = ai1 dy + ai2 dx + ai3 dq − li

269

7.5 Punktbestimmung durch Distanzmessung Tabelle 7.2

Punkt Nr. 1 2 3 4 N

mit ai1 = q0

Rechts y [m] 48 177,62 49 600,15 49 830,93 47 863,91 48 565,2 = y0

y0 − yi ; si0

ai2 = q0

q = q0 + dq q0 = 1

Hoch x [m] 06 531,28 07 185,19 05 670,69 05 077,24 06 059,0 = x0

si [m] 611,023 1529,482 1 323,884 1 206,524

x0 − xi ; si0

ai3 = si0 ,

(Maßstabsfaktor),

(Näherungswert), li = si − si0 ,

si0 =

 (y0 − yi )2 + (x0 − xi )2 .

Man berechne zunächst nach [7.5.1] Näherungskoordinaten x0 , y0 für den Neupunkt sowie die Koeffizienten aij 6 und Absolutglieder li der Fehlergleichungen. y0 − yi

x0 − x i

si0

si

ai1

ai2

ai13

li

[m]

[m]

[m]

[m]

NP1

387,58

-472,28

610,956

611,023

0,63438

-0,77302

0,610956

0,067

[m]

NP2

-1034,95

-1126,19

1529,518

1529,482

-0,67665

-0,73630

1,529518

-0,036

NP3

-1265,73

388,31

1323,955

1323,884

-0,95602

0,29330

1,323955

0,071

NP4

701,28

981,76

1206,508

1206,524

0,58126

0,81372

1,206508

-0,016

6 Die Koeffizienten a wurden mit dem Faktor f = 0,001 multipliziert, damit alle Elemente der i3 Matrix A etwa gleich groß sind. Die Normalgleichungsmatrix N ist dann homogen und die Inverse N−1 numerisch stabil. Die Unbekannte dq und deren Standardabweichung s(q) müssen dann ebenfalls mit f = 0,001 multipliziert werden.

270

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

Damit sind die Fehlergleichungen v = Ax − l A





·



x

gegeben. Danach berechnet man ⎡ ⎤ 2,11213 0,20041 −1,21181 1,88786 −0,22839⎦ ; A A = N = ⎣ 5,92124 ⎡ ⎤ 0,54009 −0,04417 0,10883 0,53580 0,01163⎦ ; N−1 = ⎣ 0,19160





1l

⎤ 0,63438 −0,77302 0,610956 0,067 dy ⎢−0,67665 −0,73630 1,529518⎥ ⎢ ⎥ ⎥ ⎣ ⎦ ⎢−0,036⎥ v=⎢ ⎣−0,95602 0,29330 1,323955⎦ · dx − ⎣−0,071⎦ dq 0,58126 0,81372 1,206508 0,016 ⎡



⎤ 0,14404 A l = n = ⎣−0,03309⎦ ; −0,08883 ⎡ ⎤ 0,070 x = N−1 n = ⎣−0,025⎦ . −0,002

Nachdem die Verbesserungen ⎡

⎤ −0,004 ⎢ 0,004⎥ ⎥ v =⎢ ⎣−0,006⎦ 0,002 gebildet sind, berechne man die Ausgleichungsprobe v v = 0,00007 −l v = 0,00005, die empirische Varianz7 s02 =

0,00007 v v = = 7,06 · 10−5 , n−u 4−3

die Standardabweichung der Unbekannten  s(y) = 7,06 · 10−5 · 0,540 = ±0,006 m  s(x) = 7,06 · 10−5 · 0,535 = ±0,006 m  s(q) = 7,06 · 10−5 · 0,129 · 10−3 = 3 · 10−6 , 7 Wegen der geringen Anzahl der Überbestimmungen ist s 2 statistisch unsicher. Bei (n − u) < 5 ist s 2 0 0

gegebenenfalls durch praktische Erfahrungswerte zu ersetzen.

271

7.5 Punktbestimmung durch Distanzmessung

die Standardabweichung des Punktes σP = 0,009 m, die ausgeglichenen Koordinaten und den Maßstabsfaktor yˆ = y0 + dy = 48 565,270 m; xˆ = x0 + dx = 06 058,975 m; q = q0 + dq = 0,999 998. n beschreibt die Anzahl der Beobachtungen, u die der Unbekannten.

7.5.3

Genauigkeit des einfachen Bogenschnitts

Die Genauigkeit des einfachen Bogenschnitts ist abhängig von der Standardabweichung σ (s) der gemessenen Strecken und von der Gestalt des Bestimmungsdreiecks P1 P2 N (Abb. 7.22). Beschreibt man die Güte der Punktbestimmung mit der Standardabweichung eines Punktes [7.2], so gilt σp =

1 √ 2 σ (s), sin γ

wenn γ den Winkel bezeichnet unter dem sich die Strecken treffen und die Standardabweichung der Strecken σ (s) entfernungsunabhängig ist. N γ

P2

s12

P1

Abbildung 7.22

Die Genauigkeitsverhältnisse kann man sehr anschaulich mit Linien gleicher Standardabweichungen σp = const.

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

0

2

0

0

0

0

6m

2,

2,

8m

2,

4m

0

2m

2,

2,

0m

0

8m

1,

1,

6m

0



det N = 0 (unbestimmt)

m

0

1 1, ,8m 6m 0

s

1,

2

0

1 1, ,6m 8m 0



2

0

0

minimaler Fehlerkreis

m

2, 8m 2, 6m 0 2, 4m 0 2, 0 2 2, m0 0m 1, 8m 0 1, 6m 0

272

Abbildung 7.23. Linien gleicher Standardabweichungen σp für den einfachen Bogenschnitt mit σ (s) = m0 = const.

darstellen (Beuchle 1981). Es sei hier nur das Ergebnis anhand der Abb. 7.23 mitgeteilt. Die Abbildung zeigt Linien gleicher Standardabweichungen σp bezogen auf die Einheitsgröße s12 als Abstand der beiden Festpunkte. Den Berechnungen liegt die Annahme zugrunde, dass die Standardabweichung der Strecken σ (s) = m0 = const. entfernungsunabhängig ist. Die Abb. 7.23 enthält folgende Aussagen: – Die Linien gleicher Standardabweichungen σp sind Kreise, deren Mittelpunkte 12 liegen. auf der Mittelsenkrechten der Verbindungslinie √ – Der minimale Fehlerkreis mit σp = 2 m0 ist ein Kreis um den Schwerpunkt der Punkte 1 und 2 mit dem Radius Rmin = s12 /2. Dies ist der Thaleskreis, als geometrischer Ort all der Punkte, in denen sich die Strecken unter γ = 100 gon schneiden. – Das Verfahren versagt, wenn der Neupunkt auf der Verbindungslinie der Punkte 1 und 2 liegt.

7.6 Punktbestimmung durch kombinierte Richtungs- und Distanzmessungen

7.6

273

Punktbestimmung durch kombinierte Richtungs- und Distanzmessungen

Diese Verfahren kommen zur Anwendung, wenn elektronische Distanzmesser gemeinsam mit Theodoliten eingesetzt werden. Im Vergleich zu den bisher behandelten Verfahren, die für die Berechnungen nur Strecken oder Richtungen nutzen, sind die kombinierten Verfahren von der geometrischen Form der Bestimmungsfiguren weniger abhängig. Es gibt keine Bereiche in denen sie versagen. Bestimmt man von einem Neupunkt aus Richtungen ri und Strecken si zu mehreren Festpunkten Pi (Abb. 7.24), so treten beim Berechnen der Neupunktkoordinaten 4 unbekannte Größen auf: – die zwei Koordinaten x, y des Neupunktes, – ein Maßstabsfaktor q, der eventuell vorhandene Maßstabsunterschiede zwischen den neu bestimmten Strecken und dem Festpunktfeld beschreibt und – eine Orientierungsunbekannte ϕ der Richtungsbeobachtungen.

Pi ri , s i N

r1 , s1 P1

r2 , s2 P2

Abbildung 7.24. Punktbestimmung durch Beobachten von Richtungen und Strecken auf einem Neupunkt

Eine eindeutige Lösung der Punktbestimmung ist gegeben, wenn mindestens Richtungen und Strecken zu zwei Festpunkten bestimmt sind. Die Messungen sollte man möglichst so ausführen, dass die Richtungs- und Streckenmessungen gleich genau sind; d. h: σ0 = σ (r) · s = σ (s).

(7.42)

Dabei bezeichnen: σ (r) die Standardabweichung der Richtungen; σ (s) die Standardabweichung der Strecken; s die Strecken.

274

7.6.1

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

Eindeutige Punktbestimmung mit Hilfe der Ähnlichkeitstransformation

Gegeben sind zwei Festpunkte A und E, die auf einem Neupunkt bestimmten Richtungen rA , rE und die Strecken sA , sE (Abb. 7.25). Die Strecken sind bereits in das Abbildungssystem reduziert. Gesucht sind die Koordinaten des Neupunktes N . x

ξ

Nul

lrich

tung

E

ϕ

sE

rE rA

sA

A

N η

y

Abbildung 7.25. Punktbestimmung mit Richtungen und Strecken

Man betrachte den Neupunkt als Zentrum eines örtlichen (ξ, η)-Koordinatensystems, dessen ξ -Achse mit der Nullrichtung der reduzierten Richtungen zusammenfällt. A und E sind in dem (ξ, η)-System durch Polarkoordinaten (ri , si ) und in dem (x, y)-System durch rechtwinklige Koordinaten (x, y) festgelegt und damit identische Punkte. Die Koordinaten des Neupunktes (bzw. des Ursprungs des örtlichen Koordinatensystems) findet man daher mit Hilfe der Transformationsgleichungen der Ähnlichkeitstransformation. Nach Abb. 7.25 und nach [6.3.1] Gleichung (6.21b) gilt: x = xA − q sA cos(rA + ϕ) = xE − q sE cos(rE + ϕ) y = yA − q sA sin(rA + ϕ) = yE − q sE sin(rE + ϕ ,   

(7.43)

Probe

wenn θA = rA ,

θE = rE ;

σA = sA ;

σE = sE .

Berechnet man für die Festpunkte A und E rechtwinklige Koordinaten: ξA = sA cos rA ;

ηA = sA sin rA

ξE = sE cos rE ;

ηE = sE sin rE ,

(7.44)

275

7.6 Punktbestimmung durch kombinierte Richtungs- und Distanzmessungen

so kann man die Transformationsparameter q und ϕ nach [6.3.1] Gleichung (6.14) und (6.15) berechnen. Zahlenbeispiel zu [7.6.1] (siehe Zahlenbeispiel zu [7.6.2]): Pkt.

r

s

η

ξ

y

x

Nr.

[gon]

[m]

[m]

[m]

[m]

[m]

1=A

0,465

116,42

+0,85

+116,42

17 520,66

06410,71

3=E

190,432

148,12

+22,18

−146,45

17 258,15

06435,37

E−A

189,967



21,33

−262,87

−262,51

24,66

σAE = 263,734 m; sAE = 263,667 m; q = sAE : σAE = 0,999746; θAE = 194,8456 gon; tAE = 305,9629 gon; ϕ = tAE − θAE = 111,117 gon; y = 17520,66 − q · 116,42 · sin 111,582 = 17406,19; x = 06410,71 − q · 116,42 · cos 111,582 = 06431,77.

7.6.2

Punktbestimmung mit Hilfe der Helmerttransformation

Sind von einem Neupunkt aus zu r Festpunkten Pi Richtungen ri und Strecken si bestimmt, so berechnet man die Koordinaten des Neupunktes durch ein Ausgleichungsverfahren. Einen einfachen Lösungsweg bietet die Helmerttransformation. Dieser Weg hat den Vorteil, dass – keine Näherungskoordinaten zu berechnen sind, – keine Matrizenoperationen erforderlich sind, – auch bei kapazitätsarmen Rechnern keine Beschränkung bei der Anzahl der angemessenen Punkte gegeben ist. Nachteilig ist, dass zu jedem Festpunkt immer Strecken und Richtungen zu bestimmen sind. Das alleinige Messen von Richtungen – z. B. zu unzugänglichen Punkten – lässt sich nicht nutzen. Einzelne Strecken oder einzelne Richtungen lassen sich zusätzlich verwerten, wenn für die Auswertung die allgemeine Lösung mit den Fehlergleichungen des Kapitels [1.6.9] gewählt wird; der Beobachter kann dann vielseitiger arbeiten. Nachfolgend wird nur der erste Lösungsweg beschrieben; für den zweiten sei auf Literatur verwiesen wie (Wolf 1975, Niemeier 2002).

276

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

Zweckmäßig betrachtet man – wie in dem vorhergehenden Kapitel [7.8.1] – den Neupunkt als Ursprung eines örtlichen (ξ, η)-Koordinatensystems, und die Nullrichtung der Richtungsmessung lässt man mit der Richtung der ξ -Achse zusammenfallen (Abb. 7.26). P2 ξ

η η2

r2 , s2 ξ2 P1

ηi

ξ1 r1 , s1

ri , si

Pi

N η1 ξi

Abbildung 7.26. Örtliches Koordinatensystem bei der Bestimmung des Neupunktes

Die Punkte P1 , . . . , Pr sind in dem (x, y)-System und (ξ, η)-System Festpunkte und damit identische Punkte. Die Koordinaten des Neupunktes findet man daher mit Hilfe von Transformationsgleichungen der Helmerttransformation. Vorbereitend berechnet man für polar angemessene Punkte P1 , . . . , Pr in dem (ξ, η)-System rechtwinklige Koordinaten: ξi = si cos ri ;

ηi = si sin ri

(i = 1, . . . , r).

(7.45)

Nach [6.3.1] Gleichung (6.25b) gilt dann für die Koordinaten des Neupunktes (bzw. des Koordinatenursprungs des örtlichen Systems): x=

[ξ ] [η] [x] −a +o = xs − aξs + oηs n n n

[y] [ξ ] [η] y= −o −a = ys − oξs − aηs . n n n

(7.46)

Die Transformationsparameter a und o sind in [6.3.1] Gleichung (6.23) definiert.

277

7.6 Punktbestimmung durch kombinierte Richtungs- und Distanzmessungen

Zahlenbeispiel zu [7.6.2]: Gemessen

örtl. System

Gegebene Festpkt.-Koord.

Pkt.

r

s

η

ξ

y

x

Nr.

[gon]

[m]

[m]

[m]

[m]

[m]

1

0,465

116,42

+0,85

+116,42

17 520,66

06410,71

2

82,789

52,79

+50,87

+14,10

17 411,28

06379,22

3

190,432

148,12

+22,18

−146,45

17 258,15

06435,37

4 0

361,963

209,65

−117,94

+173,33

17 597,31

06517,78

235,649

526,98

−44,04

+157,40

69 787,40

25 743,08

−11,01

+39,35

17 446,85

06435,77

Schwerpunkt SP





y

x

[η2 + ξ 2 ] = 75 555,02

1

+11,86

77,07

+73,81

−25,06

[η · +y] = −23 677,33

2

+61,88

−25,25

−35,57

−56,55

[η · +x] = −12 579,13

3

+33,19

−185,80

−188,70

−0,40

[ξ · +y] = +61 805,77

4

−106,93

+133,98

+150,46

+82,01

[ξ · +x] = +10 558,33

o = (61 805,77 + 12 579,13) : 75 555,02 = +0,9845130 a = (10 558,53 − 23 677,33) : 75 555,02 = +0,1736324  (q = o2 + a 2 = 0,999707; ϕ = arc cos(a : q) = 111,1134 gon) y = 17 446,85 − o · 39,35 + a · 11,01 = 17 406,20 x = 06 435,77 − a · 39,35 − o · 11,01 = 06 431,76

7.6.3

Genauigkeit der mit Richtungen und Strecken berechneten Punkte

Legt man den Neupunkt N – wie bei den vorausgehenden Ableitungen [7.6.1, 7.6.2] – in den Ursprung des örtlichen Koordinatensystems, so entsprechen die Standardabweichungen der transformierten Neupunktkoordinaten den Standardabweichungen der beiden Verschiebungskomponenten (Translationsparameter). Damit erhält man

278

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

nach (Wolf 1966) für die Genauigkeit der durch eine Helmerttransformation bestimmten Standpunktskoordinaten:     2 + x2 yN ηs2 + ξs2 N 2 2 1 2 1  ,  = 2σ0 + 2 + 2 (7.47) σp = 2σ0 n n η + ξ 2 yi + xi2 wobei

σ0 = σ (r) · s = σ (s)

(7.48)

ist. Dabei bezeichnen: σ (r) die Standardabweichung der beobachteten Richtungen; σ (s) die der Strecken; s die Strecken; xN , yN die Koordinaten des Neupunktes; xi , yi die Koordinaten der Festpunkte. Die Genauigkeit der Neupunktsbestimmung kann man anschaulich mit Linien gleicher Standardabweichungen σp darstellen (Beuchle 1981). Diese Linien sind Kreise um den Schwerpunkt der Festpunkte. Der minimale Punktfehler  2 σp min = · σ0 n tritt im Schwerpunkt der Festpunkte auf. Er ist nur abhängig von der Anzahl der Festpunkte, nicht jedoch von ihrer Lage. Die radiale Zunahme der Standardabweichung eines Punktes zeigt Abb. 7.27. Die Darstellung berücksichtigt einige Fälle mit n=2

σP

n=3 n=4 n=5

3σ0 2σ0 σ0

Radialabstand Rs 0

1

2

3

4R

Abbildung 7.27. Radiale Zunahme der Standardabweichungen σp eines aus kombinierten Richtungen und Strecken bestimmten Neupunktes

n = 2, 3, 4, 5 regelmäßig verteilten Festpunkten (Abb. 7.28), wobei alle Festpunkte auf einem Kreis um den Schwerpunkt mit dem Radius R = 1 liegen. Für die dargestellten Festpunktanordnungen liefert Abb. 7.27 σp als Funktion des Abstandes Rs in Einheiten der Standardabweichung der Gewichtseinheit σ0 . Abb. 7.27 zeigt, dass die Messungen zu einem 5. Punkt nur noch unwesentlich zur Genauigkeit beitragen.

279

7.7 Polare Aufnahme von Objektpunkten

R=1

R=1

R=1

R=1

Abbildung 7.28. Festpunktanordnungen mit n = 2, 3, 4, 5 Festpunkten für die Darstellung der Standardabweichung σp

7.7

Polare Aufnahme von Objektpunkten

Bei der Polaraufnahme werden die Neupunkte durch Winkel αi gegenüber einer bekannten Ausgangsrichtung und Strecken si nach Polarkoordinaten bestimmt (Abb. 7.29). x P2

N1

s1 α1

Ni αi

si

P1 y

Abbildung 7.29. Die Polaraufnahme

Für die Messungen benutzt man Tachymeter: optische oder elektronische Theodolite in Kombination mit einem Entfernungsmesser. Misst man nur mit elektronischen Geräten, so ist das Verfahren besonders automationsfreundlich; von der Aufnahme der Punkte im Feld bis zur Herstellung von Karten und Registern lässt sich ein automatischer Datenfluss erzeugen. Aus wirtschaftlichen Gründen führt man die Richtungsmessungen in der Regel nur in einer Fernrohrlage aus. Vor Messeinsätzen sind dann die Zielachsen-, Kippachsenund Höhenindexfehler zu bestimmen, damit man sie rechnerisch berücksichtigen kann [3.7.1], [3.9.2].

280

7.7.1

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

Polare Aufnahme von einem Festpunkt aus

Gegeben sind die Festpunkte A und E, sowie die auf A bestimmten Richtungen rE , ri und die Strecken sE , si (Abb. 7.30). x E

rE , sE

Ni

ri , si A y

Abbildung 7.30. Polaraufnahme auf einem Festpunkt

Die Koordinaten der Neupunkte Ni lassen sich folgendermaßen berechnen: xi = xA + si cos (ri + ϕ) yi = yA + si sin (ri + ϕ) .

(7.49)

Vorbereitend hat man die Orientierungsunbekannte des Richtungsbüschels zu bestimmen [7.3.2]: (7.50) ϕ = tAE − rE . Bei genaueren Punktbestimmungen ist zu überprüfen, ob der Maßstab der aus Messungen abgeleiteten Strecken si mit dem des Festpunktfeldes übereinstimmt. Man bestimmt dann mindestens eine Strecke zwischen Festpunkten – z. B. sAE – und berechnet den Maßstabsfaktor: s∗ q = AE (7.51) sAE mit ∗ sAE

 = (xE − xA )2 + (yE − yA )2 .

Liegt ein wirksamer Maßstabsunterschied vor, so berechnet man die Koordinaten des Neupunktes an Stelle von (7.49) durch: xi = xA + q si cos (ri + ϕ) yi = yA + q si sin (ri + ϕ) .

(7.52)

281

7.7 Polare Aufnahme von Objektpunkten

7.7.2

PolareAufnahme bei freier Stationierung und zwei angemessenen Festpunkten

Gegeben seien zwei Festpunkte A und E sowie die auf einem nicht koordinierten Gerätestandpunkt S bestimmten Richtungen rA , rE , ri und Strecken sA , sE , si (Abb. 7.31). Man betrachte den Standpunkt als Zentrum eines örtlichen (ξ, η)-Koordinatensystems, dessen ξ -Achse mit der Nullrichtung der gemessenen Richtungen zusammenfällt. A und E sind in dem (ξ, η)-System durch Polarkoordinaten (ri , si ) und in dem (x, y)-System durch rechtwinklige Koordinaten (x, y) festgelegt und damit identische Punkte. Die Neupunkte Ni lassen sich daher durch eine Ähnlichkeitstransformation berechnen – [6.3.1] Gleichung (6.21a und b): x

E

ξ Nu llri ch

rE , sE

tun

Ni

g

ri , si S(x0 , y0 ) rA , sA A

y

Abbildung 7.31. Freie Stationierung bei zwei angemessenen Festpunkten

xi = x0 + q si cos (ri + ϕ) yi = y0 + q si sin (ri + ϕ) ,

(7.53)

x0 = xA − q sA cos (rA + ϕ) y0 = yA − q sA sin (rA + ϕ) ,

(7.54)

mit

wobei θ= ˆ r

und

σ = ˆ s.

Berechnet man für die Festpunkte A und E rechtwinklige Koordinaten: ξA = sA cos rA ; ξE = sE cos rE ;

ηA = sA sin rA ηE = sE sin rE ,

(7.55)

282

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

so kann man die Transformationsparameter – den Maßstabsfaktor q und die Orientierungsunbekannte ϕ – nach [6.3.1] Gleichung (6.14) und (6.15) berechnen (Zahlenbeispiel s. [6.3.1]).

7.7.3

Polare Aufnahme bei freier Stationierung und mehr als zwei angemessenen Festpunkten

Gegeben seien mehrere Festpunkte P1 , . . . , Pr , sowie die auf einem nicht koordinierten Gerätestandpunkt S bestimmten Richtungen r1 , . . . , rr und Strecken s1 , . . . , sr ; außerdem seien auf S Richtungen ri und Strecken si zu Neupunkten bestimmt (Abb. 7.32). x P2

Ni r2 , s2

P1

ξ

ri , si

r1 , s1 S(x0 , y0 ) Nu

ic llr

htu

ng

rn , sn Pn y

Abbildung 7.32. Freie Stationierung bei mehr als zwei angemessenen Festpunkten

Wie in [7.7.2] betrachte man den Standpunkt als Ursprung eines örtlichen (ξ, η)Koordinatensystems, dessen ξ -Achse mit der Nullrichtung der Richtungsmessung zusammenfällt. Vorbereitend berechne man für die polar angemessenen Punkte P1 , . . . , Pr in dem (ξ, η)-System rechtwinklige Koordinaten: ξi = si cos ri ,

ηi = si sin ri ,

i = 1, . . . , n.

(7.56)

Die Punkte P1 , . . . , Pr sind in dem (x, y)-System und (ξ, η)-System durch rechtwinklige Koordinaten festgelegt und damit identische Punkte. Die Koordinaten der Neupunkte findet man daher mit Hilfe der Helmerttransformation. Nach [6.3.1] Gleichung (6.26a) berechnen sich die Koordinaten der Neupunkte nach: xi = x0 + aξi − oηi yi = y0 + oξi + aηi .

(i = r + 1, . . . , n)

(7.57)

283

7.7 Polare Aufnahme von Objektpunkten

mit [xi ] [ξ ] [ηi ] −a +o (i = 1, . . . , r) n n n [yi ] [ξi ] [ηi ] y0 = −o −a . n n n

x0 =

(7.58)

Die Transformationsparameter a und o sind in [6.3.1] Gleichung (6.23), q und ϕ in [6.3.1] Gleichung (6.24) u. (6.25) definiert. Zahlenbeispiel (Transformationsparameter sind dem Zahlenbeispiel in [7.6.2] entnommen): ϕ

q

Pkt.

r

s

Nr.

[gon]

[m]

S

ϕ = 111,113 q = 0,999707

r0

sq

y

x

[gon]

[m]

[m]

[m]





17 406,20

06 431,76

P1

0, 465

116,42

111,578

116,386

17 520,67

06410,71

P2

82,789

52,79

193,902

52,775

411,25

379,23

P3

190,432

148,12

301,545

148,077

258,17

435,35

P4

361,963

209,65

73,076

209,589

597,32

517,78

P5 .. .

71,542 .. .

83,15 .. .

182,655 .. .

83,126 .. .

428,57 .. .

351,70 .. .

Pn

312,219

114,61

23,332

114,576

17 447,26

06 538,73

7.7.4

Genauigkeit der polar aufgenommenen Punkte

Die Standardabweichung [7.1] eines von einem Festpunkt aus bestimmten Polarpunktes beträgt:    2 (7.59) σp = + σ 2 (s). s · σ r0 Dabei bezeichnen: σ (r 0 ) die Standardabweichung der orientierten Richtungen [7.3.2]; σ (s) die Standardabweichung der Strecken; s neu bestimmte Strecken; s · σ (r 0 ) beschreibt die Standardabweichung des Neupunktes senkrecht zum Bestimmungsstrahl und σ (s) diese in Richtung des Bestimmungsstrahls. In der Regel

284

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

sorgt man dafür, dass die Richtungs- und Streckenmessgenauigkeit gleich ist; d. h.   s · σ r 0 = σ (s) = σ0 .

(7.60)

Die Standardabweichung des Neupunktes beträgt dann: σp =

√ 2 σ0 .

(7.61)

Bei freier Stationswahl gilt unter der Voraussetzung der in (7.60) beschriebenen Fehlerannahmen (Ruopp 1971): – Die Genauigkeit eines Polarpunktes ist von der Lage des Gerätestandpunktes unabhängig; entscheidend ist allein die Lage des Polarpunktes innerhalb der Festpunkte. – Die Linien gleicher Standardabweichungen der Koordinaten sind Kreise um den Schwerpunkt der Festpunkte. – Die minimale Standardabweichung tritt im Schwerpunkt der Festpunkte auf. Von weiterem Interesse ist die radiale Zunahme der Koordinatenfehler (Abb. 7.33). Für die Anordnung der Festpunkte soll Abb. 7.28 gelten. Betrachtet man zunächst die Festpunkte als fehlerfrei und in einer weiteren Analyse als fehlerbehaftet, so erhält man die in Abb. 7.33 und 7.34 wiedergegebenen Ergebnisse (Beuchle 1981). Die Abbildungen zeigen: – die Genauigkeitssteigerung durch Hinzunahme weiterer Festpunkte ist gering, – die aufzunehmenden Polarpunkte sollen möglichst innerhalb des um den Schwerpunkt durch die Festpunkte gezogenen Kreises mit R = 1 liegen. σ (x) = σ (y) n=2

2σ0

n=3 n=4 n=5

σ0

0

1

2

Radialabstand R

Abbildung 7.33. Standardabweichungen σ (x) und σ (y) der Koordinaten der Polarpunkte bei fehlerfreien Festpunkten und freier Stationierung (für σ (r) · s = σ (s) = σ0 )

285

7.8 Polygonometrische Punktbestimmung σ (x) = σ (y)

n=2 n=3 n=4

2σ0 n=5 σ0

0

1

2

Radialabstand R

Abbildung 7.34. Standardabweichungen σ (x) und σ (y) der Koordinaten der Polarpunkte bei fehlerhaften Festpunkten und freier Stationierung (für σ (r) · s = σ (s) = σ0 und die Standardabweichungen der Festpunktkoordinaten σ (x) ˆ = σ (y) ˆ = σ0 )

7.8

Polygonometrische Punktbestimmung

Die Polygonierung, die etwa seit 1830 Eingang in die Vermessungspraxis fand, galt bis 1960 als ein Verfahren, das der Triangulation sowohl hinsichtlich ihres Aufbaus als auch genauigkeitsmäßig nachstand. Inzwischen hatte die Genauigkeit der Winkelmessung durch den Einsatz der Zwangszentrierung [3.6.5] und die der elektronischen Distanzmessung in einem so hohen Maße zugenommen, dass sie für Netzverdichtungen gleichberechtigt verwendbar war. Darüber hinaus gibt es folgende Vorteile: – Der Netzaufbau lässt sich den örtlichen Gegebenheiten gut anpassen. – Der Arbeitsfortschritt ist in der Regel sehr günstig. Typische Anwendungsgebiete sind: – Bestimmung von Aufnahmepunkten für die Objektvermessung [17], – Bestimmung von Aufnahmepunkten für die topographische Vermessung [17], – Absteckungsarbeiten [19].

7.8.1 Anlage und Messen von Polygonnetzen 7.8.1.1 Ringpolygone, Polygonzüge, Polygonnetze Bei der polygonometrischen Punktbestimmung ist der Aufnahmerahmen ein unregelmäßiges Vieleck oder Polygon (griech. polys = viel; gony = Knie, Ecke), in dem auf den Eckpunkten Winkel und zwischen benachbarten Punkten Strecken bestimmt werden (Abb. 7.35). Die Messungen ordnet man so an, dass sich für alle Punkte

286

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

rechtwinklige Koordinaten berechnen lassen. Je nach Aufgabenstellung legt man ein Ringpolygon, einen Polygonzug oder ein Polygonnetz an. Ein Ringpolygon oder geschlossenes Polygon ist ein Vieleck, in dem die letzte Seite an die erste anschließt. Ein Beispiel dafür ist inAbb. 7.35 das Polygon 1 2 3 4 5 6. Das Ringpolygon ist ein geeigneter Rahmen für die Aufnahme eines abgeschlossenen Bezirks, z. B. eines Baublocks, einer Dorflage, eines Parks und dergleichen. Ein Polygonzug ist ein gebrochener Linienzug, der verschiedenartig angeordnet werden kann. Man unterscheidet folgende Arten: – Der angeschlossene Polygonzug: beginnt und endet (wie in Abb. 7.35 der Zug 6 7 8 9 4) auf einem bereits vorher bestimmten Festpunkt; in ihm werden außer den Seiten und den Brechungswinkeln die in Abb. 7.35 mit einem Doppelpfeil bezeichneten Anschlusswinkel beobachtet. – ein toter Polygonzug: ist, wie in Abb. 7.35 der Zug 5 12 13, nur einseitig angeschlossen. Solche Züge weisen eine sehr ungünstige Fehlerfortpflanzung auf. Man kann sie aber zur Aufnahme von Innenhöfen und Sackgassen, für die Absteckung von Tunnel und dergleichen nicht entbehren. – Ein freier Polygonzug: hat keinerlei Anschlüsse; man braucht ihn zur Absteckung von Geraden, deren Endpunkte gegenseitig nicht sichtbar sind, zur Aufnahme und Absteckung von Verkehrslinien usw. [19].

3

4

2 10

9

11 8

13 12

7

1

5

6

Abbildung 7.35. Polygonnetz

Ein Polygonnetz besteht aus mehreren Polygonzügen. Damit kann praktisch jedes noch so unübersichtliche Aufnahmegebiet erschlossen werden. Bei der Berechnung

7.8 Polygonometrische Punktbestimmung

287

der Koordinaten führt die Ausgleichung von Polygonnetzen zu fehlertheoretisch günstigsten Ergebnissen (Niemeier 2002). 7.8.1.2 Auswahl der Neupunkte Die Auswahl der Neupunkte hängt von der jeweiligen Aufgabenstellung ab. Die Polygonpunkte sind zunächst so zu erkunden, dass die Wetterabhängigkeit – im Hinblick auf Reichweite und Genauigkeit bei der Richtungs- und Streckenmessung – gering ist. Die Polygonzüge folgen im allgemeinen den Verkehrswegen, Wasserläufen und Eigentumsgrenzen. Zweckmäßig legt man sie so, dass von den Polygonpunkten aus möglichst viele Einzelheiten aufgenommen werden können. Für die Polygonpunkte eignen sich außerdem geschützte Standorte, auf denen sich der Theodolit sicher aufstellen lässt. Die Länge der Zugseiten hängt von der Dichte der aufzunehmenden Objekte und den topographischen Verhältnissen ab. Alle Punkte werden fest vermarkt – z. B. durch Rohre oder Bolzen – und zum leichten Auffinden durch Zusatzmessungen in geometrische Verbindung mit benachbarten Hausecken, Masten und dergleichen gebracht. 7.8.1.3 Messen der Seiten und Winkel Am schnellsten und genauesten bestimmt man die Polygonseiten mit elektronischen Entfernungsmessern. Die Richtungsmessung erfolgt je nachAufgabenstellung mit Theodoliten niederer, mittlerer oder hoher Genauigkeit. Allgemein sind bei der Objektvermessung folgende Genauigkeiten ausreichend: – Standardabweichung der Strecken von σ (s) = 1, . . . , 2 cm – Standardabweichung der Richtungen von σ (r) = 1, . . . , 2 mgon.8 Die Richtungs- und Streckenmessungen sollen möglichst gleich genau sein, d. h. die durch die Unsicherheiten der Richtungsmessungen hervorgerufenen Querabweichungen s · σ (r) haben etwa gleich groß zu sein wie die durch die Unsicherheiten der Distanzmessung hervorgerufenen Längsabweichungen σ (s): σ0 = σ (s) = s · σ (r).

(7.62)

Die erforderliche Genauigkeit erreicht man in erster Linie durch genauere Zentrierung. Beim Zentrieren des Instruments und beim Einloten der Zielstäbe mit bloßem Auge kann leicht ein Zentrierfehler von 0, 5 cm entstehen. Dieser verschwenkt, wenn er rechtwinklig zur Zielrichtung verläuft, nach der Formel d = (b/r)(200/π) eine Seite von 150 m Länge um 2,1 mgon. Also verfälschen drei Zentrierfehler dieser Größe, wenn zufällig die in Abb. 7.36 angenommene Fehlerhäufung eintritt, einen 8 In der Regel misst man 2 Sätze mit einem Theodoliten mittlerer Genauigkeit.

288

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern 14

16

15 Abbildung 7.36. Zentrierungsfehler

gestreckten Winkel um 8, 4 mgon. Die Auswirkungen der Zentrierfehler übersteigen daher bei weitem die Ungenauigkeiten bei der Ablesung am Instrument. Eine spürbare Verbesserung lässt sich erzielen, wenn man die Zwangszentrierung einsetzt [3.6.5].

7.8.2

Berechnen der Polygonzüge

Man bestimmt zunächst die orientierten Richtungen ri0 und die in das Abbildungssystem reduzierten Längen der Polygonseiten si [4.3.7, 4.3.8, 6.4.3]. Anschließend werden – von einem Festpunkt ausgehend – durch polares Anhängen [7.7.1] von Punkt zu Punkt fortschreitend die Koordinaten der Neupunkte berechnet. 7.8.2.1 Beidseitig angeschlossene Polygonzüge Als Beispiel dient der inAbb. 7.37 dargestellte Polygonzug. Die Neupunkte P2 , P3 , P4 lassen sich bei fehlerfreien Messungen mit den Winkeln β1 , β2 , β3 und den Strecken

β1 P1

β4

β2 s1

P2

β3 s2

P3

s3

P4

βn

s4 Pn

Pn+1 P0 Abbildung 7.37. Beidseitig angeschlossener Polygonzug. Gegeben sind: x0 , y0 , x1 , y1 , xn , yn , xn+1 , yn+1 . Gemessen sind: s1 , . . . , s4 , β1 , . . . , βn . Gesucht sind: x2 , y2 , . . . , x4 , y4 .

s1 , s2 , s3 eindeutig festlegen. Durch die Strecke s4 und die Winkel β4 und βn sind drei überschüssige Messungen gegeben. Als Folge treten im Zuge der Berechnungen Abweichungen auf; diese lassen sich im Wege der Berechnungen beseitigen.

289

7.8 Polygonometrische Punktbestimmung

Vorbereitend werden die Richtungswinkel t0 und tn nach [6.1.2] ermittelt. Danach verlaufen die Berechnungen folgendermaßen: 1. Schritt: Man überprüft zunächst die gemessenen Winkel βi . Hierzu bildet man die Summe t0 +[β]+n·200 gon, die bis auf ein Vielfaches a von 400 gon gleich dem errechneten Richtungswinkel tn sein sollte. Infolge der Unsicherheiten der Messwerte und Anschlusskoordinaten erhält man jedoch die Winkelabweichung: wβ = (tn − t0 ) − {[β] + n · 200 gon −a · 400 gon} .

(7.63)

Falls diese kleiner als eine vorgegebene Fehlergrenze ist, werden sie zu gleichen Teilen auf die Brechungswinkel β1 , . . . , βn verteilt. 2. Schritt: Nun berechnet man vorläufige Koordinatenunterschiede und Koordinatenabweichungen. Vorbereitend orientiert man von Punkt zu Punkt fortschreitend die Richtungen der Polygonseiten (Abb. 7.38), indem man zu dem berechneten Rich-

r20

r10 P1

s1

P2

r30 s2

r40 s3 P 4

tn

s4

P3

Pn

x t0 Pn+1 P0 Abbildung 7.38. Polare Bestimmungselemente des Polygonzuges

 tungswinkel t0 die verbesserten Brechungswinkel βi + maßen hinzuzählt:

wβ  n und 200 gon folgender-

wβ + 200 gon n wβ r20 = r10 + β2 + + 200 gon n .. . r10 = t0 + β1 +

Probe: tn = r40 + βn +

wβ + 200 gon . n

(7.64)

290

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

Mit den orientierten Richtungen ri0 und den Strecken si rechnet man von Punkt zu Punkt fortschreitend: x1 = s1 cos r10 ;

y1 = s1 sin r10

x2 = s2 cos r20 ; .. .

y2 = s2 sin r20 .. .

x4 = s4 cos r40 ;

y4 = s4 sin r40 .

(7.65)

Dann bildet man die Koordinatenabweichungen   wx = (xn − x1 ) − s · cos r 0 ;

  wy = (yn − y1 ) − s · sin r 0

(7.66)

und mit diesen die Quer- und Längsabweichung Q, L des Zuges (Abb. 7.39): x

Pn

[s · sin r 0 ]

Q

L

Pn wx

wy

[s · cos r 0 ] y P1 Abbildung 7.39. Längs- und Querabweichung







wy s · sin r 0 ] + wx s · cos r 0 L =  2  2 ; s · sin r 0 + s · cos r 0









wy s · cos r 0 − wx s · sin r 0 Q =  2  2 s · sin r 0 + s · cos r 0

(7.67)

Sind für Q und L vorgegebene Fehlergrenzen eingehalten, so verteilt man die Koordinatenabweichungen proportional der si auf die xi und yi . 3. Schritt: Ausgehend von x1 und y1 werden schließlich durch schrittweises Addieren der verbesserten Koordinatenunterschiede die Koordinaten der Polygonpunkte erhalten, wobei nach Hinzuzählen der letzten Koordinatenunterschiede die Werte xn

291

7.8 Polygonometrische Punktbestimmung

und yn herauskommen müssen. wx · s1 ; x2 = x1 + s1 · cos r10 + [s] wx x3 = x2 + s2 · cos r20 + · s2 ; [s] .. .

wy · s1 [s] wy y3 = y2 + s2 · sin r20 + · s2 [s] .. .

y2 = y1 + s1 · sin r10 +

Zahlenbeispiel: Berechnung eines beiderseits angeschlossenen Polygonzugs.

Pkt. 1

β

y

x

r0

s

y = s sin r 0

x = s cos r 0

[gon]

[m]

[m]

[m]

2

3

4

5

P0

0,00

500,00

179,20

352,69

143,8018 −10

P1

71,1530 14,9538

148,11

−3

−1

+34,47

+144,04

213,64

496,72

−11

P2

218,0123

−2

32,9650

135,25

+66,95

+117,52

280,57

614,24

−10

P3

211,5372

−2

44,4967

121,17

77,96

92,76

358,51

707,00

−2

−0

+107,68

+86,75

−11

P4

212,3319 56,8275 −10

138,28

(7.68)

292

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern 73,1133

P5

466,17

793,75

223,81

916,95

329,9398 P6 Ist =

186,1432

+287,06

441,07

Soll =

186,1380

+286,97

+441,06

wβ =

−0,0052

−0, 09

−0, 01

= wy

= wx

7.7.2.2 Berechnung eines Ringpolygons Das Ringpolygon 1 2 3 4 5 6 (Abb. 7.40), in dem alle Seiten und Winkel gemessen sind, habe keinerlei Anschlüsse an ein festes Koordinatensystem. Man führt daher ein örtliches System ein, in dem die Polygonseite 1–2 Abszissenachse, der Punkt 1 Koordinatenanfangspunkt ist. Doch setze man, um negative Abszissen zu vermeiden, x1 = 500 m. x

β3 s2

β2

P3

s3 P4

P2

s4

s1 P5

P1 β1

β4

s6

s5

β5

P6 β6

y

Abbildung 7.40. Ringpolygon

Wenn man das Ringpolygon mit Maßstab und Transporteur aufträgt, wird deutlich, dass zur eindeutigen Bestimmung der Figur auf die Beobachtung der Winkel auf 6 und 1, sowie auf die Messung der Seite 6-1 hätte verzichtet werden können. Als Folge der 3 überschüssigen Messungen und der Messungsungenauigkeiten werden also im Zuge der Rechnung – wie bei dem beiderseits angeschlossenen Zug – 3 Abweichungen auftreten: eine Winkelabweichung und zwei Koordinatenabweichungen.

293

7.8 Polygonometrische Punktbestimmung

Die Berechnungen folgen dem Lösungsweg in [7.8.2.1]. Da t0 = tn = r10 = 0 lassen sich die Formeln vereinfacht darstellen. 1. Schritt: wβ = (n + 2) · 200 gon − [β] − a · 400 gon. 2. Schritt:

wβ + 200 gon, n xi = si cos ri0 ; yi = si sin ri0 , (7.69)      wx  = 0 − si cos ri0 ; wy  = 0 − si sin ri0 , ws = wx2 + wy2 . 0 ri0 = ri−1 + βi +

Wenn wx  , wy  und ws bestimmte vorgegebene Fehlergrenzen nicht überschreiten, berechne man die endgültigen Koordinaten. 3. Schritt: wx  · si−1 ; [s] wy   0 + si−1 sin ri−1 + · si−1 . yi = yi−1 [s]

 0 xi = xi−1 + si−1 cos ri−1 +

(7.70)

Zahlenbeispiel: Berechnung eines Ringpolygons.

Pkt. 1

β r0 [gon] 2

y

x

s [m]

y  = s sin r 0

x  = s cos r 0

[m]

[m]

3

4

5

1

0,00 0,0000

294,13

500,00

+4

−3

0,00

294,13

0,04

794,10

+4

2

268,0269 68,0273

255,25

+4

−3

+223,73

+122,88

223,81

916,95

+4

3

261,9111 129,9388 +4

217,84

+4

−3

+242,32

−123,17

294

7 2D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern 4

278,1518 208,0910

466,17 308,14

793,75

+5

−4

−39,078

−305,64

427,15

488,07

+5

−3

−247,99

−135,355

179,20

352,69

+4

−3

−179,24

+147,34

0,00

500,00

−0,25

+0,19

+4

5

260,1032 268,1946

6

282,51

275,6066 343,8016

232,03

+4

1

256,1980 Ist =

2

0,0000

Ist =

399,9976

wβ =

+0,0024

Soll = ws = 0,31

0,00

0,00

wy  = 0,25

wx  = 0,19

7.7.2.3 Einseitig angeschlossene und freie Polygonzüge Bei einem einseitig angeschlossenen Polygonzug (Abb. 7.35 Zug 5, 12, 13) wird am Anfangspunkt ein Richtungsanschluss beobachtet. Mit diesem kann der einseitig angeschlossene Zug ebenso gerechnet werden wie der beiderseits angeschlossene Zug; nur treten keine Abschlussfehler auf. Damit entfällt aber auch die durch die Abschlussfehler bewirkte Verprobung von Messung und Rechnung. Man wende also bei der Messung, besonders bei der Zentrierung, und bei der Rechnung doppelte Sorgfalt an. Bei einem freien Polygonzug: wählt man eine passende Polygonseite als Abszissenachse und rechnet im übrigen den Zug ebenso wie einen einseitig angeschlossenen Zug. Der Einrechnungszug ist ein Polygonzug, der zunächst als freier Zug berechnet und dann durch Koordinatentransformation über die Anschlusspunkte in das für die Anschlusspunkte maßgebliche System umgeformt wird. Anschlusspunkte können zwei oder mehr Festpunkte sein. Auch die Festpunkte sind dann durch Anschlusswinkel und Strecken miteinander zu verbinden. Dieses Verfahren empfiehlt sich besonders, wenn die Genauigkeit des Polygonzuges größer ist, als die des anschließenden Festpunktfeldes. Bei der Einrechnung (Transformation) bleibt dann die Form des Zuges erhalten.

295

7.8 Polygonometrische Punktbestimmung

7.7.3 Auffinden grober Beobachtungsfehler In geschlossenen Polygonen oder beiderseits angeschlossenen Polygonzügen werden grobe Winkelfehler sich im Winkelabschlussfehler, grobe Streckenfehler in den Koordinatenabschlussfehlern zeigen. In beiden Fällen ist es oftmals möglich, den Ort der Fehler durch Rechnung zu finden. Um einen groben Winkelfehler zu finden, hat man den Zug, ohne den Abschlussfehler zu verteilen, zuerst vorwärts von A aus, dann rückwärts von E aus zu berechnen oder in einer großmaßstäbigen Karte mit Maßstab und Transporteur aufzutragen. Der Punkt, in dem der vorwärts- und der rückwärtsgerechnete Zug einander schneiden, ist, falls nur ein Winkel unrichtig ist, der Ort, auf dem der Winkel nachzumessen ist. B

F

E

A

E

A Abbildung 7.41. Grober Winkelfehler

Wenn ein grober Streckenfehler unterlaufen ist, wird der Zugteil, der auf die Fehlerstelle folgt, in der Richtung der fehlerhaften  Seite um den Fehlerbetrag verschoben, was einen Streckenabschlussfehler ws = wx2 + wy2 = L2 + Q2 entsprechender Größe zur Folge hat. Man untersucht dann zunächst, ob ws nahezu gleich einem runden Maß, etwa 5 m bzw. 20 m ist. Alsdann prüft man, ob der Richtungswinkel des Abschlussfehlers ungefähr der orientierten Richtung einer Polygonseite entspricht. Ist das der Fall, so wird der Fehler bei der Messung dieser Seite unterlaufen sein und damit durch Nachmessung dieser Seite beseitigt werden können. Das Kriterium versagt, wenn mehrere Strecken nahezu gleiche orientierte Richtungen aufweisen.

8 3D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

8.1

Räumliches Vorwärtseinschneiden

Für das Vorwärtseinschneiden in der Ebene wurden bereits in [7.4.2] einige Lösungswege beschrieben. Das räumliche Vorwärtseinschneiden kommt insbesondere bei hohen Genauigkeitsanforderungen in der Industrie zum Einsatz. In dem Fall müssen der Maßstab des Netzes und die Orientierung der Theodolite sehr genau bestimmt werden. Hierfür werden nachfolgend Lösungswege aufgezeigt. Abb. 8.1 zeigt die Wahl des Bezugssystems für den Fall, dass zwei Theodolite eingesetzt werN(xN , yN , zN ) h

dz2

dz1

x z

P1 i1

Z1

Z2 rN 1

α r12

rN2 b

β r21

z12 P2

y

i2

P2 (0, b, H2 ) P1 (0, 0, H1 )

Abbildung 8.1. Räumliches Vorwärtseinschneiden

den. Man denke sich durch den Schnittpunkt P1 der Achsen des über dem Punkt P1 aufgebauten Theodolits eine Horizontalebene gelegt. Diese schneidet die Stehachse des zweiten Theodolits in P2 . In der Horizontalebene ist dann das Koordinatensystem des Theodolitmesssystems festgelegt: Die y-Achse verläuft durch P1 und P2 , die x-Achse steht in P1 senkrecht auf ihr und die z-Achse steht senkrecht auf der xund y-Achse.

297

8.1 Räumliches Vorwärtseinschneiden

Hochgenau lässt sich die relative Orientierung beider Theodolite ausführen. Man beginnt mit einer gegenseitigen Kollimation [3.11]. Die dabei vorerst parallelen Strahlen (Abb. 8.2) sind in identische zu überführen. Hierfür bringt man ein weißes P1



ε ∼ b2

∼ b2 ε



P2

Abbildung 8.2. Relative Orientierung der Theodolite

Blatt Papier in die Mitte zwischen beide Theodolite, um auf dieses Ziel umfokussieren zu können. Entfernt man anschließend das Blatt, so können die virtuellen Bilder der Fadenkreuze zur Deckung gebracht werden und der Winkel ε zwischen der ursprünglichen Zielrichtung und der Verbindungslinie beider Theodolite kann beseitigt werden. Es empfiehlt sich den Vorgang zur Kontrolle zu wiederholen. Normalerweise kann in weniger als 3 Minuten die Nullrichtung auf ±0, 4 mgon eingestellt werden (Bill u. a. 1985). Für die Bestimmung der Neupunkte N(xN , yN , zN ) misst man mit den Theodoliten die Richtungen r12 , rN1 , r21 , rN 2 sowie die Winkel Z1 und Z2 . Die Neupunktskoordinaten berechnen sich dann nach sin β sin α sin(α + β) sin β cos α (8.1) xN = b sin(α + β)   1 1 sin β cot Z1 + sin α cotZ2 zN = (dz1 + dz2 + z12 ) = b + z12 , 2 2 sin(α + β) yN = b

mit α = r12 − rN1 und β = rN2 − r21 . Man bringt den Maßstab in das Netz, indem man die Länge b der Basis zwischen den beiden Theodoliten indirekt mit einer Industriebasislatte bestimmt. Eine Industriebasislatte, welche als Referenzmaß dient, trägt an beiden Enden Zielmarken, deren Abstand hochgenau bekannt ist. Bezeichnet man die Länge der Industriebasislatte mit L und führt man für die Basis noch den Näherungswert b0 ein, so gilt: b = b0

L , L0

(8.2)

wenn L0 durch Richtungsmessungen aus b0 abgeleitet wird (Abb. 8.3). Dies geschieht in zwei Schritten:

298

8 3D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern 1

L0 2

Z11

x

Z12

r11

r12

α α1 2 P1

r12

Z21 Z22 r21

r22 β2 β

1

r21

P2

y

Abbildung 8.3. Indirekte Bestimmung der Basis b

1. Schritt: Berechnung der 3D-Koordinaten der Endpunkte 1 und 2 der horizontal aufgestellten Industriebasislatte mit den Beziehungen (8.1), 2. Schritt: Berechnung von L0 aus  L0 = (x10 − x20 )2 + (y10 − y20 )2 + (z10 − z20 )2 .

(8.3)

Der Höhenunterschied der Achsenschnittpunkte beider Theodolite ergibt sich aus dem Mittel der Differenzen der Höhenunterschiede beider Standpunkte1 zu (Abb. 8.1): 1 (dz21 − dz11 + dz22 − dz12 ) 2  sin α2 cot Z22 − sin β2 cot Z12 b sin α1 cot Z21 − sin β1 cot Z11 + . = 2 sin(α1 + β1 ) sin(α2 + β2 ) (8.4)

z12 =

Das Referenzmaß kann an unterschiedlichen Stellen in Bezug zur Basislinie der Theodolite positioniert werden. Von (Bill u. a. 1985) wurden vier typische Aufstellungsmöglichkeiten untersucht (Abb. 8.4): (1) (2) (3) (4)

Referenzmaß parallel zur Basislinie über P1 Referenzmaß parallel zur Basislinie in der Mitte Referenzmaß senkrecht zur Standlinie in der Mitte Referenzmaß vertikal.

Man erkennt deutlich eine Abhängigkeit der Maßstabsübertragungsgenauigkeit von der Position der Referenzstrecke und dem Übertragungsverhältnis. Der Maßstabsfehler wird größer, wenn das Übertragungsverhältnis sich vergrößert. Die Positionen (1) und (2) sind ungünstiger als die Positionen (3) und (4). Nach 1 Der zweite Index in Gleichung (8.4) unterscheidet die Differenzen der Höhenunterschiede

299

8.2 Punktbestimmung mit polaren Vermessungssystemen Maßstabsfehler _ 10 6 60

2 50 40

1

30

2 3 4

1

4 3

20

Basislatte

10 ÜV

0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

b/L

Abbildung 8.4. Maßstabsübertragungsgenauigkeit in Abhängigkeit vom Übertragungsverhältnis b/L und der Position des Referenzmaßes (Bill u. a. 1985)

(Bill u. a. 1985) sollte das Referenzmaß je nach Ausrichtung relativ zur Basislinie wie folgt aufgestellt sein: (1)/(2) ungefähr im Abstand b/2, 5 von der Basislinie P1 − P2 (3) exakt in der Mitte von P1 − P2 (4) etwa in der Mitte von P1 − P2 ; die Mitte des Referenzmaßes soll in der xy-Ebene des Bezugssystems liegen. Theodolitmesssysteme bestehen aus zwei oder mehreren Theodoliten und einem Computer, der die Steuerung des Messsystems, die Auswertung der Daten sowie die Speicherung und Visualisierung der Ergebnisse übernimmt. Es stehen automatisierte Systeme mit motorgetriebenen und automatisch zielenden Theodoliten [3] zur Verfügung. Typische Anwendungsgebiete des Messverfahrens sind: – Qualitätskontrolle von Fertigteilen bei Fertigteilbauwerken, – Deformationsmessungen an Bauwerken und Maschinenanlagen, – Erfassung der Geometrie von Bauwerken. Setzt man mehr als zwei Theodolite ein, so bestimmt man die Koordinaten in einem räumlichen Richtungsnetz mit einem Ausgleichsverfahren. Die Grundlagen hierfür findet man in (Niemeier 2002).

8.2

Punktbestimmung mit polaren Vermessungssystemen

Bei diesen Messeinrichtungen [5] ist das Basiskoordinatensystem (Abb. 8.5) durch den Schnittpunkt der Achsen des Theodolits und den Horizontalkreis vorgegeben:

300

8 3D-Positionsbestimmung mit Theodoliten und Distanzmessern

z P Z sR z P0

r s

x y

x y Abbildung 8.5. Konzept eines polaren Vermessungssystems

die z-Achse durch die Stehachse, die x-Achse durch eine Parallele zur Richtung Teilkreis Null“ und der Ursprung P0 durch den Schnittpunkt der Achsen. ” Die rechtwinkligen Koordinaten der Objektpunkte berechnet, man folgendermaßen aus den gemessenen Polarkoordinaten (r, Z, s R ) ⎡ ⎤ ⎡ R ⎤ s sin Z cos r x ⎣y ⎦ = ⎣ s R sin Z sin r ⎦ . z s R cos Z Die Mess- und Auswertevorgänge laufen nahezu vollständig automatisch ab, wenn z. B. Messroboter [5.2] eingesetzt werden. Typische Einsatzgebiete sind: Absteckung und Aufmessung von Bauwerken, Deformationsmessungen, Qualitätskontrolle von Fertigteilen.

8.3

Basis-Koordinatensystem, Objekt-Koordinatensystem

Das Basis-Koordinatensystem ist durch die Messanordnung der Instrumente vorgegeben [8.1, 8.2]. Für die praktischen Anwendungen benötigt man jedoch die Koordinaten normalerweise in dem Koordinatensystem des Objektes, welches beobachtet wird; die Ergebnisse lassen sich dann in der Regel einfacher interpretieren und darstellen. Das Objekt-Koordinatensystem (x  , y  , z ) kann man dem Objekt, je nach seiner Form und Beschaffenheit, anpassen. Die Beziehung zwischen beiden Systemen (Abb. 8.6) lässt sich durch eine 6- oder 7-Parameter Transformation herstellen [6.3.2] x = a + mRx

(8.5)

301

8.3 Basis-Koordinatensystem, Objekt-Koordinatensystem

x=

1   R (x − a), m

(8.6)

mit ⎡ ⎤ x x = ⎣y ⎦ , z

⎡ ⎤ x x = ⎣y  ⎦ , z

⎡ ⎤ a a = ⎣b ⎦ . c

Modell (8.5) kann man z. B. bei der Überprüfung der Form oder der Formveränderung eines Objektes einsetzen. Modell (8.6) wiederum kann man verwenden, um einen Messroboter zu programmieren [5.2.3]. z

z Basis-KS

Objekt-KS

x

x

y

y Abbildung 8.6. Basis-Koordinatensystem, Objekt-Koordinatensystem

9 3D-Trägheitsnavigation

9.1

Grundlagen

Der Grundgedanke der Trägheitsnavigation ist: von einem bekannten Punkt aus wird jede Bewegung eines kartesischen Koordinatensystems (KS) in drei Raumrichtungen mitverfolgt, wodurch Position, Geschwindigkeit und Orientierung des bewegten räumlichen Systems jederzeit bekannt ist. Da es sich um ein Relativverfahren handelt, muss das System am Anfang initialisiert werden, d. h. es müssen am Startpunkt Geschwindigkeit, Position und Orientierung gegeben sein. Die Trägheitsnavigation, auch Inertialnavigation genannt, basiert auf dem 2. Newton’schen Gesetz: fI = m · aI , (9.1) wobei fI den Kraft-, aI den Beschleunigungsvektor und m die Masse in Bezug auf ein Inertialsystem beschreiben. Dieses Gesetz ermöglicht es uns, Beschleunigungen zu bestimmen, indem Kräfte gemessen werden; auf diesem Zusammenhang beruht folglich auch das Prinzip eines Beschleunigungsmessers. Beobachtet man den Beschleunigungsvektor kontinuierlich, so erhält man durch einfache Integration über die Zeit den Geschwindigkeitsvektor t vI = v(t0 ) +

aI dt

(9.2)

to

und durch zweifache Zeitintegration den momentanen Positionsvektor t xI = x(t0 ) +

vI dt.

(9.3)

to

Bei den Vektoren v(t0 ) und x(t0 ) handelt es sich um Anfangswerte der Zeit t0 . Der Vektor fI kann in einem kartesischen Koordinatensystem (KS) mit drei Beschleunigungsgebern gemessen werden, die streng senkrecht zueinander ausgerichtet und auf einen Körper montiert sind (Abb. 9.1). Referenzsysteme (Inertialsysteme), in denen (9.1) bis (9.3) gelten sollen, müssen frei sein von inertialen Kräften, d. h. sie

303

9.1 Grundlagen Z

B B X B

Y

Abbildung 9.1. Beschleunigungsgeber (B) in den Achsen eines körperfesten kartesischen Koordinatensystems

dürfen sich nur geradlinig und mit konstanter Geschwindigkeit bewegen. Näherungsweise erfüllt dies ein System, welches im Zentrum eines die Erde umschreibenden Referenzellipsoides gelagert ist und nicht an der Erdrotation teilnimmt. Ein durch Konventionen definiertes Conventional Inertial System (CIS) findet man z. B. in [10.1] und Abb. 10.2 beschrieben. Bewegt sich ein körperfestes KS (Abb. 9.1) auf der rotierenden Erde, so wird die Kraft fI einerseits durch Beschleunigungen a des Koordinatensystems relativ zur Erde hervorrufen, andererseits aber auch durch Beschleunigungen s und k, welche durch die Eigenbewegung der Erde (relativ zum Inertialsystem) und das Gravitaionsfeld der Erde hervorgerufen werden. Die Beschleunigungsgeber messen dann also die resultierende Kraft fI , aus der sich der resultierende Beschleunigungsvektor aI herleiten lässt. Was wir jedoch für die Trägheitsnavigation benötigen, ist die Beschleunigung a des körperfesten KS relativ zu einem erdgebundenen (geodätischen) KS. Diese erhält man über Transformationen und Korrekturmodelle, durch welche die Vektoren s und k aus dem Vektor aI eliminiert werden (Jekeli 2001). Wenn Beschleunigungsgeber als Referenz eingesetzt werden, muss man dafür sorgen, dass sie ihre Lage im Raum zu einem einmal gewählten Bezugssystem beibehalten. Dies ist rein rechnerisch über Transformationen möglich, wenn die in Abb. 9.1 dargestellten Achsen noch zusätzlich mit einem Kreisel bestückt werden (Abb. 9.2), um die Rotationen der Achsen verfolgen zu können; hohe Datenraten von ca. 100 Hz sind möglich.

304

9 3D-Trägheitsnavigation Z

B K K

B X

K B

Y

Abbildung 9.2. Beschleunigungsgeber (B) und Kreisel (K) in den Achsen eines körperfesten kartesischen Koordinatensystems

9.2

Laserkreisel

Für die Beobachtungen der Rotationen der Achsen eignen sich z. B. Laserkreisel, die preisgünstiger hergestellt werden können und daher mechanische Kreisel vielfach verdrängt haben. Der physikalische Hintergrund für alle optischen Kreisel ist die interferometrische Messung des Sagnac-Effektes. Das Messprinzip kann man folgendermaßen beschreiben: elektromagnetische Wellen, welche einen in sich geschlossenen Lichtweg in entgegengesetzter Richtung durchlaufen, brauchen hierfür die gleiche Zeit, solange das System sich in Ruhe befindet. Dreht man diesen Lichtweg um eine Achse, welche senkrecht zur Ausbreitungsrichtung des Strahlenganges angeordnet ist, entstehen Laufzeitunterschiede zwischen den beiden entgegengesetzt laufenden Wellenzügen, welche proportional zur jeweiligen Drehgeschwindigkeit sind. Der Laufzeitunterschied kann mit Photodetektoren detektiert werden. Heute werden vielfach Ring-Laser Kreisel (RLG Ring-Laser Gyro) und FaserOptische Kreisel (FOG Fiber-Optic Gyro) verwendet. In dem RLG breitet sich von einem Laser erzeugtes kohärentes Licht [2.1.2] durch Reflexion an drei (oder vier) Spiegeln längs eines Dreiecks (oder Vierecks) in entgegengesetzten Richtungen aus Abb. 9.3. Nach einem Umlauf wird das Licht teilweise ausgekoppelt und die beiden gegenläufigen Wellenzüge werden überlagert. Da der Laser selbst Bestandteil dieses optischen Ringresonators ist, entsteht durch die Drehung eine scheinbare Verlängerung bzw. Verkürzung seiner Resonatorlänge. Diese Veränderung bewirkt – je nach Umlaufrichtung – eine etwas höhere bzw. niedrigere Frequenz der verstärkten Strahlung. Durch die Überlagerung beider Wellenzüge entstehen folglich Interferenzstreifen, die sich mit Fotodioden auszählen

305

9.2 Laserkreisel

Spiegel

L = Resonatorlänge L ω

f = Frequenz teildurchlässiger f Spiegel

ω = Drehrate

He-Ne-Laser Prisma

Interferenzstreifen Photodetektor

Abbildung 9.3. Prinzip eines Ring-Laser Kreisels

lassen. Indirekt ist das Ergebnis ein Maß für den Laufzeitunterschied, welcher der Drehgeschwindigkeit proportional ist. Bei den FOG durchläuft kohärentes Licht – ebenfalls in beiden Richtungen – einen Lichtleiter von mehreren Kilometern Länge (Abb. 9.4). Das kohärente Licht wird Photodetektor Lichtquelle

Lichtfaserankopplung

L = Spulenlänge

Strahlteiler

R = Spulenradius 

 = Drehrate L

R Lichtleiterspule

Abbildung 9.4. Prinzip eines Faser-Optischen Kreisels

hier von außen eingekoppelt und hat deshalb auch nach der Auskopplung jeweils die gleiche Frequenz. Bei der Verdrehung des Ringinterferometers entstehen ebenfalls unterschiedliche Weglängen für beide Strahlungswege. Durch den Phasenunterschied beider Wellenzüge erhält man wiederum Interferenzmuster, die mit dem

306

9 3D-Trägheitsnavigation

Photodetektor ausgezählt werden können. Auch hier ist das Ergebnis ein Maß für den Laufzeitunterschied, welcher der Drehgeschwindigkeit proportional ist. Beide Systeme haben ihre spezifischenVor- und Nachteile. Für den RLG kann man hervorheben, dass er empfindlicher ist als der FOG; der FOG ist dagegen preiswerter zu bauen. Beiden Systemen ist gemeinsam, dass sie keine bewegten Teile haben und daher sehr unempfindlich und nahezu verschleißfrei sind. Für RLG gelten z. Zt. folgende Kenngrößen: Messbereich:

10−6 bis 103 ◦ /Sekunde,

Winkelauflösung:

ca. zwei Bogensekunden,

Nullpunktstabilität (Drift): ca. 5 · 10−3 ◦ /h, Skalenfaktorstabilität:

ca. 3 ppm.

Weitere detaillierte Informationen über Laserkreisel findet man u. a. in (Jekeli 2001).

9.3 Strap-down-Systeme Bei Strap-down-Systemen werden die Beschleunigungsgeber und Kreisel – angeordnet wie in Abb. 9.2 – direkt auf den Körper eines Fahrzeugs montiert. Die von den Kreiseln gemessenen Drehraten werden genutzt, das körperfeste KS mathematisch immer wieder durch Transformationen auf ein Navigations-KS auszurichten bevor die Integrationsprozesse beginnen. Im erdnahen Bereich wählt man normalerweise ein Navigations-KS, dessen – zn -Achse entlang der Ellipsoidnormalen (UP-axis) – x n -Achse horizontal und ostorientiert (E-axis)und – y n -Achse horizontal und nordorientiert (N-axis) in Bezug auf ein CTS [1.3] verläuft (Abb. 9.5). Das körperfeste KS wählt man normalerweise so, dass die Sensorachsen mit den Achsen des Körpers koinzidieren, indem die – x k -Achse in Fahrtrichtung, – y k -Achse senkrecht zur Fahrtrichtung und die – zk -Achse vertikal zu auf der x k - und y k -Achse ausgerichtet ist. Wenn nun also das Navigations-KS in Richtung N und in Richtung der Ellipsoidnormalen ausgerichtet und das körperfeste KS mit diesem stets aufgrund der Kreiselmessungen durch eine Transformation aligniert ist, lassen sich die Geschwindigkeiten vN und vE des Fahrzeugs (welche durch Integration von aN und aE gewonnen wurden)

307

9.3 Strap-down-Systeme

umrechnen in (Abb. 9.6 und Abb. 9.7):1 VN B˙ = , R

(9.5)

VE . L˙ = RB

(9.6)

w

ZCIS

UP

ωE ZCTS N h E g B

XCTS

YCIS YCTS

XCIS

Abbildung 9.5. Navigations-KS

ZCTS

VE

Vn

UP L

Vn

RB = R sin B

h RB = R sin B

Meridian durch P R B B

Abbildung 9.6. Bewegungsrate B˙ längs des Meridians

Parallelkreis durch P Abbildung 9.7. Bewegungsrate L˙ entlang eines Breitenkreisels

Durch Integration mit Bezug zur Zeit erhält man daraus B = B˙ dt, 1Vereinfachend wurde als Bezugsfläche für die Erde eine Kugel gewählt.

(9.7)

308

9 3D-Trägheitsnavigation

L =

L˙ dt.

(9.8)

Die Orientierung A(t) des Fahrzeugs (körperfesten KS) in Bezug auf das Navigations-KS erhält man, wenn ωgyro der Vektor der von den Kreiseln gemessenen Drehgeschwindigkeiten ist, aus A(t) =

ωgyro

dt + A0 ,

(9.9)

wenn A0 die Orientierung im Startpunkt ist. Das Strukturdiagramm (Abb. 9.8) soll in einer vereinfachten Darstellung die Vorgänge bei Bewegungen des körperfesten KS relativ zum Navigations-KS nochmals darstellen. Schweremodell

Körperfestes KS lineare Beschleunigung

Beschleunigungsgeber

Transformation Körperfestes KS Navigations KS

Schwerekorrektion



Position Geschwindigkeit

Körperfestes KS Rotation

Kreisel

Orientierung

Orientierung

Abbildung 9.8. Beziehung zwischen dem körperfesten KS und dem Navigations-KS und Berechnung der Navigationsparameter

Im Startpunkt lassen sich das körperfeste KS und das Navigations-KS in zwei Schritten ineinander überführen: (1) Ausrichtung der zk -Achse in Richtung Lotlinie: Solange des körperfeste KS im Startpunkt nicht bewegt wird, erzeugen die Beschleunigungsgeber ein Nullsignal, wenn sie in einer Horizontalebene liegen; zur Ausrichtung der zk -Achse rotiert man daher das körperfeste KS rechnerisch so lange um die y k - und x k -Achse, bis die Beschleunigungsgeber dieser Achsen ein Nullsignal erzeugen. (2) Ausrichtung der y k -Achse auf die Nordrichtung: Hier nutzt man die Tatsache, dass nach der Horizontierung (Schritt 1) die in der x k - und y k -Achse angeordneten Kreisel je nach Orientierung der Achsen unterschiedliche Komponenten der Erdrotation messen (Abb. 9.9). Die Komponente (ωE cos B) ist maximal, wenn die Kreiselachse in Richtung Norden und Null, wenn die Kreiselachse in Richtung Osten zeigt. Die y k -Achse ist folglich in Richtung Norden orientiert, wenn der Kreisel, dessen sensitive Achse in Richtung Osten zeigt, ein Nullsignal erzeugt.

309

9.4 Genauigkeitsbetrachtungen ZCTS

ZCTS

UP = zk

N = y k ωE ωY

h

ωZ B 90 − B

ωN = ωy sin(90 − B) = ωE cos B Abbildung 9.9

9.4

Genauigkeitsbetrachtungen

Fehler der gemessenen Beschleunigungen und Drehgeschwindigkeiten wachsen aufgrund der sehr ungünstigen Fehlerfortpflanzung bei den Integrationsprozessen quadratisch und kubisch mit der Zeit und wirken sich entsprechend auf die Positionsbestimmung aus. Strap-down-Systeme mittlerer Genauigkeit erzeugen daher nach einer Stunde schon Positionsfehler von mehreren hundert Metern. Die Kurzzeitgenauigkeit beträgt allerdings wenige Dezimeter, wenn das System nach dem Start nur einige Minuten im Einsatz ist. Strap-down-Systeme arbeiten daher dann mit hoher Genauigkeit, wenn ihre Navigationsparameter in kurzen Abständen mit denen anderer Systeme aufdatiert“ werden. So hat sich z. B. vielfach eine Kombination von ” Satellitennavigationssystemen [10] und Strap-down-Systemen als sinnvoll erwiesen.

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

10.1

Bahnen künstlicher Erdsatelliten

Der Astronom Johannes Kepler entdeckte zu Beginn des 17. Jahrhunderts die nach ihm benannten Gesetze über die Planetenbewegung um die Sonne (Abb. 10.1):

t2 t3 t4

F1,2

t1

F3,4

Z

S

Abbildung 10.1. Bahn eines Planeten um die Sonne S; t: Zeiten, F : Flächen

I. II.

Planetenbahnen sind Ellipsen mit der Sonne in einem Brennpunkt. Der Radiusvektor (Sonne-Planet) überstreicht in gleichen Zeitspannen gleiche Flächen; d. h. wenn t2 − t1 = t4 − t3 , dann F1,2 = F3,4 . III. Die Quadrate der Umlaufzeiten verhalten sich wie die dritten Potenzen der großen Bahnhalbachsen. Nimmt man zunächst vereinfachend an, dass die Erde eine homogene Kugel ist, so gelten die Keplerschen Gesetze analog für ungestörte Bahnen künstlicher Erdsatelliten um die Erde als Gravitationszentrum. Die Behandlung des Zweikörperproblems im Rahmen der Himmelsmechanik führt zu der Bewegungsgleichung: ρ¨ = −

GM ρ ρ3

(10.1)

311

10.1 Bahnen künstlicher Erdsatelliten

mit M: Erdmasse, G: Gravitationskonstante, ρ: Vektor zwischen den Zentren der Masse der Erde und des Satelliten. Gleichung (10.1) ist eine vektorielle Differentialgleichung 2. Ordnung mit 6 Integrationskonstanten. Die Bewegung eines Himmelskörpers in bezug auf seinen Zentralkörper hat folglich sechs Freiheitsgrade und lässt sich daher durch sechs Bahnparameter festlegen. Die Bahnparameter berechnet man in einem Inertialsystem. Inertialsysteme sind Bezugssysteme, in denen die Trägheitsgesetze uneingeschränkt gültig sind. In guter Näherung ist das Conventional Inertial System (CIS) ein Inertialsystem (Abb. 10.2). Sein Ursprung liegt im Massenmittelpunkt der Erde und die z-Achse zeigt laut Definition zur Standardepoche J 2000,0 (2000, Januar 1, 12 h Weltzeit) in Richtung der mittleren Drehimpulsachse der Erde (CEP: Celestial Ephemeris Pole). Die x-Achse weist in Richtung des Frühlingspunktes.

N S



P ν

F Z  S

ub

A S a tel

ω 

a sate

Ä q u ator



i

llite n b ahn

lite n b a h n

Abbildung 10.2. Conventional Inertial System (CIS) mit Darstellung einer Satellitenbahn

Realisierungen sind möglich als konventionelles kinematisches oder als konventionelles dynamisches System. Das konventionelle kinematische System beruht auf den aus VLBI-Messungen abgeleiteten sphärischen Koordinaten extragalaktischer Radioquellen. Diese Realisierung konnte mit einer Genauigkeit von 0,001 ausgeführt werden. Das konventionelle dynamische System beruht auf den Bewegungsgleichungen und wird durch die Positionen der Körper im Sonnensystem (z. B. Planeten) oder künstlicher Erdsatelliten realisiert.

312

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

In der Abb. 10.2 bedeuten:  ,   

P A

Frühlingspunkt: Richtung der Schnittlinie von Äquatorebene und Erdbahnebene. Knotenlinie: Schnittlinie von Bahnebene und Äquatorebene, Aufsteigender Knoten: Bahnpunkt, in dem der Satellit den Äquator nach Norden überquert. Absteigender Knoten: Bahnpunkt, in dem der Satellit den Äquator nach Süden überquert. Perigäum: erdnächster Punkt der Bahn. Apogäum: erdfernster Punkt der Bahn.

Der Erdmittelpunkt (Brennpunkt der Bahnellipse) ist mit F , der Ellipsenmittelpunkt mit Z und der Satellitenort mit S bezeichnet. In dem zuvor beschriebenen äquatorialen Koordinatensystem ist der Ort (bzw. die Bahn) eines Satelliten durch folgende sechs Keplerparameter festgelegt: a, b e i  ω ν

große/kleine Halbachse der Bahnellipse, numerische Exzentrizität; e2 = (a 2 − b2 )/a 2 , Neigung der Bahnebene zum Äquator, Rektaszension1 des aufsteigenden Knotens, Argument des Perigäums, wahre Anomalie.

Zwei der Parameter a, b, e legen die Form der Ellipse fest. Die Parameter i und  beschreiben die Orientierung der Bahn in bezug auf das CIS. Mit ω und ν kann die Position des Satelliten in der Bahn berechnet werden. ν ist nicht als geschlossene Funktion der Zeit darstellbar. Anstelle der wahren Anomalie wird oft eine gedachte Größe, die Mittlere Anomalie M = 2π(t − T )/U, verwendet. Dabei bedeuten: t = Zeit, U = Umlaufzeit, T = Durchgangszeit des Satelliten durch das Perigäum P . Abweichungen von der Form der Kugel, Masseninhomogenitäten und weitere äußere auf den Satelliten einwirkende Kräfte rufen Bahnstörungen hervor. Die Kep” lerellipsen“ gehen daher in nicht geschlossene ellipsenähnliche Raumkurven über. Durch Orts- und Geschwindigkeitsvektoren werden in jedem Bahnpunkt sogenannte instantane oder oskulierende Ellipsen definiert. Die wirkliche Satellitenbahn ist die einhüllende der oskulierenden Bahnen. Die Parameter sind folglich zeitabhängig und werden für praktische Anwendungen durch Reihenentwicklungen angegeben. 1 Rektaszension α und Deklination δ: geozentrische Richtungskoordination von Himmelskörpern. Grundkreis ist der Äquator, Bezugsrichtung für α (von 0◦ bis 360◦ gezählt) ist der Frühlingspunkt, δ wird vom Äquator nach den Polen von 0◦ bis 90◦ bzw. −90◦ gezählt.

313

10.1 Bahnen künstlicher Erdsatelliten

Den größten Störanteil ruft die ellipsoidartige Form der Erde (Abplattung an den Polen, Äquatorwulst) hervor; diese Formabweichungen erzeugen relativ große Änderungen von  und ω. Das CIS ist nicht für Positionierungsaufgaben auf der Erde geeignet, denn hierfür wird ein Vereinbartes erdfestes System“ Conventional Terrestrial System (CTS) [1.3] ” benötigt, um von der Eigenbewegung der Erde unabhängige Koordinaten für die Positionen feststehender und bewegter Objekte bestimmen zu können. Ein Beispiel für ein in dieser Weise definiertes CTS zeigt Abb. 10.3. Z

Satellit

Gree nwi c

hM eri

dia n

Nordpol

Empfangsstation Zentrum der Erde

X Äquator

Y

Abbildung 10.3. Beispiel für ein CTS als Referenzsystem für Positionierungen mit Satelliten

Die Transformation zwischen dem CIS und CTS erfolgt mit Drehmatrizen ρ CTS (t) = XYUNPρ CIS (t),

(10.2)

wobei die ρ die Ortsvektoren in dem jeweiligen System darstellen und t die Zeit. Die Matrix P berücksichtigt die Präzession zwischen der Referenzepoche J 2000.0 und dem aktuellen Datum und ermöglicht den Übergang vom CIS zum mittleren Äquatorsystem zur aktuellen Epoche. Die Matrix N erfasst die Nutation zum aktuellen Datum und bewirkt den Übergang vom mittleren zum wahren Äquatorsystem. Die Matrix U erfasst die Rotation um den Stundenwinkel des wahren Frühlingspunktes und beschreibt somit den Übergang zum rotierenden System. Die Matrizen X und Y beschreiben die Polbewegungen, d. h. sie berücksichtigen die Lage des CEP im erdfesten System und bewerkstelligen den Übergang zum Conventional Terrestrial Pole (CTP) [16.3].

314

10.2

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

Satellitensysteme für Positionsbestimmungen und Navigation

Seit etwa 1960 werden Satellitensysteme für Positionsbestimmungen und weltweite Navigation aufgebaut. Man misst Distanzen oder Distanzänderungen zwischen Satelliten und Stationen auf der Erde. Die Stationen auf der Erde können bewegliche Objekte (Schiffe, Landfahrzeuge,. . . ) oder statische Punktfelder (geodätische Festpunkte, Objektpunkte,. . . ) sein. Aus den Distanzen oder Distanzänderungen kann man die dreidimensionalen Koordinaten der Bodenstationen berechnen. Satellitenbeobachtungen nutzt man auch noch für weitere Aufgaben der Geodäsie, wie z. B.: Geoidbestimmungen, Herleitung statischer und dynamischer Parameter der Erde (Seeber 2003, Torge 2001). Das erste dieser Satellitensysteme war das Transit Navigation Satellite System“, ” welches für Zwecke der weltweiten Navigation aufgebaut wurde. Seit 1964 war es für die US Navy einsetzbar und seit 1970 konnte man es aufgrund neu entwickelter Auswertemethoden auch für geodätische Aufgaben nutzen. Inzwischen entstand und entsteht eine Reihe weiterer Satellitensysteme für Positionsbestimmungen und Navigation wie z. B. NAVSTAR/GPS, GLONASS und GALILEO. All diese Systeme werden fortlaufend weiterentwickelt. Auf der 10th Air Navigation Conferenz (1991)“ entstand für Satellitensyste” me. die der Ortung und Navigation umfassend dienen sollen, eine neue Definition: Global Navigation Satellite System (GNSS)“. Wesentliche Merkmale sind: Genau” igkeit (accuracy), Integrität (integrity), Verfügbarkeit (availability) und Kontinuität der Dienste (continuity of service). Die Genauigkeit ist abhängig von dem technischen Anwendungsbereich; eine bestimmte Höhengenauigkeit wird z. B. im Luftverkehr beim Landen verlangt. Integrität setzt voraus, dass Warnungen an die Nutzer abgegeben werden, wenn das System nicht für Navigationszwecke genutzt werden sollte. Dies kann nur in Echtzeit erfolgen, wenn ein Netzwerk von Kontrollstationen zur Verfügung steht. Verfügbarkeit bedeutet, dass in dem festgelegten Überdeckungsgebiet überall ein Satellitendienst verfügbar ist. Bei Kontinuität der Dienste ist garantiert, dass der Satellitendienst zeitlich kontinuierlich für die geplanten Aufgaben gegeben ist (Hein 2000). Um diesen Anforderungen zu genügen, sind erweiterte Systeme in Entwicklung, die auf GPS und GLONASS aufbauen, wie z. B. das – Wide Area Augmentation System (WAAS) in den USA – European Geostationary Overlay System (EGNOS) in Europa – Europäische Satelliten Navigationssystem GALILEO. Verschiedene Entwicklungsstufen wurden definiert: GNSS-1 und GNSS-2. EGNOS ist z. B. ein Beitrag der EU zu GNSS-2.

10.2 Satellitensysteme für Positionsbestimmungen und Navigation

10.2.1

315

Das Global Positioning System GPS

10.2.1.1 Das Weltraumsegment Das Satellitensystem NAVSTAR/GPS2 wurde primär für militärische Zwecke entwickelt. Die wichtigsten technischen Angaben kann man der Tab. 10.1 entnehmen. Das Grundkonzept besteht aus 24 NAVSTAR Satelliten, deren Bahnen in sechs verschiedenen Bahnenebenen liegen. Sie sind nahezu kreisförmig, gegenüber demÄquator haben sie eine Inklination von i = 55◦ , ihre Höhe beträgt ca. 20 000 km und für einen Umlauf benötigen sie 12 Stunden (Abb. 10.4). Das System ist so aufgebaut, dass von jedem Punkt der Erde mindestens vier Satelliten gleichzeitig beobachtet werden können. Tabelle 10.1. Technische Angaben zu GPS

Satellitenkonstellation

Signalstruktur

Satelliten

21 Satelliten + 3 Reservesatelliten, Satelliten senden automatisch Signale

Bahnen

6 Bahnebenen mit je 4 Satelliten, 55◦ Inklination, Umlaufzeit 12 Std, Höhe 20 231 km

Frequenzen

L-Band (1 575,42 MHz, 1 227,6 MHz)

digitale Signale

Spread Spectrum PRN, C/A Code 1,023 MHz, P Code 10,23 MHz, Datensignal 50 Hz

Überdeckung Genauigkeit

weltweit Position Geschwindigkeit

≤ 13 m horizontal, ≤ 22 m vertikal 0,2 m/s (2σ )

Zeit

100 ns (2σ )

Es soll – weltweit an jedem Ort, – zu jeder Zeit, – bei jedem Wetter, in der höchsten Genauigkeitsstufe eine Messgenauigkeit der – Position von ≤ 13 m horizontal (95%)3 , Höhe von ≤ 22 m (95%)3 2 NAVigation System with Time And Ranging-Global Positioning System. 3 95% Wahrscheinlichkeit, weltweit über 24 Stunden

316

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

– Geschwindigkeit von ca. 0,2 m /s, – Zeit von ≤ 100 ns ermöglichen (DOD, 2001). Weitere Entwicklungsziele waren: ein absolut arbeitendes System, das keine Initialisierung benötigt; ein passiv arbeitendes System, das einer unbegrenzten Nutzerzahl zur Verfügung gestellt werden kann; eine Ortung des Nutzers soll verhinderbar sein; die Positionierungsgeräte sollen leicht tragbar und nicht einfach zu stören sein.

Abbildung 10.4. GPS 24-Satellitenkonstellation Man unterscheidet fünf Klassen von Satelliten: die Block I, II, II A, II R und II F Satelliten. Die Block I Satelliten dienten zunächst der Erprobungsphase, sie wurden zwischen 1978–1985 in ihre Umlaufbahn gebracht. Es folgten zwischen 1989 und 1990 die Block II Satelliten für die erste offizielle, volloperationelle Ausbaustufe. Erstmalig gab es jetzt die Möglichkeit, den Nutzern die gesendeten Signale nicht mehr vollständig zur Verfügung zu stellen. Von 1990–1997 brachte man die noch besser ausgestatteten Block II A Satelliten ( A“ steht für ” advanced) in ihre Umlaufbahn. Sie sind mit gegenseitigen Kommunikationseinrichtungen ausgestattet und einige tragen Reflektoren für Laserdistanzmessungen. Auch für diese gibt es bereits Nachfolger, die Block II R Satelliten ( R“ bedeutet replenishment); sie sollen mit ” noch genaueren Atomuhren ausgestattet werden und Intersatellite Tracking“ ermöglichen. ” Eine weitere Generation von Block II F Satelliten wird z. Zt. entwickelt. Die Military Full Operational Capability (FOC) ist offiziell 1995 erklärt worden, als 24 Block II/II A zur Verfügung standen.

Das GPS System hat eine eigene GPS System-Zeit, die sich geringfügig von der UTC (Universal Coordinated Time) unterscheidet. Der Zeitunterschied wird regelmäßig veröffentlicht. Die Satelliten senden fortlaufend Signale mit einer speziellen Signalstruktur aus Abb. 10.5. Es handelt sich um zwei Signale L1 und L2 mit den Trägerfrequenzen L1 = 1575, 42 MHz = 154 × 10,23 MHz L2 = 1227, 6 MHz = 120 × 10,23 MHz,

10.2 Satellitensysteme für Positionsbestimmungen und Navigation

317

die je aus der Frequenz 10,23 Mhz einer hochgenauen Atomuhr abgeleitet werden. Das L1-Signal ist mit einem P- und C/A-Pseudo-Rausch-Binär-Code4 (PseudoRange-Noise-Code, bzw. PRN-Code) moduliert, wobei diesem je ein Datensignal D aufgeprägt ist. Das L2-Signal wird mit dem P-Code und Datensignal moduliert.

Frequenznormal f0 = 10, 23 MHz A0 sin(ω0 t)

AP1 D(t)P(t) sin(ω1 t)

L1

f1 = 154f0

A1 sin(ω1 t)

90˚ C(t)

C/A

A1 cos(ω1 t)

AC1 D(t)C(t) cos(ω1 t)

D(t)C(t)

0, 1f0

D(t)

D 50 bps

P(t)

P

D(t)P(t)

f0

L2

A2 sin(ω2 t)

AP2 D(t)P(t) sin(ω2 t)

f2 = 120f0

Modulo 2 Addition Mixer ™

AP1 D(t)P(t) sin(ω1 t) + AC1 D(t)P(t) cos(ω1 t) + AP2 D(t)P(t) sin(ω2 t)

Summe

Abbildung 10.5. Signalerzeugung in Satelliten (nach Wübbena 1991)

4 P-Code = Precise-Code; C/A-Code = Coarse/Acquisition-Code. Die Codes kann man durch Rechtecksignale beschreiben, deren Amplituden in zufälliger Folge Werte von 0 oder 1 annehmen. Die Kovarianzfunktion dieser Zufallsfolge ist angenähert eine Delta-Funktion.

318

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

Die Codes haben zwei Funktionen: (1) Identifikation des Satelliten; die CodeMuster sind einmalig für jeden Satelliten und können mit einem entsprechenden im Empfänger erzeugten Muster verglichen werden. (2) Ausmessen der Laufzeit, die die Signale zum Durchlaufen der Distanz vom Satelliten bis zum Empfänger benötigen. Der P-Code, aus der Grundfrequenz f0 abgeleitet, ist für genauere Positionsbestimmungen. Er hat eine Wiederholungsrate von 267 Tagen und arbeitet mit 10,23 Mbps5 , d. h. Übergänge zwischen 0 und 1 erfolgen mit einer Frequenz von 10,23 MHz. Jeder Satellit sendet allerdings nur ein spezielles 7 Tage dauerndes Teilsegment des gesamten Codes. Die Teilsegmente sind verschiedenen Zeitabschnitten des Gesamtmusters entnommen und unterscheiden sich daher. Sie werden jeden Samstag um Mitternacht neu gestartet. Der P-Code kann in den (Block II/ II A/ II R) Satelliten durch Verschlüsselung mit einem W-Code in einen Y-Code umgewandelt und so im Rahmen des sog. Anti ” Spoofing“ nur einem begrenzten Nutzerkreis verfügbar gemacht werden. Der weniger genaue C/A-Code, aus der Grundfrequenz f0 abgeleitet, hat eine Wiederholungsrate von 1 ms. Jeder Satellit hat sein eigenes Muster. Für den Empfänger ist es einfacher, den C/A-Code zu identifizieren, da er eine kürzere Wiederholungsrate hat. Eine direkte Identifikation des P-Codes im Empfänger ist nur möglich, wenn dieser sehr genau mit der GPS System-Zeit synchronisiert ist und die Antennenposition auf 3 – 6 km bekannt ist. P-Code Empfänger nutzen daher im allgemeinen den kürzeren C/A-Code für eine Grobsuche und die Zeitsynchronisation. Der eigentliche Übergang erfolgt dann mit Hilfe von Zusatzinformationen des Datensignals, dem Hand Over Word (HOW). Das zusätzlich aufgeprägte Datensignal (Navigation Message) versorgt den Nutzer mit all den Zusatzdaten, die für die Ortung und Navigation benötigt werden. Die Datenrate dieser Systemdaten beträgt 50 bps. Das Signal besteht aus Blöcken und diese sind je in fünf Teilblöcke von je 6 s Dauer formatiert (Abb. 10.6). Jeder Teilblock besteht aus zehn 30-bit Worten. Eine Informationseinheit (1 Block) besteht somit aus 1500 Bit. Bei einer Datenrate von 50 bps dauert folglich die Übertragung eines Blocks 30 s, d. h. die Teilblöcke werden alle 30 s aktualisiert. Die Teilblöcke 4 und 5 sind nochmals je in 25 Seiten untergliedert und werden demnach nur alle 12,5 Minuten wiederholt. Man erkennt schon, dass die ersten drei Teilblöcke alle wesentlichen Daten für die Echtzeitnavigation enthalten, während die weiteren Teilblöcke 4 und 5 auf den Seiten weitere notwendige aber nicht zeitkritische Systeminformationen bereitstellen. Das erste Wort in jedem Teilblock ist ein Telemetrie-Wort (TLM). Dieses erleichtert dem Nutzer den Zugang zum Datensignal und enthält weitere Informationen für die fünf Kontrollstationen. Das zweite Wort in jedem Teilblock ist das HOW (Hand over Word). Mit dem HOW wird in jedem Teilblock alle 6 s die Zeit übergeben. Die 5 Mbps = Megabit pro Sekunde

319

10.2 Satellitensysteme für Positionsbestimmungen und Navigation Teilblock Nr.

zehn 30-Bit Worte von insgesamt 6 s Dauer

1

TLM HOW Uhrenkorrekt., atmosphärisch Korrekt.

2

TLM HOW Ephemeriden

3

TLM HOW Ephemeriden (Fortsetzung)

4

TLM HOW Spezielle Nachrichten

5

TLM HOW Almanach

1 Block 30 s 1500 Bits

Abbildung 10.6. Format des Datensignals

Zeiteinheiten (1,5 s-Epochen) sind sogenannte Z-Counts, die bei der Erzeugung der P-Codes entstehen. Die Zählung der Z-Counts beginnt jeweils samstags um Mitternacht. Da eine Woche 604 800 Sekunden enthält, zeigt der Zähler am Wochenende die Zahl 403 199 an, bevor er wieder auf Null gesetzt wird. Mit der als Wochenzeit (TOW = Time of Week) bezeichneten Zählerzahl in dem HOW und den nachfolgenden 1,5 s Zeitmarken kann demnach innerhalb eines Teilblocks die Synchronisierung auf den P-Code erfolgen. Außerdem wird die Wochennummer (WN = Week Number) bereitgestellt, die seit der Zeitzählung des GPS Systems aufdatiert wird. Aus der WN und der TOW lässt sich dann mit den im Teilblock 1 angegebenen Uhrenparametern die GPS System-Zeit bestimmen. Die Parameter beschreiben das Uhrenverhalten in der Form von Koeffizienten eines Fehlerpolynoms und werden stündlich über die Kontrollstationen aktualisiert; sie beziehen sich auf die Referenzzeitpunkte toc . Die seit toc verstrichene Zeit bezeichnet man als AODC = Age Of Data Clock. Teilblock 1 enthält außerdem Parameter für die Berechnung von Laufzeitverzögerungen der Signale in der Atmosphäre. Teilblock 2 und 3 beinhalten Parameter der Ephemeriden (vgl. Tab. 10.2), die sich auf das Koordinatensystem WGS 84 beziehen [16]. Die Positionen der Satelliten werden in Form von Keplerparametern und Störparametern gesendet. Bei der nachfolgenden Auswertung erfolgt die Umwandlung in Koordinaten. Aus diesen kann dann im Empfänger (oder später mit einem anderen Rechner) die einem bestimmten Zeitpunkt zugeordnete Position berechnet werden. Die Parameter beschreiben die Satellitenbahn für eine Zeitspanne zwei Stunden vor und zwei Stunden nach einem ebenfalls gesendeten Referenzzeitpunkt toe . Die seit diesem Zeitpunkt verstrichene Zeit bezeichnet man als AODE = Age Of Data Ephemeries. Alle 60 Minuten ist ein neuer Datensatz verfügbar. Teilblock 4 ist für spezielle Nachrichten reserviert. Teilblock 5 enthält die Almanach-Daten. Diese Daten schließen folgende Informationen ein: (1) Parameter der Ephemeriden, Uhrenkorrektionen und atmosphärische Korrektionen für alle 24 Satelliten. (Diese Informationen entsprechen denen der Teilblöcke 1 bis 3, haben jedoch eine reduzierte Genauigkeit.) (2) Angaben über den Zustand der Satelliten. Die Almanach-Daten

320

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren Tabelle 10.2. Parameter der Ephemeriden und Uhrenkorrektion in dem Datensignal

Zeitangaben t0e t0c a0 , a1 , a2 Keplerparameter √ a e i0 0 ω M0 Störparameter n ˙  ˙i Cus , Cuc Cis , Cic Crs , Crc

Referenzzeit für die Ephemeriden Referenzzeit für die Uhrparameter Polynomkoeffizienten für die Uhrkorrektion (Bias, Drift, Ageing) Wurzel aus der großen Halbachse Exzentrizität Inklination zur Referenzzeit Rektaszension des aufsteigenden Knotens zur Referenzzeit Argument des Perigäums Mittlere Anomalie zur Referenzzeit Differenz der mittleren Bewegung zum berechneten Wert Änderungsrate der Rektaszension Änderungsrate der Inklination Parameter für die Korrektur der Bahnstörungen

können herangezogen werden, Unterlagen für die Planung von Feldarbeiten [10.6] zu erstellen. Die Signale werden zivilen Nutzern, begründet mit den nationalen Sicherheitser” fordernissen der USA“, nur begrenzt zur Verfügung gestellt. Man erreicht dies durch das zuvor schon genannte Anti Spoofing AS“. Man muss daher zwischen einem ” Precise Positioning Service PPS“, der die Ephemeriden (wohl vorwiegend mili” tärischen Nutzern der USA, der NATO und US-Verbündeten) uneingeschränkt zur Verfügung stellt, und einem Standard Positioning Service SPS“, der die Ephemeri” den eingeschränkt liefert, unterscheiden. Die von dem US-Verteidigungsministerium autorisierten PPS Nutzer können weiterhin den präzisen Code nutzen, wenn in ihren Empfängern jeder Kanal mit einem Auxiliary Output Chip (AOC) ausgestattet ist. Aus dem GPS Modernisierungsprogramm geht hervor, dass zukünftig drei Trägerfrequenzen (L1, L2 und L5) zur Verfügung stehen, denen unterschiedliche Codes aufgeprägt werden (Abb. 10.7). Ein Vergleich mit Abb. 10.5 zeigt, dass dem L1 Träger zusätzlich ein dem Militär vorbehaltener Code, der M-Code, aufgeprägt wird. Der L2 Träger ist zusätzlich mit dem M-Code und einem zivilen Code moduliert.

321

10.2 Satellitensysteme für Positionsbestimmungen und Navigation

ziviler Code

M

L2 C

C/A

P(Y)

P(Y)

L5: 1176

M

L2: 1227

L1: 1575

MHz

Abbildung 10.7. GPS Signale des Modernisierungsprogramms

Das mit dem zivilen Code erzeugte L2 C Signal wird von modiÀzierten Block II R Satelliten gesendet, die ab 2003 in Umlauf gebracht werden. Der L5 Träger mit einem weiteren zivilen Code wird von den Block II F Satelliten, die ab 2005 gestartet werden, gesendet. Alle drei Träger mit ihren Codes werden voll operabel (for full operational capability) etwa ab 2013 verfügbar sein. Nach Abschluss des kurz beschriebenen Modernisierungsprogramms wird der Nutzer u. a. folgende Vorteile haben: – Pseudostrecken können mit höherer Genauigkeit nach kürzeren Zeitspannen eindeutig bestimmt werden, – in Echtzeit können ionosphärische Korrekturen mit hoher Genauigkeit gewonnen werden. Weitere Informationen geben u. a. (Fontana u.a 2001, Seeber 2003). 10.2.1.2 Das Kontrollsegment Ein GPS Empfänger kann seine Position erst dann bestimmen, wenn er die Position der Satelliten kennt. Die Berechnung dieser Positionen erfolgt mit den Parametern der Ephemeriden (Tab. 10.2), die mit Hilfe des Datensignals von dem GPS Operatio” nal Control System“ (OCS) über die Satelliten gesendet werden. Das OCS, welches durch das Air Force Space Command betrieben wird, besteht aus mehreren Kontrollstationen, die mit weit auseinanderliegenden Längengraden auf dem Globus verteilt sind. Drei Stationen liegen auf Inseln (Ascenson Island, Diego Garcia, Kwajalein), die weiteren in Hawaii, Cape Canaveral und Colorado Springs. Die Station von Colorado Springs ist die Master Control Station (MCS). Aufgaben des Kontrollsegments sind u. a.: – fortlaufende Beobachtung und Kontrolle des Satellitensystems, – Bestimmung der GPS System-Zeit, – Prädiktion der Satelliten Ephemeriden und der Uhrenparameter, – periodische Aufdatierung des Datensignals der einzelnen Satelliten. Die MCS sammelt die von den Kontrollstationen zu den Satelliten gemessenen Pseudodistanzmessungen und meteorologische Daten und berechnet daraus Uhren-

322

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

parameter und die Parameter der zukünftigen Bahnen der Satelliten in dem Referenzsystem WGS 84. Diese werden über Bodenantennen auf einigen Stationen an die Satelliten und von dort an die Empfänger weitergesendet. 10.2.1.3 Geodätisches Datum Die Satellitenkoordinaten beziehen sich auf das Geodätische Datum des World Geodetic System 84 (Torge 2001). Tabelle 10.3. Die wesentlichen Parameter des Datums des WGS 84

kleine Halbachse Abplattung geozentr. Gravitationskonst. Erdrotationsrate 2. zonale Harmonische

10.2.2

a = 6 378 137 m f = 1/298,257223563 GM = 398600,4418 × 109 m3 s−2 ω = 7,292115 × 10−5 rad s−1 C 2,0 = −484,16685 × 10−6

Das Satellitensystem GLONASS

Die ehemalige Soviet Union hat etwa um 1970 begonnen, das System GLObal NAvigation Satellite System (GLONASS) zu entwickeln. Die Russische Föderation hat seit ihrer Entstehung die Arbeiten fortgesetzt. Ähnlich wie bei GPS handelt es sich um ein militärisches System, welches jedoch auch zivil genutzt werden kann. 1995 stand erstmalig eine Konstellation von 24 Satelliten zur Verfügung. Ähnlich wie bei GPS gibt es einen Standard Precision (SP) und einen High Precision (HP) Dienst. Die SP-Signale stehen zivilen Nutzern kontinuierlich weltweit zur Verfügung. Die Genauigkeit der Positionierung mit SP-Signalen wird horizontal mit 50 – 70 m und für Höhen mit 70 m angegeben. 10.2.2.1 Das Weltraumsegment Die Satelliten bewegen sich in 3 Bahnebenen, die um 110◦ auseinanderliegen. Bei vollständiger Besetzung befinden sich in jeder Bahnebene 8 Satelliten in gleichem Abstand, d. h. das System besteht dann aus 24 Satelliten (Abb. 10.8). Etwa 6 bis 11 Satelliten sind sichtbar an jedem Ort auf der Erde und in dem kombinierten System (GPS/GLONASS) kann dann bei vollständiger Besetzung der Bahnebenen eine Überdeckung von 12 bis 16 erreicht werden. Wie bei GPS werden die Distanzen gemessen, die Struktur der gesendeten Signale ist allerdings unterschiedlich. Jeder Satellit sendet zwei Trägersignale im L-Band,

10.2 Satellitensysteme für Positionsbestimmungen und Navigation

323

Abbildung 10.8. Satellitenkonstellation von GLONASS bei vollständiger Besetzung der Bahnen

welchen je ein binärer Code und ein Datensignal aufgeprägt ist. Abweichend von GPS senden jedoch die einzelnen Satelliten je unterschiedliche Trägerfrequenzen, was sie auf diese Weise unterscheidbar macht. Wie bei GPS werden jedoch auch hier alle Frequenzen aus einer Grundfrequenz f0 abgeleitet. Die L1 Frequenzen berechnen sich nach fL1 = f0 + kfL1 mit k = 0, 1, . . . , 24. L1 und L2 stehen in einem festen Verhältnis fL1 /fL2 = 9/7. Die Koeffizienten k werden als Frequenznummern der Satelliten bezeichnet. Die Codes sind bei den Satelliten gleich, da sie ja eindeutig durch die Trägerfrequenzen unterscheidbar sind. Die Frequenzen der Codes sind allerdings im Vergleich zum GPS etwas niedriger, was eine geringere Strecken- und Positionsgenauigkeit nach sich zieht. Die Frequenzbänder von L1 und L2 liegen in den Bereichen L1 : 1 598,0625 bis 1 604,25MHz L2 : 1 242,9375 bis 1 247,75MHz und Satelliten, welche um 180◦ Längengrade auseinanderliegen, wird der gleiche Frequenzkanal zugewiesen. Das Datensignal ist ähnlich strukturiert wie bei GPS. Es enthält präzise Ephemeriden, generelle Systeminformationen und weniger genaue Almanach-Daten. Einige wichtige technische Daten von GLONASS findet man in Tab. 10.4. Um einen Vergleich mit GPS anstellen zu können sind die entsprechenden Daten dieses Systems mit aufgeführt.

324

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren Tabelle 10.4. Technische Daten der Systeme GLONASS und GPS

Art der Daten Satelliten: Anzahl in der Basiskonstellation Anzahl der Bahnebenen Bahnneigung Bahnhöhe Umlaufzeit

GLONASS

GPS

21 + 3 Ersatzsat.

21 + 3 Ersatzsat.

3 64,8◦ 19100 km 11 Std. 15 Min.

6 55◦ 20180 km 12 Std.

Codetyp Code-Frequenz C/A Code-Frequenz P

1 598 – 1 604 MHz 1 243 – 1 248 MHz für alle Sat. gleich C/A-Code auf L1 P-Code auf L1, L2 PRN-Sequenz 0,511 MHz 5,11 MHz

1 575 MHz 1 228 MHz für jeden Sat. speziell C/A-Code auf L1 P-Code auf L1, L2 Gold Code 1,023 MHz 10,23 MHz

Zeit Zeitbasis realisiertes System

GLONASS System-Zeit UTCSU

GPS System-Zeit UTCUSNO

Geodätisches Datum

PZ-90

WGS 84

Signale: Trägersignale L1 L2 Codes

10.2.2.2 Das Kontrollsegment Das Kontrollsegment hat vergleichbare Aufgaben, wie sie für GPS in [10.2.1.2] beschrieben wurden. Es besteht aus – dem System-Kontrollzentrum (in Moskau), – dem Zentralen Synchronisierer, – verschiedenen Kommando- und Tracking Stationen und – Laser Tracking Stationen. Die Beobachtungsstationen sind gleichmäßig über die ehemalige SU verteilt. Der Zentrale Synchronisierer erzeugt die GLONASS System-Zeit. Alle Satelliten tra-

10.2 Satellitensysteme für Positionsbestimmungen und Navigation

325

gen Laserreflektoren, damit sie von den Tracking Stationen aus beobachtet werden können. 10.2.2.3 Geodätisches Datum Die Satellitenkoordinaten beziehen sich auf das Geodätische Datum PZ-90 (Tab.10.5). Die wichtigsten Parameter sind (Seeber 2003): Tabelle 10.5. Die wesentlichen Parameter von PZ -90

10.2.3

kleine Halbachse

a = 6 378 136 m

Abplattung

f = 1/298,257

geozentr. Gravitationskonst.

GM = 398 600,44 × 109 m3 s−2

Erdrotationsrate

ω = 7 292 115 × 10−6 rads−1

2. zonale Harmonische

−1 086,63 × 10−6

Das Satellitensystem GALILEO

Das Satellitensystem GALILEO ist im Gegensatz zu GPS und GLONASS ein ziviles System, welches vollständig interoperabel mit den bereits aktiven Satellitennavigationssystemen betrieben werden kann. Es wird von der Europäischen Union gemeinsam mit der European Space Agency (ESA) sowie der Euro-Control entwickelt und aufgebaut. Der Aufbauplan erfolgt in zwei Stufen: 1. Stufe EGNOS (operabel ab 2004) 2. Stufe GALILEO (operabel ab 2008). Die GALILEO Architektur wurde so entwickelt, dass das System den Anforderungen verschiedener Dienste (services) genügen kann. Vier Hauptkomponenten der Architektur können unterschieden werden: – – – –

die globale Komponente (Global component), die regionalen Komponenten (regional components), die lokalen Komponenten (local components) sowie die Nutzerempfänger und Terminals (user receivers and terminals). Einen Überblick über die Systemarchitektur gibt Abb. 10.9.

326

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

Service Centers Galileo Components

External Systems Navigation Systems

Space Segment GEO Satellites

Uplink Stations

Reference Stations

Control Stations

Refrence Stations

GNSS Systems (e.g. GPS and GLONASS)

Uplink Stations

Non-European Regional Components Galileo Control Center

Orbit Control Center

Ground Segment Master Control Centers

Communication Systems

MEO-LUT Beacon

EGNOS

GSM, UMTS

Services

Systems Components

COSPAS-SARSAT MCC Search and Rescue Local Components

Local Components

Local Components

User Receivers

User Receivers

EGNOS Services

Locally Assisted Services

Satellite-only Services

Combined Services

Abbildung 10.9. GALILEO Systemkomponenten und die Verbindungen zu den Diensten

10.2.3.1 Die globale Komponente (Global component) Die globale Komponente gliedert sich in das Weltraumsegment (space segment) und das Kontrollsegment (ground segment). Das Weltraumsegment enthält 30 sog. MEO (Medium Earth Orbit) Satelliten. Jeder Satellit sendet hochgenaue Zeitsignale und zeitsynchronisiert Bahndaten sowie andere Daten. Die Satelliten bewegen sich in drei Bahnebenen mit einer Bahnneigung von 56◦ , die Bahnhöhe beträgt 23 616 km (Abb. 10.10). Pro Tag führen sie 1 23 Umläufe um die Erde aus. Um die Konstellation gegen Satellitenausfälle möglichst unempfindlich zu machen, hat man folgende Anordnung gewählt:

327

10.2 Satellitensysteme für Positionsbestimmungen und Navigation

Abbildung 10.10. GALILEO Satellitenkonstellation

– 27 der 30 MEO Satelliten sind in einer sogenannten Walker Constellation 27/3/1 angeordnet; je 9 Satelliten befinden sich in einer Bahnebene mit einem Abstand von 40◦ , – die Anordnung ist zwischen den Bahnebenen um jeweils 40◦ /3 verschoben, – ein Satellit pro Bahnebene dient als aktiver Ersatzsatellit und nimmt bei Ausfall eines Satelliten dessen Position ein. Aktiv bedeutet, dass der Satellit konstant, wie die anderen, sendet. Die Satellitenkonstellation von GALILEO und GPS ist folglich sehr unterschiedlich. Die maximale Anzahl von Satelliten, welche oberhalb eines bestimmten Elevationswinkels an jeden Ort der Erde und zu jeder Zeit sichtbar ist, zeigt Tab. 10.6. Tabelle 10.6. Sichtbarkeit von GALILEO und GPS Satelliten

Empfohlene Elevationswinkel Winkel ≥ 10◦ 15◦

GALILEO 11 9

GPS 10 8

Insgesamt 21 17

Zehn Navigationsignale und 1 SAR6 Signal werden von der Satellitenkonstellation zur Verfügung gestellt. Für diese wurden folgende Frequenzbereiche genehmigt: – 4 Signale in dem Frequenzbereich 1164 – 1215 MHz (E5A – E5B), – 3 Signale in dem Freqenzbereich 1260 – 1300 MHz (E6), – 3 Signale in dem Frequenzbereich 1559 – 1591 MHz (E2 – L1 – E1), 6 SAR: Search and Rescue

328

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

welche simultan GALILEO- und GPS-Nutzern zur Verfügung gestellt werden, um Kosten zu sparen und eine flexiblere Handhabung zu ermöglichen. Abb. 10.11 verdeutlicht die Zuordnung zu den Frequenzbändern E5A, E5B, E6 und E2 – L1 – E1.

1300 MHz

2

1

1260 MHz

E6 1215 MHz

1164 MHz

E5B

5

1176

4

3

Frequenz (MHz) 6

L1

1559 MHz

L6 E2

7

E1

SA

R

D

ow

nl

in

k

8

1591 MHz

In

1278

1207

Q

ua dr a

tu r

In Phase

E5A

11 9

10

Abbildung 10.11. GALILEO Signalanordnung

Den Trägerfrequenzen werden jeweils ein Code (ranging code) für die Distanzmessungen und Daten aufmoduliert. Bei den Ranging Codes handelt es sich um duale Codes (Sequenzen von +1 und −1), die eine bestimmte Codelänge und eine bestimmte Frequenz (chip rate) haben. Jeder Satellit sendet eine individuelle Sequenz. Man unterscheidet öffentlich zugängliche und verschlüsselte Codes: – Open access ranging codes (öffentlich zugänglich, nicht verschlüsselt) – Ranging codes (verschlüsselt für wirtschaftliche Zwecke) – Ranging codes (verschlüsselt für Regierungsvorhaben). Außerdem unterscheidet man fünf Typen von Daten: Navigations-Basisdaten, Integrity Daten, Kommerzielle Daten. PRS7 -Daten und SAR-Daten. Diese Daten sind entweder öffentlich zugänglich oder verschlüsselt. Das Kontrollsegment (ground segment) hat folgende Aufgaben: die Kontrolle der Satellitenkonstellation, die Synchronisation der Satelliten-Atomuhren, die Berechnung der Integrity-Signale und die Datenverarbeitung sowie Datenverwaltung aller 7 PRS: Public Regulated Service

10.2 Satellitensysteme für Positionsbestimmungen und Navigation

329

internen und externen Einrichtungen. Für diese Aufgaben stehen auf europäischem Boden zwei redundante Kontroll-Zentren (GALILEO Control Centers GCC) zur Verfügung (Abb. 10.9): – das GALILEO Control Center und – das Orbit Control Center. Diese GCCs bestehen aus: – – – – –

den Orbit Synchronization and Processing Facilities (OSPF), den Precision Timing Facilities (PTF), der Mission Control Facility (MCF), der Satellite Control Facility (SCF) und der Service Product Facility (SPF).

Der Datentransfer zu und von den Satelliten wird durch ein globales Netzwerk von GALILEO Up-link Stationen (GUS) bewerkstelligt. GALILEO Sensor Stationen (GSS), welche rund um die Erde verteilt sind, beobachten die Qualität des Satelliten Navigations Signals, des Signal in Space (SIS). Die Information dieser Stationen wird durch ein redundantes GALILEO Communications Network (GCN) zu den GCC’s gesendet. Diese Information über die Signal in Space (SIS)-Qualität, welche auch Integrity Information“ genannt wird, ist der ” bedeutendste Unterschied von GALILEO gegenüber anderen GNSS. Die IntegritätsInformation wird global mit anderen Navigationssignalen gesendet und macht so das GALILEO System zu einem zertifizierten System für Safety-of-Life“ Aufgaben. ” 10.2.3.2 Regionale Komponenten (Regional components) Eine Regionale Komponente (Abb. 10.9) verfügt über ein zusätzliches Netzwerk von Stationen, um die Integrität der Satellitensignale zu überwachen, und ein Rechenzentrum, welches diese Dienste unterstützt. Es können so in Partnerschaft mit anderen Ländern Integrity Informationen ermittelt werden. 10.2.3.3 Lokale Komponenten (Local components) Lokale Komponenten (Abb. 10.9) unterstützen dort, wo es notwendig ist, erweiterte Systemlösungen und die Möglichkeit, GALILEO mit anderen GNSS und terrestrischen Positionierungs- und Kommunikationseinrichtungen (D-GNSS, UMTS,. . . ) zu kombinieren. Durch die lokalen Komponenten werden zur Verfügung gestellt: – Local Precision Navigation Elements; sie stellen differentielle Datensignale zur Verfügung (durch den Rundfunk, GSM oder UMTS), welche die Nutzer heranziehen können, um die gemessenen Distanzen wegen Bahnfehler, Uhrenfehler, troposphärischer und ionosphärischer Einflüsse zu korrigieren. Außerdem kann die Integritäts Information verbessert werden.

330

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

– Local High-Precision Elements; sie stellen ebenfalls differentielle Datensignale (durch Rundfunk, GSM oder UMTS) zur Verfügung, welche Nutzer mit Empfängern für drei Trägerwellen in den Stand versetzt, die gemessenen Distanzen wegen Bahnfehler, Uhrenfehler, troposphärischer und ionosphärischer Korrekturen zu korrigieren. – Local-Assisted Navigation Elements; sie können Ein- oder Zweiweg Datenübertragungseinrichtungen (GSM oder UMTS) enthalten, um den Nutzer in schwieriger Umgebung bei Positionierungsaufgaben zu unterstützen. – Local Augmented-Availability Navigation Elements; sie stellen Signale von pseu” dolites“ zur Verfügung, die wie Signale von GALILEO Satelliten genutzt werden können, um auch in Gebieten, in denen Satelliten durch Objekte abgeschattet werden, Positionierungen durchführen zu können.

10.2.3.4 EGNOS Der European Geostationary Navigation Overlay Service (EGNOS)“ wurde ent” wickelt, um regional Positionierungs- und Navigationsaufgaben für die Luft- und Seefahrt sowie auf dem Land zu unterstützen. An der Entwicklung beteiligt sind: die Europäische Kommission, die European Space Agency und Eurocontrol. Folgende Eigenschaften zeichnen EGNOS aus: – Die Genauigkeit beträgt 5 m vertikal und 2 m horizontal; dies wird erreicht, indem Wide-Area-Differential (WAD)“ Korrekturdaten zu den Nutzern gesendet ” werden. – Die Integrität (Sicherheit) wurde durch den hohen Grad an Redundanz in dem System und ein Frühwarnsystem verbessert. Innerhalb von 6 Sekunden wird der Nutzer benachrichtigt, falls es Störungen in den Systemen EGNOS, GPS oder GLONASS gibt. – Die Verfügbarkeit wurde durch drei geostationäre Satelliten verbessert. Das EGNOS Weltraumsegment besteht aus 3 geostationären Satelliten, deren Überdeckungsbereich in Abb. 10.12 sichtbar ist. Es handelt sich um zwei INMARSAT-3 Satelliten (AOR-E und IOR) sowie den ESA ARTEMIS Satellit. Ein Kontrollsegment mit vierunddreißig Referenz- und Integrity Monitoring Stationen (RIMS) wurden eingerichtet, um die Satellitenkonstellation zu beobachten. Jeder Satellit muss von mehreren RIMS beobachtet werden, bevor Korrekturdaten und Integrity-Informationen bestimmt werden. Vier Mission Kontrollzentren (Mission Control Centres MCC) werten die Daten der RIMS aus, um die WAD Korrekturen und Integrity-Informationen für jeden Satelliten zu erzeugen. In der Regel ist nur ein MCC aktiv, die anderen werden bei Störungen in Betrieb genommen. Navigation Land Earth Stationen (NLES) senden die Korrektur- und Integrity-Informationen zu den Satelliten.

10.2 Satellitensysteme für Positionsbestimmungen und Navigation

331

Abbildung 10.12. EGNOS Überdeckungsbereich

EGNOS nutzt das gleiche Trägersignal (L1 1575,42 MHz) und die gleichen Ranging Codes wie GPS, sendet jedoch ein anderes formatiertes Datensignal, welches die Integrity-Informationen und WAD Korrekturen enthält. Integritäts-Informationen werden auf zwei Ebenen zur Verfügung gestellt: (a) es gibt eine Grobinformation, die Aussagen darüber macht, welche sichtbaren Satelliten verfügbar sind; 2 2 (b) es werden speziellere Informationen durch zwei Parameter σUDRE und σGIVE 8 geliefert , welche statistische Genauigkeitsangaben über Satellitenfehler und atmosphärische Fehler enthalten, nachdem die WAD Korrekturen schon angebracht wurden. Mit diesen Angaben können Genauigkeiten der Positionierungen geschätzt werden. Bei den WAD Korrektionen unterscheidet man schnelle und langsame. Die schnellen Korrektionen beziehen sich auf Fehlerquellen mit schnelleren Änderungen (z. B. Satellitenuhrenfehler), die langsamen Korrektionen berücksichtigen mehr langsam sich ändernde Fehlerquellen (z. B. Langzeitdrift der Satellitenuhren und Ephemeriden). Korrekturen für ionosphärische Fehlereinflüsse werden für vorgegebene Gitterpunkte geliefert. Die Vorteile von EGNOS lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: – Da EGNOS auf GPS Signalen basiert, können GPS Empfänger mit geringen Hardwaremodifikationen genutzt werden. – Testmessungen zeigen, dass 1m-Genauigkeit, unabhängig von der Entfernung der Referenzstation, erzielt werden kann. – Zusammenarbeit mit ähnlichen Systemen in den USA (WAAS), Japan (MSAS), Canada (CWAS) und Indien ist gegeben. 8 UDRE: User Differential Range Error; GIVE: Grid Ionospheric Vertical Error

332

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

10.3

Das Nutzersegment

10.3.1

Empfängerstruktur

Eine Satellitenempfangsanlage besteht aus: der Antenne, den Kanälen, dem zentralen Prozessor, einem Navigationsprozessor und Ein-Ausgabemodulen (Abb. 10.13). Es

Kanal 1

Navigationsprozessor

Kanal 2

Massenspeicher

A/D

Prozessor

Kanal n

Display

Interface

Abbildung 10.13. Mehrkanalempfänger

gibt Geräte, bei denen alle Komponenten kompakt in einem Gehäuse untergebracht sind (Abb. 10.14a); diese können dann z. B. autonom als Referenzstation eingesetzt werden [10.5.2]. Andere Positionierungssysteme bestehen wiederum aus mehreren Modulen: dem Controller, dem Empfänger und der Antenne. Der Controller hat dann die Steuer-, Anzeige- und Bedienerfunktionen. Eine integrierte Telemetrie-Einheit dient der Datenübertragung zwischen den Empfängern (Abb. 10.14b). Die Antenne nimmt die Signale von all den Satelliten auf, die sich über dem Horizont befinden. Der Empfänger muss nun die einzelnen Signale identifizieren, damit zu den einzelnen Satelliten Distanzen mit den PRN-Codes oder den Trägern gemessen werden können. Die Signale können voneinander unterschieden werden, wenn in dem Empfänger eine Anzahl verschiedener Kanäle vorhanden sind, von denen jeder zu einer bestimmten Zeit einem bestimmten Satelliten zugeordnet ist (Abb. 10.13). Die von den einzelnen Satelliten gesendeten Signale unterscheiden sich: – durch den Code, der eindeutig einem Satelliten zugeordnet ist (in den Systemen GPS u. GALILEO), – durch die Frequenz der Trägersignale, die eindeutig einem Satelliten zugeordnet ist (in den System GLONASS) und – die Dopplerverschiebung der Träger und der PRN Codes.

333

10.3 Das Nutzersegment

a) mit allen Komponenten in einem Gehäuse

b) in modularer Bauweise mit den Komponenten: Controller, Empfänger, Antenne

Abbildung 10.14. GPS-Empfänger (Trimble)

Da die Dopplerverschiebung aus Almanach-Daten gerechnet und zusätzlich im Empfänger gemessen werden kann, ist z. B. durch einen Vergleich beider Beträge eine Identifikation satellitenspezifischer Signale möglich. Nachdem die einzelnen Kanäle bestimmten Satelliten zugeordnet sind, haben sie die Aufgabe, über Phasenvergleichsverfahren Pseudoentfernungen9 zu den einzelnen Satelliten zu bestimmen. Sie können hierfür die Trägersignale und die Codes nutzen. Für das GPS sind als Beispiel die Trägersignale (L1, L2) und die Codes (C/A, P) mit ihren Parametern in Tab.10.7 aufgelistet. Da die Träger und PRN-Codes unterschiedliche Wellenlängen haben, lassen sich auch die Pseudoentfernungen mit Tabelle 10.7. Frequenzen und Wellenlängen der GPS Träger und PRN-Codes

Signal Träger PRN-Codes

Frequenz L1 L2 P C/A

1575,42 MHz 1227,60 MHz 10,23 MHz 1,023 MHz

Wellenlänge 19,05 cm 24,45 cm 29,31 m 293,1 m

Pseudoentfernung Genauigkeit < 0,2, . . . , 2,5 mm < 0,2, . . . , 2,5 mm < 0,03, . . . , 0,3 m < 0,3, . . . , 3,0 m

9 Man verwendet hier den Ausdruck Pseudoentfernungen, da die gemessenen Entfernungen noch durch

systematische Effekte verfälscht sind.

334

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

unterschiedlicher Genauigkeit messen. Setzt man voraus, dass bei den Phasenvergleichsmessungen eine Wellenlänge im Verhältnis 1 : 100 bis 1 : 1000 und präziser aufgelöst werden kann, so erhält man die Pseudoentfernungen je nach verwendetem Träger oder PRN-Code mit Genauigkeiten zwischen 0,2 mm bis 3 m und besser (Langley 1995). Als zusätzliche Aufgabe haben die Kanäle schließlich noch das Datensignal zu detektieren und an den Prozessor weiterzugeben. Der Prozessor berechnet mit den Informationen des Datensignals in einem Referenzsystem, z. B. WGS 84, die Positionen der Satelliten und schließlich unter Hinzunahme der Ergebnisse der Phasenvergleichsmessungen seine eigene Position [10.4]. Bei bewegten Objekten kann außerdem die Geschwindigkeit und der Kurs angegeben werden.

10.3.2 Antennen für Satellitenempfangsanlagen Eine kurze Einführung in die Arbeitsweise von Antennen wurde bereits in [2.3] gegeben. Bei den Satellitenempfangsanlagen unterscheidet man verschiedene Typen von Antennen, wie z. B.: Monopol- oder Dipolkonfigurationen, Quadrifilar Helices, Spiral Helices und Microstrips. Microstrips haben sich besonders durchgesetzt. Die Antennen empfangen omnidirektional. Wichtige Merkmale der Antennen sind: (a) die Empfangscharakteristik in Abhängigkeit vom Azimut und Höhenwinkel, (b) die Fähigkeit, Störsignale (Multipath-Signale) abzuschirmen, (c) die Stabilität ihres elektrischen Zentrums (Phasenzentrum), auf welches sich die Positionsbestimmungen beziehen. Für den praktischen Feldeinsatz sind dieAntennen sehr kompakt gebaut (Abb. 10.15). Normalerweise bestehen sie aus einer kreisförmigen Grundplatte, in die ein Gehäuse eingelassen ist, in welchem sich die Antenne und elektronische Bausteine befinden. Die Platte dient der Abschirmung von Störsignalen. Eine verstärkte Abschirmung ist gegeben, wenn auf der Grundplatte zusätzlich Choke-Ringe angebracht sind (Abb. 10.16). 10.3.2.1 Antennenphasenzentrum und Phasenzentrumsvariationen Besonders wichtig für Antennen, welche für Positionierungen genutzt werden, ist die Stabilität des Antennenphasenzentrums, des elektrischen Zentrums, auf welches sich die bestimmten Positionen beziehen. Dieses elektrische Zentrum verschiebt sich jedoch geringfügig mit der Intensität und der Richtung der einfallenden Signale. Das mechanische Zentrum (MZ) einer Antenne lässt sich mit einer Genauigkeit von wenigen Zehnteln eines Millimeters festlegen. Es befindet sich in der Regel dort, wo die vertikale Symmetrieachse die Grundplatte schneidet (Abb. 10.17). An

335

10.3 Das Nutzersegment

Abbildung 10.15. Antenne für Satellitenempfangsanlagen mit einer Grundplatte (Trimble)

Abbildung 10.16. Antenne für Satellitenempfangsanlagen mit Choke-Ringen (Leica)

der Antenne muss zusätzlich ein mechanischer Referenzpunkt (Antenna Reference Point) ARP markiert werden, damit alle äußeren Zentrierungselemente (z. B. die Höhe der Antenne) auf diesen bezogen werden können. PCV

PZ MZ

P ARP

Abbildung 10.17. Schematische Darstellung einer Empfangsantenne

Am geeignetsten legt man diesen Punkt auf die Unterseite der Antenne in die Mitte der Zentrierachse. Da sich das elektrische Phasenzentrum in Abhängigkeit von der Einfallsrichtung der ankommenden Signale verschiebt, bestimmt man durch Kalibrierungsmessungen ein mittleres, das sogen. mittlere Antennenphasenzentrum (PZ) als Bezugspunkt. Dieses liegt normalerweise in der Nähe des MZ. Die Abweichungen der aktuellen Phasenzentren vom mittleren Phasenzentrum nennt man Phasenzentrumsvariationen (Phase Center Variations) PCV; diese können Werte von

336

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

einigen Millimetern bis Zentimetern annehmen. Im antennenfesten System mit dem Ursprung ARP bezeichnet man den Positionsvektor von PZ als Antennenoffset. Die drei Komponenten ⎡ ⎤ x P = ⎣y ⎦ h x (Nordrichtung), y (horizontale Ausrichtung) und h (Höhenkomponente) nehmen für verschiedene Trägersignale verschiedene Werte an. Diese Werte werden normalerweise vom Hersteller zur Verfügung gestellt. Hersteller produzieren vielfach Kopien eines Prototyps, was bedeutet, dass die Antennenfehler für alle Nachfolgemodelle nahezu gleich ausfallen. Beim Einsatz mehrerer Antennen lassen sich die Restfehler dann durch Differenzbildungen (Einfachdifferenzen, Doppeldifferenzen) eliminieren; dies setzt voraus, dass die Antennen eine Markierung für die Nordrichtung haben. Bei langen Basislinien oder Antennen unterschiedlichen Typs müssen die Antennen speziell kalibriert werden, wenn hohe Genauigkeiten gefordert sind. Bei besonderen Anforderungen gilt dies auch für Antennen des gleichen Typs. 10.3.2.2 Kalibrierung der Antennen Man unterscheidet zwischen relativen und absoluten Kalibrierverfahren. Bei relativen Verfahren werden der Antennenoffset und die PCV einer speziellen Antenne in Bezug auf eine Referenzantenne bestimmt. Dabei setzt man voraus, dass die PCV der Referenzantenne bekannt sind. Die Prüf- und Referenzantenne werden im Feld auf Beobachtungspfeiler zentriert, die dicht beieinander stehen und deren Koordinaten hochgenau bekannt sind. DieAuswertung der Kalibriermessungen stützt man auf Einfach- oder Doppeldifferenzresiduen. Die PCV lassen sich geeignet durch ein Polynom oder durch die Entwicklung einer Kugelflächenfunktion modellieren (Mader 1999). Die absolute Kalibrierung kann man mit einem speziellen hochgenauen Roboter durchführen, welcher die Antenne während der Kalibriermessungen mit hoher Geschwindigkeit dreht und neigt (Wübbena u. a. 2000). Zusätzliche Beobachtungen mit einem Referenzempfänger werden benötigt, um entfernungsabhängige Fehler eliminieren zu können. Die Ergebnisse sind absolute PCVs, unabhängig vom Referenzempfänger. Die Modellierung der PCVs kann auf gleiche Weise erfolgen wie bei dem relativen Verfahren. 10.3.2.3 Mehrwegsignale (Multipath Signals) Mehrwegeffekte entstehen durch Reflexionen des Satellitensignals an Flächen in der Umgebung der Messstationen (Abb. 10.18). Solche Reflexionsflächen sind z. B. an

337

10.3 Das Nutzersegment

ϕ = f (AR , AD , )

Abbildung 10.18. Mehrwegsignale

Hauswänden oder am Boden gegeben. Wirksamen Einfluss auf die Intensität der Umwegsignale haben: – – – – –

Material, Oberflächenbeschaffenheit und Größe der Reflexionsfläche, die Einfallswinkel auf den Reflexionsflächen, die Frequenz des Trägersignals, Antenneneigenschaften, die Auswertealgorithmen des Empfängers.

Die Mehrwegsignale überlagern sich den direkt empfangenen Signalen in der Empfangsantenne und rufen dann Phasenverschiebungen hervor. Diese hängen von der Amplitude AD des direkten, der Amplitude AR des reflektierten Signals und der Phasenverschiebung  zwischen beiden Signalen ab. Da sich z. B. in dem GPS die Konstellation der Satelliten etwa alle 23 h 56 min, entsprechend einem siderischen Tag, wiederholt, wiederholen sich auch bei unveränderten Umgebungsbedingungen die Mehrwegeffekte entsprechend. Dies bedeutet, dass der Mehrwegeinfluss bei längeren Messepochen durch Tagesdifferenzen weitgehend eliminiert werden kann. Typisch sind außerdem Perioden der Effekte zwischen 30 s und 1 h, welche sich durch Mittelbildungen vermindern lassen. Besonders durch den Bau der Antenne lassen sich die Effekte herabsetzen. Wirksam ist z. B. ein Vergrößern der Grundplatte oder noch wirksamer das Aufbringen von Choke-Ringen. Die Mehrwegeffekte wirken sich unterschiedlich auf die Code- und Phasenmessungen aus. Bei Phasenmessungen können Fehler von mehreren Zentimetern, bei Codemessungen solche von mehreren Metern auftreten.

338

10.3.3

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

Kanäle mit Korrelationstechnik (Correlation Channel)

Die Kanäle haben in den Satellitenempfängern die Aufgabe, die Satelliten zu identifizieren, anschließend zu diesen Distanzen zu messen und die aufmodulierten Daten zu entschlüsseln. Es gib Empfänger mit mehr als zehn Kanälen, d. h. gleichzeitig können dann zu mehr als zehn Satelliten Distanzen gemessen werden. Hier soll anhand des vereinfachten Blockschaltbildes (Abb. 10.19) beschrieben werden, wie in einem Kanal die Beobachtungen für die Positionsbestimmungen entstehen können. Die Arbeitsweise der Kanäle ist in Wirklichkeit sehr komplex und in den Details gibt es viele Unterschiede. Abb. 10.19 zeigt einen Kanal mit Korrelationstechnik Antenne

Demodulator

Daten

VC Oszillator Korrelator

PRN Code Generator

Trägerphase Zeit Satellitenuhr

Oszillator

Mischstufe

Uhr

Tiefpass

Differenzzähler

Pseudorange

Bandpass

Frequenzvervielfacher

Abbildung 10.19. Vereinfachtes Blockschaltbild eines Kanals mit Korrelationstechnik und der vorgeschalteten HF-Teil (nach Wells u. a. 1999)

(Correlation Channel) und den vorgeschalteten Hochfrequenz (HF)-Teil. In dem HF-Teil werden die von der Antenne empfangenen Signale verstärkt und anschließend von einer Mischstufe in eine Niederfrequenz (NF) transformiert, die dann von dem Kanal verarbeitet werden kann. Die zweite Frequenz für den Mischvorgang liefert ein geräteinterner Oszillator mit einem nachgeschalteten Frequenzvervielfacher (Multiplikator). Die NF entspricht der Differenzfrequenz beider anliegenden Signale. Störsignale filtert ein Bandpass. Die NF enthält noch alle Informationen, die dem HF-Träger durch Phasenmodulation aufgeprägt wurden. Ein Kanal mit Korrelationstechnik besteht aus zwei Blöcken: einem Regelkreis für die Verfolgung der Codes (Code Tracking Loop) und einem Regelkreis für die Verfolgung der Träger (Carrier Tracking Loop). Die Code Tracking Loop (Code TL) hat

10.3 Das Nutzersegment

339

die Aufgaben, einen Satelliten zu identifizieren, Pseudostrecken zu messen und den Code zu eliminieren, damit das Datensignal entschlüsselt werden kann. In der Code TL reproduziert ein Code Generator den Code, welcher von einem Satelliten gesendet wird, zu dem die Distanz gemessen werden soll. Der reproduzierte Code, dessen Zeitfolge von der Uhr des Empfängers abhängt, ist gegenüber dem empfangenen Code um die Zeitdifferenz verschoben, welche der Laufzeit zwischen dem Satelliten und Empfänger entspricht. Beide Codes lassen sich nun mit der Code TL synchronisieren, indem in dem Korrelator ihre Korrelationsfunktion gerechnet wird. Ihre Koeffizienten zeigen kleine Werte, solange beide Signale zeitlich gegeneinander verschoben sind, andererseits einen Maximalwert, wenn beide Signale synchronisiert sind, d. h. in der Phase übereinstimmen. Der Korrelator gibt immer dann ein Steuersignal an den Code Generator, wenn keine Synchronisation vorliegt, damit der Code Generator den reproduzierten Code um eine Zeiteinheit (um eine Phasendifferenz) verschieben kann. Der Prozess der Synchronisation muss fortlaufend ausgeführt werden, da der Abstand zwischen dem Satelliten und Empfänger sich laufend verändert. Der Code Generator liefert nach erfolgter Synchronisation laufzeitverzögert den vom Satelliten gesendeten Code, womit die um die Laufzeit verzögerte Zeit der Satellitenuhr verfügbar ist. (Auf GPS bezogen liefert der Code die laufzeitverzögerten Z-Counts, welche mit dem HOW Wort des Datensignals der GPS Zeitskala zugeordnet werden können.) In einem Zeitdifferenz-Zähler kann jetzt die um die Laufzeit verschobene Zeit der Satellitenuhr mit der Zeit der Empfängeruhr verglichen werden. Die dabei erhaltene Laufzeit dτ mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit c des Trägers multipliziert ergibt die Pseudoentfernung PR = r = c · dτ. (10.3) In dem Moment, in welchem der empfangene und der vom Code Generator erzeugte Code synchronisiert sind, kann der Code aus dem empfangenen Signal eliminiert werden. Dies geschieht durch Multiplikation beider Signale in einer Mischstufe und anschließende Filterung des Signals mit einem Bandpass, denn die bei der Multiplikation der beiden Codes entstehenden Produkte ((+1) · (+1) = 1; (−1) · (−1) = 1) sind stets gleich eins. Bei diesem Prozess wird die Bandbreite des niederfrequenten Trägers erheblich verkleinert, d. h. es ist jetzt ein erheblich verbessertes Signal/Rauschverhältnis gegeben. Der niederfrequente Träger mit dem aufmodulierten Datensignal gelangt nun zur Carrier Tracking Loop (Carrier TL). Der Demodulator kontrolliert dort, ob die Phase der vom spannungskontrollierten (Voltage Controlled VC) Oszillator erzeugten Frequenz mit der des NF-Trägers übereinstimmt. Ist dies nicht der Fall, so liefert der Demodulator ein Fehlersignal an den Oszillator, damit dieser seine Frequenz verändert. Dies wird so lange fortgesetzt, bis beide Signale in der Phase synchronisiert sind. Der Vorgang der Synchronisation muss jedoch stets fortgesetzt werden, da der Abstand Satellit-Empfänger sich ständig ändert. Ab dem Zeitpunkt der ersten

340

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

Synchronisation addiert ein Integrator die Phasenänderungen, wobei die gemessene Größe (Beobachtung) (10.4) T r = N (t0 , t) · 2π +  entsteht (Abb. 10.20). Dabei ist N (t0 , t) die seit der Synchronisation aufgetretene Anzahl der vollen Wellenlängen,  die momentane Restphase und T r steht für die aufaddierten Trägerphasen.

N(t0 , t) · 2π +  r N(t0 ) · 2π

Abbildung 10.20. Von einem Satellitenempfänger gemessene Phasenbeobachtungen

Unbekannt bleibt daher innerhalb der Distanz Empfänger-Satellit die Phasendifferenz R = N(t0 ) · 2π, (10.5) wobei N (t0 ) die Anzahl der vollen Phasenzyklen zum Zeitpunkt t0 der Synchronisation beschreibt. Für N (t0 ) verwendet man auch den Begriff Ambiguity“. ” Der Demodulator hat zusätzlich die Aufgabe, das Datensignal zu entschlüsseln. ◦ Dabei müssen 180 Phasensprünge, die dem Träger bei der Phasenmodulation im Satelliten aufgeprägt werden, detektiert werden.

10.3.4

Empfängertypen

Die einzelnen Empfänger unterscheiden sich durch: – – – –

die Anzahl der Kanäle, die Anzahl der Träger, die zur Verfügung stehenden Phasenvergleichsverfahren und den Preis.

Über die Anzahl der Kanäle kann Einfluss auf die geometrische Konfiguration des von den Satelliten und Empfangsstationen aufgespannten räumlichen Netzes und

10.4 Beobachtungsgleichungen und Positionsbestimmung mit Satelliten

341

die sichere und schnelle Bestimmung der Ambiguity genommen werden. Mit zwei oder drei Trägern lassen sich die Ausbreitungseigenschaften der Signale in der Atmosphäre genauer modellieren. Die Art des Phasenvergleichsverfahrens entscheidet über die Genauigkeit der Pseudostreckenmessung und damit über die Genauigkeit der Positionsbestimmung. Aus den L1 und L2 Trägern, die z. B. von den Satelliten des GPS gesendet werden, können die Empfänger folgende Messgrößen ableiten: L1 Träger – Phase des C/A-Code codierten Trägers, – Phase des C/A-Codes, – Phase des P-Code codierten Trägers, – Phase des P-Codes; L2 Träger – Phase des P-Code codierten Trägers, – Phase des P-Codes. Mit der Anzahl der Kanäle und Träger, sowie mit der Komplexität der Steuer- und Auswertesoftware wachsen die Kosten für die Empfänger. An zwei Beispielen soll nachfolgend beschrieben werden, wie die Empfangsanlagen für unterschiedliche Aufgaben unterschiedlich ausgestattet sein können. a) Für statische und kinematische Positionierungsaufgaben höherer Präzision wählt man Empfänger, die mit einem oder mehreren Trägern Phasenmessungen ausführen können. Wendet man, wie später gezeigt wird, die relative Positionierung an [10.5], so lassen sich weitgehend unabhängig vom Abstand der Messgeräte Positionsgenauigkeiten < 2 cm erzielen. b) Für statistische und kinematische Positionierungsaufgaben geringerer Genauigkeit kann man häufig einen Empfänger einsetzen, der nur über einen Träger (z. B. L1) verfügt und die Phasenvergleichsmessungen mit dem C/A-Code ausführen kann. In Tab. 10.8 sind einige wichtige Auswahlkriterien für GPS Empfänger zusammengestellt.

10.4

Beobachtungsgleichungen und Positionsbestimmung mit Satelliten

Man unterscheidet ursprüngliche und abgeleitete Beobachtungsgleichungen. Abgeleitete Beobachtungsgleichungen entstehen durch Linearkombination ursprünglicher Beobachtungsgleichungen; durch die Linearkombination wird bereits Einfluss auf systematische Fehler genommen.

342

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren Tabelle 10.8. Beurteilungskriterien Geodätischer Satelliten-Empfänger

Gerätetyp

Geodätische GPS-Empfänger

Gerätecharakteristika

– 1 Trägerfreq.; 2 Trägerfreq.; 3 Trägerfreq. – Codemessungen; Code- u. Phasenmessungen – GPS; GPS + GLONASS – WAAS-/ EGNOS-Unterstützung – FKP- und VRS-Betrieb (s. [10.5.2.5])

– Code-differentielle Positionsgenauigkeit

Horiz. 0,25, . . . , 0,5 m +1, . . . , 2 ppm Vert. 0,50, . . . , 1,0 m +1, . . . , 2 ppm

– Diff.WAAS/EGNOS

< 5m 3 D-Position

– Static-Messungen

1,5, . . . , 20 mm +1 ppm

– Fast-Static Messungen

Horiz. 5 mm +1 ppm Vert. 10 mm +1 ppm

– Kinematische Messungen

Horiz. 10 mm +1 ppm Vert. 20 mm +1 ppm

Anzahl d. Kanäle

8 – 24

Aufdatierungensrate

0,5 – 10 s

Antenne

integriert, extern

Art der Datenübertragung im DGPS od. RTK Modus

UHF, VHF, GSM

Spezielle Informationen von

www.leica-geosystems.com

Herstellern findet man z. B.

www.trimble.com

unter

www.sokkia.com www.topcon.com

10.4.1

Ursprüngliche Beobachtungsgleichungen bei Codemessungen

Die Beobachtungsgröße für die Berechnung der Pseudoentfernung zwischen einem Satelliten und Empfänger ist bei Codemessungen die Differenz dτ zwischen der Zeit, in der vom Satelliten ein spezielles Signal gesendet wird und der, in welcher vom Empfänger dieses spezielle Signal empfangen wird. Da der Satellit und Empfänger je über eine eigene Uhr verfügen, ist im Satelliten die Zeitskala T und im Empfänger die Zeitskala t definiert (Abb. 10.21). Zusätzlich gibt es die Zeitskala τ der Zeit des

343

10.4 Beobachtungsgleichungen und Positionsbestimmung mit Satelliten

Satellitensystems (z. B. der GPS System-Zeit). Nach Abb. 10.21 gilt für die Differenz Sat. T

τa

T (τa )

τb

t (τb )

GPS τ

Empf. t

dτ = r/c τb -− τa dT

dt

Abbildung 10.21. Zeitskala der Zeit des Satellitensystems, der Satellitenuhr und der Empfängeruhr

zwischen dem Sende- und Empfangszeitpunkt dτ = t (τb ) − T (τa ),

(10.6)

dabei ist t (τb ) die der System-Zeit zugeordnete Empfangszeit und T (τa ) die der System-Zeit zugeordnete Sendezeit. Berücksichtigt man die durch Uhrenfehler im Empfänger und Satelliten hervorgerufenen Zeitunterschiede zwischen den Skalen, so kann man für (10.6) schreiben dτ = (τb − τa ) + (t (τb ) − τb ) − (T (τa ) − τa ) = (τb − τa ) + dt − dT

(10.7)

Der erste Term beschreibt die Laufzeit, welche mit der Vakuumausbreitungsgeschwindigkeit der elektromagnetischen Wellen c0 multipliziert die geometrische j Weglänge i zwischen dem Satelliten j und dem Empfänger i liefert. Der zweite und dritte Term mit c multipliziert liefert die durch die Fehler der Empfängersowie Satellitenuhr hervorgerufenen Distanzfehler. Fügt man noch weitere Fehlerterme hinzu, welche beim Durchlaufen der Ionosphäre und Troposphäre sowie durch Fehler in den Bahndaten und aufgrund instrumenteller Einflüsse entstehen, so gilt für die Pseudoentfernung (Pseudorange): j

j

j

PRi = ri = i + c(dt − dT ) + dion + dtrop + dorb + ε, mit

(10.8)

344 dt: dT : dion : dtrop : dorb : ε:

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

Fehler der Empfängeruhr, Fehler der Satellitenuhr, Distanzfehler durch Einflüsse der Ionosphäre, Distanzfehler durch Einflüsse der Troposphäre, Orbitfehler aufgrund fehlerhafter Bahndaten, zufällige Instrumentenfehler.

Mit Abb. 10.22 gilt außerdem:

1 j i = |j − Ri | = (X j − Xi )2 + (Y j − Yi )2 + (Z j − Zi )2 2 ,

(10.9)

wobei j mit den Komponenten Xj , Y j , Z j den Positionsvektor des Satelliten und Ri mit den Komponenten Xi , Yi , Zi den Positionsvektor des Empfängers in dem gleichen Koordinatensystem wiedergibt. S2

S1

i1

S3 i2

i3

S4 i4

Ni

j Z

Ri

Y X Abbildung 10.22. Positionsbestimmung durch Pseudoentfernungsmessung im Satelliten-Referenzsystem X, Y, Z

10.4.2

Positionierung mit Codemessungen

Einfache Positionsbestimmungen lassen sich bereits mit einer verkürzten Form der Gleichung (10.8) j

j

ri = |j − Ri | + c δti = i + cδti n·k ≥3+k

(10.10)

ausführen. Zeitlich werden die Messungen einer bestimmten Epoche zugeordnet. Es kann sich daher dabei um Einzelmessungen oder Mittelwerte der Messungen einer

10.4 Beobachtungsgleichungen und Positionsbestimmung mit Satelliten

345

kurzen Zeitspanne handeln. Bezeichnet man die Anzahl der beobachteten Satelliten mit n und die Anzahl der Epochen mit k, so erhält man auf einer Station n · k Beobachtungsgleichungen mit 3 + k Unbekannten; d. h. innerhalb einer Epoche hat man 4 Unbekannte, die Koordinaten (X, Y, Z)i der Position und den Uhrenfehler δti . Die Positionskoordinaten der Position i und den Uhrenfehler δti können also in jeder Einzelepoche bestimmt werden, wenn 4 Satelliten verfügbar sind (Abb. 10.22). Da bei der kinematischen Positionierung (i = konstant) der Empfänger sich kontinuierlich bewegt, müssen hier die Beobachtungen simultan ausgeführt werden. Bei der statischen Positionierung (i = konstant) braucht nicht gleichzeitig beobachtet zu werden. Theoretisch würde z. B. die Beobachtung von n = 2 Satelliten in k ≥ 3 Epochen ausreichen. Es können dann allerdings ungünstig konditionierte Gleichungssysteme entstehen, wenn die Beobachtungen zeitlich nicht weit auseinander liegen. j j Bei mehr als vier Beobachtungen ri (bzw. i ) ergibt sich folgendes System von Beobachtungsgleichungen [1.6.9] L + v = (X),

(10.11)

mit dem Unbekanntenvektor X = [Xi , Yi , Zi , δti ], der vektorwertigen Funktion (X) und dem Verbesserungsvektor v. Nach der Linearisierung des Systems an der Stelle X0 erhält man mit I = L − L0 = L − (X0 ), x = X − X0   ∂L A = ∂X

und

0

das lineare System I + v = Ax und nach der Methode der kleinsten Quadrate die bekannte Lösung x = (A A)−1 A I = QA I. Die Kofaktormatrix der Unbekannten lässt sich in folgende Submatrizen unterteilen  Q=

Qxx Qxt Qtx Qtt

 .

Die Submatrix Qxx der Koordinatenkomponenten ermöglicht die Schätzung der Positionsgenauigkeit nach σP = PDOP σI , (10.12)

346

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

wobei man das PDOP (Position Dilution of Precision) aus der Spur (= trace“) der ” Kofaktormatrix zu  PDOP = tr{Qxx } (10.13) berechnet. σI bezeichnet die Standardabweichung der gemessenen Pseudostrecke und σP die Standardabweichung der 3D-Position. Neben dem PDOP Faktor lassen sich aus der Q-Matrix noch weitere ableiten: GDOP HDOP VDOP TDOP

Geometrical Dilution of Precision (3D-Koordinaten u. Zeit), Horizontal Dilution of Precision (2D-Koordinaten), Vertical Dilution of Precision (Höhe), Time Dilution of Precision (Zeit).

Der DOP-Faktor ist ein Maß für die Güte der Konfiguration der geometrischen Figur, die von der Beobachtungsstation und den Satelliten aufgespannt wird. Die Genauigkeit der Positionsbestimmung hängt demnach noch von der geometrischen Anordnung der Satelliten ab. Bei der Beobachtung von vier Satelliten ist z. B. eine optimale Konfiguration gegeben, wenn ein Satellit im Zenit steht, die übrigen drei um 120◦ auseinander liegen und dabei möglichst niedrig im Horizont stehen. Die DOPFaktoren lassen sich aus Almanachdaten berechnen und liefern wichtige Hinweise bei der Planung der Feldeinsätze [10.6]. Eine gemessene Pseudostrecke enthält eine Vielzahl verschiedener Fehleranteile, vgl. Tab. 10.9. Der UERE (User Equivalent Range Error) fasst die Einzelfehler zu einem Gesamtfehler zusammen; benutzt wird auch die verkürzte Schreibweise URE (User Range Error). Manchmal wird der Gesamtfehler unterteilt in die Komponenten SIS (Signal in Space) URE und UEE (User Equipment Error); für SISURE findet man auch die verkürzte Form SISRE. SIS schließt nicht Einfrequenz-Ionosphärenmodelle, troposphärische Modelle, Empfängerfehler und Multipatheffekte ein. Diese Einflüsse fasst die UEE Komponente zusammen. Weitere Informationen kann man dem Dokument GPS SPS Performance Standard“ (DOD 2001) entnehmen. ” Für die Positions- und Höhengenauigkeiten gilt allgemein: (95 %, nur SIS): < 13 m

horizontal

< 22 m

vertikal.

und

In der Praxis werden allgemein höhere Genauigkeiten erzielt.

10.4.3

Ursprüngliche Beobachtungsgleichungen bei Phasenmessungen

Die Phasenmessung mit der Carrier TL (Abb. 10.19) beruht auf einer Phasensynchronisation zwischen der Phase des internen Oszillators und der Phase des empfangenen

347

10.4 Beobachtungsgleichungen und Positionsbestimmung mit Satelliten

Tabelle 10.9. Geschätzter Pseudoentfernungs-Fehlerhaushalt für GPS (nach Seeber 2003)

Segment

Fehlerquelle

(1σ )

Raumsegment

Satellitenuhr

1–2 m

Kontrollsegment

Ephemeriden Prädiktionsfehler

1–2 m

Nutzersegment

Ionosphäre (2 Frequenzen)

cm–dm

( gutes Modell)

1–2 m

(mittleres Modell)

5–10 m

(einfaches Modell)

10–50 m

Troposphäre (Modell)

dm

Multipath

1–2 m

Empfängerrauschen

0,2–1m

Hardware

dm–m

Antenne

mm–cm

j

Trägers. Die gesamte Phasendifferenz φi zwischen den Phasen des Trägersignals zum Sendezeitpunkt T und Empfangszeitpunkt t beträgt j

φi = φi (t) − φ j (T ),

(10.14)

mit φi (t): φ j (T ):

Phase des Oszillators des i ten Empfängers zur Empfangszeit t, Phase des vom j ten Satelliten zur Zeit T gesendeten Trägers.

Nach [10.3.3] Gleichung (10.4) und (10.5) kann man hierfür auch schreiben j

φi = N (t0 ) · 2π + N(t0 , t) · 2π + φ,

(10.15)

wobei es sich bei N (t0 , t) · 2π + φ = φT r um die gemessene Größe handelt. N (t0 ) ist die Anzahl der vollen Phasenzyklen zum Zeitpunkt der Synchronisation und N (t0 , t) die Anzahl der vollen Phasenzyklen seit der Synchronisation. Geht man über auf Phasenzyklen, so gilt für (10.15): j

Ni = N (t0 ) + N(t0 , t) + R

(10.16)

348

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren j

mit R = φ/2π und Ni Phasenzyklen der Pseudostrecke. Für die Beobachtungsj gleichung erhält man dann, wenn ϕi = N(t0 , t) + R die gemessene Größe in Phasenzyklen beschreibt: f j j ϕi = i − N(t0 ). c Fügt man noch, wie in (10.8) die Fehlerterme hinzu, so gilt: j

ϕi =

f j f  + f (dt − dT ) + (dtrop − dion + dorb ) − N0 + ε. c i c

Durch Multiplikation mit j

c f

(10.17)

= λ erfolgt der Übergang auf metrische Einheiten

j

ri = i + c(dt + dT ) − dion + dtrop + dorb − N0 · λ + ε.

(10.18)

Der Parameter N (t0 ) = N0 , die Mehrdeutigkeit (Ambiguity), tritt jetzt als weitere Unbekannte auf. Modell (10.18) lässt sich jedoch wie Modell (10.8) verwenden, wenn N0 zuvor bestimmt wird und sich nicht ändert. DasAuflösen der Mehrdeutigkeit erfordert eine erheblich aufwendigere Software. Bei bestimmten äußeren Einflüssen kann die eindeutige Festlegung schwierig oder nicht möglich sein. Vorteilhaft ist jedoch, dass die empfängerinternen Fehlerquellen wegen der kürzeren Wellenlänge des Trägers nur noch Millimeter betragen; vgl. auch Tab. 10.7. Wie noch später in [10.4.7 ] gezeigt wird, gibt es einen weiteren Unterschied zwischen (10.8) und (10.18): Laufzeitfehler in der Ionosphäre haben bei Code- und Phasenmessungen unterschiedliche Vorzeichen. Für eine Verkleinerung der übrigen Fehlerquellen bieten sich zwei Wege an: (a) Verfeinerung der ursprünglichen Beobachtungsgleichung durch Modellierung zusätzlicher Parameter, (b) Linearkombination der ursprünglichen Beobachtungen.

10.4.4 Abgeleitete Beobachtungsgleichungen durch Differenzbildungen von Beobachtungen und relative Positionierung Bei der relativen Positionierung bestimmt man im einfachsten Fall die Koordinaten eines Neupunktes in Bezug auf einen Referenzpunkt. Mathematisch formuliert bedeutet dies: man berechnet einen Vektor, mit dem sich durch polares Anhängen an einen Referenzpunkt P1 ein weiterer Punkt P2 festlegen lässt: x2 = x1 + a12 ⎡

mit

⎡ ⎤ x12 ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎥ ⎢ ⎥ =⎢ ⎣y2 − y1 ⎦ = ⎣y12 ⎦ ; z2 − z 1 z12 x2 − x1

a12



(10.19)

10.4 Beobachtungsgleichungen und Positionsbestimmung mit Satelliten a

349

P2

P1 Abbildung 10.23. Relative Positionierung

x1 und x2 sind Positionsvektoren. Modell (10.17) oder (10.18) dienen als Ausgangsfunktionen. Man führt jetzt jedoch nicht die absoluten Beobachtungen, sondern Beobachtungsdifferenzen in die Berechnungen ein. Als Unbekannte treten dann auf der rechten Seite der Beobachtungsgleichung nicht mehr die Koordinaten der Beobachtungsstationen, sondern die entsprechenden Koordinatendifferenzen auf. Als Ergebnis erhält man daher nicht mehr absolute Positionen, sondern Vektoren zwischen Beobachtungsstationen. Absolute Koordinaten erhält man jetzt allerdings, wenn die Vektoren an einen Referenzpunkt angehängt werden, der als bekannt vorausgesetzt wird. Die Koordinaten sind in dem WGS-84 oder ITRF [16] gegeben oder können z. B. durch eine Einzelpunktbestimmung ermittelt sein. Die Beobachtungen führt man auf benachbarten Stationen simultan aus. Durch Differenzbildung lassen sich dann all die systematischen Fehlereinflüsse weitgehend eliminieren, die gleiches Vorzeichen und gleichen Betrag haben. Die Auswirkungen der Differenzbildungen kann man einfach beschreiben, wenn man die Beziehung (10.17) oder (10.18) in folgende allgemeine Form bringt (Wells u. a. 1985): 2π j ϕ = (10.20)  + αr + β s + γrs . λ i α erfasst empfängerspezifische Einflüsse wie: Fehler der Empfängeruhr, Laufzeitschwankungen in der Troposphäre in der Umgebung des Empfängers. Die Parameter dieser Einflüsse hängen von dem Index des Empfängers und der Beobachtungsepoche ab, nicht jedoch von dem Index des Satelliten. β erfasst satellitenspezifische systematische Einflüsse wie: Fehler der Satellitenuhr, Satellitenbahnfehler, Laufzeitschwankungen in der Ionosphäre in der Umgebung des Satelliten. Die Parameter dieser Einflüsse hängen von dem Index des Satelliten und der Beobachtungsepoche ab, nicht jedoch vom Index des Empfängers. γ erfasst Satelliten/Empfänger-Paar spezifische systematische Einflüsse wie: die unbekannte ganze Anzahl der vollen Wellenlängen (Ambiguity), Fehlereinflüsse in der Tropo- und Ionosphäre. Die Parameter dieser Einflüsse hängen von dem Index des Empfängers und Satelliten ab, nicht jedoch von der Epoche. Es können nun unterschiedliche Differenzbildungen vorgenommen werden: Diese sollen durch folgende Symbole gekennzeichnet werden:

350

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

für Differenzen zwischen Messungen von einem Empfänger zu Satelliten, für Differenzen zwischen Messungen von Empfängern zu einem Satelliten, δ für Differenzen zwischen Messungen verschiedener Epochen. Es lassen sich drei Einfachdifferenzen, sechs Doppeldifferenzen und sechs Dreifachdifferenzen bilden. Die Operationen bei den Einfach- und Doppeldifferenzen und die jeweils eliminierten Einflüsse sind in Tab. 10.10 zusammengestellt (vgl. Wells u. a. 1985). Nachfolgend sollen die Differenzbildungen anhand einiger Beispiele näher erläutert werden. Tabelle 10.10. Operationen für Einfach- und Doppeldifferenzen

Einfachdifferenzen

eliminierte Fehlereinflüsse

1

ϕ → ∇(ϕ)

α

2

ϕ → (ϕ)

β

3

ϕ → δ(ϕ)

γ

Doppeldifferenzen 1

ϕ → ∇(ϕ) → ∇(ϕ)

α, β

2

ϕ → (ϕ) → ∇ (ϕ)

α, β

3

ϕ → ∇(ϕ) → δ∇(ϕ)

α, γ

4

ϕ → δ(ϕ) → ∇ δ(ϕ)

α, γ

5

ϕ → (ϕ) → δ (ϕ)

β, γ

6

ϕ → δ(ϕ) → δ(ϕ)

β, γ

(1) Relative Positionierung mit Trägerphasenmessungen (a) Einfachdifferenzen Zwei Beobachtungsstationen 1 und 2 und ein Satellit j sollen beteiligt sein (Abb. 10.24a). Mit (10.20) liegen dann folgende Beobachtungsgleichungen vor: 2π j j  + α1 + β j + γ1 , λ 1 2π j j j  2 + α2 + β j + γ 2 . ϕ2 = λ Bildet man die Differenz  beider Gleichungen, so erhält man    j 2π  j j j j 2 − 1 + α2 − α1 + γ2 − γ1 , (ϕ)12 = λ j

ϕ1 =

351

10.4 Beobachtungsgleichungen und Positionsbestimmung mit Satelliten

oder in verkürzter Schreibweise j

(ϕ)12 = j

j

2π j j  + α12 + γ12 , λ 12

j

j

j

(10.21)

j

mit 12 = [2 − 1 ], α12 = [α2 − α1 ] und γ12 = [γ2 − γ1 ]. Sj

Sj

Sk Sk

Sk

Sj

Erde 1

Sj

Erde 1

2

(a)

Erde 1

2

(b)

2

(c)

Abbildung 10.24. Beobachtungen bei der Einzel-, Doppel-, und Dreifachdifferenz

Ein Vergleich mit (10.20) zeigt, dass aufgrund der Differenzbildung die satellitenspezifischen Einflüsse β j eliminiert werden (vgl. auch Tab. 10.10). (b) Doppeldifferenzen Es wird vorausgesetzt, dass zwei Beobachtungsstationen 1, 2 und zwei Satelliten j, k beteiligt sind (Abb. 10.24b). Es lassen sich dann mit (10.21) zwei Einfachdifferenzen bilden j

2π j j  + α12 + γ12 , λ 12 2π k k  + α12 + γ12 = . λ 12

(ϕ)12 = (ϕ)k12

Nach der Differenzbildung ∇ erhält man jetzt jk

∇(ϕ)12 =

 k 2π  k j  j  − γ12 12 − 12 + γ12 λ

und wiederum bei verkürzter Schreibweise jk

∇(ϕ)12 =

2π j k jk  + γ12 , λ 12

(10.22)

352 mit

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

 k jk j  12 = 12 − 12 und

 k jk j  − γ12 . γ12 = γ12

Ein Vergleich mit (10.20) zeigt, dass bei dieser Differenzbildung die empfänger- und satellitennahen Einflüsse αi und βi beseitigt wurden (vgl. auch Tab. 10.10). Bei Einfach- und Doppeldifferenzen ist die Mehrdeutigkeit eine ganze Zahl und muss mit den Koordinaten als weitere Unbekannte geschätzt werden. Solange die Träger zwischen den einzelnen Empfängern und Satelliten nicht gestört werden, genügt die Bestimmung am Anfang. Störungen können jedoch auftreten wenn: der Satellit vorübergehend hinter einem Hindernis verschwindet, das Signal/Rausch-Verhältnis niedrig ist oder stärkere Veränderungen in der Ionosphäre auftreten. Es entstehen Phasensprünge (ganzzahlige Vielfache von 2π ), die sogenannten Cycle Slips“. Bei ” kleineren Störungen können diese korrigiert werden, bei größeren wird die Neubestimmung der Mehrdeutigkeiten notwendig. Vorwiegend werden Doppeldifferenzen bei der Ausgleichung von Netzen mit nicht sehr großen Punktabständen verwendet. (c) Dreifachdifferenzen Diese abgeleitete Beobachtungsgröße ist unempfindlich gegenüber Cycle-Slips und Mehrdeutigkeiten. Man erhält sie aus der Differenz der zu unterschiedlichen Epochen gebildeten Doppeldifferenzen. Beobachtet man zwei Satelliten von zwei Stationen aus zu unterschiedlichen Epochen t1 und t2 , so erhält man zunächst mit (10.22) zwei Doppeldifferenzen jk

2π j k jk  (t1 ) + γ12 , λ 12 2π j k jk =  (t2 ) + γ12 . λ 12

∇(ϕ(t1 ))12 = jk

∇(ϕ(t2 ))12

Die Differenz der beiden Doppeldifferenzen liefert dann jk

δ∇(ϕ(t12 ))12 =

2π j k  (t12 ), λ 12

(10.23)

mit jk

jk

jk

ϕ(t12 )12 = (ϕ(t2 ))12 − (ϕ(t1 ))12 und jk

jk

jk

12 (t12 ) = 12 (t2 ) − 12 (t1 ).

(10.24)

Vergleicht man die Modelle (10.23) und (10.20), so wird deutlich, dass nun auch die Satelliten/Empfänger-Paar spezifischen systematischen Einflüsse – wie z. B. die Mehrdeutigkeiten – beseitigt werden; das Ergebnis bleibt auch bei Phasensprüngen unverfälscht.

10.4 Beobachtungsgleichungen und Positionsbestimmung mit Satelliten

353

Im Vergleich zu Einfach- und Doppeldifferenzen weist die Dreifachdifferenz einen gewissen Informationsverlust auf. Die Positionsbestimmung ist daher ungenauer. Für manche Aufgaben mag diese Anfangslösung genau genug sein. Die Koordinaten lasen sich z. B. als Näherungskoordinaten in Ausgleichungsalgorithmen mit Einfach- oder Doppeldifferenzen verwenden. Andererseits sind Dreifachdifferenzen sehr nützlich bei der Aufdeckung und Korrektur von Cycle Slips. Bei der relativen Positionierung sind allgemein einige Besonderheiten zu beachten. Beim Bilden der Differenzen werden algebraischen Korrelationen hervorgerufen. Diese müssen bei einer strengen Ausgleichung berücksichtigt werden. Es ist außerdem eine Auswahl der zu bildenden Differenzen zu treffen, da nicht alle möglichen Differenzen linear unabhängig sind. Durch Satelliten- und Empfängeruhrfehler sowie Restfehler der atmosphärischen Korrekturmodelle und Mehrwegausbreitung werden physikalische Korrelationen hervorgerufen, die nicht einfach zu modellieren sind. (2) Relative Positionierung mit Codephasenmessungen Es ergeben sich die gleichen Modelle wie unter (1), allerdings mit dem Unterschied, dass die Bestimmung der Mehrdeutigkeiten entfällt. (3) Statische relative Positionierung Es soll allgemein vorausgesetzt werden, dass von mindestens zwei Beobachtungsstationen aus zur gleichen Zeit n gleiche Satelliten beobachtet werden können. Betrachtet man zunächst Einfachdifferenzen (10.21), so gilt für k Epochen und n Satelliten 2π j j  + α12 + γ12 λ 12 n · k ≥ 3 + k + n. j

(ϕ)12 =

(10.25)

Die Anzahl der Epochen, die benötigt wird, um die Unbekannten zu berechnen, beträgt dann 3+n . (10.26) k≥ n−1 Stehen also 4 Satelliten zur Verfügung, so braucht man k ≥ 3 Epochen und z. B. bei zwei beobachteten Satelliten k ≥ 5 Epochen. Das Bilden einer Doppeldifferenz (10.22) basiert auf zwei beobachteten Satelliten. Mit diesen können in jeder Epoche (n − 1) und in k Epochen k(n − 1) Doppeldifferenzen aufgestellt werden 2π j k jk  + γ12 λ 12 k(n − 1) ≥ 3 + (n − 1) jk

∇(ϕ)12 =

(10.27)

354

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

Die notwendige Anzahl der Epochen für die Berechnung der Unbekannten beträgt hier n+2 k≥ . (10.28) n−1 Bei vier sichtbaren Satelliten benötigt man folglich mindestens zwei Messepochen. Um beim Aufstellen der Doppeldifferenzen linear unabhängige Gleichungen zu bekommen, müssen die Differenzen in Bezug auf einen Referenzsatelliten gebildet werden. Wenn z. B. die Satelliten 2, 13, 16 und 19 genutzt werden, lassen sich die Doppeldifferenzen (13 − 2), (16 − 2) und (19 − 2) formulieren. Zur Bildung der Dreifachdifferenz (10.23) beobachtet man mindestens zwei Epochen. Mit k Epochen kann man (k−1) linear unabhängige Kombinationen aufstellen. Für n beobachtete Satelliten gilt 2π j k  (t12 ) λ 12 (k − 1)(n − 1) ≥ 3 jk

δ∇(ϕ(t12 ))12 =

und k≥

(10.29)

n+2 . n−1

(10.30)

Bei n = 4 sichtbaren Satelliten werden k ≥ 2 Epochen benötigt. (4) Kinematische relative Positionierung Während der kinematischen Positionierung bleibt der Empfänger auf der Position 1 fest stehen und der auf der Station 2 bewegt sich. Es gilt somit für die geometrische Entfernung vom Empfänger zum Satelliten beim feststehenden Empfänger  j 1 (t) = (x j (t) − x1 )2 + (y j (t) − y1 )2 + (zj (t) − z1 )2 und beim bewegten Empfänger  j 2 (t) = (x j (t) − x2 (t))2 + (y j (t) − y2 (t))2 + (zj (t) − z2 (t))2 . In jeder Epoche sind drei Empfängerkoordinaten unbekannt. Bei Trägerphasenmessungen gilt nun für Einfach-, Doppel und Dreifachdifferenzen nach (10.25), (10.27) und (10.29) • Einfachdifferenzen

n · k ≥ 3k + k + n → k ≥

• Doppeldifferenzen

k(n − 1) ≥ 3k + n − 1 → k ≥

• Dreifachdifferenzen

(k − 1)(n − 1) ≥ 3k → k ≥

n n−4 n−1 n−4 n−1 n−4 .

(10.31)

10.4 Beobachtungsgleichungen und Positionsbestimmung mit Satelliten

355

Es gibt keine Lösungen für k = 1. Für den Fall, dass die Mehrdeutigkeiten bekannt sind, liegen jedoch die Lösungen für folgende Anzahl sichtbarer Satelliten vor • Einfachdifferenz n≥4 • Zweifachdifferenz n ≥ 4 • Dreifachdifferenz n ≥ 4.

(10.32)

Für Dreifachdifferenzen gilt dies jedoch nur, wenn die Koordinaten des bewegten Empfängers beim Start bekannt sind. Die dritte Ungleichung in (10.31) hat dann nämlich die Form: (k − 1)(n − 1) ≥ 3k − 3. Bei Codephasenmessungen gelten grundsätzlich die in (10.32) zusammengestellten Beziehungen, da hier das Problem der Lösung der Mehrdeutigkeiten nicht gegeben ist.

10.4.5 Abgeleitete Beobachtungsgleichungen durch Linearkombinationen von Phasenmessungen mit verschiedenen Trägerwellen Werden mit Trägerwellen unterschiedlicher Frequenzen fi simultan Phasenmessungen ausgeführt, so können Linearkombinationen der Messsignale gebildet werden, die in Bezug auf frequenzabhängige Eigenschaften (Wellenlänge, Einfluss der Ionosphäre, Messrauschen) teilweise günstigere Eigenschaften aufweisen als die ursprünglichen Signale. Wie (Wübbena 1991) zeigt, werden Linearkombinationen aus Phasenmessungen mit zwei Trägerwellen nach ϕn,m = nϕ1 + mϕ2

(10.33)

gebildet, wobei ϕ1 , ϕ2 die Phasenmessungen mit den Frequenzen f1 und f2 bzw. mit den Trägern L1 und L2, n, m die Linearkoeffizienten und ϕn,m die aus der Linearkombination hervorgehende Phasenmessung bedeuten. Wichtige Beurteilungskriterien für Linearkombinationen sind: – Die Ganzzahligkeit der Mehrdeutigkeit; sie wird erreicht, wenn n und m ganzzahlig sind. Die Mehrdeutigkeit der Linearkombination berechnet sich nach Nn,m = nN1 + mN2

(10.34)

mit N1 und N2 , den Mehrdeutigkeiten der Einzelsignale. – Die Wellenlänge λn,m des neuen Signals λn,m = c0 /(n · f1 + m · f2 ).

(10.35)

356

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

Mehrdeutigkeitslösungen werden vereinfacht, wenn λn,m größer wird. – Der ionosphärische Einfluss auf die Koordinatenlösung; dieser wird durch den ionosphärischen Verstärkungsfaktor VI,n,m beschrieben: VI,n,m =

(nf2 + mf1 ) . (nf1 + mf2 )

(10.36)

– Die Stärke des Messrauschens, ausgehend von 0,1 rad (ICD-GPS-200 1997) unkorreliertem Phasenrauschen der Originalbeobachtungen. Sie hilft die Qualität der Koordinatenbestimmungen zu beurteilen: σn,m = λn,m ·



n2 + m2 · 0, 1/2π.

(10.37)

Tab. 10.11 gibt einen Einblick in die Eigenschaften einiger linearkombinierter Signale, welche für die genauere Positionsbestimmung von Bedeutung sind. Tabelle 10.11. Eigenschaften einiger Linearkombinationen von Trägerphasen

Signal

n

m

λ [cm]

VI

σ [cm]

Originalsignal Originalsignal

L1 L2

1 0

0 1

19,0 24,4

0,779 1,283

0,30 0,39

Widelane

LW, L5

1

−1

86,2

−1,000

1,94

Narrowlane

LN

1

1

10,7

1,000

0,24

quasi frei vom Einfluss der Ionosphäre L97

9

−7

5,4

0,004

0,97

starker Einfluss der Ionosphäre

L79

−7

9

kein Einfluss der Ionosphäre

L0, L3

77

−60

0,6

0,0

0,98

starker Einfluss der Ionosphäre

LI, ∼ L4 −60

77







1465,3 273,000 265,89

Das von Einflüssen der Ionosphäre freie Signal L0 kann man bei größeren Punktabständen für Positionierungsaufgaben benutzen, d. h. bei Punktabständen, wo die in [10.4.4] beschriebenen Differenzbildungen nicht mehr wirksam sind. Wegen der kurzen Wellenlänge von L0 ist allerdings die Mehrdeutigkeitsbestimmung

10.4 Beobachtungsgleichungen und Positionsbestimmung mit Satelliten

357

problematisch. Ein Lösungsweg ist jedoch gegeben, wenn man zunächst die Mehrdeutigkeit von L1 und L2 löst und dann die von L0 nach (10.34) berechnet. Die Widelane LW eignet sich bei ihrer relativ großen Wellenlänge besonders für Mehrdeutigkeitslösungen. Wegen des hohen Messrauschens eignet sich LW jedoch nicht für Koordinatenberechnungen. Die Narrowlane LN eignet sich wegen des geringen Messrauschens besonders für Koordinatenberechnungen. Wenn die Mehrdeutigkeiten gelöst sind und der Einfluss der Ionosphäre gering ist, erhält man sehr genaue Koordinaten. Bei stärkerem ionosphärischem Einfluss kann es vorteilhaft sein, mit dem Signal L97 Mehrdeutigkeitslösungen durchzuführen. Dies Signal ist quasi frei von ionosphärischen Einflüssen. Bei kurzen Punktabständen – d. h. bei vernachlässigbarem ionosphärischem Einfluss – eignet sich Signal L79 wegen der relativ großen Wellenlänge für Mehrdeutigkeitsbestimmungen. Dieser Ansatz wird besonders bei kinematischen und kurzzeitig statischen Messungen verwendet. Die Signale L0 bzw. L3 und L97 eignen sich, Fehlerkomponenten zu bestimmen, welche durch Fehler in den Satellitenbahnen und durch den Einfluss der Troposphäre auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Signale entstehen. Die Signale LI und L4 kann man verwenden, Fehlerkomponenten zu bestimmen, die durch den Einfluss der Ionosphäre auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit hervorgerufen werden. Das Schätzen dieser Fehlerkomponenten ist bei Positionsbestimmungen in geodätischen Netzen mit permanent arbeitenden Referenzstationen von besonderer Bedeutung [10.5.2.5].

10.4.6

Linearkombinationen von Phasen- und Codemessungen

Die weniger genau gemessenen Codephasen können durch eine Kombination mit gemessenen Trägerphasen Genauigkeitssteigerungen erfahren. Diese Verfahren kommen insbesondere in einfacheren Empfängern zum Einsatz. Ein solches Verfahren soll nachfolgend kurz beschrieben werden. Mit jeder zur Epoche ti durch Codesignale bestimmten Pseudoentfernung r(ti ) kann ein Schätzwert der Codepseudoentfernung zum Zeitpunkt t1 nach r(t1 )i = r(ti ) − (ti , t1 ) · λ/2π

(10.38)

berechnet werden, wenn man zusätzlich die in der Zeitspanne ti − t1 aufaddierten Phasenänderungen (ti , t) des Trägers berücksichtigt. Für n Epochen gilt dann 1 r(t1 )i . n n

r(t1 )m =

(10.39)

i=1

Für jeden beliebigen Zeitpunkt ti erhält man dann folgende geglättete Pseudoentfernung (10.40) r(ti )sm = r(t1 )m + (ti , t1 ) · λ/2π.

358

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

Der Vorteil des Verfahrens beruht auf der Glättung der am Anfang gemessenen Pseudoentfernungen. Weitere Modellentwicklungen findet man z. B. in (HofmannWellenhof u. a. 2001).

10.4.7

Ergänzungen zur Modellbildung

(1) Einfluss der Ionosphäre und Troposphäre Die Satellitensignale durchlaufen auf ihrem Weg zum Empfänger die Ionosphäre und die Troposphäre [2.1.1]. Die Troposphäre ist praktisch ein neutrales Gas mit sehr schwacher Ionisation10 und einem nur sehr wenig von 1 abweichenden Brechungsindex, die Ionosphäre dagegen ist ein viel stärker ionisiertes Plasma äußerst geringen Drucks, wo Brechungsindex-Werte zwischen 0 und 1 auftreten können. Vereinfacht zeigt Abb. 10.25 den Aufbau der Atmosphärenschichten und das Signalverhalten; es treten unterschiedliche Ausbreitungsgeschwindigkeiten auf und die Signalwege sind verschieden gekrümmt. Satellit

n=1

kürzeste Verbindung Ionosphäre

n1 Troposphäre

Empfänger Erde

Abbildung 10.25. Wellenausbreitung zweier Signale L1 und L2 unterschiedlicher Frequenzen

Die Troposphäre wurde bereits in [4.3.6] mit ihrer Bedeutung für die Distanzmessung kurz beschrieben. Sie ist für Signale im GHz-Bereich – dazu gehören auch die GPS Trägerwellen L1 und L2 – kein dispersives Medium. Der Brechungsindex der Luft kann folglich als Funktion der meteorologischen Parameter beschrieben werden. Die Auswirkung δr des Brechungsindexes auf die gemessene Entfernung erhält man durch Integration über den gesamten Ausbreitungsweg vom Empfänger 10 Ionisation: Wegreißen eines Elektrons aus einem Atom oder Molekül. Es entstehen positive und

negative Ladungsträger. Ursachen sind: Strahlung, hohe Temperatur, Elektronenstoß.

10.4 Beobachtungsgleichungen und Positionsbestimmung mit Satelliten

359

R bis zum Satelliten S δrT =

S

(n − 1) ds = 10

−6

R



S

N ds.

(10.41)

R

Das Integral lässt sich lösen, wenn der Brechungsindex (bzw. die Brechzahl) längs desAusbreitungsweges bekannt ist. Da mit normalemAufwand die meteorologischen Messwerte (T , p, e) entlang des Signalweges nicht messbar sind, ist man auf Modelle angewiesen, die diese Werte als Funktion der Höhe beschreiben. Es hat sich als sinnvoll erwiesen, für Modellbildungen die Gleichung (4.30) der Brechzahl in einen trockenen (dry) und feuchten (wet) Anteil aufzuspalten NM = Nd + Nw = 77,6

P e + 77,6 · 4810 2 . T T

(10.42)

Der trockene Anteil Nd lässt sich mit einfachen Modellen genau erfassen. Im Zenit betragen die Distanzkorrekturen in mittleren Breiten etwa 2, 3 m. Die Modellierungsgenauigkeit liegt etwa bei 1% und besser (Hartmann, Leitinger 1984). Der feuchteAnteil Nw ist schwieriger modellierbar, da sich die räumliche und zeitliche Verteilung des Partialdrucks des Wasserdampfes nur sehr unsicher bestimmen lässt. Für Beobachtungen zum Zenit beträgt die Genauigkeit der Entfernungskorrektur etwa 22%. Dies beeinflusst jedoch die Gesamtkorrektur normalerweise nur unwesentlich, da die Wirkung des feuchten Anteils in der Regel nur etwa 10% von dem Einfluss des trockenen Anteils ausmacht (Abb. 10.26). Für das Höhenprofil der Brechzahl stehen empirische Modelle zur Verfügung, die sich mit Oberflächenwerten berechnen lassen. Hier sei das von Hopfield (1969, 1971) erwähnt. Für den trockenen und feuchten Anteil fand sie nach umfangreichen Beobachtungsreihen einen exponentiellen Ansatz 

hi − h Ni (h) = Ni (O) hi

4 ,

i = d, w.

(10.43)

Ni (O) ist die nach (10.42) berechnete Brechzahl an der Oberfläche und h die Höhe über der Oberfläche. hd berechnet sich nach hd = 40 136 + 148,72 (T − 273,16) und für hw wird der Mittelwert hw = 11 000 m angenommen. Typische Höhenprofile für Nd und Nw zeigt Abb. 10.27. Die Integration von (10.41) längs des gekrümmten Weges führt man mit vereinfachten Annahmen durch. Von Hopfield (1971) stammt folgende Lösung δrT =

Kd sin(E 2 + 6,25)

1 2

+

Kw 1

sin(E 2 + 2,25) 2

,

(10.44)

360

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

40

Höhe [km]

30 Distanzfehler [m] 25

20

20 15 10

Nd

Wirkung von Nd

10

Wirkung von Nw

5 0

Nw 0

15 30 45 60 75 90 Höhenwinkel [˚]

100 200 Brechzahl N

Abbildung 10.26. Wirkung des trockenen und nassen Anteils des Brechungsindexes auf Distanzfehler in Abhängigkeit von dem Höhenwinkel vom Empfänger zum Satelliten

Abbildung 10.27. Höhenprofil der Brechzahlen des trockenen und feuchten Anteils

mit Kd = 155,2 · 10−7

p hd , T

Kw = 155,2 · 10−7

4810e hw . T2

E bezeichnet den Höhenwinkel vom Beobachter zum Satelliten in Grad [◦ ]. Für die Beobachtungsstationen repräsentative meteorologische Daten lassen sich wegen der zeitlichen und räumlichen Änderungen des meteorologischen Feldes nur unsicher bestimmen. Die Auswertung erfolgt daher in der Praxis allgemein nicht mit gemessenen meteorologischen Daten sondern mit solchen einer Standardatmosphäre. Eine Standardatmosphäre lässt sich aufbauen, indem man Referenzwerte für den Luftdruck, die Temperatur und den Partialdruck des Wasserdampfes in Meereshöhe definiert und dann die Höhe als Variable nutzt, um dort die meteorologischen Daten zu berechnen. Oberhalb der Troposphäre liegen die Tropopause und die Stratosphäre, wobei die letztere bis 50 km Höhe reicht. Da diese Schichten nur einen sehr geringen Einfluss auf die Laufzeit haben, werden sie nicht besonders beschrieben. Die Ionosphäre erstreckt sich von 50 km bis etwa 1000 km Höhe. Sie ist starken räumlichen und zeitlichen Schwankungen unterworfen; vereinfacht kann man sie sich als Gasglocke vorstellen, die die Erde dem Sonnenstand folgend umkreist. Am Mittag ist die Ionosphäre ausgeprägter als in der Nacht und in niederen Breiten ist sie stärker ausgebildet als in gemäßigten oder hohen. Es treten weitere Schwankungen

10.4 Beobachtungsgleichungen und Positionsbestimmung mit Satelliten

361

im Zusammenhang mit der Sonnenaktivität auf. Ein Erkennungsmerkmal für die Aktivitäten ist dieAnzahl der Sonnenflecken, die eine Periode von 11 Jahren aufweist. Die Ionosphäre ist für Signale im GHz-Bereich ein dispersives Medium, d. h. ihre Ausbreitungsgeschwindigkeit ist frequenzabhängig. Der Phasenbrechungsindex berechnet sich nach K (10.45) nPh = 1 − 2 Ne , f und für den Gruppenbrechungsindex gilt nGr = 1 +

K Ne f2

(10.46)

mit K = 40,3 (empirischer Wert), f = Trägerfrequenz [Hz], Ne = Elektronendichte [el/m3 ]. Folglich hängt der Brechungsindex von der Elektronendichte längs desAusbreitungsweges ab. Der Phasen- und Gruppenbrechungsindex haben den gleichen Betrag aber ein umgekehrtes Vorzeichen. Die Auswertung des Integrals (10.41) in der Ionosphäre mit (10.45) und (10.46) liefert die Distanzfehler 40,3 · TEC f2 40,3 = − 2 · TEC f

δrGr = +

(10.47)

δrPh

(10.48)



mit TEC =

Ne ds.

(10.49)

Der Ausdruck TEC (Total Electron Content) hat die Dimension [el/m3 ] und beschreibt die Menge der freien Elektronen, die in einer Säule vorhanden sind, welche sich mit der Grundfläche von 1 m2 vom Empfänger bis zum Satelliten erstreckt. Die Distanzabweichungen sind proportional zur Menge der freien Elektronen und haben für Gruppensignale bzw. monochromatische Signale entgegengesetzte Vorzeichen. Die Beziehungen (10.47) und (10.48) gelten für die Richtung zum Zenit; in Richtung zum Horizont sind ihre Werte etwa um den Faktor drei größer. Durch Schwankungen der Elektronendichte längs des Signalausbreitungsweges können Distanzfehler bis zu 100 m entstehen. Bei Phasenmessungen verursachen kurzperiodische Vorgänge Cycle Slips oder die Signalverbindung kann verloren gehen.

362

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

Da es sich bei der Ionosphäre um ein völlig inhomogenes Medium mit örtlichen und lang- sowie kurzzeitigen unregelmäßigen Veränderungen handelt, sind Modellbildungen komplex. Wirkungsvoll sind Modelle, die auf dem Dispersionseffekt aufbauen. Ist r die gemessene Distanz,  die wahre, und setzt man 40,3 · TEC = a so gilt: rL1 =  +

a , f12

rL2 =  +

a . f22

(10.50)

Auflösen beider Beziehungen nach a und Gleichsetzen führt zu der Gleichung =

f12

r − 2 L1

f12 − f2

f22 f12 − f22

rL2 .

(10.51)

Durch eine spezielle Linearkombination von Phasenmessungen lässt sich demnach eine abgeleitete Beobachtung formulieren, die praktisch frei ist von Einflüssen der Ionosphäre [vgl.10.4.5]. Die Zusammenhänge gelten für Phasen- und Codemessungen. Für Einfrequenzempfänger gibt es andere Möglichkeiten. Ein sehr einfaches Modell beschreibt beispielsweise den Verlauf der Störungen durch eine Funktion, die während der Nacht einen konstanten Wert hat und am Tag einer cos-Funktion folgt. Durch einen solchen Ansatz sollen die Fehlereinflüsse zumindest um 50% reduziert werden. (2) Fehler der Satellitenuhr und der Empfängeruhr Obwohl es sich bei den Satellitenuhren um hochwertige Atomuhren (Genauigkeitsklasse 10−12 , . . . , 10−13 ) handelt, driften diese geringfügig. Abb. 10.28 zeigt an einem typischen Beispiel, wie sich die Zeit einer Satellitenuhr von der System-Zeit unterscheiden kann. Das Verhalten einer Satellitenuhr lässt sich für hohe Genauigkeitsansprüche durch ein Polynom 2. oder höherer Ordnung erfassen (Seeber 2003). Die sich linear mit der Zeit ändernde GPS System-Zeit gewinnen die Kontrollstationen der Satellitensysteme durch Mittelbildung der Zeiten, die an einer Gruppe von Atomuhren abgelesen werden. Die Abweichungen der Empfängeruhr lassen sich ähnlich darstellen. (3) Relativistische Effekte Geringe Frequenzabweichungen treten noch durch zwei relativistische Effekte auf: ein Effekt entsteht durch die unterschiedlichen Schwerebeschleunigungen im Bereich des Satelliten und des Nutzers, ein anderer durch unterschiedliche Geschwindigkeiten der Nutzer in bezug auf das Satelliten-Referenzsystem. Beide Effekte sind von dem Standort des Nutzers abhängig.

363

10.5 Methoden der Punktbestimmung in der Praxis Uhrenablesung

GPS System-Zeit t

Zeit des Satelliten j Cj (t) = t + t Cj (t0 )

t0

t wahre System-Zeit

Abbildung 10.28. Zeitabweichung einer Satellitenuhr gegenüber der GPS System-Zeit

(4) Bahnfehler Bahnfehler werden im wesentlichen durch unkorrekt modulierte Oberflächenkräfte am Satelliten hervorgerufen. Dies sind: atmosphärische Reibung und Strahlungsdruck der Sonne. Die Einflüsse sind zeitabhängig und schwer vorhersagbar. Es überlagern sich außerdem Unsicherheiten des verwendeten Schweremodells und der Koordinaten der Bahnvorhersagestationen. Laut Tab. 10.9 betragen die Bahnfehler z. B. für GPS Satelliten, wenn der Standard Positioning Service (SPS) in Anspruch genommen wird, ca. 1–2 m. Für hochgenaue Netzauswertungen kann man genauere Ephemeriden von zivilen Diensten erhalten, wie z. B. dem IGS (International GPS Service for Geodynamics) [16.4.3]. Die Auswirkungen der Bahnfehler auf Basismessungen lassen sich durch eine Faustformel schätzen: Bahnfehler wirken sich im Verhältnis der Basislänge zur Satellitenhöhe auf die Basis aus. Beispiel: Bahnfehler von 20 m übertragen sich bei einer 20 km Basis und einer Satellitenhöhe von 20000 km im Verhältnis 1 : 1000, d. h. sie erzeugen einen Fehler von ±2 cm.

10.5

Methoden der Punktbestimmung in der Praxis

Man kann nach [10.4] zwischen folgenden Auswertemodellen unterscheiden: – der absoluten Punktbestimmung und – der relativen Punktbestimmung. In den einzelnen Auswertemodellen üben die einzelnen Fehlerquellen des Satelliten, der Atmosphäre und des Empfängers unterschiedliche Einflüsse auf das Ergebnis aus. Bei Messungen auf einer oder unterschiedlichen Stationen ist dabei zu beachten:

364

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

(a) Bestimmte Fehlerkomponenten sind in Abhängigkeit von dem Stationsabstand miteinander korreliert; der Grad der Korrelation verringert sich mit zunehmendem Stationsabstand. (b)Andere Fehlerkomponenten sind bei Wiederholungsmessungen in Abhängigkeit von der Zeit miteinander korreliert; der Grad der Korrelation verringert sich bei größeren Zeitdifferenzen. (c) Bei einer dritten Gruppe treten keine Korrelationen in Abhängigkeit vom zeitlichen oder vom räumlichen Abstand auf. Fehler des Typs (a) werden z. B. durch Fehler der Bahndaten oder Einflüsse der Ionosphäre und Troposphäre auf die Laufzeit der Signale hervorgerufen. Die Einflüsse auf die Positionsbestimmung lassen sich z. B. herabsetzen, wenn anstelle von absoluten Koordinaten Koordinatendifferenzen bestimmt [10.4.4] und nach [10.4.5] sowie [10.4.7] Modellverfeinerungen einbezogen werden. Fehler des Typs (b) können z. B. durch Abweichungen der Empfängeruhr aber auch durch Einflüsse hervorgerufen werden, die auch für Typ (a) gelten. Die Einflüsse auf die Positionsbestimmung lassen sich z. B. herabsetzen, wenn nach bestimmten Zeitabständen, nach denen der Grad der Korrelation nur noch gering ist, Wiederholungsmessungen ausgeführt werden und anschließend Koordinaten durch Mittelbildung entstehen; dies kann jedoch zeitraubend sein. Ein solcher Nachteil lässt sich vermeiden, wenn Messungen simultan ausgeführt und z. B. Koordinatendifferenzen gebildet werden. Fehler des Typs (c), welche z. B. durch das Messrauschen des Empfängers hervorgerufen werden, lassen sich durch Mittelbildung über eine bestimmte Zeitspanne verringern.

10.5.1 Absolute Positionierung mit einem Empfänger Dieses Verfahren ist durch Abb. 10.22 beschrieben. Es lassen sich für die Positionsberechnung die Beobachtungsgleichungen (10.8) oder (10.18) verwenden [10.4.1, 10.4.3]. Die Koordinatenschätzung mit Hilfe eines Ausgleichungsverfahrens wurde bereits in [10.4.2] beschrieben. Handelt es sich um die Positionsbestimmung eines beweglichen Punktes (kinematische Positionierung), so kann man bei größeren Geschwindigkeiten jeweils für eine Positionsfestlegung nur eine oder eine begrenzte Anzahl von Messungen zu jedem identifizierten Satelliten ausführen, da während der Messzeit möglichst keine Positionsänderungen auftreten sollen. Die einzelnen Fehlerquellen wirken sich dann nahezu vollständig aus. Die Unsicherheiten bei der Positionsbestimmung sind < 13 m und bei der Höhenbestimmung < 22 m [vgl.10.4.2]. Bei der Positionsbestimmung eines feststehenden Punktes (statische Positionierung) kann man Wiederholungsmessungen über einen größeren Zeitraum ansammeln und durch Mittelbildungen Genauigkeitssteigerungen hervorrufen.

365

10.5 Methoden der Punktbestimmung in der Praxis

Genauigkeitssteigerungen erzielt man außerdem, wenn die in [10.4.7] beschriebenen Einflüsse durch Modellverfeinerungen in den Beobachtungsgleichungen berücksichtigt werden. Genauigkeiten von etwa 1 m sind möglich. Weitere Genauigkeitssteigerungen stellen sich ein, wenn die Berechnungen mit phasengeglätteten Codemessungen ausgeführt werden [10.4.6].

10.5.2

Relative Positionierung mit zwei oder mehreren Empfängern

Im Unterschied zu den in [10.5.1] beschriebenen Verfahren werden jetzt eine oder mehrere Referenzstationen einbezogen, deren Koordinaten in dem Referenzrahmen des Satellitensystems (z. B. ITRF, ETRF, WGS 84, . . . ) gegeben sind (Abb. 10.29). Höhere Genauigkeiten erzielt man, wenn z. B. die in [10.4.4] abgeleiteten Beobach-

Satellitensegment

Kontrollsegment

Nutzersegment

Referenzstationssegment

Abbildung 10.29. Segmente des Satellitensystems und Referenzstationssegmente

tungsgleichungen oder andere auf Beobachtungsdifferenzen beruhende Verfahren zum Einsatz kommen und zunächst Koordinatendifferenzen als Parameter bestimmt werden, die dann über eine Transformation in Absolutkoordinaten überführt werden. Hierfür können vom Referenzstationssegment je nach Anforderungen unterschiedliche Datensätze für die Auswertungen zur Verfügung gestellt werden. Diese Datensätze können aus folgenden Datentypen zusammengestellt werden: (a) Positionskorrekturen: Differenzen (x, y, z bzw. ϕ, λ, h) von Koordinaten einer Referenzstation, die einerseits aus neuen Messungen zu Satelliten hergeleitet und andrerseits schon a priori bekannt sind. (b) Distanzkorrekturen: hergeleitet aus neu gemessenen Distanzen zu Satelliten und solchen, welche aus gegebenen Koordinaten einer Referenzstation und von Satellitenpositionen berechnet werden; zu unterscheiden sind Korrekturen aus Codeund Trägerphasenmessungen.

366

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

(c) Auf einer Referenzstation durchgeführte Code- und Trägerphasenmessungen. (d) In einem Referenzstationsnetz flächenhaft interpolierbare Korrekturdaten. (e) Datensätze, die über eine Zeitspanne auf mehreren Referenzstationen gemessen wurden und dem Post-Processing dienen sollen. Mit dem Datentyp (a) lassen sich einfache Positionierungsverfahren entwickeln. Diese sind jedoch nicht sehr flexibel, man kann sie nur bei kleineren Punktabständen einsetzen und auf der Referenz- sowie Rover-Station müssen Messungen zu gleichen Satelliten ausgeführt werden. Für etwas anspruchsvollere differentielle Verfahren mit Metergenauigkeit reicht es aus, Korrekturdaten für die Codemessungen jedes auf der Referenzstation empfangenen Satelliten mit einer Datenrate von 3 – 5 s zu übermitteln (Datentyp b). Für Verfahren besser als 10 cm werden in der Regel im Sekundentakt Daten von Trägerphasen- und Codemessungen übertragen (Datentyp c). Weitere Genauigkeitssteigerungen und größere Reichweiten erzielt man, wenn Korrekturdaten flächenhaft interpoliert werden können (Datentyp d) oder gar Originaldaten ausgetauscht werden können (Datentyp e). Mit steigender Genauigkeit erhöhen sich die Anforderungen an das Übertragungsformat und das Übertragungsmedium. Allgemein gilt [2.4]: – je niedriger die Übertragungsfrequenz, je höher die Reichweite, – je höher die Übertragungsfrequenz, um so höher kann die Bandbreite des Übertragungskanals und die Datenrate gewählt werden, – Übertragungssysteme mit hoher Frequenz und kurzer Reichweite sind kostensparender als solche mit niedriger Frequenz und großer Reichweite. 10.5.2.1 Datenformate und Datenübertragung Für die Auswertungen benötigt man die Daten der Referenzstationen und der Neupunkte. Je nachdem, ob die Auswertung im Post-Processing oder on-line erfolgen soll, wählt man unterschiedliche Datenformate. Die zwei wichtigsten Formate sind: RINEX für Post-Processing oder nahezu on-line-Verfahren und RTCM für Echtzeitbzw. on-line-Verfahren. Bei RINEX handelt es sich um ein empfängerunabhängiges Format, welches nahezu für alle Auswerte-Softwaresysteme genutzt werden kann. Für Empfänger mit anderen Datenformaten existieren normalerweise Übersetzungsprogramme. RINEX Daten können per Internet, Telefon oder mit einer CD Rom zum Auswertezentrum übertragen werden. Das RINEX Basisformat besteht aus drei ASCII File Typen, dem 1. Beobachtungs-Daten-File, 2. meteorologische Daten-File und 3. Navigations-Daten-File.

10.5 Methoden der Punktbestimmung in der Praxis

367

Drei Typen von Beobachtungsdaten werden definiert: die Zeit, Pseudoentfernungen und Trägerphasen. Weitere Details findet man z. B. in (Gurtner 2001). Bei Echtzeitanwendungen kann normalerweise nicht das gesamte Datenset von der Referenzstation zu dem Empfänger (dem Rover) gesendet werden, da die Kapazität der Übertragungskanäle begrenzt ist. Stattdessen werden auf der Referenzstation die Daten vorausgewertet und dann zum Nutzersegment gesendet. Die hierfür von dem Special Committee 104 of the Radio Technical Commission for Marine Ser” vises“ entwickelten RTCM Formate sind heute international anerkannt und werden von nahezu allen Empfängerherstellern akzeptiert (siehe www.rtcm.org). Mit dem Korrekturdatenformat RTCM 2.0 (von 1990) war bereits die Übertragung von Pseudostrecken- und Pseudogeschwindigkeits-Korrekturen für jeden auf der Referenzstation sichtbaren Satelliten möglich, was den Aufbau von Differentiellen Positionierungsverfahren mit Genauigkeiten von wenigen Metern und besser zuließ. Die Korrekturen werden für jeden Satelliten aus dem Vergleich gemessener Pseudostrecken mit den aus bekannten Koordinaten der Referenzstation und der Satelliten berechneten abgeleitet. Auf der mobilen Station werden die dort gemessenen Pseudostrecken mit den Streckenkorrekturen verbessert. Diese Informationen sind mit 1200 bps übertragbar. Das Format RTCM 2.1 (von 1994) lässt zusätzlich die Übertragung von Trägerphasenmessungen zu. Dies ermöglicht jetzt sehr schnelle Lösungen der Trägerphasenmehrdeutigkeit durch On-The-Fly (OTF)-Algorithmen, d. h. die Bestimmung von Mehrdeutigkeiten ist so auch während der Bewegung des Rovers gegeben. Die Formate RTCM 2.2 und RTCM 2.3 bringen interessante Weiterentwicklungen. Tabelle 10.12 zeigt einen Ausschnitt aus dem RTCM 2.3 Format. Einige wesentliche Neuerungen sind die Übertragung – von Differential GLONASS-Korrekturen, – einer Zeitinformation zur Unterstützung der Datenaufzeichnung, – von Datums- und Transformationsparametern. Der Datentyp 59 ist kein vom RTCM-Komitee festgelegter Standard. Er ist das Ergebnis einer Absprache der Hersteller verschiedener Positionsempfänger und dient der Übertragung von Flächenkorrekturparametern [10.5.2.5]. Mit den Formaten 2.2 und 2.3 sind alle Voraussetzungen gegeben, differentielle Positionierungsverfahren mit 1 – 2 cm Genauigkeit für Distanzen < 10 km aufzubauen. Mit dem Format RTCM 3.0 können Korrekturdaten übertragen werden, die in Referenzstationsnetzen in einer Zentrale ermittelt werden. Die Übertragung dieser Daten ermöglicht differentielle Positionierung über Punktabstände > 10 km mit 1 – 2 cm Genauigkeit. Auf die Eigenschaften der Übertragungsmedien wurde bereits in [2.4] eingegangen.

368

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren Tabelle 10.12. Ausschnitt aus dem RTCM 2.3 Format

Message-Typ

Status

Bezeichnung

1

fest

DGPS-Korrekturen

2

fest

DGPS-Korrekturänderungen

3

fest

GPS-Referenzstations-Parameter

18

fest

RTK unkorrigierte Trägerphasen

19

fest

RTK unkorrigierte Pseudostrecken

20

versuchsweise

RTK Trägerphasen-Korrekturen

21

versuchsweise

RTK/Hochpräzise Pseudostrecken Korrekturen

31

versuchsweise

Differentielle GLONASS-Korrekturen

32

versuchsweise

Differentielle GLONASS tionsparameter

37

versuchsweise

GNSS System-Zeit Offset

59

fest

Referenzsta-

Proprietary message, nutzerdefinierte Formate

10.5.2.2 Statische relative Positionierung, Grundnetze und Netzverdichtungen Bei diesen Beobachtungsmethoden bleiben die Empfänger eine längere Zeit (einige Minuten bis Stunden) über der Messstation aufgebaut. Die Auswertung erfolgt im Post-Processing. Es handelt sich vorwiegend um ein Verfahren für größere Punktabstände und hohe Genauigkeitsanforderungen. Man benötigt mindestens einen Referenzpunkt. Die Beobachtungszeiten sind vom Abstand der Messpunkte abhängig. Die Mehrdeutigkeitsparameter werden mit den übrigen Parametern in einer gemeinsamen Ausgleichung geschätzt. Längere Messzeiten sind bei größeren Punktabständen notwendig, um ausreichend Informationen für die Rundung der Mehrdeutigkeitsparameter auf ganze Zahlen zu sammeln. Bei ausreichend langen Beobachtungszeiten lassen sich auch dann hohe Positionsgenauigkeiten erzielen, wenn bei größeren Stationsabständen die Mehrdeutigkeitsfestsetzung nicht möglich ist. In Netzen mit entsprechenden Überbestimmungen und genügend langen Beobachtungszeiten erzielt man hohe Genauigkeiten; Tab. 10.13 und Abb. 10.30.

369

10.5 Methoden der Punktbestimmung in der Praxis Tabelle 10.13. Statische relative Positionierung (Trägerphasen/2 Frequenzen)

Basislänge

Messdauer

Genauigkeit (1 σ ) (Basislinie; Höhe 2x)

> 10 km

> 1h (≥ 4SVS)

1,5, . . . , 5 mm +0,01, . . . , 1 ppm

20, . . . , 40 km

6, . . . , 24 h (≥ 4SVS)

1,5, . . . , 5 mm +0,01, . . . , 1 ppm

< 15 km

8, . . . , 20 min (≥ 5SVS, GDOP ≤6)

5, . . . , 20 mm +1 ppm

< 5 km

5, . . . , 8 min (≥ 5SVS, GDOP≤6)

5, . . . , 20 mm +1 ppm

RTK

Trägerphasenmessungen

PDGPS

trägergeglättete Codemessungen

DGPS

Codemessungen

DGPS

Relativmessungen

Absolutmessungen

Codemessungen 0,001

0,01

0,1

1,0 [m]

GPS 10,0

100,0

1000,0

Abbildung 10.30. Genauigkeiten der Satellitenpositionierungsverfahren

Typische Anwendungsgebiete sind: Grundnetze der Landes- und Ingenieurvermessung, Netzverdichtungsaufgaben, Deformationsmessungen, . . . [16;19]. 10.5.2.3 Differential GPS (DGPS) Ein Referenzempfänger steht auf einer festen Station und die übrigen Empfänger (Rover) bewegen sich kontinuierlich oder verweilen nur noch wenige Sekunden bis Minuten auf den Messstationen (Abb. 10.31). Auf der Referenzstation werden Korrekturdaten berechnet und der Rover-Station gesendet, damit dort in Echtzeit Positionen höherer Genauigkeit bestimmt werden können. Die Korrekturdaten sind:

370

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

1. Positionskorrekturen (Typ (a))11 2. Distanzkorrekturen (Typ (b)).12

Abbildung 10.31. DGPS Messanordnung

Vorwiegend werden die Korrekturdaten Typ (b) verwendet. Da das Verfahren mit Codemessungen arbeitet, ist es sehr robust und kann flexibel über Distanzen von einigen hundert km eingesetzt werden. Weil einige systematische Effekte (Langzeitfehler in der Ionos- und Troposphäre sowie Bahnfehler) mit zunehmender Entfernung dekorrelieren, ergibt sich bei der Genauigkeit eine Entfernungsabhängigkeit. Eine Beobachtungsgleichung für das DGPS Verfahren mit Codephasen lässt sich mit Gleichung (10.8) herleiten. Demnach gilt für die Pseudoranges PRr auf der Referenzstation und für die PRi vom Rover i: j

j

j

j

PRr = rr = r + c(dtr − dT ) + dionr + dtropr + dorbr + εr PRi = ri = i + c(dti − dT ) + dioni + dtropi + dorbi + εi . Bei den ε handelt es sich um Empfängerfehler. Für die differentielle Korrektur der Pseudorange gilt dann: j

PRK 21 = r − PRr = −c(dtr − dT ) − dionr − dtropr − dorbr − εr .

(10.52)

 i des Roves i gilt dann: Für die korrigierte Pseudorange PR  i = PRi + PRK 21 PR j

= i + c(dti − dtr ) + (dioni − dionr ) + (dtropi − dtropr ) + (dorbi − dorbr ) + (εi − εr ) j

= i + c(dti − dtr ) + trop + ε. 11 s. Einleitung Kap. 10.5.2 12 s. Einleitung Kap. 10.5.2

(10.53)

371

10.5 Methoden der Punktbestimmung in der Praxis

Gleichung (10.53) entspricht der Einfachdifferenz (10.21), in der die satellitenspezifischen Einflüsse β s weitgehend eliminiert werden, wenn der Abstand des Rovers und der Referenzstation nicht sehr groß ist. Der Einfluss der Troposphäre lässt sich durch erweiterte Modellbildung [10.4.7] verringern. Noch nicht berücksichtigt ist, dass die zur Zeit tk bestimmte Korrektur (10.52) erst mit bestimmter Verzögerung den Rover erreicht. Um dies noch zusätzlich zu berücksichtigen, benötigt man die Geschwindigkeit GPRK, mit der sich die Korrektur PRK21 verändert, um diese zur aktuellen Epoche t berechnen zu können. Die zusätzlich in (10.52) bzw. (10.53) anzubringende Korrektur lautet KR = GPRK(t − tk ).

(10.54)

Nutzt man Codemessungen, so können Positionsgenauigkeiten von 1, . . . , 7 m erreicht werden und verwendet man phasengeglättete Codemessungen, so erzielt man Genauigkeiten zwischen 0,5, . . . , 4 m; vgl. Abb. 10.30. Anwendungsbereiche sind z. B. der: – Satellitenpositionierungsdienst SAPOS EPS [16], – Satellitenpositionierungsdienst EGNOS [16]. Die Abbildungen 10.32 und 10.33 zeigen typische Empfänger.

Abbildung 10.32. Referenzstation (Trimble)

Abbildung 10.33. Rover (Trimble)

10.5.2.4 Real Time Kinematik GPS (RTK), Precise DGPS (PDGPS) Wie bei dem Verfahren DGPS [10.5.2.3] steht ein Referenzempfänger auf einer festen Station und einer oder weitere Empfänger (Rover) bewegen sich kontinuier-

372

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

lich oder verweilen wenige Sekunden bis Minuten auf den Messstationen. Um cmGenauigkeit in Echtzeit zu erzielen, arbeitet das Verfahren primär mit Trägerphasenmessungen. Man nennt das RTK-Verfahren daher auch Trägerphasen-Differential ” GPS“. Pseudorangemessungen nutzt man zusätzlich für die Lösung der Mehrdeutigkeiten der Trägerphasenmessungen. Die charakteristischen Merkmale des RTKVerfahrens sind: – Übertragung von Trägerphasen- und Pseudorange-Daten von einer Referenzstation zur Rover Station in Echtzeit, – Lösung der Mehrdeutigkeiten der Trägerphasenmessungen mit dem Algorithmus on the fly“ (OTF), ” – zuverlässige Bestimmung von Basislinienvektoren zwischen den Stationen in Echtzeit oder nahezu Echtzeit. Für die Übertragung der Informationen kann man die Message Typen 18 und 19 oder 20 und 21 des Korrekturdatenformats RTCM 2.2 oder 2.3 verwenden (vgl. Tab. 10.12). Um eine hohe Datenübertragungskapazität zu erreichen, bieten die Hersteller in der Regel UHF Funkanlagen mit einer Trägerwellenlänge von 70 cm für die Datenübertragung an [2.4]. Bei einer Taktrate < 1 s erzielt man cm-Genauigkeit. Die Reichweite entspricht etwa der Sichtweite, ist aber häufig niedriger, da die Funkanlagen oft nur mit begrenzter Sendeleistung betrieben werden dürfen. Eine wesentliche Voraussetzung für die angestrebte cm-Positionierungsgenauigkeit ist die Lösung der Phasenmehrdeutigkeiten (Ambiguities) in Echtzeit und ihre Festsetzung auf ganze Zahlen (fixed Ambiguities). Das Verfahren ist besonders flexibel einzusetzen, daAlgorithmen verwendet werden, welche die Lösung auch während der Bewegung des Rovers zulassen. Diese on the fly“ OTF Algorithmen stehen heute ” allgemein zur Verfügung. Ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung des Verfahrens ist noch die Zeitspanne, innerhalb derer Ambiguities gelöst und fixiert werden können (Time to fix Ambiguities TTFA). Viele Algorithmen nutzen die aus Trägerphasenmessungen abgeleitete Wide-Lane LW Linearkombination [10.4.5], um den Suchprozess zu beschleunigen. Die TTFA hängt weitgehend davon ab, wie gut die entfernungsabhängigen Fehlereinflüsse reduziert werden können. Wenn der Rover für einige Sekunden oder Minuten auf der Beobachtungsstation verweilt, verwendet man anstelle des Begriffs RTK auch den PDGPS. Eine Beobachtungsgleichung für das RTK bzw. PDGPS Verfahren mit Trägerphasen lässt sich mit (10.17) herleiten. Ähnlich, wie schon in [10.5.2.3] für Modell (10.52) gezeigt wurde, erhält man hier die differentielle Korrektur TPK20 =

f j j r − ϕr c

= −f (dtr − dT ) −

f (dtropr − dionr + dorbr ) + N0r − εr . c

(10.55)

10.5 Methoden der Punktbestimmung in der Praxis

373

 i gilt dann: Für die korrigierte Trägerphase TPK  i = ϕ j + TPK 20 ji = TPK ϕ i f j f = i + f (dti − dtr ) + (dtropi − dtropr ) c c + (N0r − N0i ) + (εr − εi ).

(10.56)

Ein wesentlicher Unterschied zu (10.52) und (10.53) ist, dass hier zusätzlich die Mehrdeutigkeiten N0r und N0i berücksichtigt werden müssen, wobei N0r zumindest näherungsweise bekannt ist. Gleichung (10.56) entspricht der Einfachdifferenz (10.21), in der die satellitenspezifischen Einflüsse β s weitgehend eliminiert werden, wenn der Abstand von Rover und Empfänger nicht sehr groß ist. Aus mehreren Einzeldifferenzen dieser Art lassen sich Doppeldifferenzen bilden, mit denen dann Basislinienvektoren bestimmt werden können. Ähnlich wie mit (10.53) gezeigt wurde, muss auch in (10.56) noch berücksichtigt werden, dass die Korrektur TPK20 den Rover mit einer Verzögerung erreicht.Anstelle von (10.55) gilt hier (10.57) KR = GTPK(t − tk ), wenn GTPK die Geschwindigkeit beschreibt, mit der sich die Korrektur TPK20 verändert. Ein RTK-Messsystem sollte – mit mehr als einer Trägerfrequenz ausgestattet sein, was eine schnelle Festsetzung der Ambiguities begünstigt, – ein niedriges Messrauschen bei der Bestimmung der Code-Pseudoranges aufweisen, damit der Suchraum beim Lösen der Ambiguities schnell eingeengt werden kann. Für einen Basislinienvektor erzielt man durchschnittlich folgende Genauigkeiten (vgl. auch Abb. 10.30): – 10 mm +1, . . . , 2 ppm für horizontale Koordinaten – 15, . . . , 20 mm +2 ppm für die Höhenkomponente. Die TTFA beträgt normalerweise wenige Sekunden. Diese Angaben setzen voraus, dass der Stationsabstand nur wenige km beträgt. Abb. 10.34 zeigt eine RTK Messausrüstung. 10.5.2.5 GNSS-Referenznetzkonzepte Bei den in [10.5.2.3 und 10.5.2.4] beschriebenen Verfahren lassen sich in einem größeren Gebiet flächendeckend nur dann höhere Genauigkeiten erzielen, wenn die Modellbildung der entfernungsabhängigen Fehlereinflüsse (Einflüsse der Ionosphäre, Troposphäre und Bahnfehler) weiter verbessert wird. Immerhin muss man z. B.

374

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

Abbildung 10.34. RTK Messausrüstung (Leica)

bei der differentiellen Positionierung mit Einfrequenz Code-Empfängern ein Anwachsen des Positionsfehlers von etwa 1 m pro 100 – 150 km einkalkulieren (Seeber 2003). Die alternative Lösung, das Gebiet in hoher Dichte mit Referenzstationen zu überziehen, bleibt dann erspart. Eine verbesserte Modellierung der Korrekturen ist möglich, wenn mehrere Referenzstationen miteinander vernetzt werden und flächendeckend im Bereich dieser Stationen ein Fehlermodell aufgestellt wird. Für den Nutzer mit seinem Rover kann dann innerhalb des von den Referenzstationen eingeschlossenen Gebietes ein Fehlermodell für seine Position interpoliert werden (Abb. 10.35). Bei der Realisierung des

ε3 ϕ εi ε

ε1 1

3 ε2





2 λ Abbildung 10.35. Interpolation von Fehlerkomponenten εi in einem Netz von Referenzstationen ( Referenzstation,  Rover, ε1 , ε2 , ε3 Fehlerkomponenten auf den Referenzstationen, Fehlerkomponente εi des Rovers i)

375

10.5 Methoden der Punktbestimmung in der Praxis

Referenzstationskonzeptes sind folgende Komponenten einzurichten (Abb. 10.36):

Datentransfer

Rover

Master Control Station, Rechenzentrum

Abbildung 10.36. Komponenten des Referenznetzkonzeptes

1. Referenzstationen mit geodätischen GNSS Zweifrequenz-Empfängern und GNSS Referenzstationsantennen. Die Stationen sind so zu wählen, dass stationsabhängige Fehler (wie Multipatheffekte) minimal wirken. 2. Eine Master Control Station (MCS) mit einem Rechenzentrum und Software für die Vernetzung der Referenzstationen. Die Software berechnet aus den Rohdaten der Referenzstationen Fehlermodelle. 3. Kommunikationsverbindungen zwischen der MCS und den Nutzern. Die Rohdaten der Referenzstationen werden in Echtzeit an die Rechenzentrale gesendet; dabei treten Verzögerungen von etwa 100 ms auf. Das Fehlermodell wird den Nutzern mit einer Aufdatierungsrate von 1, . . . , 10 s bereitgestellt. In den aus Referenzstationen gebildeten Netzen kann mit RTK-Verfahren und DGPSVerfahren gearbeitet werden. (1) Herleitung von Fehler- bzw. Korrekturmodellen Die Fehlermodellierung bzw. die Modellierung der daraus abgeleiteten Korrekturparameter erfolgt flächendeckend im Bereich einer größeren Anzahl von Referenzstationen; die Koordinaten dieser Stationen sind mit hoher Genauigkeit bekannt. Ausgangsgleichung für die Fehlermodellierung ist die Beziehung (10.18) in [10.4]: j

j

ri = i + c(dt − dT ) − dion + dtrop + dorb − N0 λ + ε, oder die daraus abgeleitete Doppeldifferenz [10.4.4] j

j

∇ ri = ∇ i − λ∇ N0 − ∇ dion + ∇ dtrop + ∇ dorb + ∇ ε. (10.58) Zwei Modellbildungen (Softwarelösungen) haben sich weltweit durchgesetzt: – GPS-Network von Trimble Terrasat (Höhenkirchen bei München), – GNSMART mit dem Modul GNNET von GEO ++ (Garbsen bei Hannover).

376

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

Die Modellbildung von GNSMART basiert auf undifferenzierten Trägerphasenbeobachtungen. Da die Stationskoordinaten hochgenau bekannt sind, kann der Term j i als bekannt angenommen werden. Mit der Ausgangsgleichung (10.18) erfolgt die Modellierung dann in zwei Schritten (Seeber 2003). 1. Schritt: In einer Netzausgleichung für die beteiligten Referenzstationen werden die Mehrdeutigkeiten in den Beobachtungen zu den einzelnen Satelliten fixiert und flächendeckend einzelne Fehlerterme geschätzt. Die auf den Referenzstationen gemessenen Distanzen werden gefiltert, wofür die bereits gewonnenen Fehlermodelle genutzt werden. Es werden dann die aus den Stations- und Satellitenkoordinaten gerechneten Distanzen mit den gefilterten verglichen, wodurch für alle zu den einzelnen Satelliten gemessenen Distanzen Residuen erhalten werden. 2. Schritt: Die Residuen können nun zwischen den Referenzstationen interpoliert werden. Für Stationsabstände bis ca. 100 km eignen sich lineare Interpolationsansätze, für größere ist ein Polynom 2. oder höherer Ordnung vorzuziehen (Wanninger 2000). Die dem Interpolationsverfahren zugrundeliegenden Parameter werden allgemein als Flächenkorrekturparameter (FKP) bezeichnet. So können bei drei Referenzstationen, die Abstände von ca. 50 km haben, die Residuen ε flächendeckend durch eine Ebene beschrieben werden (Abb. 10.35): ε(t) = aϕ (t)(ϕ − ϕ0 ) + aλ (t)(λ − λ0 ),

(10.59)

wobei für jede Epoche (t) die Flächenkorrekturparameter aϕ (t) und aλ (t) die Neigung der Ebene und (ϕ0 , λ0 ) die Koordinaten einer Referenzstation beschreiben. An der Stelle, wo der Rover i sich befindet, geht ε über in εi . Die Modellbildung von GPS-Network beruht auf Doppeldifferenzen. Aufgrund j der bekannten Stationskoordinaten kann hier in (10.58) der Term ∇ i als bekannt angenommen werden. Nachdem der Mehrdeutigkeitsterm λ∇ N0 festgesetzt ist, erhält man die Residuen ∇ E der Doppeldifferenzen, welche hier ähnlich wie in dem ersten Modell für die Fehlermodellierung dienen. Es hat sich als vorteilhaft erwiesen, in den Modellen die Residuen aufzuspalten, und zwar in – Residuen, durch Ionosphäreneinflüsse hervorgerufen, – Residuen, durch Bahnfehler hervorgerufen. Für die Aufspaltung können die in [10.4.5] gebildeten Linearkombinationen herangezogen werden. Vielfach werden die beiden zuletzt genannten Komponenten auch als geometrische Residuen bezeichnet. Je nach Aufspaltung erhält man in (10.59) unterschiedliche Werte für die aϕ und aλ . Eine ausführliche Beschreibung der Modellbildungen findet man z. B. in (Wanninger 2000). Aus den Fehlermodellen lassen sich nun unterschiedliche Korrekturmodelle ableiten.

377

10.5 Methoden der Punktbestimmung in der Praxis

(2) Vernetzungskonzepte für RTK-Verfahren Bei der Korrektur der Messungen auf der Rover Station unterscheidet man zwei Varianten: – die Vernetzungsvariante Flächenkorrekturparameter (FKP) und die – Vernetzungsvariante Virtuelle Referenzstationen (VRS). Ein Lösungsansatz für das FKP-Vernetzungskonzept ist in Abb. 10.37 dargestellt. Die eigentlichen Beobachtungen auf der nächstgelegenen Referenzstation werden

21 20/ Typ 59 CM yp RT M T C RT

RTK Rover

nächstgelegene Referenzstation

Master Control Station (MCS)

Abbildung 10.37. FKP-Vernetzungskonzept

in Form von Differenzen der Code- und Phasenbeobachtungen bezüglich der Stationssollkoordinaten im Format RTCM 2.3 Datentyp 20/21 (vgl. Tab. 10.12) über die MCS zum Rover übertragen. Die aus der Vernetzung der Referenzstationen für jeden Satelliten berechneten FKP werden als RTCM 2.3 Datentyp 59 aufbereitet (Wübbena, Bagge 2002) und ebenfalls von der MCS zum Rover gesendet. Die vom Rover gemessenen Phasenbeobachtungen werden mit den FKP korrigiert. Auf der Basis der korrigierten Phasenbeobachtungen kann dann gemeinsam mit den Informationen der nächstgelegenen Permanentstation eine RTK-Lösung (z. B. ein Basislinienvektor) generiert werden. Durch die Beschränkung auf eine (die nächstgelegene) Referenzstation, die gewissermaßen als Masterstation für den Rover dient, lässt sich die zu übertragende Datenmenge auf ein Minimum reduzieren und die Interpolationsfehler werden klein gehalten. Als Übertragungsmedium hat sich GSM [2.4] besonders bewährt. Es können dann der MCS auch Näherungskoordinaten mitgeteilt werden, aus denen dort die nächstgelegene Referenzstation ermittelt werden kann. Ein Lösungsansatz für das VRS-Vernetzungskonzept ist in Abb. 10.38 dargestellt. Es ist eine bidirektionale Datenübertragung im Halbduplex Betrieb [2.4] erforderlich.

378

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

VRS

19

M

C RT

18/

Typ

RTK Rover

EA

NM

Master Control Station (MCS)

Abbildung 10.38. VRS-Vernetzungskonzept

Der Rover sendet seine Näherungskoordinaten, die z. B. aus einer Einzelpunktbestimmung [10.4.2] stammen können, in einem NEMA-(National Marine Electronics Association)-String an die MCS. Eine Koordinatengenauigkeit von einigen Metern ist ausreichend. Für diese Position wird nun in der MCS mit Hilfe der Vernetzungssoftware, d. h. unter Einbeziehung der FKP, ein Satz von virtuellen Beobachtungen“ ” gerechnet und als RTCM 2.3 Datentyp 18/19 an den Rover übertragen. Eine detaillierte Beschreibung der Berechnung der virtuellen Beobachtungen findet man z. B. in (Wanninger 2000). Die Näherungsposition kann jetzt als virtuelle Referenzstation VRS interpretiert werden. Der Rover kann nun die virtuellen Beobachtungen für eine RTK Lösung so verwenden, als wären sie auf einer Masterstation in unmittelbarer Nachbarschaft beobachtet worden. Entfernungsabhängige systematische Fehler fallen dann nur noch sehr gering aus (Wanninger 2000). Es kann außerdem erwartet werden, dass die TTFA jetzt kürzer ausfällt. Als Übertragungsmedium hat sich auch hier GSM besonders bewährt. Es gibt verschiedene Dienste, die eine Realisierung des VRS- oder FKPVernetzungskonzeptes ermöglichen. Als Beispiel kann hier der Satellitenreferenzdienst ascos der Ruhrgas AG (Deutschland) und der SAPOS-Dienst HEPS (Hochpräziser Echtzeit-Positionierungsservice) angeführt werden [16]. In beiden Diensten wird eine Positionsgenauigkeit von (≤ 2 cm) angestrebt. Genauigkeitsuntersuchungen in dem Gebiet des Ruhrgas Pos. Serv. ascos bestätigen die Anforderungen (Tellar 2004), andere Untersuchungen in Netzen des SAPOS-Dienstes HEPS zeigen, dass bei größeren Abständen von der nächstgelegenen Referenzstation Positionsabweichungen bis 5 cm auftreten können (Seitz u. a. 2005). Für die TTFA kann allgemein eine Zeitspanne von (< 60 s) angenommen werden (Tellar 2004, Seitz u. a. 2005).

379

10.5 Methoden der Punktbestimmung in der Praxis

(3) Vernetzungskonzepte für DGPS Verfahren Es handelt sich hier um Vernetzungskonzepte, ähnlich wie in (2), die sich über ein Land, einen Kontinent oder nahezu den gesamten Globus erstrecken. Bei den zwei zuletzt genannten Konzepten spricht man auch von Wide Area Differential GPS (WAD GPS). Das Konzept eines WAD GPS Netzwerkes zeigt Abb. 10.39. Es besteht aus den Referenzstationen, den Kommunikationseinrichtungen für die Vernetzung GEOS

REF.Station Master Control Station

Abbildung 10.39. WAD GPS Netzwerkkonzept

der Referenzstationen, einer Master Control Station (MES) und der Kommunikationseinrichtung für die Verbindung der Nutzer und der MCS. Für die Verbindung mit den Rovern eignet sich bei kontinentalen und globalen Netzen der Satellitenfunk [2.4.2.2], bei Netzen der Ausdehnung eines Landes GSM. Bei der Berechnung der Fehlermodelle kann man im wesentlichen zwei Algorithmen unterscheiden (Seeber 2003): (a) Man bildet ein gewichtetes Mittel der Korrekturdaten aller beteiligten Referenzstationen. Das Gewichtungsschema kann den Abstand von den Referenzstationen, den Elevationswinkel der an den Messungen beteiligten Satelliten und die seit der letzten Messung verstrichene Zeit einbeziehen. (b) Es werden einzelne flächenhaft interpolierte Fehlerkomponenten (Effekte der Ionosphäre, Troposphäre, Bahnstörungen) inAnlehnung an [10.5.2.5 (2)] berechnet und an den Nutzer weitergegeben. Genauigkeiten ≤ 1 m oder gar ≤ 0, 5 m werden für die Lage und etwa der dreifache Betrag für die Höhe angestrebt (vgl. Abb. 10.30). Als Beispiel seien erwähnt: Der Satellitendienst ascos der Ruhrgas AG (einfacher Dienst) in Deutschland, der Satel-

380

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

litendienst EGNOS mit kontinentaler Ausdehnung und die Satellitendienste Skyfix und Omnistar mit globaler Ausdehnung.

10.6 Planung und Durchführung von Messungen 10.6.1

Karten und Diagramme als Hilfsmittel

Die Planung von Messkampagnen unterstützt man durch vorbereitende Berechnungen und Darstellung der Ergebnisse in Form leicht übersichtlicher Diagramme und Karten: – Sichtbarkeitsdiagramme (Azimut- und Elevationplots) zu Überprüfung der Satellitensichtbarkeit (Abb. 10.40), – Balkendiagramme für die Darstellung der Zahl und Dauer der Sichtbarkeit der Satelliten am Beobachtungsort (Abb. 10.41), – Darstellung der DOP-Werte in Abhängigkeit von der Beobachtungszeit und dem Beobachtungsort (Abb. 10.42), – Übersichten über die Besetzung der Stationen in den einzelnen Sessions (Tab. 10.14), – eine Übersichtskarte, in die alle zu besetzenden Punkte eingetragen sind.

Abbildung 10.40. Stereographisches Sichtbarkeitsdiagramm mit Abschattung

Für beliebige Standorte auf der Erde befinden sich zu jeder Zeit mindestens 5 bis 8 Satelliten über dem Horizont. Einen genauen Einblick liefern die Sichtbarkeitsdiagramme (Abb. 10.40 und 10.41). Die Beobachtungsfenster zeigen in Ausnahmefällen kurzzeitig (für wenige Minuten) Unterbrechungen, wenn die beobachteten Satelliten in bezug auf den Antennenort eine ungünstige Konstellation einnehmen. Theoretische Untersuchungen zeigen, dass in solchen Zeitpunkten die beobachteten Satelliten

10.6 Planung und Durchführung von Messungen

381

Abbildung 10.41. Satellitensichtbarkeit und GPS-Verfügbarkeit am 22.4.94 für Wien

allesamt auf dem Mantel eines Drehkegels mit der Spitze im Antennenort liegen und die Positionsunsicherheit in Richtung der Kegelachse auftritt. Auf dieses Ereignis kann mit stereographischen Sichtbarkeitsdiagrammen (Projektion des Himmelsgewölbes über der Antenne auf die Tangentialebene im Zenit) aufmerksam gemacht werden (Abb. 10.40). Kritische Beobachtungszeiten treten auf, wenn die abgebildeten Satelliten auf einem gemeinsamen Kreis (oder in der Nähe) liegen (Wunderlich 1995). Konventionelle Software beschreibt dieses Ereignis mit der Darstellung der DOP-Werte (Abb. 10.42). Die GDOP-Werte betragen unter optimalen Bedingungen 2.4, sollten in der Regel den Wert 6 nicht überschreiten und wachsen unter den zuvor beschriebenen ungünstigen Bedingungen sehr stark an. Die Wahrscheinlichkeit hoher GDOP-Werte wird größer, wenn Abschattungen zufolge Topographie (Bergrücken), Vegetation (Wald) und Bauwerken die Anzahl der sichtbaren Satelliten begrenzen. Es stehen jedoch heute Planungsprogramme zur Verfügung, mit denen sich durch Simulationsrechnungen optimale Beobachtungszeiten vorausberechnen lassen. Erfahrungen zeigen, dass sich auch bei zunächst aussichtslos erscheinenden Abschattungsfällen (z. B. in Bereichen dichter Bebauung) GPS-taugliche Beobachtungsfenster ohne besonderen Aufwand finden lassen. Abb. 10.40 zeigt in dem stereographischen Sichtbarkeitsdiagramm eine Abschattungsmaske. Zusätzlich zu den Abschattungen ist auch die Mindestelevation einge-

382

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

Abbildung 10.42. GDOP-Werte am 22.4.94 für Wien

zeichnet. Satelliten mit Elevationen kleiner 15◦ werden in der Regel ausgeschieden, um größere Fehlereinflüsse der Atmosphäre zu vermeiden.

10.6.2

Netzaufbau und Beobachtungsplan

Den Aufbau der Netze beeinflussen im wesentlichen der Zweck der Projekte, die Genauigkeitsanforderungen sowie die Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit. Die bei den terrestrischen Verfahren (Triangulation, Trilateration, . . . ) notwendige Sichtbarkeit zu mehreren benachbarten Punkten ist nicht mehr erforderlich. Auch die Form des Netzes ist frei wählbar, da schleifende Schnitte der Verbindungslinien benachbarter Netzpunkte keine Rolle spielen. Andererseits hat der Punktabstand im Hinblick auf die erreichbare Genauigkeit eine Bedeutung (vgl. Tab. 10.13). Wichtig ist, dass auf jeder Beobachtungsstation eine optimale Sichtbarkeit von Satelliten vorliegt, d. h. Abschattungen sollen möglichst gering sein. Während der Auswahl der Punkte ist zusätzlich zu beachten, ob Störeffekte durch Mehrwegausbreitung oder Quellen starker elektromagnetischer Strahlung (Sendemasten, Starkstromleitungen, . . . ) eventuell die Ergebnisse beeinflussen können. Außerdem sollte eine möglichst wirtschaftliche Anfahrbarkeit aller Punkte gegeben sein. Der Beobachtungsplan orientiert sich an der Zahl der gleichzeitig einsetzbaren Empfänger, der angestrebten Genauigkeit, der Zuverlässigkeit sowie der Wirtschaft-

383

10.6 Planung und Durchführung von Messungen

lichkeit. Mit dem Netzentwurf und der Aufstellung des Beobachtungsplanes ist die Planungsphase abgeschlossen; es sollte dann auch für jeden Messtrupp vorläufig festgesetzt sein, welche Messpunkte in welcher Session zu besetzen sind. Werden r Empfänger eingesetzt und d Punkte doppelt besetzt, so sind für ein Netz mit n Punkten mindestens   n−d (mit r > d und d ≥ 1) s= r −d Sessions notwendig, wobei [·] beschreibt, dass eine Rundung auf die nächst höhere Zahl auszuführen ist. Jede Session liefert r(r − 1)/2 Basislinien, wovon nur (r − 1) unabhängig sind. Häufig tritt auch eine x-fache Besetzung der Beobachtungspunkte auf. In dem Fall beträgt die minimale Anzahl der Sessions x · n s= . r Die Anzahl der redundant besetzten Punkte ist für den Fall d = 1 nr = sr − [n + (s − 1)]. Stehen zwei Empfänger zur Verfügung, so liefert jede Session nur eine Basislinie. Die Verknüpfung der Basislinien zu einem Netz erfolgt jeweils über einen gemeinsamen Punkt. Um die Zuverlässigkeit des Netzes zu erhöhen, sind entweder Basislinien mehrfach zu beobachten und/oder Vektorzüge zu bilden, wobei die Anzahl der Linien eines Zuges begrenzt ist. Für die Aufstellung der Empfänger gibt es folglich zwei Möglichkeiten: entweder ein Empfänger steht auf einer festen Station und nur der zweite bewegt sich oder beide wechseln ständig ihren Standort. Im ersten Fall ergeben sich sternförmige Beobachtungsandordnungen (Abb. 10.43 a und b). Schleifenschlüsse a)

b)

c)

Abbildung 10.43. Messanordnungen mit zwei Empfängern: a) und b) sternförmige Anordnungen, c) Vektorzug

sind dann nicht möglich, weshalb zum Nachweis der Zuverlässigkeit eine Wiederholungsmessung erforderlich ist. Der mehrfach besetzte Punkt sollte möglichst nicht

384

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

am Rande des Netzes liegen, da sich dann in Fällen, wie in Abb. 10.43 a, teilweise nur niedrige Relativgenauigkeiten zwischen benachbarten Punkten ergeben. Im zweiten Fall lässt sich die Zuverlässigkeit über einen Vektorzug (Abb. 10.43 c) überprüfen. Bei zwei Empfängern ist der logistische Aufwand minimal, die Produktivität jedoch niedrig. Diese steigt, wenn mehr als zwei Empfänger verfügbar sind, gleichzeitig erhöht sich jedoch der logistische Aufwand. Sind mehr Punkte als Empfänger vorhanden, so erfolgen die Beobachtungen in mehreren Sessions. Diese sind wiederum je über einen Punkt zu verknüpfen. In der Regel entstehen netzweise Beobachtungsanordnungen. Ein schematisiertes Netz zeigt Abb. 10.44 und Tab. 10.14 einen möglichen Beobachtungsplan für den Einsatz von 3 Empfängern. Tabelle 10.14. Beobachtungsplan

P3

1

2

3

Session 4

5

6

P2 7

8

9

10

11

12

P1 Figure 10.44. Schematisiertes flächenhaftes Netz mit Anschlusspunkten

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Zeit

Empfänger I II III P1 P2 P3 P1 10 11 11 12 9 9 8 7 7 4 10 5 6 4 P2 9 6 6 9 3 2 3 1 P3 1 4

Der Beobachtungsplan beruht auf der Sprungstandmethode, bei der jeweils ein Punkt die Sessions verknüpft. Dies ist eine häufig angewendete Methode, da sie eine günstige Produktivität garantiert und Vektorzüge ermöglicht. In dem Beispiel lassen sich z. B. die Züge 1-2-3-6-5-4-1, 4-5-6-9-8-7-4, 7-8-9-12-11-10-7, P3 -1-2-3-6P2 , P2 -9-12-11-10-P1 , P1 -10-7-4-1-P3 bilden. Es entstehen außerdem Verbindungen zwischen einer Vielzahl von Punkten, was eine hohe Relativgenauigkeit zwischen benachbarten Punkten garantiert. Sind Landeskoordinaten gefordert, so sind Lage- und Höhenfestpunkte des Landesnetzes einzubeziehen. In dem Beispiel sind dies die Punkte P1 , P2 und P3 . Gute Ergebnisse liefern erfahrungsgemäß 3 – 5 Anschlusspunkte besonders dann, wenn sie gleichmäßig über den Horizont verteilt sind und die Neupunkte einschließen.

10.7 Auswertestrategien

385

Allgemein müssen für eine hohe Redundanz und Zuverlässigkeit eine genügende Anzahl von Verbindungen zwischen den Neupunkten sowie den Neu- und Festpunkten vorliegen. Die Zahl der Verbindungen von Punkten zu Nachbarpunkten soll möglichst gleich sein, um eine ausreichende Homogenität des Netzes zu gewährleisten. Für viele Zwecke ist die Verbindung eines Punktes mit zwei oder drei weiteren ausreichend. Die Messanordnung soll das Bilden von Vektorzügen ermöglichen, so dass über Schleifenschlüsse zusätzliche Kontrollen gegeben sind. Den Bezug zum Referenzsystem des Satelliten findet man über eine Einzelpunktbestimmung oder Punkte des ITRF-Systems [16].

10.7 Auswertestrategien Die Positionierung mit Satellitenverfahren dient heute unterschiedlichsten Zwecken. Je nach der geforderten Genauigkeit arbeitet man mit der sogenannten Navigations” lösung“ bzw. Einzelpunktbestimmung oder der relativen Positionierung.

10.7.1

Navigationsberechnungen, absolute Positionierung

Diese fallen hauptsächlich bei der Navigation von Land-, Wasser- und Luftfahrzeugen an. Bei der Navigation verschafft man sich Merkmale oder Hilfsmittel, mit denen sich ein Standort bestimmen lässt oder mit deren Hilfe man jederzeit zu einem gewünschten Ort findet [18.1]. Für viele Aufgaben genügt ein Empfänger, der nur auf eine Frequenz abgestimmt ist. Auf dieser Frequenz empfängt er die Signale aller über dem Horizont sichtbaren Satelliten. Der Signalinhalt ist zunächst zu decodieren, damit alle notwendigen Informationen für die Navigation bzw. Ortung zu entnehmen sind. Der Empfänger muss außerdem erkennen, von welchem Satelliten Informationen eintreffen. Jeder GPS-Satellit hat z. B. aufgrund seines Codes einen speziellen Namen und diesen ruft der Empfänger auf, indem er einen identischen Code erzeugt. Abb. 10.45 enthält ein Ablaufdiagramm, welches die Navigationsberechnungen von der Satellitenauswahl bis zur Anzeige der Ergebnisse beschreibt. Zunächst ist zu klären, ob der Almanach bereits abgespeichert wurde. Ist dies nicht der Fall, so wird der C/A-Code eines beliebigen Satelliten erzeugt und mit einer Korrelationsanalyse in einem Mustervergleich analysiert, ob dieser Satellit sich im Empfangsbereich des Empfängers befindet. Die hierbei verwendete Autokorrelationsfunktion liefert nur dann ein von Null verschiedenes Signal, wenn zwei identische Signale vorhanden und in Phase sind. Da der C/A-Code sich jede Millisekunde wiederholt, kann man den im Gerät erzeugten Code jede Millisekunde für diesen Mustervergleich um ein Chip verschieben. Nun besteht der C/A-Code aus 1023 Chips, was wiederum bedeutet, dass der Suchvorgang ca. 1 Sekunde dauert. Aufgrund der Dopplerverschiebung des ankommenden Signals und weiterer Frequenzstörungen – z. B. durch atmosphärische

386

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren Start Almanach nicht gespeichert

Almanach gespeichert

Satellitenidentifikation zweidimensional nach Code und Frequenz

Auswahl der Satelliten nach GDOP Faktor, Identifikation nach Code und Frequenz

Auffinden und Verfolgen von 1 Satelliten Abspeichern des Almanach

Auffinden und Verfolgen von 4 Satelliten Pseudoranges Dopplerverschiebungen Auswertung der Beobachtungsgleichungen

Zeit

Koordinaten

Geschwindigkeit

Abbildung 10.45. Ablaufdiagramm der Navigationsberechnungen und absoluten Einzelpunktbestimmung

Einflüsse – muss eine zweidimensionale Suche nach Code und Frequenz ausgeführt werden. Die Identifikation dauert daher bis zu zwei Minuten. Da bis zu 23 Fehlsuchvorgänge möglich sind, kann auf diese Weise bei einem 1-Kanal Empfänger bis zur ersten Positionierung viel Zeit verstreichen. Wesentlich beschleunigen lässt sich der Vorgang wenn der Empfänger über 4 oder mehr Kanäle verfügt. Falls die Identifikation eines Satelliten erfolgt ist, zeigt das Display dies an und die Almanachdaten werden innerhalb von 12,5 Minuten eingelesen. Der Almanach lässt sich ca. einen Monat lang verwenden und wird daher abgespeichert. Mit den Informationen des Almanachs können näherungsweise die Positionen der Satelliten berechnet werden. Aufgrund des GDOP-Faktors werden sodann die geometrisch geeigneten Satelliten im Sichtbarkeitsbereich ausgewählt und speziell für diese der Suchprozess nach Code und Frequenz gestartet. Der Suchprozess lässt sich jetzt beschleunigen, da aufgrund der Näherungspositionen von Satellit und Empfänger die zu erwartende Dopplerverschiebung genähert bekannt ist. Die Synchronisation eines Satelliten dauert dann nur noch ca. 10 bis 30 Sekunden. Insgesamt identifiziert und verfolgt der Empfänger mindestens vier Satelliten, um zu ihnen Pseudoentfernungen und Dopplerverschiebungen zu messen. Die Auswer-

387

10.7 Auswertestrategien

tung der Positionen erfolgt dann nach Modell (18.9). Für die Berechnung zusätzlicher Parameter (Zeit, Geschwindigkeit, . . . ) verwendet er ein weiteres Modell.

10.7.2 Auswertestrategien bei der relativen Positionierung Die Programmstruktur für die Auswertevorgänge ist vereinfacht in Abb. 10.46 dargestellt. Folgende Programmschritte lassen sich unterscheiden: Datenvorverarbeitung, Parameterschätzung, Datenanalyse. Datenvorverarbeitung Datentransfer externe Bahninformation

Phasenmessungen

meteorologische Daten

Aufbereitung der Satellitenbahnen Suche grober Fehler Bildung von Doppeldifferenzen

Parameterschätzung Uhren, Mehrdeutigkeiten, Stationskoordinaten, ...

Editieren von Daten

Lösung der Mehrdeutigkeiten Datenanalyse Genauigkeits- und Zuverlässigkeitsanalyse

Abbildung 10.46. Programmstruktur für die Netzberechnungen

Die Datenvorverarbeitung umfasst den Datentransfer, die Datendecodierung, die Erzeugung einer geeigneten Darstellungsform für die Satellitenbahnen unabhängig von der Quelle, die Bereinigung der Daten von groben Fehlern und die Bereitstellung der Beobachtungen. Die in einem empfängerspezifischen Format erzeugten Daten (Phasenmessungen, Codemessungen, Almanachdaten, . . . ) müssen zunächst decodiert und mit Übersetzungsprogrammen in ein empfängerunabhängiges Standardformat (z. B. RINEX-Format) übersetzt werden. Neuere Empfänger liefern dieses Format unmittelbar. Die Ephemeriden werden in der Regel durch Polynome eines bestimmten Grades in Abhängigkeit von der Zeit dargestellt. Die Suche nach groben Fehlern umfasst insbesondere das Aufdecken von Phasensprüngen (Cycle Slips), die

388

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

ganzzahlige Vielfache einer Wellenlänge betragen. Ursachen für Phasensprünge können beispielsweise atmosphärische Störungen oder kurzzeitig auftretende Hindernisse im Signalweg sein. Die Bereitstellung der Beobachtungen umfasst das Aufstellen von Beobachtungsgleichungen. Die Parameterschätzung umfasst die Definition des zu berechnenden Netzes, die Festlegung der zu schätzenden Parameter sowie die Aufstellung des funktionalen und stochastischen Modells. Arbeitet man mit den ursprünglichen Beobachtungsgleichungen (10.18), so sind die Stationskoordinaten und Mehrdeutigkeitsparameter die Schätzparameter; weitere können hinzugefügt werden. Die Schätzung der Parameter erfolgt in der Regel in mehreren Schritten. In einem ersten Schritt werden Koordinaten und Mehrdeutigkeiten als unbekannt betrachtet und geschätzt. In dem zweiten Schritt versucht man mit statistischen Verfahren so viele Mehrdeutigkeitsparameter wie möglich zu lösen, d. h. als ganze Zahlen festzulegen. Der dritte Schritt entspricht dem ersten, nur dass jetzt die Mehrdeutigkeiten als bekannte Größen vorliegen. Die Auflösung ist um so einfacher, je kleiner ihre Standardabweichung in dem ersten Lösungsschritt ausfällt. Dies ist schon bei der Durchführung der Messungen zu beachten. Den zuvor beschriebenen Ausgleichungsalgorithmus bezeichnet man je nach Anzahl der Neupunkte als Einzel- oder Mehrstationslösung. Alternativ gibt es noch die Basislinienlösung. Vorwiegend arbeiten die Auswerteprogramme in dem Fall mit Doppeldifferenzen [10.4.4]. Dabei erzeugt man aus den gleichzeitigen Messungen mit mehreren Empfängern Basislinienvektoren (je zwei Stationen zugeordnet), d. h. Koordinatendifferenzen. Nach der Berechnung der Basislinienvektoren erfolgt mit diesen eine Netzausgleichung. Die Datenanalyse befasst sich mit der Beurteilung der Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Ergebnisse.

10.8 Transformation in Netze der Landes- und Ingenieurvermessung Die mit einem Satellitenmessverfahren bestimmten Netze werden häufig dazu genutzt, Netze der Landesvermessung zu verdichten, damit sie Zwecken der Ingenieurvermessung, des Katasters, der Topographie, der Geo-Informationssysteme dienen können. Grundsätzlich entsteht dabei die Aufgabe, die im Satellitensystem bestimmten Koordinaten in das der Landesvermessung zu transformieren. Die Zusammenführung kann in einem der Teilsysteme erfolgen. Offen ist zunächst die Frage nach der Lagerung und Orientierung der beteiligten Ellipsoide sowie dem Maßstabsbezug. Sind die Transformationsparameter nicht gegeben, bestimmt man sie mit Hilfe identischer Punkte. Von der Vielzahl möglicher Lösungswege werden nachfolgend zwei von Schödlbauer 1993 vorgeschlagene beschrieben.

10.8 Transformation in Netze der Landes- und Ingenieurvermessung

389

10.8.1 Transformation eines globalen Bezugssystems in ein regionales Bezugssystem, wobei der Maßstab des ursprünglich berechneten Netzes erhalten bleibt Transformationen dieser Art fallen normalerweise an, wenn durch Satellitenpositionierungssysteme mit hoher Genauigkeit bestimmt wurden und dann in ein weniger genaues Landesnetz einzupassen sind. Aufgrund der GPS-Messungen liegen dann 3D-Koordinaten (X, Y, Z) in dem globalen Bezugssystem (WGS 84) vor. Für einen Teil dieser Punkte sollen auch Gaußsche Koordinaten (x, y)LS und geoidbezogene Höhen (H )LS im Landessystem gegeben sein. Die Koordinaten der Neupunkte sollen optimal in das Landessystem eingepasst werden, ohne die Homogenität und hohe Maßstabsgenauigkeit des GPS-Netzes zu verlieren. Es sind außerdem für die Neupunkte Höhen im Landessystem zu berechnen. In diesem Fall muss ein lokales Geoid mit hoher Genauigkeit verfügbar sein oder hergestellt werden, damit die ellipsoidischen Höhen des GPS-Netzes in (orthometrische) Landeshöhen und umgekehrt umgerechnet werden können. Der Rechenweg ist in dem Diagramm der Abb. 10.47 beschrieben. Zunächst sind die geozentrischen kartesischen Koordinaten (X, Y, Z)WGS 84 mit einer Geodätischen Transformation G“ 13 in Geographische Koordinaten (B, L) und ellipsoidi” sche Höhen (h) umzurechnen. Es erfolgt eine weitere Geodätische Transformation, durch welche die Geographischen Koordinaten in Gaußsche Koordinaten (x, y) umgewandelt werden, wonach schließlich das Koordinatentripel (x, y, h)WGS 84 vorliegt. Im Landessystem sind für einige identische Punkte Gaußsche Koordinaten und geoidbezogene Höhen (x, y; H )LS gegeben. Mit Hilfe einer Höhentransformation H“ sind zunächst die geoidbezogenen Höhen in ellipsoidische Höhen umzuwan” deln. Erst nach diesen vorbereitenden Rechnungen können jetzt die Koordinatentripel (x, y, h)LS und (x, y, h)WGS 84 der identischen Punkte für eine Ähnlichkeitstransformation Ä“ genutzt werden. Die im Rahmen der 6 Parameter Transformation ” berechneten Transformationsparameter dienen anschließend der Transformation der Neupunkte. Deren Höhen sind allerdings noch einer Höhentransformation zu unterwerfen, bei der die ellipsoidischen Höhen umzuwandeln sind.

10.8.2 Transformation eines globalen Bezugssystems in ein regionales Bezugssystem, wobei die Höhen unberücksichtigt bleiben sollen Diese Art von Transformation kommt häufig in der Landesvermessung vor. Bei Ingenieurprojekten beschreitet man diesen Weg, wenn die Höhen wegen hoher Genauigkeitsforderung durch ein Nivellement bestimmt werden sollen und das Landesnetz 13 Geodätische Transformation: bezeichnet Übergänge von einem Koordinatensystem in ein anderes,

wobei das Bezugssystem nicht verlassen wird.

390

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren h

Z

H

x

y (LS)

(WGS 84)

X

(x, y; H )LS

Y

(X, Y, Z)WGS 84

H“ ” H ⇒h

G“ (X, Y, Z) ”⇒ (B, L, h) G“ ” (B, L) ⇒ (x, y)

(x, y; h)LS

(x, y, h)WGS 84

Ä“ ” 3 Translationen x, y, h 3 Rotationen um x-, y-, h-Achse H“ h ”⇒ H Ergebnis (x, y; H )LS Abbildung 10.47. Transformation eines globalen Bezugssystems in ein regionales Bezugssystem, wobei der Maßstab des ursprünglich berechneten Netzes erhalten bleibt

nur unerhebliche Verzerrungen aufweist. Die Berechnungen sind in dem Diagramm der Abb. 10.48 beschrieben. Zunächst sind, wie in dem Beispiel der Abb. 10.48, die geozentrischen kartesischen Koordinaten (X, Y, Z)WGS 84 mit einer Geodätischen Transformation in Geographische Koordinaten (B, L, h)WGS 84 und diese dann in einer weiteren Geodätischen Transformation in Gaußsche Koordinaten (x, y)WGS 84 umzuwandeln, wobei allerdings die Höhe unberücksichtigt bleibt. Die Ähnlichkeitstransformation beinhaltet hier nur 2 Verschiebungen um x und y, eine Rotation um die h-Achse und eine Maßstabsanpassung.

391

10.9 Höhenmessung mit Satellitenverfahren x

Z

y (LS)

X

Y WGS 84)

(x, y)LS

(X, Y, Z)WGS 84 G“ ” (X, Y, Z) ⇒ (B, L, h) G“ ” (B, L) ⇒ (x, y) (x, y)WGS 84

Ä“ ” 1 Rotation um h-Achse 2 Translationen x, y 1 Maßstabsänderung Ergebnis (x, y)LS Abbildung 10.48. Transformation eines globalen Bezugssystems in ein regionales Bezugssystem, wobei die Höhen unberücksichtigt bleiben sollen

10.9

Höhenmessung mit Satellitenverfahren

Satellitenpositionierungsverfahren – wie z. B. NAVSTAR GPS oder GLONASS – liefern 3D-Koordinaten in einem geozentrischen rechtwinkligen Koordinatensystem. Die rechtwinkligen Koordinaten lassen sich in ellipsoidische jedes beliebigen Landeskoordinatensystems umformen; man erhält so die geographische Breite und Länge sowie die ellipsoidische Höhe der entsprechenden Punkte (Abb. 1.2). Die ellipsoidischen Höhen kann man nur für spezielle Aufgabenstellungen verwenden, wie z. B. Deformationsmessungen. In der Praxis arbeitet man in der Regel mit Höhen, die sich auf eine Niveaufläche beziehen, wie beispielsweise orthometrische Höhen [1.1]. Zwischen den ellipsoidischen und orthometrischen Höhen besteht die Beziehung (Abb. 1.1 und 11.4): h = H + N,

(vgl. 11.8)

392

10 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren

sodass orthometrische Höhendifferenzen sich folgendermaßen berechnen: H2 − H1 = (h2 − h1 ) − (N2 − N1 ) .

(10.60)

Man benötigt daher für die einzelnen Höhenpunkte Geoidhöhen, wobei ihre Genauigkeit möglichst der ellipsoidischer Höhen angepasst sein sollte. Die Genauigkeit, mit der das Geoid zur Verfügung gestellt wird, unterscheidet sich auf der Erde von Region zu Region. In hochentwickelten Ländern ist das Geoid häufig mit einer Schichtlinienäquidistanz von 10 cm publiziert. Vielfach zeigen Untersuchungen, dass dort lokal Geoidhöhenunterschiede mit einer Genauigkeit von ca. 1, . . . , 2 · 10−6 · D (10.61) berechnet werden können, wobei D den Abstand der Punkte auf dem Ellipsoid in km angibt (vgl. z. B. Milbert 1992). Die Genauigkeit, mit der Höhen durch Satellitenverfahren übertragen werden können, kann man allgemein mit dem zweifachen Wert für die Lagegenauigkeit 2 · (5 mm +1 · 10−6 D)

(10.62)

angeben, wobei D wiederum für den Abstand der Punkte auf dem Ellipsoid in km steht. Vergleicht man die Höhenerfassung mit Satellitenverfahren und die trigonometrische Höhenmessung [13], so erkennt man, dass das zuerst genannte Verfahren sowohl vom zeitlichen Aufwand als auch von der Genauigkeit her überlegen ist, wenn man größere Distanzen zu überbrücken hat; vgl. z. B. (Högerl 1987). Höhenübertragungen mit Nivellieren oder Satellitenverfahren können insbesondere im Gebirge als gleichberechtigt angesehen werden (Högerl 1987), da die Genauigkeit der Nivellements bei größeren Höhenunterschieden durch Maßstabsfehler der Nivellierlatten und Refraktionseffekte erheblich beeinflusst wird [12]. In flacheren Gebieten erzielt man mit Satellitenverfahren erst bei größeren Punktabständen die gleiche Genauigkeit, wie beim geometrischen Nivellement (Milbert 1992). Ein Vergleich beider Verfahren ist jedoch nur sinnvoll, wenn das Geoid etwa mit der in (10.61) beschriebenen Genauigkeit bekannt ist. Zur weiteren Vertiefung dieses Kapitels [10] sei noch allgemein auf folgende Literatur verwiesen (Hofmann-Wellenhof, Lichtenegger, Collins 2001; Bauer 2003; Seeber 2003)

11 Verfahren der Höhenmessung und Höhensysteme

11.1 Einführung Der Höhenunterschied zweier Punkte A und B wird ermittelt, indem man ihren lotrechten Abstand in Bezug auf eine horizontale Linie oder Ebene misst (Abb. 11.1a bis c). Die Bezugslinie stellt man mit einer Nivelliereinrichtung her, und zum Ausmessen der lotrechten Abstände dienen Nivellierlatten oder andere Maßstäbe. a) R

Horizont V

Messstab

A

B HA

A

Messgefäß

b)

HB

Bezugsfläche

A

B

Horizont

HB

Schlauch

HA

Bezugsfläche Bezugsfläche SR

c)

z

Horizont

t

i B HA

A

HB

Bezugsfläche Bezugsfläche

Abbildung 11.1. Messprinzipien für Höhenmessungen

Das am häufigsten verwendete Nivelliergerät besteht aus einem Fernrohr mit einem Unterbau und einer Zusatzeinrichtung, mit der die Ziellinie horizontiert wird

394

11 Verfahren der Höhenmessung und Höhensysteme

(Abb. 11.1a). Die Ziellinie ist durch den Mittelpunkt des Objektivs und eine Messmarke (z. B. ein Strichkreuz) in der Abbildungsebene des Objektivs gegeben. Der Unterbau wird auf einem Stativ befestigt. Eine ausführliche Beschreibung findet man in [12]. Ein Spezialnivellier ist die Schlauchwaage (Abb. 11.1b). Sie besteht aus Glaszylindern, die bei einfachen Instrumenten eine vertikale mm-Teilung haben, und einem Schlauch, der die Messgefäße verbindet. Die Messeinrichtung wird mit einer Flüssigkeit gefüllt, die Flüssigkeitsoberfläche bildet dann den Bezugshorizont, an dem die mm-Skalen abgelesen werden. Eine genauere Beschreibung der Messverfahren findet man in [15]. Anstelle der Flüssigkeitsoberfläche kann auch eine Fläche gleichen Luftdrucks als Bezugsfläche gewählt werden. Da der Luftdruck eine Funktion der Höhe ist, können mit Barometern relativ zu der Bezugsfläche Höhen bestimmt werden. Dieses Verfahren nennt man barometrische Höhenmessung [14]. Bei der trigonometrischen Höhenmessung (Abb. 11.1c) misst man mit Theodolit und Entfernungsmesser vom Punkt A aus den Zenitwinkel z und die Schrägdistanz S R zu einer Zielmarke, die sich über dem Punkt B befindet. Den Horizont erhält man hier durch trigonometrische Berechnung [13]. Die Höhenbestimmung mit Nivelliergeräten, auch als geometrisches Nivellement bezeichnet, hat sich seit etwa 1850 am stärksten durchgesetzt. Zuvor wurden Höhen vorwiegend trigonometrisch bestimmt. Das geometrische Nivellement wies jedoch zunächst zwei wesentliche Nachteile auf: eine ungünstige Fehlerfortpflanzung und einen hohen Zeitaufwand. Den hohen Zeitaufwand versuchte man insbesondere durch verschiedene Automationsschritte zu verringern. Eine erhebliche Beschleunigung brachte um 1950 die Entwicklung des Kompensators [12.3], der die Konstruktion von Nivellieren mit selbsthorizontierender Ziellinie ermöglichte. Insbesondere für großflächige Aufnahmen konzipierte man dann seit Anfang der 70er Jahre das motorisierte geometrische Nivellement [12.8.4] (Peschel 1974; Becker 1985; Whalen 1985) und etwa gleichzeitig das trigonometrische Nivellement (Rüger und Brunner 1982; Gottwald 1985). Einen wesentlichen Ansporn lieferten beim trigonometrischen Nivellement die digitalen Theodolite, denn die Messwerte konnten nun für einen automatischen Datenfluss zentral im Messgerät gesammelt werden. Verbunden mit größeren Zielweiten im Vergleich zum geometrischen Nivellement entstand ein konkurrenzfähiges Messverfahren [13.4]. Aufbauend auf den Erfahrungen des trigonometrischen Nivellements entstand 1985 die Methode der motorisierten 3D-Traversenbestimmung (Becker 1985). Obwohl schon 1966 Ideen veröffentlicht wurden, die Messwerte des geometrischen Nivellements digital im Messgerät zu erzeugen (Zetsche 1966), kam ein praxisreifes Instrument erst 1990 auf den Markt. Bei diesem Gerät wird die Position eines Nivellierlattenbildes in der Bildebene des Nivelliers durch einen elektrischen

11.2 Höhensysteme und Definitionen der Höhen

395

Zeilensensor erfasst und anschließend durch digitale Bildverarbeitung ausgewertet (Ingensand 1990; Woschitz 2003). Für den automatischen Datenfluss, von der Aufnahme der Messwerte im Feld über die Berechnungen bis zur Herstellung von Registern, waren jetzt erstmals alle Voraussetzungen geschaffen [12.4]. Für die Überwindung der ungünstigen Fehlerfortpflanzung entwickelte man über viele Jahrzehnte verfeinerte Modelle und Messanordnungen [12,13]. Insbesondere über ausgedehnte Nivellementsnetze konnte die Wirkung systematischer Effekte noch nicht voll befriedigend geklärt werden. Etwa seit Mitte der 80er Jahre lassen sich nun neben den terrestrischen Verfahren relative ellipsoidische Höhen mit Satellitenverfahren bestimmen [10.9]. Bei kleinen Punktabständen sind die terrestrischen Verfahren dieser Technik an Genauigkeit überlegen. Großräumig lassen sich jedoch Nivellementsnetze mit Satellitenverfahren stützen und kontrollieren. Durch die unabhängige Kontrolle kann man nun die systematischen Effekte leichter auffinden und eliminieren [16.5.4]. Die barometrische Höhenmessung [14] war stets wegen der leicht transportablen und einfach zu handhabenden Geräte für unterschiedlichste Aufgaben nützlich, z. B. auf Expeditionen. Das hydrostatische Nivellement [15] wird für Landesnivellements höchster Präzision in Küstenbereichen und insbesondere für Aufgaben der Ingenieurgeodäsie eingesetzt.

11.2 Höhensysteme und Definitionen der Höhen Neben den unterschiedlichen Höhenmessverfahren gibt es verschiedene Höhendefinitionen und Höhensysteme. Man kann Höhen bzw. Höhenunterschiede nur dann miteinander vergleichen, wenn sie sich auf die gleichen Bezugssysteme beziehen oder wenn die Transformationsparameter zwischen den Systemen bekannt sind. Nachfolgend wird daher ein einführender Überblick über die bekannten Höhen und Höhensysteme gegeben. Für eine weitere Vertiefung steht umfangreiche Literatur zur Verfügung, wie z. B. (Vanicek und Krakiwsky 1986; Torge 2001; Heck 2003; Hofmann-Wellenhof u. a. 2005).

11.2.1

Niveauflächen und geopotentielle Koten

Wie in [1.2] einführend erläutert, werden Höhenmessungen im allgemeinen auf Niveauflächen bezogen. Es handelt sich dabei um Flächen konstanten Schwerepotentials (Abb. 11.2): (11.1) W = Wp = const. Niveauflächen werden auch als Äquipotential- oder Geopotentialflächen bezeichnet. Aufgrund der abgeplatteten Figur der Erde, der Erdrotation und der ungleichen Massenverteilung innerhalb der Erde verlaufen die Niveauflächen nicht parallel und die Lotlinien, welche die Niveauflächen senkrecht durchsetzen, sind Raumkurven

396

11 Verfahren der Höhenmessung und Höhensysteme

W = WP P S W = W0

Abbildung 11.2. Niveauflächen und Lotlinien in Erdnähe (Torge 2001)

(Abb. 11.2). Bewegt man sich auf einer Niveaufläche W = Wp, so folgt dW = 0, d. h. der Potentialunterschied bleibt Null. Fällt die Bewegung in Richtung der äußeren Flächennormalen n, so beträgt die Potentialdifferenz: dW = −g dn,

(11.2)

wobei g die Schwere beschreibt, die senkrecht auf W = Wp steht. Gleichung (11.2) liefert den fundamentalen Zusammenhang zwischen der Potentialdifferenz (physikalische Größe) und dem Höhenunterschied (geometrische Größe) benachbarter Niveauflächen (Torge 2001). Verändert sich g auf einer Niveaufläche, so muss sich entsprechend (11.2) auch der Abstand dn zur benachbarten Niveaufläche ändern. Da dn in der Lotlinie liegt, ist dW wegunabhängig. Bei Bewegungen auf einer Niveaufläche wird daher keine Arbeit geleistet. Man kann das Meerwasser als frei bewegliche, homogene Masse betrachten, welche nur der Erdschwerkraft unterworfen ist. Nachdem sich ein Gleichgewichtszustand eingestellt hat, bildet die Oberfläche der so idealisierten Ozeane eine Niveaufläche des Schwerefeldes, welche man sich unter den Kontinenten fortgesetzt denken kann. Diese Niveaufläche wird – wie schon einleitend in [1.2] beschrieben – als Geoid bezeichnet. Sie folgt der Gleichung W = W0 = const.

(11.3)

Das Geoid ist eine teilweise im Innern des festen Erdkörpers verlaufende Fläche, deren Krümmung Unstetigkeiten bei sprunghaften Dichteänderungen aufweist. Da es sich folglich nicht um eine analytische Fläche handelt, scheidet es als Bezugsfläche für Lagebestimmungen aus. Es ist jedoch eine geeignete Bezugsfläche für Potential- und Höhendifferenzen, welche das geometrische Nivellement zusammen mit Schweremessungen liefert (Torge 2001).

397

11.2 Höhensysteme und Definitionen der Höhen

Mit der Definition des Geoides ist die Festlegung eines Höhendatums verknüpft. Es muss in diesem Zusammenhang definiert werden: – welcher Punkt liegt auf dem Geoid und – welches Potential W0 ist in diesem Punkt gegeben. Die praktische Festlegung von Punkten auf dem Geoid mit dem Potential W0 bereitet zwischen Inseln und besonders interkontinental größere Probleme. Bei der Aufstellung eines erdumspannenden Datums versucht man, diese Schwierigkeiten zu überwinden. P gP

W = WP

dn

g0

P0

W = W0

Abbildung 11.3. Festlegung eines Punktes auf der Erdoberfläche im System der Niveauflächen

Ein Punkt an der Erdoberfläche lässt sich im System der Niveauflächen durch eine negative Potentialdifferenz zum Geoid festlegen (Abb. 11.3). Ist P0 ein Punkt auf dem Geoid mit dem Potential W0 , so beschreibt folgendes wegunabhängiges Linienintegral P P (11.4) C = W0 − Wp = − dW = g dn P0

P0

die Potentialdifferenz gegenüber dem Geoid. C bezeichnet man als geopotentielle Kote. Um eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Zahlenwert der Höhe in Metern zu erzielen, wird als Einheit der geopotentiellen Kote kGal/m= 10 m2 s−2 benutzt. Wegen g =0,98 kGal/m sind die Werte der geopotentiellen Koten etwa 2% kleiner als die Höhenwerte (Torge 2001). Geopotentielle Koten lassen sich durch Nivellieren [12] und Messen der Schwerewerte an der Erdoberfläche hypothesenfrei bestimmen. Zusammenfassend kann festgestellt werden: Das reine Nivellementsergebnis, die Summe der Höhenunterschiede (Rückblick minus Vorblick), ist wegabhängig.

398

11 Verfahren der Höhenmessung und Höhensysteme

Strenggenommen können Höhen nicht geometrisch in Metern, sondern nur physikalisch in Potentialdifferenzen (= Arbeit) definiert werden. Um eindeutige Ergebnisse zu erzielen, müssen die Resultate des reinen Nivellements transformiert werden. Ausgehend von der Beziehung (11.2) gibt es hierfür mehrere Wege, wobei für das praktische Vermessungswesen gilt, dass man mit Höhen in Metern rechnen will. Man kann z. B. die geopotentiellen Koten in metrische Höhen wandeln, indem man durch einen Schwerewert dividiert.

11.2.2

Orthometrische Höhen

Unter einer orthometrischen Höhe versteht man den in seiner Lotlinie gemessenen Abstand vom Geoid bis zum Oberflächenpunkt. Mit (11.4) folgt für die orthometrische Höhe: C H = g¯

1 mit g¯ = H

H g dH.

(11.5)

0

Für die Berechnung der mittleren Schwere g, ¯ die sich durch Integration längs der Lotlinie von H = 0 bis H ergibt, wird der Schwereverlauf zwischen dem Geoid und der Erdoberfläche benötigt. Eine direkte Messung der Schwere im Erdinnern ist nicht möglich. Die mittlere Schwere kann daher nur durch Annahme von Hypothesen über den Dichteverlauf in der Erdkruste berechnet werden. Da die Niveauflächen nicht parallel zueinander verlaufen, haben Punkte ein und derselben Niveaufläche, zwischen denen kein Wasser fließen kann, verschiedene orthometrische Höhen. In der Landesvermessung und Detailvermessung werden häufig orthometrische Höhen verwendet, da sie als Länge der Lotlinie anschaulich sind. Die nivellierten dn können für größere Abschnitte zusammengefasst und mit einem mittleren Schwerewert multipliziert werden. Wenn der aus der Schwere g stammende Fehleranteil ˆ 0,1 mm) bleiben soll, so genügt es, wenn im Flachland Schwe≤ 10−4 kGal/m (= remessungen im Abstand von 15, . . . , 25 km und im Mittelgebirge von 5, . . . , 10 km durchgeführt werden. Bereiche, in denen die Linearität des Schwerefeldes gestört wird, sind besonders zu erfassen (Torge 2001).

11.2.3

Dynamische Höhen

Dividiert man die geopotentiellen Kote durch einen konstanten Schwerewert (z. B. die normale Schwere [vgl. 11.2.4] im Meeresniveau und in der geographische Breite 45◦ = γ45◦ ), so ergibt sich die hypothesenfreie dynamische Höhe: HD =

c . γ45◦

(11.6)

399

11.2 Höhensysteme und Definitionen der Höhen

Nur im System dynamischer Höhen haben Punkte auf einer Niveaufläche denselben Höhenwert. Rechnet man nivellierte Höhenunterschiede in dynamische Höhen um, so entstehen größere Korrekturwerte. Die dynamischen Höhen haben im Gegensatz zu den orthometrischen Höhen keine geometrische Bedeutung. Man kann sie nicht als Abstand von einer Bezugsfläche definieren. Sie sind daher als Höhen eines Landesvermessungssystems ungeeignet.

11.2.4

Normalhöhen

Ein Rotationsellipsoid kann mit einem künstlichen, sogenannten normalen Schwerefeld ausgestattet und zur Niveaufläche U0 = const. einer bestimmten Potentialfunktion U gemacht werden. Normalhöhen sind in einem solchen normalen Schwerefeld in bezug auf die Niveaufläche U = U0 definiert: HN

1 mit γ¯ = N H

C = γ¯

H N γ dH N .

(11.7)

0

Der Normalschwerewert γ¯ kann in dem definierten Normalschwerefeld hypothesenfrei berechnet werden. Bezugshöhe der Normalhöhen ist das in der Nähe des Geoids verlaufende Quasigeoid.

11.2.5

Ellipsoidische Höhen

Die ellipsoidische Höhe h eines Punktes ist rein geometrisch definiert: Sie beschreibt den (auf der Flächennormalen abgetragenen) kürzesten Abstand von einem vereinbarten Ellipsoid (Abb. 11.4). P U = UP

H h Geoid W = W0 N Referenzellipsoid U = U0 Abbildung 11.4. Ellipsoidische Höhe h, orthometrische Höhe H , Geoidundulation N

400

11 Verfahren der Höhenmessung und Höhensysteme

Der Unterschied zwischen der ellipsoidischen und der orthometrischen Höhe wird als Geoidundulation oder Geoidhöhe bezeichnet (Abb. 11.4). Diese berechnet sich nach N = h − H, (11.8) wenn man den unterschiedlichen Verlauf der Lotlinien und der Flächennormalen vernachlässigt.

11.2.6

Höhensysteme und Höhenmessverfahren

Die Höhensysteme können zwei Gruppen zugeordnet werden: In der ersten Gruppe lassen sich diejenigen zusammenfassen, die einen Bezug zum Schwerefeld der Erde haben, in der zweiten Gruppe bleibt das Schwerefeld unberücksichtigt. Die Höhensysteme der ersten Gruppe stehen mit den genauesten Höhenmessverfahren, dem geometrischen und trigonometrischen Nivellement in einer engen und einfachen Beziehung. Sie haben für die Praxis der Landesvermessung eine besondere Bedeutung. Zur zweiten Gruppe gehören als ein Beispiel die ellipsoidischen Höhen. Sie entstehen bei all den Messverfahren, die dreidimensionale kartesische Koordinaten liefern: den Satellitenverfahren, Inertialverfahren und der Tachymetrie in Verbindung mit der trigonometrischen Höhenmessung.

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

12.1

Grundprinzip und einfache Geräte

Den Grundgedanken des Nivellierens oder Einwägens zeigen die Abb. 11.1a und 12.1. Man ermittelt den Unterschied der Geländehöhen von A und B, indem man den lotrechten Abstand beider Punkte von einer horizontalen Ziellinie misst. Dazu benötigt man ein Nivelliergerät, mit dem man eine horizontale Ziellinie herstellen kann, und zwei Nivellierlatten, mittels derer sich die lotrechten Abstände der Geländepunkte von der genannten Ziellinie messen lassen. In der Abb. 12.1 ist der Höhenunterschied zwischen A und B gleich 1,96 – 1,12 = 0,84 m.

horizontale Linie

1, 96

1, 12

0, 84

B

A Abbildung 12.1. Grundgedanke des Nivellierens

12.2 12.2.1

Nivelliere mit Libellenhorizontierung Mechanischer Aufbau der Libellennivelliere

Das Nivellier mit Libellenhorizontierung besteht aus einem mit dem Unterbau durch Achse und Fernrohrträger verbundenen Messfernrohr, das mit Hilfe einer am Fernrohr befestigten Röhrenlibelle (Fernrohrlibelle) so eingerichtet werden kann, dass die Zielachse horizontal ist. Sind, wie in Abb. 12.1 angedeutet, in A und B Nivel-

402

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

lierlatten senkrecht aufgestellt, so erhält man den Höhenunterschied h als Differenz zwischen dem Rückblick R“ nach A und dem Vorblick V “ nach B aufgrund der ” ” Formel h = R − V. (12.1) Das ist die Grundgleichung des Nivellierens. Fast alle modernen Nivelliere haben Fernrohre mit Zwischenlinse [2.2]. Man unterscheidet im Hinblick auf die Lagerung des Fernrohrs und der Libelle: a) Nivelliere mit festem Fernrohr, bei denen die Libelle mit dem Fernrohr und das Fernrohr mit dem Fernrohrträger fest verbunden ist (Abb. 12.2a); b) Nivelliere mit Kippschraube, bei denen die Libelle mit dem Fernrohr fest verbunden ist, das Fernrohr aber gegenüber der Stehachse mit der sogenannten Kippschraube in beschränktem Umfang gekippt werden kann (Abb. 12.2b); da es sich bei der Kippschraube um eine Präzisionsschraube handelt, kann mit dieser der Horizont genauer eingestellt werden im Vergleich zu Geräten des Typs a), wo dies mit den Dreifußschrauben erfolgt.

a) mit festem Fernrohr

b) mit Kippschraube

Abbildung 12.2. Libellennivelliere

12.2.2

Regeln für den Gebrauch der Libellennivelliere

12.2.2.1 Handhabung und Justierbedingungen Die in [12.2.1] herausgearbeiteten Unterschiede in der Fernrohrlagerung sind insofern von Bedeutung, als die Lagerung des Fernrohrs für das Justierverfahren maßgebend ist. Bei Nivellieren mit festem Fernrohr kann das Fernrohr nur mit den Schrauben des Dreifußes auf- und abbewegt werden. Zur Horizontierung des Fernrohrs muss die Vertikal- oder Stehachse daher mit Hilfe der Fernrohrlibelle streng lotrecht gestellt werden. Damit dabei eine horizontale Visur erhalten wird, müssen, wie Abb. 12.2a erkennen lässt, zwei Bedingungen erfüllt sein: 1. LL ⊥ V V , d. h. Libellenachse und Vertikalachse müssen senkrecht aufeinanderstehen. Ist das nicht der Fall, so ist der Spielpunkt zu bestimmen und mit Hilfe der Libellenjustierschrauben auf die Mittelmarke zu verlegen [3.2.5].

12.2 Nivelliere mit Libellenhorizontierung

403

2. LL  ZZ, d. h. die Zielachse muss der Libellenachse parallel sein. Ob die Justierbedingungen erfüllt sind, kann man nach den in [12.7.1] beschriebenen Verfahren überprüfen. Justieren kann man die Instrumente – wie dort beschrieben – mit den Strichkreuzjustierschrauben. Bei Nivellieren mit Kippschraube (Abb. 12.2b) kann das Fernrohr gegenüber der Stehachse mit der Kippschraube in beschränktem Umfange geneigt werden. Daher stellt man die Stehachse mit Hilfe der Dosenlibelle nur genähert lotrecht und bringt alsdann die Fernrohrlibelle mit der Kippschraube zum Einspielen. Damit dabei eine horizontale Visur erhalten wird, braucht nur die eine Bedingung LL  ZZ, d. h. Libellenachse parallel Zielachse, erfüllt zu sein. Ob sie erfüllt ist, prüft man nach den in [12.7.1] beschriebenen Verfahren. Justieren kann man das Instrument entweder auf die dort erläuterte Weise mit Hilfe der Strichkreuzjustierschrauben, oder man stellt die Visurlinie mit der Kippschraube auf die Sollrichtung ein und bringt anschließend die Blase mit den Libellenjustierschrauben zum Einspielen. Mit einem justierten Kippschraubennivellier werden, wenn die Blase mit der Kippschraube zum Einspielen gebracht ist, unabhängig von der Stellung der Vertikalachse horizontale Visuren erhalten. Im Gegensatz zum Nivellier mit festem Fernrohr muss das Fernrohr jedoch bei Einstellung jeder neuen Richtung mit der Kippschraube nachgestellt werden. Das ist vor allem bei etwaigen Seitenblicken zu beachten. 12.2.2.2 Einfluss von Temperaturänderungen auf Libellennivelliere Bei ungleichen Temperaturänderungen können Materialspannungen in dem Messgerät entstehen, die Justierfehler [vgl. 12.2.2.1] hervorrufen. Man muss unterscheiden zwischen: – dem Einfluss der sich ändernden Umgebungstemperatur, – dem Einfluss der von einer bestimmten Richtung einfallenden Sonnenstrahlung. Im ersten Fall ist der Einfluss unabhängig vom Azimut der Ziellinie. Der Restjustierfehler ist daher im Vorblick und Rückblick β = konstant und wirkt sich nach (12.1) nicht aus, wenn mit gleichen Zielweiten gearbeitet wird (Abb. 12.3). Bei Sonneneinstrahlung aus einer bestimmten Richtung (Abb. 12.4) kann eine azimutabhängige Fehlausrichtung γ der Zielline auftreten. Näherungsweise gilt: γ = γ0 cos (α − αs ) ;

(12.2)

α = Azimut der Nivellementlinie, αs = Azimut der Sonne. Beim Wechsel vom Rückblick zum Vorblick geht α über in α + 200 gon und entsprechend geht γ über in −γ . Der Einfluss der Fehlausrichtung wird folglich

404

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

γ

γ

β

1:∞

β

Abbildung 12.3. Einfluss von Temperaturänderungen auf die Ausrichtung der Ziellinie

αs

Pj α

Pi Abbildung 12.4. Azimut der Sonne und der Nivellementlinie

bei Differenzbildungen nach (12.1) nicht beseitigt und hat daher die Wirkung eines systematischen Fehlers, insbesondere, wenn die Nivellementlinie geradlinig verläuft. Abhilfe wird geschaffen, wenn – das Instrument vor Sonneneinstrahlung durch einen Schirm geschützt wird, – die Beobachtungen auf den einzelnen Stationen möglichst schnell ausgeführt werden und – bei Wiederholungsnivellements die Nivellementlinie so geplant wird, dass αs andere Werte annimmt. Libellennivelliere verfügen über einen niedrigen Automationsgrad und werden daher nur bei kleineren oder speziellen Aufgaben eingesetzt. Dieser Spezialfall liegt vor, wenn in einer Umgebung mit periodischen Erschütterungen hochgenaue Höhenbestimmungen d rchzuführen sind. Dies ist z. B. häufig bei Messungen für den Maschinen- und Anlagenbau der Fall. Die Flüssigkeit einer Libelle wird bei Vibrationen in der Umgebung in der Regel weniger zum Mitschwingen angeregt als das Pendel eines Kompensators in den nachfolgend beschriebenen Kompensatornivellieren. Ein Libellennivellier, welches im Maschinen- und Anlagenbau häufig eingesetzt wird, zeigt Abb. 12.5.

12.3 Nivelliere mit Kompensator

405

Abbildung 12.5. Nivellier höchster Genauigkeit Leica N3

Bei sehr hohen Genauigkeitsanforderungen bringt man vor dem Objektiv des Nivelliers ein Planplattenmikrometer an. Mit diesem kann der Beoachter das Strichkreuz auf einen Zentimeterstrich an der Latte einstellen und den Restbetrag  an einer Trommel, mit der die Planplatte bewegt wird, in Bruchteilen von Millimetern ablesen (Kahmen 1997).

12.3

Nivelliere mit Kompensator

Ein wichtiger Schritt in Richtung Automatisierung der Messungen gelang, als es möglich war, die Zielachse eines Nivelliers auch ohne Präzisionslibelle zu horizontieren. Das verdeutlicht die in Abb. 12.6 skizzierte rund 200 Jahre alte Pendelwaage, deren Ziellinie sich unter dem Einfluss der Schwerkraft automatisch waagerecht stellt. Ausgehend von diesem Grundgedanken hat im Jahre 1950 als erste die Fa. Zeiss in Oberkochen das Ingenieurnivellier Ni 2 mit selbsthorizontierender Ziel” linie“ entwickelt, bei dem die nachteiligen Auswirkungen einer leichten Neigung des Messfernrohrs durch den Einbau eines optisch-mechanischen Bauelements, des Reglers oder Kompensators, automatisch eliminiert werden. Diese Entwicklung hat nicht nur eine Erhöhung der Messgeschwindigkeit um 30 bis 40%, sondern auch eine spürbare Steigerung der Genauigkeit mit sich gebracht.

406

12.3.1

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

Grundprinzip der Kompensatoren

Das Grundprinzip eines Kompensators zeigt Abb. 12.7. Die Fernrohrachse eines Nivelliers ohne Röhrenlibelle wird nach dem Einspielen der zum Aufrichten der Stehachse bestimmten Dosenlibelle in der Regel um den kleinen Winkel α gegen die Horizontale geneigt sein. Das Bild eines im Instrumentenhorizont liegenden fernen Gegenstandspunktes entsteht dann zwar in der Brennebene des Objektivs, aber – wenn f dessen Brennweite ist – um den Betrag f · tan α ≈ f α nach unten oder oben versetzt. Ein horizontal eingefallener Zielstrahl muss daher im Knickpunkt K durch ein von der Schwerkraft gesteuertes Bauelement (Kompensator) so abgelenkt werden, dass er den horizontalen Mittelstrich des Strichkreuzes schneidet. Der Ablenkungswinkel aber ergibt sich, wenn K um die Strecke s von der Strichplatte entfernt ist, aus der Bedingung f α = sβ mit f : s = n zu β = αn.

Abbildung 12.6. Pendelwaage



α 1:∞

f

s

Abbildung 12.7. Selbsthorizontierende Ziellinie

(12.3)

12.3 Nivelliere mit Kompensator

407

Um zu einem möglichst einfachen Kompensator zu kommen, wähle man n = 2 oder s = 1/2 f und hänge demgemäß in der Mitte zwischen Objektiv und Strichplatte einen an einem freischwingenden Pendel befestigten Spiegel auf, der so justiert ist, dass die spiegelnde Fläche sich bei ruhendem Pendel in der Horizontalen befindet. Fällt nun ein horizontaler Strahl in das um den Winkel α geneigte Fernrohr ein, so lenkt der Spiegel gemäß dem Spiegelgesetz den eingefallenen Strahl um den Winkel β = 2α aus seiner ursprünglichen Richtung ab, womit die in der Gleichung (12.3) eingeführte Bedingung erfüllt und ein um die Horizontale pendelnder Spiegel als die einfachste Form eines Kompensators erkannt ist. Diese Lösung hat jedoch nur theoretische Bedeutung; praktisch ist sie nicht anwendbar, weil der horizontale Spiegel wegen der sehr flach einfallenden Strahlen sehr groß sein müsste. Abhilfe schafft man mit einem oder mehreren fest eingebauten Umlenkprismen, welche bewirken, dass der Zielstrahl unter einem kleineren Einfallswinkel auf die pendelnde Spiegeloberfläche trifft. Ganz allgemein bedarf es zur automatischen Kompensation einer restlichen Fernrohrneigung (bis etwa ±(1/2)◦ ) dreier konstruktiver Voraussetzungen. Diese sind im Fernrohr fest eingebaute Elemente (hier, d. h. im Falle der Abb. 12.8, 12.9, 12.10 Spiegelprismen), sodann ein unter dem Einfluss der Schwerkraft stehendes bewegliches Glied (hier ein Pendelspiegel) und endlich eine Dämpfungseinrichtung, die zur Beschleunigung der Messungen die Pendelschwingungen schnell abklingen lässt (hier eine Luft- bzw. magnetische Dämpfung). Diese drei Einrichtungen bilden den Kompensator. Kompensatoren mit β = 2α nehmen ziemlich viel Raum ein und behindern dadurch den Einbau der Fokussierlinse. Daher wird gerne n > 2 gemacht. Das lässt sich erreichen z. B. durch Kompensatoren, bei denen der Zielstrahl dreimal reflektiert wird. Dann ist nämlich β = 4α und s = 41 f . Doch gibt es noch sehr viele andere Möglichkeiten. Generell lassen die Kompensatoren sich nach drei Hauptkriterien unterscheiden: Das erste Kriterium betrifft die Art des mechanischen Pendels. Soweit bekannt arbeiten alle Kompensatoren nach dem Prinzip des Schwerkraftpendels. Diese unterscheiden sich durch die Art ihrer Aufhängung, nämlich ob sie an Drähten oder Bändern, an einer elastischen Feder oder an einem Kreuzfedergelenk aufgehängt sind, oder ob eine Achse sich nahezu reibungsfrei in Schneiden-, Spitzen- oder Kugellagern dreht. Das zweite Kriterium zur Unterscheidung von Kompensatoren betrifft die Beeinflussung des Strahlengangs im Fernrohr durch optische Bauelemente. Neben den genannten Spiegeln und Spiegelprismen werden vom Kompensator u. a. Zwischenabbildesysteme, Dachkantprismen, Glaskeile oder die Strichplatte gesteuert. Das dritte Kriterium bezieht sich auf die Einrichtung zur Dämpfung der Schwingungen des Kompensators, die im Hinblick auf schnelle Messbereitschaft eingebaut sind. Hier kennt man insbesondere die Luftdämpfung mit Kolben und Zylinder, sowie

408

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

die Dämpfung durch Permanentmagneten mit Schwert, die besser als Wirbelstromdämpfung bezeichnet wird. Durch Kombination der zu den verschiedenen Kriterien genannten Hilfsmittel lassen sich nahezu beliebig viele Kompensatorformen entwickeln. Nachfolgend soll unterschieden werden zwischen Kompensatoren, bei denen die Winkelvergrößerung n > 1 vorwiegend mit optischen Mitteln erreicht wird [12.3.1.1] und solchen, bei denen sie überwiegend auf dem Einsatz mechanischer Hilfsmittel beruht [12.3.1.2]. Bei allen Modellen soll außerdem untersucht werden, welche Bauelemente fest im Fernrohr eingebaut, und welche Glieder (beschränkt) beweglich sind. 12.3.1.1 Kompensatoren mit optischer Winkelvergrößerung Bei der nachstehenden Vorstellung einiger Kompensatortypen in [12.3.1.1] und [12.3.1.2] wird allgemein folgendes unterstellt: Nach der Horizontierung des Instruments mit Hilfe einer Dosenlibelle sei die Fernrohrachse gegenüber der Horizontalen um den meistens recht kleinen Winkel α geneigt. Dieser Winkel α soll nach Möglichkeit beim Durchgang durch den Kompensator um den Faktor n vergrößert werden. Zwei typische Beispiele mit n = 2 und n = 4 sollen nachfolgend beschrieben werden. a) Ein an einem starren Pendel 8 in horizontaler Lage schwingender Spiegel 4 ist der bewegliche Teil des Kompensators (Abb. 12.8). Das Pendel lagert in einer in der Entfernung f/2 vom Objektiv 1 angebrachten Achse, die sich in Präzisionskugellagern dreht. Die fest eingebauten Umlenkprismen 2 und 3 bewirken, dass der Zielstrahl unter einem geeigneten Einfallswinkel auf den schwingenden Spiegel fällt. Die umgelenkten Strahlen bilden schließlich einen Abschnitt der Nivellierlatte auf dem Strichkreuz 6 ab, wo dieser durch das Okular 7 beobachtet werden kann. Die Scharfeinstellung erfolgt über die Fokussiereinrichtung 5. Die Vergrößerung ist n = 2; die Pendelschwingungen können z. B. durch eine Wirbelstrombremse magnetisch gedämpft werden. b) Ein an einem Federgelenk hängendes Pendel mit zwei am Kopf dachförmig angeordneten Rechtwinkelprismen (Abb. 10.9 Ziff. 8 mit 3 und 5) ist das bewegliche Glied im Kompensator. Als fester Kompensatorteil befindet sich über dem Pendel ein Dachkantprisma 4, das neben der Strahlumlenkung zum Aufrichten des Bildes und zum Austauschen seiner Seiten dient. Bei einer Neigung des Instruments um α wird die Richtung des Hauptstrahls durch die Reflexion im ersten Rechtwinkelprisma um 2α abgelenkt, und dieser Winkel wird durch die Reflexion im zweiten Prisma verdoppelt, so dass n = 4 wird. Mithin konnte der Kompensator im Abstand s = f/4 von der Bildebene 6 angeordnet werden, über die die Strahlen in das Okular 7 gelangen. Die Pendelschwingungen können z. B., wie 9 zeigt, mit Luft gedämpft werden.

409

12.3 Nivelliere mit Kompensator 1

2

8

3

6

7

3

4

5

6

7

8

5 4

9

9

Abbildung 12.8. Kompensatornivellier mit optischer Vergrößerung (n = 2)

Abbildung 12.9. Kompensator mit optischer Vergrößerung (n = 4)

12.3.1.2 Kompensatoren mit überwiegend mechanischer Winkelvergrößerung Mechanische Hilfsmittel zur Winkelvergrößerung gelangen z. B. in dem Kompensator der Abb. 12.10 zur Anwendung:

Abbildung 12.10. Kompensatornivellier mit mechanischer Winkelvergrößerung (n = 7, 4), Zeiss

Ein Gelenkviereck (Abb. 12.11), das wie ein mechanisches Hebelgetriebe wirkt, steuert das optische Element des Kompensators, dessen Aufbau mit dem Gelenkviereck und den 3 charakteristischen Prismen am Okularende des Instruments der Abb. 12.12 leicht zu entnehmen ist. Die Dimensionen des Gelenkvierecks sind so bemessen, dass die untere – bewegliche – Basis sich bei einer Neigung der oberen – fernrohrfesten – Basis um α auf die Neigung 3,7α einstellt (Abb. 12.11). Die untere

410

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

Basis ist mit der oberen durch je zwei Drähte verbunden; die Gelenke sind dadurch spiel- und reibungsfrei. α n−α

Abbildung 12.11. Gelenkviereck, Zeiss

Das optische Glied des Kompensators, ein 90◦ -Spiegelprisma, ist auf der unteren Basis befestigt und verdoppelt den Neigungswinkel, so dass die Gesamtvergrößerung des Kompensators n = 7,4 ist. Die Schwingungen werden durch Luft gedämpft. Der Hauptstrahl wird nach dem Durchtritt durch Objektiv und Fokussierlinse von einem fernrohrfesten Spiegelprisma um 45◦ abgelenkt, am beweglichen 90◦ -Kompensatorprisma reflektiert und von einem zweiten fernrohrfesten Spiegelprisma mit Dachkante in das Strichkreuz und Okular geleitet. Die 3 Spiegelungen bewirken zusammen mit der Dachkante ein aufrechtes, seitenrichtiges Bild.

12.3.2

Regeln für den Gebrauch der Nivelliere mit Kompensator

12.3.2.1 Handhabung und Justierbedingungen Ein Nivellier mit einem Kompensator muss zwei Bedingungen erfüllen: a) Die Tangentialebene im Mittelpunkt der Dosenlibelle muss normal zur Stehachse des Instruments liegen; Justieren nach [3.1.5]. b) In einem Nivellier mit fehlerfrei arbeitendem Kompensator muss ein Strahl durch den vorderen Hauptpunkt H des Objektivs stets auf Punkt S der Strichplatte fallen (Abb. 12.12). Ist das Nivellier nicht richtig justiert, d. h. ist die Zielachse gegenüber der Horizontalen um einen Winkel γ geneigt, so trifft wie in Abb. 12.12 der Zielstrahl die Strichplatte nicht im Strichkreuz S, sondern in einem Punkt P . 1:∞

β H Kβ

Zielachse

P S

Objektiv γ

Strichplatte Stehachse

Abbildung 12.12. Justierungsmängel

411

12.3 Nivelliere mit Kompensator

Der Abstand SP aber ist, wie die Abbildung zeigt, offensichtlich eine Funktion der Zielweite. Bei gleich großen Zielweiten hat mithin ein Dejustierungsfehler auf den Höhenunterschied keinen Einfluss. Ein Kompensatornivellier kann nach den in [12.7.1] beschriebenen Verfahren justiert werden. Berichtigt wird die Lage der Ziellinie je nach dem Aufbau des Instruments entweder durch Verschieben der Strichplatte oder durch Drehen eines schwach keilförmig ausgebildeten Abschlussglases vor dem Objektiv. In digitalen Nivellieren kann die Korrektur kleiner Fehler auch rechnerisch erfolgen. 12.3.2.2 Vorhorizontieren mit der Dosenlibelle Um den Kompensator vor Beschädigungen beim Transport zu schützen, ist der Bewegungsraum des pendelnden Kompensatorteils durch Anschläge begrenzt. Damit das Pendel frei schwingt, muss daher die Dosenlibelle einerseits sorgfältig justiert und andererseits sorgfältig eingespielt werden. Trotzdem kann es vorkommen, dass das Pendel am Anschlag klebt. Vor der Ablesung soll man deshalb leicht an den Stativteller klopfen und sich vergewissern, dass das Pendel schwingt; bei Störungen wird in der Regel von dem Instrument ein optisches Warnsignal erzeugt. 12.3.2.3 Höhenversatz des Objektivs und Horizontschräge Hierbei handelt es sich um Fehler, die beim Nivellement mit Libellennivellieren unbekannt sind. Beim Einsatz von automatisch arbeitenden Instrumenten aber können sie als Folge von Restfehlern beim Justieren der Dosenlibelle und von unzureichender Horizontierung auf den Beobachtungsständen auftreten. Auch bei fehlerfrei arbeitendem Kompensator bewirkt die Schiefstellung der Stehachse um den Winkel γ einen Höhenversatz c, der sich aus Abb. 12.13 mit den dort eingetragenen Maßen

c

H a

a

1:∞ H

γ γ Rückblick

Vorblick Stehachse

Abbildung 12.13. Höhenversatz

zu c = 2aγ / ergibt. Wählt man als Abstand des dingseitigen Hauptpunktes von der Stehachse a = 150 mm und nimmt für γ die Hälfte der üblichen Angabe einer Dosenlibelle, also γ = 4 , so ergibt sich als Höhenversatz c = 0,4 mm. Dieser

412

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

Betrag kann beim Feinnivellement keinesfalls zugelassen werden. Die bereits oben erhobene Forderung nach sorgfältigem Justieren und sorgfältigem Einspielenlassen der Dosenlibelle erhält hier also eine zusätzliche Begründung. Ein weiterer Fehler, den eine Schiefstellung der Stehachse zur Folge haben kann, ist die sogenannte Horizontschräge: Die Kompensatoren arbeiten oftmals nicht fehlerfrei, sondern sie neigen zu Über- oder Unterkompensation. Ursachen sind die nicht immer exakte Lage des Kompensators im Strahlengang, die Gelenkreibung und ähnliche Einflüsse, die von Gerät zu Gerät verschieden sind. Bei einer Überkompensation z. B. (vgl. Abb. 12.14 und 12.15) ist der tatsächliche Kompensationswinkel β  größer als der Sollwinkel β = nα. Infolgedessen ist bei der in den Bildern angenommenen β 1:∞ Zielachse

S H

Objektiv

K

β

β

S  Strichplatte β

γ Stehachse

K γ

Strichplatte

H Zielachse 1:∞ Objektiv Stehachse

Abbildung 12.15. Vorblick

Abbildung 12.14. Rückblick

Stehachsenneigung die Zielachse gegenüber der Horizontalen im Rückblick nach unten, im Vorblick hingegen um denselben Winkel nach oben geneigt; der Instrumentenhorizont liegt demnach schräg. Also ist, wenn die mit Strichen versehenen Buchstaben die Ablesung im schrägen Horizont bedeuten, bei den in den Bildern angenommenen Verhältnissen im Rückblick R und im Vorblick V , R < R

und

V  > V,

so dass statt h = R − V fälschlich h = R  − V  , also ein zu kleiner Wert erhalten wird. Die Größe des Fehlers hängt wesentlich ab von der Neigung γ der Stehachse und von der Zielweite; sie kann leicht einige Zehntel mm erreichen. Abhilfe schafft allgemein auch hier ein genaues Einspielen der Dosenlibelle. Der Höhenversatz des Objektivs und die Horizontschräge sind nicht sehr zu befürchten, solange die Dosenlibelle des Nivelliers in bezug auf die Stehachse scharf justiert ist. Bei sorgfältigem Einspielen der Libelle halten die Fehler sich in Grenzen; sie wirken dann bei einer längeren Nivellementslinie als zufällige Fehler mit wechselndem Vorzeichen und unterschiedlicher Größe auf das Ergebnis kaum ein. Ein restlicher Justierfehler der Dosenlibelle lässt sich indessen niemals ganz ausschließen; dann aber können die durch den Höhenversatz und die Horizontschräge entstehenden Fehler systematischen Charakter annehmen. Dieser Fall tritt ein, wenn

413

12.3 Nivelliere mit Kompensator

der Beobachter die Dosenlibelle gewohnheitsgemäß auf jedem Standpunkt bei gleicher Stellung des Fernrohrs – etwa auf die Rückblicklatte – einspielt. Zwar ist dann das Mittel aus Hin- und Rücknivellement fehlerfrei; doch können die Einzelergebnisse erheblich differieren, was als sehr störend empfunden wird. Abhilfe schafft ein alternierendes Messverfahren; man lässt die Dosenlibelle auf einem Standpunkt bei rückwärts gewandtem Fernrohr, auf dem nächsten Standpunkt aber in Richtung des Vorblicks einspielen und setzt dieses Verfahren über die ganze Strecke fort. Arbeitet man mit zwei Messgehilfen, so muss der Beobachter beim Horizontieren das Fernrohr stets auf die gleiche Latte, d. h. auf denselben Lattenträger richten; den Träger aber muss er sich merken. Im Scherz ist vorgeschlagen worden, diesen Mann mit einer roten Hose auszustatten. Daher wird das beschriebene Verfahren gerne als das Verfahren der roten Hose“ bezeichnet. ” 12.3.2.4 Periodische Erschütterungen Periodische Erschütterungen durch Verkehr, Bau, starken Wind und dergl. beeinflussen den empfindlichen Kompensator viel stärker als die ziemlich träge Libelle. Weil die genannten Störungen auch das Stativ zu Schwingungen anregen, sollte man dieses dann durch kräftiges Eintreten in den Untergrund gewissermaßen verspannen. Man kann ferner – ein alter Trick erfahrener Nivelleure – die Stativschwingungen erheblich dämpfen, indem man eine Hand leicht auf den Stativteller legt oder im Augenblick der Ablesung zwei Stativbeine leicht anfasst. 12.3.2.5 Empfindlichkeit gegen Temperaturänderungen Gegen Temperaturänderungen [vgl. 12.2.2.2] sind Nivelliere mit Kompensator wesentlich unempfindlicher als Libellennivelliere. Ein Sonnenschirm ist daher nur bei Feinnivellements erforderlich. Änderungen von 1”/◦ C sind möglich. 12.3.2.6 Einfluss des Magnetfeldes der Erde Soweit bekannt arbeiten alle Kompensatoren nach dem Prinzip des Schwerkraftpendels [12.3.1]. Unter dem Einfluss der Schwerkraft wird in Kompensatornivellieren die Ziellinie automatisch horizontiert. Zusätzlich zur Schwerkraft kann aber auch das Magnetfeld der Erde Auswirkungen auf die Ausrichtung des Pendels haben. Fehlausrichtungen des Pendels bewirken eine Fehlausrichtung der Ziellinie (Abb. 12.16). Für eine konstante geographische Breite und unter der Annahme, dass die horizontale Komponente des Magnetfeldes in dem Messgebiet konstant bleibt, gilt: δ = δ0 cos μ,

(12.4)

wobei μ den Winkel in bezug auf magnetisch Nord bezeichnet. Nach (12.4) tritt δ im Vor- und Rückblick mit entgegengesetztem Vorzeichen auf und wird folglich bei

414

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung Ziellinie

δ

δ

Pendel

Magnetfeld Schwerkraft Abbildung 12.16. Einfluss des Magnetfeldes auf die von einem Kompensator ausgerichtete Ziellinie

Differenzbildungen nach (12.1) nicht eliminiert. Mit Instrumenten, deren Kompensator durch das Magnetfeld beeinflusst wird, nivelliert man daher auf einem schrägen Horizont. Es können Effekte auftreten, die bei Präzisionsnivellements nicht zu vernachlässigen sind (Rumpf; Meurisch 1981). Es gibt keine Messanordnung, um diesen Fehler wirksam zu beseitigen. Insbesondere bei sehr genauen Nivellements sollten daher vor Beginn der Arbeiten die Instrumente auf einer Testlinie untersucht werden. Wenn sich Einflüsse des Magnetfeldes nachweisen lassen, so sollte man das Instrument zur Überarbeitung an den Hersteller geben.

12.4 12.4.1

Digitale Datenerfassung, digitale Nivelliere Grundkonzept eines digitalen Nivelliersystems

Ein weiterer Schritt für die Automatisierung des geometrischen Nivellements war gegeben, als es gelang, die Datenerfassung mit einem Detektor für elektronische Bildwandlung [2.2.5] und mit Verfahren der digitalen Bildverarbeitung automatisch auszuführen. Für die Erfassung, Auswertung und Abspeicherung der Daten war jetzt ein automatischer Datenfluss gegeben. Das Messsystem (Abb. 12.17) besteht aus zwei Komponenten: dem Sensor für die automatische Datenerfassung und einer codierten Nivellierlatte; man verwendet auch den Begriff digitales Nivelliersystem“. Dass man beide Komponenten hier zu ” einem System zusammenfasst, verdeutlicht: es gelten alle Qualitätsangaben für das Gesamtsystem und es sollte möglichst das Gesamtsystem kalibriert werden (Rüger, Brunner 2000, Heister 2002, Woschitz 2003).

415

12.4 Digitale Datenerfassung, digitale Nivelliere 1 2 PC, Algorithmen 9

8 10

7

A/D

4

3

5

6 11 12

Abbildung 12.17. Komponenten eines digitalen Nivelliersystems

Die Nivellierlatten 1 tragen je nach Hersteller einen unterschiedlichen Code. Das optische System des Sensors 2 besteht aus dem Objektiv 4, der Fokussierlinse 5, den Umlaufprismen 6, einem Strahlteilerwürfel 7, einem Strichkreuz in der Abbildungsebene 8 und dem Okular 9. Das so weit beschriebene Messfernrohr [vgl. auch 2.2.2] ermöglicht bereits eine Ablesung der Nivellierlatten mit dem Auge des Betrachters. Die Datenerfassung kann alternativ automatisch erfolgen, indem ein Teil des durch das Objektiv aufgenommenen Lichtes durch den Strahlteilerwürfel auf einen Detektor für elektronische Bildumwandlung 10 umgelenkt wird. Der Strahlteilerwürfel wirkt wie ein Bandpassfilter, indem er den für das Auge wichtigen Spektralbereich des einfallenden Lichtes zum Objektiv weiterleitet und die der spektralen Empfindlichkeit des Bildwandlers entsprechende Strahlung rechtwinklig zu diesem umlenkt; wenn man z. B. nur den infraroten Anteil des Lichtes umlenkt, wird die Lichtleistung für den Beobachter nicht beeinträchtigt. Der Kompensator verfügt über eine Dämpfung 11 und in der Regel zusätzlich über einen Kontrollsensor 12, welcher die Funktionstüchtigkeit des Kompensators überprüft; er kontrolliert den Einfluss von Vibrationen und ob der bewegliche Spiegel sich wirklich frei bewegen kann. Neben den Vorteilen, welche durch die automatisierte Messwerterfassung und Auswertung der Daten eingetreten sind, gibt es weitere. Diese beruhen darauf, dass nicht nur ein einzelner Teilstrich (wie bei der visuellen Beobachtung), sondern ein größerer Ausschnitt der Latte mit seinem gesamten Codemuster an der Messung und Auswertung beteiligt wird. Es können jetzt die: – Störungen, die durch Luftturbulenzen entstehen, durch eineArt Mittelungsprozess besser herabgesetzt werden und – Codemuster zusätzlich für die Distanzmessungen genutzt werden.

416

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

Ein PC steuert den Messablauf und verfügt über verschiedene Algorithmen für die Datenbearbeitung und Datenverwaltung. Die Datenverarbeitung umschließt nicht nur die Auswertung der Messungen in Echtzeit sondern auch das Anbringen von Korrekturen. Korrekturen werden notwendig, wenn die Justierbedingungen nicht voll erfüllt sind [12.3.2.1]; dies kann z. B. durch unterschiedliche Temperatureinflüsse hervorgerufen sein. Es gibt mehrere Hersteller von digitalen Nivelliersystemen. Schon aus patentrechtlichen Gründen hat jeder seine eigenen Codemuster sowie einen passenden Auswertealgorithmus entwickelt. Nachfolgend sollen zwei Entwicklungsrichtungen beschrieben werden, die einen weitgehenden Einblick in die Methodik geben. Informationen über weitere Konzepte findet man z. B. in (Deumlich, Staiger 2001, Woschitz 2003).

12.4.2

Ein Mess- und Auswertekonzept von Trimble/Zeiss

(1) Aufbau des digitalen Nivelliersystems Den mechanisch-optischenAufbau zeigt am Beispiel des Digitalnivelliers DiNi 12/20 Abb. 12.18; das Grundkonzept ist ähnlich wie jenes in Abb. 12.17. Die für die Auswertung der Höhenmessungen notwendigen Informationen gewinnt man durch KanFokussierung Kompensator

Draufsicht Fokussierung Kompensator

Strahlteiler

CCD - Zeile Strahlteiler

Seitenansicht

Abbildung 12.18. Mechanisch-optischer Aufbau des Digitalnivelliers DiNi 12/20

tendetektion in einem vom Bildwandler abgebildeten 30 cm langen Lattenabschnitt. In diesem Bildbereich symmetrisch zur Ziellinie (Abb. 12.19) identifiziert man mit Methoden der digitalen Bildverarbeitung die Begrenzungslinien (Kanten) gleichabständiger Codeabschnitte, um anschließend mit weiteren Berechnungen ihre Höhen festlegen zu können. Die Höhe h, in der die Ziellinie die Codelatte trifft, erhält man dann durch Mittelbildung der Einzelhöhen. Dass hier, unabhängig von den Ab-

417

12.4 Digitale Datenerfassung, digitale Nivelliere

ständen der Nivellierlatten, innerhalb des Gesichtsfeldes des Fernrohres immer nur ein gleichlanger Lattenschnitt für die Auswertungen genutzt wird, hat wesentliche

30 cm

Abbildung 12.19. Gesichtsfeld des Fernrohres und nutzbarer Auswertebereich beim Messkonzept Trimble/Zeiss

Vorteile: – das Gebiet bodennaher Refraktion wird ausgespart, – es kann mit sehr kurzen Nivellierlatten gearbeitet werden, was z. B. bei Spezialaufgaben der Ingenieurvermessung (wie Deformationsmessungen) flexible Messanordnungen ermöglicht. (2) Der Standard- und Nahbereichs-Code Der Standard-Code des Zeiss/Trimble Konzeptes ist ein 8-bit-Code (Abb. 12.20). Der Code besteht aus einer Folge von Code-Wörtern. Wichtig ist, dass jedes Code-Wort nur einmal in der gesamten Codesequenz vorhanden ist, denn so kann auch dann ausgewertet werden, wenn nur Teilabschnitte der Latte genutzt werden können; der Decodierungsprozess kann so bei jedem Code-Element beginnen. Jedem bit ist ein 20 mm langes Code-Element zugeordnet. Mit einem 8-bit-Code kann so eine 5,12 m lange Nivellierlatte realisiert werden. Wenn man jetzt jedoch wie in Abb. 12.20a, jedem 0-bit eine weiße Fläche und jedem 1-bit eine schwarze zuordnet, erhält man weiße und schwarze Abschnitte unterschiedlicher Länge, was für das zuvor festgelegte Messverfahren ungeeignet ist. Eine bessere Verteilung der (Schwarz-Weiß)-Kanten erhält man, wenn die Codesequenz zusätzlich mit einem Zwei-Phasen-Code transformiert wird (Abb. 12.20b). Hierbei werden die 20 mm-Elemente in zwei gleichlange Abschnitte aufgeteilt und es wird beiden Abschnitten die Farbe Schwarz oder Weiß zugeteilt, wenn es sich um ein 1-bit Element handelt; die Auswahl wird so getroffen, dass jedes 20 mm-Element sich von dem Nachbarelement unterscheidet. Es trifft dann nach jedem 20 mm-Element ein Schwarz/Weiß-Wechsel auf und alle 20 mm lässt sich eine Kante detektieren.

418

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

Abbildung 12.20. Trimble/Zeiss Codemuster: (a) pseudo-stochastische Codesequenz (b) als Zwei-Phasen-Code (c) pseudo-stochastischer Code für den Nahbereich (d) sein schwarz-weiß Bild (e) die Kombination beider Codes (f) ein Ausschnitt auf einer InvarNivellierlatte (Woschitz 2003)

Bei kurzen Lattenabständen kann nicht mehr ein ganzes Code-Wort (16 cm lang) auf dem Bildwandler abgebildet werden. Man benötigt daher für den Nahbereich ein 9-bit-Codemuster mit 10 mm langen Code-Elementen (Abb. 12.20c); jedem 1-bit wird hier Schwarz und jedem 0-bit Weiß zugeordnet (Abb. 12.20d). Beide Codes müssen nun noch auf der Nivellierlatte miteinander verschmolzen werden. Hierfür hat man eine einfache Lösung gefunden: das Bild des StandardCodes behält man grundsätzlich bei. Wenn beide Codes unterschiedliche Farben aufweisen, markiert man im Standard-Code weiße Felder des Nahbereich-Codes mit einer weißen Linie und schwarze Felder des Nahbereich-Codes mit einer schwarzen Linie (Abb. 12.19e). Abb. 12.19f zeigt beide miteinander verschmolzenen Codes abschnittsweise auf einer Invar-Nivellierlatte. (3) Auswertung der Höhe und Distanz Die Höhe h, in der die horizontale Ziellinie die Nivellierlatte trifft, und die Distanz d Nivelliergerät-Nivellierlatte wird aus den Positionen der n + 1 Kanten der n Code-

419

12.4 Digitale Datenerfassung, digitale Nivelliere

Element abgeleitet, welche auf einem 30 cm Abschnitt der Latte symmetrisch zur Ziellinie liegen (Abb. 12.21). Die Positionen der Kanten werden mit gi bezeichnet. gn

e0 - - - b0 30 cm gi+1 h

d f

gi

e 1 - - - b1 eh ei+1 bi+1 en – bn

g0 Code Latte

Objektiv

CCD-Array

Abbildung 12.21. Geometrie für die Modellbildung der Höhen- und Distanzauswertung

Auf dem CCD-Array des Bildwandlers bilden sich diese Positionen an den Stellen ei ab. Für die Distanz d gilt dann (Strahlensatz): d =S·f wobei

(12.5)

n·g (12.6) en − e0 den Abbildungsmaßstab beschreibt, f die Brennweite des Objektivsystems und g die Länge eines 20 mm Code-Elementes und n die Anzahl der abgebildeten CodeElemente. Die Berechnug der Höhen erfolgt in zwei Schritten. Im ersten Schritt berechnet man die Höhen der Mitte der Code-Elemente Ci , welche in dem 30 cm Intervall der Latte enthalten sind (von unten ausgehend): S=

hm i = g(Ci + 0, 5)

(12.7)

wobei Ci die Nummer des entsprechenden Intervals bezogen auf den Nullpunkt der Nivellierlatte ist. Man erhält die Ci aus der Interpretation der Code Wörter. In einem zweiten Schritt fügt man noch jeweils den Abstand zwischen der Intervallmitte des Elements mit der Nr. Ci und dem Durchstoßpunkt h des Zielstrahls mit der Nivellierlatte hinzu. Diesen Abstand misst man mit dem CCD Array aus. Dort bestimmt man nämlich die Abstände bi der abgebildeten Kanten in Bezug auf den Durchstoßpunkt eh der horizontalen Ziellinie: (12.8) bi = eh − ei .

420

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

Für die Höhe des Durchstoßpunktes in Bezug auf den Nullpunkt der Nivellierlatte gilt dann jeweils: bi+1 + bi . (12.9) 2 Diese Höhe des Durchstoßpunktes lässt sich mit den n-Code-Elementen, die in dem 30 cm Abschnitt vorhanden sind, n mal berechnen. Schließlich erhält man dann einen Mittelwert für h aus hxi = g(Ci + 0, 5) − S

 i=n i=n  1 x 1 bi+1 + bi h= hi = g(Ci + 0, 5) − S . n n 2 i=0

(12.10)

i=0

Die Auswertung der Distanz und Höhe mit dem Nahbereichs-Code beruht ebenfalls auf Kantendetektion am Rande von 20 mm-Codeabschnitten. Wenn bei Beobachtungen an den Lattenenden oder bei Hindernissen im Gesichtfeld des Fernrohres nur ein unsymmetrischer Lattenabschnitt für die Auswertungen zur Verfügung steht, so kann auch mit diesem noch gemessen werden, wenn bestimmte Grenzbereiche nicht überschritten werden. So kann man z. B. noch messen, wenn die Ziellinie 2 cm oberhalb vom Lattenende oder 2 cm unterhalb vom Lattenanfang angeordnet ist (Feist u. a. 1995). Abb. 12.22 zeigt ein Digitalnivellier von Trimble/Zeiss mit dem Bedienfeld und Display des PC‘s.

Abbildung 12.22. Digitalnivellier (Trimble/Zeiss)

421

12.4 Digitale Datenerfassung, digitale Nivelliere

12.4.3

Ein Mess- und Auswertekonzept von Leica

(1) Aufbau des digitalen Nivelliers Den mechanisch-optischen Aufbau zeigt am Beispiel der Instrumente NA 2000 und NA 3000 Abb. 12.23; er entspricht vom Grundkonzept her Abb. 12.17. Das Konzept der Elektronik zeigt Abb. 12.24. Der Mikroprozessor übernimmt die Steuerung des Messvorganges und die Auswertung der Messdaten. Der Zeilendetektor wandelt mit seinen 256 lichtempÀndlichen Fotodioden das empfangene binäre Muster der Latte in ein analoges Signal um, das über eine Ausleseelektronik verstärkt und zum A/DWandler geliefert wird. Dort entsteht ein digitales Messsignal in Form von 256 Pixeln mit einer Dynamik von 8 Bit, was 256 Grauwerten entspricht. Kompensatorüberwachung Fokusgeber Okular Detektor Fokussierlinse

Objektiv

!

Teilerwürfel Strichkreuz Kompensator

Abbildung 12.23. Mechanisch-optischer Aufbau des digitalen Nivelliers NA 2000 und NA 3000 (Leica)

Fokusposition

Datenausgang Spannungsversorgung

Positionsgeber Compensator Kontrolle Zeilendetektor Codebild

Datenspeicher

A D

Display

Ausleseelektronik

Videosignal

ACCU 500 mAh

Prozessor

Abbildung 12.24. Konzept der Elektronik des digitalen Nivelliers NA 2000 und NA 3000 (Leica)

422

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

(2) Signalauswertung und Signalaufbereitung Ein Lattenausschnitt wird je nach Abstand der Latte vom Nivelliergerät unterschiedlich groß auf dem Zeilendetektor abgebildet. Der Abbildungsmaßstab des Lattenbildes ist demnach eine Funktion des Abstandes d Instrument – Latte. Die unterschiedlichen Abbildungsmaßstäbe müssen bei der Auswertung der Höhen berücksichtigt werden. Dies kann indirekt durch den Parameter d geschehen. Ein Näherungswert df für den Abstand ist durch ist durch die Beziehung (Ingensand 1990) df = k/s

(12.11)

mit k optische Konstante s Stellung der Fokussierlinse gegeben. Die Stellung der Fokussierlinse liefert der Fokus-Positionsgeber. Die Distanz df wird von dem Mikroprozessor ausgewertet und abgespeichert. Für die Höhenberechnungen wird noch ein Referenzsignal benötigt, welches das gleiche Muster wie jenes hat, das durch den Abbildungsprozess des Bildwandlers und den A/D-Wandler erzeugt wird. Dieses Referenzsignal kann nach dem gleichen Bildungsgesetz wie das Messsignal, jedoch jetzt rein mathematisch erzeugt werden. Abb. 12.25 verdeutlicht den Entstehungsprozess; das digitale Signal kann man sich durch eine Faltung (Konvolution) der Codefunktion mit der Detektorempfindlichkeitsfunktion entstanden denken.

C

Codefunktion D Detektorempfindlichkeitsfunktion P Messsignal Abbildung 12.25. Signalerzeugung in dem Digitalnivellier NA 2000 und NA 3000 (Ingensand 1990)

423

12.4 Digitale Datenerfassung, digitale Nivelliere

Mathematisch lässt sich dies folgendermaßen beschreiben: +∞ Pi (d, h) = c(d, y − h) · Di (y)dy

(12.12)

−∞

mit Pi (d, h): Di (y): c(d, y − h): h: y: d:

Referenzwert für Pixel i“ ” Empfindlichkeitsfunktion von Pixel i“ ” Codefunktion Höhe relative Lage vom Code zum Detektor Abbildungsdistanz.

Das Referenzsignal wird gespeichert, damit es für weitere Auswertungen zur Verfügung steht. Die Höhe, in der die horizontierte Ziellinie (im Rück- oder Vorblick) die Nivellierlatte trifft, ermittelt man, indem im Rechner des Messgerätes das elektrooptisch erzeugte digitale Messsignal der Latte bzw. des Lattenausschnittes mit dem Referenzsignal gleichen Musters vergleicht. Durch den Vergleich stellt man fest, um welchen Betrag ausgehend von der Nullmarke 0“ der Latte das Signalmuster des ” Lattenausschnittes verschoben werden muss, bis es mit dem gleichen Muster des Referenzsignals zur Deckung kommt (Abb. 12.26). Der Verschiebungsbetrag ist dann die gesuchte Höhe im Vor- oder Rückblick. a) digitales Messsignal des Lattenausschnitts Amplitude

Ort x

b) digitales Messsignal des Lattenausschnitts um x = h verschobben

x

c) Referenzsignal

h

x h

Abbildung 12.26. Vereinfachte Darstellung der Signalauswertung beim Digitalnivellier ( gedachte Mittelmarke)

424

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

Der Vergleich wird mit einem Korrelationsverfahren ausgeführt. Bei der Anwendung des Korrelationsverfahrens müssen hier zwei Parameter optimiert werden, nämlich die Höhe“ und der Maßstab“. Der in Abb. 12.26 beschriebene Vergleich kann ” ” g(d, h)

4, 05 m

h

0m 1, 8 m

d 100 m

Abbildung 12.27. Zweidimensionale Korrelationsfunktion für Entfernungs- und Höhenauswertungen (Ingensand 1990)

im Prinzip erst erfolgen, wenn der Maßstab des Signalmusters des Lattenausschnittes an den des Referenzsignals angepasst ist. Die Anpassung wird in dem Mikroprozessor vorgenommen, indem dort eine zweidimensionale diskrete Korrelationsfunktion gerechnet wird, in welcher die Maßstabsanpassung durch den Parameter d (Abstand Instrument–Nivellierlatte) erfolgt: PP Q (d, h) =

N 1  Qi (y)Pi (d, y − h) N

(12.13)

i=0

mit Q(y): Messsignal P (d, y − h): gerechnetes Referenzsignal. Den typischen Verlauf der zweidimensionalen Korrelationsfunktion zeigtAbb. 12.27. Wo das Messsignal mit dem Referenzsignal optimal korreliert, entsteht ein ausgeprägter Peak. Die Koordinaten des Maximums ergeben die Distanz und die Höhe. Praktisch wird das Korrelationsverfahren in zwei Schritten ausgeführt. In einem ersten Schritt erfolgt mit einer 1-Bit Korrelation eine Groboptimierung. Die Anzahl der vielen Rechenschritte lässt sich erheblich herabsetzen, wenn hier bereits der Näherungswert df der Gleichung (12.11) eingeführt wird. Es folgt eine Feinoptimierung. Der Suchbereich beschränkt sich jetzt jedoch auf die Umgebung des bereits grob gefundenen Maximums (vgl. Abb. 12.27); es wird jetzt das Mess- und Referenzsignal mit der gesamten 8-bit-Information korreliert. Einzelheiten über diese Auswertung findet man z. B. bei (Ingensand 1990).

425

12.4 Digitale Datenerfassung, digitale Nivelliere

(3) Der Lattencode Der Lattencode ist ein Binärcode, welcher nur aus Schwarzweiß-Elementen besteht (Abb. 12.28). Der Gesamtcode umfasst 2000 Codeelemente von ca. 2 mm Breite bei einer Lattenlänge von 4050 mm.

2 mm

Abbildung 12.28. Leica Codemuster:(a) Codesequenz (b) Codeelemente (Woschitz 2003)

Da die Auswertung über ein Korrelationverfahren erfolgt, wurde ein pseudostochastischer Code gewählt. Er muss so beschaffen sein, dass man das Korrelationsverfahren eindeutig in einem Distanzbereich von etwa 2 – 100 m einsetzen kann. Wenn Teile des Codes bei den Messungen überdeckt werden, sind die Anforderungen an die % 30 20 10

5

10

15

20

Abbildung 12.29. Toleranzgrenzen bei Abdeckungen

Auswertung besonders hoch. Abb. 12.29 zeigt. dass ab einer Nivellierlattendistanz von 5 m Abdeckungen bis ca. 30% noch toleriert werden können. Abb. 12.30 zeigt ein Digitalnivellier von Leica mit dem Display und Bedienungsfeld des geräteinternen PC‘s.

426

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

Abbildung 12.30. Digitalnivellier (Leica)

12.4.4

Eigenschaften digitaler Nivelliere

Im Vergleich zur Anwendung analoger Nivelliere (mit nur visueller Lattenablesung) kann die Nivellementsgeschwindigkeit um das 1,5 fache gesteigert werden. Ableseund Übertragungsfehler sind praktisch ausgeschlossen. Für bestimmte Messaufgaben ist es vorteilhaft, dass auch die Entfernung zur Latte mit einer Genauigkeit von wenigen cm erhalten wird. Sind die Geräte dann noch zusätzlich mit einem Sensor für die Horizontalwinkelmessung ausgestattet, so können sie als Nivelliertachymeter eingesetzt werden.

12.5

Klassifizierung der digitalen Nivelliere

Für die Beurteilung der Messgenauigkeit von Nivellieren und Messausrüstung wird nach DIN 18723 die Standardabweichung für 1 km Doppelnivellement angegeben. Mit dieser Beurteilung kann auch eine Klassifizierung für verschiedene Verwendungszwecke aufgestellt werden. Nachfolgend wird eine Unterteilung in zwei Gruppen vorgenommen: – Ingenieurnivelliere ≤ 1 – 3 mm/km, – Präzisionsnivelliere ≤ 0,3 – 1 mm/km. Die Genauigkeitsangaben beziehen sich auf das System: Nivellierinstrument, Nivellierlatte. So ergeben sich in Abhängigkeit von der Qualität der Nivellierlatten unterschiedliche Systemgenauigkeiten. Unterschiedliche Genauigkeiten erhält man auch bei elektronischen Messungen und Messungen mit dem Auge. Typische Aufgabenbereiche für Ingenieurnivelliere sind: – einfaches Messen von Höhen und Höhenunterschieden,

427

12.6 Nivellierlatten

– – – –

Flächenaufnahmen, Höhenmessungen beim Gleis-, Brücken- und Tunnelbau, Nivellements für Katastervermessungen, Festpunktnivellements.

Typische Aufgaben für Präzisionsnivelliere sind: – Festpunktnivellements hoher und höchster Genauigkeit, – Deformationsmessungen im Bauwesen, Maschinenbau und Anlagenbau, – Überwachung lokaler geodynamischer Vorgänge. Die technischen Daten der wichtigsten Komponenten der Instrumente unterscheiden sich in beiden Gruppen nur unwesentlich; dennoch unterscheiden sich die Angaben für die Höhengenauigkeit.1 In Tab. 12.1 sind die wichtigsten Beurteilungskriterien für digitale Nivelliere zusammengestellt. Spezielle Angaben der einzelnen Hersteller findet man z. B. in (Deumlich, Staiger 2001).

12.6 12.6.1

Nivellierlatten Einfache Nivellierlatten

Einfache Nivellierlatten sind 3 bis 5 m lang und 6 bis 8 cm breit. Zur Transporterleichterung werden Klapp- und Schiebelatten gefertigt. Eine Teilung befindet sich nur auf der Vorderseite; der Teilungsnullpunkt liegt in der Ebene der Aufsatzfläche. Die Teilung der Latte in Abb. 12.31a wird aufgrund ihres Aussehens als E-Teilung bezeichnet. Sie ist in cm-Felder eingeteilt und nach dm so beziffert, dass die Zahlen in dem dm-Abschnitt stehen, wo die cm abgelesen werden.

a)

b)

c)

d)

Abbildung 12.31. Einfache Nivellierlatten (Auswahl) 1 Standardabweichung Höhenmessung pro 1 km Doppelnivellement

428

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

Tabelle 12.1. Beurteilungskriterien für Digitalnivelliere

Gerätetyp

Nivellier (Höhen- und Distanzmessung) Nivelliertachymeter (Höhen-, Distanz- u. Richtungsmessung)

Fernrohr: Vergrößerung Objektivdurchmesser Sehfeld

24 bis 32 fach 36 bis 45 mm 2,2 m/100 m – 3,5 m/100 m

Messbereich: elektronisch analog (visuell)

ca. 1,8 m – 100 m ab ca. 0,5 m

Kompensator: Neigungsbereich Einspielgenauigkeit

10 bis 15 0,2 bis 0,8

Höhengenauigkeit Präzisionsnivelliere: mit Invarlatten mit Standardlatten visuell Ingenieurnivelliere: mit Invarlatte mit Standardlatten visuell

0,3 mm – 0,5 mm 1,0 mm – 1,5 mm 1,0 mm – 2,0 mm 0,7 mm – 0,9 mm 1,0 mm – 2,0 mm 1,0 mm – 2,0 mm

Distanzgenauigkeit elektronisch

20 mm – 50 mm (Zielweite ca. 20 m) 3 mm – 5 mm (Zielweite ca. 10 m)

Datenspeicher

PCMCIA-Card oder spezielle externe Speicher

Masse

2,4 kg – 3,0 kg

Spezielle Angaben von Herstellern findet man z. B. unter

www.leica-geosystems.com www.trimble.com www.sokkia.com www.topconeurope.com

429

12.6 Nivellierlatten

Abb. 12.31b zeigt eine Teilung mit besonderen Eigenschaften, die E-Schachbrettteilung; diese doppelte Felderteilung soll Schätzungsfehlern entgegenwirken, die dadurch entstehen, dass die weißen Felder, vor allem bei heller Beleuchtung, größer als die schwarzen erscheinen. Die Nivelliere mit einem Kompensator haben normalerweise aufrecht stehende Bilder, die Libellennivelliere jedoch häufig bildumkehrende Fernrohre. Um beim Einsatz der letzteren Instrumente die Ziffern ebenfalls aufrecht lesen zu können, werden auch Nivellierlatten mit auf dem Kopf stehenden Zahlen angeboten (Abb. 12.31c). Für Nivelliere mit digitaler Messwertausgabe benötigt man Latten, die ein binäres Muster tragen (Abb. 12.31d). Einfache Nivellierlatten tragen in der Regel zum Senkrechtstellen eine justierbare Dosenlibelle mit einer Angabe von etwa 30 .

12.6.2

Präzisions-Nivellierlatten

Bei den Präzisions-Nivellierlatten für Nivelliere mit analoger Messwertausgabe unterscheidet man zwei Teilungsarten: – die Strichteilung, Teilungseinheit 10 mm (Abb. 10.32a und b). – die E-Schachbrettteilung, Teilungseinheit 5 mm (Abb. 12.32c). Die Formen a und b werden für Messungen mit Nivellieren hoher, sehr hoher und höchster Genauigkeit mit optischem Mikrometer empfohlen. Für die Form (Abb. 12.32c) sind die Genauigkeitsanforderungen etwas geringer gehalten.

a)

b)

c)

d)

Abbildung 12.32. Präzisionsnivellierlatten (Auswahl)

Die Latten a) und b) sind Zweiskalenlatten; solche Latten besitzen zwei Teilungen, von denen nur eine mit Null, die andere mit einem bestimmten Betrag, der

430

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

Lattenkonstanten, beginnt. Häufig sind die Teilungen um den halben Betrag der Teilungseinheit gegeneinander versetzt. Für Präzisionsnivelliere mit digitaler Messwertausgabe benötigt man Latten, die ein binäres Muster tragen (Abb. 12.32d). Teilungsträger ist bei Präzisionsnivellierlatten ein temperaturunempfindliches Metallband (z. B. Invar) mit einem Längenausdehnungskoeffizient < 2 · 10−6 · K −1 , das in einen Rahmen mit Hilfe einer Feder durch die Kraft von (100 ± 25)N eingespannt ist. Die Federkonstante soll (10 ± 2)N mm−1 betragen. Präzisions-Nivellierlatten tragen auf der Rückseite eine justierbare Dosenlibelle mit einer Angabe von etwa 20 .

12.7 12.7.1

Justieren und Kalibrieren von Nivelliersystemen Justieren von Nivellieren

Mit den nachfolgend beschriebenen Verfahren kann man überprüfen, ob: a) bei Libellennivellieren2 die Zielachse parallel zur Libellenachse verläuft [vgl. 12.2], b) bei Kompensatornivellieren [12.3] ein durch den Hauptpunkt des Objektivs verlaufender Strahl trotz automatischer Einstellung durch den Kompensator gegen die Horizontale um einen Winkel α geneigt ist. 12.7.1.1 Justieren im Feld (nach Kukkamäki) 1. Schritt (Abb. 12.33 untere Figur): Man stellt das Nivellier, nach Beseitigung einer etwaigen Schräge des Strichkreuzes, in die Mitte zwischen zwei um 2s = 20 m voneinander entfernte Nivellierlatten A und B und macht bei einspielender Libelle an den Latten die Ablesungen a1 und b1 . Wenn nun die Zielachse und die Horizontale gemäß Abb. 12.33 den als Zielachsenfehler bezeichneten Winkel α miteinander bilden, sind beide Lattenablesungen um das gleiche Stück c = s · α/ unrichtig. Beim Bilden der Höhendifferenz Rückblick minus Vorblick fällt c aber heraus; also ist, wenn a1 und b1 die beiden Sollablesungen bedeuten: hA,B = a1 − b1 = a1 − b1 .

(12.14)

Durch Nivellieren aus der Mitte“ kann mithin auch mittels eines Nivelliers mit ” dejustierter Zielachse ein Höhenunterschied h fehlerfrei ermittelt werden. 2. Schritt (Abb. 12.33 obere Figur): Man wähle den zweiten Standpunkt auf der Verlängerung von AB um genau 2s = 20 m über B hinaus. Da der Zielachsenfehler α in beiden Figuren der Abb. 12.33 denselben Wert hat, ist seine Auswirkung auf die 2 Man beachte die besonderen Bedingungen für Nivelliere mit festem Fernrohr.

431

12.7 Justieren und Kalibrieren von Nivelliersystemen

Ablesungen an den Latten in A und B an der oberen Figur der Abb. 12.33 leicht zu ermitteln: Er bewirkt an der Latte in B bei b2 eine Verschiebung des Zielstrahls um 2c und an der Latte A bei a2 um 4c. Den Höhenwert von a2 über dem Ausgangspunkt A aber liest man an der oberen Figur beginnend am Fuß der Latte in B folgendermaßen ab: a2 = hA,B + b2 + 2c = a1 − b1 + b2 + 2c. (12.15) a1

α

2c 2c

a2 a1 c a1

2c α

α

b2 b2 b1 c b 1

α

II. Stand

h Latte A

I. Stand 10 m 10 m Latte B

20 m

1:∞

Abbildung 12.33. Nivellierjustieren nach Kukkamäki

Daraus folgt: 2c = (a2 − b2 ) − (a1 − b1 ) .

(12.16)

Zum Justieren ist das Strichkreuz des Instruments daher so zu verschieben, dass die fehlerfreien Ablesungen a2 = a2 − 4c; mit der Rechenprobe

b2 = b2 − 2c

(12.17)

a2 − b2 = a1 − b1 = hA,B

erhalten werden. Beim Justieren von Feinnivellieren muss noch der bei verschieden langen Visuren ungleiche Einfluss von Erdkrümmung und Refraktion beachtet werden. Er beträgt nach Kukkamäki in mm p = −1,68 · 10−4 s 2 , (12.18) wobei s in Metern zu nehmen ist. Für die gebräuchlichen Zielweiten ergeben sich folgende Werte: s = 10

20

30

40

50

60 m

p = −0, 02

−0, 07

−0, 15

−0, 27

−0, 42

−0, 60 mm .

432

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

Zahlenbeispiele zum Verfahren Kukkamäki: a) Ohne Berücksichtigung von Erdkrümmung und Refraktion nach den Formeln (12.16) u. (12.17): Latte

Stand I

Stand II

Soll nach (10.6)

[m]

[m]

[m]

A

a1 = 1,499

a2 = 1,685

a2 = 1,679

B

b1 = 1,722

b2 = 1,905

b2 = 1,902

a1 − b1 = −0,223

a2 − b2 = −0,220

a2 − b2 = −0,223

2c = −0,220 + 0,223 = +0,003 m;

4c = +0,006 m.

Auf Stand II wird die Strichplatte so lange verschoben, bis die Sollablesungen erscheinen. b) Bei Berücksichtigung von Erdkrümmung und Refraktion gemäß (12.18) erhalten (12.16) und (12.17) mit den Zielweiten der Abb. 12.33 die Formen 2c = [(a2 + p40 ) − (b2 + p20 )] − (a1 − b1 ), a2 = (a2 + p40 ) − 4c;

(12.19)

b2 = (b2 + p20 ) − 2c,

(12.20)

bei deren Auswertung mm/10 mitgeführt werden: Tabelle 12.2 Latte

Stand I

Stand I

Stand II

Ablesung

Ablesung

s

p

Ablesung + p

[m]

[m]

[m]

[mm]

[m]

A

a1 =1,4986

a2 =1,6853

40

-0,27

1,6850

B

b1 =1,7215

b2 =1,9050

20

-0,07

1,9049

a1 − b1 = −0,2229

a2 − b2 = −0, 2197

−0,20

−0,2199

Gemäß 12.19: 2c = −0,2199 + 0, 2229 = +0,0030 m; 4c = +0,0060 m; Gemäß 12.20: a2 = 1,6850 − 0, 0060 = +1,6790 m, b2 = 1,9049 − 0, 0030 = +1,9019 m, a2 − b2 = −0,2229 m (soll = a1 − b1 ).

12.7 Justieren und Kalibrieren von Nivelliersystemen

433

Einzustellen auf Stand II ist unter Berücksichtigung der p (a2 ) = 1,6790 + p40 = 1,6793 m;

(b2 ) = 1,9019 + p20 = 1,9020 m.

Vergleicht man die Ergebnisse unter a) und b), so ergibt sich folgendes: Bei Flächennivellements und einfachen Streckennivellements kann bei der Ablesung auf mm/10 und bei der Berechnung auf die Korrektion wegen Erdkrümmung und Refraktion verzichtet werden. 12.7.1.2 Justieren mit dem Kollimator Man verwendet einen Kollimator, dessen Zielachse mit einer Libelle streng lotrecht gestellt werden kann [3.11]. (Als Aushilfe kann ein sorgfältig justiertes und horizontiertes Feinnivellier mit nicht zu kleiner Brennweite dienen). Das zu justierende Nivellierinstrument (Prüfling), dessen Strichkreuz ebenfalls auf unendlich eingestellt ist, richtet man, wie Abb. 12.34 zeigt, auf den Kollimator ein. Dann lässt man zuerst die Dosenlibelle des Prüflings einspielen, damit der Kompensator arbeiten kann, und bringt danach sein Strichkreuz durch Justierschrauben mit dem Strichkreuz des Kollimators zur Deckung.

Abbildung 12.34. Nivellier und Kollimator

Abb. 12.35 zeigt den Justierkollimator Jusko der Firma Breithaupt. Ein gußeiserner Lagerblock dient als Grundplatte und Träger für das Kollimator-Rohr. Mit drei Stellschrauben kann die Grundplatte horizontiert werden. Die Grundplatte ist für die Grobhorizontierung mit einer Dosenlibelle, das Kollimator-Rohr für die Feinhorizontierung mit einer Querlibelle und einer Wendelibelle ausgestattet. Die Kollimatorstrichplatte ist mit einem Strichkreuz und einer horizontalen und vertikalen Skala versehen (Abb. 12.36). Die Skalen ermöglichen die Bestimmung einer Winkelabweichung der optischen Achse des Prüflings zur optischen Achse des Kollimators.

434

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

Abbildung 12.35. Justierkollimator Jusko (Breithaupt)

Abbildung 12.36. Kollimatorstrichplatte des Justierkollimators Jusko (Breithaupt)

12.7.2

Kalibrieren von Nivelliersystemen

Bei digitalen Nivellieren kalibriert man das gesamte System, d. h. das Nivellier und die codierte Latte gemeinsam in einem Messprozess. Die Ergebnisse des Kalibriervorganges bezieht man auf eine bestimmte Temperatur, im Idealfall auf eine Labortemperatur von 20◦ C. Dies ist notwendig, da sich die Neigung der Ziellinie des Nivelliers und der Maßstab der Nivellierlatte geringfügig in Abhängigkeit von der Temperatur ändern. Bei der Systemkalibrierung beginnt man vom Nullpunkt der Latte ausgehend mit einer Lattenablesung, bewegt dann die Latte um einen bekannten Betrag, macht eine weitere Ablesung und setzt dies fort bis zum oberen Ende. Informationen über die Qualität des Systems erhält man, indem man die Differenzen der Höhenablesungen mit bekannten Verschiebungsbeträgen vergleicht. Die Verschiebungswerte liefert ein Komparator. Abb. 12.37 zeigt den an der TU Graz entwickelten Vertikalkomparator, mit dem 3 m lange Latten in vertikaler La-

435

12.7 Justieren und Kalibrieren von Nivelliersystemen

ge überprüft werden können. Die Vertikalbewegungen der Latte werden mit einem Laserinterferometer [4.3.4] kontrolliert.

30 m Bank mit Rollen

Temp. 4 Laser

Temp. 3 Druck Feuchtigkeit Temp. 2

Schacht

Temp. 1

Interferometer

Abbildung 12.37. Vertikalkomparator der TU Graz (Woschitz, Brunner 2002)

[μ m]

Der aktuelle Brechungsindex in der Umgebung des Laserstrahls wird mit Sensoren überwacht, welche die Temperatur, den Luftdruck und die Luftfeuchtigkeit messen. Das Nivellier des zu prüfenden Systems kann horizontal auf einer 30 m langen Betonbank positioniert werden, damit Zielweiten zwischen 1,5 und 30 m gewählt werden können. Der Vertikalkomparator hat eine Genauigkeit von ±4 μm. Die Abb. 12.38 und 12. 39 zeigen einige Ergebnisse. Maßstabsfehler zeigen sich, wenn man die aus einem Soll-Ist-Vergleich gewonnenen Werte in Abhängigkeit von 20 10 0 _ 10 _ 20

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

Abbildung 12.38. Residuen nach Bestimmung eines Maßstabsfehlers durch lineare Regression (Woschitz, Brunner 2002)

der Lattenposition aufträgt. Legt man dann durch die aufgetragenen Werte eine Gerade, so beschreibt ihre Neigung den Maßstabsfehler. Rechnerisch bestimmt man die Gerade durch eine lineare Regression. Abb. 12.38 zeigt die Residuen der linearen Regression, durch die z. B. ein Maßstabsfehler von 15±3 ppm berechnet wurde. Der Betrag der Residuen lässt erkennen, mit welcher Genauigkeit der Komparator

436

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung 1000

H [μ m]

H [μ m]

800 600 400 200

0

_ 500

0

_ 1000

_ 200 2,75

500

2,80

2,85

2,90

2,95

3,00

2,40

2.60

2,80

3,00

a) am oberen Ende einer Latte; Abstand b) am oberen Ende einer Latte; Abstand der Latte 10 m (Woschitz, Brunner 2002) der Latte 30 m (Woschitz, Brunner 2002) Abbildung 12.39. Höhenabweichungen

arbeitet, aber auch, mit welcher Präzision codierte Latten hergestellt werden können. Abb. 12.39a zeigt, dass Höhenabweichungen am oberen Ende einer Latte auftreten können und Abb. 12.31b verdeutlicht, dass diese Abweichungen mit zunehmendem Abstand vom Nivelliergerät größer werden können. Weitere Informationen über die Kalibrierung von Nivelliersystemen findet man z. B. in (Rüger/Brunner 2000, Heister 2002, Woschitz, Brunner, Heister 2002)

12.8 12.8.1

Nivellierverfahren Festlegung der Nivellementpunkte (NivP)

Die NivP sind überwiegend oberirdisch vermarkt und frei zugänglich. Sie werden im Regelfall durch Höhenbolzen aus Metall oder Kunststoff mit tonnen-, kugel-, birnenförmigem oder konischem Kopf und eindeutigem höchsten Punkt festgelegt, auf dem die Nivellierlatten unmittelbar aufgesetzt werden können; auf diesen höchsten Punkt beziehen sich auch die Höhenangaben. Je nach ihrer Bedeutung und entsprechend den Verhältnissen des Untergrundes werden die Höhenbolzen an Bauwerken, im Fels oder an besonders eingebrachten Punktträgern verschiedener Ausführung angebracht. Als Festlegungen (Abb. 12.40a und b.) werden z. B.: Mauerbolzen (MB): Pfeilerbolzen (PB):

Höhenbolzen in Bauwerken, Fels u. a.; Höhenbolzen in Granit- oder Betonpfeilern in den Maßen 25 × 25 × 100 benutzt. Bei instabilem Untergrund verwendet man z. B. auch: Rammpfahlbozen (RB): Höhenbolzen in eingerammten Schleuderbetonpfählen;

12.8 Nivellierverfahren

437

Rohrfestpunkte (RF):

Höhenbolzen auf Stahlrohren, die bis in den tragfähigen Untergrund reichen.

25

25

90

110

55

10

Ve

g un

rmess

30 a) Mauerbolzen (MB)

70

b) Pfeilerbolzen (PB)

Abbildung 12.40. Vermarkung von Höhenpunkten

12.8.2

Fehlerquellen beim Nivellement

Ein Nivellierverfahren lässt sich nur dann mit hoher Genauigkeit ausführen, wenn man sich zuvor über mögliche Fehlerquellen informiert hat. Es ist dann zu entscheiden, ob: – das Nivellier justiert werden sollte [12.7.1], – das Nivelliersystem kalibriert werden sollte [12.7.2] – bestimmte Messanordnungen gewählt werden sollten, um Fehler zu bekämpfen und klein zu halten. Die gefährlichsten systematischen Fehler sind: 1. Messfehler bei der elektronischen Messung. Ursachen: Teilbereiche der Latte beschädigt; falsche Fokussierung, zeitweise Änderung der Beleuchtungsintensität, Beobachtungen am Lattenanfang oder Lattenende. Bekämpfung: Beseitigung der Ursachen. Die Fehler können teilweise auch zufälligen Charakter annehmen. Einseitige Schätzungsfehler beim visuellen Ablesen. Bekämpfung: Übergang vom Schätzen zum Messen der kleinen Intervalle an der Latte z. B. mit einem Planplattenmikrometer. 2. Maßstabs-, Teilungs- und Nullpunktsfehler der Latten. Bekämpfung: Regelmäßiges Kalibrieren [12.7.2]. Allgemein muss man mit einem Maßstabsfehler von ±15 μ/m rechnen, was sich insbesondere im Gebirge auswirkt, denn bei ei-

438

3. 4.

5.

6. 7.

8.

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

nem Höhenunterschied von 500 (1500) m muss mit einem Fehlereinfluss von 7,5 (22,5) mm gerechnet werden. Schiefhalten der Latten. Bekämpfung: Häufige Kontrolle der Lattenlibelle. Während der Beobachtung Latten durch je zwei Stäbe abstützen. Temperatureinflüsse auf die Messausrüstung [12.3.2.5]. Bekämpfung: Fehler durch Abweichung der Ziellinie aus der Horizontalen kann man durch gleiche Zielweiten eliminieren. Vor Beginn der Messung ist das Nivellier zum Temperaturausgleich eine ausreichende Zeit der Außentemperatur auszusetzen. Als Faustregel merke man sich: pro 1 K Temperaturdifferenz eine Minute Wartezeit. Instrument auf dem Stand durch Schirm, während des Transportes durch Wachstuchkappe vor Sonnenbestrahlung schützen. Instrument auch möglichst wenig mit der Hand berühren. Bei hohen Genauigkeitsanforderungen ist auch die Temperatur des Invarbandes der Nivellierlatten zu erfassen und gegebenenfalls zur Korrektur des Maßstabes zu verwenden. Bei Sonneneinstrahlung können Temperaturänderungen bis zu 5 K auftreten. Einsinken des Instruments während der Messung. Bekämpfung: Aufstellen nur auf festem Untergrund; ferner Beobachtung auf jedem Stand in der erläuterten Reihenfolge RI , VI , VII , RII . Dadurch werden auch andere der Zeit proportionale Einflüsse eliminiert. Einfluss des Magnetfeldes der Erde. Bekämpfung: Überprüfung des Instruments auf einer längeren Teststrecke oder im Labor [12.3.2.6]. Kompensationsreste bei selbsthorizontierenden Nivellieren [12.3.2.3]. Bekämpfung: Beim Horizontieren des Instruments das Fernrohr auf dem ersten Stand gegen die rückwärtige Latte, auf dem nächsten Stand dagegen nach vorn richten, und in diesem Rhythmus die Richtung von Stand zu Stand wechseln. Einfluss der Refraktion. Bekämpfung: Zielstrahl soll möglichst 50 cm über dem Boden verlaufen. Messung von Bergstrecken möglichst zu günstigen Zeiten mit kleinen Temperaturgradienten.Anwendung von Korrekturmodellen (Holdahl 1983). Der Refraktionseinfluss kann etwa 6 μm erreichen (für 15 m Zielweite und einen Temperaturgradienten von −0,25◦ /m). Dies wirkt sich besonders im Gebirge aus, denn bei einem Höhenunterschied von 500 (1500) m muss man mit einem Fehlereinfluss von 3 (9) mm rechnen.

Die schädlichsten unregelmäßigen Fehler sind: 1. Messfehler bei der elektronischen Messung. Ursachen: kurzzeitige Änderung der Beleuchtungsintensität, Erschütterungen des Nivelliers, Luftflimmern. Bekämpfung: Wiederholungsmessungen und Mittelbildung. 2. Einsinken und sonstige Lageänderungen der Latten. Bekämpfung: Sorgfältiges Festlegen der Unterlagsplatten; Unterlagsplatten und Lattenfüße sauber halten.

439

12.8 Nivellierverfahren

3. Ungleiche Zielweiten. Bekämpfung: Entfernungen nicht nur abschreiten, sondern – etwa mit Distanzfäden – nachmessen; etwaigeAbweichungen auf nächsten Ständen ausgleichen. 4. Mangelhafte Lattenaufsatzflächen. Bekämpfung: Latten stets mit derselben Stelle auf die Unterlagsplatte setzen. Ferner etwaige Nullpunktsdifferenz bestimmen und in Rechnung stellen oder mit der gleichen Latte, mit der angefangen wurde, auch aufhören.

12.8.3

Festpunktnivellements

12.8.3.1 Allgemeine Nivellementregeln Durch nivellitische Höhenmessung wird ein NivP-Feld verdichtet oder neu geschaffen. Die Wahl des Instruments, der Latten und des Verfahrens richtet sich nach der für den jeweiligen Zweck geforderten Genauigkeit. Man unterteilt die Festpunktnivellements in einfache Nivellements, Ingenieurnivellements und Feinnivellements. Bei allen genaueren Festpunktnivellements wird grundsätzlich aus der Mitte nivelliert, um den Einfluss von Erdkrümmung, Refraktion und restlichen Justierfehlern gering zu halten. Zur Beschleunigung der Arbeit sollten immer zwei Nivellierlatten eingesetzt werden. 12.8.3.2 Einfache Nivellements Um die Höhe eines Neupunktes B über der in [11] eingeführten (gekrümmten) Normal-Null-Fläche im Anschluss an einen Festpunkt A zu bestimmen, sei der Höhenunterschied hA,B durch einfaches Nivellement zu ermitteln. Hierzu wird die in Abb. 12.41 schematisch dargestellte Strecke von A bis B durch Wechselpunkte“ ” W1 , W2 , . . . , Wn−1 in Abschnitte von 70 bis 100 m unterteilt, und es werden die Einzelhöhenunterschiede h1 , h2 , . . . , hn ermittelt und aufsummiert. R3 R2 V1

R1

h3 h2

h1

S1

V3

V2

W1

S2

W2

S3

A Abbildung 12.41. Einfaches Nivellement

B hA,B

440

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

Zur Bestimmung von h1 wird zunächst der Punkt S1 in der Mitte zwischen dem Anschlusspunkt A und dem ersten Wechselpunkt W1 eingeschritten; dann wird dort das Instrument aufgestellt und horizontiert. Auf einen Wink hält der Messgehilfe die Latte unter Beachtung der Lattenlibelle auf der Punktmarke A auf, und der Beobachter liest am Instrument bei einspiegelnder Libelle oder freischwingendem Kompensator den Rückblick R1 ab. Auf einen Wink wandert der Messgehilfe mit der Latte nach W1 , legt dort eine Unterlagsplatte fest auf den Boden und setzt die Latte darauf, so dass der Beobachter – gegebenenfalls unter Nachrichten der Libellen – den Vorblick V1 ablesen kann. Aus Rück- und Vorblick wird schließlich der Höhenunterschied h1 = R1 − V1 errechnet. Damit ist der erste Stand erledigt. Jetzt wird die Latte in W1 vorsichtig gewendet und das Instrument nach S2 gebracht; von dort wird zuerst der Rückblick R2 und nach Transport der Latte nach W2 der Vorblick V2 abgelesen und h2 = R2 − V2

(12.21)

errechnet. So fortfahrend erhält man, immer hi = Ri − Vi bildend, schließlich h = h1 + h2 + h3 + · · · =



h=



R−



V.

(12.22)

Ist der Höhenunterschied positiv, so steigt das Gelände; ist er negativ, so fällt es. Zur Sicherung des Ergebnisses wird entweder zurücknivelliert, oder das Nivellement wird bis zum Anschluss an einen höhenmäßig bekannten NivP weitergeführt. Bei einem einfachen Nivellement mit einem Ingenieurnivellier ist eine Standardabweichung pro 1 km Doppelnivellement von ca. 5 mm ohne weiteres zu erreichen; jedoch muss nach [1.6.10] damit gerechnet werden, dass gelegentlich auch ein Abschlussfehler vom 2 – 3 fachen Betrag auftritt. Ist bei einem Nivellement diese Grenze eingehalten, so wird der Abschlussfehler auf die Standpunkte proportional zu den Entfernungen verteilt. Hat man sie überschritten, muss ein grober Fehler vermutet werden, der nur durch Wiederholung der ganzen Messung beseitigt werden kann. Für solche Fälle ist es nützlich, wenn hin und wieder ein fester Punkt (Bordstein, Kilometerstein) als Wechselpunkt benutzt wird. Die obere Grenze der als Zielweite bezeichneten Entfernung vom Instrument zur Latte beträgt bei Millimeterablesung 50 m. Genügt für den Nivellementszweck Zentimeterablesung, so kann bis 100 m Zielweite gegangen werden. Bei stärkeren Steigungen wird man vielfach durch das Gelände zu kürzeren Zielweiten gezwungen. Etwaige ungleich lange Zielweiten können auf den folgenden Standpunkten ausgeglichen werden, wenn nur erreicht wird, dass bei einer Nivellementstrecke die Summe aller Zielweiten im Vorblick gleich ihrer Summe im Rückblick

441

12.8 Nivellierverfahren

ist. Das nachstehende Beispiel soll gleichzeitig als Muster für die Aufschreibung dienen. Beispiel: Im Anschluss an die gegebenen Höhenfestpunkte A und E ist die Höhe des Punktes B durch einfaches Nivellement zu bestimmen. Tabelle 12.3

Punkt

z

R

V

1

2

3

4

A

40

1,524

40 W1

35

h=R−V

Höhe

+



über N.N.

5

6

7 52,475

1,217

+0,307

0,307

0,723

52,782 +1

35 W2

50

1,894 1,234

50 B

45

1,171

−1,170 51,612

0,654

+0,580

0,580

2,421

52,192 +1

45 W3

30

1,945

+0,477

0,476

0,635

30

52,669 0,513

+0,122

0,122

52,791

E

6,537 

6,223

 +0,314

!

+1

+1

1,485

1,171



 +0,314

!

0,316

442

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

Erläuterungen zum Feldbuch: (1) Die Zielweite z in Schrittmaß angeben. (2) Auf jedem Stand R und V eintragen und h bilden. (3) Am Ende die Summenprobe R − V = h rechnen. (4) Beim Abschluss an einen Festpunkt als Messprobe h und (HE −HA ) vergleichen; Differenz auf die hi proportional zu überbrückten Entfernungen verteilen. (5) In Spalte 7 Höhe von A eintragen und verbesserte hi aufaddieren. Nach der letzten Addition muss der Sollwert von E herauskommen.

12.8.3.3 Ingenieurnivellements Wird eine etwas höhere Genauigkeit gefordert, als durch ein einfaches Nivellement erreichbar ist, so bedient man sich zweckmäßig eines Ingenieurnivelliers (Nivelliers hoher Genauigkeit) und wählt ein Beobachtungsverfahren, das einerseits eine laufende Kontrolle liefert, zum anderen aber auch eine bessere Fehlerbekämpfung erwarten lässt. Diesen Forderungen entspricht in besonderem Maße ein Nivellement bei dem in der Reihenfolge RI , VI , VII , RII beobachtet wird, d. h. Rückblick zu der rückwärtigen Latte, Vorblick zu der vorderen Latte, Vorblick zu der vorderen Latte, Rückblick zu der rückwärtigen Latte. Es werden also zwei Nivellements nahezu gleichzeitig durchgeführt. Zur Probe werden die Höhenunterschiede sowohl aus dem ersten wie aus dem zweiten gebildet und verglichen; dabei soll im allgemeinen keine größere Differenz als ±1 mm auftreten. Lässt man zwischen den beiden Nivellements den Kompensator ein wenig ausschlagen und wieder einspielen, so wird der zufällige Charakter der Messwerte erhöht. Auf schlechtem Untergrund werden durch die Beobachtungsfolge RI , VI , VII , RII zusätzlich Fehler, die durch Einsinken des Instruments entstehen, eliminiert. Bei sorgfältiger Arbeit kann bei einem so angelegten Nivellement eine Standardabweichung pro 1 km Doppelnivellement von 1 bis 2 mm unschwer erreicht werden. Steht für das Nivellement nur ein Nivellier mit visueller Ableseeinrichtung zur Verfügung, so empfiehlt es sich, Zweiskalenlatten [12.6.2] einzusetzen, wobei eine Skala für das Nivellement I und die andere für das Nivellement II genutzt wird.

443

12.8 Nivellierverfahren

Beispiel: Im Anschluß an die Nivellementpunkte A und E ist die Höhe des Punktes B durch ein Ingenieurnivellement zu bestimmen. Tabelle 12.4 Nivellement I RI

hI

RII

hII

h=

Höhe

VI

RI − VI

VII

RII − VII

1 2 (hI + hII )

über NN

2

3

4

5

6

7

40

2,465

40

0,127

35

1,827

Punkt

z

1 A

W1

Nivellement II

6,500 2,338

4,163

127,568 2,337

2,338

5,863

2,338 129,906

+1

B W2

35

1,086

50

1,066

50

0,588

45

0,505

0,741

5,121

0,742

0,742

5,101 0,478

4,622

0,743 130,649

0,479

0,478

4,540

0,478 131,127

+1

W3

45

1,238

30

1,358

30

0,093

-0,733

5,273

-0,733

-0,733

5,393 1,265

4,127

-0,732 130,395

1,266

1,265

1,265 131,660

E +2

4,089

4,089

4,091

4,091

4,090

4,092

12.8.3.4 Feinnivellements Für genaueste Messungen wählt man Präzisionsnivelliere und Präzisions-Nivellierlatten. Als Zielweiten sind bei Instrumenten mit 40 facher Vergrößerung Entfernungen bis zu 40 m, bei Instrumenten mit 30 facher Vergrößerung Entfernungen bis zu 30 m zu verwenden. Der Zielstrahl soll möglichst 50 cm vom Erdboden entfernt sein. Die Zielweiten sind im Vor- und Rückblick auf 1 m gleich zu halten. Zur Genauigkeitssteigerung und um die einzelnen Messwerte schon auf den Stationen kontrollieren zu können kann man wie in [12.8.3.3] die Beobachtungsfolge RI , VI , VII , RII wählen. Zur Kontrolle vergleicht man die Höhenunterschiede aus den Ablesungen beider

444

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

parallel durchgeführter Nivellements auf jedem Standpunkt. Alle Ablesungen sind zu wiederholen, wenn die Differenz einen Wert von etwa 0, 4 mm übersteigt. Jede Nivellementstrecke ist grundsätzlich im Hin- und Rückweg zu beobachten. Bei jedem Nivellement treten systematische und zufällige Fehler auf. Auf den einzelnen Stationen sind die systematischen Fehler in der Regel kleiner als die zufälligen Fehler; selbst wenn ihre Werte nur Bruchteile der zufälligen Fehler annehmen, führen sie jedoch bei längeren Nivellementwegen zu einer ungünstigeren Fehlerfortpflanzung. Bei längeren Niv.-Linien können die systematischen Anteile leicht dazu führen, dass der aus systematischen und zufälligen Anteilen resultierende Gesamtfehler um ein vielfaches größer wird als der Anteil, der nur aus zufälligen Fehlern entsteht . Beim Feinnivellement muss man folglich besonders darauf bedacht sein, die systematischen Fehler zu bekämpfen und ihre Auswirkung klein zu halten. Eine Zusammenstellung der möglichen zufälligen und systematischen Fehler findet man in [12.8.2]. Bei besonders sorgfältiger Beachtung dieser Vorschriften lässt sich für eine aus Hin- und Rückweg gemittelte Strecke eine Standardabweichung pro 1 km Doppelnivellement von 0,3 – 0,5 mm erreichen. Zur Berechnung der NN-Höhen der einnivellierten Punkte werden die Beobachtungen einer Ausgleichung nach der Methode der kleinsten Quadrate unterzogen (Niemeier 2002). Dabei werden zuvor an den im DHHN beobachteten Höhenunterschieden Schwerereduktionen“ angebracht, die den unterschiedlichen Werten der ” Schwerebeschleunigung und ihren Auswirkungen auf das Nivellement Rechnung tragen (Torge 2001).

12.8.4

Das motorisierte Präzisionsnivellement

Das Feinnivellement über lange Strecken ist ein überaus langwieriges Geschäft. Den langsamen Fortschritt kann man jedoch mit dem motorisierten Präzisionsnivellement überwinden (Becker 1979, 1985; Whalen 1985). Bei diesem Modell werden das Personal und das Instrumentarium mit Kraftfahrzeugen transportiert. Für den Instrumenten- und Lattentransport stehen 3 Personenkraftwagen zur Verfügung: das Instrumentenfahrzeug und zwei Lattenfahrzeuge (Abb. 12.42). Instrument und Latten werden vom Wagen aus aufgestellt und bedient. a) Im Lattenfahrzeug (Abb. 12.42) hängt an der verstärkten linken Wagentür ein Lattenuntersatz, den der Fahrer von seinem Sitz aus auf die Straßendecke setzt. Auf dem Wagendach befindet sich die Lattenhaltevorrichtung, mit der der Fahrer ebenfalls vom Sitz aus die Latte mit ihrem Fuß auf den Lattenuntersatz aufsetzen und vertikal stellen kann. b) Das Instrumentenfahrzeug (Abb. 12.43) hat ebenfalls einige Besonderheiten. Von den drei überlangen Stativbeinen wird eines durch einen Wagendurchbruch hindurch auf die Straßendecke gestellt, während die beiden anderen Stativbeine außerhalb des Fahrzeugs auf der Straße stehen. Auf das Stativ wird ein Kugelkopf gestellt,

12.8 Nivellierverfahren

445

mit dem eine schnelle Grobhorizontierung des Nivelliers möglich ist. Das Wageninventar wird vervollständigt durch Meterzähler, Sprechfunkgerät, Verkehrszeichen und manchmal ein Instrumentarium zur Ermittlung vertikaler Temperaturdifferenzen.

Abbildung 12.42. Motorisiertes Nivellement mit drei Fahrzeugen (Leica 1994)

Abbildung 12.43. Instrumentenfahrzeug (Leica 1994)

446

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

Es kann mit Zielweiten bis 40 m gearbeitet werden. Für Standpunktdifferenzen setzte man den Wert 0,4 fest. Die mittlere Ziellinienhöhe beträgt 2,20 m. Die Standardabweichung für 1 km Doppelnivellement beträgt 0,7 – 0,9 m/km. Die Messleistung beträgt durchschnittlich 1,25 km pro Stunde. Entwickelt wurde das System für die Lausitzer Braunkohle Aktiengesellschaft (LAUBAG). In dem Bergbaugebiet dieser Gesellschaft sind im dreijährigen Messrythmus rund 700 km Leitnivellement sowie jährlich 350 km Verbindungsnivellements zu beobachten (Leica 1994).

12.9

Genauigkeit des Nivellements

Die durch das Nivellement erhaltenen Höhenunterschiede werden durch systematische und zufällige Fehler verfälscht. Es gelingt jedoch, durch die in [12.8.2] genannten Maßnahmen, die systematischen Fehler weitgehend auszumerzen. Nachfolgend soll in [12.9.1] zunächst die Wirkung zufälliger Fehler behandelt werden. Wie noch verbleibende systematische Fehler zusätzlich die Ergebnisse beeinflussen, behandelt [12.9.2].

12.9.1

Fehlerfortpflanzung zufälliger Fehler und die Standardabweichung für 1 km Nivellement

Da der Gesamthöhenunterschied beim Nivellieren die Summe zahlreicher Einzelhöhenunterschiede ist, wächst die Standardabweichung nach [1.6.4] Gleichung (1.15) mit der Wurzel aus der Anzahl der Aufstellungen:  √ σL = σε L/2z = σε n, (12.23) mit σε : L: z: n:

Standardabweichung der zufälligen Fehler einer Aufstellung, Länge der Nivellementlinie, Zielweite, Anzahl der Aufstellungen.

In der Regel legt man jedoch nicht die Standardabweichung einer Höhenunterschiedsbestimmung, sondern die Standardabweichung einer Strecke von 1 km zugrunde. Dann ist die Standardabweichung einer Nivellementlinie L, die akm Kilometer lang ist, √ (12.24) σL = σNiv/km · akm . Die Standardabweichung für 1 km Nivellement σNiv/km lässt sich je nach Art der getätigten Beobachtungen aus den Differenzen zwischen Hin- und Rückweg, aus den Widersprüchen bei Abschluss an Festpunkten und aus Schleifenschlüssen berechnen. In den dafür bestimmten Formeln versteht man unter R die Strecke“ zwischen ” zwei benachbarten Höhenfestpunkten; eine Linie“ L ist die Summe der Strecken ”

12.9 Genauigkeit des Nivellements

447

zwischen zwei Knotenpunkten, d. h. Punkten, an denen mehrere Linien zusammenlaufen; eine Schleife“ führt über mehrere Fest- oder Knotenpunkte wieder auf den ” Ausgangspunkt zurück. (1) Die Standardabweichung für 1 km aus den Differenzen di zwischen Hin- und Rückweg Es mögen n Strecken R1 , R2 , . . . , Rn im Hin- und Rückgang beobachtet sein; dann ist nach [1.6.4] Gleichung (1.33) wegen 1/pi = Ri die Standardabweichung einer 1 km langen einfach gemessenen Strecke: "   dd 1 , (12.25) sNiv/km = 2n Rkm die Standardabweichung einer 1 km langen aus Hin- und Rückgang gemittelten Strecke: sNiv/km sDNiv/km = √ . (12.26) 2 Bei Linien treten die L an die Stelle der R. (2) Standardabweichung für 1 km aus den Widersprüchen wi beim Anschluss an zwei Festpunkte oder bei geschlossenen Nivellementschleifen Es sei ein Linienzug zwischen zweiAnschlusspunkten oder eine geschlossene Schleife von der Länge [L] beobachtet und dabei der Abschlusswiderspruch w aufgetreten. Dann ist nach [1.6.4] Gleichung (1.30) wegen [1/p] = [L] die Standardabweichung für 1 km berechnet aus einem Widerspruch: w sNiv/km = √ . [Lkm ]

(12.27)

Eine aus nur einem Widerspruch berechnete Standardabweichung hat keinen großen Wert; ein zuverlässigeres Maß ist die Standardabweichung berechnet aus n Widersprüchen: "   1 ww . (12.28) sNiv/km = n Lkm In beiden Fällen wird, wenn nur in einer Richtung gemessen ist, die Standardabweichung für 1 km Einzelmessung erhalten; ist man aber mit dem Mittel aus Doppelmessungen in die Formeln eingegangen, so bezieht sich auch die Standardabweichung auf eine aus Hin- und Rückgang gemittelte Strecke "   1 ww sDNiv/km = . (12.29) n Lkm

448

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

(3) Vergleich der Standardabweichungen, berechnet aus Hin- und Rückweg und aus Schleifenanschlüssen Sind mehrere Schleifen der in Abb. 12.44 angedeuteten Art im Hin- und Rückweg beobachtet, so wird die Standardabweichung für 1 km Doppelnivellement sowohl aus Hin- und Rückweg gemäß (12.26), wie aus den Schleifenwidersprüchen gemäß (12.29) berechnet. Erhält man dabei aus der Mehrzahl der Schleifenschlüsse eine größere Standardabweichung als aus Hin- und Rückweg, so ist anzunehmen, dass die systematischen Fehler nicht hinreichend ausgeschaltet sind. Dann muss eine Überprüfung des Messverfahrens anhand der in [12.8.2] genannten Kriterien vorgenommen werden. L1

I

L4

L3

L2 II L5

L7

IV

L8

III L6

Abbildung 12.44. Netz mit vier Nivellementschleifen

Zahlenbeispiele: Zu (1): In dem in Abb. 12.44 dargestellten Netzteil ergaben sich für die Linien L1 , L2 zwischen Hin- und Rücknivellement die in der ersten der nachfolgenden Tabellen aufgeführten Differenzen. Daraus erhält man gemäß (12.25) und (12.26) folgende Standardabweichungen: #

1 7,01 = 0,66 mm, 2·8 0,66 = √ = 0,47 mm. 2

sNiv/km = sDNiv/km

Zu (2): In demselben Netzteil traten, als die doppelt nivellierten Linien zu Schleifen zusammengestellt wurden, die in der zweiten Tabelle gelisteten Widersprüche auf.

449

12.9 Genauigkeit des Nivellements

Linie L1 L2 L3 L4 L5 L6 L7 L8

Schleife I II III IV

L in km 108,2 30,4 41,1 61,3 30,5 73,5 35,0 83,1

[L] in km 179,7 122,3 139,2 159,6

Daraus ergab sich gemäß (12.29): # sDNiv/km =

d in mm –2,4 +1,0 –8,1 +13,5 –4,8 +8,7 –4,5 –0,3

w in mm –0,31 –9,00 +5,25 +6,73

dd/L 0.05 0,03 1,60 2,97 0,75 1,03 0,58 0.00 7,01

ww/[L] 0,00 0,66 0,20 0,28 1,14

1 1,14 = 0,53 mm . 4

Zu (3): Der nach (12.29) erhaltene Wert liegt nur ganz wenig über dem Ergebnis der auf (12.26) gestützten Rechnung. Bemerkenswerte systematische Fehler dürften daher bei der Beobachtung nicht aufgetreten sein.

12.9.2

Fehlerfortpflanzung zufälliger und systematischer Fehler

Die systematischen Fehler sind zwar in der Regel kleiner als die zufälligen, haben jedoch eine ungünstigere Fehlerfortpflanzung. Nach Pelzer (1984) gilt für die Standardabweichung eines nivellierten Höhenunterschiedes h einer Nivellementlinie der Länge L: √  σL = σε n 1 + nq 2 " (12.30) √ √ q2 = σε n 1 + L = σε n · k, 2z

450

12 Instrumente und Geräte zum Nivellieren, Modellbildung

wobei q2 =

σ2 σε2

das Verhältnis der Varianzen der systematischen und zufälligen Fehler bei einer Aufstellung bezeichnet. Wie man aus (12.30) erkennen kann, ist der Maßstabsfaktor k eine Funktion der Länge L des Nivellementweges. Aus der Abb. 12.45 können Werte für den Maßstabsfaktor abgegriffen werden. Für q = 0,1 und L = 20 km z. B. erhält man den Wert k ≈ 2. In dem Fall verdoppeln schon die systematischen Fehler die Standardabweichungen, die aus den zufälligen Fehlern resultieren, obwohl das Verhältnis dieser Fehler bei einer einzigen Aufstellung nur 1 : 10 ist. Man kann annehmen, dass auf einer Station σε etwa 0, 1 mm beträgt. Es erscheint daher gerechtfertigt, zu fordern (Pelzer 1984): σε = 0,01 mm. (12.31) σ ≤ 10

0,

2

0,3 0,4

3

q=0

Maßstabsfaktor

4

,5

5

2

0,1

1,5 ,05

q=0

0

10

20

30

40

50 km

Länge der Nivellementlinie

Abbildung 12.45. Maßstabsfaktor k (vgl. Gleichung 12.30) als Funktion der Länge der 2 /σ 2 (Pelzer 1984) Nivellementlinie für verschiedene Werte des Verhältnisses q 2 = σ ε

13 Trigonometrische Höhenmessung

13.1

Grundgleichung der trigonometrischen Höhenmessung

Das theoretisch einfachste und zugleich genaueste Verfahren zur Bestimmung von Höhenunterschieden ist das in [12] behandelte Nivellement. Dieses Verfahren versagt jedoch gelegentlich, z. B. wenn es sich um die Bestimmung einer Gebäudehöhe handelt, und es wird unwirtschaftlich, z. B. wenn steile Hänge überschritten werden müssen. Für solche Fälle steht die trigonometrische Höhenmessung zur Verfügung. Diese kann sich darüber hinaus ganz allgemein aus Gründen der Wirtschaftlichkeit empfehlen, wenn Höhenunterschiede von etwas geringerer Genauigkeit verlangt werden. Wendet man spezielle Messanordnungen an, z. B. die des trigonometrischen Nivellements, so lassen sich erhebliche Genauigkeitssteigerungen erzielen; die trigonometrische Höhenmessung kann dann unter gewissen Voraussetzungen auch bei höheren Genauigkeitsanforderungen das Nivellement ersetzen. Zur trigonometrischen Messung des Höhenunterschiedes der Punkte A und B mit den Meereshöhen H1 + i und H2 + t muss die horizontale Entfernung S H oder die schräge Entfernung S R der beiden Punkte bekannt sein und auf einem der beiden Punkte der Vertikalwinkel zu dem anderen gemessen werden. Der Vertikalwinkel kann dabei gemäß Abb. 13.1 entweder der Höhenwinkel α oder sein Komplement, der Zenitwinkel z = 100 gon −α, sein. Misst man in A den Zenitwinkel z und B SR

t

z A

α

SH H2

H1

N.N.

Abbildung 13.1. Trigonometrische Höhenmessung

452

13 Trigonometrische Höhenmessung

bezeichnet die Höhe der Kippachse des Theodolits über dem Bodenpunkt (= Instrumentenhöhe) mit i, die Höhe der Zieltafel B über dem Bodenpunkt mit t, so lautet die Grundgleichung der trigonometrischen Höhenmessung: H2 − H1 = H = S H cot z + i − t

(13.1)

H2 − H1 = H = S R cos z + i − t.

(13.2)

oder Diese Gleichung gilt jedoch nur für Entfernungen bis etwa 250 m; bei größeren Entfernungen müssen die Erdkrümmung und die Beugung des Zielstrahls durch die Refraktion berücksichtigt werden [13.3]. Die Strecke S R kann sehr schnell und genau mit einem elektrooptischen Distanzmesser bestimmt werden [4.3.4]. Berechnet man andererseits S H aus Koordinaten, so sind die Reduktionen, die ursprünglich wegen der gaußschen Abbildung angebracht wurden, rückgängig zu machen [6.4.3]. Bei Aufgaben mit geringen Genauigkeitsanforderungen kann dies gegebenenfalls entfallen. Das Messen von Vertikalwinkeln wurde bereits in [3.9] beschrieben.

13.2 Trigonometrische Höhenübertragung auf kurze Entfernungen Unter kurzen Entfernungen sollen Strecken verstanden werden, bei denen der Einfluss von Erdkrümmung und Refraktion auf die trigonometrische Höhenbestimmung [13.3] vernachlässigt werden kann.

13.2.1 Turmhöhenbestimmung mit horizontalem Hilfsdreieck Gegeben ist die NN-Höhe Ha eines Punktes A, gesucht ist die Höhe Ht eines nahegelegenen Turms (Abb. 13.2 und 13.3). Die Aufgabe gliedert sich in zwei Schritte: Erster Schritt: Da die Projektion der Turmspitze gewöhnlich in das Gebäudeinnere fällt, muss die Horizontalprojektion a der Entfernung vom Instrument zum Turmkopf indirekt bestimmt werden. Dazu legt man wie in Abb. 13.2 in der Nähe des Turmes eine Basis AB = b an und beobachtet auf A und B bei streng lotrechter Stehachse die Horizontalwinkel α und β. Dann ist a=b

sin β . sin (α + β)

(13.3)

Zur Probe kann a ein zweites Mal mit Hilfe des punktiert angedeuteten zweiten Hilfsdreiecks ermittelt werden. Zweiter Schritt: Zur Bestimmung von Ht misst man sodann die Höhe i der Kippachse über dem Bodenpunkt und erhält gemäß Abb. 13.3 die gesuchte Turmhöhe

453

13.2 Trigonometrische Höhenübertragung auf kurze Entfernungen T

B β

b

h zb

A α

a

T

zt a

d

Ht

B c δ

N.N.

Hb

A

Ha

C Abbildung 13.2

Abbildung 13.3

aus Ht = Ha + i + a cot zt .

(13.4)

Ist Ha nicht bekannt, wohl aber die Höhe Hb eines in der Entfernung d stehenden Höhenbolzens, so bekommt man den Instrumentenhorizont (Ha + i), indem man eine Nivellierlatte auf B entweder bei einspielender Fernrohrlibelle abliest oder wie in Abb. 13.3 an der Latte l einstellt und zb misst. In diesem Falle ist Ht = Hb + l − d cot zb + a cot zt .

(13.5)

Zur Probe kann die Höhe des Bolzens auch über B oder C auf T übertragen werden. Wegen der Form der horizontalen Hilfsdreiecke beachte man [7.4.4]. Die Länge der auf den Turm zuführenden Seiten wähle man möglichst so, dass zt nicht kleiner als 70 gon wird.

13.2.2 Turmhöhenbestimmung mit vertikalem Hilfsdreieck Wenn es an Raum zum Anlegen eines horizontalen Hilfsdreiecks fehlt, z. B. weil die Turmspitze nur von einer schmalen Straße aus anzumessen ist, so nimmt man nach Abb. 13.4 das vertikale Hilfsdreieck P1 P2 T zur Hilfe. Die Hilfspunkte P1 und P2 wählt man so, dass P1 , P2 und T in einer Vertikalebene liegen, und macht folgende Arbeitsgänge: a) Messen der horizontalen Strecke P1 P2 = d. b) Bestimmen der Instrumentenhorizonte J1 = H1 + i1 und J2 = H2 + i2 wie in [13.2.1]. c) Messen der Zenitwinkel z1 und z2 . d) Berechnen von e, indem man nach Abb. 13.4 ansetzt Ht = J1 + e cot z1 = J2 + (d + e) cot z2

(13.6)

454

13 Trigonometrische Höhenmessung T

P2

z2 d J2

z1 P1

e

Ht

J1

N.N.

Abbildung 13.4

und daraus ableitet e=

d cot z2 + J2 − J1 . cot z1 − cot z2

(13.7)

e) Zweimalige Berechnung von Ht nach (13.6). f) Zur Probe Wiederholen der Messungen mit etwas veränderter Höhenlage des Theodolits. Die Turmhöhenbestimmung in einer Vertikalebene ist beträchtlich ungenauer als die mit einem horizontalen Hilfsdreieck, weil die Visuren, durch die Ht bestimmt wird, sich unter einem recht spitzen Winkel schneiden. Man beachte daher folgendes: a) Den vorderen Standpunkt P1 bringe man möglichst nahe an den Turm (z1 ≈ 50 gon). Die Länge von d soll etwa zwei Turmhöhen betragen, womit z2 ≈ 80 gon wird. b) Die Strecke d ist mit großer Sorgfalt zu messen. c) Der Zenitwinkel im hinteren Stand P2 soll mit größerer Genauigkeit (doppelte Anzahl von Sätzen) beobachtet werden als der in P1 . d) Die Höhenübertragung ist auf dem hinteren Standpunkt P2 anzusetzen; die auf P1 dient nur zur Kontrolle. e) Die günstigste Bestimmung erhält man, wenn sich für P1 und P2 die Standorte auf entgegengesetzten Seiten des Turmes finden lassen (Köhr 1951).

13.2.3

Genauigkeit der trigonometrischen Höhenmessung auf kurze Entfernungen

Die Genauigkeit der trigonometrischen Höhenmessung hängt davon ab, ob die Einflüsse von Erdkrümmung und Refraktion zur Genauigkeit der Zenitwinkel- und Streckenmessung in einem günstigen Verhältnis stehen.

455

13.2 Trigonometrische Höhenübertragung auf kurze Entfernungen

Der Einfluss von Erdkrümmung und Refraktion beträgt, wie in [13.3.1] gezeigt werden wird, auf 100 m, 200 m und 500 m rund 0, 7 mm, 2, 8 mm und 18 mm. Um die Auswirkungen der Messungsungenauigkeiten überschlagen zu können, differenziere man z. B. die Gleichung (13.1) und erhält, wenn man H2 − H1 = H setzt und dz und später sz in der Einheit Radiant (rad)1 einführt, dH = cot zds −

s · dz + di − dt, sin2 z

(13.8)

oder wenn man die Differentiale als Standardabweichungen betrachtet und das Fehlerfortpflanzungsgesetz [1.6] anwendet,  2 sH

2

= (cot z ss ) +

s sz sin2 z

2

+ si2 + st2 .

(13.9)

Unterstellt man, dass die Zenitwinkel in zwei unabhängigen Sätzen gemessen wurden und die Messgenauigkeit für 1 Satz 1 mgon beträgt, so erhält man für die Standardabweichung einer aus zwei Sätzen gemittelten Beobachtung sz = √ 1 mgon/ 2 ≈ 0,7 mgon. Verwendet man für die Streckenmessung das Fehlergesetz ss = 3 mm + 3 ppm, so ergeben sich die in der nachstehenden Tabelle eingetragenen Millimeterbeträge: s s sin2 z z

cot z ss z (gon)

s 100 m

200 m

500 m

100 m

200 m

500 m

90

0,5

0,6

0,7

1,1

2,3

3,3

70

1,7

1,8

2,3

1,4

2,8

6,9

50

3,3

3,6

4,5

2,2

4,4

11,0

Nach dieser Tabelle liefern Beobachtungen mit sz = 0,7 mgon und ss = 3 mm +3 ppm näherungsweise Fehler der gleichen Größenordnung; nur bei Steilvisuren und größeren Entfernungen sind die Zenitwinkel noch etwas sorgfältiger zu 1 Zur Genauigkeitsabschätzung wird zweckmäßig beim Differenzieren für die Differentiale dα bzw. für die Messungsunsicherheit mα die Einheit rad beibehalten. Die in rad gefundenen Ergebnisse sind dann umzurechnen z. B. für gon nach den Formeln:

dα (rad) = dα (gon)

π 200 ; dα (gon) = dα (rad), 200 π

in denen dα (rad) und dα (gon) zu lesen sind als dα in rad“ und dα in gon“. ” ”

456

13 Trigonometrische Höhenmessung

ermitteln. Misst man die Zenitwinkel genauer oder weniger genau, so muss die Genauigkeit der Streckenbestimmung im gleichen Verhältnis gesteigert oder vermindert werden. Außerdem müssen i und t mit entsprechender Sorgfalt bestimmt werden. Werden die für sz und ss gefundenen Zahlenwerte in (13.9) eingeführt und si und st mit 2 mm in Rechnung gestellt, so darf man als mittleren Gesamtfehler der beobachteten Höhenunterschiede nachstehende mgon- und mm-Beträge erwarten: z (gon)

s sz = 0,7 mgon = 11 μrad

100 m

200 m

500 m

90

3,1

3,7

4,4

ss = 3 mm + 3

70

3,6

4,4

7,8

si = 2 mm

50

4,9

6,3

12,2

st = 2 mm

Die Auswirkungen von Erdkrümmung und Refraktion sind bei Strecken bis zu 200 m noch kleiner als die in der Tabelle angeführten Fehlerbeträge; bei Strecken ≥ 500 m überschreiten sie diese bereits. Kurze Entfernungen im Sinne des einleitenden Satzes sind also Strecken bis etwa 250 m. Diese Entfernung wird z. B. bei der Bestimmung von Turm- und Gebäudehöhen oder bei trigonometrischen Nivellements kaum jemals überschritten werden. Die in der obigen Tabelle errechneten Beträge können daher unmittelbar zum Abschätzen der mit einer einzelnen Höhenunterschiedsbestimmung erreichbaren Genauigkeit in [13.2.1] dienen. Im Falle [13.2.2] ist die Fehlerberechnung komplizierter (vgl. z. B. Köhr 1951).

13.3 Trigonometrische Höhenmessung über größere Entfernungen Für Höhenübertragungen über größere Entfernungen nutzt man heute vorwiegend Satellitenverfahren [10.9]. Bei Punktabständen < 1 km sind trigonometrische Verfahren diesen jedoch in der Genauigkeit überlegen. Bei größeren Punktabständen und geringeren Genauigkeitsanforderungen (dm-Genauigkeit) ist der instrumentelle Aufwand bei trigonometrischen Verfahren geringer.

13.3.1

Erdkrümmung und Refraktion

Diese beiden Parameter bewirken, dass bei größeren Entfernungen die Strecke AD der Abb. 13.5 als Kreisbogen behandelt werden muss und dass auch der Zielstrahl AB in einen flachen Bogen übergeht [2.1.3]. Zur Vereinfachung der nachstehenden

457

13.3 Trigonometrische Höhenmessung über größere Entfernungen

Darstellung sind in Abb. 13.5 die Instrumentenhöhe i und die Tafelhöhe t fortgelassen worden.

B z1

γ /2

A

S

E

100g − γ

c1

S0 D R

r r

γ C

δ

Abbildung 13.5. Einfluss der Erdkrümmung und Refraktion

Infolge der Erdkrümmung schneidet eine Tangentialebene, die in A an die als Kugel gedachte Erde gelegt ist, die den Punkt B enthaltende Flächennormale im Abstand c1 von der Erdoberfläche. Zur Ermittlung von c1 beachte man, dass in Abb. 13.5 der Winkel DAE gleich dem halben Zentriwinkel γ , also gleich S/2R ist. Dann folgt aufgrund des Sinussatzes, da genau genug S ≈ S 0 und damit sin γ /2 ≈ S/2R ist, S sin γ /2 S sin γ /2 Sγ /2 + · · · = ≈ c1 = sin (π/2 − γ ) cos γ 1 + ··· oder c1 ≈

(S)2 + ··· . 2R

(13.10)

Mit dieser Überschlagsformel ergibt sich: auf für c1

100 m 0,8 mm

200 m 3,2 mm

500 m 2,0 cm

1000 m 7,9 cm

5 km 1,96 m

10 km 7,9 m

458

13 Trigonometrische Höhenmessung

Die Refraktion entsteht in der Hauptsache dadurch, dass die Dichte der Luft mit wachsender Höhe abnimmt. Denkt man sich die Luft als eine Folge aufeinanderliegender Schichten, deren Dichte nach oben zu immer geringer wird (Abb. 13.5), so wird ein von A ausgehender Lichtstrahl fortlaufend zum dichteren Medium hin gebrochen. Die so entstehende Lichtkurve wird in erster Näherung als Kreisbogen mit dem Radius r betrachtet, und man weiß aus Erfahrung, dass im groben Mittel r ≈ 8R ist. Man rechnet jedoch nicht mit r, sondern setzt r = R/k und nennt k = R/r den Refraktionskoeffizienten [2.1.3]. Zur Verdeutlichung der geometrischen Zusammenhänge ist der obere Teil der Abb. 13.5 in Abb. 13.6 herausgezeichnet, und es ist dabei berücksichtigt worden, dass γ und der der Lichtkurve AB entsprechende Zentriwinkel δ (siehe Abb. 13.6) sehr kleine Winkel sind. Man erkennt weiter, dass bei längeren Sichten zumal im Flachund Hügelland die Zenitwinkel nur wenig von 100 gon abweichen. Schließlich ist genau genug R ≈ R + H . Also kann ohne Genauigkeitsverlust AD ≈ AE ≈ AB ≈ AF ≈ S gesetzt werden. Damit ergibt sich, da der Sehnentangentenwinkel z1 = (1/2)δ ist, durch Wiederholung des auf (13.10) führenden Gedankengangs c2 ≈

k S2 S2 ≈ . 2r 2R

(13.11) z2

F B β2

z2

A H1

z1 β1

S H cot z1

SR SH

z1

≈ 100g

E D

γ /2

N.N.

C

c2

S

H2 c1 H1

γ C

R

R

Abbildung 13.6

Die danach berechneten Beträge für c2 machen für den Mittelwert r ≈ 8R nur 1/8 der entsprechenden Werte von c1 aus und sind ihnen, wie Abb. 13.6 erkennen lässt,

459

13.3 Trigonometrische Höhenmessung über größere Entfernungen

im Vorzeichen entgegengesetzt. Die Wirkung der Erdkrümmung wird also durch die Refraktion im groben Mittel um rund 1/8 vermindert. Der Refraktionskoeffizient hat für r ≈ 8R den Wert k ≈ 0,13. k ist indessen abhängig von der Luftdichte, und diese ist ihrerseits wieder eine Funktion vor allem des Luftdrucks, der Lufttemperatur und der Luftfeuchtigkeit. In Bodennähe wird k ferner durch die verschiedenartige Gestaltung und Bewachsung der Erdoberfläche, ferner durch die Vorgänge bei der Einstrahlung und Ausstrahlung in oftmals schwer übersehbarer Weise beeinflusst. k ist daher regionalen und zeitlichen Schwankungen unterworfen, die schon unter günstigen Verhältnissen ±0,1 betragen können. Abb. 13.7 zeigt an einem Beispiel Schwankungen des Refraktionskoeffizienten über 0,8

k

0,6 0,4

0,2

 2  3  1

0,0 _

 1 k0 + ka · cos(2πf t + ϕ)  2 s(t)  3 n(t)

0,2

_ 0,4 400

800

1200

1600

2000

Tage 2400

2800

3200

Abbildung 13.7. Refraktionskoeffizienten berechnet vom 1.1. 1962 bis 27.4. 1971 zu verschiedenen Tageszeiten (zwischen 9 und 16 Uhr) für jeden 5. Tag;  1 systematische Schwankungen,  2 langperiodische zufällige Schwankungen,  3 kurzperiodische zufällige Schwankungen.

ebenem Wiesenland (Kahmen 1980). Die Refraktionskoeffizienten wurden während des Tages (zwischen 9 Uhr und 16 Uhr) für eine Zeitspanne von mehr als 3200 Tagen berechnet. Noch größer ist die Unsicherheit bei Zielungen in geringer Höhe über offene Wasserflächen, Wälder und Industriegelände; verhältnismäßig sichere Werte dagegen hat man im Hochgebirge bei Visuren gefunden, die großen Bodenabstand haben. Auch innerhalb eines Tages schwankt k sehr stark.

460

13.3.2

13 Trigonometrische Höhenmessung

Höhenunterschiede aus einseitig beobachteten Zenitwinkeln

Aus Abb. 13.6 ist abzulesen: H = H2 − H1 = S H cot z1 + c1 − c2 .

(13.12)

Daraus folgt durch Einsetzen von (13.10) und (13.11), wenn noch gemäß (13.1) die Instrumentenhöhe i und die Tafelhöhe t hinzugefügt werden, $ H %2 S H + i − t. (13.13) H = H2 − H1 = S cot z1 + (1 − k) 2R Wird k zu 0,13 und R zu 6370 km genommen und im Korrekturglied S H in km angesetzt, so erhält (13.12) die Form $ H %2 H = H2 − H1 = S H cot z1 + 0,068 Skm + i − t. (13.14) Benutzt man für die Berechnungen Schrägstrecken S R , so geht Gleichung (13.13) über in $ H %2 S R H = H2 − H1 = S cos z1 + (1 − k) +i−t (13.15) 2R mit

S H ≈ S R sin z.

Einseitige Zenitwinkelbeobachtungen verlege man aus den in [13.3.1] genannten Gründen möglichst in die Mittagsstunden.

13.3.3

Höhenunterschiede aus gegenseitigen Zenitwinkeln

In dem Dreieck ABC (Abb. 13.6) bezeichne man vorübergehend den Winkel BAC mit β1 und den Winkel CBA mit β2 . Dann gibt der ebene Tangenssatz tan 1/2 (β1 − β2 ) (R + H2 ) − (R + H1 ) = tan 1/2 (β1 + β2 ) (R + H2 ) + (R + H1 )

(13.16)

Wegen β1 = 200 gon − (z1 + z1 ) ;

β2 = 200 gon − (z2 + z2 ) , 1 tan 1/2 (β1 + β2 ) = cot γ 2

ist



H2 + H1 H2 − H1 = 2R 1 + 2R



tan 21 (z2 + z2 − z1 − z1 ) cot 21 γ

.

13.3 Trigonometrische Höhenmessung über größere Entfernungen

461

Man setze wieder 21 (H2 +H1 ) = Hm und, da γ ein kleiner Winkel ist, tan γ ≈ S H /R, dann ist 2R : cot γ /2 = 2R · tan γ /2 ≈ S H . (13.17) Betrachtet man ferner die Lichtkurve als symmetrisch, so ist z1 = z2 , und man erhält als Formel für die trigonometrische Höhenübertragung aus Gegenvisuren   z2 − z1 Hm H tan . (13.18) 1+ H = H2 − H1 = S R 2 Hat man Schrägstrecken S R gemessen, so erhält man entsprechende Gleichungen, indem die halbe Differenz der zwei reziproken Höhendifferenzen H12 und H21 – vgl. (13.15) – bei gleichzeitiger Annahme k1 = k2 berechnet wird: H = (H12 − H21 ) /2 =

SR (cos z1 − cos z2 ) + i1 − i2 + t2 − t1 . (13.19) 2

Die Annahme, dass die Lichtkurve symmetrisch sei, ist nur dann ausreichend gerechtfertigt, wenn das Geländeprofil in A und B einigermaßen gleichmäßig ausgebildet ist, die atmosphärischen Verhältnisse auf beiden Seiten einander entsprechen und die gegenseitigen Zenitwinkel streng gleichzeitig beobachtet wurden. Nur unter diesen Voraussetzungen folgt aus (13.18) und (13.19), dass bei der Beobachtung von Zenitwinkeln in Gegenvisuren Erdkrümmung und Refraktion herausfallen. Ganz allgemein werden günstige Beobachtungsbedingungen erhalten, wenn die Instrumente A und B einige Meter über dem Gelände bzw. über den Baumgipfeln aufgestellt werden können und man zur Beobachtung bewölkte Tage benutzen kann.

13.3.4

Refraktionskoeffizient aus Gegenvisuren

Unter den in [13.4.3] am Schluss genannten Voraussetzungen kann aus gegenseitig beobachteten Zenitwinkeln auch k berechnet werden. Im Dreieck ABC der Abb. 13.6 ist nämlich mit π = 200 gon z1 + z1 + z2 + z2 = π + γ .

(13.20)

Nun ist, wenn der Lichtstrahl AB als Kreisbogen betrachtet und (13.17) beachtet wird, SH SH · k 1 ≈ ≈ γ · k. z1 = z2 ≈ 2r 2R 2 Einsetzen in (13.20) gibt z1 + z2 + γ · k = 200 gon +γ ,

462

13 Trigonometrische Höhenmessung

oder da z1 und z2 in gon bestimmt sind, γ (k − 1) = (200 − z1 − z2 ) gon und mit γ =

S H 200 gon R π

k =1−

z1 + z2 − 200 gon R · H. 200/π S

(13.21)

Diese Formel lässt sich nur dann mit Erfolg auswerten, wenn die in [13.3.3] beschriebenen günstigen Bedingungen vorliegen. Für die Vertiefung der Kapitel [13.3.1 – 13.3.4] steht umfangreiche Literatur zur Verfügung. Es sei nachfolgend eine Auswahl gegeben: (Helmert 1984, Hradilek 1984, Past 1965, Tegeler 1971, Wunderlich 1985). Zahlenbeispiele zu [13.3.2] und [13.3.3]: Einseitige Zenitwinkel nach Gleichung (13.14): Beobachtet: z1 = 98,6750 gon; i = 1,42; t = 6,10 m; S H = 1578,1 m. Gleichung (13.14): H = 1578,1 · 0,020816 + 0,17 + 1,42 − 6,10 = 28,34 m. Gegenseitige Zenitwinkel nach Gleichung (13.18) und (13.21): Beobachtet nach Reduktion auf die Stationsnullpunkte [13.3.5]: z1 = 98,8638 gon; z2 = 101,1510 gon; S H = 1578,1 m. z2 − z1 = 1578,1 · 0,017965 = 28,35 m; H = S H · tan z 0,0148 6370 = 0,063. k =1− 200/π 1,58

13.3.5

Reduktion von Zenitwinkeln auf den Stationsnullpunkt

Bei Wiederholungsmessungen an verschiedenen Tagen kann es z. B. vorkommen, dass verschiedene Theodolitstände benutzt oder unterschiedliche Hilfsziele angeschnitten werden, die in verschiedenen Höhen liegen. In solchen Fällen reduziert man alle Beobachtungen auf den jeweiligen Stationsnullpunkt (ST.-Np.) und wählt dabei als solchen zweckmäßig die Kippachsenhöhe des Theodolitstandes, von dem aus die meisten Beobachtungen gemacht sind oder der von den meisten Beobachtungsstationen aus angeschnitten ist. Die Reduktion entspricht der Zentrierung bei der Horizontalwinkelmessung. Die Formeln lassen sich aus den Abb. 13.8 und 13.9 leicht ablesen. Es seien B1 und B2 zwei Nebenbeobachtungsstände, Z1 und Z2 zwei Nebenzielpunkte; die Bedeutung und die Vorzeichen von i und t entnehme man den Bildern. Der in B1 und B2 beobachtete Zenitwinkel sei z , der gesuchte sei z. Dann ist in Abb. 13.8 im oberen

463

13.3 Trigonometrische Höhenmessung über größere Entfernungen

Dreieck sin δs = sin z i/s  . Da aber s  = s sin z ≈ s sin z ist und i einige Meter nicht überschreitet, ist δs =

i 200 gon 2 sin z s π

und

z = z  − δs .

(13.22)

z = z  + δz .

(13.23)

t 200 gon . s π

(13.24)

Ebenso gibt Abb. 13.9 für Zielpunktreduktionen δz =

t 200 gon 2 sin z s π

und

Im Flachland ist sin2 z ≈ 1 und daher genau genug δs =

i 200 gon s π

und

δz =

Für die δ in den unteren Dreiecken der Abb. 13.8 und 13.9 gelten, abgesehen vom Vorzeichen, dieselben Beziehungen. z B1 +i z St.-Np.

Z1

Z

δs

+t St.-Np.

δs δs

s s

z

−i

z B

B2 Abbildung 13.8

13.3.6

δz s  δz

−t Z2

s Abbildung 13.9

Berücksichtigung der Lotabweichung und des Geoids

Bei genauen Messungen muss insbesondere im Gebirge berücksichtigt werden, dass sich die Zenitdistanzen auf den astronomischen Zenit bzw. die Lotrichtung beziehen und nur näherungsweise auf eine Normale der Bezugsrechenfläche, z. B. einer Kugel oder eines Ellipsoids [1.2]. εi und εj sind die Komponenten der Lotabweichungen in der Normalschnittebene durch die Punkte Pi und Pj (Abb. 13.10). Die Auswirkungen auf die Berechnung eines Höhenunterschiedes soll anhand der Gleichungen (13.15) und (13.19) gezeigt werden. Diese gehen über in die Form: $

%2 SH Hij = Hj − Hi = S cos zi + (1 − k) − εi S H + i − t 2R R

(13.25)

464

13 Trigonometrische Höhenmessung εj

zj

Pj

εi

zi

Erdoberfläche

Hj Pi

Hj0 0

Hi

Hi Ni

Geoid

Bezugsrechenfläche

γ C Abbildung 13.10. Berücksichtigung der Lotabweichungen und des Geoids

mit S H ≈ S R sin zi ; $ % SR H = Hij − Hj i /2 = (cos zi − cos zj ) 2 (13.26) 1 H + (−εi + εj )S + ii − ij + tj − ti . 2 In den vorangehenden Kapiteln beziehen sich alle Berechnungen auf eine Kugel als Bezugsfläche, die näherungsweise das Bezugsellipsoid ersetzt [1.2]. Wie Abb. 13.6 zeigt, wurde angenommen, dass sie näherungsweise mit dem Geoid zusammenfällt, um die Betrachtungen zunächst möglichst einfach zu halten. Will man jedoch die trigonometrischen Höhen mit den durch ein Nivellement bestimmten Höhen in Verbindung bringen, so muss bei höheren Genauigkeitsanforderungen, insbesondere, wenn im Gebirge gearbeitet wird, der unterschiedliche Verlauf der Bezugsrechenfläche und des Geoides berücksichtigt werden [11]. Die Unterschiede beschreiben die in den Lotlinien gemessenen Geoidundulationen Ni .

13.3.7

Genauigkeit der trigonometrischen Höhenübertragung über große Entfernungen

Um den Einfluss der einzelnen Messungselemente auf das Ergebnis kennenzulernen, differenziert man (13.15) und erhält $ H %2 S R H dk + di − dt (13.27) dH = cos z dS − S dz − 2R

465

13.3 Trigonometrische Höhenmessung über größere Entfernungen

mit S H ≈ S R sin z. Der Einfluss von dz wächst mit S H , der von dk mit (S H )2 . dS R beeinflusst die Ergebnisse insbesondere bei steilen Sichten. Anwendung des Fehlerfortpflanzungsgesetzes führt zu folgender Standardabweichung: & ) $ %2 *2 ' ' 2 $ % SH s 2 ( z sk2 + si2 + st2 . (13.28) + sH = cos2 z ss2R + S H  2R Falls elektronische Distanzmesser mit einer Distanzmessgenauigkeit von ss R [mm] =  32 + (2S R [km])2 eingesetzt werden, verschwindet der erste Summand. Mit sH , si und st in mm, sz in μrad und S H in km erhalten wir " $ %2 sz2 $ $ %2 %2 2 sH = SH sk + si2 + st2 . (13.29) + 80 S H  Um einen zahlenmäßigen Überblick zu gewinnen, nehme man an, jeder Zenitwinkel sei viermal in Lage I und II mit einem Theodolit mittlerer Genauigkeit beobachtet. Nach [3.9] erhält man dann für die Standardabweichung des Mittels sz = 0,3 mgon = 5μrad. Nach [13.3.1] soll sk = 0,1 gewählt werden. Desweiteren sei si = 5 mm und st = 5 mm. Mit (13.29) erhält man nun folgende Einzel- und Gesamtbeträge in [cm]: Tab. 13.1 zeigt, dass selbst unter den sehr optimistischen Annahmen für die Tabelle 13.1

Fehleranteile in cm H Skm

Zenitwinkel

Refraktion

Standardabweichung i und t

von H in cm

2

1,0

3,2

0,7

3,4

3

1,5

7,2

0,7

7,4

4

2,0

12,8

0,7

13,0

5

2,5

20,0

0,7

20,2

Genauigkeit des Refraktionskoeffizienten der Einfluss der Refraktionsunsicherheiten schon bei Entfernungen von 2 km vorherrscht. Bei hohen Genauigkeitsansprüchen empfiehlt es sich daher, die in [13.3.3 und 13.3.4] entwickelten Modelle zu bevorzugen. Ein symmetrischer Refraktionsverlauf kann z. B. erwartet werden, wenn die Beobachtungen bei Bewölkung ausgeführt

466

13 Trigonometrische Höhenmessung

werden und der Lichtstrahl einen größeren Bodenabstand aufweist. So konnten z. B. mit einem automatisierten Verfahren der gegenseitigen Zenitwinkelmessungen bei Bewölkung Höhen über die Donau (Punktabstand ca. 400 m) innerhalb weniger Minuten mit einer Genauigkeit < 1 mm übertragen weren (Kabaschi 2003).

13.4 Trigonometrisches Nivellement Da beim geometrischen Nivellement wegen der kurzen Zielweiten die km-Leistungen pro Tag relativ niedrig sind und Refraktionseinflüsse wegen der horizontalen Ziellinien als systematische Fehlerquelle wirksam werden können, wird stets wieder überlegt, ob sich das trigonometrische Nivellement vorteilhafter einsetzen lässt. Stehen elektronische Tachymeter zur Verfügung, so lässt sich außerdem von der Aufnahme der Daten im Feld bis zur Berechnung der Höhen ein automatischer Datenfluss erzeugen. Man unterscheidet zwei Verfahren beim trigonometrischen Nivellement (Abb. 13.11): – das Sprungstand-Verfahren und – das Verfahren gleichzeitiger gegenseitiger Zenitwinkelbeobachtungen.

Niv. Latte a

Niv. Latte b

Niv. Latte a Festpunkt B

a) Festpunkt A Niv. Latte a

Niv. Latte a Festpunkt B

b) Festpunkt A

Abbildung 13.11. Trigonometrisches Nivellement. a) Sprungstand-Verfahren, b) Verfahren mit gleichzeitig gegenseitigen Zenitwinkelbeobachtungen

Beim trigonometrischen Nivellement können die Zielmarken stets gleich hoch über dem Boden angeordnet werden. Die Zielweiten werden daher nicht durch die Geländeneigung begrenzt, und die systematischen Refraktionsfehler bekommen eine mehr zufällige Natur, da beim Rück- und Vorblick die Zielstrahlen durch weitgehend ähnliche Schichten der Atmosphäre verlaufen. Dehnt man die Zielweiten auf mehr als hundert Meter, so wird die Anzahl der Beobachtungspunkte stark herabgesetzt. Dies hat wiederum zur Folge, dass Fehler wegen Einsinken des Instrumentes verkleinert werden.

467

13.4 Trigonometrisches Nivellement

Beim Sprungstand-Verfahren berechnet sich ein beobachteter Höhenunterschied bei nahezu gleichen Zielweiten und Refraktionskoeffizienten mit (13.15) nach R R cos zkj − Ski cos zki + tj − ti . Hsij = Hkj − Hki = Skj

(13.30)

Dabei bezeichnen k die Instrumentenstation sowie j und i die Zielpunkte. Macht man alle ti und tj gleich groß, so fallen sie heraus. Beim Verfahren mit gleichzeitig gegenseitigen Zenitwinkelbeobachtungen gilt nach (13.19) für einen Höhenunterschied HGij =

SR (cos zi − cos zj ). 2

(13.31)

Der Gesamthöhenunterschied längs einer Nivellementlinie zwischen den Punkten A und B beträgt: – beim Sprungstand-Verfahren hAB =



Hsij ,

(13.32)

n

– beim Verfahren mit simultanen Zenitwinkelbeobachtungen  hAB = HGij + hA − hB .

(13.33)

n

hA und hB sind die Höhenunterschiede zwischen den Höhenpunkten am Anfang und Ende der Nivellementlinie und der Kippachse des Tachymeters. Die Zenitdistanzen beziehen sich auf den astronomischen Zenit bzw. die Lotrichtung. Nach Helmert kann h dann als Meereshöhendifferenz angesehen werden, wenn sich die Lotabweichungen [13.3.6] zwischen den Punkten Pi und Pj linear mit der Entfernung verhalten. Theoretische und praktische Untersuchungen zeigen, dass Standardabweichungen pro 1 km Nivellement ≤ 2 mm erzielt werden können, selbst wenn das Gelände stärker geneigt ist. Arbeitsleistungen von 10 km/Tag lassen sich erzielen. Das Verfahren mit gleichzeitig gegenseitig gemessenen Zenitdistanzen ermöglicht etwas höhere Genauigkeiten, da die Refraktionseffekte besser eliminiert werden; (Becker 1985; Chrzanowski u. a. 1985; Gottwald 1985; Kuntz/Schmidt 1986; Rüger/Brunner 1982; Whalen 1985).

14 Barometer und barometrische Höhenmessung

Für Barometer gibt es im wesentlichen zwei Anwendungsbereiche in der geodätischen Messtechnik: – die Erfassung des Brechungsindexes in der Troposphäre für die Distanzmessung mit elektromagnetischen Wellen [4.3.6, 10.4.7] und – die barometrische Höhenmessung. Die barometrische Höhenmessung beruht auf der Gesetzmäßigkeit, nach welcher der Luftdruck eine Funktion der Höhe ist; umgekehrt ist dann die Höhe eine Funktion der Luftdrucks. Eine Druckänderung von 1 hPa entspricht näherungsweise einer Höhenänderung von 10 m, was bedeutet, dass dieser etwa mit einer Genauigkeit von 1/10 hPa zu erfassen ist, wenn Höhenunterschiede mit einer Genauigkeit von einem Meter (m) zu bestimmen sind. Es handelt sich hier folglich um ein Verfahren geringerer Genauigkeit, das jedoch immer wieder in Spezialfällen sehr hilfreich eingesetzt werden kann. Genannt sei z. B. die Höhenbestimmung von Paßpunkten in wenig erschlossenen Gebieten, Höhenbestimmungen im Zusammenhang mit geophysikalischen Messungen, oder die Unterstützung der 3D-GPS- Positionsbestimmung von Landfahrzeugen in Regionen mit Signalabschattung. Ein Ersatzsystem für die Interpolation von Positionen in den gestörten Bereichen kann z. B. aus folgenden Sensoren bestehen: einem Wegsensor, einem Sensor für die Bestimmung von Orientierungsänderungen und einem Höhenmesser. Eine Kombination dieser Positionierungssysteme kommt beispielsweise in Messfahrzeugen zum Einsatz, die für die automatische Bestandsaufnahme längs von Verkehrswegen eingesetzt werden (Assems u. a. 1995, Krakiwski u. a. 1995). Für die Bestimmung des Brechungsindexes bei der elektronischen Distanzmessung benötigt man den Luftdruck mit einer Genauigkeit von 1 hPa.

14.1

Physikalische Grundlagen

Der Druck ist als Quotient einer Kraft F, die auf eine Fläche wirkt, und dem Flächeninhalt A dieser Fläche definiert: p=

F[N] A[m2 ]

(14.1)

469

14.2 Barometer

Wir unterscheiden zwischen Absolutdruck und Differenzdruck. Unter dem Absolutdruck versteht man den Druck über absolut Null. Referenzdruck ist hierbei ein ideales Vakuum. Der Messdruck ist immer größer als der Referenzdruck. Von Differenzdruck spricht man, wenn der gemessene Druck auf einen beliebigen Referenzdruck bezogen wird. Dieser kann größer oder kleiner als der Bezugsdruck sein. Die gesetzliche Einheit des Druckes ist das Newton/Quadratmeter“ [N/m2 ] oder ” das Pascal [Pa], wobei die Beziehung 1Pa = 1N/m2 gilt. Hiervon sind die Einheiten Bar [bar] bzw. Millibar [mbar] abgeleitet. Als Maß für den Luftdruck diente ursprünglich ausschließlich die in Millimetern gemessene Quecksilbersäule. Der Druck von 1 mm Hg wird Torr genannt. Durchschnittlich entspricht der Luftdruck gleich dem Druck einer 760 mm hohen Quecksilbersäule. Tab. 14.1 beschreibt die zahlenmäßigen Beziehungen zwischen den gesetzlichen und historischen Einheiten.

Tabelle 14.1. Umrechnungstabelle für Druckeinheiten

Pa

h Pa

bar

mbar

1

10−2

10−5

10−2

7,501 × 10−3

100

1

10−3

1

0,7501

105

103

1

103

750,1

1,333

1,33 × 10−3

1,333

1

N/m2

133,32

Torr mm Hg

Der Luftdruck ist von der Höhe, der Lufttemperatur und in geringem Umfang von der Luftfeuchtigkeit und der geographischen Breite abhängig. Er wird außerdem durch die meteorologischen Vorgänge im Luftmeer beeinflusst. In der barometrischen Höhenmessung ermittelt man daher nur Druckunterschiede, um daraus Höhenunterschiede abzuleiten. Für die Berechnung des Brechungsindexes benötigt man dagegen den Absolutdruck.

14.2

Barometer

Den Luftdruck misst man nach unterschiedlichen Messprinzipien mit Quecksilberund Aneroidbarometern: a) Beim Quecksilberbarometer trägt der Luftdruck eine Quecksilbersäule, deren Gewicht je Flächeneinheit dem Luftdruck gleich ist. Über dem oberen Ende der Säule befindet sich ein Vakuum.

470

14 Barometer und barometrische Höhenmessung

b) Beim Aneroidbarometer wirkt dem Luftdruck auf einer Membran eine Federkraft entgegen. Der Betrag, um den sich die Membran hebt oder senkt, ist ein Maß für den Luftdruck. Barometer benötigt man für die elektronische Distanzmessung [4, 10], um den Brechungsindex der Atmosphäre längs des Signalweges zu ermitteln. Andererseits können Barometer gelegentlich ein einfaches und geeignetes Hilfsmittel sein, wenn Höhen oder Höhenunterschiede zu ermitteln sind; insbesondere auf Expeditionen gehören sie häufig zur instrumentellen Grundausstattung.

14.2.1

Die Quecksilber- oder Hg-Barometer

(1) Heberbarometer und Gefäßheberbarometer Man unterscheidet in konstruktiver Hinsicht Heberbarometer und Gefäßheberbarometer. Das Heberbarometer (Abb. 14.1) besteht aus einem Glasrohr, das am oberen Ende zusammengeschmolzen und am unteren Ende U-förmig nach oben umgebogen und offen ist. Wird in das luftleer gemachte Rohr Hg eingefüllt, so wird das Hg durch den Druck der auf dem offenen Ende lastenden Luft in dem zugeschmolzenen Ast so weit nach oben gedrückt, bis der den unteren Hg-Spiegel überragende Teil der Hg-Säule dem Luftdruck die Waage hält. Als Maß für den Luftdruck benutzte man die Länge l dieses Teils der Hg-Säule in mm.

Abbildung 14.1. Heberbarometer

Abbildung 14.2. Gefäßheberbarometer

Zur Ermittlung von l wird am Barometer ein fester oder ein beweglicher Maßstab angebracht. Beim festen Maßstab erhält man l als Differenz der Ablesungen an beiden Hg-Spiegeln; wenn der Maßstab dagegen auf und ab bewegt werden kann, stellt man seinen Nullstrich auf den unteren Hg-Spiegel ein und liest l am oberen Hg-Spiegel ab. Wird der gebogene Teil des Rohrs durch ein Gefäß mit beweglichem Boden ersetzt, so lassen beide Hg-Spiegel sich um den gleichen Betrag heben oder senken.

471

14.2 Barometer

Man kann l dann an verschiedenen Stellen des (festen) Maßstabs ermitteln und erhält dadurch nicht nur eine Kontrolle, sondern außerdem im arithmetischen Mittel aller Beobachtungen einen verfeinerten Wert von l. Dieser Typ wird als Gefäßheberbarometer (Abb. 14.2) bezeichnet. (2) Korrekturen Ändert sich die Umgebungstemperatur oder bringt man das Barometer an einen Ort mit einer anderen Schwerebeschleunigung, so sind Korrekturen notwendig, um die gemessene Länge der Quecksilbersäule auf Werte zu reduzieren, welche die Angaben untereinander vergleichbar machen. Korrekturen berechnet man in Bezug auf die Normalbedingungen: Normaltemperatur 0◦ C und Normalschwere im Meeresniveau unter 45◦ Breite. Sowohl das Hg wie der Maßstab sind Temperaturabhängig. Ist B die Ablesung am Barometer, B0 die auf t = 0◦ reduzierte Ablesung, q der Ausdehnungskoeffizient des Hg und m der des Maßstabes, so ist bei Vernachlässigung von Gliedern höherer Ordnung B0 = B(1 − qt + mt) und genau genug B0 − B = ν(t) = −B(q − m)t.

(14.2)

Hierin ist q = 0,000182, und wenn der Maßstab aus Messing ist, so ist m = 0,000019, also q − m = 0,000163 = 1 : 6140. Damit lässt (14.2) sich umschreiben in folgende Temperaturverbesserung: ν(t) = −

t B · . 614 10

(14.3)

Die Gewichtskraft eines Körpers ist das Produkt aus seiner Masse m und der Schwerebeschleunigung g. Der Wert von g aber ist abhängig von der geographischen Breite ϕ und der Meereshöhe H . Man reduziert die Beobachtungen daher mit Hilfe der Formel   2H g = g045 1 − β cos 2ϕ − , r in der β ein von der Schwerkraft abhängiger Koeffizient ist, bezogen auf den Meeresspiegel in 45◦ Breite. Ausgehend von der Gleichgewichtsbedingung Bg = B045 g045 ist

  2H , B045 = B l − β cos 2ϕ − r B045 − B = −B · β · cos 2ϕ −

2H B = ν(ϕ) + ν(H ) r

(14.4)

472

14 Barometer und barometrische Höhenmessung

oder ν(ϕ) = −0,00264 cos 2ϕ · B, ν(H ) = −0,0000003 H · B. Bezeichnet man die Rohablesung am Hg-Barometer vorübergehend mit Q, so erhält man den auf t = 0◦ C, ϕ = 45◦ geogr. Breite und Meereshöhe bezogenen Barometerstand aus B0 = Q + ν(t) + ν(ϕ) + ν(H ). (14.5) (3) Normalbarometer Quecksilberbarometer eignen sich nicht für Messaufgaben im Feld, dienen jedoch im Labor als Normalbarometer für die Überprüfung von Aneroidbarometern. Die Ablesegenauigkeiten betragen normalerweise 0.02 hPa.

14.2.2

Barometer mit Membrandose

Die Barometer mit einer Membrandose (Aneroidbarometer) eignen sich besonders für die Feldarbeiten. 14.2.2.1 Barometer mit Membrandose und analoger Messwertausgabe Die Membrandose ist eine von dem Franzosen L. Vidi angegebene luftleere Kapsel, die als Deckel eine dünne gewellte Membran besitzt. Diese wird durch eine starke Feder, deren Spannkraft etwa dem Luftdruck entspricht, vor dem Zusammendrücken bewahrt. Innerhalb des Messbereichs hebt und senkt die Membran sich proportional den Änderungen des Luftdrucks um etwa 0,01 mm je 1,3 mgal. Da man den Luftdruck auf rund 1/10 dieses Betrages braucht, müssen also die Bewegungen auf rund 0,001 mm genau gemessen werden. Um diesen Betrag an einer Skala ablesen zu können, wird er entweder mechanisch oder optisch vergrößert oder mikrometrisch gemessen, oder es findet eine Kombination dieser Möglichkeiten statt. Das Barometer von Naudet (Abb. 14.3) überträgt die Bewegungen der Membran mit Hilfe der Hebelverbindung BCDEF und des Gliederkettchens G auf den Zeiger Z, der sich über der Skala S bewegt. Im Gehäuse ist ein Innenthermometer angebracht, damit die durch die Metallteile des Barometers verursachten Temperatureinflüsse eliminiert werden können. Bei den sogenannten Kompensationsbarometern wird zur Minderung der Temperaturempfindlichkeit im Innern der Dose ein Luftrest (65 bis 130 mbar) belassen, oder es wird der mit der Spannfeder auf- und niedergehende Hebelarm aus zwei verschiedenen Metallen so zusammengesetzt, dass der Hebelarm sich bei steigender Temperatur in einer dem Luftdruck entgegenwirkenden Richtung krümmt.

473

14.2 Barometer

S

Z G C B

F D E

Abbildung 14.3. Naudetbarometer

14.2.2.2 Barometer mit Membrandose und digitaler Messwertangabe Bei diesem Typ von Barometer werden ebenfalls, wie bereits in [14.2.2.1] beschrieben, Membrandosen als Druckaufnehmer verwendet, wobei hier jedoch die druckabhängigen sehr kleinen Verformungen der Membran in analoge elektrische Größen (Spannungs-, Kapazitäts- oder Frequenzänderungen) umgewandelt werden. Diese analogen Größen werden anschließend auf einen Analog/Digital (A/D)-Wandler gegeben und stehen dann in digitaler Form zur Weiterverarbeitung in einem Rechner und für die Anzeige des Luftdrucks auf einem Display zur Verfügung. Man unterscheidet piezoelektrische, piezoresistive, kapazitive und Vibrationsdruckaufnehmer, wobei die letzten drei wegen ihrer höheren Genauigkeit in der Geodäsie zur Anwendung kommen. (1) Piezoresistive Druckaufnehmer Die Membrandose besteht aus einem Silizium-Trägerchip und einer Siliziummembran, die sich über das Trägerchip wölbt (Abb. 14.4). In die Siliziummembran sind durch Ionenimplantation Widerstandsbahnen in der Anordnung einer Messbrücke eingebracht. Biegt sich die Membran, unter Einwirkung von Druck, so ändern sich in der Messbrücke die Widerstände nach dem piezoresistiven Effekt und in der Brückendiagonalen entsteht eine druckproportionale Spannung. Die Widerstandsänderungen lassen sich mit der Theorie der Halbleiter erklären (Lechner u. a. 1988). Ein wesentliches Problem bei der Verwendung von Halbleiterdrucksensoren ist die Temperaturempfindlichkeit. (2) Kapazitive Druckaufnehmer Die Membrandose hat die Funktion eines Plattenkondensators, wobei eine Platte als feste Referenzelektrode und die andere als Membran fungiert (Abb. 14.5). Durch

474

14 Barometer und barometrische Höhenmessung P d = d(P )

evakuierter Hohlraum

Abbildung 14.4. Piezoresistiver Druckaufnehmer

Abbildung 14.5. Kapazitiver Druckaufnehmer

Druckänderungen hervorgerufene Verbiegungen der Membran rufen Kapazitätsänderungen hervor. Zwischen der Kapazität C eines Kondensators und dem Abstand d der Platten besteht die Beziehung C = a · (1/d), wobei a eine Konstante ist. (3) Vibrationsdruckaufnehmer Im Prinzip handelt es sich um Oszillatoren, deren Resonanzfrequenz sich in Abhängigkeit von dem beaufschlagten Druck ändert. Als Resonatoren finden Metallsaiten, Zylinder oder Quarze Verwendung. Entsprechend spricht man von Schwingsaiten-, Schwingzylinder- und Schwingquarz-Druckaufnehmern. Der letztere soll nachfolgend beschrieben werden. Quarzoszillatoren benutzt man, um elektrische Schwingungen mit hoher Frequenzstabilität zu erzeugen. Wesentlicher Baustein eines solchen Oszillators ist ein Quarzkristall, mit dem ein Schwingkreis erzeugt wird, der in dem Oszillator als Resonator dient. Die Frequenz des Oszillators wird durch die Resonanzfrequenz des Schwingkreises und diese wiederum durch die elektromechanischen Eigenschaften des Quarzkristalls vorgegeben. Die elektromechanischen Eigenschaften des Quarzkristalls ändern sich, wenn dieser unterschiedlichem mechanischem Druck ausgesetzt wird. In einem Schwingquarz-Druckaufnehmer werden die zuvor beschriebenen Eigenschaften eines Quarzkristalls genutzt, um Luftdruckänderungen in Frequenzänderungen umzusetzen. Die zu messenden Druckänderungen werden über eine speziell geformte Membrandose in eine Kraft umgesetzt, mit der über einen Hebelarm ein Moment auf den Schwingquarz ausgeübt wird (Abb. 14.6). Durch diese mecha-

475

14.2 Barometer

nischen Einwirkungen ändert sich die Resonanzfrequenz des Quarzresonators und damit die Ausgangsfrequenz des Oszillators.

Ausgleichsgewicht

Quarzkristall

Öffnung für Lufteintritt

Abbildung 14.6. Schwingquarz-Druckaufnehmer (Lechner u. a. 1988)

(4) Technische Angaben zu den elektrischen Druckaufnehmern Man unterscheidet: – monolithische Druckaufnehmer, die lediglich aus dem Sensor bestehen, – kompensierte Druckaufnehmer, bei denen im Sensorchip eine Temperaturkompensationsschaltung integriert ist und – Transducer, Druckaufnehmer mit kompletter Signalaufbereitung. Der Anzeigebereich umfasst in der Regel Werte von 800 bis 1100 hPa. 14.2.2.3 Altimeter Altimeter sind im Prinzip aufgebaut wie die zuvor in (1) und (2) beschriebenen Barometer. Die Messwertverarbeitung ist jedoch so gestaltet, dass unmittelbar Höhenunterschiede bzw. Höhen in bezug auf eine Ausgangshöhe angezeigt werden. Verwendet man als Druckaufnehmer elektrische Sensoren, so lassen sich diese mit kompletter Signalaufbereitung so weit miniaturisieren, dass sie in einer Armbanduhr untergebracht und dort wahlweise als Altimeter oder Barometer verwendet werden können (Abb. 14.7). Die Theorie der Altimeter findet man in [14.3.2].

476

14 Barometer und barometrische Höhenmessung

Abbildung 14.7. Altimeter und Barometer in einer Armbanduhr

14.2.2.4 Beobachtungsgleichung, Genauigkeit Die Beobachtungsgleichung für die einzelnen Ablesungen lautet: Li = Xi − cr − (τi − τr )aτ − (ti − tr )bt − (Li − pr )cp   !   !   ! Langzeitdrift

Einfluss Temperatur

(14.6)

Einfluß Teilung

mit Xi : Luftdruck zur Epoche i τr : Referenzzeit cr : Nullpunktskorrektur zur Referenzzeit τi : Beobachtungszeit aτ : Zeitfaktor (hPa/Jahr) ti : Temperaturablesung (◦ C)

tr : Referenztemperatur (20◦ C) bt : Temperaturkoeffizient (hPa/◦ C) pr : Referenzdruck 1013,25 hPa cp : Teilungsfaktor (hPa/hPa) Li : Ablesungen am Barometer zur Epoche i.

Die Konstanten cr , aτ , bt , cp lassen sich nach Vergleichsmessungen mit einem Normalbarometer im Labor bestimmen. Teilungsfehler, der Einfluss der Temperatur und die Nullpunktskorrektur lassen sich dann in Transducer-Druckaufnehmern von dem geräteinternen Mikroprozessor korrigieren. Es verbleibt der Einfluss der Langzeitdrift, der nach längerer Zeit Werte annehmen kann, welche die momentane Gesamtgenauigkeit übersteigen können. Es empfiehlt sich daher, Aneroidbarometer im

477

14.3 Barometrische Höhenmessung

Abstand von mehreren Monaten oder vor dem Beginn von Messungen höherer Genauigkeit mit einem Normalbarometer zu vergleichen, denn der Koeffizient aτ kann in unterschiedlichen Epochen unterschiedliche Werte annehmen (Pascoe u. a. 1989). Insbesondere bei einfacheren Barometern muss bei schnellen Änderungen der Belastung (z. B. an Umkehrpunkten: Anstieg–Umkehr–Abstieg) mit elastischen Nachwirkungen (Hysterese) gerechnet werden. Abhilfe schafft man, wenn eine kurze Zeit an diesen Stellen verweilt wird. Tab. 14.2 gibt einen Überblick über die Leistungsfähigkeit verschiedener Druckaufnehmer. Die Daten wurden aus (Sudau 1994) entnommen. Man erkennt, dass die Tabelle 14.2. Leistungsfähigkeit von Druckaufnehmern

Typ

piezoresistiver

kapazitiver

Vibrations

Druckaufnehmer Ausstattung

monolitisch od. Temperaturkomp.

i.d.R. Transducer

Transducer

Linearität

< 0,5% F.S.

< 0,05% F.S.

< 0,005% F.S.

Reproduzierbarkeit Hysterese

zusammen: 0,15% F.S.

< 0,02% F.S. < 0,02% F.S.

< 0,005% F.S. < 0,005% F.S.

Gesamtgenauigkeit

0,5% F.S.

0,02% F.S.

0,01% F.S.

Langzeitstabilität

0,5,…,1,7% F.S./J. 0,05,…,0,1% F.S./J

< 0,01% F.S./J.

Leistungsdaten der verschiedenen elektrischen Druckmessprinzipien sich jeweils um etwa eine Zehnerpotenz voneinander unterscheiden. Für die Gesamtgenauigkeit kann das Verhältnis 1 : 2 : 50 angegeben werden. Sie beträgt im allgemeinen 0,5% bis 0,01% F.S. (Full Scale) bezogen auf den Endwert, d. h. wenn die Skala sich bis 1100 hPa erstreckt 0,1 bis 5,5 hPa. Wegen ihrer hohen Langzeitstabilität eignen sich Vibrations-Druckaufnehmer auch als sekundäre Normalbarometer.

14.3 14.3.1

Barometrische Höhenmessung Die Barometerformel von W. Jordan

In einem senkrecht zur Meeresoberfläche gedachten Luftzylinder vom Querschnitt 1 sei der Luftdruck in der Höhe H gleich p und in der Höhe H + dH gleich p − dp. Dann besteht für das differentielle Stück der Luftsäule, da sein Gewicht gleich der Masse mal der Schwerebeschleunigung g und die Masse gleich der Dichte  mal

478

14 Barometer und barometrische Höhenmessung

dem Volumen ist, die Gleichgewichtsbedingung dp = −gdH.

(14.7)

p − dp dH p 1 H

H =0

p = p0

Abbildung 14.8

Nach den Gesetzen von Boyle und Gay-Lussac besteht, wenn 0 und p0 die Dichte und der Druck eines Gases in einem bei 0◦ C angenommenen Anfangszustand,  und p die entsprechenden Werte in dem unter t ◦ C bestehenden Endzustand sind und α den Ausdehnungskoeffizienten der Luft bedeutet, die Beziehung p 1  = · . 0 p0 1 + αt

(14.8)

Setzt man das in (14.7) ein und ordnet man neu, so wird 0 g dp =− dH, · p p0 1 + αt und man findet durch beiderseitige Integration, wenn g und t einstweilen als Konstante betrachtet werden, ln p = −

g 0 · H + C, p0 1 + αt

(14.9)

wobei C eine Integrationskonstante ist. Um sie zu eliminieren, messe man den Druck mit einem Barometer auf zwei Stationen, nämlich auf einer unteren Station mit H = H1 zu p = B1 und einer oberen Station mit H = H2 zu p = B2

479

14.3 Barometrische Höhenmessung

und bilde die Differenz untere minus obere Station: 0 g · ln B1 − ln B2 = (H2 − H1 ) , p0 1 + αt woraus wegen Mod (ln B1 − ln B2 ) = lg B1 /B2 folgt: H2 − H1 = H =

p0 1 + αt B1 · . lg Mod 0 g B2

(14.10)

Das ist die Grundgleichung der barometrischen Höhenmessung. Da hierin B1 und B2 als Quotient auftreten, ist es gleichgültig, in welcher Maßeinheit sie ausgedrückt werden. Um die Abhängigkeit der Temperatur von der Höhe, der Schwerebeschleunigung von der Höhe und geographischen Breite und den Einfluss der Luftfeuchtigkeit zu berücksichtigen, erweiterte Jordan (Gleichung 14.10) um weitere Korrekturglieder (Jordan, Eggert, Kneißl 1956):   em B1 (1 + αtm ) 1 + 0,377 H = 18400 lg ! B2   pm   ! Einfluss Temperatur Einfluss Luftfeuchte   (14.11) 2Hm · (1 + β cos 2ϕm ) 1 + , r   ! Einfluss von geogr. Breite und Höhe

mit α = 0,003665; β = 0,00264; r = 6370000 m, p0 = 1 013 250 [g/cm·s2 ] mittl. Luftdruck in Meereshöhe ρ0 = 0,001 293 04 [g/cm3 ] Dichte der trockenen Luft unter Berücksichtigung des Kohlensäuregehaltes bei 0◦ C und 760 Torr 45 2 Schwerebeschleunigung in Meereshöhe und für die g0 = 980, 632 [cm/s ] geogr. Breite ϕ = 45◦ . Die Lufttemperatur tm , der Dampfdruck em , der Luftdruck pm , die geographische Breite ϕm und die Höhe Hm sind als Mittelwerte der Daten beider Stationen einzusetzen. Um die Anwendung von (14.11) zu vereinfachen, wurde eine vereinfachte Formel für Mitteleuropa berechnet, die als Eingänge B1 , B2 und tm = 21 (t1 +t2 ) hat, während die Einflüsse von geographischer Breite und Meereshöhe pauschal mit ϕm = 50◦ und Hm = 500 m in Rechnung gestellt sind (Jordan u. a. 1956). Da ferner der Dampfdruck em in Mitteleuropa den Durchschnittswert 10 mbar hat, und der Luftdruck pm im Mittel rund 1000 mbar beträgt, führt Jordan für em /pm den Wert 1/100 ein und erhält damit für den mitteleuropäischen Raum die Formel H = 18464(1 + 0,0037tm ) (lg B1 − lg B2 ) .

(14.12)

480

14 Barometer und barometrische Höhenmessung

Nützlich ist noch die Kenntnis der barometrischen Höhenstufen. Zwischen den Höhenunterschieden und den Druckdifferenzen besteht nach (14.12) im Differentiellen die Beziehung dH = −18464(1 + 0,0037tm )

Mod dB. B

Ersetzt man die Differentiale durch kleine endliche Größen, so erhält man H = −

8019 (1 + 0,0037tm )B. B

(14.13)

Der Koeffizient von B ist die für den (mittleren) Barometerstand B geltende barometrische Höhenstufe, d. h. der Höhenunterschied in Metern, der einer Einheit des Luftdruckunterschiedes an der betreffenden Stelle entspricht.

14.3.2

Die Formel für Altimeter

Normhöhen oder Höhen nach der internationalen Höhenskala sind barometrisch bestimmte Höhen, die in einer (gedachten) Normatmosphäre (NA) im Metermaß abgelesen würden, wenn es diese Normatmosphäre gäbe. Die Normen für diese Normoder Standardatmosphäre hat die Commission Internationale de Navigation Aerienne (CINA) im Jahre 1924 folgendermaßen festgelegt: Luftdruck in Meereshöhe (Jahresmittel)

p0 = 760 Torr = 1013,25 hPa

Lufttemperatur in Meereshöhe t0 = 15◦ C bzw.

T0 = 288 K

Temperaturgefälle je km für Höhen bis 11 km Dichte der trockenen Luft bei einem Kohlensäuregehalt von 0,03% Schwerebeschleunigung

a = 6,5◦ /km 0 = 0,001226 g/cm3 g0 = 980,62 cm/s2 .

Mit diesen Annahmen, die im Gegensatz zu Jordans Formel [14.3.1] die Forderung nach Isothermie nicht enthalten, ist die Normbeziehung zwischen dem Luftdruck p und der Normhöhe hNA gegeben durch die Gleichung   g0 T0 0 T0 − ahNA n mit n = = 5,256. p = p0 T0 a p0 Die Auflösung dieser Gleichung nach hNA ergibt für die Normhöhe )  1/n * T0 p 1− . hNA = a p0

(14.14)

481

14.3 Barometrische Höhenmessung

Daraus folgt nach Einsetzen der CINA-Normwerte für hNA (in m) und p (in mbar) hNA = 44307,69 − 11874,31 · p 0,190259 .

(14.15)

Die nach (14.22) auf einem Punkt Pi mit dem Luftdruck pi bezeichnete Normhöhe (hNA ) – oder kurz hi – wird von den Altimetern direkt angezeigt; und weiter ergibt sich der Normhöhenunterschied hNA zwischen 2 Punkten P1 und P2 aus hNA = h = h2 − h1 .

14.3.3

(14.16)

Genauigkeit

Untersucht man die Barometerformel von Jordan (Gleichung 14.11) mit Hilfe des Fehlerfortpflanzungsgesetzes, so lässt sich nachweisen, dass vorwiegend die unzureichend erfasste Umgebungstemperatur und die Messfehler des Barometers sich auf die Bestimmung von Höhenunterschieden H auswirken (s. 18. Auflage dieses Bandes): 2 = δB2 1 + δB2 2 + δt (14.17) sH mit sH δBi δt

: Standardabweichung des Höhenunterschiedes H : Einfluss der Barometerfehler an den Stationen i : Einfluss der unzureichend erfassten Temperatur.

Bei einem Barometerfehler von 0.1 hPa beträgt δB = 0,8 m. Ein Temperaturfehler von 1◦ C bewirkt in Höhenlagen bis 1000 m einen Höhenfehler von etwa 0,4% des Höhenunterschiedes H . Tabelle 14.3 gibt einen Einblick in diesen Effekt. Tabelle 14.3

für H = ist δt =

10 0,04

20 0,07

50 0,18

100 0,37

200 0,74

500 1,85

1000 m 3,70 m

Die Standardabweichung sH erhält man entsprechend, wenn die Einflüsse der Barometerfehler nach (14.17) hinzugefügt werden. Diese Fehlerbetrachtungen gelten Tabelle 14.4

sB in mbar 0,1 0,05

10

20

50

1,2 0,6

1,2 0,6

1,2 0,7

100 200 H 1,2 1,4 0,7 1,0

500

1000 m

2,2 2,0

3,9 m 3,8 m

482

14 Barometer und barometrische Höhenmessung

weitgehend ähnlich auch für Altimetermessungen. In (14.17) muss δB durch sH (Standardabweichung der Höhe) ersetzt werden. Nimmt man für diese 0,5 m an, so erhält man die Zahlenwerte der dritten Zeile, da 0,05 hPa etwa einem Höhenunterschied von 0,4, . . . , 0,5 m entsprechen. Bei geringeren Höhenunterschieden werden die Ungenauigkeiten hauptsächlich durch die Unsicherheit der Ablesungen an den Barometern (Altimetern) hervorgerufen, während sie bei den Höhenunterschieden von 500 bis 1000 m in schnell wachsendem Umfang auf die Unsicherheit der Temperaturerfassung zurückzuführen sind. Größere Höhenunterschiede sollte man daher durch das Messen von Teilhöhenunterschieden bis höchstens 200 m zu überwinden suchen.

14.3.4

Beobachtungsverfahren

Man unterscheidet zwischen Interpolieren von Neupunkten zwischen Festpunkten und dem Anschluss von Neupunkten an einen Festpunkt.

(1) Punkteinschaltung durch Interpolieren Nach (14.13) lassen sich für Gebiete mit begrenztem Höhenunterschied Höhenpunkte durch einfache lineare Interpolation bestimmen: Hik = δH ∗ · hik

(14.18)

mit Hik : Höhenunterschied in Meter zwischen benachbarten Punkten, hik : mit dem Altimeter bestimmter Höhenunterschied, HE −HA hE −hA

δH ∗

=

hi : Hi :

am Altimeter abgelesene Höhen, Höhen der Punkte in Einheiten Meter.

=

HEA hEA :

empirische Höhenstufe,

Es können auf gleiche Weise mit Barometerablesungen Höhen interpoliert werden. In (14.18) sind dann nur die am Altimeter abgelesenen Werte durch am Barometer abgelesene Werte Bi zu ersetzen. Nachteilig ist bei den Interpolationsverfahren, dass die Höhenstufe nur für einen begrenzten Höhenunterschied gilt. Vorteilhaft ist jedoch, dass allein Beobachtungsdifferenzen in die Berechnungen eingehen; systematische Effekte mit gleichem Vorzeichen und Betrag werden dabei eliminiert. Bei größeren Messbereichen unterteilt man das Gebiet geeignet in mehrere Abschnitte verschiedener Höhenstufen.

483

14.3 Barometrische Höhenmessung

1. Beispiel: Punkteinschaltung im Feld mit einem Altimeter. Punkt A

hik 250,0

1

499,0

2

746,5

hik

Hik

+199,0

+204,6 468,6

+297,5

1028,0

E

1163,5

Summe bzw. Differenz

+913,5

+305,8 774,4

+281,5 3

Hi 264,0

+289,4 1063,8

+135,5

+139,3 1203,1

+913,5

+939,1

939,1

Die dabei verwandte empirische Höhenstufe ist: δH ∗ =

939,1 = 1,028. 913,5

2. Beispiel: Punkteinschaltung mit einem Barometer von einem fahrenden Messwagen aus. Für die automatische Bestandsaufnahme von 3D-Straßendaten stehen spezielle Messfahrzeuge zur Verfügung. Messtechnisch fallen hier zwei Aufgaben an: die fortlaufende Fahrzeugortung und die kontinuierliche Erfassung des Straßenraumes mit stereoskopischen Videoaufnahmen (Aussems, Benning 1995). Die Bundesanstalt für Straßenwesen in Deutschland (BAST) fordert z. B. für jeden in ihrer Datenbank gespeicherten Punkt eine Genauigkeit von 5 m. Für die Positionsbestimmung des Fahrzeuges eignet sich daher das Verfahren DGPS, welches sich auf Codemessungen stützt. In Abschattungsgebieten, wo der Signalempfang von Satelliten vorübergehend gestört ist, muss man auf alternative 3D-Ortungsverfahren zurückgreifen. Zur Überbrückung der abgeschatteten Bereiche eignen sich planimetrische Systeme für die Bestimmung der Lagekomponenten und ein Barometer für die Höhenkomponente. In einem planimetrischen Ortungssystem werden mit zwei Drehsensoren an den Hinterrädern sowohl der zurückgelegte Weg als auch die Orientierung des Fahrzeugs bestimmt. Von (Aussems u. a. 1995) wurden im Rahmen von Versuchsmessungen für ein solches Projekt von einem fahrenden Messwagen aus Höhen simultan mit DGPS und einem elektrischen Membrandosenbarometer bestimmt (Abb. 14.9). Die Genauigkeit der durch DGPS bestimmten Höhen liegt im dm-Bereich. Die Transformation der

484

14 Barometer und barometrische Höhenmessung H (m) 250 245 240 235 230 225 220

HGPS

215

HBaro

210

t (s) 2815

2715

2615

2515

2415

2315

2215

2115

2015

1915

1815

1715

Abbildung 14.9. Mit DGPS und einem elektrischen Membrandosenbarometer bestimmte Höhen (Aussems, Benning 1995)

Druckwerte in Höhen erfolgte mit der barometrischen Höhenstufe. Werte hierfür wurden bei Fahrzeugstopps gemessen, wo auch nivellitisch bestimmte Höhen vorlagen. Wie man sieht, konnten die barometrischen Höhenmessungen mit m-Genaugikeit erfolgen. Die etwas größeren Abweichungen zu Beginn der Fahrt lassen sich auf Einlaufeffekte des Barometers zurückführen. (2) Höhenbestimmung im Anschluss an einen Höhenfestpunkt Man nutzt ein Standbarometer und ein Feldbarometer. Das Standbarometer wird in der Mitte des Messgebiets aufgestellt und dient dazu, Luftdruckänderungen zu kontrollieren. Mit dem Feldbarometer geht oder fährt der Beobachter von Punkt zu Punkt und beobachtet dort den Barometerstand. Auf beiden Stationen wird für Korrekturen außerdem die Temperatur erfasst. Vor der Auswertung werden die Druckänderungen am Standbarometer unter Berücksichtigung der Zeit mit umgekehrtem Vorzeichen den Feldbarometerablesungen hinzugefügt. Die Auswertung erfolgt nach Modell (14.11) oder (14.15). Berechnungsbeispiele findet man z. B. in der 18. Aufl. dieses Bandes.

15 Hydrostatisches Nivellement

Das hydrostatische Nivellement arbeitet nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren und kann zur Höhenübertragung zwischen zwei und mehreren Punkten eingesetzt werden. Dieses Messverfahren hat eine weit zurückreichende Geschichte; so wurde es schon in der Antike verwendet, die Fundamente der Pyramiden höhenmäßig auszurichten. Man benützte einen in den Fels gemeißelten und mit Wasser gefüllten Graben, um eine Referenzfläche für die Höhenabsteckung der ersten Steinschicht des Fundamentes zu erhalten. Noch heute übernimmt oftmals die einfache Schlauchwaage auf den Baustellen diese Funktion. Inzwischen wurde das hydrostatische Nivellement für spezielle Aufgaben zu einem hochgenauen Messverfahren fortentwickelt. Kleinräumig setzt man es ein zur hochgenauen Ausrichtung und Überwachung von Bauwerken und Maschinenanlagen. In der Landesvermessung dient es auch der Übertragung von Höhen über größere Distanzen, z. B. bei der Überbrückung breiter Ströme oder der Wasserflächen zwischen Inseln und dem Festland.

15.1

Die einfache Schlauchwaage

Die einfache Schlauchwaage besteht aus zwei Standgläsern mit Millimeterteilung und einem Schlauch, der diese verbindet (Abb. 11.1). Eine kurze Beschreibung ist bereits in [11.1] gegeben. Nachdem etwaige Luftblasen durch Bewegen des Schlauches entfernt sind, hält man die beiden Standgläser in gleicher Höhe senkrecht nebeneinander, um einen etwaigen Unterschied des Wasserstandes, die Nullpunktskorrektur, zu ermitteln. Dann bringt man die Standgläser an die Messstellen, wartet einige Minuten, bis das Wasser im Schlauch sich beruhigt hat und liest an beiden Enden mehrere Male ab, mittelt die Ergebnisse und stellt die Nullpunktskorrektur in Rechnung. Bei sachgemäßer Handhabung ist dann für eine einzelne Höhenunterschiedsbestimmung eine Standardabweichung von 1 – 3 mm zu erwarten.

15.2 15.2.1

Die Präzisionsschlauchwaage Grundprinzip

Für die Fortentwicklung einer einfachen Schlauchwaage in ein Präzisionsmessgerät muss folgender zusätzlicher Aufwand betrieben werden:

486

15 Hydrostatisches Nivellement

– für die Höhenübertragung vom Flüssigkeitsspiegel auf die Höhenmarke setzt man Präzisionsmessgeräte ein, – Störungen der Flüssigkeitsoberfläche werden durch physikalische Modellbildungen und Korrekturen herabgesetzt. Das Prinzip des hydrostatischen Nivellements geht aus Abb. 15.1 hervor. Im Idealfall befinden sich die Flüssigkeitsspiegel (Menisken) an den Endpunkten der hydrostatischen Leitung in ein und derselben Niveaufläche W . Abweichungen entstehen jedoch: 1. durch Einflüsse äußerer Kräfte (Temperaturunterschiede, Luftdruckunterschiede, Schwereänderungen), 2. durch innere Kräfte (Kapillarkräfte), 3. durch Einflüsse dynamischer Art (Flüssigkeitsschwingungen), 4. durch Einflüsse unsachgemäßer (z. B. luftblasengemischter) Schlauchfüllung. h Höhe

Standgefäß 2

Standgefäß 1 h2 h1 W2 W1

P1

c1

c2 Nullpunkt Skala

l1

Flüssigkeitsspiegel

h0 = 0

l2

P2 Flüssigkeitsspiegel

Verbindungsschlauch Niveaufläche

Abbildung 15.1. Prinzip des hydrostatischen Nivellements

Für die Höhe hi eines Punktes über der Bezugsfläche gilt hi = Wi + li + ci

(15.1)

mit Wi : Höhe des Flüssigkeitsspiegels über der Bezugsfläche, li : Skalenhöhe des Flüssigkeitsstandes, ci : Nullpunktskorrektur. Für den Höhenunterschied der Punkte P1 und P2 gilt: h12 = h2 − h1 = (l2 − l1 ) + (c2 − c1 ) + (W2 − W1 ) .

(15.2)

487

15.2 Die Präzisionsschlauchwaage

Bei hohen Genauigkeitsansprüchen müssen die Nullpunktskorrektion c = c2 − c1

(15.3)

und der Niveauunterschied der Flüssigkeitsstände W = W2 − W1

(15.4)

mit besonderer Sorgfalt erfasst werden. Bei geringeren Genauigkeitsansprüchen [vgl. 15.1] werden im allgemeinen nur die Flüssigkeitsstände li an einer Skala abgelesen und verglichen.

15.2.2

Der Niveauunterschied der Flüssigkeitsstände

Der Niveauunterschied der Flüssigkeitsstände lässt sich mit Hilfe der Bernoullischen Gleichung (15.5) pi + ρi gi hi = const, mit ρ: p: g: h:

Dichte der Flüssigkeit, Luftdruck, Schwerebeschleunigung, Höhe der Flüssigkeitssäule,

erfassen. In dem hydrostatischen Leitungssystem (Abb. 15.1) gilt, wenn unterschiedliche Schwerebeschleunigungen und eine inhomogene Flüssigkeit vorausgesetzt werden, die Gleichgewichtsbedingung: W1 W2 p1 + gρ dh = p2 + gρ dh, h0

(15.6)

h0

wobei dh die differentielle Höhe der einzelnen Schichten der Wassersäulen bezeichnet. Für die Schwerebeschleunigung kann im allgemeinen ein Mittelwert g¯ eingeführt werden. Setzt man außerdem ρ(t) = ρ( ¯ t¯) + ρ(t) mit t: t¯: t: ρ: ¯

Temperatur, mittlere Temperatur, Abweichungen von dem Mittelwert, mittlere Dichte,

488

15 Hydrostatisches Nivellement

¯ ρ: Abweichungen von dem Mittelwert, so geht (15.6) über in: W1 W2 p1 + g¯ (ρ¯ + ρ)dh = p2 + g¯ (ρ¯ + ρ)dh h0

h0

W1 W2 ¯ 1 − h0 ) + g¯ ρ dh = p2 + g¯ ρ(W ¯ 2 − h0 ) + g¯ ρ dh p1 + g¯ ρ(W h0

p1 − p2 1 W = W2 − W1 = + g¯ ρ¯ ρ¯

h0

  W1 W2 ρ dh − ρ dh . h0

(15.7)

h0

Der erste Summand beschreibt den Einfluss des unterschiedlichen Luftdrucks und der zweite den Einfluss verschiedener Flüssigkeitstemperaturen. Ein Druckunterschied von nur 0,1 Torr an beiden Messpunkten verursacht bereits einen Höhenfehler von ca. 1,4 mm. Um diesen Fehler auszuschalten, sind bei fast allen neueren Geräten die Standgefäße mit einem Druckschlauch verbunden (Abb. 15.4). Um den Einfluss von Temperaturunterschieden an den einzelnen Messstellen praktisch berechnen zu können, teilt man die Wassersäulen in Schichten der endlichen Höhe hi auf. Vereinfacht erhält man dann anstelle von (15.7) W =

1 2 ,  1+ (ρ1i · h1i ) − (ρ2i · h2i ) . ρ¯

W

W

0

0

(15.8)

Die ρ1i und ρ2i kennzeichnen die Abweichungen von der mittleren Dichte auf der linken und rechten Seite des Leitungssystems. In (15.8) ist außerdem vorausgesetzt, dass der Einfluss von Druckunterschieden bereits eliminiert wurde. Die Beziehung (15.8) zeigt außerdem, dass eine einfache Art der Fehlerbegrenzung darin besteht, die Höhe der vertikalen Flüssigkeitssäulen möglichst klein zu halten. Häufig reicht es dann auch aus, auf der linken und rechten Seite nur einen Dichtewert zu bestimmen. Der Einfluss, den Temperaturunterschiede im Leitungssystem auf das Messergebnis haben, hängt außerdem noch von der absoluten Temperatur ab, bei der gemessen wird. Abb. 15.2 verdeutlicht diesen Zusammenhang. Man erkennt, dass sich die Dichte bei 4◦ C nur wenig und bei höheren Temperaturen stärker mit der Temperatur ändert. In Abhängigkeit von der mittleren Außentemperatur ergeben sich daher auch unterschiedliche Einflüsse auf den Niveauunterschied W . Beträgt an der einen Messstelle die Temperatur 4◦ C (20◦ C) und an der zweiten die Temperatur 7◦ C

489

15.2 Die Präzisionsschlauchwaage

Dichte des Wassers

0,986 0,988 0,990 0,992 0,994 0,996 0,998 1,000

0

10

20

30

40

50

60˚ C

Temperatur des Wassers

Abbildung 15.2. Dichte des Wassers in Abhängigkeit von der Temperatur

(23◦ C), so hat man bei einer vertikalen Wassersäule von 1 m ein W von 0,07 mm (0,67 mm). Die günstigsten Messbedingungen hat man folglich bei einer mittleren Außentemperatur von 4◦ C. Der Einfluss unterschiedlicher Schwerewerte im Bereich der Messeinrichtung kann normalerweise vernachlässigt werden, da die zu bestimmenden Höhendifferenzen klein sind und der Abstand der Messpunkte meist kleiner als 100 m ist. Bei Höhenübertragungen über größere Entfernungen kann eine Berücksichtigung von Schweredifferenzen angebracht sein, wenn die Messungen in größerer Höhe über NN stattfinden. Die Korrektur lautet (Scheel 1957): −(dW )1 =

g1 − g2 · H1 , g1

mit H1 : Höhe über NN von Punkt 1, g1 , g2 : gemessene Schwerewerte in den Punkten 1 und 2. Einwirkungen der Kapillarkräfte können entstehen durch: – zu enge Standgläser, – unterschiedliche Radien der Standgläser, – unterschiedliche Benetzung der Glaswand, – Verschmutzung der Flüssigkeitsoberfläche. Die drei ersten Einflüsse lassen sich vermeiden, wenn der Durchmesser der Standgläser nicht kleiner als 40 mm gewählt wird. Abweichungen in den Radien von ±1 mm sind dann vernachlässigbar. Bei Messgeräten mit schwimmergesteuerten Sensoren sind spezielle Untersuchungen erforderlich [15.2.3].

490

15 Hydrostatisches Nivellement

Die Schwingungszeit der Wassersäulen kann nach folgender Beziehung abgeschätzt werden (Militzer u. a. 1971): " a1 a2 · L , T =π (a1 + a2 ) A · g mit a1 , a2 : A: L: g:

Querschnitte der Standgläser, Querschnitt des Schlauches, Länge der Wassersäule, Schwerebeschleunigung.

Für eine Schlauchwaage mit den technischen Daten (a1 = a2 = 13,8 cm2 , A = 0,8 cm2 , L = 30 m) ergibt sich die Schwingungszeit zu 15 s.

15.2.3

Nullpunktskorrektion

Nullpunktsfehler entstehen, wenn die Höhen der Anfangspunkte der Messskalen nicht mit der Höhe des Aufhängepunktes zusammenfallen (Abb. 15.1). Man kann die Nullpunktskorrektur der Messeinrichtung bestimmen, indem Kalibrierungsmessungen an Aufhängepunkten mit bekannter Höhe ausgeführt werden. Sie lassen sich andererseits eliminieren, wenn Wiederholungsmessungen mit vertauschten Standgefäßen ausgeführt werden, denn aufgrund der Beziehung (15.2) gilt für Messungen in zwei Lagen: hI = (l2 − l1 )I + c2 − c1 + (W2 − W1 )I hII = (l2 − l1 )II + c1 − c2 − (W2 − W1 )II  1 h = (l2 − l1 )I + (l2 − l1 )II . 2 Das Mittel h ist dann auch frei von Temperatureinflüssen, wenn keine Temperaturänderungen während der Austauschzeit vorkommen.

15.2.4

Sensoren mit analoger und digitaler Messwertausgabe

Die Sensoren haben die Aufgabe, den vertikalen Abstand zwischen dem Flüssigkeitsspiegel und der Höhenmarke zu bestimmen, wobei die Nullpunktsfehler zu berücksichtigen sind. Die Abstandsmessungen erfolgen nach unterschiedlichen Prinzipien. Einen Überblick geben u. a. (Thierbach 1979; Busch 1981). Hier sollen nur zwei dieser Prinzipien kurz beschrieben werden. Bei einigen Präzisionsschlauchwaagen wird mit einer Messspindel eine Tastspitze auf den Flüssigkeitsspiegel gesetzt (Abb. 15.3). Nach dem Abbe’schen Komparatorprinzip wird bei diesen Messgeräten gefordert, denAufhängepunkt und die Messspitze in einerVertikalebene anzuordnen. Die Ganghöhe der Messspindel beträgt im allgemeinen 1 mm, wobei 1/100 Umdrehung sich

491

15.2 Die Präzisionsschlauchwaage

einstellen lässt. In analogen Geräten liest man die Anzahl der Umdrehungen samt Teilbeträgen an einer Skala des Drehknopfes ab. Die Messwertausgabe lässt sich digitalisieren, wenn die Spindel von einem Schrittmotor bewegt wird, wobei ein Computer diesen steuert; der Computer registriert auch die Anzahl der Schritte und ermittelt daraus die Höheneinstellung. Luftleitung Elektronik Kabelausgang

Induktiver Wegaufnehmer Bohrung für Luftdurchtritt Schwimmer

Messskala (visuell) Flüssigkeitseinlass

Schlauchleitung zum Referenzgerät

Abbildung 15.3. Sensor mit Tastspitze und Messspindel

Abbildung 15.4. Sensor mit induktivem Weggeber (Interfels)

Andere Sensoren bestimmen die Skalenhöhe des Flüssigkeitsstandes mit einem induktiven Weggeber (Abb. 15.4). Ein Schwimmer, der sich in Abhängigkeit von der Höhe des Flüssigkeitsspiegels längs der Achse einer Spulenanordnung bewegt, ruft in dieser Induktionsänderungen hervor. Mit einem Analog/Digital-Wandler lassen sich diese digitalisieren und an einen Rechner weitergeben, der sie in Höhenänderungen umrechnet; vgl. auch [19.5.3.3]. In Abhängigkeit von dem Messbereich und Messgerät lassen sich Höhenunterschiede mit einer Genauigkeit von 0,5, . . . , 0,01 mm bestimmen.

16 Grundlagen der Landesvermessung1

Die klassische Landesvermessung umfasst den Aufbau der Festpunktfelder der Lage, Höhe und Schwere, die topographische Landesaufnahme, ihre Darstellung in Karten und die Liegenschaftsaufnahme. Heutzutage steht der Aufbau und die Führung von Geo-Informationssystemen im Vordergrund. Die Vermessungsarbeiten für die Anlage eines Liegenschaftskatasters und einer topographischen Landesaufnahme finden sich in [17]. An dieser Stelle sollen die grundlegenden Arbeiten beschrieben werden, mit deren Hilfe Einzelvermessungen zu einem gemeinsamen Ganzen zusammengefügt werden können. Der größte Entwicklungsschub ist in den letzten Jahren von den weltraum- und satellitengestützten Messverfahren ausgegangen. Ihre breite Anwendung im Vermessungswesen wie auch bei vielen anderen Nutzergruppen erzwingt das Arbeiten in globalen dreidimensionalen Referenzsystemen. Nutzt man weiterhin die heutigen Möglichkeiten der Elektronik und Kommunikation, so ergeben sich für die Verfahren der Landesvermessung und der Einzelaufnahme völlig neue Konzepte. Sie sind in weiten Teilen von den Vorgehensweisen in der Ortung und Navigation nicht mehr zu trennen. Auch ist die Verzahnung mit der Physik der Erde viel komplexer geworden, da die hohe Genauigkeit der heutigen Messverfahren auch eine entsprechende Reduktions- und Korrektionsgenauigkeit erfordert. Zur Definition des Referenzsystems gehören alle Konventionen, Algorithmen und Konstanten, mit denen der Nullpunkt, die Orientierung, der Maßstab des Referenzsystems und ggf. auch seine zeitliche Änderung beschrieben werden, also die Größen, die insgesamt das geodätische Datum festlegen. Da hierbei Konventionen (z. B. für die Orientierung) eingeführt werden müssen, spricht man auch von einem konventionellen System. Diese Festsetzungen sind zwar nicht unveränderlich, aber schon grundsätzlicher und langlebiger Natur. Die Realisierung in einem Referenzrahmen führt als Endprodukt zu einem Koordinatensatz für die an den Beobachtungen beteiligten Stationen. Bei den Rechenarbeiten sind konkrete Werte für die Parameter des geodätischen Datums zu ermitteln bzw. zu benutzen. Im 19. Jahrhundert begannen die entwickelten Staaten mit dem systematischen Aufbau nationaler geodätischer Referenzsysteme. Hierbei lassen sich bis heute vier Entwicklungsstufen erkennen: 1 Kap. 16 entstand in Zusammenarbeit mit: em. Prof. Dr. W. Augath, Techn. Univ. Dresden

16.1 Grundlagen und Festsetzungen in Referenzsystemen

493

(a) die klassischen Lage- und Höhenreferenzsysteme, (b) ihre Erneuerung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, (c) die in [16.3] dargestellten globalen Referenzsysteme, die vor fast 20 Jahren Eingang in die Landesvermessung gefunden haben und (d) die in [16.4] dargestellten Positionierungsdienste, die als Festpunktfelder ohne ” Festpunkte“ nicht mehr die Vermessungsmarken als Schnittstelle zum Nutzer benötigen. Gemeinsam ist den drei ersten Stufen lediglich die Nutzung vermarkter Festpunkte als Schnittstelle zum Nutzer. Strategisch und in ihrer Realisierung weisen sie beträchtliche Unterschiede auf, die aus dem allgemeinen technischen Fortschritt und den daraus resultierenden veränderten Anforderungen der Nutzer resultieren. Die Höhenreferenzsysteme befinden sich ebenfalls im Umbruch, der jedoch noch nicht abgeschlossen ist. Dies wird in [16.5] dargestellt. Mit der Einführung neuer Referenzsysteme verliert das Wissen um die Vorgehensweise in Vorgängersystemen nicht an Bedeutung. Da sie mit ihren spezifischen Besonderheiten ihre Spuren bei der Koordinierung der Daten der Einzelaufnahme hinterlassen haben, ist für deren Qualitätsbeurteilung das Wissen über ältere Referenzsysteme noch lange Zeit unverzichtbar.

16.1

Grundlagen und Festsetzungen in Referenzsystemen

Erfasst man die Erdoberfläche in Bezug auf erdgebundene Koordinatensysteme, so bezeichnet man diesen Vorgang auch als Georeferenzierung. Alle Arbeiten zur Georeferenzierung können mit Hilfe von Kenngrößen beschrieben werden. Diese beinhalten einmal strategische Festsetzungen des Herstellers, mit denen er seine Zielgruppen unter den Nutzern auswählt. Weiterhin wird die Vorgehensweise bei der Realisierung beschrieben. Den Abschluss bildet die Definition der Schnittstelle zum Nutzer. Es zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den klassischen Kenngrößen der analogen vermarkten Festpunktfelder und den entsprechenden, die für Positionierungsdienste mit Echtzeitanwendungen notwendig sind [Tab. 16.1]. Die Kenngrößen der Positionierungsdienste enthalten zusätzlich die Qualitätsangaben, welche aus der Navigation bekannt sind; hierauf wird in [16.4] noch genauer eingegangen.

16.2 Ältere Referenzsysteme und ihre Weiterentwicklung 16.2.1 Ältere Referenzsysteme Auch wenn die ersten Triangulationen in Frankreich schon 1733 – 1750 (Carte géometrique de la France) durchgeführt wurden, begannen die entwickelten Staaten erst

494

16 Grundlagen der Landesvermessung Tabelle 16.1. Festsetzungen und Kenngrößen zur Georeferenzierung Georeferenzierung mit

vermarkten Festpunktfeldern Gebietsausdehnung Punktdichte Genauigkeits- und Zuverlässigkeitsklasse Erhaltungskonzept

Positionierungsdiensten Strategische Festsetzungen

Geodätisches Modell Vermarkung und Sicherung der Festpunkte Messverfahren Netzaufbau

Festsetzungen zur Realisierung

Vermessungsmarken

Schnittstelle zum Nutzer

Nachweis

Garantien zur Gebietsausdehnung Betriebsdauer Genauigkeitsklasse Integritätsklasse Time to Alarm Verfügbarkeitsklasse Kontinuitätsklasse QM-Konzept Geodätisches Modell Stationsaufbau Stations- und Signalvalidierung Externe Datenbeschaffung Interne Kommunikation Algorithmen zur Datenverfeinerung Bedienen von internationalen Datenformaten Kommunikationslösungen zum Nutzer Endgeräte

im späten 19. Jahrhundert mit dem systematischen Aufbau nationaler Referenzsysteme als Grundlage für die topographische Landesaufnahme und teilweise auch für die Aufnahme der Liegenschaften. An dieser Stelle soll das dabei entstandene klassische Konzept der nationalen Referenzsysteme am Beispiel der Arbeiten der Preußischen Landesaufnahme beschrieben werden, das von O. Schreiber entwickelt und verwirklicht wurde und dem seinerzeit Vorbildfunktion zukam (Tab. 16.2) Es hatte bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts Gültigkeit, bis die dann einsetzende rasante technische Entwicklung neue Wünsche und Möglichkeiten eröffnete. In Preußen sollte die topographische Landesaufnahme 1 : 25000 auf der Basis einer einheitlichen geodätischen Grundlage neu erstellt werden. Für die damals übliche Messtischaufnahme wurden mindestens 20 nach Lage und Höhe bekannte Ausgangs-

16.2 Ältere Referenzsysteme und ihre Weiterentwicklung

495

Tabelle 16.2. Konzept der klassischen nationalen Lagefestpunktfelder am Beispiel der Preußischen Landesaufnahme 1875

Anlass Referenzsystem

Topographische Landesaufnahme 1 : 25 000 Fundamentalpunktmethode

Realisierung Punktdichte Vermarkung

Rauenberg Datum und Bessel-Ellipsoid (1841) 1 TP/5 km2 TP-Pfeiler und Platte, Hochpunkte

Sicherung Genauigkeit

keine gr. Halbachse der Fehlerellipse < 10 cm (FP- Erlass 1940)

Messverfahren Netzaufbau

Triangulation 3 Stufen (Ordnungen)

Auswerteansatz Nachweis

stufenweise Einzelpunktausgleichung Übersichtskarte, Einmessung, Koordinatenliste

punkte benötigt. Daraus folgte eine Dichte der Trigonometrischen Punkte (TP) von 1 TP/ 5 km2 . Für die Liegenschaftsaufnahme hätte sie nicht ausgereicht. Diese wurde jedoch damals in Preußen überwiegend mit örtlichen Systemen (-Inselkarten) ohne Anschluss an ein nationales Referenzsystem durchgeführt. Der Auftrag, geographische Koordinaten der Referenzpunkte zu bestimmen, legte auch das zu verwendende Referenzsystem fest: – Einführen eines konventionellen Ellipsoids, – Verwendung der Fundamentalpunktmethode für die Lagerung und Orientierung. In Ermangelung der Lotabweichungskomponenten des Fundamentalpunktes und seiner Geoidhöhe musste die Transformation der beobachteten astronomischen Beobachtungen auf das Ellipsoid (Torge 2003) mit den Festsetzungen: L

( Ellipsoid ) = Lamda (astronomisch),

B

( Ellipsoid ) = Phi (astronomisch),

Höhe (Ellipsoid) = Höhe (Geoid) vorgenommen werden. Dadurch ist das erzeugte Referenzsystem weder achsparallel noch stimmt der Ellipsoidmittelpunkt mit dem Geozentrum überein; ein Umstand, der sich seinerzeit nicht nachteilig auf das Gesamtwerk auswirkte. Der Referenzrahmen wurde durch ein nationales Datum realisiert auf dem Ellipsoid von Bessel (1841) mit den Halbachsen a = 6377397 m und b = 6356097 m. Als Fundamentalpunkt diente die Station Rauenberg bei Berlin ( —> Rauenberg Da-

496

16 Grundlagen der Landesvermessung

tum), hinzu kam ein Azimut zur Berliner Marienkirche. Der Maßstab wurde mit einer 3 – 5 km langen Strecke als Basis mittels eines Basisvergrößerungsnetzes [7.1.2] auf die nächste Dreiecksseite übertragen. Die Streckeneinheit entstand aufgrund eines Übertragungsfehlers im sog. legalen Meter, das gegenüber dem internationalen Meter um 13,3 mm/km zu kurz war. Im Zuge der Netzbearbeitung wurden noch vier weitere Strecken eingeführt. Durch die Reduktion der Strecken mit Meereshöhen bezogen sie sich auf das Geoid. Die Vermarkung der TP mit einem 90 cm langen Granitpfeiler und einer unterirdischen Platte stellte bezüglich der Dauerhaftigkeit einen Fortschritt gegenüber früheren Lösungen dar. Es gab jedoch keine systematische Sicherung, auch nicht bei den durch das Messverfahren Triangulation bedingten vielen Hochpunkten. Für die drei Entfernungsbereiche – 1. Ordnung mit Visuren von 30 – 70 km (Beobachtungsgenauigkeit 0,1 mgon), – 2. Ordnung mit Visuren von 5 – 15 km (Beobachtungsgenauigkeit 0,2 mgon), – 3. Ordnung mit Visuren von 2 – 5 km (Beobachtungsgenauigkeit 0,3 – 0,5 mgon), wurden drei Varianten des Messverfahrens Triangulation mit auf den jeweiligen Entfernungsbereich abgestimmten Genauigkeiten eingesetzt, die auch heutigen Anforderungen genügt hätten. Da die Theodolite standfeste Aufstellungen in einer die direkte Sichtverbindung ermöglichenden Höhe benötigen, kamen vorzugsweise topographisch exponierte Standorte sowie Hochpunkte (damals nur Kirchen) infrage. Notfalls musste die notwendige Beobachtungshöhe mit stabilen trigonometrischen Signalbauten erzeugt werden. Da die Beobachtung längerer Visuren stark wetterabhängig ist, ergaben sich insgesamt erhebliche Beobachtungskosten. Betrachtet werden muss auch der Einfluss der Rechentechnik auf die Netzgestaltung. Im Netz 1.O. wurden 20 – 30 Punkte netzweise beobachtet und geschlossen ausgeglichen. Um trotzdem landesweite Ergebnisse erzielen zu können, wurden sie – wie es in Abb. 16.1 noch zu erkennen ist – nach dem Prinzip der Ketten- und Füllnetze angeordnet und dann jeweils mit Zwang an das Ergebnis der Vorausgleichung angeschlossen. Hierbei kam es zu Koordinatenverfälschungen, die die hohe zugrundeliegende Messgenauigkeit wieder zerstörten (Maßstabsfehler von über 10 mm/km). Alle weiteren Verdichtungsstufen mussten so aufgebaut werden, dass sie sich als Folge von Einzelpunktausgleichungen rechnen ließen. Hinter den drei Ordnungen entstand so eine Netzhierarchie mit 10 – 15 Rechenstufen, in die eventuelle Nachbarschaftsbeobachtungen oftmals nicht einfließen konnten.

16.2.2

Erneuerung und Erweiterung

Das Konzept der Preußischen Landesaufname 1875 reichte bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts aus, da sich weder die Anforderungen der Nutzer noch die technischen Möglichkeiten der Landesvermessung wesentlich änderten. Als für die Liegenschaftsaufnahme standardmäßig der Anschluss an das Lagefestpunktfeld vor-

16.2 Ältere Referenzsysteme und ihre Weiterentwicklung

Abbildung 16.1. Das Deutsche Hauptdreiecksnetz (DHDN) 1990, BKG

497

498

16 Grundlagen der Landesvermessung

geschrieben wurde, musste die Punktdichte gemäß den Anforderungen des damaligen Aufnahmeverfahrens Orthogonalaufnahme“ (vgl.Kahmen 1997) durch zusätz” liche Festpunkte erhöht werden. Dabei entstanden weitere TP, Polygonpunkte und Kleinpunkte in Abhängigkeit von der Topographie bis zu einem Abstand von 50 – 200 m. Auch für militärische Zwecke wurden höhere Punktdichten bis zu 1 TP/km2 bereitgestellt. Bei Ländern mit kontinentaler Ausdehnung wie den USA mit dem Nordamerikanischen Datum von 1927 (NAD 27) oder beim Zusammenschluss der Westeuropäischen Netze im Europäischen Datum 1950 (ED 50) musste die Fundamentalpunktmethode, die eine gute Anpassung zwischen Geoid und Ellipsoid nur im begrenzten Umfeld des Fundamentalpunktes gewährleistet, durch das mittlere Datum ersetzt werden. Hierbei wurden Beobachtungen von Lotabweichungen flächenhaft über das ganze Netz verteilt und mittels eines Ausgleichungsverfahrens konnte dann eine regional bestanschließende Lagerung und Orientierung gefunden werden. Seit den 60er Jahren explodierten dann die technischen Möglichkeiten durch die Entwicklungen in der EDV, der Elektronik und später noch einmal durch die Weltraumtechnik. Es entstanden neue Messverfahren, wie anfangs die elektronische Distanzmessung, die elektronische Tachymetrie und die satellitengestützte Positionierung. Auch die Rechentechnik wurde so leistungsfähig, dass jeder Auswerte- und Speicherwunsch erfüllt werden konnte. Dies führte zu neuen Verfahrenslösungen insbesondere auf der Nutzerseite. Großen Einfluss auf die Gestaltung der Festpunktfelder hatte die Einführung der Polaraufnahme mit elektronischen Tachymetern in der Liegenschaftsaufnahme. Die Anforderungen an die Genauigkeit und die Vermarkung/Sicherung der Lagefestpunkte stiegen, gleichzeitig kam man mit weniger Festpunkten als bei der Orthogonalaufnahme aus. Die Wahl des zugrundeliegenden Referenzsystems war wegen der Fokussierung auf die Nachbarschaftsgenauigkeit dagegen nachrangig. Für die Landesvermessung führte das zu dem in der Tab. 16.3 zusammengetragenen Konzept für ein Lagefestpunktfeld, das den Anforderungen der modernen Liegenschaftsaufnahme genügte. In den 70er Jahren zeigte sich (Augath 1976), dass die Triangulation nun viel zu teuer ausfiel. Als preiswertestes Messverfahren in Netzen höherer Ordnung erwies sich die Distanzmessung mit Mikrowellen aufgrund ihrer Witterungsunabhängigkeit und der geringen Anforderungen an die Stabilität der Signale. In den unteren Verdichtungsstufen war die flächenhaft vernetzte Präzisionspolygonometrie am günstigsten, da hier kein Signalbau anfiel und die kurzen Visuren nur eine geringe Refraktionsanhängigkeit aufwiesen. Seit Mitte der 80er Jahre war PDGPS preiswerter als alle anderen Messverfahren in Lagenetzen und hat sie sehr schnell verdrängt (Augath 1984). Da das Referenzsystem der erneuerten Lagenetze beibehalten wurde, mussten abschließend die dreidimensionalen PDGPS-Ergebnisse in zweidimensionale umgewandelt werden [vgl. 10.8]. An der Schnittstelle zum Nutzer änderte sich auf diese Weise nichts.

16.3 Globale Referenzsysteme und ihre Verdichtung

499

Tabelle 16.3. Konzept des für Zwecke der Liegenschaftsaufnahme erneuerten Lagefestpunktfeldes ab 1970

Anlass Referenzsystem und Realisierung

Neue Messverfahren bei der Liegenschaftsaufnahme wie bisher

Punktdichte

1TP/1 – 2 km2 , 4 AP/km2

Vermarkung Sicherung Genauigkeit

mm-scharfer Bezugspunkt 2 – 4 Sicherungspunkte Nachbarschaftsgenauigkeit < 1 cm bis zu 2 km

Messverfahren Netzaufbau

Trilateration, Präzisionspolygonierung, später: PDGPS 2 – 3 Stufen

Auswerteansatz Nachweis

großräumige Netzausgleichungen wie bisher

16.3 16.3.1

Globale Referenzsysteme und ihre Verdichtung Globale Referenzsysteme

Seit 1988 werden vom Internationalen Erdrotationsdienst (IERS) standardmäßig Erdrotationsparameter mit Hilfe geodätischer Raumverfahren bestimmt. Dabei entstehen auch Koordinaten der beteiligten Beobachtungsstationen in einem globalen terrestrischen Referenzsystem mit der Bezeichnung Internationales Terrestrisches ” Referenzsystem (ITRS)“. Die Genauigkeit der dabei erzeugten Koordinaten war von Beginn an höher als jede andere Realisierung eines derartigen Systems und hat heute für viele Stationen den Subzentimeterbereich erreicht. Es erstaunt deshalb nicht, dass es inzwischen auch die Basis anderer globaler Referenzsysteme wie des World ” Geodetic System (WGS) 1984“ für die GPS-Satelliten oder die künftigen GALILEOSatelliten bildet bzw. bilden wird. Die dem ITRS zugrundeliegenden Definitionen und Vereinbarungen finden sich in der IERS-Technical Note 32 (BKG 2003). Wie in [1.3] bereits ausgeführt, wurde ein dreidimensionales Koordinatensystem mit dem Nullpunkt im Massenmittelpunkt der Erde (einschließlich der Ozeane und der Atmosphäre) definiert. Das Koordinatensystem ist erdfest, d. h. es rotiert mit der Erde mit. Die Längeneinheit ist das Meter [SI, vgl. 1.5]. Die z-Achse weist in Richtung des Conventional International Origin (CIO), wie vom Bureau International d’Heure (BHI) zum Zeitpunkt 1984.0 mit einer Genauigkeit von 0,03´´ festgelegt; eine Konvention, die die in der Astronomie

500

16 Grundlagen der Landesvermessung

seinerzeit bestimmte mittlere Lage der Jahre 1900 – 1905 als Bezugspol übernimmt und präzisiert. Die xz-Ebene beinhaltet den mittleren Meridian von Greenwich. Die zeitliche Änderung der Orientierung der Koordinatenachsen, hervorgerufen durch die tektonische Bewegung der Platten, ist durch eine sog. No-Net-Rotation(NNR)Bedingung zu unterbinden. Hierbei wird dafür gesorgt, dass die Summe der horizontalen Bewegungen ausgewählter Stationen Null wird. Bislang werden in den ITRF-Realisierungen diese Bewegungsraten aus dem geologischen Modell NOUVEL 1A entnommen. Nur die ETRF 2000-Realisierung beinhaltet bereits eine NNRBedingung, in die die geodätisch ermittelten Werten eingeflossen sind (Altamimi und Boucher 2001). Insgesamt sind neben den sieben Datumsparametern (Lagerung, Orientierung, Maßstab) auch deren zeitliche Veränderung zu bestimmen, also insgesamt 14 Parameter. Die Realisierung des Referenzrahmens ITRF.xx ist ein hervorragendes Beispiel für eine erfolgreiche internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen geodätischen Beobachtungsstationen, die die globalen Messverfahren VLBI, SLR, LLR, GPS und DORIS betreiben, Auswertegruppen für beobachtungsspezifische Auswertung und solchen für die Kombination zu einem geschlossenen Satz von Koordinaten und Geschwindigkeiten. Von besonderer Bedeutung sind dabei Stationen mit mehreren Messverfahren (Kollokation), da sie im Rahmen der Kombination die Chance der Aufdeckung systematischer Resteffekte eröffnen (Abb. 16.2).

Abbildung 16.2. ITRF 2000-Stationen mit Kollokation, BKG

16.3 Globale Referenzsysteme und ihre Verdichtung

501

Der Anhang .xx symbolisiert das Jahr der neuesten noch in die Rechenarbeiten eingeflossenen Beobachtungen. Mit xx = 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 96, 97 und 2000 liegen inzwischen 10 Versionen vor. Streng zu trennen ist dies von der Referenzepoche des Ergebnisses, also des veröffentlichten Koordinatensatzes. So wurden z. B. die zum ITRF 2000 veröffentlichten Koordinaten X und Geschwindigkeiten V 0 für die Bezugsepoche t0 = 1997,0 als Bezugsepoche angegeben. Sie können jedoch in regionalen Netzen mit der linearen Beziehung X(t) = X(t0 ) + V0 (t − t0 ) in andere Epochen umgerechnet werden, etwa in die Messepoche t eines Verdichtungsnetzes mit den dazugehörigen präzisen Satellitenephemeriden. Für großräumige Netze wären noch weitere punktspezifische Korrekturen anzubringen (BKG, 2003). Die Realisierung des geodätischen Datums nutzt nur die Ergebnisse von etwa 50 ausgewählten Stationen. Für die Lagerung dienen dabei die konsistenten SLRLösungen, während für die Bestimmung des Maßstabs der Mittelwert aller VLBIund SLR-Lösungen herangezogen wird. Der strategische Beitrag von GPS liegt derzeit in der Verdichtung und nicht in der Realisierung des geodätischen Datums. Will sich ein Nutzer an dieses Referenzsystem anschließen, so mussten früher die Referenzmarken der ITRF-Stationen mit eigenen Geräten besetzt werden. Heute reicht es, die Messdaten der nächstgelegenen GPS-Permanentstationen mit überwachten ITRF 2000-Koordinaten mit in die Auswertung eines regionalen Netzes einzubeziehen. Jeder Betreiber von globalen Navigationssatellitensystemen wie GPS, GLONASS oder künftig GALILEO benötigt ein globales Referenzsystem, in dem er seinen Anwendern die Satellitenkoordinaten bereitstellt. In diesem Referenzsystem ergeben sich dann auch die Positionierungsergebnisse der Nutzer. Von besonderer Bedeutung ist dabei aufgrund des erfolgreichen GPS-Betriebes das dazugehörige Referenzsystem WGS 84, in dem die Bahndaten der GPS-Satelliten bereitgestellt werden. Verschiedene Navigationsnutzergruppen wie z. B. die Luftfahrt oder die internationale Schifffahrt haben es als Referenzsystem für die Koordinierung ihrer relevanten Navigationspunkte festgeschrieben. Inzwischen beziehen sich die Koordinaten der GPS-Trackingstationen auf das ITRF (ab GPS-Woche 873 auf ITRF 1997), so dass die neuen WGS 84-Realisierungen im Subdezimeterbereich mit dem ITRF übereinstimmen. Weitere Anpassungen an aktuelle ITRF-Lösungen sollen folgen. Leider drückt die alleinige Angabe WGS 84“ die Entstehungsgeschichte einer WGS 84” Koordinate nur unvollkommen aus. Für die vielen Nutzer mit geringeren Genauigkeitsanforderungen ist dies allerdings auch nicht relevant.

16.3.2

Landesvermessung und globale Referenzsysteme

Die europäische Landesvermessung hat schnell und umfassend auf das Vorhandensein präziser globaler Referenzsysteme reagiert. Das wurde allerdings nur durch

502

16 Grundlagen der Landesvermessung

das Vorhandensein von GPS als preiswertem und genauem Messverfahren für die Verdichtung globaler Netze ermöglicht. So konnte der Wunsch der Europäischen Kommission nach einem gemeinsamen Referenzsystem für ihre Geo-Daten auf diese Weise schnell erfüllt werden. Auch der Siegeszug von GPS bei wichtigen Nutzergruppen wie der Navigation machte das Vorhalten eines WGS 84-nahen Referenzsystems notwendig. Unter dem Dach der europäischen IAG-Subkommission für kontinentale Netze EUREF (European Reference Frame) entstand gemeinsam mit den europäischen Landesvermessungen und interessierten wissenschaftlichen Instituten das Europäische Terrestrische Referenzsystem 1989 (ETRS 89). Es handelt sich um keinen europäischen Sonderweg. Da die ITRF 89-Koordinaten der europäischen VLBI- und SLR-Stationen festgehalten wurden, gelten auch alle Festsetzungen des ITRF 89. Für Zwecke der Georeferenzierung wurde also lediglich der 1.1.1989 als Referenzepoche festgelegt und vorgesehen, dass das System mit dem stabilen Teil der Eurasischen Platte fest verbunden ist. Damit wurde erreicht, dass die Bewegungen der Eurasischen Platte, deren Drehung Koordinatenänderungen bis zu 3 cm pro Jahr ausmacht, nicht mehr in Erscheinung treten. Regionale Änderungen werden mittels des European Permanent Network (EPN) überwacht und fließen in die ITRF-Auswertungen ein. Später erzeugte Koordinatensätze können mit den von Boucher und Altamimi in www.lareg.ensg.ign.fr/EUREF/ angegebenen Transformationsparametern in diese Epoche überführt werden. Die Realisierung des ETRS 89 wurde 1989 in Westeuropa mittels der 92 Stationen umfassenden GPS-Kampagne EUREF 89 vorgenommen und später nach und nach auf Osteuropa erweitert (Adam et al. 2000), (Abb. 16.3). Ab 1993 erreichten die GPS-Kampagnen Genauigkeiten, bezogen auf die Messepoche, von < 1 cm (EUREF Klassifizierung B); GPS-Permanentstationen gelingt dies auch unabhängig von einer Messepoche (EUREF Klassifizierung A). National wurde dieses Netz dann weiter verdichtet, z. B. in Deutschland durch die DREF 91 GPS Kampagne, die 110 Stationen umfasste (Lindstrodt 1999). Hierbei wurde für die Lagekomponenten 1cm Genauigkeit erreicht, allerdings erst nach einer Überarbeitung der Ausgangskoordinaten (EUREF D/NL 93-Kampagne (Seeger 1997)). Bei der späteren Verdichtung durch die sog. C-Netze der Bundesländer, die einen Stationsabstand von 15 – 30 km aufweisen, gelang dies auch für die Höhenkomponente. Auf der Basis verdichteter C-Netze oder wie in Österreich mit den AREFStationen, kann die Landesvermessung ein neues Konzept für ein 3D-Festpunktfeld einführen. Vorgehensweisen in dieser Richtung bestehen weltweit. In Deutschland wurde dieses Konzept über die C-Netze hinaus nicht weiter verfolgt und die in [16.5] dargestellten Positionierungsdienste vorgezogen.

16.3 Globale Referenzsysteme und ihre Verdichtung

Abbildung 16.3. Stationen des europäischen Referenzrahmens ETRF 89, BKG

503

504

16.4

16 Grundlagen der Landesvermessung

Positionierungsdienste

Die Zukunft des Georeferenzierens liegt verstärkt in den Positionierungsdiensten, was verdeutlicht, dass die klassischen Festpunktfelder an Bedeutung verlieren. Die Positionierungsdienste sind primär für Zwecke der Navigation eingerichtet worden, das Vermessungswesen tritt nur als Nutzer mit einem speziellen Anforderungsprofil sowie als Anbieter von Spezialdiensten auf. In der Navigation haben die in Tab. 16.4 zusammengestellten Kenngrößen eine besondere Bedeutung. Darüber hinaus sind Aussagen über die Gebietsausdehnung und die garantierte Betriebsdauer wichtig. Diese Kenngrößen gehen daher auch in die Definition der einzelnen Positionierungsdienste ein. Tabelle 16.4. Kenngrößen für die Anforderungen in der Navigation

Genauigkeit

Abweichung vom wahren Wert, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% nicht überschritten wird (= 2σ ).

Verfügbarkeit

Systemverfügbarkeit: Wahrscheinlichkeit, ein System im funktionsfähigen Zustand vorzufinden. Lokale Verfügbarkeit: Abschattungen und andere Störungen beachten.

Kontinuität

Wahrscheinlichkeit, dass ein System an einem Ort während einer vorgesehenen Nutzungsdauer nicht ausfällt.

Integrität (hier als integrity risk)

Wahrscheinlichkeit, dass eine Überschreitung des maximal zulässigen Fehlers nicht bemerkt wird.

Time to Alarm

Zeitdauer zwischen dem Auftreten einer Grenzwertüberschreitung und der Bekanntgabe an den Nutzer.

Nachfolgend soll eine Auswahl regionaler und überregionaler Dienste beschrieben werden.

16.4.1

Regionale Positionierungsdienste

Regionale Positionierungsdienste werden in der Regel von speziellen, landesinternen Anbietern zur Verfügung gestellt. So wird z. B. in Deutschland der Satellitenpositionierungsdienst (SAPOS) von der Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen (ADV) und der ASCOS-Echtzeitsdienst ED von einem Industriekonsortium, der Ruhrgas AG, betrieben. Da es sich bei SAPOS um ein sehr vielseitiges System handelt, welches für viele Länder Vorbildcharakter hat, sei dieses nachfolgend kurz beschrieben.

505

16.4 Positionierungsdienste

SAPOS baut auf einem Neztwerk von etwa 250 permanent betriebenen Referenzstationen auf, die einen Abstand von 40 bis 70 km haben und sich über ganz Deutschland verteilen. Bezugssystem ist das ETRS 89, die Verfügbarkeit umfasst 365 Tage zu 24 h. Ein wichtiges Ziel bei der Entwicklung des Systems war: es soll Nutzern mit einem möglichst breiten Spektrum an Anforderungen dienen. Es werden daher vier verschiedene Dienste angeboten: SAPOS EPS SAPOS HEPS SAPOS GPPS SAPOS GHPS

Echtzeit-Positionierungs-Service Hochpräziser Echtzeit-Positionierungs-Service Geodätischer Echtzeit-Positionierungs-Service Geodätischer Hochpräziser-Positionierungs-Service

Die technischen Daten der vier Dienste sind in Tab. 16.5 zusammengestellt. Tabelle 16.5. SAPOS Dienste

DGPS

Verfügbar-

Datenüber-

Genauig-

Daten-

Daten-

Dienst

keit

tragung

keit

format

rate

EPS

Echtzeit

LW, UKW,

1–3m

RTCM 2.0

3–5s

1 – 5 cm

RTCM 2.1

1s

2m-Band HEPS

Echtzeit

2m-Band GSM

GPPS GHPS

nahezu Echtz.

GSM

Postproc.

Festnetz

Postproc.

Festnetz

modifiz. 1 cm

RINEX

1s bis 15 s

< 1 cm

RINEX

bis 15 s

Die Servicebereiche EPS und HEPS übermitteln Korrekturwerte in Echtzeit über Sender der ARD-Rundfunkanstalten im Bereich UKW, GSM, UKW 2 m-Band und einen Langwellensender der Telekom. Der EPS entspricht anderen nationalen DGPS Diensten und ermöglicht Genauigkeiten von 1 – 3 m [10.5.2.3]. Der HEPS eignet sich für eine Vielzahl von Bereichen im Vermessungswesen: das Kataster, die Ingenieurgeodäsie und die Datenerfassung für GIS-Systeme. Die Genauigkeit 1 – 5 cm ist besonders durch entfernungsabhängige Einflüsse vorgegeben [10.5.2.4]. Zur Qualitätssteigerung des Dienstes wurden Verfahren zur Reduzierung der entfernungsabhängigen Fehleranteile durch in Echtzeit vernetzte Referenzstationen entwickelt. Durch die flächendeckende Ermittlung von Flächenkorrekturparametern (FKP) werden neben der Absicherung der Qualität auch Steigerungen im

506

16 Grundlagen der Landesvermessung

Bereich der Zuverlässigkeit realisiert [10.5.2.5]. Genauigkeiten von 1 – 2 cm im gesamten Bereich der Netzmaschen scheinen möglich. Abb. 16.4 zeigt Stationen des SAPOS HEPS Dienstes. Über den GPPS werden 1 s-Daten der Referenzstationen für eine nachfolgende Zeitspanne von etwa 10 Tagen angeboten; danach erfolgt eine Reduzierung auf 15 sDaten. Mit einem mobilen Telefon können die Daten vom Nutzer direkt im Feld abgerufen werden.

Abbildung 16.4. Stationen des SAPOS HEPS Dienstes, BKG, Stand 2004

16.4 Positionierungsdienste

507

Der GHPS benötigt präzise Ephemeriden, die z. B. vom Internationalen GPSService IGS geliefert werden. Die von dem GHPS gelieferten Daten werden folglich nur im Postprocessing ausgewertet. Die beiden zuletzt erwähnten Dienste sind insbesondere dann sehr nützlich, wenn durch statische Positionierung geodätische Netze höherer Genauigkeit erzeugt werden sollen [10.5.2.2]. Weitere Informationen findet man unter: www.sapos.de oder www.adv-online.de. Die beiden von der Ruhrgas AG in Deutschland angebotenen ASCOS-Echtzeit Dienste entsprechen etwa dem SAPOS EPS und SAPOS HEPS (Loefs 2003). Die Auswertungen basieren auf Referenznetzkonzepten [10.5.2.5]. In dem Präzisen ” Dienst“ werden Genauigkeiten von 1 – 2 cm und in dem Einfachen Dienst“ Ge” nauigkeiten von 0,5 m in der Lage bzw. 1,0 m in der Höhe erzielt (Telaar 2004). In anderen europäischen Ländern gibt es ähnliche Systeme: z. B. SWIPOS in der Schweiz, SWEPOS in Schweden, SATREF in Norwegen.

16.4.2

Überregionale Positionierungsdienste

EGNOSS ist der erste europäische Navigationsdienst, welcher auf den Kriterien von Tab. 16.4 aufgebaut ist; eine Beschreibung der technischen Komponenten findet man in [10.2.3.4]. Dieser Dienst liefert Itegrity Signale“, welche die militärischen Sy” steme GPS und GLONASS für sicherheitskritische Dienste (safety critical services) über weite Gebiete der Erde einsetzbar machen. EGNOS ist somit ein Vorreiter für weitere Navigationsdienste, die noch unter der Führung der Europäer entwickelt werden sollen. Für die zivile Luftfahrt erfüllt EGNOS die globalen International Civil Aviation Organization (ICAO) Standards. Die GALILEO Dienste basieren primär auf dem GALILEO Raumsegment. Man unterscheidet: – – – –

den Open Service eine Gruppe von Commercial Services den Safety-of-Life und einen Public Regulated Service.

Der Open Service (OS) zielt auf den Massenmarkt. Er kann von jedem Nutzer, der mit einem geeigneten Ein- oder Mehrfrequenzempfänger ausgestattet ist, ohne Nutzungsgebühren genutzt werden. Der OS ermöglicht weltweit Positionierung, Navigation sowie Frequenz- und Zeitbestimmung, basierend auf Ranging-Signalen und der Navigationsnachricht, die auf einer, zwei oder drei Trägerfrequenzen ausgestrahlt werden. Die wesentlichen Leistungsparameter sind: – Positionierungsgenauigkeit: 15 m (Lage), 35 m (Höhe), Taktrate 1 s (für Einfrequenzempfänger); 4 m (Lage), 8 m (Höhe) (für Zweifrequenzempfänger). – Geschwindigkeit 50 cm/s, Taktrate 1 s (Einfrequenzempfänger); 20 cm/s (Zweifrequenzempfänger).

508

16 Grundlagen der Landesvermessung

– Zeitbestimmung 50 ns bezüglich UTC (stationäre Einfrequenzempfänger od. nichtstationäre Zweifrequenzempfänger); 30 ns (stationäre Zweifrequenzempfänger). – Frequenzbestimmung 3 · 10−13 normalisierter Frequenzoffset bezüglich UTC gemittelt über einen Tag (stationärer Zweifrequenzempfänger). Alle Zahlenwerte werden mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% erreicht. Der OS wird mit einer Verfügbarkeit von 95% weltweit zur Verfügung gestellt. Die Continuity of Service“ ist mindestens 99,999% . Integritätsinformationen werden ” nicht automatisch angeboten. Der Nutzer kann diese jedoch mittels sog. Receiver Autonomons Integrity Monitoring (RAIM) Techniken selbst bestimmen. In dem OS werden vorwiegend Low-Cost-Empfänger zum Einsatz kommen. Die kommerziellen Services (CS) von GALILEO erlauben es, zusätzliche Daten zum frei verfügbaren OS hinzuzufügen und für kommerzielle Aufgaben zu vermarkten. Es handelt sich um raumbezogene Daten wie Karten, Geo-Datenbanken . . . oder zusätzliche Korrekturdaten zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Systems. Die zusätzliche Information wird ausschließlich über das Satellitensignal verbreitet, d. h. man benötigt keinen zusätzlichen Empfänger. Zugang zu den Daten hat man nur über eine spezielle Autorisierung. Im Prinzip entspricht die Leistungsfähigkeit des CS der des OS; über die Zusatzinformationen lassen sich jedoch erhebliche Verbesserungen erzielen. Wie im OS können auch hier Integritätsinformationen mittels RAIM-Techniken bestimmt werden. Der Safety-of-Life (SoL) Service wird für sicherheitskritische Anwendungen von GALILEO mit einer selbst bestimmten Integritätsinformation speziellen Nutzergruppen zur Verfügung gestellt. Mit sicherheitskritisch sind Anwendungen gemeint, bei denen z. B. Menschenleben von der Navigation abhängen. Klassisches Beispiel sind Präzisionslandungen im Bereich der zivilen Luftfahrt. Der Dienst ist gebührenpflichtig. Der SoL Service hat ebenfalls die Leistungsmerkmale des OS. Zusätzliche Leistungsparameter für die durch das Bodensegment bestimmten Integritätsinformationen sind: – Alarmlimits für 12 m (Lage) und 20 m (vertikale Komponente), – Time-to-Alarm (TTA) 6 s, – eine Wahrscheinlichkeit, dass der Nutzer nicht innerhalb der vorgeschriebenen TTA vom Auftreten eines Fehlerfalls unterrichtet wird, von maximal 3, 5 · 10−7 pro 150 s. Der Public Regulated Service (PRS) ist ein Dienst mit Zugangsregulierung durch staatliche Stellen. Er soll im wesentlichen – staatliche Anwendungen für die europäische bzw. nationale Sicherheit (Polizei, Zivilschutz, Rettungsdienst, . . . ),

16.5 Höhenreferenzsysteme

509

– kritische Anwendungen auf den Gebieten Energieversorgung, Transportwesen und Telekommunikation und – wirtschaftliche und industrielle Tätigkeiten mit strategischem Interesse für Europa garantieren. Die Anwendungen müssen auch im Krisenfall gewährleistet sein. Der PRS unterliegt der Kontrolle durch die EU und der Regierung der Mitgliedstaaten. Er basiert auf verschlüsselten PRS Ranging Codes und Navigationsnachrichten.

16.4.3

Der Internationale GPS-Service (IGS)

Der Internationale GPS-Service (IGS, siehe www.igscb.jpl.nasa.gov) der IAG ist seinerzeit für die Bereitstellung vom Bahndaten der GPS-Satelliten für geodynamische Aufgabenstellungen auf höchstem Niveau geschaffen worden. Es ist dabei nicht nur gelungen, den wissenschaftlichen GPS-Sachverstand weltweit zur Zusammenarbeit zu motivieren. Dabei sind auch Dienste entstanden, die neben den Bahndaten auch die Rohdaten der beteiligten Stationen, Erdrotationsparameter und Koordinatenzeitreihen zur Verfügung stellen. Auch wird hier der GPS-Beitrag für die Ausgleichungen des IERS zusammengefasst. Bei den Bahndaten können die Versionen –

Final“ nach 14 Tagen, Genauigkeit < 0,05 m, ” – Rapid“ nach weniger als 17 Stunden und prädizierte Werte ” – Ultra Rapid“ mit einer Genauigkeit vom < 0,10 m abgerufen werden. ”

16.5

Höhenreferenzsysteme

Der Aufbau von Höhenreferenzsystemen erfolgte in mehrfacher Beziehung getrennt von entsprechenden Systemen in der Lage. Einmal besteht die Notwendigkeit, Höhen auf das Schwerefeld der Erde und damit auf eine physikalisch definierte Bezugsfläche zu beziehen. Weiterhin mussten die Höhenmarken wegen des Messverfahrens Präzisionsnivellement in der Nähe von Verkehrswegen angebracht werden und die Erhaltung der Höhenwerte erforderte höhenstabile Punktträger. Die Arbeiten begannen wie bei der Lage in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie sollen hier am Beispiel der deutschen Entwicklung beschrieben werden, die jedoch in vielen Staaten ähnlich verlief. Die Preußische Landesaufnahme hatte den Auftrag, auch ein Höhenreferenzsystem zu schaffen, das die Grundlage für die höhenmäßige Bestimmung der TP mittels trigonometrischer Höhenmessungen bilden konnte (Preußisches Urnivellement 1868 – 1894). Erfahrungen aus der Mitteleuropäischen Gradmessung ( 1864 – 1890) hatten gezeigt, dass das Präzisionsnivellement der trigonometrischen Höhenmessung beim Aufbau großräumiger Netze im Bereich der Genauigkeit überlegen war. Dabei wurde jedoch die Bedeutung höhenstabiler Punktträger für die Erhaltung der

510

16 Grundlagen der Landesvermessung

Höhenwerte unterschätzt, auch erwies sich die erreichte Messgenauigkeit mit einem mittleren Kilometerfehler von 1,33 mm/km noch als ausbaufähig und es wurden nur die rohen Nivellementergebnisse benutzt.

16.5.1

Reichshöhennetze von 1912

Der Start des modernen klassischen Höhenreferenzsystems liegt deshalb im Aufbau des Reichshöhennetzes (RHN) von 1912, dessen Konzept in der Tab. 16.6 zusammengefasst worden ist. Tabelle 16.6. Konzept des klassischen Höhenfestpunktfeldes

Referenzsystem

Nationales Datum

Realisierung Punktdichte

Pegel Amsterdam, normal-orthometrische Höhen, internationales Meter 1 NivP pro 1 – 3 km2

Vermarkung Sicherung Messverfahren

Bolzen an stabilen Punktträgern keine Präzisionsnivellement

Netzaufbau Nachweis

Nivellementschleifen, Umfang = f(Ordnung) Punktübersicht, Einmessung, Höhenkartei

Erhaltungskonzept

epochenweise Neubeobachtung alle 30 – 50 Jahre

Für die Definition des Höhenreferenzsystems wurde ein nationales Höhendatum benutzt, d. h. es waren Nullpunkt, Höhensystem und damit die Höhenreferenzfläche sowie der Maßstab der Höhenwerte festzulegen. Die Realisierung geschah mittels des Pegels von Amsterdam (Normal Amsterdam Peil (NAP)), dessen Höhe nach Berlin übertragen wurde. Als sichtbarer Bezugspunkt diente der Normalhöhenpunkt von 1879 an der Berliner Sternwarte. Es war eine Skala, deren Mittelstrich die Höhe 37,000 m über der Höhenreferenzfläche repräsentierte. Die Höhen wurden als Höhen über Normal Null (NN) bezeichnet, um sie von vorhandenen älteren Höhen unterscheiden zu können. In Ermangelung gemessener Schwerewerte wurden normal-orthometrische Höhen berechnet. Als Maßstab diente das internationale Meter. Der Geltungsbereich des Datums war auf das Deutsche Reich beschränkt. Die Punktdichte lag bald bei 1 NivP/1 – 3 km2 . Durch den linienhaftenAufbau ließ sie sich jedoch nicht gleichmäßig herstellen. Typisch sind bebaute Gebiete mit einer hohen Punktdichte und festpunktarme Räume in Gebieten mit wenig Infrastruktur.

16.5 Höhenreferenzsysteme

511

Die Vermarkung erfolgte durch Marken mit einem eindeutigen Höhenbezug [12.8.1], fest verbunden mit einem höhenstabilen Punktträger. Dies können Bolzen an höhenstabilen Gebäuden sein, in instabilen alluvialen Küstengebieten aber auch an tiefgegründeten Rohrfestpunkten. Das klassische Rückgrat des Höhenfestpunktfeldes stellten die Unterirdischen Festlegungen (UF) in möglichst höhenstabilen Gebieten dar, deren eventuell verbleibende Restbewegungen dann als repräsentativ für ihr Gebiet angesehen werden konnten. Sicherungspunkte wurden nicht geschaffen. Deswegen mussten Ausgangspunkte vor einer Benutzung mittels aufwendiger Überschlagsmessungen zu Nachbarpunkten auf ihre Unveränderlichkeit überprüft werden. Als Messverfahren stand das Präzisionsnivellement zur Verfügung, dessen Genauigkeit durch entsprechende Verfahrensvorschriften auf mittlere Kilometerfehler von 0,3 – 0,5 mm/km gesteigert worden war. Leider lässt sich dieses hohe Niveau heutzutage nicht mehr erreichen, 1985 ergab die Ausgleichung der Wiederholungsmessungen des Deutschen Haupthöhennetzes 0,86 mm/km. Wenn es gelingt, die vielen systematischen Effekte wirkungsvoll zu unterdrücken, so lassen sich nach neueren Erfahrungen ausgeglichene Höhenunterschiede von 2 – 3 mm pro 10 km, 8 mm pro 200 km und 10 mm pro 1000 km erzielen. Der Netzaufbau wurde in drei Stufen vorgenommen. Das Nivellementnetz 1. Ordnung wurde mit Nivellementschleifen mit einem Durchmesser von 30 – 80 km aufgebaut (2. Ordnung höchstens 20 km, 3. Ordnung höchstens 10 km). Dabei heißt die Verbindung zweier aufeinanderfolgender Nivellementpunkte Nivellementstrecke, ihre Länge sollte aus verfahrenstechnischen Gründen eine Länge von 2 km nicht überschreiten. Eine Nivellementlinie ist die Verbindung zweier benachbarter Knotenpunkte des Netzes. Da aus Kostengründen keine Netzdiagonalen oder gar überlappende Verbindungen gemessen wurden, ist die Zahl der Überbestimmungen und damit der Ausgleichungsgewinn der ausgeglichenen Beobachtungen auf Redundanzen von r = 0,3 begrenzt (Lang und Sacher 1995). Die Kontrolle der Beobachtungen muss deshalb verstärkt im Vorfeld stattfinden (Beobachtungsvergleiche, Schleifenwidersprüche). Das klassische Koordinierungskonzept ist statisch angelegt. Aufgrund der vielen höhenverändernden Einflüsse konnte dies nur mit periodischen Neubeobachtungen durchgehalten werden, wie man aus der Tab. 16.7 entnehmen kann. Hinzu kommt eine relativ hohe Zerstörungsrate der Vermarkungen von 1 – 3% pro Jahr aufgrund der messbedingten Lage vieler NivP in Straßennähe.

16.5.2 Weiterentwicklung des klassischen Konzeptes Nach 1945 vollzog sich in Deutschland und Europa eine Trennung in Ost und West. National wurden dabei die klassischen Nivellementnetze durch neue Messepochen weitergeführt. In der Bundesrepublik entstand eine Neumessung nach 1945, die zwar als Nivellementnetz 1960 geschlossen ausgeglichen wurde (AdV 1975), in

512

16 Grundlagen der Landesvermessung

Tabelle 16.7. Entwicklung der Höhenreferenzsysteme in Deutschland und Europa, dargestellt anhand der Messepochen

Deutschland

Europa

Preuß. Landesaufnahme (1868 – 1894)

Mitteleuropäische Gradmessung (1864 – 1890)

Reichshöhennetz 1912 West Ost

West

Ost

Niv- Netz 1960

SNN 1956

UELN 1955

EPPN 1960

DHHN 1985

SNN 1976

UELN 73/87

EPPN 1976

UELN 2000

EVRS 2000

DHHN 1992

die amtlichen Nachweise wurde sie jedoch nicht geschlossen übernommen. Das alte Höhenreferenzsystem bestand somit weiter. Dies war auch nach der geschlossenen Erneuerung in den Jahren 1980 – 1985 der Fall. In der ehemaligen DDR wurden die Staatlichen Nivellementnetze (SNN) geschaffen und 1954 – 1956 sowie 1974 – 1976 geschlossen neu beobachtet. Hierbei fand auch ein Übergang auf das neue osteuropäische Höhendatum mit dem Ostseepegel Kronstadt als Nullpunkt und Normalhöhen als Höhensystem statt (Höhen über Höhen-Null (HN)). Mittels der Verbindungsmessungen in den Jahren 1991 – 1992 wurden die Beobachtungen des Deutschen Haupthöhennetzes (DHHN) 1985 und des SNN 1976 wieder zusammengeführt (Nullpunkt Pegel Amsterdam, Normalhöhen) und unter dem Namen DHHN 1992 eingeführt (Abb. 16.5). Die Referenzfläche wird als Normalhöhennull (NHN) bezeichnet (Weber 1995).

16.5.3

Europäische Höhenreferenzsysteme

Auf europäischer Ebene wurde nach 1945 in Westeuropa das United European Levelling Net (UELN) als wissenschaftliches Netz bearbeitet. Hiervon liegen die Realisierungen UELN 1955 und UELN 1973/87 (Ernsperger 1987) vor. Als Nullpunkt diente der Pegel von Amsterdam (NAP), die Ausgleichungsergebnisse wurden in geopotentiellen Koten veröffentlicht. In Osteuropa entstand das Uniform Precise Levelling Net of Eastern Europe (EPPN) mit den Realisierungen EPPN 1960 und EPPN 1976. Die Ergebnisse waren Bestandteil der amtlichen Landesvermessung. Im Rahmen der EUREF-Subkommission wurden diese Arbeiten weitergeführt. Antrieb war dabei der Bedarf der Europäischen Kommission an einer einheitlichen Höhenreferenz für europäische Geodaten. Hierzu wurde das UELN 1973/87 mit den nationalen Netzen 1. Ordnung nach Osten erweitert und vorhandene neue Datensätze

16.5 Höhenreferenzsysteme

Abbildung 16.5. Das Deutsche Haupthöhennetz 1992, BKG

513

514

16 Grundlagen der Landesvermessung

aus Westeuropa eingeführt. Die Osterweiterung schreitet etwas zögerlich voran, da die Originaldaten nacherfasst werden müssen. Methodisch gab es in Europa aufgrund der 2001 vorgenommenen Neudefiniti¨ on des europäischen Höhenreferenzsystems durch das European Vertical Reference System (EVRS) 2000 einen Neuanfang. Hierbei wurde in Analogie zu den 3DReferenzsystemen festgelegt, dass das europäische Höhenreferenzsystem ein Welthöhensystem sein soll (Konventionen siehe www.euref-iag.net). Realisiert wird es bis auf weiteres durch den als UELN 2000 bezeichneten Referenzrahmen, dessen Werte aus der Ausgleichung UELN 1995/98 stammen. Abb. 16.6 zeigt den letzten Stand der Arbeiten an dem UELN 2000 und Abb. 16.7 die Höhenarten der nationalen Höhensysteme Europas.

Abbildung 16.6. Netzbild des United European Levelling Net (UELN) 2000, BKG

16.5 Höhenreferenzsysteme

515

Abbildung 16.7. Höhenarten der nationalen Höhensysteme Europas, BKG

16.5.4 Weitere Entwicklung in der Höhenreferenzierung Für Aufgabenstellungen mit hohen Nachbarschaftsanforderungen wird sicherlich auch weiterhin das Präzisionsnivellement genutzt werden. Mit der Möglichkeit über die Differenz der ellipsoidischen Höhe mit einer der Höhenreferenzfläche entsprechenden Geoidhöhe ebenfalls physikalische Höhen bestimmen zu können, ist aber eine zukunftsträchtige Alternative entstanden [10.9]. Die Genauigkeit kann schon

516

16 Grundlagen der Landesvermessung

heute in den Subzentimeterbereich vorstoßen (Feldmann-Westendorff 2003), weitere Leistungssteigerungen werden durch den Fortschritt in den Weltraumtechniken unterstützt. Mit den dabei entstehenden Geoidmodellen wird auch die globale passpunktfreie Höhenreferenzierung an Bedeutung gewinnen. Eine geschlossene Neubeobachtung von Haupthöhennetzen ist nicht mehr zu erwarten. Die Landesvermessung kann sich auf die Überwachung eines ausgedünnten GPS-tauglichen Netzes mit GPS beschränken, dessen Marken gleichzeitig Anschlusspunkte für GPSgestützte Höhenübertragungen darstellen. Als Punktabstände sind hierfür 5 – 10 km vorgesehen.

17 Aufnahmeverfahren für großmaßstäbige Karten und topographische Vermessungen

17.1

Unterschiedliche Messsysteme und die Anbindung an das Landesnetz

Für die Aufnahme großmaßstäbiger und topographischer Karten, welche Bestandteil einer Liegenschaftsaufnahme und einer topographischen Landesaufnahme sind, gibt es photogrammetrische, terrestrische und Satellitenverfahren. Die photogrammetrischen Verfahren werden ausführlich u. a. in (Kraus 2004) beschrieben. Dieses Kapitel behandelt nur die terrestrischen und Satellitenverfahren. Grundlage für die Lagevermessung eines Gebietes ist ein Lagefestpunktfeld. Die Vermessung und der Aufbau eines Lagefestpunktfeldes werden in [16] behandelt. Eine Fläche vermessen heißt, zur Feststellung ihrer Objektpunkte (Grenzpunkte, Hausecken, . . . ) so viele Maße (Strecken, Winkel) ermitteln, wie zum Herstellen (Zeichnen, Kartieren) einer maßstäblichen Karte notwendig sind. Für die Darstellung der Topographie sind außerdem Geländepunkte aufzunehmen. Wenn eine automatische Verarbeitung der Daten erfolgen soll, setzt man elektronische Tachymeter [5.1], Messroboter [5.2] und/oder Satellitenpositionierungsverfahren (DGPS-, RTKVerfahren) ein [10.5]. Sehr flexibel kann man in Landesnetzen mit permanenten Satellitenreferenzstationen arbeiten. Man bestimmt dann, gestützt auf Positionierungsdienste [16.4], in den Netzmaschen Referenzpunkte, welche wiederum Ausgangspunkte für Polaraufnahmen darstellen (Abb. 17.1). Für die polare Aufnahme empfiehlt es sich, in offenem, weiträumigerem Gelände Satellitenpositionierungsverfahren einzusetzen; je nach Genauigkeitsanforderungen wählt man das RTK-oder DGPS-Verfahren. In Gebieten mit stärkerer Bebauung und dichterem Bewuchs ist normalerweise der Einsatz von Tachymetern oder Messrobotern wirtschaftlicher. Es können auch terrestrische und Satellitenpositionierungsverfahren nebeneinander betrieben werden. Hierfür gibt es unterschiedliche instrumentelle Voraussetzungen. Abb. 17.2 zeigt an einem Beispiel, wie ein Tachymeter über einen Adapter mit einem Satellitenempfänger gekoppelt werden kann. Mit dem Satellitenempfänger bestimmt man dann die Standpunktskoordinaten (Referenzpunkt) und mit dem Tachymeter die Objekt- und Geländepunkte. Bei einem anderen Konzept besteht die Möglichkeit,

518

17 Aufnahmeverfahren und topographische Vermessungen

die Kontrolleinheit des Rovers des Satellitenpositionierungssystems wechselweise auch für die Prismenstation des Tachymeters zu nutzen.

Referenzpunkt (Standpunkt) Geländepunkt

Objektpunkt

perm. Referenzstation

Abbildung 17.1. Aufnahme von Objektpunkten und Geländepunkten in Netzen mit permanenten Referenzstationen (Skizze ist nicht maßstäblich)

Abbildung 17.2. Tachymeter mit aufgesetztem Satellitenempfänger (Leica)

Dieser flexible Einsatz beider Systeme nebeneinander ist möglich, seit Auswertesoftware angeboten wird, die Daten der Satellitenempfänger und Tachymeter verarbeiten kann.

17.2 Aufnahme und Erstellung großmaßstäbiger Karten

519

Stehen Festpunkte des klassischen Landesnetzes [16.2] zur Verfügung, so kann auch ausgehend von diesen dieAufnahme großmaßstäbiger und topographischer Karten erfolgen. Hier setzt man ebenfalls Tachymeter und RTK-Verfahren ein. Arbeitet man nur mit dem Tachymeter, so ist häufig eine weitere Verdichtung des Festpunktfeldes durch Polygonzüge erforderlich. Vielfach lässt sich auch das Verfahren der freien Stationierung sehr flexibel verwenden.

Abbildung 17.3. Wechselweises Einsetzen der Kontrolleinheit für Polaraufnahmen mit Satelliten- und terrestrischen Verfahren (Trimble)

17.2 Aufnahme und Erstellung großmaßstäbiger Karten Tachymeter und/oder RTK-Verfahren ermöglichen bei der Aufnahme einen schnellen Arbeitsfortschritt. Abb. 17.4 zeigt, wie die Situation in einem Wohngebiet auf einem Stationspunkt mit einem Tachymeter aufgenommen wird. Von einem Stationspunkt aus werden Richtungen – in Bezug auf eine bekannte Anfangsrichtung – und Distanzen zu den Objektpunkten gemessen. Mit einer geringen Genauigkeitseinbuße lassen sich nicht unmittelbar sichtbare Punkte auch exzentrisch aufnehmen. Wenn ausreichende Sichtverbindungen gegeben sind, wählt man bei großflächigen Aufnahmen die Tachymeterstandpunkte in Abständen von 200 bis 700 m. Der Einfluss der Refraktion auf die Genauigkeit der Richtungsmessungen ist dann normalerweise noch vernachlässigbar. In wenig einsichtigem Gelände – z. B. bei dichtem

520

17 Aufnahmeverfahren und topographische Vermessungen 13 e

15

Whs 12

Whs

14

16

18

11 17

Anfangsrichtung

19 20

10

9

21 8

22

7

Abbildung 17.4. Polare Aufnahme mit einem Tachymeter

Bewuchs und dichter Bebauung – ist der Abstand wesentlich kleiner; im einzelnen sind anzustreben: – in Ortslagen 100, . . . , 200 m – am Ortsrand 200, . . . , 400 m – in Feldlagen 400, . . . , 500 m. Beim Einsatz von RTK-Verfahren kann der Abstand der Referenzpunkte größer gewählt werden. Aufnahmegegenstände sind Eigentums-, Grundstücks- und Kulturgrenzen mit den sie begleitenden Mauern, Zäunen und Gräben; ferner Straßen, Wege, Wasserläufe und Eisenbahnen nebst allen Erd- und Kunstbauten, wichtige topographische Gegenstände wie Hydranten, Lichtmasten, Ferngas- und Hochspannungsleitungen u. a. m. Man merke im einzelnen: a) Bei Gebäuden wird in der Regel das aufsteigende Mauerwerk aufgenommen. Der Verwendungszweck der Gebäude ist durch Zusatz wie Wohnhaus, Werkstatt, Schuppen, Fabrikgebäude usw. zu erläutern. b) In freie Flächen wird die Nutzungsart wie Hofraum, Garten, Acker, Wiese usw. eingetragen. c) Bei Autobahnen sind die Begrenzungen der Fahrbahnen, bei Straßen Radfahrwege, Fußwege, Straßengräben usw. einzumessen; ferner ist ihre Klassifikation anzugeben. d) Bei Wasserflächen sind die Uferlinie, Böschungsgrenzen und Uferbauten mit aufzunehmen. Ihre Art, ob Fluss, Kanal, Bach usw., und gegebenenfalls der Name des Gewässers wird vermerkt. e) Bei Gleisen genügt, solange es sich nicht um spezielle Bahnmessungen handelt, die Aufnahme der Gleisachsen; von Wichtigkeit sind dabei in erster Linie die Bogen-

521

17.2 Aufnahme und Erstellung großmaßstäbiger Karten

anfänge, Bogenenden und Gleiswechsel; daneben Stellwerke, Signalvorrichtungen usw. f) Scharf gekennzeichnete Punkte wie Mauerecken, Grenzsteine usw. sind auf Zentimeter, alle übrigen Punkte auf Dezimeter einzumessen und in den Vermes” sungsriß“ einzuschreiben. Krumme Linien werden als gebrochener Linienzug aufgemessen. Die Erstellung der digitalen Karte ist eng mit dem Aufnahmeverfahren verknüpft. So gibt es nahezu vollständig automatisierte und teilautomatisierte Verfahren. Bei der Aufnahme im Feld muss man zwischen geometrischen und graphischen Informationen unterscheiden. Geometrische Informationen wie Richtungen, Winkel, Distanzen werden durch die Messgeräte (Tachymeter, Satellitenempfänger) erfasst. Alle anderen Informationen für eine naturgetreue Kartenherstellung, die sogen. graphischen Informationen werden entweder durch im Feld vergebene und abgespeicherte Codes und/oder durch den Inhalt einer sorgfältig vor Ort angefertigten analogen Feldskizze gewonnen. Je nachdem, wie die graphischen Informationen gespeichert sind, kommt es zu unterschiedlichen Abläufen bei der Kartenerstellung, was in Abb. 17.5 und 17.6 dargestellt ist. Abb. 17.5 zeigt einen teilautomatisierten ArbeitsRTK-Verf. Informationsgewinnung

Infotyp

Peripherie

Tachymeter

Geometrie

Graphik

(Richtung, Seite, Zielhöhe, Flucht, Parallelität, Rechter Winkel) Zuordnung

Auswertung

Punktnummer

(Text, Symbol, Signatur, Attribute zu einem Punkt, Linie, Fläche) Feldskizze mit Punktnummer

On-line durch Programme Ergebnis: Koordinatenfile

CAD-Programm Interaktiv am Bildschirm

maßstäblicher Plan

Abbildung 17.5. Feldaufnahme mit Tachymeter und Feldskizze (Fabiankowitsch 2003)

ablauf. Die Datenerfassung erfolgt auf zwei getrennten Wegen: die geometrischen Informationen werden digital und weitgehend automatisch gewonnen, die graphischen Informationen analog durch Zeichnen einer Feldksizze (eines Vermessungsrisses). Die Zuordnung von Daten untereinander erfolgt über die Punktnummern. Die Bearbeitung der zunächst noch nicht strukturierten Punktwolke in Form eines

522

17 Aufnahmeverfahren und topographische Vermessungen

Koordinatenfiles erfolgt, gestützt auf die analogen Informationen in der Feldskizze, interaktiv am Bildschirm. Abb. 17.6 zeigt einen weitgehend automatisierten Arbeitsablauf. Die Datenerfassung erfolgt hier ausschließlich digital von nur einer Person. Die aus den geo-

RTK-Verf. Informationsgewinnung

Infotyp

Zuordnung

Auswertung

Tachymeter

Geometrie (Richtung, Seite, Zielhöhe, Fluchten, Parallelität, rechter Winkel)

Graphik (Symbol, Signatur, Linie, Attribute zu einem Punkt)

Punktnummer

Codes

Koordinaten- und Originalmessfile werden zusammengespielt und graphische Informationen werden on-line durch Programm "Hochzeichnen" im Büro ausgewertet

maßstäblicher Plan

Abbildung 17.6. Feldaufnahme mit Tachymeter (oder RTK-System) und Codierung (Fabiankowitsch 2003)

metrischen Informationen berechneten Koordinaten der Punkte und die graphischen Informationen aus den Originalfiles werden zusammengeführt und somit kann eine Ausfertigung der Karte in Echtzeit folgen. Beide Wege haben Vor- und Nachteile. Eine Untersuchung von (Fabiankowitsch 2003) führte zu folgenden Ergebnissen: • Teilautomatisierter Arbeitsablauf (Abb. 17.5) Vorteile – die Übersichtlichkeit bei der Feldarbeit wird durch Feldskizzen gewährleistet, – die Feldskizze ist ein Dokument, sie enthält auch viele nichtgeometrische Zusatzinformationen (Überdeckung, Straßennamen, Orientierungsnummer, Objektbezeichnungen, Beschreibung eines Zustandes, . . . ), – Reflektorträger arbeitet völlig autark, – eine Sprech- oder Funkverbindung ist nicht unbedingt erforderlich, allerdings für die Punktnummern- und Zielhöhenwechselangabe von Vorteil,

17.2 Aufnahme und Erstellung großmaßstäbiger Karten

523

– der Messtrupp ist beliebig austauschbar, denn auf Grund der Feldskizzen ist jeder zu jeder Zeit über den Arbeitsfortschritt informiert. Nachteile – die interaktive graphische Ausarbeitung am Bildschirm erfordert einen hohen Zeitaufwand, der sich auch als der größte Nachteil erweist, – der interaktive Arbeitsplatz ist kostenintensiv für eine relativ einfache Tätigkeit, – eine abschließende Kontrolle erfolgt durch den Vergleich der Feldskizze mit dem maßstäblich geplotteten Plan im Büro, – Ungereimtheiten, welche nicht im Büro geklärt werden können, und Fehlendes müssen durch eine Nachmessung ergänzt werden, – Auswertezeit: in etwa die halbe Messzeit (Außendienst 2 Mann, Innendienst 1 Mann). • Weitgehend automatisierter Arbeitsablauf (Abb. 17.6) Vorteile – entscheidender Vorteil bei der automatischen Planerstellung, – im Idealfall müssen bei der Bildschirmtätigkeit nur noch Texte (Überdeckungen, Gebäudezeichnungen, Namen) eingefügt werden, – wetterunabhängiger, – keine Feldskizze notwendig, – Verschiebung der Tätigkeit in Richtung Außendienst, – fehlerhafte Ergebnisse, welche nicht zu rekonstruieren sind, oder Fehlendes bedeuten einen weiteren Außendienst, diese Ergänzungen können aber im Zuge des Feldvergleichs (Rohplot - Naturstand), welcher notwendig ist, durchgeführt werden. Nachteile – die graphischen Skizzen entfallen, dadurch geht die Übersichtlichkeit der bereits geleisteten Vermessung ein wenig verloren (Gesamtaufnahme), – ein Messtruppwechsel wird dadurch schwieriger, – der Aufwand einen Messfile zu editieren, wird größer, weil Fehler in der Codierung unvermeidlich sind, – Umstellung für alle Beteiligten (Umschulung, geänderte Aufnahmemethoden), – höherer finanzieller Aufwand für Softwarekomponenten, – nicht codierbare Informationen (Überdeckung, Namen, . . . ) müssen konventionell erfasst werden, – Detailpunkte, welche vom Theodolitstandpunkt aus nicht gesehen und durch eine Exzentereinmessung nicht bestimmt werden können, müssen durch eine zusätzliche graphische Skizze samt Maßbandeinmessung bestimmt werden, – insgesamt steigt die Logistik deutlich, – längere Wege des Reflektorträgers sind üblich, um häufige Codeänderungen zu vermeiden (linienweises Arbeiten) ,

524

17 Aufnahmeverfahren und topographische Vermessungen

– eine Sprech- oder Funkverbindung ist oft notwendig (der Beobachter am Theodolit sieht oft gar nicht, auf welchem Punkt der Reflektor steht). Grundsätzlich gibt es bei der Herstellung digitaler Karten drei Arbeitsbereiche: die Datenerfassung, die Datenaufbereitung und die Ausarbeitung der Karte. Bei der teilautomatisierten Lösung werden die Arbeiten des ersten Bereichs im Feld, die der zwei weiteren im Büro ausgeführt. Bei der automatisierten Lösung verlagern sich die Arbeiten weitgehend in den Außendienst; die Ausarbeitung der Karte erfolgt weitgehend automatisch im Büro. Setzt man einen feldtauglichen Rechner ein, so können die Arbeiten noch weiter in das Feld verlegt werden, die digitale Karte kann dann dort in Echtzeit entstehen (Abb. 17.7). Für die Erstellung der Karte bieten sich dann unterschiedliche Lösungswege an: – vorab wird ein bestehender Kartenausschnitt eingelesen und durch gemessene Daten ergänzt, – eine topologisch richtige aber unmaßstabliche Feldskizze wird mit einem Pen auf dem Display des Rechners erzeugt und durch Messdaten schrittweise in eine Karte verwandelt. RTK-Verf. Informationsgewinnung

Infotyp

Tachymeter

Geometrie (Richtung, Seite, Zielhöhe, Flucht, Parallelität, Rechter Winkel)

Zuordnung

Auswertung

Telemetrie

Peripherie

Graphik (Text, Symbol, Signatur, Attribute zu einem Punkt, Linie, Fläche)

Punktnummer und digitale Feldskizze am Pentop

On-line im Feld

maßstäblicher Plan

Abbildung 17.7. Feldaufnahme mit Tachymeter (oder RTK-System) und Feldrechner (Fabiankowitsch 2003)

Abb. 17.8 zeigt an einem Beispiel, wie eine digitale Karte auf dem Display einer Kontrolleinheit entsteht. Folgende Trends scheinen sich bei der Anwendbarkeit der Verfahren herauszustellen:

17.3 Flächenberechnung

525

Abbildung 17.8. Entstehung einer digitalen Karte auf dem Display eines digitalen Feldbuchs (Leica)

– Die teilautomatisierte Lösung (Abb. 17.5) eignet sich eher für flächenhafte Aufnahmen. – Die weitgehend automatisierte Lösung (Abb. 17.6) eignet sich eher für linienhafte, langgestreckte Aufnahmegebiete (Fabiankowitsch 2003). – Die Feldaufnahme mit einem Tachymeter und Feldrechner scheint nur geringfügig wirtschaftlicher (5%) zu sein als das teilautomatisierte Verfahren (Malcherek u. a. 2004).

17.3

Flächenberechnung

Wenn eine geschlossene geradlinig begrenzte Figur mit den in [17.2] beschriebenen Verfahren aufgenommen ist, so kann auch ihr Flächeninhalt berechnet werden. Da für alle Punkte Koordinaten gegeben sind, eignet sich als Berechnungsverfahren die Flächenberechnung aus Koordinaten. Sie lässt sich sehr einfach an der in Abb. 17.9 gegebenen Figur erläutern; man denke sich die Abszissenachse so weit nach links verschoben, dass sie außerhalb der Figur liegt. Dann wird der Flächeninhalt der Figur erhalten, wenn von der Fläche 1 − 1 − 2 − 3 − 4 − 4 die Fläche 1 − 1 − 6 − 5 − 4 − 4 abgezogen wird. In Formeln ergibt das: 2F = (x1 − x2 ) (y1 + y2 ) + (x2 − x3 ) (y2 + y3 ) + (x3 − x4 ) (y3 + y4 ) + (x4 − x5 ) (y4 + y5 ) + (x5 − x6 ) (y5 + y6 ) + (x6 − x1 ) (y6 + y1 )

526

17 Aufnahmeverfahren und topographische Vermessungen 1' 76,30

48,65

62,71 55,12

1

38,23

21,60

9,90 3,72

24,66 30,00 4'

2 6

50,24 5

3

4

Abbildung 17.9. Gaußsche Flächenformel

oder 2F =



(xi − xi+1 ) (yi + yi+1 ) .

(17.1)

Würde man in Abb. 17.9 statt der Ordinaten die Abszissen ausziehen und beim Aufstellen der Produkte von der Ordinatenachse ausgehen, so erhielte man: 2F =



(yi+1 − yi ) (xi + xi+1 ) .

(17.2)

Diese beiden Formeln werden als Gaußsche Trapezformeln“ bezeichnet. Multipli” ziert man die Produkte aus und ordnet zuerst nach steigenden x, dann nach steigenden y, so gewinnt man die beiden Gaußschen Dreiecksformeln“: ”   yi (xi−1 − xi+1 ) . (17.3) 2F = xi (yi+1 − yi−1 ) = Beispiel: Berechnung des Inhalts der Figur Abb. 17.9

17.4 Topographische Vermessungen Ziel der topographischen Vermessungen ist die Herstellung und Fortführung topographischer Karten. Wird ein Land topographisch vermessen, so spricht man von topographischer Landesaufnahme. Ergebnis einer topographischen Landesaufnahme sind amtliche topographische Kartenwerke. In der Bundesrepublik Deutschland z. B. haben diese folgende Kartenmaßstäbe: 1 : 5000, 1 : 25 000, 1 : 50 000, 1 : 100 000, 1 : 200 000, 1 : 500 000, 1 : 1 000 000. Eine genauere Beschreibung dieser Kartenwerke und derer weiterer Länder findet man u. a. bei (Hake, Grünreich, Meng 2002).

527

17.4 Topographische Vermessungen

Punkt 1 2 3 4 5 6

yi 38,23 48,65 50,24 30,00 24,66 21,60

xi

yi+1 − yi−1

x1 (yi+1 − yi−1 )

62,71 9,90 0,00 3,72 55,12

+12,01 −8,654 −25,58 −8,40 +13,57

753,15 −184,64 0,00 −31,25 +747,98

1

38,23

76,30

+27,05

+2063,92

2

48,65

3349,16 : 2 F = 1674,58 m2

Zu den topographischen Vermessungen zählen auch all die Arbeiten, die bautechnischen Planungen dienen. So werden z. B. als Grundlage für die Projektierung von Eisenbahnen, Straßen, Wasserläufen, Brücken, Staudämmen, Kraftwerken, Ölleitungen und ähnlichen Ingenieurbauten Pläne in den Maßstäben 1 : 500 bis 1 : 5000 benötigt. Für die bautechnischen Planungen werden die Ergebnisse topographischer Aufnahmen nicht nur in analoger Form (in Form von Karten), sondern auch in digitaler Form (in Form von digitalen Geländemodellen) benötigt.

17.4.1

Karteninhalte

Allgemein kann man den Karteninhalt in Situation, Gelände und Namengut gliedern (Hake, Grünreich, Meng 2002). 17.4.1.1 Situation Die Situation umfasst die Lage der auf der Erdoberfläche vorhandenen und mit ihr verbundenen Gegenstände wie Gebäude, Industrieanlagen, Gewässer, . . . Diese Gegenstände werden in ihren Umrissen eingemessen und als orthogonale Grundrissprojektion in der Kartenebene dargestellt. 17.4.1.2 Das Gelände Unter dem Gelände versteht man die Grenzfläche zwischen der festen Erde und der Luft bzw. dem Wasser. Diese wird durch Höhenpunkte und/oder Höhenlinien dargestellt.

528

17 Aufnahmeverfahren und topographische Vermessungen

Unter Höhenpunkten seien hier Punkte im Gelände verstanden, deren Lage in einem örtlichen oder Landeskoordinatensystem und deren Höhe über einer Bezugsfläche – z. B. über NN [vgl. 11] – durch direkte Messungen bestimmt ist. Digitale Geländemodelle [17.4.2] bestehen aus solchen Höhenpunkten. Man findet sie auch in Karten, wenn sie zugleich hervorragende Geländepunkte, wie Bergspitzen, Mulden, Sattel, Straßenkreuze usw. sind. Sie werden in den Karten oftmals durch einen Punkt bezeichnet, neben dem die Höhenzahl, die sogenannten Höhenkote, angemerkt ist. Die Höhenlinien, auch Schichtlinien, Niveaukurven oder Isohypsen genannt, sind Kurven, die Punkte gleicher Höhe über der Bezugsfläche, meistens dem Meeresspiegel, miteinander verbinden. Sie sind fiktive Linien, die in der Lotrichtung gleich weit voneinander abstehen und in jedem Punkte rechtwinklig zur Richtung des stärksten Gefälles verlaufen. Ihre Orthogonalprojektion auf die horizontale Kartenebene ergibt die Höhenliniendarstellung oder das Höhenlinienbild. Den Höhenlinien entsprechen in den Gebieten, die unter der Bezugsfläche liegen, die Tiefenlinien oder Isobathen. Der in der Lotrichtung gemessene Höhenunterschied zweier Höhenlinien heißt die Schichthöhe. Ist die Schichthöhe für ein Höhenliniensystem z. B. innerhalb einer Karte konstant, so wird sie auch Äquidistanz genannt. Je steiler das Gelände ist, um so enger liegen die Höhenlinien in der Kartendarstellung aneinander. Bei der Wahl einer passenden Äquidistanz sind daher in erster Linie die Geländeneigung und der Kartenmaßstab zu beachten; in zweiter Linie sind die Genauigkeit der dem Höhenlinienbild zugrunde liegenden Messung und der Umfang der aufzunehmenden Kleinformen zu berücksichtigen. Fallen bemerkenswerte Bodenformen zwischen die Höhenlinien, was in flachem Gelände nicht selten vorkommt, so können Hilfshöhenlinien mit geringerer Schichthöhe eingezogen werden. Der Zweck der Höhenlinien ist, wie einleitend erläutert wurde, die Darstellung des Geländes. Dabei sind mehrere unterschiedliche Aspekte zu beachten. Der Ingenieur, der eine Karte als Grundlage für die Planung und Durchführung eines Bauwerks verlangt, ist vor allem an den geometrischen Aussagen des Höhenlinienbildes interessiert. Er gebraucht infolgedessen, vor allem im Zuge der Bauausführung, großmaßstäbige Karten bis zu 1 : 1000 mit Schichthöhen von 1 m oder weniger. Ferner sollten für ihn die künstlichen Oberflächenformen wie Böschungen, Einschnitte, Gräben und dergleichen, die durch Höhenlinien nur unvollkommen wiedergegeben werden können, durch Böschungsstriche nebst ergänzenden Zahlenangaben dargestellt werden. Für die Schichthöhe in anderen Maßstäben gilt im Hügelland die Faustformel Schichthöhe in m gleich Maßstabzahl durch 1000, was z. B. für den Maßstab 1 : 5000 die Schichthöhe 5 m ergibt. Die Höhenlinien werden in der Regel rechnergestützt interpoliert, entworfen und gezeichnet. Für spezielle insbesondere kleinere Aufgabengebiete kann man sie auch manuell erstellen; wie man dann vorzugehen hat wird ausführlich in (Hake, Grünreich, Meng 2002) beschrieben.

17.4 Topographische Vermessungen

529

17.4.1.3 Namengut Das Namengut umfasst Namen von Orten, Gewässern, Bergen und andere thematischen Merkmale wie Landesgrenzen, Kreisgrenzen, . . . Bei technischen Plänen kommen Bezeichnungen wie Profile, Achsen usw. hinzu.

17.4.2

Digitale Geländemodelle

Vielfach ist man heute dazu übergegangen, die Ergebnisse topographischer Vermessungen digital, d. h. in Form digitaler Geländemodelle, abzuspeichern. Diese Darstellungsweise hat im allgemeinen zwei Gründe: – moderne Aufnahmeverfahren beinhalten ohnehin eine unmittelbare Speicherung der Messergebnisse auf Datenträger, – im Rahmen eines weitgehend automatischen Datenflusses können die Ergebnisse für viele Zwecke weiterverarbeitet werden. Im Zusammenhang mit topographischen Vermessungen kann man folglich das digitale Geländemodell als weitgehend unabhängigen Zahlenspeicher zur numerischen Beschreibung der Topographie auffassen (Hake, Grünreich, Meng 2002). Es besteht aus dem Digitalen Höhenmodell“ (DHM) und dem Digitalen Situationsmodell“ ” ” (DSM). Als ‘Digitales Höhenmodell’ (DHM) bezeichnet man die Menge der digital gespeicherten Höhenwerte, die als Funktion der Lage der Punkte, die Höhenstruktur des Objektes hinreichend genau repräsentieren. Dabei ist es von untergeordneter Bedeutung, ob die Höhen- oder Reliefdaten roh, ungeordnet, geordnet oder bereits in irgendeiner Form verarbeitet (z. B. geglättet oder verbessert) wurden. Die Ordnung der Höhendatenmenge kann z. B. nach Rastern, Höhenlinien oder Profilen erfolgt sein. Das ‘Digitale Situationsmodell’ (DSM) umfasst die digitale Speicherung der gemeinhin als Grundriss bezeichneten Information. Kennzeichen des Digitalen Situationsmodells ist es, dass jedem Grundrisselement (z. B. X-Y-Rasterelement) eine ganz bestimmte Grundrissinformation beigeordnet ist. Letztere kann in Rasterform, als Flächenschwerpunkt einer genau bezeichneten Fläche, in Form von Flächentrennlinien (z. B. Nutzungsgrenzen) oder anderen Formen digital gespeichert werden. Es wird nicht verkannt, dass zwischen den beiden Begriffen – Digitales Höhenmodell (DHM) und Situationsmodell (DSM) – die Grenzen nicht absolut genau definiert werden können. So z. B. können digitalisierte Böschungen beiden Begriffen zugeordnet werden. Das ‘Digitale Geländemodell’ (DGM) umfasst inhaltlich sowohl das Digitale Höhenmodell (DHM) als auch das Digitale Situationsmodell (DSM). Aus den Messdaten entsteht zunächst das gemessene DGM. Die Punkte dieses Modells sind in der Regel vorerst noch unregelmäßig verteilt (z. B. bei tachymetri-

530

17 Aufnahmeverfahren und topographische Vermessungen

schen Vermessungen oder photogrammetrischen Höhenlinienmessungen). Für eine geeignete Weiterverarbeitung formt man das gemessene DGM in ein gerechnetes DGM um, das eine regelmäßige Punktverteilung z. B. in gitterförmiger Anordnung hat (Abb. 17.10). Höhenlinien

Profil

Raster

gemessenes DGM

Kartographie

Topographie gerechnetes DGM Ingenieurbau

Abbildung 17.10. Entstehung und Verwendung digitaler Geländemodelle am Beispiel des DHM

Die Gitterpunkte erhält man durch Interpolation zwischen den ursprünglichen Messpunkten. Die Maschenweite hängt ab von der Genauigkeit der Geländeapproximation, dem Rechenaufwand und dem Speicherbedarf. Von den vielfältigen Verarbeitungsmöglichkeiten seien zwei besonders hervorgehoben: die Herstellung von topographischen Karten und die Ermittlung von geometrischen Größen, die bei Ingenieurprojekten von Interesse sind. Bei der Herstellung topographischer Karten verwendet man das DGM für die automatische Interpolation von Höhenlinien (Hake, Grünreich, Meng 2002) und das DSM für das Zeichnen der Situation. Zweckmäßig ist, für diese Arbeiten eine Datenbank aufzubauen. Die Ermittlung geometrischer Größen fällt z. B. an, wenn Verkehrsanlagen auf der Grundlage digitaler Geländemodelle geplant werden. Mit dem Computer lassen sich dann Längs- und Querprofile, Gefälle, Winkel, Krümmungen, Flächen, Massen usw. berechnen oder graphisch darstellen.

17.4.3

Geländeaufnahme

17.4.3.1 Allgemeines zu den Methoden Höhenlinien gewinnt man am besten mit Hilfe photogrammetrischer Auswertegeräte. Man erhält dabei entweder unmittelbar kontinuierliche Linien, die weitgehend unabhängig voneinander sind, oder gemessene DHM, die als Grundlage für die automatische Interpolation der Höhenlinien dienen (Kraus 2004).

17.4 Topographische Vermessungen

531

Eine photogrammetrische Aufnahme lohnt sich wegen der hohen Flugkosten nur bei größeren Objekten. Für Arbeiten kleineren Umfangs oder zur Aufnahme von Gebieten, die z. B. wegen dichten Waldbestandes vom Flugzeug nicht erfasst werden können, ist man auf eine terrestrische Aufnahme angewiesen. Gewöhnlich bestimmt man dabei eine Anzahl charakteristischer Geländepunkte nach Lage und Höhe und interpoliert die Höhenlinien zwischen ihnen automatisch mit Hilfe eines DHM (Hake, Grünreich, Meng 2002). Bei diesem Verfahren sind benachbarte Höhenlinien nicht unabhängig voneinander. Sehr wichtig ist infolgedessen die Auswahl der Geländepunkte. Dafür verschafft man sich zunächst einen Gesamtüberblick über das aufzunehmende Gelände, um dessen charakteristische Formen zu erfassen. Dann sucht man die Geripplinien auf; das sind die Rückenlinien, die im allgemeinen mit den Wasserscheiden zusammenfallen, und die Muldenlinien, die in den Talsohlen verlaufen. Die höchsten Punkte der Rückenlinien sind die Kuppen, die niedrigsten der Muldenlinien die Kessel. Rücken- und Muldenlinien schneiden einander in Sattelpunkten. Man erfasst ferner ausgeprägte Gefällwechsel durch Kantenlinien. Die Richtungen des stärksten Geländegefälles kennzeichnet man durch Fallinien. Mit Formlinien erfasst man die Ausprägung von Rücken und Mulden und somit den ungefähren Verlauf der Höhenlinien. Alle angemessenen Punkte sollen auf dem gewachsenen Boden liegen (Abb. 17.11).

Muldenlinien Rückenlinien Formlinien Kantenlinien Fallinien

Abbildung 17.11. Erfassung der Geländeform und die Auswahl der Geländepunkte

Der gegenseitige Abstand der aufzunehmenden Punkte richtet sich hauptsächlich nach den Geländeformen. Er hängt aber auch ab von der Schichthöhe und von dem Maßstab des verlangten Plans, der seinerseits in einer bestimmten Relation zu der

532

17 Aufnahmeverfahren und topographische Vermessungen

verlangten Genauigkeit steht. In den Maßstäben 1 : 5000 bis 1 : 2500 schwankt die Punktdichte von 300 bis zu 700 Punkten je 1 km2 , was im Mittel (d. h. bei 500 Punkten) eine durchschnittliche Punktentfernung von rund 45 m in der Natur bedeutet. Bei 1 : 1000 geht man bis zu 2500 Punkten bzw. 20 m Punktabstand. In der Regel kommt der erfahrene Aufnehmer mit verhältnismäßige wenig Punkten aus, während der Anfänger dazu neigt, möglichst viel aufzunehmen. 17.4.3.2 Tachymetrie mit elektronischen Tachymetern und Messrobotern Als Aufnahmegrundlage genügt, wenn das Gelände nur einigermaßen übersichtlich ist, angesichts der großen Reichweite der elektronischen Distanzmesser ein weitmaschiges Netz von Gerätestandpunkten. Die Koordinaten der Geländepunkte und der Situation nimmt man nach dem in [8.2] beschriebenen Polarverfahren auf. Aus wirtschaftlichen Gründen führt man die Richtungsmessungen nur in einer Fernrohrlage aus. Vor Messeinsätzen sind daher die Zielachsen-, Kippachsen- und Höhenindexfehler zu bestimmen, damit sie rechnerisch berücksichtigt werden können. Bei ausreichenden Sichtverbindungen wählt man bei großflächigeren Aufnahmen die Tachymeterstandpunkte in Abständen von 200 bis 700 m. In wenig einsichtigem Gelände – z. B. bei Bewuchs oder dichter Bebauung – plant man den Abstand kleiner. Tachymeterstandpunkte können Festpunkte oder frei wählbare nicht koordinierte Stationen sein. Im letzten Fall spricht man von freier Stationierung. Zur Erfassung der Geländepunkte mit elektronischen Tachymetern verwendet man leichte 1,5 bis 8 m hohe und mit Reflektoren versehene Stangen, die mit einer Libelle vertikal gestellt werden. Dem Truppführer obliegt in erster Linie die Auswahl der Zielpunkte im Gelände. Im Hinblick auf die spätere Datenverarbeitung muss er die Bedeutung der verschiedenen Punkte durch ein besonderes Nummerierungssystem zum Ausdruck bringen. Bei weiträumigen Aufnahmen lassen sich die Schwierigkeiten der gegenseitigen Verständigung mit Funksprechgeräten überwinden. Einen hohen Automationsgrad erzielt man, wenn sich auf der zentralen Station ein Messroboter befindet, und auf der Reflektorstation zusätzlich eine aktive Positionierungseinheit (Abb. 5.5 und 5.6) vorhanden ist [5.1 und 5.2]. Sehr vorteilhaft können dann alle Aktivitäten auf die Reflektorstation verlegt werden. Der Truppführer fertigt im Felde einen Handriss nach dem Muster der Abb. 17.12 an, in dem die eingemessenen Punkte ungefähr maßstäblich eingetragen werden. Man zeichnet ferner die Rückenlinien (gestrichelt), die Muldenlinien (geschlängelt) und die Richtungen des stärksten Gefälles ein, deutet an charakteristischen Stellen die Geländeformen durch Formlinien an und vermerkt schließlich die Böschungen (erforderlichenfalls nebst ihrer Höhe), die Gräben, die Stützmauern und dergleichen (vgl. auch Abb. 17.20). Ein guter Feldhandriss ist für die Anfertigung des Höhenlinienplans nicht weniger wichtig als die Punktaufnahme.

533

17.4 Topographische Vermessungen

_

N

17

Teich

_6 _

16

_7 _

21

_

15

17.7.58

Abbildung 17.12. Feldhandriss

17.4.3.3 Tachymetrie durch Satellitenpositionierung Das Verfahren kann man ähnlich, wie jenes in [17.4.3.2] als dreidimensionales Polarverfahren auffassen, da zunächst 3D-Relativkoordinaten bestimmt und diese durch polares Anhängen“ in übergeordnete Koordinaten (z. B. Landeskoordinaten) trans” formiert werden. Im Prinzip kann bei diesem Verfahren die Geländeaufnahme mit nur einer oder mehreren Personen ausgeführt werden (Abb. 17.13). Vergleicht man dieses Aufnahmeverfahren mit dem der elektronischen Tachymetrie, so kann als vorteilhaft gewertet werden, dass keine Sichtverbindung zwischen den Punkten notwendig ist und daher auch größere Gebiete in einem Zuge bearbeitet werden können, selbst wenn sie unübersichtlich sind. Nachteilig ist, dass eine weitgehend freie Sicht zu den Satelliten erforderlich ist. Für viele Auftragstellungen wird es zweckmäßig sein, beide Aufnahmeverfahren nebeneinander einzusetzen.

17.4.4

Hydrographische Vermessungen

(1) Messanordnungen Insbesondere für die sichere Schiffahrt auf See und auf Binnengewässern werden zuverlässige Informationen über die Gewässer benötigt. Diese werden von hydrographischen Diensten und anderen Instituten in Form von Seekarten, Seehandbüchern und anderen Datenträgern zur Verfügung gestellt. Zuverlässige Informationen liegen

534

17 Aufnahmeverfahren und topographische Vermessungen

Abbildung 17.13. Bewegte Satellitenempfänger bei der tachymetrischen Geländeaufnahme

aber nur dann vor, wenn die Gewässer in regelmäßigen Zeitabständen vermessen werden, da der Meeres- oder Flussgrund ständigen Veränderungen unterliegen kann. Für die des Fluss- und Seegrundes benötigt man ein Vermessungsschiff mit einem Echolot und ein Gerät für die Ortung des Schiffes (Abb. 17.14). Mit dem Ortungsverfahren wird eine Zielmarke auf dem Schiff positioniert, die im Idealfall senkrecht über dem Echolot liegt. Das Echolot misst den Abstand d zum Fluss- oder Seegrund. Die Bezugshöhe des Echolotes kann man auf zwei Wegen bestimmen: – die Höhe des Signals wird mit dem Ortungsgerät eingemessen und von dieser der Höhenunterschied Sh2 abgezogen, – vor Beginn der Messungen bestimmt man mit einem Nivellierinstrument den Höhenunterschied zwischen der Höhenmarke der Beobachtungsstation und der Wasseroberfläche. Die Wasseroberfläche nutzt man dann zur Höhenübertragung auf das Schiff. Da bekannt ist, wie weit sich die Bezugshöhe des Echolotes unter dem Wasserspiegel befindet, ist diese nun auch absolut bekannt. Treten nachfolgend Änderungen des Wasserspiegels auf, so kann man diese mit einer Pegelsonde erfassen und über eine Telemetrieeinrichtung zu dem Auswertesystem auf dem Schiff übermitteln. Polare Ortungsgeräte mit einem Tachymeter als Basis (Abb. 17.14) arbeiten automatisch, wenn ein Messroboter mit automatischem Zielsystem eingesetzt wird [5.2]. Die Aufstellung kann beliebig, d. h. in optimaler Anpassung an das zu vermessende Objekt gewählt werden, wenn man für die Positionierung und Orientierung des Messsystems das Verfahren der freien Stationierung einsetzt. Als Ziel dient auf dem Schiff eine kranzförmige Anordnung von Reflektoren.

535

17.4 Topographische Vermessungen

Ih Elevation I Sh1 Sh2 WL

d

Elevation d

Abbildung 17.14. Grundausrüstung für die Fluss- und Seegrundvermessung. Ih: Instrumentenhöhe, Sh1: Höhe der Zielmarke über dem Wasserspiegel, Sh2: Höhe der Zielmarke über dem Echolot, d: vom Echolot gemessener Abstand, WL: Wasserspiegel

Insbesondere für großÁächigere Aufnahmen bietet sich die Satellitenpositionierung als Ortungsverfahren an (Abb. 17.15). Da im allgemeinen Genauigkeiten von einigen dm bis zu einigen m verlangt werden arbeitet man mit RTK- oder DGPSVerfahren [10.5]. Für die Echtzeitpositionierung müssen bei beiden Ortungssystemen Daten der Referenzstation laufend durch eine Telemetrieeinrichtung an das Schiff gesendet werden. Die topographische Geländeaufnahme stützt sich in der Regel auf MessproÀle, die vor den Messungen längs des Messgebietes ausgewählt und gekennzeichnet werden. Die ProÀle sind dabei so anzuordnen, dass sie anschließend eine genaue Interpolation der Tiefenlinien zulassen. (2) Technische Daten der Ortungsverfahren Automatisierte polare Ortungsverfahren sollten folgenden Anforderungen genügen: – Reichweite des Distanzmessers 5000 m (1 ReÁektorring) – Horizontal-/Vertikalrichtungen horiz. Drehbereich ±170◦ horiz. Winkelgeschwindigkeit 10◦ /s; Beschleunigung 1◦ /s2 radiale Zielgeschwindigkeit 20 m/s; Beschleunigung 5 m/s2

536

17 Aufnahmeverfahren und topographische Vermessungen

Abbildung 17.15. Flussgrund- und Seegrundvermessung mit einem Satellitenpositionierungsverfahren im Differenz-Modus

vertikaler Drehbereich −110◦ / + 135◦ vert. Winkelgeschwindigkeit 10◦ /s; Beschleunigung 1◦ /s2 – Genauigkeit Reichweite: ±15 cm ±0,5 cm/1000 m Hz.-Winkel: 20 − 1000 m: ±10 cm > 1000 m: ±10 cm ±5 cm/1000 m V.-Winkel: (dynamisch): 20 − 1000 m: ±10 cm > 1000 m: ±10 cm ±5 cm/1000 m. Mit dem Satellitenpositionierungsverfahren lassen sich im Differenz-Modus in Echtzeit Ortungsgenauigkeiten von 0,1, . . . , 3 m erzielen. Die Messwertausgabe erfolgt mit Frequenzen von 1 Hz und schneller. Die Höhe kann beim Einsatz polarer Ortungssysteme trigonometrisch auf das Schiff übertragen werden, wenn die Reichweite auf ca. 1 km begrenzt ist, da bei größeren Entfernungen Refraktionseinflüsse sehr störend wirken können. Bei ausgedehnteren Messgebieten und beim Einsatz der Echtzeit-Satellitenpositionierung kann man die Höhe des Echolotes auch aus Pegelmessungen ableiten. Diese Art der Höhenerfassung führt zu Genauigkeitsverlusten bei: Beschickungsfehlern, Zuladung, Wellenbewegung, Seegang, Quer- und Längsgefälle der Wasseroberfläche, Einfluss durch Wind sowie Senk und Schwall in Schleusenbereichen. Es können Unsicherheiten von ca. 5 – 10 cm im Binnenbereich und ca. 20 cm an der Küste auftreten. Fehler durch Längs- und Quergefälle lassen sich durch begleitende Nivellements im Uferbereich herabsetzen (Behrens 1988).

17.4 Topographische Vermessungen

17.4.5

537

Kartenherstellung

Die Karten werden weitgehend automatisch rechnergestützt hergestellt. Eine ausführliche Beschreibung der Kartenherstellung findet man u. a. in (Hake, Grünreich, Meng 2002).

18 Navigation mit Satellitenverfahren, Location Based Services

18.1

Einige Grundlagen der Navigation

Die Navigation umfasst die Technologien, welche eine Person oder ein Fahrzeug (auf dem Lande, Wasser oder in der Luft) unterstützen, vom Start zum Zielpunkt zu gelangen. Man benötigt hierfür die Position und die Geschwindigkeit. Dem Navigator müssen folgende Fragen beantwortet werden: wo bin ich, mit welcher Geschwindigkeit bewege ich mich, in welche Richtung bewege ich mich, welche Zeit benötige ich noch bis zu meinem Zielpunkt? Im 20. Jahrhundert sind hierfür eine Vielzahl neuer Technologien entwickelt worden: der Kreiselkompass, Radio-Positionierungs-Systeme wie Loran C, Inertialnavigationsysteme [9]. Die herausragendste Entwicklung war jedoch der Aufbau von Satellitenpositionierungssystemen. Wenn wir uns vom Start- zum Zielpunkt navigieren, folgen wir in der Regel einer geplanten Route. Im Idealfall sollten wir dem kürzesten Weg zwischen beiden Stationen folgen. Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten auf einer mathematisch definierten Oberfläche, wie der Kugel oder dem Ellipsoid, ist die Geodätische Li” nie“. Auf einer Kugel ist die Geodätische Linie das Segment eines Großkreises, welches sich bildet, wenn eine Ebene, die durch den Start- und Zielpunkt sowie den Mittelpunkt der Kugel geht, die Oberfläche schneidet. Eine Route, welche der Geodätischen Linie zwischen Start- und Zielpunkt folgt, ist zwar die kürzeste, jedoch normalerweise nicht die praktikabelste. Hindernisse und z. B. die Führung von Straßen und Wasserwegen bedingen dies. Auch auf dem Ozean, wo diese Hindernisse nicht existieren, ist es unpraktikabel der Geodätischen Linie zu folgen, da der Kurs ständig korrigiert werden müsste. Eine Route muss folglich in viele Teilsegmente unterteilt werden, wobei jedes einer Geodätischen Linie entsprechen kann. Die Punkte am Anfang und Ende eines jeden Segmentes werden als Wegpunkte (waypoints) bezeichnet. Ein Wegpunkt kann rein physikalisch durch eine Straßenkreuzung, eine Straßengabelung oder durch eine Boje auf dem Wasser gekennzeichnet sein, aber auch nicht sichtbar lässt er sich allein durch Koordinaten definieren. Abb. 18.1 zeigt eine Folge von Wegpunkten entlang eines Flusses, der die Orte 1 und 2 miteinander verbindet.

539

18.1 Einige Grundlagen der Navigation 46˚00''

45˚30'' 1 2 4

3 5

Ort 1

6 7

8 9

10 45˚00''

17 19

18 20 21

16

11

12 15

14

13

22 23 44˚30''

24 25

Ort 2

44˚00'' 283˚00''

28 29 30

26 27

283˚30''

284˚00''

284˚30''

285˚00''

Abbildung 18.1. Wegpunkte für die Navigation eines Schiffes von Ort 1 nach Ort 2

Selbst wenn die Wegpunkte durch Geodätische Linien miteinander verknüpft sind, folgt das Schiff einer praktikablen Route, d. h. sein Weg ist länger. Auch Flugzeuge folgen Routen, welche durch Wegpunkte, sogenannte Funkfeuer, definiert sind. Ein Satellitenempfänger [10] kann eine Anzahl von Informationen liefern, welche für die Navigation entlang von Wegpunkten benötigt werden: die momentane Position, die momentane Geschwindigkeit, das Azimut und die Entfernung zum nächsten Wegpunkt, den Soll-Kurs, den momentanen Kurs in Bezug auf den letzten Wegpunkt, den momentanen Abstand von der Geodätischen Linie, die Geschwindigkeit in Richtung auf den nächsten Wegpunkt, die Zeit bis zum Erreichen des nächsten Wegpunktes, die Ankunftszeit. Einige der Navigationsparameter sollen nachfolgend kurz beschrieben werden (Langly 2000, Schrödter 1994).

540

18 Navigation mit Satellitenverfahren, Location Based Services

Position: Für die Positionsbestimmung bevorzugt man absolute oder relative Verfahren, welche auf Codemessungen beruhen [10.4, 10.5]. Vielfach wird die Position als geographische Länge L und geographische Breite B (Abb. 1.2) angegeben. Häufig müssen diese in andere Systeme transformiert werden. Insbesondere bei der Landnavigation verwendet man z. B. Koordinaten in Bezug auf ein UTM-System [6.4.5]. Geschwindigkeit: Der Empfänger könnte seine momentane Geschwindigkeit aus der Entfernung zweier soeben bestimmter nahe beieinanderliegender Positionen bestimmen. Selbst bei genauerer Positionsbestimmung können hierbei jedoch erhebliche Fehler auftreten, welche z. B. die in Tab. 10.1 angegebenen Grenzwerte von 0,2 m/s (2σ ) überschreiten würden. Die Geschwindigkeit des Satellitenempfängers wird daher aus der Dopplerverschiebung der ankommenden Signale berechnet. Es muss dabei beachtet werden, dass sich auch ein auf der Erdoberfläche ruhender Empfänger durch die Erdrotation gegenüber dem Satelliten bewegt. Außerdem läuft der Satellit mit hoher Geschwindigkeit auf seiner Bahn. Beide Bewegungen verursachen Dopplerverschiebungen der Signale, die zunächst berechnet werden müssen. Die verbleibende Differenz zur gesamten Dopplerverschiebung der Signale, die im Empfänger gemessen wird, ist dann ein Maß für die Geschwindigkeit des Empfängers. Diese Geschwindigkeit bezieht sich auf den tatsächlichen Weg über dem Grund (speed over ground, groundspeed); (Abb. 18.2). Norden

Wegpunkt 2 Abweichung von der Soll-Strecke momentane Orientierung momentane Position tatsächlicher Weg Soll-Strecke momentaner Kurs Soll-Kurs

Wegpunkt 1

Abbildung 18.2. Navigationsparameter

Azimut (Bearing): es handelt sich dabei um den Horizontalwinkel in Bezug auf eine Referenzrichtung, z. B. Gitter Nord. Tatsächliches Azimut der Fahrzeugachse (Heading): in dem Fall handelt es sich um die momentane horizontale Orientierung des Fahrzeugs. Kurs (Course, Track): es handelt sich hierbei um die aktuelle horizontale Richtung, in welche sich das Fahrzeug momentan bewegt; beschrieben wird der Kurs durch das Azimut einer Linie, auf welcher sich das Fahrzeug zur Zeit bewegt. Der Kurs

18.2 Location Based Services und persönliche Navigation

541

kann sich von der Richtung unterscheiden, in welche z. B. ein Schiff (beeinflusst von Wind und Strömung) momentan zeigt. Soll-Kurs (Desired Track): er entspricht dem Azimut der Linie zwischen zwei Wegpunkten, zwischen denen dich das Fahrzeug momentan befindet. Aktueller Kurs (Course Made Good, Track Made Good): er beschreibt die Richtung vom vorhergehenden Wegpunkt zur momentanen Position des Fahrzeugs. Geschwindigkeit auf dem Soll-Kurs (Speed Made Good): der Geschwindigkeitsvektor weist in Richtung der Geodätischen Linie zwischen zwei Wegpunkten. Abweichung vom Soll-Kurs (Cross Track Error): es handelt sich um den senkrechten Abstand der momentanen Position vom Soll-Kurs. Zeitspanne bis zum nächsten Wegpunkt (Estimated Time en Route): die Zeitrechnung basiert auf der Speed Made Good. Ankunftszeit (Estimated Time of Arrival): man erhält diese, wenn zur momentanen Zeit die Zeitdauer für das Überwinden einiger Routensegmente (Estimated Time en Route) hinzugefügt wird. DieAnkunftszeit kann sich auf einen bestimmten Wegpunkt oder auf das Endziel beziehen.

18.2

Location Based Services und persönliche Navigation1

Unter Location Based Services (LBS) werden Dienste der Mobilfunkbetreiber verstanden, die dem Nutzer Informationen zur Verfügung stellen, die sich auf seinen momentanen Aufenthaltsort beziehen. Dabei stellen Ortung, Navigation und Kartendarstellung grundlegende Elemente der ortsbezogenen Dienste dar. Beispiele für diese Dienste sind Anwendungen, die im Zusammenhang mit der Lokalisierung von Notrufgesprächen von Mobiltelefonen stehen, sowie mobile Navigationssysteme für Fahrzeuge und Fußgänger und deren Einsatz im Flottenmanagement sowie mobile Stadtführer und die Abfrage und Ortsbestimmung von nächstgelegenen Serviceeinrichtungen (wie z. B. Geschäfte, Hotels, Restaurants, usw.) und deren Darstellung in Karten (sog. Gelbe Karten“, d. h. eine Kombination von Gelben Seiten mit Karten) ” (Schiller und Voisard 2004). Bei ortsbezogenen Diensten der Mobilfunkbetreiber kann unterschieden werden, ob die nahegelegenen Serviceeinrichtungen dem Nutzer nur angezeigt werden oder eventuell der Nutzer zu diesen auch geführt wird. In diesem Abschnitt wird vorerst auf die vielfältigen Möglichkeiten zur Ortung von Mobiltelefonen sowie die Positionsbestimmung in Gebäuden eingegangen und anschließend deren Einsatz in LBS und in der persönlichen Navigation betrachtet.

18.2.1

Ortung von Mobiltelefonen

Für die Lokalisierung von Mobiltelefonen können verschiedene Strategien und Methoden eingesetzt werden, bei denen unterschieden wird, ob die Positionierung aus1 Kap.18.2 hat Herr Dr. Retscher, TU Wien verfasst

542

18 Navigation mit Satellitenverfahren, Location Based Services

schließlich auf der Nutzung von Signalen des Mobilfunknetzes beruht oder ob externe Messgrößen (wie z. B. GNSS) mitverwandt werden. Das Prinzip von einigen Verfahren beruht auf klassischen terrestrischen Navigationsverfahren, wobei im wesentlichen Distanzen und Distanzdifferenzen oder Richtungen (Azimut) und Winkel gemessen werden. Entscheidend ist auch die eingesetzte Architektur bzw. Anordnung der Positionsbestimmung, bei der festgelegt wird, wo die Messung und Berechnung der Positionslösung erfolgen soll. Bei der sog. Network-based Positionierung erfolgt die Messung als auch die Berechnung an den Basisstationen und in einem Location Service Center (LSC) im Mobilfunknetz und bei Handset-based (oder Mobile-based) Positionierung im mobilen Terminal (z. B. Mobiltelefon, PDA, usw.). Eine Kombination beider Methoden stellt die hybride Positionierung dar, bei der z. B. die Messung im mobilen Terminal und die Berechnung der Positionslösung im LSC des Netzwerkes erfolgen kann (Retscher 2002). 18.2.1.1 Ortungsmethoden, die Signale des Mobilfunknetzes nutzen Ein Mobilfunknetz ist zellular aufgebaut, wobei eine Zelle dem Abdeckungsbereich eines Senders (der sog. Basisstation) entspricht. Die einfachste Form der Positionierung besteht nun darin, den Standort des Mobiltelefons durch seine Lage in der jeweiligen Mobilfunkzelle (Cell ID) anzugeben und durch die Koordinaten der Basisstation zu beschreiben. Die erreichbare Positionierungsgenauigkeit hängt in diesem Fall von der Ausdehnung der Mobilfunkzelle ab. Diese beträgt 150 m bis 1 km im Stadtgebiet und bis zu 35 km in ländlichen Gebieten. Höhere Positionierungsgenauigkeiten lassen sich durch Verfeinerungen und Einsatz anderer Methoden erzielen. Die höchsten Genauigkeiten können bei der Messung von Laufzeitdifferenzen (oder Distanzdifferenzen) von Signalen, die entweder von den Basisstationen oder der Mobilstation ausgesendet werden, erzielt werden. Linien konstanter Laufzeitdifferenz (bzw. Distanzdifferenz) sind geometrisch betrachtet Hyperbeln, wobei die beiden Sendestationen in den Brennpunkten liegen. Der Ort der Mobilstation wird aus dem Schnitt mehrerer Hyperbeln abgeleitet (siehe Abb. 18.3). Dieses Prinzip wird u. a. auch beim terrestrischen Radionavigationsverfahren LORAN-C angewendet. Beim Hyperbelschnittverfahren unterscheidet man prinzipiell zwei Verfahren in Abhängigkeit davon, ob das Ausgangssignal (sog. Burst) von der Mobilstation (Uplink-Verfahren) oder von einer Basisstation (Downlink-Verfahren) ausgesendet wird. Die beiden Methoden werden bezeichnet als • Time Difference of Arrival (TDoA) beim Uplink-Verfahren und • Enhanced Observed Time Difference (E-OTD) beim Downlink-Verfahren. Bei der Methode Enhanced Observed Time Difference (E-OTD) wird die Laufzeitdifferenz eines Signals von einer Basisstation an der Mobilstation und einer Referenzstation im Netzwerk, der sog. Location Measurement Unit (LMU), bestimmt. Der Uhrenfehler der Mobilstation kann dann durch Messung von drei Zeitdifferenzen von verschiedenen Basisstationen ermittelt werden. Der Vorteil des Verfahrens liegt

543

18.2 Location Based Services und persönliche Navigation TDoAB-A

Zelle A

.

ρX,A

.

X

TDoAC-A

.

ρX,B

B

. C

.

2. Schnittpunkt

Abbildung 18.3. Geometrisches Prinzip der Positionsbestimmung nach dem Hyperbelschnittverfahren (Laufzeitdifferenzmessung) mit den drei Basisstationen A, B, C und der Mobilstation X

in der verbesserten Leistungsfähigkeit und höheren Genauigkeiten für die Positionierung. Es muss jedoch zusätzlich für jeweils 3 – 5 Zellen eine Referenzstation (LMU) im Netzwerk installiert werden. Die Berechnung der Positionslösung kann einerseits im Mobiltelefon (MS Based E-OTD) oder im Netzwerk (MS Assisted E-OTD) erfolgen. Davon hängt auch ab, ob für die Mobilstation nur eine Softwaremodifikation oder auch Änderungen in der Hardware erforderlich sind. Die erreichbare Positionierungsgenauigkeit liegt im Bereich von 50 bis 150 m, wobei Messungen zu mindestens 3 Basisstationen auszuführen sind. Liegen diese Messungen nicht vor, so kann die Ortung des Terminals auf die Angabe der Mobilfunkzelle (Cell ID) zurückfallen. Da E-OTD eine Modifikation der Hardware des Mobilfunknetzes und die Installation von vielen Referenzstationen im Netzwerk erfordert, was hohe Kosten für die Netzbetreiber zur Folge hat, wurde dieses Verfahren weltweit erst in wenigen Ländern verwirklicht. Neuere Entwicklungen haben sich daher auf die Reduktion der Kosten und notwendigen Hardware konzentriert. Die sog. Matrix Methode kommt ohne zusätzliche Hardware und LMU’s aus. Es wird lediglich ein Location Service Center (LSC) benötigt, in dem die Position des Nutzer bestimmt wird (Duffett-Smith und Craig 2004). In diesem Fall wird im Mobiltelefon ein Softwareupdate installiert. Das Telefon misst die relative Empfangszeit von Signalen verschiedener Basisstationen in seiner näheren Umgebung. Diese Zeitmessungen werden vom LSC regelmäßig von anonymen Mobiltelefonen angefordert. Aus diesen Messungen können die Abweichungen der Sendezeitpunkte der Basisstationen von der System-Zeit (die sog. Network Timings“) berechnet werden. Wenn nun ein bestimmtes Mobil” telefon lokalisiert werden soll, so werden im Terminal die relativen Empfangszeiten der Signale gemessen und das LSC berechnet mit diesen Messungen und den Net-

544

18 Navigation mit Satellitenverfahren, Location Based Services

work Timings die aktuelle Position des Telefons. Da die Messungen nicht simultan erfolgen müssen, können anstelle der Messungen von anonymen Terminals auch die Messungen eines einzelnen, bewegten Telefons verwendet werden. Dies wird auch als Solo Matrix bezeichnet. Dann werden die Zeitmessungen an verschiedenen Positionen des Mobiltelefons dazu genutzt, um das Network Timing Model zu berechnen, und die Messung an der aktuellen Position, um diesen Ort zu bestimmen. Es ist des weiteren möglich, aus allen Messungen in einem Berechnungsschritte alle Positionen des Mobiltelefons zu bestimmen, und man erhält somit die Trajektorie des bewegten Telefons. Die erreichbare Positionierungsgenauigkeit der Matrix Methode entspricht dem E-OTD Verfahren und es konnten Genauigkeiten im Bereich von 50 bis 100 m bei einer Sicherheitswahrscheinlichkeit von 67 % im GSM Netzwerk bei verschiedenen Tests erzielt werden. Anstelle der Messung von Laufzeitdifferenzen kann die aktuelle Position des Mobiltelefons auch durch Messung der Laufzeit der Signale von Basisstationen an der Mobilstation (sog. Time of Arrival ToA) oder durch Messung des Einfallswinkels ankommender Signale an der Basisstation (sog. Angle of Arrival AoA) abgeleitet werden. Diese Verfahren liefern aber nicht so hohe Genauigkeiten wie das Hyperbelschnittverfahren. Des weiteren kann durch Messung der Signalstärke in der Mobilfunkzelle auch die Distanz zwischen der Mobilstation und den Basisstationen abgeleitet werden. In Kombination mit der Angabe der Mobilfunkzelle (Cell ID) erzielt man dann Genauigkeiten im Bereich von 50 – 550 m im Stadtgebiet. Das Verfahren ist jedoch sehr fehleranfällig im Hinblick auf die Mehrwegausbreitung der Signale (Multipath). 18.2.1.2 Ortungsmethoden, die Satellitensignale nutzen Viele moderne Mobiltelefone haben heutzutage bereits GPS Empfänger eingebaut. Die Positionierung kann dann vorerst unabhängig vom Mobilfunknetz erfolgen. Probleme ergeben sich wie bei jeder GPS Positionierung im dicht verbauten Gebieten, wo es zu häufigen Abschattungen der Satellitensignale kommt. Neue Entwicklungen im Bereich der Satellitenpositionierung haben auch GPS Empfänger hervorgebracht, die in der Lage sind, auch sehr schwache GPS Signale in Gebäuden zu empfangen. Dies wir auch als High Sensitive“ GPS (HSGPS) bezeichnet. Untersuchungen von ” (Lachapelle 2004) haben gezeigt, dass mit diesen Systemen jedoch eine wesentlich geringere Genauigkeit für die Positionierung in Gebäuden als bei freier Sicht zu den Satelliten in Abhängigkeit von der Anzahl der verfügbaren Satelliten und deren geometrischer Konfiguration erzielt werden kann. Dabei stellt die Hauptfehlerquelle die Mehrwegausbreitung der Signale (Multipath) dar. Stellt das Mobilfunknetz Hilfsdaten für die Satellitenpositionierung zur Verfügung, so spricht man von Assisted GPS (A-GPS). Dies führt zu einer wesentlichen Steigerung der Leistungsfähigkeit der GPS Positionierung, da dann auch sehr schwache Satellitensignale empfangen werden können und somit die Reichweite der GPS

18.2 Location Based Services und persönliche Navigation

545

Positionierung erhöht wird. Des weiteren wird die Satellitenakquisition beschleunigt und die Zeit verkürzt, die zur Positionsbestimmung benötigt wird. Zu den Hilfsdaten, die über das Mobilfunknetz zur Verfügung gestellt werden können, zählen die Satellitenbahndaten, Almanachdaten, Startposition, Referenzzeit, Dopplerverschiebung und eventuell DGPS Korrektionen (Lachapelle 2004). Die Messung erfolgt in der Mobilstation und die Berechnung der Positionslösung erfolgt wie beim E-OTD Verfahren wahlweise im Mobiltelefon oder im Netzwerk. Eine Kombination des Matrix Verfahrens mit der Satellitenpositionierung wird als Enhanced GPS (E-GPS) bezeichnet (Duffett-Smith und Craig 2004). In diesem Fall ist im Telefon sowohl ein GPS Empfänger eingebaut als auch die Solo Matrix Funktion integriert. Wie bei Assisted GPS (A-GPS) stellt die Matrix Funktion Hilfsdaten zur schnelleren Satellitenakquisition, wie Näherungskoordinaten des Empfängers und Zeitinformationen über den Synchronisationsfehler der Empfängeruhr, für die GPS Positionierung zur Verfügung. Damit kann die Zeit für die Satellitenakquisition reduziert und die Reichweite von GPS erhöht werden. 18.2.1.3 Vergleich der Ortungsmethoden für Mobiltelefone Tabelle 18.1 enthält eine Zusammenstellung der zu erwartenden Genauigkeit für die Lagekoordinaten bei einer Sicherheitswahrscheinlichkeit von 67% im GSM-Netz für verschiedene Positionierungsmethoden. Die Genauigkeiten unterscheiden sich auch in Abhängigkeit von der Umgebung des Mobiltelefons und man erhält in der Regel unterschiedliche Werte im Stadtgebiet bzw. in ländlichen Gebieten sowie für die Positionierung innerhalb von Gebäuden. 18.2.1.4 Genauigkeit der Höhenbestimmung Mit Ausnahme der GPS Positionierung haben sich die bisherigen Betrachtungen auf eine zweidimensionale Positionsbestimmung in Lage beschränkt. Für eine Lokalisierung des Nutzers in Gebäuden ist jedoch eine 3D-Positionierung von großer Bedeutung. Fast alle Verfahren, die Signale des Mobilfunknetzes zur Positionierung nutzen, sind für diese Anwendung nur beschränkt einsetzbar. Bei der Angabe der Mobilfunkzelle (Cell ID) erhält man in der Regel keine brauchbare Höhengenauigkeit, da nur eine Genauigkeit in der Größenordnung von 1 bis 4 Stockwerken angegeben werden kann, wenn im Gebäude Basisstationen in der Form von Picozellen installiert sind. Eine Höhenbestimmung mit entsprechender Genauigkeit wird theoretisch erst dann möglich, wenn beim Hyperbelschnittverfahren (E-OTD) Messungen zu vier Basisstationen ausgeführt werden können. Hierbei muss noch eine günstige geometrische Konfiguration für 3D-Positionierung und eine entsprechende Anordnung der Basisstationen vorausgesetzt werden. Für die 3D-Positionierung in Gebäuden wurden eigene Verfahren entwickelt, die im nächsten Kapitel kurz vorgestellt werden.

546

18 Navigation mit Satellitenverfahren, Location Based Services Tabelle 18.1. 2D Positionierungsgenauigkeiten im GSM-Netz

Methode

Ländliches Gebiet 1 – 35 km

Vorstadtbereich 1 – 10 km

Hyperbelverfahren E-OTD

50 – 300 m

50 – 150 m 50 – 150 m

Geringe Verschlechterung bei guter Signalausbreitung

Matrix Solo Matrix

50 – 300 m

50-150 m

50 – 100 m

Geringe Verschlechterung bei guter Signalausbreitung

Assisted GPS Enhanced GPS

5 – 10 m

20 m

30 – 100 m

Messung in der Nähe von Fenstern gerade noch möglich

Angabe der Mobilfunkzelle (Cell ID)

18.2.2

Stadtgebiet

In Gebäuden

Anmerkungen

150 m – 1 km

Keine Änderung (Ausnahme: bei Picozellen)

Angabe der Koordinaten der Basisstation der Zelle. Häufige Fehlerursache: Angabe falscher Sektor 3 Basisstationen notwendig, wenn unmöglich Rückfall auf Cell ID 3 Basisstationen notwendig, wenn unmöglich Rückfall auf Cell ID Wenn keine Positionierung möglich, Rückfall auf Cell ID

Positionsbestimmung in Gebäuden

Die Kombination und Integration verschiedener Positionierungsverfahren ist entscheidend für die Leistungsfähigkeit moderner, intelligenter Navigationssysteme und -dienste, die sowohl im Freien als auch in bebauten Gebieten kontinuierlich arbeiten sollen. Gebräuchliche Systeme setzen hauptsächlich auf die satellitengestützte Positionierung (GNSS) und die Überbrückung von Signalverlusten mit Hilfe der Koppelnavigation. Bei längeren Signalunterbrechungen entstehen jedoch größere Positionierungsfehler, da die relativen Sensoren der Koppelnavigation ziemlich stark driften und eine ungünstige Fehlerfortpflanzung aufweisen. Des weiteren ist eine Alternative zur Positionierung mittels GNSS gewünscht, damit auch eine kontinuierliche Ortung des Nutzers im Stadtgebiet und in Bereichen mit starken Abschat-

18.2 Location Based Services und persönliche Navigation

547

tungen der Satellitensignale sowie in Gebäuden möglich wird. Nutzbare, alternative Positionierungsverfahren sind z. B. die Methoden zur Lokalisierung von Mobiltelefonen [18.2.1], die Nutzung von Funksignalen wie WLAN (Wireless Local Area Networks), UWB (Ultra Wide Band), RFID (Radio Frequency Identification) und Bluetooth sowie Infrarot und Ultraschall. Nach (Pahlavan et al. 2002) können bei den Verfahren, die Funksignale nutzen, zwei verschiedene Strategien unterschieden werden. Im ersten Fall wird ein eigenes Funknetz aufgebaut, dass für die Positionierung eingesetzt werden kann, und bei der zweiten Methode wird bereits bestehende Netzwerkinfrastruktur zur Positionierung eines mobilen Nutzers genutzt. Die zweite Methode hat demnach den Vorteil, dass kein eigenes Funknetz aufgebaut werden muss. Einige dieser Verfahren wurden speziell für die Positionsbestimmung in Gebäuden entwickelt. Sie können aber auch im Übergangsbereich in der Nähe von Gebäuden sowie im Stadtgebiet eingesetzt werden. Das Prinzip dieser Verfahren wird im folgenden kurz beschrieben. 18.2.2.1 Positionsbestimmung mit WLAN Der Einsatz von WLAN (Wireless Local Area Networks) gewann in den letzten Jahren an großer Bedeutung. WLAN verwendet Funksignale, die auf dem internationalen Standard IEEE 802.11 des Instituts of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) basieren. In einem WLAN Netz gibt es sog. Access Points (oder Hotspots), die vergleichbar mit den Basisstationen in einem Mobilfunknetz sind. Der Nutzer kann mit Hilfe verschiedener Verfahren geortet werden. Als Messgröße eignet sich der Signalpegel der Funksignale, die von verschiedenen Access Points empfangen werden. Aus der Signalstärkemessung kann eine Distanz zwischen dem Access Point und der aktuellen Position des Nutzers abgeleitet werden und über Trilateration der Ort des Nutzers bestimmt werden. Dieses Verfahren hat jedoch den großen Nachteil, dass die gemessenen Signalpegel der Funksignale nicht einfach in eine Strecke umgerechnet werden können, da die Pegel nicht nur in Abhängigkeit von der Distanz zum Access Point abnehmen, sondern sehr stark von Multipath und anderen Fehlereinflüssen im Gebäude abgeschwächt werden. Diese Nachteile treten bei dem sog. Fingerprint-Verfahren nicht auf, bei dem die gemessenen Signalpegel direkt für die Positionsbestimmung herangezogen werden. Hier werden die gemessenen Signalstärken zu den Access Points nicht in Distanzen umgerechnet, sondern die Messwerte werden mit Signalpegelwerten von Kalibrierungspunkten, die in einer Datenbank gespeichert sind, verglichen, um die aktuelle Position des Nutzers abzuleiten. Für die Positionsbestimmung in einem Gebäude muss vorerst die Datenbank aufgebaut werden und es müssen dazu Kalibrierungsmessungen im gesamten Gebäude ausgeführt werden, damit festgestellt werden kann, in welchem Raum sich der Benutzer gerade befindet. Da die aktuell gemessenen Signalstärken und die in der Datenbank gespeicherten Werte in der Praxis nicht identisch sind, erfolgt die Zuweisung der Position durch Zuhilfenahme statistischer Kenngrößen. Für diese Methode

548

18 Navigation mit Satellitenverfahren, Location Based Services

reicht als Minimalkonfiguration die Messung zu einem Access Point aus und es werden 1 bis 3 m als erreichbare Genauigkeit für die Positionierung in einem typischen Bürogebäude angegeben (Imst 2004). Der große Vorteil von diesem Verfahren ist die wesentlich höhere Positionierungsgenauigkeit imVergleich zur Signalstärkemessung mit Distanzbestimmung. Der Einrichtungsaufwand (Kalibrierung des Messsystems) ist allerdings sehr groß und bei baulichen Veränderungen müssen neue Referenzen in der Datenbank hinterlegt werden. 18.2.2.2 Positionsbestimmung mit UWB Ultra Wideband (UWB) Systeme, welche Bandweiten über 1 GHz einsetzen, wurden zur Datenübertragung mit hohen Übertragungsgeschwindigkeiten entwickelt und unter IEEE 802.15.3a standardisiert. Diese können zur genauen Laufzeitmessung (Time of Arrival ToA) oder Laufzeitdifferenzmessung (Time Difference of Arrival TDoA) von Signalen mehrerer Basisstationen für die Positionsbestimmung in Gebäuden eingesetzt werden (Pahlavan et al. 2002, Kong et al. 2004). Im Gegensatz zu WLAN konnte gezeigt werden, dass UWB Signale nicht von Multipath beeinträchtigt werden und sich somit besonders zur Distanzmessung in Gebäuden eignen. Kong et al. (2004) konnte Genauigkeiten im Bereich von 0,2 bis 1 m bei einer Sicherheitswahrscheinlichkeit von 67% für die Positionierung in einem Bürogebäude mit Messungen zu 8 Basisstationen erreichen. 18.2.2.3 Positionsbestimmung mit RFID Radio Frequency Identification (RFID) wird in der Konsumgüterindustrie für die berührungslose Übertragung von Produktinformationen eingesetzt und wird in Zukunft höchstwahrscheinlich den Strichcode zur Produktidentifikation ersetzen. Prinzipiell besteht die RFID Technologie aus drei Komponenten, nämlich einem Transponder (oder Tag), dem Lesegerät und einer Antenne. Das Lesegerät kann die auf dem Tag gespeicherten Informationen lesen, wobei die Reichweite bei maximal 6 m im Falle von Tags mit eigener Stromversorgung liegt. Um RFID für die Positionierung einzusetzen, besteht die Möglichkeit die Umwelt mit RFID Tags auszustatten, auf denen der Ort gespeichert ist, und dem mobilen Nutzer ein Lesegerät samt Antenne zur Verfügung zu stellen. Möchte man RFID z. B. in der Fahrzeugnavigation einsetzen, so kann man RFID Tags entlang von Straßenabschnitten anbringen, in denen keine Positionierung mit GNSS möglich ist (z. B. im Tunnel, unter Brücken, etc.), und das Fahrzeug mit einen RFID Lesegerät und Antenne ausstatten (Chon et al. 2004). Wenn das Fahrzeug einen RFID Tag passiert, so wird seine Kennung und zusätzliche Informationen über den Tag gelesen und man weiß somit, wo man sich gerade befindet. Dabei kann der Tag bei Fahrzeuggeschwindigkeiten bis zu 150 km/h zuverlässig gelesen werden. Eine weitere Anwendung wäre die Fußgängernavigation, wenn bestimmte Sehenswürdigkeiten (Landmarks bzw. Points of Interest) mit RFID

18.2 Location Based Services und persönliche Navigation

549

Tags ausgestattet werden und diese zur Positionsbestimmung herangezogen werden. Dies führt zum Konzept der sog. Aktiven Landmarks (Brunner-Friedrich 2004), wo der Nutzer eines Navigationssystems mit Hilfe seiner smarten“ Umgebung seinen ” aktuellen Aufenthaltsort bestimmt. 18.2.2.4 Positionsbestimmung mit Bluetooth Bluetooth, das ursprünglich zur Datenübertragung über kurze Reichweiten (maximal 10 m) entwickelt wurde, kann auch für die Positionierung eingesetzt werden, wenn es ausreicht, den Ort des Nutzers durch eine Zelle mit einem Radius von 10 m zu beschreiben, wenn er sich gerade im Empfangsbereich eines Bluetooth Senders befindet. Aktive Landmarks können z. B. mit Bluetooth Sendern ausgestattet werden und der Nutzer hat ein mobiles Endgerät mit Bluetooth. Betritt der Nutzer nun den Empfangsbereich des Senders wird eine Verbindung hergestellt und er erhält die Koordinaten des Landmarks übermittelt (Brunner-Friedrich 2004). 18.2.2.5 Andere Positionierungsverfahren Für die Positionsbestimmung in Gebäuden wurden noch andere Methoden entwickelt, wobei einige dieser Verfahren Transponder oder Sender nutzen, die im Gebäude installiert sind oder vom Nutzer getragen werden. Das sog. Active Badge System verwendet Infrarotsender (die sog. Active Badges), die jeweils von einer Person getragen werden und in regelmäßigen Zeitabständen einen eindeutigen Infrarotimpuls aussenden, der von Infrarotsensoren, die im Gebäude installiert sind, empfangen wird. Somit kann festgestellt werden, in welchem Raum eines Gebäudes sich der Nutzer gerade aufhält. Eine Umkehrung des Konzepts ist auch möglich, wobei nun die Infrarotsender im Gebäude installiert werden und der Nutzer einen Infrarotsensor trägt. Die Bestimmung der Position des Nutzers muss dann von einem mobile Computer übernommen werden. Anstelle von Infrarot kann auch Ultraschall für die Positionierung eingesetzt werden. Beim sog. Active Bat System trägt der Nutzer einen Ultraschallsender (sog. Bat), der auf Anforderung einen kurzen Ultraschallimpuls aussendet. Dieser wird von Empfängern, die im Gebäude in einem regelmäßigen Raster im Plafond installiert sind, empfangen und es wird die Laufzeit des Impulses bestimmt. In einem Server wird dann die momentane Position des Nutzers berechnet (Roth 2004). Eine weitere Möglichkeit sind visuelle oder optische Trackingverfahren, bei denen spezielle Zielmarken im Gebäude angebracht werden, die zur Navigation und Positionsbestimmung des Nutzers eingesetzt werden (Newman et al. 2004). Neben High Sensitive GPS [18.2.1.2] können auch für hochgenaue Positionierung in Gebäuden sog. Pseudolites (kurz für Pseudo-Satellites) eingesetzt werden, die GPS Signale aussenden. Von der australischen Firma Locata wurde eine Positionierungssystem entwickelt, das sowohl in als auch außerhalb von Gebäuden

550

18 Navigation mit Satellitenverfahren, Location Based Services

eingesetzt werden kann. In diesem Fall werden sog. Locatalites installiert, die GPS ähnliche Signale im ISM Frequenzband (2,4 GHz) aussenden. Der Nutzer hat einen Empfänger und die Positionierung erfolgt wie bei RTK GPS mit OTF Ambiguity Resolution. Mit diesem System können Genauigkeiten im cm-Bereich erzielt werden. Der wesentliche Vorteil liegt darin, dass das System im Gegensatz zu GPS nicht von Multipath in Innenräumen beeinträchtigt wird (Barnes et al. 2003). Für eine dreidimensionale Positionierung in einem mehrstöckigen Gebäude ist auch die Angabe des korrekten Stockwerks von großer Bedeutung. Eine entscheidende Verbesserung liefert hier der Einsatz eines Barometers zur Höhenbestimmung (Retscher 2004).

18.2.3 Anwendung der Positionierungsverfahren in LBS und persönlicher Navigation Tab. 18.2 enthält eine Zusammenstellung der Einsatzmöglichkeiten der Positionierungsverfahren in ausgewählten Systemen. Dabei wurde eine Gliederung in drei Teilbereiche vorgenommen, nämlich in Anwendungen mit Mobiltelefonen, ortsbezogene Dienste und Navigationssysteme für Fußgänger (wobei einige Systeme speziell für die Führung von sehbehinderten Personen entwickelt wurden). Aus Tab. 18.2 ist ersichtlich, dass Systeme, die eine Navigation ermöglichen, hauptsächlich auf ein GNSS vertrauen. Die Systeme, die nur eine grobe Positionierung zum Ziel haben, verwenden die Ortung mittels Mobiltelefonen. Ausnahme ist der mobile Stadtführer Lol@, der zwar eine grobe Positionierung mit dem Mobiltelefon herstellt, aber zusätzlich noch eine manuelle Verfeinerung (z. B. durch manuelle Eingabe der Adresse des Standortes) verlangt. Eine on-line“-Navigation ist zwar nicht möglich, aber doch ” eine Führung mittels einer Karte, die sich stetig der aktuellen Position anpasst. Das Mobiltelefon wird in vielen Fällen zur Datenübertragung benötigt, um vor allem in LBS entsprechende ortsbezogene Informationen aus einer Datenbank zur Verfügung stellen zu können. Neben dem Mobiltelefon und einem GNSS sind mit Ausnahme im System Drishti und NAVIO nur wenige weitere Sensoren in den einzelnen Systemen integriert, die einen Ausfall dieser Sensoren überbrücken könnten. Die Koppelnavigation im System Drishti erfolgt allerdings nur mit einer vorweg angenommenen Durchschnittsgeschwindigkeit und einem Kompass. Der Kompass wiederum dient hauptsächlich der Orientierung und wird in den seltensten Fällen für eine verfeinerte Positionsbestimmung eingesetzt. Im Fußgängernavigationssystem NAVIO erfolgt die Bestimmung des zurückgelegten Weges über Ableitung der Schritte aus Messungen mit Beschleunigungssensoren und die Bestimmung der Orientierung aus einer kombinierten Richtungsmessung mit Hilfe eines digitalen Kompasses und eines Kreisels.

551

18.2 Location Based Services und persönliche Navigation

Tabelle 18.2. Vergleich von verschiedenen Systemen zur Positionierung und Navigation von Fußgängern und in LBS

Navigationssysteme für Fußgänger

a

a a

Friend Finding

a

a

a

A1-Mobilguide

a

a

a

a

a

a

a

a

Lol@

a

a

a

VISPA

a

a

a

a

a

MoBIC

a

a

a

a

a

Drishti

a

a

a

MERL

a

a

a

a

NAVIO

a

a

a

a

a

Kompass für Koppelnavigation Kartenvergleichstechnik Beschleunigungssensoren

a

a

3 Geo

Koppelnavigation

Indoor Positionierung Mobiltelefon für Positionierung

GNSS

GIS/Datenbank

Sensoren zur Positionsbestimmung

a

Notrufgespräch Anwendung Pannennotruf mit dem Mobiltelefon Überwachung

Location Based Service

Mobiltelefon für Datenübertragung Kompass für Orientierung

Anwendung / System

Navigation

Allgemeine Kriterien

a

a

a

a

a a

a

a

a

a

a

Erklärung zur Tab. 18.2: Vergleich von verschiedenen Systemen zur Positionierung und Navigation von Fußgängern und in LBS mit – A1-Mobilguide: LBS des Mobilfunkbetreibers A1 in Österreich – 3 Geo: LBS des Mobilfunkbetreibers Drei in Österreich – Lol@ (Local Location Assistant): Mobiler Stadtführer für die Innenstadt von Wien (Lechthaler und Uhlriz 2002) – VISPA (Virtual Sports Assistant): Location Based Service für Bergsteiger und Wanderer (Reinhardt et al. 2002) – MoBIC (Mobility of Blind and Elderly People Interacting with Computers): Navigationssystem für sehbehinderte Personen der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg – Drishti: Navigationssystem für sehbehinderte Personen der Universität Florida (Helal et al. 2001)

552

18 Navigation mit Satellitenverfahren, Location Based Services

– MERL (Mitsubishi Electric Research Laboratories): Navigationssystem für sehbehinderte Personen, Cambridge U.S.A. – NAVIO (Fußgängernavigation in Gebäuden und im städtischen Umfeld): Navigationssystem der Technischen Universität Wien (Gartner et al. 2004)

19 Ingenieurgeodäsie

19.1 Aufgaben und Besonderheiten der Ingenieurgeodäsie Unter der Bezeichnung Ingenieurgeodäsie werden die Vermessungsarbeiten verstanden, die der Geodät bei der technischen Planung, der Verwirklichung von geplanten Objekten und der Überwachung dieser Objekte oft recht großen Umfangs als Mitarbeiter und in unmittelbarem Kontakt mit Ingenieuren anderer Disziplinen durchzuführen hat. Diese Arbeiten verlangen nicht nur fundierte Kenntnisse und Erfahrungen in allen Zweigen der praktischen und der theoretischen Geodäsie, sondern auch hinreichende Einblicke in die bau- und maschinentechnischen Verfahren und nicht zuletzt die Beherrschung der physikalischen Grundlagen. Das Arbeitsgebiet des Ingenieurgeodäten ist in jüngster Zeit sehr erheblich gewachsen. Neben der von jeher notwendigen Mitarbeit beim Eisenbahn-, Straßen- und Wasserbau verlangt man heute seine Mitwirkung beim Anlegen von Energieversorgungsleitungen, bei der Neuanlage von Fabrikhallen, beim Aufstellen und Einrichten von Maschinen, bei der Montage von Großbauten aus vorgefertigten Teilen, beim Bau von Funktürmen, bei der Ausrichtung von Antennen und dergl. mehr. Sehr hohe Anforderungen an den Geodäten stellt z. B. die Absteckung von Teilchenbeschleunigern, wo Genauigkeiten in Lage und Höhe von ±0,1 mm über Entfernungen bis zu 1 km verlangt werden. Bei jedem Objekt erwachsen dem Geodäten drei unterschiedliche Aufgabenkomplexe: 1. Die Aufnahme und Darstellung des örtlichen Bestandes als Unterlage für die Voruntersuchungen und die Aufstellung eines baureifen Entwurfs; 2. die geometrische Übertragung (Absteckung) des ausgearbeiteten Entwurfs in die Örtlichkeit sowie von Fall zu Fall die messtechnische Kontrolle (z. B. der Form, der Achsen, . . . ) fertiggestellter Objekte; 3. die Überwachung des Objektes und seiner durch den Bau in Mitleidenschaft gezogenen Umgebung auf horizontale und vertikale Bodenbewegungen während des Baus und nach seiner Vollendung. Allgemein erwartet die Bauleitung vom Vermessungsingenieur zahlenmäßig belegte Angaben, die für ihre weiteren Überlegungen unbedenklich verwertet werden können. Der Vermessungsingenieur muss mit seinen Messungen aber auch den Fort-

554

19 Ingenieurgeodäsie

schritten der Bautechnik Rechnung tragen und sich seinerseits dem durch den Einsatz von Baumaschinen zunehmenden Tempo des Baufortschritts anpassen. Endlich muss er in Sonderfällen, wie z. B. bei Brückenbauten, im Freivorbau oder im Taktschiebeverfahren über die hierbei erforderliche ungemein präzise Messtechnik verfügen. Diese zusätzlichen Anforderungen zwingen den Geodäten ein breites Spektrum von Messverfahren einzusetzen: photogrammetrische Verfahren, elektronische Distanzmesser, Registriertheodolite, Richtlaser und komplexe rechnergestützte Vermessungssysteme mit unterschiedlichen Gruppen von Messwertgebern. Der Geodät muss die Messverfahren zur Anwendung bringen, die wirtschaftlich optimal sind. Er soll gleichzeitig mit Hilfe der Fehlertheorie und der mathematischen Statistik zu ermitteln suchen, welche größere oder geringere Messgenauigkeit dem betreffenden Bauabschnitt angemessen ist. Dazu muss er auch die zulässigen Bautoleranzen kennen, und darüber kann er sich meistens erst in der Diskussion mit den Ingenieuren der anderen Fachrichtungen Klarheit verschaffen und so die Kraft zum Durchsetzen dessen gewinnen, was er methodisch für notwendig hält. Für die an Umfang ständig zunehmenden Aufgaben der Ingenieurgeodäsie können an dieser Stelle lediglich Beispiele gebracht werden. Im einzelnen behandeln [19.2] ingenieurgeodätische Arbeiten bei Verkehrsanlagen, [19.3] die Erdmassenberechnung, [19.4] die durch Positionierungs- und Navigationsverfahren unterstützte Realisierung von Ingenieurbauten und [19.5] die Überwachung von Bauwerken.

19.2 19.2.1

Ingenieurgeodätische Arbeiten bei Verkehrsanlagen Herstellen der Entwurfsunterlagen

Die Entscheidung, dass eine Straße, eine Autobahn oder eine Eisenbahn gebaut werden soll, wird in der Regel auf politischer Ebene getroffen. Dem Projektingenieur obliegt es dann, anhand von Karten der Maßstäbe 1 : 2 000 bis 1 : 5 000 in einer Voruntersuchung einen sogenannten Interessenstreifen, der eine Breite von 200 bis etwa 1000 m aufweisen kann, festzulegen. Er hat ferner verschiedene Möglichkeiten der Linienführung nach technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu vergleichen und aus den verschiedenen alternierenden Lösungen einige günstige Varianten auszusuchen. Dabei wird er diejenigen Linien wählen, bei denen u. a. möglichst wenig Erdmassen zu bewegen sind, die Anzahl der Kunstbauten niedrig bleibt, die Verkehrsabwicklung möglichst wirtschaftlich erfolgen kann, die fahrdynamischen Gesichtspunkte optimal berücksichtigt werden und die Interessen des Umweltschutzes gewahrt bleiben. Für die zweite Phase, den Vorentwurf, wird insbesondere bei größeren Projekten im Bereich des Interessenstreifens ein digitales Geländemodell entwickelt [17]. Hierfür können die bereits bei zurückliegenden topographischen Vermessungen gewonnenen Daten verwendet werden. Teilweise ist es jedoch erforderlich, das Gebiet

19.2 Ingenieurgeodätische Arbeiten bei Verkehrsanlagen

555

topographisch neu zu vermessen. Es soll dabei mit einer Genauigkeit gearbeitet werden, die in der Regel für die Herstellung von Karten in den Maßstäben 1 : 2000 und 1 : 5000 gefordert wird. Mit Hilfe des digitalen Geländemodells, Festlegungen von Mindestanforderungen für eine geeignete Fahrdynamik (Kurvenmindestradien, Mindestparameter von Klothoiden) und der Angabe von weiteren Optimierungskriterien kann nun unter den verschiedenen Varianten, die in der Voruntersuchung gefunden wurden, computergestützt die geeignetste Trasse ausgewählt werden. Diese übernimmt man als endgültige Trasse in den baureifen Entwurf, wobei die Trassenelemente – Geraden, Kreise und Klothoiden – zunächst nur mit graphischer Genauigkeit vorliegen. Bei kleineren Projekten genügt es auch gelegentlich, wenn als Planungsunterlagen nur Karten in den Maßstäben 1 : 2000 bis 1 : 5000 zur Verfügung stehen. Die Trasse wird dann zunächst von Hand mit Biegestäben unter Berücksichtigung der Trassierungsgrundsätze als Freihandlinie in den Plan eingetragen. Mit Linealen, Kreisund Klothoidenschablonen kann man anschließend mit graphischer Genauigkeit die Trassierungselemente an die Freihandlinie anpassen, womit die Parameter näherungsweise festliegen. In einer dritten Phase muss noch in einem Einrechnungsprogramm die Trasse in dem bestehenden Festpunktfeld berechnet werden. Man benötigt hierfür neben den Parametern der einzelnen Trassenelemente Koordinaten des Anfangs- und Endpunktes, die zugehörigen Anschlusstangenten und gegebenenfalls Koordinaten von Zwangspunkten. Die Koordinaten des Anfangs- und Endpunktes und die Anschlusstangenten der Trasse werden im allgemeinen mit klassischen Vermessungsverfahren eingemessen. Die Koordinaten von Zwangspunkten kann man auch aus amtlichen Kartenwerken entnehmen. Die Einrechnung der Linie ist beendet, wenn die Linienelemente durch Längen, Radien und weitere Parameter eindeutig bestimmt, die Übergangspunkte von Element zu Element nach Koordinaten berechnet und die gemeinsamen Tangenten der Nachbarelemente in diesen Punkten festgelegt sind. Für die Absteckung müssen außerdem längs der Trasse Kleinpunkte (Zwischenpunkte) berechnet werden. Hierfür unterteilt man sie abschnittsweise in gleichabständige Bogenpunkte. Der Abstand sollte so gewählt werden, dass während der Bauphase das Bauwerk geometrisch ausreichend genau hergestellt werden kann. Für Linienabschnitte mit kleineren Krümmungsradien wird man daher kleinere Bogenabstände wählen. Voraussetzung für diese Art der Entwurfsbearbeitung ist die sorgfältige Verdichtung des vorhandenen Netzes der Lagefestpunkte, wobei insbesondere in der Nähe des Bauwerks eine hohe Nachbargenauigkeit anzustreben ist. Ob das Netz durch Positionierung mit Satelliten, trigonometrisch (durch Triangulation und Trilateration) oder mit Hilfe von Feinpolygonzügen verdichtet wird, hängt von den äußeren Umständen ab. Alle Festpunkte sind sorgfältig zu vermarken, und da im Laufe des

556

19 Ingenieurgeodäsie

Baugeschehens erfahrungsgemäß zahlreiche Festpunkte verloren gehen, sind sie in der näheren Umgebung durch kurze lineare Messungen zu sichern und außerhalb der Bauzone durch Marken an festen Bauwerken oder in gewachsenem Fels indirekt festzulegen. In ähnlicher Weise muss auch ein Netz von Höhenfestpunkten bestimmt werden. Auch dieses wird zweckmäßig an das landeseigene Netz der Nivellementsfestpunkte angeschlossen. Gewöhnlich legt man dazu längs der zu bauenden Straße in Abständen von 1 bis 2 km Höhenfestpunktgruppen an und versichert diese ähnlich wie die Lagefestpunkte in der näheren und weiteren Umgebung. Das Niveau des Landesnivellements sollte bereits der Projektierungsphase zugrunde gelegt werden, damit für die Projektaufnahme und die Absteckung der gleiche Horizont benutzt werden kann. In der Regel überträgt man die Höhen auch auf die Festpunkte, die der Lageabsteckung dienen.

19.2.2

Berechnung und Absteckung von Geraden

(1) Durchfluchten einer Geraden Wie Abb. 19.1 zeigt, zentriert man den Theodoliten über einem Endpunkt, zielt bei streng lotrechter Stehachse den anderen Endpunkt an und weist die Zwischenpunkte ein. Liegen die einzuweisenden Punkte in verschiedenen Höhen, so dass das Fernrohr gekippt werden muss, wiederholt man das Einweisen in der zweiten Fernrohrlage und hält das Mittel aus beiden Lagen an.

E 2 A

1

3

Abbildung 19.1. Durchfluchten einer Geraden

(2) Verlängerung einer Geraden Wie in Abb. 19.2 wiedergegeben, stellt man den Theodolit in B auf, zielt A an, schlägt durch und erhält P  ; darauf führt man das Fernrohr zurück auf A, schlägt abermals durch und erhält P  . Dann ist der Punkt P in der Mitte der Strecke P  P  ein Punkt der Geraden AB.

557

19.2 Ingenieurgeodätische Arbeiten bei Verkehrsanlagen A

P P P 

B

Abbildung 19.2. Verlängerung einer Geraden

(3) Einschalten eines Zwischenpunktes bei unzugänglichen Endpunkten Zum Einschalten eines Zwischenpunktes in eine Gerade AB, deren Endpunkte unzugänglich sind (Abb. 19.3), fluchtet man sich zunächst genähert ein und erhält dabei P  P a

ϕ  ϕ

h

A

b

P

B

Abbildung 19.3. Einschalten eines Zwischenpunktes

den Punkt P  . Dann misst man mit dem Theodolit auf P  den Winkel AP  B, bildet AP  B − 200 gon = ϕ  und beschafft sich durch Abgreifen aus einem Plan oder durch Abschreiten Näherungswerte von a und b. Um den Abstand h des Punktes P  von der Geraden zu berechnen, setzt man die doppelte Fläche des Dreiecks AP  B zweimal an, nämlich 2 F = AB · h ≈ (a + b)h, π = abϕ  (rad). 2 F = ab sin ϕ  ≈ abϕ  200 Dann folgt aus dem Vergleich der rechten Seiten h=

ab · ϕ  (rad). a+b

(19.1)

h setzt man in Richtung auf die Gerade zu ab und misst zur Probe den Winkel auf dem abgesetzten Punkt. Ergibt er sich nicht genau genug zu 200 gon, so ist das Verfahren zu wiederholen. Falls a und b unbekannt sind, misst man auf einem zweiten Näherungspunkt P  den Winkel ϕ  und bestimmt P P  aus dem Ansatz P P  : P  P  = ϕ  : (ϕ  − ϕ  ).

(19.2)

(4) Das Abstecken einer Geraden von einem Polygonzug Eine Messanordnung wie in der Abb. 19.4 wird notwendig, wenn Geländehindernisse das Einschalten von Zwischenpunkten nach (1) oder (3) unmöglich machen. Man

558

19 Ingenieurgeodäsie

verbindet dazu die Endpunkte der durchzufluchtenden Strecke durch den Polygonzug ABCDE und bezieht die Koordinaten der Brechpunkte auf die Verlängerung der ersten Seite als Abszissenachse. Dann berechnet man, wenn unter den ti,k geo1 , 2 und  3 dätische Richtungswinkel verstanden werden, die in B, C und D nach  abzusetzende Stücke folgendermaßen:  CB 1 = tB,1 − tB,C ;  DC 2 = tC,2 − tC,D ; 3 = tD,3 − tD,E ;  ED

yE xB − yB ; xE yE C 2 = xC − yC ; xE yE D 3 = xD − yD . xE B 1 =

Hierbei sind im Falle der Abb. 19.4 tB,1 und tC,2 = 100 gon; dagegen ist tB,3 , da D 3 aus der Rechnung als negativ hervorgeht, gleich 300 gon. Zur Kontrolle sind die Winkel auf den eingefluchteten Punkten zu beobachten, oder die Punkte sind von einem anderen Zug aus aufzumessen. +x

s1 A

A

ϕ

C 1

P v

yE

B 2

3

E

D Abbildung 19.4. Abstecken einer Geraden von einem Polygonzug



P

ϕ B Abbildung 19.5.Absetzen eines Winkels

(5) Absetzen eines Winkels von beliebiger Größe Gegeben sind zwei Punkte A und B (Abb. 19.5). Ein Punkt P soll so abgesteckt werden, dass  ABP gleich einem gegebenen Winkel ϕ ist. Man stellt dazu den Theodolit in B auf und bestimmt durch Absetzen in einer Fernrohrlage zunächst einen Näherungspunkt P  . Dann misst man den Winkel ABP  = ϕ  mit der für die Absteckung erforderlichen Genauigkeit in beiden Fernrohrlagen und erhält, wenn ϕ − ϕ  = ϕ und BP = s ist, die Strecke ν, um die P  zu verschieben ist, gemäß π = sϕ (rad). [1.5.3.3] aus ν = sϕ 200

559

19.2 Ingenieurgeodätische Arbeiten bei Verkehrsanlagen

19.2.3 Berechnung und Absteckung von Kreisbögen Kreise werden nur in einzelnen Punkten abgesteckt. Dabei bestimmt man nach Formeln, die von Fall zu Fall verschieden sind, wenige Hauptpunkte und schaltet zwischen diesen Zwischen- oder Kleinpunkte nach einfacheren Verfahren ein.

19.2.3.1 Berechnung und Absteckung der Hauptpunkte Als Hauptpunkte gelten gewöhnlich der Bogenanfangspunkt A, sein Scheitelpunkt S und sein Endpunkt E, bei längeren Bögen auch die Halbierungspunkte B und D (Abb. 19.6). Es bestehen folgende Beziehungen: T 2τ t F M

S

γ p

B

N D

H

A γ /2 γ r

E

2γ C

Abbildung 19.6. Symmetrische Hauptpunkte eines Kreisbogens

γ = 100 gon − τ,

(19.3)

T A = T E = t = r tan γ ,

(19.4)

T S = r tan γ tan γ /2,

(19.5)

AM = MS = SN = NE = r tan γ /2,

(19.6)

AF = 1/2 AE = r sin γ ,

(19.7)

F S = H S = p = r(1 − cos γ ),

(19.8)

MB = N D = r tan γ /2 tan γ /4.

(19.9)

560

19 Ingenieurgeodäsie

Rechenproben T S = T A tan γ /2,

(19.10)

t = (T S + r) sin γ ,

(19.11)

r = F S + r cos γ .

(19.12)

Das Absteckungsverfahren richtet sich nach den gegebenen Stücken: a) Sind die Richtungen der beiden Tangenten und der Radius r gegeben, so misst man in T den Winkel 2τ , berechnet γ sowie die Strecken T A = T E und trägt sie auf der Tangente ab. Um S festzulegen, rechnet man entweder T S und setzt T S auf der Halbierungslinie des Winkels 2τ von T aus ab, oder man rechnet AF und F S und steckt sie auf bzw. von der Tangente aus ab, oder man bestimmt M und N nach (19.6) und S als Mitte von MN. Dabei kann immer ein Verfahren zur Verprobung des anderen dienen. B und D findet man, indem man MB bzw. ND auf den Halbierungslinien der Winkel bei M und N abträgt. b) Ist nicht r, sondern die Länge t der beiden Tangenten T A und T E gegeben, so hat man r nach (19.4) zu berechnen. Alles andere bleibt wie unter a). c) Ist T unzugänglich (Abb. 19.7), so fluchtet man eine Hilfsgerade P Q durch, misst b, ϕ und ψ und berechnet 2τ , T P und T Q durch Auflösung des Dreiecks T P Q. Sind auch b, ϕ und ψ nicht mehr messbar, so müssen P und Q durch einen Polygonzug oder durch eine Dreieckskonstruktion miteinander verbunden werden. T 2τ P ϕ

b ψ

A

Q

E

Abbildung 19.7. Absteckung der Hauptpunkte bei nicht zugänglichem Tangentenschnittpunkt

d) Steht zur Messung von 2τ kein Theodolit zur Verfügung (Abb. 19.8), so trägt man von T aus auf den Tangenten gleich große Abschnitte a ab, misst die Strecke c zwischen den Endpunkten der a und berechnet γ aus sin γ = c/2a.

561

19.2 Ingenieurgeodätische Arbeiten bei Verkehrsanlagen

e) Soll ein Kreisbogen durch einen vorgegebenen Zwangspunkt K gehen (Abb. 19.9), so hat man 2τ , p und q zu messen und T A, T E, r und γ zu berechnen. Dazu geht man aus von den an der Figur abzulesenden Gleichungen x 2 = r 2 − (r − q)2

und

(x + p) = r cot τ.

Setzt man z = q tan τ , so findet man x =z±

 z2 + 2pz − q 2 ,

T A = T E = x + p; Rechenprobe:

x2

+ q2

(19.13)

r = T A tan τ.

(19.14)

= 2rq.

Das positive Vorzeichen in (19.13) liefert den Kreis mit dem größeren Halbmesser. 19.2.3.2 Gemeinsame Berechnung und Absteckung von Haupt- und Zwischenpunkten (1) Mit Hilfe eines Sehnenpolygons

T a 2τ

T



c

p



a q K

x

E 2γ

A r

Abbildung 19.8. Indirekte Bestimmung von τ in einem Hilfsdreieck

Abbildung 19.9. Bestimmung der Hauptpunkte bei vorgegebenem Zwangspunkt K

Dieses Verfahren empfiehlt sich, wenn ein Kreisbogen in einem Einschnitt, in einem Tunnel oder im Walde abzustecken ist (Abb. 19.10). Zuerst werden τ , A und E nach [19.2.3.1] festgelegt. Wenn dann d die durchschnittliche Breite des Einschnitts ist, so ermittelt man aus der Formel s 2 ≈ 4rd die längstmögliche Sehne s und berechnet überschlägig den der gewählten Sehnenlänge entsprechenden Zentriwinkel

562

19 Ingenieurgeodäsie T 200g + 1/2(ζ + ζ  ) b ζ /2

s

1

s

2

A d

s 

r ζ

ζ

ζ 

3

C Abbildung 19.10. Absteckung mit einem Sehnenpolygon

ζ =

s r

·

200 π .

Für die Weiterarbeit bestehen verschiedene Möglichkeiten:

a) Sollen die abzusteckenden Punkte  1 , 2, 3 , . . . um gleiche Bogenlängen b voneinander abstehen, was im Hinblick auf die Stationierung vorteilhaft ist, so wählt man ein rundes b, das dem oben gefundenen ζ nahezu entspricht, und berechnet strenge Werte von ζ und s aus ζ = br · 200 π und s = 2r sin ζ /2. Dann setzt man von A aus mit der Tangente als Abszissenachse unter Beachtung von [19.2.2 (4)] einen Polygonzug mit lauter Seiten von der Länge s ab, dessen erster Richtungswinkel 1 = ζ /2 ist, während alle Brechungswinkel (200 gon +ζ ) betragen. T A b) Lässt die Örtlichkeit nur Schritte von unterschiedlicher Länge zu, geht man von den jeweils durchzubringenden Sehnen s, s  , s  , . . . aus und berechnet wie oben die zugehörigen ζ, ζ  , ζ  , . . . Die Brechungswinkel sind dann 200 gon +1/2(ζ + ζ  ), 200 gon +1/2(ζ  + ζ  ) usw. c) Zu noch schärferen Ergebnissen als in a) und b) kommt man, wenn man in die Nachbarschaft des – etwa durch eine Vorabsteckung genähert ermittelten – Bogenverlaufs einen Polygonzug legt, den man mit Zwangszentrierung [7.8] misst und auf mm durchrechnet. Man berechnet dann aus Koordinaten die Entfernungen e der Polygonpunkte vom Kreismittelpunkt, vergleicht sie mit dem Radius r und setzt die Differenzen (e − r) in der Richtung der Radien ab. Bei Tunnelabsteckungen macht man zweckmäßig zunächst eine Vorabsteckung nach a) oder b) und überprüft das Absteckungsergebnis mit dem Verfahren c).

(2) Mit rechtwinkligen Koordinaten von der Tangente Man benutzt einen der nach [19.2.3.1] abgesetzten Hauptpunkte als Anfangspunkt und die Tangente als Abszissenachse. Zweckmäßig nimmt man entweder runde Abszissen oder runde Bogenlängen.

563

19.2 Ingenieurgeodätische Arbeiten bei Verkehrsanlagen

Runde Abszissen (Abb. 19.11) wählt man je nach dem Zweck der Absteckung, z. B. von 10 m zu 10 m, und berechnet die zugehörigen Ordinaten aus:   yi = r − r 2 − xi2 = r − (r + xi )(r − xi ) (19.15) -

oder yi = xi

.  x 3 xi i + ··· + 2r 2r

(19.16)

oder, was aus (19.15) auch unmittelbar folgt, yi =

xi2 y2 + i + ··· . 2r 2r

(19.17)

In der Regel verwendet man bei der Stationierung runde Bogenlängen b (Abb. 19.12). Liegt der Anfangspunkt der Stationierung im Ursprung des Koordinatensystems, so lauten die Gleichungen für die Abszissen und Ordinaten: b (200/π ); r β2 = 2β1 ; β3 = 3β1 ; .. . β1 =

x1 = r sin β1 ;

y1 = r(1 − cos β1 );

x2 = r sin β2 ; x3 = r sin β3 ; .. .

y2 = r(1 − cos β2 ); y3 = r(1 − cos β3 ). .. .

(19.18)

Die Absteckung führt man bei größeren Bögen von zwei Seiten aus durch, damit die Ordinaten nicht zu lang werden. x

x xi

r

b

r

A

yi

xi

yi

C

β2 y

Abbildung 19.11. Bogenabsteckung nach runden Abszissen

y β1 Abbildung 19.12. Bogenabsteckung nach gleichen Bogenlängen

Normalerweise liegt der Anfangspunkt der Stationierung nicht im Ursprung des Koordinatensystems (Abb. 19.13). Bei Absteckungsarbeiten hat man dann unrunde Bogenlängen. Der Stationierungswert des Bogenanfangspunktes ist dann durch die

564

19 Ingenieurgeodäsie

x3 x2 x1

y1

y3 y2 b

b

5 + 20,00 5 + 00,00 A b1 4 + 80,00 4 + 63,73 4 + 60,00

β3

5 + 40,00 5 + 60,00

bn

5 + 80,00 6 + 84,20

E

6 + 00,00

β2 β1 Abbildung 19.13. Bogenabsteckung bei ungleichen Bogenlängen

Länge des vorangehenden Trassierungselementes bestimmt. Den Wert für die Bogenmitte erhält man, indem man zum Stationierungswert des Bogenanfangspunktes die halbe Bogenlänge addiert. Die Stationierung des Bogenendpunktes ergibt sich, indem man zum Wert des Bogenanfangspunktes die gesamte Bogenlänge addiert. Als weitere Kreisbogenzwischenpunkte sollen nun die in den Bogen fallenden volle Meter (z. B. 20 m) auseinanderliegenden Stationierungspunkte abgesteckt werden. Aus der Abb. 19.13 ergibt sich: b1 200 y1 = r(1 − cos β1 ); · ; x1 = r sin β1 ; r π b1 + b 200 · ; x2 = r sin β2 ; β2 = y2 = r(1 − cos β2 ); r π b1 + 2b 200 y3 = r(1 − cos β3 ); · ; x3 = r sin β3 ; β3 = r π .. .. .. . . . (19.19) b1 + (n − 2)b 200 βn−1 = · ; xn−1 = r sin βn−1 ; yn−1 = r(1 − cos βn−1 ); r π b1 + (n − 2)b + bn 200 · ; xn = r sin βn ; βn = yn = r(1 − cos βn ). r π Bogenmitte: B 200 yM = r(1 − cos βM ). · ; xM = r sin βM ; βM = 2r π Bogenende: B 200 yE = r(1 − cos βE ). ; xE = r sin βE ; βE = · r π β1 =

565

19.2 Ingenieurgeodätische Arbeiten bei Verkehrsanlagen

(3) Mit rechtwinkligen Koordinaten von der Sehne Müssen die Zwischenpunkte von der Kreissehne a abgesetzt werden, so bezieht man ihre Koordinaten zunächst nach (2) auf eine der Sehne parallelen Tangente (Abb. 19.14). Beim Übergang auf die Sehne werden die Abszissenunterschiede unverändert beibehalten, während die von der Sehne a abzusetzenden Ordinaten die Ergänzungen der Tangentenordinaten zu der Pfeilhöhe h=r−



r 2 − a 2 /4

(19.20)

sind. y a/2 h

h x r C

Abbildung 19.14. Rechtwinklige Absteckung von der Sehne

(4) Mit Peripheriewinkeln und Sehnen vom Anfangspunkt des Kreisbogens aus Seit elektronische Tachymeter zur Verfügung stehen, haben polare Absteckverfahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Ein sehr einfaches Verfahren lässt sich in bezug auf denAnfangspunkt eines Kreisbogens und die zugehörige Tangente ableiten, wenn folgende geometrische Beziehung zugrunde gelegt wird: Der Winkel zwischen der Tangente und der Sehne ist gleich dem Umfangswinkel (Peripheriewinkel) über der betreffenden Sehne und gleich dem halben zugehörigen Zentriwinkel (Abb. 19.15). Nach Abb. 19.15 und 19.16 gilt: ω=

b 200 γ = · n 2r π

und

s = 2r sin ω,

(19.21)

wobei n die Anzahl der gleichen Bogenlängen in der Stationierung bezeichnet. Bei gleichen Bogenlängen berechnet man die polaren Absteckelemente für den gesamten

566

19 Ingenieurgeodäsie

s

ω r



ω

Abbildung 19.15. Peripheriewinkel und Zentriwinkel

Bogen in bezug auf die Tangente nach: für P1 :

ω=

P2 : P3 : .. .

2ω; 3ω;

b 200 · ; 2r π

s2 = 2r sin 2ω; s3 = 2r sin 3ω; .. .

.. .

2γ P1 b

s1 = 2r sin ω;

ω

s1

r

P b 2 s2

(19.22)

s1

ω

ω b

s3

P3

b

ω P4

r

2ω 2γ

Abbildung 19.16. Polare Absteckung von A aus mit Sehnentangentenwinkeln und Sehnen

Ist der Bogen nur ein Trassierungselement einer längeren Trasse, so fallen die runden Stationierungswerte normalerweise nicht auf die Hauptpunkte des Kreisbogens. Man erhält dann ungleiche Bogenlängen. Bezieht man die Berechnung der polaren

567

19.2 Ingenieurgeodätische Arbeiten bei Verkehrsanlagen

Absteckelemente auf die Abb. 19.16, so gilt in bezug auf die Tangente für P1 : P2 : P3 : .. .

b1 200 · ; r π b1 + b2 200 ω2 = · ; r π b1 + b2 + b3 200 · ; ω3 = r π .. . ω1 =

s1 = 2r sin ω1 ;

(19.23)

s2 = 2r sin ω2 ;

s2 = 2r sin(ω2 − ω1 );

s3 = 2r sin ω3 ;

s3 = 2r sin(ω3 − ω2 );

.. .

.. .

Das Verfahren lässt sich kontrollieren, wenn man die Sehnen P1 P2 = s1 , P2 P3 = s2 , . . . berechnet und mit entsprechenden im Feld gemessenen Werten vergleicht. (5) Mit gleichen Sehnen und Umfangswinkeln Zu gleichen Sehnen gehören gleiche Umfangswinkel; ferner ist der Sehnentangentenwinkel gleich dem Umfangswinkel über demselben Bogen (Abb. 19.15). Auf diese Sätze gründet sich folgendes Absteckverfahren. Nachdem aus dem durch den T

2

s 3

ωr

s

1

s E

ω sr ω ω

A

Abbildung 19.17. Bogenabsteckung mit Sehnen und Umfangswinkeln

Absteckungszweck oder die Stationierung vorgegebenen Sollabstand b zweier benachbarter Zwischenpunkte der zugehörige Umfangswinkel ω und die Sehne s nach (19.21) errechnet sind, stellt man einen Theodolit im Punkt A des Bogens AE auf und zielt E an (Abb. 19.17). Dann dreht man das Fernrohr um ω auf A zu und schlägt gleichzeitig mit einem Messband, an dem die Strecke s markiert ist, einen Kreisbogen um E. Der Schnittpunkt von Visierlinie und Bogen ist  1 . Jetzt wird das Fernrohr 1 geschlagen, wodurch man  2 erhält, um ω weitergedreht und ein Bogen mit s um  und so fort. Schließlich bleibt ein Restbogen br , mit dem Sehnentangentenwinkel ωr und der Restsehne sr übrig; ωr und sr misst man und berechnet sie zur Probe aus (vgl. Gleichung 19.22): ωr =  T AE − nω;

sr = 2r sin ωr .

568

19 Ingenieurgeodäsie

Für s = 20 m hat ω folgende Größen: r = 100 m ω = 6,3768 gon

200 m 3,1846 gon

500 m 1,2735 gon

1000 m 0,6367 gon

2000 m 0,3182 gon

Man steckt die Zwischenpunkte, um Fehleranhäufungen zu vermeiden, in Richtung auf das Instrument ab. Das Verfahren liefert mit wenig Mess- und Rechenarbeit in kurzer Zeit sichere Bogenpunkte. Man kann die Arbeitsgeschwindigkeit noch steigern, wenn man die neu einzuweisenden Punkte zuvor roh nach der Sekantenmethode [19.2.3.3] einweisen lässt. Das Verfahren empfiehlt sich besonders bei Absteckungen auf Dämmen. Die Messausrüstung kann sehr einfach sein: man benötigt nur einen Theodolit und ein Messband. 19.2.3.3 Überschlag- und Einrückformeln Das Projektieren von Kreisbögen und das Überprüfen abgesteckter Bögen wird sehr erleichtert, wenn man Überschlagsformeln zur Hand hat. Genähertes Absetzen von einer Tangente (Abb. 19.11). Aus dem ersten Glied von (19.17) folgt s2 (19.23) x ≈ s; y ≈ . 2r Genähertes Absetzen von einer Sekante (Abb. 19.18). Bei diesem Verfahren müssen zuvor zwei aufeinanderfolgende Punkte abgesteckt sein. Sek

x 2ω ω s

ant

y

e

x

s ω

s

y

ω Abbildung 19.18

Dann ist nach [19.2.3.2 (4)] und Abb. 19.15 y = s sin 2ω,

sin ω = s/2r,

sin 2ω ≈ s/r,

woraus folgt x ≈ s;

y ≈ s 2 /r.

(19.24)

19.2 Ingenieurgeodätische Arbeiten bei Verkehrsanlagen

569

Pfeilhöhenermittlung (Abb. 19.14). Anwendung der binomischen Reihe auf (19.20) gibt  h = r − r 1 − a 2 /4r 2 ≈ r − r(1 − a 2 /8r 2 + · · · )

oder

a2 . (19.25) 8r Viertelsmethode (Abb. 19.14). Um aus der Pfeilhöhe h eines Bogens die Pfeilhöhe h des Halbbogens abzuleiten, ist in (19.25) a durch a/2 zu ersetzen. Dann wird h≈

h ≈

a2 ≈ 1/4h. 32 r

(19.26)

Einrückformel (Abb. 19.19). Ist z. B. zum Stationieren des Bogens zwischen zwei abgesteckten Bogenpunkten ein Zwischenpunkt einzuschalten, so geht man am besten von der Sehne aus. Meistens ist in den flachen Bögen der Praxis genau genug x ≈ b. Für y erhält man mit (19.23) und (19.25) y = h − y ≈

a2 (a/2 − x)2 x(a − x) − ≈ . 8r 2r 2r

a/2 − x

h

y

b

(19.27)

h

y x

a Abbildung 19.19

19.2.4 Berechnung und Absteckung von Übergangsbögen 19.2.4.1 Fahrdynamische Eigenschaften der Übergangsbögen Auf ein Fahrzeug mit der Masse M [kg], das mit einer Geschwindigkeit v [m/s] eine Trasse mit der Krümmung 1 (19.28) k= R durchfährt, wirken die Schwerkraft S [N] und die Fliehkraft F [N] S =M ·g F =

Mv 2 , R

570

19 Ingenieurgeodäsie

wobei g = 9,81 m/s2 die Erdbeschleunigung und R den Krümmungshalbmesser beschreiben (Abb. 19.20). Die beschriebenen Kräfte setzen sich zu einer Resultierenden

2

F = m vR

α0

M α

Ü α Fr

B D

S = Mg

Fs Abbildung 19.20. Schwerkraft, Fliehkraft, Druckkraft und freie Seitenkraft eines bewegten Fahrzeugs

Fr unter der Neigung

F v2 = (19.29) S R·g zusammen, in die sich ein Zweiradfahrer gefühlsmäßig hineinlegt. Fahrzeuge mit zweirädrigen Achsen können diese schiefe Lage nicht einnehmen, was bedeutet, dass die Fliehkräfte durch Reifenreibung (z. B. beim Auto) oder durch Gegendruckkräfte am Spurkranz (z. B. bei der Eisenbahn) kompensiert werden müssen. Die Kurven werden daher geneigt angelegt, wobei sich die Fliehkraft voll kompensieren lässt, wenn die Fahrbahn rechtwinklig zur Resultierenden Fr unter dem Neigungswinkel α0 hergestellt würde. Dies lässt sich jedoch nicht verwirklichen, da die Fahrzeuge die Kurven mit verschiedenen Geschwindigkeiten durchfahren und beim Stillstand kein Kippen oder Abgleiten vorkommen soll. In den Trassierungsrichtlinien findet man daher sogenannte Regelquerneigungen bzw. bei konstanter Fahrbahnbreite B Regelüberhöhungen tan α0 =

tan α = f tan α0 = f

v2 R·g

(19.30)

571

19.2 Ingenieurgeodätische Arbeiten bei Verkehrsanlagen

bzw.

v2 U¨ = B · tan α = B · f · R·g

(19.31)

(mit f = 0,25, . . . , 1,0) und maximal zulässige Querneigungen bzw. Überhöhungen. Berücksichtigt man nur die Regelquerneigungen bzw. Regelüberhöhungen, so werden die auf das Fahrzeug wirkenden Fliehkräfte nicht voll kompensiert. Bei der Zerlegung der Resultierenden Fr erhält man die senkrecht zur Fahrbahn stehende Druckkraft D und die parallel zur Fahrbahn wirkende freie Seitenkraft   2 v FS = (F − S tan α) cos α = M − g tan α cos α. (19.32a) R Aufgrund der freien Seitenkraft entsteht die freie Seitenbeschleunigung  2  v bs = − g tan α cos α. R

(19.32b)

Da die Seitenbeschleunigung nicht vollständig kompensiert werden kann, so sollten doch wenigstens sprungartige Veränderungen durch die Wahl der Kurvengeometrie vermieden werden. Ein Kriterium hierfür ist die Änderung der freien Seitenbeschleunigung, der Seitenruck dbs rs = . (19.33) dt 19.2.4.2 Krümmung und Länge der Übergangsbögen Eine Trasse, die aus Geraden und Kreisbögen zusammengesetzt ist, verläuft äußerlich glatt. Beim Übergang von einer Geraden in einen Kreisbogen oder von einem 9% ÜA 9%

0%

Ü2

Kreisbogen

Übergangsbogen

ÜE Ü1

Kreisbogen

Abbildung 19.21. Trassenführung mit Übergangsbögen und Überhöhung

Kreisbogen in einen Kreisbogen mit anderem Radius ändern sich jedoch die Krümmung und die Zentrifugalbeschleunigung sprunghaft. Um den Übergang zu mildern,

572

19 Ingenieurgeodäsie

werden an den Sprungstellen Übergangsbögen mit veränderlichem Krümmungshalbmesser und Überhöhungen [19.2.4.1] eingefügt. Zur Darstellung der Krümmungsverhältnisse dient das Krümmungsbild; das ist ein Diagramm, in dem die Wegelängen L als Abszissen und die Krümmungen k (= Reziproken der Krümmungshalbmesser) als Ordinaten aufgetragen werden. Abb. 19.22a) zeigt das Krümmungsbild der aus einer Geraden, einem Kreisbogen und einem Übergangsbogen zusammengesetzten Trasse. Die Krümmungslinie der Geraden (k = 0) P ÜA

ÜE

Kreis Klothoide R = ··· R=∞

Gerade a)

k [1/ m] k=0

k ÜA (L = 0) P (L)

ke

L ÜE (L = Le )

Ü [m] b)

Ü=0 ÜA

c)

Ü

Üe ÜE

P

L

bs [m /s 2 ] bs = 0 ÜA

bs P

bse

L

ÜE

rs [m /s 3 ] d)

rs = 0 ÜA

rs P

rse = 0

L

ÜE

Abbildung 19.22. Funktionaler Verlauf der Krümmung k, Überhöhung U¨ , Seitenbeschleunigung bs und des Seitenrucks rs einer Klothoide

fällt in die Abszissenachse; die Krümmung des Kreises (k = constant) ist eine Parallele zur Abszissenachse. Als Krümmungslinien der Übergangsbögen bieten sich daher die an- bzw. absteigenden Geraden an, die die Endpunkte der Krümmungslinien der Geraden und des Kreisbogens miteinander verbinden; hier ist die Krümmungslinie eine ansteigende Gerade. Die Krümmung solcher Übergangsbögen ist in jedem Krümmungspunkt der laufenden Kurvenlänge Li proportional. Die Kurve, die diese Eigenschaft besitzt, ist die Klothoide. Um das durch eine Gleichung auszudrücken, lege man in Abb. 19.22a) den Ursprung des (L, k)-Systems nach ÜA, bezeichne den

19.2 Ingenieurgeodätische Arbeiten bei Verkehrsanlagen

573

laufenden Krümmungshalbmesser mit R und das Steigungsmaß der ansteigenden Geraden ÜA−ÜE mit 1/A2 ; dann wird k=

1 1 = 2L R A

und

A2 = Re Le ,

(19.34)

wobei Le die Gesamtlänge des Übergangsbogens und Re den Radius des anschließenden Hauptbogens bedeuten. A ist ein Parameter, der die Klothoide ebenso eindeutig festlegt, wie der Halbmesser einen Kreis. In der Gleichung (19.34) ist A ins Quadrat gesetzt, weil die linke Seite das Produkt zweier Längen ist. In dieser Darstellungsweise ist leicht zu erkennen, dass alle Klothoiden einander ähnlich sind, d. h. durch eine Ähnlichkeitstransformation auseinander hervorgehen. Die Klothoide mit dem Parameter A = a = 1 bezeichnet man als Einheitsklothoide. Bei den Formeldarstellungen der Einheitsklothoide verwendet man kleine Buchstaben. Entsprechend (19.34) gilt: k=

1 =l r

und

r · l = 1.

(19.35)

Bei Absteckungen wird aufgrund der örtlichen Verhältnisse entweder A und damit der Krümmungsverlauf der Klothoide oder L, d. h. ihre Länge, vorgeschrieben. Abb. 19.22 lässt erkennen, dass mit diesem Übergangsbogen Sprünge in der Krümmungs-, Überhöhungs- und Seitenbeschleunigungsdarstellung (Abb. 19.22a), b) und c)) vermieden werden. An den Stellen ÜA und ÜE sind die Funktionskurven jedoch nicht stetig, was bei hohen Geschwindigkeiten fahrdynamische Nachteile hervorruft, denn der Seitenruck ändert sich hier sprunghaft (Abb. 19.22d)). Für eine geeignete Fahrdynamik ist jedoch ein stetiger Verlauf des Seitenrucks erforderlich. Um diese Anforderungen zu erfüllen, muss die Funktion der Seitenbeschleunigungskurve und somit auch die der Krümmungs- und Überhöhungskurve in den Punkten ÜA und ÜE nicht nur eine tangentiale, sondern vielmehr eine Berührung 2. Ordnung mit dem jeweils anschließenden Funktionsverlauf der Geraden bzw. des Kreises aufweisen. Dies wird erreicht, wenn in dem Krümmungsbild die ansteigende oder abfallende Gerade durch eine Sinusschwingung überlagert wird (Abb. 19.23)      ke 1 L L à ke L− · 2π = ke − · 2π (19.36) sin sin k= Le 2π Le Le 2π Le und folglich gilt   1 L L − · 2π sin Le 2π Le    L 1 L sin bs = bse − · 2π . Le 2π Le U¨ = U¨ e



(19.37) (19.38)

574

19 Ingenieurgeodäsie P ÜE

ÜA

Kreis

Sinusoide R=∞

R = ···

Gerade a)

k [1/m] k = ke /2 k=0 ÜA

k M

ke

L

ÜE

P

(L = 0) (L = Le /2) (L) (L = Le )

Ü [m] b)

Ü = Üe /2

Ü =0 ÜA

Ü M

Üe

L

ÜE

P

bs [m/s 2 ] bs = bse /2 c)

bs = 0 ÜA

d)

bs M

P

rs [m /s 3 ] rs = 0 rmax rs ÜA

M P

bse

L

ÜE

rse = 0

L

ÜE

Abbildung 19.23. Funktionaler Verlauf der Krümmung k, Überhöhung U¨ , Seitenbeschleunigung bs und des Seitenrucks rs einer Sinusoide

Diesen Übergangsbogen bezeichnet man als Sinusoide. Die Krümmung, Überhöhung, Seitenbeschleunigung und der Seitenruck rs weisen jetzt keine Unstetigkeiten mehr auf. Sinusoiden werden heute für die Trassierung der Hochgeschwindigkeitsstrecken der Eisenbahn und Schnellbahnen mit elektromagnetischer Schwebetechnik verwendet. Allgemein sind die Ausmaße der Querneigung und Überhöhung und damit auch die Länge der Verwindungsstrecke bzw. der Überhöhungsrampe vornehmlich durch die vorgesehene Ausbaugeschwindigkeit und den Radius des Hauptbogens bedingt. Weitere Angaben findet man z. B. in (Möser u. a. 2002). Nachfolgend kann nur vertieft auf die Klothoide eingegangen werden. Eine weitergehende Beschreibung der Sinusoiden findet man z. B. in (Klein 1937, Jacobs 1987).

575

19.2 Ingenieurgeodätische Arbeiten bei Verkehrsanlagen

19.2.4.3 Die Klothoide (1) Die Einheitsklothoide Zur Absteckung der Klothoide von der Tangente aus werden aus (19.35) rechtwinklige Koordinaten in bezug auf die Tangente als Abszissenachse und ihrem Anfangspunkt ÜA als Ursprung abgeleitet. In Verbindung mit (19.35) gilt nach Abb. 19.24 dτ = dl/r = ldl,

(19.39)

woraus durch Integration τ=

l 1 l2 = = 2 2 2r 2r

(19.40)

erhalten wird. Mit (19.40) folgen aus dx = cos τ dl und dy = sin τ dl die Fresnelschen Integrale l x=

l2 cos dl; 2

l y=

0

sin

l2 dl. 2

(19.41)

0

y MP τ

ÜE

ME dτ

r dl P

ÜA

dx τ

dy x

Abbildung 19.24. Steigungsmaß der Klothoide

Diese lassen sich in Potenzreihen entwickeln, deren erste Glieder die kubische Parabel darstellen: x=

∞  (−1)n+1 n=1

∞  (−1)n+1 y= n=1

l 4n−3 ; (4n − 3)(2n − 2)! 22n−2 l 4n−1 . (4n − 1)(2n − 1)! 22n−1

(19.42)

576

19 Ingenieurgeodäsie

Die Reihen konvergieren langsam. Für die Mehrzahl der Aufgaben wird mit den drei ersten Gliedern der Reihen eine ausreichende Genauigkeit erzielt: l5 l9 + − ··· ; 40 3456 l3 l7 l 11 y= − + − ··· . 6 336 42240 x=l−

(19.43)

Wie Abb. 19.25 zeigt, berechnen sich die Polarkoordinaten für den Endpunkt ÜE des Übergangsbogens nach:  (19.44) s = x 2 + y 2 ; σ = arc tan y/x. Die Koordinaten des Krümmungsmittelpunktes sind: M

y τ

r ÜE tk yE

s

σ

l r xM

ÜA

xE

x tl

τ

Abbildung 19.25. Elemente der Klothoide

xM = x − r sin τ ;

yM = y + r cos τ,

(19.45)

und die Tangentenabrückung ist r = yM − r = y − r(1 − cos τ ).

(19.46)

Weiter ist zu entnehmen tk =

y ; sin τ

tl = x − y cot τ.

(19.47)

(2) Klothoiden mit dem Parameter A Maßzahlen beliebiger Klothoiden lassen sich durch eine Ähnlichkeitstransformation aus denen der Einheitsklothoide berechnen, indem sämtliche Längen der Einheits-

577

19.2 Ingenieurgeodätische Arbeiten bei Verkehrsanlagen

klothoide mit dem Parameter A multipliziert werden: X = A · x;

Y = A · y;

L = A · l;

R = A · r;

TK = A · tK ;

TL = A · tl .

XM = A · xM ; S = A · s;

Y M = A · yM ; R = A · r;

(19.44)

(3) Schaubild einer Klothoide Wie Abb. 19.26 zeigt, ist im Koordinatenursprung für L = 0 der Krümmungshalbmesser R = ∞. Im Koordinatenursprung geht daher die Klothoide ohne Krümmungssprung in eine Gerade über. Diese Gerade ist gleichzeitig Wendetangente. Die

+Y

√ +A 2 π

L = +∞ R=0

√ +A 2 π −L −X

0

L=0 R = +∞

+L +X

L=0

√ −A 2 π

L = −∞

R = −∞

√ −A 2 π

R=0

−Y

Abbildung 19.26. Schaubild einer Klothoide

Klothoide verringert mit positiv oder negativ wachsender Bogenlänge L den Krümmungsradius von R = ∞ bis R = 0. Der Übergang in einen Kreis mit dem Radius R erfolgt dort, wo die Klothoide den entsprechenden Krümmungsradius besitzt. Ein Klothoidenstück kann man daher auch als Übergangsbogen zwischen zwei Kreisen verwenden. Durch die gegenseitige Lage der Kreise zueinander ist der Parameter A der Klothoide eindeutig festgelegt.

578

19 Ingenieurgeodäsie

19.2.4.4 Berechnung und Absteckung der Zwischenpunkte (1) Mit rechtwinkligen Koordinaten von der Tangente In der Regel werden gleichabständige Bogenpunkte abgesteckt. Ist der Koordinatenursprung der Klothoide gleichzeitig Nullpunkt des Bogens (Abb. 19.27), so bey

i 2

1

B

yi x

xi

Abbildung 19.27. Gleichabständige Bogenlängen mit dem Koordinatenursprung als Nullpunkt

rechnen sich die einzelnen Bogenlängen l der Einheitsklothoide nach: B = b, A l2 = 2b, l3 = 3b. l1 =

Handelt es sich um runde Stationen einer durchgehenden Trassenkilometrierung (z. B. Abstand der Punkte B = 25 m), so erhält man die einzelnen Bogenlängen l der Einheitsklothoide aus (Abb. 19.28): y

B i B1

1

B

2 xi

B

yi x

Abbildung 19.28. Gleichabständige Bogenlängen bei durchgehender Trassenkilometrierung

579

19.2 Ingenieurgeodätische Arbeiten bei Verkehrsanlagen

B1 , A B1 + B l2 = , A B1 + 2B , l3 = A .. . l1 =

B1 + (n − 2)B , A B1 + (n − 2)B + Bn . ln = A Die Absteckelemente in bezug auf die Tangente berechnen sich dann nach:   l5 l9 Xi = li − i + i − · · · A; 40 3465  l3  l7 l 11 − · · · A. Yi = i − i + i 6 336 42240 (2) Sehnenwinkelmethode ln−1 =

Da häufig für die Absteckung elektronische Tachymeter zur Verfügung stehen, haben die polarenAbsteckungsverfahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Rechnerisch sehr einfach ist die Sehnenwinkelmethode (Abb. 19.29). Die Polarkoordination erhält man aus den Beziehungen:  S=

Xi2 + Yi2 ,

σi = arc tan (Y/X). y Pi σi

si

yi xi

x

Abbildung 19.29. Absteckung nach der Sehnenwinkelmethode

Dieses Verfahren hat den Nachteil, dass man bei ausgedehnten Klothoidenästen lange Absteckungselemente erhält. Höhere Genauigkeiten und einen besseren Arbeitsfortschritt erzielt man, wenn man den Gerätestandpunkt in optimaler Anpassung an die Absteckungselemente frei wählt.

580

19.2.5

19 Ingenieurgeodäsie

Bogenfolgen

Wie in [19.2.1] schon beschrieben, wird die Trasse zunächst in den Plan freihändig eingezeichnet und mit Kurvenlinealen oder automatisch mit einem Rechner in bestanpassende Trassierungselemente – Gerade, Kreis, Klothoide – zerlegt. Bei der Zerlegung entstehen im wesentlichen fünf Grundaufgaben: – die Klothoide als Übergangsbogen zwischen einer Geraden und einem Kreis, – Bogenfolge zwischen zwei Anschlussgeraden, – Klothoide als Wendelinie zwischen gegensinnigen Kreisen, – Klothoide als Eilinie zwischen gleichsinnigen Kreisen, – Klothoidenfolgen. Die Berechnung der Trasse erfolgt im wesentlichen in zwei Schritten: In einem ersten Schritt wird die Linie eingerechnet, indem die einzelnen Trassierungselemente in einem übergeordneten Koordinatensystem miteinander verknüpft werden. Als Ergebnis erhält man die Übergangspunkte der Trassierungselemente, die gemeinsamen Tangenten, die Kreismittelpunkte und andere für die Verknüpfung notwendige Parameter. In einem zweiten Schritt werden schließlich für die Absteckung längs der Trasse Zwischenpunkte (Kleinpunkte) gerechnet.

19.2.5.1 Einrechnung der Linie (1) Klothoide als Übergangsbogen zwischen Gerade und Kreis Die Klothoide ist durch 2 Bestimmungsstücke für den Übergangspunkt zum Kreis eindeutig festgelegt. Durch Kombination von zwei Elementen ergeben sich verschiedene Aufgaben. Es können beispielsweise folgende Größen gegeben sein; R, A; R, L; R, R; R, τ ; R, σ . Die Absteckdaten berechnet man nach den in [19.2.4.3] gegebenen Formeln, oder man entnimmt sie Tafelwerken. Zahlenbeispiel: Gegeben seien der Parameter A = 200 und der Radius R = 160 m des Anschlusskreises einer Klothoide. Gesucht sind für die Absteckung des Endpunktes ÜE des Übergangsbogens: X, Y , TK , TL , τ . 1. Man berechnet die Länge l der Einheitsklothoide l = A/R. 2. Aus den Gleichung (19.42) erhält man x und y und durch Multiplikation mit A die Größen X und Y . 3. Aus den Gleichung (19.47) und (19.40) erhält man tK , tL und τ und durch Multiplikation mit A die Größen TK und TL .

581

19.2 Ingenieurgeodätische Arbeiten bei Verkehrsanlagen

l = A/R = 1,25 x = 1,175832 y = 0,311602 tK = 0,442511 tL = 0,861634

X = 235,17 Y = 62,32 TK = 88,50 TL = 172,33

τ = 49,7359 gon . (2) Verbundkurve mit vorgegebenem Längenverhältnis Bei Bogenfolgen Klothoide – Kreis – Klothoide ist gelegentlich das Längenverhältnis L1 : L : L2 = 1 : n : m der Trassierungselemente vorgegeben. Hat man zusätzlich den Schnittwinkel der Anschlussgeraden (Abb. 19.30) und den Radius R dem Plan entnommen, so ergeben sich die Klothoidenparameter A1 , A2 und die Hauptabsteckdaten aus folgendem Lösungsweg (Kasper u. a. 1968): γ , 1 + 2n + m α = 2n · τ1 , τ2 = m · τ1 , γ = τ1 + α + τ2 ,   l1 = 2τ1 ; l2 = 2τ2 , A1 = Rl1 ; A2 = Rl2 . τ1 =

(19.49)

ÜA

τ2

L2

τ2

R

T2

α τ1 R ÜA

L1

τ1

ÜE L ÜE

γ

T1 Abbildung 19.30. Bogenfolge mit vorgegebenem Längenverhältnis

Man berechnet die x, y, xM und r nach (19.43), (19.45) und (19.46) und die X, Y , XM und R durch Multiplikation mit A1 und A2 . Die Absteckdaten T1 und T2

582

19 Ingenieurgeodäsie

berechnet man über die 4 Hilfsgrößen Z=R+

R1 + R2 R1 − R2 V γ , W = , U = Z · tan , V = 2 2 2 tan γ2

zu T1 = XM1 + U − W ;

T2 = XM2 + U + W.

(19.50)

Die Länge des Kreisbogens berechnet sich nach: L=

α L1 α L2 · · = . τ1 2 τ2 2

(19.51)

Bei symmetrischen Klothoidenästen L1 = L2 ist m = 1. Die Formeln lauten dann: τ1 = τ2 = τ =

γ , 2(1 + n)

α = 2nτ,

XM1 = XM2 = XM , Z = R + R, γ U = Z tan , 2 V = W = O, T1 = T2 = T = XM + U.

l1 = l2 = l, A1 = A2 = A = Rl, R1 = R2 = R,

(19.52)

Bei einem Scheitelbogen (L = 0) erhält man: γ , 1+m α = 0, τ2 = mτ1 . τ1 =

(19.53)

Die übrigen Formeln lauten wie beim allgemeinen Fall. (3) Wendelinie, Eilinie Die Wendelinie verbindet zwei gegensinnige Kreisbögen (Abb. 19.31), wobei die Anfangspunkte ÜA der Übergangsbögen zusammenfallen. Aus fahrdynamischen Gründen sollen die beiden Klothoidenäste möglichst den gleichen Parameter A haben. Durch die gegenseitige Lage der Kreise zueinander ist der Parameter A der Klothoide eindeutig festgelegt. Den Parameter A kann man mit Tafelwerken geeignet auswählen (z. B. Kasper u. a. 1968). In dem Fall hat man zunächst den Abstand D = D1 + D2 der Kreise zu ermitteln und kann dann für eine Vielzahl runder Parameter A die Absteckmaße E und ε entnehmen (Abb. 19.31). Die Eilinie verbindet zwei gleichsinnige Kreise verschiedener Radien. Die Berechnungen erfolgen ähnliche wie bei der Wendelinie.

19.2 Ingenieurgeodätische Arbeiten bei Verkehrsanlagen

583

C2 ε yc 2 xc1

E D2 0 xc2 E

D1

yc1

ε C1

Abbildung 19.31. Wendelinie

(4) Bogenfolge zwischen zwei Anschlusspunkten Die Punkte 1 und 3 einer bereits bestehenden Trasse sollen durch eine Bogenfolge, die aus Kreisen und Klothoiden besteht, miteinander verbunden werden (Abb. 19.32). Gegeben seien im (x1 , y1 )-Koordinatensystem die Koordinaten der Anschlusspunkte 1 und 3 sowie die Anschlusstangenten, die durch die Koordinaten der Punkte 2 und 4 festgelegt sind. Lösungsweg: Da die Parameter der Linienelemente nur mit graphischer Genauigkeit vorliegen, kann man den Linienzug nicht von vornherein durchrechnen, indem man an einem Anschlusspunkt beginnt und an dem zweiten abschließt. Vielmehr beginnt man an beiden Anschlusspunkten mit dem Durchrechnen und schließt den Linienzug in der Mitte durch exaktes Einpassen einer Wendeklothoide. 1. Berechnen der Klothoide K1 im (x1 , y1 )-System; hierfür werden A1 und R1 mit graphischer Genauigkeit der Vorplanung entnommen. Man berechnet zunächst A/R = l, mit (19.43) und (19.48) X und Y von Punkt 10, mit (19.40) τ1 , mit (19.45) und A XM1 und YM1 , mit (19.46) und A R1 . 2. Berechnung der Klothoide K2 im (x2 , y2 )-System. Man entnimmt A2 und R2 dem Vorentwurf und erhält wie unter 1. l, X und Y von Punkt 11, τ2 , XM2 und YM2 , R2 . 3. Transformation der Koordinaten von Punkt 11 und 7 bzw. M2 in das (x1 , y1 )System nach [6.3]. 4. Berechnung des Abstandes D der Kreise mit den Radien R1 und R2 :  D = 57 − R1 − R2 , 57 = (X5 − X7 )2 + (Y5 − Y7 )2 .

584

19 Ingenieurgeodäsie x2 4

11 x3

R 

ε2

R2 D

y3

6

y1 R1

K1

R1 + R1

M1

5 R1 +  R γ1

xMw1 w1

5 R2 +  Rw

ε1

R1

3

2

7

M2

xM w + xM w 1 2

xMw2

K2

R

R2 +  Rw

2 +

γ2

7

TL2

2

8

y2

2

9 10 TK1 2

1 TL1

x1

Abbildung 19.32. Bogenfolge zwischen zwei Anschlusspunkten

5. Mit R1 , R2 und D kann der Parameter A für eine symmetrische Wendelinie einem Tafelwerk entnommen werden (z. B. Kasper u. a. 1968). 6. Berechnung der Wendelinie im (x3 , y3 )-System, wobei A, R1 , und R2 gegeben sind. Mit den in [19.2.4.3] abgeleiteten Formeln erhält man die Längen der Klothoidenstücke Lw1 und Lw2 , die Koordinaten der Übergangspunkte (6, 8, 9) und Kreismittelpunkte M1 und M2 : XMw1

und

XMw2 ,

YMw1

und

YMw2 .

7. Transformation der im (x3 , y3 )-System gegebenen Koordinaten der Punkte der Wendeklothoide in das (x1 , y1 )-System nach [6.3]. Die Punkte 5 und 7 sind in beiden Koordinatensystemen identische Punkte. Damit ist auch der Richtungswinkel der Wendetangente im übergeordneten Koordinatensystem gegeben. 8. Berechnung der Tangenten in den Übergangspunkten 8, 9, 10, 11. Man berechnet zunächst die Richtungswinkel der Radien 5 9, 5 10, 7 8, 7 11 und erhält schließlich durch Hinzuaddieren von 100 (bzw. 300) gon die Richtungswinkel der zugehörigen Tangenten. 9. Die Länge der Kreisbögen beträgt: LK1 = R1 · γ1 ; LK2 = R2 · γ2 ; die Formel für die Berechnung von γ kann man [19.2.3.1] entnehmen.

585

19.2 Ingenieurgeodätische Arbeiten bei Verkehrsanlagen

19.2.5.2 Berechnung von Kleinpunkten (Zwischenpunkten) längs der Linie für die Absteckung (5) Klothoidenkleinpunkte a) Berechnung von Kleinpunkten bei Krümmungszunahme Gegeben sind die Station L0 des Klothoidenursprungs, der Klothoidenparameter A, die Koordinaten des Klothoidenursprungs x0 , y0 im Festpunktfeld, der Richtungswinkel ϕ der Tangente und die Station Li eines Klothoidenkleinpunktes (Abb. 19.33). x X τi Pi ϕ ÜA

L0 (x0 , y0 ) Y

y

Abbildung 19.33. Kleinpunktberechnung bei Klothoiden mit Krümmungszunahme

Die Berechnungen umfassen folgende Schritte: 1. Berechnung der Bogenlänge li der Station für die Einheitsklothoide und τi l 2 200 Li − L0 = li ; τi = i . A 2 π 2. Berechnung der Stationskoordinaten der Station Li in bezug auf die Tangente der Klothoide ) * li5 li9 Xi = li − + − · · · A; 40 3456 ) * li3 li7 li11 − + − · · · A. Yi = 6 336 42240 3. Transformation der Koordinaten in das übergeordnete Festpunktfeld nach [6.3]: xi = x0 + Xi cos ϕ − Yi sin ϕ, yi = y0 + Xi sin ϕ − Yi cos ϕ. b) Berechnung von Kleinpunkten bei Krümmungsabnahme Gegeben sind die Station LE des Klothoidenpunktes ÜE, der Krümmungsradius R im Punkt ÜE, der Parameter A, die Koordinaten xE , yE des Punktes ÜE, der Richtungswinkel tE der Tangente in ÜE und die Station Li eines Klothoidenkleinpunktes (Abb. 19.34).

586

19 Ingenieurgeodäsie

x Q TE X

tA τi TL ÜA ϕ

Tk Pi Y

tE ÜE

y

Abbildung 19.34. Kleinpunktberechnung bei Klothoiden mit Krümmungsabnahme

Die Berechnungen umfassen folgende Schritte: 1. Berechnung der Stationierung LA des Klothoidenursprungs ÜA LA = LE +

A2 = LE + L0 . R

2. Berechnung des Tangentenwinkels τE und der Länge l0 τE =

l02 L0 ; l0 = . 2 A

3. Berechnung der Tangenten TK und TL nach (19.47): TK = mit

YE ; TL = XE − YE cot τE sin τE

  l5 l09 − · · · A; XE = l0 − 400 + 3456   l03 l07 l011 YE = 6 − 336 + 42240 − · · · A.

4. Berechnung der Koordinaten von ÜA durch den Polygonzug ÜE, Q, ÜA x0 = xE + TK cos tE + TL cos tA , y0 = yE + TK sin tE + TL sin tA mit

tA = tE + τE .

5. Berechnung der Bogenlänge li : li =

LA − Li . A

587

19.2 Ingenieurgeodätische Arbeiten bei Verkehrsanlagen

Zahlenbeispiel a) Berechung von Kleinpunkten bei Krümmungszunahme Gegeben L0 = 302,10 m A = 300 Y0 = 6468,36 m X0 = 5235,16 m ϕ = 49,873 gon

Berechnet li = 0,7507 τi = 17,938 gon Xi = 223,43 m Yi = 21,03 m xi = 6611,82 m

Li = 527,32 m

5407,73

Zahlenbeispiel b) Berechnung von Kleinpunkten bei Krümmungsabnahme Gegeben LE = 1,8 km +81,37 m = 1881,37 m R = 800 A = 750 xE = 5686,86 m yE = 8947,15 m tE = 28,986 gon Li = 2110,43 m

Berechnet LA = 2584,50 m L0 = 703,13 m l0 = 0,9375 τE = 27,976 gon XE = 689,67 m Y = 101,58 m TK = 238,77 m TL = 473,59 m tA = 56,962 gon x0 = 6197,63 m y0 = 9421,57 m li = 0,6321 τi = 12,718 gon Xi = 472,19 m Yi = 31,48 m ϕ = 156, 962 gon xi = 5877,62 m 9072,93 m

6. Berechnung der Koordinaten der Station Li in bezug auf die Tangente der Klothoide ) * li5 li9 + − · · · A; Xi = li − 40 3456 * ) li7 li11 li3 − + − · · · A. Yi = 6 336 42240

588

19 Ingenieurgeodäsie

7. Transformation von Xi , Yi in das Festpunktfeld nach [6.3]: xi = x0 + Yi cos ϕ − Xi sin ϕ, yi = y0 + Yi sin ϕ + Xi cos ϕ mit ϕ = tE + τE + 100 gon. (6) Berechnung der Kleinpunkte der Kreise Methodisch geht man vor wie in [19.2.3.2]. Man rechnet zunächst die Zwischenpunkte in bezug auf die Tangenten und transformiert dann diese Koordinaten, wie in [6.3] beschrieben, in das übergeordnete System.

19.2.6 Absteckung von Bogenfolgen Die Absteckung erfolgt nach folgenden Schritten: – Berechnung rechtwinkliger Koordinaten der Trassenpunkte in bezug auf das Koordinatensystem des Festpunktfeldes im Büro, – Auswahl eines Stationspunktes vor Ort bei optimaler Anpassung an die abzusteckenden Objekte, – Berechnung der Absteckungselemente in bezug auf den Stationspunkt vor Ort, – Absteckung der Trasse. Dieses Verfahren ist sowohl auf einzelne Trassierungselemente als auch auf Bogenfolgen anwendbar. Bei der Absteckung von Verkehrstrassen benötigt man in der Regel ein Baustellennetz mit trassennahen Festpunkten. Es empfiehlt sich, ein solches Netz modular, d. h. in mehreren Stufen aufzubauen. In der Stufe 1 wird zunächst ein großräumiges hochgenaues Netz mit wenigen trassennahen Punkten, sogenannten Modulpunkten Mi , im Anschluss an das Landesnetz bestimmt (Abb. 19.35a). Stufe 1 soll gewährleisten, dass – ein großräumig homogenes Netz entsteht, – Transformationsparameter mit hoher Genauigkeit bestimmt werden können und – Verdichtungsnetze flexibel in Anpassung an den Baufortschritt und Sonderbauwerke eingerechnet werden können. Als Messverfahren eignet sich das Satellitenpositionierungsverfahren GPS. Die Beobachtung des gesamten Netzes kann in 4 Sessionen mit je 6 Empfängern erfolgen (Abb. 19.35a). In die Netzausgleichung der Stufe 1 werden die Basisvektoren zwischen den Modulpunkten, die sich aus den Messungen der Stufe 2 ergeben, miteinbezogen. Sie können so als linear unabhängig betrachtet werden, und die dabei entstehende Redundanz der Beobachtungen sorgt für eine hohe Zuverlässigkeit des

589

19.2 Ingenieurgeodätische Arbeiten bei Verkehrsanlagen

M1

Festpunkte Landesnetz Modulpunkte

M2

M3 7 _ 8 km M4

M5 Session I Session II Session III Session IV

M6

M7

Abbildung 19.35a. Sondernetz für Trassenabsteckungen (Stufe 1)

Netzes. Es hat sich als geeignet erwiesen, die Modulpunkte in einem Abstand von 7 – 8 km anzuordnen. Das gesamte Netz wird zunächst frei ausgeglichen und anschließend in das Landesnetz transformiert. Nachfolgend werden in der Stufe 2 lineare Verdichtungsnetze zwischen den Modulpunkten bestimmt. In der Regel wählt man einen Punktabstand von 1 km. Die Messungen lassen sich geeignet ebenfalls mit einer Gruppe von 6 GPS-Empfängern durchführen; die Messanordnung geht aus Abb. 19.35b hervor. Zwei Empfänger Empfänger 3 M3

Empfänger 5 M4

Referenzempfänger 1 Empfänger 4

ReferenzEmpfänger 6 empfänger 2

Modulpunkte km-Punkte

Session I _ IV

Abbildung 19.35b. Lineares Netz (Stufe 2)

bleiben während der Beobachtung eines Netzabschnittes fest auf benachbarten Modulpunkten als Referenzempfänger. In den beiden Netzhälften zwischen den Modul-

590

19 Ingenieurgeodäsie

punkten bewegen sich je zwei Empfänger aufeinander zu und aneinander vorbei. Da alle 1 km-Punkte je mit unterschiedlichen Empfängern doppelt besetzt werden, ist für eine durchgreifende Kontrolle gesorgt. Die Messanordnung gewährleistet eine hohe Nachbarschaftsgenauigkeit und eine optimale Einpassung in das Netz der Stufe 1. Die Berechnungen erfolgen durch eine Netzausgleichung unter Zwang, da die Koordinaten der Modulpunkte bereits vorgegeben sind. Für die vielfältigen Absteckungs- und Kontrollmessungen eignen sich parallel jeweils am Rande des Baugebietes entlanggeführte Polygonzüge mit einem Punktabstand von ca. 200 m (Abb. 19.35c). Diese bilden das Netz der Stufe 3. Sie werden jeweils im Anschluss an die 1 km-Punkte eingemessen und berechnet. Die Zuverlässigkeit der Polygonnetze erhöht sich wesentlich, wenn zusätzlich zwei Diagonalen gemessen werden. Abschätzungen zeigen, dass diese Messungen sich am wirtschaftlichsten mit terrestrischen Messverfahren ausführen lassen (Kahmen, Wunderlich, Retscher, Kuhn, Plach, Teferle, Wieser 1997). P001

P001

P001

Begrenzungslinie des Baugebiets

P001

K026

K025 P001

P001

P001

P001

km-Punkte Polygonpunkte

Abbildung 19.35c. Trassennahe Polygonzüge (Stufe 3)

19.3

Erdmassenberechnung

Mit allen größeren Ingenieurbauwerken sind Erdmassenbewegungen verbunden. Besonders im Hügel- und Bergland wird man daher die Projekte von vornherein nach Möglichkeit so plazieren, dass wenig Erdarbeiten anfallen oder wenigstens ein Ausgleich zwischen den aufzutragenden und den abzutragenden Erdmassen erzielt wird. Als Grundlage für die Erdmassenberechnung bieten sich zunächst die Formeln der Stereometrie an. Hierher gehören insbesondere die Simpsonsche und die Guldinsche Regel, sowie die bekannten Formeln zur Berechnung des Rauminhalts von Prismen und Prismatoiden. Im übrigen geht man bei der Erdmassenberechnung meistens von den Verfahren und Darstellungsweisen aus, mit denen der Vermessungsingenieur die Erdoberfläche erfasst, nämlich von Längs- und Querprofilen, Flächennivellements, Höhenlinienplänen und digitalen Geländemodellen. Die Datenermittlung erfolgt über terrestrische oder photogrammetrische Aufnahmeverfahren. Infolge der Unregelmäßigkeiten der Erdoberfläche lassen die Erdkörper sich jedoch sowohl mit den stereometrischen Formeln als auch mit den letztgenannten Verfahren nur mit begrenzter Genauigkeit erfassen. Es muss daher stets mit systema-

591

19.3 Erdmassenberechnung

tischen Verfälschungen gerechnet werden. Bei der nachstehenden Schilderung der Verfahren werden daher gleichzeitig auch die Auswirkungen der auftretenden Fehler betrachtet. Die Massenberechnungen dienen verschiedenen Zwecken. Im Bauwesen benötigt man sie zur Leistungs- und Kostenermittlung. Die Genauigkeitsforderungen steigen in den einzelnen Planungs- und Ausführungsphasen. Bei der Planung von Verkehrswegen dient die Massenberechnung außerdem der Optimierung verschiedener Trassen nach der Zielfunktion Erdmassen (Massengewinnung, Massenausgleich, Massentransport). Während der Bauausführung und nach Abschluss der Arbeiten nutzt man die Massenberechnungen als Nachweis für die ausgeführten Arbeiten und die Regulierung der finanziellen Forderungen.

19.3.1

Erdmassenberechnung aus Querprofilen

Diese Aufgabe tritt vor allem bei der Anlage von Dämmen und Einschnitten für Wege- und Straßenbauten auf. Wichtigste Verfahren sind die Simpsonsche Regel zur Berechnung der Massen bei geraden Wegestücken und die Guldinsche Regel bei Wegeteilen, die in Kurven verlaufen. (1) Simpsonsche Regel Die Simpsonsche Regel oder Prismatoidformel dient zur Berechnung des Volumens von Dämmen und Einschnitten in gleichmäßig ebenem, steigendem oder fallendem Gelände. Nach ihr erhält man anhand der Abb. 19.36, in der F1 und F2 die QuerF2 Profil 1

Fm l F1 Profil 2

Abbildung 19.36. Simpsonsche Regel

schnittsflächen zweier benachbarter Profile, Fm die des Mittelschnitts und l den Abstand von F1 und F2 bedeuten, das Volumen des Auftrags aus V =

1 (F1 + 4Fm + F2 ) l. 6

(19.54)

592

19 Ingenieurgeodäsie

In der Praxis wird oft Fm = 1/2 (F1 + F2 ) gesetzt und dann gerechnet nach der Näherungsformel 1 V = (F1 + F2 )l ≈ Fm l. (19.55) 2 Alle Formeln gelten für Auftrag, Einschnitt und Anschnitt (Abb. 19.37). Beim An-

Abbildung 19.37. Regelprofile

schnitt wird der aufgetragene Teil des Profils positiv, der eingeschnittene Teil negativ eingesetzt, so dass im Ergebnis die Differenz der beiden Teilkörper erhalten wird. Den Inhalt der Querschnittsflächen F1 und F2 gewinnt man durchAusplanimetrieren oder Digitalisieren und Koordinatenrechnungen. Für häufiger auftretende Fälle liegen vielfach spezielle Formeln vor: So gilt nach (Heimerle 1929) zur genauen Berechnung des Volumens von Wegerampen, wenn b deren Breite, h ihre Höhe, 1 : m die Neigung der Rampe und 1 : n die Neigung der Böschung ist, der Ausdruck   n  h2 (m − n) 3b + 2 h n 1 − . (19.56) V = 6 m (2) Guldinsche Regel Die Guldinsche Regel liefert das Volumen eines Umdrehungskörpers, der durch Rotation einer ebenen Fläche F um eine feste Achse entstanden und von den radialen Querschnitten F1 und F2 begrenzt ist, aufgrund des Ansatzes (Abb. 19.38): V = Querschnittsfläche × Weg ihres Schwerpunktes.

L

R R

b R

(19.57)

R

Abbildung 19.38. Guldinsche Regel

Werden die Ebenen der Querschnitte so gewählt, dass sie in einer Vertikalen durch den Mittelpunkt des Kreises verlaufen, so kann die Guldinsche Regel als eine Verallgemeinerung der Simpsonschen Regel betrachtet werden; nur muss der Abstand

593

19.3 Erdmassenberechnung

der Querschnitte auf dem Bogen und nicht auf der Sehne gemessen werden: Man beachte ferner, dass der Schwerpunkt der Querschnittsfläche bei unsymmetrischen Flächen nicht mit der Mittelachse der Trasse zusammenfällt. (3) Genauigkeitsbetrachtungen a) Fehler aus der Simpsonschen Regel bei Rechnung nach der Näherungsformel (19.55). Hierzu betrachte man die beiden Extremfälle: Fall 1: Gerade oder schiefe Prismen. Dann ist F1 = F2 = Fm

und damit V = V .

Fall 2: Gerade oder schiefe Pyramiden. Dann ist F1 > 0, F2 → 0, Fm =

1 F1 ; 4

ferner ist nach (19.54) V = 13 F1 l, nach (19.55) V = 21 F1 l. Alle praktischen Fälle liegen zwischen Fall 1 und Fall 2. Mithin gilt V ≤ V. Nach der Näherungsformel (19.55) wird das Volumen also stets zu groß erhalten. Sie verfälscht das Ergebnis zugunsten des Unternehmers, der nach Erdmassenbewegungen abrechnet. Bei Verkürzung des Profilabstandes auf die Hälfte geht, wie ein Zahlenüberschlag ergibt, der Fehler auf ein Viertel zurück. Im übrigen liegt der relative Fehler des Volumens V erfahrungsgemäß etwa bei V ≈ 0,01 bis 0,05. V b) Fehler aus der Guldinschen Regel, wenn die Achse des Verkehrsbandes vom Weg des Profilschwerpunkts abweicht. Voraussetzung sei F1 = F2 = F . Nach der Formel (19.57) ist streng V = F (l + l) und genähert V  = F l. Nach Abb. 19.38 ist l ≈ R Rl und damit   R V = Fl 1 + R und

R . R Mithin ist hinreichend genau der relative Fehler des Volumens V = V  − V = −F l

R V . =−  V R

(19.58)

594

19 Ingenieurgeodäsie

Also wächst der relative Volumenfehler V /V  mit wachsendem R und geht mit zunehmendem Halbmesser R zurück. Ein R ist besonders gefährlich bei Trassenführung im Anschnitt, weil dabei der Schwerpunkt stark exzentrisch liegt. Zahlenbeispiel: Bei R = 150 m und R = 3 m ergibt sich V /V  = 0,02. Das ist ein Maximalwert, der in dieser Größe nur selten auftritt. c) Fehler durch ungenügende Approximation treten auf beim Erfassen des Geländes innerhalb eines Querprofils und beim Erfassen des Geländes zwischen den Querprofilen. Beide sind nach Erfahrungssätzen auf 1 bis 4% zu veranschlagen. Insgesamt ist bei der Massenberechnung nach der Simpsonschen und der Guldinschen Regel ein Fehler in Höhe von etwa 1 bis 5% zu erwarten. Im Hinblick auf den letzten Absatz in (3)a) suche man insbesondere die methodischen (= systematischen) Fehler durch enge Profilabstände klein zu halten. Die Approximationsfehler unter (3)c) sind zufällige Fehler, die bei abnehmendem Profilabstand ebenfalls, wenn auch in langsamerem Tempo, zurückgehen.

19.3.2

Einfache Erdmassenberechnungen mit prismatischen Körpern

In mäßig bewegtem Gelände sei eine Fläche als Sportplatz, als Werksgelände oder dergl. vorgesehen und aus diesem Grunde zu einem horizontalen Plateau auszugestalten. Dazu kann man das Gelände mit einem Flächennivellement überziehen, das dann am geeignetsten als quadratischer Rost angeordnet wird. Ist das Gelände damit nicht zu erfassen, kann man es auch mit einer zusammenhängenden Folge von Dreiecken (= Dreiecksrost) überdecken, deren Eckpunkte tachymetrisch eingemessen werden (Abb. 19.39).

F3

F4

Abbildung 19.39. Dreiecksrost und Quadratrost

Aufgrund der Aufnahme wird ein Höhenplan gefertigt und darin das Projekt lagerichtig eingetragen. Ist für das Projekt bereits eine bestimmte Höhenlage vorgesehen, so wähle man als Bezugsfläche für die abzutragenden oder aufzuschüttenden Massen die Ebene, auf der der Bau errichtet werden soll, projiziere darauf die obengenannten Dreiecke und Vierecke und berechne den gesuchten Rauminhalt als Summe der

595

19.3 Erdmassenberechnung

je nach Lage des Falles über oder unter der Bezugsfläche zu denkenden dreieckigen oder viereckigen Prismen. Ist dann nach Abb. 19.40 F die Grundfläche eines Dreiecks oder Vierecks, und sind hi die längs der Prismenkanten gemessenen senkrechten Abstände der Erdoberfläche von der Bezugsfläche, so lauten die Formeln zur Berechnung der Volumina eines dreiseitigen und eines vierseitigen Prismas: V3 = F3

h1 + h 2 + h 3 ; 3

V4 = F4

h1 + h 2 + h 3 + h 4 . 4

(19.59)

Die Dreiecksroste passen sich im allgemeinen dem Gelände besser an als die Quadratroste. Die Flächen berechnet man am einfachsten aus Koordinaten [17.3].

h2

h3

h1

h2 h3 F3

h1

F4

h4

Abbildung 19.40. Rauminhalt prismatischer Körper

Da der Beobachter bei der Auswahl der aufzunehmenden Punkte viel Freiheit hat, führen Wiederholungsmessungen meistens zu etwas anderen Ergebnissen. Trotzdem kann erfahrungsgemäß für den relativen Volumenfehler die Grenze V = 0,5% V

(19.60)

innegehalten werden.

19.3.3

Erdmassenberechnungen aus Höhenlinienplänen

Bei der Abb. 19.41 denke man an Stauseen, Steinbrüche, Sandkuhlen, Braunkohlentagebauten oder mit umgekehrtem Vorzeichen an Sandhügel, Müllkippen usw. Auch hier wird das Projekt zunächst in einen vorhandenen oder neugefertigten Höhenplan eingetragen. Für die Massenberechnung stehen dann mehrere Wege zur Verfügung. Handelt es sich um kleine Objekte, so kann man aus dem Höhenlinienplan Quer- oder Längsprofile entnehmen und vorgehen wie in [19.3.1]. Das Objekt kann auch in einzelne Prismen aufgeteilt und dann nach [19.3.2] weiterbehandelt werden. In beiden Fällen müssen aber die Geländehöhen interpoliert werden, was mit Genauigkeitsverlust verbunden ist.

596

19 Ingenieurgeodäsie

120 118 116 115,4

121 120 119 118 117 116 115 114

Abbildung 19.41. Höhenlinienplan und Vertikalschnitt

Bei größeren Objekten stützt man die Berechnung unmittelbar auf den Höhenlinienplan und macht zur Berechnung des Volumens folgenden Ansatz: Es seien F1 , F2 , . . . , Fn von einer Höhenlinie eingeschlossene Flächen, und es sei in allen Fällen h ihr senkrechter Abstand; dann erhält man das Volumen der dargestellten Körper nach (19.55) aus: F1 + F2 F2 + F 3 Fn−1 + Fn h+ h + ··· + h 2 2 2

(19.61)

V = ( 1/2 F1 + F2 + F3 + · · · + Fn−1 + 1/2 Fn ) h.

(19.62)

V = oder

Die von den Höhenlinien umschlossenen Flächen kann man mit einem Planimeter ermitteln. Das Ergebnis (19.62) wird auch erhalten, wenn von der strengen Gleichung (19.54) ausgegangen wird und dafür – was angesichts des verhältnismäßig geringen Abstandes der Höhen sicherlich eine sehr gute Näherung ist – die Mittelschnitte zwischen Fi und Fi+1 gebildet werden nach der Regel Fmi,i+1 =

1 (Fi + Fi+1 ). 2

(19.63)

19.3 Erdmassenberechnung

597

Also dürfte (19.62) eine völlig hinreichende Genauigkeit aufweisen! Die Unsicherheit der nach (19.62) errechneten Ergebnisse ist in erster Linie auf die Unsicherheit des Verlaufs der Höhenlinien zurückzuführen; sie liegt erfahrungsgemäß bei 1%. Sind in Sonderfällen die Volumen von Körpern zu ermitteln, die sich durch spezielle stereometrische Formeln, z. B. für Zylinder, Kugeln, Pyramiden, Kegelstümpfe, Pyramidenstümpfe und Prismatoide, ausdrücken lassen, so bediene man sich ihrer. Eine vertiefte Behandlung der Massenberechnung aus Höhenschichtlinien findet man bei (Gahn 1960).

19.3.4

Erdmassenberechnung aus digitalen Geländemodellen

19.3.4.1 Herstellen eines digitalen Geländemodells Bei der Planung von größeren Verkehrsanlagen entstehen oftmals größere Schwierigkeiten dadurch, dass zwar das Hauptziel, nämlich der Bau einer Verkehrsstraße von A und B, bekannt ist. Welche Linienführung aber im Hinblick auf die Baukosten und die Bedürfnisse des Verkehrs im einzelnen am günstigsten liegt, ist zunächst offen. In der Zeit, als größere Rechenanlagen noch nicht verfügbar waren, wurde meistens in einer Voruntersuchung aufgrund vorhandener Karten eine günstig erscheinende Trasse ausgesucht und ihre Achse mit einfachen Mitteln in die Örtlichkeit übertragen. Alsdann wurden Längsprofile und ziemlich weit ausgreifende Querprofile gemessen, um aufgrund dieser Erhebungen die Trasse im einzelnen untersuchen zu können. Wichtigstes technisches Kriterium war und ist hierbei die Anzahl der erforderlichen Kunstbauten wie Brücken und Tunnels sowie der Umfang der Erdbewegungen, der meistens nur durch spezielle umfangreiche Erdmassenberechnungen festzustellen ist. Ergab die Untersuchung, dass die entworfene Trasse nicht sehr günstig war, so wurde eine neue Trasse entworfen und ins Gelände übertragen, und es wurden, falls eine Umrechnung der ursprünglich aufgenommenen Profile ( Um” profilierung“) nicht möglich war, abermals Längs- und Querprofile aufgenommen und neue Untersuchungen angestellt. Vielleicht wurde sogar noch eine dritte und vierte Trasse auf gleiche Weise untersucht und mit den vorausgegangenen Varianten verglichen, bis schließlich ein Optimum gefunden wurde. Dieses Vorgehen ist durch den Zwang zu immer neuen örtlichen Aufnahmen unbefriedigend. Wirtschaftlicher ist, den Vergleich der verschiedenen Varianten aufgrund eines digitalen Geländemodells [17.4.2] mit Hilfe eines Computers im Büro vorzunehmen. Bei diesem Verfahren wird nicht gleich eine spezielle Trasse ins Auge gefasst, sondern es wird anhand vorhandener Karten der Maßstäbe 1 : 20 000 bis 1 : 50 000 ein Interessenstreifen“ festgelegt, der alle in Frage kommenden Trassen enthält und eine ” Breite von etwa 200 bis 1000 m aufweist. Mit Hilfe von Optimierungsrechnungen ist dann zu untersuchen, welche Trasse unter bautechnischen und verkehrstechnischen Aspekten den Vorzug verdient.

598

19 Ingenieurgeodäsie

Zur Durchführung dieser Untersuchung muss der Interessenstreifen, wenn das nicht bereits geschehen ist, tachymetrisch oder photogrammetrisch mit der Genauigkeit aufgenommen werden, die für Karten in den Maßstäben 1 : 2000 bis 1 : 5000 erforderlich ist. Diese Aufnahme hat das bei den späteren Optimierungsmodellen benötigte digitale Geländemodell zu liefern. Sie ist daher so anzulegen, dass die für das Gelände charakteristischen Punkte zahlenmäßig nach Lage und Höhe erfasst werden. 19.3.4.2 Mathematische Beschreibung des Geländemodells Für die Planungsaufgaben benötigt man ein mathematisches Modell der Erdoberfläche. Es lassen sich dann an beliebigen Stellen des Geländes – z. B. für die Knickpunkte der Querprofile – dreidimensional Koordinaten bestimmen (Abb. 19.42).

Stra achs ßene

Abbildung 19.42. Höhenlinien und Querprofile

Damit sind alle Voraussetzungen gegeben, für die einzelnen Entwurfsvarianten an vorgegebenen Trassenabschnitten mit dem Rechner Querschnittsflächen der Dämme, Anschnitte und Einschnitte zu berechnen. Die Geländeoberfläche – bzw. die Geländehöhe Hi – lässt sich in einem begrenzten Bereich als Funktion zweier unabhängiger Variablen x und y darstellen: H (x, y) = a00 + a10 x + a01 y + a11 xy + a20 x 2 + a02 y 2 + · · ·

(19.64)

Die einzelnen Koeffizienten kann man mit den Punkten des digitalen Geländemodells bestimmen. Bei n gegebenen Punkten lassen sich n Gleichungen zur Bestimmung der Koeffizienten aufstellen, nämlich: ⎫ H1 = a00 + a10 x1 + a01 y1 + a11 x1 y1 + a20 x12 + a02 y12 + · · · ⎪ ⎪ ⎪ H2 = a00 + a10 x2 + a01 y2 + a11 x2 y2 + a20 x22 + a02 y22 + · · · ⎪ ⎪ ⎬ H3 = a00 + a10 x3 + a01 y0 + a11 x3 y3 + a20 x32 + a02 y32 + · · · (19.65) ⎪ .. ⎪ ⎪ ⎪ . ⎪ ⎭ Hn = a00 + a10 xn + a01 yn + a11 xn yn + a20 xn2 + a02 yn2 + · · · Sind mehr Punkte als Koeffizienten vorhanden, so kann man die Koeffizienten in einem Ausgleichungsverfahren schätzen. Die Verbesserungsgleichungen haben dann die Form:

599

19.4 Absteckung von Ingenieurbauten

ν1 = a00 + a10 x1 + a01 y1 + a11 x1 y1 + a20 x12 + a02 y12 + · · · − H1 ν2 = a00 + a10 x2 + a01 y2 + a11 x2 y2 + a20 x22 + a02 y22 + · · · − H2 ν3 = a00 + a10 x3 + a01 y3 + a11 x3 y3 + a20 x32 + a02 y32 + · · · − H3 .. . νn = a00 + a10 xn + a01 yn + a11 xn yn + a20 xn2 + a02 yn2 + · · · − Hn

⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭

. (19.66)

Ist u die Anzahl der Koeffizienten, so führt die Fehlerrechnung auf # [νν] = r. (19.67) n−u Im Sinne unseres Problems gibt r die Grenzrauheit“ wieder, die erfahrungsgemäß ” bei Acker 10 – 15 cm, bei Stoppelfeld und Wiese 5 cm beträgt. r ist also gleichzeitig ein Kriterium dafür, ob der Grad unseres Polynoms ausreicht. In der Literatur findet man noch speziellere Formen der Approximation, z. B. die orthogonalen Tschebyscheffschen Polynome, die gewisse Rechenvorteile bieten. Außerdem werden Prädiktionsverfahren vorgeschlagen, die auf der Theorie der stochastischen Prozesse beruhen (Schulte 1974).

19.4 Absteckung von Ingenieurbauten 19.4.1 Allgemeine Gesichtspunkte Als Grundlage für dieAbsteckung und Überwachung ist bei allen Ingenieurbauten ein sehr gutes geodätisches Festpunktfeld erforderlich. Häufig kann man das Lagefestpunktfeld einer neueren Landesvermessung verwenden [16]. Ältere Lagefestpunktfelder liefern nicht immer eine ausreichende Genauigkeit. Die Landestriangulationen sind nämlich meistens in längeren Zeiträumen entstanden und zu verschiedenen Zeiten nach der Methode des Einschneidens abschnittsweise verdichtet, so dass wohl eine ausreichende Nachbar- oder Abschnittsgenauigkeit, aber nicht eine Genauigkeit über größere Räume gewährleistet ist. In solchen Fällen ist ein Baustellennetz anzulegen, das in der Regel durch Satellitenpositionierungsverfahren [10] oder eine Kombination von Triangulation, Trilateration und Feinpolygonzügen bestimmt, möglichst in einem Zuge frei ausgeglichen und schließlich durch eine Helmerttransformation in das Landesnetz eingepasst wird. Für die im Einsatz befindlichen elektronischen Distanzmesser [4; 5] ist stets eine Vergleichsstrecke anzulegen, um einerseits die Instrumente untereinander, andererseits aber diese mit anderen Längenmessgeräten vergleichen zu können. Als Grundlage für die Höhenmessung reicht ein neueres Höhenfestpunktfeld des Landes meistens aus [16]. Doch beobachtet man im Gebirge zweckmäßig im Lagenetz auch die Zenitwinkel, um etwaige Mängel des Höhennetzes aufdecken zu können.

600

19 Ingenieurgeodäsie

Wichtige Festpunkte werden durch steinerne Pfeiler vermarkt und durch Messung nach besonders standsicheren rückwärtigen Festpunkten versichert. Die Pfeiler für die Höhenfestpunkte müssen in frostfreie Tiefe (80 cm) reichen. Zur Vermarkung nachgeordneter Festpunkte können auch Pfähle verwandt werden. Doch bezeichne man das Zentrum durch einen feinen Nagel und schütze die Marken durch dreiseitige Lattenhürden, die mit einem auffälligen Farbanstrich versehen sind. Schließlich müssen sämtliche Festpunkte koordiniert werden und zwar, wenn die Bauwerke einen Teil eines größeren Projektes bilden – z. B. eine Brücke oder ein Tunnel als Teil einer Straßenanlage – zweckmäßig im Landessystem. Um diese vielfältigen Aufgaben einschließlich der nachstehend erörterten Absteckungen jederzeit überblicken zu können, wird zweckmäßig entsprechend dem Bauprojekt auch ein Vermessungsprojekt aufgestellt.

19.4.2 Absteckung von Brücken Die Vermessungsarbeiten beim Bau von Brücken umfassen in der Regel drei Hauptbereiche: 1. Grundlagenmessungen, also das Anlegen von Lage- und Höhenfestpunktnetzen. 2. Bautechnische Detailvermessungen, nämlich a) die Einweisung der Pfeiler und Widerlager in die Brückenachse und die Messung von Verkantung, Schiefstellung usw. von fertig niedergebrachten Gründungskörpern (Senkkästen); b) Festlegung und Vermarkung der Brückenachse, der Pfeilerachsen, der Widerlagerachsen und der Höhenfestpunkte an den Strompfeilern. Dazu bei Hängebrücken: c) Messungen zum Herstellen und Aufstellen der Pylone; d) Ablängung der Seile in der Fabrik. 3. Bauwerksuntersuchungen. a) Beobachtung der Pfeiler auf Setzung und Kippung; b) Messung von Kriech- und Schwindvorgängen sowie von Längsbewegungen. Hierzu sei folgendes angemerkt: Zu 1. Da Landesnetze den hohen Anforderungen der Brückennetze allgemein nicht genügen, legt man ein an, das als freies Netz ausgeglichen wird. Der Anschluss an die Landesvermessung kann durch eine nachgeordnete Helmerttransformation des ausgeglichenen Netzes in das Landesnetz erfolgen [6.3]. Abb. 19.43 zeigt in schematischer Form ein symmetrisch zur Brückenachse angelegtes Netz. Als Beobachtungsverfahren eignen sich: – Bestimmung der Lagekoordinaten des Grundnetzes durch Satellitenpositionierungsverfahren, – Bestimmung der Höhen des Grundnetzes durch Feinnivellement.

601

19.4 Absteckung von Ingenieurbauten

1

2

3

4

5

6 Session I Session II Session III Session IV

Abbildung 19.43. Netzentwurf und Beobachtungsplan für die Satellitenpositionierung

Eine Messanordnung für die Lagemessungen zeigt an einem Beispiel Abb. 19.43. Es kommen 5 Satellitenempfänger zum Einsatz. Insgesamt muss dann in 4 Sessionen beobachtet werden. Die Beobachtungszeit pro Session sollte mindestens 1

2

3 Sicherungspunkte

4

5

6

Abbildung 19.44. Absteckung der Pfeiler- und Widerlagerachsen

30 Minuten betragen. Berücksichtigt man außerdem für das Umsetzen der Geräte je 30 Minuten und eine Vorbereitungs- und Abschlusszeit am Anfang und Ende der Messungen, so lässt sich die Messaktion in einem halben Tag durchführen. Die Messanordnung gewährleistet, dass alle Punkte mit unterschiedlichen Geräten je doppelt besetzt werden. Damit ergibt sich eine ausreichende Zuverlässigkeit. Außerdem ist eine hohe Nachbarschaftsgenauigkeit, Homogenität und optimale Einpassung in das Landesnetz gegeben (Kahmen u. a. 1997). Im Rahmen einer Ausgleichung werden die Koordinaten der Netzpunkte zunächst in dem ITRF-System [16] bestimmt und anschließend erfolgt über die identischen Punkte F1 bis F4 die Transformation ins Landesnetz [10.8.1], wobei der Maßstab festzuhalten ist.

602

19 Ingenieurgeodäsie

Die Höhenmessungen erfolgen im Anschluss an das Landesnetz. An den Pfeilern des Grundnetzes befinden sich für die Höhenübertragung Höhenbolzen. Höhenübertragungen zwischen beiden Ufern erfolgen durch Feinnivellements über eine nahegelegene Brücke, durch trigonometrische Stromübergangsmessungen oder durch ein hydrostatisches Nivellement [15]. Zu 2. Für das Einweisen der Strompfeiler und Widerlager (Abb. 19.44) gibt es unterschiedliche Verfahren: – Polarmethode mit elektronischen Tachymetern, – Satellitenpositionierungsverfahren. Die zentralen Pfeilerpunkte und die Punkte der Widerlager sind weitere Zwischenpunkte der Brückenachse. Wenn die Pfeiler nicht im Flussbett liegen, können die zentralen Pfeilerpunkte anfänglich für die polare Absteckung der Fundamente dienen. Die zentralen Pfeilerpunkte und Punkte der Widerlager werden durch zusätzliche Punkte in den Pfeiler- und Widerlagerachsen gesichert (Abb. 19.44); von dort oder von den Punkten des Grundnetzes kann man dann während der weiteren Bauphase die Absteckung vornehmen. Zur Höhenüberwachung können an den Strompfeilern in Stufen von etwa 2,5 m Höhenbolzen eingebracht werden. Mit Hilfe der Marken zur Festlegung der Brückenachse und der Pfeilerachsen sowie der Höhenmarken an den Strompfeilern lässt das Aufbringen des Tragwerks sich nach Lage und Höhe kontrollieren. Die Stellung der Pylonen kann bei Uferpfeilern durch Ablotung mit dem Theodolit, bei Strompfeilern mit Hilfe trigonometrischer Ablotung oder in beiden Fällen mit Richtlasern und/oder durch Positionsbestimmung mit Satelliten kontrolliert werden. Zu 3. Setzungs- und Kippbeobachtungen werden während des Bauens regelmäßig vorgenommen. Eine Ergänzung hierzu bilden die Belastungsproben. Kriech- und Schwindmessungen sowie Bewegungsmessungen werden in Zusammenarbeit mit dem Bauingenieur angesetzt und graphisch registriert. Fertiggestellte Brücken sind anfällig gegen Bewegungen des Fundaments, z. B. als Folge von Geländerutschungen. Dadurch können auch bei kleinen Brücken Deformationen hervorgerufen werden. Zur Kontrollbeobachtung eignen sich: – übergreifende Richtungsnetze, Streckennetze oder kombinierte Netze, die an den charakteristischen Punkten der Brücke vermarkt und in Zwangszentrierung gemessen werden, – rechnergestützte, automatisch arbeitende Vermessungssysteme mit Weg- und Neigungsgebern [19.5.3.3] Für Lageabweichungen und gibt es keine allgemeingültigen Festlegungen. Toleranzen werden im allgemeinen im Zusammenhang mit den statistischen Berechnungen und in Abhängigkeit vom Herstellungsprozess und der Montage festgelegt.

603

19.4 Absteckung von Ingenieurbauten

19.4.3 Tunnelabsteckungen Das Ziel der Tunnelabsteckungen besteht darin, eine räumliche Achse – die Tunnelachse – abzustecken. Die Tunnelachse wird von einem Tunnelnetz (Baustellennetz) aus abgesteckt, wobei sie durch eine Anzahl von Punkten mit ihren Koordinaten und Höhen festgelegt wird. Die Qualität des Tunnelnetzes muss so beschaffen sein, dass die Tunnelachse mit der vorgegebenen Genauigkeit und einer hohen Zuverlässigkeit hergestellt werden kann. Die zur Absteckung notwendigen Berechnungen werden im allgemeinen nicht in einem räumlichen System, sondern getrennt nach Lage und Höhe ausgeführt. Man unterscheidet zwischen Leitungstunneln oder Stollen (Trinkwasserstollen, Abwasserstollen, . . . ) und Verkehrstunneln (für Straßen, Schienen, . . . ). 19.4.3.1 Aufbau der Tunnelnetze Tunnelnetze bestehen aus zwei Teilnetzen mit je unterschiedlichen Zwecken: F1 3/1 F4

1/1 1

1/2

Tunnelachse 1/3 4/1

4

3

3/2

2/1 2

Schacht 4/2

Stollen 5/1

F3

5

5/2

2/2

F2

2/3 Festpunkte Hauptpunkte Nebenpunkte

Abbildung 19.45a. Hauptnetz des Tunnels mit Festpunkten des Landesnetzes, Hauptund Nebenpunkten

a) einem Hauptnetz (Abb. 19.45a), das die Verbindung zwischen den Portalen herstellt und b) dem unterirdischen Netz (Abb. 19.46), das der Steuerung des Vortriebs und der Absteckung sowie Kontrolle der Bauwerke dient. Das Hauptnetz besteht aus Hauptpunkten, von denen je einer in der Nähe der Tunnelmünder erkundet wird. Sind außerdem bei langen Tunneln Zugangsstollen oder Schächte geplant, so ist auch hier jeweils ein Hauptpunkt in der Nähe zu vermarken. Für den Richtungsanschluss müssen außerdem in der Nähe der Hauptpunkte je zwei bis drei Nebenpunkte (Miren) vorhanden sein (Abb. 19.45a). Die Nebenpunkte sollten maximal 1 bis 2 km von den Hauptpunkten entfernt sein, damit auch bei un-

604

19 Ingenieurgeodäsie

günstiger Witterung Anschlussmessungen möglich sind. Zumindest die Hauptpunkte sollten mit Pfeilern vermarkt sein. Dabei müssen die Pfeiler mit einer Vorrichtung für Zwangszentrierung und Höhenbolzen versehen sein. Die Hauptpunkte sind außerdem durch mindestens zwei weitere Punkte zu sichern. Bei der Erkundung aller Punkte ist darauf zu achten, dass Zerstörungen durch Bauvorgänge weitgehend ausgeschlossen sind und Sichtverbindungen möglichst nicht unterbrochen werden. Für den Anschluss an das Landesnetz sind Festpunkte zu erkunden, von denen zwei beiderseits der Tunnelachse und zwei im Bereich der Portale liegen sollten. Bei günstiger Lage können die Festpunkte auch als Haupt- oder Nebenpunkte dienen. Die Lagekoordinaten des Tunnelnetzes bestimmt man am wirtschaftlichsten mit Satellitenpositionierungsverfahren. Eine Messanordnung ist exemplarisch für ein Netz mit zwei Hauptpunkten, je zwei Nebenpunkten und vier Festpunkten in Abb. 19.45b wiedergegeben. Zwei Festpunkte dienen gleichzeitig als Nebenpunkte. Die Messungen sind auf vier Sessions aufgeteilt, wobei die Messdauer mindestens 30 Minuten betragen sollte. Jeder Punkt ist mindestens zweimal zu besetzen. Die seitlich der Tunnelachse liegenden Festpunkte werden permanent besetzt, während vier weitere Empfänger Haupt- und Nebenpunkte aufsuchen.

1

Session I _ IV

2

Session I Session II Session III Session IV

Abbildung 19.45b. Messanordnung für die Lagepunktbestimmung eines Hauptnetzes mit Satellitenverfahren

Für eine homogene Einbindung des unterirdischen Netzes werden von den Hauptpunkten aus Richtungen zu den Nebenpunkten gemessen. Außerdem werden Versicherungspunkte durch Richtungs- und Distanzmessung angehängt. Die Höhenbestimmung der Punkte erfolgt durch ein Feinnivellement im Anschluss an das Landesnetz.

605

19.4 Absteckung von Ingenieurbauten

Für das unterirdische Netz gibt es verschiedene Varianten (Abb. 19.46). Wegen der geringen Tunnelbreiten arbeitet man mit langgestreckten schmalen Netzen oder Polygonzügen. Die Distanzen und Richtungen lassen sich wirtschaftlich mit elektronischen Tachymetern messen. Fehlertheoretisch wirkt sich ungünstig aus, dass während der Vortriebsphase im vorderen Bereich der unterirdischen Netzanordnung keine Anschlussmessungen zu bekannten Festpunkten ausgeführt werden können. Die Genauigkeit und Zuverlässigkeit nehmen ausgehend von der Variante 1 fortschreitend zur Variante 3 hin zu. Allerdings weist die Variante 1 für den Durchschlagspunkt überhaupt keine Zuverlässigkeit auf. Gleichzeitig nimmt aber auch der Aufwand von Variante zu Variante zu. Es ist daher zu prüfen, wie weit der Einsatz von Kreiseln das Verfahren im Hinblick auf Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit günstig beeinflusst. Häufig stellt sich heraus, dass die Variante 2 mit Kreiselaufstellungen auf jedem 2. Punkt eine optimale Ausführung ermöglicht. Die Fehlerfortpflanzung zufälliger Fehler wird dann stark herabgesetzt und der Einfluss von Refraktionsfehlern weitgehend beseitigt (Heister 1992). Eine Vertiefung dieser Fragestellung ermöglichen u. a. die Arbeiten von Rinner 1976; Rinner, Schelling 1980; Schelling, Hoffmann-Wellenhof 1988.

Variante 1

Variante 2

Variante 3

Abbildung 19.46. Varianten des unterirdischen Netzes

606

19 Ingenieurgeodäsie

Abb. 19.47 zeigt, wie das unterirdische Netz genutzt wird, eine Tunnelvortriebsmaschine (TVM) zu navigieren. Die Anschlussmessungen an das oberirdische Netz Z Längsschnitt Pn _ 1

Pn

Z2 Z 1 TVM

Sumpf Führung der TVM auf Sollachsen nach Lage und Höhe

Anfahrschacht Kreiselmessungen

Fn

α1 F0

β2 β1

α2 Pn _ 1

Fn

TVM

Pn Grundriss

Abbildung 19.47. Navigation einer TVM

erfolgen durch einen Schacht. Zur Stabilisierung der Orientierung des unterirdischen Netzes sind auf einzelnen Stationen Kreiselmessungen ausgeführt. Höhenmessungen erfolgen über ein Feinnivellement. Von der am weitesten vorangetriebenen Station aus werden über polares Anhängen zwei Punkte in der TVM bestimmt, aus denen sich die Position und Ist-Orientierung berechnen lassen. Aus einem Vergleich mit der Soll-Orientierung und den Erfahrungen der etwa letzten 10 m Schildfahrt ermittelt ein Rechner die sogenannte Vortriebstendenz und damit Korrekturdaten für die weiteren x-Meter Vortrieb. Zusätzlich zu den geodätischen Messungen werden in der Regel noch Daten weiterer Sensoren in die Berechnungen einbezogen. So lassen sich z. B. die Längs- und Querneigung (Verrollung) der TMV durchgreifend mit elektronischen Libellen beobachten. Die Genauigkeit des oberirdischen und unterirdischen Netzes muss so beschaffen sein, dass die vorgegebene Durchschlagsgenauigkeit eingehalten wird (vgl. z. B. Schuhr 1982, 1983). Die Durchschlagsgenauigkeit ist die Präzision, mit der die von beiden Seiten vorgetriebenen Tunnel mit ihren Achsen zusammentreffen. Sie ist abhängig von der Vortriebslänge und wird allgemein als Wert σ pro km Tunnellänge vorgegeben. Die Durchschlagsgenauigkeit berechnet sich daher nach: σD = σ Tkm mit Tkm : Tunnellänge in km, σD : Standardabweichung für den Durchschlag.

19.4 Absteckung von Ingenieurbauten

607

Diese Forderung muss mit einem Fehlermaß, dem Durchschlagsfehler geprüft werden. Ein geeignetes Maß ist die relative Fehlerellipse der Nullstrecke D1 D2 = 0 des Durchschlagsortes (Rinner 1976, Van Mierlo 1980).

19.4.3.2 Auswerteverfahren Die Gesamtausgleichung erfolgt in mehreren Schritten. Am Anfang werden in einer ersten Ausgleichung die Koordinaten des Hauptnetzes im ITRF- System [16] bestimmt und über die identischen Punkte des Landesnetzes in dieses transformiert [10.8]. In einem zweiten Schritt gleicht man die beobachteten Koordinatendifferenzen (aus Satellitenmessungen) und die im Hauptnetz gemessenen Richtungen hybrid frei aus, um eventuell vorhandene systematische Abweichungen aufzudecken. Hierbei wird das Netz im Sinne einer Teilspurminimierung auf den (Näherungs-) Koordinaten der GPS-Punkte aus der vorhergehenden Ausgleichung gelagert. Der Maßstab wird dabei festgehalten, um die hohe Genauigkeit der Messungen nicht zu verlieren. In der dritten Stufe erfolgt die Berechnung des unterirdischen Netzes, wobei die Koordinaten des Hauptnetzes angehalten werden (Kahmen, Wunderlich, Retscher, Kuhn, Plach, Teferle, Wieser 1997).

19.4.4 Absteckung und baubegleitende Qualitätskontrolle bei Hochbauten 19.4.4.1 Anforderungen an das Vermessungssystem Insbesondere bei Industriebauwerken werden heute hohe Anforderungen an das Vermessungssystem gestellt, das steuernd beim Fertigungsprozess mitwirken soll und gleichzeitig für die Aufmessung genutzt wird. Einen Hinweis auf die Größe und Kühnheit moderner Schalenstrukturen gibt am Beispiel eines Kühlturms Abb. 19.48. Die Abb. 19.49 vermittelt einen Eindruck von der Vielfältigkeit der Vermessungsleistungen, die bei einem Bauwerk zu erbringen sind. Das Vermessungssystem sollte so konzipiert sein, dass es – bei der Einrichtung aller Bauwerksteile mit dem gleichen Instrumentarium und der gleichen Messstrategie eingesetzt werden kann, – für verschiedene Projekte unabhängig von dem Schalungssystem zu verwenden ist, – alle Absteckungs- und Aufmessungsleistungen der Baufirma als Hersteller und alle Aufmessungsleistungen des Bauherrn im Sinne einer Überwachung erfüllt, – während der Bauphase gesammelte Informationen nutzt, um steuernd in den Fertigungsprozess einzugreifen,

608

19 Ingenieurgeodäsie

Hühnerei d 1 D ≈ 450

d 1 D ≈ 150

d

D

d

D

Cheops Pyramide Kolosseum Kölner Dom

Abbildung 19.48. Kühnheit der Konstruktion der doppelt gekrümmten Schale eines Kühlturms (Damjakob, Kahmen 1989)

– die Dokumentation weitgehend objektiv ausführt, d. h. die Arbeiten, von der Aufnahme der Daten bis zur Herstellung von Tabellenwerken und Graphiken, müssen in einem automatischen DatenÁuss (on-line) erfolgen. Herkömmliche Vermessungssysteme, die z. B. aus einem optischen Lot und einem Messband bestehen, erfüllen diese Bedingungen nur teilweise. Vektorielle Vermessungssysteme dagegen können den gestellten Anforderungen gerecht werden. Die Problematik wird nachfolgend exemplarisch im Zusammenhang mit dem Bau von Kühlturmschalen behandelt (Damjakob, Kahmen 1989).

19.4.4.2 Anforderungen an den Fertigungsprozess und Schalungssysteme Wie aus Abb. 19.48 hervorgeht, ist die Wanddicke der Kühlturmschale sehr dünn im Verhältnis zum Schalendurchmesser. Diese kühne Konstruktion wird durch die besondere Art der Lastabtragung der doppelt gekrümmten Schale (Membrantragwirkung) in Verbindung mit einer relativ günstigen Verteilung der Windlast auf der SchalenoberÁäche ermöglicht. Allerdings muss wegen der in großen Bereichen der Membranschale auftretenden Druckkräfte und auch wegen der in den Berechnungskonzepten angenommenen Geometrieperfektion eine verhältnismäßig enge Fertigungstoleranz vorausgesetzt werden, die – vereinfacht ausgedrückt – für jeden Punkt des Gesamtbauwerkes etwa mit 100 mm angegeben werden kann (Grenzmaße ±50 mm). Diese Fertigungstoleranz beinhaltet die Herstellungs-, Montage- und Vermessungsgenauigkeit, wobei man dem Vermessungsingenieur ca. 20 bis 30% anteilig zugestehen muss.

609

19.4 Absteckung von Ingenieurbauten

Kühlturmschale

Ringbalken und Stützen der inneren Stützstruktur für die Wärmetauscher Flachgründung

Kühlturmstützen Stützensockel Ringfundament Pfahlgründung Interne Fixpunkte für die Bauwerksvermessung

Abbildung 19.49. Stahlbeton-Bauwerksteile eines Trockenkühlturms (Damjakob, Kahmen 1989)

Eine weitere wichtige Forderung für Schalenbauwerke ist die Einhaltung der vorgegebenen Schalenform, d. h. der Neigung der TangentialÁäche eines jeden Punktes der gekrümmten Schale, wobei Neigungsabweichungen nicht mehr als 2 cm/m, d. h. 2%, betragen sollen. Stahlbeton-Naturzugkühltürme werden vorzugsweise mit sogenannten Klettergerüsten und Umsetzschalungen – kurz Kletterschalungen – hergestellt, allerdings gibt es auch mit Erfolg eingesetzte Gleitschalungssysteme (Cyrklaff 1980). Bei den Kletterschalungen werden einzelne, ca. 0,50 bis 2,00 m hohe, Ringabschnitte hergestellt, wobei die Schalung jedesmal abgenommen und für einen nächsten oder übernächsten Ringabschnitt wieder neu eingerichtet oder aufgestellt wird. Bei der Gleitschalung bewegt sich die Schalung kontinuierlich nach oben und gleitet an dem eingebrachten Beton vorbei. Bei den Kletterschalungen gibt es wiederum Systeme, die aus einzelnen, im horizontalen Abstand von ca. 3 bis 6 m meridional hochkletternden, formstabilen Gerüsteinheiten bestehen, und solche, bei denen zwei übereinanderliegende Ringgerüstsysteme im Wechsel abgebaut und oben wieder montiert werden. Abb. 19.50 zeigt eine meridianorientierte (a) und eine ringorientierte (b) Kletterschalung. Bei dem meridianorientierten Gerüstsystem können sich die Vermessungsleistungen im wesentlichen auf die Meridiane der Gerüsttürme beschränken, wobei Zwischenwerte vor Ort mit Pfeilhöhenverfahren interpoliert werden. Außerdem handelt es sich, aufgrund der in tieferen Abschnitten verankerten Gerüsttürme, gewisserma-

610

19 Ingenieurgeodäsie Kletterschritt h

(a)

(b)

Abbildung 19.50. Kletterschalungen mit (a) meridional hochkletternden Gerüsteinheiten und (b) zwei übereinanderliegenden Ringgerüsten, die im Wechsel ab- und wieder aufgebaut werden

ßen um ein System mit Gedächtnis“, indem die bereits hergestellte Schalenform ” durch die steifen Gerüsteinheiten tangential nach oben hin extrapoliert wird und dadurch eine Basis für das Abstecken eines neuen Schalenabschnittes gegeben ist. Bei dem ringorientierten Gerüstsystem muss die vorgegebene Schalenform jedesmal neu eingemessen werden. Da es keine bevorzugten Meridiane gibt, fallen hier sehr viel mehr auf den gesamten Umfang bezogene Vermessungsleistungen an. Welches Schalungssystem zum Einsatz kommt, ist standortbedingt und von dem entwerfenden Ingenieur nicht immer zu beeinÁussen. 19.4.4.3 Herkömmliche Vermessungssysteme (1) Absteckung und Aufmessung mit optischem Lot und Laserlot Bei den bisher am weitesten verbreiteten Verfahren bildet man in Zuordnung zu einem meridionalen Kletterschalungssystem ausgewählte gleichabständige Meridiane der Schale orthogonal auf der Beckensohle ab. Es entsteht ein sternförmiges Strahlenbüschel (Abb. 19.51). Auf den einzelnen Strahlen können dann in konstantem Abstand Messmarken eingemessen werden. Ausgehend von diesen Messmarken lassen sich Radien der Schale für beliebige Bauhöhen absetzen und durch Messpunkte kennzeichnen (Abb. 19.51). Während des Fertigungsprozesses werden die Radien mit einem optischen Lot hochgelotet. Da die Zielpunkte in der Regel durch das Klettergerüst verdeckt werden, erfolgt die radiale Absteckung indirekt über eine radial ausgerichtete horizontierte Messlatte, die von Hand gehalten oder am Klettergerüst befestigt wird. Die Ablesung an der Messlatte macht ein Beobachter auf der Beckensohle. Die Höhe überträgt man

611

19.4 Absteckung von Ingenieurbauten Zentraler Kran Messlatte

Kletterschalung

Lotungssystem Standpunktlinie Standpunktkreis Beckensohle

Abbildung 19.51. Absteckung und Aufmessung mit optischem Lot oder Laserlot

nach unterschiedlichen Verfahren: Zunächst ist die Höhe von vornherein durch das Schalungsverfahren gegeben, da man Schalungstafeln konstanter Höhe verwendet. In bestimmten Abständen wird die Höhe der Messlatten jedoch zusätzlich über ein vertikal befestigtes Messband kontrolliert. Die Absteckung zwischen den Meridianen erfolgt durch Interpolation, indem man dort die Schalung von der Sehne über Pfeilhöhen absetzt. Beim Aufmessen geht man ähnlich wie bei der Absteckung vor. Aufgemessen wird die soeben von der Schalung befreite Betonwand. Die Höhen werden mit einem Nivelliergerät, das sich auf einer Bühne des Klettergerüstes beÀndet, auf die Betonwand übertragen, nachdem man den Betrag der Höhe über der Beckensohle mit dem Nivelliergerät an einem Maßstab abgelesen hat, der an dem zentralen Kran befestigt ist. Der Beobachter am optischen Lot führt das Messprotokoll und bestimmt die Bauabweichung während der Absteckung und nach der Aufmessung. Da bei größeren Bauhöhen und ungünstiger Beleuchtung die Lattenablesung mit dem optischen Lot oft schwierig wird, ist man teilweise auf Laserlote übergegangen. Die Messlatte ersetzt man dann durch eine Teleskoplatte, an deren einem Ende sich eine transparente Zielmarke beÀndet. Der Teleskoparm wird so lange ausgezogen, bis die Messmarke zentrisch im Laserstrahl liegt. Schließlich kann die Länge der ausgezogenen Teleskoplatte an einem Maßstab abgelesen werden.

612

19 Ingenieurgeodäsie

(2) Absteckung und Aufmessung mit einem tangentialen Laserleitstrahlsystem Bei Gleitschalungssystemen ist die Tatsache, dass das Lotgerät, wie zuvor beschrieben, für jede Absteckung und Aufmessung umgesetzt werden muss, von besonderem Nachteil. Außerdem beÀndet sich der Beobachter dabei im Bereich der Bauaktivitäten, d. h. in einem besonderen Gefahrenbereich und muss durch spezielle Einrichtungen geschützt werden. Diese Nachteile entfallen bei einem fest installierten, tangential ausgerichteten Laserleitstrahlsystem. Die zentrale Einheit mit dem Laser beÀndet sich dabei im Zentrum des Kühlturms (Abb. 19.52). Von dort wird der Laserleitstrahl mit Hilfe von Umlenkeinheiten tan-

Zentraler Kran

Messlatte

Gleitschalung

Laserstrahl

Umlenkeinheit

Zentraleinheit Beckensohle

Abbildung 19.52. Absteckung und Aufmessung mit einem Laserleitstrahlsystem

gential zur Schale abgelenkt. Der Strahl trifft auf radial an dem Gleitschalungssystem befestigte Messlatten. Die Bedienung der Anlage erfolgt vom Schalungsgerüst aus. Nach der Ablesung an einer Messstelle kann auf die nächste umgeschaltet werden. Systeme mit 24 Umlenkeinheiten befanden sich bereits im Einsatz. Die Auswertung der Bauabweichungen erfolgt in einem Formular. Für die Aufmessung nutzt man ebenfalls das Laserleitstrahlsystem. (3) Absteckung mit einer Neigungswasserwaage und Aufmessung mit dem optischen Lot Bei der Absteckung kann auf den Einsatz von Lotgeräten gelegentlich verzichtet werden. Dies ist z. B. möglich, wenn die Kletterschalung meridianorientiert ist und aus zwei übereinanderliegenden Schalungssätzen besteht. Der untere am bereits erhärte-

19.4 Absteckung von Ingenieurbauten

613

ten Beton befestigte Schalungssatz gibt dann über Schalungsständer dem oberen Satz den erforderlichen Halt. Die Schalungsständer sind so befestigt, dass an ihnen die Einstellung der sich ständig ändernden Schalenneigung vorgenommen werden kann. Mit einer Neigungswaage, die entsprechend der Soll-Neigung der Schale eingestellt wird, lassen sie sich justieren, wodurch der gesamte Schalungssatz ausgerichtet wird. Die Aufmessung führt man – wie in (1) beschrieben – mit dem optischen Lot aus. Die zuvor beschriebenen Verfahren kommen auch bei anderen Hochbauten (Schornsteinen, Fernsehtürmen, Brückenpfeilern, Bürohochhäusern, . . . ) zum Einsatz. 19.4.4.4 Rechnergestützte vektorielle Vermessungssysteme Die in [19.4.4.3] beschriebenen Messsysteme erfassen die Komponenten der radialen Vektoren und die vertikalen Komponenten für die Absteckung und Aufmessung der Kühlturmschale mit verschiedenen Messgeräten zu unterschiedlichen Zeiten. Rechnergestützte vektorielle Vermessungssysteme – die als Basisgerät ein elektronisches Tachymeter haben – ermöglichen es, die Schale des Bauwerkes unmittelbar in einem Arbeitsgang in bezug auf das Koordinatensystem des Messinstruments mit Raumvektoren abzustecken und aufzumessen. Die Raumvektoren können on-line von dem Mikroprozessor des Messinstruments in radiale Vektoren des Bauwerkes transformiert werden. Wie nachfolgend noch gezeigt wird, liegen dann unmittelbar ausreichende Informationen vor, mit denen direkt steuernd in die Produktion eingegriffen werden kann. Der Übergang zum Computer-Aided Manufacturing (CAM) wird möglich. Das Tachymeter kann an beliebigen und gefahrlosen Stellen im Inneren des Kühlturmes aufgestellt werden (freie Stationierung). Diese flexible Handhabung ist notwendig, da oft Sichten durch Baumaßnahmen im Innern des Kühlturmes versperrt sind. Für die Positionierung des Tachymeters und die Orientierung seines Teilkreises müssen mindestens Richtungen und Distanzen zu zwei Fixpunkten gemessen werden. Um dieses möglichst reibungslos zu gewähren, sind eine Vielzahl von Fixpunkten auf den Fundamenten des Kühlturmes zu vermerken und im Koordinatensystem des Kraftwerkes der Lage und Höhe nach zu bestimmen. Abb. 19.53 beschreibt die Steuerung des Fertigungsprozesses und dieAufmessung der Kühlturmschale. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass Kühlturmschalen in der Regel in einzelnen Ringabschnitten betoniert werden, die je eine Höhe von ca. 1 m haben. Die vorgegebene Soll-Geometrie der Kühlturmschale ist in der Datenbank des stationären Rechners abgespeichert. Für jeden Ringabschnitt sind dies: der untere und der obere Radius (rn−1 , rn ), die entsprechenden Höhen (hn−1 , hn ) und die Neigung (xn−1 ). Vor der Absteckung eines jeden Ringabschnittes werden diese Daten im Baubüro in den Speicher des Prozessrechners geladen. Der Speicher enthält außerdem die Koordinaten (xm , ym , hm ) des Zentralpunktes des Kühlturms und die Koordinaten (xi , yi , hi ) der Fixpunkte auf den Fundamenten des Kühlturmes. Der

614

19 Ingenieurgeodäsie

Operateur am Tachymeter wird auf der Baustelle über Menü-Technik durch das gesamte Programm geführt. Hauptmenu III

Messung Beton (n _ 1)

Messung Beton (n _ 1) Hz-, V-, Distanz

hn Schalung

h Für hn _ 1: (rn−1 /αi )ist

hn _ 1

N g Zielpunkte

x n _1

Beton

(rn−1 )ist −rn−1 = 1

1 < Rücksteuerung Max. 1% von  h

Vereinbartes Grenzmaß

nein nein Wiederholt große Abweichung

Rücksteuerung für h n rnc /αi

Toleranz Grenzmaß

Protokoll

Messung Schalung (n) Hz-, V-, Distanz

Messung Schalung (n) hn

Für hn : (rn /αi )ist  2 = 10 mm

Schalung

h

rnc /αi −(rn /αi )ist < 2 nein

Schalung neu einstellen

hn _1 Beton

Speicher des Prozessrechners

(rn−1 /αi )ist , 1 ,2

Ende der Messreihe

Hauptmenü

nein

Nächster Punkt sichtbar nein Hauptmenü II: Freie Stationierung

Abbildung 19.53. Absteckung und Aufmessung der Kühlturmschale

Zunächst wird möglichst dicht unter der neu einzurichtenden Schalung die zuletzt fertiggestellte Betonwand angemessen. Die Zielpunkte sind allerdings im allgemeinen durch das Klettergerüst verdeckt. Für die Distanz- und Richtungsmessungen müssen daher eine Zielmarke und der zugehörige Reflektor mit einer speziellen – leicht tragbaren – Halterung radial versetzt positioniert werden. Aus den Messwerten des Tachymeters, den Abmessungen der Halterung und der bekannten Neigung xn−1 des Ringabschnittes können schließlich Ist-Radien (rn−1 / αi ) für die vorgegebenen Soll-Höhen hn−1 berechnet werden; αi kennzeichnet das jeweilige Azimut.

19.4 Absteckung von Ingenieurbauten

615

Der Beobachter darf bei der Absteckung und Aufmessung nicht an eine bestimmte Reihenfolge gebunden sein, denn es kann z. B. vorkommen, dass Zielpunkte völlig verdeckt und erst von der nächsten Station des Tachymeters aus sichtbar sind. Um unter diesen Bedingungen dem Beobachter am Instrument die Orientierung zu vereinfachen und später die Organisation der Datenverarbeitung zu erleichtern, werden in bezug auf die Stützen der Kühlturmschale den einzelnen Schalungselementen automatisch Nummern zugeordnet. Im weiteren Programmablauf wird nun mit dem Ist-Radius überprüft, wie genau bei der Fertigung der vorgegebene Soll-Radius rn−1 eingehalten werden konnte. Wird z. B. ein vorgegebenes Grenzmaß (z. B. ±50 mm) überschritten, so sind zunächst die Messungen und Auswertungen zu wiederholen. Bestätigen wiederum die Auswertungen das Überschreiten des Grenzmaßes, so ist sofort die Bauleitung zu unterrichten. Wird das Grenzmaß eingehalten, so kann der normale Fertigungsprozess fortgesetzt werden. Zunächst interpretiert jetzt der Prozessrechner, ob und in welchem Maß eine Bauabweichung vorliegt. Sind nur kleine Bauabweichungen vorhanden (z. B. 1 < 12 mm), so wird die neu einzurichtende Schalungstafel mit dem konstruktiv vorgegebenen Radius abgesteckt. Für die statische Beanspruchung des Bauwerkes ist es vorteilhaft, wenn die Meridiane der Schale möglichst geringe Knicke aufweisen. Aus diesem Grunde werden Bauabweichungen von einigen Zentimetern stufenweise zurückgesteuert. In Abb. 19.53 ist an einem Modellbeispiel gezeigt, mit welchen Prozentsätzen die schrittweise Reduktion vorgenommen werden kann. Der korrigierte Radius (rnc /αi ), der jetzt den konstruktiv vorgegebenen Radius ersetzt, wird automatisch von dem Prozessrechner ermittelt. Die Absteckung der Schalungselemente erfolgt über einen Regelkreis. Zunächst wird aus Tachymetermessungen der obere Ist-Radius (rn /αi ) des Schalungselementes abgeleitet.Anschließend wird der Ist-Radius mit dem entsprechenden korrigierten Radius verglichen und kontrolliert, ob die Abweichung 2 einen Grenzwert (z. B. +10 mm) überschreitet. Ist dies der Fall, so wird das Schalungselement über Stellschrauben neu eingestellt. Dieser Regelvorgang wird so lange wiederholt, bis der Grenzwert unterschritten wird. Der Ist-Radius der oberen Kante der bereits fertiggestellten Schale, die Bauabweichung 1 und die Restabweichung 2 bei der Justierung der Schalung werden für die Dokumentation des Bauwerkes abgespeichert. Die Aufgaben des zentralen Rechners umfassen folgende Bereiche: – Bereitstellung einer Datenbank, – Dateneingabe und Datenausgabe über die Rechnerschnittstelle zum Prozessrechner und über die Tastatur für den Operateur, – Sortieren der Messdaten, – Auswertung der Daten, – Dokumentation.

616

19 Ingenieurgeodäsie

Die so ausgewerteten Daten ermöglichen unmittelbar nach der Fertigstellung eines Bauabschnittes (z. B. eines Ringabschnittes) erste Aussagen über dessen Ausführungsqualität. Es können jetzt Listen erstellt werden über: – Radiusabweichungen an der oberen Kante des zuletzt fertiggestellten Betons, – Radius- und Höhenabweichungen der oberen Kante der neu eingerichteten Schalung. Weiterhin können statistische Kenngrößen ermittelt werden, die ständig die jeweils erreichte Ausführungsqualität beschreiben. Kenngrößen dieser Art sind: – maximale Radius- und Höhenabweichungen, – durchschnittliche Radius- und Höhenabweichungen sowie deren Standardabweichungen. Hierdurch ist die Bauleitung und -überwachung direkt über die Fertigungspräzision informiert und kann unmittelbar im Sinne einer baubegleitenden Qualitätssicherung steuernd in den Fertigungsprozess eingreifen. Es muss auch stets die Ausführungsqualität des gesamten bereits fertiggestellten Bauwerkes überwacht werden. Hierfür ist es vorteilhaft, Qualitätsmerkmale in bezug auf ein regelmäßiges Raster darzustellen. Bei Kühltürmen bilden Meridiane und Begrenzungslinien der Ringabschnitte ein geeignetes Gitter. Die zunächst an beliebigen Punkten bestimmten Ist-Radien müssen daher durch Interpolation auf die dazwischenliegenden Rasterpunkte umgerechnet werden. Soll- und Ist-Radien in den Rasterpunkten sind dann geeignetes Ausgangsmaterial für verschiedene Qualitätskontrollen in bezug auf die Schalengeometrie. Weitgehende Qualitätskontrollen liefern die radialen Bauabweichungen in den Gitterpunkten und die Formabweichungen (Differenzen zwischen Soll- und IstNeigung) längs der Gitterlinien sowie deren statistische Kenngrößen. Geeignete statistische Kenngrößen sind auch hier Maximalwerte, Durchschnittswerte und deren Standardabweichungen. Die Formabweichungen berechnet man geeignet für Linienabschnitte konstanter Länge. Ein Maß für die Formabweichungen F je Linienabschnitt liefert für die Meridianrichtung der Quotient F =

ri−1 − ri , L

wobei ri−1 und ri die Bauabweichungen an den Endpunkten des Linienabschnittes und L die Länge des Linienabschnittes bezeichnen. Das Vermessungssystem wurde erstmals auf einer Großbaustelle in Südafrika eingesetzt (Damjakob, Kahmen 1989). Über umfangreiche Erfahrungen wird in (Damjakob, Kahmen, Lösekraut 1989) berichtet. Beim Einsatz von Kletterschalungen mit meridional hochkletternden Gerüsteinheiten kann man für die Steuerung des Fertigungsprozesses und dieAufmessung auch Messroboter [5] einsetzen. Dieser verfolgt automatisch an der Kletterschalung befe-

19.4 Absteckung von Ingenieurbauten

617

stigte Zielmarken und steuert sie in ihre Sollposition. Der Regelkreis in Abb. 19.53 arbeitet dann vollautomatisch.

19.4.5

Die Absteckgenauigkeit bei Ingenieurbauten

Die Frage, welche Messgenauigkeit bei der Absteckung von größeren Ingenieurbauten gefordert werden muss, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Die Ausgangspunkte bei den Überlegungen müssen logischerweise die Fertigungstoleranzen im Bauwesen sein. Das Problem ist aber so vielschichtig, und die Zahl der dabei eingehenden Parameter ist so groß, dass z. Z. noch keine überzeugende Lösung in Sicht ist. Schon innerhalb des Bauwesens wünscht, beim Zusammenwirken mehrerer Fachsparten, jede am Bau beteiligte Sparte, dass möglichst enge Toleranzen bei den Arbeiten der Vorgänger eingehalten werden, während sie für sich selbst möglichst weite Toleranzen erstrebt. Bei der Diskussion zwischen Bau- und Vermessungsingenieuren ergeben sich zusätzliche Schwierigkeiten daraus, dass beide Seiten unterschiedliche Genauigkeitsbegriffe benutzen. Dem Geodäten ist die Standardabweichung eine vertraute Größe, weil in der Messtechnik ganz allgemein Maßabweichungen als Fehler betrachtet werden. Im Bauwesen aber werden Maßabweichungen solange nicht als Fehler gewertet, als sie innerhalb der Toleranzen, d. h. zwischen dem zulässigen Größtmaß und dem zulässigen Kleinstmaß liegen. Folgende wichtige Begriffe sind nach DIN 18201 als Maßtoleranzen im Bauwesen in Gebrauch: Abmessung:

Nennmaß: (Sollmaß) Werkmaß: (Fertigungsmaß) Istmaß: Grenzmaß: Größtmaß: Kleinstmaß: Toleranz: Abmaß: Oberes Abmaß:

Größe eines Körpers (Bauteils oder Bauwerks) in einer gegebenen Richtung (z. B. Länge, Breite, Höhe, Durchmesser) oder einer Linie (z. B. Umfang eines Kreises). Maß, das zur Kennzeichung von Größe und Lage eines Bauteils oder Bauwerks angegeben und in Zeichnungen eingetragen wird. Das für die Fertigung eines Bauteils vorgegebene, vom Nennmaß abgeleitete Maß. Es berücksichtigt die Toleranzen und ist mit der Toleranzangabe versehen. Das tatsächliche durch Nachmessungen festgestellte Maß eines Bauteils oder Bauwerks. Zulässiges äußerstes Maß für das Istmaß. Das obere Grenzmaß. Das untere Grenzmaß. Differenz zwischen Größtmaß und Kleinstmaß. Differenz zwischen dem Istmaß und dem Nennmaß oder Werkmaß. Differenz zwischen dem Größtmaß und dem zugeordneten Nennmaß oder Werkmaß.

618

19 Ingenieurgeodäsie

Unteres Abmaß:

Differenz zwischen dem Kleinstmaß und dem zugeordneten Nennmaß oder Werkmaß.

Häufig hängt die geforderte Genauigkeit vom Herstellungsprozess und der Montage ab. Die Messgenauigkeit muss in einer vernünftigen Relation zur Genauigkeit der Herstellung und Montage stehen. Zahlenmäßige Relationen stehen allgemein nicht zur Verfügung. In der Regel werden auch nur Toleranzen eines fertigen Bauwerkes oder Bauwerksteils angegeben und nicht Gesamtgenauigkeiten, die sich aus den Herstellungs-, Montage- und Vermessungsgenauigkeiten zusammensetzen. Da keine verbindlichen Richtlinien vorhanden sind, muss man sich folglich immer wieder neu überlegen, wie groß der Anteil der Vermessung an den Toleranzangaben sein darf, und ob dieser Anteil mit dem 3-fachen, 2-fachen oder einfachen Wert der Standardabweichung (3σ , 2σ , 1σ ) angesetzt werden soll. In der Praxis zeigt sich häufig, dass dem Vermessungsingenieur 20 bis 30% der Bautoleranz für die Messgenauigkeit zugestanden werden. In der Regel werden hierbei höchste Anforderungen an ihn gestellt. Am Beispiel des Kühlturmbaus kann dies besonders verdeutlicht werden. Die Ringfundamente großer Kühltürme haben Durchmesser größer als 160 m. Für die Höhe der Kühlturmschalen werden Werte größer als 200 m angegeben. Die Bautoleranz dieser gigantischen Bauwerke wird allgemein mit ±5 cm angegeben. Werden jetzt dem Vermessungsingenieur für seine Messgenauigkeit 20 – 30% der Bautoleranz zugestanden, so hat er für die Absteckung aller Einzelteile des Bauwerks eine Messgenauigkeit von ±10 bis 15 mm zu liefern. Diese hohen Anforderungen sind z. B. nur noch zu erfüllen, wenn die Absteckungsarbeiten ständig durch baubegleitende Aufmessungen rechnergestützt geregelt werden; vgl. Damjakob, Kahmen 1989 und [19.4.4]. Weitere Informationen über die Absteckung von Ingenieurbauten findet man in Möser u. a. 2004.

19.5

Überwachungsmessungen

19.5.1 Definitionen, Aufgabenstellungen Überwachungsmessungen (Deformationsmessungen) verfolgen das Ziel, die Lageund Höhenänderungen eines Untersuchungsobjektes gegenüber seiner Umgebung und/oder dessen Verformung als Funktion der Zeit zu ermitteln. Die Deformationen können unter dem Einfluss innerer oder äußerer Kräfte entstanden sein. Untersuchungsobjekte können Bauwerke, technische Anlagen und weitere natürliche oder künstliche Objekte sein. Typische Anwendungsgebiete sind (Pelzer 1987): – das Bauingenieurwesen: Bestimmung der Verformung von Bauwerken und Verkehrsanlagen (Hochbauten, Brücken, Staudämme, . . . ). Einerseits dienen die Untersuchungen der Überprüfung von Konstruktions- und Materialeigenschaften ei-

19.5 Überwachungsmessungen

619

nes Bauwerkes, andererseits soll aber auch erkannt werden, ob Betriebsstörungen oder Gefährdungen der Umgebung auftreten können. – Maschinen und Anlagenbau: Die Feststellung und die Überwachung der IstGeometrie und der Vergleich mit der Soll-Geometrie soll Auskunft über den störungsfreien Betrieb geben (z. B. bei Turbinenanlagen, Krananlagen, Robotern, . . . ). – Boden-, Felsmechanik und Ingenieurgeologie: Ermittlung von Verformungen der Erdoberfläche. Lokale Störungen wie Grundwasserentnahme oder Massenentnahme sowie großräumige Einflüsse wie Plattentektonik können die Ursache sein. Typische Aufgabenbereiche sind Bergrutschungen, Böschungsrutschungen, Baugrundsetzungen, . . . Die Ursachen für Deformationen sind in der Regel sehr komplex. Es können hier nur einige häufig vorkommende erwähnt werden: – Veränderungen des Untergrundes: Massenentnahme durch Bergbau, Entnahme von Flüssigkeiten wie Öl oder Grundwasser, Schwankungen des Grundwasserspiegels, . . . – Veränderungen durch Lastauftragung oder Lastabtragung: Bauwerkssetzungen, Böschungsbewegungen, . . . – Verformungen aufgrund sich ändernder Materialien: Ermüdung belasteter Tragwerke, Kriechen und Schwinden des Betons, Verwitterung, . . . – äußere Einflüsse: Temperaturänderungen, Winddruck, Feuchtigkeit, . . . Auch die Art der Deformationen kann sehr unterschiedlich sein. Grundsätzlich kann man unterscheiden: – a. b. c. d. – a. b.

Verformungen Dehnungen: relative Änderungen in Länge, Breite und Höhe, Scherungen: relative Verschiebungen längs einer Grenzfläche, Durchbiegungen: Verformungen relativ zu einer Bezugsachse, Torsionen: Verwindungen um eine Konstruktionsachse. Starrkörperbewegungen Senkung, Hebung oder seitliche Verschiebung des Objektes, Schiefstellungen des Objektes.

19.5.2 Planung und Durchführung von Überwachungsmessungen (1) Das geometrische Objektmodell Um den Aufwand der Überwachungsmessungen wirtschaftlich zu gestalten, abstrahiert man das Bauwerk durch eine bestimmte Anzahl von Objektpunkten, die je nach demAblauf der Deformationen kontinuierlich oder diskontinuierlich beobachtet werden. Die Anzahl bzw. der Abstand der Punkte sollte so gewählt werden, dass die Form des Bauwerkes bei interpolierenden Verfahren fehlerfrei erfasst werden kann.

620

19 Ingenieurgeodäsie

Gewöhnlich unterscheidet man zwischen – relativen Überwachungsmessungen, bei denen nur die Relativlage der Objektpunkte zueinander kontrolliert wird, und – absoluten Überwachungsmessungen, bei denen auch die Bewegungen der Objektpunkte gegenüber äußeren Festpunkten erfasst werden. Die Objektpunkte verbindet man direkt oder indirekt mit geometrischen Größen (Strecken, Winkel, Höhenunterschiede) untereinander (Abb. 19.54). Für den Nachweis von Absolutbewegungen der Objektpunkte benötigt man Stützpunkte außerhalb des eigentlichen Untersuchungsgebietes. Die unveränderliche Lage der Stützpunkte wird zunächst rein hypothetisch angenommen. Diese Hypothese muss fortwährend durch Kontrollmessungen überwacht werden. Stützpunkte Sicherungspunkte Kontrollmessung

Objektpunkte Absolutbestimmung

Relativbestimmung

Sicherungsmessung

Abbildung 19.54. Geometrisches Objektmodell

Abb. 19.55 zeigt ein Überwachungsnetz für flächenhafte Setzungsbeobachtungen. Objektpunkte Linien gleicher Setzungen Stützpunkt

Abbildung 19.55. Überwachungsnetz für Setzungsbeobachtungen

Für den Nachweis von Veränderungen setzt man die Kenntnis eines Referenz(Bezugs-) zustandes voraus. Man legt diesen durch eine Nullmessung fest oder de-

621

19.5 Überwachungsmessungen

finiert ihn mit Hilfe der konstruktiven Sollmaße des Objektes. Bei schnelleren Objektbewegungen muss die Nullmessung so organisiert sein, dass während des Messungsablaufes keine nachweisbaren Objektverformungen auftreten. Nach der Nullmessung führt man zu bestimmten Zeitpunkten Folgemessungen durch, wobei es oftmals erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann, die richtige Zeitfolge der Messeinsätze festzulegen. (2) Kontinuierliche, diskontinuierliche Überwachungsmessungen Für eine möglichst wirtschaftliche Gestaltung der Messungen muss sorgfältig untersucht werden, wie der zeitliche Ablauf der Messungen zu gestalten ist; man kann dabei zwischen diskontinuierlichen und kontinuierlichen Überwachungsmessungen unterscheiden. Diskontinuierliche Überwachungsmessungen werden ausgeführt, wenn die zeitlichen Änderungen der verformenden Kräfte und die voraussichtliche Reaktion des Objektes wenigstens näherungsweise vorab bekannt sind. Häufig gelingt es, dieses Zusammenspiel von Ursache und Wirkung mit einem dynamischen Deformationsmodell zu erfassen. Das allgemeine dynamische Deformationsmodell wird durch die Gleichung ∞ y(t) =

g(τ ) x(t − τ )dτ

(19.68)

0

und die Abb. 19.56 beschrieben (Pelzer 1987). Dieses Deformationsmodell beschreibt, dass der zu einem bestimmten Zeitpunkt t vorliegende Deformationszustand y(t) nicht allein von dem gleichzeitig beobachteten Wert x(t), sondern auch von den zeitlich zurückliegenden Werten x(t − τ ) abhängt. Die Gewichtsfunktion g(τ ), welche den Einfluss der zurückliegenden Ereignisse bewertet, ist objektspezifisch und in der Regel schwierig abzuschätzen. Häufig führt jedoch der Modellansatz  τ H∞ exp − (19.69) g(τ ) = T T mit H∞ : T:

Übertragungskonstante und Zeitkonstante

zum Ziel. Die Parameter H∞ und T sind objektspezifisch und aufgrund physikalischer Eigenschaften des Vorganges zu schätzen. Über Erfahrungen bei Bodenbewegungen infolge Bergbaumaßnahmen, bei Bauwerkssetzungen und bei Verformungen einer Betonkonstruktion durch Belastung und Temperaturänderung berichten (Kratsch 1974; Pelzer 1976; Pelzer 1977).

622

19 Ingenieurgeodäsie

Einflussgröße

x(t) x(t)

τ t −τ

t

t

g(τ ) Gewichtsfunktion für zeitlich zurückliegende Werte einer Einflussgröße

τ

Deformation

y(t) y(t) t

t

Abbildung 19.56. Allgemeines Deformationsmodell (Pelzer 1987)

In den Abbildungen 19.57a – c wird gezeigt, wie der zeitliche Verlauf der Verformung aussehen kann, wenn die Einflussgröße sich z. B. sprunghaft (a), linear (b) oder periodisch (c) ändert. Auch bei anderen regelmäßigen Laständerungen lässt sich häufig der zeitliche Verlauf der Objektverformungen vorhersagen. Sind die Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung nicht klar erkennbar, so kann ein kinematisches Deformationsmodell für die Planung und vorläufige Beurteilung der Verformungen sehr hilfreich sein. Dies gilt z. B. bei Böschungsbewegungen und Hangrutschungen, wo die Wirkung der unterschiedlichen Einflussparameter schwer überschaubar ist. Sehr aufschlussreich sind Modelle, die Auskunft über die Geschwindigkeit und Beschleunigung des Vorganges geben (Abb. 19.58): ˙ 0 )(t − t0 ) + y(t ¨ 0) y(t) = y(t0 ) + y(t

(t − t0 )2 2

(19.70)

mit t: t0 : y(t ˙ 0 ): y(t ¨ 0 ):

Zeit, Bezugszeit, Geschwindigkeit zur Zeit t0 , Beschleunigung zur Zeit t0 .

Insbesondere das Vorzeichen der Beschleunigung gibt wichtige Hinweise, denn falls

623

19.5 Überwachungsmessungen Deformationsursache xE x x0 t

t0

Zeit

Deformation yE y = H∞ x y0

67%

95% 100%

T t0 + T

t0

t0 + 3T Zeit

t

Abbildung 19.57a. Objektverformung bei sprunghafter Änderung der Einflussgröße

Deformationsursache xE

dx x0 t t0 + t

ft0

t Zeit

Deformation yE

y0 t t t0

t0 + t

Zeit

Abbildung 57b. Objektverformung bei linearer Änderung der Einflussgröße

624

19 Ingenieurgeodäsie

a

Deformationsursache



Tp

t Zeit Tv

Deformation yˆ

t Zeit

Abbildung 19.57c. Objektverformung bei periodischer Änderung der Einflussgröße (Pelzer 1987)

– y¨ > 0 nimmt die Geschwindigkeit zu, und die Gefahr der Destabilisierung des Vorganges ist gegeben, – y¨ < 0 nimmt die Geschwindigkeit ab, und der Vorgang scheint sich zu stabilisieren (Pelzer 1987). eit igk

w

sch

y(t ¨ 0) > 0

y(t)

ng

s

ili

tab

u ier

e eG

nt

sta

n ko

ind

y(t ¨ 0) = 0 y(t ¨ 0) < 0

Konsolidierung

s De

y(t0 )

t0

t Zeit

Abbildung 19.58. Kinematisches Deformationsmodell

In all den Fällen, in denen der Verformungsvorgang vorhersagbar ist und sich eine Stabilisierung abzeichnet, genügt es im allgemeinen, – vor dem Beginn der Belastung, – nach abgeschlossener Objektverformung und

625

19.5 Überwachungsmessungen

– einmal oder mehrmals in festgelegten Zeitabständen während des Verformungsvorganges das Verhalten des Objektes zu erfassen, d. h. diskontinuierlich Beobachtungen auszuführen. Häufig erfahren allerdings die zu überwachenden Objekte unkontrollierbare Belastungen, z. B. auch durch äußere Einflüsse wie Wind, Temperatur, . . . Als Folge entsteht ein unregelmäßiger nicht vorhersagbarer Deformationsverlauf (Abb. 19.59), der nur durch kontinuierliche (permanente) Überwachungsmessungen sicher erfasst werden kann. x(t): Einflussgröße

t Zeit y(t): Deformation

y 1 y2 t1 t2

yn

t

tn

Abbildung 19.59. Deformationen bei unkontrollierbaren Änderungen der Einflussgröße

Zusammenfassend kann man daher sagen: kontinuierliche Überwachungsmessungen führt man möglichst dann durch, wenn die Einflussgrößen unkontrollierbar sind oder der Verformungszustand sich zu destabilisieren droht.

19.5.3 Auswahl der Messverfahren Für Deformationsmessungen steht eine große Vielfalt von Messverfahren zur Verfügung. Obwohl für die Auswahl keine allgemeingültigen Regeln aufgestellt werden können, soll auf einige grundlegende Unterscheidungsmerkmale hingewiesen werden. Die Messanordnungen unterscheiden sich in ihrer Genauigkeit, dem Grad der Automation, dem Messbereich, der Art bzw. Anzahl der erfassbaren Dimensionen und Parameter sowie den Kosten. Das Objekt kann sehr ausgedehnt oder kleinräumig, durch eine große oder kleine Anzahl von Objektpunkten abstrahiert, mit natürlichen oder künstlichen Zielmarken ausgestattet sein und schnellen, langsamen oder keinen Verformungen unterliegen.

626

19 Ingenieurgeodäsie

Rechnergestützte Messverfahren mit elektronischen Sensoren verfügen in der Regel über einen höheren Automationsgrad; hierzu zählen z. B. Messroboter [5] und Messanordnungen mit elektrischen Längenänderungs-, Neigungsänderungs-, Höhenänderungs- und Beschleunigungsgebern [19.5.3.3]. Man setzt sie bevorzugt ein, wenn – die Anzahl der Objektpunkte groß ist, – Messungen kontinuierlich oder mit einer größeren Wiederholungsrate auszuführen sind, – die Objektpunkte schnellen Veränderungen unterliegen. Messgeräte mit analoger Messwertanzeige eignen sich weniger für die Automatisierung der Mess- und Auswerteprozesse, hierzu zählen z. B. die Theodolite und Nivelliergeräte mit analoger Messwertanzeige. Von der Messanordnung kann man u. a. zwischen – Optischen 3D-Messverfahren, – Nivellierverfahren, – Messanordnungen mit dezentral angeordneten Sensoren für Längen-, Höhen- und Neigungsänderungen, – Lotungs- und Alignementsverfahren sowie – Satellitenpositionierungsverfahren unterscheiden. 19.5.3.1 Optische 3D-Messverfahren Man kann im wesentlichen zwischen folgenden Techniken unterscheiden: – Triangulation, – Trilateration und – kombinierte Verfahren aus Triangulation und Trilateration. Als Messinstrumente setzt man u. a. Theodolite, photogrammetrische Messkameras, elektrooptische Distanzmesser und Interferometer ein. Bei der Triangulation unterscheidet man zwischen aktiven und passivenVerfahren. Die passive Triangulation ist als klassisches Verfahren in der Geodäsie und Photogrammetrie bekannt. Als Zielpunkte für Richtungsmessungen dienen kontrastreiche Ecken des Objektes oder an dem Objekt befestigte Zielmarken. Die Auswertung der Messungen erfolgt durch Vorwärtseinschneiden, Rückwärtseinschneiden [7, 8] oder Bündelausgleichung. Für passive Techniken bieten in der Zukunft bildgebende Theodolite neue Einsatzmöglichkeiten (Kahmen, Reiterer 2004). Als typisches Anwendungsbeispiel gilt die Überwachung von Staumauern (Abb. 19.60). Bei diesem Verfahren wird im Bereich des Staubeckens ein Festpunktfeld errichtet. Von einzelnen Pfeilern dieses Punktfeldes aus kann dann z. B. über Vorwärtseinschneiden zu einzelnen Objektpunkten der Staumauer diese kontrolliert werden. Ausführlich wird auf diese Ingenieuraufgabe in [19.6] eingegangen.

627

19.5 Überwachungsmessungen O1

O2 Pfeiler VII Pfeiler III

O3

O4

Wasserseite Luftseite

Pfeiler V 0

50 m

Pfeiler IV

Abbildung 19.60. Geodätisches Beobachtungsnetz der Staumauer der Linachsperre

Die aktive Triangulation basiert auf den Techniken der passiven Triangulation, nutzt jedoch aktive Lichtquellen oder strukturiertes Licht, um punktweise, linienweise oder gitterweise Zielmarken auf dem Objekt entstehen zu lassen. Da die Zielmarken sich jetzt in der Regel kontrastreicher vom Hintergrund abheben, kann die Zielerkennung und Zielverfolgung schneller erfolgen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Einzelpunkte projiziert werden (Grün, Kahmen 2001, 2003). Ein typisches Verfahren der aktiven Triangulation ist in der Abb. 19.61 wiedergegeben. Zwei Messroboter übernehmen dort die Aufgabe Deformationsmessungen an einer Kühlturmschale vorzunehmen. Ein erster Messroboter, dessen Basisinstrument ein Theodolit ist, wird so programmiert, dass Laserpunkte längs meridionaler Profile auf die Kühlturmschale projiziert werden, wobei der Laser koaxial zur Achse des Zielfernrohres angeordnet ist. Zielpunkterzeugung und Richtungsbestimmung sind also miteinander kombiniert. Ein zweiter Messroboter, dessen Basisinstrument ein Videotheodolit ist, sucht sensorgeführt nacheinander die Zielmarken auf, um von einer zweiten Position aus Richtungen zu messen (von Webern, Kahmen 2004). Für die Trilateration werden akustische, optische oder Mikrowellensender eingesetzt. In der Präzisionsmesstechnik haben Laserdistanzmesser eine besondere Bedeutung erlangt; von besonderem Interesse sind Systeme, die Distanzen ohne spezielle Reflektoren am Zielort bestimmen. Submillimeter-Genauigkeiten scheinen in naher Zukunft möglich. Abb. 19.62 zeigt als typisches Anwendungsgebiet die Beobachtung der Kinematik von Böschungen in großen Tagebauen. Auf Richtungsmessungen wird hier in der Regel schon wegen der kaum erfassbaren Refraktionsverhältnisse verzichtet. Das

628

19 Ingenieurgeodäsie

Abbildung 19.61. Aktive Triangulation mit einem Pointing“- und Videotheodolit ” (Leica)

Messen der Distanzen übernehmen Messroboter mit Laserdistanzmessern. Die optische Achse des Distanzmessers wird automatisch auf die Objektpunkte (Reflektoren in der Böschung) ausgerichtet. In der Böschung können sich einige hundert Reflektoren befinden. Der gesamte Messablauf wird von einem Rechner gesteuert und die Kinematik des Böschungsverhaltens on-line ausgewertet (Kahmen, Schwäble, Suhre 1989).

Abbildung 19.62. Trilateration für großräumige Überwachungsmessungen

629

19.5 Überwachungsmessungen

19.5.3.2 Nivellierverfahren Die Nivellements können je nach Aufgabenstellung flächenhaft oder linienweise ausgeführt werden. Als Messinstrumente setzt man Nivelliere mit einem Rotationslaser (Kahmen 1997), Nivelliere mit digitaler Messwertausgabe [12.4] und hydrostatische Nivellements [15] ein. Die Messverfahren können voll automatisch betrieben werden, wenn beim Einsatz des – Rotationslasers die Nivellierlatten über eine automatische Registrierung verfügen, – Nivelliers mit digitaler Messwertausgabe das Zielfernrohr über eine schrittmotorgesteuerte Vertikalachse automatisch auf die Nivellierlatten ausgerichtet werden kann, – hydrostatischen Nivellements elektrische Sensoren verwendet werden, die ein zentraler Rechner steuert [19.5.3.3]. Abb. 19.55 zeigt ein flächenhaft angeordnetes Nivellement und die Darstellung der Ergebnisse in Form von Linien gleicher Setzung. 19.5.3.3 Messanordnungen mit dezentral angeordneten Sensoren für Längen-, Höhen- und Neigungsänderungen Bei speziellen Aufgaben im Vermessungswesen, wie Deformationsmessungen, besteht die Aufgabe, kleine Längen-, Höhen- und Neigungsänderungen in einem begrenzten Schwankungsbereich mit extrem hoher Genauigkeit zu bestimmen. Würde man z. B. elektronische Distanzmesser [4.3] einsetzen, so müssten kleine Längendifferenzen l aus größeren Längen l0 und l1 abgeleitet werden (Abb. 19.63). Fehlertheoretisch günstiger ist dagegen die direkte Messung der Differenzstrecke. Eine relative Genauigkeit von 1 · 10−2 bis 1 · 10−3 ist dann häufig ausreichend.

l0

l1

l

a) l = l1 − l0

l

l  l¯0

l

l¯1

l l 

b) l = l¯1 − l¯0

Abbildung 19.63. Messung einer Längenänderung

Wie das Beispiel in der Abb. 19.63 zeigt, werden dazu die Endpunkte der Strecke mechanisch durch zwei längenkonstante Elemente l  und l  , z. B. Stangen oder Dräh-

630

19 Ingenieurgeodäsie

te, verbunden. In den verbleibenden Zwischenraum l¯0 wird ein Messwertwandler eingespannt, der bei Deformationen den Längenänderungen l¯1 − l¯0 = l proportionale elektrische Signale erzeugt. Auf diesem Grundprinzip beruhen die Stangen- oder Drahtextensometer. Die Umwandlung der kleinen Änderungsbeträge geometrischer Größe in analoge elektrische Größen – Spannungen, Ströme, Frequenzen etc. – hat folgende Vorteile: – hohe Genauigkeit wegen weitgehender Anpassungsfähigkeit an die Messgrößen, – geringe Rückwirkung auf das Messobjekt, – Möglichkeit permanenter Registrierung, – Automatisierung der Messwertverarbeitung. Für viele Projekte eignen sich besonders elektrische Verfahren mit Längengebern (Extensometern) und Neigungsgebern (Tiltmetern). In der Regel sollen mehrere Objektpunkte in möglichst kurzen Zeitabständen beobachtet werden. Die den Längen- und Neigungsänderungen proportionalen elektrischen Signale werden dazu über Messleitungen Messstellenumleitern zugeleitet (Abb. 19.64). Dies kann über

μp

μp

μp

μp zentraler Rechner

Station 1

Station 1

Abbildung 19.64. Verknüpfung der Sensoren mit Messstellenumschaltern und einem zentralen Rechner

sternförmige direkte Verbindungen oder über parallele Verbindungen erfolgen. Die Messstellenumschalter werden je von einem Mikroprozessor gesteuert, der die einzelnen Messstellen anwählt und bereits eine begrenzte Datenverarbeitung (wie Plausibilitätskontrollen) ausführt. Die einzelnen Messstellenumschalter können zentral über eine Parallelschaltung mit einem zentralen Rechner verbunden werden. Dieser gibt Befehle an die Messstellenumschalter und fragt dort die Daten ab. Eine Übertragung der Daten mit Hilfe des Datenfunks wurde bereits in [2.5] beschrieben. (1) Messung kleiner Längenänderungen mit induktiven Längengebern Messgrößenumformungen mit induktiven Gebern – wie z. B. die Umwandlung kleiner Längen-, Höhen- und Neigungsänderungen in Induktivitätsänderungen – erfolgen, indem durch Abstandsänderungen eines Ankers, Tauchkerns oder einer Spule die Induktivität einer Statorspule oder zusammengeschalteter Statorspulen beeinflusst wird.

631

19.5 Überwachungsmessungen

Die Änderungen der Induktivität können mit unterschiedlichen Anordnungen – z. B. einer Wheatstoneschen Wechselstrombrücke – analog in Spannungsänderungen umgewandelt werden, die sich dann vorteilhafter verarbeiten lassen. Induktive Geber bieten die Möglichkeit der berührungslosen Abstandsmessung mit sehr geringer Rückwirkung auf das Messobjekt (Größenordnung Millipond). Bei den induktiven Gebern lassen sich zwei Typen unterscheiden: a) Anordnungen, in denen zwei Induktivitäten gegensinnig beeinflusst werden (Differentialspulen), b) Anordnungen, in denen Gegeninduktivitäten beeinflusst werden (Differentialtransformatoren). Eine weitgehende Linearität zwischen den Längenänderungen und den dazugehörigen Ausgangsgrößen ergibt sich, wenn induktive Geber in Differenzschaltungen angeordnet werden. Dies ist z. B. der Fall, wenn sie in eine Wheatstonesche Wechselstrombrücke eingebaut werden, durch welche Induktivitätsänderungen in Spannungsänderungen umgewandelt werden können. In Abb. 19.65 bilden zwei Spulen mit zwei Ohmschen Widerständen die Messbrücke. In der Brückendiagonalen befindet sich ein Voltmeter, mit dem der Effektivwert der Brückendiagonalspannung  angezeigt wird. Bezeichnet man mit Ueff den Effektivwert der SpeisespanUABeff nung, so gilt (Kahmen 1978)  = UABeff + UABeff

k Ueff · x. L1 + L 2

(19.71)

Dabei bezeichnen L1 und L2 die Induktivitäten der beiden Spulen,UABeff die Brückendiagonalspannung in der Ausgangsstellung und k eine Konstante, die vorgibt, wie stark sich bei Verschiebungen x des Tauchankers die Induktivitäten der Spulen ändern: L1 = L1 + k · x L2 = L2 + k · x. Abb. 19.65 lässt erkennen, dass die Kennlinie des Extensometers in einem begrenzten Bereich linear verläuft. UABeff ist bei streng symmetrischer Anordnung in Bezug auf die Brückendiagonale Null. Anstelle der Differenzspulen kann auch ein Differenzkondensator in die Wechselstrombrücke eingebaut werden. Man erhält dann wiederum eine Kennlinie, die der durch Abb. 19.65 beschriebenen weitgehend ähnlich ist. Allgemein ist die Auflösung bei Messgrößenumformung mit kapazitiven Gebern höher als bei der mit induktiven. Die Anwendungsmöglichkeiten für Geber mit Wheatstoneschen Messbrücken sind begrenzt, da der Verschiebungsbereich einige mm beträgt. Die Auflösung kann allerdings bis in den Bereich der μm gesteigert werden. Größere Längenänderungen lassen sich mit dem in Abb. 19.66 dargestellten Differentialtransformator ausmessen. Die Grundgleichung eines Transformators lautet

632

19 Ingenieurgeodäsie U'AB

m mVeff

3 2 _ 10

_ 20

1

10

_1

20

mm

_2 _3

0 linearer Bereich

L in mm

A L1

L2

U'AB R

B

R

Abbildung 19.65. Ausgangsspannung einer Brücke mit Differentialspule

bekanntlich u2 = k ·

w2 · u1 , w1

(19.72)

wobei u1 : die Primärspannung, u2 : die Sekundärspannung, w1 : die Windungszahl der Primärspule, w2 : die Windungszahl der Sekundärspule und k: den Kopplungsfaktor bezeichnen. Der Kopplungsfaktor, der den Grad der Kopplung zwischen der Primär- und Sekundärspule wiedergibt, ist um so größer, je mehr ferromagnetisches Material von den Spulen umschlossen wird. Werden in dem Differentialtransformator von der Primärspule zwei Sekundärspulen gleicher Windungszahl gespeist, so sind bei der

633

19.5 Überwachungsmessungen U2

m mV eff

100 200 _ 40

_ 30

_ 20

_ 10 20

10

30

_ 200

40 L in mm

_ 100

linearer Bereich K P: Primärspule S 1 , S 2: Sekundärspulen K: Kern S1

P

S2

Abbildung 19.66. Differentialtransformator mit Kennlinie

Mittelstellung des Tauchkerns die in beiden Sekundärspulen induzierten Spannungen gleich. Da die Spulen gegeneinander geschaltet sind, ist die Ausgangsspannung Null. Bei geringen Verschiebungen des Kerns wird die eine oder andere Teilspannung überwiegen. Bezeichnet man mit u2 jetzt die Ausgangsspannung der gegeneinander geschalteten Sekundärspulen und geben k  und k  die veränderten Kopplungsfaktoren wieder, so gilt u2 = k  und da w2 = w1 also

w2 w2 w2 u1 − k  u1 = (k  − k  ) u1 w1 w1 w1

(19.73)

u2 = (k  − k  )u1 .

Ändern sich bei kleinen Verschiebungen x die Kopplungsfaktoren k  um +k und k  um −k, so gilt an der Stelle x: (x)

u2

= 2ku1

(19.74)

634

19 Ingenieurgeodäsie

oder

(x)

U2eff ∼ x.

(19.75)

Zwischen der Verschiebung x und der Ausgangsspannung U2eff ist damit für begrenzte Bereiche genähert ein linearer Zusammenhang gegeben. Ein Beispiel für die gesamte Kennlinie eines Differentialtransformators ist in Abb. 19.66 dargestellt. Bei Differentialtransformatoren liegt der Messbereich zwischen Bruchteilen von mm und etwa 1,5 m. Die Auflösung beträgt etwa 1‰ des Messbereiches. (2) Messung kleiner Längenänderungen mit Schwingsaitengebern Bei der Messgrößenumformung mit Schwingsaitengebern wird die zu messende Größe – eine Längenänderung, eine Neigungsänderung, etc. – in eine Frequenzdifferenz umgeformt. Die Beziehung zwischen der Dehnung L/L einer Saite und ihrer Eigenfrequenz f lautet: " # 1 E 1 , (19.76) f = 2l ρ l wobei L die Länge, ρ die Dichte und E das Elastizitätsmodul der Saite beschreiben. Die Schwingsysteme arbeiten nach folgendem Prinzip: die im Magnetfeld eines Messsaite

Elektromagnet

Empfangsgerät

a)

Messsaite Oszillator

Elektromagnete

Empfangsgerät

b)

Abbildung 19.67. a) Schwingsaitengeber mit intermittierend schwingender Saite; b) Schwingsaitengeber mit kontinuierlich schwingender Saite

Elektromagnetsystems schwingende Saite induziert in der Magnetspule eine elektrische Schwingung gleicher Frequenz, die über Kabel auf das Empfangsgerät übertragen und dort zur Messwertbildung weiterverarbeitet wird. Die Messsaite wird über das gleiche Elektromagnetsystem vom Empfangssystem aus angeregt. Bei dem ersten Schwingsystem (Abb. 19.67a) wird die Messsaite in einstellbaren Intervallen durch einen Gleichstromimpuls vom Enpfangsgerät aus zur Schwingung angeregt. Die Messwerte werden in entsprechenden Intervallen (z. B. 1, 2, 4 oder 8 s) am Empfangsgerät registriert. Der Anwendungsbereich erstreckt sich auf quasi-statische

635

19.5 Überwachungsmessungen

Messaufgaben. Bei dem Schwingsystem (Abb. 19.67 b) befindet sich die Messsaite in einem Oszillatorkreis, der vom Empfangsgerät gespeist wird. Das System enthält zwei Elektromagnete, von denen einer kontinuierlich die Messsaite erregt (Erreger) und der zweite fortlaufend die induzierten Schwingungen aufnimmt (Generator). Die Frequenz wird kontinuierlich im Empfangsgerät gemessen. Die Messgröße kann direkt angezeigt oder auf Datenträgern gespeichert werden. Das Schwingsystem eignet sich für quasi-statische und dynamische Messaufgaben. Dehnungs-Aufnehmertypen mit Messlängen bis zu 250 mm werden angeboten. Die Aufnehmer können z. B. angeschweißt oder angeschraubt werden. Wesentliche Vorteile der Schwingsaiten-Messgeräte sind: – stabile Nullwerte und Messkonstanten, – hohe Messempfindlichkeit (z. B. 3 · 10−4 oder 1 · 10−3 des Messbereiches), – dauerhafte Messgenauigkeit (Reproduzierbarkeit je nach Messkette 0,1% bis 0,5% des Messbereiches), – fehlerfreie Fernübertragung der Messwerte unabhängig von Widerstandsänderungen auf dem Übertragungswege. Messwertumwandlung mit elektrooptischen Gebern erfolgt durch Umwandlung kleiner Längenänderungen in Spannungsänderungen. Es gibt ein- und zweidimensionale Geber. Häufig verwendet werden CCD-Arrays oder Lateraleffektdioden. Auflösung des Messbereiches bei CCD-Arrays besser als 0,01 mm ist möglich (Mentes, Gy., Kahmen, H. 1995; Woschitz, Hartlinger, Brunner 2001). Genauere Beschreibungen sind in [2.2] gegeben. (3) Messung kleiner Neigungsänderungen mit Neigungsgebern Neigungsmessungen werden in Bezug auf eine Lotlinie oder eine Flüssigkeitsoberfläche durchgeführt. Die Lotlinie kann durch verschiedene Arten von Pendeln – Vertikalpendel, Horizontalpendel – realisiert werden. Abb. 19.68 zeigt das Prinzip eines Neigungsgebers, der nach dem Ausschlagverfahren mit einem Vertikalpendel arbeitet. Bei horizontaler Ausrichtung der Grundplatte des Gehäuses verläuft der Lotstab, der am oberen Ende um eine Horizontalachse gedreht werden kann, in Lotrichtung. Kippt man das Gehäuse um den Winkel α, so wird auch der Lotstab um α aus der Vertikallinie herausgedreht und die Pendelmasse bewegt sich um die Strecke b aus der Ausgangslage heraus. Der Betrag b wird dabei von einem induktiven Weggeber bestimmt. Der Neigungswinkel ergibt sich dann aus: α=

b , l

wobei l die Länge des Lotstabes ist. Die bekannteste Libelle dieses Typs ist die Libelle Talyvel. Die Pendelmasse ist bei dieser Libelle auf fünf Drähten pendelnd aufgehängt. Sie wird in zwei verschiedenen Ausführungen geliefert:

636

19 Ingenieurgeodäsie Gehäuse

α l b

L1

L2

~ α Abbildung 19.68. Neigungsmesser mit einem Vertikalpendel

Talyvel I mit drei Messbereichen: ±8 (1 Skalenteil =20 ), ±100 (1 Skalenteil = 4 ), ±50 (1 Skalenteil = 2 ) Talyvel II mit drei Messbereichen: ±8 (1 Skalenteil = 20 ), ±100 (1 Skalenteil = 4 ), ±25 (1 Skalenteil = 1 ). Einen Neigungsgeber mit einem Horizontalpendel zeigt Abb. 19.69. Der Pendelarm mit der Pendelmasse dreht sich hier um eine Horizontalachse. Wird die Vertikalachse mit dem Gehäuse der Libelle um den Winkel α gekippt, so bewegt sich die Pendelmasse in Richtung der Neigung. Der Betrag der Auslenkung wird dabei Versorgung Ausgang

Verstärker

Elektronik Neigungswinkel

R0

α

Stabilisierungswiderstand

Dämpfungs netzwerk Paddel Weggeber Begrenzer

Drehmomentmotor Torsionsfeder

Lotrichtung

Abbildung 19.69. Neigungsmesser mit einem Horizontalpendel

637

19.5 Überwachungsmessungen

auch hier von einem Weggeber ausgemessen. Die Vertikalachse ist mit einem Motor gekoppelt, der wiederum von einem Regelkreis gesteuert wird. Der Regelkreis bewirkt, dass das neigungsgebende Drehmoment durch ein entgegengerichtetes Moment kompensiert wird. In Abhängigkeit von der Neigung wird in dem elektrischen Regelnetzwerk ein proportionaler Strom erzeugt, der die Kompensation bewirkt und das Pendel in seiner Ausgangslage hält. Der Strom fließt durch den Widerstand R0 und eine zur Neigung proportionale Spannung kann an diesem abgegriffen werden. Im Gegensatz zum Ausschlagverfahren (vgl. Abb. 19.68) wird hier also mit einem Nullabgleichsverfahren gearbeitet, was den Vorteil hat, dass Nichtlinearitäten des Weggebers und der Mechanik nicht das Messergebnis beeinflussen. (Natürlich lassen sich auch Neigungsgeber mit Vertikalpendeln mit dem Nullabgleichsverfahren betreiben.) Ein häufig verwendeter Neigungsmesser des oben beschriebenen Typs ist die Libelle von Schaevitz. Mechanisch wird diese Libelle durch die Torsionsfeder des Aufhängebandes gedämpft; darüber hinaus ist eine elektronische Dämpfung eingebaut. Die Libelle wird in verschiedenen Ausführungen geliefert, die sich in den äußeren Abmessungen und im Messbereich unterscheiden; die Messbereiche betragen: ±1◦ , ±3◦ , ±14, 5◦ , ±30◦ und ±90◦ . Ein Neigungsgeber, der mit einer Flüssigkeitsoberfläche als Referenz arbeitet, wurde bereits in [3.2.5] beschrieben. Weitere Informationen über Längen- und Neigungsgeber findet man in Schlemmer 1996. (4) Beobachtung und Berechnung der Änderung von Biegelinien Die zuvor beschriebenen Sensoren lassen sich mit einem Rechner koppeln und z. B. für die automatische Auswertung von Biegelinien nutzen, was nachfolgend an zwei Beispielen gezeigt wird. Steht für die Deformationsmessungen eine zeitlich unveränderliche Bezugslinie zur Verfügung, so wird die Biegelinie f (x) zweckmäßig durch Längenänderungsmessungen mit Extensometern ausgemessen (Abb. 19.70a). Als Messergebnis erhält man f (x) diskret in n Stützstellen x = {x1 , x2 , x3 , . . . , xn } durch die Folge y = {y1 , y2 , . . . , yn } von Längenänderungen dargestellt. Ist die Funktion f (x) stetig, so lässt sie sich durch eine Approximationsfunktion F (a, x) annähern; dabei kann F (a, x) durch eine Linearkombination elementarer Funktionen (z. B. Potenzen von x) in der Form m  ai φ(x) (19.77) F (a, x) = i=1

berechnet werden. Für den Fall m < n ergibt sich das Parametersystem a = {a1 , a2 , a3 , . . . , am } aus einem Ausgleichungsverfahren. Steht eine vertikale Bezugslinie nicht zur Verfügung, so lässt sich die Biegelinie indirekt aus Neigungsänderungen berechnen, die in n Stützstellen mit Neigungsgebern gemessen werden. Messergebnis ist eine Funktion f  (x) der Neigungsänderungen α, die in den Stützstellen x = {x1 , x2 , x3 , . . . , xn } durch die Folge

638

19 Ingenieurgeodäsie x xn a)

x3 x2 x1

x yn

Extensometer

αn

vertikale Bezugslinie y3

b) α3

Biegelinie f (x)

f  (x)

α2

y2

α1

y1 α

Abbildung 19.70. Direkte a) und indirekte b) Erfassung einer Biegelinie

α = {α1 , α2 , α3 , . . . , αn } beschrieben wird (Abb. 19.70b). Ist f  (x) stetig, so lässt sie sich ähnlich wie in Gleichung (19.77) durch eine Linearkombination der Ableitung der Funktionen φ approximieren: F  (a, x) =

m 

ai

i=1

dφ(x) . dx

(19.78)

Für den Fall m < n ergibt sich das Parametersystem a = {a1 , a2 , a3 , . . . , am } wiederum aus einem Ausgleichungsverfahren. Die Approximationsfunktion der Biegelinie berechnet sich dann nach: F (a, x) + C =

m 

ai φ(x).

(19.79)

i=1

Unbekannt bleibt die Konstante C, die eine Verschiebung der Biegelinie parallel zur x-Achse wiedergibt; sie kann durch zusätzliche Extensometermessungen, z. B. am Anfang der Biegelinie, bestimmt werden. Ein typisches Anwendungsbeispiel ist z. B. die Vermessung der Biegelinie einer Brückenachse. Es müssen hierfür längs der Brückenachse in bekannten Abständen Neigungsgeber positioniert werden (Möhlenbrink 1984). Ein Anwendungsbeispiel für das Modell der Abb. 19.70a ist das hydrostatische Nivellement längs einer Biegelinie (Abb. 19.80). Die Bezugsgerade ist hier durch die Wasseroberfläche repräsentiert, und die vertikalen Verschiebungen der Punkte P0 , . . . , P2 werden mit induktiven Gebern ausgemessen.

639

19.5 Überwachungsmessungen

19.5.3.4 Alignementsmessungen Das Alignement ist ein Verfahren, bei dem rechtwinklige Abstände und Abstandsänderungen in Bezug auf eine beliebig orientierte Referenzlinie oder Referenzfläche gemessen werden. Einen Überblick über häufig abgewendete Alignementsverfahren gibt Tab. 19.1. Tabelle 19.1. Alignementsverfahren Alignementsverfahren

optisch

Referenzlinie oder Referenzfläche

Abstandsbestimmung

Automatisierung

Ziellinie eines Fernrohres (Theodolit, Alignementsinstrument, Nivellier)

– Messskala – Messschlitten mit Zieltafel – Winkelmessung

nicht automatisch nicht automatisch

Laserstrahl (Lasertheodolit, Fluchtlaser)

– Messskala – Messschlitten mit Zieltafel – Zonenplatten und Positionsdetektor

automatisch

gespannter Draht

– Messskala – induktive Geber – kapazitive Geber – elektrooptische Geber

nicht automatisch automatisch automatisch automatisch

Flüssigkeitsoberfläche

– Messskala – Messspindel – induktive Geber – kapazitive Geber

nicht automatisch automatisch automatisch automatisch

mechanisch

hydrostatisch

nicht automatisch od. automatisch nicht automatisch nicht automatisch

Alignementslinien werden durch mindestens zwei Festpunkte Fi , sogen. Referenzpunkte, definiert. In der Abb. 19.71 sind dies die Punkte F1 , F2 , F2 , F2 . Insbesondere, wenn Alignements in einer rauhen Umgebung auszuführen sind, empfiehlt es sich, die Linien mit weiteren Festpunkten, sogen. Sicherungspunkten, abzusichern; in Abb. 19.71a sind dies die Punkte F3 , F4 , F4 , F4 . Geradlinige Objekte können mit einer Alignementslinie (Abb. 19.71 a) beobachtet werden, für gekrümmte Objekte benötigt man häufig mehrere (Abb. 19.71 b). Aligne-

640

19 Ingenieurgeodäsie a) F1

F3

1

2

3

...

F4

n

F4

F2

F2 F4

F2

b) F1

F3

1

2

3

...

n

F4

F2

F2 F4

F2

c) F4

F1

F3

1

2

3

...

n

F4

F2

Abbildung 19.71. Anordnungen von Alignementslinien

mentslinien können auch durch Richtungsmessungen orientiert und durch Festpunkte zusätzlich gestützt werden (Abb. 19.71 c). Für die Beobachtung der Alignementspunkte gibt es unterschiedliche Verfahren: optische, mechanische und hydrostatische (Tab.19.1). Ein wichtiges Auswahlkriterium bei der Auswahl der Verfahren ist, ob die Messungen automatisiert oder nicht automatisiert ablaufen sollen. (1) Optische Alignements Bei optischen Alignements realisiert man die Alignementslinien durch die Ziellinie eines Fernrohres oder eines Laserstrahls. Die Ausrichtung der Linie kann durch einen Theodolit, ein Alignementsinstrument oder ein Nivellierinstrument erfolgen. Für Theodolite oder Nivelliere gibt es spezielle Laserköpfe, die gegen das Okular des Fernrohres ausgetauscht werden können; der Laserstrahl verläuft dann konzentrisch zur optischen Achse des Zielfernrohres. Am einfachsten kann man die Abstände bzw. Abstandsänderungen mit einer Messskala bestimmen. Höhere Genauigkeiten erzielt man, wenn im Bereich der Alignementspunkte ein Präzisionsmessschlitten aufgestellt wird, der eine Zieltafel trägt (Abb. 19.72). Der Messbereich solcher Messschlitten beträgt 40 bis 50 mm und das kleinste Teilungsintervall des Trommelmikrometers 0,01 mm.

641

19.5 Überwachungsmessungen

Abbildung 19.72. Präzisionsmessschlitten mit Adapter für Zieltafel und Zwangszentrierung (Leica)

Abbildung 19.73. Zonenplatte

Die Abb. 19.74 a) und b) zeigen zwei unterschiedliche Realisierungen von Alignementslinien. In Abb. 19.74a ist die Referenzlinie durch den Zielstrahl eines Theodolits realisiert. Der Theodolit ist über dem ersten, eine Zielmarke über dem zweiten Referenzpunkt zentriert. Über den Alignementspunkten wird ein Messschlitten positioniert, welcher eine Zielmarke trägt. Bei jeder Messkampagne können die Zielmarken mit der Messschraube des Messschlittens zentriert und die Abstände (bzw. Abstandsänderungen) an der Mikrometerschraube abgelesen werden. Man benötigt nur einen Messschlitten, wenn dieser mit einer Zwangszentrierung über den einzelnen Alignementspunkten montiert werden kann. Hierfür werden spezielle Adapter benötigt. Die eigentliche Messung läuft folgendermaßen ab: zunächst wird die über dem zweiten Festpunkt aufgebaute Zielmarke angezielt und anschließend mit dem Messschlitten die Zielmarken auf den Zielstrahl zentriert. Bei einem Laseralignement verfährt man ähnlich, wenn sich Zieltafeln auf dem zweiten Referenzpunkt und den Alignementspunkten befinden. Andererseits kann man die Zieltafel über dem zweiten Referenzpunkt durch einen positionsempfindlichen Detektor [2.2.5] und die Zieltafeln über den Alignementspunkten durch Zonenplatten (Abb. 19.74 b) ersetzen. Zonenplatten bestehen aus transparenten und nichttransparenten konzentrischen Ringen, die Beugungserscheinungen hervorrufen (Abb. 19.73).Aufgrund der Beugungserscheinungen haben sie die Wirkung von Sammellinsen und bilden daher den Laserstrahl scharf auf dem positionsempfindlichen Detektor ab. Für die einzelnen Alignementspunkte benötigt man folglich Zonenplatten unterschiedlicher Brennweite; diese lassen sich einfach herstellen. Die Zonenplatten bilden die Auslenkungen ai der Alignementspunkte vergrößert als Auslenkung a auf dem positionsempfindlichen Detektor ab, wo diese dann

642

19 Ingenieurgeodäsie Theodolit

umklappbare Zieltafeln

Referenzmarke

umklappbare Zonenplatten

Detektor

a)

Lasertheodolit

b)

Abbildung 19.74. Optisches Alignement

automatisch ausgemessen werden (Abb. 19.75). Die Auslenkungen der Alignementspunkte ergeben sich dann sehr einfach aus s1 ai = a, s2 wenn die Positionen si der Alignementspunkte und des Detektors zuvor bestimmt wurden.

a

ai F1

F2

s1 s2

Abbildung 19.75. Prinzip der Abstandsbestimmung mit Zonenplatten

Bevorzugt werden als Detektoren 2D-Lateraleffektdioden (PSD, Position Sensitive Device) eingesetzt, da der Auswertevorgang sehr einfach ist (direkte Schwerpunktsdetektion und folglich geringe Datenmengen), im Vergleich zu CCD Sensoren eine relativ große Sensorfläche genutzt werden kann und die Ansprechzeit sehr kurz ist (< 3μs). Positionsgenauigkeiten von 0, 05 mm sind möglich, wenn der Sensor sorgfältig kalibriert wird (Woschitz u. a. 2001). Messfrequenzen > 10 kHz lassen sich erzielen. Das Verfahren mit dem Zielfernrohr eines Theodolits lässt sich automatisieren, wenn man einen automatisch zielenden Theodolit einsetzt und man die Zielmar-

643

19.5 Überwachungsmessungen

ken auf den Alignementspunkten automatisch einzeln nacheinander in die Ziellinie hineinklappen kann. Lasergestützte Verfahren lassen sich automatisieren, wenn die Zonenplatten automatisch einzeln in den Strahlengang geklappt werden können und die Ablesungen am Detektor automatisch registriert werden. (Woschitz u. a. 2001) beschreiben ein Laseralignement mit nur einemAlignementspunkt, der mit einer 2D-Lateraleffektdiode bestückt war. Die Stabilisierung der Alignementslinien erfolgte durch Richtungsbeobachtungen an einem Lasertheodolit. Das Verfahren wurde entwickelt, um Deformationen während verschiedener Belastungsproben an Eisenbahnschienen zu beobachten. Der Detektor war an der Schiene befestigt und der Laserstrahl senkrecht zur Schiene ausgerichtet. (2) Alignements mit Drähten Eine Referenzlinie lässt sich auch mit einem gespannten Draht herstellen. Abb. 19.76 zeigt eine Anordnung, bei der ein Draht über zwei Rollen geführt und mit dem z x

s Zmax

F2

F1

Abbildung 19.76. Referenzlinie mit gespanntem Draht

Gewicht F = F1 + F2 gespannt wird. Ausgehend von der elastischen Kettenlinie erhält man für die maximale Durchbiegung bei gleicher Auflagerhöhe Zmax = −

pl 2 8F

mit der Bogenlänge s 3 · p2 l=s+ 24F 2

 1+ 

 F , E·A

s 2 · p2 1+ 80F 2

 ,

wobei F = F1 + F2 das Spanngewicht, s den Auflagerabstand, A die Drahtquerschnittsfläche, p das Gewicht/Längeneinheit und E das Elastizitätsmodul beschreiben. In Tabelle 19.2 sind die Eigenschaften zweier Drähte beschrieben, die aus unterschiedlichem Material (Federstahl und Kohlenstofffasern) bestehen. Man erkennt, dass die Eigenschaften sich erheblich unterscheiden und Drähte aus Kohlenstofffasern in der Regel vorteilhafter eingesetzt werden können, denn im Hinblick auf eine

644

19 Ingenieurgeodäsie Tabelle 19.2

Auflagerabstand

Federstahl

Kohlenstofffasern

Dichte

7,6518 · 105 N/m3

1,72656 · 105 N/m3

Elastizitätsmodul

2,2 · 1011 N/m2

2,26 · 1011 N/m2

Zugfestigkeit

108 · 107 N/m2

220 − 550 · 107 N/m2

Gewicht/Längeneinheit

76,518 · 10−3 N/m

8,458 · 10−3 N/m2

Querschnittsfläche

10 · 10−7 m2

4,94 · 10−7 m2

Thermischer

12 · 10−6 m/o C

0,7 · 10−6 m/o C

−96,1 mm

−10,7 mm

Ausdehnungskoeffizient max. Durchhang (l = 100m)

hohe statische Stabilität soll das verwendete Drahtmaterial folgende Eigenschaften haben: – geringe Dichte bei kleinem Querschnitt, – hohes Elastizitätsmodul, – große Zugfestigkeit, – geringe thermische- bzw. Volumenausdehnungskoeffizienten. Die statische Stabilität kann man außerdem erhöhen, wenn der Draht von einem Schwimmkörper gestützt wird. Man unterscheidet: mechanische, elektromechanische oder optoelektronische Abstandsgeber. Bei dem mechanischen Abstandsgeber (Abb. 19.77) werden Positionsänderungen des Drahtes an einer Skala abgelesen, bei einem elektromechanischen (Abb. 19.78) von einem induktiven Geber abgetastet. Der induktive Geber kann entweder als Differentialspule in einer Wheatstone’schen Messbrücke oder als Differentialtransformator konzipiert sein. Der Anker bzw. Tauchkern wird jeweils von dem Schwimmkörper getragen, der sich in einer dämpfenden Flüssigkeit bewegt. Abb. 19.79 zeigt einen optoelektronischen Abstandsgeber. Mit einer Diode und einem optischen System wird der Draht auf einem positionsempfindlichen Detektor [2.2.5] abgebildet, der eine Skala verkörpert.

645

19.5 Überwachungsmessungen Induktiver Geber Draht

Drahtauflage

Schwimmkörper Flüssigkeit, Öl

d

Flüssigkeit Skala Konsole

Schwimmkörper

Abbildung 19.77. Mechanischer Abstandsgeber

Abbildung 19.78. Elektromechanischer Abstandsgeber 1

Infrarotdiode Draht

positions x empfindlicher Detektor

Abbildung 19.79. Optoelektronischer Abstandsgeber

Verfahren mit elektromechanischen oder optoelektronischen Abstandsgebern können automatisch betrieben werden. Die Daten können dann digitalisiert und in einem Rechner ausgewertet werden. Während mit einem gespannten Draht ein Alignement in Bezug auf eine vertikale Bezugsfläche realisiert werden kann, ermöglicht eine Flüssigkeitsoberfläche ein Alignement in Bezug auf eine horizontale Fläche (Abb. 19.80). Ein solches Alignement wird auch als hydrostatisches Alignement oder hydrostatisches Nivellement bezeichnet, welches schon genauer in [15] beschrieben wurde. Die Abstandsänderungen misst man in Bezug auf die Flüssigkeitsoberfläche mit Messspindeln, induktiven Gebern oder kapazitiven Gebern. Die drei letzten Verfahren sind automatisierbar. Abb. 19.80 zeigt eine mögliche Anordnung mit induktiven Gebern. Die Tauchanker der Geber sind an Schwimmern befestigt, die Spulen der Geber sind an den Alignementspunkten (P0 , P1 , P2 ) des zu beobachtenden Objekts befestigt. Die Genauigkeit der Alignementsverfahren kann mit 1, . . . , 0,01 mm angegeben werden. Sie ist abhängig von äußeren Bedingungen (z. B. Refraktionseinflüssen bei optischen Verfahren, Wind bei Drähten), der Länge der Alignementslinie und der Genauigkeit der Ableseeinrichtungen bzw. Geber. Höchste Genauigkeiten erzielt man mit induktiven, kapazitiven, elektrooptischen Gebern und Messspindeln.

646

19 Ingenieurgeodäsie P0 Invarstab

P1 P2

Luftschlauch

Wasserschlauch

Abbildung 19.80. Hydrostatisches Nivellement als Alignement mit horizontaler Bezugsfläche

19.5.3.5

Lotungsmessungen

Man unterscheidet drei Prinzipien der Lotung: – die mechanische Pendellotung, – die Umkehr oder Schwimmlotung und – die optische Lotung. Die Verfahren entsprechen weitgehend denen der Alignements, nur dass jetzt Abstandsänderungen in Bezug auf eine vertikale Linie gemessen werden. Das Prinzip der Lotung ist in Abb. 19.81 dargestellt. In seiner Ausgangslage verläuft der Lotdraht längs der Lotungspunkte P0 , . . . , Pn , wobei P0 der Aufhängepunkt ist. Bei der Nullmessung kann die zu beobachtende Biegelinie durch diese Punkte definiert werden, was nicht bedeutet, dass diese Linie mit der Kante einer Konstruktion zusammenfallen muss. Aufgrund von Deformationen soll nun der Aufhängepunkt nach P0 verlagert sein; gleichzeitig sind dabei die Beobachtungspunkte P1 nach P1 , P2 nach P2 gewandert. Die Biegelinie verläuft jetzt entlang der Punkte P0 , P1 , P2 , Pn und der Lotdraht entlang der Punkte P0 , P1 , P2 , Pn . Die horizontalen Verschiebungen der Biegelinie des Objektes berechnen sich dann nach: a1 = amax − a1 a2 = amax − a2 .. . an = amax − an . amax wird an dem ersten Messpunkt unterhalb der Aufhängung beobachtet. Die Messergebnisse haben relativen Charakter und beziehen sich auf die unterste Ablesestelle. Sie erhalten absoluten Charakter, wenn der Aufhängepunkt mit einem Po-

647

19.5 Überwachungsmessungen amax

P0 P1 P2

a1

P1

a2

P0 Lotlinie a1 P2 a2

P1 P2 Biegelinie

Lotlinie Pn

Pn

Abbildung 19.81. Prinzip der Lotung

sitionierungsverfahren in Bezug auf ein Referenzsystem (z. B. das einer Baustelle) bestimmt wird. Für die mechanische Pendellotung verwendet man einen Draht von wenigen 0,1 mm Durchmesser, der am oberen Ende an dem Bauwerk befestigt ist und am unteren Ende mit einem Massekörper (5, . . . , 20 kg) zum Spannen beschwert ist. Normalerweise taucht der Massekörper in einen Flüssigkeitsbehälter, der mit Öl oder Wasser gefüllt ist, ein, um auf das Lot einwirkende Vibrationen zu dämpfen. Die Ablesung der Bewegungen erfolgt häufig in zwei senkrecht zueinander stehenden Richtungen. Im einfachsten Fall verwendet man Zielfernrohre, die längs eines Feinmaßstabes auf Schienen bewegt werden können (Abb. 19.82). Automatisierte Verfahren erhält man, wenn induktive, kapazitive oder elektrooptische Geber eingesetzt werden. Die Geber werden rechtwinklig zueinander angeordnet (Abb. 19.83) und müssen in Bezug auf ein (x, y)-Koordinatensystem kalibriert werden. Am Beispiel induktiver Geber soll dies nachfolgend beschrieben werden. Der Kalibriervorgang erfolgt in zwei Schritten: 1. Mit dem an dem Draht befestigten Anker muss der (x, y)-Messbereich schachbrettartig abgefahren werden, wobei an beiden Gebern in den einzelnen Rasterpunkten die zugehörigen Spannungswerte abgelesen werden. 2. Mit den abgelesenen Messwerten ist über dem (x, y)-System für beide Geber ein digitales Flächenmodell zu bilden. Ein Messvorgang läuft dann folgendermaßen ab: a. Bei einer bestimmten Position des Drahtes bildet der jeweils an dem Geber abgelesene Spannungswert V eine Fläche V = const.

648

19 Ingenieurgeodäsie x

x

Draht mit Anker

Draht

Schiene

Zielfernrohr

y

y

induktiver Geber Ableseeinrichtung

Abbildung 19.82. (x, y)-Abstandsänderungsmessungen mit Zielfernrohren

Abbildung 19.83. (x, y)-Abstandsänderungsmessungen mit induktiven Gebern

b. Diese Fläche ist jeweils mit dem zugehörigen digitalen Spannungs-Flächenmodell des Gebers zum Schnitt zu bringen; die dabei entstehenden Konturlinien sind orthogonal auf das (x, y)-Raster zu projizieren. c. Der Schnittpunkt der projizierten Kurven liefert dann den (x, y)-Wert der Position des Drahtes.

Bei der Umkehr- oder Schwimmlotung ist der Lotdraht am unteren Ende in einem festen Untergrund (z. B. Fels) verankert. In der Regel ist der Punkt, in dem der Draht fixiert ist, ein Festpunkt eines oberirdischen Koordinatensystems. Das obere Drahtende ist mit einem Schwimmkörper, welcher normalerweise ringförmig geformt ist, verbunden (Abb. 19.84 a). Der Schwimmkörper befindet sich in einem FlüssigkeitsSchwimmer Flüssigkeitsbehälter

Fa

Fr

α

a

P1 L

P2 Ablesestellen Pn

Festpunkt

a) Konstruktion

α b) Wirkungsweise

Abbildung 19.84. Umkehr- oder Schwimmlotung, mechanischer Aufbau und Wirkungsweise

649

19.5 Überwachungsmessungen

behälter und richtet gemäß dem Archimedischen Prinzip den Draht so aus, dass er eine Lotgerade durch den Fixpunkt darstellt. Befindet sich der Draht aufgrund äußerer Einwirkungen außerhalb seiner Lotlage, so führt ihn eine Rückkehrkraft Fr = Fa · sin α (mit Fa : wirksame Auftriebskraft, α : Auslenkwinkel des Lotes) in die Ausgangslage zurück (Abb. 19.84 b). Das Moment von Fr ist beschrieben durch M = Fr · L = Fa · L · sin α, wobei L die Länge des Lotdrahtes beschreibt. Mit a sin α = L ergibt sich Fa · a , (19.80) Fr = L wobei a die horizontale Auslenkung des Schwimmers beschreibt. Die Rückstellkraft ist folglich um so größer, je größer die Auftriebskraft und die horizontale Auslenkung des Schwimmers; sie verringert sich mit zunehmender Länge des Lotes. Die Lotdrähte werden mit und ohne Schutzrohr eingebaut; der Durchmesser der Rohre kann 10, . . . , 30 cm betragen. Wenn größere Höhenunterschiede zu überbrücken sind, kann man mechanische Pendellote und Schwimmlote miteinander kombinieren. Die Kombination ermöglicht sehr einfach den Anschluss von mechanischen Pendelloten an einem Festpunkt. Dieser kann wiederum inAbständen über beide Lote kontrolliert werden. Die Genauigkeit des Messverfahrens ist begrenzt durch Messfehler (σm = 0,1 mm) und Aufstellfehler (σa = 0,1 mm) falls die Ableseeinrichtung durch Zwangszentrierung positioniert wird. Um den Einfluss von Lotschwankungen gering zu halten, sollten die Lotlängen < 100 m sein. Kritische Störungen können besonders durch Luftbewegungen in Schächten und Bauwerksvibrationen hervorgerufen werden. Je nach Lotgerät und äußeren Einflüssen sind Genauigkeiten von 1 : 75000 bis 1 : 200000 erreichbar. Für die optische Lotung benötigt man spezielle optische Lote, mit denen die Ziellinie eines Messfernrohres oder eines Laserstrahls streng vertikal ausgerichtet werden kann. Das Ausrichten der Lotlinie kann mit Hilfe eines Flüssigkeitshorizontes, eines Pendels oder einer Libelle erfolgen. Ein mit einem Messfernrohr ausgestattetes optisches Lot ist in [3.6.3] beschrieben. Die Genauigkeit wird durch Aufstellfehler (σa = 0,1 mm) bei Zwangszentrierung und Messfehler (σm = 0,1 mm) bei der Ablesung begrenzt. Kritische Störungen werden besonders durch Refraktionseinflüsse hervorgerufen, weshalb der Messbereich möglichst nicht > 100 m gewählt werden sollte. Je nach Lotgerät und äußeren Einflüssen sind Genauigkeiten 1 : 75000 bis 1 : 200000 erreichbar.

650

19 Ingenieurgeodäsie

19.6 Überwachung von Staumauern und Staudämmen Unter dem Einfluss des sich jahreszeitlich ändernden Wasserstandes hinter der Mauer und als Folge bedeutender Wärmeschwankungen erleiden alle Staumauern fortgesetzt leichte Lage- und Höhenänderungen. Bei den meisten Staumauern übertrifft der Einfluss der Spiegelschwankungen den der Wärmeänderungen. In der Regel sind die Talabwärtsbewegungen der Mauer in den Sommermonaten infolge Aufstaus ebenso groß wie die Talaufwärtsbewegungen im Winter infolge des Absenkens des Wassers. Im allgemeinen handelt es sich dabei nur um wenige Zentimeter. So muss z. B. bei einer Mauer von 150 m Länge und 120 m Höhe in der Mitte mit einer elastischen Verbiegung von 6 bis 10 cm gerechnet werden. Nach den Rändern zu werden die Verschiebungen geringer. Doch führt meistens sogar der Fels in unmittelbarer Nähe der Mauer kleine elastische Bewegungen aus. Erst Felspunkte außerhalb der vom Stausee beeinflussten etwa 50 m talaufwärts und talabwärts reichenden Druckzone dürfen als fest betrachtet werden. Doch diese Erfahrungswerte sind Durchschnittswerte, die zwar in keinem Fall als sicher angenommen werden dürfen, aber doch gewisse Vorstellungen vermitteln. Gefährlicher sind nicht der Konstruktion entsprechende Veränderungen der Staumauern. Um diese frühzeitig zu erkennen, ist deren Verhalten in regelmäßigen, bald kürzeren, bald längeren Zeitabständen durch Präzisionsmessungen zu überprüfen. Bei den dabei festgestellten Bewegungen der Mauer unterscheidet man relative Verschiebungen, d. h. die gegenseitigen Verschiebungen benachbarter Mauerteile, und absolute Verschiebungen gegenüber einem früher beobachteten, meistens nach Lageund Höhenkoordinaten geodätisch festgelegten, Ausgangszustand. Zur Untersuchung der Formveränderungen stehen physikalische und geodätische Verfahren zur Verfügung. Zu den physikalischen Verfahren gehören rechnergesteuerte Lotungs- und Alignementsverfahren sowie hydrostatische Nivellements. Mit diesen Mitteln lassen sich in erster Linie relative Bewegungen aufdecken; [19.5.3.3 – 19.5.3.5]. Mit den geodätischenVerfahren, z. B. der passiven Triangulation, können absolute Verschiebungen erkannt werden [19.5.3.1, 19.5.3.2].

19.6.1

Geodätische Verfahren für absolute Deformationsmessungen

Der Aufbau des geodätischen Beobachtungsnetzes beginnt mit der Errichtung von drei bis vier Beobachtungsstationen, die einerseits in der Nähe der Mauer liegen, andererseits aber so weit von ihr entfernt bleiben sollen, dass sie von Schwankungen des Wasserspiegels möglichst nicht beeinflusst werden (Abb. 19.85.). Damit diese beiden Forderungen möglichst gleichzeitig befolgt werden können, müssen, schon um den Eigenbewegungen der Stationspfeiler zu begegnen, bei der Auswahl der Standorte geologische Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Vor allem aber sichere man die Stationspfeiler einerseits durch naheliegende Exzentren, andererseits durch

651

19.6 Überwachung von Staumauern und Staudämmen 21

15 14

12

16

10

9 11

1

17 3

2 4

Abbildung 19.85. Überwachungsnetz der Edertalsperre (Kloth-Henkel 1989)

Messungen zu festen Punkten im rückwärtigen Gelände und auf Wasserseite; insbesondere sind Orientierungssichten nach festen Punkten im anstehenden Gestein auf der Luftseite und auf der Wasserseite der Mauer erwünscht. Alle Beobachtungspfeiler müssen sodann mit einwandfrei arbeitenden Zwangszentrierungseinrichtungen versehen sein; außerdem sind Maßnahmen zum Abhalten der Sonnenstrahlen vorzusehen. So entsteht zur Sicherung der Beobachtungsstationen normalerweise ein Netz von mehr als 10 Punkten, das entweder mit einem Präzisionstachymeter oder mit differentiellen Satellitenverfahren beobachtet wird. Das in Abb. 19.85 dargestellte Beobachtungsnetz hat fünf Beobachtungspunkte (1,2,3,4,17) auf der Luftseite, auf denen die Richtungsmessungen für die Beobachtung der Staumauer ausgeführt werden. Die Punkte 9, 10, 11 und 16 sind Alignementspunkte, die Punkte 12, 14, 15 und 21 dienen weiteren Vermessungsaufgaben im Bereich des Stausee. Von den durch solche Netze stabilisierten Beobachtungsstationen aus werden zur Beobachtung etwaiger Bewegungen der Mauer bestimmte Ziele an der Mauer (Objektpunkte) mit Messverfahren hoher oder höchster Genauigkeit beobachtet. Insbesondere bei kleineren Staumauern (Kronenlänge bis zu einigen hundert Metern), die durchschnittlich einmal pro Jahr beobachtet werden, kann das Verfahren Vorwärtseinschneiden [7,8] eingesetzt werden. Als Zielmarken werden auf der Krone

652

19 Ingenieurgeodäsie

der Mauer Beobachtungspfeiler errichtet; ferner werden an ihrer Luftseite Mauerbolzen mit besonders sorgfältig ausgebildeten Zielmarken angebracht. Abb. 19.86 zeigt, wie die Objektpunkte auf der Vorderseite der Staumauer der Edertalsperre (Deutschland) ausgewählt wurden. Die Abmessungen dieser Staumauer betragen: 120

117

123

113

118

110

114

107

111

108

112

109

104 105

115 122

119

116

101 102 103

106

Abbildung 19.86. Anordnung der Objektpunkte auf der Luftseite der Staumauer der Edertalsperre (Kloth-Henkel 1989)

Höhe 47 m, Sohlenlänge 200 m, Sohlenbreite 36 m, Kronenlänge 400 m, Kronenbreite 5 m, Krümmungsradius 305 m. Im linken Bereich der Mauer wurde ein etwas verdichtetes Punktfeld gewählt, da hier die Mauer im 2. Weltkrieg zerstört war und nachher erneuert werden musste. Weitere Zielmarken werden auch in den festen Fels eingelassen, um mit ihrer Hilfe bei späteren Messungen die Richtungssätze auf den Beobachtungsstationen orientieren und die Lage der Station selbst überprüfen zu können. Treten dabei Zweifel an der Zuverlässigkeit der Station auf, so ist ihre Lage durch Beobachtungen im Sicherungsnetz zu überprüfen oder neu festzulegen. Zur Orientierung benutze man in solchen Fällen Visuren nach weit entfernten Anschlusspunkten. Für die Höhenbestimmung werden Höhen- und Zenitwinkel mit Theodoliten hoher oder höchster Genauigkeit gemessen. Die geodätischen Messungen können zusätzlich durch ein Feinnivellement oder einen Präzisionspolygonzug längs der Mauerkrone ergänzt werden. Das Nivellement und der Polygonzug sind dann an Punkten seitlich im festen Fels abzuschließen (Schelling 1970). Bei größeren Staumauern und Staudämmen empfiehlt es sich, die Objektpunkte auf der Mauer und dem Damm mit Reflektoren zu bestücken und durch kombinierte Richtungs- und Distanzmessungen automatisch mit einem Messroboter zu beobachten; zusätzlich kann man auf der Dammkrone und seitlich im Fels Messpfeiler errichten, die sich mit Satellitenempfängern bestücken lassen. Die Bauwerke können dann einmal pro Woche, pro Tag oder wenn erforderlich in kürzeren Abständen automatisch beobachtet und durch Analysen kontrolliert werden. Abb. 19.87 zeigt einen der zwei z. Zt. größten Staudämme der Erde, der in Californien für einen Trinkwassersee, den Diamond Valley Lake, errichtet wurde. Er ist 2,9 km lang und 85 m hoch. Die Objektpunkte wurden entlang des Erdbauwerkes profilartig in regelmäßigen Abständen auf beiden Seiten des Dammes angeordnet. Auf

19.6 Überwachung von Staumauern und Staudämmen

653

Messroboter

Objektpunkte

Festpunkte

GPS Punkte

Abbildung 19.87. Staudamm des Diamond Valley Lakes (Californien)

der Dammkrone und seitlich im Fels befinden sich Beobachtungspfeiler für Positionsbestimmung mit Satelliten. Drei Messroboter am Fuße des Dammes ermöglichen automatisch die regelmäßige Beobachtung der Objektpunkte auf der seeabgewandten Seite des Dammes. Die Messroboter befinden sich in Messkontainern, von denen aus durch Fenster mit speziellem Glas Horizontal-, Vertikalrichtungen und Distanzen gemessen werden. Für die Korrektur der Distanzen registriert man automatisch meteorologische Daten. Die Stromversorgung erfolgt über Solarzellen. Alle Daten werden per Funk an eine Zentrale übertragen [vgl. 2.4]. In den Damm eingebaut sind außerdem Geber, die die Setzungen beobachten und Piezometer für die Registrierung des Porenwasserdrucks (Duffy u. a.2001).

654

19 Ingenieurgeodäsie

19.6.2

Relative Deformationsmessungen mit Lotungs- und Alignementsverfahren

Insbesondere, wenn die absoluten Deformationsmessungen nur in größeren Zeitabständen ausgeführt werden, beobachtet man das Bauwerk zusätzlich durch relative Verfahren. Abb. 19.88 zeigt an einem Beispiel, wie eine Staumauer im Bereich

C

C

C

A

A B

B

B

850

D 800 B

Abbildung 19.88. Drahtalignement (A), Lote (B), Festpunkte des Bauwerknetzes (C) und eine Alignement Beobachtungsstation (D) für eine Gewichtsmauer

der Mauerkrone durch ein Alignement [19.5.3.4] und von dort aus bis zu den Fundamenten mit drei mechanischen Pendelloten und einem Schwimmlot [19.5.3.5] kontrolliert wird. Die Beobachtungsstellen (durch schwarze Pfeile gekennzeichnet) sind in Kontrollgängen untergebracht; die für das Alignement befinden sich an den Blockgrenzen.

19.6.3

Berechnung und Darstellung der Ergebnisse

Die Auswertung der Messungen kann im Rahmen einer Deformationsanalyse erfolgen (Pelzer 1987, Niemeier 2003, Welsch u. a. 2000). Man hat es mit einem zweistufigen Netzaufbau zu tun, nämlich einer Aufteilung des Punktfeldes in Stationspunkte und Objektpunkte.Auswertetechnisch überprüft man zunächst, ob die Stationspunkte lagestabil geblieben sind. Erst in der zweiten Bearbeitungsstufe wird untersucht, ob

19.6 Überwachung von Staumauern und Staudämmen

655

die Objekte sich bewegt haben und zwar in bezug auf die als stabil nachgewiesenen Stützpunkte. Die Ergebnisse der Überwachungsmessungen müssen schließlich in Zahlentabellen oder in graphischen Darstellungen oder in beiden Formen niedergelegt werden. Graphische Darstellungen können von einer großmaßstäbigen Kartierung der Staumauern ausgehen, in die die relativen Horizontalbewegungen in vergrößertem Maßstab eingetragen werden. Ähnlich können auch die relativen Höhenänderungen dargestellt werden. Die relativen Verformungen können sodann in Horizontal- und Vertikalschnitten wiedergegeben werden. Am meisten wird jedoch den Betrachter eine in Verbindung mit den Zahlenzusammenstellungen gefertigte axonometrische Darstellung ansprechen, von der die Abb. 19.89 einen Eindruck vermittelt. 229 m ü. NN

0 10 20 [mm]

50 m

Abbildung 19.89. Axonometrische Darstellung einer Staumauerverformung (KlothHenkel 1989)

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Index

Abbildungsfehler, 48 Abschattungsmaske, 381 Absorption elektromagnetischer Wellen, 43 Absteckung, 192, 197, 200, 285 mit Laserleitstrahlsystem, 612 mit optischem Lot, 610, 612 von Übergangsbögen, 569 von Bogenfolgen, 588 von Brücken, 600 von Geraden, 556 von Hochbauten, 607 von Ingenieurbauten, 599 von Kreisbögen, 559 von Tunneln, 603 von Verkehrstrassen, 588 Achsen eines Nivelliers, 402, 410 eines Theodolits, 68 Ähnlichkeitstransformation, 223, 227, 274 Affin-Transformation, 229 Aktive-Pixel-Sensoren (APS), 54, 55 Alignement, 639 hydrostatisches, 645 mit Drähten, 643 optisches, 640 Alignementsinstrument, 640 Alignementslinien, 639, 641 Alignementsverfahren, 650, 654 Almanach-Daten, 333 Altimeter, 475, 480, 482 Ambiguity, 340, 348, 349, 372 Amplitudenmodulation, 157 Angabe, 74 Antennen, 36, 334

Empfangs, 58 Richtcharakteristik, 58 Sende, 56 Antennenoffset, 336 Antennenphasenzentrum, 334 Anti Spoofing, 318, 320 arithmetisches Mittel, 18, 19 ASCOS-Echtzeitsdienst ED, 504 Aufnahmeverfahren, 207 Aufsatzkreisel, 127 Ausbreitungseigenschaften elektromagnetischer Wellen, 36, 40, 45, 56, 170, 358 Ausgleichung direkter Beobachtungen, 22, 23, 26 für vermittelnde Beobachtungen, 27 Ausgleichungsrechnung, 16 Austrittspupille, 50 Autokollimation, 126, 127, 135 Autokollimationsokulare, 136 Autokollimationsprismen, 138 Autokollimationsspiegel, 138 Autokollimationstheodolite, 136, 138 Automatisierung von Messverfahren, 81, 90, 91, 111, 155, 181, 193, 195, 197, 200 Avalanche-Fotodioden, 159 Bahnen künstlicher Erdsatelliten, 310 Bahnfehler, 373 Bahnstörungen, 312 Barometer, 468, 469 Aneroid-, 470 Gefäßheber-, 471 Heber-, 470

672 mit Membrandose, 472 Normal-, 472, 477 Quecksilber-, 469 Barometerformel, 477 Barometrische Höhenstufen, 480 Basislinienlösung, 388 Basisvergrößerungsnetz, 496 Baustellennetze, 389, 599, 600, 603 Bauwerksüberwachung, 214, 618, 626, 650 Beurteilungskriterien Digitalnivelliere, 428 geodätischer Satelliten-Empfänger, 342 Laser-Scanner, 210 Lasertracker, 203 Tachymeter, 191 Bezugsfläche, 1 Biegelinien, 637 Bildverarbeitung digitale, 83, 84, 91, 93, 414, 416, 421, 644 Blenden, 50 Bodenwelle, 37 Bogenfolgen, 580, 581, 583 Absteckung von, 588 Bogenschnitt, 263, 264 Brechungsindex, 40, 151, 154, 170, 172, 358, 361 Gruppen, 170 Phasen, 170 Brechzahl, siehe Brechungsindex Cat‘s Eye, 204 Celestial Ephemeris Pole, 311 Charge Coupled Devices (CCD), 54, 74, 92, 635, 642 Code, 79, 323, 328, 331, 417, 425 C/A-, 318 P-, 318 Codephasenmessungen, 355 Codeverfahren, 79 Conventional Inertial System (CIS), 3, 311 Conventional International Origin (CIO), 3, 499

Index Conventional Terrestrial System (CTS), 3, 313 CP-Steuerung, 198 Cycle Slips, 352, 387 Datenübertragungssysteme, 59 Datenformate, 366 Datenfunk, 36, 45, 59, 63 Datensignal, 318, 323, 331, 334 Datenübertragung, 366 Datum des WGS 84, 322 nationales, 495 nationales Höhen-, 510 PZ-90, 325 Deformationsanalyse, 654 Deformationsmessungen, 197, 199, 200, 214, 619, 629, 650, 654 absolute, 620 diskontinuierliche, 621 kontinuierliche, 621, 625 Planung von, 619 relative, 620 Deformationsmodell dynamisches, 621 kinematisches, 622 Deklination, 312 Demodulation, 158 Detektor für elektronische Bildwandlung, 54, 414, 415, 421, 641, 644 Deutscher Referenzrahmen, 4 Deutsches Haupthöhennetz DHHN, 512 Differential GPS (DGPS), 369 Digitale Situationsmodelle, 529 Digitale Geländemodelle, 529, 554, 597 Digitale Höhenmodelle, 529 Dispersives Medium, 170 Distanzmesser, 151, 159, 160, 180, 338 Distanzmessung, siehe Längenmessung DOP-Faktor, 346 DOP-Werte, 381 Doppeldifferenzen, 351 Dosenlibelle, 73 Drahtlose lokale Netze, 61 Dreifachdifferenzen, 352

Index Dreifuß, 99, 185 Echolot, 534 Eilinie, 582 Einfachdifferenzen, 350 Einheitengesetz, 9 Einheitensystem SI, 8 Einheitsklothoide, 575 Eintrittspupille, 50 Ellipsoid, 174, 175 Bezugs-, 2 mittleres Erd-, 2 Referenz-, 2 Rotations-, 2 Ephemeriden, 320, 347, 363, 387, 509 Erdkrümmung, 454, 457 Erdmassenberechnung, 590 Erdmessung, 1 Erwartungswert, 18 Europäischer Terrestrischer Referenzrahmen (ETRF 89), 4, 502 European Geostationary Navigation Overlay Service (EGNOS), 314, 330, 371, 380, 507 European Levelling Net (UELN), 512 Extensometer, siehe Längengeber Exzentrizität der Kreisteilung, 88, 111 der Zielachse, 113 Exzentrizität der Teilkreise, 89 Fahrdynamik, 573 Faser-Optische Kreisel (FOG), 304 Fehler Achsen-, 106 beim Nivellement, 437 der Empfängeruhr, 362 der Längenmessung, 150 der Satellitenbahn, 363 der Satellitenuhr, 362 Exzentrizitäts-, 111 grobe, 16 Kippachsen-, 108 Stehachsen-, 110 systematische, 16, 444

673 wahre, 18 Zielachsen-, 106 zufällige, 16, 444 Fehlerfortpflanzungsgesetz, 19, 120 Fehlergrenzen, 32 Fehlerrechnung, 16 Feinnivellement, 443, 511, 600, 604, 652 Feldhandriss, 532 Fernrohr, 53, 113, 186 -helligkeit, 52 Auflösungsvermögen, 52 gesichtsfeld, 51 Keplersches, 48 Mess-, 46, 47, 69, 92, 401, 415 Vergrößerung, 51 Fertigungstoleranzen, 602, 608, 617 Festpunktfelder, 492, 599 FKP-Vernetzungskonzept, 377 Flächenberechnung, 525 Flächenkorrekturparameter (FKP), 376 Flussgrundvermessung, 199, 533 Fotodioden, 158, 159 Freie Stationierung, 281, 282, 519, 532, 613 GALILEO, 314, 325 GALILEO Dienste, 507 Gauß-Krüger-Abbildung, 5 GDOP-Faktor, 386 GDOP-Werte, 381 Geländeaufnahme, 530 Genauigkeit Absteckung von Ingenieurbauten, 617 Alignementsverfahren, 645 barometrische Höhenmessung, 481 Bogenschnitt, 271 Brechungsindex, 171 Druckaufnehmer, 477 Durchschlags-, 606 elektronische Tachymeter, 192 elektrooptische Distanzmesser, 181 Erdmassenberechnung, 590 Fernrohr, 53 Höhenbestimmung, 446, 454, 464, 481, 491, 545 Hz-Winkelmessung, 97, 191

674 Längenmessung, 150, 181, 191 Lotungsmessungen, 649 Nivellement, 446 Nivelliere, 428 Nivelliersysteme, 426 polar aufgenommene Punkte, 283 Rückwärtseinschneiden, 262 RTK-Messsystem, 373 Satellienpositionierungsverfahren, 369 Tachymeter, 191 Theodolite, 97, 98 trigonometrische Höhenmessung, 464 Tunnelnetze, 606 Vorwärtseinschneiden, 258 Zenitwinkelmessung, 120 Zentrierung, 100, 101, 104 Geodäsie, 1 Geoid, 396, 464 Geoidundulation, 400, 464 Geoinformation, 1 Geopotentielle Koten, 395 Georeferenzierung, 493, 494 Gewichte, 23 Gewichtseinheitsfehler, 24 Gewichtsfortpflanzungsgesetz, 24 gewogenes Mittel, 24, 25 Gittermodell, 212 Global Navigation Satellite System (GLONASS), 322 Global Navigation Satellite System (GNSS), 314 Global Positioning System GPS, 315 GSM-Mobiltelefonnetze, 61 Handriss, 532 Helmerttransformation, 275, 282, 600 Höhen Definitionen der, 395 dynamische, 398 ellipsoidische, 399 Normal-, 399 orthometrische, 398 Höhendatum, 397 Höhenfestpunktfeld, 510, 599

Index Höhenindex, 89 Höhenindexfehler, 279 Höhenkreis, siehe Vertikalkreis Höhenlinien, 528 Höhenmessung, 393, 394 barometrische, 468 hydrostatische, 485 nivellitische, 439 trigonometrische, 451, 456 Verfahren, 391, 393, 400 Höhensysteme, 400 Höhenwinkel, siehe Zenitwinkel Horizontalkreis, 68 Horizontalrichtung, 66 Horizontalwinkel, 66, 99, 106 Horizontalwinkelmessung, 71, 105 Horizontieren, 98 Horizontschräge, 412 Hz-Teilkreis, 185 Impulsmodulation, 158 Impulsverfahren, 153, 163, 183 Indexabweichung, 90, 118, 119 Indexfehler, 118 Indexverbesserung, 119 Industrievermessung, 204 Inertialnavigation, 302 Ingenieurgeodäsie, 553 Inkrementalverfahren, 79, 84 Integrität, 314 Integrity Information, 329 Interessenstreifen, 554 Interferometer, 201 Doppler-, 165 Michelson, 164 International Terrestrial Reference Frame (ITRF), 3 Internationaler GPS-Service (IGS), 509 Internationales Terrestrisches Referenzsystem (ITRS), 499 Ionosphäre, 38, 349, 355, 357, 360, 364, 373 Justierbedingungen für Nivelliere, 402, 410 für Theodolite, 106

675

Index Justieren, 430, 433 Justierung der Nivelliere, 402, 430 der Theodolite, 106 von Libellen, 75 von Libellen mit Flüssigkeitshorizont, 78 Kalibrierung von Antennen, 336 von elektronischen Distanzmessern, 167 von Nivelliersystemen, 434 von Pendelloten, 647 von Stahlmaßstäben, 140 von Stahlmessbändern, 144, 148 Kanäle, 332, 338 Karten digitale, 521 großmaßstäbige, 519 topographische, 526 Kartenherstellung, 537 Karteninhalte, 527 Kataster, 200 Katastervermessung, 1 Kepler, J., 47, 310 Keplerparameter, 312, 319, 320 Keplersche Gesetze, 310 Kippachse, 68, 69, 106 Kippachsenfehler, 279 Klothoide, 572, 575, 580 Einheits-, 573 Kollimation Auto-, 135 gegenseitige, 135 Kollimator, 135, 433 Kombiniertes Messen von Distanzen, 243 von Winkeln, 243 Kommunikationstechniken, 59 Kompensatoren der Nivelliere, 406 Kontrollsegment, 321, 324, 326, 328, 330 Koordinaten ebene geodätische, 217

ellipsoidische, 4 Gaußsche, 231 Soldnersche, 230 Kote geopotentielle, 397 Krümmungsbild, 572, 573 Kreis -ablesevorrichtungen, 78 -abtastvorrichtung, 79, 82, 84, 89 Kreise, 70 mit paraller Codierung, 82 mit radialen Gitterstrichen, 84 mit serieller Codierung, 82 Teilungsfehler, 70 Kreisel, 121, 606 bandgehängter Meridian-, 124, 126 Beobachtungsverfahren, 128 kräftefreie, 122 Laser-, 304 Richtmoment, 124 schweregefesselter, 124 technische, 122 Kreiseltheodolite, 126 LAN Systeme, 62 Funk-, 61 Laser-, 62 Landesvermessung, 1, 492, 501 Landesvermessungssysteme (LS), 4 Längengeber, 637 elektrooptische, 635 induktive, 630 kapazitive, 631 Schwingsaiten, 634 Längenmessung mit Bändern und Drähten, 142 mit Drähten, 148 mit elektromagnetischen Wellen, 151 mit Maßstäben, 140 Längennormale primäre, 140 sekundäre, 140 Laserdioden, 158 Laserinterferometer, 140 Laserlot, 103, 610

676 Laserscanner, 205 Lasertracker, 200 Lateraleffektdiode, 635, 642 Laufzeitmessung, 152 Libellen, 73 Dosen-, 73 Höhenindex-, 91 mit Flüssigkeitshorizont, 74 Röhren-, 74 Vertikalachsen-, 76 Libellenachse, 74 Liegenschaftsaufnahme, 494, 496, 498, 517 Location Based Services (LBS), 541 Lot Laser-, 103, 610 optisches, 99, 102, 608, 610, 649 Schnur-, 99 starres, 101 Lotabweichung, 68, 463, 467 Lotung mechanische Pendel-, 647 optische, 646, 649 Schwimm-, 646, 648 Umkehr-, 648 Lotungsverfahren, 650, 654 Luftdruck, 468 Lumineszenzdiode, 157 Maßeinheiten, 8 Maßstabsfaktor, 264, 267, 273, 280 Maßstäbe Stahl-, 140 Maßsysteme, 8 Maßtoleranzen, 617 Mehrstationslösung, 388 Mehrwegsignale (Multipath Signals), 336 Meridianstreifenabbildung, 5 Meridianstreifensystem Gauß-Krügersches, 237 UTM, 239 Messbänder Stahl-, 142, 148 Messbändern Stahl-, 144, 147 Messbereich, 7

Index Messeinrichtung, 7 Messergebnis, 7 Messfernrohr, 46, 47, 69, 92, 401, 415 Messgerät, 7 Messgröße, 6 Messprinzip, 7 Messroboter, 59, 193, 195, 199, 200, 517, 532, 627, 628, 653 Steuerung, 197 Messsystem, 7 Messung, 5 Messverfahren analoge, 7 digitale, 7 direkte, 7 indirekte, 7 Messvorgang, 6 fehlerbehafteter, 6 fehlerfreier, 6 Messwert, 7 Meter, 8 Meterprototyp, 8 Methode der kleinsten Quadrate, 17 Mikroprozessor, 80 Mikroskop, 78 Ablese-, 78 Koinzidenz-, 78 Skalen-, 78 Strich-, 78 Mittelwert, 17, 24 Modulation, 157 Amplituden-, 151, 157 Impuls-, 151, 157 Phasen-, 151 Nadirlote, 102 Navigation, 197, 314, 385, 504, 538, 606 persönliche, 550 Navigationslösung, 385 Neigungsgeber, 635 mit Flüssigkeitsoberfläche, 637 mit Horizontalpendel, 636 mit Vertikalpendel, 635 Nivellement, 652 einfaches, 439

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Index Fein-, 443, 511, 600, 604, 652 Genauigkeit, 446 geometrisches, 394 hydrostatisches, 485, 645 Ingenieur-, 442 motorisiertes Fein-, 444 motorisiertes geometrisches, 394, 444 trigonometrisches, 451, 466 Nivellementlinie, 511 Nivellementnetz, 511 Nivellementpunkte (NivP), 436 Nivellementschleifen, 511 Nivellementstrecke, 511 Nivelliere, 393, 401 digitale, 414, 434 Klassifizierung der, 426 mit festem Fernrohr, 402 mit Kippschraube, 402 mit Kompensator, 405 mit Libellenhorizontierung, 401 Nivellierlatten, 401, 415, 418, 425–427 Nivelliersysteme, 414, 434 Nivelliertachymeter, 426 Nivellierverfahren, 436, 626, 629 Normal, 5, 140 Normalbarometer, 472, 477 Normalmeter, 140 Normalverteilung, 17 Normhöhen, 480 Normhöhenunterschied, 481 Nutzersegment, 332 Objektiv, 49 Okular, 49 Omnistar, 380 On the fly (OTF), 372 Open Service (OS), 507 optische 3D-Messverfahren, 626 optisches Lot, 99, 102, 608, 610, 649 Orientierung der Richtung, 121, 248, 251, 259, 273, 280, 282, 297 Pars, 74 Phase, 39 Phasenbrechungsindex, 361

Phasenvergleichsverfahren, 153, 154, 160, 183, 333 Polaraufnahme, 200, 243, 279, 517, 532 Polygonnetze, 285 Polygonzug angeschlossener, 286 Einrechnungszug, 294 einseitig angeschlossener, 294 freier, 286, 294 toter, 286 Position Dilution of Precision (PDOP), 346 Positionierungsdienst regional, 504 überregional, 507 Positionierungseinheit, 192 Positionsbestimmung in Gebäuden, 546 Positionsempfindlicher Detektor, 201 Positionswinkel, 67 Precise DGPS (PDGPS), 371 Precise Positioning Service PPS, 320 PTP-Steuerung, 198 Public Regulated Service (PRS), 508 Punktbestimmung Arten der, 241 durch Distanzmessung, 263 durch kombinierte Richtungs- und Distanzmessungen, 273 durch Richtungsmessungen, 250 mit polaren Vermessungssystemen, 299 mit Satellitenverfahren in der Praxis, 363 polygonometrische, 285 Punktmenge strukturierte, 205 unstrukturierte, 206 Pupillen, 50 Qualitätskontrollen, 616 Qualitätssicherung, 616 Raumsegment, 315, 322, 327, 330 Raumwelle, 37 Real Time Kinematik GPS (RTK), 371, 517 Referenzsysteme, 3, 492

678 ältere, 493 globale, 499 Höhen-, 509 nationale, 494 Reflektor, 181, 204, 205 Refraktion, 178, 180, 438, 454, 458, 466, 519 Refraktionskoeffizient, 43, 178, 458 Rektaszension, 312 Relativistische Effekte, 362 Richtcharakteristik, 58 Richtungen, 65 Richtungsmessung, 45, 46, 114, 184 RINEX-Format, 366, 387 Ring-Laser Kreisel (RLG), 304 Robotersteuerung, 197 Rollbandmaße, 147 RTCM-Format, 366, 372 RTK-Messsystem, 373 RTK-Verfahren, 371, 377 Rückwärtseinschneiden, 259, 626 Safety-of-Life (SoL), 508 SAPOS, 371, 504 Satellitenfunk, 63 Satellitenkonstellation EGNOS, 330 GALILEO, 327 GLONASS, 322 GPS, 316 Satellitensysteme, 314 SATREF, 507 Satzmessung, 114 Scanner Kamera, 208 Panorama-, 208 Schlauchwaage, 394, 485 einfache, 485 Präzisions-, 485 Schnitt zweier Geraden, 220 Schwingsaitengeber, 634 Seegrundvermessung, 533 Session, 383 Sichtbarkeitsdiagramme, 380

Index Signal in Space (SIS), 329 Sinusoide, 574 Skyfix, 380 Spielpunkt, 76 Standard Positioning Service SPS, 320 Standardabweichung, 19 aus Doppelmessungen, 27 des arithmetischen Mittels, 21 des gewogenen Mittels, 25 einer Differenz, 20 einer Summe, 20 einer Summe oder Differenz, 20 eines Punktes, 243 empirische, 19 theoretische, 19 Stehachse, 68, 70, 106 Stehachsenfehler, 110 Strap-down-Systemen, 306 Strichkreuz, 48, 92 Strichmikroskop mit optischem Mikrometer, 78 Stütze, 68, 185 SWEPOS, 507 SWIPOS, 507 System-Zeit GLONASS, 324 GPS, 316, 318, 319, 321 Tachymeter, 59, 62, 197, 279, 466, 517, 519, 532, 534 elektronische, 184 Tachymetrie, 532, 533 Teilkreisexzentrizität, 119 Theodolit, 65, 67, 89 Achsen, 106 Autokollimations-, 138 Untersuchung, 105 Theodolite analoge, 70, 78, 98 digitale, 70, 97, 98, 111 Klassifizierung, 97 Theodolitmesssysteme, 299 Tiefenlinien, 528, 535 Tiltmeter, siehe Neigungsgeber Time to fix Ambiguities TTFA, 372

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Index Topographische Vermessungen, 526, 534, 554 Topographischen Landesaufnahme, 517 Träger, 157, 159 Trägerphasenmessungen, 354 Tracklights, 192 Trägheitsnavigation, 302 Triangulation, 200, 242, 285, 496 aktive, 627 passive, 626 trigonometrische Höhenübertragung, 452 Trilateration, 200 Troposphäre, 170, 349, 357, 358, 364, 371, 373 Tunnelnetze, 603 Tunnelvortriebsmaschinen, 197 Übergangsbögen, 569, 571, 574 Überhöhung maximal zulässige, 571 Regel-, 571 Überhöhungsrampe, 574 Überwachungsmessungen, siehe Deformationsmessungen Undulation absolute, 2 Geoid-, 2 relative, 2 Uniform Precise Levelling Net of Eastern Europe (EPPN), 512 Universal Transverse Mercator Grid System (UTM-System), 239 Verfügbarkeit, 314 Vermarkung, 436, 496 Vermessungsschiff, 534 Vermessungswesen, 1 Vernetzungskonzepte DGPS Verfahren, 379 Vernetzungskonzepte RTK-Verfahren, 377 Vertikalkreis, 68, 69, 89 Vertikalwinkel, 117 Vertikalwinkelmessung, 89, 91 Vertrauensbereich, 32, 33 Verwindungsstrecke, 574 Vorwärtseinschneiden, 250, 626

räumliches, 296 VRS Virtuelle Referenzstationen, 377 Wegpunkte (waypoints), 538 Weitverkehrsnetze, 61 Weltraumsegment, 315, 322, 326 Wendelinie, 582 Wide Area Augmentation System (WAAS), 314 Wide Area Differential GPS (WAD GPS), 379 Winkelmessung, 202 Besonderheiten, 116 Horizontal-, 113 in allen Kombinationen, 116 mit Horizontschluss, 116 World Geodetic System 84 (WGS 84), 4, 322, 499, 501 Zenitlote, 102 Zenitwinkel, 65, 119 Berechnen von, 118, 121 Genauigkeit, 120 Genauigkeitsuntersuchung, 121 Messung, 118 Zentrieren, 98, 137 von Richtungen, 246 von Strecken, 246 Zentrierfehler, 99, 287 Z-Count, 319 Zielachse, 48, 70, 106, 118 Zielachsenfehler, 110, 279 Zielen automatisches, 91, 193, 197 Ziellinie, siehe Zielachse Zielmarken aktive, 93 kreisrunde, 93 passive, 93 Zielung automatische, 187 Zwangszentrierung, 68, 103, 185, 285, 288, 562 mit konstanter Instrumentenhöhe, 105 Zwischenlinse, 48