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German Pages 336 Year 2013
GERD ALTHOFF
HEINRICH IV. 3. Auflage
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. 3., unveränderte Auflage 2013 1.Auflage 2006 © 2013 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Redaktion: Daphne Schadewaldt, Wiesbaden Satz: Setzerei Gutowski, Weiterstadt Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de
ISBN 978-3-534-24895-7 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-72653-0 eBook (epub): 978-3-534-72654-7
Inhalt Vorwort des Reihenherausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort des Autors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Spezifische dieses biographischen Vorhabens . . . . . . 2. Rahmenbedingungen herrscherlichen Handelns im 11.Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Neue Denkweisen und Entwicklungen im 11. Jahrhundert
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II. Die Zeit der Regentschaft und die ersten Jahre selbständiger Regierung (1056–1073) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Wehe dem Land, dessen König ein Kind ist“ . . . . . . . . . . 2. Die eigenständige Handschrift des Königs . . . . . . . . . . . . .
41 41 66
III. Der erste große Konflikt: Die Sachsenkriege (1073–1075) . . . 86 1. Königliche Provokationen und sächsische Reaktionen . . . 86 2. Der Frevel der Sachsen und seine Konsequenzen . . . . . . . 106 IV. Die Konflikte mit Papst Gregor VII. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorboten der Konfrontation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Von Worms nach Canossa: Das Jahr der Eskalation 1076/77 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Auseinandersetzung der beiden Könige (1077–1080) 4. Heinrichs Kaiserkrönung und Gregors Ende . . . . . . . . . . .
116 116 133 160 178
V. Konsolidierung oder Fortdauer der Krise: Heinrichs letzte Jahrzehnte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Konsolidierungsversuche: 1084–1090 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Der dritte Italienzug: 1090–1098 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
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Inhalt
3. 4.
Die Rückkehr ins Reich: 1098–1104 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Die Entmachtung durch den Sohn: 1104–1106 . . . . . . . . . . 228
VI. Aspekte einer Gesamtwürdigung Heinrichs IV. . . . . . . . . . . . . 1. Die Urteile der Gegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Rahmenbedingungen der Herrscherkritik . . . . . . . . . . . . . 1.2 Argumente in Verhandlungen als Themen der Geschichtsschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Zur Konstruktion der bösen Absichten des Königs . . . . . . 1.4 Zur Frage der sexuellen Verfehlungen Heinrichs IV. . . . . 2. Die Urteile der Anhänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zur grundsätzlichen Diskussion über das Königtum in den Streitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Annäherungsversuche an die Persönlichkeit Heinrichs IV.
254 254 254 257 261 269 273 282 288
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 Register der Personen- und Ortsnamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Orte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336
Vorwort des Reihenherausgebers Nicht erst seit der ‚Kulturkampf‘-Parole Bismarcks „Nach Canossa gehen wir nicht“ gehört die Umbruchzeit des späten elften und beginnenden zwölften Jahrhunderts zu den Lieblingsthemen der deutschen Mediävistik. Die Erforschung der kirchlichen Reformbewegung stand dabei, internationals gesehen, im Vordergrund, da sich hier Entwicklungen konzentrierten, die die gesamte lateinische Christenheit betrafen. Dabei wurde vor allem durch die Sprengung der herkömmlichen Grenzen von allgemeiner mittelalterlicher Geschichte und mittelalterlicher Kanonistik im Ganzen und im Detail eine vertiefte Sicht des Geschehens erreicht. Diese vielfach neuen Forschungsansätze sind in den Band dieser Reihe von Uta-Renate Blumenthal über Gregor VII., die bedeutendste Gestalt der Kirchenreform, eingegangen. Für die deutsche Geschichte steht dabei der sogenannte Investiturstreit zwischen Gregor VII. und seinen Nachfolgern auf dem päpstlichen Thron und Heinrich IV. und seinem Nachfolger im Vordergrund, obschon längst erkannt wurde, dass der Streit um die Laieninvestitur selbst im Reichsgebiet nur einen Teil der Problematik dieser Jahrzehnte umfasst, und so wurde dieser Begriff, der in die angelsächsische, französische und italienische Forschung im Wesentlichen von deutschen Forschern exportiert wurde, dort nie so recht heimisch. Sehr rege war jedoch in den letzten Jahrzehnten auch die deutsche Forschung über das Königtum dieser Zeit. Vor allem wurde die Frage der Entsakralisierung ausführlich diskutiert, und auch hierbei wurden ältere Auffassungen modifiziert. In Gesamtdarstellungen, Ausstellungen und ertragreichen Sammelbänden wurde eine Vielzahl von Aspekten der Salierzeit untersucht und teilweise neu beleuchtet. Der zentralen Gestalt, Heinrich IV., wurde jedoch in der deutschen Mediävistik bislang keine umfangreiche neue Darstellung zuteil; diesem Herrscher widmete vielmehr I. S. Robinson in enger Kooperation mit den deutschen Spezialisten und unter vorzüglicher Verwertung der deutschen Forschung 1999
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Vorwort des Reihenherausgebers
die erste ausführliche Darstellung in englischer Sprache. Das Buch zeichnet sich wie das noch umfangreichere Gegenstück von H. E. J. Cowdrey über Gregor VII. durch die der englischen Geschichtsschreibung eigene nüchtern-pragmatische Darstellung aus. Das vorliegende Werk bricht mit der in der deutschen Forschung vorherrschenden, durch zeitgebundene Vorstellungen von einer starken Zentralgewalt beeinflussten apologetischen Bewertung Heinrichs IV. und beschreitet neue Wege. Die vielen negativen Urteile seiner Zeitgenossen werden nicht, wie es noch Gerd Tellenbach tat, von vornherein als unglaubwürdig zurückgewiesen, sondern es wird nach ihrem Sitz im Leben gefragt. Besonders Heinrichs Verstöße gegen herkömmliche Prinzipien konsensualer Herrschaft und gegen etablierte Formen der Konfliktbewältigung werden diskutiert. Die an vielen Einzelheiten aufgezeigten neuen Perspektiven, etwa auch bezüglich der Regentschaft und des Verhältnisses des Königs zu Gregor VII., werden, so ist zu hoffen, weitere wissenschaftliche Diskussionen anregen. Alzenau im Dezember 2005
Peter Herde
Vorwort des Autors „von der Parteien Gunst und Hass verwirrt“ (Fr. Schiller, Wallensteins Lager, Prolog)
Diese Biographie zieht ein Fazit einer längeren Beschäftigung des Autors mit Heinrich IV. Sie wurde ausgelöst durch das Interesse an den „Spielregeln“ der Politik im Mittelalter und durch die Erfahrung, dass solche Regeln in der Überlieferung vor allem dann implizit oder explizit angesprochen wurden‚ wenn keine Einigkeit darüber herrschte, was die Gewohnheiten zu tun vorgaben. Dies aber war in der Zeit Heinrichs IV. in erheblichem Ausmaß der Fall, die zu Recht mit Begriffen wie Konflikt und Krise charakterisiert wird: Der unübersehbaren Spannung zwischen dem Geltungsanspruch der Gewohnheiten und dem politischen Handeln dieses Herrschers gilt daher das vorrangige Interesse. Mit obigem Motto ist ein auf Wallenstein bezogenes Zitat Friedrich Schillers benutzt, um auf einen Leitgedanken dieses Buches hinzuweisen: Heinrichs Handlungen werden von den Zeitgenossen so gut wie ausschließlich cum ira et studio beschrieben. Den Gründen für das so entstandene Zerrbild sucht dieses Buch auf die Spur zu kommen, allerdings ohne die Vermessenheit, es zu einem objektiven Bild glätten zu können. Schon die Analyse der Verzerrungen, ihrer Ursachen und Ziele, führt jedoch näher an die Probleme heran, die gerade dieser Herrscher aufwirft. Das Buch ist entstanden in der Atmosphäre lebhafter interdisziplinärer Diskussion vorrangig im Münsteraner Sonderforschungsbereich 496 „Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution“ und hat hiervon sehr profitiert. Projektleitern und Mitarbeitern dieses Sonderforschungsbereichs, von denen ich Arnold Angenendt, Hagen Keller, Christel Meier-Staubach und die Sprecherin Barbara Stollberg-Rilin-
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Vorwort des Autors
ger namentlich hervorheben möchte, sei auch hier wieder herzlich gedankt. Aber auch der intensive Austausch mit auswärtigen Fachkollegen ist dem Buch zugute gekommen – namentlich genannt seien Sverre Bagge, Jacek Banaszkiewicz, Philippe Buc, Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter, die teilweise auch frühe Fassungen der Arbeit lasen und durch ihre Hinweise und Kritik erheblich weiterhalfen. Die Arbeiten an Herstellung und Einrichtung des Manuskripts führten die Angestellten und Hilfskräfte des Lehrstuhls mit großem Enthusiasmus durch. Ohne ihren vorbildlichen Einsatz wäre die Bewältigung der geradezu unübersehbaren Literatur wie vieler anderer Probleme nicht zu leisten gewesen. In die Anmerkungen ist aus Platzgründen nur ein Teil ihrer Vorarbeiten eingegangen – auch das NichtGedruckte namentlich aus dem Bereich der älteren Literatur war jedoch für die Urteilsbildung des Autors unverzichtbar. Herzlich danken möchte ich deshalb Evelyn Bernholt, Christina Brandherm, Oliver Daldrup, Jan Dembski, Tobias Hoffmann, Benjamin Huth, Christian Igelbrink, Katrin Kottmann, Christian Segger, Malte Voigt und Eva Zalewski. Hervorgehoben seien Claudia Strieter und Alexandru Anca, die bei der Ausformulierung und Dosierung der Anmerkungen selbständig und verantwortungsbewusst arbeiteten und sich so große Verdienste erwarben. Das Buch erscheint in dem Jahr, in dem sich der Tod Heinrichs IV. zum 900. Male jährt. Es ist aber ganz gewiss keine Jubiläums-Schrift im herkömmlichen Sinne. Es möchte Anstöße geben zu einer intensiven Auseinandersetzung mit einer Figur, die im Geschichtsbewusstsein gerade der Deutschen in der Vergangenheit sehr präsent war – aber in ganz anderer Weise, als sie hier präsentiert wird. Münster, im August 2005
Gerd Althoff
I. Einleitung 1. Das Spezifische dieses biographischen Vorhabens Dieses Buch ist nicht einfach zu schreiben. Die Schwierigkeit liegt nicht darin, dass der Gattung der Biographie für Personen aus der Zeit des Mittelalters besondere oder gar unüberwindliche Probleme entgegenstünden. Man hat für diesen Zeitraum längst erfolgreich erprobt, anstelle eines handelnden Subjekts, dessen Psychologie und persönliche Antriebe in den mittelalterlichen Jahrhunderten in aller Regel nicht erreichbar und darstellbar sind, die Spannung zu beschreiben und zu analysieren, die zwischen den allgemeinen Normen und Rahmenbedingungen von Leben, Religion und Politik und den individuellen Handlungen einer Person auftritt.1 So ist es durchaus möglich, ein individuelles Profil einer Person herauszuarbeiten und an ihren Worten und Taten zu zeigen, wie sie die Handlungsspielräume nutzte, die gesellschaftliche Normen und Regeln ließen, oder diese Spielräume sogar veränderte und erweiterte. Die betreffende Person muss nur in der Überlieferung genügend profiliert sein, was die Auswahl in aller Regel auf Angehörige der politischen und intellektuellen Führungsschichten einengt. Diese Profilierung in der Überlieferung ist im Falle Kaiser Heinrichs IV. ganz zweifelsohne gegeben, sogar in überreichem Maße. Bei einer Biographie dieses Herrschers schiebt sich ein ganz anderes Problem in den Vordergrund. Man kann es als Problem der quasi kanonisierten Interpretationsmuster bezeichnen, die seit langem jede 1 Ich beziehe mich damit auf die Kritik, die Michael Borgolte (Biographie ohne Subjekt, bes. S. 132 f., 138 f.) an meiner Biographie Ottos III. übte, weil er von einer Biographie eines mittelalterlichen Menschen anderes und mehr erwartet. Ich glaube jedoch nach wie vor nicht, dass die Erwartung einzulösen ist. Das Problem, wie man Individualität und Subjektivität eines mittelalterlichen Menschen fassen kann, bleibt jedoch in jedem Fall ein zentrales.
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I. Einleitung
Behandlung dieses Königs und seiner konfliktreichen Regierungszeit bestimmen. Heinrich IV. hat nämlich seit dem 19. Jahrhundert in der deutschen Forschung so viele entschiedene Verteidiger und Apologeten gefunden, dass es schwer fällt, sich dem Sog dieser Lehren zu entziehen. Dies hing gewiss ursächlich damit zusammen, dass man ihn lange Zeit als den Verteidiger der Rechte einer starken Zentralgewalt porträtierte, der den übermächtigen Kräften der gregorianischen Papstkirche und den deutschen Fürsten gegenüberstand und in einem zähen und oftmals tragisch genannten Abwehrkampf gegen diese unterlag, wobei er aus dieser Sicht rettete, was zu retten war. Angesichts seines Kampfes mit den „Totengräbern der Königsmacht“ rechtfertigte sich nahezu jeder Versuch einer Ehrenrettung dieses Königs sozusagen von selbst, da der Stolz und die Fixierung auf die starke Zentralgewalt geradezu den Angelpunkt des Mittelalterbildes der Deutschen im 19. Jahrhundert und in langen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts darstellte.2 Im mittelalterlichen Reich der Ottonen, Salier und Staufer sah man die Stellung des Reiches als führende Macht Europas verwirklicht, die im Spätmittelalter verloren ging und erst mit der Gründung des Nationalstaats im 19. Jahrhundert wieder errungen werden sollte. Und auch die aktuellen Fronten schienen im Mittelalter bereits vorgebildet: Die für die Königsmacht verderbliche Rolle von Kirche und Adel im 11. Jahrhundert spielten in der Gegenwart des 19. Jahrhunderts Ultramontane und Partikularisten. Da konnte es keinen Zweifel geben, wem Sympathie und Verständnis gebührte. Diese Fixierung des Mittelalterbildes der Deutschen auf eine starke Zentralgewalt habe ich in mehreren Arbeiten herausgearbeitet, vgl. Althoff, Das Mittelalterbild der Deutschen vor und nach 1945, S. 731–749; ders., Die Deutschen und ihr mittelalterliches Reich, in: Puhle/Schneidmüller/Weinfurter, Heilig – Römisch – Deutsch, im Druck; ders., Das ottonische Reich als regnum Francorum?, S. 238–241. Die im Folgenden knapp skizzierte Sicht hatte nicht zuletzt die Konsequenz, dass man diesen Jahrhunderten der deutschen Kaiserzeit erheblich mehr Aufmerksamkeit widmete als den späteren Zeiten des vorgeblichen Zerfalls der Kaisermacht. Vgl. hierzu demnächst Schneidmüller, Konsens – Territorialisierung – Eigennutz, in: FMSt 39 (2005), im Druck. Diese einseitige Ausrichtung wurde in der deutschen Mediävistik erst in den letzten Jahrzehnten überwunden. 2
Das Spezifische dieses biographischen Vorhabens
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Als dieses nationale Geschichtsverständnis nach dem zweiten Weltkrieg und vor allem seit den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts in den Hintergrund trat, verlor auch Heinrich IV. ein gutes Stück seiner symbolischen Bedeutung als König an der tragischen „Wende des Mittelalters“, wie seine Zeit auf Grund des Canossa-Gangs gerne apostrophiert wurde.3 Dies führte aber nicht zu einer Neubewertung seiner Herrschaft, sondern eher dazu, sich anderen Themen zuzuwenden. So konnte es zu dem einigermaßen überraschenden Befund kommen, dass im Rahmen der wissenschaftlichen Bemühungen um die geistige Vorbereitung der Salier-Ausstellung in Speyer zwar drei Bände füllende Beiträge über „Die Salier und das Reich“ zusammenkamen, die Reflexionsstand und thematische Schwerpunkte des modernen Forschungsinteresses repräsentieren. Ein auf die Herrschaftsführung Heinrichs IV. und ihre Bewertung konzentrierter Beitrag war jedoch nicht darunter.4 Eine moderne biographische Darstellung dieses Herrschers hat sich daher immer noch mit der mächtigen Tradition der Apologie Heinrichs auseinander zu setzen; und dies gewiss vor allem dann, wenn sie andere Wege als die bisher eingeschlagenen gehen will, was hiermit ausdrücklich angekündigt sei.5 Es sei jedoch zunächst durch Wiedergabe von wenigen Stimmen aus verschiedenen Jahrhunderten versucht, einen Eindruck vom Tenor der 3 Wohl nicht zufällig publizierte man aber noch 1963 unter diesem Titel einen Band der „Wege der Forschung“ (Kämpf [Hrsg.], Canossa als Wende), in dem die älteren Arbeiten zu diesem Geschichtsbild vereinigt wurden. 4 Der Herausgeber Stefan Weinfurter (Die Salier und das Reich, S. 3) spricht in seiner Einleitung davon, dass der Investiturstreit nicht eigens thematisiert werde. Es werden aber auch die grundsätzlichen Auseinandersetzungen um die Herrschaft Heinrichs IV. nicht in einem eigenen Beitrag behandelt. 5 Die letzte Biographie Heinrichs von Robinson, Henry IV of Germany, steht noch ganz in der skizzierten Tradition der deutschen Mediävistik. Natürlich hat es aber auch Stimmen gegeben, die gegen diesen Strom ankämpften; vgl. z. B. Haller, Das altdeutsche Kaisertum, bes. S. 68–106, bes. 93, der Heinrich IV. in der ihm eigenen Entschiedenheit geradezu in Grund und Boden verdammte. Vorsichtiger, aber gleichfalls zurückhaltend fiel auch das Urteil von Schmeidler, Kaiser Heinrich IV. und seine Helfer im Investiturstreit, S. 370 ff., aus.
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I. Einleitung
Verteidigung Heinrichs zu vermitteln, wie er der älteren, aber auch noch der jüngeren Forschung eigen ist. Bereits Wilhelm von Giesebrecht widmete 1852 der Gesamtwürdigung dieses Herrschers unter der Überschrift „Heinrichs IV. Untergang“ ein längeres Kapitel mit vielen entschiedenen Wertungen, die lange die Leitmotive blieben: „Das Ziel, wohin Heinrich strebte, liegt offen vor. Die ererbte Macht herzustellen und neu zu befestigen, eine wahrhaft kaiserliche Gewalt, wie sie ihm vom Vater hinterlassen war, zu üben und seinem Sohne dereinst zu überliefern: darauf waren alle seine Gedanken gerichtet. Kein neues Recht hat er verlangt, aber jedes überkommene, welches seine Mutter und die Reichsverweser hatten ruhen lassen, rücksichtslos, sobald er selbst die Regierung ergriff, in Erinnerung gebracht und nach Kräften geübt, namentlich Rom und den deutschen Fürsten gegenüber. Eine vollständige Restauration des alten Kaisertums in seiner ganzen Machtfülle trotz der Verbreitung der neuen kirchlichen Ideen, trotz des gesteigerten Selbstbewusstseins der fürstlichen Herren sah er als die Aufgabe seines Lebens an. Ihre Lösung überstieg seine Kräfte; die neuen Mächte waren kräftiger als die Erinnerungen der alten Zeit.“6 Die gleichen Akzente finden sich in der 1909 erstmals erschienenen und dann vielfältig neu aufgelegten „Deutschen Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer“ von Karl Hampe. Er schloss seine positive Würdigung Heinrichs mit der Frage, „was er für Deutschland erstrebt und geleistet hat“, und kam zu dem Schluss: „so wird ihm doch auch da das historische Urteil die Anerkennung nicht versagen, dass er unermüdlich mit dem ganzen Einsatz seiner Person für die Rechte des Königtums und die Ehre des Reiches gekämpft hat.“ Und abschließend zog er die Summe: „So dürfen wir Heinrich zwar nicht nach seinen Erfolgen, wohl aber nach Talent und Streben den bedeutendsten deutschen Herrschern an die Seite stellen.“7 Es ist hochinteressant, wie Hampe nach dem ersten Weltkrieg in den 30er Jahren seine Wertungen modifizierte und vor allem um Akzente bereicherte, Vgl. Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, S. 650. Hampe, Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer, 1909, S. 72. 6 7
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die in Heinrichs Leben das Schicksal des deutschen Volkes symbolisch verdichtet präfigurierten. Der zitierte letzte Satz wurde nämlich wie folgt erweitert: „So darf man Heinrich IV. zwar nicht nach seinen Erfolgen, wohl auch nicht nach seinen Charaktereigenschaften, die, verwickelt und widerspruchsvoll, sich nicht zu dem fortreißenden Wesen des wahren Helden zusammenfügen wollten und die staatsmännische Einsicht öfter durch Leidenschaften verdunkelten, wohl aber nach Talent und Streben den bedeutenderen Herrschern des deutschen Mittelalters an die Seite stellen. In seinem vom Unglück wie wenig andre heimgesuchten Leben hat sich ein gut Teil von dem Schicksalsgang des deutschen Volkes vollzogen.“ Und seine Frage, was Heinrich für Deutschland geleistet habe, ergänzte Hampe um die Bemerkung, dass „mit dessen Wohl sein eigenes Machtinteresse weitgehend zusammenfiel“.8 Keine grundsätzlich anderen Akzente als die bisher zitierten setzt auch die zusammenfassende Wertung, mit der 1979 Egon Boshof eine biographische Darstellung Heinrichs beschloss: „In der zähen Verteidigung der Königsrechte gegenüber der Reichskirche und den Partikulargewalten hat Heinrich IV. immerhin die Voraussetzung dafür geschaffen, daß der Episkopat auch nach Beendigung des Investiturstreits noch für fast ein Jahrhundert eine Stütze der Zentralgewalt darstellte und die Auflösung des Reiches in fürstliche Territorien aufgehalten wurde.“9 Bereits zuvor und dann auch danach hatte er Gründe für das Scheitern Heinrichs IV. mit viel Verständnis für den Salier dargeboten: „Er war von der besonderen Würde des Königtums zutiefst überzeugt und hat an dieser Überzeugung auch in den Stunden schmachvoller Erniedrigung festgehalten; er lebte im Bewußtsein der besonderen Berufung seiner Dynastie zur Herrschaft, und auch seine Gegner haben ihm königlichen Sinn und Eignung für sein schweres Amt nicht abgestritten – in der Übersteigerung dieser Auffassungen jedoch lag die eigentliche Gefährdung seines Daseins: seine autokratischen Neigungen reizten die Fürsten immer wieder zur Opposition, 8 Hampe, Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer, 7., neubearb. Aufl. 1937, S. 84. 9 Boshof, Heinrich IV., S. 119.
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I. Einleitung
verschärften Konflikte und versperrten den Weg zu annehmbaren Lösungen; sein beleidigter Stolz trieb ihn bei seinem nicht von ihm allein verschuldeten, aber gleichwohl persönlich zu verantwortenden Zusammenstoß mit Gregor VII. zu einer maßlosen Reaktion, die eine Verständigung unmöglich machte.“10 Und an anderer Stelle: „Es gab viel Schatten im Leben dieses unglücklichsten aller mittelalterlichen deutschen Herrscher; die schwerste Enttäuschung bereiteten ihm seine beiden Söhne, die sich gegen ihn erhoben, obwohl er gerade auch für ihre Zukunft kämpfte.“11 Noch das letzte zusammenfassende Urteil über Heinrich IV. von Matthias Becher aus dem Jahre 2003 setzt im Wesentlichen die gleichen Akzente: „Vor allem zeichnete ihn eine bewundernswerte Zähigkeit aus, die ihm nach allen Rückschlägen und Niederlagen immer wieder die Kraft gab, sich erneut aufzurichten und den Kampf fortzusetzen. Dabei kam ihm wohl zustatten, daß er unerschütterlich an die Richtigkeit seiner Positionen glaubte, an sein angeborenes Herrschaftsrecht und an die Gottunmittelbarkeit seiner Stellung als König und als Kaiser. Freilich verführte ihn dieser Glaube in Momenten des Erfolgs auch zu Stolz und Hochmut, die das Erreichte bald wieder in Frage stellten. […] Fast zwangsläufig mußte er also scheitern, zumal das Reformpapsttum seit den Tagen Heinrichs III. an Kraft und Stabilität gewonnen hatte. Dessen Anspruch auf die Überlegenheit der geistlichen Gewalt hatte der Salier nur die Vorstellung von der traditionellen Herrschaft über die Kirche entgegenzusetzen, an die viele Zeitgenossen jedoch längst nicht mehr glaubten, weil ihre theoretische Fundierung letztlich nicht mehr zeitgemäß war. Immerhin räumte Heinrich nicht kampflos das Feld und sorgte so dafür, daß seine Nachfolger sich auch noch im 12. Jahrhundert auf die Reichskirche stützen konnten.“12 Solche Wertungen kann man als eine weithin herrschende Lehre noch in der modernen Forschung bezeichnen, auch wenn inzwischen durchaus Urteile abgegeben wurden, die Heinrich IV. mehr persönBoshof, Heinrich IV., S. 118. Boshof, Heinrich IV., S. 120. 12 Vgl. Becher, Heinrich IV., S. 180. 10 11
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liches Versagen und vor allem persönliche Defizite attestieren, wie sie bei Hampe allenfalls anklangen. So hat Hagen Keller unterstrichen: „Voll Zorn und Schmerz registrierten die Zeitgenossen die Diskrepanz zwischen seinem Verhalten und den normsetzenden Vorbildern. Wenngleich der persönliche Charakter Heinrichs IV. in den Quellen deutlicher hervortritt als der seiner Vorgänger, wird seine Individualität doch nicht erkennbar, wo er als König erfolgreich wirkte, sondern dort, wo er sich nach dem Urteil der Chronisten unköniglich benahm oder wo er als Herrscher kurz vor dem Scheitern stand.“13 Mit diesem Hinweis wird auf ein zentrales Problem der Herrschaft Heinrichs aufmerksam gemacht: auf die immense Kritik, die Zeitgenossen an ihr übten. In der Tat waren die Zeitgenossen Heinrichs IV. erheblich weniger zurückhaltend in ihren Wertungen; sie lasteten dem König nicht nur politische Fehlgriffe in Fülle an, sondern notierten detailliert Taten, die man nicht als Charakterschwächen, sondern nur als Verbrechen bezeichnen kann, wenn sie denn wahr sind. Eine Prüfung des Realitätsgehalts der vielen, alle Bereiche der herrscherlichen Amts- und Lebensführung betreffenden Vorwürfe ist bisher aber nicht geleistet, und es steht auch grundsätzlich in Frage, wie man erweisen will, ob diese Vorwürfe wahr oder aus der Luft gegriffen sind. In neuerer Zeit hat sich vor allem Gerd Tellenbach mit der Frage beschäftigt, welche Aussagen über den „Charakter Heinrichs IV.“ möglich seien, und hat zu größter Zurückhaltung gegenüber den Vorwürfen geraten, die Zeitgenossen gegen Heinrichs Lebens- und Amtsführung erhoben: „Wenn Bruno in seinem Buch vom Sachsenkrieg konsequent und ausschließlich von Missetaten Heinrichs berichtet, nur von seiner Minderwertigkeit und verbrecherischen Art, nur von flagitia, nequitia, facinora, horribilis crudelitas, calliditas, luxuria, libido redet, gewinnen wir aus dem Bild eines solchen Monstrums kaum brauchbare Einsichten […]. Vor dem in der neueren Literatur häufi13 Keller, Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont, S. 189. In der älteren Forschung hatte vornehmlich Johannes Haller wortmächtig kritische Töne gegenüber Heinrich IV. angeschlagen; vgl. oben Anm. 5 und in Auseinandersetzung mit A. Brackmann auch Haller, Der Weg nach Canossa, S. 118 ff.
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I. Einleitung
gen Schluß, daß etwas doch wohl an den Beschuldigungen daran sein müsse, ist zu warnen. Ebenso gut kann vieles oder gar nichts stimmen. […] Das einzige, was aus allen diesen fatalen Geschichten mit Sicherheit hervorgeht, ist die auffallend gute Kenntnis sexueller Exzesse und Abartigkeiten bei jenen geistlichen Autoren, die sich darüber empörten, diese aber auch boshaft geschwätzig verbreiteten.“14 Es sind aber auffallend viele Zeitgenossen, und keineswegs nur Bruno, die diese Seiten Heinrichs IV. und seiner Herrschaft sehr stark in den Vordergrund gestellt und dabei wirklich kein Blatt vor den Mund genommen haben, möchte man angesichts solcher Urteile einwerfen. Überdies haben sie Heinrich ein breites Spektrum an Vorwürfen auf nahezu allen Gebieten seiner Herrschaftsführung gemacht und keineswegs nur Gerüchte über sexuelle Abartigkeiten kolportiert. Aber damit beginnt das Problem. Obgleich alle die Quellen und Einzelbelege, die Vorwürfe gegen Heinrich IV. formulieren, der Forschung natürlich bekannt sind und immer bekannt waren, bleibt in den zusammenfassenden Wertungen der älteren wie auch der modernen Forschung die Tatsache fast ohne Konsequenzen, dass wir es bei diesem Herrscher mit einem absoluten Ausnahmefall zu tun haben, was seine Beurteilung durch die Zeitgenossen angeht: Es gibt keinen zweiten mittelalterlichen Kaiser, dem auf so vielen Gebieten von so vielen Zeitgenossen so massive Vorwürfe gemacht worden sind wie Heinrich IV. Diese Vorwürfe betreffen seine inakzeptablen politischen Verhaltensweisen wie seine Neigungen zu autokratischer Willkür, sie thematisieren aber auch seine Neigung zu Verbrechen wie heimtückischem Mord und sexueller Gewalt selbst gegen nahe Verwandte. Es gibt fast keinen Vorwurf in der denkbaren Palette von politischem Fehlverhalten bis zu sexuellen Abartigkeiten, die Zeitgenossen diesem König nicht gemacht hätten.15 Tellenbach, Der Charakter Kaiser Heinrichs IV., S. 348f. mit Anm. 15. Zu den Vorwürfen auf sexuellem Gebiet hat neuerdings Struve, War Heinrich IV. ein Wüstling?, die Frage im Titel seines Beitrags entschieden verneint. Zum breiten Spektrum der Vorwürfe siehe unten Kap. VI.1. Vgl. hierzu demnächst auch die Beiträge zu einem Kolloquium des Konstanzer Arbeitskreises, das sich im Frühjahr 2006 speziell mit der Bewertung der Vorwürfe gegen Heinrich IV. befasst. 14
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Es scheint daher nicht selbstverständlich, sie aus der Darstellung und Bewertung der Regierung Heinrichs IV. weitgehend auszublenden, weil ihr Wahrheitsgehalt nicht zu sichern ist. In ihnen manifestiert sich vielmehr die Art und Weise, wie Gegner Heinrichs über ihn dachten, mit welchen Argumenten sie ihren Widerstand gegen ihn begründeten. Es gibt wenig Anhaltspunkte dafür, dass diese Gegner nicht davon überzeugt gewesen wären, mit ihren Vorwürfen wirkliche Handlungsweisen und Wesenszüge des Königs zu treffen. Selbst wenn es sich aber bei allen Vorwürfen ausschließlich um bösartige Verleumdungen handeln sollte, waren sie Teil der politischen Realität. Sie beeinflussten und prägten das politische Klima. Überdies ist mehrfach bezeugt, dass diese Vorwürfe nicht etwa heimlich kolportiert und aufgezeichnet worden wären. Vielmehr drängten diejenigen, die sie erhoben, danach, sie in öffentlichen Untersuchungen erhärten und ihren Wahrheitsgehalt prüfen zu lassen.16 Einige Male sind solche Untersuchungen allem Anschein nach durchgeführt worden mit dem Ergebnis, dass die Vorwürfe auch von Anhängern Heinrichs IV. ernst genommen wurden und man ihren Realitätsgehalt offensichtlich akzeptierte.17 Und nicht zuletzt wird von verschiedenen Autoren immer wieder betont, man müsse bestimmte Dinge gar nicht weiter ausführen, denn sie seien allen bekannt. Auch solche Äußerungen können natürlich besonders perfide Formen von Verleumdungen sein, doch sind sie nichtsdestotrotz Zeugnisse des politischen Klimas. Solch ein Klima ist aber alles andere als unwichtig, wenn man das Entstehen wie das Ausmaß von Konflikten oder die Erfolgschancen zu ihrer Beendigung beurteilen will. Und Konflikte beobachtet man in der Zeit Heinrichs IV. in einer kaum abreißenden Folge. Daher soll in den Untersuchungskapiteln der Versuch unternommen werden, in die Darstellung des Geschehens immer auch die Kommentare und Vorwürfe der Zeitgenossen einzubeziehen, die das herrscherliche Handeln Heinrichs begleiteten. Dies geschieht unabhängig von der Frage, ob die einzelnen Wertungen und Behauptungen als wahr er16 Diesen Aspekt betont zu Recht Suchan, Königsherrschaft im Streit, bes. S. 145 ff., 178 ff. 17 Siehe dazu zusammenfassend unten Kap. VI.1.2.
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I. Einleitung
wiesen werden können oder nicht. Ein solches discrimen veri ac falsi wäre im Übrigen so gut wie nie überzeugend zu leisten. Aber die politische Wirksamkeit der Vorwürfe gegen den König hat sich mit einiger Sicherheit relativ unabhängig von der Frage entfaltet, ob die einzelnen Anwürfe stimmten oder nicht – das hat wahrscheinlich schon von den Zeitgenossen kaum jemand sicher entscheiden können. Voraussetzung für die Wirksamkeit der Vorwürfe war vielmehr eine ausgeprägte Bereitschaft der (oder zumindest vieler) Zeitgenossen, das Erzählte überhaupt für denkbar zu halten. Und von dieser Bereitschaft gingen viele Autoren ganz eindeutig aus, sonst wären ihre Argumente ja auch wirkungslos geblieben beziehungsweise hätten sich gegen sie selbst gewandt. Die Intensität, mit der über längere Zeiträume die vorwurfsvollen Argumente vorgebracht und wiederholt wurden, spricht sehr dafür, dass man von der Wahrheit und der Wirksamkeit des Vorgebrachten überzeugt war. Dies aber setzt ein bestimmtes Klima voraus, das Teil der politischen Realität war und deshalb für ein tieferes Verständnis der Vorgänge unabdingbar ist. Es sei hier nur kurz darauf hingewiesen, wie desaströs solch ein Klima für eine Gesellschaft war, deren politische Verfahren fast ausschließlich darauf basierten, dass man in persönlicher Kommunikation den Konsens aller herstellte und dann das Beschlossene umsetzte.18 Diese Verfahren gründeten auf Vertrauen in die Integrität der Beteiligten und wurden durch jeden Zweifel an dieser Integrität im Kern getroffen. Gerade diesen Zweifel aber säten die Gerüchte und Nachrichten über angebliches Verhalten des Königs unablässig. Sie haben deshalb mit einiger Sicherheit politische Wirkungen entfaltet. Daher scheint es unabdingbar, all diese Nachrichten, und zwar unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt, zur Kenntnis zu nehmen als Argumente in den politischen Auseinandersetzungen und als Indizien für das herrschende politische Klima. Diese Bereitschaft stellt ein Spezifikum dieser biographischen Darstellung dar, die damit einen doch deutlich anderen Zugang zu ihrem 18 Vgl. hierzu allgemein Hannig, Consensus fidelium, bes. S. 3–41 mit einem Abriss der Forschungsgeschichte; jetzt Schneidmüller, Konsensuale Herrschaft, bes. S. 54 ff.
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Objekt sucht, als es ihre zahlreichen Vorgänger getan haben. Es werden auch die Stimmen der Feinde und Gegner Heinrichs IV., die in dem vielstimmigen Chor der Zeitgenossen übrigens deutlich in der Überzahl sind, mit Argumenten zu Wort kommen, deren Wahrheitsgehalt unbestimmt ist, die aber sicheres Zeugnis von den Themen und vom Niveau der politischen Auseinandersetzung geben. Diese Einbeziehung von Nachrichten, die zumindest Auskunft über die Denkweisen in den politischen Lagern geben, eröffnet eine zusätzliche Möglichkeit, politische Entwicklungen in welche Richtung auch immer zu verstehen und zu bewerten und so der eigenartigen Erscheinung eines Königs gerechter zu werden, dessen Bild wie kein zweites von Gunst und Hass seiner Zeitgenossen verzerrt worden ist. Dieses Zerrbild lässt sich aber gewiss nicht dadurch entzerren und glätten, dass man einen Teil der Stimmen weglässt, um das Subjekt dieser Darstellung als strahlenden Held erscheinen zu lassen.
2. Rahmenbedingungen herrscherlichen Handelns im 11. Jahrhundert Man kann einem König des Mittelalters gewiss nicht gerecht werden, wenn man sich nicht über die Bedingungen Rechenschaft gibt, denen sein Handeln unterworfen war. Erst vor diesem Bedingungsgefüge werden ja individuelle Handlungsweisen eines Herrschers als solche erkennbar, wenn sie nämlich von den gängigen Mustern und Konventionen abweichen. Diese Konventionen für herrscherliches Handeln waren durchaus verschiedener Herkunft, denn sowohl die Kirche wie der Adel hatten es seit dem Frühmittelalter erreicht, dass die Herrscher den Erwartungen dieser ihrer wichtigsten Helfer in wesentlichen Fragen entsprechen und ihr Handeln an bestimmten Konventionen orientieren mussten, wenn sie nicht deren Unterstützung verlieren wollten. Abgeleitet waren diese Konventionen einmal aus den Erwartungen und Anforderungen, die die Kirche an Lebens- und Amtsführung eines christlichen Herrschers richtete;19 zum anderen 19 Vgl. hierzu Anton, Pseudo-Cyprian, S. 588–597; ders., Fürstenspiegel und Herrscherethos in der Karolingerzeit; De Jong, Sacrum palatium et ecclesia; Schieffer, Mediator cleri et plebis, bes. S. 346–350.
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resultierten sie aus dem Wertehorizont adligen Selbstverständnisses, das königlicher Machtentfaltung Grenzen setzte, weil es die Achtung der adligen Ehre und des Ranges als Basis der Zusammenarbeit einforderte.20 Zwischen beiden Vorstellungshorizonten bestanden Konkurrenzen und Divergenzen, die nicht immer einfach zu überbrücken waren. Es ist aber im Wesentlichen gelungen, die durchaus unterschiedlichen Wertvorstellungen von Adel, Kirche und den Königen selbst so in Einklang zu bringen, dass aus ihnen Spielregeln der Politik hervorgingen, die Herrschaft in geordneten und akzeptierten Bahnen und Verfahren möglich machten.21 Es ist jedoch kein einfaches Unterfangen, diese Konventionen zu verstehen, die nirgendwo zusammenhängend schriftlich fixiert, sondern als ungeschriebene Gewohnheiten praktiziert und tradiert worden sind. Diese Gewohnheiten existierten lediglich in den Vorstellungen der politisch handelnden Menschen, und es war gewiss nicht selbstverständlich, dass in jedem Einzelfall alle die gleichen Vorstellungen von adäquatem Verhalten besaßen. Dies bedeutet konkret, dass sich der Herrschaftsverband in bestimmten Verfahren immer wieder neu darüber verständigen musste, was der Herrscher im Einzelfall zu tun habe, welche Aufgaben und Pflichten aber auch die Mitglieder des Verbandes zu übernehmen und welche Rechte sie auszuüben hätten. Leitvorstellung in diesen Verfahren war, man müsse nur „finden“, Siehe dazu Kallfelz, Das Standesethos des Adels, S. 54 ff.; Fichtenau, Lebensordnungen des 10. Jahrhunderts, S. 238; grundsätzlich Mertens/Zotz (Hrsg.), Karl Schmid, Geblüt – Herrschaft – Geschlechterbewußtsein, mit einer Einleitung der Herausgeber zur Forschungsentwicklung; Görich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 27–36. 21 Dies habe ich in einer Reihe von Aufsätzen zu zeigen versucht, die unter dem Titel „Spielregeln der Politik im Mittelalter“ versammelt wurden. Von der Einsicht, dass es Muster für das Verhalten von Königen, Adligen und kirchlichen Großen gab, auf denen deren Interaktion beruhte, leben auch die Argumentationen dieses Buches. Es sei daher gegen den gelegentlich erhobenen Vorwurf, ich hielte diese „Spielregeln“ für „irrefragable“ (so etwa Buc, The Dangers of Ritual, S. 256), betont, dass dies keineswegs der Fall ist. Natürlich wurden solche Spielregeln verletzt und gebrochen. Siehe dazu differenzierter Patzold, „… inter pagensium nostrorum gladios vivimus“, S. 59–63. 20
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wie man es früher oder schon immer gemacht habe. Dann handele man richtig, weil nach guter alter Gewohnheit. Zum Verständnis dieser durchaus fremdartigen Vorgänge ist es notwendig, sich von einer Fixierung auf die Funktionsweisen des modernen Staates zu lösen und sich auf das einzulassen, was in der modernen Forschung „konsensuale Herrschaft“ genannt wird. Denn diese Form der Herrschaft ist gerade für das Hochmittelalter charakteristisch. In vielfältigen Formen von Beratung stellte man Einigkeit darüber her, was zu tun sei.22 Dies geschah in einer mehr oder weniger dichten Folge von Hoftagen, zu denen sich die Großen des Reiches mit dem König trafen.23 Da sich die Gruppe dieser „Großen“ aus kirchlichen Würdenträgern und aus dem Laienadel zusammensetzte, darf man davon ausgehen, dass dem König aus durchaus unterschiedlichen Perspektiven und Interessen Rat gegeben wurde. Und nichts wäre unangemessener, als sich solche Beratungen wie Vorgänge demokratischer Willensbildung vorzustellen. Königsherrschaft war aber im 11. Jahrhundert nicht denkbar ohne diese Beratung, deren Formen vielfältig waren und von der vertraulichen Vorklärung bis zur Inszenierung einer öffentlichen Beratung reichten, mit der längst Ausgehandeltes verbindlich beschlossen wurde. Über Fragen des Ranges und der Nähe zum König entschied sich, wer an solchen Beratungen beteiligt wurde. Dieser Stellenwert der Beratung in der königlichen Herrschaftspraxis ist vor allem deshalb bewusst zu machen, weil einer der häufigsten und nach dem Gesagten auch gravierendsten Vorwürfe gegen Heinrich IV. war, er habe sich nicht oder von den falschen Leuten beraten lassen.24 Konsensuale Herrschaft realisierte sich durchaus nicht nur in Beratung. Nachdem man durch mündlich-persönliche Verhandlungen zum Konsens gefunden hatte, wurde dieser nämlich rituell handelnd öffent-
22 Vgl. dazu Althoff, Colloquium familiare, S. 159–162; Schneidmüller, Konsensuale Herrschaft, bes. S. 71 f., 76 ff. 23 Vgl. zum Forschungsstand jetzt die Beiträge in Moraw (Hrsg.), Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren Mittelalter. 24 Vgl. dazu Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 60, 62 und unten Kap. VI.1.
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lich zum Ausdruck gebracht. Die öffentliche Kommunikation des hochmittelalterlichen Herrschaftsverbandes kannte eine Fülle von demonstrativ-rituellen Handlungen, die eine wichtige Funktion erfüllten: Mit ihnen wurden komplexe Botschaften einer Öffentlichkeit, die vornehmlich aus Mitgliedern der Führungsschichten selbst und deren Vasallen bestand, vermittelt. Im Rollenspiel der Rituale machte der hochmittelalterliche Herrschaftsverband handelnd Absichtserklärungen mit hohem Geltungsanspruch, die zukünftiges Verhalten verbindlich in Aussicht stellten.25 Durch rituelle Handlungen wie Handgang oder Akklamation vollzog der populus die Anerkennung des neuen Königs; durch demonstratives Erweisen von Milde oder Barmherzigkeit zeigte andererseits der König, wie er Getreue zukünftig behandeln wolle, womit er den Anforderungen seines Amtes gerecht zu werden versprach. Rituelle Handlungen bei der Begrüßung wie im Verlaufe eines Hoftages brachten verpflichtend zum Ausdruck, dass man mit den bestehenden Verhältnissen und mit dem eigenen Platz in der Rangordnung einverstanden war. Dies Einverständnis sollte auch für die Zukunft gelten. Mit rituellen Handlungen zeigte man andererseits auch, dass Friede und Eintracht getrübt waren und ein Konflikt drohte. Und mit rituellen Handlungen kehrte man schließlich vom Konflikt zum Frieden zurück, indem sich etwa ein Gegner dem König öffentlich zu Füßen warf und dieser ihm daraufhin durch Aufheben und Kuss verzieh und Frieden gewährte. Diese Art öffentlicher Kommunikation mittels Ritualen und rituellen Verhaltensmustern, für die der Herrschaftsverband viel Zeit aufwandte, ist daher ein zuverlässiger Indikator für den Zustand der Beziehungen innerhalb des Verbandes, und es ist von besonderem Interesse, welche Auswirkungen es auf diese rituellen Interaktionsformen hatte, als die Herrschaft Heinrichs IV. in eine Dauerkrise geriet. Oder allgemeiner formuliert: Was sagen die öffentlichen Rituale über den Zustand der Herrschaft Heinrichs IV. aus? Die Analyse von rituellen Aussagen weist nachhaltig aber auch auf einen Wesenszug des hochmittelalterlichen Königtums, der für sein Selbstverständnis wie für die Rahmenbedingungen seiner Herrschafts25
Vgl. dazu Althoff, Die Macht der Rituale, bes. S. 22–26, 199–203.
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ausübung konstitutiv war: Es handelte sich um ein Sakralkönigtum, die Herrscher verstanden sich als eingesetzt „von Gottes Gnaden“. Sie wurden als vicarius, als Stellvertreter Christi aufgefasst, bei ihrem Amtsantritt gesalbt und so numinoser Kräfte teilhaftig.26 Dies machte sie aber nach dem Verständnis der Zeit alles andere als gottähnlich. Vielmehr regierten sie, wie es schon das Bibelzitat auf der Reichskrone in Erinnerung rief, durch Gott (per me reges regnant), sie waren seine Werkzeuge und vermochten nichts aus sich selbst, sondern alles nur mit Gottes Hilfe. Deshalb bedurften sie des Rates und der Mahnung vorrangig der Priester, die ihnen vielstimmig nahe brachten, nichts der eigenen Kraft, sondern alles der Hilfe Gottes zuzuschreiben. Der Satz des Lukas-Evangeliums: „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“, ist im 10. und 11. Jahrhundert geradezu zum Leitmotiv für die Darstellung herrscherlicher Prüfungen und letztendlicher Erfolge geworden. Die aus diesem Wissen resultierende humilitas war eine unverzichtbare Eigenschaft der Könige.27 Und dieser Verpflichtung entsprachen sie durch eindrucksvolle rituelle Handlungen, durch die sie ihre Abhängigkeit von göttlicher Hilfe kundtaten und zugleich diese Hilfe zu erlangen suchten. In liturgischen und paraliturgischen Zusammenhängen finden wir immer wieder Demutshandlungen der Könige, seien es Proskynesen, Barfußgehen oder andere rituelle Äußerungen ihrer eigenen Unwürdigkeit. Die Vorgänger Heinrichs IV. hatten sich dieser Kultur der demonstrativen Selbsterniedrigung vor Gott nicht verweigert, sondern im Gegenteil expressive Ausdrucksformen praktiziert, was zum Verständnis der Vorgänge in Canossa wie ihrer Konsequenzen zu berücksichtigen ist. Die angesprochenen Rahmenbedingungen der Königsherrschaft wurden wie gesagt vor allem durch zwei Kräfte geprägt, die im 11. Jahrhundert den Anspruch erhoben, an der Herrschaftsausübung der Könige in maßgeblicher Weise teilzuhaben: durch die Kirche und Vgl. dazu Körntgen, Königsherrschaft und Gottes Gnade, bes. S. 138–141. Vgl. dazu Bornscheuer, Miseriae regum, S. 76–93. Demnächst dazu Althoff, Humiliatio – exaltatio; Witthöft, „… und swaz sich nidert, daz wirt wider gehœhet“. 26
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den Adel. Schon seit der Karolingerzeit kann man von einem Kräftedreieck Königtum – Adel – Kirche sprechen, das sich alle wesentlichen politischen Entscheidungen vorbehielt und Vorgehensweisen und Verfahren etabliert hatte, solche Entscheidungen vorzubereiten, zu fällen und durchzusetzen. Diese Situation hatte sich bis zum 11. Jahrhundert nicht grundlegend verändert, auch wenn mit den Ministerialen und den Bürgern der städtischen Siedlungen nun neue Kräfte politische Wirksamkeit zu entfalten begannen und die Kräfteverhältnisse veränderten. Die Ministerialen stiegen seit dem 11. Jahrhundert gewissermaßen als Funktionselite auf, indem sie für königliche, geistliche und adlige Herren Funktionen wie die Verwaltung von Besitzkomplexen oder Burgen übernahmen und auch Waffendienst leisteten. Hierdurch boten sie die willkommene Alternative, Besitz nicht als Lehen ausgeben zu müssen, sondern in eigener Verfügung halten zu können. Ihre Dienstpflichten darf man sich strikter vorstellen als diejenigen eines Lehnsmannes.28 Die Bürger der städtischen Siedlungen hingegen begannen im 11. Jahrhundert, sich genossenschaftlich zu organisieren, was letztlich in den Prozess der Bildung der Stadtgemeinden einmündete, die aus geschworenen Einungen erwuchsen. Hierdurch etablierten sie sich als neuartige Kraft, die ihre Aktivitäten zunächst einmal vor allem gegen die Stadtherren richtete, die in aller Regel Bischöfe waren. Es ist charakteristisch und dürfte kaum zufällig sein, dass Heinrich IV. bei seiner Herrschaftsausübung in auffälliger Weise auf diese neuen Kräfte zurückgriff – und sich dadurch auch massive Probleme einhandelte.29 Die Interaktionen im Kräftedreieck von Königtum, Adel und Kirche wurden von Wertevorstellungen und Normen geprägt, die durchaus unterschiedlich waren und sich teilweise auch diametral widersprachen. Dies schuf insgesamt im Herrschaftsverband eines hochmittelalterlichen Königs eine Situation, die man sich als durchaus agonal und konfliktträchtig vorstellen muss. Es konkurrierten nämlich Normen und Wertvorstellungen einer adligen Kriegergesellschaft, für die 28 Vgl. Bosl, Die Reichsministerialität, passim, bes. S. 608 ff.; Schulz, Art. Ministerialität, Ministerialen, in: LexMA, Bd. 6, Sp. 636–639. 29 Vgl. dazu Schulz, „Denn sie lieben die Freiheit so sehr …“, bes. S. 79–84.
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Ehre und Rang höchste Güter bedeuteten, mit dem Ethos des Christentums, das bekanntlich Nächsten-, ja sogar Feindesliebe und Demut als höchste Tugenden propagierte. Und die Beachtung dieses Ethos wurde von den an den erwähnten Beratungen führend beteiligten Klerikern, insbesondere Bischöfen und Äbten, eingefordert, da sich nur so die wichtigste Voraussetzung der Königsherrschaft einstellte: die Hilfe Gottes, ohne die auch der noch so mächtige Herrscher hilflos war, wie die Kleriker zu betonen nicht müde wurden. Den Spagat zwischen königlicher Prachtentfaltung und Herrschaftsrepräsentation, wie sie die adligen Lehnsleute erwarteten, und der Beachtung christlicher Herrschertugenden zu vollbringen, darf man sich daher alles andere als einfach vorstellen. Als Heinrich IV. seine Herrschaft antrat, war die hier knapp skizzierte Zusammenarbeit zwischen Königtum, Adel und Kirche schon eine relativ lange Zeit praktiziert worden. Obgleich die Kräfteverhältnisse nie statisch wurden, hatten sich die Verfahren der Konsensherstellung wie der öffentlichen Repräsentation von Herrschaft, die Verfahren der Konfliktführung wie der Konfliktbeilegung im Ganzen bewährt und für eine zwar immer labile, doch selten fundamental gefährdete Ordnung gesorgt. Die etablierte Herrschaftsform wurde in der Forschung lange Zeit mit dem Begriff „ottonisch-salisches Reichskirchensystem“ apostrophiert, wodurch der Blick vielleicht zu sehr auf die gewiss wichtige Zusammenarbeit von Königtum und Kirche gelenkt wird. Jedenfalls darf man die Bedeutung des weltlichen Adels als Helfer, Partner und Gegner des Königtums in dieser Zeit auf keinen Fall unterschätzen.30 Zum „ottonisch-salischen Reichskirchensystem“ vgl. schon Santifaller, Zur Geschichte des ottonisch-salischen Reichskirchensystems, S. 27–43 und vor allem die jüngsten Beiträge von Schieffer, Der geschichtliche Ort der ottonisch-salischen Reichskirchenpolitik, passim; ders., Mediator cleri et plebis, passim; zur Beurteilung der ottonisch-salischen Staatlichkeit vgl. vor allem Keller, Ottonische Königsherrschaft und Althoff, Inszenierte Herrschaft, jeweils mit einer Reihe einschlägiger Arbeiten. Siehe dazu auch Goetz, Moderne Mediävistik, S. 181 ff.; Hechberger, Adel, Ministerialität und Rittertum im Mittelalter, S. 17, 129. 30
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Da es zweifelsohne in dem hier gegebenen Rahmen nicht möglich ist, die angesprochene Herrschaftsform in allen ihren Eigenheiten und Funktionsweisen vorzuführen, seien im Folgenden vor allem diejenigen behandelt, die in der Zeit Heinrichs IV. – und vorrangig durch Heinrich IV. – Ursache und Gegenstand von Konflikten wurden. Grundlage des Verhältnisses der Könige zum Adel war spätestens seit ottonischer Zeit gewesen, dass die Könige die Erblichkeit der adligen Stellung anerkannten und keine Versuche unternahmen, durch Einbehaltung und Neuvergabe von Lehen oder Ämtern Veränderungen in der Rangordnung des adligen Herrschaftsverbandes durchzusetzen, um so eine Intensivierung der Dienstbereitschaft auf Seiten des Adels zu erreichen. Im Gegenteil, wir kennen aus dem 10. und 11.Jahrhundert spektakuläre Fälle, in denen Könige besonders loyalen adligen Helfern alle ihre Lehen zu Eigen gaben – und so das wechselseitige Verhältnis demonstrativ gar nicht mehr auf Unterordnung, sondern auf Huld und Freundschaft gründeten.31 Der Verzicht auf solche verändernden Eingriffe hatte naturgemäß zum Ergebnis, dass die Rangordnung festgeschrieben und die adlige Stellung so gut wie unangreifbar wurde, was gewiss zu dem Bewusstsein des Adels erheblich beigetragen hat, eher Partner des Königs als weisungsgebundener Helfer zu sein. Man muss diese Entwicklung bedenken, wenn man die Politik Heinrichs IV. gegen bestimmte Adlige ins Auge fasst. Mit der Anerkennung der adligen Stellung durch die ottonischen Könige gingen neue Praktiken der Behandlung von Adligen in den Fällen einher, in denen diese in bewaffnete Konflikte gegen Könige verwickelt waren. Es hatten sich im 10. Jahrhundert Modelle der Konfliktbeilegung herausgebildet, die adlige Gegner der Könige weitgehend von strengerer Bestrafung verschonten. An die Stelle des Verlustes von Leben, Freiheit oder Stellung, wie sie noch in der Karolingerzeit gang und gäbe gewesen waren, traten nun Formen demonstrativ milder Behandlung, wenn sich die Adligen am Ende des Konflikts zu öffentlichen Genugtuungsleistungen gegenüber dem König bereit fanden. Die dann demonstrativ gewährte königliche Milde hatte zur Konsequenz, dass der Reumütige sofort oder bald wieder in Amt 31
Vgl. schon Althoff, Verwandte, Freunde und Getreue, bes. S. 167.
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und Würden restituiert wurde. Diese Praxis des Zugeständnisses von Sonderbehandlungen, die sich am Rang der Betroffenen ausrichteten, haben Könige schon im frühen 11. Jahrhundert zu verändern und hierbei ihre königliche Strafgewalt in den Vordergrund zu schieben versucht. Doch bestand der Anspruch, dass der König gerade bei hochrangigen Gegnern – und bei hochrangigen Fürsprechern seiner Gegner – besondere Milde walten zu lassen habe, bis in die und über die Zeit Heinrichs IV. hinaus fort. Dies ist in Rechnung zu stellen, wenn man seinen Umgang mit Gegnern untersucht.32 Im Verhältnis zur Reichskirche hatten sich ebenfalls im 10. Jahrhundert feste Verfahren herausgebildet, wie sich der König in die Auswahl der Reichsbischöfe einschaltete. Ihm kam der entscheidende Einfluss bei der Auswahl des Kandidaten zu, auch wenn formal die kanonische Wahl durch Klerus und Volk der Bischofsstadt nie aufgegeben wurde. Am Beispiel der oft bezeugten „Wahl am Königshof“ lässt sich die Verteilung der Gewichte bei der Auswahl des Kandidaten verdeutlichen. Es gab seit dem endenden 10. Jahrhundert verstärkt die Praxis, dass eine Delegation von Klerus und Laien aus der Bischofsstadt, die einen neuen Hirten benötigte, an den Königshof kam. Manchmal brachten sie einen eigenen Kandidaten und Wahlvorschlag mit, manchmal fragten sie auch einfach den König, wen sie zu „wählen“ hätten. In jedem Fall aber hatte der Kandidat des Bistums das Nachsehen, wenn der König einen eigenen Kandidaten präsentierte. Dieser wurde dann von der Abordnung gleich am Königshof gewählt.33 Seit der Endphase der Regierung Ottos des Großen hatte sich auch die Gewohnheit verfestigt, dass der König Kandidaten für Bischofsstühle vorrangig aus dem Kreis seiner Hofkapelläne rekrutierte. Es entwickelte sich sozusagen ein Karrieremuster: Jüngere Söhne aus den Adelsfamilien des Reiches, die nicht zuletzt aus erbrechtlichen Grün32 Siehe dazu bereits Althoff, Königsherrschaft und Konfliktbewältigung im 10. und 11. Jahrhundert, bes. S. 36–39, 53–56; jetzt ders., Die Macht der Rituale, S. 30–37. 33 Vgl. allgemein zur Bischofswahl: Schmidt, Art. Wahl, kanonische, Sp. 1912 f. in: LexMa, Bd. 8, Sp. 1912 f.; Benson, The Bishop-Elect; Schieffer, Die Entstehung des päpstlichen Investiturverbots, S. 7–10.
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den auf die Klerikerlaufbahn verwiesen wurden, traten nach einer Ausbildung in einer der Domschulen in die Hofkapelle des Königs ein, in der sie einige Jahre Dienst taten, so Erfahrung sammelten und bezüglich ihrer Loyalität und Eignung geprüft werden konnten. Überzeugten sie den König, sorgte er für ihre Promotion auf einen Bischofssitz, wobei er sie bevorzugt dort einsetzte, wo sie nicht durch Herkunft in verwandtschaftliche Netzwerke eingebunden waren.34 Zwar sind hin und wieder Stimmen zu hören, die sich gegen die eine oder andere königliche Entscheidung erheben, doch kann man im Wesentlichen sagen, dass diese Praxis akzeptiert wurde. Sie hat in hohem Maße dazu beigetragen, dass die Bischöfe der ottonisch-salischen Zeit bereit und befähigt waren, die ihnen zugedachte Rolle im Rahmen der königlichen Herrschaftsausübung zu übernehmen. Dies ist vor dem Hintergrund zu betonen, dass Heinrich IV. auf ganz ungewöhnliche und massive Widerstände in mehreren Reichskirchen stieß, denen er in eigentlich herkömmlicher Weise seine Kandidaten für den Bischofssitz präsentierte. Und diese Widerstände resultierten nicht aus einer grundsätzlichen Ablehnung des königlichen Investiturrechts, sondern entzündeten sich an ganz anderen Fragen.35 So wie für die Investitur der Bischöfe hatten sich auch für andere Felder der Zusammenarbeit zwischen Königen und Kirche seit dem Frühmittelalter feste Gewohnheiten etabliert, die auf Prinzipien von Leistung und Gegenleistung basierten. Die Leistungen der Könige bestanden dabei ganz wesentlich aus Schenkungen und Privilegien; die Gegenleistungen der Kirchen und ihrer Leiter aus dem „Reichsdienst“ in Form von Beratung, seit dem Beginn des 11. Jahrhunderts auch aus Beherbergung und Versorgung des Königs und seines Gefolges sowie vor allem aus der Heeresfolge, die Bischöfe und Äbte persönlich und mit ihren weltlichen Vasallen leisteten. Die militärische Kraft der königlichen Heere beruhte im 10. und 11. Jahrhundert zu einem hohen Prozentsatz auf den Kontingenten geistlicher Institutionen. Zu diesem 34 Fleckenstein, Die Hofkapelle der deutschen Könige, S. 288–292; Finckenstein, Bischof und Reich, S. 65 f.; Zielinski, Der Reichsepiskopat, S. 103–106. 35 Fleckenstein, Hofkapelle und Reichsepiskopat unter Heinrich IV., S. 120, 129.
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Einsatz waren die Kirchen durch das Ausmaß der königlichen Schenkungen befähigt, die seit dem 10. Jahrhundert dem Verzicht auf eine eigene königliche Zentralverwaltung gleichkamen, wie die Karolinger sie praktiziert hatten. Unterfüttert wurden die Schenkungen durch Privilegierungen wie etwa mit königlichen Markt-, Münz- oder Zollrechten, die geistlichen Institutionen zugestanden wurden und sie so mit erheblichen Einkünften ausstatteten. Die Förderung der weltlichen Stellung geistlicher Institutionen erreichte ihren Höhepunkt, als die Könige auch noch dazu übergingen, Grafschaften, die an sie zurückfielen, nicht mehr an Adelsfamilien auszugeben, sondern sie Bischöfen zu überantworten, die dann aus dem Kreis ihrer Vasallen „Amtsgrafen“ einsetzten.36 Schon im 11. Jahrhundert konnte etwa der Bischof von Würzburg von sich behaupten, alle Grafschaften in seiner Diözese seien in seiner Hand. Diese knapp skizzierte Form der Zusammenarbeit des ottonischen und salischen Königtums mit der Kirche hat auch Heinrich IV. im Wesentlichen fortzusetzen versucht, so dass auf diesem Felde Änderungen nicht in erster Linie von ihm, sondern von den reformkirchlichen Kräften ausgingen, die seit dem 11. Jahrhundert begannen, diese Übernahme weltlicher Verpflichtungen als unvereinbar mit den eigentlichen Aufgaben und Zielen der Kirche anzusehen. Es dürfte auf der Hand liegen, dass diese Entwicklung die Kirche zur unverzichtbaren Stütze des Königtums gemacht hatte und jede Form eines Rückzugs aus ihren Verpflichtungen das Königtum in eine existentielle Notsituation bringen musste. Wir werden uns im nächsten Kapitel mit den Ideen beschäftigen, die genau diesen Rückzug der Kirche aus ihren „Verstrickungen in die Welt“, wie man nun sagte, propagierten. Wie radikal diese Gedanken waren, sei hier nur mit dem Hinweis angedeutet, dass im Jahre 1111 immerhin ein Vertrag zwischen Papst Paschalis II. und König Heinrich V. abgeschlossen wurde, der die ganze skizzierte Entwicklung rückgängig machen sollte. Die Kirchen, so verpflichtete sich der Papst, sollten alle von den Königen geschenkten Güter an das Königtum zurückgeben; der König versprach im Gegenzug, auf jeden Einfluss bei der Bischofserhebung und 36
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Siehe dazu Hoffmann, Grafschaften in Bischofshand, S. 456, 462 ff., 477–
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auf Reichsdienst zu verzichten. Eine solche Regelung zog die logischen Konsequenzen aus den Ideen, die die Kirche vom Einfluss der Laien befreien und den Dienst für das Königtum als simonistische Praxis verdammen wollten. Man hatte bei diesem Vertrag aber die Zeche ohne den Wirt gemacht und die geistlichen wie weltlichen Reichsfürsten an den Verhandlungen nicht beteiligt. Von diesen hatte nämlich niemand ein Interesse an einem solchen Rückzug der Kirche aus weltlichen Angelegenheiten, der mit dem Verlust der materiellen Ressourcen einherging. An ihrem massiven Protest scheiterte der Vertrag denn auch sofort.37
3. Neue Denkweisen und Entwicklungen im 11.Jahrhundert Zu den Rahmenbedingungen der Herrschaft Heinrichs IV. gehörten nicht nur die eingespielten Verfahren und die etablierten Konventionen im Kräftefeld von Königtum, Adel und Kirche, sondern auch die Entwicklung der neuen Ideen, die in seiner Regierungszeit maßgeblich dazu beitrugen, dass Kirche und Welt in Konflikt gerieten und in der Folge ihr Verhältnis grundsätzlich neu zu ordnen hatten. Man bezeichnet das 11. Jahrhundert gern als Zeitalter der Kirchenreform und akzentuiert damit die Tatsache, dass es kirchliche Kräfte waren, die für wesentliche Veränderungen in dieser Zeit sorgten. Diese Veränderungen sind hier nur insoweit zu diskutieren, als sie die Herrschaftsgrundlagen des salischen Königtums tangierten. Das aber war angesichts der angesprochenen engen Verflechtung der Kirche in Belange der weltlichen Herrschaft in mehrfacher Hinsicht der Fall. Nicht umsonst wird die Epoche auch Zeitalter des Investiturstreits genannt. Die Ergebnisse und Konsequenzen der Kirchenreform, zu denen nicht zuletzt der Streit um die Einsetzung der Bischöfe zählt, gehören daher in der Tat zu den die Epoche kennzeichnenden Vorgängen, und sie haben die Rahmenbedingungen der Königsherrschaft in verschiedener Hinsicht verändert.38 37 Vgl. Schlick, König, Fürsten und Reich, S. 66 ff.; Minninger, Von Clermont zum Wormser Konkordat, S. 166–175. 38 Vgl. dazu Hartmann, Der Investiturstreit, bes. S. 9–14, 50–52; Laudage, Priesterbild und Reformpapsttum im 11. Jahrhundert, S. 251–266.
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Zwar ist vor einiger Zeit noch zu Recht bemängelt worden, dass der Begriff „Kirchenreform des 11. Jahrhunderts“ alles andere als exakt definiert sei.39 Zentrale Anliegen dieser vielschichtigen Reformbemühungen werden aber sicher richtig mit den Begriffen Zölibat, Simonie und Investitur bezeichnet. Doch erweiterten und verdichteten sich die Reformforderungen zu dem grundsätzlichen Ziel der libertas ecclesiae, und zwar der Freiheit der Kirche vor allem vom Einfluss der Laien, wozu man auch den König zählte. Und damit waren die königlichen Herrschaftsgrundlagen in der Tat tangiert, die, wie angesprochen, zu einem Gutteil von den materiellen wie den personellen Ressourcen der kirchlichen Institutionen gebildet wurden, die ihrerseits allerdings wieder aus königlichen Schenkungen und Privilegien entstanden waren. Mit diesen Reformbemühungen ging im 11. Jahrhundert eine innerkirchliche Hierarchisierung einher, durch die das Papsttum sich die Kompetenzen umfassender Zuständigkeit und Jurisdiktionsgewalt erst erkämpfte. Das bekamen zunächst nicht einmal die Herrscher, sondern in erster Linie die Bischöfe zu spüren, die seit der Mitte des 11. Jahrhunderts in neuartiger Weise nach Rom zitiert wurden, um sich vor dortigen Generalsynoden zu verantworten. Diejenigen, die dies verweigerten, verfielen der Exkommunikation.40 Es entbehrt nun nicht einer gewissen Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet die Kräfte, die sich später gegen Heinrich IV. und seine Herrschaft wandten, von seinem Vater, Kaiser Heinrich III., gefördert beziehungsweise erst eigentlich in Rom installiert worden waren. Das sogenannte Reformpapsttum verdankte die Begründung seiner Existenz in Rom nämlich nicht zuletzt der Tatsache, dass Kaiser Heinrich III. im Jahre 1046 auf einer berühmten Synode in Sutri drei widerstreitende Päpste abgesetzt und einen vierten ins Amt gebracht hatte. Dieser eröffnete eine Reihe von deutschen Päpsten, die zuvor Reichsbischöfe gewesen waren und es teilweise auch blieben, nachdem sie den Stuhl Petri bestiegen hatten: Clemens II., Damasus II., Leo IX. Tellenbach, Die westliche Kirche, S. 133 ff. Laudage, Gregorianische Reform und Investiturstreit, S. 76–107 mit weiteren Hinweisen. 39 40
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und Viktor II. Mit diesem erfolgreichen Versuch, das Papsttum aus den Parteikämpfen der römischen Adelsgruppen zu lösen, indem der Kaiser Bischöfe aus dem Reichsgebiet mit seiner Autorität auf dem Stuhle Petri stützte, kamen aber auch die Ideen nach Rom und damit zu einer gesamtkirchlichen Wirksamkeit, die auf eine Reform zunächst einmal innerkirchlicher Missstände zielten. Während man früher angesichts der lothringischen Herkunft einiger Päpste wie ihrer gelehrten Begleiter einen überragenden Einfluss des cluniazensischen Mönchtums auf die Ausformung der Reformideen angenommen hat, ist man von diesen „hochgetürmte[n] Hypothesen“ inzwischen nachhaltig abgekommen und sieht keinen direkten Weg mehr von Cluny oder von Lothringen in den Investiturstreit.41 Geplant und bewusst vom Zaune gebrochen wurde dieser Kampf um die rechte Ordnung von Kirche und Welt allem Anschein nach wohl nicht.42 Sowohl die Forderungen nach Beachtung des Zölibats als auch diejenigen des Verzichts auf simonistische Praktiken, die zunächst das Zentrum der Reformforderungen bildeten, fanden denn auch die tatkräftige Unterstützung Heinrichs III., der sich nicht scheute zu beklagen, dass sein Vater Konrad II. sich der Sünde der Simonie schuldig gemacht hatte und der für seine Person gelobte, sich solcher Praktiken zu enthalten.43 Nun war Simonie in ihrer krassen Form, nämlich der Zahlung von Geld zur Erlangung geistlicher Ämter, gewiss ein Missstand, den nur wenige verteidigten, obgleich er natürlich vorkam. So hatte etwa Kaiser Heinrich II. bei Thietmar von Merseburg vor dessen Bischofserhebung anfragen lassen, ob er bereit sei, etwas von seinem großen Vermögen seiner zukünftigen Bischofskirche zukommen zu lassen, die überaus arm sei. Thietmar, der genau wusste, dass eine Zusage den Tatbestand der Simonie erfüllt hätte, stellte nach eigener Aussage nur in Aussicht, nach seiner Erhebung die Frage wohlwollend zu prüfen. Dies genügte, aber es fragt sich natürlich, ob Thietmar wirklich die Option hatte, nach seiner Bischofserhebung die Übertragung seines Vermögens 41 Fuhrmann, Das Reformpapsttum und die Rechtswissenschaft, S. 189–192, Zitat S. 189. Siehe auch Tellenbach, Die westliche Kirche, S. 100f. 42 Siehe dazu Weinfurter, Ordnungskonfigurationen im Konflikt, S. 92–95. 43 Zum Bekenntnis Heinrichs III. vgl. Wipo, Gesta Chuonradi, cap. 8, S. 31.
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an seine neue Kirche zu verweigern. Hier heiligte der Zweck wohl die Mittel, und da der Zweck, die arme Kirche materiell besser auszustatten, durchaus lobenswert war, war der Fall anders zu beurteilen als etwa eine Geldzahlung an den König für eine solche Promotion.44 Die radikalen Reformer entwickelten jedoch einen erheblich erweiterten Simoniebegriff, indem sie jede Art von Gegenleistung nach der Erlangung eines geistlichen Amtes als Tatbestand der Simonie deklarierten. In diesem Verständnis wäre etwa die Bereitschaft eines Bischofs, sich im Reichsdienst für den König zu engagieren, Simonie gewesen, da sie eine Gegenleistung für die Erlangung des Amtes darstellte. Diese Auffassung hat sich jedoch nicht durchgesetzt, denn auch im 11. Jahrhundert hat man schon sehr programmatisch formuliert und dann sehr viel pragmatischer gehandelt. Doch zeigen solche Überlegungen, in welche Richtung gedacht wurde und dass in der Tat die Verflechtung von geistlichen und weltlichen Aufgaben in das Visier der Reformer geraten war, auch wenn nicht jede ihrer theoretischen Überlegungen in die Praxis umgesetzt wurde. In jedem Fall aber war durch das Zusammenwirken von Kaiser Heinrich III. mit den Reformern die Praxis geächtet, für eine Bischofserhebung Zahlungen des Erhobenen entgegenzunehmen. Heinrich IV. und einige seiner Bischöfe haben hierdurch große Schwierigkeiten bekommen. Vorrangig innerkirchliche Brisanz entwickelte dagegen der Kampf der Reformer für die Ehelosigkeit und Keuschheit der Priester. Nach einer Reformsynode Papst Leos IX. in Mainz, auf der wie schon häufig zuvor diese Forderungen mit allem Nachdruck erhoben worden waren, hört man ein vielleicht bezeichnendes Echo aus Hamburg, das dem Erzbischof Adalbert zugeschrieben wird: Er habe in Hamburg von den Beschlüssen der Synode berichtet, dass sich der Klerus gänzlich des Umgangs mit Frauen zu enthalten habe. Da das aber unmöglich sei, weil es Vollkommenheit voraussetze, solle man in Hamburg, 44 Vgl. dazu Thietmar, Chronicon, lib. 6, cap. 40, S. 322–325. Zum Umgang mit simonistischen Praktiken im 11. Jahrhundert allgemein Hartmann, Der Investiturstreit, S. 12, 18, 79 f.; Laudage, Priesterbild und Reformpapsttum im 11. Jahrhundert, S. 145–156, 171–184, 220–224; ders., Gregorianische Reform und Investiturstreit, bes. S. 24–28, 34 f.
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nach Rat des Erzbischofs, wenigstens die Frauen aus dem unmittelbaren Umfeld der Domburg entfernen. Si non caste, tamen caute, habe der Erzbischof gesagt, ein Wortspiel nutzend, „wenn schon nicht keusch, dann doch wenigstens vorsichtig“.45 Nicht überall hat man so pragmatisch reagiert: In Mailand etwa übte die Volksbewegung der Pataria mit massiver päpstlicher Unterstützung erheblichen Druck auf die verheirateten oder im Konkubinat lebenden Priester aus und zwang sie, ihre Lebensweise zu ändern.46 Auf der zitierten Mainzer Synode war es auch zu Schwierigkeiten gekommen, die den Anspruch der Reformpäpste auf eine SuprematieStellung veranschaulichen. Während der Messfeier des Mainzer Erzbischofs hatte ein Mainzer Diakon die Lesung in einer Weise gesungen, die nicht dem römischen Ritus entsprach. Daraufhin hatte ihn Leo IX. ermahnt, was jedoch nichts genutzt hatte. Kurzerhand degradierte daher der Papst den Diakon und entsetzte ihn seiner geistlichen Weihen. Hierauf intervenierte der Mainzer Erzbischof auf seine Weise: Er unterbrach nämlich die Messfeier und setzte sie nicht fort, bis der Papst sich bequemte, den Diakon erneut zu weihen.47 Was hier als Prinzipienstrenge in Erscheinung tritt, war zugleich eine Auseinandersetzung um Befugnisse, ein Anspruch auf Entscheidungsgewalt von Seiten des Papstes, der die Stellung der Bischöfe selbst in ihren Diözesen beeinträchtigte. Der Mainzer verstand sich nach dieser Geschichte jedoch mit Erfolg zu wehren. Insgesamt hat die neuartige Praxis Papst Leos IX., durch die europäischen Reiche zu reisen und dort Synoden abzuhalten, nicht nur in Mainz für Irritationen gesorgt. Auch der französische König torpedierte eine von Leo für Reims angesagte Synode dadurch, dass er seine bischöflichen Vasallen zu einem Heereszug berief, woraufhin viele ihrer Vasallenpflicht nachkamen.48 Vgl. Adam von Bremen, Gesta, lib. 3, Schol. 76 (77), S. 173. Zu Erzbischof Adalberts Einfluss auf Heinrich IV. siehe zusammenfassend unten Kap. VI.4. 46 Vgl. dazu Keller, Pataria und Stadtverfassung, Stadtgemeinde und Reform, S. 338–343. 47 Vgl. dazu Steindorff, Jahrbücher, Bd. 2, S. 188 f.; Frutolf, Chronica, a. 1053, S. 68. 48 Siehe dazu Steindorff, Jahrbücher, Bd. 2, S. 86 f.; zu Leo IX. vgl. Goez, Gestalten des Hochmittelalters, S. 100–121. 45
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Ein wichtiger Erfolg gelang dem Reformpapsttum im Jahre 1059, als unter Papst Nikolaus II. auf einer Lateransynode die Papstwahl in einer Weise geregelt wurde, die den Einfluss des Kaisers, wie er etwa 1046 in Sutri wirksam gewesen war, deutlich zurückdrängte. Die Wahl des Papstes sollten nach diesem Dekret in Zukunft in erster Linie (inprimis) die Kardinalbischöfe vornehmen; erst nach deren Übereinkunft (mox) sollten die Kardinalkleriker und dann (sicque) Klerus und Volk von Rom an der Wahl beteiligt werden. Dem Kaiser wurde bei der Wahl nur noch die Wahrung „seiner schuldigen Ehre und Reverenz“ zugestanden, was sich als ein Zustimmungsrecht auslegen lässt, das aktive Eingreifen in den Vorgang aber eigentlich ausschließt. Nicht zufällig hat es lange Kontroversen um das Verständnis des sogenannten „Königsparagraphen“ in diesem Dekret gegeben, und die ältere Forschungsmeinung, mit dem Dekret sei ein massiver Angriff der Reformer auf die Königsrechte in der Kirche begonnen worden, hat sich nicht aufrechterhalten lassen. Dass die Regelung der Papstwahl insgesamt jedoch einiges Aufsehen erregte und in ihrer Tendenz auch als gegen den Kaiser gerichtet empfunden wurde, vermag wohl die Tatsache zu verdeutlichen, dass im Jahre 1076, als sich der Streit zwischen Gregor VII. und Heinrich IV. zuspitzte, eine Fälschung dieses Dekrets angefertigt wurde, mit der man die kaiserliche Mitsprache bei der Wahl wieder in den Vordergrund rückte.49 Es mag Zufall sein, dass Papst Nikolaus II. im gleichen Jahr 1059 noch in einer zweiten Hinsicht aktiv wurde, die man als Befreiung aus zu großer Abhängigkeit vom salischen Kaisertum deuten kann und die in der Zukunft reichlich Konsequenzen zeitigte. Er schloss nämlich im süditalienischen Melfi einen Vertrag mit den Normannenfürsten Richard von Capua und Robert Guiscard, der die zuvor von den Päpsten bekämpften Normannen zu Bundesgenossen machte. Die Normannenfürsten schworen dem Papst einen Lehnseid und übernahmen die Verpflichtungen eines päpstlichen Vasallen.50 Es ist interessant, in welchen rituellen Formen das neue Verhältnis der Normannenherzöge zu den Päpsten zum Ausdruck kam: Wir hören nämlich bei den Begeg49 50
Vgl. hierzu Jasper, Das Papstwahldekret von 1059, S. 88. Vgl. Deér, Papsttum und Normannen, S. 30, 49f., 102.
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nungen der Partner nun davon, dass die Normannen die Päpste durch einen Fußkuss ehrten und ihnen den Strator-Dienst leisteten. Dies sind aber genau die rituellen Akte, die einige Zeit später auch in das Zeremoniell der Papst-Kaiser-Begegnungen aufgenommen wurden, wodurch im 12. Jahrhundert viel Streit entstand, da die Kaiser den Eindruck zu vermeiden suchen mussten, sie seien Lehnsleute des Papstes. Man kann also sagen, dass der normannische Fall modellbildend für das Verhältnis der Päpste zu den europäischen Herrschern geworden ist.51 Die Normannen versprachen interessanterweise im Vertrag von Melfi aber auch, in Zukunft für einen reibungslosen Ablauf der Papstwahl sorgen zu wollen, falls sie von der „besseren“ (sanior) Gruppe der Kardinäle darum gebeten würden. Im Zuge dieses Bündnisses erhielten sie von Nikolaus II. zudem die Herzogsstellung in Sizilien zugesichert, obgleich dieses Land erst noch von den Sarazenen zu erobern war. Bedenkt man die vorhergehenden massiven territorialen Streitigkeiten der Päpste mit der normannischen Reichsbildung in Süditalien, dann ist dieser Vertrag schon als bemerkenswerter Richtungswechsel der päpstlichen Politik zu bewerten, der auch von der Vormundschaftsregierung unter der Kaiserin Agnes sehr deutlich als unfreundlicher Akt gegenüber den salischen Interessen aufgefasst wurde.52 Immerhin hatte vor nicht allzu lang vergangener Zeit (1053) Papst Leo IX. noch eine Art Protokreuzzug gegen diese Normannen geführt, zu dem vor allem schwäbische Adlige und Krieger gekommen waren. Nach einer vernichtenden Niederlage des päpstlichen Heeres gegen die Normannen bei Civitate hatte der Papst die Gefallenen sogar zu Märtyrern erklären lassen.53 Damit dürfte klar sein, dass diese neue Bündniskonstellation, wenn sie sich denn bewährte, der Zusammenarbeit von Kaiser und Papst in verschiedener Hinsicht im Wege Vgl. die Quellen bei Deér, Das Papsttum und die süditalienischen Normannenstaaten, S. 17 f. Zum Zusammenhang mit dem Zeremoniell der PapstKaiser-Begegnungen siehe jetzt Althoff, Inszenierung verpflichtet, bes. S. 69– 74, 79 f. 52 Tellenbach, Die westliche Kirche, S. 130; Krause, Papstwahldekret, S. 132f. 53 Siehe dazu Erdmann, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens, S. 109. 51
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stand. Nicht zuletzt hatten die salischen Kaiser auch territoriale Interessen südlich Roms, die von dem neuen Bündnis tangiert waren. Wie sehr Päpste dieses Reformzeitalters sich in Belange der Politik und der Welt einschalteten und ihre Forderungen nach der Freiheit der Kirche und des Papsttums nicht ausschließlich als Rückzug aus weltlichen Angelegenheiten verstanden, vermag auch die Eroberung Englands durch den Normannenherzog Wilhelm zu verdeutlichen. Er hatte sich in der Frage der englischen Thronfolge und der Berechtigung seiner Ansprüche nämlich mit einer Gesandtschaft an Papst Alexander II. gewandt und die päpstliche Erlaubnis und sogar Ermutigung erhalten, gegen den eidbrüchigen Harold gewaltsam vorzugehen. Zu diesem Zweck hatte ihm der Papst eine geweihte Fahne gesandt, deren Schutz ihn alle Gefahren bestehen lassen würde.54 Wir beobachten also in der Mitte des 11. Jahrhunderts schon deutliche Anzeichen des Prozesses, der das Verhältnis der Kirche zum Krieg und zur Waffengewalt gravierend veränderte. Sicher nicht zu Unrecht hat man erst Gregor VII. den „kriegerischste[n] Papst“ genannt, der je auf dem Stuhle Petri saß und der die Krieger Europas zu einer militia St. Petri formen wollte, die von den Päpsten im Innern gegen Unbotmäßige und nach außen gegen Ungläubige einzusetzen sei.55 Doch sind schon vor der Zeit der großen Auseinandersetzung zwischen Kirche und Welt eindeutige Indizien zu notieren, dass gerade die Reformpäpste an Vasallen interessiert waren, die der Kirche mehr Möglichkeiten gaben als „nur“ ihre moralische Stimme zu erheben. Uns werden diese päpstlichen Vasallen in der Zeit Heinrichs IV. wieder begegnen. Insgesamt tangierte also die Ideenwelt der Kirchenreform und des Reformpapsttums die Herrschaftsgrundlagen des salischen Königtums auf mehreren Gebieten. Zwar war es gewiss nicht unausweichlich und sicher abzusehen, dass es deshalb zu einer Konfrontation kommen musste. Doch schufen die Divergenzen zwischen den gängigen Herrschaftspraktiken des ottonisch-salischen „Systems“ und dem neuen kirchlichen und vor allem päpstlichen Selbstverständnis Konflikt54 Erdmann, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens, S. 139 f., 172; Tellenbach, Die westliche Kirche, S. 161 f. 55 Erdmann, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens, S. 161 und 206–211.
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potentiale, die nicht leicht zu handhaben waren, selbst wenn die Protagonisten behutsamer miteinander umgegangen wären, als dies dann Gregor VII. und Heinrich IV. taten. Die Dimension des tatsächlich ausgebrochenen Konflikts ist jedenfalls ein gutes Feld um auszuloten, in welchem Maße geschichtliches Geschehen durch strukturelle Gegebenheiten beziehungsweise durch individuelle Leistungen oder Fehlleistungen geprägt wird.
II. Die Zeit der Regentschaft und die ersten Jahre selbständiger Regierung (1056–1073) 1. „Wehe dem Land, dessen König ein Kind ist“ Man könnte vielleicht denken, dass in einer biographischen Behandlung eines mittelalterlichen Königs die Zeit seiner Jugend von geringerem Interesse ist, da es nicht um eine Darstellung entwicklungspsychologischer Art gehen kann. In der Tat gibt es hierfür weder eine ausreichende Überlieferungsbasis noch ein anerkanntes methodisches Vorgehen. Doch auch wenn der heranwachsende Heinrich selbst in der Überlieferung kaum als Individuum profiliert wird, sind die konflikt- und krisenträchtigen Zeiten der Regentschaft während seiner Minderjährigkeit doch von einiger Bedeutung, weil der Rangstreit der Ratgeber und die teilweise vergiftete Atmosphäre unter ihnen kaum ohne jeden Einfluss auf die Entwicklung des jungen Königs geblieben sein können. Man kann sogar überlegen, ob sich sein später oft bezeugtes Misstrauen und seine Abneigung gegenüber dem gängigen politischen Verfahren der Beratung nicht leichter erklären lassen, wenn man einschlägige Erfahrungen in der Jugend berücksichtigt, die nach modernen Kriterien wohl als traumatisch zu bezeichnen wären. Die Darstellung der konfliktreichen ersten Jahre soll daher nicht zuletzt Erklärungspotential für Handlungen und Reaktionen Heinrichs IV. bereitstellen, die möglicherweise aus den Erfahrungen seiner Jugend besser verständlich werden. Unter diesem Gesichtspunkt sind die Einzelheiten, die im Folgenden erzählt werden, ausgewählt und gewichtet. Es ist auffällig, wie schnell und entschieden sich Kaiser Heinrich III. darum bemühte, seinem am 11. November 1050 geborenen ersten Sohn, der zunächst den Namen Konrad erhielt, die Nachfolge in der
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II. Die Zeit der Regentschaft (1056–1073)
Königswürde zu sichern.1 Dies mag damit zusammenhängen, dass der Kaiser auf einen Thronfolger lange warten musste, da seine Gemahlin Agnes ihm zunächst drei Töchter geboren hatte. Im Reich hatte man schon Gebete zum Himmel gesandt für einen männlichen Erben und dessen Geburt mit einem erleichterten „endlich“ begrüßt. Die Eile mag aber auch mit Problemen der Herrschaft dieses Saliers zusammenhängen, die in ihrer zweiten Hälfte zunehmend auf Widerstände gestoßen war.2 Jedenfalls ließ der kaiserliche Vater bereits am Weihnachtsfest 1050 dem noch ungetauften Sohn von den anwesenden Großen Treue schwören. Die Taufe – nun auf den Namen Heinrich – erfolgte erst am nächsten Osterfest in Köln, wo niemand Geringerer als Abt Hugo von Cluny als Taufpate fungierte, der sein Patenkind in vielen Notsituationen vermittelnd durch das ganze Leben begleiten sollte. Die Wahl des Taufpaten ist vielleicht dann nicht ganz überraschend, wenn man bedenkt, dass die Kaiserin Agnes aus dem Geschlecht der Herzöge von Aquitanien, der Gründer Clunys, stammte.3 Noch bevor Heinrich drei Jahre alt wurde, sorgte sein Vater auf einem Hoftag in Tribur dafür, dass die Großen des Reiches ihn zum Nachfolger wählten, was allerdings mit einem interessanten Zusatz und Vorbehalt versehen wurde: „wenn er ein gerechter Leiter [rector iustus] werden würde“.4 Man versteht diesen Vorbehalt wohl richtig, wenn man ihn in erster Linie als einen Hinweis der Fürsten auf ihr Wahlrecht auffasst, das sich nicht von der väterlichen Designation dominieren lassen wollte. Zur Geburt Heinrichs IV. siehe Annales Altahenses 1050, S. 47; Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1051, S. 63; Black-Veldtrup, Kaiserin Agnes, S. 10, 76. 2 Diese Widerstände haben in der modernen Forschung sogar zu der Einschätzung geführt, dass die „Krise“ des Reiches bereits in der Zeit Heinrichs III. einsetzte. Vgl. dazu Boshof, Das Reich in der Krise, passim, bes. S. 266, 286 f. 3 Zu den hier und im Folgenden referierten Einzelheiten vgl. Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 1, S. 4 f.; Black-Veldtrup, Kaiserin Agnes, S. 116, Anm. 92, S. 310–312; zuletzt Robinson, Henry IV of Germany, S. 19 f. und auch Regesta Imperii III, 2, Nr. 5, S. 4 mit den einschlägigen Belegen. 4 Vgl. dazu Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 1, S. 8 mit dem Hinweis auf die zitierte Stelle bei Hermann von Reichenau, Chronicon, a. 1053. 1
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Abb. 1: Konrad II. mit Heinrich III., Heinrich IV. und dessen Gemahlin Adelheid sowie die Söhne Heinrichs IV., Konrad und Heinrich. In: Ekkehard von Aura, Chronik, um 1125.
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Ein weiteres Jahr später wurde das Kind in Aachen von Erzbischof Hermann von Köln zum König geweiht. Bereits zuvor war es mit der bayerischen Herzogswürde bekleidet worden, die man einem Gegner des Vaters entzogen hatte. Auch die zukünftige Heirat des Sohnes leitete der Vater noch verbindlich in die Wege, denn am Weihnachtsfest des Jahres 1055 wurde der Thronfolger mit Bertha aus dem Hause der Markgrafen von Turin, die gleichfalls noch ein Kind war, verlobt. Die politische Absicht dieser Eheanbahnung bestand mit einiger Wahrscheinlichkeit darin, die Familie der Braut auf diese Weise zur Loyalität zu verpflichten und mit ihr ein Gegengewicht gegen die Markgrafen von Tuszien zu schaffen, deren Erbin Beatrix Gottfried den Bärtigen, den ehemaligen Herzog von Lothringen und hartnäckigen Widersacher Heinrichs III., geheiratet hatte.5 Ein letztes Mal sorgte Heinrich III. auf dem Totenbett dafür, dass die Großen durch eine erneute Wahl des Sohnes dessen Thronfolge bestätigten. Er vertraute überdies dem im sächsischen Bodfeld anwesenden Papst Viktor II. offensichtlich die Regelung der Nachfolgefrage einschließlich der Installation einer Regentschaft an. Dieser Aufgabe wurde der Papst, der sein Bistum Eichstätt nach seiner Erhebung auf den römischen Bischofssitz nicht aufgegeben hatte, allem Anschein nach vollkommen gerecht. Er war nicht nur der Garant dafür, dass die Fürsten nach dem Tode Heinrichs III. seinem Sohn und Nachfolger den Treueid leisteten, er leitete überdies zusammen mit der Kaiserin Agnes die Begräbnisfeierlichkeiten in Speyer, reiste mit dem neuen König nach Aachen zu einer weiteren Thronsetzung und war gewiss auch dafür verantwortlich, dass die Übernahme der Regentschaft durch die Kaiserin Agnes ohne Schwierigkeiten vor sich ging. Alles in allem gelang also die Herrschaftsübergabe an den minderjährigen Sohn geradezu überraschend problemlos, auch wenn vereinzelte Stimmen von Überlegungen sächsischer Fürsten sprechen, Heinrich IV. die Herrschaft zu rauben, bevor er erwachsen sei, da er andernfalls in die Fußstapfen des Vaters treten und das Unrecht des Vaters fortsetzen würde.6 Vgl. zu den Einzelheiten Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 1, S. 9f. Es fragt sich jedoch, ob hier nicht ein vaticinium ex eventu vorliegt; vgl. dazu Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1056, S. 68f. 5 6
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Nur die vielfältigen Aktivitäten des Vaters zur Sicherung der Nachfolge könnten den Eindruck erzeugen, er habe solche Probleme befürchtet. Insgesamt bietet der Übergang der Herrschaft auf Heinrich IV. aber wenig Anhaltspunkte für die Diagnose, das Reich habe sich in dieser Zeit in einem krisenhaften Zustand befunden. Angesichts des 1056 immer noch sehr jungen Alters Heinrichs IV., der gerade sechs Jahre alt wurde, war eine lange Zeit der Regentschaft abzusehen, die besondere Gefährdungen mit sich brachte. Die Mutter hatte nun die Aufgabe, einen Kreis von Beratern um sich zu sammeln, in dem die relevanten politischen Kräfte und Interessengruppen vertreten waren. Nur so ließ sich vermitteln, dass die Regentschaft für einen gerechten Ausgleich der Interessen sorgte. Die beiden Regentschaften für minderjährige Könige im 10. Jahrhundert liefern Anschauungsmaterial dafür, wie wichtig es war, möglichst viele Große in den Entscheidungsprozess einzubinden. Dem Mittelalter war das Bibelzitat aus Prediger 10,16 wohlvertraut: „Wehe dem Land, dessen König ein Kind ist, und dessen Fürsten in der Frühe tafeln.“ Es eignet sich durchaus als Motto für die Darstellung des folgenden Jahrzehnts.7 Zunächst einmal war jedoch der Herrschaftswechsel ohne erkennbaren Widerstand vollzogen, und wenig deutete darauf hin, dass die Regentschaft der Kaiserin von großen Schwierigkeiten begleitet und von einem fürstlichen „Staatsstreich“ betroffen sein würde. Ein gutes halbes Jahrhundert zuvor hatte es angesichts der Minderjährigkeit Ottos III. in eher schwierigerer Lage eine überaus erfolgreiche Regentschaft der Kaiserinnen Theophanu und Adelheid gegeben. Dies war sicher nicht gänzlich vergessen und man wird Agnes’ Regentschaft wohl ohne größere Vorbehalte gegenübergestanden haben, was etwa im Urteil Lamperts von Hersfeld zur Einrichtung der Regentschaft zum Ausdruck kommt: „Die oberste Gewalt und die Verwaltung aller notwendigen Regierungsgeschäfte verblieb jedoch bei der Kaiserin, die die Sicherheit des gefährdeten Reiches mit solcher Geschicklichkeit aufrechterhielt, daß die tiefgreifende VeränZu den Problemen von Regentschaften für minderjährige Könige vgl. jetzt Offergeld, Reges pueri. Zu Heinrich IV. siehe dort bes. S. 785–797. 7
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II. Die Zeit der Regentschaft (1056–1073)
derung der Lage keinerlei Unruhen und keinerlei Anfechtungen hervorrief.“8 Diese Unruhen und Anfechtungen entstanden aber, und die ältere wie die jüngere Forschung hat intensiv nach deren Ursachen geforscht. Es verwundert letztlich nicht sehr, dass man hierbei in der älteren Forschung vor allem das Bild von der versagenden Regentin zeichnete, deren Schwäche nicht zuletzt ihre religiösen Überzeugungen gewesen seien, die es ihr unmöglich machten, die Zügel der Regierung straff in der Hand zu behalten und das Reformpapsttum in die Schranken zu weisen. In der Sprache Karl Hampes: „[Es] sah sich Agnes als Regentin vor eine ihre Kraft weit übersteigende Aufgabe gestellt. Ängstlich und unsicher, ohne politisches Urteil, persönlichen Antrieben folgend, voll kirchlicher Ergebenheit, ein schwaches Weib […].“9 In der zeitgenössischen Überlieferung finden diese Wertungen wenig Stütze. Doch Agnes’ Übersiedlung nach Rom einige Zeit nach ihrer Entmachtung und ihre späteren engen Kontakte zu Gregor VII. trugen nachhaltig dazu bei, solche Einschätzungen zu befestigen, die eher aus lebensweltlichen Überzeugungen der Forscher zu stammen scheinen, die sie vertraten. Welche tragfähigen Anhaltspunkte aber hat man für eine Beurteilung der politischen Wirksamkeit der Agnes in der Zeit ihrer Regentschaft? Im Grunde gehen alle Urteile über die Kaiserin von der Beobachtung aus, dass sich eine Gruppe von geistlichen und weltlichen Fürsten im Jahre 1062 genötigt fühlte, den heranwachsenden Heinrich der Regentin dadurch zu entziehen, dass sie ihn schlicht entführten. Dieser Gewaltstreich geschah aus scheinbar ziemlich heiterem Himmel, denn alle vorherigen Nachrichten über die Regentschaft lassen von gravierender Zwietracht oder Unzufriedenheit nichts erkennen, er richtete sich aber allem Anschein nach gegen Vgl. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1056, S. 69: Summa tamen rerum et omnium quibus facto opus erat administratio penes imperatricem remansit, quae tanta arte periclitantis rei publica statum tutata est, ut nihil in ea tumultus, nihil simultatis tantae rei novitas generaret. Zu den Einzelheiten siehe Regesta Imperii III, 2, Nr. 73–75, S. 23–26; Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 1, S. 13– 16; Fenske, Adelsopposition, S. 22 f. 9 Vgl. Hampe, Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer, 10. Aufl. 1949, S. 35. 8
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die Regentschaft der Mutter – so zumindest die lange herrschende Meinung.10 Im April des Jahres 1062 lockten die Teilhaber an diesem Plan, von denen Erzbischof Anno von Köln, Herzog Otto von Northeim und Graf Ekbert von Braunschweig namentlich genannt werden, den jungen König nach einem festlichen Mahl auf ein bei Kaiserswerth im Rhein ankerndes Schiff, das sie zu ihrem Zweck prächtig hatten herrichten lassen. Als der Knabe neugierig das Schiff betreten hatte, trieben die Ruderer es schnell in die Mitte des Stromes. Dies versetzte den jungen König so in Panik, dass er über Bord sprang und nur dadurch vor dem Ertrinken gerettet wurde, dass Graf Ekbert ihm nachsetzte und ihn mit Mühe und Not auf das Schiff zurückbrachte. Daraufhin geleitete man den Knaben nach Köln.11 Als Grund für diese ungewöhnliche Handlung der Fürsten, die vollendete Tatsachen schuf, wird in den Quellen akzentuiert, Agnes habe zu ausschließlich den Rat des Bischofs Heinrich von Augsburg gesucht und vorrangig mit diesem Reichsangelegenheiten entschieden: „Während der Minderjährigkeit ihres Sohnes führte die Kaiserin selbst die Regierungsgeschäfte, und sie bediente sich dabei in erster Linie des Rates des Bischofs Heinrich von Augsburg.“ Hierdurch fühlten sich die anderen Fürsten zurückgesetzt und versuchten durch die Entführung des Kindes ihren Einfluss auf die Reichsgeschäfte wieder zu sichern: „Diesen unwürdigen Zustand ertrugen sie nicht; sie veranstalteten deshalb häufig Zusammenkünfte, erfüllten ihre Pflichten gegen das Reich nur lässig, reizten die Volksstimmung gegen die Kaiserin auf und trachteten endlich mit allen Mitteln danach, den Sohn dem Einfluß der Mutter zu entziehen und die Verwaltung des Reiches in ihre Hände zu bekommen.“ Um die Akzeptanz dieser Maßnahme zu erreichen, habe Erzbischof Anno sogar angeordnet, „daß zukünftig jeder Bischof, in dessen Diözese der König sich jeweils aufhalte, dafür zu sorgen habe, daß der Staat keinen Schaden leide, und daß er bei den
10 Siehe hierzu Black-Veldtrup, Kaiserin Agnes, S. 352–362, die eine ver änderte Einschätzung begründet hat. 11 Den Bericht bietet Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1062, S. 79–81.
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Angelegenheiten, die vor den König gebracht würden, vornehmlich Bescheid erteile.“12 Anstelle des einen Günstlings der Mutter sollte nach diesem Diktum sozusagen turnusmäßig die Regentschaft dem Bischof zufallen, in dessen Bistum sich der König aufhielt. Ob auf diese Weise wirklich eine gleichmäßige Beteiligung der Fürsten an der Regentschaft hätte gesichert werden können, ist nicht über jeden Zweifel erhaben, denn es war ja keineswegs dem Zufall anheim gestellt, in welches Bistum der König gelangte. Allem Anschein nach ist auch nie der Versuch gemacht worden, solch ein Rotationsprinzip einzurichten. Doch steht andererseits außer Frage, dass der Vorwurf der einseitigen Bevorzugung eines Ratgebers im Mittelalter immer ein gravierender Vorwurf war. Sollte Agnes also den unterstellten Fehler gemacht haben, dann war es wirklich ein schwerwiegender. Wie berechtigt der Vorwurf allerdings war, lässt sich nicht sicher ermitteln. An der von Lampert und in den Altaicher Annalen ausführlich geschilderten Reaktion der Kaiserin war dann für die Forschung leicht abzulesen, dass sie in der Tat der Regentschaft müde und mit ihrer Aufgabe überfordert war: „Die Kaiserin wollte ihrem Sohn weder nachreisen noch für das ihr zugefügte Unrecht nach dem Recht der Völker Rechenschaft fordern. Sie beschloß, sich auf ihre Privatgüter zurückzuziehen und künftig ihr Leben ohne politische Betätigung zu verbringen. Und nicht lange danach entschloß sie sich, der Welt zu entsagen, der Trübsale der Zeitlichkeit überdrüssig und durch ihr persönliches Mißgeschick belehrt, wie rasend schnell das Gras irdischen Ruhmes verdorrt, wenn ein Hauch Gottes hereinbläst. Und sie wäre sogleich Hals über Kopf zur Ausführung ihres Vorhabens geschritten, hätten nicht ihre Freunde den ungestümen Drang ihres Herzens durch überlegtere Pläne gedämpft.“13 12 Die Zitate im Text bei Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1062, S. 79 f.; siehe hierzu auch Jenal, Erzbischof Anno II. von Köln, S. 185ff. 13 Vgl. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1062, S. 80 f. Außerdem Annales Altahenses, a. 1062, S. 59 f.; vgl. Regesta Imperii III, 2, Nr. 238 f., S. 97 f.; zur Bewertung siehe Boshof, Salier, S. 186 f.; Swinarski, Herrschen mit den Heiligen, S. 246 f.; anders jedoch Black-Veldtrup, Kaiserin Agnes, S. 346 ff. und Struve, Romreise, S. 11.
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Warum aber waren die Verschwörer zu einer solch außergewöhnlichen Maßnahme genötigt und warum fügten sich Agnes und die anderen Großen scheinbar widerspruchslos diesem Gewaltakt? Direkte Gründe für den abrupten Umschlag der Stimmung gegen die Regentschaft nennen die Quellen nicht. Die moderne Forschung hat jedoch einen möglichen Grund für diese Krise namhaft gemacht: das sich verschlechternde Verhältnis der Regentschaft zum Reformpapsttum.14 Noch vor dem Tode Papst Nikolaus’ II., der 1059 mit dem Papstwahldekret den Einfluss des Kaisers wie der römischen Adelsgruppen auf die Papstwahl zurückgedrängt hatte, war es zu massiven Auseinandersetzungen zwischen den Erzbischöfen Anno von Köln und Siegfried von Mainz und diesem Papst Nikolaus gekommen. Die Hintergründe sind einigermaßen unklar: In Rom hatte man sich wohl geweigert, dem Erzbischof Siegfried das Pallium, das Abzeichen seiner erzbischöflichen Würde, zu übersenden, und hatte ihn aufgefordert, es sich in Rom persönlich abzuholen, was einen Affront darstellte, zumal in einem Brief an die Kaiserin Agnes die Schuld an dieser Situation in der ignorantia ihrer Ratgeber gesehen wurde.15 Unter der Führung Annos von Köln hatten andererseits die am Hof einflussreichen Kräfte den Papst Nikolaus auf einer Synode verurteilt und seine Dekrete für ungültig erklärt, angeblich sollte sogar sein Name in der Liturgie nicht mehr erwähnt werden. Einen von der Kurie mit einer geheimen Botschaft an den Hof gesandten Kardinal hatte man erst gar nicht empfangen, sondern unangehört zurückgeschickt. Diese nur schemenhaft überlieferten Vorgänge lassen sich schwer mit der sonst immer wieder bezeugten Romorientierung der Regentin Agnes in Einklang bringen; ihre persönliche Rolle bei diesen Vorgängen ist jedoch unbekannt. Man kann aber zweifelsohne von gravierenden Dissonanzen zwischen den römischen Reformkräften und den am Hof des minderjährigen Königs agierenden Beratern sprechen, ohne dass deutlich würde, wie kontrovers innerhalb dieses Beraterkreises über die Politik gegenüber der Kurie gedacht wurde. All diese Dinge Vgl. dazu Black-Veldtrup, Kaiserin Agnes, S. 372ff. Vgl. die Quellenbelege zu diesem Streit in den Regesta Imperii III, 2, Nr. 192, S. 77 f. 14
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II. Die Zeit der Regentschaft (1056–1073)
ereigneten sich allerdings im Jahr vor dem „Staatsstreich“ von Kaiserswerth.16 Und es passierte noch einiges mehr: In Basel bestimmte Heinrich IV. Ende Oktober 1061 in seiner Eigenschaft als patricius der Römer auf einer Reichsversammlung den Bischof Cadalus von Parma zum Papst, der den Namen Honorius II. annahm. Dies geschah ausdrücklich im Widerspruch zu der zuvor in Rom erfolgten Erhebung Papst Alexanders II., der zuvor Bischof von Lucca gewesen war. Die am Hof in dieser Zeit maßgeblichen Kräfte intensivierten damit den Konflikt und nahmen ein Schisma bewusst in Kauf. Und es fragt sich, wer am Hof ein Interesse daran hatte, die Zusammenarbeit mit den Reformkräften, wie sie unter Heinrich III. praktiziert worden war, so zu stören. Man wird wohl kaum Agnes als die treibende Kraft hinter dieser Entscheidung ansehen, hört denn auch von ihrer Beteiligung an den Maßnahmen nichts Konkretes.17 Wohl im November, also unmittelbar nach dieser Entscheidung, legte die Kaiserin Agnes ihre königlichen Gewänder ab und nahm den Schleier. Sie gelobte als Witwe zukünftige Ehelosigkeit, Keuschheit und eine asketische Lebensführung. Damit trat sie zwar nicht in ein Kloster ein, versprach jedoch, ihr Leben an Idealen und Prinzipien monastischer Lebensführung auszurichten. Mit diesen Gelübden ließ sich eine Tätigkeit als Regentin zumindest schlecht vereinbaren, wenn sie nicht gar eine solche Tätigkeit ganz ausschlossen. Es fragt sich also, und dieser Spur ist die moderne Forschung nachgegangen, ob Agnes nicht, quasi als Antwort auf die ihr nicht genehme Konfrontation ihrer Berater mit den römischen Reformern, ihre aktive Beteiligung an der Regentschaft bereits im November 1061 aufgegeben hatte. In diesem Zusammenhang könnte sie den Bischof Heinrich von Augsburg mit der Erziehung des jungen Königs und der Leitung der Regentschaft beauftragt haben. Dieser Heinrich von Augsburg stand kurze Zeit später wie zitiert im Kreuzfeuer der Kritik, weil Agnes einen zu vertrauli16 Siehe hierzu auch unter Betonung der Rolle Erzbischof Annos Jenal, Erzbischof Anno II. von Köln, S. 175–195. 17 Hierzu und zum Folgenden Black-Veldtrup, Kaiserin Agnes, S. 372– 375.
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chen Umgang mit ihm gepflegt und ihm zu viel Einfluss gewährt habe. Diese angebliche Bevorzugung provozierte sogar den Vorwurf, sie sei durch ein unsittliches Verhältnis zwischen der Kaiserin und dem Bischof begründet.18 Der „Staatsstreich“ von Kaiserswerth hätte sich nach diesen Lesarten gar nicht in erster Linie gegen Agnes selbst, sondern gegen die Regelungen gerichtet, die sie nach ihrem Rückzug aus der aktiven Regentschaft getroffen hatte. Letzte Sicherheit wird man in diesen Fragen auf Grund der unterschiedlichen und bruchstückhaften Quellenaussagen wohl nicht gewinnen können. Doch erklärt diese Sicht der Vorgeschichte von Kaiserswerth auf jeden Fall besser, warum Agnes auch nach 1062 durchaus noch intensiven politischen Einfluss nehmen konnte und warum sie auch nach der Mündigkeit ihres Sohnes eine wichtige politische Kraft blieb, die nicht nur mit den Reformkräften in Rom zusammenarbeitete, sondern durchaus auch Kontakt zu den Personen unterhielt, die nun die Herrschaft ihres Sohnes beeinflussten. Agnes hat sich nämlich nicht direkt nach ihrer angeblichen Entmachtung, sondern erst im Jahre 1065 nach Rom begeben, als ihr Sohn mündig geworden war.19 In jedem Fall aber ist es Heinrich IV. kaum verborgen geblieben, dass sich die Verhältnisse um ihn herum gravierend veränderten, dass im Kreis seiner Berater höchst unterschiedliche Vorstellungen herrschten, die schließlich eine Entführung als adäquates Mittel erscheinen ließen, um zu einer Neugewichtung der Kräfte zu kommen. Was Heinrich persönlich von all dem mitbekam und was er dachte und empfand, entzieht sich unserer Kenntnis, doch dürfte der Zwist kaum spurlos an So Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1062, S. 79: Imperatrix, nutriens adhuc filium suum, regni negocia per se ipsam curabat, utebaturque plurimum consilio Heinrici Augustensis episcopi. Unde nec suspicionem incesti amoris effugere potuit, passim fama iactitante, quod non sine turpi commercio in tantam coaluissent familiaritatem. Ea res principes graviter offendebat, videntes scilicet, quod propter unius privatum amorem sua, quae potissimum in re publica valere debuerat, auctoritas pene oblitterata fuisset. 19 Black-Veldtrup, Kaiserin Agnes, S. 27–36, 241–245, 347 ff.; gegen Struve, Zwei Briefe der Kaiserin Agnes, S. 413, 415. 18
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ihm vorübergegangen sein. Auf Erzbischof Anno war er später jedenfalls gar nicht gut zu sprechen.20 Wer jedoch 1062 darauf gehofft hatte, dass die Übernahme der Regentschaft durch Anno von Köln und seine Helfer stabilere Verhältnisse schaffen würde, sah sich bald zutiefst enttäuscht. Die nächsten Jahre bis zur Mündigkeit des Königs und die Zeit nach seiner Schwertleite waren vielmehr geprägt durch eine Fülle von Konflikten, die ihre Ursachen in Maßnahmen der neuen Regenten, ihrer Rivalität untereinander oder in ihrer fehlenden Autorität hatten. Schnell hatte sich nämlich ergeben, dass mehrere Erzbischöfe um den Einfluss auf den jungen König wetteiferten, so dass es Anno nicht gelang, sich als maßgeblicher Leiter der Regentschaft durchzusetzen. Mit ihm, neben ihm und gegen ihn waren vor allem Erzbischof Siegfried von Mainz und, erfolgreicher noch, Erzbischof Adalbert von Hamburg-Bremen bemüht, ihr Gewicht geltend zu machen. Und man geht kaum fehl in der Annahme, dass auch diese Erfahrungen den jungen König geprägt haben werden. Zum ersten Mal steht man für die Jahre 1062 bis 1066 nun vor einer Situation, in der ein vielstimmiger und dissonanter Chor das Geschehen um den König kommentiert und dadurch relativ genaue Einblicke in das politische Klima und die gegenseitigen Vorwürfe erlaubt. Es ist jedoch so gut wie unmöglich, die unterstellten Absichten und Motive der Handelnden und die vorgebrachten Anschuldigungen und Verdächtigungen hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes zu beurteilen. Daher bietet es sich an, einige der prononcierteren Stimmen aus den verschiedenen Lagern kommentierend einander gegenüberzustellen, um einen realistischen Eindruck davon zu geben, was von unterschiedlichen Seiten in dieser Zeit gedacht, weitergetragen und für möglich gehalten wurde. Zum Jahre 1063 bietet Lampert von Hersfeld, dessen Interesse an Handlungen Annos von Köln einigermaßen auffällig ist, eine ausführliche Bewertung der Situation, wobei er für sein Urteil Ereignisse der Jahre 1063 bis 1065 nutzte: „Die Erziehung des Königs und die gesamSiehe dazu unten Anm. 38. Grundsätzlich zu Heinrichs Reaktionen auf die Probleme der Regentschaften siehe auch unten Kap. VI.4 bei Anm. 83ff. 20
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te Regierung lag in den Händen der Bischöfe, und unter ihnen hatten die Erzbischöfe von Mainz und Köln überragenden Einfluß. Als dann von diesen Erzbischof Adalbert von Bremen an den Beratungen beteiligt wurde, sowohl wegen seines erlauchten Geschlechts als auch wegen seines Alters und der Bedeutung seines Erzbistums, hatte dieser den König durch häufige Unterredungen und auch durch Willfährigkeit und Liebedienerei bald so stark an sich gefesselt, daß dieser sich unter Hintansetzung der anderen Bischöfe ausschließlich an ihn hielt, und daß er sich in der gemeinsamen Regierung fast die Alleinherrschaft anzueignen schien. Die zweite Rolle nach ihm spielte Graf Werner, ein nach Veranlagung und Alter unbändiger junger Mann. Diese beiden herrschten an Stelle des Königs, von ihnen wurden Bistümer und Abteien, von ihnen alles, was es an kirchlichen, was es an weltlichen Würden gibt, gekauft. […] Von Bischöfen allerdings und Herzögen hielten sie ihre Hände fern, doch mehr aus Furcht als aus Gewissensbissen. Gegen Äbte dagegen, die sich gegen dieses Unrecht nicht wehren konnten, übten sie ihre Raubzüge mit völliger Hemmungslosigkeit. […] Zunächst verteilten sie die Klostergüter nach Belieben unter ihren Anhängern. […] Dann aber steigerte sich ihre Frechheit noch: Sie machten nun einen Angriff auf die Klöster selbst und teilten sie unter sich wie Provinzen, und der König stimmte mit kindlicher Bereitwilligkeit allem zu, was man verlangte. So nahm der Bremer Erzbischof zwei Abteien in Besitz, Lorsch und Corvey, und behauptete, das sei die Belohnung für seine Treue und Ergebenheit gegen den König. Damit es aber nicht Mißgunst unter den übrigen Reichsfürsten erwecke, gab man mit Einwilligung des Königs dem Erzbischof von Köln zwei, Malmedy und Kornelimünster, dem Erzbischof von Mainz eine, Seligenstadt, dem Herzog Otto von Bayern eine, Altaich, und dem Herzog Rudolf von Schwaben eine, Kempten.“21 Soweit man die berichteten Fakten überprüfen kann, stimmen die Übertragungen der Reichsabteien an die genannten Großen tatsäch21 Vgl. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1063, S. 88 ff. Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass die Schärfe des Urteils durch Erfahrungen späterer Jahre bedingt sein kann.
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lich. Dies ist deshalb gut bezeugt, weil die Reaktionen in den verschiedenen Klöstern sehr heftig waren und man sich vehement und teilweise erfolgreich gegen die Willkür der Übertragungen wehrte. In Stablo-Malmedy schrieb man einen Triumphus Sancti Remacli über die Auseinandersetzungen mit Anno, in dem erzählt wird, wie mit Hilfe des Klosterpatrons die Auflösung des Doppelklosters verhindert wurde. Dieser Triumphus berichtet etwa, wie die Mönche die Reliquien des heiligen Remaclus gegen die Ansprüche Annos zum Einsatz brachten. Die bei den Beratungen im Schrein anwesenden Reliquien wurden so aktiv, dass sie einem Ratgeber des Königs das Bein brachen, das erst dann wundersam heilte, als man von dem Vorhaben Abstand nahm.22 Nicht weniger heftig waren die Reaktionen in Lorsch und Corvey gegen Erzbischof Adalbert, dessen Abgesandte man in Lorsch mit Steinen und Ziegeln verjagte und wo anschließend die Vasallen des Klosters sich auf einen Kampf gegen die Angreifer vorbereiteten.23 Und auch in Niederaltaich ließen die dort geführten Annalen kein gutes Haar an ihrem neuen Klosterherrn, dem Herzog Otto von Northeim, dessen angebliche Missetaten gegen Heinrich IV. sie genüsslich ausbreiteten.24 Stark im Vordergrund steht im Text Lamperts die Rivalität der Erzbischöfe, von denen es Adalbert mit angeblich unlauteren Mitteln gelang, die anderen an die Seite zu drängen, was den Einfluss auf den König betraf. Diese Rivalität zwischen dem Kölner und dem Hamburger Erzbischof wird aus der Perspektive der Hamburger Kirche, wie sie in Adams Hamburgischer Kirchengeschichte niedergelegt ist, gleichfalls sehr deutlich. Diese Geschichte ist Erzbischof Liemar, dem Nachfolger Adalberts, dediziert worden, um ihn damit vertraut zu machen, wie sehr seine Vorgänger den Belangen ihrer Kirche verpflichtet gewesen seien, beziehungsweise, welche Fehler sie gemacht hätten. 22 Vgl. Triumphus Sancti Remacli, lib. 1, bes. cap. 15, S. 445; siehe dazu Jenal, Erzbischof Anno II. von Köln, S. 16–21, 32 f. 23 Vgl. zu Lorsch Chronicon Laureshamense, S. 414 f.; Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 1, S. 482 f.; zu Corvey vgl. ebd., S. 475–483. 24 Vgl. Annales Altahenses, a. 1067–1071, S. 73–81.
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Adam stellt in diesem Zusammenhang interessanterweise die Prinzipien, die Erzbischof Annos politisches Handeln angeblich leiteten, als nachahmenswert und besonders wirkungsvoll heraus, während er diejenigen Erzbischof Adalberts kritisiert: „Der Kölner, den man der Habsucht zieh, verwandte alles, was er zu Hause und bei Hofe erraffen konnte, zum Schmuck seiner Kirche. Sie war zuvor schon groß gewesen, er machte sie so bedeutend, daß sie über jeden Vergleich mit einer anderen Kirche des Reiches erhaben war. Auch beförderte er seine Verwandten, Freunde und Kapläne und überhäufte sie alle mit den höchsten Würden und Rängen, damit sie wieder anderen, Schwächeren, helfen könnten. […] und sie wetteiferten, ihrem Gönner bei seinen Unternehmungen Hilfe und Ansehen zu geben […]. Unser Erzbischof [gemeint ist Adalbert] dagegen war so sehr auf seinen hohen Stand und irdischen Ruhm bedacht, daß er es für unpassend ansah, einem der Seinen zu hohem Rang zu verhelfen.“25 Die Netzwerkbildung Annos mit dem Ziel, als „Seilschaft“ größtmögliche Wirksamkeit zu entfalten, gilt hier als Stärke, weil sie die sicherste Gewähr dafür bot, für die eigene Kirche am meisten herauszuschlagen. Man tut wohl gut daran, diese Einstellung in der Umgebung des heranwachsenden Königs als gegeben vorauszusetzen und einige der Konflikte aus ihr abzuleiten. Adam hat eine ähnliche Einstellung an anderer Stelle nämlich auch bei seinem eigenen Erzbischof lobend diagnostiziert: „[…] schließlich suchte er zur Erreichung seines Zieles der Unabhängigkeit seiner Kirche seine Zuflucht in der UnterVgl. Adam von Bremen, Gesta, lib. 3, cap. 35 f., S. 177 f.: Coloniensis enim, quem avaritiae notabant, omnia, quae [vel] domi vel in curia potuit corrodere, in ornamentum suae posuit ecclesiae. Quam, cum prius magna esset, ita maximam fecit, ut iam comparationem evaserit omnium, quae in regno sunt, ecclesiarum. Exaltavit etiam parentes suos et amicos et capellanos, primis honorum dignitatibus omnes cumulans, ut illi alteris succurrerent infirmioribus. […] qui et fautori suo in temptationibus auxilio decorique fuisse certarunt. […] Noster vero metropolitanus tantum pro nobilitate certans et gloria terrena indignum habuit aliquem suorum exaltare, […]. Zur pragmatischen Funktion dieses „Bischofsspiegels“ siehe Althoff, Causa scribendi und Darstellungsabsicht, S. 68– 72; zur großen Bedeutung Adalberts für Heinrich IV. siehe zusammenfassend Kap. VI.4. 25
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stützung durch den kaiserlichen Hof, und er schonte weder sich noch die Seinen oder auch sein Bistum, um den Caesar und die Herren seiner Umgebung zu gewinnen. Aus diesem Grunde suchte er den Eindruck zu erwecken, als nehme er bei Hofe die größten Lasten auf sich und als mühe er sich mit den Seinen überall aus freiem Willen auf beschwerlichen Feldzügen. Sollte doch der Kaiser voller Bewunderung für die unermüdliche Treue dieses Herrn danach verlangen, ihn als ersten Ratgeber in allen Fragen des Reiches zuzuziehen.“26 So offen ist in der Historiographie zuvor selten über die eigentlichen Motive geredet worden, die die Großen zur Anstrengung im Dienst des Königs veranlassten. Hochinteressant ist vor diesem Hintergrund auch, wie das Verhältnis der beiden Erzbischöfe untereinander beschrieben wird. Während man von außen die beiden zeitweise als so eng verbündet einschätzte, dass „der eine der Mund des anderen“ gewesen sei, sieht Adam das Verhältnis ganz anders: „und wenn auch beide mit dem Munde von Frieden sprachen, so stritten sie doch mit dem Herzen in tödlichem Haß gegeneinander.“27 Schonungslos wird auch in Brunos Buch vom Sachsenkrieg aus der Retrospektive über den angeblich verderblichen Einfluss berichtet, den Erzbischof Adalbert auf den jungen König ausübte: „Als dieser Bischof also den König wie ein zügelloses Pferd auf der abschüssigen Bahn des Frevels dahinstürmen sah, suchte er sich ihm zum vertrautesten Genossen zu machen, nicht um die aufgeschossenen Dornen des Lasters mit der Hand strenger Mahnung auszurotten und mit wahrhaft bischöflicher Predigt den Samen der Tugend zu säen, sondern um den Adam von Bremen, Gesta, lib. 3, cap. 5, S. 147: […] totus confugit ad auxilium palatii, nec pepercit sibi ac suis aut ipsi episcopatui, cesarem placando et aulicos, dummodo id efficeret, quod ecclesia esset libera. Proinde visus est tantos in curia labores tolerasse, tantas ubique terrarum expeditiones sponte cum suis desudasse, ut infatigabilem eius viri constanciam miratus cesar ad omnia publicae rei consilia virum habere maluerit vel primum. 27 Adam von Bremen, Gesta, lib. 3, cap. 34, S. 176 f.: […] et quamvis lingua utriusque pacem sonare videretur, cor tamen odio mortali pugnabat in invicem. Zum Verhältnis der Bischöfe siehe auch Jenal, Erzbischof Anno II. von Köln, S. 303 ff.; Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 36–39; Schlick, König, Fürsten und Reich, S. 16. 26
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Keim des Lasters noch mit dem Tau des Schmeichels zu benetzen und Früchte der Tugend, so solche etwa hervortraten, durch die Bitterkeit böser Lehre absterben zu machen.“28 Es macht den Verfall der politischen Kultur in drastischer Weise deutlich, dass Brun dieser Bewertung Erzbischof Adalberts gleich drei Geschichten anfügt, in denen dieser als „ein von Stolz und Hochmut aufgeblasener Mann“ diffamiert wird. Die Geschichten karikieren dessen anmaßende Überheblichkeit und heuchlerische Frömmigkeit in vernichtender Weise und geben gewissermaßen einen Vorgeschmack auf das, was später von Heinrich IV. selbst erzählt wurde. Erzbischof Anno hatte Bruno dagegen attestiert, dass er Heinrich „mit aller Sorgfalt, wie es sich für den kaiserlichen Sproß gehörte, erziehen [ließ], wobei er weniger den Vorteil des Königs als den des Reiches im Auge hatte“. 29 Bruns Wertungen sind insofern von Gewicht, als sie den unversöhnlichen Hass auf den engsten Ratgeber des jungen Königs offenbar werden lassen, den es zumindest bei den relevanten Kräften in Sachsen gab. Ein Jahr nach Übernahme der Regentschaft durch die Bischöfe kam es am Weihnachts- und am Pfingstfest in Goslar zu Tumulten, in die der junge König direkt verwickelt war und die gleichfalls einen realistischen Eindruck von den Ausmaßen der Rivalität unter den führenden Kräften am Königshof vermitteln. Es ging um die Sitzordnung, die immer zugleich auch die Rangordnung sichtbar machte und deshalb Anlass zu Auseinandersetzungen geben konnte. In Goslar versuchte nun der Bischof Hezilo von Hildesheim, das alte Recht des Fuldaer Abtes zu bestreiten, unmittelbar neben dem Mainzer Erzbischof zu sitzen – und damit als Zweiter rechts neben dem König. Lampert, der über beide Streitigkeiten berichtet, begründet diesen Vorstoß des Hildesheimers wie folgt: „dazu ermutigte ihn einmal der Ruhm seines 28 Bruno, De bello Saxonico, cap. 5, S. 16, die angesprochenen Geschichten finden sich in den Kapiteln 2, 3 und 4, das Zitat in cap. 2, S. 14. Vgl. überdies die Geschichte in Kapitel 12, dass Adalbert König Heinrich, nachdem dieser eigenhändig einen Mord begangen hatte, ohne jede Bußleistung die Absolution erteilt habe. Allerdings verbürgt sich Bruno ausdrücklich nicht für die Wahrheit dieser Geschichte. 29 Bruno, De bello Saxonico, cap. 1, S. 13.
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Reichtums, worin er seine Vorgänger weit übertraf, und dann die Gunst der Zeitumstände, da jetzt, wo der König noch im Knabenalter stand, jeder ungestraft tun konnte, was ihm in den Sinn kam.“ 30 Beim ersten Mal konnte der Streit noch durch ein Machtwort Herzog Ottos von Bayern geschlichtet werden. Dies hatte jedoch nur die Folge, dass er beim nächsten Mal umso heftiger ausbrach: „Der König feierte Pfingsten in Goslar. Als sich hier der König und die Bischöfe zum Abendgottesdienst versammelten, kam es wegen der Aufstellung der bischöflichen Stühle wieder zu einem Tumult, nicht wie das vorige Mal durch einen zufälligen Zusammenstoß, sondern durch einen seit langem vorbereiteten Anschlag. Denn der Bischof von Hildesheim, der die damals erlittene Zurücksetzung nicht vergessen hatte, hatte den Grafen Ekbert mit kampfbereiten Kriegern hinter dem Altar verborgen. Als diese nun den Lärm der sich streitenden Männer hörten, stürzen sie rasch hervor, schlagen auf die Fuldaer teils mit Fäusten, teils mit Knütteln ein, werfen sie zu Boden und verjagen die über den unvermuteten Angriff wie vom Donner Gerührten mühelos aus der Kapelle der Kirche.“ Danach begann der Kampf jedoch erst richtig, denn die Fuldaer kehrten mit Waffen zurück, und es entwickelte sich eine regelrechte Schlacht mit Toten und Verwundeten – und mitten im Gemenge der junge König: „Der König erhob zwar währenddessen laut seine Stimme und beschwor die Leute unter Berufung auf die königliche Majestät, aber er schien tauben Ohren zu predigen. Auf die Mahnung seines Gefolges, an die Sicherung seines Lebens zu denken und den Kampfplatz zu verlassen, bahnte er sich schließlich mit Mühe einen Weg durch die dicht zusammengeballte Menge und zog sich in die Pfalz zurück.“31 Eine Untersuchung am nächsten Tag wies alle Schuld dem Fuldaer Abt zu, der sich jedoch angeblich auf eine Weise der Bestrafung entzog, die gleichfalls viel über den Zustand der politischen Sitten in der Zeit der Regentschaften aussagt, wenn die Nachricht denn auf Wahrheit beruht: „Er verkaufte und verschleuderte das Eigentum des Ful30 Vgl. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1063, S. 81; siehe dazu Goetz, Der ‚rechte‘ Sitz, bes. S. 25 f. 31 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1063, S. 82f.
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daer Klosters und kaufte sich und seine Leute um einen sehr hohen Preis los. Wie viel dem König, wie viel seinen geheimen Ratgebern, wie viel dem Bischof gegeben wurde, haben wir nicht genau erfahren können. Denn es war Vorsorge getroffen, daß es nicht allgemein bekannt wurde.“32 Doch nicht nur Rangstreitigkeiten erschütterten den Herrschaftsverband, auch in konzeptionellen Fragen agierten die verschiedenen Regenten überaus widersprüchlich. Nicht zuletzt störten sie die Basis der Zusammenarbeit mit den römischen Reformern. Nachdem eine personell nicht zu bestimmende Gruppe von Ratgebern im Jahre 1061 in Basel durch die Bestellung des Cadalus von Parma zum Papst ein Schisma ausgelöst hatte, reiste im Jahre 1064 Erzbischof Anno zu einer Synode nach Mantua, auf der die Frage entschieden werden sollte, wer von den beiden Päpsten als rechtmäßiger anzuerkennen sei. Allem Anschein nach stellte Anno sich entschieden auf die Seite des in Rom erhobenen Alexander II., der auf dieser Synode sogar den Vorsitz übernahm, während Honorius II. ihr fernblieb. Diese Parteinahme Annos war offensichtlich durch eine Gesandtschaft seines Neffen Burkhard, des Halberstädter Bischofs, nach Rom bereits vorbereitet worden. So war es kein Wunder, dass trotz tumultuarischer Proteste der Anhänger des Honorius Alexander von der Synode als rechtmäßiger Papst anerkannt wurde: Vom Vorwurf der Simonie reinigte er sich durch einen Eid; über das strittige Bündnis mit den Normannen wollte er mit Heinrich IV. persönlich reden.33 Der Regent Anno war mit diesem Ergebnis offensichtlich zufrieden; er hatte damit die entgegengesetzte Position in der Papstfrage eingenommen wie seine Vorgänger im Jahre 1061. Ein reger Briefwechsel zwischen der Partei Alexanders und Anno nach dieser Entscheidung macht deutlich, dass man in Rom daraufhin zu einer konstruktiven Zusammenarbeit mit dem jungen König bereit war. Man wollte ihn in Rom baldmöglichst zum Kaiser krönen und strittige Fragen wie das
Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1063, S. 83f. Vgl. Jenal, Erzbischof Anno II. von Köln, S. 268–275. Zu den Vorgängen auch Regesta Imperii III, 2, Nr. 334 f., S. 148 f. 32
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Verhältnis zu den Normannen persönlich klären.34 Doch ehe die von Alexander ausgesprochene Einladung zur Kaiserkrönung im Jahre 1065 realisiert werden konnte, hatte sich die Verteilung der Gewichte im Rat des Königs bereits wieder so sehr verändert – nun war nämlich Erzbischof Adalbert von Hamburg-Bremen der engste und eigentlich auch der einzige Ratgeber Heinrichs –, dass man den bereits geplanten Romzug vertagte. Angeblich geschah dies fünf Tage vor dem beabsichtigten Aufbruch, und es geschah unter dubiosen Verhältnissen, denn niemand kannte den Grund für die Verschiebung.35 Es war aber eine Verschiebung auf lange Zeit, wie sich zeigen sollte, denn es dauerte noch fast zwanzig Jahre, bis Heinrich IV. schließlich nach zweimaliger Bannung zum Kaiser gekrönt wurde – und das auch noch von einem Gegenpapst. In diesem Jahr 1065 aber wurde Heinrich IV. mündig, und damit begann die Zeit, in der er eigenverantwortliche Entscheidungen zu fällen in der Lage war, wenn auch nach Beratung mit seinen Getreuen. Man zelebrierte diesen Übergang zur selbständigen Regierung nach dem Osterfest feierlich mit der sogenannten Schwertleite: Heinrich wurden in einem paraliturgischen Akt die Waffen übergeben, gewiss verbunden mit Gebeten und Mahnungen, sie angemessen, das heißt zum Schutz der Armen und Schwachen und nicht zuletzt der Kirche, zu gebrauchen. Mit einiger Sicherheit wohnten diesem Akt in Worms nicht nur Heinrichs Mutter Agnes, sondern auch die Erzbischöfe Anno von Köln, Adalbert von Hamburg-Bremen und Eberhard von Trier sowie eine Reihe weltlicher Großer bei, unter denen der Herzog Gottfried von Lothringen, der hartnäckige Gegner Kaiser Heinrichs III., besonders auffällt, weil er bei der Zeremonie als Schildträger des jungen Königs fungierte.36 Man darf diesen „Ehrendienst“ als nachdrückliches Versprechen Gottfrieds auffassen, dem neuen König uneingeschränkte Loyalität zukommen zu lassen. Dieses Versprechen, gegeben durch symbolisches Handeln, hielt man angesichts der langen Kon34 Jenal, Erzbischof Anno II. von Köln, S. 283–291, 311–317; Schmidt, Alexander II., S. 132 f. 35 Vgl. Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 1, S. 424; Regesta Imperii III, 2, Nr. 361, S. 160. 36 Vgl. die Belege für diese Feier Regesta Imperii III, 2, Nr. 360, S. 159f.
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fliktgeschichte zwischen Gottfried und den Saliern offensichtlich für sinnvoll und nötig.37 Die Spannung der letzten Jahre entlud sich dann aber, wenn man der Darstellung Lamperts trauen darf, in einer spontanen Handlung des jungen Königs: „[…] und er hätte sogleich die erste Probe mit der eben angelegten Rüstung gegen den Erzbischof von Köln abgelegt und wäre Hals über Kopf ausgezogen, um ihn mit Feuer und Schwert zu bekämpfen, hätte nicht die Kaiserin noch zur rechten Zeit durch ihren Rat den drohenden Sturm beschwichtigt.“38 Lampert bringt diese Reaktion des jungen Königs in ausdrücklichen Zusammenhang mit Annos Handeln in Kaiserswerth. Damit war klar, dass die Tage des Kölner Erzbischofs als einflussreicher Ratgeber Heinrichs gezählt waren. Heinrichs Mutter Agnes zog sich noch im gleichen Jahr nach Rom zurück, und der nun eigentlich eigenverantwortliche König geriet vollständig unter den Einfluss Erzbischof Adalberts. Die Art und Weise, wie Erzbischof Adalbert nun seine Vertrautheit mit dem König dazu nutzte, Heinrich von allen anderen Einflüssen fernzuhalten, hat schnell energischen Widerstand der so ausgegrenzten anderen Großen provoziert. Obgleich die „angemaßte Alleinherrschaft“ des Hamburger Erzbischofs nur wenig länger als ein Jahr gedauert haben dürfte, ist die Empörung über seine Verhaltensweise in verschiedenen Quellen überwältigend. Brun widmet dem verderblichen Einfluss Adalberts mehrere Kapitel; Lampert von Hersfeld wird gleichfalls nicht müde, sarkastisch über Adalbert zu berichten und zu urteilen;39 selbst Adam von Bremen, der sich um ein ausgewogenes Siehe hierzu jetzt im Zusammenhang der „symbolischen Dienste“ Althoff/Witthöft, Les services symboliques entre dignité et contrainte, S. 1305 f., wo deutlich gemacht wird, dass diese vermeintlichen Ehrendienste vorrangig die Funktion hatten, die Ausführenden auf eine bestimmte Loyalität zu verpflichten. 38 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1065, S. 93: […] statimque primam susceptae armaturae experientiam in archiepiscopum Coloniensem dedisset et ad persequendum eum ferro et igni preceps abisset, nisi res turbatas imperatrix tempestivo valde consilio composuisset. 39 Zu Bruns Darstellung vgl. Anm. 28 in diesem Kapitel; Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1065, S. 100. 37
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Urteil bemüht und nachhaltig den Interessen seiner Bischofskirche verpflichtet ist, kommt nicht umhin, immer wieder einzuräumen, wie problematisch Lebens- und Amtsführung dieses Bischofs und sein Umgang mit Heinrich IV. waren: „Ich gestehe, daß ich alle diese Vorgänge nur mit Schaudern erzähle. […] Er aber verachtete das allgemeine Gerede, kümmerte sich auch nicht um seine eigenen Angelegenheiten, sondern bemühte sich verbissen ausschließlich um den Hof und jagte hinter dem Ruhme her: Er selbst hat als Grund für sein Streben nach der Leitung der Reichsgeschäfte angegeben, er habe es nicht mit ansehen können, daß die Leute seinen Herrn und König wie einen Gefangenen umherzerrten. Und schon stand er auf der obersten Rangstufe, schon hatte er seine Mitbewerber beiseite gedrängt und saß allein im beherrschenden Kapitol, freilich nicht unangefeindet, aber das ist ja immer eine Folge des Ruhmes. Nun jedoch wollte unser Erzbischof in seiner hohen Stellung die goldene Zeit erneuern und soll vorgehabt haben, aus dem Reiche Gottes alle auszutilgen, die gegen das Recht verstießen, vor allem aber ihre Hände gegen den König erhoben, oder die offensichtlich Kirchen ausgeraubt hatten. Nun waren sich freilich fast alle Bischöfe und Großen des Reiches eines Anteils an diesem Verbrechen bewußt, und so taten sie sich in einmütiger Feindschaft zu seinem Sturz zusammen, um andere vor der Gefahr zu retten. Darum versammelten sich alle zu Tribur, wo der König weilte, und vertrieben unseren Erzbischof als Gaukler und Verführer vom Hof. So sehr waren seine Hände gegen alle und die Hände aller gegen ihn, daß die Auseinandersetzung schließlich mit Blutvergießen endete.“40 Während Adam für seinen Erzbischof argumentativ zu retten versucht, was eben zu retten ist, und dennoch nicht umhin kann, ein distanziertes und düsteres Bild von Adalbert zu zeichnen, schildert Lampert die Situation aus anderer Perspektive und ohne jedes Verständnis für den Erzbischof: „Der König feierte (1066) Weihnachten in Goslar. Er hatte sich dort schon von Beginn des Herbstes an bis zu diesem 40 Vgl. Adam von Bremen, Gesta, lib. 3, cap. 47, S. 190 f. Zu dem Sturz des „Günstlings“ siehe Jenal, Erzbischof Anno II. von Köln, S. 303–310; Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 39; Schlick, König, Fürsten und Reich, S. 13–15.
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Teile des Winters wie in einem Standlager aufgehalten und dabei mit so geringem Aufwand gelebt, wie es der glänzenden Hofhaltung an Königshöfen ganz und gar nicht entsprach. Denn außer dem wenigen, das aus den Einkünften des königlichen Fiskus einkam und was die Äbte gezwungenermaßen lieferten, wurde alles übrige für den täglichen Bedarf jeweils für einen Tag eingekauft. Das geschah aus Haß gegen den Erzbischof von Bremen, den alle beschuldigten, er habe sich unter dem Vorwand der vertrauten Freundschaft mit dem König eine offenkundige tyrannische Herrschaft angemaßt. Deshalb verweigerten sie dem König die üblichen Abgaben, und der Bischof wollte den König nicht in andere Teile des Reiches bringen, um den ersten Platz im Rat und im vertrauten Umgang mit dem König nicht mit anderen Fürsten teilen zu müssen und dadurch die Gipfelhöhe seiner angemaßten Einzelherrschaft zu verringern.“41 Gezeichnet wird hier ein Bild einer Königsherrschaft, die eigentlich keine mehr ist, weil sie elementaren Anforderungen und Erwartungen nicht gerecht wird: Zur Königsherrschaft gehörte Repräsentation, mit der sich der Herrschaftsverband in vertrauensstiftenden Interaktionen über den guten Zustand der Beziehungen vergewisserte und immer wieder Konsens über die zukünftige Politik herstellte. Hierzu brauchte man die Öffentlichkeit, aber auch die Vertraulichkeit, wie sie auf Hoftagen in etablierten Verfahren praktiziert wurde. Dieses Recht auf Partizipation an vertraulichen wie an öffentlichen Akten konnte man nicht zugunsten der Bevorzugung eines einzelnen Ratgebers verletzen, ohne heftige Gegenwehr auszulösen.42 Heinrich IV. tangierte mit der von Lampert kritisierten Praxis in der Tat Grundfesten mittelalterlichen Herrschaftsverständnisses, wie es sich seit dem 9. Jahrhundert entwickelt hatte. Diese Verweigerung der Beratung mit allen Großen, die Anspruch auf eine Beteiligung an den Verfahren der Willensbildung erhoben, war und blieb aber geradezu ein Signum von Heinrichs Herrschaftsverständnis und war die Hauptursache vieler folgender Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1066, S. 100f. Vgl. dazu bereits Fichtenau, Lebensordnungen, bes. S. 237 f., siehe jetzt grundsätzlich Schneidmüller, Konsensuale Herrschaft, bes. S. 55, 68; Althoff, Die Macht der Rituale, bes. S. 16–18. 41
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Konflikte. Man kann begründet vermuten, dass diese Haltung aus den Erfahrungen der Regentschaften resultierte, als seine Berater mehr gegeneinander als im Konsens miteinander gearbeitet hatten. Doch die Bevorzugung eines einzigen „Günstlings“ bedeutete gewiss nicht die Lösung, sondern die Verschärfung der Probleme. Entsprechend heftig war die Reaktion der Betroffenen, wie sie Lampert unmittelbar anschließend berichtet: „Aber offensichtlich waren die übrigen Reichsfürsten nicht gewillt, diese Verletzung ihres Rechts weiterhin zu dulden. Die Erzbischöfe von Mainz und Köln hielten mit den übrigen Fürsten, denen das Wohl des Reiches am Herzen lag, häufige Versammlungen [conventicula] ab und forderten alle auf, gemeinsam zu überlegen, was zu tun sei. Als dann die Verschwörung [conspiratio] zur Reife gediehen war, sagten sie allen Fürsten einen Hoftag zu Tribur an. Hier sollten alle den Bremer Erzbischof, den gemeinsamen Feind aller, gemeinsam bekämpfen und dem König ankündigen, daß er entweder abdanken oder seine vertraute Freundschaft mit dem Bremer Erzbischof aufgeben müsse.“43 So geschah es auch, obgleich der König, nachdem ihm die Entscheidung der Großen in Tribur mitgeteilt worden war, auf Rat des Erzbischofs versucht hatte, mit den Reichsinsignien und seinem vertrauten Günstling das Weite zu suchen. Diese Flucht scheiterte an der Wachsamkeit der Fürsten, und am nächsten Tag wurde Erzbischof Adalbert „mit allen Helfern seiner Gewaltherrschaft schmachvoll vom königlichen Hof vertrieben“. Der Günstling war gestürzt, und Adam von Bremen schildert beredt, wie desaströs sich dieser Machtverlust auf die gesamte Stellung des Erzbischofs auswirkte, der nun den Angriffen seiner innersächsischen Gegner, der Billunger, weitgehend wehrlos ausgeliefert war.44 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1066, S. 101. Zu dieser Übernahme der Verantwortung seitens der Reichsfürsten vgl. Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 32 ff. und 56 ff.; Schlick, König, Fürsten und Reich, S. 11–26. 44 Vgl. die vehemente Klage Adam von Bremen, Gesta, lib. 3, cap. 48, S. 191: „Als dann vollends unsere Herzöge erfuhren, der Bischof sei seiner Würde als königlicher Rat entsetzt, da hielten sie hocherfreut die Zeit zur eigenen Rache für gekommen, zu seiner völligen Vertreibung aus seinem Bistum, und sie geboten: ‚Verheert alles darin bis auf die Grundmauern; wir wollen ihn aus dem 43
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Mit dem Sturz Adalberts seien die Regierungsgeschäfte wieder an die Gesamtheit der Bischöfe gelangt, kommentiert der dem Erzbischof Anno wohlgesinnte Chronist Lampert. In der Tat bedeutete der Sturz Adalberts aber wohl den erneuten Aufstieg Annos von Köln, ohne dass es jedoch noch einmal zu einer alles überragenden Stellung eines einzigen Ratgebers gekommen wäre. Das Gewicht des Kölners zeigt sich aber einigermaßen schlagend daran, dass noch in demselben Jahr für die Nachfolge des Trierer Erzbischofs Eberhard Annos Neffe Kuno vorgesehen wurde, wofür sich Anno selbst verwandt hatte. Die Reaktion der Trierer, deren Interessen bei dieser Entscheidung offensichtlich nicht berücksichtigt worden waren, war heftig. Unter Führung ihres Vogtes töteten sie den königlichen Kandidaten, indem sie ihn bei seiner Ankunft von einem hohen Felsen stürzten.45 Die Nachfolge trat daraufhin Udo, ein Sohn des Grafen Eberhard von Nellenburg an, der der Kandidat der Trierer gewesen war. Mit diesen Ereignissen sind wir bereits in die Zeit der selbständigen Regierung Heinrichs gelangt, doch sie erhellen rückblickend noch die Jahre der Regentschaft. Es sollte deutlich geworden sein, dass der heranwachsende Herrscher von einer Atmosphäre geprägt wurde, die später mit so drastischen Urteilen wie „bei Hof, bei Höll“ belegt worden ist.46 Zu keiner Zeit hat sich um Heinrich IV. eine Regentschaft Lande der Lebendigen austilgen!‘ Und so kam es zu ihren vielen Anschlägen und zu zahlreichen Beschimpfungen des Erzbischofs, der sich damals wie ein Belagerter von Feinden umringt in Bremen aufhielt, wo er am sichersten war. Wohl trieben die Herzoglichen sämtlich mit dem Hirten, seiner Kirche, seinen Leuten und dem Heiligtum ihr schändliches Spiel, aber grimmiger als sie alle tobte Magnus, der sich rühmte, ihm sei es endlich vorbehalten, die aufsässige Kirche zu bändigen.“ Siehe hierzu Schubert, Geschichte Niedersachsens, S. 222 ff., bes. S. 225. 45 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1066, S. 102 f. Zu dem Trierer Vorfall vgl. Jenal, Erzbischof Anno II. von Köln, S. 45 ff.; Lück, Erzbischof Anno II. von Köln, S. 36–41. 46 Allgemein zur Kritik des mittelalterlichen Hofes siehe Szabó, Der mittelalterliche Hof zwischen Kritik und Idealisierung, S. 362–369; Uhlig, Hofkritik, passim; Bumke, Höfische Kultur, S. 583–594; Schnell, Hofliteratur und Hofkritik in Deutschland, passim.
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etabliert, deren Politik auf einem breiteren Konsens der wichtigen Kräfte des Herrschaftsverbandes beruhte. Das Gegenteil war der Fall. Man arbeitete weit mehr gegeneinander als auf ein gemeinsames Ziel hin. Allenfalls war den Ratgebern das Ziel gemeinsam, möglichst viel für sich selbst oder die eigene Institution herauszuschlagen. Und auch wenn nicht im Einzelnen zu erkennen ist, wie der heranwachsende König in diese Machtkämpfe hineingezogen wurde, es kann kaum zweifelhaft sein, dass ihn diese dauerhafte Situation der Animositäten und des massiven Gegeneinanders prägen musste. Dass er in dieser Situation ganz offenbar demjenigen seiner Ratgeber am meisten vertraute, dessen Persönlichkeit und dessen Ideen am wenigsten konsensfähig waren – nämlich Adalbert von Hamburg-Bremen –, mag man jugendlicher Unerfahrenheit zuschreiben. Dieser Fehler verrät jedoch auch etwas von der Persönlichkeit des Heranwachsenden, und er bedeutete für seine weitere Herrschaft eine schwere Hypothek.
2. Die eigenständige Handschrift des Königs Wie schwer Heinrichs Herrschaft an Hypotheken trug, die aus der Zeit der Regentschaften stammten, zeigte noch im Jahre 1066 das intensive Bemühen der Mönche von Stablo, die Übertragung des Klosters Malmedy an Erzbischof Anno von Köln rückgängig zu machen. Sie nutzten die günstige Gelegenheit, als sich der königliche Hof in Aachen aufhielt, und erschienen mit den Reliquien ihres Klosterpatrons, des heiligen Remaclus. Nach eigener Aussage drangen sie mit dessen Reliquien sogar bis in die königlichen Gemächer vor und konnten Heinrich IV. ihr Anliegen nahe bringen. Der König habe jedoch nur wie besinnungslos schweigend dagesessen und Anno das Wort führen lassen. Bischof Einhard von Speyer habe dagegen die Mönche angefahren: „Schafft euren Totenleib von hier weg und hört mit eurem ungestümen Geschrei auf, welches zu dulden meinem Herrn und seinen Getreuen nicht ansteht.“47 Es kennzeichnet vielleicht die VerworVgl. Triumphus Sancti Remacli, lib. 1, cap. 15, S. 444 f. Zu den Vorgängen Jenal, Erzbischof Anno II. von Köln, S. 76 f. 47
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renheit der Lage, dass Anno sich durch Abreise der für den nächsten Tag angesetzten Verhandlung entzog und dadurch eine Entscheidung in der Sache verhinderte. Sein Verhalten spricht jedenfalls nicht dafür, dass er sich der königlichen Unterstützung völlig sicher gewesen wäre. Zu einer ausdrücklichen Distanzierung von Fehlentscheidungen während der Regentschaft fand sich der junge König hier indes offensichtlich nicht bereit. Immerhin soll er kurze Zeit später Stablo zusammen mit der Königin besucht und hierbei dem heiligen Remaclus große Ehren erwiesen haben. Er habe nicht nur die Gebeine des öffentlich ausgestellten Heiligen persönlich zu dessen Grabstätte getragen, sondern dem Heiligen auch durch den symbolischen Akt einer Stabübergabe das entfremdete Gut, nämlich Malmedy, zurückgegeben. Dieses Versprechen habe er allerdings aus Furcht vor dem Erzbischof später nicht einhalten können.48 Aus dieser gewiss parteiischen Darstellung der Stabloer Mönche, die den letztendlichen Triumph ihres Heiligen detailliert aufzeichneten, lässt sich zumindest die Spannung ableiten, unter der die ersten Regierungsjahre des Königs auf Grund der übernommenen Hypotheken standen. Ob und wie weit die Argumentation der Mönche in Verfolgung ihrer Interessen von der Wahrheit abwich, kann man dagegen kaum sicher entscheiden. Rückgängig gemacht hat Heinrich IV. die Schenkung Malmedys an Anno nach dieser Darstellung jedenfalls erst im Jahre 1071, nachdem die Mönche von Stablo noch einmal mit den Gebeinen ihres heiligen Remaclus an den Königshof gezogen waren und in teilweise dramatischen Auseinandersetzungen mit Anno und dem König sich schließlich durchgesetzt hatten. Auch hier hatten sie wieder die Gebeine des Heiligen bei ihren Verhandlungen mitgeführt und sie schlicht auf den Tisch der königlichen Tafel platziert, ein Argument, mit dem weder Anno noch König Heinrich selbst fertig wurden.49 Dies jedoch nur im Vorgriff. 48 Vgl. Triumphus Sancti Remacli, lib. 1, cap. 18, S. 446: Nam antehac infra ipsum annum, cum apud nos esset cum regina, bonum hoc ipsi sancto Remaclo per baculum ipsius reddiderat, cum etiam sacrum lipsanum expositum hac de causa in medio, ipse revehens in loco eius condignis laudibus relocaverat. Nos testes sumus qui audivimus et vidimus hoc fieri, quamvis postea timore pontificis nefas illi fuerit hoc inficiari. 49 Triumphus Sancti Remacli, lib. II, cap. 9, S. 453.
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Abb. 2: Bibel Heinrichs IV. Mittelitalien, drittes Viertel des 11.Jahrhunderts.
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Das Jahr 1066, das Höhepunkt der Bemühungen um Korrekturen aus der Zeit der Regentschaft gewesen war, wurde außerdem von einer so schweren Erkrankung des Königs überschattet, dass ihn nicht nur seine Ärzte aufgaben, sondern einige Fürsten in der Art „lechzender Raben“ bereits nach dem Throne schielten.50 Heinrich überstand diese Krankheit jedoch relativ schnell und heiratete schon kurz nach seiner Genesung Bertha, jene Tochter aus dem Hause der Markgrafen von Turin, die mit ihm schon seit Kindertagen verlobt und seit dieser Zeit am königlichen Hof erzogen worden war. Es ist strittig, ob sich in dieser Entscheidung die eigenständige Handschrift Heinrichs zeigt oder ob ihm diese Ehe durch den Rat der Fürsten nahe gelegt oder sogar aufgezwungen worden ist. Letztere Behauptung findet sich einmal bei Brun, dessen Vorwürfe hinsichtlich der unsittlichen Lebensweise des Königs später im Zusammenhang zu würdigen sind.51 Gestützt wird eine solche Behauptung auch durch die Tatsache, dass Heinrich schon nach dreijähriger Ehe den Versuch unternahm, sich von Bertha zu trennen. Dieser überraschende Versuch wäre immerhin besser verständlich, wenn er sich bei der Eheschließung dem Druck der Fürsten gebeugt hätte. Noch im Jahre 1066 veränderte sich auch die Lage in Rom ziemlich gravierend, so dass Papst Alexander sich genötigt sah, intensive Hilferufe in den Norden zu senden und Heinrich um ein Eingreifen gegen die Normannen zu bitten. Der Normanne Richard von Capua war nämlich in das vom Papst beanspruchte campanische Gebiet eingefallen und verwüstend bis vor die Tore Roms vorgedrungen. Er hatte dabei keinen Zweifel daran gelassen, dass er an der Stellung eines patricius der Römer interessiert sei, womit er auch einen unmittelbaren Konflikt mit Heinrich IV. riskierte. In Rom und in der päpstlichen UmLampert von Hersfeld, Annales, a. 1066, S. 103: Rex Friteslare veniens gravissimam egritudinem incidit, ita ut a medicis desperaretur, et principes de regni successione consilia conferre cepissent. Die Annales Altahenses charakterisieren die Fürsten als „lechzende Raben“, vgl. Meyer von Kronau, Jahrbücher, Bd. 1, S. 524 f. 51 Brun lässt Heinrich auf Rat der Fürsten die Ehe schließen (Bruno, De bello Saxonico, cap. 6, S. 16 f.); zu den Vorwürfen Bruns gegen Heinrich siehe unten Kap. VI.1.4. 50
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gebung nahm man die Sache immerhin so ernst, dass man niemand Geringeren als die Kaiserin Agnes zum Aufbruch in den Norden veranlasste, um als Fürsprecherin für eine schnelle Hilfeleistung zu fungieren. Diese brach noch im Winter zu der beschwerlichen Reise auf, was die Dringlichkeit der Angelegenheit noch einmal unterstreicht.52 Im Reich und beim König fand dieses Hilfegesuch allem Anschein nach offene Ohren, denn Heinrich IV. weilte schon im Februar in Augsburg, dem traditionellen Versammlungsort, zu den Italienzügen. Hier aber erfuhr er von der Eigenmächtigkeit eines seiner Fürsten, die kaum ihresgleichen hat: Gottfried, Herzog von Lothringen und Markgraf der Toskana, der hartnäckigste Gegner Kaiser Heinrichs III., der jedoch bei Heinrichs IV. Schwertleite als Schildträger fungiert und so Unterordnung und Loyalität versprochen hatte, war, offensichtlich ohne den Herrscher zu informieren, eigenmächtig mit einem Heer nach Italien aufgebrochen, um selbständig für die Verteidigung der Belange des heiligen Petrus zu sorgen. Er tat dies auf Grund seiner eigenen italienischen Interessen, aber auch mit päpstlicher Unterstützung und mit einigem Erfolg, denn in einem persönlichen Treffen mit Richard von Capua gelang eine Einigung, auf Grund deren Richard die besetzten Gebiete im päpstlichen Einflussbereich räumte, so dass Alexander II. bald wieder freundliche Beziehungen zu den Normannen pflegen konnte.53 Königliche Anhänger in Italien stellten Gottfrieds Initiative dagegen in ein äußerst schlechtes Licht und warfen ihm vor, den Zug aus Hass gegen Heinrich IV. unternommen zu haben. 54 In jedem Fall beZur Reise der Kaiserin Agnes siehe Black-Veldtrup, Kaiserin Agnes, S. 44. Zur Politik der Normannen in dieser Zeit vgl. Deér, Papsttum und Normannen, S. 130. Zum Hilferuf an Heinrich IV. Amato di Montecassino, lib. 6, cap. 9, S. 270 f.; Heinemann, Geschichte der Normannen, Bd. 1, S. 246f., 388f. 53 Zu den Einzelheiten dieser eigenmächtigen Aktivität Gottfrieds siehe Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 1, S. 549–557. Über die Motive und Ziele Gottfrieds lässt sich wenig Sicheres sagen, vgl. Robinson, Henry IV of Germany, S. 108; Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 39 f. Allgemein zu Gottfried Despy, Art. Gottfried III. der Bärtige, in: LexMA, Bd. 4, Sp. 1601f. 54 Vgl. dazu Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 1, S. 556: „[…] Benzo besann sich keinen Augenblick, Gottfried als einen Eidbrecher hinzustellen, wel52
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wirkte das Vorpreschen des Herzogs, dass Heinrich IV. und die ihn umgebenden Fürsten jedes Interesse an diesem Italienzug verloren und so zum zweiten Male eine Einladung nach Rom unbeantwortet blieb. Da Herzog Gottfried in den zwei Jahren vor diesem Zug nicht in der Umgebung des Herrschers bezeugt ist, macht die Episode unmittelbar klar, dass der junge König selbst in Grundsatzfragen nicht mit der Loyalität mächtiger Großer rechnen konnte. Wie in der Zeit der Regentschaft basierte die Königsherrschaft auch jetzt nicht vorrangig auf Prinzipien der Konsensbildung; vielmehr legten wichtige Magnaten größeren Wert auf die Wahrung und Durchsetzung eigener Interessen. Von Versuchen Heinrichs IV., Herzog Gottfried für diese Eigenmächtigkeit zur Rechenschaft zu ziehen, hören wir nichts, was ein sicheres Anzeichen für die Kräfteverhältnisse im Herrschaftsverband sein dürfte. Es ist kein direktes Zeugnis darüber überliefert, wie man in der päpstlichen Umgebung auf die Konfusion reagierte, die in italienischen Fragen in der Umgebung des Königs offensichtlich herrschte. Doch war der Eindruck kaum von der Hand zu weisen, dass dieser König aus verschiedenen Gründen kein wirksamer Schützer und Verteidiger kirchlicher Interessen sein konnte. Dieser Eindruck dürfte sich verstärkt haben, als Heinrich IV. bald darauf, 1068, eine hochrangige Delegation nach Rom sandte, die wohl den Auftrag hatte, den entstandenen Schaden zu sondieren und zu begrenzen. Ihr gehörten immerhin Erzbischof Anno von Köln, der Herzog Otto von Northeim und der Erzbischof Heinrich von Trient an. Gerade die beiden Erstgenannten hatten Erfahrung in der römischen Politik und speziell Erzbischof Anno stand bei Papst Alexander in gutem Ansehen, wie die päpstliche Korrespondenz mit dem Kölner Erzbischof ausweist. Das Verhalten dieser Gesandten jedoch förderte zunächst die Irritationen in Rom, um es harmlos auszudrücken. Sie scheuten sich nämlich nicht, öffentlich Kontakt mit dem schismatischen Papst Honorius zu pflegen, was cher aus Haß gegen den jungen König diesem den Weg verschlossen habe, um selbst zur kaiserlichen Krone zu gelangen“, mit Hinweis auf Benzo von Alba, Ad Heinricum II, 15, S. 618 (in der aktuellen Edition [MGH SSrG 65] S. 237 ff.).
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in Rom nur als Provokation aufgefasst werden konnte. Überdies speisten sie auch mit dem von Alexander exkommunizierten Erzbischof Heinrich von Ravenna, was man in Rom gleichfalls aufmerksam und negativ registrierte. Die päpstliche Seite reagierte auf dieses Verhalten zunächst damit, dass die königlichen Boten gar nicht zum Papst vorgelassen wurden, als sie endlich in der Osterzeit in Rom eingetroffen waren. Zu allem Überfluss war zur gleichen Zeit auch Annos erbitterter Gegner, der Abt Theoderich von Stablo, in Rom anwesend, um gegen die Schädigung seines Klosters durch Anno zu klagen. So kam es zu dem exzeptionellen Akt, dass sich Anno, um überhaupt zu einer Unterredung mit Papst Alexander zugelassen zu werden, zunächst barfüßig einer Bußübung unterziehen musste, bei der ihm interessanterweise die Gattin Herzog Gottfrieds, die Markgräfin Beatrix, zur Seite stand.55 Dann aber untersuchte der Papst nicht nur den Fall Stablo/Malmedy und zwang Anno zu dem Versprechen, das Problem nach seiner Rückkehr zu regeln. Er untersuchte auf einer Synode auch den Fall Erzbischof Udos von Trier, der sich vom Vorwurf der Simonie durch einen Eid reinigte und das Pallium erhielt. So war auch der Trierer Bischofsstreit ganz zu Ungunsten Annos entschieden.56 Nach diesen Demütigungen und Zurechtweisungen schied Anno aus Rom und kehrte in den Norden zurück, während Otto von Northeim weiterhin in Italien verblieb, dort aber kaum bessere Erfahrungen machte als sein Begleiter. Auf einem Gerichtstag in Piacenza, auf dem auch Herzog Gottfried von Lothringen anwesend war, brach sich die angestaute Empörung der italienischen Teilnehmer gegen die Einmischungen von nördlich der Alpen Bahn und entlud sich in wüstem Geschrei und Geschimpfe. Diese Artikulation von Widerstand ließ den Gerichtstag scheitern und Herzog Otto musste unverrichteter Dinge abziehen. Insgesamt kann man sagen, dass die Königsboten weder zu 55 Zu dieser Gesandtschaft siehe Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 1, S. 585–591; Jenal, Erzbischof Anno II. von Köln, S. 317–328; Robinson, Henry IV of Germany, S. 108 f. Beleg für die barfüßige Bußübung: Annales Altahenses, a. 1068, S. 74; Triumphus Sancti Remacli, lib. 1, cap. 22, S. 448. 56 Siehe Jenal, Erzbischof Anno II. von Köln, S. 48–53, 326f.
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einer Stabilisierung des Verhältnisses zum römischen Papsttum noch zum italienischen Reichsteil beitrugen.57 Die Beziehung zu Papst Alexander II. war also mehr als belastet, als der König kurze Zeit später indirekt erneut die päpstliche Autorität herausforderte. Heinrich IV. eröffnete auf einem Hoftag in Worms im Jahre 1069 nämlich den überraschten und konsternierten Fürsten, er wolle sich von seiner Gemahlin trennen. Als Grund nannte er weder eines der üblichen Ehehindernisse, wie etwa eine zu nahe Verwandtschaft mit seiner Gattin, noch machte er eine Verfehlung ihrerseits, wie etwa einen Ehebruch, namhaft, was ebenfalls eine Auflösung der Ehe hätte rechtfertigen können. Diesen Weg wählte in der gleichen Zeit Herzog Rudolf von Rheinfelden, der mit genau diesem Vorwurf seine Ehe mit der Schwester Berthas, Adelheid, aufzulösen versuchte, was nur daran scheiterte, dass Adelheid vor Papst Alexander II. durch einen Eid die Unhaltbarkeit dieses Vorwurfs bewies.58 Heinrich betonte hingegen ganz einfach seine Unfähigkeit, mit Bertha weiterhin in ehelicher Gemeinschaft zu leben, und brachte zum Beweis für diese Unfähigkeit das Argument vor, die Ehegatten hätten ihre Ehe noch gar nicht vollzogen.59 Auf Befragen der Anwesenden habe auch Bertha diesen Tatbestand eingeräumt, schrieb Erzbischof Siegfried an Papst Alexander II. und bat gleichzeitig um geistlichen Beistand in dieser Angelegenheit, die so ungewohnt und unerhört war, dass sich die anwesenden Bischöfe nicht zu einer sofortigen Entscheidung durchringen konnten. In der Tat dürfte die inhaltliche Verhandlung dieser heiklen Thematik vor den Fürsten an Peinlichkeit kaum zu überbieten gewesen sein. Nach eigener Aussage war Erzbischof Siegfried dem Ansinnen des Königs entschieden entgegengetreten, hatte indes nicht mehr erreicht als eine Vertagung der Angelegenheit auf den Herbst.60 Sein Kritiker Lampert widerspricht dieser Darstellung Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 1, S. 589. Siehe hierzu Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 1, S. 614f. 59 Zu dieser ersten Versammlung siehe Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 1, S. 612–617. Vgl. auch Zey, „Scheidung“ zu Recht?, S. 170f. 60 Vgl. den Brief Siegfrieds an Alexander II., Udalrici Babenbergensis Codex, Nr. 34, S. 65. Zur Bewertung dieses Briefes vgl. Zey, „Scheidung“ zu Recht?, passim. 57 58
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massiv mit dem Argument, der Mainzer Erzbischof sei in der Frage der thüringischen Zehnten auf die Unterstützung des Königs angewiesen gewesen und habe daher keine Konfrontation in der Ehefrage gewagt.61 In der Tat verhandelte man im gleichen Zeitraum über eine Beendigung der thüringischen Zehntfreiheit. Doch die Behauptung Lamperts, Erzbischof und König hätten die Zehnt- und die Eheangelegenheit in einem Geheimvertrag miteinander verbunden und sich wechselseitige Unterstützung versprochen, gehört zu jenen Vorwürfen gegen Heinrich, deren Wahrheitsgehalt kaum sicher einzuschätzen ist, die aber mit Gewissheit das politische Klima nachhaltig vergifteten. Nicht zufällig hat Leopold von Ranke mit diesem Beispiel seine Kritik an Lamperts Glaubwürdigkeit begründet. Warum aber ist Lampert unglaubwürdig? Eine Entscheidung dieser wie vieler anderer Fragen ähnlicher Art ist weitgehend davon abhängig, welche Schlechtigkeiten man im politischen Geschäft dieser Zeit für möglich hält. Im Herbst des Jahres 1069 kam es dann zu einer erneuten Verhandlung über die Ehe des Königs auf einer Synode in Frankfurt. Der Brief mit der Bitte um Unterstützung, den Erzbischof Siegfried an den Papst gesandt hatte, war erfolgreich gewesen, denn Papst Alexander hatte keinen Geringeren als den greisen Kardinalbischof Petrus Damiani als Legaten geschickt, dessen Erscheinen von den Synodalen mit Überraschung und mit Respekt aufgenommen wurde. Dieser las Heinrich IV. dann in einer Weise die Leviten, die an Deutlichkeit nichts zu wünVgl. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1069, S. 105 f.: Rex natalem Domini Goslariae celebravit, pascha Quidelenburc, pentecosten Coloniae; post pentecosten Wormaciae cum principibus regni colloquium habuit. Ibi primum cum episcopo Mogontino rem secreto agit eiusque opem ad perficiendum quod mente machinetur obnixe implorat; si impetret, se deinceps ei subditum et dicto obtemperantem fore; ad hoc Thuringos armata manu, si aliter nequeat, coacturum, ut decimas sine ulla inperpetuum contradictione persolvant. Annuente episcopo et pactione utrimque firmata, rex ad publicum refert sibi cum uxore sua non convenire; diu oculos hominum fefellisse, ultra fallere nolle; nullum eius crimen, quo iuste repudium mereatur, afferre, sed se, incertum quo fato, quo Dei iudicio, nullam cum ea maritalis operis copiam habere. […] Episcopus quoque tam preciosa pollicitatione redemptus, quantum poterat salva verecundia, haut aegre causam regis tuebatur. 61
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schen übrig ließ. Petrus machte den König darauf aufmerksam, welch einen Frevel es bedeute, wenn derjenige, der Rächer von Verbrechen sein solle, selbst Urheber und Anführer dieser Verbrechen sei. Und er ließ keinen Zweifel daran, dass der Papst dem Vorhaben mit allen Mitteln des Kirchenrechts entgegentreten und überdies denjenigen, der so etwas täte, niemals zum Kaiser weihen würde. Die Rede machte auf die Anwesenden einen solchen Eindruck, dass sie nun ihrerseits den König bestürmten, die Hoheit seines Namens nicht mit einer solchen Tat zu beflecken. Interessanterweise brachte man überdies ein eher pragmatisches Argument vor: Die durch die Scheidung der Königin zugefügte Schmach würde deren mächtigen Verwandten Anlass zu Unruhe und Aufruhr geben. Dem König blieb angesichts dieser einhelligen Meinung nichts anderes übrig, als klein beizugeben: „Wenn dies bei euch unabänderlich feststeht, so werde ich mir selbst das Gebot auflegen und so gut wie ich kann die Last tragen, die ich nicht niederzulegen vermag.“62 Die Wellen der Aufregung über die schwer verständlichen Handlungsweisen des Königs dürften kaum abgeebbt gewesen sein, als zu Pfingsten des Jahres 1070 ein politischer Skandal das Reich erschütterte, der seine Anfänge vielleicht bereits im Vorjahr gehabt hatte. Seine Dimension war nun jedoch so gewaltig, dass sich zwei politische Lager bildeten, die auch in späteren Konflikten wieder aufeinander stießen. Plötzlich wurde nämlich dem Bayernherzog Otto von Northeim der Vorwurf gemacht, er habe den König heimtückisch ermorden lassen wollen.63 Dieser Vorwurf traf einen mächtigen Mann, der zwar 1062 an der Entführung Heinrichs IV. in Kaiserswerth und auch 1066 am Sturz Erzbischof Adalberts maßgeblich beteiligt gewesen war, der aber gerade in den letzten Jahren durchaus eng mit dem König zusammengearbeitet hatte. So war er nicht nur in seinem Auftrag zweimal in Rom gewesen, er hatte noch im Jahre 1069 auf Heinrichs Seite in der 62 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1069, S. 109 f.; siehe auch Annales Altahenses, a. 1069, S. 78. Vgl. Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 1, S. 624–627. 63 Vgl. hierzu Vogeler, Otto von Northeim in den Jahren 1070–1083, S. 8–20; Fenske, Adelsopposition, S. 92; Althoff, Königsherrschaft und Konfliktbewältigung, bes. S. 45 f.; Schubert, Geschichte Niedersachsens, S. 291ff.
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Fehde gegen den sächsischen Markgrafen Dedi gekämpft und am erfolgreichen Feldzug Heinrichs gegen die Liutizen teilgenommen. Überdies soll Heinrich in der fraglichen Zeit sogar auf Ottos Gütern in Sachsen zu Gast gewesen sein.64 Letzteres kann nur als ungewöhnlicher Vertrauensbeweis und als Auszeichnung Ottos gewertet werden, denn Könige ließen sich nur äußerst selten zu Besuchen bei ihren weltlichen Kronvasallen herbei. Übereinstimmend nennen mehrere Quellen einen übel beleumundeten Adligen namens Egino als denjenigen, der den Stein ins Rollen brachte. Er gab an, von Otto von Northeim zur Ermordung des Königs gedungen worden zu sein, und wies als Beweis ein Schwert vor, das ihm der Herzog zu diesem Zweck gegeben habe. Nun kann man einem Schwert gewiss nicht ansehen, zu welchem Zweck es geschenkt worden ist, doch hatte Egino noch einen zweiten „Beweis“ bei der Hand: Er erklärte sich nämlich bereit, in einem Zweikampf mit dem Herzog die Richtigkeit seiner Anschuldigung zu beweisen. Damit war Gott zum Zeugen für die Stichhaltigkeit der Anschuldigung aufgerufen. Die Quellen, die ausführlich über die Vorgänge berichten, bieten drei verschiedene Versionen und äußern sich vor allem unterschiedlich über die Wahrhaftigkeit der Vorwürfe. Die Altaicher Annalen, die an Otto von Northeim insgesamt kein gutes Haar lassen, weil das Kloster unter seiner Herrschaft „in Knechtschaft“ lebte, gehen von der Richtigkeit der Anschuldigung aus und wissen sogar abenteuerliche Einzelheiten über den Mordplan. Beim Besuch des Königs auf den Gütern Herzog Ottos habe man verabredet, in der Nacht den Vertrauten und Türwächter des Königs, einen Ministerialen namens Cuno, anzugreifen in der Hoffnung, dass der durch den Waffenlärm geweckte König diesem zu Hilfe eilen werde. Dann sollte Egino in der Dunkelheit scheinbar aus Versehen seine Mordtat ausführen.65
64 Vgl. den Beleg in den Annales Altahenses, a. 1069, S. 77. Zur außer gewöhnlich seltenen Gastung des Königs bei Herzögen und Grafen siehe Brühl, Fodrum, gistum, servitium regis, S. 179 f. 65 Vgl. Annales Altahenses, a. 1070, S. 79. Niederaltaich war in der Zeit der Regentschaft Otto von Northeim übertragen worden, was die Feindschaft der Mönche erklärt; siehe dazu in diesem Kap. oben bei Anm. 21.
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Lampert von Hersfeld hält das Ganze dagegen für eine Intrige zum Sturz des Herzogs. Zu diesem Zweck sei sie von gewissen Höflingen inszeniert worden, die Herzog Otto um seinen Ruhm und seinen Einfluss beneideten. Er nennt als Urheber vor allem den Ministerialen Liupold von Meersburg, der wenig später durch Gottes Rache in sein eigenes Schwert fiel und so aus dem Leben schied, sowie zwei hessische Grafen, die ansonsten nicht weiter hervorgetreten sind. 66 Heinrich IV. ist aus dieser Sicht selbst Opfer der Intrige, da sich nach Bekanntwerden der Beschuldigung viele intensiv bemühten, den Zorn des Königs gegen den mächtigen Herzog zu entfachen. Erheblich weiter geht in seinem Urteil dagegen Brun im Buch vom Sachsenkrieg, indem er unumwunden den König als den eigentlichen Urheber des Ganzen namhaft macht.67 Heinrich selbst habe Egino durch Geld und Versprechungen dazu gebracht, den Mordvorwurf zu erheben und sich als Zweikämpfer anzubieten. Für den kämpferischen Sachsen Brun war klar, dass Heinrich IV. auf diese Weise seinen Angriff gegen die Sachsen einleitete, indem er einen ihrer mächtigsten potentiellen Bundesgenossen aus dem Weg zu räumen versuchte. Es liegt zwar nahe anzunehmen, dass hier spätere Ereignisse, die Sachsenkriege, zur Erklärung früherer Handlungen Heinrichs verwandt worden sind. Insgesamt aber gibt es kein durchschlagendes Argument, das eine der drei Versionen als die „wahre“ erweisen würde. Man kann eine Menge an Plausibilitätserwägungen anstellen, die der einen oder anderen Version mehr Glaubwürdigkeit zuschreiben. Was sollte Otto von Northeim sich von der Ermordung des Königs 66 Vgl. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1071, S. 130 f. Zu dem Sturz in das Schwert vgl. außerdem Bruno, De bello Saxonico, cap. 81, S. 78. Zu Liupold siehe auch Schmid, Salische Gedenkstiftungen für fideles, servientes und milites, S. 247 ff. 67 Vgl. Bruno, De bello Saxonico, cap. 19, S. 25: Ottonem denique, virum prudentem et fortem, qui natus e Saxonia dux erat in Bawaria, omni calliditate deponere quaerebat [sc. Heinricus], quia illum cum omnibus Bawariis Saxones adiuturum non dubitabat. Ergo quendam nomine Einnonem praeter audaciam nichil virtutis habentem pretio conduxit et promissionibus sollicitavit, ut ducem de regis morte secum tractasse diceret et hoc se, si negaret, singulari bello probaturum promitteret.
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versprochen haben? Warum sollten andererseits Heinrich IV. oder seine Vertrauten auf solch eine dubiose Geschichte verfallen sein? Dazu noch mit einem Hauptdarsteller, der „von Diebstahl und Straßenraub“68 gelebt haben und kurze Zeit später von Erzbischof Anno öffentlich in Ketten herumgeführt worden sein soll, um die Strenge der erzbischöflichen Rechtswahrung unter Beweis zu stellen.69 Sicherheit über die wirklichen Hintergründe und Ursachen dieses Skandals wird man so wohl nicht gewinnen, weil schon den meisten Zeitgenossen unbekannt blieb, was an der Geschichte erfunden und was wahr war. Genauso interessant wie die Wahrheit der Geschichte ist aber die Wirkung, die sie auf das Verhältnis namentlich der Sachsen zu Heinrich IV. entfaltete, als dieser nun begann, die Sache zu verfolgen – man kann auch sagen, aus dem Vorwurf politisches Kapital zu schlagen. Er konfrontierte Herzog Otto zunächst auf einem Hoftag in Mainz mit der Anschuldigung. Als dieser Auge in Auge mit Egino, der seine Aussage wiederholte, leugnete, setzte er ihm auf den 1. August einen neuen Termin in Goslar, auf dem die Sache, wie von Egino angeboten, in einem Zweikampf entschieden werden sollte. In der Zwischenzeit fanden wie üblich Kontakte zwischen allen politisch relevanten Kräften statt, und nach Lampert bildete sich unter den Fürsten die Meinung, dass es weder gerecht noch billig sei, wenn ein Hochadliger von untadeligem Ruf mit einem Straßenräuber einen Zweikampf austrage.70 Damit stellt sich die Frage, welche anderen Optionen es zur Lösung dieser Probleme gegeben hätte und was es bedeutet, dass Heinrich IV. hartnäckig auf dem Zweikampf bestand. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1070, S. 113f. Dies berichtet Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1072, S. 135. 70 Vgl. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1070, S. 113 f.: Igitur rex eum Mogontiam cum caeteris principibus ad colloquium evocavit, quid delatum esset, exposuit, negantique inducias in sex ebdomadas dedit, ut Kal. Augusti Goslariam veniens obiectum crimen congressus cum accusatore suo manu propria refelleret. Cum in haec verba discessum esset, causari principes de iniquitate condicionis ceperunt, nec bonum nec equum esse dicentes, ut homo nobilissimus, integerrimae apud omnes existimationis nec ulla unquam sinistri rumoris macula attaminatus, manum conferre iuberetur cum homine sceleratissimo, qui si quid ingenuitatis a parentibus accepisset, id per furta, per latrocinia, denique per omnia viciorum probra iam dudum oblitterasset. 68 69
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Man kann einerseits auf einen Präzedenzfall hinweisen, bei dem im Jahre 1048 in Sachsen ganz ähnlich verfahren wurde, wie Heinrich IV. es nun offensichtlich ins Auge gefasst hatte. Damals war der Billunger Graf Thietmar durch seinen eigenen Vasallen beschuldigt worden, er habe geplant, Kaiser Heinrich III. bei einem Besuch in Lesum zu töten. Die Sache war in einem Zweikampf entschieden worden, bei dem der Vasall den Grafen getötet hatte. Was man aber in der Umgebung der Billunger von diesem Vorgehen hielt, verdeutlicht die Tatsache, dass sie daraufhin den Vasallen gefangen nahmen und mit einer Schmachstrafe zu Tode brachten: Sie hängten ihn an den Füßen zwischen zwei Hunden auf. Außerdem verfolgten sie seither Erzbischof Adalbert, den sie für das Vorgehen für verantwortlich hielten, mit tödlichem Hass.71 Dass die Herzog Otto Nahestehenden an eine andere Lösung des Problems als einen Zweikampf dachten, zeigte sich einigermaßen deutlich, als Otto sich zu dem gesetzten Termin vor Goslar einfand. Er versuchte nämlich, durch Boten mit Heinrich zu verhandeln. Dabei bot er an, nach Goslar zu kommen, um sich auf jede Weise, die die Fürsten für richtig hielten, von den Vorwürfen zu reinigen. Dieses Angebot beinhaltet wohl den Versuch, Heinrichs Entscheidung für einen Zweikampf durch eine Entscheidung der Fürsten korrigieren zu lassen.72 Einiges spricht dafür, dass hier an andere Reinigungsmethoden Vgl. die Schilderung des Falles bei Adam von Bremen, Gesta, lib. 3, cap. 8, S. 149: Cesar [sc. Heinrich III.] inde Lismonam veniens mox, ut aiunt, per insidias a Thiedmaro comite circumventus archiepiscopi nostri studio defensus est. Quare idem comes a cesare vocatus in ius, cum se purgare duello mallet, a satellite suo nomine Arnoldo interfectus est. Qui et ipse non post multos dies a filio Thietmari comprehensus et per tybiam suspensus inter duos canes efflavit, unde et ipse ab imperatore comprehensus et perpetuo est exilio dampnatus. Cuius mortem dux germanus et filii eius acerrime zelantes in archiepiscopum ex eo tempore ipsum et ecclesiam eius et familiam ecclesiae letali odio persecuti sunt. Siehe dazu Althoff, Die Billunger in der Salierzeit, S. 319–321; Schubert, Geschichte Niedersachsens, S. 214. 72 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1070, S. 114: Igitur die statuta ad proxima Goslariae loca cum armata multitudine venit; missis ad regem nunciis mandavit, si sibi tuto venire, si tuto causam dicere liceret, paratum se coram venire et 71
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gedacht war als an den Zweikampf. Denkbar wäre gewiss auch ein Reinigungseid Herzog Ottos gewesen. Heinrich IV. lehnte jedwede Modifikation der Bedingungen jedoch kategorisch ab, woraufhin sich Otto nicht stellte, sondern auf seine Güter zurückzog. Der König forderte daraufhin von den sächsischen Fürsten ein Urteil, und diese erklärten Otto zum Majestätsverbrecher, entsetzten ihn des Herzogtums Bayern und erklärten ihn für friedlos. Bald begannen beide Seiten mit Versuchen, die andere Seite durch Gewalt zum Einlenken zu bewegen. Hierbei zeigte sich schnell, dass der ehemalige Herzog Otto in Sachsen noch immer über so viele Anhänger verfügte, dass er dem König und seinen Besitzungen erheblichen Schaden zufügen konnte.73 Der König hatte mit seinem rigorosen Vorgehen gegen Herzog Otto den Herrschaftsverband offensichtlich gespalten. Es gab Große, die Otto auf Grund des königlichen Vorgehens sofort fallen ließen. In unguter Weise stach hier sein Schwiegersohn Welf IV. hervor, der die Entmachtung Ottos nutzte, um selbst das Herzogtum Bayern zu erlangen. Hierzu schickte er, gewissermaßen als vertrauensbildende Maßnahme gegenüber Heinrich IV., seine Gemahlin Ethelind, die Tochter Ottos von Northeim, nach Hause zurück und löste die Ehe auf.74 Der billungische Herzogssohn Magnus verband sich hingegen fest mit Otto und unterstützte ihn in seinen Aktionen gegen den König. Es mag sein, dass diesem der Gerichtszweikampf nach den Erfahrungen in seiner Familie besonders suspekt war. Über die Haltung anderer Großer zu den fraglichen Problemen sind wir nicht genauer informiert. Wir müssen daher offen lassen, ob erst spätere Erfahrungen dazu führten, in dem Vorgehen Heinrichs gegen Otto Heimtücke am Werk zu sehen, oder ob dies bereits in den Auseinandersetzungen der Jahre 1070 und 1071 die Meinung relevanter Kreise war.
condicione, quam principes regni equam iudicassent, crimen, cuius insimulatus fuerat, refellere. 73 Über die erfolgreichen Widerstandsversuche Ottos informiert vor allem Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1071, S. 114–118. 74 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1071, S. 118 hat dies mit Sarkasmus gegeißelt.
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Beigelegt hat man den Konflikt jedenfalls eher nach den gütlichen Mustern der Streitbeendigung. Nachdem eine militärische Entscheidung angesichts der Stärke beider Seiten nicht zu erreichen war, hatten mehrere Vermittler, genannt sind Graf Eberhard von Nellenburg und Erzbischof Adalbert von Hamburg-Bremen, sich um die Herstellung von Friedensbedingungen bemüht, die für beide Seiten akzeptabel waren. So war es üblich, wenn Hochadlige in Konflikte mit dem König gerieten. Adalbert hatte König Heinrich schließlich sogar in einer öffentlichen Predigt an seine Verpflichtung zur Milde erinnert.75 Jedenfalls nutzte man die Halberstädter Kirchweih zu Pfingsten 1071 zu einer förmlichen Unterwerfung der Häupter der Gegenpartei, Ottos von Northeim und Magnus Billungs. Sie fanden zwar nicht die vollständige Verzeihung des Königs, sondern wurden in Haft genommen. Es war jedoch angesichts der Gewohnheiten eigentlich klar, dass diese Haft nicht von langer Dauer sein würde. Otto erhielt überdies seine Eigengüter vom König zurück, auf seine Reichslehen musste er dagegen auf Dauer verzichten – mit ihnen wurde teilweise übrigens die Tätigkeit der Vermittler entlohnt. Ein Jahr später wurde er dann in Magdeburg aus der Haft entlassen.76 Der andere Gefangene, Magnus Billung, blieb länger in Haft, was deshalb besonders bemerkenswert ist, weil in dieser Haftzeit sein Vater Ordulf, der sächsische Herzog, verstarb und Magnus eigentlich das Erbe seines Vaters hätte antreten müssen. Die Haft des Herzogssohnes dauerte nicht nur erheblich länger als die Ottos von Northeim, sie wurde auch deshalb als besonders hart empfunden, weil offensichtlich niemand wusste, wo sich der Herzogssohn befand. Heinrich IV. nutzte dessen Haftzeit überdies zu Machtdemonstrationen, die das politische Klima in Sachsen gewiss nicht entspannten. So verabredete er sich ausgerechnet in Lüneburg, dem Stammsitz der Billunger, mit 75 Vgl. Annales Altahenses, a. 1071, S. 81: inter missarum sollemnia; siehe dazu auch Althoff, Königsherrschaft und Konfliktbewältigung, S. 51. 76 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1072, S. 127, 137. Man kann die letzt endlich gefundene Regelung als „normale“ gütliche Beilegung eines Konflikts zwischen einem Hochadligen und dem König bezeichnen, siehe dazu zuletzt Althoff, Die Macht der Rituale, S. 82 f.
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dem dänischen König Svend zu einem Geheimtreffen, an dem außer den Königen angeblich nur Erzbischof Adalbert beteiligt war.77 Kein Wunder, dass bald in Sachsen Gerüchte über dieses Treffen umliefen, die behaupteten, der Dänenkönig sei zur Hilfe bei der Versklavung der Sachsen gewonnen worden, die Heinrich im Auge habe. Das Maß war voll, als Heinrich nach dem Tode Herzog Ordulfs eine Besatzung schwäbischer Ministerialer in die Lüneburg legte. Ein Verwandter, Graf Hermann, brachte diese Besatzung in seine Hand und löste mit ihr den Herzogssohn aus der Haft. Seitdem erzählte man in Sachsen, dass man für siebzig Schwaben einen Sachsen kaufen könne.78 Überblickt man die ersten Jahre der selbständigen Regierung Heinrichs IV. zusammenfassend, ist der Eindruck von stark divergierenden Kräftefeldern im Umkreis des Königs ebenso unabweisbar wie der von eigenwilligen Handlungen und Entscheidungen Heinrichs, die für zusätzliche Unruhe sorgten. Im Verhältnis zum römischen Papsttum wurde die Chance zu einem persönlichen Romzug zweimal nicht genutzt und so die Gelegenheit vertan, eine solide Basis für zukünftige Zusammenarbeit zu schaffen. Diese Geringschätzung der römischen Position dürfte als gewichtige politische Fehlentscheidung anzusehen sein, denn es hatte sich ja nicht nur in der Frage der Ehescheidung des Königs deutlich gezeigt, über welche moralische Autorität das Papsttum inzwischen verfügte. Auch die Art, wie Papst Alexander mit Erzbischof Anno von Köln und anderen bischöflichen Mitbrüdern in dieser Zeit umging, bietet hierfür gutes Anschauungsmaterial. Die Bedeutung der päpstlichen Autorität zeigte sich noch einmal schlagend, als es im Jahre 1070 zu Auseinandersetzungen um die Erhebung des Konstanzer Bischofs Karl kam, der zuvor Propst auf der Harzburg gewesen war und daher wohl ein enger Vertrauter Hein77 Vgl. Adam von Bremen, Gesta, lib. 3, cap. 60, S. 206; Bruno, De bello Saxonico, cap. 20, S. 25 f.; Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1073, S. 147 ff. mit ihren Aussagen zu diesem Treffen an einem merkwürdigen Ort. Vgl. hierzu Robinson, Henry IV of Germany, S. 72. 78 Vgl. hierzu vor allem die Wiedergabe der Gerüchte und Einschätzungen bei Bruno, De bello Saxonico, cap. 21, S. 26 f., und auch bei Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1073, S. 147 f., 160.
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richs IV. war. Auf päpstlichen Befehl musste in Mainz eine Synode abgehalten werden, auf der der Simonievorwurf gegen diesen Bischof Karl untersucht wurde. Heinrich IV. sah sich hier zu der Aussage veranlasst, er selbst habe mit Karl bei der Einsetzung zum Bischof keine simonistischen Abmachungen getroffen, sollte der Bischof dies jedoch mit seinen Höflingen getan haben, dann habe er, Heinrich, davon keine Kenntnis gehabt. Nachdem Karl und seine Konstanzer Widersacher, die dem Erhobenen Verschleuderung des Konstanzer Kirchenschatzes zur Bezahlung seiner simonistischen Versprechungen vorwarfen, am nächsten Tag von der Synode eingehend gehört worden waren, resignierte der Bischof freiwillig. Heinrich konnte nur erreichen, dass er seinen Bischofsstab nicht öffentlich auf der Synode zurückgeben musste, sondern dies im Gemach des Königs tun durfte. Mit Simonisten war offensichtlich kein Staat mehr zu machen.79 Dass man in Rom in dieser Hinsicht auch Heinrich IV. selbst im Visier hatte und vor einer Konfrontation nicht zurückschreckte, zeigte dann spätestens die römische Fastensynode des Jahres 1073, als Papst Alexander II. fünf Ratgeber Heinrichs bannte, von denen nur ein Graf Eberhard namentlich bekannt ist. Ursache war der Streit um die Investitur des Mailänder Erzbischofs Gottfried, bei der es nach Meinung des Papsttums ebenfalls zu simonistischen Praktiken gekommen war. Diese Bannung war wohl als letzte Mahnung an den König selbst zu verstehen, in dem Sinne, dass man den Sack schlug und den Esel meinte.80 Ein zweites grundsätzliches Problemfeld tat sich gleichfalls bereits in diesen ersten Jahren auf: Heinrich ist es nicht gelungen, einen allseits akzeptierten Beraterkreis um sich zu sammeln und so seine Entscheidungen auf den Konsens der wichtigen Kräfte zu gründen – wenn 79 Zum exemplarischen „Fall“ des Konstanzer Bischofs vgl. Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, S. 1–6, 78–85; Robinson, Henry IV of Germany, S. 118 f.; Fleckenstein, Heinrich IV. und der deutsche Episkopat, S. 228ff.; Schieffer, Spirituales Latrones, S. 46–50. 80 Vgl. dazu Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, S. 198 f.; Schieffer, Die Entstehung des päpstlichen Investiturverbots, S. 109 f.; Bonizo, Liber ad amicum, lib. 6, S. 600.
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er dies überhaupt beabsichtigte. Der Anspruch der ranghöchsten Fürsten auf Beteiligung an allen relevanten Entscheidungen war jedenfalls bereits so etabliert, dass er nicht einfach beiseite geschoben werden konnte. Die anfängliche Bevorzugung Erzbischof Adalberts als alleiniger Ratgeber war daher ebenso falsch und konfliktträchtig wie Heinrichs Vorgehen gegen Herzog Otto von Northeim, das offensichtlich ohne angemessene Beteiligung anderer Fürsten vonstatten ging. So nimmt es nicht wunder, dass bereits zum Jahre 1072 zum ersten Mal der grundsätzliche Vorwurf formuliert wird, Heinrich beteilige die Fürsten nicht angemessen an der Beratung seiner Entscheidungen. Es ist überraschenderweise der Altaicher Annalist, der diesen Vorwurf erhebt. Überraschend deshalb, weil er bis dahin nicht als Gegner Heinrichs hervorgetreten war, so dass sein Votum umso gewichtiger ist: „Während langer Zeit schon begann der König alle Mächtigen zu verachten, dagegen die Geringeren durch Reichtümer und Hilfen emporzuheben, und nach der Letzteren Rat verwaltete er, was zu verwalten war. Von den Vornehmen aber ließ er selten einen zu seinen geheimen Dingen zu. Und weil vieles in ungeordneter Weise geschah, entzogen sich die Bischöfe, die Herzöge und andere Große des Reiches den Angelegenheiten des Königs.“81 Man muss sich die überragende Bedeutung der Rangordnung für das Funktionieren der Königsherrschaft im Hochmittelalter vor Augen führen, um zu ermessen, welch gravierender Vorwurf Heinrich IV. mit dieser Aussage gemacht wird. Konkretisiert wird dieser Vorwurf etwa mit dem Verhalten der Herzöge Rudolf von Schwaben und Berthold von Kärnten, die sich trotz der Aufforderung Heinrichs, zu ihm zu kommen, vom Hofe des Königs fern gehalten hätten, weil ihr Rat dort nicht gefragt sei. Lampert von Hersfeld fügt an, dass Rudolf nicht das gleiche Schicksal wie Otto von Northeim habe erleiden wollen.82 Her-
81 Annales Altahenses, a. 1072, S. 84: Igitur per longum iam tempus potentes quosque rex ceperat contemnere, inferiores vero divitiis et facultatibus extollere et eorum consilio, quae agenda erant, amministrabat, optimatum vero raro quemquam secretis suis admittebat, et quia multa inordinate fiebant, episcopi, duces aliique regni primores de regalibus se subtrahebant. 82 Diese Einschätzung ergibt sich aus der Kombination der Hinweise von
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zog Rudolf scheint diese Verstimmung für so gravierend gehalten zu haben, dass er die Kaiserin Agnes zur Vermittlung aus Rom herbeibat. Diese entsprach der Bitte und erreichte zusammen mit dem Taufpaten Heinrichs, Abt Hugo von Cluny, in Worms eine Beilegung des drohenden Konfliktes.83 Dennoch erscheint es als durchaus zweifelhaft, ob mit solcher Konfliktmittlung wirklich das Übel an der Wurzel gepackt wurde. Der junge König scheint in den ersten Jahren seiner selbständigen Regierung keineswegs einen Herrschaftsstil gefunden zu haben, der allgemein konsensfähig gewesen wäre. Zur Frage steht daher, ob er es angesichts seiner fehlenden Erfahrung noch nicht besser konnte oder ob er gar nicht anders wollte. Und viel spricht dafür, dass Letzteres der Fall war. Auch wenn dies in keiner Quelle so formuliert wird, kann die These einige Plausibilität beanspruchen, dass die Rang- und Kompetenzstreitigkeiten seiner Ratgeber während seiner Minderjährigkeit dem König jedes Zutrauen in die Leistungskraft konsensualer Herrschaft ausgetrieben und ihn dazu veranlasst haben, diejenigen bewusst von seinen Entscheidungen auszuschließen, die einen Anspruch auf Beteiligung erhoben.84 Damit aber, und hierüber sind wenig Zweifel möglich, legte er die Axt an die Wurzel der etablierten Herrschaftspraxis.
Bertholdi Chronicon, a. 1073, S. 215, und Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1072, S. 137 f. 83 Vgl. Black-Veldtrup, Kaiserin Agnes, S. 303 f.; Vogel, Rudolf von Rheinfelden, S. 4 f., 24 f., 28 f.; Jakobs, Der Adel und die Klosterreform von St. Blasien, S. 269 ff.; ders., Rudolf von Rheinfelden und die Kirchenreform, S. 110f. 84 Siehe dazu zusammenfassend unten Kap. VI.4.
III. Der erste große Konflikt: Die Sachsenkriege (1073–1075) 1. Königliche Provokationen und sächsische Reaktionen Heinrich hatte den größten Teil seiner Kindheit und seiner frühen Regierungsjahre in Sachsen zugebracht. Diesem Land galten auch einige seiner herrschaftlichen Aktivitäten, die sich als besonders ungewohnt und konfliktträchtig erwiesen. So ist es kaum zufällig, dass der erste große Konflikt in seiner Zeit in Sachsen entstand, als der sächsische Adel, einige sächsische Bischöfe und das sächsische „Volk“ sich gegen Heinrich erhoben, um den Herrscher zu wesentlichen Veränderungen seiner Politik zu zwingen.1 Zum Verständnis dieses Konfliktes ist es vorweg wichtig zu berücksichtigen, dass die sächsische Seite zwei herausragende Chronisten gefunden hat, die in außergewöhnlicher Detailliertheit über die Einzelheiten der Auseinandersetzung berichten: Bruno und Lampert. Diese an sich höchst erwünschte Ausgangslage wird dadurch zum Problem, dass beide Autoren jeweils beträchtliche argumentative Mühe aufwenden, um Handlungen und Motive des Königs vollständig ins Unrecht zu setzen. Auf Seiten Heinrichs gibt es dagegen nichts Vergleichbares. Wir hören zu den Sachsenkriegen ganz vorrangig die Meinung der Gegner Heinrichs. Die Glaubwürdigkeit beider Autoren ist daher seit langem das Problem. Man kann die gebotenen Nachrichten und Wertungen häufig nicht zur Rekonstruktion der Politik und der Ziele 1 Dieser Konflikt ist in der Forschung vielfach behandelt worden; vgl. aus den letzten Jahrzehnten vor allem Fenske, Adelsopposition, passim; Giese, Der Stamm der Sachsen, S. 32–57, 148–182; Suchan, Königsherrschaft im Streit, bes. S. 61 ff. und S. 90 ff.; Schubert, Geschichte Niedersachsens, S. 278–287; Schlick, König, Fürsten und Reich, S. 18–26; Schubert, Königsabsetzung, S. 119ff. jeweils mit weiteren Hinweisen.
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Heinrichs verwenden; sie sind lediglich Zeugnisse dafür, was die Sachsen dachten und dem König vorwarfen. Immerhin müssen die Autoren die Nachrichten für so relevant gehalten haben, dass sie der Meinung waren, sie seien als Argumente gegen den König wirkungsvoll.2 Das muss beileibe nicht heißen, dass alles hätte wahr sein müssen, was kolportiert wurde. Seit dem 19. Jahrhundert gibt es denn auch zahlreiche Versuche, die Glaubwürdigkeit der beiden Historiographen durch minutiöse Vergleiche zu prüfen und zu erschüttern. Dabei ist weniger die böswillige Erfindung als die tendenziöse Darstellung von Geschehen beobachtet worden.3 Zudem aber kolportieren beide in beachtlicher Intensität abenteuerliche Geschichten über Schandtaten des Königs auf den unterschiedlichsten Gebieten, so dass in der Tat nicht zweifelhaft sein kann: Beide Schriftsteller versuchen mit viel Energie, mit den von ihnen berichteten Handlungen und Entscheidungen Heinrichs IV. zu beweisen, dass seine Herrschaft nichts anderes sei als Tyrannei. Warum aber war ihnen dies so wichtig? Zum Verständnis dieser durchaus ungewöhnlichen „Geschichtsschreibung“ ist es wohl nötig, sich zu vergegenwärtigen, dass im Ver2 Suchan, Königsherrschaft im Streit, bes. S. 176 f., 179 f. und 274 ff. und ich selbst (Althoff/Coué, Pragmatische Geschichtsschreibung und Krisen, S. 95– 130, hier I. Zur Funktion von Brunos Buch vom Sachsenkrieg, S. 95–107, bes. S. 104, 106 f.) haben darauf abgehoben, dass diese Argumente in mündlichen Verhandlungen über den König benutzt werden sollten. Die Kritik, die Eggert (Wie „pragmatisch“ ist Brunos Buch vom Sachsenkrieg?, bes. S. 545 ff.) an dieser Einschätzung übt, geht von verfehlten Voraussetzungen aus, weil ich nie daran gedacht habe, dass der konkrete Text Brunos bei den Verhandlungen 1081 im Kaufunger Wald eine Rolle spielte. Vielmehr gehe ich davon aus, dass mehrfache Versuche der Gegner Heinrichs IV., über die angeblichen Untaten des Königs mit seinen Anhängern zu beraten, dazu führten, dass man das Wissen um diese Untaten verschriftlichte – ein Reservoir, aus dem dann auch Brun für sein Buch vom Sachsenkrieg schöpfte. Siehe dazu ausführlicher unten Kap. VI.1.2. 3 Vgl. etwa die zahlreichen Dissertationen zu diesem Thema im 19. Jahrhundert; siehe dazu schon Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, Exkurs, S. 791– 853.
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lauf der Sachsenkriege geradezu permanent Versuche einer gütlichen Beilegung der Streitigkeiten unternommen wurden. 4 Bei diesen Versuchen sollen die Sachsen häufig gefordert haben, man müsse die gesamte Lebens- und Amtsführung des Königs einer Untersuchung unterziehen. Sie taten dies offensichtlich in der Gewissheit, genügend glaubwürdiges Material gegen den König in der Hand zu haben, aus dem seine Unfähigkeit und Unwürdigkeit, weiter die Königswürde zu bekleiden, hervorgehen würde. Einige Male, von denen später zu handeln sein wird, sind solche Untersuchungen in der Tat zustande gekommen mit dem Ergebnis, dass „den Fürsten die Ohren klangen“ und sie sich gegen Heinrich entschieden.5 Es hat also allem Anschein nach „Beweise“ auf Seiten der Sachsen gegeben, die sich erfolgreich gegen Heinrich IV. verwenden ließen. Viel spricht daher dafür, dass der „Geschichtsschreibung“ Bruns und Lamperts diese „Materialsammlungen“ der Gegner Heinrichs zugute gekommen sind. Namentlich Bruns Werk ist in Duktus und Diktion in weiten Teilen wie eine Anklageschrift formuliert. Sein Werk scheint so etwas wie die Summe der Argumente zu bieten, die man in Sachsen gegen Amts- und Lebensführung des Königs zur Verfügung hatte. Aber auch Lampert verwendet teils lange Argumentationsketten dazu, Hinterlist, Unaufrichtigkeit und Falschheit des Königs am Verlauf der Ereignisse zu zeigen. Auch seine Argumente waren in jeder Verhandlung gegen Heinrich zu verwenden. Insgesamt waren diese Vorwürfe gewiss ein wichtiger Bestandteil der politischen Realitäten, da sie von relevanten politischen Kräften in der Überzeugung gesammelt und vorgebracht wurden, dass sie der Wahrheit entsprächen. Diese Vorwürfe und Argumentationen werden daher im Folgenden dahingehend ernst genommen, dass sie Teil der politischen Auseinandersetzung waren. Relativ unabhängig von der Frage, ob sie der Realität entsprachen oder Erfindungen oder Gerüchte darboten, waren sie ein wichtiger Teil der Auseinandersetzung um die Amts- und Lebensführung des Königs. Und deshalb dürfen sie bei der Darstellung des Konflikts nicht fehlen. 4 Diese Versuche hat Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 64 f. dokumentiert, sie fanden etwa in Corvey oder Gerstungen statt. 5 Vgl. etwa unten bei Anm. 23 ff. (Corvey und Gerstungen) und bei Kap. IV.2 Anm. 54 ff. (Tribur).
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Bei der Behandlung des Konflikts selbst ist es überdies ratsam, seine strukturellen Ursachen und den konkreten Anlass seines Ausbruchs auseinander zu halten. Beides wird in der pointierten Darstellung der sächsischen Autoren deutlich unterschieden und dies wird zum Teil auch durch ein Preisgedicht auf Heinrich IV. nach seinem Sieg über die Sachsen bestätigt. Anlass für den Ausbruch des Konflikts war ein Hoftag am Feste der Apostel Peter und Paul (29. Juni) des Jahres 1073, zu dem Heinrich nach Goslar eingeladen hatte. Die sächsischen Großen wollten diesen Hoftag nutzen, um dem König ihre Beschwerden über sein bisheriges Verhalten vorzutragen und eine Änderung in ihrem Sinne zu erzwingen. Dieses Vorhaben misslang nach Bruns Darstellung aus folgendem Grund – und das war nach seiner Einschätzung „die erste Ursache des Krieges, der Anfang aller folgenden Übel“: „Das Fest wurde also feierlich begangen, und als der Tag herangekommen war, den man für Verhandlungen festgesetzt hatte, versammelten sich die Bischöfe, Herzöge, Grafen und die übrigen Fürsten am frühen Morgen vor der Pfalz und warteten dort vergeblich, daß der König zu ihnen herauskäme oder sie zu sich hineinriefe. Denn er hatte die Türen seiner Kammer verschlossen und trieb innen mit seinen Schranzen Würfelspiel und andere unnütze Dinge unbekümmert darum, daß er so viele bedeutende Männer vor seiner Tür warten ließ, als seien sie die niedrigsten Knechte. So verging der ganze Tag, ohne daß er selbst oder ein Bote, der die Wahrheit berichtet hätte, herauskam. Als es schon Nacht geworden war, kam einer von seinen Höflingen heraus und fragte die Fürsten höhnisch, wie lange sie dort noch warten wollten, da der König schon zu einer anderen Tür hinausgegangen sei und in schnellem Ritt zu seiner Burg eile. Da gerieten alle über die schmähliche und hochmütige Behandlung seitens des Königs derart in Erregung, daß sie ihm noch in dieser Stunde alle zugleich und ohne jede Scheu offen die Treue aufgesagt haben würden, wenn nicht Markgraf Dedi dank seiner Klugheit ihren Zorn besänftigt hätte.“6 Das Verhalten Heinrichs gegenüber dieser Delegation sächsischer Fürsten wirkt in der Darstellung Bruns bewusst ehrverletzend und überaus provokativ. Es mag zugespitzt und übertrieben sein, gänzlich 6
Vgl. Bruno, De bello Saxonico, cap. 23, S. 27 f.
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erfunden hat Brun diese Situation aber allem Anschein nach nicht, denn auch die neutraleren Altaicher Annalen erzählen, die sächsischen Großen seien kaum zum König vorgelassen worden; man habe sie zudem ohne Ehre und eine zufrieden stellende Antwort wieder entlassen.7 Das geschilderte Verhalten des Königs lag damit ganz auf der Linie, die bereits zuvor Anlass zu Beschwerden gegeben hatte: Der König verweigere jede Beratung anstehender Probleme, so hören wir es von gegnerischen Stimmen ja immer wieder. Es fragt sich andererseits jedoch, ob es üblich und erlaubt war, sich auf die geschilderte Weise den Zugang zum König zu erzwingen und sich eigenmächtig in Fragen Gehör zu verschaffen, die man mit dem König beraten wollte. Die Antwort ist nicht ganz einfach, denn die Entscheidung, wann und über was beraten wurde, stand eigentlich nur dem König zu. In der Darstellung Bruns warteten die sächsischen Repräsentanten ja auch geduldig den ganzen Tag und versuchten keinesfalls, den Zugang zu erzwingen. Dass sie mit ihrem Verhalten den König jedoch stark unter Druck setzten, kann nicht zweifelhaft sein. Dieser Nötigung aber hat er sich verweigert. Folgerichtig brachte die Verhöhnung durch einen der Höflinge dann das Fass zum Überlaufen. Dies aber war nur der Anlass, nicht die Ursache des folgenden Konflikts. Die desavouierten sächsischen Großen fühlten sich so sehr im Recht und so sehr beleidigt, dass sie sich noch in derselben Nacht in einer Kirche trafen und dort eine Schwureinung mit dem Ziel eingingen, „lieber den Tod“ zu erleiden, „als ein solches Leben in Schmach und Schande zu führen“.8 Sie taten aber nicht nur dies. Sie riefen auch einen Stammestag nach Hoetensleben ein in der Absicht, alle Sachsen davon zu überzeugen, dass gegen Heinrichs Herrschaft nun Widerstand geleistet werden müsse. Mehrfach sind in den Quellen in diesem 7 Annales Altahenses, a. 1073, S. 85: Cumque malum hoc cresceret de die in diem, et rex in Goslare ageret principis apostolorum festivitatem, plures Saxonici principes illo devenere, si finem his malis possent impetrare. Qui post aliquot dies, vix intromissi ad regis praesentiam causaque dicta, sine honore et certo responso regrediuntur ad propria. 8 Bruno, De bello Saxonico, cap. 23, S. 28.
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Zusammenhang die Gravamina detailliert aufgezählt, die die Sachsen Heinrich zum Vorwurf machten. Diese stellten die eigentlichen Ursachen des Konflikts dar. Bruno hat Herzog Otto von Northeim den Kernvorwurf in seiner Eröffnungsrede auf dem Tag von Hoetensleben aussprechen lassen: „Unbill und Schmach, die unser König bereits seit langem über jeden einzelnen von euch allen gebracht hat, sind groß und unerträglich; aber was er noch zu tun vorhat, falls es der allmächtige Gott zuläßt, ist noch weit größer und schwerer. Starke Burgen hatte er, wie ihr wißt, in großer Zahl an von Natur aus festen Plätzen errichtet und ziemlich bedeutende Kräfte seiner Vasallen, mit aller Art Waffen reichlich versehen, in sie gelegt. Was diese Burgen bedeuten, haben die meisten bereits erfahren, und wenn es nicht Gottes Barmherzigkeit und eure Macht verhindern, werden es bald alle wissen. Denn nicht gegen die Heiden, die unser ganzes Grenzgebiet verwüstet haben, sind sie errichtet, sondern mitten in unserem Land, wo ihn niemals jemand zu bekriegen gedachte, wurden sie mit solchem Bollwerk befestigt. Euch, die ihr in der Nähe wohnt, nahmen sie mit Gewalt eure Habe und verschleppten sie in diese Burgen. Eure Frauen und Töchter mißbrauchten sie nach Gefallen zu ihrer Lust. Eure Knechte und euer Zugvieh fordern sie nach Belieben zu ihrem Dienst; ja sogar euch selbst zwingen sie, jede Last – und sei sie noch so schimpflich – auf euren Schultern zu tragen. Aber wenn ich mir in Gedanken vorstelle, was unser noch harrt, erscheint mir alles, was ihr jetzt erduldet, noch erträglich. Wenn er nämlich seine Burgen in unserem ganzen Land erst nach Gutdünken erbaut und sie mit bewaffneten Kriegern und allem übrigen Bedarf ausgerüstet haben wird, dann wird er eure Habe nicht mehr vereinzelt plündern, sondern alles, was ihr besitzt, wird er euch mit einem Schlag entreißen, wird euer Gut an Fremde geben und euch selbst, freie und adlige Männer, unbekannten Menschen als Knechte dienen heißen.“9 9 Bruno, De bello Saxonico, cap. 25, S. 28 f. Der Burgenbau und seine Folgen, wie sie hier angesprochen werden, gelten sicher zu Recht auch in der modernen Forschung als die Hauptursachen der Erhebung der Sachsen; vgl. zuletzt Robinson, Henry IV of Germany, S. 77.
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III. Die Sachsenkriege (1073–1075)
Kernpunkt des Vorwurfs, der hier mit beträchtlichem rhetorischem Geschick und Aufwand erhoben wird, ist der Burgenbau Heinrichs in Sachsen und die damit einhergehenden oder unterstellten Beeinträchtigungen sächsischer Freiheiten. Es lohnt sich daher, die Berechtigung dieses Vorwurfs eingehender zu prüfen. In der Forschung hat man lange Zeit die Rechtmäßigkeit dieses Burgenbaus betont. Heinrich habe die Burgen angelegt, um auf diese Weise die Wiedererlangung entfremdeten Reichsguts in die Wege zu leiten und zu sichern. Im Zuge des Übergangs von den Ottonen zu den Saliern sei Reichsgut unrechtmäßig in sächsische Hände gelangt; in der Zeit der Regentschaft sei weiteres verschenkt oder entfremdet worden. Der König habe diesen Prozessen mit seiner Revindikationspolitik gegenzusteuern versucht und sich hierbei vorzugsweise landfremder Burgbesatzungen bedient, bestehend namentlich aus Schwaben. Erstmals erwähnt wird dieser Burgenbau zum Jahre 1067, er soll dem König schon von Erzbischof Adalbert angeraten und vom Baumeister Bischof Benno von Osnabrück geleitet worden sein.10 Was also die Sachsen als Verletzung ihrer Rechte und in zugespitzter Polemik als den Versuch der Verknechtung ganz Sachsens deklarierten, soll in Wirklichkeit die Wiederherstellung alter Königsrechte gewesen sein. Systematische Untersuchungen haben aber deutlich gemacht, dass Verluste von Königsgut im fraglichen Raum kaum in größerem Umfang nachzuweisen sind.11 Und selbst wenn es in den Zeiten der Regentschaften in größerem Umfang zu Schenkungen gekommen sein sollte, war es dann erlaubt, diese Vergabungen gegen den Willen Vita Bennonis, cap. 9, S. 388 ff. Vgl. dazu ausführlich Fenske, Adelsopposition, S. 24, 28 f.; Giese, Der Stamm der Sachsen, S. 151–154; ders., Reichsstrukturprobleme, S. 287 f.; zuletzt Robinson, Henry IV of Germany, S. 86; allgemein Brachmann, Zum Burgenbau salischer Zeit zwischen Harz und Elbe. Zum Einfluss Adalberts auf Heinrich IV. siehe unten Kap. VI.4. 11 Für die ältere Forschungsmeinung vgl. Baaken, Königtum, Burgen und Königsfreie, S. 77 f., 81–84; ansonsten die Arbeiten von Krabusch, Untersuchungen zur Geschichte des Königsgutes unter den Saliern; Wilke, Das Goslarer Reichsgebiet und seine Beziehungen zu den territorialen Nachbargewalten, S. 24 f.; siehe dazu jetzt Schubert, Geschichte Niedersachsens, S. 263 ff.; ders., Königsabsetzung, S. 129 ff. 10
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ihrer neuen Besitzer wieder einzuziehen? Wohl kaum. Man wird überdies gegen solche Konstruktionen einwenden dürfen, dass Heinrich IV. sich im Frieden von Gerstungen 1074, der ein von Vermittlern ausgehandelter Ausgleich war, dazu bereit erklären musste, alle Burgen schleifen zu lassen. In diesem ersten Frieden hat man also den Bau der Burgen nicht als gerechtfertigte königliche Maßnahme, sondern als ein zu beseitigendes Gravamen angesehen. Die Argumentation der Sachsen gegen diese Burgen entsprach mit anderen Worten einem verbreiteten Rechtsbewusstsein, dem sich auch der König beugen musste. Bedenkt man, in welch hohem Maße vorherige Könige um die Ehrung und Belohnung ihrer wichtigsten Helfer bemüht gewesen waren, wird schnell einsichtig, dass Zwangsmaßnahmen wie der geschilderte Burgenbau mit allen seinen Folgeerscheinungen von Bedrückungen und Übergriffen kein anderes Ergebnis bringen konnten als eine Vergiftung des politischen Klimas und die Herausforderung von Widerstand. Auf dem Stammestag zu Hoetensleben setzte sich denn auch die Argumentation Ottos von Northeim durch, unterstützt von einer Reihe weiterer Klagen gegen Heinrich, die vornehme Sachsen aus persönlicher Erfahrung vortrugen. Die bereits existente Schwureinung gegen den König verbreiterte sich zu einer Bewegung, die alle Versammelten umfasste – und das war ein maximus exercitus.12 Dieses Heer wurde ganz bald aktiv und erschien, für den König völlig überraschend, drohend vor der Harzburg, in der sich Heinrich aufhielt. In den notgedrungen eingeleiteten Verhandlungen artikulierten die Sachsen noch einmal, was sie an der Amtsführung des Königs auszusetzen hätten und in welchen Punkten sie auf einer Änderung bestünden. Anderenfalls würden sie gegen ihn einen „gerechten Krieg“ führen. Sie hatten durch ihre drohende Haltung nun endlich erreicht, dass der König und seine Helfer sich auf ihre Beschwerden einlassen mussten. Die sächsischen Forderungen schildert Lampert von Hersfeld in einem langen Katalog, während Bruno im gleichen Zusammenhang nur die Niederlegung der Burgen als sächsische Forderung nennt. Lampert dagegen bringt ein ganzes Bündel von Vorwürfen, das gewiss die Berechtigung zu einem bellum iustum, einem gerechten Krieg, nach den Maßstäben 12
Diese Einschätzung bietet Bruno, De bello Saxonico, cap. 26, S. 30.
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der Zeit lieferte, wenn die Vorwürfe denn auch nur einigermaßen begründet waren. Es ging nun in der Tat, wie man neuerdings formuliert hat, um „das Aufbäumen gegen einen herrscherlichen Zugriff, den man als willkürlich und ungerecht, als die Freiheit beraubend und tyrannisch empfand“.13 Hiergegen richteten sich die folgenden Forderungen der Sachsen: Sie „verlangten, daß ihnen die Teilnahme an dem vom König geplanten Feldzug gegen Polen erlassen würde. […] Außerdem verlangten sie, er solle die Burgen niederlegen lassen, die er überall auf Bergen und Hügeln zur Vernichtung Sachsens erbaut hatte; er solle ferner den sächsischen Fürsten, deren Güter er ohne gerichtliche Untersuchung eingezogen hatte, auf Grund eines Urteilsspruches ihres Fürstengerichts Genugtuung leisten; er solle Sachsen, wo er schon seit seiner Kindheit residiere und in Müßiggang und Faulheit schon nahezu völlig erschlafft sei, zeitweise verlassen und auch einmal andere Teile seines Reiches aufsuchen; er solle das Gesindel, durch dessen Ratschläge er sich und das Land zugrunde gerichtet habe, vom Hof verjagen und die Verwaltung der Reichsgeschäfte den Fürsten überlassen, denen sie zustehe; er solle auch den Schwarm der Konkubinen verabschieden, denen er gegen die kanonischen Bestimmungen beiwohnte, ohne vor Scham zu erröten, und die Königin, die er sich nach den Satzungen der Kirche zur Genossin des Ehebettes und Mitinhaberin des Thrones erwählt habe, als seine Gemahlin behandeln und lieben; er solle den sonstigen ruchlosen Schändlichkeiten, durch die er als junger Mann die königliche Würde entehrt habe, wenigstens jetzt bei reiferem Verstand und Alter entsagen. Zuletzt baten sie ihn bei Gott, sie nicht zu einem folgenschweren und ungewöhnlichen Vorgehen zu zwingen, sondern ihren berechtigten Forderungen stattzugeben.“14 Weinfurter, Herrschaft und Reich der Salier, S. 119. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1073, S. 151 f.: […] postulantes, ut expeditio, quam in Polenos instituerat, sibi remitteretur; […] Preterea postulant, ut castella, quae ad eversionem Saxoniae per singulos montes colliculosque extruxerat, dirui iuberet; ut principibus Saxoniae, quibus sine legittima discussione bona sua ademerat, secundum principum suorum iurisdictionem satisfaceret; ut relicta interdum Saxonia, in qua iam a puero residens ocio atque ignavia pene 13
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Zwar steht die Forderung nach Beseitigung der Burgen immer noch an prominenter Stelle dieses Katalogs, sie ist nun aber flankiert von Forderungen teils politischer, teils moralischer Art, die einen tiefen Einblick in die sächsische Auffassung vom Königtum Heinrichs IV. erlauben. Bemerkenswert ist gewiss die Entschiedenheit, mit der die Beratungspraxis des Königs verurteilt wird. Genauso entschieden klingen aber die moralischen Vorwürfe, die Heinrich hinsichtlich seiner Lebensführung gemacht werden. Was von Lampert hier abstrakt als Forderung der Sachsen formuliert ist, findet sich interessanterweise in konkreten Geschichten wieder, mit denen Brun in seinem Buch vom Sachsenkrieg die Unfähigkeit Heinrichs zur Königsherrschaft zu beweisen versucht. In nicht weniger als zehn Kapiteln bringt der Chronist Beispiele für Heinrichs sexuelle Zügellosigkeiten und seine willkürlichen Mordakte an Vertrauten, die seinen Unwillen erregt hatten. Man wird unabhängig vom Wahrheitsgehalt der einzelnen Geschichten unterstellen dürfen, dass diese von den Sachsen für wahr gehalten wurden. Zusätzlich zu den Vorwürfen wegen des Burgenbaus und der Beratung mit den falschen Leuten gründete der sächsische Widerstand daher auf einem vernichtenden Urteil über die fehlende moralische Integrität des Königs, die man nicht länger zu akzeptieren bereit war. Brun hatte bereits im ersten Kapitel seines Buches seine Darstellung der Jugend Heinrichs IV. mit einigen durchaus pessimistischen Äußerungen eingeleitet: „Das Dornengestrüpp der Lüste macht ja in dieser Welt selbst denen Mühe, die es durch häufiges Fasten im Innern
emarcuisset, etiam alias regni sui partes inviseret; ut vilissimos homines, quorum consilio seque remque publicam precipitem dedisset, de palacio eiceret et regni negocia regni principibus, quibus ea competerent, curanda atque administranda permitteret; ut abdicato grege concubinarum, quibus contra scita canonum attrito frontis rubore incubabat, reginam, quam sibi secundum ecclesiasticas traditiones thori sociam regnique consortem delegisset, coniugali loco haberet et diligeret; ut caetera flagiciorum probra, quibus dignitatem regiam adolescens infamaverat, nunc saltem maturato sensu et aetate abdicaret. Postremo per Deum rogant, ut iusta postulantibus sponte annueret nec sibi magni cuiusquam atque inusitati facinoris necessitatem imponeret.
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ausdörren und durch anhaltendes Gebet völlig entwurzeln. Um so üppiger aber wucherte es in ihm [sc. Heinrich], weil weder er selbst, der im ersten Feuer der Jugend brannte und in den Genüssen königlichen Überflusses schwelgte, es aus dem Acker seines Herzens ausjätete, noch irgendeiner wagte, es mit dem Schwert des Tadels zu vernichten; denn der König duldete keine Mahner.“15 In den nächsten Kapiteln konkretisiert Brun dann diese allgemeinen Äußerungen: „Zwei oder drei Konkubinen hatte er zur gleichen Zeit, aber auch damit war er noch nicht zufrieden. Wenn er hörte, jemand habe eine junge und hübsche Tochter oder Gemahlin, befahl er, sie ihm mit Gewalt zuzuführen, wenn er sie nicht verführen konnte. Zuweilen begab er sich auch selbst mit ein oder zwei Begleitern bei Nacht dorthin, wo er solche wußte. Manchmal gelangte er ans Ziel seiner üblen Begierde, manchmal war er auch nahe daran, von den Eltern oder dem Gemahl seiner Geliebten umgebracht zu werden.“16 Es folgt eine phantastische Geschichte, die allen literarischen Ansprüchen an den Erzähltyp vom betrogenen Betrüger gerecht wird: Heinrich habe einen seiner Vertrauten damit beauftragt, die Königin, seine Gemahlin, zu verführen, um diese dann verstoßen oder sogar töten zu können. Die Königin durchschaute nach der Geschichte jedoch die bösen Absichten ihres Gemahls und ließ sich zum Schein auf die Sache ein. Sie nutzte jedoch in der Nacht mit ihren Dienerinnen die Gelegenheit, den König, der Zeuge des Ehebruchs werden wollte, grün und blau zu schlagen, indem man so tat, als verabreiche man dem Verführer die verdiente Tracht Prügel.17 Diese und viele vergleichbare Vorwürfe über Willkürakte Heinrichs und seiner Helfer gehörten also zu den Gravamina, mit denen die Sachsen in die Verhandlungen gingen, die vor der Harzburg stattfanden und die mit dem Ziel geführt wurden, den König entweder zu einer Veränderung seines Verhaltens zu bewegen oder das Joch seiner Herrschaft mit Gewalt abzuschütteln. Geführt haben diese Verhandlungen auf Seiten der Sachsen in erster Linie Otto von Northeim, von Bruno, De bello Saxonico, cap. 1, S. 14. Bruno, De bello Saxonico, cap. 6, S. 16. 17 Bruno, De bello Saxonico, cap. 7, S. 17. 15 16
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Seiten des Königs der Herzog Berthold von Zähringen, der Münsteraner Bischof Friedrich und der königliche Kaplan Siegfried, die jedoch nicht imstande waren, den König zu dem geforderten Einlenken zu bewegen, „so sehr sie sich auch bemühten“.18 Die gegnerischen Chronisten nutzen diese Gelegenheit wieder zu einem massiven Vorwurf an die Adresse Heinrichs: „Da traute er selbst seinen engsten Freunden nicht mehr, weil sie ihm nicht den Rat gegeben hatten, den er hören wollte. Er entfernte sie alle und überlegte ganz allein, was er tun solle.“19 Ergebnis dieser Überlegung war seine heimliche Flucht aus der Harzburg, die er mit wenigen Begleitern unternahm. Drei Tage lang irrten sie durch die dichten Wälder, ehe sie in Eschwege und Hersfeld wieder bekanntes Terrain erreichten und auf die Kontingente der Reichsfürsten stießen, die sich verabredungsgemäß zu dem geplanten Polenfeldzug eingefunden hatten. Heinrich sei dort den Fürsten zu Füßen gefallen, berichten seine Gegner, und habe Klage geführt über „das Verbrechen der Majestätsbeleidigung, das nicht ihn allein betreffe, sondern eine öffentliche Beschimpfung all derer sei, die ihn zum König gewählt hätten […]. Als er so sprach, entlockte er durch seine schmachvollen Erlebnisse wie durch die Ergüsse seiner mitleiderregenden Klage allen Anwesenden Tränen.“20 In der Tat gab es einige Fürsten, die bereit waren, ihre Krieger nun gleich gegen die Sachsen zu führen, um die Beleidigung des Königs zu rächen, doch entschied die Mehrheit offensichtlich behutsamer: Sie trugen „mehr Sorge für ihre eigene Ehre als die des Königs und versprachen ihm Hilfe unter der Bedingung, daß die Sachsen zu einer Verhandlung berufen würden und sie sorgfältig die Sache beider Parteien untersuchen könnten“.21 Heinrich erreichte keine direkte Vergeltungsaktion, sondern nur die Bereitschaft, sich im Oktober erneut zu Siehe dazu Bruno, De bello Saxonico, cap. 27, S. 31. Bruno, De bello Saxonico, cap. 27, S. 31: […] ipse iam nec amicis familiaribus, quia non, ut volebat, sibi consilium dederant, fidem habuit, sed omnibus semotis solus secum, quid ageret, deliberans […]. 20 Detailliert berichten Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1073, S. 156 f. und Bruno, De bello Saxonico, cap. 27, S. 31 f. 21 Bruno, De bello Saxonico, cap. 30, S. 33. 18
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einem Feldzug gegen die Sachsen einzufinden. Bis dahin blieb einige Zeit für Vermittlungsbemühungen. Die Sachsen selbst nutzten diese Zeit zum einen zu einem Bündnis mit den Thüringern, die ob ihres Zehntstreits mit dem Mainzer Erzbischof nur allzu bereit waren, mit ihren Nachbarn gemeinsame Sache gegen den König zu machen. Zum anderen begannen sie erfolgreich, die verhassten Burgen zu belagern und zu erobern. Durch Austausch mit der Besatzung der Lüneburg kam nun endlich auch Magnus Billung wieder in Freiheit.22 Heinrich IV. trug der misslichen Lage seiner Burgbesatzungen in Sachsen insofern Rechnung, als er die Erzbischöfe von Mainz und Köln beauftragte, in Verhandlungen einen Ausgleich mit den Sachsen zu suchen. Anno von Köln hat sich aus unbekannten Gründen dieser Aufgabe zwar entzogen, doch verhandelte Siegfried von Mainz am 24. August mit den Sachsen in Corvey, und der Ausgang dieser Verhandlungen war einigermaßen überraschend: „Diese [sc. die Sachsen] brachten außer den allgemein bekannten Rechtswidrigkeiten, durch die der König ihnen großen Schaden zugefügt hatte, noch wichtige Gesichtspunkte vor zum Beweis dafür, daß er ohne schwere Schädigung des christlichen Glaubens nicht länger regieren könne; habe er doch gegen seine vertrautesten Freunde, gegen seine Gemahlin, gegen seine eigene Schwester, die Äbtissin von Quedlinburg, und gegen andere, ihm durch Verwandtschaft aufs engste verbundene Personen derartige Schandtaten begangen, daß in einem Gerichtsverfahren nach dem Kirchenrecht ein Urteil auf Ehescheidung, Entzug des Rittergürtels, völligen Ausschluß vom weltlichen Leben und erst recht von der Regierung ergehen müßte. Nach langen Debatten kam schließlich der Beschluß zustande, daß zwölf Bürgen aus ihrem Stamm und zwölf von seiten des Königs gestellt werden sollten, die ihnen sicheres Geleit zu einer Verhandlung mit den übrigen Reichsfürsten gewährleisteten, damit die gegen den König erhobenen Beschuldigungen von diesen untersucht und nach ihrem Urteil darüber entschieden würde, und zwar, wenn es ihnen förderlich erscheine, in Gegenwart des Königs, der dann, wenn er dazu imstande sei, die Anklagen widerlegen Zu den Einzelheiten dieser frühen Phase der Auseinandersetzung siehe Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, S. 250–255, 264f. 22
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könne.“23 Als Termin wurde der 20. Oktober und als Ort der Untersuchung Gerstungen im thüringisch-hessischen Grenzgebiet bestimmt. Man sieht an diesen Ausführungen, dass die Sachsen ihre Linie, die sittlichen Verfehlungen des Königs zum Thema zu machen und so seine Amtseignung in Frage zu stellen, voll beibehielten. Ihre Argumente wurden allem Anschein nach nun noch konkreter und massiver, denn die vorgebliche Schandtat gegen die Äbtissin Adelheid von Quedlinburg benennt Brun beim Namen – und nach ihm auch andere Autoren: „Nur dieses eine möge hier noch zuletzt angefügt werden, was der gerechte Richter nicht ohne Strafe lassen möge, die Schande nämlich, die er seiner Schwester angetan hat, als er sie mit eigenen Händen niederhielt, bis sie ein anderer auf seinen Befehl und in Gegenwart des Bruders vergewaltigt hatte. Es nützte ihr nichts, daß sie die Tochter eines Kaisers, daß sie seine von beiden Eltern her ausgezeichnete Schwester, daß sie durch den heiligen Schleier Christus anverlobt war.“24 23 Vgl. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1073, S. 162: Sed illi econtra preter vulgatas ubique iniurias suas, quibus ab eo vehementer attriti fuerant, graves causas afferebant, quibus probarent eum sine magna christianae religionis iactura non posse ulterius regnare, ea scilicet in familiarissimos amicos, ea in uxorem, ea in sororem propriam, abbatissam de Quidelenburc, ea in alias personas naturae necessitate sibi coniunctissimas facinora patrasse, quae si secundum ecclesiasticas leges iudicarentur, et coniugium et miliciae cingulum et omnem prorsus seculi usum, quanto magis regnum, abdicare censeretur. Longis itaque contentionibus ad hunc finem postremo res deducta est, ut decernerent XII ex sua gente, XII ex parte regis obsides dari, quorum fide interposita ipsi tuto ad colloquium venire possent cum caeteris principibus regni, ut causae, quas adversus regem afferrent, eorum iudicio discuterentur et terminarentur, ipso rege, si ita expedire videretur, presente et crimina, quae obicerentur, si posset, refellente. 24 Vgl. Bruno, De bello Saxonico, cap. 9, S. 18: […] quod in eo iustus iudex inultum non relinquat, ignominia videlicet, quam sorori suae fecit, quod eam manibus suis depressam tenuit, donec alius ex ipsius iussu coactus fratre praesente cum ea concubuit; cui non profuit, quod imperatoris filia, quod ipsius ex utroque parente soror unica, quod sacro capitis velamine Christo fuerat desponsata; vgl. dazu auch Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1073, S. 162; Annales s. Didibodi, a. 1075, S. 6 f. Siehe dazu bereits Tellenbach, Der Charakter Kaiser Heinrichs IV., S. 348 f.; jüngst Struve, War Heinrich IV. ein Wüstling?, S. 274f.
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Abb. 3: Quedlinburg. Krypta der ehemaligen Damenstiftskirche St. Servatius. Grabmäler der Äbtissinnen Adelheid I., Beatrix und Adelheid II. (von links).
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Es stellt sich hier wohl in besonderer Eindringlichkeit die Frage, ob man eine Aussage über den Wahrheitsgehalt dieser ungeheuerlichen Anschuldigung machen kann. In aller Vorsicht wird man folgende Hinweise für gerechtfertigt halten: Die Anschuldigung war Bestandteil der angesprochenen politischen Verhandlungen. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass sie als unberechtigt oder gar als abwegig verworfen worden wäre. Diese Art von Vorwürfen gegen Heinrich IV. blieb überdies ein Dauerthema seiner Herrschaft und wird uns später wieder beschäftigen.25 Diese Hinweise berechtigen natürlich nicht dazu, die Vorwürfe für wahr zu halten. Sie warnen aber auch davor, sie allzu schnell als Hirngespinste fanatischer Gegner oder als Gerüchte abzutun. Gewiss definiert Isidor von Sevilla es als Wesenszug von Tyrannen, dass sie eine Begierde nach wollüstiger Herrschaft hätten.26 Wenn man also jemand als Tyrannen charakterisieren wollte, lag es nahe, ihn als schamlos darzustellen – und das am besten möglichst drastisch. Es fragt sich aber, ob diese Überlegung allein ausreicht, das Entstehen der zitierten Vorwürfe gegen Heinrich IV. zu erklären. Schließlich wurden sie in Verhandlungen eingebracht, in denen Anhänger des Königs überzeugt werden sollten. Jedenfalls kann man die Sachlage nur als höchst brisant einstufen, als sich tatsächlich am 20. Oktober 1073 die Parteien wie verabredet zu den entscheidenden Verhandlungen in Gerstungen trafen. Die sächsischen Unterhändler kamen im Schutze einer großen Zahl von Kriegern, während die Vertreter Heinrichs IV., der selbst nicht anwesend war, sondern in Würzburg den Ausgang der Verhandlungen abwartete, eine hochkarätige Delegation darstellten: Zu ihr gehörten die Erzbischöfe Anno von Köln und Siegfried von Mainz, die Bischöfe Hermann von Metz und Hermann von Bamberg sowie die Herzöge Gozelo von Lothringen, Rudolf von Schwaben und Berthold von Kärnten. Man kann also ohne jeden Zweifel sagen, dass in dieser Krisensitua-
Siehe dazu unten Kap. VI.1.4. Vgl. Isidor von Sevilla, Etymologiae, lib. 9, cap. 3, § 20: Iam postea in usum accidit tyrannos vocari pessimos atque inprobos reges, luxuriosae dominationis cupiditatem et crudelissimam dominationem in populis exercentes. 25
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tion die ranghöchsten Reichsfürsten die Initiative übernommen und ihr Gewicht in die Waagschale geworfen haben.27 Wir haben für diese Verhandlungen nun die exzellente Möglichkeit, auch die Bewertung der Seite Heinrichs IV. in die Interpretation einzubeziehen, denn auch das Preisgedicht auf Heinrichs Sieg im Sachsenkrieg kommt ausführlich auf die Verhandlungen von Gerstungen zu sprechen.28 Es schildert die Vorbereitungen zu den Verhandlungen mit dem Versprechen der Sachsen, den Rat der Großen des Reiches zur Wiederherstellung von Frieden und Eintracht befolgen zu wollen: „Ihr, die ihr für das Reich sorgt, Getreue des Königs, daß ihr eure Hilfe einsetzt zum Wohle des Friedens und durch euren Rat Gefahr vermieden wird, ist die Hoffnung der Unsrigen. Sie wollen ihm stets folgen und bekennen, sich gegen den König vergangen zu haben. Doch gemäß eurem Befehl wollen sie dies sühnen, wie es dem König gefällt. Gewährt also den Bittenden nur diese Gnade, mit euch zusammenzutreffen und euch die Sache der Reihe nach zu erläutern, und beschließt, was ihr ihnen befehlen wollt.“29 Auch die gegnerische Stimme akzentuiert also den Versuch der Sachsen, die Fürsten durch Argumente von der Rechtmäßigkeit der eigenen Position zu überzeugen. Sie verurteilt dies zwar als List und Ränkespiel, kann aber nicht verhehlen, dass es erfolgreich war: „Die Bischöfe also, die Vornehmsten, Grafen und Herzöge, trafen mit den Sachsen auf dem Feld zusammen. Manche Klage führten die Sachsen über den König, bald auch erinnerten sie an die oben genannten BeVgl. hierzu zuletzt Schlick, König, Fürsten und Reich, S. 21 ff. Zu den Verhandlungen siehe bereits eingehend Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 64f.; außerdem Giese, Der Stamm der Sachsen, S. 157; Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, S. 287 ff. 28 Zu diesem Carmen de bello Saxonico siehe Schluck, Vita Heinrici, bes. S. 30 ff. 29 Carmen, lib. 2, S. 8, v. 13–22: O provisores regni regisque fideles, / Auxiliis vestris usi per prospera pacis, / Haec et consilio vitare pericula vestro / Sperant nostrates. Cui parent usque volentes, / Adversus regem se deliquisse fatentur. / Sed quocunque modo vos vultis sive iubetis, / Utque placet regi, sunt haec purgare parati. / Hanc igitur veniam prestate petentibus unam, / Ut vos conveniant, rem vobis ordine pandant; / Et decernatis, quid vos sibi precipiatis. 27
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schwerden, daß sie nur gereizt begonnen hätten, solches zu betreiben. Mit solchem Ränkespiel brachten sie die Fürsten vom rechten Weg ab, so daß jeder ihr Beginnen billigte und sie die feste Zusicherung gaben, den König zu mahnen, daß er ihnen das Recht der Väter zurückgebe und das Vorgefallene verzeihe. Wenn er das aber nicht wolle, würden sie ihnen, die gerechte Forderungen erhöben, nicht schaden. Durch welche Künste jedoch sich die Fürsten verleiten ließen, daß sie jenem Volk damals die verbrecherische Zustimmung gaben, das soll an anderer Stelle offenbar werden – möge mir Leben und Gesundheit erhalten bleiben.“30 Letzteres Versprechen hat der Autor nicht eingelöst, wir wissen nicht, welche Künste es waren, die die Sachsen anwandten. Die Ausführungen bieten aber einen Schlüssel zum Verständnis der Verhandlungen, denn sie bezeugen klar, dass die Sachsen mit ihren Argumenten die Fürsten des Reiches überzeugten, sich für die Gerechtigkeit der sächsischen Sache beim König einzusetzen und ihn zu zwingen, den Konflikt ohne Schaden für die Sachsen zu beenden und überdies seine bisherige Politik vollständig zu revidieren. Dieses Eingeständnis des königlichen Panegyrikers korreliert vollständig mit den Bewertungen, die die sächsischen Autoren von den Verhandlungen in Gerstungen und ihren Ergebnissen überliefern. Die Sachsen haben in der Tat in den Verhandlungen die Fürsten der königlichen Seite überzeugt, und diese haben Friedensbedingungen zugestimmt und in der Folge auch durchgesetzt, die eine weitgehende Aufgabe der bisherigen Politik Heinrichs bedeuteten. Die eindringlichste und zugleich in der Sache extremste Version bietet Lampert: „Die sächsischen Fürsten baten die Abgesandten des Königs fußfällig um Gottes Willen, bei der Carmen, lib. 2, S. 8 f., v. 32–44: Pontifices igitur, primi comitesque ducesque / Conveniunt iuncti Saxonibus aequore campi. / Plurima Saxones de domno rege querentes, / Nunc supradictas etiam meminere querelas, / Qualiter impulsi cêpissent talia niti; / Compositisque dolis sic pervertere potentes / Ex aequo, ceptum quo quisque probaret eorum, / Astringantque fidem se regem commonituros, / His ut ius patrium reddat, commissa remittat; / Si nollet, se iusta petentibus haud nocituros. / Sed quibus inducti primates artibus illi / Genti consensum tunc prebuerint scelerosum, / Hoc alias patefit, mihi vita salusque supersit. 30
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Behandlung ihrer Sache genau zu prüfen und gerecht zu richten und dabei nicht in Betracht zu ziehen, was für ein folgenschweres und im Reich ungewöhnliches Unternehmen sie in Angriff genommen, sondern durch welche Notlage sie zu diesem Äußersten gezwungen worden seien. Als ihnen dann das Wort erteilt wurde, legten sie nacheinander dar, was für abscheuliche Verbrechen der König gegen jeden einzelnen wie gegen ihren ganzen Stamm begangen habe und durch welche unerhörten Schandtaten er außerdem noch die Majestät des königlichen Namens befleckt habe. Da staunten die vom König abgeordneten Fürsten, und wegen der Ungeheuerlichkeit der Verbrechen klangen, wie der Prophet sagt, allen die Ohren, und sie meinten nun, daß die Sachsen nicht deshalb zu tadeln seien, weil sie für ihre Freiheit, für Frau und Kind zu den Waffen gegriffen, sondern weil sie mit weibischer Geduld unerträgliche Schmach so lange ertragen hätten. Drei volle Tage lang hielten sie nun Rat und erwogen in gemeinsamer Bemühung, was zu tun sei; schließlich beschlossen sie einstimmig, den König abzusetzen und einen anderen zu wählen, der für die Regierung des Reiches tauglich sei. Man beschloß jedoch, dies nicht vorzeitig der Öffentlichkeit preiszugeben.“31 In der Forschung ist vor allem der letzte Teil der Ausführungen Lamperts auf Skepsis gestoßen, da Aktivitäten zur Wahl eines neuen Königs in der Folgezeit gänzlich ausblieben. Der Kern seines Berichts, die Übereinstimmung der Sachsen und der Fürsten, ist dagegen nicht anzuzweifeln, da er durch die folgende Entwicklung bestätigt wird. Die nächsten Monate sahen nämlich eine Fülle verdeckter Bemühungen, den König dazu zu bewegen, in den Frieden einzuwilligen, und Versuche des Königs, doch noch ein Heer gegen die Sachsen zusammenzubringen und den Konflikt militärisch zu entscheiden. In die Wintermonate fällt ein aufsehenerregendes Ereignis, das die Hektik und das allseitige Misstrauen schlagend verdeutlicht. Ein Vertrauter des Königs namens Reginger ging plötzlich mit der Beschuldigung an die Öffentlichkeit, Heinrich IV. habe ihn dazu veranlassen wollen, die Herzöge Rudolf und Berthold zu ermorden.32 Zum Beweis 31 32
Vgl. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1073, S. 165. Vgl. dazu am ausführlichsten Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1073,
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der Richtigkeit seiner Beschuldigung bot er, wie einstmals Egino, an, in einem Zweikampf mit dem König oder einem Stellvertreter zu beweisen, dass die Anschuldigung wahr sei. In der Tat wurde ausgemacht, dass Reginger zu einem bestimmten Termin mit einem Vertreter des Königs, Ulrich von Godesheim, die Sache im Gottesurteil des Zweikampfes austragen solle. Wenige Tage vor dem Termin wurde dieser Reginger jedoch „von einem bösen Dämon befallen und starb eines grauenvollen Todes“. Die Wirkung dieser Geschichte auf das Verhältnis des Königs zu den genannten Herzögen und weit darüber hinaus kann man sich leicht ausmalen. Und es fragt sich, ob der mysteriöse Tod dieses Reginger geeignet war, den Verdacht, er habe die Wahrheit gesagt, zu zerstreuen.33 So kam es dann zwar dazu, dass sich Truppen Heinrichs IV. und der Sachsen im tiefsten und bitterkalten Winter 1074 feindlich gegenüberstanden. Doch zwangen nun die Fürsten in seinem Heer Heinrich IV. dazu, in einen friedlichen Ausgleich einzuwilligen, in dem die wesentlichen sächsischen Forderungen erfüllt wurden. „Deshalb mußte der König auf Geheiß seiner Fürsten zu den Sachsen schicken und ihnen versprechen, alles zu tun, was sie ihm vorschreiben würden, wenn sie ihm nur die vom Vater vererbte Würde nicht versagen wollten […]. Darauf überredeten Herzog Otto und andere, denen große Versprechungen gemacht worden waren, die übrigen, den König unter folgenden Bedingungen wieder anzuerkennen: Er müsse seine Burgen zerstören und dürfe sie nie wieder herstellen; er dürfe ihr Land nicht mehr plündern und müsse in Sachsen alle Anordnungen nach dem Rat der Sachsen treffen; er dürfe keinen Mann aus fremdem Stamm als Berater bei ihren Angelegenheiten hinzuziehen und sich niemals an einem von ihnen wegen seiner Vertreibung rächen.“34 Heinrich willigte S. 166 ff.; andere Erwähnungen des Vorfalls bietet Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, S. 291–297, 307–309. 33 Interessanterweise hat keine gegnerische Stimme den eigenartig plötzlichen Tod Regingers dazu genutzt, den Vorwurf zu erheben, Heinrich habe ihn vergiften lassen; Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, S. 848; Tellenbach, Der Charakter Kaiser Heinrichs IV., S. 357 ff. 34 Bruno, De bello Saxonico, cap. 31, S. 34; Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1074, S. 175–180; Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, S. 315–325.
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in diesen Frieden ein, der nichts anderes als einen vollständigen Verzicht auf seine bisherigen Positionen und eine totale Niederlage bedeutete, die ihm wesentlich von den eigenen Großen bereitet worden war.35 Man kann und muss also von einer ersten Phase der Sachsenkriege sprechen, nach der durch das Eingreifen der Reichsfürsten die sächsischen Forderungen in einem Friedensschluss akzeptiert wurden und vor allem die Zerstörung der Burgen von Heinrich zugesagt wurde. Damit war ein ziemlich eindeutiges Urteil über die bisherige Politik des Königs gefällt. Ohne dass es zu einer Schlacht gekommen wäre, hatten die Regeln gütlicher Konfliktbeilegung gegriffen, die Fürsten hatten als Vermittler die Verantwortung für den Frieden übernommen und die sächsischen Forderungen als gerechtfertigt anerkannt.36 Diese Tatsache ist deshalb hervorzuheben, weil ein gutes Jahr später Heinrich IV. mit Hilfe eben dieser Fürsten in der Lage war, die Sachsen militärisch zu besiegen und zur Unterwerfung zu zwingen. Was hat diesen Umschlag bewirkt?
2. Der Frevel der Sachsen und seine Konsequenzen Heinrich hatte, wie kaum anders zu erwarten, mit der versprochenen Zerstörung seiner Burgen nur zögerlich begonnen. Dies führte dazu, dass Sachsen im Falle der Harzburg die Sache in eigene Hände nahmen und es bei der Zerstörung zu Freveltaten kam, die eine neue Lage schufen. Da dies selbst die sächsischen Quellen berichten, gibt es über den Tatbestand wenig Unklarheiten: „Als die Bauern indessen den Ort in ihre Gewalt bekommen hatten, von dem sie seit langer Zeit viel Böses erduldet, kümmerten sie sich nicht mehr um die Befehle, son35 Dies ist interessanterweise in der bisherigen Forschung so deutlich selten gesagt worden. Vgl. Giese, Der Stamm der Sachsen, 158f.; Robinson, Henry IV of Germany, S. 95–99; Weinfurter, Herrschaft und Reich der Salier, S. 123. Entschiedener Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 64f., 91f. 36 Diesen Akzent setzt auch Kamp, Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter, S. 175 f.
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dern taten, was schon längst ihr Wunsch war, und ließen nicht eher von der Zerstörung ab, als bis sie keinen Stein mehr auf dem anderen sahen. […] Die Boten des Königs wagten kein Wort zu sagen, da die Bauern auch sie, falls sie einen Einspruch versuchten, mit dem Tode bedrohten. Infolgedessen rissen sie auch die Stiftskirche […] bis auf die Fundamente nieder, plünderten den ganzen dort zusammengebrachten Schatz, […] gruben den Sohn und den Bruder des Königs, die dieser dort bestattet hatte, aus und zerstreuten ihre Gebeine wie gemeinen Unrat und ließen durchaus nichts von der Burg übrig.“37 Die Versuche der sächsischen Fürsten, den Kirchen- und Grabfrevel, bei dem es nichts zu entschuldigen gab, allein sächsischen Bauern anzuhängen, fruchteten nichts. Heinrich IV. nutzte die Gelegenheit entschlossen, dem ganzen sächsischen Stamm den Bruch des Friedens anzulasten und von den Fürsten Rache für diese ungeheuerliche Verletzung der Majestät zu fordern: „Er versammelte also die Fürsten jener Lande, warf sich bald vor den einzelnen, bald vor der ganzen Versammlung demütig zu Boden und erhob Klage, daß das Unrecht, das ihm früher mit seiner Vertreibung zugefügt worden sei, ihm nun unbedeutend erscheine, dieses neue aber dagegen groß und unsühnbar. […] Seinen Bruder und seinen Sohn, beide Söhne von Königen, hätten sie in Mitleid erregender Weise aus ihren Gräbern gerissen und ihre Glieder in alle Winde zerstreut. Das Entsetzlichste sei aber, daß sie die Reliquien der Heiligen mit entweihender Hand von den geweihten Altären gerissen und wie Unrat auf unheilige Stätten zerstreut hätten. Das alles brachte er unter Tränen vor, dann küßte er jedem die Füße und bat, sie möchten wenigstens die Gott und seinen Heiligen angetane Schmach nicht ungestraft lassen, wenn sie schon das ihm selbst zugefügte Unrecht nicht rächen wollten.“38 Bruno, De bello Saxonico, cap. 33, S. 35 f. Siehe auch Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1074, S. 183 f. 38 So Bruno, De bello Saxonico, cap. 35, S. 36 f.: Congregatis itaque illarum partium principibus nunc singulis, nunc universis humiliter se prosternens querimoniam fecit, dicens, quod priores suae expulsionis iniuriae sibi nunc leves essent, istas sibi magnas et insanabiles videri; […] fratrem filiumque suum, utrumque prolem regiam, miserabiliter a sepulcris eiectos in ventum membratim dispergerent, et quod his omnibus magis esset nefandum, sanctorum reliquias ab 37
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Der König wusste ganz offensichtlich, dass ihn die sächsischen Übergriffe in eine gänzlich neue Lage gebracht hatten, und nutzte dies zielstrebig mit allen argumentativen und rituellen Mitteln aus. Tränen, Fußfälle und sogar Fußküsse dienten dazu, die Dringlichkeit seiner Bitten den Fürsten vor Augen zu führen.39 Die Frevel bedeuteten in der Tat einen Bruch des Friedens, und dieser Argumentation hat man sich im Reich nicht entzogen, auch wenn die sächsischen Quellen voll von Entschuldigungen und Angeboten von Genugtuung für das Unrecht sind, mit denen die sächsischen Großen die Lage retten wollten. Wer einen von Vermittlern ausgehandelten und garantierten Frieden brach, konnte nicht damit rechnen, dass die Sache danach ein zweites Mal gütlich geregelt wurde, sondern musste in Kauf nehmen, dass nun die Waffen sprachen. Heinrich hatte alle Gewohnheiten auf seiner Seite, wenn er jetzt gerade von denen, die für den ersten Frieden verantwortlich waren, Unterstützung bei seiner Rache forderte. Geradezu triumphierend schildert das Preislied auf Heinrich IV., welche Wirkung der Frevel hatte: „Die Kunde der Tat verbreitete sich und erfüllte das ganze Reich. Von den grausamen Taten der gottesschänderischen Sachsen, den neuen Listen und den Verletzungen des Friedensvertrages waren alle erschüttert. Die Fürsten sogar klagten sich mit eigener Stimme an, sie hätten schon früher gehört, daß das Volk gottlos sei, durch List täusche und Rechte des Königs verneine. Jedes Geschlecht und Alter verfluchte sie alsbald. Sobald der große König von diesem Verbrechen hörte, er, der überaus milde, tapfer im Kampf, da brannte sein Herz, vom Eifer für die Gerechtigkeit entflammt, und Zorn entflammte ihn gegen solche Anmaßung. Wilder Grimm entbrannte in seinem gerechten Herzen, nicht daß seine, sondern daß Gottes Rechte altaribus sacris execrandis manibus erutas velut immunditias quasdam per profana loca dissiparent. His omnibus non sine largo fletu peroratis singulorum pedes osculans oravit, ut, si non suam vindicare curarent iniuriam, saltem contumeliam Deo Deique sanctis illatam remanere non paterentur inultam. 39 Da die Nachrichten aus der Feder seiner Gegner stammen, ist die Faktizität natürlich unsicher. Zum Arsenal königlicher Bittgesten in dieser Zeit siehe jedoch Althoff, Die Macht der Rituale, bes. S. 125–129, wodurch deutlich wird, dass das Heinrich unterstellte Verhalten keineswegs undenkbar war.
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verletzt, schmerzte ihn. Er befahl, die Macht des Reiches aufzubieten, und bewaffnete das Heer, um sich energisch auf die Feinde zu stürzen.“40 In der Folge wird der Autor dann nicht müde aufzuzählen, wer von den Großen und welche Städte und Stämme sich beeilten, das Heer des Königs zu vergrößern. In der Tat kann man von einem massiven Umschlag der Stimmung zugunsten Heinrichs sprechen, der durch den Kirchen- und Grabfrevel ausgelöst worden war. Heinrich machte sich diesen Umschwung zunutze, wies alle Versuche der sächsischen Fürsten, erneut in Verhandlungen einzutreten, ab und forderte deren bedingungslose Unterwerfung. Angeblich hat er die Reichsfürsten eidlich verpflichtet, keinen Kontakt mit sächsischen Unterhändlern zu pflegen und sie in keiner Weise mit ihrem Rat zu unterstützen. Der König hielt sich strikt an die Maxime, dass nach einem Friedensbruch nicht erneut verhandelt wurde, bevor nicht die Waffen gesprochen hatten.41 Bis zur Schlacht von Homburg, die am 9. Juni 1075 stattfand, scheint es in der Tat keine Kontakte zur friedlichen Beilegung des Konflikts gegeben zu haben. Zugespitzt formuliert, akzeptierten die Großen des Reiches Heinrichs Drängen nach Rache und fühlten sich verpflichtet, ihn bei diesem Unterfangen zu unterstützen. Ein großes Reichsheer schlug denn auch die Sachsen in dieser Schlacht vernichtend, wobei es bemerkenswert ist, wie gering die Verluste des sächsischen Adels Carmen, lib. 3, S. 15, v. 37–51: Facti fama volat, totum regnumque replebat. / Cuncti Saxonum crudelia sacrilegorum / Facta stupent artesque novas pollutaque pacis / Foedera. Primates propriis se vocibus ultro / Incusant gentem prius hanc audisse nefandam / Fallentemque dolis et regia iura negantem. / Detestatur eos simul omnis sexus et aetas. / Nec mora, percepto rex magnus crimine tanto, / Egregia pietate nitens, fortissimus armis, / Zêlo iusticiae flammato pectore fervet, / Adversum tantos praesumptus colligit iras; / Ignescunt animi iusto sub corde feroces; / Non sua iam, sed iura Dei violata dolebat. / Imperat exciri totius robora regni / Armavitque acies, acer ruiturus in hostes. 41 Zu dieser Spielregel der Konfliktführung siehe das Beispiel der schwä bischen Grafen Erchanger und Berthold bei Althoff, Die Macht der Rituale, S. 71 f.; das Beispiel des römischen Stadtpräfekten Crescentius bei Althoff, Otto III., S. 112 ff. und das Beispiel der Unterwerfungen Mailands bei Görich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 214–261. 40
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waren, während die an der Schlacht beteiligten Kontingente des sächsischen Volkes im wahrsten Sinne des Wortes abgeschlachtet wurden. Lampert von Hersfeld beschönigt hier nichts: „Die sächsischen Fürsten und Edlen mit Ausnahme von zweien aus dem mittleren Adel entkamen alle lebend und unverletzt, da ihnen die Ortskenntnis, die dichte Verfinsterung der Luft und die Schnelligkeit ihrer Rosse trefflich zustatten kamen. Aber gegen das gemeine Fußvolk, das während des Reiterkampfes noch im Lager geblieben war, wütete die feindliche Unmenschlichkeit so über alles Maß und alle Schranken hinaus, daß sie, alle christliche Ehrfurcht vergessend, Menschen abschlachteten wie Vieh.“42 Es dürfte kaum überraschend sein, dass sich an der Frage des Verhaltens in dieser Schlacht später massive Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Ständen des sächsischen Volkes entzündeten. Es scheint in der Tat so gewesen zu sein, dass der Adel seine rangniederen Bundesgenossen im Stich ließ.43 Trotz beträchtlicher eigener Verluste auch unter dem Adel war jedenfalls das Heer Heinrichs IV. eindeutiger Sieger in dieser Schlacht, und Heinrich bot sich infolge des Sieges die Möglichkeit zu einem kriegerischen Einfall in Sachsen, der ihn bis Halberstadt führte. Es dürfte symptomatisch sein, dass sich in dieser Situation der ranghöchste sächsische Bischof, Erzbischof Werner von Magdeburg, mehrfach brieflich an bischöfliche Amtsbrüder wandte, um nun erneut für friedliche Lösungen des Konfliktes zu werben.44 Heinrich versuchte sich solchen Versuchen lange Zeit zu verweigern und führte im Oktober 1075 erneut ein Heer gegen die Sachsen, das allerdings nicht die gleiche imposante Stärke aufwies wie dasjenige im Sommer, denn die Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 221. Von diesen Auseinandersetzungen erzählt Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 222 f.; Bruno, De bello Saxonico, cap. 46, S. 44 f. berichtet jedoch nichts von anschließenden Auseinandersetzungen unter den Sachsen. Nach seiner Darstellung handelte es sich um einen Überraschungsangriff des Königs gegen die auf eine Zusammenkunft wartenden Sachsen. Da das Heer nicht mehr zur Schlacht geordnet werden konnte, wandten sich die „meisten, die Mut und Waffen nicht finden [konnten], […] zur Flucht“. 44 Bruno, De bello Saxonico hat diese Briefe in seine Geschichtsschreibung integriert, vgl. cap. 42, S. 41 ff.; cap. 48, S. 46 f.; cap. 49, S. 47f.; cap. 51, S. 48ff. 42
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„Herzöge […] Rudolf von Schwaben, Welf von Bayern und Berthold von Kärnten hatten dem König die erbetene Hilfe abgeschlagen, weil, wie sie sagten, das viele im vorigen Feldzug unnütz vergossene Blut sie reue, und weil sie auch Anstoß nahmen an dem harten, unversöhnlichen Sinn des Königs, dessen Zornesglut weder die Tränen der Sachsen noch die Thüringens Gefilde überschwemmenden Blutströme hätten löschen können“.45 Beide Gewährsleute der sächsischen Positionen konzentrieren sich nun darauf zu zeigen, dass Heinrich alles daransetzte, seine militärische Kraft zu nutzen, um die Sachsen endgültig „in Knechtschaft zu bringen“. Währenddessen bemühten sich die Sachsen immer wieder, mit den Heinrich unterstützenden Reichsfürsten Verhandlungen zu beginnen, um Bedingungen der Unterwerfung und des Friedensschlusses festzulegen. Gerade Lampert schildert diese Bemühungen in aller Eindringlichkeit und arbeitet dabei heraus, welches Misstrauen gegen den König und welche Furcht vor seiner Wortbrüchigkeit sowohl bei den Sachsen als auch bei den Reichsfürsten selbst geherrscht hätten, eine Einschätzung, die sich nach seiner Darstellung letztlich auch als voll gerechtfertigt erwies. „Der König aber lehnte [Verhandlungen] ab, seine Fürsten seien aus so entfernten Teilen des Reichs nicht zusammengeströmt, um Urteile zu fällen, sondern um mit bewaffneter Hand von den Feinden Rechenschaft zu fordern für die sie alle gemeinsam angehenden Gewalttätigkeiten gegen das Reich. Schließlich aber preßten die flehentlichen Bitten der Gesandten dem König doch mit Mühe und Not die Einwilligung dazu ab; doch nun war unter den Fürsten keiner, der bereit war, dieses Amt [des Vermittlers] zu übernehmen, denn jeder fürchtete, entweder vom König wegen Untreue gebrandmarkt zu werden, wenn er mit den Sachsen zu milde verführe, oder von den Sachsen durch den Vorwurf der Lüge entehrt zu werden, wenn er ihnen Verzeihung für ihre Vergehen in Aussicht stellte, die sie, wie sie unzweifelhaft wußten, vom König doch nie erlangen würden.“46 So Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 234. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 234 f.; siehe dazu auch unten Kap. VI.1.3 bei Anm. 11. 45
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In dieser Atmosphäre fanden schließlich dennoch Verhandlungen bei Nordhausen statt. Wieder bildeten Erzbischöfe und Bischöfe sowie der Herzog Gottfried von Niederlothringen die hochrangige Gruppe der Reichsfürsten, die mit den Sachsen über den Friedensschluss und seine Bedingungen verhandelte. Wieder gaben sich angeblich die Sachsen ganz in die Hand dieser Reichsfürsten und vertrauten auf ihren Schutz: „Sie seien […] fest entschlossen, alles zu tun, was sie bestimmen, raten, befehlen würden […]. Darauf erwiderten die Gesandten, sie mißbilligten die Ursache, aus der sie anfangs die Waffen gegen den König erhoben hätten, nicht völlig, auch billigten sie nicht den zu ihrer Vernichtung hartnäckig entschlossenen Sinn des Königs und seinen zähen Haß; darin aber stimmten alle Fürsten des Reichs überein, daß sie dem König für ihre im Reich unerhörte und in den vielen vergangenen Jahrhunderten noch nie vorgekommene Freveltat nur dadurch Genugtuung leisten könnten, daß sie sich ohne jede Einschränkung ergäben; täten sie dies auf ihren Rat hin, dann würden sie dafür sorgen, daß sie infolge ihrer Unterwerfung nichts erlitten, was ihrem Leben, ihrer Ehre, ihrem Vermögen abträglich wäre.“47 Was hier als Lösung des Konflikts anvisiert und in Aussicht gestellt wird, ist eine bedingungslose Unterwerfung mit der allerdings sicheren 47 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 236: […] hoc firmiter animo statuisse, ut, quicquid illi agendum censeant, suadeant, iubeant, incunctanter agant, […]. Ad haec illi responderunt se causam, qua primum adversus regem arma sumpserint, non admodum improbare, nec placere sibi obstinatum ad perniciem eorum regis animum et pertinax odium; consensisse tamen in hoc omnes regni principes de usurpato in re publica novo hoc et multis retro seculis inaudito facinore non aliter regi vel rei publicae posse satisfieri, quam ut se absque ulla exceptione dedant; sibi autem, quorum hoc consilio agant, curae futurum, ut nihil ex hac deditione, quod saluti eorum, quod honori, quod rei familiari officiat, experiantur. Zu diesen Verhandlungen siehe vor allem Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 42 f. Obgleich es von Lampert nicht ausdrücklich gesagt wird, scheint es so, dass die Fürsten der Meinung waren, dass Heinrich durch den Sieg in der Schlacht von Homburg Rache für den Grabfrevel genommen hatte und man nun wieder an eine gütliche Beilegung des Konflikts denken konnte. Diese Meinung teilte der König selbst aber mit einiger Sicherheit nicht.
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Hoffnung, dass Leben, Ehre und Besitz unangetastet bleiben würden, und das hieß, dass keine wirkliche Bestrafung stattfand. Solche Kompromisslösungen sind nicht selten bezeugt; sie hatten den unschätzbaren Vorteil, dass sie allen Seiten Vorteile brachten und zugleich das Gesicht aller Beteiligten wahrten. In diesem Falle bestanden nach den Gewährsleuten aber erhebliche Zweifel, ob sich der König auf einen solchen Kompromiss einlassen würde. Deshalb machten die Vermittler den Vorschlag, „sie würden daher zum König gehen, um zu erkunden, ob sie ohne Gefahr, desavouiert zu werden, ihr Wort geben und Verzeihung versprechen könnten, und was sie erkundet hätten, würden sie ihnen am nächsten Tage berichten“.48 Angeblich stimmte Heinrich allen Vereinbarungen freudig zu, ein Gerücht behauptete sogar, er habe sich eidlich dazu verpflichtet.49 Mehrfach mussten die Unterhändler dann aber alle ihre Überzeugungskraft aufwenden, da das Misstrauen gegen den König bei den Sachsen zu tief saß, ehe diese in die vereinbarte Unterwerfung einwilligten, die dann in dem Ritual der deditio vollzogen wurde: „Am folgenden Tage nahm der König zu ihrem Empfang in der Mitte eines sich weithin dehnenden Feldes bei Spier Platz, das ganze Heer war zu diesem Schauspiel [spectaculum] feierlich entboten worden, und zwischen den in dichten Reihen aufgestellten Truppenmassen war ein leerer Raum, wo sie vom ganzen Heer gesehen werden konnten, wenn sie ihn durchschritten. Nun werden der Reihe nach zuerst die sächsischen und thüringischen Fürsten herbeigeführt, Erzbischof Wezel von MagLampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 237: […] ituros se ad regem et, si tuto fidem dicere, tuto veniam polliceri possent, comperturos et quae comperta fuissent die postera renunciaturos. Es verdient hervorgehoben zu werden, dass Lampert diese Zwischenschritte wahrscheinlich deshalb so ausführlich referiert, um Heinrichs Bruch der Abmachungen umso deutlicher herauszuarbeiten. 49 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 237 deklariert diese Angabe selbst als Gerücht: „Der König stimmte den Friedensvereinbarungen freudig zu und versprach, ja beschwor sogar, wie ein weit verbreitetes Gerücht behauptete, er werde, wenn sie sich ergeben hätten, gegen sie nichts wider den Willen und das Urteil derer veranlassen, durch deren Bemühung und Verdienst ihm dieser unblutige Sieg zuteil geworden sei.“ 48
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deburg, Bischof Bucco von Halberstadt, der ehemalige Bayernherzog Otto, Herzog Magnus von Sachsen, dessen Oheim Graf Hermann, Pfalzgraf Friedrich, Graf Dietrich von Katlenburg, Graf Adalbert von Thüringen und die Grafen Rüdiger, Sizzo, Berengar und Bern; dann alle Freigeborenen, die durch den Glanz ihres Geschlechts oder Reichtums auch nur ein wenig im Volke hervorragten, und, wie vereinbart, unterwarfen sie sich dem König ohne jeden Vorbehalt. Der König übergab sie einzeln seinen Fürsten zur Verwahrung, bis in einer gemeinsamen Beratung über sie entschieden würde, aber schon kurz danach brach er den Vertrag, mißachtete alle Eidesbande, durch die er sich verpflichtet hatte, und ließ sie nach verschiedenen Orten in Gallien, Schwaben, Bayern, Italien und Burgund bringen.“50 Es kam also genau so, wie es die Sachsen befürchtet hatten. Heinrich bewies einmal mehr, dass ihm nicht zu trauen war und dass er seine Zusagen nicht einhielt. Von Reaktionen der durch diese Handlungsweisen desavouierten Fürsten, auf die sich die Sachsen verlassen hatten, ist nichts bekannt. Da aber selbst das Preislied auf Heinrichs Sieg mit einem Appell an die Milde des Königs endet, kann man wohl davon ausgehen, dass seine Behandlung der Sachsen keine ungeteilte Zustimmung fand: „Als nun der König mit seinem Heer heranzog, suchten gerade die Mächtigen der Sachsen demütig sein Lager auf, […] sie legten die Waffen nieder und beugten die stolzen Nacken, barfüßig ergaben sich alle in demütiger Bitte bedingungslos dem König. Unbesiegter König, siehe, nun hast du den gewohnten Triumph, und deine Zügel zu tragen, hast du das zügellose Volk gelehrt. Wie in der Tapferkeit, so laß auch in der Milde deine Ahnen in dir wieder aufleben. Erhabener König, und erbarme dich derer, die am Boden liegen. […] Nun zeige denen, die jetzt zu dir flehen oder es in Zukunft noch tun, was sie von dir zu hoffen haben, wenn sie sich dir, milder König, ergeben.“51 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 238 f. Bruno (De bello Saxonico, cap. 54, S. 51) berichtet lediglich: „Als daher alle unsere Bischöfe, Herzöge, Grafen, und die übrigen Großen aus Sachsen und Thüringen den Handschlag der Treue empfangen hatten, überlieferten sie sich freiwillig der königlichen Gewalt und ließen ihre gesamten Krieger, die darüber sehr betrübt waren, in die Heimat zurückkehren.“ 51 Carmen, lib. 3, S. 23, v. 281–294: Ergo propinquantis dicto cum milite regis / 50
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Heinrich stand am Ende der ersten großen Auseinandersetzung mit den Sachsen als der unbestrittene Sieger da. Ob aus diesem Sieg aber stabilere Verhältnisse erwachsen würden, hing gewiss nicht zuletzt vom Verhalten des Siegers ab, von dem man ganz vorrangig Milde erwartete. Ihr Ausbleiben konnte zu einer schweren Hypothek werden, denn diese Milde war nicht in das Belieben des Herrschers gestellt, sondern hatte die Qualität eines gerechten Anspruchs derjenigen, die sich zur Unterwerfung bereit fanden. Im Übrigen darf nicht vergessen werden, dass Heinrich die so bitter nötige Unterstützung der Reichsfürsten für seine Politik gegen die Sachsen erst erhielt, als es zum Friedensbruch durch die Sachsen gekommen war. Der Rechtmäßigkeit einer wie immer begründeten Revindikationspolitik gegenüber den Sachsen hatten die Fürsten zuvor eine klare Absage erteilt, und es gab keinen Grund, dieses Urteil zu revidieren. Viel kam nun darauf an, wie Heinrich sich in der Zukunft gegenüber dem sächsischen Volk und vor allem gegenüber den gefangenen Großen verhalten würde.
Castra petunt humiles Saxonum […] / Armis exuti, demissi colla superba / Nudatique pedes, cuncti cum supplice voto / Regi se dedunt omni sine conditione. / Ecce tenes solitum tibi, rex invicte, triumphum, / En tua frena pati gentem effrenem docuisti. / Ut virtute geris, sic et pietate parentes, / Rex auguste, gere, vel substratis miserere! / […] Nunc tibi supplicibus propone quibusque futuris, / Quid de te sperent, dum se tibi, rex pie, dedent! Es sieht geradezu so aus, als habe der Autor von der Versendung der Sachsen in die Haft noch nichts gewusst, oder er beschwört den König, diese zu beenden. Jüngst hat Schubert, Königsabsetzung, bes. S. 131 ff. in einer aspektreichen und thesenfreudigen Untersuchung die Bedeutung der sächsischen Opposition gegenüber der Rolle Gregors VII. in den Vordergrund gestellt und dabei die Bedeutung von Canossa vehement bestritten („nutzt der Salier [mit dem Gang nach Canossa] nicht einfach die Winterpause der Politik“, S. 131). Bei aller Wertschätzung der Bedeutung des sächsischen Widerstandes (siehe dazu schon Schubert, Geschichte Niedersachsens, S. 263 ff.) sollte nicht übersehen werden, dass die Sachsen Ende 1075 besiegt und ihre Anführer in Haft genommen waren.
IV. Die Konflikte mit Papst Gregor VII. 1. Vorboten der Konfrontation Das Ende der Sachsenkriege im Herbst 1075 ist ein geeigneter Moment, auf das Verhältnis Heinrichs IV. zum Papsttum allgemein und zu Papst Gregor VII. im Besonderen zu sprechen zu kommen, denn fast zeitgleich damit begann die Eskalation des Konflikts zwischen höchster geistlicher und höchster weltlicher Gewalt. Es besteht kaum ein Zweifel darüber, dass Heinrich zum Ende des Jahres 1075 den Rücken frei glaubte, sich nun mit dem Papsttum auseinander zu setzen und eine Konfrontation einzugehen, die er bis dahin vermieden hatte.1 Angebahnt hatte sich diese Konfrontation aber bereits seit längerer Zeit. Es genügt vielleicht, zur Einstimmung in die Problematik daran zu erinnern, dass in den Zeiten der Regentschaften und in den ersten Jahren der selbständigen Regierung Heinrichs vieles falsch gemacht worden war in den Beziehungen zum Papsttum und den in Rom tonangebenden Reformkreisen.2 Es hatte nicht nur das eigenartige Taktieren der Berater Heinrichs im sogenannten Cadalus-Schisma gegeben, sondern es waren auch mehrere geplante Romzüge nicht zur Ausführung gekommen. Immer wieder hatten ferner Vorwürfe wegen simonistischer Praktiken bei der Vergabe von Bischofssitzen für Irritationen gesorgt. Und zwei massive Warnungen aus Rom an die Adresse Heinrichs IV. hatte es auch bereits vor dem Amtsantritt Gregors VII. gegeben: Da war zum einen die Legation des Petrus Damiani gewesen, dessen Auftreten in Mainz 1069 entscheidend dafür gesorgt hatte, 1 Dies scheint in der modernen Forschung einhellige Meinung zu sein, vgl. zuletzt Weinfurter, Herrschaft und Reich der Salier, S. 128; Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 93 f.; Robinson, Henry IV of Germany, S. 131f.; Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 108. 2 Siehe dazu oben Kap. II.
Vorboten der Konfrontation
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Heinrichs Pläne seiner Ehescheidung zum Scheitern zu bringen. Zum anderen hatte 1073 die römische Fastensynode noch unter Papst Alexander II. fünf Ratgeber Heinrichs IV. mit dem Bann belegt. Nur einer der fünf ist namentlich bekannt, Graf Eberhard, und auch die Vorwürfe gegen die Ratgeber sind nicht sehr konkret bezeugt.3 Es handelt sich offensichtlich um Vorwürfe wegen simonistischer Praktiken, die wohl im Zusammenhang der Streitigkeiten um die Nachfolge auf dem Mailänder Bischofssitz vorgekommen sein sollen. Dass die Bannung angeblich auf eine Intervention der Kaiserin Agnes hin geschah, mag einsichtig machen, wie genau man in Rom über die Verhältnisse am Hof Heinrichs IV. informiert wurde und wie gezielt man mit dieser Maßnahme die Amtsführung Heinrichs IV. im Visier hatte.4 Aber noch begnügte man sich mit Warnungen, wenn auch eindeutigen, denn der König war nun ja gehalten, die Kontakte mit seinen Ratgebern einzustellen, wenn er nicht gleichfalls die Bannung riskieren wollte.5 Es war also ausreichend Konfliktstoff vorhanden, als Papst Alexander II. im April 1073 verstarb und während der Beisetzungsfeierlichkeiten tumultuarisch Gregor VII. zu seinem Nachfolger erhoben wurde. Diese Erhebung stand gar nicht in Einklang mit den Vorschriften des Papstwahldekrets von 1059 und Gregor VII. hat sich denn auch eindringlich bemüht klarzustellen, dass er von diesen Ereignissen überrascht worden sei und sie keinesfalls selbst inszeniert habe: Es handele sich um eine Inspirationswahl, und die Inspiration sei von Gott selbst ausgegangen, hat er später argumentiert.6 Ob Gregor VII. am Tage nach seiner Wahl Heinrich IV. eine Wahlanzeige schickte, die aber keineswegs eine Bitte um Bestätigung oder 3 Bonizo, Liber ad amicum, lib. 6, S. 600; Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, S. 198 f. 4 Zur Beteiligung der Kaiserin Agnes siehe Black-Veldtrup, Kaiserin Agnes, S. 50, 379 f.; zum Gesamtvorgang Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 89 und 92ff. 5 Vgl. dazu Schieffer, Die Entstehung des päpstlichen Investiturverbots, S. 110; Laudage, Priesterbild und Reformpapsttum im 11. Jahrhundert, S. 259 f.; Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 94. 6 Vgl. Gregorii VII Registrum, lib. 7, Nr. 23, S. 500 und ebd., Nr. 14a, S. 483; Gregorii VII Epistolae collectae, Nr. 46, S. 573, dazu Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 72 ff.; Schneider, Prophetisches Sacerdotium, S. 30–33.
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IV. Die Konflikte mit Papst Gregor VII.
Anerkennung dieser Wahl zum Inhalt hatte, ist in der Forschung umstritten.7 Heinrich hat gegen diese Art der Papstwahl jedenfalls nicht protestiert, sondern im Gegenteil den Bischof Gregor von Vercelli, den Kanzler für Italien, nach Rom geschickt, der an den Feierlichkeiten der Papstweihe teilnahm. Mit Hildebrand, der den Papstnamen Gregor annahm, bestieg kein Unbekannter den Stuhl Petri, sondern vielmehr derjenige, der bereits in den Jahren zuvor die päpstliche Politik maßgeblich mitbestimmt hatte und wohl zu Recht als die „graue Eminenz“ in Rom bezeichnet wurde. Er habe schon Papst Nikolaus gefüttert „wie einen Esel im Stall“, lautet ein böses Diktum aus dieser Zeit, das zeigt, wie viel Einfluss man Hildebrand in Rom zuschrieb.8 Schon im Jahre 1059 hatte er als Archidiakon der römischen Kirche das Laterankonzil verantwortlich mitbestimmt, auf dem die Papstwahl neu geregelt worden war. Er war es gewesen, der 1059 mit dem Normannenbündnis eine vollständige Kehrtwendung der päpstlichen Politik gegenüber dieser neuen politischen Kraft in Unteritalien eingeleitet hatte. Überhaupt hat er das Verhältnis der Reformkirche zur Anwendung von Waffengewalt deutlich verändert: Der Aufbau einer militia St. Petri zu Diensten des Papsttums gehörte zu den Neuerungen, die er mit Energie betrieb. Berühmt ist das Urteil Carl Erdmanns, dass Gregor VII. der „kriegerischste Papst“ gewesen sei, der je auf dem Stuhl Petri gesessen habe.9 Mit ihm war ein Papst inthronisiert, der genügend Energie und DurchsetGregorii VII Registrum, lib. 1, Nr. 1, S. 1 f.; Borino, Perché Gregorio VII non annunziò, S. 313 ff., macht plausibel, dass Heinrich IV. nicht (wie im Liber ad amicum, lib. 7, S. 601, behauptet) von Gregor VII. über die Wahl in Kenntnis gesetzt wurde. Zu den Wahlberichten vgl. Schneider, Prophetisches Sacerdotium, S. 24–30. 8 Das Diktum wird Petrus Damiani zugeschrieben. Vgl. Fuhrmann, Deutsche Geschichte im hohen Mittelalter, S. 67. Zur Darstellung Hildebrands durch Petrus Damiani auch Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 39–49. Außerdem Dressler, Petrus Damiani, S. 155 ff.; Goez, Zur Persönlichkeit Gregors VII., S. 202 ff. 9 Siehe dazu Erdmann, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens, S. 161; zur Bewertung Gregors auch Tellenbach, Die westliche Kirche, S. 166–169, 268 f.; Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 650–658. 7
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zungsvermögen mitbrachte, um das theoretisch für richtig Gehaltene auch in der praktischen Politik zur Geltung zu bringen. Wir sind über seine politischen Aktivitäten nicht zuletzt deshalb gut informiert, weil Gregor seine umfangreiche Korrespondenz mit nahezu allen relevanten kirchlichen und weltlichen Kräften in Europa in einem Register dokumentieren ließ, das einen Schlüssel zum Selbstverständnis und zu den vielfältigen Aktivitäten dieses Papstes bietet. In dem Register findet sich auch ein Schriftstück, das eine komprimierte Aufstellung päpstlicher Vorrechte und Ansprüche in Form von 27 Leitsätzen enthält, die im März 1075 in dieses Register eingetragen wurden: der sogenannte Dictatus Papae.10 Man kann davon ausgehen, dass das, was in diesen Leitsätzen als Anspruch erhoben wird, die päpstliche Politik auch in der Praxis bestimmt hat. Veröffentlicht und allgemeiner bekannt gemacht worden sind diese Ansprüche aber offenbar nicht. Auch ihre Herleitung von Synodalbeschlüssen oder anderen kirchlichen Autoritäten gelingt nicht in allen Fällen. Es seien nur die Sätze zitiert, die Gregors Verhältnis zum deutschen König und zukünftigen Kaiser betreffen, wie die nähere Zukunft erweisen sollte: „(6) daß wir mit von ihm Exkommunizierten unter anderem nicht in demselben Haus bleiben dürfen; […] (8) Daß er allein die kaiserlichen Herrschaftszeichen verwenden darf; (9) daß alle Fürsten allein des Papstes Füße küssen; […] (12) daß es ihm erlaubt ist, Kaiser abzusetzen; […] (18) daß sein Urteilsspruch von niemandem widerrufen werden darf und er selbst als einziger die Urteile aller widerrufen kann; (19) daß er von niemandem gerichtet werden darf; […] (25) daß er ohne Synode Bischöfe absetzen und wieder einsetzen kann; […] (27) daß er Untergebene von dem Treueid gegenüber Sündern lösen kann.“11 Zum Problem der Beurteilung des Dictatus Papae Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 502 ff.; Fuhrmann, Papst Gregor VII. und das Kirchenrecht; Schneider, Prophetisches Sacerdotium, S. 104 ff. 11 Gregorii VII Registrum, lib. 2, Nr. 55a, S. 203–208: VI. Quod cum excommunicatis ab illo inter cêtera nec in eadem domo debemus manere. […] VIII. Quod solus possit uti imperialibus insigniis. VIIII. Quos solius papê pedes omnes principes deosculentur. […] XII. Quod illi liceat imperatores deponere. […] XVIII. Quod sententia illius a nullo debeat retractari et ipse omnium solus 10
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IV. Die Konflikte mit Papst Gregor VII.
Jeder dieser Sätze enthielt Konfliktpotential mit den Königen von Gottes Gnaden und ihrem Selbstverständnis, wie es sich im „ottonischsalischen Reichskirchensystem“ herausgebildet hatte. Neben der Begründung einer päpstlichen Suprematie innerhalb der Kirche, die massiv Rechte und Selbstverständnis der Bischöfe tangierte, sind ja die Ehrenvorrechte und Herrschaftsrechte des Papstes gegenüber der weltlichen Gewalt in einer Weise akzentuiert, die nicht der bis dahin etablierten Praxis entsprach. Die Existenz dieses „Programms“ muss jedenfalls in Rechnung gestellt werden, wenn man die Genese des Konflikts zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. nachzeichnet. Zunächst sah es jedoch gar nicht nach einem Konflikt aus. Nur wenige Monate nach Gregors Amtsantritt erreichte ein Brief Heinrichs IV. den Papst, der in Rom einiges Aufsehen erregte. Seine Aussagen passen so wenig zu Heinrichs folgender Politik, dass er als Schlüsselzeugnis für die taktischen Manöver, zu denen dieser König in Notlagen fähig war, Verwendung finden könnte. Es steht mit anderen Worten zur Frage, ob Heinrich IV. in diesem Brief seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit und vor allem zu einer Veränderung seines Verhaltens vorgetäuscht hat, zu der er gar nicht wirklich bereit war. Der Kontext, aus dem heraus der Brief entstand, und die mit ihm verbundenen Absichten sind jedoch bis heute alles andere als klar, so dass er hier als Problemfall dargestellt werden muss.12 Geschrieben worden ist er wohl im August 1073, und das heißt in der Zeit, als Heinrich sich darauf einstellen musste, dass die Sachsen seiner Herrschaft bewaffnet Widerstand leisten würden, und vielleicht auch absehbar wurde, dass seine Sache bei den Reichsfürsten keine uneingeschränkte Unterstützung erwarten konnte. Überdies hatte Gregor Kontakte unter anderem mit der Markgräfin Beatrix und ihrer Tochter Mathilde sowie mit Herzog Rudolf von Schwaben aufgenommen und plante offensichtlich, grundsätzliche Gespräche über die Situation der Herrschaft im Reich zu führen, so dass auch diese Aussicht retractare possit. XVIIII. Quod a nemine ipse iudicari debeat. […] XXV. Quod absque synodali conventu possit episcopos deponere et reconciliare. […] XXVII. Quod a fidelitate iniquorum subiectos potest absolvere. 12 Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 95 f.
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den Duktus und Ton Heinrichs in diesem Brief beeinflusst haben könnte, wenn ihm denn diese Entwicklung bekannt war. Papst Gregor hatte sich nämlich ziemlich entschlossen gezeigt, „in Verteidigung der Wahrheit um seines eigenen Heiles willen [sc. Heinrichs IV.] ihm bis auf unser Blut zu widerstehen, als zur Erfüllung seines Willens dem Unrecht zuzustimmen und mit ihm […] in den Untergang zu stürzen“.13 Der als Ansprechpartner des Papstes genannte Herzog Rudolf von Schwaben war an Heinrichs Hof gewesen, als dieser den demütigen Brief schrieb. Es ist daher nahe liegend anzunehmen, dass Herzog Rudolf für die königliche Sinneswandlung mitverantwortlich war. In seinem Brief hatte Heinrich zunächst die Notwendigkeit beschworen, dass die weltliche und die geistliche Gewalt Einigkeit und Zusammenhalt bewahren müssten. Dann hatte er sich beredt selbst bezichtigt, gegen diese Maxime verstoßen zu haben: „Wir aber, die wir nach Gottes Willen seit einiger Zeit das Herrscheramt ausüben, haben der geistlichen Gewalt nicht in allem, wie es sein sollte, das schuldige Recht und die ihr gebührende Stellung eingeräumt. […] Jetzt aber empfinden wir durch göttliches Erbarmen Reue und sind in uns gegangen, klagen uns an und bekennen eurer väterlichen Nachsicht unsere Sünden und hoffen von euch im Herrn, daß wir verdienen, durch eure apostolische Vollmacht freigesprochen und gerechtfertigt zu werden. Ach wir Schuldbeladenen und Unglückseligen! Durch die Verlockung der Jugend verführt und durch die Ungebundenheit infolge unserer Gewalt und herrscherlichen Macht, verführt und getäuscht auch von solchen, deren Ratschlägen wir allzu anfällig gefolgt sind, haben wir gegen den Himmel und vor euch gesündigt und sind hinfort nicht mehr wert, euer Sohn zu heißen.“ Schließlich bezichtigte sich der König simonistischer Praktiken und erbat in allem Rat und Hilfe des Papstes, insbesondere in der Mailänder Angelegenheit, und gelobte, in Zukunft „eure Vorschrift in allem eifrigst [zu] beachten“.14 13 Gregorii VII Registrum, lib. 1, Nr. 11, S. 19: […] defendendo veritatem pro sui ipsius salute [sc. Heinrici] ad usque sanguinem nostrum sibi resistere, quam ad explendam eius voluntatem iniquitati consentiendo secum, […] ad interitum ruere. 14 Vgl. Epistolae Heinrici IV., Nr. 5, S. 8 f. Es ist bemerkenswert, dass Heinrich genau in dieser Zeit in der Signum-Zeile seiner Urkunden seinem Herr-
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Mit diesen Aussagen bot Heinrich Gregor VII. genau das, was der Papst vom König erwartete. Entsprechend positiv war auch dessen Reaktion: „König Heinrich hat uns Worte voller Süße und Gehorsam übermittelt, wie sie nach unserer Erinnerung weder er selbst noch seine Vorgänger den römischen Bischöfen übermittelt haben. Auch einige seiner bedeutenderen Getreuen versprechen uns von seiner Seite aus, er werde in den Angelegenheiten der Mailänder Kirche ohne Zweifel unserem Rat folgen“, schrieb Gregor Ende September wohl direkt nach dem Erhalt des königlichen Briefes an den Mailänder Führer der Pataria, Erlembald.15 Und noch am Ende des Jahres 1073 war Gregor davon überzeugt, auch in anderen Streitfragen vermittelnd und zur Wiederherstellung des Friedens tätig werden zu können. So hatte er an sächsische Bischöfe und Fürsten geschrieben: „Unter den sonstigen beängstigenden Sorgen bedrängt uns am meisten die Unruhe darüber, daß zwischen euch und König Heinrich, der ja euer Herr ist, derartige Zwietracht und feindliche Bestrebungen aufgetreten sind […]. Darum haben wir uns an den König gewandt und ihn ermuntert und seitens der Apostel Petrus und Paulus ermahnt, sich der Waffen und jeder kriegerischen Beunruhigung zu enthalten, bis wir Boten seitens des apostolischen Stuhls zu ihm senden, die die Ursachen eurer Uneinigkeit sorgfältig zu erforschen und, so Gott will, durch ein billiges Urteil zu Frieden und Eintracht hinzuführen vermögen.“16 Heinrich scheint sein Ziel erreicht zu haben, der Papst glaubte an die Option einer friedlichen Zusammenarbeit in den strittigen Fragen und hielt an dieser Meinung längere Zeit fest. Die drohende Gefahr einer Koalition aller seiner Gegner hatte Heinrich auf diese Weise abgewehrt. Gregor scheint fasziniert von der Möglichkeit gewesen zu sein, das Papsttum als Vermittler und Schiedsrichter auch in weltlichen Fragen zu etablieren. Ob Heinrich selbst dies wirklich gewollt hat, ist schertitel rex invictissimus ein humillimus voranstellen ließ. Vgl. dazu und auch zum Folgenden Schneider, Prophetisches Sacerdotium, S. 57 ff.; Vogel, Rudolf von Rheinfelden, S. 17 ff. 15 Gregorii VII Registrum, lib. 1, Nr. 25, S. 42. 16 Gregorii VII Registrum, lib. 1, Nr. 39, S. 61 f.
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hingegen nicht gleichermaßen sicher. Das Bewusstsein der eigenen Sündhaftigkeit und die Bereitschaft zu Buße und Umkehr blieb nämlich durchaus Episode, obgleich er sich kurz nach dem Osterfest 1074 in Nürnberg im Beisein seiner Mutter Agnes zu einer Bußleistung vor päpstlichen Legaten bereit fand und so eine formelle Aussöhnung mit dem Papst erreichte. Beides war offensichtlich deshalb nötig, weil Heinrich sich ja auf Grund seines Kontaktes mit den gebannten Ratgebern „außerhalb der Kirche“ befunden hatte.17 Gregor VII. hat dann im ganzen Jahr 1074 und lange Zeiträume des Jahres 1075 darauf gesetzt, dass sich die Zusammenarbeit mit dem jungen König zum Vorteil seiner kirchlichen Hauptziele, der Vermeidung von Simonie und der Zurückdrängung der Priesterehen, würde intensivieren lassen. Im Dezember 1074 lobte er in einem weiteren Brief Heinrich und betonte, dass sich die Zusammenarbeit erfreulich angelassen habe. Ausdrücklich erwähnt der Papst die positiven Einschätzungen, die Heinrichs Mutter Agnes, die Markgräfin Beatrix und ihre Tochter Mathilde ihm über das königliche Verhalten hätten zukommen lassen. Die drei hochadligen Damen scheinen in dieser Zeit in der Tat die Hauptinformantinnen und Ansprechpartnerinnen des Papstes in Fragen des deutschen Königtums gewesen zu sein. „Deshalb“, so fügt der Papst in diesem Brief an Heinrich an, „wenn ich auch ein Sünder bin, pflege ich dein Gedenken während der Messe über den Leibern der Apostel und werde es weiter so halten, flehentlich bittend, der allmächtige Gott möge dir die irdischen Güter erhalten und zum Gedeih seiner Kirche weitere gewähren.“18 Doch auch zwei Sorgen spricht der Papst in diesem Brief an: „Aber ich mahne dich, vortrefflicher Sohn, und ermahne dich in inniger Zuneigung, in diesen Angelegenheiten solche Ratgeber an dich zu ziehen, die nicht das Ihre, sondern dich lieben und für dein Wohlergehen und nicht ihren eigenen Gewinn sorgen; wenn du dem folgst, wirst du Gott den Herrn, dessen Sache sie dir nahelegen, zum gnädigen Beschützer haben.“ Ebenso machte er dem König davon Mitteilung, dass er eine 17 Schneider, Prophetisches Sacerdotium, S. 83; Robinson, Henry IV of Germany, S. 132 f. 18 Gregorii VII Registrum, lib. 2, Nr. 30, S. 163ff.
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ganze Reihe der Heinrich zum Teil sehr vertrauten Erzbischöfe und Bischöfe nach Rom zur nächsten Fastensynode zitiert habe, „damit sie Rechenschaft über ihren Amtsantritt und ihren Lebenswandel geben“. Erwähnt werden in diesem Zusammenhang die Erzbischöfe Siegfried von Mainz und Liemar von Hamburg-Bremen sowie die Bischöfe Hermann von Bamberg, Heinrich von Speyer und Werner von Straßburg. Dass er in Wirklichkeit noch mehr Reichsbischöfe nach Rom geladen hatte, sagt Gregor dem König in diesem Brief nicht. Er ermahnt ihn jedoch, „wenn sie zu kommen versäumen [sollten], bitten wir, daß sie vermittels deiner königlichen Gewalt zu kommen gezwungen werden“.19 Heinrich hat es bis zu dieser Zeit also ganz offensichtlich geschafft, dass ihn Gregor nicht für alle Missstände im Reich und in der Reichskirche persönlich verantwortlich machte, sondern mit ihm gemeinsam die dortigen Zustände verbessern wollte. Wie groß die Hoffnung des Papstes auf eine harmonische Zusammenarbeit mit Heinrich am Ende des Jahres 1074 noch war, zeigt ein zweiter Brief mit dem gleichen Tagesdatum 7. Dezember, in dem Gregor Heinrich von seinem sogenannten Orient-Plan Kenntnis gab. Der Papst wollte mit einem Heer in den Orient ziehen, um dort den bedrängten Christen zu Hilfe zu kommen. Der Zug sollte bis zum „Grabe des Herrn“, also bis Jerusalem gehen. Für dieses Unternehmen brauchte er Heinrichs Unterstützung: „Aber da eine große Sache großen Rats bedarf und die Hilfe der Großen, suche ich bei dir Rat, wenn Gott mir dies zu beginnen erlaubt, und, wie es dir paßt, Hilfe. Denn, wenn ich mit Gottes Gunst dorthin gehen werde, überlasse ich dir, nebst Gott, die römische Kirche, damit du sie als heilige Mutter behütest und zu ihrer Ehre verteidigst. Gib mir, so schnell du kannst, Antwort, was dir in dieser Hinsicht gefällt und was deine Klugheit, von Gott eingeflößt, entscheidet. Denn, wenn ich von dir nicht mehr erhoffte als die meisten meinen, würde ich diese Worte vergeblich vorbringen.“20 19 Gregorii VII Registrum, lib. 2, Nr. 30, S. 163 ff. Zu der Problematik der päpstlichen Vorladung von Bischöfen nach Rom siehe Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 110 ff. 20 Gregorii VII Registrum, lib. 2, Nr. 31, S. 165–168; der im Folgenden zit.
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Die Wertschätzung, die Gregor VII. Heinrich in dieser Zeit entgegenbrachte, hinderte ihn nicht daran, auf der Fastensynode des Jahres 1075 fünf Ratgeber des Königs, „auf deren Rat hin Kirchen verkauft werden“, zu bannen. Wahrscheinlich handelte es sich um die gleichen, die schon Papst Alexander II. 1073 hatte aus der Kirche ausschließen lassen. Der König selbst blieb von diesen Vorwürfen jedoch verschont, denn noch im Juli 1075 wird der „liebste Sohn“ Heinrich vom Papst in dieser Hinsicht ganz ausdrücklich gelobt: „Abgesehen von sonstigen guten und tüchtigen Werken, liebster Sohn, zu denen, wie wir gehört haben, du dich in dem Bemühen um Besserung erhebst, hast du dich durch zwei deiner heiligen Mutter, der römischen Kirche, besonders empfohlen: Einmal, weil du mannhaft den Simonisten widerstehst, zum anderen, weil du Keuschheit der Kleriker, da sie ja Diener Gottes sind, gerne billigst und nachdrücklich zu gewährleisten wünschst.“ Es scheint, als sei die Welt zwischen König und Papst zumindest aus der Perspektive des Papstes noch immer in Ordnung gewesen, während ihm zugleich eine ganze Reihe von Reichsbischöfen die größten Sorgen machten. Irritationen des Papstes, was Heinrichs Vertrauenswürdigkeit angeht, lassen sich erst im September 1075 erkennen. Wieder waren es Beatrix und ihre Tochter Mathilde, die Gregor eine Frage bezüglich Heinrichs IV. gestellt hatten, die diesen sehr verwunderte. Leider wiederholt Gregor in seinem Antwortbrief an die beiden Damen die Frage nicht, sondern fügte nur einen Auszug aus einem Brief Heinrichs hinzu, mit dem er wohl die Abwegigkeit der Frage beweisen wollte. Folgendes hatte ihm Heinrich nämlich geschrieben: „Eure Heiligkeit, Vater, möge wissen, daß ich, da ich beinahe alle Fürsten des Reiches mehr über unsere Uneinigkeit als über beiderseitigen Frieden sich freuen sehe, diese Boten heimlich zu euch sende, die ich als sehr edel und kirchlich gesonnen kenne und deren Wunsch, daß das Band des Friedens zwischen uns geknüpft werde, ich nicht bezweifle. Ich möchte aber, daß von dieser Botschaft niemand etwas erfährt außer euch, meiner Frau Mutter, meiner Tante Beatrix und ihrer Tochter Brief ebd. Lib. 3, Nr. 3, S. 246 f. Vgl. zu den Briefen Gregors an Heinrich auch Schneider, Prophetisches Sacerdotium, S. 85–91.
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Mathilde.“21 Hier wird also auf die vertrauten weiblichen Ratgeber Gregors rekurriert und überdies der Eindruck erweckt, als könne Heinrich angesichts der Feindschaft der Reichsfürsten zu Gregor nur noch heimlich mit dem Papst kommunizieren. Da Gregor mit diesem Auszug eine leider unbekannte Frage der Damen beantwortet, könnte diese Frage Heinrichs Glaubwürdigkeit und seine Loyalität zu Gregor betroffen haben. Es könnte sein, dass man begann, Heinrichs Spiel zu durchschauen – und nur Gregor sich noch weigerte, diesem Gedanken näher zu treten. Er wurde aber bald eines Anderen belehrt. Kaum hatte Heinrich nämlich gegen die Sachsen die Oberhand gewonnen, begann er, vielleicht unter dem Einfluss des Herzogs Gottfried von Lothringen, eine überaus aktive Italienpolitik, die sich gar nicht an den päpstlichen Interessen orientierte und so mit allen vorherigen Versicherungen brach. Heinrich beauftragte zunächst ausgerechnet einen seiner exkommunizierten Ratgeber, den Grafen Eberhard, Verhandlungen in der Frage der Mailänder Bischofserhebung zu führen.22 Dieser einigte sich auf den Roncaglischen Feldern mit den Mailändern auf den vornehmen Mailänder Kleriker Tedald, der vordem auch in der königlichen Kapelle gedient hatte, als Kandidaten für den umstrittenen Bischofssitz. Diese königliche Initiative überging sehr rigoros alle päpstlichen Ansprüche und Interessen. Immerhin weilte einer der Anwärter auf den umkämpften Sitz, Atto, in Rom bei Papst Gregor und genoss dessen Unterstützung. Um sozusagen das Maß auf diesem Gebiet voll zu machen, investierte Heinrich nahezu gleichzeitig und ohne jede Information des Papstes noch in den Bistümern Fermo und Spoleto eigene Kandidaten, und zwar solche, die dem Papst gänzlich unbekannt waren. Und er sandte schließlich den genannten Grafen Eberhard zusammen mit dem Bischof Gregor von Vercelli nach Süditalien, wo diese mit dem exkommunizierten Herzog Robert Guiscard über eine Lehnsnahme des Normannen aus der Hand Heinrichs verhandeln soll21 Gregorii VII Registrum, lib. 3, Nr. 5, S. 251 f.; siehe dazu Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 108 f. 22 Bonizo, Liber ad amicum, lib. 7, S. 605. Siehe dazu Schieffer, Entstehung des päpstlichen Investiturverbots, S. 150, Anm. 199.
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ten. Gravierender konnte man das Desinteresse an einer Zusammenarbeit mit Gregor wohl kaum zum Ausdruck bringen. Der König lieferte mit diesen politischen Aktivitäten wieder einen Beweis für abrupte Richtungsänderungen ohne Rücksicht auf vorherige Zusagen, die seine Zeitgenossen so oft verunsicherten und empörten.23 Gregor hat denn auch gleich reagiert und Heinrich einen Brief gesandt, der schon in der Adresse keinen Zweifel an seiner Verärgerung ließ: „Bischof Gregor, Knecht der Knechte Gottes, sendet König Heinrich Gruß und apostolischen Segen, wenn er denn dem apostolischen Stuhl gehorcht, wie es einem christlichen König geziemt.“24 Dann werden Heinrich in einem langen Brief nicht nur in den eben angesprochenen Fällen die Leviten gelesen. Der Papst hält mit seinem Urteil über Heinrichs jüngste Handlungen nicht hinter dem Berg: „Wie sehr du dir unsere Mahnungen und die Beachtung des Rechts zu eigen machtest, zeigt sich in dem, was du danach getan und verfügt hast.“ Dennoch ist dieser Brief in seinem ganzen Duktus und in seiner Wortwahl kein direkter Angriff auf den König, sondern lässt ihm durchaus die Möglichkeit zur Wiederaufnahme des Verhandlungsfadens. Allerdings atmet die biblisch fundierte Mahnung durchaus apostolische Strenge und päpstliches Selbstbewusstsein: „Und damit die Furcht vor Gott, in dessen Hand und Macht jede Königsherrschaft und das Imperium liegen, tiefer in dein Herz dringe als unsere Ermahnung, mögest du bedenken, was Saul nach der Erlangung seines Sieges, den er auf Geheiß des Propheten errang, widerfuhr, da er sich seines Triumphes rühmte und den Mahnungen des Propheten nicht folgte, und wie er von Gott verworfen wurde. Und wie viel Gnade dagegen für den König David aus dem Verdienst seiner Demut, umgeben von Zeichen der Tüchtigkeit, folgte.“ Brisanter als das schriftlich Niedergelegte scheint das gewesen zu sein, was Gregor den Gesandten, die den Brief überbrachten, münd23 Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, S. 572 f.; Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 131. 24 Gregorii VII Registrum, lib. 3, Nr. 10, S. 263. Zur zentralen Bedeutung des Gehorsams im Denken Gregors VII. siehe bereits Goez, Zur Persönlichkeit Gregors VII., S. 201 ff.; vgl. dazu auch Schneider, Prophetisches Sacerdotium, S. 173.
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lich mit auf den Weg gegeben hatte.25 Wir fassen hier eine Kommunikationspraxis, die es späteren Historikern überaus schwer macht, das Geschehen zu verstehen und zu bewerten: Die eigentlichen Streitpunkte wurden den mündlich-persönlichen Informationen der Abgesandten vorbehalten; in den offiziellen Schreiben, die diese Abgesandten gleichsam autorisierten und ihren Auftrag beglaubigten, finden sich dagegen nur allgemeine Formulierungen, die das Problem allenfalls vorsichtig ansprechen. Diese Grundkonstellation scheint auch hier gegeben. Gregor erwähnt selbst in seinem Brief, dass er den Abgesandten Verhandlungsaufträge erteilte, die im Brief nicht angesprochen werden. Diese Lücke füllen in diesem Fall sowohl Lampert von Hersfeld als auch Berthold, der schwäbische Annalist, die beide über diesen für das Verständnis der Eskalation zentralen Punkt übereinstimmend berichten. Lampert ist knapper: „Ferner anwesend [bei der Weihnachtsfeier in Goslar 1075] waren Legaten des Papstes Hildebrand, die dem König mitteilten, er möge sich am Montag der zweiten Fastenwoche zu einer Synode in Rom einfinden, um sich wegen der Vergehen, die man ihm vorwerfe, zu rechtfertigen. Anderenfalls werde er unverzüglich an demselben Tag durch apostolischen Bann vom Leibe der Kirche abgetrennt werden. Diese Botschaft erregte beim König schweren Unmut; sofort wies er die Legaten unter schweren Beschimpfungen ab und befahl allen Bischöfen und Äbten seines Reiches, sich am Sonntag Septuagesimä in Worms zu versammeln. Dort wollte er mit ihnen beraten, ob es einen Weg, ob es eine Möglichkeit gebe, den Papst abzusetzen, denn er glaubte, sein ganzes Heil und die Festigkeit seines Thrones hingen davon ab, daß Hildebrand nicht mehr Bischof sei.“26 Siehe dazu Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, S. 579ff. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1076, S. 251 f.: Aderant preterea Hildebrandi papae legati, denunciantes regi, ut secunda feria secundae ebdomadae in quadragesima ad sinodum Romae occurreret, de criminibus, quae obicerentur, causam dicturus; alioquin sciret se absque omni procrastinatione eodem die de corpore sanctae aecclesiae apostolico anathemate abscidendum esse. Quae legatio regem vehementer permovit; statimque abiectis cum gravi contumelia legatis, omnes qui in regno suo essent episcopos et abbates Wormaciae dominica septuagesimae convenire precepit, tractare cum eis volens, ad deponendum Roma25
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Der schwäbische Annalist bestätigt diese Einschätzung Lamperts, verbindet sie aber mit einer umfassenden Bewertung der Politik Heinrichs gegenüber Gregor, die er größtenteils dem Rechtfertigungsschreiben Gregors nach seiner Bannung Heinrichs entnahm, in die er jedoch auch unabhängige Nachrichten einfließen ließ: „Als sie um die Zeit der Geburt Christi zum König nach Goslar kamen, führten sie das aus, was ihnen unter Gehorsamspflicht auferlegt worden war – und dies außerordentlich vorsichtig, aber dennoch nicht ohne größte Gefahr für ihr Leben. Jener [sc. Heinrich] empfing sie nicht mit allzu großer Geduld, und alles, was sie ihm heimlich ins Ohr gesagt hatten, ließ er bald, zornig und maßlos entrüstet, seinen versammelten Räten unter vielen Beschwerden eröffnen – in der Absicht, wie man sagt, daß sie um so mehr danach trachten sollten, nicht nur seine Sache, sondern auch ihre eigene zu verteidigen.“27 Mit dieser „Veröffentlichung“ der vertraulich überbrachten Mahnungen und Drohungen durchkreuzte Heinrich die Absichten des Papstes und machte eine Konfrontation unausweichlich. Er konterkarierte damit gewiss bewusst eine Technik der Verhandlung, die ganz auf Vertraulichkeit setzte und sich nur so den Spielraum verschaffte, kontroverse Dinge ansprechen und Druck ausüben zu können. Wer solche Aussagen öffentlich bekannt machte, hatte sich für den Weg der Konfrontation entschieden. Die ganze Geschichte seiner Bemühungen, mit Heinrich IV. in den Jahren 1073 bis 1076 in Eintracht und Frieden zusammenzuarbeiten, und die Unberechenbarkeit und Willkür, mit der Heinrich IV. diese Versuche vereitelt hatte, breitete Gregor VII. später in einem Brief aus, den er nach der Bannung Heinrichs an „alle Bischöfe, Herzöge, Grafen und alle übrigen Gläubigen im deutschen Reich“ schickte.28 Diese Darstellung ist charakterisiert durch Gregors nun gewonnene num pontificem si qua sibi via, si qua ratio pateret; in hoc cardine totam verti ratus salutem suam et regni stabilitatem, si is non esset episcopus. 27 Bertholdi Chronicon, a. 1075, S. 232. 28 Die Kenntnis verdanken wir der Überlieferung Brunos (De bello Saxonico, cap. 72, S. 62 ff. hier S. 63); siehe zu den Ereignissen der Jahre 1073 bis 1076 Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 110–139; Schneider, Prophetisches Sacerdotium, S. 41–145.
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Gewissheit, dass Heinrich in Notlagen zu jedem Zugeständnis bereit war und sich nicht scheute, sich Fehler, Sünden und Verwerflichkeiten anzulasten, wenn er sich davon Vorteile versprach, dass aber all dies Lippenbekenntnisse waren, die er in dem Moment vergaß, in dem sie zum politischen Überleben nicht mehr notwendig waren. In dieser Gewissheit schreitet Gregor noch einmal die ganze Strecke seiner Bemühungen ab, mit Heinrich ins Einvernehmen zu kommen, und schildert die Antworten des Königs auf diese Bemühungen. Auch wenn man in Rechnung stellen muss, dass Gregor hier seine eigene Politik und vor allem den Bann gegen den König rechtfertigt, ist eindrucksvoll, wie deckungsgleich diese Sicht mit den eben zitierten Quellen ist. Sie sei daher in einem längeren Auszug angeführt, der sich gewissermaßen als Zusammenfassung der bisher herangezogenen Quellen lesen lässt. „Als wir noch Diakon waren und die üble und wenig ehrenhafte Kunde von den Taten des Königs zu uns gelangte, haben wir ihn wegen der kaiserlichen Würde, aus Ehrfurcht vor seinem Vater und seiner Mutter, aber auch in der Hoffnung und in dem Verlangen, er werde sich bessern, oft durch Briefe und Gesandte ermahnt, von seiner Bosheit zu lassen und eingedenk seines durchlauchten Geschlechts und seiner Würde sein Leben so zu führen, wie es sich für einen König und – so Gott will – zukünftigen Kaiser zieme. Als wir aber, obschon wir dessen nicht wert waren, zur päpstlichen Würde gelangten und, da er wie an Alter so auch an Bosheit zunahm, einsahen, daß der allmächtige Gott um so strenger seine Seele aus unserer Hand fordern werde, als uns vor allen übrigen Erlaubnis und Vollmacht gegeben war, ihn zurechtzuweisen, haben wir um so ernsthafter ihn auf jede Weise durch Vorwürfe, Bitten und Zurechtweisen zur Besserung seines Wandels gemahnt. Er aber sandte uns häufig demütigen Gruß und Briefe, in denen er sich teils mit seiner Jugend entschuldigte, die noch schwach und anfällig sei, teils damit, daß ihm oft schlecht von denjenigen geraten werde, in deren Händen der Hof sich befinde. Und er versprach von einem Tag auf den anderen, unsere Ermahnungen bereitwilligst anzunehmen; aber nur mit Worten, während er in der Tat Schuld auf Schuld häufte und sie völlig mißachtete. Einige seiner Vertrauten, auf deren Rat und Machenschaften er Bistümer und viele Klöster, verlok-
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kt durch Geld, in simonistischer Ketzerei durch die Einsetzung von Wölfen statt wahrer Hirten geschändet hatte, riefen wir unterdessen zur Buße auf, damit sie die Kirchengüter, die sie durch so frevelhaftes Handeln mit kirchenschänderischer Hand empfangen hatten, an die heiligen Orte, denen sie gehörten, zurückerstatteten, solange noch Zeit sei, und selbst für den begangenen Frevel durch Tränen der Reue Gott Genugtuung leisteten. Aber wir mußten sehen, wie sie die ihnen gewährte Frist mißachteten und hartnäckig in ihrer gewohnten Schlechtigkeit verharrten. Da haben wir sie nach Gebühr als Kirchenschänder und Diener und Glieder des Teufels von der Gemeinschaft und dem Leib der ganzen Kirche getrennt und zugleich den König ermahnt, daß er sie als Gebannte aus seinem Haus, seinem Rat und jeglicher Gemeinschaft vertreibe. Inzwischen aber bedrängte die sächsische Angelegenheit den König immer mehr, und er erkannte, daß sich die Kräfte des Reiches ihm weitgehend versagen wollten. Da sandte er wieder einen flehentlichen und ganz demütigen Brief an uns, in dem er sich vor dem allmächtigen Gott, vor dem heiligen Petrus und uns schuldig bekannte, und bat uns, durch unsere apostolische Vorsorge und Vollmacht nach Möglichkeit zu bessern, was durch seine Schuld in den kirchlichen Angelegenheiten gegen das kanonische Recht und die Satzungen der heiligen Väter geschehen sei. Dabei versprach er uns in allen Stücken Gehorsam, Zustimmung und getreuliche Hilfe. […] Als der König dann aber einige Zeit später den Sachsen eine Schlacht geliefert hatte, dankte und opferte er für den Sieg Gott dergestalt, daß er das Gelöbnis seiner Besserung alsbald zerbrach und nichts von dem beachtete, was er versprochen hatte […]. Obgleich uns heftiger Schmerz darüber ergriff […] kamen wir dennoch zu dem Schluß, auch jetzt noch seinen Sinn auf die Probe zu stellen, weil wir lieber wollten, daß er die apostolische Güte vernähme, als daß er ihre Strenge erführe. Deshalb sandten wir ihm Briefe voller Ermahnungen […]. Darüber hinaus sandten wir drei fromme und ihm ganz ergebene Männer zu ihm, durch die wir ihn insgeheim ermahnten, Buße zu tun für seine Freveltaten, die man nur mit Schrecken nennen kann, doch vielen bekannt sind und vielerorts verbreitet werden und für die er nach göttlichem und menschlichem Recht nicht nur die Exkommunikation verdient hätte, bis er hinreichende Genugtuung leistet, sondern
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auch die Entsetzung von aller königlicher Würde, ohne Hoffnung auf Wiederherstellung.“ Dieses Schreiben des Papstes ist im Reich bekannt geworden, denn nicht nur Brun hat es in sein Werk aufgenommen, sondern auch Paul von Bernried und Hugo von Flavigny haben es in langen Passagen sinngemäß und teilweise wörtlich wiedergegeben.29 Überraschenderweise fehlt es dagegen im Register Gregors, ohne dass wir einen Grund dafür wüssten. Der Papst stellt die Vorgeschichte des Konflikts in der Tat im Wesentlichen so dar, wie wir sie auch heute auf der Grundlage der erhaltenen Quellen nachzeichnen.30 Allerdings spricht aus seinen Ausführungen eine Gewissheit über Heinrichs verwerfliche Motive, die in der modernen Forschung nicht geteilt wird. Aber Gregors späte Einsicht, dass Heinrichs Versprechungen und Beteuerungen nie ernst gewesen seien, kann man nur schwer von der Hand weisen. Zu abrupt war Heinrichs Kurswechsel, als er meinte, nicht mehr auf die Unterstützung des Papstes angewiesen zu sein. Plötzliche Richtungswechsel waren und blieben ein Charakteristikum von Heinrichs politischer Handschrift: In verschiedenen Entscheidungssituationen kann man ein Verhalten beobachten, das von taktischer Flexibilität, aber auch von Prinzipienlosigkeit zeugt, wenn es galt, die eigene Herrschaft zu retten. Wir werden darauf zusammenfassend noch eingehen.31 Angesichts der Argumentation des Papstes bleibt allerdings auch die Frage, warum Gregor in Kenntnis all der ungeheuerlichen Vorwürfe gegen diesen König, die er nun zu erkennen gab, so lange allein darauf setzte, mit ihm zusammenzuarbeiten. Gerade von dem Rigoristen Gregor hätte man eigentlich erwarten dürfen, dass er seine Kenntnisse von massiven Verfehlungen Heinrichs nicht unterdrückt, sondern sofort mahnend auf Heinrich einzuwirken versucht hätte. Das hat er aber allem Anschein nach nicht oder nur auf dem Wege vertraulich-mündlicher Botschaften getan, die keine Wirkung auf den König hatten. 29 Paul von Bernried, Vita Gregorii VII, cap. 78, S. 517–521; Hugo von Flavigny, Chronicon, lib. 2, S. 439 f. 30 Dies dürfte durch den Vergleich unserer vorhergehenden Darstellung mit den Aussagen des Briefes einsichtig werden. 31 Siehe dazu Kap. VI.4.
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2. Von Worms nach Canossa: Das Jahr der Eskalation 1076/77 Heinrichs Reaktion auf die päpstliche briefliche Ermahnung und die mündliche Drohung der Gesandten, dass der Papst ihn aus der Kirche ausschließen werde, wenn er sein Verhalten nicht radikal ändere, ließ nicht lange auf sich warten. Auf den 24. Januar bestellte er die Fürsten zu einem Hoftag nach Worms, auf dem eine angemessene Antwort auf die Initiative Gregors beraten und beschlossen werden sollte.32 Zuvor kam es noch zu einer ganz ungewöhnlichen Maßnahme Heinrichs, die möglicherweise im Zusammenhang mit seinem nun doch sehr grundsätzlichen Angriff auf Gregor VII. stand. Heinrich hat sich nämlich zu Weihnachten in Goslar mit dem ehemaligen Herzog Otto von Northeim versöhnt und diesen sogar zu seinem Statthalter in Sachsen gemacht. Wieder handelt es sich um eine der plötzlichen und in diesem Fall fast unfassbaren Wendungen in Heinrichs Politik, die den bisher vielfach bekämpften Otto zum besonderen Vertrauten machte. Ob er wirklich glaubte, damit die Verhältnisse in Sachsen so zu stabilisieren, dass er sich anderen Konfliktherden zuwenden konnte, ist nicht überliefert. Es sei nicht verhehlt, dass auch die Flexibilität, mit der sich Otto nach all seinen bisherigen Erfahrungen mit Heinrich auf diesen Parteiwechsel einließ, erstaunlich ist. Lange gehalten hat dieses Bündnis jedenfalls nicht.33 In der Forschung hat es sich eingebürgert, die nun galoppierende Eskalation des Konflikts an Ortsnamen festzumachen: Worms, Rom, Utrecht, Tribur, Canossa lautet die Folge der Orte, an denen in einem guten Jahr dieser dramatische Konflikt, der die Christenheit in Atem hielt und veränderte, seine entscheidenden Impulse erhielt. Die Abfolge dieser Orte markiert einen rapiden Macht- und Prestigeverlust Heinrichs, den es zu erklären gilt. Die Frage, die uns im Folgenden beschäftigen wird, ist vor allem, wie es dazu kommen konnte, dass der nach dem Triumph über die Sachsen scheinbar übermächtige König ein Jahr später von allen verlassen barfuß im Schnee vor der Burg CaEpistolae Heinrici IV, Nr. 11, S. 14. Fenske, Adelsopposition, S. 62 ff.; Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1076, S. 261. 32
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nossa stand, um von Gregor die Wiederaufnahme in die Kirche zu erreichen und so sein Königtum zu retten. Beginnen wir in Worms: Dort war, für Heinrichs Vorhaben wie gerufen, der römische Kardinal Hugo der Weiße anwesend, der von Gregor VII. bereits zum dritten Mal aus der Kirche ausgeschlossen worden war. Er versorgte die Versammlung mit „Informationen“ über Werdegang, Wahl und Lebensführung des Papstes, die offensichtlich großen Eindruck auf die Versammelten machten, weil es sich vorgeblich um Enthüllungen eines intimen Kenners der römischen Verhältnisse handelte. Unter anderem behauptete der römische Kardinal, dass Gregor zu intime Beziehungen zur Herzogin Mathilde von Tuszien unterhalte, was angesichts des unnachgiebigen Kampfes, den Gregor für Zölibat und Keuschheit der Priester führte, gewiss eine Sensation war. Wahr waren die Behauptungen Hugos des Weißen allem Anschein nach jedoch nicht.34 Die Versammlung war unterschiedlich besucht. Immerhin 26 von 34 Reichsbischöfen nahmen teil, während die weltlichen Reichsfürsten mit Ausnahme Herzog Gozelos von Niederlothringen fehlten. Es ist jedoch fraglich, ob man aus dem Fehlen der weltlichen Fürsten Schlüsse ziehen darf. Und es ist auch schwierig zu erkennen, wer in Worms die Protagonisten des Vorgehens gegen den Papst waren, wer sich eher zurückhielt und wer sich gar nur gezwungenermaßen an dem Vorgehen gegen Gregor beteiligte. Gegen Heinrich eingestellte Quellen wie Brun und Lampert akzentuieren den Zwang, den Heinrich ausüben musste, um die Bischöfe zur Zustimmung zu den Entscheidungen zu veranlassen. Lampert bietet in dieser Frage jedoch eine durchaus differenzierte Sicht: „Während alle übrigen dies Verdammungsurteil ohne Zögern unterschrieben, widersetzten sich die Bischöfe Adalbero von Würzburg und Hermann von Metz eine Zeitlang, indem sie erklärten, es sei ganz ungehörig und verstoße gegen die kanonischen Bestimmungen, daß ein Bischof in seiner Abwesenheit ohne allgemeines Konzil, ohne die vom Gesetz vorgeschriebenen Ankläger und Zeugen, 34 Zu den Einzelheiten siehe Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, S. 615ff.; Robinson, Henry IV of Germany, S. 143 ff.; Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 135 ff.
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bevor die ihm vorgeworfenen Verbrechen erwiesen seien, verurteilt werde, und erst recht gelte das vom Papst, gegen den weder eines Bischofs noch eines Erzbischofs Anklage angenommen werden dürfe. Doch der Bischof Wilhelm von Utrecht, der die Sache des Königs besonders eifrig vertrat, stellte sie unter heftigen Drohungen vor die Wahl, entweder wie die anderen die Verdammung des Papstes zu unterzeichnen oder sich vom König, dem sie Treue geschworen hätten, sofort loszusagen.“35 Brun dagegen vermittelt den Eindruck, als sei es der König mit wenigen vertrauten Räten gewesen, der die Absetzung des Papstes unter Androhung von Zwang durchgesetzt habe. Er „ließ alle seine Bischöfe kommen und zwang sie, dem Hildebrand, der Papst genannt werde, es aber nicht sei, Unterwerfung und Gehorsam aufzukündigen, und damit dies auch späterhin niemand ableugnen könnte, ließ er jeden von ihnen unter Anführung seines Namens die Absage an Hildebrand eigenhändig und jeweils auf einer besonderen Urkunde schreiben […]. Nur wenige, nämlich die Urheber dieses Planes, taten das von Herzen; die meisten schrieben vielmehr diesen Absagebrief aus Furcht vor dem Tod, und daß sie es nur wider Willen getan hatten, bewiesen sie dadurch, daß sie bei der ersten Gelegenheit Briefe mit demütigem Bekenntnis an den Papst schickten und ihre Schuld anerkannten, sich aber durch den Zwang der Not zu entschuldigen suchten.“36 Es ist angesichts solcher Bewertungen überaus schwierig zu entscheiden, wie stark der Rückhalt des Königs, der gewiss großes Interesse an der Absetzung Gregors hatte, in dieser Situation unter den Bischöfen war. Immerhin hatte Gregor nicht wenige von ihnen durch seine Maßnahmen gegen sich aufgebracht. Man muss nur daran erinnern, wie viele der Reichsbischöfe in den Jahren zuvor zur Rechenschaft nach Rom zitiert und welche von ihnen sogar suspendiert worden waren. Selbst der die Wormser Synode präsidierende Mainzer Erzbischof Siegfried hatte Gregors Unwillen und Tadel in reichem Maße ertragen müssen.37 Es gab also durchaus Grund für viele der BiVgl. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1076, S. 254. Bruno, De bello Saxonico, cap. 65, S. 57. 37 Vgl. Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 111–123. 35 36
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schöfe, sich hinter den König und gegen Gregor zu stellen. Jedenfalls gab es ein eigenes Schreiben der Bischöfe an den Papst, das in seinen Vorwürfen an Gregor nicht weniger entschieden war als die königlichen Schreiben. Auch die Bischöfe urteilten, dass Gregor nicht mehr rechtmäßig Papst sein könne, und begründeten dies unter anderem damit, dass Gregor einen Eid geleistet habe, niemals ohne die Zustimmung des deutschen Königs die Papstwürde zu übernehmen. Sie warfen ihm überdies seine Papstwahl vor, die gegen das Papstwahldekret Papst Nikolaus’ durchgeführt worden sei. Und sie klagten ihn schließlich an, durch das Zusammenleben mit einer Frau einen sehr schweren Skandal in der Kirche heraufbeschworen zu haben, ja die ganze Kirche werde unter ihm durch einen „Weibersenat“ regiert.38 Und in der Summe all dieser Vorwürfe kündigten sie ihm den Gehorsam auf. Natürlich kann die Unterschrift unter dieses Schreiben von einigen mehr oder weniger erzwungen worden sein. Man sollte jedoch in Rechnung stellen, dass für eine gescheiterte Sache später niemand verantwortlich sein will. Auch so könnte sich die nachträgliche Distanz der Bischöfe zu den Wormser Beschlüssen erklären, wie sie vor allem Brun behauptet.39 Heinrich IV. hat ferner in eigenem Namen mehrere Briefe geschrieben, die den Angriff gegen Gregor rechtfertigen und auch eine „propagandistische“ Wirkung entfalten sollten. Ein Brief ging an Gregor selbst, ein zweiter an Klerus und Volk von Rom, der auch das Schreiben an Gregor beinhaltete. Ein dritter und erheblich polemischer aber war zur Verbreitung in Deutschland bestimmt, er wurde wohl erst am Osterfest 1076 in Utrecht verfasst, als Heinrich von seiner Exkommunikation durch Gregor erfahren hatte. Der König legte nun besonderen Wert darauf, seine Argumentation gegen den Papst bekannt zu machen. Dieser Brief beginnt mit der berühmten Adresse: „Heinrich nicht durch Anmaßung, sondern durch Gottes gerechte Anordnung König, an Hildebrand, nicht mehr den Papst, sondern den falschen Mönch.“ Und er endet mit den nicht weniger berühm38 MGH Constitutiones, Bd. 1, Nr. 58, S. 108: […] omnia iudicia, omnia decreta per feminas in apostolica sede actitari, denique per hunc feminarum novum senatum totum orbem ecclesiae administrari. 39 Vgl. Anm. 36 in diesem Kapitel.
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ten Worten: „Ich, Heinrich, durch die Gnade Gottes König, sage dir zusammen mit allen meinen Bischöfen: Steige herab, steige herab.“40 Die Vorwürfe Heinrichs, mit denen er in diesem Brief die Absetzung Gregors begründet, akzentuieren Gregors Übergriffe gegen die Bischöfe und gegen ihn selbst, den König: „Du scheutest dich nicht nur nicht, die Lenker der heiligen Kirche, nämlich Erzbischöfe, Bischöfe und Priester, die doch Gesalbte des Herrn sind, anzutasten, nein, wie Knechte, die nicht wissen, was ihr Herr tut, zertratest du sie unter deinen Füßen und gewannst dir dabei die Zustimmung aus dem Mund des Pöbels. Sie alle erachtest du als unwissend, dich allein aber als allwissend; doch dieses Wissen bemühtest du dich nicht zum Aufbau, sondern zur Zerstörung zu verwenden. […] Und wir haben dies alles ertragen, während wir uns bemühten, die Stellung des apostolischen Stuhles zu wahren. Aber du hast unsere Demut für Furcht gehalten und dich daher nicht gescheut, dich sogar gegen die uns von Gott verliehene königliche Gewalt zu erheben; du hast zu drohen gewagt, du würdest sie uns nehmen, als ob wir von dir das Königtum empfangen hätten, als ob in deiner und nicht in Gottes Hand Königs- und Kaiserherrschaft lägen. […] Durch List, was das Mönchsgelübde verabscheut, bist du zu Geld gekommen, durch Geld zu Gunst, durch Gunst zum Schwert, durch das Schwert zum Sitz des Friedens, und vom Sitz des Friedens aus hast du den Frieden gestört; die Untergebenen hast du gegen die Vorgesetzten bewaffnet, unsere Bischöfe, die Gott berief, hast du, der Unberufene, zu verachten gelehrt […].“41 Angegriffen wird im Prinzip der Anspruch Gregors, dass sein Amt die hierarchische Spitze der Kirche sei und dass er aus dieser Stellung heraus die Amts- und Lebensführung der Bischöfe kontrollieren und sanktionieren dürfe. Der zweite Konfliktpunkt ist die Frage, ob auch Vgl. Epistolae Heinrici IV, Nr. 12, S. 15, 17: H. non usurpative, sed pia dei ordinatione rex Hildebrando iam non apostolico, sed falso monacho […] Ego H. dei gratia rex cum omnibus episcopis nostris tibi dicimus: descende, descende! Diesen Brief hat Bruno in sein De bello Saxonico, cap. 67, S. 59f., eingefügt. Siehe dazu die Untersuchungen von Erdmann, Die Anfänge der staatlichen Propaganda, S. 491–503; Schneider, Prophetisches Sacerdotium, S. 146 ff.; Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 136 ff. 41 Epistolae Heinrici IV, Nr. 12, S. 15 f. 40
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König Heinrich unter dieser Sanktionsgewalt des Papstes stehe. Auf die von den Bischöfen in ihrem Schreiben gegen Gregor erhobenen anderen Vorwürfe kommt Heinrich dagegen gar nicht mehr zu sprechen. Auch in dem erstgenannten Brief an Gregor selbst bleibt Heinrich auf einer allgemeinen Ebene und bezieht sich hinsichtlich der konkreteren Vorwürfe ausdrücklich auf das Schreiben der Bischöfe. Interessant ist im Brief an Gregor die formale Argumentation, dass der Beschluss zu dessen Absetzung auf einen Spruch (sententia) der Fürsten zurückgehe, dem Heinrich zugestimmt habe, „weil er gerecht und billigenswert war“. Man darf hieraus jedoch nicht folgern, dass Heinrich sich hinter seinen Bischöfen versteckt hätte. Der König betont lediglich, dass die Entscheidung in der richtigen Form zustande gekommen sei: Er sei dem Spruch seiner Getreuen beigetreten. Der Brief Heinrichs an die Römer hingegen fordert diese auf, „Freund seinen Freunden und Feind seinen Feinden“ zu sein. Er benutzt damit eine alte Formel, in der die Pflichten eines Freundes ausgedrückt wurden. Das heißt für ihn konkret: „Erhebt euch also gegen ihn, Getreueste, und der erste in der Treue sei der erste, der ihn verdammt. Wir aber sagen nicht, daß ihr sein Blut vergießen sollt, da ja das Leben nach der Absetzung eine größere Strafe ist als der Tod. Vielmehr sollt ihr ihn, falls er nicht abdanken will, dazu zwingen und einen anderen als Papst annehmen, der nach dem gemeinsamen Rat aller Kardinalbischöfe und eurem Rat von uns erwählt wurde und der alle Wunden heilen will und kann, die jener in der Kirche schlug.“42 Man muss angesichts all dieser rhetorischen Wucht, mit der in den Briefen das Amtsende Gregors herbeigeschrieben wird, betonen, dass in Worms keine förmliche Absetzung des Papstes vollzogen wurde. Man hat ihn aufgefordert, den Stuhl Petri, den er ungerecht okkupiert habe, zu verlassen; die Bischöfe haben ihm den Gehorsam aufgekündigt und gesagt, dass er nicht mehr Papst sein könne; Heinrich hat die Römer aufgefordert, sich gegen ihn zu erheben und so zu seiner Abdankung beizutragen, nach der dann, kanonisch rechtmäßig, Heinrich nach dem Rat der Kardinalbischöfe und dem Rat der Römer einen neuen Papst hätte erheben können. Eine Absetzung ohne Anhörung 42
Epistolae Heinrici IV, Nr. 10, S. 13.
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und Verteidigung des Angeklagten wäre auch kanonisch unkorrekt gewesen, wie einige Bischöfe argumentiert hatten. Dass diese Absetzung aber folgen würde, falls Gregor nicht freiwillig den Sitz räumte, konnte niemandem zweifelhaft sein. Auch Heinrich wusste sicher, dass eine Absetzung Gregors in Rom durchgesetzt werden musste. Und um eine Unterstützung der italienischen Bischöfe in dieser Angelegenheit hat er sich sofort und erfolgreich bemüht. Ins Auge gefasst wurde auch eine Verhandlung über Gregor, in der drei deutsche Bischöfe, die älter als Gregor waren, Wilhelm von Utrecht, Eberhard von Naumburg und Altwin von Brixen, ein Urteil über den Papst fällen sollten.43 Und geplant war offensichtlich ebenfalls ein Romzug, der angesichts der sich überstürzenden Entwicklung aber gar nicht mehr zustande kam. Einen Tag vor der römischen Fastensynode 1076 erreichten die Boten mit ihren Schreiben aus Worms Rom, den zweiten Ort, der in diesem Jahr bedeutungsvoll wurde. Die Schreiben wurden vor der Synode ebenso verlesen wie die Aufkündigung des Gehorsams der italienischen Bischöfe. Angeblich hätten die Synodalen den Überbringer der Botschaft in Stücke zerrissen, „wenn er nicht zu Füßen des Papstes seinen Schutz gefunden hätte“.44 Gregors Reaktion war differenziert und gezielt. Von den deutschen Bischöfen, die das Wormser Schreiben unterzeichnet hatten, exkommunizierte der Papst den Erzbischof Siegfried von Mainz und alle diejenigen, die freiwillig diesen Brief unterzeichnet hatten. Die anderen suspendierte er, räumte ihnen jedoch die Möglichkeit ein, sich bis zum 1. August in Rom für ihr Tun zu verantworten. Wer zu der einen und wer zu der anderen Gruppe zählte, sagte er klugerweise nicht. Danach exkommunizierte er die lombardischen Bischöfe, die sich auf der Versammlung in Piacenza gegen ihn verschworen hatten. Dem König aber hatte er eine besonders feierliche Form der Exkommunikation vorbehalten. In einem Gebet an den Apostelfürsten Petrus rekapitulierte der Papst zunächst die strittigen Punkte seiner Vgl. Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, S. 629. Siehe Bruno, De bello Saxonico, cap. 68, S. 60; zu weiteren Quellen Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, S. 632 ff. 43
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Amtseinsetzung: „Heiliger Petrus, Fürst der Apostel […]. Du bist mir Zeuge unter allen Heiligen und meine Herrin, die Mutter Gottes, und der heilige Paulus, dein Bruder, daß deine heilige römische Kirche mich wider meinen Willen zu ihrer Leitung berufen hat und ich keinen Raub im Sinne hatte, diesen Stuhl zu besteigen […]. In dieser festen Zuversicht also, zur Ehre und zum Schutz deiner Kirche, im Namen des allmächtigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, kraft deiner Gewalt und Vollmacht spreche ich König Heinrich, des Kaisers Heinrich Sohn, der sich gegen deine Kirche mit unerhörtem Hochmut erhoben hat, die Herrschaft über Deutschland und Italien ab, und ich löse alle Christen vom Eid, den sie ihm geleistet haben oder noch leisten werden, und untersage, ihm fürderhin als König zu dienen. Denn es gebührt sich, daß derjenige, der die Ehre deiner Kirche zu verringern trachtet, selber die Ehre verliert, die er zu besitzen scheint. Und weil er es verschmäht hat, wie ein Christ zu gehorchen, und nicht zu Gott, den er verlassen hat, zurückgekehrt ist, sondern mit Gebannten Gemeinschaft hält, vielerlei Unrecht tut, meine Ermahnungen […] verachtet, – du bist mein Zeuge – , sich von deiner Kirche trennt und sie zu spalten sucht, darum binde ich als dein Stellvertreter ihn mit der Fessel des Fluchs und binde ihn im Vertrauen auf dich derart, daß alle Völker es wissen und erkennen, daß du bist Petrus und auf deinen Felsen der Sohn des lebendigen Gottes seine Kirche gebaut hat und die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden.“45 Die Antwort war gegeben, nun musste sich entscheiden, ob die geistliche Autorität oder die weltliche Macht die Oberhand behalAbsetzungssentenz Gregors VII. bei Bruno, De bello Saxonico, cap. 70, S. 61 f.; Schubert, Königsabsetzung, S. 129 ff. u. ö. hat pointiert herauszuarbeiten versucht, dass 1076 noch nicht von einer Absetzung Heinrichs IV. die Rede sein könne. Dies erscheint angesichts des Wortlauts der Absetzungssentenz problematisch. Immerhin hatte Gregor nach Bruno formuliert: Heinrico regi, filio Heinrici imperatoris, qui contra tuam ecclesiam inaudita superbia insurrexit, totius regni Teutonicorum et Italiae gubernacula contradico et omnes christianos a vinculo iuramenti, quod sibi fecerunt vel facient, absolvo et, ut nullus ei sicut regi serviat, interdico. Zudem formuliert Gregor bei der zweiten Bannung Heinrichs im Jahre 1080, dass er ihm iterum (wiederum, abermals) das Königtum nehme; siehe dazu Anmerkung 101. 45
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ten würde. Der Papst hatte den König ja nicht einfach exkommuniziert, sondern hatte ihm die Herrschaft abgesprochen und alle Christen vom Eid gelöst, den sie Heinrich IV. geleistet hatten. Die Nachricht von dieser Reaktion des Papstes und der Bannung des Königs erreichte den Hof, als das Osterfest in Utrecht gefeiert wurde. Damit sind wir beim dritten Ort, der für die Entwicklung in diesem Krisenjahr von Bedeutung ist. Heinrich scheint von der Bannung zunächst nicht sehr beeindruckt gewesen zu sein. Der Bischof Pibo von Toul jedoch, der sie auf Geheiß des Königs öffentlich verkünden und ihre Unwirksamkeit begründen sollte, floh Hals über Kopf aus Utrecht und machte so indirekt die Wirkung dieser päpstlichen Maßnahme deutlich.46 Bischof Wilhelm von Utrecht, auch in Worms einer der scharfen Gegner Gregors, hatte weniger Skrupel und verkündete von der Kanzel „mit spöttischen Worten“, der Papst habe zwar den König gebannt, doch habe dieser Bann keine Wirkung.47 Dies war in der Tat nur folgerichtig: Wenn man Gregor für einen Eindringling in die römische Kirche hielt, der abzusetzen sei, dann war dessen Bannfluch in der Tat nicht erschreckend, da ihm die Hilfe der himmlischen Mächte fehlte. Was danach geschah, dürfte auf die Zeitgenossen jedoch wie ein direktes Eingreifen Gottes in das irdische Geschehen gewirkt haben. Zumindest haben einige von ihnen genau diese Qualität der Ereignisse in den Vordergrund gestellt. Bischof Wilhelm von Utrecht erkrankte nämlich unmittelbar nach seiner Reaktion auf den Bann. Und was noch eindeutiger war, in die Kathedrale von Utrecht schlug der Blitz ein und ließ sie abbrennen. Es ist aus den fraglichen Tagen eine Königsurkunde Heinrichs mit einer Stiftung für den Wiederaufbau der Kathedrale überliefert, in der vom König bekannt wird, die Kathe46 Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, S. 660; Hugo von Flavigny, Chronicon, lib. 2, S. 458; Bruno, De bello Saxonico, cap. 74, S. 76. 47 Bruno, De bello Saxonico, cap. 74, S. 76: Episcopus [sc. Wilhelm von Utrecht] quoque idem timens, ne, si populus haec audisset, a rege sicut ab excommunicato discederet, inter missas sermonem faciens ad populum, derisorie, quod rex esset excommunicatus, indicavit, sed hanc excommunicationem nichil valere, quibus poterat verbis, utpote facundus homo, confirmavit.
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drale sei „wegen unserer Sünden“ abgebrannt.48 Drastisch sind andererseits die Geschichten, die Gegner Heinrichs IV. von Krankheit und Tod des Utrechter Bischofs kolportierten: „An derselben Stelle, von der aus er den römischen Bischof herabsetzte und dessen Gewalt mit seinem Wortschwall zunichte zu machen suchte, ergriff ihn eine Krankheit, die ihn bis an das erbärmliche Ende seines elenden Lebens nicht mehr losließ. Als die Krankheit sich nun ständig verschlimmerte und ein Mann des Königs, der gerade bei ihm war, ihn bat, ihn doch mit seinem Auftrag zum König zurückzusenden, sagte er: ‚Dies schicke ich ihm als Botschaft, daß er selbst, ich und alle Begünstigen seiner Bosheit auf ewig verdammt sind.‘ Und als ihn seine anwesenden Kleriker ermahnten, so etwas nicht zu sagen, da sprach er: ‚Wie soll ich denn anders reden, als was ich mit eigenen Augen als wahr erkenne. Denn seht, böse Geister umstehen mein Lager, um mich fortzuschleppen, sobald ich den letzten Atemzug getan habe. Darum bitte ich euch und alle Gläubigen, sich nicht lange mit Gebeten für mich abzumühen, wenn meine Seele erst den Körper verlassen hat.‘“49 Die Worte des Bischofs beziehen sich auf die verbreitete Vorstellung, dass beim Tode eines Menschen die guten und die bösen Geister den Kampf um seine Seele aufnehmen und dass man gerade in dieser Situation dem Verstorbenen mit Gebetsleistungen zu Hilfe eilen muss. Unzählige Stiftungen des Mittelalters verdanken sich dieser Vorstellung.50 D H IV, Teil 1, Nr. 284, S. 368: In nomine sanctae et individuae trinitatis. Heinricus divina favente clementia rex. Libere et perfecte regem regnare est illum, per quem reges regnant, Christum in sanctis suis honorare. Inter quos caeli ianitorem, integrê fidei confessorem, regni vel imperii defensorem, apostolorum principem beatum Petrum apostolum in reparanda Traiectensi aecclesia sua placando honorare necessarium duximus, quam incendio consumptam nostris peccatis imputando ingemuimus. 49 Bruno, De bello Saxonico, cap. 74, S. 76; ähnlich Bertholdi Chronicon, a. 1076, S. 242, Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1076, S. 258 f., und Bernoldi Chronicon, a. 1076, S. 408. Es ist erstaunlich, dass Schneider, Prophetisches Sacerdotium, S. 157 ff. diese Quellen und ihre brisanten Aussagen unberücksichtigt lässt. 50 Vgl. Angenendt, Grundformen der Frömmigkeit im Mittelalter, S. 107– 110; ders., Geschichte der Religiosität, S. 669–672, 712–716. 48
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In seinem Fall erklärt der Bischof solche Hilfe allerdings für nutzlos, da ohnehin nur böse Geister bereitstünden, seine Seele in Empfang zu nehmen. Der Gewährsmann für die Geschichte, Brun, „beweist“ im Anschluss an diese Erzählung mit sieben weiteren Beispielen, „daß fast alle Vertrauten und Anhänger Heinrichs einen ebenso elenden Tod gefunden haben [wie der Bischof von Utrecht], ja einen um so elenderen, je treuer sie ihm ergeben waren; denn diese Treue war in Wahrheit Treulosigkeit“.51 Leicht ist man als moderner Leser solcher Geschichten geneigt, sie als Räsonnement zielbewusster Kleriker abzutun, die so ihre Herde in Furcht und Schrecken zu versetzen versuchten. Auf das politische Geschehen im Mittelalter hatte es aber erheblichen Einfluss, wenn Zeichen zu beobachten waren, die auf Gottes Eingreifen, Gottes Zorn oder auch Gottes Hilfe hindeuteten. Dass man auf solche Zeichen akribisch geachtet hat, ist vielfach bezeugt. Dass man solche Zeichen mit beträchtlicher Energie auch konstruiert hat, darf gleichfalls nicht übersehen werden: Der Zweck heiligte hier häufig genug die Mittel.52 Konstruiert hat man in diesem Fall die Zeichen wohl nicht: Der Bischof ist in der Tat kurz nach Ostern gestorben und die Kathedrale brannte tatsächlich in den fraglichen Tagen ab. Als Zeichen für Gottes Zorn gegen Heinrich hat man sie allerdings in der Tat gedeutet. Waren solche Deutungen aber so wirkmächtig, dass sie ein politisches Geschehen von den hier vorliegenden Dimensionen beeinflussten? Haben mit anderen Worten die ja tatsächlich deutlichen Zeichen dazu beigetragen oder sogar dazu geführt, dass Heinrichs Sache ins Zwielicht geriet? Hat sich angesichts dieser Zeichen jeder Anhänger Heinrichs überlegt, ob er ein gleiches Schicksal wie der Utrechter Bischof riskieren wollte? Es spricht einiges dafür, dass viele so dachten oder zumindest verunsichert waren. Unstrittig ist, dass nach Ostern 1076 die Unterstützung der Sache Heinrichs rapide abnahm, seine Gegner sich zu formieren und ihre Bruno, De bello Saxonico, cap. 74, S. 78. Zur diesbezüglichen Mentalität vgl. Dinzelbacher, Europa im Hochmittelalter 1050–1250, S. 116, 154, 156 f. 51 52
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Kräfte zu sammeln begannen. Ein für Pfingsten in Aussicht genommener Hoftag in Worms, für den Heinrich noch einmal brieflich geworben hatte und auf dem man Gregor VII. förmlich absetzen wollte, kam mangels Beteiligung zu keinem Ergebnis. Fürsten, die sächsische Große in Haft hielten, ließen diese nun eigenmächtig frei, andere musste der König notgedrungen freilassen. Die nach Sachsen Zurückkehrenden eröffneten den Widerstand gegen Heinrichs Besatzungen erneut und so erfolgreich, dass auch Heinrichs sächsischer Statthalter Otto von Northeim die Partei wechselte und sich wieder den Gegnern Heinrichs anschloss. Als ein Einfall Heinrichs in Sachsen, den er mit böhmischer Hilfe hatte vornehmen wollen, scheiterte, stand ganz Sachsen wieder geschlossen gegen den König.53 Zunächst unabhängig von dieser Entwicklung wurden im Süden die Herzöge Rudolf, Welf und Berthold aktiv, trafen sich im April mit verschiedenen Bischöfen und im September dann mit dem päpstlichen Legaten Altmann von Passau und anderen Bischöfen in Ulm. Ergebnis ihrer Besprechung aber war, „es sollten sich alle, die wünschten, daß dem Reich geholfen werde, am 16. Oktober in Tribur versammeln und, des Unheils überdrüssig, endlich einmal den mannigfachen Schädigungen, durch die nun schon viele Jahre lang der Friede der Kirche gestört werde, ein Ende machen“.54 Damit übernahmen die Fürsten die Initiative, von deren Stellungnahme für oder gegen den König die Stärke Heinrichs in den Jahren zuvor entscheidend abhängig gewesen war. Dass sie nun gegen den König Partei ergriffen, konnte kaum verborgen bleiben, denn die Zusammenkunft von Tribur war als „königsloser Tag“ geplant. Man wollte über den König, nicht mit dem König verhandeln. Heinrich blieb denn auch während dieser Verhandlungen mit seinen Anhängern auf der anderen Rheinseite in Oppenheim, bis die in Tribur Versammelten zu einem Ergebnis gekommen waren. Schon im Umfeld der Vorbereitungen dieses Tages sagten sich viele der Bischöfe, die in Worms Heinrich unterstützt hatten, von seiner 53 Zu den Ereignissen vgl. Giese, Der Stamm der Sachsen, S. 167 f.; Robinson, Henry IV of Germany, S. 152 ff. 54 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1076, S. 273 f.; siehe dazu und zum Folgenden Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 113ff.
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Sache los, so die Erzbischöfe von Mainz und Trier, die Bischöfe von Straßburg, Verdun, Lüttich, Münster, Utrecht, Speyer, Basel und Konstanz. Sieht man diese Bewegung zusammen mit den Vorgängen in Sachsen, so wird das Ausmaß des Abfalls von Heinrich deutlich, dessen Ursachen gewiss vielschichtig waren. Man tut aber gut daran, neben politischen Erwägungen auch die Wirkung der Zeichen von Utrecht in Rechnung zu stellen. Brun, der sächsische Gewährsmann, führt wohl nicht zufällig Einzelheiten an, die verdeutlichen, wie schwierig die Formierung des Herrschaftsverbandes gegen den König war, weil diejenigen, die sich nun verbünden wollten, noch vor kurzem in den Sachsenkriegen gegeneinander gekämpft hatten: „Noch aber waren auf beiden Seiten die Schwerter naß von der letzten Schlacht, und wenn sie sich auch gegenseitig durch Gesandtschaften verziehen hatten, so hätte dennoch, wie es leicht unter Kriegern geschieht, ein Streit unter einigen nichtsnutzigen Buben entstehen und das schon geschlossene Bündnis schmählich zerbrechen können. Deshalb gingen der Patriarch [von Aquileja] und die übrigen Großen den Sachsen entgegen, als diese sich nahten, und mahnten, die über so weite Entfernung erneuerte Freundschaft nun auch persönlich zu bekräftigen. Deshalb also gaben von unserer Seite Herzog Otto, der mit Gewalt seines Amtes beraubt, und von der anderen Seite Herzog Welf, der dasselbe Amt unrechtmäßig erhalten hatte, sich gegenseitig den Friedenskuß […]. In ähnlicher Weise gaben sich auch die Vasallen der zweiten und dritten Ordnung auf beiden Seiten den Friedenskuß und vergaben sich unter Tränen, was sie einander zuleide getan hatten. Als so alle aus Feinden zu Freunden geworden waren, schlugen sie ihre Lager nahe beieinander auf, so daß das Volk auf beiden Seiten ohne Schwierigkeiten hören konnte, was gesprochen wurde.“55 Vertrauensbildende Maßnahmen wie die geschilderten waren gewiss nach all den Wendungen der letzten Jahre bitter nötig, um einen Konsens der unterschiedlichen Kräfte zustande zu bringen. In Tribur nahmen sich die Fürsten dann wirklich Zeit und rollten die causa Heinrichs IV. grundsätzlich auf. Hiermit entsprachen sie einer Forderung, die die sächsischen Fürsten schon früher erhoben und 55
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sowohl auf ihrem Stammestag in Hoetensleben als auch in den Verhandlungen von Corvey und Gerstungen bereits praktisch umgesetzt hatten.56 Nun kam die ganze Lebens- und Amtsführung des Königs auf den Prüfstand. Lampert von Hersfeld hat detailliert aufgelistet, was alles Gegenstand der Untersuchung war, die nach den Angaben der Gewährsleute sieben oder sogar zehn Tage gedauert haben soll. „Sie rollten die gesamte Lebensführung des Königs von Kindesbeinen an, wie man sagt, auf, – durch welche Laster und Schandtaten er, noch kaum erwachsen, seinen Ruhm und die Würde des Reiches befleckt habe; – welche Ungerechtigkeiten er gegen einzelne, welche er gegen alle insgesamt begangen habe, sobald er mannbar geworden war; – wie er die Fürsten vom vertrauten Verkehr mit ihm ausgeschlossen, dagegen die niedrigsten Menschen ohne Ahnen zu höchsten Ehren emporgehoben habe und mit ihnen Nächte wie Tage in Beratungen verbringe und darauf sinne, den hohen Adel womöglich gänzlich auszurotten; – wie er Barbarenvölker unbehelligt gelassen habe, gegen ihm untertänige Völker dagegen geflissentlich das Schwert gezückt habe und bei ihrer Vernichtung mit feindlicher Grausamkeit wüte; – wie das Reich, das er von seinen Vorfahren in vollstem Frieden und blühendem Wohlstand übernommen habe, durch ihn geschändet, entehrt und in innerem Zwist gespalten und mit Blut getränkt worden sei.“57 Siehe dazu oben Kap III.1 bei Anm. 23 ff. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1076, S. 277 f.: Replicabant ab tenero, ut aiunt, ungue omnem vitae regis institutionem, quibus probris, quibus flagiciis existimationem suam decusque imperii vixdum adulta aetate maculasset; quas iniurias singulis, quas in commune omnibus, ubi primum pubertatis annos attigit, irrogasset; quod, remotis a familiaritate sua principibus, infimos homines et nullis maioribus ortos summis honoribus extulisset et cum eis noctes perinde ac dies in deliberationibus insumens, ultimum, si possit, nobilitati exterminium machinaretur; quod, barbaris gentibus vacatione data, in subditos sibi populos dedita opera ferrum distrinxisset et in eorum nece hostili crudelitate grassaretur; regnum, quod a parentibus suis pacatissimum et bonis omnibus florentissimum accepit, quam fedum, quam despicabile, quam intestinis cladibus infestum cruentumque reddidisset. 56
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Die Antworten der Versammelten auf diese Fragen ergaben ein Sündenregister des Königs, das sich wie ein negativer Fürstenspiegel liest: „Kirchen und Klöster seien zerstört, was zum Lebensunterhalt der Diener Gottes hätte dienen sollen, sei für den Sold der Krieger verwendet worden, der Eifer für Religion und kirchliche Dinge habe sich verwandelt in Sorge um militärische Waffen und Errichtung von Befestigungen, nicht um damit Angriffe auswärtiger Völker abzuwehren, sondern um dem Vaterland den Frieden zu rauben und freien Nacken das Joch härtester Knechtschaft aufzuerlegen; keinen Trost gebe es für die Witwen und Waisen, keine Zuflucht für Unterdrückte und ungerecht Verfolgte, keine Achtung vor den Gesetzen, keine sittliche Zucht, nicht der Kirche bleibe ihre Autorität, nicht dem Staat seine Würde: So sei durch die Haltlosigkeit eines Menschen Heiliges und Profanes, Göttliches und Menschliches, Recht und Unrecht verwirrt worden.“58 Es liegt eigentlich auf der Hand, dass es angesichts dieser Diagnosen für die Beratenden nur eine Konsequenz gab, nämlich, „ihn abzusetzen und so schnell wie möglich einen anderen König zu wählen“.59 Doch setzte sich die „radikale Absetzungspartei“, wie sie in der Forschung genannt wurde und deren Meinung Lampert hier offensichtlich referiert, in Tribur überraschenderweise nicht durch. Man kann nur rätseln, welchem Einfluss sich der letztendlich geschlossene Kompromiss verdankt, der Heinrich eine letzte Chance ließ, sein Königtum zu bewahren, und der in der älteren Forschung zu einer intensiven Debatte über die Frage geführt hat, inwieweit man in Tribur von einer bedingungslosen Kapitulation Heinrichs reden könne.60 Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es die päpstlichen Legaten waren, die auf den Kompromiss hingewirkt haben, denn auch Gregor VII. hatte in seinem Brief vom 3. September „allen in Christus geliebten Brüdern und Mitbischöfen, Herzögen, Grafen und allen Verteidigern des christlichen Glaubens im deutschen Königreich“ geraten, Milde gegenüber Heinrich Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1076, S. 278. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1076, S. 278. 60 Erdmann, Tribur und Rom; ders., Zum Fürstentag von Tribur; Haller, Der Weg nach Canossa, S. 180 f.; Brackmann, Tribur, bes. S. 221. 58 59
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walten zu lassen und „ihm gegenüber nicht nur das Gesetz [hervorzukehren], das ihn zu herrschen hindert, sondern Barmherzigkeit, die viele Frevel zunichte macht“.61 Die Verhandlungen, die zwischen den in Tribur Versammelten und Heinrich geführt wurden, hatten jedenfalls das Ergebnis, dass Heinrich seine Haltung gegenüber Gregor VII. radikal änderte und dem Papst schließlich Gehorsam (oboedientia) und Genugtuung (satisfactio) versprach. Dafür gewährte man ihm Aufschub und verzichtete auf die sofortige Neuwahl eines Königs. Gregor VII. sollte zu einer Untersuchung der Frage ins Reich kommen, ob Heinrich noch rechtmäßig König sein könne, dazu war eine erneute Prüfung und Untersuchung seiner Lebens- und Amtsführung durch den Papst vorgesehen, die am 2. Februar 1077 in Augsburg stattfinden sollte.62 Falls Heinrich jedoch binnen eines Jahres keine Lösung vom Bann erreiche, sollte er sein Königtum endgültig verlieren. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Heinrich ferner unter anderen folgende Bedingungen zu erfüllen: „Alle Exkommunizierten müsse er sofort aus Hausgenossenschaft und Gefolge entfernen, er selber solle sein Heer entlassen und sich nach Speyer begeben, dort bis zur Entscheidung seiner Sache bis zur Synode, einzig mit dem Bischof von Verdun und mit wenigen Dienern sich begnügend, […] einstweilen als Privatmann leben, keine Kirche betreten, keine Entscheidung in öffentlichen Angelegenheiten aus eigener Machtvollkommenheit treffen und auf allen königlichen Prunk, auf alle üblichen Abzeichen der königlichen Würde verzichten.“63 Diese Einzelheiten erfahren wir aus der Geschichtsschreibung. Aber auch ein förmliches Versprechen hat Heinrich in diesem Zusammenhang geben müssen. Es wurde in der berühmten promissio niedergelegt, um die es in der Forschung einige Diskussionen gab. Es 61 Gregorii VII Registrum, lib. 4, Nr. 3, S. 298: GREGORIUS episcopus servus servorum Dei omnibus dilectis in Christo fratribus et coepiscopis ducibus comitibus universis quoque fidem christianam defendentibus in regno videlicet Teutonico habitantibus […] circa eum non tantum iustitiam, quê illum regnare prohibet, sed misericordiam, quê multa delet scelera, ostendatis. 62 Paul von Bernried, Vita Gregorii VII, cap. 82, S. 523. 63 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1076, S. 281f.
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besteht der Verdacht, dass Heinrich auch in dieser verzweifelten Lage noch zu Winkelzügen und Fälschungen fähig war. Es scheinen nämlich, wie schon bei den Wormser Absetzungsschreiben, verschiedene Versionen seines Versprechens in Umlauf gekommen zu sein, die sich nicht unerheblich voneinander unterscheiden. Überdies wird in der Chronik Bertholds in der Tat der Vorwurf erhoben, dass Heinrich seine Zugeständnisse nicht in voller Aufrichtigkeit gemacht habe. Vielmehr habe er ein Schreiben nach Rom später heimlich verfälscht und abgeändert.64 Die erhaltene promissio hat nun folgenden Wortlaut: „Auf den Rat meiner Getreuen hin verspreche ich dem apostolischen Stuhl und dir, Papst Gregor, in allen Stücken schuldigen Gehorsam leisten zu wollen. Ich werde in allen Punkten, in denen ich dem apostolischen Stuhl oder dir Schaden an der Ehre zugefügt habe, demütige Genugtuung leisten. Da ich aber noch viel Schwereres gegen jenen Apostelsitz und gegen deine würdige Person getan habe, werde ich mich zu gegebener Zeit durch das Zeugnis der Unschuld reinigen, wenn Gott mir hilft, oder ich werde gerne eine angemessene Strafe auf mich nehmen. Auch darf deine Heiligkeit nicht übersehen, welcher Schaden der Kirche durch die über dich verbreiteten Dinge entstanden ist, sondern sie muß durch deine Weisheit die ganze Kirche und das ganze Reich wieder stabilisieren, indem aus dem öffentlichen Bewußtsein auch dieser Stein des Anstoßes entfernt wird.“65 Der letzte Satz dieser promissio, mit dem Gregor erneut wie in Worms der Vorwurf gemacht wird, er habe seinerseits ein scandalum in der Kirche verursacht und müsse dies aus der Welt schaffen, passt gar nicht zum Geist der Verhandlungen in Tribur. Man kann sich nicht vorstellen, dass die Fürsten diesen Passus in der promissio Heinrichs akzeptiert haben sollen. Damit bleibt nur die Möglichkeit, dass Heinrich oder seine Helfer den letzten Satz zur Wahrung des Gesichts der wirklichen promissio, die nur aus den ersten Sätzen dieses Textes bestanden haben dürfte, hinzugefügt und so unter seinen Anhängern den Eindruck eines Kompromisses verbreitet haben. Gesetzt, diese Annah64 65
Bertholdi Chronicon, a. 1076, S. 251. Epistolae Heinrici IV, Nr. 14, S. 20 f.
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me wäre richtig, würde wieder einmal deutlich, zu welchen Mitteln dieser König in Notlagen zu greifen bereit war.66 Wie dem auch sei, nach Tribur stand es um Heinrichs Sache ausgesprochen schlecht. Er hatte zugestimmt, auf die Ausübung seines Königsamtes bis zur Klärung seines „Falles“ zu verzichten; er hatte sich auf eine Untersuchung seiner Vergehen unter Führung Gregors VII. in Augsburg einzustellen, deren Ergebnis wohl kaum zweifelhaft sein konnte; und es war überdies abgesprochen, dass er sein Königtum endgültig verlieren sollte, falls er sich nicht binnen eines Jahres aus dem Bann befreite und von Gregor wieder in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen würde. In dieser eigentlich ausweglosen Situation fand Heinrich einen Ausweg, der auch einiges über seine Persönlichkeit aussagt. Er durchkreuzte alle Pläne seiner Widersacher und setzte auf eine Karte, die auf den ersten Blick nicht ungeschickt ausgesucht war: Er machte sich zu einem persönlichen Treffen mit Gregor VII. auf in der Hoffnung, dass der Hirte die Wiederaufnahme eines reumütigen Schafes in die Herde nicht verweigern könne. Und hierin hat er sich nicht verrechnet. Aber um welchen Preis! Es ist viel darüber geschrieben worden, welche grundsätzlichen Konsequenzen dieser Schritt, der Gang nach Canossa, hatte: Der König erkannte damit die päpstliche Jurisdiktionsgewalt über sich an, gab sein Gottesgnadentum, seine ausschließliche und unmittelbare Abhängigkeit von Gott auf, die er Anfang 1076 in Worms noch so betont hatte. Durch Canossa habe das deutsche Königtum „seine Todeswunde“ empfangen, die nie verheilt sei, hat Hermann Heimpel noch in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts diagnostiziert.67 Auch wenn man es heute wohl nicht mehr so dramatisch formulieren würde, bleibt die Frage aktuell: War dieser Einsatz gerechtfertigt, um politisch wieder handlungsfähig zu werden und eine drohende Absetzung zu verhindern? Stand überhaupt der politische Aspekt der Probleme im Vorder66 Zur modernen Diskussion um die promissio siehe Schneider, Prophe tisches Sacerdotium, S. 172–187; Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 115 f. Vgl. dazu aber auch Beumann, Tribur, Rom und Canossa, S. 37 f., 40, der die promissio insgesamt für echt hält. 67 Heimpel, Canossa, S. 42.
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grund, oder trieb Heinrich in erster Linie die Sorge um sein Seelenheil an, die ihn zwang, sich um jeden Preis aus der Exkommunikation zu befreien? Einer auch nur einigermaßen begründeten Antwort auf diese Fragen steht wie so oft die Tatsache entgegen, dass wir über die fraglichen Vorgänge so gut wie ausschließlich aus der Feder von Heinrichs Gegnern unterrichtet werden. Erst nach seinem Tod hat der anonyme Autor seiner Lebensbeschreibung ganz knapp Absichten Heinrichs bei seinem Canossa-Gang skizziert: „Als Heinrich erkannte, wie sehr er in Bedrängnis geraten war, faßte er in aller Heimlichkeit einen schlauen Plan. Plötzlich und unerwartet reiste er dem Papst entgegen und erreichte mit einem Schlag zwei Dinge: Er empfing die Lösung vom Bann und unterband durch sein persönliches Dazwischentreten die für ihn bedenkliche Zusammenkunft des Papstes mit seinen Widersachern. Auf das ihm zur Last gelegte Verbrechen ging er kaum ein, weil er, wie er betonte, auf Anschuldigung seiner Gegner, selbst wenn sie auf Wahrheit beruhten, nicht antworten müsse. Was hat es euch nun genutzt, seine Bannung betrieben zu haben, da er, vom Bann gelöst, seine Macht machtvoll ausübt? Was hat es euch nun genutzt, ihn erfundener Schandtaten angeklagt zu haben, da er eure Anklage mit einer kurzen Antwort zurückwies, so leicht, wie der Wind den Staub verweht?“68 In dieser Bewertung des Biographen stehen die politischen und taktischen Aspekte der Geschehnisse von Canossa ganz im Vordergrund. Und das erstaunlicherweise bei einem Autor, der ansonsten die christlichen Tugenden seines Königs durchaus in den Vordergrund rückt. Er stellt die Reise aber als geschickten politischen Schachzug dar, der die Rückkehr zur Macht erlaubte. Dies könnte auch Heinrichs eigene Lagebeurteilung gewesen sein, ein unmittelbar zeitgenössisches Zeugnis hierfür haben wir jedoch nicht. Es gibt vor allem zwei Versionen der Vorgänge in Canossa aus den Federn von Heinrichs Gegnern, die sich in einem entscheidenden Punkt sehr signifikant unterscheiden: Zum einen hat Lampert von Vita Heinrici IV. imperatoris, cap. 3, S. 16; zur Vita Heinrici allgemein siehe Bagge, Kings, Politics, S. 313–363. 68
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Hersfeld das Geschehen ausführlich kommentiert; zum zweiten aber hat Gregor VII. selbst in einem Brief an alle Großen des Reiches seine Version der Vorgänge verkündet. Und schließlich gibt es wieder wie in Tribur ein Versprechen Heinrichs IV., das in eidlicher Form abgegeben wurde. Doch gehen wir der Reihe nach vor.69 Heinrich brach im Winter mit kleiner Begleitung, aber mit seiner Gemahlin Bertha und dem dreijährigen Sohn Konrad, von Speyer aus nach Italien auf, um dem Erscheinen Gregors in Augsburg zuvorzukommen. Lampert von Hersfeld schildert den Alpenübergang des Königs im tiefsten Winter, als ob er selbst dabei gewesen sei, was mit ziemlicher Sicherheit nicht der Fall war. Den Pferden habe man beim Abstieg von den Passhöhen die Beine zusammengebunden und sie so die steilen Abhänge hinuntergeschafft, die Königin und die Frauen ihres Gefolges habe man auf Rinderhäute gesetzt und diese quasi als Schlitten genutzt.70 Jedenfalls gelang die Überraschung. In Italien glaubte man zunächst, der König komme, um den Papst zu bekämpfen, und seine lombardischen Anhänger strömten ihm zu. Gregor VII. brach seine Reise nach Deutschland ab und zog sich auf die uneinnehmbare Burg seiner Vertrauten, der Markgräfin Mathilde, zurück. Schildern wir die Vorgänge, die sich in dieser Burg Canossa ereigneten, zunächst aus der Sicht Lamperts. Heinrich fand hochrangige Vermittler, die bereit waren, sich für seine Sache beim Papst zu verwenden: die schon genannte Markgräfin Mathilde, seine Schwiegermutter Adelheid und ihren Sohn, den Markgrafen Azzo von Este sowie andere italienische Große und nicht zuletzt seinen Taufpaten, den Abt Hugo von Cluny. Diesen soll Gregor angeblich zunächst erklärt haben, „es sei völlig unangemessen und verstoße gegen die kirchlichen Gesetze, daß die Sache eines Angeklagten in Abwesenheit der Kläger verhandelt werde. Vielmehr solle er sich, wenn er sich frei von Schuld fühle, ohne Angst und Sorge vertrauens69 Zu den Ereignissen und zur Bewertung siehe ausführlich Vogel, Heinrich IV. und Gregor VII. nach Canossa, S. 40 ff.; Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 158 ff.; Robinson, Henry IV of Germany, S. 160 ff.; zukünftig: Weinfurter, Canossa. 70 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1076/7, S. 283–287.
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Abb. 4: Mathilde von Tuszien mit Abt Hugo von Cluny und Kaiser Heinrich IV. Aus: Donizo, Vita Mathildis, Italien vor 1114.
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voll in Augsburg einfinden.“71 So hatte man es ja auch in Tribur in Aussicht genommen. Gegen dieses Verfahren erhoben die Vermittler jedoch Einwände, da die Reichsfürsten darauf aus seien, Heinrich für unwürdig der Königswürde zu erklären, wenn er sich nicht binnen Jahr und Tag aus dem Bann gelöst habe. Deshalb boten sie an, „daß er vorerst vom Bann losgesprochen werde und die Gnade der Kirchengemeinschaft wiedererlange, dann werde er sich, an welchem Tag, an welchem Ort auch immer der Papst befehle, als ob durch die jetzige Vereinbarung nichts entschieden sei, wegen aller Vergehen, die ihm seine Ankläger vorgeworfen hätten, ganz von vorn verantworten und nach seiner Entscheidung die Krone behalten, wenn er sich von den Vorwürfen gereinigt hätte, oder willig aufgeben, wenn er unterliege“.72 Warum, so ist man geneigt zu fragen, war eine solche Vereinbarung so wichtig, wenn durch sie doch nichts entschieden sein sollte? Der Augsburger Tag war doch innerhalb des Jahreszeitraums anberaumt, der Heinrich zur Verfügung stand, um wieder in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen zu werden. Die Argumente der Vermittler wirken alles andere als überzeugend, doch vergessen wir nicht, dass wir die Version eines Gegners diskutieren. Gregor hat – weiter nach Lampert – diesem „rücksichtslosen Drängen“ der Vermittler und ihren Argumenten zunächst den Vorschlag entgegengesetzt: „Wenn er aufrichtig seine Tat bereut, soll er zum Zeichen wahrer, von Herzen kommender Reue die Krone und die übrigen Insignien des Reiches unserer Gewalt übergeben und sich nach so frevelhafter Tat für unwürdig des königlichen Namens und Amtes erklären.“73 Dieses Angebot zielte darauf, vor der geplanten Untersuchung in Augsburg nichts zu präjudizieren, sondern Heinrich durch die Übergabe der Insignien zu einer demonstrativen Anerkennung des Verfahrens zu bringen. Auch in Tribur hatte man Heinrich ja bereits auferlegt, auf sämtliche Abzeichen der königlichen Würde bis zur Untersuchung zu verzichten. Gregor setzte sich mit seinem Vorschlag jedoch nicht Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1077, S. 290f. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1077, S. 291. 73 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1077, S. 291f. 71 72
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durch; vielmehr erreichten die Vermittler, dass Heinrich zur Buße vorgelassen wurde: „Und als sie heftig in ihn drangen, seinen Spruch zu mildern und das zerstoßene Rohr nicht durch die Strenge seines Urteils völlig zu zerbrechen, da ließ er sich mit Mühe und Not die Zustimmung dazu abringen, daß er vor ihm erscheine. […] Da kam der König, wie ihm befohlen war, und da die Burg von drei Mauern umgeben war, wurde er in den zweiten Mauerring aufgenommen. […] und hier stand er nach Ablegung der königlichen Gewänder ohne alle Abzeichen der königlichen Würde, ohne die geringste Pracht zur Schau zu stellen, barfuß und nüchtern vom Morgen bis zum Abend, das Urteil des Papstes erwartend. So verhielt er sich am zweiten, so am dritten Tag. Endlich am vierten Tag wurde er zu ihm vorgelassen, und nach vielen Reden und Gegenreden wurde er schließlich unter folgenden Bedingungen vom Bann losgesprochen: Er solle an einem vom Papst zu bestimmenden Tag und Ort auf einer allgemeinen Versammlung, zu der die deutschen Fürsten berufen werden würden, erscheinen und auf die Anklagen, die man vorbringen werde, Bescheid geben. Der Papst solle, wenn er es für vorteilhaft halte, selbst als Richter die Entscheidung treffen, und er solle auf seinen Urteilsspruch hin entweder die Krone behalten, wenn er sich von den Vorwürfen reinige, oder sie ohne Unmut verlieren, wenn seine Vergehen erwiesen seien und er für die Zukunft nach den kirchlichen Gesetzen der königlichen Würde für unwürdig erklärt werde.“74 Trotz aller Versprechungen, die Heinrich bezüglich zukünftiger Untersuchungen seines Verhaltens abgab, haftete dieser Lösung ein ziemlich eindeutiger Makel an: Gregor hatte sich durch die Hartnäckigkeit und den persönlichen Einsatz der Vermittler dazu bewegen lassen, den König noch vor einer Untersuchung seiner angeblichen Missetaten und Verbrechen wieder in die Kirche aufzunehmen. Er hatte das barfüßige Stehen im Schnee als Bußleistung akzeptiert und den Makel der Exkommunikation von Heinrich genommen. Dies verschaffte Heinrich politisch eine erheblich günstigere Position, als er sie nach Tribur gehabt hatte. Und er hat sich dies in der Folgezeit zunutze 74
Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1077, S. 292f.
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gemacht. Denn eine Frage war in Canossa quasi ausgeklammert worden: War Heinrich durch diese Buße von Gregor auch wieder in sein Königsamt eingesetzt worden? Immerhin hatte Gregor bei der Exkommunikation ja auch verboten, ihm weiter als König zu dienen, und ihm geleistete Eide für nichtig erklärt. Man tut sich schwer, das von Lampert geschilderte Verfahren in bekanntes kirchliches oder weltliches Procedere einzuordnen. War es eine Kirchenbuße, die Heinrich hier auf sich genommen hatte, dann irritieren die Vermittler, unter ihnen mehrere weibliche, die dem Papst quasi ihre Lösung aufzwangen. Das ist beim Verfahren der Kirchenbuße gewiss nicht üblich. Andererseits ist man angesichts der Verhandlungen über Vermittler an die Formen gütlicher Konfliktbeendigung in den Herrschaftsverbänden erinnert, bei denen in Verhandlungen Genugtuungsleistungen vereinbart wurden, die garantierte Gegenleistungen nach sich zogen wie hier die Lösung vom Bann. Das Vorgehen in Canossa scheint durch Elemente aus beiden Bereichen charakterisiert zu sein. Da für den vorliegenden Fall keine Vorbilder vorhanden waren, dürfte man das Problem auch nicht mit einem gängigen Verfahren gelöst, sondern kirchliche und weltliche Verfahren der Konfliktlösung kontaminiert haben.75 Die Beurteilung der Sachlage wird nun dadurch noch erschwert, dass Gregor VII. selbst in einem Brief an „alle Erzbischöfe, Bischöfe, Herzöge, Grafen und sonstigen Fürsten des Königreichs der Deutschen“ seine Version der Vorgänge in Canossa erläuterte, die nur in einem, aber ganz wesentlichen Punkt dem Bericht Lamperts diametral widerspricht. Gregor berichtet nämlich, er habe alle Verhandlungsversuche, die Heinrich durch Boten gemacht habe, „unter vielfältigen Überlegungen lange hinausgeschoben und ihn durch all die Boten, die hin und her wechselten, heftig wegen seiner Ausschreitungen zurückgewiesen“. Dann sei Heinrich jedoch vor der Burg „ohne jedes königliche Gepränge, nämlich unbeschuht und in wollener Kleidung“ erschienen und habe alle Anwesenden „zu solcher Barmherzigkeit und 75 Vgl. dazu Goez, Canossa als deditio?; Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 158 ff.; siehe jetzt auch Althoff, Die Macht der Rituale, S. 117 f., 129, 133, 136– 145.
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solchem barmherzigen Mitleid bewogen, daß sich alle unter vielen Bitten und Tränen für ihn verwandten und sich fürwahr über die ungewohnte Härte unserer Gesinnung wunderten. Einige aber klagten, in uns sei nicht die Festigkeit apostolischer Strenge, sondern gewissermaßen die Grausamkeit tyrannischer Wildheit.“76 Der Unterschied zu Lamperts Version ist in einem Punkt eklatant. Gregor akzentuiert, dass er von Heinrichs Bußleistungen überrascht worden und dann durch die Argumente nicht genannter Personen, die ihm den Vorwurf der Grausamkeit und tyrannischen Wildheit machten, gezwungen worden sei, dieser Erpressung nachzugeben und Heinrich wieder in die Kirche aufzunehmen. Erst im zweiten Teil seines Briefes nennt er diejenigen, die ihn so bedrängten: Es sind die gleichen Personen, denen Lampert die Vermittlung zuschreibt. Gewiss ist nicht sicher zu entscheiden, welcher der beiden Versionen in diesem wichtigen Punkt der Vorzug zu geben ist: Hat Gregor mit Vermittlern Verhandlungen geführt, die Heinrichs Bußleistung und die Wiederaufnahme in die Kirche zum Ergebnis hatten, oder hat der König Gregor mit eigenmächtigen Bußleistungen erpresst, so dass diesem schließlich keine andere Möglichkeit blieb, als auf Heinrichs Verlangen einzugehen? Gute Gründe sprechen für die erste Alternative. Gregor hätte gewiss Gründe gehabt, die Tatsache von Verhandlungen vor den Fürsten zu verschleiern. Und warum sollten andererseits die genannten Personen sich so für Heinrich verwenden, wenn er sich ohne vorherige Absprachen barfuß in den Schnee stellte und damit alle politischen Absprachen zu unterlaufen versuchte? Doch, wie gesagt, Sicherheit gewinnt man angesichts der unterschiedlichen Aussagen mit solchen Überlegungen wohl nicht. Wie es zur Wiederaufnahme Heinrichs in die Gemeinschaft der Gläubigen kam, bleibt an einem entscheidenden Punkt unklar. Unstrittig ist dagegen, was Gregor weiter plante: eine Untersuchung über Heinrichs Amts- und Lebensführung zu leiten und gemeinsam mit den Fürsten zu einer Entscheidung über dessen Königtum zu kommen. Gleich im Anschluss an den zitierten Brief hat Gregor denn auch den Eid in sein Register eintragen lassen, den Heinrich zur Sicherung 76
Gregorii VII Registrum, lib. 4, Nr. 12, S. 312–314.
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der Abmachungen in Canossa geleistet hat: „Ich, König Heinrich, werde hinsichtlich der Unzufriedenheit und Meinungsverschiedenheit, die zur Zeit mir gegenüber bestehen bei Erzbischöfen und Bischöfen, Herzögen, Grafen und sonstigen Fürsten des Reiches der Deutschen […], innerhalb des Zeitraums, den der Herr Papst Gregor bestimmt, entweder Gerechtigkeit gemäß seinem Urteil oder Einvernehmen gemäß seinem Rat schaffen, sofern nicht ein eindeutiges Hindernis mir oder ihm entgegensteht; wenn dies nicht mehr besteht, bin ich bereit, dasselbe durchzuführen.“77 Überdies versprach Heinrich dem Papst, dass er und seine Begleitung bei ihrer Reise ins Reich vor jeder Beeinträchtigung durch diejenigen geschützt sein sollten, auf die Heinrich Einfluss habe. Gregor hat in Canossa also durchaus dafür Sorge zu tragen versucht, dass die beabsichtigte Untersuchung der Vorwürfe gegen Heinrich unter seiner Leitung durchgeführt würde, indem er Heinrich eidlich auf dieses Procedere verpflichtete. Schon am Beginn des Eides fällt aber ein scheinbares Detail ins Auge: „Ich, König Heinrich“. Gregor hatte die Tatsache akzeptiert, dass sein Gegenspieler König und nicht ex-rex war, wie man ihn zuvor gern bezeichnet hatte. Die 1076 in Rom vorgenommene Suspendierung Heinrichs vom Königsamt war also zumindest implizit zurückgenommen, auch wenn die Untersuchung der Taten Heinrichs nach wie vor Gregors vorrangiges Ziel blieb. Alle Überlegungen hingegen, ob Heinrich diesen Eid taktisch und mit dem inneren Vorbehalt leistete, sich den eingegangenen Verpflichtungen später zu entziehen, müssen hypothetisch bleiben, da sich kurz nach Canossa die Situation so gravierend veränderte, wie es bei Rekonziliation und Eidesleistung nicht vorauszusehen war: Die Fürsten hatten in Forchheim im März 1077 in voller Kenntnis der Ereignisse von Canossa Rudolf von Rheinfelden zum Gegenkönig gewählt.78 Dies schuf für alle Beteiligten eine neue Lage, die in keiner der bisherigen Vereinbarungen berücksichtigt worGregorii VII Registrum, lib. 4, Nr. 12a, S. 314f. Vgl. schon Schlesinger, Die Wahl Rudolfs von Schwaben, passim; zuletzt Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 119–121; Robinson, Henry IV of Germany, S. 166 ff.; Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 168 ff.; Schlick, König, Fürsten und Reich, S. 42–47. 77
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den war. Die Karten waren so an verschiedenen Orten neu gemischt worden. Es verdient abschließend hervorgehoben zu werden, dass das Geschehen von Canossa in den Quellen ein breites Echo fand, das weit über das hier Referierte hinausging. Die Kommentatoren verwandten zum Teil große Beredsamkeit darauf nachzuweisen, dass Heinrich sich unaufrichtig verhalten und das Ganze nur um politischer Vorteile willen mitgemacht habe. Es ist im Einzelnen natürlich schwer nachzuweisen, welche Geschichten sich allein einer Diffamierungsabsicht verdanken und wo die Mythenbildung einsetzt, doch beweist diese „Bewältigung“ des Geschehens in die eine oder andere Richtung, wie fundamental es die Zeitgenossen berührt hat. Berühmt ist etwa Lamperts ausführliche Erzählung über das Gottesurteil, das Gregor VII. in der abschließenden Eucharistiefeier über sich und den König gefordert habe. In einer Ansprache habe er zunächst erklärt, er nehme die heilige Kommunion nun als „Prüfstein seiner Unschuld“ bezüglich aller Vorwürfe, die ihm von Anhängern Heinrichs gemacht worden seien. Danach habe er den König aufgefordert, Gleiches zu tun und so seinen Gegnern „den Mund zu stopfen“, indem er Gott gleichfalls zum Zeugen anrief. „Wie vom Donner gerührt“ habe der König dies aufgenommen und nach Ausflüchten gesucht. Schließlich habe er gebeten, dieses Gottesurteil zu verschieben, bis genügend Fürsten Zeugen seien – eine ganz offensichtliche Ausflucht.79 Genauso signifikant ist die spätere Behauptung von Gregorianern, Heinrich habe beim Versöhnungsmahl, das sich an den Gottesdienst anschloss, nichts gegessen, nichts geredet, sondern mürrisch die Tischplatte mit dem Fingernagel zerkratzt.80 Auch so konnte man schlagend „beweisen“, dass der König sich nicht wirklich mit dem Papst hatte aussöhnen wollen, denn in 79 Vgl. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1077, S. 296 f. Siehe dazu Zimmermann, Der Canossagang von 1077, bes. S. 189 ff. 80 Vita metrica S. Anselmi Lucensis episcopi auctore Rangerio Lucensi, S. 1224, v. 3205 ff.: Quem vero lateat, qui spiritus intima vexat, / Cum neque letetur nec bona verba ferat, / Stet fixis occulis tacitus meditansque cibumque / Horreat in mensam pronus et ungue notans? Vgl. Althoff, Friedensstiftendes Mahl, S. 13.
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IV. Die Konflikte mit Papst Gregor VII.
gemeinsamem Mahl und heiterer Geselligkeit fand der Friedenswille seinen symbolischen Ausdruck.
3. Die Auseinandersetzung der beiden Könige (1077–1080) Die Ereignisse in Forchheim hatten Gregors Ziele nachhaltiger durchkreuzt, als er es selbst vorauszusehen vermochte. Das Treffen sollte zunächst nur den ausgefallenen Augsburger Tag ersetzen, der unter Leitung Gregors hatte prüfen sollen, ob Heinrich noch rechtmäßig König sein könne, und die Fürsten hatten deshalb Gregor auch eingeladen, „das Steuer der apostolischen Leitung“ in Forchheim zu übernehmen.81 Daran war jedoch offensichtlich wegen der Unsicherheiten in Oberitalien nicht zu denken. Daher schickte Gregor lediglich Legaten nach Forchheim, die zwar in seinem Auftrage von der Wahl eines neuen Königs abrieten, die Entscheidung hierüber aber überließen sie ausdrücklich den Fürsten, da diesen die drohenden Gefahren besser bekannt seien. Und die waren nun entschlossen, Fakten zu schaffen. Führend beteiligt an der Wahl des neuen Königs waren einmal die süddeutschen Herzöge Rudolf, Welf und Berthold, dann die Sachsen und von den Erzbischöfen des Reiches immerhin diejenigen von Mainz, Magdeburg und Salzburg. Die Beteiligung von Bischöfen scheint dagegen nicht überwältigend gewesen zu sein. Die Versammelten einigten sich nach einigen Schwierigkeiten auf Herzog Rudolf von Rheinfelden als neuen König. So wollte angeblich etwa Otto von Northeim seine Zustimmung zu Rudolf davon abhängig machen, dass dieser ihm das verlorene Herzogtum Bayern zurückgebe. Der päpstliche Legat verhinderte dies jedoch mit dem Hinweis, der neue König müsse König für alle, nicht für Einzelne sein. Die Wähler nutzten diese „freie Wahl“ zugleich, um einiges abzustellen, „was widerrechtlich allgemeiner Brauch war, […] nämlich daß er [der 81 Siehe dazu Vogel, Heinrich IV. und Gregor VII. nach Canossa, S. 42 ff. mit detaillierter Erörterung der zwischen Gregor VII. und den Fürsten geführten Verhandlungen. Vgl. auch Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, S. 776f.; Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1077, S. 301.
Die Auseinandersetzung der beiden Könige (1077–1080)
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König] Bistümer weder um Geld noch um Gunst verleihe, sondern jeder Kirche gestatte, unter ihren Geistlichen zu wählen, wie die Kirchengesetze es verlangen. Auch das wurde unter Zustimmung aller gebilligt und durch die Autorität des Papstes bestätigt, daß die königliche Gewalt niemandem, wie es bisher Brauch gewesen, als Erbe zufallen sollte; vielmehr solle der Sohn des Königs, auch wenn er noch so würdig sei, eher durch spontane Wahl als durch Sukzession König werden.“82 Seit dem 15. März 1077 gab es nun die causa regum, mit der man in den drei folgenden Jahren auf drei verschiedenen Ebenen fertig zu werden versuchte.83 Einmal unternahmen nun beide Könige erhebliche militärische Anstrengungen, die andere Seite in die Knie zu zwingen und es kam zu Verwüstungen, Belagerungen und zu mehreren Schlachten. Daneben gab es aber durchaus auch direkte Verhandlungen zwischen Vertretern beider Parteien, mit denen man ein gütliches Ende des Konflikts erreichen wollte.84 Und schließlich gab es weiterhin das den neuen Bedingungen angepasste Vorhaben Gregors VII., unter seiner Leitung zu untersuchen, wem der beiden Könige „die Gerechtigkeit günstiger sei“. Und man kann nicht sagen, dass Gregor von vornherein König Rudolf begünstigt habe, was ihm einiges Unverständnis namentlich in Sachsen eintrug, dem Land, in dem sich Rudolf vorrangig aufhielt und in dem er die verlässlichste Unterstützung fand. Bruno hat in aller Ausführlichkeit die Korrespondenz der Sachsen mit Gregor VII. und dessen Antworten in seine Geschichtsschreibung aufgenommen und das Problem ohne jede Rücksichtnahme auf den Papst kommentiert, über den man in Sachsen empört war: „Inzwischen vergaß der Papst – ich weiß nicht warum – seinen apostolischen Eifer und wich von seiner früheren Sinnesweise weit ab. Denn früher hatte 82 Bruno, De bello Saxonico, cap. 91, S. 85. Zur Forchheimer Wahl siehe Keller, Schwäbische Herzöge als Thronbewerber, S. 129 ff.; zuletzt Schlick, König, Fürsten und Reich, S. 43 ff. 83 Vgl. Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 121–130. 84 Überdies gab es intensive publizistische Aktivitäten, in denen etwa von Heinrichs Seite Rudolf von Rheinfelden als alter Pilatus diffamiert wurde; vgl. dazu Vogel, Heinrich IV. und Gregor VII. nach Canossa, S. 68ff.
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er Heinrich mit all seinen Helfern mit apostolischer Strenge exkommuniziert, […] nun aber gebot er in Briefen, eine Versammlung einzuberufen, beide Könige einzuladen und sie anzuhören; wer dann sein Recht auf Herrschaft dartue, der solle nach Absetzung des anderen im sicheren Besitz des Reiches bestätigt werden.“85 Zum Beweis für seine Kritik an Gregor fügte Brun den Brief des Papstes an seine beiden Legaten namens Bernhard vom 31. Mai 1077 bei. In diesem Brief hatte der Papst in der Tat gefordert, „daß ihr […] die beiden Könige Heinrich und Rudolf ermahnt, uns einen sicheren Weg über das Gebirge zu öffnen und uns Hilfe und Geleit durch solche Personen zu gewähren, zu denen ihr Vertrauen habt […]. Denn wir wünschen […] die zwischen ihnen schwebende Angelegenheit mit Gottes Hilfe zu verhandeln und darzulegen, auf welcher Seite das größere Recht ist, das Reich zu regieren.“86 Gleiches hatte Gregor am selben Tag auch den Großen des Reiches mitteilen lassen, wodurch nach dem Kommentar Bruns vor allem den Sachsen „die große Hoffnung, die sie auf den apostolischen Felsen gesetzt hatten, [entschwand,] denn sie hatten geglaubt, daß eher der Himmel stillstehen oder die Erde sich nach Art des Himmels bewegen, als daß der Thron Petri die Beständigkeit Petri verlieren würde“.87 Mehrere Briefe haben die Sachsen daraufhin zu Gregor gesandt, in denen sie ihn scharfsinnig auf die Schwächen seiner Position aufmerksam machten. Wie komme es, so haben sie immer wieder argumentiert, dass er jetzt erst die Sache untersuchen wolle, nachdem er Heinrich doch längst exkommuniziert und ihn vom Königtum suspendiert habe? Ein Urteil könne doch nicht der Untersuchung des Falles vorausgehen. Auch alle Eide habe er gelöst, das könne doch nicht ohne Untersuchung geschehen sein. Sie hätten sich darauf verlassen, dass sein Urteil begründet sei, und einem neuen König einen Treueid Bruno, De bello Saxonico, cap. 104, S. 93. Bruno, De bello Saxonico, cap. 105, S. 94. Zu diesen auch im Gregorii VII Registrum (lib. 4, Nr. 23 f., S. 334 ff.) erhaltenen Briefen siehe Vogel, Heinrich IV. und Gregor VII. nach Canossa, S. 47 ff.; Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 172 f. 87 Bruno, De bello Saxonico, cap. 107, S. 96. 85
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geleistet, und jetzt erst solle geklärt werden, wem das bessere Recht zukomme? In der Sprache der Sachsen klingen die ellenlangen Vorwürfe an den Papst so: „Wie diese Untersuchung vor sich gehen soll, das ist in unseren Augen doch sehr zu verwundern, um es unbeschadet eurer Gnade zu sagen, nämlich daß der, der bereits durch Synodalurteil bedingungslos abgesetzt wurde, während ein anderer bereits durch apostolische Vollmacht [gemeint ist die Tätigkeit der Legaten] in dieser Würde bestätigt ist, nun erst zur Rechenschaft gezogen wird, und daß man mit dem von vorn beginnt, was längst entschieden ist, und eine eindeutige Sache in Frage stellt. Auch beunruhigt unsere schwache Einsicht, daß auf der einen Seite uns zugeredet wird, fest beim Begonnenen auszuharren, während man andererseits auch den Gegnern in Wort und Tat Hoffnung macht.“88 Als bevorzugter Schauplatz der Auseinandersetzungen um die Modalitäten einer Untersuchung über die beiden Könige fungierten die römischen Fastensynoden der Jahre 1078 bis 1080, auf denen beide Parteien jeweils durch Vertreter ihre Standpunkte verdeutlichen ließen, ehe Papst Gregor im Jahre 1080 zur zweiten Bannung Heinrichs bereit war. Auf der Fastensynode 1078 war man noch relativ optimistisch, obgleich es im Jahre 1077 bereits zu einer Reihe von Zwischenfällen gekommen war. So hatten Anhänger Heinrichs einen päpstlichen Legaten, Abt Bernhard von Marseille, gefangen genommen. Und Boten, die Briefe des anderen Legaten an Heinrich überbringen sollten, waren ebenfalls gefangen genommen und sogar misshandelt worden. An Heinrichs gutem Willen, einer Untersuchung der Sachlage durch Gregor oder seine Legaten zuzustimmen, konnte man daher bereits jetzt zweifeln. Dennoch behielt Gregor auf dieser Fastensynode seinen Kurs bei, fällte keinerlei Entscheidung, sondern schickte die Gesandten beider Könige zurück mit dem Auftrag, Zeit und Ort für die geplante Untersuchung festzulegen und nach Rom zu melden. Zu der sollten dann 88 Bruno, De bello Saxonico, cap. 108, S. 98. Zu den im Folgenden behandelten Ereignissen vgl. ausführlich Vogel, Heinrich IV. und Gregor VII. nach Canossa, S. 112ff.; Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 182ff.
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der Papst oder geeignete Legaten ins Reich kommen, und bis dahin sollten die Parteien untereinander Frieden halten. Der schwäbische Annalist Berthold, der für diese Jahre die Funktion des detailliertesten und zugleich sehr parteiischen Berichterstatters übernimmt, macht unmissverständlich deutlich, welcher Seite Gregor inzwischen zuneigte. Die Gesandten Heinrichs seien ohne den päpstlichen Segen für ihren Herrn entlassen worden, da man in Rom inzwischen davon gehört habe, einer der Legaten habe Heinrich IV. erneut gebannt. Rudolfs Gesandten habe Gregor dagegen, heimlich und verstohlen, „seine väterliche Liebe, Barmherzigheit und Gnade mit dem apostolischen Ablaß und Segen geschickt“.89 Heimlich und verstohlen mag der Papst in der Tat die Sache Rudolfs favorisiert haben, offiziell hat er dies aber nie zum Ausdruck gebracht. Man wird vermuten dürfen, dass ihm die prinzipielle Möglichkeit, über Könige und sogar über den zukünftigen Kaiser zu richten, das Wichtigste war, weil es den Vorrang der höchsten geistlichen vor der höchsten weltlichen Gewalt manifestierte. In Sachsen war man mit dem Ausgang der Synode gar nicht zufrieden und schickte einen der zitierten Briefe an den Papst, um ihn „gleichsam mit der Stimme des krähenden Hahnes auf[zu]stören und ihn gestärkt durch das Umschauen Christi zur alten Festigkeit zurück[zu]rufen“.90 Heinrich IV. hingegen scheint den päpstlichen Aufträgen wenigstens formal entsprochen zu haben, indem er die Gegenseite nun zu Friedensgesprächen nach Fritzlar einladen ließ. Die Gespräche in Fritzlar scheiterten jedoch vollständig, und Berthold benötigt mehrere Seiten, um die Unaufrichtigkeit und Hinterhältigkeit der Partei Heinrichs darzustellen, die an der Vorbereitung einer Untersuchung durch den Papst gar nicht interessiert gewesen sei. Die Verhältnisse im Reich waren in dieser Zeit nicht zuletzt dadurch verworren, dass sich an Rudolfs Hof zwar ein päpstlicher Legat aufhielt, der Heinrich gebannt hatte. Gregor VII. hatte danach jedoch einen päpstlichen Legaten an Heinrichs Hof geschickt, was mit der Handlung des ersten Legaten gar nicht in Einklang zu bringen war. 89 Vgl. zur Behandlung der Gesandten Heinrichs Bertholdi Chronicon, a. 1078, S. 313 ff., das Zitat S. 324. 90 Bruno, De bello Saxonico, cap. 107, S. 97.
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Dem Papst blieb aus der Ferne angesichts der unüberschaubaren Situation nichts anderes übrig, als alle in Deutschland in sehr allgemeiner Form zu mahnen: „Weil uns bekannt wurde, daß gewisse Feinde Gottes und Söhne des Teufels gegen das Gebot des apostolischen Stuhles bei euch dahin wirken, daß die genannte Versammlung nicht zustande kommt, […] ermahnen wir euch und befehlen im Namen des heiligen Petrus, solchen Menschen keine Hilfe zu gewähren und keine Gemeinschaft mit ihnen zu halten.“91 Mit solch allgemeinen Hinweisen war niemandem geholfen und die Parteien konzentrierten sich in der Mitte des Jahres weniger auf die Vorbereitung der Versammlung als auf eine militärische Entscheidung des Streits. Am 7. August kam es dann bei Mellrichstadt zu einer Schlacht zwischen den Heeren beider Könige.92 Einen eindeutigen Sieger hatte diese Begegnung jedoch ebenso wenig wie weitere Scharmützel in der zweiten Jahreshälfte. Auffällig ist vor allem der Anteil, den die geistlichen Reichsfürsten an den Gefallenen und Gefangengenommenen hatten. So kamen immerhin die Erzbischöfe Werner von Magdeburg bei Mellrichstadt und Udo von Trier bei der Belagerung Tübingens durch Heinrich IV. ums Leben.93 Als Gregor im November 1078 erneut eine Synode in Rom versammelte, waren zwar wieder Vertreter beider Könige zugegen, die sich wechselseitig beschuldigten, die Vereinbarungen des Frühjahrs nicht eingehalten zu haben, doch Gregor sah erneut nicht genügend Substanz für eine Entscheidung und versuchte daher noch einmal, durch Boten eine Versammlung zur Herstellung von Frieden und Gerechtigkeit zusammenzubringen. Die Synodalakten vermerken knapp, dass „die Gesandten Heinrichs und Rudolfs, jeder für seinen Herrn, schworen, dass dieser durch keinerlei List die Unterredung [colloquium] der Legaten des apostolischen Stuhles, die im deutschen Reich abgehalten werden soll, behindern wird“.94 Von der persönlichen Anwesenheit Bruno, De bello Saxonico, cap. 113, S. 105. Außerdem in Gregorii VII Registrum, lib. 4, Nr. 1, S. 389 ff. 92 Vgl. zu Mellrichstadt Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 3, S. 138–145. 93 Vgl. Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 3, S. 142, 151f. 94 MGH Constitutiones I, Nr. 388, S. 552; vgl. dazu Vogel, Heinrich IV. und Gregor VII. nach Canossa, S. 126 ff.; Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 127f. 91
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Gregors bei diesem Kolloquium ging man offensichtlich schon gar nicht mehr aus. Dennoch hatten sich die Dinge keinen Schritt weiterentwickelt, als in Rom im Februar 1079 die nächste Frühjahrssynode zusammentrat. Heinrich IV. hatte nur einen niederrangigen Boten geschickt, der überdies keine Verhandlungsbefugnisse hatte. Er war vielmehr nur gekommen um anzukündigen, dass der König bald hochrangige Gesandte schicken werde, deren Abmachungen mit dem Papst sich Heinrich zu unterwerfen versprach. Es handelt sich bei diesem Angebot allem Anschein nach um einen Versuch Heinrichs, die Untersuchung der causa der beiden Könige in Deutschland zu ersetzen durch eine Verhandlung in Rom, an der Rudolf und sein Anhang gar nicht beteiligt werden sollten. Angesichts der Anklagen, die Boten König Rudolfs bereits zuvor vorgebracht hatten, bat der Bote überdies dringend, dass der Papst kein Urteil gegen Heinrich fällen möge. Obgleich man hinter dieser Aktion eine Verschleppungstaktik Heinrichs vermuten könnte, verhandelte Papst Gregor offensichtlich über das Angebot des Königs, denn er ließ den Eid dieses Boten in sein Register eintragen, mit dem dieser jedoch eine beträchtliche Modifikation des heinrizianischen Angebots beschwor: „Innerhalb der Frist bis Himmelfahrt des Herrn werden, sofern nicht rechtmäßige Hinderungsgründe wie Tod, schwere Krankheit, Gefangenschaft – ausgenommen List – vorliegen, Gesandte meines Herrn Königs zu euch kommen, die die Legaten des römischen Stuhles sicher geleiten und zurückgeleiten werden; und der Herr König wird ihnen in allem gehorsam sein gemäß dem Recht und dem Urteil; und dies alles wird er ohne Arglist beachten, sofern nicht auf euer Geheiß etwas entfällt; und dies schwöre ich auf Befehl meines Herrn König Heinrichs.“95 Nicht in Rom, sondern wie bisher immer geplant in Deutschland sollte auch weiterhin die Entscheidung über die Herrschaft der beiden Könige fallen. Dies implizierte auch, dass am Zustandekommen der Entscheidung Anhänger Rudolfs gleichfalls beteiligt sein würden. Und in der Tat zogen bald nach der Fastensynode zwei päpstliche 95 Gregorii VII Registrum, lib. 4, Nr. 17a, S. 428. Siehe hierzu ausführlich Vogel, Heinrich IV. und Gregor VII. nach Canossa, S. 138f.
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Legaten ins Reich und zu Heinrich IV., die Bischöfe Petrus von Albano und Udalrich von Padua, die vom Patriarchen Heinrich von Aquileja begleitet und unterstützt wurden.96 Damit war ein weiterer Versuch Gregors eingeleitet, endlich Ort und Zeit für die Untersuchung festlegen zu lassen. Die Bischöfe sollten zwar ihre vertriebenen bischöflichen Mitbrüder in ihre Sitze zurückgeleiten, ausdrücklich jedoch kein Urteil in der Frage der beiden Könige fällen. In der Tat brachten die Legaten eine Verhandlung zwischen den streitenden Parteien – ohne die beiden Könige – in Fritzlar zustande. Es kam dort jedoch zu keiner Einigung, sondern nur zur Festsetzung einer neuen Verhandlung in Würzburg. Zu dieser erschien nun Heinrich selbst mit starker militärischer Begleitung, was wiederum Rudolf und seinen Anhang veranlasste, dieses Treffen zu boykottieren. Heinrich verlangte daraufhin die Exkommunikation Rudolfs, was die Legaten gemäß ihren Instruktionen jedoch verweigerten. Es stand also nach wie vor patt, auch wenn es Heinrich teils durch Drohungen, teils durch Versprechungen gelang, den sächsischen Anhang Rudolfs zu dezimieren. Zu allem Überfluss gerieten auch noch die Legaten in den Verdacht, ihre Stellung zu missbrauchen, denn sie versprachen „bald uns, bald unseren Feinden die Gunst des Papstes und nahmen, wie es römischer Brauch ist, von beiden Seiten so viel Geld mit, wie sie zusammenbringen konnten“.97 Wieder war ein Jahr mit ergebnislosen Bemühungen verstrichen, in der Sache der beiden Könige zu einer Lösung zu kommen. Die militärischen Versuche brachten ebenfalls keine Klärung, denn in der Schlacht von Flarchheim, die im tiefsten Winter des Jahres 1080 zwischen beiden Heeren geschlagen wurde, gab es wieder keinen eindeutigen Sieger. So durfte man auf Gregors Reaktion während der nächsten Fastensynode gespannt sein. Sie kam nun in unmissverständlicher Eindeutigkeit und fiel gegen Heinrich IV. aus. Und dies, obgleich der Salier dieses Mal hochrangige Gesandte zu der Synode geschickt 96 Zu den folgenden Einzelheiten siehe Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 3, S. 208–226; siehe dazu auch Vogel, Heinrich IV. und Gregor VII. nach Canossa, S. 142ff. 97 Bruno, De bello Saxonico, cap. 116, S. 109.
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hatte, den Erzbischof Liemar von Hamburg-Bremen und den Bischof Rupert von Bamberg. Zur Frage steht daher, was Gregor nach mehrjährigem Zögern nun dazu brachte, so entschieden gegen Heinrich vorzugehen. Wir besitzen nur ein Zeugnis darüber, was die Gesandten Gregor als Botschaft Heinrichs überbrachten. Dies bietet Bonizo in seinem Liber ad amicum, das in der Forschung lange und teilweise bis heute als unzuverlässig verworfen wurde, weil es aus entschieden gregorianischer Sicht geschrieben ist.98 Bonizo nennt die Botschaft Heinrichs „hochmütig und unerhört“. Nach seiner Darlegung hatte Heinrich Gregor ein Ultimatum gestellt. Heinrich würde Gregor den schuldigen Gehorsam leisten, wenn dieser Rudolf ohne Urteil, das heißt ohne die geplante Untersuchung, exkommuniziere, falls nicht, werde Heinrich einen Papst erheben, der bereit sei, seinen Willen zu erfüllen.99 Wenn diese Nachricht stimmt, war es also wieder wie 1076 ein Angriff des Königs mit der Androhung, den Gehorsam aufzukündigen, der als Gegenreaktion die Bannung Heinrichs auslöste. Wieder kann man sich auch fragen, was Heinrich zu dieser überraschenden Attacke veranlasst haben könnte. Einen Grund nennt weder Bonizo noch ist er plausibel aus anderen Nachrichten zu rekonstruieren. Man kann allenfalls vermuten, dass Heinrich der zunehmende Abfall der Sachsen von Rudolf verleitete, seine eigene Stellung für unangreifbar zu halten, und dass ihn diese Einschätzung zu dem offensiven Vorgehen gegen Gregor veranlasste. Gestützt wird die singuläre Nachricht über Heinrichs Absichten immerhin dadurch, dass es nur wenige Monate dauerte, bis er nach dieser Fastensynode tatsächlich in Brixen Gregor absetzen ließ. Ganz so fern kann ihm der Gedanke daher zuvor wohl nicht gelegen haben. Ähnlich wie 1076 kleidete Gregor VII. seine Bannung Heinrichs in ein Gebet an die Apostelfürsten Petrus und Paulus, in dem er noch einmal seine ganze Beziehungsgeschichte zu den deutschen Königen und die Prinzipien, die ihn in diesen Fragen geleitet hatten, rekapitu98 Allgemein zu Bonizo vgl. Goez, Art. Bonizo, in: LexMA 2, S. 424 f. Dazu auch Vogel, Heinrich IV. und Gregor VII. nach Canossa, S. 187f. 99 Bonizo, Liber ad amicum, lib. 9, S. 612.
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lierte. Der entscheidende Vorwurf gegenüber Heinrich aber war nicht etwa, dass er Gregor mit der Einsetzung eines Gegenpapstes gedroht hatte, sondern: „Der genannte Heinrich aber mitsamt seinen Begünstigern fürchtete nicht die Gefahr des Ungehorsams, der dem Verbrechen des Götzendienstes gleich ist, und verhinderte das colloquium.“100 Gregor hatte nun endlich eingesehen, dass sein Ziel, eine Untersuchung über die beiden Könige unter päpstlicher Leitung durchzuführen, von Heinrich nicht ernsthaft unterstützt wurde. In seinem Gebet verkündete Gregor nicht nur die Bannung Heinrichs und ihre Begründung, sondern formulierte auch noch eine Bitte an die Apostelfürsten: „Im Vertrauen auf das Urteil und das Erbarmen Gottes und seiner mildreichen und allzeit jungfräulichen Mutter Maria, gestützt auf eure Vollmacht, unterwerfe ich den oft genannten Heinrich, den sie König heißen, und alle seine Begünstiger der Exkommunikation und binde sie mit den Fesseln des Anathems. Und abermals verbiete ich ihm das Königtum der Deutschen und Italiens im Namen des allmächtigen Gottes und eurem und nehme ihm jede königliche Gewalt und Würde und verbiete, daß irgendein Christ ihm als König gehorcht; und alle, die ihm wegen der Herrschaft über das Reich geschworen haben oder noch schwören werden, löse ich vom Versprechen des Eides. Dieser Heinrich mitsamt seinen Begünstigern möge in keinem Kriegstreffen Kräfte und in seinem Leben keinen Sieg gewinnen. Dagegen gewähre und gestatte ich, daß Rudolf, den sich die Deutschen zum König in Treue gegenüber euch erkoren, das Deutsche Reich regiere und verteidige, und allen, die ihm in Treue anhängen, schenke ich, gestützt auf das, was ihr uns anvertraut, Befreiung von allen Sünden und euren Segen in diesem Leben und in Zukunft. Wie Heinrich nämlich für seinen Hochmut und Ungehorsam sowie seine Falschheit zu Recht der Königswürde verlustig geht, so wird Rudolf wegen seiner Demut, seines Gehorsams und seiner Aufrichtigkeit Gewalt und Würde des Königtums gewährt.“101 Falschheit, Ungehorsam und Hochmut Heinrichs mussten sich aber erst jüngst erwiesen haben, Gregorii VII Registrum, lib. 7, Nr. 14a, S. 485. Gregorii VII Registrum, lib. 7, Nr. 14a, S. 485 f.; siehe dazu Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 196 ff. 100
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denn zuvor hatte Gregor ja darauf bestanden, erst noch untersuchen zu müssen, wem von beiden Königen das Recht zu herrschen zukomme. Diese Untersuchung war jetzt offensichtlich nicht mehr nötig. Damit bietet die Nachricht Bonizos über Heinrichs drohendes Ultimatum doch eine plausible Erklärung für die plötzliche Entschiedenheit des Papstes. Mit der zitierten Feststellung war das Gebet des Papstes indes noch nicht beendet, er äußerte zum Schluss noch eine ungewöhnliche Bitte an die Apostelfürsten: „Handelt nun, bitte ich, Väter und heiligste Fürsten, so, daß alle Welt sieht und erkennt, daß ihr, wenn ihr im Himmel binden und lösen könnt, auch auf Erden Reiche, König-, Fürstenund Herzogtümer, Markgrafschaften, Grafschaften und aller Menschen Besitzungen einem jeden nach Verdienst nehmen und geben könnt. Denn ihr habt Patriarchate, Primate, Erzbistümer und Bistümer oft den Schlechten und Unwürdigen genommen und sie kirchlich gesonnenen Männern gegeben. Wenn ihr aber über Geistliches richtet, was ist dann über euer Vermögen hinsichtlich Weltlichem zu glauben? Und wenn ihr über die Engel herrscht und über alle stolzen Fürsten Recht sprechen werdet, was ist euch dann bei deren Dienern möglich? Alle Könige und Fürsten dieser Welt mögen nun lernen, wie groß ihr seid, was ihr vermögt, und sie mögen fürchten, den Befehl eurer Kirche gering zu achten. Und vollstreckt möglichst bald euer Urteil an dem genannten Heinrich, damit alle wissen, daß er nicht zufällig, sondern durch eure Macht stürzen und zuschanden werden wird; hoffentlich zur Buße, damit seine Seele gerettet werde am Tage des Herrn.“102 Dieser Teil des Gebets ist von grundsätzlicher Bedeutung für Gregors religiöse Vorstellungen und gewiss darüber hinaus ganz allgemein für religiöse Vorstellungswelten im Mittelalter. Der Papst war ganz offensichtlich davon überzeugt, dass ihm sein Amt und sein Anliegen die Möglichkeit gaben, die Apostel Petrus und Paulus zum direkten Eingreifen in das geschichtliche Geschehen zu veranlassen. Sogar über den Zeitpunkt machte er sich Gedanken: Damit nicht jemand den Sturz Heinrichs als Zufall deuten könne, sollten die Apostelfürsten möglichst bald nach seinem Gebet tätig werden. Wenige Tage später, 102
Gregorii VII Registrum, lib. 7, Nr. 14a, S. 486.
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am Osterfest, wiederholte und konkretisierte er angeblich diese terminliche Festlegung sogar noch: Es solle ihm, Gregor, kein Glauben mehr geschenkt werden, wenn seine Vorhersage vom Sturze Heinrichs nicht bis zum 1. August, dem Tage von Petri Kettenfeier, eingetroffen sei.103 So etwas tut wohl nur jemand, der felsenfest an die Gerechtigkeit seiner Sache und überdies daran glaubt, dass die himmlischen Mächte auf das Gebet der Frommen hin aktiv werden. Im Unterschied zu dem Gottesurteil, dem sich Gregor in Canossa unterworfen hatte, war er nun nämlich schon ins Unrecht gesetzt, wenn nichts geschah, wenn Heinrich nicht termingerecht gestürzt würde. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Es geschah nicht nichts, es geschah sogar das Gegenteil von dem, was Gregor gefordert hatte. Wie 1076 bei Heinrich können wir nun die verheerende Wirkung dieser Entwicklung auf die Position Gregors und seiner Anhänger beobachten. Doch der Reihe nach. Aus dem Reich kennen wir die Reaktion auf diese zweite Bannung Heinrichs IV. vor allem von den Bischöfen. In Bamberg und Mainz fanden nämlich im April und Mai 1080 Versammlungen statt, auf denen sich zahlreiche Bischöfe sehr eindeutig hinter Heinrich stellten. In Mainz waren es immerhin 19 Bischöfe und weitere ungenannte Fürsten des Reiches. Überdies verfassten im Anschluss an diese Versammlung drei Bischöfe Schreiben, die offensichtlich zur Verbreitung bestimmt waren, die sogenannten Bischofsbriefe, die mit teils gleicher, teils unterschiedlicher Argumentation die Position Gregors und die Exkommunikation angriffen und sich hinter Heinrich stellten. Huzmann von Speyer etwa, einer der drei Briefschreiber, sah keine andere Möglichkeit „als das Haupt der pestbringenden Schlange gänzlich abzuschneiden“ und anstelle des invasor und perturbator Gregor einen neuen Papst zu wählen, der wie ein guter Hirte den Frieden in die Kirche zurückbrächte. Die anderen Bischöfe argumentierten ähnlich und vehement.104 103 Vgl. Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 3, S. 257 f.; Bonizo, Liber ad amicum, lib. 9, S. 616; Beno, Gesta Romanae ecclesiae, lib. 1, cap. 7, S. 371 f.; Sigebert von Gembloux, Chronica, a. 1080, S. 364. 104 Udalrici Babenbergensis Codex, Nr. 60–62, S. 126–130, Zitat S. 127. Zu den Briefen vgl. Vogel, Heinrich IV. und Gregor VII. nach Canossa, S. 200–209.
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So nimmt es nicht wunder, dass bereits am 25. Juni in Brixen eine Synode von dreißig vor allem italienischen, aber auch deutschen Bischöfen in Anwesenheit Heinrichs IV. tagte, die in der Tat das in Mainz in Aussicht Genommene, die Absetzung Gregors, durchführte. Man darf davon ausgehen, dass viele der deutschen Bischöfe bereits in Mainz ihre Zustimmung zu diesem Vorhaben zum Ausdruck gebracht hatten und deshalb auf eine persönliche Anwesenheit verzichten konnten. Sie unterstützten denn auch die Synode durch Briefe und Boten. Ein Dekret dieser Synode liefert die Begründung für diese Entscheidung, die in zahlreichen Quellen ein durchaus geteiltes Echo hervorrief. Hier hören wir zum ersten Mal nach Jahren wieder eine ausführliche Argumentation der Partei Heinrichs, die nicht von taktischen Rücksichtnahmen beeinflusst ist. Die Vorwürfe gegen Gregor und die Erbitterung der Argumentation lassen ahnen, wie sehr sich in den letzten Jahren die Wut bei den Anhängern Heinrichs und vielleicht auch bei diesem selbst aufgestaut hatte. Interessanterweise unterschrieb das Dekret als erster der Bischöfe jener Kardinal Hugo Candidus, der schon in Worms für die Schauergeschichten über Gregors Verhalten gesorgt hatte. Die Vorwürfe gegenüber Gregor persönlich sind im Vergleich zu den Wormser Schreiben aber noch erheblich verschärft und erreichen fast die Dimension der Vorwürfe, die Heinrichs Gegner auf Lager hatten. Neu ist vor allem: „Er ist nachweislich auch der Mörder von vier Päpsten, die er durch einen seiner Vertrauten, den Johannes Brachiuti, vergiften ließ. Schweigen auch sonst alle darüber, so hat es doch dieser Johannes selbst in der Todesangst, von allzu später Reue gefoltert, auf seinem Sterbebett mit gräßlichem Geschrei eingestanden.“105 Auf der Basis dieses und vieler anderer Vorwürfe kommen die Synodalen zu dem Urteil: „Deshalb fällen wir das Urteil, daß dieser maßlos unverschämte Hildebrand, der Gottesraub und Brand predigt, der Meineid und Mord verteidigt, der den katholischen und apostolischen Glauben über Leib und Blut des Herrn als alter Schüler des Ketzers Berengar 105 Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 3, S. 290 ff. Die Nachrichten finden sich im Decretum Synodi der Synode von Brixen, MGH Const. 1, S. 118 f. Zu den Vorgängen in Brixen siehe auch Ziese, Wibert von Ravenna, S. 55ff.
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in Zweifel zieht, der offenkundige Anhänger von Phantastereien und Träumen, der Zauberer und Wahrsager und darum vom wahren Glauben Abtrünnige, den kirchlichen Satzungen gemäß abzusetzen und auszutreiben ist und daß er, wenn er nach unserem Richterspruch nicht selbst seinen Sitz verläßt, für immer zu verdammen ist.“106 Dass die Absetzung Gregors nicht ganz so unproblematisch und einmütig war, wie es die bisher herangezogenen Quellen suggerieren, mag eine anekdotisch anmutende Erzählung in der Lebensbeschreibung von Heinrichs Vertrautem, dem Bischof Benno von Osnabrück, vermitteln. Seine Unterschrift fehlt unter dem Dekret und die Vita liefert auch den Grund dafür: Benno hatte sich angeblich während der Entscheidung in einer Nische des Altares versteckt und sich so der Notwendigkeit der Zustimmung entzogen. Später konnte er den Vorhaltungen des Königs über sein Verbleiben entgegenhalten, er habe nie den Raum verlassen.107 Die Geschichte liefert wohl den Beweis, wie viel Skrupel auch jetzt wieder einige der Helfer Heinrichs hatten, Gregor VII. die Treue zu brechen. Sie spricht damit eine ganz andere Sprache als die Polemik des Dekrets und sie ist nicht die einzige Äußerung in diese Richtung. Ein spätes Zeugnis dafür, wie reserviert selbst enge Anhänger Heinrichs einer Absetzung Gregors gegenüberstanden, bietet auch die Lebensbeschreibung des Königs, die ihn in dieser Sache, natürlich post festum, eindringlich ermahnt: „Laß ab, ich beschwöre dich, ruhmreicher König, laß ab von dem Beginnen, das Haupt der Kirche von seiner Höhe zu stürzen und dich schuldig zu machen, indem du Unrecht vergiltst. Unrecht erleiden, ist glückselig, es wiedervergelten, ein Verbrechen.“108 Die Lage Heinrichs wurde jedoch noch viel besser, als es die Unterstützung der Bischöfe bereits anzeigt. Heinrich wurde nach seiner Rückkehr ins Reich im Herbst 1080 nämlich wieder militärisch gegen Rudolf und die Sachsen aktiv und führte ein Heer durch Thüringen bis an die Elster. Dort kam es am 15. Oktober zur Schlacht, die die causa dieser beiden Könige entscheiden sollte. Heinrich hatte am Vorabend Ebd., S. 119; Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 3, S. 290ff. Vita Bennonis, cap. 18, S. 410 ff. 108 Vita Heinrici IV. imperatoris, cap. 6, S. 22. 106 107
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Abb. 5: Grabplatte im Merseburger Dom von Rudolf von Schwaben, Graf von Rheinfelden und Gegenkönig Heinrichs IV.
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sich mit einer Stiftung an Speyer unter den Schutz der Gottesmutter Maria begeben, was drei Erzbischöfe und drei Bischöfe durch ihren Rat befördert hatten.109 Auch hierin werden die religiösen Dimensionen einer mittelalterlichen Schlacht deutlich, die nach wohl allgemeiner Meinung der Zeitgenossen durch das Eingreifen der himmlischen Mächte entschieden wurde. Diese Schlacht hatte wiederum keinen eindeutigen Sieger, aber einen eindeutigen Verlierer. Zwar hatte König Heinrich selbst fliehen müssen und auch andere Teile seines Heeres waren in schwere Bedrängnis geraten; doch schlimmer erging es König Rudolf, der eine tödliche Verwundung erhielt. Neben einer schweren Verwundung am Körper wurde ihm ausgerechnet die rechte Hand, die Schwurhand, abgeschlagen, so dass er kurze Zeit später verschied.110 Dies war unschwer als ein besonders deutliches Gottesurteil zu erkennen und stellte wirklich genau das Gegenteil von dem dar, um was Gregor die Apostelfürsten gebeten hatte. Die Wirkung dieses Vorfalls wird in Geschichten fassbar, die ganz ähnlich wie die Utrechter Geschichten von 1076 die Qualität des Geschehenen als Gottesurteil akzentuieren. „Seht, das ist die Hand, mit der ich meinem Herrn Heinrich unter Eid die Treue zugesichert habe, seht, schon verlasse ich sein Reich und das gegenwärtige Leben; nun seht zu, ob ihr mich, die ihr mich seinen Thron besteigen ließet und der eurem Geheiß folgte, den rechten Weg geführt habt“, soll Rudolf sterbend zu den anwesenden Bischöfen gesagt haben.111 Die Sachsen begruben ihn königlich in Merseburg, wo seine Grabplatte bis heute erhalten ist.112 Überliefert ist eine Anekdote, die Heinrichs Reaktion auf dieses Ereignis komprimiert. Als ihm ein Anhänger Vorhaltungen machte, wie er es zulassen könnte, dass Rudolf auf so königliche Weise bestattet sei, soll er geantwortet haben: „Mögen doch alle meine Gegner so königlich bestattet liegen.“113 Mit dem Tod Vgl. D H IV, Nr. 325, S. 427; siehe dazu Schmid, Die Sorge der Salier, S. 704; Ehlers, Metropolis, S. 107 ff. 110 Vita Heinrici IV., cap. 4, S. 19; Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 3, S. 339; zuletzt Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 141. 111 Frutolf, Chronica, a. 1080, S. 94 f. 112 Hinz, Das Grabdenkmal Rudolfs von Schwaben. 113 Otto von Freising, Gesta Friderici I., lib. 1, cap. 7, S. 19: „Utinam omnes inimici mei tam honorifice iacerent.“ 109
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Abb. 6: Dom von Speyer, Chor von Osten.
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Rudolfs war Heinrich jedenfalls seines gefährlichsten Gegenspielers ledig. Der Salier war dadurch zwar der durch Rudolf und Papst Gregor ausgelösten Krisen nicht wirklich Herr, doch die unmittelbare Bedrohung seiner Herrschaft war zunächst einmal vorbei. Heinrich konnte in die Offensive gehen. Es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass in der Forschung genau diese Situation nach dem Tode Rudolfs von Rheinfelden als der Zeitpunkt diskutiert wird, zu dem Heinrich sich zum grundlegenden Umbau des Speyerer Domes entschloss.114 Alles spricht nämlich dafür, dass dieser Entschluss vor dem ersten Italienzug Heinrichs fiel und damit in einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Tode von Rudolf von Rheinfelden gehört. In der Tat ist Heinrich IV. am 6. und 7. Dezember 1080 in Speyer bezeugt, nachdem er sich am Vorabend der Schlacht an der Grune mit einer Schenkung an Speyer ausdrücklich unter den Schutz der Gottesmutter Maria gestellt hatte. Es liegt also nahe, diesen Speyerbesuch des Königs als eine „Marienwallfahrt“115 anzusehen, mit der er der Gottesmutter für ihre Hilfe in der Schlacht dankte. Und in der Tat enthält eine der Urkunden116 den ausdrücklichen Hinweis auf eine admonitio Mariens, die Heinrich zu dieser Schenkung veranlasst habe. Mit dem Neubau stattete nach diesen Indizien Heinrich IV. also den himmlischen Mächten Dank ab für ihre Unterstützung gegen seine Widersacher. Die Dimensionierung des Neubaus, an dem man dann 20 Jahre arbeitete, lässt zugleich Rückschlüsse auf das herrscherliche Selbstverständnis des Saliers zu, der sich allen Widerständen zum Trotz in der Tradition seiner Vorfahren auf dem Weg zum Kaisertum sah und Gott und der Gottesmutter mit dem Bauwerk für vergangene wie für zukünftige Hilfe dankte.
114 Vgl. dazu neben der bauhistorischen Bewertung bei Kubach/Haas, Der Dom zu Speyer, bes. S. 705 ff., Vogel, Heinrich IV. und Gregor VII. nach Canossa, S. 248 ff.; Schmid, Die Sorge der Salier, S. 703 ff.; Weinfurter, Herrschaftslegitimation, S. 94 f. 115 Vogel, Heinrich IV. und Gregor VII. nach Canossa, S. 237 ff.; Hehl, Maria und das ottonisch-salische Königtum, S. 303. 116 D H IV, Nr. 327, S. 430.
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4. Heinrichs Kaiserkrönung und Gregors Ende Nachdem Heinrichs Gegner in Deutschland mit Rudolf von Rheinfelden ihren Anführer verloren hatten, war es für den König gewiss vordringlich, den Papst, der ihn zweimal gebannt und der Königswürde beraubt hatte, vom Stuhl Petri in Rom zu vertreiben und dem in Brixen in Aussicht genommenen neuen Papst, Clemens III., zum Durchbruch zu verhelfen. Nur so konnte Heinrich wohl auch darauf hoffen, endlich zum Kaiser gekrönt zu werden. Weiter an eine Verständigung mit Gregor VII. zu denken, war wohl unrealistisch, auch wenn diese prinzipielle Möglichkeit in einigen Äußerungen der folgenden Jahre anklingt. Zu strikt hatte sich Gregor bisher an seine Linie gehalten, von Heinrich zunächst Genugtuung und Gehorsam zu fordern, und erst dann die Entscheidung zu fällen, ob Heinrich noch König sein könne, als dass eine Einigung dieser beiden Männer denkbar gewesen wäre. Der König hatte sich schon bald nach dem Tode Rudolfs überzeugen lassen müssen, dass damit der sächsische Widerstand gegen ihn keineswegs zusammengebrochen war. Ein Feldzug am Ende des Jahres 1080 mit dem Ziel, die Niederlage der Sachsen durch die Feier des Weihnachtsfestes in Goslar manifest zu machen, scheiterte nämlich an der Größe eines sächsischen Heeres, das sich diesem Vorhaben sofort entgegenstellte. Auch ohne Gegenkönig blieben die Sachsen allem Anschein nach aktionsfähig.117 Damit war gleichzeitig klar, dass für Heinrich eine längere Abwesenheit in Italien mit einigem Risiko behaftet war. Er hätte seinen Gegnern ja die eigenen Besitzungen und Anhänger relativ schutzlos preisgeben müssen. So scheint es nur folgerichtig, dass er vor seiner Abreise versuchte, mit den Sachsen zu einer Übereinkunft zu kommen. Der König soll den Sachsen zu diesem Zwecke sogar angeboten haben, falls sie seinen Sohn Konrad zum König wählten, verspreche er ihnen, ihr Land nie wieder zu betreten. Herzog Otto von Northeim habe auf dieses Angebot die richtige Antwort gefunden: Er habe schon oft gesehen, dass von einem schlechten Rind ein schlechtes Kalb komme, und daher habe er weder nach dem Vater noch nach dem Sohn Ver117
Vgl. Giese, Der Stamm der Sachsen, S. 171.
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langen.118 Historischer als dieses eigenartige angebliche Angebot Heinrichs bezüglich eines Thronverzichts für Sachsen ist wohl der Versuch einer gütlichen Beilegung des Konfliktes, zu dem sich je fünf Bischöfe beider Lager im Februar 1081 im Kaufunger Wald trafen. Angeblich setzte die Partei Heinrichs auf geheime Verhandlungen (secretum colloquium), während die sächsischen Bischöfe die Verhandlungen für alle Vasallen beider Seiten zugänglich machen, also öffentlich verhandeln wollten. Schlagender konnten Letztere ihr reines Gewissen und das Vertrauen in die Gerechtigkeit ihrer Sache kaum unter Beweis stellen. Bruno, unser Gewährsmann, unterstreicht am Ende seines langen Berichts über die letztlich gescheiterten Verhandlungen, dass die Wirkung der sächsischen Argumente in der Tat groß gewesen sei: „Die gemeinen Vasallen der gegnerischen Partei riefen laut, daß unser Vorschlag billig sei, ihre Fürsten aber weder Entsprechendes anböten noch annähmen. Sie wären in Zukunft weniger bereit zu kämpfen als bisher, weil sie erkannt hätten, daß die gerechte Sache bei den Sachsen sei und uns diese Versammlung mehr Nutzen brächte als drei siegreiche Schlachten.“119 Auch Erzbischof Gebhard von Salzburg, der in diesen Verhandlungen als Sprecher der sächsischen Seite auftrat, hatte mit dieser immer wieder bezeugten Selbstgewissheit der Sachsen die Gegenpartei eindringlich beschworen, in Ruhe ihre Argumente und Beweise bezüglich der Untaten des Königs anzuhören. Sie würden gleichfalls in Ruhe etwaige Gegenargumente zur Kenntnis nehmen und dann solle man entscheiden: „[…] entweder ihr zeigt uns überzeugend, daß er [sc. Heinrich] rechtmäßig König sein kann, und nehmt uns dann zu treuen Genossen unter seiner Herrschaft an, oder aber ihr erlaubt uns als wahr zu erweisen, daß er nicht rechtmäßig König sein kann, und hört dann auf, uns wider alle Vernunft wie Feinde zu verfolgen. […] Das ist also der Kern unserer Bitte: Zeigt uns überzeugend, daß Herr Heinrich rechtmäßig König sein kann, oder laßt uns euch als wahr erweisen, daß er es nicht sein kann; und wenn eines von beiden erwiesen ist, dann hört auf, uns mit Feuer und Schwert zu verfolgen.“120 Bruno, De bello Saxonico, cap. 125, S. 118. Bruno, De bello Saxonico, cap. 128, S. 122. 120 Bruno, De bello Saxonico, cap. 127, S. 121. 118 119
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Gebhard benutzte erneut die Argumentation, wie sie die Sachsen schon mehrfach angewandt hatten: Sie wollten ihr Wissen über die Taten und Untaten des Königs ausbreiten, um so die Gegenseite zu überzeugen, dass er sein Königsamt verwirkt habe. So hatten sie es erfolgreich in Corvey 1073 und in Tribur 1076 praktiziert, und genau dem gleichen Ziel war das colloquium verpflichtet, das zunächst Anfang 1077 in Augsburg unter Leitung Gregors VII. stattfinden sollte und dessen Durchführung lange Zeit Gregors vorrangiges Ziel blieb, um über Heinrichs Amts- und Lebensführung zu entscheiden.121 Bekanntlich ist es nie realisiert worden. Auch jetzt verweigerten sich die gegnerischen Bischöfe dieser Untersuchung: „Sie seien nicht gekommen, um diese Sache zu verhandeln, noch besäßen sie so große Weisheit, daß sie eine Sache von solcher Bedeutung ohne Vorbereitung vorzunehmen wagten, zumal es scheine, daß die Angelegenheit nicht sie allein, sondern auch den König und alle seiner Herrschaft Unterstehenden angehe.“122 Mit diesen Argumenten hatten sie zweifelsohne nicht Unrecht, denn es war mit einiger Sicherheit nicht ihr Auftrag gewesen, sich auf solche Untersuchungen einzulassen – und das zu allem Überfluss öffentlich. So scheiterte das Treffen, denn die Sachsen waren nicht bereit, ohne grundsätzliche Verhandlungen einen längeren Frieden zu gewähren, der Heinrich Zeit gegeben hätte, ohne Gefahren für seine Stammlande seine Herrschaft in Italien zu etablieren. Dieser Misserfolg hielt Heinrich nicht davon ab, nun doch den Heereszug nach Italien in Angriff zu nehmen. Das Osterfest 1081 feierte er bereits in Verona, nachdem er mit einem relativ kleinen Heer die Alpen überschritten hatte.123 Aus den Briefen Gregors VII. sind wir einigermaßen genau über dessen Einschätzung der Lage und über die Maßnahmen informiert, mit denen der Papst Heinrich begegnen wollte. Übergroße Sorgen scheint er sich angesichts der neuen Lage nicht gemacht zu haben, oder er hat sie in seinen Instruktionen an Altmann von Passau, seinen Legaten, und Abt Wilhelm von Hirsau gut verborgen.124 Vgl. dazu oben bei Anm. 77 ff. Bruno, De bello Saxonico, cap. 128, S. 121. 123 Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 3, S. 352f. 124 Gregorii VII Registrum, lib. 9, Nr. 3, S. 573–577. 121 122
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Sorgen machte er sich vor allem um die Markgräfin Mathilde, deren Krieger im Herbst 1080 von lombardischen Anhängern Heinrichs geschlagen worden waren. Sie würde ohne Unterstützung, so die Einschätzung Gregors, Heinrich und seinen Anhängern keinen erfolgreichen Widerstand leisten können. Deshalb ermahnte der Papst wohl Altmann von Passau, er möge auf Herzog Welf von Bayern einwirken, dass dieser seinen Verpflichtungen gegenüber dem heiligen Petrus gerecht werde und die nötige Hilfe leiste. Im Übrigen riet der Papst, bei der Wahl eines neuen Gegenkönigs nichts zu überstürzen. Wichtiger als eine schnelle Wahl sei es, eine richtige Wahl zu treffen. Besonders am Herzen lag dem Papst der Eid, den der neue König ihm schwören sollte: Er musste unbedingt die promissio fidelitatis et oboedientiae enthalten.125 Zu diesem Zeitpunkt setzte Gregor wahrscheinlich noch auf seine unsicheren normannischen Bundesgenossen, Robert Guiscard und Jordanus von Capua, die ihm 1080 gerade erneut Lehnseide geschworen hatten.126 Umso stärker dürfte Gregor berührt haben, durch die Markgräfin Mathilde darüber informiert zu werden, dass der heranrückende Heinrich Kontakt mit Herzog Robert Guiscard aufgenommen und dem Normannen ein Ehebündnis zwischen seinem Sohn Konrad und einer Tochter des Herzogs angeboten habe. Diese zweifelsohne höchst beunruhigende Nachricht teilte Gregor im Mai 1081 dem Abt Desiderius von Monte Cassino, dem häufigen Vermittler zwischen Rom und den Normannen, mit und forderte ihn auf, der Sache auf den Grund zu gehen und ihm dann mit Rat beizustehen.127 Bereits im Februar hatte Gregor den gleichen Abt zu erkunden gebeten, inwieweit Robert Guiscard bereit sei, sich im Dienste des heiligen Petrus militärisch zu engagieren.128 Er hatte in diesem Zusammenhang zur Kenntnis nehmen müssen, dass der Normanne seine eigenen Angriffspläne jenseits der Adria gegen das byzantinische Reich für wichtiger hielt als Gregorii VII Registrum, lib. 9, Nr. 3, S. 576. Vgl. dazu die Zusammenstellung der Quellen bei Deér, Das Papsttum und die süditalienischen Normannenstaaten, S. 333–340. 127 Gregorii VII Registrum, lib. 9, Nr. 11, S. 588f. 128 Gregorii VII Registrum, lib. 9, Nr. 4, S. 577 ff. 125
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seine Verpflichtungen gegenüber dem heiligen Petrus, denn Herzog Robert teilte dem Papst sowohl mit, dass er auf das Angebot Heinrichs nicht eingegangen sei, als auch, dass er wegen seiner Aktivitäten gegen Byzanz nicht in der Lage sei, sich im Dienste des Papstes militärisch zu engagieren. Überdies hatten aber auch die Byzantiner die Chance erkannt, ihrem normannischen Feind zu schaden, und hatten Heinrich IV. erhebliche finanzielle Mittel für seinen Italienzug zukommen lassen, die er später vor Rom einzusetzen wusste.129 Es war also ein durchaus komplexes politisches Kräftefeld, in das sich Heinrich mit begrenzten militärischen Mitteln begab. Viel kam daher auf die Haltung der Römer an, als Heinrich IV. um das Pfingstfest 1081 mit seinem Heer von Ravenna kommend vor Rom eintraf. Die Römer stellten sich vor Gregor VII. und die Stadt blieb dem König verschlossen, so dass er außerhalb der Mauern auf den Neronischen Wiesen ein Zeltlager aufschlagen musste und „Lanzen statt der Wachslichter, Bewaffnete statt der Chöre, Schmähungen statt der Lobsprüche, wildes Geschrei statt des Beifalls“ zu sehen und zu hören bekam.130 Heinrich nützte auch die schriftliche Beteuerung nichts, er sei in friedfertiger Absicht gekommen und wolle durch gemeinsame Beratungen die Zwietracht zwischen Königtum und Priestertum aus dem Wege räumen.131 Eine Episode am Pfingstfest mag verdeutlichen, wie bescheiden die Lage des Königs war. An diesem Hochfeste war es üblich, dass sich der König in einer Kirche mit allen Herrschaftsinsignien schmückte, um dann in feierlicher Prozession zu einer zweiten Kirche zu ziehen und dort den Festgottesdienst zu hören. Da man vor Rom jedoch über keine Kirchen verfügte, wollte man zunächst auf die Zeremonie verzichten, funktionierte dann jedoch zwei Zelte um und zog innerhalb des Zeltlagers vom einen zum anderen und simulierte so den festlichen Zug.132 Mehrere Wochen hat das Heer Heinrichs vor Rom gelegen und außer der Verwüstung des Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 436. Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 3, S. 387–390; vgl. das Zitat bei Bonizo, Liber ad amicum, lib. 9, S. 613; Frutolf, Chronica, a. 1081, S. 94. 131 Epistolae Heinrici IV, Nr. 16, S. 23. 132 Benzo, Ad Heinricum, Praefatio zu lib. 6, S. 500ff. 129
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Umlands nichts erreicht, ehe es wegen der Sommerhitze dann unverrichteter Dinge abziehen musste. Der erste Angriff Heinrichs auf die Stellung Gregors VII. war also mehr als kläglich gescheitert.133 Aber Heinrich blieb in Italien. Sein oberitalienischer Anhang war stark genug, um ihn hier unangegriffen herrschaftliche Tätigkeiten durchführen zu lassen, wie zahlreiche Urkunden beweisen.134 Hieran hinderten ihn weder die Kräfte der Markgräfin Mathilde noch die Tatsache, dass man nördlich der Alpen mit einiger Verzögerung erneut einen Gegenkönig erhoben hatte: Hermann von Salm. Er stammte aus lothringischem Hochadel, war aber zweifelsohne nicht der profilierteste Vertreter der Fürstenopposition gegen Heinrich. Auch scheint seine Wahl keineswegs einhellig gewesen zu sein. Vielmehr gab es wohl vor allem von Seiten der Sachsen Vorbehalte, die den Gewählten erst nachträglich anerkannten, worauf er am Weihnachtsfest in Goslar gesalbt und gekrönt wurde. Es scheint, als habe auch Otto von Northeim überlegt, ob er noch einmal die Seiten wechseln und seinen Frieden mit Heinrich machen solle. Mit diesen Nachrichten endet die Geschichtsschreibung Brunos, des detaillierten und feindseligen Chronisten des Verhältnisses der Sachsen zu Heinrich IV.135 Selbst wenn ein direkter Zusammenhang mit Initiativen Heinrichs nicht zu erkennen ist, scheint es geboten, hier darauf aufmerksam zu machen, dass nach 1080 nicht allein Versuche einer militärischen Lösung des Konflikts zu beobachten sind. Vielmehr sind aus dieser Zeit eine ganze Reihe von ausführlichen Briefen überliefert, die als erste Zeugnisse einer neuen Quellengattung, der Streitschriften, gelten können.136 Neben der Vorbereitung bewaffneter Konflikte steckten beide Parteien also zunehmend Energien in die theoretische Ausarbeitung ihrer Position, wobei nicht behauptet werden soll, dass Heinrich IV. selbst solche Initiativen Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 3, S. 390f. D H IV, Nrn. 335–341, S. 439–451. 135 Vgl. Bruno, De bello Saxonico, cap. 130 f., S. 122 f., zu den Vorgängen Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 3, S. 415–418, 423–426; Lange, Die Stellung der Grafen von Northeim, S. 73–76. 136 Vgl. dazu Mirbt, Die Publizistik im Zeitalter Gregors VII., S. 4–121, 624– 629. 133 134
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förderte. In den Briefen wird das Bemühen beider Konfliktparteien deutlich, auf der Basis der gültigen Autoritäten grundsätzliche Argumente für die Position der einen oder der anderen Partei zu formulieren. Wenn man so will, vollzieht sich hier so etwas wie der Wechsel von der mündlich-persönlichen Beratung als zentralem Bestandteil der Konfliktlösung, die vielfach gescheitert war, zu einem ausführlichen, durch Zitate der Autoritäten gedeckten Traktat, der nicht nur den eigenen Anhängern, sondern auch der Gegenpartei zugänglich gemacht wird.137 Hierdurch entstand die Möglichkeit, sich auf die Beantwortung grundsätzlicher Fragen zu konzentrieren. Dies beobachtet man in Briefen, die Gregor VII. und unabhängig von ihm Gebhard von Salzburg an Bischof Hermann von Metz sandten. Sie taten dies in der erklärten Absicht, ihn als potentiellen zukünftigen Vermittler mit den wichtigsten eigenen Argumenten zu versehen. Gebhard von Salzburg etwa konzentrierte sich auf die Beantwortung der Fragen, ob man mit Gebannten Gemeinschaft pflegen beziehungsweise ob der Papst geleistete Eide lösen dürfe.138 Die Frage der Lösung von eidlichen Verpflichtungen spielt aber auch in dem Brief eine große Rolle, den Wenrich von Trier im Auftrage Bischof Dietrichs von Verdun an Gregor VII. sandte, um Antworten auf die drängenden Fragen der Anhänger Heinrichs zu bekommen. Und nicht nur dies: Wenrich macht von dem rhetorischen Kunstgriff, die Fragen der Gegner Gregors lediglich zu referieren, weidlich Gebrauch und konfrontiert den Papst mit einer Fülle von kritischen Fragen und Behauptungen, wie sie Anhänger Heinrichs offensichtlich formulierten.139 Diese gelehrten Aktivitäten haben zwar keine Lösung des Streits herbeigeführt, zeigen aber das sich intensivierende Bemühen, den Streit mittels Argumenten zu entscheiden, ein Diskurs, der neben und wahrscheinlich unabhängig von den Feldzügen Heinrichs in Italien in Gang kam. Vgl. Suchan, Königsherrschaft im Streit, passim, bes. S. 175ff. Vgl. Epistola venerabilis Gebehardi Salzburgensis archiepiscopi ad Herimannum Metensem episcopum, S. 120–173. 139 Wenrici scolastici Trevirensis Epistola sub Theoderici episcopi Virdunensis nomine composita, S. 68–119. 137
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Schon früh im Jahr 1082, sobald es die Witterungsverhältnisse erlaubten, stand dann Heinrichs Heer erneut vor Rom, und es war nun offensichtlich größer. Auch die Sprache seines Manifestes, das er wieder an die Römer richtete, war nun offensiver. Er forderte ein Gericht über Hildebrand, an dem die Römer beteiligt sein sollten: „Er soll also ohne Bangen kommen; wenn sein Gewissen rein ist, wird er sich über die Anwesenheit aller freuen, weil es sein Ruhm ist, wenn alle überzeugt werden. Er sei versichert, daß keine Gefahr für sein Leben besteht, selbst wenn er nach euerem Urteil und dem kanonischen Recht die Würde verlieren muß, die er zu Unrecht besaß. Wir sind bereit, nichts ohne euch, sondern alles mit euch zu tun, wenn wir nur sehen, daß ihr unseren Wohltaten keinen Widerstand leistet.“140 Unmittelbare Wirkung hat dieses Manifest nicht gehabt. Doch war es Gregor wegen der Belagerung auch nicht möglich, die übliche Fastensynode abzuhalten. Ein bemerkenswerter Erfolg gelang Heinrich vor allem dadurch, dass er in einem Treffen bei Albano den Normannen Jordanes von Capua zu einem Frontwechsel veranlasste. Der Normanne leistete Heinrich einen Treueid und stellte seinen Sohn als Geisel. Die Normannen von Apulien und Capua waren in ihrer Haltung zu Gregor VII. nun gespalten. Anwesend bei diesen Verhandlungen war ausgerechnet Gregors Vertrauter, der Abt Desiderius von Monte Cassino, der sich zunächst zwar sträubte, mit dem gebannten Heinrich in Kontakt zu treten, nichtsdestotrotz diesen Kontakt schließlich aufnahm.141 Die Fronten begannen also zu bröckeln, aber langsam. Weitere Erfolge ließen vorerst auf sich warten und Heinrich sah sich abermals genötigt, die Belagerung Roms zu unterbrechen und in Norditalien die Markgräfin Mathilde und ihre Anhänger zu bekämpfen. Papst Gregor versuchte gegen Jahresende, durch eine Reise nach Benevent Herzog Robert Guiscard zum Eingreifen in Rom zu bewegen, bevor Heinrichs Heer Anfang 1083 erneut mit der Belagerung der Ewigen Stadt begann. Herzog Robert kam nicht persönlich zu Hilfe, veranlasste aber immerhin Jordanes von Capua, sein Bündnis mit Epistolae Heinrici IV, Nr. 17, S. 26. Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 437; Chronica monasterii Casinensis, lib. 3, cap. 50, S. 431. 140 141
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Heinrich IV. zu beenden. Dass neben militärischen Mitteln weiterhin auch solche des Verhandelns benutzt wurden, zeigt uns die Vita des Bischofs Benno von Osnabrück, die über Vermittlungsaktionen dieses Bischofs aus der fraglichen Zeit berichtet: „Benno zog auf Befehl des Königs abermals nach Italien, wo ihn die Belagerung Roms ein volles Jahr und drei Monate festhielt. Während dieser Zeit […] war sein Handeln einzig und allein darauf gerichtet, mit Gottes gütiger Hilfe und mit Unterstützung anderer, deren Herz Gott berührt hatte, Frieden und Einigkeit zwischen den Parteien herzustellen. Fast täglich verkehrte er als Vermittler [internuntius] zwischen dem König und dem Papst; man sagt, er habe sich bei diesen Friedensbemühungen fast noch mehr angestrengt, als er sich auf irgendeinem Feldzug anzustrengen pflegte. Aber nichts vermochte soviel Starrsinn zu erweichen.“142 Anfang Juni änderte sich die Lage gravierend. Durch eine Unachtsamkeit der Römer gelang es den Truppen Heinrichs, die Leo-Stadt einzunehmen und St. Peter unter ihre Kontrolle zu bringen. Kein Wunder, dass dieser überraschende Erfolg in emphatischen Geschichten kolportiert wurde, die noch in die Vita Heinrichs IV. gelangten.143 Mit diesem Erfolg war zwar keine Entscheidung gefallen, denn Gregor zog sich in die schwer einnehmbare Engelsburg zurück, seine Anhänger hielten andere Kastelle, und der Papst war durchaus noch in der Lage, an die Einberufung einer Generalsynode zu denken, zu der alle nicht gebannten Kleriker und Laien an einen sicheren Ort kommen sollten. Man weiß allerdings nicht, ob das diesbezügliche Schreiben verbreitet worden ist. Gregor hatte aber den Kampf zweifelsohne nicht aufgegeben. Doch dürfte die psychologische Wirkung dieses Erfolges auf die Bereitschaft der Römer zum Widerstand beträchtlich gewesen sein. Ein wenig resigniert, kommentiert Bernold von Konstanz aus der Ferne dies Ereignis so: „Dennoch waren schon viele Römer zu einer Verständigung mit [H]einrich gekommen, teils durch Geld verleitet, teils durch viele Versprechungen herbeigelockt, alle aber gleicher142 Vita Bennonis, cap. 22, S. 422 ff., zu den Einzelheiten vgl. Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 3, S. 504. 143 Vgl. Vita Heinrici IV. imperatoris, cap. 6, S. 23f.
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maßen durch die schon drei Jahre dauernde Fehde sehr ermüdet. Was kann man mehr sagen?“144 Dass unter Heinrichs Anhängern Siegeszuversicht herrschte, verdeutlicht nicht nur eine Urkunde des Herrschers vom 22. Juni 1083, die in der Datierungszeile auf den Erfolg hinweist: „actum Rome post urbem captam.“145 Es hat auch ein Dichter seine Stimme erhoben, um den glänzenden Sieg Heinrichs gebührend zu würdigen. Bei der Urkunde handelt es sich um ein Diplom für Heinrichs treuen Helfer, den Erzbischof Liemar von Hamburg-Bremen, und es ist nicht in der Kanzlei gefertigt worden. Es handelt sich daher wohl um eine Empfänger-Ausfertigung. Das bedeutet, dass Liemar das Loblied, das in der Narratio auf seine treuen Dienste gesungen wird, selbst hat formulieren lassen. Für seine „herausragende Treue und ständige Dienstbereitschaft“ verdiene der Erzbischof ein „großes Geschenk“. Und dann wird erzählt, wie dieser seit den Sachsenkriegen die einmal geschworene Treue rein und heilig bewahrt, wie er in Kämpfen unter großer Gefahr geholfen, unter großen Schwierigkeiten eine Gesandtschaft zu Papst Gregor, dem perturbator orbis, geleitet habe und dreimal zur Belagerung und Eroberung Roms gekommen sei. Deshalb schenkt der König ihm und seiner Kirche das Kloster Elten für alle Zeit, „um durch das Beispiel solcher Freigebigkeit die übrigen um so leichter zu gleicher Anhänglichkeit und Dienst zu veranlassen“.146 Man mag diesen Ausführungen auch entnehmen, dass es für Heinrich nicht eben leicht und billig war, selbst vertraute Anhänger bei der Stange zu halten. Durch den Einbruch in die Stadt Rom war jedenfalls Bewegung in die starren Fronten gekommen, obgleich die Auseinandersetzung alles andere als entschieden war. Immerhin verpflichteten sich die Römer im Sommer dieses Jahres in einem geheim gehaltenen Eid, dafür zu
144 Zum Schreiben Gregors vgl. Gregorii VII Registrum, lib. 9, Nr. 29, S. 612 f.; zum Zitat Bernoldi Chronicon, a. 1083, S. 431f. 145 D H IV, Nr. 351, S. 464. 146 Vgl. D H IV, Nr. 351, S. 464. Es ist nur symptomatisch, dass die Über tragung des Klosters an das Erzbistum offensichtlich nie realisiert worden ist. Ich verdanke diesen Hinweis Johanna Maria van Winter (Utrecht).
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sorgen, dass Papst Gregor Heinrich innerhalb einer bestimmten Zeitfrist zum Kaiser kröne, oder sie würden einen Papst erwählen, der diese Krönung vollziehen werde. Andererseits fiel gleichfalls in diesem Sommer die Besatzung, die Heinrich in Rom zurückgelassen hatte, fast vollständig einer Seuche zum Opfer, worauf die Römer das Kastell, in dem sie sich aufgehalten hatte, dem Erdboden gleichmachten. Ferner kam im November die von Gregor einberufene Synode zustande, auch wenn es ihr erheblich an Teilnehmern mangelte. Hierfür hatte allerdings nicht zuletzt Heinrich gesorgt, der Anreisende hatte abfangen und einsperren lassen. Gregors weiterhin strikte Weigerung, eine Kaiserkrönung Heinrichs ins Auge zu fassen, bevor sich dieser einer Genugtuungsleistung für seine Exkommunikation unterzogen hatte, entfremdete ihm jedoch die Römer weiter.147 Wie wankelmütig die Stimmung der Römer in dieser Zeit war, verdeutlicht wohl eine Geschichte, die Bernold über das Schicksal des Eides erzählt, den die Römer Heinrich geleistet hatten. Die Römer hätten Papst Gregor schließlich gestanden, welchen Eid sie König Heinrich geschworen hatten. Sie hätten aber behauptet, nicht geschworen zu haben, „daß der Papst ihn feierlich mit königlicher Salbung kröne, sondern ganz einfach, daß er ihm die Krone geben solle. Darum stimmte der Papst, um sie vom Eide zu lösen, ihren Wünschen zu, daß er Heinrich die Krone, wenn er dies wolle, in Gerechtigkeit, wenn aber nicht, dann mit einem Fluch geben werde. Daher meldeten die Römer [H]einrich, er solle, wenn er wolle, kommen, um die Krone in Gerechtigkeit zu empfangen; wenn er aber nicht wolle, solle er die von der Engelsburg an einer Rute herabgelassene Krone vom Papst annehmen.“148 Die Geschichte erinnert an viele andere, in denen es gleichfalls darum geht, den Wortlaut eines Eides so zu interpretieren, dass er keine wirkliche Verpflichtung mehr enthält. Sie ist damit Zeugnis von den Bemühungen der oder einiger Römer, sich eingegangenen Verpflichtungen wieder zu entziehen. Aber auch Gregor bekam nun Schwierigkeiten mit dem Wankelmut der Römer, was nichts besser 147 Vgl. zu den Ereignissen Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 3, S. 486 f., 492–500; Robinson, Henry IV of Germany, S. 226. 148 Bernoldi Chronicon, a. 1083, S. 434.
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belegt als die Nachricht, dass er sich Anfang des Jahres 1084 von seinen Anhängern in Rom 40 Geiseln geben ließ. So etwas spricht nicht für eine fest gefügte Einheit.149 So mag es auch kein Zufall sein, dass jetzt Geschichten über ein Gottesurteil zwischen Heinrich und Gregor kolportiert wurden, die Heinrich als Sieger auswiesen.150 Entscheidend wurde dann der Abfall, der im Kollegium der Kardinäle um sich griff. Nicht weniger als 13 Kardinäle wechselten zur Partei Heinrichs über, unter ihnen engste Vertraute Gregors, die sich mit seinem autokratischen Herrschaftsstil und seiner Kompromisslosigkeit nicht mehr abfinden mochten. Auch ein angeblicher Versuch Gregors, den Kardinälen unter Gewaltandrohung den Eid abzupressen, nicht von seiner Seite zu der Heinrichs überzulaufen, verfing nicht mehr.151 Jedenfalls suchte eine Gesandtschaft der Römer Heinrich, der in Apulien einen Angriff auf Robert Guiscard vorbereitete, auf, versicherte ihn der Unterstützung und bat ihn, nach Rom zurückzukehren. Der König selbst hat in einem Brief an Bischof Dietrich von Verdun zum Ausdruck gebracht, wie überraschend für ihn dieses Angebot kam: „Als wir schon alle Hoffnung, Rom zu gewinnen, aufgaben und nach Deutschland zurückkehren wollten, siehe, da schickten die Römer Gesandte, baten, wir möchten in Rom einrücken, und versprachen, uns in allem gehorsam zu sein, was sie denn auch taten; denn mit größter Freude nahmen sie uns bei unserem Einzug auf, mit höchstem Eifer standen sie uns zur Seite, während wir bei ihnen weilten, und beim Abzug gaben sie uns ein triumphales und treues Geleit. […] Wisse, dieser Hildebrand ist nach dem rechtmäßigen Urteil aller Kardinäle und des ganzen römischen Volkes verworfen worden; unser erwählter Papst Clemens wurde durch Zuruf aller Römer auf den apostolischen Stuhl erhöht, und wir wurden vom Papst Clemens mit Zustimmung aller Römer am heiligen Osterfest unter dem Jubel des ganzen römischen Volkes zum Kaiser gekrönt und geweiht.“152 Bernoldi Chronicon, a. 1084, S. 439 f. Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 3, S. 523. 151 Beno, Gesta Romanae ecclesiae, lib. 1, cap. 1, S. 369f. 152 Epistolae Heinrici IV, Nr. 18, S. 27 f.; siehe dazu auch Ziese, Wibert von Ravenna, S. 90 ff. 149 150
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In der Tat wurde Heinrich am 21. März mit feierlichem AdventusZeremoniell in Rom eingeholt und nahm Residenz im Lateranpalast. Sofort berief er eine Synode ein, die, nach Lage der Dinge wenig überraschend, Gregor VII. die päpstliche Würde absprach und ihn exkommunizierte. An seiner Stelle wurde Clemens III. auf den päpstlichen Stuhl erhoben, was seit Brixen nicht mehr zweifelhaft sein konnte, auch wenn er dort gewiss noch nicht als Papst eingesetzt worden war. Die Grundlage für die Absetzung Gregors bot wohl die Schrift des Petrus Crassus zur Verteidigung Heinrichs IV., die zu diesem Zweck geringfügig umgearbeitet wurde. Aus dem römischen Recht hatte dieser den Hauptvorwurf gegen Gregor abgeleitet: Mit der Anerkennung des Gegenkönigs Rudolf hatte sich Gregor des crimen laesae maiestatis, des Majestätsverbrechens schuldig gemacht.153 Bereits der 24. März, der Palmsonntag, sah die Amtseinsetzung des neuen Papstes, der allerdings ein deutlicher Makel anhaftete. Bei den liturgischen Handlungen fehlten gerade die Kardinäle von Ostia, Albano und Porto, denen die Durchführung der Weihehandlungen zukam. Ersetzt wurden sie durch Bischöfe aus dem Sprengel von Ravenna, was in der Tat einen deutlichen Defekt darstellte. Die Gregorianer waren freilich ohnehin der Meinung, dass hier nicht ein Papst, sondern „ein verdammter Ketzerfürst“ erhoben worden war.154 Diese Maßnahmen schufen die Voraussetzung, dass Heinrichs Kaiserkrönung eine Woche später am Osterfest vonstatten gehen konnte. Benzo von Alba hat über die Zeremonien ausführlich berichtet und sein Bericht weist so starke Anklänge an einen „salischen“ ordo der Kaiserkrönung auf, der wohl in Mailand entstand, dass es erlaubt ist, den Ablauf anhand dieses ordo zu schildern, auch wenn verschiedene Widersprüche nicht aufzulösen sind.155 Die mehrere Tage dauernden Zeremonien fanden wohl in fünf verschiedenen Kirchen Roms statt: Petrus Crassus, Defensio Heinrici IV. regis, cap. 8, S. 452f. Robinson, Henry IV of Germany, S. 229; Ziese, Wibert von Ravenna, S. 92 ff., betont auch, dass wir über viele wichtige Details der Erhebung Clemens’ III. nicht informiert werden. 155 Eichmann, Die Kaiserkrönung im Abendland, S. 160 f.; Ziese, Wibert von Ravenna, S. 105 ff. 153
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Abb. 7: Pontifikale mit Krönungsordo, süddeutsch, nach 1080.
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Die konstitutiven Rituale der Weihe und Krönung vollzog man in St. Peter, der Kaiser suchte aber auch die Lateranbasilika, St. Paul vor den Mauern, S. Maria Maggiore und S. Croce auf. Bei den Prozessionen von und nach St. Peter ging er unter der Kaiserkrone und trug Zepter und Reichsapfel, während ihm die heilige Lanze vorangetragen wurde. Vor ihm platziert waren in diesen Prozessionen Bischöfe, Äbte und Priester, geleitet wurde er vom Papst und dem Erzbischof von Mailand, es folgten ihnen Herzöge, Markgrafen und Grafen.156 Geistliche und Laien sangen dabei Hymnen und Laudes im Wechselgesang. Nach der Krönung ritt der Kaiser von St. Peter zum Lateranpalast, wo traditionell ein Festmahl stattfand. Eine auffällige Neuerung dürfte die Nachricht markieren, dass der Papst den Kaiser neben dem Erzbischof von Mailand begleitete und geleitete, während er ihn in anderen ordines am Eingang von St. Peter sitzend erwartete. Ob dies im Falle Heinrichs tatsächlich so durchgeführt wurde, lässt sich nicht erweisen. Jedenfalls gehörte Rom in diesen Tagen dem Kaiser und das Zeremoniell seiner Krönung brachte dies überdeutlich zum Ausdruck. Gregor VII. hingegen saß weiterhin in der Engelsburg, unerreichbar zwar, aber nicht in der Lage, die Abläufe zu stören oder gar zu verhindern. Es ist wahrscheinlich gerechtfertigt, diesen Moment als den Höhepunkt der Regierung Heinrichs zu bezeichnen. Er schien am Ziel angelangt zu sein und seine Anhänger priesen den Anbruch einer neuen Ära, in der ein neuer Konstantin und ein neuer Silvester einvernehmlich die Geschicke von Kirche und Welt leiten würden.157 Diese Hoffnung war zweifelsohne trügerisch, denn schon im Mai schickte sich Herzog Robert Guiscard an, dem bedrängten Gregor zu Hilfe zu eilen, wozu dieser ihn eindringlich aufgefordert hatte. Zwar soll das Heer des Normannen von überwältigender Größe gewesen sein, doch ist schon erstaunlich, wie schnell, vollständig und kampflos Heinrich das römische Feld räumte. Heinrichs Abzug aus Rom und bald auch aus Italien hatte etwas Fluchtartiges: In wenigen Wochen zog er sich über Pisa nach Verona zurück und kündigte auch seinen Anhängern in 156 157
Robinson, Henry IV of Germany, S. 230 f. Benzo, Ad Heinricum IV, lib. 6, S. 566–567.
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Deutschland sein baldiges Erscheinen in Regensburg an.158 Lediglich seinen minderjährigen Sohn Konrad ließ er in Oberitalien zurück, um auf diese Weise die Präsenz des salischen Königtums aufrechtzuerhalten – eine Hoffnung, die nicht nur unrealistisch war, sondern sich bald als eine respektable Fehlentscheidung entpuppen sollte.159 Diese Verhaltensweisen überraschen, stellte sein Abzug aus Rom doch alles Erreichte wieder in Frage. Warum Heinrich weder versucht hat, Robert Guiscard Widerstand zu leisten, noch mit ihm zu verhandeln, entzieht sich unserer Kenntnis. Immerhin hatte Abt Desiderius den Kaiser über das Kommen des Normannen und seine Absichten informiert, er hätte also auch als Vermittler zur Verfügung gestanden.160 Der triumphierende Ton aber, mit dem Heinrich seine Erfolge wohl von Verona aus dem Bischof Dietrich von Verdun geradezu als Wunder darbot, ist angesichts der absehbaren Entwicklung doch einigermaßen realitätsfremd. Nichts sprach im Moment der Abfassung des Briefes dafür, dass auch Gregor Rom würde bald verlassen müssen. Doch auch nur eine Andeutung, dass sich die Verhältnisse in Rom wieder zu seinen Ungunsten entwickelt hatten, sucht man in dem Brief Heinrichs vergeblich. Die Normannen Herzog Roberts hatten Rom nach Heinrichs Abzug ohne Schwierigkeiten eingenommen, Papst Gregor befreit und so die Herrschaft Clemens’ III. beendet, der sich in Tivoli verschanzte.161 Damit waren eigentlich alle Erfolge Heinrichs zunichte gemacht, das Papsttum Clemens’ zu einer Episode geschrumpft. Das gewaltige normannische Heer plünderte, brandschatzte und verwüstete Rom dann aber so gnadenlos, dass es Gregor nicht wagen konnte, nach Abzug der Normannen länger in Rom zu bleiben. Er wäre wohl seines Lebens nicht mehr sicher gewesen. Also zogen er und seine engsten Vertrauten zusammen mit dem Heer Roberts in den 158 Epistolae Heinrici IV, Nr. 18, S. 28; Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 3, S. 567–571. 159 Zum Zurückbleiben Konrads in Italien vgl. Goez, Der Thronerbe als Rivale, S. 15 f. 160 Meyer von Knonau, Jahrbücher 3, S. 548. 161 Ziese, Wibert von Ravenna, S. 95.
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IV. Die Konflikte mit Papst Gregor VII.
Süden und hinterließen so ein Machtvakuum.162 Zwar hat Gregor in Salerno eine letzte Synode abgehalten, die noch einmal Heinrich IV. und den „Häresiarchen Wibert“ bannte, und er hat zudem in einem langen Manifest noch einmal seinen Standpunkt klar zu machen versucht.163 In Rom hatte er jedoch keine Chance auf Anerkennung mehr, was nichts deutlicher zeigt als die Tatsache, dass Clemens III. nach Rom zurückkehren und dort das Weihnachtsfest 1084 feiern konnte. Am 25. Mai 1085 ist Gregor dann in Salerno verstorben in dem Bewusstsein, dass er deshalb in der Verbannung sterbe, weil er die Gerechtigkeit geliebt habe. Ausdrücklich nahm er noch auf dem Totenbett Heinrich und Wibert sowie die Häupter ihrer Partei von seiner Vergebung aus.164 Ein Fazit der mehrjährigen Bemühungen Heinrichs in Italien fällt schwer. Man erkennt auf der einen Seite eine systematisch zu nennende Politik Heinrichs, die Gregor VII. in Rom erfolgreich unter Druck setzte, ohne die eigenen Kräfte zu überspannen. Zugleich sorgte Heinrich für genügend herrscherliche Präsenz und Aktivität in Oberitalien, um seine dortigen Anhänger zu stützen und die Kräfte um die Markgräfin Mathilde in Schach zu halten. Auch in der Beurteilung der Verhältnisse nördlich der Alpen scheint sich Heinrich nicht geirrt zu haben: Weder gelangen dem Gegenkönig Hermann Erfolge, die Heinrichs Positionen grundsätzlich in Frage gestellt hätten, noch fand er die Kraft, mittels eines Italienzuges dem bedrängten Gregor zu Hilfe zu kommen.165 So scheint es Heinrich durch die konzertierte Anwendung von militärischem Druck und Verhandlungsangeboten, und nicht zuletzt wohl auch durch das byzantinische Geld, gelungen zu sein, Klerus und Volk von Rom von der Unterstützung Gregors abzubringen. Wir beobachten hier also einen konsequent sein Hauptziel, die Kaiserkrö162
Zu den Ereignissen vgl. Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 3, S. 552–
559. Cowdrey, The Epistolae Vagantes of Pope Gregory VII, S. 129–134. Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 678 f. 165 Ein solcher Italienzug Hermanns war geplant, kam jedoch nicht zur Durchführung, vgl. Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 3, S. 461, 470; Bernoldi Chronicon, a. 1082, S. 430. 163 164
Heinrichs Kaiserkrönung und Gregors Ende
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nung, verfolgenden König, der kurz vor einem vollständigen Sieg über den langjährigen Gegner steht. Ob man dagegen seinen fluchtartigen Rückzug aus Italien gleichfalls als die Konsequenz einer pragmatischen Politik ansehen kann, ist nicht so sicher. Schließlich setzte er mit dieser Flucht alles Erreichte aufs Spiel. Denn dass die Plünderungswut der Normannen letztlich in seine Hände spielte, konnte Heinrich gewiss nicht voraussehen. Dennoch war die Auseinandersetzung auch nach dem Tode Gregors VII. nicht beendet – im Gegenteil. Es gab noch genügend Gregorianer, die weiterhin nicht bereit waren, eine Herrschaft Heinrichs IV. zu akzeptieren.
V. Konsolidierung oder Fortdauer der Krise: Heinrichs letzte Jahrzehnte 1. Konsolidierungsversuche: 1084–1090 Heinrichs Brief an den Bischof Dietrich von Verdun, geschrieben auf dem Rückweg nach Deutschland, verrät nicht deutlicher, welche Prioritäten Heinrich für die Zeit nach seiner Rückkehr setzen wollte und welche Schwierigkeiten er erwartete. Immerhin ging er davon aus, dass einige Sachsen, aber auch Erzbischof Gebhard von Salzburg mit ihm Frieden schließen und seine Herrschaft anerkennen würden. In dieser Frage wollte er dem Rat Dietrichs folgen, „damit nur ja wirklich Frieden werde in unserer Zeit“.1 Er bestellte Dietrich überdies für Ende Juni nach Augsburg, wodurch deutlich wird, dass er die von Herzog Welf zu Jahresbeginn eingenommene Bischofsstadt zurückgewinnen wollte. Nicht zuletzt trug er dem Bischof auf, Egilbert zum Erzbischof von Trier zu weihen, der bereits seit 1079 auf diese Weihe und seinen Amtsantritt wartete, weil sich Anhänger Heinrichs in Lothringen nur schwer durchsetzen konnten.2 Es gab also genügend Krisenherde, mit denen sich der zurückkehrende Herrscher zu beschäftigen hatte: Neben den weiterhin bestehenden Problemen in Sachsen und Lothringen waren die Aktivitäten der süddeutschen Gregorianer um Herzog Welf und den Zähringer Berthold, dessen Bruder Gebhard am Ende des Jahres zum Bischof von Konstanz gewählt wurde, alles andere als ungefährlich, zumal sich das Kloster Hirsau unter seinem Abt Wilhelm als weit ausstrahlendes Zentrum der Mönchs- und Kirchenreform etabliert hatte.3 Epistolae Heinrici IV, Nr. 18, S. 28. Vgl. Erkens, Die Trierer Kirchenprovinz im Investiturstreit, S. 97f. 3 Vgl. Jakobs, Die Hirsauer, S. 27–30; Schmid, Kloster Hirsau, S. 13–22 mit weiteren Hinweisen. 1 2
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Und in Hirsau dachte und argumentierte man streng gregorianisch, wie es etwa ein Brief des Abtes Wilhelm an den Gegenkönig Hermann von Salm verdeutlicht: „Am besten aber könnt ihr dem Herrn das angenehmste Opfer des Gehorsams dahingehend darbringen, indem ihr dafür kämpft, daß die verfluchte Ketzerei der Simonie von Ewigkeit zu Ewigkeit von Grund aus ausgerottet werde; wenn ihr durch Verfolgung bewirken werdet, daß die unheilvolle Unenthaltsamkeit der Geistlichen von der Wurzel aus ausgerissen wird; wenn ihr es auch selbst vermeidet, bei Erteilung von Investituren kirchlicher Gewalten euch zu verfehlen. Denn darin wankte schon lange die christliche Frömmigkeit, daß bei der Einsetzung von Bischöfen entweder die eitle vornehme Geburt in Betracht gezogen worden zu sein schien, oder wenn die Fülle der Reichtümer ins Spiel kam, auf keine Weise die Verehrungswürdigkeit christlicher Männer eine Rolle spielte.“4 Heinrichs Rückkehr gestaltete sich zunächst durchaus erfolgreich. Er gewann Augsburg in der Tat nach kurzer Belagerung zurück, wandte sich dann nach Mainz, wo er mit der Erhebung des neuen Erzbischofs Wezilo nicht nur seinen Investituranspruch durchsetzte, sondern auch eine ausgesprochen fähige Person in das Amt brachte. Überhaupt unterschieden sich die durchaus zahlreichen Bischofserhebungen, die Heinrich in den Jahren nach seiner Rückkehr ins Werk setzte, stark von denen, die in den ersten Jahrzehnten seiner Herrschaft so viel Widerstand und Empörung hervorgerufen hatten: Nun wählte er offensichtlich fähige Kandidaten aus, die überdies einige weitere Vorzüge aufwiesen: Sie stammten nicht selten aus hochadligen Familien und sie wahrten Heinrich gegenüber eine strikte Loyalität, was sie deutlich von den Bischöfen unterscheidet, die ihn im Krisenjahr 1076 zunächst unterstützt und dann verlassen hatten.5 In Mainz vollzog Bischof Dietrich mit Mainzer Suffraganbischöfen dann auch die Weihe Egilberts von Trier, dessen eigene Suffragane hierzu immer noch nicht bereit waren. 4 Zu diesem Brief siehe auch Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 3, S. 621 f. Zum Einfluss der „Hirsauer“ auf den sog. „Reformadel“ s. auch unten bei Anm. 73. 5 Vgl. dazu Fleckenstein, Hofkapelle und Reichsepiskopat, S. 135f.
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Heinrich wandte sich daher auch gleich gegen einen von ihnen, den bekannten Bischof Hermann von Metz, der früher lange zwischen den Parteien geschwankt, sich dann aber, nicht zuletzt auf Grund intensiver Bemühungen Gregors VII. und Gebhards von Salzburg, von Heinrich getrennt hatte. Der Bischof und die Stadt Metz unterwarfen sich dem heranziehenden Kaiser, was jedoch nicht verhinderte, dass Heinrich Bischof Hermann im Mai 1085 auf einer Mainzer Synode seines Amtes enthob.6 Mit den Sachsen scheinen Anhänger Heinrichs in der gleichen Zeit Gesprächskontakte aufgenommen zu haben, denn es wird schon für 1084 von einem Kolloquium der verfeindeten Parteien in Gerstungen berichtet, das allerdings ergebnislos endete.7 Das Weihnachtsfest 1084 feierte der Kaiser in Köln, wohin viele gekommen sein sollen, „als wenn sie begierig auf die neue Herrschaft wären“.8 Jedenfalls ging die Rückkehr des Herrschers ohne Probleme vonstatten. Weder der Gegenkönig, der ihr weitgehend untätig zusah, noch andere Gregorianer verhinderten, dass Heinrich seine Herrschaftsansprüche zur Geltung brachte. Gleich zu Beginn des nächsten Jahres erzielte die Partei Heinrichs dann einen Erfolg, der geradezu als aufsehenerregend bezeichnet werden kann, wenn man ihn am Echo der erhaltenen Quellen misst.9 Am 20. Januar 1085 trafen sich im thüringischen Gerstungen-Berka nämlich erneut Vertreter beider Parteien, um in einem Kolloquium Standpunkte auszutauschen und Friedensmöglichkeiten zu erörtern. Die Partei Heinrichs wurde immerhin von vier Erzbischöfen angeführt: Liemar von Hamburg-Bremen, Wezilo von Mainz, Sigewin von Köln und Egilbert von Trier. Die „Gregorianer“ konnten den Kardinallegaten Odo von Ostia, Gebhard von Salzburg und Hartwig von Magdeburg sowie zahlreiche weitere Bischöfe ins Feld führen.10 Ganz im Erkens, Die Trierer Kirchenprovinz im Investiturstreit, S. 50ff. Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 3, S. 584. 8 Vgl. Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 3, S. 605; die zitierte Äußerung s. beim Annalista Saxo, a. 1085, S. 721. 9 Siehe zum Folgenden Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 156 ff.; Robinson, Henry IV of Germany, S. 242–245. 10 Vgl. die Einzelheiten bei Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 4, S. 3 ff.; zur Bedeutung des Treffens siehe Fuhrmann, Pseudoisidor, S. 52. 6 7
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Unterschied zu den letzten Verhandlungen, die 1081 in Kaufungen gescheitert waren, sollte nun nicht die Frage erörtert werden, ob man Heinrich ohne Gefahr für sein Seelenheil als König dienen könne, wie es Erzbischof Gebhard als Sprecher der Sachsen damals gefordert hatte. Gebhard und die Sachsen hatten damals angeboten, Beweise zu liefern, dass dies nicht möglich sei, wenn man sie nur ihre Argumente vortragen ließe. Die Gegenseite hatte dies abgelehnt mit dem Argument, man sei auf eine so schwerwiegende Untersuchung nicht genügend vorbereitet. Diesmal hatte man sich vorweg auf die Behandlung einer Frage geeinigt, und die war, ob man mit Exkommunizierten Gemeinschaft haben dürfe oder nicht. Die Antwort sollte und konnte nur mittels der Zeugnisse kanonischer Autoritäten gegeben werden. Damit war eine Festlegung auf ein Verfahren erreicht, das den Bischöfen aus der synodalen Praxis vertraut war. Die Gregorianer dürften ob dieser Festlegung frohlockt haben, da sie sich gewiss im Besitz schlagender Argumente wähnten. Gebhard von Salzburg, wieder der Sprecher der Sachsen, belegte zur Eröffnung des Kolloquiums denn auch mit kanonischen Autoritäten, dass mit Exkommunizierten keine Gemeinschaft gehalten werden dürfe. „Indem er dies sagte, zeigt er als Beweis, um seinen Worten Glauben zu verschaffen, mehrere besiegelte Briefe des Papstes vor und beweist mit der Autorität der Evangelien, Apostel, Dekretalen des heiligen Stuhls und der Bischöfe und mehrerer kanonischer Sätze, daß man seinen Befehlen gehorchen und keine Gemeinschaft mit denen haben dürfe, welche als gebannt gemeldet werden.“11 In der Tat war die Argumentation der Gregorianer gut begründet und eigentlich kaum zu erschüttern. Die Anhänger Heinrichs hatten sich diesmal jedoch gut vorbereitet und ein überraschendes Argument parat, das der Sache eine neue Wendung gab: Der Bischof von Utrecht begann als Sprecher der Partei 11 Annalista Saxo 1085, S. 722: Hec dicendo, ut fidem verbis daret, mandati eiusdem indices sigillatas apostolici epistolas conplures presentat, et obediendum eius edictis, nec conmunicandum his qui nuntiantur exconmunicati, ewangelica, apostolica, decretali apostolice sedis presulum et diversorum canonum auctoritate probat.
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Heinrichs zunächst ganz versöhnlich: „Keiner von uns wird wider eure Meinung sein.“ Dann aber brachte er das neue Argument: „Unser Herr, dessen Sache hier erörtert wird, ist gar nicht gebannt worden, weil der Papst ungerecht an ihm gehandelt hat, da er den bannte, den er nicht bannen durfte.“12 Und er bat den Erzbischof Wezilo von Mainz, ein bestimmtes Papstdekret vorzulesen: „Dieser stand auf und las vor, daß jemand, der seines Eigentums beraubt oder mit Gewaltakten von seinem Sitze vertrieben wurde, nicht angeklagt, vorgeladen, gerichtet oder verurteilt werden kann, bevor ihm nicht alles Geraubte vollständig zurückerstattet, sein Eigentumsrecht mit allen seinen Vorrechten wiederhergestellt ist, und er in Frieden lange Zeit seine Ämter ausüben kann, nachdem ihm sein eigener Sitz vorschriftsmäßig zurückgegeben ist.“13 Die zitierte Stelle stammte aus den Pseudo-Isidorischen Dekretalen und handelte von Bischöfen, die nicht gerichtet werden dürften, solange sie von ihren Sitzen vertrieben seien.14 Diese Bestimmung brachten die Anhänger Heinrichs nun für ihren König in Anschlag, der zur Zeit der Bannung durch Gregor VII. auf Grund der sächsischen wie der schwäbischen Aufstände eines Teiles seines Reiches beraubt gewesen sei. Ergo habe man ihn nicht bannen dürfen. Den gelehrten Bischöfen der sächsischen Seite fiel in der konkreten Situation kein Argument ein, mit dem sie hätten kontern können: „Da waren alle Bischöfe der Gegenpartei so verwirrt und zerschmettert, daß sie nichts darauf antworten konnten, und der Sieg blieb bei der Kirche Gottes, denn der Lügner Mund verstummte“, frohlockte ein Hersfelder Autor 12 Annalista Saxo 1085, S. 722: Econtra Traiectensis, Sententie, ait, vestre nullus nostrum refragabitur, sed dominum nostrum, cuius hic causa discutitur, negamus exconmunicatum, quia apostolicus iniuste secum egit, exconmunicans quem exconmunicare non debuit. 13 Liber de unitate, lib. 2, cap. 18, S. 234: At ille surrexit et legit, quomodo rebus suis aliquis expoliatus aut a sede propria vi aut terrore pulsus non potest accusari, vocari, iudicari aut damnari, antequam omnia sibi ablata ex integro restituantur et cum omni privilegio suo ius proprium reformetur, et ipse pacifice diu suis fruatur honoribus, propriae sedi regulariter restitutus. 14 Siehe dazu Fuhrmann, Pseudoisidor, S. 54.
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der Seite Heinrichs.15 So ging man ohne Ergebnis, aber durchaus in dem Bewusstsein auseinander, dass die Anhänger Heinrichs einen wichtigen Erfolg errungen hatten. Wem in einer solchen disputatio nämlich kein Argument mehr einfiel, hatte verloren und das traf in diesem Fall auf die Gregorianer zu.16 Es dauerte in der Tat einige Zeit, ehe die Gregorianer die neue Situation analysiert hatten und ihr argumentativ zu begegnen in der Lage waren. Der Kardinallegat Odo von Ostia hat wenig später in einem ausführlichen Rundschreiben die Gegenposition formuliert: Die Bestimmungen der zitierten Dekretale bezögen sich eindeutig und ausschließlich auf Bischöfe, sie ließen sich nicht auf Laien ausdehnen. Denn sonst „dürfte ein Laie, wenn ihm etwas von seinem Lehen oder Besitz genommen worden ist – und wäre ihm nur ein Pferd oder ein Ochs oder ein Esel gestohlen worden – nachher niemals, auch nicht wegen eines Meineids oder eines Ehebruchs oder einer Blutschande […] vor eine richterliche Versammlung gezogen werden“.17 Damit hatte der Legat zweifelsohne Recht, nur wäre es besser gewesen, wenn seine Partei dieses Argument bereits in der Versammlung mit den Heinricianern benutzt hätte. Die Bischöfe der Gegenpartei kannten jedoch die zitierte Stelle wohl nicht genügend genau, um sie ad hoc entkräften zu können.18 Und ihre Gegner hatten ihnen auch nicht den Gefallen getan, ihnen Zeit zur Analyse des Zitats und seines Kontextes zu lassen. Dadurch war für die Sachsen und ihren Anhang eine missliche Situation entstanden. Dies zeigt sich wohl am deutlichsten daran, dass die Gegner Heinrichs untereinander Streit bekamen, der massiv eskalierte. „Am nächLiber de unitate, lib. 2, cap. 18, S. 235. Fuhrmann, Pseudoisidor, S. 55; aus diesem Bewusstsein erklärt sich auch das ausführliche Rundschreiben, mit dem Odo von Ostia (Die Regensburger rhetorischen Briefe, Anhang, Nr. 5, S. 375–380) diese Scharte auszuwetzen versuchte, als den Gregorianern die Herkunft des Textes klar geworden und sie Argumente gefunden hatten, warum der Text auf den Fall Heinrichs IV. nicht anzuwenden war. Siehe dazu Fuhrmann, S. 56 ff. 17 Die Regensburger rhetorischen Briefe, Anhang, Nr. 5, S. 379. 18 Fuhrmann, Pseudoisidor, S. 65 f. 15
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sten Tag kamen die Sachsen und Thüringer zusammen, um in Erfahrung zu bringen, wer bei ihnen bis aufs Blut ausharren und wer von ihnen abfallen wollte.“19 Keine Geringeren als der Bischof Udo von Hildesheim und sein Bruder Graf Konrad sowie der Graf Dietrich von Katlenburg – also profilierte Vertreter der sächsischen Fürstenopposition – mussten zugeben, dass sie bereits mit Heinrich verhandelt hatten. Sie leugneten jedoch, ihm ihre Unterwerfung angeboten zu haben. Als man daraufhin von ihnen Geiseln als Sicherheit für ihre zukünftige Haltung forderte und sie dies als unvereinbar mit ihrer Ehre ablehnten, kam es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung, in der Graf Dietrich erschlagen wurde, während Bischof Udo und sein Bruder mühsam durch Flucht ihr Leben retteten.20 In der Tat liefen die Letzteren nun zu Heinrich über und dieser reagierte in ungewohnter Weise besonnen: „Und damit er [Bischof Udo] die Sachsen beeinflussen und für den Abfall von König Hermann sprechen könnte, empfing er von Heinrich den Eid: ‚Wenn die Sachsen zu ihm umkehren und ihn die Herrschaft des Vaters genießen lassen würden, würde er ihnen niemals jenes Recht beeinträchtigen, welches sie seit der Zeit ihres Eroberers Karl für das geeignetste und herrlichste gehalten hatten.‘“21 Wenn man dieses Zugeständnis nicht als taktische Finte ansehen will, tritt uns hier ein gewandelter Herrscher entgegen, der in neuer Weise kompromissfähig geworden war und es so seinen Gegnern schwerer machte, ihren Widerstand aufrechtzuerhalten. Dass seine neuen Helfer, namentlich die jüngst erhobenen Bischöfe, zu dieser flexiblen Haltung maßgeblich beigetragen hatten, sichert die Nachricht, dass seine geistlichen wie weltlichen Großen den königlichen Eid mit einem eigenen absicherten: „sie würden ihm keine Stütze mehr gegen die Sachsen sein, wenn er diese Festlegung jemals aus den Augen verlieren würde.“22 So hatte man schon seit langer Zeit VereinAnnalista Saxo, a. 1085, S. 722. Liber de unitate, lib. 2, cap. 18, S. 235. 21 Annalista Saxo, a. 1085, S. 722. 22 Annales Magdeburgenses, a. 1085, S. 177; siehe auch Annalista Saxo, a. 1085, S. 722. 19 20
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barungen der Herrscher durch Garantien ihrer wichtigsten Helfer absichern lassen. Die Bedeutung der neuen Ratgeber wird auch dadurch evident, dass Odo von Ostia zu Ostern 1085 eine Synode nach Quedlinburg einberief, auf der die Position der sächsischen Gregorianer formuliert und ihr Zusammenhalt befestigt werden sollte. Deshalb schleuderte die Synode vor allem den Bannstrahl gegen die „Sekte des Wezilo“ (von Mainz) und gegen Udo von Hildesheim und machte dadurch noch einmal deutlich, wie gravierend der Einbruch in die Reihen der Gegner Heinrichs von diesen empfunden wurde. Dessen ungeachtet agierte Udo von Hildesheim in Sachsen offensichtlich erfolgreich für Heinrich: „Als der Bischof in sein Land zurückkehrte, gewann er dadurch, daß er den Landsleuten versprach, was man ihm geschworen hatte, viele für die Partei, zu der er selbst getreten war.“23 Diese Nachricht passt zu jenen, die davon erzählen, wie viele Schwierigkeiten der Kardinal Odo von Ostia in Quedlinburg hatte, seinen Standpunkten Gehör zu verschaffen. Letztlich seien alle seine Monita gegen Hermann von Salm, gegen die Entfremdung von Kirchengütern in den Wind geschlagen worden, um überhaupt die Front gegen Heinrich IV. zusammenhalten zu können.24 Heinrichs gestiegener Rückhalt im Reich manifestierte sich in einer Reichssynode, die er für die Zeit nach Ostern in Mainz anberaumt hatte. Sie konterte sozusagen die Quedlinburger Synode der gregorianischen Partei – und sie tat dies erfolgreich.25 Denn nachdem man drei Tage auf die geladenen, aber nicht erschienenen Bischöfe der Gegenseite gewartet hatte, setzte man sie nicht nur ab und exkommunizierte sie, wie es sozusagen schon wechselseitige Routine geworden war, sondern man ging in Mainz nun einen Schritt weiter und daran, neue Bischöfe für die immerhin neun Bischofssitze zu ernennen, die man als vakant deklarierte. Der Rückhalt für diese Entscheidung war innerhalb des Reichsepiskopats groß, denn immerhin drei Erzbischöfe und Annalista Saxo, a. 1085, S. 722. Liber de unitate, lib. 2, cap. 22, S. 239. 25 Vgl. Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 4, S. 21–25, 547–550; Robinson, Henry IV of Germany, S. 246–251. 23 24
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fünfzehn Bischöfe nahmen an der Synode teil, drei andere hatten ihr Einverständnis mit allen Entscheidungen durch Abgesandte ausdrücken lassen.26 Der Reichsepiskopat bekannte sich also in einem Ausmaß zu Heinrich, wie es seit der Wormser Synode von Januar 1076 nicht mehr der Fall gewesen war. Und dieses Mal scheint der Zusammenhalt nicht brüchig gewesen zu sein. Die gute Zusammenarbeit Heinrichs mit dem neuen Reichsepiskopat und den anderen Fürsten mag man erneut auch daran ersehen, dass die für die fraglichen Bischofssitze in Aussicht genommenen Kandidaten teils Vertreter monastischer Reformen, teils Angehörige fürstlicher Familien waren. Heinrich arbeitete nun in anderer Weise mit Kräften zusammen, ohne die seine Herrschaft nicht zu begründen war, als er dies in der Anfangszeit seiner Regierung getan hatte. Diesen früher nicht ausgeprägten Willen Heinrichs zur Zusammenarbeit mit seinen hochrangigen Getreuen und zur angemessenen Belohnung ihrer Verdienste zeigt ferner ein Akt, der in Mainz im Zusammenhang der Synode durchgeführt wurde. Heinrich erhob seinen langjährigen und zuverlässigen Helfer, Herzog Wratislaw von Böhmen, dem er schon früher die Marken Niederlausitz, Meißen und Österreich übertragen und der für eine wirkungsvolle Vertretung der salischen Position an der Ostgrenze des Reiches gesorgt hatte, eigenhändig zum König, indem er ihm ein Diadem aufs Haupt setzte.27 Den Erzbischof Egilbert von Trier beauftragte Heinrich überdies, Wratislaw in Prag zum König zu salben und zu krönen, was dieser ein Jahr später in die Tat umsetzte.28 Es sollte ein persönliches Königtum sein und nicht vererbt werden; die Rangerhöhung ist aber in jedem Fall ein Beweis dafür, dass Heinrich nun gelernt hatte, seine wichtigsten Helfer angemessen zu behandeln. Dass er dies nicht getan hatte, war in der 26 Vgl. zur Bedeutung dieser Synode Fleckenstein, Hofkapelle und Reichsepiskopat, S. 136 f., der allerdings auch betont, dass sich mehrere der neu eingesetzten Bischöfe nicht durchsetzen konnten. 27 Zu dem Vorgang siehe Cosmas Chronica Boemiorum II, 37, 38, S. 135 ff.; siehe dazu Robinson, Henry IV of Germany, S. 200ff. 28 Vgl. Erkens, Die Trierer Kirchenprovinz im Investiturstreit, S. 99 mit Anm. 28.
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Frühphase seiner Regierung ja einer der massivsten Vorwürfe gegen die Amtsführung des Herrschers gewesen. Angesichts der beschriebenen Erfolge und der Erosion der Front sächsischer Gegner nimmt es nicht wunder, dass der Gegenkönig Hermann von Salm und einige gregorianische Bischöfe Sachsen sofort verließen und zu den Dänen flohen, als Heinrich im Sommer 1085 mit einem Heer in Sachsen einfiel. Heinrich konnte ohne Widerstände bis nach Magdeburg ziehen und hier den gregorianisch gesinnten Erzbischof Hartwich durch den gleichnamigen Abt Hartwich von Hersfeld ersetzen.29 Sachsen schien nun loyal zum König zu stehen, auch wenn es im Land bittere Kommentare über das Versagen der „schwankenden Jugend“ gab.30 Wie fragil die sächsische Bereitschaft zur Unterwerfung unter die salische Herrschaft jedoch war, zeigte sich in dem Moment, in dem Heinrich begann, weltliche Herrschaftspositionen nach seinen Vorstellungen neu zu vergeben. Dies fassten die Sachsen sofort als einen Eingriff in das „Recht ihrer Vorfahren“ auf, das Heinrich zu beachten versprochen hatte. Unter Führung des Markgrafen Ekbert II. von Braunschweig rebellierte der sächsische Stamm, und da Heinrich sein Heer bereits entlassen hatte, musste er ruhmlos und heimlich aus Sachsen weichen.31 Der Gegenkönig Hermann und die gregorianischen Bischöfe kehrten zurück und übernahmen erneut die Macht in Sachsen. Von diesem Rückschlag hat sich Heinrichs Machtstellung eigentlich nicht mehr erholt, obgleich die Erfolge in den nächsten Jahren durchaus verteilt waren und es auch ihm immer wieder gelang, seine sächsische Position zu stärken. Doch ist es nie wieder dazu gekommen, dass seine Herrschaft über Sachsen durchgesetzt schien. Dabei hat er sich gegen den Markgrafen Ekbert II. immer wieder behauptet und ihn zur Unterwerfung gezwungen.32 29 Zu den Ereignissen siehe Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 4, S. 49–52; Giese, Der Stamm der Sachsen, S. 177 f.; Fenske, Adelsopposition, S. 111f. 30 Annalista Saxo, a. 1085, S. 723. 31 Frutolf, Chronica, a. 1085, S. 98; Sigebert von Gembloux, Chronica, a. 1085, S. 365. 32 Vgl. dazu zuletzt Brüsch, Die Brunonen, S. 63–87; siehe auch Althoff, Königsherrschaft und Konfliktbewältigung, S. 284–286.
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Heinrich hat sich in dessen Fall dabei mehrfach zur Milde und zum Verzeihen bequemt, was der Markgraf, der sein Verwandter war, jeweils mit einem erneuten Bruch der Treue beantwortete. Es scheint, als vermittle gerade diese Auseinandersetzung einen Eindruck davon, wie verkommen die politischen Sitten inzwischen waren. Wir sind durch Urkunden Heinrichs IV. sehr genau über die Einschätzung unterrichtet, die der Kaiser vom Konflikt mit dem Markgrafen hatte. Erst nach mehrfacher Treulosigkeit hat Heinrich seinen Verwandten 1089 wegen Hochverrats verurteilen lassen und ihm seine Güter und Lehen „sine spe recuperandi“ (ohne Hoffnung auf Wiedererlangung) abgesprochen.33 Zuvor hatte er mehrfach darauf gesetzt, dass der Verwandte nach seiner Unterwerfung loyal bleiben würde und ihn straflos ausgehen lassen. Dies war jedoch jeweils eine trügerische Hoffnung gewesen. So rasch und rigoros der Markgraf Ekbert auch die Seiten zu wechseln pflegte, er konnte nicht verhindern, dass er bei seinen Parteiwechseln auch von den Bischöfen getäuscht und nicht zum Gegenkönig gemacht wurde.34 Trotz solcher „Erfolge“ konnten Heinrich und seine Partei es nicht verhindern, dass die gegnerischen Kräfte in Sachsen und in Schwaben seit 1086 an Einfluss gewannen und wieder in Kontakt miteinander traten.35 Deshalb kam es auch 1086 zur Belagerung von Würzburg, weil diese Bischofsstadt für beide Seiten von strategischer Bedeutung war, schließlich ermöglichte der Besitz dieses Platzes eine bessere Verbindung der sächsischen und schwäbischen Gegner Heinrichs. Am 11. August erlitt im Umfeld dieser Belagerung ein Heer Heinrichs dann eine vernichtende Niederlage. Erzbischof Hartwig von Magdeburg persönlich habe einen gefangenen Geistlichen aus Mainz auf dem Schlachtfeld von Pleichfeld herumgeführt, wo die Leichen der vielen Vgl. D H IV, Nr. 402, S. 532. Liber de unitate, lib. 2, cap. 35, S. 261: Igitur postquam Egbertus marchio decepit imperatorem, sicut diximus, deinde et ipse pariter deceptus est, quoniam episcopi eum fefellerunt, non ei donantes regnum quod promiserunt; quapropter secessit a parte eorum et societate et iterum datis obsidibus atque iuramentis confirmavit pactum pacis et fidei cum imperatore. 35 Siehe dazu Robinson, Henry IV of Germany, S. 260ff. 33
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auf Seite Heinrichs Gefallenen zu neun großen Haufen geschichtet gewesen seien, und habe höhnisch gesagt: „Sieh, jetzt wird klar, auf welcher Seite die Gerechtigkeit ist, da unserer Seite der Sieg zufiel.“36 Um die Frage, auf welcher Seite die Gerechtigkeit sei, war es ja die ganze Zeit gegangen. Und immer wieder hatte man eine Antwort auf diese Frage mittels des bewaffneten Kampfes gesucht. Aber selbst solche Niederlagen brachten keine grundsätzliche Wende und vergrößerten zunächst auch nicht die Bereitschaft zur friedlichen Beendigung des Konflikts. Friedensverhandlungen, wie sie etwa 1087 wieder einmal in Oppenheim und in Speyer durchgeführt wurden, erbrachten kein Ergebnis, ohne dass wir die Ursachen erführen. Aber auch Heereszüge gegen die Sachsen kamen in diesem Jahre nicht zur Ausführung. An der grundsätzlichen Zustimmung seiner Getreuen zur Politik Heinrichs scheint sich jedenfalls nichts verändert zu haben, denn diese erhoben in Aachen Heinrichs Sohn Konrad zum Mitkönig und sicherten so das Fortbestehen der salischen Dynastie.37 Erst 1088 ist es wohl zum Friedensschluss der wichtigsten gregorianischen Bischöfe Sachsens mit Heinrich IV. gekommen, ein Ausgleich, der sich auch in einem sächsischen Fürstengericht über Markgraf Ekbert niederschlug, das in Quedlinburg stattfand. Nicht weniger als acht sächsische Bischöfe, Hartwich von Magdeburg an der Spitze, gaben im Königsgericht ihre Zustimmung zu dem Entscheidungsvorschlag der Urteiler, der Ekbert als Reichsfeind und Feind des Kaisers bezeichnete und ihm alle Güter und Lehen aberkannte.38 Es könnte sein, dass hier auch Heinrichs zweite Ehe vereinbart wurde, nachdem seine Gemahlin Bertha im Jahre 1087 verstorben war. Heinrichs Wahl fiel auf die Witwe des Markgrafen Udo von Stade, Eupraxia, eine Tochter des Großfürsten von Kiew, die im Westen Adelheid genannt wurde. Der Kaiser heiratete sie im nächsten Jahr in Köln, wobei interessanterweise Erzbischof Hartwig von Magdeburg, sein früherer Gegner, die 36 Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 4, S. 126–128; das Zitat stammt aus dem Liber de unitate, lib. 2, cap. 28, S. 251: „Ecce modo apparet, ecce modo apparet, ubi iustitia sit, cum apud nos“, inquit, „victoriae sit!“ 37 Zu den Einzelheiten siehe Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 4, S. 159ff. 38 D H IV, Nr. 402, S. 531 ff.
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Krönung der Kaiserin vollzog.39 Deshalb liegt die Annahme nahe, dass diese Heirat Bestandteil des erneuten Friedens zwischen Heinrich und den Sachsen war. Es war ja durchaus nicht unüblich, den Frieden zwischen zuvor verfeindeten Gruppen dadurch zu sichern, dass man Frauen der einen Partei als obses pacis mit Männern der anderen Seite verheiratete.40 Als „Geisel für den Frieden“ zwischen dem Salier und den Sachsen könnte auch die Witwe des Stader Markgrafen die Ehe mit dem Kaiser eingegangen sein. Wir werden uns mit dieser ungewöhnlichen Verbindung jedenfalls noch zu beschäftigen haben.41 Die langjährigen Bemühungen um eine Konsolidierung der Lage im Reich hatten also letztlich keiner Seite einen durchschlagenden Erfolg gebracht, auch wenn die Lage Heinrichs am Beginn der 90er Jahre des 11. Jahrhunderts wohl günstiger einzuschätzen ist als die seiner Gegner, die nach dem Tode des erfolglosen Gegenkönigs Hermann nicht einmal mehr die politische Kraft aufbrachten, dem Salier einen dritten Gegenkönig entgegenzustellen. Ein diesbezügliches Angebot an den Markgrafen Ekbert erwies sich als nicht einlösbar. Andererseits war auch Heinrichs Stellung alles andere als konsolidiert, wenn man die Lage im gesamten Reich unter Einschluss Italiens berücksichtigt. Immerhin hatte sich seit 1088 der gregorianische Papst Urban II. gegen den kaiserlichen Papst in Rom durchsetzen können und auch in Oberitalien war eine gravierende Änderung der Kräfteverhältnisse eingetreten, als der Erzbischof Anselm von Mailand sich Papst Urban anschloss.42 Insofern darf es nicht überraschen, dass Heinrich IV. sofort reagierte, als sich seine oberitalienischen und süddeutschen Gegner in einer überraschenden Allianz zusammenfanden. Diese manifestierte sich in Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 4, S. 217, 251 f.; Liber de unitate, lib. 2, cap. 26, S. 248; Frutolf, Chronica, a. 1089, S. 104. 40 Bereits im Jahr 1075 hatte ein junges Mitglied der Stader Markgrafen familie als Geisel den Frieden Heinrichs und der Sachsen verbürgt, wie wir aus der Schilderung Lamperts von Hersfeld (a. 1075, S. 224 f.) wissen, der 1076 ausführlich über dessen abenteuerliche Flucht erzählt. Ebd., a. 1076, S. 275 ff. Zur Verheiratung von Frauen als obsides pacis siehe unten Anm. 63f. 41 Siehe unten bei Anm. 53 ff. 42 Becker, Papst Urban II., Teil 1, S. 123 f. 39
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der Heirat der Markgräfin Mathilde von Tuszien mit Welf V., dem Sohn von Heinrichs hartnäckigem Gegner, Herzog Welf IV., eine Verbindung, die auf Betreiben Papst Urbans II. zustande gekommen war und eine über 40-jährige Braut mit einem 17-jährigen Bräutigam vereinigte. Der schwäbische Chronist Bernold betont die Beteiligung des Papstes am Zustandekommen dieser Bündnisehe auf seine Weise: Mathilde sei die Ehe eingegangen „nicht etwa aus mangelnder Enthaltsamkeit, sondern aus Gehorsam gegenüber dem römischen Papst, um nämlich der heiligen römischen Kirche um so kräftiger gegen die Exkommunizierten beistehen zu können“.43 Und er betont zugleich, dass diese Ehe Heinrich „betrübt“ habe, womit er deutlich macht, dass Heinrich die politischen Konsequenzen dieser Heirat als gravierend ansah. 2. Der dritte Italienzug: 1090–1098 Es war wohl diese neue Situation, die Heinrich IV. veranlasste, sofort nach Italien aufzubrechen, obgleich die Lage im Reich alles andere als konsolidiert war. Zwar schien der Widerstand in Sachsen überwunden, für den Süden konnte Gleiches jedoch keinesfalls gelten. Dass er dennoch bereit war, die Erfolge seiner Politik der letzten Jahre durch erneute Abwesenheit aufs Spiel zu setzen, zeigt, wie wichtig ihm dieses Eingreifen in Italien gewesen sein muss. Die Zielrichtung von Heinrichs Italienzug wird am schnellsten daran deutlich, dass er sich kurz nach seinem Erscheinen in Oberitalien daranmachte, für längere Zeit Mantua zu belagern, womit er den Kampf gegen den Machtbereich der Markgräfin Mathilde konkret aufnahm. Diese Belagerung dauerte über ein Jahr, ehe die Stadt sich zur Übergabe bereit fand. Heinrich konnte das Osterfest 1091 in der eroberten Stadt feiern und den Stützpunkten der Mathilde in Oberitalien auch weiteren Schaden zufügen. Bis zum Jahre 1092 waren Heinrichs Truppen im Kampf mit 43 Bernoldi Chronicon, a. 1089, S. 478: […] non tam pro incontinentia quam pro Romani pontificis obedientia, videlicet ut tanto virilius sanctae Romanae aeclesiae contra excommunicatos posset subvenire. Siehe hierzu jetzt Goez, Welf V. und Mathilde von Canossa, S. 363 f.
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den Vasallen der Markgräfin sogar so erfolgreich, dass das kaiserliche Heer an die Belagerung Canossas gehen konnte.44 Die Markgräfin und ihre Anhänger waren in einer bedrängten, wenn nicht verzweifelten Lage. Selbst Donizo, der Biograph Mathildes, akzentuiert die Tatsache, dass die eigenen Vasallen ihre Herrin zum Frieden, und das hieß zur Aufgabe, drängten. Doch wendete sich das Blatt vor Canossa abrupt. Durch einen plötzlichen Ausfall der Belagerten wurde Heinrichs Heer überrascht und in die Flucht getrieben, alle militärischen Erfolge gingen in der Folge wieder verloren.45 Man muss nur die Hiobsbotschaften, die Heinrich in der Folgezeit erreichten, aneinander reihen, um einsichtig zu machen, dass nun seine Gegner das Gesetz des Handelns bestimmten und der Kaiser mehr und mehr in die Defensive getrieben wurde. Bereits 1092 hatten die Gregorianer in Schwaben ihre Kräfte gesammelt und sich auf die Erhebung eines Gegenherzogs, des Zähringers Berthold, verständigt, der ein Bruder Bischof Gebhards von Konstanz war. Sowohl der neue Herzog Berthold als auch Herzog Welf IV. von Bayern hatten mit den Großen Schwabens dem päpstlichen Legaten Gebhard von Konstanz Gehorsam und Unterstützung geschworen. Und überdies hatte man sich auf einem Stammestag in Ulm auf einen Landfrieden geeinigt, in den Anhänger Heinrichs IV. aber nicht eingeschlossen sein sollten.46 Die so in einer Schwureinung verbundenen Gegner Heinrichs hatten überdies wieder Kontakte zu den Sachsen aufgenommen und planten einen generalis conventus beider Völker, der nur dadurch in dieser Zeit nicht zustande kam, dass eine schwere Hungersnot in Sachsen keine Aktivitäten der sächsischen Fürsten zuließ.47 Ein Anhänger Heinrichs, der Bischof Rupert von Bamberg, beschwor denn auch den fernen König eindringlich in einem Zu den Einzelheiten siehe Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 4, S. 376– 379; Robinson, Henry IV of Germany, S. 281 ff. 45 Vgl. Donizo, Vita Mathildis, lib. 2, cap. 7, S. 392. 46 Bernoldi Chronicon, a. 1092, S. 494; a. 1093, S. 506 f. Siehe dazu jetzt Zotz, Der südwestdeutsche Adel und seine Opposition gegen Heinrich IV., bes. S. 356 f.; außerdem Wadle, Heinrich IV. und die deutsche Friedensbewegung, S. 150. 47 Bernoldi Chronicon, a. 1092, S. 494 f.; Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 4, S. 384. 44
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Brief, der vor allem über Unterhandlungen mit einigen Sachsen berichtet, „es ist sehr notwendig, dass ihr so bald als möglich zu uns zurückkehrt, weil ihr bei eurer körperlichen Anwesenheit sehr leicht alles nach eurem Willen beilegen könnt, wovon wir fürchten, dass es bei eurer Abwesenheit zu einem unverbesserlichen Übel auswachse“.48 Nördlich der Alpen drohte also ein Wiedererstarken und eine Vereinigung aller Gegner Heinrichs, zumal Herzog Welf IV. von Bayern Anfang 1093 das kaiserliche Augsburg einnahm und dort einen gregorianischen Bischof installierte. Von irgendwelchen Gegenaktionen der Anhänger Heinrichs hört man nichts. Im Frühjahr 1093 fiel dann in Italien völlig überraschend Heinrichs Sohn und Mitregent Konrad vom Vater ab und wechselte zur Partei der Gregorianer und der Markgräfin Mathilde. Das Gleiche tat ein Jahr später auch Heinrichs zweite Gemahlin Eupraxia/Adelheid, die aus einer Gefangenschaft, in der Heinrich sie aus unbekannten Gründen gehalten hatte, entfloh und sich unter den Schutz der Markgräfin Mathilde und Welfs V. begab.49 Von Heinrich ist für die Jahre 1093– 1096 wenig mehr zu berichten, als dass er im engen Umkreis von Verona zur Untätigkeit verurteilt war, während seine Gegner das Feld beherrschten. Es sei nur kurz angesprochen, dass Papst Urban II. sich in diesen Jahren seiner Sache so sicher war, dass er nach Südfrankreich reisen und hier den ersten Kreuzzug initiieren konnte.50 Es ist zwar unverbürgt und stammt auch aus der Feder eines Gregorianers, doch überraschend ist die Nachricht letztlich nicht: Heinrich sei in dieser Zeit so verzweifelt gewesen, dass er sich selbst habe umbringen wollen, woran ihn jedoch seine Vasallen gehindert hätten.51 Udalrici Babenbergensis Codex, Nr. 87, S. 170ff., hier S. 170. Vgl. zu Konrad: Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 4, S. 391 ff.; Goez, Der Thronerbe als Rivale, S. 24–29. Zu Eupraxia/Adelheid: Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 4, S. 422 f. Siehe auch Robinson, Henry IV of Germany, S. 289. 50 Vgl. dazu Becker, Papst Urban II., bes. S. 376–413. 51 Bernoldi Chronicon, a. 1093, S. 503: Heinricus vero pater regis in quandam munitionem se contulit, ibique diu absque regia dignitate moratus, nimioque dolore affectus, se ipsum, ut aiunt, morti tradere voluit, sed a suis praeventus ad effectum pervenire non potuit. 48
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Beide Parteiwechsel aus dem engsten Familienkreis hat die Gegenseite auszunutzen verstanden. Im Falle des Sohnes gelang es Heinrich zwar zunächst noch, den Abtrünnigen gefangen zu nehmen, doch kam er bald wieder frei und wurde von Erzbischof Anselm im Beisein Welfs V. und der Markgräfin Mathilde in Mailand zum König gekrönt. Papst Urban II. band den jungen Salier im Jahre 1095 auf verschiedene Weisen an die gregorianische Sache, als er mit ihm unmittelbar nach dem Abschluss der Synode in Piacenza in Cremona persönlich zusammentraf. Er ließ Konrad nämlich sowohl den Strator-Dienst leisten, indem dieser das Pferd des Papstes am Zügel führte, so wie es die normannischen Vasallen des heiligen Petrus zu tun pflegten. Auf diese Weise versprach er symbolisch Unterordnung und Dienst. Überdies ließ Urban den jungen Salier einen Treueid schwören, der gleichfalls dem normannischen Vorbild verpflichtet war. Mit beidem war symbolisch und verbal zum Ausdruck gebracht, dass sich König Konrad als Vasall des heiligen Petrus verpflichtete. Er schwor dem Papst Sicherheit für sein Leben, seine Unversehrtheit und hinsichtlich der Hoheitsrechte des Papsttums, ihrer Erwerbung, Behauptung und Verteidigung gegen alle Menschen. All diese Verpflichtungen wolle er in guter Treue, ohne Trug und Hinterlist erfüllen. Im Gegenzug erkannte ihn Urban als „Sohn der römischen Kirche“ an und versprach ihm alle seine Unterstützung, solange er seine Verpflichtungen erfülle, darunter die Kaiserkrönung, wenn er nach Rom komme. Überdies leitete der Papst ein Heiratsprojekt des Saliers mit einer Tochter des normannischen Grafen Roger in die Wege, um Konrad vollständig in das päpstliche Netzwerk einzubinden. Das Vorhaben wurde wenig später realisiert, als Graf Roger seine Tochter nach Pisa schickte.52 Das Treffen in Cremona und seine symbolischen Akte markieren nichts anderes als die Unterordnung des jungen Königs unter die päpstliche Autorität und seine Eingliederung in die militia St. Petri. Hiermit war ein wesentlicher Anspruch, wie er im Dictatus papae Gre52 Vgl. Goez, Der Thronerbe als Rivale, S. 32 f., 35; Becker, Papst Urban II., Teil 1, S. 133–137. Zum Streit um den Namen der Braut in der Forschung siehe ebd., S. 136, Anm. 482. Zur Bedeutung des Strator-Dienstes vgl. Althoff, Inszenierung verpflichtet, bes. S. 69–74, 79 f.
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gors VII. formuliert war, in entsprechende symbolische Handlungen umgesetzt. Man muss betonen, dass solche Handlungen der Unterordnung vordem von den Königen und Kaisern des ottonisch-salischen Reiches gegenüber den Päpsten nicht durchgeführt worden waren. Es blieb denn auch in der Folgezeit durchaus umstritten, ob Kaiser und Könige diese unterordnenden symbolischen Handlungen zu leisten hatten. Die Handlungen zeigen aber, dass Urban II. konzeptuelle Vorstellungen darüber besaß, auf welcher Basis das Papsttum mit den salischen Königen und Kaisern zusammenarbeiten sollte. Auch sie sollten Mitglieder der militia St. Petri werden, die dem Papst zu Gehorsam und Dienst verpflichtet waren. Noch aufsehenerregender aber war die Art und Weise, in der die gregorianische Seite die Flucht und den Parteiwechsel der Gemahlin Heinrichs IV. nutzte. Papst Urban II. ließ sie nämlich auf der Synode von Piacenza auftreten und dort öffentlich ihre Anklagen gegen Heinrich IV. vortragen.53 Die Quellen sprechen davon, dass diese Synode so gut besucht war, dass die Teilnehmer sich auf offenem Feld versammeln mussten, weil keine Kirche in der Lage war, die Massen aufzunehmen. In dieser europäisch zu nennenden Öffentlichkeit habe Heinrichs zweite Frau, demütig zu Füßen des Papstes liegend und um Rekonziliation bittend, die Geschichte ihrer Leiden erzählt. Sie gipfelte in der Aussage, Heinrich habe sie häufig durch seine milites vergewaltigen lassen.54 Die Aussage beeindruckte die Synodalen gewaltig und Vgl. Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 4, S. 428 f., 444; Becker, Papst Urban II., Teil 1, S. 132 f.; Goez, Der Thronerbe als Rivale, S. 31 f.; Robinson, Henry IV of Germany, S. 289 ff.; Struve, War Heinrich IV. ein Wüstling?, S. 276 f., wird der Sachlage wohl nicht gerecht, wenn er formuliert: „Bei der Kennzeichnung der Vorwürfe blieben die Gewährsleute freilich auffällig allgemein.“ 54 Bernoldi Chronicon, a. 1095, S. 519: In hac sinodo Praxedis regina, iam dudum a Heinrico separata, super maritum suum domno apostolico et sanctae sinodo conquesta est de inauditis fornicationum spurciciis, quas apud maritum passa est. Siehe dazu Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 4, der die Behandlung der Vorwürfe auf verstreute Anm. verteilt: vgl. S. 392 Anm. 4, S. 423 Anm. 12, S. 444 Anm. 10. Erst die Zusammenschau der dort gebotenen Zeugnisse vermittelt die Einsicht, wie intensiv und nachhaltig das Echo auf die Vor53
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veranlasste den Papst, Heinrich nochmals zu exkommunizieren. Im Übrigen erhielt die Königin die erbetene Absolution, da sie zu diesen Untaten gezwungen worden sei und so keine Schuld auf sich geladen habe. Die gregorianische Seite hat die Aussagen dieser Frau so wichtig genommen, dass sie bereits im Jahre zuvor diese auch nach Schwaben melden und auf einer von dem Legaten Bischof Gebhard geleiteten Synode behandeln ließ. Auch hier fanden ihre Anschuldigungen Glauben und ihr Schicksal erregte das Mitgefühl aller.55 Dieses Mitgefühl ist ihr in der modernen Forschung nicht zuteil geworden. Es ist schon in unguter Weise bemerkenswert, mit welcher Sicherheit Historiker des 19. und 20. Jahrhunderts die Aussagen dieser Frau verdammten. Von dem „schamlosen Weib“ wurde gesprochen, das sich nicht gescheut habe, mit solchen Erfindungen den Gatten zu besudeln und sich zum Werkzeug der päpstlichen Seite machen zu lassen.56 Grundlage solcher Urteile war wohl nur die Vorstellung, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Im Zuge dieser Ehrenrettung Heinrichs wurde der Kernvorwurf Adelheids – nämlich die von Heinrich befohlenen Vergewaltigungen – bis zur Unkenntlichkeit verwischt, ein Vorwurf, der in modernen Darstellungen in aller Regel gar nicht mehr auftaucht. Schon Wilhelm von Giesebrecht bietet eine eigenartige Version und Bewertung der Nachrichten: „Die Lage der gänge war. Hingewiesen sei ausdrücklich auf die Formulierung des später schreibenden Gerhoch von Reichersberg, De investigatione Antichristi (Libelli de lite III), I, 17, S. 324, der die Königin bekennen lässt, „sie sei auf Befehl des Gemahls so häufig vergewaltigt worden, dass sie nicht wissen könne, von wem das Kind sei, das sie empfangen habe“ (que a proprio marito ita prostituta sit, ut scire non posse, ex pro prolem conceperit). Zum Werk Gerhochs s. Classen, Gerhoch von Reichersberg, bes. S. 226 ff. 55 Bernoldi Chronicon, a. 1094, S. 512: Querimonia Praxedis reginae, quae dudum ad Welfonem ducem Italiae a marito suo discessit, ad Constantiensem sinodum pervenit, quae se tantas tamque inauditas fornicationum spurcicias et a tantis passam fuisse conquesta est, ut etiam apud inimicos fugam suam facillime excusaret, omnesque catholicos ad compassionem tantarum iniuriarum sibi conciliaret. 56 Siehe die im Folgenden zitierten Formulierungen, die in ihrer Tendenz vielfach fortgeschrieben wurden.
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Kaiserin mochte unerträglich geworden sein und dies um so mehr, je schuldiger sie sich wußte. Schamlos hat sie sich bald selbst öffentlich des Ehebruchs angeklagt und sich nur damit zu rechtfertigen gesucht, daß sie der eigene Gemahl zu demselben verleitet habe.“57 Die befohlene vielfache Vergewaltigung ist hier also zu einer „Verleitung zum Ehebruch“ umgedeutet, was einigermaßen fassungslos macht, da die Interpreten, die diese „Leistung“ vollbrachten, die Quellenaussagen gewiss genau kannten. Gerold Meyer von Knonau hat dann in seinen „Jahrbüchern“ diese Tendenz der Verschleierung der berichteten Sachverhalte fortgesetzt und damit die Richtung der Wertungen festgeschrieben: „Die allerschändlichsten Dinge brachte das schamlose Weib, das über sich selbst auch das Allerekelhafteste, wenn es Heinrich IV. zu schaden vermochte, zu erzählen nicht errötete, mit frecher Stirn über ihr Eheleben vor, um ihre Flucht zu rechtfertigen, und die sittlich so unendlich hoch über ihr stehende Bundesgenossin Urbans II. [sc. Mathilde] scheute sich nicht, auf all diese Schilderungen die Hand zu legen und sie zur Verunglimpfung des Kaisers möglichst zu verbreiten.“58 An dieser Tendenz hat sich eigentlich nichts geändert, auch wenn man die moralische Entrüstung heute nicht mehr so vehement zum Ausdruck bringt. Im Zuge dieser Verteidigung Heinrichs wurde implizit oder explizit unterstellt, dass die Partei Papst Urbans die Vorwürfe nicht geglaubt, sondern sie nur benutzt habe, um Heinrich bloßzustellen. Danach habe man denn auch die Lügnerin schnell fallen lassen. Nun ist gewiss davon auszugehen, dass in den langjährigen Auseinandersetzungen auch Vorwürfe benutzt und verbreitet wurden, die der sachlichen Grundlage entbehrten. Doch spricht die Tatsache, dass der Papst Eupraxia/Adelheid persönlich auf der gut besuchten Synode auftreten ließ, nicht eben dafür, dass er sie für eine Lügnerin hielt. Durch den öffentlichen Auftritt, der gewiss Aufsehen erregte, koppelte Urban ja seine eigene Glaubwürdigkeit an einen überzeugenden Eindruck Eupraxias. Und einen Grund, warum sich diese Frau einer derartigen Situation aussetzen sollte, nur um ihrem Mann zu schaden, hat man auch 57 58
Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, S. 554. Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 4, S. 423.
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nicht gefunden, sondern einfach „psychopathische“ Defekte unterstellt.59 Die Entschiedenheit, mit der Eupraxia als Lügnerin hingestellt wird, ist also keineswegs durch sachliche Argumente gestützt. Doch wird man mit solchen Erwägungen kaum sicher ermitteln können, was von den Vorwürfen zu halten ist. Wie bei den älteren Vorwürfen bezüglich Heinrichs sexueller Vergehen ist lediglich festzustellen, dass diejenigen, die sie erhoben, die Öffentlichkeit nicht scheuten, sondern geradezu danach drängten, sie öffentlich zu präsentieren. Es handelt sich nicht um Gerüchte und üble Nachrede im Verborgenen, sondern um Vorwürfe, die in diesem Fall zur Grundlage einer erneuten Exkommunikation gemacht wurden. Ganz so einfach sind sie daher wohl nicht aus der Welt zu schaffen.60 Angesichts dieser Entschiedenheit im Vorurteil ist es kaum überraschend, dass bisher niemand versucht hat zu fragen, wie es denn zu dieser unglaublichen Entehrung einer Königin gekommen sein könnte. Eine solche Frage will kein Verständnis für Heinrichs Handlungsweisen wecken oder diese gar entschuldigen. Sie versucht nur zu prüfen, ob das Verbrechen nicht aus Gewohnheiten zu erklären ist, die in dieser Zeit in analogen Fällen praktiziert wurden. Um nicht lange um das Problem herumzureden, scheint mir die Frage gerechtfertigt, ob hier nicht die Entehrung einer Geisel praktiziert worden sein könnte, die nach dem Bruch des Friedens für das Verhalten derjenigen haftbar gemacht wurde, für die sie bürgte. Es kann nämlich kaum zweifelhaft sein, dass die Heirat Heinrichs mit der Witwe des Stader Markgrafen im Jahre 1089 die Funktion hatte, den in diesem Jahre zwischen den Sachsen und Heinrich geschlossenen Frieden zu sichern und zu verbürgen.61 Geschah doch die Verlobung Heinrichs mit Eupraxia gerade So Schieffer, Art. Eupraxia, Praxedis, in: LexMA, Bd. 1, Sp. 146; Nitschke, Art. Eupraxia, Praxedis, in: NDB 1 (1953), S. 58; Jäschke, Notwendige Gefährtinnen, S. 149–157, hier bes. S. 155. Siehe dazu Robinson, Henry IV of Germany, S. 290 f., der nicht Eupraxia für die Erfinderin der Anschuldigungen hält, sondern davon ausgeht, dass diese von einem „learned Gregorian“ formuliert worden seien. Ganz in dieser Tradition auch Struve, War Heinrich IV. ein Wüstling?, S. 276 f. 60 Siehe dazu auch unten Kap. VI.1.4. 61 Siehe dazu schon oben bei Anm. 39 in diesem Kap. 59
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in dem Moment, als sich Erzbischof Hartwich von Magdeburg und andere sächsische Bischöfe Heinrich in einer spontanea pactio unterwarfen.62 Und Erzbischof Hartwich von Magdeburg war es auch, der die Königin Eupraxia bei ihrer Hochzeit in Köln im nächsten Jahr krönte. Dass Heiraten die Funktion der Friedenssicherung übernahmen und Frauen, die in solchen Situationen verheiratet wurden, als obses pacis bezeichnet wurden, ist aus anderen Fällen bezeugt.63 In Extremfällen hat man sogar die Witwe eines Erschlagenen mit demjenigen verheiratet, der in einem Konflikt ihren Mann erschlagen hatte, um zukünftige Racheakte zu verhindern.64 Genauso bezeugt ist aber auch, dass Geiseln misshandelt oder getötet werden durften und wurden, wenn die Versprechungen nicht eingehalten wurden, die im Zuge der Vergeiselung gegeben worden waren.65 Und es dürfte in diesem Fall das Versprechen der Sachsen gewesen sein, das freiwillige Bündnis zu bewahren, für das Eupraxia bürgte. Sie könnte also die Geisel gewesen sein, die in Heinrichs Hand gegeben wurde, um das Wohlverhalten der Sachsen zu sichern. Nun hören wir in den fraglichen Jahren nicht konkret davon, dass Heinrich den Sachsen den Vorwurf gemacht hätte, den geschlossenen Frieden gebrochen zu haben. Doch kann dies auch der Quellenlage angelastet werden, die für den fraglichen Zeitraum alles andere als zufrieden stellend ist. Immerhin beteiligte sich wohl schon 1088 der StaBernoldi Chronicon, a. 1086, S. 458 ff. Vgl. etwa die diesbezügliche Formulierung in den Annales Alamannici, a. 913, S. 56: Ipso anno Erchanger cum rege [sc. Konrad I.] pacificatus est, cuius sororem, Liupoldi relictam [sc. Kunigunde, die Witwe Herzogs Luitpolds], rex tamquam pacis obsidem in matrimonium accepit; oder in der Vita Godefridi comitis Capenbergensis, cap. 12, S. 528: […] quam [sc. Imezam], ut aiunt, sororis suae filiam Carolus, tamquam pacis obsidem, Widekindi filio dedit uxorem […]. 64 Vgl. Regino von Prüm, Chronicon, a. 900, S. 148: […] a comitibus Ste phano, Gerardo et Matfrido circa Mosam isdem Zuendibolch [sc. der König von Lothringen] in prelio interficitur Idus Augusti. Eodem anno Gerardus comes Odam uxorem eiusdem Zuendibolch regis sibi in matrimonium copulat. 65 Vgl. dazu Lutteroth, Der Geisel im Rechtsleben, S. 194–199. 62
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der Markgraf Luder-Udo an den Kämpfen Markgraf Ekberts gegen den Kaiser und nahm in diesem Zusammenhang Heinrichs persönlichen Vertrauten, den Erzbischof Liemar von Hamburg-Bremen gefangen.66 Überdies hören wir die Nachricht von einem generalis conventus zum Jahre 1092, auf dem die schwäbischen Gegner Heinrichs sich mit den sächsischen treffen und vereinigen wollten. Er kam nur wegen einer großen Hungersnot in Sachsen nicht zustande.67 Schon diese Planungen aber bedeuteten nichts Gutes und erfüllten den Tatbestand des Vertragsbruches, da die Sachsen mit den erklärten Feinden Heinrichs gemeinsame Sache machten. Solche Nachrichten könnten Heinrich also durchaus bewogen haben, eine Vertragsverletzung der Sachsen zu konstatieren und diese an der ihm von den Sachsen gegebenen Bürgin zu rächen. So wie man in Sachsen in dieser Zeit Geiseln nachweislich töten ließ,68 so könnte Heinrich IV. einen von ihm konstatierten Vertragsbruch der Sachsen an der Bürgin dieses Vertrages gerächt haben. Zwar fehlen dieser Interpretation die ausdrücklichen Belege für einen vollendeten Friedensbruch der Sachsen, doch arbeitet sie mit weitaus weniger unbeweisbaren Annahmen als die bisher herrschende Meinung, die Heinrichs Gemahlin ohne eigentliche Anhaltspunkte als böswillige Verleumderin abstempelt. Denn warum sich Heinrichs Gemahlin all diese Scheußlichkeiten habe ausdenken und öffentlich verkünden sollen, wenn es keinerlei sachliche Grundlage für die Anschuldigungen gab, und warum die Gregorianer mit Papst Urban an der Spitze es für nötig befanden, ihre ohnehin glänzende Situation mit solchen Lügen Vgl. dazu Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 4, S. 224. Das Fehlen von Quellen für die fragliche Zeit unterstreicht auch Giese, Reichsstrukturprobleme, S. 301. 67 Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 4, S. 384. Bernoldi Chronicon, a. 1092, S. 494 f. 68 Liber de unitate, lib. 2, cap. 18, S. 235: At frater eius Udo episcopus captus et vinculatus ab Egberdo marchione sustinuit multos et diuturnos cruciatus sub tyrannica illius crudelitate, donec promisisset Hildinisheim civitatem episcopatus sui, quam per multos dies idem marchio oppugnaverat, se traditurum esse; quod tamen non fecit, licet ille tyrannus uni de datis obsidibus caput amputari praeceperit. 66
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und Erfindungen zu „bereichern“, ist kaum plausibel zu machen. Die befohlene Schändung einer Geisel nach dem Bruch des Friedens ist dagegen eine Maßnahme, die in den Gewohnheiten der mittelalterlichen Gesellschaft nachweisbar ist. Zwar ist meines Wissens kein zweiter Fall bekannt, der in allen Details vergleichbar wäre, doch ist genügend häufig bezeugt, dass Geiseln schwer büßen mussten, wenn der Frieden, den sie garantieren sollten, zerbrach.69 Und dass eine Eheschließung eine der Geiselstellung benachbarte Form der Friedenssicherung sein konnte, kann ebenfalls nicht zweifelhaft sein, auch wenn uns dieses Verständnis von Ehe überaus fremd ist.
3. Die Rückkehr ins Reich: 1098–1104 Der Abfall des Sohnes Konrad, die Aussagen der Gemahlin Praxedis vor der Synode in Piacenza, die Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit machen eines deutlich: Heinrichs Lage konnte kaum trostloser sein, als sie es in der Mitte der 90er Jahre war. Von seinen Getreuen nördlich der Alpen war er durch die Koalition der süddeutschen Herzöge Welf von Bayern und Berthold von Zähringen mit Bischof Gebhard von Konstanz abgeschnitten, die ihm die Rückkehr ins Reich über die Alpenpässe verwehrte. In Italien war sein Bewegungsraum auf Grund der militärischen Misserfolge und wegen des fehlenden Zuzugs von Kriegern aus dem Reich auf die Gegend um Verona beschränkt. Die Zahl seiner italienischen Gegner war deutlich angewachsen, zu denen sich auch die oberitalienischen Städte gesellten. Während sein Papst Clemens sich ohne Einfluss auf die Gesamtkirche nur in Heinrichs Umgebung halten konnte, dominierte Papst Urban II. in diesen Jahren mit seinem Aufruf zum Kreuzzug die europäische Politik wie die Szene in Italien – die Synode von Piacenza war hierfür das nachdrücklichste Beispiel. Und dennoch gelang es Heinrich, sich noch 69 Vgl. die Erfahrungen, die Thietmar, Chronicon, lib. 4, cap. 23 ff., S. 156–163 von seiner eigenen Geiselnahme schildert, sowie Friedrich Barbarossas Verhalten gegenüber den Geiseln von Crema; siehe dazu Becker, Die Belagerung von Crema, S. 84 ff., 97 ff.
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einmal aus dieser Situation zu befreien. Ausgelöst wurde der Umschwung aber weniger durch Heinrichs eigene Aktivitäten als durch eine Krise in der Koalition seiner Gegner. Die aus politischen Gründen geschlossene Ehe zwischen der Markgräfin Mathilde und Welf V. zerbrach nämlich allem Anschein nach unvermittelt, wobei dem jungen Ehemann in den Quellen die Schuld an diesem Bruch gegeben wurde: „Welf, der Sohn Herzog Welfs von Bayern, trat vollständig von der Ehe mit der Herrin Mathilde zurück, indem er versicherte, sie sei von ihm ganz unberührt geblieben; das hätte sie selbst sehr gern bis in alle Ewigkeit verschwiegen, wenn er nicht unüberlegt genug dies vorher bekannt gegeben hätte.“70 Warum sich Welf V. zu diesem Schritt entschloss, sagen die Quellen nicht. Die Nachricht macht jedoch unmissverständlich deutlich, dass die Initiative zu dieser Trennung von Welf V. ausging, und sie zeigt zugleich, dass es in der Tat eine Ehe gewesen war, in der die Aspekte des politischen Bündnisses ganz im Vordergrund gestanden hatten. Dieser Hausraison aber hatte sich der junge Welf ganz offensichtlich entzogen, welche Gründe auch immer ihn im Einzelnen dazu bewogen haben mögen. Wie sehr der Aspekt des politischen Bündnisses bei dieser Ehe im Vordergrund gestanden hatte, zeigte am klarsten die Reaktion des älteren Welf, des Herzogs von Bayern: „Deshalb kam sein Vater über die Maßen zornig in die Lombardei und bemühte sich lange und intensiv, jedoch vergeblich, um eine Aussöhnung. Sogar Heinrich [sc. IV.] selbst nahm er sich zu Hilfe gegen die Herrin Mathilde, damit er sie zwinge, ihre Güter seinem Sohn zu geben, obwohl sie diesen noch nicht in seiner ehelichen Pflicht erkannt hatte; daran mühte man sich lange vergebens ab.“71 Die Reaktion des Schwiegervaters macht wohl überdeutlich, was den Welfen bei dieser Ehe vor allem wichtig gewesen war: die Güter Bernoldi Chronicon, a. 1095, S. 517 f. Bernoldi Chronicon, a. 1095, S. 518: Unde pater ipsius in Longobardiam nimis irato animo pervenit et frustra diu multumque pro huiusmodi reconciliatione laboravit. Ipsum etiam Heinricum sibi in adiutorium ascivit contra domnam Mathildam, ut ipsam bona sua filio eius dare compelleret, quamvis nondum illum in maritali opere cognosceret. Unde diu frustra laboratum est. Siehe dazu auch Goez, Welf V. und Mathilde von Canossa, S. 374, 376f. 70
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der kinderlosen Mathilde, die ihnen jedoch trotz der Eheschließung vorenthalten wurden. Welf IV. dürfte bei seiner Reaktion auch im Auge gehabt haben, dass sich bald die Erbfrage bezüglich der Güter und Besitzungen seines Vaters Albert Azzo stellen würde, der zu diesem Zeitpunkt fast 100 Jahre alt war. Und dies war 1097 in der Tat der Fall, als Welf IV. gegen seine Halbbrüder den Kampf um dieses Erbe aufnahm.72 Diese Beobachtungen werfen ein eigenartiges Licht auf alle jene Wertungen, die dem sogenannten schwäbischen Reformadel vor allem kirchenreformerische Motive bei seinem Kampf gegen Heinrich IV. unterstellten. Förderung der Kirchenreform und sehr innerweltliche dynastische Motive scheinen sehr viel besser miteinander vereinbar gewesen zu sein, als es die moderne Forschung vielfach wahrhaben will.73 Der Eintritt in die militia St. Petri bedeutete offensichtlich keineswegs, dass man die dynastischen Interessen des eigenen Geschlechts aus den Augen verlor. Im Gegenteil, man war zu sehr abrupten Kurswechseln und sogar zum Zusammenwirken mit dem Tyrannen Heinrich bereit, wenn diese Interessen tangiert wurden. Und solch ein Zusammenwirken schloss, wie im Falle Welfs IV. bezeugt, auch nicht aus, dass man sich kurze Zeit später dem Aufruf Urbans II. zum ersten Kreuzzug anschloss. Welf IV. tat dies im Jahre 1101 und machte so implizit deutlich, dass sein politisches Handeln von anderen Kategorien geleitet wurde als denen seiner modernen Interpreten.74 Der Begriff „Reformadel“ suggeriert damit eine Dominanz religiöskirchlicher Motive beim politischen Handeln der so bezeichneten Adligen, wie es einige ihrer politischen Handlungen gerade nicht erkennen lassen. Die Enttäuschung über den entgangenen Besitz ließ die Welfen nach langen Kämpfen gegen Heinrich jedenfalls ernsthaft an einen Schneidmüller, Die Welfen, bes. S. 144 ff. Vgl. dazu zuletzt Seibert, Vom königlichen dux zum Herzog von Bayern; Laudage, Welf IV. und die Kirchenreform des 11. Jahrhunderts; Maurer, Bischof Gebhard III. von Konstanz und Welf IV. als Häupter der süddeutschen Reformpartei; siehe aber immer auch die älteren Arbeiten von Jakobs, Die Hirsauer, bes. S. 203 f. und Schmid, Adel und Reform in Schwaben. 74 Zum Kreuzzug Welfs IV. siehe jetzt Favreau-Lilie, Welf IV. und der Kreuzzug von 1101, passim. 72
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Ausgleich mit dem Salier denken, einen Ausgleich, der ihnen vor allem die bayerische Herzogswürde sichern sollte. Hierfür waren sie bereit, alle Hebel in Bewegung zu setzen. Es war der 100-jährige Greis Markgraf Albert Azzo, der Vater Welfs IV., der sich persönlich zu Heinrich IV. begab und in Padua den Ausgleich zwischen seinem Sohn und dem Kaiser in die Wege leitete.75 Welf IV. wurde offenbar nicht genötigt, seine Unterstützung für Papst Urban II. aufzugeben und den Gegenpapst anzuerkennen. Heinrich IV. hat also den Ausgleich nicht durch ein Beharren auf Maximalpositionen behindert, sondern pragmatisch das akzeptiert, was zu erreichen war. Überdies gelang es Welf, von Heinrich die Zusicherung zu erhalten, dass die bayerische Herzogswürde nach seinem Tode einem seiner Söhne zufallen würde. Der Kaiser hat sich diesen Ausgleich also einiges kosten lassen und die unverhoffte Chance ergriffen, die ihm die Rückkehr ins Reich ermöglichte. Es scheint symptomatisch, dass wir über die Einzelheiten dieses Ausgleichs nicht informiert werden, da sie Bernold, unser Hauptgewährsmann für diese Jahre, einfach überging. Sie waren für einen Gregorianer gewiss auch schwer zu begreifen. Umso wichtiger sind sie für das Verständnis der Handelnden und der sie leitenden Motive. Heinrich hat jedenfalls die Chance erkannt, die die Friedensbereitschaft der Welfen ihm eröffnete. Er nutzte diese Verhandlungen nämlich offensichtlich auch dazu, im Süden des Reiches einen umfassenden Ausgleich in die Wege zu leiten. Es dürfte kaum zufällig sein, dass im Zuge der Rückkehr Heinrichs ins Reich ein Ausgleich mit dem Zähringer Berthold gelang, der gleichfalls einen deutlichen Kompromisscharakter trug.76 Und Leidtragender des ganzen Ausgleichs war der Bruder des Zähringers, der Bischof Gebhard von Konstanz, der sich angesichts der neuen Zusammenarbeit seiner früheren Helfer aus dem Reformadel mit Kaiser Heinrich IV. bald nicht mehr auf seinem Konstanzer Bischofssitz halten konnte.77 Der Zähringer hatte also gleichfalls seine dynastischen Interessen über seine Bindungen an die Schneidmüller, Die Welfen, S. 145. Siehe dazu schon Schmid, Zürich und der staufisch-zähringische Ausgleich 1098, S. 52. 77 Die Chronik des Klosters Petershausen, lib. 3, cap. 31, S. 154f. 75
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Reformpartei gestellt. Und auch in seinem Fall zeigte sich Heinrich bereit, den Parteiwechsel reich zu belohnen – und wie bei den Welfen schweigen sich die gregorianischen Quellen über diesen Ausgleich vollständig aus. Wir werden über seine geradezu aufsehenerregenden Akte vielmehr erst durch den staufischen Geschichtsschreiber Otto von Freising unterrichtet, dem dieser Ausgleich ein Dorn im Auge war, weil er die schwäbische Herzogsgewalt seiner Protagonisten, der Staufer, tangierte.78 Um den Zähringer Berthold zum Ausgleich zu bewegen, kreierte Heinrich IV. nämlich etwas ganz Ungewöhnliches: ein neues Fürstentum, das Berthold ermöglichte, weiterhin den Herzogstitel zu führen. Dieses Fürstentum bestand aus der Burg Zähringen und dem Reichslehen Zürich. Das Gebilde wird in der Forschung Titelherzogtum genannt.79 Seine Bildung, die hier zum ersten Mal bezeugt ist, später aber einige Male wiederholt wurde, hatte vor allem den Zweck, den betreffenden Titelherzog von den Herrschaftsansprüchen des Stammesherzogs zu befreien. In diesem Falle löste die Konstruktion also das Problem der konkurrierenden Ansprüche auf die schwäbische Herzogswürde: Die Staufer, 1079 von Heinrich IV. in dieses Amt gebracht, behielten es; dem Zähringer, 1092 als Gegenherzog installiert, wurde sein Verzicht auf diese Würde jedoch mit der neuartigen Konstruktion schmackhaft gemacht, die es ihm erlaubte, auch weiterhin den Herzogstitel zu führen. Zwar polemisiert Otto von Freising aus salischstaufischer Sicht, dieser Titel sei ein leerer gewesen, doch ändert dies nichts daran, dass er den Zähringern in der Folgezeit die Möglichkeit zu einem recht ungestörten Herrschaftsausbau im deutschen Südwesten bot, auch wenn er natürlich einer wirklichen Herzogswürde nicht gleichkam. Dies waren also die Voraussetzungen, die Heinrich IV. die Rückkehr ins Reich ermöglichten. Und sie ging allem Anschein nach reibungslos vonstatten. Im Jahre 1097 konnte Heinrich das Pfingstfest in Regensburg feiern, wo sich eine ansehnliche Zahl von geistlichen wie 78 Vgl. dazu Althoff, Die Zähringerherrschaft im Urteil Ottos von Freising, bes. S. 45–47, 52 f. 79 Vgl. Werle, Titelherzogtum, passim, hier bes. S. 10f., 64f.
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weltlichen Reichsfürsten einfand, unter ihnen auffallend viele sächsische und thüringische.80 Die Beteiligung der Großen an diesem Erstauftritt des Kaisers im Reich nach seiner langen Abwesenheit ist ein sicherer Indikator dafür, dass sie seine Herrschaft zu akzeptieren und zu stützen bereit waren. Nicht zufällig hatte der Geschichtsschreiber Berthold in den Jahrzehnten zuvor genau dokumentiert, dass Heinrich die kirchlichen Hochfeste ohne Beteiligung der Reichsfürsten und ohne die üblichen Akte der Herrschaftsrepräsentation beging. 81 Dies genügte als Beweis für den schlechten Zustand der Herrschaft Heinrichs. Der Kaiser nahm seinen Weg dann über Nürnberg und Würzburg nach Straßburg, wo er das Weihnachtsfest feierte. Von dort ging es weiter nach Worms, wo eine Trübung des Verhältnisses zu den Welfen, die den kaisertreuen Bischof von Brixen gefangen genommen hatten, durch Unterwerfung der Söhne Welfs IV. beigelegt wurde. Heinrich scheint seinen veränderten Herrschaftsstil dadurch manifestiert zu haben, dass er in diesem Zusammenhang die Nachfolge von einem der Söhne im bayerischen Herzogtum akzeptierte. Es dürfte dem Eindruck der Zeitgenossen entsprochen haben, wenn ein Geschichtsschreiber davon spricht, dass Heinrich nun seine Herrschaft wiedererlangt habe, dass fast alle Fürsten mit ihm ausgesöhnt gewesen seien, dass er auch die Herrschaft über alle wichtigen Städte am Rhein innegehabt habe und die meisten Bischöfe ihn unterstützt hätten.82 In der Tat setzte der Kaiser seinen Umritt dann über Mainz bis Köln fort und bewies so eindrucksvoll, dass seine Herrschaft in diesen Zentrallandschaften des Reiches unbestritten war. Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 5, S. 1 f.; hierzu und zum Folgenden siehe auch Robinson, Henry IV of Germany, S. 296ff. 81 Der Gegenkönig Rudolf feierte dagegen prächtig. Vgl. Bertholdi Chronicon, a. 1078, S. 313; ebd., a. 1079, S. 345: MLXXVIII. Ruodolfus rex in Saxonia apud Goslariam nativitatem Domini cum maximis Saxonice gentis copiis gloriosissime celebravit. […] MLXXVIIII. Heinricus rex nativitatem Domini apud Mogontiacum non satis magnifice celebravit. Vgl. dazu mit weiteren Belegen jüngst Schubert, Königsabsetzung, S. 154 f. 82 Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 5, S. 25 mit Hinweis auf die Casus monasterii Petrishusenses, lib. II, cap. 46, S. 648. 80
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Die neu gewonnene Eintracht kam im Frühjahr 1098 auf einem Hoftag in Mainz zum Ausdruck, als die Fürsten dem Wunsch Heinrichs IV. entsprachen und seinem abgefallenen Sohn Konrad das Königtum und Erbe aberkannten und es seinem jüngeren Sohn Heinrich übertrugen. Der Vater versuchte bezeichnenderweise, dessen zukünftigen Herrschaftsdrang dadurch einzudämmen, dass er ihm bei dieser Gelegenheit den Eid abnahm, sich zu Lebzeiten des Vaters nie ohne dessen Einwilligung in die Herrschaft einzumischen. Als man am 6. Januar 1099 Heinrich V. in Aachen feierlich zum König salbte und krönte, ließ man ihn diesen Eid wiederholen.83 Die Sorge, die hierin zum Ausdruck kommt, erwies sich später als überaus berechtigt; die Maßnahmen hingegen als wenig wirkungsvoll. Dass Heinrich IV. in der Tat entschlossen war, die Zügel der Herrschaft wieder in die Hand zu nehmen, zeigte sich schon in Mainz an einer von ihm eingeleiteten inquisitio, die das Schicksal der Mainzer Juden betraf, die in den mit dem Beginn des ersten Kreuzzuges zusammenhängenden Pogromen ihr Leben verloren hatten. Bei dieser Untersuchung stellte sich heraus, dass Erzbischof Ruthard von Mainz nicht genügend zum Schutze ihres Lebens getan hatte, ja mehr noch, dass Anhänger und Verwandte des Erzbischofs im Besitz von Vermögen der Ermordeten waren und auch der Erzbischof selbst Gelder in der Hand hatte, die aus jüdischem Besitz stammten. Als sich die Verwandten des Erzbischofs der Untersuchung nicht stellten, hat Heinrich IV. die Konfrontation mit Ruthard nicht gescheut, so dass sich dieser nach Thüringen entfernte und angeblich den Kaiser dadurch zu schrecken versuchte, dass er mit Kräften, die gegen Heinrich immer noch rebellierten, gemeinsame Sache machte. Es dauerte aber immerhin bis zum Sturz Heinrichs IV. durch seinen Sohn, ehe Ruthard seinen Mainzer Sitz wieder einnehmen konnte.84 Insgesamt wirkt Heinrichs Herrschaft im Reich in den Jahren nach seiner Rückkehr ausgesprochen gefestigt und unbestritten, was angesichts seiner langjährigen Abwesenheit und faktischen Entmachtung Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 5, S. 57ff. Zu diesem Konflikt vgl. Schiffmann, Heinrich IV. und die Bischöfe in ihrem Verhalten zu den deutschen Juden, S. 30–36. 83
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einigermaßen überraschend erscheint. Seine Hoftage waren in aller Regel gut besucht und namentlich die Bischofserhebungen gelangen fast immer im kaiserlichen Sinne und fanden keinen Widerspruch, die Kraft der gregorianischen Ideen schien zumindest im Reich gebrochen. Es ist nur symptomatisch, dass im Jahre 1103 auch Bischof Gebhard von Konstanz, der wirkungsvollste Gregorianer im deutschen Südwesten, aus seinem Bistum fliehen musste, das nun der bereits 1092 erhobene Kandidat Heinrichs IV. einnahm. Vergleicht man diese Zustände mit früheren Krisenzeiten, fragt man sich in der Tat, auf wessen und auf welche Verhaltensänderungen sich die neue Zusammenarbeit zwischen Bischöfen, Adel und Kaiser zurückführen lässt. Man dürfte zu Recht Heinrich IV. als denjenigen identifizieren, der sein Verhalten geändert hatte. Vorwürfe jedenfalls der Art, dass sich der Kaiser nicht oder mit den falschen Leuten berate, erhob man in dieser Zeit nicht. Und die Besetzung der Hoftage zeigt, dass sich die weltlichen wie geistlichen Fürsten in angemessener Weise an der Entscheidungsfindung beteiligt fühlten. Heinrich scheint sich in diesen Jahren in besonderer Weise um die Friedenswahrung, also um eine seiner vornehmsten Aufgaben als König, gekümmert zu haben.85 Dies erweist nicht nur die Beschwörung und Verkündigung eines reichsweiten Landfriedens, wie er 1103 durch Heinrich und die Fürsten vorgenommen wurde. Hiermit nahm der Kaiser Initiativen auf, die geistliche Reichsfürsten im Westen in Adaption der Gottesfriedensbewegung unternommen hatten. Der Friede von 1103 wurde übrigens auch damit begründet, dass der Kaiser eine Wallfahrt zum heiligen Grabe nach Jerusalem plane, um vom Bann gelöst zu werden.86 Diesen Plan eröffnete der Kaiser den zu Epiphanie 1103 in einem Festgottesdienst Versammelten. Es gibt noch andere Zeugnisse aus dieser Zeit, die den Eindruck erwecken, als sei der Kaiser bereit gewesen, für früheres Verhalten zu büßen – doch ob es sich 85 Vgl. zur Landfriedensbewegung allgemein Wadle, Heinrich IV. und die deutsche Friedensbewegung, bes. S. 172 f.; Buschmann/Wadle (Hrsg.), Landfrieden. 86 Robinson, Henry IV of Germany, S. 319; Wadle, Heinrich IV. und die deutsche Friedensbewegung, S. 153 f.
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hierbei um „echte“ Zerknirschung und Sündenbewusstsein handelt oder um taktische Wendungen, ist kaum zu entscheiden. Gründe, in dieser Zeit den lang dauernden Streit auch mit der römischen Kirche zu beenden, gab es genug, und Heinrich scheint jedenfalls in dieser Hinsicht seine Fühler mehrfach ausgestreckt zu haben. Nach Papst Urban II. 1099 war auch Heinrichs Papst Clemens III. im Jahre 1100 gestorben. Im Unterschied zur gregorianischen Seite hatte Heinrich darauf verzichtet, erneut einen Papst erheben zu lassen, was die italienischen Gegner der Gregorianer nicht hinderte, dies dennoch zu tun. Diese Gegenpäpste blieben allerdings völlig bedeutungslos. Der von den Gregorianern erhobene Papst Paschalis II. zeigte sich dagegen wenig versöhnungsbereit und hat Heinrich IV. im Jahre 1102 erneut bannen lassen. Paschalis machte dabei seine Einschätzung Heinrichs ganz deutlich: „Da er“, so sagte der Papst, „nicht aufhörte, das Gewand Christi zu zerreißen, das heißt, die Kirche durch Raub und Brandstiftung zu verwüsten, durch Zügellosigkeiten, Meineide und Mord zu beschmutzen, wurde er zuerst von dem seeligen Papst Gregor, sodann von dem heiligmäßigen Urban, meinem Vorgänger, wegen seines Ungehorsams exkommuniziert und verurteilt; auch wir übergaben ihn auf unserer letzten Synode nach dem Urteil der ganzen Kirche auf immer dem Bann. Dies sei nach unserem Willen allen, besonders denen nördlich der Alpen bekannt, auf daß sie sich von seiner Sünde fernhalten.“ Seiner Haltung ist es wohl zu verdanken, dass den Versuchen Heinrichs zu einem gütlichen Ausgleich mit Rom kein Erfolg beschieden war.87 Im Reich wurde er seiner Aufgabe der Friedenswahrung auch dadurch gerecht, dass er Friedensbrecher wirksam bekämpfte. So zwang er im Jahre 1101 den Grafen Heinrich von Limburg zunächst durch Ekkehard, Chronica I, a. 1102, S. 224: „Quia“, inquit, „tunicam Christi scindere, id est aecclesiam rapinis et incendiis devastare, luxuriis, periuriis atque homicidiis commaculare non cessavit, primo a beatae memoriae Gregorio papa, deinde a sanctissimo viro Urbano predecessore meo propter suam inoboedientiam excommunicatus est atque condempnatus; nos quoque in proxima synodo nostra iudicio totius aecclesiae perpetuo eum anathemati tradidimus. Id notum volumus omnibus et maxime ultramontanis esse, quatinus ab ipsius se contineant iniquitate.“ Vgl. dazu Servatius, Paschalis II., S. 154. 87
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Belagerung und Zerstörung seiner Burgen, dann durch Fürstenspruch, die dem Kloster Prüm entfremdeten Güter zurückzuerstatten. Und in den Jahren 1102 und 1103 gelang es ihm, die Angriffe des Grafen Robert von Flandern, der dazu ausdrücklich von Papst Paschalis II. aufgestachelt worden war, gegen den kaiserfreundlichen Bischof Walcher von Cambrai abzuwehren und den Grafen zum Frieden und zur Unterwerfung in Lüttich zu zwingen. In beiden Fällen bewies der Kaiser offensichtlich Augenmaß und verzichtete auf eine Bestrafung der Hochadligen.88 So schien er in die alten Bahnen der auf Konsensherstellung orientierten Königsherrschaft zurückzulenken. Doch die Ruhe und das Einvernehmen waren durchaus trügerisch. Allem Anschein nach genügte ein einziger vermeintlicher Rückfall des Kaisers in seine alten Verhaltensweisen, um zu erweisen, wie fragil diese neue Zusammenarbeit zwischen Heinrich IV. und den Fürsten war.
4. Die Entmachtung durch den Sohn: 1104–1106 Was der Auslöser für eine erneut machtvolle Oppositionsbewegung gegen die Herrschaft Heinrichs IV. gewesen ist, an deren Spitze sich trotz seines mehrfachen Eides sein Sohn Heinrich stellte, beschäftigt die Forschung bis heute.89 Und es werden durchaus unterschiedliche Akzente gesetzt und unterschiedliche Antworten gegeben, was die Ursachen und Motive der Opponenten betrifft. Vielleicht waren es einfach mehrere Tropfen, die das Fass erneut zum Überlaufen brachten. Das Geschehen ist ein Paradebeispiel dafür, wie schwer wenn nicht unmöglich es ist, die „wahren“ Motive der politisch Handelnden zu erkennen, auch wenn sie selbst durchaus Zeugnis von ihren Motiven geben. Doch gerade Ego-Dokumente oder die Darstellung enger Vertrauter stilisieren diese Motive häufig in besonders problematischer 88 Zu Heinrich von Limburg vgl. Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 5, S. 115, 118 f.; zu Robert von Flandern: ebd., S. 153ff., 170, 179. 89 Weinfurter, Herrschaft und Reich der Salier, S. 143 ff.; ders., Reformidee, bes. S. 3–17; Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 166–172; Schlick, König, Fürsten und Reich, S. 48–57; Schubert, Königsabsetzung, S. 165–177.
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Weise. Und das ist auch in diesem Fall nicht anders. Ziel der folgenden diskursiven Annäherung an die Problematik ist daher nicht zuletzt zu zeigen, dass sich Motive und Beweggründe, die politische Handlungen auslösen und leiten, höchst selten wie Fakten feststellen und benennen lassen. Es war zunächst ein Vorfall in Regensburg am Anfang des Jahres 1104, der die alten Probleme der Herrschaft des Saliers wie mit einem Brennglas zu bündeln schien. Der Geschichtsschreiber Ekkehard von Aura hat mehrere Versionen einer Geschichte dieser Zeit verfasst, von denen er eine Heinrich V. widmete. Wir haben also wieder einen Gegner Heinrichs IV. als Kronzeugen, der Ausführlichkeit mit Parteilichkeit mischt. Seine Version der Geschehnisse war aber zumindest die Sicht der Anhänger Heinrichs V. Man muss eine längere Passage zitieren, um die diese Darstellung bestimmenden Absichten zu fassen: „Kaiser Heinrich feierte das Geburtsfest des Herrn in Regensburg. Während er sich dort eine Weile aufhielt und die bayerischen Fürsten schon länger darüber murrten, daß er die Sachsen und Franken freundlicher und ehrenvoller behandele als die Bewohner des Landes, begann er, den Grafen Sigehart, der darüber den stärksten Unwillen äußerte, mit Argwohn zu betrachten. Das geschah vor allem deshalb, weil dieser allein mehr Krieger mit sich führte als alle damals anwesenden Fürsten und sich für den Fall, daß vielleicht von seiten des Hofes etwas Übles geschähe, zum Widerstand gerüstet zu haben schien. Als der Graf sich nach einigen Tagen sicherer fühlte und seinen Scharen die Erlaubnis gegeben hatte, abzuziehen, verschworen sich die Bürger von Regensburg und verschiedene Ministerialen und entfachten gegen ihn einen wütenden Aufstand. Der Aufruhr konnte auf keine Weise, auch nicht als des Kaisers Sohn zu vermitteln suchte, beigelegt werden. Von der dritten bis zur neunten Tagesstunde wurde der Graf in seiner Herberge belagert und als endlich die Tore aufgebrochen waren, fand er den Tod durch Enthauptung, nachdem er gebeichtet und die Wegzehrung durch das Sakrament des Herrn erhalten hatte.“90 90 Ekkehard, Chronica I, a. 1104, S. 225. Zu dem Fall vgl. auch Robinson, Henry IV of Germany, S. 321 ff.
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Die Hildesheimer Annalen, die einen in der Forschung libellus de rebellione genannten umfassenden Bericht über die Erhebung Heinrichs V. unter Einschluss der fraglichen Vorgänge enthalten, bringen das wichtige Detail, dass es die eigenen Ministerialen waren, die Sigehart umbrachten, weil dieser ein ungerechtes Urteil gegen sie gefällt habe. Und sie fügen an, dass dem Kaiser aus diesem Vorfall sehr großes Ungemach entstanden sei, weil die Verwandten des Getöteten und alle Fürsten der Meinung gewesen seien, dass die Tat von Heinrich IV. durch Untätigkeit zugelassen worden sei.91 Sowohl die Dauer der Belagerung als auch die Möglichkeit zu Beichte und Sakramentenempfang, die dem Grafen Sigehart gegeben wurde, spricht dafür, dass sich die Ministerialen ihrer Sache sehr sicher sein konnten und nicht mit einem Eingreifen des in der Stadt anwesenden Kaisers rechnen mussten. Auch in der zitierten Darstellung Ekkehards fällt ja der Schatten des Verdachts auf den Kaiser, nicht ohne Grund untätig geblieben zu sein, da sich Graf Sigehart zu laut über die Behandlung der Bayern durch den König beschwert und zunächst zu viele Krieger bei sich gehabt habe. Ekkehard suggeriert durch die Anordnung seiner Ausführungen, dass die Tat nicht als Einzelfall eingestuft wurde. Er erzählt nämlich direkt vor der zitierten Geschichte, dass zwei hohe sächsische Adlige, und zwar Konrad und sein älterer Brüder Heinrich, beide Söhne Herzog Ottos von Northeim, von verbrecherischen Menschen niedrigen Standes erschlagen worden seien. Und er fügt als Kommentar hinzu: „Es hinterließ bei allen Vornehmen des Reiches größte Trauer und zugleich Misstrauen, da sich die niedrigsten Leute solche Verbrechen gegen die höchsten herausnahmen.“92 Die alten Vorwürfe gegen Heinrich IV., er umgebe sich mit Leuten niedrigen Standes, bevorzuge sie und berate sich vorzugsweise oder 91 Annales Hildesheimenses, a. 1104, S. 51: Erat in Radisbona in natali Domini imperatoris curia, ubi comes Sigehardus quoddam iudicium super clientes iniuste iudicavit; ex qua causa ab eis est occisus. Unde orta est maxima persecutio imperatori a cognatis illius et a cunctis principibus regni; quia, si vellet ei subvenire, nequaquam esset interfectus. Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 167. 92 Siehe dazu Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 185.
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ausschließlich mit ihnen, dürften aber keinesfalls vergessen gewesen sein. Und ebenso wenig diejenigen Vorwürfe, die dem Kaiser heimtückische Mordanschläge gegenüber Adligen zur Last legten. Mit seiner Regensburger Untätigkeit, die in der Tat einigermaßen unerklärlich ist, könnte der Kaiser daher alte Befürchtungen verschiedenster Art geweckt haben.93 Die moderne Forschung hat dem geschilderten Vorfall jedoch nicht das Gewicht für die folgende Krise beigemessen, das ihm die hier zitierten Quellen zubilligen.94 Vor allem die Motivation des Kaisersohnes und Mitregenten, Heinrichs V., für seinen Abfall vom Vater wurde anders erklärt, obgleich er auf Grund seiner gescheiterten Bemühungen um Vermittlung eines gütlichen Ausgleichs in Regensburg einigen Grund hatte, dem untätigen Vater zu zürnen. Nun ist es in der Tat so, dass der Sohn sich nicht sofort vom Vater distanzierte, sondern erst ein Jahr später. Dies geschah in dem Moment, als sich Heinrich IV. Ende November 1104 mit einem Heer gegen die Sachsen wandte, weil der Graf Dietrich von Katlenburg eine Delegation Magdeburger Kleriker und Laien gefangen genommen hatte, die in einer strittigen Magdeburger Bischofswahl beim Herrscher intervenieren und einen anderen Kandidaten durchsetzen wollten.95 König Heinrich V. zog noch gemeinsam mit dem Vater bis Fritzlar, entfernte sich dann jedoch aus dem kaiserlichen Heer und suchte von dort an Unterstützung für sein Vorhaben, selbst die Herrschaft zu übernehmen. Man hat keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, dass dieser Entschluss direkt mit dem Magdeburger Problem zusammenhing. Die Ursache für den Entschluss dürfte daher früher liegen. Man wird in Rechnung stellen dürfen, dass es einige Zeit bis zur Realisierung brauchte. Es gibt im Übrigen durchaus Äußerungen zu der Frage, was den Königssohn veranlasst habe, den Vater im Stich zu lassen. Akzentuiert So bereits Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 5, S. 197f. Tonangebend ist hier vor allem Weinfurter, Reformidee, S. 3 ff.; ders., Herrschaft und Reich der Salier, S. 143; zusammenfassend zuletzt Schlick, König, Fürsten und Reich, S. 54 ff. 95 Vgl. Annales Hildesheimenses a. 1104, S. 51; Gesta archiepiscoporum Magdeburgensium, cap. 23, S. 408; siehe dazu Claude, Geschichte des Erzbistums Magdeburg, S. 384. 93
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Abb. 8: Evangeliar Heinrichs V., Regensburg 1106–1111. In der oberen Reihe Kaiser Heinrich IV. zwischen seinen Söhnen Heinrich V. und Konrad.
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wird verschiedentlich der Einfluss von jungen bayerischen Grafen, die mit Heinrich durch eine sodalitas, eine freundschaftlich-genossenschaftliche Bindung vereint gewesen seien. Sie hätten den jungen König durch Gelage und Jagdvergnügungen an sich gefesselt und ihn zum Abfall vom Vater verleitet. In dieser Beurteilung sind sich Quellen, die aus der Perspektive Heinrichs IV. wie Heinrichs V. berichten, einig.96 Namentlich genannt werden in diesem Zusammenhang die Grafen Diepold von Vohburg, Berengar von Sulzbach und Otto von Kastl-Habsberg. Doch wird nicht ausdrücklich gesagt, was denn diese Adligen veranlasste, den Sohn dem Vater zu entfremden. Tatsache ist aber, dass diese bayerischen Adligen untereinander vielfältig versippt waren und zumindest einer von ihnen, nämlich Diepold, auch zum Verwandtenkreis des erschlagenen Sigehart gehörte.97 Es wäre also durchaus denkbar, dass die Freveltat von Regensburg das ausschlaggebende Motiv der Grafen gewesen sein könnte, Heinrich V. zum Kampf gegen den Vater zu verleiten. Und der hat sich, so könnte man weiter folgern, nicht zuletzt deshalb verleiten lassen, weil er dem sin96 Vita Heinrici IV. imperatoris, cap. 9, S. 29: Itaque ut suggestioni locum invenirent, quae prima decipiendi lenocinia erant, frequenter eum venatum secum abducebant, conviviorum illecebris inescabant, iocis in dissolutionem animi mittebant et ad pleraque facienda, quae adolescentia suadet, secum trahebant. Ekkehard, Chronica I, a. 1105, S. 226 f.: Dum imperator Heinricus natalem Domini Mogontiae celebrat, Heinricus filius eius, nominis illius quintus rex dictus, rebellationem adversus patrem in Baioaria parat, Heinricus rex adolescens magnanimitate tactus innata, cepit ex laboribus multis licet bene providi patris sui, simul etiam ex frequentibus corporis eius molestiis fortunae volubilitatem rerumque varietatem prospicere, precavensque ne forte inopinatus patris obitus se nondum amicis vel militibus plene instructum vel etiam bellicis in rebus specialiter glorificatum reperiens, aliquam sibi regnandi scrupulositatem pareret, non contentus palatio paterno, nec communi, licet per omnia augustissimo, convictu, in Baioariam se contulit, ibique principibus illis, quorum aliquos maternae stirpis propinquitas attraxerat, foederatus, per se ipsum machinantibus scilicet Diotpaldo marchione, Berngero comite, et Ottone quodam nobili viro sibique materna stirpe cognato, quorum consilio et adiutorio ante paucos dies a patris latere discesserat. 97 Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 5, S. 205; Annales Hildesheimenses, a. 1104, S. 51.
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kenden Schiff der Herrschaft seines Vaters keine Chance mehr gab und nicht mit untergehen wollte. Dieser Schluss von bestimmten Anhaltspunkten auf die Motive der Handelnden aber ist ein sehr hypothetischer, wenn nicht spekulativer. In der modernen Forschung wird denn auch auf einen anderen Motivationsstrang entscheidender Wert gelegt.98 Man schloss auf ein handlungsbestimmendes religiöses Bewusstsein der Beteiligten, da die genannten Adligen zum Gründerkreis des bayerischen Reformklosters Kastl gehörten, das 1103 Mönche Hirsauer Observanz erhielt.99 In den Gegnern Heinrichs IV. schienen sich so Angehörige des Reformadels zusammengefunden zu haben, die Heinrich V. auf den Weg zum Frieden mit Papst Paschalis II. drängten. Ihnen sei die dauernde Exkommunikation Heinrichs IV. das entscheidende Ärgernis gewesen, von der ja auch alle betroffen wurden, die mit ihm Kontakt pflegten. Insbesondere wurde in der Forschung akzentuiert, dass Ende 1104/Anfang 1105 von sächsischen Adligen, unter ihnen der Graf Dietrich von Katlenburg, ein Brief an die fraglichen bayerischen Adligen und an König Heinrich V. gesandt wurde, der ein Bündnisangebot enthielt und den jungen König aufforderte, nach Sachsen zu kommen. In diesem Brief nun wird die Notwendigkeit, gegen Heinrich IV. vorzugehen, mit dem Argument begründet, es sei „niemand […] in der Sintflut gerettet worden außerhalb der Arche, welche die Gestalt der Kirche trug“.100 Mit diesem Bibelzitat sei das entscheidende Motiv der Gegner Heinrichs IV. gefunden, so hat man gefolgert, es sei ihnen „nicht um einfaches Machtkalkül, […] sondern um ein existentielles Anliegen [gegangen]: die Rettung der Seelen“.101 In der Tat suchte Heinrich V. sofort, nachdem er den Vater verlassen hatte, die Unterstützung der Gregorianer in Rom und im Reich, um seinem Tun die nötige Legalität zu geben.102 Trieb ihn aber wirklich Fenske, Adelsopposition, S. 158; Weinfurter, Reformidee, S. 16f. Bosl, Das Nordgaukloster Kastl, S. 9–46; Tyroller, Die Herkunft der Kastler Klostergründer. 100 Monumenta Bambergensia, Nr. 116, S. 228. 101 Weinfurter, Reformidee, S. 8 f. 102 Siehe dazu Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 5, S. 205. 98
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vorrangig die Sorge zum Kampf gegen seinen Vater, selbst zur Zeit nicht in der Arche zu sein, weil er mit einem Exkommunizierten Kontakt pflegte? Oder war es doch stärker das Motiv des Machterhalts, das ihn abtrünnig werden ließ? Schließlich hatten ihn seine Freunde aus dem bayerischen Adel nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass er Gefahr laufe, seine Herrschaft zu verlieren, wenn er den Vater nicht im Stich ließe. Die so aufgebaute Alternative dürfte aber kaum entscheidbar sein. Auch im 11. Jahrhundert haben die Mächtigen ihre wahren Motive, wenn sie denn auf schieren Machterhalt zielten, erfolgreich zu verbrämen gewusst. Es ist also einigermaßen vermessen, entscheiden zu wollen, wie ernst den politisch Handelnden die Sorge gewesen sei, im Moment der Sintflut nicht in der Arche zu sein. Die Argumentation mit diesem Bild macht in jedem Fall klar, dass Herrschaft, die in fundamentale Gegensätze zum Papsttum und zur Amtskirche geriet, einen schweren Stand hatte und dass es als Legitimationsvorteil angesehen wurde, wenn man sich als Herrscher im Einklang mit dem Inhaber der cathedra St. Petri befand. Und auf diese Karte hat Heinrich V. bei seinem Vorgehen gegen den Vater denn auch voll und erfolgreich gesetzt. Ob aus tiefer Überzeugung oder aus taktischen Gründen, wird sich wohl nicht entscheiden lassen. Aus dem kaiserlichen Heere in Fritzlar floh Heinrich V. nach Bayern, wo er von dem schon genannten Grafen Dietpold und allen Großen der Region ehrenvoll empfangen und nach Regensburg geleitet wurde.103 Von hier schickte er sofort Boten an Papst Paschalis und bat ihn um Rat wegen des Eides, den er seinem Vater geschworen hatte und den er nun zu brechen im Begriffe war. Paschalis ließ ihm durch den Bischof Gebhard von Konstanz den apostolischen Segen übermitteln und versprach ihm die Absolution im Jüngsten Gericht, wenn er ein gerechter König und Lenker der Kirche sein wolle.104 Gebhard von Konstanz hat Heinrich V. bei ihrem Zusammentreffen in Bayern dann auch förmlich vom Bann gelöst und ihn bei seinen folgenden Aktionen 103 Zum Ablauf der Ereignisse siehe Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 5, S. 204 ff.; Robinson, Henry IV of Germany, S. 323 f. Vgl. auch Meier, Die Rebellion Heinrichs V. (1104/06) im Diskurs über Religion und Lüge, S. 33–40. 104 Siehe dazu Servatius, Paschalis II., S. 170 f.
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unterstützt und begleitet. Gegen die so tatkräftig begonnene Förderung seiner Sache durch die gregorianische Seite hatten die Großen, die Heinrich IV. zu seinem Sohn sandte, um ihn zur Versöhnung zu bewegen, keine Chance. Dabei waren es immerhin die Erzbischöfe von Köln und Trier, Herzog Friedrich von Schwaben und der Kanzler Erlung gewesen, die Heinrich V. überbrachten, dass der Vater „ihn mit Tränen und Befehlen zurückrief, ihn beschwor, den greisen Vater nicht zu kränken, ja, den Vater Aller nicht zu beleidigen“.105 Heinrich suchte vielmehr zielbewusst dort Unterstützung, wo die gregorianische Sache traditionell ihre Anhänger hatte. Folgerichtig eilte er von Bayern zunächst nach Thüringen, wo er mit Erzbischof Ruthard von Mainz zusammentraf, der ihn wohl deshalb unterstützte, weil Heinrich IV. ihn 1098 aus Mainz vertrieben hatte. Heinrichs V. Hauptziel war jedoch Sachsen, wohin er bereits durch Briefe sächsischer Adliger eingeladen worden war.106 Auch er selbst bereitete die Verhandlungen mit den Sachsen sorgfältig vor und schickte seine bayerischen Vertrauten, die Grafen Diepold und Berengar, nach Quedlinburg, wo diese die Bedingungen für eine sächsische Anerkennung des jungen Königs klärten. Diese Verhandlungen waren offensichtlich erfolgreich, denn Heinrich V. erhielt eine Einladung, zum Osterfest nach Sachsen zu kommen, und die Zusicherung von zukünftiger „Treue und Dienst“.107 Angesichts des Ausgleichs führender Gregorianer mit Heinrich IV. im Jahre 1098 und der allem Anschein nach unbestrittenen Herrschaft des Kaisers in den folgenden Jahren ist es bemerkenswert, wie intakt die alten Verbindungslinien der Gegner Heinrichs IV. noch waren beziehungsweise wie schnell sie wieder aktiviert werden konnten. Den Palmsonntag feierte Heinrich V. noch in Erfurt, wo es bereits zu einer förmlichen Königserhebung durch Sachsen und Thüringer gekommen zu sein scheint. Die Karwoche verbrachte er im Kloster Gernrode, das über eine prächtige Heilig-Grab-Anlage verfügte und Vita Heinrici IV. imperatoris, cap. 9, S. 30. Udalrici Babenbergensis Codex, Nr. 117, S. 228. 107 Zu den Einzelheiten siehe Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 5, S. 218– 221. 105 106
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so gewiss besonders für die Feier der Kartage geeignet war. Am Karfreitag aber zog er barfuß von Gernrode nach Quedlinburg und gab so ein deutliches Zeichen seiner humilitas und seines Bewusstseins, für seine Sünden Buße tun zu müssen.108 In Quedlinburg machte er allerdings gleich unmissverständlich deutlich, dass er entschlossen war, die Spaltungen, die die Herrschaft seines Vaters in der Kirche mit sich gebracht hatte, zu beseitigen. Unter Mitwirkung der Bischöfe Ruthard von Mainz und Gebhard von Konstanz wurden nämlich die von Heinrich IV. eingesetzten Bischöfe Friedrich von Halberstadt, Udo von Hildesheim und Heinrich von Paderborn ihrer Ämter enthoben. Das Gleiche wurde für alle Kleriker verfügt, die diese geweiht hatten, und auch das von diesen Bischöfen noch am Gründonnerstag geweihte Öl wurde nicht anerkannt. Wie wichtig der König diese Wiederherstellung der Einheit der Kirche nahm, zeigt auch die wenig später in Aussicht genommene Abhaltung einer Synode in Nordhausen, die noch vor Pfingsten zusammentreten und die verderbte Disziplin wiederherstellen sollte.109 Ekkehard von Aura hat als Teilnehmer den Ablauf dieser Synode ausführlich beschrieben und vermittelt einen lebendigen Eindruck davon, wie Heinrich sich im Verbunde mit seinen gregorianischen Helfern als ein König inszenierte, dessen vorrangiges Ziel die Einheit der Kirche und die Zusammenarbeit mit ihr war. Wieder kann man hier natürlich die Frage stellen, ob er dies aus wirklicher Überzeugung oder aus taktischen Gründen tat: „Dabei sahen wir, was wir nicht verschweigen dürfen, wie König Heinrich durch seine große Demut und sein Ansehen zugleich nicht geringe Hoffnung auf gute Anlagen bei allen erweckte. Denn obgleich er der Versammlung der Diener Gottes nur auf deren ausdrücklichen Wunsch beiwohnen wollte, erneuerte er schließlich, während er in schlichtem Gewand auf erhöhtem Platz stand, allen gemäß den Verfügungen der Könige voller Einsicht ihre Gesetze und Rechte. Wenn aber etwas Unvernünftiges gefordert 108 Zu dieser demonstrativen Ausdrucksform königlicher Demut siehe allgemein Althoff, Die Macht der Rituale, S. 104–136; speziell zu Heinrich V. ebd., S. 118 f. 109 Vgl. dazu Weinfurter, Reformidee, S. 17.
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wurde, so wies er das in bewundernswürdiger und über seine Jahre hinaus kluger Antwort und in ererbtem hohen Sinn zurück. In allem bewahrte er für sich selbst in wunderbarer Weise die Bescheidenheit des jungen Mannes und erwies den Priestern Christi die angemessene Ehrerbietung. Dabei rief er unter Tränen den König des Himmels selbst und die ganze himmlische Heerschar zu Zeugen an, daß er nicht aus Herrschsucht die Herrschergewalt des Vaters an sich reiße und keineswegs wünsche, daß sein Herr und Vater des römischen Reiches verlustig gehe, daß er vielmehr dessen Halsstarrigkeit und Ungehorsam stets das schuldige Mitleid entgegenbringe. Für den Fall aber, daß dieser sich nach dem christlichen Gesetz dem hl. Petrus und dessen Nachfolgern unterwerfen werde, versprach er, ihm im Reich Platz machen und untertänig dienen zu wollen. Das fand den Beifall der ganzen Menge, und unter Tränen und Gebeten sowohl für die Bekehrung des Vaters wie für das Glück des Sohnes rief sie mit lauter Stimme: Kyrie eleison. Zur gleichen Stunde warfen sich die Bischöfe Udo von Hildesheim, Heinrich von Paderborn und Friedrich von Halberstadt dem Metropoliten zu Füßen; vor ihm und dem König sowie der ganzen anwesenden Kirche als Zeugen verpflichteten sie sich zum Gehorsam gegenüber dem Papst. Ihre Vergehen wurden jedoch nichtsdestoweniger dem Gericht des Papstes vorbehalten, unter gleichzeitiger Suspension von ihrem Amt.“110 Das Auftreten des jungen Königs in Sachsen war also ganz darauf abgestellt, seinen Willen zur Zusammenarbeit mit der Kirche auf der Grundlage der gregorianischen Vorstellungen zum Ausdruck zu bringen. Der „Halsstarrigkeit und dem Ungehorsam“ des Vaters gegenüber der Kirche stellte er so das Konzept eines Königs gegenüber, das „den Priestern Christi die angemessene Ehrerbietung“ zollte. Das leidige Problem, wem das Recht der Bischofsinvestitur gebühre, scheint man auf dieser Synode nicht berührt zu haben. Es war und blieb noch länger ein gewiss heißes Eisen.111 Auf diese Weise erhielt der junge 110 Ekkehard, Chronica I, a. 1105, S. 227. Siehe dazu auch Servatius, Paschalis II., S. 186–189; Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 167 f.; Robinson, Henry IV of Germany, S. 326 f.; Fenske, Adelsopposition, S. 160. 111 Vgl. dazu Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 5, S. 224–227; Beulertz, Das
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König die dringend benötigte Unterstützung der Sachsen wie der Gregorianer und man würde seinen Beteuerungen auf dieser Synode gewiss bereitwilliger Glauben schenken, wenn er sie auch noch beachtet hätte, als er nach dem Tode des Vaters die Alleinherrschaft innehatte. Doch davon kann nicht die Rede sein.112 Nach der Konsolidierung seiner Stellung konnte der Sohn jedenfalls in die Offensive gehen und er zog gegen den Vater, der sich in der fraglichen Zeit relativ untätig in Mainz aufgehalten hatte. Zu kriegerischen Auseinandersetzungen aber waren Fürsten beider Seiten wenig bereit, da sie dem Vater wie dem Sohn Eide geleistet hatten.113 So kam es lediglich zu Verhandlungen, in denen erfolglos nach einer Lösung gesucht wurde. Es ist bemerkenswert, dass offensichtlich auch die Fürsten untereinander verhandelten und so selbständig ohne die beiden Protagonisten nach einer Lösung suchten. Doch bestand Heinrich V. allem Anschein nach auf einer Unterwerfung des Vaters unter den Papst, was eine Einigung undenkbar machte. Heinrich IV. hatte nämlich gerade selbst einen Versuch gestartet, mit Papst Paschalis Verhandlungen aufzunehmen. Leider hat sich nur die schriftliche Botschaft erhalten, die Heinrich IV. an Paschalis sandte, und nicht das, was er nach eigener Aussage dem Boten mündlich zur Überbringung anvertraute. Doch spricht der Tenor des Briefes nicht eben dafür, dass Heinrich IV. zu einer Unterwerfung unter die päpstlichen Forderungen bereit gewesen wäre.114 Unverrichteter Dinge zog der Sohn jedenfalls von Mainz ab und über Würzburg nach Nürnberg, das er nach einer Belagerung einnahm. Dann löste er sein Heer auf und zog sich nach Regensburg zurück.
Verbot der Laieninvestitur im Investiturstreit, S. 134 f., Servatius, Paschalis II., S. 189. 112 Vielmehr erneuerte Heinrich V. 1111 den Konflikt mit dem Papsttum aus ganz ähnlichen Gründen wie zuvor sein Vater; vgl. dazu Minninger, Von Clermont zum Wormser Konkordat, S. 159–176; Schlick, König, Fürsten und Reich, S. 66–81. 113 Anonymi Chronica imperatorum, a. 1105, S. 231; Robinson, Henry IV of Germany, S. 329 f. 114 Epistolae Heinrici IV, Nr. 34, S. 43 f.
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Nun zeigte sich jedoch, dass es auch dem Vater durchaus nicht an militärischen Kräften fehlte, denn er folgte wohl unbemerkt seinem Sohn und überraschte ihn mit seinem Auftauchen vor Regensburg so sehr, dass Heinrich V. fluchtartig die Stadt räumen musste. Die Überraschung hielt aber nicht lange vor und bald standen sich am Fluss Regen die Heere des Vaters und des Sohnes kampfbereit gegenüber. Es drohte das, was man vor Mainz noch zu vermeiden gesucht hatte: der vatermörderische Krieg (parracidale bellum).115 Wieder aber, wie vor Mainz, scheint sich das Verantwortungsbewusstsein der Fürsten durchgesetzt zu haben: „An dem Tag vor dem mit Sicherheit bevorstehenden allgemeinen Kampf begannen die Fürsten, die die mächtigsten Häupter [capita roburque] der beiden Heere zu sein schienen, miteinander Friedensgespräche. Sie erörterten lange untereinander die Ursachen des gegenwärtigen Krieges und begegneten sich schließlich– wie man glaubt, belehrt vom Geiste Gottes – in der einmütigen Überlegung, daß in einem so harten und gefahrvollen Unternehmen wenig Gerechtigkeit und Erfolg sei. Deshalb kamen sie zu dem übereinstimmenden Urteil, daß man das Volk […] schonen und überhaupt von einem vatermörderischen Krieg Abstand nehmen müsse.“116 Erneut finden wir hier also die Eigeninitiative der Fürsten, die eine Eskalation der Gewalt verhindert, wie wir es immer wieder beobachten konnten. Erst der spätere Chronist Otto von Freising enthüllt, mit welchen Mitteln der Überzeugung in dieser Situation auch gearbeitet wurde. Heinrich V. hat nämlich in dieser Situation offenbar seine Schwester Agnes, die Witwe des Stauferherzogs Friedrich, dem Markgrafen Leopold zur Ehe versprochen und so erreicht, dass dieser Heinrich IV. die Unterstützung aufsagte. Otto von Freising musste es wissen, er war ein Sohn aus der so gestifteten Ehe.117
Anonymi Chronica imperatorum, a. 1105, S. 230. Anonymi Chronica imperatorum, a. 1105, S. 233; wörtlich gleich Ekkehard, Chronica I, a. 1105, S. 228. 117 Otto von Freising, Chronik, lib. 7, cap. 9, S. 321. Zur Eigeninitiative der Fürsten, die eine friedliche Lösung anstrebten, vgl. Suchan, Königsherrschaft, S. 168 f.; Schlick, König, Fürsten und Reich, S. 57. 115
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Durch diesen und einige andere Parteiwechsel seiner Anhänger sah sich Kaiser Heinrich dann gezwungen, heimlich das Heerlager zu verlassen und zu flüchten.118 Mit einem komplizierten Umweg über Böhmen und Sachsen erreichte er schließlich wieder Mainz, wo man nun einen Angriff des Sohnes fürchtete. Daraufhin flüchtete Heinrich IV. noch einmal, zunächst auf die Burg Hammerstein, dann nach Köln. Es begann der letzte Akt im Drama Heinrichs IV., der seinem Sohn militärisch wohl nicht mehr gewachsen war. Einem für Weihnachten 1105 für Mainz angesagten Hoftag, zu dem sein Sohn alle Fürsten geladen hatte, wollte sich Heinrich IV. aber stellen, um seine Sache zu verteidigen. Während wir für die vergangenen Jahrzehnte häufig die Stimmen der Gegner Kaiser Heinrichs geradezu überlaut hörten, sind wir über diese letzte Phase der Auseinandersetzung auch aus seiner Perspektive informiert. In einer ganzen Reihe von Briefen hat er nämlich seinen Standpunkt zum Ausdruck gebracht und den vermeintlichen Verrat und die Verfolgungen seines Sohnes, die er zu erdulden hatte, minutiös geschildert.119 Die wichtigsten Briefe waren an seinen Taufpaten, den Abt Hugo von Cluny, an den französischen König Philipp und an Heinrich V. adressiert, doch geht man in der Forschung davon aus, dass die Briefe an den französischen König und seinen Sohn für eine allgemeine Verbreitung bestimmt waren und Heinrichs Position in diesen letzten Auseinandersetzungen verdeutlichen sollten.120 Aus dem Brief an Hugo von Cluny spricht daher wohl am direktesten das persönliche Erleben Heinrichs IV., auch wenn die rhetorische Stilisierung der Darstellung unübersehbar ist. Es bietet sich daher an, bei der Schilderung der Vorgänge von diesem Brief auszugehen und erst danach die Version zu diskutieren, die durch Ekkehard von Aura als Sprachrohr der Partei Heinrichs V. formuliert wurde. Schon der Eingang des Briefes lässt ermessen, wie viel rhetorischer Aufwand bei seiner Abfassung getrieben wurde: „Ach wäre es uns Vgl. Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 5, S. 242f. Epistolae Heinrici IV, Nrn. 37–42, S. 46–64. 120 Zu diesen Briefen vgl. Erdmann, Untersuchungen zu den Briefen Heinrichs IV., S. 222 ff. 118 119
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doch vergönnt, dein engelsgleiches Antlitz leibhaftig zu sehen, damit wir zu deinen Knien hingestreckt, unser Haupt, das du aus dem Urquell des Heils hobst, vertrauensvoll in deinen väterlichen Schoß legen und dort unsere Sünden beweinend die Menge unserer Drangsale der Reihe nach erzählen könnten.“121 Dann schildert Heinrich den Ablauf der Ereignisse, die zu seiner Entmachtung führten, und seine konkreten Angaben werden durch die Nachrichten der Gegenseite bestätigt. Er habe zum angekündigten Hoftag nach Mainz ziehen wollen, doch sei ihm sein Sohn bis Koblenz entgegengezogen. Hier kam es zu direkten Verhandlungen zwischen Vater und Sohn, die Heinrich IV. so schildert: „Nachdem wir uns dort getroffen hatten, warfen wir uns ihm sogleich zu Füßen und baten einzig um Gottes und seiner Seele willen aufs innigste, er möge doch von der unmenschlichen Verfolgung seines Vaters ablassen. Er aber warf sich seinerseits unter dem Anschein und Deckmantel des Friedens und des Einverständnisses uns zu Füßen und bat unter Tränen und beschwor uns, wir möchten uns ihm bei seiner Seele und seiner Treue anvertrauen und, da er von unserem Fleisch und Blut sei, nicht zögern, mit ihm zu dem genannten Tag nach Mainz zu gehen. Er selbst wolle uns unter Garantie unserer Sicherheit dorthin geleiten und […] zu jedem gewünschten Ort zurückführen.“122 Nach dieser Garantie habe Heinrich IV. seine Begleitung entlassen und sich dem Sohn anvertraut. In Bingen habe dann aber Heinrich V. sozusagen seine Maske fallen gelassen und seinem Vater eröffnet, er Epistolae Heinrici IV, Nr. 37, S. 47: Et utinam nobis contingeret faciem tuam angelicam corporaliter videre, ut tuis affusi genibus caput nostrum, quod de fonte salutari suscepisti, in sinum [sanct]itatis tuê familiariter possemus reclinare ibique peccata nostra deflendo multitudinem tribulationum nostrarum per ordinem enarrare. 122 Epistolae Heinrici IV, Nr. 37, S. 48: Postquam vero illuc convenimus, statim procidens ad pedes eius cêpimus pro solo deo et anima sua affectuosissime rogare, ut vellet iam cessare ab inhumana patris persecutione. Ille autem econtra sub specie et velamine pacis et conventionis provolutus ad pedes nostros lacrimando rog[abat et] obsecrabat nos, ut fidei et animê suê nos committentes, q[uia os] nostrum et caro nostra erat, non dubitaremus cum eo ad prêfatum coll[oquium ire] Mogontiam; illuc nos ipse duceret omni certitudine securi[ta]tis […] ad locum, quem vellemus, securissime reduceret. 121
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bringe ihn nicht nach Mainz, sondern auf eine Burg. Alle Bitten des Vaters, dies nicht zu tun, fruchteten nichts: „sie führten uns als Gefangene gegen unseren Willen ab, schlossen uns dort in strengste Haft und übergaben uns unseren Todfeinden. Außer drei Laien wurden alle unsere Leute entfernt, und nicht einmal ein Priester wurde uns gelassen, von dem wir – da wir doch an unserem Leben verzweifelten – den Leib und das Blut unseres Herrn als Wegzehrung hätten empfangen und dem wir unsere Sünden hätten beichten können. Wir wurden von Hunger und Durst und jeder nur möglichen Art von Schmach und Schrekken bis zur Todesnot gequält und wir wurden uns gewiß, daß wir nicht lange leben könnten, […] wenn wir uns nicht seinem Willen fügten. […] Es gebe für uns keinen Gedanken an Befreiung, wenn ihm nicht alsbald Kreuz, Lanze und die übrigen Herrschaftsinsignien ausgeliefert würden. Als wir uns völlig klar darüber geworden waren, daß es für uns keinen anderen Weg zur Freiheit gab, erteilten wir den Leuten der Burg, in der die Herrschaftszeichen aufbewahrt wurden, den Auftrag, uns auf diese Weise wenigstens das Leben zu erkaufen. Sie erkannten die Gefahr für unser Leben und lieferten Kreuz und Lanze mit den übrigen Zeichen aus, wenn auch widerstrebend.“123 Die Gegenseite produzierte eine gänzlich andere Version dieser Geschehnisse, die zwar durchaus noch erkennen lässt, dass es zu dem Zusammentreffen zwischen Vater und Sohn und auch zu der GefangenEpistolae Heinrici IV, Nr. 37, S. 49: Contra omnem voluntatem nostram captivos nos duxerunt, ibique retrusi in artissima custodia traditi sumus mortalibus nostris inimicis, exclusis omnibus nostris prêter tres laicos, nec etiam relictus est nobis sacerdos, cum de vita nostra desperaremus, a quo possemus corpus et sanguinem domini pro viatico accipere et cui possemus peccatorum nostrorum confessionem facere. Ubi etiam afflicti sumus fame et siti et omni genere contumeliê et terroris usque ad ipsum articulum mortis, […] nisi voluntati eius satisfaceremus. […] liberationis nostrê nullum esset consilium, nisi extemplo daretur ei crux et lancea cêteraque regalia insignia. Cum ergo indubitanter intellexissemus nos nullatenus aliter quam hoc modo liberari posse, mandavimus illis, qui erant in castello, ubi regalia habebantur, ut saltem hoc modo vitam nobis redimerent. Qui periculum vitê nostrê intelligentes prefatam crucem et lanceam cum aliis insignibus, licet inviti, tradiderunt. Siehe dazu ausführlich Huth, Reichsinsignien und Herrschaftsentzug, S. 287–310. 123
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nahme kam, aber die Schuldfrage wird gänzlich anders dargestellt: „Der Kaiser wollte nämlich nach Mainz eilen, um den Hoftag zu verhindern, den alle Fürsten wegen der augenblicklich schwebenden Fragen anberaumt hatten […] der König traf ihn um den 13. Dezember in Bingen […] und der Sohn mahnte den Vater wegen des Kirchenbanns und der übrigen ungewöhnlichen Vergehen gegen das Gemeinwesen und versprach den schuldigen Gehorsam, sobald der Kaiser nur zur Vernunft zu kommen geruhe. Der Ältere [sc. Heinrich IV.] indessen verschob diese und andere derartige Angelegenheiten bis zur Verhandlung durch die Fürsten und deren Beschluß auf dem bevorstehenden Hoftag, und so wandten sich beide mit ihrer Begleitung in gegenseitiger friedlicher Gesinnung gemeinsam zu der oft genannten Metropole. Unterdessen meldeten dem Sohn einige Getreue, der Vater versuche mittels geheimer Boten einiges in die Wege zu leiten, was diesem Vertrag und dem Frieden nicht entspreche, und so schien es ihnen richtiger, daß der Vater allein mit den Seinen in einer absolut sicheren Burg die Fürstenversammlung abwarte, zumal die Bischöfe von Mainz und Speyer sowie die übrigen Anwesenden öffentlich geltend machten, ihm in ihren erst kürzlich wieder versöhnten Kirchen keine Gemeinschaft gewähren zu können.“124 Diese Version der Partei Heinrichs V. bietet vor allem den Unterschied, dass es geheime Machenschaften des Kaisers gewesen seien, die seine „Separierung“ nötig gemacht hätten, eine Formulierung, die den Tatbestand der Gefangennahme zu schönen versucht. Man ist daher geneigt, die Ausführungen im Briefe Heinrichs für realitätsbezogener zu halten als diese einigermaßen lahme Rechtfertigung des königlichen Verhaltens. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich bei der Begegnung von Vater und Sohn das Recht des Stärkeren durchsetzte. Dieser Eindruck verstärkt sich beim weiteren Vergleich der beiden Versionen. Es kam nämlich noch ein zweites Mal zu einem persönlichen Zusammentreffen zwischen Vater und Sohn, dieses Mal in Ingelheim. Hören wir zunächst wieder die Version des Kaisers von diesem Treffen: „Nach diesen unmenschlichen Handlungen […] führten sie uns 124
Ekkehard, Chronica I, a. 1105, S. 229 f.
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aus diesem schrecklichen Gefängnis nach Ingelheim bei Mainz. Dorthin kam unser Sohn mit unseren Todfeinden und deren Anhang, während unsere Getreuen fast alle in Mainz geblieben waren. […] Wir wurden dort wieder peinlichster Befragung und ungerechten Forderungen unterworfen in Gegenwart des päpstlichen Legaten. […] Als wir dagegen verlangten, antworten und uns gegen alle Vorwürfe in würdiger Weise rechtfertigen zu dürfen, schlugen sie es gebieterisch ab; das würden selbst Barbaren nicht einmal einem Knecht antun. Wir sahen also, daß uns doch nur Gewalt und ein längst gefälltes Urteil würde, und warfen uns deshalb ihnen zu Füßen und baten um Gott und ihrer Ehre willen, derartige Verhöre und Vorwürfe dem apostolischen Stuhl zu überlassen und uns bis dahin die Würde der persönlichen Freiheit zu belassen. […] Aber auch das wurde uns entgegen aller Menschlichkeit verweigert. Wir erfragten darauf eindringlich, ob es für uns noch irgendeine Hoffnung auf Leben oder Rettung gebe oder eine Möglichkeit freizukommen. Man gab uns zur Antwort, wir könnten der drückenden Gefangenschaft nur entrinnen, wenn wir das ausführten, was sie uns gegen Recht und Würde abverlangten, nämlich, daß wir nach ihrem Willen die Krone des Reiches herausgäben. Kurzum, nachdem sie alles von uns nach ihrem Willen und Befehl erpresst hatten, gingen sie nach Mainz und ließen uns entehrt zurück.“125 Dem Brief ist am Ende übrigens noch von einer anderen Hand hinzugefügt worden: „Außerdem klagen wir dir, daß unser Sohn in seinen Schreiben überall verkündet, wir hätten alle Regalien freiwillig ausgeliefert. Deine Heiligkeit wisse, daß das nicht wahr ist.“ In seinem für eine allgemeinere Verbreitung bestimmten Brief, der an den französischen König adressiert ist, hat Heinrich IV. seine persönliche Notlage und den Zwang, dem er ausgesetzt war, im Übrigen noch dramatischer dargestellt. Hierfür nur ein Beispiel: „Als ich ihn sah, fiel ich ihm sogleich aus väterlicher Zuneigung zu Füßen, bekümmert in meinem Herzen und ermahnte und beschwor ihn bei Gott, bei seinem Glauben, bei dem Heil seiner Seele, seiner Ehre, er möge, wenn ich schon für meine Sünden von Gott zu züchtigen war, um meinetwillen keinen 125
Epistolae Heinrici IV, Nr. 37, S. 49 f.
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Abb. 9: Übergabe der Krönungsinsignien durch Heinrich IV. an Heinrich V. In: Ekkehard von Aura, Chronik, um 1125.
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Schaden an seiner Seele, seiner Ehre und seinem Namen nehmen, denn kein göttliches Gesetz verlangt vom Sohn, die Schuld des Vaters zu verfolgen. Aber er war bereits herrlich, nein vielmehr aufs elendste zur Bosheit abgerichtet und begann zum Schein das verabscheuungswürdige und verdammungswerte Verbrechen zu verfluchen. Auch er warf sich nieder zu meinen Füßen, bat für Vergangenes um Verzeihung und versprach unter Tränen für die Zukunft, mir wie ein Vasall seinem Herrn, wie ein Sohn seinem Vater in Treue und Aufrichtigkeit zu gehorchen, wenn ich mich nur mit dem apostolischen Stuhl aussöhnen wollte.“126 Die Darstellung der Gegenseite bestätigt das erneute Treffen zwischen Vater und Sohn, doch gibt sie eine gänzlich andere Schilderung von seinem Inhalt: „Die Fürsten gingen ihm nach Ingelheim entgegen, um einen Volksaufstand [sc. in Mainz] zu verhindern, da die Menge mehr der Partei des Vaters als der des Sohnes zuneigte. Sie sprachen ihm zu und veranlassten ihn schließlich auf allgemeinen Rat hin, seine Schuld zu bekennen und Genugtuung zu versprechen. Da die Legaten ihm im Augenblick die kirchliche Gemeinschaft und das Maß der Buße nicht ohne Urteil einer allgemeinen Synode und des Papstes gewähren konnten, stimmte er dem Rat beider Seiten zu und übergab die königlichen und kaiserlichen Insignien, nämlich Kreuz und Lanze, Zepter, Weltkugel und Krone in die Gewalt des Sohnes. Er wünschte diesem Glück, empfahl ihn unter zahlreichen Tränen den Fürsten und versprach, von nun an gemäß den Verfügungen des Papstes und der ganzen Kirche für seine Seele zu sorgen.“127 Die Suggestion eines freiwilligen Amtsverzichts Heinrichs IV. lag im Interesse seines Sohnes und diesem Darstellungsziel ist die zitierte Schilderung verpflichtet. Diesen freiwilligen Verzicht aber hat es allem Anschein nach nicht gegeben, auch wenn ein Bild in der Chronik Ekkehards von Aura genau diese freiwillige Übergabe der Insignien zeigt.128 Heinrich IV. dürfte vielmehr auf Grund der realen MachtverEpistolae Heinrici IV, Nr. 39, S. 54. Ekkehard, Chronica I, a. 1106, S. 231. 128 Huth, Reichsinsignien und Herrschaftsentzug, S. 287 f., 292; siehe dazu Abb. 9. 126 127
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hältnisse mit der Androhung von Gewalt zur Aufgabe gezwungen worden sein. Es lässt sich sicher weder entscheiden, wie viel hinterhältige List dabei im Spiel war, noch, wie realistisch eigentlich die Hoffnung des alten Kaisers auf das Eingreifen seiner Getreuen war, von dem er in seinen Briefen spricht. Außer den Bewohnern der rheinischen Bischofsstädte scheinen wenige relevante Kräfte in diesen Jahren bereit gewesen zu sein, seine Herrschaft zu unterstützen. Insofern hatte der Sohn wahrscheinlich leichteres Spiel, als es die Briefe des Vaters erscheinen lassen, denn wer auch immer die letzten Getreuen des Kaisers unter den Fürsten waren, bei den Vorgängen rund um Mainz traten sie nicht aktiv in Erscheinung. Doch auch mit der Entmachtung in Ingelheim war das Drama noch nicht zu Ende. Heinrich IV. entfloh nämlich nach Köln, wandte sich dann nach Nieder-Lothringen und fand hier erneut Unterstützung. 129 In Köln verzichtete er auf den von den Bürgern angebotenen festlichen Einzug, weil er kein Amt mehr innehabe; in Aachen zog er dagegen im tiefen Winter 1106 barfuß in die Pfalz.130 Damit demonstrierte er wohl seine Bereitschaft zur Buße und Genugtuung öffentlich, die von kirchlicher Seite in hartherziger Strenge nicht honoriert wurde, wie es zuletzt der päpstliche Legat durch sein Verhalten in Ingelheim zum Ausdruck gebracht hatte. Der Kampf gegen den Sohn wurde also mit den gleichen symbolischen Mitteln fortgesetzt, die auch dieser benutzt hatte, als er barfuß in Quedlinburg eingezogen war.131 Schließlich nahm der alte Kaiser in Lüttich Aufenthalt, wo er mit tatkräftiger Unterstützung des Bischofs Otbert von Lüttich erfolgreich um militärische Hilfe für seine Sache warb.132 Auch Angehörige des lothringischen Hochadels fanden sich zur Unterstützung bereit. Dies veranlasste Heinrich V., dem Vater mit einem Heer nachzuziehen, dessen berittene Vorhut jedoch in der unmittelbaren Nähe Lüttichs, bei Visé, vollständig vernichtet wurde. Da zu allem Überfluss die Bürger Kölns 129 Vgl. dazu Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 5, S. 286–289; Robinson, Henry IV of Germany, S. 338. 130 Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 5, S. 288f. 131 Siehe dazu oben bei Anm. 108. 132 Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 5, S. 290.
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Heinrich V. die Tore verschlossen, war er gezwungen, das Osterfest in Bonn zu feiern und sich danach bis Mainz zurückzuziehen.133 Ein wenig angemessener Auftakt für einen gerade erhobenen König. Kein Wunder, dass all diese und mehr Einzelheiten in der Lebensbeschreibung Heinrichs IV. genüsslich ausgemalt und überdies die angebliche Klage des Sohnes vor den Fürsten ausführlich referiert wird. Sie gipfelte in der Feststellung: „Welchem König wurde je solche Schmach angetan? Doch diese Schmach trifft nicht mich allein: auch ihr seid verachtet worden.“134 Ob diese Klage, die ja in gewisser Weise eine Selbstkritik ist, sich nicht der Darstellungsabsicht des Anhängers Heinrichs IV. verdankt, ist kaum sicher zu entscheiden. Doch scheiterte Heinrich V. im Sommer des Jahres offensichtlich auch an der Belagerung Kölns und es war immer noch kein Ende der Auseinandersetzung abzusehen. In dieser Situation hat sich Heinrich noch einmal brieflich und durch Unterhändler an seinen Sohn gewandt, sich dabei zum Gehorsam gegenüber dem Papst bereit erklärt und den Papst sogar als Vermittler zwischen sich und dem Sohn akzeptieren wollen.135 Die andere Seite nahm dieses Angebot immerhin so ernst, dass sie die Antwort Heinrichs V. auf den Rat der Fürsten öffentlich verkünden ließ. Sie enthielt im Kern die Bereitschaft, alle Streitpunkte der Regierungszeit Heinrichs IV. noch einmal zu untersuchen, um so Gerechtigkeit zu schaffen: „Daher halten es sowohl der König als auch alle Fürsten des Reiches und das ganze rechtgläubige Heer für richtig, daß der ältere Heinrich, um keine berechtigten Klagen mehr gegen uns vorbringen zu können, jede ihm beliebende Sicherheit erhält und an jedem ihm beliebenden Ort in Anwesenheit der Fürsten und des Volkes seine Sache vertritt, Gerechtigkeit empfängt und Gerechtigkeit gibt, damit alle Ursachen der Aufstände von Ausbruch des Schismas an, so als sei darüber noch nichts Ebd., Bd. 5, S. 297 ff. Vita Heinrici IV. imperatoris, cap. 13, S. 40. 135 Vgl. Epistolae Heinrici IV, Nr. 40, S. 60: […] et parati sumus omnem debitam obêdientiam et reverentiam ei presentialiter et semper exhibere […] Quodsi nulla alia causa vel reverentia seu intercessio nobis valet apud te […] ad hoc idem Romanum pontificem […] appellamus. 133 134
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entschieden, nach allen Seiten hin erörtert werden und sodann dem Sohn und dem Vater Recht werde, der Zustand der Kirche und des Reiches aber aufhöre zu wanken; und zwar nicht erst nach einem längeren Zeitraum, wie er selbst es seiner Gewohnheit gemäß vorschlägt, sondern sofort nach Beilegung der Streitpunkte.“136 Dann aber starb der Kaiser nach kurzer Krankheit am 7. August in Lüttich. Er ließ seinem Sohn Ring und Schwert und eine letzte Bitte überbringen: ihn im Dom zu Speyer an der Seite seiner Ahnen zu begraben. Es dauerte bis 1111, bis zu der Zeit, als der Sohn selbst mit dem Papsttum größte Schwierigkeiten hatte, ehe dieser letzte Wunsch des Vaters erfüllt wurde.137 Zuvor hatte Heinrich V. nämlich den in der Lütticher Kathedrale bestatteten Leichnam des Vaters aus der Kirche entfernen und ihn in einer ungeweihten Kapelle außerhalb der Stadt beisetzen lassen. Es fällt wieder schwer zu entscheiden, ob dieses Verhalten eigener Überzeugung entsprach oder den gregorianischen Partnern geschuldet wurde, die Heinrich V. entscheidend geholfen hatten, die Königswürde zu übernehmen. Selbst im Tod schieden sich an Heinrich IV. noch die Geister. Man kann auch sagen, dass man sich ihm gegenüber so verhielt, wie man sich gegenüber Gebannten zu verhalten hatte, denen ein Begräbnis im geweihten Raum gewiss nicht zustand. Der Autor der Lebensbeschreibung Heinrichs IV. hat die unterschiedlichen Reaktionen auf den Tod des Kaisers in eindringlicher Weise in seinem letzten Kapitel zum Ausdruck gebracht, in einer Weise jedoch, bei der wie so häufig die Grenzziehung zwischen Fiktion und Realität äußerst schwer fällt: „Plötzlich kam eine Nachricht, die den trüben Himmel ihrer Verwirrung in heiteres Blau verwandelte. Es hieß nämlich, der Kaiser habe das Zeitliche gesegnet. Zunächst nahmen sie diese Kunde noch zweifelnd auf, aber als ein Bote gekommen war, der dem Sohn das letzte Geschenk des Vaters, nämlich Ring und Schwert, mit seinen letzten Weisungen brachte, da brach ein solcher Jubel aus, daß die Rufe der Glückwünschenden kaum mehr enden wollten.“ 136 137
Vgl. Ekkehard, Chronica III, a. 1106, S. 238. Siehe dazu Ehlers, Metropolis Germaniae, S. 117–124.
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Mag man diese Darstellung noch für einigermaßen realistisch halten – und sie wird auch durch andere Zeugnisse gestützt –, so wird dies hinsichtlich der dann ausführlich erzählten Reaktionen der anderen Seite zunehmend schwieriger: „Aber nicht minder heftig war die Trauer an der Bahre des Kaisers. Fürsten trauerten, das Volk wehklagte, überall hörte man Seufzen und Klagen, überall die Stimmen der Trauernden. Zu seiner Bestattung strömten Witwen und Waisen und alle Armen des ganzen Landes herbei; sie weinen, weil sie den Vater verloren, ihre Tränen fließen über seinen Leichnam, sie küssen seine freigebigen Hände. Man konnte sie kaum davon abbringen, den entseelten Leib zu umarmen, ja, man konnte ihn kaum bestatten. Sie wichen auch nicht von seinem Grabe, sie harrten bei ihm in Nachtwachen, Tränen und Gebeten aus, und klagend erzählten sie und im Erzählen klagten sie, welche Werke der Barmherzigkeit er an ihnen getan.“138 Die Absicht dieser Akzentuierung liegt unmittelbar auf der Hand. Der Kaiser der Armen hat sich die Krone, die ihm im irdischen Leben vom Sohn genommen wurde, im himmlischen Leben vielfältig verdient. Und genau dies drückt der unbekannte Autor anschließend auch aus: „Glückselig bist du, Kaiser Heinrich, der du dir solche Wachen und Fürbitter erworben hast, vielfältig erhältst du aus der Hand des Herrn nun zurück, was du im Verborgenen den Armen gabst.“139 Damit ist implizit ein deutliches Urteil über seine Gegner gesprochen. Doch wie verhält es sich mit der Historizität dieser Aussagen, die der Verfasser gut vorbereitet hatte? Schon in früheren Kapiteln hatte er Vita Heinrici IV. imperatoris, cap. 13, S. 43: Sed non minor luctus circa funus imperatoris erat; proceres plangebant, vulgus lamentabatur; ubique gemitus, ubique planctus, ubique vox dolentium audiebatur. Ad exequias illas viduae, pupilli, denique totius patriae pauperes conveniunt, deflent se orbatos patre, fundunt in corpus lacrimas, deosculantur largas manus. Vix avellebantur ab amplexu extincti corporis, vix illud condendi copia dabatur. Sed nec tumulum deserebant, ibi vigiliis, lacrimis et orationibus vacabant, plangendo recitantes et recitando plangentes, quaenam opera misericordiae fecisset in se, […]. 139 Vita Heinrici IV. imperatoris, cap. 13, S. 43: Felix es, imperator H[einrice], qui tales excubias, tales intercessores tibi parasti, qui nunc multipliciter auctum de manu Domini recipis, quod in manus pauperum abscondisti. 138
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Abb. 10: Grabkrone Heinrichs IV. aus vergoldetem Kupferblech.
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unterstrichen, welchen Stellenwert die Armen im Leben des Kaisers hatten, sie begleiteten ihn angeblich auf seinen Reisen, aßen an seinem Tisch, schliefen in seinem Schlafgemach und konnten sich jeder Fürsorge von Seiten seiner Person sicher sein. Selbst die eiternden und stinkenden Wunden zu versorgen, vor denen sich die Diener ekelten, war er sich nicht zu schade.140 So wie wir es im Verlaufe der Darstellung immer wieder mit extrem negativen Urteilen über Heinrich IV. zu tun hatten, so stehen wir hier vor einer extrem positiven und gleichermaßen ungewöhnlichen Charakterisierung dieses Herrschers, zu deren Realitätsgehalt es keinen leichten Zugang gibt. Die positive Wertung am Ende von Heinrichs Leben scheint nicht weniger rätselhaft als die vielen Vorwürfe, die ihm während seiner Regierung und vorrangig zu Beginn seiner Herrschaft gemacht wurden. In der modernen Forschung ist die Charakteristik als König der Armen jedenfalls nicht als Baustein für ein Urteil über diesen Salier genutzt worden. Zu deutlich schien wohl in diesem Urteil die Absicht durch, der Exkommunikation durch die Amtskirche die Wertung entgegenzustellen, dass er wie kein anderer Forderungen des Evangeliums gerecht geworden sei.
Vita Heinrici IV. imperatoris, cap. 1, S. 10. Zur Bedeutung der Armen in der Vita vgl. Bornscheuer, Miseriae regum, S. 197f. 140
VI. Aspekte einer Gesamtwürdigung Heinrichs IV. Wie einleitend bereits angekündigt, ist in den bisherigen Kapiteln immer wieder die Spannung beschrieben worden, die zwischen den etablierten Normen und Gewohnheiten der Gesellschaft des 11. Jahrhunderts und den Handlungen Heinrichs IV. bestand, zumindest nach der Auffassung seiner vielen Gegner. Nach deren Meinung hat er sich ja über so gut wie alle Regeln und Konventionen hinweggesetzt, die im 11. Jahrhundert Ordnung etablierten und garantierten. Diese Spannung liefert gewiss auch einen Schlüssel zum Verständnis des „von der Parteien Gunst und Hass verwirrten“ Bildes Heinrichs IV., wenn es gelingt, ihre Ursachen zu erklären. Daher erscheint es angemessen, exemplarisch noch einmal Aspekte von grundsätzlicher Bedeutung herauszuarbeiten und sie als Basis für eine Annäherung an die Persönlichkeit dieses Herrschers zu nutzen, so schwierig dieses Unterfangen angesichts der Unvereinbarkeit vieler Urteile auch sein mag. Begonnen sei der Versuch daher mit einer systematischen Bewertung der Stimmen seiner Gegner wie seiner Anhänger.
1. Die Urteile der Gegner 1.1 Rahmenbedingungen der Herrscherkritik Jede Bewertung Kaiser Heinrichs IV. hat gewiss davon auszugehen, dass für seine Zeit und seine Herrschaft völlig ungewöhnliche Überlieferungsbedingungen herrschen: Die Stimmen seiner Gegner sind schon rein quantitativ deutlich in der Überzahl. Eine Fülle von Einzelinformationen verdanken wir folgerichtig allein der Perspektive seiner Feinde, was in den Untersuchungskapiteln immer wieder die Frage nach ihrer Glaubwürdigkeit aufwarf, die selten mit der nötigen Sicherheit zu beantworten war. Der Quellenwert von Vorwürfen gegen den
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Herrscher und von negativen Bewertungen seines Handelns hängt nun aber nicht allein davon ab, ob die Aussagen wahr oder sachlich gerechtfertigt sind. Selbst böswillige Erfindungen sind für Historiker von Interesse, da sie Zeugnis von dem politischen Klima geben, in dem sie entstanden sind und das sie beeinflusst haben. Im Falle Heinrichs IV. sind die Vorwürfe jedoch so gravierend und zugleich so zahlreich, dass sie einen entscheidenden Baustein zur Beurteilung des Herrschers abgeben dürften, wenn es gelingt, zumindest die Bedingungen ihrer Entstehung und ihrer Verwendung zu klären. Schließlich ist es schon ein signifikanter Befund, dass diesem Herrscher von seinen Gegnern so gut wie alle erdenklichen Schlechtigkeiten und Verbrechen zugetraut und attestiert wurden. Vergleicht man den Befund mit den Zeiten seiner Vorgänger, wird unmittelbar einsichtig, wie außergewöhnlich er ist. Gewiss sind Herrschermahnung und Herrscherkritik auch unter seinen salischen und ottonischen Vorgängern durchaus nicht unbekannt, und die Geschichtsschreiber haben sie in teilweise sehr subtilen Formen praktiziert.1 Doch machen die erhaltenen Beispiele eines auch überdeutlich: Man hatte Rücksichten zu nehmen, und dies umso mehr, je mehr man damit rechnen musste, dass die Texte den Mächtigen zur Kenntnis gelangten. Folgerichtig finden sich nur ganz vereinzelt Beispiele einer offenen und polemischen Herrscherkritik, wie sie etwa in den Quedlinburger Annalen an der Herrschaftsführung Heinrichs II. geübt wird. Der Autor oder die Autorin rechnete ganz offensichtlich nicht damit, dass die Wertungen Heinrichs II. diesem zur Kenntnis kommen könnten.2 Solchen kritischen Bewertungen steht eine Vielzahl panegyrischer Darstellungen gegenüber, in denen alles getan wird, die Handlungen der Herrscher ins rechte Licht zu rücken und zu zeigen, wie sehr diese dem Idealbild eines christlichen Königs entsprachen. 1 Vgl. dazu ausführlich Bornscheuer, Miseriae regum, passim, der die Darstellung und Bewertung von Herrschaftskrisen in der Historiographie der Ottonen- und Salierzeit untersuchte und zeigte, wie subtil man diese als Prüfungen Gottes, etwa als humiliatio vor der exaltatio zu deuten wusste. Siehe neuerdings Körntgen, Königsherrschaft und Gottes Gnade, bes. S. 11ff. mit vielen weiteren Hinweisen zur bisherigen Forschung. 2 Althoff, Gandersheim und Quedlinburg, S. 143.
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Die Gegner Heinrichs IV. unter den Geschichtsschreibern seiner Zeit waren dagegen allesamt bemüht herauszuarbeiten, dass Heinrich IV. dem Gegenbild des christlichen Herrschers entsprach: dem rex iniquus. Und sie benutzten im Wesentlichen die gleichen Argumente, obgleich sie untereinander offensichtlich keine Verbindungen hatten und ihre jeweiligen Werke sicher nicht kannten. Es ist daher von herausragender Bedeutung abzuschätzen, wie es überhaupt zu dieser Darstellungsabsicht gekommen ist, alles Negative und Schlechte über die Absichten und Handlungen des Königs zu dokumentieren. Dieses Problem wurde in der chronologisch orientierten Darstellung bereits mehrfach angesprochen, es verdient aber eine systematisierende Behandlung. Was brachte mit anderen Worten die Gegner Heinrichs IV. dazu, ihre politischen Positionen und Argumente gegen seine Amtsund Lebensführung in schriftlicher Form derart detailliert und polemisch niederzulegen, und welche Funktionen hatten sie diesen schriftlichen Aufzeichnungen über Heinrichs böse Absichten, seine Fehler, Vergehen und Verbrechen zugedacht? Keineswegs ist davon auszugehen, dass die Geschichtsschreiber diese immensen Anstrengungen sozusagen auf eigene Rechnung unternahmen. Man wird sie viel eher als Sprachrohre der politischen Gegner Heinrichs verstehen dürfen, die das in schriftliche Formen gossen, was „man“ über Heinrich IV. dachte und was „man“ gegen ihn verwenden wollte. Im Falle des Sachsen Bruno ist denn auch genügend deutlich erkennbar, dass er im Dienste der Feinde Heinrichs IV. stand;3 bei anderen Geschichtsschreibern ist dies nicht expressis verbis bezeugt, sondern erscheint auf Grund von Tenor und Art ihrer Geschichtsschreibung nahe liegend. Mit dieser Fragestellung gerät der Sachverhalt ins Blickfeld, dass der Geschichtsschreibung im Mittelalter auch andere Funktionen zugedacht wurden, als die Nachwelt zu informieren: Die Aufzeichnung des geschichtlichen Geschehens war nicht selten durchaus dem Gedanken verpflichtet, Argumente und Exempla für die politische Auseinandersetzung der Gegenwart zu fixieren und sie in dieser Auseinanderset3
Kost, Das östliche Niedersachsen, S. 127 ff.
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zung auch zu nutzen.4 Die politischen Auseinandersetzungen der Zeit Heinrichs IV. waren andererseits nicht zuletzt dadurch charakterisiert, dass man in unzähligen Verhandlungen in unterschiedlichsten Konstellationen nach Wegen suchte, die Konflikte durch Verhandlungen gütlich zu beenden. Hierauf war immer wieder hinzuweisen, und das Thema solcher Verhandlungen war immer wieder die Frage, ob die Vielzahl der Vorwürfe, die Einzelne oder ganze Gruppen gegen Heinrich IV. erhoben, ausreichend sei, um ihn abzusetzen. Damit drängt sich die Annahme auf, dass die in den mündlichen Verhandlungen der weltlichen und geistlichen Großen vorgebrachten Vorwürfe und die detaillierten Darstellungen der Geschichtsschreiber über Fehler, Vergehen und Verbrechen Heinrichs IV. lediglich zwei Seiten derselben Medaille sind: Die Geschichtsschreiber fixierten das schriftlich, was die politische Überzeugung der Gegner Heinrichs hinsichtlich seiner Amts- und Lebensführung war, eine Überzeugung, die sie offensiv in Verhandlungen mit dem Herrscher und seinen Anhängern einbrachten. Sie geben somit Zeugnis vom politischen Klima, das durch diese Vorwürfe nachhaltig vergiftet war.
1.2 Argumente in Verhandlungen als Themen der Geschichtsschreibung Wir werden einige Male darüber informiert, was die Gegner Heinrichs IV. dem König vor allem vorwarfen, wenn sie in Verhandlungen untereinander oder mit Vertretern seiner Seite die Gelegenheit dazu bekamen, ihre Argumente vorzubringen. Diese Vorwürfe gegen Heinrich IV. und die daraus abgeleiteten Forderungen an ihn, die wir natürlich nur aus der Geschichtsschreibung kennen, korrespondieren nämlich sehr mit dem, was die Geschichtsschreiber zum Leitfaden ihrer Darstellung machten. Daraus lässt sich unschwer erkennen, wie wichtig namentlich Bruno und Lampert die Vorwürfe gegen Heinrich IV. 4 Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 269–280; Coué, Acht Bischofsviten aus der Salierzeit – neu interpretiert, S. 348 f.; Haarländer, Vitae episcoporum, S. 89 ff.
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waren. Sie stellen die zentrale Thematik ihres Werkes dar. Thesenhaft kann man auch formulieren, dass sie deshalb so detaillierte Zeitgeschichte schrieben, weil sie die Lebens- und Amtsführung Heinrichs IV. möglichst genau und überzeugend kritisieren wollten. Man kann diese Absicht etwa an der Schilderung Lamperts zum Jahre 1073 zeigen, als er mehrfach ausführlich erzählt, mit welchen Forderungen die Sachsen Heinrich in verschiedenen Verhandlungen konfrontiert hätten.5 Die Vorwürfe wurden mit anderen Worten hochrangigen Anhängern des Königs als Argumente präsentiert, um eine Änderung des königlichen Verhaltens zu erreichen. Die erste Verhandlungsrunde der Sachsen mit Heinrich lokalisiert Lampert nach Goslar und in einen Zeitraum direkt nach dem Abschluss der Schwureinung in Hoetensleben, also ganz an den Beginn des Konflikts. 6 Hier trugen die Sachsen zum ersten Mal die ganze Palette ihrer Vorwürfe gegen Heinrich vor. Die gleichen Vorwürfe wiederholten die Sachsen nach Lampert wenig später gegenüber den Unterhändlern des Königs.7 Ein drittes Mal kommt Lampert zu demselben Jahr anlässlich von Verhandlungen in Corvey, die der Mainzer Erzbischof mit den Sachsen führte, auf die gleichen Vorwürfe zu sprechen.8 Ein viertes Mal kam es am 20. Oktober in Gerstungen zu Verhandlungen über das gleiche Thema. Lampert zählt nun die Vorwürfe nicht erneut inhaltlich auf, doch verrät seine allgemeine Diktion, dass die Sachsen wieder dieselben Tatbestände ausführten.9 Auch im nächsten Jahr, 1074, kam es zu Verhandlungen der Sachsen mit Fürsten von der Seite Heinrichs und erneut wiederholt Lampert die gleichen Forderungen der Sachsen, auf deren Grundlage der Frieden von Gerstungen zustande kam.10 Und als sich Vgl. allgemein zu Lampert zuletzt Bagge, Kings, Politics, S. 231ff. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1073, S. 151 f. Zum Kontext dieser Verhandlungen siehe oben Kap. III bei Anm. 14. 7 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1073, S. 154f. 8 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1073, S. 162. Siehe dazu oben Kap. III bei Anm. 23. 9 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1073, S. 165. Siehe dazu oben Kap. III bei Anm. 31. 10 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1074, S. 177f. 5 6
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schließlich im Jahre 1076 die Fürsten aller Stämme in Tribur trafen, um Heinrich IV. abzusetzen, dauerte es nach Lampert sieben Tage, in denen die Fürsten „die gesamte Lebensführung des Königs von Kindesbeinen an aufrollten“. Und wieder berichtet Lampert über die gleichen Vorwürfe. Genannt werden zu all diesen Gelegenheiten „Laster und Schandtaten“, mit denen Heinrich, kaum erwachsen, die Würde des Reiches und seine eigene befleckt habe. Diese Vorwürfe bezogen sich vor allem auf sexuelles Fehlverhalten des Königs selbst und seiner Vertrauten. Zudem werden Ungerechtigkeiten namhaft gemacht, die er gegen Einzelne und auch gegen die Gesamtheit begangen habe. Auf diesem Gebiet wird vor allem die Politik des Burgenbaus in Sachsen und der mit ihr einhergehenden Übergriffe als zentraler Vorwurf genannt, da niemand einsah, welchem Zweck diese Befestigungen dienen sollten, wenn nicht dem, die Sachsen zu unterdrücken. Ein Dauervorwurf bestand schließlich darin, dass er die Fürsten von der Teilhabe an der Herrschaft und der Beratung über anstehende Probleme ausgeschlossen habe und sich stattdessen mit Leuten niederster Herkunft berate und diesen zu viel Einfluss einräume. All diese Themen waren aber auch herausragende Gegenstände mehrerer Geschichtsschreiber, die an vielfältigen Begebenheiten diese generellen Vorwürfe zusätzlich konkretisierten und überdies nicht müde wurden zu beweisen, dass Heinrich zur Erreichung seiner bösen Ziele und Absichten kein Mittel zu verderbt war. Es war geradezu das Hauptziel der historiographischen Darstellungen zu zeigen, dass Heinrich mit Heimtücke und Hinterlist seine politischen Ziele zu erreichen versuchte, was letztlich eine völlige Abkehr vom Typ der „konsensualen Herrschaft“ und die Etablierung einer willkürlich autokratischen bedeutet hätte. Die detaillierten schriftlichen Aufzeichnungen über die negativen Aspekte der Amts- und Lebensführung Heinrichs IV. erklären sich also nicht zuletzt aus der Tatsache, dass die Gegner des Königs über einen längeren Zeitraum immer wieder und zumeist erfolglos versuchten, die Untaten und Verbrechen des Königs ihm selbst und seinen Anhängern darzulegen, um ihn so entweder zu einer Verhaltensänderung zu zwingen oder die Zustimmung zu seiner Amtsenthebung zu
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erreichen. Da diese Bemühungen zu keinem endgültigen Ergebnis führten, aber als politische Option immer im Raum standen, blieb der Bedarf an genauen Informationen über Absichten und Handlungen Heinrichs in der Vergangenheit immer hoch. Die Komplexität der Entwicklung drängte geradezu nach schriftlicher Fixierung der Details. Dies spricht nachhaltig dafür, dass die Vorwürfe gegen den Herrscher, wie wir sie aus der Historiographie erfahren, keineswegs den Charakter wilder Gerüchte hatten, sondern in seriösen Verhandlungen mit der Gegenseite tatsächlich benutzt wurden. Mehrfach kam es auch dazu, dass sich Anhänger Heinrichs von der Berechtigung der Vorwürfe überzeugen ließen. All diese Überlegungen werten die Nachrichten der Geschichtssschreiber nachhaltig auf, so übertrieben sie in einzelnen Passagen klingen mögen. Überdies sollte man in diesem Zusammenhang noch einmal nachdrücklich in Erinnerung rufen, dass zwischen 1076 und 1080 Papst Gregor VII. alle seine Energien darauf richtete, den Vorsitz einer Untersuchung zu führen, in der gleichfalls über Heinrichs Amts- und Lebensführung geurteilt werden sollte. Gregor scheint so auf dieses Ziel fixiert gewesen zu sein, dass er Heinrich erst dann ein zweites Mal exkommunizierte, als er sichere Anhaltspunkte dafür hatte, dass Heinrich diese Untersuchung nicht ernsthaft wollte und in den vorherigen Jahren alles getan hatte, sie zu verhindern. Auch diese Veranstaltung bedurfte gewiss der geistigen und argumentativen Vorbereitung, wozu die Fixierung eines genauen Wissens über alle Vergehen Heinrichs gehörte, mit der man sich auf Seiten der Gegner Heinrichs präparierte. Die Darstellungsabsicht der Geschichtsschreiber und das Argumentationsziel der Unterhändler in den Verhandlungen waren also gleich: Sie wollten die Amts- und Lebensführung des Königs bei ihren Zeitgenossen diskreditieren, um seine Absetzung zu erreichen. So wie die Geschichtsschreiber die Taten und mehr noch die Absichten des Königs darstellen, so wird man auch in den mündlichen Verhandlungen argumentiert haben. Wir haben damit zwar keinen Beweis für die Wahrheit der Argumente, aber sichere Hinweise auf ihren Sitz im Leben. Die Vorwürfe und die sie belegenden Geschichten haben als Argumente und Beweise ihren Platz in den mündlichen Verhandlun-
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gen gehabt, in denen man entweder die Konflikte beilegen oder sich zur Absetzung des Königs entschließen wollte. Sie ermöglichen damit einen seltenen Einblick in die politische Argumentationskultur des Mittelalters. Und sie zeigen das ganze Ausmaß des Misstrauens und des Widerstandes, das diesem Herrscher entgegenstand. Schuldlos dürfte er daran gewiss nicht gewesen sein.
1.3 Zur Konstruktion der bösen Absichten des Königs Aus der Darstellungsabsicht, die Notwendigkeit der Amtsentsetzung des Königs zu begründen, erklären sich viele Wertungen der Geschichtsschreiber, aber auch die Eindringlichkeit, mit der sie einzelne Etappen der Abläufe schildern. Sie zielen über den Einzelfall hinaus häufig auf den Beweis grundsätzlich negativer Eigenschaften und Charakterzüge des Königs, die in ihrer Summe für die Gegner Heinrichs den Verdacht rechtfertigten, dass er die bestehende Herrschaftsordnung mit ihrer starken Partizipation der weltlichen und geistlichen Fürsten gänzlich umstürzen und durch eine autokratische Form ersetzen wolle, die von jeder Kontrolle und Bindung befreit war. Der königlichen Politik fehlte jegliche Transparenz, wie sie durch die Beratung anstehender Entscheidungen mit den Großen geschaffen wurde, da Heinrich sich, wenn überhaupt, nur mit engsten Vertrauten beriet. Dies schuf eine Situation, in der Unterstellungen Konjunktur hatten. Da man nicht darüber informiert wurde, was der König mit seinen Maßnahmen bezweckte, unterstellte man die bösesten Absichten, die etwa lauteten, der König wolle alle Sachsen versklaven oder er wolle die Fürsten ausrotten. Angeprangert werden deshalb zum einen des Königs Hang zur Willkür und seine Unberechenbarkeit, mit der er sich über Abmachungen hinwegsetzte; zum zweiten seine Heimtücke, die vor Verrat und Mord nicht zurückschreckte, und drittens nicht zuletzt sexuelle Übergriffe, die er sich und seiner Umgebung erlaubte. Auch und gerade hierdurch ließ sich ja die Willkür der königlichen Handlungen schlagend belegen. Es sei mit einigen signifikanten Beispielen noch einmal belegt, wie die Geschichtsschreiber mit den beschriebenen Handlungen des
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Königs argumentierten und so den Nachweis von Heimtücke und Willkür führten. So beleuchtet etwa Lampert vor der Unterwerfung der Sachsen in Spier im Jahre 1075 in allen Einzelheiten die Vorbereitung dieses Aktes der Konfliktbeilegung. Die Akzente, die er setzt, sind ganz deutlich dem Ziel verpflichtet zu demonstrieren, wie sehr alle an der Beilegung des Konfliktes Beteiligten König Heinrich und seinen Zusagen misstrauten, weil sie wussten, dass der König sich nie an gegebene Zusagen und auch nicht an die Regeln der Konfliktbeilegung zu halten pflegte. Genau dies arbeitet Lampert als die allgemeine Lehre heraus, die aus dem konkreten Fall zu ziehen sei: Als „die flehentlichen Bitten der [sächsischen] Gesandten dem König schließlich mit Mühe und Not die Einwilligung [zu den Friedensverhandlungen] abgepreßt hatten, war unter den Fürsten keiner, der bereit war, dies Amt [des Vermittlers] zu übernehmen, denn jeder fürchtete, entweder vom König wegen Untreue gebrandmarkt zu werden, wenn er mit den Sachsen zu milde verführe, oder von den Sachsen durch den Vorwurf der Lüge entehrt zu werden, wenn er ihnen Verzeihung für ihr Vergehen in Aussicht stellte, die sie, wie sie unzweifelhaft wußten, vom König doch nie erlangen würden“.11 Der Vorwurf, der hier dem König implizit gemacht wird, ist ein gravierender: dass er nämlich die Arbeit eines Vermittlers massiv torpedierte, indem er dessen Vorgehen zu beeinflussen und zu steuern versuchte, anstatt ihn unabhängig agieren zu lassen und seine Lösungsvorschläge zu akzeptieren. Ganz in diesem Sinne lässt Lampert dann auch Unterhändler Heinrichs ausführlich argumentieren: „Sie selbst seien in der größten Sorge, wenn nicht um das Leben der Sachsen, so doch um ihren eigenen Ruf, denn sie würden ohne Zweifel einen Makel, eine Schuld auf sich laden, die künftig durch keine Zeit, durch keine Tugend getilgt werden könne, wenn diejenigen, die ihnen Vertrauen geschenkt hätten, auch nur der leiseste Hauch eines Mißgeschicks berühre. Sie würden daher zum König gehen, um zu erkunden, ob sie ohne Gefahr, desavouiert zu werden, ihr Wort geben und Verzeihung versprechen könnten, und was sie erkundet hätten, würden sie ihnen am nächsten Tag berichten.“ 11
Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 234f.
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Selbst diese Rückversicherung, die ein positives Ergebnis und Heinrichs Zustimmung zu den Vereinbarungen erbrachte, konnte jedoch das tief sitzende Misstrauen gegen Heinrich nicht zerstreuen: „Keine Worte, keine Schwüre, keine Versprechungen hatten den sächsischen Fürsten die Furcht genommen, aber da sie bei ihrer Unterlegenheit […] nicht mit günstigen Voraussetzungen gegen den Feind zu kämpfen vermochten, […] stimmten sie endlich nach langen Beratungen, nach vielen Winkelzügen weinend und aus tiefster Brust aufseufzend der Unterwerfung zu und beschlossen, unter eigner Lebensgefahr die Zuverlässigkeit der Fürsten und die Milde des Königs auf die Probe zu stellen.“12 Das Misstrauen der Fürsten wie der Sachsen erwies sich nach Lamperts Darstellung bald als vollauf gerechtfertigt, denn Heinrich „brach den Vertrag“, den die Vermittler auf die geschilderte Weise ausgehandelt hatten, und ließ die sächsischen Fürsten nach ihrer Unterwerfung in Haft nehmen, obgleich die Vermittler „unter Eid versichert hatten, sie würden nicht am Leben, nicht an ihrer Freiheit, nicht an ihren Gütern, nicht an ihren Lehen, nicht an ihrer sonstigen Habe irgendwelche Einbußen zu spüren bekommen, sondern, wenn sie dem Antlitz des Königs und der Majestät des Reiches durch augenblickliche Genugtuung die Ehre erwiesen hätten, würden sie unverzüglich von der Übergabe losgesprochen und ohne jede Herabdrückung ihres Status der Heimat und der Freiheit zurückgegeben werden“.13 Mit diesen Ausführungen zielt Lampert auf das Wissen der Zeitgenossen, dass Unterwerfungsrituale auf diese Weise vorbereitet und abgesprochen wurden. So hatte man den Konflikt auch in diesem Fall beizulegen versucht. Heinrich aber fühlte sich an solche Abmachungen nicht gebunden; er unterminierte so die ordnungsstiftende Funktion von Ritualen – und dies nicht nur in diesem Fall. Auch bezüglich der Vorgänge in Canossa ist verschiedentlich die Rede davon, dass Heinrich sich mit seinem Verhalten über alle Regeln rituellen Verhaltens hinwegsetzte. So ist es insgesamt für seine Herrschaft symptomatisch, dass ordnungsstiftende Rituale kaum noch stattfanden. Der Grundkonsens, der für 12 13
Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 237f. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 237.
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solche Veranstaltungen unabdingbar war, bestand selten. Niemand war mehr bereit, in Interaktion mit dem König durch symbolisches Handeln Versprechungen für die Zukunft abzugeben, da der König sich an solche „Verträge“ nicht zu halten pflegte. Genau dies hatte Lampert mit seiner detaillierten Argumentation am konkreten Beispiel zeigen wollen. Man darf solche Passagen wie die eben zitierte jedenfalls als symptomatisch und typisch für die Argumentationsweisen der Historiographen ansehen, die Heinrichs Handlungen aus der Perspektive seiner Gegner beschreiben. Unabhängig von der Entscheidung, ob die Argumentation der Wahrheit entspricht, wird man konstatieren, dass sie den Regeln der Konfliktbeilegung verpflichtet ist. Das Heinrich attestierte Verhalten entspricht diesen Regeln dagegen gar nicht. Vermittler arbeiteten unabhängig von Weisungen der Konfliktparteien und es stand nicht im Ermessen der Parteien, die von den Vermittlern ausgehandelten und garantierten Konfliktlösungen eigenmächtig abzuändern. Dies tat Heinrich aber, als er die sächsischen Fürsten nach ihrer deditio in Haft nehmen ließ. Die Arbeitsweisen der Vermittler und ihre Befugnisse muss man kennen, um das ganze Ausmaß der Vorwürfe zu ermessen, die Heinrich IV. mit dieser Darstellung gemacht werden. 14 Stellt man dies in Rechnung, wird die herrscherliche Willkür fassbar, mit der er sich nach dieser Darstellung über alle Regeln hinwegsetzte. Diesem Darstellungsziel gelten ganz offensichtlich die vielen Einzelheiten, die von Lampert hier ausgebreitet werden. Und es dürfte unmittelbar einsichtig sein, dass man mit derartig detailliertem Wissen für anstehende Verhandlungen über die Lebens- und Amtsführung Heinrichs IV. bestens gerüstet war. Auch in Brunos Buch vom Sachsenkrieg ist an verschiedenen Stellen das Bemühen deutlich fassbar, an bestimmten Geschehnissen Heinrichs Heimtücke nachzuweisen und zugleich zu belegen, dass alle diese Heimtücke durchschaut hätten. Symptomatisch ist etwa die Schilderung des königlichen Verhaltens nach der ersten Bannung durch Gregor VII.: „Der Exkönig Heinrich sah nun, daß alles seinen 14 Vgl. hierzu auch Kamp, Friedensstifter und Vermittler, bes. S. 176ff., der allerdings betont, wie umkämpft solche Regeln und Befugnisse noch waren.
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Wünschen zuwiderlief, und er erkannte, daß er mit der Wildheit des Wolfes wenig ausrichtete; deshalb gedachte er jetzt, den Schafspelz anzuziehen, um durch den Schein der Milde und Gerechtigkeit diejenigen zu täuschen, die er mit Gewalt und Grausamkeit nicht zu bezwingen vermochte. Er wollte nämlich Boten nach Sachsen schicken, die dort erklären sollten, er wolle ihnen gut sein, mehr als sie selbst verlangten, jedes Unrecht und alle Fehler nach Kräften ablegen und sich ihnen in allem willfährig erweisen. Doch er fand niemanden, der diese Botschaft übernehmen wollte; denn auch von seinen eigenen Leuten glaubte niemand, daß er auch wirklich dachte, was er sagte.“15 In einer anderen Episode wird erzählt, wie Heinrich sein Heer über die militärische Stärke der Sachsen arglistig getäuscht habe, indem er „falsche Boten vorführen [ließ] mit verabredeter Botschaft. Vor aller Ohren erklärten sie dem König gemäß ihrer Instruktion im Namen des Herzogs Otto und des Grafen Hermann, daß sie dank der Flucht allein von allen freien Männern in Sachsen übrig geblieben seien, während alle übrigen in der letzten Schlacht gefallen seien. […] In Demut warteten sie nun auf die Ankunft des Königs, damit er dem Land neue Siedler gäbe; für sich aber forderten sie weder ein Amt noch die Freiheit, sondern nur das Leben, obgleich sie auch dessen unwürdig seien.“16 So habe Heinrich die Bereitschaft seiner Krieger erzeugt, noch einmal nach Sachsen zu ziehen. Bald aber mussten diese Krieger erfahren, dass die Sachsen durchaus noch zu militärischem Widerstand in der Lage waren. Schon eingangs hatte Bruno die Heimtücke des Königs sozusagen als Leitmotiv seiner Darstellung eingeführt: Die Sachsen hätten zunächst den königlichen Burgenbau in Sachsen als „kindisches Spiel [angesehen], weil seine böse Absicht noch nicht durchschaut war“.17 Brun bemüht sich deshalb darum, den Zusammenhang der königlichen Einzelaktionen aufzudecken, und stellt seine Beweisführung programmatisch unter die Prämisse: „Der König tat das Böse nach einem zusammenhängenden Plan, räumte dazu jedes Hindernis aus dem Weg Bruno, De bello Saxonico, cap. 86, S. 81. Bruno, De bello Saxonico, cap. 103, S. 92. 17 Bruno, De bello Saxonico, cap. 16, S. 23. 15 16
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und sah sich nach allen Seiten um Hilfe um, um seine böse Absicht zu verwirklichen, jene aber bedachten immer bloß das einzelne Übel und rüsteten sich daher nicht zur Abwehr des gemeinsamen Verderbens. Um, wie es seine Absicht war, alle um so leichter unterdrücken zu können, versuchte der König zunächst diejenigen, auf denen ihre Stärke vor allem beruhte, einzeln zu Fall zu bringen.“18 Drei „Beweise“ dieser Einschätzung bringt Bruno dann vor: Heinrich habe vor der Ausführung seiner bösen sächsischen Pläne Herzog Otto von Northeim, den bayerischen Herzog, gestürzt, da dieser als Sachse seinen bedrängten Landsleuten gewiss zu Hilfe gekommen wäre; Heinrich habe überdies dem Dänenkönig einen Teil Sachsens versprochen, um ihn zur militärischen Hilfe im Krieg gegen die Sachsen zu verpflichten; und Heinrich habe schließlich in die billungische Lüneburg eine schwäbische Besatzung gelegt, um den Widerstand der Sachsen gegen ihn unmöglich zu machen.19 In all den zitierten Beispielen ist der Wahrheitsgehalt der Erzählungen zweifelhaft, jedenfalls unbeweisbar. Und er war es mit einiger Sicherheit bereits für die Zeitgenossen. Es handelt sich um Unterstellungen bestimmter Absichten Heinrichs IV., mit denen seine Hinterlist und Bösartigkeit bewiesen werden soll. Die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass breite Kreise in seinem Herrschaftsverband von dieser Hinterlist und Bösartigkeit des Herrschers so überzeugt waren, dass sie so viel Energie in ihren Nachweis setzten und offensichtlich mehrfach in ihrem Bemühen erfolgreich waren, andere von der Verwerflichkeit der Pläne und Handlungen des Herrschers zu überzeugen, führt uns wieder an den Ausgangspunkt der Argumentation zurück. Eine Erklärung für diesen Sachverhalt bietet die beschriebene Eigenart der Herrschaftsausübung Heinrichs, die gleichfalls Gegenstand massiver Vorwürfe gewesen ist. Er hat nämlich offensichtlich bewusst vermieden, die relevanten Mitglieder des Verbandes über seine Absichten ins Bild zu setzen und seine Entscheidungen auf den Konsens der Getreuen zu gründen. Vielmehr neigte er zu einsamen Entscheidungen, zu Einzelgesprächen und geheimen Verhandlungen mit dem 18 19
Bruno, De bello Saxonico, cap. 18, S. 24 f. Bruno, De bello Saxonico, cap. 19–21, S. 25 ff.
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Ergebnis, dass niemand über die Absichten des Königs ausreichend informiert war und man diese Politik der Geheimhaltung als untrügliches Anzeichen böser Absichten einzuschätzen begann. Nicht zufällig ist daher ein Gutteil der Vorwürfe, die sich in den Geschichten der Historiographen finden, um den Tatbestand gruppiert, dass Heinrich seine bösen Pläne im Geheimen vorangetrieben habe. Schon zum Jahre 1072 hatte ein eher neutraler Beobachter wie der Altaicher Annalist auf den Tatbestand hingewiesen, dass der König die Großen nicht genügend informiere und am Zustandekommen von Entscheidungen beteilige: „Schon seit langer Zeit hatte der König angefangen, alle Vornehmen zu missachten, dagegen Niedriggeborene mit Reichtümern und Gütern emporzuheben, und verwaltete nach ihrem Rate, was zu tun war. Von den Großen aber ließ er selten einen zu vertrauter Beratung zu. Da vieles nicht der Ordnung gemäß geschah, hielten sich die Bischöfe, Herzöge und andere Große des Reiches vom Hofe fern.“20 Hier wird in sehr nüchterner Sprache und Einschätzung ein Vorwurf erhoben, der sehr grundsätzlicher Natur ist: Der König missachte die Gewohnheit, seine Vasallen gemäß ihrem Rang an den Beratungen und Entscheidungen zu beteiligen. Das war nichts anderes als eine Verkehrung der Ordnung, und die Reaktion der Großen, nicht mehr am Königshof zu erscheinen, zeigte in aller Deutlichkeit ihre Kritik am königlichen Verhalten. Auch Lampert von Hersfeld hat zum Jahre 1076 in grundsätzlicher Form auf diese Problematik aufmerksam gemacht: „Während er sich dieser verworfenen Menschen [sc. der Ministerialen] als Ratgeber bediente, begegnete er den Fürsten des Reiches, die ihm das Rechte rieten, mit stärkster Feindseligkeit und zog sie nur zur Beratung zu, wenn einmal die unausweichliche Notwendigkeit dazu vorlag, er wünschte im Gegenteil, ihre Autorität nach Möglichkeit zu erschüttern und völlig auszuschalten, damit ihm sich niemand in den Weg stelle, niemand widerspreche, wenn er sich mit zügelloser Hemmungslosigkeit in alles stürzte, was ihm in den Sinn kam.“21 Die Folgen sehen wir wieder in den Geschichten, in denen Heinrich 20 21
Annales Altahenses, a. 1072, S. 84. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1076, S. 271.
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Geheimpolitik zur Realisierung finsterer Absichten vorgeworfen wird. Auch hierfür seien nur einige besonders sprechende Beispiele angeführt, die wieder dadurch gekennzeichnet sind, dass aus bestimmten Beobachtungen die perfiden Handlungen und Absichten des Königs erschlossen werden. Zu Heinrichs Taktik im Sachsenkrieg trägt Bruno etwa folgende Einschätzung bei: „Da er von diesen allen [, die er um Hilfe gebeten hatte,] außer den Böhmen enttäuscht wurde, […] verfiel er auf den schlimmsten Rat, den er am besten verstand, nämlich die Sachsen zu entzweien und mit Sachsen gegen Sachsen zu kämpfen, so daß er, welche Seite auch unterliegen würde, immer als glücklicher Sieger triumphieren könnte. Er ließ deshalb die sächsischen Fürsten einzeln zu sich kommen, irgendeine wichtige Angelegenheit vorgebend, die er mit ihrem Rat entscheiden wolle. […] Wie sie nun einzeln ankamen, empfing er sie zunächst mit schmeichelnden Worten; wenn sie dann schon eine Weile bei ihm waren, eröffnete er ihnen seine Absichten und zwang sie zu dem Eid, ihm zur Unterdrückung der Sachsen nach Kräften behilflich zu sein und dies niemandem zu verraten. Wenn sie dies aber nicht sogleich taten, konnten sie nicht von dort fortgehen. So kam es, daß auf unserer Seite der Vater, der Sohn aber auf der gegnerischen stand, der eine Bruder hier, der andere dort.“22 Es liegt wohl auf der Hand, dass diese Erzählung eine Begründung dafür liefert, warum eine ganze Reihe der Sachsen zu Heinrich IV. übergelaufen war, von diesem gewiss durch Versprechungen und Drohungen gelockt, wie es üblich war. Der Erfolg der Bemühungen Heinrichs aber wird nicht mit seinen Versprechungen, sondern mit einer Technik der Geheimgespräche erläutert, die er immer wieder angewandt haben soll. Selbst Herzog Otto von Northeim, der doch gewiss seine Erfahrungen mit Heinrich IV. gemacht hatte, soll durch die Einladung zu einem solchen soliloquium in seiner Haltung im Jahre 1081 noch einmal wankend geworden sein, bis er durch einen Sturz vom Pferd, den er als Mahnung des Himmels verstand, sich eines Besseren besann.23 Auch Lampert von Hersfeld berichtet ausführlich über die Taktik des Königs, einzelne Sachsen mit Versprechungen auf seine Seite zu 22 23
Bruno, De bello Saxonico, cap. 37, S. 38 f. Bruno, De bello Saxonico, cap. 131, S. 122 f.
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ziehen, und er verschweigt auch nicht die Erfolge dieser königlichen Versuche: „Obgleich jene wußten, daß er log und mehr wegen seiner Notlage als aus Güte seine angeborene Unbeugsamkeit gelockert hatte, so nahmen sie doch dem Straferlaß zuliebe das Anerbieten gerne an, versprachen alles, was er forderte, bekräftigten ihre Zusagen wiederholt durch Eid, und nachdem sie Urlaub erhalten hatten, kehrte jeder frohen Herzens in seine Heimat zurück.“24
1.4 Zur Frage der sexuellen Verfehlungen Heinrichs IV. Bei der Konstruktion böser Eigenschaften und Handlungen Heinrichs spielt das Feld seiner sexuellen Verfehlungen eine herausragende Rolle. Dies hat seine Gegner bei modernen Forschern in besonderer Weise in Misskredit gebracht, die so gut wie einhellig bis heute den König in Schutz genommen und die Erzählungen als böswillige Verleumdungen abgetan haben.25 Zur Einschätzung dieser schwierigen Sachlage wird man zunächst einmal betonen, dass die Vorwürfe auf diesem Feld in den Quellen eher noch breiter gestreut sind als die anderen Vorwürfe, denn zu den „Kronzeugen“ Bruno und Lampert treten etwa detaillierte Geschichten in den Annalen von Pöhlde und Dissibodenberg, die ein gleiches „Wissen“ ausbreiten. An mehreren Stellen wird außerdem erkennbar, dass die Ankläger sich auf dieselben Vorfälle beziehen, etwa auf die Vergewaltigung der Schwester Heinrichs, der Äbtissin von Quedlinburg, durch einen miles des Königs, die Heinrich angeordnet und bei der er selbst seine Schwester festgehalten habe. Überdies wird in Briefen Gregors VII. und in Streitschriften mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass man Einzelheiten auf diesem Gebiet gar nicht anführen müsse, da die Kenntnisse über die einschlägigen Verfehlungen allgemein verbreitet seien.26 Und schließlich werLampert von Hersfeld, Annales, a. 1076, S. 269. Dazu differenziert Tellenbach, Der Charakter Kaiser Heinrichs IV., S. 348 f.; entschieden Struve, War Heinrich IV. ein Wüstling?, S. 284–288. 26 Die einschlägigen Quellen sind dokumentiert bei Struve, War Heinrich IV. ein Wüstling?, S. 275 ff. 24
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VI. Aspekte einer Gesamtwürdigung
den die Vorwürfe auf einen relativ kurzen Zeitraum konzentriert: Sie werden für die erste Phase der Regierung Heinrichs IV. erhoben, als er „im ersten Feuer der Jugend brannte und in den Genüssen königlichen Überflusses schwelgte“.27 Für diese Zügellosigkeit Heinrichs wird namentlich von Bruno die Erziehung des Königs durch den Erzbischof Adalbert verantwortlich gemacht, der „den Keim des Lasters noch mit dem Tau des Schmeichels“ benetzt habe. Seine Erziehung habe unter dem Motto gestanden: „Tue alles, was deinem Herzen gefällt, sorge nur dafür, daß du im rechten Glauben stirbst.“28 Und außerdem habe ihm der Erzbischof geraten, „es sei töricht, nicht in allem die Begierden der Jugend zu befriedigen“.29 Eine Ausnahme von dieser Regel stellt einzig die ihm vorgeworfene Behandlung seiner zweiten Gemahlin Praxedis dar, die nicht nur zeitlich völlig aus dem Rahmen der Vorwürfe fällt. Sie stellt vielleicht einen gesondert zu bewertenden Fall dar, was schon oben ausführlich diskutiert wurde und hier daher nicht wiederholt werden soll. Hier geht es vielmehr um die Frage, ob Heinrich in der Anfangsphase seiner Herrschaft das politische Klima auch dadurch vergiftet hat, dass er sich sexuelle Übergriffe unterschiedlichster Art zuschulden kommen ließ. Natürlich kann man aus dem Hinweis auf die allgemeine Verbreitung der Vorwürfe kein Argument für ihre Stichhaltigkeit machen, sondern nur für die Intensität, mit der sie verbreitet wurden. Doch ist andererseits wie bei den anderen Vorwürfen darauf hinzuweisen, dass auch sie nicht einfach als Gerüchte kursierten, sondern in all den zitierten Verhandlungen als wichtiger Anklagepunkt auftauchten. Sie wurden also von denjenigen, die sie erhoben, als Argument gegen Heinrich ernst genommen und in der Überzeugung vorgebracht, so seine Unfähigkeit zur Ausübung der Königswürde beweisen zu können. Dies setzt wohl die Überzeugung voraus, dass die Vorwürfe den Tatsachen entsprachen. Es bietet sich daher wie bei den zuvor behandelten Vorwürfen poliBruno, De bello Saxonico, cap. 1, S. 14. Bruno, De bello Saxonico, cap. 5, S. 16. 29 Bruno, De bello Saxonico, cap. 8, S. 18. 27 28
Die Urteile der Gegner
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tischen Fehlverhaltens an, nach den auslösenden Ursachen zu fragen, die zur Konstruktion nicht nur böser Absichten, sondern böser Handlungen auf diesem Gebiet geführt haben könnten. Nur sind solche Fragen auf dem Gebiete sexuellen Fehlverhaltens erheblich schwieriger zu beantworten, als sie es auf dem Felde politischen Verhaltens waren, da wir außer den Behauptungen von Fehlverhalten kaum Aussagen über Heinrichs Verhalten haben. Allenfalls könnte man annehmen, dass das Interesse der Gegner Heinrichs für seine sexuellen Devianzen dadurch stimuliert worden sei, dass er selbst den Versuch seiner Ehescheidung von Bertha im Jahre 1069 damit begründete, dass er eine unüberwindliche Abneigung gegen seine Gemahlin habe. Wenn diese angebliche Abneigung von einer Zuneigung zu anderen Frauen begleitet war, könnte dies durchaus der Nährboden für einige der Geschichten gewesen sein.30 Auch könnte der Hinweis, dass er vornehme Frauen und Mädchen, nachdem er sie missbraucht habe, mit seinen Vertrauten niederen Standes zu verheiraten pflegte,31 dahingehend gedeutet werden, dass man einer Praxis von unstandesgemäßen Ehen, die auf königlichen Einfluss oder Druck zurückgingen, noch die Behauptung des königlichen Missbrauchs hinzufügte. Doch kommt man hier über reine Vermutungen und Spekulationen kaum hinaus, da die Vorwürfe, wie gesagt, auf diesem Gebiet nicht kontextualisiert werden können. Es gibt daher zwei Möglichkeiten einer Bewertung dieser Vorwürfe, die beide hypothetisch bleiben müssen. Entweder beruft man sich auf die Definition des Tyrannen durch Isidor von Sevilla, der dessen Herrschaft unter anderem durch cupiditas und luxuria gekennzeichnet sah.32 Isidor sorgte mit seiner Autorität für die Kenntnis dieses antiken Topos im Mittelalter. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, die Vorwürfe gegen Heinrich IV. sozusagen auf dem Analogiewege zu erklären: Da Heinrich nach fester Überzeugung seiner Gegner ein Tyrann war, Vgl. hierzu auch Zey, „Scheidung“ zu Recht?, passim. Bruno, De bello Saxonico, cap. 8, S. 18. 32 Vgl. Isidor von Sevilla, Etymologiae, lib. 9, cap. 3, § 20: Iam postea in usum accidit tyrannos vocari pessimos atque inprobos reges, luxuriosae dominationis cupiditatem et crudelissimam dominationem in populis exercentes. 30 31
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VI. Aspekte einer Gesamtwürdigung
fühlte man sich berechtigt, ihm all das anzuhängen, was dem Typus des Tyrannen entsprach. Also erfand man auch möglichst drastische Geschichten seiner Schamlosigkeit. Die Geschichte von der Vergewaltigung seiner Schwester, der Äbtissin, in späterer Überlieferung sogar seiner Schwestern,33 könnte ein Beispiel für diesen Sachverhalt sein, weil sie Heinrich nicht nur als Anstifter des Verbrechens namhaft macht, sondern ihn auch in einer besonders verwerflichen Form handeln lässt. Unterstützend könnte man für diese Sicht darauf hinweisen, dass auch anderen vermeintlichen Tyrannen in den verschiedensten Jahrhunderten sexuelle Abartigkeiten attestiert wurden.34 Es könnte sich hier also um ein Stereotyp handeln, das keiner realen Grundlagen bedurfte. Die andere Möglichkeit ist, hinter den Vorwürfen deshalb einen realen Kern zu vermuten, weil sie in Verhandlungen gegen den König benutzt wurden. Wir haben insgesamt gute Gründe anzunehmen, dass keines der Felder, auf dem Heinrich Vorwürfe gemacht wurden, gänzlich erfunden wurde. Vielmehr fügten sich viele der Anklagen zu einem stimmigen Ganzen. Insofern gilt auch für die Vorwürfe auf Während Bruno und Lampert von Hersfeld „nur“ von der Vergewaltigung einer Schwester, der Äbtissin Adelheid von Quedlinburg, wissen, ist in Manegolds Streitschrift davon die Rede, dass Heinrich auch seine andere Schwester Sophia, die die Frau des ungarischen Königs wurde, vergewaltigt habe; vgl. Manegoldi ad Gebehardum liber, lib. 29, S. 363: Hac enim consideratione et illud pretéreo, quod proprias illum duas sorores constuprasse non ex aliqua opinione vel incerto rumore, sed ex horum, licet multum dolentium, qui tam decoro et rege decentissimo interfuere conmertio, vera relatione cognovi, alteram videlicet velatam, alteram matrimónio copulatam. Zusätzlich wirft Manegold Heinrich IV. hier (ebd., lib. 29, S. 363, Z. 217 f. und auch ebd., lib. 15, S. 338, Z. 217 ff.) vor, homosexuelle Beziehungen gehabt zu haben. Zu Manegolds Werk siehe bereits Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 3, S. 512 ff. Zu den Vorwürfen jetzt auch Struve, War Heinrich IV. ein Wüstling?, S. 275. 34 Vgl. dazu Rexroth, Tyrannen und Taugenichtse, S. 49 f. Der Warschauer Kollege Jacek Banaszkiewicz machte mich darauf aufmerksam, dass in historiographischen Zeugnissen Osteuropas durchaus sexuelle Übergriffe und Gewalttaten als Zeichen der Macht begegnen. Er wird auf dieses Thema in Kürze weiter eingehen. Vergleichbare Erscheinungen aus der neueren und neuesten Geschichte gibt es in erschreckender Dichte. 33
Die Urteile der Anhänger
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sexuellem Gebiet die Unschuldsvermutung nur eingeschränkt. Ein solches Urteil huldigt allerdings in gewisser Weise dem Prinzip, dass dort, wo Rauch ist, auch Feuer sei. Es sei ausdrücklich offen gelassen, ob einer der hier vorgeführten Erklärungen der Vorzug gebührt. Meines Erachtens ist diese Frage nicht zu entscheiden, doch ist in jedem Fall die Sicherheit, mit der die Forschung bisher diesen Vorwürfen jeden Realitätsgehalt absprach, nicht gerechtfertigt. Dies gilt in ganz besonderer Weise hinsichtlich der Nachrichten über die Behandlung von Heinrichs Gemahlin Praxedis. Die Sicherheit, mit der eine unbescholtene Frau der schamlosen Lügen bezichtigt wurde, enthüllt vor allem Vorurteile der Forscher. Es ist überraschend, dass die so aktive mediävistische Gender-Forschung nie auf diesen Fall aufmerksam wurde.
2. Die Urteile der Anhänger Es ist schon im Verlaufe der Untersuchungen mehrfach betont worden, dass Stimmen der Zeitgenossen, die Heinrichs IV. Amtsführung und Politik verteidigten und ihre Ziele erklärten, durchaus rar sind, speziell unter den Geschichtsschreibern. Deshalb ist ein vertieftes Verständnis der geistigen Grundlagen der Amtsführung Heinrichs IV., der Aufgaben, Rechte und Pflichten, die ein König aus seiner Sicht hatte, gar nicht einfach zu gewinnen. Dabei geht es um eine für die Beurteilung dieses Herrschers höchst wichtige Frage: Erwuchsen die ungewöhnlichen Handlungen und unverständlichen Entscheidungen Heinrichs, die so viele Konflikte auslösten, einem neuen Gesamtkonzept vom Königtum, das theoretisch begründet war und lediglich von relevanten Kräften nicht akzeptiert wurde, oder entsprangen die vielen konfliktträchtigen Vorgänge seiner Willkür, seiner Heimtücke und sonstigen Launen, wie es seine Gegner unterstellten und verbreiteten? Man wird eine Antwort auf diese Fragen berechtigterweise von den Äußerungen erwarten dürfen, die Anhänger über die Regierung Heinrichs und seine politischen Grundsätze machten. Auf das herrscherliche Selbstverständnis Heinrichs und seine Vorstellungen über Rechte und Pflichten königlicher Amtsführung lassen
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VI. Aspekte einer Gesamtwürdigung
einmal Äußerungen in seinen Urkunden schließen, zum zweiten bieten Briefe Annäherungsmöglichkeiten an grundsätzliche Vorstellungen des Königs und seiner Umgebung, und drittens sind es vorrangig zwei Zeugnisse der Geschichtsschreibung, die panegyrisch, apologetisch und detailliert auf Heinrichs Erfolge und Misserfolge zu sprechen kommen: das Carmen de bello Saxonico und seine Vita, bei denen man bis heute diskutiert, ob sie nicht beide aus der Feder desselben Verfassers stammen.35 Im Folgenden wird daher der Versuch unternommen, Anhaltspunkte für eine etwaige theoretische Fundierung der konfliktträchtigen Politik Heinrichs zusammenzutragen. Es sei vorweg gesagt, dass aus den heterogenen Äußerungen keinesfalls ein so kohärentes Gedankengebäude zu rekonstruieren ist, wie es beispielsweise der Dictatus papae Gregors VII. und die Briefe dieses Papstes bieten.36 Nicht eigens zu thematisieren sind in diesem Zusammenhang Vorstellungen vom Gottesgnadentum des Königs, von Heinrichs Gewissheit, dass er sein Amt von Gott erhalten habe und nur von Gott gerichtet werden dürfe. Denn ein solches Amtsverständnis verursachte die Widerstände in seinem Herrschaftsverband nicht. Es geht im Folgenden vielmehr um die Frage, ob seine Anhänger die Handlungen des Herrschers, die seine Gegner als Verletzung der Königspflichten ansahen, als Rechte Heinrichs verteidigt haben. Die in Intitulatio, Arenga oder anderen Formularteilen der Königsurkunden enthaltenen Äußerungen über das königliche Amtsverständnis sind schon häufig und mit Erfolg herangezogen worden, um zu klären, wie Herrscher ihre Rechte und Pflichten theoretisch begründeten, und diese Frage hat man auch anhand der Urkunden Heinrichs IV. bereits intensiv untersucht.37 Dabei ist aufgefallen, dass sich Vgl. zuletzt Schluck, Vita Heinrici IV., bes. S. 102 ff. mit dem Versuch die Verfasseridentität zu sichern. Zur Argumentation in den „Streitschriften“, in denen Heinrichs Auffassung vom Königtum verteidigt und theoretisch untermauert wurde, vgl. unten Kap. VI.3. 36 Vgl. dazu Fuhrmann, Quod catholicus non habeatur, S. 263 ff.; zuletzt Cowdrey, Pope Gregory VII, bes. S. 502–507. 37 Vgl. allg. Fichtenau, Arenga; ders., Monarchische Propaganda; speziell zu Heinrich IV. siehe Groten, Die Arengen der Urkunden Kaiser Heinrichs IV.; 35
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der Ton der Arengen in Zeiten der Herausforderung durch seine verschiedenen Gegner zum Teil erheblich verschärft, indem etwa die königliche Macht und Strafgewalt in den Vordergrund gestellt wird. Der auf das römische Recht zurückgehende Begriff des reus maiestatis, des Majestätsverbrechers, gewann in diesem Zusammenhang deutlich an Bedeutung.38 Hierin könnten sich also Tendenzen manifestieren, die königlichen Befugnisse zu erweitern, die ursächlich für einige der Konflikte des Königs wurden, etwa mit Otto von Northeim. Symptomatisch für diese Tendenz ist etwa die Arenga einer Urkunde, die dem Markgrafen Ekbert endgültig seine Lehen und Güter entzog: „Die Person der Könige und Kaiser ist unter den Menschen die ranghöchste und deshalb auch bei Absetzung und Verurteilung der Menschen die gefährlichste.“39 Das klingt programmatisch, machtbewusst und drohend. Mehr als solche vereinzelten Hinweise auf erhöhte königliche Ansprüche lassen sich aus den Urkunden jedoch nicht gewinnen. Andererseits lässt sich aus den Urkunden erkennen, dass Heinrich sich in ganz traditioneller Frömmigkeit in Krisensituationen unter den Schutz der Heiligen und insbesondere der Gottesmutter Maria stellte, deren Schutz er in Votivurkunden etwa am Vorabend der entscheidenden Schlacht gegen Rudolf von Rheinfelden zu gewinnen suchte, wovon insbesondere die Speyerer Domkirche profitierte, deren Patronin Maria war.40 Insgesamt scheint es kaum möglich, aus den Formulierungen der Urkunden Heinrichs eine spezifische Auffassung vom Königsamt zu rekonstruieren, die Richtschnur seines ungewöhnlichen Handelns und Auslöser der vielen Widerstände gewesen sein könnte. Koch, Sacrum Imperium, bes. S. 100–148. Zur Geschichte der Kanzlei Heinrichs IV. vgl. die Untersuchungen von Gawlik, in: D H IV, Teil 3, S. XIII–CII. 38 Vgl. Struve, Römisches Recht, S. 12 ff., der auf die neuartige Benutzung dieses Begriffes in der frühen Salierzeit aufmerksam macht. 39 Vgl. D H IV, Teil 1, Nr. 402, S. 531: Regum vel imperatorum persona, sicut inter homines est altissima, ita ad deponendum vel iudicandum hominibus est periculosissima. Siehe dazu Struve, Römisches Recht, S. 11; anders Fichtenau, Arenga, S. 86; Koch, Sacrum imperium, S. 52, die in der Arenga einen Hinweis auf die Unrichtbarkeit des Königs sahen. 40 Vgl. dazu Schmid, Die Sorge der Salier um ihre Memoria, S. 702 ff.; Hehl, Maria, S. 304; Ehlers, Metropolis Germaniae, S. 154ff.
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VI. Aspekte einer Gesamtwürdigung
Auffällig ist allenfalls eine sehr früh, zwischen 1063 und 1065 immer wieder verwandte Arenga, die zudem fast ausschließlich in Urkunden für das Erzbistum Hamburg-Bremen benutzt wurde. Die genannten Jahre sind nun aber diejenigen, in denen Erzbischof Adalbert mit Anno von Köln um den größten Einfluss auf den heranwachsenden König stritt und hierbei schließlich obsiegte. Der Anspruch, der in dieser in kurzem Zeitraum neun Mal wiederholten Arenga formuliert ist, die durchaus auf eine Empfängerausfertigung zurückgehen könnte, betrifft in besonderer Weise die Verpflichtung des Königs, das Recht zu wahren: Cum regie dignitatis sit ius cuique servare suum (Da es der königlichen Würde zukommt, jedem sein Recht zu wahren …). Mit dieser Verpflichtung werden königliche Entscheidungen unterschiedlicher Art begründet. Man ist versucht, hierin einen frühen Beleg für den Einfluss des römischen Rechtes zu postulieren, da diese Formulierung dort ihren Ursprung hat, doch ist die Kenntnis der Formel wohl den Briefen Gregors des Großen zu verdanken, in denen sie auch zitiert wird.41 In jedem Fall fällt die deutliche Betonung der Königsaufgabe auf, jedem sein Recht zu wahren, und es fragt sich, ob hiermit nicht ein intensivierter Anspruch formuliert wird. Schließlich war es ein Hauptanliegen der Sachsen, dass der König ihre crudelissima lex akzeptierte und unangetastet ließ, während im Carmen de bello Saxonico mehrfach darauf abgehoben wird, dass der König die Rebellion der Sachsen dadurch ausgelöst habe, dass er ihnen wieder die Befolgung des von ihm gesetzten Rechts und Gesetzes zur Pflicht gemacht habe.42 Hieraus könnte man in aller Vorsicht 41 Vgl. Struve, Römisches Recht, S. 8f., der die Belege zu den Spuren des römischen Rechts zählt, ohne die Vermittlung durch Gregor den Großen auszuschließen; dagegen bereits Fichtenau, Arenga, S. 95; Koch, Sacrum imperium, S. 32f. 42 Siehe dazu unten die Argumentation im Carmen de bello Saxonico. In der neueren Forschung wird herausgearbeitet, dass die salischen Könige ihr Recht auf Gesetzgebung stark betont und als „Schlüssel zur großen Macht“ (so Schubert, Königsabsetzung, S. 117) eingesetzt hätten. Die als Referenz für diese Einschätzung angegebene Arbeit von Dilcher, Zeitbewußtsein im Bereich hochmittelalterlicher Rechtsgewohnheit, S. 53 stützt diese These jedoch nicht, sondern betont, dass der Umschwung durch die gregorianische Reform bewirkt wurde.
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eine grundsätzliche Diskrepanz zwischen Heinrichs Anspruch und den sächsischen Gewohnheiten ableiten, die in einer vielleicht von Erzbischof Adalbert formulierten Arenga angedeutet wäre. Es passt zu dieser Sicht, dass der sächsische Gegner Heinrichs unter den Geschichtsschreibern den verwerflichen Einfluss Erzbischof Adalberts auf Heinrichs Vorstellungen besonders drastisch ausmalt.43 Angesichts dieser Hinweise scheint es nicht ausgeschlossen, dass unter dem Einfluss Erzbischof Adalberts der junge Heinrich IV. davon überzeugt wurde, er habe als König die vorrangige Aufgabe, Recht und Gesetze zu bestimmen, während namentlich die Sachsen der Meinung waren, er habe ihr altes Recht zu achten. Doch mehr als einen Hinweis bietet die häufig wiederholte Arenga-Formel gewiss nicht. Auskünfte über Heinrichs grundsätzliche Vorstellungen von seinen Aufgaben und Rechten lassen auch die Briefe erwarten, die es von diesem Herrscher in einer Anzahl gibt, die zwar den Briefen Gregors VII. hoffnungslos unterlegen, den Erzeugnissen seiner Vorgänger und Nachfolger jedoch deutlich überlegen ist.44 Da sich unter diesen Briefen eine Reihe findet, die als politische „Manifeste“ einzustufen sind, mit denen so etwas wie „Propaganda“ für Heinrichs Positionen gemacht werden sollte,45 dürfte die Erwartung gerechtfertigt sein, aus diesen Briefen Antworten auf die hier interessierenden Fragen zu bekommen. Die Erwartung wird allerdings enttäuscht: Die Briefe sprechen eine ganz andere Sprache und nehmen kein Mal explizit Stellung zu den vielen Vorwürfen gegen Heinrich. Auch rechtfertigen sie nie offensiv strittige Maßnahmen und Handlungen des Herrschers. Vielmehr hat die Forschung ganz überraschende Befunde aus diesen Briefen erarbeitet. Einen präsentierte Carl Erdmann mit der Wertung: „Das Königtum ist höflich und bescheiden geworden.“46 Heinrich bittet in seinen Briefen nämlich mehr, als dass er befiehlt oder fordert. Die er-
Siehe dazu oben Kap. II.1 bei Anm. 28. Vgl. die Briefe Heinrichs IV. (Epistolae Heinrici IV), hrsg. von C. Erdmann. Insgesamt haben sich 42 Briefe Heinrichs erhalten. 45 Vgl. dazu Erdmann, Untersuchungen zu den Briefen Heinrichs IV., bes. S. 216 ff.; ders., Die Anfänge der staatlichen Propaganda, S. 49ff. 46 Erdmann, Untersuchungen zu den Briefen Heinrichs IV., S. 196. 43
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VI. Aspekte einer Gesamtwürdigung
haltenen Briefe geben so einen realistischen Einblick in die eingeschränkten Möglichkeiten des Königs. Ferner lässt sich häufiger das erkennen, was Erdmann die „dilatorische Geschicklichkeit“ Heinrichs nennt.47 Immer wieder verweist der Herrscher in seinen Briefen auf eine nächste Gesandtschaft, die Genaueres mitteilen oder mit größeren Vollmachten verhandeln werde, oder er verschiebt die Entscheidung einer Angelegenheit auf ein zukünftiges persönliches Treffen. Dieses Setzen auf Zeitgewinn, das in den Briefen von 1076 und von 1105/6 nach Erdmann besonders deutlich die persönliche Beteiligung des Herrschers an den Formulierungen erkennen lässt, kann man aber nicht nur als „Geschicklichkeit“, sondern auch als Getriebenheit verstehen. Offensive Programmatik herrscherlichen Selbstverständnisses enthält allein der berühmte Brief Nr. 12, mit dem Heinrich im Jahr 1076 „Hildebrand, dem falschen Mönch“, abzudanken befahl. In diesem Brief postuliert Heinrich jedoch lediglich, dass er seine Gewalt von Gott bekommen habe und keineswegs vom Papst und dass er auch nur von Gott gerichtet werden dürfe, wie die Überlieferung lehre. Das ist zwar eine Äußerung seines herrscherlichen Selbstverständnisses, trägt jedoch nicht zur Klärung der hier verhandelten Probleme bei. Schließlich hatten Heinrichs salische und ottonische Vorgänger gleichfalls das Bewusstsein, in diesem Sinne Könige von Gottes Gnaden zu sein. Und dennoch achteten sie die Rangordnung ihres Herrschaftsverbandes, berieten mit den Ranghöchsten die wichtigen Probleme und taten vieles andere mehr, was Heinrich verweigerte oder veränderte. Einen Zugang zu den Begründungen seines neuartigen Herrschaftsstiles liefern die Briefe folglich nicht. Im Gegenteil, in einem Brief, gleichfalls geschrieben in einer Notsituation, akzeptierte Heinrich ausdrücklich Rahmenbedingungen der Königsherrschaft, gegen die er nach Meinung seiner Gegner permanent verstieß. Als er für Pfingsten 1076 zu einem Hoftag nach Worms einlud, um Maßnahmen gegen Gregor VII. in die Wege zu leiten, begann sein Einladungsschreiben in Art einer Arenga: „Bei großen Aufgaben bedarf man eines der Größe der Aufgabe entsprechenden Rates der Großen, die sowohl nach außen hin 47
Erdmann, Untersuchungen zu den Briefen Heinrichs IV., S. 247.
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über die Machtmittel verfügen, als es auch innerlich nicht an Entschlossenheit fehlen lassen, um in der Sache, der sie gewogen sind, auch guten Rat geben zu wollen und zu können.“48 In dieser Situation bekennt sich der König also programmatisch zu den Grundbedingungen „konsensualer Herrschaft“, in deren Zentrum die angemessene Beteiligung der Großen am Rat stand. Gegen genau diese Verpflichtung hatte er nach einhelliger Meinung seiner Gegner aber regelmäßig verstoßen.49 Die Verstöße, so wird man folgern dürfen, die Heinrich gegen seine Verpflichtung zur Beratung mit den Großen angelastet wurden, resultierten nicht aus einer grundsätzlich anderen Einschätzung der Pflicht zur Beratung, sondern eher aus seinem willkürlichen Umgang mit dieser Pflicht. Auch die Untersuchung der Briefe ergibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Heinrich aus grundsätzlichen Erwägungen in Konflikte mit relevanten Teilen seines Herrschaftsverbandes geraten sei. Dies klingt ganz anders am Eingang des Preisgedichts, das Heinrichs Sieg über die Sachsen beschreibt und feiert.50 Der unbekannte Autor betont gleich zu Anfang programmatisch, der Konflikt habe seine Ursache darin gehabt, dass die Sachsen Heinrich „seine Rechte verweigerten“ (I, 2). Seine Analyse der Situation geht von der Verwilderung aller Sitten aus, die in der Kindheit des Königs geherrscht habe: „Jeder tat, was ihm beliebte, sie plünderten die Kirchen, raubten den Witwen die Habe, bedrückten Waisen und Unglückliche und taten alles nur mit Gewalt. Den Armen setzte das Schicksal den Mächtigen zum Erben; je mächtiger einer war, desto mehr Schaden richtete er an, kein Gesetz zog Schranken, was Recht und Unrecht war, bestimmte der eigene Epistolae Heinrici IV, Nr. 13, S. 18. Siehe in diesem Kapitel oben bei Anm. 18–20. 50 Angesichts der Überlieferungslage des Carmen de bello Saxonico sollte nicht gänzlich in Vergessenheit geraten, dass G. H. Pertz es für ein Erzeugnis der Humanistenzeit hielt; siehe dazu die Hinweise von Holder-Egger in der MGH-Edition, S. V. Auch wenn dies in der folgenden Forschung nicht akzeptiert und rezipiert wurde, siehe zuletzt Schluck, Die Vita Heinrici, S. 30 ff., mahnt der Tatbestand, nicht zu selbstverständlich vom Werk eines unmittelbaren Zeitgenossen auszugehen und Folgerungen aus den Wertungen des Gedichts unter diesen Vorbehalt zu stellen. 48 49
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Wille“ (I, 14–19). Der Sachsenkrieg, so führt der Autor weiter aus, habe seine Ursache in Maßnahmen des Königs, die diese gesetzlosen Zustände beenden sollten: „Er zog diesem Volk die allzu losen Zügel an, wies ihm das Recht, erließ Gesetze und zog dem Verbotenen Schranken, den Kirchen, Witwen und Armen gab er das gewaltsam Geraubte zurück, und niemand durfte danach mehr ungestraft einen Raub begehen“ (I, 21–24). Dieses Motiv bleibt auch in der weiteren Darstellung ein Leitmotiv für das Handeln des Königs: Nach seinem Sieg „durchzog der unbesiegbare König die Heimat der Sachsen, berichtigte alles Falsche, stellte Gesetz und Recht wieder her und gab allen, die man beraubt hatte, ihr Eigentum zurück“ (II, 207–209). Es sind die Sachsen, die sich dieser Wiederherstellung der Ordnung immer wieder verweigern (III, 265 f.). Konkreter äußert sich der Autor an keiner Stelle, er sagt nicht, wie das wiederhergestellte Recht und Gesetz im Einzelnen aussah, was man in einem Preisgedicht allerdings auch nicht unbedingt erwarten darf. Jedenfalls lässt uns das Gedicht vollständig im Stich, wenn wir uns aus seinen Angaben Informationen über die Hintergründe einer neuartigen königlichen Herrschaftsauffassung erhoffen, die Ursache der Konflikte gewesen sein könnte. An mehreren Stellen zeigt sich vielmehr, dass der Autor den traditionellen Anforderungen an den König von Gottes Gnaden sehr verpflichtet war. Heinrich bietet nach seiner Darstellung den Sachsen etwa mehrfach Beratungen an (I, 58–60 und II, 26–44), in denen den Fürsten die Entscheidung übertragen wird: „ihrem Rat in dieser Sache werde ich beitreten“ (I, 60). Er verhält sich hier also ganz so, wie es Heinrich nach den Aussagen seiner Gegner eben nicht tat. Das Gleiche gilt für die mehrfach beschwörenden Appelle an Heinrich, gegenüber den Sachsen Milde walten zu lassen, mit der rhetorischen Frage: „Ging etwa jemals einer zugrunde, der sich ihm unterwarf? Unterwirf dich dem Milden, wirf dich flehend dem Gütigen zu Füßen! Er folgt genau den Sitten seiner Väter, er schont die Unterworfenen und wird die Stolzen überwinden“ (III, 277–280). Das Gedicht endet symptomatischerweise sogar mit dem Appell: „Nun zeige denen, die jetzt zu dir flehen oder es in Zukunft noch tun, was sie von dir zu hoffen haben, wenn sie sich dir, milder König, ergeben“ (III, 293/4). Der Autor porträtiert so zwar gewiss einen ganz anderen König, als ihn die Gegner
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zeichneten. Nur folgte dieser nicht einem neuen Herrschaftsideal, sondern war ganz dem alten Ideal des christlichen Königs verpflichtet, wie es sich seit den karolingischen Fürstenspiegeln immer mehr durchgesetzt hatte. Bei unserer Frage nach Begründungen für eine Praxis der Herrschaftsintensivierung und Ausweitung der königlichen Rechte hilft uns jedenfalls auch dieser Autor nicht weiter. Diese Beobachtung wiederholt sich bei der Analyse der Lebensbeschreibung Heinrichs IV., die in mehrfacher Hinsicht die gleichen Akzente setzt wie das Preisgedicht.51 Auch hier wird der Anfang allen Übels den Fürsten zugeschrieben, die in der Zeit der Minderjährigkeit „nicht die Diener des Königs waren, sondern seine Herren“.52 Mit Beginn seiner selbständigen Regierung aber „überprüfte er, was er unter dem Einfluß der Fürsten getan hatte, und verdammte vieles davon; er wurde zu seinem eigenen Richter und änderte, was zu ändern war. Er verbot auch Fehden, Gewalt und Raub; er bemühte sich, den verjagten Frieden und die Gerechtigkeit zurückzurufen, die mißachteten Gesetze wieder zur Geltung zu bringen und die Lust am Verbrechen einzudämmen.“53 Das konnte man exakt so auch im Preisgedicht lesen, nur hilft es uns kaum weiter. Allerdings kann man konstatieren, dass Preisgedicht wie Vita betonen, dass Heinrich IV. Missstände aus der Zeit der Regentschaft beenden wollte. Die Deutung seines ungewöhnlichen Verhaltens als Reaktion auf Erfahrungen in der Zeit der Regentschaft wird uns später noch beschäftigen. Wir müssen insgesamt feststellen, dass die inhaltliche Rechtfertigung der Handlungen Heinrichs IV. durch seine Anhänger in Urkunden, Briefen und Erzeugnissen der Geschichtsschreibung auf sehr allgemeiner Ebene betrieben wird, die kaum einen sinnvollen Vergleich mit den Vorwürfen seiner Gegner zulässt. Dies gilt in besonderer Weise für die schon behandelte Charakteristik Heinrichs IV. als
51 Siehe dazu bereits ausführlich Schluck, Vita Heinrici, bes. S. 33 ff. mit einem ausführlichen Stilvergleich, S. 85 ff. mit einer Untersuchung inhaltlicher Berührungspunkte; zur Vita zuletzt eindringlich Bagge, Kings, Politics, S. 313 ff. 52 Vita Heinrici, cap. 2, S. 416. 53 Vita Heinrici, cap. 2, S. 416; ähnlich noch einmal in cap. 8 bei der Behandlung des Mainzer Landfriedens von 1103.
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„König der Armen“, wie sie seine Vita vornimmt. Damit wird zwar massiv unterstrichen, dass sich Heinrich einen Platz im Himmel gesichert habe, weil er eine wichtige christliche Forderung in den Mittelpunkt seines Handelns stellte. Doch wie es zu den vielen Konflikten in seiner Zeit kam, ist damit nicht erklärt. Es scheint, als habe sich der Autor damit begnügt, so den Gegnern Heinrichs den Wind aus den Segeln zu nehmen, denn wer sich in entscheidenden Fragen so vorbildlich verhielt, dessen Sünden musste man nicht thematisieren. Es scheint also durchgängig so, als redeten beide Seiten nicht von derselben Sache, sondern vollständig aneinander vorbei. Hervorzuheben ist jedoch, dass die Argumentationen der Gegner einen Grad an Konkretheit aufweisen, der den Ausführungen seiner Anhänger vollständig abgeht. Eine politische Auseinandersetzung um Heinrichs Verhaltensweisen, die von den Gegnern so vielfältig angegriffen wurden, haben seine Anhänger allem Anschein nach nicht aufgenommen, zumindest nicht schriftlich dokumentiert. Es fragt sich, ob das ein gutes Licht auf seine Verhaltensweisen wirft.
3. Zur grundsätzlichen Diskussion über das Königtum in den Streitschriften Streitschriften haben in unserer bisherigen Behandlung der Geschichte Heinrichs IV. kaum eine Rolle gespielt. Zwar hat man wohl zu Recht betont, dass in der Zeit Heinrichs IV. die Entscheidungen im Streit zwischen Königtum und Kirche nicht durch theoretische Argumente, sondern durch die politischen Kräfteverhältnisse gefallen seien.54 Dennoch wurden und werden politische Kräfteverhältnisse nicht nur im 11. Jahrhundert auch durch theoretische Argumente beeinflusst, wie die Intensität nahe legt, mit der man schwankende Parteigänger oder Unentschiedene, etwa den Bischof Hermann von Metz, zu überzeugen versucht hat.55 Daher kann man in einem Buch, das sich auf Heinrich IV. und seine Rolle in diesem Streit konzentriert, nicht 54 55
Struve, Die Stellung des Königtums, S. 243. Vgl. dazu Kap. IV.4 bei Anm. 138.
Grundsätzliche Diskussion über das Königtum in den Streitschriften 283
übergehen, dass der Streit intensive theoretische Diskussionen und Argumentationen ausgelöst hat, auch wenn nicht im Einzelfall zu erweisen ist, wie viel davon Heinrich IV. erreichte oder gar beeinflusste. Leidenschaftlich und erbittert haben jedenfalls Gegner und Anhänger Heinrichs IV. zu begründen versucht, wie die rechte Ordnung der Welt, insbesondere das Verhältnis von weltlicher und geistlicher Gewalt, von Gott eingerichtet worden sei.56 Die Anhänger des Königtums begründeten und verteidigten die alte sakrale Würde des Königs als rex et sacerdos und seine Rolle als Haupt des corpus Christi, der Gemeinschaft der Gläubigen. Die Gegner des Königtums erwiesen die Unterordnung der weltlichen unter die geistliche Gewalt, die Verpflichtung des Königs zum Gehorsam gegenüber dem Papst sowie dessen Recht, auch über Könige zu richten. Ja, sie steigerten ihre Ablehnung zu der Einschätzung, dass die weltliche Herrschaft insgesamt auf das Wirken des Teufels zurückgehe. Die politischen Auseinandersetzungen wurden also von geistigen flankiert, in denen mit allen der Zeit zur Verfügung stehenden Mitteln um eine Klärung der Beziehungen von regnum und sacerdotium gerungen wurde. Die schriftlichen Formen der Auseinandersetzung wurden so intensiv, dass sie eine neue literarische Gattung wie die „Streitschriften“ hervorbrachten. In der modernen Forschung diagnostizierte man sogar die „Anfänge staatlicher Propaganda“,57 der ganz gewiss auch eine kirchliche Propaganda zur Seite stand. Es wurden seit dieser Zeit nicht nur Briefe in neuartiger Weise genutzt, sei es, dass man sie neben den Adressaten auch einem breiteren Kreis von potentiell Interessierten zur Kenntnis brachte; sei es, dass man sie in Dossiers sammelte oder in Register eintrug, um den Überblick über den Stand der schriftlichen Diskussion zu behalten. Es entstanden nun auch Traktate, in denen bestimmte Einzelfragen auf der Basis der gelehrten Tradition und der zur Verfügung stehenden Autoritäten unter entschiedener Parteinahme zu lösen versucht wurden. Die schriftliche Kommunikation informierte einmal die eigenen Parteigänger und versorgte die Anhänger mit den Tellenbach, Die westliche Kirche, S. 189. Erdmann, Die Anfänge der staatlichen Propaganda, S. 491 f.; Goetz, Geschichte als Argument, S. 34–69. 56
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nötigen Informationen und Argumenten. Aber auch der Gegenseite gelangten viele der Erzeugnisse zur Kenntnis, so dass eine schriftliche Auseinandersetzung teilweise an die Stelle der mündlichen Verhandlungen trat.58 Auch wenn also nicht im Einzelnen zu erkennen ist, inwieweit Heinrich IV. selbst in die theoretischen Diskussionen einbezogen war und ob er überhaupt von den Argumenten Kenntnis hatte, ist davon unbenommen, dass sie von seinen Gegnern und von seinen Helfern geführt wurden und so in einem Zusammenhang mit dem politischen Handeln stehen. Es ist also für die Beurteilung Heinrichs IV. von einigem Interesse, wie seine Stellung, seine Rechte und Pflichten in dieser Diskussion von den unterschiedlichen Parteien definiert wurden. Ausgangspunkt der Betrachtungen hat die sakral überhöhte Stellung der „Könige von Gottes Gnaden“ zu sein, die sich in der Ottonen- und frühen Salierzeit ausgebildet hatte und in den Streitschriften in den Vordergrund gerückt wurde, die für Heinrich Partei nahmen. Ihren symbolischen Ausdruck fand sie etwa in der Königssalbung oder in der Weihe des Kaisers zum Diakon während der Kaisererhebung. Dem König wurden auf Grund seiner Schutzfunktion gegenüber der Kirche auch Rechte innerhalb der Kirche eingeräumt. Diese kamen vor allem in der Einsetzung der Bischöfe und ihren Verpflichtungen zum Königsdienst zur Geltung.59 Das Verhältnis von weltlicher und geistlicher Gewalt dachte man sich in dieser Zeit vorrangig in organologischen Metaphern: Der König bildete das Haupt des corpus Christi, der Gemeinde. Eintracht (concordia) stellte das Prinzip der Zusammenarbeit dar, wie es auch in der sogenannten Zwei-Schwerter-Lehre formuliert wurde, die das weltliche und das geistliche Schwert zur Zusammenarbeit verpflichtete und die Frage des wechselseitigen Verhältnisses, einer Gleich- beziehungsweise einer Über- und Unterordnung ausklammerte.60 Gregor VII. hat in der Anfangsphase seiner Amtszeit dieses Konzept von 58 Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 184–189. Vgl. auch schon Mirbt, Die Publizistik im Zeitalter Gregors VII., S. 121–130. 59 Struve, Die Stellung des Königtums, S. 218 f.; Ullmann, Machtstellung des Papstes, S. 356 ff.; zuletzt Körntgen, Ottonen und Salier, S. 33f. 60 Levison, Die mittelalterliche Lehre von den beiden Schwertern, passim.
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der Einheit von Königtum und Priestertum noch in dem Bild von den zwei Augen beschworen: Wie der menschliche Körper durch seine zwei Augen gelenkt werde, so lenkten Priestertum und Königtum das corpus ecclesiae.61 Parallel dazu formulierte man in dieser Anfangsphase durchaus noch positive Begründungen für die Notwendigkeit weltlicher Herrschaft, die von Gott eingesetzt wurde und werden musste, weil die Menschen nach dem Sündenfall ihre paradiesische Unschuld verloren hatten. So war es in den vorhergehenden Zeiten die vorherrschende Tradition gewesen.62 Diese auf harmonische Zusammenarbeit von Kirche und Königtum ausgerichtete theoretische Grundlegung des Wesens und der Aufgaben der Königsherrschaft wurde im Verlaufe des Streits von gregorianischer Seite aber zugunsten eines Konzepts der Überordnung des Papsttums über das Königtum aufgegeben. Folgerichtig forderte man vom König nun Gehorsam und beanspruchte die richterliche Gewalt des Papstes auch über Könige und Kaiser, wie sie Gregor VII. im Dictatus Papae bereits als Anspruch formuliert und mit der Bannung Heinrichs IV. dann auch praktiziert hatte. Zur theoretischen Fundierung reaktivierte man alte kirchliche Vorbehalte gegen die weltliche Herrschaft, die dieser keinen göttlichen, sondern einen teuflischen Ursprung attestierten. Welch konkreten Stellenwert diese bereits auf Augustinus zurückgehende Abwertung weltlicher Herrschaft in den Diskussionen der Gegner und Anhänger Heinrichs IV. hatte, vermag am besten die Argumentation Gregors VII. selbst in seinem zweiten Brief an Bischof Hermann von Metz zu verdeutlichen, einen Bischof, der durchaus zwischen den Lagern schwankte, zwischen ihnen auch vermittelte und dem deshalb die Standpunkte der Parteien in besonderer Eindringlichkeit nahe gebracht wurden.63 61 Gregorii VII Registrum, lib. 1, Nr. 19, S. 31; Struve, Die Stellung des Königtums, S. 220. 62 Stürner, Peccatum und potestas, S. 121. 63 Bernheim, Mittelalterliche Zeitanschauungen, S. 204–215; Mirbt, Die Publizistik im Zeitalter Gregors VII., S. 23, 98; Stürner, Peccatum und potestas, S. 132. Immerhin hatte Hermann von Metz 1076 in Worms das Absetzungsschreiben an Gregor VII. unterschrieben.
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Im Jahre 1081 rechtfertigte Papst Gregor gegenüber Hermann die zweite Bannung Heinrichs in einem langen Brief, in dem die theoretischen Grundlagen seiner Haltung zum Königtum ausformuliert sind: „Wer wüßte nicht, daß Könige und Herzöge ihren Ursprung bei denen genommen haben, die Gott nicht kannten und durch Hochmut, Raub, Hinterlist, Mord, kurz durch Verbrechen aller Art und angestiftet vom Fürsten dieser Welt, nämlich vom Teufel, über ihresgleichen, nämlich Menschen, zu herrschen suchten in blinder Gier und unerträglicher Anmaßung.“64 Superbia, cupiditas und praesumptio, Hochmut, Herrschbegierde und Anmaßung, alles Tatbestände schwerer Sünden, sind hier die Epitheta, die weltliche Herrschaft charakterisieren. Und jeder Eingriff in kirchliche Belange stand nun unter dem Verdikt der praesumptio, wie es schon Humbert da Silva Candida formuliert hatte, der die ottonischen Könige wegen ihrer Kirchenherrschaft und Investiturpraxis als sacerdotalis officii praesumptores bezeichnete. Dass dieser Papstbrief in der politischen Auseinandersetzung Wirkung entfaltete, mag man auch an der Tatsache ermessen, dass eine ganze Reihe von Geschichtsschreibern ihn in ihre Werke inserierten.65 Für Gregor war es keine Frage, dass die weltliche Herrschaft der priesterlichen Gewalt unterworfen sein müsse: „Soll etwa die Würde, die irdische Wesen, die Gott nicht kennen, erfanden, nicht dem Amt unterworfen sein, das der allmächtige Gott in seiner Vorsehung zu seiner eigenen Ehre erfand und in seiner Barmherzigkeit der Welt gab?“66 Als Beweis für die Gottgewolltheit dieser hierokratischen Ordnung verfügten der Papst und seine Anhänger über eine ganze Reihe von Belegstellen und Exempla, aus denen hervorging, dass diese Hierarchie auch schon in früheren Jahrhunderten bestanden hatte. An der Spitze stand gewiss das Herrenwort: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen; und dir will ich die Schlüssel des Himmelreiches geben.“67 64 Gregors Brief in Bruno, De bello Saxonico, cap. 73, S. 69. Zu der Stelle schon Bernheim, Mittelalterliche Zeitanschauungen, S. 204ff. 65 Stürner, Peccatum und potestas, S. 136, Anm. 20. 66 Gregors Brief in Bruno, De bello Saxonico, cap. 73, S. 69. 67 Matth. 16, 18.
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Daran schließt sich bekanntlich direkt die Stelle von der Binde- und Lösegewalt des Apostels an, die Gregor VII. im gleichen Brief fast mit einem Anflug von Sarkasmus gegen die Anhänger Heinrichs wendet: „Aber vielleicht wollen die genannten Männer irgendwie wahrnehmen, daß Gott, als er dem dreimal heiligen Petrus seine Kirche mit den Worten anvertraute: ‚Weide meine Schafe‘, die Könige ausgenommen hat. Warum richten sie ihre Aufmerksamkeit nicht darauf und bekennen lieber errötend, daß Gott, als er dem heiligen Petrus grundsätzlich die Gewalt zu binden und zu lösen, im Himmel und auf Erden übertrug, niemanden ausnahm, nichts seiner Gewalt entzog.“ Um diese Unterordnung und Abhängigkeit der weltlichen von der geistlichen Gewalt zum Ausdruck zu bringen, benutzte man nun Bilder wie die vom Verhältnis zwischen Blei und Gold, Mond und Sonne, Schüler und Lehrer, Körper und Seele, die das hierarchische Verhältnis und den Vorrang der geistlichen Gewalt symbolisch verdichtet anzeigen sollten.68 Wenn aber dem Priestertum und an seiner Spitze dem Papst der Vorrang vor der weltlichen Gewalt zukam, dann durfte der Papst auch Gehorsam von Königen und Kaisern fordern. Und genau dies war die zentrale Forderung, die Gregor immer wieder an Heinrich IV. wie an andere Herrscher richtete, an prominenter Stelle etwa in jenem Brief vom 8. Dezember 1075, der Heinrichs massive Reaktion auslöste.69 Dort schrieb er die Gehorsamsforderung gleich schon in die Adresse: „Bischof Gregor, Knecht der Knechte Gottes, sendet König Heinrich Gruß und apostolischen Segen, jedoch nur, wenn er dem apostolischen Stuhl gehorcht, wie es einem christlichen König geziemt.“70 Und als Gregor im Jahre 1081 seinem Legaten Altmann von Passau Instruktionen gab, was er bei der Wahl eines neuen Gegenkönigs vor allem zu beachten habe, da ging es wieder vorrangig um den Gehorsam, zudem aber auch um symbolische Ausdrucksformen, in denen das untergeordnete Verhältnis dieses neuen Königs zum Papst zum Ausdruck kommen sollte: „Deshalb geben wir im Folgenden an, was die heilige Vgl. dazu Struve, Die Stellung des Königtums, S. 222. Siehe oben Kap. 4.1 bei Anm. 24. 70 Gregorii VII Registrum, lib. 3, Nr. 10, S. 263. 68 69
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römische Kirche von ihm durch ein eidliches Versprechen fordert: ‚Von nun an und fürderhin werde ich dem heiligen Apostel Petrus und seinem Stellvertreter Gregor, dem gegenwärtigen Papst, treu sein in aufrichtiger Treue. Und alles was mir der Papst mit den Worten «bei wahrem Gehorsam» vorschreibt, werde ich getreulich beachten, wie es eines Christen Pflicht ist. […] Und an dem Tag, an dem ich ihn zuerst sehe, werde ich in Treue durch meine Hände des heiligen Petrus und sein Vasall werden.‘“71 Dieser Forderung haben geistige Helfer Heinrichs einerseits die Gottunmittelbarkeit des König entgegengehalten, andere haben versucht, die Stellung und die Befugnisse des Herrschers auf der Basis des römischen Rechts neu zu formulieren. Entschieden haben diese Erörterungen den Streit zur Zeit Heinrichs nicht. Die grundsätzliche Diskussion um die Stellung des Königtums ist dennoch für unsere Überlegungen insofern von großem Gewicht, als in ihr die Forderung nach Unterordnung des Königs unter den Papst und nach Gehorsam erhoben und begründet wurde. Der Widerstand gegen diese Forderung prägte Heinrichs Politik in gleicher Weise wie sein Widerstand gegen die Partizipation der Reichsfürsten an seiner Königsherrschaft.
4. Annäherungsversuche an die Persönlichkeit Heinrichs IV. Die Überschrift über dieses letzte Unterkapitel formuliert ein Eingeständnis: Mehr als Annäherungen an die Persönlichkeit Kaiser Heinrichs IV. und die Antriebskräfte für sein Handeln und seine Politik können die Ausführungen und Überlegungen dieses Buches nicht sein. Sie haben gegenüber den bisherigen Annäherungen allerdings einen, vielleicht nicht unbeträchtlichen Vorteil – sie blenden bei der Beurteilung Heinrichs IV. nicht einen Großteil der zeitgenössischen Überlieferung aus, sondern suchen dem Befund gerecht zu werden, dass wir von diesem Kaiser mehr durch Aussagen seiner Gegner als seiner Anhänger erfahren. Die Berechtigung dieser Perspektive – zur Beurteilung Heinrichs 71
Gregorii VII Registrum, lib. 9, Nr. 3, S. 575 f.
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auch alle Stimmen seiner Gegner einzubeziehen und ernst zu nehmen – ergibt sich vor allem aus einer Beobachtung, deren Bedeutung hier noch einmal hervorgehoben sei: Die Gegner haben ihre Vorwürfe gegenüber dem König nicht hinter vorgehaltener Hand erzählt, nicht als Gerüchte gestreut. Sie haben vielmehr immer wieder darauf bestanden, sie zum Gegenstand einer Beratung und eines colloquium zu machen, an dem die führenden Kräfte des Herrschaftsverbandes teilnehmen sollten.72 Sie haben damit ihre Argumente gegen den König der höchsten Instanz vorlegen wollen, die dieser Herrschaftsverband zur Beratung und Entscheidung wichtiger Fragen kannte. Papst Gregor VII. hatte ein ähnliches Verfahren vor Augen, als er über Jahre ein colloquium anstrebte, das zunächst die causa regis, später dann die causa regum behandeln und entscheiden sollte, wem die Gerechtigkeit günstiger sei.73 Ihm lag viel daran, auf diesem colloquium den Vorsitz zu führen, weil damit die Kompetenz des Papstes, auch über Könige zu entscheiden, etabliert worden wäre. Mit all dem haben die Vorwürfe einen „Sitz im Leben“, der geradezu dazu zwingt, ihnen so viel Aufmerksamkeit zuzuwenden, wie es in diesem Buch geschehen ist. Erst diese Aufmerksamkeit führte ja zu der Erkenntnis, dass die Vorwürfe häufig erfolgreich thematisiert wurden und den König zu einer Änderung seines Verhaltens zwangen. Im Kern formulieren sie immer wieder Varianten des einen Tatbestands, dass der König einen grundsätzlichen Angriff auf die bestehende Ordnung plane und sie umstürzen wolle: Er verstoße permanent gegen die Rangordnung, indem er sich mit Personen „ohne Ahnen“ umgebe und diesen allen Einfluss zukommen lasse; er verstoße gegen seine Pflicht zur Beratung aller anstehenden Entscheidungen; er habe die Entmachtung der Großen zum Ziel.74 Die Gegner Heinrichs reklamierten so die Dignität der bisherigen Gewohnheiten gegenüber neuartiger königlicher Willkür; sie verteidigten die gewachsenen Rechte von Adel und Kirche auf Partizipation an der Königsherrschaft gegen autokratische Maßnahmen HeinVgl. oben Kap. III.1 bei Anm. 14; Kap. IV.2 bei Anm. 57. Vgl. oben Kap. IV.3 bei Anm. 83 ff. 74 Vgl. oben Kap. III.1 bei Anm. 9 und bei Anm. 14. 72 73
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richs IV. Sie waren in der Tat der Überzeugung, dass es in der Auseinandersetzung mit dem König um existentielle Fragen ging. Man wehrte sich gegen einen als fundamental empfundenen Angriff auf das System der „konsensualen Herrschaft“, in dem Rang und Einfluss sich wechselseitig bedingten und in geregelten Formen der Beratung wirksam wurden. Dies erklärt zum einen die Vehemenz und Unerbittlichkeit der Vorwürfe und zum anderen die Intensität, in der die Vorwürfe ihren schriftlichen Niederschlag fanden. Die verschiedenen Autoren erhoben zwar im Wesentlichen die gleichen Vorwürfe, sie kannten ihre Werke untereinander jedoch nicht. Ihr gemeinsamer Wurzelgrund waren die Empörung über das Verhalten des Königs und die Diskurse, in denen diese Empörung verbreitet wurde. Eine überzeugende Antwort auf diese grundsätzlichen Vorwürfe sind Heinrich IV. und sein Anhang den Gegnern nach unseren Beobachtungen schuldig geblieben. Dies lässt sich einerseits aus den Fällen ableiten, in denen Große des Reiches nach einer Prüfung der Anschuldigungen zu dem Ergebnis kamen, dass diese berechtigt seien und der König sein Verhalten zu ändern habe.75 Auf der anderen Seite blieb die Suche nach einem theoretischen Konzept, mit dem der König seine ungewöhnlichen Handlungsweisen gerechtfertigt hätte, mehr oder weniger erfolglos.76 Auf seine Vorgänger und deren Gewohnheiten konnte sich der König jedenfalls kaum berufen. Einige von Heinrichs Vorgängern und überdies sein Sohn und Nachfolger haben vielmehr gleichfalls Widerstände provoziert, wenn sie sich in vergleichbarer Weise über die Interessen von Adel und Kirche hinwegsetzten. Als Beispiele mögen die Widerstände ausreichen, die Otto der Große nach seinem Amtsantritt auf Grund seines anmaßenden Handelns gegenüber dem Hochadel fand, die Heinrich II. angesichts seiner Politik gegenüber Bolesław Chrobry entgegenschlugen, oder die Heinrich V. von Seiten der Sachsen wie der Reichsfürsten entgegengesetzt wurden.77 In allen diesen Vgl. oben Kap. III.1 bei Anm. 27 ff.; Kap. IV.2 bei Anm. 56ff. Vgl. Kap. VI.2. 77 Vgl. dazu jetzt Althoff, Ottonen, S. 69 ff. und S. 208 ff. (zu Otto I. und Heinrich II.) bzw. ders., Staatsdiener oder Häupter des Staates, S. 136 ff. (zu Heinrich V.). 75 76
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Fällen organisierte sich bewaffneter Widerstand, um den Herrscher zu einer Änderung seines Verhaltens zu zwingen, weil man die herrscherlichen Maßnahmen als unvereinbar mit den eigenen Ansprüchen ansah. Und die jeweiligen herrscherlichen Maßnahmen waren nicht annähernd so einschneidend wie diejenigen Heinrichs IV. Eine moderne Annäherung an Heinrich IV. hat also zu konstatieren, dass er mit seiner Politik Regeln verletzte, die den Zeitgenossen wichtig waren. Im Unterschied zu den Historikern im 19. und 20. Jahrhundert, denen das etablierte Recht auf Partizipation und die Pflichten des Königs zur Beachtung der Rangordnung und angemessenen Beteiligung am Rat noch nicht als konstitutiver Bestandteil der Königsherrschaft im 10. und 11. Jahrhundert aufgefallen waren, können wir uns daher nicht mehr vorbehaltlos mit dem Vertreter der Zentralgewalt identifizieren, der die Machtfülle und Stärke dieser Zentralgewalt gegen die Angriffe von Partikularisten und Ultramontanen verteidigt habe.78 Die Zeitgebundenheit dieser Geschichtsbetrachtung ist heute erkennbar, die ihre eigenen Sehnsüchte nach einer starken Zentralgewalt ins Mittelalter projizierte und dort das realisiert sah, was man selbst für die eigene Zeit anstrebte. Doch sollte uns diese Einsicht nicht hochmütig machen, denn auch unsere eigene Perspektive ist ganz gewiss zeitgebunden und wird späteren Generationen Anlass geben, über diese Zeitgebundenheit nachzudenken. An das bisher Gesagte schließt sich die Frage an, was denn Heinrich IV. zu dieser Haltung veranlasst haben könnte, die so viel Widerstand hervorrief. Warum hat er die Kräfte so nachhaltig provoziert, die sich in den vorhergehenden Jahrhunderten als Partner des Königtums etabliert und bewährt hatten? Ausführlicher begründet hat er seine Abkehr von den gewohnten Formen der Königsherrschaft allem Anschein nach nicht, denn schon die Zeitgenossen rätselten über den Sinn und Zweck vieler seiner Handlungsweisen und lassen so erkennen, dass er seine Ziele nicht offen legte. Die fehlende Kenntnis seiner Absichten war ja ein Grund dafür, dass man ihm besonders finstere Motive unterstellte. Die schwäbischen Ministerialen als Besatzungen neu erbauter Burgen in Sachsen stehen geradezu als Symbol dafür, dass dieser König böse Absichten haben musste. 78
Vgl. oben Einleitung bei Anm. 2.
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All die hier noch einmal zusammengefassten Argumente für ungewöhnliche und konfliktträchtige Verhaltensweisen Heinrichs, mit denen er sich über das von anderen so wichtig genommene Herkommen hinwegsetzte, lassen sich aber auch für eine Annäherung an seine Persönlichkeit nutzen. Den Bruch so existentieller Konventionen praktiziert und steht wohl nur jemand durch, der über eine entsprechende Persönlichkeitsstruktur verfügt. In vollem Bewusstsein der Problematik des Unterfangens seien daher die sich hierdurch ergebenden Annäherungsmöglichkeiten an die Persönlichkeit Heinrichs IV. diskutiert und erwogen. Seinen ausgeprägten Hang zu den skizzierten Handlungsweisen gegenüber dem Adel und der Kirche offenbarte Heinrich IV. interessanterweise gleich zu Anfang seiner selbständigen Regierung. Erinnert sei nur an die Tatsache, dass er Erzbischof Adalbert als alleinigen Ratgeber in so ungewöhnlicher Weise bevorzugte, dass dies die anderen Fürsten schon 1066 zu massiven Gegenreaktionen und zum Sturz des „Günstlings“ veranlasste.79 Auch andere provokative Handlungen des Königs wie der Versuch seiner Trennung von der Gemahlin Bertha oder der Sturz Ottos von Northeim fallen in das erste Jahrfünft seiner selbständigen Herrschaft. Bald schon bemerkten die Fürsten, dass sie nicht angemessen an der Regierung beteiligt würden. Der Bruch mit der überkommenen Praxis konsensualer Herrschaft scheint also gleich zu Beginn seiner Regierung beschlossene Sache gewesen zu sein. Damit liegt es nahe, die Gründe für seine schnelle Abkehr von den üblichen Herrschaftsformen bereits in Heinrichs Jugend und seiner Erziehung zu suchen. Die Erfahrungen, die er in dieser Zeit gemacht hatte, dürften in der Tat wenig geeignet gewesen sein, sein Vertrauen in die Funktionstüchtigkeit des existierenden Herrschaftssystems zu begründen. Mit den schlechten Erfahrungen, die Heinrich geprägt haben könnten, ist nicht nur der „Staatsstreich“ von Kaiserswerth gemeint, sondern auch die beständigen Auseinandersetzungen der führenden Ratgeber untereinander hatten ihren Anteil daran. Sie manifestierten sich in einer konfusen Rompolitik, in Konflikten um die Rangordnung, die 79
Vgl. oben Kap. II.1 bei Anm. 39 ff.
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im Goslarer „Sesselstreit“ in blutige Kämpfe ausarteten, in Eigenmächtigkeiten, durch die Reichsklöster dem Königtum entfremdet und untereinander aufgeteilt wurden. Die Betroffenen in Corvey, Lorsch, Stablo-Malmedy oder Niederaltaich haben in ihren Reaktionen deutlich gemacht, welche Meinung sie von der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen hatten.80 Diese Erfahrungen könnten beim heranwachsenden Herrscher durchaus den Entschluss hervorgerufen haben, nicht weiter auf eine ausgewogene Beteiligung der führenden Leute an seiner Herrschaft zu bauen, sondern mit einem engen Kreis von persönlich Vertrauten die Geschicke des Reiches in die Hand zu nehmen und diese Vertrauten unabhängig von der Rangordnung auszuwählen. Es ist nur die Frage, ob und wer ihn in dieser Hinsicht besonders bestärkt und beeinflusst haben könnte. Die meisten der Vertrauten des Königs sind in der Überlieferung nicht deutlicher profiliert, da es sich um Ministeriale handelt. Es gibt eine Ausnahme, den Erzbischof Adalbert von Hamburg-Bremen. Bisher hat man jedoch nie gefragt, wie viel Anteil er an der Ausbildung von Heinrichs autokratischem Herrschaftsstil gehabt haben könnte. Mit Adalbert hatte Heinrich eine Persönlichkeit als Erzieher und – was noch wichtiger ist – als selbstgewählten engsten Berater, die man kaum anders als exzentrisch bezeichnen kann, so tun dies jedenfalls Gegner wie Anhänger.81 Heinrichs offenkundige Vorliebe für diesen Erzieher und Berater sagt damit auch einiges über seine eigene Persönlichkeit aus und es fragt sich, inwieweit sich aus dieser Verbindung das eigenartige Verhalten des Königs erklären lässt. Der große Anteil des Erzbischofs an der Entwicklung des jungen Herrschers zeigte sich schlagend schon im ersten Jahr der selbständigen Herrschaft Heinrichs, als Adalbert zum obersten und einzigen Ratgeber aufstieg; später nicht zuletzt daran, dass der Erzbischof schon wenige Jahre nach seinem Sturz die Vertrauensstellung im Beraterkreis Heinrichs IV. noch einmal zurückgewann. Überdies konzenVgl. oben Kap. II.1 bei Anm. 21. Vgl. hierzu vor allem Brun, cap. 2–5; Lampert, a. 1065, 1066, 1072; zur Bedeutung Adams von Bremen für die Beurteilung Adalberts siehe die folgenden Ausführungen. 80
81
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trierte sich die Wut der Gegner des Königs in besonderer Weise auf diesen Erzbischof, was ex negativo ein sicheres Indiz dafür sein dürfte, dass er in der Tat über besonderen Einfluss auf den Herrscher verfügte. Zudem sind wir im Falle seiner Person in der außergewöhnlich günstigen Lage, dass wir auch die ausführliche Stimme eines Verteidigers hören, der aus der Sicht der Hamburg-Bremer Kirche die Taten dieses Erzbischofs und seinen Kontakt mit Heinrich zu erklären und zu rechtfertigen suchte.82 Adam von Bremen bietet so die erwünschte Kontrastfolie zu den Stimmen der Gegner Adalberts, obgleich er selbst nicht verleugnet, dass er vielen der Handlungen seines Erzbischofs kritisch bis ablehnend gegenüberstand. Man kann auch sagen, Adam litt unter den Eigenschaften und den Taten seines Erzbischofs.83 Das ungewöhnliche Interesse an Erzbischof Adalbert aus entgegengesetzten Blickwinkeln eröffnet daher die Möglichkeit zu prüfen, ob nicht der Einfluss des Erzbischofs auf den jungen König maßgeblich zu dessen konfliktträchtigem Herrschaftsstil beigetragen haben könnte. Eine auffällige Parallele zwischen den Verhaltensweisen des Königs und des Erzbischofs bietet schon die Tatsache, dass Erzbischof Adalbert den sächsischen Adel ebenfalls dadurch provozierte, dass er eine Reihe befestigter Burgen errichtete, die sein Gegner, der billungische Graf Hermann, in dem Moment zerstören ließ, als Erzbischof Adalbert seines Rückhalts beim König beraubt war. Es lohnt sich, eine der Darstellungen Adams im Zusammenhang zu zitieren, um deutlich zu machen, dass selbst Adalberts Verteidiger diesem Burgenbau ähnlich negativ gegenüberstand wie die Sachsen später dem Burgenbau des Königs: „Aufgeblasen durch seine hohen Würden bei Hofe und fast unerträglich für seinen armen Sprengel kam er nun damals nach Bremen, wie gewöhnlich mit einer stattlichen Menge Bewaffneter und neuen, drückenden Forderungen an Land und Leute. Damals ließ er auch jene Burgen errichten, die den besonderen Zorn unserer Herzöge erregten; mit seinem früheren Eifer, heilige Klöster zu gründen, 82 Zu Adam von Bremen als Geschichtsschreiber vgl. zuletzt Scior, Das Eigene und das Fremde, S. 30 ff. 83 Vgl. hierzu etwa seine diesbezüglichen Ausführungen in Gesta, lib. 3, cap. 1, S. 142 ff., cap. 2, S. 144 f., und cap. 37, S. 179 f.
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war es dagegen vorbei. […] Wenn sein armes Bistum schon früher oft schwer an den großen Kosten seiner Heerfahrten und an seinem großzügigen Bemühen um den gierigen Hof zu tragen gehabt hatte, dann richtete er es nun durch den Bau von Propsteien und Burgen rücksichtslos zugrunde. […] Langes, gründliches Nachdenken über die Ursachen solch krankhaften Verhaltens ließ mich zu der Erkenntnis kommen: allzu hohe Einschätzung weltlichen Ruhms hat die Charakterfestigkeit dieses klugen Mannes so sehr geschwächt, daß er im glükklichen Besitz irdischer Güter voller Überheblichkeit maßlos nach Lob haschte, im Unglück dagegen allzu niedergeschlagen seiner Wut oder seiner Verzweiflung die Zügel schießen ließ.“84 Vernichtender kann man kaum urteilen, und damit ist klar, dass die negative Wirkung des Baues von Burgen gerade in Sachsen als bekannt vorausgesetzt werden konnte, als Heinrich den Ausbau der befestigten Anlagen begann. Der provokative Charakter des Burgenbaus tritt aus dieser Perspektive noch deutlicher vor Augen. Der König wiederholte eine Maßnahme, die schon beim Erzbischof einen schweren Konflikt provoziert hatte. Der Burgenbau erweist sich aber keineswegs als das einzige Beispiel, bei dem Heinrichs Verhalten vom Vorbild Adalberts beeinflusst sein könnte. Der gleiche Befund zeigt sich nämlich im Verhalten Adalberts gegenüber dem Adel, den Heinrich IV. ja auf verschiedenste Weise so brüskierte, dass ihm sein Verhalten den Vorwurf eintrug, er wolle den Adel ausrotten.85 Erzbischof Adalbert wird von Adam gleichfalls ein Ressentiment bescheinigt, das sich gezielt gegen den Adel richtete: „Zudem hatte er bei Tafel die Gewohnheit, über große Herren herzuziehen, die einen nannte er dumm, andere habsüchtig, vielen warf er mangelnden Adel vor, alle jedoch schalt er treulos; sie seien undankbar gegen den König, der sie aus dem Staube gezogen habe, und offensichtlich schütze er allein ihn aus Liebe zum Reich, wie es seine Pflicht sei, nicht zu seinem eigenen Vorteil. Das zeige ihr un84 Adam von Bremen, Gesta, lib. 3, cap. 37, S. 179 f.; siehe auch ähnliche Ausführungen in lib. 3, cap. 26, S. 186 f. und cap. 44, S. 186f. 85 Vgl. dazu Bruno, De bello Saxonico, cap. 60, S. 55: Nam ut solus omnium dominus esset, nullum in regno suo dominum vivere vellet.
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edles Erraffen von fremdem Gut, während er selbst als Edelmann das seine verschwende. Hierin erweise sich Adel am deutlichsten. Solche heillosen Ausfälle gegen jedermann kamen ständig vor, und er ließ keinen unbehelligt, um sich selbst über alle zu erheben. Kurz gesagt, nur um des heißersehnten weltlichen Ruhmes willen hat sich dieser Mann mit all seinen anfänglichen Tugenden zum Schlechten verändert. Ganz ähnlich führte er sich damals bei vielen Gelegenheiten auf, und das brachte seine Überheblichkeit, Großsprecherei oder vielmehr seinen Hochmut arg in Verruf und zog ihm die Feindschaft aller Menschen zu, besonders aber die der Großen.“86 Auch an anderer Stelle konstatiert Adam generell Adalberts adelsfeindliche Affekte: „Weltlichen Fürsten und seinen Standesgenossen dagegen mochte er sich in nichts beugen. Vielmehr ereiferte er sich mitunter derartig über sie, daß er die einen der Üppigkeit, andere der Habgier, wieder andere der Unzuverlässigkeit beschuldigte ohne irgendjemand zu schonen, an dem er etwas auszusetzen fand.“87 Man wird notieren dürfen, dass dieser ungewöhnliche Bruch mit den am Rang orientierten Verhaltensweisen ein weiterer gemeinsamer Zug des Erzbischofs und des Königs war. Auch hier ist ein Heinrichs Verhalten auslösender Einfluss des Erzbischofs nicht ausgeschlossen oder sogar nahe liegend. Das Gleiche darf man annehmen bei Heinrichs ungewöhnlichem Verhalten gegen den jungen sächsischen Herzogssohn Magnus, den er in überlanger Haft hielt, was in Sachsen Unverständnis und Empörung auslöste. Das Verhalten wird jedoch verständlicher, wenn man berücksichtigt, dass dieser Magnus sich als der erbittertste Feind Erzbischof Adalberts profiliert hatte.88 Der König rächte gewissermaßen bei passender Gelegenheit Aggressionen, die der Erzbischof von Magnus hatte hinnehmen müssen. Die Gemeinsamkeiten zwischen Lehrer und Schüler verdichten sich weiter, wenn man auf Adalberts Technik der Abschottung aufmerksam wird, die Adam so charakterisiert: „So kam es, daß wir es mit ansehen mußten, wie die Tür seines Gemachs, die anfangs auch allen unbeAdam von Bremen, Gesta, lib. 3, cap. 40, S. 183. Adam von Bremen, Gesta, lib. 3, cap. 2, S. 144. 88 Siehe dazu oben Kap. II.1 Anm. 44 und Kap. II.2 bei Anm. 77. 86 87
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kannten Fremden offengestanden hatte, schließlich so stark bewacht und gesichert wurde, daß selbst Gesandte in wichtigem Auftrag und mächtige weltliche Herren zuweilen voller Empörung eine Woche vor seiner Schwelle warten mußten.“89 Es genügt, an Heinrichs gleichermaßen provozierendes Verhalten gegenüber den Abgesandten des sächsischen Stammes 1073 in Goslar zu erinnern,90 um einsichtig zu machen, dass der provokative und ehrverletzende Ausschluss von Personen, die einen Anspruch auf Zugang zu haben glaubten, eine Herrschaftstechnik war, die Erzbischof und König gleichermaßen anwandten. Diese Brüskierung hochrangiger Personen korrespondiert zudem mit einer Bevorzugung Niedriggestellter, die Heinrich IV. vielfach zum Vorwurf gemacht wurde, ein Vorwurf, den Adam ebenfalls gegenüber Erzbischof Adalbert erhebt: „Unser Erzbischof war so sehr auf seinen hohen Stand und irdischen Ruhm bedacht, daß er es für unpassend ansah, einem der Seinen zu hohem Rang zu verhelfen, wenn er auch viele Niedrigstehende in sein Gefolge aufnahm. […] So kam es, daß er im Haschen nach weltlichem Ruhm Menschen aller Art und der verschiedensten Fertigkeiten in seinen Dienst zog, vornehmlich aber Schmeichler.“91 Beim Vergleich auffälliger Verhaltensweisen, die Adalbert wie Heinrich an den Tag legten, fällt des Weiteren auf, dass Adam – wie die Vita Heinrichs IV. – einen besonderen Akzent auf das Verhältnis des Erzbischofs zu den Armen legt. Adam sieht dieses Verhältnis an einer Stelle sogar kritisch: „Seine Demut erscheint dadurch zweideutig, daß er sie nur an Dienern Gottes, Armen und Pilgern erwies dadurch, daß er persönlich vor dem Schlafengehen oft 30 oder mehr Bettlern kniend die Füße wusch. Weltlichen Fürsten und seinen Standesgenossen dagegen mochte er sich in nichts beugen.“92 Nach dem Tode des Erzbischofs aber wertete er das Verhältnis Adalberts zu den Armen uneingeschränkt positiv: „Nur die Armen blieben dir, die Pilger, Witwen, Adam von Bremen, Gesta, lib. 3, cap. 39, S. 183. Siehe dazu oben Kap. III.1 bei Anm. 6. 91 Adam von Bremen, Gesta, lib. 3, cap. 36, S. 178. 92 Adam von Bremen, Gesta, lib. 3, cap. 2, S. 144. 89 90
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Waisen und alle Bedrängten, und sie erklärten auch, dein Tod habe sie einsam zurückgelassen.“93 Den gleichen Akzent setzte auch der Autor der Heinrichs-Vita.94 Insgesamt ergibt sich also eine auffällige Gemeinsamkeit zwischen König und Erzbischof, insbesondere was Verhaltensweisen betrifft, die einen Bruch der Konventionen bedeuteten. Es liegt angesichts dieses Befundes die Annahme auf der Hand, dass der König als der Jüngere von den im genauen Wortsinn unkonventionellen Verhaltensweisen seines Lehrers und engen Beraters geprägt wurde und sich diese in großem Ausmaß zu Eigen machte. Aus dieser Perspektive liegt ein Schlüssel zum Verständnis der Persönlichkeit Heinrichs IV. in seinem Verhältnis zu seiner wichtigsten Bezugsperson, wie man modern sagen würde. Diese Bezugsperson wies ihn mit ihrem Beispiel auf den Weg der Missachtung zentraler Spielregeln politischen Verhaltens. Die Konsequenzen waren in beiden Fällen die gleichen. Eine zweite Annäherungsmöglichkeit an die Persönlichkeit Heinrichs IV. bietet die Bewertung seiner Auseinandersetzung mit Gregor VII., die hier nur insoweit noch einmal thematisiert sei, als von Heinrichs Äußerungen und Handlungen auf Hinweise geschlossen werden soll, die sich für ein Bild seiner Persönlichkeit verwerten lassen. Der generelle Eindruck von etwaigen handlungsleitenden Prinzipien des Königs in dieser Auseinandersetzung ist ein zwiespältiger: Im Unterschied zu Gregor VII., dem man ein vielleicht nicht in allen Punkten durch die Tradition gestütztes, aber jedenfalls ein Konzept in der Auseinandersetzung mit Heinrich attestieren muss, erscheint Heinrichs Haltung diffus, mehr von taktischen Überlegungen als von Prinzipien getragen. Doch ist diese Einschätzung bis in die moderne Forschung höchst strittig; die Grenzen des Erkennbaren sind schnell erreicht.95 Dennoch ist natürlich für die Frage nach Heinrichs Persönlichkeit zentral, ob man sein Verhalten gegenüber Gregor VII. als verAdam von Bremen, Gesta, lib. 3, cap. 66, S. 213. Siehe dazu oben Kap. V.4 bei Anm. 138. 95 Siehe dazu das bedenkenswerte Fazit von Tellenbach, Der Charakter Heinrichs IV., S. 366 f. mit Hinweisen auf nach seiner Meinung überzogene moderne Urteile. 93 94
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schlagen und prinzipienlos bezeichnen kann oder ob die Überlieferung solche Urteile nicht erlaubt. Im vollen Bewusstsein der Grenzen des Erkennbaren seien daher hier einige Anhaltspunkte zusammenfassend diskutiert. Immer schon ist der in Diktion und Inhalt unterwürfige Brief aufgefallen, mit dem Heinrich Gregor gegenüber Besserung versprach und seine inkriminierten Handlungen dem Überschwang seiner Jugend und schlechten Ratgebern zuschob.96 Man hat die Zerknirschung und Reue für unaufrichtig gehalten, nur dem Zweck verpflichtet, am Beginn der Sachsenkriege im August 1073 Gregor zu beschwichtigen und sich so den Rücken frei zu halten. Wenn dies die Absicht des Königs war, hatte er damit Erfolg, denn Gregor setzte in der Folgezeit alle seine Hoffnungen auf Heinrich, bis er abrupt eines anderen belehrt wurde.97 Mit taktischen Finessen Heinrichs rechnete Gregor offensichtlich nicht. Auch aus dem Sommer 1075, als die Sachsenkriege in ihrer Entscheidungsphase waren, sandte Heinrich Gregor noch einen Brief mit merkwürdigen Andeutungen, die den Eindruck erwecken sollten, die Fürsten seines Reiches seien so an einer Zwietracht zwischen ihm und Gregor interessiert, dass er nur noch heimlich mit dem Papst Kontakt halten könne. Diese brieflichen Äußerungen wirken angesichts der konkreten Handlungen, die Heinrich folgen ließ, verschlagen, und Gregor fiel buchstäblich aus allen Wolken, als Heinrich sich im Herbst 1075 gänzlich anders verhielt, als diese Briefe es hatten erwarten lassen. Gregor hat diese Verschlagenheit Heinrichs, die sich über alle Versprechungen und Zusagen hinwegsetzte, in einem ausführlichen Brief an die Großen des Reiches angeprangert,98 und es fällt in der Tat schwer, die Diskrepanz zwischen den Worten des Königs in seinen Briefen an Gregor und seinen Taten nicht zu sehen. Vertrauenswürdig und berechenbar hat sich Heinrich IV. in der Phase vor seiner Bannung jedenfalls nicht verhalten. Diesen Eindruck von taktischen Ränkespielen und unaufrichtigem Verhalten als Wesensmerkmal von Heinrichs Persönlichkeit erzeugen Epistolae Heinrici IV., Nr. 5, S. 8 f., siehe dazu oben Kap. II.1. Siehe dazu ausführlich oben Kap. IV.1 bei Anm. 14ff. 98 Siehe die Auszüge aus diesem Brief oben Kap. IV.1 bei Anm. 28. 96 97
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auch die Geschichten, die von seinem Auftreten in Canossa in Umlauf gesetzt wurden.99 Heinrichs angebliche Weigerung, den Leib des Herrn als Gottesurteil für seine Aufrichtigkeit zu nehmen, spricht ja ebenso für ein Ränkespiel wie sein angebliches Verhalten beim Versöhnungsmahl. Doch sind diese Aussagen gewiss nur insoweit zu verwerten, als sie Zeugnis vom Bemühen seiner Gegner geben, Heinrich als verschlagen zu porträtieren. Mit dieser Akzentsetzung schlagen sie aber genau in die gleiche Kerbe wie viele andere Gegner des Königs auch. Genauer zu beurteilen ist dagegen sein Verhalten nach Canossa, wo er sich eidlich dazu verpflichtet hatte, „hinsichtlich der Unzufriedenheit und Meinungsverschiedenheit“, die zwischen ihm und den Großen des Reiches bestanden, „innerhalb des Zeitraums, den der Herr Papst Gregor bestimmt, entweder Gerechtigkeit gemäß seinem Urteil oder Einvernehmen gemäß seinem Rat zu schaffen“.100 An diesen Eid hat er sich in keiner Weise gebunden gefühlt, wofür die Wahl Rudolfs zum Gegenkönig als Ursache gewiss nicht ausreicht. Nicht zufällig hat daher Gregor VII. nach dreijährigen erfolglosen Bemühungen, das anvisierte colloquium durchzuführen, Heinrich ein zweites Mal mit dem Hauptargument gebannt, er habe dieses colloquium bewusst verhindert.101 Diesen Vorwurf kann man in der Tat nachvollziehen, wenn man die Politik Heinrichs IV. gegenüber Gregor nach 1077 Revue passieren lässt. Damit nähern wir uns wieder einer Persönlichkeit, die in Notlagen zu jedem Zugeständnis bereit ist, die Einlösung dieser Zugeständnisse jedoch dann in den Wind schlägt, wenn veränderte Verhältnisse neue Optionen bieten. Es sei hier angeschlossen, dass eine ähnliche Taktik am Ende der Herrschaft Heinrichs noch einmal fassbar wird. In einem Brief an Abt Hugo von Cluny betont der Kaiser 1106 nach seiner schmählichen Behandlung durch seinen Sohn, die Großen und den päpstlichen Legaten: „trotz dieser Behandlung unterwerfen wir uns nochmals euerem Rat, Vater, und dem anderer frommer Männer, die ihr hinzuziehen wollt, und ich werde alles dem Papst gegenüber tun, was ihr anordnet, Vgl. oben Kap. IV.2 bei Anm. 79 f. Vgl. oben Kap. IV.2 bei Anm. 77. 101 Vgl. oben Kap. IV.3 bei Anm. 100. 99
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vorbehaltlich unserer Ehre.“102 Über seinen Taufpaten versuchte Heinrich den Papst direkt in das Geschehen zu involvieren und ihm alle geforderte und von Hugo gutgeheißene Genugtuung zu geben – ein Ansinnen, das er bis dahin stets verweigert hatte. Auch hier drängt sich der Eindruck auf, dass Heinrich wieder einmal seine „dilatorische Geschicklichkeit“ einsetzte, um Zeit zu gewinnen und sich aus einer ausweglosen Situation zu befreien. Dass Zeitgewinn in der Tat Rettung bedeuten konnte, hatte Heinrich im Verlaufe seiner Herrschaft häufig genug erfahren. Es sei nur an den überraschenden Ausgleich mit Welfen und Zähringern im Jahre 1098 erinnert, der ihm Optionen eröffnete, die bis dahin undenkbar waren.103 Hierfür waren beide Seiten, was nicht übersehen werden sollte, bereit, gewachsene Bindungen und Verpflichtungen hintanzustellen. Einen Schlüssel zum Verständnis seiner Persönlichkeit aber liefern, wenn überhaupt, Heinrichs Erfahrungen in der Jugend und während der Regentschaften. Man darf ihm zugute halten, dass er nicht gerade den angenehmen Seiten „konsensualer Herrschaft“ begegnete, als Regenten und Ratgeber sich in eigennützigen Handlungen und Intrigen gegeneinander überboten und ihn vielleicht in der Tat „hin- und herschubsten wie einen Gefangenen“ (Adam von Bremen). Seine Versuche jedoch, sich der Beachtung der Rangordnung und dem Zwang zur Konsensherstellung zu entziehen, boten keine Alternative zur alten, mit vielen Schwächen behafteten Herrschaftsform. Sie wurden als Willkürakte aufgefasst und waren es wohl auch. Seit den 80er Jahren des 11. Jahrhunderts haben wir aber auch einen anderen Heinrich erlebt, der zur Zusammenarbeit mit den Großen in der Lage war und sogar mit seinen früheren Gegnern erstaunliche Kompromisse zustande brachte. Man könnte daraus folgern, dass Heinrich aus seinen früheren Fehlern gelernt hatte. Diese Phasen der scheinbaren Konsolidierung seiner Herrschaft störten aber dreimal Fälle, in denen er mit Familienangehörigen, seinen Söhnen und seiner 102 Siehe dazu oben Kap. V.4 bei Anm. 119 ff., der hier zitierte Brief Heinrichs trägt die Nr. 38. In Brief Nr. 41 an seinen Sohn hat er dies Angebot wiederholt, siehe dazu Kap. V.4 bei Anm. 135 und 136. 103 Siehe dazu oben Kap. V.3 bei Anm. 75 ff.
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zweiten Gemahlin, in Konflikte geriet. Dass alle drei Angehörigen sich den Päpsten anvertrauten und deren Unterstützung suchten, verdeutlicht noch einmal, wie stark die Stellung dieser Institution in den Auseinandersetzungen mit Heinrich IV. geworden war. So steht am Ende dieses Buches – wenn auch schemenhaft – eine Persönlichkeit vor Augen, deren Schattenseiten überwiegen. Heinrichs vielfältige Abkehr von bewährten Herrschaftspraktiken schuf mannigfache Ursachen für Konflikte. Mit seinem Bruch der Gewohnheiten und seinen Richtungswechseln zerstörte er nicht zuletzt das Vertrauen in die Integrität aller am politischen Prozess Beteiligten, ohne das ein auf personalen Bindungen beruhendes Herrschaftssystem nicht funktionieren konnte. Insofern hat er ganz ohne Zweifel die Krise der Königsherrschaft seiner Zeit zu verantworten, wenn auch gewiss nicht allein. Verschärft hat die Krise die Tatsache, dass ihm in Gregor VII. ein Gegenspieler erwuchs, der päpstliche Ansprüche nicht nur zu formulieren, sondern auch in politische Dynamik umzusetzen wusste. Man kann darüber streiten, ob diese Ansprüche, namentlich die Gehorsamsforderung gegenüber dem Königtum, gerechtfertigt waren, wohl kaum aber darüber, dass Gregor VII. seinen Zielen treu und damit berechenbar blieb – was von Heinrich IV. nicht zu konstatieren ist.
Abkürzungsverzeichnis AHVN AfD AfK AUF DA FMSt FS FSGA
GdV GWU HJb HZ LexMA MGH DD Dt. MA Epp. sel. Ldl SS SSrG SSrG NS MIÖG ND NDB
Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein Archiv für Diplomatik Archiv für Kulturgeschichte Archiv für Urkundenforschung Deutsches Archiv für Erforschung (bis 1944: Geschichte) des Mittelalters Frühmittelalterliche Studien Festschrift Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe. Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Historisches Jahrbuch Historische Zeitschrift Lexikon des Mittelalters Monumenta Germaniae Historica Diplomata Deutsches Mittelalter. Kritische Studientexte Epistolae selectae Libelli de lite imperatorum et pontificum Scriptores (in Folio) Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi Scriptores rerum Germanicarum, Nova series Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Nachdruck Neue Deutsche Biographie
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NdsJb Röm. Quartalsschr. ZBLG ZGORh ZRG GA KA
Abkürzungsverzeichnis
Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte Römische Quartalsschriften Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte Germanistische Abteilung Kanonistische Abteilung
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Register der Personen- und Ortsnamen (Redaktion: Christina Brandherm) Abk.: Äbt. = Äbtissin; Bf. = Bischof; Bm. = Bistum; Ebf. = Erzbischof; Gem. = Gemahlin; Gf. = Graf; Hl. = Heiliger; Hzg. = Herzog; Kg. = König; kgl. = königlicher; Kl. = Kloster; Ks./Ksn. = Kaiser/Kaiserin; Mgf./Mgfn. = Markgraf/-gräfin; P. = Papst; Pfgf. = Pfalzgraf; S. = Sohn; Schwiegerm. = Schwiegermutter; T. = Tochter
Personen Adalbero, Bf. von Würzburg († 1090) 134 Adalbert I., Ebf. von Hamburg-Bremen († 1072) 35f., 52–57, 60–66, 75, 79, 81f., 84, 92, 270, 277, 292–297 Adalbert II. von Ballenstedt, Gf. in Thüringen († um 1080) 114 Adam von Bremen, Geschichtsschreiber 54ff., 61 f., 294–297 Adelheid, Ksn., Gem. Ks. Ottos I. († 999) 45 Adelheid I., Äbt. von Quedlinburg, T. Ks. Ottos II. († 1043) 100 Adelheid II., Äbt. von Quedlinburg, T. Ks. Heinrichs III. († 1096) 98ff. , 269, 272 Adelheid, Ksn., Gem. Ks. Heinrichs IV. († 1109) 43, 207, 211, 213ff., 215–219, 270, 273 Adelheid, Mgfn. von Turin, Schwiegerm. Ks. Heinrichs IV. († 1091) 152
Adelheid von Turin, Gem. Hzg. Rudolfs von Schwaben († 1079) 73 Agnes, Ksn., Gem. Ks. Heinrichs III. († 1077) 38, 42, 44–51, 60f., 70, 85, 117, 123 Agnes, T. Heinrichs IV., Gem. Hzg. Friedrichs I. von Schwaben und Mgf. Leopolds III. von Österreich († 1143) 240 Albert Azzo II., Mgf. von Este († 1097) 152, 221f. Alexander II., P. († 1073) 39, 59f., 69– 75, 82f., 117 Altmann, Bf. von Passau, päpstl. Legat († 1091) 144, 180f., 287 Altwin, Bf. von Brixen († 1097) 139, 224 Anno, Ebf. von Köln († 1075) 47, 49, 52–57, 59ff., 64, 65ff., 71f., 78, 82, 98, 101 Anselm III., Ebf. von Mailand († 1093) 208, 212
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Register der Personen- und Ortsnamen
Atto, Anwärter auf den Mailänder Bf.sitz († 1075) 126
Burkhard IV., Bf. von Basel († 1107) 145
Bardo, Ebf. von Mainz († 1051) 36 Beatrix I., Äbt. von Quedlinburg, T. Ks. Heinrichs III. († 1061) 100 Beatrix, Mgfn. von Tuszien († 1076) 44, 72, 120, 123, 125 Benno II., Bf. von Osnabrück († 1088) 92, 173, 186 Benzo, Bf. von Alba, Geschichtsschreiber 190 Berengar (Beringer), sächs. Gf. 114 Berengar II., Gf. von Sulzbach († 1125) 233, 236 Berengar von Tours († 1088) 172 Bern, Gf. in Thüringen 114 Bernhard, Abt von St-Victor, Marseille, päpstl. Legat 163 Bernold von Konstanz, Geschichtsschreiber († 1100) 186, 188, 209, 222 Bertha von Turin, Ksn., Gem. Ks. Heinrichs IV. († 1087) 44, 69, 73, 96, 152, 207, 271, 292 Berthold I. der Bärtige, Hzg. von Kärnten († 1078) 84, 97, 101, 104, 111, 144, 160, 196, 210, 219, 222f. Berthold von Reichenau, Geschichtsschreiber († 1088) 128f., 164 Berthold, Gf. in Schwaben († 917) 109 Bolesław I. Chrobry, Hzg. von Polen, poln. Kg. († 1025) 290 Bonizo, Bf. von Sutri, Geschichtsschreiber 168, 170 Bruno, Ebf. von Trier († 1124) 236 Bruno, Geschichtsschreiber 17f., 56f., 61, 77, 86–91, 95f., 132, 135, 143, 145, 161f., 179, 183, 256f., 265f., 268, 270 Burkhard II. (Bucco), Bf. von Halberstadt († 1088) 59, 114
Cadalus, Bf. von Parma (siehe Honorius II.) 50, 59 Clemens II., P. († 1047) 33 Clemens III., Gegenpapst (siehe Wibert, Ebf. von Ravenna) († 1100) 178, 189f., 193f., 219, 227 Cuno, Ministeriale 76 Damasus II., P. († 1048) 33 David, altt. Kg. 127 Dedi II., Mgf. der Ostmark († 1075) 76, 89 Desiderius, Abt von Monte Cassino († 1087) 181, 185, 193 Diepold III., Gf. von Vohburg († 1146) 233, 235f. Dietrich (Theoderich), Bf. von Verdun († 1089) 145, 148, 184, 189, 193, 196f. Dietrich II., Gf. von Katlenburg († 1085) 114, 202 Dietrich III., Gf. von Katlenburg († 1106) 231, 234 Donizo, Geschichtsschreiber 210 Eberhard, Bf. von Naumburg († 1078) 139 Eberhard, Ebf. von Trier († 1066) 60, 65 Eberhard, Gf. von Nellenburg († 1078/80) 81 Eberhard, Gf., Ratgeber Heinrichs IV. 83, 117, 126 Egilbert, Ebf. von Trier († 1101) 196ff., 204 Egino, sächs. Adeliger († 1073) 76ff., 105 Einhard II., Bf. von Speyer († 1067) 66 Ekbert II., Gf. von Braunschweig,
Personen Mgf. von Meißen († 1090) 47, 58, 205–208, 218, 275 Ekkehard von Aura, Geschichtsschreiber († 1126) 229f., 237, 241, 247 Erchanger, Gf. in Schwaben († 917) 109 Erlembald, Führer der Mailänder Patria († 1075) 122 Erlung, Bf. von Würzburg († 1121) 236 Ethelind, T. Ottos von Northeim, Gem. Hzg. Welfs IV. 80 Eupraxia (siehe Adelheid, Gem. Ks. Heinrichs IV.) Friedrich I. Barbarossa, Ks. († 1190) 219 Friedrich I., Ebf. von Köln († 1131) 236 Friedrich, Bf. von Halberstadt († 1105) 237f. Friedrich I., Bf. von Münster († 1084) 97, 145 Friedrich I., Hzg. von Schwaben († 1105) 236 Friedrich II., Pfgf. von Sachsen († 1088) 114 Gebhard, Ebf. von Salzburg († 1088) 160, 179f., 184, 196, 198f. Gebhard III., Bf. von Konstanz, päpstl. Legat († 1110) 196, 210, 214, 219, 222, 226, 235, 237 Gerhard II., Bf. von Speyer († 1110) 244 Gottfried, Ebf. von Mailand († 1075) 83 Gottfried IV. (Gozelo) der Bucklige, Hzg. von Niederlothringen († 1076) 101, 112, 126, 134 Gottfried II. der Bärtige, Hzg. von Oberlothringen, Mgf. der Toskana († 1069) 44, 60f., 70 ff. Gregor VII., P. (siehe Hildebrand)
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(† 1085) 116–141, 147–152, 154– 173, 175, 177f., 180–190, 192–195, 198, 260, 274, 278, 284–289, 298–302 Gregor, Bf. von Vercelli († 1077) 118, 126 Harold II. Godwinson, engl. Kg. († 1066) 39 Hartwich, Ebf. von Magdeburg († 1102) 198, 205ff., 217 Hartwich, Abt von Hersfeld († 1090) 205 Heinrich II., Ks., dt. Kg. († 1024) 34, 255, 290 Heinrich III., Ks., dt. Kg. († 1056) 33ff., 41–45, 50, 79 Heinrich V., Ks., dt. Kg. († 1125) 31, 43, 225, 228–250, 290 Heinrich I., frz. Kg. († 1060) 36 Heinrich, Patriarch von Aquileja († 1084) 145, 167 Heinrich, Ebf. von Ravenna († 1071/72) 72 Heinrich I., Bf. von Lüttich († 1091) 145 Heinrich II., Bf. von Augsburg († 1063) 47, 50f. Heinrich II., Bf. von Paderborn († 1127) 237f. Heinrich I., Bf. von Trient († 1082) 71 Heinrich I., Bf. von Speyer († 1075) 124 Heinrich IX. der Schwarze, Hzg. von Bayern († 1126) 224 Heinrich I., Hzg. von Nieder-Lothringen († 1119) 227 Heinrich der Fette, S. Hzg. Ottos von Northeim († 1101) 230 Hermann II., Ebf. von Köln († 1056) 44 Hermann, Bf. von Bamberg († 1084) 101, 124
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Register der Personen- und Ortsnamen
Hermann, Bf. von Metz († 1090) 101, 134, 184, 198, 282, 285f. Hermann, Gf. von Salm, Gegenkg. († 1088) 183, 194, 197, 202f., 205, 208 Hermann, Billunger, Gf. in Sachsen († 1086) 82, 114, 294 Hezilo, Bf. von Hildesheim († 1079) 57 f. Hildebrand (siehe Gregor VII., P.) 118, 128, 135f., 172, 189, 278 Honorius II., Gegenpapst (siehe Cadalus, Bf. von Parma) († 1072) 50, 59, 71 Hugo der Weiße (Candidus), Kardinal († nach 1098) 134, 172 Hugo von Flavigny, frz. Geschichtsschreiber († um 1140) 132 Hugo, Abt von Cluny († 1109) 42, 85, 152f., 241, 300f. Humbert da Silva Candida († 1063) 286 Huzmann, Bf. von Speyer († 1090) 145, 171 Isidor von Sevilla († 636) 101, 271 Johannes, Bf. von Porto 190 Johannes Brachiuti, Vertrauter Gregors VII. 172 Jordanus von Capua 181, 185 Karl, Bf. von Konstanz († 1071) 82f. Konrad II., Ks., dt. Kg. († 1039) 34, 43 Konrad, S. Kg. Heinrichs IV., dt. Kg. († 1101) 43, 152, 178, 181, 193, 207, 211f., 219, 232 Konrad, Bf. von Utrecht († 1099) 145, 199 Konrad, Gf. von Reinhausen († 1086) 202 Konrad, Gf. von Beichlingen, S. Hzg. Ottos von Northeim († 1103) 230
Konstantin I., röm. Ks. († 337) 192 Kuno (Konrad) I., Ebf. von Trier († 1066) 65 Lampert von Hersfeld, Geschichtsschreiber († nach 1081) 52, 57, 61f. 65, 73, 77, 86, 88, 95, 103f., 111, 113, 128, 134, 146f., 152, 154, 156f., 257ff., 262ff., 268 Leo IX., P. († 1054) 33, 35f., 38 Leopold III., Mgf. von Österreich († 1136) 240 Liemar, Ebf. von Hamburg-Bremen († 1101) 54, 124, 168, 187, 198, 218 Liupold von Meersburg, Ministeriale 77 Magnus Billung, Hzg. von Sachsen († 1106) 65, 80ff., 98, 114, 296 Manegold von Lautenbach († nach 1103) 272 Maria, Hl. 169, 175, 177, 275 Mathilde, Mgfn. von Tuszien († 1115) 120, 123, 125f., 134, 152f., 181, 183, 194, 209–212, 215, 220f. Maximilla, Gem. Kg. Konrads, T. Gf. Rogers I. von Sizilien († nach 1138) 212 Nikolaus II., P. († 1061) 37f., 49f., 118, 125, 136 Odo, Bf. von Ostia, päpstl. Legat (siehe Urban II., P.) 190, 198, 201, 203 Ordulf, Hzg. von Sachsen († 1072) 81f. Otbert, Bf. von Lüttich († 1117) 248 Otto I. der Große, Ks. († 973) 29, 290 Otto III., Ks. († 1002) 45 Otto, Bf. von Freising, Geschichtsschreiber († 1158) 223, 240 Otto I., Bf. von Konstanz († 1086) 145 Otto, Gf. von Northeim, Hzg. von
Personen Bayern († 1083) 47, 53f., 58, 71f., 75–81, 84, 91, 93, 96, 105, 114, 133, 144f., 160, 178, 183, 266, 268, 275, 292 Otto, Gf. von Kastl-Habsberg († 1125) 233 Paschalis II., P. († 1118) 31, 227f., 234f., 239 Paul von Bernried, Geschichtsschreiber († um 1046/50) 132 Paulus, Apostel 122, 168ff., 175 Petrus, Apostel 122, 131, 139f., 168ff., 175, 212 Petrus Crassus († nach 1084) 190 Petrus, Bf.von Albano 167, 190 Petrus Damiani, Kardinal († 1072) 74 f., 116, 118 Philipp I., frz. Kg. († 1108) 241, 245 Pibo, Bf. von Toul († 1107) 141 Praxedis (siehe Adelheid, Gem. Ks. Heinrichs IV.) Reginger, Ministeriale 104f. Remaclus, Hl. 66f. Richard von Capua († 1078) 37 f., 69 f. Richard I., Bf. von Albano, päpstl. Legat († 1113) 245 Robert Guiscard, Hzg. von Apulien († 1085) 37f., 126, 181f., 185, 189, 192f. Robert II., Gf. von Flandern († 1111) 228 Roger I., Gf. von Sizilien († 1101) 212 Rüdiger, Gf. von Bielstein 114 Rudolf von Rheinfelden, Hzg. von Schwaben, dt. Gegenkg. († 1080) 53, 73, 84f., 101, 104, 111, 120f., 144, 158, 160ff., 164, 166–169, 173–178, 190, 224, 275 Rupert, Bf. von Bamberg († 1102) 168, 210
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Ruthard, Ebf. von Mainz († 1109) 225, 236f., 244 Saul, altt. Kg. 127 Siegfried I., Ebf. von Mainz († 1084) 49, 52f., 64, 73f., 98, 101, 124, 135, 139, 145, 160, 258 Siegfried, kgl. Kapellan 97 Sigehart, Gf. († 1104) 229f., 233 Sigewin, Ebf. von Köln († 1089) 198 Silvester I., P. († 335) 192 Sizzo II., Gf. von Käfernburg († 1075) 114 Sophia, T. Ks. Heinrichs III., Gem. Kg. Salomons v. Ungarn († 1092/96) 272 Svend II. Estridsen, dän. Kg. († 1076) 82, 266 Tedald, Ebf. von Mailand († 1085) 126 Theoderich, Abt von Stablo († 1080) 72 Theophanu, Ksn., Gem. Ks. Ottos II. († 991) 45 Thietmar, Bf. von Merseburg, Geschichtsschreiber († 1018) 34, 218 Thietmar, Billunger, Gf. in Sachsen († 1048) 79 Udalrich, Bf. von Padua († 1083) 167 Udo von Nellenburg, Ebf. von Trier († 1078) 65, 72, 145, 165 Udo, Bf. von Hildesheim († 1114) 202f., 237f. Udo II., Gf. von Stade, Mgf. der Nordmark († 1082) 207f., 218 Ulrich von Godesheim († 1083) 105 Urban II., P. (siehe Odo, Bf. von Ostia) († 1099) 208f., 211ff., 215, 218f., 221f., 227 Viktor II., P. († 1057) 34, 44
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Register der Personen- und Ortsnamen
Walcher, Bf. von Cambrai († 1095) 228 Welf IV., Hzg. von Bayern († 1101) 80, 111, 144f., 160, 181, 196, 209, 210f., 219–222 Welf V., Hzg. von Bayern († 1120) 209, 211f., 220 Wenrich von Trier, Bf. von Piacenza († um 1095) 184 Werner (Wezel), Ebf. von Magdeburg († 1078) 110, 113f., 160, 165 Werner II., Bf. von Straßburg († 1079) 124, 145 Werner, Gf. 53 Wezilo, Ebf. von Mainz († 1088) 197f., 200, 203
Wibert, Ebf. von Ravena (siehe Clemens III., Gegenpapst) 194 Widerad, Abt von Fulda († 1075) 57f. Wilhelm, Bf. von Utrecht († 1076) 135, 139, 141ff. Wilhelm, Abt von Hirsau († 1091) 180, 196f. Wilhelm II. der Eroberer, Hzg. der Normandie, engl. Kg. († 1087) 39 Wratislaw II., Hzg. von Böhmen, böhm. Kg. († 1092) 204 Wsewolod I., Großfürst von Kiew († 1093) 207
Orte Aachen 44, 66, 207, 225, 248 Albano 185 Altaich, Kl. 53f. Augsburg 70, 148, 150, 152, 154, 180, 196f. Bamberg 171 Basel 50, 59 Benevent 185 Bingen 242, 244 Bodfeld 44 Bonn 249 Bremen 65 Brixen 168, 172, 190 Canossa, Burg 133f., 150, 152, 156, 158f., 210, 263, 300 Civitate 38 Cluny, Kl. 34, 42 Corvey, Kl. 53f., 88, 98, 146, 180, 258, 293 Crema 219 Cremona 212
Eichstätt, Bm. 44 Elten, Kl. 187 Erfurt 236 Eschwege 97 Fermo, Bm. 126 Flarchheim 167 Forchheim 158, 160 Frankfurt 74 Fritzlar 164, 167, 231, 235 Gernrode, Kl. 236f. Gerstungen 88, 99, 101f., 198, 258 Goslar 57f., 62, 78f., 89, 128f., 133, 178, 258, 297 Halberstadt 81 Hamburg 35 Hammerstein, Burg 241 Harzburg 93, 96f., 106f. Hersfeld 97 Hirsau, Kl. 196f.
Orte
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Hoetensleben 90f., 93, 146, 258 Homburg 109, 112
Pleichfeld 206 Prüm, Kl. 228
Ingelheim 245, 247f.
Quedlinburg 100, 203, 207, 236f., 248
Jerusalem 124, 226
Ravenna 182 Regensburg 193, 223, 229, 233, 235, 239f. Reims 36 Rom 33, 59, 61, 71f., 75, 83, 118, 124, 128, 133, 135, 139, 158, 165f., 182, 185–190, 192ff. Roncaglische Felder 126
Kaiserswerth 47, 50f., 61, 75, 292 Kastl, Kl. 234 Kaufungen 199 Kaufunger Wald 179 Kempten, Kl. 53 Koblenz 242 Köln 42, 198, 207, 217, 224, 241, 248f. Kornelimünster, Kl. 53 Lesum 79 Lorsch, Kl. 53f., 293 Lüneburg 81f. Lüttich 228, 248, 250 Magdeburg 81, 205 Mailand 36, 121f., 126, 212 Mainz 35f., 78, 83, 116, 171f., 197f., 203, 224f., 236, 239–245, 247ff. Malmedy, Kl. 53f., 66f., 72, 293 Mantua 59, 209 Melfi 37f. Mellrichstadt 165, 177 Merseburg 175 Metz 198 Niederaltaich 54, 293 Nordhausen 237 Nürnberg 123, 239 Oppenheim 144, 207 Padua 222 Piacenza 72, 139, 212f., 219 Pisa 212
Salerno 194 Seligenstadt, Kl. 53 Sizilien 38 Speyer 44, 148, 152, 175ff., 207, 250 Spier 113, 262 Spoleto, Bm. 126 Stablo, Kl. 54, 66f., 72, 293 Straßburg 224 Sutri 33, 37 Tivoli 193 Tribur 42, 62, 64, 133, 144f., 147–150, 154f., 180, 259 Tübingen 165 Ulm 144 Utrecht 133, 141, 145 Verona 180, 192, 211, 219 Visé 248 Worms 60, 73, 85, 128, 133–136, 138, 141, 144, 149f., 204, 224 Würzburg 101, 206 Zähringen, Burg 223 Zürich 223
Abbildungsnachweis S. 43: Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. Lat. 2°295. Foto: bpk. S. 68: München, Bayerische Staatsbibliothek, Signatur Clm 13001. S. 100: Foto: Constantin Beyer. S. 153: Vatikan, Bibliotheca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. Lat. 4922. Foto: bpk. S. 174: Foto: akg-images. S. 176: Foto: akg-images, Stefan Drechsel. S. 191: Schaffhausen, Stadtbibliothek, Ministerialbibliothek, Min. 94. S. 232: Krakau, Bibliothek des Domkapitels. S. 246: Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. Lat. 2°295. Foto: bpk. S. 252: Historisches Museum der Pfalz, Speyer.