„Als künstlerisch wertvoll unter militärischem Schutz!“: Ein archivisches Sachinventar zum militärischen Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg [1 ed.] 9783412519995, 9783412519971


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„Als künstlerisch wertvoll unter militärischem Schutz!“: Ein archivisches Sachinventar zum militärischen Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg [1 ed.]
 9783412519995, 9783412519971

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Brüche und Kontinuitäten Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus Band 4

Herausgegeben von Magdalena Bushart und Christian Fuhrmeister

Vereinigte Adelsarchive im Rheinland e. V. – Schriften 8

Esther Rahel Heyer, Florence de Peyronnet-Dryden, Hans-Werner Langbrandtner (Hg.)

„Als künstlerisch wertvoll unter militärischem Schutz!“ Ein archivisches Sachinventar zum militärischen Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg

BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e. V. und des Landschaftsverbands Rheinland

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. © 2022 Böhlau, Lindenstraße 14, D-50674 Köln, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V & R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Der Stab des Militärischen Kunstschutzes im Hotel Majestic, Paris. Sitzend (von links nach rechts): Felix Kuetgens, Bernhard von Tieschowitz und Franziskus Graf Wolff Metternich; stehend (von links nach rechts): Josef Bauch, Margarethe Schmidt, Wend Graf von Kalnein, Gisela Günther und Carlheinz Pfitzner. © Bildarchiv Foto Marburg, Fotograf: Hartwig Beseler, 1940/1941. fm432714. Korrektorat: Rainer Landvogt, Hanau Inhaltliche Redaktion: Dr. Verena Limper, Köln Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Satz: büro mn, Bielefeld Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-51999-5

Inhalt Geleit- und Grußworte  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .



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Peter K. Weber Regionale Verantwortung für internationalen Kultur- und Kunstschutz. Der Beitrag rheinischer Kultureinrichtungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .



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Grußwort I. Die Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e. V. als Projektträger  .. . .



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Grußwort II. Die Familie der Grafen Wolff Metternich und der Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .



17

.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

19

Einführung zum Sachinventar 

Esther Rahel Heyer Ein Privatnachlass als Ausgangspunkt für ein Quellenforschungsprojekt mit dem Ziel eines archiv-übergreifenden Sachinventars  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florence de Peyronnet-Dryden Zur Nutzung des Sachinventars digital und analog 



21

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35

Einleitung: Ein fiktiver Gesamtbestand zum militärischen Kunstschutz 

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Esther Rahel Heyer „Als künstlerisch wertvoll unter militärischem Schutz!“  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . “Due to Artistic Value under Military Protection!” 

43



45

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91

« Sous protection militaire en raison de sa valeur artistique ! »  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  129 Handbuch: Archive und Bestände 

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Florence de Peyronnet-Dryden/Esther Rahel Heyer Archive und Bestände mit Überlieferung zum militärischen Kunstschutz 

.. . . . . . . . 

169

171

Kunstschutz in weiteren besetzten Gebieten: Quellen am Beispiel Italiens, Griechenlands und Russlands (UdSSR)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  199

Christian Fuhrmeister Quellen zum militärischen Kunstschutz in Italien 1943 – 1945 

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201

Florence de Peyronnet-Dryden Quellen zum Kunstschutz in weiteren besetzten Gebieten: Griechenland und Russland (UdSSR)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  209 Forschungsansätze: Quellenüberlieferung und Exkurse 

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217

Themenschwerpunkt: Netzwerk Kunstschutz  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  219 Esther Rahel Heyer Forschungsansätze: Akteure, Netzwerke und ihre Kontexte 

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219

Florence de Peyronnet-Dryden / Hans-Werner Langbrandtner Kurzbeschreibungen von Institutionen und Organisationseinheiten in Verbindung mit dem Kunstschutz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  241 Florence de Peyronnet-Dryden/Hans-Werner Langbrandtner Kurzbiografien von Akteuren des Kunstschutzes und dessen Umfeld  Themenschwerpunkt: Frankreich – Kunstschutz und Kunstraub 

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275

Esther Rahel Heyer Fragen zum Spannungsfeld von Kunstschutz, Kunsthandel und Kunstraub. Hinweise in der Quellenüberlieferung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  275 Kateryna Kostiuchenko Zwischen Kunstschutz und Kunstraub. Zum Inhalt der sogenannten „Geheimakte Bunjes“ (NL FGWM, Nr. 187)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  299 Julia Schmidt Das „Netzwerk Hermann Bunjes“. Ein Kunsthistoriker ­zwischen Kunstmarkt, Kunstschutz, Museen, der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris und dem Kunsthandel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  315 Nereida Gyllensvärd Sicherstellung oder Kunstschutz? Die Sammeloffiziere der Heeresmuseen im Spannungsfeld des militärischen Kunstschutzes. Ein Forschungsbericht 

6 I Inhalt

....... 

335

Themenschwerpunkt: Akteure und Kooperationen 

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361

Heidi Gansohr Kunst aus Paris für das Rheinische Landesmuseum Bonn  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  361 Susanne Haendschke Eduard Neuffer und das Referat „Vorgeschichte und Archäologie“ des militärischen Kunstschutzes in Paris (1940 – 1942)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  377 Iris Grötecke Wissenschaftliche Auslandsbeziehungen. Alfred Stanges Vortragsreisen ­zwischen 1936 und 1944 

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391

Florence de Peyronnet-Dryden Französische Schlösser und der deutsche militärische Kunstschutz während des Zweiten Weltkrieges  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  415 Themenschwerpunkt: Rheinland 

.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

435

Annika Flamm Betrifft: Kunstschutz im Kriege. Bergungsorte der Rheinprovinz  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .  435 Katharina Schmude Die Glockenbeschlagnahme im Rheinland während der Weltkriege 

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Hans-Werner Langbrandtner Die Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz. Ein rheinisches Kulturgutdepot im Spiegel von Aufzeichnungen der Archivarin Katharina Gräfin von Looz-Corswarem in den Jahren 1945 und 1946. Anhang: Ergänzende Quellen zur Rückführung von rheinischem Kulturgut 

...... 

455

473

Themenschwerpunkt: Nachkriegszeit  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  503 Laura Nicolaiciuc Vor Rettung und Restitution. Die Anfänge und der Aufbau ziviler US-amerikanischer Kunstschutzkomitees  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  503 Marco Rasch Fortsetzung folgt? Die amerikanischen „Monuments Men“ und der „Kunstschutz“ nach dem „Kunstschutz“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  517

Inhalt  I  7

Emily Löffler Die Motive, die uns leiteten, waren auch in diesem Falle rein wissenschaftliche … Die Restitutionsforderungen um die Fotokampagnen des Kunstschutzes im Spannungsfeld von Kunstgeschichte, Ökonomie und Diplomatie  . . . . . . . . . . . . .  535 Anhang: Ergänzende Quellen, Daten und Literatur  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  553 Esther Rahel Heyer Weitere Quellen und Aufbereitung von Daten 

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555

Esther Rahel Heyer Chronologische Eckdaten zum militärischen Kunstschutz im Kontext eines Itinerars von Franziskus Graf Wolff Metternich und Bernhard von Tieschowitz   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  557 Esther Rahel Heyer/Julia Schmidt Synopse der Taschenkalender Wolff Metternichs, von Tieschowitz’ und Bunjes’  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  585 Esther Rahel Heyer Gespräche mit Angehörigen ehemaliger Kunstschutzmitarbeiter  .. . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gespräche mit Nachkommen von Franziskus Graf Wolff Metternich  . . . . . . 2. Gespräch mit Karsten Evers, Sohn von Hans Gerhard Evers  .. . . . . . . . . . . . . . 3. Gespräche mit Livia Gräfin von Kalnein, Witwe von Wend Graf von Kalnein, sowie den Kindern Heinrich, Albrecht und Alexandra  . . . . . . . 4. Gespräch mit Hansjörg Pfitzner, Sohn von Carlheinz Pfitzner  . . . . . . . . . . . . . 5. Fazit aus den Gesprächen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Esther Rahel Heyer Auswahlbibliografie zum militärischen Kunstschutz 

  

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631 640 645

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Verzeichnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  675 Abbildungsverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  677 Autor*innenverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  681

8 I Inhalt

Geleit- und Grußworte

Regionale Verantwortung für internationalen Kultur- und Kunstschutz Der Beitrag rheinischer Kultureinrichtungen Peter K. Weber

Es verwundert kaum, dass ein starker regionaler Kulturpartner mit Tradition wie der Landschaftsverband Rheinland (LVR) sich von der Thematik Kunstschutz besonders angesprochen sieht. Seit langer Zeit engagiert er sich für Kulturschutz im weitesten Sinne und auch mit sichtbarem Erfolg. Es gehört aber auch zu den Merkwürdigkeiten, dass von den heute in Deutschland in dieser Form nur noch in Nordrhein-Westfalen anzutreffenden Landschaftsverbänden oftmals nur eine vage Vorstellung von ihrer Funktion, ihrer Herkunft und auch ihrer gesellschaftspolitischen Bedeutung besteht. Beim Thema Kunstschutz sollte dieser Background nicht gänzlich aus den Augen verloren werden, weil der LVR mit dem Projekt Kulturgutschutz – zusammen mit den Vereinigten Adelsarchiven im Rheinland e. V. (VAR) als Projektträger und mit der großzügigen finanziellen Förderung des Deutschen Zentrums für Kulturverluste in Magdeburg – eine Tradition fortsetzt, die weit in seine Geschichte zurückreicht. Insofern ist es eine gute Gelegenheit – gleichsam als Einstieg in die Thematik der vorliegenden Publikation, auf diese komplexe Institution landschaftlicher Kulturpflege einzugehen. Im Jahre 1953 wurde der LVR mit Sitz in Köln ebenso wie sein in Münster ansässiges westfälisches Pendant gegründet. Der Namensteil „Landschaft“, der sich in der deutschen Verfassungsgeschichte bis in das späte Mittelalter zurückverfolgen lässt, erinnert an die Bedeutung von Städten und Gemeinden für die politische Mitgestaltung eines Landes bzw. eines Territoriums im Ancien Régime, wo sie in Landtagen Sitz und Stimme hatten und an der Ausübung von Herrschaft bzw. Staatlichkeit beteiligt waren. Die Landschaftsverbände der Nachkriegszeit gelten dank ihrer kommunalen Verfasstheit zumindest in ihrer Selbstwahrnehmung als beispielhaft für ein Mehr an struktureller Demokratie, wodurch sich das Land NRW dank dieser Körperschaften vor anderen Bundesländern besonders auszeichnet. Dieser nordrhein-westfälische Sonderweg knüpft an die preußische Provinzialverfassung für Rheinland und Westfalen auf ständischer Grundlage an. Diese Kommunalisierung und die damit einhergehende weitgehend staatlich unabhängige Regionalverwaltung fanden ihren Abschluss mit der Provinzialordnung von 1887, gewissermaßen der Verfassung der ehemaligen, einst von Kleve bis Saarbrücken reichenden preußischen Rheinprovinz. Bis

zu seiner Gleichschaltung 1933 und dem damit einhergehenden Verlust seiner politischen Organe – des Provinziallandtags und des Provinzialausschusses – war der Verband u. a. besonders auch auf dem Gebiet der Kulturpflege sehr aktiv und erfolgreich. So fielen beispielsweise die Provinzialmuseen in Bonn und Trier wie auch die Denkmalpflege in die alleinige Zuständigkeit des Provinzialverbandes. Die Institutionalisierung der Denkmalpflege fand 1911 ihre Krönung mit der etatmäßigen Einstellung des Provinzialkonservators, nachdem wenige Jahre zuvor bereits die Gründung des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz gelungen war. Zu den wichtigen Kulturprojekten vor dem ­Ersten Weltkrieg zählen die Inventarisation von Kunstdenkmälern und nichtstaatlichen Archiven. In der Weimarer Republik machte sich der Verband um die Förderung der rund um die Jahrtausendfeier in 1925 entstandenen zahlreichen Heimatmuseen wie auch die Gründung des Verbandes rheinischer Museen und der Archivberatungsstelle Rheinland verdient. Örtliche Präsenz und qualifiziertes Fachpersonal sind damals wie heute Markenzeichen des Verbandes, flankiert von finanziellen Fördermaßnahmen für zahlreiche Aktivitäten, die von unterschiedlichen Vereinen, Kommissionen, Anstalten, Kulturinstituten und wissenschaftlichen Einrichtungen getragen werden. Unter ihnen erfuhren das Institut für geschichtliche Landeskunde an der Universität Bonn und die dort angelegte grenzüberschreitende Kulturraumforschung besondere Hochschätzung – nicht zuletzt auch als ein Instrument der kulturellen Auseinandersetzung mit dem französisch geprägten Westen. Diese Auseinandersetzung erfolgte in der NS-Diktatur unter neuen völkisch-nationalistischen Vorgaben mit den bekannten zerstörerischen Konsequenzen einer irrsinnigen und menschenverachtenden Ideologie – gerade auch für Kunst und Kultur. Mit dem staatlichen Neuanfang nach 1945 obliegt der Schutz von Kunst und Kultur demokratisch, repräsentativ u. a. auch kommunal verfassten Einrichtungen. Dafür stehen in besonderer Weise auch der LVR und sein oberstes Beschlussorgan, die Landschaftsversammlung, ein indirekt gewähltes Parlament von derzeit 124 Delegierten, die aus 13 kreisfreien Städten, zwölf Landkreisen und einer kürzlich gegründeten Städteregion entsandt werden. Es handelt sich um eine regionale Körperschaft, die für Belange der Daseinsvorsorge von über 9 Millionen Menschen im Landesteil Nordrhein zuständig ist. Derzeit kümmern sich rund 19.000 Beschäftigte um die Erledigung spezieller kommunaler Aufgaben auf regionaler Ebene, vor allem solcher, die über die Grenzen der kommunalen Gebietskörperschaften hinausreichen oder deren Möglichkeiten und Kapazitäten übersteigen. Dazu gehören Aufgabenfelder wie die Einrichtung und Unterhaltung von heilpädagogischen Heimen, Jugendheimen, Schulen für Körper- und Sinnesbehinderte, regionale Museen und regional agierende hochspezialisierte Kulturdienststellen wie die der Denkmalpflege, der Landeskunde oder der Archiv- und Museumsberatung. Der Verband verwaltete 2018 ein jährliches Budget von fast 4,1 Milliarden Euro; davon wurden 90,3 Millionen Euro für Kultur und Wissenschaft ausgegeben. Dieser kleine Exkurs zum LVR und seinem Vorläufer scheint für das Verständnis des Kunstschutz-Projektes insgesamt und der Herausgabe der vorliegenden Publikation im

12 I Peter K. Weber

­ esonderen nicht ganz unwichtig zu sein, weil alte Aufgaben übernommen und in einer B neuen Ära mit teilweise andersartigen Herausforderungen und Rahmenbedingungen angepasst wurden. Kulturgutschutz ist und bleibt ein Dauerthema, dem sich der LVR von Beginn an in besonderer Weise widmete, nicht zuletzt auch in der in jüngster Zeit verstärkten kritischen Auseinandersetzung mit seiner eigenen Geschichte in der NS-Zeit und der damit eng verknüpften Geschichte des Kulturgutschutzes. Ausgangspunkt des Projektes Kulturgutschutz, der damit verbundenen international angelegten wissenschaftlichen Tagung im LVR -Kulturzentrum Abtei Brauweiler, deren Beiträge im Tagungsband der gleichen Schriftenreihe kürzlich veröffentlicht wurden, und der vorliegenden Publikation war die Öffnung des bedeutenden Nachlasses des ehemaligen Provinzial- und Landeskonservators Franziskus Graf Wolff Metternich, eines Kunst- und Kulturschützers par exellence aus rheinischem Adel, für die wissenschaftliche Forschung. Der Nachlass wird inzwischen im Familienarchiv der Grafen Wolff Metternich zur Gracht im Archivdepot der VAR auf Schloss Ehreshoven verwahrt – dank seiner Nachfahren, die ebenfalls das ­diesem Projekt zugrunde liegende Forschungsanliegen mit Interesse verfolgen und unterstützen. Den zahlreichen Beiträger*innen zur vorliegenden Publikation und insbesondere den beiden Projektmitarbeiterinnen Esther Rahel Heyer und Florence de Peyronnet-Dryden – unter der Projektleitung von Hans-Werner Langbrandtner (LVR) – gilt es herzlichen Dank zu sagen. Ihre Beiträge unterstreichen einmal mehr, wie erhaltenswert Kunst und Kultur sind, die wir wie die Luft zum Atmen brauchen.

Regionale Verantwortung für internationalen Kultur- und Kunstschutz   I  13

Grußwort I Die Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e. V. als Projektträger

Die Vereinigten Adelsarchive im Rheinland (VAR) – ein zu Beginn der 1980er Jahre gegründeter Verein von Förderern und Eignern rheinischer Adelsarchive, deren Familiengeschichte und deren Archive bis in das Spätmittelalter zurückreichen – nennen in ihrer Satzung drei Schwerpunkte ihrer Tätigkeit: die Sicherung und die Erschließung von Archiven sowie die Veröffentlichung aus den dort vorhandenen Quellen. Wenn wir jetzt – ausgehend vom Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternich – im Rahmen des Projekts Kulturgutschutz auf die vorliegende Publikation schauen, dann ist – bezogen auf diesen Nachlass – jeder dieser drei Aspekte zum Tragen gekommen: – die Sicherung aus dem Bestand einer Familie heraus, die für diesen Nachlass den richtigen Ort suchte, – die Erschließung im Zuge mehrerer, inzwischen über fünf Jahre sich erstreckender Projekte – und die Veröffentlichung d­ ieses Bandes ergänzend zu einer Datenbank, die auf der ganzen Welt Zugang zu und Recherche in den Quellen d ­ ieses Nachlasses ermöglicht. Die Gründung unseres Vereins beruht also auf dem Selbstverständnis der Vereinsmitglieder, das, was in unseren Archiven (oder wo auch immer) in unserer persönlichen Verfügung steht, für unsere Nachwelt – und das ist nicht nur diejenige unserer eigenen Familien – dauerhaft zu erhalten und es in aller Regel auch für diese Nachwelt nutzbar zu machen. Wo lässt sich d ­ ieses Selbstverständnis besser veranschaulichen als gerade in einem solchen Projekt! Natürlich war es ein Glücksfall, dass die Brüder Winfried und Antonius Grafen Wolff Metternich sich an unsere Geschäftsstelle wandten mit der Frage, ob es Möglichkeiten des Vereins gäbe, dem Nachlass ihres Vaters ein sicheres Zuhause zu geben. Mit dem Verbleib des Nachlasses im Archivdepot der VAR auf Schloss Ehreshoven und d ­ iesem jetzt erst möglichen Forschungsprojekt wurde etwas deutlich, was die Gründungsväter der deutschen Wiedervereinigung – folgenschwer – übersehen haben: die Bereitschaft unserer Familien, sich gerade für diese Überlieferung – im damaligen Fall war es der Erhalt und vielfach auch die Wiederherstellung der durch ihre Vorfahren geschaffenen alten Häuser – persönlich und auch finanziell in einem Maße zu engagieren, das in keinem Verhältnis steht zu deren wirtschaftlichem Wert. In dem konkreten Fall, der hier und heute im Mittelpunkt steht, war es ein Mitglied dieser Gemeinschaft, das sich – der dem Nationalsozialismus innewohnenden Gefahren bewusst – in einer besonderen Form des Kulturgutschutzes im benachbarten Frankreich angenommen und sich damit über die Weisungen der eigenen Regierung hinweggesetzt hat. Franziskus Graf Wolff Metternich tat nichts anderes, als seinem inneren Selbstverständnis zu folgen.

Unser Verein durfte Träger eines Projektes werden, das sich gerade ­diesem in schwierigsten Zeiten bewahrten Kulturgut gewidmet hat. Und so sage ich als derjenige, der für den Projektträger sprechen darf, Dank – an die Familie der Grafen Wolff Metternich, die diesen Nachlass zur Erschließung freigegeben hat, – an die Wulffen’sche Stiftung, die Familienstiftung der Grafen Wolff Metternich, – an die Fördermittelgeber ­dieses so umfassenden Erschließungs- und Publikationsprojektes: zum einen dem Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste für die Finanzierung der Personal- und Reisekosten der beiden Projektmitarbeiterinnen über einen Zeitraum von drei Jahren und zum anderen dem Landschaftsverband Rheinland für die Finanzierung der beiden Printpublikationen und der Umsetzung der Projektdatenbank. Uns ist bewusst, dass wir als nichtstaatliche Archive im Rheinland dank der LVR-Archivberatung in Brauweiler in einer beneidenswerten Sonderstellung sind, profitieren wir doch von einer personellen Fachkompetenz innerhalb des LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrums, die in ihrer finanziellen Größenordnung die zusätzlich gegebenen Zuschüsse weit übersteigt. Diese Sonderstellung hat im Ergebnis dazu geführt, dass es wenig Regionen unseres Vaterlandes gibt, in denen die aus der Quellenlage veröffentlichte Geschichte der Region so dicht ist wie gerade hier – trotz der Verluste, die das Rheinland gerade im letzten Jahrhundert erlitten hat. Mein Dank geht aber auch – an die Geschäftsführung und die Gremien unseres Vereines, die den Mut hatten, ein solches Projekt in so kurzer Zeit zu schultern und zu einem sicheren Ergebnis zu führen, – an diejenigen, die die Forschung in akribischer Detailarbeit mit Reisen in weit entfernte Archive und mit dem nötigen Herzblut für das Untersuchungsobjekt betrieben und nicht zuletzt an diejenigen, die sie mit demselben Herzblut dabei begleitet haben, – an diejenigen, die das Thema Kulturgutschutz um Graf Wolff Metternich herum thema­tisch ausgeweitet und damit dieser Publikation zur Einordnung in einen größeren Kontext verholfen haben. Möge die vorliegende Publikation den Leser*innen – ob als Forscher*innen oder als am Thema Interessierten – ein Gewinn sein. Raphael Frhr. v. Loë Vorsitzender der Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e. V.

16 I Grußwort I

Grußwort II Die Familie der Grafen Wolff Metternich und der Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternich

Der umfangreiche wissenschaftliche und berufliche Nachlass sowie die tausende Bände zählende Bibliothek meines Vaters befanden sich seit seiner Rückkehr aus Rom, wo er von 1953 bis 1963 Direktor der Bibliotheca Hertziana gewesen war, in seinem Alterssitz, dem Fronhof in Köln-Junkersdorf. Nach dem Tod meiner Eltern 1978 bzw. 1991 und nach dem Tod meines ältesten Bruders Hanno 1995 nahm mein zweitältester Bruder Winfried den väterlichen Nachlass nach Bonn in seine Obhut. Eine wirklich fachliche Sichtung des Nachlasses gelang aber erst Anfang des Jahres 2013, als mein Bruder für die inhaltlichen Recherchen zum Film „Frankophonia“ Ann Caroline Renninger von der Berliner Produktionsfirma zero one film vertrauensvoll den Zugang zum Nachlass gewährte und kurz darauf auch der LVR -Archivberatung, die bereits seit 1997 das Familienarchiv der Grafen Wolff Metternich im Archivdepot der VAR auf Schloss Ehreshoven betreute. Bei der späteren Übergabe des Nachlasses an das Familienarchiv nach Ehreshoven kam Richard Lipp aufgrund seines Vertrauensverhältnisses zu meinem Bruder eine wichtige Mittlerrolle zu. Dafür ist ihm herzlich zu danken. So übergab mein Bruder Winfried im August 2013 und im März 2014 den Nachlass unseres Vaters zunächst an die LVR-Archivberatung, Henrike Bolte verzeichnete ihn in der Folgezeit im Rahmen ihres wissenschaftlichen Volontariats in der LVR -Archivberatung. Ihre Erkenntnisse zum Kunstschutz und der Rolle meines Vaters stellte sie im April 2016 in einem Vortrag im LVR-Kulturzentrum Abtei Brauweiler einem großen Fachpublikum und den zahlreich erschienenen Mitgliedern der Familie Wolff Metternich vor. Mein Bruder Winfried war leider schon zu krank für eine Teilnahme, er starb im Herbst 2017. Aber zuvor hatte er zusammen mit mir, dem jüngsten Sohn unseres Vaters, der Öffnung des Nachlasses für die wissenschaftliche Nutzung zugestimmt, um eine umfassende Forschung zur Tätigkeit unseres Vaters als rheinischer Provinzialkonservator und als Leiter des militärischen Kunstschutzes im Zweiten Weltkrieg zu ermöglichen. Zusammen mit den Projektmitarbeiter*innen Esther R. Heyer (München), Florence de Peyronnet-Dryden (Lyon) und Hans-Werner Langbrandtner (LVR) führten meine Schwester Theresia und ich lange Gespräche über das Leben meiner Eltern und von uns Geschwistern in den 1930er Jahren, in der Kriegszeit und in der Nachkriegszeit. Die Kriegszeit hatten wir Kinder zumeist auf Schloss Fürstenberg in der Nähe von Paderborn bei der befreundeten Familie der Grafen von Westphalen weitgehend fern vom Kriegsgeschehen verbracht. Diese Gespräche gaben auch meinen Kindern vielfach neue Einblicke in die Geschichte ihrer Eltern und Großeltern, ihnen wurde ihre eigene Familiengeschichte greifbarer und

erfahrbarer. Ich bin sehr froh, dass wir zusammen mit der ganzen Familie und der Familienstiftung, der Wulffen’schen Stiftung, das Forschungsprojekt zum Kulturgutschutz unterstützen konnten. Antonius Graf Wolff Metternich – Köln

18 I Grußwort II

Einführung zum Sachinventar

Ein Privatnachlass als Ausgangspunkt für ein Quellenforschungsprojekt mit dem Ziel eines archivübergreifenden Sachinventars Esther Rahel Heyer

1. Ausgangslage Der Titel der Publikation entstammt der Beschriftung eines oft eingesetzten Warnschilds des Militärbefehlshabers in Frankreich, das sich im privaten Nachlass von Franziskus Graf Wolff Metternich (1893 – 1978) befindet: Verfügung. Dieser Raum mit seiner gesamten Ausstattung steht als künstlerisch wertvoll unter militärischem Schutz! Eintritt und Belegung verboten! 1

Die verkürzte Variante „als künstlerisch wertvoll unter militärischem Schutz“ soll exemplarisch für den Kerngegenstand des archivischen Sachinventars stehen, das jetzt in Form einer Datenbank und dieser begleitenden Printpublikation vorliegt: die Quellenüberlieferung zum deutschen militärischen Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg mit Fokus Frankreich, das Aufzeigen seiner Haupttätigkeitsfelder sowie die Präsentation vielseitiger Analyseansätze zu den Netzwerken seiner Akteure und Institutionen. Ausgangspunkt für das dreijährige Forschungsprojekt mit dem langen Titel „Bereitstellung von archivischen Quellen aus deutschen, französischen und englischsprachigen Archiven für die deutsche und internationale Provenienzforschung zu Kunstschutz (und Kunstraub) im Zweiten Weltkrieg“ 2 war die Erschließung des wissenschaftlichen, beruflichen und privaten Nachlasses des Kunsthistorikers und Denkmalpflegers Prof. Dr. Franziskus Graf Wolff Metternich.

1 Vereinigte Adelsarchive im Rheinland e. V., Familienarchiv der Grafen Wolff Metternich zur Gracht, Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternich (künftig NL FGWM), Nr. 74, Belegungsverbotsschild. 2 Projektbeschreibung auf der Homepage des Förderers: https://www.kulturgutverluste.de/­Content/03_ Forschungsfoerderung/Projekt/Vereinigte-Adelsarchive-im-Rheinland-eV-Pulheim/Projekt1.html (Stand: 29. 08. 2021).

Vor Öffnung des Nachlasses galt es in der Forschung weitestgehend als bekannt, dass Wolff Metternich als rheinischer Provinzial- und s­ päter Landeskonservator in der Zeit von 1928 bis 1950 eine bedeutende Rolle für die Denkmalpflege im Rheinland spielte, kulturelle Entwicklungen mitbestimmte und spannende kollegiale Verbindungen z­ wischen verschiedenen Institutionen, wie der Universität Bonn, diversen Museen und der Kulturpolitik im Rheinland, pflegte. Auch aufgrund seiner Funktion als Beauftragter für den Kunstschutz in den besetzten Gebieten im Zweiten Weltkrieg wurde Wolff Metternich eine bedeutende Rolle zugeschrieben, deren Bewertung jedoch aufgrund der disparaten und quantitativ geringen Quellenüberlieferung ein schwieriges Unterfangen blieb. Dass sich möglicherweise Dienstakten des Kunstschutzes in Wolff Metternichs Privatbesitz befinden oder eigene Privat­ dokumente wertvolle Rückschlüsse zulassen könnten, wussten Forscher*innen schon seit den 1950er Jahren. Für die Aufarbeitung der Tätigkeiten des Kunstschutzes durch das Institut für Besatzungsfragen erkundigte sich so beispielsweise Margot Günther-Hornig bei Wolff Metternich nach Dokumenten, erhielt jedoch keinen Zugang.3 Auch in den 2000er Jahren war der Forschung bekannt, dass der Nachlass Wolff Metternich wertvolle Überlieferung beinhalten könnte, Anfragen waren aber erfolglos; einige dieser Bemühungen sind heute auch im Nachlass dokumentiert.4

2. Zugang zum Privatarchiv und Aufbereitung für die Forschung Nach langjährigen Bemühungen des wiss. Archivars Dr. Hans-Werner Langbrandtner, der bei der Archivberatung des Landschaftsverbands Rheinland für die Adelsarchivpflege zuständig ist, ermöglichten ein internationales Filmprojekt im Jahr 2013 sowie die medial präsente gesellschaftliche und politische Diskussion um Kunstraub und Restitution schließlich die Übernahme des Privatnachlasses in das Familienarchiv der Grafen Wolff Metternich zur Gracht und seine uneingeschränkte Nutzung für die Forschung. Zuvor war der Nachlass von Franziskus Graf Wolff Metternich, nachdem er 1978 verstorben war, durch seinen ältesten Sohn Johann Adolf (genannt Hanno, 1926 – 1995) als Nachlassverwalter verwahrt, unter der Auflage, dass die Familienmitglieder jederzeit Einblick erhalten könnten. Nachdem Hanno im Jahr 1995 verstarb, übernahm der zweitälteste Sohn

3 Siehe Margot Günther-Hornig, Kunstschutz in den von Deutschland besetzten Gebieten 1939 – 1945, Tübingen 1958. Akten über die Entstehung und Ausarbeitung der Publikation im Bundesarchiv, Bestand B 120 Institut für Besatzungsfragen, außerdem Korrespondenz Wolff Metternichs über diese Studien in NL FGWM, Nr. 188. 4 NL FGWM, Nr. 36, Betreuung des Nachlasses Wolff Metternichs durch die Söhne Johann Adolf und Winfried Wolff Metternich, 1986 – 2012. Darin beispielsweise Austausch mit Anja Heuß und Korrespondenz zu den Publikationen von Jonathan Petropoulos; auch Christina Kott stand für ihre Forschung zum Kunstschutz mit der Familie in Kontakt.

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Winfried (1928 – 2017) die Nachlassverwaltung und im April 1997 wurde ein Teil des historischen Archivmaterials der Familie in das Archiv der Grafen Wolff Metternich zur Gracht überführt. Bei einem darauffolgenden Besichtigungstermin und der Übergabe weiteren Archivmaterials auf dem Familiensitz Fronhof in Köln-Junkersdorf erhielt Hans-Werner Langbrandtner erstmals einen Einblick in den dort verbliebenen Nachlass von Franziskus Graf Wolff Metternich. Dieser wurde über die folgenden Jahre noch als Familienschatz gehütet, der familieninternen Recherchen vorbehalten war. Im Januar 2013 erfolgte schließlich ein erstes Treffen z­ wischen einer Mitarbeiterin der Filmproduktionsfirma zero one film, Berlin, Ann Carolin Renninger, die mit Recherchen für den Film „Francofonia“ des russischen Regisseurs Alexander Sokurov betraut wurde,5 Hans-Werner Langbrandtner seitens des LVR und Winfried Graf Wolff M ­ etternich als aktivem Nachlassverwalter. Der anschließende Kontakt zur Familie entwickelte sich positiv weiter, sodass im August 2013 die Übergabe eines ersten Nachlassteils an das Archivberatungs- und Fortbildungszentrum des Landschaftsverbandes Rheinland zur Verzeichnung und Erschließung erfolgte. Dieser erste Teil mit Überlieferungsschwerpunkt zum militärischen Kunstschutz wurde im April 2014 durch weitere zehn Kartons und im August 2015 durch den zweiten großen, überwiegend privaten Nachlassteil ergänzt. Im Dezember 2016 bzw. Januar 2017 kamen 15 Umzugskartons mit einer Auswahl aus der fragmentarisch erhaltenen wissenschaftlichen Bibliothek sowie weitere aufgefundene Taschenkalender hinzu. Nach Prüfung möglicher Rechtsansprüche des LVR -Amts für Denkmalpflege im Rheinland auf den beruflichen Nachlass des ehemaligen Provinzial- und Landeskonservators wurde im September 2015 der Depositalvertrag unterzeichnet. Der Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternich (NL FGWM ) ist seitdem rechtlicher Bestandteil des Familienarchivs der Grafen Wolff Metternich zur Gracht und als Depositum der Familie Teil der Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e. V. (VAR ), in deren Archivdepot auf Schloss Ehreshoven er gelagert wird. Von Herbst 2015 bis Frühjahr 2016 erfolgten in einem achtmonatigen Vorprojekt erste grundlegende Recherchen in deutschen und französischen Archiven, finanziert durch Eigenmittel der Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e. V. und Sachmittel des Kulturdezernats des Landschaftsverbands Rheinland (LVR), zur Überprüfung des relativen Quellenwertes der Kunstschutz-Überlieferung im Nachlass. Diese Vorarbeiten waren Grundlage für den im März 2016 eingereichten Projektantrag beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste. Ausgangsfrage des Projektes war: Welchen Mehrwert liefert der Nachlass Graf Wolff Metternich für die wissenschaftliche Forschung und inwiefern verändert er die bisherige Quellenlage zum deutschen militärischen Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg?

5 „Francofonia“ von Alexander Sokurov. Frankreich/Deutschland/Niederlande 2015, 87 Minuten, Bundesstart: 25. 02. 2016.

Ein Privatnachlass als Ausgangspunkt für ein Quellenforschungsprojekt  I  23

3. Kontext und Konstitution Warum genau dieser Privatnachlass Gegenstand eines Forschungsprojektes werden konnte, ist durch die Karriere Wolff Metternichs, sein vorausschauendes Handeln sowie seine Bemühung um Dokumentation zu erklären. Der rheinische Provinzial- und spätere Landeskonservator sowie Hochschulprofessor an der Universität Bonn Franziskus Graf Wolff Metternich war von 1940 bis 1943 Beauftragter für den Kunstschutz in den besetzten Gebieten beim Oberkommando des Heeres (OKH). In dieser Funktion waren er und Bernhard von Tieschowitz (1902 – 1968), sein Kollege bei der Denkmalpflege im Rheinland, Vertrauter und Stellvertreter sowie späterer Nachfolger als Kunstschutzbeauftragter, in Paris stationiert und arbeiteten eng mit dem bei der Militärverwaltung in Frankreich angegliederten Referat für Kunstschutz zusammen. Im Nachlass befinden sich neben den persönlichen Unterlagen Wolff Metternichs sowie einem fragmentarischen Nachlass von Tieschowitz’ auch Arbeitsakten des Kunstschutzes, die in engen Absprachen derselben 1943/1944 von Paris nach Bonn ins Rheinische Amt für Denkmalpflege verschickt worden waren.6 Trotz späterer Bemühungen und Korrespondenz für eine Übergabe der Materialien an das Bundesarchiv oder das Politische Archiv des Auswärtigen Amtes blieben die Unterlagen auch nach dem Tode Wolff Metternichs in dessen Privatnachlass. Eine mögliche Übergabe an ein Archiv schien eng mit dem Wunsch einer sachmäßigen Aufarbeitung des Kunstschutzes verknüpft zu sein, wie in einem Brief Wolff Metternichs an von Tieschowitz vom 19. Dezember 1961 deutlich wird: In der Tat habe ich die Kunstschutzakten, soweit sie noch im Denkmalamt in Bonn vorhanden waren, an mich genommen, und zwar veranlasst durch mir bekannt gewordene Absichten, etwas über den Kunstschutz im Kriege von offizieller Seite zu publizieren. Ich bin um Mitarbeit gebeten worden. Nun glaube ich nicht, dass das Bundesarchiv die geeignete Stelle für diese im wesentlichen das Ausland betreffenden Dokumente ist, sondern vielmehr das Archiv des Auswärtigen Amtes, mit dem ich mich dieserhalb bereits in Verbindung gesetzt habe. Das Auswärtige Amt scheint mir in erster Linie für eine Publikation zuständig zu sein. Alles ist aber noch in der Schwebe (…).7

Eine tatsächliche Übergabe scheint trotz des Interesses der Archive zur Übernahme insbesondere in der nicht umgesetzten Publikation, Skepsis gegenüber der korrekten Art und 6 NL FGWM, Nr. 251, Taschenkalender Bernhard von Tieschowitz, bspw. Eintrag vom 28. 07. 1943 Bauch [Kraftfahrer des Kunstschutzes] fährt n[ach] Bonn mit Akten. 7 NL FGWM , Nr. 188, Korrespondenz Wolff Metternichs, hauptsächlich aus seiner Zeit in Rom (Band M–Z). Darin Korrespondenz über den Verbleib der Kunstschutz-Akten mit Bernhard von Tieschowitz, 1953 – 1962, u. a. mit der Überlegung, den Bestand an das Bundesarchiv oder das Archiv des Auswärtigen Amtes zu übergeben, 1950er und 1960er Jahre.

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Weise einer Aufarbeitung und zeitlichen Verzögerungen begründet zu sein. Dies wird beispielsweise in einem weiteren Brief Wolff Metternichs an von Tieschowitz vom 17. Februar 1956 über Günther-Hornigs Absicht einer Studie über den Kunstschutz deutlich: So einfach, wie die Dame sich die Sache denkt, geht es m. A. n. nicht. Andererseits sind wir daran interessiert, dass nichts Falsches publiziert wird. Ob es überhaupt noch Zweck hat, ­dieses ganze Kapitel anzupacken, vermag ich nicht zu entscheiden. Es wäre das auch eines der ­Themen, die wir besprechen müssten. Kommen wir zu einem positiven Ergebnis, so fragt sich, wer das machen will. Wir beide haben nicht die Zeit, auch nur ‚über dem Unternehmen‘ zu schweben. Was wir aber wohl tun müssen, ist, dafür zu sorgen, dass das in unseren Händen und, wenn ich mich nicht irre, auf dem Speicher des Denkmalamtes in Bonn noch vorhandene Aktenmaterial irgendwohin geschafft wird, wo es gut verwahrt ist und nicht in falsche Hände gelangt.8

An diesen Gedanken hielten sich dann auch die Söhne Wolff Metternichs, bevor mit den VAR und dem LVR geeignete Institutionen gefunden werden konnten, die eine sachgemäße

Aufarbeitung versprachen. Die Korrespondenz der am Kunstschutz sehr interessierten Söhne mit ehemaligen Kollegen des Vaters belegt Erkundigungen zum Aktenmaterial und einer potenziellen Aufarbeitung des Kunstschutzes. Ein Brief vom 23. Februar 1998 von Winfried Graf Wolff Metternich an Wend Graf von Kalnein (1914 – 2007) wurde laut einem Vermerk von Winfried jedoch nicht abgeschickt, daher ist auch keine Antwort auf die darin formulierte Frage, ob die Aktenbündel seit Paris nicht geöffnet wurden, belegt.9 Bei der archivischen Verzeichnung wurde ersichtlich, dass einige Akten noch in ihrer ursprünglichen Verschnürung aufbewahrt worden waren, die Mehrzahl wurde von der Familie gründlich gesichtet und chronologisch geordnet. Während der Verzeichnungsarbeit wurde deutlich, dass der ursprüngliche Zusammenhang des Kunstschutz-Bestandes oft nicht mehr erhalten war. Eine Rekonstruktion von ehemals zusammenhängenden Konvoluten war inhaltlich und teilweise physisch (bspw. anhand der Papierlochung) notwendig.10 Der NL FGWM umfasst private, berufliche und wissenschaftliche Dokumente von ­Franziskus Graf Wolff Metternich, insgesamt über 500 Signaturen in ca. 150 Archivkartons. Davon sind knapp 200 Verzeichnungseinheiten (VE ) ausschließlich privater Provenienz. Diese beinhalten Dokumente, Briefe, Fotoalben der Familie Wolff Metternich, größtenteils von den Eltern und Schwiegereltern sowie seiner Ehefrau und seiner 8 Ebd. 9 NL FGWM, Nr. 12, Aufarbeitung und Würdigung des Kunstschutzes, 1958 – 1978. Darin befinden sich Korrespondenz Hanno und Winfried Grafen Wolff Metternichs und gesammelte Zeitungsartikel über die Karriere des Vaters. 10 Henrike Bolte, Einführung zum Bestand NL FGWM im Findbuch, 2014 mit Nachträgen 2016 und 2017.

Ein Privatnachlass als Ausgangspunkt für ein Quellenforschungsprojekt  I  25

Kinder. Knapp 100 weitere VE sind rein beruflicher Provenienz: gesammelte Dokumente aus der Karriere von Wolff Metternich, die in keinem Bezug zu den Tätigkeiten während des Zweiten Weltkriegs stehen. Rund 200 VE im Nachlass sind für die Forschung zum militärischen Kunstschutz während des Zweiten Weltkrieges von Interesse. Die eine Hälfte davon entstammt konkret den Tätigkeiten des militärischen Kunstschutzes und dessen Mitarbeitern, die andere Hälfte aus dem privaten und beruflichen Kontext von Wolff Metternich und von Tieschowitz oder nimmt Bezug auf die Rezeption der Kunstschutztätigkeiten in der Nachkriegszeit. Besonders interessant aufgrund der bis dato vorherrschenden Überlieferungslücke sind die im Nachlass enthaltenen Archivalien des direkten Aktenbildners: der deutschen militärischen Kunstschutzorganisation beim OKH . Konkret sind dies sowohl Dienst- als auch persönliche Handakten der Mitarbeiter, gesammelte Berichte des Referats Kunstschutz bei der Militärverwaltung Frankreich und aus den Militärverwaltungsbezirken, berufliche und private Korrespondenz, Bildmaterial sowie Teile einer wissenschaftlichen Bibliothek. Diese Überlieferung im NL FGWM zum Kunstschutz ist Kernbestand des vorliegenden archivischen Sachinventars und wird innerhalb der folgenden Kapitel genauer analysiert. Dies erfolgt in Form einer historischen und thematischen Verortung und im Abgleich mit der Gegenüberlieferung zur Thematik in anderen Archiven (in Deutschland wie auch international) sowie durch Beschreibungen der dafür relevanten Archive und Bestände.

4. Bisheriger Wissensstand Die wissenschaftliche Bearbeitung der Person Franziskus Graf Wolff Metternich ist trotz zahlreicher Erwähnungen des Kunstschutzes und Wolff Metternichs als dessen Leiter in Publikationen zum Thema Kunstraub ein Desiderat.11 Zwar sind manche Berichte der Militärverwaltung oder des Kunstschutzes in Bibliotheken zugänglich,12 doch neben einer

11 Siehe bspw. Anja Heuß, Kunst- und Kulturgutraub. Eine vergleichende Studie zur Besatzungspolitik der Nationalsozialisten in Frankreich und der Sowjetunion, Heidelberg 2000; Günther Haase, Kunstraub und Kunstschutz, Bd. 1, Norderstedt 2008; Laurence Bertrand Dorléac, L’art de la defaite, 1940 – 1944, Paris 1993; Lynn H. Nicholas, The Rape of Europa. The Fate of Europe’s Treasures in the Third Reich and the Second World War, New York 1994. 12 Siehe bspw. Berichte Wolff Metternichs in der Bibliothek des Zentralinstituts für Kunstgeschichte München: Franz Graf Wolff Metternich, Bericht über den Kunstschutz in Griechenland, Paris 1941 (BZI: XI 27/10 R). Ders., Die Denkmalpflege in Frankreich, Berlin 1944 (BZI: XI 23/14). Ders., Bericht über die Studienreise in Italien: vom 26.11. – 18. 12. 1942, Bonn 1943 (BZI : XI 24/23 R). Ders., Bericht über die Studienreise in Italien vom 06. bis 27. 06. 1943, Bonn 1943 (BZI: XI 24/10 R). Ders., Abschliessender Bericht über die Tätigkeit des kunstwissenschaftlichen Arbeitsstabes in Frankreich in der Zeit vom 01. 10. 1940 – 30.09. (bzw. 31.12) 1941, Paris 1942 (BZI: XI 23/10 R). Siehe

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Festschrift zu Wolff Metternichs 80. Geburtstag 13 und einem Aufsatz in der 100-Jahre-Bibliotheca-Hertziana-Publikation 14 waren die Informationen zu seiner Person bislang begrenzt. In den vergangenen Jahrzehnten erschienen einige Publikationen zum Kunstschutz während des Zweiten Weltkriegs und der Bergung von Kulturgut in der Nachkriegszeit im besetzten Deutschland; dies sind insbesondere Erfahrungsberichte französischer und amerikanischer Kulturschaffender und Kunstschutzoffiziere.15 Die Veröffentlichung des Instituts für Besatzungsfragen von 1958 über den Kunstschutz ist besonders spannend hinsichtlich der konsultierten Quellen.16 Ab den 1990er Jahren mehrten sich die Veröffentlichungen zum Kunstraub im Zweiten Weltkrieg; auch dort wurde der Kunstschutz vor allem als eine Abteilung im NS -Militärverwaltungssystem behandelt.17 In den 2000er Jahren rückten das Verhältnis von Kunstraub und Kunstschutz vermehrt in den Fokus, häufig mit Schwerpunkt Frankreich.18 Mit der Unterzeichnung der Washingtoner Prinzipien 1998 und der Erklärung

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auch Wilhelm Treue, Zum nationalsozialistischen Kunstraub in Frankreich. Der „Bargatzky-Bericht“, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 13 (1965), S. 285 – 337. Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e. V. (Hg.), Festschrift für Franz Graf Wolff Metternich. Jahrbuch 1974, Neuss 1974. Christof Thoenes, Kontinuität. Die Bibliotheca Hertziana unter Franz Graf Wolff Metternich (1953 – 1963), in: Sibylle Ebert-Schifferer (Hg.), 100 Jahre Bibliotheca Hertziana – Max-PlanckInstitut für Kunstgeschichte. Die Geschichte des Instituts 1913 – 2013, München 2013, S. 144 – 153. Siehe bspw. Rose Valland, Le front de l’art. Défense des collections françaises 1939 – 1945, Paris 1961; Germain Bazin, Souvenirs de l’exode du Louvre 1940 – 1945, Paris 1992; H. P. Baard, Kunst in Schuilkelders. De odyssee der nationale kunstschatten gedurende de oorlogsjaren 1939 – 1945, Den Haag 1946; Jean Cassou, Le pillage par les Allemands des œuvres d’art et des bibliothèques appartenant à des Juifs en France. Recueil de documents publié sous la direction de Jean Cassou, Conservateur en chef du Musée d’Art Moderne, Paris 1947; Walter I. Farmer, Die Bewahrer des Erbes. Das Schicksal deutscher Kulturgüter am Ende des Zweiten Weltkrieges (Schriften zum Kulturgüterschutz), Berlin 2002. Günther-Hornig, Kunstschutz (wie Anm. 3). Der Autorin wurde für ihre Forschungsarbeit kaum Auskunft von den ehemaligen Kunstschützern gegeben und eine Einsicht in privat gesammelte Quellen verwehrt. Siehe dazu Korrespondenz NL FGWM, Nr. 188 sowie Akten dazu im Bundesarchiv, Bestand B 120 Institut für Besatzungsfragen. Siehe bspw. Jakob Kurz, Kunstraub in Europa 1938 – 1945, Hamburg 1989; Ernst Kubin, Raub oder Schutz? Der deutsche militärische Kunstschutz in Italien, Graz/Stuttgart 1994. Nicholas, Rape of Europa (wie Anm. 11); Françoise Cachin, Pillages et restitutions. Le destin des œuvres d’art sorties de France pendant la Seconde Guerre Mondiale, Paris 1997. Siehe Heuß, Kunst- und Kulturgutraub und Haase, Kunstraub und Kunstschutz (beide wie Anm. 11). Jonathan Petropoulos, The Faustian Bargain. The Art World in Nazi Germany, Oxford 2000; Michel Rayssac, L’exode des musées. Histoire des œuvres d’art sous l’Occupation, Paris 2007; Nicola Lambourne, War Damage in Western Europe. The Destruction of Historic Monuments During the Second World War, Edinburgh 2001; Sandra Schlicht, Krieg und Denkmalpflege. Deutschland und Frankreich im II. Weltkrieg, Schwerin 2007.

Ein Privatnachlass als Ausgangspunkt für ein Quellenforschungsprojekt  I  27

der Bundesregierung 1999 nahmen die Publikationen zur Aufarbeitung des NS-Kunstraubes, insbesondere Einzelfall- und sammlungsbezogene Studien, stetig zu.19 Während der militärische Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg in Italien in aktuellen Forschungen bereits wissenschaftlich bearbeitet wurde, sind zum Kunstschutz in Frankreich und Belgien in den letzten zehn Jahren vor allem Einzelbeiträge publiziert worden.20 Eine grundlegende wissenschaftliche Darstellung des militärischen Kunstschutzes in Europa steht weiterhin aus, was auch in der disparaten Überlieferungssituation der archivischen Quellen begründet ist.21 Hinzu kam, dass ein Kernbestand zum militärischen Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg, der Nachlass von Wolff Metternich, der Forschung bislang nicht zur Verfügung stand. Aufgrund seines umfangreichen und facettenreichen Inhalts ist der 19 Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden (Washington Principles 1998), siehe: https://www.state.gov/washingtonconference-principles-on-nazi-confiscated-art/ (Stand: 29. 08. 2021). Gemeinsame Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS -verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz (Gemeinsame Erklärung 1999) und die Handreichung zur Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999, Neufassung 2019: https://www.kulturgutverluste.de/Content/08_Downloads/DE/Grundlagen/ Handreichung/Handreichung.pdf?__blob=publicationFile&v=5 (Stand: 29. 08. 2021). 20 Siehe zum Kunstschutz in Italien überwiegend die Forschung von Christian Fuhrmeister, Die Abteilung „Kunstschutz“ in Italien. Kunstgeschichte, Politik und Propaganda 1936 – 1963 (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 1), Köln/Wien/ Weimar 2019 sowie ders., Verlagerungs- und Bergungsaktionen in Italien im Zweiten Weltkrieg im Überblick. Wissensstand und Problemfelder, in: Pia Schölnberger/Sabine Loitfellner (Hg.), Bergung von Kulturgut im Nationalsozialismus. Mythen – Hintergründe – Auswirkungen (Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 6), Wien/Köln/Weimar 2016, S. 85 – 101; ders., Deutsche Kunstgeschichte, Kulturpolitik und Kulturpropaganda in Italien vor und nach 1943. Eine Problemskizze, in: Agnieszka Gąsior/Magdalena Bushart/Alena Janatková (Hg.), Kunstgeschichte in den besetzten Gebieten 1939 – 1945 (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 2), Köln/Wien/Weimar 2016, S. 15 – 25; ders. u. a. (Hg.), Kunsthistoriker im Krieg. Deutscher Militärischer Kunstschutz in Italien 1943 – 1945 (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte 29), Köln/Wien/Weimar 2012. Zum Kunstschutz in Frankreich ist insbesondere auf die zahlreichen Aufsätze von Christina Kott zu verweisen. Siehe u. a. Christina Kott, Le ‚Kunstschutz‘ en 1939 – 1945. Une pierre dans la façade de l’Allemagne national-socialiste, in: Philippe Nivet (Hg.), Guerre et patrimoine artistique à l’époque contemporaine, Amiens 2014, S. 327 – 342; dies., „Den Schaden in Grenzen halten …“ Deutsche Kunsthistoriker und Denkmalpfleger als Kunstverwalter im besetzten Frankreich, 1940 – 1944, in: Ruth Heftrig/Olaf Petere/Barbara Schellewald (Hg.), Kunstgeschichte im „Dritten Reich“. Theorien, Methoden, Praktiken, Berlin 2008, S. 362 – 392. 21 Zu erwähnen ist hier das laufende Habilitationsprojekt von Christina Kott, die sich der Betrachtung eines Gesamtkonstrukts Kunstschutz widmet.

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Nachlass, der ohne rechtliche Einschränkung nutzbar ist, für die internationale Forschung von besonderer Bedeutung. Im Rahmen der Provenienzforschung zu verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut mehrten sich auch Studien zu Kontextforschung, Institutionsgeschichte und biografische Ansätze zu Kunsthändlern und -sammlern. Durch die Verschränkung dieser verschiedenen Perspektiven und der Wissenschaftsgeschichte wurden zudem die Auslagerungen und Sicherungsmaßnahmen von Kulturgut verstärkt in den Fokus genommen. Insbesondere in Publikationen zur Kunstgeschichte oder zu Museen im Krieg und Kulturgutschutzmaßnahmen in Europa sind ergänzende Facetten der Tätigkeiten des deutschen militärischen Kunstschutzes zu finden.22 Erfreulicherweise erfuhr die Forschung zum Kunstschutz in den letzten Jahren einen Aufschwung, mehrere der aktuell in d ­ iesem Bereich Forschenden haben bereits den Nachlass Wolff Metternich konsultiert. Einige dieser Bestandsnutzer*innen haben außerdem im Rahmen der Fachtagung zum Projekt Einblick in ihre Forschung gegeben und publizierten im Tagungsband oder d ­ iesem Begleitband zum archivischen Sachinventar.23 In d ­ iesem

22 Siehe bspw. Bushart/Gasior/Janatková (Hg.), Kunstgeschichte in den besetzten Gebieten (wie Anm. 20); Burkhard Dietz/Helmut Gabel/Ulrich Tiedau (Hg.), Der Griff nach dem Westen. Die „Westforschung“ der völkisch-nationalen Wissenschaften zum nordwesteuropäischen Raum (1919 – 1960), 2 Bde., Münster u. a. 2003; Fuhrmeister u. a. (Hg.), Kunsthistoriker im Krieg (wie Anm. 20); Heftrig/Petere/Schellewald (Hg.), Kunstgeschichte im „Dritten Reich“ (wie Anm. 20); Nikola Doll/Christian Fuhrmeister/Michael H. Sprenger (Hg.), Kunstgeschichte im Nationalsozialismus. Beiträge zur Geschichte einer Wissenschaft ­zwischen 1930 und 1950, Weimar 2005; Jutta Held/Martin Papenbrock (Hg.), Kunstgeschichte an den Universitäten im Nationalsozialismus (Kunst und Politik. Jahrbuch der Guernica-Gesellschaft 5), Göttingen 2003; Schölnberger/ Loitfellner (Hg.), Bergung von Kulturgut (wie Anm. 20); Sarah Gensburger, Images d’un pillage. Album de la spoliation des Juifs à Paris, 1940 – 1944, Paris 2010; Isabelle le Masne de Chermont (Hg.), À qui appartenaient ces tableaux? / Looking for owners, la politique française de garde, de recherche de provenance et de restitution des œuvres d’art pillées durant la Seconde Guerre mondiale (Ausstellungskatalog Jerusalem/Paris, Musée d’Israël/Musée d’Art et d’Histoire du Judaïsme 2008), Paris 2008; Guillaume Fonkenell (Hg.), Le Louvre pendant la guerre. Regards photographiques, 1938 – 1947 (Ausstellung Paris, Musée du Louvre, 7 mai–31 août 2009), Paris 2009. 23 Kürzlich erschienene Publikationen zur Thematik siehe bspw. Fuhrmeister, Die Abteilung „Kunstschutz“ (wie Anm. 20); Corinna Kuhr-Korolev u. a., Raub und Rettung. Russische Museen Im Zweiten Weltkrieg (Studien zu kriegsbedingt verlagerten Kulturgütern 1), Köln/Wien/Weimar 2019; Emily Löffler, Kunstschutz im besetzten Deutschland. Restitution und Kulturpolitik in der französischen und amerikanischen Besatzungszone (1944 – 1953) (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 3), Köln/Wien/Weimar 2019; Andreas Roth, Johann Albrecht von Reiswitz (1899 – 1962). Vom unbequemen Südosteuropaexperten zum Kunstschützer, Graz 2020. Siehe außerdem die Beiträge von Christina Kott, Ulrike Schmiegelt-Rietig, Alexandra Kankeleit u. a. im Tagungsband: Hans-Werner Langbrandtner/Esther Heyer/Florence de Peyronnet-Dryden (Hg.), Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland. Franziskus Graf Wolff

Ein Privatnachlass als Ausgangspunkt für ein Quellenforschungsprojekt  I  29

Sinne möchte das vorliegende Sachinventar nicht nur einen Forschungsbeitrag im Sinne der Bereitstellung von Quellen bieten, sondern auch einen Beitrag zur Kontextforschung zum Kunstschutz und dessen Akteuren leisten.

5. Ziel des Projektes und Forschungsfragen Ziel des Projekts war die Erstellung eines archivischen Sachinventars zur wesentlichen Überlieferung des Kunstschutzes im Zweiten Weltkrieg mit Schwerpunkt Frankreich, das die ergänzenden Archivquellen in deutschen, französischen, belgischen, niederländischen und englischsprachigen Archiven um den zentralen Aktenbestand im NL FGWM aufzeigt. Hierfür wurden für die Thematik relevante Archive, Bestände, Unterbestände, Aktengruppen und Einzelakten entsprechend den jeweiligen Archivstrukturen in der Datenbank dargestellt und themenspezifisch beschrieben, für ausgewählte Forschungsansätze inhaltlich erschlossen und die Bestände und Akten thematisch miteinander verzahnt.24 Im Fokus der Analyse stehen die Rekonstruktion der überlieferten Aktenpläne und die virtuelle Zusammenführung von Informationen zu den ursprünglichen Aktenbeständen. Dies soll die Nachvollziehbarkeit der Arbeitsabläufe und Tätigkeiten des Kunstschutzes um Wolff Metternich und von Tieschowitz beim OKH, den Referaten und Mitarbeitern bei der Militärverwaltung Frankreich und die Zusammenarbeit mit den französischen Stellen in den Verwaltungsbezirken sowie verwandten Institutionen gewährleisten. In einer thematischen Einleitung zu ­diesem Sachinventar werden daher insbesondere die Überlieferungsgeschichte und ihre inhaltlichen Schwerpunkte mittels einer historischen Verortung dargestellt und dadurch die Arbeitsweise des Kunstschutzes ersichtlich. Durch diese Einleitung in Deutsch, Englisch und Französisch soll für die Wissenschaft und die internationale Provenienzforschung der Überblick über die und Zugang zur Quellenüberlieferung wesentlich vereinfacht werden. Das Sachinventar beschreibt somit einen zusammengeführten „fiktiven Gesamtbestand“ zum militärischen Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg mit regionalem Schwerpunkt Frankreich und personellem Schwerpunkt Wolff Metternich. Die Aufarbeitung der Archivalien und der Abgleich mit der Gegenüberlieferung im Rahmen eines archivischen Sachinventars sollten darüber hinaus Rückschlüsse auf Netzwerke und Strukturen des Kunstschutzes im Zweiten Weltkrieg zulassen. Diese werden insbesondere durch Kurzbiografien und Institutionenbeschreibungen aufgezeigt, anhand derer Kooperationssysteme ersichtlich werden können. Außerdem wurden Listen und Hinweise aus dem NL FGWM, die Kunstwerke Metternich und der Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 5), Köln/Wien/Weimar 2021. 24 Online-Plattform des Projektes und Datenbank des archivischen Sachinventars zum Kunstschutz: https://kunstschutz-wolff-metternich.de.

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aus jüdischen Sammlungen betreffen, erarbeitet. Dabei handelt es sich insbesondere um die Überprüfung von elf Listen in der sogenannten „Geheimakte Bunjes“ 25 und deren Quellenwert. Diese wurden erfasst und es wurde verifiziert, inwiefern diese Quellen neue Informationen liefern können oder Duplikate aus anderen Beständen sind, außerdem inwieweit die gelisteten Objekte in der Provenienzforschung bereits bearbeitet wurden. Auch die Depot-Listen im NL FGWM wurden überprüft und abgeglichen, ob und wie diese mit der Gegenüberlieferung in den Archiven der Musées nationaux in den Archives nationales in Frankreich korrelieren.

6. Überblick zum Aufbau von Sachinventar und Begleitpublikation Der Gegenstand des Quellenforschungsprojekts wurde somit auf mehreren Wegen bearbeitet und die Ergebnisse folgendermaßen zugänglich gemacht: – In der Datenbank (https://kunstschutz-wolff-metternich.de/) sind die für die Forschung zum Kunstschutz interessanten Archive und Bestände, Unterbestände und Aktengruppen in den entsprechenden Archivstrukturen dargestellt und themenspezifisch beschrieben. Für die Thematik relevante Akten wurden inhaltlich erschlossen und in die Datenbank aufgenommen. Die Bestände und Akten wurden thematisch miteinander verzahnt, sodass auch Themenkomplexe archivübergreifend dargestellt werden können. Die Volltextsuche und die Indizierung nach Orten, Institutionen und Namen (wenn vorhanden auch Kunsthändler und Kunstsammler etc.) bieten eine Hilfestelle für die Recherche. Außerdem ist der gesamte NL FGWM in der Datenbank erschlossen und recherchierbar. – Die vorliegende Printpublikation enthält neben Archiv- und Bestandsbeschreibungen entsprechend ihrer thematischen Relevanz, der dreisprachigen wissenschaftlichen Einleitung und einer thematischen Auswahlbibliografie auch Kurzbiografien bzw. Beschreibungen der wichtigsten Akteure und Institutionen des Kunstschutzes, um die personellen Netzwerke sichtbar werden zu lassen. Außerdem zeigen zehn Beiträge unterschiedliche Aspekte zu an die Thematik angrenzenden Forschungsbereichen auf: zum Spannungsfeld ­zwischen Kunstschutz und Kunstraub, zu Akteuren und Kooperationen sowie zu den Themenschwerpunkten Frankreich und Rheinland. Wissenschaftliche Netzwerke der Westforschung sind auch Gegenstand aktueller, aber noch nicht publizierter Forschungsarbeiten von Nikola Doll.26 25 NL FGWM, Nr. 187. 26 Die Herausgeber*innen weisen im Kapitel „Forschungsansätze: Quellenüberlieferung und Exkurse“ auf weitere Forschungsperspektiven hin, die sich aus der Beschäftigung mit dem NL FGWM und dem militärischen Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg ergeben können. „Insbesondere die Netzwerke der rheinischen Kunstgeschichte entfalteten im besetzten Frankreich im Rahmen des militärischen

Ein Privatnachlass als Ausgangspunkt für ein Quellenforschungsprojekt  I  31

– Der intensive Austausch mit einer Vielzahl an aktuell laufenden verwandten Forschungsprojekten nährte u. a. die Referent*innen-Liste für die wissenschaftliche Tagung vom 19. bis 21. September 2019 im LVR-Kulturzentrum Abtei Brauweiler, „Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland. Franziskus Graf Wolff Metternich und der Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg“, aber auch die Autor*innen-Liste des vorliegenden Begleitbandes. Diese dritte Präsentations-Ebene zum Sachinventar zeigt zudem, wie die Quellen aus dem Nachlass Wolff Metternich bereits die Forschung bereichert haben. Die Fachtagung war in verschiedene Sektionen gegliedert und lieferte Informationen und Diskussionsgrundlage zur historischen Entwicklung des Kulturgutschutzes, zum Kunstschutz in den besetzten Gebieten Europas während des Zweiten Weltkriegs, zum Kontext und den Teilbereichen des Kunstschutzes in Frankreich, zum Kunstschutz im Rheinland und zur aktuellen Diskussion um Kulturgutschutz. Darüber hinaus bot die Tagung auch eine Plattform für die Präsentation der Ergebnisse des Quellenforschungsprojektes und die Gelegenheit für ein Vernetzungstreffen zum Thema Akteure des Kulturgutschutzes, das den Austausch zu laufenden und geplanten Projekten beförderte, u. a. durch eine Poster-Sektion. – Die Tagungsbeiträge und Ergebnisse der Diskussionen wurden zudem in einem Tagungsband publiziert: Der Band „Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland. Franziskus Graf Wolff Metternich und der Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg“ erschien im Frühjahr 2021 als Partner-Publikation zum vorliegenden Sachinventar.27 Diese Bereitstellung von Quellen auf verschiedenen Ebenen soll die Forschung durch ihre einfache Zugänglichkeit erleichtern und zur weiteren Nutzung und Vernetzung anregen. Im folgenden Beitrag wird die digitale und analoge Nutzung des Sachinventars erläutert. Kunstschutzes und bei der Realisierung wissenschaftlicher Forschungsprojekte ihre Wirksamkeit. Gleichermaßen kamen sie bei den zweifelhaften Erwerbungen von Kunst und Kulturgütern durch deutsche Museen wie beim organisierten Raub zum Tragen. Diese Zusammenhänge werden in der vom Deutschen Forum für Kunstgeschichte Paris beauftragten Studie ‚Zwischen Kunst, Wissenschaft und Besatzung. Die Kunsthistorische Forschungsstätte Paris (1942 – 1944)‘ seit 2016 von Nikola Doll (Bern/Berlin) erforscht. Die Beiträge zu den Kunsthistorikern Alfred Stange (1894 – 1968), Hermann Bunjes (1911 – 1945), der sogen. Geheimakte Hermann Bunjes sowie den Erwerbungen des Rheinischen Landesmuseums Bonn in der vorliegenden Publikation greifen wesentliche, in Vorträgen öffentlich und im wissenschaftlichen Austausch vorgestellte Überlegungen ­dieses Forschungsprojekts auf“, so die Anmerkung von Nikola Doll in Reaktion auf den Entwurf zum Inhaltsverzeichnis des vorliegenden Bandes. Bei diesen Beiträgen handelt es sich aber um Forschungsimpulse aus Kooperationen und angrenzenden Projekten, sie stellen keine abschließenden Forschungsergebnisse dar. Ein geplanter Beitrag von Nikola Doll konnte sowohl im Tagungsband als auch in der vorliegenden Publikation leider nicht verwirklicht werden. 27 Langbrandtner/Heyer/de Peyronnet-Dryden (Hg.), Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland (wie Anm. 23).

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Über das digitale Recherchetool der Datenbank hinaus bietet diese Publikation außerdem eine wissenschaftliche Verortung des „fiktiven Gesamtbestands“ zum Kunstschutz, Beschreibungen der Archive und Bestände sowie Ausblicke in weiterführende Quellenbestände, ein breites Spektrum an Forschungsansätzen zu Tätigkeitsschwerpunkten, Akteuren und Schauplätzen sowie systematisch aufgearbeitete Quelleninhalte und eine thematische Auswahlbibliografie. Der Ansatz zur fiktiven Zusammenführung von Quellenbeständen in der Form eines transnationalen und transarchivischen Sachinventars stellte eine große logistische Herausforderung dar und musste aufgrund von begrenzter Zeit- und Arbeitskapazität unter Schwerpunktsetzung verfolgt werden. Vollständigkeit oder Tiefenerschließung waren weder das Ziel noch können diese durch das Sachinventar gewährleistet werden. Die Datenbank lässt jedoch die Freiheit, auch in Zukunft den Bestandspool an Informationen zu erweitern. Hierzu sind alle Leser*innen und Forscher*innen herzlich eingeladen.

Ein Privatnachlass als Ausgangspunkt für ein Quellenforschungsprojekt  I  33

Zur Nutzung des Sachinventars digital und analog Florence de Peyronnet-Dryden

Mit der Erstellung eines Sachinventars über die archivische Überlieferung des deutschen militärischen Kunstschutzes im Zweiten Weltkrieg werden die Ergebnisse – gleichzeitig Hauptziel – des Forschungsprojektes parallel in ­diesem Buch und online präsentiert: Wie in der Einführung und in der Einleitung dargestellt, beinhaltet diese Überlieferung einerseits Quellen aus dem Nachlass von Franziskus Graf Wolff Metternich (NL FGWM) sowie dessen Gegenüberlieferung. Ergänzt werden diese durch weitere, archivarisch nicht direkt damit verbundene Bestände, die jedoch der Thematik entsprechen. Während die Online-Recherche in der Datenbank eine detaillierte Suche bis in die Aktenebene ermöglicht, konzentriert sich d ­ ieses Buch auf eine zusammenfassende Darstellung der relevanten Bestände, die von kontextbezogenen Aufsätzen und der Auswertung bestimmter Quellen ergänzt wird. Eine Kombination beider Tools soll eine optimale Recherche ermöglichen. Zur Thematik und Selektierung der Einträge: Es wurden im Sachinventar (abgesehen vom NL FGWM, der in der Datenbank vollständig aufgenommen wurde) diejenigen Bestände priorisiert, die direkt mit dem Kunstschutz und der Tätigkeit seiner Mitarbeiter verbunden sind. Die Auswahl der Bestände war jedoch teilweise mit der nicht immer klar zu definierenden Trennung ­zwischen Kunstschutz und weiteren damit verknüpften ­Themen konfrontiert: Einige Akten und Bestände sind eindeutig dem Kunstschutz zuzuordnen. Andere, die das Nachbarthema Bibliotheksschutz und Archivschutz betreffen, wurden ebenso wegen der engen Verknüpfung und Ähnlichkeit mit dem Hauptthema herangezogen. Bestände und Akten, ­welche Interaktionen mit Kunstraub bzw. dem Wirken verschiedener Kunstschutzmitarbeiter dokumentieren, wurden auch berücksichtigt und aufgenommen. Diese Unterscheidung war nicht immer klar, deswegen kann es sein, dass manche Akte mit Absicht außer Acht gelassen wurde, um die Auswahl möglichst auf die eigene Thematik zu konzentrieren. Weitere Recherchetools im Rahmen der Provenienzforschung können diese Lücken bzw. diesen weiteren Quellenkreis ergänzen.1

1 Als Beispiel siehe den „Guide to the Dispersed Archives of the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR)“: https://www.errproject.org/guide.php (Stand: 29. 08. 2021).

Die Datenbank Die Datenbank ist online in der dem Projekt gewidmeten Homepage (https://kunstschutzwolff-metternich.de/) eingebettet. Neben einem allgemein informativen Teil 2 befindet sich der Hauptinhalt der Forschungsergebnisse in dem Abschnitt „Recherche“ – darunter auch die Datenbank mit den Informationen zu Quellen über den deutschen militärischen Kunstschutz. Diese Datenbank wurde mithilfe des an der Universität Trier konzipierten „Forschungsnetzwerks und Datenbanksystems“ (kurz „FuD“) erstellt. Diese integrierte Arbeits-, Publika­ tions- und Informationsplattform unterstützt Teilprojekte, Arbeitskreise und Synthesevorhaben bei der Erfassung der Primärdaten, ihrer Erschließung und Analyse bis hin zur Publikation der Forschungsergebnisse sowie der Datenarchivierung und -weiternutzung nach Projektabschluss.3 Das System wird jetzt vom Servicezentrum eSciences der Universität Trier getragen.4 Das System eignet sich hervorragend zur Verarbeitung größerer Datenmengen im geisteswissenschaftlichen Bereich und ermöglicht eine kollaborative sowie zeit- und ortsunabhängige Forschung und Einarbeitung der Ergebnisse: Bei der Konstellation des Projektes, die gleichzeitige Archivbesuche und Datenbankzugriffe in verschiedenen Ländern erforderte, war ­dieses Konzept geradezu ideal. Es geht hier nicht darum, die für das Kunstschutzprojekt auf FuD basierte Erfassungsdatenbank detailliert darzustellen, sondern dessen Ergebnis, nämlich die Online-Plattform bzw. das Recherchetool der Projekt-Homepage und dessen Nutzung.5 Im Folgenden werden die wichtigsten Tools und ihre Funktion kurz erklärt.

2 Hier vor allem die Projektpräsentation und ein Umriss der Kontextforschung, aber auch Informationen über die vom 19. bis zum 21. September 2019 in Pulheim-Brauweiler abgehaltene Tagung „Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland“. Siehe die Publikation der Beiträge: Hans-Werner Langbrandtner/Esther Heyer/Florence de Peyronnet-Dryden (Hg.), Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland. Franziskus Graf Wolff Metternich und der Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg. Tagungsband (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zur Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 5), Köln/Wien/Weimar 2021. Weitere Events in Verbindung mit dem Projekt werden außerdem auf der Homepage laufend annonciert und aktualisiert. 3 Definition laut Homepage der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG ): https://gepris.dfg. de/gepris/projekt/114667364 (Stand: 29. 08. 2021). Von 2009 bis 2012 wurde die Entwicklung des Systems von der DFG gefördert. 4 Davor war das Entwicklungsteam des Systems in den Sonderforschungsbereich (SFB) 600 „Fremdheit und Armut“ der Universität Trier integriert. Mehr zu den aktuellen Entwicklungen und Projekten von FuD, siehe https://fud.uni-trier.de/ (Stand: 29. 08. 2021). 5 Mehr zur Entwicklung der Erfassungsdatenbank finden sich im Projektabschlussbericht für den Drittmittelgeber Deutsches Zentrum Kulturgutverluste; siehe auch den Aufsatz zur Projektpräsentation im Tagungsband: Langbrandtner/Heyer/de Peyronnet-Dryden (Hg.), Kulturgutschutz in Europa (wie Anm. 2).

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A – Die Suche kann auf zwei verschiedenen, miteinander kombinierbaren Wegen stattfinden: – einerseits durch eine Volltextsuche, die eingegrenzt und innerhalb der eingegebenen Felder vielfältig miteinander verknüpft werden kann: Hier können sowohl Namen als auch Zahlen oder Signaturen eingetragen werden; – andererseits durch die Selektierung von festgelegten, in der Erschließungsdatenbank eingetragenen Begriffen, die sowohl nach Relevanz (d. h. Trefferzahl) als auch nach alphabetischer Ordnung sortiert werden können: ʶ Jeder Eintrag wurde grundsätzlich nach seiner Kategorie bzw. seinem Dokumenttyp gekennzeichnet: „Archiv“ und „Archivdokument“ (d. h. Bestände, Unterbestände bzw. Aktengruppen und Akten); zusätzlich wurde die Kategorie „Person“ hinzugefügt, in der Personen, die im Kunstschutz arbeiteten oder in direktem Kontakt mit ihm standen, kurz vorgestellt werden. Wenn Nutzer*innen auf einen dieser drei Begriffe klicken, bekommen sie als Ergebnis alle Datensätze, die diesen Kategorien entsprechen. ʶ Ist das Archiv, dessen Bestände bzw. Akten untersucht werden sollen, bereits bekannt, kann es gesondert selektiert werden: So kann die Suche eingegrenzt werden und man erhält in der Ergebnisliste nur die Akten, Bestände etc., die dazu gehören. ʶ Unabhängig vom oder kombinierbar mit dem Archiv kann die Suche durch die Verzeichnisstufe verfeinert werden, indem nach Beständen, Unterbeständen/ Aktengruppen oder Akten gesucht werden kann. ʶ Die Suche kann auch durch festgesetzte Indexbegriffe (jede Akte wurde indiziert) erfolgen: Personen-, Orts- und Sachindex.6 ʶ Schließlich besteht die Möglichkeit, die Suche nach einer bestimmten Laufzeit zu aktivieren. ʶ Außerdem können gezielt Dokumente selektiert werden, die Objektlisten beinhalten: Diese Möglichkeit wurde u. a. für die Provenienzforschung angelegt. Ebenso können Datensätze mit Anhang (Digitalisate) selektiert werden. Auf der gleichen Seite steht ein Archivbaum (Hierarchie), der einen Überblick über die in der Datenbank verfügbaren Archive und Bestände gibt. Sie sind nach Ländern und darunter nach Städten alphabetisch geordnet. Durch Anklicken werden Nutzer*innen direkt zu ihrer detaillierten Beschreibung weitergeleitet.

6 Es wurden die Personen- und Ortsnamen eingetragen, die in den Beschreibungen erscheinen. Der Sachindex hingegen betrifft entweder die Hauptthematik oder einen interessanten, hervorzuhebenden Nebenaspekt. Bei der Indizierung ging es hier nicht um die Vollständigkeit, sondern um eine konkrete Hilfestellung für Kunstschutz- und Provenienzforscher*innen.

Zur Nutzung des Sachinventars digital und analog  I  37

B – Die Suchergebnisse erscheinen in einer Liste, ­welche Signatur, Titel und Laufzeit enthält.7 Durch Anklicken des gewählten Eintrages gelangen Nutzer*innen auf dessen detaillierte Ansicht, d. h. die inhaltliche Beschreibung. C – In der Beschreibung (Seite „detaillierte Ansicht“) finden sich die wesentlichen Informationen, die mit FuD erfasst wurden, d. h.: – Signatur, Titel und Laufzeit (wie bereits in der Liste der Suchergebnisse angegeben); – zur schnellen Orientierung: Angabe des zuständigen Archivs; – Beschreibung der Inhalte: Bei Archiven, Beständen und Unterbeständen gibt es eine Zusammenfassung über deren Entstehung und deren Zusammenhang mit der Thematik „Kunstschutz“,8 bei Akten werden die themenbezogenen Einzeldokumente innerhalb der Akte unter dem Eintrag enthält hervorgehoben und kurz beschrieben. Unter enthält auch werden weitere interessante Th ­ emen aus der Akte erwähnt. Unter Bemerkungen finden sich zum Beispiel Bewertungen der Akte oder Anmerkungen zu deren Zustand sowie Inventarisierung oder Zitate aus dieser Akte.9 – Die Position Listen erwähnt verschiedene kunstschutzbezogene Auflistungen in den Akten; sie wurde für die Provenienzforschung angelegt (siehe oben bei den Selektierungsmöglichkeiten der Suchfunktionen). – Indizes: Auflistung der in den Kategorien Sachindex, Personenindex und Ortsindex indizierten Begriffe. In der Kategorie Personenindex sind Personen in direktem Zusammenhang mit dem Kunstschutz farblich hinterlegt und können angeklickt werden: Eine Kurzbiografie erscheint. Für Institutionen wird ähnlich verfahren. – Die Hierarchie ­zwischen Archiven, Beständen und Akten wird auf zwei verschiedene Weisen visualisiert: zum einen durch einen Archivbaum auf der rechten Ansicht; zum anderen in der Beschreibung durch Angabe des darüberstehenden Unterbestandes, Bestandes oder Archivs (je nach Fall) sowie Angabe der unmittelbar darunterstehenden Hierarchieelemente. So kann die archivarische Tektonik immer im Auge behalten werden. 7 Es besteht zudem die Möglichkeit, Datensätze zu selektieren („in Merkliste legen“). 8 Die Archivbeschreibung enthält in der Regel folgende Informationen: Geschichte bzw. Entstehung des Archivs; Angaben über dessen Standort; Klassifikation des Archivs (Privatarchiv, Staatsarchiv etc.); Andeutung der wichtigen relevanten Bestände; weiterführende Recherchemittel (Homepage, Datenbanken etc.). Die Bestandsbeschreibung besteht aus folgenden Angaben: Entstehung des Bestandes, ggf. Angaben über die Person, die den Nachlass produziert hat; Zusammenfassung bzw. wichtige Bestandsteile und Umfang; ggf. Gegenüberlieferung; wichtigste relevante Elemente und ­Themen in ­diesem Bestand; weitere Informationen zum Bestand wie Links zum Findbuch etc. Der Abschnitt Unterbestand/Aktengruppe wird kürzer zusammengefasst. 9 Manche Akten werden in bereits vorhandenen Online-Findbüchern sehr detailliert beschrieben, manchmal schriftstückweise genau. In diesen Fällen wird ein zusätzlicher externer Link zu ­diesem Findbuch angegeben, um eine Redundanz zu vermeiden, z. B. der Bestand „Les Musées nationaux pendant la Seconde Guerre mondiale“ des französischen Nationalarchivs (versement 20144792).

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– Schließlich werden einige Positionen unter dem Begriff Verweis miteinander verknüpft. So werden Dubletten, inhaltliche Doppelungen, Kopien etc. virtuell verbunden. Über den Button „Hilfe“ gelangen Nutzer*innen zu verschiedenen Fragen der Nutzung der Datenbank selbst. Eine wichtige Bemerkung noch zum Inhalt dieser Datenbank: Als Sachinventar enthält sie primär Beschreibungen und praktisch keine Digitalisate, wobei die Möglichkeit, s­ olche einzubetten, technisch gegeben ist und bereits gezielt für gezielte ausgewählte Dokumente verwendet wurde: Die Digitalisate sind über die Seite der Detailansicht erreichbar.10

Der Begleitband Der Begleitband wurde sowohl als Nachschlagewerk für die Forschung über den deutschen militärischen Kunstschutz als auch als Orientierungswerkzeug für die Online-Datenbank konzipiert. Er kann also sowohl als Einführung in die Datenbank als auch als deren Ergänzung betrachtet werden. A – Als Einführung ist er deswegen geeignet, weil er eine systematische Auflistung der Bestände gibt, die in die Online-Version eingespeist wurden: Diese bequeme, zusammenfassende Übersicht in Papierform ist im Kapitel „Handbuch: Archive und Bestände mit Überlieferung zum militärischen Kunstschutz“ zu finden und sortiert die Archive nach Ländern – Deutschland und Frankreich wegen ihrer Sonderstellung für die Thematik an erster Stelle, weitere Länder danach alphabetisch geordnet. Für jedes Archiv werden die dort vorhandenen wichtigsten Bestände präsentiert, die für das Kunstschutz-Projekt relevant sind. Die Beschreibung ist eine für die analoge Version stark zusammengefasste Präsentation. Der große Unterschied zur Online-Version besteht darin, dass es hier keine Beschreibungen von Akten oder gar Aktengruppen gibt – außer in wenigen Einzelfällen –, da es einerseits den Rahmen d ­ ieses Buches sprengen würde und andererseits die einzelnen Quellen und Unterbestände in der Datenbank viel bequemer zu finden sind. Hier geht es vor allem darum, den Rahmen, d. h. die wichtigen Archive und Bestände, so zu beschreiben, dass die Orientierung in der Datenbank erleichtert wird. Im Anschluss an diese Beschreibung finden Leser*innen ergänzende Quellen zum Kunstschutz in Italien, Griechenland und Russland: Diese Quellenpräsentation hat ein anderes Format als der 10 Es handelt sich hier vorrangig um Berichte, Abschlussberichte etc. aus dem Nachlass Wolff Metternich (z. B. NL FGWM , Nr. 3, Abschlussbericht von Wolff Metternich über die Jahre 1940 – 1944, oder Nr. 168, Berichte von Strenger über die ehemalige UdSSR ). Auch wurden Listen von Kunstwerken aus jüdischem Besitz digitalisiert und online gestellt. Die Liste der Dateien ist online in der Datenbank unter dem Punkt „Recherche“ zu finden, kann aber auch über die Suche („Anhang“) erstellt werden, und wird in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

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vorherige Teil, aufgrund der unterschiedlichen Formulierungen und Informationen, die von den jeweiligen Kunstschutzforscher*innen übermittelt wurden. Da wir die Akten nicht eingesehen haben und somit den Quellenwert nicht unmittelbar einschätzen und in der gleichen systematisierenden Form wiedergeben konnten, haben wir es bevorzugt, die Informationen nicht in die vorige Auflistung zu integrieren und sie stattdessen in dieser getrennten Abhandlung zu erwähnen.11 B – Dieser Begleitband ist aber auch eine Ergänzung zur Datenbank. Eine Datenbank liefert Fakten, Quellen etc. Diese erscheinen jedoch isoliert (trotz der Darstellung des Archivbaums in der Datenbank des Projekts); sie müssen noch interpretiert und im Kontext präsentiert, die Quellen auch weiterhin analysiert werden, damit sie für die Forschenden nützlich sind. Dieses Sachinventar erhebt nicht den Anspruch, alle diese Aspekte komplett abzudecken. Aber neben der reinen Archiv- und Beständebeschreibung findet man folgende zusätzliche Teile, w ­ elche die Nutzung der Datenbank unterstützen können: – Hinführende Texte kontextualisieren diese Datenbank und helfen Leser*innen bei der thematischen Einordnung der Recherche. Dies sind die Einführung zu d­ iesem Begleitband, die thematische Einleitung zum Forschungskontext und nicht zuletzt ­dieses Kapitel zur Nutzung des Inventars. – Im Kapitel „Themenschwerpunkt: Netzwerk Kunstschutz“ finden sich: ʶ einerseits eine Erläuterung von Begriffen, die in der Datenbank vorhanden sind, sowie Kurzbiografien zu Personen des Kunstschutzes (in der Datenbank in knapper Form ebenfalls zu finden), aber auch Erläuterungen zu den Institutionen und Schauplätzen, die erwähnt werden. Der Zusammenhang ­zwischen diesen Elementen wird zudem in einem Abschnitt zum Kunstschutznetzwerk präsentiert; ʶ andererseits zahlreiche Forschungsansätze, die zusätzlich zu ihren spezifischen Impulsen auch Orientierung geben, sei es als Unterscheidungshilfe in der Thematik (z. B. Berührungspunkte ­zwischen Kunstschutz, Bibliotheksschutz und Archivschutz, aber auch Kunstraub), als Erweiterung der Thematik zwecks Vergleichsanalyse oder als Information über die Quellenlage: Die Lektüre dieser Aufsätze kann mitunter die Selektierung der Begriffe bei der Suche erleichtern.12 – Schließlich wurden einige Quellen besonders ausgewertet: ʶ zum Bespiel einige der Taschenkalender von Franziskus Graf Wolff Metternich und Bernhard von Tieschowitz aus dem Nachlass von Wolff Metternich oder die Tätigkeitsberichte;13

11 Der Beitrag von Christian Fuhrmeister über den Kunstschutz in Italien beinhaltet einen Kommentar und eine Beständeauflistung. Alexandra Kankeleit und Ulrike Schmiegelt-Rietig haben uns Informationen zu ihren Recherchen in Griechenland bzw. Russland/Ukraine weitergeleitet. 12 Zur vollständigen Aufstellung siehe das Inhaltsverzeichnis. 13 Siehe Kapitel „Weitere Quellen und Aufbereitung von Daten“.

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ʶ aber auch die Transkription der mündlichen Überlieferung, d. h. der Interviews mit Angehörigen von Kunstschutzmitarbeitern. Obwohl diese Quellen naturgemäß nicht immer sachlich sein können, liefern sie viele Einzelheiten und Erkenntnisse, die nicht in offiziellen Berichten und Korrespondenzen erscheinen konnten. Die Datenbank kann zu jeder Zeit erweitert und gepflegt werden; ­dieses Buch nicht. Deswegen können nach dem Druck weitere, hinzugekommene Quellen online vorhanden sein, die zur Zeit der Printpublikation noch nicht bekannt waren. Dies bitten wir zu berücksichtigen.

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Einleitung: Ein fiktiver Gesamtbestand zum militärischen Kunstschutz

„Als künstlerisch wertvoll unter militärischem Schutz!“ Esther Rahel Heyer

1. Findbuch-Einleitung zu einem „fiktiven Gesamtbestand“ Ein besonders eindrückliches ­­Zeichen für die Tätigkeit des militärischen Kunstschutzes im besetzten Frankreich sind die Warnschilder des Militärbefehlshabers in Frankreich, die unter anderem im Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternich (1893 – 1978) und im französischen Nationalarchiv überliefert sind.1 Das einer solchen Plakatinschrift entstammende Teil-Zitat „(…) als künstlerisch wertvoll unter militärischem Schutz!“ steht exemplarisch für den innerhalb des Sachinventars thematisierten Kerngegenstand: den zentralen Archivbestand im privaten Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternichs (NL FGWM) und die davon ausgehende, ergänzende Quellenüberlieferung zum deutschen militärischen Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg mit Fokus auf Frankreich. Diese Einleitung zum archivischen Sachinventar skizziert die aktuelle Forschungslage, legt den bisher vorherrschenden Quellenstand dar und verweist auf aktuell laufende Forschungsprojekte. Neben einer historischen Kontextualisierung des deutschen militärischen Kunstschutzes wird die Biografie Wolff Metternichs aufgezeigt und die Beschaffenheit der Überlieferung erläutert. Letzteres erfolgt sowohl anhand einer Beschreibung und Charakterisierung der Quellen im NL FGWM als auch der Gegenüberlieferung. Daraus ergeben sich eine Kategorisierung der Dokumente zu den Aktenbildnern (Institutionen und Korrespondenten) sowie eine Klassifikation anhand von Dokumenttypen. Außerdem wird der Versuch unternommen, anhand dieser Bestände im Abgleich mit Aktenplänen die Überlieferung zu rekonstruieren,2 was wiederum Rückschlüsse darauf zulässt, ­welche Akten zum Kunstschutz überhaupt erhalten sind, w ­ elche Akten mit Absicht von Franziskus Graf Wolff Metternich und seinem engsten Mitarbeiter Bernhard von Tieschowitz (1902 – 1968) ausgewählt und in den Monaten und Wochen vor Abzug der deutschen Truppen im August 1944 von Paris zum Denkmalpflegeamt der Rheinischen Provinzialverwaltung nach Bonn

1 Vereinigte Adelsarchive im Rheinland e. V., Ehreshoven, Familienarchiv der Grafen Wolff M ­ etternich zur Gracht, Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternich (künftig NL FGWM), Nr. 74. 2 AN AJ 40/573, dossier 1, Kunstschutz (Groupe de protection des œuvres d’art) auprès de l’OKH. Plan de classement des documents du service. Außerdem NL FGWM, Nr. 141, darin u. a. Aktenplan, Kommandant des Heeresgebietes Südfrankreich Qu/Kult, August 1943.

verbracht wurden,3 w ­ elche Fehlstellen offensichtlich werden und w ­ elche Fragen dies aufwirft. Dieser auf der Quellenlage basierende Ansatz zur Frage, w ­ elche Tätigkeitsfelder der Kunstschutz bediente und wie er funktionierte, soll Anregungen für künftige analytische Forschungsansätze liefern.4 Dieses Sachinventar soll den Zugang zur themenspezifischen Quellenlage erleichtern und durch die Bereitstellung von Quellen einen Beitrag zur Provenienzforschung leisten. Methodisch ist das Sachinventar in der Grundlagenforschung und den historischen Grundund Hilfswissenschaften, spezifischer der Archivkunde, zu verorten. Als besonders anschlussfähig haben sich zudem die Biografie- und Netzwerkforschung, die Wissenschaftsgeschichte, Forschung zur Kulturpolitik und Besatzungsgeschichte sowie Ansätze zu Kulturtransfer und der Rezeptionsgeschichte erwiesen. Versatzstücke dieser Herangehensweisen werden genutzt, um die Erstellung des Sachinventars wissenschaftlich einzubetten und Ansätze zur weiteren Bearbeitung der Quellen des Sachinventars zu beleuchten.5

3 NL FGWM, Nr. 251. 4 Eine Vielzahl inhaltlicher Aspekte kann hier nur angedeutet werden, einige werden in d­ iesem Band innerhalb der Forschungsansätze weiter ausgeführt oder sie sind in den Beiträgen der Begleitpublikation zur Tagung im Kulturzentrum Abtei Brauweiler des Landschaftsverbands Rheinland, 19. – 21. September 2019 veröffentlicht, siehe Hans-Werner Langbrandtner/Esther Heyer/Florence de Peyronnet-Dryden (Hg.), Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland. Franziskus Graf Wolff Metternich und der Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 5), Köln/Wien/Weimar 2021. 5 Zur Kontextforschung in der Provenienzforschung vgl. bspw. die Vorträge von Meike Hopp, „Kunstmarktforschung – Kontextforschung – Provenienzforschung“ im Rahmen der Ringvorlesung „Sammlungen – Provenienz – Kulturelles Erbe 3.0“ (31. 01. 2019) der Universität Würzburg und auf der Tagung des Projektes 2019 „Provenienzrecherche: Zwischen Einzelfallstudie und Kontextforschung“ (leider unpubliziert). Siehe dazu auch Christian Fuhrmeister, Kunstschutz Italien 1943 – 1945: Wieso wir differenzieren müssen, in: Langbrandtner/Heyer/de Peyronnet-Dryden (Hg.), Kulturgutschutz (wie Anm. 4), S. 287 – 293. Zur Methodik der Provenienzforschung siehe bspw. Leitfaden Provenienzforschung. Zur Identifizierung von Kulturgut, das während der nationalsozialistischen Herrschaft verfolgungsbedingt entzogen wurde, hrsg. vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste u. a. Magdeburg 2019. Zu Archivkunde und historischer Grundlagenforschung siehe exemplarisch Friedrich Beck/Eckhart Henning (Hg.), Die archivalischen Quellen. Mit einer Einführung in die historischen Hilfswissenschaften, 5. erw. u. akt. Aufl., Köln/Weimar/Wien 2012. Zur Biografieforschung siehe u. a. Beate Böckem/Olaf Peters/Barbara Schellewald (Hg.), Die Biographie – Mode oder Universalie? Zu Geschichte und Konzept einer Gattung in der Kunstgeschichte, Berlin/Boston 2016 und Roman B. Kremer, Autobiographie als Apologie. Rhetorik der Rechtfertigung bei Baldur von Schirach, Albert Speer, Karl Dönitz und Erich Raeder, Göttingen 2017 und Thomas Etzemüller, Biographien. Lesen – erzählen – erforschen, Frankfurt am Main/New York 2012. Im Projekt wurde der deskriptive Ansatz der historischen Netzwerkforschung gewählt, bei dem die Mitarbeiter des Kunstschutzes und Kollegen mit ­kurzen biografischen Angaben erfasst und deren Interaktion und Vernetzung beschrieben werden. Siehe hierzu: Morten Reitmayer/Christian Marx, Netzwerkansätze

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Durch die Übersetzung der Einleitung in den Forschungskontext ins Englische und Französische soll ein möglichst breiter internationaler Forscher*innenkreis angesprochen werden. Der erleichterte Zugang zur Quellenlage in überwiegend deutschen und französischen Archiven und die Vernetzung der aktuellen Forschung auf einer Fachtagung sowie die Publikation der Ergebnisse und Forschungsansätze können nur ein Teil einer im besten Falle international und kollegial transdisziplinären Fortführung sein. Insbesondere die Öffnung und Erschließung weiterer Quellenbestände und privater Nachlässe wäre wünschenswert, ebenso wie weitere wissenschaftliche Kooperationen, sodass verschiedene nationale, institutionelle oder biografisch-persönliche Perspektiven abgeglichen und in Dialog miteinander gebracht werden können – ganz im Sinne einer histoire croisée.

2. Forschungslage Die bisherige und laufende Forschung zum Kunstschutz lässt sich in verschiedene Kategorien einteilen, wobei hier eine Schwerpunktsetzung auf folgende Themenfelder erfolgt: historische Entwicklung der Institution während des E ­ rsten Weltkrieges mitsamt anschließender Publikationen zu den dort gemachten Erfahrungen der Akteure; Wiederetablierung der Institution im Zweiten Weltkrieg; Biografien und Erinnerungsschriften; rheinische Denkmalpflege; Aufarbeitungen der Nachkriegszeit; Forschungsarbeiten zu Kunstraub und -schutz aus den 1980er bis 2010er Jahren; Ausstellungskataloge und Monografien zu Institutionsgeschichte sowie Festschriften. Dabei ist z­ wischen Primär- und Sekundärliteratur zu differenzieren; von besonderem Interesse hinsichtlich der Quellenforschung sind die publizierten Erfahrungsberichte der internationalen Kunstschutzmitarbeiter selbst. Der Forschungsüberblick wird durch eine thematische Auswahlbibliografie in ­diesem Band ergänzt. Abgesehen von eigenen Forschungsarbeiten und Publikationen ist neben einer Festschrift 6 zu Wolff Metternichs 80. Geburtstag und einem Aufsatz in der 100-Jahre-Bibliotheca-Hertziana- Publikation 7 der Kenntnisstand zur Person Wolff Metternich begrenzt. Erwähnt wird Wolff Metternich in vielen Publikationen zu Kunstraub und Kunstschutz, in der Geschichtswissenschaft, in: Christian Stegbauer/Roger Häußling (Hg.), Handbuch Netzwerkforschung, Bd. 4, Wiesbaden 2010, S. 869 – 880. 6 Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e. V. (Hg.), Festschrift für Franz Graf Wolff Metternich. Jahrbuch 1974, Neuss 1974. 7 Christof Thoenes, Kontinuität. Die Bibliotheca Hertziana unter Franz Graf Wolff Metternich (1953 – 1963), in: Sibylle Ebert-Schifferer unter Mitarbeit von Mareike von Bernstorff (Hg.), 100 Jahre Bibliotheca Hertziana – Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte. Die Geschichte des Instituts 1913 – 2013, München 2013, S. 144 – 153. An dieser Stelle sei auch auf das laufende Projekt „Geschichte der in Rom ansässigen deutschen Forschungs- und Kulturinstitute (1918 – 1962)“ verwiesen, das in Bezug auf die Zeit Wolff Metternichs bei der Bibliotheca Hertziana sicher noch weitere Ergebnisse aufzeigen wird, siehe https://www.biblhertz.it/de/associated-projects/rom (Stand: 29. 08. 2021).

„Als künstlerisch wertvoll unter militärischem Schutz!“  I  47

eine Akteursbiografie auf Basis der neuen Quellenlage steht jedoch noch aus.8 Bezüglich der Denkmalpflege in Frankreich und im Rheinland sind zeitgenössische Publikationen, bspw. zur Denkmälerinventarisation und Verzeichnisse von national wertvollen Kunstwerken, als Grundlage der damaligen Arbeit sowie für die heutige Analyse von Bedeutung.9 Die Jahrbücher der Denkmalpflege geben Einblick in das Tagesgeschäft und die Entwicklung während der NS-Zeit.10 Die Aufarbeitung der eigenen Tätigkeiten in Schriften zu Krieg und Denkmalpflege ist hier sowohl zum Kunstschutz im ­Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg von Interesse.11 Festschriften und Aufsätze zur Ehrung von Tätigkeiten und Verdiensten 8 Im Verlauf des Projektes sind einige Beiträge zur Wolff Metternich erschienen. Siehe Henrike Bolte, Der rheinische Provinzialkonservator Franziskus Graf Wolff Metternich und der deutsche Kunstschutz 1940 – 1943. Erste Ergebnisse aus der archivischen Erschließung des Nachlasses, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 221 (2018), S. 205 – 231; Esther Heyer, Der Provinzialkonservator Franziskus Graf Wolff Metternich. Denkmalpflege und Kunstschutz im Rheinland und in Frankreich, in: Kulturpolitik der Rheinischen Provinzialverwaltung 1920 bis 1945. Tagung am 18. und 19. Juni 2018 im LVR-LandesMuseum Bonn (Beihefte der Bonner Jahrbücher 59), Darmstadt 2019, S. 73 – 84; dies., Vorteil oder Nachteil für die Entnazifizierung? Die Tätigkeit von Franziskus Graf Wolff Metternich im deutschen militärischen Kunstschutz in Frankreich während des Zweiten Weltkriegs, in: Sébastien Chauffour u. a. (Hg.), La France et la dénazification de l’Allemagne après 1945, Brüssel 2019, S. 191 – 206; Hans-Werner Langbrandtner/Esther Heyer/Florence de PeyronnetDryden, Der Nachlass von Franziskus Graf Wolff Metternich. Aufarbeitung des für den Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg zentralen Archivbestands, in: Provenienz & Forschung (2017), H. 2, S. 6 – 13; Die Verfasserin des Beitrags arbeitet in ihrer laufenden Dissertation an einer Akteursbiografie zu Wolff Metternich und dessen (Selbst- wie auch Fremd-)Inszenierung als menschliche Projektionsfläche für nationale und kulturpolitische Interessen. 9 Siehe bspw. die Publikationsreihe „Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz“, die Zeitschrift „Kunst und Denkmalpflege“ bzw. „Die Denkmalpflege“ oder auch den „Congrès Archéologique de France“. Eine Vielzahl von Schriften über die historisch wertvollen Denkmäler u. a. mit Schwerpunkt Frankreich und dem Rheinland finden sich auch im Teilbestand Bibliothek NL FGWM. Siehe außerdem bspw. Maria Obenaus, Für die Nation gesichert? Das „Verzeichnis der national wertvollen Kunstwerke“: Entstehung, Etablierung und Instrumentalisierung 1919 – 1945, Berlin 2016. 10 Das Jahrbuch der Rheinischen Denkmalpflege ist nach den Inventarbänden das älteste Publikationsorgan des LVR-Amtes für Denkmalpflege im Rheinland. Seit 1896 werden Einblicke in die Arbeit und die Forschungstätigkeit sowie Amts- und Tätigkeitsberichte gegeben. 1896 – 1916 wurden diese Informationen als „Berichte über die Tätigkeit der Provinzialkommission für die Denkmalpflege der Rheinprovinz“ publiziert, 1919 – 1921 als „Nachrichten aus der rheinischen Denkmalpflege“, das erste Jahrbuch der Rheinischen Denkmalpflege erschien 1925 (keine Publikation z­ wischen 1942 und 1944). Siehe https://denkmalpflege.lvr.de/de/publikationen_2/jahrbuecher/jahrbuecher_1.html# (Stand: 29. 08. 2021). 11 Siehe bspw. Paul Clemen (Hg.), Kunstschutz im Kriege. Berichte über den Zustand der Kunstdenkmäler auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen und über die deutschen und österreichischen Massnahmen zu ihrer Erhaltung, Rettung, Erforschung, 2 Bde. (Bd. 1: Die Westfront; Bd. 2: Die Kriegsschauplätze in Italien, im Osten und Südosten), Leipzig 1919; Franziskus Graf Wolff

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ermöglichen tieferen Einblick in die Rezeptionsgeschichte und für die Analyse der (Selbst-) Inszenierung von Kunstschutzmitarbeitern. Zur Bodendenkmalpflege der Rheinprovinz wie auch zur Kulturpolitik der Rheinprovinz in der NS-Zeit liegen Publikationen und Tagungsbände vor, die eine Einordnung in d ­ iesem Kontext ermöglichen.12 Auch zu nennen sind hier die Verbindung zur Universität Bonn und die Verzweigungen der Personennetzwerke.13 Eine vergleichende Studie zur Denkmalpflege in Bayern, Thüringen und dem Rheinland wird von Jan Schleusener derzeit ausgearbeitet.14 Im Kontext der Washingtoner Erklärung von 199815 und der gemeinsamen Erklärung der Bundesregierung und der Länder von 199916 nahmen die Forschung zu NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut, die Provenienzforschung und Fragen nach Vergangenheitsbewältigung und Restitution, zu Mechanismen und Akteuren des Kulturgutraubes und Kulturpolitik während der Besatzung im NS deutlich zu. Für die Rückbezüge zum militärischen Kunstschutz s­ eien hier insbesondere die Forschungen zum Einsatzstab R ­ eichsleiter Rosenberg

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­ etternich, Die Denkmalpflege in Frankreich, Berlin 1944; ders., Die staatliche Pflege der Bildenden M Künste in Frankreich, Bonn 1943. Jürgen Kunow/Thomas Otten/Jan Bemmann (Hg.), Archäologie und Bodendenkmalpflege in der Rheinprovinz 1920 – 1945 (Materialien zur Bodendenkmalpflege im Rheinland 24), Treis-Karden 2013; Kulturpolitik der Rheinischen Provinzialverwaltung 1920 bis 1945. Tagung am 18. und 19. Juni 2018 im LVR-LandesMuseum Bonn (Beihefte der Bonner Jahrbücher 59), Darmstadt 2019. Siehe bspw. die mehrbändige Publikation zum 200-jährigen Jubiläum Dominik Geppert/Thomas P. Becker/Philip Rosin (Hg.), Geschichte der Universität Bonn, 4 Bde. (Festschrift zur 200-Jahrfeier der Bonner Universität [1818 – 2018]), Bonn 2018. Außerdem Roland Kanz (Hg.), Das Kunsthistorische Institut in Bonn. Geschichte und Gelehrte, Berlin 2018. Siehe dazu insbesondere Jan Schleusener, Denkmalpflege unter dem Hakenkreuz. Franz Graf Wolff Metternich, das „Rheinische Amt für Denkmalpflege“ und der Nationalsozialismus, in: Langbrandtner/Heyer/de Peyronnet-Dryden, Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland (wie Anm. 4), S. 371 – 398 sowie dessen laufendes Projekt „Geschichte der Ämter für Denkmalpflege in Bayern, Thüringen und im Rheinland 1920 – 1960“, angesiedelt an der Universität Erfurt. Auf der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden (The Washington Conference on Holocaust Era Assets, Washington, D. C., December 3, 1998), wurden elf Punkte formuliert, die in der Aufarbeitung der unterzeichnenden Nationen gezielt durchgeführt werden sollten. Siehe Washington Conference Principles on Nazi-­Confiscated Art, https://www.state.gov/washington-conference-principles-on-nazi-confiscated-art/ (Stand: 10. 05. 2020). Siehe die gemeinsame Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzen­ verbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz (Gemeinsame Erklärung 1999) und die Handreichung zur Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999, Neufassung 2019, https://www.kulturgutverluste.de/ Content/08_Downloads/DE/Grundlagen/Handreichung/Handreichung.pdf?__blob=publication​ File&v=5 (Stand: 29. 08. 2021).

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(ERR), Akteuren des Kunstmarktes und der Geschichte einzelner Museen oder Sammler genannt.17 Dieses sich rasant weiterentwickelnde Forschungsfeld, das sehr viel differenzierter zu betrachten ist und hier nur angedeutet werden kann, verspricht auch künftig hinsichtlich wissenschaftlicher Beziehungen, kulturellen Erbes und Translokation eine Verbindung zur ebenfalls anwachsenden Kunstschutz-Forschung zu ermöglichen.18 Die Forschung zum Kunstschutz im ­Ersten Weltkrieg mit Schwerpunkt Belgien und Frankreich ist in den letzten beiden Jahrzehnten, insbesondere durch Christina Kott, voran­ getrieben worden.19 Die Verkürzung des Begriffs „Kunstschutz“ auf die Tätigkeiten einer 17 Aus der reichhaltigen internationalen Forschungsliteratur ­seien hier nur einige exemplarische Publi­ kationen genannt: Lynn H. Nicholas, The Rape of Europa. The Fate of Europe’s Treasures in the Third Reich and the Second World War, London 1994; Jonathan Petropoulos, The Faustian Bargain. The Art World in Nazi Germany, Oxford 2000; Nancy H. Yeide, Beyond the Dreams of Avarice. The Hermann Goering Collection, Dallas 2009; Ilse von zur Mühlen, Die Kunstsammlung Hermann Görings. Ein Provenienzbericht der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München 2004; Anja Heuß, Kunst und Kulturgutraub. Eine vergleichende Studie zur Besatzungspolitik der Nationalsozialisten in Frankreich und der Sowjetunion, Heidelberg 2000; ERR Archival Guide von Patricia Kennedy Grimstedt https://www.errproject.org/guide.php (Stand: 29. 08. 2021). Weitere Informationen sind in der Auswahlbibliografie in ­diesem Band zu finden. 18 Siehe hierzu bspw. das Projekt „Repertorium der Akteure des französischen Kunstmarkts während der deutschen Besatzung (1940 – 1945)“ der TU Berlin und des Institut national d’histoire de l’art (INHA) Paris, https://www.kuk.tu-berlin.de/menue/forschung/einzelne_forschungsprojekte/repertorium_ der_akteure_des_franzoesischen_kunstmarkts_waehrend_der_deutschen_besatzung_1940_1945/ (Stand: 29. 08. 2021); das HERA-Projekt TransCultAA, Transfer of Cultural Objects in the Alpe Adria Region in the 20th century, https://www.transcultaa.eu (Stand: 29. 08. 2021); Forschungsschwerpunkt Translocations – Historical Enquiries into the Displacement of Cultural Assets an der TU Berlin, http://www.translocations.net (Stand: 29. 08. 2021); oder die seit 2016 laufende Studie Nikola Dolls „Zwischen Kunst, Wissenschaft und Besatzung. Die Kunsthistorische Forschungsstätte Paris (1942 – 1944)“; außerdem das Projekt „Die Provenienz des Mainzer Buchbestandes aus der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris (1942 – 44)“, siehe dazu die Beiträge von Julia Schmidt und Sabine Scherzinger, in: Langbrandtner/Heyer/de Peyronnet-Dryden, Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland (wie Anm. 4), S. 235 – 247 bzw. S. 249 – 265. 19 Siehe zum E ­ rsten Weltkrieg bspw. Christina Kott, Préserver l’art de l’ennemi? Le patrimoine artistique en Belgique et en France occupées, 1914 – 1918, Brüssel 2006; Robert Born/Beate Störtkuhl (Hg.), Apologeten der Vernichtung oder „Kunstschützer“? Kunsthistoriker der Mittelmächte im ­Ersten Weltkrieg, Köln 2017. Zum Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg veröffentlichte Christina Kott mehrere Aufsätze und arbeitet derzeit an ihrer Habilitation zum Gesamtkonstrukt Kunstschutz, exemplarisch genannt Christina Kott, Le ‚Kunstschutz‘ en 1939 – 1945. Une pierre dans la façade de l’Allemagne national-socialiste, in: Philippe Nivet (Hg.), Guerre et patrimoine artistique à l’époque contemporaine, Amiens 2014, S. 327 – 342; dies., „Den Schaden in Grenzen halten …“ Deutsche Kunsthistoriker und Denkmalpfleger als Kunstverwalter im besetzten Frankreich, 1940 – 1944, in: Ruth Heftrig/Olaf Peters/Barbara Schellewald (Hg.), Kunstgeschichte im „Dritten Reich“. Theorien, Methoden, Praktiken, Berlin 2008, S. 362 – 392.

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bestimmten Personengruppe oder einer Verwaltungsabteilung während des Zweiten Weltkrieges, ein Begriff der zudem durch (Selbst-)Darstellungen aus der Nachkriegszeit ungenau und subjektiv geprägt bleibt, wird von Christina Kott als „nicht angemessen eingeschätzt“ beschrieben. Eine konkrete und vielschichtige Aufarbeitung und Historisierung des Kunstschutzes als Gesamtkonzept und Tätigkeitsfeld steht noch aus.20 Diese Selbstdarstellung beruht einerseits auf den Publikationen über die Tätigkeit während des Krieges, andererseits auf den abschließenden Tätigkeitsberichten, von denen manche auch in Bibliotheken zugänglich sind; deutlich mehr sind in Institutionsarchiven von Museen und Universitäten und in den Archivbeständen der Militärverwaltung und Privatnachlässen zu finden. Einige dieser Rechtfertigungsschriften wurden überarbeitet veröffentlicht und prägten aufgrund der spärlichen Quellenüberlieferung die öffentliche Rezeption des Kunstschutzes und seiner Mitarbeiter.21 Auch Margot Günther-Hornigs Versuch einer länderübergreifenden Aufarbeitung für das Institut für Besatzungsfragen Ende der 1950er Jahre basiert auf spärlicher Quellenlage und teils rein auf persönlichen Aussagen der ehemaligen Akteure, der erfragte Zugang zu Wolff Metternichs Aktenmaterial blieb ihr verwehrt.22 Hinweise auf die Tätigkeiten des Kunstschutzes können aus ebendiesen Erfahrungsberichten von Kunstschutz-Offizieren entnommen werden, hier stehen jedoch oftmals die tagebuchähnlichen Erlebnisschilderungen im Vordergrund.23 Weitere Informationen finden 20 Siehe Christina Kott, Militärischer Kunstschutz im ­Ersten und Zweiten Weltkrieg. Institutionen, Akteure, Diskurse, Handlungsfelder, in: Langbrandtner/Heyer/de Peyronnet-Dryden, Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland (wie Anm. 4), S. 115 – 140. 21 Siehe bspw. Franz Graf Wolff Metternich, Bericht über den Kunstschutz in Griechenland, Paris 1941; ders., Die Denkmalpflege in Frankreich, Berlin 1944; ders., Bericht über die Studienreise in Italien vom 26.11. – 18. 12. 1942, Bonn 1943; ders., Bericht über die Studienreise in Italien vom 6. bis 27. Juni 1943, Bonn 1943; ders., Abschliessender Bericht über die Tätigkeit des kunstwissenschaftlichen Arbeitsstabes in Frankreich in der Zeit vom 01. 10. 1940 – 30.09. (bzw. 31.12.) 1941, Paris 1942. Siehe auch Wilhelm Treue, Zum nationalsozialistischen Kunstraub in Frankreich. Der „Bargatzky-Bericht“, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 13 (1965), S. 285 – 337; Georg Schnath, Drei Jahre deutscher Archivschutz in Frankreich, in: ders., Ausgewählte Beiträge zur Landesgeschichte Niedersachsens, Hildesheim 1968, S. 341 – 344. 22 Margot Günther-Hornig, Kunstschutz in den von Deutschland besetzten Gebieten 1939 – 1945, Tübingen 1958. Der Autorin wurde für ihre Forschungsarbeit kaum Auskunft von den ehemaligen Kunstschutzmitarbeitern gegeben und eine Einsicht in privat gesammelte Quellen verwehrt. Siehe dazu Korrespondenz NL FGWM, Nr. 188 sowie die Akten zur Publikation im Bundesarchiv Koblenz, Bestand B 120 Institut für Besatzungsfragen. 23 Siehe bspw. Rose Valland, Le front de l’art. Défense des collections françaises 1939 – 1945, Paris 1961. Germain Bazin, Souvenirs de l’exode du Louvre 1940 – 1945, Paris 1992; H. P. Baard, Kunst in Schuil­ kelders. De odyssee der nationale kunstschatten gedurende de oorlogsjaren 1939 – 1945, Den Haag 1946; Jean Cassou, Le pillage par les Allemands des œuvres d’art et des bibliothèques appartenant à des Juifs en France, Paris 1947. Walter I. Farmer, Die Bewahrer des Erbes. Das Schicksal deutscher Kulturgüter am Ende des Zweiten Weltkrieges (Schriften zum Kulturgüterschutz), Berlin 2002.

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sich in Schilderungen zu Auslagerungen an Institutionen, in denen jedoch die Objekte mehr Raum gegenüber den organisatorischen Verflechtungen einnehmen.24 Unerlässlich für das Verständnis des Kunstschutzes sind auch die verwandten Verwaltungseinheiten des Archivschutzes und Bibliotheksschutzes sowie die Erfahrungsberichte und wissenschaftlichen Publikationen darüber.25 Spätere und durch den Titel einschlägig erscheinende Publikationen, wie jene Günther Haases, sind aufgrund der mangelnden Quellenbasis weniger aussagekräftig.26 Im Zuge eines Aufschwungs der Wissenschaftsgeschichte, Provenienz- und Kulturguttransferforschung wurde auch der militärische Kunstschutz in den letzten Jahren deutlich intensiver bearbeitet.27 Seit der Verfilmung „Monuments Men“, basierend auf dem Buch Robert Edsels und der darauffolgenden Medienberichterstattung sowie personenbezogener Forschung, sind die amerikanischen Offiziere der Monuments, Fine Arts, and Archives Section (MFA&A) sehr präsent.28 Auch die französische Spionageheldin und Kunstschutzoffizierin Rose Valland (1898 – 1980) im besetzten Nachkriegsdeutschland ist ein Beispiel für diesen Forschungszweig.29 24 Siehe bspw. Bazin, Souvenirs de l’exode (wie Anm. 23); Michel Rayssac, L’exode des musées. Histoire des œuvres d’art sous l’Occupation, Paris 2007 oder auch Pia Schölnberger/Sabine Loitfellner (Hg.), Bergung von Kulturgut im Nationalsozialismus. Mythen – Hintergründe – Auswirkungen (Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 6), Wien/Köln/Weimar 2016. 25 Siehe zum Archivschutz bspw. Wilhelm Kisky, Die Archivberatungsstelle der Rheinprovinz und ihre Tätigkeit für die Sicherung von Archivalien und anderen Kulturgütern während des Krieges, Düsseldorf 1949; Schnath, Drei Jahre deutscher Archivschutz (wie Anm. 21); Sven Kriese (Hg.), Archivarbeit im und für den Nationalsozialismus. Die preußischen Staatsarchive vor und nach dem Machtwechsel von 1933 (Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz. Forschungen 12), Berlin 2015; Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e. V., Das deutsche Archivwesen und der Nationalsozialismus. 75. Deutscher Archivtag 2005 in Stuttgart (Tagungsdokumentationen zum Deutschen Archivtag 10), Essen 2007. 26 Günther Haase, Kunstraub und Kunstschutz, 2 Bde., Hamburg (1991) 2008. 27 Siehe bspw. Nikola Doll/Christian Fuhrmeister/Michael H. Sprenger (Hg.), Kunstgeschichte im Nationalsozialismus. Beiträge zur Geschichte einer Wissenschaft z­ wischen 1930 und 1950, Weimar 2005; Christian Fuhrmeister u. a. (Hg.), Kunsthistoriker im Krieg. Deutscher Militärischer Kunstschutz in Italien 1943 – 1945 (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte 29), Köln/Wien/Weimar 2012; Heftrig/Peters/Schellewald (Hg.), Kunstgeschichte im „Dritten Reich“. (wie Anm. 19); Burkhard Dietz/Helmut Gabel/Ulrich Tiedau (Hg.), Der Griff nach dem Westen. Die „Westforschung“ der völkisch-nationalen Wissenschaften zum nordwesteuropäischen Raum (1919 – 1960), 2 Bde. (Studien zur Geschichte und Kultur Nordwesteuropas Band 6), Münster 2003. 28 „Monuments Men“ von George Clooney und Grant Heslov, USA und Deutschland 2014, 118 Minuten, Bundesstart: 20. 02. 2014. Der Film basiert auf: Robert Edsel/Bret Witter, The Monuments Men. Allied Heroes, Nazi Thieves and the Greatest Treasure Hunt in History, London/New York 2009. Siehe zur medialen Wirksamkeit bspw. auch die Homepage der Monuments Men Foundation for the Preservation of Art https://www.monumentsmenfoundation.org (Stand: 29. 08. 2021). 29 Rose Valland war Mitarbeiterin am Musée Jeu de Paume in Paris und beobachtete dort den ERR beim Raub und Verlagern jüdischer Kunstsammlungen. Ihre Memoiren wurden veröffentlicht:

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Sehr erfreulich ist die aktuell rege Forschung zu Kunstschutz bzw. weitreichenden Fragen des Kulturgutschutzes und der Translokation. Dazu möchte auch ­dieses Sachinventar mit der Datenbank und der Printpublikation sowie dem Tagungsband beitragen; einige der Forscher*innen konnten für Beiträge gewonnen werden. Eine Gesamtbetrachtung des Konstrukts Kunstschutz ist bisher ein Desiderat. Christina Kott hat hierzu bereits einige Aufsätze veröffentlicht und die Ergebnisse ihres laufenden Habilitationsprojektes versprechen neue Erkenntnisse.30 Der Kunstschutz in Italien wurde von Christian ­Fuhrmeister bereits vielfach bearbeitet. In seiner kürzlich publizierten Habilitationsschrift setzt er diesen in den Kontext Kunstgeschichte, Politik und Propaganda und analysiert Brüche und Kontinuitäten über die Kriegszeit hinaus.31 Der Kunstschutz in Griechenland wurde und wird derzeit aus zwei Perspektiven bearbeitet: Alexandra Kankeleit widmete sich ­diesem Thema im Zuge eines Projektes zur Aufarbeitung der NS -Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts in Athen, Raik Stolzenberg betrachtet in seinem Promotionsvorhaben die Beziehungen des Kunstschutzes zum Ahnenerbe.32 Zum Kunstschutz in Serbien gibt es ebenfalls bereits Aufsätze, eine Studie zu Johann Albrecht Freiherr von Reiswitz (1899 – 1962) von Andreas Roth ist kürzlich erschienen.33 Zu Raub und Rettung in russischen Museen im Zweiten Weltkrieg erschien vor kurzem eine Publikation, die

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Rose Valland, Le front de l’art (wie Anm. 23). Außerdem ihre Notizen aus dieser Zeit: Emmanuelle Polack/Philippe Dagen, Les Carnet de Rose Valland. Le pillage des collections privées d’œuvres d’art en France durant la Seconde Guerre mondiale, Lyon 2011. Christina Kott, Préserver l’art de l’ennemi? (wie Anm. 19); dies., Le ‚Kunstschutz‘ (wie Anm. 19); dies., „Den Schaden in Grenzen halten …“ (wie Anm. 19); dies., Militärischer Kunstschutz (wie Anm. 20). Neben mehreren Publikationen siehe insbesondere Christian Fuhrmeister, Die Abteilung „Kunstschutz“ in Italien. Kunstgeschichte, Politik und Propaganda 1936 – 1963 (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 1), Köln/Wien/Weimar 2019. Alexandra Kankeleit arbeitete am Projekt „Aufarbeitung der Geschichte des DAI Athen während der NS-Zeit“, siehe dies., Der Wagenlenker von Delphi in den Fängen des Zweiten Weltkrieges, in: Langbrandtner/Heyer/de Peyronnet-Dryden, Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland (wie Anm. 4) (wie Anm. 4), S. 345 – 368. Raik Stolzenberg widmet sich dem Kunstschutz in Griechenland innerhalb seiner Dissertation, siehe auch ders., Archäologischer Kunstschutz und SS-Ahnenerbe. Eine Beziehung von Relevanz?, in: Langbrandtner/Heyer/de Peyronnet-Dryden, Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland (wie Anm. 4), S. 309 – 344. Christian Fuhrmeister, Kunstschutz Serbien, Juli 1941 bis Juli 1944, in: Burkhard Olschowsky/Ingo Loose (Hg.), Regionen des östlichen Europas im 20. Jahrhundert, Bd. 3. Nationalsozialismus und Regionalbewusstsein im östlichen Europa (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 59), München 2016, S. 331 – 343, Christina Kott, „Kunstschutz im ­­Zeichen des totalen Krieges“. Johann Albrecht von Reiswitz und Wilhelm Unverzagt in Serbien, 1941 – 1944, in: Acta Praehistorica et Archaeologica 49 (2017), S. 245 – 269, und Andreas Roth, Johann Albrecht von Reiswitz (1899 – 1962). Vom unbequemen Südosteuropaexperten zum Kunstschützer, Graz 2020.

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den „unterschätzten Akteur“ in Russland thematisiert.34 Der „Kunstschutz im besetzten Deutschland“ und die Restitutionspolitik in der französischen und amerikanischen Besatzungszone wurden von Emily Löffler in ihrer Dissertation aufgearbeitet und interalliierte Beziehungen sowie die Verflechtungen mit deutschen Akteuren beschrieben.35 Und auch die Vorläufer des amerikanischen Kunstschutzes werden derzeit von Laura Nicolaiciuc in einer Dissertation bearbeitet.36 Schließlich ist für die Forschungslage auch die mediale Inszenierung von Interesse und für die Rezeptionsgeschichte von Relevanz. Ein eigenes geplantes Weißbuch durch die Kunstschutzkollegen und Wolff Metternich wurde jedoch nicht umgesetzt.37 Mehrere Ausstellungsprojekte von Museen oder Auslagerungsorten griffen und greifen derzeit die Frage nach dem Kunstschutz in Kriegszeiten auf.38 Und auch in dem Film „Francofonia“ des russischen Regisseurs Alexander Sokurov ist der Kunstschutz im besetzten Paris ein zentraler Handlungsstrang.39

3. Quellenlage Die Forschung zum Kunstschutz wird durch die fragmentarische Quellenlage erschwert. Ein Gesamtarchiv, das alle relevanten Archivalien des Kunstschutzes beim OKH oder der Abteilungen bei den Militärverwaltungen in den besetzten Gebieten beinhaltet, wurde entweder nicht systematisch angelegt oder es wurde nicht überliefert. Anja Heuß hat bereits 34 Corinna Kuhr-Korolev/Ulrike Schmiegelt-Rietig/Elena Zubkova in Zusammenarbeit mit Wolfgang Eichwede, Raub und Rettung. Russische Museen im Zweiten Weltkrieg (Studien zu kriegsbedingt verlagerten Kulturgütern 1), Köln/Wien/Weimar 2019. 35 Emily Löffler, Kunstschutz im besetzten Deutschland. Restitution und Kulturpolitik in der französischen und amerikanischen Besatzungszone (1944 – 1953) (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 3), Köln/Wien/Weimar 2019. 36 Laura Nicolaiciuc bearbeitet die Thematik innerhalb ihrer Dissertation (Thematik: Mapping the Monuments – Die American Defense Harvard Group und das American Council of Learned Societies als Initiatoren des amerikanischen Kunstschutzes in Europa während des Zweiten Weltkrieges), siehe auch in d ­ iesem Band dies., Vor Rettung und Restitution: Die Anfänge und der Aufbau ziviler US-amerikanischer Kunstschutzkomitees. 37 NL FGWM, Nr. 143 und PA AA B95/973. 38 Siehe bspw. Isabelle le Masne de Chermont (Hg.), À qui appartenaient ces tableaux? / Looking for owners, la politique française de garde, de recherche de provenance et de restitution des œuvres d’art pillées durant la Seconde Guerre mondiale (Ausstellungskatalog Jerusalem/Paris, Musée d’Israël/ Musée d’Art et d’Histoire du Judaïsme 2008), Paris 2008; Guillaume Fonkenell (Hg.), Le Louvre pendant la guerre. Regards photographiques, 1938 – 1947 (Ausstellung Paris, Musée du Louvre, 7 mai–31 août 2009), Paris 2009. 39 „Francofonia“ von Alexander Sokurov. Frankreich, Deutschland, Niederlande 2015, 87 Minuten, Bundesstart: 25. 02. 2016.

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2000 angemerkt, dass die Akten des Kunstschutzes in Frankreich weitgehend als verloren gelten.40 Christian Fuhrmeister beschreibt die Quellenlage zum Kunstschutz in Italien als fragmentarisch und erklärt, dass verschiedene Teilbestände mit großen Unterschieden in der Überlieferungsdichte abgeglichen werden müssten: Archive und Nachlässe an einzelnen Institutionen und von Akteuren, die im Kunstschutz involviert waren, staatliche Archive, in denen die Verhandlungen der Organisationseinheit der Militärverwaltung Niederschlag fanden, oder dort, wo (auch international) die Nachforschungen dazu dokumentiert sind.41 Die Hürde, im Vorfeld der Arbeit erst disparate Quellenbestände rekonstruieren zu müssen, ist nur durch die Methode der histoire croisée und unter Einbezug transnationaler Kontakte zu bewältigen, um einer einseitigen Darstellung vorzubeugen. Dies erfordert – den Tätigkeiten und Akteuren des Kunstschutzes entsprechend –, auf mehreren Ebenen zu recherchieren: amtliches Material in staatlicher oder privater Überlieferung, aber auch private Dokumente innerhalb von Amtsüberlieferung.42 Diese disparate Quellenlage stellt die Ausgangslage für den Abgleich der Quellen im NL FGWM mit der Gegenüberlieferung dar, die hier kurz aufgezeigt werden soll. Beispielhaft zu nennen sind die durch das Deutsche Historische Institut Paris unterstützten Veröffentlichungen der Archives nationales in Frankreich und der Abteilung Militärarchiv in Freiburg des Bundesarchivs, die die erhaltenen Bestände der Militärverwaltung Frankreich in sich ergänzenden Arbeitsinstrumenten bearbeiteten, was den Zugang erheblich vereinfacht.43 Weitere Überlieferung zu den involvierten NS -Organisationen befindet sich im Bundesarchiv Berlin, die Bestände zur Treuhandverwaltung von Kulturgut (TvK) und dem Institut für Besatzungsfragen im Bundesarchiv Koblenz.44 Die kulturpolitische Ebene ist im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes dokumentiert, ebenso die Personalakten Wolff Metternichs und von Tieschowitz’ zu ihrer Zeit beim Auswärtigen Amt in 40 Heuß, Kunst und Kulturgutraub (wie Anm. 17), S. 273. 41 Siehe Fuhrmeister, Die Abteilung „Kunstschutz“ (wie Anm. 31), S. 31 ff. 42 Siehe ebd., S. 33; Christina Kott, „Kunstschutz“ an der Westfront, ein transnationales Forschungsfeld? Methoden, Quellen, Perspektiven, in: Born/Störtkuhl (Hg.), Apologeten der Vernichtung (wie Anm. 19), S. 29 – 42, hier S. 41 f. 43 Siehe Archives nationales (Hg.), La France et la Belgique sous l’occupation allemande 1940 – 1944. Les fonds allemands conservés au Centre historique des archives nationales. Inventaire de la sous-série AJ 40, Paris 2002 und Stefan Martens (Hg.), Frankreich und Belgien unter deutscher Besatzung 1940 – 1944. Die Bestände des Bundesarchiv-Militärarchivs Freiburg, Stuttgart 2002. Im Militärarchiv Freiburg sind insbesondere die Bestände RW 35 – Militärbefehlshaber Frankreich und nachgeordnete Dienststellen, RW 36 – Militärbefehlshaber Belgien-Nordfrankreich und RH 3 – Generalquartiermeister von Interesse. 44 Bundesarchiv Berlin, siehe bspw. NS 8 – Reichskanzlei Rosenberg, NS 30 – Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, R 4901 – Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Bundesarchiv Koblenz, siehe bspw. B 323 – Treuhandverwaltung von Kulturgut und B 120 – Institut für Besatzungsfragen.

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Bonn.45 Wolff Metternichs fortlaufende Ausübung des Amtes als Provinzialkonservator ist im Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland (ALVR ) überliefert, dort werden die Überschneidungen an Tätigkeiten und Personalfragen deutlich.46 Archivalien zu den involvierten Personen und Institutionen ist darüber hinaus in Universitätsarchiven, Museumsarchiven oder Privatnachlässen nachzugehen.47 Auch in Frankreich, Belgien und den Niederlanden, den USA und England wurde d ­ iesem Prinzip entsprechend in staatlicher Überlieferung, Institutionsarchiven und Privatnachlässen recherchiert.48 Der Zugang zu d ­ iesem Material wurde und wird durch Findmittel vereinfacht, die im Zuge der Erschließung von Beständen erarbeitet oder auch erneuert wurden. Häufig konsultierte Bestände wurden teilweise digitalisiert und in Datenbanken zugänglich gemacht.49 Nicht außer Acht zu lassen ist in ­diesem Kontext die Verpflichtung der Archive, im Sinne 45 Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 wurde im Frühjahr 1951 das Auswärtige Amt in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn wieder unter d ­ iesem Namen eingerichtet, Wolff Metternich und von Tieschowitz waren 1951/1952 in der Kulturabteilung tätig. Im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes sind dahingehend insbesondere die Bestände P 14 – Personalakten, B 95 – Kulturabteilung, B 86 – Kulturabteilung, Referate 506/507/V7 von Interesse. 46 Im Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland befindet sich die Überlieferung der rheinischen Denkmalpflege, die Rückschlüsse auf die Tätigkeiten Wolff Metternichs und seiner Kollegen ermöglicht und den regionalen Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg dokumentiert. Siehe insbesondere die Bestände der Personalakten und die Überlieferung des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege sowie zur Kulturabteilung der Rheinischen Provinzialverwaltung. 47 Beispielhaft ist hier das Universitätsarchiv der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn zu nennen, in dem die Lehrtätigkeit Wolff Metternichs ebenso wie die wissenschaftlichen Bezüge zum kunsthistorischen Institut ersichtlich werden, ebenso das historische Archiv des Bildarchivs Foto Marburg, in dem sich Unterlagen zu den Fotokampagnen im besetzten Frankreich wie auch zu wissenschaftlichen Beziehungen des Kunstschutzes befinden. Privatnachlässe sind in diversen Universitätsarchiven, Bibliotheken und kommunalen wie staatlichen Archiven zu finden, teilweise aber auch noch in Familienbesitz und nur über den direkten Kontakt einsehbar. 48 In Frankreich wurden neben den staatlichen Archiven (Archives nationales und Archives des Ministères des affaires étrangères) insbesondere Institutionsarchive und Departementarchive konsultiert, die mit den Tätigkeiten des deutschen militärischen Kunstschutzes in Verbindung gebracht werden konnten. In Belgien, den Niederlanden, England und den USA wurden die Staatsarchive nach Beständen zur Besatzungszeit, Kriegsführung und Kulturgutschutzmaßnahmen durchsucht, außerdem private Nachlässe von Personen aus dem Netzwerk Kunstschutz. 49 Findmittel verbinden die Bestände eines Archivs mit der Ebene einzelner Akten, es sind Verzeichnisse von Archivalien, die die Recherche relevanter Archivalien ermöglichen. Ein physisches Verzeichnis wird oftmals als Findbuch bezeichnet und umfasst in der Struktur eine Gliederung des Bestandes, eine Einleitung zur Bestandsgeschichte und den Nachlassbildnern und im Hauptteil eine Auflistung der Archivalien mit Angaben zu Form und Inhalt der Verzeichnungseinheiten. Viele Institutionen stellen darüber hinaus Online-Findmittel zur Verfügung, Verzeichnungsdatenbanken, in denen mittels verschiedener Funktionen recherchiert werden kann. Vgl. bspw. BArch Koblenz B 323 – Treuhandverwaltung von Kulturgut, ein Bestand, der im Zuge der Provenienzforschung häufig

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der Washingtoner Prinzipien und der Gemeinsamen Erklärung von Bund und Ländern Quellen für die Provenienzforschung zugänglich zu machen und bereitzustellen.50 Mit der Öffnung des NL FGWM konnte eine wichtige Lücke in der Überlieferung geschlossen werden. Dass Wolff Metternich und seine Kollegen Akten aus Frankreich nach Deutschland verbracht hatten, war über Jahrzehnte hinweg kein Geheimnis. Dafür sprechen nicht nur die Erkundigungen unter Kollegen, wo sich das Material befinde, und die Nachfrage Margot Günther-Hornigs in den 1950er Jahren nach Auskünften für ihre Forschung, sondern auch der Kontakt der Familie mit Forscher*innen.51

4. Historischer Kontext Die Etablierung des militärischen Kunstschutzes mit dem Westfeldzug der deutschen Wehrmacht im Frühjahr 1940 orientierte sich am Vorbild der Schutzmaßnahmen an Kulturgütern während des ­Ersten Weltkriegs. Die Begrifflichkeit „Kunstschutz“ geht ebenfalls auf diese Zeit zurück. In Reaktion auf Zerstörungen, insbesondere in Belgien, und den dadurch ausgelösten internationalen Aufschrei, wurde u. a. als propagandistische Maßnahme, um das Bild der Deutschen zu rehabilitieren, eine militärische Einheit gegründet, die Maßnahmen zum Schutz von Kunstgütern, historisch bedeutenden Gebäuden und Denkmälern gegen Kriegseinwirkungen ergreifen sollte.52 Ob der Begriff des „Schutzes“ die Tätigkeiten in Kriegszeiten tatsächlich angemessen beschreibt, ist allerdings grundlegend in Frage zu stellen. Dass diese Einheiten ohne viel Befugnis blieben und dürftigen Handlungsräumen und Materialknappheit ausgesetzt waren, darf hierbei nicht außer Acht gelassen werden. Ebenso wenig lässt sich bestreiten, dass die Etablierung des Kunstschutzes weitgehend ein Propagandamittel war, konsultiert wurde und seit kurzem digitalisiert in der Online-Datenbank invenio des Archivs zur Verfügung steht: https://invenio.bundesarchiv.de/invenio/login.xhtml (Stand: 29. 08. 2021). 50 In den Washington Principles wird als zweiter Punkt gefordert, dass einschlägige Unterlagen und Archive der Forschung gemäß den Richtlinien des International Council on Archives zugänglich gemacht werden sollen: „2. Relevant records and archives should be open and accessible to researchers, in accordance with the guidelines of the International Council on Archives“ (wie Anm. 15). 51 Siehe Günther-Hornig, Kunstschutz in den von Deutschland besetzten Gebieten (wie Anm. 22), Korrespondenz Wolff Metternichs mit ihr und mit Kollegen über ihre Arbeit in NL FGWM, Nr. 42, Nr. 85 und Nr. 188 aus den Jahren 1956/1957. Korrespondenz und Rechercheanfragen siehe Nr. 36, Betreuung des Nachlasses Wolff Metternichs durch die Söhne Johann Adolf und Winfried Wolff Metternich. Die Familie reagierte darin bspw. einerseits auf falsche Angaben zu Wolff Metternich, wie beispielsweise Jonathan Petropoulos’ Angabe, er sei Mitglied der SS gewesen, und andererseits auf Anfragen von Wissenschaftler*innen über eine mögliche Nutzung der unbekannten Materialien im Privatnachlass. 52 Zur Entstehung des Begriffs und zur Entwicklung des Kunstschutzes siehe Kott, Militärischer Kunstschutz (wie Anm. 20).

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das ein übergeordnetes Interesse am Kulturgut der Menschheit vermitteln sollte – wobei das eigentliche Ziel die Rückführung von ehemals unter Napoleon „geraubten“ Werken ins Deutsche Reich war. Rückblickend wurden die schützenden Tätigkeiten glorifiziert und die chauvinistische Besitzergreifung durch Inventarisierung und fotografische Dokumentation weitgehend ausgeblendet.53 Der Bonner Professor für Kunstgeschichte Paul Clemen (1866 – 1947), der während des E ­ rsten Weltkrieges als Kunstschutzoffizier tätig war, gab bereits kurz nach Kriegsende eine zweibändige Publikation über Eindrücke und Maßstäbe zur altruistischen Idee des „Kunstschutzes“ heraus und prägte d ­ ieses Narrativ nachhaltig.54 Schon vor der Etablierung eines dezidierten militärischen „Kunstschutzes“ seitens der Besatzer wurde im Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871 in Frankreich die systematische Inventarisierung und Auslagerung der wichtigsten staatlichen Kunstsammlungen aus Museen in spezifisch dafür ausgewählte Bergungsorte praktiziert. Dies produzierte Erfahrungswerte und Systematiken, auf die dann in folgenden Konfliktsituationen zurückgegriffen wurde.55 Von weiterer Relevanz ist in d ­ iesem Zusammenhang die Tradition der Erfassung von national wertvollem Kulturgut im Zuge der Nationalisierungsprozesse des späten 19. Jahrhunderts.56 Die darin implizierten Fragen nach kultureller Identität, Geschichte der Inventarisierung und nationalistischen Strategien sind auch insofern interessant, als diese Inventare im Krieg für ein gezieltes Rückerobern von Kulturgütern als Vorlage genutzt wurden.57 Der Schutz von Kulturgütern bei bewaffneten Konflikten war in einem völkerrechtlichen Abkommen, der Haager Landkriegsordnung von 1907, international angenommen und festgeschrieben worden; jedoch wurde der Schutz der Kriegsführung untergeordnet.58 53 Siehe dazu insbesondere die Forschung von Christina Kott, außerdem Heuß, Kunst und Kulturgutraub (wie Anm. 17), S. 251 ff. 54 Clemen (Hg.), Kunstschutz im Kriege (wie Anm. 11). Siehe zum Kunstschutz im ­Ersten Weltkrieg die umfassende Publikation mit einem vergleichenden Überblick zu Akteuren, Aufgaben sowie Forschungs- und Quellenlage: Born/Störtkuhl (Hg.), Apologeten der Vernichtung (wie Anm. 19). 55 Siehe insbesondere den Tagungsbandbeitrag zu d­ iesem Kontext: Arnaud Bertinet, Pour une h ­ istoire des politiques d’évacuations et de protection face aux pillages, spoliations et transocations patrimoniales, in: Langbrandtner/Heyer/de Peyronnet-Dryden, Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland (wie Anm. 4), S. 37 – 50. 56 Siehe bspw. Obenaus, Für die Nation gesichert? (wie Anm. 9); siehe auch Eric Hobsbawm/Terence Ranger (Hg.), The Invention of Tradition (Past and Present Publications), Cambridge u. a. 1983. 57 Siehe hierzu bspw. Bénédicte Savoy, Kunstraub. Napoleons Konfiszierungen in Deutschland und die europäischen Folgen, Köln 2010. Siehe außerdem den sogenannten Kümmel-Bericht und die Forschung darüber. 1939/1940 wurden von einer Kommission unter der Leitung Otto Kümmels, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, entwendete Kulturgüter deutscher Herkunft seit den Napoleonischen Kriegen listenmäßig erfasst, mit dem Ziel der Rückführung ins Deutsche Reich. 58 Der Wortlaut der Haager Landkriegsordnung von 1907 ist bspw. einsehbar unter https:// archive.org/stream/HaagerLandkriegsordnung HLKOU nbekannt/Haager%20Landkriegsord​ nung%20 %28HLKO%29 %20-%20Unbekannt_djvu.txt (Stand: 29. 08. 2021). Zur rechtlichen Entwicklung des Kulturgüterschutzes siehe Sabine Freifrau von Schorlemer, Von der „Stunde Null“ zur

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Der Einsatz für den Erhalt des Kulturerbes der Menschheit und Vorarbeiten seines Hochschullehrers und Amtsvorgängers Paul Clemen waren selbstverständliche und selbst auferlegte Grundlage für Wolff Metternichs Einstellung und Wirken beim militärischen Kunstschutz während des Zweiten Weltkrieges. Im Kontext dieser weitgehend positiv rezipierten Persönlichkeiten mit ihrem jahrzehntelangen Einsatz für den Erhalt von Kunstdenkmälern und ihrer internationalen Vernetzung ist auch die lange vorherrschende Wertschätzung des „Kunstschutzes“ zu betrachten. Wolff Metternich wurde im Mai 1940 über das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM) zum Beauftragten für den Kunstschutz in den besetzten Gebieten beim Oberkommando des Heeres berufen. Die verschiedenen Verwaltungsformen der besetzten Länder brachten jedoch von Beginn an Herausforderungen für ein einheitliches Vorgehen mit sich. Nicht nur die Schutzmaßnahmen konnten nicht präventiv erfolgen, sie hatten der Front zu folgen, sondern auch die Etablierung der Referate für Kunstschutz bei der jeweiligen Militärverwaltung war der Koordinierung der den Heeresgruppen zugeordneten Militärverwaltungsstäbe nachgeordnet. Der Westfeldzug zeigte die Schwierigkeiten deutlich: die schnell vorrückenden Truppen, Entzug der Zuständigkeit des OHK für die Niederlande, die Etablierung einer Militärverwaltung für Belgien und Nordfrankreich und schließlich im Juni 1940 die Personalunion des Oberbefehlshabers des Heeres, General Walther von Brauchitsch (1881 – 1948), als Militärbefehlshaber für Frankreich und die Einrichtung der Quartiere des OKH in Fontainebleau und des Militärbefehlshabers in Paris im Hôtel Majestic in der Avenue Kléber. Diverse Personalwechsel und Umstrukturierungen durch Interessenkonflikte sowie die weitere Kriegsführung, aber insbesondere auch Streitigkeiten um die Zuständigkeit zur „Sicherstellung“ von privaten, zumeist jüdischen Kunstsammlungen mit Otto Abetz (1903 – 1958) an der deutschen Botschaft in Paris sowie dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) waren ausschlaggebende Gründe für den eingeschränkten Handlungsspielraum des deutschen militärischen Kunstschutzes. Ab Oktober 1940 (bis Februar 1942) war General Otto von Stülpnagel (1878 – 1948) Militärbefehlshaber, danach Carl-Heinrich von Stülpnagel (1886 – 1944) bis Juli 1944 – jedoch ohne Befehlsgewalt über die Truppen. Die Verwaltungsstruktur seit dem Waffenstillstand mit fünf Verwaltungsbezirken (Nordost-, Nordwest- und Südwestfrankreich, Bordeaux und Paris) blieb bestehen, jeder Präfektur war eine Feldkommandantur zugeordnet, jeder Unterpräfektur eine Kreiskommandantur. Mit den Feldzügen nach Südosten und Osten ab dem Frühjahr 1941 wurden die Strukturen aufgelockert und Personal gestrichen, so auch beim Kunstschutz. Wolff ­Metternichs Handlungsmacht als Beauftragter für Kunstschutz war begrenzt, nicht zuletzt da die alleinige Kontrolle und Machtausübung des OKH in den besetzten Gebieten scheiterte. Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut im bewaffneten Konflikt und ihren Protokollen (1954/1999). Fortschritte in der Entwicklung des völkerrechtlichen Kulturgutschutzes, in: Langbrandtner/­Heyer/de Peyronnet-Dryden, Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland (wie Anm. 4), S. 51 – 77.

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So wurden in Frankreich nicht nur die Luftwaffe und die Kriegsmarine zu Gegenspielern, sondern Ministerien, Ämter, Parteidienststellen und zivile Institutionen.59 Der Kommandostab in der Militärverwaltung hatte Befehlsgewalt über die deutschen Besatzungstruppen, der Verwaltungsstab kontrollierte die französische Verwaltung, mit dem Ziel eines reibungslosen Ablaufes und der schnellen Wiedereinkehr von Normalität. Leiter der Verwaltungsabteilung war Werner Best (1903 – 1989), Alexander Langsdorff (1898 – 1946) sein Stellvertreter.60 Mit der Militärverwaltung wurden in der Abteilung Kultur- und Kunstverwaltungen (vormals Gruppe Schule und Kultur V 14, s­ päter Gruppe V 1/2) die Referate Kunstschutz, Archivschutz, Bibliotheksschutz eingerichtet. Am 17. Juli 1940 wurde auf Anordnung des OKH die Gruppe Archivschutz gegründet, die am 1. August 1940 die Tätigkeit aufnahm. Ernst Zipfel (1891 – 1966) war am 22. Mai 1940 zum „Kommissar für Archivschutz“ im westlichen Operationsgebiet ernannt worden, Georg Schnath (1898 – 1989) wurde Leiter der Abteilung Archivschutz in Frankreich, Georg Winter (1895 – 1961) sein Stellvertreter, Georg Sante (1896 – 1984) mit dieser Aufgabe in Belgien und Nordfrankreich betraut, Bernhard Vollmer (1886 – 1958) beim Reichskommissar für die besetzten Niederlande. Der Archivschutz konzentrierte sich insbesondere auf die Bestandsaufnahme der Kriegsschäden, den Schutz der ausgelagerten Bestände vor Plünderung und Zerstörung und die Erstellung von Rückführungslisten. Schwierigkeiten entstanden insbesondere durch die Überschneidungen mit parteiideologischen Institutionen, die Archivbestände für nationalsozialistische Forschung und Legitimierung der (genozidalen) Expansionspolitik beschlagnahmten. Unter anderem musste so mit dem Chef der Heeresarchive, dem Sonderkommando Künsberg und dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg kooperiert oder mussten Zuständigkeiten abgegeben werden. Gerade für die Rückforderungslisten entstanden dabei wissenschaftliche Differenzen zum Provenienz- und Pertinenzprinzip, also einer Rückforderung aus Deutschland stammender Akten und die Erweiterung der Übernahme auf Deutschland betreffende Akten ausländischer Aktengeber. Die Zuständigkeit des Archivschutzes wurde jedoch kaum mehr auf Südfrankreich ausgeweitet, da die Abteilung ab 1942 stark dezimiert wurde.61

59 Zur Entwicklung der Militärverwaltung in Frankreich siehe Stefan Martens, Deutsche Militärverwaltung und Besatzung in Frankreich, in: Langbrandtner/Heyer/de Peyronnet-Dryden, Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland (wie Anm. 4), S. 185 – 196. 60 Fuhrmeister, Die Abteilung „Kunstschutz“ (wie Anm. 31), S. 139. 61 Zum Archivschutz siehe Christian Hoffmann, „… auch deutsche Interessen wahrgenommen …“ Der hannoversche Staatsarchivdirektor Georg Schnath und die Gruppe „Archivschutz“ im besetzten Frankreich 1940 – 1944, in: Langbrandtner/Heyer/de Peyronnet-Dryden, Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland (wie Anm. 4), S. 267 – 284; Kriese, Archivarbeit im und für den Nationalsozialismus (wie Anm. 25); Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e. V., Das deutsche Archivwesen und der Nationalsozialismus (wie Anm. 25); Heuß, Kunst und Kulturgutraub (wie Anm. 17), S. 263 – 269.

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Am 2. Juli 1940 wurde Hugo Andres Krüß (1879 – 1945), Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek, zum „Kommissar für die Sicherung der Bibliotheken“ im westlichen Operationsgebiet ernannt, Leiter der Abteilung Bibliotheksschutz in Frankreich war Ernst Wermke (1893 – 1987), ab 1942 bis zur Auflösung sein Stellvertreter Hermann Fuchs (1896 – 1970). Auch hier war der Auftrag die Sicherung und der Schutz von französischen Bibliotheken, daneben aber vor allem die Erfassung von deutschem Bibliotheksgut in Frankreich und die diesbezüglichen Rückforderungslisten. Nach Abschluss der Listen wurde die Abteilung ebenfalls ab 1942 personell stark verkleinert.62 Das Referat für Vorgeschichte und Archäologie wurde im Herbst 1940 auf Initiative von Martin Schede (1883 – 1947), Direktor des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches, gegründet und am 1. Dezember 1940 mit Eduard Neuffer (1900 – 1954) besetzt, es bestand bis Juli 1942. Auch hier waren der ungehinderte Zugriff auf Forschung, Objekte und Unterlagen im besetzten Gebiet sowie eine geplante Rückführung aus Deutschland entwendeter Güter die Interessenschwerpunkte – neben einem „Schutz“ und der Dokumentation und somit Ergänzung der Bereiche Kunst, Archiv und Bibliothek.63 Wenn auch diese Abteilungen im Vergleich zu den Raubkollektiven nicht dezidiert mit Beschlagnahme beauftragt waren, so waren die Dokumentation, Inventarisierung und Erstellung der Rückforderungslisten sowie Forschungsprojekte doch Vorarbeiten für weitere Aneignung, ambivalente „Sicherstellung“ und Rückführung ins Deutsche Reich. Während die Referate Archivschutz und der Bibliotheksschutz den jeweiligen Militärbefehlshabern und dem entsprechenden Kommissar im Deutschen Reich unterstellt waren, war Wolff Metternich beim OKH angesiedelt, für die gesamten besetzten Gebiete (unter Militärverwaltung) zuständig und sah sich in vergleichbarer Weise auch für die innerdeutschen Belange des Kunstschutzes verantwortlich. Wolff Metternich wurde mit Befehl des Oberbefehlshabers des Heeres vom 13. Mai 1940 mit der Sicherung der Kulturgüter im Operationsgebiet zum OKH berufen. Zunächst der Heeresgruppe A und B zur Seite gestellt, war er jeweils Sachbearbeiter im Stab des Oberquartiermeisters (Verwaltungschef ). Nach der Einrichtung der Militärverwaltungen in Belgien und Frankreich wurde den Militärbefehlshabern Fachpersonal für den Kunstschutz zugewiesen. Wolff Metternich blieb beim OKH angesiedelt, erst mit Dienstsitz Brüssel, dann Paris. Der Befehl des Oberbefehlshabers des Heeres vom 19. Juli 1940 begründete die Verwaltungsstrukturen für den Kunstschutz bei der jeweiligen Militärverwaltung. Die Vollmachten Wolff Metternichs wurden mit Rückverlegung des OKH ins Heimatgebiet erweitert und er wurde zum Militärverwaltungsabteilungschef ernannt. Im April 1941 wurde er unter Beibehaltung seiner Funktion als Beauftragter beim OKH in den Verwaltungsstab der Militärverwaltung eingegliedert und wurde Leiter der neugeschaffenen ­Verwaltungsgruppe 62 Zu Bibliotheksschutz siehe bspw. Heuß, Kunst und Kulturgutraub (wie Anm. 17), S. 269 – 273. 63 Siehe Beitrag Susanne Haendschke: Eduard Neuffer und das Referat „Vorgeschichte und Archäologie“ des militärischen Kunstschutzes in Paris (1940 – 1942) in d ­ iesem Band.

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V 14 „Kunstschutz und Archäologie“, im Herbst Leiter der Kulturabteilung beim Militärbefehlshaber in Frankreich. Mit der Beurlaubung im Juni 1942 und Rückkehr nach Bonn zu den dortigen Aufgaben der Denkmalpflege und des Kunstschutzes wurde sein Stellvertreter Bernhard von Tieschowitz zum Nachfolger benannt.64 Wolff Metternich hatte Einfluss auf die Auswahl der Mitarbeiter für den Kunstschutz in Frankreich und griff auf Kollegen aus dem Rheinland zurück. Felix Kuetgens (1890 – 1976) wurde am 1. August 1940 nach Paris als Leiter des Referats für Kunstschutz berufen, ihm unterstellt waren die Mitarbeiter Hans Hörmann (1894 – 1985) in St. Germain für Nordfrankreich, Josef Busley (1888 – 1969) in Angers für Westfrankreich, Walther Zimmermann (1902 – 1961) in Dijon für Ostfrankreich und ­später Hans Möbius (1895 – 1977) in Lyon für Südfrankreich, für den Großraum Paris Hermann Bunjes (1911 – 1945). Kuetgens’ Mitarbeiter in Paris waren Carlheinz Pfitzner (1908 – 1944) und Wend Graf Kalnein (1914 – 2007), der Gruppe Kultur waren außerdem die Abteilungen Schulwesen (Reiprich, Vorname und Lebensdaten unbekannt), Bibliotheksschutz (Hermann Fuchs), Archivschutz (Georg Schnath) und Archäologie (Eduard Neuffer) zugehörig.65 In Belgien war Heinz Rudolf Rosemann (1900 – 1977) Leiter des Kunstschutz-Referates, Henry Koehn (1892 – 1963) und Wolfgang Kroenig (1904 – 1992) sowie Joachim Wolfgang von Moltke (1909 – 2002) seine Mitarbeiter. Das 1941 bestehende Referat für Frühgeschichte und Archäologie leitete Joachim Werner (1909 – 1994). In Serbien war ab dem Sommer 1941 Johann Albrecht von Reiswitz (1899 – 1962) für die Gruppe Kunstschutz, Archäologie und Frühgeschichte zuständig. In Griechenland war Hans Ulrich von Schoenebeck (1904 – 1944) ab Februar 1941 Leiter der Gruppe Kunstschutz, Wilhelm Kraiker (1899 – 1987) ab Oktober 1941 Referent (ab Juli 1942 Leiter) und Ernst Kirsten (1911 – 1987) sowie Ulf Jantzen (1909 – 2000) vorübergehende wissenschaftliche Hilfsarbeiter. Nach Aufbau der Abteilung Kunstschutz in Italien 1943 wurde Alexander Langsdorff Leiter der Gruppe und Hans Gerhard Evers (1900 – 1993) Referent. Für den kunsthistorischen Forschungsstab der Fotokampagnen waren Gustav André (1900 – 1989), Hans Adalbert von Stockhausen (1874 – 1942), Richard Hamann-Mac Lean (1908 – 2000) beim Kunstschutz tätig, zeitweise auch Reinhold ­Strenger (1903–nach 1966) und Günther Schiedlausky (1907 – 2003), der wiederum auch in die Aktivitäten des ERR involviert war.

64 NL FGWM, Nr. 53, „Abschließender Bericht über die Arbeit des Kunstschutzbeauftragten in der Zeit von Mai 1940 – September 1944“. 65 Stellungnahme Felix Kuetgens innerhalb seiner Entnazifizierung, 05. 08. 1945. LA NRW, Abt. Rheinland, NW 1079 Nr. 17464; NL FGWM, Nr. 240, Dokumente zur Einrichtung des Kunstschutzes, unter anderem Korrespondenz z­ wischen Robert Hiecke und Franziskus Graf Wolff Metternich. Siehe auch NL FGWM, Nr. 48, Brief Wolff Metternich an Paul Clemen vom 22. 07. 1940 über die Organisation des Kunstschutzes sowie Stellenbesetzung bzw. geplante Auswahl der weiteren Kollegen.

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Die Aufgaben variierten je nach besetztem Gebiet und Forschungsschwerpunkten der Mitarbeiter, aber auch nach der unterschiedlich starken Einflussnahme anderer NS-Institutionen vor Ort. Laut der Konzeption Wolff Metternichs standen, basierend auf den Vorarbeiten des Kunstschutzes im ­Ersten Weltkrieg, den Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung und den eigenen Erfahrungen aus der Denkmalpflege im Rheinland, folgende Aufgaben im Vordergrund: – Schutz der Baudenkmale und historischer Wohnbauten, – Betreuung der ortsgebundenen Kunstwerke, – Schutz der Museen und öffentlichen Sammlungen, – Schutz des beweglichen Kunstgutes, – Überwachung des Kunstlebens, – wissenschaftliche Forschungsaufgaben. Konkreter umfasste dies den Schutz der Bergungsorte der staatlichen Museen, Aussparung von Truppenbelegung, Beaufsichtigung der Depots sowie deren Unterhalt mit Personal und Material, außerdem die Zusammenarbeit mit der französischen Verwaltung und Denkmalpflege, etwa um das Personal auszustatten und zu autorisieren. Das Ausstellen von Truppenbelegungsverboten für historisch wertvolle Bauten und die Aufklärungsarbeit über wertvolles Inventar und regelkonforme Nutzung zur Verhinderung von Zerstörung gehörten so ebenfalls zur praktischen Arbeit. Die Zuständigkeit für den Schutz von privatem Kunstbesitz wurde zum Streitpunkt mit dem ERR und dem Kunstschutz sehr früh entzogen. Der Wiederaufbau und die Rückkehr zum Alltagsleben (so die Wiedereröffnung des Louvre) waren nicht zuletzt Propagandamaßnahmen, eine Aufgabe, die der Kunstschutz ebenfalls bediente. Außerdem wurden die neuen Möglichkeiten zur Forschung und der Zugriff auf bisher nicht zugängliches Material durch die Besatzung genutzt: Die Einrichtung des beim OKH angesiedelten „Kunstwissenschaftlichen Arbeitsstabes“ mit Richard Hamann (1879 – 1961) an der Universität Marburg und Alfred Stange (1894 – 1968) an der Universität Bonn – mit finanzieller und materieller Unterstützung des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM) erfolgten fotografische Dokumentation, Vorträge, Publikationen und Rundreisen in den besetzten Gebieten – führte Anfang 1942 auch zur Gründung der Kunsthistorischen Forschungsstätte in Paris (KHF). Zum Höhepunkt der Abteilung Anfang des Jahres 1942 waren 28 Militärverwaltungsbeamte und ein Kraftfahrer, Josef Bauch (Lebensdaten unbekannt), für den Kunstschutz tätig, außerdem eine Schreibkraft bei der Militärverwaltung und eine weitere beim OKH, Gisela Günther (gen. Gigü, Lebensdaten unbekannt) und Margarethe Schmidt (gen. Schmidt’chen, Lebensdaten unbekannt). Für Sonderaufträge wurden 24 Offiziere und Unteroffiziere zum Kunstschutz abgestellt, insgesamt waren dementsprechend bis zu 54 Personen beim Kunstschutz in den besetzten Gebieten, noch nicht eingerechnet dabei die zivilen Hilfskräfte und bspw. die sporadisch mit Aufträgen einbezogenen französischen Fachkräfte. Anschließend wurden starke Kürzungen vorgenommen, die auf die Masse der bereits erledigten Aufgaben,

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flüssigere Abläufe und personelle Abbaumaßnahmen während des Ostfeldzugs zurückzuführen waren. Die Reduzierung des Personals ab 1942 war jedoch aufgrund der wachsenden Aufgabenbereiche durch die Erweiterung auf Südfrankreich sowie die Angriffe der Alliierten und der Résistance zunehmend problematisch, auch da neue Zuständigkeiten in Italien ab 1943 hinzukamen. Gerade mit dem Rückzug der Truppen betonten die verbleibenden Kunstschutzoffiziere in Frankreich steigende Dringlichkeit auf der einen sowie die Hinfälligkeit der Schutzmaßnahmen auf der anderen Seite.66 Die Gestaltungsmöglichkeit Wolff Metternichs bei der Besetzung „seiner“ Mitarbeiter in den Militärverwaltungsabteilungen, die er zumeist im Rückgriff auf bereits bestehende Arbeitsbeziehungen aus dem Rheinland gestaltete, zeigt erneut, wie wichtig es ist, diese Akteure – einzeln und im Kollektiv – näher zu betrachten, um die größeren Abläufe und Zusammenhänge nachvollziehen zu können. Daher wird das Personennetzwerk in ­diesem Band durch Kurzbiografien und Institutionsbeschreibungen illustriert.67 Interessant sind auch die Beziehungen ­zwischen Lehrern und Schülern sowie die personellen Kontinuitäten innerhalb der wiederkehrenden Tätigkeitsfelder und von Kollegenkreisen aus Berlin und dem Rheinland im ­Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Am Beispiel Clemen und Wolff Metternich in der Nachfolge des Schülers als Kunstschutzbeauftragter wird dies deutlich, auch Josef Busley war Schüler und Assistent Clemens gewesen und ab Herbst 1940 für den Kunstschutz im besetzten Frankreich tätig. Auch Richard Hamann agierte bereits im E ­ rsten Weltkrieg im Zuge der Fotokampagnen in den besetzten Gebieten, koordinierte die Kampagnen im Zweiten Weltkrieg und einige seiner Schüler, u. a. Bernhard von Tieschowitz, waren beim Kunstschutz oder den Fotokampagnen tätig – diese SchülerLehrer-Filiation ist verschiedentlich zu beobachten und lässt sich, einerseits, als natürliche Abfolge fortschreitenden Alters und der Karrieren erklären. Andererseits eröffnen diese Verbindungen jedoch auch Fragen nach gegenseitiger Einflussnahme und wissenschaftlicher Nachfolge, aber auch der Auflösung von Beziehungen aufgrund neuer Opportunitäten und der Abwendung von ehemaligen Vorbildern.68 Wenngleich die Mitarbeiter militärisch dem Beauftragten für Kunstschutz nicht weisungsgebunden waren, so führte die frühere Verbindung durch Studium oder Beruf meist zu Loyalität gegenüber alten Lehrmeistern und Kollegen, nicht zuletzt aufgrund der Dankbarkeit dafür, durch die Arbeit beim Kunstschutz dem Fronteinsatz entgehen zu können.

66 NL FGWM, Nr. 141, Unterlagen zum Kunstschutz Südfrankreich, Schreiben Möbius an Schnath, 24. 06. 1944. 67 Siehe Kurzbiografien und Angaben zu Institutionen in ­diesem Band. Siehe auch den Tagungsbandbeitrag von Kott, Militärischer Kunstschutz (wie Anm. 20). 68 Siehe dazu auch Christina Kott, Der deutsche „Kunstschutz“ im E ­ rsten und Zweiten Weltkrieg – ein Vergleich, in: Ulrich Pfeil (Hg.), Deutsch-französische Kultur- und Wissenschaftsbeziehungen im 20. Jahrhundert. Ein institutionengeschichtlicher Ansatz, München 2007, S. 137 – 153.

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Nicht nur aufgrund der Personennetzwerke, sondern auch aufgrund der ineinandergreifenden Tätigkeitsfelder ist die historische Entwicklung der Denkmalpflege für die Betrachtung des Kunstschutzes von Relevanz. Während Paul Clemen den Begriff der „Kriegsdenkmalpflege“ prägte, waren auch seine Nachfolger Edmund Renard (1871 – 1932) und Wolff Metternich bekannte und geschätzte Denkmalpfleger, die oft mehrere leitende Funktionen in Personalunion vereinten und sehr großen Einfluss nahmen. Nicht zu unterschätzen ist für die Entwicklung der Denkmalpflege – rheinisch wie auch überregional – der ideologische Einfluss der NS-Zeit, der ein verstärktes Interesse an Kulturgütern von nationaler Bedeutung und an Heimatpflege hervorbrachte. Denkmalpflege in Kriegszeiten und der Kunstschutz erscheinen zudem als sich wechselseitig befruchtende Tätigkeiten, konkreter ersichtlich in den dadurch weiterentwickelten praktischen Methoden der Denkmalpflege, wie die Sicherungsmaßnahmen und Auslagerungen im Kriegsgeschehen, die in manchen besetzten Ländern gar der Anstoß zu einer eigenen Denkmalpflegeinstitution auf Basis der vorhergegangenen Kunstschutzmaßnahmen gaben.69 Während die Betrachtung der einzelnen Akteure und Tätigkeitsfelder des Kunstschutzes bis in die 1990er Jahre hagiografische Tendenzen aufwies und schillernde Persönlichkeiten wie Clemen und Wolff Metternich mit ihrem selbstlosen Einsatz für Kulturgut unangetastete Helden waren, hat seitdem eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kunstschutz eingesetzt. Studien der letzten Jahre zur Beziehung der Kunstschutzmitarbeitern zur Propaganda und der sogenannten „Westforschung“, die die deutsche kulturelle Überlegenheit kunstwissenschaftlich nachzuweisen suchte, haben deren Selbstinszenierung, die durch eine Berufung auf rein wissenschaftliches oder selbstloses Arbeiten fernab von Ideologie geprägt war, in Frage gestellt.70 Inwiefern dies durch die gezielte Zerstörung von Aktenmaterial und das Unter-Verschluss-Halten der überlieferten Unterlagen befeuert wurde, muss an dieser Stelle noch offen bleiben.

69 Siehe dazu insbesondere Christina Kott, Der deutsche „Kunstschutz“ (wie Anm. 68) und Jan ­Schleusener, Denkmalpflege unter dem Hakenkreuz (wie Anm. 14) sowie Udo Mainzer (Hg.), Paul Clemen. Zur 125. Wiederkehr seines Geburtstags (Jahrbuch der Rheinischen Denkmalpflege 35), Köln 1991; ders. (Hg.), Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege (Jahrbuch der Rheinischen Denkmalpflege 36), Köln 1993. Siehe auch Sandra Schlicht, Krieg und Denkmalpflege. Deutschland und Frankreich im II. Weltkrieg, Schwerin 2007. 70 Siehe zur Rezeption und Bekanntheit der Thematik u. a. Christina Kott, Der deutsche „Kunstschutz“ im ­Ersten und Zweiten Weltkrieg (wie Anm. 68). Zur „Westforschung“ siehe Dietz/Gabel/ Tiedau (Hg.), Griff nach dem Westen (wie Anm. 27). Zu Zerstörung und Propaganda siehe Nicola Lambourne, War Damage in Western Europe. The Destruction of Historic Monuments During the Second World War, Edinburgh 2001. Zum Weißbuch siehe NL FGWM, Nr. 143 und PA AA B95/973.

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5. Franziskus Graf Wolff Metternich (1893 – 1978)71 Franziskus (Franz) Graf Wolff Metternich wurde am 31. Dezember 1893 im westfälischen Haus Beck als zehntes Kind, vierter und jüngster Sohn, von Ferdinand Graf Wolff ­Metternich zur Gracht (1845 – 1938) und Flaminia Prinzessin zu Salm-Salm (1853 – 1913) geboren. Er wuchs auf Schloss Gracht bei Köln auf und wurde von seinem Elternhaus stark katholisch geprägt. So wurde er 1915 als Ordensritter der Genossenschaft der Rheinisch-Westfälischen Malteser-Devotions-Ritter aufgenommen und 1931 in den Vorstand berufen, diese Funktion übte er bis in die 1960er Jahre aus. Enge Kontakte zum höchsten rheinischen Klerus waren aufgrund dieser Verbindung selbstverständlich. Nach seinem Abitur am Brühler Gymnasium begann er ein Studium der Kunstgeschichte bei Paul Clemen in Bonn. Mit Ausbruch des ­Ersten Weltkrieges wurde Wolff Metternich zum Kriegsdienst im Bonner Husarenregiment einberufen und erfuhr eine intensive militärische Ausbildung. Ein Granatsplitter verwundete ihn schwer am Hals, dennoch endete sein Heeresdienst erst Ende September 1919. Im Anschluss an den Wehrdienst nahm er sein Studium der Kunstgeschichte in Bonn wieder auf. Während seiner weiteren Studien- und Doktorandenzeit reiste Wolff Metternich durch Europa und hielt sich mehrere Monate für Recherchearbeiten in Rom auf. An der Universität Bonn promovierte er 1923 mit einer Arbeit über den Eingang der Renaissance in die rheinische Baukunst: „Die spätgotische Loggia zu Binsfeld, eine stilkritische Studie zur niederrheinischen Profanarchitektur im letzten Viertel des 15. und im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts“. 1925 heiratete er Alix Freiin von Fürstenberg (1900 – 1991), mit der er vier Kinder hatte: Johann Adolf genannt Hanno (1926 – 1995), Winfried (1928 – 2017), Theresia (geb. 1930) und Antonius (geb. 1933). 1926 trat Wolff Metternich in den Dienst der Rheinischen Provinzialverwaltung als wissen­schaftlicher Hilfsarbeiter beim Provinzialkonservator Edmund Renard. 1928 übernahm Wolff Metternich ­dieses Amt – unter maßgeblicher Fürsprache des rheinischen Klerus – und hatte es durchgehend bis 1950 inne. Außerdem erhielt er 1933 einen Lehrauftrag sowie 1940 eine Honorarprofessur für Denkmalpflege und rheinische Kunst an der Universität Bonn. Am 1. Mai 1933 wurde Wolff Metternich – nach vorausgehender Beratung mit kirchlichen Kreisen – Mitglied der NSDAP. Zu seinem wissenschaftlichen und beruflichen Ziehvater Paul Clemen, dem ersten Amtsinhaber als Provinzialkonservator der Rheinprovinz von 1893 bis 1911, blieb eine lebenslange Verbundenheit bestehen. Sie schlug sich u. a. in regen Schriftwechseln, vor allem über Denkmalpflege und Kunstschutz im Krieg, nieder, da Clemen im ­Ersten Weltkrieg 71 Zur Biografie siehe Anm. 8, zudem einen ausführlichen Beitrag im Tagungsband: Esther Heyer, Franziskus Graf Wolff Metternich (1893 – 1978). Biografie als Kontextforschung, in: dies./Langbrandt​ ner/­​​de Peyronnet-Dryden, Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland (wie Anm. 4), S. 79 – 113, außerdem die dortigen Beiträge von Kott, Langbrandtner und Schleusener.

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für den ­militärischen Kunstschutz wirkte und dieser Einsatz für (Kriegs-)Denkmalpflege vorbildhaft für Wolff Metternich war. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde Wolff Metternich kurzzeitig eingezogen, dann aber vom Heeresdienst durch den preußischen Staatskonservator Robert Hiecke (1876 – 1952) im REM freigestellt, um zunächst das bewegliche Kunstgut im Rheinland zu bergen und zu sichern. Auf Hieckes Veranlassung hin wurde er im Mai 1940 in das von Deutschland besetzte Brüssel und im Sommer nach Paris versetzt, um als Beauftragter für Kunstschutz die (kunst)historisch wertvollen Gebäude, Denkmäler und beweglichen Kunstgüter der besetzten Gebiete vor Kriegseinwirkungen zu bewahren. Hierzu entwarf er am 10. Juli die im „Verordnungsblatt für die besetzten französischen Gebiete“ veröffentlichte „Verordnung über die Erhaltung von Kunstschätzen im besetzten Gebiet Frankreich vom 15. Juli 1940“. Dabei orientierte er sich an den Vorarbeiten Clemens und dem „Haager Abkommen“ zum Schutz von Kulturgut in bewaffneten Konflikten von 1907. Wolff Metternich war bestrebt, als reiner Sachwalter des staatlichen Kunstbesitzes zu agieren, das er als Kulturerbe der Menschheit verstand. Seine beständige Abwehr einer willkürlichen Plünderung staatlicher Museen, seine eindeutig frankophile und mit den Interessen des Reiches nicht in Einklang stehende Haltung 72 – die sich nicht zuletzt aus seinen persönlichen Verbindungen zum französischen Adel, zu führenden Katholiken und zum Malteserorden speiste – und sein nicht ausreichend ambitioniertes Engagement für die Rückführung ehemals deutscher, von Napoleon geraubter Kunst brachten ihn früh mit den systematisch Kunstraub betreibenden Stellen, Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, dem deutschen Botschafter in Paris, Otto Abetz, und Reichsmarschall Hermann Göring (1893 – 1946), in Konflikt. Zwei Jahre konnte Wolff Metternich im beschränkten Handlungsrahmen des OKH und durch ein funktionierendes Netzwerk an loyalen Mitarbeitern bei der jeweiligen Militärverwaltung wirken, dann wurde der Kunstschutz zunehmend dezimiert. Im Juni 1942 wurde Wolff Metternich beurlaubt (offiziell ein Arbeitsurlaub in der Rheinprovinz) und im Oktober 1943 schließlich entlassen. Zurück im Rheinland, kümmerte er sich um den dortigen Kunstschutz. Er wurde dennoch durch seinen gleichgesinnten Stellvertreter und Nachfolger in Paris, Bernhard von Tieschowitz, über die Tätigkeit und die Entwicklung des Kunstschutzes in den besetzten Gebieten informiert und wirkte beratend weiter. Die Denkmalpflege im Rheinland leitete Wolff Metternich seit 1928, seine Anfangszeit war von Widersprüchen geprägt: auf der einen Seite von schweren Krisenjahren und Unterfinanzierung und auf der anderen Seite von der NS-Zeit, die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und erhöhte Finanzmittel mit sich brachte sowie ein wachsendes Interesse an Heimatpflege und national wertvollen Kulturgütern. 1939 wurden erste Maßnahmen der Evakuierung und Sicherungsmaßnahmen im Rheinland vorgenommen, durch Wolff Metternichs Abwesenheit war neben den Bezirkskonservatoren hier insbesondere Provinzialbaurat Theodor Wildeman 72 NL FGWM, Nr. 153, Bericht der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdiensts über Wolff ­Metternich, 20. 04. 1943.

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(1885 – 1962) als sein Stellvertreter wichtiger Protagonist. Auch die Archivberatungsstelle der Rheinprovinz unter Wilhelm Kisky (1881 – 1953) war bei der Koordination von Bergungsorten und den Auslagerungen ein wichtiger Partner. Die zunehmenden Bombenangriffe erforderten also dringend Wolff Metternichs Präsenz und ab dem Sommer 1942 nahm er seine Tätigkeit in Bonn wieder auf – und blieb weiterhin im engen Austausch mit von Tieschowitz zum Kunstschutz in den besetzten Gebieten. Aufgrund seiner Leistungen im Kunstschutz und seines internationalen Ansehens, insbesondere jedoch aufgrund seiner Fachkompetenz und dringend anstehender Aufgaben in der Rückführung ausgelagerter Kulturgüter wurde Wolff Metternich in der Nachkriegszeit schnell entlastet und konnte seine Tätigkeit als Provinzialkonservator (später Landeskonservator) wieder aufnehmen. Der Direktor der französischen Nationalmuseen, Jacques Jaujard, entlastete ihn noch im Jahr 1945. Auch zu mehreren Kunstschutzoffizieren der Abteilung Monuments, Fine Arts, and Archives der alliierten Streitkräfte, die nach von den Nationalsozialisten geraubter Kunst suchten, entstanden teils lebenslange Beziehungen. Die endgültige Entnazifizierung in Stufe V „entlastet“ erfolgte jedoch aufgrund seiner NSDAPMitgliedschaft erst im April 1948. Seine Stellung und seine wissenschaftlichen und beruflichen Netzwerke qualifizierten ihn für die Übernahme diplomatischer Aufgaben im isolierten Nachkriegsdeutschland. Von Dezember 1950 bis Ende 1952 wirkte er als Leiter des Wissenschaftsreferates der Kulturabteilung im Auswärtigen Amt. Die Bibliotheca Hertziana in Rom wurde im Oktober 1953 als Institut der Max-Planck-Gesellschaft offiziell wiedereröffnet und Wolff M ­ etternich zu dessen Direktor berufen. Seine dortigen Forschungen zum Petersdom führte er auch nach seiner Ende 1962 erfolgten Emeritierung bis 1968 in Rom fort. In dieser Zeit war er Mitglied des Kuratoriums des Instituts. Zwei Tage nach seinem 70. Geburtstag, am 2. Januar 1964, wurde Wolff Metternich in Anerkennung seiner Verdienste im Kunstschutz die Ehrenlegion im Namen des französischen Präsidenten Charles de Gaulle (1890 – 1970) verliehen. 1968 kehrte Wolff Metternich mit seiner Familie ins Rheinland zurück, pflegte seine dortigen Kontakte, war nach wie vor fachlicher Ansprechpartner zu Fragen der Denkmalpflege und strebte mit ehemaligen Kollegen über Jahrzehnte hinweg eine Aufarbeitung des Kunstschutzes in einem Weißbuch an. Am 25. Mai 1978 starb Wolff Metternich in seinem 85. Lebensjahr. Seine beruflichen Stationen, Beziehungen zur ­Kirche, adeligen Familienverbindungen und die eigene Selbstwahrnehmung sowie die Inszenierung des Kunstschutzes als Einsatz für ein übergeordnetes Kulturerbe der Menschheit führten in der Rezeption zu hagiografischen Tendenzen. Dieses Nachleben hält teilweise bis heute in der Forschung an; die Verfügbarkeit der Quellen im NL FGWM verspricht hier neue Rückschlüsse.

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6. Kernbestand NL FGWM Der Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternich ist Teil des Familienarchivs der Grafen Wolff Metternich zur Gracht. Der Bestand beinhaltet private, berufliche und wissenschaftliche Dokumente von Franziskus Graf Wolff Metternich. Der Bestand umfasst insgesamt über 500 Signaturen in ca. 150 Archivkartons. Davon sind knapp 200 Verzeichnungseinheiten ausschließlich privater Provenienz. Diese beinhalten Dokumente, Briefe, Fotoalben zur Familie Wolff Metternich, größtenteils der Eltern und Schwiegereltern sowie seiner Ehefrau und seiner Kinder. Knapp 100 weitere Verzeichnungseinheiten sind rein beruflicher Provenienz, gesammelte Dokumente aus der Karriere von Wolff Metternich, die in keinem Bezug zu den Tätigkeiten während des Zweiten Weltkriegs stehen. Rund 200 Akten im Nachlass sind für die Forschung zum militärischen Kunstschutz während des Zweiten Weltkrieges von Interesse. Die eine Hälfte entstammt konkret den Tätigkeiten des militärischen Kunstschutzes und dessen Mitarbeitern, die andere Hälfte stammt aus dem privaten und beruflichen Kontext von Wolff Metternich und Bernhard von Tieschowitz oder nimmt Bezug auf die Rezeption der Kunstschutztätigkeiten. Die im Nachlass überlieferten Archivalien der deutschen militärischen Kunstschutzorganisation umfassen sowohl Dienstals auch persönliche Handakten der Mitarbeiter, private Korrespondenz und Bildmaterial. Hinzu kommen noch Teile der wissenschaftlichen Bibliothek Wolff Metternichs. Der Nachlass wurde bei seiner archivischen Erschließung in fünf Unterbestände gegliedert, die sich aus den Aktenbildnern und den thematischen Schwerpunkten ergaben, nach denen im Folgenden der Bestand beschrieben wird: I. Familie, Persönliches, Besitz II. Militärischer Kunstschutz III. Akten von Wolff Metternichs Stellvertreter und Nachfolger im Kunstschutz, ­Bernhard von Tieschowitz IV. Rezeption des Kunstschutzgedankens V. Recherchen seitens der Söhne Wolff Metternichs zum Kunstschutz.

I. Familie, Persönliches, Besitz Der umfangreichste Unterbestand mit Akten zu Familie, Hausbesitz und Grundstücken der Familie, persönlichen Ereignissen und Korrespondenz sowie Fotoalben ist neben Aktengruppen zur Elterngeneration und den Finanzen chronologisch nach den Lebensstationen des Nachlassgebers gegliedert. Die Quellen in ­diesem Unterbestand sind fast ausschließlich privater Natur und beinhalten viele Dokumente der Eltern von Franziskus Graf Wolff ­Metternich und seiner Ehefrau Alix Freiin von Fürstenberg sowie die Vermögensverwaltung der Familie. Diese Dokumente geben Einblick in die familiären Verbindungen, die Besitzungen der Adelsfamilie und den intensiven Austausch der Familienmitglieder. Sie zeugen

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von der adeligen Erziehung, katholischen Prägung, frankophilen Orientierung und frühen Neigung zu Kunst und Kultur sowie wissenschaftlicher Strebsamkeit und großem beruflichem Engagement Franziskus Graf Wolff Metternichs. In den Dokumenten zu den beruflichen Stationen Wolff Metternichs ist vor allem die private und wissenschaftliche Korrespondenz ein interessanter Randbereich für die Gegenüberlieferung der institutionellen Akten des militärischen Kunstschutzes. Sie zeigt sehr deutlich die Überschneidungen in den Tätigkeiten Wolff Metternichs als Kunstschutzbeauftragter und als Provinzialkonservator, mehr noch die Vermengung von privaten und beruflichen Bereichen in Briefen, Fotos und Notizen. Insbesondere seine Tagebücher, Taschenkalender und sein Wehrpass sind wertvolle Quellen für die chronologischen Abläufe und personellen Netzwerke des Kunstschutzes. Über die Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges hinaus sind einschlägige Korrespondenzen mit Kollegen aus Beruf und Wissenschaft, insbesondere zur Entnazifizierung und Rezeption des Kunstschutzes, spannende ergänzende Quellen. Diese Unterlagen, vor allem die Entlastungsschreiben und Leumundszeugnisse, zeichnen ein sehr einseitig beschönigendes Bild, indem sie die positiven Aspekte des Kulturgüterschutzes hervorheben und von nationalsozialistischen Kunstraubaktivitäten abgrenzen.

II. Militärischer Kunstschutz Die im NL FGWM überlieferten Kunstschutzakten sind dienstlicher und privatdienstlicher Herkunft. Ergänzend zu den Dienstakten schufen Wolff Metternich und seine Mitarbeiter Handakten zu ihrer weiteren Information, angereichert mit privaten Schriftwechseln, Zweitschriften, Publikationen und Zeitungsartikeln. Die Akten sind nach Zuständigkeitsbereichen, sowohl inhaltlich organisatorisch als auch örtlich nach Ländern oder Bezirken, in Untergruppen gegliedert. Dabei überschneiden sich allerdings einige Verzeichnungseinheiten inhaltlich und werden außerdem durch die spezifischen Korrespondenzen in den persönlichen Überlieferungen von Wolff Metternich und von Tieschowitz ergänzt. Der Unterbestand II. umfasst 78 Akten, die auf die institutionelle Provenienz des militärischen Kunstschutzes zurückgehen und von Bernhard von Tieschowitz und Franziskus Graf Wolff Metternich zusammengestellt vor August 1944 nach Bonn verschickt wurden. Die Gliederung orientiert sich an den Verwaltungsstrukturen in den jeweiligen besetzten Ländern sowie an der Zuständigkeit und dem Organisationsplan. Sie bilden den Kernbestand des archivischen Sachinventars mit Schwerpunkt Frankreich. Die Schriftwechsel, Berichte und Befehle der Militärbehörden stammen aus dem überlieferten Aktenbestand zum Kunstschutz in Frankreich, haben jedoch allgemeineren Inhalt wie bspw. Dokumente zu französischer Gesetzgebung und Verwaltung im besetzten Gebiet.73 73 Darüber hinaus sind auch nicht konkret anderen Gruppen zuordenbare Dokumente wie Baupläne eines französischen Krankenhauses oder die Ausgabe einer französischen Zeitung enthalten.

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Besonders interessant sind Schriftwechsel, Regelungen und Befehle des Verwaltungsstabes des Militärbefehlshabers im besetzten Frankreich zu Organisation, Personal, Material und Rechtsfragen der Verwaltung sowie Besprechungen und Lageberichte der Gruppen des Verwaltungsstabes. Zudem ist der Einsatz von französischen Kriegsgefangenen für den Kunstbetrieb und Kunstschutz dokumentiert. Die Rechtsgrundlagen umfassen Richtlinien und Verordnungen über den Schutz von Kunstdenkmälern und wertvollen Gebäuden sowie Schriftwechsel und Anordnungen zur Ausfuhr von Kunstgegenständen von großer Bedeutung als Informationsgrundlage für die Zuständigkeitsbereiche und Vorgehensweise des militärischen Kunstschutzes. Die Unterlagen zur Organisation sind von besonderer Relevanz für das Verständnis des militärischen Kunstschutzes in Frankreich, insbesondere die Korrespondenz zur Gründung der Kunstschutzorganisation im Mai/Juni 1940 und ein Bericht Wolff Metternichs über die Organisation und Dienststellen des Kunstschutzes. Die Anfänge des Kunstschutzes in Frankreich werden in Schriftwechseln über die Zuständigkeit und Einbindung der Feldkommandanturen, Personalfragen, Gruppenfotos, Informationen zur Vorbereitung und Materialbeschaffung für die Fotokampagne, Dienstreiseanträge, Tätigkeitsberichte und die Korrespondenz ­zwischen dem deutschen militärischen Kunstschutz und der eingebundenen französischen Denkmalpflege dokumentiert. Der abschließende Bericht Wolff Metternichs über die Arbeit des Kunstschutzbeauftragten von Mai 1940 bis September 1944 in endgültiger Fassung und als Entwurf sowie der Rechenschaftsbericht Wolff Metternichs zu seinen Tätigkeiten als Beauftragter des Oberkommandos des Heeres für den Schutz der Werke der bildenden Künste (1940 – 1942) mit Anlagen fassen die Tätigkeiten des Kunstschutzes aus Sicht Wolff Metternichs und seiner Kollegen zusammen. Die Unterlagen zu Propaganda, Vorträgen und Fachpublikationen, die in Form verschiedener Publikationen und Vortragsschriften sowie in Korrespondenz, Presseartikeln und Berichten vorliegen, zeigen die „Öffentlichkeitsarbeit“ des Kunstschutzes und seine Nutzung für Wissenschaft und Propaganda. Die Akten zu Belgien und den Niederlanden umfassen Texte, Fotos und Pläne zum Wiederaufbau und der Städteplanung in Belgien und Frankreich, Reiseberichte und Korrespondenz über die Niederlande sowie zum Kunstschutz in Belgien mit Tätigkeitsbericht der „Glockenaktion“ 74 (1944), Auslagerungsliste der Gemäldegalerie des Kunstmuseums Gent (1940) u. a. Diese Akten bezeugen die Überschneidungspunkte der Kunstschutzabteilungen und deren Überlieferung im Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternich.

74 Im Zweiten Weltkrieg wurden, wie bereits im ­Ersten Weltkrieg, Kirchenglocken erfasst, in verschiedene Kategorien der Relevanz eingeteilt und zur Metallverwertung für das Kriegsgeschehen beschlagnahmt. Siehe dazu den Beitrag von Katharina Schmude, Die Glockenbeschlagnahme im Rheinland während der Weltkriege, in ­diesem Band.

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Die Aktengruppe zu Frankreich umfasst 44 Akten und bildet damit den Überlieferungsschwerpunkt der Quellen zum militärischen Kunstschutz im NL FGWM. Sie ist unterteilt in vier Gliederungspunkte: 6.1 Allgemeine Schriftwechsel, Anordnungen und Karten 6.2 Allgemeine Berichte (Reise-, Lage- und zusammenfassende Berichte) 6.3 Kunstdenkmale und historisch wertvolle Gebäude 6.4 Bewegliche Kunstobjekte, Archiv- und Bibliotheksbestände und ihre Bergungsorte. Anhand der vielseitigen Unterlagen ist die Struktur der Aktenablage und im Anschluss daran die der Tätigkeitsfelder des Kunstschutzes in Frankreich zu erkennen. Neben allgemeineren organisatorischen Unterlagen und interner Korrespondenz sind dies insbesondere Tätigkeitsund Reiseberichte. Systematisch sind Unterlagen zu den Kunstdenkmälern und historisch wertvollen Gebäuden in den Militärverwaltungsbezirken, größtenteils zum Bezirk A, überliefert. Dies umfasst Besichtigungsberichte und Einschätzungen durch lokales französisches Fachpersonal, teilweise auch Fotografien und Korrespondenz mit Privatpersonen, die den Kunstschutz um den Schutz ihrer Schlösser und des Inventars baten. Diese schützenswerten Schlösser und Gebäude sind in Kartenmaterial verzeichnet und wurden mit Schildern über teilweises oder vollständiges Belegungsverbot ausgestattet, von denen Beispiele ebenfalls in dieser Aktengruppe überliefert sind. Die Zusammenarbeit mit französischen Stellen zeigt sich u. a. auch in dem gemeinsamen Interesse, die Bergungsorte der staatlichen Museen in Frankreich zu sichern und die Bestände anhand der Inventarlisten zu überblicken. Darüber hinaus sind angrenzende Bereiche und Kooperationen mit dem Archivschutz und dem Bibliotheksschutz zu erkennen, seltener finden sich Unterlagen zur „Sicherstellung“ von beweglichen Kunstobjekten wie bspw. die sogenannte „Geheimakte Bunjes“. Die Einzelberichte und Schriftwechsel, nach militärischen Bezirken (A/B/C) und Departements gegliedert, umfassen 24 Akten mit Berichten, Bildern, Karten und Korrespondenzen über Zustand, Inventar und Belegungsverbote schützenswerter Gebäude, Denkmäler und Schlösser aus den Militärverwaltungsbezirken, alphabetisch nach Städten geordnet. Abgelegt sind Unterlagen zu den folgenden Bezirken und Buchstaben: – Bezirk A: Buchstaben A, B, Ca – Ce, F, G, H, J, L, Ma, Me, Mo, N, O, P, Q, R, S, T, Va – Vers, Vert – Vo, W, Y – Bezirk B: Buchstaben A, B, T – Z – Bezirk C: Buchstaben M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V – Bezirk Bordeaux: Buchstaben Ch – E. Die ab 1942 laufende Aktengruppe Südfrankreich umfasst Dokumente zur Einrichtung des Kunstschutzes im vormals unbesetzten Südfrankreich. Darin befinden sich Reiseberichte, Listen der Museen und Kunstdenkmäler in den neu besetzten Gebieten nach Departements geordnet sowie spätere Einzelberichte und Korrespondenzen zu Denkmälern und Schlössern Südfrankreichs, alphabetisch nach Städten gegliedert (Buchstaben I–Z). Darüber hinaus sind

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wenige Dokumente zur Erfassung von Kunstgegenständen aus jüdischem Besitz vorhanden. Die Unterlagen dokumentieren die Erweiterung des Kunstschutzes in Frankreich auf Südfrankreich Ende 1942, u. a. durch die Planung und Reisen durch Bernhard von Tieschowitz und die folgende alltägliche Arbeit des Kunstschutzes in Form der Korrespondenzen und Berichte zu Schlössern und Denkmälern. Die Aktengruppe zu Italien beinhaltet Unterlagen zur Studienreise Wolff Metternichs und von Tieschowitz’ nach Italien, u. a. Planung, Reisekostenabrechnungen und Reisebericht Wolff Metternichs und verdeutlicht die über den Kunstschutz getätigten Reisen der Mitarbeiter und somit die Verbindung von Forschung und Kunstschutztätigkeiten. Die Verzeichnungseinheiten der Aktengruppe Griechenland beinhalten Berichte und Korrespondenzen zum Kunstschutz in Griechenland, unter anderem von Bernhard von Tieschowitz und Hans-Ulrich von Schoenebeck, Unterlagen zu Publikationen und gedruckte „Merkblätter für den deutschen Soldaten an den geschichtlichen Stätten Griechenlands“ (Nummern 1 – 20), anhand derer die Verbindung des Kunstschutzes in Griechenland zum Beauftragten für Kunstschutz und dessen Stellvertreter und Nachfolger sowie die didaktischen Aufgaben des Kunstschutzes deutlich werden. Zu Serbien, dem Baltikum, Russland und Ägypten finden sich Akten zu Abteilungen des Kunstschutzes in weiteren besetzten Ländern oder geplanten Projekten. In der Korrespondenz und den Berichten zu den Kunstschutzmaßnahmen im Baltikum befindet sich unter anderem der abschließende Bericht Richard Hamanns über die fotografische Inventarisation der baltendeutschen Kunstdenkmäler im Jahr 1940. Zum Kunstschutz in Russland und im Baltikum sind Berichte Reinhold Strengers über den Zustand von Kunstdenkmälern mit Auslagerungslisten und Stadtplänen, Korrespondenz mit Wissenschaftlern und Museumskataloge enthalten. Bezüglich der Einrichtung einer Abteilung Kunstschutz in Serbien sind Briefe Wolff Metternichs und von Tieschowitz’ mit Johann Albrecht von Reiswitz überliefert. Außerdem sind Dokumente zu einem geplanten Kunstschutz für Ägypten und im „Orient“ vorhanden. Zum Referat Vorgeschichte und Archäologie ist eine Akte mit Berichten und Korrespondenzen des Referats Vorgeschichte und Archäologie beim Militärbefehlshaber in Frankreich überliefert, außerdem Tätigkeitsberichte des Referats, meist durch Eduard Neuffer erstellt, darunter auch der Abschlussbericht der Gruppe für die Jahre 1940 bis 1944. Zur Rückführung der von Napoleon nach Paris gebrachten deutschen Kunst, Archive und Bibliotheken sind Korrespondenzen, Aufstellungen, Fotos und Pressestimmen überliefert. Diese beinhalten Abschriften und Dokumente zur Berufung des Kunsthistorikers Otto Kümmel (1874 – 1952) für die Rückführung von unter Napoleon geraubten Kunstwerken nach Deutschland und deren systematische Aufstellung. Diese erfolgte auch unter der Zusammenarbeit mit dem Referat Kunstschutz bei der Militärverwaltung in Frankreich, vor allem in der Anfangszeit 1940/1941. Für die Korrespondenz des Referats Kunstschutz mit deutschen Museen über die rückgeforderten Kunstwerke in dieser Zeit war größtenteils der Archäologe Hans Möbius (1895 – 1977) zuständig.

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III. Akten von Wolff Metternichs Stellvertreter und Nachfolger im Kunstschutz, Bernhard von Tieschowitz Wolff Metternichs Stellvertreter und späterer Nachfolger war der promovierte Kunsthistoriker Bernhard von Tieschowitz. Er war Fotograf, Assistent und ab 1929 Nachfolger Richard Hamanns als Leiter der Photoabteilung des Kunsthistorischen Instituts der Universität Marburg (Bildarchiv Foto Marburg), 1936 wechselte er als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter zum Provinzialkonservator Wolff Metternich. Zwischen beiden entstand ein enges Vertrauensverhältnis, das sich zu einer lebenslangen Freundschaft entwickelte. Der Unterbestand III. stammt aus dem persönlichen Nachlass von Tieschowitz’. Die Unterlagen wurden nach dessen Tod vermutlich von seiner Witwe Lisl von Tieschowitz (1903 – 1982) an Wolff Metternich gesandt. Dabei sind insbesondere Dokumente mit Bezug auf die Zeit des Kunstschutzes während des Zweiten Weltkrieges, die direkte Nachkriegszeit und Entnazifizierung sowie die Tätigkeit von Tieschowitz’ beim Auswärtigen Amt (1950 – 1952) überliefert. Sie sind in drei Aktengruppen gegliedert: 1. Persönliches (Entnazifizierung) 2. Kunstschutz 3. Auswärtiges Amt. Die persönlichen Unterlagen Bernhard von Tieschowitz’ sind von großer Relevanz für die Überlieferung zum militärischen Kunstschutz, insbesondere zu Frankreich und Italien – speziell zur Bergung der Kulturgüter auf Montecassino (1943) und zur Wirkung und Inszenierung der Zerstörung des Klosters. Neben der Korrespondenz, den Entnazifizierungsunterlagen und Dokumenten der Rezeption aus der Zeit beim Auswärtigen Amt sind vor allem die Taschenkalender von Tieschowitz’ der Jahre 1940 – 1944 eine überaus interessante Quelle zum chronologischen Ablauf und den personellen Netzwerken des Kunstschutzes. Für Rückschlüsse auf die kulturellen Netzwerke im besetzten Paris sind von Tieschowitz’ gesammelte Einladungen zu Ausstellungen in Pariser Galerien und Museen relevant. Seine persönlichen Arbeitsunterlagen in der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts dokumentieren sein Engagement für die Wiedereröffnung und Eigenständigkeit der deutschen Kulturinstitute in Italien. Hier befinden sich außerdem Unterlagen zur Errichtung und Leitung der Treuhandverwaltung von Kulturgut beim Auswärtigen Amt, ein Sonderreferat zur treuhänderischen Verwaltung des von den Alliierten aufgefundenen und in den Central Collecting Points gesammelten Kulturgutes, das NS -verfolgungsbedingt entzogen wurde oder aus Reichsbesitz stammte und bis dahin nicht restituiert werden konnte.

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IV. Rezeption des Kunstschutzgedankens Der Unterbestand umfasst zwölf Akten mit Unterlagen aus der Nachkriegszeit über die Tätigkeiten des militärischen Kunstschutzes sowie Korrespondenz der ehemaligen Kunstschutzmitarbeiter über die Rezeption und Stimmen zu den Tätigkeiten in den ehemals besetzten Gebieten, ebenso wie zu einer geplanten Aufarbeitung dieser Tätigkeiten in Form eines Weißbuches. In den Jahrzehnten nach Kriegsende beschäftigten sich sowohl Wolff Metternich selbst als auch seine Söhne nach seinem Tod 1978 mit den nach Hause verbrachten Kunstschutzakten; es wurden jüngere Zeitungsartikel und Schriftwechsel eingelegt. Wolff Metternich behielt stets auch privat seine im Dienst angeeignete akkurate Aktenführung bei: Er notierte, wann ein Schreiben eingegangen war und wann es wie beantwortet wurde. Ferner gab er seinem Sekretariat Anweisungen, dass entweder eine neue Akte anzulegen oder ein Schreiben „zu den Akten Kunstschutz“ hinzuzufügen sei. Der Unterbestand ist in drei weitere Aktengruppen untergliedert: 1. Der Kunstschutzgedanke 2. Korrespondenz mit den Monuments Men und anderen Kollegen (privat/dienstlich) 3. Suche und Restitution von Raubkunst. Besonders interessant sind dabei die Briefwechsel und Stellungnahmen ­zwischen den ehemaligen Kunstschutzmitarbeitern und internationalen Kollegen. Gesammelte Pressestimmen und Publikationen zum Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg, Korrespondenz, Stellungnahmen und Berichte der ehemaligen Kunstschutzmitarbeiter dokumentieren erneut die positive Rezeption bzw. Inszenierung. Kritische Stimmen werden in den ehemaligen Fachkreisen intensiv in Korrespondenz analysiert und die positiven und ehrenwerten Aufgaben des Kunstschutzes betont. Diesbezüglich werden in den 1950er und 1960er Jahren die Forderungen nach einem geplanten Weißbuch des Kunstschutzes (in Italien) lauter und es findet sich verstärkt internationale Korrespondenz zum Verbleib der Kunstschutzakten als mögliche Quellengrundlage dafür. Daneben sind auch Protokolle von UNESCO-Sitzungen zum Schutz historischer und kunsthistorischer Stätten und ausführliche Korrespondenz Wolff Metternichs mit Paul Clemen zu Kunstschutz, Denkmalpflege und Wiederaufbau überliefert. Gesammelte Unterlagen mit Korrespondenz mit Kunstschutzoffizieren der MFA&A sowie Notizen zu Ehrungen Wolff Metternichs für seine Tätigkeiten und die Korrespondenz mit französischen Stellen mit Glückwünschen zur erneuten Anstellung als Provinzialkonservator in der Nachkriegszeit zeichnen die Inszenierung und Rezeption Wolff Metternichs als Kunstschützer deutlich nach. Die gesammelten Akten zu Restitution und Raubkunst umfassen insbesondere Korrespondenz und Presseartikel sowie Gesprächsprotokolle, Publikationen und Stellungnahmen zu Restitutionsforderungen und Kunstraub in den besetzten Gebieten. Besonders spannend ist hier die Nachwirkung der Kunstschutztätigkeit und das Zu-Rate-Ziehen Wolff M ­ etternichs als Vermittler sowie Sachverständiger in internationalen Verhandlungen.

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V. Recherchen seitens der Söhne Wolff Metternichs zum Kunstschutz Der älteste Sohn Johann Adolf Graf Wolff Metternich wurde 1978 Sachverwalter des Nachlasses. Nach seinem Tod im Jahr 1995 überführte Winfried Graf Wolff Metternich als nachfolgender Sachverwalter den Nachlass seines Vaters vom langjährigen Aufbewahrungsort Gut Fronhof in Köln-Junkersdorf in seinen Bonner Wohnsitz. Es bestand die Auflage, den anderen Familienmitgliedern stets Zugang zu ermöglichen. Wie schon Johann Adolf interessiert sich Winfried sehr für die Aufgabe und Leistung des Vaters und ging daran, die Aktenmappen und die teilweise noch in ursprünglicher Verschnürung aufbewahrten Aktenbündel gründlich zu sichten und zu sortieren. Die Mehrzahl der Akten wurde chronologisch geordnet. 2012 wurde der Bestand durch die Recherchen des Berliner „Francofonia“-Filmteams und das wochenlange Scannen der Akten zusätzlich durchmischt und musste archivisch wieder zurückgeordnet werden. Die Produktion des Filmes führte letztendlich zur Öffnung des NL FGWM. Durch Winfrieds eigene Recherchen kamen Kopien aus anderen Archiven, meist ohne Vermerk auf die Provenienz, zum Nachlass hinzu. Der Unterbestand V. umfasst 14 Akten, darin befinden sich gesammelte Materialien zur Aufarbeitung und Analyse der Tätigkeiten des Vaters. Die Akten umfassen im Wesentlichen Unterlagen der Recherchen zur Familiengeschichte und über den Kunstschutz in der Argumentation um das Verdienst Wolff Metternichs für den Kunstschutz seitens Johann Adolfs und Winfrieds, aber auch persönliche Unterlagen der Söhne. Darüber hinaus wurde intensiv Material zum militärischen Kunstschutz gesammelt, teilweise sind dies Kopien aus dem NL FGWM oder Kopien aus dem Bundesarchiv und Scans aus den National Archives der USA, insbesondere Quellenmaterial aus den Beständen der amerikanischen alliierten Kunstschutzoffiziere.

Teilbestand Bibliothek Franziskus Graf Wolff Metternich Der Teilbestand „Bibliothek“ umfasst Bücher aus der beruflichen und wissenschaftlichen Karriere von Franziskus Graf Wolff Metternich mit den Schwerpunkten Kunstgeschichte, Kunstschutz, Geschichte, Archäologie, Denkmalpflege und private Angelegenheiten. Ursprünglich befand sich die umfangreiche wissenschaftliche Bibliothek Wolff M ­ etternichs im Familiensitz in Junkersdorf. Sie wurde nach seinem Tod aufgeteilt und gelangte teilweise in die Bibliothek von Wolff Metternichs Enkel Paul in Bonn, wo durch die Projektmitarbeiter*innen Teile für den NL FGWM ausgewählt werden konnten. Die Auswahl der Bücher für die Übernahme in den NL FGWM aus fragmentarischen Bibliotheksteilen der Familie fokussierte auf die wissenschaftlichen und beruflichen Interessen und Aufgaben Wolff Metternichs und umfasst 46 Archivkartons. Die ausgewählten Bücher dienten als Arbeitsmaterial und zeichnen Interessenschwerpunkte und Verbindungen zu Kollegen ab. Der Themenbereich Kunstschutz umfasst Publikationen von Kollegen zu Kulturgutschutz

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u. Ä., enthält aber auch Werke aus der Nachkriegszeit zur Rezeption und Aufarbeitung. Ergänzt werden diese durch Schriften zu Kriegspropaganda und Sonderdrucke der Kriegsvorträge an der Universität Bonn. Die Kategorien Denkmalpflege, Geschichte und Archäologie beinhalten größtenteils Fachpublikationen, darin auch viele eigene Publikationen Wolff Metternichs und Sonderdrucke.75 Wann, wie und warum die Kunstschutz-Akten in den Nachlass Wolff Metternich kamen und dort verblieben, lässt sich anhand einiger Hinweise aus den Akten selbst zunächst im Ansatz rekonstruieren. Die Dienstakten haben einen zeitlichen Überlieferungsschwerpunkt von 1940 bis 1942/1943. Hinweise aus den Taschenkalendern Bernhard von Tieschowitz’ dokumentieren die Besuche Wolff Metternichs in Paris – auch nach seiner Beurlaubung 1942 und seiner Entlassung 1943. Einige Einträge benennen gemeinsames Sortieren von Akten sowie die Vernichtung von Unterlagen.76 Aus den Dienstakten wurde mit steigender Kriegsbedrohung und Abzug der Truppen vermutlich hauptsächlich dasjenige verschickt, was für eine Dokumentation sinnvoll erschien (Wolff Metternich legte seine Tagebücher und Feldpostbriefe durchaus im Bewusstsein und mit dem Wunsch einer späteren Überlieferung seiner Tätigkeit an 77) und zurück blieb, was für die Aufrechterhaltung des Betriebes noch benötigt wurde. Entsprechend wurden Dienst- und Handakten des Kunstschutzes nach Deutschland zu Wolff Metternichs und von Tieschowitz’ Dienstsitz nach Bonn gebracht. Die Unterbringung der Akten im Denkmalpflegeamt in Bonn lässt sich anhand mehrerer Hinweise belegen.78

75 Kleinere ergänzende Randbereiche sind Weltliteratur, Religion und Adel. Außerdem wurden einige Bücher aus und über Wolff Metternichs Zeit in Rom an der Bibliotheca Hertziana in den Bestand übernommen. 76 NL FGWM, Nr. 251, Taschenkalender Bernhard von Tieschowitz, 24. 07. 1943 nachm. mit Mett. im Amt, gearbeitet. Durchsicht der Akten, 28. 07. 1943 Bauch [Kraftfahrer des Kunstschutzes] fährt n[ach] Bonn mit Akten sowie 10. 08. 1944 Geheimakten vernichtet, 12. 08. 1944 Akten vernichtet und verpackt. 77 NL FGWM, Nr. 200, Tagebuch Wolff Metternich 1940 – 1942. Eintrag vom 10. 05. 1940, Beginn des Tagebuchs mit Nachricht über die Einberufung zum OKH: Er [der Bericht im Tagebuch] ist auch nur als aide memoire für mich selbst gedacht, in dem meine persönlichen Eindrücke und Erlebnisse festgehalten sind. Vielleicht finde ich ­später Zeit und Musse zu eingehender Schilderung, vielleicht werden meine Nachkommen, wenn sie diese Zeilen finden, den Erzählungen ihres Vorfahren Interesse abgewinnen. Als er das Tagebuch einige Zeit unterbricht, beginnt er am 17. 07. 1941 mit: Ich hatte es im Drang der Geschäfte vernachlässigt und mir gedacht, dass meine Briefe an Alix [seine Frau] einen Ersatz bieten würden. Das ist auch weitgehend der Fall. Siehe die Feldpostbriefe an seine Frau in NL FGWM, Nr. 19. 78 NL FGWM , Nr. 188, Korrespondenz Wolff Metternichs, hauptsächlich aus seiner Zeit in Rom (Band M–Z). Darin Korrespondenz über den Verbleib der Kunstschutz-Akten mit Bernhard von Tieschowitz, 1953 – 1962, u. a. mit der Überlegung, den Bestand an das Bundesarchiv oder das Archiv des Auswärtigen Amtes zu übergeben, 1950er und 1960er Jahre.

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Auch Josef Busley erhielt im September 1944 die Anweisung, einen Abschlussbericht für die Tätigkeiten des Kunstschutzes in Südwestfrankreich von Juli 1940 bis August 1944 zu verfassen, „ausdrücklich auf Grundlage seiner, von ihm selbst nach Bonn geretteten Akten“.79 Wolff Metternich selbst erhielt seitens der bereits nach Deutschland verlegten Militärverwaltung in Frankreich den Auftrag für einen Abschlussbericht über die Kunstschutztätigkeiten. Hierfür nahm er die gesammelten Akten zur Grundlage.80 Da das Denkmalpflegeamt durch schwere Bombentreffer 1944/1945 zerstört wurde, liegt es nahe, dass die Akten aus Paris zusammen mit dem Archiv des Denkmalpflegeamtes im Keller des Privathauses Wolff Metternichs in der Blücherstraße ausgelagert waren. Ansonsten wären sie ebenfalls nicht der Nachwelt erhalten geblieben.81 Den spätere Übergang der Akten aus dem Denkmalpflegeamt an Wolff Metternich und von Tieschowitz belegen einige Hinweise aus der Korrespondenz im Nachlass. So wurden beispielsweise bündelweise Kriegsakten aus Bonn an von Tieschowitz übergeben. Im Oktober 1961 wurden die Kriegsakten Paris an Hanno Graf Wolff Metternich übergeben. Erkundigungen von Tieschowitz‘ bei Hans Kisky (1920 – 1965), Referent im Denkmalpflegeamt, und Wolff Metternich im November/Dezember, ob sich in der Denkmalpflege noch Akten aus der Pariser Tätigkeit befänden, wurden von Kisky damit beantwortet, dass Wolff Metternich alles abgeholt habe, mit der Absicht, die Unterlagen an das Bundesarchiv zu übergeben. Ein Interesse des Bundesarchivs an der Überlieferung ist den Briefwechseln zu entnehmen, wobei eine bessere Eignung zur Übernahme durch das Archiv des Auswärtigen Amtes diskutiert wurde. Wolff Metternich habe die Akten vorerst an sich genommen, da eine Publikation zum Kunstschutz im Krieg von offizieller Seite geplant sei, an der er mitarbeiten würde.82

79 Siehe Henrike Bolte, Einleitung zum Findbuch NL FGWM, Brauweiler 2014/2016/2017. 80 NL FGWM, Nr. 53, „Abschließender Bericht über die Arbeit des Kunstschutzbeauftragten in der Zeit von Mai 1940–September 1944“ von Franziskus Graf Wolff Metternich mit beiliegender handschriftlicher Notiz Metternichs Juni 1945 zur Entstehung des Berichts ­zwischen September 1944 und Februar 1945 im Auftrag des OKH und Benennung der Informationsgrundlage bis 1942 aus eigener Tätigkeit und bis 1944 aus Berichterstattung durch seinen Nachfolger von Tieschowitz in Treffen August, September 1944 und Januar 1945. Zu Auftrag und Ausfertigung siehe auch Militärarchiv Freiburg, RH 3/154, Korrespondenz Wolff Metternich mit Ministerialdirigent Medicus zum Abschlussbericht Kunstschutz, März 1945. Zudem ist im Tagebuch Wolff Metternichs, NL FGWM, Nr. 200, vermerkt: 15. – 21. 04. 1945, Aufenthalt in Kapellen. Niederschrift eines eingehenden Berichts über eigene Tätigkeit in Frankreich. Kapellen (Swisttal bei Bonn) ist Wohnort der Freiherren von Boeselager, zu denen aufgrund der Heirat seiner Nichte Sophie Gräfin Wolff Metternich (1913 – 2014) Verwandtschaftsbezüge bestanden. 81 Archiv des LVR, 35142, Personalakte Franziskus Graf Wolff Metternich. 82 NL FGWM, Nr. 188, Brief Wolff Metternich an von Tieschowitz, 19. 12. 1961: In der Tat habe ich die Kunstschutzakten, soweit sie noch im Denkmalamt in Bonn vorhanden waren, an mich genommen,

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Ein Hinweis aus der Korrespondenz Wolff Metternichs mit der Witwe Lisl von ­Tieschowitz über die Unterlagen Bernhard von Tieschowitz’ belegt, dass dessen Taschenkalender und Kunstschutzakten sowie Entnazifizierungsunterlagen vermutlich nach seinem Tod von Lisl an Wolff Metternich geschickt wurden. Ein Vermerk auf einem Brief bestätigt, dass Wolff Metternich ihr einen Teil der Unterlagen wieder zurückschickte, von dem sie sich nicht trennen wollte.83 Einige handschriftliche Hinweise von Tieschowitz’ geben Hinweise auf die Struktur und die Überlieferung, so beispielsweise die Notiz auf den Italienunterlagen Italien 1943 – 44 (Akten, gefunden am 9.7.47 im Keller des Denkmalamtes Bonn).84 Außerdem eine Liste von Tieschowitz’ vom 29. Juli 1943 zu den überführten Aktenbündeln als ausgewiesene Akten des Beauftragten für Kunstschutz beim OKH, nummeriert von Nr. 1 bis 16, vermutlich orientiert an einem Aktenplan. Eine undatierte (wahrscheinlich spätere) Übersicht über die Kunstschutzakten in Bonn zeigt eine ähnliche Struktur in acht Themenblöcken.85 Im NL FGWM ist kein Aktenplan zum OKH oder der MV (Militärverwaltung) Frankreich erhalten, lediglich eine Übersicht der Akten zu Südfrankreich.86 Die Gegenüberlieferung und eine strukturelle und thematische Klassifikation der Akten können hierzu weitere Hinweise liefern.

7. Gegenüberlieferung Die Gegenüberlieferung zu den Kunstschutz-Akten im Nachlass Wolff Metternich ließ sich im Laufe der Recherche in verschiedene Kategorien einteilen, die im Folgenden beschrieben werden. Direkte Kunstschutz-Akten, die entweder beim OKH oder den Kunstschutzabteilungen der Militärverwaltungsbezirke angelegt wurden, finden sich neben dem NL FGWM insbesondere in den Archives nationales in Frankreich, dem Bestand der Militärverwaltung in Frankreich AJ 40 mit Schwerpunkt Groß-Paris und Hermann Bunjes. Vereinzelte Ergänzungen aus der Provenienz Kunstschutz 87 befinden sich zudem in französischen

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und zwar veranlasst durch mir bekannt gewordene Absichten, etwas über den Kunstschutz im Kriege von offizieller Seite zu publizieren. NL FGWM, Nr. 101, Presse und Publikationen zum Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg. 1949 – 1976. Auf einem A5-Umschlag von Lisl 07. 12. 1968 vermerkt: Diese Korrespondenz über Kunstschutz (od. „Weissbuch“) fand ich noch. Bitte [unterstrichen] das Tagebuch (Italien 1942) von Harry ­später wieder an mich zurück! Gruss Lisl. 07.12.68. Daneben in Bleistift: erl. FM. NL FGWM, Nr. 16, der Vermerk wurde aus der Akte entnommen. NL FGWM, Nr. 34. NL FGWM, Nr. 141, siehe ausführlich den Abschnitt „Charakteristika der Überlieferung“ im Text. Das Provenienzprinzip (lat. provenire, herkommen) ist eine Vorgehensweise für die Ordnung und Erschließung von Archivgut nach Herkunft der Dokumente, Aktenbildnern und Entstehungszusammenhängen.

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Departementarchiven, in denen Unterlagen zu Kunstschutzmaßnahmen der Feldkommandanturen überliefert sind. Auch im Archiv des LVR im Bestand der Kulturabteilung der Provinzialverwaltung sind wenige Handakten des Kunstschutzes mit Schwerpunkt Bezirk C Dijon und Walther Zimmermann überliefert. Zu konkretem Arbeitsmaterial des Kunstschutzes zählen außerdem das Bildmaterial der Fotokampagnen im Bildarchiv Foto Marburg und die entstandenen Publikationen und Berichte der Kunstschutzmitarbeiter, die in Bibliotheken liegen. Für den übergeordneten Verwaltungskontext sind die Akten der deutschen Militärverwaltung von Interesse. Neben dem erwähnten Bestand AJ 40 im französischen Nationalarchiv befindet sich diese Überlieferung im Militärarchiv Freiburg, dabei sind die Akten der Militärverwaltung in Frankreich und Nordfrankreich und Belgien sowie die Aktenführung des Heeres und der Feldkommandanturen von Interesse, diese werden wiederum ergänzt durch die Bestände in den französischen Departementarchiven. Ein nächster Ansatzpunkt ist die Aktenüberlieferung französischer Dienststellen, ­welche die Zusammenarbeit örtlicher Stellen mit dem Kunstschutz dokumentieren. Allen voran ist dabei der Archivbestand der Musées nationaux im französischen Nationalarchiv (AN 20144792) zu nennen, der neben den eigenen Kunstschutzmaßnahmen der Verwaltung der französischen Nationalmuseen auch durch die gemeinsam bewerkstelligten Aufgaben wie Depot-Schutz und diesbezügliche Korrespondenz Hinweise auf den Kunstschutz gibt. In der Médiathèque de l’architecture et du patrimoine befinden sich die Archivbestände der französischen Patrimoine artistique zur Verwaltung der Denkmalpflege sowie des privaten Vereins von Besitzern historischer Bauten La Demeure historique, die bezüglich des Schutzes von Baudenkmälern und des Verbots von Truppenbelegung in historisch wertvollen Bauten im Austausch mit dem Kunstschutz standen. Diese Zusammenarbeit deutscher und ausländischer Stellen für die Tätigkeitsfelder des Kunstschutzes lässt sich ebenso in Belgien in den Archives générales du Royaume sowie dem Institut Royal du Patrimoine artistique und dem Centre d’Études et de Documentation Guerre et Société contemporaine nachvollziehen. Auch in den Niederlanden finden sich im Nationaal Archief Akten zur „Glockenaktion“ und zu Kunstbescherming, jedoch mit anderer Struktur und anderem Inhalt, da die Niederlande nicht unter Militärverwaltung standen. Die Überlieferungen der Partner-Institutionen des Kunstschutzes ergänzen die archivischen Quellen, wie die Akten des Archivschutzes in Frankreich, die im Militärarchiv Freiburg überliefert sind, wenngleich der Bestand durch einen großen Wasserschaden in der Benutzung sehr eingeschränkt ist. Auch zum Bibliotheksschutz befinden sich dort Unterlagen. Hinweise aus der Überlieferung zur Kunsthistorischen Forschungsstätte in Paris finden sich in den Akten Hermann Bunjes’ im französischen Nationalarchiv sowie in der Korrespondenz Alfred Stanges im Universitätsarchiv Bonn und im Archiv des Kunsthistorischen Instituts Bonn. Zu den Fotokampagnen in den besetzten Gebieten befinden sich grob verzeichnete Akten im Hausarchiv des Bildarchivs Foto Marburg.

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Die Aktenüberlieferung von NS-Organen und Institutionen ergänzt die Forschung zum Kunstschutz, da sie eine Abgrenzung bei Fragen des Kunstraubes sowie bei Überschneidungen in Zusammenarbeit oder personenbezogenen Kooperationen ermöglicht. Im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes befindet sich die Überlieferung der deutschen Botschaft in Paris sowie des Sonderkommandos Künsberg. Im Bundesarchiv Berlin sind die Bestände zur Kanzlei Rosenberg (NS 8), dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (NS 30), aber auch die NSDAP-Kartei und die übergeordnete Verwaltungsebene des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung zu finden. Außerdem ist die damalige Überlieferung zur Denkmalpflege und dem regionalen Kunstschutz, den Arbeitsfeldern Wolff Metternichs, von Relevanz. Dies sind insbesondere im Archiv des LVR die Bestände der rheinischen Denkmalpflege und Provinzialverwaltung zu Bergungsmaßnahmen, Luftschutz und Kunstschutz sowie die Personalakten der Mitarbeiter, aber auch die Dienstregistratur der Archivberatungsstelle zum Archivschutz im Zweiten Weltkrieg. Ergänzender Randbereich hierzu ist die Überlieferung zur Verwaltung der preußischen Provinzen im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. Institutionsarchive im Kulturbereich dokumentieren die Verbindung des Kunstschutzes und Wolff Metternichs mit Museen. Einerseits sind dort Wolff Metternichs Aufsätze und Publikationen zu Denkmalpflege, Kunstschutz und Luftschutz überliefert, andererseits werden in der Korrespondenz über Forschung in den besetzten Gebieten, Anfragen zu Recherchen oder Materialbeschaffung wie bspw. Abbildungen die wissenschaftlichen Verbindungen deutlich. Gemeinschaftlich organisierte Forschungsvorhaben sind auch im Bestand der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Bundesarchiv Berlin ersichtlich. Kunstankäufe im besetzten Frankreich und der Export ins Deutsche Reich erfolgten mit Genehmigung des Kunstschutzes. Beispielhaft können dafür der Bestand des Bonner Landesmuseums im Archiv des LVR, der Bestand der Nationalgalerie im Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin oder das Hausarchiv des heutigen Suermondt-Ludwig-Museums in Aachen genannt werden. Auch Archive von Kunsthändlern können über den Ankauf in und den Export aus Frankreich mit Beteiligung des Kunstschutzes Hinweise geben, bspw. der Nachlass Hildebrand Gurlitts (1895 – 1956) im Bundesarchiv Koblenz. Private und berufliche Nachlässe von Kollegen und Mitarbeitern des Kunstschutzes und benachbarte Gruppierungen ergänzen die subjektiven Erfahrungsberichte und beinhalten wie auch der NL FGWM teilweise Handakten der Tätigkeiten während des Krieges. Sie befinden sich meist in mit den Personen verbundenen Institutionsarchiven, Archiven mit dem Sammelschwerpunkt Nachlass oder Familienarchiven. Beispielsweise sind an dieser Stelle zwei Nachlässe im Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland in Duisburg zu nennen: des Oberregierungsrats beim Oberpräsidenten der Rheinprovinz Alois Becker und des Kunstschutzmitarbeiters Josef Busley, der von 1927 bis zu seiner Entlassung 1933 als Leiter der Kultur- und Denkmalpflegeabteilung beim Landeshauptmann der Rheinprovinz, anschließend für die Denkmälerinventarisation in Bonn tätig war und nach Kriegsende erneut beim Kultusministerium in Düsseldorf. Ein weiterer Nachlassteil Josef Busleys befindet sich

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im Rheinischen Archiv für Künstlernachlässe in Bonn. Dort befindet sich auch ein Teilnachlass des Kunstschutzmitarbeiters Carlheinz Pfitzner. (Teil-)Nachlässe einiger Kollegen, so auch der Bonner Lehrstuhlinhaber Paul Clemen und Alfred Stange, sind im Künstlerarchiv am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg überliefert. Ein Teil des ClemenNachlasses (Korrespondenzen 1904 – 1948) befindet sich in der Abteilung Dokumentation des LVR-Amts für Denkmalpflege im Rheinland in Pulheim-Brauweiler. Im Bundesarchiv Koblenz zeigt der Nachlass Ernst Zipfel weitere Ansatzpunkte der Verbindung Kunstschutz und Archivschutz. Der Nachlass Richard Hamann in der Universitätsbibliothek Marburg ermöglicht weitere Hinweise zu den Fotokampagnen. Der Nachlass Johann Albrecht von Reiswitz in der Bayerischen Staatsbibliothek und im Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München – ein Teil befindet sich aber auch noch bei der Familie – bietet weitere Recherchemöglichkeit zum Kunstschutz in Serbien. Private Familienarchive der Kunstschutzmitarbeiter Hans Gerhard Evers und Wend Graf von Kalnein beinhalten in der persönlichen Überlieferung weitere Aspekte. Der Kunstschutz wird auch in den Dokumenten verschiedener internationaler Institutionen bezüglich der Ermittlungsarbeiten zu Kunstraub und Restitution ab Kriegsende und in der Nachkriegszeit thematisiert. Zu nennen sind in deutschen Archiven die Akten der Kulturabteilung zu Restitutionsfragen und der Treuhandverwaltung von Kulturgut beim AA im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes. Auch im Bundesarchiv Koblenz befinden sich Akten zur Treuhandverwaltung von Kulturgut bei der Oberfinanzdirektion München, außerdem der Bestand des Instituts für Besatzungsfragen. Auch die Ermittlungsakten der alliierten Kriegsverbrecherprozesse im Staatsarchiv Nürnberg geben vereinzelte Hinweise auf den Kunstschutz. Im französischen Nationalarchiv befindet sich die Überlieferung zur Verwaltung von Restitution und Entschädigung in der Nachkriegszeit, in den Archives diplomatiques, dem Archiv des französischen Auswärtigen Amtes, die Unterlagen der Commission de récuperation artistique mit umfangreichen gesammelten Materialien zum Kunstraub und der Rückführung der geraubten französischen Kulturgüter. In den USA befinden sich Unterlagen der MFA&A-Abteilungen in den National Archives, die insbesondere Berichte zu Institutionen und Akteuren – bspw. Art Looting Intelligence Unit (ALIU) Reports 1945 – 1946 and ALIU Red Flag Names List and Index – zum Kunstraub in Italien und Frankreich beinhalten, aber auch die amerikanischen militärischen Kunstschutzmaßnahmen verdeutlichen. Ergänzend finden sich Privatnachlässe der alliierten Kunstschutzoffiziere in Institutionsarchiven. Auch die National Archives in England enthalten Unterlagen zu kulturellen Belangen der Nachkriegszeit in der britischen Besatzungszone, zu der Teile des Rheinlandes gehörten. Zur Person Wolff Metternich als Akteur und seinen beruflichen Stationen sind neben dem umfangreichen NL FGWM, den erwähnten Überlieferungsaspekten der Denkmalpflege im ALVR, der Verbindung zur Universität im Universitätsarchiv Bonn und dem Archiv am Kunsthistorischen Institut auch die Personalakten im Politischen Archiv des

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Auswärtigen Amtes, im Archiv der Max-Planck-Gesellschaft und im Archiv der Bibliotheca Hertziana von Interesse. Die Nachkriegszeit bietet insbesondere hinsichtlich der Entnazifizierung der ehemaligen Mitarbeiter Hinweise auf die Kunstschutztätigkeiten. Die Akten der Entnazifizierungsprozesse in der britischen Besatzungszone, u. a. für Wolff Metternich, von Tieschowitz und Kuetgens, befinden sich im Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland in Duisburg. Sie werden ergänzt durch die Personalakten der Mitarbeiter in den jeweiligen Institutionsarchiven. Die Rechtfertigungsschreiben und gegenseitigen Entlastungen oder auch Belastungen liefern subjektive Hinweise und verdeutlichen Netzwerke, wobei diese Verfahren sehr kritisch und im Kontext betrachtet werden müssen. Auch die Rezeption der Kunstschutztätigkeit schlägt sich in Archiven, wie beispielsweise der Korrespondenz in privaten Nachlässen oder Institutionskorrespondenz der ehemaligen Kunstschutzmitarbeiter, nieder, aber auch in politisch ambitionierten Darstellungen, wie den Akten zu einem geplanten Weißbuch über den Kunstschutz in Italien im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes. Darüber hinaus sind die Erfahrungsberichte der internationalen Kulturgutschutzoffiziere aus der direkten Nachkriegszeit Ansatzpunkte für ihre Tätigkeiten und Netzwerke. Zeitungsartikel der Kriegsjahre wie auch Berichterstattung zu Schutz, Zerstörung, Raubkunst und Restitution der Nachkriegszeit durch oder über Kunstschutzmitarbeiter bilden einen weiteren Ansatzpunkt. Auch ganz aktuell zeigen Medien wie Kinderbücher, Romane oder Filme die internationale Rezeption des Kunstschutzes bzw. Kulturgutschutzes. Diese Auflistung ist sicher beliebig weiter aufzufächern, sie soll lediglich die Hauptschwerpunkte darstellen, vertiefend sind diese Bestände im Kapitel zu den Archiv- und Bestandsbeschreibungen sowie der Datenbank erläutert.

8. Charakteristika der Überlieferung Die Dokumente mit direktem Bezug zum deutschen militärischen Kunstschutz in Frankreich aus dem NL FGWM und der Gegenüberlieferung lassen sich in mehrere Gruppen einteilen. So kann beispielsweise ­zwischen bei den Militärverwaltungsbezirken entstandenen Akten und den im Büro des Kunstschutzbeauftragten beim OKH gesammelten Akten unterschieden werden, was eine Klassifikation nach Dokumenten ermöglicht. Im nächsten Schritt werden die Strukturen der erhaltenen Aktenpläne mit der Überlieferung in den Archiven abgeglichen. Zuvor beschriebene Tätigkeitsfelder können dadurch auf reiner Aktenebene ansatzweise rekonstruiert werden, vor allem aber kann auch auf offensichtliche Leerstellen der Überlieferung hingewiesen und sogar mögliche Hypothesen formuliert werden. Die Klassifizierung umfasst entsprechend der oben ausgeführten thematischen Kategorisierung grob:

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1. Unterlagen, die beim OKH für und von Wolff Metternich bzw. von Tieschowitz verfasst wurden, insbesondere Berichte aus den Militärverwaltungsbezirken an den Beauftragten für Kunstschutz beim OKH oder Unterlagen zu Strukturierung und Organisation, 2. Unterlagen aus der Abteilung Kunst/Kultur bei der Militärverwaltung in Paris, größtenteils interne Verwaltungsakten, 3. Unterlagen aus den Militärverwaltungsbezirken A/B/C, erstellt durch die Mitarbeiter, insbesondere Berichte zu Besichtigung von Denkmälern, Städten, Schlössern, Depots bezüglich des Zustands, Sicherheitsvorkehrungen etc., 4. abgehende Korrespondenz Kunstschutz mit französischen Stellen etc., 5. persönliche Notizen, Tagebücher, Kalender von Kunstschutzmitarbeitern, 6. in der Gegenüberlieferung Korrespondenz anderer NS-Institutionen mit dem Kunstschutz, 7. in der französischen Gegenüberlieferung Korrespondenz französischer Stellen, insbesondere der Musées nationaux, mit dem Kunstschutz, 8. Dokumente der Nachkriegszeit zu Restitutionen mit Bezug zum Kunstschutz, 9. Dokumente der Nachkriegszeit zur Entnazifizierung von Kunstschutzmitarbeitern. Aufgrund fehlender Zuweisung ist nicht immer eindeutig zu erkennen, welchem Aktengeber die Verwaltungs- und Handakten des Kunstschutzes zuzuordnen sind. Jedoch sind in der Akte AJ 40/573 im französischen Nationalarchiv undatierte, aber detaillierte Aktenpläne zur Gruppe Kunstschutz bei der Militärverwaltung in zweifacher Ausführung, nicht ganz identisch, sondern teilweise auch handschriftlich überabeitet, sowie ein Aktenplan OKH überliefert.88 Der Aktenplan zum Sachgebiet V 1/2 Kunstschutz der Militärverwaltung ist aufgeteilt nach Fachgebiet (römische Zahlen), Abschnitt (arabische Zahlen) und Bezeichnung: 0 Sachgebiet Kunstschutz 0 – 0 Allgemeines 0 – 1 Innere Verwaltung, Bürofragen 0 – 2 Verordnungen 0 – 3 Tätigkeit der Gruppe V 1/2 (Kunstschutz) 0 – 4 Schlösserschutz (allg. Bestimmungen) I Kunstschutz in den Aussenbezirken I – 0 Bezirk A Schriftwechsel sowie Bezirk A Einzelberichte nach Buchstaben A, B, C, D–G, H–L, M–Q, R–S, T–Z I – 1 Bezirk B Schriftwechsel sowie Bezirk B Einzelberichte nach Buchstaben A–C, D–Q, R–Z 88 AN AJ 40/573, dossier 1, Kunstschutz (Groupe de protection des œuvres d’art) auprès de l’OKH. Plan de classement des documents du service.

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I – 2

Bezirk C Schriftwechsel sowie Bezirk C Einzelberichte nach Buchstaben A–L, M–Z I – 3 Paris Schriftwechsel sowie Paris Einzelberichte I – 4 Belgien und Nordfrankreich II Vorgeschichte und Archäologie III Bewegliches Kunstgut III – 0 Bergungsorte Schriftwechsel sowie Bergungsorte Einzelberichte nach Buchstaben A – C und D – Z, außerdem Bergungsorte [? Unleserlich] III – 1 Meldungen auf Grund der VO vom 15.7.40 III – 2 Rückführung III – 2 a Einsatzstab RR III  – 2 b Devisenschutzkommando III – 2 c Sicherungsaktionen III – 2 d Heeresmuseum III – 3 Elsass – Lothringen III – 4 Kunsthandel (alphabethisch) III – 5 Kunsthandel allgemein III – 6 [?] Museum IV Sieges- und Hassdenkmäler V Metallsammlung (allgem. Bestimmungen, Denkmäler, Glocken) VI Ausweise, Befürwortungen VI – 0 Ausweise VI – 1 Passierscheinanträge nach Buchstaben A – D, E – M, N – Z VI – 2 Kontrollbogen VI – 3 Kriegsgefangene VII Wissenschaftliche Veröffentlichungen VIII Verschiedenes VIII – 0 Schriftwechsel mit der Heimat. Der Aktenplan zum Kunstschutz beim OKH zeigt eine übergeordnete Struktur: 1) Allgemeines 2) Befehle, Verordnungen 3) Personales 4) Bewegliche Kunstwerke 5) Berichte Belgien 6) Belgien Allgemeines 7 a) Berichte Frankreich A 7 b) Berichte Frankreich A 7 c) Berichte Frankreich B 7 d) Berichte Frankreich C

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7 f ) Berichte Frankreich (Allg. Lage- u. Sonderberichte) 8) Frankreich Allgemeines 9) Holland 10) Heimat 11) Zusammenfassende Berichte an OKH Gen/Qu 12) Archäologie 13) PKW (auch Fotocampagne) 14) Südfrankreich 15) Italien 16) Zeitungsausschnitte 17) Wissenschaftscampagne 19) Kunsthistorisches Institut 20) Südosten (Griechenland) 20 a) Südosten (Ägypten, Serbien) 21) Osten (Russland) Sonderakte Gruppe 7 (abgeschlossen). Die Akte NL FGWM, Nr. 141 mit Korrespondenzen, Lage- und Reiseberichten zum Kunstschutz in Südfrankreich sowie Listen der Bergungsorte (Dezember 1942–Juni 1944) ist vermutlich Teil der erhaltenen OKH-Akten: Titel 14) Südfrankreich. Auch darin befindet sich ein Aktenplan, nach dem auch ein Teil der Akte gegliedert ist:89 1.) Allgemeines. Schriftverkehr mit deutschen Stellen und Franzosen über allgemeine Angelegenheiten, auch Kunsthandel. 2.) Befehle (grundsätzlicher Art), Organisation, innerer Geschäftsbetrieb. 3.) Berichte. Tätigkeits-, Reise-, Lageberichte, Gesamtdarstellungen, Listen freigestellter Bauten. 4.) Bergungsorte und Museen. a.) allgemeiner Schriftwechsel, b.) die einzelnen Objekte, alphabetisch geordnet. 5.) Einzelobjekte (ortsfeste und bewegliche Kunstdenkmale). a.) allgemeiner Schriftwechsel, b.) die einzelnen Objekte, nach Departements geordnet. 6.) Italienisches besetztes Gebiet. Anhand dieser Aktenpläne stellt sich weniger die Frage, ­welche Aspekte leider nicht in ­diesem Sachinventar abgedeckt werden konnten, sondern vielmehr, ­welche Unterpunkte tatsächlich dokumentiert sind. Anhand der Beschaffenheit der Akten sowie handschriftlicher Vermerke 89 NL FGWM, Nr. 141, darin u. a. Aktenplan, Kommandant des Heeresgebietes Südfrankreich Qu/ Kult, August 1943. Gezeichnet von Tieschowitz 12. 08. 1943.

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auf den Dokumenten darf zumindest angenommen werden, dass die Unterlagen im NL FGWM aus der Überlieferung des Kunstschutzes beim OKH stammen. Dies bestärkt die Hinweise der Aktenauswahl durch Wolff Metternich und von Tieschowitz und die Übersendung der Akten nach Bonn. Eine Liste von Tieschowitz’ zu überführten Aktenbündeln Nr. 1 – 16 – ausgewiesene Akten des Beauftragten für Kunstschutz beim OKH vom 29. Juli 1943 – ergänzt diesen Eindruck der Aktenüberlieferung Kunstschutz OKH im NL FGWM:90 Liste der am 29.7.43 von Paris nach Bonn verbrachten Aktenbündel: Akten des Beauftragten für Kunstschutz beim OKH: 1) Allgemeines, Befehle u. Organisation, Ber. Frankreich (Allgem. Lageber. Ber. Frankreich), Bezirk C 2) Personales 3) Bewegliche Kunstwerke 4) Berichte Belgien 5) Berichte Allgemeines 6) Berichte Frankreich A – K 7) Berichte Frankreich L – Z 8) Berichte Frankreich Bezirk B und C 9) Frankreich Allgemeines und Holland 10) Heimat 11) Zusammenfassende Berichte an OKH Gen/Qu 12) Archäologie, Zeitungsausschnitte 13) Studienfahrten 14) Kunsthistorisches Institut, Wissenschaftscampagne 15) Südosten (Griechenland) 16) Serbien, Ägypten, Osten (Russland) Akten der Fotokampagne: 1) Allgemeines 2) Befehle, Personales, Berichte (Planung). gez. Tieschowitz, MVR. Eine handschriftliche und im Nachtrag mit Nummern sortierte und maschinenschriftliche Aufstellung Wolff Metternichs ohne Datum umfasst außerdem: Übersicht über die Kunstschutzakten in Bonn 1) Allgemeine Befehle der Militärbehörden. 2) Befehle allgemein betr. Kunstschutz, Merkblätter für die Truppenbefehlshaber und die Truppe betr. Schutz der Bau- und Kunstdenkmale. 3) Bewegliches Kunstgut, Schutz und Bemühungen zur Verhinderung der Verschleppung. 4) a) Reiseberichte der Beauftragten nach Bezirken geordnet. 90 NL FGWM, Nr. 34.

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5) 6) 7) 8)

b) Lageberichte (allgemein), Monatsberichte der Kunstschutzbeauftragten. c) Desgleichen Serbien, Naost [sic!]. Berichte über Zerstörung von Kunstwerken. Schutz der staatlichen Bergungsorte französischen Kunstgutes. Einzelmassnahmen zum Schutz von Baudenkmalen (Kathedralen pp). Rückführung der von den Franzosen 1795 – 1813 entführten Kunstgüter. Auszüge aus den Staatsarchivakten, Schriftwechsel. (Die Rückführung wurde nicht begonnen).

Tatsächlich hielten sich Wolff Metternich und von Tieschowitz im Juli 1943 beide in Paris auf und sortierten die Akten für die Überführung nach Bonn. Dies ist in von Tieschowitz’ Taschenkalender dokumentiert: 24.07.43, Paris, nachm. mit Mett. im Amt, gearbeitet. Durchsicht der Akten. 25.07.43, Paris/Versailles, mit Metternich und Fräulein Schmidt in Versailles, vorm. St. Germain-des-prés. Notre Dame, nachm. mit Mett. u. Schmidtchen in Versailles – reizend, Abendessen à trois in Paris Hotel Lotti, 10.30 Abfahrt Metternich.91

Dass die Akten über den Fahrer Josef Bauch nach Bonn kamen, wird in einem weiteren Eintrag ersichtlich: 28.07.43, Paris, Bauch fährt n. Bonn mit Akten. Auch im Tagebuch Wolff Metternichs werden die Kunstschutzakten im Eintrag zur Parisreise 12. – 25. Juli 1943 erwähnt: Die Tage waren mit zahlreichen Dienstgeschäften, Ordnen der Akten u. s. w. angefüllt, daneben waren mehrere interessante Besichtigungen möglich (…).92 Der Abgleich des Aktenplans OKH mit der Aufstellung von Tieschowitz’ der von Paris nach Bonn verbrachten Akten und der Aufstellung Wolff Metternichs über die Kunstschutzakten zeigt, dass jedem der Unterpunkte noch Aktenmaterial im NL FGWM zugeordnet werden kann; wenn auch diese Unterpunkte in der jetzigen archivischen Ordnung so nicht mehr erhalten sind und einen sehr unterschiedlichen Umfang haben. Insbesondere die Punkte Bewegliche Kunstwerke, Heimat, Archäologie, Kunsthistorisches Institut (vermutlich ist hier die KHF gemeint), Südosten und Osten sind spärlich überliefert. Während die Aufstellung von Tieschowitz’ sich weitgehend mit dem Aktenplan OKH deckt, scheint die Aufstellung Wolff Metternichs eher eine thematische Zusammenfassung zu sein, möglicherweise auch hinsichtlich der erwähnten Publikation „Weissbuch Kunstschutz“, für die die Dokumentation zusammengefasst wurde.

91 NL FGWM, Nr. 251. 92 NL FGWM, Nr. 200.

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Aktenplan OKH, AN AJ 40/573

Aufstellung nach Bonn verbrachter Akten, NL FGWM, Nr. 34

Übersicht der Kunstschutzakten in Bonn, NL FGWM, Nr. 34

1) Allgemeines 2) Befehle, Verordnungen 3) Personales 4) Bewegliche Kunstwerke 5) Berichte Belgien 6) Belgien Allgemeines 7 a) Berichte Frankreich A 7 b) Berichte Frankreich A 7 c) Berichte Frankreich B 7 d) Berichte Frankreich C 7 f) Berichte Frankreich (Allg. Lage- u. Sonderberichte) 8)  Frankreich Allgemeines 9) Holland 10) Heimat 11) Zusammenfassende Berichte an OKH Gen/Qu 12) Archäologie 13) PKW (auch Fotocampagne) 14) Südfrankreich 15) Italien 16) Zeitungsausschnitte 17) Wissenschaftscampagne 19) Kunsthistorisches Institut 20) Südosten (Griechenland) 20 a) Südosten (Ägypten, Serbien) 21) Osten (Russland) Sonderakte Gruppe 7 (abgeschlossen)

1) Allgemeines, Befehle u. Organisation, Ber. Frankreich (Allgem. Lageber. Ber. Frankreich), Bezirk C 2) Personales 3) Bewegliche Kunstwerke 4) Berichte Belgien 5) Berichte Allgemeines 6) Berichte Frankreich A–K 7) Berichte Frankreich L–Z 8) Berichte Frankreich Bezirk B und C 9) Frankreich Allgemeines und Holland 10) Heimat 11) Zusammenfassende Berichte an OKH Gen/Qu 12) Archäologie, Zeitungsausschnitte 13) Studienfahrten 14) Kunsthistorisches Institut, Wissenschaftscampagne 15) Südosten (Griechenland) 16) Serbien, Ägypten, Osten (Russland) Akten der Fotokampagne: 1) Allgemeines 2) Befehle, Personales, Berichte (Planung) gez. Tieschowitz MVR

1) Allgemeine Befehle der Militärbehörden. 2) Befehle allgemein betr. Kunstschutz, Merkblätter für die Truppenbefehlshaber und die Truppe betr. Schutz der Bau- und Kunstdenkmale. 3) Bewegliches Kunstgut, Schutz und Bemühungen zur Verhinderung der Verschleppung. 4  a) Reiseberichte der Beauftragten nach Bezirken geordnet. b) Lageberichte (allgemein), Monatsberichte der Kunst­schutzbeauftragten. c) Desgleichen Serbien, Naost [sic!]. 5) Berichte über Zerstörung von Kunstwerken. 6) Schutz der staatlichen Bergungsorte französischen Kunstgutes. 7) Einzelmassnahmen zum Schutz von Baudenkmalen (Kathedralen pp). 8) Rückführung der von den Franzosen 1795 – 1813 entführten Kunst­güter. Auszuge aus den Staatsarchivakten, Schriftwechsel. (Die Rückführung wurde nicht begonnen).

Der Aktenplan zum Sachgebiet V 1/2 Kunstschutz der Militärverwaltung lässt sich anhand der Dokumente im NL FGWM nicht rekonstruieren. Zwar befinden sich zu einzelnen Unterpunkten des Aktenplans thematisch zutreffende Verzeichnungseinheiten im NL FGWM, insbesondere zu den Gliederungspunkten 0 – Sachgebiet Kunstschutz sowie I – Kunstschutz in den Außenbezirken, doch scheint es sich dabei weitgehend um Dokumente zu handeln, die bei der Militärverwaltung als Berichte und Verwaltungsdokumentation für den Kunstschutz beim OKH, respektive für Wolff Metternich und von Tieschowitz, erstellt wurden. Einige Unterpunkte des Aktenplans lassen sich durch Einzelakten in der Gegenüberlieferung ergänzen (bspw. Kunstschutz-Akten von Zimmermann im Archiv des LVR oder von Bunjes in den Archives nationales, zur Organisationsstruktur außerdem die dortigen Akten der deutschen Militärverwaltung und jene im Militärarchiv Freiburg). Zudem bildet die Gegenüberlieferung der französischen Institutionen, die mit dem Kunstschutz kooperierten, eine inhaltliche Ergänzung, so beispielsweise Akten der Verwaltung der französischen staatlichen Kunstsammlungen (Bestand Musées nationaux in den Archives nationales) oder des privaten Vereins La Demeure historique und Verwaltungsakten der Monuments historiques (Médiathèque de l’architecture et du patrimoine). Die Unterpunkte III – Bewegliches Kunstgut (darunter Rückführung, ERR, Devisenschutzkommando, Kunsthandel ) und VI – Ausweise, Befürwortungen sind schlecht überliefert und wären von besonderem Interesse

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für die Provenienzrecherche zu NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut. Hinweise können zwar in anderen Beständen (ERR und TvK im Bundesarchiv, Korrespondenz in Museumsarchiven und Archiven oder Privatnachlässen von Kunsthändlern) gefunden werden, doch ist die Involvierung und tatsächliche Tätigkeit des Kunstschutzes daraus nur schwer zu rekonstruieren. Interessant ist zudem, dass diese inhaltlichen Aspekte zu beweglichem Kunstgut sich im Aktenplan OKH und der Aufstellung der nach Bonn überführten Akten nur verkürzt wiederfinden und keinen Rückschluss auf eine Involvierung in den Kunstraub ersichtlich werden lassen. In der Aufstellung Wolff Metternichs wird dieser Aspekt sogar mit der Positionierung des Kunstschutzes für Schutz und Bemühungen zur Verhinderung der Verschleppung vermerkt.

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“Due to Artistic Value under Military Protection!” Esther Rahel Heyer

1. Catalogue Introduction to a “Fictitious Complete Fonds” Among the most striking examples of art protection carried out by the German military in occupied France are the warning signs issued by the Militärbefehlshaber (military commander in France, henceforth MBF), some of which are now collected in the Nachlass (documents from a deceased person, sometimes also referred to as personal papers) of Franziskus Graf Wolff Metternich (1893 – 1978)1 and in the French Archives nationales. Part of a quote from one of these posters — ​“(…) due to artistic value under military protection!” — ​sums up the core topic of the inventory: the central archival holdings of the private Nachlass of F ­ ranziskus Graf Wolff Metternich (NL FGWM), as well as a variety of supplementary sources that deal with the Kunstschutz (an art protection division within the Wehrmacht) during the Second World War, with a particular focus on its work in France. This introduction to the archival inventory summarises the current state of research, describes what have so far been the predominant sources, and discusses ongoing research projects. Alongside a historical contextualisation of the German military Kunstschutz, it also includes a brief biography of Wolff Metternich and an explanation of the tradition within which he was situated, as well as a description and characterisation of the sources in the NL FGWM and the Gegenüberlieferung (supplementary sources). From this, the documents can be categorised according to their file creator (institutions and correspondents) and classified by document type. In addition, an attempt is made to reconstruct the transmission history of the sources 2 by comparing these holdings with relevant filing plans. This comparison sheds light on which files were kept by the Kunstschutz and which were carefully selected by Franziskus Graf Wolff Metternich and his closest colleague, Bernhard von Tieschowitz (1902 – 1968), to be transferred to the Denkmalpflegeamt der Rheinischen Provinzialverwaltung (Rhineland Provincial Administration’s monument preservation office) in Bonn 3 in the months and weeks before the German troops left Paris in August 1944, while also revealing some obvious gaps and raising further questions. It is hoped that this 1 Vereinigte Adelsarchive im Rheinland e. V., Ehreshoven, family archive of the Grafen Wolff M ­ etternich zur Gracht, Nachlass of Franziskus Graf Wolff Metternich (hereafter NL FGWM), no. 74. 2 See footnote in the German version of the introduction. 3 NL FGWM, no. 251.

source-based approach to the question of what the Kunstschutz’s scope of activity was and how it functioned will inspire future analytical research initiatives.4 This inventory is intended to make it easier to find sources relating to specific topics and to aid provenance research by making sources accessible. In terms of methodology, the inventory is a foundational research project in the auxiliary or ancillary sciences of history, specifically archival science. Other relevant disciplines include biographical research, network analysis, the history of science, research regarding cultural policy, the history of the occupation, and approaches to Kulturuguttransfer (the transfer of cultur assets) and reception history. Elements from each of these fields have been borrowed to provide an academic basis for the inventory and to suggest additional ways in which the sources in the holdings could be used.5 The translation into English and French of the research introduction will ensure it reaches the widest possible international research community. Improved access to sources in predominantly German and French archives, the networking of current research at a specialist conference, and the publication of research projects and results represent only a small portion of what, in the best case scenario, will be an ongoing project that is cooperative, international, and transdisciplinary. The opening up and cataloguing of other sources and private Nachlässe would be particularly welcome, as would further academic collaboration enabling comparison and dialogue between different national, institutional, or biographical perspectives — ​essentially an histoire croisée.

2. Current State of Research Previous and ongoing research into the Kunstschutz can be grouped into several distinct categories. Our focus here is on the following: the historical development of the institution during the First World War along with subsequent publications on the experiences of its key figures during that time; the re-establishment of the institution during the Second World War; biographies and memoirs; the preservation of historical monuments in the Rhineland; reappraisals during the postwar period; research into art looting and protection dating from 4 There are numerous content-related questions that can be touched on only briefly here. Some are discussed in more detail in this volume in the section on research approaches, or in the articles in the conference publication for “Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland — ​Franziskus Graf Wolff Metternich und der Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg” (Conference held in the Landschaftsverband Rheinland cultural center in Brauweiler Abbey, 19 – 21 September 2019). See Hans-Werner Langbrandtner/Esther Heyer/Florence de Peyronnet-Dryden (eds.), Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland. Franziskus Graf Wolff Metternich und der Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 5), Cologne/Vienna/Weimar 2021. 5 See footnote in the German version of the introduction.

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the 1980s to the 2010s; exhibition catalogues and monographs about institutional history; and Festschrifts. A distinction should be made between primary and secondary literature; the personal accounts published by Kunstschutz personnel in various countries are of particular interest for source research. This volume also contains a selected thematic bibliography to complement the research overview. Apart from his own research and publications, a Festschrift published in honour of his eightieth birthday,6 and an essay in the collection 100 Jahre Bibliotheca Hertziana,7 information about Wolff Metternich is limited. Although he is mentioned in numerous publications about art looting and protection, there is still no complete account of his role that incorporates this newly discovered body of source material.8 Contemporary publications, for example, monument inventories and registers of artworks of national significance, form the foundation of previous work on the preservation of historical monuments in France and the Rhineland as well as of the present-day analysis.9 The yearbooks of the Denkmalpflege (preservation of historical monuments) provide insight into its day-to-day operation and development during the Nazi era.10 Its reappraisals of its own activities in writings about the war and monument preservation are useful for studies of the Kunstschutz during both the First and Second World War.11 Festschrifts and papers in honour of deeds and accomplishments shed more light on reception history and can be used to analyse the (self-)representation of Kunstschutz personnel. The study of the Bodendenkmalpflege (preservation of archaeological monuments) in the Rhineland and the cultural policy of the Rhineland during the Nazi era is facilitated by publications and conference proceedings.12 Also worth noting here are both the involvement of the University of Bonn and the ramifications of personal networks.13 Jan Schleusener is currently working on a comparative study of historical monument preservation in Bavaria, Thuringia, and the Rhineland.14 Following the 1998 Washington Declaration 15 and the joint declaration between the German Federal Government and the Länder in 1999,16 there was a proliferation of research into Nazi-confiscated cultural assets, provenance research, issues of restitution and Vergangenheitsbewältigung (the process of coming to terms with the past), and the mechanisms and agents of art looting and cultural policy during the Nazi era. References to the Kunstschutz are 6 Ibid. 7 Ibid. 8 Ibid. 9 Ibid. 10 Ibid. 11 Ibid. 12 Ibid. 13 Ibid. 14 Ibid. 15 Ibid. 16 Ibid.

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found especially in studies of the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (Reichsleiter ­Rosenberg Taskforce, henceforth ERR), studies of art market participants, and the history of individual museums or collectors.17 In terms of academic relationships, cultural heritage, and translocation, this rapidly developing and extremely diverse research field, which can only be sketched in brief here, promises to facilitate future connections to the equally dynamic field of research into Kunstschutz and wartime art protection.18 Research into the Kunstschutz in the First World War, and particularly its work in Belgium and France, has made significant progress in the last two decades, largely thanks to Christina Kott.19 She has described the restriction of the term “Kunstschutz” to the activities of a specific group of people or an administrative department during the Second World War as “not adequately assessed”, especially because the definition of that group is itself imprecise and subjective due to postwar (self-)representations. An accurate, multifaceted reappraisal and historicisation of Kunstschutz as a concept and field of activity has yet to appear.20 This self-representation took place partly in publications about wartime activity and partly in final activity reports; while some of these are available in libraries, significantly more can be found in the institutional archives of museums and universities, the archival holdings of the military administration, and in private Nachlässe. Some of these apologias have only been published in revised form. Because of the scarcity of other sources, they have strongly influenced public perception of the Kunstschutz and its agents.21 Even ­Margot Günther-­ Hornig’s attempt at a multi-country reappraisal on behalf of the Institut für Besatzungsfragen (Institute for Occupation Affairs) at the end of the 1950s is based on scant sources and sometimes solely on personal statements from those who had been involved; her request to consult Wolff Metternich’s documents was refused.22 Personal accounts by former Kunstschutz officers do contain information about its activities, but they are often dominated by diary-like narratives of events.23 Further information can also be found in the descriptions of the relocations from or to institutions in which the objects themselves receive more attention than the organisational interdependencies.24 Also indispensable for an understanding of the Kunstschutz are the related Archivschutz (archive protection) and Bibliotheksschutz (library protection) divisions, as well as personal accounts and academic publications about them.25 Later publications that seem relevant because of

17 Ibid. 18 Ibid. 19 Ibid. 20 Ibid. 21 Ibid. 22 Ibid. 23 Ibid. 24 Ibid. 25 Ibid.

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their titles, like that of Günther Haase, are ultimately less informative because they lack proper sources.26 The Kunstschutz has also been studied more intensively in recent years as part of the boom in studies of the history of science, provenance research, and research into the transfer of cultural assets.27 The American officers of the Monuments, Fine Arts, and Archives (MFA&A) programme have received much attention since the release of the film “Monuments Men”, based on the book by Robert Edsel, and the subsequent media coverage and surge of research into these individuals.28 The activity of the French spy heroine and Kunstschutz officer Rose Valland (1898 – 1980) in occupied postwar Germany is another example of this branch of research.29 It is very gratifying to see the vitality of current research into the Kunstschutz and other far-reaching questions of cultural asset protection and translocation. Adding to that research is the aim of this inventory, with its accompanying database, print publication, and conference proceedings, some of the researchers from which have contributed articles. A general overview of the Kunstschutz construct would still be desirable. Christina Kott has already published several essays on this topic, and the results of her forthcoming habilitation thesis are sure to provide new insights.30 Christian Fuhrmeister has written numerous articles about the Kunstschutz in Italy. In his recently published habilitation thesis, he places it in the context of art history, politics, and propaganda, and analyses ruptures and continuities beyond the war years.31 The Kunstschutz in Greece has been and is currently being studied from two separate perspectives: Alexandra Kankeleit addressed the topic as part of a project on the reappraisal of the Nazi history of the German Archaeological Institute in Athens, while Raik Stolzenberg looked at the relationship between the Kunstschutz and the Ahnenerbe in his doctoral thesis.32 The Kunstschutz in Serbia has also received attention, with Andreas Roth recently publishing a book about Johann Albrecht Freiherr von Reiswitz (1899 – 1962).33 A recent volume on art looting and rescue in Russian museums during the Second World War deals with “underestimated participants” in Russia.34 In her doctoral thesis, Emily Löffler looks at “art protection in occupied Germany” and restitution policies in the French and American occupation zones, and describes the relationships between the Allies and their entanglements with German

26 Ibid. 27 Ibid. 28 Ibid. 29 Ibid. 30 Ibid. 31 Ibid. 32 Ibid. 33 Ibid. 34 Ibid.

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actors.35 The forerunners of the US art protection services are also currently being studied in a dissertation by Laura Nicolaiciuc.36 Finally, the way the Kunstschutz has been depicted in the media is also relevant, particularly for reception history. A white paper planned by Kunstschutz personnel and Wolff Metternich never materialised.37 Several exhibitions in museums or storage facilities have dealt or are dealing with the question of art protection in wartime.38 The Kunstschutz’s activity in occupied Paris also forms a central plotline in the Russian director Alexander Sokurov’s film “Francofonia”.39

3. Sources Research into the Kunstschutz is hampered by fragmentary sources. Either there has never been a complete, systematic archive of everything relating to the Kunstschutz’s work in the Oberkommando des Heeres (Army High Command, henceforth OKH ) and the departments of the military administrations of the occupied zones, or that archive has not been preserved. Anja Heuß remarked in 2000 that the files of the Kunstschutz in France are generally thought to have been lost.40 According to Christian Fuhrmeister, sources relating to the Kunstschutz in Italy are fragmentary. In his view it would be necessary to compare several incomplete holdings that differ widely in terms of how much has been preserved: archives and Nachlässe belonging to individual institutions and people who were involved in the Kunstschutz; government archives where the papers of the military administration Kunstschutz office have ended up; or indeed anywhere there are records of investigations into the subject, including in other countries.41 The only way to overcome the obstacle of having to reconstruct the disparate sources before even starting work is to adopt an histoire croisée approach and to call on a transnational network of contacts in order to prevent a one-sided representation. Just like the activities and actors of the Kunstschutz, this research must proceed on several levels: both with official materials in government or private records and private documents within government and institutional records and private archives.42

35 Ibid. 36 Ibid. 37 Ibid. 38 Ibid. 39 Ibid. 40 Ibid. 41 Ibid. 42 Ibid.

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This disparate source material forms the basis of the comparison between the sources in the NL FGWM and the supplementary sources, which will be briefly described below. They include the publications of the French Archives nationales (supported by the German Historical Institute Paris) and of the military section of the Bundesarchiv (German Federal Archive) in Freiburg. These publications organise the surviving holdings of the military administration in France in mutually complementary instruments, which makes access significantly easier.43 Other records relating to the Nazi organisations involved can be found in the Bundesarchiv in Berlin and in the holdings of the Treuhandverwaltung von Kulturgut (Trusteeship for the Administration of Cultural Assets, henceforth TvK) and the Institut für Besatzungsfragen in the Bundesarchiv in Koblenz.44 Cultural policy aspects are documented in the political archives of the Auswärtiges Amt (German Federal Foreign Office), which also contain the personnel files of Wolff Metternich and von Tieschowitz from their time at the Auswärtiges Amt in Bonn.45 Wolff Metternich’s long-standing role as provincial conservator is recorded in the Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland (Archive of the Rhineland Regional Council, henceforth ALVR), in which its overlap with the field of art protection in terms of activities and personnel becomes clear.46 Archival items relating to the people and institutions involved can also be found in university archives, museum archives, or private Nachlässe.47 Following this principle, research was also carried out in government records, institutional archives, and private Nachlässe in France, Belgium, the Netherlands, the USA, and England.48 Access to this material was and is facilitated by finding aids that were developed or updated when the holdings were catalogued. Frequently consulted holdings have been partially digitised and made available in databases.49 It should not be forgotten in this context that, in line with the Washington Principles and the Joint Declaration between the German Federal Government and the Länder, archives are obliged to make sources available and accessible for provenance research.50

43 Ibid. 44 Ibid. 45 Ibid. 46 Ibid. 47 Ibid. 48 Ibid. 49 Finding aids connect the holdings of an archive to the individual file level. They are registries of archival items that facilitate the search for relevant items. A physical registry is often referred to as a catalogue. It comprises a breakdown of the holdings, an introduction to the history of the holdings and the Nachlass creators, and, in the main body, a list of archival items with details about the form and content of the descriptive units. Many institutions also offer online finding aids, or descriptive databases, which can be searched using various functions. 50 See footnote in the German version of the introduction.

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Making the NL FGWM available to the public has filled another gap in the records. For years, it has been no secret that Wolff Metternich and his colleagues brought files back to Germany from France. This fact is clear not just from inquiries among colleagues about where the material was located or Margot Günther-Hornig’s request for information for her research in the 1950s, but also from communication between researchers and the family.51

4. Historical Context The establishment of the Kunstschutz as the Wehrmacht began the invasion of France and the Low Countries in the spring of 1940 was modelled on the measures taken to protect cultural assets during the First World War. A military unit responsible for preventing war damage to cultural assets, historically significant buildings, and monuments was created in part as a form of propaganda to rehabilitate Germany’s image, that had suffered after its armed forces became the perpetrators of internationally condemned destruction, particulary in Belgium.52 However the suitability of the term “Schutz” as a description for wartime activities needs to be questioned fundamentally. It is important to note that these units did not have much authority and that they were hampered by limited opportunities for action and a shortage of equipment. It is equally hard to dispute the fact that the establishment of the Kunstschutz was largely a propaganda tool intended to demonstrate that Germany had the best interests of the cultural wealth of humankind at heart; the actual goal was to repatriate works of art “stolen” by Napoleon. The protective measures were retrospectively glorified, and chauvinistic seizures were eclipsed by inventories and photographic documentation.53 Paul Clemen (1866 – 1947), professor of art history at the University of Bonn and Kunstschutz officer during the First World War, published a two-volume book shortly after the end of WWI presenting his ideas and standards for the altruistic concept of “Kunstschutz”; he had a long-lasting impact on this narrative.54 During the Franco-Prussian War of 1870 – 71, long before the idea of establishing a dedicated military “Kunstschutz” within an occupying army, the most important national art collections in French museums had been systematically inventoried and placed in specially selected storage facilities. The resulting empirical data and classification systems were then used as references during subsequent conflicts.55 Also relevant in this context is the tradition of registering nationally significant cultural assets in the course of the 51 Ibid. 52 Ibid. 53 Ibid. 54 Ibid. 55 Ibid.

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­ ationalisation p n ­ rocess during the late nineteenth century.56 The questions this practice raises about cultural identity, the history of inventories, and nationalistic strategies are especially interesting given that this registry was used as a guide to facilitate the targeted recapture of cultural assets during war.57 The protection of cultural assets in armed conflicts was internationally accepted and codified in the Hague Convention of 1907; nevertheless, art protection was subordinated to military needs.58 Wolff Metternich’s appointment and work in the Kunstschutz during the Second World War developed naturally out of his commitment, which he felt as a personal obligation, to conserving the cultural heritage of humankind and the previous achievements of his university teacher and predecessor in office, Paul Clemen. The fact that the Kunstschutz has been highly regarded for such a long time must also to be understood in the context of these widely admired figures, with their commitment to protecting artistic monuments and their international networks. In May 1940, the Reichministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (Reich Ministry of Science, Education, and Culture, henceforth REM) appointed Wolff Metternich to be the authorative representative of the Kunstschutz at the OKH in the occupied zones. The different forms of administration in the occupied countries meant, however, that establishing a consistent procedure was a challenge right from the beginning. The problem was not just that protective measures could only be implemented behind the frontline rather than preventatively, but also that the establishment of Kunstschutz offices within each military administration depended on coordination between the military administration staffs of the various army groups. The difficulties became clear during the Battle of France: the troops advanced rapidly; the OKH’s jurisdiction over the Netherlands was withdrawn; a military administration was established in Belgium and Northern France; and, finally, in June 1940, General Walther von Brauchitsch (1881 – 1948), who was already Oberbefehlshaber des Heeres (commander-in-chief of the army), was appointed MBF. The OKH’s headquarters were installed in Fontainebleau, while those of the MBF were in the Hôtel Majestic on Avenue Kléber in Paris. Several factors limited the Kunstschutz’s opportunities for action. Chief among them, besides various personnel changes and restructurings caused by conflicts of interest as well as the ongoing war, were the Kunstschutz’s disputes with the ERR and with Otto Abetz (1903 – 1958) at the German Embassy in Paris over who was responsible for “safeguarding” private, mainly Jewish, art collections. General Otto von Stülpnagel (1878 – 1948) took over as military commander from October 1940 until February 1942, followed by Carl-Heinrich von Stülpnagel (1886 – 1944) until July 1944. But the military commander had no authority over the troops. The administrative structure, with 56 Ibid. 57 Ibid. 58 Ibid.

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five districts (Northeast France, Northwest France, Southwest France, Bordeaux, and Paris), had been unchanged since the armistice: each prefecture had a Feldkommandantur (military administration headquarters), and each sub-prefecture had a Kreiskommandantur (area headquarters). The eastern campaigns in the spring of 1941 led to a loosening of the command structure and a general reduction in staff numbers, which also affected the Kunstschutz. Wolff Metternich’s powers as Kunstschutz authorative representative were restricted, not least because of the OKH’s loss of sole control and authority over the occupied zones. The Kunstschutz’s competitors and opponents in France were now not just the Luftwaffe and the Kriegsmarine, but also various ministries, agencies, party bureaus, and civil institutions.59 The military administration’s Kommandostab (command staff) had authority over the German occupying troops, while the Verwaltungsstab (administrative staff) oversaw the French administration with the aim of ensuring smooth operation and a rapid return to normal life. The director of the administration department was Werner Best (1903 – 1989), with Alexander Langsdorff (1898 – 1946) as his deputy.60 Under the military administration, the Kunstschutz, Archivschutz, and Bibliotheks­ schutz offices were grouped into the Culture and Art Administration Department (previously Education and Culture Group V 14, later Group V 1/2). The Archivschutz group was established on the orders of the OKH on 17 July 1940, and was put into practise on 1 August 1940. Ernst Zipfel (1891 – 1966) was appointed Kommissar for the protection of archives in the western theatre of operations; George Schnath (1898 – 1989) was the leader of the Archivschutz department in France, with Georg Winter (1895 – 1961) as his deputy; in Belgium and Northern France, Georg Sante (1896 – 1984) was charged with this assignment; and, at the Reichskommissar of the occupied Netherlands, it was headed by Bernhard ­Vollmer (1886 – 1958). The principal tasks of the Archivschutz were to inventory war damages, to protect relocated holdings against looting and destruction, and to draft repatriation lists. It faced particular difficulties where its work conflicted with that of ideologically driven party institutions that confiscated archival holdings for the purposes of Nazi research and legitimation of the party’s (genocidal) expansionist policies. Its powers were liable to be withdrawn at any time and it was obliged to cooperate with the Chef der Heeresarchive (Head of the Army Archives), the Sonderkommando Künsberg (Special Unit Künsberg), or the ERR. Especially for the repatriation lists, this led to academic disagreements about whether they should be based on the provenance or pertinence principle; in other words, whether to only repatriate files originating in Germany or to extend the acquisition criteria to include files relating to Germany obtained from foreign sources. The Archivschutz branch was, however, greatly diminished in 1942, after which point it had almost no authority in what later became occupied Southern France.61 59 Ibid. 60 Ibid. 61 Ibid.

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On 2 July 1940, Hugo Andres Krüss (1879 – 1945), the director general of the Preußische Staatsbibliothek (Prussian State Library), was appointed Kommissar for the protection of libraries in the western theatre of operations. The Bibliotheksschutz department in France was led by Ernst Wermke (1893 – 1987) until 1942, and then by his deputy Hermann Fuchs (1896 – 1970) until its dissolution. Likewise, its purpose was to safeguard and protect French libraries, and, above all, to inventory German library materials in France and to draw up repatriation lists based on this inventory. The department’s staff numbers were also dramatically reduced in 1942 following the completion of the lists.62 The Referat für Vorgeschichte und Archäologie (office for prehistory and archaeology) was established in the autumn of 1940 on the initiative of Martin Schede (1883 – 1947), director of the Archäologisches Institut des Deutschen Reiches (Archaeological Institute of the German Reich); Eduard Neuffer (1900 – 1954) was appointed as its director in December 1940, and it existed until July 1942. Here too, the focus was on providing unrestricted access to research, objects, and documents in the occupied zones, as well as planning the repatriation of objects appropriated from Germany. Its responsibilities also included “protection” as well as the documentation and thus the supplementation of the fields of art, archives, and libraries.63 In contrast to the looting groups, these departments were not specifically instructed to confiscate items. Nevertheless, their documentation and inventorying work, their reclamation lists, and their research projects all laid the groundwork for further acquisitions, ambiguous “safeguarding” operations, and the repatriation of objects to the German Reich. While the Archivschutz and Bibliotheksschutz offices in each zone were under the authority of the respective military commanders and the corresponding Kommissar in the German Reich, Wolff Metternich was part of the OKH and as such was responsible for the entire occupied zone (under military administration). He also saw himself as being in charge of Kunstschutz matters within German territory. Wolff Metternich was appointed to the OKH by order of the commander-in-chief of the army on 13 May 1940 with the task of protecting cultural assets in the theatre of operations. He initially assisted Army Groups A and B as a technical staff officer reporting to each group’s deputy chief of the general staff (chief of administration). After the establishment of the military administrations in Belgium and France, Kunstschutz specialists were assigned to each military commander. Wolff Metternich remained at the OKH, first in the Brussels office and then in Paris. On 19 July 1940, the commander-in-chief of the army issued a command establishing the administrative structures of the Kunstschutz branches in each military administration zone. Wolff Metternich’s powers were extended when the OKH was relocated to Germany and he was appointed as head of the military administration department. In April 1941, he joined the military administration’s Verwaltungsstab while retaining his position as representative at the OKH. He was appointed director of the newly 62 Ibid. 63 Ibid.

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created Administration Group V 14 “Kunstschutz and Archaeology”, and in the autumn was appointed director of the culture department under the military commander in France. When he was given leave in June 1942 and returned to his work of monument preservation and art protection in Bonn, his deputy Bernhard von Tieschowitz was named his successor.64 Wolff Metternich had influence over the recruitment of staff for the Kunstschutz in France, and for this he turned to his colleagues from the Rhineland. Felix Kuetgens (1890 – 1976) was appointed director of the Kunstschutz office in Paris on 1 August 1940. Subordinated to him were Hans Hörmann (1894 – 1985), who was based in St Germain and responsible for Northern France; Josef Busley (1888 – 1969), based in Angers and responsible for Western France; Walther Zimmermann (1902 – 1961), based in Dijon and responsible for Eastern France; and later Hans Möbius (1895 – 1977), based in Lyon and responsible for Southern France, and Hermann Bunjes (1911 – 1945) in the office for the metropolitan area of Paris. Kuetgens’s staff in Paris were Carlheinz Pfitzner (1908 – 1944) and Wend Graf von Kalnein (1914 – 2007). The Culture Group also comprised the departments for education (Reiprich; first name, birth and death dates unknown), Bibliotheksschutz (Hermann Fuchs), Archivschutz (Georg Schnath), and archaeology (Eduard Neuffer).65 In Belgium, Heinz Rudolf Rosemann (1900 – 1977) was director of the Kunstschutz office. His staff were Henry Koehn (1892 – 1963), Wolfgang Kroenig (1904 – 1992), and Joachim ­Wolfgang von Moltke (1909 – 2002). The office for prehistory and archaeology, established in 1941, was headed by Joachim Werner (1909 – 1994). In Serbia, Johann Albrecht von Reiswitz (1899 – 1962) was responsible for a group for Kunstschutz, archaeology, and prehistory from the summer of 1941. In Greece, Hans Ulrich von Schoenebeck (1904 – 1944) was appointed director of the Kunstschutz group in February 1941; Wilhelm Kraiker (1899 – 1987) acted as its expert advisor from October 1941 (he became its director in July 1942); and Ernst Kirsten (1911 – 1987) and Ulf Jantzen (1909 – 2000) were temporary research assistants. When the Kunstschutz department in Italy was established in 1943, Alexander Langsdorff was appointed its director and Hans Gerhard Evers (1900 – 1993) its expert advisor. Gustav André (1900 – 1989), Hans Adalbert von Stockhausen (1874 – 1942), and Richard Hamann-Mac Lean (1908 – 2000) formed the art historical research group for photographic campaigns, joined occasionally by Reinhold Strenger (1903–after 1966) and Günther Schiedlausky (1907 – 2003), who was also involved in the ERR. The duties of the Kunstschutz officers differed in each occupied zone, partly depending on their own research interests, but also as a result of the varying degrees of influence exercised by other local Nazi institutions. According to Wolff Metternich’s understanding of art 64 NL FGWM no. 53, “Abschließender Bericht über die Arbeit des Kunstschutzbeauftragten in der Zeit von Mai 1940–September 1944”. 65 NL FGWM no. 240, documents concerning the establishment of the Kunstschutz, including correspondence between Robert Hiecke and Franziskus Graf Wolff Metternich. See also NL FGWM no. 48, letter from Wolff Metternich to Paul Clemen of 22 July 1940 concerning the organisation and staffing of the Kunstschutz and the intended selection of additional personnel.

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protection, which was based on previous Kunstschutz work during the First World War, the provisions of the Hague Convention, and his own experience of monument preservation in the Rhineland, the principal duties of the Kunstschutz were as follows: – to protect architectural monuments and historical residences, – to supervise static artworks, – to protect museums and public collections, – to protect movable artworks, – to monitor artistic life, and – to carry out academic research. More specifically, this included protecting the storage facilities of state museums, preventing billeting, overseeing depots and providing them with staff and equipment, and working with the French authorities and monument preservation office, for example equipping and authorising staff. The Kunstschutz’s day-to-day work also involved issuing quartering prohibitions for historically significant buildings and educating troops about valuable furnishings and how to use them appropriately without damaging them. Responsibility for the protection of privately owned art became a point of contention with the ERR, and it was removed from the Kunstschutz’s jurisdiction very early on. The Kunstschutz was also in charge of reconstruction work and the return to normal life (including the reopening of the Louvre), which was undertaken in large part for propaganda purposes. The occupiers also made the most of new opportunities for research and access to previously inaccessible material. An “Art History Taskforce” was created within the OKH, comprising Richard Hamann (1879 – 1961) at the University of Marburg and Alfred Stange (1894 – 1968) at the University of Bonn, and with financial and material support from the REM . Its activities included photographic documentation, lectures, publications, and excursions in the occupied zones. This was a precursor to the establishment of the Kunsthistorische Forschungsstätte (Research Institute for Art History, henceforth KHF) in Paris at the beginning of 1942. At the department’s peak at the beginning of 1942, the Kunstschutz’s staff included twenty-eight military administration officials and a driver (Josef Bauch, birth and death dates unknown), as well as a dedicated typist within the military administration and another within the OKH: Gisela Günther (known as Gigü, birth and death dates unknown) and Margarethe Schmidt (known as Schmidt’chen, birth and death dates unknown). There were also twenty-four officers and non-commissioned officers assigned to the Kunstschutz for special missions. In total, therefore, there were up to fifty-four people working for the Kunstschutz in the occupied zones, not including civilian support staff and e. g. the various French specialists who were sporadically involved in the missions. Significant reductions were implemented later on due to the amount of work already completed, a desire for smoother processes, and the overall cutback on staff levels during the eastern campaigns. However, this reduction in staff numbers in 1942 caused increasing difficulties following the expansion of the Kunstschutz’s jurisdiction to include Southern France and because of Allied and French

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Résistance attacks. The addition of Italy to its responsibilities in 1943 only exacerbated the problem. As the troops retreated, the Kunstschutz officers remaining in France stressed the growing urgency of the situation on the one hand, and the fact that the protective measures were untenable on the other.66 Wolff Metternich’s freedom to organise “his” staff within the military administrations as he wished, which he did primarily by turning to his existing professional relationships in the Rhineland, shows once again how important it is to look more closely at these actors — ​ individually and as a collective — ​in order to understand the larger processes and connections at work. For that reason, the network of individuals mentioned in this volume is illustrated by brief biographies and institutional descriptions.67 The relationships between teachers and students are also interesting, as are the parallels between the First and Second World Wars in terms of the continuity of people and activities among groups of colleagues from Berlin and the Rhineland. One obvious example is the way Wolff Metternich succeeded his teacher Paul Clemen as Kunstschutz representative. Josef Busley has also been a student and assistant of Clemen and worked with the Kunstschutz in occupied France from the autumn of 1940. Richard Hamann had participated in photographic campaigns in the occupied zones during the First World War and coordinated them during the Second World War. Some of his students, including Bernhard von Tieschowitz, also worked with the Kunstschutz or on the photographic campaigns. This student-teacher filiation can be seen in numerous cases and can be explained in part by the natural process of seniority and occupational career succession. It does, however, also raise questions about the degree of mutual influence and academic emulation that was involved, as well as to what extent relationships unravelled as a result of new opportunities or students turning away from former role models.68 Although Kunstschutz personnel were not bound to the Kunstschutz representative by military command, previous connections that existed due to studies or work mostly resulted in loyalty towards their former teachers and colleagues, not least out of gratitude that their work with the Kunstschutz meant they avoided being sent to the front. The historical development of monument preservation is relevant to the Kunstschutz not just because of the network of individuals involved, but also their intertwining spheres of activity. Paul Clemen coined the term “Kriegsdenkmalpflege” (wartime monument preservation), and his successors Edmund Renard (1871 – 1932) and Wolff Metternich were also renowned figures in monument preservation. They often occupied multiple leadership positions simultaneously and were very influential. It is also important not to underestimate the impact of Nazi ideology, with its intense interest in nationally significant cultural assets and Heimatpflege (the preservation and promotion of national and regional values and traditions), on the development of monument preservation in the Rhineland and throughout 66 See footnote in the German version of the introduction. 67 See short biographies and information about institutions in this volume. 68 See footnote in the German version of the introduction.

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Germany. Wartime monument preservation and Kunstschutz can be seen as two mutually stimulating fields, with significant wartime advances in practical monument preservation techniques, such as protective measures and relocations. These developments sparked the creation of monument preservation institutions modelled on prior Kunstschutz measures in some of the occupied countries.69 Until the middle of the 1990s, the individuals and activities of the Kunstschutz were discussed in rather hagiographic terms. Dazzling personalities like Clemen and Wolff ­Metternich were seen as flawless heroes who dedicated themselves selflessly to cultural heritage. Since then, however, attitudes towards the Kunstschutz have become more critical. Recent studies of the organisation’s relationship to propaganda and “Westforschung”, a study by German scholars of the areas to the country’s immediate west which sought to scientifically prove German cultural superiority, have questioned the self-representation of those involved as having a purely academic calling or being engaged in altruistic work far removed from ideology.70 The extent to which this portrayal was fuelled by the deliberate destruction or concealment of files and documents remains an open question at this point.

5. Franziskus Graf Wolff Metternich (1893 – 1978)71 Franziskus (Franz) Graf Wolff Metternich was born on 31 December 1893 in Haus Beck, Westphalia. He was the tenth child and fourth and youngest son of Ferdinand Graf Wolff Metternich zur Gracht (1845 – 1938) and Flaminia, Princess of Salm-Salm (1853 – 1913). He spent his childhood in Schloss Gracht, Cologne, and was deeply influenced by his family’s Catholicism. He joined the Rhenish-Westphalian Genossenschaft der Malteserritter (Association of the Knights of Malta) as a knight of the order in 1915, and was appointed to the board in 1931, a role he retained until the 1960s. As a consequence, he naturally developed close ties to the highest-ranking clergy of the Rhineland. After graduating from the secondary school in Brühl, he went to the University of Bonn to study art history under Paul Clemen. When the First World War broke out, he was drafted into the Bonn Hussar Regiment and underwent intensive military training. He was severely wounded in the neck by shrapnel, but his military service did not end until September 1919. After finishing his military service, he returned to his art history studies in Bonn. During his time as an undergraduate and then PhD student, he travelled throughout Europe and spent several months conducting research in Rome. He completed his doctorate at the University of Bonn in 1923 with a thesis on the emergence of the Renaissance style in Rhenish architecture: “Die spätgotische Loggia zu Binsfeld, eine stilkritische Studie zur niederrheinischen 69 Ibid. 70 Ibid. 71 Ibid.

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Profanarchitektur im letzten Viertel des 15. und im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts” (The late Gothic loggia in Binsfeld: a critical study of the secular architectural style of the Lower Rhine in the last quarter of the fifteenth and the first quarter of the sixteenth century). In 1925, he married Alix Freiin von Fürstenberg (1900 – 1991). They had four children: Johann Adolf, known as Hanno (1926 – 1995), Winfried (1928 – 2017), Theresia (born in 1930), and Antonius (born in 1933). In 1926, Wolff Metternich joined the Rhineland Provincial Administration as an academic assistant to the provincial conservator, Edmund Renard. In 1928, thanks to the influential advocacy of the Rhineland clergy, he was appointed as provincial conservator and continued in that role until 1950. The University of Bonn gave him a teaching position in 1933 and an honorary professorship in monument preservation and Rhenish art in 1940. On 1 May 1933, after consulting with clerical circles, he joined the Nazi Party. He maintained a lifelong connection to his academic and professional mentor Paul Clemen, the first provincial conservator of the Rhineland Province from 1893 to 1911. This was reflected in their frequent correspondence, particularly on the topic of wartime monument preservation and art protection: Clemen had worked in the Kunstschutz during the First World War, and Wolff Metternich was inspired by his commitment to (wartime) monument preservation. Wolff Metternich was briefly conscripted at the start of the Second World War, but was shortly afterwards released from active duty by the Prussian state conservator, ­Robert Hiecke (1876 – 1952), who worked at the REM , so that he could help rescue and protect movable artworks in the Rhineland. On Hiecke’s initiative, he was appointed as Kunstschutz representative and given responsibility for preventing war damage to artistically and historically significant buildings, monuments, and movable artworks in the occupied zones and was sent to German-occupied Brussels in May 1940. In the summer of that year he moved to Paris. To that end, he drafted the “Verordnung über die Erhaltung von Kunstschätzen im besetzten Gebiet Frankreich vom 15. Juli 1940” (Ordinance of 15 July 1940, concerning the preservation of artistic treasures in the occupied territories of France), which was published in the “Verordnungsblatt für die besetzten französischen Gebiete” (Ordinance Gazette for the Occupied Territories of France). While writing it, he drew on Clemen’s earlier work and on the 1907 Hague Convention’s provisions regarding the protection of cultural assets in armed conflicts. He was determined to act solely as a protector of state art collections, which he saw as part of the cultural heritage of humankind. His consistent opposition to the haphazard looting of state museums, his clearly Francophile tendencies that are not in keeping with the interests of the Reich 72 (fostered not least by his personal connections to French nobles, leading Catholics, and the Knights of Malta), and his insufficiently ambitious efforts to reclaim German art stolen by Napoleon quickly brought him into conflict with agencies and individuals engaged in the systematic looting of art: the Reichsleiter Rosenberg 72 NL FGWM, no. 153, Sicherheitspolizei and Sicherheitsdienst report on Wolff Metternich of 20 April 1943.

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Taskforce; the German ambassador in Paris, Otto Abetz; and Reichsmarschall Hermann Göring (1893 – 1946). Wolff Metternich was able to work within the restrictive framework of the OKH and with the help of an efficient network of loyal staff in each of the military administrations for two years, after which point the Kunstschutz was increasingly depleted. He was put on leave of absence in June 1942 and finally discharged in October 1943. Back in the Rhineland, he turned himself to the task of protecting the art of the region. He continued to offer advice to his like-minded deputy and successor in Paris, Bernhard von Tieschowitz, who kept him informed about the activities and evolution of the Kunstschutz in the occupied zones. Wolff Metternich was director of the Amt für Denkmalpflege in the Rhineland from 1928. The first part of his tenure was characterised by contradiction: financial troubles during the difficult crisis years were followed by the Nazi period, with its job creation scheme, increased funding, and growing interest in nationally significant cultural assets and creating a national canon of “Germanic” values and traditions. The first steps to evacuate and protect artworks in the Rhineland were taken in 1939. In Wolff Metternich’s absence, his duties were carried out by the district conservators and especially by his deputy, the provincial buildings officer Theodor Wildeman (1885 – 1962). The Archivberatungsstelle der Rheinprovinz (Rhineland archival advisory board) under Wilhelm Kisky (1881 – 1953) also played an important role in coordinating storage sites and relocations. As bombing raids grew more frequent, however, Wolff Metternich’s presence was urgently required. In summer 1942, he returned to Bonn and resumed his work there while maintaining close contact with the Kunstschutz in the occupied zones via von Tieschowitz. Thanks in part to his service in the Kunstschutz and his international renown, but especially his professional expertise and the urgent need to repatriate relocated works of art, Wolff Metternich was quickly exonerated after the war and was able to resume his work as provincial conservator (later conservator of the German Federal State North-Rhine Westphalia). The director of the French Musées nationaux, Jacques Jaujard, had already vouched for him in 1945. He also maintained what were sometimes lifelong connections to several art protection officers from the Allied MFA&A programme, which was set up to search for art that had been stolen by the Nazis. Because of his Nazi Party membership, it was not until April 1948 that he completed the final stage of his denazification and was officially placed in category V, “persons exonerated”. His position and his academic and professional networks made him suited for assuming a diplomatic role in isolated postwar Germany. From December 1950 until the end of 1952, he was the director of the science office in the culture department of the Auswärtiges Amt. The Bibliotheca Hertziana in Rome was officially reopened in October 1953 as the Max Planck Institute for Art History, with Wolff Metternich as its director. He continued his research into St Peter’s Basilica in Rome until 1968, well after his retirement in 1962. During this period, he was a member of the Institute’s board of trustees. On 2 January 1964, two days after his seventieth birthday, Wolff Metternich was awarded the Légion d’Honneur (Legion

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of Honour) on behalf of French President Charles de Gaulle (1890 – 1970) in recognition of his service to art protection. In 1968, he returned with his family to the Rhineland, where he spent his time cultivating his contacts there and continued to act as an expert advisor on matters of monument preservation. Together with his former colleagues, he spent several decades pushing for the production of a white paper about the Kunstschutz. Wolff ­Metternich died at the age of eighty-four on 25 May 1978. His professional status, his relationship to the church, his connections to the nobility, his own self-perception, and the way he portrayed the Kunstschutz as a service on behalf of the overriding cultural heritage of humankind, all contributed to the rather hagiographical way he has been perceived until now. This afterlife persists to some extent in current research; the newly available sources in NL FGWM are sure to provide novel insights.

6. Core Holdings of the FGWM Nachlass The Nachlass of Franziskus Graf Wolff Metternich is part of the family archives of the Grafen Wolff Metternich zur Gracht. The holdings contain Franziskus Graf Wolff Metternich’s private, professional, and academic documents. The holdings contain more than five hundred reference numbers organised in approximately one hundred and fifty boxes. Almost two hundred of these descriptive units are of exclusively private provenance. These include documents, letters, and family photograph albums, mostly belonging to his parents and parents-in-law as well as to his wife and children. Almost one hundred other units are of exclusively professional provenance, comprising assorted documents from Wolff Metternich’s career with no relation to his activities during the Second World War. Around two hundred files in the Nachlass are of interest for research into the Kunstschutz during the Second World War. Half originate directly in the activities of the Kunstschutz and its members; the other half are related to Wolff Metternich and Bernhard von Tieschowitz’s private and professional affairs or to the reception of the Kunstschutz’s activities. The archival items that relate to the Kunstschutz include service files and personal reference files for staff members, private correspondence, and images. There is also a significant section of Wolff Metternich’s academic library. When the Nachlass was catalogued, it was divided into five sub-holdings defined by file creator and thematic focus. The description of the holdings that follows is based on these categories: I. Family, personal, property II. Military Kunstschutz III. Files from Wolff Metternich’s deputy and successor in the Kunstschutz, Bernhard von Tieschowitz IV. Reception of the Kunstschutz concept V. Kunstschutz research carried out by Wolff Metternich’s sons.

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I. Family, personal, property The largest sub-holding, containing files relating to the family, the family’s home and other properties, personal events, correspondence, and photograph albums, is grouped with dossiers relating to his parents’ generation and family finances and arranged chronologically following Wolff Metternich’s life stages. The sources in this sub-holding are almost exclusively private in nature and include many documents relating to Franziskus Graf Wolff Metternich’s parents and his wife, Alix Freiin von Fürstenberg, as well as to the family’s asset managment. These documents offer insight into the noble family’s ties, its property, and the lively exchanges between family members. They reveal Wolff Metternich’s noble upbringing, Catholic influences, Francophile tendencies, and early inclination towards art and culture, as well as his academic ambition and professional dedication. Among the documents relating to Wolff Metternich’s career, his private and academic correspondence is a particularly interesting peripheral area that supplements the Kunstschutz’s institutional files. It clearly shows the overlap between his work as Kunstschutz representative and as provincial conservator, and, even more so, the letters, photographs, and notes demonstrate just how blurred the boundary between his private and professional lives was. His journals, pocket diaries, and Wehrpass (military identity card) are particularly valuable sources for reconstructing the Kunstschutz’s chronological development and personal networks. There are also fascinating complementary sources in the form of his correspondence with professional and academic colleagues from after the Nazi period and the Second World War, especially on the subjects of denazification and the reception of the Kunstschutz. These documents, particularly certificates of exoneration and character references, paint an extremely one-sided and flattering picture. They emphasise the positive aspects of the protection of cultural assets while making a clear distinction between it and Nazi art looting.

II. Military Kunstschutz The military Kunstschutz files in NL FGWM are of official and mixed private/official origin. Wolff Metternich and his colleagues created reference files containing additional details to supplement the information in the service files. These reference files include private correspondence, duplicates, publications, and newspaper articles. The files are divided into subgroups corresponding to areas of responsibility, defined either by content or location (state or district). There is, however, some overlap in the content of descriptive units, which are also supplemented by letters in the personal records of Wolff Metternich and von Tieschowitz. Sub-holding II contains seventy-eight files from the institutional context of the Kunstschutz. They were assembled by Bernhard von Tieschowitz and Franziskus Graf Wolff Metternich and sent to Bonn before August 1944. The configuration of the sub-holding reflects the administrative structure of the respective occupied countries, as well as the

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jurisdiction and structure of the Kunstschutz. These files represent the core of the archival inventory, with a focus on France. Letters, reports, and commands from the military authorities are part of the holdings relating to the Kunstschutz in France, but they also cover a wider range of topics, such as French legislation and the administration of the occupied zones.73 Of particular interest are the letters, regulations, and commands issued by the Verwaltungsstab of the military commander in occupied France regarding the organisation, staffing, equipment, and legal aspects of the administration, as well as discussions and situation reports from the various Verwaltungsstab groups. There are also files documenting the use of French prisoners of war for cultural activities and the Kunstschutz. The legal frameworks include guidelines and ordinances for the protection of artistic monuments and valuable buildings, as well as letters and orders concerning the export of high-value art objects; these are an important source of information on the Kunstschutz’s areas of responsibility and procedures. The organisational documents are particularly helpful for understanding the Kunstschutz in France, especially several letters about the establishment of the organisation in May/ June 1940 and a report by Wolff Metternich on its structure and bureaus. The start of the Kunstschutz in France is documented in letters discussing the authority and involvement of the Feldkommandaturs, personnel issues, group photographs, information on preparation and equipment procurement for photographic campaigns, travel authorisation requests, activity reports, and correspondence between the Kunstschutz and the French monument preservation service. A summary of the Kunstschutz’s activities as understood by Wolff Metternich and his colleagues can be found in Wolff Metternich’s final report on his work as Kunstschutz representative from May 1940 to September 1944, preserved in both draft and finalised versions, and his report on his work as OKH representative for the protection of fine art (1940 – 1942), and the attachments to those reports. Propaganda material, lectures, specialist works in the form of various publications and lecture transcripts, letters, press articles, and reports are all evidence of the Kunstschutz’s “PR work” and its use for both academic and propaganda purposes. The files relating to Belgium and the Netherlands include texts, photographs, and plans for reconstruction and urban planning in Belgium and France; travel reports and letters about the Netherlands and the Kunstschutz in Belgium, including an activity report on the “Glockenaktion” (“the church bell operation”) of 1944,74 and relocation lists of paintings from the Museum of Fine Arts in Ghent (1940), etc. These files demonstrate the overlap between the different Kunstschutz branches and their records in the Franziskus Graf Wolff Metternich Nachlass.

73 See footnote in the German version of the introduction. 74 Ibid.

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The dossier relating to France contains forty-four files and thus represents the focal point of the Kunstschutz sources in NL FGWM. It is subdivided into four categories: 6.1 General letters, orders, and maps 6.2 General reports (travel reports, situation reports, and summary reports) 6.3 Artistic monuments and historically significant buildings 6.4 Movable art objects, archival and library holdings, and their storage locations. These wide-ranging documents reveal the filing structure and so the range of activities of the Kunstschutz in France. Alongside general organisational documents and internal correspondence, they are mainly activity and travel reports. Documents concerning artistic monuments and historically significant buildings are systematically ordered by military administration district, mainly District A. They include inspection reports and assessments by local French specialists, as well as some photographs and letters from private individuals asking the Kunstschutz to protect their castles and collections. Castles and buildings deemed worthy of protection are marked on the maps and were fitted with warning signs, some of which are also contained in this dossier, declaring a partial or full prohibition against billeting troops there. There is also evidence of cooperation with the French authorities, for example in the shared desire to protect the storage facilities of French state museums and to review holdings on the basis of inventory lists. The Kunstschutz’s shared interests and cooperation with the Archivschutz and Bibliotheksschutz divisions can also be identified. Less common are documents relating to the “safeguarding” of movable art objects, such as the “Geheimakte Bunjes” (Bunjes secret file). The individual reports and letters, organised by military district (A/B/C) and département, comprise twenty-four files, including reports, images, maps, and letters discussing the condition, contents, and troop-billeting prohibitions of buildings, monuments, and castles worthy of protection in the military administration districts, all arranged alphabetically by city. There are documents on the following districts and letters: – District A: letters A, B, Ca – Ce, F, G, H, J, L, Ma, Me, Mo, N, O, P, Q, R, S, T, Va – Vers, Vert – Vo, W, Y – District B: letters A, B, T – Z – District C: letters M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V – District Bordeaux: letters Ch – E. The Southern France dossier, which begins in 1942, contains documents relating to the establishment of the Kunstschutz in previously unoccupied Southern France. It includes travel reports, and lists of museums and artistic monuments in the newly occupied zones ordered by French départements, and later individual reports and letters about monuments and castles in Southern France, arranged alphabetically by city (letters I–Z). There are also a few documents concerning the inventorying of art objects that were previously the property of Jewish French citizens. The dossier’s papers document the expansion of the French

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Kunstschutz branch into Southern France at the end of 1942, thanks in part to the planning and travels of Bernhard von Tieschowitz. Letters and reports about castles and monuments provide information about the subsequent day-to-day operation of the Kunstschutz. The Italy dossier includes documents about Wolff Metternich’s and von Tieschowitz’s study trip to Italy, including their plans, travel expenses, and Wolff Metternich’s travel report. It contains details of journeys undertaken by Kunstschutz personnel, revealing the connections between Kunstschutz activities and academic research. The descriptive units in the Greece dossier contain reports and letters about the Kunstschutz in Greece, including those of Bernhard von Tieschowitz and Hans-Ulrich von Schoenebeck, as well as documents relating to publications and printed “Merkblätter für den deutschen Soldaten an den geschichtlichen Stätten Griechenlands” (Numbers 1 – 20; Information booklets about Greece’s historical sites for the German soldier). These booklets convey both the relationship between the Kunstschutz in Greece and the Kunstschutz representative and his deputy and successor, and the Kunstschutz’s educational duties. Serbia, the Baltic, Russia, and Egypt feature in files relating to Kunstschutz branches in other occupied countries as well as planned projects. The letters and reports about Kunstschutz measures in the Baltic include Richard Hamann’s final report on the photographic inventory of Baltic-German monuments, carried out in 1940. The files relating to the Kunstschutz in Russia and the Baltic include Reinhold Strenger’s reports on the condition of monuments, as well as relocation lists and city maps, correspondence with academics, and museum catalogues. There are also Wolff Metternich’s and von Tieschowitz’s letters with Johann Albrecht von Reiswitz regarding the establishment of a Kunstschutz branch in Serbia, as well as documents concerning a planned Kunstschutz branch in Egypt and in the “Orient”. There is one file of reports and correspondence relating to the prehistory and archaeology office under the military commander in France. It also contains activity reports, mostly written by Eduard Neuffer, including the group’s final evaluation report for the period from 1940 to 1944. There are letters, lists, photographs, and press reports regarding the repatriation of German art, archival material, and library items that had been taken to Paris by Napoleon. These include transcripts and documents relating to the appointment of the art historian Otto Kümmel (1874 – 1952) as the person responsible for systematically listing artworks stolen by Napoleon and repatriating them to Germany. This work was carried out with the cooperation of the Kunstschutz office in the military administration in France, especially in the early stages of the process in 1940/1941. Communication between the Kunstschutz office and German museums about the repatriated artworks was largely the responsibility of the archaeologist Hans Möbius (1895 – 1977).

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III. Files from Wolff Metternich’s Deputy and Successor in the Kunstschutz, Bernhard von Tieschowitz Wolff Metternich’s deputy and then successor was the graduated art historian Bernhard von Tieschowitz. He had previously worked in the Bildarchiv Foto Marburg (photographic department of the University of Marburg’s Institute for Art History, an image library), first as a photographer and assistant and then from 1929 as director of the photography department, succeeding Richard Hamann. In 1936, he changed roles to become academic assistant to the provincial conservator, Wolff Metternich. The two men developed a close and trusting relationship that became a lifelong friendship. Sub-holding III contains files from von ­Tieschowitz’s personal papers. The documents were presumably sent to Wolff Metternich by his widow, Lisl von Tieschowitz (1903 – 1982), after his death. They are mostly documents relating to von Tieschowitz’s time in the Kunstschutz during the Second World War, the period immediately after the war and his denazification, and his work with the Auswärtiges Amt (1950 – 1952). They are divided into three dossiers: 1. Personal (denazification) 2. Kunstschutz 3. Auswärtiges Amt. Bernhard von Tieschowitz’s personal documents are extremely important sources of information about the Kunstschutz, particularly in France and Italy, and specifically in relation to the rescue of cultural assets at Monte Cassino (1943) and the impact and portrayal of the destruction of the monastery. As well as letters, denazification documents, and documents relating to the reception of the Kunstschutz from his time at the Auswärtiges Amt, von ­Tieschowitz’s pocket diaries from 1940 to 1944 are especially informative about the Kunstschutz’s chronological development and personal networks. Invitations to exhibitions in Parisian galleries and museums provide useful background information about the cultural networks of occupied Paris. His personal working documents from his time in the culture department at the Auswärtiges Amt demonstrate his commitment to ensuring German cultural institutes in Italy could reopen and operate autonomously. These files also contain documents about the establishment and management of the Auswärtiges Amt’s TvK, a special department responsible for handling the objects at the allied Central Collecting Points on a fiduciary basis. This concerned mostly cultural assets confiscated as a result of Nazi persecution or objects previously owned by the regime.

IV. Reception of the Kunstschutz Concept This sub-holding comprises twelve files containing documents from the postwar period relating to the Kunstschutz. It also contains correspondence between former Kunstschutz

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personnel discussing the reception of the Kunstschutz’s activities in the formerly occupied zones and opinions about a planned reappraisal of those activities in the form of a white paper. In the decades after the war, Wolff Metternich and, after his death in 1978, his sons continued to work on the Kunstschutz files he had brought home with him, and added more recent newspaper articles and letters. Even in his private archive, Wolff Metternich always maintained the meticulous file management system he had adopted during his service: he noted when letters had been received and when and how they were answered. He also instructed his secretary to either create a new file for each letter or to add it “to the Kunstschutz files.” This sub-holding is divided into three dossiers: 1. The Kunstschutz concept 2. Correspondence with the Monuments Men and other colleagues (private/official) 3. Search for and restitution of looted art. Of particular interest are the letters and opinions exchanged between the former Kunstschutz personnel and their international counterparts. Assorted press articles and publications about the Kunstschutz during the Second World War and letters, statements, and reports by former Kunstschutz personnel once again demonstrate how positively the Kunstschutz concept was received or represented. Critical opinions were analysed intensively in letters between former Kunstschutz personnel, while the Kunstschutz’s positive and honourable aspects were praised. Calls for a planned white paper on the Kunstschutz (in Italy) grew louder throughout the 1950s and 1960s, and there was increasing international discussion about the whereabouts of Kunstschutz files that could serve as sources for the paper. The dossier also contains minutes of UNESCO conferences on the protection of historical and art historical sites, as well as extensive correspondence between Wolff Metternich and Paul Clemen on the subject of Kunstschutz, monument preservation, and reconstruction. Various documents, including letters from art protection officers at the MFA&A, notes about honours awarded to Wolff Metternich for his work, and letters from French agencies expressing congratulations at his reinstatement as provincial conservator after the war clearly show how Wolff Metternich’s work as a Kunstschutz officer was staged and perceived. The files concerning restitution and looted art principally comprise letters and press articles, as well as minutes of meetings, transcripts, publications, and statements regarding restitution demands and art looting in the occupied zones. Particularly interesting in this context are both the long-term impact of the Kunstschutz and the fact that Wolff Metternich was asked to act as a mediator or expert in international negotiations.

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V. Kunstschutz Research Conducted by Wolff Metternich’s Sons Wolff Metternich’s eldest son, Johann Adolf Graf Wolff Metternich, became trustee of the Nachlass in 1978. After his death in 1995, the trusteeship passed to Winfried Graf Wolff Metternich, who moved his father’s Nachlass from Gut Fronhof in Junkersdorf, Cologne, where it had been stored for many years, to his own home in Bonn. There was a standing obligation to ensure other family members could access the Nachlass. Like Johann Adolf before him, Winfried had a keen interest in his father’s work and achievements. He began to meticulously examine and sort the folders and bundles of files, some of which were still tied with their original string. Most of the files were arranged in chronological order. In 2012, research into the NL FGWM was conducted by the “Franconia” film crew in Berlin, during which the files were scanned over the course of several weeks, which resulted in disarray and the reorganisation of the archive. The making of this film ultimately led to the opening up of the NL FGWM. Winfried added copies of documents from other archives to the Nachlass through his own research, mostly with no information regarding provenance. Sub-holding V comprises fourteen files containing assorted material relating to the reappraisal and analysis of Wolff Metternich’s work. Most of the documents come from Johann Adolf ’s and Winfried’s research into family history and the debate surrounding Wolff Metternich’s service to the Kunstschutz, but there are also some of their own personal documents. Extensive material relating to the Kunstschutz, including copies from the NL FGWM or the Bundesarchiv and scans from the National Archives in the USA , particularly of sources from the holdings of the American Allied art protection officers, was also collected.

Partial Holding: Franziskus Graf Wolff Metternich’s Library The partial holding “library” comprises books from Franziskus Graf Wolff Metternich’s professional and academic career, predominantly on the topics of art history, art protection, history, archaeology, monument preservation, and other subjects of personal interest to him or his family members. Wolff Metternich’s extensive academic library was originally located in the family home in Junkersdorf. When it was divided up after his death, some of it ended up in his grandson Paul’s library in Bonn, from where the project collaborators were able to select items for the NL FGWM. The books added to the NL FGWM from the fragmented family library were chosen based on Wolff Metternich’s academic and professional interests and activities. They fill forty-six archive boxes. The books selected were used in Wolff Metternich’s work and demonstrate his primary interests and his connections to colleagues. Kunstschutz-related works include publications by his colleagues on the protection of cultural assets, as well as works from the postwar period on the reception and reappraisal of wartime art protection. These are supplemented by publications on war propaganda and special

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editions of wartime lectures given at the University of Bonn. The monument preservation, history, and archaeology categories mostly comprise specialist publications, including many of Wolff Metternich’s own publications, and special editions.75 When, how, and why the Kunstschutz files came to be a part of Wolff Metternich’s Nachlass can to some extent be reconstructed on the basis of information within the files themselves. The service files date mostly from 1940 – 1942/1943. Bernhard von Tieschowitz’s pocket diaries document Wolff Metternich’s visits to Paris, including after his suspension in 1942 and his discharge in 1943. Some entries refer to their collaborative effort to sort the files, as well as to the destruction of documents.76 With Paris increasingly under threat and the German troops in retreat, it is presumably the service files deemed most useful for the purpose of documentation (Wolff Metternich added his pocket diaries and wartime correspondence in the awareness and hope that his role would subsequently be studied 77) that were sent to safety, while files still needed for the Kunstschutz’s ongoing operation were kept in Paris. The Kunstschutz’s service and reference files were thus sent to Wolff Metternich’s and von Tieschowitz’s offices in Bonn. There are several pieces of corroborating evidence showing that the files were stored in the Bonn monument preservation office.78 In September 1944, Josef Busley was instructed to write a final report on the activities of the Kunstschutz in Southwest France from July 1940 to August 1944, “specifically on the basis of the files he himself had rescued and taken to Bonn”.79 Wolff Metternich was also ordered by the military administration in France, which was by then operating out of Germany, to write a final report on the Kunstschutz’s activities. He used the files collected in Bonn as the basis of this report.80 Since the monument preservation office was destroyed by heavy bombing in 1944/1945, the files from Paris, along with the monument preservation office’s archives, must have already been stored in the cellar of Wolff Metternich’s private residence on Blücherstraße. Otherwise they, too, could not have been preserved for posterity.81 The upcoming transfer of the files from the Denkmalpflegeamt to Wolff Metternich and von Tieschowitz is alluded to in letters contained in the Nachlass. For example, bundles of war files were sent from Bonn to von Tieschowitz. In October 1961, the Paris war files were sent to Hanno Graf Wolff Metternich. In November and December of the same year, von Tieschowitz inquired whether the files from Paris were still in the monument preservation 75 Ibid. 76 Ibid. 77 Ibid. 78 Ibid. 79 Ibid. 80 Ibid. 81 Ibid.

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office, writing to the institution’s expert consultant officer Hans Kisky (1920 – 1965) and Wolff Metternich. Kisky responded that Wolff Metternich had taken all the files with the intention of donating them to the Bundesarchiv. The Bundesarchiv was interested in the records as an exchange of letters shows; whether the archives of the Auswärtiges Amt would be a better fit for the files was also discussed. Wolff Metternich decided to keep the files in the interim as he was intending to contribute to a planned work on the Kunstschutz’s activities during the war conducted by authorities.82 Bernhard von Tieschowitz’s pocket diaries, Kunstschutz files, and denazification documents seem to have been sent after his death to Wolff Metternich by his widow, Lisl von Tischowitz, as suggested by correspondence between the latter two. A comment on one of the letters states that Wolff Metternich returned several documents that she did not want to part from.83 A few notes handwritten by von Tieschowitz provide information about the structure and history of the files: for example, his comment on the Italian documents Italy 1943 – 1944 (Files found in the cellar of the monument preservation office in Bonn on 9 July 1947).84 He also drew up a list on 29 July 1943 of the file bundles transferred, entitled Files of the Kunstschutz representative at the OKH and numbered from one to sixteen, presumably following a filing plan. An undated (probably subsequent) overview of the Kunstschutz files in Bonn has a similar structure, with eight subject areas.85 The NL FGWM does not contain filing plans for the OKH or the military administration in France; it only has an overview of the files relating to Southern France.86 More information could be obtained from the supplementary sources and from a structural and thematic classification of the files.

7. Supplementary Sources During the research project, it became apparent that the supplementary sources to the Kunstschutz files in the Wolff Metternich Nachlass could be divided into the following categories. Files directly related to the Kunstschutz, which were created either at the OKH or in the Kunstschutz departments of the military administration districts, can be found (other than in the NL FGWM ) particularly in holding AJ 40 of the French Archives nationales, which contains files from the military administration in France with a focus on Greater Paris and Hermann Bunjes. Other individual sources of Kunstschutz 82 Ibid. 83 Ibid. 84 Ibid. 85 Ibid. 86 Ibid.

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provenance 87 can also be found in the archives of the French départements, which contain documents concerning Kunstschutz measures taken by the various Feldkommandaturs. There are also a few Kunstschutz reference files focusing on District C (Dijon) and Walther Zimmermann in the archives of the LVR , in the holding for the culture department of the provincial administration. The Kunstschutz’s direct output also includes images from the photographic campaigns which are held at the Bildarchiv Foto Marburg, and publications and reports by Kunstschutz personnel in various libraries. The files of the German military administration are also relevant to the overall administration context. Besides the aforementioned holding AJ 40 in the French Archives nationales, these can also be found in the Freiburg military archives. Of interest here are the files of the military administrations in France and in Northern France and Belgium, as well as the files kept by the army and the Feldkommandanturs. These are in turn supplemented by holdings in the archives of the French départements. Another source of information is the files of French government agencies that document the cooperation between the Kunstschutz and local authorities. These are found above all in the archive holdings relating to the Musées nationaux in the French Archives nationales (AN 20144792). As well as information about the art protection measures taken by the directors of the French national museums themselves, they also contain information about art protection through joint operations like warehouse protection measures and related correspondence. The Médiathèque de l’architecture et du patrimoine (MAP) contains the archival holdings of the French artistic heritage relating to the administration of monument preservation as well as of La Demeure historique, an association of private owners of historical buildings, which corresponded with the Kunstschutz about the protection of architectural monuments and the prohibition against billeting troops in historically significant buildings. There is also evidence of cooperation between German and foreign agencies regarding the protection of art and cultural heritage in Belgium, specifically in the Archives générales du Royaume (National Archives of Belgium), the Institut Royal du Patrimoine Artistique (Royal Institute for Cultural Heritage), and the Centre d’Études et de Documentation Guerre et Société contemporaine (Center for Historical Research and Documentation on War and Contemporary Society). The Nationaal Archief of the Netherlands also contains files relating to the “Glockenaktion” and Kunstbescherming (art protection), although these files differ in terms of structure and content because the Netherlands was not under military administration. The archival sources are also supplemented by the records of the Kunstschutz’s partner institutions, including the files of the Archivschutz in France, which are held in the Freiburg military archives, although the holding is of limited use because of severe water damage. There are also documents relating to the Bibliotheksschutz in the same location. 87 The provenance principle (from Latin “provenire”, to come from) is a method of ordering and analysing archival material according to document origin, file creator, and original context.

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References to the Kunsthistorische Forschungsstätte in Paris can be found in Hermann Bunjes’s files in the French Archives nationales as well as in Alfred Stange’s correspondence in the archives of the University of Bonn and the archives of the Kunsthistorisches Institut (art history institute) in Bonn. Files relating to the photographic campaigns in the occupied zones can be found in the institutional archives of the Bildarchiv Foto Marburg, though they are not sufficiently labeled yet. The files of Nazi bodies and institutions supplement Kunstschutz research by shedding light on how the Kunstschutz differed from art looting, as well as on the overlap and cooperation in terms of work and personnel between the Kunstschutz and other Nazi institutions. The political archives of the Auswärtiges Amt contain the records of the German embassy in Paris and of the Sonderkommando Künsberg. The Bundesarchiv in Berlin have holdings relating to the Rosenberg office (NS 8), the ERR (NS 30), the Nazi party membership card index, and the upper administrative levels of the Reich Ministry of Science, Education, and Culture. The records of the monument preservation office and the regional Kunstschutz activities dating from Wolff Metternich’s time are also relevant to his work and wartime art protection. These are principally located in the archives of the LVR and consist of the holdings of the monument preservation office and provincial administration of the Rhineland. They include documents relating to rescue operations, air-raid and art protection; personnel files; and the register of archive consultants who worked with the Archivschutz during the Second World War. Other peripherally related files include the records of the administration of the Province of Prussia in the Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (Prussian Secret State Archives). Various cultural institutional archives document Wolff Metternich’s and the Kunstschutz’s connections to museums. Relevant items in these archives include Wolff Metternich’s articles and publications on monument preservation, art air-raid protection, while academic connections can be seen clearly in correspondence about research in the occupied zones, which includes research inquiries or requests for material, e. g. images, to be used in research. Jointly organised research projects are also documented in the holdings of the Deutsche Forschungsgemeinschaft (German Research Association) in the Bundes­ archiv in Berlin. The purchase of art in occupied France and its export to the German Reich took place with the authorisation of the Kunstschutz, and evidence of this can be found in, for example, the Rheinisches Landesmuseum Bonn (Museum of the Rhineland Bonn) holdings in the archives of the LVR, the Nationalgalerie (national gallery) holdings in the central archives of the Staatliche Museen (state museums) in Berlin, and the institutional archives of the current Suermondt-Ludwig-Museum (art museum) in Aachen. Information about the Kunstschutz’s involvement in the purchase and export of art from France can also be found in the archives of art dealers, for example the Hildebrand Gurlitt (1895 – 1956) Nachlass in the Bundesarchiv in Koblenz.

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The private and professional Nachlässe of members and agents of the Kunstschutz and related groups supplement the subjective personal accounts of those individuals and, like the NL FGWM , contain some reference files concerning their activity during the war. They are mainly stored in the archives of institutions to which the individuals concerned were connected, archives devoted to Nachlässe, or family archives. Two Nachlässe held in the Rhineland department of the North-Rhine Westphalia Landesarchiv (archive of the state NRW ) in Duisburg are worth mentioning in this context: the Nachlass of Alois Becker, senior civil servant under the Oberpräsident (supreme representative of the Prussian province) of the Rhineland, and the Nachlass of Josef Busley, a Kunstschutz officer who was director of the culture and monument preservation department under the Landeshauptmann (governor) of the Rhineland from 1927 until his dismissal in 1933, then did work in Bonn inventorying the monuments, and after the war rejoined the Kultus­ ministerium (Ministry of Education and Cultural Affairs) in Düsseldorf. Some parts of the Josef Busley Nachlass are also held in the Rheinisches Archiv für Künstlernach­lässe (Rhine Archive of Artists’ Personal Papers) in Bonn. Also stored there is part of the Nachlass of the Kunstschutz officer Carlheinz Pfitzner. Partial or full Nachlässe of various colleagues, as well as the Bonn professors Paul Clemen and Alfred Stange, are held in the artists’ archive at the Germanisches Nationalmuseum (Germanic National Museum) in Nuremberg. Part of the Clemen Nachlass (correspondence 1904 – 1948) is stored in the documentation department of the LVR-office for monument preservation in the Rhineland, in Pulheim-Brauweiler. The Ernst Zipfel Nachlass in the Bundesarchiv in Koblenz provides further information about the connection between the Kunstschutz and the Archivschutz. The Richard Hamann Nachlass in the Universitätsbibliothek (library of the University) in Marburg contains additional information about the photographic campaigns. The Johann Albrecht von Reiswitz Nachlass, some of which is held in the Bayerische Staatsbibliothek (Bavarian State Library) and some in the Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität (archives of the LMU) in Munich (as well as some still kept by the family), offers further opportunities for research into the Kunstschutz in Serbia. The private family archives of the Kunstschutz officers Hans Gerhard Evers and Wend Graf von Kalnein contain additional information in personal records. The Kunstschutz is also mentioned in the documents of various international institutions dealing with the investigation into art looting and restitution at the end of the war and the in postwar period. In German archives, these documents include files relating to restitution from the culture department and the TvK at the Auswärtiges Amt, which are held in the political archive of the Auswärtiges Amt. The Bundesarchiv in Koblenz also contains files from the TvK at the Oberfinanzdirektion (regional finance office) Munich and the holdings of the Institut für Besatzungsfragen. There are isolated references to the Kunstschutz in the investigation files from the Nuremberg trial, which are held in the Staatsarchiv Nürnberg (Nuremberg State Archive). The French Archives nationales hold files related to the postwar restitution and compensation process. The Archives diplomatiques (Diplomatic Archives) contain documents from the Commission de récuperation artistique

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(Artistic Recovery C ­ ommission), including extensive material relating to art looting and the repatriation of looted French cultural assets. In the USA, documents from the MFA&A units are held in the US National Archives. In particular, these include reports on institutions and actors — ​e. g. the Art Looting Intelligence Unit (ALIU) Reports 1945 – 1946 and ALIU Red Flag Names List and Index — ​connected with art looting in Italy and France, but also documents that shed light on American military art protection measures. The private Nachlässe of art protection officers are stored in various institutional archives. The UK National Archives also contain documents concerning cultural issues during the postwar period in the British occupation zone, which included parts of the Rhineland. As for documents relating to Wolff Metternich himself, in addition to the extensive NL FGWM, the aforementioned records relating to monument preservation in the archives of the LVR, and the files relating to his university connections in the archives of the University of Bonn and the archives of the Kunsthistorisches Institut, as well as in the political archive of the Auswärtiges Amt, there are also some interesting personnel files with information about Wolff Metternich’s actions and professional posts in the archives of the Max-Plank-Gesellschaft (Max Planck Society) in Berlin and the archives of the Bibliotheca Hertziana in Rome. From the postwar period, information about Kunstschutz activities comes particularly in the form of documents relating to the denazification of former Kunstschutz personnel. The denazification files from the British occupation zone, including those of Wolff Metternich, von Tieschowitz, and Kuetgens, are held in the Rhineland section of the North-Rhine Westphalia Landesarchiv in Duisburg. They are supplemented by Kunstschutz officers’ personnel files in various institutional archives. The apologias and statements of mutual exoneration, or indeed accusation, contain subjective information and shed light on networks. Yet, these documents must be considered in context and with a healthy amount of scepticism. The reception of Kunstschutz activities is also documented in archives, for example in letters in private Nachlässe or the institutional correspondence of former Kunstschutz personnel. Politically ambitious representations are recorded in the form of files relating to a planned white paper on the Kunstschutz in Italy, which are stored in the political archives of the Auswärtiges Amt. The personal accounts written by international art protection officers in various countries in the period directly after the war also contain information about their activities and networks. Newspaper articles from the war years and press coverage from the postwar period about the protection, destruction, looting, and restitution of artworks by or with the help of Kunstschutz personnel represent another source of information. Recent media such as children’s books, novels, or films are also evidence of the Kunstschutz’s international image and the public’s perception of art protection in general. This list can of course be expanded as needed, and is merely intended to identify the principal focal points. These holdings are discussed in more detail in the chapter dealing with archive and holding descriptions and the database.

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8. Characteristics of the Records The documents in the NL FGWM and the supplementary sources that relate directly to the Kunstschutz in France can be divided into several categories. For example, files that originated in the military administration districts can be separated from those that originated in the office of the Kunstschutz representative at the OKH. This facilitates document classification. The next step is to compare the structure of the filing plans with the records in the archives. Previously described fields of activity can thus be reconstructed, at least to some extent, based purely on the files. Above all, however, obvious gaps in the records can be identified and potential hypotheses can be formulated. The classification roughly corresponds to the thematic categories discussed above: 1. Documents drafted at the OKH for and by Wolff Metternich or von Tieschowitz, especially reports from the military administration districts to the Kunstschutz representative at the OKH or documents about structuring and organisation; 2. Documents from the art/culture department at the military administration in Paris, mostly internal administrative files; 3. Documents from military administration districts A/B/C drafted by Kunstschutz personnel, especially inspection reports regarding the condition and security measures, etc., of monuments, cities, castles, warehouses; 4. Outgoing correspondence from the Kunstschutz to French agencies, etc.; 5. Personal notes, journals, and diaries of Kunstschutz personnel; 6. In the supplementary sources, correspondence of other Nazi institutions with the Kunstschutz; 7. In the French supplementary sources, correspondence of French agencies, particularly the Musées nationaux, with the Kunstschutz; 8. Documents from the postwar period relating to restitution that are relevant to the Kunstschutz; and 9. Documents from the postwar period relating to the denazification of Kunstschutz personnel. The absence of ascription means it is not always clear which file donor the Kunstschutz’s administrative and reference files should be assigned to. Nevertheless, file AJ 40/573 in the French Archives nationales contains undated but detailed filing plans for the Kunstschutz group at the military administration; there are two not-quite-identical versions, both with handwritten revisions, as well as an OKH filing plan.88 The filing plan for the military administration area V 1/2 Kunstschutz is ordered by topic (Roman numerals), section (Arabic numerals), and name: 88 AN AJ 40/573, dossier 1, Kunstschutz (Groupe de protection des œuvres d’art) auprès de l’OKH. Plan de classement des documents du service.

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0 Kunstschutz 0 – 0 General 0 – 1 Internal administration, office affairs 0 – 2 Ordinances 0 – 3 Activity of Group V 1/2 (Kunstschutz) 0 – 4 Castle protection (general provisions) I Kunstschutz in the outer districts I – 0 District A correspondence and District A individual reports for letters A, B, C, D–G, H–L, M–Q, R–S, T–Z I  – 1 District B correspondence and District B individual reports for letters A–C, D–Q, R–Z I –  ​2 District C correspondence and District C individual reports for letters A–L, M–Z I – ​3 Paris correspondence and Paris individual reports I – 4 Belgium and Northern France II Prehistory and archaeology III Movable artworks III – 0 Storage facilities correspondence and storage facilities individual reports for letters A–C and D–Z, also storage facilities [illegible] III – 1 Messages related to the Ordinance of 15 July 1940 III – 2 Repatriation III – 2 a ERR III  – 2 b Devisenschutzkommando [Foreign Exchange Protection Commando] III – 2 c Safeguarding operations III – 2 d Military museum III –  ​3 Alsace — ​Lorraine III – 4 Art trade (alphabetical) III – ​5 Art trade general III – 6 [?] museum IV Victory and hate monuments V Metal collection (general provisions, monuments, bells) VI Passports, endorsements VI – 0 Passports VI – 1 Permit requests for letters A–D, E–M, N–Z VI – 2 Control sheets VI – 3 Prisoners of war VII Academic publications VIII Miscellaneous VIII – 0 Correspondence with Germany [lit. Heimat, homeland].

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The filing plan for the Kunstschutz at the OKH shows a higher-level structure: 1) General 2) Orders, ordinances 3) Personnel 4) Movable artworks 5) Reports Belgium 6) Belgium general 7 a) Reports France A 7 b) Reports France A 7 c) Reports France B 7 d) Reports France C 7 f ) Reports France (general situation and special reports) 8) France general 9) Holland 10) Germany [lit. Heimat, homeland] 11) Summary reports to OKH Gen.Qu. 12) Archaeology 13) Cars (including photographic campaigns) 14) Southern France 15) Italy 16) Newspaper clippings 17) Academic campaigns 19) Kunsthistorisches Institut [art history institute] 20) Southeast (Greece) 20 a) Southeast (Egypt, Serbia) 21) East (Russia) Special files Group 7 (finalised). The file NL FGWM, no. 141, which contains correspondence, situation and travel reports on the Kunstschutz in Southern France and lists of storage facilities (December 1942–June 1944), is presumably part of the extant OKH files: no. 14) Southern France. It also contains a filing plan, according to which part of the file is categorised as follows:89 1.) General. Correspondence with German agencies and the French about general matters, including art trade. 2.) Orders (fundamental), organisation, internal operations. 3.) Reports. Activity, travel, and situation reports, general overviews, lists of exempted buildings. 4.) Storage facilities and museums. 89 NL FGWM, no. 141, including filing plan, Kommandant des Heeresgebietes Südfrankreich Qu/ Kult, August 1943.

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a.) General correspondence, b.) Individual objects in alphabetical order. 5.) Individual objects (immovable and movable artistic monuments). a.) General correspondence, b.) Individual objects ordered by département. 6.) Italian occupied zone. The question raised by this filing plan is not so much which aspects can, unfortunately, not be covered in this inventory, but rather which sub-items are in fact documented. Judging by the nature of the files and the handwritten comments on the documents, it can at least be assumed that the documents in the NL FGWM are taken from the records of the Kunstschutz office at the OKH. This corroborates the theory that the files were selected by Wolff Metternich and von Tieschowitz and sent to Bonn. A list by von Tieschowitz of the file bundles sent, Nos. 1 – 16, entitled Files of the Kunstschutz representative at the OKH and dated 29 July 1943 provides further support for the idea that the files of the Kunstschutz office at the OKH were transferred to NL FGWM:90 List of the file bundles sent from Paris to Bonn on 29 July 1943: Files of the Kunstschutz representative at the OKH: 1) General, orders and organisation, reports France (general situation reports France), District C 2) Personnel 3) Movable artworks 4) Reports Belgium 5) Reports general 6) Reports France A–K 7) Reports France L–Z 8) Reports France Districts B and C 9) France general and Holland 10) Germany [lit. Heimat, homeland] 11) Summary reports to OKH Gen.Qu. 12) Archaeology, newspaper clippings 13) Research trips 14) Kunsthistorisches Institut, academic campaigns 15) Southeast (Greece) 16) Serbia, Egypt, East (Russia) Photographic campaign files: 1) General 2) Orders, personnel, reports (planning). Signed Tieschowitz, MVR. 90 NL FGWM, no. 34.

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A handwritten and undated list written by Wolff Metternich, which was typed and numbered in the addendum, also includes: Overview of the Kunstschutz files in Bonn 1) General orders from the military authorities. 2) General orders re: Kunstschutz, information booklets for troop commanders and troops re: protection of architectural and artistic monuments. 3) Movable artworks: protection and efforts to prevent abduction. 4) a) Travel reports from representatives arranged by district. b) Situation reports (general), monthly reports from the Kunstschutz representatives. c) Likewise for Serbia, Near East. 5) Reports on the destruction of artworks. 6) Protection of state storage facilities of French artworks. 7) Individual actions taken to protect architectural monuments (cathedrals pp.). 8) Repatriation of artworks stolen by the French 1795 – 1813. Excerpts from state archive files, correspondence. (Repatriation never started). Wolff Metternich and von Tieschowitz both stayed in Paris in July 1943 to select the files to be sent to Bonn. This is recorded in von Tieschowitz’s pocket diary: 24/07/43, Paris, afternoon with Mett. in the office, worked. Looking through the files. 25/07/43, Paris/ Versailles, with Metternich and Fräulein Schmidt in Versailles, morning St Germain-des-prés. Notre Dame, afternoon with Mett. and Schmidtchen in Versailles — ​delightful, dinner à trois in Paris Hotel Lotti, 10.30 Metternich left.91

A later entry reveals that the files were taken to Bonn by the driver Josef Bauch: 28/07/43, Paris, Bauch drives to Bonn with files. Wolff Metternich also mentioned the Kunstschutz files in his journal entry for his Paris trip of 12 – 25 July 1943: The days were filled with numerous professional matters, organising the files and so on, and also managed to fit in several interesting visits (…).92 When one compares the OKH filing plan with von Tieschowitz’s list of the files taken from Paris to Bonn and Wolff Metternich’s list of the Kunstschutz files, it emerges that there are files in the NL FGWM corresponding to every subheading, although these subheadings have not been retained in the current archival configuration and vary widely in scope. In particular, the headings for movable artworks, Germany [lit. Heimat, homeland], archaeology, the Kunsthistorisches Institut (probably meaning the KHF), southeast, and the east are sparsely represented. While von Tieschowitz’s list largely tallies with the OKH filing plan, Wolff Metternich’s list seems more like a thematic summary, perhaps because it was intended for 91 NL FGWM, no. 251. 92 NL FGWM, no. 200.

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use in the aforementioned “Kunstschutz white paper”, for which the documents had been gathered together. Filing plan OKH, AN AJ 40/573

List of files sent to Bonn, NL FGWM, no. 34

List of Kunstschutz files in Bonn, NL FGWM, no. 34

1) General 2) Orders, ordinances 3) Personnel 4) Movable artworks 5) Reports Belgium 6) Belgium general 7a) Reports France A 7b) Reports France A 7c) Reports France B 7d) Reports France C 7 f) Reports France (general situation and special reports) 8) France general 9) Holland 10) Germany [lit. Heimat, homeland] 11) Summary reports to OKH Gen.Qu. 12) Archaeology 13) Cars (including photographic campaigns) 14) Southern France 15) Italy 16) Newspaper clippings 17) Academic campaigns 19) Kunsthistorisches Institut 20) Southeast (Greece) 20a) Southeast (Egypt, Serbia) 21) East (Russia) Special files Group 7 (finalised).

1) General, orders and organisation, reports France (general situation reports France), District C 2) Personnel 3) Movable artworks 4) Reports Belgium 5) Reports general 6) Reports France A–K 7) Reports France L–Z 8) Reports France Districts B and C 9) France general and Holland 10) Germany [lit. Heimat, homeland] 11) Summary reports to OKH Gen.Qu. 12) Archaeology, newspaper clippings 13) Research trips 14) Kunsthistorisches Institut, academic campaigns 15) Southeast (Greece) 16) Serbia, Egypt, East (Russia) Photographic campaign files: 1) General 2) Orders, personnel, reports (planning) Signed Tieschowitz, MVR.

1) General orders from the military authorities. 2) General orders re: Kunstschutz, information booklets for troop commanders and troops re: protection of architectural and artistic monuments. 3) Movable artworks: protection and efforts to prevent abduction. 4 a) Travel reports from representatives arranged by district. b) Status reports (general), monthly reports from the Kunstschutz representative. c) Likewise for Serbia, Near East. 5) Reports on the destruction of artworks. 6) Protection of state storage facilities of French artworks. 7) Individual actions taken to protect architectural monuments (cathedrals pp). 8) Repatriation of artworks stolen by the French 1795 – 1813. Excerpts from state archive files, correspondence. (Repatriation never started).

The filing plan for the military administration area V 1/2 Kunstschutz cannot be reconstructed using the documents in the NL FGWM . Some of the subheadings in the filing plan do have thematically similar counterparts in the NL FGWM ’s descriptive units, particularly for headings 0 — ​Kunstschutz and 1 — ​Kunstschutz in the outer districts, but for the most part the filing plan seems to deal with documents (such as reports and administrative papers) drafted in the military administration for the Kunstschutz representative at the OKH , i. e. for Wolff Metternich or von Tieschowitz. Additional information about some of the subheadings in the filing plan can be found in individual files in the supplementary sources (for example, Zimmermann’s Kunstschutz files in the archives of the LVR , Bunjes’s files concerning the Kunstschutz’s organisational structure in the Archives nationales, and the files of the German military administration in the Archives nationales and the military archives in Freiburg). The supplementary sources from French institutions that cooperated with the Kunstschutz contain further information. Examples include files relating to the management of the French national art collections (the holdings of the Musées nationaux in the Archives nationales), the files of the private association La Demeure historique, or the administrative files of the Monuments historique (Médiathèque de l’architecture et

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du patrimoine). Subheadings III  — ​Movable artworks (divided further into repatriation, ERR , Devisenschutzkommando, and art trade) and IV  — ​Passes and endorsements are not well-documented but would be of particular interest for research into the provenance of Nazi-­confiscated art. Information about these areas can be found in other holdings (the ERR and TvK files in the Bundesarchiv, correspondence in museum archives, and the archives or private Nachlässe of art dealers), but it is very difficult to reconstruct the involvement and actual activity of the Kunstschutz on that basis alone. It is also interesting that information about movable artworks is only provided in abridged form in the OKH filing plan and the list of files sent to Bonn, and that it does not enable any conclusions to be drawn about the Kunstschutz’s involvement in art looting. In Wolff Metternich’s list, the heading for this topic explicitly positions the Kunstschutz as providing protection and efforts to prevent abduction. Translated and edited by Cadenza Academic Translations

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« Sous protection militaire en raison de sa valeur artistique ! » Esther Rahel Heyer

1. Introduction à l’inventaire d’un « fonds complet fictif » Les panneaux d’avertissement du Militärbefehlshaber in Frankreich (Commandement militaire allemand en France, désormais MBF), qui se trouvent notamment dans le Nachlass (le fonds privé) du comte Wolff Metternich Franziskus (1893 – 1978)1 et aux Archives nationales, constituent un signe éloquent de l’activité du service de protection des œuvres d’art et des monuments historiques, le Kunstschutz militaire. La citation partielle du texte placardé, « (…) sous protection militaire en raison de sa valeur artistique ! », est emblématique de l’objet principal de ce guide des sources : le cœur du fonds privé du comte Franziskus Wolff Metternich (NL FGWM) et les sources complémentaires sur le Kunstschutz militaire allemand pendant la Seconde Guerre mondiale en France. Cette introduction au guide des sources fait un point sur la recherche, dresse un état des lieux des principales sources connues à ce jour et présente des projets de recherche en cours. Après avoir réinscrit la protection militaire allemande des œuvres d’art dans son contexte, elle retracera la biographie du comte Wolff Metternich, puis explicitera la nature des archives, en décrivant et caractérisant les sources du NL FGWM et en les croisant avec la Gegen­ überlieferung (des sources complémentaires). Il en résulte un classement des documents par producteurs d’archives (institutions et correspondants) et par type de document. En comparant ces fonds avec des plans de classement,2 on essaiera de retracer la destinée des archives, opération qui permet consécutivement de déterminer avec précision quels dossiers sont conservés sur le Kunstschutz, d’identifier ceux que le comte Franziskus Wolff Metternich et son principal collaborateur, Bernhard von Tieschowitz (1902 – 1968), ont sciemment choisis et fait transporter au Denkmalpflegeamt der Rheinischen Provinzialverwaltung (Conservation des monuments de l’administration provinciale rhénane) à Bonn quelques mois et semaines

1 Vereinigte Adelsarchive im Rheinland e. V., Ehreshoven, Archives familiales des comtes Wolff ­Metternich zur Gracht, fonds privé du comte Franziskus Wolff Metternich (désormais NL FGWM), n° 74. 2 Voir la note dans la version allemande de l’introduction. Les notes de la version allemande ne sont pas traduites ici, on pourra les consulter dans cette dernière. Ne sont traduites ici que les notes explicatives dépassant le simple cadre de la référence bibliographique ou archivistique.

avant que les troupes allemandes ne quittent Paris en août 1944,3 les lacunes que ces dossiers mettent en lumière et les questions qui en découlent. Cette approche par les sources sur la question des champs d’activités du Kunstschutz et sur son fonctionnement vise à inspirer de futures analyses scientifiques.4 Cet inventaire facilitera l’accès à un ensemble thématique particulier de sources et leur mise à disposition contribuera à la recherche de provenance. D’un point de vue méthodologique, il s’inscrit dans le champ de la recherche fondamentale et des sciences fondamentales ou auxiliaires de l’histoire, précisément de l’archivistique. Il jette également des passerelles avec la recherche biographique et la théorie des réseaux, l’histoire des sciences, l’étude de la politique culturelle et l’histoire de l’Occupation ainsi qu’avec les approches par le transfert culturel et l’histoire de la réception. On y aura ponctuellement recours afin d’inscrire l’établissement de cet instrument de recherche dans un cadre scientifique et de mettre en lumière des pistes d’exploitations futures des sources de l’inventaire.5 La traduction en français et en anglais de l’introduction doit permettre de l’ouvrir à un cercle scientifique international le plus large possible. La facilitation de l’accès aux sources dans les archives, principalement françaises et allemandes, la mise en réseau des recherches récentes ou en cours qui a été effectuée lors d’un colloque ainsi que la publication des résultats et des démarches ne constituent qu’une partie des projets futurs qui se veulent internationaux, collaboratifs et transdisciplinaires. En particulier, il serait souhaitable d’ouvrir et de pouvoir exploiter d’autres fonds publics et privés, de même que de nouer de nouvelles coopérations scientifiques afin de pouvoir comparer différentes perspectives nationales, institutionnelles ou biographiques sur des acteurs particuliers, et de les faire dialoguer – au sens d’une histoire croisée.

2. État des lieux de la recherche Les recherches passées et actuelles sur le Kunstschutz peuvent être divisées en plusieurs catégories, dont les principaux axes thématiques sont : la genèse et le développement de 3 NL FGWM, n° 251. 4 Dans cette introduction, un grand nombre d’aspects ne peuvent qu’être brièvement mentionnés. Certains d’entre eux sont approfondis au sein des projets de recherche présentés dans ce volume ou sont publiés dans les contributions des actes du colloque sur « La protection du patrimoine culturel en France et en Rhénanie – Franziskus comte Wolff Metternich et le Kunstschutz pendant la Seconde Guerre mondiale » (colloque organisé au Kulturzentrum Abtei Brauweiler des Landschaftsverbands Rheinland, du 19 au 21 septembre 2019), voir Hans-Werner Langbrandtner/Esther Heyer/Florence de Peyronnet-Dryden (dir.), Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland. Franziskus Graf Wolff Metternich und der Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg (Brüche und Kontiunitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 5), Cologne/Vienne/Weimar 2021. 5 Voir la note dans la version allemande de l’introduction.

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l’institution pendant la Première Guerre mondiale, y compris les publications sur les expériences de ses acteurs ; la réactivation de l’institution pendant la Seconde Guerre mondiale; les biographies et mémoires ; la conservation du patrimoine rhénan ; les analyses critiques de l’après-guerre ; les recherches menées entre les années 1980 et 2010 sur l’art confisqué par les nazis et la protection des œuvres d’art ; les catalogues d’exposition et monographies sur l’histoire de l’institution et les mélanges. Il faut ici distinguer entre sources primaires et littérature secondaire ; pour la recherche sur les sources, enfin, les récits publiés par les collaborateurs du Kunstschutz sont évidemment particulièrement intéressants. Une bibliographie thématique sélective en fin de volume complète ce tour d’horizon de la recherche. Hormis quelques travaux et publications ainsi que des mélanges 6 publiés en l’honneur de son 80e anniversaire ou encore un article paru dans l’ouvrage 100 Jahre Bibliotheca Hertziana,7 on ne sait pas grand-chose de la personne de Wolff Metternich. Il est mentionné dans de nombreuses publications sur l’art spolié et le Kunstschutz, mais il n’existe toujours pas de biographie s’appuyant sur la nouvelle situation archivistique.8 Concernant la protection du patrimoine en France et en Rhénanie, les publications contemporaines des événements, par exemple sur l’inventorisation des monuments et des répertoires d’objets d’art nationaux précieux, sont importantes à titre de base du travail de l’époque, mais aussi pour l’analyse actuelle.9 Les Jahrbücher der Denkmalpflege (Annales de la conservation du patrimoine rhénan) fournissent un aperçu des tâches quotidiennes et de leur évolution sous le régime nazi.10 L’examen réflexif du Kunstschutz sur ses propres activités dans des ouvrages sur la guerre et la protection des monuments est aussi intéressant pour la Première Guerre mondiale que pour la Seconde.11 Les mélanges et articles rendant hommage aux activités et mérites de ses acteurs offrent d’étudier de plus près l’histoire de la réception et d’analyser la mise en scène (de soi) des agents du Kunstschutz. Sur la Bodendenkmalpflege der Rheinprovinz (Conservation du patrimoine archéologique de la Province rhénane), comme sur la politique culturelle dans cette région administrative sous le Troisième Reich, existent des publications et actes de colloque permettant de les positionner dans ce contexte.12 Mentionnons encore les liens avec l’université de Bonn et les ramifications des réseaux intrapersonnels.13 Jan Schleusener mène actuellement une étude comparative sur la conservation du patrimoine en Bavière, Thuringe et Rhénanie.14

6 Ibid. 7 Ibid. 8 Ibid. 9 Ibid. 10 Ibid. 11 Ibid. 12 Ibid. 13 Ibid. 14 Ibid.

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Les travaux sur les « biens culturels soustraits à la suite de persécutions nazies », la recherche de provenance, celle sur les questions de la Vergangenheitsbewältigung (le travail de mémoire) et de la restitution, sur les mécanismes et les acteurs du pillage du patrimoine culturel et de la politique culturelle pendant l’Occupation se sont fortement accrus dans le sillage de la déclaration de Washington de 199815 et de la déclaration commune du gouvernement fédéral et des Länder de 1999.16 Les recherches sur l’Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR), sur les acteurs du marché de l’art et de l’histoire des musées ou de divers collectionneurs, tout particulièrement, font référence au Kunstschutz.17 Ce champ de recherche en plein essor, qu’il faudrait pouvoir évoquer bien plus en détail que nous ne pouvons le faire ici, promet d’offrir à l’avenir également des passerelles avec une recherche, elle aussi en expansion, sur le Kunstschutz, notamment en ce qui concerne les relations scientifiques, le patrimoine culturel et la translocation.18 La recherche sur le Kunstschutz pendant la Première Guerre mondiale en France et en Belgique a été ces deux dernières décennies bien déblayée, en particulier par Christina Kott.19 Elle estime qu’il est « inapproprié » de réduire l’emploi du terme « Kunstschutz » aux activités d’un groupe particulier de personnes ou à un service administratif pendant la Deuxième Guerre mondiale, qui, de plus, reste marqué par des présentations de soi imprécises et subjectives rédigées a posteriori. Il n’existe pas encore d’analyse concrète et minutieuse ni d’historicisation du concept et du champ d’activité du Kunstschutz.20 Le récit des protagonistes s’appuie, d’une part, sur des publications concernant les missions effectuées pendant la guerre, d’autre part sur des rapports d’activité conclusifs, dont certains sont d’ailleurs accessibles en bibliothèque. Les archives des musées et universités, celles de l’administration militaire et les fonds privés en conservent un nombre bien plus important. Certains de ces mémoires de défense ont été remaniés en vue de leur publication et, en raison de la rareté des sources disponibles, ont marqué la réception du Kunstschutz et de ses collaborateurs.21 Margot Günther-Hornig a tenté de présenter une étude générale pour le compte de l’Institut für Besatzungsfragen (Institut pour les questions sur l’Occupation) à la fin des années 1950, mais elle repose sur des sources éparses et, pour part, uniquement sur les déclarations des anciens acteurs. L’accès aux dossiers de Wolff Metternich lui a été refusé.22

15 Ibid. 16 Ibid. 17 Ibid. 18 Ibid. 19 Ibid. 20 Ibid. 21 Ibid. 22 Ibid.

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Ces rapports des officiers du Kunstschutz fournissent certes des informations sur les activités de ce service, mais ils se rapprochent souvent de récits dans des journaux intimes 23 ou décrivent les transferts dans des institutions et accordent donc plus d’attention aux objets qu’aux enchevêtrements organisationnels.24 Pour appréhender correctement le Kunstschutz, il est également indispensable de s’intéresser aux organismes apparentés, telles que l’Archivschutz (service de protection des archives) et le Bibliotheksschutz (service de protection des bibliothèques), ainsi qu’aux témoignages et publications scientifiques les concernant.25 Les parutions ultérieures dont le titre renvoie à ces problématiques, telle celle de Günther Haase, relèvent de l’anecdotique, faute de s’appuyer sur suffisamment de sources consistantes.26 L’essor de l’histoire des sciences, de la recherche de provenance et de celle sur le transfert des biens culturels s’est accompagné ces dernières années d’un regain d’intérêt pour le Kunstschutz militaire.27 Depuis le succès de l’adaptation cinématographique du livre de Robert Edsel, « Monuments Men », et les recherches prosopographiques sur le personnel de cette institution menées dans son sillage, les officiers américains du Monuments, Fine Arts, and Archives Section (MFA&A) sont très présents.28 On peut également intégrer dans ce courant de recherche Rose Valland (1898 – 1980), héroïne et espionne française puis officier de la protection des œuvres d’art dans l’Allemagne occupée d’après-guerre.29 L’intensité des recherches actuelles sur le Kunstschutz ou les vastes questions de la protection du patrimoine culturel et de la translocation a de quoi réjouir. Le présent guide d’archives ainsi que la base de données, la publication imprimée et les actes de colloque entendent aussi y contribuer, et il a été possible de réunir une partie des chercheurs pour ces publications. Toutefois, il n’existe toujours pas aujourd’hui d’étude qui rendrait compte du Kunstschutz dans sa globalité. Christina Kott a déjà publié quelques articles et les résultats de son projet d’HDR promettent d’apporter de nouveaux éclairages.30 Le Kunstschutz en Italie a été bien étudié par Christian Fuhrmeister. Dans la publication récente de son mémoire d’habilitation, il le réinscrit dans le contexte de l’histoire de l’art, de la politique et de la propagande, et analyse les ruptures et continuités au-delà de la guerre.31 Le Kunstschutz en Grèce est actuellement abordé sous deux angles : Alexandra Kankeleit s’y est intéressée dans le cadre d’un projet sur l’étude de l’histoire nazie du Deutsches Archäologisches Institut

23 Ibid. 24 Ibid. 25 Ibid. 26 Ibid. 27 Ibid. 28 Ibid. 29 Ibid. 30 Ibid. 31 Ibid.

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(­ Institut archéologique allemand) à Athènes, Raik Stolzenberg consacre une thèse aux relations du Kunstschutz et de l’Ahnenerbe.32 Il existe également des articles sur le Kunstschutz et ses activités en Serbie, et Andreas Roth a récemment publié une monographie sur le baron Johann Albrecht von Reiswitz (1899 – 1962).33 Le pillage et le sauvetage dans les musées russes pendant la Seconde Guerre mondiale ont également donné lieu à une publication récente qui prend également en compte « l’acteur sous-estimé » en Russie.34 La « protection des œuvres d’art dans l’Allemagne occupée » et la politique de restitution dans les zones d’occupation française et américaine ont été analysées par Emily Löffler dans sa thèse de doctorat. Elle y décrit les relations interalliées et les interdépendances avec des acteurs allemands.35 Pour sa part, Laura Nicolaiciuc mène actuellement une thèse sur les précurseurs de la protection des œuvres d’art aux États-Unis.36 Enfin, la mise en scène médiatique est à la fois intéressante et pertinente pour l’histoire de la réception. Le livre blanc envisagé par les collaborateurs du Kunstschutz et Wolff Metternich n’a cependant jamais vu le jour.37 Plusieurs projets d’exposition organisés dans des musées ou dépôts d’évacuation ont abordé ou abordent la question de la protection des œuvres d’art en temps de guerre.38 Le Kunstschutz dans Paris occupé constitue également une trame narrative centrale de « Francofonia », film du réalisateur russe Alexandre Sokourov.39

3. Présentation des sources La recherche sur le Kunstschutz est entravée par l’état fragmentaire des sources. Il n’a jamais été créé, ou bien il n’existe plus d’institution archivistique qui regrouperait l’intégralité des documents du Kunstschutz auprès de l’Oberkommando des Heeres (OKH ; l’état-major de l’armée de terre) ou des sections des administrations militaires dans les territoires occupés. Dès 2000, Anja Heuß a souligné que les dossiers du Kunstschutz en France étaient considérés comme perdus pour leur grande majorité.40 Christian Fuhrmeister constate que les sources en Italie sont parcellaires et explique qu’il est impératif de comparer différents fonds partiels, dont la densité des sources varie fortement : des archives et fonds privés de diverses institutions et acteurs impliqués dans le Kunstschutz, des archives d’État qui ont conservé

32 Ibid. 33 Ibid. 34 Ibid. 35 Ibid. 36 Ibid. 37 Ibid. 38 Ibid. 39 Ibid. 40 Ibid.

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trace des négociations de l’administration militaire, ou encore l’ensemble des lieux où sont conservées des enquêtes (également internationales).41 Seules l’histoire croisée et l’intégration des contacts internationaux permettent de surmonter le premier obstacle – reconstituer, en amont du travail proprement dit, les fonds disparates de sources – et d’éviter une présentation partiale. Cette approche nécessite de mener des recherches à plusieurs niveaux, à l’image des activités et des acteurs du Kunstschutz, et d’identifier les pièces d’archives publiques pertinentes dans les archives privées ou d’État, mais aussi les documents privés au sein des archives publiques.42 Ces sources hétéroclites constituent le point de départ de la comparaison des papiers conservés dans le NL FGWM avec ses sources complémentaires, que nous esquisserons brièvement ici. Citons à titre d’exemple les publications des Archives nationales en France et du Militärarchiv (Département militaire des Archives fédérales) à Fribourg-en-Brisgau, avec le soutien de l’Institut historique allemand à Paris. Elles détaillent et analysent les fonds conservés de l’administration militaire en France dans des instruments de travail qui se complètent, ce qui en facilite considérablement l’accès.43 Le Bundesarchiv (Archives fédérales) à Berlin abrite aussi des sources sur les organisations nazies impliquées ; les fonds sur la Treuhandverwaltung von Kulturgut (TvK)44 et sur l’Institut für Besatzungsfragen se trouvent au Bundesarchiv de Coblence. Les sources sur la politique culturelle sont conservées au Politisches Archiv (Archives politiques) du ministère des Affaires étrangères, de même que les dossiers individuels de Wolff Metternich et de von Tieschowitz lorsqu’ils étaient en poste au ministère des Affaires étrangères à Bonn.45 Les documents sur l’exercice ininterrompu de la fonction de conservateur provincial de Wolff Metternich sont consultables à l’Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland (ALVR ; Archives des autorités régionales de Rhénanie), où l’on saisit clairement les recoupements entre activités et individus.46 Il faut également partir en quête des sources sur les personnes et institutions impliquées dans les archives des universités, des musées et dans les fonds privés.47 Sur ce même principe, des recherches ont 41 Ibid. 42 Ibid. 43 Ibid. 44 Ibid. « La Treuhandverwaltung für Kulturgut (TvK) est une administration créée en République fédérale d’Allemagne (RFA) en 1952, chargée de la conservation des œuvres d’art qui, après avoir été pillées ou spoliées par les nazis entre 1933 et 1945, ont été récupérées par les Alliés occidentaux à la fin de la Seconde Guerre mondiale. », Marie-Bénédicte Vincent, « Une administration ouest-allemande en charge des œuvres d’art à restituer après le nazisme : la Treuhandverwaltung für Kulturgut (1952 – 1962)  », Revue de l’IFHA [en ligne], 6 2014, mis en ligne le 31 décembre 2014, consulté le 2 novembre 2020. URL : http://journals.openedition.org/ifha/8072 ; DOI : https://doi.org/10.4000/ ifha.8072. 45 Voir la note dans la version allemande de l’introduction. 46 Ibid. 47 Ibid.

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également été effectuées dans les fonds publics, les archives de différentes institutions et fonds privés en France, en Belgique, aux Pays-Bas, aux États-Unis et en Angleterre.48 Aujourd’hui comme hier, l’accès à ce matériau est facilité par des inventaires qui ont été élaborés ou remaniés lors du traitement des fonds. Ceux qui sont fréquemment consultés ont été partiellement numérisés et rendus accessibles sous forme de bases de données.49 Dans ce contexte, il ne faut pas oublier l’obligation faite aux archives d’ouvrir leurs sources à la recherche de provenance, conformément aux accords de Washington et à la déclaration de principes commune de l’État fédéral et des Länder.50 L’ouverture du NL FGWM a elle aussi contribué à combler une lacune dans l’ensemble documentaire sur le Kunstschutz. On sait depuis bien longtemps que Wolff Metternich et ses collègues avaient ramené en Allemagne des dossiers constitués en France. En témoignent les questions entre collègues sur le lieu de conservation du matériau archivistique, la demande d’information à des fins scientifiques adressée par Margot Günther-Hornig dans les années 1950 ou encore les contacts de la famille avec les chercheurs et chercheuses.51

4. Contexte historique La mise en place du Kunstschutz militaire dans le sillage de la campagne militaire déclenchée à l’ouest par la Wehrmacht au printemps 1940 s’aligna sur le modèle des mesures de protection des biens culturels pendant la Première Guerre mondiale. La notion de « Kunstschutz » remonte également à cette époque. Suite aux destructions, en Belgique tout particulièrement, et au tollé international qu’elles suscitèrent, l’Allemagne créa une unité militaire – notamment à des fins de propagande visant à redorer son blason. Mission lui fut donnée de protéger le patrimoine artistique, les bâtiments et monuments historiques contre les dégradations par faits de guerre.52 Il est bien évident que le terme « Schutz », c’est-à-dire protection, ne décrit pas de façon appropriée les activités de cette institution en temps de guerre. Il faut aussi rappeler que ces unités ne furent jamais dotées de beaucoup de prérogatives, que leurs marges de manœuvre étaient extrêmement minces et qu’elles pâtissaient d’une pénurie de 48 Ibid. 49 Les instruments de recherche relient les fonds d’un site d’archives au niveau de la description de la pièce ; ce sont des répertoires qui permettent de chercher des archives pertinentes. Un état physique des répertoires est souvent qualifié d’inventaire. Il décrit et comprend une structure de l’état du fonds, une introduction sur son histoire et sur les producteurs d’archives, et sa partie principale se compose d’une énumération des documents en précisant la forme et le contenu des cotes. De nombreuses institutions proposent également des instruments de recherche en ligne, des bases de données grâce auxquelles il est possible d’effectuer des recherches au moyen de différentes fonctions. 50 Voir la note dans la version allemande de l’introduction. 51 Ibid. 52 Ibid.

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ressources. Il est tout aussi incontestable que la mise en place du Kunstschutz était essentiellement une mesure de propagande, qui devait faire accroire l’idée d’un intérêt supérieur pour le patrimoine culturel de l’humanité – alors que le véritable objectif était de rapatrier au sein du Reich les œuvres « volées » sous Napoléon. Après coup, les activités de protection furent magnifiées tandis que la saisie chauvine par le biais de l’inventorisation et de la documentation photographique fut largement passée sous silence.53 Paul Clemen (1866 – 1947), professeur en histoire de l’art à l’université de Bonn et officier du Kunstschutz pendant la Première Guerre mondiale, dirigea peu après la fin du conflit un ouvrage collectif en deux volumes sur les perceptions et les jalons relatifs à l’idée altruiste de la protection des œuvres d’art, et forgea ainsi durablement ce récit.54 Avant même l’institution d’un Kunstschutz militaire par l’occupant, la France avait commencé au cours de la guerre de 1870 à inventorier systématiquement et à délocaliser les principales collections d’art nationales dans des dépôts sélectionnés à des fins de sauvetage. Ces opérations fournirent des données empiriques et des systématismes qui purent être réactivés lors des conflits suivants.55 La tradition de recensement du patrimoine culturel d’importance nationale dans la foulée des processus de nationalisation de la fin du XIXe siècle joua ici aussi un rôle important.56 Les questions d’identité culturelle, d’histoire de l’inventorisation et de stratégies nationales qu’ils renferment sont intéressantes dans la mesure où ces inventaires furent utilisés comme document de référence pour effectuer la récupération ciblée de biens culturels pendant la guerre.57 La protection des biens culturels lors de conflits armés était encadrée par un accord international, la convention de la seconde conférence de La Haye en 1907, qui avait été acceptée et ratifiée à l’échelle internationale. Toutefois, la conduite de la guerre primait sur la protection 58. L’engagement de Paul Clemen, professeur et prédécesseur de Wolff Metternich, en faveur de la préservation du patrimoine culturel de l’humanité ainsi que ses travaux constituèrent un socle naturel sur lequel se fondèrent la conception et l’action de Wolff Metternich au sein du Kunstschutz militaire pendant la Seconde Guerre mondiale. Compte tenu de la réception largement positive de ces personnalités qui se mobilisèrent pendant des décennies en faveur de la sauvegarde des monuments d’art et d’histoire, mais aussi de leurs réseaux internationaux, il est également impératif de tenir compte de l’estime sur le long terme dont bénéficia le Kunstschutz.

53 Ibid. 54 Ibid. 55 Ibid. 56 Ibid. 57 Ibid. 58 Ibid.

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En mai 1940, le Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM ; ministère des Sciences, de l’Éducation et de l’Éducation populaire du Reich) nomma Wolff Metternich délégué du Kunstschutz dans les territoires occupés auprès de l’OKH. Les différentes formes d’administration des pays occupés représentèrent toutefois dès le départ un défi pour la standardisation des procédures. Non seulement les mesures de protection ne pouvaient pas être préventives et devaient suivre le front, mais la mise en place des services du Kunstschutz au sein des diverses administrations militaires fut subordonnée à la coordination des états-majors de l’administration militaire des divers Heeresgruppen (groupes d’armées). La campagne militaire à l’Ouest révéla clairement les difficultés : l’avancée rapide des troupes, le retrait des Pays-Bas du domaine de compétences de l’OKH, la création d’une administration militaire pour la Belgique et la France ou encore, en juin 1940, la nomination du commandant en chef de l’armée de terre allemande, le général Walther von Brauchitsch (1881 – 1948), comme commandant militaire en France alors que le quartier général de l’OKH était établi à Fontainebleau et celui du MBF à l’hôtel Majestic, avenue Kléber à Paris. L’étroitesse des marges de manœuvre du Kunstschutz militaire allemand s’explique notamment par diverses mutations de personnel et restructurations suite à des conflits d’intérêts, par la poursuite de la guerre, mais avant tout par des querelles de compétence avec Otto Abetz (1903 – 1958) à l’ambassade d’Allemagne à Paris et avec l’Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg à propos de la « mise en sécurité » de collections privées, en règle générale juives. À partir d’octobre 1940 et jusqu’en février 1942, le général Otto von Stülpnagel (1878 – 1948) assuma les fonctions de MBF, avant d’être remplacé par Carl-Heinrich von Stülpnagel (1886 – 1944) qui resta en poste jusqu’en juillet 1944 – une fonction dépourvue de pouvoir de commandement sur les troupes. La structure administrative mise en place depuis l’armistice et comprenant cinq districts (nord-est, nord-ouest, sud-ouest, Bordeaux et Paris) resta immuable, chaque préfecture était rattachée à une Feldkommandantur (Kommandantur de département), chaque sous-préfecture à une Kreiskommandantur (Kommandantur d’arrondissement). Ces structures furent allégées et une partie des effectifs fut redéployée lorsque l’Allemagne déclencha ses offensives à l’Est à partir du printemps 1941 – des mesures qui n’épargnèrent pas le Kunstschutz. La latitude d’action de Wolff Metternich à la tête de ce service était restreinte, notamment parce que l’OKH échoua à exercer souverainement le contrôle et le pouvoir dans les territoires occupés. En France, par exemple, l’armée de l’air et la marine en premier lieu, mais également les ministères, divers offices, les bureaux du NSDAP et des institutions civiles s’immiscèrent dans la partie 59. L’administration militaire était divisée entre l’état-major proprement militaire, le Kommandostab qui avait autorité sur les troupes allemandes d’occupation, et l’état-major administratif, le Verwaltungsstab qui contrôlait l’administration française et devait assurer un fonctionnement sans heurts ainsi qu’un retour rapide à la normalité. L’état-major ­administratif

59 Ibid.

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était dirigé par Werner Best (1903 – 1989), qui avait Alexander Langsdorff (1898 – 1946) pour adjoint.60 Avec la mise en place de l’administration militaire, divers services furent créés au sein de la division des administrations culturelles et artistiques (anciennement groupe enseignement et culture V 14, puis groupe V 1/2), à savoir le Kunstschutz, l’Archivschutz et le Bibliotheksschutz. Le service de protection des archives vit le jour sur ordre de l’OKH le 17 juillet 1940, et démarra ses activités au 1er août 1940. Le 22 mai 1940, Ernst Zipfel (1891 – 1966) fut nommé « commissaire à la protection des archives » dans la zone d’opérations occidentales, et Georg Schnath (1898 – 1989) directeur de l’Archivschutz en France, Georg Winter (1895 – 1961) sous-directeur, tandis que Georg Sante (1896 – 1984) fut chargé de ces fonctions en Belgique et dans la France du Nord et que Bernhard Vollmer (1886 – 1958) était nommé auprès du Reichskommissar (commissaire du Reich) pour les Pays-Bas occupés. L’Archivschutz avait pour missions principales d’établir un inventaire des dommages de guerre, de protéger les fonds délocalisés contre le pillage et la destruction et de dresser des listes de rapatriement. Les chevauchements de ces priorités avec celles des institutions idéologiques, notamment, qui confisquaient des fonds devant nourrir la recherche nazie et légitimer la politique d’expansion (génocidaire), lui compliquèrent la tâche. Il lui fallait entre autres coopérer avec le Chef der Heeresarchive (chef des archives de l’armée de terre), le Sonderkommando Künsberg (commando spécial Künsberg) et l’Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, voire leur céder des prérogatives. Les listes de rapatriement donnèrent ainsi lieu à des différends scientifiques à propos du principe de provenance et de pertinence, c’est-à-dire au sujet de la demande de restitution de dossiers originaires d’Allemagne et de l’extension de la mainmise de l’Allemagne sur des dossiers concernant des producteurs d’archives étrangers. En outre, la compétence de l’Archivschutz ne fut pratiquement pas étendue au sud de la France en raison du fort déclin de personnel à partir de 1942.61 Le 2 juillet 1940, Hugo Andres Krüß (1879 – 1945), directeur général de la Preußische Staatsbibliothek (Bibliothèque nationale de Prusse), fut nommé « commissaire à la mise en sécurité des bibliothèques » pour la zone d’opérations occidentales. Entre 1940 et 1942, Ernst Wermke (1893 – 1987) dirigea le Bibliotheksschutz, puis fut remplacé par son adjoint, Hermann Fuchs (1896 – 1970), qui resta en poste jusqu’à la dissolution du service. Ici aussi, la mission était de mettre en sûreté et de protéger les bibliothèques françaises, mais, avant tout, de recenser les ressources documentaires allemandes dans leurs fonds et d’établir les listes de rapatriement. À l’issue de cette dernière tâche, l’effectif du service fut lui aussi fortement réduit dans le courant de l’année 1942.62 Le Referat für Vorgeschichte und Archäologie (Bureau de préhistoire et d’archéologie) fut créé à l’automne 1940 à l’initiative de Martin Schede (1883 – 1947), directeur de 60 Ibid. 61 Ibid. 62 Ibid.

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l­ ’Archäologisches Institut des Deutschen Reiches (Institut archéologique du Reich allemand), et dirigé à partir du 1er décembre 1940 par Eduard Neuffer (1900 – 1954). Il fut maintenu jusqu’en juillet 1942. Là encore, outre une mission de « protection » et de documentation, ce service avait pour principal dessein d’offrir un accès sans frein à la recherche, aux objets et aux documents de la zone occupée et de planifier le retour des biens enlevés à l’Allemagne. Il venait donc compléter ses homologues de l’art, des archives et des bibliothèques.63 Si, contrairement aux collectifs de pillage, ces services n’avaient pas une mission exclusive de confiscation, la documentation, l’inventorisation et l’établissement de listes de restitution ou encore les projets de recherche constituaient bien des préliminaires à de futures appropriations, à une « mise en sécurité » ambivalente et à un rapatriement en Allemagne. Alors que l’Archivschutz et le Bibliotheksschutz étaient subordonnés aux différents commandants en chef et au commissaire de leur ressort au sein du Reich, Wolff Metternich était placé sous la tutelle de l’OKH, compétent sur la totalité des territoires occupés (sous administration militaire) et considérait donc également que la protection des œuvres d’art à l’intérieur du Reich relevait de ses attributions. Sur ordre du commandant en chef de l’armée de terre, Wolff Metternich fut affecté le 13 mai 1940 à l’OKH en vue de mettre en sécurité le patrimoine culturel dans les pays occupés. Il fut d’abord rattaché aux groupes d’armées A et B, dont il était le responsable respectif pour ces questions au sein de l’état-major du quartier-maître général (chef administratif ). Après la mise en place des administrations militaires en Belgique et en France, les commandements militaires furent dotés de personnel qualifié pour le Kunstschutz. Wolff Metternich resta auprès de l’OKH, d’abord à Bruxelles, puis à Paris. Les structures administratives du Kunstschutz au sein des diverses administrations militaires furent créées le 19 juillet 1940 par ordre du commandant en chef de l’armée de terre. Avec le redéploiement de l’OKH en Allemagne, les pouvoirs de Wolff Metternich furent élargis et il devint chef de division de l’administration militaire. En avril 1941, il fut intégré à l’état-major administratif de l’administration militaire, tout en conservant ses fonctions de délégué auprès de l’OKH, et devint le directeur du nouveau groupe administratif V 14 Kunstschutz und Archäologie (Protection des œuvres d’art et archéologie), puis, à l’automne, directeur de la division culturelle auprès du Militärbefehlshaber en France occupée. Suspendu en juin 1942, il fut remplacé par son adjoint Bernhard von Tieschowitz, tandis qu’il retrouva à Bonn ses missions de conservation des monuments et de protection du patrimoine artistique.64 Wolff Metternich put peser sur le choix de ses collaborateurs au Kunstschutz en France et fit appel à des collègues rhénans. Le 1er août 1940 Felix Kuetgens (1890 – 1976) fut nommé directeur du bureau du Kunstschutz à Paris et était secondé par Hans Hörmann (1894 – 1985) à Saint-Germain pour le nord de la France, Josef Busley (1888 – 1969) à Angers pour l’Ouest, 63 Ibid. 64 NL FGWM, n° 53, « Rapport final sur le travail du directeur du Kunstschutz pour la période mai 1940–septembre 1944 ».

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Walther Zimmermann (1902 – 1961) à Dijon pour l’Est, plus tard Hans Möbius (1895 – 1977) à Lyon pour la zone Sud et, enfin, par Hermann Bunjes (1911 – 1945) pour le « Grand Paris » (Groß-Paris). Les collaborateurs de Kuetgens à Paris étaient Carlheinz Pfitzner (1908 – 1944) et le comte Wend Kalnein (1914 – 2007). Le groupe culture comprenait également les services d’enseignement dirigé par (prénom inconnu) Reiprich (dates inconnues), de protection des bibliothèques (Hermann Fuchs), de protection des archives (Georg Schnath) et d’archéologie (Eduard Neuffer).65 En Belgique, c’est Heinz Rudolf Rosemann (1900 – 1977) qui dirigeait la division du Kunstschutz et avait Henry Koehn (1892 – 1963), Wolfgang Kroenig (1904 – 1992) et Joachim Wolfgang von Moltke (1909 – 2002) pour collaborateurs. À la tête du bureau de protohistoire et d’archéologie, institué en 1941, se trouvait Joachim Werner (1909 – 1994). En Serbie, Johann Albrecht von Reiswitz (1899 – 1962) fut investi de la direction du groupe protection artistique, archéologie et protohistoire à partir de l’été 1941. En Grèce, le Kunstschutz fut dirigé à partir de février 1941 par Hans Ulrich von Schoenebeck (1904 – 1944), puis par Wilhelm Kraiker (1899 – 1987), d’abord nommé sous-directeur à compter d’octobre de la même année puis directeur à partir de juillet 1942 ; Ernst Kirsten (1911 – 1987) et Ulf Jantzen (1909 – 2000) en furent temporairement les assistants de recherche. En Italie, après la création du service du Kunstschutz en 1943, Alexander Langsdorff fut nommé directeur de l’équipe et Hans Gerhard Evers (1900 – 1993) sous-directeur. Gustav André (1900 – 1989), Hans Adalbert von Stockhausen (1874 – 1942) et Richard Hamann-Mac Lean (1908 – 2000) étaient chargés, au sein du Kunstschutz, des campagnes photographiques de l’équipe de recherche en histoire de l’art et furent ponctuellement secondés par Reinhold Strenger (1903–après 1966) et Günther Schiedlausky (1907 – 2003), ce dernier ayant également travaillé pour l’ERR. Leurs missions varièrent en fonction du territoire occupé et des axes de recherche des collaborateurs, mais aussi de l’influence plus ou moins grande d’autres institutions nazies sur place. Pour Wolff Metternich, qui s’appuyait sur les travaux du Kunstschutz pendant la Première Guerre mondiale, sur les dispositions de la seconde conférence de La Haye et sur ses propres expériences de conservateur provincial de Rhénanie, le Kunstschutz avait six objectifs prioritaires : – protéger les monuments publics et les bâtiments historiques, – gérer les immeubles à valeur artistique, – protéger les musées et les collections publiques, – protéger le patrimoine artistique mobilier, – surveiller la vie artistique, – mener des recherches scientifiques. 65 NL FGWM, n° 240, documents sur la création du Kunstschutz, notamment la correspondance entre Robert Hiecke et le comte Franziskus Wolff Metternich. Voir également NL FGWM, n° 48, lettre de Wolff Metternich à Paul Clemen en date du 22 juillet 1940 à propos de l’organisation du Kunstschutz et du recrutement ou du choix de collègues supplémentaires.

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Plus concrètement, les missions consistaient à protéger les dépôts d’évacuation des musées publics, évaluer la possibilité de réquisitionner certains lieux pour y loger les troupes, surveiller et entretenir les dépôts au moyen de ressources humaines et matérielles et coopérer avec l’administration et la conservation du patrimoine françaises afin, par exemple, de les doter en personnel autorisé. Il fallait aussi délivrer des interdictions de loger des troupes dans les bâtiments historiques importants, les sensibiliser à dresser un inventaire des objets précieux et à utiliser les lieux de façon appropriée afin d’éviter leur destruction. La compétence en matière de protection du patrimoine artistique privé se transforma en point de litige avec l’ERR et fut rapidement retirée au Kunstschutz. La reconstruction et le retour à la normalité (à l’instar de la réouverture du Louvre) relevaient également des mesures de propagande assurées, entre autres, par le Kunstschutz. En outre, ce service profita des nouvelles possibilités offertes par l’occupation en matière de recherche et d’accès à un matériau jusque-là hors de portée. Ainsi, la création d’une « équipe de travail sur les sciences de l’art » au sein de l’OKH – avec des subventions financières et matérielles du REM –, comprenant Richard Hamann (1879 – 1961) à l’université de Marbourg et Alfred Stange (1894 – 1968) à celle de Bonn, visa à produire une documentation photographique et des publications, à organiser des conférences comme des voyages dans les territoires occupés, et conduisit au début 1942 à créer la Kunsthistorische Forschungsstätte (KHF, Institut allemand de recherche en histoire de l’art) à Paris. À son apogée au début de l’année 1942, le Kunstschutz comptait 28 fonctionnaires de l’administration militaire et un chauffeur de camion, Josef Bauch (dates inconnues), ainsi que deux secrétaires, l’une, Gisela Günther (dite Gigü, dates inconnues), affectée à l’administration militaire et l’autre, Margarethe Schmidt (dite Schmidt’chen, dates inconnues) à l’OKH. 24 officiers et sous-officiers avaient été détachés aux missions spéciales du Kunstschutz, qui a donc employé jusqu’à 54 personnes pour l’ensemble des territoires occupés, sans compter les auxiliaires civils, ainsi que la main d’œuvre française employée à la tâche. Puis suivit une période de forte régression, due à la quantité de missions déjà accomplies, à des procédures plus fluides et à la suppression de personnel corollaire à l’offensive à l’Est. La réduction des effectifs à partir de 1942 fut de plus en plus problématique en raison de l’éventail croissant des tâches résultant de l’extension de la zone occupée au sud de la France, des assauts alliés ou des attaques de la Résistance, mais aussi, à partir de 1943, de l’attribution de nouvelles compétences en Italie. Le redéploiement des troupes amena notamment les officiers du Kunstschutz restés en poste en France à souligner à la fois l’urgence croissante et la caducité des mesures de protection.66 La liberté dont jouissait Wolff Metternich pour nommer « ses » collaborateurs dans les services de l’administration militaire, ce qu’il effectua souvent sur la base de relations professionnelles nouées en Rhénanie, montre à nouveau qu’il est important d’accorder une attention minutieuse à ces acteurs – d’un point de vue collectif comme individuel – si l’on 66 Voir la note dans la version allemande de l’introduction.

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veut saisir la globalité des processus et connexions de cette organisation. C’est la raison pour laquelle le réseau des acteurs est présenté dans ce volume au moyen de brèves biographies et de descriptions des diverses institutions.67 Il est également intéressant de regarder du côté des relations entre enseignants et étudiants ainsi que des continuités de personnel dans les champs d’activité récurrents des cercles de collègues berlinois et rhénans pendant la Première et la Seconde Guerre mondiale. Clemen et Wolff Metternich en sont une parfaite illustration – l’élève prenant la succession du professeur en tant que délégué du Kunstschutz –, de même que Josef Busley, qui avait été également élève et assistant de Clemen et travailla à partir de l’automne 1940 pour le Kunstschutz dans la France occupée. Richard Hamann participa aussi pendant la Première Guerre mondiale à une campagne de photographies dans les territoires occupés avant de coordonner celles de la Seconde, et certains de ses élèves, notamment Bernhard von Tieschowitz, œuvrèrent eux aussi pour le Kunstschutz ou sur des campagnes photographiques. On observe fréquemment ces diverses filiations qui s’expliquent d’une part par une succession naturelle due à l’âge et à l’évolution de carrière. Par ailleurs, elles laissent place à des questions sur l’influence mutuelle et la succession scientifique, mais aussi sur le délitement de relations sous l’effet de nouvelles opportunités ou d’une prise de distance avec ses anciens maîtres.68 Même si les collaborateurs n’étaient pas militairement tenus de respecter les instructions du délégué du Kunstschutz, les liens de longue date, tissés au cours des études ou de la carrière professionnelle, inspiraient la plupart du temps un sentiment de loyauté envers les professeurs et collègues d’autrefois, ne serait-ce que par gratitude d’avoir pu, grâce au Kunstschutz, échapper au front. Outre le réseau humain, les interpénétrations des champs d’activités expliquent l’importance de se pencher sur l’évolution historique de la conservation des monuments lorsqu’on étudie la protection des œuvres d’art. Paul Clemen a forgé le concept de Kriegsdenkmalpflege (conservation des monuments en temps de guerre) et ses successeurs Edmund Renard (1871 – 1932) et Wolff Metternich étaient aussi des conservateurs renommés, qui exercèrent souvent plusieurs fonctions de façon concomitante et exercèrent une très grande influence. Il ne faut pas non plus sous-estimer l’ascendant de l’idéologie nazie dans l’évolution de la conservation des monuments rhénans – comme au-delà. Elle engendra un intérêt croissant pour le patrimoine culturel de portée nationale ou locale et pour sa sauvegarde. De surcroît, la conservation des monuments en temps de guerre et la protection des œuvres d’art semblent être des activités qui s’enrichissent réciproquement, et précisément qui enrichissent les méthodes empiriques de conservation des monuments auxquelles elles donnèrent lieu. On peut citer ici les mesures de mise en sûreté et les translocations pendant la guerre, qui, dans certains pays occupés, provoquèrent même la création d’une institution de conservation autonome s’appuyant sur les mesures antérieures de protection des œuvres d’art et des bâtiments historiques.69 67 Voir les brèves biographies et les informations sur les institutions dans ce volume. 68 Voir la note dans la version allemande de l’introduction. 69 Ibid.

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Jusque dans les années 1990, l’étude des acteurs et domaines d’activité du Kunstschutz a montré des tendances hagiographiques dans lesquelles des personnalités flamboyantes comme Clemen et Wolff Metternich, mues par un engagement désintéressé pour le patrimoine culturel, sont restées des figures héroïques inaltérables. Depuis, une réflexion critique s’est amorcée. Les travaux des dernières années sur les relations des agents du Kunstschutz avec la propagande ou avec la « Westforschung » (recherches sur l’Occident), qui voulait prouver scientifiquement la supériorité germanique en matière de culture et civilisation, ont remis en question cette mise en scène de soi d’acteurs nommés en vertu de critères purement scientifiques ou de travaux dénués de tout parti pris idéologique.70 Reste en suspens la question de savoir dans quelle mesure cette présentation de soi a été nourrie par une destruction ciblée de dossiers et par la classification de documents.

5. Le comte Franziskus Wolff Metternich (1893 – 1978)71 Le comte Franziskus (Franz) Wolff Metternich naquit le 31 décembre 1893 à Haus Beck en Westphalie. Il était le dixième enfant, quatrième et dernier fils du comte Ferdinand Wolff Metternich zur Gracht (1845 – 1938) et de la princesse Flaminia zu Salm-Salm (1853 – 1913). Il passa son enfance au château de Gracht, près de Cologne, où il baigna dans un climat très catholique. En 1915, il fut ainsi nommé chevalier de l’Association de Rhénanie-Westphalie de l’ordre souverain de Malte et se hissa à sa présidence en 1931, une fonction qu’il exerça jusque dans les années 1960 et qui lui valut d’entretenir des contacts étroits avec les plus hauts dignitaires ecclésiastiques rhénans. Après avoir passé son baccalauréat au lycée de Brühl, il commença des études d’histoire de l’art auprès de Paul Clemen à Bonn. Lors de l’entrée en guerre, il fut enrôlé dans le régiment de hussards de Bonn et suivit une formation militaire intensive. Grièvement blessé à la gorge par un éclat d’obus, son service dans l’armée de terre ne s’acheva toutefois qu’en septembre 1919. Il reprit ensuite ses études d’histoire de l’art à Bonn. Wolff Metternich profita de celles-ci comme de ses années de thèse pour parcourir l’Europe et effectua un séjour de recherche de plusieurs mois à Rome. En 1923, il soutint une thèse de doctorat à l’université de Bonn sur la réception de la Renaissance dans l’architecture rhénane, intitulée « Die spätgotische Loggia zu Binsfeld, eine stilkritische Studie zur niederrheinischen Profanarchitektur im letzten Viertel des 15. und im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts » (La galerie de style gothique flamboyant à Binsfeld. Étude critique de l’architecture profane de Basse-Rhénanie dans le dernier quart du XVe siècle et le premier quart du XVIe siècle). En 1925, il épousa la baronne Alix von

70 Ibid. 71 Ibid.

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Fürstenberg (1900 – 1991), avec laquelle il eut quatre enfants : Johann Adolf dit Hanno (1926 – 1995), Winfried (1928 – 2017), Theresia (née en 1930) et Antonius (né en 1933). En 1926, Wolff Metternich entra au service de l’administration de la province de Rhénanie à titre d’assistant scientifique du conservateur provincial Edmund Renard. En 1928, il lui succéda à ce poste – grâce à l’intercession appuyée du clergé rhénan – qu’il occupa jusqu’en 1950. En 1933, il fut, de plus, chargé de cours à l’université de Bonn, dont il obtint en 1940 le titre honorifique de professeur de conservation du patrimoine et d’art rhénan. Après consultation des autorités ecclésiastiques, Wolff Metternich adhéra le 1er mai 1933 au NSDAP. Il resta toute sa vie lié à Paul Clemen, figure tutélaire sur le plan scientifique comme professionnel, et premier conservateur provincial de la Province de Rhénanie de 1893 à 1911. Cet attachement se lit dans leur abondante correspondance, qui porte avant tout sur la conservation du patrimoine et la protection des œuvres d’art en temps de guerre, puisque Clemen avait été investi du Kunstschutz militaire pendant la Première Guerre mondiale et que cet engagement pour la conservation du patrimoine (en période de conflit) sera l’aune de la conduite de Wolff Metternich. Celui-ci fut brièvement appelé sous les drapeaux au début de la Seconde Guerre mondiale, mais exempté du service actif par le conservateur de l’État prussien au REM, Robert Hiecke (1876 – 1952), afin, dans un premier de temps, de mettre en lieu sûr et de cacher le patrimoine artistique mobilier de Rhénanie. C’est à l’instigation de Hiecke que Wolff Metternich fut muté, en mai 1940, d’abord à Bruxelles puis à l’été à Paris, toutes deux occupées par les Allemands. En sa qualité de délégué du Kunstschutz, Wolff Metternich fut chargé de protéger des dommages de guerre les bâtiments ayant une valeur historique (pour l’histoire de l’art), les monuments ainsi que les objets d’art mobiliers dans les territoires occupés. Le 10 juillet, il rédigea dans cette optique le « Verordnungsblatt für die besetzten französischen Gebiete » (« Ordonnance du 15 juillet 1940 relative à la conservation des trésors artistiques dans la zone d’occupation française », publiée dans le Journal officiel pour les territoires occupés français). Il s’appuya pour ce faire sur les travaux antérieurs de Clemen et sur la Convention de La Haye pour la protection des biens culturels en cas de conflits armés, ratifiée en 1907. Wolff Metternich s’efforça d’agir comme simple administrateur des biens artistiques nationaux, qui appartenaient à ses yeux au patrimoine culturel de l’humanité. Son refus permanent de piller arbitrairement les musées nationaux, son attitude clairement francophile et inconciliable avec les intérêts du Reich 72 – notamment nourrie par ses liens avec la noblesse française et les prélats, comme avec l’ordre de Malte –, de même que son manque de zèle sur la question du retour des œuvres allemandes spoliées par Napoléon, le mirent rapidement en porte-à-faux avec les organisations pratiquant une confiscation systématique – l’Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, l’ambassadeur allemand à Paris, Otto Abetz, et le maréchal du Reich, Hermann Göring (1893 – 1946). Wolff ­Metternich put travailler pendant deux années dans le cadre limité de l’OKH grâce à un 72 NL FGWM, n° 153, Rapport de la police de sûreté et du SD (Sicherheitsdienst – service de sécurité du Reichsführer-SS) sur Wolff Metternich, 20 avril 1943.

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réseau fonctionnel de collaborateurs loyaux dans les administrations militaires des différents pays, avant que l’effectif du Kunstschutz ne soit progressivement réduit à peau de chagrin. Wolff ­Metternich fut suspendu en juin 1942 et congédié en octobre 1943. À son retour en Rhénanie, il se consacra à la protection des trésors artistiques locaux. Partageant ses vues, Bernhard von Tieschowitz, son adjoint puis successeur à Paris, continua à le consulter et le tint informé des activités comme de l’évolution du Kunstschutz dans les territoires occupés. Wolff Metternich dirigeait le Denkmalpflegeamt depuis 1928. Ses premiers pas furent empreints de contradictions : d’un côté ils s’effectuèrent sous l’emprise des dures années de crise et du sous-financement, de l’autre du régime nazi, de ses mesures d’aide à l’emploi et de l’augmentation de la dotation financière ainsi que de l’intérêt croissant pour le patrimoine local et les biens culturels d’importance nationale. Les premières actions d’évacuation et de mise en sûreté en Rhénanie furent effectuées en 1939. L’absence de Wolff Metternich mit d’autres protagonistes sur le devant de la scène, en premier lieu – outre les conservateurs de districts – Theodor Wildeman (1885 – 1962), inspecteur provincial à l’urbanisme et adjoint de Wolff Metternich. L’Archivberatungsstelle der Rheinprovinz (Centre de conseil des archives de la province de Rhénanie), dirigée par Wilhelm Kisky (1881 – 1953), constitua également un partenaire important dans la coordination des dépôts de sauvegarde. Avec le déploiement intensif des bombardements, la présence de Wolff Metternich à Bonn devint cruciale et, à partir de l’été 1942, il réintégra son service – tout en restant en contact étroit avec von Tieschowitz sur les questions du Kunstschutz dans les territoires occupés. Son travail au Kunstschutz et sa renommée internationale, plus encore, toutefois, son expertise et le rapatriement urgent des biens culturels délocalisés, permirent à Wolff ­Metternich d’être rapidement blanchi après la guerre et de pouvoir reprendre ses activités de conservateur provincial (puis du Land de Rhénanie-du-Nord-Westphalie). Jacques Jaujard, directeur des musées nationaux français, l’innocenta dès 1945. Il entretint également toute sa vie des relations avec certains officiers beaux-arts du département MFA&A des forces armées alliées, qui cherchaient à retrouver l’art spolié par les nazis. En raison de son adhésion au NSDAP cependant, sa procédure de dénazification le disculpant définitivement en le classant au degré V « exonéré » ne s’éteignit qu’en avril 1948. Son statut et ses réseaux professionnels et scientifiques faisaient de lui un candidat idéal pour assurer des missions diplomatiques au service de l’Allemagne d’après-guerre, mise au ban de la communauté internationale. De 1950 à la fin 1952, il dirigea le service scientifique de la division culturelle au ministère des Affaires étrangères. À Rome, la Bibliotheca ­Hertziana rouvrit officiellement ses portes en octobre 1953 en tant qu’Institut de la MaxPlanck-­Gesellschaft (Institut de la société Max-Planck) et Wolff Metternich en prit la direction. Après son éméritat fin 1962, il poursuivit ses recherches sur la basilique Saint-Pierre et resta dans la capitale italienne jusqu’en 1968. Il était alors membre du conseil d’administration de l’institut. Deux jours après son 70e anniversaire, le 2 janvier 1964, la Légion d’honneur fut remise à Wolff Metternich au nom du président français Charles de Gaulle (1890 – 1970), pour services rendus à la protection du patrimoine artistique. En 1968, Wolff Metternich

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rentra avec sa famille en Rhénanie, y cultiva ses contacts et resta un interlocuteur prisé sur les questions de conservation des monuments. Des décennies durant, il aspira à publier avec ses anciens collègues un livre blanc qui aurait procédé à un examen critique du Kunstschutz. Wolff Metternich mourut le 25 mai 1978 dans sa 85e année. Sa carrière professionnelle, ses relations avec l’Église, ses liens de famille avec la noblesse, l’idée qu’il se faisait de lui-même, de même que la mise en scène du Kunstschutz comme engagement au noble service du patrimoine culturel de l’humanité donnèrent lieu à une réception non dénuée de tendances hagiographiques. Une vie posthume qui perdure pour part jusqu’à aujourd’hui au sein de la recherche et sur laquelle l’accessibilité des sources du NL FGWM promet de jeter une nouvelle lumière.

6. Le noyau du NL FGWM Le fonds privé du comte Franziskus Wolff Metternich fait partie des archives familiales des comtes Wolff Metternich zur Gracht. Il contient des documents privés, professionnels et scientifiques du comte Franziskus Wolff Metternich. Le fonds contient au total 500 cotes réparties dans 150 cartons. Près de 200 articles sont exclusivement privés et comprennent des documents, des lettres, des albums de photo de la famille Wolff Metternich, en grande partie des parents, beaux-parents, de sa femme et de ses enfants. Près de 100 articles sont purement professionnels et recensent des archives rassemblées au fil de la carrière de Wolff Metternich, mais n’ont aucun rapport avec ses activités pendant la Seconde Guerre mondiale. Quelque 200 dossiers sont intéressants pour la recherche sur le Kunstschutz militaire au cours du conflit. Une moitié émane concrètement des activités de ce service et de ses collaborateurs, l’autre provient du contexte professionnel et privé de Wolff Metternich et Bernhard von Tieschowitz ou se réfère à la réception de leur travail au sein de ce service. Les archives de l’organisation du Kunstschutz militaire allemand englobent à la fois des dossiers administratifs et des dossiers internes des collaborateurs, de la correspondance privée et du matériel iconographique. S’y ajoute une partie de la bibliothèque scientifique de Wolff Metternich. Lors de son traitement archivistique, le fonds privé a été subdivisé en cinq sous-fonds classés par producteurs d’archives et axes thématiques, sur lesquels on s’appuiera dans ce qui suit pour le décrire. I. Famille, questions personnelles, biens II. Kunstschutz militaire III. Dossiers de Bernhard von Tieschowitz, adjoint et successeur de Wolff Metternich au Kunstschutz IV. Réception de la pensée de la protection des œuvres d’art V. Recherches menées par les fils de Wolff Metternich sur le Kunstschutz.

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I. Famille, questions personnelles, biens Le plus grand sous-fonds comprend les dossiers sur la famille, sa propriété domaniale et ses biens fonciers. Les événements personnels, la correspondance ainsi que des albums photo côtoient des ensembles sur la génération des parents et les finances. Le sous-fonds suit la structure chronologique des étapes de la vie de Wolff Metternich. Les sources sont presque exclusivement de nature privée et comportent un grand nombre de documents des parents du comte Franziskus Wolff Metternich et de son épouse, la baronne Alix von Fürstenberg, ainsi que des pièces sur la gestion du patrimoine familial. Ils apportent donc des renseignements sur les liens familiaux, les possessions de cette famille de la noblesse et les échanges intenses entre ses membres. Ils témoignent d’une éducation aristocratique dans la foi catholique, de la francophilie de Wolff Metternich, de son appétence précoce pour l’art et la culture, d’une émulation scientifique et de son grand engagement professionnel. Parmi les documents relatifs aux étapes de sa carrière, c’est avant tout la correspondance privée et scientifique qui constitue un domaine subsidiaire intéressant pour compléter les sources sur les dossiers institutionnels du Kunstschutz militaire. Elle révèle clairement les chevauchements entre les diverses activités de Wolff Metternich, à la fois délégué du Kunstschutz et conservateur provincial, et plus encore l’enchevêtrement des domaines privé et professionnel qui surgit dans les lettres, photos et notes. Son journal, ses agendas de poche et son livret militaire sont des sources précieuses pour reconstituer la chronologie et les réseaux personnels du Kunstschutz. Les correspondances entretenues avec les collègues conservateurs ou universitaires au-delà de l’époque du Troisième Reich et de la Seconde Guerre mondiale, tout particulièrement celles sur la dénazification et la réception du Kunstschutz, représentent des sources complémentaires passionnantes. Ces pièces, notamment les lettres d’exonération et les certificats de moralité, retracent une vision partiale qui enjolive grandement la réalité, en mettant en exergue les aspects positifs du Kunstschutz et en les démarquant des activités de spoliation nazie.

II. Kunstschutz militaire Les dossiers du Kunstschutz versés au NL FGWM concernent des questions purement professionnelles ou à l’intersection du privé et du professionnel. Pour compléter les dossiers administratifs, Wolff Metternich et ses collaborateurs ont constitué des dossiers internes, qu’ils enrichissent de correspondance privée, de copies, de publications et articles de presse. Les dossiers sont structurés en sous-groupes par champs d’attribution, tant en termes d’organisation du contenu que de la localisation géographique par pays ou districts. Certains articles se recoupent toutefois sur leur contenu et font en outre écho à des courriers spécifiques se trouvant dans les papiers personnels de Wolff Metternich et von Tieschowitz.

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Le sous-fonds II comprend 78 dossiers qui ont trait à l’institution du Kunstschutz militaire et ont été compilés par Bernhard von Tieschowitz et le comte Franziskus Wolff Metternich. Ils ont été expédiés à Bonn avant août 1944. Leur classement s’aligne sur les structures administratives des différents pays occupés, les attributions et l’organigramme du service. Ils constituent le noyau dur de l’inventaire archivistique, centré sur la France. La correspondance, les rapports et les ordres des autorités militaires proviennent des dossiers conservés sur le Kunstschutz en France, mais leur contenu est plus général, à l’image des documents sur la législation française et l’administration dans la zone occupée.73 La correspondance, les règlements et les ordres de l’état-major administratif du Militärbefehlshaber en France occupée fournissent des informations particulièrement intéressantes sur l’organisation, le personnel, le matériel, les questions juridiques de l’administration ainsi que sur les réunions ou comptes rendus de situation des groupes de l’état-major administratif. De plus, les dossiers du sous-fonds évoquent l’emploi de prisonniers de guerre français pour le commerce et la protection des œuvres d’art. Les documents juridiques regroupent les directives et ordonnances sur la protection des monuments d’arts et bâtiments précieux, la correspondance et les instructions sur l’exportation des objets d’art de grande valeur. Ils renseignent donc sur les champs de compétence et les procédures du Kunstschutz militaire. Les papiers sur l’organisation sont particulièrement importants pour comprendre le Kunstschutz militaire en France, en premier lieu la correspondance au sujet de sa mise en place en mai-juin 1940 et un rapport de Wolff Metternich relatif à l’organisation du Kunstschutz et à ses bureaux. Les débuts du Kunstschutz en France sont retracés dans les échanges épistolaires sur les attributions et l’implication des Feldkommandanturen, les questions de ressources humaines, les photos de groupe, les informations sur la préparation et l’obtention de matériel en vue de la campagne photographique, les demandes de déplacements professionnels, les rapports d’activité et la correspondance entre le Kunstschutz militaire allemand et la conservation du patrimoine française. Le rapport final de Wolff Metternich sur le travail du délégué du Kunstschutz entre mai 1940 et septembre 1944, dans sa version finale et à l’état d’ébauche, de même que son compte rendu sur ses propres activités de délégué de l’OKH pour protéger les œuvres d’art (1940 – 1942) synthétisent avec leurs annexes les activités du Kunstschutz du point de vue de Wolff Metternich et de ses collègues. Les documents sur la propagande, les conférences et publications professionnelles, disponibles sous la forme de publications et de transcription de conférences, ainsi que la correspondance, les articles de presse et les rapports divers montrent le « travail de relations publiques » du Kunstschutz et son utilisation à des fins scientifiques et de propagande. Les dossiers sur la Belgique et les Pays-Bas regroupent, entre autres, des textes, des photos et des projets de reconstruction et d’aménagement urbain en Belgique et en France, des récits de voyage, la correspondance sur les Pays-Bas et sur le Kunstschutz en Belgique, 73 Voir la note dans la version allemande de l’introduction.

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y compris un rapport d’activités sur la « Glockenaktion » en 1944 (« opération cloches »)74 et la liste du transfert des collections de peinture du Musée des beaux-arts de Gand (1940). Ces dossiers témoignent des recoupements entre les différents bureaux du Kunstschutz et de leur conservation dans le fonds privé du comte Franziskus Wolff Metternich. L’ensemble sur la France comprend 44 dossiers et forme ainsi la dominante principale des sources sur le Kunstschutz militaire conservées au sein du NL FGWM. Il est subdivisé en quatre séries : 6.1 Correspondance générale, instructions et cartes 6.2 Rapports généraux (rapports de déplacements, de situation et de synthèse) 6.3 Monuments et bâtiments historiques de valeur 6.4 Objets mobiliers, fonds d’archives et de bibliothèques et leurs dépôts de sauvegarde. La diversité des documents permet de faire émerger la structure du classement des documents puis les champs d’intervention du Kunstschutz en France. Outre des pièces à caractère général sur l’organisation et la correspondance interne, il s’agit tout particulièrement des rapports d’activité et de déplacement. Les papiers sur les monuments d’art et les bâtiments historiques précieux dans les districts d’administration militaire, en grande partie dans la région A, sont systématiquement archivés. Ils comprennent des rapports d’inspection, des évaluations effectuées par la main-d’œuvre locale française, parfois également des photographies et des échanges épistolaires avec des particuliers qui prient le Kunstschutz de protéger leurs châteaux et leur contenu. Ces châteaux et bâtiments dont la valeur justifie une protection sont répertoriés dans les documents cartographiques et ont été dotés de panneaux indiquant l’interdiction partielle ou totale d’y loger les troupes, certains se trouvant également dans cet ensemble de dossiers. La collaboration avec les services français se lit notamment dans l’intérêt commun à sécuriser les dépôts d’évacuation des musées nationaux en France et à avoir une vue d’ensemble des fonds au moyen de listes d’inventaire. On y identifie également des domaines connexes et des coopérations avec les services de l’Archivschutz et du Bibliotheksschutz, plus rarement trouve-t-on des pièces sur la « mise en lieu sûr » d’objets d’art mobiliers, tels que la « Geheimakte Bunjes » (« dossier secret Bunjes »). Les divers rapports et la correspondance, classés par régions (A/B/C) et départements, selon l’ordre alphabétique de leurs villes, comprennent 24 dossiers de comptes rendus, photographies, cartes et correspondances relatifs à l’état des bâtiments, monuments et châteaux méritant protection dans les différents districts d’administration militaire, à leur inventaire et aux interdictions d’y loger des troupes. Ont été versés les papiers sur les régions et lettres suivantes : – Région A : lettres A, B, Ca – Ce, F, G, H, J, L, Ma, Me, Mo, N, O, P, Q, R, S, T, Va – Vers, Vert – Vo, W, Y – Région B : lettres A, B, T – Z 74 Ibid.

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– Région C : lettres M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V – Région de Bordeaux : lettres Ch – E. L’ensemble de dossiers constitués à partir de 1942 sur le sud de la France contient des documents sur la mise en place du Kunstschutz dans l’ex-zone libre. On y trouve des comptes rendus de déplacement, des listes des musées et monuments de la nouvelle zone occupée ordonnées par département ainsi que divers rapports et correspondances sur des monuments et châteaux de cette zone, classés par ordre alphabétique des villes (lettres I – Z). Ce groupe comprend également quelques rares pièces recensant les objets d’art appartenant à des Juifs. Ces papiers documentent l’expansion du Kunstschutz vers le sud de la France à la fin de l’année 1942, notamment par l’intermédiaire de la planification et des voyages de Bernhard von Tieschowitz ainsi que les tâches quotidiennes consécutives du service, sous la forme de courriers et rapports sur les châteaux et monuments. La liasse de dossiers sur l’Italie regroupe des documents sur le voyage d’études de Wolff Metternich et von Tieschowitz en Italie, notamment la planification, les notes de frais et le récit de voyage de Wolff Metternich. Elle met en lumière les voyages des collaborateurs effectués par le biais du Kunstschutz et, ce faisant, le lien entre recherche et activités de protection des œuvres d’art. Les articles du groupe de dossiers sur la Grèce contiennent des rapports et correspondances sur la protection des œuvres d’art en Grèce, notamment produits par Bernhard von Tieschowitz et Hans-Ulrich von Schoenebeck, des pièces sur des publications et des « Merkblätter für den deutschen Soldaten an den geschichtlichen Stätten Griechenlands » (« fiches à l’intention des soldats allemands sur les sites historiques de Grèce ») imprimées (numéros 1 – 20), qui permettent de retracer les liens du Kunstschutz en Grèce avec le délégué du Kunstschutz et son adjoint et successeur, ainsi que les missions pédagogiques du Kunstschutz. En ce qui concerne la Serbie, les pays baltes, la Russie et l’Égypte, il existe des dossiers sur les sections du Kunstschutz dans d’autres pays occupés ou sur des projets. Dans les courriers et rapports sur les mesures de protection des œuvres d’art dans les pays baltes se trouve, entre autres, le rapport final de Richard Hamann sur l’inventorisation photographique des monuments artistiques germano-baltes effectuée en 1940. La protection des arts en Russie et dans les pays baltes est traitée dans des rapports de Reinhold Strenger sur l’état des monuments artistiques, comprenant des listes de transfert et des plans de villes, dans la correspondance avec des chercheurs et dans des catalogues de musées. Sur la création d’une division du Kunstschutz en Serbie, cet ensemble contient des lettres de Wolff Metternich et von Tieschowitz adressées à Johann Albrecht von Reiswitz. De plus, il comporte des pièces sur un projet de Kunstschutz en Égypte et en « Orient ». Sur le Referat für Vorgeschichte und Archäologie existe un dossier comprenant des rapports et de la correspondance du Referat auprès du MBF, de même des rapports d’activité du bureau, la plupart rédigés par Eduard Neuffer, dont le rapport final du groupe pour les années 1940 à 1944.

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Ce fonds recèle également des correspondances, listes, photos et coupures de presse sur le rapatriement des œuvres d’art, archives et bibliothèques allemandes prises par N ­ apoléon à Paris. L’ensemble comprend des copies et des documents sur la nomination d’Otto Kümmel (1874 – 1952), historien de l’art, chargé du rapatriement des œuvres spoliées par Napoléon en Allemagne et de leur inventorisation méthodique. Il y procéda notamment avec la collaboration du service du Kunstschutz établi au sein de l’administration militaire en France, avant tout à ses débuts en 1940 – 1941. Durant cette période, c’est principalement l’archéologue Hans Möbius (1895 – 1977) qui s’occupa de la correspondance du Kunstschutz avec les musées allemands à propos des demandes de restitution d’œuvres.

III. Dossiers de Bernhard von Tieschowitz, adjoint et successeur de Wolff Metternich au Kunstschutz Bernhard von Tieschowitz, docteur en histoire de l’art, fut l’adjoint et le successeur de Wolff Metternich. Il était également photographe, assistant puis, à partir de 1929, successeur de Richard Hamann à la tête du département photo de la faculté d’histoire de l’art de l’université de Marbourg (Bildarchiv Foto Marburg). En 1936, il quitta l’université pour devenir l’assistant scientifique du conservateur provincial Wolff Metternich. Entre les deux hommes s’instaura une relation de grande confiance qui se mua en amitié indéfectible. Le sous-fonds III est constitué du fonds privé de von Tieschowitz. Après son décès, les documents furent probablement envoyés à Wolff Metternich par sa veuve, Lisl von Tieschowitz (1903 – 1982). Il s’agit en particulier de documents ayant trait au Kunstschutz pendant la Deuxième Guerre mondiale, à la sortie de guerre et à la dénazification ainsi qu’à l’activité de von Tieschowitz au ministère des Affaires étrangères (1950 – 1952). Ils sont subdivisés en trois séries de dossiers : 1. Questions personnelles (dénazification) 2. Kunstschutz 3. Affaires étrangères. Les papiers personnels de Bernhard von Tieschowitz sont des sources très importantes sur le Kunstschutz militaire, tout particulièrement en France et Italie – et en particuliersur la sauvegarde des biens culturels au Monte Cassino (1943) ainsi que sur l’impact et la mise en scène de la destruction de l’abbaye. Outre la correspondance, les documents sur la dénazification et ceux sur la réception du Kunstschutz datant de son travail au ministère des Affaires étrangères, ce sous-fonds comprend les agendas de poche des années 1940 – 1944 qui représentent une source passionnante sur l’évolution chronologique et les réseaux interpersonnels du Kunstschutz. Les invitations à des expositions dans des galeries et musées parisiens collectionnées par von Tieschowitz renseignent sur les réseaux culturels dans la capitale occupée. Ses documents de travail personnels à la division culturelle du ministère

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des Affaires étrangères témoignent de son engagement pour la réouverture et l’indépendance des instituts culturels allemands en Italie. On y trouve en outre des pièces sur la création et la direction du service d’administration du patrimoine culturel allemand confisqué par les Alliés, la TvK, rattaché au ministère des Affaires étrangères.

IV. Réception de la pensée de la protection des œuvres d’art Le sous-fonds comprend 12 dossiers de documents d’après-guerre détaillant les activités du Kunstschutz militaire, la correspondance de ses anciens collaborateurs relative à la réception et aux échos de leurs activités dans les anciens territoires occupés, de même qu’au projet d’examen critique de ces activités sous la forme d’un livre blanc. Après la guerre, Wolff Metternich aussi bien que ses fils après son décès en 1978 se consacrèrent pendant des décennies aux dossiers du Kunstschutz ramenés à son domicile ; ils y ajoutèrent des coupures de presse et des échanges épistolaires plus récents. Wolff Metternich maintint, également pour ses papiers privés, la gestion qu’il avait adoptée pendant ses années militaires : il notait la date d’arrivée du courrier, celle de la réponse et la nature de cette dernière. Il donnait en outre l’instruction à son secrétariat d’ouvrir un nouveau dossier ou d’ajouter un courrier aux « dossiers Kunstschutz ». Ce sous-fonds est subdivisé en trois séries : 1. Pensée de la protection des œuvres d’art 2. Correspondance avec les Monuments Men et d’autres collègues (privée/professionnelle) 3. Recherche et restitution d’art spolié. La correspondance entre les anciens membres du Kunstschutz et des collègues étrangers ainsi que leurs diverses prises de position sont particulièrement intéressantes. Les revues de presse et les publications sur le Kunstschutz pendant la Seconde Guerre mondiale, les commentaires et rapports des anciens collaborateurs du service éclairent à nouveau la réception positive ou la mise en scène de leur travail. Les opinions critiques sont analysées en détail dans leur correspondance et les missions positives ou honorables du Kunstschutz mises en exergue. Au fil des années 1950 et 1960, de plus en plus de voix s’élevèrent parmi les anciens agents pour réclamer un livre blanc sur le Kunstschutz (en Italie) et une correspondance accrue s’engagea pour localiser les dossiers du service envisagés comme de possibles sources. On trouve aussi dans cet ensemble des comptes rendus de réunions de l’UNESCO sur la protection des sites historiques et artistiques et une correspondance fournie de Wolff Metternich et Paul Clemen sur le Kunstschutz, sur la conservation des monuments et sur la reconstruction. Les papiers rassemblés sur la correspondance avec des officiers du MFA &A, les notes louant l’activité de Wolff Metternich et les échanges épistolaires avec les services français le félicitant de sa réintégration comme conservateur provincial après la guerre illustrent clairement la présentation et la réception de Wolff Metternich comme protecteur des arts.

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Les dossiers sur la restitution et l’art spolié comprennent avant tout de la correspondance et des articles de presse, mais aussi des comptes rendus d’entretiens, des publications et prises de position sur les requêtes en restitution et sur l’art spolié dans les territoires occupés. Dans ce sous-fonds, les répercussions du Kunstschutz et la consultation de Wolff Metternich dans les négociations internationales, à double titre de médiateur et d’expert, sont passionnantes.

V. Recherches des fils de Wolff Metternich sur le Kunstschutz Le fils aîné, le comte Johann Adolf Wolff Metternich, fut désigné comme administrateur du fonds privé en 1978. Après son décès en 1995, le comte Winfried Wolff Metternich reprit la gestion des papiers de son père et les transféra du domaine Fronhof à Junkersdorf (Cologne), où ils étaient conservés depuis des années, à son domicile bonnois. Les deux frères avaient obligation d’en permettre l’accès constant aux membres de la famille. Comme Johann Adolf, Winfried s’intéressa fortement à la mission et au travail de son père, et entreprit d’examiner et de trier les dossiers et les liasses, dont certaines possédaient encore leurs ficelles d’origine. La majorité des dossiers a été classée selon un principe chronologique. En 2012, à l’issue des recherches de l’équipe cinématographique de Berlin (tournage du film « Frankofonia ») et des semaines passées à scanner les documents, le sous-fonds a été mélangé et a dû faire à nouveau l’objet d’un classement archivistique. Les recherches de Winfried donnèrent lieu à des ajouts de copies provenant d’autres fonds d’archives, la plupart sans mention de provenance. Le sous-fonds V comprend 14 dossiers qui rassemblent des matériaux sur l’examen et l’analyse des activités paternelles. Pour l’essentiel, il s’agit de résultats des recherches menées par Johann Adolf et Winfried sur l’histoire de la famille et du Kunstschutz, insistant sur les services rendus par Wolff Metternich, mais aussi de documents personnels des fils. Ils ont, de surcroît, réuni une grande quantité d’archives sur le Kunstschutz militaire, certaines sont des copies du NL FGWM ou du Bundesarchiv ou encore des scans des National Archives américaines, notamment des sources sur les fonds des officiers beaux-arts américains.

Fonds partiel de la bibliothèque du comte Franziskus Wolff Metternich Le fonds partiel « bibliothèque » comprend des ouvrages en rapport avec la carrière scientifique et professionnelle du comte Franziskus Wolff Metternich, qui portent notamment sur l’histoire de l’art, la protection des œuvres d’art, l’histoire, l’archéologie, la conservation des monuments et des questions d’ordre privé. À l’origine, la riche bibliothèque scientifique de Wolff Metternich se trouvait au domicile familial à Junkersdorf. Après son décès, elle fut partagée en plusieurs lots dont l’un fut attribué à son petit-fils Paul à Bonn, où les collaborateurs du projet ont pu en sélectionner une partie pour le NL FGWM. Le choix effectué

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dans cette portion de la bibliothèque familiale s’est concentré sur les intérêts scientifiques et professionnels ainsi que sur les missions de Wolff Metternich, et s’élève à 46 cartons d’archives. Les livres sélectionnés ont servi de base de travail et dessinent des axes thématiques comme les liens avec certains collègues. La protection des œuvres d’art embrasse, par exemple, des publications de collègues sur la protection des biens culturels, mais aussi des ouvrages de l’après-guerre sur la réception et l’examen critique de cette activité. Ces livres sont complétés par des essais sur la propagande de guerre ou des tirés à part de conférences données à l’université de Bonn pendant le conflit. Les catégories protection des monuments, histoire et archéologie se composent essentiellement de littérature spécialisée, dont un grand nombre de publications de Wolff Metternich et de tirés à part.75 Quand, comment et pourquoi les dossiers du Kunstschutz arrivèrent-ils et restèrent-ils dans les archives de Wolff Metternich ? Quelques indices dans les dossiers permettent de formuler de premières hypothèses. Les dossiers administratifs portent majoritairement sur la période 1940 – 1942/1943. Des notes dans les agendas de Bernhard von Tieschowitz indiquent les visites de Wolff Metternich à Paris – également après sa suspension en 1942 et sa révocation en 1943. Certaines entrées parlent de tri en commun de dossiers ainsi que de la destruction de documents.76 Au fil des évolutions défavorables de la guerre, de la menace grandissante qui en découlait et du repli des troupes, furent probablement envoyés en priorité les papiers paraissant pertinents pour une documentation (Wolff Metternich rédigeait ses carnets intimes et son courrier militaire dans l’idée et la volonté d’une conservation archivistique de ses activités 77). Il ne fut gardé à Paris que ce qui était nécessaire au maintien du fonctionnement du service. Sur ce principe, les dossiers administratifs et internes du Kunstschutz furent envoyés en Allemagne au bureau de Wolff Metternich et von Tieschowitz à Bonn. Le dépôt des dossiers au Denkmalpflegeamt à Bonn est attesté par plusieurs mentions.78 Josef Busley reçut lui aussi en septembre 1944 l’instruction de rédiger un rapport final sur les activités du Kunstschutz dans le sud-ouest de la France entre juillet 1940 et août 1944, et ce « explicitement sur la base des dossiers sauvés et envoyés par ses soins à Bonn »79. L’administration militaire en France, déjà repliée en Allemagne, chargea également Wolff Metternich de rédiger un rapport final sur les activités du Kunstschutz. Il s’appuya pour ce faire sur les dossiers en sa possession.80 Le Denkmalpflegeamt ayant été largement détruit par les bombardements de 1944 – 1945, il paraît logique d’en déduire que les dossiers de Paris, tout comme les archives du 75 Ibid. 76 Ibid. 77 Ibid. 78 Ibid. 79 Ibid. 80 Ibid.

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­ enkmalpflegeamt furent transportés dans la cave du domicile privé de Wolff Metternich, D Blücherstraße. Dans le cas contraire, ils auraient disparu sous les décombres.81 Le transfert des dossiers du Denkmalpflegeamt à Wolff Metternich et von Tieschowitz est attesté par quelques informations citées dans la correspondance conservée dans le fonds privé. Ainsi, des liasses de dossiers de guerre venant de Bonn furent remises à von Tieschowitz. En octobre 1961, les dossiers de guerre – Paris furent transmis au comte Hanno Wolff Metternich. En novembre/décembre de la même année, von Tieschowitz et Wolff Metternich demandèrent à Hans Kisky (1920 – 1965) s’il restait des dossiers sur les activités parisiennes dans les locaux du Denkmalpflegeamt. Le conservateur adjoint leur répondit que Wolff Metternich avait tout emporté dans l’intention de les remettre au Bundesarchiv. La correspondance fait état d’un intérêt du Bundesarchiv à accueillir ces archives et d’une discussion sur un lieu plus approprié, à savoir les archives du ministère des Affaires étrangères. Wolff Metternich aurait pris dans un premier temps les dossiers avec lui, parce qu’il devait participer à un projet de publication du côté officiel sur la préservation de l’art pendant la guerre.82 Une information tirée de la correspondance de Wolff Metternich et de Lisl von Tieschowitz à propos des dossiers de Bernhard von Tieschowitz, atteste que Lisl adressa probablement à Wolff Metternich les agendas et les dossiers du Kunstschutz, de même que les documents de dénazification de son époux après son décès. Une annotation sur une lettre confirme que Wolff Metternich lui en renvoya une partie, dont elle ne souhaitait pas se séparer.83 Quelques notes manuscrites de von Tieschowitz renseignent sur la structure et l’itinéraire des archives, par exemple celle sur les documents italiens : Italie 1943 – 44 (dossiers, trouvés le 9.7.47 dans la cave de la Conservation des monuments à Bonn).84 En outre, une liste de von Tieschowitz, datée du 29 juillet 1943, sur les liasses transférées à titre de dossiers [avérés] du délégué du Kunstschutz auprès de l’OKH , numérotées de 1 à 16, renvoie probablement à un plan de classement. Une table des dossiers du Kunstschutz à Bonn non datée (mais vraisemblablement ultérieure) présente une structure analogue en huit blocs thématiques.85 Aucun plan de classement sur l’OKH ou sur l’administration militaire en France ne se trouve dans le NL FGWM , uniquement un sommaire des dossiers sur le sud du pays.86 Les sources complémentaires et un classement structurel et thématique des dossiers peuvent apporter des informations supplémentaires sur ces questions.

81 Ibid. 82 Ibid. 83 Ibid. 84 Ibid. 85 Ibid. 86 Ibid.

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7. Sources complémentaires Les sources complémentaires sur les dossiers du Kunstschutz conservés dans le fonds privé Wolff Metternich ont pu être structurées au cours de la recherche en différentes catégories présentées ci-dessous. Les dossiers du Kunstschutz constitués à l’OKH ou dans les commissions du Kunstschutz dépendant des districts d’administration militaire se trouvent non seulement au sein du NL FGWM , mais aussi aux Archives nationales en France, dans le fonds de l’administration militaire allemande en France (sous-série AJ 40), centré sur le Grand Paris et Hermann Bunjes. Les archives départementales françaises possèdent, de plus, quelques compléments provenant du Kunstschutz,87 notamment des documents sur les mesures de protection des œuvres d’art arrêtées par les Feldkommandanturen. Le fonds de la division culturelle de l’administration provinciale conservé à l’Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland comporte également quelques dossiers internes du Kunstschutz, principalement sur la région C (Dijon) et sur Walther Zimmermann. Au nombre des documents de travail du Kunstschutz, il faut aussi compter le matériel iconographique fourni par les campagnes photographiques conservé au Bildarchiv Foto Marburg ainsi que les publications et rapports des membres du Kunstschutz se trouvant dans les bibliothèques. Pour saisir le contexte administratif global, il est intéressant de consulter les dossiers de l’administration militaire allemande. Outre le fonds AJ40 aux Archives nationales, déjà mentionné, ces sources sont conservées au Militärarchiv à Fribourg-en-Brisgau, où l’on retiendra notamment les dossiers de l’administration militaire en France, dans la France du Nord et en Belgique et ceux de l’armée de terre et des Feldkommandanturen, ces derniers étant complétés par les documents conservés dans les archives départementales françaises. Les archives des services français qui témoignent de la coopération des autorités locales avec le Kunstschutz offrent une autre porte d’entrée. Il faut citer ici en premier lieu le fonds des Musées nationaux aux Archives nationales (AN 20144792), dont les documents sur les mesures de protection artistique françaises adoptées par l’administration des musées nationaux, mais aussi sur les tâches accomplies collectivement, telles que la protection des dépôts et la correspondance afférente, fournissent de précieuses informations sur le Kunstschutz. La Médiathèque de l’architecture et du patrimoine (MAP) conserve les fonds du patrimoine artistique français sur l’administration de la conservation des monuments et ceux de l’association privée de propriétaires de bâtiments historiques, La Demeure historique, qui a correspondu avec le Kunstschutz au sujet de la protection du patrimoine architectural et de l’interdiction de loger des troupes dans les bâtiments historiques précieux. La coopération entre services allemands et étrangers en matière de protection des œuvres d’art est également établie pour la Belgique aux Archives générales du Royaume, à ­l’Institut 87 Le principe de provenance (lat. provenire) est une démarche de classement et de traitement des archives selon l’origine des documents, les producteurs d’archives et le contexte de leur production.

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Royal du Patrimoine Artistique et au Centre d’Études et de Documentation Guerre et Société contemporaine. Aux Pays-Bas, les dossiers sur l’« opération cloches » et ceux sur la protection des œuvres d’art (kunstbescherming) sont conservés au Nationaal Archief ; cependant leur structure et leur contenu divergent du modèle français et belge, puisque les Pays-Bas n’étaient pas placés sous administration militaire. Les archives des institutions partenaires du Kunstschutz complètent ces sources, à l’instar des dossiers du service de l’Archivschutz en France, versés au Militärarchiv à Fribourg. L’accessibilité à ce fonds est toutefois très limitée suite à un gros dégât des eaux. On y trouve également des documents sur le Bibliotheksschutz. On trouvera des informations sur la Kunsthistorische Forschungsstätte dans les dossiers Hermann Bunjes aux Archives nationales ainsi que dans la correspondance d’Alfred Stange conservée dans les archives de l’université de Bonn et dans celles du Kunsthistorisches Institut Bonn (l’institut d’histoire de l’art de l’université). Enfin, des dossiers d’archives sur les campagnes photographiques dans les territoires occupés, n’ayant pas encore fait l’objet d’un inventaire précis, se trouvent au Bildarchiv Foto Marburg. Les sources sur les institutions et organes nazis complètent la recherche sur la protection des œuvres d’art, car elles permettent d’opérer une différenciation sur les questions de spoliation et de mettre au jour les synergies ou encore des coopérations individuelles. Le Politisches Archiv du ministère des Affaires étrangères possède les fonds de l’ambassade d’Allemagne à Paris et du Sonderkommando Künsberg. Le Bundesarchiv de Berlin détient les fonds sur le Bureau Rosenberg (NS 8), l’ERR (NS 30), mais aussi le fichier des membres du NSDAP et ceux de l’échelon administratif supérieur du REM. En outre, il est pertinent de consulter les archives de l’époque sur la conservation des monuments et la protection régionale de l’art, c’est-à-dire les champs d’activités de Wolff Metternich. Elles sont en particulier conservées à l’ALVR, notamment les fonds de la conservation des monuments rhénane et de l’administration provinciale sur les mesures de sauvegarde, la défense passive et la protection des œuvres d’art ainsi que les dossiers individuels des collaborateurs, mais aussi le bureau d’enregistrement de l’Archivberatungsstelle rhénane sur la sauvegarde des archives pendant la Seconde Guerre mondiale. Les sources sur l’administration des provinces prussiennes au Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (Archives secrètes de l’héritage culturel de Prusse) constituent un domaine secondaire, mais complémentaire. Les archives institutionnelles dans le secteur culturel documentent les liens du Kunstschutz et de Wolff Metternich avec les musées. Elles contiennent, d’une part, les articles et publications de Wolff Metternich sur la protection des monuments, la préservation de l’art et la défense passive ; d’autre part, la correspondance sur la recherche dans les territoires occupés, les demandes de recherche ou de fourniture de matériel, notamment des illustrations, et mettent en lumière les réseaux scientifiques. Les projets de recherche collectifs sont consultables dans le fonds Deutsche Forschungsgemeinschaft (Fondation allemande de la recherche) au Bundesarchiv à Berlin. Les acquisitions d’œuvres d’art dans la France occupée

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et leur exportation dans le Reich étaient soumises à l’autorisation du Kunstschutz. Citons à titre d’exemple le fonds du Rheinisches Landesmuseum (musée régional) de Bonn à l’ALVR, celui de la Nationalgalerie (Galerie nationale) au Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin (Archives centrales des musées d’État de Berlin) ou les archives de l’actuel musée Suermondt-Ludwig à Aix-la-Chapelle. Les archives des marchands d’art peuvent également fournir des informations sur les achats et l’exportation depuis la France avec l’aide du Kunstschutz, notamment les papiers de Hildebrand Gurlitt (1895 – 1956) au Bundesarchiv à Coblence. Les papiers privés et publics des collègues et collaborateurs du Kunstschutz et de groupes apparentés complètent les récits subjectifs et possèdent, comme le NL FGWM , des dossiers internes sur les activités durant la guerre. Ils se trouvent la plupart du temps dans les archives des institutions pour lesquelles ces personnes ont travaillé, dans des archives se concentrant sur les papiers privés ou dans les archives familiales. Il convient ici de citer à titre d’exemple deux fonds privés dans la série Rhénanie du Landes­ archiv NRW (Archives régionales de Rhénanie-du-Nord-Westphalie) à Duisbourg : celui d’Alois Becker, Oberregierungsrat (haut fonctionnaire) auprès de l’Oberpräsident de la province de Rhénanie, et celui de Josef Busley, collaborateur du Kunstschutz, qui, de 1927 à sa révocation en 1933, dirigea le service Culture et Conservation des monuments auprès du Landeshauptmann (président) de la province de Rhénanie, puis travailla à Bonn à l’inventorisation des monuments historiques et fut réintégré après la guerre au ministère de la Culture à Düsseldorf. Une autre partie du fonds privé de Josef Busley se trouve au Rheinisches Archiv für Künstlernachlässe (Archives rhénanes des fonds privés d’artistes) à Bonn, qui possède aussi une partie du fonds privé d’un autre collaborateur du Kunstschutz, Carlheinz Pfitzner. On trouve également des fragments de fonds privés de collègues du Kunstschutz au Künstlerarchiv (collections de legs d’artistes) du Germanisches National­ museum (musée national germanique) de Nuremberg, notamment de Paul Clemen, titulaire de la chaire d’histoire de l’art à Bonn, et d’Alfred Stange. Une autre partie du fonds privé de Clemen (correspondances 1904 – 1948) se trouve dans la série Documentation du LVR -Amt für Denkmalpflege im Rheinland (Office des autorités régionales de Rhénanie pour la conservation des monuments rhénans) à Pulheim-Brauweiler. Le fonds privé d’Ernst Zipfel au Bundesarchiv de Coblence apporte d’autres éclairages sur les liens entre Kunstschutz et Archivschutz. Celui de Richard Hamann à la bibliothèque universitaire de Marbourg fournit des informations supplémentaires sur les campagnes photographiques. Le fonds privé de Johann Albrecht von Reiswitz conservé à la Bayerische Staatsbibliothek (bibliothèque d’État de Bavière) et aux archives universitaires de la Ludwig-­MaximiliansUniversität (LMU ) à Munich – une partie est toujours entre les mains de la famille – nourrit les recherches sur le Kunstschutz en Serbie. De par leur éclairage personnel, les archives familiales de Hans Gerhard Evers et du comte Wend von Kalnein, collaborateurs du Kunstschutz, élucident d’autres aspects. Le Kunstschutz est également évoqué dans les documents de diverses institutions nationales dans le sillage des investigations sur l’art spolié et la restitution entreprises

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après la guerre. Dans les archives allemandes, citons les dossiers de la division culturelle sur les questions de restitution et de la TvK aux Archives politiques du ministère des Affaires étrangères. Les dossiers de la TvK à la Oberfinanzdirektion (direction supérieure des finances) de Munich se trouvent à Coblence, au Bundesarchiv, qui possède également le fonds de l’Institut für Besatzungsfragen. Les dossiers d’instruction des procès alliés contre les criminels de guerre versés aux Staatsarchiv Nürnberg (Archives d’État de Nuremberg) fournissent aussi quelques informations sur le Kunstschutz. En France, les Archives nationales possèdent des sources sur la gestion des restitutions et des indemnisations après la guerre, tandis que les Archives diplomatiques, au ministère français des Affaires étrangères, conservent les documents de la Commission de récupération artistique, qui comprennent de vastes collections sur le pillage comme sur la restitution des biens culturels français spoliés. Aux États-Unis, les National Archives détiennent les fichiers des sections du MFA&A, tout particulièrement des rapports sur les institutions et acteurs – par exemple les Art Looting Intelligence Unit (ALIU) Reports 1945 – 1946 and ALIU Red Flag Names List and Index – et sur la spoliation en Italie et en France, qui explicitent également les mesures militaires américaines en matière de protection des œuvres d’art. Ils sont complétés par des fonds privés d’officiers beaux-arts dans diverses archives institutionnelles. Les National Archives en Angleterre conservent également des fichiers sur les thématiques culturelles de l’après-guerre dans la zone d’occupation britannique, qui incluait certaines régions de Rhénanie. Sur Wolff Metternich comme acteur et sur les étapes de sa carrière : outre les vastes collections du NL FGWM , les aspects mentionnés de la protection des monuments conservés à l’ALVR et les liens avec l’université dans les archives universitaires à Bonn et celles du Kunsthistorisches Institut Bonn, de même que celles du Politisches Archiv du ministère des Affaires étrangères allemand, on trouvera également ses dossiers individuels aux archives de la Max-Planck-Gesellschaft à Berlin et dans celles de la Bibliotheca Hertziana à Rome. Pour la période de l’après-guerre, ce sont principalement les documents relatifs à la dénazification des anciens collaborateurs qui livrent des informations sur les activités du Kunstschutz. Les dossiers des procédures de dénazification dans la zone britannique, notamment ceux de Wolff Metternich, von Tieschowitz et Kuetgens, se trouvent au Landes­ archiv NRW, série Rhénanie, à Duisbourg. Ils sont complétés par les dossiers individuels des collaborateurs dans les archives des diverses institutions. Les mémoires de défense et les disculpations mutuelles ou les témoignages à charge fournissent des informations subjectives et précisent les contours des réseaux, même s’il faut porter un regard extrêmement critique sur ces procédures et les replacer dans leur contexte. La réception de l’activité du Kunstschutz se réverbère également dans les archives, par exemple via la correspondance dans des fonds privés ou la correspondance institutionnelle des anciens collaborateurs du Kunstschutz. Elle se révèle également dans des projets politiquement ambitieux, ainsi qu’en attestent les dossiers concernant le projet de livre blanc sur le Kunstschutz en France et en Italie, conservés au Politisches Archiv du ministère des Affaires étrangères. Par ailleurs, les récits que les officiers beaux-arts de différents pays ont rédigés à

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la sortie de guerre donnent des informations sur leurs activités et réseaux. Les coupures de presse des années de guerre et les reportages des collaborateurs ou à leur sujet, évoquant la protection, la destruction, la spoliation et la restitution d’après-guerre, représentent d’autres approches intéressantes. Aujourd’hui encore, des médias, des livres pour enfants, des romans ou des films montrent la réception internationale du Kunstschutz et de la protection du patrimoine culturel en général. Cette énumération pourrait certainement être déclinée à l’envi, mais son unique dessein était de présenter des grands axes, d’autant que ces fonds sont détaillés dans le chapitre sur la description des archives et des fonds comme dans la base de données.

8. Caractéristiques des sources Il est possible de classer en divers groupes les documents ayant directement rapport au Kunstschutz militaire en France et conservés dans le NL FGWM et les sources complémentaires d’autres institutions. On peut, par exemple, distinguer entre les dossiers produits dans les districts d’administration militaire et ceux qui sont rassemblés au bureau du délégué du Kunstschutz auprès de l’OKH, ce qui permet un classement par documents. L’étape suivante vise à comparer la structure des plans de classement conservés et les sources dans les archives. Ce travail permet d’amorcer au niveau des dossiers la reconstitution des champs d’activités décrits antérieurement, mais surtout de pointer les lacunes manifestes dans les sources, voire de formuler des hypothèses. Conformément à la typologie thématique évoquée plus haut, le classement se divise schématiquement ainsi : 1. Documents rédigés par ou pour Wolff Metternich et von Tieschowitz à l’OKH, en particulier les rapports en provenance des districts d’administration militaire adressés au délégué du Kunstschutz auprès de l’OKH ou les documents sur la structuration et l’organisation, 2. Documents de la section art/culture de l’administration militaire à Paris, pour l’essentiel des dossiers administratifs internes, 3. Documents sur les régions d’administration militaire A/B/C rédigés par les agents, en particulier les rapports d’inspection des monuments, villes, châteaux, état des dépôts, mesures de sécurité, etc., 4. Correspondance émanant du Kunstschutz adressée aux autorités françaises, etc., 5. Notes personnelles, journaux, agendas de collaborateurs du Kunstschutz, 6. Correspondance d’autres institutions nazies avec le Kunstschutz dans les sources complémentaires, 7. Correspondance des autorités françaises, notamment des musées nationaux, avec le Kunstschutz dans les sources complémentaires, 8. Documents d’après-guerre sur les restitutions, en rapport avec le Kunstschutz, 9. Documents d’après-guerre sur la dénazification de collaborateurs du Kunstschutz.

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Quand le producteur des dossiers administratifs et internes du Kunstschutz n’est pas précisé, il est parfois compliqué de l’identifier. Cependant la série AJ 40/573 des Archives nationales en France comprend des plans de classements non datés, mais détaillés, sur le groupe du Kunstschutz au sein de l’administration militaire, et ce en deux exemplaires, non totalement identiques et parfois modifiés à la main, ainsi qu’un plan de classement OKH.88 Le plan de classement sur le Sachgebiet (groupe) V 1/2 Kunstschutz de l’administration militaire est structuré en domaines (chiffres romains), sections (chiffres arabes) et descriptions : 0 Groupe [Sachgebiet] du Kunstschutz 0 – 0 Généralités 0 – 1 Administration interne, questions concernant le bureau 0 – 2 Ordonnances et décrets 0 – 3 Activités du groupe V 1/2 (Kunstschutz) 0 – 4 Protection des châteaux (dispositions générales) I Protection des œuvres d’art dans les districts extérieurs I – 0 Région A correspondance et région A rapports divers classés alphabétiquement A, B, C, D – G, H – L, M – Q, R – S, T – Z I – 1 Région B correspondance et région B rapports divers classés alphabétiquement A – C, D – Q, R – Z I – 2 Région C correspondance et région C rapports divers classés alphabétiquement A – L, M – Z I – 3 Paris correspondance et rapports divers I – 4 Belgique et Nord de la France II Préhistoire et archéologie III Objets mobiliers III  – 0 Correspondance dépôts de sauvegarde et rapports divers dépôts de sauvegarde classés alphabétiquement A-C et D-Z, en outre dépôts de sauvegarde [? illisible] III – 1 Notifications en vertu de l’ordonnance du 15.7.40 III – 2 Rapatriement III – 2 a Einsatzstab RR III  – 2 b Commando de protection des devises [Devisenschutzkommando] III – 2 c Opérations de mise en sécurité III – 2 d Musée de l’armée III – 3 Alsace-Lorraine III – 4 Commerce d’objets d’art (alphabétique) III – 5 Commerce d’objets d’art – généralités II – 6 [?] Musée IV Monuments de la victoire et de la haine 88 AN AJ 40/573, dossier 1, Kunstschutz (Groupe de protection des œuvres d’art) auprès de l’OKH. Plan de classement des documents du service.

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V

Collection de métaux (dispositions générales, monuments, cloches)

VI Passeports, recommandations VI – 0 Passeports VI – 1 Demandes de laissez-passer, classées alphabétiquement A – D, E – M, N – Z VI – 2 Formulaires de contrôle VI – 3 Prisonniers de guerre VII Publications scientifiques VIII Divers VIII – 0 Correspondance avec l’Allemagne [Heimat].

Le plan de classement sur le Kunstschutz auprès de l’OKH présente un niveau de structure supérieur : 1) Généralités 2) Ordres, ordonnances et décrets 3) Personnel 4) Objets d’art mobiliers 5) Rapports Belgique 6) Belgique généralités 7 a) Rapports France A 7 b) Rapports France A 7 c) Rapports France B 7 d) Rapports France C 7 f ) Rapports France (situation générale et rapports spécifiques) 8) France généralités 9) Hollande 10) Allemagne [Heimatgebiet] 11) Rapports synthétiques pour l’OKH Gen/Qu. [quartier-maître général] 12) Archéologie 13) Véhicules légers (également campagne photographique) 14) Sud de la France 15) Italie 16) Coupures de presse 17) Campagne scientifique 19) Kunsthistorisches Institut [l’institut d’histoire de l’art] 20) Sud-Est (Grèce) 20 a) Sud-Est (Égypte, Serbie) 21) Est (Russie) Dossier spécial Groupe 7 (clos).

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Le dossier 141 du NL FGWM, avec des correspondances, des comptes rendus de voyage et de situation sur la protection des œuvres d’art dans le sud de la France ainsi que des listes de dépôts de sauvegarde (décembre 1942–juin 1944), constitue probablement une partie des dossiers conservés de l’OKH : Titre 14) Sud de la France. Il s’y trouve également un plan de classement, structurant une partie du dossier :89 1.) Généralités. Correspondance avec les autorités allemandes et françaises sur des questions générales, y compris commerce de l’art. 2.) Ordres (fondamentaux), organisation, activités de service. 3.) Rapports. Rapports d’activité, de déplacement, de situation, présentations générales, liste des bâtiments exemptés. 4.) Dépôts de sauvegarde et musées. a.) Correspondance générale, b.) Classement alphabétique. 5.) Immeubles et objets mobiliers concernés. a.) Correspondance générale, b.) Classement par département. 6.) Territoire occupé en Italie. Au vu de ces plans de classement, la question qui se pose est moins celle des aspects qui ne peuvent malheureusement pas être documentés dans cet inventaire que celle des sous-rubriques qui le sont. La nature des dossiers et les annotations manuscrites sur les documents autorisent à émettre au minimum l’hypothèse que les fichiers conservés au sein du NL FGWM proviennent des archives du Kunstschutz auprès de l’OKH. Cette hypothèse est corroborée par les informations sur le choix des dossiers fournies par Wolff Metternich et von Tieschowitz et par l’expédition de ces dossiers à Bonn. Enfin, une liste des liasses n° 1 – 16 à transférer, établie par von Tieschowitz et intitulée Dossiers du délégué du Kunstschutz auprès de l’OKH en date du 29 juillet 1943, conforte la thèse de la présence d’archives du Kunstschutz OKH au NL FGWM :90 Liste des liasses acheminées de Paris à Bonn le 29.7.43 : Dossiers du délégué du Kunstschutz auprès de l’OKH : 1) Généralités, ordres et organisation, rapp. France (rapp. France généraux et de situation), région C 2) Personnel 3) Objets d’art mobiliers 4) Rapports Belgique 5) Rapports généralités 6) Rapports France A–K 89 NL FGWM, n° 141, et notamment plan de classement, commandant de la zone d’opération militaire Sud Qu/Kult, août 1943. 90 NL FGWM, n° 34.

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7) Rapports France L–Z 8) Rapports France Région B et C 9) France généralités et Hollande 10) Allemagne [Heimat] 11) Rapports synthétiques pour l’OKH Gen/Qu 12) Archéologie, coupures de presse 13) Voyages d’études 14) Kunsthistorisches Institut, campagne scientifique 15) Sud-Est (Grèce) 16) Serbie, Égypte, Est (Russie) Dossiers de la campagne photographique : 1) Généralités 2) Ordres, personnel, rapports (planification). signé Tieschowitz, MVR. Une énumération manuscrite, ultérieurement numérotée et dactylographiée, non datée, de Wolff Metternich indique en outre : Table des dossiers du Kunstschutz à Bonn 1) Ordres généraux des autorités militaires. 2) Ordres généraux concernant la protection des œuvres d’art, notices pour les commandants des troupes et la troupe à propos de la protection des bâtiments et monuments historiques. 3) Patrimoine artistique mobilier, protection et démarches pour empêcher l’évacuation. 4) a) Comptes rendus de voyage des délégués, classés par districts. b) Rapports de situation (généralités), rapports mensuels des délégués du Kunstschutz. c) Idem Serbie, Proche-Orient. 5) Rapports sur la destruction d’œuvres d’art. 6) Protection des dépôts d’évacuation nationaux du patrimoine artistique français. 7) Mesures diverses pour protéger les monuments historiques (cathédrales, etc.). 8) Rapatriement des objets volés par les Français 1795 – 1813. Extraits de dossiers des Archives nationales, correspondance. (Le rapatriement n’a pas été effectué). Il est attesté que Wolff Metternich et von Tieschowitz séjournèrent tous les deux à Paris en juillet 1943 et qu’ils trièrent les dossiers en vue de leur acheminement à Bonn. On peut ainsi lire dans l’agenda de poche de von Tieschowitz : 24.07.43, Paris, après-m. avec Mett. au bureau, travaillé. Examen des dossiers. 25.07.43, Paris/Versailles, avec Metternich et Mademoiselle Schmidt à Versailles, mat. Saint-Germain-des-prés. Notre-Dame, après-m. avec Mett. et Schmidtchen à Versailles – charmant, Dîner à trois à Paris hôtel Lotti, 10h30 départ Metternich.91 91 NL FGWM, n° 251.

« Sous protection militaire en raison de sa valeur artistique ! »   I  165

Une autre entrée indique que les dossiers furent convoyés à Bonn par le chauffeur, Josef Bauch : 28.07.43, Paris, Bauch se rend à Bonn avec dossiers. Les dossiers du Kunstschutz sont également mentionnés dans les journaux de Wolff Metternich lorsqu’il évoque son voyage à Paris entre le 12 et le 25 juillet 1943 : Les journées ont été occupées par de nombreuses tâches professionnelles, classer les dossiers, etc., mais ont laissé aussi le loisir de plusieurs visites intéressantes (…).92 La comparaison du plan de classement de l’OKH avec la liste des dossiers transférés de Paris à Bonn, établie par von Tieschowitz, et avec celle de Wolff Metternich sur les dossiers du Kunstschutz montre que d’autres documents du NL FGWM peuvent être attribués à chacune des sous-rubriques, même si ces dernières ne sont plus conservées comme telles dans le classement archivistique actuel et que leur volume varie fortement. Les rubriques Objets d’art mobiliers, Allemagne, Archéologie, Kunsthistorisches Institut (probablement le KHF), Sud-Est et Est, en particulier, sont maigres. Tandis que la liste de von Tieschowitz recouvre largement le plan de classement de l’OKH, l’énumération de Wolff Metternich semble être plutôt une synthèse thématique, compilée à des fins documentaires, probablement aussi dans la perspective de la publication déjà mentionnée du « Weissbuch Kunstschutz » (livre blanc). Plan de classement OKH, AN AJ 40/573

Liste des dossiers transférés à Bonn, NL FGWM, n° 34

Liste des dossiers du Kunstschutz à Bonn, NL FGWM, n° 34

1) Généralités 2) Ordres, ordonnances et décrets 3) Personnel 4) Objets d’art mobiliers 5) Rapports Belgique 6) Belgique Généralités 7 a) Rapports France A 7 b) Rapports France A 7 c) Rapports France B 7 d) Rapports France C 7 f) Rapports France (situation générale et rapports spécifiques) 8) France généralités 9) Hollande 10) Allemagne 11) Rapports synthétiques pour l’OKH Gen/Qu 12) Archéologie 13) Véhicules légers (également campagne photographique) 14) Sud de la France 15) Italie 16) Coupure de presse 17) Campagne scientifique 19) Kunsthistorisches Institut 20) Sud-Est (Grèce) 20 a) Sud-Est (Égypte, Serbie) 21) Est (Russie) Dossier spécial Groupe 7 (clos)

1) Généralités, Ordres et organisation, rapp. France (rapp. France généraux et de situation), région C 2) Personnel 3) Objets d’art mobiliers 4) Rapports Belgique 5) Rapports généralités 6) Rapports France A-K 7) Rapports France L-Z 8) Rapports France Région B et C 9) France généralités et Hollande 10) Allemagne 11) Rapports synthétiques pour l’OKH 12) Archéologie, coupures de presse 13) Voyages d’études 14) Kunsthistorisches Institut, campagne scientifique 15) Sud-Est (Grèce) 16) Serbie, Égypte, Est (Russie) Dossiers de la campagne photographique : 1) Généralités 2) Ordres, personnel, rapports (planification) signé Tieschowitz MVR

1) Ordres généraux des autorités militaires. 2) Ordres généraux concernant la protection des œuvres d’art, notices pour les commandants des troupes et la troupe à propos de la protection des bâtiments et monuments historiques. 3) Patrimoine artistique mobilier, protection et démarches pour empêcher l’évacuation. 4 a) Comptes rendus de voyage des délégués, classés par districts. b) Rapports de situation (généralités), rapports mensuels des délégués du Kunstschutz. c) Idem Serbie, Proche-Orient. 5) Rapports sur la destruction d’œuvres d’art. 6) Protection des dépôts d’évacuation nationaux du patrimoine artistique français. 7) Mesures diverses pour protéger les monuments historiques (cathédrales, etc.). 8) Rapatriement des objets volés par les Français 1795 – 1813. Extraits de dossiers des Archives nationales, correspondance. (Le rapatriement n’a pas été effectué).

92 NL FGWM, n° 200.

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Les documents conservés au sein du NL FGWM ne permettent pas de reconstituer le plan de classement du groupe V 1/2 Kunstschutz de l’administration militaire. On y trouve certes quelques articles qui correspondent, d’un point de vue thématique, à certaines sous-­ rubriques du plan de classement, notamment sur les numéros 0 – ressort du Kunstschutz et I – protection des œuvres d’art dans les districts extérieurs, mais il semble s’agir pour l’essentiel de pièces qui ont été produites par l’administration militaire sous forme de rapports et de documentation administrative à l’intention du Kunstschutz auprès de l’OKH , précisément de Wolff Metternich et von Tieschowitz. Certaines rubriques du plan de classement peuvent être complétées par des sources complémentaires (par ex. les dossiers Kunstschutz de Zimmermann à l’ALVR ou de Bunjes aux Archives nationales ; et sur la structure de l’organisation les dossiers de l’administration militaire allemande aux Archives nationales et au Militärarchiv à Fribourg). De surcroît, la comparaison avec les sources des institutions françaises ayant coopéré avec le Kunstschutz offre un complément sur le fond ; on pense ici notamment aux dossiers de l’administration des collections nationales françaises (fonds Musées nationaux aux Archives nationales), à ceux de l’association La Demeure historique et aux pièces administratives des Monuments historiques (Médiathèque de l’architecture et du patrimoine). Les sous-rubriques III – Patrimoine artistique mobilier (dont rapatriement, ERR, commando de protection des devises, commerce de l’art) et VI – Passeports, recommandations sont très incomplètes et représenteraient un objet de recherche intéressant pour la recherche de provenance sur les biens culturels soustraits à la suite de persécutions nazies. On trouve certes quelques indices dans d’autres fonds (ERR et TvK, Bundesarchiv, correspondance avec les archives de musées ou autres archives, fonds privés de marchands d’art), mais ils ne suffisent pas pour reconstituer l’implication et l’activité effective du Kunstschutz. Il est, de surcroît, intéressant de relever que ces aspects thématiques sur les objets mobiliers ne sont que brièvement cités dans le plan de classement de l’OKH et sur la liste des dossiers transférés à Bonn, et qu’ils ne permettent pas de tirer des conclusions sur une quelconque participation du Kunstschutz à la spoliation. Dans sa liste, Wolff Metternich place même sur une même ligne le patrimoine artistique mobilier et la protection et [les] démarches pour empêcher l’évacuation par le Kunstschutz. Traduit de l’allemand par Valentine Meunier

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Handbuch: Archive und Bestände

Archive und Bestände mit Überlieferung zum militärischen Kunstschutz Florence de Peyronnet-Dryden/Esther Rahel Heyer

Deutschland Aachen Stadtarchiv Aachen Reichsweg 30, Nadelfabrik, 52068 Aachen Kommunales Archiv der Stadt Aachen mit Schriftgut eigener und nichtstädtischer Herkunft. In den Personalakten der Stadtverwaltung befindet sich eine Akte zu Felix Kuetgens, darin finden sich auch Schilderungen über seine Tätigkeit beim militärischen Kunstschutz in Frankreich.

Suermondt-Ludwig-Museum Wilhelmstraße 18, 52070 Aachen Hauseigenes Archiv des Museums. Die Verwaltungsakten des Museums geben Hinweise zur Tätigkeit Felix Kuetgens’ als Museumsdirektor. Kuetgens war während des Zweiten Weltkriegs Mitarbeiter beim militärischen Kunstschutz in Frankreich. Zudem sind Unterlagen zu Erwerbungen des Museums in Frankreich von Interesse sowie über die kriegsbedingten Auslagerungen der Museumsbestände in Bergungsorte.

Berlin Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde Finckensteinallee 63, 12205 Berlin Einer der zehn Standorte des 1952 gegründeten Bundesarchivs. Dort werden Akten aus der Zeit des Deutschen Reichs, des Nationalsozialismus, der Bundesrepublik und der Deutschen Demokratischen Republik aufbewahrt.

In der Überlieferung aus der Zeit des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit, insbesondere zu Institutionen und Verwaltungsorganisationen, sind für den deutschen militärischen Kunstschutz folgende Bestände von Interesse: – R 55 – Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (Akten zu deutschfranzösischen Kunstbeziehungen, auch Berichte zum Kunstschutz und Korrespondenz zur Rückführung von Kulturgut nach Deutschland sowie Kunstraub); – R 1506 – Reichsarchiv (Akten zu Archivschutz in Deutschland und in Frankreich). Ergänzende Überlieferungen zur Thematik sind zu finden in: – R 4901 – Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (Geförderte Forschungsvorhaben, u. a. mit Beteiligung oder Unterstützung durch den Kunstschutz, außerdem über ausländische Forschungsstätten); – R 73 – Deutsche Forschungsgemeinschaft (Forschungsvorhaben in den besetzten Gebieten, bspw. der Universität Bonn, die auch durch den Kunstschutz unterstützt wurden); – R 1509 – Reichssippenamt (eine Akte zur Inventarisierung baltendeutscher Kunstdenkmäler); – R 26-VI – Beauftragter für den Vierjahresplan – der Generalbevollmächtigte für die Wirtschaft in Serbien (eine Akte mit Verweisen auf Kunst- und Archivschutz); – R 9361-IX KARTEI – Sammlung Berlin Document Center (BDC): Personenbezogene Unterlagen der NSDAP.- Mitgliederkartei.- Gaukartei (darin Mitgliedsnachweis Wolff Metternich). Ergänzende Randbereiche zu Kunstraub und Forschung in besetzten Gebieten sind zu finden in: – NS 8 – Kanzlei Rosenberg (ERR) – NS 21 – Forschungs- und Lehrgemeinschaft „Das Ahnenerbe“ (Personenbezogene Unterlagen zu bspw. Alfred Stange und Bernhard von Tieschowitz, Akten zur Erfassung von Kulturgut, kulturgeschichtlichen Forschungsvorhaben, Archivkommission und Kulturkommission in Ostgebieten, Korrespondenz mit dem Kunstschutz zur Erforschung des Teppichs von Bayeux); – NS 30 – Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg – R 6 – Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete (ERR, „Bergung und Sicherstellung von Kulturgütern“). Zur Familiengeschichte Wolff Metternich sind auch zu beachten: – N 2337 – NL Paul Wolff Metternich (1853 – 1934, Diplomat im ­Ersten Weltkrieg); – R 3001 – Reichsjustizministerium (darin zwei Akten zu Fideikommiss der Familie Wolff Metternich). Siehe ebenfalls die Bestände an den Standorten Koblenz und Freiburg (Militärarchiv).

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Archiv der Max-Planck-Gesellschaft Boltzmannstraße 14, 14195 Berlin 1975 gegründete zentrale Sammelstelle für die Überlieferungen der ­Kaiser-Wilhelm- bzw. Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften sowie Vor- und Nachlässe. Hier sind im Bestand II. Abt. Akten der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften für die Tätigkeiten Wolff Metternichs als Direktor der Bibliotheca Hertziana (1953 – 1963) die folgenden Unterbestände von Relevanz: – Abt. II, Rep. 67 Generalverwaltung: Personal (Akte Wolff Metternich, u. a. zu Kunstschutz); – Abt. II, Rep. 35 – Bibliotheca Hertziana – Max-Planck-Institut (Akten zur Wiedereröffnung der Bibliotheca Hertziana, Veranstaltungen sowie Tätigkeiten und Publikationen Wolff Metternichs).

Staatliche Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz – Zentralarchiv Geschwister-Scholl-Straße 6, 10117 Berlin Das Zentralarchiv ist eine wissenschaftliche Dienstleistungseinrichtung für die Sammlungen der ehemals Königlichen, heute Staatlichen Museen zu Berlin. In den Beständen der Museen sind Hinweise zu Luftschutz und Kunstschutz im Krieg (auch Berichte Wolff Metternichs über den Kunstschutz) zu finden, außerdem Informationen zu Ankaufstätigkeiten und Wissenschaftsvorhaben in Frankreich. Siehe insbesondere die Bestände: – I/NG – Nationalgalerie (Unterlagen über Ankauf, Verkauf und Tausch von Kunstwerken, bspw. in Verbindung mit Kunstschutzmitarbeiter Carlheinz Pfitzner, außerdem zum Schutz der national wertvollen Kunstwerke); – I/SKS – Skulpturensammlung (darin Berichte Wolff Metternichs über den kunstwissenschaftlichen Arbeitsstab in Frankreich und Korrespondenz zu Fachpublikationen); – I/GG – Gemäldegalerie (wissenschaftlicher Austausch zu Abbildungen/Fotografien für Fachpublikationen, auch mit dem Kunstschutz in Belgien/Nordfrankreich und Frankreich). Für die Nachkriegszeit und zu Wolff Metternichs wissenschaftlichen Kontakten zudem interessant: – II B/NG – Handakten Paul Ortwin Rave (Schriftwechsel mit Wolff Metternich aus der Nachkriegszeit zur Wiedereröffnung der Bibliotheca Hertziana).

Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Archivstraße 12 – 14, 14195 Berlin-Dahlem

Archive und Bestände mit Überlieferung zum militärischen Kunstschutz  I  173

Aufgaben des Archivs, dessen Geschichte bis ins Jahr 1598 zurückreicht, sind die Übernahme, Erschließung und Aufbewahrung des Schriftguts der zentralen Verwaltungs- und Justizbehörden Brandenburg-Preußens, bestimmter Provinzialüberlieferungen, Einrichtungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Nachlässe, Karten- und Bildersammlungen sowie Schriftgut von Freimaurerlogen. Dort ist die ergänzende Überlieferung zur preußischen Provinzialverwaltung und Denkmalpflege zu finden. Außerdem sind Bestände zur Rückführung von Kunstwerken in der Nachkriegszeit von Interesse. Zu beachtende Bestände sind: – VI. HA Nl Paul Ortwin Rave (Bergungsmaßnahmen für Kulturgut in Deutschland während des Krieges); – VI. HA Nl Kurt Reutti (Erinnerungsschriften über Kunstbergungsstelle); – VI. HA Nl Irene Kühnel-Kunze (Korrespondenz mit Wolff Metternich bei der Bibliotheca Hertziana).

Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Kurstraße 36, 10117 Berlin Das 1919 gegründete Archiv verwahrt Unterlagen zur deutschen Außenpolitik (Auswärtiges Amt des Deutschen Reiches, Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland und Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR sowie Auslandsvertretungen) seit 1867. Einerseits enthält d ­ ieses Archiv relevante Bestände zu den Aktionen des Auswärtigen Amtes während des Zweiten Weltkrieges, andererseits zu den Tätigkeiten Wolff Metternichs und von Tieschowitz’ beim Auswärtigen Amt in der Nachkriegszeit (1950 – 1952), zudem über Restitutionsangelegenheiten und Nachwirkungen des Kunstschutzes. Relevante Bestände hierzu sind: – RZ 514 – Propaganda – Kult Pol Gen II (Unterlagen zum Kunstschutz Italien, Berichte über die Tätigkeiten des Kunstschutzes; ebenfalls Archivschutz und Kunstraub); – RAV Paris – Botschaft Paris (zu Otto Abetz und Zuständigkeitskontroversen für die „Sicherstellung von Kunstgut“); – P 14 – Personalakten Neues Amt (Wolff Metternich und von Tieschowitz); – B 95 (Ref. 605/IV6) – Kunst, Film, Treuhandverwaltung von Kulturgut (zu Wolff Metternich als Leiter der Kulturabteilung, der Treuhandverwaltung von Kulturgut beim Auswärtigen Amt und Restitutionsverhandlungen); – B 86 – Kriegsfolgen, Stationierung von Truppen im Ausland, Wiedergutmachung (darin auch zu äußerer Restitution und der deutsch-italienischen Kommission).

Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz Potsdamer Straße 33, 10785 Berlin

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Die Bibliothek ist eine Einrichtung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, seit 1990 in zwei Häusern: Unter den Linden und Potsdamer Straße. Die Handschriftenabteilung umfasst neben Handschriften und Inkunabeln eine Vielzahl privater Nachlässe. Als ergänzende Überlieferung ist der Nachlass von Hugo Andres Krüß (von 1925 bis 1945 Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek) zu erwähnen, der interessante Hinweise zum Bibliotheksschutz in Form von Tagebüchern, Korrespondenz und Reiseberichten enthält.

Bonn Kunsthistorisches Institut der Universität Bonn – Archiv Regina-Pacis-Weg 1, 53113 Bonn Das hauseigene Archiv des Kunsthistorischen Instituts enthält Verwaltungsunterlagen, Akten zu Vorlesungen, Forschung und Organisation sowie Institutskorrespondenz und Personalia. In den grob verzeichneten Ordnern, Mappen und Schubladen sind für die Verbindungen Wolff Metternichs zur Universität Bonn und die relevanten Verbindungen zur Forschung in den besetzten Gebieten vor allem die Briefwechsel von Alfred Stange oder auch Paul Clemen von Interesse.

Universitäts- und Landesbibliothek Bonn Adenauerallee 39 – 41, 53113 Bonn Die 1818 gegründete Bibliothek umfasst mehrere Zweigstellen, dezentrale Bibliotheken und Fachbereiche. Diese beinhalten neben Buchbeständen auch Sammlungen historischer Drucke, Handschriften, Nachlässe u. a. Die Bibliothek des Fachbereichs Kunstgeschichte befindet sich im Kunsthistorischen Institut der Universität. Dort sind besonders Publikationen des Bonner Kunstgeschichte-Umfelds von Interesse, zudem befindet sich im Rara-Bestand ein Geschenk-Bildband mit Fotos der Fotokampagne im besetzten Frankreich im Zweiten Weltkrieg.

Archiv der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Am Hof 1, 53113 Bonn Das in der Nachkriegszeit gegründete und seit 1961 öffentlich zugängliche Archiv beinhaltet Akten der Universitätsverwaltung aus dem 19. und 20. Jahrhundert sowie Unterlagen von Dozent*innen. Darin sind vor allem Unterlagen von und über Franziskus Graf Wolff Metternich und Paul Clemen in folgenden Beständen von Interesse:

Archive und Bestände mit Überlieferung zum militärischen Kunstschutz  I  175

– PF  – Philosophische Fakultät (zur Tätigkeit Wolff Metternichs als Lehrbeauftragter und ­später Honorarprofessor; PF-PA, fakultätsinterne Personalakten über Wolff ­Metternich und Clemen); – UV – Universitätsverwaltung seit 1945 (Unterlagen zu Mitarbeitern und Verwaltung, außerdem Personalakten der Universität von Wolff Metternich zu dessen Tätigkeit an der Universität, auch seiner Entnazifizierung und weiteren Karriere).

Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn Stadthaus, Berliner Platz 2, 53111 Bonn Das 1899 gegründete Archiv enthält das Schriftgut der Bonner Stadtverwaltung sowie zahlreiche Nachlässe und Sammlungen. Interessant für personenbezogene Forschung aufgrund der Ansässigkeit der Mitarbeiter und Kollegen aus dem Kreis Wolff Metternichs, der Denkmalpflege und des Kunstschutzes in Bonn (bspw. Adressbücher).

Rheinisches Archiv für Künstlernachlässe Floßweg 55, 53179 Bonn Das 2007 gegründete Archiv umfasst eine Sammlung von über 70 Künstlernachlässen. Darin befinden sich auch private Nachlässe von Mitarbeitern des Kunstschutzes im besetzten Frankreich mit persönlichen Unterlagen und Schilderungen über die Zeit des Kunstschutzes sowie Korrespondenz, die wissenschaftliche Netzwerke verdeutlicht. Insbesondere: – Nachlass Josef Busley (1888 – 1969); – Nachlass Carlheinz Pfitzner (1908 – 1944).

Brauweiler Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland Ehrenfriedstraße 19, 50259 Pulheim-Brauweiler Das Archiv dokumentiert die Geschichte des Landschaftsverbandes Rheinland sowie die seiner Vorgänger, der Ständischen Landtage und des Provinzialverbandes der Rheinprovinz. Bezüglich Wolff Metternichs Tätigkeit als Provinzial- und ­später Landeskonservator, Personennetzwerken, Denkmalpflege und kriegsbedingtem Kunstschutz sind insbesondere die Archivalien des Rheinischen Amts für Denkmalpflege, der Kulturabteilung der Provinzialverwaltung und die Personalakten von Interesse. Durch die Überschneidungen der Tätigkeiten von Mitarbeitern im Rheinland und im besetzten Frankreich finden sich darin auch Unterlagen zum Kunstschutz in Frankreich. Insbesondere: – Personalakten aus der Zentralverwaltung (Wolff Metternich und Mitarbeiter);

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– Weltkriege, Besatzungszeit, Referat I H: „Verschiedenes“ der Rheinischen Provinzialverwaltung (Kunstschutz Rheinland, Bergungsmaßnahmen und Auslagerungen); – Rheinisches Amt für Denkmalpflege (Landeskonservator Rheinland und Denkmäler­ inventarisation der Rheinlande), Generalakten (reichhaltiger Bestand für die Forschungsthematik: Denkmalpflege Rheinland, Bergungsorte, auch Glockenaktion, Bibliotheksschutz, Kunstschutz Frankreich, inkl. Besichtigungsberichte von Z ­ immermann im Militärverwaltungsbezirk C, auch zu Kunstraub); – Rheinisches Landesmuseum Bonn, Bd. 1 und Bd. 2 (Kunst- und Luftschutz Rheinland, Bergung und Rückführung von Kunstgegenständen privater Sammler, Ankäufe des Museums im besetzten Frankreich sowie deren Restitution in der Nachkriegszeit); – Kulturabteilung der Rheinischen Provinzialverwaltung (dabei dienstliche Unterlagen Wolff Metternichs als Provinzialkonservator, Organisation der Denkmalpflege, auch Akten zum Kunstschutz im Krieg, zu Ankäufen von Kunstwerken in Frankreich, zum Archivwesen). Zusätzlich ist folgende ergänzende Überlieferung zu erwähnen: – Organisationsabteilung der Rheinischen Provinzialverwaltung (Ariernachweise, Entnazifizierungsvorgänge, Unterlagen zur Bibliothek der Denkmalpflege); – Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz (mit Ortsgruppen), Rheinischer Heimatbund (Unterlagen zur Umsetzung der Festschrift zum 80. Geburtstag Wolff Metternichs); – Nachlass Heinrich (Heinz) Haake (1892 – 1945, Landeshauptmann und Verwaltungschef der Rheinischen Provinzialverwaltung; auch Korrespondenz über Wolff Metternich und Kunstschutz). Außerdem sind für den rheinischen Kulturgutschutz im Zweiten Weltkrieg die beiden Bestände der ehemaligen Dienstregistratur der 1929 gegründeten Archivberatungsstelle von Relevanz, damals in Trägerschaft des Provinzialverbandes der Preußischen Rheinprovinz, heute LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum: – Archivberatung Dienstregistratur I (Archivschutz im Rheinland im Zweiten Weltkrieg, auch Kunstschutz und Bibliotheksschutz); – Archivberatung Dienstregistratur II (Rückführung von ausgelagerten Beständen, Archivschutz und Kunstschutz, auch Bibliotheksschutz im Rheinland).

LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Archiv Abtei Brauweiler, Ehrenfriedstraße 19, 50259 Pulheim-Brauweiler Im LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland ist, neben einer großen Bibliothek, dem Denkmälerarchiv, einem Fotoarchiv und einem Planarchiv, auch ein hauseigenes Archiv mit Akten und Dokumentation zu Denkmalpflege und Kulturverwaltung beheimatet.

Archive und Bestände mit Überlieferung zum militärischen Kunstschutz  I  177

Als ergänzender Randbereich ist für den Kunstschutz im ­Ersten Weltkrieg und die wissenschaftliche Schüler-Lehrer-Verbindung zu Wolff Metternich der Nachlass von Paul Clemen von Interesse (darin Unterlagen Clemens zum ­Ersten Weltkrieg und zur Denkmalpflege sowie Korrespondenz mit Schülern bis in die Nachkriegszeit des Zweiten Weltkriegs, darunter auch Wolff Metternich).

Duisburg Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland Schifferstraße 30, 47059 Duisburg Das Landesarchiv NRW ist in die Abteilungen Rheinland, Westfalen und OstwestfalenLippe mit verschiedenen Standorten gegliedert. Die Abteilung Rheinland ist das staatliche Archiv des Landesteils Nordrhein und Ministerialarchiv des Landes NRW und verwaltet dessen Verwaltungsschriftgut. Für die beruflichen Schnittmengen und personellen Verbindungen sind darin Bestände der Ministerien, insbesondere der Kulturverwaltung, außerdem zur Entnazifizierung in der Nachkriegszeit sowie private Nachlässe ehemaliger Kunstschützer und Kollegen von Interesse. Insbesondere: – Der Sonderbeauftragte für die Entnazifizierung in NRW mit nach Ausschüssen gegliederten Unterbeständen (darin Unterlagen zur Entnazifizierung von Wolff Metternich, von Tieschowitz, Busley und Kuetgens); – NW 0292 – Personalvorgänge Innenministerium (darin eine Akte zu Wolff Metternich und dessen Tätigkeiten in der Nachkriegszeit); – RWN 0119 – NL Josef Busley (Mitarbeiter beim Kunstschutz in Frankreich, ebenso Mitarbeiter beim Kultusministerium und dadurch vor und über die NS-Zeit hinaus Kollege von Wolff Metternich); – RWN 0052 – NL Alois Becker (Oberregierungsrat; darin persönliche Erinnerungsschriften, u. a. mit Aussagen über Wolff Metternich und Busley sowie Kunstschutz und Kunstraub).

Ehreshoven Vereinigte Adelsarchive im Rheinland Schloss Ehreshoven 25, 51766 Engelskirchen Die Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e. V. – im Jahr 1982 gegründet und seit 1996 Träger eines großen Archivdepots mit derzeit 22 Adelsarchiven auf Schloss Ehreshoven im Bergischen Land – sind ein Zusammenschluss von Adelsfamilien, die seit dem Spätmittelalter im Rheinland nachgewiesen sind und ein Archiv besitzen. Insgesamt sind 55 Archive benutzbar.

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Für die Kunstschutzforschung sind das Archiv der Genossenschaft der Rheinisch-Westfälischen Malteser-Devotions-Ritter und vor allem das Familienarchiv der Grafen Wolff Metternich zur Gracht (Archiv Schloss Gracht) von besonderer Relevanz.

Archiv der Genossenschaft der Rheinisch-Westfälischen MalteserDevotions-Ritter (Vereinigte Adelsarchive im Rheinland) Schloss Ehreshoven 25, 51766 Engelskirchen Das Archiv der deutschen Assoziation des Souveränen Malteserritterordens ist ein Depositum der VAR und beinhaltet die Überlieferung der Genossenschaft der Rheinisch-Westfälischen Malteser-Devotions-Ritter und des Vereins der Schlesischen Malteserritter. Zur Familiengeschichte sowie zur persönlichen und beruflichen Entwicklung und der Verbindung zur ­Kirche ist Wolff Metternichs Personalakte von Interesse.

Familienarchiv der Grafen Wolff Metternich zur Gracht (Archiv Schloss Gracht) (Vereinigte Adelsarchive im Rheinland) Schloss Ehreshoven 25, 51766 Engelskirchen Das Archiv Schloss Gracht ist ein Depositum der VAR und beinhaltet die Überlieferungsgeschichte der Familie Grafen Wolff Metternich, es umfasst u. a. Urkundenbestände, Aktenbestände und Stammtafeln. Das private und berufliche Schriftgut von Franziskus Graf Wolff Metternich ist Teil des Familienarchivs: – Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternich (1893 – 1978), Kernbestand ­dieses Sachinventars; – Teilbestand Bibliothek Franziskus Graf Wolff Metternich (wissenschaftliches Arbeitsmaterial Wolff Metternichs).

Freiburg Bundesarchiv, Abteilung Militärarchiv, Freiburg im Breisgau Wiesentalstraße 10, 79115 Freiburg Das Militärarchiv ist einer der zehn Standorte des Bundesarchivs und beinhaltet die Überlieferung staatlich-militärischer Stellen von 1867 bis zur Gegenwart, außerdem private Nachlässe und sachthematische Sammlungen zur deutschen Militärgeschichte. Für den Bereich des militärischen Kunstschutzes im Zweiten Weltkrieg sind aufgrund der Angliederung an das Militär folgende Bestände relevant: – RW 35 – Militärbefehlshaber Frankreich und nachgeordnete Dienststellen (Unterlagen zur Militärverwaltung Frankreich, darin zu Archivschutz, auch Kunstschutz und ERR;

Archive und Bestände mit Überlieferung zum militärischen Kunstschutz  I  179

ergänzender Teil des Bestandes AJ/40 aus den französischen Archives nationales – insbesondere AJ/40/439 bis 990); – RW 36 – Militärbefehlshaber Belgien-Nordfrankreich (darin wenige Akten zum Kunstschutz Belgien-Nordfrankreich sowie Archivschutz; ein ergänzender Teil des Bestandes AJ/40 für Nordfrankreich und Belgien – insbesondere AJ/40/1 bis 390); – RH 36 – Kommandanturen der Militärverwaltungen der Wehrmacht (Hinweise auf Kunstschutzmaßnahmen und Korrespondenz, bspw. der Feldkommandanturen ­Avignon und St. Cloud; Gegenüberlieferung zu den französischen Departementarchiven). Ergänzungen zu den thematischen Randbereichen Personalia, Kunstschutz und Archivwesen sowie Kunstraub sind in folgenden Bestände zu finden: – PERS 6 – Personalunterlagen von Angehörigen der Reichswehr und Wehrmacht (Personalakte Bernhard von Tieschowitz); – RH 3 – OKH /Generalquartiermeister und nachgeordneter Bereich (Anweisungen OKH , darin Korrespondenz zum Abschlussbericht Wolff Metternichs über den Kunstschutz); – RH 62 – Chef der Heeresmuseen (bspw. Bergungsmaßnahmen des Heeresmuseums Straßburg); – RH 18 – Chef der Heeresarchive und nachgeordneter Bereich (Archivschutz, Unterlagen zur Auslagerung, bspw. Heeresarchiv Wien, Korrespondenz des Kommissars für den Archivschutz Ernst Zipfel); – RL 19 – 7 – Luftgaukommando VII, (München/Kloster Scheyern) (Luftschutz, darin auch Berichte Wolff Metternichs zu Kunst- und Luftschutz); – MSG 2 – Sachthematische und biografische Sammlung zur deutschen Militärgeschichte 1849 – 1945 (darin Abschlussbericht zum Kunstschutz von Wolff Metternich); – RS 15 – SS-Sonderkommando von Künsberg (Kunstraub bzw. Archivraub).

Koblenz Bundesarchiv Koblenz Potsdamer Straße 1, 56075 Koblenz Hauptdienststelle des 1952 gegründeten Bundesarchivs mit der Hausleitung, der Abteilung für zentrale Verwaltungsangelegenheiten und der Abteilung für Grundsatzangelegenheiten und Wissenschaft. Dort befindet sich das zentrale zivile staatliche Archivgut der Bundesrepublik Deutschland seit 1949, der westlichen Besatzungszonen und privates Schriftgut. Für den militärischen Kunstschutz können hier folgende Bestände mit Nachforschungen aus der Nachkriegszeit herangezogen werden: – B 323 – Treuhandverwaltung von Kulturgut bei der Oberfinanzdirektion ­München (Materialsammlung zur Thematik Entzug und Erwerb von Kulturgut, in den

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­ okumenten der Nachforschung über den Kunstraub auch Bezüge zum Kunstschutz, D außerdem Korrespondenz zu Restitution mit Wolff Metternich und von Tieschowitz); – B 120 – Institut für Besatzungsfragen (darin Korrespondenz über den Kunstschutz, umfangreiche Unterlagen über die Publikation Günther-Hornigs über den Kunstschutz in den von Deutschland besetzten Gebieten 1939 – 1945 von 1958). Ferner sind für die Nachforschung zu Kunstraub und Kunstschutz der Nachkriegszeit von Interesse: – B 106 – Bundesministerium des Inneren (enthält eine Akte über Kunstschutz und Luftschutz, darin auch Berichte Wolff Metternichs zum Kunstschutz); – B 126 – Bundesministerium der Finanzen (Ermittlungen über Kunstraub, darin auch Bezüge zum Kunstschutz). Aufgrund der personellen Verbindung von Archivschutz und Kunsthandel siehe auch private Nachlässe: – N 1826 – Nachlass Gurlitt – Familie, Unterbestand Hildebrand Gurlitt (1895 – 1956; Geschäftsunterlagen des Kunsthändlers, darin Ausfuhrgenehmigungen durch den Kunstschutz für in Paris angekaufte Werke); – N 1418 – Nachlass Paul Wilhelm Rohr (1898 – 1968, Referent beim Generaldirektor der Staatsarchive und beim Direktor des Reichsarchivs, Abteilungsleiter im Bundesarchiv; darin Unterlagen zu Ernst Zipfel, dem Reichskommissar für den Archivschutz im Zweiten Weltkrieg).

Mainz Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Universitätsarchiv Jakob-Welder-Weg 6, 55128 Mainz Dokumentiert die Geschichte der Universität seit ihrer Gründung 1946, inkl. Vorgeschichte, und beinhaltet Nachlässe von Professor*innen und weitere Sammlungen von Plakaten, Fotos etc. Aufgrund der personellen Verbindungen in der Entstehung des Kunsthistorischen Insti­ tuts und der Übernahme des Buchbestandes aus der Kunsthistorischen Forschungsstätte in Paris sind relevant: – Best. 102 Kunsthistorisches Institut (Unterlagen zum Institut, Entstehung und wissenschaftliche Beziehungen, außerdem zur Bibliothek – Teilbestand aus der ehemaligen KHF Paris); – NL 51 Friedrich Gerke (1900 – 1966, Leiter des Kunsthistorischen Instituts, war von 1940 bis 1942 beim ERR in den Ostgebieten);

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– NL 52 Nachlass Richard Hamann-Mac Lean (1908 – 2000, Sohn des Marburger Professors Richard Hamann, Mitarbeiter der Fotokampagnen in den besetzten Gebieten im Zweiten Weltkrieg, ­später Leiter des Kunsthistorischen Instituts Mainz).

Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Bereichsbibliothek Georg Forster-Gebäude Jakob-Welder-Weg 12, 55128 Mainz Universitätsbibliothek mit mehreren Standorten und Fachbereichen, auch dem Universitätsarchiv, hier speziell Kunstgeschichte. Dort befindet sich ein Bücherbestand aus der ehemaligen Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris. (Siehe Projekt Mainz: Provenienz des Mainzer Buchbestandes aus der KHF Paris 1942 – 44.)

Marburg Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg Biegenstraße 11, 35037 Marburg Das Bildarchiv wurde 1913 durch den Kunsthistoriker Richard Hamann gegründet und umfasst eine Sammlung von Fotografien zur europäischen Kunst und Architektur, auch aus Fotokampagnen im E ­ rsten und Zweiten Weltkrieg. Relevante Quellen mit Bezug zum Kunstschutz sind in drei unterschiedlichen Dokumentensammlungen zu finden: – Bildquellen aus dem Bildarchiv Foto Marburg (Fotografien aus den Fotokampagnen); – Archivalien aus dem historischen Archiv Foto Marburg (Schriftquellen zu den Fotokampagnen); – die laufende Dienstregistratur Bildarchiv Foto Marburg (ergänzender Randbereich, bspw. Unterlagen zu Übernahme von Bildbeständen).

Philipps-Universität Marburg, Universitätsarchiv Friedrichsplatz 15, 35037 Marburg Universitätseigenes Archiv samt Vorgeschichte (säkularisierte Klöster zum Unterhalt der Universität), Verwaltungsunterlagen sowie Überlieferung von nicht zur Universität gehörenden Einrichtungen und Instituten, auch Nachlässe von Professoren. Dort befindet sich ergänzende Überlieferung zur Universität Marburg und den Fakultäten.

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Philipps-Universität Marburg, Universitätsbibliothek Deutschhausstraße 9, 35037 Marburg In der 1527 gegründeten Universitätsbibliothek befindet sich neben der Büchersammlung auch eine umfangreiche Nachlasssammlung. Darin ist der Nachlass des Kunsthistorikers Richard Hamann mit Bezügen zur Fotokampagne und zu seinen kollegialen Verbindungen von Interesse.

München Zentralinstitut für Kunstgeschichte Katharina-von-Bora-Straße 10, 80333 München Das 1946 gegründete Zentralinstitut umfasst eine kunstwissenschaftliche Bibliothek und ein Forschungsinstitut, zudem eine Photothek und eine Sammlung von Quellenschriften. Neben themenbezogener Fachliteratur befinden sich im Rara-Bestand auch Druckschriften und Berichte der Kunstschutzmitarbeiter aus der Kriegszeit (bspw. Wolff Metternich und von Reiswitz), außerdem können private Quellensammlungen von Kunsthistorikern und Bildersammlungen die Forschung zur Geschichte der Kunstgeschichte und der Forschung im Zweiten Weltkrieg ergänzen.

Bayerische Staatsbibliothek Ludwigstraße 16, 80539 München Neben gedruckten und elektronischen Medien sowie Handschriften des Zweiten Weltkrieges beherbergt die Bayerische Staatsbibliothek eine umfangreiche Nachlasssammlung. Hier ist vor allem der Nachlass Albrecht von Reiswitz (Mitarbeiter des Kunstschutzes in Serbien) von Interesse.

Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, Archiv Leonrodstraße 46 b, 80636 München Das Archiv des IfZ sammelt Quellen zur Zeitgeschichte, insbesondere Archivgut überregionaler Bedeutung, Zeitungen und Druckschriften vom Ende des ­Ersten Weltkrieges bis zur Gegenwart. Ergänzende Überlieferung zu zeithistorischen Themenbereichen, insbesondere Kunstraub und Kunstschutz, sind beispielsweise zu finden in: – OMGUS-Akten (amerikanische Militärverwaltung in Deutschland, vgl. NARA, USA); – Gerichtsakten der Nürnberger Prozesse (darin auch zu Kunstraub, vgl. Staatsarchiv Nürnberg).

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Münster Archiv des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe im LWL-Archivamt für Westfalen Jahnstraße 26, 48147 Münster Das Archiv des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) ist Teil des LWL-Archivamtes für Westfalen und dokumentiert die Geschichte des LWL und dessen Rechtsvorgängers Preußischer Provinzialverband für Westfalen. Es beinhaltet amtliche Archivbestände zu den Aufgabenfeldern von der provinziellen Selbstverwaltung bis heute, wie u. a. Kommunalwirtschaft, Jugend/Schulen, Soziales und Kultur; außerdem Überlieferung von mit dem LWL und dessen Aufgaben verbundenen Personen, Vereinen und Verbänden. Von Interesse für die Recherche zur Westforschung und der Kulturabteilung bei der Militärverwaltung Belgien und Nordfrankreich ist dort der Bestand 914 – Nachlass Prof. Dr. Franz Petri (1903 – 1993), Geschichtswissenschaftler, Kulturreferent bei der Militärverwaltung Belgien und Nordfrankreich 1940 – 1944, mit Akten zur Militärverwaltung Belgien/Nordfrankreich, Korrespondenzen, Unterlagen zur wissenschaftlichen Tätigkeit und biografischem Material.

Nürnberg Staatsarchiv Nürnberg Archivstraße 17, 90408 Nürnberg Die Bestände des Staatsarchivs Nürnberg enthalten Archivalien der mittelfränkischen Behörden – vor 1806 der Reichsstädte, der Herrschaften, der Reichsritterschaft aus dieser ehemaligen Reichsherrschaft, dann der staatlichen Mittel- und Unterbehörden sowie der Gerichte – und das Schriftgut der sogenannten Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse. Für die Forschung zum Randbereich Kunstraub ist der Bestand zum Schriftgut der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse von Interesse, darin finden sich in den Unterlagen bezüglich Kunstraub auch Hinweise auf den Kunstschutz und damit verbundene Personen.

Deutsches Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum Kornmarkt 1, 90402 Nürnberg Das 1964 gegründete Archiv beinhaltet eine Vielzahl an Vor- und Nachlässen aus dem Bereich der bildenden Kunst im deutschsprachigen Raum. Es befindet sich im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg. Für die Verbindungen zum Kunstschutz sind u. a. folgende Nachlässe als ergänzende Überlieferung von Interesse: – NL Adalbert von Stockhausen (1909 – 1942, Kunsthistoriker, Mitarbeiter bei den Fotokampagnen);

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– NL Alfred Stange (1894 – 1968, Kunsthistoriker; Verbindungen zu Universität Bonn und Kunstschutz); – NL Paul Clemen (1866 – 1947, Kunsthistoriker; Verbindungen zu Universität Bonn und Kunstschutz).

Germanisches Nationalmuseum (GNM), Historisches Archiv Kornmarkt 1, 90402 Nürnberg Das hauseigene Archiv des 1852 von Hans von und zu Aufseß gegründeten Museums umfasst neben dem eigenen Verwaltungsarchiv weitere Sammlungen (Urkunden, Siegel, Familienarchive u. a.) sowie das deutsche Glockenarchiv mit Material zu in den Jahren 1940 – 1943 beschlagnahmten Glocken. Interessant als ergänzende Überlieferung für die Kunstschutzforschung ist, neben dem Glockenarchiv, folgender Bestand: Verwaltungsarchiv, GNM-Akten (Beispiel eines Museumsarchivs zu Ankäufen in Frankreich; außerdem zur Karriere Wolff Metternichs, der in der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkrieges im Beirat des GNM war).

Familienarchive in privatem Besitz Familienarchiv Hans Gerhard Evers Die Familie von Hans Gerhard Evers stellte im Zuge der Forschung zum Kunstschutz in den 2000er Jahren die privaten Dokumente des Vaters zu dessen Tätigkeiten für den militärischen Kunstschutz digitalisiert in einem Online-Familienarchiv zur Verfügung (Zugang auf Anfrage: https://www.kunstschutz.evers.frydrych.org). Der Privatnachlass Hans Gerhard Evers beinhaltet private Dokumente, Korrespondenz und wissenschaftliche Unterlagen (zum Kunstschutz in Frankreich sowie in Belgien und Nordfrankreich, zu seiner dort angegliederten kunsthistorischen Forschung zu Rubens sowie zur späteren Tätigkeit im Kunstschutz in Italien und zur Entnazifizierung in der Nachkriegszeit).

Frankreich Charenton-le-Pont Médiathèque de l’architecture et du patrimoine 11 rue du Séminaire de Conflans, 94200 Charenton-le-Pont Die Médiathèque de l’architecture et du patrimoine (MAP) ist ein Archiv- und Dokumentationszentrum. Es werden dort das Archiv und die Dokumentation aus der Verwaltung

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der Monuments historiques (Denkmalschutz) aufbewahrt sowie eine umfangreiche Fotothek, auch weitere Bestände und Nachlässe. Für die Forschung über den deutschen militärischen Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg sind vor allem drei Bestände relevant: – 80/1 – Généralités sur les monuments historiques (Allgemeinakten zur Verwaltung der Monuments historiques mit Akten aus der Zeit von Direktor René Perchet – Denkmalschutz in der Vichy-Zeit – und Dokumente zur Fotokampagne für das Kunstgeschichtliche Seminar der Universität Marburg); – 80/3 – Les Monuments historiques pendant les guerres de 1914 – 1918 et 1939 – 1945 (Verwaltung der Monuments historiques während der Weltkriege, bildet die umfangreichste Informationsquelle der MAP über die Beziehungen ­zwischen den französischen und deutschen Akteuren der Kulturpolitik, insbesondere Kunstschutz); – 2016 – 032 – Archives de la Demeure historique (Depositum des Denkmalschutzvereins La Demeure historique mit Unterlagen zu den Beziehungen ­zwischen Kunstschutz und französischen privaten Besitzern von Schlössern).

La Courneuve Archives diplomatiques 3 rue Suzanne Masson, 93126 La Courneuve Archiv des französischen Auswärtigen Amts, seit 2009 in La Courneuve, einem Vorort von Paris, untergebracht (weitere Bestände in Nantes). Für die Forschung über Graf Wolff Metternich und den Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg sind in La Courneuve vor allem die Akten aus der Récupération artistique (209SUP ) relevant, die für die Provenienzforschung eine unerlässliche Quelle darstellen; hier sind viele Akten über die Tätigkeiten des Kunstschutzes enthalten, die im Rahmen der verschiedenen Untersuchungen zwecks Rückführung der Kunstsammlungen entstanden sind (u. a. Kopien von Wolff Metternichs Berichten und Bunjes’ Akten). Am Rande können auch Akten der Verwaltung der französischen Verwaltungszone, die bis 2010 in Colmar aufbewahrt wurden, von Interesse sein. Die Archives diplomatiques haben bereits einen Teil dieser von der Provenienzforschung sehr gefragten Quellen in Form von Mikrofilmen oder Digitalisaten aufbereitet.

Paris Archives de Paris 18 Boulevard Sérurier, 75019 Paris

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Aufgrund der doppelten Funktion von Paris als Stadt und Departement enthalten die Archives de Paris sowohl Akten zur Stadt- als auch zur Departementverwaltung, zusätzlich auch Nachlässe und Bestände von Privatpersonen oder Institutionen. Für die Thematik des Kunstschutzes interessante Bestände sind, wenn auch sporadisch und in den meisten Fällen als Schnittstelle zu anderen Randthematiken wie Kunstraub und Kriegsschäden, vorhanden: – PEROTIN/6096/70 – Akten aus den Requisitionen von Wohnungen für die deutschen Besatzungsbehörden; – VR 362 – 616 – Akten aus der Verwaltung von Bibliotheken und Museen; – 1094 W – Akten zum Wiederaufbau (darunter Unterlagen zu den Schäden im Hôtel Majestic).

Bibliothèque nationale de France, site Richelieu 58 rue de Richelieu, 75002 Paris Die Bibliothèque nationale (seit 1995 Bibliothèque nationale de France) ist eine zentrale Universalbibliothek. Ihren Ursprung hat sie bereits im 14. Jahrhundert mit der königlichen Bibliothek, die im Lauf der Jahrhunderte von den Monarchen stark erweitert wurde, vor allem ab der Renaissance und dann dem 17. Jahrhundert; zudem wurde sie schon 1537 mit der Sammlung der gedruckten Pflichtexemplare beauftragt. Sie wurde während der Französischen Revolution nationalisiert und nahm zu dieser Zeit die Bestände von vielen ebenfalls nationalisierten Privatbibliotheken auf. Bis 1995 (Errichtung der modernen Gebäude am Standort Tolbiac, ebenfalls in Paris) war der Hauptsitz der Bibliothek das Viertel der Rue de Richelieu. Eine Einsicht in die Besucherregister ermöglicht einen Überblick über die Tätigkeit des deutschen Bibliotheksschutzes zur Zeit der Besatzung sowie über die Recherchen zur Vorbereitung des sogenannten Kümmel-Berichtes.

Mémorial de la Shoah / Centre de documentation juive contemporaine 17 rue Geoffroy-l’Asnier, 75004 Paris Das Mémorial de la Shoah ist der zentrale Ort des Gedenkens an den Holocaust in Frankreich. Die Gedächtnisstätte beherbergt ein Museum sowie ein umfangreiches Archivund Dokumentationszentrum (Centre de documentation juive contemporaine, CDJC). Die aus gesammelten Originalen und Abschriften stammenden Bestände enthalten sehr sporadisch Erwähnungen von Mitarbeitern des Kunstschutzes, vor allem in den Dokumenten aus der Verwaltung des Commissariat général aux questions juives (Umgang des französischen und deutschen Kunstschutzes mit der Beschlagnahmung von großen jüdischen Kunstsammlungen, u. a. aus den Depots, durch den ERR) und des MBF (Bezug zum ERR durch u. a. Bunjes und Organisation des MBF im Majestic) und ergänzen somit die jeweiligen Bestände AJ/38 und AJ/40 in den Archives nationales.

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Pierrefitte-sur-Seine Archives nationales 59 rue Guynemer, 93380 Pierrefitte-sur-Seine Das französische Nationalarchiv (Archives nationales) ist seit der Französischen Revolution mit der Aufbewahrung der Akten aus dem zentralen Verwaltungsapparat beauftragt (ausgenommen sind die Akten des Außenministeriums, des Finanzministeriums und des Verteidigungsministeriums). Der Standort Pierrefitte enthält alle Akten der Zentralverwaltung seit der Französischen Revolution sowie zahlreiche Privatbestände bzw. durch außergewöhnliche Umstände an das Nationalarchiv übergebene Bestände (am Standort Paris werden Bestände aus der Zeit vor der Revolution sowie die Pariser Notarakten aufbewahrt). Wichtige Bestände mit Bezug zum Kunstschutz sind: – AJ/40 – La France et la Belgique sous l’occupation allemande 1940 – 1944 (wesentlicher Bestand des Militärbefehlshabers in Frankreich sowie des Militärbefehlshabers in Belgien und Nordfrankreich, mit vor allem den Akten des militärischen Kunstschutzes, zudem Bibliotheksschutz und Archivschutz, auch Berichte des MBF). Dabei sind für Belgien und Nordfrankreich die Signatur AJ/40/37 und für Frankreich der Unterbestand Gruppe V4, Schule und Kultur (Signaturen AJ/40/555–AJ/40/577), spezifisch dem kulturellen Bereich, dabei besonders dem Kunst-, Bibliotheks- und Archivschutz, gewidmet. Sie bilden die wichtigsten Quellen und können in d­ iesem Bestand u. a. durch die Lageberichte des MBF (AJ/40/439–AJ/40/448) ergänzt werden. Spezifisch zu Hermann Bunjes und der Sammlung von Beweismaterial für dessen Prozess findet man ebenso Akten unter den Signaturen AJ/40/1671–AJ/40/1683. – 20144792 – Archives des musées nationaux, les musées nationaux pendant la Seconde Guerre mondiale et l’évacuation des œuvres, série R (wesentlicher Bestand vor allem wegen der umfangreichen Informationen über die Beziehungen z­ wischen dem Kunstschutz und den Musées nationaux mit Jacques Jaujard als wichtigstem Ansprechpartner; u. a. die Evakuierung und den Schutz von staatlichen Sammlungen betreffend, auch der Randbereich Kunstraub bzw. ERR wird thematisiert). Es soll hier vor allem die bedeutende Korrespondenz mit dem deutschen militärischen Kunstschutz (20144792/23 – 20144792/29) hervorgehoben werden, die eine wesentliche Quelle bildet und durch die zahlreichen Archivalien aus dem umfangreichen Unterbestand der Verwaltung der Depots bzw. Bergungsorte (20144792/65 – 20144792/249) sowie zusätzliche Korrespondenzen bzw. Akten der und über die Mitarbeiter des Kunstschutzes (20144792/63 und 20144792/64) ergänzt werden kann. In den Akten von Rose Valland (20144792/276 – 20144792/285) finden sich Unterlagen zum damit in Verbindung stehenden Thema Kunstraub.

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Weitere Bezüge findet man in folgenden Beständen: – 20144795 – Archives des musées nationaux, série U (spurenweise Informationen in den einzelnen Museumsakten, ergänzend zu 20144792); – 20150040 – Archives des musées nationaux, château de Versailles et Trianon, série V et VT (spurenweise Informationen zum deutschen militärischen Kunstschutz, ansonsten eher im Bestand 20144792 zu finden); – 19860306 – Culture, sous-direction de la formation, des productions artistiques et des achats, bureau des achats (Informationen über die Ausfuhr von Kunstwerken und Protokolle von deutsch-französischen Sitzungen dazu); – 19910531 – Direction des bibliothèques, des musées et de l’information scientifique et technique, bureau des affaires générales, documentation (vor allem für den Bibliotheksschutz interessant, vereinzelt auch Archiv- und Kunstschutz). Ergänzend sollten auch folgende Bestände erwähnt werden: – 20150044 – Archives des musées nationaux, gestion des Musées de France, série Z (spurenweise Erwähnung von Kunstschutz, ansonsten eher den Kunstraub betreffend); – 20144657 – Archives des musées nationaux, bureau des exportations d’œuvres et douanes de la direction des Musées de France (betrifft ebenso eher den Kunstraub und die Exportkontrolle); – 20150497/113 – 475 – Archives des musées nationaux, personnel et administration générale (Personalakten, darunter Informationen über die Besatzungszeit und spurenweise Erwähnung von Beziehungen zu Kunstschutz); – AJ/38 – Commissariat général aux questions juives et service de restitution (der Bestand betrifft vor allem den Kunstraub, der Kunstschutz wird nicht direkt erwähnt, in den wenigen Fällen dann entlastend); – F/17 – Instruction publique (Informationen im Unterbestand Papiers Roy: Beziehungen zu den deutschen Kulturakteuren während des Zweiten Weltkrieges); – F/21 – Beaux-Arts (Hinweise zum Kunstschutz im Teil „Commandes et achats d’œuvres d’art“ und im Teil „Direction générale des Arts et des Lettres“, aber auch zum Kunstraub, mit interessanten Informationen für die Provenienzforschung).

Vincennes Service historique de la Défense, Standort Vincennes Avenue de Paris, 94300 Vincennes Der Service historique de la Défense ist das zentrale Archiv des französischen Verteidigungsministeriums. Es wurde am 1. Januar 2005 in der jetzigen Form neu gegründet und vereint die vorangehenden vier Archivabteilungen des Heeres, der Luftwaffe, der Marine und der Gendarmerie. Die Akten gehen auf das 17. Jahrhundert zurück. Die 450 laufenden

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Kilometer Archivalien sind auf zehn unterschiedliche Standorte in Frankreich verteilt. Das Hauptarchivzentrum (über 140 laufende Kilometer) befindet sich in der unmittelbaren Nähe von Paris in der ehemaligen Festung von Vincennes. Für die Kunstschutzforschung sind in Vincennes die Akten des französischen Nachrichtendienstes interessant, insbesondere die Akte der Section culturelle (Kultursektion) der Ende 1944 gegründeten Direction générale des études et recherches (DGER), mit Unterlagen zum Kunstraub und zu den Implikationen des Kunstschutzes. Der Bestand ist noch nicht vollständig erschlossen.

Zu den Archives départementales (Departementarchiven) 1796 wurde für jedes der neuen Departements ein Archiv gegründet. Diese Archive sollten nun ausgewählte Bestände aus der Verwaltung des Ancien Régime sowie aus den Unterlagen der neuen Behörden archivieren. Der Aktenplan wurde im 19. Jahrhundert nach Buchstabenordnung einheitlich angelegt. Für Akten ab 1940 ist die Ordnung individuell organisiert. Zusätzlich zu den grundsätzlichen Beständen sind auch weitere Nachlässe und Akten unterschiedlicher Herkunft zu finden. Aufgrund der Beziehungen ­zwischen der Departementverwaltung und der deutschen Besatzungsmacht findet man grundsätzlich – aber oft nur sporadisch – in jedem Departementarchiv bzw. in den Verwaltungsakten des Departements und des Präfekten Hinweise zum deutschen militärischen Kunstschutz. Zusätzlich kann man auch in den Akten der Denkmalschutzverwaltung oder des Wiederaufbaus (während und nach dem Krieg) nützliche Hinweise finden. Manche Archive enthalten zusätzlich ausnahmsweise beschlagnahmte Bestände aus der örtlichen Feldkommandanturen (z.B in Tours, Archives départementales d’Indre-et-Loire). Das prägnanteste Beispiel findet man in Tours; es wird hier aufgrund seiner einmaligen Bedeutung gesondert vorgestellt.

Archives départementales d’Indre-et-Loire 6 rue des Ursulines, 37100 Tours Das Archiv des Departements Indre-et-Loire befindet sich, wie andere Departementarchive, in der Hauptstadt d ­ ieses Verwaltungsbezirks, bzw. der Préfecture (Präfektur), in Tours und wurde ebenfalls 1796 gegründet. 1958 zog es in die Rue des Ursulines um und seit 1984 gibt es für die zeitgenössischen Akten ein neues Gebäude außerhalb von Tours, in Chambray-lès-Tours. Aufgrund der regionalen Reichhaltigkeit an historischen Denkmälern (Loire-Schlösser, u. a. Schloss Amboise) sowie an Depots für nationale Kulturgüter (darunter die Musées nationaux) enthalten die Verwaltungsakten des Departements und der Präfektur grundsätzlich interessante Informationen über den französischen Kunstschutz. Vor allem aber ist der von den Franzosen beschlagnahmte Bestand der örtlichen Feldkommandantur (1ZA–17ZA)

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für die Forschung über den deutschen militärischen Kunstschutz von großem Interesse und scheint gegenüber anderen Departementarchiven aufgrund seiner umfangreichen Kunstschutzkomponente einzigartig zu sein.

Belgien Brüssel CEGES-SOMA Square de l’Aviation 29, 1070 Brüssel Das Centre d’Études et de Documentation Guerre et Société contemporaine (CEGES) (französisch) oder Studie- en Documentatiecentrum Oorlog en Hedendaagse Maatschappij (SOMA) (niederländisch) ist ein bundesstaatliches belgisches Forschungsinstitut und wurde am 13. Dezember 1967 gegründet. Neben der Forschung ist es auch mit der Aufbewahrung von Dokumenten (Archivalien und Dokumentationen), die sich mit Kriegen und Konflikten des 20. Jahrhunderts in Verbindung mit Belgien befassen, beauftragt. Als Archiv- und Dokumentationszentrum bewahrt das CEGES -SOMA vollständige Bestände auf, aber auch Teilbestände bzw. Einzeldokumente oder Kopien. Interessant für die Forschung zum Kunstschutz ist zum Beispiel der Bestand AA 1030 Joseph De Beer (Glockenaktion). Darüber hinaus findet man einzelne Akten zu dieser Thematik in folgenden Sektionen: – Archives privées (Privatnachlässe, dabei u. a. Unterlagen von Roger Du Bosch, der mit der Auslagerung von Kunstwerken beauftragt war); – Archives et documents du gouvernement militaire allemand (Archivalien und Dokumente aus der deutschen Militärverwaltung beim Militärbefehlshaber für Belgien und Nordfrankreich, mit u. a. Berichten der Abteilung Kultur).; – oder auch im Fonds Sipho (Fotosammlung der Presseagentur Sipho, u. a. Fotografien vom Kunstschutzbeauftragten Rosemann).

KIK-IRPA (Koninklijk Instituut voor het Kunstpatrimonium – Institut royal du Patrimoine artistique) Parc du Cinquantenaire 1, 1000 Brüssel Das KIK-IRPA wurde 1948 auf Basis des bereits 1900 gegründeten Institut Royal du Patrimoine artistique und dessen Fotolabors ins Leben gerufen. Es widmet sich der Inventarisierung, der wissenschaftlichen Untersuchung, der Erhaltung und der Aufwertung des Kunst- und Kulturgutes Belgiens. Für die Kunstschutzforschung ist vor allem der Bestand SPDB (Services photographiques et de Documentation belge) interessant (Unterlagen des Fotolabors, der D ­ okumentationsabteilung

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und des physisch-chemischen Forschungslabors in den Jahren 1938 – 1948, u. a. mit Fotokampagne von Paul Coremans, Begründer und erster Leiter des KIK-IRPA).

Archives générales du Royaume Rue de Ruysbroeck 2, 1000 Brüssel Die Archives générales du Royaume / Algemeen Rijksarchief sind der Zentralsitz des belgischen Staatsarchivs (Archives de l’État). Die dort aufbewahrten Akten stammen aus der Zentralverwaltung Belgiens und dessen Vorgängerstaaten. Für die Forschung über den Kunstschutz kann der Bestand BE-A0510/F 0069 des Commissariat général à la restauration du pays (Generalkommissariat zum Wiederaufbau des Landes) herangezogen werden, das 1940 auf Initiative der deutschen Militärverwaltung für Belgien und Nordfrankreich ins Leben gerufen wurde und sporadisch kurze Hinweise auf den Kunstschutz enthält, jedoch von belgischer Seite organisiert.

Großbritannien Kew, Richmond, Surrey The National Archives Bessant Drive, Kew, Richmond, Surrey TW9 4DU Die National Archives sind ein Zusammenschluss aus vier Institutionen ­zwischen 2003 und 2006: The Public Record Office, The Royal Commission of Historical Manuscripts, Her Majesty’s Stationery Office und Office of Public Sector Information. Es untersteht keinem Ministerium und ist offizielles Archiv der Regierung des Vereinigten Königreichs, von England und von Wales. Zum militärischen Kunstschutz und Wolff Metternich direkt werden wenige Bezüge ersichtlich. Die folgenden Bestände sind vor allem hinsichtlich des britischen Komitees für Kulturgutschutz (Macmillan Committee) und der britischen Tätigkeiten innerhalb der Monuments, Fine Arts, and Archives Section (MFA&A), deren Ermittlungen zu Kunstraub und Restitutionsmaßnahmen sowie der Kulturverwaltung in der britischen Besatzungszone in Deutschland als ergänzende Überlieferung von Interesse: – T 209 – British Committee on the Preservation and Restitution of Works of Art, Archives and Other Material in Enemy Hands (Macmillan Committee): Minutes, Correspondence and Papers (Ermittlungen zu Kunstraub und Restitution, Berichte der britischen MFA &A-Offiziere, darin bspw. auch Berichte über den deutschen militärischen Kunstschutz in Italien und Archivschutz in Frankreich).

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Innerhalb der Bestände FO (Foreign Office), die vom Auswärtigen Amt gebildet oder übernommen wurden, gibt es mehrere Bestandsgruppen mit Schnittmenge zu MFA &A und Restitution: – FO 371 – Foreign Office: Political Departments: General Correspondence (darin eine Untergruppe zu Reparation und Restitution, Looted works of art; darin auch Erwähnung des Kunstschutzes); – FO 837 – Ministry of Economic Warfare and successors: Records (darin eine Untergruppe zu Feindvermögen, Looted works of art, Archives etc.; darin auch Erwähnungen des deutschen Kunsthandels und des Kunstschutzmitarbeiters Felix Kuetgens); – FO 1020 – Foreign Office and Predecessors: Allied Commission for Austria (British Element): Headquarters and Regional Files (ACA Series) (darin eine Untergruppe zur Monuments, Fine Arts, and Archives Branch); – FO 1030 – Control Commission for Germany (British Element): Various Private Office Papers and Administration and Local Government Branch Files (Unterlagen zu Restitutionen, darin auch Wolff Metternich als Ansprechpartner genannt); – FO 1046 – Control Office for Germany and Austria and Foreign Office: Control Commission for Germany (British Element), Finance Division: Records (MFA&AErmittlungen, auch Erwähnung des Kunstschutzes und von Tieschowitz’); – FO 1050 – Control Office for Germany and Austria and Foreign Office: Control Commission for Germany (British Element), Internal Affairs and Communications Division: Files (darin Untergruppe zu MFA&A, Berichte und Generalia, darin auch Unterlagen zu Denkmalpflege u. a. im Rheinland mit Erwähnung von Wolff ­Metternich und von Bernhard von Tieschowitz). Aufgrund der militärischen Angliederung der MFA &A ist in den Beständen WO (War Office) ebenfalls interessantes Material zu finden: – WO 219 – War Office: Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force: Military Headquarters Papers, Second World War (darin eine Untergruppe MFA&A mit Besichtigungsberichten).

Italien Rom Archiv der Bibliotheca Hertziana (Max-Planck-Institut) Rom Via Gregoriana 28, 00187 Roma Hervorgegangen aus einer Stiftung von Henriette Hertz (1846 – 1913), leistet die Bibliotheca Hertziana – Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte – Grundlagenforschung im Feld der italienischen und der globalen Kunst- und Architekturgeschichte. Der Bibliothek

Archive und Bestände mit Überlieferung zum militärischen Kunstschutz  I  193

ist ein Archiv angegliedert. Es enthält neben der Geschichte des Instituts Unterlagen und Nachlässe von namhaften Historiker*innen und Kunsthistoriker*innen. Für die Forschungen zum Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg ist neben der Überlieferung zur Geschichte des Instituts während der Zeit des Nationalsozialismus der Teilnachlass von Franziskus Graf Wolff Metternich als ergänzende Überlieferung zur wissenschaftlichen und beruflichen Laufbahn (erster Direktor nach Wiedereröffnung des Instituts 1953 – 1963) von besonderer Bedeutung.

Niederlande Den Haag Nationaal Archief Prins Willem-Alexanderhof 20, 2595 BE Den Haag Das Nationaal Archief, mit Sitz in Den Haag, ist das Hauptstaatsarchiv der Niederlande. Es bewahrt die Unterlagen des zentralen Regierungs- und Verwaltungsapparats der Niederlande auf (Archiv des Kabinetts des Königs bzw. der Königin, der ­Ersten und Zweiten Kammer, der ehemaligen Kolonien und aller Ministerien) sowie zahlreiche Privatarchive von nationaler Bedeutung. Da die Niederlande nicht unter deutscher Militärverwaltung standen, gab es dort auch kein Referat für Kunstschutz. Dennoch bilden die Bestände zum niederländischen Kunstbescherming (Kunstschutz), zur Kulturverwaltung, Metallmobilisierung (Glockenaktion), zu Unterlagen deutscher Provenienz und zu Ermittlungen zu Kunstraub und Restitution (Stichting Nederlands Kunstbezit) eine interessante ergänzende Überlieferung. – Ministerie van Onderwijs en Wetenschappen: Afdeling Oudheidkunde en Natuurbescherming en taakvoorgangers (Bestand des Ministeriums für Bildung und Wissenschaften, Abteilung Archäologie und Naturschutz; darin Unterlagen zu Kunstbescherming [niederländischer Kunstschutz], Archivschutz, Sicherung von Kirchenbüchern, auch Kulturgutschutz in der Nachkriegszeit); – Algemeen Rijksarchief, Militair Gezag (Wehrmacht, darin auch zu Maßnahmen im Kunstbescherming); – Algemeen Rijksarchief, Rijksbureau voor Metalen (darin zu Glockenaktion); – Algemeen Rijksarchief, Ministerie van Economische Zaken (darin zu Glockenaktion, Metallmobilisierung); – Nationaal Archief, Stichting Nederlands Kunstbezit (Stiftung niederländischer Kunstbesitz – Institution zur Rückführung von geraubtem Kulturgut in der Nachkriegszeit; ergänzende Überlieferung zu Kunstraub, bspw. ERR, Kunsthandel während der Besatzungszeit, Ermittlungen in der Nachkriegszeit);

194 I Florence de Peyronnet-Dryden/Esther Rahel Heyer

– Nationaal Archief, Reichskommissariat für die besetzten niederländischen Gebiete, Feindvermögensverwaltung (Unterlagen deutscher Provenienz, ergänzende Überlieferung vor allem zu Kunstraub bzw. auch zur Aktion Mühlmann).

Österreich Familienarchive in Privatbesitz Privatarchiv der Familie Grafen von Kalnein Im Privatbesitz der Familie Wend Graf von Kalnein befindet sich neben wenigen überlieferten Dokumenten zur Familiengeschichte der Nachlass des Kunsthistorikers Wend Graf von Kalnein (1914 – 2007), der Mitarbeiter beim militärischen Kunstschutz im besetzten Frankreich war. Nach der Rückkehr aus fünfjähriger Kriegsgefangenschaft war er unter anderem Direktor des Kunstmuseums Düsseldorf (1964 – 1979) und nach Eintritt in den Ruhestand erhielt er 1979 eine Honorarprofessur für Kunstgeschichte an der Universität Salzburg. Für den Kunstschutz sind Briefe aus Paris in den Jahren 1940/1941 von Wend von Kalnein an seine Tante von Interesse. Die Unterlagen sind nach Kontakt mit der Familie einsehbar. Der umfangreiche wissenschaftliche Buchbestand Wend Graf von Kalneins befindet sich in der Bibliothek der Erzabtei St. Peter in Salzburg und ist dort zugänglich.

USA Washington The U. S. National Archives and Records Administration 8601 Adelphi Road, College Park, MD 20740 – 6001 Die National Archives and Records Administration (NARA ) hat ihren Hauptsitz in Washington, D. C. und bildet das Nationalarchiv der Vereinigten Staaten von Amerika. Sie sind für den Schutz und Erhalt historischer und staatlicher Dokumente verantwortlich. Die Überlieferung militärischer und ziviler Stellen zum Zweiten Weltkrieg befindet sich in der Archivzweigstelle College Park, Maryland. Die Bestände in den National Archives enthalten reichhaltige Informationen zum USamerikanischen Kunstschutz durch militärische und zivile Einrichtungen, insbesondere zu den Vorbereitungen für und dem geplanten Umgang mit Kulturgut in den Kriegsgebieten, Ermittlungen zu Kunstraub mit Fokus auf Frankreich, aber auch zum Vorgehen im besetzten Deutschland und den Tätigkeiten der Collecting Points. Der deutsche militärische Kunstschutz findet hier wenig Niederschlag, Hinweise finden sich vor allem in Befragungen und Ermittlungsberichten.

Archive und Bestände mit Überlieferung zum militärischen Kunstschutz  I  195

Relevanter Bestand in den Civilian Agency Records ist dabei: – RG 239 – State Department and Foreign Affairs Records, Records of the American Commission for the Protection and Salvage of Artistic and Historic Monuments in War Areas (The Roberts Commission) (darin Ermittlungen zu Kunstraub und Kulturgutschutz, darin finden auch der deutsche militärische Kunstschutz, Wolff Metternich und Kollegen Erwähnung). In den Military Agency Records sind von besonderem Interesse: – RG 260 – Records of U. S. Occupation Headquarters, World War II. Darin die Bestands­ gruppen: – Records Concerning the Central Collecting Points („Ardelia Hall Collection“) (gesammelte Bestände der MFA&A zu Collecting Points, Ermittlungen zum Kunstraub, darin auch Erwähnung von Kunstschutz); – Records of the Office of the Military Governor, United States (OMGUS) (Militärverwaltung in Deutschland). – Außerdem von Relevanz: – RG 226 – Records of the Office of Strategic Services (OSS) (darin Ermittlungen zu Kunstraub, aber auch Erwähnung von Kunstschutz; insbesondere OSS Art Looting Investigation Unit Reports 1945 – 46); – RG 331 – Records of Allied Operational and Occupation Headquarters, World War II , Records of Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force (SHAEF ) (darin Materialien der MFA&A Section zu Tätigkeiten in verschiedenen Ländern Europas, besonders Ermittlungen zu Kunstraub in Frankreich, aber auch Tätigkeiten im besetzten Deutschland der Nachkriegszeit. Darin befinden sich auch Unterlagen zum „German Kunstschutz“ in Italien, der Schlussbericht der Gruppe Archivschutz in Frankreich; auch der Kunstschutz, Wolff Metternich und das Rheinland finden Niederschlag).

Archives of American Art, Smithsonian Institution 750 9th Street, NW Victor Building, Suite 2200, Washington, D. C. Die Archives of American Art wurden 1954 gegründet und bilden die größte Dokumentationssammlung über die Geschichte der bildenden Künste in den USA. Das Archiv, mit Hauptsitz in Washington, D. C. und einem Forschungszentrum in New York, ist seit 1970 Teil der Smithsonian Institution. Als ergänzende Überlieferung für den Themenbereich Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg sind Nachlässe von amerikanischen Kunstschutzoffizieren der Monuments, Fine Arts, and Archives Section (MFA&A), den sogenannten Monuments Men, von Interesse. Darunter beispielhaft mit Bezug zu Frankreich:

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– James J. Rorimer (1905 – 1966) papers (darin u. a. gesammelte Dokumente, Korrespondenz, Abschriften von Verordnungen zu den Tätigkeiten der MFA&A, Manuskripte zum eigenen Erfahrungsbericht über diese Tätigkeiten); – Thomas Carr Howe (1904 – 1994) papers (darin u. a. gesammelte Materialien, Berichte und großer Fotobestand zu den MFA&A-Tätigkeiten im besetzten Deutschland); – George Leslie Stout (1897 – 1978) papers (darin u. a. gesammelte Dokumente und Publikationen zum Thema Kulturgutschutz und Tätigkeiten der MFA&A).

National Gallery of Art – Gallery Archives Constitution Ave NW, Washington, D. C. 20565 Die Gallery Archives sind das Museumsarchiv der 1824 gegründeten National Gallery of Art und umfassen die Überlieferung der Institution, Privatnachlässe und mit dem Museum verbundene Sammlungen. Für die thematische Ergänzung zum alliierten Kulturgutschutz während und nach dem Zweiten Weltkrieg sind die (Teil-)Nachlässe von Offizieren der Monuments, Fine Arts, and Archives Section interessant, bspw. James J. Rorimer (1905 – 1966, mit Schwerpunkt Frankreich), Edith A. Standen (1905 – 1998), Everett Parker Lesley Jr. (1913 – 1982), S. Lane Faison Jr. (1907 – 2006). Darin befinden sich gesammelte Unterlagen zu den Tätigkeiten, Kopien von Berichten, Publikationen zur Thematik, Tagebücher und Fotografien.

Archive und Bestände mit Überlieferung zum militärischen Kunstschutz  I  197

Kunstschutz in weiteren besetzten Gebieten: Quellen am Beispiel Italiens, Griechenlands und Russlands (UdSSR) Das Projekt und die daraus resultierende Zusammenstellung der Archive und Bestände hatten ihren besonderen Fokus auf den militärischen Kunstschutz im Allgemeinen gelegt und sich vor allem auf Frankreich und Westgebiete sowie die Person von Franziskus Graf Wolff Metternich konzentriert. Im Zuge der fortschreitenden militärischen Okkupation durch die deutschen Truppen wurden Kunstschutzmaßnahmen aber auch in den anderen Regionen durchgeführt, die entsprechende Spezifika aufweisen. Dadurch entstand zusätzliches Quellenmaterial, das jedoch heute nicht mehr vollständig vorhanden ist. Dieser Abschnitt enthält zunächst eine ausformulierte Zusammenfassung von Christian Fuhrmeister über die Quellen zum Kunstschutz in Italien, dann einen Überblick von Florence de PeyronnetDryden in Form einer Auflistung über die Quellenlage zum Kunstschutz in Griechenland und in Russland/UdSSR. Die Zusammenstellung erfolgte aus den freundlich zur Verfügung gestellten Informationen von Alexandra Kankeleit und Ulrike Schmiegelt-Rietig, die diese in ihren eigenen Forschungsprojekten und Recherchen erarbeitet haben. Diese k­ urzen Beiträge sind als weitere Forschungsimpulse gedacht; das aufgelistete Quellenmaterial überschneidet sich teilweise mit den im vorigen Abschnitt vorgestellten Beständen, was auf die enge Vernetzung der Kunstschutztätigkeiten auf dem gesamten Kontinent hinweist.

Quellen zum militärischen Kunstschutz in Italien 1943 – 1945 Christian Fuhrmeister

Dieser kursorische Überblick ist weder umfassend noch systematisch, weder stringent noch enzyklopädisch. Ziel ist vielmehr, auf der Basis der bis 2012 recherchierten und 2019 publi­ zierten Angaben 1 knapp die Problematik der Quellenlage und -überlieferung zu schildern und sodann die Kernbestände knapp zu charakterisieren. Ergänzt wird dies durch rezente Beobachtungen in Findbüchern im Archiv des italienischen Außenministeriums in der Farnesina in Rom (Archivio Storico Diplomatico, Ministro degli Affari Esteri e della Cooperazione Internazionale), die im Rahmen des EU-Projekts TransCultAA (www.transcultaa. eu) in der Förderschiene HERA möglich wurden. Ein geschlossener Quellenbestand, der die Aktivität der „Abteilung Kunstschutz“ – als Teil der „Abteilung Kunst-, Archiv- und Bibliotheksschutz“, angesiedelt beim Chef der Militärverwaltung beim „Bevollmächtigten General der Deutschen Wehrmacht in Italien“ – dokumentiert, ist offenkundig nicht überliefert. Bekannt sind lediglich Splitterbestände – auch ein Ergebnis der Verluste noch während des Krieges, wie etwa des Verlusts der Dokumentation der Dienststelle Rom, die im Juli 1944 auf dem Transport gen Norden verbrannte.2 Diese Teilbestände sind an verschiedenen Orten in unterschiedlicher Breite, Dichte und Qualität konsultierbar. So befinden sich zahlreiche Fotokopien und Ablichtungen in den beiden Archiven von Rodolfo Siviero in Rom (vormals Commissione Interministeriale per il Recupero d’opere d’arte, kurz CIR) und Florenz (Accademia delle Arti del Disegno), jedoch keine Originaldokumente zum Kunstschutz vor Kriegsende 1945. Diese Kopien, an deren Authentizität kein Zweifel besteht, sind von Originalen gefertigt, die heute teilweise als verloren und verschollen bzw. als unzugänglich gelten müssen. Etliche Dokumente können in mehreren institutionellen und/oder personenbezogenen Überlieferungszusammenhängen identifiziert werden. Dazu zählen das Archiv des Kunsthistorischen Instituts in Florenz – Max-Planck-Institut, das Archiv der Bibliotheca Hertziana (das in großer Vollständigkeit an das Archiv der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin abgegeben wurde, während bestimmte Teile der florentinischen Unterlagen – etwa die Altakten der Photothek – am Standort verblieben sind), und die Altregistratur des Zentralinstituts (ZI) 1 Ausführlicher hierzu Christian Fuhrmeister, Die Abteilung „Kunstschutz“ in Italien. Kunstgeschichte, Politik und Propaganda 1936 – 1963 (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 1), Wien/Köln/Weimar 2019, S. 31 – 34. 2 Ebd., S. 155 f.

für Kunstgeschichte in München (in der sich Teile des an Ludwig Heinrich Heydenreich übergebenen Privatarchivs von Friedrich Kriegbaum befinden, neben Heydenreichs eigener Dokumentation, wie etwa seinem „Mailänder Journal“ der Monate Juli bis Oktober 1944, das 2017 vom ZI transkribiert bzw. ediert und auf „Google Arts & Culture“ dauerhaft online zugänglich gemacht worden ist).3 Vereinzelte Schriftstücke oder Vorgänge finden sich in sehr vielen Institutionen, so etwa auch im Archiv der Monumenta Germaniae Historica in München.4 Weil der Kunstschutz erstens eine kulturpolitisch durchaus bedeutsame Organisationseinheit der Militärverwaltung war und er zweitens nach dem Krieg selber Gegenstand langwieriger zwischenstaatlicher Verhandlungen z­ wischen Deutschland und Italien war, in denen es um die Frage der Restitution von Kulturgut ging, kann es angesichts der Erörterung der staatlichen Verantwortung für Translokationen, Bewahrung, Schutz, Beschädigung und Zerstörung nicht überraschen, dass Dokumente gerade in staatlichen Archiven vielfachen Niederschlag gefunden haben, von den einschlägigen Abteilungen des Bundesarchivs in Berlin, Koblenz und Freiburg bis zum Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin, vom Archivio Centrale dello Stato (ACS) in Rom bis zu den National Archives in Washington bzw. College Park (Maryland). Hinzu kommen kürzere oder umfangreichere Schriftwechsel in den Archiven einzelner Institute wie im Deutschen Archäologischen Institut (Zentrale Berlin und Abteilung Rom), im Archiv des florentinischen Soprintendente Giovanni Poggi (1880 – 1961) im Archivio Storico des Polo Museale in Florenz sowie Nachlässe einzelner Protagonisten. Stellvertretend ­seien die Nachlässe des Historikers Wolfgang Hagemann (1911 – 1978) sowie des Deutschen Konsuls in Florenz, Gerhard Wolf (1896 – 1971), im Deutschen Historischen Institut Rom und der Teilnachlass von Leopold Reidemeister (1900 – 1987) im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin erwähnt. Darüber hinaus sind teils weniger ausführliche, teils umfangreiche Überlieferungen einzelner Akteure in Universitäts-, Instituts- und Staatsarchiven, in kommunalen Archiven oder auch in Privatbesitz vorhanden (beispielsweise bei den Nachfahren von Hans Gerhard Evers [1900 – 1993], Erika Hanfstaengl [1912 – 2003] und Alexander Langsdorff [1898 – 1946]).

3 Siehe https://artsandculture.google.com/exhibit/enthüllung-des-mailänder-tagebuchs/XQLyuxKeKOhLA?hl=de bzw. in Kurzform https://g.co/arts/RPWqJXFgqbxzdYVp8 (Stand: 16. 07. 2021). 4 Vgl. Monumenta Germaniae Historica (Hg.), Mittelalter lesbar machen. Festschrift 200 Jahre Monumenta Germaniae Historica. Grundlagen, Forschung, Mittelalter, Wiesbaden 2019. Siehe auch Christian Fuhrmeister, Die Mediävisten der „Abteilung Archiv- und Bibliotheksschutz“ in der Deutschen Militärverwaltung in Italien 1944 (und 1945), in: Arno Mentzel-Reuters/Martina Hartmann/ Martin Baumeister (Hg.), Das Reichsinstitut für ältere deutsche Geschichtskunde 1935 bis 1945 – ein „Kriegsbeitrag der Geisteswissenschaften“? (Monumenta Germaniae historica. Studien zur Geschichte der Mittelalterforschung 1), Wiesbaden 2021, S. 103 – 112.

202 I Christian Fuhrmeister

Wie die deutschen Quellen ist auch die italienische Gegenüberlieferung an keinem Ort geschlossen zu konsultieren. So geben die Akten der Direzione Generale Antichità e Belle Arti (AABBAA) im Ministero della Pubblica Istruzione (MPI) im ACS zwar über einige Vorgänge Auskunft, decken aber keineswegs das gesamte Spektrum ab, was auch mit der wichtigen Funktion der mehreren Dutzend regionalen Soprintendenti zusammenhängt. Aufgrund der teils föderalen Struktur der italienischen Behörden im Bereich der bildenden Kunst und der Denkmalpflege waren die Vertreter und Mitarbeiter dieser Soprintendenze die Dialogpartner des deutschen militärischen Kunstschutzes, sodass sowohl in deren Verwaltungs-Überlieferung wie in den Tagebüchern der Soprintendente entsprechende Spuren zu finden sind.5 Nicht alle in privater oder öffentlicher Hand befindlichen Nachlässe zum militärischen Kunstschutz in Italien sind zugänglich. So sind derzeit – mit Ausnahme weniger Teilbestände, die indes unser Thema nicht tangieren – auch die Quellen im Vatikanischen Geheimarchiv nur bis Februar 1939 benutzbar.6 Getrennt nach Ländern sind im Folgenden die größeren Bestände (jedoch unter Auslassung einzelner Spruchkammerakten, Personalakten und objektbezogener Vorgangsakten etwa zum Erwerb einzelner Kunstwerke), die der in Anm. 1 erwähnten Habilitationsschrift zugrunde lagen, kurz in Listenform aufgeführt:

Deutschland Berlin Archiv der Max-Planck-Gesellschaft Abt. I, Rep. 1a und Rep. 6

Archiv des Deutschen Archäologischen Instituts u. a. Biographica-Mappen und NL Weickert

5 Exemplarisch genannt sei Emilio Lavagnino (1898 – 1963), vgl. Alessandra Lavagnino, Un inverno 1943 – 1944, Palermo 2006, (Dizionario-Biografico), https://www.treccani.it/enciclopedia/emiliolavagnino_%28Dizionario-Biografico%29/ (Stand: 29. 08. 2021). 6 Vgl. Italienisch: http://www.archivioapostolicovaticano.va/content/aav/it/l-archivio.html (Stand: 29. 08. 2021), Englisch: http://www.archivioapostolicovaticano.va/content/aav/en/l-archivio.html (Stand: 29. 08. 2021).

Quellen zum militärischen Kunstschutz in Italien 1943 – 1945  I  203

Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde personenbezogene Unterlagen aus der Zeit des Nationalsozialismus (ehemals BDC)7 NS 8, NS 15, NS 21, NS 22, R 2, R 55, R 56, R 58, R 601, R 1501, R 4901

Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes u. a. Personalakten, B 86, B 95, R, Rom Quirinal Geheim, Rom Quirinal, Rom Vatikan

Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz besonders III/VKI

Ehreshoven Familienarchiv der Grafen Wolff Metternich zur Gracht Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternich, insbesondere NL FGWM, Nr. 16, 35 und 708

Freiburg im Breisgau Bundesarchiv-Militärarchiv RH 3 und RH 24

Koblenz Bundesarchiv Koblenz B 106, B 120, B 323, N 1336, N 1573

München Bayerisches Hauptstaatsarchiv MK 7 Vgl. Babette Heusterberg, Personenbezogene Unterlagen aus der Zeit des Nationalsozialismus, in: HEROLD-Jahrbuch. Neue Folge, 2000, S. 147 – 186, online: https://weimar.bundesarchiv.de/ DE/Content/Publikationen/Aufsaetze/aufsatz-heusterberg-persbez-unterlagen-ns-zeit.pdf?__blob=​ publicationFile (Stand: 29. 08. 2021). 8 Weitere Akten siehe die Datenbank online: https://kunstschutz-wolff-metternich.de/.

204 I Christian Fuhrmeister

Institut für Zeitgeschichte, Archiv ED 108 und MA 332

Monumenta Germaniae Historica, Archiv B 704 und NL Bock

Zentralinstitut für Kunstgeschichte Altregistratur, Konvolut Heydenreich sowie Bibliothek und Fotothek

Familienarchive in privatem Besitz Familienarchiv Evers Familienarchiv Hanfstaengl

Frankreich Pierrefitte-sur-Seine Archives nationales AJ 40 (insbesondere Akte AJ/40/573 und AJ/40/574)

Vincennes Service historique de la Défense, Dossiers de la DGER, archives culturelles

Italien Florenz Archiv des Kunsthistorischen Instituts Florenz – Max-Planck-Institut KHI A I, 22 und 26, E 1 und F I sowie Varia

Accademia delle Arti del Disegno Fondo Siviero

Quellen zum militärischen Kunstschutz in Italien 1943 – 1945  I  205

Polo Museale della Città di Firenze, Archivio Storico delle Gallerie Fiorentine Fondo Giovanni Poggi

Rom Archivio Centrale dello Stato AABBAA , Divisione I, II, III; Allied Control Commission; Ministero dell’Interno, Pubblica Sicurezza, II. Guerra Mondiale, A 5 G

Archiv der Commissione Interministeriale per il Recupero d’opere d’arte (CIR) nicht länger eigenständig, sondern nunmehr Teil des Archivio Storico Diplomatico, Ministro degli Affari Esteri e della Cooperazione Internazionale (siehe unten)

Archiv des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom Sequesterakten 1943 – 1954

Archiv des Deutschen Historischen Instituts N 7, N 9, N 19

British School at Rome, Archiv War Damage Collection Von besonderer Bedeutung speziell für den Kunstschutz in Italien sind zweifellos die Akten im Archiv des italienischen Außenministeriums.9 Eine zukünftige Recherche sollte diese Bestände und Akten berücksichtigen: Segretaria Generale 1943 – 1947 Servizio Economico Trattrato 1947/1957 sowie insbesondere aus dem Bestand Archivio di Gabinetto della Repubblica Sociale Italiana 1943 – 45: Busta 2, 013, Opere d’arte italiane trasferite al nord

9 Die Benutzung ­dieses Archivs erfordert die Überwindung verschiedener Hürden, von einem aufwendigen Registrierungsprozess beim Betreten des Gebäudes bis zu Schwierigkeiten in der Benutzung der Bestände, die nicht komplett verzeichnet sind („non tutto inventariato“) – so die Aussage einer Archivarin im Archivio Storico Diplomatico am 01. 04. 2019.

206 I Christian Fuhrmeister

Busta 4, 019, Protezione delle Opere d’arte italiane Busta 151, 43, Inventari beni demaniali occupati dai tedeschi

Schweiz Familienarchive in privatem Besitz Familienarchiv Langsdorff

USA Washington, D. C. National Archives and Records Administration, College Park, MD A3380, M1944, M1947, Record Groups 239, 331

Das Fehlen einer geschlossenen Selbst- oder Eigendokumentation des Kunstschutzes in Italien und die schwierige, indes nicht aussichtlose Quellenlage erfordern zwangsläufig die Kombination verschiedener Quellenbestände. Diese pragmatische Vorgehensweise bedarf indes eines methodisch reflektierten Vorgehens,10 um auch die internen Begründungslogiken des Verwaltungshandelns und die asymmetrischen Machtverhältnisse von Besatzungsregimen adäquat zu berücksichtigen. Ob histoire croisée, entangled history oder transnationales Forschungsfeld: Der Kunstschutz verlangt per definitionem nach multiperspektivischer Untersuchung.

10 Vgl. in dieser Hinsicht das Plädoyer von Christina Kott, „Kunstschutz“ an der Westfront, ein transnationales Forschungsfeld? Methoden, Quellen, Perspektiven, in: Robert Born/Beate Störtkuhl (Hg.), Apologeten der Vernichtung oder „Kunstschützer“? Kunsthistoriker der Mittelmächte im ­Ersten Weltkrieg (Visuelle Geschichtskultur. Schriftenreihe des Leibniz-Instituts für Geschichte und Kultur des östlichen Europa [GWZO], Bd. 16), Köln/Weimar/Wien 2017, S. 29 – 42.

Quellen zum militärischen Kunstschutz in Italien 1943 – 1945  I  207

Quellen zum Kunstschutz in weiteren besetzten Gebieten: Griechenland und Russland (UdSSR) Florence de Peyronnet-Dryden

Quellen zum Kunstschutz in Griechenland Der deutsche militärische Kunstschutz in Griechenland stand in enger Verbindung zu den Aufgaben und Tätigkeiten des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) in Athen. In der Tat war der Schutz der archäologischen Bestände und Ausgrabungsstätten in Griechenland Kernaufgabe des Kunstschutzes, einerseits aufgrund der besonderen Merkmale des griechischen Kunstbestandes, andererseits aufgrund der persönlichen Verbindung ­zwischen der Leitung des militärischen Kunstschutzes in Griechenland und dem DAI (Wilhelm Kraiker, Leiter des Kunstschutzes in Griechenland, war z. B. als Archäologe Mitarbeiter des DAI gewesen). Aufgrund dieser besonderen Konstellation war es ein vorrangiges Ziel, die archäologischen Schätze Griechenlands nicht nur vor Zerstörungen zu s­chützen, sondern auch vor möglichen Plünderungen, etwa durch den ERR, was größtenteils erfolgreich umgesetzt werden konnte. Somit überschneiden sich die Quellen über den Kunstschutz stark mit denen über die Geschichte des DAI: Quellen zur Organisation und Leitung des Instituts, Forschungsvorhaben, Ausgrabungskampagnen, Beziehungen zum deutschen militärischen Kunstschutz, zur griechischen Regierung, zu weiteren deutschen Forschungsanstalten, nicht zuletzt Nachlässe von Mitarbeitern des DAI. Die verschiedenen Forschungsansätze und -ergebnisse von Alexandra Kankeleit zur Aufarbeitung der Geschichte des DAI haben einen Teil dieser Archive bereits ausgewertet.1 Ausgehend von dieser Arbeit sowie noch nicht veröffentlichten Ergebnissen hat uns die Wissenschaftlerin freundlich auf die für die Kunstschutzforschung in Griechenland wichtigsten Archive und Bestände hingewiesen. Diese knapp zusammengefasste Auflistung hat selbstverständlich nicht den Anspruch der Vollständigkeit, soll aber als erster Ausgangs- und Orientierungspunkt dienen. 1 Siehe vor allem Alexandra Kankeleit, Athen, Griechenland. Aufarbeitung der Geschichte des DAI Athen. Die Arbeiten der Jahre 2017 und 2018, Online-Forschungsbericht des DAI 2019, https://www. kankeleit.de/pdfs/eDAI-F_2019_akankeleit.pdf (Stand: 29. 08. 2021). Siehe auch den Aufsatz von Alexandra Kankeleit, Geschichte des DAI Athen während der NS-Zeit, 1933 – 1944 (im Erscheinen), sowie dies., Briefe aus dem Exil: Karl Lehmann und Karl Schefold im Jahr 1945, in: Antike Kunst 63 (2020), S. 69 – 93.

Deutschland Berlin Deutsches Archäologisches Institut (DAI Berlin, Archiv der Zentrale)2 – Altregistratur, Ordner 10 – 40, 11 – 03 und 34 – 04 bis 34 – 12 (wesentliche Korrespondenz und allgemeine Akten zu den Aktivitäten des DAI Athen in den Jahren 1933 – 1952); – Biographica-Mappen und Nachlässe von Personen, die einen engen Bezug zum DAI Athen hatten.

Bundesarchiv (Berlin-Lichterfelde) – NS 30/75 (Abschlussbericht über die Tätigkeit des Sonderkommandos Rosenberg in Griechenland); – Bestand R – Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (Unterlagen zu Roland Hampe [R 4901/13265] und Werner Peek [R/9361/I/2605] unter anderem).

Freiburg im Breisgau Bundesarchiv-Militärarchiv (BArch) RW 40/116a (Länderberichte des Militärbefehlshabers Südost [privatdienstlicher Bericht]

über Griechenland, Albanien, Montenegro, Kroatien und B 120/258)

Ehreshoven Familienarchiv der Grafen Wolff Metternich zur Gracht Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternich, insbesondere: – Nr. 80 („Merkblätter für den deutschen Soldaten an den geschichtlichen Stätten Griechenlands“ des militärischen Kunstschutzes); – Nr. 102 (Planungen zur Erinnerungsschrift „Hellas“ sowie Korrespondenz und Abschluss­ berichte der Kunstschutzbeauftragten in Griechenland, Hans-Ulrich von Schoenebeck und Wilhelm Kraiker);

2 Zusätzliche Informationen sind auf der Homepage des DAI zu finden: https://www.dainst.org/ standort/zentrale/archiv (Stand: 29. 08. 2021) und https://archives.dainst.org/index.php/deutschesarchaologisches-institut-berlin-archiv-der-zentrale (Stand: 29. 08. 2021).

210 I Florence de Peyronnet-Dryden

– Nr. 200 (Reisen von Wolff Metternich und von Tieschowitz in das besetzte Griechenland); – Nr. 146 (Kontakte zu deutschen, griechischen und britischen Archäologen in der Nachkriegszeit).

Köln Universitätsarchiv Nachlass Andreas Rumpf (Korrespondenz mit Hans-Ulrich von Schoenebeck)

Griechenland Athen Deutsches Archäologisches Institut in Athen (DAI Athen, Archiv)3 – Bestand Alt-Registratur: darunter u. a. Teilbestände Allgemeine Verwaltung, Schriftverkehr, Tätigkeitsberichte, Grabungen, etc.; – Nachlässe von Mitarbeitern (Roland Hampe u. a.); – Bilder der Fotothek; – Auszüge aus den Gästebüchern des DAI Athen.

Kultusministerium Griechenland (Υπουργείου Πολιτισμού και Αθλητισμού)4 Auf Anfrage kann man Akten bzw. Unterlagen zu bestimmten Personen (z. B. Hans Möbius), zu allgemeinen ­Themen und Fragestellungen (Aktivitäten/Anträge des DAI Athen 1933 – 1943, Schutzmaßnahmen in griechischen Museen, Kunstraub und Vandalismus während des Krieges) und zu konkreten Objekten (Philippe von Samos und Wagenlenker von Delphi)5 einsehen.

3 Zum Archiv: https://archives.dainst.org/index.php/ (Stand: 29. 08. 2021). 4 Zu den englischen Bezeichnungen „Historical Archive of the Archaeological Service“ oder „Historical Archive of Antiquities and Restorations“: http://nam.culture.gr/portal/page/portal/deam/erga/ histarchive (Stand: 29. 08. 2021) und https://culture.academia.edu/ArchontoulaPapoulakou (Stand: 29. 08. 2021). 5 Über den Wagenlenker, siehe Alexandra Kankeleit, Der Wagenlenker von Delphi in den Fängen des Zweiten Weltkrieges, in: Hans-Werner Langbrandtner/Esther Heyer/Florence de ­Peyronnet-Dryden (Hg.), Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland. Franziskus Graf Wolff Metternich und der Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg (Brüche und Kontinuitäten. Forschung zur Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 5), Köln/Wien/Weimar 2021, S. 345 – 368.

Quellen zum Kunstschutz in weiteren besetzten Gebieten: Griechenland und Russland (UdSSR)   I  211

Archäologische Gesellschaft Athen (Η εν Αθήναις Αρχαιολογική Εταιρεία)6 Kopien von deutschen Originaltexten, Auszüge aus griechischen Protokollen, Erlassen oder Gesetzen

Privatnachlässe (Privatarchive) Nachlass Erich Boehringer Nachlass Kurt Gebauer Nachlass Roland Hampe Nachlass Siegfried Lauffer Nachlass Karl Schefold Privatarchiv Julia Hiller von Gaertringen, Karlsruhe (Dissertationsunterlagen zum Umfeld von Erhart Kästner)

Quellen zum Kunstschutz in den ehemaligen Gebieten der UdSSR Aufgrund der besonderen Lage an der Ostfront, die vom Vernichtungskrieg und von Ausbeutung geprägt war, ist die Frage der Quellen des Kunstschutzes eng mit den Quellen des Kunstraubs verschränkt bzw. in diese eingebettet. Wenige Bestände befassen sich ausschließlich mit der Thematik des Kunstschutzes. Eine profunde Quellenforschung über das Thema Kunstraub hat Ulrike Schmiegelt-Rietig im Rahmen eines Projektes zusammen mit ihren Projekt-Kolleginnen bereits publiziert.7 Auf der Tagung zum Kunstschutzprojekt in Brauweiler im Herbst 2019 hatte die Wissenschaftlerin die wichtigsten Eckpunkte des Kunstschutzes im Rahmen der Heeresgruppe Nord präsentiert, die als Beitrag im Tagungsband publiziert wurden.8 Die hier aufgestellten Bestände oder Akten stammen aus den Quellenzitaten ­dieses Aufsatzes, die Auflistung wurde leicht ergänzt. Mehr zu den möglichen Quellen findet sich im erwähnten Werk über Kunstraub in der ehemaligen UdSSR, insbesondere bezüglich

6 Zur Geschichte und zu Quellen zur Geschichte des Instituts siehe die Publikationen von Vasileios Ch. Petrakos, ab 1988 Generalsekretär der Archäologischen Gesellschaft in Athen. Unter anderem: Vasileios Ch. Petrakos, Die Archäologische Gesellschaft in Athen. 150 Jahre Geschichte, von 1837 bis 1989, BAE 104 (Athens 1987) (in Griechisch), S. 23 – 186. 7 Corinna Kuhr-Korolev/Ulrike Schmiegelt-Rietig/Elena Zubkova in Zusammenarbeit mit Wolfgang Eichwede, Raub und Rettung. Russische Museen im Zweiten Weltkrieg (Studien zu kriegsbedingt verlagerten Kulturgütern 1), Wien/Köln/Weimar 2019. 8 Ulrike Schmiegelt-Rietig, Kunstschutz an der Ostfront. Ernstotto Graf zu Solms-Laubach und der militärische Kunstschutz der Heeresgruppe Nord, in: Langbrandtner/Heyer/de Peyronnet-Dryden (Hg.), Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland (wie Anm. 15), S. 295 – 308.

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Archiven der ehemaligen UdSSR. Diese kurze Auflistung wird durch Quellenhinweise zum Bernsteinzimmer sowie zum Kunstschutz in Serbien ergänzt.

Deutschland Berlin Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes RZ 501 – Geheimakten, R 60768 und R 60769 (Aufzeichnungen v. Ungern-Sternberg

1941 – 1942)

Bremen Archiv der Forschungsstelle Osteuropa FSO 01-863 (Dokumentensammlung der Arbeitsgruppe sowjetische Kulturgüter)

Ehreshoven Familienarchiv der Grafen Wolff Metternich zur Gracht Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternich, insbesondere NL FGWM, Nr. 68 und Nr. 164

Frankfurt am Main Institut für Stadtgeschichte Akten 98.287 und 135.012 (Personalakten Solms-Laubach)

Freiburg im Breisgau Bundesarchiv-Militärarchiv – MSG 2/3244 (Graf Wolff Metternich, Abschließender Bericht); – RH 3/154 (Graf Wolff Metternich, Abschließender Bericht).

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Marburg Universitätsarchiv MS 929, 1-3 (Nachlass Vasilij Ponomarev)

Archiv des Herder-Instituts DSHI 100 (Nachlass Vasilij Ponomarev)

Bildarchiv Foto Marburg 187124-39 bis 187340-353 (Aufnahmen von Eugen Finck, ca. 1942/1943)

Nürnberg Staatsarchiv, Kriegsverbrecherprozesse Rep. 501, IV, KV Prozesse, Fall 12, F3 Do. Nr. 62

Ukraine Kiew Zentrales staatliches Archiv der Ukraine (Centralnyj derzavnyj archiv viscich organiv vladi ta uspraclinnja Ukrajiny [CDAVO Ukrajiny]) F. 3676 (Akten über den Einsatz des ERR in der Ukraine)9

Privatnachlässe (Privatarchive) Arnold Körte Friedrich Ernst Graf zu Solms-Laubach

9 Dokumente auch online unter http://tsdavo.gov.ua/en/welcome/ (Stand: 29. 08. 2021) einzusehen.

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Zum Bernsteinzimmer Berlin Archiv der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatsicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Sekretariat des Stellvertreters des Ministers, Gerhard Neiber, Dokumentensammlung zu NS-Kunstraub (Suche nach dem Bernsteinzimmer)

Freiburg im Breisgau Bundesarchiv-Militärarchiv RH 20 -18 AOK 18. Armee und RH 24 - 50 50. Armeekorps (dabei Unterlagen zum Bern-

steinzimmer)

Zum Kunstschutz in Serbien Nachlass Johann Albrecht von Reiswitz 10

10 Die meisten Akten über den Kunstschutz in Serbien befinden sich im Nachlass von Reiswitz, damaliger Kunstschutzverantwortlicher für Serbien. Lediglich zwei Ordner sollen von den „Monuments Men“ übernommen worden sein, vgl. Andreas Roth, Johann Albrecht von Reiswitz (1899 – 1963). Vom unbequemen Südeuropaexperten zum Kunstschützer, München 2019, S. 372.

Quellen zum Kunstschutz in weiteren besetzten Gebieten: Griechenland und Russland (UdSSR)   I  215

Forschungsansätze: Quellenüberlieferung und Exkurse

Themenschwerpunkt: Netzwerk Kunstschutz Forschungsansätze: Akteure, Netzwerke und ihre Kontexte Esther Rahel Heyer

Im Fokus ­dieses Kapitels stehen Forschungsansätze zu Akteuren rund um Wolff Metternich, seine Kollegen im militärischen Kunstschutz sowie die damit in Verbindung stehenden Personen und Institutionen, deren Netzwerke und die entsprechenden Kontexte. Dabei werden zum einen inhaltliche Aspekte ausgeführt, die sich während der Ausarbeitung des archivischen Sachinventars und der ­diesem zugrunde liegenden Quellenlage rund um das Forschungsfeld Kunstschutz herauskristallisierten; zum anderen sind hier Beiträge von Forscher*innen in Kooperationsprojekten versammelt, die sich in ihrer laufenden Forschung mit kunstschutznahen ­Themen beschäftigen oder Projekte in ­diesem Bereich planen. Es handelt sich bei ­diesem Kapitel ganz explizit um ein Aufzeigen von Ansätzen. Diese inhaltlichen Ansätze skizzieren angrenzende und weiterführende Forschung, weisen auf Desiderate hin, werfen Fragen auf und gehen auf die Quellenlage zum Kunstschutz und angrenzenden Bereichen ein. Hierdurch soll zudem Nachwuchsforscher*innen, die auf der Tagung zum „Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland“ (19. – 21. September 2019) in Brauweiler ein Poster zu ihrem Thema vorgestellt hatten oder auf andere Weise mit dem Forschungsprojekt in Kontakt standen, eine Plattform geboten werden. Dieser einleitende Text erläutert die Struktur und inhaltlichen Gliederungspunkte des Kapitels, zeigt inhaltliche Schwerpunkte aus der Recherche zum Sachinventar auf und verweist auf weitere Forschung. Die gesammelten Beiträge lassen sich anhand der gewählten Perspektiven und Th ­ emen in fünf Schwerpunkte gliedern: 1) das Netzwerk Kunstschutz um Franziskus Graf Wolff Metternich (1893 – 1978), 2) Frankreich – Kunstschutz und Kunstraub, 3) Akteure und Kooperationen, 4) Kunstschutz im Rheinland sowie 5) Kulturgutschutz und Restitution in der Nachkriegszeit.

Wolff Metternich und sein Umfeld – ein Netzwerkansatz Die Überlieferung zum militärischen Kunstschutz zeigt insbesondere in den privaten Nachlässen sowie in der beruflichen Korrespondenz der ehemaligen Kunstschutzmitarbeiter in Institutionsarchiven und Staatsarchiven, dass das kollegiale Netzwerk für Wolff Metternich

eine wichtige Rolle spielte. In diesen Quellen lassen sich sowohl die beruflichen Kontinuitäten von Einzelpersonen der 1910er bis 1950er Jahre, meist ohne Brüche über verschiedene politische Systeme hinweg, erkennen als auch die Kontinuität ganzer Personengruppen. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass einige der Kunstschutzmitarbeiter bereits vor der NS-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg kollegial verbunden waren. Sie stammten insbesondere aus dem Umfeld der Universität Bonn und der Universität Marburg sowie der Rheinischen Provinzialverwaltung und rheinischen Museen und pflegten sich über Jahrzehnte erstreckende kollegiale Verbindungen. Das „Netzwerk“ ist in dieser Betrachtung als Verbindung z­ wischen Einzelpersonen zu sehen, die aufgrund der Zugehörigkeit zum militärischen Kunstschutz oder angrenzenden Stellen für die Bearbeitung des Sachinventars und das Verständnis der Tätigkeiten des Kunstschutzes sowie der rheinischen Denkmalpflege von Interesse waren. Für das Sachinventar und die dort versammelten Beiträge ist es sinnvoll, mehr von Netzwerkansätzen zu sprechen, die sich aus der Bearbeitung der Quellenlage ergaben. Der Pluralismus von Ansätzen bezieht sich auf die historische Netzwerkforschung in Abgrenzung zu sozialwissenschaftlichen Netzwerkanalysen und auf die vielseitigen thematischen Ansatzpunkte der einzelnen Beiträge. Einerseits stellt die historische Netzwerkforschung die Frage nach der strategischen und instrumentellen Funktion der Netzwerke und einer Zugehörigkeit dazu sowie dem möglichen zielgerichteten Agieren, andererseits hat sie zum Ziel, Akteure, die innerhalb eines Netzwerkes zirkulieren, zuzuordnen und deren Handlungsspielraum darin definieren zu können.1 Im Rahmen des Sachinventars werden diese Fragen auf Basis der Quellenlage aufgeworfen und liefern Ansatzpunkte für weitere Forschung, können hier aber nicht abschließend beantwortet werden. Folgende Leitfragen ergaben sich im Anschluss an diesen Forschungszugriff für die Betrachtung der Person Wolff Metternichs und seiner Tätigkeiten im deutschen militärischen Kunstschutz: Welche Personen erscheinen häufig in den gesammelten Quellen, die für das Sachinventar zum militärischen Kunstschutz bearbeitet wurden? Welchen Institutionen bzw. Organisationen sind sie zuzuordnen? Wer sind diese Akteure und Institutionen und in ­welchen Verbindungen standen sie im Verlauf der Zeit? Welche Bedingungen führten zu einer Zugehörigkeit, einer angrenzenden Verbindung zu oder einer Abgrenzung von ­diesem Netzwerkansatz? Welche Effekte hatte die Zugehörigkeit zu ­diesem Netzwerk Kunstschutz um Wolff Metternich auf den Handlungsspielraum der Einzelperson sowie der gesamten Gruppe? Der erste Gliederungspunkt d ­ ieses Kapitels zu Forschungsansätzen und Exkursen der Quellenüberlieferung widmet sich d ­ iesem „Netzwerkansatz zum Kunstschutz und Wolff Metternich“. Die häufig in der Überlieferung erscheinenden und im Sachinventar ver 1 Siehe Morten Reitmayer/Christian Marx, Netzwerkansätze in der Geschichtswissenschaft, in: Christian Stegbauer/Roger Häußling (Hg.), Handbuch Netzwerkforschung, Bd. 4, Wiesbaden 2010, S. 869 – 880. Zur Verwendung von Netzwerkansätzen in der Geschichtswissenschaft siehe ebd., S. 869.

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zeichneten Akteure werden im Beitrag „Kurzbiografien von Akteuren des Kunstschutzes und dessen Umfeld“ mittels kurzer biografischer Skizzen erfasst. Bereits im Aufzeigen der Ausbildung und der beruflichen Tätigkeiten werden Überschneidungen von Orten und institutioneller Zugehörigkeit ersichtlich, die auf wissenschaftliche, geschäftliche und auch soziale Beziehungen ­zwischen mehreren Personen rückschließen lassen. Für das tiefere Verständnis dieser Beziehungen werden im Beitrag „Kurzbeschreibungen von Institutionen und Organisationseinheiten in Verbindung mit dem Kunstschutz“ die mit dem deutschen militärischen Kunstschutz in Frankreich in Verbindung stehenden Institutionen, die aus der Quellenlage ersichtlich werden und im Sachinventar verstärkt auftreten, knapp beschrieben, sodass weitere Überschneidungen von Arbeitsfeldern und dadurch Rückschlüsse auf den Netzwerkansatz ersichtlich werden können. Im Zentrum dieser Aufstellungen stehen Franziskus Graf Wolff Metternich, der Beauftragte für Kunstschutz in den besetzten Gebieten beim Oberkommando des Heeres, und die Organisationseinheit des deutschen militärischen Kunstschutzes bei der Militärverwaltung in Frankreich. Davon ausgehend wird der Kreis der Institutionen und Organisationen kursorisch erweitert, auf parallel agierende Stellen wie beispielsweise den Archivschutz, den Bibliotheksschutz und das Referat für Frühgeschichte und Archäologie. Auf Grundlage der Tätigkeit des Kunstschutzes in Frankreich werden einerseits die auf deutscher Seite damit in konzeptioneller, wissenschaftlicher und personenbezogener Verbindung stehenden Institu­ tionen mit einbezogen, andererseits die kooperierenden französischen Dienststellen, Behörden und Vereine. Hier sind insbesondere das rheinische Denkmalamt der Provinzialverwaltung in Bonn – die Dienststelle Wolff Metternichs als Provinzialkonservator –, das Kunsthistorische Institut der Universität Bonn sowie das Kunsthistorische Institut in Marburg, aber auch das Reichsministerium für Erziehung, Wissenschaft und Volksbildung zu nennen. Für den regionalen Kulturgutschutz ist ferner die rheinische Archivberatungsstelle des Provinzialverbandes von Bedeutung. Aus den Forschungskooperationen und Tätigkeitsfeldern im In- und Ausland ergeben sich folglich die nächsten Ansatzpunkte, wie bspw. die Fotokampagnen in den besetzten Gebieten, die Kunsthistorische Forschungsstätte und das Deutsche Institut in Paris, die Glockenaktion, das Deutsche Archäologische Institut oder auch die sogenannte KümmelListe, die (vermeintlich) während der napoleonischen Kriegszüge geraubten Kulturgüter aus Deutschland auflistete, die dorthin repatriiert werden sollten. Bei den französischen Stellen handelt es sich insbesondere um staatliche Institutionen und Kulturverwaltungsabteilungen, die für den Schutz der Museen, Archive und Bibliotheken in Frankreich zuständig waren und für diese Tätigkeit mit den Referaten bei der deutschen Militärverwaltung in Frankreich zusammenarbeiteten: u. a. die Bibliothèque nationale, die Archives nationales und die Musées nationaux, aber auch die private Vereinigung La Demeure historique. Andere Anknüpfungspunkte für die Erweiterung des Kreises an Institutionen um den Kunstschutz sind antagonistisch und kompetitiv agierende NS-Stellen, die in die „Sicherstellung“ bzw. Beschlagnahme von Kulturgut involviert waren, wie bspw. der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, das Sonderkommando Künsberg, das SS-Ahnenerbe oder die deutsche Botschaft in Paris. Über das

Forschungsansätze: Akteure, Netzwerke und ihre Kontexte  I  221

Bestehen der Verwaltungseinheit des militärischen Kunstschutzes in der NS-Zeit hinaus sind zudem die Aufarbeitung des Kunstraubes und Restitutionen für eine erweiterte Betrachtung des Kulturgutschutzes in Verbindung mit Wolff Metternich relevant. Daher finden hier auch die alliierte Monuments, Fine Arts, and Archives Section (MFA&A) sowie die französische Kommission zur Récupération artistique Aufnahme in das Sachinventar. Die Aufstellung der Personen ist ebenfalls in dieser beschriebenen kursorisch erweiternden Vorgehensweise der Institutionen zu betrachten. Ausgangspunkt ist das akteurszentrierte Netzwerk Wolff Metternichs mit seinen unmittelbaren Mitarbeitern in der Denkmalpflege, an der Universität Bonn, dem rheinischen Kollegenkreis, aus dem sich die Mitarbeiter beim militärischen Kunstschutz speisten. Allen voran ist Bernhard von Tieschowitz zu nennen, zu dem Wolff Metternich eine sehr enge berufliche und soziale Verbindung pflegte. Von Tieschowitz war sowohl Wolff Metternichs Direktorialassistent im Rheinland als auch sein Stellvertreter im Kunstschutz beim OKH. Auch den Wechsel in die Kulturabteilung beim Auswärtigen Amt in der Nachkriegszeit vollzogen die beiden gemeinsam. Zudem fand ein Teil der privaten Dokumente nach dem Tod von Tieschowitz’ in den Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternich Eingang, sodass nicht nur die Korrespondenz und die Überschneidungen im Tätigkeitsbereich, sondern auch die physische Überlieferung im NL FGWM eine besondere Bedeutung dieser Verbindung nahelegen. Der Mitarbeiterkreis beim militärischen Kunstschutz in Frankreich ist folglich die nächste Erweiterung, ebenso die Mitarbeiter der damit verbundenen deutschen wie auch französischen Institutionen und Organisationen, die unmittelbare Ansprechpartner waren (bspw. in den Tätigkeitsberichten erwähnte wichtige Korrespondenzpartner oder Kollegen aus Institutionen). Diese Personenkreise werden zudem geografisch durch weitere Abteilungen für Kunstschutz bei den jeweiligen Militärverwaltungen in den anderen besetzten Gebieten und die damit zusammenarbeitenden in- und ausländischen Dienststellen erweitert. Außerdem lässt sich dieser Kreis auch anhand des kulturellen Lebens im Rheinland und in Paris, wie wissenschaftliche Beziehungen zu Universitäten, Museen und dem Kunsthandel, ausdehnen. Schließlich sind auch soziale, religiöse und politische Verbindungen der Einzelpersonen von Interesse. Wolff Metternichs Verbindungen zum rheinischen Klerus, der Adelsgesellschaft und politischen Vertretern verdeutlichen beispielhaft die wichtige Rolle für die Karriere und die Erschließung des Personennetzwerkes „Kunstschutz“. Diese akteurszentrierten Aufstellungen von Institutionen und Personennetzwerken können verschiedene weiterführende Aspekte aufzeigen. Aus mikrohistorischen Sicht lassen sich Rückschlüsse auf das persönliche Netzwerk von Wolff Metternich ziehen. Zudem eröffnen sie den Blick auf ein Kollektiv, das die Tätigkeit für den militärischen Kunstschutz und damit verbundene Bereiche eint. Bei d ­ iesem Kollektiv können einerseits detailliertere Gruppendynamiken ausdifferenziert und andererseits in den Überschneidungen der einzelnen Gruppierungen innerhalb des Kollektivs Nachweise für mögliche Zusammenhänge gefunden werden. Dieser Ansatz könnte in weiterer Ausführung der Ergebnisse und Personalverflechtungen dazu beitragen, ein Gesamtnetzwerk zu identifizieren – ein „Wissenschaftscluster Kunstschutz“.

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Für diesen Netzwerkansatz und das ihm zugrunde liegende Quellenmaterial sowie die Überlieferungsschwerpunkte im Zusammenhang mit Institutionen und Personen sind die Einleitung zum „fiktiven Gesamtbestand“ des Sachinventars zum Kunstschutz und die einzelnen Bestandsbeschreibungen in ­diesem Band hinzuzuziehen. Außerdem kann innerhalb der Datenbank zum Sachinventar vertiefend nach Personen und Institutionen (Index sowie Volltextsuche) gesucht werden, um nach weiteren Fragestellungen zu möglichen Netzwerken zu recherchieren.2 Als besonders relevante Quellen für Hinweise auf Netzwerke und Akteure wurden die Kalender und Tagebücher von Kunstschutzmitarbeitern,3 Tätigkeitsberichte und Arbeitsunterlagen zur praktischen Vorgehensweise und Korrespondenz des deutschen militärischen Kunstschutzes, intern bzw. mit deutschen Dienststellen und Institutionen, identifiziert.4 Außerdem sind die Korrespondenz mit französischen Dienststellen, Unterlagen zur Erfassung von Kulturgut, Depots und Auflistungen mit aus den französischen staatlichen Museen ausgelagerten Kunstwerken von Relevanz,5 darüber hinaus aber auch Dokumente zur Aufarbeitung des Kunstraubes und Restitutionsbemühungen in der Nachkriegszeit.6

2 Weiterführende Literaturangaben zu innerhalb des Beitrags benannten Themenbereichen sind in der Auswahlbibliografie in ­diesem Band zu finden. 3 Siehe insbesondere die Taschenkalender von Bernhard von Tieschowitz, 1940 – 1944, NL FGWM, Nr. 251, Taschenkalender Wolff Metternich Jahre 1939, 1942 und 1943 in NL FGWM, Nr. 437 und Tagebücher 1940 – 1942 und 1943 in NL FGWM, Nr. 200. Kalender Hermann Bunjes’ 1941 – 1944/45, Archives nationales, AJ 40/1674. Das Tagebuch Carlheinz Pfitzner, Sommer 1940 bis Frühjahr 1941, Nachlass Carlheinz Pfitzner, Rheinisches Archiv für Künstlernachlässe Bonn, RAK 116. Tagebücher Hermann Busley, Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland, Nachlass Josef Busley RWN 0119, Jahre 1940 bis 1945 in den Signaturen RWN 0119 Nr. 87 bis Nr. 114. Siehe dazu auch den Beitrag zur Synopse der Taschenkalender in ­diesem Band. 4 Zu den Handakten aus den Bezirken siehe bspw. Militärverwaltungsbezirk A: NL FGWM, Nr. 29, Nr. 46 und Nr. 47, Nr. 81 – 84, Nr. 125 und Nr. 154 – 157 sowie 160, Militärverwaltungsbezirk B: NL FGWM, Nr. 124 und Nr. 185, Militärverwaltungsbezirk C: NL FGWM, Nr. 96 – 98 und 100, zu Südfrankreich: NL FGWM Nr. 39, Nr. 97 – 99, Nr. 141, Nr. 163, zu Bordeaux: NL FGWM, Nr. 161, Großraum Paris: NL FGWM, Nr. 186 und Nr. 187. 5 Für die Gegenüberlieferung der französischen Dienststellen siehe bspw. Archives nationales, Bestand 20144792 – Archives der Musées nationaux, Les musées nationaux pendant la Seconde Guerre Mondiale et l’évacuation des œuvres (Série R). Zum militärischen Kunstschutz in Frankreich siehe insbesondere Archives nationales, AJ/40/573 mit Berichten und Korrespondenz zum Referat Kunstschutz. Zu Schlössern und Bergungsorten siehe außerdem die Archives de la Demeure historique und den Bestand 80/3 – Les Monuments historiques pendant les guerres de 1914 – 1918 et 1939 – 1945 in der Médiathèque de l’architecture et du patrimoine. Zudem bietet die Datenbank zum Sachinventar die Filterfunktion „Listen“, woraufhin Akten angezeigt werden, die Listen zu Bergungsorten und ausgelagerten Sammlungen, teilweise auch privaten, beinhalten. 6 Siehe bspw. Bundesarchiv Koblenz B 323 – Treuhandverwaltung von Kulturgut, B 120 – Institut für Besatzungsfragen, Archives diplomatiques, Bestand 209SUP Récupération artistique, National Archives and Records Administration, Bestand RG 239 – State Department and Foreign Affairs

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Die Tätigkeiten des Kunstschutzes und Aufstellungen der Mitarbeiter sind vor allem über die verschiedenen abschließenden Berichte des Beauftragten für Kunstschutz beim Oberkommando des Heeres Franziskus Graf Wolff Metternich aus den Jahren 1940, 1942 und 1945 zu rekonstruieren.7 Dabei muss beachtet werden, dass diese Berichte meist für die nächsthöheren Dienststellen angefertigt wurden, um die Tätigkeiten nicht nur sachlich zu schildern, sondern auch eine Argumentation für das (Weiter-)Bestehen der Einheit zu liefern oder die Tätigkeiten zu rechtfertigen. Die Berichte erhalten dadurch den Charakter einer Selbstdarstellung, die möglicherweise Beschönigungen enthält. Für einen Einblick in die Tätigkeiten und die Selbstdarstellung sind auch die Abschlussberichte des Archivschutzes, Bibliotheksschutzes und der fotografischen Kampagnen in den besetzten Gebieten von Interesse.8 Doch nicht nur die offiziellen Zwischen- und Abschlussberichte, sondern auch eine Vielzahl an wöchentlichen und monatlichen Berichten oder auch Besichtigungsberichten aus den Depots, ­Kirchen, zerbombten Städten etc., die vor allem im Nachlass Wolff Metternich und den Archives nationales überliefert sind, erlauben Rückschlüsse auf Korrespondenzpartner und personelle Verbindungen.9 Eine Zusammenstellung dieser Berichte mittels der Suchfunktion in der Datenbank zum Sachinventar kann einen Überblick und weitere Aussagen zur alltäglichen Arbeit des Kunstschutzes und zu den involvierten Personen liefern. Die Handakten zum Kunstschutz in den Militärverwaltungsbezirken, die alphabetisch nach Städten geordnet sind, beinhalten teilweise auch Briefe von Privatpersonen, insbesondere Schlossbesitzern, die sich hilfesuchend um den Schutz des Inventars und die Möglichkeit eines Truppenbelegungsverbots für das historisch wertvolle Gebäude an die zuständige

Records, Records of the American Commission for the Protection and Salvage of Artistic an Historic Monuments in War Areas (The Roberts Commission). 7 NL FGWM, Nr. 197, Bericht über den Einsatz des kunstwissenschaftlichen Arbeitsstabes in Frankreich, 09. 12. 1940 und Abschließender Bericht über die Tätigkeit des kunstwissenschaftlichen Arbeitsstabes in Frankreich von Oktober 1940 bis Ende 1941, mit Angaben zum Personal und Leistungsberichten der verschiedenen Fotogruppen und wissenschaftlichen Sonderforscher, 30. 04. 1942 und NL FGWM, Nr. 53, Abschließender Bericht über die Arbeit des Kunstschutzbeauftragten in der Zeit von Mai 1940 bis September 1944 mit Anlagen. 8 Siehe hierzu bspw. Karl Heinz Roth, Eine höhere Form des Plünderns. Der Abschlussbericht der „Gruppe Archivwesen“ der deutschen Militärverwaltung in Frankreich 1940 – 1944, in: 1999. Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts 4 (1989), H. 2, S. 79 – 112 sowie NL FGWM, Nr. 170, Berichte und Korrespondenzen des Kunstschutz-Referats Vorgeschichte und Archäologie. Bundesarchiv, Militärarchiv Freiburg, RW 35/248, Schlussbericht über die Einsatzergebnisse der Gruppe Archivwesen in der Militärverwaltung Frankreich 1940 – 1944. 9 Siehe bspw. NL FGWM, Nr. 41, Besprechungen und Lageberichte der Gruppen des Verwaltungsstabes; Nr. 56, Schriftwechsel, Berichte und Listen zum Personal des deutschen Kunstschutzes und der eingebundenen französischen Denkmalpflege; Nr. 241, Abstimmungen über die Stellenbesetzung der Kunstschutzorganisation und Einbindung der Feldkommandanturen in Kunstschutzaufgaben; Nr. 153, Berichte und Korrespondenzen zur Tätigkeit Wolff Metternichs im Kunstschutz.

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Kreiskommandantur oder direkt an den Kunstschutzmitarbeiter wandten.10 Hier soll zudem darauf verwiesen werden, dass sich im NL FGWM auch eine Akte mit Hinweisen auf die Verwendung französischer Kriegsgefangener als Arbeiter für den Kunstschutz und den Kultur­betrieb finden. Es gibt darin auch Korrespondenz über inhaftierte französische Kulturschaffende, deren Angehörige oder Kollegen sich an den Kunstschutz und Wolff Metternich wandten und um Hilfe und Fürsprache baten.11 Durch die strukturellen Verbindungen und personellen Überschneidungen innerhalb der Tätigkeitsbereiche Kunstschutz, Archivschutz und Bibliotheksschutz – sowohl in den Abteilungen bei der Militärverwaltung in Frankreich als auch bei der Umsetzung der Aufgaben zum Schutz von Kunst, Archiven und Bibliotheken bei der Rheinischen Provinzialverwaltung – werden diverse Parallelen z­ wischen dem Rheinland und Frankreich deutlich. Um mögliche Netzwerkansätze zu eröffnen, wird hier das Organigramm des Kunstschutzes aus den Quellen wiedergegeben (Abb. 1 – 4), außerdem eine Auflistung der Kollegen aus den Verwaltungsstrukturen der Militärverwaltungsbezirke in Frankreich. (Abb. 5). Die weiteren Gliederungspunkte des Kapitels umfassen Forschungsansätze, die mit Fragen nach dem Netzwerk in Verbindung stehen. Teils gehen diese Ansätze mehr von Quellen, Einzelpersonen, personellen Verbindungen, regionalen Eigenheiten oder beruflichen Tätigkeiten aus, was im Folgenden weiter ausgeführt wird.12 Der Themenschwerpunkt 2) „Frankreich – Kunstschutz und Kunstraub“ umfasst vier Beiträge, die sich auf herausragende Quellen stützen und Anknüpfungspunkte an den militärischen Kunstschutz in Frankreich und in den besetzten Gebieten, insbesondere zum Spannungsfeld Schutz und Raub, vertiefen.13 Esther Rahel Heyer (München) greift die Frage

10 Wie Anm. 4. 11 NL FGWM, Nr. 50, Kriegsgefangene und ihr Einsatz für den Kunstbetrieb und -schutz (Dokumente aus den Jahren 1940 – 1942, Buchstaben A–M). 12 Für weitere Ansatzpunkte, die im Rahmen des Quellenforschungsprojektes thematisiert wurden und von Forscher*innen im Themenbereich Kulturgutschutz bearbeitet werden, siehe auch den Begleitband zur Tagung zum Quellenforschungsprojekt: Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland. Franziskus Graf Wolff Metternich und der Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg, 19. – 21. 9. 2019 im LVR-Kulturzentrum Abtei Brauweiler, Hans-Werner Langbrandtner/Esther Heyer/Florence de Peyronnet-Dryden (Hg.), Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland. Franziskus Graf Wolff Metternich und der Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 5), Köln/Wien/Weimar 2021. Zu einem Gesamtkonstrukt Kunstschutz siehe insbesondere die Forschung von Christina Kott. 13 Für diesen Ansatz ist auch die Frage nach archäologischer Forschung in den besetzten Gebieten von Interesse. Reena Perschke (Berlin) stellte innerhalb der Poster-Sektion auf der Brauweiler Tagung das Thema „‚Durch Fliegerbomben völlig vernichtet‘. Die Museumskarte des Referats Archäologie und Vorgeschichte beim Kunstschutz in Paris“ vor. Der Beitrag wurde leider nicht für den Begleitband zum Sachinventar zur Verfügung gestellt. Siehe dazu auch Reena Perschke, Zwischen

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Abb. 1 – 3  Die Stellenbesetzung in der Kunstschutz-Organisation in den besetzten Gebieten. Stand bei höchster Besetzung. Anlage 6 zum Abschlussbericht Wolff Metternichs, 1944.

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Abb. 4  Die Stellenbesetzung der Kunstschutz-Organisation. Stand von August 1944. Anlage 7 zum Abschlussbericht Wolff Metternichs, 1944.

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Abb. 5  Liste der Verwaltungsgruppenleiter in den Feldkommandanturen in den Militärverwaltungsbezirken A, B und C, Stand: 5. Februar 1942.

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auf, inwiefern der Kunstschutz in den Kunstraub und den Export von Kunstwerken nach Deutschland involviert war. Anlass hierfür ist die Beobachtung, dass die Aspekte Sicherstellung von privaten Kulturgütern und Interaktion mit dem Kunsthandel in Frankreich nicht bzw. kaum Teil der von Wolff Metternich und von Tieschowitz gezielt ausgewählten und nach Bonn überführten Akten waren. Ein Einblick in die im Rahmen der Recherchen zum archivischen Sachinventar aufgeworfenen quellenspezifischen Fragen kann einem Ansatz für weitere Kontextforschung, insbesondere für die Provenienzforschung, zuträglich sein. Die sogenannte „Geheimakte Bunjes“ im NL FGWM ist ein weiterer Ansatzpunkt für die Frage des Spannungsfeldes ­zwischen Kunstschutz und Kunstraub.14 Hermann Bunjes war nicht nur ab September 1940 beim Kunstschutz für den Großraum Paris zuständig und leitete die im Januar 1942 gegründete Kunsthistorische Forschungsstätte, sondern war auch als Agent für Hermann Göring auf dem Kunstmarkt tätig. Die Akte hat innerhalb des NL FGWM ein Alleinstellungsmerkmal, da sie einen gesonderten Titel trägt und seit der Öffnung und Nutzung des NL FGWM oftmals als „Geheimakte Bunjes“ bezeichnet wird. Der Aktentitel lautet „Von Hermann Bunjes zusammengestellte Geheimakte ‚Kunstschätze‘“, dieser Titel wurde aus der handschriftlichen Beschriftung des originalen Ordners in die archivische Verzeichnung übernommen: Kunstschätze. Akten des Dr. Bunjes von Dr. v. Rath erhalten. – Geheim! Akten Dr. Bunjes, zuständig […] selber. Sch soll die Schränke in meinem Vorzimmer ausräumen lassen. [Paraphe.] 5/3.15 Die Aufschrift deutet darauf hin, dass diese Akte beim Aufräumen eines Büros zusammengestellt wurde. Der Verweis auf „geheime“ Dokumente von Hermann Bunjes lässt eine große Wertigkeit der Unterlagen vermuten. Der Abgleich der Dokumente mit der Gegenüberlieferung nimmt dem Titel jedoch seine Brisanz. Von wem und ob die Inhalte absichtlich oder zufällig zusammengestellt wurden, ist ohne weiterführende Forschung nicht zu klären. Zwei Beiträge beschäftigen sich mit dem Akteur Hermann Bunjes. Kateryna Kostiuchenko (Düsseldorf/Bielefeld) widmete sich im Rahmen Kollaboration und Widerstand. Die Museen von Carnac und Vannes während der Besatzung der Bretagne 1940 – 1944, in: Tanja Baensch/Kristina Kratz-Kessemeier/Dorothee Wimmer (Hg.), Museen im Nationalsozialismus. Akteure – Orte – Politik, Köln/Weimar/Wien 2016, S. 232 – 338. Für den Frankreichbezug ist zudem auf die aktuelle Forschung von Nikola Doll (Bern/Berlin) im Rahmen der vom Deutschen Forum für Kunstgeschichte Paris beauftragten Studie „Zwischen Kunst, Wissen­schaft und Besatzung. Die Kunsthistorische Forschungsstätte Paris (1942 – 1944)“ zu verweisen. 14 NL FGWM, Nr. 187. 15 Ebd. Aufschrift auf rotem Aktenumschlag: Handschrift „Kunstschätze“ unbekannt, die Handschrift zur Herkunft der Akten ist Wolff Metternich zuzuordnen. Die Aufschrift auf einem innenliegenden weißen Papier stammt von einer weiteren, unbekannten Person und ist nicht lückenlos zu entziffern. Wer zuständig ist („Liels“ oder „Diels“), wird nicht ersichtlich. Auch wer die Schränke aufräumen sollte, ist nicht klar: „Sch“ könnte ein abgekürzter Name sein und für eine der dem Kunstschutz zugewiesenen Schreibkräfte (Gabriele Schmidt, genannt Schmidt’chen) stehen. Die Paraphe ist unleserlich, möglich wäre bspw. „Odek“. Für die Hilfe bei der Entzifferung der Aufschrift ist an dieser Stelle Monika Gussone und Hans-Werner Langbrandtner zu danken.

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ihres Praktikums für das Quellenforschungsprojekt dem Inhalt der „Geheimakte Bunjes“ und erfasste die darin enthaltenen elf Listen jüdischer Kunstsammlungen, die ab Sommer 1940 in Paris beschlagnahmt wurden, in einer Excel-Liste. Diese Liste ist in der Datenbank des Sachinventars für Recherchen zugänglich. Die Analyse dieser Kunstgutlisten war ein Ziel des Quellenforschungsprojektes, um ihren Quellenwert für die Provenienzforschung zu bestimmen, Kopien derselben Listen im Bundesarchiv Koblenz (Bestand B 323) und den Archives nationales (AJ 40) zu identifizieren und mögliche Rückschlüsse auf die Konstitution der Akte und ihre Bedeutung für den Nachlass ziehen zu können. In ihrem Beitrag skizziert Kostiuchenko die Inhalte der „Geheimakte Bunjes“, schildert den historischen Kontext zu Bunjes und dessen Handeln in Paris und beschreibt die Erfassung der Kunstgutlisten für das Sachinventar. Julia Schmidt (Mainz) stützt sich in ihrem Beitrag ebenfalls auf den Inhalt der „Geheimakte Bunjes“, außerdem auf die Taschenkalender Bunjes’ in den Archives nationales. Im Rahmen der Poster-Sektion der Tagung zum Quellenforschungsprojekt stellte sie einen Aspekt aus dem Projekt „Die Provenienz des Mainzer Buchbestandes aus der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris (1942 – 1944)“ vor. Dabei standen der Akteur Hermann Bunjes und dessen Netzwerk hinsichtlich der Erwerbungen für die Bibliothek der Kunsthistorischen Forschungsstätte im Fokus. Schmidt differenziert dabei z­ wischen den Verbindungen Bunjes’ zu den Bereichen Kunstmarkt, Kunstschutz, Museen und Forschung.16 Nereida Gyllensvärd (Hamburg) untersucht die Aktivitäten der Sammeloffiziere der Heeresmuseen im Bezug auf Sicherstellung oder Kunstschutz und erweitert dadurch von Frankreich ausgehend den Blick auf Tätigkeiten in Russland, Serbien, Kroatien und Italien.17 Die Verbindung ­zwischen Militärverwaltungsbeamten der Abteilungen Kunstschutz und 16 Ziel des Mainzer Projektes, das von Julia Schmidt und Sabine Scherzinger betreut wurde, war die Erforschung der Provenienz von 3080 Büchern, Zeitschriftenreihen und Auktionskatalogen im Bestand der Mainzer Universitätsbibliothek, die aus der ehemaligen Kunsthistorischen Forschungsstätte in Paris stammen, und die Veröffentlichung der Provenienzangaben im Online-Katalog der Universitätsbibliothek. Darüber hinaus standen die Erforschung der Bibliothek der Kunsthistorischen Forschungsstätte im Kontext der deutschen Besatzung in Paris sowie die Verbindungen Hermann Bunjes’ zu Auktionen in Paris und zu kulturpolitischen Akteuren des Rheinlandes im Fokus des Projektes, außerdem allgemeine Hinweise zu Netzwerkaktivitäten und Erwerbungspolitik rheinländischer Museen. Die Ergebnisse werden voraussichtlich 2021 in einer Online-Publikation veröffentlicht. Das Quellenforschungsprojekt stand mit den Mainzer Kolleginnen in inhaltlichem Austausch und es bestand eine Kooperation der beiden vom Deutschen Zentrum für Kulturgut geförderten Projekte. Dies resultierte auch in der wechselseitigen Teilnahme an der Tagung im LVR-Kulturzentrum Abtei Brauweiler 2019 sowie der Vortragsreihe „Spurensuche“ zur gleichnamigen Ausstellung in der Schule des Sehens der Johannes Gutenberg-Universität Mainz 05. 12. 2018 bis 31. 01. 2019 und darüber hinaus der Möglichkeit für die Referent*innen dieser Vortragsreihe, einen Beitrag in d­ iesem Band zu leisten. 17 Nereida Gyllensvärd widmete sich im Rahmen ihrer Masterthesis an der Universität Hamburg dem Wirken des Kunsthistorikers Prof. Dr. Kurt Wilhelm-Kästner, der ab 1942 den Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Universität Hamburg innehatte, und legte ihren Fokus auf dessen Tätigkeit als Sammeloffizier der Heeresmuseen ­zwischen 1942 und 1945 in Südrussland, dem Kaukasus und ab

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den Sammeloffizieren der Heeresmuseen ist ein bisher weitgehend unerforschter Aspekt des militärischen Kunstschutzes. Dieser wird hier auf Basis der Aufgaben, der Organisation und der personellen Verbindungen analysiert, wobei sich zeigt, dass nicht nur eine strukturelle Verbindung zum Kunstschutz beim OKH – die Sammeloffiziere der Heeresmuseen waren dem Chef der Heeresmuseen, einer nachgeordneten Dienststelle des OKH, unterstellt –, sondern auch eine Verbindung in den praktischen Tätigkeiten sowie in persönlichen und fachlichen Netzwerken, bspw. aus dem universitären Umfeld, gegeben war. Auch hier ist das Spannungsfeld des „Schutzes“ zu beachten; Aufgabe der Sammeloffiziere war die Rückführung von Beutestücken deutscher Herkunft, was abermals die Frage nach der Aneignung von fremden Kulturgütern unter dem Anschein, Kulturgut bewahren zu wollen, aufwirft. Der dritte Themenschwerpunkt fokussiert „Akteure und Kooperationen“ z­ wischen dem deutschen militärischen Kunstschutz und anderen Institutionen in Deutschland und Frankreich.18 Heidi Gansohr (Bonn) widmet sich dem Rheinischen Landesmuseum in Bonn (RLM) und betrachtet rheinische personelle Verbindungen, insbesondere z­ wischen Hans Joachim Apffelstaedt (1902 – 1944, Leiter der Kulturabteilung der Rheinischen Provinzialverwaltung), Franz Rademacher (1899 – 1987, Direktor des RLM), Hermann Bunjes und Franziskus Graf Wolff Metternich, und deren Auswirkungen auf die Ankäufe des RLM Bonn auf dem Pariser Kunstmarkt. Die persönlichen Beziehungen zum Kunstschutz erleichterten den Museumsmitarbeitern das Einholen der Reisegenehmigungen nach Frankreich und somit den Zugriff auf den Pariser Kunstmarkt. Gansohr benennt die Ankäufe des RLM von Gemälden und Kunstobjekten in Paris und verfolgt deren heutigen Verbleib: Ein Großteil wurde restituiert, andere sind verschollen oder ihr Verbleib unbekannt. Auf Basis der Quellen zum RLM im Archiv des LVR und der Dokumente im Museum, wie bspw. des Inventarbuchs, wirft sie ein Schlaglicht auf Abläufe und Netzwerke ­zwischen Museum, Kunstschutz, Kulturverwaltung und Kunstmarkt.19 1943 in Italien. Die Quellen hierzu befinden sich weitgehend im Bundesarchiv Berlin und Koblenz sowie im Militärarchiv Freiburg, es finden sich aber auch Dokumente dazu im NL FGWM. 18 In d ­ iesem Zusammenhang ist auch die Forschung von Evelyn Reitz (Nürnberg) zu nennen. Sie war Teilnehmerin auf der Tagung in Brauweiler und befasst sich in ihren Recherchen mit den beruflichen Tätigkeiten ihres Großvaters, des Kunsthistorikers Karl vom Rath (1915 – 1986), der vom 18. 08. 1942 bis 01. 11. 1943 wissenschaftlicher Assistent an der Kunsthistorischen Forschungsstätte in Paris war und in der Nachkriegszeit vom 05. 11. 1945 bis 01. 04. 1948 im rheinischen Kulturgutdepot Schloss Dyck als Leiter des Sammeldepots von Kunstwerken arbeitete. Im Familienbesitz befinden sich die Kalender der Großmutter Monika vom Rath (1917 – 1990), Ehefrau von Karl vom Rath, die nicht öffentlich zugänglich sind, aber dankenswerterweise den Projektmitarbeiter*innen von Frau Reitz und ihrer Familie zum Einblick zur Verfügung gestellt wurden. Der Beitrag von Evelyn Reitz konnte leider nicht für den Begleitband terminlich abgeschlossen werden, sie arbeitet an d ­ iesem Ansatz weiter. 19 Siehe hierzu das Forschungsprojekt am Rheinischen Landesmuseum Bonn (RLM), mit dem das Quellenforschungsprojekt in Kooperation und Austausch stand, und die Publikation der E ­ rgebnisse:

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Auch Susanne Haendschke (Bonn) stellt Verbindungen vom Rheinland nach Frankreich anhand von Akteuren und dem RLM in den Fokus.20 Ihr Beitrag widmet sich dem Akteur Eduard Neuffer (1900 – 1954, Abteilungsdirektor für Vorgeschichte und Römisches im RLM) und in extenso der Verwaltungseinheit Referat „Vorgeschichte und Archäologie“ des militärischen Kunstschutzes in Paris (1940 – 1942), dessen Leiter Neuffer von Dezember 1940 bis Juli 1942 war.21 Sie schildert die Entstehung und die Aufgaben des Referats im Einflussbereich des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches und der RömischGermanischen Kommission, bspw. den Schutz archäologischer Denkmäler und umfassende Dokumentation archäologischer Sammlungen – aus öffentlichem und privatem Besitz. Die Aktionen sollten nicht zuletzt eine Abgrenzung zum SS-Ahnenerbe und zur archäologischen Abteilung des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg signalisieren. Auch die persönliche und die fachliche, wissenschaftliche Verbindung zu Wolff Metternich wird beschrieben, was wiederum den Anspruch des Personenkreises verdeutlicht, die Besatzung auch für eigene Forschungen ­nutzen zu können. Diesen Ansatz zu Tätigkeiten der rheinischen Wissenschaftskreise greift Iris Grötecke (Frechen) in ihrem Beitrag zu den Vortragsreisen von Alfred Stange ­zwischen 1936 und 1944 auf. Sie analysiert die wissenschaftlichen Auslandsbeziehungen Stanges, Ordinarius des Kunsthistorischen Instituts der Universität Bonn von 1935 bis 1945, auf Basis der Personalakten im Universitätsarchiv Bonn.22 Über 40 Vorträge Stanges in Westeuropa, Österreich, Polen, Finnland und Skandinavien verdeutlichen die kulturpolitischen Manifestationen durch deutsche Regierungsstellen und Parteigliederungen als Initiatoren. ­Grötecke Kulturpolitik der Rheinischen Provinzialverwaltung 1920 bis 1945. Tagung am 18. und 19. Juni 2018 im LVR-LandesMuseum Bonn (Beihefte der Bonner Jahrbücher 59), Darmstadt 2019. Darin insbesondere den Beitrag von Bettina Bouresh, Das Rheinische Landesmuseum Bonn bis 1945. Vereinnahmung? Widerstand?, in: ebd., S. 111 – 118 und Kim Bures-Kremser, Gemäldeerwerbungen des Rheinischen Landesmuseums Bonn 1933 bis 1945, in: ebd., S. 119 – 128. 20 Siehe zum Netzwerk Rheinland auch Nikola Doll, Die „Rhineland-Gang“. Ein Netzwerk kunsthistorischer Forschung im Kontext des Kunst- und Kulturgutraubes in Westeuropa, in: Andreas Blühm (Hg.), Museen im Zwielicht. Ankaufspolitik 1933 – 1945. Kolloquium vom 11. und 12. Dezember 2001 in Köln (Veröffentlichungen der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste 2), Magdeburg 2007, S. 63 – 88. 21 Siehe dazu ebenfalls das Projekt des RLM und Susanne Haendschke, „Herkunft: Dr. Neuffer, Paris“. Anmerkungen zu ausgewählten Erwerbungen der Bibliothek des Rheinischen Landesmuseums Bonn 1940 bis 1944, in: Kulturpolitik der Rheinischen Provinzialverwaltung 1920 bis 1945. Tagung am 18. und 19. Juni 2018 im LVR-LandesMuseum Bonn (Beihefte der Bonner Jahrbücher 59), Darmstadt 2019, S. 139 – 149. 22 Weitere Quellen können hierzu auch im NL FGWM hinzugezogen werden, beispielsweise die Korrespondenz zum wissenschaftlichen Tätigkeit des Kunstschutzes und die über den Kunstschutz organisierte Studienfahrt der Ordinarien nach Frankreich. Siehe dazu NL FGWM Nr. 158, Wissenschafts- und Fotokampagne: Studienreisen deutscher Wissenschaftler durch die besetzten westlichen Gebiete.

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beschreibt die darauf folgende intensive Reisetätigkeit Stanges im Auftrag des REM während der Kriegszeit nach Frankreich, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden zum einen und dem Ausbau der Westforschung unter Stange zum anderen. Dass dieser personenbezogene Blick auf die Vortragstätigkeit eines Universitätsprofessors weitere Erkenntnisse verspricht, wird durch den Ausblick auf die Tätigkeiten der Kollegen an anderen Universitäten aufgezeigt.23 Florence de Peyronnet-Dryden (Lyon) widmet sich in ihrem Beitrag den Verbindungen ­zwischen französischen Schlössern und dem deutschen militärischen Kunstschutz, was einerseits personenbezogene, andererseits tätigkeitsbezogene Aspekte betrifft. Schlösser und historisch wertvolle Bauten waren bereits vor der deutschen Besatzung durch bestehende französische Schutzmaßnahmen und Denkmalpflegeeinrichtungen erfasst und betreut. Der deutsche militärische Kunstschutz musste folglich in seiner Aufgabe zum Schutz dieser Gebäude und zur Nutzung als Kulturschutzdepots ­zwischen den Ansprechpartnern und diversen Ansprüchen der Besitzer, den französischen Dienststellen und den deutschen Interessen navigieren. Dies zeigt sie anhand der Beschreibungen aus den Besichtigungsberichten durch den jeweiligen Kunstschutzbeauftragten des Militärverwaltungsbezirks, der meist in Begleitung eines Offiziers der nächsten Feldkommandantur agierte. Die Treffen mit Schlossbesitzern oder deren Vertretern, zwecks einer kunsthistorischen Einschätzung, hatten oft eine Sicherung des Inventars und ein Truppenbelegungsverbot zur Folge. Ergänzt werden diese Schilderungen durch mündliche Überlieferungen, die eine lebendige Vorstellung des Besatzungsalltages und der Kunstschutztätigkeiten bieten. Hierbei werden die persönlichen Affinitäten der Kunstschutzmitarbeiter in Frankreich deutlich und nicht zuletzt die familiären Verbindungen des Adels, die hinsichtlich personenbezogener Netzwerkansätze nicht außer Acht zu lassen sind. Der Ansatz zu Bergungsorten und Schlössern leitet zum vierten Themenschwerpunkt „Rheinland“ über. Auch dort waren Schlösser wichtige Bergungsorte und die Parallele Frankreich und Rheinland zeigt sich abermals in der praktischen Arbeit und den dort tätigen Personen, was in den drei Beiträgen d ­ ieses Gliederungspunktes anhand ausgewählter Archivalien und Archivbestände illustriert wird. Annika Flamm (Köln) betrachtet in ihrem Beitrag die Bergungsorte der Rheinprovinz, die für die Auslagerung und Sicherung von Kulturgütern aus Museen, privaten und kirchlichen Sammlungen sowie Archivgut genutzt wurden.24 Dafür wertete sie den erst 23 Siehe hierzu auch den Band Roland Kanz (Hg.), Das Kunsthistorische Institut in Bonn. Geschichte und Gelehrte, Berlin 2018, insbesondere Iris Grötecke, Alfred Stange – Politik und Wissenschaft. Ordinarius am Bonner Kunsthistorischem Institut von 1935 bis 1945, in: ebd., S. 147 – 175 und ihren Vortrag am 12. 12. 2018 in Mainz (Vortragsreihe zur Ausstellung Spurensuche): „Alfred Stange in Bonn: Wissenschaftsstrategien und Forschungsinteressen ­zwischen 1935 und 1945“. 24 Siehe hierzu das von der LVR Museumsberatung initiierte und mit dem LWL-Museumsamt für Westfalen durchgeführte Projekt (2017 – 2019) zur Erstellung eines Konzeptes zur Etablierung,

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kürzlich ­erschlossenen Aktenbestand der Archivberatungsstelle der Rheinprovinz aus, da diese maßgeblich für die Koordination dieser Bergungsorte zuständig war, und glich den Bestand im Archiv des LVR mit den Aktenbeständen zur Kulturabteilung und zur Denkmalpflege ab. Ihr Beitrag zeigt nicht nur die Vorgehensweise der Sicherungsmaßnahmen bei Kriegsausbruch in Form von Erfassung der Orte, Auslagerung der Kulturgüter und Sicherung der Depots im Verlauf des Krieges, sondern eröffnet auch einen Ausblick auf die Bergungsorte als Sammellager für die Rückführung der Kulturgüter nach dem Krieg. Dabei werden regionale Besonderheiten deutlich, außerdem Akteure und Orte, die dahingehend herausragten und für eine Analyse ortsspezifischer und personenbezogener Netzwerke von Relevanz sein können. Katharina Schmude (Potsdam) steuert einen Beitrag zur Glockenabnahme im Rheinland während des E ­ rsten und während des Zweiten Weltkriegs bei.1 Dabei handelte es sich um die Erfassung und Beschlagnahme von Metall für die Kriegsrüstung und Waffenproduktion. Ab 1917 gab es die Metallmobilmachungsstelle beim Kriegsministerium, in deren Rahmen Glocken aus dem Rheinland erfasst und bewertet wurden. Edmund Renard (1871 – 1932), Wolff Metternichs Amtsvorgänger als Provinzialkonservator, war in dieser Zeit Sachverständiger für die Regierungsbezirke Köln und Koblenz. Auch im Zweiten Weltkrieg wurden die Glocken ab Frühjahr 1940 systematisch erfasst (Klassifikation in Kategorien A bis D) und mussten der Rüstungsindustrie zur Verfügung gestellt werden. Staatskonservator Robert Hiecke (1876 – 1952) veranlasste die Denkmalpfleger zur wissenschaftlichen Erfassung der Glocken (Fotografien, Abdrücke, Abreibungen etc.); diese Dokumente befinden sich heute im Deutschen Glockenarchiv im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Anhand der Quellen im Archiv des LVR gibt Schmude zudem einen Ausblick auf die Nachkriegszeit und die Rückführung von 450 rheinischen Glocken aus einem Glockenlager in Hettstedt Systematisierung und strukturellen Verbesserung der Provenienzforschung an Museen in Nordrhein-Westfalen, siehe Projektabschlussprojekt: Landschaftsverband Rheinland, LVR-Fachbereich Regionale Kulturarbeit, Museumsberatung (Hg.), Provenienzforschung in NRW – Informationen und Empfehlungen für die systematische, flächendeckende und nachhaltige Provenienzforschung, Köln 2019. Mit der LVR Museumsberatung wurde im Rahmen der regionalen Kulturförderung ein intensiver Austausch geführt. Frau Flamm, Volontärin in der Museumsberatung, führte die Recherchen zu den Bergungsorten auch in Hinblick auf das darauffolgende Projekt durch: die aktuell laufende Wanderausstellung des LWL-Museumsamtes für Westfalen in Kooperation mit dem LVR-Fachbereich Regionale Kulturarbeit, LVR Museumsberatung (2020 – 2022) an acht Standorten in NRW „Geschichte der Dinge. Zur Herkunft der Objekte der nordrhein-westfälischen Sammlungen“. Siehe auch Landschaftsverband Westfalen-Lippe, LWL-Museumsamt für Westfalen (Hg.), Geschichte der Dinge. Zur Herkunft der Objekte in nordrhein-westfälischen Sammlungen: eine Wanderausstellung des LWL-Museumsamtes für Westfalen in Kooperation mit dem LVR-Fachbereich Regionale Kulturarbeit, LVR Museumsberatung, Münster 2020. 1 Katharina Schmude ist Studentin an der FH Potsdam und schrieb diesen Beitrag nach ihrem Praktikum bei der LVR-Archivberatung (2018).

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in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone auf. Auch dieser objektbezogene Ansatz, der eine Aktion in den Fokus nimmt, lässt Rückschlüsse auf das Aufgabenspektrum des Kulturgutschutzes und die dafür tätigen Personen zu. Hans-Werner Langbrandtner (LVR ) nutzt einen ortsspezifischen und gleichermaßen personenbezogenen Ansatz. Die Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz war ein wichtiges rheinisches Kulturgutdepot, das in den persönlichen Aufzeichnungen der Koblenzer Archivarin Katharina Gräfin von Looz-Corswarem geb. Weber aus den Jahren 1945/1946 eindrücklich beschrieben wird. In d ­ iesem Beitrag skizziert Langbrandtner einerseits die Archiv- und Kunstschutzmaßnahmen in der Rheinprovinz, andererseits schildert er den persönlichen Blick einer Archivarin auf Kulturgutschutz und die schwierigen Zustände auf der Festung während der amerikanischen und ­später französischen Besatzung. Die sehr eindrücklichen Zitate aus den privaten Aufzeichnungen der Gräfin zeichnen ein lebendiges persönliches Zeitbild. Der Beitrag wird durch Quellen aus dem Archiv des LVR zur Rückführung von rheinischem Kulturgut ergänzt und kann dadurch einen sehr umfassenden Einblick in die Rückführung von rheinischen Kulturgütern in der Nachkriegszeit geben, oftmals aus der Perspektive von Franziskus Graf Wolff Metternich und Josef Busley. Anhand der Aufzeichnungen von Gräfin Looz-Corswarem wird erneut die Relevanz von privaten Quellen deutlich. In ihren Aufzeichnungen werden sowohl rheinische Kollegen als auch alliierte Offiziere der Monuments, Fine Arts, and Archives Section genannt. So wird die Vernetzung in der direkten Nachkriegszeit offensichtlich, in der die rheinischen Kollegen weiter beschäftigt waren und fortlaufend ihre beruflichen Verbindungen pflegten, aber auch neue Verbindungen zu alliierten Kunstschutzoffizieren geschaffen wurden. Abschließend geht der fünfte Themenschwerpunkt auf die Verhältnisse von „Kulturgutschutz und Restitution in der Nachkriegszeit“ ein. Da die Bergungsorte oftmals auch nach Kriegsende und unter alliierter Besatzung als Kulturgutsammelstellen oder als Sicherungsorte dienten, bis eine Rückführung erfolgen konnte, sind die thematische Erweiterung und die Betrachtung des alliierten Kulturgutschutzes in d­ iesem Zusammenhang sehr interessant. Die rheinischen Akteure um Wolff Metternich kamen mit drei der alliierten Besatzungszonen in Kontakt: Bonn und der nördliche Teil der ehemaligen Rheinprovinz standen unter britischer Besatzung. Wolff Metternich stand weiterhin im Austausch mit französischen Kollegen aus Paris, die ihn auch wesentlich in seiner Entlastung und Entnazifizierung unterstützen. Auch mit amerikanischen Kunstschutzoffizieren pflegte er einen regen Austausch und war für sie Ansprechpartner bei Fragen der Rückführung ausgelagerter Kulturgüter und der Restitution. Dies erweitert den Netzwerkansatz in Bezug auf Wolff Metternich über die Zeit und die Tätigkeit des militärischen Kunstschutzes hinaus auch auf die Nachkriegszeit und internationale Beziehungen. Marco Rasch (Freiberg) beschreibt in seinem Beitrag die Gründung der „Roberts Commission“ und die Entstehung der Monuments, Fine Arts, and Archives Section, um die Einrichtung des ersten Central Collecting Point in Marburg, eines Sammeldepots für die

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Rückführung des sichergestellten ausgelagerten Kulturgutes, zu erläutern.2 Rasch stellte auf der Tagung 2019 innerhalb der Poster-Sektion ein geplantes Projekt zu Kulturgutsammelstellen in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg vor. Dies stellt in der vergleichenden Perspektive und als Netzwerkansatz bislang ein Desiderat dar. Für die Analyse der Kontinuität von internationalen Beziehungen zum Kulturgutschutz lohnt sich auch ein Blick auf die Anfänge dieser Netzwerke: Laura Nicolaiciuc (München) widmet sich in ihrem Beitrag den Anfängen und dem Aufbau ziviler US-amerikanischer Kunstschutzkomitees weit vor den praktischen Tätigkeiten der Rettung und Restitution. Auch hierfür spielten Netzwerke, insbesondere transatlantische Verbindungen ­zwischen Universitätsgelehrten, eine bedeutende Rolle.3 Diese Kunstschutzkomitees befassten sich ebenfalls mit der Erfassung und Inventarisierung von wertvollen Kulturgütern und bedeutenden historischen Gebäuden und Baudenkmälern. Europäische Migranten hatten hier eine Vorbildfunktion inne – drei emigrierte deutsche Kunsthistoriker werden im Beitrag exemplarisch benannt – und leisteten aus der Entfernung ebenfalls einen Beitrag zum Kulturgutschutz. Auch Paul Clemen (1866 – 1947) war bspw. 1907/1908 im Zuge eines deutschamerikanischen Professorenaustausches in Cambridge (Michigan) zu Vorträgen eingeladen und knüpfte langfristig Kontakt zu US -amerikanischen Kollegen. Nicolaiciuc analysiert darüber hinaus die Verbindungen des zivilen Kunstschutzes in der Vorbereitung der späteren, dem Militär angegliederten Einheiten und den wissenschaftlichen Austausch zur Erfassung des späteren Arbeitsmaterials. Der wissenschaftliche Austausch und die Berufung auf rein wissenschaftliche Motive des deutschen militärischen Kunstschutzes und angrenzender Bereiche bieten in der Nachkriegszeit Ansätze für die Frage nach Rezeption der Kunstschutztätigkeiten und Aufarbeitung in Form von Restitution bei der Betrachtung einzelner Akteure und deren Handlungsspielräume und Nachwirken. Emily Löffler (Leipzig) analysiert die Restitutionsforderungen um die Bildquellen der Fotokampagnen des Kunstschutzes, die im Spannungsfeld von Kunstgeschichte, Ökonomie und Diplomatie standen.4 Die früheren Kunstschutzmitarbeiter zogen sich in 2 Siehe auch Marco Rasch, Kunstsammelstelle Staatsarchiv. Der Marburg Central Collecting Point, in: Archivnachrichten aus Hessen (17/1), 2017, S. 60 – 62 und ders., Die „Monuments Men“ in Marburg, in: Jahrbuch für den Landkreis Marburg-Biedenkopf 2015, Bd. 9, 2014, S. 251 – 254, außerdem die kürzlich erschienene Publikation zur Ausstellung im Hessischen Staatsarchiv ­Marburg, Ders., Das Staatsarchiv Marburg als Central Collecting Point. Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung im Hessischen Staatsarchiv Marburg (Schriften des Hessischen Staatsarchivs ­Marburg 39), Marburg 2021. 3 Laura Nicolaiciuc bearbeitet die Thematik innerhalb ihrer Dissertation, Arbeitstitel „Mapping the Monuments – Die American Defense Harvard Group und das American Council of Learned Societies als Initiatoren des amerikanischen Kunstschutzes in Europa während des Zweiten Weltkrieges“. 4 Siehe Emily Löffler, Kunstschutz im besetzten Deutschland. Restitution und Kulturpolitik in der französischen und amerikanischen Besatzungszone (1944 – 1953) (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 3), Köln/Wien/Weimar 2019,

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der Nachkriegszeit auf die Argumentation zurück, ihre Tätigkeit während der Besatzung habe rein wissenschaftlichen Zwecken gedient, und grenzten sich von jeglicher politischen oder ideologischen Motivation ab. Anhand einer Mikrostudie zu den französischen Rückforderungen von Fotonegativplatten, die im Rahmen der Fotokampagnen im besetzten Frankreich entstanden waren, zeigt Löffler die alliierte Kulturrestitutionspolitik der frühen Nachkriegszeit auf. Richard Hamann (1879 – 1961), der Leiter der Fotokampagnen, versuchte diese als rein wissenschaftlich motiviertes, vom Krieg und politischen Zielen unberührtes Projekt darzustellen, während die französische Seite die Relevanz der Fotonegative für das französische Kulturerbe hervorhob und sich gegen die fotografische Aneignung von Kultur aussprach. Die Restitutionsforderung wurde schließlich zurückgewiesen, der Streit aber erst in den 1960er Jahren mit Übergabe von Duplikaten der strittigen Fotonegative an Frankreich beigelegt. Dieses Beispiel zeigt, wie sich die Tätigkeiten während des Krieges auf die Nachkriegszeit auswirkten und die persönlichen Verbindungen in einer positiven Rezeption und Lösung von Konflikten sehr hilfreich waren. Diese gesammelten Forschungsansätze bieten vertiefende Einblicke in die Tätigkeitsfelder und Personenkreise rund um den deutschen militärischen Kunstschutz um Wolff M ­ etternich bzw. den erweiterten Kreis des Kulturgutschutzes in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie ermöglichen Rückschlüsse auf berufliche wie auch persönliche Netzwerke. Die Auswirkungen dieser Netzwerke werden nicht zuletzt in der Nachkriegszeit und den Entnazifizierungsprozessen deutlich, in denen sich Kollegen Leumundszeugnisse und Persilscheine ausstellten und sich gegenseitig bestätigten, rein wissenschaftliche Ziele in den besetzten Gebieten verfolgt zu haben. Mithilfe dieser Argumentation konnten sie weitgehend unbelastet ihre Tätigkeiten fortführen.5 Auch am ersten deutschen Kunsthistorikertag 1948 in Brühl, auf dem viele Kollegen wieder versammelt waren und sich über die Fragen des Wiederaufbaus von zerstörten Städten in der Nachkriegszeit austauschten, zeigen sich berufliche Kontinuitäten und die Fortführung dieser Netzwerke.6 Die Aufbereitung der Quellenlage und das Aufzeigen der Forschungsansätze innerhalb des Sachinventars möchten hierfür weitere Recherchen und vernetzte Forschung anregen.

außerdem den Vortrag von Emily Löffler am 30. 01. 2019 in Mainz (Vortragsreihe zur Ausstellung Spurensuche): „Im Spannungsfeld von Kunstgeschichte und Politik – Französische und amerikanische Kunstrestitutionen nach 1945“. 5 Esther Heyer, Vorteil oder Nachteil für die Entnazifizierung? Die Tätigkeit von Franziskus Graf Wolff Metternich im deutschen militärischen Kunstschutz in Frankreich während des Zweiten Weltkriegs, in: Sébastien Chauffour u. a. (Hg.), La France et la dénazification de l’Allemagne après 1945, Brüssel 2019, S. 191 – 206. 6 Siehe Nikola Doll, Der Erste Deutsche Kunsthistorikertag 1948, in: dies./Christian Fuhrmeister/ Michael H. Sprenger (Hg.), Kunstgeschichte im Nationalsozialismus. Beiträge zur Geschichte einer Wissenschaft ­zwischen 1930 und 1950, Weimar 2005, S. 325 – 337.

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Kurzbeschreibungen von Institutionen und Organisationseinheiten in Verbindung mit dem Kunstschutz Florence de Peyronnet-Dryden / Hans-Werner Langbrandtner

Ahnenerbe Die Forschungsgemeinschaft Ahnenerbe e. V., 1937 in „Das Ahnenerbe e. V.“ umbenannt, wurde als interdisziplinäre Forschungseinrichtung von Reichsführer-SS , Heinrich Himmler, und dem niederländischen Privatgelehrten Herman Wirth am 1. Juli 1935 gegründet. Sitz des Vereins war München. Die durch den Verein organisierten archäologischen, anthropologischen und geschichtlichen Forschungen und Forschungsreisen dienten unter Einsatz pseudowissenschaftlicher Methoden der Untermauerung der NS -Ideologie, nicht zuletzt der Rassenideologie. Die Organisation expandierte rasch und zählte zahlreiche Forschungsabteilungen mit entsprechenden Forschungseinrichtungen in verschiedenen Städten. Das Ahnenerbe befasste sich nicht nur mit dem deutschen Raum, sondern mit dem gesamten Indogermanentum. Seit 1940 war das Ahnenerbe als Amt A Teil des Persönlichen Stabs des Reichsführers-SS , Heinrich Himmler. Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs änderte sich die Ausrichtung des Ahnenerbes: Neben „Sonderaufträgen“, wie Goldsuche in deutschen Flüssen oder Forschungen über urväterliche Naturheilkunst, waren die Mitarbeiter des Vereins maßgeblich am Raub von Kulturgütern in den besetzten Gebieten beteiligt, mitunter auch an Menschenversuchen in Konzentrationslagern. Der letzte Leiter der Einrichtung, Wolfram Sievers, wurde aus d ­ iesem Grund in den Nürnberger Prozessen zum Tode verurteilt. Archivberatungsstelle Rheinland Die Archivberatungsstelle Rheinland wurde 1929 vom Rheinischen Provinzialverband gegründet, um den politischen Auftrag zu erfüllen, die Unterlagen zur französischen Besetzung des Rheinlandes nach dem E ­ rsten Weltkrieg zu sammeln, aber letztlich faktisch die gefährdete Überlieferung der rheinischen Städte, Gemeinden, K ­ irchen und Pfarreien seit dem Spätmittelalter und besonders die urkundlichen Quellen in den zahlreichen rheinischen Adelsarchiven zu erschließen und nutzbar zu machen. Der langjährige Leiter Dr. Wilhelm Kisky organisierte in enger Zusammenarbeit und unter Leitung des ­Provinzialkonservators Franziskus Graf Wolff Metternich bzw. dessen Stellvertreters Theodor Wildeman den Kulturgutschutz (Archiv-, Bibliotheks- und Kunstschutz) im Rheinland während des Zweiten Weltkriegs, seit 1940 auch im besetzten Großherzogtum Luxemburg

und den belgischen Gebieten Eupen-Malmedy. Nach 1945 wurde die Archivberatungsstelle in die staatliche Archivverwaltung Nordrhein-Westfalens integriert, seit der Gründung des Landschaftsverbandes Rheinland 1953 ist sie bis heute eine kommunale Einrichtung für die nichtstaatliche Archivpflege. Archives nationales Das französische Nationalarchiv ist seit der Französischen Revolution mit der Aufbewahrung der Akten aus der zentralen staatlichen Verwaltung beauftragt (ausgenommen sind die Akten des Außenministeriums, des Finanzministeriums und des Verteidigungsministeriums). Es wurde durch eine Verordnung von 1790 gegründet; das entscheidende Gesetz zur Gründung der Institution ist allerdings das Gesetz vom 7. Messidor II (25. Juni 1794), das bis heute die Aufgaben des Archivs prägt. 1808 siedelten die Archives nationales in das Hôtel de Soubise im heutigen 3. Arrondissement von Paris um. Bei Ausbruch des Krieges wurden wichtige Bestände der Archives nationales mit 150 Lkw evakuiert. Während des Krieges wurde der Sitz der Kommission des deutschen militärischen Archivschutzes in den Archives ­nationales eingerichtet. Von dort aus wurde die Rückführung der Bestände organisiert, aber auch Beschlagnahme und Verschleppung unterschiedlicher Quellenbestände aus verschiedenen Archiven nach Deutschland. Leiter der Archives nationales war seit 1941 Charles Samaran. Archivschutz In den besetzten Westgebieten wurde parallel zum Kunstschutz – und ebenfalls der Kulturabteilung der Militärverwaltung unterstellt – eine Gruppe „Archivschutz“ gebildet. Zum ersten Kommissar für den Archivschutz in den besetzten Westgebieten – und s­ päter für das ganze Deutsche Reich – wurde Ernst Zipfel ernannt. Seit 1942 war Zipfel auch Leiter des Sonderstabes Archive des ERR. Für den „Archivschutz und die Archivbergung“ in Frankreich wurde eine Abteilung von 14 Archivaren gebildet, deren Leitung Georg Schnath, Direktor des Staatsarchivs in Hannover, übertragen wurde. Die Archivgruppe beaufsichtigte die staatlichen französischen Archive und förderte die Forschung deutscher Wissenschaftler zu deutschen ­Themen in französischen Archiven. Zugleich suchte man gezielt nach Akten und Aktenbeständen, die im sogenannten Kümmel-Bericht als Überlieferung deutscher Provenienz aufgelistet waren. Zudem wurden jüdische Privatarchive, K ­ irchen-, Freimaurerund Gemeindearchive, die von den Arbeitsgruppen des ERR nicht beschlagnahmt worden waren, „sichergestellt“ und bearbeitet. Bibliotheksschutz Innerhalb der Gruppe Kultur beim Militärbefehlshaber im westlichen Operationsgebiet wurde parallel zum Kunstschutz und Archivschutz eine Gruppe für den „Schutz der Biblio­theken und Kunst“ unter Leitung von Hugo Andres Krüß, Direktor der Preußischen Staats­bibliothek, aufgestellt. Das Referat „Bibliotheksschutz beim Militärbefehlshaber in ­Frankreich“ wurde im

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September 1940 gegründet, die Leitung hatten Ernst Wermke, Direktor der Staatsbibliothek in Breslau, und seit Ende 1941 Hermann Fuchs, Bibliothekar der Preußischen Staatsbibliothek, inne. Diese „bibliothekarische Mission“ der Wehrmacht nahm ihre Arbeit in den Staats- und Privatbibliotheken im Oktober 1940 mit insgesamt acht Fachleuten auf. Zwei andere Mitarbeiter untersuchten die Antiquariate, um kostbare Bücher zu verifizieren und preisgünstig an deutsche Bibliotheken zu vermitteln. Unter anderem wurden die Mitarbeiter des Bibliotheksschutzes damit beauftragt, Werke aus dem sogenannten Kümmel-Bericht für deutsche Bibliotheken zurückzufordern. Bibliothèque nationale Die Bibliothèque nationale (seit 1995 Bibliothèque nationale de France) ist eine zentrale Universalbibliothek. Ihren Ursprung hat sie bereits im 14. Jahrhundert in der königlichen Bibliothek, die in den folgenden Jahrzenten und Jahrhunderten von jedem König stetig erweitert wurde, vor allem seit der Renaissance und während des 17. Jahrhunderts. Darüber hinaus wurde sie 1537 mit der Sammlung der gedruckten Pflichtexemplare beauftragt. Die Bibliothèque nationale wurde während der Französischen Revolution nationalisiert und nahm zu dieser Zeit die Bestände von vielen nationalisierten Privatbibliotheken auf. Bis 1995 (Errichtung der modernen Gebäude am Standort Tolbiac in Paris) war der Hauptsitz der Bibliothek im Bereich der Rue Richelieu. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war Julien Cain ihr Verwalter (Administrateur général). Bereits 1938 hatte er Auslagerungen von einigen besonders wichtigen und wertvollen Beständen organisiert, darunter nach Schloss Ussé unweit von Tours. Nach Frankreichs Niederlage verließ Cain Frankreich, nach seiner Rückkehr wurde er 1941 deportiert. Zum Nachfolger wurde am 6. August 1940 Bernard Faÿ berufen; als Anhänger von Marschall Philippe Pétain unterstützte er die Politik des Vichy-Regimes, vor allem im Kampf gegen die Freimaurer, der u. a. in der Beschlagnahme und Aussonderung von relevanten Archiv- und Bibliotheksbeständen seinen Niederschlag fand. La Demeure historique La Demeure historique (DH) wurde 1924 als Verein der Besitzer französischer historischer Bauten von Joachim Carvalho, Eigentümer von Schloss Villandry, gegründet. Heutzutage vertritt die DH mehr als 3000 Schlösser, kirchliche Bauten (u. a. säkularisierte Abteien) und Stadtpalais. Um im Sinne der Baudenkmäler zu handeln und die Interessen der Eigentümer zu vertreten, pflegt die DH regelmäßige und intensive Beziehungen zu den politischen und kulturpolitischen Akteuren, sei es auf lokaler oder staatlicher bzw. ministerieller Ebene. Der erste Vorsitzende war Adrien Maurice Herzog von Noailles. Der Sitz des Vereins ist aktuell in Paris am Quai de la Tournelle, im alten Stadtpalais Hôtel de Nesmond. Während des Zweiten Weltkriegs war der Verein als Vertreter der betroffenen Eigentümer wichtiger Ansprechpartner für Kunstschutz- bzw. (militärische) Belegungsfragen.

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Denkmalpflege im Rheinland – Provinzial- und später Landeskonservator Das Rheinische Amt für Denkmalpflege entstand 1893 mit der Wahl des Kunsthistorikers Paul Clemen, der 1890 bereits die hauptamtliche Leitung der Inventarisation der Kunstdenkmäler der Rheinprovinz übernommen hatte, zum ersten (ehrenamtlichen) Provinzialkonservator. Von dessen Nachfolger Edmund Renard übernahm Franziskus Graf Wolff Metternich 1928 als 35-Jähriger d ­ ieses Amt. Als Schüler des Bonner Professors Paul Clemen hatte Wolff Metternich zeitlebens eine enge Beziehung zu seinem beruflichen Ziehvater. Wolff Metternich, seit 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP, konnte in den 1930er Jahren mit Unterstützung von Provinz und Staat das Denkmalamt personell und finanziell so ausbauen, dass es eine führende Position unter den preußischen Denkmalämtern einnahm. Unterbrochen durch seine Aufgabe als Leiter des militärischen Kunstschutzes in Frankreich von Mai 1940 bis Juli 1942 war Wolff Metternich bzw. sein Stellvertreter Theodor Wildeman für den Kulturgutschutz und die Sicherung der rheinischen Baudenkmäler im Zweiten Weltkrieg verantwortlich. Bereits Anfang August 1945 wurde Wolff Metternich durch die britische Besatzung wieder im Amt bestätigt und hatte ­dieses bis 1950 inne – nunmehr als Landeskonservator des Landesteils Nordrhein im Bundesland NRW. Deutsche Botschaft Paris Während des Zweiten Weltkriegs befand sich die deutsche Botschaft in Frankreich im Stadtpalais Hôtel Beauharnais, Rue de Lille in Paris. Das Gebäude war 1818 vom König von Preußen persönlich erworben, 1862 offiziell in die Botschaft des Preußischen Staates umgewandelt worden. In ­diesem Gebäude wurde Ernst Eduard vom Rath 1938 von ­Herschel Grynszpan ermordet, d ­ ieses Ereignis war der Anlass der Reichspogromnacht. 1939, nach der Kriegserklärung Frankreichs an Deutschland, wurde die Botschaft evakuiert. Im Sommer 1940 wurde sie mit dem frankophilen Otto Abetz als neuem deutschen ­Botschafter wieder besetzt. Abetz sammelte zahlreiche französische Künstler um sich, die zu einer Zusammenarbeit mit der deutschen Besatzung bereit waren. Die Botschaft arbeitete eng mit dem Deutschen Institut zusammen, das ebenfalls dem Auswärtigen Amt unterstellt war. Die Position Abetz’ ermöglichte ihm die Kontrolle über alle politischen Fragen im besetzten Frankreich und somit eine maßgebliche Rolle bei der Deportation der Juden sowie den Raubaktionen gegen jüdischen Besitz. Viele Kunstwerke musste er an den ERR abgeben, aber manche davon – so aus der Rothschild-Sammlung von Schloss Ferrières – wurden in der deutschen Botschaft ausgestellt. Nach Rückzug der deutschen Truppen im August 1944 wurde das Hôtel Beauharnais von der französischen Regierung konfisziert, 1951 zum „Monument historique“ deklariert. Seit 1968 ist es wieder Residenz des deutschen Botschafters in Paris. Deutsches Archäologisches Institut Das Deutsche Archäologische Institut (DAI ) wurde 1829 in Rom als Instituto di Corrispondenza Archeologica gegründet. Sein Hauptauftrag war und ist die archäologische und

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­kulturhistorische Forschung. Heute zählt es weltweit 20 Standorte, der Hauptsitz ist in Berlin. Leiter während des Zweiten Weltkriegs war Martin Schede. Das Deutsche Archäologische Institut Athen wurde im Jahr 1872 als Abteilung des DAI gegründet. Seinen Sitz hat es seit 1888 in einem von Heinrich Schliemann gebauten Haus in der Phidiasstraße. Leiter von 1937 bis 1944 war Walther Wrede. Obwohl er überzeugter Nationalsozialist war, bemühte er sich nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Griechenland um ein korrektes Verhalten gegenüber seinen griechischen Ansprechpartnern und setzte sich gegen die Versuche des ERR, Kunstgut nach Deutschland zu verschleppen, erfolgreich durch. Deutsches Institut Das Deutsche Institut wurde als kulturpolitische Einrichtung von Botschafter Otto Abetz und dem Leiter des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Paris, Karl Epting, gegründet. Dieser übernahm die Leitungsposition. Der Hauptsitz war in Paris, weitere Institute wurden in französischen Städten gegründet. Die Aufgaben des Deutschen Instituts waren die Vermittlung der deutschen Kultur mittels Sprachkursen, Universitätslektoraten und Kulturpropaganda. Es war dem Auswärtigen Amt unterstellt, stand aber oft in Konkurrenz zur Propagandaabteilung des Militärbefehlshabers. Devisenschutzkommando Die Devisenschutzkommandos (DSK) waren deutsche Einheiten, die mit der Beschlagnahme und dem Zwangsverkauf von meldepflichtigen Devisen, Aktien, Gold und Diamanten aus Privatbesitz beauftragt waren. Die Organisation wurde ab 1938 durch eine Devisenordnung im Sudetenland und in Österreich, nach Kriegsausbruch dann in Polen und in den weiteren besetzten Gebieten ergänzt. Die Mitarbeiter waren Beamte der Zollfahndungsstelle der Reichsfinanzverwaltung. Die Leitung oblag dem Devisenfahndungsamt, das der Gestapo angegliedert war. In den westlichen Gebieten waren die Mitarbeiter den Militärbefehlshabern in Paris und Brüssel zugeordnet; Leiter war der SS -Hauptsturmführer Herbert Staffeldt. Nach Auflösung des Devisenfahndungsamtes im Jahr 1941 wurde die Arbeit vor Ort in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsabteilung des Militärbefehlshabers fortgesetzt. In Frankreich wurden am 14. Juni 1940 alle Kontenbewegungen ins und vom Ausland blockiert und ab Juli 1941 zwei Jahre lang durch das DSK überprüft. Das DSK prüfte den Inhalt von Banksafes und erhielt so einen genauen Überblick über deren Inhalt, oftmals waren es auch Kunstwerke. Wenn die Besitzer Juden waren, wurden die Kunstwerke an den ERR übergeben. Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg Der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) basierte auf der Anfang 1940 durch Führererlass gegründeten Hohen Schule Alfred Rosenbergs. Unter seiner Leitung entwickelte sich diese Organisation zu einer der größten Rauborganisationen für Kulturgüter in den besetzten Ländern im „Dritten Reich“. Zunächst mit dem Ziel, Bücher und Archivalien

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von Gegnern der nationalsozialistischen Ideologie für das Forschungsinstitut der Hohen Schule zu sammeln, ging dieser Kulturraub während des Westfeldzugs schnell in Kunstraub über. In Paris wurde das „Amt Westen“ des ERR im Juli 1940 als eine Unterabteilung des Außenpolitischen Amts (APA) der NSDAP gegründet. Sein Wirken war eng mit der Judenverfolgung verbunden. In Frankreich stieß der ERR auf Widerstand, u. a. des Leiters des militärischen Kunstschutzes, Franziskus Graf Wolff Metternich, der versuchte, wichtige Sammlungen vor dem Abtransport nach Deutschland zu s­ chützen. Rosenberg konnte allerdings sein Vorhaben mit Unterstützung Hermann Görings durchsetzen. Bekannt sind die Ausstellungen im Musée du Jeu de Paume, die Rosenberg mit seinen geraubten Kunstwerken für Göring organisieren ließ. Der ERR war in verschiedenen Sonderstäben organisiert: Vorgeschichte, bildende Kunst, ­Kirchen, Osten, rassenpolitische Fragen, Wissenschaft, Archiv, Sippenkunde, Musik, Bibliotheksaufbau „Hohe Schule“, Volkskunde, Presse, Dr. Gustav Abb (Kunstraub in Bibliotheken) und weltanschauliche Informationen. Anfang 1943 umfassten diese Sonderstäbe 350 Mitarbeiter. Fotokampagnen in den besetzten Gebieten Das Bildarchiv Foto Marburg betrieb von Anfang an Fotokampagnen zwecks Kunstdokumentation. Auch im Ausland wurde fotografiert, zum Beispiel in Griechenland als Unterstützung der deutschen archäologischen Forschung am Deutschen Archäologischen Institut in Athen. Während des Zweiten Weltkriegs wurde eine intensive Fotodokumentation zu Baudenkmälern in den besetzten Gebieten initiiert. Diese umfassende Inventarisierung wurde durch die Abteilung Kunstschutz beim Militärbefehlshaber in Frankreich veranlasst, die Organisation oblag Foto Marburg, nach 1942 der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris. Die umfassendste Fotodokumentation wurde in Frankreich durchgeführt, dabei wurden sowohl intakte Bauten als auch Kunstschutzmaßnahmen abgelichtet. Die Leitung dieser Kampagnen hatten Richard Hamann und dessen Sohn Richard Hamann-Mac Lean inne. Glockenaktion Unter Glockenaktion werden die Klassifizierung und das nachfolgende Einsammeln von über 100.000 Kirchenglocken zwecks Metallgewinnung für die Rüstungsindustrie durch die NS-Regierung bezeichnet. Ein ähnliches Unternehmen war bereits im E ­ rsten Weltkrieg durchgeführt worden. Im März 1940 wurden zunächst, gesteuert durch die Reichsstelle für Metalle in Berlin als ausführende Stelle des Reichswirtschaftsministeriums, auf freiwilliger Basis Zink und Kupfer aus privaten Haushalten und öffentlichen Gebäuden in Sammelstellen zusammengeführt. Seit Frühjahr 1941 begann die Requirierung von Kirchenglocken, aber auch von Denkmälern aus Metall. Forciert wurden diese Maßnahmen erst ab Ende 1941 aufgrund des erheblichen Widerstands der ­Kirchen und der betroffenen Bevölkerung sowohl im Deutschen Reich als auch in den besetzten Gebieten. Die Glocken waren in vier Kategorien klassifiziert: A, B, C, D, wobei C und D die wertvollsten Glocken umfassten; Glocken der Kategorie D sollten wegen des kunsthistorischen Wertes möglichst geschützt

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und verschont bleiben. Die Glocken wurden in sogenannten „Glockenfriedhöfen“ gesammelt und von dort aus an die Rüstungsindustrie zur Schmelzung abgegeben. In Deutschland wurden rund 45.000 Glocken geschmolzen, aus den besetzten Gebieten ca. 35.000. Nach dem Krieg wurden die übrig gebliebenen Glocken nach Möglichkeit zurückgegeben. Institut für Kunstgeschichte der Universität Bonn – Westforschung Das Kunsthistorische Institut in Bonn legte in der Zeit nach dem ­Ersten Weltkrieg – durchaus im Zusammenspiel mit dem 1920 gegründeten Institut für Rheinische Landesgeschichte – den fachlichen Schwerpunkt auf eine wissenschaftliche Erforschung sowohl der Kunst des Rheinlandes als auch der Kunst des benachbarten westlichen Auslandes. Ebenso wurden die praktische Denkmalpflege und s­ päter der Kunstschutz als praktische Aufgabe in die Lehre – insbesondere unter Paul Clemen und Franziskus Graf Wolff Metternich – einbezogen und ein enger politischer Austausch mit der Rheinischen Provinzialverwaltung gepflegt. Paul Clemen, der das Bonner Institut von 1901 bis 1935 leitete, hatte sich maßgeblich für die Erforschung der Architektur, Skulptur und Monumentalmalerei des Rheinlands eingesetzt, sich gleichzeitig aber auch für Frankreich und die Beneluxstaaten interessiert. Als Ergebnis seiner Tätigkeit als Kunstschützer im ­Ersten Weltkrieg verfasste er zwei Inventarbände zur belgischen Architektur. Einen Grenzlandfonds, der die weitere Erforschung der westlichen Kultur fördern sollte, finanzierte er 1926/1927 aus dem Verkaufserlös der während des ­Ersten Weltkriegs in Belgien angefertigten fotografischen Dokumentation. Alfred Stange, der 1935 auf den Clemen-Lehrstuhl nachfolgte und diesen bis 1945 innehatte, baute unter den neuen Bedingungen der NS-Herrschaft auf der Basis des von Clemen geschaffenen Netzwerkes eigene Beziehungen zu Parteigliederungen, staatlichen Stellen und rheinischen Museen auf. Insbesondere widmete er sich dem Ausbau der „Westforschung“, einer staatlich geförderten, interdisziplinär ausgerichteten Erforschung Frankreichs, Belgiens und der Niederlande, die germanische bzw. deutsche Einflüsse in deren Kunst und Geschichte herausarbeiten sollte. Stange gründete nach seiner Berufung eine entsprechende Arbeitsgruppe an der Universität Bonn, warb Stipendien ein und forcierte die Anstellung von Mitarbeitern mit thematisch passendem Profil. Im Auftrag des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM) initiierte er 1942 die Errichtung einer Kunsthistorischen Forschungsstätte (KHF) in Paris, die zukünftige kunst- und kulturgeschichtliche Forschungen aus deutscher Sicht in Frankreich fördern sollte. Kümmel-Bericht Der Kümmel-Bericht ist eine 1940 von Otto Kümmel und seinen Mitarbeitern verfasste geheime Liste. Der bekannte Sinologie Kümmel war seit 1934 Generaldirektor der Preußischen Museen in Berlin. Im Auftrag von Joseph Goebbels erstellte er diese „Liste der unbedingt zu plündernden Kunstwerke in ausländischem Besitz“ (offizieller Name des Berichts: „Auf Erlaß des Herrn Reichsministers und Chefs der Reichskanzlei […] vom 19. August 1940 und auf Erlaß des Herrn Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda […]

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vom 20. August 1940 betr. Kunstwerke und geschichtlich bedeutsame Gegenstände, die seit 1500 ohne unseren Willen oder auf Grund zweifelhafter Rechtsgeschäfte in ausländischen Besitz gelangt sind“). Sie verzeichnet auf 319 Seiten und in drei Teilen Kunstwerke, Bücher und Archivalien ursprünglich deutscher Provenienz, die in erster Linie seit den Eroberungskriegen Ludwigs XIV. und vor allem während der Napoleonischen Kriege nach Frankreich verschleppt worden waren. Zweck dieser Aufstellung war die Rückführung des Kulturgutes nach Deutschland, dadurch sollte das in der Vergangenheit am deutschen Volk und seinem Kulturerbe begangene vermeintliche Unrecht des Kulturgutraubs ausgeglichen werden. ­Weitere Mitglieder der Kommission, die diese Liste erstellte und die damit verbundenen Aktionen organisieren sollte, waren Hugo Krüß, Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek, und Ernst Zipfel, Generaldirektor der Preußischen Staatsarchive und des Reichsarchivs, sowie Franz Rademacher, Hans Joachim Apffelstaedt und Hans Baumann. Kunsthistorische Forschungsstätte Paris Die Kunsthistorische Forschungsstätte in Paris (KHF) wurde Anfang 1942 auf Anregung des Bonner Professors für Kunstgeschichte Alfred Stange und in Absprache mit Richard Hamann und Franziskus Graf Wolff Metternich als erstes deutsches Auslandsinstitut für Kunstgeschichte überhaupt eingerichtet. Sie war am Deutschen Institut in Paris angesiedelt und unterstand dem Auswärtigen Amt. Sitz der KHF war das ehemalige tschechische Kulturinstitut in der Rue Bonaparte. Leiter des KHF war bis zur Auflösung am Ende der deutschen Besatzung Frankreichs der Kunsthistoriker und frühere Kunstschutzmitarbeiter Hermann Bunjes. Die KHF versah Forschungs-, aber auch kulturpolitische Aufgaben. Sie koordinierte Fotokampagnen in Frankreich und unterstütze organisatorisch und finanziell die sogenannte Westforschung. Durch die personelle Verbindung Bunjes’ zum Kunstschutz und seine Verstrickung mit dem ERR und Hermann Göring war die KHF auch in Kunstraub involviert. Kunstschutz Laut Haager Landkriegsordnung (1899 bzw. 1907) gehört der Kunstschutz zu den Pflichten der Militärverwaltung in besetzten Ländern. Der deutsche militärische Kunstschutz wurde im ­Ersten Weltkrieg in Reaktion auf die internationalen Proteste über die Zerstörung in Belgien und Nordfrankreich durch kaiserliche Truppen als militärische Einheit gegründet, die mit den Aufgaben des Kunstschutzes und der Kriegsdenkmalpflege in besetzten Gebieten betraut wurde. Paul Clemen, erster rheinischer Provinzialkonservator, war einer der Kunstschutzbeauftragten an der Westfront. Der Begriff „Kunstschutz“ bezieht sich somit meist auf die militärische Einheit, die in einem Spannungsfeld aus wissenschaftlichen, individuellen, politischen und militärischen Interessen stand. Mit dem Westfeldzug im Frühjahr 1940 wurde der Kunstschutz wieder etabliert. Im Zweiten Weltkrieg war Paris der Sitz des deutschen militärischen Kunstschutzes in Frankreich; zu seinen Aufgaben gehörte, Schlösser und Denkmäler vor Beschädigungen

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durch die Wehrmacht zu ­schützen, aber auch die „Überwachung der Bergungsdepots der franz. Museen, Sicherstellung und Überwachung des ausländischen Kunstbesitzes, Vorbereitung der Rückführung des Deutschland geraubten Kunstgutes, Kontrolle und Steuerung des deutschen Kunsthandels in Frankreich (…)“ (Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, R 61087a). Leiter war seit Juli 1940 in Paris (bereits aber im Mai 1940 zum Beauftragten für Kunstschutz berufen) der Kunsthistoriker und rheinische Provinzialkonservator Franziskus Graf Wolff Metternich als Beauftragter für Kunstschutz in den besetzten Gebieten, ab Juli 1942 dessen Stellvertreter Bernhard von Tieschowitz. Der Kunstschutz war dem Oberkommando des Heeres-Generalquartiermeisters zugeordnet. Der Kunstschutz stand in seinem Bemühen um die Sicherung des Kulturgutes durchaus im Gegensatz zu anderen Organisationen des NS-Staates, wie der SS, der Gestapo oder dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR), die oft aktiven Kunstraub in den militärisch besetzten Ländern betrieben. Mit der Ausweitung der deutschen militärischen Besetzung europäischer Länder dehnte sich auch der Kunstschutz auf die betroffenen Gebiete aus. Der Kunstschutz wurde in allen eroberten und besetzten Gebieten etabliert, in denen eine Militärverwaltung eingerichtet wurde, also in Belgien, Frankreich, Serbien, Griechenland (ab 1943) und Italien (ab 1943), nicht aber in den Protektoraten (wie Böhmen und Mähren), in den R ­ eichskommissariaten (wie den Niederlanden, Ostland, Ukraine und Norwegen), im Reichsgau Wartheland, im Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete oder in den annektierten Gebieten (wie Sudetenland, Luxemburg oder Elsass und Lothringen). In den besetzten Gebieten gab es zumeist auch Abteilungen und Einrichtungen zum Schutz von Kulturgut. Auch die alliierten Kulturgutschutzoffiziere waren im Bereich „Kunstschutz“ tätig. In der Neufassung der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten von 1954 (ergänzende Protokolle von 1954 und 1999) ist der Kulturgutschutz international festgeschrieben. Liste Otto Nach der militärischen Besetzung Frankreichs wurde am 28. September 1940 eine Zensurliste erstellt. Diese Liste, offiziell „Ouvrages retirés de la vente par les éditeurs ou interdits par les autorités allemandes“ genannt, verzeichnete auf 37 Seiten verbotene Bücher. Sie wurde nach dem deutschen Botschafter im besetzten Frankreich, Otto Abetz, auch kurz Liste Otto genannt. Eine erste Liste, die Liste Bernhard, die in Berlin zusammengestellt worden war, hatte Ende August 1940 bereits 143 politische Bücher zensiert. Die Liste Otto wurde zusammen mit dem Syndicat des Éditeurs Français, der Propagandaabteilung und der Propagandastaffel verfasst und zählte 1060 Titel: Bücher und Essays, die Deutschland oder den Rassismus bzw. den Antisemitismus kritisierten, aber auch von jüdischen und kommunistischen Autor*innen bzw. Gegnern des Nationalsozialismus stammten. „Mein Kampf“ stand auch auf dieser Liste. 713.382 Exemplare wurden sofort aus Buchläden, Biblio­theken und Verlagen beschlagnahmt. 1941 kamen marxistische Werke und Bücher von britischen und amerikanischen Autor*innen hinzu. Eine zweite Liste Otto wurde im Juli 1942 publiziert, eine dritte Variante 1943.

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MFA&A Die Monuments, Fine Arts, and Archives Section (kurz MFAA oder MFA&A) wurde 1943 in den USA gegründet, um auf den Kriegsschauplätzen Europas Kunstwerke und Kulturgut zu ­schützen. Am 23. Juni 1943 wurde auf Anregung des Kunsthistorikers und Museumskurators George L. Stout eine Kommission von Präsident Roosevelt ins Leben gerufen: die American Commission for the Protection and Salvage of Artistic and Historic Monuments in War Areas, auch als Roberts Commission (nach ihrem Leiter Owen J. Roberts) bekannt. Die daraus entstandene MFA&A war den Civil Affairs and Military Government Sections unterstellt. Die dort tätigen Mitarbeiter wurden auch als Monuments Men bezeichnet. Sie begleiteten die alliierten Streitkräfte auf den Kriegsschauplätzen, um Maßnahmen zum Kunstschutz durchzuführen. Nach dem Krieg wurden sie in erster Linie mit dem Wieder­aufbau der Museumslandschaft und der Suche nach bzw. Restitution von geraubtem Kulturgut beauftragt. Die ca. 345 Mitglieder dieser Gruppe stammten aus 14 Ländern. Die letzten Kunstschutzoffiziere verließen Europa 1951.

Militärverwaltung Frankreich Die Organisation der Militärverwaltung Frankreich erfolgte nach dem Waffenstillstand vom 22. Juni 1940. Während die nördlichen Departements Nord und Pas-de-Calais in die Militärverwaltung Belgien und Nordfrankreich eingegliedert und das Gebiet des Reichslands Elsaß-Lothringen den Gauleitern der Reichsgaue Baden und Saarpfalz unterstellt wurden, unterteilte man das restliche Frankreich in zwei Zonen: die „zone libre“ (freie Zone) im unbesetzten Süden mit dem Sitz der neuen Regierung in Vichy und die „zone occupée“ (besetzte Zone) in der nördlichen Hälfte einschließlich eines Streifens entlang der Atlantikküste bis zur spanischen Grenze. Hier wurde eine deutsche Militärverwaltung eingerichtet, mit Sitz des Militärbefehlshabers im Hôtel Majestic in Paris. Dem Militärbefehlshaber unterstanden fünf Militärverwaltungsbezirke mit Sitz in Paris (Bezirk Groß-Paris), Saint-Germain-en-Laye (Bezirk A), Angers (Bezirk B), Dijon (Bezirk C), Bordeaux (Bezirk Bordeaux). Neben dem Kommandostab mit den Kommandanturen zu diesen fünf Verwaltungsbezirken unterstand dem Militärbefehlshaber der umfangreiche Verwaltungsstab, dem die Verwaltungsabteilung und darunter die Gruppe Kultur mit dem Kunstschutz unterstellt war. Ausführende der Kunstschutzempfehlungen waren die verschiedenen hierarchischen Ebenen der Kommandanturen (insbesondere Feldkommandanturen). Im November 1942 wurde die freie Zone besetzt (ausgenommen die von den italienischen Truppen besetzte Zone in den Alpen) und in „Südzone“ umbenannt. Sie wurde vom Bezirk Südfrankreich mit Sitz in Lyon verwaltet. Militärverwaltung in Belgien und Nordfrankreich Die Militärverwaltung in Belgien und Nordfrankreich existierte von Juni 1940 bis Juli 1944. Ihr Zuständigkeitsbereich umfasste Belgien und die zwei nordfranzösischen Departements Nord und Pas-de-Calais. Entstanden war sie im Mai 1940 aus einem für die Militärverwaltung der Niederlande, Belgiens und Nordfrankreichs aufgestellten Stab. Sie umfasste außerdem eine

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„zone interdite“ (verbotene Zone), einen schmalen Gebietsstreifen entlang der französischen Nord- und Ostgrenze. Mit Hauptsitz in Brüssel wurde sie in fünf Oberfeldkommandanturen (OFK) unterteilt: Brüssel, Lüttich, Mons, Gent und Lille. In Nordfrankreich bildete das OFK 670 unter Heinrich Niehoff die entsprechende Verwaltungseinheit. Angesichts der Invasion der Alliierten im Juli 1944 wurde die Militärverwaltung in ein Reichskommissariat Belgien und Nordfrankreich umgewandelt, dessen Führung Martin Graase innehatte. Möbelaktion Die M-Aktion („M“ für „Möbel“) wurde im Januar 1942 im Rahmen der neu gegründeten „Dienststelle Westen“ als Erweiterung der Aufgaben des ERR in Frankreich, Belgien und den Niederlanden initiiert. Möbel und Haushaltsgegenstände bis hin zu Kleidung wurden aus den Wohnungen von deportierten oder geflohenen Juden, den sogenannten „unbewachten jüdischen Wohnungen“, beschlagnahmt und zunächst den Verwaltungen in den besetzten Ostgebieten zur Verfügung gestellt. Als der Luftkrieg im Deutschen Reich zunahm, wurden diese Gegenstände „Bombengeschädigten“ zum Kauf angeboten. Leiter der Dienststelle Westen und dieser Aktion war Kurt von Behr, der gleichzeitig bis Juni 1943 Chef des Sonder­ stabs „Bildende Kunst“ im Amt Westen des ERR war. Es wurden u. a. 69.000 komplette Wohnungseinrichtungen im Rahmen der M-Aktion verschleppt. Sitz der Dienststelle Westen war die Avenue d’Iéna in Paris. Musées nationaux Die Direction des Musées nationaux war seit 1870 in Frankreich eine Außenstelle der Verwaltung der Beaux-Arts (Schönen Künste) innerhalb des Ministère de l’Instruction publique. Ihre Aufgabe lag in der Verwaltung der staatlichen Museen aus der Liste der Nationalmuseen, sie hatte zudem ein Aufsichtsrecht über viele Museen in der französischen Provinz, bei denen staatliche Sammlungsobjekte aufbewahrt waren. Bereits 1939 wurden erste staatliche, aber auch private Sammlungen unter der Obhut der Musées nationaux in Depots (Bergungsorte), zumeist auf französischen Schlössern, in Sicherheit gebracht. Dieser Evakuierungsplan wurde von Jacques Jaujard organisiert, der von 1940 bis 1944 Leiter der Musées nationaux und der École du Louvre war. Dank seiner guten Beziehungen zum deutschen m ­ ilitärischen ­Kunstschutz, vor allem zu dessen Leiter Franziskus Graf Wolff Metternich, konnten viele Kunstwerke vor der Verschleppung nach Deutschland gerettet werden. Per Erlass vom 18. August 1945 wurde die Direction des Musées nationaux in eine Zentralverwaltung umgewandelt und hieß seitdem Direction des Musées de France. Récupération artistique Die Commission de récupération artistique (CRA) wurde am 24. November 1944 durch einen Erlass des französischen Erziehungsministers René Capitant ins Leben gerufen. Sie war beauftragt, in Deutschland und weiteren Ländern, die vom „Dritten Reich“ verwaltet wurden, nach Kunstobjekten zu suchen, die aus geplünderten französischen Sammlungen

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stammten. Diese Organisation setzte sich aus zwei Abteilungen zusammen: Die erste widmete sich den Kunstwerken, historischen Schmuckstücken und Memorabilien. Die Leitung hatte Michel Florisoone, Kurator im Musée du Louvre, inne; hier spielte die Konservatorin Rose Valland, die nach Deutschland entsandt wurde, eine entscheidende Rolle. Die andere Abteilung wurde am 1. Juni 1945 gegründet und befasste sich mit der Rückführung von Büchern, Archivalien und Manuskripten. Sie wurde von dem Historiker Camille Bloch geleitet; die prägende Figur war die Bibliothekarin Jenny Delsaux. Die CRA hatte ihren Sitz in 20b avenue Rapp in Paris. Die Restitutionen wurden durch das Office des biens et intérêts privés (OBIP) durchgeführt. Die CRA wurde am 30. April 1949 aufgelöst, sie zählte zu ­diesem Zeitpunkt 30 Mitglieder. Referat für Frühgeschichte und Archäologie Im Rahmen der Organisation des deutschen militärischen Kunstschutzes wurde Ende 1940 ein eigenes Referat für Frühgeschichte und Archäologie eingerichtet. Dessen Aufgabe war die Betreuung von archäologischen Denkmälern. Gleichzeitig ermöglichte das Referat wissenschaftliche Reisen von deutschen Akademikern und Forschern in die besetzten Gebiete. Sein letzter Leiter, Hans Möbius, verfasste 1944 den Abschlussbericht über die Tätigkeit des Referats. Reichserziehungsministerium Das Reichserziehungsministerium (REM), eigentlich Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, wurde 1934 gegründet. Die Leitung hatte der ehemalige preußische Kultusminister Bernhard Rust bis Kriegsende inne. Mit massiv geprägter ideologischer Ausrichtung wurde die bereits in der Weimarer Zeit angestrebte Vereinheitlichung des Bildungswesens in Gang gesetzt. Dies erfolgte durch eine Umstrukturierung nach dem Führerprinzip. Verschiedene Ämter (anstatt bisheriger Abteilungen) organisierten die dieser Verwaltungszentrale nun unterstellten Schulen und Universitäten, Forschungseinrichtungen und Museen im Reich und die jeweils dort tätigen Beamten. Sonderkommando Künsberg beim Auswärtigen Amt Das Sonderkommando Künsberg wurde zunächst mit diplomatischen Aufgaben in Warschau sowie mit der Beschlagnahmung von wichtigen politischen Akten der geflohenen polnischen Regierung im Rahmen des Polenfeldzugs beauftragt. Unter der Leitung des Legationssekretärs Eberhard Freiherr von Künsberg dehnte sich sein Wirkungsbereich rasch auf Kunstraub und Beschlagnahmung von Kulturgutsammlungen wie Bibliotheken und Archive aus. Im Rahmen des Westfeldzuges wurde das Sonderkommando aus Mitarbeitern des Auswärtigen Amts, der Geheimen Feldpolizei (GFP ) und des NS -Kraftfahrkorps (NSKK ) zusammengestellt und wurde bis Anfang Januar 1941 auch als Geheime Feldpolizei-Gruppe z. b. V. bezeichnet. Es war insbesondere in Frankreich mit der Beschlagnahmung von Akten politischer Parteien, Freimaurerlogen, Pressebüros sowie jüdischer Kunstgalerien beauftragt und konkurrierte hier

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mit dem ERR , geriet aber auch in Konflikt mit dem deutschen militärischen Kunstschutz und seinem Leiter Franziskus Graf Wolff Metternich. Das Aktionsfeld wurde ab 1941 um den Balkan und dann auf das Gebiet der UdSSR erweitert. Die beschlagnahmte Beute ging an interessierte Institutionen im Deutschen Reich. Eine Kriegsbeute-Ausstellung wurde im März 1942 in Berlin organisiert. Künsberg handelte aber oft eigenmächtig und verlor letztlich die Unterstützung des Außenministers Ribbentrop. Am 1. August 1942 wurde das Sonderkommando der Waffen-SS unterstellt und Künsberg suspendiert, Mitte 1943 wurde das Sonderkommando vollständig aufgelöst. Universität Marburg, Foto Marburg Das Bildarchiv Foto Marburg wurde 1913 durch den Kunsthistoriker und Fotografen Richard Hamann gegründet. Diese Sammlung sollte als Lehr- und Forschungshilfe für das Kunstgeschichtliche Seminar dienen und sammelte vor allem Aufnahmen über Kunst und Architektur in Deutschland, die bis in die 1870er Jahre zurückreichten. 1929 etablierte der preußische Staat das Bildarchiv als zentrales Archiv der Kunstdokumentation in Preußen. Während des Zweiten Weltkriegs kam dem Bildarchiv eine besondere Bedeutung zu: In den besetzten Gebieten wurden mehrere Fotokampagnen zu Kunstobjekten bzw. Baudenkmälern unternommen, die daraus entstandenen Negative wurden in Marburg als zentraler Sammelstelle aufbewahrt. Der Sohn von Richard Hamann, Richard Hamann-Mac Lean, war als Fotograf im Rahmen dieser Fotokampagnen im Baltikum und in Frankreich tätig. 1962 wurde das Bildarchiv in das Kunsthistorische Seminar der Philipps-Universität Marburg eingegliedert.

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Kurzbiografien von Akteuren des Kunstschutzes und dessen Umfeld Florence de Peyronnet-Dryden/Hans-Werner Langbrandtner

Otto Abetz (1903 – 1958) war deutscher Kunstlehrer, Diplomat und Journalist. Nach seinem Studium an der Technischen Hochschule in Karlsruhe arbeitete er als Kunsterzieher und Biologielehrer. Nach dem E ­ rsten Weltkrieg engagierte er sich in der Bündischen Jugend für die Verständigung ­zwischen der deutschen und der französischen Jugend. Aufgrund seiner Frankreichkenntnisse ernannte ihn Reichsjugendführer Baldur von Schirach 1934 zum Frankreich-Referenten. 1935 trat Abetz in die NSDAP-Dienststelle Ribbentrop ein, 1937 wurde er Mitglied der NSDAP und der SS und 1938 schließlich Hauptreferent West. Während des Zweiten Weltkriegs war er von August 1940 bis 1944 Botschafter Deutschlands im besetzten Frankreich; Abetz verantwortete in dieser Position die frühen Beschlagnahmungen jüdischer Kunstsammlungen in Frankreich. Dennoch wurde ihm 1943 seitens des NS-Außenministeriums eine zu frankreichfreundliche Haltung vorgeworfen. Nach Kriegsende wurde er vom Pariser Militärtribunal zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, aber bereits 1954 entlassen. Anschließend arbeitete er bis zu seinem Unfalltot als Journalist. Dr. Gustav André (1900 – 1989), deutscher Kunsthistoriker, studierte in Marburg bei Richard Hamann Kunstgeschichte, das Studium schloss er 1927 mit der Promotion ab. Er wurde Mitarbeiter des Preußischen Forschungsinstituts für Kunstgeschichte und früh zur Arbeit im dortigen Fotoarchiv hinzugezogen. Während des Zweiten Weltkriegs war er ­zwischen 1940 und 1941 für das Marburger Institut im Rahmen des Kunstschutzes für die Fotokampagnen im besetzten Frankreich tätig; dort leitete er neben Richard Hamann-Mac Lean und Hans-Adalbert von Stockhausen eine der drei Arbeitsgruppen der Fotokampagne. Nach Kriegsende arbeitete er in der Denkmalpflege. Marcel Aubert (1884 – 1962), französischer Kunsthistoriker und Museumskurator (Conservateur de Musée) schloss sein Studium an der École nationale des chartes 1907 ab. Zunächst war er als Bibliothekar an der Bibliothèque nationale in Paris tätig, widmete sich dann der Museumskunde und wurde 1920 wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Skulpturenabteilung im Louvre-Museum. 1940 folgte er Paul Vitry (1872 – 1941) im Amt des Conservateur en Chef im Louvre nach und war damit für die Unterbringung der Sammlungen in sicheren Depots während des Zweiten Weltkriegs verantwortlich. 1942 ernannte man ihn zum Dekan der Konservatoren der Musées nationaux. Daneben unterrichtete er seit 1924 an der École nationale des chartes und der École du Louvre. 1950 trat er in den Ruhestand.

Joseph Billiet (1886 – 1957), französischer Kunsthistoriker und Galerist, trat im Jahr 1931 in die Verwaltung der Musées nationaux ein. Dort wurde ihm der Aufbau der Abteilung der Provinzmuseen (Musées de province) zugewiesen, 1940 dann auch der Schutz der Sammlungen in diesen Museen. Während des Zweiten Weltkriegs war er persönlicher Referent von Jacques Jaujard, dem Leiter der Musées nationaux in Frankreich. Nach Kriegsende arbeitete er als Konservator des Museums Malmaison. Jacqueline Bouchot-Saupique (1893 – 1975), französische Kunsthistorikerin, war von 1940 bis 1944 persönliche Sekretärin von Jacques Jaujard, dem Leiter der Musées nationaux in Frankreich. Am 23. Oktober 1945 wurde sie als erste Frau zur Conservateur (Kuratorin) im Musée du Louvre ernannt. Dr. Hermann Bunjes (1911 – 1945), deutscher Kunsthistoriker, wurde 1935 in Marburg u. a. von Richard Hamann promoviert. Danach war er bis Anfang 1940 als wissenschaftlicher Assistent bei der Denkmalinventarisation der Rheinprovinz tätig. Nach der Habilitation bei Alfred Stange im Januar 1939 lehrte er bis zum Wintersemester 1944/1945 als Dozent am Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn; im November 1944 erhielt er dort eine außerplanmäßige Professur. Er gehörte bereits in der Studienzeit dem NS-Studentenbund an und wurde 1938 Mitglied der NSDAP und der SS. Nach der Besetzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg war er Leiter der Kulturabteilung der deutschen Militärverwaltung in Paris und zugleich bis Mai 1942 als Kriegsverwaltungsrat im militärischen Kunstschutz für das besetzte Frankreich Beauftragter für den Kunstschutz im Militärverwaltungsbezirk Paris. Anfang 1942 übernahm er die Leitung der von Alfred Stange gegründeten Kunsthistorischen Forschungsstätte (KHF) in Paris. Zugleich war er – nunmehr SS-Obersturmführer – als Leiter der Kulturabteilung im Verwaltungsstab beim Kommandanten von Groß-Paris, als Kunstberater für Alfred Rosenberg, Adolf Hitler und Hermann Göring tätig und in Verbindung mit dem ERR auch persönlich in den Kunstraub involviert. Nach Inhaftierung durch die französische Besatzungsmacht beging er am 25. Juli 1945 Selbstmord im Trierer Gefängnis. Dr. Josef Busley (1888 – 1969), deutscher Kunsthistoriker, war Assistent am Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn, als er 1927 von Johannes Horion, Landeshauptmann der Rheinprovinz, zum Leiter der Abteilung Kultur- und Denkmalpflege in der Rheinischen Provinzialverwaltung berufen wurde. Er zählte zu den prägendsten rheinischen Kulturpolitikern. Nach der Machtergreifung wurde er als Referent zur Denkmalinventarisation versetzt. Von August 1940 bis 1944 war er als Kriegsverwaltungsoberrat im militärischen Kunstschutz im besetzten Frankreich tätig und für die Bezirke Angers und Bordeaux verantwortlich. Nach Kriegsende beriefen ihn die englischen Besatzungsbehörden zum Referenten für Kultur- und Denkmalpflege beim Oberpräsidenten der Nord-Rheinprovinz, 1946 wurde zum Ministerialrat im Kultusministerium des Landes NRW ernannt. Hier war er bis 1954 tätig.

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Jérôme Carcopino (1881 – 1970), französischer Althistoriker, Archäologe und Epigrafiker, war seit 1920 Professor an der Sorbonne Université in Paris. Von 1937 bis 1940 hatte er das Amt des Direktors der École française de Rome, 1940 bis 1944 mit k­ urzen Unterbrechungen das des Direktors der École normale supérieure inne. Am 25. Februar 1941 wurde er zum Staatssekretär für „Éducation nationale et à la Jeunesse“ in der Vichy-Regierung berufen, ­dieses Amt übte er bis zum 18. April 1942 aus. 1944 wurde er kurzzeitig in Haft genommen, aber 1947 wieder rehabilitiert. Prof. Dr. Paul Clemen (1866 – 1947), deutscher Kunsthistoriker und Denkmalpfleger, hatte in Leipzig, Bonn und Straßburg studiert, hier wurde er 1889 promoviert. 1890 übertrug ihm die „Kommission für die Denkmälerstatistik der Rheinprovinz“ im Auftrag der Provinzialverwaltung in fester Anstellung die Inventarisierung der gesamten Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, deren Herausgabe und Bearbeitung bis 1937 in seiner Hand blieb. 1893 wurde er zum ersten (ehrenamtlichen) Provinzialkonservator der Rheinprovinz berufen, ­dieses Amt übte er bis 1911 aus. Im gleichen Jahr habilitierte er sich an der Universität Bonn, war aber seit 1899 als Dozent an der Kunstakademie in Düsseldorf tätig. 1901 erhielt er schließlich die Professur für Kunstgeschichte in Bonn. Während des E ­ rsten Weltkriegs war Clemen als Kunstschutzoffizier tätig. Franziskus Graf Wolff Metternich und viele andere bekannte Kunsthistoriker wurden von ihm promoviert. 1935 wurde er emeritiert, sein Nachfolger wurde der Nationalsozialist Alfred Stange. Paul Clemen war einer der Initiatoren für die Gründung des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz im Jahr 1906. „Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz“, bis 1937 unter seiner Leitung und Mitarbeit in 56 Bänden erschienen, sind ein Standardwerk der rheinischen Kunstgeschichte. Nicht nur mit ­diesem Werk hat er den Grundstein für die heutige Denkmalpflege gelegt. Dr. Karl Epting (1905 – 1979), deutscher Romanist, wurde 1928 in München promoviert. Ab 1931 arbeitete er beim Weltstudentenwerk in Genf. Er war seit 1930 ein Vertrauter von Otto Abetz und arbeitete seit 1934 als Vertrauensmann der Dienststelle Ribbentrop in Paris. Zugleich war er von 1933 bis 1939 Leiter des Büros des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Paris. Im August 1939 wurde er ausgewiesen, wurde Mitglied der NSDAP und übernahm nach der Besetzung Frankreichs bis 1944 die Kulturabteilung der deutschen Botschaft in Paris, die dann zum „Deutschen Institut“ wurde. Auch in Paris blieb er ein enger Vertrauter von Botschafter Abetz und beteiligte sich im Rahmen der Kulturarbeit auch am Kunstraub, wo er u. a. an der Erstellung der „Otto-Liste“ (von der deutschen Zensur verbotene französische Bücher) beteiligt war. Nach Kriegsende wurde er verhaftet, aber 1949 vom Militärgericht in Paris freigesprochen. Epting war von 1957 bis 1969 als Gymnasiallehrer tätig. Prof. Dr. Hans Gerhard Evers (1900 – 1993), deutscher Kunsthistoriker und Ägyptologe, wurde 1924 mit einer kunsthistorischen Arbeit promoviert. Er war dann als Assistent am Kunsthistorischen Institut der Universität Heidelberg tätig und nahm an einer halbjährigen

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Studienreise unter dem Heidelberger Ägyptologen Hermann Ranke nach Ägypten teil. 1932 wurde er in München von Wilhelm Pinder in Kunstgeschichte habilitiert und arbeitete als Privatdozent bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs. Zunächst als einfacher Soldat eingezogen, kam er im September 1940 zum militärischen Kunstschutz in Frankreich und Belgien. In Belgien verfasste er mit der Unterstützung des Kunstschutzes eine bereits zuvor begonnene Rubensbiografie. Ab November 1943 arbeitete er als Kriegsverwaltungsrat für den Kunstschutz im besetzten Italien, dessen Leitung der Archäologe und SS-Standartenführer Alexander Langsdorff (1898 – 1946) ab Februar 1944 übernahm. Evers wurde im September 1945 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft entlassen. Von 1950 bis 1968 hatte er den Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Fakultät für Architektur an der Technischen Hochschule Darmstadt inne. Bernard Faÿ (1893 – 1973) war ein französischer Historiker. Er verkehrte in künstlerischen Kreisen der 1920er und 1930er Jahre, übersetzte Romane von Gertrude Stein, die s­päter auch Reden von Marschall Philippe Pétain für ihn übertrug. 1932 wurde er auf den neuen Lehrstuhl „Civilisation américaine“ am Collège de France berufen. Persönlich verfolgte er rechtsextreme politische Ansichten. Im August 1940 wurde er von der Vichy-Regierung als Nachfolger von Julien Cain zum Administrateur général der Bibliothèque nationale de France ernannt. Er spielte in dieser Zeit als Leiter des Service des sociétés secrètes eine wichtige Rolle in der Anti-Freimaurer-Politik und der Judenverfolgung. Nach der Befreiung Frankreichs wurde er zu lebenslangem Ehrverlust und Arbeitslager verurteilt. 1951 konnte er in die Schweiz fliehen, 1959 begnadigte ihn der französische Präsident René Coty. Dr. Hermann Fuchs (1896 – 1970), deutscher Bibliothekar, arbeitete nach der Promotion 1923 an der Universität Bonn, seit 1926 an der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin. Im Zweiten Weltkrieg leitete er von 1940 bis 1944 als Oberkriegsverwaltungsrat das Referat Bibliotheksschutz bei der Militärverwaltung Frankreichs in Paris. Er verfügte über einen großen Etat zum Ankauf französischer Literatur. In der Nachkriegszeit arbeitete er in der Universitätsbibliothek Mainz und amtierte von 1955 bis 1962 als deren Direktor. Dr. Hildebrand Gurlitt (1895 – 1956), deutscher Kunsthändler, studierte nach vierjährigem Einsatz als Offizier im ­Ersten Weltkrieg Kunstgeschichte in Dresden, Berlin und Frankfurt am Main, hier wurde er 1924 promoviert. Von 1925 bis 1930 war er erster hauptamtlicher Direktor des König-Albert-Museums in Zwickau, sein Auftrag lautete: Aufbau einer zeitgenössischen Kunstsammlung. Die Ausstellungsräume ließ er von Bauhaus-Künstlern neu gestalten. Von 1931 bis 1933 war er Leiter des Kunstvereins in Hamburg. Aus beiden Ämtern wurde er infolge von Kampagnen des sogenannten Kampfbundes für deutsche Kultur entlassen. Danach machte er sich als Kunsthändler mit eigener Galerie in Hamburg selbstständig. 1938 wurde Gurlitt zusammen mit drei anderen Kunsthändlern mit der Vermarktung beschlagnahmter Bilder sogenannter entarteter Künstler, deren Bilder als Eigentum

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an das Reich gefallen waren, beauftragt. 1943 wurde Gurlitt im Rahmen des Sonderauftrags Führermuseum Linz zum Hauptaufkäufer von Kunst im besetzten Frankreich ernannt. Er verstand es, neben dem offiziellen Linzer Auftrag eine eigene Kunstsammlung aus Raubkunst zusammenzutragen. Nach Kriegsende wurde er jedoch aufgrund seiner jüdischen Herkunft und der Nichtmitgliedschaft in NS-Organisationen entlastet. Von 1948 bis zu seinem Unfalltod 1956 war er Leiter des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen in Düsseldorf. Karl Haberstock (1878 – 1956), der aus einer Augsburger Bankiersfamilie stammte, war ein deutscher Kunsthändler. 1907 eröffnete er eine Galerie in Berlin und spezialisierte sich zunächst auf die Kunst des 19. Jahrhunderts, in den 1920er Jahren auch auf alte Meister. 1933 trat er in die NSDAP ein. 1935 verkaufte er sein erstes Gemälde an Adolf Hitler, worauf andere Verkäufe an weitere Persönlichkeiten des NS-Regimes folgten, wodurch er sein ­Netzwerk stetig erweitern konnte. 1938 wurde er in die Kommission für Verwertung „Entarteter Kunst“ berufen, wo er neben der Organisation von Auktionen auch versuchte, Gemälde vor der Verbrennung zu retten. Nach dem Anschluss Österreichs wurde er nach Wien geschickt, um u. a. die Katalogisierung von beschlagnahmtem Kunstgut zu organisieren, dann nach Ausbruch des Krieges in die besetzten Gebiete, darunter Frankreich bzw. Paris, wo er u. a. bei der Arisierung von Galerien (insbesondere Wildenstein) oder der Suche nach großen Sammlungen (Schloss) mitwirkte. 1943 trat er wegen Meinungsverschiedenheiten mit seinem Kollegen Hermann Voss (Leiter des Führermuseums in Linz) aus der NSDAP aus. Nach dem Kriegsende und der Entnazifizierung arbeitete Haberstock weiterhin als Kunsthändler. Prof. Dr. Richard Hamann (1879 – 1961), deutscher Kunsthistoriker, wurde 1913 auf den neu eingerichteten Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Universität Marburg berufen und begründete als erfahrener Fotograf eine eigene fotografische Abteilung, die 1929 zum zentralen preußischen Archiv für Kunstdokumentation wurde: das Bildarchiv Foto Marburg. Zahlreiche Kunsthistoriker wurden von Hamann in der fotografischen Technik ausgebildet, so auch Bernhard von Tieschowitz, seit August 1940 stellvertretender Leiter des militärischen Kunstschutzes in Frankreich. Er organisierte zusammen mit Hamann ab Oktober 1940 eine Fotokampagne, bei der 16 Fotografen in vier Teams innerhalb eines Jahres rund 20.000 Aufnahmen in allen Regionen des besetzten Landes anfertigten. Nach dem Abschluss der offiziellen Fotokampagne im September 1941 organisierte Hamann ab 1942 die Aufnahmetätigkeit in Zusammenarbeit mit der Kunsthistorischen Forschungsstätte in Paris. Hamann wurde 1949 in Marburg emeritiert, war aber schon seit 1947 (bis 1957) als Gastprofessor für Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin tätig. Prof. Dr. Richard Hamann-Mac Lean (1908 – 2000), Sohn des deutschen Kunsthistorikers und Begründers des Bildarchivs Foto Marburg, Richard Hamann, war ebenfalls Kunsthistoriker. 1939 habilitierte er sich an der Universität Frankfurt am Main und wurde kurz darauf Dozent an der Universität in Halle. Hier ließ er sich beurlauben, um als Fotograf für

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das „SS-Ahnenerbe“ tätig zu werden. Zusammen mit dem Kunsthistoriker Niels von Holst, Leiter des Außenamts der Staatlichen Museen zu Berlin, organisierte Hamann-Mac Lean ­zwischen März und November 1940 eine Fotokampagne in Russland zur Dokumentation der deutschen Kulturdenkmale im Baltikum. Ab Ende 1940 war er im Auftrag des Kunstschutzes bei der Fotokampagne im besetzten Frankreich tätig. Hamann-Mac Lean trat 1934 in die SA ein und war in verschiedenen nichtmilitärischen NS-Verbänden aktiv. Ab 1942 leistete er Kriegsdienst als einfacher Soldat. Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft wurde er Dozent am Kunsthistorischen Institut in Marburg, von 1967 bis 1973 hatte er einen kunsthistorischen Lehrstuhl an der Universität Mainz inne. Prof. Dr. Roland Hampe (1908 – 1981), deutscher Archäologe, studierte Klassische Archäologie in München und promovierte 1934 bei Ernst Buschor. Dieser war von 1922 bis 1929 erster Direktor der Abteilung Athen des Deutschen Archäologischen Instituts gewesen. 1936 wurde Hampe an d ­ iesem Institut Assistent und 1939 mit einer grundlegenden Arbeit zum Wagenlenker von Delphi an der Universität Würzburg habilitiert. Während der deutschen Besatzungszeit in Griechenland war Hampe als Mitarbeiter (Dolmetscher) der Kunstschutzbeauftragten – des Historikers Hans von Schoenebeck, des Archäologen Wilhelm Kraiker und des historischen Geografen Ernst Kirsten – tätig. Nach Kriegsende verfolgte er eine akademische Karriere in Deutschland auf Lehrstühlen an den Universitäten Kiel, Mainz und Heidelberg. Louis Hautecœur (1884 – 1973), französischer Kunsthistoriker, hatte den Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Universität Caen von 1919 bis 1931 inne und war Dozent an der École du Louvre von 1920 bis 1940. Er arbeitete als Conservateur du Musée du Luxembourg und spielte ein bedeutende Rolle bei der Gründung des Musée national d’Art moderne au Palais de Tokyo. Der Vichy-Regierung diente er ab 1940 als Directeur général des Beaux-Arts. Anfang 1944 wurde er von Hermann Göring wegen „mangelnden Kollaborationswillens“ von seiner Stelle versetzt und wurde bis zur Befreiung Frankreichs Forschungsleiter an der École pratique des hautes études. Ab 1946 konnte er an seine Vorkriegskarriere anschließen und bekleidete einflussreiche Positionen in wissenschaftlichen Verbänden. Robert Hiecke (1876 – 1952), deutscher Denkmalpfleger, studierte Architektur an den Technischen Hochschulen in Berlin und München, das Studium schloss er 1906 mit der Baumeisterprüfung ab. Nachdem er 1908 als Konservator in das sächsische Denkmalamt eingetreten war, wurde er 1912 zum Provinzialkonservator der preußischen Provinz Sachsen berufen. 1918 stieg er mit dem Titel Konservator der Kunstdenkmäler zum Leiter der staatlichen Denkmalpflege Preußens auf. 1934 wurde er schließlich zum Ministerialdirigenten im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM ) und damit zum obersten Denkmalpfleger im Reich befördert. Auf die Ernennung der Provinzialkonservatoren, für die er in der Regel Kunsthistoriker bevorzugte, konnte er einen gewissen

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Einfluss ausüben. Während des Zweiten Weltkriegs regte er beim OKH die Schaffung eines militärischen Kunstschutzes an und ließ Franziskus Graf Wolff Metternich zum Leiter des Kunstschutzes berufen. Im Zuge der politisch motivierten Entlassung Wolff Metternichs im Jahr 1943 beglaubigte er die Abschrift eines Berichts des Sicherheitsdienstes und der Sicherheitspolizei über dessen zu frankophile Haltung während der Tätigkeit im besetzten Frankreich. Nach Kriegsende war er bis 1948 bei der evangelischen Kirchenleitung in Berlin tätig. Dr. Niels von Holst (1907 – 1993) war ein deutscher Kunsthistoriker. Er wurde in Riga (Livland) geboren und lebte seit 1919 in Deutschland. Er studierte Kunstgeschichte, Archäologie und Geschichte an der Universität Hamburg und wurde dort 1929 promoviert, danach trat er in den Museumsdienst ein. 1936 leitete er kommissarisch das sogenannte Außenamt, die Pressestelle der staatlichen Museen Berlin, und war Mitarbeiter im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM ). Im Herbst 1940 unterstützte er Otto Kümmel bei der Erfassung deutscher Kunst im besetzten Frankreich. Aufgrund seiner Herkunft und seiner Kenntnisse speziell zum Baltikum und Osteuropa wurde er für die Erfassung deutscher Kunst in den baltischen Staaten und, nach dem Angriff auf die UdSSR, im Herbst 1941 mit der Sicherstellung deutscher Kunst in Museen beauftragt. Für den ERR war er an der deutschen Kunstraubpolitik beteiligt. Nach Kriegsende widmete er sich in der Pfalz freiberuflich seiner wissenschaftlichen und schriftstellerischen Tätigkeit. Dr. Hans Hörmann (1894 – 1985) war ein deutscher Architekt, Bauforscher und Denkmalpfleger. Nach dem Studium der Architektur an der Technischen Hochschule München trat er in den Regierungsbaudienst ein. Daneben studierte er Klassische Archäologie an der Universität München, wo er 1924 promoviert wurde. Er nahm an den griechischen Grabungen in Didyma und Ephesos teil. Seit 1928 war er Regierungsbaurat in Passau, wo er die dortige Dombauhütte begründete. 1938 wurde er Architekturreferent am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Von September 1940 bis 1944 war er als Kriegsverwaltungsrat im militärischen Kunstschutz in Frankreich tätig und dort für die Region St. Germain verantwortlich. Nach Kriegsende wurde er als Referent des Landesamtes entlassen, aber 1949 wieder eingestellt. Diese Position hatte er bis zu seiner Pensionierung 1959 inne. Jacques Jaujard (1895 – 1967) war ein leitender Beamter in der französischen Kunst- und Kulturverwaltung: seit 1926 in der Verwaltung der Musées nationaux in Paris, ab 1940 Leiter der Musées nationaux und der École du Louvre. Bereits vor Beginn des Zweiten Weltkriegs koordinierte er die Evakuierung der Kunstwerke der Musées nationaux, die in verschiedenen Schlössern (Depots) gesichert wurden. Hierhin ließ er auch zahlreiche private Kunstsammlungen verbringen. Während der deutschen Besatzung Frankreichs engagierte er sich sehr dafür, die französischen Kunstwerke vor der Zerstörung und dem Zugriff der Nationalsozialisten zu sichern. Mit Franziskus Graf Wolff Metternich als Beauftragtem für

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den militärischen Kunstschutzes fand er eine vertrauensvolle Form der Kooperation. Parallel unterstützte Jaujard die geheimen Aktionen Rose Vallands im Musée du Jeu de Paume, die den Kunstraub des ERR dokumentierten. Im November 1944 war er Mitbegründer der Commission de récupération artistique, die für die Rückführung von geraubten und nach Deutschland verbrachten französischen Kunstwerken zuständig war. Noch 1944 wurde er zum Generaldirektor der Künste und der Literatur (Direction des Arts et des Lettres) und 1959 zum Staatssekretär im französischen Kulturministerium berufen. Dr. Wend Graf von Kalnein (1914 – 2007), deutscher Kunsthistoriker, studierte von 1935 bis 1939 Kunstgeschichte in Bonn bei Alfred Stange. Im Zweiten Weltkrieg war er zunächst Leutnant der Wehrmacht in den Einsatzgebieten Frankreich, Südrussland/Ukraine und Donauraum. Von September 1940 bis Oktober 1941 war er Mitglied des militärischen Kunstschutzes im besetzten Frankreich und hier Mitarbeiter im Referat von Felix Kuetgens. Nach seinem darauffolgenden Einsatz an der Ostfront gelangte von Kalnein in russische Krieggefangenschaft und war fünf Jahre in Georgien interniert. Nach Kriegsende setzte er sein Studium fort, wurde 1953 promoviert und ging in den Museumsdienst. Von 1964 bis zu seinem Ruhestand 1979 war er Direktor des Kunstmuseums Düsseldorf. 1979 erhielt er eine Honorarprofessur für Kunstgeschichte an der Universität Salzburg, wo er seitdem lebte. Prof. Dr. Wolfgang Kimmig (1910 – 2001) war ein deutscher Prähistoriker. Nach seinem Studium in Marburg und Freiburg wurde er 1935 in Freiburg promoviert und 1942 habilitiert. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg erhielt er ein Reisestipendium des Deutschen Archäologischen Instituts in Athen für das östliche Mittelmeer. Während des Kriegsdienstes in Russland wurde er verletzt und zum militärischen Kunstschutz nach Frankreich abgeordnet. Hier wurde er mit der Sicherung der archäologischen Bestände französischer Museen beauftragt. Nach Kriegsende setzte er 1946 seine akademische Tätigkeit als Professor an der Universität Freiburg fort und wurde 1955 Leiter des Instituts für Vor- und Frühgeschichte an der Universität Tübingen. Dr. Wilhelm Kisky (1881 – 1953), deutscher Archivar und Historiker, studierte an den Universitäten Freiburg, Berlin und Bonn, hier wurde er 1906 von Aloys Schulte mit einer preisgekrönten Dissertation über kurfürstliche Domkapitel im 14. und 15. Jahrhundert promoviert. Die Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde übertrug Kisky daraufhin die Bearbeitung der Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter. 1913 trat er die Stelle des Direktors des Archivs der Fürsten zu Salm-Salm in Anholt an. 1920 wechselte er zum neu gegründeten Reichsarchiv in Potsdam. Aufgrund von Einsparungen verlor er Anfang 1924 seine Stelle und kehrte ins Rheinland zurück. 1929 wurde er – nicht unumstritten – zum Leiter der neu gegründeten Archivberatungsstelle der Rheinischen Provinzialverwaltung berufen und baute die nichtstaatliche Archivpflege, insbesonders die Adelsarchivpflege, sehr erfolgreich in den 1930er Jahren auf. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs organisierte

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er in Zusammenarbeit mit dem rheinischen Provinzialkonservator Franziskus Graf Wolff Metternich die Auslagerung der wichtigsten nichtstaatlichen Archivbestände in S­ chutzdepots, vornehmlich auf rheinischen und westfälischen Adelssitzen. Von 1940 bis 1944 war er mit der nichtstaatlichen Archivpflege im besetzten Großherzogtum Luxemburg beauftragt. Seine Tätigkeiten im Archivschutz waren eng mit dem rheinischen Kunstschutz verbunden. In der Nachkriegszeit berief man ihn zum Leiter der staatlichen Archivverwaltung in NRW, der auch die Archivberatungsstelle zugeordnet war. Er trat Anfang 1951 in den Ruhestand. Henry Koehn (1892 – 1963) war ein deutscher Kulturforscher. Vor dem E ­ rsten Weltkrieg absolvierte er eine landwirtschaftliche Ausbildung und war ab 1923 Mitarbeiter des Ethnologen Leo Frobenius an dessen Forschungsinstitut für Kulturmorphologie in Frankfurt am Main. Ab 1927 widmete er sich privaten Forschungen zu kulturkundlichen Th ­ emen der nordfriesischen Inseln. 1940 wurde er Mitarbeiter des deutschen militärischen Kunstschutzes beim Militärbefehlshaber in Belgien, wo er bis 1944 blieb. Nach Kriegsende widmete er sich wiederum der Geschichte Ostfrieslands und Sylts. Prof. Dr. Wilhelm Kraiker (1899 – 1987), deutscher Archäologe, wurde 1927 in Heidelberg von Ludwig Curtius, der von 1928 bis 1937 Direktor des Archäologischen Instituts in Rom war, promoviert. Kraiker wurde dann Assistent an den Deutschen Archäologischen Instituten in Athen und Rom und 1937 in Heidelberg habilitiert. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete Kraiker von Oktober 1941 bis August 1944 als Kriegsverwaltungsrat beim militärischen Kunstschutz im besetzten Griechenland. Im Juli 1942 wurde er Nachfolger des bisherigen Leiters Hans-Ulrich von Schoenebeck und erhielt 1943 eine außerplanmäßige Professur an der Universität Innsbruck. 1949 berief man ihn auf den Lehrstuhl für Klassische Archäologie an der Universität Kiel, den er bis 1968 innehatte. Prof. Dr. Wolfgang Krönig (1904 – 1992), deutscher Kunsthistoriker, gilt als Spezialist für den italienischen Einfluss in der flämischen Malerei. Er lehrte seit 1938 als Dozent für Kunstgeschichte an der Universität zu Köln und wurde 1944 zum außerplanmäßigen Professor ernannt. Als Kriegsverwaltungsrat war Krönig Referent beim militärischen Kunstschutz für das besetzte Belgien und Nordfrankreich (mit Sitz in Brüssel) und zugleich bis April 1942 stellvertretender Direktor des Deutschen Wissenschaftlichen Instituts in Brüssel (DIWI), ab 1. April 1942 dessen Direktor. Krönig war an der Beschlagnahmung von Kunstwerken im Rahmen des ERR beteiligt. Nach 1945 konnte er seine wissenschaftliche Karriere weiterverfolgen und war von 1966 bis zu seiner Emeritierung Leiter der Abteilung Architektur an der Universität zu Köln. Dr. Felix Kuetgens (1890 – 1976) war ein deutscher Kunsthistoriker und langjähriger Museumsleiter des damaligen Suermondt-Museums in Aachen. Er studierte Kunstgeschichte sowohl bei Paul Clemen in Bonn als auch bei Adolph Goldschmidt in Breslau und wurde

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1919 promoviert. Seit 1920 war er Assistent des Direktors der städtischen Museen in Aachen und 1923 schließlich Museumsdirektor; diese Position hatte er bis zu seinem Ruhestand 1955 inne. Bei der Durchführung der Aachener Jahrtausendausstellung 1925 spielte er eine bedeutende Rolle. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs sorgte er persönlich für die Auslagerung der Aachener Kunstwerke und des Domschatzes an sichere Bergungsorte in Bückeburg und ­später in der Albrechtsburg in Meißen. Von August 1940 bis Oktober 1943 war er als Kriegsoberverwaltungsrat Mitglied des militärischen Kunstschutzes im besetzten Frankreich und Leiter des Referats Kunstschutz beim Militärbefehlshaber in Frankreich. Er war damit beauftragt, das Kunstgut in Paris zu s­ chützen und in den Depots vor unerlaubten Zugriffen zu bewahren. Er kehrte im September 1944 nach Aachen zurück und baute in der Folgezeit die zerstörten Aachener Museen wieder auf. Prof. Dr. Alexander Langsdorff (1898 – 1946), deutscher Archäologe, war seit März 1916 Kriegsfreiwilliger im ­Ersten Weltkrieg. Bis 1921 studierte er Landwirtschaft in Berlin, seit 1922 bis 1927 in München und Marburg Vor- und Frühgeschichte, Archäologie und Alte Geschichte und wurde 1927 in Marburg vom jüdischen Professor Paul Jacobsthal promoviert. Nach der Teilnahme an archäologischen Expeditionen in Ägypten und Persien hatte er ab 1934 eine Stelle als Kustos am staatlichen Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin (als Ersatz für einen entlassenen Kustos) inne und wurde kurz darauf zum außerordentlichen Professor ernannt. Langsdorff beteiligte sich während seiner Münchener Studienzeit 1923 aktiv am Hitlerputsch, seit 1933 war er Mitglied der NSDAP und seit 1934 der SS, in der er bis 1944 zum SS-Standartenführer aufstieg. 1936 nahm er an einer offiziellen Italienreise an der Seite von Heinrich Himmler, Reinhard Heydrich und Kurt Daluege teil, bei der er in Rom auch Mussolini traf. 1936 wurde Langsdorff Leiter der Südostabteilung in der „Dienststelle Ribbentrop“ und stieg ab 1938 zum Ministerialrat im Reichsinnenministerium auf. Von Januar bis Juni 1941 war er zur Militärverwaltung in Paris als Vorgesetzter der Kunstschutzabteilung, danach bis Oktober 1943 als Offizier in der Wehrmacht nach Finnland abgeordnet. Seit Februar 1944 hatte er als Militärverwaltungs-Abteilungschef die Leitung des Kunstschutzes in Italien mit Sitz in Florenz inne und war u. a. für Auslagerung der florentinischen Sammlungen nach Südtirol verantwortlich. Langsdorff starb im März 1946 in Eutin in Schleswig-Holstein. Dr. Bruno Lohse (1911 – 2007) war ein deutscher Kunsthändler und im Zweiten Weltkrieg für den ERR tätig. Nach dem Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Germanistik in Berlin und Frankfurt wurde er 1936 in Kunstgeschichte promoviert. Danach arbeitet er in Berlin als Kunsthändler. Lohse trat 1933 in die SS und 1937 in die NSDAP ein. Nach der Teilnahme am Polenfeldzug wurde er 1941 nach Paris versetzt und war dort bis 1944 stellvertretender Leiter des Sonderstabes Bildende Kunst des ERR in Paris. Gleichzeitig war er persönlicher Beauftragter Hermann Görings bei der Auswahl von Kunstgegenständen, u. a. aus geraubten jüdischen Sammlungen, und organisierte für diesen regelmäßige A ­ usstellungen

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im Musée du Jeu de Paume. In dieser Position war er für den Kunstraub in Frankreich maßgeblich mitverantwortlich. Nach Kriegsende wurde er bis 1948 von den Amerikanern inhaftiert, war dann bis 1950 in Paris in Haft. Er wurde schließlich freigesprochen und ließ sich als Kunsthändler in München nieder. Prof. Dr. Hans Möbius (1895 – 1977), deutscher Archäologe, studierte ab 1913 an den Universitäten in Freiburg, Berlin und Marburg, wo er 1916 promoviert wurde. Nach dem Studium ging er nach Griechenland, wo Ernst Buschor sein Mentor wurde und ihn zu seinem Assistenten am Deutschen Archäologischen Institut in Athen berief. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wurde er 1928 Kustos an den Staatlichen Kunstsammlungen Kassel. Nach seiner Habilitation 1929 in Marburg war er dort Privatdozent. 1943 wurde er ordentlicher Professor an der Universität Würzburg und leitete zugleich die Antikensammlung des Martin von Wagner Museums, der größten deutschen archäologischen Lehrsammlung. Während des Zweiten Weltkriegs war er von Juli 1941 bis Juni 1944 als Kriegsverwaltungsoberrat Mitglied des militärischen Kunstschutzes im besetzten Frankreich und dort neben Dr. Wilhelm Schleiermacher Referent im Referat Frühgeschichte und Archäologie. Nach Kriegsende widmete er sich dem Wiederaufbau des Würzburger Instituts und des dortigen Museums. Dr. Eduard Neuffer (1900 – 1954), deutscher Archäologe, studierte ab 1919 in Heidelberg, Tübingen und Gießen zunächst Philosophie und Naturwissenschaften, dann ab 1923 Klassische Archäologie. Im März 1929 wurde er in Gießen promoviert, anschließend war er Assistent bei Paul Jacobsthal in Marburg. Zwischen 1930 und 1931 erhielt er ein Reisestipendium des Deutschen Archäologischen Instituts. Seit 1931 war er am Rheinischen Landesmuseum Bonn unter Franz Oelmann tätig, zunächst als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter, dann 1935 als Direktorialassistent, seit 1939 als Abteilungsleiter. Während des Zweiten Weltkriegs war er von Dezember 1940 bis Juli 1942 als Kriegsverwaltungsrat Leiter des Referats Frühgeschichte und Archäologie beim militärischen Kunstschutz in Paris. 1942 wurde er unabkömmlich gestellt und bearbeitete für das Archäologische Institut des Deutschen Reiches die Ringwälle in den besetzten Westgebieten. Im März 1944 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und kehrte 1945 an das Museum in Bonn zurück, dessen Direktor er von 1949 bis zu seinem Tod 1954 war. Prof. Dr. Franz Petry (auch Petri) (1903 – 1993), deutscher Historiker, studierte von 1921 bis 1925 Geschichte, Germanistik, Philosophie und evangelische Theologie in Berlin und wurde hier promoviert. Seit 1926 arbeitete er am Institut für Landeskunde der Rheinlande der Universität Bonn, an dem die sogenannte Kulturraumforschung als innovativer Forschungsansatz entwickelt worden war. Petry setzte diesen Ansatz in seiner 1936 abgeschlossenen Habilitationsschrift „Germanisches Volkserbe in Wallonien und Nordfrankreich. Die fränkische Landnahme in Frankreich und den Niederlanden und die Bildung der westlichen Sprachgrenze“ um und kam zu dem Ergebnis, dass Nordfrankreich ursprünglich in hohem Maße germanisch bzw. fränkisch geprägt gewesen sei. Petry wurde 1936 Mitglied der SA und 1937

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Mitglied der NSDAP. Er war der Gründer der NS-geprägten Deutsch-Flämischen Arbeitsgemeinschaft „De Vlag“. Petrys Arbeiten führten dazu, dass er 1940 zum Kulturreferenten im Range eines Kriegsverwaltungsrates in der deutschen Militärverwaltung für Belgien und Nordfrankreich und im Jahre 1942 auf einen Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Geschichte der Niederlande an der Universität zu Köln berufen wurde. Petry war dafür verantwortlich, dass fast 100 belgische, insbesondere jüdische, Wissenschaftler entlassen und durch Deutsche ersetzt wurden. Bei Kriegsende wurde Petry von der britischen Militärregierung festgenommen, interniert und als Universitätsdozent entlassen. Seit 1951 war er Direktor des Provinzialinstituts für Westfälische Landes- und Volkskunde in Münster und ordentliches Mitglied der Historischen Kommission für Westfalen. 1961 wurde Petry auf die Professur für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande an der Universität Bonn berufen, die er bis zur Emeritierung 1969 innehatte. Dr. Carlheinz Pfitzner (1908 – 1944) war ein deutscher Kunsthsitoriker und Denkmalpfleger. Er schloss seine Studium der Kunstgeschichte in Bonn mit einer Doktorarbeit zur Architekturgeschichte ab und begann 1934 seine Tätigkeit im Rheinischen Denkmalamt, zunächst als Volontär, ab 1938 als Direktorialassistent des Provinzialkonservators Franziskus Graf Wolff Metternich. Wolff Metternich berief ihn im August 1940 als ersten Mitarbeiter und Referenten beim militärischen Kunstschutz im besetzten Frankreich. Er kehrte im Oktober 1941 ins Rheinland zurück und wurde im rheinischen Kunstschutz eingesetzt. Im Herbst 1942 wurde er zur Wehrmacht einberufen und war zunächst in Frankreich, ab Herbst 1943 in Russland eingesetzt, wo er am 25. März 1944 fiel. Pierre Quarré (1909 – 1980) war ein französischer Museumskurator und Kunsthistoriker. Nach seiner Promotion 1938 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter und stellvertretender Leiter am Musée des Beaux-Arts in Dijon, dessen Leitung er 1943 übernahm. In dieser Position war es ihm möglich, die Sammlungen in Bergungsdepots zu sichern und viele Bronzestatuen vor der Beschlagnahme für die Metallbeschaffung und Verwertung zu s­ chützen. Bis zu seinem Ruhestand 1979 widmete er sich der Entwicklung des Museums in Dijon und machte daraus „das schönste Museum nach dem Louvre“ (Georges Salles). Prof. Dr. Johann Albrecht Freiherr von Reiswitz (1899 – 1962), deutscher Historiker, studierte nach der Rückkehr aus dem E ­ rsten Weltkrieg u.a Kunstgeschichte und wurde 1922 über ein Thema zur Philosphie Schopenhauers promoviert. Er war seit 1924 auf die Geschichte des Balkans spezialisiert und nahm im Auftrag des Deutschen Archäologischen Instituts an Ausgrabungen in Serbien teil. Seine Habilitation zum politischen Verhältnis ­zwischen Berlin und Belgrad 1866 – 1871 erfolgte, nach einem gescheiterten Versuch 1936 in Berlin, erst 1938 in München, eine Dozententätigkeit wurde ihm aber aus politischen Gründen nicht zugestanden. Nach der deutschen Besetzung Jugoslawiens war er von Juli 1941 bis September 1944 als Kriegsverwaltungsrat Mitglied des militärischen Kunstschutzes,

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wo er für Serbien zuständig war. Dort arbeitete er mit dem „SS -Ahnenerbe“ zusammen, distanzierte sich aber vom Kunstraub. Nach Kriegsende arbeitete er ab März 1946 als Dozent und seit Januar 1948 als außerplanmäßiger Professor für die Geschichte Südosteuropas in München. Prof. Dr. Heinz Rudolf Rosemann (1900 – 1977) war ein deutscher Kunsthistoriker. Nach einer Ausbildung zum Diplomingenieur studierte er Kunstgeschichte an den Technischen Hochschulen in Dresden und München sowie der Universität in München. 1924 wurde er promoviert und arbeitete als Volontär bei den Staatlichen Museen in München, seit 1926 als wissenschaftlicher Assistent am Kunsthistorischen Institut. Seit 1931 war er Stipendiat am Deutschen Kunstgeschichtlichen Institut in Florenz, seit 1934 außerordentlicher Professor an der Technischen Hochschule in Darmstadt. Während des Zweiten Weltkriegs war er von August 1940 bis September 1944 als Kriegsoberverwaltungsrat Mitglied des militärischen Kunstschutzes und als Leiter des Kunstschutzreferates für Belgien und Nordfrankreich tätig. 1942 wurde ihm der Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Universität Göttingen übertragen und er war zugleich Direktor der Kunstsammlungen der Universität. Nach Kriegsende konnte er seine wissenschaftliche Karriere fortsetzen und wurde 1948 in die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen berufen. 1969 wurde Rosemann emeritiert. Charles Samaran (1879 – 1982) war ein französischer Archivar (Archiviste-paléographe der École nationale des chartes) und einflussreicher Historiker. 1941 wurde er von Minister Jérôme Carcopino zum Generaldirektor der Archives de France berufen und war damit der wichtigste französische Ansprechpartner im Bereich des deutschen Archivschutzes. Die Stelle behielt er bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1948. Dr. Wilhelm Schleiermacher (1904 – 1977), deutscher Archäologe, studierte Klassische Philologie und Altertumskunde an den Universitäten Berlin, München und Freiburg, hier wurde er 1927 von Ernst Fabricius, dem Pionier der Limesforschung, promoviert. Nach Reisestipendien in Italien und Frankreich war er seit 1931 wissenschaftlicher Assistent bei der Reichs-Limeskommission, seit 1935 kommissarischer Leiter des Saalburgmuseums im Taunus. 1938 berief man ihn zum Zweiten Direktor der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts. Bei Kriegsbeginn wurde er in die Wehrmacht eingezogen und 1941 zum Referat Vorgeschichte und Archäologie im militärischen Kunstschutz in Frankreich (unter der Leitung von Eduard Neuffer) abgeordnet. Ab 1942 war er wieder für die Römisch-Germanische Kommission tätig. Im Herbst 1943 wurde er abermals zur Wehrmacht eingezogen. Als Mitglied der NSDAP wurde er 1945 in einem französischen Lager interniert und 1946 aus der Römisch-Germanischen Kommission entlassen. Erst Ende 1951 konnte er seine Arbeit als Zweiter Direktor der Römisch-Germanischen Kommission wieder aufnehmen, diese Position hatte er bis 1966 inne; in dieser Zeit begründete er den Neuanfang der Limesforschung.

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Prof. Dr. Georg Schnath (1898 – 1989), deutscher Historiker und Archivar, studierte von 1917 bis 1922 Geschichte, Geografie und Germanistik in Marburg und Göttingen. Nach der Promotion zu einem landesgeschichtlichen Thema trat er in den preußischen Archivdienst ein: Nach Stationen im Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem und im Brandenburg-Preußischen Hausarchiv in Charlottenburg wurde Schnath Anfang 1928 an das Staatsarchiv Hannover versetzt, als dessen Direktor er seit 1938 amtierte. Zugleich war er seit 1938 Vorsitzender der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen. Vom 1. August 1940 bis zum 30. April 1944 war Schnath als Leiter der 13 Facharchivare umfassenden Gruppe „Archivschutz“ bei der deutschen Militärverwaltung in Paris tätig. Er verantwortete eine Liste von nahezu 21.000 Archivalien, die aus französischen Archiven an Deutschland zu restituieren s­eien. Nach Kriegsende befand sich Schnath zunächst in amerikanischer, dann in französischer Haft. 1948 wurde er entlassen und nach der Entnazifizierung Ende 1948 wieder als Direktor des Staatsarchivs Hannover eingesetzt, wo er bis 1959 blieb. Seit 1943 war Schnath auch Honorarprofessor an der Universität Göttingen. Aus ­diesem Lehrauftrag erwuchs die landesgeschichtliche Professur, die er von 1959 bis zu seiner Emeritierung 1967 innehatte. Prof. Dr. Alfred Stange (1894 – 1968), deutscher Kunsthistoriker und Spezialist für die deutsche Tafelmalerei im Spätmittelalter, studierte Kunstgeschichte in München, Leipzig und Berlin, wurde 1921 bei Heinrich Wölfflin in München promoviert und 1925 von ­Wilhelm Pinder habilitiert. Er blieb in München als Privatdozent, ab 1931 als außerordentlicher Professor ohne Stelle. Nach der Machtergreifung wurde er 1933 Mitglied der NSDAP und der SA. 1934 erhielt er einen Ruf auf einen Lehrstuhl in Erlangen, 1935 schließlich einen Ruf als Nachfolger Paul Clemens auf den Lehrstuhl am Kunsthistorischen Institut in Bonn, den er bis 1945 innehatte. Stange war ein Vertrauter Alfred Rosenbergs und wurde u. a. Hauptlektor für Kunstgeschichte und Architektur der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums. Unter Stange wurde die in Bonn bereits verfolgte sogenannte Westforschung erheblich personell und finanziell forciert. Mit dem Provinzialkonservator Franziskus Graf Wolff Metternich stand Stange in gutem fachlichen Austausch, er erweiterte 1936 dessen Bonner Lehrauftrag von der Denkmalpflege auf die gesamte rheinische Kunst und befürwortete eine Honorarprofessur. Zwischen Oktober 1940 und April 1942 übernahm Stange in Zusammenarbeit mit dem Kunstschutz, hier mit dem stellvertretenden Leiter Bernhard von Tieschowitz, die wissenschaftliche Leitung mehrerer Fotokampagnen im besetzten Frankreich, die Richard Hamann und die Fotografen des Bildarchivs Marburg umsetzten. Ziel war die fotografische Erfassung von Kunst- und Baudenkmälern und die Auswertung von französischen Bildarchiven. Stange war zudem im Vorstand der Deutschen Kunsthistorischen Forschungsstätte in Paris (KHF), deren Gründung er initiiert hatte. Nach Kriegsende wurde er zusammen mit 23 anderen Bonner Hochschullehrern von der englischen Militäregierung aus dem Universitätsdienst entlassen. Nach langem Rechtsstreit wurde er 1955 gegen den Verzicht auf eine aktive Lehrtätigkeit emeritiert.

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Dr. Hans-Adalbert von Stockhausen (1909 – 1942), deutscher Kunsthistoriker, studierte Geschichte, klassische Archäologie und Kunstgeschichte in Berlin, Prag und Marburg und wurde 1932 von Richard Hamann mit einer Dissertation über den Skulpturenschmuck der romanischen Kreuzgänge in der Provence promoviert. 1933 wurde er Assistent am Marburger Kunsthistorischen Seminar, 1938 nach seiner Habilitation hier Dozent. 1939 und 1940 nahm er an den von Richard Hamann und dessen Sohn organisierten Fotokampagnen in Österreich und im Protektorat Böhmen und Mähren teil, im Jahr darauf im Baltikum und vor allem in Frankreich, wo er im Rahmen des Kunstschutzes eine der drei Arbeitsgruppen der Fotokampagne leitete. Im März 1942 wurde er zum Kriegsdienst an der Ostfront eingezogen. Er fiel am 15. August 1942 bei Oserna in der Ukraine. Dr. Bernhard von Tieschowitz (1902 – 1968), deutscher Kunsthistoriker, studierte Kunstgeschichte in Marburg, promovierte bei Richard Hamann und wurde Assistent am Kunsthistorischen Institut. 1936 trat er in den Dienst der Rheinischen Denkmalpflege und stieg zum engen Mitarbeiter des Provinzialkonservators Franziskus Graf Wolff Metternich auf. Dieser berief ihn im August 1940 zu seinem Stellvertreter im militärischen Kunstschutz beim OKH, 1942 wurde von Tieschowitz zum Kunstschutzreferenten beim Militärbefehlshaber in Frankreich ernannt. Nach der Beurlaubung Wolff Metternichs im Juni 1942 und nach dessen Entlassung aus dem Militärdienst im Oktober 1943 übernahm er die Leitung des Kunstschutzes. Nach der Besetzung Italiens baute er hier 1943 die Kunstschutzorganisation auf. 1944 wurde er Leiter in der Allgemeinen Verwaltung der Gruppe 2, Kultur- und Kunstverwaltungen (Kunstschutzreferat), in Paris. Nach der Befreiung von Paris kehrte er ins Rheinland zurück und wurde im Oktober 1944 zum Miltärdienst im Heer eingezogen. In der Nachkriegszeit war er wieder bei der Rheinischen Denkmalpflege tätig. Gleichzeitig mit Wolff Metternich wechselte er 1950 in das Auswärtige Amt nach Bonn und war bis 1952 Leiter der Treuhandverwaltung von Kulturgut. Danach war er bis zur Pensionierung 1967 als Kulturattaché bei der deutschen Botschaft in Paris tätig. Rose Valland, eigentlich Rosa Antonia Valland (1898 – 1980), war eine französische Kunsthistorikerin und Widerstandkämpferin. Nach einer Ausbildung zur Grundschullehrerin studierte sie Kunst an der École nationale des Beaux-Arts in Lyon und Paris, dann an der École du Louvre, promovierte in Kunstgeschichte und studierte außerdem an der École pratique des hautes études und am Collège de France. 1932 wurde sie ehrenamtliche Mitarbeiterin in der Galerie du Jeu de Paume, 1939 dort zur Konservatorin ernannt. Diese Position nutzte sie während des Zweiten Weltkriegs, um insgeheim wertvolle Informationen über die Plünderung und Verschleppung vor allem von jüdischem Kunstgut im Rahmen der ERRAktionen zu sammeln und an die Résistance-Netzwerke und die Alliierten weiterzuleiten. Nach Kriegsende wurde sie als Mitarbeiterin der Commission de récupération artistique in Deutschland tätig (Officier des Beaux-Arts in der 1. französischen Armee), zunächst in der französischen Besatzungszone, dann in ganz Deutschland. In den Nürnberger Prozessen

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sagte sie als Zeugin zum deutschen Kunstraub aus. Nach der Rückkehr nach Frankreich wurde sie 1953 Leiterin des Kulturgutschutzes in Frankreich (Chef du Service de protection des œuvres d’art) und schließlich 1955 Konservatorin der Musées nationaux. Dr. Bernhard Vollmer (1886 – 1958), deutscher Archivar und Historiker, studierte Geschichte, Kunstgeschichte, Germanistik und Jura in Münster und München. 1912 wurde er in Münster promoviert, 1914 legte er die preußische Archivarsprüfung ab. Nach dem Kriegsdienst ab 1915 wechselte er 1919 an das Staatsarchiv Düsseldorf, dessen Direktor er von 1929 bis zu seinem Ruhestand 1952 war. Aufgrund seiner profunden Kenntnisse des niederländischen Archivwesens (in den 1920er Jahren organisierte er mit seinen niederländischen Kollegen den preußisch-niederländischen Archivalientausch) leitete er während des Zweiten Weltkriegs von 1940 bis 1944 das Archivamt beim Reichskommissar für die besetzten nieder­ländischen Gebiete. 1944 und 1945 organisierte er die Auslagerung und Sicherung der Archivbestände des Düsseldorfer Staatsarchivs. Da er parteipolitisch unbelastet war, konnte er das Archivdirektorenamt weiter ausüben, gründete und leitete den Verband Deutscher Archivare von 1946 bis 1952 und begründete 1947 die Fachzeitschrift „Der Archivar“. ­Vollmer stand seit den 1930er Jahren in fachlich-persönlicher Konkurrenz zu Wilhelm Kisky, dem Leiter der Archivberatungsstelle der Rheinprovinz und seit 1946 Leiter der staatlichen Archivverwaltung NRW. Vollmer übernahm nach Kiskys Pensionierung von 1951 bis 1952 dessen Amt als Archivreferent der Staatsarchive in NRW. Theodor Wildeman (1885 – 1962), deutscher Architekt, schloss 1910 sein Studium der Architektur an der Technischen Hochschule Darmstadt ab. Nach einer dortigen Assistenzzeit trat er 1914 in die Denkmalpflege der Rheinprovinz unter dem Provinzialkonservator Edmund Renard ein. Nach dem Kriegsdienst wurde er 1921 zum Landesbaumeister und stellvertretenden Provinzialkonservator berufen, 1929 unter dem Provinzialkonservator Franziskus Graf Wolff Metternich zum Provinzialbaurat ernannt. Im Zweiten Weltkrieg organisierte er maßgeblich den rheinschen Kunstschutz in Abwesenheit des nach Frankreich zum Kunstschutz abberufenen Provinzialkonservators Wolff Metternich. Nach Kriegsende wurde er 1950 zum Landesoberbaurat ernannt. 1951 ging er in den Ruhestand. Prof. Dr. Franziskus Graf Wolff Metternich (1893 – 1978), deutscher Kunsthistoriker und Denkmalpfleger, begann 1913 ein Studium der Kunstgeschichte an der Universität in Bonn. Das durch den Kriegsdienst im ­Ersten Weltkrieg unterbrochene Studium bei Paul Clemen schloss er 1923 mit der Promotion ab. Danach war er Mitarbeiter bei der Rheinischen Jahrtausendausstellung in Köln und trat 1926 eine Stelle als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter beim Provinzialkonservator Edmund Renard an. 1928 wurde Wolff Metternich zu dessen Nachfolger ernannt und war seitdem Leiter der Rheinischen Denkmalpflege, die er in den 1930er Jahren mithilfe der NS-Kulturpolitik neu aufstellte. Seit 1939 koordinierte er im Auftrag des Oberpräsidenten der Rheinprovinz die kriegsbedingte Auslagerung der

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rheinischen Kunstschätze. Im Mai 1940 wurde er vom Reichskonservator Robert Hiecke beim Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM) zum Beauftragten für Kunstschutz in den besetzten Gebieten vorgeschlagen und berufen. Dort war er für den Aufbau und die Koordination der Abteilungen für Kunstschutz in den Ländern unter Militärverwaltung zuständig. Auf Betreiben des Reichsmarschalls Hermann Göring (Streitpunkt waren die deutschen Kunstraubaktionen in Frankreich) wurde er im Juni 1942 beurlaubt und im Oktober 1943 aus dem Militärdienst entlassen. Zurück im Rheinland brachte er seine Erfahrungen in die Sicherung der rheinischen Kunstdenkmäler und Kunstschätze vor den Auswirkungen des Luftkriegs ein. Nach Kriegsende wurde er von der englischen Militärverwaltung sehr schnell wieder in sein Amt eingesetzt und koordinierte die Rückführung der rheinischen Kunstschätze aus den Sicherungsdepots und den Wieder­ aufbau der Kunstdenkmäler. Sein nunmehriges Amt als Landeskonservator hatte er bis 1950 inne, seit 1948 war er wieder als Honorarprofesser an der Universität Bonn tätig (die Lehrtätigkeit übte er seit 1933 als Lehrbeauftragter, seit 1940 als Honorarprofessor aus). 1950 wechselte Wolff Metternich auf Initiative von Konrad Adenauer in die Kulturpoltik und war von 1950 bis 1952 Leiter der Kulturabteilung beim Auswärtigen Amt. 1953 übernahm er die Direktorenstelle an der Bibliotheca Hertziana in Rom, die er bis zur Emeritierung 1963 innehatte. Wolff Metternich widmete sich in Rom aber weiterhin seinen Forschungen zu St. Peter im Vatikan und kehrte erst 1968 wieder ins Rheinland zurück. Dr. Walther Zimmermann (1902 – 1961), deutscher Kunsthistoriker und Denkmalpfleger, studierte Kunstgeschichte an den Universitäten Bonn, München und Berlin. 1925 war er als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter für die in Köln stattfindende Jahrtausendausstellung tätig. 1927 wurde er in Bonn von Paul Clemen promoviert. In Zusammenarbeit mit Clemen erstellte Zimmermann im Werkvertrag die Kunstinventare des Naheraumes und des Saarlandes, 1935 wurde er schließlich als Referent für Kunstdenkmälerinventarisation übernommen. Ab Herbst 1940 war er als Kriegsverwaltungsrat Mitglied des militärischen Kunstschutzes für das besetzte Frankreich und hier vor allem in Dijon in Ostfrankreich tätig. Ende 1942 kehrte er ins Rheinland zurück und wurde hier bis 1944 als Bergungskommissar für den rheinischen Kunstschutz eingesetzt. Er wurde 1944 zum Kriegsdienst in Russland eingezogen und geriet hier verwundet in Gefangenschaft. Nach Kriegsende übernahm er 1946 die Leitung für die Kunstdenkmälerinventarisation im Bereich Nordrhein und ging krankheitsbedingt 1960 in den Ruhestand. Dr. Ernst Zipfel (1891 – 1966), deutscher Archivar, schlug zuerst die Offizierslaufbahn ein und diente von 1911 bis 1920 in der Sächsischen Armee. Während des Studiums der Volkswirtschaftslehre in Berlin und Würzburg arbeitete er als Hilfsarchivar im neu gegründeten Reichsarchiv Potsdam. 1923 wurde er an der Universität Würzburg promoviert und im Reichsarchiv zum Archivrat berufen. 1932 trat er der NSDAP bei und wurde 1936 Leiter des Reichsarchivs, kurz darauf Generaldirektor der Preußischen Staatsarchive, 1944 auch

Kurzbiografien von Akteuren des Kunstschutzes und dessen Umfeld   I  271

kommissarischer Leiter des Geheimen Staatsarchivs in Berlin-Dahlem. 1940 wurde er zum Reichskommissar für den Luftschutz ernannt und organisierte ab 1942 die Auslagerung der von alliierten Luftangriffen bedrohten staatlichen Archivbestände. Im Juni 1942 wurde er Leiter des Sonderreferats „Archivwesen“ im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und im folgenden Oktober Leiter des „Sonderstabes Archive“ des ERR. Zipfel war vielerorts nicht nur für die Rückführung von Archivgut nach Deutschland, sondern auch für zahlreiche Plünderungen von Archiven in den besetzten Gebieten verantwortlich. Nach Kriegsende musste er aus allen Ämtern ausscheiden und übte keine archivische Tätigkeit mehr aus.

Nachtrag Die Schreibkräfte des Kunstschutzes in Paris: Margarethe Schmidt und Gisela Günther Sehr wichtig für den Personenkreis des deutschen militärischen Kunstschutzes in Frankreich sind die beiden Schreibkräfte Margarethe Schmidt und Gisela Günther, zu deren Biografien bisher wenig bekannt ist. Die Kalender Wolff Metternichs und von Tieschowitz’ zeigen einen hohen Stellenwert der beiden Frauen im beruflichen und privaten Netzwerk in Paris, bspw. durch regelmäßige Treffen des „inneren Kreises“ bei Günther. Ein Schreiben Wolff Metternichs betreffend „Das Personal der Abteilung Verwaltung des Verwaltungsstabes“ vom 19. Januar 19421 gibt interessante Informationen zu den unabkömmlichen Mitarbeiterinnen: c) Personal der Gruppe: (…) 7. Die Büroangestellte Frl. Margarethe Schmidt ist gemäss Vereinbarung mit OKH Gen Qu, Abt. K.Verw. (V) vom Militärbefehlshaber in Frankreich der Dienststelle des Beauftragten für Kunstschutz beim OKH in Paris zugewiesen worden. Sie erledigt die umfangreichen Schreibarbeiten, die sich aus der Tätigkeit des KVAChef Dr. Graf Metternich und seines Mitarbeiters KVR Dr. von Tieschowitz ergeben. Ausserdem führt sie die Registratur der Dienststelle. Da KVAChef Graf Metternich zugleich Leiter der Gruppe V/14 beim Mil.Bef. in Frankr. ist, obliegt Frl. Schmidt auch die Erledigung der mit dieser Tätigkeit verbundenen Schreib- und Registraturarbeiten. Fräulein Schmidt wird für die genannten Arbeiten vollständig in Anspruch genommen, sodass eine aushilfsweise Tätigkeit für die Referate Kunstschutz und Archäologie nur in seltenen Fällen möglich ist. 8. Die Büroangestellte Frl. [Gisela] Guenther erledigt die Schreibarbeit für die Referate Kunstschutz und Vorgeschichte und Archäologie. Sie steht zur Verfügung von OKVR Dr. Kuetgens, KVR Dr. Neuffer, 1 NL FGWM, Nr. 56. Das gesamte Dokument steht in der Datenbank zum Sachinventar als Digitalisat zur Verfügung: https://kunstschutz-wolff-metternich.de/recherche/marchiv/#!/detail/doctyp117/446 (Stand: 17. 07. 2021).

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Abb. 1  Gisela Günther und Margarethe Schmidt (re.), die beiden Schreibkräfte der Kunstschutzzentrale, auf dem oberen Balkon des Hôtel Majestic in Paris, ca. 1941.

KVR Dr. von Stockhausen, KVR Dr. Kimmig und KVAss Dr. André. Da es Frl. G. unmöglich ist, die

seitens aller dieser Herren anfallende Schreibarbeit allein zu bewältigen, sah sich Dr. von Stockhausen gezwungen, seine eigene Schreibmaschine aus der Heimat kommen zu lassen, auf der er einen Teil seiner Schreibarbeit selbst erledigt. Das Gleiche gilt für Dr. André. Ausser den genannten Arbeiten ist Frl. Guenther die laufende Führung der Registratur und Ordnung der Akten von V/14 übertragen, ferner der Empfang und die Anmeldung der zahlreichen, deutschen und französischen täglichen Besucher. Sie hat sich die Kenntnis der regelmässig vorsprechenden Besucher erworben und verfügt über die notwendigen Sprachkenntnisse und Umgangsformen. Infolge ihrer beruflichen zivilen Tätigkeit als bildende Künstlerin ist Frl. G. für die Arbeit beim Kunstschutz in besonderem Masse geeignet. Insgesamt ist die Belastung von Frl. G. so stark, dass sie – wie übrigens auch die Herren Dr. von Stockhausen und Dr. André – häufig gezwungen ist, abends und Sonntags Überstunden zu machen.

Kurzbiografien von Akteuren des Kunstschutzes und dessen Umfeld   I  273

Themenschwerpunkt: Frankreich – Kunstschutz und Kunstraub Fragen zum Spannungsfeld von Kunstschutz, Kunsthandel und Kunstraub Hinweise in der Quellenüberlieferung Esther Rahel Heyer

Die Forschungsliteratur der letzten Jahre hat bereits vielfach auf eine Involvierung des deutschen militärischen Kunstschutzes in Frankreich und seiner Mitarbeiter in den NS-Kunstraub und den Kunsthandel verwiesen. Dies wird meist in Fallstudien zu Akteuren oder in objektbezogener Provenienzforschung aufgezeigt, eine systematische Analyse der Tätigkeitsabläufe der Organisationseinheit Kunstschutz ist jedoch nach wie vor ein Desiderat.1 Dies liegt unter anderem daran, dass der Kunstschutz nicht generalisiert als Einheit betrachtet werden kann, sondern seine Struktur deutlich vielschichtiger war: Er bestand aus dem Beauftragten für Kunstschutz in den besetzten Gebieten beim Oberkommando des Heeres (OKH), den jeweils an die Militärverwaltung angegliederten Referaten für Kunstschutz in den einzelnen besetzten Ländern, unterhielt aber auch Beziehungen zu Institutionen für Verwaltung, Kulturpolitik und kunstwissenschaftliche Forschung im Deutschen Reich wie Universitäten und Museen. Es bestanden thematische oder personelle Vernetzungen mit anderen NS -Organen, Verbindungen zu den landeseigenen Institutionen und Einrichtungen für Kulturgutschutz und schließlich hatten Einzelpersonen in ihrem beruflichen, politischen und persönlichen Netzwerk ebenfalls individuelle Handlungsspielräume. Neben

1 Christina Kott arbeitet in ihrem Habilitationsprojekt derzeit an einer Gesamtstudie zum Kunstschutz. Dies verspricht weitere Erkenntnisse über die Strukturen und Abläufe und auch mögliche Rückschlüsse auf die Fragestellung des Beitrags. Siehe auch Christina Kott, Militärischer Kunstschutz im E ­ rsten und Zweiten Weltkrieg. Institutionen, Akteure, Diskurse, Handlungsfelder, in: Hans-Werner Langbrandtner/Esther Heyer/Florence de Peyronnet-Dryden (Hg.), Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland. Franziskus Graf Wolff Metternich und der Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 5), Köln/Wien/Weimar 2021, S. 115 – 140.

dieser Komplexität der Strukturen spielen die disparate Quellenüberlieferung des Kunstschutzes und deutliche Fehlstellen der Akten zu den Aufgabenfeldern „Schutz von privaten Sammlungen“, „Überwachung des Kunstmarktes“ sowie „Rückführung von Kulturgütern ins Deutsche Reich“ eine Rolle für die erschwerte Analyse dieser Beziehungen. Dieser Artikel geht von der Beobachtung aus, dass neben den Tätigkeiten des Kunstschutzes zur Sicherung ortsfester und beweglicher Denkmäler und der Berufung auf eine rein wissenschaftliche Tätigkeit insbesondere die Abgrenzung zum Kunstraub die positive Rezeption des Kunstschutzes in der Nachkriegszeit prägte. Dem komplexen Verhältnis von Kunstschutz, Kunstraub und Kunsthandel sowie den Abgrenzungsnarrativen in Quellen der historischen Akteure widmen sich die folgenden Ausführungen. Auf Grundlage der Erarbeitung des archivischen Sachinventars zum deutschen militärischen Kunstschutz mit Schwerpunkt auf Franziskus Graf Wolff Metternich und Frankreich haben sich folgende Fragen zu ­diesem Spannungsfeld ergeben: – Wie ist die Arbeit des Kunstschutzes inmitten von kompetitiven NS-Raub-Akteuren und Institutionen zu sehen? – Welche inhaltlichen Schwerpunkte hatte die Arbeit des Kunstschutzes 1940 – 1944 tatsächlich? – Wie war der Kunstschutz in den Kunsthandel und den Kunstmarkt in Frankreich eingebunden, bspw. durch Ausfuhrgenehmigungen für in Frankreich erworbene Kunstwerke ins Deutsche Reich? – Aus Sicht der Provenienzforschung stellen sich außerdem die Fragen: – Wo befindet sich die Überlieferung zum Kunstschutz und wie lässt sich diese charakterisieren? – Auf ­welche Tätigkeitsfelder lässt diese rückschließen und w ­ elche Hinweise liefert sie hinsichtlich der Verbindung zum Kunstraub und zum Kunsthandel? Dieser kurze Text soll anhand von Quellenbeispielen aus dem Sachinventar erste Antworten auf die gestellten Fragen liefern und Hinweise auf eine Involvierung des deutschen militärischen Kunstschutzes in Frankreich, Wolff Metternichs und enger Mitarbeiter in den Kunsthandel und den NS -Kunstraub geben.2 Folgende Themenbereiche stehen im 2 Siehe dazu auch weitere Forschungsansätze in d ­ iesem Kapitel, insbesondere von Kateryna Kostiuchenko, Julia Schmidt und Nereida Gyllensvärd, außerdem die Erläuterung zum Forschungskontext in ­diesem Band. Siehe auch die vielseitigen Ausführungen im Tagungsband zum Quellenforschungsprojekt, darin zum Kunsthandel insbesondere Elisabeth Furtwängler, Das Repertorium der Akteure auf dem französischen Kunstmarkt während der deutschen Besatzung 1940 – 1945. Von der Notwendigkeit aktiver Vernetzung, in: Langbrandtner/Heyer/de Peyronnet-Dryden, Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland (wie Anm. 1), S. 509 – 519. Der vorliegende kurze Text widmet sich lediglich der Beschreibung einiger Hinweise aus den Quellen auf eine Verbindung des Kunstschutzes zum Kunsthandel und zum NS-Kunstraub. Hierbei ist zu beachten, dass die Grenzen nicht klar zu ziehen sind, der Erwerbungskontext grundsätzlich in Frage zu stellen ist, eine Differenzierung dieser

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Fokus: 1) bisherige Forschungsergebnisse zum Verhältnis Kunstschutz/Kunstraub, 2) neu zur Verfügung stehenden Quellen aus dem NL FGWM, 3) Einblicke der Gegenüberlieferung in die Ausfuhrverfahren für Kunstgüter, 4) Kooperation und Netzwerke ­zwischen Kunstschutz(-Mitarbeitern) und deutschen Kulturinstitutionen, 5) private Nutzungsräume für Kunsthandel der Kunstschutzmitarbeiter und schließlich 6) der Versuch, die Rezeption des Kunstschutzes in der Nachkriegszeit zu steuern. Zu 1): In der Forschungsliteratur zum Kunstraub während der NS-Zeit, in Studien zur Wissenschaftsgeschichte der Kunstgeschichte, zu Tätigkeiten von Museen und anderen Institutionen während des Krieges sowie in Erinnerungsschriften werden der deutsche militärische Kunstschutz in Frankreich und dessen Leiter Wolff Metternich beim OKH zumeist nur am Rande erwähnt.3 Oftmals steht der Konflikt um die Beschlagnahme privater Kunstsammlungen mit Otto Abetz (1903 – 1958) bei der deutschen Botschaft in Paris und dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) sowie dem Sonderkommando von Künsberg im Vordergrund und die Studien perpetuieren das Bild einer Abgrenzung des Kunstschutzes vom Kunstraub.4 Es wird sogar darauf verwiesen, dass sich der Kunstschutz dem ERR bei der Beschlagnahme privater Sammlungen aus den staatlichen Museumsdepots in den Weg stellte.5 So zeichnet bspw. auch Germain Bazin (1901 – 1990), Konservator am Musée du Louvre, der zur Besatzungszeit mit Auslagerungen und Depotverwaltung beauftragt war, im Kapitel „Sous le bouclier de la Kunstschutz“ („Unter dem Schutzschild des Kunstschutzes“) seiner Erinnerungsschrift ein positives Bild von Wolff Metternich und dem Kunstschutz im Gegensatz zum Kunstraub.6

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Grauzone hier aber nicht stattfinden kann. Für vertiefende Einblicke zum Kunstmarkt in Frankreich siehe bspw. Emmanuelle Polack, Le marché de l’art sous l’Occupation 1940 – 1944, Paris 2019 und die Aspekte Kulturgutraub und Provenienzforschung, Frankreichs Kulturgüter unter Besatzung sowie Rückführung und Restitution von Kulturgut in der Auswahlbibliografie in ­diesem Band. Diese Fragen sind selbstverständlich auch für andere besetzte Gebiete von Interesse, hier wird jedoch der Fokus auf Frankreich gelegt. Zum Verhältnis in Italien siehe u. a. Christian Fuhrmeister/Johannes Griebel/Stephan Klingen (Hg.), Kunsthistoriker im Krieg. Deutscher Militärischer Kunstschutz in Italien 1943 – 1945 (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte 29), Köln/Wien/ Weimar 2012 und Christian Fuhrmeister, Die Abteilung „Kunstschutz“ in Italien. Kunstgeschichte, Politik und Propaganda 1936 – 1963 (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 1), Köln/Wien/Weimar 2019. Darüber hinaus sind in der Auswahlbibliografie in ­diesem Band weitere Literaturangaben zum Thema Kulturgutraub zu finden. Siehe bspw. Lynn H. Nicholas, The Rape of Europa. The Fate of Europe’s Treasures in the Third Reich and the Second World War, New York 1994, hier Ausgabe New York 1995, S. 123 ff. Siehe auch Wilhelm Treue, Zum nationalsozialistischen Kunstraub in Frankreich. Der „Bargatzky-Bericht“, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 13 (1965), S. 285 – 337 und Margot Günther-Hornig, Kunstschutz in den von Deutschland besetzten Gebieten 1939 – 1945, Tübingen 1958. Siehe Lynn H. Nicholas (wie Anm. 4), S. 161/162, Sammlung Wildenstein im Depot in Sourches. Germain Bazin, Souvenirs de l’exode du Louvre 1940 – 1945, Paris 1992, S. 41 – 44. Interessant ist hier die Verwendung des weiblichen Artikels „la Kunstschutz“, häufig wird in der französischen Literatur auch der männliche Artikel „le Kunstschutz“ benutzt. Dies rührt im ersten Fall von der Übersetzung

Fragen zum Spannungsfeld von Kunstschutz, Kunsthandel und Kunstraub  I  277

Dennoch wurde bereits vielseitig darauf verwiesen, dass es Verbindungen zum ERR gab und dass das (Nicht-)Agieren des Kunstschutzes den Kunstraub befördert haben könnte.7 So lässt die Fokussierung des Kunstschutzes auf die Sicherung der staatlichen Kunstsammlungen ein Desinteresse gegenüber dem Kunstraub vermuten. Der Raub jüdischer Privatsammlungen wurden zudem durch die Gesetzgebung der Militärverwaltung begünstigt bzw. überhaupt erst ermöglicht.8 Schließlich müssen Darstellungen, die Wolff Metternichs Widerstand gegen den Abtransport von beschlagnahmten Kunstwerken ins Deutsche Reich hervorheben, aus heutiger Sicht ebenfalls als Beschönigungen gewertet werden.9 Die Quellen belegen aber durchaus, dass der Kunstschutz und Wolff Metternich sich gegen die Beschlagnahme privater Kunstsammlungen aussprachen und gemeinsam mit der Verwaltung der französischen Museen versuchten, die Depots und die darin gelagerten staatlichen wie auch privaten Sammlungen zu s­ chützen und durch Zeitverzögerung oder das Vorenthalten von Information den Zugriff zu verweigern. Auch ist ein Aufeinandertreffen Wolff Metternichs mit Hermann Göring belegt, in dem er sich gegen die Beschlagnahme und den Abtransport von Kunst ins Deutsche Reich aussprach.10 Dies ist – so der Argumentation der Nachkriegszeit und Wolff Metternichs eigener Rechtfertigungsschrift folgend – einer der Gründe für die Beurlaubung und Entlassung Wolff Metternichs gewesen. Der Einsatz Wolff Metternichs und des Kunstschutzes in Frankreich gegen die Beschlagnahme der französischen staatlichen Kunstsammlungen, einzelne Einsprüche gegen die „Sicherstellung“ privater Kunstgüter durch die Botschaft und den ERR sowie französische Entlastungszeugnisse der Nachkriegszeit wurden in der Rezeption oft stellvertretend als Beweis für einen generellen Widerstand des Kunstschutzes verwendet, was dessen positive Bewertung verfestigte. Ob diese positive Selbst- und Fremdinszenierung korrekt oder belegbar ist und ob ein aktiver Widerstand überhaupt möglich und erfolgreich gewesen wäre oder ob vielmehr die Fokussierung auf die staatlichen französischen Kunstsammlungen und ortsfeste Baudenkmale als Selbstschutz und für eine Legitimation zum Weiterbestehen dienten, bleibt offen.

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der Tätigkeit „la protection des œuvres d’art“, im zweiten Fall von der Übersetzung des deutschen Artikels „der Kunstschutz“ her. Für diesen Hinweis gilt der Dank Florence de Peyronnet-Dryden. Christina Kott, Le ‚Kunstschutz‘ en 1939 – 1945. Une pierre dans la façade de l’Allemagne nationalsocialiste, in: Philippe Nivet (Hg.), Guerre et patrimoine artistique à l’époque contemporaine, Amiens 2014, S. 327 – 342, hier S. 329 f. und 336 f. Anja Heuß, Kunst und Kulturgutraub. Eine vergleichende Studie zur Besatzungspolitik der Nationalsozialisten in Frankreich und der Sowjetunion, Heidelberg 2000, S. 276 f. Nikola Doll, Politisierung des Geistes. Der Kunsthistoriker Alfred Stange und die Bonner Kunstgeschichte im Kontext nationalsozialistischer Expansionspolitik, in: Burkhard Dietz/Helmut Gabel/ Ulrich Tiedau (Hg.), Der Griff nach dem Westen. Die „Westforschung“ der völkisch-nationalen Wissenschaften zum nordwesteuropäischen Raum (1919 – 1960), 2 Bde. (Studien zur Geschichte und Kultur Nordwesteuropas 6), Münster 2003, S. 979 – 1015, hier S. 1004 f. NL FGWM, Nr. 94, Aktennotiz über Görings Besichtigung jüdischer Kunstsammlungen im Jeu de Paume, 05. 02. 1941.

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Zu 2): Diese Ambivalenzen um die Handlungsräume des Kunstschutzes bei der „Sicherstellung“ von privaten Kunstwerken bestätigen sich auch mit Blick auf die „neue“ Quellenlage im Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternich. Die Tätigkeiten des Kunstschutzes in ­Frankreich umfassten einerseits die Betreuung von ortsgebundenen Kunstwerken, den Schutz von Baudenkmalen und historischen Wohnbauten, andererseits die Betreuung von beweglichem Kunstgut, wie den Schutz der Museen und öffentlichen Sammlungen, außerdem die Überwachung des Kunstlebens und die Anbindung zu wissenschaftlichen Forschungsaufgaben. Der Schutz von beweglichem Kunstgut bezog sich vorrangig auf die Betreuung der ausgelagerten staatlichen Museumssammlungen oder auch der Einrichtung historisch wertvoller Schlösser.11 Die Betreuung beweglichen Kunstgutes ist somit nicht gleichbedeutend mit privaten Kunstsammlungen, betrifft diese aber auch. Der Abgleich der thematischen Überlieferung mit vorhandenen Aktenplänen lässt bereits einige Rückschlüsse auf den Umgang des Kunstschutzes mit beweglichem Kulturgut zu. Der überlieferte Aktenplan zum Kunstschutz beim OKH enthält als Hinweis auf diese Tätigkeiten lediglich den Punkt 4) Bewegliche Kunstwerke, ohne weitere Unterpunkte. Der detailliertere Aktenplan zum Sachgebiet V 1/2 Kunstschutz der Militärverwaltung enthält mehrere Punkte zu privaten Kunstsammlungen und dem Kunsthandel, außerdem zu Ausweisen und Befürwortungen:12 (…) III Bewegliches Kunstgut (…) Meldungen auf Grund der VO vom 15.7.40 III – 2 Rückführung III – 2 a Einsatzstab RR III  – 2 b Devisenschutzkommando III – 2 c Sicherungsaktionen (…) III – 4 Kunsthandel (alphabethisch) III – 5 Kunsthandel allgemein (…) VI Ausweise, Befürwortungen VI – 0 Ausweise III – 1

11 Zur Betreuung der historisch wertvollen Baudenkmäler und Schlösser und zur Zusammenarbeit des deutschen militärischen Kunstschutzes mit französischen Schlossbesitzern sowie den konkreten Maßnahmen zur Aussparung von Truppenbelegung und auch zur Beschwerde über den nicht sachgemäßen Umgang mit wertvoller Einrichtung siehe den Beitrag von Florence de Peyronnet-Dryden in ­diesem Band. 12 AN AJ 40/573, dossier 1, Kunstschutz (Groupe de protection des œuvres d’art) auprès de l’OKH. Plan de classement des documents du service. Siehe die gesamte Aufstellung der Aktenpläne im Beitrag zum Forschungskontext in ­diesem Band. Ob sich der Aspekt Ausweise und Befürwortungen auf Einreisegenehmigungen für Kunsthändler und Kulturschaffende aus dem Deutschen Reich und/ oder auf die Genehmigungen für französisches Fachpersonal für die Betreuung der Depots bezieht, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden, da diese Punkte des Aktenplans nur fragmentarisch überliefert sind und es weiterer Forschung dazu bedarf.

Fragen zum Spannungsfeld von Kunstschutz, Kunsthandel und Kunstraub  I  279

VI – 1 VI – 2

Passierscheinanträge nach Buchstaben A–D, E–M, N–Z Kontrollbogen (…)

Die Akten im NL FGWM entsprechen inhaltlich (die ursprüngliche Aktenstruktur wurde im Laufe der Zeit durch die Familie selbst und schließlich in der archivischen Ordnung verändert) weitgehend dem Aktenplan Kunstschutz beim OKH. Dies verdeutlicht sich auch im Abgleich des Aktenmaterials mit den Listen von Wolff Metternich und von Tieschowitz zu den aus Paris nach Bonn überführten Akten. Die Liste „Akten des Beauftragten für Kunstschutz beim OKH “ vom 29. Juli 1943 von von Tieschowitz führt als Punkt 3) Bewegliche Kunstwerke auf. Wolff Metternich verfasste ebenfalls eine „Übersicht über die Kunstschutzakten in Bonn“ o. D. Bei dieser wurde der Punkt 3) Bewegliches Kunstgut, Schutz und Bemühungen zur Verhinderung der Verschleppung sogar mit einer eigenen Bewertung versehen. Ebenso der Punkt 8) Rückführung der von den Franzosen 1795 – 1813 entführten Kunstgüter. Auszuge aus den Staatsarchivakten, Schriftwechsel (Die Rückführung wurde nicht begonnen).13 Im NL FGWM sind allerdings dem ehemaligen Unterpunkt des Aktenplans OKH Bewegliche Kunstwerke nur wenige Akten zuzuordnen, die Rückschlüsse auf das Spannungsfeld Kunstschutz, „Sicherstellung“ und Kunsthandel geben können. Die Inhalte können dabei Hinweise auf mehrere der oben genannten Fragestellungen geben. Sie werden hier für eine Übersicht kurz zusammengefasst.14 Insbesondere die Tätigkeitsberichte zum Kunstschutz beim OKH und bei der Militärverwaltung geben Einblick in die Involvierung des ERR, sowohl in der Selbstdarstellung in abschließenden Berichten als auch in internen Lageberichten an den Beauftragten für Kunstschutz beim OKH zum Tagesgeschäft.15 Auch die Akten aus den Militärverwaltungsbezirken mit Berichten und Korrespondenzen über Zustand, Inventar und Belegungsverbote schützenswerter Gebäude können, da sie den Austausch mit Privatpersonen zu Inventar enthalten, Aufschluss zum Umgang mit Privatsammlungen geben.16 13 NL FGWM, Nr. 34. 14 Der NL FGWM ist komplett in der Datenbank https://kunstschutz-wolff-metternich.de verzeichnet und durchsuchbar. Zu dessen Konstitution siehe auch die Beschreibung im Forschungskontext in ­diesem Band. 15 NL FGWM, Nr. 3, Abschließender Bericht über die Arbeit des Kunstschutzbeauftragten Wolff Metternich in der Zeit von Mai 1940–September 1944, Exemplar für Tieschowitz, o. D. (nach Sept. 1944) sowie Anlagen, Entwürfe und Doppel in NL FGWM, Nr. 8, Nr. 53 und Nr. 87. Zu den regelmäßigen Berichten des Kunstschutzreferats siehe NL FGWM , Nr. 41, Besprechungen und Lageberichte der Gruppen des Verwaltungsstabes (1941 – 1944); Nr. 159, Wochen-, Monats-, Lage-, Tätigkeits- und Reiseberichte zu Gebäuden und Denkmälern, beweglichen Kunstwerken und privatem Kunstbesitz (1940 – 1944) und auch Nr. 170, Berichte und Korrespondenzen des Kunstschutz-Referats Vorgeschichte und Archäologie (1940 – 1944, 1947). Weitere Berichte sind zu Italien, Griechenland, Serbien, Belgien und den Niederlanden vorhanden. 16 Siehe NL FGWM , Nr. 54, Richtlinien und Verordnungen über den Schutz von Kunstdenkmälern und wertvollen Gebäuden (1940 – 1943); Nr. 74, Karten, Listen, Verbotsschilder und Merkblätter

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Die Korrespondenz und die Schreiben zur Organisation des Kunstschutzes zeigen ebenfalls die Involvierung in den Kunsthandel und Verbindung zum ERR.17 Zum Stichwort „Bewegliches Kunstgut“ befinden sich zwei Akten im Nachlass, die auch Informationen zu öffentlichen wie privaten Sammlungen und Hinweise auf die Beschlagnahme jüdischen Kunstbesitzes enthalten.18 Konkret der Thematik „Private Sammlungen“ lassen sich lediglich zwei Akten im NL FGWM zuordnen.19 Zu Bergungsorten und Depots französischer staatlicher Sammlungen finden sich vier einschlägige Akten im Nachlass, auch darin finden sich vereinzelte Hinweise auf privaten Besitz.20 Bezüglich der Betreuung

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zur Schonung historischer Schlösser (1941 – 1943) sowie Nr. 75, Schriftwechsel zur Truppenbelegung von historisch wichtigen Gebäuden und Listen der Baudenkmale mit Belegungsverbot ([1933, 1937], 1941 – 1944) und Nr. 141, Korrespondenzen, Lage- und Reiseberichte zum Kunstschutz in Südfrankreich sowie Listen der Bergungsorte (Dez. 1942–Juni 1944), darin auch Hinweise auf jüdischen Besitz. Siehe bspw. NL FGWM, Nr. 240, Gründung der Kunstschutzorganisation (1940); NL FGWM, Nr. 48, Die Anfänge des Kunstschutzes in Frankreich (1940 – 1941); Nr. 45, Schriftwechsel, Regelungen und Befehle des Verwaltungsstabes des Militärbefehlshabers im besetzten Frankreich zu Organisation, Personal, Material und Rechtsfragen der Verwaltung (1940 – 1944) sowie Nr. 33, Korrespondenz ­zwischen von Tieschowitz und Wolff Metternich mit Berichten zur Organisation und zum Tagesgeschäft des Kunstschutzes während Wolff Metternichs krankheitsbedingter Abwesenheit (Okt.–Dez. 1941); Nr. 56, Schriftwechsel, Berichte und Listen zum Personal des deutschen Kunstschutzes und der eingebundenen französischen Denkmalpflege (1940 – 1944) und Nr. 67, Korrespondenz Wolff Metternichs mit von Tieschowitz, Heinz Rudolf Rosemann, Hans Hoermann, Ernst Heinrich Zimmermann, Franz Albrecht Medicus etc. zur Tätigkeit der Kunstschutzorganisation, auch nach Wolff Metternichs Ausscheiden, sowie zu Denkmalpflege, Publikationen und persönlicher Lage im Krieg (1942 – 1944), außerdem Nr. 34, Auszeichnungen, Rangerhöhungen, Beurlaubung und Entlassung Wolff Metternichs, Überführung von Kunstschutzakten nach Bonn und Korrespondenz mit von Tieschowitz (1942 – 1943). Zu den Verbindungen mit anderen Stellen siehe zudem Nr. 73, Schriftwechsel zum Kunstschutz mit deutschen Dienststellen und französischen Museums- und Verwaltungsbeamten ([1759 – 1815], 1937, 1940 – 1944) sowie zum Nr. 49, Französische Gesetzgebung und Verwaltung im besetzten Gebiet (1940 – 1942). NL FGWM, Nr. 76, Berichte, Korrespondenzen, Anordnungen und Listen zur Bergung beweglicher Kunstschätze (1940 – 1944) und Nr. 191, Berichte und Korrespondenzen über Zustand, Inventar, Personal, Versorgung und Belegungsverbote schützenswerter Gebäude und Kultureinrichtungen sowie Umgang mit privatem Kunstbesitz (Paris und Umgebung) (1940 – 1944), darin bspw. Carlheinz Pfitzner über fälschliche Beschlagnahmung eines Monets-Bildes als „nichtarisches Eigentum“ aus dem Besitz von Michel Monet, 18. 12. 1940 sowie Schreiben von Franz A. Medicus an Wolff Metternich zur Sammlung jüdischen Kunstbesitzes im Louvre auf Wunsch Hermann Görings, 24. 10. 1940. NL FGWM , Nr.  94, Berichte und Korrespondenzen zu privaten Kunstsammlungen. (1925, 1940 – 1944, 1946) und Nr. 187, Von Hermann Bunjes zusammengestellte Geheimakte „Kunstschätze“ (1940 – 1942), darin Unterlagen zur „Sicherstellung“ jüdischen Kunstbesitzes. NL FGWM , Nr. 65, Depots der französischen Kulturgüter (1940 – 1944); Nr. 88, Einzelberichte, Inventare und Korrespondenzen zu Bergungsorten (1940 – 1944); Nr. 89, Einzelberichte und Listen

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des ­Genter Altars gibt es eine Verzeichnungseinheit im NL FGWM .21 Zur sogenannten Rückführung von Kunstwerken finden sich nur wenige Hinweise im NL FGWM : zwei Einzelakten mit Korrespondenz und Aufstellungen sowie der zweibändigen KümmelBericht.22 Nicht zuletzt liefern auch die Unterlagen im NL FGWM zur Aufarbeitung der Besatzungszeit sowie die Akten zur Entnazifizierung Wolff Metternichs und von Tieschowitz’ weitere Hinweise auf Argumentationslinien der ehemaligen Mitarbeiter, um sich vom NS Kunstraub abzugrenzen.23 Der tatsächliche Umgang mit beweglichem Kunstgut wird jedoch verschiedentlich in Dokumenten des Kunstschutzbeauftragen deutlich. Im Laufe der Tätigkeiten wandelte dieser Umgang sich. In der Konzeption Wolff Metternichs für den Kunstschutz aus dem Sommer 1940 wurde noch auf die Einigung mit Privatbesitzern und Schutzräumen außerhalb des Heimatgebiets gesetzt. Darin steht unter den Aufgaben zu beweglichen Denkmalen: Bergung, soweit aus öffentl. Besitz (Kirchen u. Kommunen), wenn Schutz an Ort u. Stelle nicht gewährleistet, Durchführung u. Beaufsichtigung durch Beauftragter. (Oberaufsicht durch Zentrale!) Bei Privatbesitz möglichst gütliche Einigung mit Eigentümer, je nach deren Einstellung u. Bedeutung des Kulturgutes. Bergung erfolgt im besetzten Gebiet in geeigneten Schutzräumen. (Grundsätzlich nicht

zum Louvre (1940); Nr. 193, Schriftwechsel und Listen zu den Bergungsorten und ihrer Versorgung, Evakuierung und Personal (1940 – 1944). 21 NL FGWM, Nr. 168, Berichte und Korrespondenzen zum Genter Altar (1940 – 1942). Siehe dazu auch Theresa Sepp, Ernst Buchner (1892 – 1962). Meister der Adaption von Kunst und Politik, München 2020, auch online verfügbar: https://edoc.ub.uni-muenchen.de/26875/ (Stand: 22. 01. 2021), zum Genter Altar siehe S. 187 – 212. 22 NL FGWM, Nr. 55, Korrespondenzen, Aufstellungen, Fotos zur Rückführung von Kunstwerken (1940 – 1943) und Nr. 162, Korrespondenzen, Aufstellungen und Zeitungsartikel zur Rückführung von Kunstwerken (1940 – 1941) sowie Nr. 482, Kümmel-Bericht: Otto Kümmels Auflistung ehemals deutscher Kunstwerke in französischem Besitz, zwei Bände. 23 Siehe bspw. NL FGWM Nr. 2, Walter-Bargatzky-Bericht. Abschrift der geheimen Denkschrift über die Wegnahme französischer Kunstschätze durch die deutsche Botschaft in Paris und den Einsatzstab Rosenberg (ERR) (1944). Zur Entnazifizierung Wolff Metternichs siehe Nr. 9, Nr. 10, Nr. 11 und Nr. 38, zur Entnazifizierung von Tieschowitz’ siehe Nr. 72 und Nr. 146. Siehe außerdem Nr. 12, Aufarbeitung und Würdigung des Kunstschutzes (1958 – 1978); Nr. 42, Korrespondenzen Wolff Metternichs, Stellungnahmen und Zeitungsartikel zur Nachbereitung des Kunstschutzes (1951 – 1961); Nr. 85, Würdigung der Leistung des Kunstschutzes unter Wolff Metternich (1945 – 1960) und Nr. 153, Berichte und Korrespondenzen zur Tätigkeit Wolff Metternichs im Kunstschutz und einer fehlenden Gesamtdarstellung des Kunstschutzes (nach 1942 – 1978), sowie Nr. 195, Entwurf und Abschriften eines Rechenschaftsberichtes „Über meine Tätigkeit als Beauftragter des Oberkommandos des Heeres für den Schutz der Werke der bildenden Künste von 1940 – 1942. Grundsätze und Arbeitsmethoden, von Franz Graf Wolff Metternich“ vom Frühjahr 1945 mit Anmerkungen von 1964 ([1941], 1945, 1964). Zu Italien bspw. auch NL FGWM, Nr. 143, Der Kunstschutz und seine Rezeption in Italien (1959 – 1963).

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in der Heimat!) Diese Massnahmen möglichst unter Hinzuziehung einheimischer Kräfte. Besonders zu behandeln Museen. Diese möglicherweise nicht sicher! 24

In seinem Abschlussbericht von 1945 hielt Wolff Metternich hingegen fest: Wesentlich schwieriger gestaltete sich der aus dem gleichen Grunde notwendige Schutz des beweglichen Kunstgutes, der vor mancherlei Gefahren bedroht wurde. Soweit er sich in Privatbesitz befand und noch an Ort und Stelle vorhanden war, wurde er im Rahmen der Betreuung historischer Wohnbauten erfasst (…). Zu dem Aufgabegebiet „Schutz des beweglichen Kunstgutes“ gehörte auch die Überwachung des Kunsthandels. Es war naheliegend, dass die z. T. erheblichen Veränderungen der allgemeinen Wirtschaftslage starke Bewegungen auf den Kunstmärkten der besetzten Länder verursachten. Die hierdurch verursachten Umschichtungen waren im wesentlichen eine interne Angelegenheit der besetzten Länder deutscherseits bestand nur insofern ein Interesse daran, als ein Abwandern erheblicher Kulturwerte in neutralen Staaten und von ihnen aus möglicherweise in feindliche Länder unerwünscht war. Durch geeignete Anweisungen an die einheimischen Behörden oder durch unmittelbares Eingreifen der Militär­ verwaltung musste einem wilden unkontrollierten Kunsthandel vorgebeugt werden.25

Die Lageberichte des Referats für Kunstschutz aus dem Jahr 1941 geben weitere Hinweise und einen etwas konkreteren Einblick: Eine besondere Aufgabe für den Kunstschutz erwächst auch aus der Zusammenarbeit mit dem Einsatzstab Rosenberg und dem Devisenschutzkommando. Beide Organisationen halten Laufend Verbindung mit uns und teilen die sichergestellten nichtarischen Kunstsammlungen mit. Sofern eine ­solche Sammlung sich an einem Bergungsort befindet bezw. aus sonstigem Grunde nicht ohne Weiteres zugänglich ist, wird der Zutritt vermittelt. Ein Einzelfragen wurde der Kunstschutz beratend hinzugezogen. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Abwehr illegaler Sicherungsversuche; frühere Übergriffe auf ­diesem Gebiete werden nach Möglichkeit wieder rückgängig gemacht im Einvernehmen mit Botschaft, Aktion R ­ osenberg und Devisenschutzkommando.26

24 NL FGWM, Nr. 240, undatierte Notiz zu den Aufgaben des Kunstschutzes (vermutlich Juni 1940). 25 NL FGWM, Nr. 53, „Abschließender Bericht über die Arbeit des Kunstschutzbeauftragten in der Zeit von Mai 1940–September 1944“ von Franziskus Graf Wolff Metternich, 1945. Siehe auch NL FGWM, Nr. 195, „Über meine Tätigkeit als Beauftragter des Oberkommandos des Heeres für den Schutz der Werke der bildenden Kunst von 1940 – 42. Grundsätze und Arbeitsmethoden von Franz Graf Wolff Metternich“, 1945 und Nr. 187, „Allgemeiner Bericht über die Tätigkeit des Kriegsverwaltungsrats, Dozent Dr. phil. habil. H. Bunjes als Leiter des Referats Kunstschutz im Verwaltungsstab des Kommandanten von Gross-Paris vom 1. 8. 1940 bis 1. 3. 1942“ vom 04. 03. 1942. 26 NL FGWM, Nr. 48, Bericht über den Geschäftsverkehr bei der Abt. Kunstschutz der Gruppe V Kult. 15. 01. 1941 von Carlheinz Pfitzner.

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Und auch der direkte Kontakt zu Privatbesitzern und Kunsthändlern wird dort deutlich: Neuerdings haben einige Privatsammler, die ihre Kunstschätze den Depots der staatlichen Museen anvertraut hatten, ihr Eigentum zurückerbeten. Die Genehmigung hiezu wurden im Sinne der oben genannten VO [2. KunstschutzVO vom 3.3.41] jeweils erteilt. Der Einsatzstab Rosenberg stellte in Sourches die Sammlung David Weill sicher. Die dortige Sammlung Wildenstein ist im Laufe des Aprils in arische Hände übergegangen und auf Wunsch des neuen Eigentümers nach Paris zurückgeführt (…). Das Referat Kunstschutz wird sehr stark von Eigentümern belegter Schlösser besucht (…). Unter der verhältnismässig starken Besucherzahl befinden sich viele deutsche Kunsthändler. Das Referat hält sich grundsätzlich vom Kunsthandel fern, ist jedoch vielfach in der Lage, den betreffenden Interessenten Hinweise zu geben, zumal von französischer Seite häufig Angebote und entsprechende Anfragen eingehen (…).27

Im Schreiben des Oberkommandos der Wehrmacht aus dem September 1943 bezüglich der Truppenbelegung jüdischer Wohnungen, der „Sicherstellung“ der dortigen wertvollen Kunstgegenstände und deren Überführung ins Deutsche Reich durch den ERR wurde zudem ermahnt: (…) Es wird dringend gebeten, die Militärbefehlshaber Frankreich Belgien und Nordfrankreich auf diese Tatsachen hinzuweisen und anzuordnen, dass dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg keine weiteren Hindernisse mehr in den Weg gelegt werden.28 Sogar im April 1944 wurde noch vermerkt, dass die Steuerung der zahlreichen Kunstankäufe durch deutsche Reichsstellen und Museen das Referat in unvermindert großem Umfang beschäftigte.29 Über diese Schilderungen der Tätigkeiten des Referats hinaus wurden auch persönliche Kontakte zum Kunstschutz für Erwerbungen höherer Beamter genutzt. Dies wird beispielsweise in einem Schreiben Wolff Metternichs zu einer Nachfrage des Staatsrates Harald Turner (1891 – 1947), Chef der Militärverwaltung in Serbien, deutlich: Schliesslich darf ich noch einmal auf Ihre persönlichen Wünsche zurückkommen. Tieschowitz hat berichtet, dass Sie noch auf der Suche nach einem Eckschränkchen für den Salon Ihrer Frau G ­ emahlin sind. Nachdem leider das seinerzeit in engere Wahl gezogene Möbelstück vor Eintreffen Ihrer S­ tellungnahme

27 NL FGWM, Nr. 159, Lagebericht betr. Arbeiten der Gruppe V 14-Kunst, Referat Kunstschutz im April und Mai 1941, 22. 05. 1941. 28 NL FGWM, Nr. 141, Korrespondenzen, Lage- und Reiseberichte zum Kunstschutz in Südfrankreich sowie Listen der Bergungsorte (Dez. 1942–Juni 1944). Darin Abschrift Schreiben Oberkommando der Wehrmacht, Betr. Erfassung der Kunstgegenstände und Kulturgüter aus jüdischem Besitz aus den Quartieren der Stäbe und Offiziere in den besetzten westlichen Gebieten, gez. Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht i. A. Reinecke, an den GenSt. d. H./GenQu. (Abt. K. Verw.), Az. AWA/J (I), Nr. 16000/43, 16. 09. 1943. 29 NL FGWM, Nr. 41, Lageberichte Gruppe Verw.1/2, Bericht vom 12. 04. 1944.

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anderweitig verkauft worden war, ist es uns noch nicht gelungen, etwas Gleichwertiges zu dem erwünschten niedrigen Preise zu finden. Wir werden aber jetzt erneut auf die Suche gehen.30

Aus diesen Schilderungen lässt sich entnehmen, dass das Verhältnis zum ERR und die Betreuung des Kunsthandels durchaus aufwändige und zeitlich umfassende Arbeiten für das Referat Kunstschutz bei der Militärverwaltung in Frankreich und den Kunstschutzbeauftragten beim OKH darstellten und möglicherweise eine größere Involvierung bedeuten, als nach außen hin und im Nachhinein dargestellt wurde. Zu 3): Diese vorläufigen Ergebnisse auf Grundlage des NL FGWM lassen sich mit der Gegenüberlieferung weiter ausführen. Diese findet sich in Beständen zu NS -Kunstraub und zur Rückführung von Kulturgut ins Deutsche Reich sowie zur militärischen Besatzung, Beständen zur Aufarbeitung des Kunstraubes und zu Restitutionen, Museumsarchiven und auch Archiven des Kunsthandels.31 Von besonderer Bedeutung sind die Bestände in den französischen Archiven, die Dokumente aus der Zusammenarbeit und Korrespondenz der französischen Behörden mit dem deutschen militärischen Kunstschutz beinhalten. In den Archives nationales sind dies neben den Unterlagen der deutschen Militärverwaltung (AJ 40) der Bestand der Musées nationaux (20144792), außerdem der Bestand der Commission de récupération artistique (209SUP) in den Archives diplomatiques.32 Zudem gibt es ein Aktenkonvolut mit französischen Exportgenehmigungen, die die Ausfuhr von Kunstwerken aus Frankreich ­zwischen 1941 und 1944

30 NL FGWM, Nr. 164, Schreiben von Wolff Metternich an Staatsrat Turner, Chef des Verwaltungsstabes, Militärbefehlshaber in Serbien, über den Kunstschutz Serbien, 06. 07. 1942. 31 Siehe Erläuterung im Forschungskontext sowie Bestandsbeschreibungen in d ­ iesem Band. 32 Siehe in den Archives nationales den Bestand AJ 40, La France et la Belgique sous l’occupation allemande 1940 – 1944, AN AJ/40/439-AJ/40/990, Der Militärbefehlshaber in Frankreich (MBF). Le Commandement militaire en France, und besonders AN AJ/40/1671-AJ/40/1683, Procès d’Hermann Bunjes. Im Bestand Les musées nationaux pendant la Seconde Guerre Mondiale et l’évacuation des œuvres (Série R) siehe insbesondere AN 20144792/23 – 20144792/29, Correspondance avec la Commission allemande de protection des œuvres d’art (Kunstschutz), und AN 20144792/17 – 20144792/18, Plan de protection des œuvres d’art chez les particuliers. Exportlizenzen in Akte AN 19860306/12, Exportation d’œuvres d’art, et échanges d’œuvres d’art (1941 – 1979) im Bestand Culture; Délégation aux arts plastiques; Sous-direction de la formation, des productions artistiques et des achats; Bureau des achats, und AN F/21/7117 und 7118, Demandes d’exportation d’œuvres d’art en Allemagne. Außerdem Archives diplomatiques, Bestand 209SUP, Récupération artistique. An dieser Stelle soll auch auf die Tätigkeiten Jacques Jaujards (1895 – 1967), Leiter der Musées nationaux, und Rose Vallands (1898 – 1980), Konservatorin am Museum Jeu du Paume und ­später Mitglied der Commission de récupération artistique (CRA), für den Schutz der französischen Kulturgüter und den Widerstand gegen deren Raub verwiesen werden, worauf hier nicht weiter eingegangen werden kann. Siehe bspw. Emmanuelle Polack, Philippe Dagen, Les Carnets de Rose Valland. Le pillage des collections privées d’œuvres d’art en France durant la Seconde Guerre mondiale, Lyon 2011.

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dokumentieren.33 Anhand d ­ ieses Materials lassen sich die Taktiken des Kunstschutzes in Bezug auf die Ausfuhr beweglichen Kulturguts analysieren. Grundlage für die Umsetzung von Kunstschutzmaßnahmen waren die deutschen Militärverwaltungsgesetzgebungen und die französische Rechtslage unter der Besatzung. Besonders wichtig für die Ausfuhrgenehmigung von Kunstwerken waren u. a. die „1. Verordnung über die Erhaltung von Kunstschätzen im besetzten Gebiet Frankreichs vom 15. 7. 1940“: (…) §1 Bewegliche Kunstwerke, dürfen ohne schriftliche Verfügung einer höheren Dienststelle der Militärverwaltung in Frankreich nicht von ihrem derzeitigen Aufbewahrungsort entfernt oder in irgendeiner Weise verändert werden. §2 Rechtsgeschäfte, die die Übereignung beweglicher Kunstwerte zum Gegenstand haben, bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit meiner Genehmigung; das Gleiche gilt für behördliche oder gerichtliche Maßnahmen, die auf eine Übereignung beweglicher Kunstwerte abzielen. §3 Die Besitzer von beweglichen Kunstwerten sind verpflichtet, diese bis zum 15. August 1940 bei der zuständigen Feldkommandantur oder einer von ihr zu bezeichnenden Stelle schriftlich anzumelden. Die Anmeldung muss enthalten: 1. Die genaue Bezeichnung des Kunstwerks (dabei sind auch anzugeben: Größe, Material, Entstehungszeit, Meister), 2. die Angabe des Wertes, 3. den Namen und die Anschrift des Eigentümers, 4. den Namen und die Anschrift des Besitzers, 5. die genaue Bezeichnung des Aufbewahrungsorts. Der Anmeldepflicht unterliegen nicht Kunstwerke, deren Wert 100.000 Frs. nicht erreicht (…).34

33 AN 20144657/7 – 43, der Bestand (Contrôle des exportations d’œuvres d’art sous l’Occupation, 20144657) ist heterogen. Die Unterlagen in den nach Vorgängen organisierten Dossiers sind nicht vollständig, weitere Hinweise finden sich zwar gelegentlich, sind aber über mehrere Kartons verstreut. Ergänzungen bilden Fotografien in der Künstlerdokumentation in Museumsarchiven des Louvre oder des Musée d’Orsay. Diese wurden vermutlich in der Nachkriegszeit von den Lizenzen getrennt. Jeder Vorgang erhielt eine Nummer, die Lizenzen beinhalten Informationen zu Antragsteller, Empfänger, Angaben zum Kunstwerk und Preiseinschätzung. Auch im Bestand SUP209 finden sich in den Recherchen der CRA Reproduktionen und Lizenzen. Die Dokumentation französischer Stellen und Überlieferung in den französischen Archiven hinsichtlich der Exporte von Kunstwerken gibt zwar Hinweise auf in Frankreich erworbene Kulturgüter (sofern der Kauf nicht fingiert wurde), dennoch handelt es sich um eine disparate Quellenlage, deren Aussagekraft etwa durch die Nutzung von Strohmännern beeinträchtigt ist. Eine Kombination der Daten und eine systematische Auswertung des Quellenmaterials könnten ein vollständigeres Bild und verbesserten Zugang für die Provenienzforschung ermöglichen (trotz möglicher bewusster Fehlinformationen in den Unterlagen). Siehe Vanessa von Kolpinski, Französische Exportlizenzen als Quelle für die Provenienzen aus dem „Kunstfund Gurlitt“, in: Andrea Baresel-Brand/Nadine Bahrmann/Gilbert Lupfer (Hg.), Kunstfund Gurlitt. Wege der Forschung (Provenire 2), Berlin/Boston 2020, S. 63 – 75, hier S. 63 – 65 und S. 72/73. Ein Beitrag von Vanessa von Kolpinski zu Exportlizenzen in ­diesem Band konnte leider nicht verwirklicht werden, da sie zeitgleich bereits an anderen Veröffentlichungen dazu arbeitete. Für den Austausch zum Thema sei an dieser Stelle herzlich gedankt. 34 NL FGWM, Nr. 54, darin 1. und 2. Kunstschutzverordnungen Oberbefehlshaber des Heeres, Chef der MV in Frankreich.

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und die „Zweite Verordnung über die Erhaltung von Kunstschätzen im besetzten Gebiete Frankreichs vom 3. März 1941“: (…) §1 Bewegliche Kunstwerte dürfen ohne meine Genehmigung nicht von ihrem derzeitigen Aufbewahrungsort entfernt oder sonst in irgendeiner Weise verändert werden. Dies gilt nicht für Kunstwerte, die sich im Privateigentum oder im Kunsthandel befinden und deren Wert 1.000.000 Fr. (eine Million Fr.) nicht übersteigt. §2 Rechtsgeschäfte, die die Übereignung beweglicher Kunstwerte im Werte von über 1.000.000 Fr. (eine Million Fr.) zum Gegenstand haben, bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit meiner Genehmigung; das Gleiche gilt für behördliche oder gerichtliche Maßnahmen, die auf eine Übereignung solcher beweglicher Kunstwerte abzielen. Die Anträge auf Genehmigung sind bei der örtlich zuständigen Feldkommandantur einzureichen (…).35

sowie ein französisches Exportgesetz der Vichy-Regierung: No. 2595 – Loi du 23 juin 1941 relative à l’exportation des œuvres d’art: (…) Art. 1er – Les objets présentant un intérêt national d’histoire ou d’art ne pourront être exportés sans une autorisation du secrétaire d’Etat à l’éducation nationale et à la jeunesse, qui devra se prononcer dans le délai d’un mois à partir de la déclaration fournie à la douane par l’exportateur (…).36

Für deutsche Kunsthändler auf dem französischen Kunstmarkt gab es mindestens drei Methoden von Transaktionen, die gewährleisteten, dass der Käufer bezahlte und der Verkäufer den Betrag erhielt; auf übergeordneter staatlicher Ebene wurde auch teilweise der Betrag an das Deutsche Reich bezahlt und der Verkäufer erhielt ihn dann vom französischen Staat. Eine erste Variante war der Zugriff auf das deutsche Besatzungskostenkonto und Zahlung an die Reichshauptkasse. Eine zweite war bis Ende 1943 die mögliche Bedienung am Besatzungskostenhaushalt; dazu wurden vom NS-Staat Reichskreditkassenscheine ausgestellt, die in Frankreich angenommen werden mussten und bei der Banque de France eingelöst und in Franc umgetauscht werden konnten. Die dritte Variante war innerhalb des deutsch-französischen Verrechnungsabkommen das sogenannte Clearingverfahren, wobei der Rechnungsbetrag in Reichsmark (RM) auf das Konto des Vertragspartnerlandes bei der Deutschen Verrechnungskasse in Berlin einzuzahlen war und das Office de changes in Paris

35 Ebd. 36 Siehe Journal officiel de l’Etat français, 19. 07. 1941, einsehbar unter https://www.legifrance.gouv.fr/ jorf/id/JORFTEXT000000314601 (Stand: 14. 02. 2021). Siehe auch Kolpinski, Französische Exportlizenzen (wie Anm. 33), S. 65 – 67. Eine Problematik war, dass das Exportgesetz nicht für das Deutsche Reich gelten sollte. Der Widerspruch Jacques Jaujards und Louis Hautecœurs (1884 – 1973, Directeur général des Beaux-Arts) bei Kunstschutz und frz. Regierung führte erfolgreich zur Durchsetzung des Gesetzes, der Kunstschutz plädierte dabei für die Einhaltung der Haager LKO und daher für das Genehmigungsverfahren.

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den Gegenwert in Franc auszuzahlen hatte; dies war jedoch keine ausgeglichene Bilanz und oftmals durch Schulden beim französischen Staat finanziert.37 Das Verfahren war sehr komplex und bot viele Möglichkeiten für Verzögerungen: Zunächst war es notwendig, die Devisengenehmigung bei der Reichsstelle für Papier zu beantragen, die für Gemälde und Grafik zuständig war. Bevor der Gegenwert bei der französischen Bank abgehoben werden konnte, mussten die Rechnung und die Ausfuhrgenehmigung vorgelegt werden. Der Antrag für Exportlizenzen war folglich beim französischen Ministerium für industrielle Produktion an die zentrale Stelle Service central des licences d’importation et d’exportation bei der Zollbehörde zu stellen. Der Antrag benötigte ein Zollformular, die Rechnung mit Daten zu Käufer/Verkäufer/Werk und – das ist hier zentral – die Einwilligung des deutschen Kunstschutzes. Von der Zollbehörde erfolgte die Weiterleitung an die französischen Nationalmuseen und die Inspektion durch Kustoden. Für Kunstwerke wurde der Antrag dann u. a. an Michel Martin bei der Abteilung Schöne Künste der Musées nationaux weitergeleitet. Die Genehmigung der Anträge ging dann an die Section douanière des französischen Finanzministeriums für die Exportgenehmigung, wenn zusätzlich auch die Zustimmung des Militärbefehlshabers (Abteilung Kunstschutz) vorlag. Dann ging sie wieder zurück vom Finanzministerium an das Ministerium für industrielle Produktion.38 Dieses Kontrollverfahren eröffnete Handlungsspielräume für französische Stellen, indem sie das Vorgehen hinauszögerten oder Ausfuhranträge ablehnten. Die Überlieferung zeigt aber auch, dass ­dieses Verfahren durch die Kunsthändler umgangen wurde, da es zu aufwendig war und Kenntnisse der Bürokratie und gute Kontakte sehr vorteilhaft waren. Außerdem wurde das Verfahren auch ausgenutzt, wenn bspw. höhere Beträge auf Rechnungen ausgestellt, aber geringere bezahlt wurden, wodurch mehr Spielraum für andere Ankäufe bestand. Eine Schwierigkeit für die heutige Nachvollziehbarkeit der Transaktionen ist zudem, dass französische Händler oft nicht namentlich erwähnt werden wollten, aus Sorge, als Kollaborateur zu gelten. Unbeteiligte Dritte stellten daher Quittungen aus, die für die deutschen Händler notwendig waren, um Devisen und Ausfuhrgenehmigungen beantragen zu können.39 In der Überlieferung zeigt sich trotz vorhandenen Regelungen des Verfahrens und gewissen Handlungsspielräumen durch Zeitverzögerung vor allem die Machtlosigkeit der französischen Dienststellen wegen der mangelhaften Effektivität, die eine Folge der Umgehung der Abläufe, der Strohmänner und Vermittler, der fingierten Verkäufe, der Barzahlungen und variablen Preisfestsetzungen (entweder durch Ankaufswerte unter 100.000 Franc oder Überbezahlung im Clearing) war. Auch wurden Exportobjekte, die beim Antragsteller lagerten und nicht im Zolldepot, oft noch getauscht und dies nur auf der Rechnung vermerkt, aber 37 Siehe Johannes Gramlich, Hildebrand Gurlitt auf dem französischen Kunstmarkt: Handel und Bürokratie, in: Baresel-Brand/Bahrmann/Lupfer (Hg.), Kunstfund Gurlitt (wie Anm. 33), S. 48 – 62, hier S. 55 – 58. 38 Ebd., S. 50 und Kolpinski, Französische Exportlizenzen (wie Anm. 33), S. 66. 39 Siehe Gramlich, Hildebrand Gurlitt (wie Anm. 37), S. 51/52 und S. 58.

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kein neuer Exportantrag gestellt. Andererseits ergab sich durch den Kontrollprozess eine Dokumentation für die Rückführung nach dem Krieg.40 Die Bestätigung seitens des Kunstschutzes für die Ausfuhr lautete: (…). Seitens des „Kunstschutzes“ beim Militärbefehlshaber in Frankreich wird hiermit die Genehmigung zur Ausfuhr d­ ieses Kunstwerkes erteilt. Es bedarf in d­ iesem Falle nicht der üblichen Ausfuhrlizenzen. Da das Bild für das Rheinische Landesmuseum bestimmt ist und mithin gemeinnützigen Lehr- und Anschauungszwecken dient, ist die Einfuhr nach Deutschland sowohl zoll- wie umsatzausgleichssteuerfrei (…).41

Die Auskünfte der Kunsthändler, die mit dem Kunstschutz zusammengearbeitet hatten, waren in der Nachkriegszeit sehr verhalten und dadurch wurde die Rückführung nicht vereinfacht. Zudem betonten sie, dass die Kontrollverfahren ja dafür Sorge getragen hätten, dass alles rechtens ablief, und der Kunstschutz und die französischen Experten ja auch Einspruch hätten einlegen können.42 Fallbeispiele auf Akteurs- und Objektebene können folglich weiteren Einblick in die Einhaltung bzw. Nichteinhaltung der Abläufe zu den Exportgenehmigungen geben und die Narrative von Händlern differenzieren.43 40 Siehe Kolpinski, Französische Exportlizenzen (wie Anm. 33), S. 65 und S. 67 sowie S. 68 – 69. An dieser Stelle soll auch auf das laufende Dissertationsvorhaben von Ophélie Jouan (Paris) zum Thema „Juger les spoliateurs et recupérér les œuvres d’art spoliées (1944 – 1957)“ verwiesen werden. 41 ALVR 11412, Ausfuhrgenehmigung 20. 12. 1941 für Apffelstaedt, gez. i. A. KVR Schleiermacher für den Militärbefehlshaber, Chef des Verwaltungsstabes. Folgend auch Abwandlungen im Wortlaut, bspw. ab Ende 1942: Die Ausfuhr aus Frankreich ist seitens des „Kunstschutzes“ beim Militärbefehlshaber genehmigt (…), 02. 10. 1942 an Apffelstaedt, gez. Möbius, ALVR 11413. 42 Siehe Kolpinski, Französische Exportlizenzen (wie Anm. 33), S. 68. Zitat von Hildebrand Gurlitt in der Nachkriegszeit nach BArch N 1826/180, fol. 103 – 104: Ich bin überzeugt, dass der geringste Einspruch des Louvre beim Kunstschutz die Folge gehabt hätte, dass dieser mir die Ausfuhr der Objekte verboten hätte. Auch wäre es dem Louvre leicht gewesen, bei den Banken die Auszahlungen der Beträge zu sperren, da diese von Deutschland aus die Anweisung hatten nur dann auszuzahlen, wenn alle Genehmigungen gegeben waren. 43 Neben den Aufsätzen von Johannes Gramlich und Vanessa von Kolpinski zu Hildebrand Gurlitt und den Ankäufen in Paris finden sich vielzählige Beispiele der Einhaltung bzw. Umgehung und Ausnutzung von Spielräumen im Ausfuhrverfahren von Kunstwerken. Ein weiteres Beispiel ist im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes, Bestand deutsche Botschaft Paris 1214, zu finden. In der Korrespondenz über mehrere Monate hinweg aus dem Frühjahr 1944 des Kunsthändlers Karl Haberstock mit der Botschaft wird deutlich, dass die französischen Stellen den Prozess der Ausfuhrgenehmigung für Paolo Veroneses „Leda mit dem Schwan“ und François Bouchers „Ruhendes Mädchen“ durch das Argument verlorener Fotografien der auszuführenden Kunstwerke verzögerten und Widerstand leisteten, obwohl eine Verpflichtung für die Genehmigung innerhalb von drei Wochen in den Verfahrensabläufen zugesichert worden war. Für diesen Hinweis danke ich Elisabeth Furtwängler sehr herzlich.

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Zu 4): Auch die Einreiseanträge der Kunsthändler und Museumsmitarbeiter mussten vom Kunstschutz befürwortet werden, was neben den Ausfuhrgenehmigungen eine weitere Involvierung von Kunstschutzmitarbeitern in die Handels- und Einkaufstätigkeit deutscher Museumsbeamter impliziert. So wird bspw. in einer Notiz von Hans Joachim Apffelstaedt (1902 – 1944), Kulturdezernent der Rheinprovinz, an den Landeshauptmann Heinz Haacke (1892 – 1945) beschrieben, dass er und Franz Rademacher (1899 – 1987), Gemäldekustos am Rheinischen Landesmuseum in Bonn, bei ihren Einkäufen auf dem Pariser Kunstmarkt von den Kunstschutzmitarbeitern bestens unterstützt wurden.44 Hier werden abermals die persönlichen rheinischen Netzwerke deutlich, die anhand der Interaktionen einiger Akteure kurz angedeutet werden sollen. Eine der bekanntesten Schnittstellen z­ wischen Kunstschutz und Kunsthandel/-raub war Hermann Bunjes (1911 – 1945), der nicht nur Mitarbeiter beim Kunstschutz in Frankreich für den Großraum Paris war, sondern auch als Agent für Hermann Göring auf dem Pariser Kunstmarkt tätig war und ab 1942 die Kunsthistorische Forschungsstätte in Paris (KHF) leitete.45 Er schrieb bereits am 23. September 1940 an Apffelstaedt, dass bei ihm in Paris in den nächsten Monaten eine Anzahl wertvollster Kunstgegenstände aus Privatbesitz in den hiesigen Kunsthandel gebracht werden.46 Im NL FGWM gibt es vergleichsweise wenige Akten zum Großraum Paris und der KHF, darin sind einige Hinweise auf kollegiale Wertschätzung für Bunjes, aber auch Andeutungen auf Spannungen ­zwischen ihm und Wolff Metternich bzw. von Tieschowitz zu finden.47 44 ALVR 11412, Notiz vom 16. 07. 1942. Siehe dazu Furtwängler, Repertorium der Akteure auf dem französischen Kunstmarkt (wie Anm. 2), S. 510 ff. 45 Zu den Verbindungen des Kunstschutzmitarbeiters Hermann Bunjes zum Kunstraub und Kunsthandel siehe die Forschung von Nikola Doll (Bern/Berlin) im Rahmen der vom Deutschen Forum für Kunstgeschichte Paris beauftragten Studie „Zwischen Kunst, Wissenschaft und Besatzung. Die Kunsthistorische Forschungsstätte Paris (1942 – 1944)“ und das Forschungsprojekt an der Mainzer Universität und Universitätsbibliothek „Die Provenienz des Mainzer Buchbestandes aus der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris (1942 – 1944)“. Siehe außerdem die Beiträge Schmidt und Kostiuchenko in ­diesem Band. Das Pariser Büro war räumlich nicht beim Kunstschutzreferat angesiedelt, sondern beim Verwaltungsstab des Kommandanten von Groß-Paris, die Abläufe und Tätigkeiten und insbesondere die Verbindung zum Kunsthandel sind differenzierter zu betrachten. Siehe dazu bspw. NL FGWM, Nr. 159, darin u. a. Lagebericht Militärverwaltungsbezirk Paris Verwaltungsstab kult/in Abteilung Kunstschutz, Museumswesen, Bunjes 22. 09. 1940 (darin Absatz zu Kunstschutz: Die Einzelaktionen gegen jüdischen und staatlichen Kunstbesitz sind, soweit sie hier zur Kenntnis gelangt sind, abgestoppt und werden in Zukunft unter Mitarbeit des Kunstschutzbeauftragten bei der Militärverwaltung Paris geregelt.) oder Bericht Militärverwaltungsbezirk Paris Abt kult/kunst, Lagebericht für die Zeit vom 20.11. – 20. 12. 1940, Bunjes 03. 01. 1941 (darin Bericht zu jüdischen Kunstsammlungen, ERR, Göring etc.). 46 ALVR 11412. Im Bestand der Kulturabteilung der Provinzialverwaltung sind die Akten 11412 bis 11414 zu Ankäufen in Frankreich und Belgien (1940 – 1947) von besonderem Interesse für diese Zusammenhänge. 47 NL FGWM, Nr. 33, Briefwechsel Wolff Metternich und von Tieschowitz, hier von Tieschowitz an Wolff Metternich (der krankheitsbedingt in Bonn war) vom 09. 12. 1941: Gestern habe ich nach dem

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Der Jurist Walter Bargatzky (1910 – 1998), Mitarbeiter der Abteilung Justiz der Militärverwaltung Frankreich, liefert in seiner Erinnerungsschrift über die Zeit im Hôtel Majestic weitere Hinweise auf Konflikte z­ wischen Kunstschutz und Akteuren des Kunsthandels. So berichtet er über den Kunstschutz und dessen Streitigkeiten mit der deutschen Botschaft und dem ERR und schildert die Konfrontation Wolff Metternichs und von Tieschowitz’ mit Herman Göring vor dem Jeu de Paume im Februar 1941 sowie die Abweisung des Einspruchs Wolff Metternichs gegen eine Ausfuhr von Kunstwerken ins Deutsche Reich (Göring: „der höchste Jurist im Staate bin ich“).48 Bargatzky verweist auf die Verbindung Bunjes’ zu Göring: „Dr. Bunjes ist eines unserer ‚schwarzen Schafe‘, junger Kunsthistoriker bei der örtlichen Pariser Militärverwaltung, bald ganz in Görings Diensten.“ 49 So vereinfacht und auf eine Person reduziert ist diese Abgrenzung Kunstschutz und Kunstraub in Frankreich jedoch nicht zu sehen. Bunjes, der sich 1945 das Leben nahm, konnte ­diesem Narrativ nichts mehr entgegensetzen. Zu den Kunstankäufen von Felix Kuetgens (1890 – 1976), dem langjährigen Direktor der Museen der Stadt Aachen und Leiter der Abteilung Kunstschutz bei der Militärverwaltung Frankreich ­zwischen 1940 und 1943, wurde vor kurzem ein Aufsatz veröffentlicht. Darin wird beleuchtet, dass Kuetgens nach den Recherchen der Art Looting Intelligence Unit (ALIU) des US-amerikanischen Office of Strategic Services (OSS) über den NS-Kunstraub auf der Liste der „Red Flag Names“ geführt wurde. In d ­ iesem Aufsatz wird auch auf die Doppelfunktion Kuetgens’ als Museumsdirektor, der Ankäufe tätigte, und Kunstschutzmitarbeiter, der die Ausfuhr genehmigen konnte, verwiesen.50 In einem Text aus der direkten Nachkriegszeit schildert Kuetgens die Tätigkeiten des Referats für Kunstschutz in Frankreich: Der deutsche Kunstschutz in Frankreich hatte als erste Aufgabe den Schutz der durch den Krieg gefährdeten oder beschädigten historischen und denkmalswerten Bauten (Kathedralen, Schlösser, Rathäuser, Bürgerbauten u. a. m.) durchzuführen. Im einzelnen geschah das durch Vermittlung von Baumaterialien, Ausspruch von Belegungsverboten, Reisegenehmigungen für die französischen, meist in Paris wohnenden

Abendessen zwei Stunden bei Bunjes in seinem Hotelzimmer verbracht und alle Fragen bezüglich des Institutes, seiner späteren Stellung in Paris usw. besprochen. Er war „eigentlich wieder sehr nett“, wie es uns schon sooft mit ihm ging. Kürzlich hatte er hier eine längere intime Aussprache mit seinem hohen dicken Gönner, der versprach, wenn notwendig, das seine zutun, um Bunjes in Paris zu halten. 48 Walter Bargatzky, Hotel Majestic. Ein Deutscher im besetzten Frankreich, Freiburg im Breisgau 1987, zum Kunstschutz S. 64 – 80, hier S. 74/75. Treffen Wolff Metternich und Göring am 05. 02. 1941, siehe Anm. 10. 49 Ebd., S. 71. 50 Heinrich Becker, Kunstankäufe im besetzten Frankreich 1940 – 1943. Ein Beitrag zur Sammlungsgeschichte der Aachener Museen, in: Museumsverein Aachen (Hg.), Sammlung und Sammeln (Aachener Kunstblätter 67), Aachen 2020, S. 110 – 134.

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Denkmalpfleger der staatl. Monuments Historiques und der privaten Vereinigung der Schlossbesitzer (Demeures Historiques).51

Des Weiteren nennt Kuetgens ­später im Text als Aufgaben die Räumung der Küstenzone und die Verbringung der Kunstwerke ins Landesinnere sowie die Verhinderung der Einschmelzung wertvoller Glocken in der Metallbeschaffungsaktion. Er beschreibt dort auch die Sicherung des beweglichen Kunstgutes, der staatlichen französischen Sammlungen und von künstlerisch wertvollem privatem Inventar. Die Äußerung zum deutschen Kunsthandel ist besonders interessant: Eine besonders schwierige Aufgabe des Kunstschutzes war ferner die Kontrolle des deutschen Kunsthandels in Frankreich u. namentlich in Paris. Die Anträge auf Einreiseerlaubnis, die deutsche Museumsdirektoren und Kunsthändler den Passierscheinstellen eingaben, mussten dem Kunstschutz zur Stellungnahme vorgelegt werden. Die Genehmigung wurde von der Beurteilung der Persönlichkeit und dem Grad des vertretenen öffentlichen Interesses abhängig gemacht. Die so erzielte Drosselung der Einreisen wurde im Laufe der Besatzungszeit zunehmend verschärft, denn es war nicht erwünscht, dass durch umfangreiche Kunstankäufe das deutsche Konto bei der Clearingbank, das durch lebens- und kriegswichtige Ankäufe ohnehin schon stark überbelastet war, noch weiter belastet würde. Nach Eintreffen in Paris erfolgte Meldung beim Kunstschutz u. Aussprache über die beabsichtigten Ankäufe. Jedes angekaufte Kunstwerk musste im Original oder in Fotografie vorgelegt werden; wenn es sich nach Auffassung des Kunstschutzes nicht um ein national besonders wertvolles und daher von der Ausfuhr ausgeschlossenes Kunstwerk handelte, wurde mit der Formel: „Gegen den Ankauf und die Ausfuhr vorstehenden Kunstwerkes bestehen seitens des Militärbefehlshabers keine Bedenken“ die Genehmigung erteilt. Dann musste das betr. Kunstwerk oder seine Fotografie den zuständigen französischen Stellen zur Erteilung der Ausfuhrlizenz vorgelegt werden. Erst wenn diese erteilt war, durfte die Clearingbank die Rechnung des Verkäufers begleichen. Leider haben einige Einkäufer, die in hohem Auftrage nach Paris kamen, diese einengenden Bestimmungen der deutschen und französischen Dienststellen umgangen und – da sie entgegen allen Vorschriften bares Geld in Menge mitbrachten oder durch die deutsche Botschaft in Paris erhielten – Kunstwerke von hohem Wert im Kunsthandel und vom Privatbesitzer ohne Rechnung gekauft und auf illegale Weise mit nach Deutschland genommen. Es gelang ihnen ­dieses um so leichter als viele französische Verkäufer sich weigerten Rechnungen auszustellen und über die Clearingbank

51 Der Text von Felix Kuetgens „Kunstschutz in Frankreich“ vom 05. 08. 1945 findet sich im NL FGWM, Nr. 85, außerdem in der Personalakte Kuetgens’ im Stadtarchiv Aachen, ebenso in seiner Entnazifizierungsakte, LA NRW, Abt. Rheinland, NW 1079 Nr. 17464. Auf dem Exemplar in der Entnazifizierungsakte wird Wolff Metternich als Zeuge für den Inhalt des Textes genannt. Das Exemplar des Berichts im NL FGWM, Nr. 85 wird in seiner Gänze als Digitalisat und Transkript in der Datenbank zum Sachinventar beim Datensatz zur Akte NL FGWM, Nr. 85 zur Verfügung gestellt: https://kunstschutz-wolff-metternich.de/recherche/marchiv/#!/detail/doctyp117/525 (Stand: 29. 08. 2021).

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die Bezahlung zu erhalten. Im Allgemeinen aber wurde z­ wischen deutschen Museumsdirektoren und Kunsthändlern einerseits und dem deutschen Kunstschutz und den französischen Dienststellen andererseits reibungslos gearbeitet. Seit Frühjahr 1944 wurden Einreisegenehmigungen für Kunstankäufe nicht mehr erteilt.52

Kuetgens listet auch Kunsthändler auf, die auf dem Kunstmarkt in Frankreich aktiv waren. Der Kunstschutz äußerte etwa Einwände gegen die Überführung des Teppichs von Bayeux und des Genter Altars. Zum Verhältnis mit dem ERR bemerkte er: Mit dem „Einsatzstab Rosenberg“, der den jüdischen Kunstbesitz, ­später auch den Kunstbesitz feindlicher Ausländer beschlagnahmte und nach Deutschland verbrachte, hatte der deutsche militärische Kunstschutz n i c h t das geringste zu tun. Zeitweilig war sogar auf Befehl des Militärbefehlshabers jeglicher Verkehr des Kunstschutzes mit dem Einsatzstab verboten. Der Kunstschutz ist bei Übergriffen des Einsatzstabes stets vorstellig geworden und hat häufig Wiedergutmachungen erzwungen.

Als „breiten Raum“ der Tätigkeiten des deutschen Kunstschutzes nannte er auch viele organisatorische Abläufe für Reisegenehmigungen, sowohl für deutsche als auch für französische Kunsthändler, Unterstützung für den florierenden kulturellen Austausch, Interventionen des Kunstschutzes gegen die Diskriminierung von Juden, Schutz vor der Zerstörung durch Truppenbelegung und nicht zuletzt die schöne Aufgabe, sich mit französischer Kunst und Geschichte auseinandersetzen zu können. Kuetgens schließt den Text mit einem positiven Fazit: Zusammenfassend glaube ich sagen zu dürfen, dass mir und meinen Mitarbeitern französischerseits stets volle Zufriedenheit mit der Tätigkeit des deutschen Kunstschutzes und aufrichtiger Dank ausgesprochen wurde für unsere selbstlose Arbeit um die Erhaltung der Kunst Frankreichs, die in ihrer einzigartigen Fülle und Vollendung geistiges Eigentum der gesamten kultivierten Welt ist.

Kuetgens beschreibt das vorherrschende Bild, das sich mit der Konzeption Wolff Metternichs für den Kunstschutz und der Quellenüberlieferung weitgehend deckt: die in Zusammenarbeit mit den französischen Dienststellen getroffenen Schutzmaßnahmen für die Baudenkmale und staatlichen Sammlungen Frankreichs. Zugleich schildert er aber erstaunlich deutlich die Involvierung des Referats für Kunstschutz bei der Militärverwaltung in Kunsthandel und Kunstraub – wenngleich mit einer überzeugten Argumentation zur eigenen Entlastung, 52 Ebd. Wobei auch ­später noch Einreisen stattfanden, so bspw. Gurlitt im Juli 1944, wohingegen Wolff Metternichs Einreiseantrag für Mai 1944 nicht mehr genehmigt wurde. Der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt war ­zwischen Juli 1941 und Juli 1944 32-mal in Paris. Siehe Gramlich, H ­ ildebrand Gurlitt (wie Anm. 35), S. 50. Außerdem NL FGWM, Nr. 67, Unterlagen zu abgelehnter Reise­genehmigung Wolff Metternichs nach Frankreich und Belgien, Mai 1944.

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die auf die Rechtmäßigkeit der Transaktionen verweist und den Widerstand gegen den ERR sowie der Anerkennung der französischen Kollegen hervorhebt. Zu 5): Auch in privaten Dokumenten, wie Briefen, Tagebüchern und Kalendern, der ehemaligen Kunstschutzmitarbeiter finden sich Hinweise auf den Kunstmarkt und Einkäufe von Büchern. So befinden sich bspw. in den Unterlagen Bernhard von Tieschowitz’ gesammelte Einladungen zu Ausstellungen in Pariser Galerien und Museen,53 in seinen Taschenkalendern zudem Hinweise auf Bücher- und Bildeinkäufe und auch Erwähnung des Schwarzmarkts: 2. 8. 1941: nachm. mit Mett. Büchereinkäufe in der Stadt; St. Julien-le-pauvre, mit Hamann und Jantzen in La Pérouse vorzüglich u. teuer zu Abend gegessen. (Marché noir), Hamann u. Dett ab vom gare de l’est. 10. 7. 1942: mit Kuetgens Bildeinkauf bei Clairin für Minister. 10. 2. 1944: Anruf v. Kalnein aus der Ukraine, Mittagessen mit Germain Martin, Präsidenten des Institut de France, Nachm. mit Mett, i. Ausstellung (influances coloniales) u. rue de Seine zum Bücherkauf.54

Wend Graf von Kalnein (1914 – 2007) schildert in Briefen an seine Tante Leonie Lenz die angenehme Situation für die Kunstschutzmitarbeiter 1940/1941 vor der Dezimierung der Abteilung und die bereichernde kunsthistorische Arbeit beim Kunstschutz. Dabei erwähnt er auch den florierenden Markt und private Bücherankäufe und gibt einen Hinweis auf ein reich ausgestattetes Amt für Kunstschutz: Brief vom 2. Oktober 1940: Nebenbei kaufe ich schöne Sachen ein und gehe in schöne Th ­ eater (…). Wenn man doch nur einen Esel streck Dich hätte! Man möchte ganz Paris leer kaufen. Brief vom 13. Januar 1941: Es ist herrlich wenn man sich unbeschwert mal sowas [kunsthistorische Bücher] kaufen kann. Ich bin bloss gespannt, wie ich all die Sachen s­päter mal nach Hause transportieren soll. Aber unser Amt für Kunstschutz braucht sowieso einen kleinen Güterzug. Brief vom 14. Dezember 1941: Ich bin aber froh, so viel von ­diesem Lande profitiert zu haben. Meine Bibliothek, die ich mit nach Deutschland nehme, füllt 4 Kisten. Aufnahmen und Bilder sind desgleichen sehr zahlreich. Das ist ein bleibender Gewinn.55

Im Tagebuch von Carlheinz Pfitzner (1908 – 1944) finden sich Schilderungen zu Besorgungen und Einkäufen mit deutschen Beamten, außerdem Hinweise zu Verbindungen in den Kunsthandel und zum ERR:

53 NL FGWM, Nr. 201. 54 NL FGWM, Nr. 251. 55 Privatarchiv der Familie Graf von Kalnein, Nachlass Wend Graf von Kalnein, Briefe an Leonie Lenz, 1939 – 1942. An dieser Stelle herzlichen Dank an die Familie Kalnein für den Einblick in diese Unterlagen.

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31. Oktober 1940: Mo[rgens] Bespr. im Louvre wegen Einsatzstab Rosenberg. Mi im Deutschen Institut bei Dr. Epting mit Kunsthandelsleuten zusammen (…), oder 13. November 1940: Verhexter Morgen, viel zu tun. Mi[ttag] Baldur v. Schirach geführt zu Schoeller und Raphael Gérard wo gekauft. Zwei Bronzen von Rodin, ein Courbet, Waldstück, ein Courbet, Stilleben ein Monet (…), sowie 24. Januar 1941: 10 Uhr Besprechung der Rosenberg affaire bei Best (…).56

Wolff Metternich schrieb neben den offiziellen Berichten über den Kunstschutz hauptsächlich in seinen Rechenschaftsberichten zur Entnazifizierung über das Verhältnis zur NSDAP und seine Abgrenzung zum NS-Kunstraub und dem ERR. Hier fallen insbesondere das belastende Schreiben des Sicherheitsdienstes und der Sicherheitspolizei über seine frankophile Haltung sowie die französischen Entlastungsschreiben ins Gewicht.57 Es finden sich aber auch Hinweise auf eigene Aktivitäten auf dem Kunstmarkt in privaten Dokumenten, dies jedoch eher selten, wie beispielsweise im Tagebuch Wolff Metternichs, 13. Oktober 1941: Nachm. Besichtigung der Ausstellung von Gemälden deutscher Künstler der Wehrmacht in Frankreich u. Dietz Edzard bei Durant Ruelle [Galerie Durand-Ruel]. Beim letzteren finde ich interessante Bilder von Loiseau.58 Es finden sich zudem Hinweise, dass Wolff Metternich Devisen für Bücherankäufe für das Denkmalpflegeamt und Forschungszwecke beantragte: Ich beabsichtige, für das mir unterstehende Denkmalamt der Rheinprovinz in Paris wissenschaftliche Werke über Denkmalpflege, die Kunst in den Grenzgebieten u. a. verwandte wissenschaftliche Gebiete, ferner aus dem Kunsthandel Abbildungen rheinischer Bau- und Kunstdenkmale zur Ergänzung des Denkmälerarchivs anzukaufen und ausserdem für mich persönlich zur Fortsetzung meiner Forschungen wissenschaftliches Material, insbesondere Bücher zu erwerben. Für diese Zwecke würde ein Betrag bis zu 3000 RM (Dreitausend Reichsmark) benötigt werden (…).59

Ob Wolff Metternich die Devisen erhielt und damit Ankäufe für das Denkmalpflegeamt tätigte, kann zu ­diesem Zeitpunkt nicht weiter ausgeführt werden. Wolff Metternichs persönliches Vermögen und sein Besitz wurden in der Nachkriegszeit beschlagnahmt, nach Deklaration und Prüfung der Erwerbungen in Frankreich und der Unterstützung durch französische Leumundsbekundungen aber bald wieder freigegeben.60 Die Hinweise aus den 56 Rheinisches Archiv für Künstlernachlässe Bonn, Nachlass Carlheinz Pfitzner, RAK 116, Tagebuch Zeitraum Sommer 1940 bis Frühjahr 1941. André Schoeller und Raphaël Gérard waren Kunsthändler, die mit dem NS-Kunstraub in Verbindung standen. 57 Zur Entnazifizierung Wolff Metternichs siehe NL FGWM, Nr. 10, Nr. 11 und Nr. 38. 58 NL FGWM, Nr. 200. Dietz Edzard (1893 – 1963) war ein deutscher Maler, Gustave Loiseau (1865 – 1935) französischer Post-Impressionist. 59 NL FGWM, Nr. 184, Korrespondenzen und Unterlagen des Provinzialkonservators Wolff Metternich (1937 – 1945). Antrag auf Genehmigung zur Ausfuhr von Devisen, Wolff Metternich, 25. 08. 1942. 60 NL FGWM, Nr. 207, Freigabe des beschlagnahmten Vermögens Wolff Metternichs (1945 – 1946) und Nr. 220, Deklaration Wolff Metternichs über die Anschaffung von Kunstgegenständen, Möbeln etc.

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privaten Unterlagen der Kunstschutzmitarbeiter bezeugen meist die Begleitung von anderen, politisch oder militärisch höher gestellten, Personen bei Führungen und Kunsteinkäufen. Ob dies in dienstlichen Aufgaben oder persönlichen Verbindungen begründet lag, bleibt offen. In jedem Fall zeigt sich eine aktive Teilhabe am kulturellen Leben in Paris und häufig ein persönliches und fachliches Interesse an Büchern. Zu 6): Der Wunsch nach einer positiven Rezeption und die Fokussierung auf die Wissenschaftlichkeit der eigenen Tätigkeiten und auf den Erhalt von Kulturgut waren einigen der Kunstschutzmitarbeiter gemeinsam. Wolff Metternich beschreibt die eigenen Grundsätze und Arbeitsmethoden als Kunstschutzbeauftragter ausführlich in seinem Rechenschafts­ bericht aus dem Frühjahr 1945.61 Eine Aufarbeitung wurde langfristig geplant, was nicht nur die Überlieferungsgeschichte der Kunstschutzakten im NL FGWM zeigt, sondern auch in den Dokumenten explizit benannt wird, so bspw. in einem Bericht im Juni 1944 von Hans Gerhard Evers (1900 – 1993), Kunstschutzmitarbeiter in Italien: Graf Metternich bittet ebenfalls, die zusammenfassende Publikation der Abteilung des Kunstschutzes nach dem Kriege jetzt schon vorzubereiten. (…). Die für die Publikation wichtigen Akten sollten schon jetzt von den allgemeinen Akten der Mil.Verwaltungen getrennt werden und nach Deutschland geschafft werden, damit sie nicht unter die Masse der Mil.Archive geraten.62

Und auch in der direkten Korrespondenz ­zwischen den Kunstschutzkollegen wird die gegenseitige Wertschätzung der Tätigkeit und die ehrenwerte Überzeugung deutlich. So äußert sich bspw. Henry Koehn (1892 – 1963), Kunstschutzmitarbeiter bei der Militärverwaltung Belgien und Nordfrankreich, in einem Brief an Wolff Metternich am 19. August 1944 zum Abschied aus dem Kunstschutz: Ich schliesse mit dem Wunsche, dass der Kunstschutz im gegenwärtigen Kriege, der unter Ihrer Leitung gestanden hat, bei Darlegung seiner Leistungen und Erfolge vor dem Forum der Welt als ein ­Lichtpunkt während seines Aufenthaltes in Paris mit beiliegenden Listen und Rechnungen sowie Erläuterung und französischen Leumundsbekundungen (1940 – 1942; 1946). 61 NL FGWM , Nr. 195, „Über meine Tätigkeit als Beauftragter des Oberkommandos des Heeres für den Schutz der Werke der bildenden Kunst von 1940 – 42. Grundsätze und Arbeitsmethoden von Franz Graf Wolff Metternich“, Frühjahr 1945, ergänzt 1964. Darin auch ausführliche Beschreibung zu den Tätigkeiten: Die zahlreichen Einzelaufgaben, die der Kunstschutz zu erfüllen hatte, lassen sich in drei Hauptgruppen zusammenfassen. 1. Schutz der Baudenkmale, 2. Schutz der beweglichen Kunstdenkmale, 3. Betreuung des Kunstlebens; außerdem Erläuterung zum Kampf um die beweglichen Kunstwerke. 62 NL FGWM Nr. 70, Bericht über eine Dienstreise nach Paris, Brüssel und Bonn, zu dienstlichen Besprechungen mit den Abteilungen des Kunstschutzes in Frankreich und in Belgien sowie mit dem früheren Abteilungschef Prof. Graf Wolff-Metternich, ausgeführt ­zwischen dem 7. und 18. Juni 1944, von MVR Evers an MVAvt.Chef Dr. Langsdorff, Kunstschutz Italien, 22. 06. 1944.

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dastehen möge inmitten der barbarischen Zerstörungen, die er verursacht hat und inmitten all des Leides und Elends, das er mit sich gebracht und vermutlich auch noch zur Folge haben wird.63

Im Antwortschreiben vom 30. August 1944 formuliert Wolff Metternich: Ihr hoher Idealismus hat bis zum letzten Augenblick Ihrer Tätigkeit unvermindert angehalten, die Erfolge Ihrer Arbeit sind ein glänzendes Dokument wahrer europäischer Gesinnung. Dafür sind alle, die noch ein Gefühl für den Wert europäischer Kultur haben, Ihnen Anerkennung und Dank schuldig. Ich hoffe nur, dass es in nicht allzu ferner Zeit gelingen möge, im Rahmen einer umfassenden Publikation der gesamten Tätigkeit des militärischen Kunstschutzes auch Ihren grossen und überaus wertvollen Beitrag an der Arbeit gebührend zu würdigen.64

Eine Publikation der ehemaligen Kunstschutzmitarbeiter in Form eines Weißbuchs wurde nicht umgesetzt, jedoch konnte das positive Narrativ zu den Schutzmaßnahmen in Frankreich und dem Widerstand gegen den ERR das Bild des Kunstschutzes prägen. Französische Entlastungsschreiben und internationale Würdigungen für die ehemaligen Mitarbeiter bestätigten ­dieses Bild, sodass die ehemaligen Kunstschutzmitarbeiter zumeist ihre Berufe in der Nachkriegszeit weiter ausüben konnten. Das propagierte Bild und Selbstverständnis der Kunstschutzmitarbeiter lässt sich anhand der überlieferten Quellen gut bestätigen – jedoch lassen sich durchaus Hinweise auf eine tiefergreifende Involvierung finden, die weiterer Forschung bedarf. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Vorschriften über die Sicherung von beweglichen und privaten Kulturgütern seitens des Kunstschutzes und der französischen Kulturverwaltung in der Realität nicht immer umgesetzt werden konnten, insbesondere beim bewussten Unterlaufen der Regelungen durch Kunsthändler und NS-Organisationen. Aufgrund der Aktenlage entsteht der Eindruck, dass eine Differenzierung auf Akteursebene wichtig ist, so auch bei der Involvierung einzelner Kunstschutzmitarbeiter, deren persönlichen Kontakte und reguläre Tätigkeiten wie bspw. als Museumsdirektoren auch eigene Interessen am französischen Kunstmarkt mit sich brachten. Die Überlieferung ist einerseits Zeugnis der Einhaltung des Vorgehens, zeigt aber auch zahlreiche Hinweise auf das Nichteinhalten oder Umgehen der Vorschriften. Da gerade die systematische Überlieferung zu den zweifelhaften Punkten in den Aktenplänen jedoch nicht vorhanden ist, bedarf die Frage nach dem Verhältnis und den Abläufen ­zwischen dem Kunstschutz und der „Sicherstellung“ von privaten Kunstsammlungen sowie dem Kunsthandel weiterer Forschung. Zudem wäre interessant zu betrachten, wie die für den Kunstschutz tätigen Personen in ihrer weiteren beruflichen Laufbahn in Prozesse der Restitution involviert waren und hier erneut Handlungsspielräume und Kontakte ­nutzen. 63 NL FGWM, Nr. 67. 64 Ebd.

Fragen zum Spannungsfeld von Kunstschutz, Kunsthandel und Kunstraub  I  297

Zwischen Kunstschutz und Kunstraub Zum Inhalt der sogenannten „Geheimakte Bunjes“ (NL FGWM, Nr. 187) Kateryna Kostiuchenko

Im Nachlass des Leiters der Abteilung Kunstschutz bei der Militärverwaltung – Franziskus Graf Wolff Metternich – findet sich eine kuriose Akte, die sogenannte „Kunstschätze“Akte, auch als „Geheimakte Bunjes“ bekannt. Sie gibt Auskunft über die Aktionen von ­­Dr. ­Hermann Bunjes (1911 – 1945), der ab August 1940 bis Frühjahr 1942 Mitarbeiter des Kunstschutzes in Paris war. Diese Aktionen gehen jedoch deutlich über seinen eigenen Tätigkeitsbericht aus dem Jahr 1942 hinaus und werfen Fragen zur Verwickelung von Kunstschutz und Kunstraub während der Besatzungszeit auf.1 Die Akte war nach dem Ausscheiden von Bunjes aus der Kunstschutzorganisation im Jahr 1942 von einem anderen Kunstschutzmitarbeiter, dessen Name leider unleserlich ist, infolge einer Aufräumaktion zusammengestellt worden. Sie besteht neben Listen von beschlagnahmten jüdischen Sammlungen aus Korrespondenzen, Arbeitsberichten, Verfügungen, Aktennotizen und Entwürfen der Militärverwaltung Frankreich und betrifft die Suche nach jüdischen Kulturgütern und deren Beschlagnahme, Inventarisierung und Abtransport nach Deutschland. Der Inhalt der Akten, insbesondere im Hinblick auf die „Sicherstellung“ jüdischen Kunstgutes, ist einigermaßen erstaunlich, da laut einer Anweisung von Hermann Göring (1893 – 1946) vom 5. November 1940 der Kunstschutz von dieser Aufgabe entbunden worden war.2 Warum finden sich also Listen mit beschlagnahmtem jüdischen Eigentum im Nachlass des Kunstschutzleiters, die weit über den Herbst 1940 hinausgehen? Um diese Frage zu klären, entstand das Projekt zur Erfassung der Kunstgutlisten, das hier vorgestellt werden soll. Dabei wird in zwei Schritten vorgegangen. In einem ersten Schritt fokussiert der Artikel auf die in der Akte überlieferte Beziehung der Kunstschutzorganisation

1 Siehe zu Hermann Bunjes auch den Beitrag von Julia Schmidt in ­diesem Band. Für eine kurze Biografie von Hermann Bunjes siehe den Beitrag von Heidi Gansohr, ebenfalls in ­diesem Band. 2 Die Anweisung Görings vom 5. November 1940 betrifft das weitere Vorgehen mit den beschlagnahmten und in den Louvre gebrachten Kulturgütern. Der ERR sollte in Zusammenarbeit mit der Militärverwaltung Paris die Sammlungen inventarisieren, verpacken und mithilfe der Luftwaffe nach Deutschland bringen, siehe Görings-Anweisung vom 05. 11. 1940, in: Familienarchiv Grafen Wolff Metternich zur Gracht, Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternich (künftig NL FGWM), Nr. 187.

zum Kunstraub in Paris und Frankreich. Denn die „Geheimakte Bunjes“ gibt nicht nur Auskunft darüber, wie der vermeintlich neutrale Kunstschutz mit jüdischen Sammlungen umging, sondern auch über die Bedeutung Hermann Bunjes’ und seiner Netzwerke in Frankreich und Deutschland. In einem zweiten Schritt wird die Bedeutung der Listen für die Provenienzforschung erarbeitet. Alle Kunstwerke aus den elf Listen sind in Form einer Excel-Datei zusammengestellt. Sie ist in der Datenbank des Sachinventars als Anhang zu NL FGWM, Nr. 187 für weitere Recherchen zugänglich.

1 Beziehung der Kunstschutzorganisation zum Kunstraub in Frankreich 1.1 Quellenkritische Bemerkungen zur „Geheimakte Bunjes“ Die in der „Geheimakte Bunjes“ überlieferten Informationen sind lückenhaft und geben keine vollständige Auskunft zur Chronologie und den Abläufen der „Sicherstellungen“ des jüdischen Besitzes in Paris. Einen großen Teil der Akte aus der Zeit z­ wischen Juni 1940 und März 1942 machen die Dienstunterlagen von Dr. Bunjes und dem Chef der deutschen Militärverwaltung in Paris Dr. Harald Turner (1891 – 1947) aus. Die gesammelten Aktennotizen, Schriftwechsel und Berichte mit verschiedenen Akteuren aus Kunstschutz, Kunstmarkt und Verwaltung zeigen, wie verwoben die Beziehungen ­zwischen Reichs- und Militärverwaltung, Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR ), deutscher Botschaft Paris und französischer Museumsverwaltung waren. Das Konvolut ist nicht gebunden oder paginiert und weist zahlreiche Notizen und Anmerkungen, überwiegend von Bunjes, aber auch von Harald Turner auf, was auf unterschiedliche Provenienzen hinweisen kann. Es ist außerdem nicht bekannt, ob die Unterlagen vollständig überliefert sind.3 Die Akte beinhaltet zudem unterschiedliche Listen beschlagnahmter Kulturgüter aus den jüdischen Sammlungen Jacques, Arnold und André Seligmann, Fernand und Emile Halphen, Arthur Weil-Picard, Charles Bloch, David David-Weill, Moïse Lévy de Benzion sowie aus den Kunsthandlungen Bernheim-Jeune und Arnold Seligmann & fils. Ferner ist die Sammlung der Frankfurter Familie Rothschild aufgelistet, nach der die Nationalsozialisten im Herbst 1940 suchten (zu den Lebensdaten siehe unten).4 Sie werden von einer Liste der jüdischen Galerien und Kunsthandlungen in Paris ergänzt sowie von einer Aufstellung der im Arrondissement Corbeil durch die Feldgendarmerie sichergestellten Bibliotheken aus 3 Näheres zum Nachlass und der Verortung der „Geheimakte Bunjes“ siehe Hans-Werner Langbrandtner/­ Esther Heyer/Florence de Peyronnet-Dryden, Der Nachlass von Franziskus Graf Wolff Metternich. Aufarbeitung des für den Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg zentralen Archivbestands, in: Provenienz & Forschung (2017), H. 2, S. 6 – 13. 4 Entwurf des Briefs von Bunjes an den Reichsstatthalter in Tirol und Vorarlberg vom 30. 12. 1940, in: NL FGWM, Nr. 187.

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jüdischem Besitz. Trotz der lückenhaften Überlieferung kann die Rolle von Hermann Bunjes als Beauftragtem für den Kunstschutz in Paris im Zusammenhang mit einigen Beschlagnahmungen nachvollzogen werden. Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, die Chronologie und die Verbindungen anhand der „Geheimakte Bunjes“ zu rekonstruieren und damit offenzulegen, an ­welchen Stellen es zu Kooperationen und Konfrontationen ­zwischen Militärverwaltung, Kunstschutz und Kunstraub ­zwischen 1940 und 1942 kam.

1.2 Hermann Bunjes und die „Sicherstellungen“ vor dem 5. November 1940 Knapp zwei Wochen nach der Besetzung von Paris am 14. Juni 1940 forderte Harald Turner, Chef der deutschen Militärverwaltung in Paris, in einem Schreiben an den Militärbefehlshaber eine Gruppe von 3000 Männern, 30 Sachverständigen aus verschiedenen Kunstgebieten, Pkw mit Fahrern und 100 Lastwagen für die „Sicherstellung“ von Kunstwerken in jüdischen Kunsthandlungen an.5 Dass es damals um die wertvollsten und größten Kunstsammlungen ging, zeigt nicht nur das Ausmaß des für den Abtransport benötigen Personals, sondern auch der Kompetenzstreit z­ wischen deutscher Botschaft und Militärverwaltung. Laut einer erhaltenen Abschrift vom 9. Juli 1940 informierte Turner Generalfeldmarschall Hermann Göring, dass sich die deutsche Botschaft Paris zusammen mit der Geheimen Feldpolizei (GFP) berechtigt fühle, die „Sicherstellungen“ selbst durchzuführen, s­ olche Aktionen aber negative Auswirkungen auf die französische Seite haben würden. Er bat daher Göring um die Klärung der Zuständigkeitsbereiche der einzelnen Organisationen.6 Mit den ersten „Sicherstellungen“ wurde zunächst durch Führerbefehl vom 30. Mai 1940 der Kommandant von Paris, General Alfred von Vollard-Bockelberg (1874 – 1945), beauftragt.7 Er leitete die Aufgabe, den französischen und den privaten jüdischen Kunstbesitz zur Verwahrung einzuziehen, an Otto Abetz weiter. Otto Abetz (1903 – 1958), deutscher Gesandter im besetzten Frankreich und seit August 1940 Botschafter in Paris, war am 15. Juni 1940 zusammen mit der sogenannten Gruppe der Frankreichexperten nach Paris gekommen.8 Bereits am 6. Juli 1940 wurden die Sammlungen von André und Jacques Seligmann, der

5 Brief von Turner an den Herrn Militärbefehlshaber vom 06. 07. 1940, in: NL FGWM Nr. 187. 6 Aus der gleichen Notiz ergeben sich außerdem Erkenntnisse über die Beziehung der französischen Militärverwaltung mit Görings Kunsthändler Joseph (Sepp) Angerer: NL FGWM, Nr. 187, Abschrift des Briefs von Turner an Göring vom 09. 07. 1940. 7 Günter Haase, Kunstraub und Kunstschutz, Bd. 1, Norderstedt 2008, S. 62. 8 Jörg Ebeling, Die deutsche Botschaft in Paris. Vortrag im Rahmen der Tagung „Raub & Handel. Der französische Kunstmarkt unter deutscher Besatzung (1940 – 1944)“ vom 30.11. bis 01. 12. 2017: https://www.kulturgutverluste.de/Content/01_Stiftung/DE/Veranstaltungsnachlese/2017/2017-1130_­Frankreich-Konferenz.html (Stand: 29. 08. 2021).

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Kunsthandlung Bernheim-Jeune, Paul Rosenberg, Edmund und James Armand Rothschild u. a. beschlagnahmt und in die Räume der deutschen Botschaft Paris gebracht. Wie eine Aktennotiz des Mitarbeiters der Kunstschutzabteilung, Dr. Carlheinz Pfitzner (1908 – 1944), vom 26. August 1940 verdeutlicht, betraf diese Beschlagnahmung rund 50 jüdische Privatsammlungen und hatte einem Gesamtwert von 30 bis 50 Millionen Franc.9 Weiterhin berichtete Pfitzner über die unsachgemäße Behandlung der Kunstwerke beim Abtransport sowie schlechte Aufbewahrungsbedingungen in Räumen der deutschen Botschaft in der Rue de Lille. Ein Gespräch mit Kurt Martin (1899 – 1975), dem Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen Karlsruhe, überliefert zudem die Dringlichkeit einer baldigen Einschaltung des Kunstschutzes in die „Sicherstellungen“ und der sachgemäßen Erfassung der entfremdeten Sammlungen. Für diese Aufgabe beauftragte die deutsche Botschaft Paris den Kunsthistoriker Dr. Erich Meyer (1897 – 1967) aus dem Berliner Schlossmuseum, der die Geschäftspapiere der Häuser Seligmann, Bernheim-Jeune u. a. sichtete und anschließend Inventarlisten der in der Botschaft gelagerten Sammlungen anfertigte.10 Die fünf Listen aus der „Geheimakte Bunjes“ ähneln diesen Listen, die Erich Meyer anfertigte, sind jedoch nicht ganz identisch. Eine kleine Aktennotiz des Kunsthistorikers Dr. Ulrich Wirth aus dem Jahr 1942 jedoch klärt die Provenienz dieser Listen.11 Als der ERR , der seit dem 5. November 1940 für den Abtransport jüdischer Sammlungen zuständig war, im Verlauf des Monats 202 Kisten mit mehreren jüdischen Kunstsammlungen von der deutschen Botschaft Paris erhielt, erwiesen sich die beigefügten Listen als fehlerhaft und unzureichend. Es stellte sich heraus, dass es sich bei diesen Listen nicht um die Originallisten handelte, die Erich Meyer angefertigt hatte, sondern um wesentlich gekürzte Abschriften, in denen nähere Beschreibungen, Datierungen und Angaben zum Zustand der Objekte fehlten. Der Umfang des enthaltenen Materials stimmte nicht überein und einige Objekte waren nicht in den Listen vermerkt. Im Bundesarchiv finden sich Listen, die Wirths Notiz beigefügt wurden 12 und die identisch mit denen im Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternich (künftig NL FGWM ) sind. Es handelt sich um die Listen der Kunstsammlungen Jacques, André und Arnold Seligmann, Bernheim-Jeune sowie Fernand und Emile Halphen. Die von Karl Epting (1905 – 1979), Kulturreferent der deutschen Botschaft, und Eberhardt von Künsberg (1909 – 1945), Wissenschaftler im Auswärtigen Amt, in mehreren Aktionen 13

9 NL FGWM, Nr. 187, Aktennotiz vom 26. 08. 1940, gez. Pfitzner. 10 NL FGWM, Nr. 187, Abschrift eines Berichts von Wolff Metternich vom 03. 09. 1940. 11 Bundesarchiv, Standort Koblenz (künftig BArch) B323/267, pag. 38. 12 BArch B 323/267, B 323/287. 13 Von Künsberg bekam zusammen mit seinem Sonderkommando den Auftrag, die Akten des französischen Außenministeriums zu beschlagnahmen. Mit der „Aktion Künsberg“ hatte er 1500 Kunstobjekte aus jüdischem und „deutschfeindlichem“ Besitz aus dem Bergungsort im Schloss Chambord beschlagnahmt und nach Berlin zu überführen versucht: Haase, Kunstraub (wie Anm. 7), S. 67.

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­zwischen Juni und August 1940 durchgeführten Beschlagnahmungen wurden – wie es die Korrespondenz überliefert – vom Kunstschutz stark kritisiert. Graf Wolff Metternich sah dabei das Ansehen der Militärverwaltung bei den Franzosen geschädigt.14 Sogar die amerikanische Presse berichtete über den deutschen Raub in Frankreich.15 Zu dieser Zeit war der ERR noch nicht offiziell an den „Sicherstellungen“ des jüdischen Besitzes beteiligt. Wolff Metternich dokumentierte Anfang September 1940, dass der ERR erst während der „Aktion Rosenberg“ 16 mit der Durchsuchung von Bibliotheken, Archiven und Logen nach für Deutschland wertvollen Schriften beschäftigt war. Das Tätigkeitsfeld des ERR beschränkte sich dabei lediglich auf die Sichtung und Erfassung, wohingegen eine Beschlagnahmung und der Abtransport durch die Militärverwaltung veranlasst wurden.17 Erst am 17. September 1940 ermächtigte Hitler Reichsleiter Alfred Rosenberg (1893 – 1946) und seinen Vertreter Georg Ebert (1898 – 1941?), die ihnen wertvoll erscheinenden Kulturgüter nach Deutschland zu transportieren und dort sicherzustellen.18 Der Hitler-Befehl wurde Staatsrat Turner übermittelt, der eine wichtige Rolle im Kunstraub behalten sollte, da er anordnete, den Louvre als Sammelstelle für alle beschlagnahmten, insbesondere jüdische, Kulturgüter einzurichten und sie hier zu inventarisieren. Er kontrollierte außerdem die Aktionen der deutschen Botschaft und schlug die Kunsthistoriker Dr. Günther Schiedlausky (1907 – 2003), Dr. Hertzsch 19 aus den Staatlichen Museen zu Berlin und den Kunsthändler Julius Harry Böhler (1907 – 1979) für die Erfassung der Inventarlisten vor.20 Turner wurde auch darüber informiert, dass Göring die beschlagnahmten Kunstschätze im Louvre in Augenschein nehmen wollte.21 Dass der Kunstschutz z­ wischen Juni und August 1940 nicht in der Lage war, die Beschlagnahmungen seitens von Künsbergs oder der deutschen Botschaft zu verhindern, wurde oben bereits festgestellt. Der Kunstschutzbeauftragte für Paris, Hermann Bunjes, war jedoch direkt in einige Fälle der Kulturgutentziehungen im Auftrag des NS-Regimes involviert: Die Anfang Juli 1940 beschlagnahmte Sammlung der Kunsthandlung Arnold Seligmann & 14 Abschrift eines Berichts von Wolff Metternich (wie Anm. 10). 15 Ebd. 16 Die Aktion Rosenberg fand wahrscheinlich im Sommer 1940 statt. Beauftragt wurde Rosenberg durch ein Schreiben des Chefs des OKW vom 05. 07. 1940, Nr. 2850/40. In seinem Bericht erwähnte Wolff Metternich, dass am 18.8. die Herren Dr. Grote, Dr. Grauer und Dr. Heine das Haus Rothschild im Sinne des genannten Auftrages durchforscht haben und am 28.8. zahlreiche Bibliotheksbestände enteignet und nach Berlin gebracht wurden (NL FGWM , Nr. 187, Abschrift eines Berichts von Wolff Metternich vom 3. 9. 1940). Dies weist darauf hin, dass die Aktion des ERR auch schon vor dem sogenannten Hitler-Erlass vom 17. September 1940 (siehe unten) stattgefunden haben könnte. 17 Abschrift eines Berichts von Wolff Metternich (wie Anm. 10). 18 NL FGWM , Nr. 187, Abschrift eines Briefs vom Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, ­Wilhelm Keitel. 19 Vorname und Lebensdaten konnten bisher nicht ermittelt werden. 20 NL FGWM, Nr. 187, Entwurf eines Briefs von Turner an ERR. 21 Ebd., Vermerk vom 08. 11. 1940.

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fils kann als ein anschauliches Beispiel dafür dienen.22 Am 1. Juli 1940 beschlagnahmte eine Gruppe deutscher Zivilisten mit einem französischen Kommissar in der Kunsthandlung zwölf Gegenstände. Die genannten Personen waren Dr. Erich Meyer und der französischer Kunstexperte M. Jacques Beltrand (1874 – 1977), der auf Bunjes’ Empfehlung bereits im Sommer 1940 zum offiziellen Kunstschätzer Görings wurde. Sie hatten während dieser Besichtigung mehrere Gobelins ausgesucht und für eine Wertschätzung mitgenommen.23 Am 6. und 8. Juli 1940 fanden weitere Beschlagnahmungen von Objekten amerikanischer, holländischer, französischer und griechischer Besitzer durch die GFP statt.24 Die Sekretärin der Kunsthandlung Seligmann, Lucie Botton, wurde aufgefordert, eine Liste der Gegenstände, deren Wert über 100.000 Franc lag, anzufertigen. Als der Besitzer der Kunsthandlung Jean Seligmann, der davor zum Militär eingezogen worden war, zurück nach Paris kam, versuchte er die Finanzlage seiner Familie zu verbessern und den Betrieb des am 21. Juni 1940 von der deutschen Botschaft Paris beschlagnahmten Geschäfts wieder aufzunehmen.25 Doch dafür musste er die Erlaubnis der deutschen Militärverwaltung erhalten. Aus einem Brief an Turner ist zu erfahren, dass gerade Bunjes eine Erlaubnis zur Wiedereröffnung der Kunsthandlung geben könne, wenn Seligmann sich nach seiner Rückkehr am 25. September 1940 diesbezüglich bei ihm melden würde.26 Bunjes seinerseits antwortete nicht auf die weiteren Anfragen von Seligmann, gegen den im Folgejahr wegen des Verdachtes der Spionage ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde.27 Ob die Kunsthandlung wieder eröffnet wurde, ist unbekannt. Jedoch kann anhand einer in einem Bericht festgehaltenen Stellungnahme des Botschaftsrats Dr. Epting über Seligmann als Deutschen- und Kriegs-Hetzer sowie als gefährliches Subjekt auf eine negative Antwort geschlossen werden.28 Hermann Bunjes’ direkte Auseinandersetzung mit jüdischem Kunstbesitz ist seit August 1940 durch die „Geheimakte Bunjes“ nachzuvollziehen. So verfügte er in einem Schreiben an das Devisenschutzkommando (DSK) am 14. August 1940, in den bereits durchsuchten Räumen der Firma Marcel Bernheim eine Kiste mit 32 Bildern des Künstlers Albert Marquet (1875 – 1947) sicherzustellen. Als sich herausstellte, dass die Gemälde nicht aufzufinden waren, begann Bunjes eine umfangreiche Suchaktion zusammen mit der GFP. Die Bilder wurden 22 Die im NL FGWM überlieferten Akten und Akten aus dem Bundesarchiv bringen die Chronologie der „Sicherstellung“ der Kunsthandlung Arnold Seligmann & fils ans Licht: BArch B 323/287, pag. 266 – 275. Die Liste der mitgenommenen Kunstwerke befindet sich ebenfalls im NL FGWM. 23 Dabei handelte es sich um die von Göring entwickelten Abläufe, bei denen die sequestrierten Kunstwerke geschätzt und anschließend gekauft wurden. Somit versuchte er, entgegen dem Vorwurf der Ausnutzung der Notlage, „korrekt“ zu handeln, vgl. Haase, Kunstraub (wie Anm. 7), S. 266. 24 NL FGWM, Nr. 187, Abschrift der Aktennotiz vom 24. 08. 1940, gez. Kuetgens. 25 BArch B 323/287, Verantwortliche Vernehmung von Jean Seligmann durch GFP vom 14. 03. 1941, pag. 273 und ebd., Bericht der GFP vom 15. 03. 1940, pag. 275. 26 Ebd., Brief von Seligmann an Turner vom 14. 10. 1940, pag. 268. 27 Ebd., Schlussbericht der GFP vom 10. 04. 1941, pag. 295. 28 Ebd., Bericht der GFP vom 15. 03. 1940, pag. 275.

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im September 1940 bei dem Galeristen Girard vorgefunden und für die weitere Verwahrung bei ihm belassen. Der erhebliche Aufwand für die Suchaktion ist wohl damit zu begründen, dass der Künstler Marquet von den Nationalsozialisten hoch geschätzt wurde. Einige seiner Gemälde findet man beispielweise in den Inventarlisten des geplanten Führer-Museums in Linz.29 Doch war die Entscheidung, die Kiste mit Kunstwerken nicht einzuziehen, damit verbunden, dass es sich um den Besitz des Künstlers und nicht der jüdischen Kunsthandlung handelte. Des Weiteren beschäftigte sich Bunjes mit der Anfrage des Reichsstatthalters in Tirol und Vorarlberg, der eine kleine aus dem italienischen Castel Thun an die Familie ­Rothschild verkaufte Kunstsammlung zurückforderte. In seiner Antwort schrieb Bunjes, dass die angefragten Gegenstände zunächst nicht vorgefunden werden konnten, er werde aber bei der Erfassung des Rothschild’schen Besitzes darauf achten.30 Bei Besichtigungen von Schlössern, die er im Rahmen des Kunstschutzes durchführte, erhielt Bunjes auch Eindrücke von den dort jeweils zurückgelassenen Kulturgütern oder wurde über s­olche informiert, wie am 10. September 1940, als man ihn davon in Kenntnis setzte, dass im Schloss de la Folie bei Draveil eine jüdische Kunstsammlung gesichert werden müsse.31 Nach seinem Besuch in Draveil fragte Bunjes den Ministerialdirigenten Franz Albrecht Medicus (1890 – 1967) nach dem weiteren Schicksal der dort aufbewahrten Sammlung Lévy de Benzion.32 Er betonte dabei, dass die wertvollsten Gegenstände in den Louvre transferiert werden sollten, bis über ihre weitere Verwendung entschieden werde. Der NL FGWM enthält keine vollständige Liste der Sammlung Lévy de Benzion. In seinem Schreiben an Medicus nannte Bunjes lediglich u. a. Werke der Künstler van Gogh, Corot, Rodin und Degas. Auf Anordnung Turners mussten die beschlagnahmten Sammlungen ab Ende September 1940 in den Louvre überführt werden. So schickte Wolff Metternich die im Schloss Mareil de Guyon vorgefundene Sammlung von David-Weill, in Originalverpackung und mit Signaturen auf den Kisten, nach Paris. Eine Liste der nummerierten Kisten befindet sich im NL FGWM . Auch die Sammlungen der Familie Rothschild aus den Schlössern in Gretz-Armainvilliers und Ferrières-en-Brie, die zuerst von Dr. Reischel 33 und Prof. Dr. Ernst aus Linz 34 im Auftrag der deutschen Botschaft abtransportiert worden waren, kamen schließlich nach internen Nachforschungen in den Louvre.35 Als sämtliche Sammlungen aus der Botschaft in den Louvre überführt werden sollten, vereinbarte Botschafter Abetz mit dem ERR , dass dieser rund 100 Objekte in der ­Botschaft, 29 30 31 32 33 34 35

Haase, Kunstraub (wie Anm. 7), S. 147 – 158. Entwurf des Briefs von Bunjes an den Reichsstatthalter in Tirol und Vorarlberg (wie Anm. 4). NL FGWM, Nr. 187, Medicus in einem Vermerk an Bunjes vom 10. 09. 1940. Ebd., Brief von Bunjes an Medicus vom 23. 09. 1940. Vorname und Lebensdaten konnten bisher nicht ermittelt werden. Vorname und Lebensdaten konnten bisher nicht ermittelt werden. NL FGWM, Nr. 187, Brief der französischen Museumsdirektion an Turner vom 07. 10. 1940.

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zu deren repräsentativer Ausstattung, zurücklassen sollte.36 Am 20. Mai 1941 vermerkte Dr. Schiedlausky, der die überführten Kulturgüter im Louvre inventarisierte, dass mehrere Positionen aus den Sammlungen Jacques und Arnold Seligmann sowie Fernand Halphen fehlten.37 Durch seine Mitarbeit an den „Sicherstellungen“ jüdischer Kulturgüter konnte Bunjes also mit dem ERR, der seit Oktober 1940 mit Unterstützung Görings zunehmend bei den Beschlagnahmungen in den Vordergrund trat, vertrauliche Beziehungen aufbauen. Obwohl jede Zusammenarbeit mit dem ERR von der französischen Seite oder der Militärverwaltung oft negiert wurde,38 konnte Bunjes im Louvre die beschlagnahmten Kunstwerke sichten und die Inventarisierungsarbeit des Kunsthistorikers Schiedlausky kontrollieren. Bunjes war auch über die vom DSK  – dies unterstand ebenfalls Göring – durchgeführten Beschlagnahmungen der Bankschließfächer informiert. Bereits im August 1940 wies er auf die im Depot der Chase Bank aufbewahrten Gemälde des Perlen- und Diamantenhändlers Alfred Lindenbaum hin und ließ sie durch das DSK sicherstellen.

1.3 Hermann Bunjes und die „Sicherstellungen“ nach dem 5. November 1940 Am 5. November 1940 veranlasste Göring, dass nach der Erfassung aller jüdischen Sammlungen die darin festgestellten Kunstwerke nach Bedeutungsgrad einzustufen s­eien: Die besten Kunstwerke gingen in die Hitler-Sammlung nach Linz, weniger bedeutende an die Reichsmarschälle, andere wurden der Hohen Schule der NSDAP sowie deutschen und französischen Museen zugeteilt (Abb. 1). So konnte sich Göring kostbare Kunstwerke für seine Sammlung aussuchen und entsprechend einer Wertschätzung gegen Barzahlung auf ein Sperrkonto in seinen Besitz bringen. Basierend auf Görings Verfügung hatte Bunjes am gleichen Tag einen Brief an Dr. Karl Ott (1891 – 1977) aus dem Reichsministerium für Propaganda verfasst und auf die Möglichkeit eines Ankaufs aus dem jüdischen Besitz für Minister Joseph Goebbels (1897 – 1945) hingewiesen.39 Görings Besichtigungen der für ihn im Louvre zusammengestellten Kunstwerke aus beschlagnahmten jüdischen Sammlungen belegen eine Kooperation ­zwischen dem ERR und Bunjes: Diesem wurden wichtige Aufgaben zugeteilt, wie etwa die Begleitung Görings am 5. Februar 1941 bei einem seiner zahlreichen Besuche des Jeu de Paume, eines weiteren Sammellagers des ERR . In einer späteren Aktennotiz schrieb Bunjes, dass bei ­diesem Termin Wolff Metternich und sein Stellvertreter Bernhard von Tieschowitz auch anwesend 36 37 38 39

Siehe Ebeling, Die deutsche Botschaft (wie Anm. 8). BArch B 323/288, Bd. 19, pag. 114 – 128. NL FGWM, Nr. 187, Abschrift des Briefs von de Boisanger an Hemmen vom 10. 02. 1942.

Ebd., Brief von Bunjes an Ott vom 05. 11. 1940.

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Abb. 1  Verordnung von Hermann Göring vom 5. November 1940, eigenhändiger Kommentar und Unterschrift.

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waren, wobei Göring beiden mitteilte, dass er auf ihre Anwesenheit bei der Besichtigung keinen Wert lege.40 In einer Aktennotiz vom 13. März 1941 berichtet Bunjes über einen Termin mit Göring am Vortag, wo er über den Aufbau und die Tätigkeit des Kunstschutzes sowie über die Tätigkeit des ERR bei der Erfassung des jüdischen Kulturbesitzes berichtete: Göring bat um Auskunft über die Stellungnahme seitens der Kunstschutzorganisation bezüglich der Erfassung „herrenlosen“ jüdischen Besitzes. Weiterhin forderte Göring Unterrichtung über den Stand der Angelegenheit Rückführung des [durch Franzosen] geraubten deutschen Kunstgutes nach Deutschland, woraufhin Bunjes darlegte, dass Erhebungen seitens des Kunstschutzes durchgeführt, dokumentiert und danach an Wolff Metternich zur weiteren Entscheidung übergeben würden. Seitdem sei in dieser Angelegenheit durch den Kunstschutz nichts mehr unternommen worden, teilte Bunjes schließlich mit.41 Im Mai 1941 bekam der ERR in allen strittigen Angelegenheiten volle Unterstützung von Göring. Die Zuständigkeit der Militärverwaltung bei der Behandlung des jüdischen Besitzes und somit die Kontrolle über den ERR sollte mit Kurt von Behr (1890 – 1945), dem Leiter der Dienststelle Westen beim ERR, noch geregelt werden. Nichtsdestotrotz kritisierte Bunjes in seinem Schreiben an den Chef des Verwaltungsstabes Paris, Franz Rademacher (1906 – 1973), den Abtransport des „sichergestellten“ jüdischen Kunstbesitzes nach Deutschland, weil es für diese Aktion keine rechtliche Grundlage gebe. Außerdem weite der ERR seine Aktionen auf französische Museumsdepots aus, worauf der Militärbefehlshaber in Frankreich dringend reagieren müsse.42 Eine handschriftliche Notiz auf d ­ iesem Schreiben weist darauf hin, dass sich Bunjes damit den Rücken freihalten wollte.43 Was die Rechtslage zum Abtransport des geraubten jüdischen Besitzes nach Deutschland anging, so entwarf das Reichsaußenministerium eine rechtliche Grundlage dafür und ließ sich vom Kunstschutz beraten. Botschafter Abetz schickte einen Entwurf des Gesetzes an Wolff Metternich, in dem es darum ging, der jüdischen Bevölkerung von Paris eine Geldbuße in Höhe von 1 Milliarde Franc in Form von Kunstgegenständen, Bankguthaben usw. zur Lösung der Judenfrage sowie zur Linderung der Kriegsschäden in Frankreich aufzuerlegen.44 Abetz bat um das Einverständnis Wolff Metternichs. Dieser nahm in seiner Antwort dazu keine Stellung, da der Kunstschutz bereits am 5. November 1940 durch Görings Befehl der Verantwortung für Beschlagnahmen entbunden worden war.45 Hermann Bunjes arbeitete jedoch weiterhin mit dem ERR zusammen. Nach dem Inkrafttreten des genannten Gesetzes forderte er Ende 1941 eine erneute Durchkämmung der 40 Ebd., Aktennotiz von Bunjes vom 06. 02. 1940. 41 Ebd., Aktennotiz von Bunjes vom 13. 03. 1941. 42 Ebd., Abschrift des Briefs von Bunjes an Rademacher vom 03. 07. 1940. 43 Ebd. 44 NL FGWM, Nr. 187, Vortragsnotiz vom 15. 07. 1941, gez. Luther. 45 Ebd., Schreiben vom 26. 11. 1941.

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Wohnungen reicher Juden, womit die gewünschte Summe sicherlich hätte erreicht werden können.46 Beschlagnahmt werden sollten an erster Stelle die Kunstwerke und Einrichtungsgegenstände von künstlerischem Wert sowie Bankdepots und -guthaben. Diese Aufgabe wurde neben dem Kommandanten von Paris der Gruppe Kunstschutz und Bunjes zugeteilt.47 In einem letzten in der „Bunjes-Akte“ überlieferten Bericht vom 4. März 1942 dokumentierte Bunjes seine Tätigkeit als Beauftragter für Kunstschutz in Paris. Neben Aufgaben wie Denkmalpflege, Wiedereröffnung der Museen und Vorbereitung der Rückführung der deutschen Kunstgüter beschrieb er seine Teilnahme an den „Sicherstellungen“ des jüdischen Kunstbesitzes. Bunjes war laut seiner Aussage mit der Inventarisierung und Verpackung der in den Louvre transferierten Gegenstände beschäftigt. Als der ERR die Aufgabe der „Sicherstellung“ des jüdischen Kunstbesitzes übernahm, wurde Bunjes stets über die im Jeu de Paume durchgeführten Erfassungsarbeiten unterrichtet. Vor dem Abtransport der Sammlungen nach Deutschland musste er noch die verpackten Kisten überwachen, um Diebstähle und Beschädigungen zu vermeiden. In d ­ iesem Bericht wird die beschriebene und durch Quellen belegte Zusammenarbeit mit dem ERR absichtlich oberflächlich dargestellt. So blieb beispielweise seine Teilnahme Ende 1941 an der erneuten Durchkämmung des jüdischen Kunstgutes in Paris und Umgebung unerwähnt. Dass Unterlagen über die Tätigkeit Hermann Bunjes’ im Kunstschutz gesammelt wurden, stellt ihn und seine Tätigkeit in Paris z­ wischen 1940 und 1944 unter Verdacht. Die überlieferten Informationen über Bunjes’ Beziehungen zum ERR mit seinen räuberischen Aktionen sind komplexer, als er sie im Tätigkeitsbericht im Jahr 1942 beschreibt. Diese Tatsache soll als Anregung für weitere Forschungen zu seiner Person dienen.

2 Provenienzforschung 2.1 Forschungsergebnisse zur Auswertung der Listen Die Listen der in Paris beschlagnahmten jüdischen Sammlungen in der „Geheimakte Bunjes“ sind in unterschiedlicher Form überliefert. Die ersten Recherchen zeigten, dass die insgesamt elf Listen nicht allein im NL FGWM zu finden sind, sondern sich auch in den Beständen des Bundesarchivs (BArch B 323/260; B 323/267 – 269; B 323/276; B 323/288) und des französischen Nationalarchivs (AJ/40/1036) befinden. Es sind zum einen abgekürzte Versionen der Originallisten von Dr. Meyer, die vor der Überführung aus der deutschen Botschaft Paris in den Louvre erstellt wurden. Zu dieser Kategorie gehören inventarisierte Sammlungen von Jacques, André und Arnold Seligmann, der Kunsthandlungen Bernheim-Jeune sowie Fernand und Emile Halphen. Sie wurden mit Signaturen I bis IV (Seligmanns und Bernheim-Jeune) 46 Ebd., Vermerk von Bunjes, ca. Ende 1941/Anfang 1942. 47 Ebd., Bunjes deckt sich den Rücken!, handschriftliche Notiz, ohne Autor oder Datum.

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und A, B (Halphens) und fortlaufender Nummerierung für jeweilige Sammlung versehen. Es sind außerdem zwei Listen vorhanden, die vom DSK erstellt wurden, weil diese Listen aus jüdischen Bankdepots entnommen worden waren. Bei diesen Listen geht es um die Sammlungen Arthur Weil-Picard und Charles Bloch. Die restlichen beschlagnahmten Sammlungen (David David-Weill, Moïse Lévy de Benzion, Kunstsammlung Arnold Seligmann & fils) sind in der Korrespondenz und den Aktennotizen oft nicht komplett aufgelistet. Die in der Korrespondenz erwähnten „sichergestellten“ Bibliotheken der Schlösser in Draveil sowie die von der italienischen und französischen Militärverwaltung gesuchte Sammlung der Frankfurter Familie Rothschild aus dem Schloss Thun ergänzen die genannten Listen, wurden aber nicht weiter untersucht. Warum sich die „Geheimakte Bunjes“ darüber hinaus auch im NL FGWM befindet, konnte während der Recherche bereits geklärt werden. Laut dem sogenannten BargatzkyBericht verwahrte der Militärbefehlshaber General Otto von Stülpnagel (1878 – 1948) nach seinem Dienstantritt im Frühjahr 1942 die Akten der Gruppe Kunstschutz für die spätere Beweissicherung der Kunstraubaktionen und ließ sie in ein Schloss im Protektorat Böhmen und Mähren überführen. Im Herbst 1944 stellte die Militärverwaltung diese Akten in Potsdam sicher.48 Aber die im NL FGWM befindliche Akte hatte von Tieschowitz als neuer Leiter des militärischen Kunstschutzes ­zwischen 1943 und 1944 zusammen mit anderen wichtigen Akten des Kunstschutzes in das rheinische Denkmalamt nach Bonn, den Dienstsitz Wolff Metternichs als rheinischer Provinzialkonservator, bringen lassen.49 Während des Aufbaus der Datenbank konnten einige Informationen über die Besitzer von elf beschlagnahmten Sammlungen ermittelt werden. Jacques Seligmann (1858 – 1923) gründete im Jahr 1880 Galerie Jacques Seligmann & Co in Paris, in der u. a. sein Bruder Arnold Seligmann (1860 – 1935) arbeitete.50 Die Galerie spezialisierte sich auf Antiquitäten, Kunsthandwerk und Kunst der Renaissance und lieferte Kunstwerke für die größten europäischen und amerikanischen Sammlungen.51 Arnold ­Seligmann trennte sich 1912 nach einem Streit von Jacques und eröffnete seine eigene Galerie an der Place Vendôme 23 in Paris. Jacques’ Sohn Germain (1893 – 1978) leitete seit 1920 die 1904 in New York eröffnete zweite Filiale. Nach dem Tod seines Vaters 1923 wurde er zum alleinigen Besitzer der Filialen in Paris und New York. Mitte der 1920er Jahre handelte

48 Dokumentation zum Nationalsozialistischen Kunstraub in Frankreich siehe Wilhelm Treue, Zum nationalsozialistischen Kunstraub in Frankreich. Der „Bargatzky-Bericht“, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 13 (1965), H. 3, S. 285 – 337. 49 NL FGWM, Nr. 251, Taschenkalender Bernhard von Tieschowitz, 12. 08. 1944 Akten vernichtet und verpackt. Genauer zum NL FGWM und diesen Aktenverschickungen siehe: Esther Heyers wissenschaftliche Einleitung, „Als künstlerisch wertvoll unter militärischem Schutz!“, in ­diesem Band. 50 Homepage der Central Registry of Information on Looted Cultural Property 1933 – 1945: https:// www.lootedart.com/MFEU4A31003 (Stand: 29. 08. 2021). 51 Homepage der Frick Collection: https://research.frick.org/directory/detail/504 (Stand: 29. 08. 2021).

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Seligmann überwiegend mit Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts, insbesondere mit Werken der französischen Moderne.52 Gleichzeitig baute er seine eigene Sammlung auf, die 1940, zusammen mit Pariser Galeriebeständen, von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurde. Nach dem Kriegsende setzte sich Germain mit der Restitution der Pariser Sammlung auseinander. Mit wenigen Ausnahmen wie z. B. einigen Gemälden oder Plastiken, die für die Göring-Sammlung ausgewählt worden waren, konnte die Sammlung vollständig an ihn restituiert werden. Bemerkenswert ist das Schicksal einiger Möbelstücke, die vom Central Collecting Point (CCP) aus München nach Frankreich repatriiert, aber wohl nicht ­restituiert wurden. Diese Möbelstücke sind auch nicht in den Katalogen der Musées Nationaux Récupération (MNR), einer Datenbank der nach Frankreich repatriierten herrenlosen Kulturgüter, zu finden. Arnold Seligmann führte die Galerie Arnold Seligmann & Co (zeitweise Arnold ­Seligmann & fils) bis zu seinem Tod 1932. Sein Sohn Jean A. Seligmann (1903 – 1941) übernahm die Kunsthandlung, die 1940 mehrmals von Nationalsozialisten durchsucht wurde. Die zwölf aufgelisteten Tapisserien, die vom Kunsthändler Angerer abgeholt wurden, konnten aufgrund von zu allgemeinen Angaben auf der Liste nicht mehr gefunden werden. ­Seligmanns private Sammlung in der Rue du Faubourg Saint-Honoré in Paris beschlagnahmte die deutsche Botschaft Paris bereits im Juli 1940. Sie bestand aus Gemälden, ­Plastiken, Kunstgewerbe und Möbeln des 16. bis 19. Jahrhunderts und wurde nach dem Krieg nur zu ca. 65 Prozent restituiert. Über die Sammlung des zweiten Sohnes von Jacques Seligmann, André (1898 – 1945), der mit seiner Familie nach New York flüchtete und dort 1941 eine Galerie eröffnete,53 ist wenig bekannt. 1938 besuchte Göring seine Galerie in Paris, die 1940 zusammen mit weiteren jüdischen Kunstsammlungen beschlagnahmt wurde. Nach dem Kriegsende kehrte André nach Paris zurück und starb dort wenige Monate s­ päter. Die Sammlung, die in der Rue du Faubourg Saint-Honoré 128 in Paris beschlagnahmt worden war, bestand aus Gemälden, Plastiken, Kunsthandwerk und Möbeln aus der Zeit ­zwischen 1400 und 1800. Nach dem Krieg wurde sie größtenteils restituiert. Von rund 200 Objekten aus der Liste im NL FGWM ist eine Position mit Sicherheit heutzutage nicht mehr auffindbar. Es geht um eine Hostienbüste (Limoges) aus dem 15. Jahrhundert, die auf der Liste angekreuzt ist. Die gesamte Sammlung des Bankiers und Kunstförderers David David-Weill (1871 – 1952), bestehend aus Kunstwerken und Möbeln des 18. Jahrhunderts, Gemälden der Impressionisten, Kunsthandwerk des 16. bis 17. Jahrhunderts und ägyptischen Antiquitäten, ist nicht im Nachlass Wolff Metternich aufgelistet. Die Akte überliefert lediglich einen Teil seiner großen Sammlung, die in den Kisten im Château de Mareil-le-Guyon gelagert wurde. 52 Homepage des Metropolitan Museum of Art: https://www.metmuseum.org/art/libraries-and-­ research-centers/leonard-lauder-research-center/research/index-of-cubist-art-collectors/jacquesseligmann-cie (Stand: 29. 08. 2021). 53 Norman Palmer, The Recovery of Stolen Art. A Collection of Essays, London u. a. 1998, S. 74.

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Einige Bestände der Sammlung David-Weill waren während des Krieges nach Genf und in die Vereinigten Staaten in Sicherheit gebracht worden,54 andere fand Bunjes im April 1941 im Château de Sourches.55 Die Sammlung aus dem Schloss Mareil-le-Guyon wurde Anfang Juli 1940 von einem französischen Lehrer entdeckt.56 Das Gebäude fand er ausgeplündert, er dachte, dass dort Gemälde aus den französischen Museen sichergestellt ­seien. Weitere Recherchen haben ergeben, dass sich in rund 35 Kisten etwa 630 Objekte befanden, die nach dem Krieg größtenteils restituiert werden konnten. Die 14 von der deutschen Botschaft Paris beschlagnahmten Kunstwerke der Kunsthandlung Bernheim-Jeune sind Gemälde und Grafiken aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Die Galerie Bernheim-Jeune, mit ihrer Niederlassung in der Rue du Faubourg Saint-Honoré 83, vertrat seit ihrer Gründung 1863 französische zeitgenössische Künstler.57 Unter der Leitung von Josse Bernheim-Jeune (1870 – 1941) und seinem Bruder Gaston BernheimJeune (1870 – 1953) etablierte sich die Galerie im Pariser Kunsthandel und unterstützte Bonnard, Cézanne, Cross, Dufy, Matisse, Modigliani, Rousseau, Seurat, Utrillo, van Dongen, Vlaminck und Vuillard. Vor der Besatzung von Paris durch die Deutschen floh Josse nach Lyon und Gaston nach Monte-Carlo. Ihre Galerie- und Privatsammlungen nahmen sie dabei größtenteils mit. Sie waren aber gezwungen, einige Kunstwerke in Paris zu lassen, die dann entweder enteignet oder zerstört wurden. Nach dem Krieg konnten alle von der deutschen Botschaft in Paris beschlagnahmten Kunstwerke an die Familie restituiert werden. Der Industrielle und Kunstsammler Arthur Weil-Picard (auch Veil-Picard, 1854 – 1944) ließ seine grafische und Miniatursammlung in der Banque de France aufbewahren. Dort wurde sie im Oktober 1940 während der Sichtung der Bankdepots vom DSK beschlagnahmt. Eine Liste von 125 Kunstwerken wurde mit Preisangaben des Besitzers an Rademacher verschickt. Da die Angaben zu Kunstwerken fehlerhaft und unvollständig geschrieben wurden, konnten sie während der Recherche oft nicht zugeordnet werden. Jedoch überliefert die ERR-Datenbank, in Form von digitalisierten Karteien zu den vom ERR inventarisierten Kunstwerken, alle 125 Objekte aus dem Schließfach von Weil-Picard.58 Laut dieser Datenbank wurde der größte Teil der Sammlung 1946 an die Erben Weil-Picard restituiert. In der Sammlung von Moïse Lévy de Benzion (1873 – 1943), einem ägyptischen Kaufhausbesitzer und Kunstsammler, befanden sich zahlreiche Objekte chinesischer und fernöstlicher

54 Homepage des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste: http://www.lostart.de/Content/051_­ ProvenienzRaubkunst/DE/Sammler/D/David-Weill,%20David.html (Stand: 29. 08. 2021). 55 Haase, Kunstraub (wie Anm. 7), S. 184. 56 NL FGWM, Nr. 187, Schreiben von René Lasne vom 07. 09. 1940. 57 Homepage der Frick Collection: https://research.frick.org/directory/detail/71 (Stand: 29. 08. 2021.). 58 Homepage der Datenbank der Kunstwerke im Jeu de Paume: https://www.errproject.org/­jeudepaume/ card_advanced_search.php?Query=Banque&OwnerId=119&StartDoc=4&MaxPageDocs=50 (Stand: 29. 08. 2021).

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Kunst, Teppiche, Antiquitäten und Werke moderner Kunst.59 Im Schloss de la Folie wurden, nach Angaben der ERR-Datenbank, rund 800 Objekte gefunden, aber nur die Hälfte davon ging nach dem Krieg an Lévy de Benzions Erben zurück. Während der Erfassung der weiteren drei Sammlungen konnten über ihre Besitzer Charles Bloch, Emile Halphen und Fernand Halphen nur wenige Informationen gefunden werden. Aus den Inventarlisten zu den Sammlungen Emile und Fernand Halphen, die in den französischen Zweig der Familie Rothschild eingeheiratet hatten, ist nur bekannt, dass sie aus Kunsthandwerk, Möbeln und wenigen Gemälden des 18. bis 19. Jahrhunderts bestanden und in der Rue Dumon d’Urville 51 (Fernand) bzw. der Avenue Henri Marin 18 (Emile) von der deutschen Botschaft Paris beschlagnahmt wurden. Wie es öfter der Fall war, wurden auch Fernand und Emile Halphens Möbel und Kunsthandwerkobjekte nach dem Krieg nach Frankreich repatriiert und verblieben, als „herrenlos“ bezeichnet, bei den MNR. Weder Publikationen zum Kunstraub noch umfangreiche Archivrecherchen ergaben irgendwelche Informationen zur Person Charles Bloch und dem Schicksal seiner Sammlung französischer Kupferstiche. Im französischen Nationalarchiv befinden sich lediglich Unterlagen des DSK mit der gleichen Liste der beschlagnahmten Kunstwerke wie im NL FGWM und der an Charles Bloch adressierten Mitteilung über die „Sicherstellung“ seiner Sammlung.60

2.2 Zur Struktur und Nutzung der Datenbank mit den ausgewerteten Listen Obwohl die im NL FGWM befindlichen Listen nicht die originalen Listen der enteigneten jüdischen Sammlungen darstellen, sollen die durchgeführten Recherchen weitere Forschungen zu Pariser Privatsammlungen anregen. Die Besonderheit der erstellten Datenbank liegt darin, dass sie Informationen aus den Karteikarten des ERR und des CCP München sowie der MNR-Datenbank zu den meisten Gegenständen vereint überliefert und sowohl über die Abläufe der Arbeit im ERR als auch über Restitutionen der Nachkriegszeit informieren kann. Vor allem erscheint die Vorgehensweise bei der Inventarisierung im Jeu de Paume, die Tätigkeit und Zuständigkeit der sogenannten Arbeitsgruppe Füssen (Kunsthistoriker des ERR) sowie die Zuordnung bestimmter Sammlungen zu unterschiedlichen Bergungs- und Lagerungsorten von besonderer Bedeutung. Die Tabelle, die in der Datenbank https://kunstschutz-wolff-metternich.de/ unter NL FGWM Akte 187 eingestellt ist, enthält insgesamt 812 Positionen mit Angaben zu Kunstwerk, 59 Homepage des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste: http://www.lostart.de/Content/051_Prove​ nienzRaubkunst/DE/Sammler/L/Levi%20de%20Benzion,%20Mo%C3 %AFse.html?nn=5144&cms_ lv2=95490&cms_lv3=8924 (Stand: 29. 08. 2021). 60 Archives nationales AJ/40/1036.

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Sammlung, Ort der Entnahme, beteiligten Institutionen und Personen, diversen Signaturen und Inventarnummer. Diese Angaben sind sowohl auf der Liste als auch in den Datenbanken zu finden. Dazu sind Referenzen zu Datenbanken und Archiven sowie Literaturhinweise, Ausstellungen und heutiger Verbleib angegeben. Aus den Überlieferungen in den genannten Datenbanken wurde – soweit es möglich war – eine Skizze der Provenienzkette für die Zeit ­zwischen der Entnahme und der Restitution erstellt. Das Ampelsystem soll auf den ersten Blick Information dazu liefern, ob das Kunstwerk restituiert wurde. Die grün markierten Felder bedeuten, dass das Objekt in den Datenbanken auffindbar ist und an die Besitzer restituiert wurde. Gelb weist darauf hin, dass das Kunstwerk keinen Verweis auf Restitution hat oder nur repatriiert wurde. In einigen Fällen konnte der heutige Verbleib des Kunstwerks geklärt werden, aber kein Verweis auf die Restitution gefunden werden – diese Objekte sind ebenfalls gelb markiert. Rot steht für die mit Sicherheit verschollenen und nicht repatriierten Kunstwerke. Aufgrund von fehlerhaften und zu allgemeinen Angaben in den Listen müssten noch weiße Felder für die Kunstwerke gelassen werden, die nicht dem Ampelsystem zuzuordnen sind.

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Das „Netzwerk Hermann Bunjes“ Ein Kunsthistoriker ­zwischen Kunstmarkt, Kunstschutz, Museen, der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris und dem Kunsthandel Julia Schmidt

Paris 1942 Am 1. Januar 1942 war es so weit – das neue und lange ersehnte Kunsthistorische Auslandsinstitut öffnete seine Pforten im besetzten Paris. Zwei Jahre nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in der französischen Hauptstadt gelang es, in der Rue Bonaparte 18 die Kunsthistorische Forschungsstätte (KHF) Paris 1 in Betrieb zu nehmen. Die Bestrebungen zur Gründung eines kunsthistorischen Instituts in der französischen Hauptstadt dauerten bis zu d ­ iesem Tag schon bereits über ein Jahr.2 Es war das kunstgeschichtliche Seminar der Universität in Bonn, das maßgeblich für die Schaffung des neuen Instituts eintrat. Die treibende Kraft war dabei Professor Alfred Stange, der seinen Assistenten Dr. Hermann Bunjes seit 1940 im Referat Kunstschutz der Militärverwaltung in Paris wusste und sich für ihn als Leiter einsetzte. Im Folgenden gilt es, die Tätigkeiten des Kunsthistorikers Hermann Bunjes in seinen Jahren in Paris nachzuvollziehen und sowohl seine offiziellen Kontakte wie auch seine persönlichen Entscheidungen im Spannungsfeld z­ wischen Kunstgeschichte, militärischem Kunstschutz und dem Vorschub zum Kunstraub während der Okkupation in Paris zu beleuchten. Schon die ersten Tätigkeitsberichte als Leiter der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris lassen durchblicken, dass die Geschichte des Auftretens von Hermann Bunjes in Paris bereits einige Jahre vor d ­ iesem Ereignis beginnt. Im Bericht über das Geschäftsjahr 1941 steht zu lesen:

1 Eckard Michels, Das Deutsche Institut in Paris 1940 – 1944. Ein Beitrag zu den deutsch-französischen Kulturbeziehungen und zur auswärtigen Kulturpolitik des Dritten Reiches (Studien zur modernen Geschichte 46), Stuttgart 1993, S. 93: „Die Eröffnung der kunsthistorischen Forschungsstätte erfolgte zum 1. [Januar] 1942 gemäß Erlaß des RMEWV vom 25. [Oktober] 1941im Haus der ehemaligen tschechischen Kolonie in der Rue Bonaparte 18. Neben einer Bibliothek mit ca. 6000 Bänden wurde hier ein Archiv mit den Abzügen der Fotos französischer Kunstwerke geführt.“ 2 Siehe ebd., S. 92. Für eine kurze Biografie von Hermann Bunjes siehe auch Heidi Gansohrs Beitrag in ­diesem Band.

Zum Leiter der Forschungsstätte wurde im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und mit Zustimmung des Oberkommandos des Heeres (GenQu. Verwaltung) Dr. phil. habil. Hermann Bunjes, Dozent für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte an der Universität Bonn, ernannt. Er versieht zunächst in Personalunion die Leitung des Instituts und als Kriegsverwaltungsrat die Leitung der Kulturabteilung im Verwaltungsstab beim Kommandanten von Gross-Paris.3

Noch konkreter liest sich der Bericht des Folgejahres, der bereits Vernetzungen erkennen lässt. Hier heißt es im Abschnitt Personelles: Im Berichtsjahr wurde der Leiter der Kunsthistorischen Forschungsstätte, Dozent Dr. Hermann Bunjes, aus der Militärverwaltung entlassen und auf Befehl des Reichsmarschalls des Grossdeutschen Reiches als Regierungsrat d. B. in die Luftwaffe versetzt mit dem Aufgabengebiet ‚Schutz der Bau- und Kunstdenkmäler in den besetzten Gebieten und den Kampfgebieten.‘ Obwohl dieser Bereich durch den an Intensität zunehmenden Luftkrieg immer grösseren Umfang annimmt, hat Dr. Hermann Bunjes zunächst noch die örtliche Leitung der Kunsthistorischen Forschungsstätte beibehalten können.4

Es wird also deutlich, dass die Karriere von Hermann Bunjes auf dem Pariser Parkett schon vor seiner Rolle als Leiter der Kunsthistorischen Forschungsstätte begann.

Bonn 1940 und die ersten Schritte in Paris Am 12. September 1940 erreichte Hermann Bunjes das Schreiben, das ihn als Kriegsverwaltungsrat zwecks Verwendung im Kunstschutz in den besetzten Gebieten Frankreichs 5 einberief. Nachdem die – im selben Schreiben – dringlich geforderte Anfertigung der Uniform für die Arbeit in Paris erfolgt war, war Hermann Bunjes einsatzbereit. Seine Handlungen sind anhand von Akten, die seit dem Herbst 1940 datieren, und seiner Taschenkalender ab 1941 nachzuvollziehen. Im Zusammenspiel mit der „Geheimakte Bunjes“ 6, die im Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternich liegt, ergeben sich einzelne Aktionsfelder, die Hermann Bunjes rasch in Paris für sich erkannte und in denen er agierte.

3 AN Paris AJ 40/1671, Kunsthistorische Forschungsstätte Paris, Tätigkeitsbericht und Abrechnung über den Haushalt 1941, Archiv, S. 4. Der Bestand AJ 40 befindet sich in den Archives nationales in St. Denis, Paris. 4 AN Paris AJ 40/1671, Kunsthistorische Forschungsstätte Paris, Tätigkeitsbericht und Abrechnung über den Haushalt 1942, S. 3. 5 AN Paris AJ 40/1671, Tätigkeitsberichte, Militärverwaltung: Kunstschutz, 1940 – 1941, S. 2. 6 NL FGWM, Nr. 187; zur „Geheimakte Bunjes“ siehe auch den Beitrag von Kateryna Kostiuchenko, Zwischen Kunstschutz und Kunstraub. Zum Inhalt der sogenannten „Geheimakte Bunjes“ (NL FGWM, Nr. 187) in ­diesem Band.

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So belegt sein Bericht vom 21. August 1940 bereits eine aktive Arbeit in Paris. Hermann Bunjes suchte eine Kiste mit 32 Bildern. Sie enthielt Gemälde und Aquarelle aus dem Besitz des Malers Marquet, war eigentlich Bestandteil der Galerie Bernheim und sollte sich im Transportunternehmen Lerondelle befinden.7 Der erste Nachweis der Tätigkeiten Bunjes’ in Paris stand also im direkten Bezug zum Aufspüren jüdischen Eigentums und ist ein Beleg für die Verbindung z­ wischen Kunstschutz, Galeriewesen und Privateigentum. Seine Aufgaben hingen mit der Überprüfung zahlreicher jüdischer Galerien in Paris zusammen, die ­zwischen Juni und Juli 1940 durch den Chef des Militärverwaltungsbezirkes Paris, Harald Turner, den Vorgesetzen Hermann Bunjes’ bei seinen Anfängen im militärischen Kunstschutz, und seinen Verwaltungsstab durchgeführt wurden. Das kontrollierte Vorgehen bei der Suche nach Kunstwerken belegt eine Liste mit 15 Adressen von Kunsthandelsgeschäften in Paris, die von jüdischen Familien geführt wurden; sie liegt der „Geheimakte Bunjes“ bei. So sind Bernheim, Bernheim Jeune und drei Galerien der Familie Seligmann unter den Adressen vermerkt.8 Zur gesuchten Kiste, die Hermann Bunjes nicht wie erwartet bei Lerondelle auffand, wusste er zum 9. September 1940 bereits mehr. Seinen Bericht schmückte er gleichzeitig mit einer kleinen Expertise über den Marktwert des Malers Marquet aus: Es handelt sich bei Marquet um einen bekannten französischen Maler der im Augenblick geschätzten Künstlergeneration. Er wurde von den Bernheims protegiert und seine Bilder erzielen auf den Versteigerungen der letzten Jahre ziemlich hohe Preise.9

Hier weist sich Hermann Bunjes als Kunstkenner aus. Der Vermerk belegt aber, neben seiner eigentlichen Ausrichtung auf die Frühe und Neuere Kunstgeschichte, auch sein Interesse an zeitgenössischer Kunst und ihren Malern sowie an Auktionen mit Werken dieser Künstler.

Hermann Bunjes und der Kunsthandel Hermann Bunjes unterhielt also offenbar Kontakte zum Pariser Kunsthandel. Diese Annahme wird unterstützt durch den Lagebericht V,10 in dem es um die Wiederaufnahme des Auktionshandels in Paris 1940 geht. Im Absatz Kunsthandel erfolgt die Zusammenfassung mit der Bitte der Commissaires-Priseurs (der Auktionatoren, die die Verkäufe von Gegenständen bei Auktionen schätzen und leiten), den Auktionsbetrieb im Hôtel Drouot wieder aufnehmen zu dürfen. Der Betrieb der Auktionshäuser war Mitte Juli 1940 eingestellt worden, 7 NL FGWM, Nr. 187, Bericht Hermann Bunjes’ vom 21. 08. 1940, o. S. 8 NL FGWM, Nr. 187, Liste, o. S. 9 Ebd., Anmerkung Hermann Bunjes’ vom 09. 09. 1940, o. S. 10 AN Paris AJ 40/1671, Hermann Bunjes’ Lagebericht V (S. 2 – 3), S. 13 f.

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um zu verhindern, dass Kunstschätze aus den besetzten Gebieten ausgeführt wurden bzw. durch Besitzerwechsel für die deutsche Besatzungsmacht nicht mehr zur Verfügung standen. Dies war auch der Grund für die Durchsuchungen der jüdischen Galerien und somit die erste Amtshandlung Bunjes’ in Paris. Wie eng er zudem mit der Wiederinbetriebnahme des Kunsthandels in Zusammenhang stand, lässt sich zunächst aus dem Dokument nicht erahnen. Im weiteren Verlauf des Lageberichts heißt es: Um den völlig lahmgelegten Kunsthandel wieder in Gang zu bringen, wurden die Versteigerungen genehmigt unter der Bedingung, dass jede Versteigerung dem Beauftragten für Kunstschutz bei der Militärverwaltung Paris unter Beifügung des Katalogs angemeldet wird. Falls Werte von über 100.000 frcs. darin verzeichnet sind, sind sie besonders gekennzeichnet. Erfolgt ihr Verkauf, so werden der erzielte Preis und die Anschrift des neuen Besitzers angezeigt.11

Durch die Verwendung der Amtsbezeichnung des „Beauftragten für Kunstschutz bei der Militärverwaltung Paris“ vermied Bunjes seine direkte namentliche Nennung und damit auch direkt nachvollziehbare Rückschlüsse auf ihn. Erst durch die Kenntnis der Akten, die das Verhör von Bunjes seitens der Amerikaner nach Kriegsende protokollieren, werden die Zusammenhänge offenbar. Die Protokolle werden heute in den National Archives, Washington, D. C., verwahrt. Erwähnung fand das betreffende Dokument 12 bereits in dem Buch „The Rape of Europa“ der Autorin Lynn H. Nicholas. Nicholas schildert im Kapitel „Business and Pleasure. France: The Art Market Flourishes; Nazi Kultur Withers“, dass Hermann Bunjes für die Wiederinbetriebnahme des Kunsthandels von Paris im Hôtel Drouot zuständig gewesen war.13 Bunjes’ Aktivitäten, die Kunstraub und Käufen auf dem Pariser Kunstmarkt Vorschub leisteten, werden durch weitere zeitgenössische Dokumente nachvollziehbar. So wurde Hermann Bunjes bereits 1941 als zentraler Kontaktmann für alle Kunstbelange für diverse deutsche Stellen benannt: Der Pariser Kunsthandel, der bedeutendste Markt auf der Welt, lag nach dem Waffenstillstand völlig danieder. Er wurde wieder in Gang gebracht und durch strenge Anweisungen bis Anfang Februar 1941 jegliche Preissteigerungen vermieden. Es war d­ ieses umso notwendiger, als die englischen und

11 Ebd., S. 13 f. 12 NA RG 239/6, The Bunjes Papers, British Element, 16. 02. 1945, S. 45. 13 Lynn H. Nicholas, The Rape of Europa. The Fate of Europe’s Treasures in the Third Reich and the Second World War, New York 1994, S. 153: „Officials of the Hôtel Drouot, the famous Parisian auction house, asked permission to resume sales on September 26, 1940. This was granted by Dr. Bunjes on condition that all catalogues be sent to him, that all works valued at more than FF r 100.000 be indicated, and that the name and address of the purchasers of such items be reported.“ Nicholas’ Zusammenfassung beruht auf dem Dokument in Washington, D. C.

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a­ merikanischen Käufer naturgemäss vom Markt ausgeschlossen waren und an ihre Stelle der unbegrenzt aufnahmefähige deutsche Kunstmarkt getreten ist. Die inzwischen nach Deutschland geleiteten Werke sind kaum zahlenmässig zu benennen, dürften aber viele Millionen übersteigen. Führer, Reichsmarschall, Reichsminister, Reichsleiter und Gauleiter und deutsche Museen und Städte wurden durch den Referenten Dr. Bunjes laufend mit Angeboten aus dem Kunsthandel versehen.14

Nahezu deckungsgleich liest sich der Abschnitt über den Pariser Kunstmarkt im abschließenden Tätigkeitsbericht von 1942 von Hermann Bunjes, wobei er ebenfalls darauf verzichtet, sich namentlich zu nennen, und es vorzieht, sich selbst als „Referenten“ zu bezeichnen.15 Weitere Hinweise auf Bunjes’ verdeckte Involvierung in die Kunstauktionen gibt der heute in Mainz befindliche Teilbestand der Bibliothek der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris.16 Hier lässt sich ein besonderer Bestand von französischsprachigen Auktionskatalogen separieren. Sie enthalten keinerlei Stempel oder Notizen, die auf die Kunsthistorische Forschungsstätte Paris hinweisen oder Hermann Bunjes als Besitzer ausweisen. Sie stammen nahezu geschlossen aus den Jahren 1942 bis 1944 (Abb. 1) und sind somit zeitlich deckungsgleich mit dem Betrieb der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris. Da die Eingangsbücher der Mainzer Universitätsbibliothek keine weiteren Eingänge von französischsprachigen Katalogen der betreffenden Zeit aufweisen, scheinen die ungestempelten Kataloge zu den nach 1946 angekommenen Büchern aus der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris zu gehören, die eine sehr große Anzahl an weiteren Auktionskatalogen aus diversen Auktionshäusern im französischsprachigen europäischen Raum aufweisen.17 Es scheint also so, dass die Zwangsabgabe von Katalogen an Hermann Bunjes nicht direkt nach Wiederaufnahme des Kunsthandels 1940 nachzuweisen ist, wohl aber spätestens ab 1942 stetige Abgaben durchgeführt wurden, die sich dann in der Sammlung der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris wiederfanden. Für den Verbleib bzw. das Fehlen der Abgaben ab 1940 können mehrere Faktoren angedacht werden. Eine denkbare Variante wäre, dass die Kataloge der Jahre 1940 und 1941 nicht nach Mainz gelangten, besitzt doch die Universitätsbibliothek Mainz zahlenmäßig nur rund die Hälfte der in Paris zusammengetragenen Publikationen. Vielleicht waren sie von Hermann Bunjes an seine frühere Dienststelle, den Kunstschutz, abgegeben und nicht in die Rue Bonaparte 18 überstellt worden.

14 AN Paris AJ 40/1671, „Bericht über die Tätigkeit im Referat ‚Kunstschutz‘ seit 19. 08. 1940, verfasst auf Veranlassung des Ministerialdirigenten Dr. Medicus am 15. 02. 1941“ (S. 6 – 7), S. 52/53. 15 NL FGWM, Nr. 187, Allgemeiner Bericht über die Tätigkeit des Kriegsverwaltungsrats, Dozent Dr. phil. habil. H. Bunjes vom 04. 03. 1942 (S. 7 – 8), o. S. 16 DZK-gefördertes Projekt „Die Provenienz des Mainzer Buchbestandes aus der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris (1942 – 44)“, 01. 01. 2017 – 30. 06. 2019. 17 Diese Kataloge enthalten allerdings alle Stempel der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris.

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Abb. 1  Grafische Darstellung der Kataloge ohne Stempel aus dem Bestand der ehemaligen Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Diese Kataloge bilden, zusammen mit einer Großschenkung französischsprachiger Auktionskataloge (1846 bis 1942) durch den Galeristen Étienne Bignou an die Kunsthistorische Forschungsstätte Paris, eine Sammlung von rund 1700 Katalogen. Sie untermauert die Bestrebungen von Hermann Bunjes, Informationen zum Auktionshandel in Paris nach 1940 zu generieren und in der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris zu vereinen.

Hermann Bunjes und der Kunstschutz Die Auktionskataloge führen zurück zu einem Arbeitsfeld, dass Hermann Bunjes vor seiner Tätigkeit als Leiter der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris ausübte – zum Kunstschutz im Jahr 1940, wo er im Rahmen der sogenannten „Sicherstellungsmaßnahmen“ jüdischer Kunstwerke und Sammlungen arbeitete, die durch Otto Abetz, Karl Epting und Eberhard Max Paul Freiherr von Künsberg durchgeführt wurden. Dabei kam es zunehmend zu Irritationen, da die Kunstgegenstände, die durch das Sonderkommando sichergestellt wurden, nicht nur inventarisiert, sondern auch in Räume der deutschen Botschaft verbracht wurden.18 18 NL FGWM, Nr. 187, Aktennotiz Pfitzner vom 26. 08. 1940, o. S.: Inzwischen wurde das Palais Rothschild, Rue Faubourg St. Honoré besucht, wobei Herr Dr. Martin, Karlsruhe, zugegen war. Einige kostbare Wertgegenstände sind bereits in die Botschaft gebracht worden. Festgestellt wurde das Vorhandensein

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So berichtete der Kunstschutzmitarbeiter Carlheinz Pfitzner im August 1940: Herr Dr. Martin 19 empfahl dringend eine baldige Einschaltung des Kunstschutzes, da die Art der Behandlung und Verpackung der Kunstwerke in keiner Weise dazu angetan sei, den Zustand der Objekte zu verbessern; der Abtransport wurde von ungeschulten Kräften ohne grosse Rücksichtnahme durchgeführt.20

Der Kunstschutz, in Person Graf Wolff Metternichs, schaltete sich im September 1940 in die Diskussion ein, indem er in seinem Bericht deutlich darauf hinwies, dass die Translokation der Objekte, sowohl in Paris als auch in Depotorten, gegen die am 15. Juli 1940 beschlossene Kunstschutzverordnung verstieße, die besagt, dass jede Ortsveränderung verboten 21 sei. Im Dokument werden Karl Epting und besonders Eberhard Max Paul Freiherr von Künsberg, dessen „Sonderkommando“ rasch als einer der großen, organisierten Raubtrupps agierte, von Franziskus Graf Wolff Metternich beschuldigt, durch ihr Verhalten das Ansehen der Militärverwaltung vor der Welt in Verruf gebracht zu haben: Durch die ‚Aktion von Kuensberg‘ und das ordnungswidrige Vorgehen insbesondere der Herrn von Kuensberg, Dr. Epting und Prof. Dörries, ist das Ansehen der Militärverwaltung bei den Franzosen schwer geschädigt worden. Ferner musste bei denselben der Verdacht aufkommen, dass die Sicherstellung und Erfassung des französischen Kunstbesitzes auf Grund der Verordnung vom 15. [September] 1940 einen anderen Zweck habe, als nur den Schutz der beweglichen Kunstwerke. Als besonders erschwerend kommt es hinzu, dass auch amerikanisches und sonstiges nichtfranzösisches Eigentum aus privaten Sammlungen und Kunsthandlungen weggeführt worden ist.22

Graf Wolff Metternich prangerte die parallel stattfindenden sogenannten „Sicherstellungen“ an, die die diversen Organisationen, wie der dem Kunstraub gewidmete Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR), das Sonderkommando Künsberg, aber auch der militärische Kunstschutz im Namen des Auswärtigen Amtes oder der Militärverwaltung durchführten. kostbarer Möbel, vieler Handzeichnungen und einer sehr wertvollen Gläsersammlung. Wahrscheinlich wird das Haus weitgehend ausgeräumt werden, da inzwischen die Flieger vorhaben, daraus ein Clubhaus zu machen. Insgesamt werden rd. 50 jüdische Privatsammlungen und Kunsthandlungen besucht, deren Bestände in entsprechender Weise sichergestellt werden sollen. (…) 19 Ebd.: Pfitzner zitiert Herrn Dr. Martin aus Karlsruhe. Gemeint ist wohl Prof. Dr. Kurt Martin, der Direktor der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe und ab 1940 Generalbevollmächtigter für die Museen im Elsass und Baden, siehe LOST ART Eintrag: http://www.lostart.de/Content/051_­ ProvenienzRaubkunst/DE/Beteiligte/M/Martin,%20Prof.%20Dr.%20Kurt.html (Stand: 29. 08. 2021). 20 NL FGWM, Nr. 187, Aktennotiz Pfitzner vom 26. 08. 1940, o. S. 21 NL FGWM , Nr. 187, Schreiben Wolff Metternichs bezüglich der beweglichen Kunstwerke in Frankreich vom 02. 09. 1940, o. S. 22 Ebd.

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Hermann Bunjes brachte sich ebenfalls in die bereits fortgeschrittene Diskussion ein. Im Rahmen der „Sicherstellungsmaßnahmen“ machte er den Vorschlag, dass Kunstgegenstände aus jüdischem Besitz, die einen Objektwert von 50.000 bzw. 100.000 Franc aufwiesen, in ein Depot, das beispielsweise im Louvre einzurichten sei, überstellt werden sollten, wo man dann auf weitere Befehle zum Umgang damit warten würde.23 Dies wurde in der Folge durch Hermann Bunjes’ Vorgesetzten, Harald Turner, umgesetzt und die Säle im Louvre und Jeu de Paume wurden zum Depot des auch bereits agierenden ERR, der durch diese Museumsräume eine feste Sammelstelle erhielt.24 Hermann Bunjes gelang mit der Schaffung der Depoträume in doppelter Hinsicht ein kleiner Coup. Zum einen war es ihm so möglich, basierend auf den bereits von anderen Stellen eingebrachten Beschwerden gegen die von von Künsbergs Leuten, aber auch vom ERR durchgeführten Abtransporte, eine zentrale Lagerfläche für die Objekte aus jüdischen Besitz zu schaffen und damit die eigenmächtigen Aktionen der „Raubtrupps“ einzudämmen. Zum anderen konnte Bunjes sich jetzt selbst besser ins Spiel bringen, da er als Sachbearbeiter alle Eingänge inspizieren konnte. Dass Hermann Bunjes und der ERR, besonders Kurt von Behr, der Leiter des Hauptreferats Organisation, und Personal in der Dienststelle Westen des ERR, kein spannungsloses Verhältnis hatten, lässt sich aus Bunjes’ Taschenkalender des Jahres 1941 ersehen. Er vermerkte am 28. Juni 1941: Zusammenstoß mit v. Behr. Einsatzstab R. R.25 Infolgedessen versuchte er mehrfach, höheren Stellen über den Vorfall zu berichten: so am 1. Juli, am 8. Juli, der in seiner Eintragung erweitert wird um den Zusatz General nicht gekommen, und am 15. Juli 1941, wo er vermerkt: Vortrag General (betr. Rosenbergstab).26 Mit d ­ iesem Termin endeten die Eintragungen zu ­diesem Vorfall. Es ist nicht ersichtlich, ob ihm die gewünschte Hilfe in Bezug auf seinen Zusammenstoß zuteilwurde. Versehen mit der Leitung zur Sicherstellung und Inventarisierung der jüdischen Kunstgüter und deren Einlagerung in die genannten Museen, öffnete sich für Hermann Bunjes, neben seiner Tätigkeit im Kunstschutz, eine weitere Tür.

23 NL FGWM, Nr. 187, Schreiben Hermann Bunjes’ an Medicus vom 23. 09. 1940, o. S. 24 NL FGWM , Nr. 187, Aktennotiz Hermann Bunjes’ vom 11. 03. 1941, o. S.: Vom Referenten beim Chef des Verwaltungsstabes Paris, Dr. Bunjes, wurden als Sachbearbeiter des früheren Chefs des Verwaltungsstabes, Staatsrat Turner, s. Zt. mehrere Räume des Louvre und des Jeu de Paume zur Verfügung gestellt, um eine ordnungsgemäße Sichtung und Inventarisierung der jüdischen Kunstgegenstände zu gewährleisten. 25 AN Paris AJ 40/1674, Taschenkalender Hermann Bunjes’ 1941, o. S. 26 Ebd.

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Hermann Bunjes und seine Einblicke in die Museen und Sammlungen in Paris Nachdem Hermann Bunjes’ Arbeitsaufgabe in Paris mit der Arbeit als Kunstschutzoffizier in Galerien begonnen hatte, eröffnete ihm die durch Turner eingerichtete Sammelstelle im Jeu de Paume tiefere Einblicke in die Pariser Museen und in die sichergestellten Objekte des ERR. Mit der Oberleitung zur Sicherstellung und Inventarisierung des sogenannten herrenlosen Kunstgutes begann Hermann Bunjes’ Arbeitsalltag im Louvre und im Jeu de Paume. Dort hatten die französischen Angestellten, wie Rose Valland, damit begonnen, die beschlagnahmten Sammlungen zu überprüfen, was, wie Valland ­später angab, bereits im November 1940 durch Hermann Bunjes unterbunden und gelenkt wurde.27 Neben dem ERR bremste also auch Hermann Bunjes die französischen Angestellten der Museen aus. Durch die Nähe und Oberaufsicht über die Tätigkeiten zur Sicherstellung in den Depoträumen kam Hermann Bunjes auch unweigerlich mit Hermann Göring in Kontakt, der aus den sichergestellten Objekten bekanntermaßen mehrfach Lieferungen für seine private Kunstsammlung auswählte und diese abtransportieren ließ. Am 5. Februar 1941 notierte Hermann Bunjes in seinem Taschenkalender: 3h Jeu de Paume, Reichsmarschall ‚Der Kronjurist bin ich!‘28 Detaillierter lässt sich ­dieses Treffen und Görings eindeutige eigenmächtige Positionierung als Machthaber durch eine von Hermann Bunjes angefertigte Aktennotiz am Folgetag nachvollziehen. Neben Göring, dessen Bestreben der Abtransport der gesichteten Sammlungen für Führerverwendung und eigene Zwecke war, und Hermann Bunjes waren auch Franziskus Graf Wolff Metternich und sein Stellvertreter Bernhard von Tieschowitz zum Termin im Jeu de Paume erschienen. Spätestens nach seinem Bericht vom 20. September 1940, in dem Graf Wolff Metternich die Vorgehensweisen der Sicherungen scharf kritisiert hatte, war seine absolute Ablehnung des Abtransports der Sammlungen bekannt. In Hermann Bunjes’ Nachschau stellt sich die Szene wie folgt dar: Göring bestellte B ­ unjes für 15.00 Uhr ins Jeu de Paume. Zum Termin erschienen auch Franziskus Graf Wolff ­Metternich und Bernhard von Tieschowitz. Göring lehnte den weiteren Kontakt mit den beiden Herren jedoch ab: Herr Reichsmarschall Göring dankte Graf Metternich für sein Erscheinen und betonte, dass er auf seine Anwesenheit bei der Besichtigung keinen Wert lege.29 27 Emmanuelle Polack/Philippe Dagen, Les Carnets de Rose Valland. Le pillage des collections privées d’œuvres d’art en France durant la Seconde Guerre mondiale, Lyon 2011, S. 15: „Rose Valland qui note dans ses mémoires à la date du 1er novembre 1940: ‚Je ne comprenais pas encore très nettement les raisons qui me poussaient à cette décision, ni de quelle manière je pourrais être utile et justifier ma présence puisqu’il n’était plus d’inventaire français. Seule était prise ma détermination de ne pas quitter la place. L’accord de mes chefs m’enleva les derniers doutes que j’aurais pu avoir sur ce que j’avais à faire.‘ Sur ordre du docteur Bunjes (?–1945), Rose Valland est interrompue dans son travail de réclamer des collections confisquées dans la matinée du 1er novembre 1940.“ 28 AN Paris AJ 40/1674 (wie Anm. 25), o. S. 29 NL FGWM, Nr. 187, Aktennotiz Hermann Bunjes’ vom 05. 02. 1941, o. S.

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Während für den 12. März 1941 im Taschenkalender keine Eintragung vorliegt, belegt eine Aktennotiz – von Hermann Bunjes selbst verfasst – eine Annäherung der beiden Protagonisten: Göring beorderte Hermann Bunjes in sein Büro am Quai d’Orsay, um von ihm genaue Informationen über die Kunstschutz-Organisation in den besetzten westlichen Gebieten 30 zu erhalten. Auch eine kleine Expertise über die Vorgehensweise des ERR und die Auffassung des Kunstschutzes zu diesen Tätigkeiten wurde von Hermann Göring erbeten und von Hermann Bunjes geliefert. In dem Dokument, das er Göring übergab, berichtet Bunjes, wie Dokumente, die durch den Kunstschutz auf Befehl von Otto Kümmel angefertigt worden waren, zwar bis zu Graf Wolff Metternich gelangten, dass dieser sie aber nicht weiter bearbeite und somit wertvolle Zeit verstreichen lasse.31 Durch ­dieses Verhalten, so lässt sich hier interpretieren, distanzierte sich Hermann Bunjes zunehmend vom Referat Kunstschutz der Militärverwaltung Paris. Er wies in seinen Aktennotizen und Berichten zwar stets darauf hin, dass er Göring über die juristischen Folgen und die Verstimmungen über Abtransporte aus dem Museumsdepot nach Deutschland aufgeklärt habe, agierte aber zur selben Zeit ohne Skrupel zum eigenen Nutzen. In d ­ iesem Fall ist der Nutzen in der neuen Position als Kunstberater in den Beständen des ERR und als Kunstagent u. a. für Hermann Göring in Paris zu sehen.32 Bunjes befand sich also an einer Kunstquelle, die vom ERR gespeiste wurde, ausgestattet mit einer Vermittlungsposition u. a. an Hermann Göring, der als Leiter der Luftwaffe und als persönlich interessierter Käufer über alle Mittel zum Abtransport von Kunstwerken aus Paris verfügen konnte, was wiederum den ERR dabei unterstütze, Kunst aus Paris abzutransportieren. In der Folge erwies sich diese Verbindung zu Göring für Bunjes dann sogar als so hilfreich, dass er seine weitere Tätigkeit in Paris für die Luftwaffe und somit in Diensten des „Kronjuristen“ Göring absolvierte. Neben der Tätigkeit im Jeu de Paume war Hermann Bunjes zusätzlich im Rahmen seiner Arbeit als Sachverständiger für den Kunstschutz mit Maßnahmen zur Instandhaltung von kunsthistorisch wertvollen Baudenkmalen betraut. Besonders betraf dies Arbeiten im Schloss Versailles.33 Hermann Bunjes fuhr bereits ab Februar 1941 dorthin, aber auch nach Fontainebleau, das genau wie Chantilly zu den zu betreuenden Objekten gehörte.34 Die in seinem Abschlussbericht über seine Tätigkeit als Kriegsverwaltungsrat genannte Pflege des Gartens und die Anzucht von Pflanzen stellten eigentlich kein aktives Arbeitsfeld dar, vielmehr sind wissenschaftliche Werke mit diesen Arbeiten in Verbindung zu bringen, wie

30 NL FGWM, Nr. 187, Aktennotiz Hermann Bunjes’ vom 13. 03. 1941, o. S. 31 Ebd. 32 Michels, Das Deutsche Institut (wie Anm. 1), S. 93. 33 Christina Kott, „Den Schaden in Grenzen halten …“ Deutsche Kunsthistoriker und Denkmalpfleger als Kunstverwalter im besetzten Frankreich, 1940 – 1944, in: Ruth Herftig/Olaf Peters/Barbara Schellewald (Hg.), Kunstgeschichte im „Dritten Reich“. Theorien, Methoden, Praktiken (Schriften zur modernen Kunsthistoriologie 1), Berlin 2008, S. 362 – 392, hier S. 372. 34 NL FGWM, Nr. 187, Allgemeiner Bericht über die Tätigkeit (wie Anm. 15), o. S. [S. 2].

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z. B. ein Führer zum Schloss Versailles. Dennoch verwies Bunjes auf diese Tätigkeiten, wahrscheinlich mit der Intention, sich in offiziellen Dokumenten vom Verdacht der Involvierung in Kunstraubtätigkeiten zu distanzieren.

Hermann Bunjes und die Forschung Hermann Bunjes kam aber auch tatsächlich seiner Aufgabe als Kunsthistoriker nach. Dies zeigen Führungen, die er von Sommer 1940 bis 1942 für Hermann Göring und andere hochrangige deutsche Besucher in Paris hielt. Zudem widmete er sich auch der wissenschaftlichen Forschung. Es entstanden – wie erwähnt – Museumsführer, aber auch Aufsätze, w ­ elche die mittelalterliche Kunst in Frankreich thematisierten. Sein Tätigkeitsbericht listet hierzu elf Positionen auf.35 Mit der Eröffnung der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris im Januar 1942 trat im Rahmen seiner Aufgaben als Institutsleiter die Forschung und Bereitstellung von Forschungsmaterialien in den Vordergrund. Dass die Forschungsstätte, als Auslandsinstitut im Westen, der bereits seit den 1920er Jahren zunehmenden „Westforschung“ nachkommen sollte, wird durch einen Artikel der „Pariser Zeitung“ aus dem Jahr 1943 deutlich: Im Jahre 1937 bildete sich in Bonn unter Leitung von Professor Alfred Stange eine Gemeinschaft von Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen, die sich zur Aufgabe stellte, die Wechselbeziehungen ­zwischen Deutschland und Frankreich auf dem Gebiet der Kunst eingehend zu untersuchen (…). Zur weiteren Durchführung all dieser Arbeiten [Fotokampagne] hat das Kunsthistorischen Institut seine eigenen geschulten Fotografen, die das französische Gebiet systematisch bereisen, um die Aufnahmen zu machen; im Institut selbst steht ein modernstes Fotolaboratorium, ein Zeichensaal zur Anfertigung von Karten und Plänen und ein Vortragssaal für 30 bis 40 Personen mit Bildwerfereinrichtung zur Verfügung.36

35 Ebd., o. S. [S. 10]. Es handelt sich um: 1. Die vormittelalterliche (fränkische) Plastik in Frankreich, 2. Die romanische Baukunst in Frankreich (unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses zur ottonischen und salischen Baukunst), 3. Die gotische Baukunst in Frankreich (unter besonderer Berücksichtigung des germanischen Anteils bei der Entstehung. Die Anfänge der Gotik in Burgund, in der Normandie, die Bedeutung der Isle-de-France, Ausstrahlungen nach Deutschland, die Auseinandersetzung mit der staufischen Baukunst der Rheinlande), 4. Die romanische Plastik in Frankreich, 5. Die gotische Plastik in Frankreich, 6. Das Problem der geographischen Grenzen der französischen Kunst vom frühen Mittelalter bis zur Renaissance, 7. Der mittelalterliche Profanbau in Frankreich (unter besonderer Berücksichtigung der Kaiserpfalzen in Franche-Comté und Burgund), 8. Die französischen Schlösser der Renaissance, 9. Die französische Staatsbaukunst unter Ludwig XIV. (mit Einzeluntersuchungen über Mansart, Vauban usw.), 10. Die französische Kunst von 1750 bis 1850 und ihr Verhältnis zu Deutschland (Französische Revolution und Kunst, Empire und preussischer Stil, Romantik in Deutschland und Frankreich usw.), 11. Die Werke deutscher Künstler in Frankreich. 36 AN Paris AJ 40/573, Artikel zur Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris, „Deutsche Forschung in Frankreich“, Pariser Zeitung, 18. 04. 1943, Nr. 108 (S. 8), o. S.

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Dass nicht alles, was in der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris verfasst wurde, zur Publikation gelangte, macht ein Vorfall im Oktober 1942 deutlich. Am 28. Oktober schrieb Hermann Bunjes an Alfred Stange, um von ihm die Aufhebung des Druckverbotes für seinen Parisführer zu erbitten. Das Propagandaministerium warf d ­ iesem kunsthistorischen Führer vor, die kulturellen Leistungen Frankreichs literarisch zu ‚verherrlichen‘.37 Bunjes, der sich zwar von der frankreichfreundlichen Linie Graf Wolff Metternichs entfernt hatte, wurde nun selbst mit dem Vorwurf konfrontiert, nicht linientreu genug zu arbeiten. In der Rolle des Leiters eines in Paris ansässigen deutschen Forschungsinstituts schien Bunjes sich in seinen Publikationen moderater verhalten zu müssen oder zu wollen, als er sich zuvor als Kunstschutzmitarbeiter mit Unterstützung Görings dargestellt hatte. Die Hilfe, die er nun bei Alfred Stange suchte, zeigt, dass die Bindungen an die Bonner Universität weiterhin von großer Wichtigkeit für seine kunsthistorischen Tätigkeiten waren. Weitaus erfolgreicher gestaltete sich unterdes der Aufbau des Forschungsbetriebes. Mit dem ab dem 1. Januar 1941 startenden Auf- und stetigen Ausbau der Kunsthistorischen Forschungsstätte konnten ab dem 1. Februar 1941 vier Räume in der Rue Bonaparte 18 bezogen werden, deren Möblierung zunächst provisorisch erfolgte.38 Neben der repräsentativen Möblierung stand auch die Zusammenstellung von wissenschaftlichem Forschungsmaterial an. Hermann Bunjes und seine Assistenten Karl vom Rath und Heinrich Gerhard Franz waren stetig mit dem Einkauf deutsch- und französischsprachiger Publikationen für die Bibliothek beschäftigt. Die getrennt voneinander aufgestellten deutschen und französischen Bibliotheksteile sollten deutsche Forscher bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit in Frankreich unterstützen. Der Ankauf von französischsprachiger Literatur wurde durch Bunjes für das erste Geschäftsjahr mit 950 Bänden beziffert.39 Der weitere Verlauf von Ankäufen, die in Pariser Buchhandlungen erfolgten, kann anhand einiger Aktenkonvolute mit Rechnungen, die sich ebenfalls im Bestand AJ 40 in St. Denis erhalten haben, teilweise nachvollzogen werden (Abb. 2). Insgesamt gelang es Bunjes, über Käufe, Buchsendungen von der Universität Bonn und Schenkungen sowie die vermutlichen Überstellungen der Auktionskataloge des Hôtel Drouot spätestens ab 1942 einen Bestand von etwa 6000 deutsch- und französischsprachigen Büchern zusammenzustellen, worauf der oben bereits zitierte Artikel der „Pariser Zeitung“ vom 18. April 1943 ausdrücklich hinwies.40

37 AN Paris AJ 40/1673, Brief von Bunjes an Stange vom 28. 10. 1942, o. S. 38 AN Paris AJ 40/1671, Kunsthistorische Forschungsstätte Paris (wie Anm. 3), S. 2. 39 Ebd.: Der Aufbau der Handbibliothek wurde nach zwei Gesichtspunkten begonnen: I. Schaffung einer deutschen Bibliothek[,] II. Erstellung einer französischen Bibliothek für die in Paris bzw. Frankreich tätigen deutschen Forscher. Für die französische Abteilung der Bibliothek sind bisher ungefähr 950 Bände vorhanden, die Anschaffungen werden laufend fortgesetzt. 40 AN Paris AJ/40/573 (wie Anm. 37).

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Abb. 2 Grafische Darstellung der Häufigkeit der Ankäufe durch die Kunsthistorische Forschungsstätte Paris in Pariser Buchhandlungen.

Neben der Bibliothek galt es, auch eine Fotosammlung zusammenzustellen. Damit konnte die Kunsthistorische Forschungsstätte Paris an die bereits im Referat Kunstschutz durchgeführten Fotokampagnen anschließen.41 Bunjes wurde als Leiter der Forschungsstätte die Fortsetzung der Fotokampagnen sowie die Herstellung von Abzügen aus dem Bestand der Monuments historiques übertragen.42 Bunjes beschrieb dies selbst in seinem Tätigkeitsbericht von 1942, in dem es heißt:

41 Michels, Das Deutsche Institut (wie Anm. 1), S. 92: „Allerdings konnten Bunjes und Stange und das RMEWV sich bezüglich der vom AA und dem Deutschen Institut abgelehnten Forschungsstätte mit dem Argument durchsetzen, daß die geplante Forschungsstätte in sinnvoller Weise die bereits vom Referat Kunstschutz begonnene Arbeit einer Abfotographierung und anschließenden Inventarisierung französischer Kunstwerke für die deutsche Forschung fortsetzen könne.“ 42 Kott, „Den Schaden in Grenzen halten …“ (wie Anm. 34), S. 379.

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Die wissenschaftliche Gesamtleitung lag in den Händen von Dr. Bunjes. Für die Durchführung waren ihm die Herren Dr. Schlag, Dr. Reismann, Dr. Jerchel, Dr. Wirth und Dr. Esser unterstellt. Die technischen Fragen (z. B. Betreuung der Laboratorien, Beschaffung der notwendigen fotografischen Apparate usw.) lag in enger Zusammenarbeit mit Dr. Bunjes in den Händen von KVR . Dr. v. Tieschowitz.43

Diese Zusammenarbeit ist besonders vor dem Hintergrund erwähnenswert, dass sich Graf Wolff Metternich bei der Planung 1941 gerade gegen eine s­ olche Aufgabeneingliederung in die Kunsthistorische Forschungsstätte ausgesprochen hatte, da er eine Trennung z­ wischen wissenschaftlichen Forschungstätigkeiten und Arbeiten zum Zwecke der Propaganda aufrechterhalten sehen wollte.44 Während Bibliothek und Fotothek rasch an Umfang gewannen – neben den 6000 Büchern werden rund 76.000 Aufnahmen genannt – und der erwähnte Presseartikel von 1943 weiter von nun existierenden Arbeitsräumen und einem Gastzimmer für deutsche Wissenschaftler spricht,45 liest sich das Gästebuch der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris weitaus unspektakulärer. Die ersten Einträge beginnen erst mit dem 5. August 1942, einem Zeitpunkt, an dem, selbst wenn die Erstmöblierung erst am 1. Februar 1942 begann, der eigentliche Forschungsbetrieb schon hätte angelaufen sein sollen. Auch ist zu beobachten, dass über die Hälfte der 27 Eintragungen im Zeitraum August bis September 1942 angesiedelt ist. Für das Jahr 1943 sind nur mehr acht Besucher verzeichnet und am 22. April 1944 ist Oskar Schürer als einziger verzeichneter Besucher des Jahres vermerkt. Dass die Besucherklientel der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris einen weitaus größeren Kreis an Kunstschaffenden betraf, als man zunächst bei einer Forschungsstätte annehmen könnte, zeigt sich daran, dass neben Kunsthistorikern wie Ernst Kühnel, Richard Hamann oder Heinrich Jerchel auch die Museumsdirektoren Victor Dirksen und Otto H. Förster, der Künstler Paul von ­Waldthausen, Hochschullehrer wie Alfred Stange und der bereits erwähnte Oskar Schürer 43 NL FGWM, Nr. 187, Allgemeiner Bericht über die Tätigkeit (wie Anm. 15), o. S. [S. 11]. 44 AN AJ 40/1671, Wolff Metternich zur Errichtung der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris vom 11. 01. 1941, S. 18 – 20: Aufgaben des Institutes: Das Institut ist als ein Stützpunkt der deutschen Wissenschaft in Frankreich gedacht. Demgemäss beschränkt sich seine Tätigkeit ausschliesslich auf wissenschaftliche Forschung unter besonderer Berücksichtigung des noch bei weitem nicht erschöpfend behandelten deutschen Elements in der französischen Kunst (…). Abgrenzung gegen andere Kulturinstitute: Aus dem Gesagten geht hervor, dass sich die Aufgaben ausschliesslich auf die Wissenschaft beschränken. Eine Überschneidung mit anderen deutschen kulturellen Einrichtungen, die propagandistische und politische Ziele verfolgen, wie Studentenaustauch, Vortragsfolgen, Bearbeitung von Druckschriften, volkstümliche Veranstaltungen, Film und ­Theater, zeitgenössische Kunst und Künstleraustausch und dergl. mehr kommen nicht infrage; die von dem kunstwissenschaftlichen Stützpunkt zu lösenden Aufgaben können nicht von anderen Kulturinstitutionen übernommen werden, da sie ausschliesslich in die Domäne der Wissenschaft gehören. 45 AN Paris AJ 40/1673, Brief von Bunjes an Stange vom 28. 10. 1942, o. S.

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hier zu Besuch waren. Zudem finden sich auch Galeristennamen im Gästebuch, die Kontakte mit Franzosen in Paris belegen.46

Hermann Bunjes und die Galeristen Die Kontakte zu den Galerien und Galeristen von Paris scheinen eine erste Überschneidung in den unterschiedlichen Arbeitsfeldern von Hermann Bunjes in Paris anzuzeigen. War seine erste Tätigkeit für den Kunstschutz mit der Sichtung jüdischer Galerien und deren Beständen verbunden, traten nun in der Kunsthistorischen Forschungsstätte und Bunjes’ dortiger Tätigkeit erneut Galeristen auf. Eine der engsten Beziehungen, die bereits seit Februar 1942 durch die Taschenkalender Bunjes’ belegt ist, bestand zu dem Galeristen Étienne Bignou. Ein deutlicher Ausdruck der Verbindung ist die oben erwähnte Bücherschenkung Bignous an die Kunsthistorische Forschungsstätte Paris. Er überstellte ein – heute in Mainz nachvollziehbares – Konvolut von mindestens 1136 französischsprachigen Auktionskatalogen. Sie alle wurden in der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris mit Stempeln und einer chronologisch nach Erscheinungsdatum vergebenen Nummer versehen. Dabei stellt ein Katalog aus dem Jahr 1846 den ältesten Katalog aus der Schenkung dar, der mit „Nummer 1“ ausgezeichnet wurde (s. Abb. 3). Unklar bleibt bisher, aus w ­ elchen Quellen sich Étienne Bignou bediente, um diese Großschenkung zusammenzustellen. Als Gegenleistung kann man vermutlich die 1944 beschlossene Anstellung von Étienne Bignous Sohn Michel als Fotograf in der Kunsthistorischen Forschungsstätte ansehen. Diesen Vorgang wollte Bunjes dezidiert bei seinen persönlichen Akten aufbewahrt wissen.47 Die ersten verbrieften Begegnungen mit Étienne Bignou fallen in einen Zeitraum, in dem Hermann Bunjes diverse Galerien aufsuchte. Er traf Bignou am 18. und 19. Februar 1942. Am 1. März 1942 besuchte er Bernheim, am Folgetag André Seligmann. Aber auch deutsche Namen wie Haberstock tauchen auf. Diesen traf er am 14. April, am 30. Juni 1942 trat er in Kontakt mit Fabiani und tags darauf traf er sich erneut mit Bignou, aber auch mit Trotti. Am 3. Juli 1942 taucht der Name Rudier in seinem Kalender auf. Auch Treffen mit Wüster, Adrion, Grosse und Gurlitt folgten.48 Es ist auffällig, wie eng die Kontakte mit den unterschiedlichen Galeristen aufeinanderfolgen. Ebenso auffällig ist, dass die Treffen mit Bignou häufiger stattfanden und diesen somit als Vermittler oder Kontaktmann erscheinen lassen.

46 AN Paris AJ 40/1671, Gästebuch, o. S. 47 AN Paris AJ 40/1974, Kunsthistorische Forschungsstätte Personalien Bignou, S. 152 f.: Bei den persönlichen Akten DR. BUNJES zu belassen. B. 48 AN Paris AJ 40/1674, Taschenkalender Hermann Bunjes’ von 1942, o. S.

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Abb. 3  Ältester Katalog des Konvolutes der „Schenkung Étienne Bignou“ (Detail der vergebenen Nummer 1) im Bestand der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

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Zusammenfassung: Die verschiedenen Facetten im beruflichen und wissenschaftlichen Leben des Hermann Bunjes Hermann Bunjes übte, wie dieser Artikel gezeigt hat, in den Jahren ab Herbst 1940 bis zum Rückzug aus Paris im August 1944 diverse Aufgaben für unterschiedliche Dienststellen aus. Seine Fähigkeiten als qualifizierter Kunsthistoriker kamen ihm zugute, da er anstelle eines Fronteinsatzes mit der Leitung der sogenannten „Sicherstellung“ von Kunst aus ehemals jüdischem Besitz betraut wurde. Diese Aufgabe führte ihn in die jüdischen Galerien und Kunsthandlungen von Paris. Die Einrichtung der Louvre- und Jeu-de-Paume-Depots versetzte ihn in die Lage, die gesammelten Objekte, die schon zusammengetragen und in musealem Rahmen vereint waren, begutachten zu können. Dies wiederum führte zum engen Kontakt mit Hermann Göring, der Bunjes eindeutig Graf Wolff Metternich und den übrigen Kunstschützern vorzog. Bunjes organisierte auch die Wiederaufnahme des Auktionswesens in Paris und erhielt so Informationen aus der geforderten Abgabe der Versteigerungskataloge sowie Meldungen von Verkäufen und Nennungen der Käufernamen bei Verkaufspreisen über einem festgelegten Limit. So knüpfte er Fäden ­zwischen Museen, Kunsthandel, Käufern und Verkäufern bzw. Herkunftsorten von Kunstwerken, die er in den Folgejahren in Paris zu einem dichten Netzwerk ausbaute und durchaus zum eigenen Vorteil nutzte. Die Kontakte, die er ­zwischen Kunsthistorikern, Museen, militärischem Kunstschutz, Kunsthandel und Kunstmarkt spannte, ermöglichten ihm Sondierungen und Vermittlungen. Zeitgleich gelang es ihm durch wissenschaftliche Publikationen und den Aufbau eines Forschungsbetriebes, den Anschein einer aktiven Teilhabe an der „Westforschung“ zu suggerieren. Genau dies bestätigt das Gästebuch der Kunsthistorischen Forschungsstätte. Die Besucher, die sich hier eintrugen, standen weniger Pate für die wissenschaftliche Forschungseinrichtung, sondern zeugen vielmehr von den mannigfaltigen Gebieten, auf denen Hermann Bunjes tätig war, und werfen somit auch ein neues Licht auf die Ausrichtung des Instituts selbst. Das Taktieren und Changieren von Hermann Bunjes und seinen Arbeitsfeldern in Paris war derart ausgeprägt, dass es ihm wie kaum einem anderen gelang, sich an jeder Stelle um seinen Vorteil zu bemühen und sich so durch die engen Strukturen der Militärverwaltung in Paris zu lavieren, dass er stets die größtmögliche Freiheit und bis 1944 einen sicheren Arbeitsplatz hatte. Hermann Bunjes positionierte sich in Paris zunächst – im Spannungsfeld der einzelnen Raubtrupps – mit Rückhalt im Kunstschutz, den er rasch für den Kunstraub zugunsten Hermann Görings aufgab, bis er – durch die Unterstützung von Alfred Stange – auf den Posten des Institutsleiters gelangte, dem dann zusätzlich sogar die Weiterführung der Fotokampagnen und die Erstellung der reproduzierenden Fotodokumentation der Monuments historiques unterstellt war. Es gelang ihm parallel, durch sein Fachwissen auf dem Pariser Kunstmarkt, durch seinen aktiven Aufbau einer Auktionskatalogsammlung und seine Kontakte zu Galeristen und Künstlern eine wichtige Anlaufstelle für Kunstkäufe in Paris zu werden.

Das „Netzwerk Hermann Bunjes“  I  331

Genau d ­ ieses Lavieren führte dann aber auch zu häufigen Konflikten mit seinem Umfeld. Die Tatsache, dass der Kunstschutz, vertreten durch Franziskus Graf Wolff Metternich und Bernhard von Tieschowitz, sich eindeutig gegen die Ausfuhr von Kulturgütern aus Frankreich wandte, führte infolge der Aufbereitungen der Sammlungen für Hermann Göring durch Bunjes unweigerlich zu einem Bruch. Es war die Hinwendung zu Göring, die Walter Bargatzky dann zur mittlerweile berühmten Bezeichnung von Bunjes als „eines unserer schwarze Schafe“ 49 veranlasste, da durch Bunjes’ Handeln dem Kunstraub Vorschub geleistet wurde. Sosehr Hermann Bunjes bemüht war, in seinen Berichten darauf hinzuweisen, dass er alle Bedenken Hermann Göring gegenüber angemerkt habe, dieser sich aber als Kronjurist über die bestehenden Gesetze und Regelungen hinweggesetzt, ist doch unstrittig, dass die Abtransporte der Kunst in d ­ iesem Maße nur durch die Depotlagerung und Klassifizierung geschehen konnten. Von dieser Bindung an Hermann Göring profitierte Bunjes massiv. Es gelang Bunjes, sich selbst in all seinen Berichten als Ausführenden von Befehlen oder lediglich Beratenden, wie im Göring-Gespräch, darzustellen und abzusichern. Sein gut aufgespanntes Netzwerk in Paris scheint jedoch nicht – außer in Bezug auf Hermann Göring – auf Seilschaften oder ihm gewogenen Kameraden beruht zu haben. So ist auffällig, dass in Bunjes’ Taschenkalendern kaum Kontakte mit Kollegen in Paris erscheinen, die über Diensttermine hinausgingen. Auch lässt die Existenz einer sogenannten „Geheimakte“ 50, die in Paris zusammengestellt wurde und im Nachlass Graf Wolff Metternichs liegt, darauf schließen, dass Bunjes als auffällig oder gar suspekt empfunden wurde. Bunjes, der sich spätestens durch seinen allgemeinen Tätigkeitsbericht der Dienstzeit vom 1. August 1940 bis 1. März 1942 als umtriebig und erfolgreich auf allen Gebieten 51 darstellte, klammerte einen Bereich, der die einzelnen Facetten zusammengeführt hätte, 49 Walter Bargatzky, Hotel Majestic. Ein Deutscher im besetzten Frankreich, Freiburg/Basel/Wien 1987, S. 71: „Hermann Göring, Räuber von kapitalem Format, der in seiner Unverblümtheit, seinem Verzicht auf ideologische Verbrämung die Könnerschaft Rosenbergs weit in den Schatten stellt. Über die Schätze hat er sich schon auf Umwegen unterrichtet (mit Hilfe von Bestechungen, Detektiven, des Devisenschutzkommandos Paris); nun veranstaltet Rosenberg für ihn eigens Ausstellungen im ‚Jeu de Paume‘. Ich [Bargatzky] kann mir gut ausmalen, wie er, Rosenberg zur Seite, angestrengt über den Verteilungsschlüssel nachzudenken beginnt, als er die Beute erstmals vor Augen hat. Das Resultat diktiert er dem Kriegsverwaltungsrat Dr. Bunjes persönlich in die Maschine (Dr. Bunjes ist eines unserer ‚schwarzen Schafe‘, junger Kunsthistoriker bei der örtlichen Pariser Militärverwaltung, bald ganz in Görings Diensten).“ 50 NL FGWM, Nr. 187. 51 Ebd., Allgemeiner Bericht über die Tätigkeit (wie Anm. 15), o. S. [S. 1 – 14]. Der Reihe nach listet Hermann Bunjes die folgenden Aufgabenbereiche auf: Denkmalpflegerische Maßnahmen, Museumswesen, Vorbereitung zur Rückführung de[r] geraubten Kunstgüter, Rückführung deutschen Museumsgutes, Sicherstellung jüdischen Kunstbesitzes, Aufträge des Reichsmarschalls, Pariser Kunstmarkt, Ausstellungswesen, Rückführung der Bibliotheksschätze, Führungen, Forschungsaufgaben, Foto- und Abzugskampagne,

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völlig aus. Es ist der Nutzen der Auktionskataloge, die scheinbar in der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris noch lange nach den Sondierungen und Sicherstellungen von Galerieinventar und Privatsammlungen von Juni bis Juli 1940 gesammelt wurden. Diese ermöglichten im Zusammenspiel mit den Galeristen und Künstlern eine Weiterführung von Bunjes’ Arbeit im Sondieren des Kunstmarktes von Paris und im Erforschen von Besitzern von Kunstwerken. Abschließend ergibt sich daraus, dass das weit gespannte Netzwerk von Museen, Galerien, Forschungsakteuren, Kunstmarkt und Kunsthandel, Künstlern und hochrangigen Akteuren Bunjes die Möglichkeit bot, sich so lange wie möglich in Paris zu halten. Er war in der Lage, Arbeiten auszuführen, die nicht in den Akten auftauchen; Arbeiten, die es ihm ermöglichten, weiterhin die Sammler und Museen mit Kunstwerken aus Paris zu versorgen und die Kopien- und Fotokampagnen fortzusetzen. Dadurch leistete Hermann Bunjes Vorschub für den Kunst- und Kulturgutraub im „Dritten Reich“. Mehr noch, es war Hermann Bunjes geknüpftes Netzwerk, das offenbar eine wichtige Quelle für den Nachschub vom Pariser Kunstmarkt darstellte und somit im starken Widerspruch zur unter seiner Leitung propagierten Arbeit der „Westforschung“ in der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris steht.

Studium des französischen Museumswesens, Publizistische Tätigkeit und DEUTSCHES KUNSTHISTORISCHES INSTITUT in Paris.

Das „Netzwerk Hermann Bunjes“  I  333

Sicherstellung oder Kunstschutz? Die Sammeloffiziere der Heeresmuseen im Spannungsfeld des militärischen Kunstschutzes Ein Forschungsbericht Nereida Gyllensvärd

Die Sicherstellung und Bergung von Kunstgut, so schrieb der Sammeloffizier Ruge 1 1943 an den Beauftragten für Kunst- und Denkmalschutz in Serbien, Johann Albrecht von ­Reiswitz (1899 – 1962), gehört ja nach meiner Dienstvorschrift auch zu meinen Obliegenheiten. Ich bin aber auch persönlich daran interessiert, denn es scheint doch in ­diesem Fall hier so zu liegen, dass das ganze kulturhistorische Gut eines Volkes [der Serben] vor der Gefahr steht, unwiderbringlich verloren zu gehen. Seine Rettung, soweit es noch möglich ist, scheint mir unsere Pflicht zu sein.2 Der Schriftwechsel, dem d ­ ieses Zitat entnommen wurde, entspann sich im ausgehenden Jahr 1942. Er widmete sich u. a. dem Anliegen beider Beteiligter, durch eine wohlabgestimmte Zusammenarbeit und gemeinsame Intervention in die kürzlich erkannte planmäßige Vernichtung serbischen Kulturguts auf kroatischem Gebiet durch das Ustaša-Regime einzugreifen. Die Hoffnung der beiden Briefpartner, dass dies gelingen könnte, lag in d ­ iesem Fall auf dem Zusammenspiel ihrer Kompetenzen und dienstlichen Befugnisse. Ebenso spielte dabei die Überlegung eine Rolle, dass sich Oberstleutnant Ruge als Sammeloffizier der Heeresmuseen ungehindert im Einzugsgebiet seiner Heeresgruppe bewegen konnte, ohne dabei einen diplomatischen Zwischenfall zu provozieren. Diese vorteilhafte Mobilität innerhalb der militärischen Operationsgebiete begründete sich dadurch, dass die Sammeloffiziere im Juli 1942 als eine Art militärische Sondereinheit der kämpfenden Truppen eingerichtet und aufgestellt wurden. Unterstellt wurden sie dem Chef der Heeresmuseen, seit 1938 eine neu geschaffene nachgeordnete Dienststelle des Oberkommandos des Heeres (OKH ), der

1 Die Identifizierung von Major Ruge, der im Sommer 1943 zum Oberstleutnant befördert wurde, war bisher nicht möglich. Ein Großteil der Informationen zum Einsatz Ruges ist nachzulesen im Bundesarchiv-Militärarchiv, Freiburg im Breisgau (künftig BA -MA ), RW 40 – 230, Kunstschutz in Serbien, Handakten des Beauftragten von Reiswitz 1941 – 1944, Bd. 2 (Juni 1941 –​ Juli 1943). 2 BA-MA, RW 40 – 230, Kunstschutz in Serbien, Handakten des Beauftragten von Reiswitz 1941 – 1944, Bd. 2 (Juni 1941–Juli 1943), Schreiben von Ruge an von Reiswitz, 14. 01. 1943, Bl. 26.

auch die Heeres-, Armee- und Garnisonsmuseen in Deutschland und s­päter in den besetzten Gebieten unterstellt waren.3 Die Zusammenarbeit und die Anknüpfungspunkte z­ wischen dem Kunstschutz und den Sammeloffizieren der Heeresmuseen, die sich im Schreiben von Major Ruge an den Militärverwaltungsrat (MVR ) von Reiswitz bereits andeuten und sich bei den Recherchen zum Einsatz der Sammeloffiziere der Heeresmuseen häufiger zeigen, gehören zu den bisher weitgehend unerforschten Aspekten des militärischen Kunstschutzes. Dieser war dem Oberkommando der Wehrmacht (OKW ) angegliedert und im Zweiten Weltkrieg ab Mai 1940 erst in Frankreich, Belgien sowie den Niederlanden aktiv und wirkte ab 1941 zusätzlich in Griechenland wie auch Serbien und ab 1943 in Italien.4 Die nachfolgend 3 Diese Sammelgruppen waren in der Zeit von Juli 1942 bis Kriegsende 1945 der Dienststelle des Chefs der Heeresmuseen unterstellt. Vorausgegangen war 1938 auf Befehl Hitlers die Unterstellung der Heeresmuseen Berlin, Dresden, München, Wien u. a. unter die neu geschaffene institutionelladministrative Ebene „Dienststelle des Chefs der Heeresmuseen“ als nachgeordnete Stelle des Oberkommandos des Heeres (OKH). Als Chef der Heeresmuseen war seit der Gründung der Dienststelle General Friedrich Roese bestellt, als Stellvertreter Konteradmiral Hermann Lorey, der seit 1934 das Berliner Zeughaus leitete. Nachdem Roese Anfang 1942 im Zuge der Mobilmachung erneut zum aktiven Dienst einberufen und im Juli 1942 endgültig aus dem aktiven Dienst verabschiedet wurde, übernahm sein bisheriger Stellvertreter Lorey die Position des Chefs der Heeresmuseen. Dazu ausführlich Thomas Weißbrich, Die Weltkriege im Museum. Das Berliner Zeughaus 1934 – 1945, in: Tanja Baensch/Kristina Kratz-Kessemeier/Dorothee Wimmer (Hg.), Museen im Nationalsozialismus. Akteure – Orte – Politik, Köln/Wien/Weimar 2016, S. 277 – 291, hier S. 277; Rüdiger Wischemann, Armeemuseen. monarchische Legitimation, nationale Identität, Erinnerung, 3 Bde., Berlin 2017, hier S. 767 – 772. 4 Trotz der Erfahrungen im ­Ersten Weltkrieg wurde bei den Kriegsvorbereitungen seitens der Wehrmacht keine Instanz zum Schutz von Kunst- und Kulturgütern eingeplant. Eine Institutionalisierung erfolgte im Mai 1940 mit der Bestellung von Franz Graf Wolff Metternich zur Gracht, dem Provinzialkonservator der Rheinprovinz, als Beauftragten des Oberkommandos des Heeres (OKH ) für den Kunstschutz und seinem Einsatz in den besetzten Gebieten Frankreichs. Im Gegensatz zu den Sammeloffizieren der Heeresmuseen wurden die Mitarbeiter des militärischen Kunstschutzes als Beamte der Wehrmacht (i. d. R. begrenzt auf die Kriegsdauer) berufen und waren damit als Angehörige der Wehrmacht (ohne militärischen Rang) deren Verwaltungsorganen zugeordnet. Daher konnten die Vertreter des militärischen Kunstschutzes nicht direkt auf personelle und materielle Ressourcen der Wehrmacht bei der Bewältigung ihrer Aufgaben zurückgreifen, sondern mussten dazu den längeren Dienstweg über die jeweiligen Kommandanturen mittels Bedarfsanforderungen gehen. Im Unterschied dazu konnten die Sammeloffiziere der Heeresmuseen, die den Heeresgruppen als Angehörige des Heeres zugeordnet wurden, durch ihren militärischen Rang und den entsprechenden Befehl jederzeit auf ergänzende personelle und materielle Ressourcen der Wehrmacht zur Unterstützung der Bergung, Sicherstellung und Versendung von Sammelgut zugreifen. Siehe dazu u. a. Corinna Kuhr-Korolev/Ulrike SchmiegeltRietig/Elena Zubkova, Raub und Rettung. Russische Museen im Zweiten Weltkrieg (Studien zu kriegsbedingt verlagerten Kulturgütern 1), Köln/Wien/Weimar 2018, S. 74 – 81; NL FGWM ,

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dargestellten Ansätze möglicher Verbindungen der beiden Institutionen stellen lediglich einen Auszug aus den noch laufenden Nachforschungen der Verfasserin dar und werden durch die zukünftige Forschung weiter ergänzt und konkretisiert. Daher erfolgt eine detaillierte Einordnung der Ereignisse in die institutionellen, politischen und zum Teil kulturpolitischen Kontexte nur sehr oberflächlich, sodass im Folgenden die historischen Argumentationsstrategien und Begrifflichkeiten erst einmal weitgehend unkommentiert dargestellt werden. Dabei soll jedoch nicht aus dem Blick geraten, dass es sich bei der damit verbundenen Aneignung von fremden Kulturgütern unter dem Anschein des Bewahrens in aller Regel um eine nicht legitimierte Aneignung von Objekten durch eine Besatzungsmacht handelte.5 Besonders wichtig erschien es also, im Rahmen d ­ ieses Beitrages anhand von Originalquellen aufzuzeigen, dass es eine Kooperation ­zwischen dem militärischen Kunstschutz und den Sammeloffizieren der Heeresmuseen gab, sie verschiedene Aspekte und Facetten hatte und sich nicht ausschließlich aufgrund situativer Einzelfälle ergab, wenn die jeweils andere Institution auf eine Zusammenarbeit oder Unterstützung angewiesen war. Aufgrund des bisher ausgewerteten Archivmaterials kann es sogar legitim sein, davon auszugehen, dass die Kooperation, aufgrund der Zuordnung der beiden Dienststellen zu den einzelnen Eroberungs- bzw. Besatzungsorganen, möglicherweise eine strukturierte und damit aufeinander abgestimmte Dimension hatte. Ein besonders ergiebiges Beispiel für eine Zusammenarbeit von Sammeloffizieren und dem militärischen Kunstschutz bietet der Einsatz des Sammeloffiziers Major Ruge in Südosteuropa und seine Kooperation mit dem in Serbien als Beauftragten für Kunst- und Denkmalschutz eingesetzten MVR Johann Albrecht von Reiswitz.6 Ergänzt wird diese am Ende des Beitrags ausführlicher vorgestellte Zusammenarbeit durch Beispiele weiterer Sammeloffiziere, um der Frage nachzugehen, ob die Zusammenarbeit insbesondere auch auf der persönlichen bzw. fachlichen Verbindung der einzelnen Protagonisten basierte, die in der Mehrzahl Kunsthistoriker waren.

Nr. 31, Abschrift der E ­ rnennung Franz Graf Wolff M ­ etternich zum Beamten auf Kriegsdauer vom 11. 05. 1940; BA -MA , RH 3/154, Kunst- und Kulturschutz in den von Deutschland besetzten Gebieten: Abschlußbericht des Kunstschutzbeauftragten beim OKH für die Zeit von Mai 1940 bis Sept. 1944, Bericht des Kunstschutzbeauftragen beim OKH , Bl. 5 – 39, hier Bl. 11 – 13; BA -MA , RH 23/42, KoRück 550, Anlagenband 3 zum Kriegstagebuch Nr. 111 (Okt.–06. Nov. 1942), Bl. 144. 5 Die Kontextualisierung und die detaillierte Ausführung weiterer Ansätze etc. erfolgt im weiteren Verlauf der derzeitigen Forschung und der daran anschließenden Ausarbeitungen der damit verbundenen Masterthesis zu den Sammeloffizieren der Heeresmuseen am Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg, betreut durch Prof. Dr. Iris Wenderholm. 6 Zum Einsatz von Johann Albrecht von Reiswitz und dem Aufbau des Kunstschutzes in Serbien detailliert Christina Kott, „Kunstschutz im ­­Zeichen des totalen Krieges“. Johann Albrecht von Reiswitz und Wilhelm Unverzagt in Serbien, 1941 – 1944, in: Acta Praehistorica et Archaeologica 49 (2017), S. 245 – 269.

Sicherstellung oder Kunstschutz?  I  337

Anknüpfungspunkte vor der Aufstellung der Sammeloffiziere – Rückführung von Beutestücken deutscher Herkunft Bei der Frage, wie, wo und warum es überhaupt zu einer Zusammenarbeit dieser beiden Institutionen kam, spielen nach derzeitigem Erkenntnisstand verschiedene Ereignisse in der Zeit ­zwischen 1940 bis 1942 eine Rolle. Die erste Begebenheit, die mit dem zukünftigen Aufgabenfeld der noch nicht gegründeten Sammelgruppen thematisch verbunden scheint, ist die seitens Adolf Hitlers am 24. Juni 1940 erfolgte Beauftragung des Konteradmirals a. D. Hermann Lorey (1877 – 1954) (Abb. 1), der zu ­diesem Zeitpunkt als Stellvertreter der Dienststelle des Chef der Heeresmuseen sowie seit 1934 als Direktor des Zeughauses Berlin fungierte, mit der Rückführung der in Frankreich befindlichen Beutestücke deutscher Herkunft aus der Zeit von den Freiheitskriegen über 1914/18 bis zur Jetztzeit.7 Hauptsächlich handelte es sich dabei um Objekte aus dem Besitz des Pariser Armeemuseums, aber auch um militärische Objekte, die, im öffentlichen Raum als Trophäen aufgestellt, von den vergangenen Siegen Frankreichs über Deutschland kündeten und nun durch Lorey ins Reich zurückgeführt werden sollten. Ebenso sollte Lorey in Paris eigenständig nach weiteren versteckten oder verschleppten Trophäen fahnden, die dann ebenfalls im Auftrag des Führers den Weg in das Zeughaus Berlin nehmen sollten. Um diese Aufgabe zu bewältigen, deren Umfang sich nicht auf Paris beschränkte, sondern auf Frankreich ausgedehnt war, wurde Lorey ermächtigt, selbst notwendige Reisen auszuführen und geeignete Helfer sofort heranzuziehen und zu entsenden.8 Finanziert wurden diese Rückführungen und die damit verbundenen Reisen Loreys weitgehend aus den Mitteln Hitlers.9 Dass Lorey zur Erfüllung des Auftrages auch auf materielle und personelle Ressourcen des Heeres zurückgreifen konnte, um so die Suche nach und Identifizierung von noch unbekannten Beuteobjekten im ganzen besetzten Gebiet Frankreichs zu bewältigen, belegt ein Schreiben an den Generalquartiermeister beim OKH vom 28. Juli 1940 im Nachlass des Kunstschutzbeauftragten des Oberkommandos des Heeres, Franz Graf Wolff Metternich (1893 – 1978). In dieser Mitteilung wird ausführlich über den Einsatz Loreys informiert und alle Einheiten sowie Kommandobehörden dazu aufgefordert, jegliche dafür notwendige Unterstützung zu gewähren. Darüber hinaus sollte auch durch die militärischen Einsatzkräfte vor Ort die Sicherstellung und Überführung von Beutestücken im Rahmen des Auftrages von Lorey erfolgen:

7 Bundesarchiv Koblenz (künftig BA K), B 323/257, Kunstschutz in den besetzten Westgebieten: Tätigkeit des Oberkommandos des Heeres, Militärbefehlshaber in Frankreich, und des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg 1940 – 1946, Bd. 1, Bl. 616 – 615. 8 Ebd., Bl. 616. 9 Ebd., Bl.616 – 627.

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Abb. 1 Norwegen, 2. Weltkrieg. BeuteKommission, von links: Knötel, Konteradmiral Hermann Lorey, Kunert, Henke und ein norwegischer Kraftfahrer.

Die Kommandobehörden und Truppen haben alle in ihrem Bereich vorgefundenen Trophäen und Beutestücke sicherzustellen und den zuständigen Feld- bzw. Ortskommandaturen zu melden. (…) Die in die Sammellager verbrachten Beutestücke sind dem Direktor des Zeughauses Berlin, Konteradmiral Lorey, zur Verfügung zu stellen, der nach den Weisungen des Chefs der Heeresmuseen über ihre weitere Verwendung entscheidet. Für eine Überführung in deutsche Museen nicht in Frage kommende Stücke sind den Feldzeugstellen zu überweisen. (…) Ihr [der Dienststelle des Chefs der Heeresmuseen] sind die in die Sammellager eingebrachten Beutestücke laufend mitzuteilen.10

Dass sich Lorey in Paris tatsächlich selbst der Sichtung des Materials im Musée de l’Armée widmete, ist einem Schreiben Wolff Metternichs an Lorey vom 24. August 1940 zu entnehmen, in dem er sich nach silbernen Kesselpauken des 9. Dragonerregiments erkundigte, deren Verbleib bei ihm nachgefragt worden war. Da diese Objekte in der Sammlung des Musée de l’Armée vermutet wurden, fragte Wolff Metternich bei Lorey an, ob sie bei der Durchsicht der Trophäen im Museum aufgefunden worden waren.11 Auch weitere Schreiben, Mitteilungen und Notizen im Nachlass Wolff Metternichs belegen, dass es bereits in dieser Zeit eine 10 NL FGWM, Nr. 162, Schreiben des OKH, Gen.Qu. Franz Halder, 28. 07. 1940. 11 Ebd., Schreiben Wolff Metternichs an Lorey, 24. 08. 1940.

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enge, wenn auch auf verschiedene Anfragen beschränkte, fachliche und kompetenzbezogene Abstimmung z­ wischen der Pariser Dienststelle des Chefs der Heeresmuseen mit Sitz im Hôtel d’Orsay und Wolff Metternich als Kunstschutzbeauftragtem des OKH gab. Dabei fällt auf, dass sich die Nachfragen und Abstimmungen zur Rückführung potenzieller Beutestücke nicht nur auf Trophäen und heeresmuseale Objekte beschränkten, wie ein Schriftwechsel zur Rückführung eines goldbestickten Vorhangs aus dem alten markgräflichen ­Theater in Bayreuth zeigt, der von Napoleon Bonaparte erbeutet wurde.12

Bemühungen um einen militärischen Kunstschutz in Russland Eine weitere Verbindung und mögliche Abstimmung z­ wischen dem Beauftragten für Kunstschutz beim OKH und dem Chef der Heeresmuseen vor der Einrichtung der Sammelgruppen zeichnet sich bei den Bemühungen Wolff Metternichs und seines Stellvertreters Bernhard von Tieschowitz (1902 – 1968) ab, in der zweiten Jahreshälfte 1941 die Einrichtung eines Kunstschutzes in den russischen Gebieten und auf der Krim zu erwirken. Dieses Engagement der beiden Vertreter des militärischen Kunstschutzes erfolgte, nachdem die ersten Monate der Besetzung russischer Gebiete durch deutsche Truppen vergangen waren, sich die Einrichtung des Ostministeriums zur Verwaltung dieser Gebiete jedoch noch in Vorbereitung befand.13 Da sich das OKH durch die militärische Lage in Russland Ende 1941 jedoch gegen die Einrichtung eines militärischen Kunstschutzes entschieden hatte, konnte auch der ursprüngliche Plan Wolff Metternichs und von Tieschowitz’ nicht umgesetzt werden, Dr. Richard HamannMac Lean (1908 – 2000) in Begleitung von Dr. Erich Diehl (1890 – 1952), seit 1937 Professor für Altphilologie an der Universität Riga, und Dr. Wilhelm Albert von Jenny (1896 – 1960), Altphilologe und seit 1935 Professor und Kustos im Museum für Ur- und Frühgeschichte in Berlin, im Januar 1942 nach Russland sowie auf die Krim zu entsenden.14 Stattdessen hatte sich das OKH dazu entschlossen, die Angelegenheiten des Kunstschutzes in den russischen 12 Nachdem Wolff Metternich am 04. 08. 1940 mit dem vom OKW übermittelten Auftrag Hitlers zur Rückführung des Vorhangs konfrontiert wurde, sprach er zunächst Lorey an, ob dieser etwas über den Verbleib des Objektes wisse. Da Lorey am 13. August 1940 jedoch nicht mehr in Frankreich weilte, wurde laut Notiz Wolff Metternichs die Angelegenheit letztlich dem OKVR Kuetgens, Mitglied im Referat Kunstschutz beim Militärbefehlshaber in Frankreich, übergeben. Siehe dazu ebd., Fernschreiben HOSW Nr. 22 1.8. 1330 D S Z vom Chef OKW an den Militärbefehlshaber Frankreich, Gen.Qu. (Abschrift an Lorey), 01. 08. 1940. Zur Nachfrage Wolff Metternichs bei Lorey siehe ebd., Schreiben Beauftragter für Kunstschutz/Wolff Metternich an den Chef der Heeresmuseen/Lorey, 13. 08. 1940. 13 Siehe dazu u. a. Christian Fuhrmeister, Die Abteilung „Kunstschutz“ in Italien. Kunstgeschichte, Politik und Propaganda 1936 – 1963 (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zur Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 1), Wien/Köln/Weimar 2019, S. 134; BA-MA, RH 3/154, Bl. 17 – 18. 14 Siehe NL FGWM, Nr. 68, Schreiben OKH an den Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, 03. 07. 1941.

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Gebieten dem Einsatzstab Rosenberg zu überlassen,15 wie von Tieschowitz in einem Schreiben an Prof. Diehl am 20. November 1941 bezüglich der nun geänderten Pläne berichtete: Die Lage ist folgende: der militärische Kunstschutz spielt in Russland immer nur vorübergehend eine Rolle, nämlich ­zwischen der Phase der Eroberung eines Gebietes und dessen Übernahme in die Verwaltung des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete. Das einzige neueroberte Gebiet, das z. Z. – wiederum vorübergehend – für eine Betreuung durch den militärischen Kunstschutz in Frage kommt, ist die Krim. Der militärische Kunstschutz hat lediglich Verwaltungsaufgaben zu lösen, während das OKH bereit ist, rein wissenschaftliche Belange soweit zu fördern, als sie von Zivilisten durchgeführt werden können.16

Aufgrund dieser veränderten Lage verhandelte von Tieschowitz nun mit Robert Scholz (1902 – 1981), dem Leiter des Kunstschutzes beim Reichsminister für die besetzten Ostgebiete.17 Ebenso stimmte er sich mit Martin Schede (1883 – 1947), dem Präsidenten des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches, ab. Auf dessen Initiative setzten sich Wolff Metternich und von Tieschowitz für den Einsatz der Professoren Diehl und von Jenny ein, der den von Hamann-Mac Lean ergänzen sollte: Somit hat Herr Dr. Schede auf meine Anfrage vorgeschlagen, unserem in die Krim zu entsendenden Kunstschutzbeauftragten (KVAssessor Dr. Richard Hamann) zwei Sachkenner mitzugeben: Sie selbst [Erich Diehl] und Herrn Dr. v. Jenny aus Berlin. Ihre Tätigkeit würde also zivilistisch durchgeführt und von Dr. Hamann militärisch betreut werden. Die Finanzierung Ihrer und Herrn von Jennys Reise übernähme das deutsche Archäologische Institut.18 15 Ebd., Schreiben von Tieschowitz’ an Wolff Metternich, 28. 11. 1941. 16 Ebd., Schreiben von Tieschowitz’ an Prof. Dr. Erich Diehl in Posen, 20. 11. 1941. 17 Ebd., Schreiben von Tieschowitz’ an Wolff Metternich, 28. 11. 1941. Die Bemühungen von Wolff Metternich und von Tieschowitz sind zeitlich relativ eng mit der Ernennung Rosenbergs zum Reichminister für die besetzten Ostgebiete am 17. Juli 1941 und dessen Beauftragung Gerhard ­Utikals (1912 – 1982) mit der Sicherstellung aller Kulturgüter in den besetzten Ostgebieten verbunden sowie mit der Erteilung einer Vollmacht durch Hitler an Rosenberg (01. 03. 1942), die notwendigen Maßnahmen zur Sicherstellung der Kulturgüter in den Ostgebieten zu treffen, die unter deutscher Verwaltung stehen. Siehe dazu u. a. die Dissertation von Margot Günther-Hornig, Kunstschutz in den von Deutschland besetzten Gebieten 1939 – 1945, Tübingen 1958, S. 109 – 110; Fuhrmeister, Kunstschutz in Italien (wie Anm. 13), S. 134; Kuhr-Korolev/Schmiegelt-Rietig/Zubkova, Raub und Rettung (wie Anm. 4), S. 74 – 94; Ulrike Hartung, Verschleppt und verschollen. Eine Dokumentation deutscher, sowjetischer und amerikanischer Akten zum NS-Kunstraub in der Sowjetunion (1941 – 1948), Bremen 2000, S. 28 – 216. 18 NL FGWM, Nr. 68, Schreiben von Tieschowitz’ an Prof. Dr. Erich Diehl in Posen, 20. 11. 1941; Nr. 33, Schreiben von Tieschowitz’ an Wolff Metternich, 03. 12. 1941, S. 2: Mit Schede stehe ich noch in Verhandlungen bezüglich des Kunstschutzes auf der Krim. Er soll sich zunächst einmal äussern, ob er zu einer Fühlungnahme mit Utikal bereit ist; wenn ja, kann er seine beiden Professoren eventuell mit Hilfe des Reichsministers für die Besetzten Gebiete Russlands in die Krim starten; nach der neuesten

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Im Gegensatz zu den Einsätzen des militärischen Kunstschutzes in den westlichen Gebieten sollte die Entsendung demnach gewissermassen [als] civile (…) vom Reichserziehungsministerium angebahnten Forschungsreise 19 erfolgen. Also informierte von Tieschowitz Dr. von Jenny darüber, dass für diesen Einsatz keine Abkommandierung zu einer anderen militärischen Dienststelle erfolgen würde: Vielmehr bitte ich Sie, bei Ihrem Ersatztruppenteil mit Hilfe meines beiliegenden Schreibens einen gegebenenfalls mehrmonatigen Urlaub zu beantragen. Selbstverständlich können Sie auf der Reise Uniform tragen.20 Nach dem bisherigen Kenntnisstand kam es nicht zur Einrichtung eines Kunstschutzes in dieser Form in Südrussland, worauf teilweise die fehlenden Berichte über eine ­solche Reise in den Akten verweisen. Andererseits spricht u. a. die Umgliederung und Neueinsetzung der Sammelgruppe IV (Südosten) der Heeresmuseen am 29. Februar 1944, zu der Hauptmann (Hptm.) Dr. von Jenny als Gehilfe und Unteroffizier (Uffz.) Dr. Niels von Holst (1907 – 1993) als Schreiber abkommandiert waren, für eine andere Umsetzung des militärischen Kunstschutzes im sowjetrussischen Raum und in Teilen des osteuropäischen Raums.21

Aufstellung von Sammeloffizieren zur Durchführung musealer und kriegsgeschichtlicher Aufgaben Für die Frage, ob es eine Alternative zu der von Wolff Metternich angestrebten Lösung eines Kunstschutzes in den sowjetrussischen Gebieten gab, scheint die bereits Mitte 1942 erfolgte Entscheidung des OKH zur Einrichtung von insgesamt sieben Gruppen von ­Sammeloffizieren militärischen Lage dürfte der Zeitpunkt dazu allerdings noch nicht gekommen sein. Wenn nein, werde ich noch einmal mit OKH deshalb in Verbindung treten. 19 Ebd., Nr. 68, Schreiben von Tieschowitz’ an Dr. Wilhelm von Jenny, 22. 11. 1941. 20 Ebd. 21 BA-MA, RH 53/7 – 752, Aufbau des Feldheeres – Neuaufstellung von Divisionen, Stäben, Verbänden und Einheiten insbesondere aus dem Ersatzheer des Wehrkreises V, Bd. 24 (Apr.–Okt. 1942), Befehl betr. Umgliederung IV. Gruppe Sammeloffz. (für Südosten vorgesehen), 29. 02. 1944. Die Einsätze in Nordrussland von Ernstotto Solms-Laubach und Georg Poensgen, die nachweislich beide Mitglieder der Sammelgruppen im Auftrag des Chefs der Heeresmuseen waren, erfordern eine weitere eingehende Betrachtung. Erste detaillierte Ausführungen dazu sind bei Kuhr-Korolev/Schmiegelt-Rietig/ Zubkova, Raub und Rettung (wie Anm. 4), S. 74 – 94 zu finden. Da Solms-Laubach und Poensgen bereits im Oktober 1941 mit dem Abbau des Bernsteinzimmers im Katharinenpalast (Puškin) betraut waren, könnte hier eine Verbindung zu dem Auftrag Hitlers Anfang September 1941 bestehen, der den Chef der Heeresmuseen, Konteradmiral Lorey, mit der Rückführung russischer Beutestücke deutscher Herkunft beauftragt hatte. Umso mehr, als sich bereits bei der Sicherstellung von Beutestücken in Frankreich zeigt, dass es sich dabei nicht nur um heeresmuseale Objekte handelte und der Begriff der Trophäe teils recht weit gefasst wurde. Inwiefern die Einsätze der beiden Protagonisten als Blaupause für die Einrichtung der Sammelgruppen 1942 diente, muss ebenso überprüft und dafür relevantes Archivmaterial ausfindig gemacht werden.

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relevant zu sein, die der Dienststelle des Chefs der Heeresmuseen unterstellt wurden. Diese Entscheidung für die Einrichtung der Sammeloffiziere, von denen vier Gruppen dem sowjet­ russischen Raum und eine weitere dem südosteuropäischen Raum zugeordnet wurden, korreliert mit einem erneuten Auftrag Hitlers an Lorey als Chef der Heeresmuseen am 3. September 1941: Der Führer legt, in gleicher Weise wie im vergangenen Jahr in Frankreich, größten Wert auch auf die Rückführung der in Rußland befindlichen Beutestücke deutscher Herkunft. Er ist damit einverstanden, daß die Rückführung sich über die Zeit der Freiheitskriege hinaus zurückerstreckt, auch auf mittelalterliche Waffen. Der Führer wünscht, daß Sie sich, in gleicher Weise wie in Frankreich, auch in Rußland der Durchführung dieser Aktion selbst annehmen und die Zuführung in das Zeughaus bewirken und betreiben.22

Nachdem bereits vor ­diesem offiziellen Auftrag heeresmuseale Objekte durch entsandte Mitarbeiter der Heeresmuseen im osteuropäischen Raum konfisziert und über Wien nach Berlin versandt worden waren, folgte nun offenbar eine komplexere Institutionalisierung ­dieses Auftrages.23 Dazu wurde am 13. Juli 1942 im Auftrag des OKH die Einrichtung von sieben Sammeloffizieren nebst Sammelgruppen für die zukünftige Durchführung musealer und kriegs­ geschichtlicher Aufgaben durch die Dienststelle des Chefs der Heeresmuseen befohlen.24 Die weitgespannte Beschreibung dieser Aufgaben erfolgte in den darauffolgenden Tagesbefehlen verschiedener Kommandanturen und umfasst neben dem Sammeln von in Schlachten erbeuteten Objekten ebenso das Zusammentragen von Objekten der eigenen Truppen zur Dokumentation des Krieges, bis zum Einzug aller denkbaren Objekte, die geeignet waren, im musealen Kontext ein lebendiges Bild des Gegners wiederzugeben.25 22 BA K, B 323/257, Bd. 1, Bl. 630. 23 Überliefert wurde die Sicherstellung von musealen Objekten deutschen und österreichischen Ursprungs im serbischen Armeemuseum in Belgrad im April und Juli 1941 durch den Generalkustos des Heeres­ geschichtlichen Museums Wien, Dr. Alfred Mell (1880 – 1962). Siehe dazu BA-MA, RW 40 – 230, Bd. 2, Vermerk von Reiswitz’ bzgl. erfolgter Information zur bevorstehenden Sammelaktion durch Major Ruge, 22. 02. 1943, Bl. 11. Inwiefern die Arbeiten von Ernstotto von Solms-Laubach und Georg Poensgen (1898 – 1974) in Nordwestrussland, insbesondere im Bereich Puškin, mit ­diesem Auftrag verbunden sind, ist bisher nicht abschließend geklärt. Ansätze für eine weitere Forschung finden sich bei Hartwig Jürgen Niemann, Bernsteinzimmer oder Bernsteincabinett. Auf der Suche nach der Wahrheit, Berlin 2012. Ebenso könnte die Sichtung des Poensgen-Nachlasses in der Universitätsbibliothek Heidelberg (Signatur Heid.Hs. 3996 Nachlass Georg Poensgen) weiteren Aufschluss geben. 24 Detailliert nachzulesen in BA-MA, RH 53/7 – 752, Bd. 24 (Apr.–Okt. 1942), Befehl Nr. 21276/42 geh. zur Einrichtung von Sammeloffizieren, 13. 07. 1942. 25 Die Dienstanweisungen und Tätigkeitsbeschreibungen sind in unterschiedlicher Detaillierung u. a. zu finden in BA -MA , RH 23/41, KoRück 550, Anlagenband 2 zum Kriegstagebuch Nr. 11

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Durch den Befehl zur Aufstellung der Sammelgruppen der Heeresmuseen wurden diese bereits drei Tage ­später, einschließlich einer Transportbereitschaft, mit sofortiger Wirkung zum 20. Juli 1942 eingerichtet.26 Die Zusammenstellung der jeweiligen Einheit beinhaltete, neben dem Sammeloffizier als Gruppenleiter, seinen Gehilfen im Rang eines Offiziers oder Sonderführers (im folgenden Sdf. abgekürzt),27 einen Schreiber im Rang eines Unteroffiziers, zwei Kraftwagenfahrer für Lkw und Pkw sowie einen Kriegsmaler. Während die Sammeloffiziere und Gehilfen durch den Chef der Heeresmuseen über das Heerespersonalamt ausgesucht und berufen wurden, erfolgte die Aufstellung und Inmarschsetzung der Unteroffiziere sowie der Mannschaften durch die den Sammelgruppen zugewiesenen Wehrkommandos. Materialseitig wurden die Sammelgruppen mit einem leichten, offenen Lkw, einem leichten Pkw, je einer Pistole für den Sammeloffizier und seinen Gehilfen (Sdf.), je einem Gewehr für den Schreiber (Uffz.) und die beiden Kraftwagenfahrer sowie mit einem Fotoapparat (System Leica) als Sondergerät ausgestattet.28 Die jeweiligen Einsatzgebiete der Sammeloffiziere ergaben sich durch ihre Zuweisung zu verschiedenen Heeresgruppen. Konkret wurde im Sommer 1942 die Gruppe I dem Armeeoberkommando (AOK) Lappland und Norwegen (Norwegen, Finnland), Gruppe II der Heeresgruppe Nord (Baltikum, Nordwestrussland), Gruppe III der Heeresgruppe Mitte (West- und Zentralrussland), Gruppe IV der Heeresgruppe B (Südrussland), Gruppe V der Heeresgruppe A (Kaukasus, Ukraine, Krim), Gruppe VI dem Panzer-Armeeoberkommando (Pz.AOK) Afrika (Nordafrika) sowie dem Wehrmachtbefehlshaber (W. B.) Südost (Südosteuropa/Balkan) und Gruppe VII letztlich dem Oberbefehlshaber (OB) West (Niederlande, Belgien, Frankreich) zugewiesen.29 Zudem wurde eine Gruppe Sammeloffizier Heimat mit Dienstsitz in Wien eingerichtet, die durch Hptm. Dr. Walter Freier, den letzten Adjutanten des Chefs der Heeresmuseen, geleitet wurde.30 Im Laufe der Einsätze veränderten sich die Gebietszuweisungen der einzelnen Gruppen u. a. durch Verlegungen und Neuaufstellungen (01. – 30. 09. 1942), Tagesbefehl Nr. 39, Punkt III Sammeloffiziere., BA -MA , RH 23/42, Bl. 144, BA -MA , RW 39/38, Wehrmachtsbefehlshaber in Norwegen Abteilung Ic: Tätigkeitsbericht mit Anlagen und Karten Okt. 1942, Dienstanweisung Sammeloffizier, Bl. 171 – 176. 26 Ebd., RH 53/7 – 752, Bd. 24 (Apr.–Okt. 1942), Befehl Nr. 11341/42 geh.Ib/Mob 1 zur Aufstellung, 16. 07. 1942. 27 Ebd., Befehl Nr. 21276/42, 22. 07. 1942. 28 Unterkünfte, Verpflegung und Betriebsstoffe, die für die Tätigkeit der Gruppe benötigt wurden, mussten durch die jeweiligen Heeresgruppen gestellt werden. Siehe dazu ebd., Befehl Nr. 21276/42 geh. zur Einrichtung von Sammeloffizieren, 13. 07. 1942, Anlage 1. 29 Ebd.; einen Überblick über die Einsatzgebiete der einzelnen Heeresgruppen und -einheiten bietet Georg Tessin (Hg.), Verbände und Truppen der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg 1939 – 1945. Die Landstreitkräfte. Namensverbände. Die Luftstreitkräfte. Fliegende Verbände. Flakeinsatz im Reich 1943 – 1945, Bd. 14, Osnabrück/Bissendorf 1980. 30 Diese Information ist dem Leumundszeugnis von Dr. Walter Freier für den Sammeloffizier der Gruppe V, Prof. Dr. Wilhelm-Kästner, entnommen. Staatsarchiv Hamburg (künftig StaArch HH),

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von einzelnen Heeresgruppen, den Verlust oder die Erweiterung besetzter Gebiete oder auch durch Umgliederung der Gruppen auf Veranlassung der militärischen Führungen. So erfolgte im Januar 1944 die Reduzierung der ursprünglich sieben Einsatzgruppen auf vier, ebenso wurde die Stärke der einzelnen Gruppen gekürzt und die weitere Verwendung der bisherigen Gehilfen (Sdf.) zur Disposition gestellt.31 In ­diesem Zuge wurde beispielsweise die Gruppe V, bisher eingesetzt im Bereich der Heeresgruppe A, im Frühjahr 1944 unter der neuen Bezeichnung „Gruppe Süd“ aus dem Süden der sowjetrussischen Gebiete nach Italien verlegt.32 Auch bei der personellen Besetzung der Gruppen gab es aus unterschiedlichen Gründen Veränderungen, die hier nicht im Einzelnen aufgeführt werden sollen. Wichtiger erscheint ein kurzer Überblick darüber, wer nach derzeitigem Recherchestand in den Sammelgruppen der Heeresmuseen eingesetzt war, da diese Einsätze in der Forschung bisher kaum bekannt und für die Frage nach einer möglichen Zusammenarbeit mit dem militärischen Kunstschutz von Bedeutung sind. Die folgende Aufzählung orientiert sich zum besseren Verständnis an der Struktur der Gruppen im Sommer 1942. In der Gruppe I (Norwegen, Finnland) wurde Oberstleutnant Ritscher als Sammeloffizier eingesetzt.33 Weitere Mitglieder der Gruppe sind bisher nicht bekannt. Die Gruppe II (Baltikum, Nordrussland) operierte unter der Führung des Sammeloffiziers Rittmeister Ernstotto Graf zu Solms-Laubach (1890 – 1977). Zu seiner Gruppe gehörten mit großer Wahrscheinlichkeit Hptm. Axel Sponholz (1894 – 1976) (Sdf.), Oberleutnant Dr. Werner Körte (1905 – 1945) (Einsatz: Juli 1942–August 1942), Leutnant Prof. Dr. Werner Hahlweg (1912 – 1989) (Einsatz: 1942 – 1943) und Leutnant Dr. Christian Gündel (März 1943 – 25. März 1944). Im Mannschaftsrang gehörten wohl Eugen Fink und der Obergefreite Dr. Helmut Perseke (bis Mai 1943) zur Sammelgruppe.34 Der Sammeloffizier der Gruppe III (Zentralrussland) war ein Major Dr. Bauer, dessen Identität – ebenso wie weitere Mitglieder dieser Gruppe – b­ isher

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221 – 11 Ed 9266: Prozessakte Entnazifizierung Prof. Kurt Wilhelm-Kästner, Leumundszeugnis Walter Freier, 01. 12. 1946, Bl. 17. Ebd., Eidesstattliche Erklärung Dr. jur. Walter Freier, 02. 12. 1949. Ebd., Erklärung Prof. Evers’ zu den Denunziationsvorwürfen Prof. Dr. Reidemeisters gegen Prof. Dr. Kurt Georg Wilhelm-Kästner, 14. 12. 1947, Bl. 25 – 27. BA MA, RW 39/38, Dienstanweisung Sammeloffizier, Bl. 127 – 128. Da die Besetzung der Position des Gehilfen im Rang eines Offiziers (Befehl vom 16. 07. 1942) oder eines Sonderführers (Z) (Ergänzung zum Befehl vom 22. 07. 1942) erfolgen musste, ist es auszuschließen, dass Körte, Hahlweg und Gündel die Position des Schreibers (Uffz.) bzw. Mannschaftsränge bekleideten. Dies trifft ebenso auf die mögliche Position von Sponholz (Hptm.) zu. Hier sind weitere Nachforschungen nötig. Die Zuweisung der Dienstgrade zu den Positionen ergibt sich u. a. aus BA-MA, RH 53/7 – 752, Bd. 24 (Apr.–Okt. 1942). Zum Einsatz der genannten Personen finden sich Informationen in Kuhr-Korolev/Schmiegelt-Rietig/Zubkova, Raub und Rettung (wie Anm. 4), S. 81 – 88; National Archives and Records Administration, College Park, Md (künftig NARA ), M 1946, Administrative Records, Record Group (RG) 260, Roll 0132, Restitution Research Records:

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nicht genauer bestimmt werden konnte.35 Zur Gruppe IV (Südrussland), geleitet durch den Sammeloffizier Oberstleutnant Ruge, gehörten als Gehilfe erst Sdf. Dr. Paul Grotemeyer (1904 – 1975) bis Frühjahr/Sommer 1943,36 dann ab Anfang 1944 Prof. Dr. Wilhelm Albert von Jenny sowie Uffz. Dr. Niels von Holst als Schreiber.37 Die Gruppe V (Kaukasus, Ukraine, Krim) wurde von Sammeloffizier Major Prof. Dr. Kurt Georg Wilhelm-Kästner (1893 – 1976) geleitet.38 Von Juli 1942 bis März 1944 war im Rang eines Sonderführers Prof. Dr. Leopold Reidemeister (1900 – 1987) als Gehilfe eingesetzt, der 1943 im Zuge der Verkleinerung und Umgliederung der Gruppen als Militärverwaltungsrat zu Hans Gerhard Evers (1900 – 1993) in den militärischen Kunstschutz nach Italien wechselte.39 Ihm folgte als Sonderführer Dr. Peter Halm (1900 – 1966), der bis Kriegsende die Position des Gehilfen der Gruppe V innehatte.40 Zusätzlich ist für November 1943 und das Frühjahr 1945 der Einsatz des Uffz. Dr. Günther Herzberg in Italien belegt, der aufgrund seines Dienstgrades vermutlich als Schreiber der Gruppe V zugeordnet war.41 Für die Gruppe VI (Nordafrika) konnte bisher nur der Sammeloffizier Hptm. Dr. Bruno Brehm (1892 – 1974) identifiziert werden.42 Für die Gruppe VII (Niederlande, Belgien, Frankreich) wurden Hptm. Prof. Dr. Kurt Luthmer (1891 – 1945) als Sammeloffizier sowie Dr. Arnolds (Sdf.), vermutlich als Gehilfe, eingesetzt.43 Im Februar Tagesordnung 22. – 24. 02. 1944 zum Treffen des Chefs der Heeresmuseen mit den Direktoren und Sammeloffizieren. 35 Der Einsatz von Major Dr. Bauer ist zu entnehmen: BA-MA, RH 60/23, Heeresgruppe A (V. Gruppe), Mitte (III. Gruppe) und Oberbefehlshaber West (VII. Gruppe); ebd., Stammtafeln Sammeloffizier 1942, Bl. 2; ebenso bei Christian Gerlach, Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Besatzungspolitik, Hamburg 2013, S. 123 – 124. 36 Siehe dazu ebd., RW 40 – 230, Bd. 2, Schreiben Ruges an von Reiswitz, 20. 06. 1943. 37 Ebd., RH 53/7 – 752, Bd. 24 (Apr.–Okt. 1942), Befehl betr. Umgliederung IV. Gruppe Sammeloffz. (für Südosten vorgesehen), 29. 02. 1944. 38 Ebd., RH 60/23, Bl. 1. 39 StaArchHH , 211 – 11 Ed 9266, Abschrift der Eidesstattlichen Erklärung von Prof. Dr. Leopold ­Reidemeister, 10. 06. 1948. 40 Ebd., Bl. 25 – 27: Erklärung Prof. Evers’ zu den Denunziationsvorwürfen des Prof. Dr. Reidemeisters gegen Prof. Dr. Kurt Georg Wilhelm-Kästner, 14. 12. 1947; Generallandesarchiv Karlsruhe (künftig: GLA K), 441 – 3 Nr. 638: Direktor Dr. Martin mit Kollegen: Korrespondenz halbamtlich und privat 1937 – 1939, Schreiben Dr. Weihrauch an Martin, 30. 10. 1945. 41 Der Einsatz eines Uffz. Herzberg (ggf. auch Hertzberg) wird u. a. in einem Schreiben von Ludwig Heydenreich, 10. 02. 1943 erwähnt. Siehe dazu Fuhrmeister, Kunstschutz in Italien (wie Anm. 13), S. 215, 297. Die Idenität des Pinder-Schülers Uffz. Dr. Günther Herzberg ergibt sich aus Universitätsarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin, Bestand Phil. Fak. 01 Nr. 922, u. a. Bl. 103 – 125. 42 BA-MA, RH 19-VIII/319, OKH Afrika: Tätigkeitsbericht Sammeloffizier; ebd., RH 19-VIII/321, OKH Afrika, Stammtafeln, Bl. 5. 43 Ebd., RH 19-IV/129, OKH D/Oberbefehlshaber West/Oberbefehlshaber Süd, Abteilung Ic, Anlagen Nr. 1 – 89 (Okt.–Dez. 1943), Tätigkeitsbericht Sammeloffizier 10. – 12.1943; ebd., RH 19-IV/131, OKH D/Oberbefehlshaber West/Oberbefehlshaber Süd, Abteilung Ic, Anlagen Nr. 1 – 97 (Jan.–März 1944),

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1944 wird zudem Major Dr. Georg Poensgen (1898 – 1974) als Sammeloffizier der Gruppe VIII aufgeführt.44

Verbindung qua Auftrag: der Schutz und die Bergung von Kunst- und Kulturgütern Um die Sammeloffiziere und ihre Mannschaften bei den Truppen anzukündigen, wurden die Einheiten über deren Eintreffen, Zuordnung, Befugnisse und Aufgabengebiete informiert: Aufgabe der Sammeloffiziere ist es, im Abschnitt der Heeresgruppe gemäss den vom Chef der Heeresmuseen aufgestellten Richtlinien alles zu erfassen und sicherzustellen, was für eine lebendige Darstellung ­dieses Krieges wichtig erscheint, darüber hinaus beim Vormarsch Kunstdenkmäler und Kulturgüter zu ­schützen bezw. zu bergen, um die(se) auf diese Weise jedem zerstörenden Zugriff zu entziehen. (…) Sämtliche Dienststellen der Heeresgruppe und unterstellten Einheiten haben die Tätigkeit der Sammeloffiziere durch Hinweise auf geeignetes Material und durch Hilfe bei der Sicherstellung, Bergung und Versendung des Sammelgutes (…) zu unterstützen. Die Sammeloffiziere sind berechtigt, sich im Abschnitt der Heeresgruppe (…) ungehindert zu bewegen, soweit nicht die Führung der Operationen einschränkende Bestimmungen durch die Armeen erforderlich macht.45

Insbesondere die letztgenannte Aufgabe, der Schutz und die Bergung von Kunst- und Kulturgütern in den besetzten Gebieten, forderte von den Sammeloffizieren und ihren Einheiten eine entsprechende fachliche sowie militärische Qualifikation, analog zu den Qualifikationen der Mitglieder des militärischen Kunstschutzes. Es ist daher kaum dem Zufall zuzurechnen, dass als Sammeloffiziere hauptsächlich Kunsthistoriker eingesetzt wurden, die zum einen über nennenswerte berufliche Erfahrungen im Museumsbereich verfügten und zum anderen bereits aktiv im ­Ersten Weltkrieg an der Front gedient und dadurch mittlere wie auch höhere Tätigkeitsbericht Chef der Heeresmuseen und Einsatzgruppe II OB West 1944; ebd., RH 19-IV/133, OKH D/Oberbefehlshaber West/Oberbefehlshaber Süd, Abteilung Ic, Anlagen Nr. 1 – 167 (April–Juni 1944), Tätigkeitsbericht Chef der Heeresmuseen und Einsatzgruppe II OB West April–Juni 1944. 44 NARA, M1946, Administrative Records, RG 260, Roll 0132, Restitution Research Records, Tagesordnung 22. – 24. 02. 1944 zum Treffen des Chefs der Heeresmuseen mit den Direktoren und Sammeloffizieren. Die Gruppe VIII der Sammeloffiziere war laut Kuhr-Korolev/Schmiegelt-Rietig/ Zubkova, Raub und Rettung (wie Anm. 4), S. 92 vermutlich im Bereich des Balkans, auf dem ehemaligen Gebiet Jugoslawiens aktiv. Dies widerspricht jedoch den in BA-MA RW 40 – 230, Bd. 2 überlieferten Einsätzen von Major Ruge/Gruppe IV, der nachweislich u. a. in Serbien, Kroatien und Bosnien eingesetzt war. Möglicherweise lässt sich dies durch weitere Umgruppierungen und Verlegungen erklären, die sich ggf. anhand möglicher Archivbestände im Heeresmuseum Wien detailliert nachvollziehen ließen, die jedoch nicht eingesehen werden konnten. 45 BA MA, RH 23/42, Bl. 144 (145).

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Offiziersränge in der militärischen Laufbahn erreicht hatten. Diesen erfahrenen Kriegsteilnehmern wurden junge Kunst- und Kulturhistoriker mit geringerer militärischer Erfahrung als Gehilfen zur Seite gestellt, die aber ebenfalls über Erfahrungen in der Museumsarbeit, Inventarisierung und Betreuung von Sammlungen verfügten. Teilweise ist bei den Gehilfen bzw. Sonderführern zudem eine spezifische museale, thematische oder sprachliche Qualifikation erkennbar, die bei der Arbeit im Einsatzgebiet hilfreich sein konnte.46 Zudem fällt auf, dass einige Mitglieder der Sammelgruppen in verschiedenen Intensitäten und Modi in Kontakt mit den Mitgliedern des militärischen Kunstschutzes standen. So lässt z. B. der Eintrag Spaziergang bei herrlichem Wetter nach Spiegelslust, Besuch bei Solms [in Marburg] (…), Abendessen friedensmässig bei Hamanns 47 in von Tieschowitz’ Kalender durchaus einen privaten Kontakt z­ wischen ihm und der Familie von Ernstotto Solms-Laubach vermuten. Eine Rolle bei der Verbindung z­ wischen militärischem Kunstschutz und den Mitgliedern der Sammelgruppen scheint auch das Netzwerk aus Schülern und Promovierenden, wie u. a. Solms-Laubach und von Tieschowitz um Prof. Richard Hamann (1879 – 1961), gespielt zu haben, der wiederum selbst in enger Zusammenarbeit mit dem militärischen Kunstschutz die fotografische Erfassung der französischen Kunst- und Kulturschätze für das eigene Marburger Institut umsetzte. Hamanns Sohn, Dr. Richard Haman-Mac Lean (1908 – 2000), der ebenfalls zeitweise in Marburg studiert hatte, war als Angehöriger des militärischen Kunstschutzes 46 Sdf. Dr. Peter Halm verfügte u. a. über Erfahrungen in der Inventarisierung und Neuordnung von grafischen Sammlungen (Dresdner System), die er als wiss. Hilfskraft am Staatl. Kupferstichkabinett Dresden erworben hatte und s­päter erfolgreich bei der Neuordnung der Sammlung im Kupferstichkabinett der Kunsthalle Karlsruhe einsetzte. Darüber hinaus war Halm erst als Konservator bei der Kunsthalle Karlsruhe und dann bei der Bayerischen Staatsgemäldesammlung eingesetzt. Siehe dazu GLA K, 441 – 2 182, Personalakte Peter Halm Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 1934 – 1935. Der Gehilfe des Sammeloffiziers Ruge (Südrussland), der Numismatiker Dr. Paul Grotemeyer, hatte Kunstgeschichte und Klassische Archäologie studiert und war seit 1939 als Kustos an der Staatlichen Münzsammlung in München eingesetzt. Siehe dazu Hans-Michael Körner (Hg.), Große Bayerische Biographische Enzyklopädie, Bd. 1, München 2005, S. 699. Ruges späterer Gehilfe Dr. Wilhelm Albert von Jenny war nach dem Studium der Kunstgeschichte und seiner Promotion erst wiss. Assistent am urgeschichtlichen Institut der Universität Wien. Nach seinem Wechsel 1927 als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an das Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin war von Jenny dort von 1929 bis 1945 als Kustos tätig. 1935 erweiterte sich seine Berliner Aufgabe um eine Lehrtätigkeit. In seinem Fronteinsatz im südlichen Gebiet der Ukraine konnte er sich zusätzlich zu seiner wissenschaftlichen Reputation als Kenner der südrussischen Kunst und Kultur bereits auch mit dem Land und der Bevölkerung vertraut machen. Siehe dazu den Schriftwechsel ­zwischen von Jenny und Wolff Metternich/von Tieschowitz in NL FGWM, Nr. 68; Lothar Eckhart, Wilhelm Jenny. Und die archäologische Bodenforschung in Oberösterreich (Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines 105), Linz 1960, S. 95 – 97. Weitere Beispiele ließen sich u. a. für Niels von Holst, Leopold Reidemeister etc. anführen. 47 NL FGWM , Nr. 251, Taschenkalender Bernhard von Tieschowitz’ zu 1943, hier Sonntag, den 07. 03. 1943: Marburg.

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auch an der Fotokampagne seines Vaters in Frankreich beteiligt. Zudem war Hamann-Mac Lean im März und November 1940 gemeinsam mit Dr. Niels von Holst, der ­später in der Sammelgruppe IV (Südosten) eingesetzt war, damit betraut, die zurückgelassenen deutschen Kunstdenkmäler des Baltikums zu inventarisieren und fotografisch zu dokumentieren.48 Auch der Sammeloffizier Prof. Dr. Wilhelm-Kästner, ebenfalls ein Schüler von Richard Hamann, war 1941 bei einer durch von Tieschowitz organisierten und vom militärischen Kunstschutz veranstalteten Studienfahrt für ausgewählte Kunsthistoriker durch die besetzten Gebiete Frankreichs mit zahlreichen Vertretern des militärischen Kunstschutzes, u. a. mit Wolff Metternich, von Tieschowitz selbst und Hamann-Mac Lean, in Kontakt gekommen.49 Eine weitere Verbindung, die eine fachliche Zusammenarbeit von Sammeloffizieren und militärischem Kunstschutz bei der Lokalisierung von schützenswerten Sammlungen sowie Bau- bzw. Kunstdenkmälern in den neu besetzten Gebieten nahelegt, zeigen zwei Listen im Nachlass von Wolff Metternich. Bei der einen Liste handelt es sich um eine Aufstellung von Museen und deren jeweiligem Sammlungsprofil in den neu besetzten Gebieten Südfrankreichs. Die andere enthält, nach Departements geordnet, alle Kunst- und Baudenkmäler. Diese beiden undatierten und in Papier eingeschlagenen Listen sind mit dem Titel „Liste südfranz. Denkmäler von Hptm. Luthmer“ bezeichnet.50 Dass der Sammeloffizier Hptm. Prof. Dr. Kurt Luthmer der Urheber dieser Liste war, scheint naheliegend, da er sich spätestens seit dem Sommer 1942 im Einzugsgebiet des OB West aufhielt. Zudem war Luthmer, seit 1928 Direktor der Staatlichen Kunstsammlung Kassel, mit dem militärischen Kunstschutz in Frankreich durch Prof. Dr. Hans Möbius (1895 – 1977) und den gemeinsamen Kassler Wirkungskreis verbunden. Möbius, der von 1928 bis 1935 unter Luthmer als Kustos 48 Darüber hinaus war Hamann-Mac Lean 1941 als Kunstschutzbeauftragter für den Einsatz in Südrussland und auf der Krim eingeplant: siehe Anne Christine Nagel (Hg.), Die Philipps-Universität Marburg im Nationalsozialismus. Dokumente zu ihrer Geschichte (Academia Marburgensis 7), Stuttgart 2000, S. 70 – 71, hier S. 404; NL FGWM, Nr. 68. Zum Lebenslauf von Bernhard von Tieschowitz siehe Fuhrmeister, Kunstschutz in Italien (wie Anm. 13), S. 127. Zur Verbindung von Richard Hamann und den Mitgliedern des militärischen Kunstschutzes, insbesondere Bernhard von Tieschowitz, siehe Ruth Heftrig, Fanatiker der Sachlichkeit. Richard Hamann und die Rezeption der Moderne in der universitären deutschen Kunstgeschichte 1930 – 1960 (Schriften zur modernen Kunsthistoriographie 5), Basel/Berlin 2014, u. a. S. 207 – 209. Der fotografische Einsatz von HamannMac Lean und von Holst ist u. a. dargestellt in Kuhr-Korolev/Schmiegelt-Rietig/Zubkova, Raub und Rettung (wie Anm. 4), S. 68 – 70. 49 Entsprechende Einträge zu den einzelnen Terminen siehe NL FGWM, Nr. 251, Taschenkalender Bernhard von Tieschowitz’ zu 1941: Einträge im Zeitraum 18.09. – 11. 10. 1941. Darüber hinaus finden sich weitere Details in: ebd., Nr. 158, Bericht Dagobert Frey, Breslau, 15. 11. 1941 (9 Seiten); BA K, B 323/265, Kunstschutz in Frankreich – Bestandsaufnahme luftkriegsgeschädigter Bau- und Kunstdenkmäler („Schlösser-Aktion“) 1940 – 1944, Bl. 733 – 736; BA MA, RH 3/154, Kunst- und Kulturschutz in den von Deutschland besetzten Gebieten – Abschlußbericht des Kunstschutzbeauftragten beim OKH für die Zeit von Mai 1940 bis Sept. 1944, Bl. 33 (S. 26). 50 NL FGWM, Nr. 39, Mappe „Südfrankreich“.

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in Kassel gewirkt hatte und gemeinsam mit ihm publizierte, war seit Juli 1941 Mitarbeiter des militärischen Kunstschutzes in Frankreich und ab Ende 1942 auch für die neu besetzten Gebiete Südfrankreichs verantwortlich, wo er gewiss auch mit seinem ehemaligen Vorgesetzten konfrontiert wurde.51 Dass es tatsächlich zu persönlichen Treffen von Angehörigen des militärischen Kunstschutzes und denen der Sammelgruppen kam, die potenziell auch für Abstimmungen von anstehenden Aufgaben genutzt werden konnten, zeigt sich auch an einer Zusammenkunft vom 20. November 1943 in Florenz. Dort traf Hans Gerhard Evers, seit November 1943 als MVR mit den Belangen des militärischen Kunstschutz in Italien betraut, seine ehrenamtlichen Mitarbeiter Dr. Ludwig Heydenreich (1903 – 1978) und Dr. Herbert Siebenhüner (1908 – 1996) sowie den Sonderführer Dr. Peter Halm der Sammelgruppe V. Da diese Zusammenkunft im Rahmen der ersten Reisen des neu eingesetzten Kunstschutzbeauftragten stattfand, kann in dieser Konstellation wohl eine Abstimmung hinsichtlich kunstschutzrelevanter Th ­ emen angenommen werden. Diese Annahme verfestigt sich durch die Aussage Evers’ in seinem Bericht über die Errichtung und die Aktivitäten der Außenstelle des militärischen Kunstschutzes in Mailand im Jahr 1944, in dem er schreibt: Mit der Dienststelle Sammeloffizier ist die Aussenstelle Mailand schon von Rom [aus] befreundet und hat auch in der Berichtszeit in Mailand und Turin zweimal Besuch und wesentliche Hilfe von ihr erhalten.52 Während sich der Kontakt z­ wischen Evers und dem Sammeloffizier Prof. Wilhelm-Kästner erst im Rahmen der Zusammenarbeit in Italien ergab, war ihm Sdf. Dr. Halm bereits aus München gut bekannt, wo Evers selbst als Privatdozent an der Universität lehrte und Halm seit Januar 1939 die Stelle des Konservators an der Bayerischen Staatsgemäldesammlung innehatte.53 Über ein weiteres Zusammentreffen in Florenz, wo Halm in 51 Zu den Tätigkeiten an der Staatlichen Kunstsammlung Kassel siehe Joachim Schröder, Der MuseumsVerein für Hessen-Cassel 1903 – 1927 und der Kasseler Museumsverein 1927 – 1947. Eine Studie zur Geschichte des Vereins, Kassel 2017, S. 42, 64 – 66, 117. Zum Einsatz von Prof. Hans Möbius beim militärischen Kunstschutz in Frankreich siehe Fuhrmeister, Kunstschutz in Italien (wie Anm. 13), S. 138. 52 Archiv der Commissione Interministeriale per il Recupero d’opere d’arte, Rom, Akte 237, Ottobre 1944: Evers, „Bericht über die Errichtung und die Tätigkeit der Aussenstelle Mailand der Abt. Kunstschutz“, 16. 10. 1944, zit. nach Fuhrmeister, Kunstschutz in Italien (wie Anm. 13), S. 288. 53 Zum Wechsel von Dr. Peter Halm von Karlsruhe nach München siehe GLA K, 441 – 2, Nr. 182, Personalakte Peter Halm Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 1934 – 1935, Schreiben vom 29. 11. 1938. Die Verbindung und Zusammenarbeit von Hans Gerhard Evers und Peter Halm ist u. a. nachzulesen bei Fuhrmeister, Kunstschutz in Italien (wie Anm. 13), S. 212 – 218, 296 f. Inwiefern sich die gemeinsame Begutachtung von zwei in römischem Privatbesitz befindlichen Werken Anselm Feuerbachs durch Evers und Halm 1944 in die mögliche Zusammenarbeit von Sammeloffizieren und militärischen Kunstschutz einordnen lässt, ist bisher fraglich. Bemerkenswert erscheint, dass Evers eines der Bilder, das Mädchenbildnis von 1848 (Öl/Lw., 64,5 × 52,3 cm, Inv.-Nr. 2233), für die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe erworben hat. Direktor der Kunsthalle war Kurt Martin (1899 – 1975), der ehemalige Vorgesetzte von Peter Halm, mit dem Halm einen engen und auch persönlichen Kontakt pflegte. Dass das Bild zudem durch Uffz. Dr. Herzberg, Mitglied der Gruppe Sammeloffizier Süd (Leiter:

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Begleitung seines Vorgesetzten unterwegs war, des Sammeloffiziers Major Wilhelm-Kästner, berichtet Evers in seinem Leumundszeugnis für Wilhelm-Kästner: Im Mai 1944 war Dr. Langsdorff auf Dienstreise in Deutschland, und ich [Evers] vertrat ihn in Florenz. Hier traf ich eines Tages beim Essen den Leiter der Italiengruppe der deutschen Heeresmuseen, Prof. Dr. Wilhelm-Kästner, im Range eines Majors. Er war begleitet von dem mir schon längst und neuerdings wieder aus Rom bekannten und befreundeten Dr. Peter Halm, der als ‚Sonderführer Z‘ sein Untergebener war.54

Die Zusammenarbeit des militärischen Kunstschutzes und der in Italien eingesetzten Sammelgruppe Süd, die u. a. mit der Sammlung von Objekten für die geplante Ausstellung „Der Krieg an der Südfront“ beschäftigt war und unter Leitung von Major Wilhelm-Kästner agierte, erscheint nach derzeitigem Erkenntnisstand hauptsächlich im Bereich der Sicherstellung und des Transports bzw. der Verlagerung von italienischem Kulturgut gelegen zu haben, wie verschiedenen Berichten über erfolgte Transporte durch die Vertreter der Sammelgruppe zu entnehmen ist.55 Da die Sammeloffiziere jedoch auch mit der fotografischen Dokumentation von Baudenkmalen befasst waren (Abb. 2), sind auch in d­ iesem Bereich Anknüpfungspunkte zum Tätigkeitsbereich des militärischen Kunstschutzes vorhanden. Dass Sicherstellungen bzw. Bergungen von Kulturgut, wie sie u. a. in der Zusammenarbeit von militärischem Kunstschutz und den Sammeloffizieren der Heeresmuseen erfolgten, Major Prof. Dr. Wilhelm-Kästner, Gehilfe: Sdf. Dr. Peter Halm), in das Armee-Museum München transportiert und von dort weiter nach Karlsruhe geleitet wurde, wirft weitere Fragen auf. Siehe dazu Fuhrmeister, Kunstschutz in Italien (wie Anm. 13), S. 296 f.; GLA K, 441 – 3, Nr. 638, Direktor Dr. Martin mit Kollegen Korrespondenz halbamtlich und privat 1937 – 1939; ebd., 441 – 2, Nr. 182, Personalakte Peter Halm Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 1934 – 1935; ebd., 441 Zug. 1981/70, Nr. 378. 54 StaArch HH, 221 – 11 Ed 9266, B. 25, Leumundszeugnis von Hans Gerhard Evers für Prof. Dr. Kurt Georg Wilhelm-Kästner vom 14. 12. 1947. Bei dem Gespräch ging es u. a. um den möglichen Einsatz von Prof. Leopold Reidemeister beim militärischen Kunstschutz, nachdem er als Gehilfe (Sdf.) aus der Gruppe V der Sammeloffiziere ausgeschieden war. Wilhelm-Kästner äußerte sich in dem Gespräch kritisch über die fachliche Eignung Reidemeisters für einen Einsatz im Operationsgebiet, worauf es in der Nachkriegszeit seitens Reidemeister zum Vorwurf der politischen Denunziation durch Wilhelm-Kästner kam. 55 Erwähnt sind die Einsätze u. a. bei Fuhrmeister, Kunstschutz in Italien (wie Anm. 13), S. 212 – 218. Die Originalberichte über die Einsätze finden sich im Archiv des Deutschen Historischen Instituts (künftig DHI Rom, Archiv), Nr. 7, Nr. 308: „Bericht über die Organisation und Tätigkeit der mit Kunst- und Archiv-Schutz während des Krieges in Italien beauftragten deutschen Dienststellen“, Typoskript (17 Seiten, nicht namentlich gezeichnet); ebd., Nr. 7, Nr. 308, „Bericht über den Anteil der Heeresgruppe C an der Bergung und Sicherstellung italienischen Kunstgutes“, Typoskript (20 Seiten, nicht namentlich gezeichnet); sowie bei Sergio Pagano, „Scrinium tutum.“ L’Archivio ­Segreto Vaticano rifugio di tesori d’arte e di storia durante l’ultima Guerra (1940 – 1945), in: Francisco Daelemans (Hg.), Miscellanea in honorem Caroli Kecskeméti, Brüssel 1998, S. 377 – 406.

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Abb. 2  Burg Hocheppan/Südtirol, Blick auf die Burgkapelle um 1944/1945.

insbesondere die Interessen der deutschen Besatzer berücksichtigten, mag leicht aus dem Blick geraten, wenn man – wie in ­diesem Beitrag bisher – weitgehend die in den Originaldokumenten dargelegten Sachverhalte wiedergibt, um im ersten Schritt einen Überblick über die Aufgaben, Strukturen und die Vernetzung der beteiligten Institutionen zu geben. Trotzdem darf kein Zweifel daran bestehen, dass es sich bei allen Aktionen der Sammelgruppen oder des militärischen Kunstschutzes, durch die kriegsbedingt bedrohte, teils verlagerte Kulturgüter vor der Zerstörung bewahrt wurden, um einen Zugriff der Besatzer auf fremdes Kulturgut handelte. Dieser Zugriff war in aller Regel nur durch eine gewaltsame Einnahme oder politische Einverleibung eines fremden Staatsgebietes möglich. Die Konnotation der Bergung als Bewahrung oder die Sicherstellung als legitime Rückführung von kulturellen Objekten, wie sie sich in den Originalquellen darstellen, muss daher besonders genau betrachtet und hinterfragt werden. Insbesondere, da ­solche Zugriffe auf Kulturgut auch aus diplomatischen bzw. politischen Überlegungen in Bezug auf zukünftig zu führende Bündnis- und Friedensverhandlungen erwogen wurden.56 56 Siehe u. a. BA-MA, RW 40 – 230, Bd. 2, Korrespondenz ­zwischen Major Ruge und von Reiswitz im Zeitraum vom Dez. 1942 bis Feb. 1943, Bl. 25 – 33.

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Gebündelte Kompetenzen: Gemeinsame Intervention anlässlich der Vernichtung serbischen Kulturgutes Dies trifft auch für das abschließende und zugleich erste Beispiel am Anfang des Beitrages zu, das der Korrespondenz ­zwischen dem Sammeloffizier Major Ruge und Johann Albrecht von Reiswitz, Beauftragter für Kunst- und Denkmalschutz in Serbien, entnommen wurde. Deren gemeinsame Arbeit erstreckte sich auf verschiedene Aufgaben: So planten sie gemeinsam die Neugestaltung und Wiedereröffnung des serbischen Armeemuseums in Belgrad, nachdem in dessen Sammlungsbestände durch die erste Rückführung von zahlreichen Objekten ursprünglich deutscher und österreichischer Herkunft 1941 empfindliche Lücken gerissen worden waren. Gleichzeitig begleitete von Reiswitz gegenüber den serbischen Lokalbehörden als Vermittler vor Ort die erneute Sicherstellung und Rückführung von derartigen Objekten im Frühjahr 1943 durch Major Ruge und seinen Gehilfen Sdf. Dr. Paul Grotemeyer. Die wohl anspruchsvollste Zusammenarbeit der beiden – hinsichtlich politischer Interessen und des dafür erforderlichen diplomatischen Fingerspitzengefühls – bezieht sich auf die gemeinsame Bearbeitung von Rückgabeforderungen Serbiens und Kroatiens und die damit verbundene geplante Intervention in Bezug auf die Vernichtung serbischen Kulturgutes durch das kroatische Ustaša-Regime. Nach dem Zerfall des Königreichs Jugoslawien und dem darauffolgenden deutschen Überfall Anfang April 1941 entstanden als Nachfolgestaaten u. a. der Unabhängige Staat Kroatien sowie Serbien, beide Bündnispartner und protegierte Satellitenstaaten Deutschlands. Durch die Bildung der neuen Staaten mit veränderten Territorialzuschnitten, die teilweise nicht den historischen wie ethnischen Siedlungsstrukturen entsprachen, und durch die zuweilen unterschiedliche Bereitschaft zur Kollaboration mit den Besatzern entstanden Konflikte, die auch auf der Ebene von Vernichtung kultureller Strukturen, Einrichtungen und Objekte ausgetragen wurden. Ein wesentlicher Konflikt war dabei der Völkermord der faschistischen Ustaša-Regierung Kroatiens an Juden, Roma, Serben und kroatischen Antifaschisten.57 In dieser komplexen Gemengelage aus faschistischer Politik, Völkermord, militärischer Verwaltung bzw. Besetzung sowie gegenläufigen Freiheits- und Partisanenbewegungen waren Sammeloffizier Major Ruge und der MVR von Reiswitz auch damit betraut, bei der Bearbeitung und Vermittlung gegenseitiger Rückforderungen Serbiens und Kroatiens durch das Deutsche Reich zu unterstützen.58 Die Verhandlung, bei der die Rückforderungen der serbischen und kroatischen Staaten unter Beteiligung von Vertretern des Deutschen ­Reiches 57 Siehe u. a. Martin Broszat/Ladislaus Hory, Der kroatische Ustascha-Staat 1941 – 1945 (Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 8), München 1964; Alexander Korb, Im Schatten des Weltkriegs. Massengewalt der Ustaša gegen Serben, Juden und Roma in Kroatien 1941 – 1945 (Studien zur Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts), Hamburg 2014. 58 BA-MA, RW 40 – 230, Bd. 2, Bl. 33: Schreiben von Reiswitz’ an Ruge vom 31. 12. 1942.

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ausgehandelt werden sollten, war für einen Termin im ersten Quartal des Jahres 1943 in Belgrad avisiert.59 Hinsichtlich der angestrebten gemeinsamen Teilnahme schrieb Ruge an von Reiswitz am 1. Januar 1943: Ich mache Ihnen den Vorschlag, dass wir beide daran teilnehmen und auch Herrn v. Regenauer hinzuziehen. Fachlich ist diese starke Vertretung unseres Ressorts gerechtfertigt.60 Eine Liste der serbischen Forderungen, die bei der bevorstehenden Verhandlung geklärt werden sollten, fand sich leider nicht in den bisher konsultierten Akten. Zudem entfiel offenbar die geplante Behandlung der serbischen Forderungsliste, wie den weiteren Ausführungen Major Ruges im selben Schreiben zu entnehmen ist: Bei den bevorstehenden Verhandlungen mit den Kroaten werden, wie mir VLR. Dr. Schiffner vom Auswärtigen Amt mitteilte, diese serbischen Ansprüche nicht behandelt werden. Man will anscheinend die Materie nicht noch weiter komplizieren. Zur Verhandlung stehen von unserem Sachgebiet lediglich heeresmuseale Gegenstände. (…) Wie mir VLR Schiffner weiter mitteilte, haben die Kroaten nur eine Forderung heeresmusealer Art gestellt. Es handelt sich dabei um das ragusanische Geschütz von 1524, das 1938 vom Führer den Serben geschenkt und 1941 wieder abgenommen worden war und das sich jetzt im Germanischen Museum in Nürnberg befindet. Ob wir den Kroaten das Rohr geben werden, ist noch fraglich. Ich habe um Weisung gebeten.61

Eine weitere Rückforderung, die von den Kroaten jedoch s­päter nicht erneut aufgeführt wurde, betraf das Denkmal für die österreichischen Gefallenen des Jahres 1878 in der Stadt Doboj, die 1941 zum Unabhängigen Staat Kroatien gehörte. Der Schriftwechsel verweist darauf, dass die Bronze des knienden österreichischen Soldaten, die ursprünglich auf dem Denkmal montiert war, durch Major Ruge im Bestand des Armeemuseums Belgrad lokalisiert werden konnte. Zusätzlich erhielt Ruge durch von Reiswitz eine Postkarte mit der Abbildung des Denkmals (Abb. 3), um anhand dieser Vorlage die mögliche Zugehörigkeit von Bronzeemblemen zum Denkmal zu prüfen, die er im Kasemattendepot auf dem Kalimegdan, einem Platz in Belgrad, gefunden hatte. Die Nachforschungen, ­welche trotz der offenbar fallen gelassenen kroatischen Rückforderung seitens des Sammeloffiziers Ruge weiter 59 Ebd., Bl. 34 – 35: Schreiben von Ruge an von Reiswitz vom 18. 12. 1942 und Bl. 26 – 27: Schreiben von Ruge an von Reiswitz vom 14. 01. 1943. 60 Ebd., Bl. 34: Schreiben von Ruge an von Reiswitz vom 18. 12. 1942. 61 Ebd., Bl. 26v–27: Schreiben von Ruge an von Reiswitz vom 14. 01. 1943; Bl. 38 – 39: Das aufgeführte ragusanische Geschütz, dass sich zusammen mit zwei weiteren Geschützen serbischen Ursprungs bis Juli 1941 im serbischen Armeemuseum in Belgrad befand, wurde bei der ersten Rückführung heeresmusealer Objekte deutscher und österreichischer Herkunft im Auftrag des OKW und dem nachgeordnet des Chefs der Heeresmuseen durch den damaligen Generalkustos des Heeresmuseums Wien, Alfred Mell (1880 – 1962), aus dem Armeemuseum Belgrad entfernt. Das ragusanische Geschütz wurde über das Heeresmuseum Wien in das Germanische Nationalmuseum, Nürnberg, überstellt. Die beiden serbischen Geschütze aus dem ehemaligen Besitz des Heeresmuseums in Wien wurden ebenfalls zurückgeführt und wieder in die Wiener Sammlung eingefügt.

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Abb. 3  Postkarte (Nr. 9599): Denkmal für die österreichischen Gefallenen des Jahres 1878 in Doboj, A. Schwiedernoch, Wien-Hacking XIII/S.

betrieben wurden, erfolgten aus der Überlegung heraus, die Rückgabe der Einzelteile des Denkmals ggf. zu einem späteren Zeitpunkt gegenüber den Kroaten als Verhandlungsmasse einsetzten zu können.62 Die taktische Überlegung, identifizierte kroatische Objekte in den Sammlungen der Heeresmuseen bei späteren Verhandlungen zu ­nutzen, könnte in Zusammenhang mit der im gleichen Schriftwechsel recht ausführlich thematisierten Vernichtung serbischen Kulturgutes durch den kroatischen Staat stehen.63 Der Korrespondenz ist das Bemühen Ruges und von Reiswitz’ zu entnehmen, die allmählich bekannt werdende Zerstörung serbischen Kulturgutes durch den kroatischen Staat gemeinsam zu erfassen, die Objekte zu lokalisieren sowie nach Möglichkeiten zu suchen, die Vernichtung durch Intervention auf oberster Ebene der jeweiligen Militärverwaltungen einzudämmen. So schrieb Ruge bezüglich des erhaltenen Verzeichnisses an von Reiswitz: 62 Die Abstimmung zum Denkmal in Doboj finden sich hauptsächlich in BA-MA, RW 40 – 230, Bd. 2, Bl. 26 – 27: Schreiben von Ruge an von Reiswitz vom 14. 01. 1943. Weitere Details lassen sich dem Schreiben von Ruge an von Reiswitz vom 05. 02. 1943 (Bl. 22) entnehmen, nach dem die Kroaten vorerst nur eine architektonische Zeichnung des Denkmals erhielten, die Ruge nach der durch von Reiswitz übersandten Vorlage hatte anfertigen lassen. 63 Ebd., Bl. 22: Schreiben von Ruge an von Reiswitz vom 05. 02. 1943; Bl. 33: Schreiben von von ­Reiswitz an Ruge vom 31. 12. 1942; Bl. 26 f.: Schreiben von Ruge an von Reiswitz vom 14. 01. 1943.

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Das Verzeichnis der Museums- und Archivgegenstände, die Serbien von Kroatien beansprucht, hat mir gezeigt, in welchem erschreckenden Umfange Serbien kulturgeschichtlich wertvolles Gut verloren hat. Ob es jemals wieder ersetzt werden kann, halte ich für kaum möglich. (…) Ich habe nach allem, was ich bis jetzt in Erfahrung bringen konnte, den Eindruck, dass von kroatischer Seite planmässig das serbische Material vernichtet worden ist. (…) Ich bin gegenwärtig mit den Nachforschungen nach dem Verbleib der Gegenstände beschäftigt und habe dafür auch die Abwehrstelle hier eingespannt. Da ich hoffe, in der nächsten Zeit auch manche Klöster besuchen zu können, hoffe ich Ihnen zum mindesten Anhaltspunkte über den Verbleib einiger Sachen geben zu können.64

Auch von Reiswitz nutzte seine Möglichkeiten und Kontakte, wie den zum Sammeloffizier Major Ruge, um mit ihm gemeinsam, über seinen eigenen Wirkungsbereich hinaus, Einfluss auf die Vernichtung serbischen Kulturgutes zu nehmen. Dazu leitete er die Verzeichnisse der serbischen Rückgabeforderungen an den nach Zagreb kommandierten Sammeloffizier weiter, offenbar verbunden mit der Bitte, den Verbleib bzw. das Schicksal der enthaltenen Objekte vor Ort zu prüfen. Darüber hinaus sprach auch er mit Dr. Franz Hille vom Einsatzstab Rosenberg, nachdem Ruge bei ­diesem bereits in Zagreb nachgefasst hatte, da Hille bei einem Besuch einer Lagerstätte unmittelbar Zeuge der Vernichtung serbischer Bücher und Archivalien geworden war.65 Durch die gegenseitige Abstimmung der Informationsstände und der weiteren Schritte suchten beide Protagonisten in ihrer Funktion als Kunstschutzbeauftragte nach möglichen Wegen, die Vernichtung zumindest einzugrenzen. So unterrichtete Ruge von Reiswitz über seine nächsten geplanten Schritte aus Zagreb: Ich werde, sobald es möglich ist, mit dem Bevollmächtigten General, dem ich die Angelegenheit vortragen werde, einen Weg zu vereinbaren suchen, der die Möglichkeit gibt, das wertvollste Material sicherzustellen. Wenn erst die Angelegenheit soweit gediehen ist, dass praktisch etwas in Erscheinung tritt, sei es, dass die Unterbringungsorte mir bekannt geworden sind, sei es, dass die Einleitung einer Intervention möglich wäre, würde ich es für sehr nützlich halten, dass Sie hierher kämen, damit wir die Angelegenheit gemeinsam vorwärtstreiben können.66

Zehn Tage ­später antwortet von Reiswitz, der sich zwischenzeitlich ebenfalls mit den Ereignissen befasst hatte, und verwies dabei auf seine in ­diesem Fall nachteilige Position: 64 Ebd., Bl. 26 r/v: Schreiben von Ruge an von Reiswitz vom 14. 01. 1943. 65 Ebd.: Laut Ruge hatte Dr. Hille/ERR ihm in Zagreb berichtet, dass die in einer Lagerstätte von ihm aufgefundenen Bücher und Archivalien, die aus serbischem Klosterbesitz stammen sollten, durch die Kroaten einer Papierfabrik zum Einstampfen übergeben worden waren. Sein versuchtes Eingreifen vor Ort, um einige besonders wertvoll erscheinende Exemplare zu retten, wurde von den Kroaten unterbunden. 66 Ebd.

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Ihre Mitteilung von dem Schicksal der beschlagnahmten Büchereien habe ich mit grosser Anteilnahme gelesen. Wir sahen dies hier schon seit langer Zeit kommen und haben unsererseits alles versucht, was ohne diplomatische Zwischenfälle sich ermöglichen liess, um d­ ieses Kulturgut zu retten. Die grosse Schwierigkeit liegt für mich darin, dass es mir ausserhalb des serbischen Raumes verboten ist schützend einzugreifen und dass jede Anregung zu Massnahmen in Kroatien den Umweg über den Bevollm. des Ausw. Amts befehlsgemäss zu nehmen hat.67

Was sich durch ­dieses Beispiel sehr anschaulich vermitteln lässt, ist die Tatsache, dass die komplexe Situation in Serbien und Kroatien die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Dienststellen bei einer Intervention zwingend notwendig machte und von allen Beteiligten erkannt und akzeptiert wurde: Wenn ich [v. Reiswitz] meinerseits irgendetwas dazu tun kann, Ihnen bei der Rettung der gefährdeten Bestände behilflich zu sein, so können Sie jederzeit auf mich rechnen. Ich habe Ihr Schreiben dem Chef der Militärverwaltung in Serbien vorgelegt und werde nach meiner Rückkehr auf Grund der Berliner Eindrücke nocheinmal [sic!] die Möglichkeiten zu einem Einsatz unsererseits mit ihm eingehend durchsprechen.68

Effizientes Zusammenwirken durch eine vorteilhafte Verbindung von Heer und Militärverwaltung Wie ­dieses Angebot der Unterstützung von Reiswitz’ an den Sammeloffizier Ruge zeigt, kann die mögliche Kompetenzüberschneidung der beiden Dienststellen, die beide mit der Wahrnehmung des Schutzes von Kulturgütern beauftragt wurden, in d ­ iesem Fall kaum als Konkurrenz gewertet werden. Vielmehr entspricht sie einem effizienten Zusammenwirken verschiedener Einheiten innerhalb der militärischen Organisation, um unter Ausnutzung aller verfügbaren Einflussmöglichkeiten die Interessen des Deutschen Reiches umzusetzen.69 Bei den Bemühungen Ruges um Identifikation und Lokalisierung der in den Rückgabelisten aufgeführten Objekte wirkte sich speziell seine Angliederung an die Dienststelle des Chefs der Heeresmuseen vorteilhaft aus, die unmittelbar dem OKH angehörte und es ihm ermöglichte, sich frei im Operationsgebiet zu bewegen und darüber hinaus mit übergeordneten Dienstgraden in direkten Kontakt zu treten und zu verhandeln. Im Gegensatz dazu 67 Ebd., Bl. 23 r/v: Schreiben von Reiswitz’ an Ruge vom 24. 01. 1943. 68 Ebd. 69 In der Korrespondenz explizit erwähnt in ebd., Bl. 23v: Schreiben von Reiswitz’ an Ruge vom 24. 01. 1943. Zur grundsätzlichen Ausrichtung des militärischen Kunstschutzes auf deutsche Inte­ ressen siehe auch Fuhrmeister, Kunstschutz in Italien (wie Anm. 13), S. 123 – 145; BA-MA, RH 3/154, Bl. 14 (S. 7).

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wurde von Reiswitz als Militärverwaltungsrat durch seine personelle und strukturelle Eingliederung in den Stab der Militärverwaltung Serbiens an solchen unmittelbaren Eingriffen gehindert, da er bei Interventionen sowohl die Rangfolge der Dienste berücksichtigen als auch die Grenzen seiner Befugnisse und seines Einsatzgebietes beachten musste, um keine diplomatischen Konflikte ­zwischen den beteiligten Militär- und Regierungsorganen zu provozieren.70 Was sich an d ­ iesem Punkt abzeichnet, ist eine recht wirksame Ergänzung des militärischen Kunstschutzes durch die mit Kunstschutz beauftragten Sammeloffiziere der Heeresmuseen, da sie potenziell in der Lage waren, eine Lücke zu füllen, die z­ wischen dem Ankommen der Truppen an der Front in dem zu besetzenden Gebiet, dem vorläufigen Ende der Kampfhandlungen durch die Besetzung des Gebietes und der nachfolgenden Einrichtung der militärischen Verwaltung entstand.71 Doch wie verhält es sich nun mit der omnipräsenten Frage nach Sicherstellung oder Kunstschutz, die sich auch im Zusammenhang mit dem militärischen Kunstschutz immer wieder stellt? Zumindest für die Sammeloffiziere der Heeresmuseen trifft wohl beides zu. Die

70 BA MA, RW 40 – 230, Bd. 2, Bl. 23 r/v: Schreiben von Reiswitz’ an Ruge vom 24. 01. 1943. 71 Dabei sind insbesondere auch die Befehls- und Weisungsstrukturen der Wehrmacht zu beachten, die eine strenge Trennung von kämpfenden Einheiten und Verwaltungseinheiten beinhalteten, sodass der Zugriff eines militärischen Verwaltungsbeamten bei der Erfüllung seiner Aufgaben auf personelle oder materielle Ressourcen der kämpfenden Einheiten ausgeschlossen war. Dadurch war ein wirksamer Kunstschutz durch einen Angehörigen der Militärverwaltung im unmittelbaren Operationsgebiet sowie teils auch in den rückwärtigen Heeresgebieten ohne Militärverwaltung nicht umsetzbar. Dieser Aspekt findet sich auch im abschließenden Bericht Wolff Metternichs über seine Tätigkeit des Kunstschutzbeauftragten des OKH, wo diese beiden Bereiche deutlich voneinander abgegrenzt wie folgt dargestellt werden: Im einzelnen bestimmt Artikel 27 der Haager Landkriegsordnung, dass bei Belagerungen und Beschiessungen alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen werden sollen, um die der Kunst und Wissenschaft gewidmeten Gebäude sowie die geschichtlichen Denkmäler so viel wie möglich zu schonen. Hieraus ergeben sich zunächst nur Verpflichtungen bei Kampfhandlungen. (…) Demgemäss hätte es genügt, wenn bei den höheren und mittleren Kommandostäben der kämpfenden Truppe Sachverständige als ‚Kunstschutzoffiziere‘ ernannt worden wären mit der Aufgabe, die nötigen Massnahmen im Rahmen der operativen Befehlserteilung zu veranlassen. Dieselben Offiziere hätten weiterhin die Aufgabe des Kunstschutzes in den rückwärtigen Heeresgebieten wahrnehmen können. Eine ­solche Tätigkeit hätte sich auf das Operationsgebiet beschränkt. Den besonderen Aufgaben bei einer Besetzung feindlichen Gebiets wäre dadurch nicht entsprochen worden. Die für den Fall einer Besetzung gültigen Abmachung enthält Artikel 56 der Haager Landkriegsordnung (…). Wenn diese Bestimmungen (…) auch unter den besonderen Formen einer Besetzung (…) beachtet und durchgeführt werden sollten, mussten innerhalb der Verwaltungsorganismen, die in den einzelnen Ländern eingesetzt wurden, geeignete Einrichtungen zur Durchführung dieser Absicht geschaffen werden. (…) Hieraus geht hervor, dass der ‚Kunstschutz‘ als eine Aufgabe der Militärverwaltung angesehen werden muss (…). Ihre Organe konnten sich zur Erfüllung der Aufgaben des Kunstschutzes, soweit sie nicht militärische Belange berührten, der einheimischen Behörden und Dienststellen in den besetzten Ländern bedienen. Siehe BA-MA, RH 3/154, Bl. 11 – 13 (S. 4 – 6).

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ausführlichen Aufgabenbeschreibungen führen beide Aufgaben auf. Den weit größeren Teil in der detaillierten Auflistung der Aufgaben nimmt die Sicherstellung bzw. das Sammeln von Beuteobjekten, Trophäen und allem ein, was geeignet war, ein lebendiges Bild des Krieges und des Gegners wiederzugeben. Der Schutz und die Bergung von Kunstdenkmälern und Kulturgütern erscheinen hingegen erst einmal nur als kurzer Zusatz. Es bedarf somit eines ausführlichen Abgleiches der niedergeschriebenen Aufgaben mit dem tatsächlichen Agieren der Sammelgruppen vor Ort. Dabei ist die Frage nach einer möglichen Zusammenarbeit der Sammeloffiziere mit anderen im Operationsgebiet agierenden Gruppen unabdingbar. Es zeichnet sich also ab, dass auch für diese Gruppe nicht stringent von Kooperation oder Abgrenzung hinsichtlich der anderen Institutionen zur „Sicherstellung“ von Kunst- und Kulturgut gesprochen werden kann. Die Verbindung mit dem militärischen Kunstschutz scheint jedoch eine wesentliche Rolle bei der Arbeit der Sammeloffiziere im Einsatzgebiet gespielt zu haben. Dabei ist besonders auffällig, dass die Präsenz der Sammeloffiziere oftmals die Lücke ­zwischen Besetzung und Einrichtung der Militärverwaltung füllte. Die Einsätze und das Wirken scheinen daher zumindest im Wissen und mit Billigung der anderen Organisation stattgefunden zu haben. Einige Beispiele verweisen sogar darauf, dass es darüber hinaus zu Absprachen, Zusammenarbeit und möglicherweise auch zu Abstimmung von Einsätzen gekommen ist. Das scheint insbesondere dann der Fall zu sein, wenn beide Institutionen über einen längeren Zeitraum im selben Gebiet tätig waren. Ein vielversprechendes Forschungsfeld bieten diesbezüglich die Einsätze in Italien und Südfrankreich. Aber auch die anderen Einsatzgebiete sind noch nicht erschöpfend von der Forschung erfasst worden. Die damit außerdem verbundenen Fragen nach den fachlichen und persönlichen Netzwerken sowie ihrer Rolle bei den Einsätzen vor Ort, aber auch, wer warum und wie zum Sammeloffizier oder Mitglied der Sammelgruppen berufen wurde, eröffnen möglicherweise weitere Dimensionen und Perspektiven auf ­dieses für sich sehr spannende Thema.

Sicherstellung oder Kunstschutz?  I  359

Themenschwerpunkt: Akteure und Kooperationen Kunst aus Paris für das Rheinische Landesmuseum Bonn Heidi Gansohr

Durch verschiedene Beiträge zur kunsthistorischen Provenienzforschung ist schon seit einigen Jahren bekannt, dass das Rheinische Landesmuseum in Bonn (RLMB ) immer wieder Kunstwerke aus dem vom nationalsozialistischen Staat besetzten westlichen Ausland erworben hat. Zu nennen sind hier vor allem die frühen Beiträge von Bettina Bouresh und Nikola Doll.1 Das Ausmaß dieser Erwerbungen für die Sammlung des RLMB in Frankreich ab 1940, die Provenienzen der Objekte, die Händler und eventuelle Details der Geschäfte sowie das aufgebaute Netzwerk der Beteiligten in Paris sind bisher noch nicht umfassend dargestellt worden. Der Weg der Objekte nach Bonn ist zusätzlich relevant, weil so ein Schlaglicht auf die Sammlungsgeschichte des Hauses geworfen werden und die Abläufe und der Aufbau von Netzwerken in der Zeit des Nationalsozialismus beleuchtet werden können. Interessant ist diese Fragestellung insofern, als die Abteilung Kunstschutz des Oberkommandos des Heeres (OKH) in Paris unter der Leitung Franziskus Graf Wolff ­Metternichs in alle derartigen Transaktionen einbezogen werden musste. Wolff Metternich war seit dem 1. August 1940 in Paris. Im Juni 1942 wurde er in seiner Funktion als Leiter des Kunstschutzes vom OKH beurlaubt, im Oktober 1943 wurde er entlassen und kehrte an das Denkmalamt in Bonn zurück. Entsprechend will ich mich bei der Darstellung einiger Beispiele von Erwerbungen durch das RLMB in Paris auf die Zeit seiner Zuständigkeit, also auf den ­Zeitraum von 1 Bettina Bouresh, Sammeln Sie also kräftig! „Kunstrückführung“ ins Reich – im Auftrag der Rheinischen Provinzialverwaltung 1940 – 1945, in: Bazon Brock/Achim Preiß (Hg.), Kunst auf Befehl? Dreiunddreißig bis Fünfundvierzig (Zeit Zeuge Kunst), München 1990, S. 59 – 76; Nikola Doll, Die „Rhineland-Gang“: Ein Netzwerk kunsthistorischer Forschung im Kontext des Kunst- und Kulturgutraubes in Westeuropa, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste Magdeburg (Hg.), Museen im Zwielicht. Ankaufspolitik 1933 – 1945. Kolloquium vom 11. und 12. Dezember 2001 in Köln (Veröffentlichungen der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste 2), Magdeburg 2002, S. 53 – 80; dies., Politisierung des Geistes. Der Kunsthistoriker Alfred Stange und die Bonner Kunstgeschichte im Kontext nationalsozialistischer Expansionspolitik, in: Burkhard Dietz/Helmut Gabel/Ulrich Tiedau (Hg.), Griff nach dem Westen. Die „Westforschung“ der völkisch-nationalen Wissenschaften zum nordwesteuropäischen Raum (1919 – 1960), 2 Bde. (Studien zur Geschichte und Kultur Nordwesteuropas 6), 2. Teilbd., Münster 2003, S. 979 – 1016.

Abb. 1  Inventarbuch des Rheinischen Landesmuseums Bonn mit dem Eintrag über den Erwerb des kleinformatigen Bildes: Hendrick Averkamp, Winterlandschaft mit Eisläufern: Erworben von Herrn S. Meller in Paris für 12.500 RM.

August 1940 bis Juni 1942, beschränken. Die im Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland (ALVR) in Pulheim-Brauweiler erhaltenen Dokumente zu den Erwerbungen sind neben den Museumsinventaren (Abb. 1) hierzu die wichtigsten Quellen.

Kontaktaufnahme in Paris – Hermann Bunjes und das RLMB Am Freitag, dem 15. November 1940, saßen der Kulturdezernent der Rheinischen Provinzialverwaltung, Hans Joachim Apffelstaedt, und Franz Rademacher, der Kurator für die kunsthistorische Sammlung des Rheinischen Landesmuseums Bonn, im Zug. Ihr Ziel war Paris. Es war nach der Besetzung Frankreichs ihre erste Reise dorthin. Den Tipp dazu bekam Apffelstaedt bereits am 23. September 1940 von Hermann Bunjes, einem Mitarbeiter des Kunstschutzes des Militärverwaltungsstabs in Paris (Abb. 2).2 Hermann Bunjes war eine durchaus ambivalente und umtriebige Persönlichkeit im Pariser Kunstschutz. Er soll an dieser Stelle kurz vorgestellt werden. 2 Ausführlich in Bouresh, Sammeln Sie also kräftig! (wie Anm. 1), hier S. 60 – 63.

362 I Heidi Gansohr

Abb. 2  Schreiben Hermann Bunjes’, KVR im Kunstschutz Paris, an den Kulturdezernenten der Rheinischen Provinzialverwaltung, Hanns Joachim Apffelstaedt, mit der zunächst rein privaten Mitteilung, dass in den nächsten Monaten eine Anzahl wertvollster Kunstgegenstände aus Privatbesitz in den hiesigen Kunsthandel gebracht werden, Paris, den 23. September 1940.

Geboren am 1. September 1911 in Bramsche, war Bunjes, als er im September 1940 Apffelstaedt über die bald bevorstehenden Gelegenheiten zum Erwerb von Kunstwerken in Paris informierte, gerade einmal 29 Jahre alt. Er hatte seit 1930 Kunstgeschichte in Düsseldorf, Bonn sowie Paris studiert und war von 1933 bis 1935 wissenschaftliche Hilfskraft am Kunsthistorischen Institut in Marburg bei Richard Hamann gewesen, wo er im Oktober 1935 promoviert wurde. Anfang 1936 kam er ins Rheinland, wo er eine Stelle in der Denkmälerinventarisation der Rheinischen Provinzialverwaltung antrat. Hier amtierte Wolff Metternich seit 1928 als Provinzialkonservator. Wolff Metternichs Dienststelle befand sich damals in der Bonner Bachstraße 7 – 9, auf der Rückseite des heutigen Landesmuseums. Im Mai 1939 habilitierte sich Bunjes bei dem kunsthistorischen Ordinarius der Bonner Universität, Alfred Stange, der ihn als lehrenden Privatdozenten

Kunst aus Paris für das Rheinische Landesmuseum Bonn   I  363

am Institut einsetzte.3 Er gehörte schon zu Studienzeiten dem NS -Studentenbund an, war Mitglied der NSDAP , der SA und seit 1938 der SS . Er arbeitete in Paris nachweislich für den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR ) und für Hermann Göring, dessen Kunsterwerbungen in Frankreich er unterstützte. Anfang 1942 wurde er zum Leiter der Kunsthistorischen Forschungsstätte in Paris ernannt. Nach seiner Flucht aus Paris aufgrund der nahenden Alliierten und seiner zufälligen Entdeckung und Befragung durch die amerikanischen Kunstschutzoffiziere Lincoln E. Kirstein und Robert K. Posey im Landhaus seines Schwiegervaters in Fell bei Trier an der Mosel wurde er durch die französische Militärregierung verhaftet und beging am 25. Juli 1945 im Trierer Gefängnis Suizid. Wie viele seiner Bonner und Marburger Kollegen und Mitarbeiter beschäftigte Wolff Metternich auch Bunjes spätestens seit September 1940 als Kriegsverwaltungsrat im Pariser Kunstschutz der Militärverwaltung. Bunjes war zuständig für den Raum Paris. So stellte er sich selber in seinem Schreiben vom 23. September 1940 bei Apffelstaedt vor. Dass er den rheinischen Kulturdezernenten bereits gut kannte, kann man aus seiner Anrede und seiner Diktion schließen, denn da heißt es: Lieber Herr Apffelstaedt (…) und endet mit Ihr Bunjes. Obgleich er als offiziellen Absender den „Chef des Militärverwaltungsbezirks Paris – Verwaltungsstab“ angab, wandte er sich zunächst rein privat mit dem Hinweis an den Kulturdezernenten, dass es im Pariser Kunsthandel demnächst wertvollste Objekte aus Privatbesitz zu erwerben gebe, worüber seine Dienststelle, der militärische Kunstschutz, unterrichtet werden müsse, um die Transaktionen zu genehmigen. Er fragte, ob Apffelstaedt Interesse daran habe, und schlug ihm die Bildung einer Museums-Kommission vor, die eventuell ­solche Käufe tätigen könnte.4 Tatsächlich fuhren im November 1940 gleichzeitig mit Apffelstaedt und Rademacher auch der Düsseldorfer Museumsdirektor Hans Hupp und der Direktor des Essener Folkwang-Museums, Heinz Köhn, nach Paris.5 Bis Apffelstaedt nach Paris kommen konnte, sollte Bunjes alles irgendwie Vorzügliche an Niederländern festhalten und Fotos ­schicken.6 Tatsächlich war Bunjes’ Information zum Pariser Kunsthandel nicht die einzige, die Apffelstaedt und Rademacher erreichte. Am selben Tag wie Bunjes hatte auch der Kölner Kunsthändler Hermann Abels das Landesmuseum auf deutsche Kunstwerke in Frankreich aufmerksam gemacht. Schon am nächsten Tag erbat das Museum für vier der Stücke die Übersendung zur Ansicht. Abels schickte Anfang Oktober die Fotos und am 29. desselben Monats die Adressen der Besitzer.7

3 Iris Grötecke, Alfred Stange – Politik und Wissenschaft. Ordinarius am Bonner kunsthistorischen Institut von 1935 bis 1945, in: Roland Kanz (Hg.), Das Kunsthistorische Institut in Bonn. Geschichte und Gelehrte, Berlin 2018, S. 147 – 175, hier S. 154 f. 4 ALVR, Akte 11412, Schreiben von Bunjes an Apffelstaedt vom 23. 09. 1940. 5 Ebd., Vermerk Apffelstaedts über die Reise nach Paris vom 29. 11. 1940. 6 ALVR, Akte 11412, Schreiben von Apffelstaedt an Bunjes vom 08. 10. 1940. 7 ALVR, Akte 53308, Korrespondenzbuch RLMB, 23. und 24.09., 09. und 29. 10. 1940.

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Abb. 3  Bernhard von Tieschowitz stellt im Namen des Beauftragten für den Kunstschutz den Marschbefehl für den Landesrat Dr. Apffelstaedt aus, sich zur Bearbeitung von besonderen Fragen des Kunstschutzes nach Brüssel und Paris zu begeben, Paris, den 9. November 1940.

Am 3. November schrieb Bunjes erneut an Apffelstaedt: Man habe inzwischen einen Teil der von uns bzw. vom Einsatzstab Rosenberg sichergestellten jüdischen Kunstsammlungen bereits aufgestellt.8 Göring werde zur Besichtigung am Montag, dem 4. November, erwartet – danach könne Apffelstaedt jederzeit kommen. Er und Rademacher würden daher in den nächsten Tagen einen Marschbefehl nach Paris erhalten. Dieser ist datiert auf den 9. November 1940 und wurde offiziell von der Dienststelle „Oberkommando des Heeres – Der Beauftragte für Kunstschutz“ ausgestellt und unterschrieben vom Stellvertreter Wolff Metternichs, Bernhard von Tieschowitz.9 In ­diesem ­kurzen Schreiben war nun auch erstmals in ­diesem Vorgang die 8 ALVR, Akte 11412, Schreiben von Bunjes an Apffelstaedt vom 03. 11. 1940, zit. nach Bouresh, Sammeln Sie also kräftig! (wie Anm. 1), S. 64. 9 ALVR, Akte 11412, Schreiben von Tieschowitz’ an Apffelstaedt vom 09. 11. 1940.

Kunst aus Paris für das Rheinische Landesmuseum Bonn   I  365

Rede davon, dass sich Apffelstaedt zur Bearbeitung von besonderen Fragen des Kunstschutzes nach Paris und Brüssel zu begeben habe – der Erwerb von Objekten für die Kunstsammlung des Bonner Museums wurde hier nicht erwähnt (Abb. 3). Mit den von von Tieschowitz genannten besonderen Fragen des Kunstschutzes kann nur die unter der Leitung von Apffelstaedt und Alfred Stange 1939 initiierte und im September 1940 in der ersten Fassung fertiggestellte Denkschrift gemeint sein, ­welche die Kunstwerke auflistete, die seit 1794 aus dem Rheinland „entfremdet“ worden waren. Legal ins Ausland verkaufte Objekte wurden darin nicht erfasst, die geheime Liste sollte jedoch weiterhin überarbeitet sowie vervollständigt werden und s­päter – so Apffelstaedt im September 1940 – als „Unterlage für die Friedensverhandlungen“ dienen.10 Die von Bunjes in seinem Brief an Apffelstaedt angeführte Besichtigung ausgestellter Kunstobjekte durch den Reichsmarschall Göring Anfang November 1940 war eine der ersten Präsentationen der vom ERR konfiszierten Kunstsammlungen jüdischer Vorbesitzer, die von Bunjes organisiert worden waren. Ihm waren also schon am 3. November 1940 die Prioritäten klar: Zuerst kam der Reichsmarschall, dann alle anderen. Apffelstaedt sollte also s­ päter, auf jeden Fall erst nach Göring, kommen. Tatsächlich wurde Bunjes von Göring am 5. November nach der Besichtigung der Kunstwerke in die Schreibmaschine diktiert, dass künftig Adolf Hitler die erste Wahl habe, die zweite Wahl er selbst, die dritte Wahl die Hohe Schule Rosenbergs und erst danach die Bedürfnisse der deutschen Museen zu bedienen ­seien.11 Göring wollte zu d ­ iesem Zeitpunkt Hitler persönlich die endgültige Entscheidung über das künftige Verfahren überlassen und am 14. November 1940 fiel sie auch tatsächlich gemäß seinen Vorschlägen aus.

Die erste Parisreise – Bonner Erwerbungen zwischen Eigennutz und Kunstschutz Apffelstaedt und Rademacher fuhren also am 15. November 1940 nach Paris. Hier suchten sie baldmöglichst ihre Kontaktpersonen auf: Graf Wolff Metternich und Hermann Bunjes, der Kulturdezernent des Chefs der Militärverwaltung Paris, der zugleich Beauftragter des Reichsmarschalls in Sachen des beschlagnahmten jüdischen Kunstbesitzes 12 war, gehörten ebenso dazu wie sicherlich die von Hermann Abels genannten Besitzer der interessanten Kunstobjekte. Apffelstaedt berichtete in seinem Vermerk über den ersten Besuch in Frankreich, man habe 10 Wolfgang Franz Werner, Die kulturellen Aktivitäten des rheinischen Provinzialverbandes, in: Olaf Dräger/Kim Bures-Kremser (Hg.), Kulturpolitik der Rheinischen Provinzialverwaltung 1920 – 1945 (Beihefte der Bonner Jahrbücher Band 59), Darmstadt 2019, S. 13 – 24, hier S. 22 f. 11 Wilhelm Treue, Zum nationalsozialistischen Kunstraub in Frankreich. Der „Bargatzky-Bericht“, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 13 (1965), H. 3, S. 285 – 337, hier S. 312 f. 12 ALVR, Akte 11412, Vermerk Apffelstaedts über die Reise nach Paris vom 29. 11. 1940.

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­zwischen dem 15. und 23. November mit Hans Hupp und Heinz Köhn mehr als ein Dutzend Kunsthändler und Kommissionäre aufgesucht. Für Bonn fand man zwei Gemälde, woraufhin es wohl ein gravierendes Problem gab: das Geld. Für die beiden Kunstwerke waren 16.500 RM zu zahlen, aber offenbar waren Apffelstaedt und Rademacher tatsächlich ohne Geld losgefahren. Apffelstaedt vermerkt hierzu: Es sei sein Bestreben gewesen, um die günstigen Verbindungen zu diesen beiden Händlern fest zu knüpfen, die Bilder möglichst an Ort und Stelle zu bezahlen. Das zufällige Zusammentreffen mit dem Hauptschriftleiter der Zeitschrift Germanien (Ahnenerbe), SS-Obersturmführer Plassmann, brachte mich auf die Idee, mich an die Hauptstelle des Sicherheitsdienstes für Frankreich und Belgien durch Vermittlung von Dr. Plassmann zu wenden mit dem Ersuchen, mir im Hinblick auf die ungewöhnliche Bedeutsamkeit und Billigkeit das Geld an Ort und Stelle zur Verfügung zu stellen. Der Verwaltungschef des SD für Frankreich und Belgien, SS-Sturmbannführer und Polizeirat Kuhn, erklärte sich nach kurzer Besprechung zu meiner Freude bereit, mir den Betrag sofort in bar zur Verfügung zu stellen mit der Bitte, denselben von der Landeshauptkasse aus alsdann an das Reichssicherheitsamt nach Berlin zu überweisen.13

So geschah es auch.14 Am 22. November wurde von der Kunstschutzabteilung der Militärverwaltung die Genehmigung zur Ausfuhr der beiden Kunstwerke erteilt (Abb. 4): Gegen die Ausfuhr der nachfolgenden niederländischen Bilder des 17. Jahrhunderts (…) die vom Landes­rat Dr. Apffelstaedt (…) für die Gemäldesammlung der Provinz im rheinischen Landesmuseum in Bonn aus Privatbesitz ordnungsmässig erworben und bezahlt sind, bestehen unsererseits unter Berücksichtigung des § 1 der VO des OKH vom 15.VII.1940 über die Erhaltung von Kunstschätzen im besetzten Gebiete Frankreichs, keine Bedenken.15

Am Samstag, dem 23. November 1940, fuhr man zurück ins Rheinland. Die beiden Kunstwerke nahmen Apffelstaedt und Rademacher einfach im Zugabteil mit, wenngleich das größere ohne Rahmen.16 Bei den beiden Bildern handelte es sich um: – Hendrick Avercamp: Winterlandschaft mit Eisläufern (Inv.-Nr. 40.68), Öl auf Kupfer, 20,2 × 26,2 cm, erworben am 15. November 1940 bei dem Kunsthändler Simon Meller für 250.000 Franc (12.500 RM).17 13 Ebd. 14 Bouresh, Sammeln Sie also kräftig! (wie Anm. 1), S. 64 f. 15 ALVR, Akte 11412, Bescheinigung vom 22. 11. 1940; zwar behauptete Apffelstaedt in seinem Reisebericht vom 29. 11. 1940, Metternich selbst habe die Unbedenklichkeit der Ausfuhr bestätigt – jedoch trägt die im Archiv erhaltene Bescheinigung nicht dessen Unterschrift. 16 Ebd., Vermerk Apffelstaedts auf der Bescheinigung vom 22. 11. 1940. 17 Auf der Ausfuhrbescheinigung heißt es: Hendrik Avercamp: Kleine Winterlandschaft.

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Abb. 4 Carlheinz Pfitzner stellt im Namen des Beauftragten für den Kunstschutz die Ausfuhrgenehmigung für die beiden vom Landesrat Apffelstaedt erworbenen niederlän­dischen Bilder des 17. Jahr­hunderts aus, Paris, den 22. November 1940.

– Carel Fabritius: Lesender Mann (nach Rembrandt) (Inv.-Nr. 40.69), Öl auf Leinen, 65,5 × 57,4 cm, erworben am 23. November 1940 von der Galerie Manteau für 40.000 Franc (4000 RM).18 Beide Gemälde sind heute in der Datenbank der Musées Nationaux Récupération (MNR) mit Detailaufnahmen der Rückseiten zu finden (MNR Nr. 550 und 464). Der Avercamp befindet sich im Musée Baron-Martin in Gray, der Fabritius im Louvre. Sie wurden am 16./18. Mai 1947 aus dem Auslagerungsort Kloster Marienstatt an Frankreich restituiert, das Bild des Fabritius trägt noch den Aufkleber des Central Collecting Points in Baden-Baden (Nr. 1017).

18 Auf der Ausfuhrbescheinigung heißt es: Karel Fabritius: Lesender Mann m. schwarzem Schlapphut.

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Über den Kunsthändler Simon Meller heißt es in der Lostart-Datenbank: „ungarischer Kunsthistoriker, Händler, Sammler, wohnhaft in Paris, Experte für Grafik, Zusammenarbeit mit Bornheim und Josef Mühlmann, Bekanntschaft mit Walter Andreas Hofer durch Hans Wendland, Dokumente belegen Verkäufe an Haberstock.“ 19 Erste Recherchen ergaben, dass Meller 1875 in Györ in Ungarn geboren wurde. Er war Kurator für Grafik im Budapester Kunstmuseum und von 1924 bis 1934 im Münchener Adressbuch unter der Keplerstraße 24 zu finden. Er hatte jüdische Wurzeln und hat Deutschland 1934 verlassen.20 1940 fand er sich in der Rue du Général Appert 3 in Paris als Händler und Kommissionär. In der MNRDatenbank sind bis Juli 1941 verkaufte Kunstwerke aus seiner Hand nachweisbar. Er war verheiratet und ist am 9. März 1949 in Paris gestorben. Von Meller erwarb das Rheinische Landesmuseum Bonn außerdem am 1. Mai 1941 ein Triptychon für 15.000 RM,21 auch ­dieses Werk wurde 1947 restituiert. Es befindet sich seit 1953 im Musée Boucher-de-Perthes in Abbeville. Zur Galeristin Alice Manteau heißt es bei Lostart: „Paris, 14 rue de L’Abbaye; Kunsthändlerin, persönlicher Kontakt zu Walter Andreas Hofer, Postma und Lange, mit Louis Manteau verwandt, Frau von F. G. Cloots“.22 Sie gehörte zu den Pariser Händlern, deren Name auf der Liste der „Red Flag names“ erscheint, da sie in Transaktionen mit dem NS-Kunsthandel involviert war. Sie soll an der Beschlagnahme jüdischer Sammlungen als Komplizin beteiligt gewesen sein.23 Bis zum Sommer 1942 sollte das Rheinische Landesmuseum noch weitere drei Gemälde bei Alice Manteau erwerben. Sie alle wurden 1947 restituiert. Zwei von ihnen sind heute in der MNR-Datenbank zu finden. Es handelt sich um – Gillis Mostaert: Überfall vor einem brennenden Dorf, erworben für 4000 RM.24 Zwar nicht im Inventarbuch, jedoch auf der Liste der Kriegserwerbungen ist vermerkt, dass es über die Galerie Manteau von Frau Claude Anet erworben wurde. Diese war die

19 https://www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Beteiligte/M/Meller,%20Prof.%20 Dr.%20Simon.html (Stand: 29. 08. 2021). 20 Schreiben vom 14. 02. 1986 von Willibald Sauerländer vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München an Alison Luchs, siehe Homepage der National Gallery of Arts, Washington, D. C.: https://www.nga.gov/collection/art-object-page.46198.html (Stand: 29. 08. 2021). 21 MNR, Nr. 23, „Flügelaltar“; RLMB, Inv.-Nr. 41.272: inzwischen dem Maître de Sainte Godelieve zugeschrieben. 22 https://www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Beteiligte/M/Manteau,%20Alice. html (Stand: 29. 08. 2021). 23 Eva Mongi-Vollmer, Alltägliches Recht, alltägliches Unrecht, in: Uwe Fleckner/Max Hollein (Hg.), Museum im Widerspruch. Das Städel und der Nationalsozialismus (Schriften der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ 6), Berlin 2011, S. 147 – 200, hier S. 188. 24 MNR , Nr. 545; das Bild befindet sich heute im Louvre; RLMB , Inv.-Nr. 41.268, erworben am 14. 01. 1941.

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Witwe des 1931 verstorbenen, in der Schweiz geborenen Schriftstellers, Kunstsammlers und Tennisstars Claude Anet, der eigentlich Jean Schopfer hieß.25 – Als Jan Wildens (nach P. P. Rubens) erworben wurde eine Landschaft mit Fuhrwerk in einem Hohlweg für 1500 RM.26 – Das letzte über Alice Manteau erworbene Gemälde war ein Stillleben, Jan Soreau zugeschrieben, Öl auf Kupfer, 32 × 41 cm, am 10. April 1942 für 8000 RM gekauft, 1947 wurde es restituiert. Weiteres ist nicht bekannt.27 Zur Provenienz des Gemäldes von Fabritius haben sich im Landesmuseum eine alte Katalog­ abbildung und eine beschriftete Fotografie erhalten: Hier ist handschriftlich vermerkt, dass das Bild aus der Sammlung des aus Luxemburg stammenden Fr(antz) Funck-Brentano stamme. Funck-Brentano (1862 – 1947) wird hier als Historien d’art, Conférencier à l’École au Louvre und Conservateur à la Bibliothèque de l’Arsenal beschrieben.

Die zweite Parisreise und darüber hinaus – Nachforschungen nach verschlepptem, rheinischen Kulturgut? Schon als er Ende November seinen Bericht über die erste Parisreise schrieb, war ­ pffel­staedt klar, dass er sich für die schon für Januar geplante zweite Reise dringend um A die Geldbeschaffung kümmern musste. Am 29. Dezember 1940 stellte er den Antrag an den Oberpräsidenten der Rheinprovinz zur Bereitstellung von Sondermitteln in Höhe von 50.000  RM zur Beschaffung von Kunstwerken für die Museen in Bonn und Trier. Diese wurden von Landeshauptmann Heinrich Haake genehmigt. In d ­ iesem Schreiben stellte Apffelstaedt dann sehr wohl einen Zusammenhang ­zwischen seiner Parisreise mit Köhn und Hupp und den Nachforschungen nach verschlepptem, rheinischen Kulturgut in Frankreich her. Jedoch lag der Schwerpunkt seiner Argumentation zum einen auf den ungewöhnlich günstigen Möglichkeiten für die Bereicherung der westdeutschen Kunstsammlungen durch die Währungsdifferenz von 1:20. Zum anderen schuf er einen deutlichen Wettbewerbsdruck, indem er darauf hinwies, dass sowohl für das Düsseldorfer wie auch für das Essener Museum bereits für jeweils 100.000 RM Objekte erworben worden ­seien und in beiden Städten schon von der Devisenstelle des Reichswirtschaftsministeriums Reichskassenscheine über je 250.000 RM vorlägen, über die sie in Paris verfügen könnten. Hermann Bunjes, als Beauftragter Görings für spezielle Aufgaben auf künstlerischem Gebiet, habe ihm versichert, dass Göring Wert darauf lege, dass die deutschen Museen 25 Clarisse Claude Anet hat dem Landesmuseum Bonn 1944 erneut ein Gemälde verkauft. 26 MNR, Nr. 547; heute läuft das Werk unter „nach Peter Paul Rubens“ und befindet sich im Musée d’art moderne André-Malraux in Le Havre; RLMB, Inv.-Nr. 41.269, erworben am 24. 02. 1941. 27 RLMB, Inv.-Nr. 42.16.

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die Gelegenheit nutzten, zu ungewöhnlich billigen Preisen in Paris und Frankreich für ihre Sammlungen einzukaufen.28 Die nächste Reise nach Paris fand bereits Mitte Januar 1941 statt. Für den 14. Januar ist der Erwerb von sechs Kunstgegenständen dokumentiert, genehmigt vom Pariser Kunstschutz.29 Darunter befand sich das oben bereits erwähnte Gemälde von Gillis Mostaert aus der Galerie Manteau (aus dem Besitz von Clarisse Claude Anet, Inv.-Nr. 41.26830). Hinzu kamen – eine mittelalterliche Handschrift des 12. Jahrhunderts, die Deutzer Chronik, für 20.000 RM 31 und – ein Gebetbuch oder Stundenbuch des 15. Jahrhunderts für 3000 RM.32 Beide Objekte wurden in der Kunsthandlung Gruel erstanden und in der Kunsthandlung Stora kaufte man – einen kleinen Bronze-Kruzifix für 400 RM (Inv.-Nr. 41.264) und – eine kleine Madonna aus Bronzeblech für 1000 RM (Inv.-Nr. 41.277).33 Darüber hinaus kaufte das Landesmuseum im Januar 1941 noch – einen vergoldeten Bronzeleuchter bei Pierre le Blanc.34 Bei ihm waren Apffelstaedt und Rademacher offenbar schon im November 1940 gewesen, denn man schrieb ihm am 11. Dezember von Bonn aus, Rademacher wolle sich im Januar den Leuchter noch einmal ansehen.35 Offenbar wurde man sich handelseinig. Bezahlt wurden 3750 RM. Die Reisetätigkeit Apffelstaedts und Rademachers ging 1941/1942 unablässig weiter. Neben Paris war auch wiederholt Amsterdam ihr Ziel. Dort hatte es aber auch schon in den Jahren vor dem Krieg zahlreiche Kontakte zu den Kunsthändlern gegeben, während das Pariser Netzwerk erst ab November 1940 geknüpft wurde. In Paris wurden für das Rheinische Landesmuseum Bonn neben den Erwerbungen von November 1940 und Januar am 28 Zum gesamten Absatz siehe: ALVR, Akte 11412, Schreiben Apffelstaedts an den Oberpräsidenten der Rheinprovinz vom 29. 12. 1940; das ganze Schreiben ist auch wiedergegeben in der Datenbank „Translocations“ von Elisabeth Furtwängler: https://translanth.hypotheses.org/ueber/apffelstaedt (Stand: 28. 08. 2021). 29 Akte 11412, Bescheinigung vom 14. 01. 1941; im Inventarbuch sind die Erwerbsdaten nicht angegeben. 30 Ebd., laut der Bescheinigung des Kunstschutzes wurde es von der Firma Schwenker nach Deutschland expediert. 31 RLMB, Inv.-Nr. 41.95; das Objekt ist seit seiner Restitution im Jahre 1947 aus dem Auslagerungsort Kloster Marienstatt verschollen. 32 RLMB, Inv.-Nr. 41.96; restituiert aus dem Sammeldepot Schloss Dyck am 26. 02. 1948, der Verbleib ist bisher unbekannt. 33 Beide Objekte wurden 1948 von der französischen Militärregierung übernommen. 34 RLMB, Inv.-Nr. 41.97; das Objekt wurde 1948 restituiert. 35 ALVR, Akte 53308, Korrespondenzbuch des RLMB, 11. 12. 1940.

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24. Februar, am 29. März, am 30. April/1. Mai, am 29./30. Mai, am 2. Juni sowie am 6. und 12. November 1941 Kunstwerke gekauft und bis zur Beurlaubung Graf Wolff Metternichs im Sommer 1942 folgten noch Erwerbungen am 15./21. Januar, am 12. Februar, am 21. März, am 10. April und am 15./30. Juni 1942.36 Apffelstaedt und Rademacher fuhren jedoch offenkundig in unterschiedlicher Besetzung: Im November 1940 waren die beiden Düsseldorfer und Essener Museumsdirektoren, Hupp und Köhn, ihre Begleiter. Letzterem wurde im Dezember 1940 erneut ein Passierschein für Paris und Brüssel von Bonn aus zugesandt.37 Für den Düsseldorfer Kunsthändler Hans Bammann als Begleiter Apffelstaedts und Rademachers wurde im März 1941 eine wiederholte Einreiseerlaubnis für die Zeit vom 1. April bis 31. Mai 1941 beantragt.38 In ­diesem Schreiben werden als erste Begründung die notwendigen, streng vertraulichen Nachforschungen Apffelstaedts nach verschlepptem deutschen Kulturgut, mit denen H ­ itler den Reichminister für Volksaufklärung und Propaganda beauftragt habe, genannt. Hierzu ­seien in Kooperation mit Bunjes in sorgfältiger und unauffälliger Weise Erhebungen und Überprüfungen in Bibliotheken und Museen vorzunehmen, w ­ elche die Grundlage für Rückforderungen in einem zukünftigen Friedensvertrag bilden würden – daraus ist bekanntlich dann nichts geworden. Zum zweiten jedoch wird die Suche nach wertvollem rheinischen Kunstgut genannt, das aus Privatbesitz und dem Handel für das Rheinland „zurück“ erworben werden sollte. Hierzu ­seien die Kenntnisse des Händlers Hans B ­ ammann überaus nützlich und notwendig, der seine Aufgabe angeblich ganz uneigennützig und auf eigene Kosten betreibt.39 Außer bei den oben schon genannten Händlern und Kommissionären kaufte man bis Mitte 1942 bei Brimo de Laroussilhe, bei Donath, Mme. Gérard, Graf H. de Ganay, Gustav Rochlitz, Jan Schmit, bei Renou und Colle, G. Aubry, Ch. Ratton, Kalebdjian, Roland Baley sowie im Hôtel Drouot und über Adolf Wüster von der deutschen Botschaft. Es waren größtenteils Gemälde, aber wie auch schon die oben genannten ersten Beispiele zeigen, kamen diverse andere Objekte hinzu. Insgesamt stammten von November 1940 bis Juni 1942 über 30 vom Museum erworbene Objekte aus Paris. Einige der Geschäftspartner finden sich bekanntlich auf der Liste der „Red Flag names“.

36 ALVR, Akte 11412, Verzeichnis der Kriegserwerbungen. 37 ALVR, Akte 53308, Korrespondenzbuch des RLMB, 21. 12. 1940. 38 Schreiben des Oberpräsidenten der Rheinprovinz an Ministerialdirigent Medicus, Chef des Militär­ verwaltungsbezirks Paris, vom 03. 03. 1941, siehe: Washington National Archive, Fold 3: https://www. fold3.com/image/270022967 (Stand: 29. 11. 2019). 39 Ebd.

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„Bau einer Schleuse“ von Cornelis Huysmans – Die verschlungene Provenienz eines Gemäldes im RLMB Ein letztes Beispiel für ein in Paris erworbenes Gemälde soll zeigen, wie verschlungen der Weg in die Sammlung des Bonner Museums damals sein konnte. Es ist das Gemälde „Bau einer Schleuse“ von Cornelis Huysmans. Es trägt die Inventarnummer 43.295 und war laut Franz Rademachers Gemäldekatalog von 1959 ein Geschenk N. N. 1943 – angeblich war der Spender also unbekannt.40 Dass diese Angabe tatsächlich ausschließlich der Verschleierung der Herkunft des Objektes diente, zeigt schon ein erster Blick ins Inventarbuch des Museums: Hier ist vermerkt, dass es ein Geschenk von Herrn A. Wüster, München, sei. Eine Verbindung zu ihm und die Herkunft aus Paris wollte Rademacher offenbar nicht veröffentlichen. Wer war Adolf Wüster und ­welche Rolle spielte er in dieser Transaktion? Die LostartDatenbank sagt über Adolf Wüster: 1888– (1972); Kunstagent, Experte, 1924 – 39 Paris, Adresse: 174, rue de l’Université, Paris, spezialisiert auf französische Kunst des 19. Jh., Kulturattaché der deutschen Botschaft und Kunsthändler für Joachim v. Ribbentrop, 1941 – 44 Konsul, neben Gustav Rochlitz (1889 – 1972) wichtigster Vermittler für deutsche Einkäufer auf dem Pariser Kunstmarkt, zahlreiche enge Kontakte, zum ERR (Bruno Lohse, v. Behr), zu deutschen Händlern (Bornheim, Dietrich, Bammann), zu Museumsleuten (Martin, Franz Rademacher, Kuetgens und Göpel), Hauptlieferanten: Schöller, Mandl, Leegenhoek, Raphael Gerard und Hôtel Drouot, außerdem enge Kontakte zu: Goetz, Schöller, Pfannstiel, Avogli-Trotti, Herzog von Trévise, unternahm Reisen, um Kunstwerke zu erwerben, u. a. in die Schweiz, nach Schweden, Spanien.41

Adolf Wüster stammte aus dem Rheinland, geboren am 30. Dezember 1888 in WuppertalBarmen, und starb am 16. Februar 1972 in München. Er war ein Kunstmaler, der schon in den zwanziger Jahren in Paris gelebt hatte und er galt zugleich als Kunstexperte für die französische Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts. Seine Frau stammte aus Russland.42 Seit Anfang 1941 hatte er Kontakt zur deutschen Botschaft – und zum RLMB, dem er ein Minnekästchen anbot, dessen Kauf allerdings abgelehnt wurde.43 1942 wurde Wüster zum Konsul

40 Franz Rademacher, Verzeichnis der Gemälde, Köln 1959, S. 24; im Gemäldekatalog des RLMB von 1982 wurde diese Angabe übernommen. 41 Siehe Lostart-Datenbank: http://www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Beteiligte/​ W/W%C3 %BCster,%20Adolf.html?cms_lv2=5382&cms_lv3=83502 (Stand: 29. 08. 2021). 42 Siehe: https://www.adolfwuester.de (Stand: 29. 08. 2021); Washington National Archive, Fold 3: https://www.fold3.com/image/270012976/?terms=w%C3 %BC ster (Stand: 29. 08. 2021) [für die Nutzung ist eine Registrierung notwendig]. 43 ALVR, Akte 53308, Korrespondenzbuch des RLMB, 02. 02. 1941.

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in der deutschen Botschaft in Paris ernannt. Zuständig für Kunst, galt er als Vertrauter und Sammler für den Außenminister Ribbentrop. Dort betätigte er sich auch als Vermittler und Kunsthändler mit guten Gewinnen für sich selbst. Zu ihm hatte das Landesmuseum – also Rademacher und Apffelstaedt – spätestens seit Februar 1941 und danach jahrelang immer wieder einen vertrauten und häufigen Kontakt.44 Ein Vergleich weiterer erhaltener Quellen zu ­diesem Gemälde zeigt jedoch, dass auch die nachträglich vorgenommene Inventarbucheintragung nicht vollständig korrekt ist: Ein Nachtrag zu der nach dem Zweiten Weltkrieg erstellten Liste der Kriegserwerbungen führt es, damals noch untergebracht im Auslagerungsort Kloster Marienstatt, als Cornelis Huysmans, Schleusen- und Kanalbau, als Geschenk des Herrn A. Wüster, Paris, an die ‚Gesellschaft der Freunde und Förderer des Rheinischen Landesmuseums in Bonn‘ auf. Zu d ­ iesem Zeitpunkt hatte das Bild noch keine Inventarnummer.45 Aufschluss über die Hintergründe dieser Erwerbung gibt jedoch ein Vermerk von Apffelstaedt vom 25. März 1942 über seine letzte Reise nach Paris, die vom 8. bis zum 22. desselben Monats dauerte. Hier schilderte er folgenden Plan: In der Kunsthandlung Manteau sah ich mit Dr. Rademacher ein ausserordentlich interessantes Bild, holländisch 17. Jh., das einen Kanal- und Schleusenbau darstellt. Ich hatte sofort die Idee, das Bild bei seinem geringen Preis von 60 000 fr. = 3 000 RM zwar nicht für das Landesmuseum, sondern als Geschenk zu gegebener Zeit für den Reichsminister Speer festzuhalten. Ich besprach mich zu d­ iesem Zweck mit der Gattin des beauftragten Kunsteinkäufers für Reichminister Ribbentrop (…) Wüster, dahingehend, dass seit(en)s ihres Mannes ­dieses Bild erworben und der Gesellschaft der Freunde und Förderer des Landesmuseums Bonn zur freien Verwendung zum Geschenk gemacht wird, unter gleichzeitiger Überlassung des von uns im Dezember auf einer Versteigerung erworbenen Studienkopfes aus dem Umkreis vom Rubens oder Jordans zum Originalversteigerungspreis von 8220.60 RM. Das Bild hat nach erneuter Besprechung mit Herrn Dr. Rademacher für uns unbeschadet seiner sehr schönen Qualität doch nicht die Bedeutung, die wir ursprünglich vermutet hatten, und waren wir uns darüber einig, dass die Abgabe in Verbindung mit dem Geschenk des holländischen Kanalbaubildes an die Gesellschaft der Freunde in Bonn durchaus zu verantworten ist, da wir zu gegebener Zeit für ­dieses Geschenkbild an den Reichsminister Speer immerhin einen Betrag von 10 – 15 000 RM zu Gunsten des Museums vereinnahmen werden. Der seinerzeitige Erwerb der Skizze aus dem Rubenskreis hat sich damit sachlich in jeder Weise gelohnt.46

Das Bild stammte also tatsächlich aus der Kunsthandlung von Alice Manteau und wurde von Adolf Wüster 1942 in Paris für das Bonner Museum gekauft. Es war für Albert Speer bestimmt, wurde daher nicht inventarisiert und als angebliches Geschenk an die Freunde 44 Ebd., das legt jedenfalls das Korrespondenzbuch des RLMB nahe. 45 ALVR, Akte 11414, Verzeichnis der Kriegserwerbungen des RLMB. 46 ALVR, Akte 11412, Vermerk Apffelstaedts vom 25. 03. 1942.

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und Förderer zur „freien Verfügung“ überlassen. Es wurde offenbar durch die Firma Schenker ins Rheinland transportiert 47 und in das Kloster Marienstatt im Westerwald ausgelagert. Die Übergabe an Albert Speer wurde nach dem Krieg natürlich nicht realisiert, das Bild wurde jedoch auch nicht restituiert. Nach wie vor befindet es sich noch in der Sammlung. Der angedachte Tausch mit dem im Dezember 1941 erworbenen Studienkopf aus dem Umkreis von Rubens oder Jordaens mit Wüster hat jedoch nicht wie geplant stattgefunden. Erhalten ist nämlich eine Eintragung im Inventarbuch über den Erwerb einer Skulptur Maria mit Kind (…) erworben in Paris für 8.220,60 RM im Austausch gegen ein Gemälde. Die Liste der Kriegserwerbungen zeigt es noch etwas genauer: Erworben wurde die Maria im April 1942 bei Maurice Lagrand im Tausch gegen eine Porträtskizze von Jordaens (?), für die in Paris 8.220,60 RM bezahlt worden war.48 Diese Skulptur wurde 1948 an die französische Militärregierung übergeben. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die seit Kriegsbeginn im westlichen Ausland erworbenen Kunstobjekte des Rheinischen Landesmuseums an die französische Militärregierung restituiert. Insgesamt spricht das erhaltene Verzeichnis von 80 Objektnummern, von denen allein 58 in Paris erworben wurden. Die in ­diesem Beitrag aufgeführten Beispiele zeigen, dass die umfassende Aufarbeitung dieser Erwerbungen – auch wenn die Objekte nicht mehr im Museum sind – dennoch von größter Wichtigkeit für die Forschung sind. Sie werfen ein Schlaglicht auf die Sammlungsgeschichte des Hauses und beleuchten die Abläufe und den Aufbau von Netzwerken in der Zeit des Nationalsozialismus.

47 Bericht über die Schenker-Papiere der Roberts Commission, siehe: Washington National Archive, Fold 3: https://www.fold3.com/image/270256856 (Stand: 29. 08. 2021) [für die Nutzung ist eine Registrierung notwendig]. 48 RLMB, Inv.- Nr. 42.13.

Kunst aus Paris für das Rheinische Landesmuseum Bonn   I  375

Eduard Neuffer und das Referat „Vorgeschichte und Archäologie“ des militärischen Kunstschutzes in Paris (1940 – 1942) Susanne Haendschke *

Während der militärische Kunstschutz und die Rolle Franziskus Graf Wolff Metternichs (1893 – 1978) seit längerem Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Forschung sind, sollen im Folgenden in aller Kürze die Aufgaben des Referats „Vorgeschichte und Archäologie“ und die Rolle seines Leiters Dr. Eduard Neuffer (1900 – 1954) vorgestellt werden. Neuffer begann seine Tätigkeit am Rheinischen Landesmuseum Bonn am 15. Mai 1931, als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter betreute er die vorgeschichtliche und die römische Sammlung und war für die Neuordnung der Bibliothek verantwortlich. Am 13. September 1939 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und am 1. Dezember 1940 als Kriegsverwaltungsrat nach Paris versetzt, um dort das Referat „Vorgeschichte und Archäologie“ zu leiten (Abb. 1). Nach seiner Entlassung im Juli 1942 konnte er die Arbeit an seinem Atlas der vorgeschichtlichen Befestigungsanlagen bis 1943 als Zivilist fortführen. 1944 wurde Neuffer erneut einberufen und wurde ab September 1944 im Wachbataillon des Konzentrationslagers Auschwitz, Außenlager Jawischowitz, als Wachmann eingesetzt.

1. Die Einrichtung des Referats „Vorgeschichte und Archäologie“ Der militärische Kunstschutz wurde im Mai 1940 mit der Besetzung Frankreichs durch deutsche Truppen beim Oberkommando des Heeres (OKH) eingerichtet. Im Sommer 1940 übernahm Wolff Metternich die Leitung der Dienststelle.1 Die Gründung eines Referates * Die Verfasserin dankt Dr. Katharina Ulmschneider, Institute of Archaeology, Jacobsthal Archive, Oxford und Dr. Peter Stewart, Beazley Archive, Oxford, für ihre fachliche Unterstützung sowie Maggie Budden und Bob Bell, Oxford, für ihre Gastfreundschaft vor Ort. 1 Siehe dazu Esther Heyer, Der Provinzialkonservator Franziskus Graf Wolff Metternich. Denkmalpflege und Kunstschutz im Rheinland und in Frankreich, in: Kulturpolitik der Rheinischen Provinzialverwaltung 1920 bis 1945. Tagung am 18. und 19. Juni 2018 im LVR-LandesMuseum Bonn (Beihefte der Bonner Jahrbücher 59), Darmstadt 2019, S. 73 – 84, hier S. 78.

Abb. 1  Eduard Neuffer, in der Mitte ­zwischen Carlheinz Pfitzner (li.) und Felix Kuetgens (re.) anlässlich Frl. Goebens Geburtstag im Amt, 20.V.41.

für Vorgeschichte und Archäologie erfolgte etwas s­päter im Herbst 1940. Die Initiative dazu ging von Martin Schede (1883 – 1947), dem Direktor des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches (DAI), aus. Zu Schedes Vorgehen gibt es unterschiedliche Darstellungen: Ob er ein „riskantes Manöver“ 2 vollzog, das eigentlich zuständige Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung umging und seinen Antrag direkt an das Oberkommando des Heeres richtete oder ob er, den Dienstweg einhaltend, sich doch zunächst an das Ministerium wandte, um dort eine Dokumentation der archäologischen Denkmäler anzuregen,3 bleibt vorerst ungeklärt. Sicher ist dagegen, dass Schede dem OKH Mitarbeiter der Römisch-Germanischen Kommission (RGK) als geeignete Mitarbeiter vorschlug,4 denn die wissenschaftliche Bearbeitung der in Frankreich und Belgien gefundenen Altertümer war bereits vor dem Kriege eine der Hauptaufgaben der Römisch-Germanischen Kommission 2 Hubert Fehr, Das Referat „Vorgeschichte und Archäologie“ des militärischen Kunstschutzes in Belgien und Frankreich, in: Archäologie und Bodendenkmalpflege in der Rheinprovinz 1920 – 1945. Tagung im Forum Vogelsang, Schleiden, 14. – 16. Mai 2012, Bonn 2013, S. 401 – 410, hier S. 402. 3 Siehe Siegmar von Schnurbein, Abriß der Entwicklung der Römisch-Germanischen Kommission, in: Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 82 (2001), S. 219. 4 Dies waren Ernst Sprockhoff, Wilhelm Schleiermacher und Joachim Werner von der RGK sowie Hans von Schoenebeck: siehe Schnurbein, Abriß (wie Anm. 3), S. 219.

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in Frankfurt a. M.5 Ernst Sprockhoff,6 Wilhelm Schleiermacher 7 und Joachim Werner 8 ­seien ausgesuchte Spezialisten für Vorgeschichte, römische und germanische Archäologie, die ihre Forschungen auch nach dem Krieg organisch fortsetzen könnten.9 Neben der Kontinuität der wissenschaftlichen Bearbeitung französischer Funde waren auch forschungspolitische bzw. weltanschauliche Aspekte für die Auswahl dieser Personen von Bedeutung. Der ungehinderte Zugriff auf französische Sammlungen und Fundplätze eröffnete neue Deutungsmöglichkeiten für die die deutsche Forschung interessierenden historischen Probleme der vorgeschichtlichen, römischen und fränkischen Zeit.10 Der Schutz archäologischer Denkmäler sowie eine umfassende Dokumentation archäologischer Sammlungen aus öffentlichem und privatem Besitz waren weitere wichtige Ziele, die das geplante Referat verfolgen sollte. Intendiert war aber auch, ein Gegengewicht zu verschiedenen konkurrierenden Forschungsgruppen – dem Ahnenerbe der SS und dem Sonderstab Vor- und Frühgeschichte im Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg – zu schaffen und so den Einfluss des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches und der Römisch-Germanischen Kommission zu sichern. Wolff Metternich zeigte sich mit Schedes Planungen einverstanden und betrachtete den archäologischen Kunstschutz als sinnvolle Ergänzung des kunsthistorischen Kunstschutzes. Die Gesamtleitung beider Referate lag bei ihm. Die Leitung des Referats Archäologie übernahm jedoch nicht der von ihm präferierte Ernst Sprockhoff, der von der Wehrmacht nicht freigestellt wurde, sondern Eduard Neuffer. Neuffer war für diese Aufgabe sicherlich ebenfalls geeignet: Als Abteilungsdirektor für Vorgeschichte und Römisches im Rheinischen Landesmuseum Bonn befasste er sich mit Ausgrabungen und Forschungen zur provinzialrömischen Archäologie in der Rheinprovinz, ab 1935 war er mit der Umgestaltung der Dauerausstellung beschäftigt. Seine sehr reduzierte, puristische Präsentation der vorgeschichtlichen Abteilungen gewann auf der Weltausstellung in Paris 1936 eine der Goldmedaillen.11 Seine Forschungsinteressen beschränkten sich 5 Archiv der RGK, Nr. 191 Bl. 30: zit. nach Schnurbein, Abriß (wie Anm. 3), S. 220. 6 Ernst Sprockhoff (1892 – 1967), Prähistoriker, 1935 – 1945 Erster Direktor der Römisch-Germanischen Kommission (RGK) in Frankfurt am Main, ab 1947 Ordinarius für Vor- und Frühgeschichte an der Universität Kiel. 7 Wilhelm Schleiermacher (1904 – 1977), Altphilologe und Provinzialrömischer Archäologe, 1938 – 1966 Zweiter Direktor der Römisch-Germanischen Kommission in Frankfurt am Main. 8 Joachim Werner (1909 – 1994), Frühmittelalterarchäologe, 1938 Habilitation an der Universität Frankfurt am Main, 1942 – 1945 Professor für Vor- und Frühgeschichte an der Reichsuniversität Straßburg, 1948 – 1974 Professor an der Universität München. 9 Archiv der RGK, Nr. 191 Bl. 30: zitiert nach Schnurbein, Abriß (wie Anm. 3), S. 220. 10 Ebd. 11 Zu Neuffer siehe: Hans-Eckart Joachim, Archäologe und Museumsmann im Zwielicht, in: Bonner Jahrbücher 217 (2017), S. 3 – 14; Marion Widmann, Das Museum des Rheinischen Provinzialverbandes in Bonn, in: LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, Archäologie und Bodendenkmalpflege in der Rheinprovinz 1920 – 1945, Bonn 2013, S. 151 – 167, hier S. 157 f.; Susanne Haendschke,

Eduard Neuffer und das Referat „Vorgeschichte und Archäologie“  I  379

jedoch nicht auf die Rheinprovinz. Als Assistent am Archäologischen Institut der Universität Marburg bereiste er ­zwischen 1928 und 1930 gemeinsam mit Dr. Paul Jacobsthal, dem Direktor des Instituts, weite Teile Frankreichs, der Schweiz und Spaniens, um die vorrömischen Zivilisationen Galliens zu erforschen. Die archäologischen Sammlungen von zahlreichen Museen und Privatsammlungen wurden dokumentiert, herausragende Objekte beschrieben und Bemerkungen zur Erhaltung und Präsentation der Sammlungen verzeichnet.12 Diese Reisetätigkeit setzte Neuffer auch als Direktorialassistent bzw. Abteilungsdirektor des Landesmuseums fort und bereiste z­ wischen 1932 und 1938 zahlreiche Museen in Italien, Frankreich, England, der Schweiz, Spanien, Österreich, Ungarn und der Tschechoslowakei. So gewann er einen tiefen Einblick in die archäologischen Sammlungen Europas und war auch persönlich gut vernetzt mit Archäologen und privaten Sammlern im In- und Ausland. Für die geplante Dokumentation der französischen Museumssammlungen im besetzten Frankreich konnte Neuffer an seine Rechercheerfahrungen und die bereits bestehenden Verzeichnisse anknüpfen. Neben der fachlichen Expertise verfügte Neuffer auch über sehr gute französische Sprachkenntnisse, zudem wird er mit Wolff Metternich persönlich bekannt gewesen sein: Die Büros des Provinzialkonservators und der Verwaltung des Bonner Landesmuseums befanden sich in nebeneinanderliegenden Gebäuden in der Bachstraße.

2. Die Aufgaben des Referats Mit der Einrichtung des Referats „Vorgeschichte und Archäologie“ im Herbst 1940 war die inhaltliche Ausrichtung nicht explizit festgelegt worden. Neuffer definierte dessen Aufgaben dann am 15. Januar 1941 in einer Denkschrift.13 Neben den Schutzmaßnahmen für öffentliche und private archäologische Sammlungen, der Erhaltung ortsfester Denkmäler und Bodenfunde wurden auch die Förderung und Unterstützung der wissenschaftlichen Arbeit deutscher Vor- und Frühgeschichtsforscher in der Denkschrift als Arbeitsfelder definiert. Als erste Maßnahme zum Schutz der archäologischen Objekte und Sammlungen wurde eine Kartei sämtlicher Museen und Sammlungen im besetzten Teil Frankreichs angelegt.

„Herkunft: Dr. Neuffer, Paris“. Anmerkungen zu ausgewählten Erwerbungen in der Bibliothek des Rheinischen Landesmuseums Bonn 1940 bis 1944, in: Kulturpolitik der Rheinischen Provinzialverwaltung 1920 bis 1945 (wie Anm.1), S. 139 – 150. 12 Die Notiz- und Skizzenbücher Jacobsthals liegen im Jacobsthal Archive des Institute of Archaeology, Oxford. Ausführlicher wird auf Jacobsthal weiter unten eingegangen. 13 Hans Möbius, Das Referat „Vorgeschichte und Archäologie“ in der Militärverwaltung Frankreich, Schlussbericht über die Tätigkeit 1940 – 1944, publiziert in: Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 82 (2001), S. 474 – 483, hier S. 475.

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Diese Museumskartei, die in zahlreichen, oft mehrwöchigen Reisen aller Referatsmitarbeiter erstellt wurde, verzeichnete bis zu Neuffers Ausscheiden aus dem Amt am 16. Juli 1942 rund 450 Museen und Privatsammlungen:14 Um einen Überblick über etwa erforderliche Schutzmassnahmen und vor allem einen dokumentarischen Beleg über den Zustand der Museen und Privatsammlungen bei Antritt der Militärverwaltung zu erhalten und um die von Reichsseite beabsichtigten Forschungsunternehmen hinsichtlich der Einsatzpunkte beraten zu können, wurden die Museen und Privatsammlungen des besetzten Gebietes nach folgenden Gesichtspunkten karteimässig erfasst: a) rechtliche Stellung, b) Personalien der Museumsleiter, c) Zustand der Sammlung (etwaige Zerstörung oder Beschädigung durch Kampfeinwirkung, Bergung oder Verschleppung der Bestände, Zugänglichkeit), d) Sammelbereich, e) Inhalt (Aufzählung der Kategorien der Bestände und der grossen geschlossenen Fundkomplexe).15

Bei der Zusammenstellung der Informationen griffen die Referatsmitarbeiter auch auf Rundfragen der Feldkommandanturen und auf die Unterstützung kooperationswilliger französischer Kollegen zurück. Die Museumsreisen nutzten Neuffers Kollegen, Wolfgang Kimmig (1910 – 2001) und Wilhelm Schleiermacher (1904 – 1977), auch für die Materialerfassung der eigenen archäologischen Forschungen, Kimmig zu Funden der Urnenfelderkultur, Schleiermacher zur Besiedlungsgeschichte Nordostfrankreichs. Der ungehinderte Zugriff auf private und öffentliche Sammlungen erwies sich so auch für die persönliche wissenschaftliche Karriere als ertragreich. Wie Neuffer in seinen Tätigkeitsberichten 1941 ausführt, bildete das Museums- und Objektverzeichnis eine systematische Grundlage für weitere (deutsche) Forschungen: Der gewonnene Überblick über die Zugänglichkeit, den Inhalt und die Sammlungsbereiche der einzelnen Museen und Privatsammlungen gestatten es, die einzelnen Gruppen der deutschen Wissenschaftsaktion an die richtigen Stellen zu verweisen. Die Haltung der französischen Museumsleiter und Sammler war durchaus korrekt. Den geführten Gesprächen war zu entnehmen, dass sie ohne Ausnahme zu einer wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit deutschen Gelehrten bereit sind.16

14 Eduard Neuffer, Bericht über die Tätigkeit des Referates Vorgeschichte und Archäologie, handschriftlicher Entwurf eines Abschlussberichtes, in: Archivbox Bericht Neuffer über die Organisation der französischen Bodendenkmalpflege, 1942. Die Materialien in dieser Archivbox sind ungezählt und nicht erschlossen, die Archivbox befindet sich derzeit (Frühjahr 2020) in der Bibliothek des LVR-LandesMuseums. 15 Ebd., S. 1. Eine Abschrift der Kartei erhielt nach der Auflösung des Referats Vorgeschichte und Archäologie die Römisch-Germanische Kommission Frankfurt am Main als wissenschaftliche Zentrale für die westeuropäische Bodenforschung. 16 Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternich (künftig NL FGWM ), Nr. 170 (Seiten ungezählt): Eduard Neuffer, Tätigkeitsbericht für die Zeit vom 25.03. bis 20. 05. 1941 vom 24. 05. 1941.

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Sowohl Neuffer als auch seine Kollegen hatten bei der Dokumentation der französischen Sammlungen auch schon die Zeit nach dem Krieg im Blick. Mit der Museumskartei leisteten sie eine Art Vorarbeit für die systematische Erschließung französischer Sammlungen, auf ­welche die zukünftigen Museumsstrukturen nach deutschem Vorbild aufgebaut werden könnten.17 Zudem sollte die Kartei ursprünglich auch politischen Zielen der NS-Kulturpolitik dienen, indem sie genutzt werden sollte, um die Objekte der sogenannten „KümmelListe“ 18 – neben Kunstwerken auch archäologische Objekte, die als Kriegsbeute Napoleons aus Deutschland nach Frankreich „entführt“ 19 worden waren – zu identifizieren und eine Rückführung vorzubereiten. Die Beteiligung des Referates an den Rückführungsvorbereitungen wurde jedoch nach Klärung verschiedener Vorfragen 20 gestrichen. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit bestand in Schutzmaßnahmen für archäologische Denkmäler und Sammlungen. Zum Schutz der Bodendenkmäler legte die französische Regierung in der Besatzungszone ein neues Ausgrabungsgesetz vor, welches von Neuffer begutachtet wurde. Ziel der Gesetzgebungen war eine staatliche Steuerung von Ausgrabungen, wodurch Raubgrabungen und sogenannte Laien-Grabungen verhindert werden sollten.21 Die Anordnung von Schutzmaßnahmen für archäologische Sammlungen ging mit der Dokumentation für die Museumskartei einher, schutzwürdig waren 23 öffentliche Museumssammlungen, zwölf Privatsammlungen und zwei ortsfeste Denkmäler. Die übrigen Sammlungen waren entweder bereits geschützt oder an sichere Orte (Kellerräume) a­ usgelagert 17 Ebd.; Schreiben Schleiermachers an Wolff Metternich vom 05. 01. 1942: Die Verbindungen mit der französischen Vorgeschichte und Archäologie, die wir in dem vergangenen Jahr aufnehmen konnten, werden sich nach dem Kriege ohne Zweifel als sehr fruchtbringend herausstellen. Bei manchen Franzosen hemmt natürlich im Augenblick der Schwebezustand der staatsrechtlichen Verhältnisse eine intensive Zusammenarbeit, aber dies wird nach dem Friedensschluß sich ändern und wir haben den großen Vorteil, dass für diesen Augenblick jetzt alles vorbereitet ist. 18 Otto Kümmel (1874 – 1952), Kunsthistoriker, ab 1934 Generaldirektor der Staatlichen Museen Berlin, verfasste 1940 im Auftrag des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels eine umfassende Liste der zu plündernden „Kunstwerke in ausländischem Besitz“ (2. Bericht […] betr. Kunstwerke und geschichtlich bedeutsame Gegenstände, die seit 1500 ohne unseren Willen oder auf Grund zweifelhafter Rechtsgeschäfte in ausländischen Besitz gelangt sind, Teil 1 – 3, Berlin 1941). 19 Schreiben Schleiermachers an Wolff Metternich vom 05. 01. 1942; Neuffer, Tätigkeitsbericht (wie Anm. 16), S. 1: Arbeitsprogramm: (…) Vorbereitung der Rückführung aus Deutschland entführter vor= und frühgeschichtlichen sowie antiken Funde. 20 Ebd. 21 Ebd., S. 4: In die Berichtszeit fällt die Schaffung eines französischen Ausgrabungsgesetzes (Gesetz vom 27. Sept.41 = Journ. Off. vom 15. Okt.41) sowie die Neuorganisation der französischen Bodendenkmalpflege (Gesetz vom 21. Jan.42 = Journ. Off. vom 14.2.42 und arreté vom 12. Februar 42 im selben Heft des Journ. Off.) Die eingehende Prüfung dieser Gesetze, zu denen auch die Verordnungen und Gesetze zur Neuschaffung des „Centre National de la recherche scientifique“ (insbes. Gesetz vom 10. März 41 = Journ. Off. vom 28.3.41 und arreté vom 31.4.42 = Journ. Off. vom 1.2.42) heranzuziehen waren, führten zu einer für das REM bestimten [sic!] Darstellung der französischen Bodendenkmalpflege.

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worden oder sie wurden nicht als schützenswert erachtet.22 Im November 1941 begann die Räumung und Bergung der Museen in der Küstenzone in engster Zusammenarbeit mit dem Referat Kunstschutz.23 Das Referat „Vorgeschichte und Archäologie“ gewann dank der Bestandsaufnahme der verschiedensten französischen Sammlungen einen detaillierten Überblick über Qualität und Umfang der Objekte. Genutzt wurden diese Erkenntnisse auch, um unterschiedliche Forschungsmaßnahmen deutscher Wissenschaftler zu fördern und zu unterstützen. Diese Förderung umfasste die Betreuung der deutschen Gelehrten auf französischem Gebiet: Neben ganz praktischer Hilfe bei Reisevorbereitungen und der Beschaffung von Ausweisen und Passierscheinen wurde auch die Bereitstellung von Arbeitsmaterialien und die Verhandlung mit französischen Dienststellen angeboten. Diese Dienste wurden von Forschungsgruppen des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches, des Reichsbundes für Deutsche Vorgeschichte, dem Archäologischen Seminar der Universität Berlin und der Römisch-Germanischen Kommission in Anspruch genommen.24 Auch Mitarbeiter des Referates nutzten die Fördermöglichkeiten. Neuffer selbst arbeitete etwa an einem „Atlas der vorgeschichtlichen Befestigungsanlagen“ und konnte dabei auf die Unterstützung des Luftflottenkommandos 3 der deutschen Luftwaffe zählen. Nach Vorarbeiten in der Pariser Nationalbibliothek stellte er eine Liste von Befestigungsanlagen in Nord- und Ostfrankreich zusammen. Diese besichtigte er anschließend und prüfte sie auf ihre Eignung für Luftbildaufnahmen. Anschließend erteilte er der Luftwaffe detaillierte Anweisungen, w ­ elche Senkrecht- und Schrägaufnahmen angefertigt werden sollten, teilweise verbunden mit genauen Hinweisen zu Lichtverhältnissen und Geländebedingungen (Luftbildaufnahme vor Wiederbelaubung!).25 In einem Bericht vom 31. März 194226 hielt Neuffer fest, 128 Anlagen besichtigt, geprüft und für 74 Anlagen Fotoaufträge an die Luftwaffe erteilt zu haben. Dieser Bericht beschreibt nicht nur die bis dahin geleisteten Arbeiten, sondern er schildert auch die schwierige Ausgangslage durch die nur unzureichenden Darstellungen der französischen Fachliteratur und stellt in einem Fazit die dringende Notwendigkeit der Fortführung der Arbeiten fest.27 22 Ebd., S. 2. 23 Ebd. 24 Ebd.: Neuffer listet in seinem Bericht einzelne Grabungen und Forschungsunternehmen auf, so z. B. Grabungen in Sept-Saulx bei Reims und in Kerleskan und Forschungsvorhaben wie das „Corpus der antiken Sarkophage“ oder das „Franken-Werk“. 25 Materialien Neuffers in: Museumsbibliothek Bonn (wie Anm. 14), Archivbox Bericht Neuffer über die Organisation der französischen Bodendenkmalpflege, 1942. 26 Museumsbibliothek Bonn (wie Anm. 14), Archivbox 1, Umschlag 5/„Camps“: Eduard Neuffer, Bericht über den Stand der Vorarbeiten zu einem Atlas der vor- und frühgeschichtlichen Befestigungsanlagen im besetzten Frankreich. 27 Ebd., Wenn die Arbeiten im gegenwärtigen Zustand abgebrochen werden, kann selbst bei Reduzierung des ursprünglichen Planes auf Nord- und Ostfrankreich nur ein sehr zufälliger Ausschnitt vorgelegt

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Zu dieser Zeit war nicht nur das Fortbestehen des Referats „Vorgeschichte und Archäologie“ und damit auch Neuffers Position bereits gefährdet, sondern auch die Position Wolff Metternichs. Seine frankophile Haltung und seine kritisch-distanzierte Einstellung zur Plünderung privater französischer Kunstsammlungen führten im Sommer 1942 zu seiner Beurlaubung und im Oktober 1943 schließlich zu seiner Entlassung aus dem Militärdienst.28 Im Frühjahr 1942 schienen beide Abteilungen des Kunstschutzes umstritten zu sein. ­Wolff Metternich bat daher im Reichserziehungsministerium um Unterstützung für den Erhalt des Referates Vorgeschichte und Archäologie.29 Sein Einsatz für den Fortbestand des Referats war zumindest teilweise erfolgreich, da – wie in einem Schreiben des Reichserziehungsministers vom 18. April 1942 ausgeführt wird – nicht vorgesehen sei, das Arbeitsgebiet Archäologie beim Militärbefehlshaber in Frankreich aufzulösen, sondern es sei nur in Aussicht genommen, den Personalbestand zu kürzen: Die bereits angeordnete Entlassung Neuffers aus der Militärverwaltung kann bei voller Würdigung der dortigen Ausführungen leider nicht rückgängig gemacht werden. Es wird nicht verkannt, daß die bisher im Rahmen der Militärverwaltung in Frankreich geleisteten Arbeiten auf dem Gebiete der Archäologie und Vorgeschichte für die deutsche Wissenschaft interessant und wertvoll sind, und daß ihre Weiterführung wünschenswert wäre. Andererseits liegt es auf der Hand, daß diese Arbeiten nicht unmittelbar kriegswichtig sind. (…) Darüber hinaus kann angenommen werden, daß Neuffer, der anscheinend in seiner Heimatdienststelle nicht benötigt wird, als neuzeitlich ausgebildeter Unteroffizier des Jahrgangs 1900 durchaus für einen soldatischen Einsatz in Frage kommt. Sollte das entgegen hiesiger Annahme nicht der Falls sein, so wird zur Erwägung anheimgegeben, Neuffer als Zivilisten mit der

werden. Ferner wird das eigentliche Ziel der Arbeit, die planimetrische Auswertung der Luftaufnahmen, ­später sehr viel umständlicher zu erreichen sein. Unter den gegebenen Umständen ist es möglich, die dazu erforderlichen Katasterkarten anzufordern, während ­später die Möglichkeit, sie zeitweise aus den betreffenden Archiven zu entfernen entfallen dürfte (…). 28 Heyer, Der Provinzialkonservator Franziskus Graf Wolff Metternich (wie Anm. 1), S. 79. 29 NL FGWM, Nr. 170 (ohne Seitenzählung): Die Aufrechterhaltung des Referates wäre damit zu begründen, dass diese Arbeiten zwar im engeren Sinne nicht als eine Verwaltungsaufgabe der Militärverwaltung anzusehen ­seien, dass ihre Durchführung durch zivile Kräfte aber nur mit Hilfe einer entsprechenden Unterstützung und Betreuung eines im Offiziersrange stehenden Beamten der Militärverwaltung mit Aussicht auf Erfolg durchgeführt werden könne. Ausser der Betreuung dieser wissenschaftlichen Forschungsarbeit müsste auch noch eine andere Aufgabe erwähnt werden, die nur durch ein entsprechend besetztes Referat gelöst werden könnte, ich meine die Überwachung der 450 archäologischen und prähistorischen Sammlungen im besetzten Frankreich, die für die deutsche Wissenschaft unschätzbares Gut enthalten. Es besteht ernstlich die Gefahr, dass die Franzosen die in diesen Sammlungen enthaltenen Zeugen des germanischen Urcharakters des Landes verwischen. Zur Persönlichkeit des Referenten wäre zu bemerken, dass KVR Dr. Neuffer dem Jahrgang 1900 angehört und bisher nur im Bürodienst bei einem Landesschützenbatl. verwandt worden ist. Er würde aller Voraussicht nach auch in Zukunft keine andere militärische Verwendung finden. Er ist Unteroffizier.

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Fortführung seiner bisherigen Aufgabe in Frankreich zu beauftragen. Eine weitergehende Unterstützung und Betreuung Neuffers würde sich die Militärverwaltung in ­diesem Falle angelegen sein lassen.30

Hiermit wurde Neuffer eine „goldene Brücke“ gebaut: An seiner Entlassung wurde festgehalten und am 20. Juli 1942 wurde er aus der Wehrmacht entlassen, jedoch nicht, um an einer der zahlreichen Fronten als Soldat eingesetzt zu werden. Er wurde unabkömmlich gestellt und blieb bis August 1943 in Paris, um den begonnenen Atlas der vorgeschichtlichen Befestigungsanlagen fertigzustellen. Neuffer führte also seine Arbeit fort und hielt seine Arbeitsergebnisse weiterhin in zweimonatlichen Berichten fest, ein letzter wurde im September 1943 erstellt.31 Der Atlas ist allerdings nie erschienen.32

3. Vom Kunstschutz ins KZ Am 25. März 1944 wurde Eduard Neuffer als Unteroffizier und Kommandoführer eingezogen und dem Landesschützen-Ersatz- und Ausbildungsbataillon I/6 in Osnabrück zugeteilt.33 Im September 1944 nahm er an einer Übung zu „Wehrgeographie und Geopolitik“ an der Humboldt-Universität Berlin teil. Möglicherweise war Neuffer für einen Einsatz als Wehrgeologe vorgesehen, da er mit der Interpretation von Luftbildern vertraut war: Die Deutung von archäologischen Geländemerkmalen war eine gute Voraussetzung für die Geländedeutung zu militärischen Zwecken.34 Zu einem solchen Einsatz kam es jedoch nicht, wie ein verstörender Fund aus dem Archiv des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin zeigt. In einem Brief vom 30. Oktober 1944 wandte sich Neuffer aus dem Konzentrationslager Auschwitz, Außenlager Jawischowitz, an den DAI-Präsidenten Schede, um ihn um einen Gefallen zu bitten: Ich bin vor einiger Zeit von der Wehrmacht weg zu einem SS-Wach-Batl. versetzt worden und bei der Aussenstelle des Konzentrationslagers Auschwitz in Jawischowitz gelandet. Ich möchte Herrn 30 Ebd. 31 Möbius, Das Referat „Vorgeschichte und Archäologie“ (wie Anm. 13), S. 503. 32 Das Ortsarchiv des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege in Bonn verwahrt den wissenschaftlichen Nachlass Eduard Neuffers. Die vier Archivboxen wurden noch nicht erfasst und erschlossen, sie enthalten seine Materialsammlung zu Objekten und Fundorten, aber offenbar nicht die in Frankreich erstellten Vorarbeiten zum Atlas. Sichtung durch die Verfasserin im Oktober 2018. 33 Marion Widmann, Das Museum des Rheinischen Provinzialverbandes in Bonn. Vom Rheinischen Provinzialmuseum zum Rheinischen Landesmuseum Bonn, in: LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, Archäologie und Bodendenkmalpflege (wie Anm. 11), S. 151 – 167, hier S. 163; Joachim, Eduard Neuffer (wie Anm. 11), S. 9. 34 Für Hinweise zur Wehrgeografie dankt die Verfasserin Marco Rasch (Freiberg) und Raik Stolzenberg (Berlin/Athen).

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Langsdorff 35 der von seiner Tätigkeit im Amt des Reichsführers Himmler her ja wohl einige höhere SS-Führer kennen wird, bitten, ob er nicht meine Versetzung an ein entsprechendes Aussenkommando in Geislingen / Steige bewirken kann. Ein Gesuch von meiner Seite wäre vollkommen zwecklos.36

Bisher konnte weder geklärt werden, wann und aus ­welchen Gründen Neuffer der Wachmannschaft des KZ Auschwitz zugeteilt wurde, noch, wann er in die SS aufgenommen wurde. Der Brief Neuffers mit seiner Absenderadresse SS-Uscha. E. Neuffer, SS-Kommando Jawischowitz ist der erste und bisher einzige Nachweis seiner SS -Zugehörigkeit und der Arbeit als KZ-Wachmann. Bereits seit Anfang 1944 wurden Wehrmachtsangehörige, die nicht oder nicht mehr kampftauglich waren, in die SS überführt und zur Bewachung von KZ-Häftlingen eingesetzt.37 Die Wachen wurden mit Handfeuerwaffen und Maschinengewehren ausgestattet und hatten Schießbefehl. In den letzten Kriegsjahren nahm nicht nur die Anzahl der eingesetzten SS -Wachmannschaften erheblich zu,38 auch die Zusammensetzung dieser Mannschaften veränderte sich.39 Neuffers Einsatzort, das KZ-Außenlager Jawischowitz, bestand seit 1942 und galt als eines der berüchtigsten Außenlager mit einer besonders hohen Todesrate der Häftlinge.40 Die Häftlinge arbeiteten in einer Kohlemine, den Andreasschächten, die zu den Hermann-Göring-Werken gehörte. Am 17. Januar 1945, kurz vor der Evakuierung des Lagers und dem Beginn des Todesmarsches gen Westen, lebten noch 1988 Häftlinge. Am 19. Januar 1945 begleitete Neuffer als Wachmann einen Häftlingstransport und noch am 35 Alexander Langsdorff (1898 – 1946) wurde 1927 von P. Jacobsthal promoviert, Neuffer spielt auf Langsdorffs Tätigkeit als Referent im Reichsinnenministerium an. Weitere Hinweise zur Vita siehe J.-P. Legendre, La vie picaresque d’Alexander Langsdorff (1898 – 1946), in: Antiquités nationales 40 (2009), S. 249 – 259. 36 Archiv des DAI , Berlin, Biographica-Mappe Eduard Neuffer, Brief vom 30. 10. 1944, Tagebuch Nr. 5804/44, für Hinweise dankt die Verfasserin Uta Dirschedl, Archiv des DAI. 37 Ab Mai 1944 galt eine Verfügung (Bundesarchiv Koblenz, NS 19 neu/1922), nach der zur Bewachung „10.000 Mann“ aus der Wehrmacht zur Waffen-SS überstellt wurden: nur Männer über 40 Jahre (…) sowie selbstverständlich nur bkv-Männer [bedingt kriegsverwendungsfähige Männer, S. H.], die aber für den Wachdienst tauglich sein müssen. 38 Im Januar 1945 standen 700.000 KZ-Häftlingen mehr als 40.000 Angehörige der SS-Wachmannschaften gegenüber; siehe dazu Miroslav Karny, Waffen-SS und Konzentrationslager, in: Ulrich Herbert (Hg.), Die nationalsozialistischen Konzentrationslager, Bd. 2, Frankfurt am Main 1998, S. 787 – 799, hier S. 792. 39 „Insbesondere binnen der letzten Kriegsjahre änderte sich die Zusammensetzung der in den Konzentrationslagern eingesetzten Waffen-SS -Männer radikal: die Alters-, Bildungs-, Berufs- und Sozialstruktur, auch die Volkstumszugehörigkeit sowie der unterschiedliche Grad der ideologischen, nationalsozialistischen Indoktrination und die unterschiedliche politische, religiöse oder weltanschauliche Gesinnung.“ Ebd., S. 797. 40 Zum Nebenlager Jawischowitz siehe Andrzej Strzelecki, Das Nebenlager Jawischowitz, in: Hefte von Auschwitz 15 (1975), S. 183 – 250.

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16. Februar 1945 ist er auf einer Liste der Wachmänner verzeichnet.41 Dann verliert sich erst einmal seine Spur. Ab dem 13. Juni 1945 ist er laut Einwohnermeldeamt der Stadt Bonn wieder in der Quantiusstraße 13 gemeldet, ab dem 15. August in der Meckenheimer Allee 146. Weder im Entnazifizierungsverfahren noch bei späteren Archivanfragen zu Neuffers Wehrmachtszeit sind Informationen zu seiner Verwendung in einem Außenlager des Konzentrationslagers Auschwitz aufgetaucht. Neuffer selbst hat seinen Einsatz als KZ -Wachmann in seinem Entnazifizierungsfragebogen nicht angegeben. Ob er ohne Wissen in die SS überführt wurde, bleibt daher vorerst ebenso ungeklärt wie seine Aufgaben als Wachmann. Neuffer nahm noch im Juni 1945 seine Tätigkeit im Rheinischen Landesmuseum Bonn wieder auf, am 1. Juli 1949 wurde er zum Direktor des Museums ernannt. Nur fünf Jahre s­ päter, am 29. August 1954, starb Eduard Neuffer an einem „schweren und unheilbaren Leiden.“ 42

4. Brüche oder Kontinuitäten? Der unerwartete Fund zu Neuffers – sorgsam verschwiegener (?) – Tätigkeit in Jawischowitz führte bereits zu einer kritschen Stellungnahme zur politischen Ausrichtung seiner Arbeit durch den Archäologen Hans-Eckert Joachim: „Dass Neuffer ebenso wie sein Kollege Walter Kersten auf jeden Fall positiv gegenüber dem Nationalsozialismus eingestellt war, zeigt nicht zuletzt auch eine gemeinsam verfasste Publikation zur rheinischen Vorgeschichte, die wie ein Ausstellungskatalog wirkt.“ 43 Ob von Neuffers Einsatz als Wachmann auf eine nationalsozialistische Gesinnung geschlossen werden kann, ist jedoch fraglich. Auf der Suche nach Facetten seiner Persönlichkeit im Allgemeinen und seiner Stellung zum Nationalsozialismus im Besonderen finden sich verschiedene Hinweise, die auch gegen eine dezidiert nationalsozialistische Gesinnung sprechen könnten. So erwähnt ihn der Widerstandskämpfer Walter Markov 44 in seinen Erinnerungen von 1989 als den „SPD-Mann Neufer [sic!]“, der 1934/1935 gemeinsam mit seinem Kollegen Walter Bader in einem Haus in der Meckenheimer Allee wohnte.45 Neuffer scheint in der Bonner Widerstandsgruppe – anders als Bader – nicht aktiv mitgearbeitet zu haben, war aber über die Aktivitäten der Gruppe informiert. Nach der Verhaftung der Mitglieder 1935 sagte Neuffer für Bader im Strafprozess aus. Bader wurde 41 42 43 44

Für Auskünfte dankt die Verfasserin Wojciech Plosa, Archiv des KZ Auschwitz. Franz Oelmann, Zum Gedächtnis Eduard Neuffers, in: Bonner Jahrbücher 155/156 (1955/1956), S. 1. Siehe Joachim, Eduard Neuffer (wie Anm. 11), S. 7. Walter Markov (1909 – 1993), Historiker und Widerstandskämpfer, gründete 1934 eine Widerstandsgruppe in Bonn. In seiner Autobiografie „Zwiesprache mit dem Jahrhundert“ (Berlin 1989), S. 55 schildert er ein Treffen mit Walter Bader: „Er lebte in dem Haus, das Fritz Lieb (…) gekauft und an seine beiden sozialistischen Freunde Bader und Neufer [sic!] vermietet hatte (…).“ Für Hinweise dankt die Verfasserin Stefan Kraus (Oberhausen). 45 Eine SPD-Mitgliedschaft Neuffers konnte bisher nicht nachgewiesen werden, Anfragen im Archiv der Friedrich-Ebert-Stiftung und im IISG Amsterdam waren ohne Erfolg.

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daraufhin freigelassen, Markov zu einer Zuchthausstrafe verurteilt. In seinem Nachruf auf Neuffer hebt Bader dessen „eisige, absolut nicht passive Ablehnung des Nationalsozialismus“ hervor – eine Formulierung, die eindeutiger wird, wenn man die Widerstandsgruppe um Markov und die enge Verbindung z­ wischen Bader und Neuffer berücksichtigt.46 Der Archäologe Franz Oelmann betont in seinem Nachruf aus dem Jahr 1955 neben dem „Drang zu absoluter Sachlichkeit und Klarheit“ auch Neuffers „echte soziale Gesinnung, die vielleicht den am stärksten entwickelten Zug in seinem Wesen bildete.“ 47 Die Suche nach weiteren persönlichen Verbindungen und Netzwerken führt zu Paul Jacobsthal, Professor für Archäologie an der Universität Marburg und von 1928 bis 1930 Vorgesetzter Neuffers, als dieser als Assistent am Archäologischen Institut tätig war.48 Die gemeinsame Arbeit und zahlreiche gemeinsame Forschungsreisen führten nicht nur zu gemeinsamen Publikationen,49 sondern begründeten auch eine lebenslange Freundschaft und einen intensiven Austausch zu fachlichen Fragen. Die enge und vertraute Zusammenarbeit wird an den Notiz- und Skizzenbüchern Jacobsthals deutlich, die im Jacobsthal Archive des Archäologischen Instituts in Oxford liegen.50 Zeichnungen und Einträge stammen von beiden, Neuffer ergänzt zum Teil Jacobsthals Notizen, er widerspricht (Nein!) und korrigiert. In Neuffers leicht zu identifizierender kleiner, klarer, fast druckschriftartiger Handschrift finden sich Beschreibungen ganzer Sammlungen (nur Römisches, nicht viel) neben detaillierten Beschreibungen einzelner herausragender Objekte.51 Jacobsthal notierte auch ganz persönliche Bemerkungen zu Museen, Hotels und zu einzelnen Museumsdirektoren.52 Der 46 Walter Bader, Nachruf auf Eduard Neuffer, in: Bonner Jahrbücher 155/156 (1955/1956), S. 6 f., hier S. 6. 47 Franz Oelmann, Zum Gedächtnis Eduard Neuffers, in: Bonner Jahrbücher 155/156 (1955/1956), S. 1 – 5, hier S. 5. Sicherlich sind Nachrufe mit Vorsicht zu betrachten, da sie in der Regel eher unkritisch und positiv wertend verfasst werden. Die Hinweise auf Neuffers Charakter sind allerdings eher vorsichtig und verklausuliert formuliert. 48 Zu Paul Ferdinand Jacobsthal (1880 – 1957) siehe besonders: Sally Crawford/Katharina Ulmschneider, Post-War Identity and Scholarship. the Correspondence of Paul Jacobsthal and Gero von Merhart in the Oxford Jacobsthal Archive, in: European Journal of Archaeology 14 (2011), S. 231 – 250; dies., The „Cheshire Cat“. Paul Jacobsthal’s Journey from Marburg to Oxford, in: dies./Jaś Elsner (Hg.), Ark of Civilization. Refugee Scholars and Oxford University 1930 – 1945, Oxford/New York 2017, S. 161 – 179. Jacobsthals Eltern waren jüdischen Glaubens, er selbst wurde evangelisch getauft. Im Oktober 1935 wurde er gemäß dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ aus „rassischen Gründen“ entlassen. 49 Paul Jacobsthal/Eduard Neuffer, Gallia graeca. Recherches sur l’hellénisation de la Provence, Paris 1933. 50 Der Nachlass Paul Jacobsthal befindet sich im Jacobsthal Archive, Institute of Archaeology, Oxford (künftig JAC), sowie im Beazley Archive, Oxford. 51 Siehe z. B. JAC, Box 25e, Notebook 75, Einträge Digne, Monaco. 52 Siehe z. B. JAC, Box 25d, Notebook 69: Lyon: Angleterre sehr teuer, Vienne: Lapidarium und Musée de Ville Mo. zu!; JAC Box, 25d, Notebook 68: Direktor von Mus. Lep. (mus. arch.) et Maison passée ist Espérandieu, rue d’Ayron 3. Er ist taub, hört kein Klingeln. Man soll die volets auf- und zumachen.

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Austausch über einzelne Funde, die Bewertung von Sammlungen und Forschungsergebnissen anderer Archäologen rissen nach Neuffers Antritt seiner Stelle am Rheinischen Landesmuseum in Bonn am 15. Mai 1931 nicht ab. Der enge wissenschaftliche Kontakt setzte sich auch nach Jacobsthals Emigration 1935 nach Oxford fort. So finden sich unerwartete Quellen auf der Suche nach Hinweisen auf Neuffers Gesinnung in zahlreichen Briefen und Notizen, die das Jacobsthal Archive im Archäologischen Institut Oxford bewahrt. Daraus wird deutlich, dass der Kontakt auch während des Krieges nicht abriss. Jacobsthal erwähnt in einem Schreiben an das Committee for Advanced Studies am 28. Januar 1947, dass Neuffer ihn mit Literatur und Objektfotos unterstützte: I was for the first time able to take up contact with German scholars, much helped by Major Lionel Perry, BAOR, (…) Dr. Neuffer, Keeper of the Bonn museum, (…) furnished me with photographs and publications: I thus became acquainted with discoveries after 1939 and progress of research in my field.53 Auf ­welche Weise mag es Neuffer gelungen sein, Material nach Oxford zu ­schicken? Der im Brief erwähnte Major Perry war auch in Neuffers Entnazifizierungsverfahren involviert, Neuffer vermutete wahrscheinlich ganz richtig, dass die Fürsprache Jacobsthals eine positive Wirkung hatte.54 Die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit führte auch zu engen privaten Kontakten z­ wischen den Familien Neuffer und Jacobsthal. Neuffer erwähnt in Briefen die Reisen seiner Kinder Martin und Ursula zu Jacobsthal. So verbrachte der Sohn Martin bereits im September 1948 einige Zeit in Oxford und Neuffer bedankte sich mit herzlichen Worten für die Gastfreundschaft.55 Im Dezember 1949 fuhr Neuffer selbst das erste Mal nach dem Krieg zu Jacobsthal, weitere Reisen folgten, so z. B. mit einer Studentengruppe im Mai 1954. Für Jacobsthal, der ja durchaus reisefreudig war, waren Besuche im Nachkriegsdeutschland nur schwer erträglich. An Gero von Merhart, seinen Kollegen aus Marburger Zeiten und ebenfalls Emigrant, schreibt er: Ich war seit dem sogenannten Kriegsende 3 mal in Westdeutschland, ohne Marburger Boden zu betreten. Das werden Sie verstehen.56 Während Jacobsthal

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[Gemeint ist Nimes, Musée archéologique, S. H.]; JAC, Box 25e, Notebook 76: Krach mit Fourcade. [Gemeint ist Jules Fourcade, Direktor des Musée Saint-Raymond, Toulouse, S. H.]. JAC, J/J Box 3, Letter 37: Paul Jacobsthal an Committee for Advanced Studies, S. 1. Beazley Archive, Oxford, Box F4 (Archivalien ungezählt), Eduard Neuffer an Paul Jacobsthal, 26. 10. 1946: Major Perry liess mir dieser Tage eine sehr warme Befürwortung meines Entsperrungsantrages zukommen; ich nehme sicher zu Recht an, dass dem ein Brief von Ihnen vorausging, tausend Dank! Dann kam unaufgefordert an Perry ein neuerliches Schreiben von sehr hoher franz. Regierungsstelle, dass nicht nur Graf Metternich, sondern auch dessen sämtliche Mitarbeiter die französischen Interessen nach Kräften und mit Erfolg verteidigt hätten. So hoff ich, dass die unleidliche Angelegenheit nun bald bereinig wird. Für den Hinweis auf das Beazley Archive dankt die Verfasserin Katharina Ulmschneider, für den Zugang zu den Archivalien Peter Stewart. JAC, Box 24, Letter 1, Neuffer an Jacobsthal am 26. 09. 1948: Tausend Dank noch für das viele Freundliche, das Sie und Ihre liebe Frau dem Buben erwiesen! JAC, Box 49, Letter, Paul Jacobsthal an Gero von Merhart, 16. 12. 1956.

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also Marburg mied, besuchte er dennoch Neuffer und seine Familie in Bonn.57 Als Indiz für das vertraute persönliche Verhältnis der beiden Männer kann Neuffers Wunsch nach einem Mitbringsel aus Oxford gewertet werden: Er bittet um eine Dose Silvifix.58 Diese persönlich-private Beziehung Neuffers zu Jacobsthal, einem NS -Opfer und Regimekritiker, steht nur scheinbar im Widerspruch zu seiner Funktion in der Vernichtungsmaschinerie des NS -Systems und seinem Agieren als Vertreter des NS -Staates im Kunstschutz. Die Ambivalenz d ­ ieses Verhaltens, verbunden mit fehlenden oder wenig eindeutigen Quellen und Archivalien, erschwert eine Einschätzung und lässt seine Aktivitäten weiterhin wenig greifbar und seltsam widersprüchlich erscheinen. Gehört er zu den „ganz normale(n) Männern“, die Browning eindrucksvoll beschreibt?59 Feststellbar ist das Bestreben, nach dem Krieg möglichst nahtlos an die Karriere als Wissenschaftler anzuknüpfen, verbunden mit der unter NS -Tätern und den sogenannten Mitläufern allgemein verbreiteten Tendenz des Verdrängens und Verschweigens (bis hin zu falschen Angaben im Entnazifizierungsverfahren).

Ausblick „The key to evaluating the motives and intentions of German archaeologists, including evidence of intellectual resistance, during the National Socialist period may lie in archives of private correspondence.“ 60 Die private Korrespondenz ­zwischen Eduard Neuffer und Paul Jacobsthal konnte bereits nach einer ersten Durchsicht einige Hinweise zu persönlichen Standpunkten, weltanschaulichen Haltungen und vielleicht sogar politischen Haltungen geben. Eine detaillierte Auswertung des bisher gefundenen Archivmaterials steht nun ebenso an wie weitere Recherchen in anderen, teilweise noch unerschlossenen Archivbeständen. Es zeigt sich, dass eine nähere Untersuchung der persönlichen und fachlichen Netzwerke Neuffers vielversprechend ist und neue Erkenntnisse nicht nur zu seinen wissenschaftlichen Vorhaben, sondern auch zu seiner privaten Biografie erwarten lässt. Möglicherweise lassen zukünftige Untersuchungen eine differenzierte Einschätzung der so unterschiedlichen Facetten des Eduard Neuffer zu.

57 JAC Box 20, Letter 5, Postkarte Neuffer an Jacobsthal, 08. 07. 1950: Besuch ab 16. Juli 1950, Unterkunft im Hotel Muskewitz, Dechenstraße 5. 58 Ebd.: Wenn Sie ein gutes Werk tun wollen, bringen Sie mir eine Dose Silvifix mit. Silvifix, so die Werbung, „adds remarkably to a man’s sense of cool self-posession“. Es handelt sich um Haargel. 59 Christopher R. Browning, Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die „Endlösung“ in Polen, Reinbek bei Hamburg 1993. 60 Ulmschneider/Crawford, Post-War Identity and Scholarship (wie Anm. 45), S. 232.

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Wissenschaftliche Auslandsbeziehungen Alfred Stanges Vortragsreisen ­zwischen 1936 und 1944 Iris Grötecke

Einführung Das Kunsthistorische Institut der Universität Bonn gehörte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ohne Zweifel zu den wenigen Instituten, die wissenschaftlich forschend und gleichzeitig praktisch handelnd sowohl die Kunst der Region als auch die Kunst des benachbarten Auslandes intensiv bearbeitet haben. Hier wurde einerseits die Kultur des Rheinlandes wissenschaftlich erschlossen, die praktische Denkmalpflege in die Lehre einbezogen und politisch ein enger Austausch mit der Provinzialregierung in Düsseldorf gepflegt, andererseits wurde die kunsthistorische Erforschung Frankreichs und der Beneluxstaaten vorangetrieben sowie der Kunstschutz in diesen Ländern als praktische Aufgabe in beiden Weltkriegen von Bonner Kunsthistorikern wesentlich mitbestimmt.1 Dieser komplexe Zusammenhang unterschiedlich gelagerter Tätigkeiten im In- und Ausland lässt sich schon während des Ordinariats von Paul Clemen (1866 – 1947), der das Bonner Institut über den langen Zeitraum von 1901 bis 1935 leitete, verfolgen: Er hatte sich maßgeblich für die Erforschung der Architektur, Skulptur und Monumentalmalerei des Rheinlands eingesetzt, sich gleichzeitig aber auch für Frankreich interessiert und er hatte im E ­ rsten Weltkrieg mit verschiedenen Mitarbeitern zwei Inventarbände zur belgischen Architektur und ihrer Ausstattung erarbeitet, die er aus einer deutschnationalen Perspektive als eigentlich „deutsche Kultur“ verstand. Einen Grenzkunstdenkmal-Fonds, der die weitere Erforschung der Kultur westlich der Staatsgrenzen finanziell unterstützen sollte, legte er noch 1926/1927 aus dem Verkaufserlös der im Krieg in Belgien angefertigten Fotografien an.2 1 Siehe zur Geschichte des Instituts: Herbert von Einem, Bonner Lehrer der Kunstgeschichte von 1818 bis 1935, in: Bonner Gelehrte. Beiträge zur Geschichte der Wissenschaften in Bonn, Bonn 1968, S. 410 – 431; Roland Kanz (Hg.), Das Kunsthistorische Institut in Bonn. Geschichte und Gelehrte, Berlin/München 2018. 2 Paul Clemen (Hg.), Belgische Kunstdenkmäler, 2 Bde., München 1923; siehe zu den Rahmenbedingungen dieser Inventarisation im Krieg: Christina Kott, Préserver l’art de l’ennemi? Le patrimoine artistique en Belgique et en France occupées, 1914 – 1918, Brüssel 2006. Siehe zur Person: Paul

Alfred Stange (1894 – 1968), der das Bonner Ordinariat von 1935 bis 1945 innehatte, übernahm unter den veränderten Bedingungen der nationalsozialistischen Herrschaft einen Teil der alten rheinischen Netzwerke und baute eigene Beziehungen zu Parteigliederungen, staatlichen Stellen und den Museen des Rheinlands auf, insbesondere aber widmete er sich dem Ausbau der „Westforschung“, d. h. einer staatlich geförderten, interdisziplinär vernetzten Erforschung Frankreichs, Belgiens und der Niederlande, die germanische bzw. deutsche Anteile in der Kulturentwicklung der Nachbarländer herausarbeiten sollte. Sein Engagement für diesen Forschungszweig umfasste neben der Gründung einer entsprechenden Arbeitsgruppe an der Universität Bonn, der Einwerbung von Stipendien und der Anstellung von Mitarbeitern mit thematisch passendem Profil auch die im Auftrag des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM) seit 1940 verfolgte Errichtung einer Kunsthistorischen Forschungsstätte (KHF ) in Paris. Sie sollte zeitgleich zur Etablierung des Kunstschutzes – und der schnellen Entwicklung von Kunsthandel und Kunstraub – als relativ selbstständig agierende Abteilung des Deutschen Instituts die laufenden und zukünftigen germanozentrischen kunstgeschichtlichen Forschungen über Frankreich im besetzten Land selbst befördern.3 Dieses spezifische Bonner Engagement stellte jedoch nur einen Aspekt innerhalb einer viel weiter ausgreifenden Verfolgung deutscher Interessen mithilfe des kulturellen und wissenschaftlichen Sektors dar. Weit über die französischen Verhältnisse ­ lemen, Der Rhein ist mein Schicksal geworden. Fragment einer Lebensbeschreibung (Arbeitsheft C der rheinischen Denkmalpflege 66), Worms 2006; ferner Udo Mainzer (Hg.), Paul Clemen. Zur 125. Wiederkehr seines Geburtstages (Jahrbuch der Rheinischen Denkmalpflege 35), Köln 1991. Siehe zur Anlage und Führung des Grenzkunstdenkmal-Fonds: Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Archiv des Kunsthistorischen Instituts (künftig Archiv KHI Bonn), Ordner Belgische Inventarisation III, Brief von Paul Clemen an Alfred Stange, 29. April 1938, sowie Nikola Doll, Politisierung des Geistes. Der Kunsthistoriker Alfred Stange und die Bonner Kunstgeschichte im Kontext nationalsozialistischer Expansionspolitik, in: Burkhard Dietz/Helmut Gabel/Ulrich Tiedau (Hg.), Der Griff nach dem Westen. Die „Westforschung“ der völkisch-nationalen Wissenschaften zum nordwesteuropäischen Raum (1919 – 1960), 2 Bde. (Studien zur Geschichte und Kultur Nordwesteuropas 6), Münster 2003, 2. Teilband, S. 979 – 1015, hier S. 996 f. 3 Siehe zum Bonner Institut im Nationalsozialismus Nikola Doll, die auch auf die KHF in Paris eingeht: Nikola Doll, Die „Rhineland-Gang“: Ein Netzwerk kunsthistorischer Forschung im Kontext des Kunst- und Kulturgutraubes in Westeuropa, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste Magdeburg (Hg.), Museen im Zwielicht. Ankaufspolitik 1933 – 1945, 2. erw. Aufl., Magdeburg 2007, S. 63 – 90; dies., Politisierung des Geistes (wie Anm. 2); als Zusammenfassung: dies., „[…] das beste Kunsthistorische Institut Grossdeutschlands.“ Das Kunsthistorische Institut der Rheinischen Friedrich-­Wilhelms-Universität Bonn im Nationalsozialismus, in: dies./Christian Fuhrmeister/ Michael H. Sprenger (Hg.), Kunstgeschichte im Nationalsozialismus. Beiträge zur Geschichte einer Wissenschaft z­ wischen 1930 und 1950, Weimar 2005, S. 49 – 60; aktueller zu Alfred Stanges Tätigkeit und zum wissenschaftlichen Werk: Iris Grötecke, Alfred Stange – Politik und Wissenschaft. Ordinarius des Bonner Kunsthistorischen Instituts von 1935 bis 1945, in: Kanz, Das Kunsthistorische Institut in Bonn (wie Anm. 1), S. 147 – 175.

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hinaus wurde in den besetzten Ländern mit der Implementierung deutscher Gastprofessoren in ausgewählte Universitäten oder mit den von Militärverwaltungen gesteuerten Festakten, wissenschaftlichen Tagungen, historischen Ausstellungen und Gastspielen deutscher Künstler ein allgemeiner Rahmen nationalsozialistischer Geschichts- und Kulturvorstellungen geschaffen, der das Selbstverständnis der Besatzer begleitete und ihr Handeln argumentativ unterstützen konnte. In diesen Bereich kulturpolitischer Einflussnahme sind auch die Vorträge aus Wissenschaft und Kultur in den besetzten Ländern einzuordnen, zu denen Alfred Stange zahlreiche Reden beigetragen hat. Seine Vorträge zeigen exemplarisch auf, dass diese interessegeleiteten Auslandsaktivitäten von Wissenschaftlern nicht nur die Kriegsvorbereitungen und den Krieg im „Westen“ begleiteten, sondern an die Situation angepasst auch an anderen Orten eingesetzt worden sind. Wissenschaftliche Vorträge gehören zu einem bisher nur selten untersuchten kunsthistorischen Tätigkeitsfeld im nationalsozialistischen Kultur- und Wissenschaftsbetrieb; sie sollen hier am Fallbeispiel des Bonner Ordinarius vorgestellt und auf ihre Anlässe und Wirkungsabsichten hin befragt werden.

Alfred Stange: Karriereweg und wissenschaftliche Ansätze Der in Glauchau in Sachsen 1894 geborene und aufgewachsene Alfred Stange studierte von 1914 bis 1921 Kunstgeschichte in München, Leipzig und Berlin. Seine Dissertation reichte er 1921 bei Heinrich Wölfflin (1864 – 1945) an der Universität München ein, von 1922 bis 1926 war er dort als Assistent tätig. Seine Habilitation wurde vom Nachfolger Wölfflins, Max Hauttmann (1888 – 1926), im Jahr 1925 angenommen. Der Wissenschaftler blieb zunächst als Privatdozent, seit 1931 als nicht beamteter, außerordentlicher Professor noch lange Zeit in München, wo er gegen Ende der 1920er Jahre außerhalb der Universität engere Kontakte zu Alfred Rosenberg und weiteren frühen Repräsentanten der NSDAP knüpfte. Im Herbst 1933 vertrat er den kunsthistorischen Lehrstuhl in Erlangen, der ihm im darauffolgenden Sommersemester per Anordnung zugesprochen wurde. Zum Wintersemester 1935 wechselte er nach Bonn und entfaltete dort über zehn Jahre hinweg neben seiner Forschung und Lehre ein ausgreifendes fachpolitisches Engagement: Schon 1934 war er Hauptlektor für Kunstwissenschaft im Amt Rosenberg geworden, in Bonn unterhielt er darüber hinaus enge Beziehungen zum REM und anlassbezogen auch zur Forschungs- und Lehrgemeinschaft Das Ahnenerbe e. V. Er war seit 1937 Mitglied in der Deutschen Akademie in München und erreichte in mehreren Schritten eine einflussreiche Position im Deutschen Verein für Kunstwissenschaft; regional vernetzte er sich mit der Provinzialverwaltung des Rheinlandes und den nahe gelegenen Museen. Diesen Beziehungen verdankte er ein umfassendes Wissen über Personen und interne wissenschaftspolitische Planungen. Sie verschafften ihm wichtige wissenschaftliche und organisatorische Aufträge im Fach und die Aussicht, ­später weitere Leitungsfunktionen in vorerst nur geplanten Institutionen übernehmen zu dürfen. Im November 1945 wurde er aufgrund seiner Tätigkeit für das nationalsozialistische Regime

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durch die britische Militärregierung aus dem Universitätsdienst entlassen. Unmittelbar nach seiner Entnazifizierung mit einer Einstufung in Kategorie V als „entlastet“ Ende Dezember 1948 versuchte er, seinen Lehrstuhl zurückzubekommen, obwohl am Bonner Kunsthistorischen Institut seit 1946/1947 Heinrich Lützeler und Herbert von Einem auf festen Stellen lehrten. Nach juristischen Auseinandersetzungen wurde 1955 ­zwischen Stange und dem Kultusministerium des Landes NRW ein Vergleich geschlossen, der ihn unter Gewährung eines vollen Professorengehaltes in den Ruhestand versetzte. Einen Zugang zur Lehre und zu akademischen Funktionen hat Alfred Stange also in der Bundesrepublik nicht mehr erlangt und er ist auch auf Kongressen, in Forschungsverbünden oder im Verband Deutscher Kunsthistoriker in den 1950er und 1960er Jahren nicht mehr aufgetreten. Er verfasste jedoch bis zu seinem Tod 1968 eine Vielzahl von wissenschaftlichen Publikationen vor allem zur Tafelmalerei des Spätmittelalters sowie populärwissenschaftliche Aufsätze und Bücher. Gleichzeitig war er über Jahrzehnte hinweg im Kunsthandel ein geschätzter Gutachter.4 Der Kunsthistoriker galt bei seiner Berufung nach Bonn als Experte für ältere Kunst in Deutschland: Seine Dissertation behandelte deutsche Malerei und Skulptur des 14. und 15. Jahrhunderts insbesondere in den südlichen Regionen des Deutschen Reichs, die Habilitation versammelte breit angelegt profane und sakrale Architektur der Renaissance mit dem Ziel, deren Tradierung spätmittelalterlicher Bauformen im Verhältnis zur nur zögerlichen Rezeption italienischer Architektur als deutsche „Eigenart“ zu deuten.5 Viele weitere Arbeiten beschäftigten sich mit der Datierung und Zuschreibung von Buchmalerei sowie mit der Skulptur und der Tafelmalerei des Spätmittelalters. In Erlangen erschien 1935 ein schnell niedergeschriebenes Büchlein zur fränkischen Kunst, in dem er seine noch in München entwickelten kunstgeografischen Vorstellungen auf eine Region anwandte, deren Kunst er selbst als stilistisch heterogen empfand. Alfred Stange erkannte hier zunächst noch territoriale, konfessionelle und schichtenspezifische Unterschiede als prägende Faktoren der Kunstentwicklung an, um dann in einem gewagten rhetorischen Sprung die so entstandene künstlerische Vielfalt doch rassisch aufgrund eines „(…) Zusammenströmen[s] nahe verwandter deutscher Stammeskräfte (…)“ zu einem einheitlichen fränkischen Wesen zusammenzufassen.6 Der kunstgeografische Ansatz, der den Stil von Kunstwerken als wesenhaften Ausdruck von Landschaften und der dort lebenden „Volksstämme“ begriff, lag auch der 4 Siehe ausführlicher zum Werdegang: Grötecke, Alfred Stange – Politik und Wissenschaft (wie Anm. 3), S. 148 – 152; siehe zu den im Folgenden beschriebenen wissenschaftlichen Grundgedanken auch Iris Grötecke, Alfred Stanges Buchreihe „Deutsche Malerei der Gotik“ – Ein Stil als geschichtliches Schicksal; in: Bruno Reudenbach/Maike Steinkamp (Hg.), Mittelalterbilder im Nationalsozialismus (Hamburger Forschungen zur Kunstgeschichte 9), Berlin 2013, S. 13 – 29. 5 Die Dissertation wurde publiziert als: Alfred Stange, Deutsche Kunst um 1400. Versuch einer Darstellung ihrer Form und ihres Wesens, München 1923; die Habilitation erschien als: ders., Die deutsche Baukunst der Renaissance, München 1926. 6 Ders., Zur Kunstgeographie Frankens (Beiträge zur fränkischen Kunstgeschichte, N. F. 6), Erlangen 1935, Zitat S. 21.

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Buchreihe „Deutsche Malerei der Gotik“ zugrunde, deren erster Band 1934 erschien und die Stange bis zu seinem Tod beschäftigen sollte.7 Seit seiner Dissertation griff der Autor immer wieder auf die Vorstellung einer vermeintlich überall zu beobachtenden Missachtung des deutschen Volks und seiner Kultur zurück, deren Werte es aufzuzeigen und deren Besonderheiten es gegen die Kritik – insbesondere aus dem Ausland – zu verteidigen gelte. Diese Denkfigur der Demütigung deutscher Kultur, die unmittelbar an die Erfahrungen des verlorenen E ­ rsten Weltkriegs und der als ungerecht empfundenen Bedingungen des Versailler Vertrags anknüpfte, ist nach 1919 mit unterschiedlichen Ausprägungen in verschiedenen Gesellschaftsschichten geteilt worden. Sie wurde dann im Laufe der 1920er Jahre häufig von rechten Parteien aufgegriffen und für deren Ziele in Anspruch genommen.8 In der kunsthistorischen Forschung verband sich eine s­olche Haltung mit dem Rangstreit um nationale Kunst- und Kulturleistungen, wie er seit dem 19. Jahrhundert in Krisenzeiten immer wieder geführt worden war. In d ­ iesem Zusammenhang verfestigten sich in den 1920er und 1930er Jahren in der Kunstgeschichte Sprachregulierungen und Denkmuster, an deren Formulierung auch Alfred Stange beteiligt war. Das Konzept der „Sonderleistungen der deutschen Kunst“ verband sich bei ihm mit einer Ablehnung der Kunst Italiens und Frankreichs, die sich als vermeintlich oberflächliche Nationen-Künste mit der Entwicklung des Naturalismus, der Zentralperspektive und einer gegenständlichen Sinnlichkeit nur der Darstellung äußerer Phänomene gewidmet hätten, während in Deutschland aus dem inneren, „seelischen Empfinden des Künstlers“ eine authentische Kunst mit einer kollektiven Identitätsbindung geschaffen worden sei.9 Die Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur im Deutschen Reich und der anderen Kultur bei den europäischen Nachbarn sowie die Annahme von „deutschen Sonderleistungen“, stellten also von Beginn an Grundgedanken der wissenschaftlichen Arbeit Alfred Stanges dar. Sein Nachdenken über eine deutsche – völkisch und zum Teil rassisch definierte – kulturelle Identität, über Grenzen und Anderssein begann nicht erst mit dem Wechsel 7 Ders., Deutsche Malerei der Gotik, 11 Bände, Berlin/München 1934 – 1961, sowie als Extrakt aus der DMG: ders., Die deutschen Tafelbilder vor Dürer. Kritisches Verzeichnis, 3 Bde., München 1967 – 1978, Bd. 2 und 3 hrsg. von Norbert Lieb. 8 Siehe zu den Auswirkungen des Versailler Vertrages auf das Weltbild der Deutschen zuletzt etwa Gerd Krumeich, Die unbewältigte Niederlage. Das Trauma des E ­ rsten Weltkriegs und die Weimarer Republik, Freiburg/Basel/Wien 2018 (mit weiterer Literatur). 9 Die Vorstellung von „Sonderleistungen“ regte schon das Buch Kurt Gerstenbergs an, lange bevor Wilhelm Pinder den Begriff auf seine heroisierende Weise verwandte, Stange verwendet den Begriff ohne besondere Erläuterung. Siehe Kurt Gerstenberg, Deutsche Sondergotik. Eine Untersuchung über das Wesen der deutschen Baukunst im späten Mittelalter, München 1913; Wilhelm Pinder, Sonderleistungen der deutschen Kunst. Eine Einführung, München 1944. Siehe zur einseitigen Rezeption der Schriften Heinrich Wölfflins, der ebenfalls aus der Formanalyse von Kunstwerken nationale Charaktere bestimmen wollte, durch Alfred Stange: Grötecke, Alfred Stange – Politik und Wissenschaft (wie Anm. 3), besonders S. 149 f.

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nach Bonn, wo die Beschäftigung mit der Kunst Frankreichs und der Beneluxstaaten eine längere eigenständige Tradition hatte. Die kunstgeografische Ordnungsstruktur und die strenge Trennung eigener von fremden nationalen bzw. völkischen Kulturleistungen, die Alfred Stange seinen Forschungen zugrunde legte, bot zugleich die Möglichkeit, Regionen mit einer als deutsch definierten Kunst außerhalb des eigenen Staatsgebiets als politisch zurückzugewinnenden „deutschen Volksboden“ zu verstehen, ohne dass der Autor diese propagandistische Rechtfertigung deutscher Eroberungen in seinem wissenschaftlichen Werk je explizit ausformulierte. Er handelte jedoch häufig in einem Umfeld, in dem neben der Brauchtumsforschung, den Sprachgrenzen-Untersuchungen und einer völkischen Vor- und Frühgeschichte mit ähnlichen Argumentationsmustern auch die kunsthistorischen Arbeiten kaum anders verstanden werden konnten.10

Vortragsreisen und die Spuren ihrer Überlieferung Nur ein kleiner Teil der Vortragsreisen führte Alfred Stange nach Westeuropa, er ist ebenso in Finnland, Polen und Österreich sowie häufig in den skandinavischen Ländern gewesen. Zwischen März 1936 und März 1944 sind 32 Vortragstermine einzeln nachweisbar, die teilweise zu längeren Vortragsreisen zusammengefasst worden waren. Vier dieser Vorträge kamen aus unterschiedlichen Gründen nicht zustande. Insgesamt muss jedoch von ehemals wohl mehr als 40 Beiträgen ausgegangen werden (s. u.); die weiteren, überaus zahlreichen, aber kaum noch eindeutig benennbaren Vorträge Stanges im Inland sollen hier mit Ausnahme einiger weniger, thematisch interessierender Reden nicht behandelt werden. Die Auslandseinladungen, wie sie in derselben Zeit auch andere Kollegen wahrnahmen, standen in einer langen akademischen Tradition, Wissenschaftler auch über die staatlichen Grenzen hinweg zu Vorträgen einzuladen und darüber hinaus wissenschaftliche Ergebnisse auch vor einem breiteren, kulturinteressierten Publikum zu präsentieren. Sie stellten also kein neues Vermittlungsformat dar. Unter der nationalsozialistischen Herrschaft jedoch änderten sich ihre Rahmenbedingungen: Die Vortragsplanung musste über den Dekan und den Rektor dem REM angezeigt werden, das unter Einbezug des Auswärtigen Amtes und der Auslandsabteilung der Partei die wissenschaftliche Kontaktnahme mit dem entsprechenden Land und der einladenden Institution auf ihre politische Eignung überprüfte und parallel in Universität und Parteigliederungen Informationen über den Vortragsredner einzog, um dann im Falle einer positiven Beurteilung wiederum über den Dienstweg den avisierten Vortrag zu genehmigen und dem Wissenschaftler Verhaltensmaßregeln mitzugeben. Gleichzeitig informierte das Ministerium die Kulturpolitische Abteilung des Auswärtigen Amtes, die Auslandsabteilung 10 Siehe die umfassende Aufsatzsammlung zur Westforschung von Dietz/Gabel/Tiedau, Der Griff nach dem Westen (wie Anm. 2), in der insbesondere die Bonner akademischen Verhältnisse facettenreich bearbeitet worden sind.

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der NSDAP, die Deutsche Kongreß-Zentrale (und deren Devisenabteilung), die Passbehörde, die entsprechende Botschaft und den zuständigen Auslandsstützpunkt der NSDAP sowie ggf. das Deutsche Wissenschaftliche Institut und die DAAD-Vertretung im Gastland über die Entscheidung, um diese Institutionen in die Lage zu versetzen, den Vortragsredner einerseits zu unterstützen und andererseits zu kontrollieren. Letzterer wurde dezidiert dazu angehalten, diese Auslandsvertretungen auch aufzusuchen sowie nach der Beendigung der Reise einen Bericht für das Ministerium zu verfassen. Dieses aufwendige Prozedere hat Spuren im entsprechenden Verwaltungsschrifttum der Universitäten hinterlassen, das zur Rekonstruktion der Auslandsvorträge genutzt werden kann, die als mündliche Kommunikation in der Recherche grundsätzlich nur schwer zu fassen sind. Die folgenden Ausführungen greifen vor allem auf die Personalakten zu Alfred Stange im Universitätsarchiv Bonn zurück, die von 1935 bis zum Tod des Wissenschaftlers 1968 und der Klärung der Witwenversorgung geführt worden sind.11 Sein wissenschaftlicher Nachlass im Deutschen Kunstarchiv in Nürnberg enthält keine Dokumente aus der Zeit von 1935 bis 1945 und weitere einschlägige Archivbestände haben sich für die Untersuchung der Auslandsvorträge als nicht ergiebig erwiesen.12 Die sechs im Laufe ihrer Benutzung offensichtlich mehrfach neu gehefteten Mappen seiner Personalakten umfassen je etwa 90 bis 130 Blätter, die neben den üblichen Einstellungsbögen, Gehaltsmitteilungen und Beihilfeanträgen auch Unterlagen zur politischen Überprüfung des Wissenschaftlers 1945/1946 und zur juristischen Auseinandersetzung um seine Wiedereinstellung als Hochschullehrer enthalten, darüber hinaus aber auch Schriftwechsel des Kunsthistorikers mit der Universität und dem REM über die Auslandsvorträge. Die erhaltenen Unterlagen dokumentieren 11 Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Universitätsarchiv: Philosophische Fakultät, Personalangelegenheiten, PF PA 616, „Stange, Alfred“, Teil 1 und 2 (künftig UAB, PF PA 616), und ebd., Universitätsangelegenheiten nach 1945, Personalakten (geführt in der Universitätsverwaltung), PA 9390, „Stange, Alfred“, Teil 1 bis 4 (künftig UAB, UV PA 9390). Hier finden sich auch formalisierte Merkblätter zum oben geschilderten Prozedere und Mitteilungen darüber, w ­ elche Institutionen das REM Vortrag für Vortrag informierte. Ich möchte mich sehr herzlich beim Direktor des Bonner Universitätsarchivs, Herrn Dr. Thomas Becker, und seinem hilfsbereiten Team für die zügige Vorlage der Akten und die angenehme Arbeitsatmosphäre bedanken. 12 Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Deutsches Kunstarchiv, Nachlass „Stange, Alfred, Kunsthistoriker“. Weitere kontrollierte Archivbestände: Bayerisches Hauptstaatsarchiv München (Personalakte des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus), Personalakten, MK 44379, „Dr. Alfred Stange – o. Prof.“ (künftig BayHStA, MK 44379); Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Universitätsarchiv, Personalakte A 2/1 Nr. S 79, „Alfred Stange“ (Fragment); München, Zentralinstitut für Kunstgeschichte/Photothek, Konvolut wissenschaftlicher Aufzeichnungen; Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Kunsthistorisches Institut, Archiv KHI Bonn. Die dortige Chronik des kunsthistorischen Instituts der Universität Bonn, die von 1921 bis Anfang der 1970er Jahre geführt worden ist, verzeichnet die Auslandsreisen Stanges leider nur summarisch. Inwieweit eventuell eine Gegenüberlieferung in den erhaltenen Akten des REM vorliegt, konnte noch nicht überprüft werden.

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nur selten den gesamten Vorgang und eine mehrfach neu angesetzte, aber unvollständige Blattzählung in den Mappen deutet darauf hin, dass hier manches verloren gegangen sein wird. Aus den Personalakten lassen sich zurzeit die oben genannten 32 Vortragstermine sowie summarische Hinweise auf weitere Auslandstätigkeiten, viele der Vortragsorte und häufig auch die einladenden Institutionen ermitteln. Nur selten jedoch bieten die Akten Informationen zum konkreten Inhalt der Reden, denn von den ehemals existierenden Redekonzepten hat sich nur ein einziges erhalten. Die gewählten ­Themen können aber mithilfe der im Schriftwechsel erwähnten Titel bestimmt und die Aussagen der Vorträge können über thematisch identische, zeitgleiche Publikationen sowie aus den Umständen der Vortragssituation erschlossen werden.

Die Vortragsreisen: Anlässe, Auftraggeber und wissenschaftliche Voraussetzungen Der Universitätskurator in Bonn teilte Alfred Stange am 3. März 1936 recht kurzfristig mit: Der Herr Minister hat genehmigt, dass Sie am 7. März 1936 im Anschluss an eine deutsche Kunstausstellung unter dem Titel ‚100 Jahre Deutsche Kunst‘ einen Vortrag in der Universität Helsingfors halten.13 Der Kurator bezog sich mit dieser knappen Mitteilung auf eine gleichnamige Ausstellung in der Kunsthalle von Helsinki, zu der auch ein kleiner finnisch-schwedischer Katalog gedruckt worden war.14 Sie wurde am 7. März 1936 eröffnet, der Bonner Ordinarius hielt folglich dort den Eröffnungsvortrag. Die Kunstausstellung, die mehr als 400 Werke des 19. und frühen 20. Jahrhunderts aus dem Deutschen Reich zeigte und dabei auch eine größere Anzahl von Gemälden und Skulpturen zeitgenössischer Künstler wie Josef Thorak, Fritz Klimsch, Richard Scheibe und Wilhelm Petersen präsentierte, ist als politisch hochrangig einzuschätzen. Wie Hanna Pirinen herausgearbeitet hat, ging dem Ereignis in Helsinki eine 1935 von der finnischen Regierung geplante und von der Nordischen Gesellschaft und der NS-Kulturgemeinde realisierte Ausstellung finnischer Kunst voraus, die in Berlin, Hamburg und Düsseldorf gezeigt worden war.15 Sie stand unter dem Patronat des finnischen Botschafters in Berlin, Aarne Wuorimaa, und Alfred Rosenbergs. Mehrere Empfän­ge hatten Mitarbeiter des Auswärtigen Amts, der in Berlin ansässigen Botschaften und des Außenpolitischen Amts

13 UAB, UV PA 9390, Teil 3: Brief des Kurators vom 03. 03. 1936 an Stange, siehe auch UAB, PF PA 616, Teil 2. 14 Sata vuotta Saksan taidetta, 07.03. – 29. 03. 1936; näyttelyn järjestäneet Nordische Gesellschaft ja N.-S. Kulturgemeinde, Taidehalli Helsinki, Helsinki 1936. 15 Hanna Pirinen, „The Nordic Concept“ in Relation to the Arts. Politics and Exhibition Policy in the Third Reich, in: Nordisk Museologi (2007), H. 1, S. 46 – 57. Siehe zur Ausstellung in Berlin: 1. Nationale Finnische Kunstausstellung in Deutschland, veranstaltet von der Finnischen Regierung in Gemeinschaft mit der Nordischen Gesellschaft und der N.-S. Kulturgemeinde, Berlin 1935.

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der NSDAP zusammengebracht. Spiegelbildlich wurde die von der Nordischen Gesellschaft und der NS-Kulturgemeinde ausgerichtete Ausstellung deutscher Kunst in Helsinki 1936 ebenfalls zum Ausdruck guter politischer Beziehungen z­ wischen den beiden Staaten genutzt; dieser Symbolik diente unter anderem die Berufung einer Reihe von amtierenden Ministern und hochrangigen Parteirepräsentanten in das Ehrenkomitee. Inhaltlich verwies man auf (vermeintliche) kulturelle Gemeinsamkeiten, den wirtschaftlichen und künstlerischen Austausch in der Geschichte der beiden Länder und aktueller auf die deutsche militärische Unterstützung Finnlands 1918 gegen die Sowjetunion.16 Ob Alfred Stanges Vortragstitel mit dem Ausstellungstitel identisch war, lässt sich aufgrund der obigen unklaren Formulierung nicht sicher beantworten. In jedem Falle wird man von ihm erwartet haben, dass er auf die zeitgenössischen, von der nationalsozialistischen Regierung geförderten Künstler einging und die dezidierte Absicht der Ausstellung, ein aktuelles staatskonformes Deutschlandbild an den damaligen Bündnispartner Finnland zu vermitteln, unterstützte.17 Vier weitere Auslandsvorträge führten Alfred Stange in demselben Jahr am 28. und 29. September nach Kattowitz und am 30. September und am 1. Oktober nach Bielitz. In seiner Anfrage um Erlaubnis zu diesen Reisen nannte er einen Kulturbund für Polnisch-Schlesien, der ihn im Rahmen einer Hochschulwoche eingeladen habe, (…) über das Thema ‚Volk und Kunst‘ (Volkstum als Nährboden und Volk als Empfänger) zu sprechen.18 Die Städte Kattowitz und Bielitz gehörten zu denjenigen Gebieten in Schlesien, die nach einer im Zusammenhang mit dem Versailler Vertrag durchgeführten Volksabstimmung 1922 dem Staatsgebiet der neuen Polnischen Republik zugesprochen worden waren. In Kattowitz hatte sich schon 1921 ein Verband gebildet, der seit 1925 „Deutscher Volksbund für Polnisch-Schlesien“ hieß und sich vornahm, die Minderheitenrechte der Deutschen in Polen zu verteidigen. Dem Verband gehörte als eine Abteilung auch der Deutsche Kulturbund an, der deutsche Kulturvereine im polnischen Teil Schlesiens zusammenfasste und auf den Stange sich hier offensichtlich bezog. Ziel des Kulturbundes war es vor allem, den deutschsprachigen Bewohnern ihre Volks­zugehörigkeit bewusst zu machen und die Rückbindung ihrer Kultur an das Deutsche Reich zu betonen.19 Alfred Stange sollte in dieser von nationalen Konflikten gekennzeichneten Region über die Entstehung der Kunst aus dem Volk und über das Volk als Adressat der 16 Pirinen, „The Nordic Concept“ (wie Anm. 15), S. 51 und passim; Mitglieder des Ehrenkomitees waren der Außenminister Freiherr von Neurath, der Innenminister Wilhelm Frick, der Reichserziehungsminister Bernhard Rust sowie Hermann Göring und Alfred Rosenberg, ferner der finnische Botschafter in Berlin. 17 Ebd., S. 54 f., Pirinen berichtet von einem gespaltenen Echo auf die Ausstellung, leider referiert sie die ihr vorliegenden finnischen Presseberichte kaum inhaltlich. 18 UAB, PF PA 616, Teil 2: Brief Stanges vom 22. 06. 1936 an das REM. 19 Przemysław Hauser, Die deutsche Minderheit in der Wojewodschaft Schlesien 1922 – 1939, in: Rudolf Jarowski/Marian Wojciechowski (Hg.), Deutsche und Polen z­ wischen den Kriegen. Minderheiten­ status und „Volkstumskampf“ im Grenzgebiet. Amtliche Berichterstattung aus beiden Ländern 1920 – 1939, Berlin 1996, S. 969 – 974.

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Kunst sprechen. Ein völkischer Ansatz war also von den Veranstaltern gewünscht und der Redner wird der hinter ­diesem Auftrag stehenden Idee der Identifizierung der deutschen Bevölkerungsgruppe mit einer als deutsch definierten Kultur Genüge geleistet haben, auch wenn man aus dem erhaltenen Antrag zur Genehmigung der Reise weder die Epoche noch einzelne Kunstwerke, über die er gesprochen hat, erschließen kann. Da Alfred Stange den renommierten Bonner Lehrstuhl erst kurz zuvor im Oktober 1935 übernommen hatte und seine wissenschaftlichen Schwerpunkte in der Erforschung der mittelalterlichen Kunst lagen, muss nach den Gründen für den Einbezug gerade ­dieses Kunsthistorikers in den regierungsnahen zwischenstaatlichen Kulturaustausch zur modernen Kunst gefragt werden. Ebenso bleibt zunächst unklar, warum der Kulturbund in Kattowitz einen Wissenschaftler, der selbst nie über die Kunst Schlesiens gearbeitet hat, im Rahmen seiner sehr speziellen Kulturarbeit als Referenten einlud. Der Kunsthistoriker hatte jedoch in den vorangegangenen Jahren in Erlangen und Bonn vier für seine Situierung im akademischen Milieu wichtige Vorträge gehalten, in denen er sich als ein überzeugter Mitgestalter des „neuen Staates“ profilierte: Seine Antrittsvorlesung in Erlangen vom 21. Juni 1934 über „Arteigene und artfremde Züge in der deutschen Baukunst des Mittelalters“ beschäftigte sich mit der Idee einer überhistorischen, auf Rassezugehörigkeit beruhenden Kontinuität des deutschen Kunstschaffens am Beispiel der hochmittelalterlichen Architektur, die eine „römische Überfremdung“ letztendlich überwunden habe.20 Seine ebenfalls an der Erlanger Universität gehaltene Rede zum Gedenktag der „Machtergreifung“ am 30. Januar 1935 beschäftigte sich mit Adolph von Menzel, dessen unterstellter Patriotismus ebenfalls aus seiner von Stange vorausgesetzten rassischen Zugehörigkeit zu Preußen entwickelt wurde.21 Die Antrittsvorlesung in Bonn am 14. November 1935 über „Das Holz als Werkstoff in der deutschen Kunst“ griff auf einen für die Schulungen der SA 1933 gehaltenen Vortrag „Die Bedeutung des Holzes in der germanisch-deutschen Kunst“ zurück, der im entsprechenden Schulungsblatt unter dem Titel „Deutsche Kunst und Deutsches Volkstum“ abgedruckt worden war.22 Dort hatte er die These entwickelt, dass es eine „Kunst an sich“ gar nicht gebe, sondern dass Kunst nur als Ausdruck des Volkes entstanden sei und dass in d ­ iesem 20 Der Vortrag wurde veröffentlicht als: Alfred Stange, Arteigene und artfremde Züge im deutschen Kirchengrundriss, in: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 2 (1935), S. 229 – 252. 21 Ders., Adolph von Menzel als preußischer Künstler. Rede am Gedenktage der nationalsozialistischen Machtübernahme den 30. Januar 1935 von Prof. Dr. Alfred Stange (Erlanger Universitätsreden 18), Erlangen 1935. 22 Siehe das Vortragstyposkript: BayHStA München, MK 44379, dort auch ein gedrucktes Exemplar: „Deutsche Kunst und Deutsches Volkstum“, vom Pg. Prof. Dr. Alfred Stange, Referent für Kunstgeschichte an der Reichs-Führerschule, in: Die Reichs-Führerschule (Schulungs- und Mitteilungsblatt der ehemaligen Reichs-Führer-Schule 1), München, Julmond [Dezember] 1933, Folge 4, S. 15 – 19. Er hatte laut Zeugenaussagen seine Antrittsvorlesung in Bonn in SA-Uniform gehalten: UAB, UV 139 – 317, Entnazifizierungsakten, hier undatiertes Gutachten des Prüfungsausschusses zu Alfred Stange (vermutlich Ende Okt./Anfang Nov. 1945), S. 1.

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Zusammenhang das Material Holz und seine Bearbeitungstechniken seit den Germanen „deutscher Eigenart“ besonders naheständen. Es ist davon auszugehen, dass er diese Auffassungen auch in seiner Antrittsvorlesung vertrat, denn mögliche anders gelagerte Reflexionen, etwa zu einer genuinen Materialästhetik des Holzes, hat er nicht erarbeitet. Noch 1940 publizierte der Freundeskreis des Kunsthistorischen Instituts einen ähnlichen, um weitere auf das Volk bezogene Materialdeutungen ergänzten Text Stanges.23 Seine Bonner Rede zum Gedenktag am 30. Januar 1936, „Der Kunstwille des Nationalsozialismus“, widmete sich aktuellen Fragen zur Gegenwartskunst zu einem Zeitpunkt, an dem die Bewertung des Expressionismus und des Bauhauses noch nicht abgeschlossen war.24 Man kann aus seinem Verhalten im Umfeld erschließen, dass er diese Stilrichtungen nicht schätzte, sondern eine klassizistisch-gegenstandsorientierte, ins Monumentale gesteigerte Kunst mit mythologischen und historischen Th ­ emen für angemessen hielt.25 Zeitnah sprach er fünf Wochen ­später in Helsinki zur Eröffnung der Ausstellung „100 Jahre Deutsche Kunst“. Es sind also Alfred Stanges eigene Positionsbestimmungen in einer für ihn entscheidenden Karrierephase ­zwischen 1934 und 1936 gewesen, die ihn seinen Auftraggebern als besonders geeignet erscheinen lassen mussten. Er hatte gezeigt, dass er einerseits eine von den Nationalsozialisten geförderte zeitgenössische Kunst überzeugend vermitteln konnte und dass er andererseits die ältere Kunst als Ausdruck eines spezifisch deutschen Volkscharakters, mit dem sich das Publikum identifizieren sollte, zu deuten vermochte. Seine weitere Tätigkeit als Redner im Ausland konzentrierte sich in den unmittelbar folgenden Jahren auf die skandinavischen Länder: Im Januar 1937 zeigte er dem REM an, 23 Ders., Die Bedeutung des Werkstoffes in der deutschen Kunst. Mit einem Anhang über Stil, Geschichte und Persönlichkeit, Bielefeld/Leipzig 1940. 24 Der Titel wird genannt in Hans-Paul Höpfner, Die Universität Bonn im Dritten Reich. Akademische Biographien unter nationalsozialistischer Herrschaft, Bonn 1999, S. 393. In der Auseinandersetzung Stanges mit der Nachrichtenkommission, die 1945 die politischen Aktivitäten der Bonner Hochschullehrer überprüfte, nennt er seine Rede „Vortrag über gegenwärtige Kunstprobleme“: UAB, PF PA 616, undatierte, ­zwischen Juni und Oktober 1945 entstandene sechsseitige Darlegung Stanges zu seinen Tätigkeiten, hier S. 5. 25 Siehe zu Stanges Verhältnis zur Moderne sein weitgehend negatives Gutachten zu einem Buch von Hans Weigert, der unter anderem die Bauhaus-Architektur positiv bewertet hatte: Archiv KHI Bonn, Briefmappen, Gutachten Stanges über Weigert vom 29.10. [verschrieben für 11.] 1935; siehe Höpfner, Die Universität Bonn im Dritten Reich (wie Anm. 24), S. 393 – 395; ausführlicher: Ruth Heftrig, Neues Bauen als deutscher „Nationalstil“? Modernerezeption im „Dritten Reich“ am Beispiel des Prozesses gegen Hans Weigert, in: Doll/Fuhrmeister/Sprenger, Kunstgeschichte im Nationalsozialismus (wie Anm. 3), S. 119 – 133. Auf ein Buch Stanges über Werner Peiner, der in der NS-Zeit als Protegé Hermann Görings mit symbolträchtigen staatlichen Aufträgen überhäuft wurde, hat Nikola Doll hingewiesen. Das vermutlich 1942/1943 abgeschlossene Buch ist nicht publiziert worden, Stanges Darlegung einer nationalsozialistisch erwünschten Moderne wird von Nikola Doll ausführlich vorgestellt: Nikola Doll, Mäzenatentum und Kunstförderung im Nationalsozialismus. Werner Peiner und Hermann Göring, Weimar 2009, S. 151 – 171.

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dass er vom Repräsentanten des DAAD in Schweden eingeladen sei, im März dreimal in Stockholm und je einmal in Lund, Uppsala und Oslo Vorträge aus seinem Arbeitsgebiet – genannt werden der Naumburger Meister und die norddeutsche Kunst des 15. Jahrhunderts – zu halten. Einer Zeitungsnotiz zufolge kamen noch weitere Vorträge in Linköping und Göteborg dazu.26 Im Dezember desselben Jahres war er mit einer Vortragsserie in Dänemark in Randers, Aalborg und Kopenhagen unterwegs, die von der Nordischen Gesellschaft veranlasst worden war.27 Im März 1939 hielt er – wiederum von der Nordischen Gesellschaft beauftragt – in Stavanger, Bergen und Oslo Vorträge über „Deutsche Kunst im 19. Jahrhundert“ und über den „Naumburger Meister und die Staufische Kunst“.28 Im August desselben Jahres wollte ihn der Dekan als Vertreter der Bonner Universität zur Feier des 200-jährigen Jubiläums der Königlichen Akademie nach Stockholm ­schicken, nach einer ersten Zusage schlug Stange diese Aufgabe jedoch aus.29 Auch nach dem deutschen Angriff auf Dänemark und Norwegen im April 1940 und der Okkupation dieser Länder setzte sich die Reisetätigkeit des Wissenschaftlers nach Skandinavien unvermindert fort. Eine im Oktober 1940 geplante Reise brachte ihn im Januar 1941 auf Einladung der Gesandtschaft wieder nach Schweden, wo er anlässlich einer deutschen Buchausstellung einen Vortrag über „Deutsche Kunst der Gegenwart“ im Stockholmer Nationalmuseum hielt und diesen in Gävle und in Malmö wiederholte. Zusätzlich sprach er in Malmö am 30. Januar – also wiederum an einem Gedenktag der „Machtergreifung“ – für ein deutsches Publikum über „Deutsche Kunst und der europäische Norden“ und bestritt zuletzt in der Stockholmer Hochschule eine Vorlesungsstunde zu „Deutsche Dome und französische Kathedralen“.30 Die Nordische Gesellschaft und Das Ahnenerbe e. V. luden ihn im April desselben Jahres zu einer Tagung nach Kopenhagen ein. Aufgrund von organisatorischen Problemen scheiterte

26 UAB, PF PA 616, Teil 2: Brief Stanges vom 21. 01. 1937 an das REM mit Bitte um Genehmigung; siehe auch UAB, UV PA 9390, Teil 4: Brief Stanges vom 09. 03. 1937 an den Kurator; ebd. ein Zeitungsausschnitt mit einer Pressemitteilung über die ehrenvolle Einladung Stanges nach Schweden (Zeitungskürzel unleserlich, Datum 15. 03. 1937). 27 UAB, UV PA 9390, Teil 4: Brief Stanges vom 22. 11. 1938 an den Rektor mit Bitte um Reisegenehmigung; ebd. und UAB, PF PA 616, Teil 2 weitere zugehörige Schriftstücke. 28 UAB, UV PA 9390, Teil 4: Brief des Rektors vom 06. 02. 1939 an Stange mit der Genehmigung der Reise. Ein Reisebericht Stanges hat sich ebd. erhalten; ein Teil der Schriftstücke auch in UAB, PA PF 616, Teil 2. Möglich ist, dass noch ein vierter, schlecht dokumentierter Vortrag in Haugesund hinzukam. 29 UAB, PF PA 616, Teil 2: Briefe Stanges vom 23. und 25. 08. 1939 an den Dekan. 30 UAB , UV PA 9390, Teil 3: Brief des REM vom 31. 10. 1940 an Stange, der ebd. am 19. 11. 1940 bestätigt, dass er gerne bereit sei, Fachvorträge in Schweden zu halten. Der weitere diesbezügliche Briefverkehr ist ebd. sowie in UAB, UV PA 9390, Teil 4, und zum Teil in UAB, PF PA 616, Teil 2, zu verfolgen, am Ende sind aus zunächst einem geplanten Vortrag fünf Veranstaltungen geworden. UAB, UV PA 9390, Teil 3, enthält auch einen knappen Reisebericht und ein Typoskript zum Vortrag „Deutsche Kunst der Gegenwart“.

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diese Reise und er schickte lediglich seinen Text zum Verlesen nach Dänemark.31 Noch im März 1944 sollte er im Auftrag der Nordischen Gesellschaft eine mehrwöchige Vortragsreise nach Skandinavien antreten, über deren Reiseweg und Vortragsthemen nichts überliefert ist.32

Auslandsvorträge als kulturpolitische Manifestationen Die Initiatoren dieser Reisen waren nicht die Universitäten und Museen oder einzelne schwedische, dänische und norwegische kulturfördernde Gesellschaften, sondern deutsche Regierungsstellen und Parteigliederungen. So war es die Gesandtschaft in Stockholm, in deren Kulturabteilung die dort ansässige DAAD-Vertretung längst eingegliedert worden war, die 1937 Stange zu acht und 1941 zu fünf Vorträgen einlud. Die Botschaften versuchten weit über ihre eigentlichen Aufgaben hinaus mit werbenden Maßnahmen eine „deutschenfreundliche“ Stimmung in der Bevölkerung des jeweiligen Gastlandes zu erzeugen, die den politischen Interessen zuarbeiten und ein Verständnis oder zumindest eine Duldung der deutschen Expansionspolitik befördern sollte.33 Zur Beeinflussung der Meinung wurde nicht nur eine offensive Pressearbeit geleistet, sondern – weniger auffällig – auch die kulturellen Veranstaltungen eingesetzt, zu denen unter anderem die Vorträge der aus dem Deutschen Reich eingeladenen Wissenschaftler gehörten. Alfred Stange sprach im Nationalmuseum, an den schwedischen und norwegischen Universitäten oder in den Räumen entsprechender Kulturinstitutionen nicht als ein ausländischer Kollege, den die skandinavischen Kunsthistoriker selbst zum wissenschaftlichen Austausch eingeladen hatten, sondern als Gast der deutschen Botschaft. Der zweite große Organisator dieser asymmetrischen Wissenschaftsbeziehungen war die Nordische Gesellschaft, die zwar 1921 in Lübeck als unabhängige Kultur- und Wirtschaftsförderungsvereinigung für den Ostseeraum gegründet, aber ab 1933 dem Außenpolitischen Amt der NSDAP angegliedert worden war und seitdem von Mitarbeitern Alfred ­Rosenbergs kontrolliert wurde, der selbst die Schirmherrschaft über die Gesellschaft übernahm. Sie 31 UAB, UV PA 9390, Teil 3: Brief Stanges vom 24. 03. 1941 an den Rektor mit der Bitte, beim REM die Genehmigung zur Reise zu erwirken; weitere zugehörige Briefe ebd. sowie in UAB, UV PA 9390, Teil 4, und in UAB, PF PA 616, Teil 2; bis zum Abreisetag waren weder die Devisen noch die Erlaubnis des REM eingetroffen, sodass Stange in Bonn blieb. Der Vorgang zeigt noch einmal deutlich, dass ohne eine Erlaubnis (und die damit einhergehende Information der beteiligten Institutionen in In- und Ausland) eine Auslandsreise nicht angetreten wurde. 32 UAB, UV PA 9390, Teil 4: Brief Stanges vom 18. 02. 1944 an den Kurator. 33 Diese Ziele gelten generell auch für die anderen Botschaften des Deutschen Reichs, siehe zur Gesandtschafts-Propaganda in Schweden aus unterschiedlichen Perspektiven Birgitta Almgren, Illusion und Wirklichkeit. Individuelle und kollektive Denkmuster in nationalsozialistischer Kulturpolitik und Germanistik in Schweden 1928 – 1945, Stockholm 2001; Daniel Roth, Hitlers Brückenkopf in Schweden. Die deutsche Gesandtschaft in Stockholm 1933 – 1945, Berlin 2009.

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­vertrat in ihren Aktivitäten unter dem leitenden Begriff des „nordischen Gedankens“ diffuse Vorstellungen einer auf die Völkerwanderungszeit zurückgehenden Stammesverwandtschaft ­zwischen der Bevölkerung der skandinavischen Länder, des Deutschen Reichs, der Niederlande und Flanderns, die sich im Wesen dieser Völker – und damit auch in deren Kultur – wiederfinden lassen sollte. Dabei sollte sich die germanische Kultur und die entsprechende Einstellung zur Welt in Skandinavien ursprünglicher erhalten haben als bei den Germanen im Gebiet des späteren Deutschen Reichs, weil Letztere mit den Römern in Berührung gekommen waren.34 Skandinavien war aus dieser Perspektive für eine zukünftige Erforschung der Germanen also eine ausgesprochen interessante Region. Die Nordische Gesellschaft warb offensiver als die Botschaften aus einer völkischen Weltdeutung heraus um Kontakte und letztendlich um eine politische Gemeinschaft der Länder im Norden mit dem Deutschen Reich.35 Alfred Stange wurde mit seinen von der Nordischen Gesellschaft organisierten Vorträgen in deren Propaganda-Kontaktnetz eingespannt, darüber hinaus wollte die Gesellschaft ihn auf ihrer Tagung in Kopenhagen, die sie 1941 zusammen mit der Forschungs- und Lehrgemeinschaft Das Ahnenerbe e. V. veranstaltete, auch an der Strukturierung einer zukünftigen, deutsch orientierten Skandinavienforschung beteiligen.36 Insgesamt dienten die Auslandsvorträge also nicht nur der möglichst vorteilhaften, um Zustimmung werbenden Präsentation der deutschen Kultur, sondern auch der Infiltrierung des ausländischen Publikums mit nationalsozialistischem Gedankengut. Selbstständige Kulturvereine wie der Kulturbund in Kattowitz traten nach 1936/1937 als einladende Institutionen kaum noch auf Stange zu, für das Jahr 1937 kann die Einladung des Wiener Volksbildungshauses Urania zu einem Vortrag über den Naumburger Meister genannt werden, der nicht zustande kam, in Wien und Salzburg ist er 1943 nochmals eingeladen worden, ohne dass die ­Themen oder die Initiatoren bekannt sind.37 Einen bedeutenden 34 Birgitta Almgren/Jan Hecker-Stampehl/Ernst Piper, Alfred Rosenberg und die Nordische Gesellschaft. Der „nordische Gedanke“ in ­Theorie und Praxis, in: NORDEUROPAforum – Zeitschrift für Kulturstudien (2008), H. 2, S. 7 – 51. Die Autor*innen verweisen nachdrücklich auf Schriften Alfred Rosenbergs und des Rasseautors Hans F. K. Günther, aus denen ein Konglomerat von Ideen zur Behauptung einer nordischen, zur Herrschaft berufenen Rasse zusammengestellt wurde. Das Thema kann in dieser Studie hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Deutung einzelner Kunstwerke nicht detailliert verfolgt werden. 35 Almgren/Hecker-Stampehl/Piper, Alfred Rosenberg und die Nordische Gesellschaft (wie Anm. 34), S. 36 – 40, die Autor*innen skizzieren anhand einschlägiger Quellen auch das Scheitern der Akzeptanz eines nationalsozialistischen Weltbildes in den beworbenen Ländern. 36 UAB, UV PA 9390, Teil 3: Brief Stanges vom 24. 03. 1941 an den Rektor, in dem die Bedeutung der Reise mit dem Satz unterstrichen wurde: Ich muss ein Referat über die Aufgaben der deutschen Kunstwissenschaft in Skandinavien halten. 37 Siehe zu Wien 1937 UAB, PF PA 616, Teil 2: Brief Stanges vom 02. 08. 1937 an den Rektor; zu Wien 1943 ebd., Brief Stanges vom 15. 04. 1943 an den Rektor; zu Salzburg UAB, UV PA 9390, Teil 4: Brief Stanges vom 22. 10. 1943 an den Kurator.

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Auslandsauftritt, nämlich seine Teilnahme am Internationalen Kunsthistorikerkongress in London im Juli 1939 mit einem Vortrag über „Stil, Geschichte und Persönlichkeit“, sagte der Wissenschaftler mit einer für ihn ungewöhnlichen Begründung, nämlich überlastet zu sein, kurzfristig ab. Unter d ­ iesem Titel veröffentlichte er fast gleichzeitig einen Text, der weniger kunsthistorische Deutungen, sondern eher ein nationalsozialistisches Menschenbild vorstellte. Er wandte sich darin dezidiert gegen eine historisch differenzierende Analyse von Kunst und gegen die Verfolgung von Entwicklungsprozessen; an die Stelle solcher, die Kultur einer Nation angeblich nur zersetzender Herangehensweisen sollte das Erkennen „unerschütterlicher Lebensgesetze“ der eigenen Geschichte treten, mit denen sich das Volk identifizieren könne und denen sich auch die Künstler der Gegenwart zu unterwerfen hätten.38 Eine fachwissenschaftliche Analyse von Kunstwerken war hier nicht vorgesehen, im Fokus stand deren rhetorische Einfügung in die Vorstellung einer völkisch geschlossenen, autarken Kultur und eines rassisch vorherbestimmten Schicksals der Deutschen. Das Thema lag also in bearbeiteter Form vor und der Arbeitsaufwand für den Londoner Kongress hätte sich in Grenzen gehalten. Es ist eher zu vermuten, dass Alfred Stange rechtzeitig bewusst geworden war, dass seine methodisch wenig reflektierten Ausführungen und seine rüde Ablehnung kunsthistorischer Analysepraxis im intellektuellen Kontext einer internationalen Tagung starkes Befremden und vermutlich auch kräftige Gegenwehr hervorgerufen hätten, während die Beiträge der anderen deutschen Kunsthistoriker in London durchaus wissenschaftlich diskutierbare Argumentationsfolgen vorstellten.39

Auslandstätigkeiten im „Westen“: Eine besondere Situation Angesichts der oben genannten Schwerpunkte des Bonner Instituts fällt es auf, dass die Wissenschaftsbeziehungen des Ordinarius zu Frankreich und den Beneluxstaaten kaum 38 Alfred Stange, Stil, Geschichte und Persönlichkeit, in: Rheinische Blätter. Deutsche kulturpolitische Zeitschrift im Westen 16 (1939), H. 4, S. 179 – 182, nochmals publiziert in: ders., Die Bedeutung des Werkstoffes in der deutschen Kunst (wie Anm. 23). 39 UAB, UV PA 9390, Teil 3: Stange bezieht sich in einem Brief vom 12. 07. 1939 an das REM auf seine Absage im April 1939. Dass er sich auch einer Begegnung mit den exilierten deutschen Kollegen entziehen wollte, wie Hans Jantzen unterstellte, kann ein weiterer Grund für die Absage gewesen sein; siehe dazu Jutta Held, Kunstgeschichte im „Dritten Reich“. Wilhelm Pinder und Hans Jantzen an der Münchner Universität, in: dies./Martin Papenbrock (Hg.), Kunstgeschichte an den Universitäten im Nationalsozialismus (Kunst und Politik. Jahrbuch der Guernica-Gesellschaft 5), Göttingen 2003, S. 17 – 59, hier S. 50. Siehe zur hochrangig besetzten deutschen Delegation auf dem Londoner Kongress des CIHA (Comité International d’Histoire de l’Art) den Überblick bei Heinrich Dilly, The German National Commitee of the Fifteenth International Congress of the History of Art in London, 1939, in: Elinor S. Shaffer (Hg.), Comparative Criticism. An Annual Journal, 23: Humanist Traditions in the Twentieth Century, Cambridge 2001, S. 145 – 153.

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über Vorträge geknüpft worden sind. In ständiger Rücksprache mit dem REM unternahm er zunächst 1937 eine individuelle Studienreise nach Belgien und in die Niederlande,40 im Frühjahr 1938 war er dann mit Studenten anlässlich einer lange geplanten Exkursion wieder dort unterwegs.41 Die beiden Reisen dienten neben den wissenschaftlichen Studien ganz explizit der Kontaktaufnahme mit ausländischen Kunsthistorikern, um deren Bereitwilligkeit, in Zukunft mit den Kollegen aus dem Deutschen Reich zusammenzuarbeiten, zu erkunden. Ein solcher Aufbau von Beziehungen zu „deutschenfreundlichen“ Wissenschaftlern und Institutionen westlich der Staatsgrenzen gehörte zu einem größeren, fächerübergreifenden rheinischen Netzwerk, in dem das Bonner Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande (IGL) mit ähnlichen Bestrebungen eine wichtige Rolle spielte.42 Die Zusammenarbeit der Kunstgeschichte mit dem IGL wurde seit 1937 über die von Alfred Stange gemeinsam mit Franz Steinbach (1895 – 1964) gegründete interdisziplinäre Arbeitsgruppe zur Westforschung organisiert. Zum weiteren Kreis gehörte auch Franz Petri (1903 – 1993), der am Deutsch-Niederländischen Forschungsinstitut der Kölner Universität enge wissenschaftliche und allgemein-kulturelle Kontakte zu flämischen und niederländischen Sprachgruppen in beiden Ländern knüpfte.43 Dabei waren die Wissenschaftler in ihren Handlungen nicht frei: Selbst Maßnahmen wie ein geplanter Schriftenaustausch des Kunsthistorischen Instituts sowohl mit zwei Stockholmer Instituten als auch mit dem Kunsthistorischen Institut der Universität Gent und dem Amt für Denkmalpflege in den Niederlanden mussten vor ihrer 40 UAB PF PA 616, Teil 2: Brief Stanges vom 26. 08. 1937 an den Rektor mit der Bitte, ihn im Oktober zwei Wochen nach Holland und Belgien fahren zu lassen, wo ich in Museen und Bibliotheken zu arbeiten gedenke, wo ich aber auch alle Kollegen aufsuchen möchte, teils auch um bei einigen vlämischen Herren ihre Besuche in Bonn zu erwidern und Beziehungen zu verdichten. Ebd., Stanges Bericht über meine Reise nach Holland und Belgien vom 3. Nov. 1937, in dem detaillierte Einschätzungen zu einzelnen Gesprächspartnern abgegeben wurden. 41 UAB, PF PA 616, Teil 2: Die Exkursion war schon im März beantragt und im Mai 1937 genehmigt worden, Schwierigkeiten bereiteten danach die Parteiorganisationen vor Ort. Der Bericht zur Exkursion fehlt, im erhaltenen Begleitschreiben Stanges vom 25. Mai 1938 an den Rektor zeigt er an, dass seine Genter Kollegen Domien Roggen, Stan (Constantin) Leurs und ein Herr Maere aus Löwen einen Gegenbesuch in Bonn machen möchten und dort ggf. auch Vorträge halten würden; Stange bittet um eine Beurteilung dieser Planungen. Eine Verstetigung solcher Begegnungen hat sich jedoch nicht feststellen lassen. 42 Siehe zu Franz Steinbach und dem IGL die Darlegungen in den Aufsätzen von Michael Fahlbusch, Marlene Nikolay-Panter, Wilfried Maxim und Karl Ditt in: Dietz/Gabel/Tiedau, Der Griff nach dem Westen, 2. Teilbd. (wie Anm. 2); Manfred Groten (Hg.), Rheinische Landesgeschichte an der Universität Bonn. Traditionen, Entwicklungen, Perspektiven, Göttingen 2007. 43 Siehe zur Kulturpolitik in Belgien und dem Umgang der Deutschen mit den flämischen Nationalisten im Längsschnitt: Carlo Lejeune, Die deutsch-belgischen Kulturbeziehungen 1925 – 1980. Wege zur europäischen Integration?, Köln/Weimar/Wien 1992; siehe zu Franz Petri: Karl Ditt, Die Kulturraumforschung ­zwischen Wissenschaft und Politik. Das Beispiel Franz Petri (1903 – 1993), in: Westfälische Forschungen 46 (1996), S. 73 – 176.

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Umsetzung erst vom Ministerium genehmigt werden. Auch s­ olche einfachen Verbindungen wurden als vertrauensbildende Maßnahmen mit den Kollegen jenseits der Staatsgrenzen in Bezug auf ihre spätere politische Verwertbarkeit beurteilt.44 Mit der Besetzung der Niederlande, Belgiens, Luxemburgs und Frankreichs im Sommer 1940 veränderte sich der Status dieser wissenschaftlichen Auslandsbeziehungen, weil viele der daran beteiligten deutschen Wissenschaftler nun innerhalb der Militärverwaltungen arbeiteten und als Besatzer im Lande selbst die Kulturpolitik des Deutschen Reichs durchsetzen konnten. Für Alfred Stange, der weder eine Position in den Kulturreferaten der Militärverwaltungen noch im Kunstschutz übernahm, setzte von Bonn aus eine intensive Reisetätigkeit im Auftrag des REM ein, die ihn bis 1944 sehr häufig in diese Länder führte. Das Ministerium hatte ihm schon am 25. Juli 1940 die Planung und Kostenberechnung für Fotokampagnen in Frankreich aufgetragen; im November legte er dann einen ersten Entwurf für die Errichtung eines deutschen kunsthistorischen Forschungsinstituts in Paris vor.45 Es folgte eine längere Phase des Aufbaus der Pariser Forschungsstätte. Zeitgleiche Aufenthalte in Brüssel und Den Haag deuten darauf hin, dass er auch in die Koordinierung von Projekten der dort ansässigen Militärverwaltungen involviert war. Ab November 1941 war er darüber hinaus in einer bis heute nicht gründlich aufgeklärten Aktion zur Identifizierung und Verwertung des Besitzes der im Exil lebenden niederländischen Königsfamilie als Experte für Gemälde, wertvolles Mobiliar und Kunstgewerbe in verschiedenen niederländischen Schlössern tätig, d. h., er leistete etwa ein Jahr lang Vorarbeiten für einen Kunstraub im großen Stil, der letztendlich nicht zustande kam.46 Für seine Auslandsreisen in den Westen – manchmal nur wenige Tage, häufig etwa zwei Wochen – entfiel die umständliche Einholung von Reisegenehmigungen, weil er im Auftrag des REM tätig war. Die Pflicht eines Hochschullehrers zur Beantragung einer Abwesenheitserlaubnis bei der Universitätsverwaltung wurde aber erfüllt, sie hat sich mit zahlreichen Briefen in den Personalakten niedergeschlagen. Die dort gewählten Formulierungen schließen eine gleichzeitige Betätigung als Wissenschaftler – sei es als forschender Kunsthistoriker oder als Vortragsredner – auf diesen Reisen aus.47 Eigene Forschungen zur 44 UAB, PF PA 616, Teil 2: Brief Stanges vom 22. 12. 1938 an das REM. 45 Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Archiv KHI Bonn, Briefmappen, Kunsthistorische Forschungsstätte Paris: Brief des REM vom 25. 07. 1940 an Stange; UAB, UV PA 9390, Teil 3: Brief Stanges vom 20. 08. 1940 an den Rektor mit einer Mitteilung über diesen Auftrag, nochmals abgelegt in UAB, UV PA 9390, Teil 4. In UAB, UV PA 9390, Teil 3 befindet sich ein Exemplar des vierseitigen Entwurfs Vorschläge für die Errichtung eines Kunsthistorischen Institutes in Paris vom 25. 11. 1940, den er auch dem Rektor zukommen ließ. 46 In den Personalakten finden sich dazu nur fragmentarische Informationen, zum Beispiel UAB, PF PA 616, Teil 2: Brief Stanges vom 07. 04. 1942 an den Rektor; das Thema kann hier nicht weiter verfolgt werden. 47 Es haben sich in mehreren Mappen Abwesenheitsanzeigen ­zwischen 1940 und 1944 erhalten, Stange meldet als Reisegründe (…) Vorbereitungen von Fotokampagnen, (…) Sitzung in Paris, (…) Kontrollfahrten in Frankreich, (…) Planungen machen für die Kunsthistorische Forschungsstätte, (…) Besprechungen

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Kunst Frankreichs und der Beneluxstaaten hat Stange kaum begonnen, denn ebenso wie vor dem Krieg konzentrierte sich seine Tätigkeit in diesen Ländern vor allem auf die Förderung deutscher Forschung im „Westen“, d. h. vor allem auf eine strategische Planung, die eine breit gefächerte Vernetzung von Personen, materiellen Ressourcen, kunsthistorischem Wissen und politisch eingeräumten Gelegenheiten umfasste.48 Der Bonner Ordinarius hatte also als Organisator in den besetzten Nachbarländern im „Westen“ eine gänzlich andere Rolle als in Finnland, Polen und den skandinavischen Ländern, wo er vor und während des Krieges als werbender Redner für die Verbreitung von nationalsozialistischen Kulturvorstellungen aufgetreten ist. Einige wenige Reiseplanungen betrafen dann doch Vorträge in Westeuropa: Der Lehrstuhlinhaber meldete dem Dekan nachträglich: Am 17. August 41 hielt ich auf Einladung des Oberbürgermeisters von Gent, vermittelt durch die Militärverwaltung von Belgien, die Festrede in der Aula der Universität Gent über Jan van Eyck, anläßlich der 500. Wiederkehr seines Todestages.49 Ein weiterer Vortrag war für den Februar 1942 im direkten Umfeld von Arthur Seyß-Inquart, d. h. (…) beim Herrn Reichskommissar der Niederlande (…) geplant, musste aber wegen der zum Tod von Fritz Todt angeordneten Staatstrauer ausfallen.50 1943 sicherte der Ordinarius dem REM auf eine Anfrage hin seine Bereitschaft zu, im Vortragsjahr 1943/1944 am Deutschen Institut in Paris einen Vortrag in deutscher Sprache zu halten, dessen Realisierung nicht nachweisbar ist.51 Im Februar 1944 kündigt er dem Universitätskurator in Bonn an, vor der oben genannten mehrwöchigen Reise durch Skandinavien noch mehrere

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in Paris und in Brüssel oder (…) Inspektionsreise. Gleichzeitig wurde jeweils seine Vertretung, die u. a. auch das zusätzliche Abhalten von Lehrveranstaltungen umfasste, durch Georg Tröscher geregelt. Siehe zusammenfassend zur organisatorischen Arbeit in Bonn: Grötecke, Alfred Stange – Politik und Wissenschaft (wie Anm. 3), S. 161 f.; siehe zu den einzelnen Planungsschritten in Frankreich: Doll, Politisierung des Geistes (wie Anm. 2), besonders S. 1002 – 1014. Verfolgen lässt sich über die Vortragsthemen und detaillierte Notizen (München, Zentralinstitut für Kunstgeschichte/Photothek) eine Auseinandersetzung mit der französischen Kathedralgotik; siehe zu einem diesbezüglichen, Stange vom REM aufgetragenen – vermutlich populären – Gotikbuch den Hinweis bei Hans H. Aurenhammer, Hans Sedlmayr und die Kunstgeschichte an der Universität Wien 1938 – 1945, in: Held/Papenbrock, Kunstgeschichte an den Universitäten im Nationalsozialismus (wie Anm. 39), S. 161 – 194, hier S. 169. UAB, PA PF 616, Teil 2: Brief Stanges vom 02. 09. 1941 an den Dekan. UAB, UV PA 9390, Teil 3: Brief Stanges vom 11. 02. 1942 an den Rektor, dass er trotz Ausfall seines Vortrags zum Reichskommissar nach Den Haag fahren müsse. UAB, UV PA 9390, Teil 3: Brief Stanges vom 23. 07. 1943 an das REM. Eckard Michels, Das Deutsche Institut in Paris 1940 – 1944. Ein Beitrag zu den deutsch-französischen Kulturbeziehungen und zur auswärtigen Kulturpolitik des Dritten Reiches, Stuttgart 1993, führt keinen Vortrag Stanges an, wohl aber Vorträge anderer Geisteswissenschaftler, das Buch ist allerdings in vielen Details ungenau; Frank-Rutger Hausmann, „Auch im Krieg schweigen die Musen nicht“. Die Deutschen Wissenschaftlichen Institute im Zweiten Weltkrieg, Göttingen 2001, nennt ebenfalls keinen Vortrag Stanges, sodass es eventuell gar nicht zu einer konkreten Veranstaltung gekommen ist.

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Vorträge in Holland und Belgien halten zu müssen.52 Die Durchführung, die Th ­ emen und der Zweck dieser späten Vorträge im Jahr 1944 sind nicht mehr ermittelbar, die wenigen für das westliche Ausland geplanten Vorträge unterstanden jedoch ebenso wie die Fotokampagnen und der Aufbau der KHF in Paris der Weisungsbefugnis des REM, das auch die umfangreiche Reisetätigkeit Stanges in die skandinavischen Länder beaufsichtigt hatte. Bedeutend und politisch brisant war vor allem sein Auftritt in Gent: Der Festredner hatte keine besondere kunsthistorische Kompetenz, über Jan van Eyck zu sprechen. Er hatte bis dahin über die frühniederländische Malerei nicht geforscht. Für ihn war Jan van Eyck mit seiner spezifischen Form der Wirklichkeitserfassung in ambivalenter Weise einerseits ein Maßstab für die Qualität des in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts künstlerisch erreichbaren Realismus gewesen und andererseits ein Widerpart, gegen den die Leistungen der deutschen Kunst als „andersartig“ und „eigenständig“ abgesetzt werden mussten.53 Zur Bewertung seiner Einladung und der Jan-van-Eyck-Feiern 1941 in Gent und anderen belgischen Städten bedürfte es einer eigenen Studie über die Kulturpolitik der deutschen Militärverwaltung für Belgien und Nordfrankreich, die auch die vorangegangenen Flämischen Kulturtage im Rheinland und in Flandern selbst einbeziehen müsste. Ebenso müsste die ein Jahr zuvor erfolgte Einladung Wilhelm Pinders (1878 – 1947) zu einem Vortrag über „Rubens germanische Sendung“ auf der Rubensfeier zu dessen 300. Todestag in Antwerpen herangezogen werden, in dem der Berliner Kollege am Beispiel von Peter Paul Rubens gleichermaßen die ideologisch inszenierte völkische Verwandtschaft z­ wischen den Niederländern und den Deutschen und den Führungsanspruch des Deutschen Reiches in Europa betont hatte.54 Es kann aber auch ohne vertiefende Recherchen angesichts der Flamenpolitik der Besatzung plausibel vermutet werden, dass Alfred Stanges Rede in der Genter Universitätsaula dem Interpretationsansatz Wilhelm Pinders für Antwerpen nahegestanden und nicht die in seinen Schriften vage fassbare Abgrenzung der deutschen von der frühniederländischen Kunst präsentiert hat.55 52 Siehe UAB, UV PA 9390, Teil 4: Brief Stanges vom 18. 02. 1944 an den Kurator. 53 Alfred Stange hatte bis 1941 im Gegensatz etwa zu den im Deutschen Reich tätigen Kollegen ­Hermann Beenken oder Friedrich Winkler zu Jan van Eyck nichts publiziert. Seine Verweise auf die künstlerische Leistung Jan van Eycks und auf die „Andersartigkeit“ deutscher Maler begleiteten seit seiner Dissertation als Nebenbemerkungen ohne eigene Problematisierung seine Texte. 54 Siehe zu den Rubensfeiern den Hinweis bei: Ulrich Heinen, Kunstgeschichte als Funktion populistischer Ideologie. Max Rooses (1839 – 1914) – Kunsthistoriker und „Führer im flämischen Lager“, in: kritische berichte 37 (2009), H. 1, S. 55 – 93, hier S. 81; siehe auch Magdalena Bushart, Dienstreisen in Zeiten des Krieges, in: dies./Agnieszka Gąsior/Alena Janatková (Hg.), Kunstgeschichte in den besetzten Gebieten 1939 – 1945 (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 2), Köln/Weimar/Wien 2016, S. 185 – 210, zum Rubensvortrag besonders S. 195 und 198 f. 55 Siehe zur Kulturpolitik während des Krieges in Belgien Lejeune, Die deutsch-belgischen Kulturbeziehungen 1925 – 1980 (wie Anm. 43) sowie zahlreiche Beiträge in Dietz/Gabel/Tiedau, Der Griff nach dem Westen (wie Anm. 2).

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In der internationalen Öffentlichkeit war der Name Jan van Eyck seit 1919 jedoch mit ganz anderen Assoziationen verknüpft: Er erinnerte an einen Besitzstreit ­zwischen dem Deutschen Reich und dem Königreich Belgien. Seit 1821 befanden sich die Flügel des Genter Altars rechtmäßig in Berlin zunächst in königlich-preußischem Besitz, ­später in der Gemäldegalerie, 1918/1919 forderte Belgien jedoch die Herausgabe dieser Flügel und weiterer Kunstwerke als Kompensation für die von den deutschen Soldaten im ­Ersten Weltkrieg angerichteten Schäden am Kulturgut Belgiens und bekam sie zugesprochen. Nach der Übergabe der Flügel sowie zweier Tafeln von Dirk Bouts an Belgien 1920 entwickelte sich eine publizistische Diskussion, ­welche die Restitutionsbestimmungen des Versailler Vertrags als Raub interpretierte und eine Rückgabe der Werke an Deutschland forderte.56 Mit der Eroberung Belgiens im Mai 1940 schien die Chance auf einen neuerlichen Besitzwechsel gegeben. Die belgische Regierung hatte jedoch den Genter Altar zusammen mit anderen Kunstwerken zum Schutz vor Kriegsschäden in ein südfranzösisches Schloss überführen lassen, das im nicht besetzten Teil Frankreichs dem Zugriff der deutschen Besatzung zunächst entzogen war. Im August 1942 wurde das gesamte Ensemble unter starkem diplomatischen Druck auf die Vichy-Regierung auf Befehl Hermann Görings dann doch noch aus seinem Auslagerungsort ins Deutsche Reich nach Neuschwanstein entführt.57 Das konnte Alfred Stange im August 1941 noch nicht wissen. Er befand sich in der eigentümlichen Situation, in Gent über einen Künstler zu sprechen, dessen Hauptwerk für eine ­Kirche der Stadt angefertigt worden und am historischen Ort erhalten war, dort aber aktuell nicht mehr stand. Er musste vor dem Hintergrund der hohen identifikatorischen Bedeutung Jan van Eycks für die Bevölkerung Belgiens sowohl über den Künstler als auch über die politisch propagierte Verwandtschaft der flämischen mit der deutschen Kultur als auch über die deutschen Rückgabeforderungen sprechen. Den zeitgleichen internen Streit unterschiedlicher Gruppen und Einzelpersonen über die Möglichkeit eines Abtransportes des Genter Altars ins Deutsche Reich wird er 56 Irene Geismeier, Ein Kunstwerk von Weltrang als Streitobjekt in zwei Weltkriegen, in: Forschungen und Berichte 28 (1990), S. 231 – 235, die Autorin zitiert sowohl empörte Reaktionen um 1920 als auch die noch während der laufenden Kriegshandlungen 1940 erhobenen Rückgabeforderungen Otto Kümmels und Ernst Buchners zugunsten des Deutschen Reiches, S. 234 f.; siehe aktuell Birgit Schwarz, Auf Befehl des Führers. Hitler und der NS-Kunstraub, Darmstadt 2014, hier besonders S. 146 – 157; Stephan Kemperdick/Johannes Rößler (Hg.), Der Genter Altar der Brüder van Eyck. Geschichte und Würdigung. Ausstellungskatalog Staatliche Museen zu Berlin, Petersberg 2015; dies./ Joris Corin Heyder (Hg.), Der Genter Altar. Reproduktionen, Deutungen, Forschungskontroversen. Internationales Kolloquium der Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, 13. und 14. Febr. 2015, Petersberg 2017. Stanges Vortrag zur Jubiläumsfeier in Gent wird in dieser Forschung nicht erwähnt. 57 Schwarz, Auf Befehl des Führers (wie Anm. 56), hier S. 137 – 157; dies., Alle retten den Genter Altar. Der Weg durch Europa 1940 – 1945, in: dies./Heyder (Hg.), Der Genter Altar. Reproduktionen, Deutungen, Forschungskontroversen (wie Anm. 56), S. 13 – 25. Noch 1945 wurden die Werke an Belgien zurückgegeben.

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gekannt haben. Wie er diese Aufgabe löste, kann aufgrund des Mangels an Quellen heute nicht mehr offengelegt werden, es ist aus der Perspektive der damaligen Entscheidungsträger aber nachvollziehbar, dass sie in dieser schwierigen Situation einen Redner wählten, der sich in den vorangegangenen Jahren als politisch verlässlicher Repräsentant nationalsozialistischer Kulturpolitik erwiesen hatte, und nicht einen auf die frühniederländische Malerei spezialisierten Forscher.

Die Deutung der Kunstwerke Es ist auch bei weniger brisanten Th ­ emen leicht zu erkennen, dass die Auslandsvorträge des Bonner Ordinarius keine wertfreien Bildungs- oder Informationsangebote für ein kulturinteressiertes Publikum waren, obwohl sie häufig als politikferne wissenschaftliche Veranstaltungen für jedermann präsentiert worden sind. Sie stellten ausgewählte Konzepte vom Charakter der Deutschen und von ihrer angestrebten hegemonialen Rolle in Europa vor, die auch die entsprechende Kunst geprägt haben sollten. In ­diesem Sinne vermittelte der Redner 1941 mit seinem Vortrag „Deutsche Kunst der Gegenwart“ in Stockholm, Malmö und Gävle mittels einer euphorischen Lobrede auf die Architektur von Ordensburgen und neuen Staatsbauten sowie auf die Errichtung von politisch bedeutenden Denkmälern das Bild einer deutschen Gesellschaft, in der sich der Einzelne angesichts der monumentalen Bauten der Volksgemeinschaft freiwillig unterordne.58 Der Kunsthistoriker wurde damit zum Propagandisten der ästhetischen Machtinszenierungen der Nationalsozialisten. Vor allem aber versuchte er, die ältere Kunst zur Begründung eines nationalsozialistischen Menschen- und Weltbildes heranzuziehen: Mehrfach waren die Skulpturen des Naumburger Meisters Thema seiner Auslandsvorträge. Es liegen hierzu zwar keine Redemanuskripte vor, aber eine zeitgleiche Publikation zum „Bassenheimer Reiter“, deren Einleitung der Autor nachweislich als Vortragstext verwandt hat. Das entsprechende Relief der Mantelspende des heiligen Martin war erst 1934 als frühes, um 1240 entstandenes Werk des Naumburger Meisters im Rheinland identifiziert worden und Stange projizierte ein ritterlich-arisches Menschenbild mit einem ausgeprägten „Herrenbewusstsein“ in den reitenden Martin, um die Rassekonstruktionen und den Führungsanspruch des Deutschen Reichs als geschichtlich ableitbare Fakten darzustellen.59 Auch hier fällt auf, dass nicht der eigentliche Entdecker des 58 UAB, UV PA 9390, Teil 3: „Deutsche Kunst der Gegenwart“ ist das einzige erhaltene Redemanuskript (5 Seiten), in dem neben der Beschwörung der völkischen Gemeinschaft sowohl als Motivation für das Kunstschaffen als auch als Ausdruck dieser Gesinnung insbesondere Künstler wie Paul Ludwig Troost, Josef Thorak, Arno Breker und Werner Peiner als Vorbilder genannt werden. 59 Alfred Stange/Franz Graf Wolff Metternich, Der Bassenheimer Reiter (Rheinische Meisterwerke 1) 2. Aufl., Bonn 1937; in seiner Einleitung deutete Stange den heiligen Martin als „hochrassigen“ staufischen Ritter, dessen „Herrenbewußtsein“, „Standesehre“ und „Blutserbe seiner Ahnen“ ihn

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Reliefs, Hermann Schnitzler, oder der Provinzialkonservator Franz Graf Wolff Metternich, der seine Konservierung betreut und in der genannten Publikation dazu einen sachorientierten Bericht beigesteuert hatte, zu Vorträgen über den Naumburger Meister ins Ausland eingeladen wurden, sondern derjenige Autor, der diese Entdeckung ideologisch verwertete. Alfred Stange war sich der politischen Dimension seiner Tätigkeit im Ausland in jeder Situation bewusst: So teilte er dem Ministerium im Bericht über seine Norwegenreise 1939 nicht nur Einschätzungen zu seinen Gesprächspartnern mit, sondern er berichtete auch über Presse-Interviews, bei denen er (…) Auskunft über Deutsche Kunst und Kunstauffassung gegeben (…) und (…) den deutschen Standpunkt und die deutsche Haltung verständlich (…) gemacht habe.60 Kurze Bemerkungen in einigen der Reiseanträge an das REM bieten weitere Hinweise auf sein Verständnis der Rolle eines Vortragsredners im Ausland: Bei der Beantragung der vergleichsweise unbedeutenden Reise 1937 nach Wien in ein Volksbildungshaus mit einem sehr vielfältigen Programm bemerkte er: Ich würde d­ iesem Wunsche gern nachkommen, da ich glaube, dass es wünschenswert wäre, wenn in d­ iesem Kreise reichsdeutsche Gelehrte zu Worte kommen.61 Auch hier sollte es um den Naumburger Meister gehen. Das recht unverfänglich erscheinende Vorhaben, in Schweden 1937 über norddeutsche Kunst des 15. Jahrhunderts zu sprechen, wurde dadurch konkretisiert, dass der Kunsthistoriker insbesondere auf die (…) gegebenen Beziehungen nach Schweden (…) eingehen wollte.62 Hinter dieser Formulierung verbarg sich die Vorstellung einer kulturellen Dominanz der norddeutschen Hansestädte, aus deren Bildschnitzer- und Malerwerkstätten qualitätvolle Skulpturen und Retabel in ein weitgehend künstlerisch unerschlossenes Skandinavien exportiert worden s­eien. Die Konstruktion einer eindimensionalen künstlerischen Exportbeziehung von Norddeutschland nach Schweden, die auch die zeitgleiche Hanseforschung favorisierte, hat auch nach 1945 eine unvoreingenommene Sichtung der Austauschbeziehungen im Ostseeraum noch lange verhindert. Der 1941 in Stockholm gehaltene Vortrag „Deutsche Dome und französische Kathedralen“ war in anderer Weise auf die Größe deutscher Kultur und Geschichte ausgerichtet. Stange gab in einem Kurzbericht an das Ministerium die Interpretation der zum Vorbild für den neuen Menschen im nationalsozialistischen Staat machten. Dieser Text bildete die Grundlage seines Eröffnungsvortrags zur Ausstellung des restaurierten Reliefs am 18. 10. 1936 im Rheinischen Landesmuseum Bonn, dies belegen zwei fast wortgleich referierende Presseberichte in UAB, UV PA 9390. Eine s­ olche Arisierung der Werke des Naumburger Meisters ist kein Einzelfall, sie wird in Wissenschaft und Populärkultur in dieser Zeit von vielen Autoren geteilt. Siehe dazu etwa die Studie von Gerhard Straehle, Der Naumburger Meister in der deutschen Kunstgeschichte. Einhundert Jahre deutsche Kunstgeschichtsschreibung 1886 – 1989, München 2009, hier S. 499 – 548. 60 UAB, UV PA 9390, Teil 4: Brief Stanges vom 31. 03. 1939 an den Rektor; identisch auch in UAB, PF PA 616, Teil 2. Im Reisebericht findet sich allerdings als Resümee auch der resignierende Satz: Im Übrigen muß ich aber feststellen, daß die Norweger uns in ihrer Lebensauffassung so fern und fremd sind, wie kein anderes skandinavisches Land. 61 UAB, PF PA 616, Teil 2: Brief Stanges vom 02. 08. 1937 an den Rektor. 62 UAB, PF PA 616, Teil 2: Brief Stanges vom 21. 01. 1937 an den Rektor.

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Kathedralgotik als französischer Königsstil und der Baukunst des 11. und 12. Jahrhunderts in Deutschland als (…) deutscher Reichs- und Kaiserstil (…) als Vermittlungsziele an.63 Das war nicht originell, der Kunsthistoriker übernahm hier Thesen Wilhelm Pinders, er evozierte mit den romanischen „Kaiserdomen“ aber gleichzeitig die Idee von einem geeinten machtvollen mittelalterlichen Reich mit säkularen Herrschaftsstrukturen, in dem viele Nationalsozialisten das Vorbild für die Gestaltung des „neuen Staates“ sahen.64 Der Vortragsredner erwies sich also auch auf der Ebene genuin kunsthistorischer Deutungen als Vermittler eines Konglomerats von Vorstellungen über spezifische Rassecharaktere, idealisierte mittelalterliche Herrschaftsverhältnisse und die Überlegenheit deutscher Kunstproduktion über diejenige anderer Völker in Geschichte und Gegenwart. Solche Vorstellungen wurden mithilfe der vermeintlichen visuellen Evidenz der Kunstwerke belegt, sie sollten Bewunderung und Anerkennung der Deutschen und letztendlich auch Akzeptanz und eine gedankliche Übernahme der nationalsozialistischen Machtpolitik bei seinen Hörern auslösen.

Resümee und Ausblick Der Bonner Ordinarius war nicht der einzige Kunsthistoriker, der in dieser Zeit Vorträge im Ausland hielt. Diese Facette wissenschaftlicher Auslandsbeziehungen in den 1930er und 1940er Jahren ist in der Forschung bisher nur selten thematisiert worden. Vor kurzem ist aber erarbeitet worden, dass auch Wilhelm Pinder,65 Dagobert Frey und Otto Kletzl 66 auf Anregung bzw. mit der Erlaubnis des REM häufig im Ausland waren, ebenso Albert Erich Brinckmann und vermutlich auch Hans Jantzen.67 Zu vielen anderen Kunsthistorikern fehlen ­solche Untersuchungen noch und es wird viele im Sinne der NSDAP weniger „zuverlässige“ Wissenschaftler gegeben haben, die nur beschränkt reisen durften. Richard Hamann etwa, dessen unabhängiges Agieren als Wissenschaftler im Ausland man unterbinden wollte, 63 UAB, UV PA 9390, Teil 3: Brief Stanges vom 08. 02. 1941 an den Rektor. 64 Siehe als frühe populäre Schrift Wilhelm Pinder, Deutsche Dome des Mittelalters, Düsseldorf, Leipzig 1910; ausführlich ders., Vom Wesen und Werden deutscher Formen. Geschichtliche Betrachtungen, Bd. 1. Die Kunst der deutschen Kaiserzeit bis zum Ende der staufischen Klassik, Leipzig 1937. 65 Siehe Bushart, Dienstreisen in Zeiten des Krieges (wie Anm. 54). 66 Siehe die umfassend recherchierte Arbeit von Sabine Arend, Studien zur deutschen kunsthistorischen „Ostforschung“ im Nationalsozialismus. Die Kunsthistorischen Institute an den (Reichs-) Universitäten Breslau und Posen und ihre Protagonisten im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik, Diss. HU Berlin 2009: https://edoc.hu-berlin.de/bitstream/handle/18452/16871/arend.pdf (Stand: 29. 08. 2021), hier zu den Vorträgen Dagobert Freys S. 185 – 189, zur Vortragstätigkeit Otto Kletzls S. 661 – 669. 67 Sabine Arend, Albert Erich Brinckmann (1881 – 1958), in: Held/Papenbrock, Kunstgeschichte an den Universitäten im Nationalsozialismus (wie Anm. 39), S. 123 – 142; zu Hans Jantzens Reisen knapp: Held, Kunstgeschichte im „Dritten Reich“ (wie Anm. 39), S. 24 f.

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musste seine Reisedokumente zeitweise abgeben. 1939 durfte er zwar zum Londoner Kongress reisen, er wurde jedoch von seinem Sitz im Internationalen Komitee für Kunstgeschichte als Vertreter Deutschlands abgezogen, weil dort ein dem Nationalsozialismus näherstehender Kollege eingesetzt werden sollte. Als man seine Kenntnisse und seine Institutsressourcen 1940 für die Fotokampagnen benötigte, wurden ihm und seinen Mitarbeitern Reisen nach Frankreich und Belgien in großem Umfang wieder erlaubt.68 Mit dem oben beschriebenen Kontrollverfahren des REM stand ein differenziertes Instrumentarium bereit, mit dem nicht nur die Tätigkeiten der Auslandsredner überwacht, sondern ganz generell der Zugang zu solchen grenzüberschreitenden Kontakten gefiltert werden konnte. Die Studien von Magdalena Bushart zu Wilhelm Pinder und von Sabine Arend zu den in der Ostforschung tätigen Dagobert Frey und Otto Kletzl haben in Bezug auf die Auslandsvorträge grundsätzlich vergleichbare Absichten einer Beeinflussung der Hörerschaft zugunsten des Deutschen Reichs aufgedeckt, wie sie auch Alfred Stange verfolgte. Der sicherlich gegebene Handlungsspielraum der Redner bei ihrer Schwerpunktsetzung ­zwischen Wissenschaft und Politik lässt sich aufgrund der Flüchtigkeit solcher Kommunikationsformen heute kaum noch nachverfolgen. Im Fall Alfred Stanges muss man von einer individuell bejahten und aktiv ausgestalteten Funktion der Auslandsvorträge für eine verdeckte Propaganda ausgehen. Seine frühen Vorträge in Erlangen und Bonn hatten das Ziel gehabt, die Deutung der Kunst als ein von Volk und Rasse geprägtes Phänomen nach innen in seinem Fach und im akademischen Milieu zu verankern. Seine darauf aufbauenden Reden im Ausland dienten nicht nur der werbenden Vermittlung ­dieses Weltbildes, sondern darüber hinaus einer nach außen kommunizierten Unterstützung des von ihm mitgetragenen nationalsozialistischen Staates. Dabei beschränkte sich sein Engagement nicht auf die wissenschaftliche und strategische Ausrichtung des Bonner Kunsthistorischen Instituts auf die Westforschung, für die der Lehrstuhlinhaber ohne Zweifel intensiv gearbeitet hat. Als Vortragender im Ausland hat er z­ wischen 1936 und 1944 an jedem Ort versucht, ein von seinen Auftraggebern gewünschtes Bild des Deutschen Reichs mitzuformen und Einfluss auf die Meinung seiner Zuhörerschaft in den Gastländern auszuüben, während die fachwissenschaftliche Auseinandersetzung weitgehend außerhalb seiner Interessen lag.

68 Schon 1936 war Hamann die Teilnahme an einem Kongress in Budapest verweigert worden; ­später erhielt er unter Auflagen das Reisedokument zurück. Siehe Michael H. Sprenger, Richard Hamann und die Marburger Kunstgeschichte z­ wischen 1933 und 1945, in: Held/Papenbrock, Kunstgeschichte an den Universitäten im Nationalsozialismus (wie Anm. 39), S. 61 – 91, hier S. 73 f. Ergänzend sei hinzugefügt, dass noch vor dem Londoner CIHA-Kongress Alfred Stange mit einem vertraulichen Schnellbrief des REM (…) zu einer Besprechung über die Nachfolge des Professors Dr. Hamann – Marburg im Internationalen Kunsthistorischen Komitee (…) nach Berlin beordert worden war: UAB, UV PA 9390, Teil 3, Brief des REM an Stange vom 14. 07. 1939. Die Ergebnisse dieser Besprechung sind nicht bekannt. Der nächste Internationale Kunsthistorikerkongress fand erst 1949 in Lissabon unter Ausschluss der deutschen Kollegen statt.

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Französische Schlösser und der deutsche militärische Kunstschutz während des Zweiten Weltkrieges Florence de Peyronnet-Dryden

Die hoch entwickelte Kultur in den west-europäischen Ländern äussert sich nicht zum geringsten in der Wohnkultur. Kostbare Inneneinrichtungen, Kunstsammlungen, Bibliotheken und Archive sind besonders in Frankreich, Belgien und Italien in grosser Menge vorhanden und ihr Untergang würde einen unwiederbringlichen Verlust für die europäische Kultur bedeuten haben.1

Diese große Bewunderung und Wertschätzung für die französische Wohnkultur findet sich im Abschlussbericht des Beauftragten für Kunstschutz in den besetzen Gebieten, Franziskus Graf Wolff Metternich. Für den frankophilen Wolff Metternich oblag dem deutschen militärischen Kunstschutz im ohnehin als Kultur- und Schlösserlandschaft etablierten Frankreich eine besondere Aufgabe und Verpflichtung zum Schutz der Schlösser, denn sie gehören infolgedessen ebenso wie die grossen Klöster und Kathedralen untrennbar zum Kulturbild Frankreichs.2 Die lange Besatzungszeit mit ihren unterschiedlichen Besatzungsmodalitäten aufgrund der Entwicklung der Kriegsgeschehnisse, der Größe des Gebietes und der geografischen, kunsthistorischen und personellen Besonderheiten verlangte differenzierte und sich ständig anpassende Antworten auf die Probleme des Kunstschutzes. Das Thema der Besetzung oder Nichtbesetzung, der Beschädigung und überhaupt des (Kunst-)Schutzes von Schlössern im Zweiten Weltkrieg ist für das Gebiet Frankreich bisher nur sporadisch bzw. partiell untersucht worden, begrenzt auf einzelne Darstellungen bzw. eingebettet in allgemeine Beiträge zum Kunstschutz oder regionale bzw. themenspezifische Studien. Lange ist die Herangehensweise sicher durch andere Hauptthemen des Krieges sowie durch den mangelnden zeitlichen Abstand – und die damit verbundene Emotionalität – überschattet worden.3 Mündliche Überlieferungen

1 Nachlass Franziskus Wolff Metternich (künftig NL FGWM), Nr. 3, Abschließender Bericht über die Arbeit des Kunstschutzbeauftragten in der Zeit von Mai 1940–September 1944. 2 NL FGWM, Nr. 70, Bericht Wolff Metternichs über den Schutz der historischen Schlösser und Wohnbauten in den besetzten Wohngebieten, 10. 08. 1941. Siehe im Büchernachlass von Franziskus Graf Wolff Metternich die umfangreiche Büchersammlung über französische Kunstgeschichte: NL FGWM Bib., Nr. 32 – 36. 3 Siehe u. a. Christina Kott, Le ‚Kunstschutz‘ en 1939 – 1945. Une pierre dans la façade de l’Allemagne national-socialiste, in: Philippe Nivet (Hg.), Guerre et patrimoine artistique à l’époque

bleiben in Bezug auf Kunstschutz rar und sind angesichts der alternden Generation, die Erinnerungen über den Krieg noch weitergeben kann, ein wertvolles, aber schwindendes Gut. Die Literatur in Bezug auf Kunstraub, Provenienzforschung und französischen Kunstschutz stellt seit einigen Jahren wissenschaftlich fundierte Informationen über den Umgang mit Kunst unter anderem in Schlössern bereit,4 liefert aber kein umfassendes Bild über diese spezifische Lage. Dieser Beitrag hat nicht den Anspruch, diese Lücken zu schließen oder gar einen kompletten Überblick zu verschaffen; vielmehr will er Impulse zur Reflexion geben und zu einer entsprechenden Forschung anregen. Beispiele aus den nun verfügbaren Quellen (darunter dem Nachlass von Franziskus Wolff Metternich – künftig NL FGWM),5 ergänzt durch mündliche Überlieferungen, sollen hier in eine Darstellung der Lage, des modus operandi des Kunstschutzes und der Realität vor Ort eingebettet werden und somit eine lebendige und konkrete Vorstellungen über den Kunstschutz der Schlösser präsentieren.

1. Rahmenbedingungen und Ansprechpartner Beruhend auf den Erfahrungen des E ­ rsten Weltkrieges und den Prinzipien der Haager Landeskriegsordnung (1899 bzw. 1907) war am 13. Mai 1940 der deutsche militärische Kunstschutz unter der Leitung von Franziskus Graf Wolff Metternich ins Leben gerufen worden. Er wurde dem Oberkommando des Heeres-Generalquartiermeisters zugeordnet. Eine erste c­ ontemporaine, Amiens 2014, S. 327 – 342; dies., „Den Schaden in Grenzen halten …“ Deutsche Kunsthistoriker und Denkmalpfleger als Kunstverwalter im besetzten Frankreich, 1940 – 1944, in: Ruth Heftrig/Olaf Peters/Barbara Schellewald (Hg.), Kunstgeschichte im „Dritten Reich“. Theorien, Methoden, Praktiken (Schriften zur modernen Kunsthistoriographie 1), Berlin 2008, S. 362 – 392; Sandra Schlicht, Krieg und Denkmalpflege. Deutschland und Frankreich im II. Weltkrieg, Schwerin 2007; Alois Thomas, Kunstschutz und Kunstentfremdung im Krieg 1939 bis 1945 in Frankreich, in: Josef Ruland (Hg.), Festschrift für Franz Graf Wolff Metternich (Jahrbuch des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz 1974), Neuss 1973; Robert Blaizeau, Le château de Versailles pendant la Seconde Guerre mondiale, in: Versalia. Revue de la Société des Amis de Versailles 19 (2016), S. 93 – 108; Marvin C. Ross, The Kunstschutz in Occupied France, in: College Art Journal 5 (1946), H. 4, S. 336 – 352; Margot Günther-Hornig, Kunstschutz in den von Deutschland besetzten Gebieten, 1939 – 1945, Tübingen 1958. 4 Isabelle le Masne de Chermont, Le pillage de l’art en France pendant l’Occupation et la situation des 2000 œuvres confiées aux Musées Nationaux, Paris 2000. 5 Für diesen Beitrag wurden Quellen aus folgenden Archiven bzw. Beständen herangezogen: Familienarchiv der Grafen Wolff Metternich zur Gracht, dabei vor allem NL FGWM; Archives nationales in Pierrefitte, vor allem die Bestände des Militärbefehlshabers in Frankreich (AJ/40) und der Musées nationaux während des Zweiten Weltkrieges (20144792); Médiathèque de l’architecture et du patrimoine, mit den Beständen des Vereins La Demeure historique (2016 – 032) sowie der Verwaltung der Monuments historiques während der beiden Weltkriege (80/3); Archives départementales d’Indreet-Loire, Bestand der beschlagnahmten deutschen Verwaltungsarchive (ZA).

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grundsätzliche Aufgabe war der Schutz von historisch und künstlerisch wertvollen Gebäuden während der Kampfhandlungen.6 Nach dem Waffenstillstand vom 22. Juni 1940 mit Frankreich trat auch die Aufgabe in Kraft, Kunst und Kultur der besetzten Gebiete in „Schutz“ zu nehmen, was den Aufbau einer entsprechenden Verwaltung bedeutete. Diese wurde im Juli 1940 mit der Gründung des Referats Kunstschutz innerhalb der Gruppe Kultur beim Militärbefehlshaber in Frankreich (ein ähnliches Verfahren gab es für die Gebiete Belgien und Nordfrankreich) konkretisiert und mit Beauftragten, die für die verschiedenen Militärbezirke zuständig waren, besetzt.7 Konkret oblag der Organisation die Vorsorge im Fall von Kampfhandlungen (durch die lange Küstenfront war die Gefahr einer Invasion immer aktuell), die Sicherung der während des Krieges beschädigten Gebäude, der Schutz von Museen und öffentlichen Sammlungen 8, der Schutz von beweglichem Kunstgut, die Überwachung des Kunsthandels, wissenschaftliche Aufgaben und nicht zuletzt der Schutz von „historischen Wohnbauten“ 9, d. h. vor allem Schlössern und ähnlichen Gebäuden. Der Begriff „historische Wohnbauten“, wie er im Abschlussbericht Metternichs verwendet wird, gibt einen genaueren Einblick in die Realität der Berührungspunkte z­ wischen dem Kunstschutz und „Schlössern“. Denn hinter dem letztgenannten Begriff verbirgt sich eine große Bandbreite von Gebäuden: ehemalige königliche Residenzen wie das Schloss Versailles oder das Schloss Louvre, die gleichzeitig staatliche Museen sind, mittelalterliche Burgen, die die Jahrhunderte überstanden haben, meistens von vielen Generationen umgestaltet, Familienschlösser, die entweder als ständiger Wohnsitz oder nur als Sommersitz benutzt werden, bescheidenere „Manoirs“, kunsthistorisch wie historisch bedeutende Anlagen wie Vaux-leVicomte, Schlösser auf dem Land und Stadtpalais, sogar Burgruinen. Das alles kann man unter ­diesem Begriff verstehen und in Frankreich sind mehrere Tausende davon noch vorhanden. Man könnte auch prächtige Villen, die mit Schlössern verglichen werden könnten, dazuzählen. Für eine Untersuchung im Rahmen der Beziehungen zum deutschen militärischen Kunstschutz und der deutschen Besatzungszeit ist zur besseren Eingrenzung sicherlich der Aspekt des kunstschutzwürdigen d. h. denkmalschutzwürdigen Gebäudes ein wichtiges Kriterium, was sich auch in den Akten des deutschen militärischen Kunstschutzes widerspiegelt (Abb. 1). 6 Gemäß Artikel 27 der Haager Landeskriegsordnung, 1907. 7 Für den Bezirk Groß-Paris war Hermann Bunjes (1911 – 1945) verantwortlich, Hans Hörmann (1894 – 1985) für den Bezirk B, Josef Busley (1888 – 1969) für den Bezirk B (später durch Carlheinz ­Pfitzner [1908 – 1944] ersetzt), Ernst Heinrich Zimmermann (1886 – 1971) für Dijon; nach der Besetzung der Südzone war ­später Hans Möbius (1895 – 1977) für Südfrankreich verantwortlich. Referatsleiter war Felix Kuetgens (1890 – 1976). Die entsprechenden Kurzbiografien findet man in ­diesem Band im Kapitel über das Netzwerk des Kunstschutzes sowie auf der Homepage: https:// kunstschutz-wolff-metternich.de/recherche/personen-des-kunstschutzes/ (Stand: 29. 08. 2021). 8 Laut Haager Konferenz Art. 46 sollten diese wie „Privateigentum“ betrachtet und entsprechend respektiert werden. 9 Siehe NL FGWM, Nr. 3, Abschlussbericht von Franziskus Graf Wolff Metternich über die Jahre 1940 – 1944.

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Abb. 1  Vertrauliche Karte (Ausschnitt) des deutschen Militärbefehlshabers in Frankreich mit den unter Belegungsverbot stehenden Burgen und Schlössern, 1942.

Kunstschutzmaßnahmen waren bereits von französischer Seite für eine Reihe von Schlössern unternommen worden: Diese wurden schon 1938 – 1939 von den französischen Behörden im Rahmen der Evakuierung von wertvollen (meistens staatlichen) Kunst-, Archiv- und Bibliotheksbeständen angesichts der drohenden Kriegsgefahr ausgewählt.10 Diese große Bergungsaktion wurde unter der Aufsicht der Musées nationaux, einer Außenstelle der Verwaltung der Beaux-Arts innerhalb des Ministère de l’instruction publique, unter der Leitung von Jacques Jaujard durchgeführt.11 Das Auswahlkriterium war nicht nur ein geografisches und konservatorisches (die Bergungsorte sollten sich einerseits in einer bestimmten Entfernung 10 Siehe u. a. Michel Rayssac, L’exode des musées. Histoire des œuvres d’art sous l’Occupation, Paris 2007. Siehe auch den umfangreichen Bestand 20144792 (Les musées nationaux pendant la Seconde guerre mondiale) aus den Archives nationales. 11 Siehe Germain Bazin, Souvenirs de l’exode du Louvre, 1940 – 1945, Paris 1992. Siehe auch den Beitrag von Isabelle Le Masne de Chermont, La protection du patrimoine culturel en France durant l’Occupation, in: Hans-Werner Langbrandtner/Esther Heyer/Florence de Peyronnet-­Dryden (Hg.), Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland. Franziskus Graf Wolff Metternich und der

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zu den möglichen Kriegsschauplätzen befinden – möglichst im Westen und Südwesten, aber auch nicht in der Nähe der Küste – und andererseits über ausreichend Platz und gesunde Bausubstanz verfügen), sondern auch ein kunsthistorisches: Indem man staatliche Sammlungen in einem künstlerisch wertvollen Gebäude barg, wollte man gleichzeitig die dort untergebrachte Sammlung und das Schloss samt dem Inventar unter Schutz stellen können. Die ausgewählten und requirierten Gebäude waren sowohl Schlösser in staatlichem Besitz (wie zum Beispiel Schloss Chambord, das als zentrale Sammel- und Verteilungsstelle für die Musées nationaux diente) als auch ­solche in privater Hand (das Schloss Sourches mit seinem wichtigen Depot gehörte zum Beispiel der Familie des Cars, das Schloss Cheverny dem Grafen von Vibraye). Das Vorgehen bei Evakuierungen ist in der Literatur mehrmals untersucht worden, selbst wenn die Forschung noch nicht alle Aspekte ausgeschöpft hat. Diese Depots waren also die ersten Schlösser, die mit dem Begriff „Kunstschutz“ in Berührung kamen: Sie wurden den vorrückenden Truppen als kunstschutzwürdige Bauten kommuniziert und die Direction des musées nationaux nahm gleich Verbindung mit dem Kunstschutz auf, mit der Bitte um Belegungsverbot und besonderen Schutz, was auch mit einem entsprechenden Schild und einer bewaffneten Wache garantiert werden sollte. Zu den Mitarbeitern und dem Netzwerk der Musées nationaux konnte durch eine professionelle Haltung und gegenseitige Sympathie – und seitens Wolff Metternichs und vieler seiner Teammitglieder sicherlich auch durch deren Frankophilie – ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden, ein Kapital, das man nicht zu schädigen bemüht war.12 Ein Teil der französischen „Schlösser“ stand außerdem bereits in Friedenszeiten unter besonderer Beobachtung und dem Schutz durch die französischen Behörden im Rahmen des Denkmalschutzes: Die Verwaltung der „Monuments historiques“, die der Direction de l’architecture unterlag, innerhalb des Secrétariat des Beaux-Arts im Ministère de l’Education nationale, kontrollierte ihre Erhaltung und Restaurierung und tauschte sich diesbezüglich regelmäßig mit dem Kunstschutz aus.13 Einige Besitzer (rund 200) waren im ­einflussreichen ­ unstschutz im Zweiten Weltkrieg (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und KunstK geschichte im Nationalsozialismus 5), Köln/Wien/Weimar 2021, S. 197 – 209. 12 Siehe die vielfältigen Bezeugungen ­dieses Vertrauens im Bestand 20144792, insbesondere Akte 2044792/121, wo in einem Brief Jaujards an Pierre Quarré (Direktor des Musée des Beaux-Arts in Dijon) Ersterer sein volles Vertrauen in die korrekte und vertrauenswürdige Haltung des Kunstschutzes bzw. Wolff Metternichs und Zimmermanns zum Ausdruck bringt. Die Listen der Depots sind in diversen Akten im Bestand 20144792 sowie im Bestand NL FGWM vorhanden. Sie wurden in der Datenbank des Projekts über die Erstellung eines Sachinventars über die archivische Überlieferung des deutschen militärischen Kunstschutzes im Zweiten Weltkrieg (https://kunstschutzwolff-metternich.de/) vermerkt und können somit abgeglichen werden. 13 Siehe den Bestand 80/3 (Les monuments historiques pendant les guerres de 1914 – 1918 et 1939 – 1945), der in der Médiathèque de l’architecture et du patrimoine aufbewahrt wird: dabei insbesondere die Akte 80/3/59 („Occupation et réquisition des édifices classés“ – Besatzung und Requisition von denkmalgeschützten Gebäuden).

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Verband La Demeure historique 14 vertreten, der bei den verschiedenen deutschen und französischen Ämtern die Interessen seiner Mitglieder vertrat, in ­diesem Fall mit dem Ziel, Belegungen auf ein Minimum zu beschränken. Der Großteil der Besitzer solcher historischen Gebäude war jedoch weder durch diesen Verein vertreten noch waren seine Häuser denkmalgeschützt. Der deutsche militärische Kunstschutz musste zudem bald diplomatisch ­zwischen verschiedenen Ansprechpartnern und Ansprüchen navigieren: Einerseits suchten die Truppen und verschiedene Ebenen des Kommandostabs Räumlichkeiten, wo sie sich während des Feldzuges und nach dem Waffenstillstand einquartieren konnten. Diese waren naturgemäß in großen Häusern zu finden, in der Provinz meist in Schlössern. Andererseits hatte der Kunstschutz selber die Aufgabe, die Lehren aus dem E ­ rsten Weltkrieg umzusetzen und das Anliegen des deutschen militärischen Kunstschutzes zu vertreten, nicht nur aus kunsthistorischen, sondern auch aus propagandistischen Gründen: Die deutsche Armee sollte den Eindruck einer verlässlichen Organisation hinterlassen, fern des im Deutsch-Französischen Krieg, vor allem aber im E ­ rsten Weltkrieg hinterlassenen Bildes des wilden „Boche“.15 Hier hieß es, das schwierige Gleichgewicht zu finden ­zwischen dem hohen Ideal des Kulturgutschutzes und dem praktischen Belegungsbedarf, dem angestrebten positiven Bild einer kultivierten deutschen Armee und der krassen Realität des Besatzungsalltags. Weitere Organisationen wie der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR), die organisierten Kunstraub durchführten, erleichterten die Aufgaben des Kunstschutzes nicht, wenn sie grundsätzlich geschütztes Mobiliar beschlagnahmten und damit ein verheerendes Bild der deutschen Besatzung hinterließen. Hinzu kamen die nicht immer kontrollierbaren Plünderungen durch einzelne Truppenbelegungen. Auch muss man die Überschneidungen ­zwischen den Aufgaben der Referate Archiv-, Bibliotheks- und Kunstschutz erwähnen, da manche Schlösser von allen drei Thematiken betroffen sein konnten, wobei in den meisten Fällen die Abteilung Kunstschutz Vorrang hatte. Der weitere Verlauf des Krieges brachte zudem neue Schwierigkeiten und Anpassungsherausforderungen mit sich, die, vor allem in der südlichen Hälfte Frankreichs, die Tätigkeit des Kunstschutzes stark ausbremsten. Bei dessen Einrichtung in Frankreich war eine der ersten Aufgaben des Kunstschutzes, sich zunächst ein Bild über das Spektrum der französischen Schlösser bzw. historischen 14 La Demeure historique wurde 1924 als Verein der Besitzer französischer historischer Bauten durch Joachim Carvalho (1869 – 1935), Eigentümer von Schloss Villandry, gegründet. Der Archivbestand der Demeure historique wird in der Médiathèque de l’architecture et du patrimoine in Charentonle-Pont als Depositum aufbewahrt. 15 In seinem Abschlussbericht über seine Arbeit als Kunstschutzbeauftragter (NL FGWM, Nr. 3) schreibt Wolff Metternich, dass das deutsche Reich ein erhebliches Interesse daran haben musste, seine schützende Hand über die Kulturgüter von europäischem Rang in die besetzten Länder zu halten. Das entsprach der alten hohen Kulturtradition des Reiches, die gegenüber den ständigen gegenteiligen Behauptungen der Feindmächte unbedingt aufrecht erhalten werden musste. Es war eine dringende propagandistische Notwendigkeit, durch die Tat zu beweisen.

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Wohnbauten zu verschaffen und die daraus abgeleiteten Maßnahmen zu organisieren. Die nördliche Hälfte Frankreichs war, aufgrund der Nähe zu Paris, Versailles und den Loire­ schlössern, besonders reich an qualitativ hochstehender Baukunst. Ein (verhältnismäßig) geringer Teil dieser Gebäude war im Laufe der Kampfhandlungen trotz des präventiven Schutzes von Beschädigungen betroffen; für diese Gebäude kam die französische Verwaltung des Wiederaufbaus (Délégation générale à l’équipement national) auf, für die unter Denkmalschutz stehenden Gebäude hingegen die Verwaltung der Monuments historiques. Die Aufgabe des deutschen militärischen Kunstschutzes lag in der Sicherung von materiellen und organisatorischen Bedingungen für diesen Wiederaufbau. Doch die Hauptarbeit im Bereich der Schlösser lag in der Verzeichnung der kunstschutzwürdigen Gebäude und der anschließenden Kontrolle ihres Schutzes, wobei viele Schlösser schon Belegungen in den ersten Monaten erlebt bzw. erlitten hatten. Vonseiten der Musées nationaux erhielt der Kunstschutz in regelmäßigen Abständen Listen der Depots. Die Monuments historiques und der Verein La Demeure historique lieferten ebenfalls Informationen, in Form von Fragebögen, die eine Einschätzung der Lage und des Bedarfs ermöglichten. Diese Informationen wurden beim Referat Kunstschutz in Paris zentralisiert und die jeweiligen Kunstschutzbeauftragten für die Militärverwaltungsbezirke auf Inspektionsreisen geschickt. Die Vorgehensweise war folgende: Es wurde eine Besichtigung vor Ort durch den Kunstschutzbeauftragten im jeweiligen Militärbezirk organisiert, oft in Begleitung von einem deutschen Offizier der nächsten Feldkommandantur und wenn möglich in Begleitung des Schlossherren oder dessen Vertreters, um den Zustand des Gebäudes und dessen Belegungstauglichkeit bzw. Kunstschutzbedarf zu eruieren. Der Bericht des Kunstschutzbeauftragten führte ggf. zu einem Erlass über das Belegungsverbot, das der Feldkommandantur mitgeteilt wurde. In Abständen wurden aus den verschiedenen Informationen Karten erstellt bzw. aktualisiert.16

2. Modalitäten des Schutzes und der Belegung Der Schutz der Schlösser konnte in dieser Konstellation verschiedene Formen annehmen: Der beste Schutz war sicherlich ein komplettes Belegungsverbot, wie bei den Depots der französischen Museen (Chambord, Courtalain etc.), bei denen zudem Zutrittsverbot erteilt wurde; dieser Schutz betraf nur außergewöhnliche Gebäude. Der Schutz in Form eines Belegungsverzichts wurde bereits während der Offensive im Frühling 1940 auf Initiative des 16 Beispiele für diese Vorgehensweise findet man etwa in den Akten zum Kunstschutz in den Archives départementales d’Indre-et-Loire (Beschlagnahmte Akte aus der deutschen Besatzungszeit, 14ZA29 und 14ZA30). Außerdem sind im NL FGWM viele, meistens nach Schlössern alphabetisch sortierte Berichte zu finden. Siehe außerdem Karten in der Akte zum Kunstschutz aus den Archives nationales, AJ/40/573.

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Oberkommandos des Heeres (OKH) auch bei Gebäuden, die keine Depots waren, realisiert, vor allem bei den prächtigen ehemaligen königlichen Residenzen (z. B. in Fontainebleau). Versailles aber musste wegen seiner hohen Symbolik – die Schmach des Versailler Vertrages sollte gelöscht werden – seine Türen für die deutschen Soldaten öffnen. Zwar wurde das Schloss nicht besetzt, aber täglich von Hunderten bis Tausenden deutscher Soldaten besichtigt und der Schlossgarten befahren.17 In den meisten Fällen wurde eine Teilbelegung beschlossen, wobei diese unterschiedlich aussehen konnte: Es spielten dabei zwei Aspekte, der Schutz des Gebäudes und der Schutz des beweglichen Inventars, das besonders gefährdet war, eine Rolle. Belegung von nur einem Teil der Räume, mit Zutrittsverbot zu Räumen, in denen besonders wertvolle Möbel oder Archive in Sicherheit gebracht wurden, war eine verbreitete Lösung. In besonders wertvollen Gebäuden konnte die Belegung nur für Offiziere erlaubt werden. Auch konnten zeitlich begrenzte Belegungen definiert werden (maximale Länge der Belegungszeit, jahreszeitliche Belegung etc.). Die weniger Glücklichen mussten sich mit dem Schild „Zur Beachtung, schonende Belegung“ 18 begnügen, was eine Belegung ohne besonderen Schutz bedeutete, auch wenn die Besitzer das Recht hatten, wertvolle Objekte in Sicherheit zu bringen; die Besitzer durften, wenn sie nicht geflohen waren, je nach Lage und Organisation der Belegung entweder im Schloss selbst neben den Offizieren leben oder mussten ausziehen. Die entsprechenden Schilder waren unter Mitwirkung der Demeure historique entworfen worden und wurden von der Kunstschutzverwaltung an die Kommandanturen gesendet; oft war der Feldgendarmerie-Offizier der Feldkommandantur damit beauftragt, sie an den betroffenen Gebäuden anzubringen: große Schilder für Belegungsverbot, kleine Schilder für Teilbelegungsverbot zur Anbringung an den Räumen.19 Es gab aber auch Schlösser, die nie in irgendeiner Weise belegt wurden, weil sie einfach nicht den gewünschten Kriterien entsprachen. 17 Blaizeau, Le château de Versailles (wie Anm. 3). Zu ­diesem Thema siehe ebenfalls Claire Bonnotte, Le Soleil éclipsé. Le château de Versailles sous l’Occupation, Paris 2018. 18 Vollständiger Text: Zur Beachtung! Dieses Gebäude enthält geschichtlich und künstlerisch wertvolle Einrichtungsgegenstände! Bei Belegung ist für schonende Behandlung Sorge zu tragen! Der Militärbefehlshaber in Frankreich, Verwaltungsstab (Abt. Verwaltung, Gruppe Kunstschutz). Siehe Exemplar in den Archives départementales d’Eure-et-Loir, 14ZA29: Kunstschutz. 19 Un premier résultat positif, dû uniquement à l’intervention de „La Demeure historique“, s’en est suivi: l’apposition des affiches de protection (…). 1) Grande affiche: interdiction de l’occupation du château sans une autorisation spéciale de l’administration militaire, les indications nécessaires étant fournies, en cas de besoin, par la Kommandantur compétente. 2) La petite affiche, interdisant l’entrée et l’occupation de certaines pièces du château, vaut pour les châteaux dont la situation géographique n’a malheureusement pas permis une mesure de protection plus générale. Médiathèque de l’architecture et du patrimoine, 2016 – 032 – 4 (dossier 2), Akte über die Generalsitzungen der Demeure historique, hier Jahresbericht vom 25. 12. 1941. In Schloss Cany in der Normandie hatte der Besitzer die Schilder nicht aufgehängt, sondern zeigte sie nur bei Bedarf, weil er befürchtete, dass sie beschädigt werden könnten: NL FGWM, Nr. 81.

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Die Kriterien für eine Belegung oder Nichtbelegung, einen Schutz oder Nichtschutz waren logistischer, geografisch-strategischer, kunsthistorischer, aber auch politischer Natur. Die Berichte beschreiben die Räumlichkeiten: Gibt es genügend Zimmer, ist das Schloss mit Strom und fließendem Wasser (in den 1940er Jahren noch keine Selbstverständlichkeit), sogar Telefon ausgestattet oder nicht? Befindet es sich an einer strategischen Stelle, kann man die Hauptstraßen von dort leicht erreichen? Gibt es wertvolle Räume und/oder wertvolles Mobiliar, die eine Belegung bedenklich machen könnten, bzw. stand das Schloss bereits unter Denkmalschutz? Ist der Schlossbesitzer als deutschfeindlich eingestuft? Der dreiseitige Besichtigungsbericht 20 über das Schloss von Louÿe, in der Nähe von Dreux in der Normandie, liefert für die Argumentation des Kunstschutzes typische Merkmale. Louÿe befindet sich in der Normandie, einer Region, die aufgrund ihrer geografischen Lage – Nähe zu Paris und zur Küste – für Auslagerungen und Truppenbelegungen im Laufe des Krieges insgesamt viel in Anspruch genommen wurde, insbesondere während der verheerenden Gefechte im Zuge der Invasion und der Befreiung Frankreichs im Jahr 1944. Das auf einer Erhöhung gebaute Schloss (Abb. 2) befand sich schon im Mittelalter an einer strategisch günstigen Stelle am Rande der Normandie und war Ende des 12. Jahrhunderts eine der letzten Festungen des anglo-normannischen Königs Richard Löwenherz gegen den französischen Herrscher Philipp II. Es wurde im 15. Jahrhundert in einer L-Form und mit Backsteinen umgebaut, mit Türmen und Wirtschaftsgebäuden versehen, ­später ­zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert erneut umgestaltet. Das Schloss wurde am 20. Dezember 1940 von dem Kunstschutzmitarbeiter und Verantwortlichen für die Region Saint-Germain Dr. Hörmann 21 besichtigt, der seinen Bericht am 6. Januar des Folgejahres verfasste. Das Schloss stand zu ­diesem Zeitpunkt nicht unter Denkmalschutz 22 und gehörte dem Grafen Viel-Castel,23 der im Haus zusammen mit den Familien seiner beiden verheirateten Töchter und der Dienerschaft wohnte, insgesamt 20 Personen. Der Bericht ist, wie andere auch, aus folgenden Elementen zusammengestellt: zunächst einer ­kurzen historischen und kunsthistorischen Beschreibung; dann einer Auflistung der sogenannten „praktischen“ Punkte, d. h. Ausstattung und Lage des Schlosses; dann einer Darstellung der Elemente, die für den Kunstschutz relevant sein könnten, mit anschließender Empfehlung hinsichtlich Belegung und Schutz. 20 NL FGWM, Nr. 154, Berichte und Korrespondenzen über Zustand, Inventar und Belegungsverbot schützenswerter Gebäude (Bezirk A, Orte und Schlösser, Buchstaben F, G, H, J, L), Schloss Louÿe, Bericht vom 06. 01. 1941. 21 Zu Hans Hörmann, siehe die kurze Vita im Abschnitt „Kurzbiografien von Akteuren des Kunstschutzes und dessen Umfeld“ in ­diesem Band. 22 Erst im Jahr 2000 wurde der gesamte Komplex (Schloss, Park und Wirtschaftsgebäude) unter Denkmalschutz gestellt. 23 Louis de Salviac de Viel-Castel (1875 – 1944) bewohnte das Schloss zusammen mit seiner Frau Marie geb. Maret de Bassano (1876 – 1965) sowie den Familien seiner zwei Töchter Etiennette, Gräfin d’Orglandes, und Ghislaine, Gräfin Lepic.

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Abb. 2  Ort für Truppenbelegungen (Teilbelegungsverbot): Schloss Louÿe im Departement Eure, Normandie. Ansicht von ca. 1900/1920.

Der Bericht unterstreicht die ungünstigen Wohnverhältnisse: Das Schloss enthält trotz seines stattlichen Aussehens verhältnissmässig [sic!] nur wenig Räume (…). [Es] erklärt sich daraus, dass der ausspringende Flügel überhaupt nur Flure enthält, aber auch im Vordergebäude die Zimmer nur auf einer Seite dem Gang vorgelegt sind,

mit spärlichem Komfort: Zentralheizung befindet sich nur in einem geringen Teil des Gebäudes (…). Ein anderer Teil des Hauses wird durch einen riesigen, aus der Renaissancezeit entstammenden offenen Kamin geheizt, der sehr schwer zu regulieren ist und je nach Windlage den Rauch nur unvollkommen abführt. Das Schloss enthält nur 3 Bäder und nur in 3 Räumen fliessendes Wasser. Lediglich 1 Spülklosett im Erdgeschoss ist vorhanden,

sowie die ungünstige geografische Lage:

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Die isolierte Lage des Schlosses ist einer Belegung nicht günstig. Die kleine Ortschaft bietet keinerlei Hilfsmittel: die direkte Verbindung mit der nächsten grösseren Stadt Dreux ist infolge Zerstörung der Brücke unterbrochen.

Man spürt an mancher Stelle das Wohlwollen des Kunstschutzvertreters, aber auch die Bemühungen des Gastgebers, das Haus als für Belegungen möglichst unattraktiv zu präsentieren: Im Bericht wurde das „nur“ vor der Anzahl der Bäder und Wasseranschlüsse nachträglich mit der Hand gestrichen bzw. verbessert. Auch die Anzahl der Toiletten wurde vom Schlossbesitzer nach unten korrigiert bzw. verheimlicht, wie auch die Qualität der Heizung.24 Die kunsthistorischen Aspekte des Berichts beschreiben u. a. die zerbrechlichen Möbel, die in ihrer Gebrechlichkeit auch eine normale Abnutzung durch Einquartierung nicht mehr vertragen dürften, besondere Zimmer mit wertvoller Vertäfelung und Parkett, vor allem aber die große Jagdhalle, mit dem teils gemalten, teils in Vollplastik herausgearbeiteten Hirschfries. Hörmann scheint den Kommentar des Schlossführers nicht richtig notiert zu haben, denn er gibt zu dem Wandschmuck an, dass es in Frankreich nur ein zweites ähnliches Exemplar gebe, nämlich in „Schloss Messières“ in der Normandie. Es handelt sich aber um Schloss Mesnières, seit 1862 unter Denkmalschutz stehend. Am Ende steht folgendes Fazit: Alle diese Gesichtspunkte lassen Schloss Louÿe für eine Truppenbelegung überhaupt als ungeeignet erscheinen. Höchstenfalles käme es als Sommerquartier für einen kleinen Stab in Betracht, der aber nicht soviel Mannschaften umfassen dürfte. In d­ iesem Fall müssten besondere Vorkehrungen zur Besserung des Feuerschutzes unbedingt noch getroffen und wenigstens die wertvollsten Stücke der Einrichtung und Ausstattung rechtzeitig dem Gebrauch entzogen werden.

Das Schloss wurde in der Tat, laut Familienerinnerung, zu Beginn des Krieges kurz von Offizieren besetzt, dann unmittelbar vor der Invasion der Alliierten von einer SS-Gruppe. Während die hochrangige Besatzung sehr respektvoll mit der Familie und der Anlage umgegangen sei, war die Gruppe der Waffen-SS ein deutlich weniger angenehmer Gast, beginnend mit der Tatsache, dass deren Mitglieder vor den Fenstern der gräflichen Familie völlig unbekleidet und ungeniert in der Sonnenwärme im Schlosspark spazieren gingen. Von deutscher Seite blieb das Gebäude im Krieg verschont, es beherbergte nur wenige Offiziere (während der Rest der Truppe auf den Wiesen zeltete), wurde aber 1944 durch amerikanische Granaten teilweise beschädigt, da der deutsche Sicherheitsdienst den Nachrichtendienst der amerikanischen Armee mit der Falschinformation getäuscht hatte, in der Nähe des Schlosses befände sich noch ein Munitionslager; der alte Graf Viel-Castel starb dabei, von einem amerikanischen Granatsplitter getroffen. 24 Freundlicher Hinweis von Graf Philippe Lepic, Enkel des Grafen Viel-Castel, der auch die weiteren Familienerinnerungen übermittelte.

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Für eine Belegungsentscheidung bei Privatpersonen oder Institutionen konnte es ebenfalls eine Rolle spielen, als wie „feindlich“ man gegenüber der deutschen Besatzung eingestuft wurde – hier wäre sicherlich zu untersuchen, wie sich die Entscheidung ­zwischen militärischer Belegung, Kommandantur, eventuell Sicherheitspolizei und Kunstschutz abspielte. Wir können hier nur Beispiele aus den Akten der Kommandantur in Tours und dem Nachlass Wolff Metternich zitieren, jedoch gegenwärtig keine eingehende Analyse präsentieren. Die Haltungen waren, wie in der gesamten Bevölkerung, unterschiedlich. Es wurde unterschieden nach: positiv eingestellten Bürgern oder Kollaborateuren, neutral bzw. vorsichtig agierenden, passiv-widerstehenden, bekanntlich negativ eingestellten Personen bis hin zu aktiv in Aktionen gegen die deutsche Besatzung Involvierten. Schließlich gab es noch diejenigen, die automatisch auf die Liste der als „deutschfeindlich“ eingestuften Personen gehörten, wie Juden oder Bürger mit der Staatsangehörigkeit der alliierten Mächte. Bei Schlössern und Villen aus jüdischem Besitz waren die Hände des Kunstschutzes durch die antijüdischen Gesetze gebunden und in vielen Fällen hatte der ERR das von den Besitzern hinterlassene kostbare Inventar bereits beschlagnahmt. Die Kunstschutzoffiziere konnten nur noch die Tatsache feststellen und etwaige Überbleibsel in Sicherheit bringen. Die prächtige Bibliothek des Rothschild-Schlosses Ferrières war zum Beispiel geplündert worden. Der Nachlass von Franziskus Graf Wolff Metternich enthält außerdem viele Besichtigungsberichte über leer stehende prächtige Villen.25 Schloss Candé im Departement Indre-et-Loire blieb ebenfalls von einer Belegung nicht verschont, da laut Mitteilung des Militaerverwaltungschefs Dr. Medicus (…) das Grundstueck und die Domaine Candé als amerikanisches Vermoegen beim Militaerbefehlshaber in Frankreich, Paris, direkt bearbeitet [wird].26 In ­diesem Schloss hatte der Besitzer Charles Bedaux 1936 den abgedankten englischen König Edward VIII. und Wallis Simpson empfangen und das Paar hatte dort geheiratet. Hinzu kam, dass Bedaux in Amerika als Industrieller Karriere gemacht hatte. Im Frühling 1940 hatte sich die amerikanische Botschaft nach Candé zurückgezogen. Somit wurde das Schloss zwangsverwaltet und vom Luxusort auf intensive landwirtschaftliche Erzeugung umgestellt. Umgekehrt erhielt das Schloss La Carte in Ballan, ein hübsches, aber ansonsten wenig bekanntes Schlösschen aus der Renaissancezeit, ein völliges Belegungsverbot aufgrund der deutschfreundlichen Haltung seiner Besitzerin, der berühmten Opernsängerin und Wagnerianerin Germaine Lubin.27

25 Siehe z. B. Villen aus Saint-Germain-en-Laye in NL FGWM, Nr. 154, Besichtigungsbericht vom 09. 04. 1941 über das Haus Cannes, in unerfreulichem Zustand. 26 Archives départementales d’Indre-et-Loire, 14ZA30, Kunstschutz, Aktenstücke über Candé (1943). 27 Archives départementales d’Indre-et-Loire, 14ZA 30, Kunstschutz, Aktenstücke über La Carte. Germaine Lubin wurde von einem ahnungslosen Soldaten als „sehr deutschfreundlich bekannte Schauspielerin [sic!]“ bezeichnet. Germaine Lubin (1890 – 1979) ist zweifellos eine der bedeutendsten französischen Opernsängerinnen. Sie war vor allem im Wagner-Repertoire eine internationale Größe und sang während des Krieges sowohl in Frankreich als auch in Deutschland. Aufgrund dieser künstlerischen Aktivität wurde sie 1944 als Kollaborateurin verhaftet, bekam trotz vieler positiver

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3. Kunstschutz in der Praxis: zwischen Realität und Handlungsmöglichkeiten Inwiefern waren die Maßnahmen des Kunstschutzes für Schlösser erfolgreich? Konnten die geschützten Gebäude und das Inventar effizient vor Beschädigungen geschützt werden? Abermals muss man unterscheiden ­zwischen Belegungsmodalitäten und Kunstschutzmaßnahmen, Gebäude und Mobiliar, Kunstschutz während der Feldzüge und während der Besatzungszeit, auch nach der Art der Leitung und der Einstellung der Belegungstruppen gilt es hier zu differenzieren. Für die Schlösser, die als Depots für die Musées nationaux dienten – ­seien sie in privatem oder staatlichem Besitz gewesen – lief der Kunstschutz korrekt, abgesehen von den kaum zu vermeidenden Eingriffen des ERR in die jüdischen Sammlungen. Ein von mehreren Partnern anerkannter Schutz, bewaffnete Wachen (denen der Kunstschutz Waffenscheine ausstellen ließ) und nicht zuletzt ein absolutes Belegungsverbot konnten die Schlösser und deren Schätze in den meisten Fällen absichern. Ähnliches passierte bei nicht belegten Häusern, die meistens in Ruhe gelassen wurden, abgesehen von einzelnen Besuchen, die in wenigen Fällen Ausschreitungen mit sich brachten. Für die teilweise oder ganz belegten Bauten lässt sich hingegen durch eine erste schnelle Übersicht der Akten feststellen, dass es immer wieder eine Diskrepanz z­ wischen den Kunstschutzvorschriften und der Realität vor Ort gab, trotz gleichzeitig relativ zufriedenstellender Erfahrungen. Nach dem Frankreichfeldzug musste der Kunstschutz jedoch immer wieder (manchmal verheerende) Zerstörungen feststellen. Zwar war ein Teil davon, vor allem was den Diebstahl von Inventar betrifft, von französischen Soldaten oder Zivilisten auf der Flucht verursacht worden, auch die Eigentümer konnten etliches in Sicherheit bringen. Doch, wie Felix Kuetgens in seinem Lagebericht vom 27. März 1941 bemerkt, wurden ganze Schlosseinrichtungen (…) vernichtet oder verschleppt durch die belegende Truppe. (…) In einem Fall (Schloss Houville, Dep. Eure-et-Loir) wurde wochenlang mit kostbaren antiken Möbeln geheizt (Reste fanden sich in den Kaminen noch vor), obwohl seitens des Schlossverwalters Brennholz zur Verfügung gestellt werden konnte!  28 Eine gegenüber Schlossbesitzern feindselige Haltung, die womöglich aus der sozialpolitischen Einstellung leidenschaftlicher Nationalsozialisten herrührte, kam außerdem an mancher Stelle zum Ausdruck: Auffallend sind die sich mehrenden Mitteilungen französischer Schlossbesitzer über Äusserungen der Soldaten unter Hinweis auf die Zerstörungen, wie ‚diesen Plutokraten und Aristokraten geschieht ganz recht so.‘  29 In regelmäßigen Abständen wurden Verordnungen zur Verschärfung der Schutzmaßnahmen erlassen und Merkblätter an die Zeugenaussagen lebenslanges Auftrittsverbot – das nach fünf Jahren aufgehoben wurde, aber ihre Karriere abrupt beendete. 28 NL FGWM, Nr. 159, Wochen-, Monats-, Lage-, Tätigkeits- und Reiseberichte zu Gebäuden und Denkmälern, beweglichen Kunstwerken und privatem Kunstbesitz. 29 NL FGWM, Nr. 159, ebd.

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Soldaten verteilt. Das neue Merkblatt vom November 194230 gibt einen Einblick in die unterschiedlichen bitteren Erfahrungen, mit denen der Kunstschutz in seiner praktischen Anwendung konfrontiert war und die in regelmäßigen Abständen an das Referat Kunstschutz kommuniziert wurden. Neues Merkblatt zur Schonung der historischen Wohnbauten in Frankreich, betr. Schonung der historischen Schlösser und Wohnbauten in Frankreich Deutsche Soldaten! Ihr findet in Frankreich in allen Provinzen zahlreiche Schlösser und andere historische Wohnbauten, die bisher schon vielen von Euch als Quartier dienten und auch in Zukunft weiter dienen werden. Diese Bauten stellen zu einem grossen Teile hervorragende kunst- und kulturgeschichtlich Denkmale dar; sie sind Zeugen alter hoher Kultur. In ihnen zu wohnen, legt Euch die Pflicht besonders pfleglicher Schonung auf. Sie entspricht der bewährten Haltung des deutschen Soldaten und seiner Achtung vor den hohen Gütern der Kultur. Folgende Grundätze sind daher von Euch zu beachten: 1. Vorsicht beim Heizen! Die französischen Kamine sind vielfach nur Zierstücke und für starke Beheizung ungeeignet. Niedergebrannte Schlösser sind eine stete Anklage gegen den deutschen Soldaten! In allen belegten Schlössern sind rot umrandete Hinweissschilder in genügender Zahl anzubringen mit dem Wortlaut: Vorsicht beim Heizen! Du zerstörst sonst historische Werte! 2. Vorsicht beim Legen elektrischer Leitungen! Schon oft sind Zimmerbrände durch Kurzschluss entstanden. Leitungen nie unmittelbar auf Holz verlegen! Keine sogenannten Litzenleitungen verwenden! Jede elektrische Anlage ist fachmännisch und unbedingt isoliert auszuführen. 3. Künstlerisch wertvolle Einrichtungen sind schonend zu behandeln! Das gilt besonders für Tischplatten, Stuhlbezüge usw. Zerbrechliche Einrichtungsgegenstände sind in unbenutzten Räumen zusammenzustellen. Zerbrochene Möbel dürfen nicht verheizt werden, auch nicht herabgefallene Wandvertäfelungen. Nägel zum Aufhängen von Gasmaske und Stahlhelm gehören weder in Holzvertäfelungen noch in Wandteppich! Auch Bronzekandelaber sind keine Kleiderhaken! 4. Schleppt keine Einrichtungsgegenstände aus den Schlössern fort! Auch Eure nachfolgenden Kameraden wollen keine leeren Räume vorfinden. Jede Beschlagnahme ist zudem verboten. Die Einrichtung gehört zum Schloss, nicht in die umliegenden Dörfer oder benachbarten Häuser. Nur in Ausnahme­ fällen dürfen im Einvernehmen mit dem Besitzer und der zuständigen ­Feldkommandantur Möbel

30 Archives départementales d’Indre-et-Loire, 14AZ29, Kunstschutz.

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aus ihrem Quartier vorübergehend in ein anderes Quartier verbracht werden. Dabei sind ordnungsmässige Empfangsscheine auszustellen. 5. Schont die Gärten! Zum Bild eines französischen Schlosses gehört ein künstlerisch angelegter und zugeschnittener Garten. Seine Figuren sind oftmals sehr alt und wertvoll. Als Zielscheiben sind sie nicht gedacht. Auch in ungepflegtem Zustand behält der Schlossgarten seinen historischen Wert. Seine Beete und Wiesen sind nicht zu zerfahren. Der Einschlag von Bäumen, selbst in guter Absicht unternommen, führt oft zu schwer wieder gut zu machenden Verunzierungen. Vergesst also nicht, dass der Park ein Bestandteil der Schlossanlage und daher ebenfalls ein Kulturdenkmal ist. 6. In allen Fällen ist auf die an vielen Schlössern angebrachten Hinweisschilder der Militärbefehlshabers Rücksicht zu nehmen! Sie sind ein Zeichen ­­ für die besondere Bedeutung des Schlosses oder der darin vorhandenen Kunstwerke. Sie sollen nicht die Rechte der Truppe schmälern, sondern zur Erhaltung der Kulturdenkmale beitragen. Nichtbeachtung wär ein ­­Zeichen mangelnder Disziplin! 7. Wertvolle Inneneinrichtungen befinden sich vielfach auch in Bauernhäusern. Sie sind Ausdruck bäuerlicher Wohnkultur und zeigen künstlerisch hochstehende Formen. Auch diese Möbel sind mit der gebührenden Schonung zu behandeln.

Zeigt Euch als Deutsche und beweist den Franzosen, dass wir Träger einer eigenen hohen Kultur auch Achtung vor den Gütern fremder Kultur besitzen!



Herausgegeben vom Militärbefehlshaber in Frankreich, Kdo. Stab Ib (1); Verw. Stab I/2 – im Nov. 1942.

Kam es zu Beschädigungen, konnten die Beschwerden verschiedene Wege nehmen. Man muss hier die Ernsthaftigkeit der Kunstschutzorganisation hervorheben, denn bei jeder ernsthaften oder besorgniserregenden Beschwerde bemühte sich der jeweilige Beauftragte des Militärverwaltungsbezirks, das Gebäude noch einmal zu besichtigen, um die Sache mit eigenen Augen zu prüfen. Aufgrund der manchmal mehrfachen militärischen Belegung konnten sich ­solche Angelegenheiten – und Besichtigungen – häufen und manche Besitzer handelten dann „präventiv“. Das Schloss Mazères bei Azay-le-Rideau im Loiretal war 1940 ein erstes Mal durch Angehörige der deutschen Luftwaffe belegt worden, dabei verschwand ein Teil des Inventars. Im April 194131 wurde es unter beschränkten militärischen Kunstschutz gestellt (d. h. Teilbelegungsverbot) und nachdem eine Beschwerde der Eigentümerin Frau Raby an die Feldkommandantur sowie ein Schreiben der Feldkommandantur an die Fliegerhorstkommandantur kein Ergebnis lieferte, brachte die Eigentümerin ihr Anliegen persönlich bei der Dienststelle des Militärbefehlshabers in Frankreich in Paris vor. 1944 sollte das Schloss 31 Bericht von Carlheinz Pfitzner an die Feldkommandantur Tours, Archives départementales d’Indreet-Loire, 14ZA30, Kunstschutz. Die weiteren Informationen über den Fall stammen ebenfalls aus dieser Akte.

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abermals besetzt werden: Es wurde dann aus der bitteren Erfahrung vorsorglich ein Inventar über die wertvollen Gegenstände in den voraussichtlich zu besetzenden Räumen aufgestellt. Nicht nur von anekdotischem Interesse ist ein Brief von Graf de Kergorlay an den deutschen Kunstschutz, in dem er darum bittet, sein Schloss Canisy zu s­chützen. Mit psychologischem Geschick verweist er auf die normalerweise hohe Verlässlichkeit und Disziplin der deutschen Armee, angesichts der gefährlichen Umwandlung seiner Bibliothek in ein Munitionslager: Etant donné l’organisation ‚weltberümht‘ [sic!] de l’armée allemande, il ne peut s’agir que d’initiatives malheureuses de sous-ordres qui échappent à un contrôle sérieux, et il devrait suffire d’attirer l’attention des autorités pour faire cesser cet état de choses.32 Auf Nachfrage des Kunstschutzes bei der Feldkommandantur 722 antwortete diese aber, dass die Beschwerde mit den Tatsachen nicht übereinstimme – wir wissen allerdings nicht, ob der Eigentümer übertrieben hat, um die Belegung einzugrenzen oder ob das Militär die Situation verharmlost hat. Einflussreiche Beziehungen konnten hilfreich sein. Im Fall von Schloss Cinq-Mars im Departement Indre-et-Loire (Tours) schrieb der Präfekt an den Feldkommandanten persönlich und bat darum, auf dem Schlossturm einen Wachposten einzurichten; diese Angelegenheit scheint lokal, ohne Einschaltung des Referats Kunstschutz geregelt worden zu sein.33 Schloss Canon in der Normandie (Dep. Calvados) war Eigentum des Grafen Jean de Mézerac. Nach seiner Kriegsgefangenschaft kam er am 1. September 1940 ins Schloss zurück, das zuvor im Sommer belegt worden war. Im Oktober wurde es erneut belegt, die Familie musste in ein kleines Haus mit drei Zimmern im Dorf ziehen. Die neue Belegung verursachte jedoch viele Schäden und Plünderungen an der wertvollen Einrichtung des 18. Jahrhunderts. Darauf schaltete Graf Mézerac im März 1941 über einen persönlichen Kontakt den Vertreter („Ambassadeur“) der Vichy-Regierung beim deutschen Oberbefehlshaber in Paris, Fernand de Brinon (1885 – 1947), ein. Dieser schrieb im April 1941 einen Beschwerdebrief an Wolff Metternich, worauf der Kunstschutz nach einer Besichtigung des Schlosses durch Hans Hörmann im Mai der Feldkommandantur 723 in Caen über den Chef des Militärverwaltungsbezirks A (Hörmann) die schriftliche Anweisung gab, das Schloss nun von jeder Truppenbelegung auszuschließen. Das Schloss kam somit wieder etwas zur Ruhe, allerdings nur bis 1944, als eine deutsche Truppe eine Anzahl von Bäumen im Schlosspark und im englischen Garten fällte. Der Besitzer musste die Verwaltung der Monuments historiques einschalten, um daran zu erinnern, dass das Schloss und seine 32 Angesichts der weltberümht [sic!] Organisation der deutschen Armee, kann es sich sicherlich nur um unglückliche Initiativen von untergeordneten Soldaten handeln, die einer seriösen Kontrolle entgangen sind; es würde genügen, die Aufmerksamkeit der zuständigen Behörde auf diese Angelegenheit zu richten, um ihr Einhalt zu gebieten, NL FGWM, Nr. 81, Brief des Grafen von Kergorlay an den Kunstschutz vom 20. 07. 1941. 33 Archives départementales d’Indre-et-Loire, 14ZA30, Kunstschutz: Schreiben des Präfekten an den Feldkommandanten vom 05. 09. 1943.

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Parkanlage beide unter Denkmalschutz standen und somit eine Verunstaltung des Parks zu unterbinden sei.34 In manchen Situationen, wo sowohl die geografische Lage als auch die Vorgeschichte Anlass zu einer militärischen Präsenz gaben, waren die Handlungsmöglichkeiten des Kunstschutzes begrenzt. Schloss Maintenon ist ein prächtiges Schloss an der Bahnlinie nach ­Chartres, nicht weit von Paris entfernt.35 Berühmt ist es durch Madame de Maintenon (1635 – 1719), die letzte Mätresse, dann morganatische (und zweite) Ehefrau von König L ­ udwig XIV. Neben einer prachtvollen Schlosseinrichtung findet man im Garten einen Aquädukt, der zur Zeit des Sonnenkönigs gebaut wurde, um Wasser nach Versailles und in den Schlossgarten zu führen. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges war Maintenon im Besitz des Herzogs von Noailles, Vorsitzender der Demeure historique. Das Schloss war 1939 – 1940 der geheime Sitz des französischen Admiralstabs und wurde deswegen nach den Kampfhandlungen sofort von deutschen Truppen (insbesondere der Luftwaffe) eingenommen, obwohl es künstlerisch und historisch äußerst wertvoll und sein Eigentümer ein wichtiger Ansprechpartner für den Kunstschutz war. Aber die verkehrstechnischen Anschlussmöglichkeiten waren aufgrund der geografischen Lage und der Bahnlinie optimal. Die militärischen Gründe hatten Vorrang. Der Aquädukt wurde teilweise gesprengt, damit die zahlreichen Militärwagen ohne Hindernis passieren konnten; der Kunstschutz musste sich damit begnügen, nach persönlicher Besichtigung durch Wolff Metternich und von Tieschowitz am 23. Januar 1941, Empfehlungen für die ordnungsmäßige Aufbewahrung der gesprengten Teile auszusprechen und nur eine Sommerbelegung zu empfehlen. Später wurde der französische Garten mit Kartoffeln bepflanzt. Der Herzog musste Ende des Krieges nicht nur eine Teilzerstörung des Schlosses durch amerikanische Bomben hinnehmen, sondern auch den Schmerz, seine gesamte männliche Nachkommenschaft im Krieg verloren zu haben.36 Anliegen und Beschwerden wurden, wie schon erwähnt, von den Kunstschutzmitarbeitern nach Möglichkeiten nachgeprüft. Da der Kunstschutz von der Verwaltung der Musées nationaux bzw. Jacques Jaujard willkommen geheißen wurde, wandten sich Schlossbesitzer, ihre Vertretung La Demeure historique oder die Verwaltung der Monuments historiques vertrauensvoll und hoffnungsvoll an den Kunstschutz. Neben den kunsthistorischen Inte­ ressen und dem kulturellem Wert (kleine Häuser von „großen“ Männern wurden ebenfalls bevorzugt geschützt 37) spielte hier sicherlich ebenfalls eine persönliche Affinität und ein

34 Siehe NL FGWM, Nr. 81. 35 Zum Schloss Maintenon während des Zweiten Weltkrieges siehe: Guillaume Lepron/Alexis Robin, Maintenon en guerre, de l’amirauté à la Libération, Paris 2018. 36 Sein Sohn Jean de Noailles war Widerstandskämpfer und starb nach seiner Deportation 1945 in Bergen-Belsen. Dessen Sohn Adrien Maurice starb mit 19 Jahren in den militärischen Gefechten von 1944. 37 Siehe als Beispiel die Unterlagen zum Schutz des Geburtshauses von Pierre Ronsard im Departement Indre-et-Loire, 14ZA29.

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wohlwollendes Zugehörigkeitsgefühl seitens der Kunstschutzleitung eine Rolle, die Wolff Metternich für derartige Kontakte als besonders geeignete Person präsentieren konnte. Wolff Metternich war als Adeliger für die Problematik der Erhaltung von Familienbesitz und damit verbundenem Kunstgut im Krieg dank seines familiäres Hintergrundes besonders sensibel 38 und hatte zudem die Bergung von Kunstgut in vielen Schlössern seiner Standesgenossen innerhalb und außerhalb des Rheinlandes mit organisiert; auch kamen in manchen Fällen durch die Verzweigung und Vernetzung des westeuropäischen Adels persönliche, sogar familiäre Verbindungen ins Spiel.39 Zwar sollte und konnte dadurch nicht verhindert werden, dass die Belegung militärisch Priorität hatte, doch haben in der Kunstschutzkalkulation ­solche Aspekte durchaus eine gewisse Rolle spielen oder zumindest ein persönliches Inte­ resse wecken können, zumal bei adeligen Familien der Begriff von Verwandtschaft mehrere Generationen umfassen kann. Abgesehen von Kunstschutzfragen konnte nämlich ­dieses Interesse deutscher Offiziere an weitläufigen französischen Verwandten immer wieder zu Begegnungen führen, doch waren diese aufgrund der besonderen Situation – immerhin herrschten Krieg und Besatzung – mit Vorsicht zu genießen. Ein deutscher Offizier meldete sich etwa 1943 beim Marquis von Quinsonas auf dessen Schloss im Departement Isère und begrüßte ihn freundlich: „Bonjour, Monsieur, je suis votre cousin.“ In der Tat hatte ein Huguenottenvorfahr nach dem Edikt von Fontainebleau 1685 Frankreich verlassen und in deutschen Landen Fuß gefasst. Der Marquis antwortete: „Enchanté, Monsieur, mais après la guerre.“ 40 Eine ­solche Affinität ­zwischen Standesgenossen wird auf der Offiziersebene in Jean Renoirs Film La Grande Illusion (Die große Illusion, 1937) für die Zeit des ­Ersten Weltkriegs hervorragend thematisiert, anhand der privilegierten und wohlwollenden Behandlung des französischen adeligen Kriegsgefangenen de Boëldieu seitens des Kommandanten des Gefangenenlagers von Rauffenstein. Inwiefern der Kunstschutz noch Handlungsmöglichkeiten bei Häusern von notorischen Widerstandskämpfern oder Gegnern der Besatzung hatte, wäre auch zu untersuchen, vor allem die genauen Mechanismen solcher Initiativen. Es scheint, dass das Team von Wolff Metternich und dessen Vertreter Bernhard von Tieschowitz jedoch versuchte, die Kunst trotz dieser schwierigen Umstände zu s­ chützen – ähnlich wie versucht wurde, jüdisches Kunstgut aufgrund des Kunstwertes in Frankreich zu behalten. Der Kunstschutz i­ntervenierte 38 Siehe Jahresbericht der Demeure historique vom 25. 12. 1941: L’accueil qui nous a été fait par le comte Metternich (…) a été hautement compréhensif. 39 Die Besitzer des bereits erwähnten Schloss Louÿe zum Beispiel waren entfernte Verwandte von Wolff Metternich. Nach dem Krieg wurde Wolff Metternich bei einer Tochter des Grafen Viel-Castel in Paris zum Tee eingeladen, obwohl diese ansonsten nicht sonderlich deutschfreundlich gesinnt war (mündliche Erinnerung ihres Sohnes). 40 Mündliche Erinnerung von Odon Marquis de Quinsonas-Oudinot, Sohn des damaligen Marquis. Der Offizier war ein Herr Digeon von Monteton. In der Tat wurde nach dem Krieg der Kontakt ­zwischen den Familien aufgenommen und die Urenkel des damaligen Marquis besuchen sich in regelmäßigen Abständen.

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zum Beispiel bei der Versteigerung des prächtigen Loireschlosses Villandry im Jahr 1943. Eine komplizierte Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft von Joachim Carvalho, dem Begründer der Demeure historique, hatte zu dieser Versteigerung geführt. Die Intervention war dadurch erschwert worden, dass Madame de la Bouillerie, eine der Erbinnen, vom Sicherheitsdienst aufgrund von Widerstandsaktivitäten verhaftet worden war, ebenso auch ihr Bruder (der jedoch wegen mangelnder Beweise freigelassen wurde). Eine umfangreiche Korrespondenz ­zwischen der Feldkommandantur von Tours und dem Kunstschutzbeauftragten Dr. Josef Busley zeigt die Bemühungen des Kunstschutzes, François Carvalho bei der Rückerwerbung zu unterstützen, mit der Auflage, auch das Inventar im Schloss zu belassen, da es, wie das Gebäude selbst, unter Denkmalschutz stand.41 In Schloss Vendeuvre in der Normandie (Dep. Calvados) jedoch konnte der Kunstschutz wenig intervenieren: Der Hausherr Jacques de Vendeuvre (1912 – 1940) hatte den Waffenstillstand nicht akzeptiert und kämpfte weiterhin in der französischen Luftwaffe in Nordafrika. Er wurde Ende Juni 1940 über Gibraltar abgeschossen und sein Haus lange als „feindliches Vermögen“ besetzt und stark beschädigt, während die Familie ausziehen musste.

Fazit Mit dem Ostfeldzug wurde ein Teil des Personals der Militärverwaltung gestrichen. Nach Besetzung der „freien Zone“ Ende 1942 dehnte sich der Einsatzbereich des Kunstschutzes aus, was die Handlungsmöglichkeiten und die Kontrolle über die zu schützenden Kunstgüter erschwerte. Hier wurden ebenfalls Inspektionsreisen vom Beauftragten Hans Möbius unternommen. Jedoch lag der Schwerpunkt deutlich auf der Inspektion von öffentlichen Gebäuden, Museen, Depots u. Ä. und erst zweitrangig auf Schlössern in Privatbesitz. Grund dafür war sicherlich das mangelnde Personal, aber es fehlte auch die Zeit für d ­ ieses große Gebiet, das außerdem – von Gebirgen wie den Alpen, den Pyrenäen und vor allem dem Zentralmassiv durchzogen – viele entlegene und schlecht erreichbare Domänen verbarg. Während man im Loiretal relativ bequem mehrere Häuser an einem Tag besichtigen konnte, wäre in manchen Teilen Südfrankreichs ­dieses höchstens für ein Gebäude möglich gewesen. Die Schlossbelegungen fanden vor allem entlang großer Achsen wie Saône, Rhône und anderer Täler statt und wurden durch das OKH durchgeführt, jedoch enthalten die bisher untersuchten Akten wenig ausführliche Informationen über die Besichtigungen oder Rückmeldungen der Kunstschutzmitarbeiter über diese Bauten. Auch ist zu bemerken, dass die Zeit ungünstig war: Wegen des Kriegsverlaufs und vor allem des Bombenkrieges verlagerte sich die Aufmerksamkeit in Deutschland auf den eigenen Schutz und in Frankreich auf den Küstenschutz, auch wenn immer noch Schilder, die die Belegung verboten, ausgehändigt und die Depots immer noch gesichert wurden. Die Repatriierung von Truppen, die damit 41 Siehe 14ZA30, Kunstschutz, Aktenstücke über Villandry.

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einhergehenden schnellen und oft nur vorübergehenden Belegungen, gepaart mit geänderten Prioritäten, ermöglichten keine besondere Aufmerksamkeit für den Kunstschutz. Bei der Bombardierung der Alliierten und vor allem ab der Invasion von 1944 waren die eigenen deutschen Positionen gefährdet, wodurch sich die Akteure sicherlich mehr auf den eigenen Schutz als auf den der privaten Häuser konzentrierten. Ein weiterer Punkt, der angesichts der Aktualität von Provenienzforschung erneut an Bedeutung gewonnen hat, ist die Frage: Ist das bis heute verschwundene Schlossinventar, über dessen Fehlen Wolff Metternich in einem Bericht von 1941 geklagt hatte,42 wieder aufzufinden? Er selbst verweist auf die Schwierigkeit, diese Aufgabe zu lösen, da in der Mehrzahl der Fälle die Verantwortlichen aufgrund des häufigen Belegungswechsels nicht mehr zu ermitteln waren.43 Es konnte sogar passieren, dass Objekte aus einem Schloss in ein anderes verbracht wurden und dort bis heute geblieben sind, weil die ehemaligen Besitzer, ihr Gut bei einem Besuch wiedererkennend, aus Höflichkeit die neuen Besitzer auf diesen unangenehmen Fall nicht aufmerksam machen wollten.44 Nach nun drei Generationen und der Verjährung solcher Fälle ist das Aufspüren dieser Objekte keine einfache Aufgabe, aber vielleicht kann die Provenienzforschung Hilfestellung für diese Thematik leisten.

42 NL FGWM, Nr. 159, Bericht Wolff Metternich, vom 10. 08. 1941, In grossem Umfang ist altes Inventar und Archivgut zerstört oder verschleppt worden. Wertvollste Möbel vorgangener [sic!] Jahrhunderte sowie geschnitzte Wandvertäfelungen wurden wochenlang zum Heizen verwandt, anscheinend sind auch oft Bilder, Porzellane, Miniaturen als ‚Andenken‘ mitgenommen worden, vollständige Einrichtungen, darunter viele wertvolle Stücke, über weite Bezirke verstreut. 43 Ebd., Einige Fälle mussten dem Kriegsgericht übergeben werden. Jedoch waren die mutmasslichen Täter meistens nur sehr schwer oder gar nicht zu ermitteln. 44 Mündliche Information, die anonym bleibt. Ähnliches passierte in Deutschland – in Franken –, als ein Schlossbesitzer, der bei einem amerikanischen Offizier eingeladen war, der für den Schutz des Schlosses und seines wertvollen Archivs sorgen sollte, seine Gläser mit seinem Wappen erkannte, als der Offizier ihm in großzügiger Gastfreundschaft ein Glas Sherry einschenkte.

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Themenschwerpunkt: Rheinland Betrifft: Kunstschutz im Kriege Bergungsorte der Rheinprovinz Annika Flamm

Dieser Beitrag widmet sich den Aufgaben der Archivberatungsstelle der Provinzialverwaltung Rheinland während des Zweiten Weltkrieges. Im Folgenden soll vor allem die Bergung von Kulturgütern aus Museen und privaten oder kirchlichen Sammlungen in den Blick genommen werden, die ebenfalls maßgeblich durch die Archivberatungsstelle koordiniert geborgen werden konnten. Der Artikel zeigt anhand des Hausarchivs der Archivberatung in Pulheim-Brauweiler, wie die Bergung von Archivgut und Kunstwerken organisiert und durchgeführt wurde, und zeichnet anhand der Archivalien nach, wie kompliziert sich diese Unternehmungen im Kriegszustand gestalteten. In einem ersten Schritt wird zunächst ein Überblick über die Akteure und Aufgaben sowie die Bergungsorte im Rheinland und in Westfalen während des Krieges gegeben. Anhand der Beispiele des Bergungsorts Schloss Bürresheim und des wertvollen Kunstwerks „Madonna mit dem Veilchen“ von Stefan Lochner lassen sich die dort angesprochenen ­Themen noch einmal exemplarisch zuspitzen. In einem zweiten Schritt werden die Verhältnisse nach dem Krieg anhand der Central Collecting Points sowie der Sammlung Hagen vorgestellt. Die Überlieferung der Archivberatung in Brauweiler ist von zentraler Bedeutung, um die Reisen und die Verbleibe von Archivgut und Kunst während und nach dem Zweiten Weltkrieg nachzuvollziehen.

1 Während des Krieges 1.1 Die Archivberatungsstelle im Rheinland Die Archivberatungsstelle wurde 1929 eingerichtet. Als erster leitender Archivar wurde Wilhelm Kisky (1881 – 1953) berufen. Bis Kriegsausbruch lag der Schwerpunkt zunächst auf der Bestandserhaltung und Ordnung der Archive im Rheinland. Im Jahr 1935 kamen mit der Verabschiedung des „Deutschen Luftschutzgesetzes“ durch die Reichsregierung erstmals weiterführende Aufgaben auf die Archivberatung zu. Der Reichsminister der Luftfahrt hatte darin angeordnet, dass für die „Durchführung des Luftschutzes neben den ­Dienststellen der

Reichsluftverwaltung“ und den „ordentlichen Polizei- und Polizeiaufsichtsbehörden (…) auch (…) andere Dienststellen und Einrichtungen der Länder, Gemeinden, ­Gemeindeverbände und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts“ 1 beauftragt werden konnten. Mit dieser Anweisung musste sich die Archivberatung auf eine Expansion ihrer Arbeitsfelder einrichten. Ab 1935 unterstützte Carl Wilkes (1895 – 1954) die Arbeit von Wilhelm Kisky. In der Hochphase des Krieges, als die Aufgabenlast erneut gestiegen war, kam außerdem Rudolf Brandts (1913 – 2003) hinzu. Mit Kriegsausbruch rückte der Kunst- und Luftschutz in den Vordergrund der Arbeit in der Archivberatungsstelle.2 Am 7. Juli 1939 betraute das Oberpräsidium der preußischen Rheinprovinz den Kunsthistoriker und Provinzialkonservator Franziskus Graf Wolff ­Metternich (1893 – 1978) in Bonn mit dem Schutz der Kunstdenkmäler.3 Die Archivberatungsstelle, die bereits im Sommer 1939 mit dem Schutz der nichtstaatlichen Archive gegen einen Landkrieg begonnen hatte, schloss sich dieser Initiative an, wobei sie ihre Netzwerke und bereits gesammelten Erfahrungen für den Kunstschutz einbringen konnten.4 Schon vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 waren die Museen und Sammlungen angewiesen worden, Schutzmaßnahmen für die Kunstgüter vorzubereiten. Trotz der völkerrechtlichen Vereinbarungen durch die Haager Landkriegsordnung 5 waren die kulturellen Einrichtungen auf mögliche Zerstörungen sowie Entwendungen vorbereitet und begannen den Kulturgüterschutz durchzuführen. Bei diesen Maßnahmen konnte man die Erfahrungen des ­Ersten Weltkrieges ­nutzen.6 Dass nicht alle Kulturgüter an Ort und Stelle gesichert werden konnten, war den Beteiligten schnell bewusst, weswegen die Schaffung und Betreuung von Bergungsorten zu einer der zentralen Aufgaben wurde. Die 1 Deutsches Luftschutzgesetz 1935, §1: http://download.gsb.bund.de/BBK/BBKNV193507.PDF (Stand: 29. 08. 2021). 2 Archiv des LVR, Archivbestand 1 (1928 – 1950) der Archivberatung in Brauweiler (künftig BrwA 1), Nr. 97, Schreiben an Pfarrer Loc. Rosenkranz, Bonn vom 28. 06. 1943: Die Sicherungs- und Bergungsarbeiten nehmen uns voll in Anspruch, und alles andere muß zurücktreten. 3 Familienarchiv der Grafen Wolff Metternich, Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternich (künftig: NL FGWM), Nr. 79, mit masch. Bericht Theodor Wildemans, „Die Bergung beweglicher Kunstschätze im Rheinland und ihre laufende Betreuung“, Juni 1942, S. 1. 4 Wilhelm Kisky, Die Archivberatungsstelle der Rheinprovinz und ihre Tätigkeit für die Sicherung von Archivalien und anderen Kulturgütern während des Krieges, Düsseldorf 1949, S. 1. 5 Die 1899 beschlossene und 1907 leicht veränderte Haager Landkriegsordnung enthielt Regelungen zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten. Der vergleichbare Roerich-Pakt trat am 26. August 1935 in einigen amerikanischen Staaten in Kraft. Die völkerrechtlichen Verträge wollten „bewegliches oder unbewegliches Gut, das für das kulturelle Erbe der Völker von großer Bedeutung ist“, vor Schaden und einer widerrechtlichen Inbesitznahme bewahren. Die Bestimmungen der neuen Haager Konvention von 1954 wurden durch zwei 1954 und 1999 abgeschlossene Protokolle ergänzt und präzisiert und werden von der UNESCO überwacht. 6 Peter van den Brink (Hg.), Katalog der Ausstellung „Schattengalerie. Die verlorenen Werke der Gemäldesammlung“, Aachen 2008, S. 24.

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bereits bestehenden Kontakte und das Vertrauen zu Privateigentümern ermöglichten der Archivberatungsstelle, Bergungsorte in abgelegenen Schlössern einzurichten, so etwa im Schloss des Grafen Wilderich von Spee in Heltorf und in den Schlössern Alme und Niesen des Freiherrn Friedrich von Vittinghoff-Schell in Kalbeck in Westfalen.7 Eine eindrückliche Quelle für die Tätigkeiten der Archivberatungsstelle in ­diesem Zusammenhang liefert, neben den sich im Archiv des Landschaftsverbands Rheinland befindenden Archivalien aus der Kulturverwaltung der Provinzialverwaltung, der Bericht Wilhelm Kiskys aus dem Jahr 1949. Er bilanziert in Bezug auf die Sicherung von Archivgut – auch um zu kompensieren, dass nach seiner Meinung diese Sicherungsarbeit bislang fachlich nicht genügend gewürdigt worden war: „Die Verluste an beweglichen Kulturgütern, namentlich der an Schriftdenkmälern, sind in der vom Kriege schwer getroffenen Rheinprovinz verhältnismäßig gering. Die Archivberatungsstelle darf mit Befriedigung einen guten Teil des Verdienstes daran für sich in Anspruch nehmen.“ 8

1.2 Schutz der beweglichen Kunstdenkmale: Die Bergungsorte und ihre konservatorischen Voraussetzungen Zu Beginn des Krieges wurde das Gebiet der Rheinprovinz in Kunstschutzbezirke aufgeteilt. Je nach Verfügbarkeit in den einzelnen Bezirken schwankte die Zahl derjenigen, die sich dieser Aufgabe als Bezirkskonservatoren widmeten, z­ wischen acht und zehn. Zwar leitete Wolff Metternich als Provinzialkonservator das Vorhaben, die zahlreichen Verfahren des Kunstschutzes waren jedoch erst durch das Engagement der einzelnen Bezirkskonservatoren überhaupt zu bewältigen. So konnten vor allem die Transporte, die mit hohem logistischem Aufwand und vielen Einsatzkräften verbunden waren, bewerkstelligt werden.9 Im Nachlass Wolff Metternichs haben sich akribisch geführte Listen erhalten, ­welche die Zuständigkeiten und Aufgaben dokumentieren.10 Während Wolff Metternich im Mai 1940 in die von den deutschen Truppen besetzten Gebiete für den Kunst- und Denkmälerschutz versetzt wurde,11 trat sein Stellvertreter Theodor Wildeman (1885 – 1962) für die Bergung und den Schutz der rheinischen Kulturgüter ein.

7 Hans Budde/Peter K. Weber, 80 Jahre Archivberatung im Rheinland. Alte Aufgaben – neue Herausforderungen, in: 80 Jahre Archivberatung im Rheinland (Archivhefte 38), Bonn 2009, S. 16. 8 Ebd., S. 15. 9 ALVR 11234, Bericht Graf Wolff Metternich vom 31. 10. 1944. 10 NL FGWM, Nr. 79, Auflistung der zuständigen Bezirkskonservatoren im Jahr 1939. 11 Esther Heyer, Der Provinzialkonservator Franziskus Graf Wolff Metternich. Denkmalpflege und Kunstschutz im Rheinland und in Frankreich, in: Kulturpolitik der Rheinischen Provinzialverwaltung 1920 bis 1945. Tagung am 18. und 19. Juni 2018 im LVR-LandesMuseum Bonn (Beihefte der Bonner Jahrbücher 59), Darmstadt 2019, S. 73 – 83, hier S. 78.

Betrifft: Kunstschutz im Kriege  I  437

Abb. 1  Karte der Archivberatungsstelle mit der Verzeichnung der Bergungsorte (Ausschnitt).

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Die Maßnahmen des Kulturschutzes sahen zunächst eine Klassifizierung des Kulturgutes vor: von schützenswertem regionalem Wert (Liste B) bis zu national wertvollem und unersetzlichem Gut (Liste A). Der Schutz der beweglichen Kulturgüter der Liste B sollte, wenn möglich, mit der Sicherung dieser innerhalb der Gebäude beginnen.12 Die mit höchster Wichtigkeit klassifizierten und in den gefährdeten Grenzgebieten befindlichen Kunstwerke der Liste A wurden dann für die Sicherung in Bergungsorten vorbereitet. Nach Weisung des Reichministers für Wirtschaft, Erziehung und Volksbildung waren bei der Durchführung des Luftschutzes für Kunstwerke verschiedene Akteure mit einzubeziehen: für Museen und Sammlungen, die fachwissenschaftlich geleitet [waren], deren Leiter; bei den anderen der zuständige Museumspfleger; im übrigen der zuständige Denkmalpfleger (…).13 Die Maßnahmen gingen daher oftmals mit unzähligen Korrespondenzen einher. Genaue Anweisungen zur Technik der Bergung von Kulturgütern mussten berücksichtigt werden. So sollten die zu bergenden Gegenstände in Kisten verpackt von den Besitzern übernommen werden. Diese Kisten wurden gemeinsam mit dem Verpackungsmaterial von der Archivberatungsstelle zur Verfügung gestellt.14 Des Weiteren war für eine dauerhaft nachvollziehbare Herkunft der einzelnen Stücke und Kisten zu sorgen, sodass man mit Beschriftungen und Verzeichnissen arbeitete, w ­ elche beim Öffnen der Kisten leicht auffindbar waren.15 Diese Verzeichnisse, Einlieferungsbescheinigungen und Listen, wie jene Wolff Metternichs, die im National Archive, Washington, D. C., abrufbar ist,16 belegen die Transporte und Aufbewahrungsorte einzelner Sammlungen in den Kriegsjahren. Neben diesen Aufzeichnungen gibt eine undatierte, aber vermutlich 1942 außerhalb der Archivberatungsstelle angefertigte Landkarte Auskunft darüber, wo sich die möglichen Zielorte für die rheinischen Kulturgüter befanden (Abb. 1).17 Sie verzeichnet die Bergungsorte für historisches Kulturgut in Profanbauten und ­Kirchen, die Bergungsorte für Archivgut sowie Schlösser mit kulturhistorisch wertvoller Ausstattung. Neben Großdepots wie jenen in den Schlössern Alme, Niesen und Bürresheim gab es auch zahlreiche kleinere, abgelegene Burgen und Schlösser, die genutzt wurden. Außerdem wird anhand der Karte deutlich, w ­ elche Gebäude mit kulturell und monetär wertvoller Ausstattung durch Maßnahmen gesichert wurden und welch große Vielzahl von Amtsstuben, Kellern und Pfarren für die Lagerung 12 ALVR 11232, Weisung des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 28. 08. 1939. 13 Ebd. 14 Kisky, Archivberatungsstelle (wie Anm. 4), S. 1. 15 BrwA 1, Nr. 372, Sitzungsbericht der Kunstschutzbeauftragten vom 22. 10. 1943 unter Punkt 1 „Allgemeines zur Technik der Bergung“. 16 Siehe Mikrofilmrollen des National Archives Washington, D. C., M1948, Holocaust Era Assets, Records Concerning the Central Collecting Points („Ardelia Hall Collection“): Central Collecting Point Marburg 1945 – 1949, Washington, D. C. 2004, Roll 1, Target 12, Lists from Count Metternich. 17 BrwA 1, Nr. 367. Die Karte ist nicht datiert. Die weiteren Archivalien lassen aber auf eine Erstellung im Jahr 1942 schließen.

Betrifft: Kunstschutz im Kriege  I  439

der Güter dienten. Neben dem Rheinland und Westfalen wurden vor allem die Gebiete im heutigen Rheinland-Pfalz und Hessen als Schutzgebiete genutzt. Sogar bis Thüringen und Württemberg reisten die Kulturgüter der Rheinprovinz. Höhen- und Wasserburgen mit feuerfesten Mauern waren bevorzugte Depots, für die einzelnen Materialgruppen mussten aber passende konservatorische Verhältnisse herrschen. Zudem bestand die Herausforderung, eine zu große Anzahl gelagerte Kulturgüter in einem Depot zu vermeiden. Außerdem schränkten bei fortschreitender Kriegszeit fehlende bzw. mangelhafte Transportmöglichkeiten und logistische Herausforderungen Bergungen, die weit im Landesinneren stattfinden sollten, stark ein. Und in allen Bergungsorten mussten vor der Belegung mit Kulturgut die klimatischen Verhältnisse geprüft werden.18 Für feuchte Räume wurden seitens des Staatskonservators in Berlin Ventilatoren mit eingebauter elektrischer Heizung zur Verfügung gestellt, das Klima mit Hygrometern überwacht, während die Bezirkszuständigen den Brandschutz regelmäßig überprüften.19 Aus den Akten gehen zahlreiche Einzelmaßnahmen an den Bergungsorten hervor: von Dachstuhlsicherungen bis zu Verschalungen in den Gebäuden.20 Beispielsweise wurde das Dach des Schlosses Caen am Niederrhein 1944 für 1551,27 RM vollständig imprägniert, da wichtige Bestände des Duisburger Heimatmuseums dort lagerten.21 Die Instandhaltung der Depots war eine kostenaufwendige Daueraufgabe, die für über 40 Orte geleistet werden musste. Auch dies zeigt, wie wichtig der Archiv- und Kulturgutschutz – selbst während der laufenden Kriegshandlungen – war. Die Entwicklung des Luftkrieges bedingte eine erneute Prüfung der bereits belegten Bergungsorte: Oberirdische Bauwerke waren nicht bombensicher, Keller und Bunker jedoch klimatisch meist nicht für die Lagerung geeignet, sodass die Suche nach nutzbarem Bergungsraum nicht zu enden schien. Wolff Metternich inspizierte in seiner Rolle als Provinzialkonservator allein 15 Bergwerke, die jedoch oft eine zu hohe Feuchtigkeit oder zu große Trockenheit aufwiesen. Auch die Staubentwicklung oder die möglichen chemischen Einflüsse auf das Kulturgut führten zum Ausschluss. Das Salzbergwerk Borth am Niederrhein wurde etwa vom Provinzialkonservator als zu trocken und warm befunden, für Steindenkmäler war es jedoch gut nutzbar. Als geeignet stellte sich das württembergische Salzbergwerk Kochendorf heraus, welches einen Bahnanschluss hatte und mit Schiffen über den Neckar direkt erreichbar war. Die wertvollsten Werke sollten nun aus den nicht mehr sicheren Depots herausgenommen und nach Kochendorf umgelagert werden.22 Schutzplaketten sollten die bereits belegten Orte kenntlich machen und vor allem vor der Belegung durch das Militär 18 Kisky, Archivberatungsstelle (wie Anm. 4), S. 2. 19 BrwA 1, Nr. 372, Sitzungsbericht der Kunstschutzbeauftragten vom 22. 10. 1943 unter Punkt 3 „Verbesserungen der Bergungsorte“. 20 ALVR 11232, enthält einen Bericht vom 01. 07. 1943 zur Sitzung vom 30. 06. 1942, den Kunstschutz im Kriege betreffend. 21 BrwA 1, Nr. 390, Gutachten Brauereikeller Xanten, Schloss Moyland und Haus Caen vom 03. 03. 1944. 22 BrwA 1, Nr. 372. Sitzungsbericht der Kunstschutzbeauftragten am 22. 10. 1943.

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oder die zivile Bevölkerung s­ chützen. Offensichtlich sahen die Verantwortlichen sich nicht nur mit konservatorischen Problemen konfrontiert, sondern auch mit den Ansprüchen des Militärs und der Zivilbevölkerung. So trugen die Depots folgende Aufschrift: Belegung verboten! Dieser Raum enthält national wertvolles Kunst- und Kulturgut, das unter dem besonderen Schutz der deutschen Wehrmacht steht. Eintritt sowie jegliche militärische Benutzung des Raumes ist strengstens untersagt.23 Das hohe Engagement der Archivberatungsstelle zeigt sich besonders in der erfolgreichen Abwendung der Belegung der Bergungsorte durch das Militär. Im Oktober 1944 sollte die Beschlagnahmung zweier Wohnräume im Schloss Alme zur Unterbringung von Luftkriegsbetroffenen durch den General der Waffen-SS Heinz Bernard Lammerding, den früheren Kommandeur der 2. SS-Panzerdivision „Das Reich“, erwirkt werden.24 Dies konnten Kisky, Wilkes und Brandts jedoch verhindern.25 Im Mai 1942 wurden die Kriterien für die Depots seitens des Reichsministers verschärft: a) Das Gebäude oder die Anlage, in denen die Kunstwerke untergebracht werden sollen, darf in seiner äußeren Erscheinung nicht kasernenähnlich sein. b) Es darf nicht in unmittelbarer Nähe stark luftgefährdeter oder besonders brandempfindlicher Anlagen oder Betriebe liegen. c) Es muß außerhalb großer Städte liegen, wobei die Luftgefährdung der Städte und ihres Umkreises sowie die örtlichen Verhältnisse für die Entfernung von der Stadt maßgebend sind.26

Anhand dieser Vorgaben verringerten sich die in Frage kommenden Depotmöglichkeiten noch weiter. Außerdem mussten nun Bestände, die bereits in Depots lagerten, neu verteilt werden. Die Aufgaben für die Archivberatung wuchsen mit jeder Zuspitzung der Kriegssituation weiter an. Ab 1942 fand zudem auch eine Ausweitung des Kunstschutzes auf wertvolle private Besitztümer statt. Die Transportzahlen schnellten nach 1942 in die Höhe. Nach den zahlreichen Bergungen 1939 folgte 1940/1941 vor allem die Kontrolle und Pflege der geborgenen Güter. 1942 stieg 23 BrwA 1, Nr. 370, enthält eine Weisung des Wehrkreiskommandos VI in Münster vom 04. 10. 1944: In einzelnen Schlösser[n], ­Kirchen, Museen usw. ist, im ganzen Landeverstreut, wertvolles und wichtiges Archivund Kulturgut der geflüchteten staatlichen, städtischen und teilweise privaten Kunstsammlungen und Archive untergebracht. Die dafür in Frage kommenden Räume sind durch das Plakat gekennzeichnet (…). 24 BrwA 1, Nr. 360, enthält ein Schreiben vom 09. 08. 1943 mit der inoffiziellen Information, dass Alme als Unterbringung bombengeschädigter Dienststellen und Betriebe dienen soll: Die evtl. Beschlagnahmung des Schlosses auf Grund des Reichsleistungsgesetzes kann von dem Gauleiter als Reichsverteidigungskommissar bzw. dessen für diesen Zweck bestellten Sonderbeauftragten, dem Herren Regierungspräsidenten zu Arnsberg, ausgesprochen werden. 25 Budde/Weber, 80 Jahre (wie Anm. 7), S. 16. 26 ALVR 11232, Weisung des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung „Luftschutz für Kunstwerke“ vom 12. 05. 1942.

Betrifft: Kunstschutz im Kriege  I  441

Abb. 2  Transporte zur Bergung von Kulturgut ­zwischen 1940 und 1945.

die Zahl der Transporte auf 35 an und näherte sich somit der Zahl der Überführungen zu Kriegsbeginn (Abb. 2). In der Sitzung der Kunstschutzbeauftragten am 22. Oktober 1943 wurden Umgruppierungen der Güter in den Bergungsorten beschlossen, ­welche erneut Transporte nötig machten. Durch die weitere Vergrößerung der Luftgefahr waren auch einsam gelegene Gebäude nicht immer sicher. Durch die Intensivierung des Luftkriegs bis 1945 stiegen daher die Auslagerungen und Transporte weiter an.27 Insgesamt wurden bis dahin 3700 Kunstwerke mit 185 Transporten in Sicherheit gebracht.28 Wahrscheinlich waren es insgesamt deutlich mehr, denn etliche Museen und Privatpersonen lagerten ihre Güter eigenständig aus. Die Transporte erwiesen sich oft als schwierig, da der militärische Verkehr stets Vorrang hatte und die Anzahl geeigneter Fahrzeuge und Speditionen begrenzt war.29 Den einzelnen Fahrten gingen zudem oft wochenlange Planungen voraus. Dennoch kam es vor, dass nicht genügend Arbeitskräfte vorhanden waren und kein Treibstoff zur Verfügung gestellt wurde, sodass Auslagerungen nicht planmäßig durchgeführt werden konnten.

1.3 Große Herausforderungen: Das Großdepot Bürresheim Die zuvor beschriebenen Fallstricke und Probleme sollen am Beispiel des Großdepots Bürresheim noch einmal exemplarisch aufgezeigt werden. Dieses rheinland-pfälzische Burgschloss trotzte mit seinen Wehrtürmen und dicken Gemäuern bereits seit 1157 jeglicher 27 ALVR 11234, Bericht des Provinzialkonservators Wolff Metternich vom 31. 10. 1944. 28 Ebd. 29 Van den Brink, Katalog (wie Anm. 6), S. 24.

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Zerstörung.30 Sowohl den Dreißigjährigen Krieg als auch die Kriege Ludwigs XIV. gegen das habsburgische Kaiserreich überstand es versteckt im Nettetal bei Mayen.31 Zur Zeit der Bergungsaktionen gehörte das Schloss der Rheinischen Provinzialverwaltung.32 Seine Standhaftigkeit machten sich auch die Provinzialkonservatoren zunutze, indem sie eines der drei Großdepots für Bergungsgut im Schloss einrichteten. Das Schloss eignete sich für die Bergung von Archivalien und Büchern sowie Gemälden. 1943 wurde etwa das Provinzialarchiv aus dem luftkriegsgefährdeten Düsseldorf nach Bürresheim verlagert.33 Carl Wilkes beaufsichtigte seitens der Archivberatung das sich rasch füllende Kulturgutdepot.34 Aus den Akten gehen zahlreiche Einlagerungen im Jahr 1944 hervor, die neben privaten Besitztümern auch städtischen Besitz aus Mönchengladbach umfassten.35 Die Bergungstätigkeiten im Schloss zeigen exemplarisch auch Schwierigkeiten und Herausforderungen auf. So waren von Dr. Hermann Bunjes, Leiter des Kunsthistorischen Instituts in Paris, 1944 etwa 70 Kisten mit Büchern in Bürresheim eingelagert worden. Es handelte sich zum Teil um Bestände des Instituts sowie um Privatsachen von Bunjes und seinem Assistenten Dr. Franz. Die Einlagerung löste einen Disput z­ wischen Wilkes und Bunjes Vorgesetztem Alfred Stange aus, der lediglich 20 Kisten zur Einlagerung vereinbart hatte, und warf nicht zuletzt die Frage auf, wer der rechtmäßige Eigentümer der Buchbestände war.36 Wilkes stellte etwa diese provokativen Nachfragen zur Auszeichnung und somit zum Eigentümer der Kisten: Die Kisten sind sämtlich mit der Adresse von Herrn Dr. Bunjes versehen, ich nehme aber an, daß der gesamte Inhalt Eigentum des Kunsthistorischen Instituts Paris ist, wenn ich mir aber nicht vorstellen kann, daß ein funkelnagelneues Fahrrad zum Inventar ­dieses Instituts gehört.37

Es lässt sich also davon ausgehen, dass Bunjes und Franz die Chance nutzten, auch eigene Wertgegenstände vor dem Luftkrieg in Sicherheit zu bringen. 30 Jan Meißner, Schloss Bürresheim, Regensburg 2006, S. 1. 31 Ebd. 32 Kisky, Archivberatungsstelle (wie Anm. 4), S. 2. 33 Budde/Weber, 80 Jahre (wie Anm. 7), S. 55 f. 34 Ebd. 35 BrwA 1, Nr. 357 und Nr. 390, 27. 03. 1944, Empfangsbescheinigung in Bürresheim über 2 lebensgroße Porträts eingelagert durch den Regierungsrat Dr. Frhr. Raitz von Frentz, Niederspay bei Koblenz; 19. 04. 1944 Empfangsbescheinigung Stadt Mönchengladbach über 2 Kisten mit Archivmaterial des Stadtarchivs; 03. 04. 1944 Empfangsbescheinigung über 39 Bilder lt. Sonderliste: Bilder aus dem Besitz des Herrn Franz Brandts und des Dr. Rudolf Brandts, beide aus M.-Gladbach, Lützowstr. 1 und eine Kiste mit Büchern; 04. 04. 1944: 4 Kisten mit dem wissenschaftlichen Nachlass von Karl Lamprecht, 2 Gemälde aus dem Besitz des Freiherrn Raitz von Frentz. 36 BrwA 1, Nr. 357, Brief Wilkes an Universitätsprofessor Dr. Alfred Stange vom 16. 05. 1944. 37 Ebd.

Betrifft: Kunstschutz im Kriege  I  443

Neben diesen Privatgegenständen lagerten aber auch wichtige Bücher und Schriften aus dem Pariser Kunsthistorischen Institut in Bürresheim. Die Abschrift einer Bücherliste, die vor der Evakuierung nach Deutschland in Frankreich erstellt worden war und sich heute im Archiv der Universität Mainz befindet, ermöglicht über Stempel die Identifikation der einzelnen Objekte.38 Bei den Büchern, die sich heute ebenfalls in Mainz befinden, handelt es sich um die 1944 in Bürresheim eingelagerten Werke. In einer Quelle vom 9. Januar 1947 heißt es, die Bücherbestände ­seien nach Mainz gelangt und in das Historische Archiv der dortigen Universität übergegangen.39 Licht in diese schwierige Provenienz konnte in den letzten Jahren durch das vom Deutschen Zentrum Kulturgutverlust geförderte Projekt „Der Mainzer Bibliotheksbestand der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris (KHF) (1942 – 1944). Klärung der Provenienzen und Funktion der Bibliothek im Kontext des organisierten, verfolgungsbedingten Kunstraubes“ gebracht werden. Im Rahmen des Projekts wurden Nachforschungen zu den Provenienzen der Bände angestellt. Auch Netzwerke der Kunstschützer, ­welche sich in besetzten Gebieten befanden, sowie deren Aktivitäten auf dem Kunstmarkt wurden genauer beleuchtet.40 Die Aktivitäten am Bergungsort sind beispielhaft auch eine Quelle zur Erforschung der Provenienzen. Neben ausgelagerten Beständen deutscher Museen und Bibliotheken, w ­ elche rund 75 Prozent des aufgefundenen Kulturgutes ausmachten, befanden sich auch fast vier Millionen Gegenstände mit problematischer Provenienz in den Bergungsdepots.41 Zum Großteil waren diese aus den besetzten Ländern als Raubgut ins Deutsche Reich gelangt oder es waren Objekte, die zu damaligen Marktwerten in Österreich, Italien etc. angekauft worden waren.42 Im Februar 1945 blieb jedoch auch Schloss Bürresheim nicht länger von den Kriegshandlungen und der Nutzung durch das Militär verschont. Aufgrund von Fliegerbomben auf die Stadt Mayen wurde eine Funkzentrale durch den Oberleutnant Müller-Hilgers in das Schloss verlegt.43 Das vom Provinzialkonservator angebrachte Schild, welches das Schloss als wichtigen Bergungsort auszeichnete, wurde nicht beachtet. Als man feststellte, dass der Kamin bei der Einrichtung des Schutzraumes vermauert wurde, schaffte man einen Durchbruch. Im Bericht heißt es: Unter den vom Stadtarchiv München-Gladbach im Schloss lagernden Kisten wurde eine Kiste aufgebrochen und das Vorhängeschloss entfernt. Ob etwas aus der Kiste, die Akten enthält, entnommen wurde, konnte nicht festgestellt werde.44 Nach dem

38 Siehe Sabine Scherzinger, Der Mainzer Bibliotheksbestand aus der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris. Klärung der Provenienz und Funktion der Bibliothek im Kontext des organisierten und verfolgungsbedingten Kunstraubes, in: Provenienz & Forschung (2017), H. 2, S. 14 – 19, hier S. 17. 39 Ebd. 40 Ebd. 41 Birgit Schwarz, Auf Befehl des Führers. Hitler und der NS-Kunstraub, Darmstadt 2014, S. 270. 42 Ebd. 43 BrwA 1, Nr. 392, Bericht vom 26. 02. 1945. 44 Ebd.

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Krieg waren die Zustände auf Schloss Bürresheim laut Korrespondenzen von Januar 1946 katastrophal.45 Ein Blick auf die Biografien der beteiligten Akteure an den Bergungsorten könnte ein weiteres Untersuchungsfeld darstellen.

1.4 Westfalen als Zufluchtsort Viele wichtige rheinische Kunstschätze wurden auch an Bergungsorte in die Provinz Westfalen verbracht, da das Rheinland als militärisches Aufmarschgebiet zur Vorbereitung des Frankreichfeldzugs genutzt wurde und bei einem alliierten Angriff als erstes deutsches Gebiet betroffen gewesen wäre. Daher hatten die Bergungen im Rheinland sehr schnell beginnen müssen. Die Akten der Archivberatungsstelle enthalten eine Liste der besonders wertvollen Schlösser, die von Massenbelegung tunlichst auszunehmen wären und in erster Linie als Stabsquartiere in Frage kommen.46 Unterteilt in die Regierungsbezirke Münster, Minden, Arnsberg und Land Schaumburg-Lippe nennt d ­ ieses Verzeichnis 52 Schlösser, darunter die im Verlauf des Krieges für die rheinischen Auslagerungen stark genutzten Schlösser Alme, Niesen, Amelunxen, Adolfsburg und Bückeburg. Eine weitere Liste der besonders wertvollen Schlösser, die von jeglicher militärischer Benutzung auszunehmen wären,47 begrenzt sich auf das Schloss Münster, Burg Vischering bei Lüdinghausen sowie die Oberburg Hovenstadt im Kreis Soest. Anhand der archivischen Quellen lassen sich die tatsächlich genutzten Bergungsorte und die Beförderungen der Kulturgüter in die westfälische Provinz nachvollziehen. Die systematische Auflistung Wolff Metternichs belegt, ­welche Bestände zu welcher Zeit an ihren Bestimmungsort gelangten. Am 24. August 1942 wurden etwa aus Bonner Privatbesitz elf Kisten mit niederländischer Malerei von Dr. Carlheinz Pfitzner, einem früheren Mitarbeiter Wolff Metternichs im französischen Kunstschutz, in Alme geborgen. Am 4. April 1943 wurden 50 Kisten mit Büchern der Landes- und Stadtbibliothek Düsseldorf durch Dr. Wilkes eingelagert.48 Auch den Schutz des Bergungsguts in Westfalen versuchten die zuständigen Konservatoren und ihre Familienmitglieder sicherzustellen. Der Sohn Kiskys, der Kunsthistoriker Hans Kisky, beispielsweise wurde im Schloss Niesen stationiert, wo er die lagernden Bestände ordnete und beschriftete.49 Aber auch andere rheinische Konservatoren wurden vor Ort nach Westfalen beordert. Für den Stollen in Siegen stellte man im Februar 1945 einen Antrag an den Staatserziehungsminister, Theodor Wildeman, den Vertreter des Provinzialkonservators 45 Brw. Archivberatung 1, Nr. 357. Bericht Dr. Busleys über eine Besprechung Dr. Wilkes in Bürresheim sowie eine Aktennotiz „Betrifft: Schloßverwalter Kemper“. 46 BrwA 1, Nr. 370, enthält eine Liste der Schlösser in der Provinz Westfalen. 47 Ebd. 48 National Archives Washington, D. C. 2004, Roll 1, Target 12, Lists from Count Metternich. 49 BrwA 1, Nr. 382, Bericht über die Besichtigung des Bergungsortes Niesen vom 24. 02. 1945.

Betrifft: Kunstschutz im Kriege  I  445

Wolff Metternich, für die dauerhafte Betreuung ­dieses Depots zu bestellen.50 Noch in der desolaten Kriegssituation im Frühjahr 1945 investierte man enorme Kräfte und Ressourcen in den Schutz von wertvollen Gegenständen. Der Stollen in Siegen wurde unter Beaufsichtigung des Provinzialkonservators des Rheinlands durch die Stadtverwaltung Siegen aufwendig zum Schutzraum umfunktioniert. Vier Wochen lang stellte man ein Pionierarbeitskommando bestehend aus 15 Personen zur Verfügung, die den Stollen isolierten und vermauerten.51 Auch Fußböden und Trennwände wurden angebracht sowie eine Heizung installiert.52 Ab 1944 lagerten im Bergungsstollen höchst wertvolle Objekte des Rheinlands, wie der Aachener Domschatz und die Gemälde des Suermondt-Museums in Aachen.53 Erste Rückführungen von Kölner Kulturgut aus Süddeutschland vor Kriegsende wurden ebenfalls für die Einlagerung in Siegen bestimmt. Wolff Metternich berichtete im Oktober 1944: Im Laufe der letzten drei Wochen sind alle erstrangigen Kunstwerke aus den süd- und mitteldeutschen, sowie den rechtsrheinischen Depots und, soweit eben möglich, aus linksrheinischem Gebiet (auch aus Köln) nach Siegen gebracht worden (Domschatz aus Aachen, Kirchenschätze aus Essen, Köln, Siegburg u. s. w., Walraff-Richartz-Museum Köln, Museum in Aachen, Essen, Krefeld, Wuppertal, Bonn sowie reichhaltiger Privatbesitz). Einige wenige Transporte, zu denen auch die Türen von Maria im Kapitol gehören, werden in dieser Woche ausgeführt.54

Nach Kriegsende übernahmen der amerikanische Kunstschutz – MFAA (Monuments, Fine Arts, and Archives) – die Verantwortung für die Kunstschätze im Siegener Depot (s. u.) und richtete dort sogar ein provisorisches Museum, das ‚Golden Arrow Art Museum‘, ein.

1.5 Die Madonna mit Veilchen: unser Schmerzenskind Das monumentale Marienbild „Madonna mit dem Veilchen“ ist ein Werk des wohl berühmtesten Kölner Künstlers im Mittelalter, Stefan Lochner (1451 gestorben). Auftraggeberin war Elisabeth von Reichenstein, seit 1443 Äbtissin des Kölner Caecilienstiftes. Sie kniet zu Füßen der in fließende Gewänder königlich gekleideten Madonna, die ein Veilchen, ein Symbol der Demut, in der linken Hand hält. Seit 1853 befindet sich das Gemälde als Leihgabe des Priesterseminars im Kunstmuseum des Kölner Erzbistums, dem heutigen Museum 50 Ebd. 51 ALVR 11234, Niederschrift Wolff Metternichs „über die Besichtigung des Bergungsstollens für Kunstwerke in Siegen am 30. September 1944“. 52 Ebd. 53 ALVR 11234, Notiz vom 11. 09. 1944. 54 ALVR 11234, Abschrift eines Briefs Wolff Metternichs vom 02. 10. 1944 „Betr. Die Bergung von Kunstschätzen in Köln“.

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Abb. 3  Stefan Lochner, Muttergottes mit dem Veilchen (vor 1450), Erzbischöfliches Diözesanmuseum, Köln.

Kolumba in Köln (Abb. 3). Anhand d ­ ieses Gemäldes soll hier aufgezeigt werden, wie häufig Kunstwerke den Sicherungsort wechselten und in w ­ elche Konfliktsituationen sich die Archivare begaben, um Kunstwerke zu retten. Außerdem zeigt das Beispiel, dass nicht nur die Bergungsorte, sondern auch jedes ausgelagerte Kunstobjekt auf seinen konservatorischen Zustand geprüft werden musste. Die Veilchenmadonna war nach Kriegsausbruch zunächst in die Kapelle des Priesterseminars Bensberg geborgen worden, wo sich ein Lazarett befand und die Räumlichkeiten als sicher galten. 1941 wurde das Priesterseminar jedoch als staatsfeindliches Eigentum beschlagnahmt, und die Madonna gelangte zurück nach Köln.55 Der Bonner Kirchenhistoriker Wilhelm Neuß (1880 – 1965) brachte das Werk im Verlauf des Sommers 1941 von 55 Wilhelm Neuss, Die Rettung des Kölner Diözesanmuseums. Ein abgewehrter Göring-Anschlag, in: ders. (Hg.), Krieg und Kunst im Erzbistum Köln und Bistum Aachen, Mönchen-Gladbach 1948,

Betrifft: Kunstschutz im Kriege  I  447

Köln ins Schloss Kalbeck bei Goch, das sich im Besitz der Freiherrn von Vittinghoff-Schell befand.56 Der Zeitzeugenbericht von Felix Freiherr von Vittinghoff (1910 – 1992) zeigt jedoch, dass dies eine Sicherung vor dem Zugriff von Reichsmarschall Göring war: Ich kam einmal (…) auf Urlaub nach Hause, da führte mich meine M ­ utter in einen abgelegenen Raum und dort stand – wer beschreibt mein Erstaunen – Stephan Lochners Madonna mit dem Veilchen aus dem Erzbischöflichen Museum in Köln. Was war geschehen? Hermann Göring, der Prachtliebende, hatte grosses Interesse bekundet, ­dieses herrliche, unendlich wertvolle Gemälde für seine Privatgalerie zu erwerben – Geld in Reichsmark hätte vermutlich keine Rolle gespielt. Prof [Wilhelm] Neuss, Wilhelm Kisky und Carl Wilkes – alles gute Freunde meines Vaters – hatten von der Sache Wind bekommen und die Madonna nach Kalbeck gebracht! Bald darauf erschien es aber auch dort nicht mehr in Sicherheit, und so brachte Dr. Wilkes das Bild in einer Nacht- und Nebel-Aktion nach Westfalen, irgendwo weit hinter Paderborn, wo es den Krieg überdauert hat (…).57

In der Tat wurde das Gemälde im August 1942 von Wilkes auf das Schloss Niesen östlich von Paderborn, das sich ebenfalls im Besitz der Freiherren von Vittinghoff-Schell befand, gebracht.58 Am 7. September 1943 taucht das Werk in den Akten erstmals im Zusammenhang mit zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen auf. Für die Restaurierungen an den Bergungsorten standen dem Provinzialkonservatoren nicht viele Arbeitskräfte zur Verfügung. Als sehr hilfreich erwies sich der Düsseldorfer Restaurator Ernst Kohler, der zahlreiche Besichtigungen an den Bergungsorten begleitete und vor allem Werke in Alme, Niesen und Warstein betreute.59 Da die Veilchenmadonna bereits größere Schäden aufwies, wurde sie 1943 durch Kohler restauriert und anschließend in die Wohnräume des Schlosses gehängt, um in ein durch Beheizung konstanteres Klima zu kommen. Im April 1944 meldete Wilkes auf Niesen, dass die Veilchenmadonna Blasenbildungen aufweise, betitelte Lochners Werk als unser Schmerzenskind  60 und forderte Herrn Kohler dringend an. Der Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf schrieb jedoch am 7. April 1944 an Wolff Metternich, dass die Arbeiten für das S. 15 – 22, hier S. 16 f.; Joachim M. Plotzek (Hg.), 150 Jahre! 1853 – 2003 (Ausstellung „Schenkungen“ Diözesanmuseum Köln), Köln 2003, S. 22. 56 NL FGWM, Nr. 200, Eintrag vom 23. 10. 1941 im Tagebuch: Brüssel – Reise nach Bonn (…). Abends kommt Prof. Neuss, der mir tief bestürzt mitteilt, dass die Madonna mit der Veilchenblühte v. Lochner, die in Calbeck geborgen ist, weggeholt werden soll. Ein guter Auftakt für meinen Aufenthalt in der Heimat! 57 Zeitzeugenbericht von Felix Freiherr von Vittinghoff-Schell von 1981, in: Felix Freiherr von Vitting­ hoff gen. Schell 1910 – 1992 (Weezer Archiv 5), Weeze 2010, S. 68 f. 58 Washington, D. C. 2004, Roll 1, Target 12, Lists from Count Metternich: Lochners Veilchenmadonna (Wallraf-Richartz (?) ursprünglich in Haus Kaelbeck bei Goch in August 1942 von Dr. Wilkes geborgen nach Schloss Niesen. 59 BrwA 1, Nr. 335, Schreiben Wilkes an Kohler vom 15. 02. 1943, Schreiben Wilkes an Kohler vom 29. 05. 1943 und Schreiben Wilkes an Kohler vom 04. 04. 1944. 60 Ebd.

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Kunstmuseum Düsseldorf so zeitintensiv ­seien, dass Herr Kohler nur in den dringendsten Fällen zur Restaurierung wichtiger Werke oder zur Kontrolle von Gemäldedepots zur Verfügung stehe.61 Ein Bericht Kiskys an Wolff Metternich vom 8. Dezember 1944 belegt, dass sich die Madonna weiterhin in Niesen in Raum 3 (kleineres Zimmer)62 befand. 1949 hält Kisky in seinem publiziertem Tätigkeitsbericht fest, dass besagtes Werk „nicht aus dem Bombenhagel, aber aus den Händen des ‚Reichsmarschalls‘ und der Gestapo gerettet [werden konnte].“ 63

2 Nach dem Zweiten Weltkrieg 2.1 Rückführungen ab 1945 und die Central Collecting Points Die Rückführungen der Kulturgüter nach Kriegsende waren ein komplexer Prozess, der mehrere Jahre andauerte. Grund dafür waren zum einen die teils zerstörten oder stark beschädigten Museen, ­Kirchen und Privathäuser, ­welche die Objekte vor der Auslagerung beherbergten, zum anderen bürokratische Hürden. Im geteilten Deutschland mussten für die Auslieferung und Rückführung verschiedene Zonengrenzen überquert werden, die verschiedenste Genehmigungen benötigten und andauernde Verhandlungen mit den jeweiligen Militärbehörden mit sich brachten.64 So berichtete Carl Wilkes am 20. Oktober 1945 an Theodor Wildeman: In der vergangenen Woche habe ich auf Weisung der [britischen] Militärregierung die mir anvertrauten Bergungsgüter restlos aus Warstein nach Schloß Dyck verbracht (…). Montag gehe ich nach Alme und Niesen, um von dort das Trierer Bergungsgut nach Trier zu geleiten. Der Abtransport der in die NordRheinprovinz gehörigen Bergungsgüter aus Bürresheim soll auch noch vor dem Winter erfolgen (…).65

Deutlicher werden die Schwierigkeiten der Rückführung in einer Gesprächsnotiz Wolff Metternichs über eine Besprechung bei der britischen Militärregierung am 25. Januar 1946 in Düsseldorf, u. a. mit Major Perry. Darin legten beide Parteien den Rahmen der Rückgabeaktion fest: (…) Das Bergungsgut in den öffentlichen Depots ist also nicht beschlagnahmt, sondern untersteht lediglich der Aufsicht der Besatzungsbehörde. Diese ist grundsätzlich damit einverstanden, die v­ erschiedenen

61 Ebd. 62 Ebd., Nr. 361. 63 Kisky, Archivberatungsstelle (wie Anm. 4), S. 2. 64 Petra Weiß, Die Bergung von Kulturgütern auf der Feste Ehrenbreitstein, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 26 (2000), S. 421 – 451, hier S. 448. 65 BrwA 1, Nr. 377.

Betrifft: Kunstschutz im Kriege  I  449

geborgenen Kunstgegenstände ihren Eigentümern (Kirchen, Städten und Privateigentümern) zurückzugeben, sofern eine sachgemäße Unterbringung der Gegenstände gewährleistet ist. Kann für eine ­solche nicht gesorgt werden, so würden die Kunstgegenstände unter sachgemäßer Aufsicht und Pflege in einem der Sammeldepots (Schloss Dyck, Schloss Hugenpoet) untergebracht und vorläufig für den Eigentümer aufbewahrt.66

Zusätzlich wurde auf Schloss Gymnich ein Depot für Archive und Bibliotheken eingerichtet. Alle Anträge auf Rückgabe liefen über den Provinzialkonservator: Eine Rückgabe erfolgte nur, wenn die Kunstgegenstände nachweislich keine Kriegserwerbungen waren. Ansonsten wurden sie in gesonderten Depoträumen separiert. Anhand von Einlieferungsbelegen, Eigentumsnachweisen und Versicherungsunterlagen versuchte man, die geborgenen Objekte an ihre rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben. Die Militärregierung unterstrich ausdrücklich, dass es ihr Wunsch sei, die Kunstwerke möglichst bald wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.67 Schon mit den Invasionsplänen von 1943 war die Suche nach Kunstwerken und deren Sicherung durch die amerikanischen Truppen vorbereitet worden. Die Amerikaner hatten sogar innerhalb des Hauptquartiers der alliierten Invasionstruppen, SHAEF (Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force), eine Abteilung für den Kulturgüterschutz eingerichtet.68 Die Abteilung MFAA (Monuments, Fine Arts, and Archives), ein freier Stab von wenigen Offizieren im niederen Rang ohne eine Truppenzugehörigkeit, sollte die Kunstwerke aufspüren und s­ chützen.69 Da noch keine Sammellager existierten, gaben sie die Kunstwerke zunächst in lokale Sicherung. Ab Mai 1945 richtete die MFAA Sammelstellen ein (u. a. in Siegen), von denen letztlich nur noch vier als Central Collecting Points übrig blieben.70 In Siegen kam es am 6. April 1945 zur offiziellen Beschlagnahmung der im Bergungsort des Stollens (s. o.) gelagerten Kunst- und Kulturgüter durch die 8. Infanterie-Division.71 Das rechtsrheinische Siegen wurde für die Amerikaner schnell zu einem ersten Sammellager mit Besichtigungsbetrieb. Eine Kunstausstellung für die Soldaten wurde im Stollen eingerichtet, wie Filmaufnahmen der amerikanischen Wochenschau belegen. Den Eingang des Stollens zierte ein handgeschriebenes Schild mit der Aufschrift: „‚Golden Arrow Art Museum‘. Siegen Copper Mine. European Art Treasure Restored Paintings of the Old Masters Rembrandt – Rubens – Van Dyck – Delacroix – van Gogh – Holbein. Bones and Crown of Charlemagne, original Music by Beethoven discovered and guarded by the 8th Infantry Division.“ 72 Die 66 Ebd. 67 Ebd. 68 Van den Brink, Katalog (wie Anm. 6), S. 38. 69 Ebd. 70 Ebd. 71 Ebd. 72 Ebd.

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Ausstellungsbeschreibung gibt Aufschluss über die im Stollen in Schutz gebrachten Werke oder, wie Wolff Metternich sie nannte, die wichtigsten Kunstschätze der Provinz.73 Aus Siegen erfolgte am 26. Mai 1945 beispielsweise die Rückführung des Aachener Domschatzes nach Aachen, eingelagerte Gemälde und andere Bestände gelangten dann Anfang Juni in die Zentrale Sammelstelle in Marburg. Auch hier sind wiederum die Akten aus den Central Collecting Points in Marburg und Wiesbaden hilfreich, denn sie erlauben es, den Weg des Bergungsgutes weiter nachzuvollziehen. Allerdings sind die Aufzeichnungen keinesfalls lückenlos, denn zahlreiche Kulturgüter fanden nie den Weg an ihren Ursprungsort zurück. Dass viele Kunstgüter in den Bergungsorten verschwanden und nicht wieder an ihre rechtmäßigen Besitzer*innen zurückgegeben werden konnten, zeigt unter anderem der Bestand des heutigen Suermondt-Ludwig-Museums in Aachen. Im Rahmen der Ausstellung „Schattengalerie“ von 2014 konnten die Verluste während der Kriegsjahre aufgearbeitet werden. Für viele weitere rheinische Museen können die Quellen zur Auslagerung, ­welche in Brauweiler lagern, für die Erforschung der Provenienzen von Kulturgütern wichtig sein, Lücken schließen und Verlustgeschichten rekonstruieren. Anders sieht die Aktenlage für das Depot Schloss Dyck aus, wo in der Nachkriegszeit auch Kriegserwerbungen aus den besetzten Gebieten geborgen wurden. Um den Weg dieser Erwerbungen richtig nachvollziehen zu können, müssen weitere Quellen herangezogen werden. Welche Objekte konnten zurückgegeben werden und ­welche befinden sich womöglich noch in deutschen Sammlungen?

2.2 Die Bergung privater Bestände und ihre Rückführung Anhand der Sammlung des Postbeamten Kasimir Hagen in Köln lässt sich abschließend die Sicherung privater Kunstsammlungen bis zur Rückgabe durch die Alliierten nachvollziehen. Der Kunstschutz erstreckte sich zu Beginn des Krieges nur auf besonders hochwertige, international bekannte oder national wichtige Kunstwerke. Wegen des Voranschreitens des Luftkrieges und der bereits erlittenen Verluste an Werken mittlerer Qualität wurde es notwendig, die Schutzmaßnahmen zu erweitern und auch private Sammlungen einzubeziehen.74 Da der Bergungsraum jedoch knapp war, waren auch hier Priorisierungen in der Wahl der Privatbesitztümer notwendig. 1943 hieß es in Bezug auf die Ausweitung des Kunstschutzes: Die Kunstschutzbeauftragten beraten den Eigentümer bei der Auswahl der zu bergenden Dinge (die den eigentlichen Kunstschutz geniessenden Dinge werden von ihm übernommen). Die Durchführung des Transports wird zweckmässig von den Städten übernommen, die wiederum bei der Auswahl der 73 BrwA 1, Nr. 382, Bericht Wolff Metternichs „Kunstschutz: bewegliches Kunstgut“ von 1944. 74 BrwA 1, Nr. 372, Bericht der Sitzung der Kunstschutzbeauftragten vom 22. 10. 1943.

Betrifft: Kunstschutz im Kriege  I  451

Bergungsorte vom Kunstschutzbeauftragten beraten werden. Der Kunstschutzbeauftragte übernimmt keinerlei Verantwortung.75

Als bergungswürdig erschien den Kunstschutzbeauftragten die Sammlung Kasimir Hagen (1887 – 1965). Hagen, 1887 in Bonn geboren, war in Köln zeitweise als Galerist tätig.76 In den 1920er Jahren stand er mit den Kölner Progressiven, den Expressionisten und Surrealisten wie Max Ernst in engem Kontakt.77 Aus den Archivquellen geht hervor, dass er bis 1923 Postbeamter gewesen war, wegen unheilbarer Krankheit jedoch 1923 pensioniert wurde.78 Seine Sammlung hatte er ab 1905/1906 zusammengetragen. Er sammelte nicht nur Werke der klassischen Moderne, sondern auch Gemälde Alter Meister, Grafiken, Skulpturen und Möbel. Am 26. Februar 1944 sicherten die Kunstschutzbeauftragten seine wertvollen Kunstgegenstände gemeinsam mit weiterem Privatbesitz aus Opladen in den Bergungsort Helmern bei Paderborn.79 Die Bergungen wurde kleinteilig in Akten dokumentiert, die unter anderem Besitznachweise der Eheleute Hagen im Jahr 1944 enthalten.80 Diese waren für die Rückführung schließlich besonders wichtig, denn sie belegen den rechtmäßigen Erwerb dieser Gegenstände vor dem Krieg. Auch findet sich ein Fragebogen der alliierten Militärregierung in den Akten, w ­ elchen Hagen für die Rückgabe der Kulturgüter am 1. Oktober 1945 ausfüllen 81 musste. So versuchte man zu klären, ob der Rückfordernde auch die Besitzrechte an den Objekten besaß, dieser in der NSDAP aktiv gewesen oder die Objekte vielleicht unrechtmäßig während der Kriegsjahre erworben worden waren. In seinem Schreiben an den Provinzialkonservator führt Hagen an: Durch diese Massnahme will die amerikanische Militärregierung feststellen, ob sich in den Verwahrstücken Gegenstände befinden, die laut Gesetz 52 und 53 der Beschlagnahme unterliegen (Devisen, Wertpapiere, gemünztes Geld, Gold, Silber-, Platinbarren usw.).82 Die eingelagerten Kisten mussten im Beisein der Militärregierung geöffnet und vorgezeigt werden. Da Hagen selber aus gesundheitlichen Gründen dazu nicht fähig war, 75 Ebd. 76 Roland Krischel/Iris Schaefer, Ein unbekanntes Gemälde des Jacob Cornelisz. Van Oostsanen, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 70 (2009), S. 81 – 188, hier S. 81. 77 Ebd. 78 BrwA 1, Nr. 353, enthält den durch Kasimir Hagen am 01. 10. 1945 ausgefüllten Fragebogen des „Military Government of Germany“ mit Angaben zu folgenden Punkten: Mitgliedschaft in der NSDAP, Tätigkeiten in der NSDAP oder Hilfsorganisationen, Schriftwerke und Reden, Dienstverhältnis, Einkommen, Militärdienst, Auslandseisen und Politische Mitgliedschaft. 79 BrwA 1, Nr. 340, ein Schreiben Wilkes vom 21. 06. 1944 belegt den geplanten Transport an den Bestimmungort Helmern, nachdem am 05. 06. 1944 eine Übernahme in das Depot des Provinzialkonservators an mangelndem Treibstoff für die Fernfahrt gescheitert war. 80 BrwA 1, Nr. 372. 81 BrwA 1, Nr. 353. 82 Ebd.

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übertrug er eine Vollmacht auf die Provinzialverwaltung.83 Wegen der zufriedenstellenden Besitznachweise war es Hagen möglich, seine Sammlung zurückzuerhalten. Später verteilte er seine Sammlung auf einzelne Schenkungen, in ­welchen er u. a. die Städte Kranenburg, Bonn und Rheine bedachte. Auch die Stadt Köln nahm 1957 ein Schenkungsangebot an und erhielt 107 Objekte der Kollektion.84

Fazit Durchgeführt von der Archivberatungsstelle der Rheinprovinz, begannen die Maßnahmen zum Kunstschutz bereits im Sommer 1939. Vor allem die Überlieferung der Archivberatungsstelle, ­welche sich im Archiv des Landschaftsverbandes in Pulheim-Brauweiler befindet, lässt die Vorgänge zur Auffindung, Belegung und Instandhaltung der Bergungsorte nachvollziehen. Für die Bereitstellung von geeigneten großflächigen Depots kamen den Konservatoren die guten Beziehungen der Archivare zu den Adligen und Schlossbesitzern zugute. Die archivischen Quellen bieten nicht nur eindrucksvolle Schilderungen der Bergungsaktionen und der Schwierigkeiten während der Kriegsjahre, sie ermöglichen es auch, den Weg einzelner Auslagerungsobjekte zu verfolgen. Daher sind sie besonders für die Provenienzforschung wertvoll, deren Ziel es ist, eine vollständige Überlieferungskette von der Herstellung und Entstehung des Objektes bis zu seinem heutigen Besitzenden zu erschließen. Das Wissen über die Aufbewahrungsorte, besonders während der Kriegsjahre, spielt eine wichtige Rolle bei der Rekonstruktion dieser Objektbiografien. Wohin, durch wen und wann wurde das Objekt ausgelagert? Gab es Zwischenstationen? Gibt es Belege dafür, dass es wieder zu seinem rechtmäßigen Besitzer zurückgelangte? All diese Fragen können mit den Akten im Archiv des LVR beantwortet werden: Sie erklären gewisse Schäden an den Objekten oder ihren jetzigen Zustand wie auch ihren Aufbewahrungsort. Dies veranschaulicht besonders der geschilderte Fall der Veilchenmadonna von Lochner. Besonders die Akten der Archivberatungsstelle sind somit von unschätzbarem Wert für die Kulturregion Rheinland.

83 Ebd. 84 Krischel/Schaefer, Gemälde (wie Anm. 76), S. 81.

Betrifft: Kunstschutz im Kriege  I  453

Die Glockenbeschlagnahme im Rheinland während der Weltkriege Katharina Schmude

Während der Weltkriege sind in Deutschland zahlreiche sakrale und profane Glocken zusammen mit weiteren Gegenständen aus Buntmetallen für die Kriegsrüstung beschlagnahmt worden. Um einen vollständigen Überblick über den Glockenbestand im Deutschen Reich zu gewinnen, wurden alle Glocken in geistlichem und weltlichem Besitz, von denen zuvor nur die wertvollsten in Denkmälerinventaren beschrieben worden waren, ab 1917 systematisch erfasst. Die Glockeninventarisationen gaben in der Folge „einen ersten Anstoß zur Glockenforschung“ 1 und Bewusstseinsbildung der Öffentlichkeit. Im Folgenden sollen diese Inventarisation sowie die Beschlagnahme von Glocken aus Kirchengemeinden während der beiden Weltkriege anhand einiger Beispiele näher untersucht und die Restitutionsprozesse nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges beschrieben werden. Anschließend geht der Text auf die komplizierten Restitutionsprozesse nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein.

1 Inventarisierung und Beschlagnahmung von Glocken im Ersten Weltkrieg 1.1 Buntmetalle für die Kriegsrüstung Die für den E ­ rsten Weltkrieg produzierten Waffen, Munitionen und Fahrzeuge bestanden hauptsächlich aus Metall. Neben Eisen wurden vor allem Buntmetalle wie Kupfer, Messing, Zinn und Zink verarbeitet. Diese Rohstoffe hatte das Deutsche Reich überwiegend importiert.2 Durch den Abbruch von Handelsbeziehungen in Kriegszeiten wurden Einfuhren solcher Metalle fast unmöglich. Für die Produktion von Rüstungsgütern wie Granaten und Geschosshülsen, aber auch für Elektrokabel, Funkgeräte und Konservendosen benötigte man in erster Linie Kupfer und Zinn. Die Produktion an Kupfer im Deutschen Reich entsprach 1 Petra Adamek-Pohl u. a., Edmund Renard (1871 – 1932), Provinzialkonservator der Rheinprovinz, in: Rheinische Heimatpflege/Mitteilungen des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz 4 (1991), S. 246. 2 Für das Folgende siehe Rainer Thümmel u. a., Als die Glocken ins Feld zogen. Die Vernichtung sächsischer Bronzeglocken im ­Ersten Weltkrieg, Leipzig 2017, S. 35 – 37.

aber nur etwa 20 Prozent des Verbrauchs, der Bedarf an Zinn musste nahezu vollständig durch Importe gedeckt werden. Schon Ende des Jahres 1914 wurde deshalb die Bevölkerung dazu aufgerufen, Haushaltsgegenstände aus Kupfer, Zinn und anderen Buntmetallen, wie Aluminium und Zink, an zentrale Sammelstellen abzugeben. Die beim Guss von Bronzeglocken zum Einsatz kommende Legierung besteht zu etwa 22 Prozent aus Zinn und zu etwa 78 Prozent aus Kupfer und ähnelt damit dem Werkstoff für historische Kriegswaffen. Deren Guss enthielt aber einen geringeren Anteil von Zinn. Seit dem 15. und bis ins 19. Jahrhundert fertigten Glockengießer deshalb „neben den Glocken für ­Kirchen, Schlösser und Rathäuser auch Kanonen.“ 3 Im ­Ersten Weltkrieg waren Artillerieeinheiten bereits mit Stahlrohrgeschützen bewaffnet, Bronze benötigte man jedoch weiterhin zur Herstellung von Munition.4 Das Anliegen, nach Haushaltsmetallen auch Bronzeglocken zu enteignen, erreichte die Bevölkerung nach dem sogenannten „Steckrübenwinter“ 1916/1917, als die Lebensmittelversorgung einen Tiefpunkt erreichte, die Kohleförderung zurückging und der Transport von Kohle gleichzeitig wegen der Beanspruchung des Eisenbahnverkehrs durch militärische Aufgaben eingeschränkt wurde.5 Nachdem sich bei zunehmender Dauer des Krieges auch in der Rüstungsindustrie der Mangel an Buntmetallen bemerkbar machte, hatte das Ministerium der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten (Kultusministerium) schon am 7. Januar 1916 ein als vertraulich gekennzeichnetes Schreiben an die Oberpräsidenten der preußischen Provinzen versandt, worin die freiwillige Abgabe von figürlichen Bronzedenkmälern an die Metallmobilmachungsstelle zur Gewinnung von Kupfer für den Heeresbedarf   6 angeregt worden war. Im folgenden Jahr wandten sich die Behörden dann auch den K ­ irchen zu, die neben Glocken auch über Orgelpfeifen aus Zinn, Kerzenleuchter und Kupferbedachungen verfügten. Die beabsichtigte Glockenbeschlagnahme wurde dabei von den anderen Metallablieferungen getrennt organisiert.

1.2 Der Beginn der Inventarisation und die Reaktion aus Fachkreisen Am 1. März 1917 veröffentlichte die beim Kriegsministerium angesiedelte Metallmobilmachungsstelle eine Bekanntmachung betreffend Beschlagnahme, Bestandserhebung und Enteignung sowie freiwillige Ablieferung von Glocken aus Bronze nebst einer Anweisung an die Kommunal 3 Ebd., S. 39. 4 Ebd., S. 46. 5 Zur Kriegs- und Agrarwirtschaft siehe Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4. Vom Beginn des E ­ rsten Weltkrieges bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914 – 1949, München 2003, S. 47 – 64. 6 Stadtarchiv Duisburg (künftig StA Duisburg), Best. 50, Nr. 448, unfol., Schreiben des Ministeriums der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten an die Oberpräsidenten, 07. 01. 1916.

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verbände,7 die mit der Durchführung der Bekanntmachung und Enteignungsanordnungen beauftragt waren. Von der Beschlagnahme betroffen waren demnach: alle natürlichen und juristischen Personen, ­welche (…) Bronzeglocken im Besitz oder Gewahrsam haben, insbesondere Verwaltungen usw. von ­Kirchen, Klöstern und Kapellen, Strafanstalten, Rathäusern und sonstigen öffentlichen Gebäuden, (…) ferner Betriebe und Werkstätten, die neue Glocken gießen.

Ausnahmen galten für Bronzeglocken, deren Einzelgewicht weniger als 20 Kilogramm betrug, Glocken in mechanisch betriebenen Glockenspielen sowie Glocken für Signalzwecke. In der Folge unterlagen alle Glocken einer Meldepflicht und waren bei in den Kommunen einzurichtenden Sammelstellen gegen einen Übernahmepreis, der sich nach dem Gewicht bemaß, abzuliefern. Von der Beschlagnahme, Enteignung und Ablieferung vorerst befreit waren weiterhin ­solche Glocken, deren besonderer wissenschaftlicher, geschichtlicher oder Kunstwert durch Sachverständige festgestellt wurde. An diese noch zu ernennenden Gutachter waren auch Anträge auf Befreiung von der Beschlagnahme zu richten. Eine Meldepflicht galt jedoch auch für s­olche zurückgestellten Glocken. Zusätzlich wurde jeder Kirchengemeinde eine Glocke als Läuteglocke für den Gottesdienst belassen, diese hatte die kleinste zu sein, wenn keine Kunstglocke vorhanden war. Alle Glocken wurden in die Klassen bzw. Gruppen A (ohne Kunstwert), B oder C (hoher Kunstwert) eingeteilt, wobei jene der Kategorie A sofort abzuliefern und die als besonders wertvoll erachteten, häufig mittelalterlichen Glocken der Klasse C von der Beschlagnahme befreit waren. Diejenigen Glocken, denen nur ein mäßiger Kunstwert zugestanden wurde, waren der Gruppe B zuzuteilen und zunächst noch von der Ablieferung befreit. Die kommunalen Behörden hatten die Gesamtzahl der eingegangenen Meldungen und das Gesamtgewicht in den einzelnen Gruppen bis zum 14. April 1917 der Metallmobilmachungsstelle beim Kriegsministerium mitzuteilen und bis zum 15. Juli 1917 Gutachten über die als wertvoll erachteten Glocken einzuholen. Die Nachricht von der beabsichtigten Enteignung einer derart großen Zahl von Glocken, wobei vor allem Kirchenglocken betroffen waren, verbreitete sich schnell. Anfang April erschien in den „Dresdner Neuesten Nachrichten“ ein doppelseitiger Beitrag, betitelt Die Enteignung der Glocken, von Johannes Biehle, Professor am Physikalischen Institut der Technischen Hochschule Dresden, der die materielle Seite, wie die Requirierung einzelner Glocken und den Übernahmepreis, aber auch die ideelle Seite, nämlich die pietätvolle Überlieferung und die Wechselwirkung ­zwischen K ­ irche und Krieg  8 zum Gegenstand hatte. 7 Im Folgenden zit. nach ebd., Nr. 448, unfol., Bekanntmachung der Metallmobilmachungsstelle betreffend Beschlagnahme, Bestandserhebung und Enteignung (…), 01. 03. 1917. 8 Evangelisches Zentralarchiv, Berlin (künftig EZA) 7/2954, unfol., Sonderabdruck aus den Dresdner Neuesten Nachrichten Nr. 89 und 90, 03. und 04. 04. 1917. Johannes Biehle wechselte 1919 nach Berlin

Die Glockenbeschlagnahme im Rheinland während der Weltkriege  I  457

Weitere Sachverständige wandten sich an die Behörden, so etwa der Lehrer am Königlichen Akademischen Institut für Kirchenmusik in Berlin-Charlottenburg, Carl Thiel, der einen gutachterlichen Bericht über die Berücksichtigung des musikalischen Kunstwerts einer Glocke  9 verfasste und an das Ministerium der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten sandte, von wo der Unterstaatssekretär Hermann von Chappuis ihn an die preußischen Oberpräsidenten weiterleitete. Nicht nur der historische oder künstlerische Wert, sondern auch der besondere musikalische Klang einer Glocke oder eines Geläuts sollte in die Begutachtung einbezogen werden. Am 20. April 1917 fand im Ministerium der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten eine Besprechung statt, bei der vorgeschlagen wurde, zur Wahrung der allgemeinen kunst- und musikwissenschaftlichen Interessen (…) eine aus einem Kunstgelehrten, einem Musikverständigen und einem Denkmalpfleger bestehende Kommission zu berufen, deren Mitglieder durch Bereisungen der einzelnen Landesteile eine Übersicht (…) über die Bestandsaufnahme 10 abgeben sollten. Zu Mitgliedern dieser Kommission wurden unter anderem Carl Thiel (1862 – 1939) und der Konservator Robert Hiecke (1876 – 1962) berufen. Eine weitere Maßnahme d ­ ieses Ministeriums in Zusammenarbeit mit den Kirchenbehörden, den örtlichen Geistlichen und Lehrern sowie heimatkundlichen Vereinen war die beabsichtigte Sammlung der mannigfachen Sagen und Bräuche,11 die in den einzelnen Gemeinden mit den Glocken verbunden waren, sowie von Spruchinschriften zur späteren wissenschaftlichen Bearbeitung.

1.3 Zwei Beispiele aus dem Rheinland: Kirchengemeinde St. Dionysius in Walsum und Marienwallfahrtskirche St. Johannes Baptist in Bruchhausen Dem rheinischen Provinzialkonservator Edmund Renard (1871 – 1932) war vom Kultusminister die systematische Inventarisation der Metallsammlung in den rund 800 Sammelstellen der preußischen Rheinprovinz übertragen worden.12 In der ganzen Rheinprovinz kamen und errichtete an der dortigen Technischen Hochschule das Institut für Raum- und Bau­akustik, Kirchenbau, Orgel-, Glockenwesen und Kirchenmusik sowie eine heute verlorene Sammlung. Siehe Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik (Hg.), Sammlung für Raumakustik, Kirchenbau, Glockenwesen und Orgelbau, in: Universitätssammlungen in Deutschland: http:// www.universitaetssammlungen.de/sammlung/1160/geschichte (Stand: 29. 08. 2021). 9 EZA 7/2954, Schreiben (Runderlass) des Ministers der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten an die Oberpräsidenten, 03. 04. 1917, mit Anlage. 10 Ebd., unfol., Schreiben des Ministers der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten an den Evangelischen Oberkirchenrat, 22. 05. 1917. 11 Ebd., unfol., Schreiben des Ministers der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten an den Evangelischen Oberkirchenrat, 02. 08. 1917. 12 Adamek-Pohl, Edmund Renard (1871 – 1932) (wie Anm. 1), S. 246.

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­ emnach rund 4000 Kirchengebäude zur Begutachtung in Frage.13 Noch im März ernannte d der Oberpräsident auf Empfehlung des Provinzialkonservators weitere Sachverständige für die einzelnen Regierungsbezirke. Im rechtsrheinischen Teil des Regierungsbezirks Düsseldorf war demnach Rudolf Roth, Leiter des Bergischen Museums Schloss Burg an der Wupper, für die systematische Erfassung der Glocken zuständig.14 Zur Bestandserhebung hatten die Kommunalbehörden Meldebögen an Kirchengemeinden und andere Besitzer von Glocken versandt. Auf diese Art hatte auch die katholische Kirchengemeinde St. Dionysius in Walsum (heute zu Duisburg gehörig) zwei Bronzeglocken aus dem 15. Jahrhundert gemeldet. Die größere, ein Werk des Gießers Johann van Dorpmunde, trug die Inschrift SANCTUS JOHANNES HEIT ICH. S. DIONISIUS, S. LAMBERTUS. O REX GLORIAE CHRISTE VENI CUM PACE. JOHAN VAN DORPMUNDE GOIT MI ANNO DOMINI MCCCCLVIII , die kleinere war nur mit

Alpha und Omega bezeichnet.15 Der Kirchenvorstand wies zwar auf den mit hohen Kosten verbundenen Ausbau und die knappe Fristsetzung hin, betonte auch gegenüber dem Fiskus ausdrücklich dessen zu machende Leistungen für die Anschaffung neuer Glocken 16 als Ersatz, konnte jedoch nicht verhindern, dass die beiden Glocken am 30. Juni ausgebaut und am 14. August 1917 bei der örtlichen Zellstoff-Fabrik gewogen wurden. Für ein Gewicht von insgesamt 1486 Kilogramm erhielt die Kirchengemeinde 5458 Mark, da außer einem Übernahmepreis von 2 Mark pro Kilogramm noch 1000 Mark Ausbaukosten erstattet sowie eine Prämie von 1 Mark pro Kilogramm für die Ablieferung vor dem 1. Juli 1917 gezahlt wurde. Die Gemeinde legte diese Summe bei der Gemeindesparkasse an und beabsichtigte, unverzüglich eine kleine Glocke aus Bronze oder Gussstahl für den Schlag der Turmuhr 17 anzuschaffen. Der Erlös aus den Glockenablieferungen sollte in einen

13 Historisches Archiv des Erzbistums Köln (künftig HAEK), CR I 25.14, 25, unfol., Schreiben des Provinzialkonservators an das Erzbischöfliche Generalvikariat, 05. 03. 1917. 14 Landesarchiv NRW, Abt. Rheinland, Duisburg (künnftig LA NRW, Duisburg), BR 0017 Nr. 280, unfol., Bestandserhebung und Beschlagnahme von Bronzeglocken, Schreiben des Oberpräsidenten der Rheinprovinz an die Regierungspräsidenten, 22. 03. 1917. 15 Siehe Paul Clemen, Die Kunstdenkmäler der Stadt Duisburg und der Kreise Mülheim a. d. Ruhr und Ruhrort (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 2, Abt. 2), Düsseldorf 1893, S. 81. Zu den Glocken des Gießers Johann van Dortmund (Dorpmunde) siehe auch Edmund Renard, Von alten rheinischen Glocken, in: Mitteilungen des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz 12 (1918), S. 62. 16 Der Sachverständige Museumsdirektor Roth gab zunächst an, alle Duisburger Glocken s­ eien unter Gruppe A endgültig verzeichnet worden, da keine einen geschichtlichen oder Kunst-Wert habe. Er änderte ­später seine Meinung zugunsten der Glocken der Christuskirche. StA Duisburg, Best. 50, Nr. 448, unfol., Schreiben Rudolf Roths an den Duisburger Oberbürgermeister, 21. 05. 1917 und an das evangelische Gemeindeamt, 25. 06. 1917. 17 LA NRW, Duisburg, BR 0007 Nr. 28387, Schreiben des Kirchenvorstands und des Pfarrers Köster von St. Dionysius in Walsum an die Regierung in Düsseldorf, 20.05. und 28. 08. 1917.

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­ lockenfonds fließen und so bei einem späteren Ersatz der Glocken den Beitragspflichtigen 18 G zugutekommen. Nach Kriegsende erfuhr die Gemeinde, dass ihre Glocken noch existierten, und es gelang ihr, beide zurückzuerwerben, dies war aber eine Ausnahme.19 Die meisten der während des ­Ersten Weltkriegs abgelieferten rheinischen Glocken waren in der Bleihütte Kall GmbH verhüttet worden.20 Für die Regierungsbezirke Köln und Koblenz war Edmund Renard selbst als Sachverständiger tätig und hatte die dort vorhandenen Glocken listenmäßig zu erfassen. Die Aufstellung der geforderten Listen wurde dadurch erschwert, dass in den bereits vor dem Krieg erstellten Denkmälerinventaren nur die wertvollen älteren Glocken bis zum Jahr 1800 verzeichnet waren. Diese Inventarisation war auch in den älteren Bänden unvollständig. Eine möglichst umfassende Aufstellung des gesamten Glockenmaterials sei daher im allgemeinen wissenschaftlichen Interesse, denn es bestehe kein Zweifel daran, dass die bereits wirksame Beschlagnahme bei nicht sorgfältiger Durchführung eine starke Bedrohung des geschichtlich, künstlerisch und ideell überaus reichen und wertvollen Glockenbestandes der Rheinprovinz darstellt.21 Dem Erzbischöflichen Generalvikariat gegenüber benannte Renard als Höhepunkte der Glockengießerkunst im Rheinland die spätgotischen Glocken wegen ihrer guten Form, wertvollen Inschriften und Klangschönheit sowie die Glocken lothringischer Gießer des 17. und 18. Jahrhunderts. Er warnte vor deren freiwilliger Ablieferung und dem Irrtum, dass nach dem Krieg die Beschaffung von Glocken zu den vor dem Krieg üblichen Preisen möglich sei, damit nicht ohne Not Glocken zerstört werden, die ebensowohl kirchlich notwendig wie als geschichtlich und künstlerisch hoch zu achtende Dokumente erhaltenswert sind.22

Im Jahr 1917 wurde über die Hälfte der rheinischen Glocken, darunter vor allem ­solche aus dem 19. Jahrhundert, der Gruppe A zugeteilt. Diese Glocken waren somit von der unmittelbaren Ablieferung betroffen.23 Manche anderen Glocken konnten jedoch nach Erstellung eines günstigen Gutachtens in die Klasse C der zu schützenden Glocken eingetragen werden (Abb. 1). 18 Ebd., Schreiben der Regierung in Düsseldorf an den Kirchenvorstand von St. Dionysius, 19. 12. 1917. 19 Ebd., Nachweisung über Einnahmen und Ausgaben aus Anlass der Beschlagnahme von Gegenständen für Heereszwecke und ihre Ergänzung bei K ­ irchen und Schulgebäuden, zu deren Unterhaltung der Fiskus beitragspflichtig ist. Liste des Hochbauamts Wesel, 23. 06. 1919: Es sind 2 Glocken [aus Walsum] abgeliefert, von denen die eine bereits zurückerworben ist, während die andere (…) von der Kirchengemeinde zurückgekauft werden soll. 20 StA Duisburg, Best. 50, Nr. 448, unfol., Schreiben des Installations-Kontors Duisburg an den Oberbürgermeister der Stadt Duisburg, 12. 07. 1917. 21 HAEK, CR I 25.14, 25, unfol., Schreiben des Provinzialkonservators an das Erzbischöfliche Generalvikariat, 17. 03. 1917. 22 Ebd. 23 Renard, Von alten rheinischen Glocken (wie Anm. 15), S. 5.

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Abb. 1  Glocke von St. Johannes Baptist in Bruchhausen.

Die Marienwallfahrtskirche St. Johannes Baptist in Bruchhausen im Kreis Neuwied verfügte über drei solcher Glocken. Die älteste von ihnen, die wegen ihrer Inschrift so genannte Alte Jesus-Marien-Glocke, war im Jahr 1423 von Christian Duisterwalt gegossen worden. Die beiden anderen stammten aus dem 17. Jahrhundert und wurden von Nicolaus Gomon mit Claudius Lamiral sowie von Johannes Bourlet gefertigt.24 Im April 1917 stellte der Kirchenvorstand dieser Gemeinde den Antrag, den geschichtlichen und Kunstwert unserer Kirchenglocken zur Befreiung von der Beschlagnahme feststellen zu lassen 25, und hob dabei besonders die Klangschönheit und -fülle des örtlichen Geläuts hervor, das sich harmonisch in die Geläute der umliegenden K ­ irchen einordne. Die Glockensachverständigen erreichten in dieser Zeit zunehmend Einwendungen der Pfarrer wegen der Läuteglocken, die den Gemeinden belassen werden sollten, und die ganze Glockenbegutachtung [wuchs] sich allmählich zu einem immer größeren Wirrwarr

24 Gerhard Hoffs, Glocken im Dekanat Königswinter, in: Glockenbücher des Erzbistums Köln, pdfDatei verfügbar unter https://thema.erzbistum-koeln.de/glockenbuch/glockenbuecher/ (Stand: 29. 08. 2021). Siehe auch das Gießerverzeichnis bei Renard, Von alten rheinischen Glocken (wie Anm. 15), S. 61 f., 65, 70. 25 HAEK, Pfarrarchiv Bruchhausen, Nr. 512, unfol., Schreiben des Kirchenvorstands an den Provinzialkonservator, 15. 04. 1917.

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aus.26 Auch der Kirchenvorstand von St. Johannes Baptist in Bruchhausen hatte beantragt, im Falle eines erfolglosen Antrags auf Befreiung von der Beschlagnahme die schwerste Glocke als Läuteglocke behalten zu dürfen, da die beiden anderen nicht in allen Teilen der Pfarre zu hören s­ eien.27 In d ­ iesem Fall wurden jedoch alle drei Glocken von Edmund Renard der Gruppe C zugeordnet, da die älteste Glocke von einem der bedeutendsten rheinischen Glockengießer stammte und bei den anderen zusätzlich zum Altertumswert die musikalische Bedeutung in Frage 28 kam, sodass das ganze Geläut erhalten werden konnte. Insgesamt war die Glockenaktion von großer Eile geprägt. Die zur Mitwirkung aufgerufenen Denkmalpfleger und Museumsleute konnten in der k­ urzen Zeit nicht alle Kirchengemeinden und sonstigen Glockenbesitzer aufsuchen und verfügten bei Beginn der Aktion nur über eine unvollständige Übersicht über den Glockenbestand in der Rheinprovinz. Eine umfangreichere Diskussion zum kunsthistorischen Wert der Glocken scheint erst nach Veröffentlichung der Bekanntmachung vom 1. März 1917 eingesetzt zu haben und wurde zusätzlich durch die Initiative externer Sachverständiger wie Carl Thiel und Johannes Biehle (1870 – 1941) befördert.

1.4 Die Richtlinien zur Begutachtung der Glocken Die am 1. März 1917 in der Anweisung an die Kommunalverbände zunächst mitgeteilten Anleitungen zur Eingruppierung hatten sich bald als unzureichend erwiesen, da sie von den Sachverständigen unterschiedlich ausgelegt wurden. Erst im Januar 1918 ließ die Metallmobilmachungsstelle ausführlichere Richtlinien zur Begutachtung der Bronzeglocken 29 verbreiten. Neben dem musikalischen Wert einer Glocke mussten Schmuck, Inschriften und Persönlichkeit des Gießers berücksichtigt werden. Zudem war über die einzelne Glocke hinaus auch die Anzahl der in einem bestimmten Gebiet vorhandenen gleichartigen Glocken zu beachten und die Gruppe C sollte noch eine möglichst vollständige Übersicht über den deutschen Glockenguss aller Zeiten gewähren.30 Für die Einstufung einzelner Glocken zählten neben der Güte des Gusses und dem Erhaltungszustand vor allem die Bedeutung für die Geschichte des Glockengusses, außerdem die Bedeutung der Inschrift nach Inhalt, Form und

26 HAEK, CR I 25.14, 25, unfol., Schreiben des Provinzialkonservators an das Erzbischöfliche Generalvikariat, 04. 06. 1917. 27 HAEK, Pfarrarchiv Bruchhausen, Nr. 512, unfol., Schreiben des Kirchenvorstands an den Provinzialkonservator, 15. 04. 1917. 28 Ebd., gutachterliches Schreiben des Provinzialkonservators an den Pfarrer Richartz, 18. 04. 1917. 29 HAEK, CR I 25.14, 25, unfol., Richtlinien für die Begutachtung der Bronzeglocken, 22. 01. 1918. 30 Im Folgenden zitiert nach ebd. Siehe auch das Referat Robert Hieckes betreffend die Beschlagnahme der Bronzeglocken im Ministerium der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten am 20. 04. 1917.

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Ausführung, wobei orts- und familiengeschichtliche Inschriften für Anträge auf Befreiung von der Beschlagnahme nicht maßgeblich sein durften. Den ornamentalen und figürlichen Schmuck betreffend empfand man besonders die mit Griffel in den Gussmantel geritzten Darstellungen früher Zeit als bewahrungswürdig, wohingegen die häufiger vorkommenden nach vorhandenen Formen hergestellten plastischen Schmuckelemente durch Aufbewahrung einer Abformung dokumentiert werden sollten. Glocken von offenbar minderwertigem Klang waren nur dann zu s­ chützen, wenn ein herausragender geschichtlicher oder künstlerischer Wert vorlag. Diese Richtlinien, w ­ elche schließlich die zunächst vagen Maßstäbe in der Bekanntmachung vom 1. März 1917 ergänzten, wurden aber erst verbreitet, als viele Glocken bereits abgeliefert waren und gleichzeitig Anfang 1918 vom Kriegsamt eine Nachprüfung der Gruppe B angeordnet wurde.31

1.5 Glocken und Glockenschrott nach 1918 Am 2. Dezember 1918 gab das Kriegsministerium die Einstellung der Metallmobilmachung bekannt. Demnach sollten die noch im Gewahrsam der Sammelstellen befindlichen Bronzeglocken auf Antrag zu den früher gezahlten Übernahmepreisen abzüglich der Ausbaukosten an die Vorbesitzer zurückverkauft werden, wobei bei der Ermittlung der Eigentümer wieder die Provinzialkonservatoren tätig werden sollten.32 Die meisten Kirchengemeinden, die Glocken abgegeben hatten, wollten möglichst bald neue anschaffen. Noch während des Krieges hatte es Versuche gegeben, die verlorenen Bronzeglocken durch ­solche aus Gussstahl zu ersetzen, was traditionell arbeitende Glockengießereien, wie die Gießerei Schilling aus Apolda, mit Sorge erfüllte, da s­olche Glocken minderwertig und wenig haltbar s­ eien.33 Auch Edmund Renard warnte vor der Anschaffung von Gussstahlglocken aus wirtschaftlichen Gründen.34 Nach Kriegsende beschäftigte sich auch die Nationalversammlung mit den Glocken, ihrem Ersatz sowie mit dem noch in den Metallhütten lagernden Glockenschrott. Der Reichswehrminister Gustav Noske ließ auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Wilhelm Steinsdorff antworten, dass nach Eintritt des Waffenstillstandes (…) die Kontingenzbewirtschaftung der Sparmetalle im Interesse einer gesicherten Übergangswirtschaft bestehen blieb und sämtliche Metalle für die produktive Arbeit nutzbar gemacht werden mussten. Deshalb habe man zur Vermeidung unmittelbare[r] Erregung derjenigen Bevölkerungskreise, die nichts 31 Ebd., Schreiben des Provinzialkonservators an das Erzbischöfliche Generalvikariat, 16. 02. 1918. 32 EZA 7/2955, unfol., Mitteilung der Metallmobilmachungsstelle an die beauftragten Behörden, 20. 12. 1918. 33 Ebd., unfol., Schreiben der Firma Schilling an den Ev. Oberkirchenrat, 10. 09. 1917. 34 HAEK CR I 25.14, 25, unfol., Schreiben des Provinzialkonservators an das Erzbischöfliche Generalvikariat, 16. 02. 1918.

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zurückerhalten konnten, und um einem unlauteren Handel mit Reichsgütern vorzubeugen, entschieden, dass abgelieferte Glocken und andere Sparmetalle nur auf Antrag an die Vorbesitzer zurückgegeben würden (jedoch kein Glockenschrott für den Guss neuer Glocken).35 Eine Folge der großen Verluste war die erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber dem noch vorhandenen Bestand. Bereits im Herbst 1919 fand in Torgau in Sachsen der erste Lehrgang für Glockensachverständige statt, geleitet von Johannes Biehle, der inzwischen Professor für Musik und Kirchenmusikdirektor sowie Vorsteher des Instituts für Raum- und Bau-Akustik, Kirchenbau, Orgel-, Glockenwesen und Kirchenmusik an der Technischen Hochschule Berlin geworden war.36 In der Rheinprovinz beriet im folgenden Jahr die evangelische ­Kirche über die Errichtung eines provinzial-kirchlichen Glockenamts 37 und seit 1927 besteht der ökumenische Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen.

2 Glocken während und nach dem Zweiten Weltkrieg 2.1 Die Enteignungen während des Zweiten Weltkriegs: St. Johannes Baptist in Bruchhausen und die Glocke des Schlosses Moyland bei Bedburg-Hau Auch während des Zweiten Weltkrieges wurden alle Glocken in Deutschland systematisch erfasst und für die Rüstungsindustrie beansprucht. Das Kirchliche Amtsblatt der Rheinprovinz verbreitete im Mai 1940 den Beschluss Hermann Görings vom 15. März, wonach die in Glocken aus Bronze enthaltenen Metallmengen (…) zu erfassen [seien] und unverzüglich der deutschen Rüstungsreserve dienstbar 38 gemacht werden sollten. Der Glockenbestand wurde 35 EZA 7/2955, unfol., Verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung, Antwort auf die Kleine Anfrage Nr. 181, 17. 08. 1919. 36 Ebd., Schreiben des Ev. Konsistoriums der Provinz Sachsen an das Konsistorium der Provinz Schlesien, 12. 07. 1919 mit Lehrgangsprogramm. 37 EZA 7/2956, unfol., Schreiben des Ev. Konsistoriums der Rheinprovinz an den Ev. Oberkirchenrat, 10. 12. 1920. 38 Kirchliches Amtsblatt der Rheinprovinz Nr. 7, 04. 05. 1940, S. 26 f.: Anordnung zur Durchführung des Vierjahresplans über die Erfassung von Nichteisenmetallen. Vom 15. März 1940. Um die für eine Kriegsführung auf lange Sicht erforderliche Metallreserve zu schaffen, ordne ich an: 1) Die in Glocken aus Bronze enthaltenen Metallmengen (…) sind zu erfassen und unverzüglich der deutschen Rüstungsreserve dienstbar zu machen (…) Der Beauftragte für den Vierjahresplan Göring Feldmarschall. Zit. nach ­Tatjana Klein, Zwangsenteignung der Kirchenglocken für die Kriegsrüstung, in: Blog des Archivs der Evangelischen K ­ irche im Rheinland, Eintrag vom 01. 03. 2016, Link ersetzen durch https://blog. archiv.ekir.de/2016/03/01/zwangsenteignung-der-kirchenglocken-fuer-die-kriegsruestung/ (Stand: 29. 08. 2021).

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diesmal in vier Klassen – von A bis D – gruppiert. Die wertvollsten Glocken der Klasse D blieben hängen, die A-Glocken sollten dagegen sofort eingeschmolzen werden und wurden zu ­diesem Zweck in Hüttenwerke verbracht. Für die rheinischen Glocken war dies wieder die Metallhütte in Kall in der Eifel. Die B- und C-Glocken sollten grundsätzlich zunächst in Sammellagern aufbewahrt und dort inventarisiert werden, endeten vielfach jedoch ebenfalls bald in Kall oder in einem Zwischenlager wie dem sogenannten Glockenfriedhof am Reiherstieg in Hamburg. Da jeder Kirchengemeinde wieder nur eine kleine läutfähige Glocke erhalten bleiben sollte, wurden bis 1942 rund 2300 rheinische Glocken registriert und 1552 davon in Sammellager transportiert.39 Als die Pfarrgemeinde St. Johannes Baptist in Bruchhausen wieder ihre Glocken meldete, wies der Mitarbeiter der Kunstdenkmäleraufnahme, Heinrich Neu, die beiden ältesten, gegossen 1423 und 1635, der Gruppe D zu. Beide sollten wegen der Bedeutung ihrer Gießer unbedingt erhalten werden. Die erste, ein Werk Christian Duisterwalts, sei so bedeutend, dass ihr Abgang auf jeden Fall einen unersetzlichen Verlust für den Glockenbestand bedeuten würde, wohingegen die zweite die einzige in der Rheinprovinz erhaltene Glocke des Meisters der Spätrenaissance Nicolaus Gomon war.40 Demgegenüber wurde die dritte Glocke des Geläuts, gegossen 1694 von Johannes Bourlet und während des ­Ersten Weltkriegs noch verschont, trotz ihrer Einstufung in die Klasse C abgehängt und am 9. Dezember 1942 per Sammeltransport zum Glockenlager auf dem ehemaligen Holzlager Reiherstieg in Hamburg-Wilhelmsburg gebracht.41 Ein weiteres Beispiel für d ­ ieses Bewertungsverfahren war die Glocke des Schlosses Moyland bei Bedburg-Hau, die in der Laterne des Nordturms hing. Unter einem Ranken­ fries aus springenden Hirschen und Hunden war der Name ihres Gießers, Peter van Trier (V), angebracht: PETRUS A TRIER ME FECIT ANNO 1669. Weiterhin erkennt man unter einem Lilienzepter die Initialen des brandenburgischen „Großen Kurfürsten“ Friedrich Wilhelm, dieser hatte sich bereits 1665/1666 in Kleve aufgehalten und dem Schlossbesitzer, dem kurfürstlich-brandenburgischen Generalfeldmarschall Alexander von Spaen, wohl die Glocke zum Abschluss von Bauarbeiten am Schlossäußeren geschenkt.42 39 Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland (ALVR), Archivberatung, Dienstregistratur 1 (1928 – 1946), Nr. 68, unfol., Bericht über eine Besprechung am 10. 03. 1942 betr. Inventarisation der abgenommenen B- und C-Glocken. 40 HAEK, Pfarrarchiv Bruchhausen, Nr. 512, unfol., Meldebogen für Bronzeglocken, unterschrieben vom Pfarrer am 29. April 1940, und gutachterliches Schreiben von [Heinrich] Neu, 30. 08. 1940. 41 Ebd., Empfangsbestätigung der Kreishandwerkerschaft Neuwied vom 06. 01. 1943 und Notiz des Pfarramts vom 19. 12. 1942. Die Glocke war unter der Nummer 15 – 246 – 159C erfasst. 42 Stiftung Museum Schloss Moyland (Hg.), 700 Jahre Schloss Moyland, Bedburg-Hau 2007, S. 117. In den 1680er Jahren ließ Alexander von Spaen auch die evangelische K ­ irche in Moyland bauen, denn die eigentliche Schlosskapelle im Ostturm wurde zu dieser Zeit von den protestantischen Schlossbewohnern nicht mehr benutzt (S. 172). Nach dem Tod Alexander von Spaens verkauften seine Erben Schloss Moyland 1695 an den brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. Von dessen

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Abb. 2  Glocke von Schloss Moyland.

Die ­Moyländer Schlossglocke wurde im zuständigen Sammellager in Kleve als Inventarnummer 14 – 7 – 106B erfasst und mit weißer Farbe bezeichnet, abzulesen sind dabei die Bezirke des Landeshandwerksmeisters, des Kreishandwerksmeisters und die Nummer der Glocke.43 Die Schlossglocke wurde also trotz ihres prominenten Schenkers und ihres Alters nur in die Kategorie B eingeordnet, was daran liegen mag, dass die Mitglieder der

Enkel König Friedrich II. erwarb es 1766 Adrian Steengracht de Souburg, nachdem er 1751 vom König in den Grafenstand erhoben worden war (S. 137, 207). Sein Nachfahre Nicolaas Johan Steengracht van Duivenvoorde ließ im Zusammenhang mit größeren Baumaßnahmen Anfang der 1860er Jahre auch das Dach des Nordturms neu gestalten und die alte Laterne entfernen. Der neue Turmhelm wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und bei der Wiederherstellung des Schlosses in den 1990er Jahren zunächst nicht rekonstruiert, dies geschah erst 2007 (S. 158, 180); die Schlossglocke befindet sich heute in Privatbesitz (S. 117). 43 ALVR, Bestand 980 PV, Nr. 27716, unfol., Verzeichnis der im November 1944 von Kall/Eifel nach Hettstedt/Südharz verfrachteten Kirchenglocken, S. 22.

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­ lockengießerdynastie von Trier (auch: van Trier) am Niederrhein und darüber hinaus G zahlreiche Glocken hinterlassen haben.44 Jedem Sammellager war ein Bearbeiter zugeteilt, der die Inventarisierung vornahm. In Kleve befand sich das Kreissammellager auf dem Reichsbahngelände, Ladestraße 1, wo ein Studienrat Rehm die Bezeichnung aller Glocken vornehmen sollte,45 was aber anscheinend aufgrund von Eile und Wetterbedingungen nur unzureichend gelang, denn am 28. März 1942 meldete der Konservator Carlheinz Pfitzner (1908 – 1944) im Auftrag des Provinzialkonservators der Rheinprovinz, Franziskus Graf Wolff Metternich (1893 – 1978), dem Archivar der Archivberatungsstelle Rheinland und Glocken-Sachbearbeiter Carl Wilkes (1895 – 1954), dass die Klever Glocken (…) überhaupt nicht mehr zu erfassen ­seien und alle nach Kall gebracht worden waren,46 wo man neben der Inventarnummer auch die Inschriften notierte und Fotografien oder Abklatsche anfertigte. Von dort aus wurden sie im November 1944 weg von der Front nach Hettstedt im heutigen Bundesland Sachsen-Anhalt verbracht (Abb. 2).47

2.2 Verhandlungen um die Rückführung aus der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) Bei Kriegsende war das Glockenlager in Hettstedt auf dem Gelände der Mansfelder Kupfer A. G. neben Oranienburg und Ilsenburg eines von drei Glockenlagern in der sowjetisch besetzten Zone. Dort lagerten etwa 450 Glocken, die meisten von ihnen stammten aus dem Rheinland. Durch Einschmelzungen und Kriegsschäden waren viele der 1942 abgenommenen Kirchenglocken bereits verloren. Es setzten umfangreiche Verhandlungen ein, die noch vorhandenen ausgelagerten Glocken zurückzuführen.48 Spätestens ab 1946 nahmen Mitarbeiter der Denkmalpflege Kontakt mit Kirchen­ gemeinden in der sowjetischen Zone auf. Am 5. Juli 1946 schrieb der Hettstedter Pfarrvikar Franzen an den Konservator Alois Weisgerber in Bonn, er habe eine Liste der in Hettstedt 44 Siehe Max Schmid-Burgk, Zur Geschichte der Familie von Trier, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 19 (1897), S. 120 – 170. 45 ALVR, Archivberatung, Dienstregistratur 1 (1928 – 1946), Nr. 68, unfol., Übersicht über die Bearbeiter in den Sammellagern im Gebiet des Landeshandwerksmeisters Rheinland. 46 Ebd., Nr. 68, unfol., Schreiben des Provinzialkonservators der Rheinprovinz an Carl Wilkes, 28. 03. 1942. Carl Wilkes war während des Zweiten Weltkrieges auch für die Sicherung von Archivgut zuständig und wurde 1952 Leiter der Archivberatungsstelle Rheinland. 47 ALVR, Bestand 980 PV, Nr. 27716, Verzeichnis der im November 1944 von Kall/Eifel nach Hettstedt/­ Südharz verfrachteten Kirchenglocken, S. 22. 48 Ebd., Nr. 28271: Die Bestände der kirchlich, kulturell und künstlerisch wertvollen Glocken in Deutschland sind derart gelichtet, dass alles getan werden muss, um die erhaltenen Reste zu ­schützen und zu pflegen, schrieb der Vorsitzende des Ausschusses für die Rückführung der Glocken (ARG), Christhard Mahrenholz, im April 1948 an das Office of the Religious Affairs Adviser.

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aufgefundenen Glocken zusammengestellt und die Generalvikariate von Aachen und Trier hätten ihm bereits ihre Ermittlungen zugesandt. Alle Glocken s­eien noch im Lager der Mansfelder Kupfer A. G. und in Sicherheit. Das Erzbischöfliche Kommissariat Magdeburg habe die Aufsicht und ihm die Betreuung übertragen. An Rückführung sei aber noch nicht zu denken, da laut Mitteilung der britischen Behörden alle Glocken in Deutschland als eingefroren zu betrachten ­seien und nicht transportiert werden dürften.49 Es begannen daraufhin verschiedene Verhandlungen ­zwischen der Provinzialregierung und der Besatzungsmacht, wie der Landeskonservator Sachsen-Anhalt dem Provinzialkonservator Nordrhein am 28. März 1947 mitteilte, auch die katholische ­Kirche habe sich über Berlin beteiligt. Die Glocken ­seien grundsätzlich freigegeben, man komme aber seitdem nicht weiter. Sie stünden außerdem zu dicht für eine richtige Inventarisierung. Das Werk der Mansfelder Kupfer A. G. war inzwischen von der Besatzungsmacht mit Beschlag belegt und in die eigene Verwaltung übernommen worden.50 Im Jahr 1947 setzten die alliierten Behörden einen Ausschuss für die Rückführung der Glocken (ARG) ein, der die Verhandlungen z­ wischen den Militärbehörden, den Diözesen sowie Landeskirchen übernahm und von dem Musikwissenschaftler und hannoveranischen Oberlandeskirchenrat Christhard Mahrenholz (1900 – 1980) geleitet wurde. Am 25. Februar 1948 teilte dieser in einem Rundschreiben an die obersten Kirchenbehörden mit, dass auch nicht läutfähige Glocken zurückgegeben werden sollten und die deutschen ­Kirchen auf diese Weise rund 500 Tonnen Glockenschrott erhalten würden. Einige Kirchengemeinden nähmen eigenmächtig Umgüsse vor, dies sei zu unterbinden. Der Schrott werde dem ARG zur Verwaltung ausgehändigt, sobald die Schrott-Ansprüche der ausländischen Staaten sämtlich befriedigt 51 s­ eien. Außerdem habe man auch von außerkirchlichen Stellen zwecks Ankurbelung der Wirtschaft zahlreiche Metallschrottanträge zu befürchten. Schließlich wurde im Alliierten Kontrollrat eine Vereinbarung über den Austausch der Hettstedter rheinischen Glocken mit in Hamburg befindlichen sächsischen Glocken getroffen.52 Zur Regelung von Transportfragen gründete man einen Interzonalen Ausschuss und die Transportkommission Ost. Die Kirchengemeinden hatten Beiträge für Transport und wissenschaftliche Erforschung pro Glocke zu zahlen und sollten die rückgeführten Glocken aus Sammellagern abholen. Inzwischen gab es nur noch wenige nicht identifizierte Glocken,

49 Ebd., Nr. 49279, Schreiben des Hettstedter Pfarrvikars Franzen an den Konservator Alois Weisgerber, 05. 07. 1946. 50 Ebd., Nr. 49279, unfol., Schreiben des Landeskonservators von Sachsen-Anhalt an den Provinzialkonservator Nordrhein, 28. 03. 1947. 51 Ebd., Nr. 28271, unfol., Rundschreiben des Vorsitzenden des ARG an die obersten Kirchenbehörden, 25. 02. 1948. Die Freigabe der in Hamburg lagernden Glocken erfolgte auf Basis der Haager Landkriegsordnung. 52 Ebd., Nr. 49279, unfol., Abschrift eines Schreibens des Kommissariats der Fuldaer Bischofkonferenz an die Bischöflichen Ordinariate, 24. 03. 1948.

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da der Nachweis der Heimatorte meist durch die Denkmalpflegebehörden gelungen war.53 Mitte Mai 1948 sollte der Austausch der in Hamburg gelagerten Glocken aus Sachsen mit den in Hettstedt gelagerten rheinischen Glocken schließlich anlaufen. 364 sächsische Glocken reisten per Schiff von Hamburg elbaufwärts nach Dresden, wo sie am 24. Mai eintrafen. Der Weitertransport auf dem Wasserweg war jedoch nicht möglich, sodass man die Düsseldorfer Transportfirma Cretschmar beauftragte, die eingetauschten Glocken ins Rheinland zu fahren. Die Firma erhielt vom ARG bereits einen Vorschuss zur Einlösung der Frachtbriefe und man rechnete mit einem Waggon mit 25 Glocken alle zwei Tage.54 Geplant war ursprünglich, dass die Schiffe aus Hamburg in Dresden die Hettstedter Glocken aufnehmen sollten. Trotz der im Alliierten Kontrollrat getroffenen Vereinbarung zog die sowjetische Militäradministration jedoch die Freigabe dafür wieder zurück. In dieser Zeit hatte man außerdem Verluste durch unsachgemäße Behandlung hinzunehmen, außerdem waren noch zu Kriegszeiten von der Reichsstelle für Metalle nicht abgesprochene Umstufungen von B und C nach A vorgenommen worden.55 Zudem operierte im Umfeld der Glockenaktion eine Bande von Metallschiebern, die Glocken und Glockenschrott zu Überpreisen an ­Kirchen zu verkaufen beabsichtigte. Während, angesichts der Abstimmungsschwierigkeiten ­zwischen verschiedenen Dienststellen der sowjetischen Militäradministration, direkte Verhandlungen mit der britischen Kontrollkommission geplant wurden, hatte der ARG weitere unendliche Schwierigkeiten 56 mit der Beschaffung von Wagenbegleitscheinen. Schließlich erfuhr der ARG, dass die sowjetische Militärregierung für jede Glocke einen separaten Freigabeantrag verlangte, und verschickte ein Musterschreiben an die Glockenbesitzer auf dem Weg über die kirchlichen Behörden.57 Zu dem Zeitpunkt waren die Glocken bereits von dem Hettstedter Fotografen Franz Brodik aufgenommen und von der örtlichen Denkmalpflege erfasst worden. Am 24. November 1948 meldete der Glockengießer Franz Schilling aus Apolda, mit der Rückführung beauftragt worden zu sein. Inzwischen habe die sowjetische Militäradminis­ tration die Freigabe verfügt, es sei aber noch keine Genehmigung für den I­ nterzonentransport 53 Ebd., Nr. 28271, unfol., Rundschreiben des Vorsitzenden des ARG an alle Kirchenbehörden, 08. 04. 1948. 54 Ebd., Nr. 49279, unfol., Schreiben des Reichsbahnrats Fritz Severin, ARG-Mitglied und zuständig für den Transport der Glocken, an Alois Weisgerber, 07. 06. 1948. 55 Ebd., Nr. 28271, unfol., Rundschreiben des Vorsitzenden des ARG an die obersten Kirchenbehörden, 05. 07. 1948. 56 Ebd., Nr. 49279, unfol., Bericht des ARG über die Rückführung der Kirchenglocken, undatiert. Angesichts der unendlichen Schwierigkeiten zitierte man den römischen Satirendichter Juvenal (Saturae 1, 50): Difficile est satiram non scribere. 57 Ebd., Nr. 49279, unfol., Vordruck für einen Rückgabeantrag an die sowjetische Militäradministration, zu senden an den Vorsitzenden des Ausschusses für die Rückführung der Kirchenglocken, Prof. Dr. ­Mahrenholz in Hannover, 18. 09. 1948.

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erreicht worden.58 Bis diese erteilt wurde, vergingen weitere Monate. Am 18. August 1949 schließlich konnte in Hettstedt mit der Verladung begonnen werden. Die Glocken sollten ins Care-Hauptlager in Düsseldorf gebracht werden.59 Vier Tage ­später war es dann soweit: 450 rheinische Glocken wurden auf Lastwagen aus Hettstedt Richtung Zonengrenze transportiert.60 Am 19. Oktober 1949 konnte das Glockenbüro Rheinland dem Evangelischen Konsistorium Düsseldorf melden, dass die Glocken der evangelischen ­Kirchen im Rheinland eingetroffen und ausgeliefert s­eien. In dieser Auflistung findet sich auch die Glocke aus Schloss Moyland, die demnach am 8. Oktober 1949 zurückgegeben wurde.61 Auch die bei der Pfarrgemeinde St. Johannes Baptist abgehängte Glocke von Johannes Bourlet konnte ihren Besitzern zurückgegeben worden. Da sie in die Gruppe C eingestuft worden war, hatte man sie noch nicht verhüttet und sie fand sich nach Kriegsende auf dem Gelände des ehemaligen Holzlagers Reiherstieg in der Nähe des Hamburger Hafens.62

2.3 Glockenkunde heute Unter dem Eindruck der Verluste hatte sich bereits nach dem E ­ rsten Weltkrieg ein Zusammenschluss von Glockensachverständigen, Glockengießern und Wissenschaftlern gegründet, der als Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen noch heute für die Beratung der kirchlichen Institutionen, die Erstellung von Gutachten sowie für die Aus- und Fortbildung von Sachverständigen zuständig ist.63 Während des Zweiten Weltkriegs arbeiteten auf Veranlassung des preußischen Staatskonservators Robert Hiecke anlässlich der erneuten Enteignung von Glocken Denkmalpfleger an der wissenschaftlichen Erfassung der beschlagnahmten Glocken.64 Ihre Materialsammlung 58 Ebd., Nr. 49279, unfol., Schreiben des Glockengießers Franz Schilling an das katholische Pfarramt Millingen, 24. 11. 1948. 59 Ebd., Nr. 28406, unfol., Schreiben der Transportkommission und des Care-Hauptlagers in Düsseldorf an Alois Weisgerber, 15. und 16. 08. 1949. 60 Ebd., Nr. 49279, unfol., Schreiben des Care-Hauptlagers an die Transportkommission, 27. 08. 1949. 61 Ebd., Nr. 28406, unfol., Schreiben des Care-Hauptlagers an das Evangelische Konsistorium in Düsseldorf, 19. 10. 1949. 62 HAEK, Pfarrarchiv Bruchhausen, Nr. 512, unfol., Schreiben des Hamburger Kaplans Pohlmann an den Bruchhausener Pfarrer Demuth, 11. 12. 1945. 63 Der Beratungsausschuss wurde 1927 gegründet und erhielt 1951 eine förmliche Anerkennung von der Deutschen Bischofskonferenz und vom Rat der Evangelischen ­Kirche in Deutschland. Siehe Ordnung des Beratungsausschusses für das Deutsche Glockenwesen, Neufassung vom 05. 12. 2008, https://www.kirchenrecht-ekd.de/document/3377 (Stand: 29. 08. 2021). 64 Siehe Walther Genzmer, Rezension zu: Günther Grundmann (Hg.)/Sigrid Thurm (Bearb.), Deutscher Glockenatlas Württemberg­Hohenzollern, München/Berlin 1960, in: Nachrichtenblatt der

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von etwa 30.000 Karteikarten sowie 13.000 Fotonegativen, Gipsabdrücken, Papierabklatschen und Grafitabreibungen befindet sich heute im beim Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg angesiedelten Deutschen Glockenarchiv. Die Erforschung von Glocken in Deutschland konnte sich aber nicht nur auf Unterlagen der Staats- und Provinzialkonservatoren berufen.65 Das Historische Archiv des Erzbistums Köln verwahrt im Nachlass des Glockensachverständigen Jakob Schaeben (1905 – 1980) Gutachten zu zahlreichen Geläuten seines Zuständigkeitsbereichs aus der Zeit der Wiederbeschaffung nach dem Zweiten Weltkrieg sowie umfangreiches Material zu seiner wissenschaftlichen Tätigkeit. Auch bei staatlichen, kommunalen und kirchlichen Verwaltungen war zu den Glockeninventarisationen umfangreiches Schriftgut angefallen, das in Archiven häufig unter Schlagwörtern wie Glockenbeschlagnahme oder Ablieferung von B ­ ronzeglocken zu finden ist.

Zusammenfassung Während des E ­ rsten Weltkriegs wurde in Deutschland erstmals systematisch der Bestand an Bronzeglocken aus geistlichem und weltlichem Besitz erfasst. Ab März 1917 verlangte das Kriegsministerium die Mitarbeit von Kunsthistorikern bei der Begutachtung und Bewertung von Glocken wie auch von Orgelpfeifen, Denkmälern und anderen Objekten aus Buntmetallen, da diese Werkstoffe insbesondere für die Herstellung von Munition kriegswichtig waren. Dazu standen den Gutachtern Bewertungsrichtlinien zur Verfügung, nach denen der Glockenbestand in drei Gruppen eingeteilt wurde. Als besonders wertvoll eingestufte mittelalterliche Glocken wurden so meistens erhalten, der Verlust an Werken aus dem 19. Jahrhundert war dagegen besonders hoch. Dieses Verfahren wurde ab 1940 in weitaus größerem Umfang wiederholt. Im Rheinland registrierten Denkmalpfleger allein bis März 1942 rund 2300 Glocken, von denen schon in den ersten Kriegsjahren mehr als die Hälfte an Sammellager abgeliefert oder sofort eingeschmolzen wurden. Im weiteren Kriegsverlauf gelangten viele der rheinischen Glocken durch Verlegung der Lagerbestände weiter Richtung Osten und befanden sich nach Kriegsende in der Sowjetischen Besatzungszone. Ihre Restitution erwirkte schließlich nach mehrjährigen Verhandlungen der „Ausschuss für die Rückführung der Glocken“.

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 3 (1960), S. 26 – 28. 65 Die Glockenkartei Edmund Renards ist 1944 bei den Angriffen auf Bonn zerstört worden.

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Die Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz Ein rheinisches Kulturgutdepot im Spiegel von Aufzeichnungen der Archivarin Katharina Gräfin von Looz-Corswarem in den Jahren 1945 und 1946 Anhang: Ergänzende Quellen zur Rückführung von rheinischem Kulturgut Hans-Werner Langbrandtner

Der Beitrag geht von den Archivschutzmaßnahmen der Archivberatungsstelle der Rheinprovinz für die nichtstaatlichen Archive und den Schutzmaßnahmen der beiden rheinischen Staatsarchive in Düsseldorf und Koblenz für ihre eigenen Bestände im Zweiten Weltkrieg aus. Der Fokus wird im zweiten Kapitel auf die Rolle der Festung Ehrenbreitstein als Kultur­ gutschutzdepot gerichtet. Im Zentrum stehen hier die Tagebuchaufzeichnungen und Korrespondenzen von Katharina Gräfin von Looz-Corswarem geb. Weber, die seit 1939 als Archivarin im Staatsarchiv Koblenz arbeitete und von 1945 bis 1946 auf der Festung lebte. Im Blick stehen insbesondere die Aktionen der Rückgabe der dort gelagerten Kulturgüter nach Kriegsende. Der Beitrag schließt mit einem Quellenanhang ab, der die Aufzeichnungen der Zeitzeugin in den allgemeinen Kontext stellt, aber auch das Geschehen in der Nachkriegszeit aus verschiedenen Akteursperspektiven erweitert.

1 Archiv- und Kunstschutzmaßnahmen in der Rheinprovinz 1.1 Die Archivschutzmaßnahmen der Archivberatungsstelle der Rheinprovinz für das nichtstaatliche Archivwesen im Kontext der rheinischen Kulturgutsicherung Bereits Ende 1938 hatte der Provinzialkonservator Franziskus Graf Wolff Metternich vorausschauend Schutzvorkehrungen für den Kriegsfall treffen wollen, dies wurde jedoch von den zuständigen Behörden zunächst gestoppt. Erst ein halbes Jahr ­später, am 7. Juli 1939, erlangte er einen Erlass seitens des Oberpräsidenten der Rheinprovinz, Josef Terboven (1898 – 1945), einen Präventivplan zum Schutz der Kunstwerke und zur Sicherung der Baudenkmale

bis spätestens zum 1. Oktober 1939 zu erarbeiten. Das Bergungskonzept sah zum einen eine Kategorisierung der beweglichen Kulturgüter in ­solche mit reichsweiter Bedeutung (A-Liste), s­ olche mit besonderer überregionaler Bedeutung (B-Liste) und ­solche mit überragender örtlicher Bedeutung (C-Liste) vor, zum anderen wurde das Rheinland in neun Bezirke aufgeteilt, in denen jeweils ein Bergungskommissar (Fachleute aus Landesmuseen, Denkmalpflege und -inventarisation, Universitätsbibliotheken und Archivberatungsstelle) für die Kulturgutsicherung zuständig war.1 Ausdrücklich ausgenommen von ­diesem Erlass waren die rheinischen Staatsarchive in Düsseldorf und Koblenz, da für deren Sicherung der Generaldirektor der Preußischen Staatsarchive Dr. Ernst Zipfel (1891 – 1966) als Kommissar für den Archivschutz zuständig war. Dieser stimmte aber erst 1942 unter dem Eindruck der zunehmenden Luftangriffe der Alliierten überhaupt einer Auslagerung staatlicher Archivbestände zu.2 Wilhelm Kisky (1881 – 1953) als Leiter der Archivberatungsstelle der Rheinprovinz hingegen packte die Sicherung der wertvollsten Überlieferung in den nichtstaatlichen Archiven sofort an: In einem als geheim deklarierten Schreiben vom 19. September 1939 an rheinische Archivleiter wird detailliert das Vorgehen bei der Verbringung an einen sicheren Ort im Inneren Deutschlands  3 beschrieben: Dank der Beziehungen der Archivberatungsstelle zu den adeligen Archivbesitzern im Rheinland und Westfalen wurde erreicht, daß in mehreren abgelegenen Schlössern geeignete Räume zur Verfügung gestellt wurden, die sich durchweg gut bewährt haben, zumal sich die Besitzer in anerkennenswerter Weise auch die Betreuung des Bergungsgutes angelegen sein ließen.4

Von Kriegsbeginn bis Februar 1945 sind 16 große Sicherungsaktionen im Rahmen des Archivschutzes neben zahlreichen kleinen Sicherungstransporten bekannt.5 Im Rahmen des Kunstschutzes wurden unter Aufsicht des Rheinischen Denkmalamtes und zumeist unter Leitung des stellvertretenden Provinzialkonservators Theodor Wildeman (1885 – 1962) bis Ende 1944 3700 Kunstwerke mit 185 Transporten in Sicherungsdepots – oftmals zusammen mit Archivund Bibliotheksgut – untergebracht.6 1 Rheinisches Archiv für Künstlernachlässe Bonn, Nachlass Carlheinz Pfitzner: Erlass des Oberpräsidenten der Rheinprovinz Josef Terboven vom 07. 07. 1939 an Wolff Metternich. 2 Wilhelm Rohr, Die zentrale Lenkung deutscher Archivschutzmaßnahmen im Zweiten Weltkrieg, in: Der Archivar. Mitteilungsblatt für deutsches Archivwesen 3 (1950), Sp. 105 – 122, hier Sp. 107 f. 3 Archiv des LVR (künftig ALVR), Bestand Brw. 1 – Archivberatung 1 (1929 – 1950), Nr. 373, Schreiben Kiskys vom 19. 09. 1939. 4 Wilhelm Kisky, Die Archivberatungsstelle der Rheinprovinz und ihre Tätigkeit für die Sicherung von Archivalien und anderen Kulturgütern während des Krieges, Düsseldorf 1949, S. 1 f. 5 Kisky, Die Archivberatungsstelle der Rheinprovinz (wie Anm. 4), S. 3 – 11. 6 ALVR, Nr. 11234, Bericht des Provinzialkonservators Metternichs vom 31. 10. 1944. Ergänzend hierzu siehe den Beitrag von Annika Flamm, Bergungsorte der Rheinprovinz, im vorliegenden Band und den Beitrag von Hans-Werner Langbrandtner, Die Gründung der A ­ rchivberatungsstelle

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1.2 Archivschutzmaßnahmen des Staatsarchivs Düsseldorf Das Staatsarchiv Düsseldorf begann erst im Herbst 1941 mit der Auslagerung mittelalterlicher Handschriften, sämtlicher Urkunden vor 1100 sowie der K ­ aiser- und Papsturkunden bis 1200 in einen Schutzraum auf der Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz. Bis Jahresende 1942 waren erst 25 Prozent der Archivalien in unterschiedlichen Ausweichquartieren untergebracht. Die Sicherungsquote steigerte sich Anfang Februar 1944 auf rund 62 Prozent, Ende 1944 auf rund 85 Prozent.7 Federführend bei diesen Maßnahmen war zunächst Dr. Wilhelm Classen (1903 – 1965), nach seiner Einberufung zum Kriegsdienst übernahm am 13. März 1943 der vom Staatsarchiv Magdeburg abgeordnete Staatsarchivrat und SA-Sturmführer Dr. Otto Korn (1898 – 1955) diese Aufgabe – nach eigenem Bekunden mit der ausdrücklichen Weisung, „die Abtransporte des wertvollsten Materials voranzutreiben.“ 8 Das Salzbergwerk Grasleben bei Helmstedt wurde ab Herbst 1944, als Vollmer nach vier Jahren als Kommissar für das Archivwesen in den Niederlanden in das Staatsarchiv zurückkehrte, zum Hauptauslagerungsziel: Das dortige Archivdepot stand zum einen unter der Aufsicht des Staatsarchivs Magdeburg und zum anderen war es bis zum nahen Haldensleben auf Binnenkanälen erreichbar. Zwischen Ende Oktober 1944 und Mitte Februar 1945 gingen zwei Eisenbahntransporte und zwei Schiffstransporte von Düsseldorf aus dorthin ab: Das Binnenschiff MS Main 68 mit ca. 650 Regalmetern Archivalien sank nach einem Luftangriff am 14. März 1945 im Hafen Hannover-Linden. In der zweiten Märzhälfte 1945 jedoch plante Vollmer sogar, die Geschäftsstelle des Staatsarchivs nach Grasleben zu verlegen.9

1.3 Archivschutzmaßnahmen des Staatsarchivs Koblenz und die Nutzung der Festung Ehrenbreitstein als Depot für rheinisches Kulturgut Bereits vor dem Kriege, als das Archivgebäude am Kastorhof in Koblenz größere Zugänge nicht mehr aufnehmen konnte, waren einige Räume auf der Festung vom Staatsarchiv in Anspruch der Rheinischen Provinzialverwaltung im Kontext der landschaftlichen Kulturpflege und die Archivschutzmaßnahmen während des Zweiten Weltkriegs, in: ders./Esther Heyer/Florence de Peyronnet-Dryden (Hg.), Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland. Franziskus Graf Wolff Metternich und der Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 5), Köln/Weimar/Wien 2021. 7 Johannes Kistenich, Gesunkene Schätze. Die Kahnakten. Schadensgeschichte und Restaurierungs­ geschichte (Veröffentlichungen des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen 36), Düsseldorf 2010, S. 10 – 14, auf S. 13 eine Karte mit den wesentlichen Auslagerungsorten des Staatsarchivs Düsseldorf. 8 Jahresbericht des Staatsarchivs Düsseldorf für das Jahr 1943, zit. nach: Kistenich, Gesunkene Schätze (wie Anm. 7), S. 14; ebd., S. 16 f.: Exkurs: Dr. Otto Korn – Sein Werdegang bis zur Abordnung an das Staatsarchiv Düsseldorf. 9 Ebd., S. 14.

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genommen worden (…). So wurden seit September 1938 Räume der Rheinbastion mit Akten der Katasterabteilung der Regierung Koblenz, mit Notariatsarchiven und einer großen Aktenablieferung aus dem ehemaligen oldenburgischen Landesteil Birkenfeld belegt. Es lag nahe, auch in der Kriegszeit in den Räumlichkeiten der Festung Archivalien unterzubringen. (…) In Anpassung an die sich immer stärkeren Verhältnisse des Luftkrieges (…) brachte man die wichtigeren Bestände auf die Festung. In der Folgezeit, besonders im Laufe des Jahres 1942, kam der größte Teil der Bestände auf die Festung (…). Vom Juni 1942 bis Anfang März 1943 wurden zu den 27 Räumen der Rheinbastion noch 9 Räume im Fort Helfenstein, je 27 im Ravelin und im Turm Ungenannt und 37 in der Langen Linie für die Bergung von Archiv-, Bibliotheks- und Museumsgut freigegeben, die bis dahin zum Teil von der Wehrmacht gebraucht worden waren und erst geräumt werden mussten. (…) So fanden (…) umfangreiche und wertvolle Bestände der Staatsarchive Aurich, Düsseldorf, Hamburg, Kiel, Luxemburg, Oldenburg, Osnabrück und Wiesbaden, der Stadtarchive Köln, Mainz, Neuwied, Nieder- und Oberlahnstein und Recklinghausen, des Rheinischen Provinzialkirchenarchivs Bonn und des [Fürstlich]-Wiedischen Archivs zu Neuwied, ferner der Stadtbibliotheken Düsseldorf, Essen und Wuppertal-Elberfeld auf dem Ehrenbreitstein ein Unterkommen (..).10

Ende 1942 zog das Landessippenamt der Rheinprovinz aus Düsseldorf mit ca. 600.000 Kirchen­büchern seit der französisch-napoleonischen Zeit auf den Ehrenbreitstein, der Luxemburger Gauleiter Gustav Simon ließ ­zwischen dem 30. September und dem 23. Dezember 1942 einen Großteil der Bestände des Staatsarchivs Luxemburg in die Festung auslagern. Aber auch Museen diente die Festung als Auslagerungs- und Sicherungsort, dem Schlossmuseum im Koblenzer Schloss, den Kölner Museen, so dem Wallraf-RichartzMuseum mit der Gemäldegalerie (98 Gemälde) sowie den Sammlungen der römischen und germanischen Abteilung, dem Kunstgewerbe-Museum, dem Museum für ostasiatische Kunst und dem Haus der Rheinischen Heimat in Deutz mit Teilen ihrer Sammlungen. Die Sammlungsbestände der Kölner Museen waren insgesamt an 18 verschiedenen Bergungsorten, vor allem in Bayern, Württemberg und im Siegerland, untergebracht. Im Frühjahr 1943 hatte auch das Städtische Museum Wuppertal (heute Von der HeydtMuseum) hierher ca. 700 Gemälde verbracht. Die Transporte der Kunstgegenstände – wie auch der Archivalien – erfolgten per Lkw oder Bahn, aber auch per Schiff. Dies hatte der Kölner Museumsmitarbeiter Herbert Hoyler fotografisch festgehalten – ein seltener Fall für ­solche Dokumentation.11

10 Aloys Schmidt, Lageberichte der Staats-, Stadt-, Kreis- und Kirchenarchive in Rheinland-Pfalz, in: Der Archivar. Mitteilungsblatt für deutsches Archivwesen 1 (1948), Sp. 147 – 150. 11 Petra Weiß, Die Bergung von Kulturgütern auf der Festung Ehrenbreitstein, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 26, 2000, S. 421 – 452, hier S. 422 – 429. Vier Abbildungen aus dem Besitz von Werner Nett in Köln sind auf S. 431 publiziert.

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Im zunehmenden Luftkrieg erachtete man viele Auslagerungsdepots – auch die Festung Ehrenbreitstein – für nicht mehr sicher: Im Sommer 1943 wandte sich der Landeshauptmann Haake in einem eindringlichen – aber letztlich erfolglosen – Schreiben persönlich an Reichsmarschall Hermann Göring: (…) Die in der letzten Zeit gemachten Erfahrungen haben indessen bewiesen, dass derartige Gebäude [vor allem Schlösser und Burgen außerhalb der Städte] den Kampfmitteln des Feindes nicht mehr standhalten können. Auch die Entlegenheit kann nicht mehr als genügender Schutz angesehen werden, seitdem der Feind seine Angriffe auch auf weitab von Städten und militärischen Zielen auf dem Lande gelegene Objekte richtet. Ich habe mich daher entschlossen, die wichtigsten Kunstwerke in einem 125 m langen bombensicheren Stollen, der unterhalb der Feste Ehrenbreitstein im Anschluss an einen Luftschutzstollen für die Bevölkerung angelegt werden soll, in Sicherheit zu bringen (…).12

Der Stollen wurde nicht gebaut und im November 1943 durchschlugen Bomben tatsächlich die Festungsmauern. Einige Kölner Museen lagerten daraufhin besonders wertvolle Sammlungsgüter im Sommer 1944 nach Kloster Bronnbach bei Wertheim und in das Salzbergwerk in Kochendorf am Neckar aus.13 Das Stadtmuseum Wuppertal ließ am 19. Februar 1945 mithilfe einer Spedition 90 der wertvollsten Gemälde in den Siegener Bergwerkstollen transportieren, weitere geplante Transporte waren aber nicht mehr möglich.14 Auch der Kölner Museumsdirektor Helmut Förster (1894 – 1975) versuchte die Bestände des Wallraf-RichartzMuseums noch zu verlagern. Am Silvestertag 1944 schrieb er an seinen Mitarbeiter Hansen im Ausweichquartier der Museumsverwaltung im Schloss Langenau bei Oberhof/Lahn: (…) Alles wofür wir verantwortlich sind, in erster Linie die wertvollen und die im Format kleinen Museumsbilder sowie alle Bilder in Privatbesitz 15 müssen ohne Zeitverlust von Eh(renbreitstein) weggebracht werden, ehe die nächste Katastrophe eintritt. (…) Für die Bereitstellung eines Saales im Balduinstein [ist] gesorgt. (…) Ich nehme zwar an, daß Franke, dem auf meine Veranlassung für diesen Zweck Schnaps und Zigaretten zur Verfügung gestellt worden sind, damit einen Transport zustande gebracht hat (…). Folgendes muss sofort geschehen: bei der Reichsbahn in Niederlahn­ stein erreichen, daß ein Güterwagen mit unseren Sachen aus E(hrenbreitstein) an den nächsten Zug bis Balduinstein angehängt wird; gleichzeitig in Ehrenbr. irgendein Fuhrwerk auftreiben, das möglichst alle Bilder, jedenfalls aber die wertvollsten, die kleinformatigen und alle aus Privatbesitz nach Niederl(ahnstein) bringt (…).16 12 13 14 15 16

ALVR, Nr. 11234.

Weiß, Die Bergung von Kulturgütern (wie Anm. 11), S. 432 – 434. Ebd., S. 436 f. Unter anderem die Expressionisten-Sammlung Josef Haubrich. Historisches Archiv der Stadt Köln, Acc. 177, Nr. 362, zit. nach Weiß, Die Bergung von Kulturgütern (wie Anm. 11), S. 436.

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Am 19. Dezember 1944 begann auch der Abtransport der wertvollsten Koblenzer Archivalien aus der Festung in das Kalibergwerk Salzdetfurth bei Hildesheim. Der frühere Koblenzer Staatsarchivar Dr. Aloys Schmidt (1892 – 1980), der ab 1944 als stellvertrender Leiter des Staatsarchivs Hannover für die Bergung von Archivgut in Salzdetfurth verantwortlich war, berichtete 1948 rückblickend: Die Verladung mußte in Bad Ems erfolgen, da die Arbeiten in Koblenz-Ehrenbreitstein ständig durch Fliegeralarme und Luftangriffe beunruhigt und gestört waren. (…) Es gelang noch, zwölf Eisenbahnwagen mit wertvollsten Archivalien zu verladen. Von diesen trafen nur neun in Salzdetfurth ein, etwa 6 ½ Wagen mit den ältesten Beständen des Staatsarchivs Koblenz und 2 ½ Wagen mit Urkunden der Staatsarchive Düsseldorf und Kiel und einer Anzahl Bücherkisten der Stadtbibliothek Essen. Die Waggons waren zum Teil vier Wochen unterwegs (…). Drei Waggons erreichten ihr Ziel nicht; sie waren in Obernhof und Balduinstein a. d. Lahn liegen geblieben; der Güterzug, der gleichzeitig Heeresmaterial, Nahrungsmittel, Bekleidungsstücke, Fahrräder, Büromaterial usw. geladen hatte, war wegen Luftgefahr und Sprengung einer Brücke im Tunnel vor Balduinstein untergestellt. Dort verblieben sie, bis die Kampffront über sie hinweggerollt war. (…) Andere Teile waren [nach der Plünderung der Waggons] in dem Lahnkahn M/S Lahn 8 in Balduinstein untergebracht worden.17

2 Die privaten Aufzeichnungen von Katharina Gräfin von Looz-Corswarem Während eines Luftangriffs im Herbst 1944 war sowohl das Gebäude des Koblenzer Staatsarchivs im Deutschherrenhaus ausgebrannt als auch das private Wohnhaus der Familie von Looz-Corswarem in der Viktoriastraße 38 schwer beschädigt worden. Da der tägliche Weg zur Festung Ehrenbreitstein auf der gegenüberliegenden Rheinseite, die ab November 1944 auch für den Dienstbetrieb genutzt wurde, zu gefährlich war, zog Katharina Gräfin Looz-Corswarem geb. Weber (1905 – 1985), die seit 1939 als Archivassessorin im Staatsarchiv tätig war,18 kurzerhand an ihren Arbeitsplatz auf die Festung. In der Nacht vom 8. auf den 9. Januar 1945 übernachtete sie laut ihren Tagebuchnotizen 19 hier erstmals (Abb. 1). Am 17./18. März 1945 wurde der linksrheinische Teil der Stadt Koblenz von Einheiten der 3. US-Armee eingenommen, die rechtsrheinischen Stadtteile mit Ehrenbreitstein besetzten 17 Schmidt, Lageberichte der Staats-, Stadt-, Kreis- und Kirchenarchive (wie Anm. 10), Sp. 147 – 150. 18 Edith Ennen, Nachruf auf Katharina Gräfin von Looz-Corswarem, in: Der Archivar. Mitteilungsblatt für deutsches Archivwesen 39 (1986), Sp. 250 f. 19 Das 38-seitige Tagebuch ist im Besitz ihres Sohnes Clemens Graf von Looz-Corswarem (geb. am 30. 01. 1947 in Koblenz). Peter Kleber aus Koblenz hat das Tagebuch transkribiert und kommentiert, eine geplante Publikation erfolgte jedoch nicht. Ich danke Graf Looz für die Überlassung des Manuskripts.

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Abb. 1  Die Archivarin Katharina Gräfin von Looz-Corswarem besichtigt auf der Festung Ehrenbreitstein eines der beschädigten Archivschutz-Magazine, in dem Flurbücher gesichert waren, 1945. Bomben hatten am 1. November 1944 die Gewölbe verschiedener Magazine durchschlagen.

Einheiten der 1. US-Armee am 27. März 1945. Am selben Tag kam bereits eine amerikanische Zivilabordnung auf die Festung: Der amerikanische Kunstschutzoffizier Captain Walker Kirtland Hancock (1901 – 1998) organisierte ein Schutzkommando, das die Depots auf der Festung sicherte („off limits“). Auch deutschen Museumsdirektoren und Archivaren war von nun an der Zutritt zu ihren Sammlungen und Beständen verwehrt.20 Gräfin Looz in ihrem Tagebuch: 27. 3. 1945: Morgens Panzerspitze in Ehrenbreitstein, befiehlt den Zivilisten die Panzergräben wieder zuzuschütten. Sie kämen in einigen Stunden wieder. Sie sollen in Urbar u. Oberlahnstein sein. Ca. 3 Uhr ein Trupp Zivilverwaltung: ein Captain, sehr höflich, ein Dolmetscher – Heidelberger Student – u. a. fragen nach den Luxemburger Archivalien, nehmen die übrigen Archivalien in Schutz; Plakate, die Militär und Zivil das Betreten d. Archivräume verbieten. Alle sehr höflich, aber zurückhaltend, machen sehr guten Eindruck. Zum 1 x seit Monaten schlafen ohne Lebensgefahr (…). 20 Weiß, Die Bergung von Kulturgütern (wie Anm. 11), S. 440 und Anm. 99.

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30. 3. 1945 (Karfreitag): Ein Kriegsberichterstatter u. Pressefotograph lassen sich von mir u. Schoss 21 Archiv- u. Museumsschätze zeigen. (…) Noch immer Ausgehverbot. 31. 3. 1945 (Karsamstag): Eine Karwoche ohne Gottesdienst. Erst Dienstag sollen wir Pässe bekommen. Staatsanwaltsakten Trier gesichtet. Ohne jede Nachricht von der Umwelt. 1. 4. 1945 (Ostersonntag): Glocken von Neuendorf läuten. Wir sind immer noch eingesperrt. Weyres 22 von der Prov(inzial)-Verwaltung kommt mit Captain Hancock vom am(erikanischen) Kunstschutz. Gibt weiter Plakate zum Schutz. Sehr verständig u. entgegenkommend (…). 2. 4. 1945 (Ostermontag): Wir nageln die Off Limits-Schilder an den Ravelin. Ein Adjudant leiht Literatur über den Ehrenbreitstein z. Übersetzen für den Kom(mandierenden) General (…). 3. 4. 1945: Noch immer bohren die Am(erikaner) an einem Loch für die Fahnenstange. Langes Verhör über m(eine) Personalien (…). 4. 4. 1945: Noch immer steht die Fahnenstange nicht gerade. (…). Ob sie mit dieser nonchalanten Lässigkeit den ganzen Krieg führen? Prass und Völlerei nach den Monaten des Hungers (…). Ordnen der Staatsanwaltsakten (…). 5. 4. 1945: Probe für die Fahnenparade auf dem Schlossplatz [der Festung].23 St(aats)A(n)waltsakten geordnet. Wohl ein Dutzend mal wird die Fahne hoch u. abgezogen. 6. 4. 1945: Gegen 11 Uhr werden wir abgeholt, mit Wasser u. Lebensmitteln – Bohnenkaffee, Milch, Zucker, Fleischkonserven, Bohnen mit Gulasch, Keks – versehen u. zu Schoss in die Küche gebracht, damit wir die Feierlichkeiten auf dem Schlossplatz nicht stören. Um 4 Uhr dürfen wir wieder heraus. Captain Hancock vom am. Kunstschutz bespricht Archivschutz. Am. Pressereferentin wünscht m(einen) Namen. 7. 4. 1945: StAnwaltsakten geordnet. Cpt. Hancock. Die Festung wieder ohne Soldaten, ausser Hancocks Schutzkommando für die Archive u. Lager. Zu 1 x seit Wochen einen Blick geworfen vom Schlossplatz über das Land. Die Obstbäume blühen rings um die Trümmer (…). 23. 4. 1945: Captain Dawson 24 aus Bad Tönnisstein 25 besichtigt die Archive, wünscht Auskunft über die Akten der Regierung v. OPR (Oberpräsident der Rheinprovinz), Angaben der Regierungsmitglieder. (…) Ein Major vom Generalstab Bradley wünscht Auskunft über d. Archive des Hauses Oranien.26

21 Cornelius Schohs war Mitarbeiter des Schnütgen-Museums in Köln und seit Mai 1942 Aufseher über das hier ausgelagerte Museumsgut. 22 Der Architekt Prof. Dr. Willy Weyres (1903 – 1989) war von 1930 bis 1932 und ab 1940 Mitarbeiter beim Rheinischen Denkmalamt, ab Ende 1945 sowohl Kölner Dombaumeister als auch Diözesanbaumeister. 23 In einem militärischen Akt wurde das aus den USA eingeflogene Sternenbanner auf dem Ehrenbreitstein am Folgetag gehisst, Rede des Oberkommandierenden der 12. US-Armeegruppe, Omar N. Bradley. 24 Nach Aussage von Gräfin Looz war Captain Dawson Professor an der Universität in Chicago und profunder Deutschlandkenner. 25 Sitz des Stabsquartiers der 15. US-Armee. 26 Dr. Bernhard Vollmer (1886 – 1958), Leiter des Deutschen Archivamtes in den besetzten Niederlanden, hatte 1942 acht Kisten mit Archivalien aus dem königlichen Hausarchiv in Den Haag an

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28. 4. 1945: Captain Dawson sucht nach Oran. Archiv, findet SS -Kisten mit Büchern aus Holland, angeblich gestohlen (…). 29. 4. 1945: Nach Neuendorf in die K ­ irche, während dessen Dawson mit 3 Offizieren i. Archiv. Wir sollen Festungspässe bekommen, morgen i. Koblenz. Kalt u. stürmisch. Der 1. Zug nach Köln, die Lokomotive pfeift. 30. 4. 1945: Ein amerik. LKW fährt die Zivilisten der Festung (…) u. mich aufs Stadthaus, wir füllen dort Fragebogen über unsere polit. Vergangenheit aus u. werden verhört. Rückkehrende Bevölkerung mit Sack u. Pack. Dunkle Gerüchte über das Kriegsende (…). 2. 5. 1945: Kommission unter Führg. eines Majors mit österr. Dialekt, Captain Leslie von der Kunst- u. Kulturabtg. u. a. sucht die nassau-oran. Archivalien. Bringen Vollmers 3-b(än)diges Inventar mit. Nach einigen Suchen finden wir die Sachen im Ravelin, Kammer 3 u. 4. Der Plan, sie sofort mitzunehmen, wird fallen gelassen: Sie sollen vorläufig bleiben, wo sie sind. Cpt. Leslie verlangt schrift. Überblick über die Archive auf der Festung (…). 8.5. Nach Vallendar (…), Dr. Michel meldet, dass [Hermann] Schnitzler [Kustos und späterer Direktor des Schnütgenmuseums in Köln]27 in Balduinstein einen oder 2 Güterwaggons Akten des StA. (Koblenz) in einem Tunnel entdeckt u. in einen Lahnkahn geladen habe. Auch KKB (Kirchenbuchbestand) dabei. In meiner Abwesenheit war Kommission von Cpt. Dawson (…) da zur Besichtigung der Bibliothek. (…) Der Krieg ist zu Ende! (…). 17. 5. 1945: (…) Luxemburger holen ihre Akten unter Führung von May.28 24. 5. 1945: (…) Ungünstige Nachr(ichten) aus Tönnisstein über ORegr. Becker 29 u. Wolf[f]-Metternich 30 (…). 30. 5. 1945: Weyres u. 2 Damen vom Provinzialkirchenarchiv und ein amerik. Leutnant vom Hauptquartier der 15. Armee in Neuenahr wollen das evgl. Prov. K.Archiv (Provinzialkirchenarchiv) besichtigen. Sind sehr unglücklich über die Auskunft, dass es weder in Salzdetfurth oder in den verunglückten Waggons in Balduinstein sei. (…) Nehme Übersicht über die Archivalien d. Festung E’stein mit zu Cpt. Leslie (…).

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das Staatsarchiv Wiesbaden ­schicken lassen, sie gelangten am 08. 02. 1943 als Auslagerungsgut zum Ehrenbreitstein. Dr. Hermann Joseph Schnitzler (1905 – 1976), Kunsthistoriker, 1930 promoviert bei Paul Clemen in Bonn. Mitarbeit bei der Denkmälerinventarisation, seit 1936 Assistent, seit 1937 Kustos und seit 1953 Direktor des Schnütgen-Museums in Köln. Tony May, Archivar des Nationalarchivs Luxemburg. Alois Becker (1898 – 1982), Oberregierungsrat, war nach Kriegsende vorübergehend stellvertretender Oberpräsident der Rheinprovinz in Koblenz. Dr. Franziskus Graf Wolff Metternich, Provinzialkonservator der Rheinprovinz seit 1928, war am 04. 04. 1945 von einem amerikanischen Offizier des CIC (Counter Intelligence Corps) auf Schloss Fürstenberg bei Paderborn verhaftet worden. Er wurde am 06. und 07. 04. im Gefangenenlager Plaidt bei Andernach wegen seiner Kriegstätigkeit in Frankreich verhört und dann im Gefängnis Rheinbach inhaftiert. Am 12. 04. wurde er wieder entlassen.

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5. 6. 1945: Mit Hirschfeld  31 bei Cpt. Braun [Property Control]. (…) Wir dürfen auf der Festung wohnen bleiben, sollen aber Pässe bekommen. Inzwischen waren die Luxemb. vergebens auf d. Festung (…). 10. 6. 1945: (…) Hüb(inger)32 im Stab des Oberpräs. Fuchs 33 (…). 15. 6. 1945: (…) Kisky 34 unser Chef (…). 17. 6. 1945: 2 Holländer vom Oran. Hausarchiv 35 besichtigen die Archivalien, prüfen sie an Hand von Vollmers Verzeichnissen (…). 23. 6. 1945: (…). Ich lese täglich ca. 1 Stunde die Stars and Stripes u. lerne so schönes Soldaten-Amerikanisch. 26. 6. 1945: Die Luxemburger u. Leitung von May holen den Rest des Archivs ab. Ein War-Correspondent, der schon im letzten Krieg in Deutschland war, interviewt mich über Archive u. die Festung Ehrenbreitstein. Mein neuer Freund Sergant James Jones aus Mississippi versorgt mich täglich mit The Stars and Stripes (…). 6. 7. 1945: Auf Ravelin: Kisten mit Privatgut aufgebrochen, Bücher v. Fürstl. Wiedisches Archiv verstreut (…).

Am 10. Juli 1945 lösten die französischen Truppen die Amerikaner als Besatzungsmacht ab und übernahmen am 14. Juli das Kommando auf der Festung. Die französische Militärregierung war in Bad Ems ansässig, hier war auch die „Section des Beaux Arts“ untergebracht, die für den Archiv- und Kunstschutz zuständig war. Für den Kunstschutz zeichnete Leutnant Letourmy, ein Kunsthistoriker vom Louvre, verantwortlich, für den Archivschutz Oberleutnant Regnault; im September 1945 kam Capitaine André Dussarthou, ein katholischer Geistlicher, hinzu.36 Sie übertrugen Gräfin Looz, „la Comtesse du Fort“, die Aufsicht über die Kunstgutdepots. Gräfin Looz in ihrem Tagebuch:

31 Dr. Bruno Hirschfeld (1877 – 1965) war Direktor des Staatsarchivs Koblenz 1938 – 1949. 32 Prof. Dr. Paul Egon Hübinger (1911 – 1987), Historiker und Archivar: siehe Anm. 48. 33 Hans Fuchs (1874 – 1956) war von 1922 bis 1933 Oberpräsident der Rheinprovinz gewesen. Die amerikanischen Truppen setzten ihn von April bis Mai 1945 als Regierungspräsidenten in Koblenz ein; seit 24. 05. 1945 wieder Oberpräsident des Rheinprovinz-Militärdistrikts und vom 20. 06. bis 02. 10. 1945 Oberpräsident der Nord-Rheinprovinz. 34 Dr. Wilhelm Kisky (1881 – 1953) war seit 1929 Leiter der Archivberatungsstelle Rheinland. Da er kein Parteimitglied gewesen war, galt er nach Kriegsende als unbelastet und wurde Ende Mai 1945 als Leiter der staatlichen Archivverwaltung der Nord-Rheinprovinz eingesetzt, damit war er zunächst auch für das Staatsarchiv Koblenz zuständig. 35 Einer von ihnen war der spätere Direktor des Kgl. Hausarchivs in Den Haag, P. Sickinghe. 36 Weiß, Die Bergung der Kulturgüter (wie Anm. 11), S. 437 und 439; Emily Löffler, Kunstschutz im besetzten Deutschland. Restitution und Kulturpolitik in der französischen und amerikanischen Besatzungszone (1945 – 1953) (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 3), Wien/Köln/Weimar 2019, S. 213: André Dussarthou schloss am 14. 09. 1945 einen Bericht über die Kunstwerke in den Kunstschutzdepots der französischen Besatzungszone ab.

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14. 7. 1945: (…) Um 8 Uhr übernehmen die Franzosen das Kommando. (…) Trikolore gehisst ohne üblichen Tam-tam. Vom 14. Juli-Tag nicht viel zu merken. Gerüchte in der Bevölkerung gegen die Franzosen. Man befürchtet Unruhen (…). 18. 7. 1945: (…) Ich lese statt der Stars and Stripes nun Patrie. Journal des Combattants Francias. Ziemlich großer Unterschied zu dem burschikosen Ton der amerik. Soldatenzeitung: literarisch, stilistisch, sprachlich (…). 20. 7. 1945: Ravelin: Wiedsches Archiv (…) aufgeräumt. (…) Bewegung auf der Festung. (…) General [Pierre] Bilotte, Oberbefehlshaber der franz. Zone mit hohen Offizieren: Trikolore u. Wimpel mit dem Lothringerkreuz feierlich gehisst. Eine Division Franzosen soll kommen. Oh weh! (…).

Im Sommer 1945 plünderten auf Ehrenbreitstein stationierte französische Soldaten in den Festungsdepots. Gräfin Looz beschreibt dies zusammenfassend in einem Brief vom 31. Mai 1946 an Dr. Viktor Dirksen, den langjährigen Leiter des Wuppertaler Stadtmuseums: (…) Das Wuppertaler Museum hat wie alle Museen und Archive auf der Festung im August und September [1945] keine ruhige Stunde. Dem Koblenzer Museum allein wurden über 200 Bilder aus dem Rahmen geschnitten, die in den Soldatenhosentaschen als Souvenirs verschwanden. Gottlob waren die Liebhaber keine Kenner, sonst wäre der Schaden wohl noch grösser. Herr Schoss und ich, die wir ja schon von den Amerikanern bestätigt waren, waren die einzigen Deutschen, die zu dieser Zeit Zutritt zur Festung hatten. Auf meine Hilferufe hin hat dann die französische Militärregierung in Bad Ems [die Section des Beaux-Arts], damals unter Leitung von Lt. Letourmy (eines Kunsthistorikers vom Louvre), in vorbildlicher Weise uns Hilfe gewährt und weiteres Übel verhütet. Da niemand anderer da war, wurde ich von der Séction Beaux-Arts in Bad Ems mit der Obhut der Kunstwerke auf der Festung betraut, und wir haben dann mit Hilfe französischer Soldaten auch das Wuppertaler Museum aus den gefähr(d)eten Räumen in der Langen Linie bei Herrn Schoss in Sicherheit gebracht, wo es seitdem gut und trocken steht. Von allen Museen auf der Festung hat Wuppertal am meisten Glück gehabt. An Bildern und Skulpturen scheint mir kein Schaden entstanden zu sein. Nur der Münzschrank ist hoffnungslos geplündert (…).37

Gräfin Looz in ihrem Tagebuch: 25. 7. 1945: Bibl. geräumt. Bei Dr. Michel  38 wegen K(oblen)zer Stadtmuseum: Franzosen klauen u. transportieren Museumsgut ab (…). 27. 7. 1945: Wieder Besichtig. d. Archivs, die Franzosen suchen Platz i. d. Rheinbastion. Reg.Bibl. geordnet, viel Arbeit, aber interessant (…).

37 Archiv des Von der Heydt-Museums Wuppertal, Schreiben der Gräfin Looz an Dirksen vom 31. 05. 1946, zit. nach: Weiß, Die Bergung der Kulturgüter (wie Anm. 11), S. 439 und 445 f. 38 Dr. Fritz Michel, Arzt in Koblenz und Mäzen des Stadtmuseums in der Vorkriegszeit.

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7. 8. 1945: Eine Kommission aus Ems 39: Lt. [Jean] Letourmy für Kunst u. Oberlt. [Jean] Regnault für Archiv besichtigen die Festung. Wollen Kunstwerke aus der Pulverkammer u. Stadtmuseum K(oblen)z retten (…). 14. 8. 1945: Lt. Letourmy u. Regnault wollen sich vom Ergebnis ihrer Befehle überzeugen. Weitere Plünderungen vom Museum und Landessippenamt. Neuer Komand. Lt. Pechard. 15. 8. 1945: Lt. Letourmy wieder da: Mit 15 französ. Soldaten Stadtmuseum K(oblen)z u. Wuppertal geräumt. Horribile! 16. 8. 1945: Wieder mit französ. Soldaten Museum Wuppertal geräumt. (…) Nachmittags kommen die Soldaten nicht: frei wegen Beendigung des Krieges mit Japan, Friede auf Erden (…). 17. 8. 1945: Morgens Wuppertal geräumt. Lt. Letourmy aus Bad Ems kommt mit Wissenschaftler Lt. Sinor, Orientalist, von einer Wiedergutmachungskommission, der Bücher und Volkskunst für französ. Museen u. Bibliotheken sucht. Ich glaube, es ist mir gelungen, die Gefahr abzuwehren. Er nimmt Sebast. Münster Kosmographie 40 mit. 18. 8. 1945: Letourmy lässt durch Militärphotographen die verwüstet(en) Räume photographieren zum Bericht an General Bilotte. 19. 8. 1945: (…) Berichte nach Düsseldorf und Ems wegen Plünderung (…). 25. 8. 1945: Die abziehende Truppe Pechard bringt mir Urkunden, Kunstwerke u. ähnl., bei Soldaten gefunden (…). 27. 8. 1945: (…) Abends melde ich dem neuen Komandanten Lt. Laurencen, dass Schloss zu Wuppertal und K(oblen)z Museum aufgebrochen. Große Untersuchung: Komp(anie) muss antreten. 29. 8. 1945: (…) Lt. Letourmy u. Regnault kommen, um sich nach dem merkwürdigen Offizier [ein Ungar namens Sinor] zu erkundigen, der Sebastian Münsters Kosmograhie mitgenommen hat. Er ist ein Schwindler! (…). 31. 8. 1945: Lt. Poussell, sécurité public, mit einem belg. Offizier sucht Kirchenbücher des Bezirks EupenMalmedy. Nach Salzdetfurth verwiesen (…). 3. 9. 1945: Pulverkammer geräumt. Kölner Bilder i. d. Rheinbastion. (…) Bilder v. Wuppertal mit Zivilgefangenen in d. lange Linie gebracht. 4. 9. 1945: Pulverkammer: Messgewänder 41 aufgehäuft i. d. Rheinbastion (…). 6. 9. 1945: Major Ross/Düsseldorf, Cpt. Perry, Graf Metternich, Lt. Letourmy, Weyres kommen wegen Kunstwerken u. Archivalien der engl. Zone. Wollen in Baden-Baden mit den Franzosen Abtransport vereinbaren. Besichtigen Pulverkammer, Lange Linie, Ravelin, Stadtmuseum Mörs (…). 13. 9. 1945: Museum Landbastion. Mehrere höhere Offiziere, ein Oberst u. ein deutscher Dolmetscher besichtigen Archiv u. Bilder. Wollen Verzeichnis aller franz. Bücher der Bibliothek des St(aats)-Archivs. Es war Oberst Rol, der neue Stadtkommandant von K(oblen)z. (…).

39 Bad Ems war vom 14. 07. 1945 bis Mitte 1946 Sitz der französischen Militärregierung RheinlandHessen-Nassau gewesen. 40 Cosmographia oder Cosmographiae universalis lib[ri] VI […]. Das deutschsprachige Werk enthält in sechs Büchern „eine Beschreibung der ganzen Welt mit allem, was darinnen ist“. Es wurde von 1544 bis 1628 in drei Ausgaben gedruckt. 41 Wahrscheinlich aus dem Besitz von Kölner Pfarreien.

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18. 9. 1945: (…) Lt. Letourmy mit einer Dame, Kunsthistorikerin am Louvre,42 besichtigt die Umräumereien der Museumsbilder. Will Überblick über die in die engl. Zone zu bringenden Kulturgüter (…). 22. 9. 1945: Kisky kommt w. Abtransport der i. d. engl. Zone gehör(igen) Archive, bes. Landessippenamt (…).43 29. 9. 1945: Kisky kommt wegen Landessippenamt (…). 2. 10. 1945: Letourmy u. Regnault kommen, genehmigen, die in Balduinstein liegenden Archivalien abzutransportieren. (…) Der Betrüger Sinor verhaftet. 3. 10. 1945: Vorbereitungen u. Empfang von General de Gaul(l)e. Abends Feuerwerk aus Kollophonium u. Leuchtraketen. 4. 10. 1945: (…) Abends kommt Hübinger mit engl. LKW, um Bücherkisten [seiner Privatbibliothek] zu holen (…). 18. 10. 1945: [André] Dussarthou mit dem Chef der Beaux Arts in Baden-Baden, Oberst X u. ein anderer Oberst, Archivar in Paris, u. ein Zivilbeamter besichtigen Kunstwerke u. Archive. Münzsammlg. v. Wuppertal i. Ravelin beraubt (…). 20. 10. 1945: (…) Abends zu franz. Offizier wegen belg. Archivalien in d. Festung (…). 22. 10. 1945: Kisky weg(en) Landessippenamt. Es soll nun doch hier bleiben. Vergebens auf Letourmy gewartet. Ein franz. Lt. bringt 42 gestohlene Münzen, die Soldaten abgenommen wurden (…). 5. 11. 1945: Kisky wartet wieder vergebens auf Letourmy w. Landessippenamt. Holländ. Reichsarchivar Graswinkel  44 sucht nach den zurückgebliebenen Archivalien, will wiederkommen (…). 8. 11. 1945 (…) Katasterakten von Wittlich und Daun werden geholt (…). 16. 11. 1945: (…) Akten aus dem Lahnkahn geholt (…). 16. 12. 1945: (…) Abends franz. Lt. wegen Transport der Möbel v. Graf Metternich. 17. 12. 1945: Kisky. (…) Engländer mit LKW holen Möbel von Metternich u. Kataloge d. Schnütgenmuseums. Major Perry und Frl. Wohltat 45 (…). 19. 12. 1945: Dr. Fischer findet die Landscroner Archivalien. Gen. Dir. Graswinkel sucht und findet im Ravelin Rest der holl. Archivalien. Mit ihm in Ems bei Dussarthou, vergebens, und Letourmy.

Das Tagebuch von Katharina Gräfin Looz endet mit d­ iesem Eintrag. Spätestens im Frühjahr 1946 beginnt der Leiter der Section des Beaux Arts, Capitiane Dussarthou, systematisch nach Kriegserwerbungen unter dem in den Ehrenbreitsteiner Depots gelagerten Kunstgut

42 Sie ist vielleicht Rose Vallant (1898 – 1980), Kunsthistorikerin, Konservatorin des Museum Jeu de Paume, sie dokumentierte den deutschen Kunstraub und legte so die Grundlage für die französischen Rückforderungen, nach Kriegsende bis 1953 in Deutschland als Kunstschutzoffizierin tätig. 43 ALVR, Bestand Brw 1, Nr. 376: Vgl. den edierten Bericht: Die Landesarchivverwaltung in der Zeit vom Ende des Krieges bis zum 31. März 1948 am Ende des Beitrags. 44 Dirk Petrus Marius Graswinckel (1888 – 1960), Reichsarchivar der Niederlande, vom Oktober 1945 bis März 1948 Verbindungsoffizier beim Generalkommissariat für wirtschaftliche Belange Hollands in Deutschland und mit der Restitution von niederländischem Kulturgut beauftragt. 45 Mitarbeiterin von Wolff Metternich.

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der Museen zu recherchieren. Im Mai erkundigt er sich „nach Bildern französischer Maler im Wuppertaler Museum, Renoir, Corot u. a., die nach Angabe eines englischen Kunstschutzoffiziers hier sein sollten.“ 46 Es wurden zunächst sieben Bilder französischer Künstler, ­später noch zahlreiche weitere Kunstwerke aus dem Wuppertaler Museum beschlagnahmt.47 Private Briefe, die Gräfin Looz an ihren früheren Kollegen Paul Hübinger 48 schrieb, enthalten auch Hinweise auf die Rückführung der Koblenzer Archivbestände: 15. 1. 1946: Lieber Kollege Hübinger, Ihr Brief vom 22.12. wurde uns nach Schönstein [bei Wissen/Sieg] nachgeschickt, wo wir die Feiertage über bis Dreikönig uns von den Koblenzer Hungertagen etwas erholten. (…) Unser Archivpersonal besteht z. Zt. aus 7 Menschen: Hirschfeld, mein Mann 49 und ich [und vier weitere namentlich genannte Personen]. Hirschfeld und der Reg. Präs. wollen z.Zt. das Personal des Archivs nur auf die notwendigsten Kräfte beschränken, wegen der schwierigen Arbeits- und Unterbringungsbedingungen, wegen finanzieller und anderer Gründe. Ich weiß deshalb nicht, ob ich viel für Ihren Freund Skalweit 50 tun kann. Es kommen übrigens fast jede Woche Bitten, Hilferufe und Anfragen von berühmten und unberühmten Kollegen aus dem Osten, die hier unterschlüpfen zu können hoffen. (…) Mein Mann und ich waren kurz nach Weihnachten in Marburg, um dort unsere Balduineen und das Balduinbrevier 51 zurückzuholen. (…) Inzwischen ist der untere Teil des Archivs als Sammelstelle von Museumsgut eingerichtet worden, das aus Bunkern und anderen Ausweichlagern kommt und dort unter amerik. Leitung fachmännisch restauriert wird (…).52

46 Archiv des Von der Heydt-Museums Wuppertal, Schreiben der Gräfin Looz an Dirksen vom 31. 05. 1946, zit. nach Weiß, Die Bergung von Kulturgütern (wie Anm. 11), S. 447. 47 Sabine Fehlemann, Das Von der Heydt-Museum Wuppertal und seine verlorenen Schätze, in: museumskunde 65 (2000), H. 1, S. 41 – 47, hier S. 43. 48 Paul Egon Hübinger (1911 – 1987), Historiker, wurde 1935 bei Wilhelm Levison in Bonn promoviert, seit 1939 Staatsarchivassessor, seit 1942 Staatsarchivrat in Koblenz, 1943 habilitiert, aber ohne Lehrerlaubnis, ab Ende 1945 Dozent in Bonn, ab 1950 Lehrstuhlinhaber in Bonn und Münster. 49 Dr. Otto Graf von Looz-Corswarem (1906 – 1985), siehe Nachruf in: Der Archivar. Mitteilungsblatt für deutsches Archivwesen 39 (1986), Sp. 251 f. 50 Prof. Dr. Stephan Skalweit (1914 – 2003), Historiker und Archivar, 1937 promoviert, da er eine Mitgliedschaft in der NSDAP ablehnte, war ihm eine Universitätslaufbahn verwehrt. Er schrieb sich zum Archivarslehrgang ein und wurde 1939 wiss. Archivar beim Geheimen Staatsarchiv Berlin. Er war seit August 1939 Soldat in der Wehrmacht, s­päter als Dolmetscher und Sprachlehrer für Französisch eingesetzt. Im August 1945 wurde er aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft entlassen. Seit 1947 war er wiss. Assistent in Bonn und hatte 1964 bis 1982 einen Lehrstuhl für Geschichte in Bonn inne. 51 Die Balduineen sind vier Handschriften mit Urkundensammlungen, die Balduin von Luxemburg, von 1307 bis 1354 Erzbischof von Trier, abschriftlich zusammenfassen ließ. Die reich bebilderte Handschrift „Breviarium Balduini“ entstand 1336. 52 Universitätsarchiv Bonn (künftig UA Bonn), Nachlass Hübinger, Mappe 1, Schriftwechsel 1945/1946, fol. 161.

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19. 2. 1946: Lb. Kollege Hübinger, (…) wir haben eine – vorläufig noch – ganz geringe Aussicht, wenigstens einen Teil unseres Hauses, in dessen Ruinen sich unbeschreibliches Pack aus der Altstadt mit gestohlenem Mobiliar angesiedelt hat, wieder bewohnbar machen zu können. (…) Ich war vor drei Wochen mit [dem Kollegen] Heim in Marburg 53 und habe dort in sehr strapaziöser Fahrt im Rucksack die Balduineen und das Brevier Balduins zurückgeholt. (…) Nun sind schon mehrere Transporte von Kunstgegenständen von hier ab, aber weder Kisky noch Frl. Wohltat – Metternichs rechte Hand – wußten etwas davon, ob und wohin Sie Ihre Bücherkisten mitnehmen sollten. Sie wissen ja, dass es nicht ganz einfach ist, offiziell Privateigentum von hier frei zu bekommen. Aber bei geschicktem Arrangement wird es schon gehen, sie stehen übrigens gut und sicher hier. (…) Mein Mann hat sich körperlich von den russischen Strapazen etwas erholt, bis er wieder ganz auf dem Damm ist, wird es wohl noch etwas dauern (…).54 9. 5. 1946: Lieber Herr Hübinger, (…) in der Angelegenheit Ihrer Bücherkisten konnte ich bisher leider nichts mehr ausrichten, da Frl. Wohltat oder andere Bonner Vertreter nicht mehr hier waren. Die Bonner Transporte scheinen vorläufig eingestellt. Dagegen kommen die Düsseldorfer mit Brandts 55 oder Vollmer öfter. Vielleicht reden Sie mal mit Kisky, dass die Engländer Ihnen die Sachen bis Bonn mitnehmen. Wir haben inzwischen die Findbücher wieder und einen Transport aus Salzdetfurth und warten sehnsüchtig auf weitere. Die Festung, die jetzt von den Franzosen geräumt ist, bietet dem Archiv viel Platz. Mein Mann und ich haben hier oben eine richtige 3 Zimmerwohnung als Dienstwohnung in Aussicht, die hoffentlich in den nächsten Wochen beziehbar ist. Die schöne Aussicht und der Dachgarten entschädigen dabei für die Mängel an zivilisatorischen Fortschritten. Besser als in den Trümmern unten scheint sie mir doch. (…) [Der] Neuaufbau des Archivs bleibt allein meinem armen Mann vorbehalten, der in rastloser Arbeit das Chaos der in Balduinstein verunglückten franz. Akten 56 schon fast wieder entwirrt hat. Der neue Etat hat das Archiv sehr schlecht bedacht, außer dem Direktor nur mehr 2 wissenschaftliche Beamte. Auch meine Stelle ist ab 1. Juli gestrichen, und ich nehme mit einem lachenden und einem weinenden Auge Abschied von einer Institution, für die ich voriges Jahr beinahe mein Leben geopfert habe. Ganz aus dem Gesichtsfeld scheidet mir das Archiv ja nicht. (…) Nur Zipfel,57 der Urheber des Elends, sitzt wohlbehalten und ungeschoren bei seiner Tochter in Bad Pyrmont und schmiedet große Pläne zum Wiederaufbau des deutschen Archivwesens, natürlich mit ihm an der Spitze. Er ist leider mehr gefährlich als lächerlich (…).58 53 54 55 56 57

Central Collecting Point. UA Bonn, Nachlass Hübinger, Mappe 2, Schriftwechsel 1946, fol. 171.

Dr. Rudolf Brandts (1913 – 2003), Archivar bei der Archivberatungsstelle Rheinland. Akten der Zeit von 1794 bis 1814. ALVR, Archivberatung 1, Nr. 8: Bewerbung Zipfels an den Oberpräsidenten der Nordrheinprovinz, 30. 7. 1945 und Ablehnung der amerikanischen Militärregierung, ihn als Archivar zu beschäftigen. 58 UA Bonn, Nachlass Hübinger, fol. 155. Dr. Ernst Zipfel (1891 – 1961), seit 1932 NSDAP -Mitglied, ab 1936 Generaldirektor der Preußischen Staatsarchive und ab 1940 Kommissar für den Archivschutz im Reich, Leiter des „Sonderstabs Archive“ beim ERR seit 1942. Nach 1945 nicht mehr als Archivar tätig.

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13. 6. 1946: Lieber Freund Hübinger, (…) vorgestern war ein Kunsthistoriker aus Köln, Dr. Verbeek,59 hier und kündigte an, dass in Kürze der Rest der Kölner Kunstschätze hier abgeholt würde. Dies wäre m. M. nach eine der letzten günstigen Gelegenheiten, ihre Bücherkisten mitzugeben. Ich vermute, dass dieser Transport wie die vorherigen wieder durch den Provinzialkonservator mit Hilfe der Engländer durchgeführt wird. Vielleicht setzen Sie sich mal mit Frl. Wohltat oder Kisky jun.60 in Verbindung und geben mir dann Bescheid. Sollte das nicht klappen, so sehe ich nur eine Möglichkeit: seit etwa 14 Tagen ist das Staatsarchiv Düsseldorf dabei, in wöchentlich 2 – 3 Transporten seine und anschließend auch die anderen Bestände aus der englischen Zone abzuholen. Sie fahren, soviel ich weiß, stets linksrheinisch, also über Bonn. Man könnte Ihre Kisten, vielleicht in 2 – 3 mal, hinten auf den Anhänger packen und in Bonn abladen. Die Transporte, die unserer Schätzung nach noch etwa 3 – 4 Wochen dauern werden, werden abwechselnd von Korn, v. Rhoden und Ödiger geleitet. (…) Ob Frl. Ennen 61 als meine Nachfolgerin sich hier wohlfühlen wird? So froh ich wäre, wenn d­ ieses liebe und kluge Mädchen in unserer Nähe wäre, ich fürchte, sie hat nicht so viel Stacheln wie ich, um sich durchzusetzen. Vielleicht überlegt sie es sich noch einmal, die freie wenn auch labile Luft der Universität gegen die Staatsfron einzutauschen (…).62 22. 8. 1946: (…) Dank der unermüdlichen Tätigkeit meines Mannes ist das Archiv zum grossen Teil wieder benutzbar, bes. die Urkunden. Die Akten sind ja noch z. T. in Salzdetfurth, werden aber bald zurück erwartet. Ich habe zwar offiziell mit dem Archiv nichts mehr zu tun, aber da die Katze das Mausen nicht lassen kann, habe ich für [Camille] Wampachs Luxemburger UB [Urkundenbuch] die Abschrift der hiesigen Urkunden übernommen (…).63 21. 10. 1946: (…) Kisky kündigte am Samstag den letzten Transport aus Salzdetfurth an, der außer ein paar H(and)s(chriften)-Kisten hauptsächlich (Bestand) 1 C (Akten der geistlichen und staatlichen Verwaltung des Erzstifts und Kurfürstentums Trier) u. a. Akten der Territorien umfassen. Damit ist dann alles wieder hier, und mein Mann wird das Vergnügen haben, mutterseelenallein mit Amtsgehilfen, die weder das Alphabet noch die römischen Zahlen beherrschen, das Chaos wieder in ein benutzbares Archiv zu verwandeln (…).64

59 Dr. Albert Verbeek (1909 – 1984), Kunsthistoriker, wurde 1936 bei Paul Clemen in Bonn promoviert und arbeitete für das Rheinische Amt für Denkmalpflege. Er war 1953 bis 1955 kommissarischer Landeskonservator. 60 Dr. Hans Kisky (1920 – 1965), Kunsthistoriker, Sohn des Archivars Wilhelm Kisky, wurde 1946 in Köln promoviert und arbeitete bis zu seinem Tod für das Rheinische Amt für Denkmalpflege. 61 Prof. Dr. Edith Ennen (1907 – 1999), Archivassessorin, 1947 – 1964 Leiterin des Stadtarchivs Bonn, 1964 – 1968 Lehrstuhlinhaberin in Saarbrücken, 1968 – 1974 in Bonn. 62 UA Bonn, Nachlass Hübinger, Mappe 2, Schriftwechsel 1946, fol. 153. 63 Ebd., Mappe 3, Schriftwechsel 1946, fol. 16. 64 Ebd., Mappe 4, Schriftwechsel 1946/1947, fol. 98.

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Wilhelm Kisky würdigte rückblickend am 10. Juni 1949, damals noch als Leiter der staatlichen Archivverwaltung NRW, die archivische Arbeit von Gräfin Looz auf der Festung Ehrenbreitstein: (…) Ich denke noch gern an Ihre Tätigkeit im Sommer 1945 zurück, die ich im Stillen immer aufrichtig bewundert habe. Was wäre aus alle den Archivalien geworden, wenn Sie nicht dagewesen wären und sich für sie eingesetzt hätten! Es ist mir unvergesslich, wie Ihr Name bei den Franzosen Eindruck machte und alle Türen öffnete. Ich habe ja selbst davon profitiert.65

Anhang: Ergänzende Quellen zur Rückführung von rheinischem Kulturgut  Die ausgewählten Quellen beschreiben die unterschiedlichen Akteure im Zuge der Rückführung der rheinischen Kulturgüter in der Nachkriegszeit.66 Beschlagnahmung von Schloss Dyck als künftiges Depot für zurückgeführte rheinische Kunstschätze, 8. August 194567 Durch Beschlagnahmebefehl der [englischen] Militärregierung vom 8. 8. 1945 ist das im Eigentum des Fürsten Salm-Reifferscheidt stehende Schloss Dyck, Kreis Grevenbroich, in Anspruch genommen worden, um als Depot für rheinische Kunstgüter zu dienen, die aus den Bergungsorten, wo sie während des Krieges untergebracht waren, zurückgeführt worden sind, aber ihren Eigentümern noch nicht wieder zurückgegeben bezw. von diesen noch nicht wieder ordnungsgemäss in Obhut genommen werden können. Die Inanspruchnahme des Schlosses Dyck für diesen Zweck erfolgte nach einer von der Militärregierung der Nordrheinprovinz abgegebenen Erklärung, weil 1. im Zeitpunkt der Inanspruchnahme sämtliche übrigen grösseren Schlösser oder ländlichen Wohnsitze, soweit sie als Bergungsort in Frage gekommen wären, von Stäben oder anderen militärischen Dienststellen belegt waren, 2. das Schloss als Wasserburg mit einem breiten Wassergraben und nur einem leicht bewachbaren Zugang als Bergungsort besonders geeignet erschien, 3. Schloss Dyck verkehrsmäßig besonders günstig gelegen ist.

65 Nachlass Gräfin Katharina von Looz-Corswarem, zit. nach Weiß, Die Bergung der Kulturgüter (wie Anm. 11), S. 439. 66 Die zitierten Archivalien stammen – wenn nicht anders vermerkt – aus der von Dr. Josef Busley angelegten Akte betr. Kunstschutz 1944 – 1946: ALVR , Nr. 11234. Dr. Josef Busley (1888 – 1969), deutscher Kunsthistoriker, zählte bis 1933 zu den prägenden rheinischen Kulturpolitikern. Nach Kriegsende wurde er zum Referenten für Kultur- und Denkmalpflege beim Oberpräsidenten der Nord-Rheinprovinz, 1946 im Kultusministerium des Landes NRW berufen. 67 ALVR, Nr. 35250.

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Da die Inanspruchnahme von Schloss Dyck zwar durch die Militärregierung aber nicht für die Zwecke der Besatzung, sondern für Zwecke des deutschen Kunstschutzes erfolgte, regeln sich die durch die Inanspruchnahme des Schlosses sich ergebenden Rechtsverhältnisse nicht nach den Bestimmungen der Militärregierung über Grundstücksrequisitionen. Es soll zu d­ iesem Zweck vielmehr eine Regelung ­zwischen dem Eigentümer und der Landesregierung vereinbart werden.

Schloss Dyck wurde bis zum 31. Dezember 1950 von der Landesregierung als Kunstdepot genutzt. Das Kulturgutdepot Festung Ehrenbreitstein: Vermerk von Dr. [Josef ] ­Busley 68 im Oberpräsidium der Nord-Rheinprovinz, Düsseldorf, den 16. August 1945 Gestern hatte ich eine Rücksprache mit Dr. Kobé,69 der mir über die Zustände des Depots auf dem Ehrenbreitstein berichtete. Vor allem ist ihm daran gelegen, daß das Museum von Wuppertal das auf dem Ehrenbreitstein noch befindliche Restdepot abholt und anderswohin verbringt. Im Dezember [1944] hat Direktor Dirksen einen Teil der besten Bilder abgeholt. Dr. Kobé ist sehr in Sorge um die Sicherheit des Restdepots und bittet mich, dieserhalb an Museumsdirektor Dirksen zu schreiben. Es handelt sich um 2 Räume mit Museumsgut, die in etwa 2 Möbelwagen abzutransportieren wären. Desweiteren bittet Dr. Kobé die Kölner Stadtverwaltung zu veranlassen, die Restdepots, die noch auf dem Ehrenbreitstein sind (in der Pulverkammer) wegzuschaffen. Es handelt sich in der Hauptsache um Stücke aus den Kölner K ­ irchen, die in einem großen Raum untergebracht sind. Der Betreuer ­dieses Depots, ein Herr Schurß   70 hat seine Unterbringung in der „Langen Linie“, wo Teil des Wallraf-Richartz-Museums und des Kunstgewerbemuseums untergebracht sind. Herr Schurß ist für die Betreuung und Überwachung dieser Teile ortsgebunden und kann sich infolgedessen um das Depot mit den Kölner Kirchensachen nicht kümmern. Dr. Kobé bittet mich, entsprechend an Herrn Vogts zu schreiben. Nächster Punkt war das Museumsgut vom Koblenzer Schloßmuseum auf dem Ehrenbreitstein. Hierzu berichtet Kobé, daß in den Unterbringungsräumen desselben immer wieder eingebrochen, geplündert und gestohlen wird. Er befürchtet, daß der größte Teil der Porzellane und Fayencen zerschlagen und vernichtet sind. Es ist ihm unbegreiflich, daß die Koblenzer Stadtverwaltung nichts unternommen hat, um ihre Museumsschätze auf dem Ehrenbreitstein rechtzeitig zu retten. Allerdings ist es schwer,

68 Siehe Anm. 66. 69 Karl Heinz Kobé (1888 – 1959) war 1933 – 1942 Stadtarchivar in Bonn, 1942 – 1946 Referent beim Landessippenamt der Rheinprovinz, 1946 – 1950 am Rheinischen Personenstandsarchiv in Liblar. Brw. 1 Archivberatung 1, Nr. 376: Bericht Kiskys: Das Landessippenamt war eine Einrichtung der Nazizeit, die jetzt aufgelöst werden musste und deren Personal zum grössten Teil nicht weiter beschäftigt werden konnte (…). 70 Korrekt Cornelius Schohs: siehe zu ihm die Anm. 21.

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innerhalb der Stadt einen geeigneten Raum hierfür zu finden, aber es bedarf keines Wortes, daß die Stadtverwaltung längst eine anderweitige Unterbringung hätte sichern müssen. Ich habe hierzu Herrn Kobé nahegelegt, Herrn Regierungspräsidenten Dr. Boden aufzusuchen und ihn von mir aus zu bitten, die Stadt Koblenz mit Nachdruck zu veranlassen, hierzu unverzüglich Sicherungsmaßnahmen zu treffen. Abschließend habe ich Herrn Kobé darauf aufmerksam gemacht, daß nach meiner Meinung der Ehrenbreitstein in keiner Weise als militärisches Objekt zu betrachten sei, und es Sache der Koblenzer Regierungsstelle ist, in d­ iesem Sinne auf die [französische] Besatzungsbehörde einzuwirken, damit das ganze Gelände des Ehrenbreitsteins als großes Depot in militärischen Schutz genommen werden kann. Dr. Kobé sagte zu, dies nach seiner Rückkehr nach Koblenz zu tun.

Meldung der Neuen Rheinzeitung zur Rückführung von Kunstschätzen, 22. August 1945 Auf Befehle der Militärregierung wird darauf aufmerksam gemacht, dass Kunstgegenstände aus öffentlichem, kirchlichen und privatem Besitz, die seinerzeit durch die vom Provinzialkonservator der Rheinprovinz geleitete Bergungsaktion in luftgesicherte Depots gebracht worden sind, ohne ausdrückliche Genehmigung des Provinzialkonservators nicht zurückgeholt werden dürfen. Die Depots haben strenge Anweisung, niemand zuzulassen, der keine schriftliche Erlaubnis vom Provinzialkonservator vorweisen kann.

Dr. Busley bescheinigt Herrn Dr. [Herbert] Griebitzsch die Leitung für die Rücktransporte der Kunstschätze im Bezirk Düsseldorf, o. D. [Düsseldorf, den 12. September 1945] Herr Dr. Griebitztsch 71 hat durch die Militärregierung [Capt. Perry] den Auftrag erhalten, für den Bezirk Düsseldorf den Rücktransport der in Bergungsorte verbrachten Kunstschätze zu leiten. Dies betrifft sowohl städtische, kirchliche und wie auch private Sammlungen, Archive und Bibliotheken. Dr. Griebitztsch hat in ­diesem Zusammenhang den besonderen Auftrag, hierfür die vorbereitenden Maßnahmen zu treffen bezüglich Bereitstellung von geeigneten Transportarbeitern und Transportmaterial. Die englische Regierung wird ihrerseits die Wagen und den benötigten Kraftstoff zur Verfügung stellen. Alle zuständigen Stellen sind gebeten, Herrn Dr. Griebitztsch bei der Durchführung seines Auftrags nach Kräften behilflich zu sein. Dr. Griebitztsch wird noch einen besonderen schriftlichen Befehl durch die Militärregierung erhalten.

Dr. Busley stimmt zu, dass der Provinzialkonservator Franziskus Graf Wolff Metternich die oberste Zuständigkeit für die Rückverbringung der rheinischen Kunstgüter hat, Düsseldorf, den 25. September 1945 71 Dr. phil. Herbert Griebitzsch (1904 in Leipzig geboren, nach 1963 gestorben) war von 1934 bis zum 01. 08. 1945 Direktor der städtischen Kunstsammlungen der Stadt Duisburg gewesen.

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Bei der gestrigen Rücksprache mit Graf Metternich wurde obige Angelegenheit besprochen. Graf M. weist darauf hin, daß die Einrichtung der Kunstgutbergung im Auftrage der Staatsregierung Angelegenheit des Provinzialkonservators ist und als ­solche durchgeführt wurde. Bis auf wenige Ausnahmen sind alle Bergungsorte durch [den] Provinzialkonservator mit der Archivstelle eingerichtet und betreut worden. Ebenso wird die Rückführung zu erfolgen sein. Hierfür eingesetzt u. mit der Leitung der technischen Fragen beauftragt Dr. Griebitzsch. Mit d­ iesem wird vereinbart, daß heute [eine] grundsätzliche Regelung mit Major Ross erfolgt. Damit tritt Dr. Griebitzsch in den Rahmen der Bergungsaktion beim Provinzialkonservator und wird von d­ iesem aus den Mitteln des Staatlichen Kunstschutzes bezahlt. Die Mittel ­dieses Fonds werden vom Provinzialkonservator verwaltet.

Bericht des Provinzialkonservators Franziskus Graf Wolff Metternich zur Tätigkeit der Denkmalpflege im November 1945 (…) Neben diesen Arbeiten der Denkmalpflege stand nach wie vor der Kunstschutz mit der Rückführung der geborgenen Denkmäler aus den verschiedenen Bergungsorten in der Nord-Rheinprovinz im Vordergrund der Tätigkeit des Amtes. So wurden aus der Burg Rheinfels bei S. Goar im Einvernehmen mit dem französischen Kunstschutzoffizier die gesamten Aktenmaterialien sowie wichtige Pläne und Zeichnungen der Kunstdenkmälerinventarisation nach Bonn zurückgeholt; das Depot Rheinfels ist damit völlig geräumt. In den Sammelbergungsort Schloß Dyck wurden Kunstgegenstände aus den Schlössern Adolfsburg, Canstein, Alme und Rheydt eingeliefert; jedes Stück wurde genau inventarisiert. Schloß Hugenpoet bei Düsseldorf [!] wurde dazu bestimmt, die an verschiedenen Bergungsorten sichergestellten Bestände des Essener Folkwangmuseums aufzunehmen. Die ersten großen Transporte, so aus den Depots Warstein und Hann-Münden, sind bereits eingetroffen. Das oberste amerikanische Hauptquartier [hat] die in Marburg zentralisierten Kunstwerke aus der Nord-Rheinprovinz freigegeben. Es ist damit zu rechnen, dass in nächster Zeit die Rückführung ­dieses wertvollsten Teiles rheinischen Kunstbesitzes in die Wege geleitet wird. In den Schlössern Blankenhagen, Gimborn, Heimerzheim und Paffendorf wurden aufgrund ihres besonderen künstlerischen Wertes einzelne Räume, in denen sich kostbare Möbel, Bilder u. s. w. befinden, unter den Schutz des engl. Mil. Gouvernements gestellt.

Meldung der Neuen Rheinischen Zeitung zur Sicherungen rheinischer Kunstschätze in den USA, 28. November 1945 200 der wertvollsten Gemälde aus deutschen Galerien, die bei Kriegsende in der amerikanischen Zone aufgefunden wurden, werden nach Washington gebracht und dort vorläufig in der National-Galerie aufbewahrt, um sie so vor nicht wieder gutzumachenden Winterschäden zu ­schützen. Madonnen von Dürer und Raffael, Rembrandts „Mann mit dem Goldhelm“, Tizians Bildnis seiner Tochter Lavinia und Watteaus „Italienische Komödianten“ sowie Gemälde von Holstein, Rubens und Franz Hals gehören zu diesen Kunstwerken. Nach Beseitigung der Kriegsschäden in den deutschen Museen werden diese Kunstschätze von der amerikanischen Regierung dem deutschen Volk zurückgegeben werden.

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Schreiben des Provinzialkonservators Franziskus Graf Wolff Metternich an den Oberpräsidenten der Nordrheinprovinz in Düsseldorf, 21. Dezember 1946 Auf Anordnung der Besatzungsbehörde sind im Einvernehmen mit der Stadtverwaltung Essen die Schätze des Folkwangmuseums in Schloss Hugenpoet bei Kettwig vor der Brücke untergebracht. Es erscheint dringend notwendig, Massnahmen für eine ausreichende Bewachung der ausserordentlich wertvollen Bestände zu treffen, da die dortige Gegend immer noch gelegentlich von Plünderern heimgesucht wird. Der Oberbürgermeister der Stadt Essen hat sich ausser Stande erklärt, die von mir erbetenen Polizei­ beamten für diesen Zweck zu stellen. Ich bitte nun die Gestellung von zwei Mann Wachpersonal zunächst etwa für die Dauer von drei Monaten aus den unterstellten Polizeiformationen anordnen zu wollen.

Bericht des Provinzialkonservators Franziskus Graf Wolff Metternich zur Tätigkeit der Denkmalpflege im Dezember 1945 (…) In der großen Kunstschutzrückführung wurde im Dezember der erste Transport von der Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz aus der Pulverkammer organisiert. Mit Hilfe der Militärregierung gelang es, das Material aus der französischen in die britische Zone zu verbringen. Der zweite Transport aus der Pulverkammer ist für den Anfang des Monats Januar 1946 vorgesehen. Das Depot Schloss Homburg ist nach Überführung der Restbestände in den Bergungsort Schloss Dyck völlig geräumt. In Dyck wurde eine besondere Abteilung eingerichtet, in der vorläufig beschlagnahmte Bestände der Kunsthandlungen Malmedé und Fahrenbach (Köln) untergebracht sind. Eine englische Wache ist zum Schutz der Kunstgüter in Dyck stationiert worden. Die Rückgabe von Privatgut an Eigentümer ist nach Verlagerung der betreffenden Dinge aus Schloss Alme und Adolfsburg nach Dyck von dort aus weitergeführt worden.

Konferenz bei der Abteilung Fine Arts des H. Q. der Militärregierung zum Thema „Rückführung und Sicherstellung d. rhein[ischen] Kulturgutes“, Düssel­dorf, den 25. Januar 1946 Anwesend: Major Perry, Major Steer, Capt. Baillie, Mr. Hartley,72 Graf Metternich, Dr. von Tieschowitz, Dr. Dirkson, Dr. Steeger, Dr. Wilkes, Köhne, Dr. Bader, Dr. Apel, Dr. Vogts, Dr. Doede, Dattenberg – M.Gladbach, Dipl. Ing. Weyres, Schüller – Aachen, Frl. Wohltat – Dr. Busley. Major Perry begrüßt die Erschienenen, weist auf die Wichtigkeit und Bedeutung dieser Konferenz hin und kündigt an, daß derartige Konferenzen künftig für jeden Monat vorgesehen sind. Im einzelenen sind die Hauptpunkte der heutigen Besprechung durch die Zusammenkunft vom 21. ds. Mts. In Köln vorbereitet. Im Auftrage von Major Perry machte Graf Metternich folgende Ausführungen: 72 Zu den britischen Archiv- und Kunstschutzoffizieren siehe ALVR, Bestand Brw 1, Nr. 376: Verkehr mit der Militärregierung (siehe den edierten Bericht: Die Landesarchivverwaltung in der Zeit vom Ende des Krieges bis zum 31. März 1948 am Ende des Beitrags).

Die Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz  I  493

Grundsätzlich ist die Militärregierung bereit, das in den Bergungsorten untergebrachte Kunstgut sowohl der Museumsbestände als auch des kirchlichen und privaten Kunstbesitzes freizugeben, soweit eine sachgemäße und sichere Unterbringung gewährleistet ist. – Für das übrige Kunstgut sind 2 große Sammeldepots vorgesehen, das eine in Schloß Dyck, das andere in Schloß Hugenpoet bei Essen. Betr. den privaten Kunstbesitz erklärte Major Perry, daß die Militärregierung bereit ist, diesen für den Besitzer freizugeben, allerdings die Freigabe an die Bedingung geknüpft, daß der Besitzer eine eidesstattliche Erklärung abgibt, daß der Besitz ihm bereits vor 1939 gehört hat oder aber rechtmäßigerweise in Deutschland erworben worden ist. Was die Rückholung des Kunstgutes betrifft, so erfolgt dieselbe durch den Eigentümer, von einem der genannten Zentraldepots. Die vorbereitenden Anträge hierzu haben über den Provinzialkonservator zu erfolgen. Alle Kriegserwerbungen (Ankäufe von Kunstgut aus besetzten Gebieten) bleiben vorerst sichergestellt auf Schloß Dyck, wo sie unter der Leitung von Dr. [Karl] vom Rath 73 als wissenschaftlichen Leiter betreut werden. Für die Kriegserwerbungen ist dort eine besondere Abteilung eingerichtet, die für Besichtigungen nicht zugänglich ist. Betr. kirchlichen Kunstbesitz: Seine Rückführung kann ohne Umstände erfolgen unter der Voraussetzung, daß die Unterbringung und Aufbewahrung gesichert ist. Betr. Museumsbesitz gelten die gleichen Bestimmungen. Die Militärregierung ist bereit, die einzelnen Stadtgemeinden bei der Wiederherstellung der Museumsgebäude zu unterstützen. Bis dahin bleiben die Kunstschätze in den genannten Depots, natürlich unter der absoluten Zusicherung der Herausgabe, sobald die Unterbringung am Heimatort gesichert ist. (…) Betr. Restaurierung gefährdeten Kunstbesitzes. Je länger die Kunstgegenstände in Depots aufbewahrt werden, sind dieselben Gefahren aller Art ausgesetzt, die eine ständige Überwachung durch erfahrene Restauratoren nötig machen. Es ist nicht möglich, bereits jetzt große Restaurationen durchzuführen, aber es ist eine Einrichtung geschaffen, daß die Restauratoren der Düsseldorfer Museen monatlich einmal eine Überprüfung der Kunstwerke vornehmen und im Dringlichkeitsfall zu Sofortmaßnahmen schreiten, natürlich nur im Einvernehmen mit den Eigentümern. In schwierigen Fällen sollen die Kunstwerke aus den Depots herausgenommen und als Sonderfälle behandelt werden. Betr. Rückführung des rheinischen Kunstbesitzes aus anderen Zonen. Hierzu sind z.Zt. Verhandlungen mit den Militärregierungen der anderen Zonen im Gange. Es ist zu hoffen, daß ein günstiges Ergebnis erzielt wird. Betr. Ausstellungen. Der Militärregierung ist sehr daran gelegen, die Kunstschätze der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. (….) Hierbei ist auch an Wanderausstellungen gedacht. (…) Es entsteht die Frage, wie weit die Städte in der Lage sind, geeignete und sichere Schauräume für Kunstausstellungen bereitzustellen. Die Militärregierung muß die Gewähr haben, daß diese Voraussetzungen erfüllt sind 73 Karl vom Rath (1915 – 1986), Kunsthistoriker, schloss das Studium Köln, Berlin und Bonn 1938 mit der Promotion ab. 1941/1942 am Deutschen Kunsthistorischen Institut in Florenz, ab 1942 Assistent an der Kunsthistorischen Forschungsstätte in Paris. 1945 – 1948 Leiter des rheinischen Kunstdepots Schloss Dyck, 1950 – 1970 Kulturdezernent der Stadt Frankfurt am Main.

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(…). Die Militärregierung ist bereit, hierbei für die Herrichtung solcher Räume das benötigte Baumaterial zu beschaffen. Betr. Schulbesuch von Kunstausstellungen. Die Militärregierung legt besonderen Wert darauf, daß alle Schulen, insbesondere die Mittel- u. höheren Schulen, die Möglichkeit erhalten, s­olche Kunstausstellungen zu besuchen, hierfür sind besondere Pläne auszuarbeiten (…). Betr. Vortragswesen auf Kunstgeschichtlichem Gebiet. Die Militärregierung wünscht, daß das Vortragswesen auf künstlerischem und kulturgeschichtlichem Gebiete wieder seine vormalige Pflege erhält (…). Betr. Museumsverein. Es ist wünschenswert, daß die Museumsvereine ihre alte Tätigkeit wieder aufnehmen (für Ausstellungen und Vorträge), aber es bedarf einer Reinigung der Vereinssatzungen von nationalsozialistischen Grundsätzen. Hierzu ist eine Überprüfung durch den Oberpräsidenten in Verbindung mit der Abteilung Fine arts vom Hauptquartier erforderlich. Betr. Beschaffung von Lichtbildern und Photos empfiehlt Dr. Busley, sich an die Landesbildstelle in Düsseldorf, Direktor Boss, oder an das Rheinische Bildarchiv in Köln oder an das Kunsthistorische Institut in Bonn zu wenden. Major Perry sagt zu, für die Beschaffung von Photomaterial seine Unterstützung zu geben. Major Perry führte weiter aus, daß für das gesamte Bergungswesen und die Rückholung des Bergungsgutes die während des Krieges beim Provinzialkonservator geschaffene Zentralstelle auch weiterhin verbleiben soll, und zwar als Vermittlungsstelle zur Depotverwaltung für alle Fragen der Versicherung, Restaurierung und Rückführung. Diese Einrichtung hat natürlich nur einen vorübergehenden Charakter und hat die Aufgabe der Abwicklungsgeschäfte. Dr. von Tieschowitz ist für diesen Aufgabenbereich federführend (…).

Bericht des Provinzialkonservators Franziskus Graf Wolff Metternich zur Tätigkeit der Denkmalpflege im Februar 1946 Neben der eigentlichen Denkmalpflege brachte im Rahmen des Kunstschutzes die Rückführungsaktion aus den verschiedenen, ausserhalb der Nord-Rheinprovinz gelegenen Bergungsorten im Monat Februar vor allem Transporte von Kunstbesitz aus Kölner K ­ irchen in das neu eingerichtete Sammeldepot im Dischhaus zu Köln. Zurückgeführt wurden aus Schloss Alme Bergungsgüter der Pfarren St. Johann und St. Peter sowie des Ursulinenklosters und aus Schloss Niesen Eigentumswerte der Pfarrgemeinden St. Kolumba, St. Kunibert, St. Georg, St. Maria Lyskirchen, und St. Peter, sowie ebenfalls des Ursulinenklosters [!]. Von Burg Satzvey bei Euskirchen wurden Bilder, Plastiken und Möbel aus Maria Himmelfahrt, der Pfarrkirche Köln-Bocklemünd, der Benediktskirche in Köln-Bayental und aus dem Erzbischöfl. Palais zurückverlagert. Bei dem Transport aus Niesen kam zugleich einer der wenigen geretteten Reste des Kölner Wohnbaus, ein alter Treppenpfosten aus dem Haus Unter Goldschmied, der dem Wallraf Richartz Museum gehört, in seine Heimat zurück. Von diesen verschiedenen einstweilen im Dischhaus sichergestellten Werten können zunächst in Zukunft nur die aus St. Johann, St. Benedikt in Bayenthal und dem Ursulinenkloster stammenden Werke an ihren ursprünglichen Bestimmungsort aufgestellt werden.

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Ein anderer Teil der Rückführungsaktion betraf Kriegserwerbungen westdeutscher Museen, für die eine Sicherstellung in einer besonderen Abteilung des Depots in Schloss Dyck durch die Militärregierung angeordnet ist. So wurden in Dyck Gemälde, Plastiken, Zeichnungen, Stiche, Aquarelle, Porzellane u. s. w. aus dem Besitz des Städt. Museums in Wuppertal, des Suermondmuseums in Aachen, des Heimat­hauses in Krefeld, des Folkwang-Museums in Essen, des Wallraf Richartz Museums in Köln und verschiedener Kunsthandlungen inventarisiert und einstweilen bis zur Prüfung sichergestellt.

Bericht des Provinzialkonservators Franziskus Graf Wolff Metternich zur Tätigkeit der Denkmalpflege im März 1946 (…) Neben den eigentlichen Aufgaben der Denkmalpflege standen auch im März weiterhin F ­ ragen des Kunstschutzes und der Rückführung geborgener Kulturgüter im Mittelpunkt. Die auf der Tagung des „Denkmal- und Museumsrates Nordwestdeutschland“ in Bünde (Westf.) am 16. 2. 1946 gegründete „Arbeitsgemeinschaft der Rheinischen Museen“, die monatlich einmal von Herrn Major Perry einberufen wird, trat am 8. März zum erstenmal in Düsseldorf zusammen. Zum Vorsitzenden wurde einstimmig der Provinzialkonservator der Nord-Rheinprovinz gewählt; in den „Denkmal- und Museumsrat Nordwestdeutschland“ wurden als Vertreter der grossen Museen Prof. Dr. Reidemeister, Köln, und als Vertreter der Heimatmuseen Landesverwaltungsoberrat Dr. Busley, Düsseldorf, berufen. Besprochen wurde auf der Tagung vor allem der Stand der Bergungsaktionen: Die amerikanische Militär-Regierung hat grundsätzlich ihre Einwilligung zur Rückführung alles in ihrem Gebiet aus der englischen Zone geborgenen Kunstgutes aus öffentlichem Besitz erteilt. Auf ihren Wunsch ist die Rückführungsaktion beschleunigt durchzuführen. Ausser Marburg befinden sich noch 50 Depots mit Bergungsgut aus der Nord-Rheinprovinz im amerikanischen Sektor, aus denen Rücktransporte gemacht werden müssen. Zunächst sollen die Schätze aus Marburg in folgender Reihenfolge befördert werden: 1) Aachen, eventuell einschl. Düsseldorf, 2) Krefeld, 3) Essen, 4) Bonn (Landesmuseum); Köln soll in etwa 2 Monaten folgen. Die Einschaltung von Zwischendepots (z. B. Schloss Dyck) ist möglichst zu vermeiden. Die Transportmittel werden zunächst von der englischen Militär-Regierung zur Verfügung gestellt, doch sollen in Zukunft auch deutsche Fahrzeuge herangezogen werden.

Bericht des Provinzialkonservators Franziskus Graf Wolff Metternich zur Tätigkeit der Denkmalpflege im April 1946 (…) Im Rahmen der Rückführungsaktion von geborgenem Kunstgut ist die Rückgabe von Kirchenbesitz aus dem Sammeldepot Schloss Dyck weiter durchgeführt worden. Ebenso sind die Bemühungen zu Gunsten der Privatbesitzer, die nachweisen können, dass die geborgenen Werte vor 1939 ihr Eigentum waren, fortgeschritten. Die großen Rücktransporte aus dem Sammeldepot Marburg in der amerikanischen Zone werden weiter vorbereitet und sollen in Kürze beginnen.

Bericht des Provinzialkonservators Franziskus Graf Wolff Metternich zur Tätigkeit der Denkmalpflege im Mai 1946

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(…) Innerhalb der Rückführungsaktion wurden Transporte aus den Bergungsorten Wittgenstein und Harkotten i. W. nach Schloss Dyck durchgeführt. Die Rückgabe von Privatgut und kirchlichem Besitz wurde gemäß den Bestimmungen der Militärregierung und jeweils nach Freigabe weiter gefördert.

Bericht des Provinzialkonservators Franziskus Graf Wolff Metternich zur Tätigkeit der Denkmalpflege im Juni 1946 Im Mittelpunkt des Interesses stand im Monat Juni 1946 die grosse Rückführungsaktion, in deren Rahmen die Verlagerung des in der amerikanischen Besatzungszone geborgenen Kulturgutes an seine Bestimmungsorte in der englischen Zone angelaufen und bereits weitgehend durchgeführt wurde. Am 24. Mai teilte Herr Major Perry der Arbeitsgemeinschaft der Rheinischen Museen, die zu ­diesem Termin ihre übliche Monatstagung bei der Militär-Regierung in Düsseldorf abhielt, mit, dass die Genehmigung seitens des amerikanischen Oberkommandos vorliege und dass die englische Militär-Regierung Fahrzeuge für den Transport zur Verfügung stelle. Die Reihenfolge der Rückführung würde entsprechend den Möglichkeiten festgelegt und zwar sah der Plan zunächst die Verlagerung der Sachen aus dem Depot Wiesbaden (Düsseldorfer Münzsammlung, Kölner Kupferstichkabinett, Krefelder Museen), dann das Abholen der Güter allgemein in den hessischen Bergungsorten (Marburg) und schließlich die Rückführung des gesamten rheinischen Besitzes aus den Ländern Württemberg, Baden und Bayern vor. Dabei gab Herr Major Perry auch bekannt, dass nicht nur das öffentliche Eigentum, sondern auch das geborgene Privatgut zurückgebracht wird. Im Laufe der letzten Maiwoche sowie des Juni sind inzwischen die Transporte zu einem grossen Teil durchgeführt worden, und die Depots Wiesbaden und Marburg sind gänzlich geräumt. Soweit die Besitzer noch keine Unterbringungsmöglichkeit angeben konnten, wurde das Gut im Sammeldepot Schloss Dyck untergebracht; dorthin wurden auch alle Kriegserwerbungen, die sich in den genannten Bergungsorten befanden, geschickt. Insbesondere sind dabei die alten Bestände des Kölner Wallraf-Richartz-Museums, das einstweilen nur in beschränktem Umfang aufnahmebereit ist, dem Depot Dyck bis zur endgültigen Wiederaufstellung in der Domstadt anvertraut worden. Die Transporte aus den anderen Bergungsorten (z. B. Runkel a. d.Lahn, das zur Stunde geräumt wird) gehen augenblicklich planmässig weiter. Damit steigen zugleich die Möglichkeiten der Museen, die von der Militär-Regierung gewünschten und geförderten Ausstellungen zu veranstalten, wie sie in Schloss Rheydt („Mittelalterliche Kunst des Niederrheins“), und Köln („Flämische und holländische Meister des 17. Jahrhunderts“ ab 1.7.) und anderen Stellen bereits stattfinden oder doch geplant sind (…).

Bericht des Provinzialkonservators Franziskus Graf Wolff Metternich zur Tätigkeit der Denkmalpflege im Juli 1946 (…) Die Rückführung des geborgenen Kunstgutes wurde entsprechend der im Monatsbericht vom Juni 1946 dargestellten Plänen weitergeführt. Die Freigabe der in die englische Zone gebrachten Werke an die betreffenden Privatbesitzer wurde gemäß der Regeln durch die Militärregierung beantragt und nach der einzelnen Genehmigung ausgesprochen. Mit den zurückgeführten Museumsbeständen sind Ausstellungen geplant, von denen die Kölner („Holländische und flämische Malerei des 17. Jahrhunderts“) am 20.7. eröffnet wird.

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Bericht des Provinzialkonservators Franziskus Graf Wolff Metternich an den Kultusminister des Landes NRW über seinen Besuch bei dem Chef der französischen Kunstschutzorganisation, Herrn Colonel François, am 23. April 1947 in Baden-Baden. Anwesend war ausserdem der Direktorialassistent Dr. von Tieschowitz, Bonn Die Besprechung stand unter dem Zeichen ­­ kollegialer Loyalität und ausgesprochenen Entgegenkommens seitens der französischen Beamten. Folgende Fragen wurden behandelt: 1. Für die von dem Direktor der Kölner Museen, Herrn Prof. Reidemeister, für Juni ­dieses Jahres geplante Ausstellung mittelalterlicher rheinischer Kunst in Köln werden eine Reihe von Objekten aus dem Besitz des Schnütgenmuseums benötigt, die zur Zeit noch in der französischen Zone und zwar in Tübingen geborgen sind. Auf meinen Antrag erklärte sich Col. François bereit, die gewünschten Dinge für den Ausstellungszweck nach Köln auszuleihen (…). 2. Bergungsort Kloster Marienstatt im Westerwald. Entgegen verschiedenen Gerüchten beabsichtigt die französische Militärregierung nicht, das Depot nordrheinischer beweglicher Kunstwerke in Kloster Marienstatt in einen anderen Bergungsort zu verlagern. Es ist lediglich geplant, die Kriegserwerbungen, die sich unter dem Kunstgut in Marienstatt befinden, in ein neu einzurichtendes Sonderdepot im Neuen Schloss in Baden-Baden zu überführen. 3. Einem Antrag von Dr. Rademacher, Abteilungsleiter im Bonner Landesmuseum, auf Herausgabe seiner in Marienstatt geborgenen wissenschaftlichen Bibliothek wurde stattgegeben. 4. An die Erledigung eines Antrags des erzbischöflichen Stuhls in Köln durch Herrn Prof. Neuss auf Freigabe der Kunstgegenstände des Kölner Diözesanmuseums, die in der französischen Zone geborgen sind, wurde erinnert. Col. François ist persönlich für die Freigabe, ist aber an eine noch ausstehende Weisung einer vorgesetzten Dienststelle beim Kontrollrat in Berlin gebunden, die zunächst abzuwarten ist. 5. Meine Bitte, ausnahmsweise Schiefer zur Deckung des Daches über dem Aachener Münsteroktogon aus der französischen Zone beziehen zu können, soll entsprochen werden (…). 6. Col. François plant im Zusammenhang mit einer im Juni d.Js. stattfindende Rundreise französischer Kunsthistoriker durch die französische Zone, auf der auch die ottonischen Wandmalereien auf der Reichenau besichtigt werden sollen, eine öffentliche Ausstellung ottonischer Miniaturen in Freiburg zu veranstalten. Er hat mich gebeten, für diesen Zweck die Ausleihe zweier ottonischen Handschriften aus dem Kölner und eines ottonischen Evangeliars aus dem Aachener Domschatz in die Wege zu leiten. Entsprechende Schritte habe ich bereits unternommen. 7. Der während des Krieges als Leiter des Archivschutzes beim Militärbefehlshaber in Frankreich tätige Staatsarchivdirektor Prof. Dr. Schnath 74 aus Hannover befindet sich bereits seit Kriegsende 74 Prof. Dr. Georg Schnath, Direktor des Staatsarchivs Hannover, war der Leiter der Abteilung Archivschutz mit 13 Archivaren bei der deutschen Militärverwaltung in Frankreich. Es wurden Bestände der französischen Nationalarchive, die unter Ludwig XIV. und Napoleon aus dem Deutschen Reich entwendet worden waren, inventarisiert und für eine Rückgabe an deutsche Archive nach einem

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in alliierter Haft, anscheinend unter dem Verdacht, durch Anlage eines Photoarchivs nach Urkunde aus den französischen Staatsarchiven Raub geistigen Eigentums getrieben zu haben. Auf Bitten verschiedener offizieller Stellen in Hannover habe ich Col. François über die loyale Haltung Prof. Schnaths während seiner Tätigkeit in Paris und über seine hohen Verdienste bei der Erhaltung der französischen Archive orientiert. Col. François wollte Prof. Schnath kurz danach in seinem Internierungslager in Germersheim in Baden [!] aufsuchen in der Hoffnung, die Angelegenheit bald endgültig zu klären. 8. Verschiedene Fragen untergeordneter Bedeutung.

[Wilhelm Kisky], Die Landesarchivverwaltung in der Zeit vom Ende des ­Krieges bis zum 31. März 194875 Sofort bei Einrichtung des Oberpräsidiums in Bonn, Ende Mai 1945 [nachdem Koblenz und die südlichen Rheinlande der französischen Besatzungszone zugeschlagen worden waren] berief Oberpräsident Dr. Fuchs Archivoberrat Dr. Kisky, bisher Leiter der Archivberatungsstelle der Rheinprovinz, nach Bonn und übertrug ihm die Archivverwaltung in der neuen Provinz [Nord-Rheinprovinz]. Da Dr. Kisky politisch unbelastet war, wurde er von der amerik. Militär-Regierung bestätigt. Oberpräsident Dr. Fuchs entschied auch sofort, dass die Archivverwaltung, so wie es früher stets in Preußen war, ihm, d. h. dem Oberpräsidenten, unmittel­ bar unterstellt sei und nicht einer Fachabteilung (Kultus oder Inneres) (…). Zur Archivverwaltung gehörten damals die Staatsarchive in Düsseldorf, Koblenz und Speyer und die Archivberatungsstelle der Rheinprovinz. Die Unterbringung im Gebäude der Landwirtschaftskammer in Bonn war sehr notdürftig. Bereits in der zweiten Hälfte des Monats Juni 1945 wurde dann die Teilung der Rheinprovinz in eine Nord- u. Südprovinz und die Verlegung des Oberpräsidiums nach Düsseldorf von den Siegermächten verfügt. Am 23. Juni siedelte die Archivverwaltung mit dem Oberpräsidium der Nord-Rheinprovinz nach Düsseldorf über und bekam im Stahlhof zwei Räume zugeteilt. Hier fanden sich allmählich die alten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Archivberatungsstelle wieder ein, zuerst Frl. Schlüter, Frl. Andres und Frl. Breuer, dann Dr. [Rudolf] Brandts und einige Monate ­später Dr. [Carl] Wilkes, der bis dahin das grosse Kunst- und Archivdepot in Schloß Alme sowie die Depots Niedermarsberg, Warstein, Canstein, Niesen und Helmern i. W(estfalen) zu betreuen hatte, um der Militärbehörde gegenüber die Archivverwaltung zu vertreten und die Depots vor unberechtigten Zugriffen und Plünderungen zu s­chützen (…) Im Jahr 1946 musste er den Spezialbeauftragten der Militär-Regierung für das Archivwesen, Major Meekings, auf dessen Fahrten zu den Bergungsorten in der britischen und französischen Zone sowie zur Besichtigung der grossen und kleinen Archive in der Rheinprovinz begleiten (…). Vom Nov. 1946 bis 30. April 1947 war Dr. Wilkes zur Verwaltung des Stadtarchivs und der Stadtbibliothek in Trier beurlaubt (…). Friedensschluss vorbereitet. Siehe den Beitrag von Christian Hoffmann, „… auch deutsche Inte­ ressen wahrgenommen …“ Der hannoversche Staatsarchivdirektor Georg Schnath und die Gruppe „Archivschutz“ im besetzten Frankreich 1940 – 1944, in: Langbrandtner/Heyer/de Peyronnet-Dryden, Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland (wie Anm. 6), 75 ALVR, Bestand Brw. 1, Nr. 376.

Die Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz  I  499

Die Arbeit [der Archivverwaltung] gliederte sich zunächst in drei Aufgaben: 1. Das Staatsarchiv in Düsseldorf 2. Die nichtstaatlichen (…) Archive. Hier wurde die Tätigkeit der Archivberatungsstelle der Rheinprovinz wieder aufgenommen. (…) Leider stellte sich heraus, dass vielerorts keine Möglichkeit mehr bestand, die Archive sach- und fachgemäß aufzustellen. Für diese Fälle wurde auf Betreiben und mit Hilfe der Militär-Regierung das Schloss Gymnich, das nach Freistellung von der britschen Armee im Frühjahr 1946 von der Militär-Regierung beschlagnahmt und der Archivberatungsstelle zur Verfügung gestellt wurde, als Archiv-Depot eingerichtet. Hier sind bis Anfang 1948 bereits grosse Mengen von Archivalien untergebracht worden, u. a. die Stadtarchive von Emmerich (z. T.), Euskirchen, Geldern, Jülich, Kleve, Rees (z. T.), Wesel, die Schlossarchive von Diersfordt, Paffendorf, Roesberg, Wahn, das Stiftsarchiv von Xanten, das Archiv und die Bibliothek des hist. Vereins von Geldern, die Reste der Stadtbibliothek von Kleve, das Archiv der Rheinischen Provinzialverwaltung und viele kleine und zersplitterte Bestände (…). Auf Drängen der Militär-Regierung soll weiter Raum geschaffen und bereit gestellt werden für Schlossarchive, die gegebenenfalls bei Durchführung der Bodenreform obdachlos und untergebracht werden müssen (…). 3. Das Landessippenamt auf der Festung Ehrenbreitstein. Das Landessippenamt war eine Einrichtung der Nazizeit, die jetzt aufgelöst werden musste und deren Personal zum grössten Teil nicht weiter beschäftigt werden konnte. (…) Das Landessippenamt war liquidiert worden; das Archiv, das aus den vorhandenen Beständen gebildet wurde, erhielt den Namen Personenstandsarchiv I. Die Wiederaufbauarbeit wurde dadurch erschwert, dass die Festung Ehrenbreitstein von den Franzosen besetzt und hermetisch für Deutsche abgesperrt wurde. Erst nach längeren Verhandlungen gelang es, für die zum Personenstandsarchiv gehörigen Personen und den Leiter der Archivverwaltung die Genehmigung zum Betreten der Festung und ihrer Diensträume zu erwirken. Für den Wiederaufbau stand anfangs nur eine einzige Kraft zur Verfügung in der Person des früheren stellvertretenden Leiters des Landessippenamtes, Dr. [Karl Heinz] Kobé (…). Nach Einrichtung der Zonengrenze war es ein unverkennbarer Übelstand, dass sich das Personenstandsarchiv, also eine Dienststelle der Nord-Rheinprovinz, im französisch besetzten Gebiet befand und daher nicht ohne Weiteres zugänglich war. Die Archivverwaltung wie auch die britische und französische Militärregierung drängten darauf, das Archiv in die britische Zone zu verlegen. Aber alle Versuche scheiterten an der Raumfrage (…). Daraufhin wurde mit der französischen Militärregierung, Abt. des beaux arts, damals in Bad Ems, verhandelt, die sich auch sehr bald einverstanden erklärte, dass das Archiv in seinen Räumen verbleiben konnte (…). Die Kirchenbücher waren noch im letzten Kriegsjahr in das Kalibergwerk Salzdetfurth bei Hildes­ heim verlagert worden (…), ein Eisenbahnwaggon (…) war schon bald nach der Abfahrt von Ehrenbreitstein anscheinend infolge eines Fliegerangriffs bei Balduinstein stehen geblieben (…). Nach der Rückführung aus Salzdetfurth wurden die Kirchenbücher nicht mehr nach Ober-Ehrenbreitstein, sondern nach Schloß Gracht bei Libar, wo in einigen Räumen eine besondere Dienststelle (Personenstandsarchiv I Abt. Kirchenbuchamt) eingerichtet wurde. Die Rückführung der Archivalien aus den über das ganze Reich verstreuten Bergungsorten setzte bereits im Herbst 1945 ein. Die Militärregierung hatte angeordnet, dass alles, was an Kunstgut und Archivalien

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in die Nord-Rheinprovinz gehörte und sich noch ausserhalb befand, zurückgeholt würde, was durchaus unseren eigenen Wünschen und Interessen entsprach. (…) Die Militärregierung stellte bereitwillig britische Militär-Fahrzeuge und Personal zur Verfügung, so dass alle von der Archivberatungsstelle organisierten Transporte, im Ganzen über 200, mit englischen LKW’s gemacht werden konnten. (…) Die meisten Transporte wurden von Dr. Brandts angeführt, die übrigen von Dr. Wilkes, der vor allem im Laufe des Jahres 1947 die von ihm eingerichteten Kunst- und Archivdepots in Westfalen räumte (…). Die Landesarchivverwaltung: Als die Provinz Westfalen mit der Nord-Rheinprovinz vereinigt und das Land Nordrhein-Westfalen gebildet wurde, dehnte Ministerpräsident Dr. Amelunxen die Befugnisse der Archivverwaltung auf das ganze Land aus und bestimmt, dass sie (…) keinem Fachministerium, sondern unmittelbar dem Ministerpräsidenten bzw. dem Chef der Landeskanzlei zu unterstellen sei. Der Verkehr mit der Militärregierung gestaltete sich anfangs sehr lebhaft. Die Abt. Monuments, Fine arts and archives bekundete das lebhafteste Interesse für die Archive. Und ihr erster Chef, Major Ross, begann schon im Juli 1945 unter Führung von Dr. Kisky seine Rundfahrten zu den bedeutenderen Archiven der Nord-Rheinprovinz. Unter seinem Nachfolger Major Perry, der mit seinen Mitarbeitern Major Steer, Major Murray Baillie, Mrs. Westland und Mr. Hartley bis heute die Abteilung leitet, begannen im Herbst 1945 die Vorbereitungen für den Rücktransport der Archivalien (…). Für das Jahr 1946 war noch ein besonderer Archivfachmann in der Person des Major Meekings berufen worden (…).

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Themenschwerpunkt: Nachkriegszeit Vor Rettung und Restitution Die Anfänge und der Aufbau ziviler US-amerikanischer Kunstschutzkomitees Laura Nicolaiciuc

The time has passed when America was a mere cultural colony of Europe, but the traditions we have inherited from across the sea are still alive and working among us, (…) also because every immigrant family and refugee has brought and brings some reinforcement to the European heritage on which American civilization is built.1

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges war das europäische Kulturgut, das gleichzeitig auch ein Teil des kulturellen Erbes zahlreicher Staatsbürger der USA darstellte, in Gefahr. Viele US-Amerikaner*innen und Migrant*innen konnten nur mit Schrecken beobachten, was viele von ihnen bereits im ­Ersten Weltkrieg hatten miterleben müssen: die Zerstörung der mitunter wichtigsten Monumente in Europa. Als eine der direkten Folgen, die im Zentrum d ­ ieses Beitrages stehen, formierten sich zivile Gruppierungen von Geisteswissenschaftlern verschiedener Disziplinen entlang der US-Ostküste, ­welche die US-Regierung ab 1942 zu einem geeigneten Schutz des Kulturgutes auch außerhalb der Vereinigten Staaten drängten.2 Aus diesen Gruppierungen formierten sich zwei Subkomitees, die „American Defense – Harvard Group“ (Harvard Group)3 1 Rockefeller Archive Center, Rockefeller Foundation, RG 1.1, Series 200, Box 19, Folder 2279, Brief von William B. Dinsmoor an David H. Stevens, 07. 10. 1943, S. 2. 2 Für Kunstschätze und wertvolle Monumente, die sich innerhalb der USA befanden, wurden schon ab März 1941 Schutzmaßnahmen vorbereitet. Das „National Resources Planning Board“, das von Präsident Roosevelt eingeführt wurde, sollte sich bereits im Vorfeld für einen kommenden Kriegseintritt der USA organisieren. Dazu gehörte auch die Aufgabe, ein „Committee on the Conservation of Cultural Resources“ zu gründen. Lynn H. Nicholas, The Rape of Europa. The Fate of Europe’s Treasures in the Third Reich and the Second World War, New York 1994, S. 203. 3 Nachdem der „Selective Service Act“ im Jahr 1940 in Kraft getreten war, gründeten sich einige Insti­ tutionen, die ihren Beitrag im Zweiten Weltkrieg leisten wollten. Siehe dazu: Nicholas, The Rape of Europa (wie Anm. 2), S. 210. Darunter war auch das „Committee on Protection of Monuments of Art“, welches im März 1943 in die „American Defense – Harvard Group“ integriert wurde. Paul J. Sachs war der Leiter des Subkomitees, Hugh O’Neill Hencken, Peabody Museum, fungierte als

und das „American Council of Learned Societies“ (ACLS)4, die ihre Aufgaben maßgeblich darin sahen, wertvolle Kunstschätze und bedeutsame Bauwerke zu recherchieren, aufzulisten und zu kartografieren. Diese Listen und Karten leisteten die ersten zivil organisierten Beiträge für einen amerikanischen Kunstschutz in den europäischen Kriegsgebieten und dienten als Grundlage für die Arbeiten der „American Commission for the Protection and Salvage of Artistic and Historic Monuments in War Areas“ (Roberts Commission) sowie der Monuments, Fine Arts, and Archives Section (MFA&A), die im August 1943 offiziell ihre Arbeit aufnahmen.5 Im Gegensatz zu der prominenten Rezeption der Leistungen der Roberts Commission und der MFA&A, die durch die Rettung der Raubkunst und ihre Restitution einen hohen öffentlichen Bekanntheitsgrad erlangten, soll im Folgenden ein Einblick in die Arbeitspraxis der Vorarbeiten der oben genannten Gruppierungen gegeben werden. Anhand von diversen und bislang nur bedingt publizierten Quellen wird insbesondere dargelegt, in welchem Maße dabei auf das Wissen der europäischen Exil-Wissenschaftler*innen zurückgegriffen wurde, und dadurch deren enorme Bedeutung für den sich etablierenden US-Kunstschutz aufgezeigt.

Zur Rezeption der Monuments, Fine Arts, and Archives Section Knapp 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird der amerikanische Kunstschutz in der öffentlichen Wahrnehmung fast ausnahmslos auf seine Erfolge bei der Entdeckung Sekretär. Die Hauptaufgabe war die Erstellung der sogenannten „Harvard Lists“, die die wichtigsten Kunstschätze und Monumente in Europa auflisteten. In den Primärquellen sowie in der Sekundärliteratur sind Modifikationen der offiziellen Bezeichnungen der Gruppierungen verbreitet. In ­diesem Beitrag wurde der offizielle Titel der Harvard-Gruppierung nach Paul J. Sachs gewählt: American School of Classical Studies at Athens, Archives, Series D, Box 55 Folder 8, Brief von Paul J. Sachs an Sumner McK. Crosby, 28. 01. 1944. 4 Das „Committee on Protection of Monuments of Art des American Council of Learned Societies“ wurde geleitet von William B. Dinsmoor und Sumner McK. Crosby. Nach seiner ersten offiziellen Sitzung im Juni 1943 wurde festgehalten, dass die Kartografie im Fokus der Arbeiten stehen würde. Das Büro befand sich im Metropolitan Museum sowie in der Frick Art Reference Library in New York City. In den sogenannten „Frick Maps“ wurden die Inhalte der Harvard Group mit denen des ACLS kombiniert und lieferten vor allem für die Air Force eine wichtige Quelle, um Bombenangriffe – sofern möglich – zu vermeiden. Das Komitee wurde in den Primärquellen oft „Dinsmoor Committee“ genannt. Bis auf den Vermerk in Allais wurde dieser Name bislang nicht von der Forschung übernommen. Siehe hierzu: Lucia Allais, Designs of Destruction. The Making of Monuments in the Twentieth Century, Chicago 2018, S. 92. 5 Der hier skizzierte Überblick der Anfänge des amerikanischen Kunstschutzes ist Teil des umfassenderen Dissertationsvorhabens der Verfasserin, das unter dem Arbeitstitel „Mapping the Monuments. Die American Defense – Harvard Group und das American Council of Learned Societies als Initiatoren des US -amerikanischen Kunstschutzes während des Zweiten Weltkrieges“ von Prof. Dr. Christian Fuhrmeister an der Ludwig-Maximilians-Universität in München betreut wird.

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von Raubkunst und Restitutionsfragen reduziert – auch wegen der noch bis weit in die Nachkriegszeit hinein agierenden Collecting Points in München und Wiesbaden.6 Zahlreiche Publikationen innerhalb der Wissenschaftsgeschichte und der Provenienzforschung – wobei jenes Feld maßgeblich vom Fokus auf die Arbeiten des US-amerikanischen Kunstschutzes geprägt wurde – haben sich bereits mit den Errungenschaften der von der US-Regierung eingesetzten Roberts Commission und der MFA&A beschäftigt. Die bisher vorliegende – meist deutsch- und englischsprachige – Forschungsliteratur wird dabei von einer euphemistischen Darstellung der amerikanischen Leistungen, die gestohlene Kunst der Nationalsozialisten wiederzufinden, dominiert. Die Forschung konzentriert sich zumeist auf die bahnbrechenden Entdeckungen von Gold- und Kunstschätzen in den Minen Deutschlands und Österreichs. Robert M. Edsel, um nur einen Autor zu nennen, widmet allein drei Monografien aus den Jahren 2006, 2009 und 2013 der Sicherstellung und Rettung der „Looted Art Treasures“ durch die MFA&A-Offiziere.7 Diese und ähnliche Publikationen (wie „The Venus Fixers“) sind in einem erkennbaren Maße populärwissenschaftlich verfasst und richten sich an ein breiteres Publikum.8 Vor allem aufgrund der medialen Aufmerksamkeit, die durch den im Jahr 2014 angelaufenen Film „Monuments Men“ 9 generiert wurde, entstanden Sonderausstellungen und in diversen Blogeinträgen publizierten Archive Fundstücke aus ihren Beständen.10 In ­diesem Kontext hat beispielsweise auch die Urenkelin 6 Hierbei werden oft auch die Collecting Points in den Vordergrund der Forschung gestellt und nehmen – vor allem im deutschsprachigen Raum – eine zentrale Rolle ein: Die Geschichte des Münchner Collecting Points wurde zuletzt vor allem von Iris Lauterbach aufgearbeitet. Iris Lauterbach, Der Central Collecting Point in München. Kunstschutz, Restitution, Neubeginn, Berlin/München 2015. Siehe für den Collecting Point in Wiesbaden: Tanja Bernsau, Die Besatzer als Kuratoren? Der Central Collecting Point Wiesbaden als Drehscheibe für den Wiederaufbau der Museumslandschaft nach 1945, Berlin 2013. 7 Robert M. Edsel, Rescuing Da Vinci. How Hitler and the Nazis Stole Europe’s Great Art. America and Her Allies Recovered It, Dallas 2006; ders./Bret Witter, The Monuments Men. Allied Heroes, Nazi Thieves, and the Greatest Treasure Hunt in History, New York 2009; ders., Saving Italy. The Race to Rescue a Nation’s Treasures from the Nazis, New York 2013; Darüber hinaus gründete Edsel die Monuments Men Foundation (eine Non-Profit-Organisation), um über die Arbeiten der MFA&A aufzuklären, diese zu würdigen und auch weiter nach geraubter Kunst zu suchen. Siehe: https://www.monumentsmenfoundation.org (Stand: 29. 08. 2021). 8 Ilaria Dagnini-Brey, The Venus Fixers. The Remarkable Story of the Allied Soldiers Who Saved Italy’s Art during World War II, New York 2009; Janet Flanner, Men and Monuments, New York 1957. 9 Basierend auf der gleichnamigen Publikation „Monuments Men“ verfilmte George Clooney das Werk von Robert M. Edsel. 10 Siehe hierzu die Ausstellung in der National Gallery of Art, „The Monuments Men and the National Gallery of Art“, 11. 02. 2014 – 04. 01. 2015, https://www.nga.gov/exhibitions/2014/monuments-men. html (Stand: 29. 08. 2021). Siehe zu den Blogeinträgen u. a.: Greg Bradsher für die National Archives and Records Administration, Washington, D. C., „The American Defense, Harvard Group’s Committee on the Protection of Monuments“, 28. 08. 2014, https://text-message.blogs.archives.

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von James Rorimer, der neben einigen anderen MFA&A-Offizieren einen Bericht seiner Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg publiziert hatte,11 einen Blog verfasst und sich dabei auf die Spuren ihres Großvaters in Europa gemacht.12 Das verstärkte Interesse der Forschung begann jedoch eigentlich früher: Das 1994 erschienene Buch „The Rape of Europa“ von Lynn H. Nicholas gilt bis heute als ein Standardwerk zu den amerikanischen Kunstschutzoffizieren auf dem europäischen Kriegsschauplatz,13 wenngleich auch hier die Entdeckung der beweglichen Kunstobjekte und ihre Restitution durch die amerikanischen Streitkräfte deutlich im Fokus steht. Während sich also, wie dieser Überblick erkennen lässt, die Forschung zumeist auf die Resultate und Erfolge des amerikanischen Kunstschutzes konzentriert hat, sind die Anfänge seiner Institutionalisierung und die eingangs erwähnten privat initiierten Organisationen nur geringfügig behandelt worden. Aus der Sicht der Autor*innen spielen sie – insbesondere im Vergleich zu den heroisierten „Monuments Men“ – eine eher untergeordnete Rolle.14 Aber noch ein zweiter Forschungstrend muss in ­diesem Zusammenhang erwähnt

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gov/2014/08/28/american-defense-harvard/ (Stand: 29. 08. 2021); Stephen Bury für die Frick Art Reference Library, „Monuments Men and the Frick“, 02. 04. 2014, https://blog.oup.com/2014/04/ monuments-men-frick/ (Stand: 29. 08. 2021); Barbara Shubinski für die Rockefeller Foundation, „Behind the Curtain: Funding The Real Life Monuments Men“, 28. 02. 2014, https://www.rocke​ fellerfoundation.org/blog/behind-curtain-funding-real-life/ (Stand: 29. 08. 2021), T. Corey Brennan für die American Academy in Rome: „Mellon Prof. Corey Brennan looks back at the ‚Monuments Men‘ (and Women) of the AAR in WWII “, 22. 01. 2012, https://www.aarome.org/news/features/ mellon-prof-corey-brennan-looks-back-monuments-men-women-aar-wwii (Stand: 29. 08. 2021). James J. Rorimer/Gilbert Rabin, Survival. The Salvage and Protection of Art in War, New York 1950; darüber hinaus sind exemplarisch zu nennen: Walter I Farmer, Die Bewahrer des Erbes. Das Schicksal deutscher Kulturgüter am Ende des Zweiten Weltkrieges, Berlin 2002; Frederick B. Hartt, Florentine Art under Fire, Princeton 1949. Siehe hierzu den Blog „Monuments Girl. Retracing the footsteps of Monuments Man James J. Rorimer“, https://monumentsgirl.wordpress.com (Stand: 29. 08. 2021). Nicholas, The Rape of Europa (wie Anm. 2): Vor allem das Kapitel „Inch by Inch: The Launching of the Allied Protection Effort“ gibt einen ersten umfassenden Einblick, der sämtliche Aspekte anschneidet. Karen Michels, Transplantierte Kunstwissenschaft. Deutschsprachige Kunstgeschichte im amerikanischen Exil, Berlin 1999; Ruggero Ranieri, Die Alliierten und der Kunstschutz in Italien während des Zweiten Weltkrieges, in: Christian Fuhrmeister u. a. (Hg.), Kunsthistoriker im Krieg. Deutscher militärischer Kunstschutz in Italien 1943 – 1945 (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte 29), Köln/Wien/Weimar 2012, S. 29 – 48; Cay Friemuth, Die geraubte Kunst. Der dramatische Wettlauf um die Rettung der Kulturschätze nach dem Zweiten Weltkrieg, Braunschweig 1989. Die Vorarbeiten der American Defense Harvard Group und des American Council of Learned Societies und ihre Auswirkungen auf die Kunstschutzoffiziere im Felde werden darin lediglich sporadisch angesprochen und ungenügend kritisch betrachtet, sodass eine umfassende Studie ihrer Arbeit im Rahmen einer Dissertation ein dringendes Desiderat darstellt.

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werden: Seit den späten 1990er Jahren tendiert die Forschung zumeist dazu, auch die verschiedenen Kunstschutzorganisationen des europäischen Raumes stärker zu untersuchen. Darin werden die Funktion und die Rolle der amerikanischen Befreiungsmacht in einem zunehmend kritischeren Ton thematisiert. Vor allem im italienischen Raum (u. a. Ruggero Ranieri, Carlotta Coccholi und Elena Franchi) werden das Vorgehen, die Erfolge und auch die Verfehlungen der amerikanischen Kunstschutzoffiziere der MFA&A gegenwärtig ausführlich reflektiert.15 Diese Diversifizierung der Forschung zum Kunstschutz und der Blick auf Einzelfiguren und kleinere Strömungen resultierte zuletzt in Lucia Allais „Designs of Destruction“, einer beachtenswerten Monografie, die sich nicht primär mit der MFA&A auseinandersetzt, sondern mit dem gesamten militärischen Apparat zum Schutz und zur Rettung des Kulturgutes.16 Als eine von wenigen Wissenschaftlerinnen widmet sich Allais auch den Komitees der Harvard Group und des ACLS und erkennt deren gewichtige Rolle beim aktiven Kunstschutz in Kooperation mit dem Militär an.

Die Etablierung ziviler Kunstschutzkomitees In Bezug auf die Vorarbeiten sowie einige bislang nicht berücksichtigte Textquellen sollen innerhalb d ­ ieses Beitrages in aller Kürze die Entstehung und die Probleme der beiden Kunstschutzgruppierungen dargestellt werden, denen es zu verdanken ist, staatliche Autoritäten für die Frage des militärischen Kunstschutzes sensibilisiert zu haben. Ab Ende 1942 versuchten die späteren Mitglieder der „American Defense – Harvard Group“ und des Komitees des „American Council of Learned Societies“ ihr Ziel zu formulieren und wandten sich an Verantwortliche der Regierung und des State bzw. War Department. Einige von ihnen, wie Chief Justice Stone (Supreme Court) und Francis H. Taylor (Metropolitan Museum), wandten sich direkt an den Präsidenten der Vereinigten Staaten. In ihren Schreiben versuchten sie Präsident Roosevelt von der Wichtigkeit des europäischen Kunstschutzes zu überzeugen.17 Andere Verantwortliche der Harvard 15 Ranieri, Die Alliierten und der Kunstschutz in Italien (wie Anm. 14), S. 29 – 48; Carlotta Coccoli, Die Denkmäler Italiens und der Krieg: Präventiver Schutz, Erste Hilfe und Instandsetzungen. Die Rolle der Monuments, Fine Arts and Archives Subcommission in Italien während des Zweiten Weltkrieg, in: Fuhrmeister u. a. (Hg.), Kunsthistoriker im Krieg (wie Anm. 14), S. 75 – 92; Elena Franchi, „Objects whose Destruction would be a Great Loss for National Artistic Heritage“. The List of Works of Art and the Concept of Cultural Heritage in Italy during the Second World War, in: G. Ulrich Großmann/Petra Krutisch (Hg.), The Challenge of the Object. Die Herausforderung des Objekts, Nürnberg 2013, S. 440 – 444. 16 Allais, Designs of Destruction (wie Anm. 4). 17 Harvard University Archives, Records of the American Defense, Harvard Group, HUD 3139, Box 72, Echting (?)-Heine. 1943 – 1944, Harlan F. Stone an Präsident Roosevelt, 08. 12. 1942; Houghton Library, Harvard University, 57M-274, Francis Henry Taylor papers, ca. 1920 – 1958, Box 29, ACLS

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­ niversity, wie George Chase (Dean), Paul J. Sachs (Fogg Museum) und George L. Stout U (Fogg Museum), versuchten, mit ihrem oft zitierten Memorandum vom 8. Januar 1943, sämtliche Mitglieder der „American Association of Museums“ und andere wichtige Institutionen der amerikanischen Museenlandschaft zu mobilisieren.18 Unter anderem mahnten sie, dass das Schützen von Kunst- und Kulturgütern die Beziehung zur Bevölkerung des Invasionslandes erheblich prägen wird: (…) and it will affect the relations between those peoples and the government of the United States. To safeguard these things will give evidence of respect for the beliefs and customs of all men, and will bear witness to their being part of the heritage of all mankind (…). 19 Während sich der offizielle Weg als langwierig herausstellte – erst im August 1943 wurde die Roberts Commission offiziell von Präsident Roosevelt gegründet –, formierten sich schließlich bereits in den ersten Monaten des Jahres 1943 die Komitees der Harvard Group und des ACLS, die zeitlich etwa parallel an der Ostküste der Vereinigten Staaten von Amerika gegründet wurden. Als direkte Antwort auf das genannte Memorandum von Chase, Sachs und Stout beschlossen die Mitglieder des ACLS auf einem Executive Meeting im Januar 1943, dass William B. Dinsmoor, Columbia University, und Sumner McK. Crosby, Princeton University, als die Verantwortlichen für ein eigens kreiertes Komitee eingesetzt werden sollten. Allerdings fand dessen erste offizielle Sitzung erst im Juni desselben Jahres statt.20 Das Harvard-Komitee hingegen bildete sich schon einige Monate zuvor. Am 22. März 1943 wurde das Komitee „Protection of Monuments of Art“ offiziell gegründet und nahm direkt die Arbeiten an den Kunstschutzlisten, die es für das War Department vorzubereiten galt, auf.21 Durch diesen amtlichen Auftrag konnte das Komitee schlussendlich in die „American Defense – Harvard Group“ integriert werden. Dieses Ziel, dass Aufgaben und Aspekte, die den Kunstschutz betreffen, in die Harvard Group eingegliedert werden sollten, verfolgte der Leiter Ralph B. Perry bereits Ende 1942.

William Dinsmoor, Francis H. Taylor an Präsident Roosevelt, Memorandum for the Submission to the President of the United States, 24. 11. 1942. 18 Harvard Art Museums Archives, Harvard University, Sachs, Paul J. 1878 – 1965, Papers, 1903 – 2005, HC 3 Box 02, File 43, Anschreiben und Memorandum von George H. Chase, Paul J. Sachs und George L. Stout an [u. a.] Laurence V. Coleman, 08. 01. 1943. In etwa dem gleichen Zeitraum wandten sich Francis H. Taylor (Metropolitan Museum, NYC), William B. Dinsmoor (Columbia University, NYC) und Justice Owen J. Roberts mit jeweils einem Memorandum an Präsident Roosevelt, um die Notwendigkeit des Kunstschutzes zu betonen. 19 Ebd. 20 American School of Classical Studies at Athens, Archives, Series D, Box 55, Folder 8, Auszug ACLS Executive Meeting, 27. – 28. 02. 1944. 21 Harvard University Archives, Records of the American Defense, Harvard Group, HUD 3139, Box 72, [Koehler, Wilhelm R. W., 1942 – 1943] 1 of 3, Brief von Ralph B. Perry an Wilhelm Koehler, 22. 03. 1943. Siehe hierzu: Allais, Designs of Destruction (wie Anm. 4), S. 89.

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In einem Brief von W. G. Constable an Paul J. Sachs im Dezember 1942 berichtete der Kurator der Bostoner Museum of Fine Arts, dass Ralph B. Perry mit einer Bitte an ihn herangetreten sei.22 Perry erwähnte the subject of works of art during and after the war und bat Constable, ein Memorandum zu verfassen, das Perry vielleicht im Rahmen des postwar planning committee ­nutzen könne.23 Aus Constables Beschreibung geht hervor, ­dieses Komitee sei mit thinking and collecting information rather than action beschäftigt. Was als leise Kritik verstanden werden könnte, ist genau das Kennzeichen der zivil organisierten Gruppierungen und ihrer Tätigkeit: Sie sammelten zunächst Informationen und erst ­später, als einige ihrer Mitglieder in den aktiven Militärdienst eingezogen wurden, sahen sie reale Möglichkeiten, diese Daten zu ­nutzen und zum Einsatz zu bringen. Um die individuellen Hintergründe und Motive der heterogenen Gruppierungen besser zu verstehen, soll hier der Fokus auf die europäischen Harvard-Group-Mitglieder gerichtet werden: Wilhelm Koehler und Otto Benesch, die der Harvard University angehörten, sowie den deutschen Kunsthistoriker Hans Huth, der beim National Park Service zeitweise eine Anstellung gefunden hatte.24 Diese drei Wissenschaftler, die von ihren Erfahrungen während des E ­ rsten Weltkrieges geprägt waren und somit Kenntnis der Funktion eines Kunstschutzapparates aufweisen konnten, sind auch aus dem Grund für eine exemplarische Betrachtung besonders geeignet, dass die US-amerikanische Kommission sie nachweislich für ihre Arbeit nutzte.

Europäische Migranten als Vorbilder Auf ­welche Weise die amerikanischen Kunstschutzorganisationen vom Wissen der migrierten Geisteswissenschaftler*innen profitierten, lässt sich am besten von den Listen ablesen, die – sofern verfügbar – jeweils von Experten des jeweiligen Landes oder ihres individuellen Forschungsfeldes verfasst wurden. Die Listen bestehen aus oftmals mehrere Hundert Seiten starken Typoskripten, ­welche die wichtigsten Monumente eines Landes umfassten. Nach einer Reihe von Überarbeitungen dienten die fertigen Listen und Karten als Hilfestellung und Anleitung für das Militär: Die „Harvard Lists“ fanden primär im Feld Gebrauch, ­wohingegen 22 Harvard Art Museums Archives, Harvard University, Sachs, Paul J. 1878 – 1965, Papers, 1903 – 2005, HC 3 Box 14, File 304, W. G. Constable an Paul J. Sachs, 22. 12. 1942. 23 Ebd. 24 Neben Koehler und Benesch waren noch weitere Migranten in den Kunstschutzbemühungen engagiert. Darunter waren auch Georg Swarzenski und sein Sohn Hanns, die auch in beiden Gruppierungen ihren Beitrag zum Kunstschutz leisteten. Beispielsweise war Georg Swarzenski, der am Museum of Fine Arts in Boston eine Anstellung als „research fellow“ hatte und dabei maßgeblich zum Aufbau der Skulpturensammlung beitrug, als Autor an der Erstellung der italienischen Kunstschutzliste beteiligt. Siehe hierzu: Allais, Designs of Destruction (wie Anm. 4), S. 90 und Michels, Transplantierte Kunstwissenschaft (wie Anm. 14), S. 75 f.

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die „Frick Maps“, die vom Komitee des ACLS angefertigt wurden, hauptsächlich von der Luftwaffe eingesetzt wurden. In diesen Kompendien waren die Monumente in Städte und Regionen gegliedert. Innerhalb dieser geografischen Einteilung versahen die Bearbeiter die Bauwerke jeweils mit einer Anzahl von Sternen – ähnlich den Baedeker-Reiseführern –, die ihre Signifikanz bestimmten (eine Spannweite von keinem Stern bis zu vier Sternen). Nach einer Reihe von Überarbeitungen wurden Kopien der erarbeiteten Listen nach New York zum ACLS geschickt, um in den Räumen der Frick Art Reference Library die Daten der Listen auf entsprechende Karten zu übertragen.25 Einige Mitglieder der Harvard Group, so Wilhelm Koehler und Otto Benesch, kamen ab Mitte der 1930er Jahre in die Vereinigten Staaten und wurden, wie viele ihrer europäischen Kollegen, die sich gezwungen sahen, ihr Heimatland zu verlassen, bekanntermaßen zum größten Teil von US -Universitäten aufgenommen. Neben einigen seiner Kollegen, wie etwa Walter S. Cook (Princeton University), bemühte sich auch der Kunsthistoriker Paul J. Sachs (Fogg Museum, Harvard University), den Exil-Wissenschaftlern zu helfen.26 Diese Netzwerke bestanden zum Teil schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts: Unter anderem bestand eine enge Verbindung ­zwischen der Harvard University und Deutschland, die in dem Bau eines Germanischen Museums in Harvard und einem regelmäßigen Professorenaustausch seit 1905 kulminierte.27 Im Semester 1907/1908 wurde Paul Clemen, Professor für Kunstgeschichte an der Universität Bonn, im Zuge des deutsch-amerikanischen Professorenaustauschs in die USA eingeladen, um in Cambridge Vorträge zu halten.28 Dadurch machte Clemen unter anderem die Bekanntschaft von Sachs, mit dem er auch noch Jahre ­später in Kontakt blieb.29 Durch persönliche Verbindung sowie Clemens prominente Rolle als Provinzialkonservator im ­Ersten Weltkrieg wurden seine Publikationen ebenso als Standardliteratur für den Kunstschutz angesehen wie das „Dehio-Handbuch“ 25 Siehe u. a. Nicholas, The Rape of Europe (wie Anm. 2), S. 222; Friemuth, Die geraubte Kunst (wie Anm. 14), S. 48 f.; Bernsau, Die Besatzer als Kuratoren? (wie Anm. 6), S. 38 f. 26 Neben Koehler und Benesch war unter anderem auch Ernst Kitzinger am Harvard angeschlossenen Dumbarton-Oaks-Institut seit 1941 tätig. Siehe hierzu: Michels, Transplantierte Kunstwissenschaft (wie Anm. 14), S. 67. 27 Stefan Paulus, Vorbild USA? Amerikanisierung von Universität und Wissenschaft in Westdeutschland 1945 – 1976, Oldenburg, 2010, S. 66 – 67; Michels, Transplantierte Kunstwissenschaft (wie Anm. 14), S. 27. Die Sammlung des 1903 eröffneten Germanischen Museums (Busch-Reisinger Museum) ist seit 2008 Teil des Harvard Art Museums in Cambridge. 28 Geboren am 31. Oktober 1866 in Sommerfeld und verstorben am 8. Juli 1947 in Endorf. Clemen war Professor für Kunstgeschichte an der Universität Bonn und Provinzialkonservator des Rheinlandes. Siehe zum deutsch-amerikanischen Professorenaustausch u. a.: Paulus, Vorbild USA? (wie Anm. 27); Reiner Pommerin, Paul Clemen in Harvard, in: Jahrbuch der Rheinischen Denkmalpflege 29 (1983), S. 13 – 16. 29 Harvard Art Museum Archives, Harvard University, Sachs, Paul J., 1878 – 1965, Papers, 1903 – 2005, HC 3 Box 12 File 280, Brief von Paul Clemen an Paul J. Sachs, 15. 03. 1939.

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der deutschen Kunstdenkmäler oder die Baedeker-Reiseführer, die von den US -amerikanischen Kunstschützer*innen bei ihrer Arbeit konsultiert wurden.30 Für die vorliegende Betrachtung ist die Beziehung ­zwischen Clemen und Harvard nicht unerheblich, da der deutsche Kunstschutz im ­Ersten Weltkrieg und somit Clemen in allen drei Beiträgen der deutschen Exil-Wissenschaftler Erwähnung findet, die im nächsten Abschnitt im Fokus stehen werden. Der Kunsthistoriker Wilhelm Koehler 31 war vor allem wegen der Expertise, die er im ­Ersten Weltkrieg gesammelt hatte – er arbeitete am von Clemen herausgegebenen Publikationsprojekt „Belgische Kunstdenkmäler“ 32 –, eine wichtige Quelle für die US -amerikanischen Kunstschützer*innen.33 Darüber hinaus hatte Koehler zuvor als Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen Weimar am „Verzeichnis der national wertvollen Kunstwerke“ mitgearbeitet.34 Koehler lehrte ab 1932 an der Harvard University,35 danach erhielt er für ein Jahr ebendort eine Gastprofessur, um schließlich die „Arthur Kingsley Porter Professur“ für mittelalterliche Kunstgeschichte anzunehmen.36 Als permanentes Mitglied der Harvard 30 In sämtlichen Bibliografien, die den einzelnen Listen angehängt sind, werden Clemens Werke aufgeführt. Sein Werk Kunstschutz im Kriege. Berichte über den Zustand der Kunstdenkmäler auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen und über die deutschen und österreichischen Massnahmen zu ihrer Erhaltung, Rettung, Erforschung, 2 Bde., Leipzig 1919, wird zudem in Kunstschutzvorträgen den Studenten stets als best book on the care of monuments of art in wart-time empfohlen. Siehe hierzu: Houghton Library, Harvard University, Francis Henry Taylor papers, 57M–274, Box 19, Commission Article by Charlotte Hughes, [nicht datiert], S. 3. 31 Geboren am 17. November 1884 in Reval, Russland, und verstorben am 3. November 1959 in München, Deutschland. Eigentlich „Köhler“. Da aber in der englischsprachigen Literatur sowie in den Primärquellen von Koehler, der die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, die Rede ist, wird diese Schreibweise im Folgenden beibehalten. Zuvor war Koehler u. a. Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen in Weimar. Siehe auch: Ulrike Wendland, Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil. Leben und Werk der unter dem Nationalsozialismus verfolgten Wissenschaftler, München 1999, S. 373. 32 Paul Clemen (Hg.), Belgische Kunstdenkmäler, Bd. 1. Vom neunten bis zum Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, München 1923. 33 Auch noch im Jahr 1944, als die Harvard Group ihre Arbeiten längst beendet hatte, wurde von unabhängigen Wissenschaftlern, die vom Komitee des ACLS gefragt wurden, ob sie potenzielle Mitarbeiter empfehlen könnten, Koehler für die Arbeit bei den Kunstschutzgruppen vorgeschlagen. Prof. Koehler was engaged in listing monuments of Belgium and Northern France during the German occupation in the last war (…). Siehe hierzu: American School of Classical Studies at Athens, Archives, Series D, Box 59, Folder 8, Brief von Charles Niver an William B. Dinsmoor, 01. 03. 1944, S. 1 – 2. 34 Siehe dazu auch: Maria Obenaus, Für die Nation gesichert? Das „Verzeichnis der national wertvollen Kunstwerke“. Entstehung, Etablierung und Instrumentalisierung 1919 – 1945, Berlin 2016, S. 165 und S. 196. 35 Michels, Transplantierte Kunstwissenschaft (wie Anm. 14), S. 24. 36 Ebd., S. 27.

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Group fertigte er nicht nur die Listen für Deutschland und Tunesien an, sondern ­koordinierte dabei auch als „Chief list maker“ eine Gruppe von Wissenschaftlern aus Dumbarton Oaks, die weitere Kunstschutzlisten erstellten (u. a. Margret Ames/Tunesien, Milton Anastos/ Rumänien sowie Ernst Kitzinger/Albanien).37 Im Mai 1943 suchte der Altphilologe und Althistoriker Mason Hammond Hilfe bei seinem ehemaligen Harvard-Kollegen Koehler. Zu dem Zeitpunkt, als Hammond mit der Aufgabe betraut wurde, den obersten Kommandanten der Alliierten als Berater für den Kunstschutz in Nordafrika und Süditalien zu unterstützen,38 waren weder Karten noch Listen ausreichend fertiggestellt, um sie offiziell für den Kriegseinsatz ­nutzen zu können. In einem ­kurzen Memorandum an das Komitee schilderte Koehler, w ­ elche Informationen er Hammond hatte zukommen lassen. Sein kurzer Überblick deutete seinen Adressaten an, mit welch reichen Informationen und welcher Expertise Koehler dienen konnte: I tell him briefly about the Committee of the Harvard Defense Group and Col. Shoemaker, about our work at D. O.; Paul Clemen’s book (which we tried in vain to get for him; I promised to send him an extract); about other pertinent literature, about personal experience during the first World War, and recommended strongly to get in touch with Shoemaker before he leaves. Finally, I hand over to him the list of monuments for Tunisia, adding orally supplementary information.39

Ähnlich galt dies auch für ein zweites Mitglied, Otto Benesch.40 Auch er hatte von einer Anstellung als Lehrbeauftragter an der Harvard University profitiert, wo er bis 1944 lehrte.41 Benesch, der gemeinsam mit seiner Frau Eva Benesch die Listen zu Österreich und der Tschechoslowakei verfasste, lieferte dem Komitee ein vergleichbares umfassendes Memorandum über seine Kenntnisse des österreichischen Kunstschutzes. Das auf den 3. Januar 1943 datierte Memorandum on a Project to organize the cultural Reconstruction of Europe in the Field of historical and artistic Monuments and Documents ist in vier Sektionen unterteilt: Zuerst wird die Organization in Central Europe in this field before & during the first world-war 37 Allais, Designs of Destruction (wie Anm. 4), S. 89 – 90. Darüber hinaus korrigierte Koehler auch Listen, die nicht in seinem eigentlichen Zuständigkeitsbereich, wie zum Beispiel Frankreich, lagen. Siehe ebd., S. 99. 38 Bernsau, Die Besatzer als Kuratoren (wie Anm. 6), S. 39; siehe dazu auch „Mellon Prof. Corey Brennan looks back at the ‚Monuments Men‘ (and Women) of the AAR in WWII“ (wie Anm. 10). 39 Harvard University Archives, Records of the American Defense, Harvard Group, HUD 3139, Box 72, Kelle-Krautheimer, 1943, Memorandum Wilhelm Koehler, 30. 05. 1943. Siehe auch: Nicholas, The Rape of Europe (wie Anm. 2), S. 221. 40 Geboren am 29. 06. 1896 in Ebenfurth, Österreich, und verstorben am 16. 11. 1964 in Wien, Österreich. Benesch kehrte 1947 als Direktor der Graphischen Sammlung Albertina nach Wien zurück. Siehe: Michels, Transplantierte Kunstwissenschaft (wie Anm. 14), S. 189. 41 Harvard Art Museums Archives, Harvard University, Sachs, Paul J., 1878 – 1965, Papers, 190 – 2005, HC 3 Box 6 Folder 134, Brief Paul J. Sachs an Otto Benesch, 02. 05. 1944.

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beleuchtet, darauf folgen die Organisation nach dem E ­ rsten Weltkrieg, in Nazi-Germany und Vorschläge für Gegenmaßnahmen.42 In der Beschreibung des österreichischen Modells für die Erhaltung der historischen und künstlerischen Objekte erwähnt Benesch die Vorleistungen von Alois Riegl sowie Max Dvořák, die der „K. K. Zentralkommission für Kunst- und Denkmalpflege“ vorstanden.43 In ­diesem Zusammenhang nennt Benesch vor allem das Inventar „Oesterreichische Kunsttopographie“, das kulturhistorische Monumente und Objekte auflistet.44 Er wies auch auf den Umstand hin, dass Riegl und Dvořák ihrerseits Pamphlete verfasst hatten, in denen sie versuchten, Lehrern und Politikern zu vermitteln, wie wichtig es sei, den Wert der kulturellen Dokumente zu respektieren und für ihren Schutz zu sorgen.45 Diese beiden Arten von Publikationen wurden ­später auch vom Komitee aus Cambridge übernommen. Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Kompendien der Harvard Group und des ACLS ­später vom Militär in Washington, D. C. als „Civil Affairs Division Handbooks“ veröffentlicht, um den Soldaten zu helfen, die Monumente zu lokalisieren, zu erkennen, zu bewahren und – wenn möglich – erste Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Neben der Erstellung von Kunstschutzlisten wurde ebenso das in Zusammenarbeit von W. G. Constable und George L. Stout erarbeitete Handbuch „Notes on Safeguarding and Conserving Cultural Material in the Field“ 46 veröffentlicht. Im letzten Abschnitt seines Memorandums betonte Benesch, wie wichtig es sei, dass Offiziere der verschiedenen militärischen Einheiten hinreichend Wissen hätten, denn the task to be dealt with is too tremendous for even the greatest available number of specialists.47 Seine Anregung könnte tatsächlich einen weiteren Aspekt des US-Kunstschutzes angeregt oder befördert haben: Im März 1943 entstand z­ wischen Harvard-Präsident Perry und Lt. Col. James H. Shoemaker Kontakt.48 Perry bot die Dienste seines Komitees der School for Military Government in Charlottesville, Virginia, an, in der Hoffnung, kunsthistorische 42 Ebd., HC 3 Box 2, Folder 47, Otto Benesch: Memorandum on a Project to organize the cultural Reconstruction of Europe in the Field of historical and artistic Monuments and Documents, 03. 01. 1943. 43 Ebd., S. 1. 44 Ebd., S. 1 f. Benesch nannte zusätzlich den „Katalog der illuminierten Handschriften Oesterreichs“ von Professor Franz Wickhoff. 45 Ebd., S. 2. 46 Harvard University Archives, Records of the American Defense, Harvard Group, HUD 3139, Box 73, Notes on Safeguarding and Conserving Cultural Material in the Field, 1943. 47 Harvard Art Museum Archives, Sachs, Paul J., 1878 – 1965, Papers, 1903 – 2005, HC 3 Box 2 Folder 47, Otto Benesch, Memorandum on a Project to organize the cultural Reconstruction of Europe in the Field of historical and artistic Monuments and Documents, 03. 01. 1943, S. 9. 48 Siehe hierzu: Harvard University Archives, Records of the American Defense, Harvard Group, HUD 3139 Box 73, Shoemaker, James H., 1943, Brief Lt. Col. James Shoemaker an Ralph B. Perry, 10. 03. 1943; Harvard University Archives, Records of the American Defense, Harvard Group, HUD

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Inhalte in das Curriculum der einfachen Soldaten sowie ranghoher Offiziere der künftigen Übergangsregierung aufnehmen zu lassen, um so das Militär für Kunst- und Kulturgüter ausreichend zu sensibilisieren.49 Lt. Col. Shoemaker, der dem Office of the Provost ­Marshal General angehörte, signalisierte sein großes Interesse am Schutz von Kulturgütern in den europäischen Kriegsgebieten und fragte offiziell bei Perry an, ob das Komitee Material zusammenstellen könne, das zugleich die Signifikanz des jeweiligen Gegenstandes für die Lokalbevölkerung herausstellen würde.50 Als Folge dieser Anfrage begann das Komitee der „American Defense – Harvard Group“ zahlreiche Listen für das War Department zu erstellen. Dieses Vorgehen ‒ den direkten Kontakt zum Ausbildungssektor des Militärs zu suchen ‒ hatte zur Folge, dass letzten Endes der Aufgabe der Komitees größere Beachtung geschenkt und die Aufmerksamkeit für die Monumente und ihren Schutz im weiteren Verlauf des Krieges gesteigert wurde.51 Einen dritten Weg wiederum demonstriert das Beispiel von Hans Huth.52 Im Gegensatz zu der Mehrheit der migrierten Kunsthistoriker, die als Dozenten arbeiten konnte, fand Huth zunächst eine Anstellung beim National Park Service.53 Obwohl der Leiter des ACLS-

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3139 Box 73, Progress Reports, 1943, Bericht zur Vorbereitung eines Memorandums, Hugh O’Neill Hencken an Ralph B. Perry, 22. 10. 1943. Nicholas, The Rape of Europe (wie Anm. 2), S. 213. Siehe auch: Friemuth, Die geraubte Kunst (wie Anm. 14), S. 46. Harvard University Archives, Records of the American Defense, Harvard Group, HUD 3139 Box 73, Shoemaker, James H., 1943, Brief Lt. Col. James Shoemaker an Ralph B. Perry, 10. 03. 1943. In einer General Order Eisenhowers, datiert auf den 29. 12. 1943, wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Gebäude, die auf den Listen verzeichnet sind, nicht für den militärische Gebrauch bestimmt sind. Siehe: Houghton Library, Harvard University, 57M–274, Francis Henry Taylor papers, ca. 1920 – 1958, Box 28, American Commission 1944, Order Eisenhower, 29. 12. 1943. Ein halbes Jahr ­später wurde die Bedeutung der europäischen Monumente rhetorisch weiter überhöht, was sich in der berühmten Rede von General Dwight D. Eisenhower am 26. 05. 1944 widerspiegelt. Shortly we will be fighting our way across the continent of Europe in battles designed to preserve our civilization (…) in the path of our advance will be found historical monuments and cultural centers which symbolize to the world all that we are fighting to preserve. It is the responsibility of every commander to protect and respect these symbols whenever possible. Siehe: https://www.nga.gov/features/monuments-men.html (Stand: 29. 08. 2021). Geboren am 11. 11. 1892 in Halle (Saale), Deutschland, und verstorben am 01. 07. 1977 in Carmel, CA, Vereinigte Staaten von Amerika. Vor der Emigration nach Amerika war er als Kustos bei der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten in Berlin angestellt. Hierzu: Michels, Transplantierte Kunstwissenschaft (wie Anm. 14), S. 76. Ebd., S. 37. Bei Michels werden auch seine beiden Hauptpublikationen, die er während seiner Zeit beim National Park Service verfasste, genannt, wobei nicht auf die oben genannte Schrift zum Kulturgutschutz verwiesen wird: Zum einen „Nature and the American“, das als Standardwerk des amerikanischen Naturschutzes gilt und „(…) mit seinem Aufsatz über ‚The White House Furniture at the Time of Monroe‘ s­ olche Wirkung erzielt, daß die [spätere] Präsidentengattin Jacqueline K ­ ennedy

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Komitees, William Dinsmoor, den Deutschen aufgrund seiner Erfahrungen und einer von ihm verfassten 64-seitigen Schrift über Observations concerning the conservation of monuments in Europe and America,54 die er bereits im Jahr 1940 für seinen Arbeitgeber erstellt hatte, für das Komitee gewinnen wollte, musste er wegen knapper Geldmittel zunächst von ­diesem Plan absehen.55 Ab 1944 bekam Huth schließlich eine Stelle als Kurator am renommierten Art Institute in Chicago.56 Obwohl er somit zu keinem Zeitpunkt aktives Mitglied der zivilen Kunstschutzgruppierungen war, ist seine Schrift von 1940 ein vielsagendes Zeugnis. Ausgehend von der Frage for what reasons are monuments classified in Europe 57 stellte Huth dem National Park Service zunächst die unterschiedlichen Methoden des europäischen Kunstschutzes vor. Dabei gewährte er Einblick in die Vorgehensweise der europäischen Bemühungen vom späten 19. Jahrhundert bis einschließlich des ­Ersten Weltkrieges und resümierte nicht nur die Vorarbeiten in Deutschland oder Österreich, sondern gab unter anderem Einsichten in italienische, französische und britische Methoden. Mit einschlägigen bibliografischen Angaben über den europäischen Kunstschutz sowie ­kurzen Erläuterungen, unter anderem über die Reiseführer und Handbücher, gab er außerdem weiterführende Hinweise.58 Darüber hinaus wies Huth darauf hin, dass er die gegenwärtige Kriegsführung und deren Folgen nicht ausreichend einschätzen könne. Vor allem im Hinblick auf die neue Maschinerie und auf Bomben könne er lediglich eine kurze Einschätzung geben.59 Obwohl er den Fokus vor allem auf die Frage richtete, ­welche Methoden vom National Park Service für die amerikanischen Museen adaptiert werden könnten, um die ansässigen Kunstobjekte zu ­schützen, lieferte Huths Memorandum erste wichtige Hinweise und wurde von beiden Kunstschutzkomitees geschätzt.60

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beschloss, die Einrichtung des Weißen Hauses wieder am historischen Vorbild zu orientieren“, dies., S. 79. Hans Huth, Observations Concerning the Conservation of Monuments in Europe and America (Document 118727), Washington, D. C., National Park Service, 1940. American School of Classical Studies at Athens, Archives, Series D, Box 60, Folder 8, Brief von William B. Dinsmoor an Hans Huth, [nicht datiert]. Michels, Transplantierte Kunstwissenschaft (wie Anm. 14), S. 76. Huth, Observations Concerning the Conservation of Monuments (wie Anm. 54), S. 1. Dabei wurden die Baedeker-Reiseführer, die Guides bleus und die Ausgaben des Touring Club Italiano als prominente Beispiele genannt. Siehe dazu: Huth, Observations Concerning the Conservation of Monuments (wie Anm. 54), S. 17 – 19. Als prominentesten Vertreter dieser Gattung nennt Huth die Dehio-Handbücher, die ­zwischen 1906 und 1914 veröffentlicht wurden: „While this type of guidebook is represented in this country by the new booklets of the National Park Service, there is no comprehensive handbook of the ‚DehioType‘“, ebd., S. 21 ff. sowie 24. Ebd., S. 45 – 50. Siehe u. a.: American School of Classical Studies at Athens, Archives, Series D, Box 60, Folder 8, Brief von William B. Dinsmoor an Hans Huth, [nicht datiert]. Darüber hinaus finden sich im

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Ausblick Auf den vorangegangenen Seiten konnte nur ein kurzer Überblick über eine größere, komplexe Thematik gegeben werden, die im umfassenderen Dissertationsprojektes weitere Bearbeitung findet. Von der Flucht einiger europäischer Geisteswissenschaftler – exemplarisch an drei migrier­ ten deutschen Kunsthistorikern gezeigt – profitierten nicht nur die Universitäten, die dadurch wissenschaftlichen Gewinn für die Lehre sahen. Viele Migranten, deren Erfahrung von enormer Bedeutung war, setzten sich ­später innerhalb des US-Kunstschutzes für den Erhalt und die Rettung europäischer Monumente ein. Dadurch konnten sie, auch wenn sie ihr Land verlassen mussten, sich dennoch für ihre Heimat einsetzen und helfen, das Kulturgut zu bewahren. Vor allem aufgrund des Umstandes, dass die Einführung eines militärischen Kunstschutzes einen langwierigen Prozess darstellte, waren ihre Expertise und der Austausch mit den Kolleg*innen essenziell: Zunächst konnte lediglich Wilhelm Koehler den ersten agierenden Kunstschützer Mason Hammond mit mannigfaltigen Informationen und Hinweisen versorgen, die innerhalb einer näheren Betrachtung noch deutlicher herauszuarbeiten sein werden. Auch verdienen grundsätzliche Aspekte wie die Entstehung, die vorbereitenden Maßnahmen und die Auswahl der von ihnen verwendeten Literatur noch größere Aufmerksamkeit, da diese Fragen Aufschluss über die Arbeitsmethode der Geisteswissenschaftler geben können: Wie beispielsweise wurden die Kriterien der Klassifizierung einzelner Monumente festgelegt und wie wurden in den Jahren nach 1942 einheitliche Richtlinien für den Aufbau und Inhalt der Listen und Karten definiert? Ein letzter Punkt, auf den im Rahmen ­dieses Beitrags nicht eingegangen werden konnte, sei darüber hinaus zum Schluss noch erwähnt. Die Arbeit der Komitees der Harvard Group und des ACLS war keineswegs ein genuin europäisches Phänomen. Noch bevor die Arbeiten für das europäische Kriegsgebiet abgeschlossen waren, beschäftigten sich die Komitees damit, Listen und Karten für den Kunstschutz im Fernen Osten und in den Pazifikstaaten anzufertigen.61

gleichen Ordner Akten, die darüber Aufschluss geben, dass Huth auch an der School of Military Government in Charlottesville unterrichten sollte. Siehe dazu: American School of Classical Studies at Athens, Archives, Series D, Box 60, Folder 8, Brief von Hans Huth an Waldo G. Leland, 30.06. [kein Jahr]. Siehe auch: Houghton Library, Harvard University, 57M-274, Francis Henry Taylor papers, circa 1920 – 1958, Box 4, Huth, Hans. 61 American School of Classical Studies at Athens, Archives, Series D, Box 55, Folder 2, Brief William B. Dinsmoor an Präsident Roosevelt, 17. 05. 1943. Innerhalb des Dissertationsprojektes werden auch die außereuropäischen Karten und Listen hinreichend untersucht. Bislang wurde ­diesem Forschungsgebiet im europäischen Raum wenig Beachtung geschenkt.

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Fortsetzung folgt? Die amerikanischen „Monuments Men“ und der „Kunstschutz“ nach dem „Kunstschutz“ Marco Rasch

2014 kam eine deutsch-amerikanische Filmproduktion in die Kinos, w ­ elche erstmals einem großen Publikum das Thema „Kunstschutz“ näherbrachte: „Monuments Men – Ungewöhnliche Helden“ 1 erzählt episodenhaft die Geschichte der US -amerikanischen militärischen Kunstschutzeinheit Monuments, Fine Arts, and Archives Section (MFA&A), die in Deutschland am Ende des Zweiten Weltkrieges den alliierten Fronteinheiten folgte. Ein Still aus dem Film zeigt im Vordergrund in Rückansicht den Offizier Walker Hancock (1901 – 1998), der in die Tiefen des Erzbergwerks Hain in Siegen blickt, wo Kisten und Kunstwerke lagern. Rechts oberhalb des im Mittelgrund befindlichen Tisches ist im Halbdunkel unter anderem ein Gemälde zu erkennen, welches ein stehendes Paar in zeittypischer Kleidung in einer parkartigen Umgebung zeigt. Es handelt sich hierbei um das Bild „Das Ehepaar Sisley“, welches um 1868 von Auguste Renoir gemalt und 1912 vom Kölner Wallraf-Richartz-Museum erworben wurde.2 Nach dieser Szene wechselt der Film allerdings abrupt nach Bayern. So 1 Originaltitel: „The Monuments Men“, Regie: George Clooney, Drehbuch: Grant Heslov, 118 Minuten, USA /Deutschland 2014. Im folgenden Text werden nachstehende Archivabkürzungen verwendet: DDK = Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg, Archiv; LDA = Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Außenstelle Marburg; NARA (U. S. National Archives and Records Administration): M1941 = Records Concerning the Central Collecting Points („Ardelia Hall Collection“): OMGUS Headquarters Records, 1938 – 51, M1947 = Records Concerning the Central Collecting Points („Ardelia Hall Collection“): Wiesbaden Central Collecting Point, 1945 – 1952; M1948 = Records Concerning the Central Collecting Points („Ardelia Hall Collection“): Marburg Central Collecting Point, 1945 – 1949 und M1949 = Records of the Monuments, Fine Arts, and Archives (MFA &A) Section of the Reparations and Restitution Branch, Office of Military Government, U. S. Zone (Germany). Ausführlicher zu ­diesem Thema siehe Marco Rasch, Das Staatsarchiv Marburg als Central Collecting Point. Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung im Hessischen Staatsarchiv Marburg (Schriften des Hessischen Staatsarchivs Marburg 39), Marburg 2021. 2 Öl auf Leinwand, 105 × 75 cm, Köln, Wallraf-Richartz-Museum, Inv.-Nr. WRM 1199; siehe Katalog der Gemälde des 19. Jahrhunderts im Wallraf-Richartz-Museum, Köln 1964, S. 103. Heute wird der Titel aufgrund der noch immer ungesicherten Personenzuschreibung zumeist nur noch „Paar im Grünen“ genannt; vgl. https://www.wallraf.museum/sammlungen/19-jahrhundert/meisterwerke/ august-renoir-das-paar/das-meisterwerk/ (Stand: 29. 08. 2021).

Abb. 1  Universitätsmuseum Marburg, Blick in einen Saal der Ausstellung „Meisterwerke der europäischen Malerei des 19. Jahrhunderts“, 14. April bis zum 2. Juni 1946.

werden die Zuschauer*innen darüber im Unklaren gelassen, wie ­dieses Bild und weitere Objekte nach Siegen gelangten und weshalb ein Teil der Kunstwerke im Anschluss nach Marburg verbracht wurde (Abb. 1). Im Fokus ­dieses Artikels stehen die Aktivitäten der „Monuments Men“ in Deutschland. Dazu wird in einem ersten Schritt nachgezeichnet, wie die Alliierten auf den Kunstraub der Deutschen und die kriegsbedingte Evakuierung von Kulturgütern bis hin zur Einrichtung sogenannter Central Collecting Points reagierten. Im zweiten Teil des Beitrages werden die Entwicklungen in dieser Zwischenperiode speziell in Marburg stärker beleuchtet. Den Schwerpunkt dieser Betrachtung bilden die Kooperationen sowie personellen Kontinuitäten im Zusammenhang mit der Sammelstelle in der frühen Nachkriegszeit und der Umgang mit den zusammengetragenen Objekten, bevor diese schließlich aus Marburg abtransportiert wurden.

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1 Deutscher und alliierter „Kunstschutz“ während des Zweiten Weltkrieges 1.1 Evakuierung der Museumsbestände Um 1939 herum schlossen die meisten deutschen Museen, darunter das Wallraf-RichartzMuseum, ihre Türen für Besucher und erste Evakuierungsmaßnahmen setzten ein.3 Da innerhalb der folgenden Kriegsjahre die Intensität der alliierten Luftangriffe und die destruk­ tive Kraft der Bomben erheblich zunahmen, verlagerten Museen, Archive, Bibliotheken usw. ihre Bestände nun verstärkt aus den Ballungszentren in das ländliche und weniger gefährdete Umfeld. Für das Rheinland und das benachbarte Ruhrgebiet war es der Landeskonservator Franziskus Graf Wolff Metternich (1893 – 1978), der mit seinen Mitarbeitern die Sicherung der Bestände in abgelegene Schlösser, Klöster, Bergwerke usw. organisierte.4 Einer hierfür erstellten Liste der evakuierten Objekte zufolge gelangten so allein aus Köln zahlreiche museale, kirchliche, aber auch private Kunstobjekte an mindestens 17 verschiedene Orte östlich und südlich der Stadt.5 Bestände des Wallraf-Richartz-Museums wurden unter anderem in das Schloss Crottorf (Kreis Altenkirchen) und nach Siegen in den eingangs erwähnten Hainer Stollen verbracht, ein stillgelegtes Erzbergwerk im Siegberg unterhalb des Schlosses, das 1941 zum Luftschutzbunker ausgebaut worden war.6 Trotz der immensen kulturhistorischen Bedeutung ließ die Regierung die Museen mit dem Kulturgüterschutz aufgrund von Kompetenzschwierigkeiten allein,7 weshalb diese die Aktionen zumeist selber initiierten, in Kooperation mit den Denkmalbehörden, wie im Rheinland durch Wolff Metternich geschehen. In Hessen-Nassau, um ein weiteres Beispiel zu nennen, verantwortete der in Marburg angesiedelte Provinzialkonservator Friedrich Bleibaum (1885 – 1974) mit seinen Mitarbeitern die Objektverlagerungen unter anderem in 3 Siehe als weitere Beispiele Irene Kühnel-Kunze, Bergung – Evakuierung – Rückführung. Die Berliner Museen in den Jahren 1939 – 1959, Berlin 1984, S. 336 – 338, und Bettina Bouresh, Das Rheinische Landesmuseum Bonn bis 1945. Vereinnahmung? Widerstand? in: Olaf Dräger/Kim Bures-Kremser (Hg.), Kulturpolitik der Rheinischen Provinzialverwaltung 1920 bis 1945, Darmstadt 2019, S. 111 – 117, hier S. 114. 4 Siehe Esther Heyer, Der Provinzialkonservator Franziskus Graf Wolff Metternich. Denkmalpflege und Kunstschutz im Rheinland und in Frankreich, in: Kulturpolitik der Rheinischen Provinzialverwaltung 1920 bis 1945. Tagung am 18. und 19. Juni 2018 im LVR-LandesMuseum Bonn (Beihefte der Bonner Jahrbücher 59), Darmstadt 2019, S. 73 – 83, hier S. 77 – 80. 5 NARA M1948, Bergungsliste der Rheinischen Denkmalpflege, Ende 1944. 6 Joachim Stahl, Bunker und Stollen für den Luftschutz im Raum Siegen. Eine heimatgeschichtliche Studie über den Schutz der Bevölkerung vor Bombenangriffen im Bereich der heutigen Stadt Siegen während der Zeit des 2. Weltkrieges (1939 – 1945), Kreuztal 1980. 7 Kühnel-Kunze, Bergung – Evakuierung – Rückführung (wie Anm. 3), S. 19.

Fortsetzung folgt?  I  519

ungenutzte Bunker in Bad Wildungen.8 Weitere Maßnahmen beinhalteten unter anderem die Anfertigung von Listen der schützenswerten Monumente, prophylaktische Vermauerungen von Fenstern sowie die Errichtung von Schutzmauern für immobile Objekte wie Portale oder Denkmäler. All diese Tätigkeiten wurden zumeist sorgfältig dokumentiert und darüber hinaus Fotografien erstellt, um im Schadensfall Hilfsmittel für Rekonstruktionen zu besitzen.

1.2 Gründung der „Roberts Commission“ und Einrichtung der MFA&A Während in Deutschland diese Aktionen auf regionaler Ebene koordiniert wurden, fand gleichzeitig in Europa ein von der nationalsozialistischen Regierung legitimierter und organisierter Kunstraub in großem Stil durch den „Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg“ (ERR) statt. Unter der Leitung des namensgebenden NS-Ideologen Alfred Rosenberg (1893 – 1946) ließ der Stab in den von Deutschland besetzten Ländern Kunstwerke, Dokumente, Bücher usw. zusammentragen und in das Deutsche Reich transferieren.9 Angesichts d ­ ieses groß angelegten Raubes, der den Alliierten natürlich nicht verborgen blieb, und in Erwartung größerer Zerstörungen infolge der Kriegseinwirkungen formierten sich in den Vereinigten Staaten von Amerika zwei separate Gruppierungen, die sich mit dem Kulturgüterschutz in Europa beschäftigten. Die erste, die American Defense – Harvard Group, entstand 1940 unmittelbar nach der Besetzung Frankreichs durch deutsche Truppen unter Federführung des Direktors des Fogg Art Museum, Paul J. Sachs (1978 – 1965).10 Sachs warb in den gesamten USA erfolgreich um weitere Unterstützer und im November 1942 reichten sie gemeinsam beim amerikanischen Supreme Court den Vorschlag zur Gründung einer

8 Zu Bleibaum siehe LDA, Schriftwechsel – Allgemein – Univ.-Bibliothek – Staatsarchiv, R. Z. Ein Pfleger des Kulturgutes. Zum 70. Geburtstag des früheren Landeskonservators Prof. Dr. Friedrich Bleibaum, in: Oberhessische Presse, 30. 04. 1955. Zu seiner Tätigkeit während des Krieges: NARA M1947, Headquarters Regional Military Government Land Hessen-Nassau, APO 758, an Commanding General; APO 757, betreffs „Appeal for Reinstatement of Anneliese Klappenbach“, o. D. (ca. September 1945). Die Bunker in Bad Wildungen waren als zukünftiges Hauptquartier der Luftwaffe vorgesehen, kamen aber nicht mehr zum Einsatz: siehe dazu Swantje Kleinicke, Göring und die 15 Bunker. Das Hauptquartier der Luftwaffe in Bad Wildungen?, Marburg 2009, S. 43 – 45. Auch der Konservator des Landes Braunschweig, Kurt Seeleke, barg wertvolle Objekte in abgelegenen Bau- und Bergwerken: Siehe dazu Cay Friemuth, Die geraubte Kunst. Der dramatische Wettlauf um die Rettung der Kulturschätze nach dem Zweiten Weltkrieg, Braunschweig 1989, S. 168 – 169. 9 Hanns Christian Löhr, Kunst als Waffe – Der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Ideologie und Kunstraub im „Dritten Reich“, Berlin 2018. 10 Siehe hierfür Report of the American Commission for the Protection and Salvage of Artistic and Historic Monuments in War Areas, Washington, D. C. 1946, besonders S. 33 – 37, und die Einführung in den Aktenbestand an der Harvard-Universität https://hollisarchives.lib.harvard.edu/ repositories/4/resources/4139 (Stand: 29. 08. 2021). Die Gruppe wurde 1945 aufgelöst.

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Kunstschutz-Kommission ein. Noch in der Phase der Entscheidungsfindung erarbeiteten sie, parallel zur und unabhängig von der zweiten Gruppierung, dem vom American Council of Learned Societies (ACLS) eingerichteten Committee on the Protection of Cultural Treasures in War Areas,11 Karten und Listen mit bedeutenden Bauwerken und Sammlungen sowie hilfreichen amerikanischen, aber auch deutschen Kontaktpersonen. Im August 1943 erfolgte schließlich die Gründung der American Commission for the Protection and Salvage of Artistic and Historic Monuments in War Areas, besser bekannt als „Roberts Commission“ nach ihrem Vorsitzenden, dem Verfassungsrichter Owen J. Roberts (1875 – 1955).12 Die Kommission setzte mit dem Personal der Vorgängergruppierungen die Aktivitäten fort und erarbeitete gemeinsam mit europäischen Institutionen Richtlinien über den Umgang mit geraubten Kulturgütern. Als praktische Feldeinheit wurde im Herbst 1943 die Monuments, Fine Arts, and Archives Section (MFA&A) gebildet, die bei der Civil Affairs Division des United States Department of War angesiedelt war.13 Die beiden Hauptaufgaben dieser militärischen Kunstschutzgruppe bestanden darin, den Frontlinien zu folgen und die geraubten Kunstgüter sicherzustellen sowie für die Sicherheit der auf den Listen der Roberts Commission stehenden kulturhisto­ risch bedeutenden Bauwerke zu sorgen,14 was den Offizieren die inoffizielle Bezeichnung „Monuments Men“ einbrachte. Nach einem ersten Einsatz in Italien betraten Ende Oktober 1944 MFA&A-Offiziere – aus Frankreich kommend – erstmals deutschen Boden. Bei der Inspektion der auf ihrer Liste stehenden Bauwerke in Aachen fanden George Stout (1897 – 1978), Restaurator am Fogg Art Museum, und der Bildhauer Walker Kirtland Hancock 15 im Suermondt-Museum Hinweise, dass in einem stillgelegten Siegener Bergwerk Kunstobjekte lagerten,16 woraufhin

11 Das ACLS war eine 1919 gegründete private Vereinigung zur Bündelung der Interessen diverser geisteswissenschaftlicher Institutionen. Im Januar 1943 etablierte es das Committee, um die alliierten Streitkräfte mit seiner Expertise in Kunstschutzfragen zu unterstützen, siehe dazu: https://www.acls. org/History/ACLS-and-the-Monuments-Men (Stand: 29. 08. 2021). Zu den Unterstützern zählte beispielsweise Erwin Panofsky, siehe: https://www.monumentsmenfoundation.org/the-heroes/ american-council-of-learned-societies (Stand: 29. 08. 2021). Siehe hierzu auch den Beitrag von Laura Nicolaiciuc im vorliegenden Band. 12 Friemuth, Die geraubte Kunst (wie Anm. 8), S. 45 f. 13 Report of the American Commission (wie Anm. 10), S. 47 – 156. Für die weitere Geschichte der Einheit: Michael J. Kurtz, America and the Return of Nazi Contraband. The Recovery of Europe’s Cultural Treasures, Cambridge 2006, S. 91 – 93. 14 Walker Hancock, Experiences of a Monuments Officer in Germany, in: College Art Journal 5 (1946), S. 271 – 311, hier S. 271. 15 Zu Hancock und Stout: https://www.monumentsmenfoundation.org/hancock-capt-walker-k und https://www.monumentsmenfoundation.org/stout-lt-cdr-george-l-usnr (beide Stand: 29. 08. 2021). 16 Lynn H. Nicholas, Der Raub der Europa. Das Schicksal europäischer Kunstschätze im Dritten Reich, München 1995, S. 394 und 433. In der oben erwähnten Liste Wolff Metternichs (wie Anm. 5)

Fortsetzung folgt?  I  521

sie ­dieses am 2. April 1945 besichtigten.17 Da es gleichzeitig der Siegener Bevölkerung als Schutzraum diente, aber das durch eine benachbarte Fabrik angeschlossene Belüftungssystem nicht mehr funktionierte, herrschte im Inneren eine hohe Luftfeuchtigkeit. Aufgrund der daraus resultierenden Schimmelbildung erachteten Stout und Hancock eine Evakuierung der zahlreichen Gemälde, Skulpturen usw. für notwendig, konnten diese aber wegen des noch nicht beendeten Kriegszustandes vorerst nicht umsetzen.

1.3 Einrichtung des ersten Central Collecting Point Daher setzten die Offiziere ihre Tour zunächst fort und erreichten eine Woche s­päter die Universitätsstadt Marburg. Einige Tage lang inspizierten sie die bedeutendsten Bauwerke, darunter folgende auf der „Supreme Headquarters List of Protected Monuments“ befindliche: den sogenannten Jubiläumsbau von 1927, der kunst- und kulturbezogene Universitätseinrichtungen vereinigte,18 das Landgrafenschloss und das Staatsarchiv (Abb. 2). Sie befragten unter anderem Richard Hamann (1879 – 1961), Leiter des Kunstgeschichtlichen Instituts und des Bildarchivs Foto Marburg in Personalunion,19 Rudolf Vaupel (1894 – 1945), Direktor des Staatsarchivs, und den Provinzialkonservator Friedrich Bleibaum nach Informationen über Depots und über in den Kunstraub involvierte Personen. Basierend auf den Informationen Bleibaums, der während des Krieges für die Sicherung zahlreicher Bestände verantwortlich gewesen war, unternahmen sie Inspektionsfahrten zu den Lagerstätten im Bereich des heutigen Mittel- und Nordhessen.

ist bei diversen Beständen vermerkt, dass diese im letzten Drittel des Jahres 1944 aus dem Depot Meißen nach Siegen verbracht wurden, was der Anfang März von Hancock dazu befragte Assistent von Wolff Metternich, der Architekt Willi Weyres, bestätigte. Wolff Metternich befand sich zu der Zeit noch hinter der deutschen Frontlinie in Westfalen, konnte also nicht selber befragt werden. Vermutlich war die Befürchtung, dass die Kunstschätze der sowjetischen Armee in die Hände fallen könnten, der Auslöser für die Verlagerung. 17 Hancock, Experiences (wie Anm. 14), S. 292, sowie der von Hancock angefertigte Bericht über die Inspektionsreise NARA M1949, ETO 1st U. S. Army Reports, 16 April 1945 – 15 May 1945, Halbmonatsbericht April 1945. 18 Das Gebäude wurde anlässlich der 400-Jahrfeier der Universität Marburg 1927 eingeweiht und vereint seitdem das Universitätsmuseum, die Kunstgeschichte, das Bildarchiv Foto Marburg, die Klassische Archäologie, Vor- und Frühgeschichte, Christliche Archäologie, Musikwissenschaft und den Konzertsaal unter einem Dach: Wilhelm Busch, Die Vierhundertjahrfeier der Philipps-Universität Marburg 1927, Marburg 1928. Für die Reisestationen siehe den in Anm. 17 erwähnten Bericht Hancocks. 19 Generell zu Hamann und dem Bildarchiv Foto Marburg siehe Fritz Laupichler, Das Bildarchiv Foto Marburg. Von der „Photographischen Gesellschaft“ zum Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte. Ein historisch-chronologischer Abriss 1913 – 2013, Marburg 2015.

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Abb. 2  Staatsarchiv Marburg, um 1939.

Anschließend führte Hancocks Reise bis nach Leipzig und wieder zurück über die thüringischen Lagerstätten. In einem Bergwerk in Bernterode entdeckte er am 29. April 1945 neben diversen Kunstwerken die preußischen Kronjuwelen, die Militärstandartensammlung und die Sarkophage Friedrichs II. von Preußen (1712 – 1786), Friedrich Wilhelms I. (1688 – 1740) sowie des ehemaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (1847 – 1934) und seiner Frau Gertrud.20 Aufgrund der politischen Brisanz der Objekte ordnete die Militärführung die sofortige Evakuierung des in der künftigen sowjetischen Zone gelegenen Bestandes an. Dass dieser größtenteils nach Marburg transportiert werden sollte, stand zu ­diesem Zeitpunkt offenbar schon fest, denn zum einen trafen die ersten Objekte direkt am 9. Mai 1945 im dortigen Jubiläumsbau und im Schloss ein, was angesichts der schwierigen Zustände dieser Übergangszeit nicht ohne vorherige Planung hätte bewerkstelligt werden können. Zum anderen hatte Hancock schon am 25. April 23 Gemälde in Hamanns Obhut übergeben lassen, ­welche zuvor auf unbekannten Wegen vom Berliner Reichsjustizministerium in das Marburger Gerichtsgefängnis gelangt waren.21 20 Hancock, Experiences (wie Anm. 14), S. 294 – 300, und Thomas Carr Howe, Salt Mines and Castles. The Discovery and Restitution of Looted European Art, Indianapolis 1946, S. 118 – 119. 21 DDK, Collecting Point, Liste der Besitzer, Liste der 23 Objekte vom 25. 04. 1945. Relevant für diese Vertrauensgeste wird die gute wissenschaftliche und persönliche Reputation und Vernetzung Hamanns

Fortsetzung folgt?  I  523

Ausschlaggebend für die Entscheidung für Marburg müssen mehrere Faktoren gewesen sein: So lag die Kleinstadt in der amerikanischen Zone und relativ nah an den mitteldeutschen Depots. Ihre Infrastruktur war weitestgehend von Kriegszerstörungen verschont geblieben und mit der Universität, dem Sitz der Denkmalpflege für den Bezirk Hessen-Nassau und dem Staatsarchiv waren bedeutende, für diese Aufgabe geeignete Institutionen vorhanden.22 Unmittelbar mit seiner Rückkehr nach Marburg am Tag nach der Kapitulation Deutschlands ließ Hancock auch das noch vom Militär besetzte Staatsarchiv, ein erst 1938 fertiggestelltes modernes Gebäude, das durch Bombentreffer sowie Verwüstungen der Militäreinheiten in Mitleidenschaft gezogen worden war, als „off limits“ deklarieren, richtete sich ein Büro dort ein und initiierte erste Aufräum- und Wiederherstellungsarbeiten.23 Mit den nun laufend eintreffenden Objekten begann inoffiziell der Marburg Central (Art) Collecting Point (CCP) seine Arbeit (Abb. 3). Erst am 20. Mai erfolgte die offizielle Order, dass das Militär, „anstatt sich auf frühere Direktiven zu stützen, sich von MFA&A-Sonderoffizieren beraten lassen und zu ­diesem Zweck geeignete Gebäude reservieren und den Anforderungen entsprechend als Sammeldepots für Kunstwerke einrichten“ 24 sollte. Diese Anordnung muss dementsprechend als eine Reaktion auf Hancocks Vorgehen gewertet werden. Angesichts der großen in Österreich und Bayern entdeckten Kunstdepots – unter anderem des ERR – wurde im Juni auch in München durch Craig Hugh Smyth (1915 – 2006) mit dem Aufbau einer Sammelstelle begonnen, da der Transport derart vieler Güter nach Marburg bei der Situation der Infrastruktur nicht zu bewerkstelligen gewesen wäre und zudem die in der Kleinstadt verfügbaren Gebäude nicht die notwendigen Kapazitäten aufwiesen. Der letztgenannte Grund führte auch zur Einrichtung eines zweiten Collecting Point im nördlichen Teil der amerikanischen Zone. Den Hauptauslöser bildeten die zwischenzeitlich in einem Bergwerk im thüringischen Merkers deponierten Objekte, darunter die Gold- und Devisenreserven des Deutschen Reichs, ­welche im April 1945 nach Frankfurt in die Reichsbank umgelagert worden waren. Da das Gebäude aber nicht den Mengen gewachsen war, gewesen sein, der u. a. in der Zwischenkriegszeit in brieflichem Kontakt mit Paul Sachs stand. Seine Tätigkeiten im Rahmen der „Kunstschutz“-Kampagnen in Frankreich waren den Amerikanern zu ­diesem Zeitpunkt noch unbekannt, da Hancock nach einer entsprechenden Anfrage durch die Franzosen erst im September 1945 Aufklärung von Hamann verlangte: NARA M1948, Tagesbericht vom 12. 09. 1945. 22 Dafür und für zuvor in Erwägung gezogene Evakuierungsorte: Report of the American Commission (wie Anm. 10), S. 129 – 130. Hancock selber reduzierte die Entscheidung in einem Interview 1977 auf vor allem einen Grund: We made Marburg more or less our headquarters because the Kunsthistoriche [sic!] Institute [was there]; https://www.aaa.si.edu/collections/interviews/oral-history-interview-­ walker-hancock-13287#transcript (Stand: 29. 08. 2021). 23 Hancock, Experiences (wie Anm. 14), S. 307. Zum Gebäude siehe Katja Leiskau, Der Neubau des Staatsarchivs in Marburg 1935 – 1938, Marburg 1999. Der Jubiläumsbau, das Schloss und die Elisabeth­kirche waren schon bei Einnahme der Stadt durch die Amerikaner Ende März „off limits“, d. h. für eine militärische Nutzung gesperrt, gestellt worden. 24 Nicholas, Der Raub der Europa (wie Anm. 16), S. 447 – 448.

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Abb. 3  Organigramm des Marburger Collecting Point.

begab man sich auf die Suche nach einer geeigneteren Unterbringung, ­welche man im Landesmuseum der benachbarten Stadt Wiesbaden fand. Ab August wurden hier unter der Leitung von Walter I. Farmer (1911 – 1997) Objekte eingeliefert.25 Aufgrund der generellen personellen Unterversorgung der amerikanischen Kunstschutzabteilung 26 waren die Offiziere bei der täglichen Arbeit auf die Unterstützung durch deutsche Institutionen angewiesen (Abb. 4). In Marburg zog man das Personal des Staatsarchivs sowie zusätzlich requirierte Arbeiter für die Entgegennahme und Magazinierung der Lieferungen heran. Mitarbeitern des Kunstgeschichtlichen Instituts respektive des Bildarchivs Foto Marburg und des Provinzialkonservators Friedrich Bleibaum, der ebenso wie Wolff ­Metternich nach dem Krieg seine Arbeit fortsetzen konnte, wurde die Inventarisation der Objekte übertragen. Aus Kapazitätsgründen fand diese Tätigkeit parallel in beiden Institutionen und dem Staatsarchiv statt. Informationen zu den Objekten wurden dabei handschriftlich auf Karteikarten zusammengetragen, in einem zweiten Schritt ins Englische übersetzt, auf vorgedruckte Karteikarten übertragen und sowohl Hancock als auch dem Military Government in Wiesbaden in Kopie übersandt.

25 Zu München siehe Iris Lauterbach, Der Central Collecting Point in München. Kunstschutz, Resti­ tution, Neubeginn, Berlin 2015, und für Wiesbaden Tanja Bernsau, Die Besatzer als Kuratoren?, Berlin/Mainz 2013. 26 Hancock, einziger Kunstschutz-Offizier der 1st Army, beklagte sich darüber im Fazit seines AprilBerichts: The MFA&A Officer at Army Headquarters, without assistance of any kind, is peculiarly aware of the tragic need for more personnel to cope with the staggering exigency of the present situation; NARA M1949, ETO 1st U. S. Army Reports (wie Anm. 17), S. 21, und Report of the American Commission (wie Anm. 10), S. 128.

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Abb. 4  Belegschaft des Marburger Collecting Point, darunter der Leiter Francis Bilodeau (5. v. l.) und sein Stellvertreter Joachim Steinbacher (3. v. r.), mit britischen Armeeangehörigen vor dem Staatsarchiv, Juni 1946.

Für die Herstellung von Fotografien griff Hancock ebenfalls auf das Bildarchiv Foto Marburg zurück, dessen Leiter Richard Hamann ihm angeboten hatte, die Kosten für die Fotoarbeiten aus eigenen Mitteln aufzubringen, sofern die Amerikaner bei der Materialbeschaffung für die Fotolabors behilflich wären.27 Hamann wollte sich die außergewöhnliche Gelegenheit natürlich nicht entgehen lassen, die Kunstwerke im offiziellen Auftrag und ohne langwierige Genehmigungsverfahren durchlaufen sowie aufwendige Reisen organisieren zu müssen, zu fotografieren und so den eigenen Bildbestand weiter zu vermehren. Die resultierenden Negative wurden in das Bildarchiv integriert und Positive gegen Bezahlung an die militärischen Stellen abgeliefert.28

27 DDK , „Bericht über die Tätigkeit des Forschungsinstituts für Kunstgeschichte in Marburg im Geschäftsjahr 1944 – 47 (01. 04. 1944 bis 31. 03. 1948)“, S. 4. 28 DDK, Personalakten, Hancock an Hamann am 10. 11. 1945. Die Originalnegative befinden sich ebenso wie die Karteikarten im DDK. Analog zu den Restitutionsansprüchen Frankreichs wegen der von Foto Marburg im Zweiten Weltkrieg erstellten Kunstschutz-Aufnahmen (siehe hierzu den Beitrag von Emily Löffler im vorliegenden Band) sollte das Bildarchiv im Nachhinein die während der Tätigkeit des Collecting Point erstellten Fotos abgeben. Hamann berief sich aber darauf, dass das Bildarchiv lediglich mit der Herstellung von Kleinabbildungen für den Katalog beauftragt wurde und es die Großaufnahmen auf eigenen Wunsch und eigene Kosten erstellt habe; siehe

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Bestände, die Schäden durch Auslagerung oder Transport erlitten hatten, wie die Objekte aus dem Siegener Bergwerk, erfuhren zügig restauratorische Maßnahmen.29 Anschließend magazinierte man alles im Staatsarchiv.

2 Rückgabe, Restitution, Kooperation 2.1 Bestand und Restitutionsfälle Bis Ende April 1946 wurden über 4200 Kunstwerke – mehr als 700 Objekte davon, darunter auch das Renoir-Bild, stammten allein aus dem Siegener Bergwerk –, 14.000 Bücher und 17.500 Regalmeter Akten in Marburg eingelagert.30 Aus Berliner und Potsdamer Schlössern und Palais sowie Museen gelangten über das Zwischenlager bei Bernterode u. a. 270 Gemälde, fast 50 Gobelins sowie die Bibliothek von Friedrich dem Großen nach Marburg. Weitere quantitativ bedeutende Bestände kamen aus dem Danziger Stadtmuseum, aus der Mannheimer Kunsthalle und der Kasseler Landesbibliothek in die Sammelstelle. Sobald eintreffende Objekte in den Verdacht gerieten, nationalsozialistisches Raubgut zu sein, wurden sie separiert und durch Experten aus den betroffenen Ländern begutachtet, wie beispielsweise durch den Kunsthistoriker Hans C. L. Jaffé (1915 – 1984) auf der Suche nach niederländischen und durch Rose Valland (1898 – 1980) auf der Suche nach französischen Objekten.31 So befand sich im Siegener Bestand der Domschatz von Metz, den man schon am 26. September 1945 nach Straßburg in französische Obhut übergab.32 Abgesehen von diesen

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­ niversitätsbibliothek Marburg, Nachlass Hamann, Sign. Ms. 1026 B Rorimer, Rechtfertigung U Hamanns vom 06. 04. 1948. Erst ab Ende Mai konnte der Großteil des Bestandes nach Marburg verbracht werden. Von den Gemälden bedurften laut einer Schätzung Ende Juli ein Viertel einer Restaurierung; NARA M1941: „Weekly Military Government Summary Report, 15 July–25 July 1945“, vom 26. 07. 1945. Die Mitarbeiterstellen von Bleibaum, darunter die Restauratoren, wurden ebenso wie die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Kunstgeschichtlichen Instituts von der Stadt Marburg aus dem Besatzungsfonds finanziert; DDK, Marline v. Stockhausen, „Bericht über die aus dem Depot Siegen in den Collecting Point Staatsarchiv Marburg verbrachten Gemälde aus Rheinischem Besitz“ vom 04. 03. 1949 sowie „Bericht über die Tätigkeit des Forschungsinstituts (…)“ (wie Anm. 27), S. 4. NARA M1949, Status of Collecting Point Report, 03. 05. 1946, S. 6. NARA M1948, Tagesbericht vom 18. Oktober und vom 12. 12. 1945. Ebenso verfuhr man in den Sammelstellen in Wiesbaden und Offenbach, während in München aufgrund der Masse an Raubgut Experten dauerhaft vertreten waren. NARA M1948, Tagesbericht vom 27. 09. 1945. Dies lässt sich vermutlich ebenso wie die Rücksendung der Fenster des Straßburger Münsters aus Heilbronn eine Woche zuvor als ­­Zeichen des amerikanischen Kooperationswillens interpretieren: Emily Löffler, Kunstschutz im besetzten Deutschland. Restitution und Kulturpolitik in der französischen und amerikanischen Besatzungszone (1944 – 1953) (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus

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26 Stücken kamen relativ wenige problematische Fälle ans Tageslicht, die verglichen mit der Gesamtanzahl quantitativ kaum ins Gewicht fielen, wobei aus personellen und zeitlichen Gründen eine aktive Provenienzforschung unterblieb.33 Ab Dezember 1945 wurden derartig verdächtige Objekte zur Bearbeitung in den Collecting Point nach Wiesbaden verbracht.

2.2 Reaktivierung kulturellen Lebens Die anfangs ungewisse Dauer des Verbleibs hochkarätiger, hauptsächlich europäischer Meisterwerke in der Universitätsstadt diente Richard Hamann nicht nur zur Erweiterung seines Bildarchivs, sondern er sah hierin auch eine Gelegenheit für einen Neubeginn kulturellen, aber auch universitären Lebens. Am 10. Oktober 1945 reichte er deshalb gemeinsam mit dem Oberbürgermeister Eugen Siebecke (1891 – 1959) und dem Universitätsrektor Julius Ebbinghaus (1885 – 1981) eine offizielle Petition bei der Militärregierung ein, mit der Bitte, die Objekte der Sammelstelle für Ausstellungen verwenden zu dürfen. Neben der kulturellen verwiesen die Antragsteller explizit auf die positive politische Wirkung, die diese nach außen kommunizierte Kooperation mit sich brächte.34 Ob die Anregung dazu letztlich auf Hancock zurückzuführen war, der bei seinem zweiten Besuch in Siegen im Mai 1945 durch das „Golden Arrow Museum“ angeregt worden sein könnte, in welches das Militär inoffiziell das Siegener Bergwerk umfunktioniert hatte,35 oder auf Hamann, gilt es in Zukunft noch zu eruieren. Gesichert ist jedenfalls, dass Hamann am 14. November vor geladenen Gästen im Universitätsmuseum die 30 Gemälde umfassende Ausstellung „Masterpieces of European Painting“ eröffnete, deren Objekte fast ausschließlich aus der Berliner Schlösser und Gärten-Verwaltung und dem Bonner Landesmuseum stammten und die in der deutschen Presse großen Anklang fand.36

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3), Wien/Köln/Weimar 2019, S. 73 – 76, sowie Friemuth, Die geraubte Kunst (wie Anm. 8), S. 75. Den Franzosen war es, wie in Heilbronn, allerdings nicht erlaubt, den Restitutionsbestand direkt in Marburg in Empfang zu nehmen: NARA M1948, Tagesbericht vom 12. 09. 1945. Eindeutig dem Raubgut zuzuordnen waren zwei Gemälde aus der Sammlung des niederländischen Kunsthändlers Jacques Goudstikker, drei Reliefs der Familie Rothschild aus Paris, 14 Gemälde aus Warschauer Sammlungen, ein belgisches Gemälde sowie Objekte aus der Sammlung des SS-Hauptsturmführers Sommer. Wie einfach auch kritische Bestände restituiert wurden, zeigt der bekannte Fall des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt in Wiesbaden. Universitätsarchiv Marburg, Sign. 305a, Acc. 1975/79, 501, Jubiläumsbau 1914 – 1952, fol. 52. Laut Howe, Salt Mines and Castles (wie Anm. 20), S. 235, habe auch Hancock schon drei Monate zuvor diese Idee gehabt, also in etwa zeitgleich mit den ersten Planungen in München: Löffler, Kunstschutz im besetzten Deutschland (wie Anm. 32), S. 233. Nicholas, Der Raub der Europa (wie Anm. 16), S. 446. Report of the American Commission (wie Anm. 10), S. 155, und Exhibition of Masterpieces of European Painting: Ausstellung von Meisterwerken der europäischen Malerei, Jubiläumsbau Marburg,

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Bis Juni 1946 herrschte in Marburg – wie in den anderen Sammelstellen – mit elf weiteren Ausstellungen eine rege Tätigkeit, vorrangig im Staatsarchiv, aber auch im Universitätsmuseum, wobei allerdings einige Ausstellungen nur ausgewählten Gästen zugänglich waren. Verantwortlich für deren Konzeption waren grundsätzlich deutsche Mitarbeiter, zumeist Kunsthistoriker. Abgesehen von einem Fall 37 handelte es sich um Bestände des Central Collecting Point, die teilweise kurz vor der Verlagerung standen und so wenigstens einmal der Allgemeinheit gezeigt werden konnten.38 Gleichzeitig wurde der Bestand der Lehre und Forschung zugänglich gemacht, indem Interessenten, größtenteils deutsche Dozenten, teilweise mit Studierenden, auf Anfrage Zutritt zum Collecting Point erhielten.39

2.3 Abwicklung des Marburger CCP 1946 Währenddessen war die Auflösung der Marburger Kunstsammelstelle schon längst beschlossene Sache. Weil das Staatsarchiv bald an seine Kapazitätsgrenzen zu gelangen drohte und die Lagerung in diversen Gebäuden in Marburg sowie in weiteren Kunst- und Archivdepots in Hessen einen organisatorischen Mehraufwand und ein erhöhtes Sicherheitsrisiko darstellte, plädierten die zuständigen MFA&A-Offiziere schon im August 1945 in einer Besprechung für eine Vereinigung sämtlicher Sammelstellen. Neuer Central Collecting Point für den nördlichen Teil der amerikanischen Besatzungszone sollte das Landesmuseum in Wiesbaden werden, das wesentlich mehr Lagerungsfläche bot.40 Gleichzeitig entschied man, dass von

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Marburg 1945. Das eingangs erwähnte Sisley-Bild (Abb. 1) wurde in der Ausstellung „Meisterwerke der europäischen Malerei des 19. Jahrhunderts“ vom 14. 04. – 02. 06. 1946 gezeigt, die von 11.800 Personen besucht wurde: NARA M1947, MFA&A Status of Collecting Points and Archival Depot Report vom 10. 07. 1946, S. 3. Die „Gedächtnisausstellung Reinhard Schmidhagen“ war dem seit 1940 in Marburg lebenden Künstler gewidmet, der wenige Wochen nach Kriegsende verstarb. Siehe dazu den Katalog Gedächtnisausstellung Reinhard Schmidhagen: 1914 – 1945, Gemälde, Holzschnitte, Zeichnungen, Marburg 1945. So agierte man beispielsweise bei Bildern aus der Mannheimer Kunsthalle aus dem Depot Eschebach, die kurz nach der Ausstellung (29. 05. – 24. 06. 1946) nach Wiesbaden transferiert wurden: NARA M1948, Tagesbericht vom 22. 07. 1946. Der letzte Kurs, durchgeführt durch Richard Hamann-Mac Lean, fand am 12. 07. 1946 statt: NARA M1947, MFA&A Status of Collecting Points and Archival Depot Report vom 08. 08. 1946, S. 3. NARA M1941, „Weekly Military Government Summary Report, 19 August–25 August 1945”. Neben Marburg existierten zeitgleich die Depots der Reichsbank in Frankfurt, die Bunker in Bad Wildungen (siehe Anm. 8) und das Offenbach Archival Depot, welches sich erst im Laufe des Jahres 1946 als Sammelzentrum für Bücher, Dokumente und Manuskripte entwickelte, siehe Gabriele HauschkeWicklaus (Hg.), Fast vergessen. Das amerikanische Bücherdepot in Offenbach am Main von 1945 bis 1949, Offenbach am Main 2011.

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nun an lediglich Depots, die geraubte oder besonders bedeutende Kunstwerke enthielten, in die Sammelstellen nach Wiesbaden und München gebracht, die anderen aber direkt deutschen Behörden übergeben werden sollten. Aus dem gleichen Grund besuchten ab dem Spätsommer 1945 auch verstärkt Vertreter diverser deutscher Museen und Archive Marburg, um ihre Bestände zu inspizieren und eine Rückkehr zu organisieren. Die geplante Abwicklung des Collecting Point zog sich allerdings noch bis Herbst 1946 hin, obwohl gerade den Briten an einer schleunigen Rückkehr der umfangreichen Bestände gelegen war, w ­ elche die Amerikaner eigentlich widerrechtlich aus ihrer Zone nach Marburg verlagert hatten.41 Der amerikanische General Lucius D. Clay (1898 – 1978) aber verweigerte sich dem britischen Ansinnen und wollte das übernommene Material am liebsten nach Amerika verbringen lassen.42 Nach zähen Verhandlungen konnte man sich auf einen „Interzonal Exchange“ einigen, wobei sich für einen raschen Austausch nun wiederum logistische Probleme der frühen Nachkriegszeit als hinderlich erwiesen. Ab Anfang 1946 brachte man nach und nach die der britischen Zone zugehörigen Kunstwerke, darunter das eingangs erwähnte Renoir-Bild, aus Marburg in eine Sammelstelle nach Düsseldorf oder in das Schloss Dyck.43 Alle nicht restituierten bzw. an andere Standorte verlagerten Objekte gelangten im Laufe des Sommers nach Wiesbaden. Am 17. August verkündete Francis Bilodeau (1915 – 2004), der Hancock als Leiter im Dezember 1945 abgelöst hatte, das Ende des amerikanischen Central Collecting Point in Marburg und die Rückgabe des Staatsarchivs an die deutschen Behörden.44 41 Angesichts der bevorstehenden Räumung der noch von den Amerikanern besetzten, aber zum 01. 07. 1945 der sowjetischen Besatzungszone zugeschlagenen Gebiete wurde kurz vor dem Termin angeordnet, dass die Amerikaner treuhänderisch entdeckte delokalisierte Sammlungen in ihre Zone transferieren sollten; die Briten agierten ebenso: Nicholas, Der Raub der Europa (wie Anm. 16), S. 486 – 490. Damit legitimierte man d ­ ieses Vorgehen quasi im Nachhinein. 42 Friemuth, Die geraubte Kunst (wie Anm. 8), S. 112 – 115. 43 NARA M1948, Tagesbericht vom 31. 01. 1946. Auch aus Wiesbaden wurden in ­diesem Zusammenhang Objekte in die britische Zone transferiert, siehe dazu: NARA M1947, MFA &A Status (wie Anm. 36), S. 2. Wenige Kulturgüter des Marburger CCP wurden zudem in die französische und die sowjetische Zone überführt: siehe beispielsweise NARA M1947, MFA &A Status (ebd.), S. 4 – 5. 44 NARA M1948, Tagesbericht vom 17. 08. 1946. Hancock habe, laut Walter Farmer vom Wiesbadener CCP , seinen Dienst in Marburg wegen der von General Clay initiierten Verschiffung von 202 Gemälden nach Amerika quittiert; Walter I. Farmer, Die Bewahrer des Erbes: Das Schicksal deutscher Kulturgüter am Ende des Zweiten Weltkrieges, Berlin 2002, S. 66 – 67. Die in Marburg verbliebenen Sarkophage aus Bernterode verbrachte man am 16. 08. 1946 in die Elisabethkirche, von wo die der Hohenzollern 1952 in die Kapelle der Familienburg und 1991 zurück nach Potsdam umgelagert wurden: Marco Rasch, „Operation Bodysnatch“. Friedrich der Große und Paul von Hindenburg in Marburg, in: Jahrbuch des Landkreises Marburg-Biedenkopf 12 (2017), S. 187 – 189. Das offizielle Ende des CCP war am 19. 08. 1946: NARA M1947, MFA &A Status of Collecting Points and Archival Depot Report vom 07. 09. 1946, S. 1. Leider werden die Ortsangaben sowie

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Abb. 5  Alliierte Sammelstellen (Rauten) und größere Kulturgüter-Depots der amerikanischen (dunkelgrau), britischen (hellgrau) und französischen (grau) Besatzungszone.

Nach noch nicht ganz anderthalb Jahren stellte somit die erste Kunstsammelstelle in Deutschland ihre Tätigkeit schon wieder ein, w ­ elche Hancock als erfolgreichen „‚model‘ collecting 45 point“  charakterisiert hatte. Diese Einschätzung basierte vermutlich darauf, dass Hancock, der natürlich auch den Aufbau des Wiesbadener Collecting Point durch Besuche begleitete, als Erster ­dieses neuartige Vorhaben begonnen hatte und dementsprechend einen leichten zeitlichen Vorsprung gegenüber den anderen Sammelstellen besaß. Laut dem amerikanischen Abschlussbericht führte die Auflösung der Marburger Einrichtung zu großem Bedauern auf sämtlichen Seiten:

Entstehungs- und Auflösungsdaten zum Marburger CCP in der Literatur immer wieder fehlerhaft tradiert, zuletzt Iris Lauterbach, The Central Collecting Point in Munich. A New Beginning for the Restitution and Protection of Art, Los Angeles 2019, S. 201. 45 Hancock, Experiences (wie Anm. 14), S. 308.

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Its closing was officially regretted by Marburg authorities and together with private expressions of gratitude for the work done indicated the esteem it had earned. (…) It possessed the most superior physical facilities available for the purpose in the American Zone and enjoyed the incomparable advantage of having immediately at hand the full resources of the Kunsthistorisches Institut with its library and staff, and of Photo-Marburg. Its geographical position was favorable to the undistracted accomplishment of its tasks, and was especially convenient in relation to the field work of the Land [Hessen]. Its passing is regretted not alone by its immediate neighbors.46

In den beiden anderen großen Kunstsammelstellen der Amerikaner in Wiesbaden und München sowie in denen der Franzosen in Baden-Baden und denen der Briten in Celle 47 wurden diese Tätigkeiten hingegen noch einige Jahre fortgeführt (Abb. 5).

Abschluss Die kriegsbedingte Schutzbedürftigkeit des europäischen immobilen und mobilen Kulturgutes erreichte Ausmaße, die die hierfür gegründete amerikanische Kunstschutz-Kommission trotz der im Vorfeld durchgeführten Recherchen unterschätzt hatte. Die MFA &A-Offiziere, die in d ­ iesem Zusammenhang auf der Suche nach NS -Raubgut nach Deutschland beordert wurden, waren vor allem von der Menge der entdeckten Kulturgüter überfordert. Dies lag unter anderem daran, dass es sich – für sie unerwartet – bei einem großen Teil der Objekte um ausgelagerte öffentliche und private deutsche Sammlungen handelte. Da aus restauratorischer Sicht oder aus der Befürchtung heraus, die Güter könnten der Sowjetunion in die Hände fallen, eine Evakuierung der unter anderem in mitteldeutsche Bergwerke ausgelagerten Bestände innerhalb kurzer Zeit erfolgen sollte, mussten die Offiziere improvisieren. Dies führte dazu, dass der Offizier Walker Hancock in Absprache mit dem Hauptquartier die Einrichtung einer Sammelstelle in Marburg ins Auge fasste, nachdem er dort bei seiner Inspektion zur Lagerung geeignete Bauwerke vorgefunden hatte. Durch die – bezogen auf die Größe der Stadt – hohe Dichte an kulturellen Fachinstitutionen konnte Hancock zudem leicht auf qualifiziertes Personal zurückgreifen; ihm blieb angesichts der geringen Personaldecke der MFA&A und des großen Ausmaßes von Objektverschiebungen auch keine andere Möglichkeit. Dies führte natürlich auch dazu, dass die Militärregierung pragmatisch auf Personen zurückgriff, die schon zuvor mit unterschiedlichen politischen Autoritäten kooperiert hatten, wie Friedrich Bleibaum und Richard 46 NARA M1947, MFA&A Status of Collecting Points and Archival Depot Report vom 07. 09. 1946, S. 1. 47 Zum Zonal Fine Arts Repository im Celler Schloss siehe Christopher M. Galler/Sophia Barth (Hg.), Kulturgutschutz in Schloss Celle. Vom „Bienenkorb“ zum sicheren Hort, Celle 2018.

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Hamann.48 Auf jeden Fall einte sämtliche Beteiligten das g­ leiche Ziel: die Bewahrung des reichen europäischen Kulturerbes. Das Marburger Kunstgeschichtliche Institut und Foto Marburg profitierten erheblich von der Aktion. Letztgenanntes konnte seinen Bildbestand nun mit Kunstwerken aus bedeutenden deutschen Sammlungen erweitern und verfolgte somit weiter das Ziel, das Hamann seit seiner Gründung des Bildarchivs und selbst im Zweiten Weltkrieg stetig vor Augen gehabt hatte. Gerade der Einfluss Hamanns darf für die mittelhessische Sammelstelle nicht unterschätzt werden, bedarf aber noch weiterer Forschung. Aber auch die amerikanische Regierung zog Nutzen aus dieser Zusammenarbeit: Anhand der neben der Inventarisation erfolgten fotografischen Dokumentation konnte sie belegen, dass sich die Besatzungsmacht aktiv für den Schutz der eingelieferten Objekte, aber auch die Reaktivierung des kulturellen Lebens einsetzte. Wie am Beispiel des Marburg Central Collecting Point in aller Kürze gezeigt wurde, lässt die Geschichte der einzelnen Sammelstellen, in denen das während des Krieges geraubte oder ausgelagerte Kunstgut wieder zusammengetragen wurde, aber noch immer zahlreiche Fragen offen. Während es sich bei den amerikanischen eher um Detailfragen handelt, ­harren die Aktivitäten in den anderen westlichen Besatzungszonen noch einer grundlegenderen Bearbeitung. Eine ­solche beinhaltet die theoretischen Vorarbeiten wie die politischen und juristischen Voraussetzungen, aber auch die praktischen Umsetzungen vor Ort. Ziel eines zukünftigen Projektes wird es sein, die diversen noch offenen Fragen zu bündeln und in Fachgesprächen und einer Tagung zu erörtern sowie die Resultate zu publizieren. Der Schwerpunkt soll hierbei auf den Verantwortungsstrukturen innerhalb der Sammelstellen liegen sowie auf den regionalen, zonalen und interzonalen Kooperationen. Generell stellt sich hierbei natürlich auch die Frage nach den Zielen der Protagonisten auf amerikanischer, britischer, französischer, deutscher, aber auch sowjetischer Seite, nach dem „Kunstschutz“ als politischem Instrument der Besatzer. Letzten Endes ist es dem Engagement verhältnismäßig weniger Personen zu verdanken, dass Hunderttausende Kulturgüter in der Kriegszeit in sichere Depots transferiert und unmittel­bar danach in den eingerichteten Sammelstellen wieder zusammengetragen wurden. Diese Aktivitäten, das personelle Zusammenspiel der verschiedenen Beteiligten ist bisher vor allem in Einzelstudien betrachtet worden, bedarf aber noch einer tieferen übergeordneten Beschäftigung.

48 Bleibaum wurde im Sommer 1945 als Provinzialkonservator von den Amerikanern wieder in sein Amt eingesetzt, im Herbst aber, under the new interpretations of the de-Nazification laws (NARA M1948, Tagesbericht vom 03. 09. 1945), vorübergehend suspendiert. Interessant ist ein weiterer Fall, in dem Richard Hamann eine Rückkehr seines Sohnes aus der britischen Zone erreichte mit dem Hinweis: Information which only Dr. Hamann can supply will soon be urgently needed for the work of restitution of works of art. (NARA M1948, Tagesbericht vom 13. 07. 1945). Hamann-Mac Lean war zu dem Zeitpunkt Kriegsgefangener wegen seiner Tätigkeit als Unteroffizier in der Nachrichtenabteilung der Luftwaffe.

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Die Motive, die uns leiteten, waren auch in diesem Falle rein wissenschaftliche … Die Restitutionsforderungen um die Fotokampagnen des Kunstschutzes im Spannungsfeld von Kunstgeschichte, Ökonomie und Diplomatie Emily Löffler

Einleitung Das Marburger Institut ist bekannt, um nicht zu sagen berühmt, durch die große – vielleicht größte – Plattensammlung von kunstwissenschaftlichen Aufnahmen aus aller Welt. Aufnahmen, die teils durch die Vollständigkeit der Ansichten von einem umfassenden kunsthistorischen Denkmal (Kathedralen Frankreichs) und zum Teil auch durch die Qualität in wissenschaftlicher Beziehung infolge des Zusammenwirkens von Kunsthistorikern und Fotografen, von Kunsthistorikern in aller Welt gekannt sind und geschätzt werden. Von d­ iesem Gesichtspunkt aus kann das Marburger Institut mit seinem Plattenarchiv und gerade mit diesen als eines der wichtigsten internationalen Hilfsmittel für die kunstgeschichtliche Arbeit in allen Ländern gelten. Diese Hilfestellung für die Kunstwissenschaft kommt aber vor allen Dingen der französischen Kunst, ihrer Würdigung und ihrer Erforschung zugute und wird deshalb auch überall, wo die französische Kunst im Vordergrund steht, d. h. von französischen, amerikanischen und natürlich auch von deutschen Gelehrten benutzt und ist in ihrem Wert anerkannt worden. Die organisatorische und kunstgeschichtliche Arbeit, die in d­ iesem Plattenarchiv und der Möglichkeit es durch einen Geschäftsbetrieb auch für alle Gelehrten verwertbar zu machen, niedergelegt ist, war nur dadurch möglich, daß bei mir persönlich und daher auch für unser Institut von jeher französische Kunst als Lehr- und Forschungsgegenstand im Vordergrund stand. (…) Dasselbe Interesse für die französische Kunst hat uns auch dazu bewogen, den Auftrag von Professor [Franz Graf Wolff] Metternich, unsere Aufnahmetätigkeit während des Krieges zu ergänzen und zu verbessern, anzunehmen, der auch im Interesse des französischen Kunstschutzes erfolgte. Die Motive, die uns leiteten, waren auch in ­diesem Falle rein wissenschaftliche, und zwar sowohl in Hinsicht auf die eigene Arbeit als auch auf die Kunstwissenschaft ganz allgemein. Die Durchführung der Fotocampagne [sic!] geschah nicht nur als Fortsetzung der vor dem Kriege mit Genehmigung der zuständigen Stellen gemachten Aufnahmen, sondern auch unter denselben formalen Bedingungen wie vor dem Kriege.1 1 Richard Hamann, Bericht über die während des Krieges in Frankreich durchgeführte Fotokampagne des Kunstgeschichtlichen Seminars der Universität Marburg-Lahn, undatiert, Archives du Ministère

Mit diesen Worten leitete Richard Hamann (1879 – 1961), Ordinarius des Kunsthistorischen Instituts in Marburg und Leiter des Bildarchivs Foto Marburg, ein siebenseitiges Typoskript ein, in welchem er wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ausführlich die Fotokampagnen beschrieb, die das Bildarchiv Foto Marburg ab Oktober 1940 in Kooperation mit dem Kunstschutz des Oberkommandos des Heeres (OKH) in Frankreich durchgeführt hatte. Bei der umfassenden fotografischen Inventarisierung von Baudenkmälern und Kunstwerken, die ab 1942 in Zusammenarbeit mit der Kunsthistorischen Forschungsstätte in Paris durchgeführt wurde, entstanden über 22.000 Aufnahmen, mit Schwerpunkt auf der Architektur und der Bauskulptur des Mittelalters sowie dem Schlossbau des 16. bis 18. Jahrhunderts. Darüber hinaus fertigten die Mitarbeiter der Kampagne im Archiv der französischen Monuments historiques Duplikate von französischen Fotonegativen an, die in den Bestand des Bildarchivs Foto Marburg überführt werden sollten. Wenngleich Hamann in seinem Bericht a posteriori versuchte, die Kampagne als rein wissenschaftlich motiviertes, unpolitisches und von den Bedingungen des Krieges unberührtes Projekt darzustellen, handelte es sich um ein als kriegswichtig eingestuftes Unternehmen, das von der logistischen Unterstützung der Heeresverwaltung sowie der finanziellen Förderung des Reichserziehungsministeriums profitierte und auf eine intellektuelle Aneignung des französischen Kulturerbes abzielte. Aus ­diesem Grund wurden bereits im Spätjahr 1945 im Umfeld der mit den französischen Kulturrestitutionen befassten französischen Behörden Stimmen laut, die den Verbleib der im besetzten Frankreich produzierten Fotoplatten in Marburg kritisierten und argumentierten, dass die Platten aufgrund ihrer Relevanz für das französische Kulturerbe nach Frankreich zurückkehren müssten. Aus den innerfranzösischen Beratungen entwickelte sich kurze Zeit ­später ein Restitutionsclaim, der, da die zurückgeforderten Fotoplatten sich in Marburg und somit der amerikanischen Besatzungszone befanden, unter Einbezug der amerikanischen Militärregierung verhandelt wurde. Wie die Franzosen ihren Anspruch begründeten, ­welche Konfliktlinien sich in seiner Verhandlung ­zwischen den Alliierten entwickelten, wird im Folgenden näher beleuchtet. Während die Geschichte der Marburger Fotokampagnen mit dem deutschen Kunstschutz im ­Ersten und im Zweiten Weltkrieg als sehr gut erforscht gelten kann, ist ihre Geschichte nach 1945 bislang vergleichsweise wenig in den Blick genommen worden. ­Christina Kott hat in ihren Forschungen zum militärischen Kunstschutz im ­Ersten Weltkrieg die Fotokampagnen von Paul Clemen in Belgien und Nordfrankreich erstmals systematisch aufgearbeitet. Dabei hat sie auch auf die Kontinuitäten des Kunstschutzes im Zweiten Weltkrieg sowie hinsichtlich der Fotokampagne ab 1945 hingewiesen.2 Eine erste detaillierte Beschreibung der Marburger Kampagnen im besetzten Frankreich wurde 2005 von Judith des Affaires étrangères et européennes (AMAEE), AC 39/9. 2 Christina Kott, Préserver l’art de l’ennemi? Le patrimoine artistique en Belgique et en France occupées, 1914 – 1918 (Comparatisme et société 6), Brüssel 2006; dies., „Den Schaden in Grenzen halten …“ Deutsche Kunsthistoriker und Denkmalpfleger als Kunstverwalter im besetzten

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Tralles ­vorgelegt,3 während Nikola Doll in ihren Forschungen zur Geschichte der Kunstgeschichte im Nationalsozialismus, zur „Westforschung“ und zum wissenschaftlichen Programm des Bonner Kunsthistorikers Alfred Stange herausgearbeitet hat, dass die Bonner Konzepte der „Kulturraumforschung“ und der völkisch gefärbten „Grenzforschung“ auch die Fotokampagnen ideologisch beeinflussten.4 Weiter vertieft wurde die Erforschung der Fotokampagnen 2009 durch Angela Matyssek, die die Gründungsgeschichte des Bildarchivs Foto Marburg als Teil einer Problemgeschichte der kunsthistorischen Bildpraxis untersucht. Sie analysiert die Fotokampagnen des ­Ersten und des Zweiten Weltkriegs als kulturelle Aneignungsprozesse, bei denen das fotografische Inventarisieren die physische Beutenahme von Kulturgütern ersetzte und die Verfügungsgewalt über die Fotos zugleich die Deutungshoheit über die Interpretation des fotografischen Materials garantierte. Anders als Tralles und Doll thematisiert Matyssek außerdem vergleichsweise ausführlich die Frage nach dem Verbleib der in den Kampagnen produzierten Fotobestände jeweils nach Kriegsende und zeigt, dass die Verknüpfung z­ wischen physischem Zugriff auf und Deutungshoheit über die Fotos die Grundlage für Rückforderungen der Fotobestände durch die ehemals besetzten Länder darstellte. Die Fotokampagnen wurden von den ehemals Besetzten unter anderem als symbolische Beutenahme und Vereinnahmung ihres Kulturerbes interpretiert. Wer physisch über das kunsthistorische Fotomaterial verfügte, konnte außerdem kontrollieren, wer ­dieses Material wissenschaftlich auswerten oder kommerziell n ­ utzen durfte.5 Neben Wahrnehmungen des französischen patrimoine waren daher auch die Zugänglichkeit der Fotobestände für die internationale Kunstwissenschaft und wirtschaftliche Interessen an den Verwertungsrechten der Fotos Faktoren, w ­ elche die Bewertung des Falls beeinflussten.

F­rankreich, 1940 – 1944, in: Ruth Heftrig (Hg.), Kunstgeschichte im „Dritten Reich“. Theorien, Methoden, Praktiken (Schriften zur modernen Kunsthistoriographie 1), Berlin 2008, S. 362 – 392. 3 Judith Tralles, Die Fotokampagnen des Preußischen Forschungsinstituts für Kunstgeschichte Marburg während des Zweiten Weltkriegs, in: Nikola Doll/Christian Fuhrmeister/Michael H. Sprenger (Hg.), Kunstgeschichte im Nationalsozialismus. Beiträge zur Geschichte einer Wissenschaft z­ wischen 1930 und 1950, Weimar 2005, S. 263 – 282. Tralles weist in einer Fußnote darauf hin, dass Frankreich und auch Belgien nach 1945 die Herausgabe der bei den Kampagnen erstellten Fotoplatten forderten, zeichnet diese Forderungen aber nicht detailliert nach. 4 Nikola Doll, Politisierung des Geistes. Der Kunsthistoriker Alfred Stange und die Bonner Kunstgeschichte im Kontext nationalsozialistischer Expansionspolitik, in: Burkhard Dietz/Helmut Gabel/ Ulrich Tiedau (Hg.), Griff nach dem Westen. Die „Westforschung“ der völkisch-nationalen Wissenschaften zum nordwesteuropäischen Raum (1919 – 1960) (Studien zur Geschichte und Kultur Nordwesteuropas 6), Münster 2003, S. 979 – 1015; dies., „(…) das beste Kunsthistorische Institut Großdeutschlands.“ Das Kunsthistorische Institut der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Nationalsozialismus, in: dies./Christian Fuhrmeister/Michael H. Sprenger (Hg.), Kunstgeschichte im Nationalsozialismus (wie Anm. 3), S. 49 – 60. 5 Angela Matyssek, Kunstgeschichte als fotografische Praxis. Richard Hamann und Foto Marburg, Berlin 2009, S. 178.

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Darüber hinaus lässt sich der Restitutionsfall als Mikrostudie zur alliierten Kultur­ restitutionspolitik der frühen Nachkriegszeit lesen. Die Restitutionsverhandlungen durchliefen mehrere Phasen, die gleichzeitig unterschiedlichen Entwicklungsstadien der ­alliierten Besatzungspolitik in Deutschland entsprachen: In der ersten Phase, noch in der unmittelbaren Nachkriegszeit, bereitete die Commission de récupération artistique (CRA : wörtlich: Kommission für die Kunstrückführung) einen Restitutionsclaim vor, zu dem die Amerikaner 1947 eine erste, grundsätzlich positive Stellungnahme abgaben, an die sich jedoch keine Rückgabe anschloss. Die zweite Phase begann 1948, also zu einem Zeitpunkt, an dem die Amerikaner bereits dabei waren, ihren Rückzug aus der Kulturrestitution und deren zumindest teilweise Übergabe in deutsche Zuständigkeiten vorzubereiten. Dieser Zeitpunkt war geprägt von Interventionen Richard Hamanns bei den alliierten Zuständigen, einer erneuten juristischen Prüfung des Sachverhalts durch die Franzosen und die Amerikaner sowie einen verstärkten Einbezug von Ministerien und politischen Beratern der Militärgouverneure. In eine letzte Phase ging der Fall 1949 über, als die Franzosen erneut versuchten, auf politischem Weg gegen die Ablehnung des Claims vorzugehen. Aufgrund der zeitlichen Entwicklung und der Bandbreite der in den Fall involvierten Akteure lässt sich an dem Fall daher exemplarisch nachvollziehen, wie Kulturrestitution z­ wischen den Alliierten verhandelt wurde und wie der Wandel der Besatzungspolitik z­ wischen 1945 und 1950 diese Verhandlungsprozesse beeinflusste.

Vorgeschichte: die Marburger Fotokampagnen und der militärische Kunstschutz in Frankreich 1940 – 1942 Als das Bildarchiv Foto Marburg 1940 die Anfrage erhielt, ob es im besetzten Frankreich sowie im Baltikum zwei verschiedene Projekte zur fotografischen Erfassung von Baudenkmälern durchführen könne, war dies keineswegs das erste Mal, dass Foto Marburg in die Durchführung von Fotokampagnen in einem kriegerischen Kontext einbezogen wurde. Bereits im ­Ersten Weltkrieg war das Bildarchiv an Fotokampagnen des militärischen Kunstschutzes in den besetzten Gebieten Belgiens und Nordfrankreichs beteiligt. Ab Spätsommer 1917 fertigten dort unter der Leitung von Paul Clemen (1866 – 1947) rund 30 Wissenschaftler, Fotografen, Architekten und Verwaltungsbeamte insgesamt 10.000 Neuaufnahmen von Kunst- und Baudenkmälern an oder reproduzierten bereits bestehende Fotografien in belgischen Archiven und Sammlungen. Zu den Dokumentationsfotografen, die die Neuaufnahmen anfertigten, zählte auch Richard Hamann, der bereits vor dem E ­ rsten Weltkrieg ein Forschungsinteresse für die nordfranzösischen Kathedralen in Laon, Soissons und Noyon entwickelt hatte und daher mit dem Hintergedanken in Clemens Projekt einstieg, die Kampagnen für eine systematische Aufnahmetätigkeit in Nordfrankreich zu n ­ utzen – allerdings sollte er dies bis Kriegsende nur in Laon auch umsetzen können. Hamann galt als einer der produktivsten Fotografen der Fotokampagne des Kunstschutzes, neigte aber, weil er seine eigenen

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Forschungsinteressen höher priorisierte, dazu, sich nicht an die vereinbarten Arbeits- und Zeitpläne zu halten, weshalb er mehrfach von Clemen zur Ordnung gerufen werden musste.6 Wie bereits die Fotokampagnen des ­Ersten Weltkriegs, so stand auch die 1940 begonnene Kampagne in Frankreich unter der Federführung des militärischen Kunstschutzes, dessen kunstwissenschaftlicher Arbeitsstab das Projekt maßgeblich vorangetrieben hatte. Die Projektleitung lag gemeinschaftlich bei Richard Hamann für Foto Marburg, Franz Graf Wolff Metternich, dem Leiter des deutschen Kunstschutzes in Paris, sowie Alfred Stange, dem Ordinarius des Kunsthistorischen Instituts in Bonn. Von den dreien war nur Hamann aus eigener praktischer Erfahrung mit den Fotokampagnen des ­Ersten Weltkriegs vertraut; dennoch hatten auch Wolff Metternich und Stange institutionelle und forschungspolitische Bezüge zu Paul Clemens Wirken in Bonn und im Kunstschutz des ­Ersten Weltkriegs. Wolff Metternich hatte 1928 die Nachfolge Clemens als Provinzialkonservator des Rheinlands angetreten, während Alfred Stange 1935 Clemens Lehrstuhl am Bonner Kunsthistorischen Institut übernommen hatte. Clemen hatte seinen Lehrstuhl nach dem ­Ersten Weltkrieg, unter Rückgriff auf das Material aus den Fotokampagnen, zu einem Zentrum für eine nationalkonservativ beeinflusste Kulturraumforschung mit Schwerpunkt auf der westeuropäischen Kunst aufgebaut. Stange weitete diesen Forschungsschwerpunkt weiter aus und bettete ihn in die von der 1937 gegründeten interdisziplinären „Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung des germanischen Erbes westlich der heutigen Reichsgrenze“ betriebene „Westforschung“ ein.7 Die Zielsetzung der „Westforschung“, durch den Nachweis germanischer kultureller Wurzeln in Westeuropa die Expansionspolitik nach Westen wissenschaftlich zu rechtfertigen, färbte auch die Fotokampagnen in Frankreich, die im September 1940 begannen. In ihrem Fokus standen insbesondere die romanische und die gotische Kunst in Frankreich, unter besonderer Berücksichtigung deutscher bzw. germanischer Einflüsse.8 Die mithilfe des Reichserziehungsministeriums und mit von Hitler bereitgestellten Sondermitteln finanzierten Kampagnen wurden von 13 Mitarbeitern und Schülern Richard Hamanns durchgeführt und beim Kunstschutz durch Bernhard von Tieschowitz (1902 – 1968) betreut, einen ehemaligen Mitarbeiter des Preußischen Forschungsinstituts in Marburg.9 Die Mitarbeiter der Kampagnen waren in vier Gruppen aufgeteilt, von denen drei in den einzelnen Departements und 6 Siehe Susanne Dörler, Der Kunstschutz im E ­ rsten Weltkrieg in Belgien und Nordfrankreich und seine fotografische Dokumentation im Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte (DDK). Bildarchiv Foto Marburg, in: Laurence Baudoux-Rousseau/Michel-Pierre Chélini/Charles Giry-Deloison (Hg.), Le patrimoine, un enjeux de la Grande Guerre. Art et archéologie dans les territoires occupés 1914 – 1921, Arras 2018, S. 144 – 155, hier S. 144 – 148. 7 Christina Kott, Der deutsche „Kunstschutz“ im E ­ rsten und Zweiten Weltkrieg. Ein Vergleich, in: Ulrich Pfeil (Hg.), Deutsch-französische Kultur- und Wissenschaftsbeziehungen im 20. Jahrhundert. Ein institutionengeschichtlicher Ansatz (Pariser Historische Studien 81), München 2008, S. 137 – 153, hier S. 143 – 145 und Doll, Das beste Kunsthistorische Institut (wie Anm. 4), S. 49 – 53. 8 Doll, Politisierung (wie Anm. 4), S. 1001 – 1003. 9 Tralles, Die Fotokampagne (wie Anm. 3), S. 278.

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eine in Paris arbeitete. Die Arbeitsgruppen in den Provinzen begannen im September 1940 mit einer Erfassung der Schlösser der Loire sowie der Denkmäler in der Bretagne und wechselten anschließend in die Normandie und die Champagne; im Frühjahr 1941 schließlich stand Südfrankreich auf dem Programm. Im Winter versammelten sich alle Arbeitsgruppen in Paris und führten Aufnahmen im Cabinet des estampes, der Bibliothèque nationale de France und den Archives nationales durch.10 In einigen Fällen nutzte der Arbeitsstab der Kampagne die Bedingungen der Besatzung, um Objekte zu fotografieren, auf die deutsche Kunsthistoriker in Friedenszeiten wohl kaum Zugriff erhalten hätten: So entstand in Kooperation mit dem „Ahnenerbe“, einer von Heinrich Himmler begründeten Forschungsabteilung der SS, die mit pseudowissenschaftlichen Methoden die Überlegenheit der germanischen Rasse nachzuweisen versuchte, eine systematische fotografische Erfassung des Teppichs von Bayeux. Dieser war aus konservatorischen Gründen jahrelang nicht aus seiner Vitrine entnommen worden, wurde nun aber in Detailaufnahmen ohne störendes Glas z­ wischen Kameraobjektiv und Objekt dokumentiert.11 Die Erforschung der angeblichen germanischen Wurzeln des Teppichs war auch Gegenstand der Kooperation der Fotokampagne mit der 1942 in Paris gegründeten Kunsthistorischen Forschungsstätte unter der Leitung von Hermann Bunjes (1911 – 1945). Darüber hinaus übernahm die Forschungsstätte ab 1942 die Fortsetzung der im Zuge der Fotokampagnen begonnenen Duplizierung von Fotonegativen aus dem Bildarchiv der französischen Monuments historiques.12 Die Fotokampagnen in Paris endeten auf Alfred Stanges Anordnung hin im Mai 1942.13 In seinem Abschlussbericht zur Tätigkeit des Kunstwissenschaftlichen Arbeitsstabs zog Franz Graf Wolff Metternich folgende Bilanz der Fotokampagnen: Die technische Qualität der Aufnahmen ist fast ausnahmslos erstklassig. So stellen sie ein Archiv dar, das in seiner Aktualität und aufgrund besonderer seit Jahren ausgebildeter Spezialmethoden die ­bisherige

10 Ebd., S. 280 – 281 und Matyssek, Kunstgeschichte als fotografische Praxis (wie Anm. 5), S. 199 – 200. 11 Matyssek, Kunstgeschichte als fotografische Praxis (wie Anm. 5), S. 200. Zum SS-Ahnenerbe siehe auch Raik Stolzenberg, Kunstschutz und SS-Ahnenerbe: eine Beziehung von Relevanz?, in: HansWerner Langbrandtner/Esther Heyer/Florence de Peyronnet-Dryden (Hg.), Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland: Franziskus Graf Wolff Metternich und der Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg (Brüche und Kontinuitäten: Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 5), Köln/Wien/Weimar 2020, S. 309 – 344. 12 Kott, Schaden (wie Anm. 2), S. 379. 13 Tralles, Die Fotokampagne (wie Anm. 3), S. 283. In Belgien, wo Richard Hamann in Kooperation mit dem Kunstschutz eine weitere Kampagne gestartet hatte, setzten sich die Arbeiten noch bis 1944 fort. Hier ließ Hamann den seit 1926 in Brüssel befindlichen Bestand an Fotonegativen aus den Kampagnen des E ­ rsten Weltkriegs duplizieren und zusätzlich 2200 ergänzende Neuaufnahmen anfertigen. Auf diese Weise konnten rund 5000 Platten aus der Fotokampagne des E ­ rsten Weltkriegs ins Bildarchiv Foto Marburg integriert werden. Siehe Dörler, Der Kunstschutz im E ­ rsten Weltkrieg (wie Anm. 6), S. 145 – 146.

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vielfach veraltete französische Materialsammlung übertrifft und in der Zukunft eine bedeutsame Quelle für die Forschung bilden wird.14

Die Materialien aus den Fotokampagnen wurden ab 1943 in Kisten nach Marburg überführt.15 Da das Bildarchiv Foto Marburg von den Amerikanern als besonders schützenswert eingestuft worden war, wurde es bei der Besetzung der Stadt im März 1945 unverzüglich sichergestellt.16 Noch im gleichen Monat wurde die Information über den Verbleib der Fotoplatten aus der Frankreich-Kampagne in Marburg auch in Frankreich bekannt.

Grundsätze der alliierten Restitutionspolitik nach 1945 Die Alliierten waren bereits während des Kriegsverlaufs über die kriegsbedingten Zerstörungen von europäischen Kulturdenkmälern, aber auch den systematischen Kulturgutraub der Nationalsozialisten in den vom Deutschen Reich besetzten Gebieten informiert. Bereits im Kontext der Vorbereitungen für die alliierte Invasion begannen sie daher damit, erste Konzepte für die künftige Bergung, Sicherung und Rückgabe von Kulturgütern zu entwickeln. Einen Grundstein hierfür legte die Londoner Erklärung vom 6. Januar 1943, mit der alle Kulturguttransfers, die in den während des Kriegs besetzten Gebieten stattgefunden hatten, für nichtig erklärt wurden. In den USA war bereits 1942 unter dem Vorsitz des Verfassungsrichters Owen J. Roberts eine Regierungskommission – die sogenannte Roberts Commission – ins Leben gerufen worden, die Konzepte für den Schutz von Kulturdenkmälern und beweglichen Kulturgütern in Kriegsgebieten entwickeln sollte. In Großbritannien erfüllte das MacMillan Committee eine ähnliche Funktion. Beide Kommissionen sammelten Informationen über die geografische Lage wichtiger Denkmäler und Bergungsdepots mit beweglichen Kulturgütern. Auch sorgten sie dafür, dass die alliierten Armeen bei der Landung der Alliierten 1943 in Italien und 1944 in der Normandie mit einer mit Kulturgüterschutz beauftragten Spezialeinheit, der Monuments, Fine Arts, and Archives Section (MFA&A), ausgestattet wurden.17 Außerdem legten sie erste Grundprinzipien für eine künftige Restitutionspolitik fest, die im September 1944 in die Verabschiedung des Militärregierungsgesetzes Nr. 52 einflossen, welches das Einfrieren von Vermögenswerten in den von den Alliierten besetzten

14 Franz Graf Wolff Metternich, Abschlussbericht über den Einsatz des kunstwissenschaftlichen Arbeitsstabes in Frankreich (gekürzt), in: Anne Christine Nagel/Ulrich Sieg (Hg.), Die Philipps-Universität Marburg im Nationalsozialismus. Dokumente zu ihrer Geschichte, Stuttgart 2000, S. 407 – 416, hier S. 413. 15 Tralles, Die Fotokampagne (wie Anm. 3), S. 286. 16 Matyssek, Kunstgeschichte als fotografische Praxis (wie Anm. 5), S. 206. 17 Iris Lauterbach, Der Central Art Collecting Point in München. Kunstschutz, Restitution, Neubeginn, München 2015, S. 19 – 20.

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Gebieten vorsah und das Vermögen nationalsozialistischer Organisationen sowie geraubtes jüdisches Vermögen unter alliierte Kontrolle stellte.18 Während des Krieges bestanden die Aufgaben der eng miteinander kooperierenden amerikanischen und britischen MFA&A darin, im Kriegsgebiet gelegene historische Denkmäler zu inspizieren und im Falle von Zerstörungen für Notfallsicherungen zu sorgen, Bergungsdepots mit Kulturgütern zu lokalisieren und zu sichern sowie Informationen über den nationalsozialistischen Kulturgutraub und den Verbleib des Raubguts zu sammeln. Die in zahllosen Bergungsdepots aufgefundenen Kulturgüter wurden in Central Collecting Points (CCP) unter alliierter Verwaltung überführt. Die amerikanischen Collecting Points wurden ab Juni 1945 in Marburg, München und Wiesbaden eingerichtet.19 In der britischen Zone nahm das Kunstgutlager im Schloss Celle im September 1945 seine Tätigkeit auf, während in der französischen Besatzungszone im Februar 1946 die Gründung eines Collecting Point in Baden-Baden erfolgte.20 Die konkrete Ausformung der alliierten Restitutionspolitik sollte erst ab 1945 Gestalt annehmen. Zwar hatte das Supreme Headquarters, Allied Expeditionary Force (SHAEF) bereits im Dezember 1944 eine Direktive über Monuments, Fine Arts, and Archives verabschiedet, in der Folgendes festgelegt wurde: It is the policy of the Supreme Commander to take measures to facilitate the eventual restitution of works of art and objects of scientific or historical importance which may have been looted from United Nations Governments or nationals.21 Wie diese Restitutionspolitik im Einzelnen ausgestaltet werden sollte, wurde jedoch bis einschließlich Sommer 1945 auf keiner der großen Kriegskonferenzen näher definiert, weshalb diese Aufgabe – zusammen mit der Entscheidung über Reparationen – dem Alliierten Kontrollrat zufiel.

18 Michael J. Kurtz, America and the Return of Nazi Contraband. The Recovery of Europe’s Cultural Treasures, Cambridge 2006, S. 62 – 64 und 67. Siehe auch Emily Löffler, Kunstschutz im besetzten Deutschland. Restitution und Kulturpolitik in der französischen und amerikanischen Besatzungszone 1944 – 1953 (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 3), Köln/Wien/Weimar 2019, S. 38. 19 Lauterbach, Der Central Art Collecting Point (wie Anm. 17), S. 31 – 38. Zum CCP Wiesbaden siehe auch Tanja Bernsau, Die Besatzer als Kuratoren? Der Central Collecting Point Wiesbaden als Drehscheibe für einen Wiederaufbau der Museumslandschaft nach 1945, Münster 2013, S. 179 – 209. 20 Zum Kunstgutlager Celle siehe Sophia Barth, Neue Forschungen zum Kunstgutlager Schloss Celle. Eine Bilanz der Konflikte und Erfolge, in: Christopher M. Galler/Jochen Meiners (Hg.), NS-Kunstraub lokal und europäisch. Eine Zwischenbilanz der Provenienzforschung in Celle (Celler Beiträge zur Landes- und Kulturgeschichte 48), Celle 2018, S. 145 – 165, hier S. 147. Zum CCP Baden-Baden siehe Tessa Friederike Rosebrock, Rückführung geborgener Kunstgüter im zweifach besetzten Baden – amerikanische und französische Besatzungszone im Vergleich, in: Sabine Loitfellner/Pia Schölnberger (Hg.), Bergung von Kulturgut im Nationalsozialismus. Mythen – Hintergründe – Auswirkungen (Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 6), Wien 2016, S. 287 – 306, hier S. 301 – 304 und Löffler, Kunstschutz im besetzten Deutschland (wie Anm. 18), S. 206 – 223. 21 Zitiert nach Kurtz, America and the Return of Nazi Contraband (wie Anm. 18), S. 67.

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Zentral wurde für diesen die Unterscheidung z­ wischen „external loot“, das während des Zweiten Weltkriegs aus den vom Deutschen Reich besetzten Gebieten geraubt worden war, und „internal loot“, das innerhalb der Grenzen des Deutschen Reichs meist deutsch-jüdischen Eigentümern entzogen worden war. Für das „external loot“ legte der Alliierte Kontrollrat im Dezember 1945 ein Verfahren nach dem Länderprinzip fest. Dies bedeutete, dass Kulturgüter auf zwischenstaatlicher Ebene in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden sollten und die Herkunftsländer selbst in einem zweiten Schritt eigenverantwortlich die Rückgabe der Güter an die individuellen beraubten (Privat-)Eigentümer abwickelten.22 Für den Umgang mit „internal loot“ hingegen konnte der Kontrollrat keine gemeinsame Regelung erzielen, da unter den Alliierten umstritten blieb, inwieweit jüdische Nachfolgeorganisationen dazu autorisiert werden sollten, Ansprüche auf erbenloses jüdisches Eigentum anzumelden und ­dieses Eigentum für den Wiederaufbau jüdischen Lebens weltweit zu n ­ utzen. Im November 1947 verabschiedeten die Militärregierungen der westlichen Besatzungszonen daher unabhängig voneinander Gesetze zur Rückerstattung von geraubtem jüdischem Eigentum. In ihren wesentlichen Bestimmungen gingen das amerikanische Militärregierungsgesetz (MRG) 59, die französische Verordnung Nr. 120 und das britische Rückerstattungsgesetz weitgehend konform. Nur das amerikanische MRG 59 enthielt einen Paragrafen, der die Jewish Restitution Successor Organization (JRSO) als Nachfolgeorganisation für die US-Zone zuließ. In der französischen und der britischen Zone hingegen wurden Nachfolgeorganisationen erst 1951 autorisiert.23 Für die ehemals besetzten europäischen Länder bedeutete die zwischenstaatliche Lösung für die „äußere Restitution“, dass sie ab Herbst 1945 Delegationen in die CCP in Deutschland schickten – vor allem nach München, wo sich das meiste NS -Raubgut befand. In Zusammenarbeit mit der MFA&A und dem deutschen Personal der CCP identifizierten diese das Raubgut aus ihrem jeweiligen Herkunftsland und führten seine Rücksendung dorthin durch. Empfängerin der nach Frankreich zurückgesandten Objektkonvois in Paris war die Commission de récupération artistique, die bereits im November 1944 von Erziehungs­ minister René Capitant per Dekret ins Leben gerufen worden war.24 Ihr Vorsitz wurde dem ehemaligen Widerstandskämpfer und Museumsmann Albert S. Henraux (1881 – 1953) übertragen, der zuletzt dem Verein der Freunde des Louvre vorgestanden hatte. Zur Sekretärin der CRA wurde die Kunsthistorikerin Rose Valland (1898 – 1980) berufen, die in den Jahren der deutschen Besatzung, während ihrer Tätigkeit im Musée du Jeu de Paume, heimlich

22 Lauterbach, Der Central Art Collecting Point (wie Anm. 17), S. 93 – 94 und Löffler, Kunstschutz im besetzten Deutschland (wie Anm. 18), S. 100 – 103. 23 Siehe Constantin Goschler, Schuld und Schulden. Die Politik der Wiedergutmachung für NS-Verfolgte seit 1945 (Beiträge zur Geschichte des 20. Jahrhunderts 3), Göttingen 2005, S. 106 – 111; Jürgen Lillteicher, Raub, Recht und Restitution. Die Rückerstattung jüdischen Eigentums in der frühen Bundesrepublik (Moderne Zeit 15), Göttingen 2007, S. 53 – 59 und 68 – 69. 24 René Capitant, Arrêté instituant une Commission de Récupération Artistique, 24 novembre 1944, AMAE 209SUP/494 P182.

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Informationen über den nationalsozialistischen Kulturgutraub gesammelt hatte. Die wissenschaftliche Koordinierung der Kommission unterstand Michel Florisoone (1904 – 1973), einem Kunsthistoriker, der zeitweise im französischen Außenministerium gearbeitet hatte und 1947 zum Kurator der Gemäldeabteilung des Louvre berufen werden sollte. Formal unterstand die CRA der Beaux-Arts-Verwaltung innerhalb des französischen Erziehungsministeriums. Da ihr Arbeitsauftrag jedoch zugleich mit der 1944/1945 in Frankreich verabschiedeten Restitutionsgesetzgebung verknüpft war, sie aber formal nicht dazu berechtigt war, eigenständig Restitutionen durchzuführen, wurde sie zusätzlich dem Office des biens et intérêts privés (OBIP) unterstellt, einem Sonderbüro zur Klärung von Vermögensfragen, das dem Außenministerium sowie dem Finanzministerium zugeordnet war. Das OBIP bearbeitete Restitutionsanträge von Privatpersonen, die alle Art von Gütern betreffen konnten, die aus Frankreich nach Deutschland verbracht worden waren. Jeder an das OBIP gestellte Antrag, der sich auf Kulturgüter bezog, wurde an die CRA weitergeleitet. Diese wertete die zu den verlorenen Kulturgütern gemachten Aussagen aus, erstellte daraus Verlustlisten für das 1947 veröffentlichte Répertoire des biens spoliés und kommunizierte die französischen Rückforderungen oder Claims an die amerikanischen Collecting Points weiter. Gleichzeitig nahm die CRA die aus Deutschland zurückgekehrten geraubten Kulturgüter in Empfang und koordinierte ihre Rückerstattung an die individuellen Eigentümer, indem sie die eingehenden Objekte mit den Rückforderungen abglich, die französische Anspruchsteller in ihren an das OBIP adressierten Restitutionsanträgen geltend gemacht hatten. Hierzu unterhielt sie eine Kartei, in der die aus Deutschland zurückgekehrten Objekte (nach Gattung und Künstlern verschlagwortet) sowie die in den Restitutionsanträgen benannten Objekte (nach Eigentümernamen und nach Objekttypen gegliedert) erfasst waren. Sobald Kulturgüter identifiziert und Eigentümern zugeordnet werden konnten, ging der Fall an das OBIP zurück, das den formalen Rückgabeakt durchführte.25

Der Restitutionsfall Foto Marburg Dass die während der Fotokampagnen in Frankreich produzierten Fotoplatten sich in Marburg befanden, erfuhr Albert S. Henraux, der Präsident der CRA, bereits im März 1945.26 Im

25 Claude Lorentz, La France et les restitutions au lendemain de la Seconde Guerre Mondiale, Paris 1998, S. 115 – 117. Siehe auch Isabelle Le Masne de Chermont/Didier Schulmann, Le pillage de l’art en France pendant l’Occupation et la situation des 2000 œuvres confiées aux musées nationaux. Contribution de la direction des Musées de France et du Centre Georges-Pompidou aux travaux de la Mission d’Étude sur la Spoliation des Juifs de France, Paris 2000, S. 30 – 35; Löffler, Kunstschutz im besetzten Deutschland (wie Anm. 18), S. 42 – 44. 26 Albert S. Henraux, Lettre au Lt.-Colonel MacDonnell, 31 mars 1945, AMAEE 209SUP /373 P4. Die folgende Analyse basiert auf Löffler, Kunstschutz im besetzten Deutschland (wie Anm. 18),

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Juni erhielt er den Bericht des in Münster stationierten französischen Verbindungsoffiziers Jean Secret (Lebensdaten unbekannt), der unter dem Titel Récupération en Allemagne d’une documentation sur les monuments historiques de France den Vorschlag machte, die von den Deutschen angefertigte fotografische Dokumentation französischer archäologischer, architektonischer und künstlerischer Schätze für Frankreich zurückzuerlangen. Er begründete seinen Vorschlag mit dem Argument, dass die Fotokampagnen ein Kulturerbe inventarisiert hätten, das zum Teil von den Franzosen selbst noch nicht systematisch erfasst und überdies seitdem im Krieg zerstört worden sei. Es sei paradox und demütigend, wenn von nun an französische Archäologen gezwungen würden, für die Erforschung d ­ ieses Kulturerbes nach Deutschland zu reisen, um dort eine Dokumentation einzusehen, die so in Frankreich nicht existiere. Secret schloss seinen Bericht mit den Worten: Il semble qu’il y aurait lieu d’envoyer au ‚Kunstgeschichtlicher Seminar‘ [sic!] de Marburg an der Lahn, une commission chargée de la récupération d’une si prodigieuse collection et d’images de son propre visage, de ses aspects et de son patrimoine national.27 Der Vorschlag, den Fotoplattenbestand nach Frankreich zurückzuholen, kam etwa zur gleichen Zeit auch im Amt für Denkmalpflege des französischen Erziehungsministeriums in Paris auf. Ein dort vorliegender Bericht arbeitete heraus, dass die Fotokampagnen im Besatzungskontext erfolgt waren: Richard Hamann und seine Mitarbeiter hätten Uniform getragen und die Infrastruktur der deutschen Wehrmacht in Frankreich genutzt; da diese ihrerseits von Requisitionen profitierte, s­eien die Fotokampagnen somit indirekt aus Mitteln finanziert worden, die Frankreich unter Zwang abgepresst worden ­seien. Gleichzeitig habe der deutsche Kunstschutz, wenn die französische Beaux-Arts-Verwaltung ihrerseits die fotografische Erfassung bestimmter Monumente beantragte, diese Anträge stets mit dem Hinweis abgelehnt, dass das Bildarchiv Foto Marburg ja bereits über Negative verfüge und die Franzosen dort Abzüge anfordern könnten. Somit habe Foto Marburg sich nicht nur die Fotoplatten, sondern auch die Nutzungsrechte an den Fotos im Besatzungskontext angeeignet und plane überdies, aus diesen Nutzungsrechten auch über das Kriegsende hinaus Profit zu schlagen. Der Bericht schloss daher mit der Empfehlung, die Restitution der Platten an Frankreich zu fordern. Bei dieser Gelegenheit sei auch zu prüfen, inwieweit Frankreich Forderungen nach Restitutionen oder Reparationen in Bezug auf die Duplikate französischer Fotobestände stellen könne, die Foto Marburg mit Unterstützung der Kunsthistorischen Forschungsstätte in Paris in französischen Bildarchiven angefertigt hatte.28

S. 123 – 131. 27 Es erscheint mir sinnvoll, eine Kommission an das ‚Kunsthistorische Institut‘ in Marburg an der Lahn zu ­schicken, die mit der Rückführung dieser wunderbaren Sammlung von Bildern seines eigenen Angesichts, seiner Erscheinung und seines nationalen Kulturerbes zu beauftragen wäre. Jean Secret, Note sur la récupération en Allemagne d’une documentation sur les monuments historiques de France, 2 juin 1946, AMAEE 209SUP/373 P4. 28 M. Planchenault, Notes sur les photographies de monuments et œuvres d’art prises par les Allemands au cours de l’Occupation, juillet 1945, AMAEE 209SUP/373 P4. Die Rückforderung der

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In ihrem Kern funktionierte die französische Rückforderung der Fotoplatten nach der Logik einer Kriegsbeute: Da Foto Marburg sich die Abbildungen französischer Denkmäler und die Nutzungsrechte an diesen Abbildungen in einem kriegerischen Kontext verschafft hatte, hatte es sich das französische Kulturerbe gewissermaßen als Beute angeeignet und musste diese Beute, so der französische Standpunkt, nun folgerichtig auch restituieren. Zentral war für diesen Anspruch die Frage der Zugänglichkeit der Fotobestände, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Zum einen bedeutete Zugänglichkeit, dass französische Forscher in der Lage sein sollten, uneingeschränkt mit den physischen Beständen zu arbeiten und somit voll über die wissenschaftliche Deutungshoheit über die Interpretation der Bestände zu verfügen. Auf einer wirtschaftlichen Ebene implizierte Zugänglichkeit zum anderen, dass Frankreich über die kommerzielle Verwertung der Nutzungsrechte bestimmen wollte und auf d ­ iesem Weg auch würde steuern können, w ­ elche Sichtweisen auf das französische Kulturerbe über das Medium der Fotografien verbreitet wurden.29 Alle diese Faktoren sollten auch im weiteren Verlauf der Restitutionsverhandlungen eine Rolle spielen. Nachdem die CRA im Frühjahr und Sommer 1945 über den Verbleib der Fotoplatten in Marburg und die französischen Rückforderungsinteressen informiert worden war, holte sie ab Herbst 1945 über die Vermittlung der Militärregierung in Baden-Baden und französischer Verbindungsoffiziere in der amerikanischen Besatzungszone weitere Informationen zu dem Fall ein. Mit der Recherche in Marburg und einer ersten Fühlungnahme mit den deutschen und amerikanischen Stellen wurde Jean Prinet (1912 – 1991) beauftragt, ein französischer Verbindungsoffizier, der für die Sous-Commission des Livres tätig war, eine mit der Restitution von Bibliotheken beauftragte Unterabteilung der CRA .30 Prinet berichtete der CRA im Mai 1946, dass er in Marburg rund 40.000 Fotoplatten zu französischen Baudenkmälern vorgefunden habe, von denen etwa die Hälfte ab 1940 angefertigt worden sei, während die andere Hälfte aus Fotoprojekten der 1930er Jahre stamme.31 Bei Unterredungen mit den Akteuren vor Ort habe sich gezeigt, dass Richard Hamann, der nach wie vor als Ordinarius in Marburg tätig sei, den französischen Vorwurf, für die Kampagne vom Besatzungskontext profitiert zu haben, zurückweise. Die Amerikaner wiederum verträten den Standpunkt, dass die Rückforderung der ab 1940 angefertigten Fotoplatten nicht als Restitution, s­ondern Duplikate französischer Fotoplatten wurde in den weiteren Restitutionsverhandlungen recht bald fallen gelassen, möglicherweise auch weil die Herkunft der Duplikate im Einzelnen nicht mehr rekonstruierbar war. Siehe Tralles, Die Fotokampagne (wie Anm. 3), S. 280, Fußnote 49. 29 Vgl. Matyssek, Kunstgeschichte als fotografische Praxis (wie Anm. 5), S. 178 – 179. 30 Zur Sous-Commission des Livres siehe Martine Poulain, Livres pillés, lectures surveillées. Les bibliothèques françaises sous l’Occupation, Paris 2008, S. 474 – 492; Sophie Cœuré, La mémoire spoliée. Les archives des Français, butin de guerre nazi puis soviétique (Petite Bibliothèque Payot 924), Paris 2013, S. 95 – 105. 31 Jean Prinet, Note sur les 20 000 photographies exécutées en France par l’Institut de Marburg-Lahn pendant l’Occupation, mai 1946, AMAEE 209SUP/373 P4.

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allenfalls als Reparation im Sinne einer „restitution in kind“ 32 erfolgen könne, da die Platten ja nie französisches Eigentum gewesen ­seien und demzufolge auch nicht restituiert werden könnten. Kritisch sähen die Amerikaner außerdem, dass im Falle einer Übergabe die ab 1940 angefertigten Platten von denen aus den Kampagnen der 1930er Jahre getrennt würden, obwohl das Materialkorpus thematisch zusammengehörig sei. Daher regte Prinet als Kompromisslösung an, den Fotobestand in Marburg mit den Denkmalaufnahmen aus französischen Fototheken abzugleichen und nur die Restitution solcher Fotos zu fordern, für die es in den französischen Beständen kein Äquivalent gab, oder aber die Rückforderung der Marburger Fotos auf Abzüge zu beschränken und die Negative dort zu belassen.33 Auf der Basis ­dieses Berichts richtete Albert Henraux von der CRA im Juni 1946 ein Schreiben an die MFA&A, in dem er erstmals offiziell die Forderung der Restitution der ab Mai 1940 in Frankreich angefertigten Fotoplatten formulierte.34 Richard F. Howard (1902 – 1987), Chief der MFA&A in Berlin, forderte die Franzosen daraufhin zunächst auf, die Forderung weiter zu spezifizieren und insbesondere die Anzahl der Fotografien zu nennen. Auch sollten sie mitteilen, unter w ­ elchen rechtlichen Bedingungen das Bildarchiv Foto Marburg vor dem Beginn der Besatzung in Frankreich operiert hatte und inwieweit es nach dem Beginn dieser Besatzung mit der französischen Vichy-Regierung bestimmte Verträge eingegangen war, um die Fotokampagnen ab 1940 zu legitimieren.35 Die französischen Ansprüche wurden durch die MFA&A sowie die ihr übergeordnete Restitution Branch der US-Militärregierung geprüft und im Februar 1947 teilte der Leiter der Restitution Branch, John H. Allen (Lebensdaten unbekannt), Albert Henraux in einem Schreiben mit: The negatives made by Dr. Hamann and his associates in France during the occupation are subject to restitution. The decree of the Vichy Government, under which Dr. Hamann operated, is not recognized as legal and binding by the French. Consequently the French Claim for one print from each negative made, as stipulated in that decree, is not valid as that decree is regarded as illegal.36 32 Unter „restitution in kind“ ist der materielle Ersatz kriegsbedingt verlorener oder zerstörter Kulturgüter durch gleichwertige Kulturgüter zu verstehen. In welchem Umfang d ­ ieses Prinzip nach dem Zweiten Weltkrieg zur Anwendung kommen sollte, galt unter den Alliierten länger als umstritten. Vgl. dazu Lorentz, La France et les restitutions (wie Anm. 25), S. 94 – 98; Kurtz, America and the Return of Nazi Contraband (wie Anm. 18), S. 110 – 114 und Löffler, Kunstschutz im besetzten Deutschland (wie Anm. 18), S. 90 – 100. 33 Jean Prinet, Note sur les 20 000 photographies exécutées en France par l’Institut de Marburg-Lahn pendant l’Occupation, mai 1946, AMAEE 209SUP/373 P4. 34 Albert S. Henraux, Demande de restitution des photographies de Marburg, 19 juin 1946, AMAEE 209SUP/373 P4. 35 Richard F. Howard, Questions about the claim for photographs in the Marburg Institute, 14 October 1946, AMAEE 209SUP/373 P4. 36 John H. Allen, French Claim on Photo-Marburg, conclusions drawn, February 19, 1947, AMAEE 209SUP/373 P4.

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Frankreich reichte infolgedessen einen formalen Restitutionsclaim bei den amerikanischen Behörden ein. Jedoch sollte sich die Einschätzung des Sachverhalts im folgenden Jahr noch einmal ändern und zu einer Infragestellung der französischen Ansprüche führen. Im April 1948 berichtete Rose Valland, die als Officier Beaux-Arts an die französische Kontrollratsgruppe in Berlin angebunden war, in einem Brief nach Paris, dass Richard Hamann in den letzten Monaten zweimal in ihrem Berliner Büro vorstellig geworden sei, um die Franzosen zu einer Rücknahme ihrer Restitutionsforderung zu bewegen. Einem Pressebericht im „Tagesspiegel“ zufolge habe zudem die Universität Marburg an den hessischen Justizminister appelliert, die Rechtmäßigkeit der französischen Forderungen prüfen zu lassen. Eine Kontaktaufnahme mit Richard Howard von der MFA&A habe bestätigt, dass General Lucius D. Clay (1898 – 1978) in der Tat kürzlich verfügt habe, dass Restitutionsfälle in der amerikanischen Besatzungszone unter bestimmten Umständen von deutschen Gerichten noch einmal überprüft werden durften, sodass Hamanns Antrag beim hessischen Justizministerium somit legitim sei. Im Vertrauen habe Valland darüber hinaus erfahren, dass Hamann mehrere, bereits in die USA zurückgekehrte, ehemalige MFA&A-Offiziere per Brief dazu bewegt habe, bei der US-Militärregierung gegen die geplante Übergabe der Fotoplatten an Frankreich zu protestieren. Unter dem Druck dieser Interventionen habe Howard den Kontakt zu General Clay gesucht, der sich seinerseits offenbar überrascht darüber gezeigt habe, dass die Forderung der Franzosen nicht schon längst zurückgewiesen worden sei.37 Die Revision der Beurteilung der französischen Forderung ist im Kontext eines besatzungspolitischen Umbruchs zu verorten. Vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs entwickelten sich die Leitlinien der amerikanischen Besatzungspolitik ab 1947 allmählich von einer punitiven Politik hin zu einer Strategie der Kooperation mit den Deutschen, die als Bündnispartner im Konflikt mit der Sowjetunion gewonnen werden sollten. Dies zeigte auch Rückwirkungen auf die Struktur der US-Militärregierung und beschleunigte die inneramerikanischen Tendenzen, das Programm für die Kulturrestitutionen abzuschließen. Vorangetrieben wurde dieser Prozess unter anderem durch das im November 1947 verabschiedete amerikanische Rückerstattungsgesetz, das die Abwicklung der „inneren Restitution“ einer unter alliierter Supervision stehenden deutschen Verwaltungsstruktur – den Wiedergutmachungsbehörden – übertrug. Mit der Übergabe der Restbestände der CCP in München und Wiesbaden in die Treuhänderschaft des bayerischen bzw. hessischen Ministerpräsidenten traten die Amerikaner im Spätjahr 1948 und Sommer 1949 weitere Zuständigkeiten an deutsche Stellen ab, auch wenn sie sich weiterhin die Entscheidungshoheit über den Umgang mit diesen Restbeständen vorbehielten.38 In ­diesem Kontext sukzessiver Kompetenzverschiebungen im Bereich der kulturellen Restitutionen, die deutschen Akteuren allmählich mehr Handlungsspielräume einräumten, 37 Rose Valland, Lettre à J. Jaujard sur la restitution de la collection Marburg, 15 avril 1948, AMAEE 209SUP/373 P4. 38 Vgl. Lauterbach, Der Central Art Collecting Point (wie Anm. 17), S. 187 – 189.

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ist auch Richard Hamanns Intervention beim hessischen Justizminister einzuordnen. Überdies hatte Hamann, der nach einer raschen Entnazifizierung 1947 als Gastprofessor den Lehrstuhl Wilhelm Pinders (1878 – 1947) an der Humboldt-Universität übernommen hatte und seitdem ­zwischen Berlin und Marburg pendelte, bereits kurz nach Kriegsende gute Kontakte zu den amerikanischen MFA&A-Offizieren geknüpft.39 So hatte Walker Hancock (1901 – 1998), der MFA &A-Offizier, der den CCP in Marburg aufgebaut hatte, Hamann bereits 1945 bescheinigt, dass dessen Fotokampagnen in Frankreich ein rein wissenschaftliches Projekt ohne jegliche politische oder militärische Zwecke dargestellt hätten. Ab 1946 wurde das Bildarchiv Foto Marburg außerdem damit beauftragt, die in den Collecting Points in Marburg und Wiesbaden gelagerten Kulturgüter fotografisch zu dokumentieren.40 Dank der guten Reputation, die Hamann bei den Amerikanern genoss, konnte er daher namhafte ehemalige MFA&A-Offiziere wie James Rorimer (1905 – 1966), den späteren Direktor des Metropolitan Museum of Art, sowie den ehemaligen Chief der MFA&A Bancel LaFarge als Fürsprecher in den Verhandlungen um den Foto-Marburg-Claim gewinnen. Während Rorimer in seinem Schreiben an Richard Howard betonte, dass Hamann bei den amerikanischen Kunsthistorikern eine sehr starke Anhängerschaft habe und das Bildarchiv einen guten Ruf bei den amerikanischen Kulturinstitutionen genieße, führte LaFarge wissenschaftliche Argumente ins Feld: Er wies darauf hin, dass die Marburger Fotos aus den Kampagnen ab 1940 zusammen mit den in den 1930ern angefertigten Aufnahmen ein Ensemble darstellten, das man nicht trennen solle. Außerdem ­seien die Fotos auch deshalb in Deutschland besser aufgehoben, weil das Marburger Foto-Archiv seinen exzellenten wissenschaftlichen Ruf völlig zu Recht genieße, wohingegen in französischen Bildarchiven die Zugänglichkeit der Aufnahmen vermutlich stärker eingeschränkt sein werde.41 In Reaktion auf die kritische Neubewertung der französischen Ansprüche durch die Amerikaner gab die CRA ein Gutachten in Auftrag, um ihre Forderungen noch einmal juristisch zu untermauern. Der Autor des Gutachtens arbeitete heraus, dass die Reproduktions- und Verwertungsrechte an den Fotonegativen restitutionspflichtig s­eien, weil Foto Marburg sich diese unter den Bedingungen der Besatzung angeeignet und die Londoner Erklärung vom 5. Januar 1943 sämtliche in den besetzten Gebieten zustande gekommenen Eigentumstransfers von Gütern, Rechten und Pflichten für nichtig erklärt habe.42 Auf amerikanischer Seite entkräftete man diese Argumentation jedoch mit dem Hinweis darauf, dass die Mehrheit der Fotos von Baudenkmälern aus dem public domain stamme und Foto 39 Ruth Heftrig, Fanatiker der Sachlichkeit. Richard Hamann und die Rezeption der Moderne in der universitären deutschen Kunstgeschichte 1930 – 1960 (Schriften zur modernen Kunsthistoriographie 5), Berlin/Boston 2014, S. 215 – 221. 40 Matyssek, Kunstgeschichte als fotografische Praxis (wie Anm. 5), S. 209. 41 Ebd., S. 206 – 207 und Kurtz, America and the Return of Nazi Contraband (wie Anm. 18), S. 197. 42 M. Lerebourg-Pigeonnière, Affaire des restitutions des clichés de Marburg, 28 octobre 1948, AMAEE 209SUP/373 P4.

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Marburg sich daher nicht an französischen Bildrechten bereichert habe. In rein materieller Hinsicht wiederum könnten die Fotonegative nicht restituiert werden, weil sie Frankreich ja nie gehört hatten.43 Im Mai 1948 teilte John H. Allen daher den Franzosen mit, dass die französische Forderung zurückgewiesen worden sei. Im Herbst 1948 wurde die Akte durch seinen Nachfolger Orren McJunkins (1907 – 1994) für geschlossen erklärt.44 Dieser Zurückweisung zum Trotz legte Frankreich den Amerikanern noch ein zweites Rechtsgutachten vor und berief sich außerdem auf die deutschsprachigen Berichte von Franz Graf Wolff Metternich und Richard Hamann über die Kampagnen, aus denen die Ausnutzung des Besatzungskontextes zur Durchführung der Kampagne klar hervorgehe. Da dies keine Rückwirkung auf die Falleinschätzung der amerikanischen Restitution Branch zeigte, schlug Rose Valland im April 1949 in internen französischen Korrespondenzen – nicht zum ersten Mal – vor, die Verhandlungen auf eine politische Ebene zu verschieben. Auf ihre Intervention hin nahm Jean de Noblet, der politische Berater des französischen Militärgouverneurs, Kontakt zu seinem Amtskollegen, dem politischen Berater General Clays, auf. Clays Berater bekräftigte jedoch das Urteil der Restitution Branch und schlug vor, dass Frankreich seine Forderungen in einen eventuellen Friedensvertrag mit der Bundes­ republik Deutschland einbringen könne.45 Damit war die französische Forderung bei den amerikanischen Vertretern endgültig gescheitert. Dennoch sollte der Streit ­zwischen Frankreich und dem Bildarchiv Foto Marburg sich noch jahrelang hinziehen und erst in den 1960er Jahren mit einer Übergabe von Duplikaten der strittigen Fotonegative an Frankreich beigelegt werden.46

Kontinuitäten des Foto-Marburg-Claims zum Ersten Weltkrieg Verortet man die französischen Rückforderungen der Marburger Fotoplatten nach dem Zweiten Weltkrieg in einer längeren Kontinuität der Geschichte des deutschen Kunstschutzes in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, so erscheinen weder die Forderung an sich noch ihre Ablehnung sonderlich überraschend. Bereits nach dem ­Ersten Weltkrieg hatte es einen Präzedenzfall zur französischen Forderung gegeben, dem ähnlich begrenzter Erfolg beschieden

43 John H. Allen, Restitution of Photographic Negatives to France, May 25, 1948, AMAEE 209SUP/373 P4. 44 Orren McJunkins, Restitution Marburg collection, August 13, 1948, AMAEE 209SUP/373 P4. 45 Rose Valland, Lettre à Albert Henraux avec proposition pour démarche Marburg, 25 janvier 1949, AMAE 209SUP/373 P4; Jean de Noblet, Note remise au conseiller politique américain M. ­Reddleberger sur la restitution des clichés de Foto-Marburg, 24 mai 1949, AMAEE 209SUP/373 P4 und M. Reddleberger, Memorandum on the Photo-Marburg claim, June 13, 1949, AMAEE 209SUP/373 P4. 46 Matyssek, Kunstgeschichte als fotografische Praxis (wie Anm. 5), S. 207.

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war. Direkt nach Kriegsende hatte der Genter Kunsthistoriker Léo van Puywelde (1882 – 1965) die Übergabe der Fotos aus den belgischen Kampagnen des deutschen Kunstschutzes gefordert, um nach der Rückgewinnung der territorialen Kontrolle auch die volle Kontrolle über die belgischen Denkmäler – einschließlich der Hoheit über die kommerzielle Nutzung ihrer Abbildungen – zurückzugewinnen. Paul Clemen, der die Kampagnen in Belgien geleitet hatte, behauptete in Reaktion auf diese Forderungen, die Fotos ­seien für private Zwecke und nicht für eine kommerzielle Verwertung angefertigt worden, und gab an, eine Rückgabe der Negative sei auch deshalb schwierig, weil sie auf Kunsthistoriker in ganz Deutschland verstreut ­seien. Allerdings waren die Kampagnen 1917/1918 mit der Finanzierung sowie logistischen Unterstützung des deutschen Kaisers und des Deutschen Reichs durchgeführt worden, sodass von einem privaten und unsystematischen Vorgehen keine Rede sein konnte. Auch waren die in Belgien angefertigten Aufnahmen nach Kriegsende tatsächlich nicht auf verschiedene Institute aufgeteilt, sondern größtenteils ins Kunsthistorische Institut in Bonn überführt worden.47 Dass Belgien seine Forderungen dennoch nicht durchsetzen konnte, lag vor allem daran, dass es keine völkerrechtliche Grundlage gab, auf die sich diese stützen konnten: Der Versailler Vertrag regelte nur die Rückgabe solcher Kulturgüter, die physisch entfernt worden waren, weshalb im Rahmen dieser Vertragsbestimmungen lediglich die im Krieg zerstörte Universitätsbibliothek Löwen einen Satz Fotonegative – vermutlich Abzüge der Originale – zugesprochen bekam. Erst 1926/1927 konnte Belgien sich Zugriff auf die Original-Fotoplatten aus den Kampagnen verschaffen, indem es sie für 140.000 Mark ankaufte und in die Sammlung des Brüsseler Musée du Cinquantenaire aufnahm.48 Kontinuitätslinien lassen sich insofern nicht nur z­ wischen den Fotokampagnen des Kunstschutzes im ­Ersten und Zweiten Weltkrieg beobachten, sondern auch in ihrer jeweiligen Aufarbeitung nach Kriegsende. Nach beiden Kriegen kam es zu Forderungen, die jeweils daran scheiterten, dass Völkerrecht und Restitutionsbestimmungen zwar regelten, wie mit geraubtem Kulturgut umzugehen war, dabei aber die Frage offenließen, wem wissenschaftliches Material gehörte, das unter den Bedingungen von Krieg und Besatzung überhaupt erst entstanden war.

Fazit In den umfassenden kulturellen Restitutionen der unmittelbaren Nachkriegszeit bildete die französische Rückforderung der im Zuge der Fotokampagnen des Kunstschutzes produzierten Fotoplatten in mehrfacher Hinsicht einen Sonderfall. Dies hing zum einen mit der Objektkategorie zusammen, über die verhandelt wurde: Fotografien, die für wissenschaftliche 47 Dörler, Der Kunstschutz im E ­ rsten Weltkrieg (wie Anm. 6), S. 144 – 146. Siehe dazu auch Matyssek, Kunstgeschichte als fotografische Praxis (wie Anm. 5), S. 179 – 181. 48 Ebd., S. 177 – 179.

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Zwecke angefertigt worden waren und zugleich Abbild von nationalen Denkmälern waren. Mit der Debatte darüber, wo die Fotonegative als materielle Objekte künftig zugänglich sein sollten, wurde daher letzten Endes verhandelt, wer die kunstwissenschaftliche Deutungshoheit über die abgebildeten Objekte besitzen sollte. Ungewöhnlich war der Fall Foto Marburg aber auch insofern, als der Impuls für die Stellung des Claims aus den Ministerien kam und der französische Staat als Anspruchsteller auftrat. Da die Nationalsozialisten in Frankreich überwiegend Kunstsammlungen aus Privatbesitz geraubt hatten, ging die Mehrzahl der französischen Restitutionsclaims für Kulturgüter von Privatpersonen aus, selbst wenn die CRA nach außen hin als Interessenvertretung für diese privaten Anspruchsberechtigten auftrat und dabei durchaus dazu neigte, auch Kunstsammlungen aus Privatbesitz als Teil des französischen patrimoine artistique zu interpretieren.49 Dass im Fall Foto Marburg das Erziehungsministerium selbst als Anspruchsteller auftrat, unterstreicht umso deutlicher, wie sehr die Fotokampagnen in Frankreich als erzwungene Aneignung von französischem Kulturerbe empfunden wurden und dass über die Rückerlangung der Abbilder französischer Denkmäler auch ein gewisser nationaler Wiederaufbau angestrebt wurde. Betrachtet man den Fall Foto Marburg schließlich mit Blick auf die Akteursebene und die interalliierte Verhandlung, so zeigt der Fall geradezu exemplarisch auf, dass Restitutionsverhandlungen oft zunächst recht informell von den Mitgliedern der jeweiligen KunstschutzEinheiten geführt wurden und sich erst bei Uneinigkeiten hinsichtlich der Bewertung der Fälle auf die höheren Hierarchieebenen der Militärgouverneure und ihrer Berater verlagerten. Dieses Muster war nicht nur dem Fall Foto Marburg eigen, sondern zeigt sich auch in anderen Konfliktfällen, etwa den französischen Protesten gegen die Übergabe von Kulturgütern an die JRSO oder den Einsprüchen Frankreichs gegen die Pläne der Amerikaner, die im CCP München verbliebenen Restbestände aus den Sammlungen von Hitler und Göring in die Treuhänderschaft des bayerischen Ministerpräsidenten zu übertragen. Dass diese Konflikte ­zwischen den Franzosen und Amerikanern vermehrt 1948/1949 auftraten, lag auch daran, dass die Franzosen fürchteten, dass sie mit dem amerikanischen Rückzug aus den Kulturrestitutionen und der Abgabe von Zuständigkeiten an deutsche Akteure ihre Handlungsspielräume bei der Durchsetzung weiterer Restitutionsinteressen verlieren würden.50 Bei aller Spezifizität zeigt der Fall Foto Marburg insofern in ganz typischer Weise, wie die Umbrüche in der alliierten Besatzungspolitik um 1948/1949 auf die Einzelfallentscheidungen bezüglich individueller Claims zurückwirken konnten.

49 Löffler, Kunstschutz im besetzten Deutschland (wie Anm. 18), S. 375. 50 Ebd., S. 116 – 122.

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Anhang: Quellen, Daten und Literatur

Weitere Quellen und Aufbereitung von Daten Esther Rahel Heyer

In den Kunstschutz-Akten, insbesondere in jenen im Nachlass Franziskus Graf Wolff ­Metternich (NL FGWM) und in deren Ergänzung aus der Gegenüberlieferung in anderen Archiven, sind Dokumente von besonderer Relevanz für die Recherche zu Personen, ihren Netzwerken und Tätigkeiten zu erkennen. Eine hier als „weitere Quellen“ bezeichnete Auswahl von Aspekten aus diesen Dokumenten und der Projektrecherche – bspw. die Übersicht themenspezifischer und chronologischer Daten aus den Quellen oder die mündliche Überlieferung in Form von Auszügen aus Interviews mit Nachfahren der ehemaligen Kunstschutzmitarbeiter – soll das archivische Sachinventar zum militärischen Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg im Sinne der Datenaufbereitung für die Forschung weiter ergänzen und wird im Folgenden erläutert und dargestellt. Manche Inhalte sind in ihrer Gänze in dieser Printpublikation nicht abzubilden, aber innerhalb der Datenbank zum Sachinventar recherchierbar.1 Diese weiteren Quellen lassen sich in vier Bereiche aufteilen. Die chronologischen Eckdaten zum Kunstschutz sollen, erstens, einen groben Überblick über den Ablauf der Kunstschutztätigkeiten während des Kriegsverlaufs 1939 – 1945 aus Perspektive des Beauftragten für Kunstschutz beim Oberkommando des Heeres Franziskus Graf Wolff Metternich (1893 – 1978) geben. In einer nach Jahren gegliederten Übersicht werden Stationen und grundlegend relevante Ereignisse gelistet. So kann skizzenhaft die Tätigkeit Wolff Metternichs dargestellt werden: von seiner Berufung und der Einrichtung des Kunstschutzes, bspw. dem Erlass zur „Sicherstellung“ privaten Kulturguts, über seine Dienstreisen in den besetzten Gebieten bis zu den Daten seiner Beurlaubung und Entlassung, hin zur Auflösung der Abteilung und zur Ausarbeitung des finalen Abschlussberichts. Die Hauptquellen für diese Datenaufstellung sind die Taschenkalender von Bernhard von Tieschowitz (1902 – 1968), Wolff Metternichs Stellvertreter und Nachfolger als Beauftragter für Kunstschutz (1940 – 1944 in NL FGWM, Nr. 251), die Tagebücher und Kalender Wolff Metternichs (1940 – 1942 und Teile 1943 in NL FGWM, Nr. 200 sowie 1939, 1942 und 1943 in NL FGWM, Nr. 437) sowie die Tätigkeitsberichte des Kunstschutzes und gesammelte Erlasse im NL FGWM. Diese Taschenkalender von Tieschowitz’ und Wolff Metternichs bilden zweitens die Grundlage für eine Gegenüberstellung. Die Daten werden für die Forschung bereitgestellt, sodass daraus Rückschlüsse auf Netzwerke und Ereignisse gezogen werden können. Eine 1 https://kunstschutz-wolff-metternich.de.

Synopse soll Einblicke in Termine mit persönlichen und beruflichen Kontaktpersonen, in die Reisetätigkeit, aber auch in Konflikte und Kooperationen geben. Die Aufstellung wird mit Inhalten aus den Kalendern von Hermann Bunjes (1911 – 1945), die in den französischen Archives nationales überliefert sind, ergänzt.2 Die Synopse wird in d ­ iesem Band anhand eines exemplarischen tabellarischen Auszugs beschrieben, die Bereitstellung und Nutzung der Daten erläutert und mögliche Rückschlüsse daraus im Abgleich mit anderen Dokumenten aus der Überlieferung skizziert. Ein dritter Aspekt, der in ­diesem Kapitel aufgezeigt werden soll, ist die mündliche Überlieferung aus Gesprächen des Projektteams mit Familienmitgliedern der ehemaligen Kunstschutzmitarbeiter. Im Verlauf des Projektes konnten ­solche Gespräche mit Nachfahren von Franziskus Graf Wolff Metternich, Hans Gerhard Evers (1900 – 1993), Carlheinz Pfitzner (1908 – 1944) und Wend Graf von Kalnein (1914 – 2007) geführt werden. Die Familienmitglieder hatten in den Gesprächen die Möglichkeit, frei zu erzählen. Besonders aussagekräftige Hinweise wurden für diesen Band als Zitate transkribiert, Rückschlüsse auf die Kunstschutzoffiziere und Netzwerke sowie persönliche Umstände zusammengefasst. Die Auswahlbibliografie, sortiert nach thematischen Schwerpunkten rund um den Kunstschutz, kann viertens den Einstieg in die Recherche zu ­Themen und Quellen für Forscher*innen erleichtern. In d ­ iesem Band gibt es keinen gesonderten Quellenteil mit abgedruckten Dokumenten. Das Sachinventar online stellt ebenfalls keine digitalisierten Bestände zur Verfügung (sofern andere Archive Digitalisate auf ihren Plattformen online zugänglich machen, ist der Querverweis in der Datenbank gegeben), sondern stellt ein archivübergreifendes Recherchemittel dar. Jedoch werden einige Berichte der Kunstschutzmitarbeiter aus dem NL FGWM digitalisiert in der Datenbank zum Sachinventar zur Verfügung gestellt, da diese besonders aufschlussreiche Informationen beinhalten. Dabei handelt es sich beispielsweise um den abschließenden Bericht Wolff Metternichs über die Tätigkeiten des Kunstschutzes 1940 – 1944 insgesamt, aber auch um einige zeitlich dazwischenliegende Abschlussberichte über Tätigkeiten, um allgemeinere Berichte zum Schutz von Schlössern seitens der Kunstschutzmitarbeiter in Frankreich, außerdem um themenspezifischere Berichte aus dem Referat für Kunstschutz bei der Militärverwaltung in Frankreich sowie um Berichte über die Aufgaben und das Wirken des Kunstschutzes in anderen besetzten Ländern oder benachbarten Referaten bei der jeweiligen Militärverwaltung. Ein Filtern der Datensätze nach dem Suchwort „Berichte“ erlaubt zudem die Ansicht der Akten in verschiedenen Archiven, die (Tätigkeits-)Berichte beinhalten, und daran kann eine chronologische Ergänzung der vorhandenen und erfassten Berichte nachvollzogen werden.

2 Kalender Hermann Bunjes’ 1941 – 1944/45, Archives nationales, AJ 40/1674.

556 I Esther Rahel Heyer

Chronologische Eckdaten zum militärischen Kunstschutz im Kontext eines Itinerars von Franziskus Graf Wolff Metternich und Bernhard von Tieschowitz 1 Esther Rahel Heyer

1928 – 1938 01. 11. 1928 09. 07. 1931

30. 01. 1933 20. 03. 1933

Franziskus Graf Wolff Metternich: Ernennung zum Provinzialkonservator der Rheinprovinz. Wolff Metternich: Wahl in den Vorstand der Genossenschaft der Rheinisch-Westfälischen Malteser-Devotions-Ritter (durchgehend Vorstandsmitglied bis in die 1960er Jahre). Machtübernahme der Nationalsozialisten; Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler. Wolff Metternich: Gespräch mit Hermann Göring in Berlin, Vermittlungsversuch ­zwischen kirchlichen Belangen und NS-Staat.

1 Die chronologischen Eckdaten zum deutschen militärischen Kunstschutz in Kombination mit einem Itinerar von Franziskus Graf Wolff Metternich und Bernhard von Tieschowitz geben in erster Linie einen Überblick über die Tätigkeitsschwerpunkte und Stationen (Aufenthalte an Dienstorten und Forschungsreisen) dieser beiden Akteure. Die Hauptquellen für diese Datenaufstellung sind die Taschenkalender von Bernhard von Tieschowitz der Jahre 1940 bis 1944 im NL FGWM , Nr. 251 sowie die Tagebücher Wolff Metternichs (1940 bis 1942 und Teile 1943) im NL FGWM , Nr. 200 und die Kalender der Jahre 1939, 1942 und 1943 im NL FGWM , Nr. 437, außerdem das Tagebuch Carlheinz Pfitzners 1940/1941, RAK 116. Aufgrund der lückenhaften privaten Überlieferung kann jedoch keine Vollständigkeit abgebildet werden. (Für tieferen Einblick in die kalendarischen Aufstellungen siehe die Synopse der Kalender und Tagebücher in d ­ iesem Band und die Datenbank https://kunstschutz-wolff-metternich.de/). Gesammelte Tätigkeitsberichte des Kunstschutzes und Erlasse im NL FGWM ergänzen die Ereignisse zur Einrichtung des deutschen militärischen Kunstschutzes in Frankreich mit Ausblick auf andere besetzte Gebiete und Tätigkeitsschwerpunkte. Direktiven und Gesetze deutscher und französischer Seite zum Umgang mit Kulturgut sowie einschlägige militärische und politische Ereignisse, mit Schwerpunkt auf den Westgebieten und dem Deutschen Reich, ordnen die Datenauswahl zu den

07. 04. 1933

01. 05. 1933 Ab WiSe 1933

29. 02. 1936 07. 03. 1936 19. 07. 1937 12. 03. 1938 31. 05. 1938

09./10. 11. 1938

„Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“; dadurch Möglichkeit zur Entlassung von Beamten „nichtarischer Abstammung“ oder mit nicht NS-konformer Einstellung. Wolff Metternich: Eintritt in die NSDAP, Mitgliedsnummer 3.144.386. Wolff Metternich: Lehrauftrag als Dozent für Denkmalpflege an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn; ab 1936 Lehrauftrag für rheinische Kunstgeschichte. Bernhard von Tieschowitz: Anstellung als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter beim Provinzialkonservator. Einmarsch deutscher Truppen in das Rheinland; Verstoß gegen die Verträge und die Entmilitarisierung nach dem ­Ersten Weltkrieg. Eröffnung der Ausstellung „Entartete Kunst“ in München. „Anschluss“ Österreichs; „Großdeutsches Reich“. „Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“; Voraussetzung zum Verkauf und der „Verwertung“ der ab Juli 1937 aus deutschem Museumsbesitz beschlagnahmten Kunstwerke. „Reichskristallnacht“; Novemberpogrom gegen Juden im Reich.

beiden Akteuren in einen größeren Kontext ein. Einzelne Punkte der Aufstellung sind in Beiträgen im Kapitel Forschungsansätze in d­ iesem Band sowie im Tagungsband nachzulesen: Hans-Werner Langbrandtner/Esther Heyer/Florence de Peyronnet-Dryden (Hg.), Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland. Franziskus Graf Wolff Metternich und der Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg (Brüche und Kontinuitäten. Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 5), Köln/Wien/ Weimar 2021. Für allgemeine Daten zum Kriegsverlauf siehe bspw. auf der Website Lebendiges Museum Online – Deutsches Historisches Museum, Dorlis Blume/Manfred Wichmann, Jahreschroniken 1939 – 1945, 2015, https://www.dhm.de/lemo/jahreschronik/1939 (Stand 05. 05. 2021) und die folgenden Jahre bis 1945 sowie https://www.dhm.de/lemo/kapitel/zweiter-weltkrieg (Stand 05. 05. 2021). Aufstellungen zum NS -verfolgungsbedingten Entzug von Kulturgut können darüber hinaus weitere Orientierung geben, siehe bspw. Forschungsstelle „Entartete Kunst“ der Freien Universität Berlin, Kunsthistorisches Institut, Andreas Hüneke/Christoph Zuschlag, Dossier zur NS -Kunstpolitik und ihren Auswirkungen auf private Sammlungen moderner Kunst, https:// www.geschkult.fu-berlin.de/e/khi/forschung/projekte/entartete_kunst/dossier/index.html (Stand: 05. 05. 2021) oder auch Lost-Art-Datenbank, Modul „Provenienzrecherche“, NS -Raubkunst bzw. Beutekunst, Zeittafel, https://www.lostart.de/Webs/DE /Provenienz/RaubkunstZeittafel. html (Stand: 05. 05. 2021) bzw. https://www.lostart.de/Content/052_ProvenienzBeutekunst/ DE /04_Zeittafel.html?nn=45800 (Stand: 05. 05. 2021).

558 I Esther Rahel Heyer

1939 16. 05. 1939

22. 05. 1939 18. 06. 1939

Juni 1939

07. 07. 1939

August 1939

26. 08. 1939 27. 08. 1939 01. 09. 1939 03. 09. 1939 07. 09. 1939 Ab September 1939

Wolff Metternich: Besprechung beim Oberpräsidenten der Rheinprovinz über den (Luft-)Schutz der rheinischen Baudenkmale und Kulturgüter. „Stahlpakt“, Militärbündnis ­zwischen Italien und Deutschland. Erlass zum „Führervorbehalt“ durch Hitler; Verfügung über beschlagnahmte Kulturgüter (folgend kontinuierliche Ausdehnung auf das gesamte Gebiet des Deutschen Reiches und die besetzten Länder). Auftrag Hitlers an Hans Posse (1879 – 1942), Direktor der Dresdner Gemäldegalerie, für den Sammlungsaufbau des geplanten „Führermuseums“ in Linz (ab 1942 Hermann Voss (1884 – 1969), Sonderbeauftragter für das „Führermuseum“). „Geheim“-Schreiben des Oberpräsidenten der Rheinprovinz und Auftrag an den Provinzialkonservator, die rheinischen Baudenkmale und Kunstwerke im Kriegsfall zu ­schützen. Erste Evakuierungen von Kunstwerken aus den staatlichen Museen Frankreichs in Depots; erste Anordnungen an die leitenden Archivare und Bibliothekare der staatlichen Einrichtungen zu Schutzmaßnahmen. Tieschowitz: zur Wehrmacht eingezogen; ab 01. 01. 1940 Leutnant der Reserve. Wolff Metternich: zur Wehrmacht eingezogen; Hauptmann der Reserve. Deutscher Angriff auf Polen; Beginn des Zweiten Weltkriegs. Kriegserklärung Großbritanniens und Frankreichs an Deutschland. USA, Italien und Spanien erklären sich neutral. Französische Truppen besetzen das Saarland (bis 19. 10. 1939). „Sitzkrieg“ an der deutschen Westfront. Beginn der Auslagerungen von Kulturgut und Schutzmaßnahmen im Rheinland unter der Leitung des Provinzialkonservators; Aufteilung der Rheinprovinz in Kunstschutzbezirke mit Bezirkskonservatoren und Zusammenarbeit mit der Archivberatungsstelle der Rheinprovinz.

1940 01. 01. 1940 05. 01. 1940

Ernennung Jacques Jaujards (1895 – 1967) zum Leiter der Musées nationaux und der École du Louvre. Wolff Metternich: Ernennung zum Honorarprofessor an der Universität Bonn durch das Reichministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM).

Chronologische Eckdaten zum militärischen Kunstschutz   I  559

März 1940

10. 05. 1940

11. 05. 1940 11. – 16. 05. 1940

13. 05. 1940

15. 05. 1940

17. 05. 1940

20. 05. 1940 22. 05. 1940

Aufruf Hermann Görings zur Metallspende für die Kriegswirtschaft; folgend Beginn der „Glockenaktion“ (Erfassung, Beschlagnahme und Verwertung von Glocken für die Kriegswirtschaft). Beginn der Westoffensive; Einmarsch der deutschen Truppen in die neutralen Länder Niederlande, Belgien und Luxemburg. Tieschowitz: Abmarsch mit der Wehrmacht (211. Division) nach Belgien und Nordfrankreich, Bretagne (bis 13. 08. 1940). Wolff Metternich: Einberufung zum OKH; in der Provinzialverwaltung Vertretung durch Provinzialbaurat Theodor Wildeman (1885 – 1962). Wolff Metternich: Ernennung zum Oberkriegsverwaltungsrat. Wolff Metternich: Marburg, Düsseldorf, Bonn und Koblenz, Besprechungen über die Grundlagen der Tätigkeit in den besetzten Gebieten mit Oberst Eduard Wagner (1894 – 1944), Chef des Stabes Generalquartiermeister (Gen.Qu), Ministerialdirigent Justus Danckwerts (1887 – 1969), Reichsministerium des Inneren (RMI), Meldung im OKH Hauptquartier Gisela bei Generalquartiermeister General Eugen Müller (1891 – 1951), Meldung bei Heeresgruppe Oberquartiermeister, Vorstellung bei Harald Turner (1891 – 1947). Wolff Metternich: als Beauftragter für Kunstschutz in den besetzten Gebieten durch Staatskonservator Robert Hiecke (1876 – 1952) und das REM zum OKH (Gen St. d.H) berufen: Auftrag zur Sicherung der Kunstwerke im gesamten Operationsgebiet, Eingliederung als Sachbearbeiter in den Stab des Gen.Qu., auf Anforderung Zuteilung zu den Heeresgruppen A und B für Kunstschutzmaßnahmen (als Sachbearbeiter im Stab des O.Qu., Verwaltungschef ), außerdem Zuständigkeit für Kunstschutz-Belange der Armee-Oberkommandos (AOK) im Heimatgebiet und der dortigen Zivilverwaltungschefs. Kapitulation der niederländischen Armee; folgend Einrichtung des Reichskommissariats Niederlande (29. 05. 1940 – 09. 05. 1945) – dadurch wird das Gebiet der Zuständigkeit des OKH entzogen und kein Referat für Kunstschutz (Militärverwaltung) eingerichtet. Wolff Metternich: Aufbruch von Düsseldorf in die besetzten Nieder­ lande, u. a. nach Den Haag; dort 18.05. Besprechung über den holländischen Kunstschutz mit Jan Kalf (1873 – 1954), Denkmalpfleger und staatlicher Inspekteur für den Schutz der Kunst. Wolff Metternich: Abreise von Düsseldorf nach Belgien (bis Juli 1940). Ernennung Ernst Zipfels (1891 – 1966), Generaldirektor der preußischen Archive, zum „Kommissar für den Archivschutz“ durch das RMI.

560 I Esther Rahel Heyer

28. 05. 1940

Juni 1940 08. 06. 1940

10. 06. 1940 14. 06. 1940 22. 06. 1940

22. – 25. 06. 1940 28.06. – 02. 07. 1940 30. 06. 1940 02. 07. 1940

Ab 04. 07. 1940 04. 07. 1940

07. 07. 1940 10. 07. 1940 15. 07. 1940

27. 07. 1940

Kapitulation Belgiens; folgend Einrichtung der Militärverwaltung (MV) Belgien und Nordfrankreich, Militärbefehlshaber Alexander von Falkenhausen (1878 – 1966) mit Sitz in Brüssel. Wolff Metternich: Planungen zur Organisation des Kunstschutzes in den besetzten Gebieten, der Tätigkeitsfelder und des Personals. Berufung Carlheinz Pfitzners (1908 – 1944) als Kriegsverwaltungsassessor zum Kunstschutz in die westlichen Operationsgebiete; ab 09.06. mit Wolff Metternich in Brüssel. Kriegserklärung Italiens an Großbritannien und Frankreich. Einrücken der Wehrmacht in die „offene Stadt“ Paris. Waffenstillstand mit Frankreich; deutsche Besetzung des Nordostens Frankreichs und der Atlantikküste. Folgend Einrichtung der MV in Frankreich; Einteilung in Verwaltungsbezirke Paris (Groß-Paris), Bezirk A (Saint-Germain-en-Laye), Bezirk B (Angers), Bezirk C (Dijon) und Bezirk Bordeaux; mit je einer Feldkommandantur und Kreiskommandanturen. Pfitzner (vermutlich mit Wolff Metternich): weitläufige Erkundungs­ fahrt von Brüssel aus nach Frankreich. Wolff Metternich: Bonn. Tieschowitz: Auszeichnung mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse. Hugo Andres Krüss (1879 – 1945), Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek, wird durch das REM zum „Reichskommissar für die Sicherung der Bibliotheken und die Betreuung des Buchgutes im westlichen Operationsgebiet“ ernannt. Wolff Metternich von Brüssel nach Paris; an beiden Orten tätig. Erlass Chef OKW an den Oberbefehlshaber des Heeres und den Wehrmachtsbefehlshaber in den Niederlanden über Anordnung des Führers zu kulturellen „Nachforschungen“ und Beschlagnahme relevanten Materials durch Alfred Rosenberg (1893 – 1946). Tieschowitz: Fahrt nach Paris, dort Treffen mit Wolff Metternich. Einrichtung der Vichy-Regierung (État français), Staatschef ­Philippe Pétain (1856 – 1951). Der Oberbefehlshaber des Heeres, Chef der MV in Frankreich, Verordnungsblatt Nr. 3: „1. Verordnung über die Erhaltung von Kunstschätzen im besetzten Gebiet Frankreichs“. Berufung Otto Kümmels (1874 – 1952), Generaldirektor der preußischen Museen in Berlin, zum „Kommissar für die Sicherstellung des von den Franzosen entführten deutschen Kunstbesitzes“ durch den Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Bernhard Rust (1883 – 1945).

Chronologische Eckdaten zum militärischen Kunstschutz   I  561

29. 07. 1940

01. 08. 1940

03. 08. 1940

06. 08. 1940 05./06. 08. 1940 13. – 16. 08. 1940 16. 08. 1940 17.08. – 12. 09. 1940 28. 08. 1940

Schreiben des OKH, Gen. St. d. H., Generalquartiermeisters an MBF Belgien und Nordfrankreich, Militärverwaltungschef in Brüssel und den Chef der MV in Frankreich, Verwaltungsstab in Paris sowie den Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung betreffend Kunstschutz in den besetzten westlichen Gebieten: Beauftragter für Kunstschutz beim Oberbefehlshaber Wolff Metternich und Stellvertreter von Tieschowitz (Richtlinien und Weisungen zum Kunstschutz und fotografische Inventarisation); Mitarbeiter bei der MV Belgien und Nordfrankreich, Gruppe „Kultur“, Sachgebiet Kunstschutz; ebenso MV Frankreich, dort in den Bezirken Gruppe „Innere Verwaltung“ mit je einem Sachbearbeiter Kunstschutz.2 Aufnahme der Arbeiten des Sachgebiets Kunstschutz (Angliederung beim Militärbefehlshaber, Verwaltungsstab, Verwaltungsabteilung, Gruppe V Kultur), Leitung Felix Kuetgens (1890 – 1976), Mitarbeiter Carlheinz Pfitzner und Wend Graf von Kalnein (1914 – 2007) sowie Aufnahme der Arbeiten in den Bezirken A/B/C und Groß-Paris. Aufnahme der Tätigkeiten Gruppe Archivschutz in Frankreich, Leitung Georg Schnath (1898 – 1989). Aufnahme der Tätigkeiten des Referats Kunstschutz in Belgien und Nordfrankreich, Leitung Heinz-Rudolf Rosemann (1900 – 1977). Otto Abetz (1903 – 1958) wird Botschafter in Frankreich, Paris (Palais Beauharnais, Rue de Lille); bereits seit 15.06. im Auftrag von Reichsaußenminister Ribbentrop als Gesandter in Paris. Ernennung von Bernard Faÿ (1893 – 1978) zum Administrateur général de la Bibliothèque nationale. Erste Treffen des Kunstschutzes (u. a. Pfitzner) mit Jaujard, Marcel Aubert (1884 – 1962), Joseph Billiet (1886 – 1957). Tieschowitz: in Bonn und Köln; Ernennung zum Kriegsverwaltungsrat. Erstes Treffen z­ wischen Wolff Metternich und Jaujard. Tieschowitz: Ankunft in Paris, Aufnahme der Kunstschutztätigkeiten. Richard Hamann (1879 – 1961), Ordinarius für Kunstgeschichte an der Universität Marburg, und Alfred Stange (1894 – 1968), Ordinarius für Kunstgeschichte an der Universität Bonn, in Paris; Besprechungen mit Kunstschutz zur Gründung eines kunstwissenschaftlichen Arbeitsstabs.

2 Zum Personal der Kunstschutzabteilungen siehe die Abbildungen der Personalaufstellungen in ­diesem Band.

562 I Esther Rahel Heyer

Ab August 1940

01. 09. 1940

03. 09. 1940

06./07. 09. 1940 12. – 15. 09. 1940 17. 09. 1940

17. 09. 1940

18. 09. 1940

19. 09. 1940 01. 10. 1940 03. 10. 1940 06.10. – 10. 11. 1940 12. – 22. 10. 1940 23. 10. 1940 28. 10. 1940 Ab November 1940

03. 11. 1940

Streitigkeiten des Kunstschutzes und der MV mit Abetz (deutsche Botschaft), Sonderkommando Künsberg und Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR ) über die „Sicherstellung“ von privatem Kulturgut und „herrenlosem jüdischen Besitz“. Aufnahme der Arbeiten des Deutschen Instituts im Hôtel de Sagan, Gebäude der ehemaligen polnischen Botschaft (Paris, 57 rue SaintDominique/1 rue de Talleyrand); Leiter Karl Epting (1905 – 1979). OKH , Gen. St. d. H., Generalquartiermeister an den Chef der MV in Belgien und Nordfrankreich, Brüssel sowie in Frankreich, Paris: Bekanntgabe der „Richtlinien für die Durchführung des Kunstschutzes in den besetzten westlichen Gebieten“. Besprechung Kunstschutz mit den Bezirksvertretern, Paris. Wolff Metternich und Tieschowitz: Reise nach Angers; weiter bis Biarritz (16.09. – 05.10. keine Angaben, vermutlich weiterhin Paris). OKH Befehl zur Einrichtung des Referats Bibliotheksschutz beim Militärbefehlshaber in Frankreich, Leiter Hermann Fuchs (1896 – 1970). Erlass Chef des OKH an den Oberbefehlshaber des Heeres für die MV im besetzten Frankreich: Führerbefehl zugunsten der Zuständigkeit des ERR für die Erfassung und Beschlagnahme „herrenlosen jüdischen Besitzes“ und Abtransport ins Deutsche Reich. Abtransport von beschlagnahmten Kunstgütern der Familie Rothschild aus Frankreich, u. a. in den Privatbesitz Görings und Rosenbergs. Wiedereröffnung einiger Säle des Louvre, Eröffnungsansprache von Wolff Metternich. Aufnahme der Arbeiten des kunstwissenschaftlichen Arbeitsstabs; Start der Fotokampagnen. Erste antijüdische Gesetze in Frankreich (Premier statut des Juifs). Tieschowitz: Paris. Studienfahrt deutscher Denkmalpfleger durch Belgien und Frankreich. Versammlung mit den Bezirksvertretern Kunstschutz und Stange in Paris, Besprechung des wissenschaftlichen Programms. Kriegserklärung Italiens an Griechenland und Beginn der Offensive. Bemühungen Wolff Metternichs um die Einrichtung eines kunsthistorischen Instituts in Paris, Planung im Rahmen der Wissenschaftskampagne des Kunstschutzes mit Stange. Wolff Metternich: Ernennung zum Beamten auf Kriegsdauer und Kriegsverwaltungs-Abteilungschef.

Chronologische Eckdaten zum militärischen Kunstschutz   I  563

03./05. 11. 1940

Erste Besuche Görings im Jeu de Paume (von insgesamt über 20); Besichtigung und Verfügung über beschlagnahmte Kunstwerke. 05. 11. 1940 Geheim-Schreiben Görings zur Vorlage an den Führer über die Fortführung zur Sicherstellung des jüdischen Kunstbesitzes durch den Chef der Militärverwaltung Paris und den Einsatzstab Rosenberg; über Verwendung der Kunstwerke und Kompetenzzuweisung an den ERR. 11. – 15. 11. 1940 Tieschowitz und Wolff Metternich: Berlin, Besprechungen REM und OKH (Fernmeldebunker „Zeppelin“, Kommandozentrale Zossen). 16./17. 11. 1940 Tieschowitz und Wolff Metternich: Reise über Aachen nach Antwerpen; Besuch der Rubensfeier und Treffen mit Wilhelm Pinder (1878 – 1947). 18.11. Tieschowitz: Reise über Brüssel nach Paris. 19.11. – 10. 12. 1940 Tieschowitz: Paris. Ab Dezember 1940 Treffen und Besprechungen der Kunstschutzmitarbeiter (u. a. ­Pfitzner) mit Vertretern der Demeure historique, privater Verein von Besitzern historischer Bauten in Frankreich, bspw. über Schutz von Schlössern und ihrem Inventar (Belegungsverbote); 06.12. Tagung mit Sachbearbeitern. Dezember 1940 Gründung des Referats Vorgeschichte und Archäologie bei der MV Frankreich, Verwaltungsstab, Gruppe Kult V, 4 Schule und Kultur. 12. – 17. 12. 1940 Tieschowitz und Wolff Metternich: Fahrt mit Margarethe Schmidt (Lebensdaten unbekannt, Schreibkraft Kunstschutz OKH) nach Bonn. 18. – 20. 12. 1940 Tieschowitz und Wolff Metternich: Berlin, Besprechungen REM (über Gründung eines deutschen kunsthistorischen Instituts in Paris, Stange ebenfalls anwesend) und „Zeppelin“, OKH Zossen. 21. 12. 1940 – 05. 01. 1941 Tieschowitz: Bonn und Köln. 31. 12. 1940 Kümmel-Bericht: Denkschrift über Kunstwerke deutscher Herkunft in Frankreich; deren Rückführung sollte gemäß Besprechungen und Korrespondenz auch in Zusammenarbeit mit dem Kunstschutz erfolgen.

1941 06.01. – 10. 02. 1941 16. – 21. 01. 1941 24. 01. 1941 25. 01. 1941

Tieschowitz: Paris, diverse Treffen zu den Fotokampagnen. Wolff Metternich: Reise von Paris nach Brüssel. Kunstschutz-Treffen mit den Bezirksvertretern in Paris. Umzug des Büros Kunstschutz OKH nach Avenue Kléber 43/45.

564 I Esther Rahel Heyer

02./03. 02. 1941 04. – 11. 02. 1941 05. 02. 1941

11. – 18. 02. 1941

19.02. – 06. 03. 1941 22. 02. 1941 28. 02. 1941 Ab März 1941

März 1941 03. 03. 1941

07. – 20. 03. 1941

20. – 27. 03. 1941

22. 03. 1941

Tieschowitz: Bonn, Besprechungen im Amt 3 und mit Stange. Tieschowitz: Paris. Göring im Jeu de Paume; Aufeinandertreffen mit Wolff Metternich und von Tieschowitz, Abweisung der Einwände Wolff M ­ etternichs gegen Beschlagnahme und Abtransport von Kunstwerken ins Deutsche Reich. Tieschowitz und Wolff Metternich: Reise von Paris über Bonn nach Berlin; dort (ab 14.02.) diverse Besprechungen im REM , OKH Zossen, außerdem Kontakt mit „Ahnenerbe“, Wolfram Sievers (1905 – 1948). Tieschowitz: Bonn; Aufenthalt in Nasenklinik und Krankmeldung. Vortrag Heinz Rudolf Rosemanns (1900 – 1977), „Der Kunstschutz in Belgien“, im Kölnischen Kunstverein. Einmarsch deutscher Truppen in Bulgarien. Beginn der Vortragsreihen mit Führungen „Geschichtliche und künstlerische Denkwürdigkeiten in Paris“ und „Frankreichs Kunst und Geschichte“ bei der MV in Frankreich, Abteilung Verwaltung (1941 – 1943) mit Vorträgen der Kunstschutzmitarbeiter. Ernennung von Charles Samaran (1879 – 1982) zum Directeur général des Archives de France. Der Militärbefehlshaber in Frankreich, Verordnungsblatt Nr. 25: „Zweite Verordnung über die Erhaltung von Kunstschätzen im besetzten Gebiete Frankreichs“. Tieschowitz: Paris, u. a. Marne-Schlösser-Fahrt mit Wolff Metternich, Pfitzner und Schmidt, Vorbereitung Gauleiterreise, Besuch von Stange. Tieschowitz: Reise von Paris über Bonn nach Berlin; dort (ab 24.03.) u. a. Besprechungen REM , OKH Zossen, Hans Georg Schmidt von Altenstadt (1904 – 1944), Martin Schede (1883 – 1947), Deutsches Archäologisches Institut (DAI), Auswärtiges Amt.4 Vortrag Wolff Metternichs, „Deutscher Kunstschutz in Frankreich“, im Kölnischen Kunstverein.

3 Gemeint ist hier das Denkmalpflegeamt in Bonn, Dienstsitz von Provinzialkonservator Wolff Metternich und von Tieschowitz, folgend nur noch als Amt vermerkt. 4 Besprechungen im Reichministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung mit Robert Hiecke und Kollegen werden im Folgenden mit der Abkürzung REM zusammengefasst, gleichermaßen werden für Besprechungen mit Personen in den Dienststellen des OKH bzw. Archäologen aus dem Kreis des Deutschen Archäologischen Instituts folgend die Abkürzungen der Institutionen stellvertretend für Kollegenkreise genannt.

Chronologische Eckdaten zum militärischen Kunstschutz   I  565

27. – 31. 03. 1941 29. 03. 1941 01. – 10. 04. 1941

04. 04. 1941

06. 04. 1941 10. – 14. 04. 1941 12. 04. 1941 15. – 18. 04. 1941 18.04. – 01. 05. 1941 22.04. – 01. 05. 1941 27. 04. 1941

01. – 03. 05. 1941 04. – 21. 05. 1941

22./23. 05. 1941 24. – 26. 05. 1941

Tieschowitz: Paris, Treffen mit Wolff Metternich, Kuetgens, Kalnein. Gründung des Commissariat général aux questions juives der Vichy-­Regierung. Tieschowitz: Reise von Paris über Berlin nach Rumänien und Bulgarien, u. a. Arad, Bukarest, Sofia; Besprechungen mit Turner und Hans Ulrich von Schoenebeck (1904 – 1944), Termine bei verschiedenen Dienststellen und AOK 12 in Sofia; ab 08.04. zurück in Berlin, Besprechungen OKH „Zeppelin“ und REM. Bildung der Gruppe 14 „Kunstschutz und Archäologie“ in der MV Frankreich, Abteilung Verwaltung, unter der Leitung Wolff Metternichs (Vertreter Langsdorff). Beginn des Balkanfeldzugs mit dem deutschen Überfall auf Griechenland und Jugoslawien. Tieschowitz: Bonn, u. a. Besprechungen mit Wolff Metternich, Wildeman. Besetzung Belgrads. Tieschowitz: Reise von Bonn über Brügge und Gent nach Brüssel. Treffen mit Mitarbeitern Kunstschutz Belgien und Nordfrankreich. Tieschowitz: Paris. Wolff Metternich: Paris. Besetzung Athens durch die deutsche Wehrmacht, in den folgenden Tagen des gesamten griechischen Festlands. Einrichtung MV Griechenland, 01.05. Abteilung Kunstschutz, Leitung Schoenebeck. Tieschowitz und Wolff Metternich: Reise über Bonn nach Berlin, Besprechung OKH, von Altenstadt. Tieschowitz und Wolff Metternich: Griechenlandreise; von Berlin über Belgrad und Sofia nach Athen. 08. – 18.05. in Griechenland, Ausflüge u. a. nach Korinth, Kifisia, Thessaloniki, Delphi, Athos; Besprechungen mit deutschen Wissenschaftlern (insbesondere Archäologen), Militär und Verwaltungsbeamten; mehrfach Treffen mit Schoenebeck. Rückreise über Belgrad (Treffen mit Turner), Wien, Breslau, Berlin. Tieschowitz und Wolff Metternich: Berlin, Treffen REM, OKH, DAI. Tieschowitz und Wolff Metternich: Köln und Bonn, u. a. Besprechungen im Amt mit Wildeman und im Institut 5 mit Stange.

5 Wolff Metternich und von Tieschowitz besuchten während ihrer Aufenthalte in Bonn oftmals das kunsthistorische Institut der Universität Bonn, welches im Folgenden bei örtlichem Bezug zu Bonn kurz als Institut benannt wird.

566 I Esther Rahel Heyer

27. – 30. 05. 1941 24. 06. 1941 30.05. – 29. 06. 1941 Juni 1942 13./14. 06. 1941 22. 06. 1941 23. 06. 1941 29.06. – 06. 07. 1941

Juli 1941

06.07. – 11. 08. 1941 09. 07. 1941

15. – 21. 07. 1941 17. 07. 1941 21. – 27. 07. 1941 27.07. – 01. 08. 1941

03. – 06. 08. 1941 06. – 11. 08. 1941 03. – 14. 08. 1941 11. – 18. 08. 1941

Tieschowitz: Brüssel, Besprechungen Mitarbeitern Kunstschutz Belgien. 29./30.05. über Dieppe nach Rouen und Paris. Einrichtung MV Serbien und Abteilung Kunstschutz Serbien, Leitung Johann Albrecht von Reiswitz (1899 – 1962). Tieschowitz: Paris, u. a. Schlösserbesichtigungen mit Wolff Metternich, Pfitzner und Schmidt, Vortrag über das Quartier du Marais. Planungen zur Einrichtung einer Abteilung Kunstschutz in England werden nach nicht erfolgter Besatzung eingestellt. Kunstschutz Bezirksvertretertagung in Paris; Vortrag von Tieschowitz’ über Griechenlandreise. Deutscher Überfall auf die Sowjetunion ohne Kriegserklärung. Französisches Gesetz zum Export von Kunstwerken; No. 2595 – Loi du 23 juin 1941 relative à l’exportation des œuvres d’art. Tieschowitz und Wolff Metternich: Reise von Paris nach Dijon, Treffen mit Walther Zimmermann (1902 – 1961); bis Genf, Besançon, Nancy. Planung über die Einrichtung einer Abteilung Kunstschutz in den besetzten baltischen Ländern, Vorschlag Niels von Holst (1907 – 1993) als Kunstschutzmitarbeiter vom REM bestätigt; keine Umsetzung, da im Baltikum Bildung von Zivilverwaltungen. Tieschowitz: Paris, u. a. Treffen Fotokampagne-Gruppen, 17.07. Stange. Vortrag Wolff Metternichs, „Der Kunstschutz in Frankreich während des Weltkrieges und im gegenwärtigen Kriege“, im Deutschen Institut Paris. Wolff Metternich: Reise von Paris über Bayeux und Brüssel nach Bonn. Ernennung Alfred Rosenbergs zum „Reichsminister für die besetzten Ostgebiete“. Wolff Metternich: Paris, u. a. Vortrag über Versailles und Führung. Wolff Metternich: Reise mit Louis Hautecœur (1884 – 1973), Directeur général des beaux Arts, ins unbesetzte Frankreich; Besichtigung der Louvre-Depots (u. a. Valençay, Montauban), 01.08. Vichy, Treffen mit Jérôme Carcopino (1881 – 1970), Ministre de l’Instruction publique. Wolff Metternich: Reise von Paris nach Brüssel. Wolff Metternich: Paris. Studienfahrt deutscher Städtebauer durch Belgien und Frankreich. Tieschowitz und Wolff Metternich: Reise nach Berlin und Königsberg, Besprechungen DAI, OKH Gen.Qu. Jägerhöhe, Angerburg,

Chronologische Eckdaten zum militärischen Kunstschutz   I  567

19. – 23. 08. 1941 24.08. – 20. 10. 1941 24. – 29. 08. 1941 01. – 16. 09. 1941

17. 09. 1941 20.09. – 20. 10. 1941 21.09. – 06. 10. 1941

30. 09. 1941 September 1941

10. 10. 1941 17. 10. 1941

Lager „Quelle“ (Gen.Qu. Verwaltungs- und Logistikdienststellen OKH Mauerwald), Königsberg. 16.08. Wolff Metternich Abreise nach Fürstenberg 6, 18.08. Tieschowitz weitere Besprechungen REM. Tieschowitz: Bonn, Besprechungen im Amt und Institut. Tieschowitz: Paris, u. a. Abwicklung der Fotokampagne, Vorbereitung der Ordinarienfahrt, Abkommandierung des Kunstschutzpersonals. Wolff Metternich: Paris. Wolff Metternich: Reise nach Griechenland, von Berlin über Belgrad (Besprechung mit Reiswitz) nach Athen. Treffen und Besprechungen mit deutschen Wissenschaftlern, Militär und Verwaltungsbeamten, u. a. Schoenebeck und Wilhelm Kraiker (1899 – 1987); Reisen u. a. nach Kifisia, Korinth, Mykene, Nauplia, 11. – 13.09. Kreta, Heraklion, Knossos. 16.09. Rückreise über Belgrad, Treffen mit Reiswitz, bis Berlin. Wolff Metternich: Berlin, Besprechungen REM und DAI. 18.09. Abreise nach Arnsberg und Köln. Wolff Metternich: Paris. Studienfahrt deutscher Kunsthistoriker durch ausgewählte Gebiete Frankreichs (Abb. 1 u. 2). Wolff Metternich, von Tieschowitz und Kunstschutzkollegen nehmen an einigen Programmpunkten teil. 25. 09. Besprechung mit den Professoren über die Einrichtung eines kunsthistorischen Instituts in Paris, Vorträge Wolff M ­ etternichs über die Organisation des Kunstschutzes in den besetzten Gebieten, Kuetgens über Kunstschutz in Frankreich, Wolfgang Kimmigs (1910 – 2001) über Archäologie, Stanges über die Wissenschaftskampagne und von Tieschowitz’ über die Fotokampagne, Abendempfang Eptings im Deutschen Institut. Offizieller Abschluss der Fotokampagnen in Frankreich. Einrichtung einer Kunstschutzgruppe Heeresgruppe Nord (Nordwestrussland) unter der Leitung von Ernstotto Graf von SolmsLaubach (1890 – 1977); Schutzmaßnahmen im Kriegsgebiet, keine MV. Abkommandierung Pfitzners zur Truppe. Ab ­diesem Zeitpunkt starke personelle Dezimierung der Kunstschutzabteilungen. Tieschowitz: Besuch bei Botschafter Otto Abetz; Wolff Metternich: Besprechungen mit Mitarbeitern Kunstschutz und Leitern der

6 Fürstenberg: Schloss Fürstenberg bei Paderborn im Besitz der mit Wolff Metternich verwandten Familie der Grafen von Westphalen. Hier waren Mitglieder der Familie Franziskus Graf Wolff Metternichs seit Kriegsbeginn meist untergebracht, und er war dort oft zu Besuch.

568 I Esther Rahel Heyer

Abb. 1  „Studienfahrt deutscher Kunsthistoriker durch ausgewählte Gebiete Frankreichs 21.9. – 6. 10. 1941“: Rast der Gruppe auf einer Wiese am Straßenrand, Wolff Metternich im Gras sitzend.

Abb. 2  „Studienfahrt deutscher Kunsthistoriker durch ausgewählte Gebiete Frankreichs 21.9. – 6. 10. 1941“: Wolff Metternich bei einem Vortrag vor einem Schloss, das möglicherweise als Lazarett (vgl. Krankenschwester im Hintergrund) genutzt wurde.

Chronologische Eckdaten zum militärischen Kunstschutz   I  569

Gruppen Archiv und Bibliothek über Vortragstätigkeit im Herbst und Winter. 20. – 23. 10. 1941 Wolff Metternich mit von Tieschowitz und Kuetgens: Reise nach Brüssel, Besprechung bei Rosemann mit Stange über die Aufnahme der fotografischen Arbeit in Belgien, Besichtigung Brügge, Besuch beim Chef der MV, General Alexander von Falkenhausen (1878 – 1966). 23.10. Abreise Wolff Metternichs nach Bonn. 23. – 29. 10. 1941 Tieschowitz: Paris. 28.10. – 28. 11. 1941 Wolff Metternich im Lazarett auf dem Venusberg (Nierenerkrankung). Besuche von Familie und Verwandten sowie berufliche Gespräche bspw. mit Wildeman, von Tieschowitz, Kalnein, Pfitzner, Stange; wissenschaftliche Lektüre und Vortragsvorbereitungen. 30.10. – 02. 11. 1941 Tieschowitz: Bonn, Besuche bei Wolff Metternich, Termine im Amt. 02. – 09. 11. 1941 Tieschowitz: Reise von Bonn nach Berlin, u. a. Gespräche REM, DAI , OKH Lager „Quelle“ und „Fritz“ (operative Dienststellen Generalstab des Heeres), Auswärtiges Amt Berlin, Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete, Otto Bräutigam (1895 – 1992) und Gerhard Utikal (1912 – 1982), Leiter Zentralamt ERR in Berlin. 09. – 12. 11. 1941 Tieschowitz: Bonn, im Amt, Treffen mit Wolff Metternich und Stange. 13. 11. 1941 – 03. 01. 1942 Tieschowitz: Paris. 28. 11. 1941 – 03. 01. 1942 Wolff Metternich: sechs Wochen Erholungsurlaub nach Krankheit. 28. 11. – 03. 12. Bonn, auch im Amt. 03. – 12.12. Fürstenberg. 13. – 15.12. Arnsberg. 15. 12. 1941 – 03. 01. 1942 Fürstenberg. 05. 12. 1941 Winteroffensive Russlands, Gegenangriff der Roten Armee; Scheitern des deutschen „Blitzkriegs“ gegen die Sowjetunion. 11. 12. 1941 Kriegserklärung Deutschlands und Italiens an die USA; Kriegseintritt der USA.

1942 01. 01. 1942

03. – 05. 01. 1942 03. – 12. 01. 1942 06. – 09. 01. 1942 10. – 12. 01. 1942

Eröffnung der kunsthistorischen Forschungsstätte (KHF) in Paris, Haus der ehemaligen tschechischen Kolonie (18 rue Bonaparte), Leiter Hermann Bunjes (1911 – 1945). Tieschowitz: Bonn, Treffen mit Wolff Metternich und Arbeit im Amt. Wolff Metternich: Bonn, im Institut und Amt, u. a. Treffen mit von Tieschowitz, Stange, Bunjes. Tieschowitz: Berlin, Besprechungen REM und DAI. Tieschowitz: Bonn, Besprechungen im Amt und Institut.

570 I Esther Rahel Heyer

13.01. – 13. 02. 1942 13.01. – 19. 03. 1942 14. 01. 1942

30. 01. 1942 11./12. 02. 1942 13.02. – 05. 03. 1942

16. 02. 1942

19. 02. 1942 20. 02. 1942 23. 02. 1942 01. 03. 1942

05.03. – 19. 03. 1942 12. 03. 1942 19. – 22. 03. 1942 22.03. – 04. 05. 1942

23.02. – 08. 05. 1942 27. 03. 1942 17. 04. 1942

Tieschowitz: Paris, Besprechungen u. a. mit Kuetgens, Schnath, Schoenebeck, Abschied von André, Stockhausen, Kimmig. Wolff Metternich: Paris, u. a. Besprechungen mit Prinet und Faÿ. Vortrag Wolff Metternichs, „Die Entstehung der Gotik“. Werner Best (1903 – 1989) und General Otto von Stülpnagel (1878 – 1948) anwesend. Tieschowitz und Wolff Metternich: Besichtigung der KHF mit Bunjes. Wolff Metternich: Erhalt des Kriegsverdienstkreuzes II. Klasse. Bezirksvertretertagung Kunstschutz in Paris; dabei auch Vortrag Schoenebecks über Griechenland. Tieschowitz: Arbeitsurlaub in Bonn, Termine im Amt und Institut, u. a. Neuffer, Stange, Wildeman, Zimmermann. 15. – 19.02. Berlin, dort u. a. Telefonate und Besprechungen DAI, REM, Termin RLM, Waffenamt und Passierscheinhauptstelle. Sitzung der Kunstschutzvertreter der Feldkommandanturen in Paris; Vortrag Wolff Metternichs über den Kunstschutz und die verbleibenden Aufgaben. Wolff Metternich: Besprechung im Louvre mit Jaujard. Wolff Metternich: Vortrag Hautecœurs über Bestrebungen der französischen Regierung zu Denkmalpflege und Heimatschutz. Wolff Metternich: Besichtigung der KHF bei Bunjes und der dortigen Bücherbestände mit Kuetgens, Neuffer und Zimmermann. Führererlass zugunsten ERR; systematische Beschlagnahme von Kulturgut für die „weltanschaulichen Aufgaben des NSDAP“, im Einvernehmen mit dem Chef des OKW. Tieschowitz: Paris, u. a. 07.03. endgültige Abreise von Kalnein. 32 ungarische Generalstabsoffiziere in Paris; Tieschowitz: Führung durch Paris, ­später Führung Bunjes’ durch Versailles. Wolff Metternich und Tieschowitz: Reise von Paris nach Lille und Brüssel, Besprechungen Kunstschutz. Tieschowitz: Paris, Arbeit am Abschlussbericht vom 20.04. über die Tätigkeit des kunstwissenschaftlichen Arbeitsstabs in Frankreich 01. 10. 1940 – 30.09. (bzw. 31.12.) 1941. Wolff Metternich: Bonn und Fürstenberg. Erste Deportation von Juden aus Frankreich in Vernichtungslager. Einrichtung der „Dienststelle Westen“ in Paris, Leiter Kurt von Behr (1890 – 1945); Start der „M-Aktion“: Beschlagnahme von Möbeln in Frankreich und den Beneluxländern zum Verkauf an Kriegsgeschädigte im Deutschen Reich.

Chronologische Eckdaten zum militärischen Kunstschutz   I  571

26. 04. 1942 Mai 1942

04. – 15. 05. 1942

12. 05. 1942 13. – 19. 05. 1942 16.05. – 03. 06. 1942 20.05. – 03. 06. 1942 23. 05. 1942

26. 05. 1942

28. 05. 1942 30./31. 05. 1942 03. – 06. 06. 1942 03. – 07. 06. 1942 06. – 23. 06. 1942

08. – 10. 06. 1942

„Führerbefehl“ wird im NS-Herrschaftsbereich unumstößliches Recht. Beendigung von Bunjes’ Tätigkeit beim Kunstschutz (Abschluss­ bericht Referat Kunstschutz im Verwaltungsstab des Kommandanten von Groß-Paris 01. 08. 1940 – 01. 04. 1942 vom 04. 03. 1942). Tieschowitz: Bonn, Fürstenberg und Berlin. 07.05. Treffen mit Wolff Metternich in Fürstenberg, 08. – 12.05. Tieschowitz und Wolff ­Metternich: Berlin, Besprechungen REM und OKH Quartier „Quelle“. Erlass Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung zum „Luftschutz für Kunstwerke“. Wolff Metternich: Bonn. Tieschowitz: Paris, diverse Treffen mit französischen Kollegen. Wolff Metternich: Paris, u. a. Treffen mit Huart und Aubert. Order des Reichsverkehrsministeriums betreffend „Abbeförderung von Kunstwerken“ an Reichsbahndirektionen; Bahntransporte von Kunstwerken zur Auslagerung und Luftschutz. Order des Reichsverkehrsministers betreffend „Einsatz von Nutz­ kraftfahrzeugen für den Luftschutz von Kunstwerken“ an Reichsund Ländermittelbehörden und Bevollmächtigte für den Nahverkehr. Besprechung der Bezirksvertreter Kunstschutz in Paris. Bombardierung der Kölner Innenstadt durch die britische Luftwaffe. Tieschowitz: Berlin, privater Aufenthalt und Reisevorbereitungen. Wolff Metternich: Bonn. Tieschowitz: Reise nach Griechenland (07. – 17.06.) und Serbien (18. – 21.06.). 07. – 11.06. Athen, Treffen mit Kunstschutzkollegen, Militär, Verwaltungsbeamten, 12. – 14.06. Olympia, 16.06. Thessaloniki, Vortrag beim Oberquartiermeister des Wehrmachtbefehlshabers Südost. 18. – 21.06. Belgrad, Treffen mit Reiswitz, Besichtigungen von Ausgrabungen und Museen, Termin bei Turner. Rückreise über Wien nach Paris. Wolff Metternich: Berlin, Tagung der Museumsleiter und Denkmalpfleger in der Reichsanstalt für Luftschutz (über Luftschutz und die Sicherung von Kunstwerken gegen Luftangriffsfolgen – Reaktion auf die vermehrten Luftangriffe); Vorträge Wolff ­Metternichs, „Luftschutz der Kunstwerke in den besetzten Gebieten. Beobachtungen und Erfahrungen“, und Wildemans, „Die Bergung beweglicher Kunstschätze im Rheinland und ihre laufende Betreuung“.

572 I Esther Rahel Heyer

11.06. – 14. 07. 1942 22. 06. 1942 23.06. – 10. 08. 1942 25. 06. 1942 29. 06. 1942 Juli 1942

04. 07. 1942 07. 07. 1942 11. 07. 1942 14. 07. 1942 15. – 28. 07. 1942 16./17. 07. 1942 18. – 27. 07. 1942 29.07. – 10. 08. 1942 10. – 14. 08. 1942 15./16. 08. 1942 15.08. – 13. 09. 1942 17.08. – 10. 09. 1942 19. 08. 1942 22. – 24. 08. 1942 25. – 27. 08. 1942

Wolff Metternich: Paris (genaues Ankunftsdatum unklar), diverse Treffen mit deutschen und französischen Kollegen. Wolff Metternich: Anordnung des Chefs des Verwaltungsstabes zum Arbeitsurlaub in die Rheinprovinz mit sofortiger Wirkung. Tieschowitz: Paris. Tieschowitz und Wolff Metternich: Besprechung über dessen Beurlaubung, folgend Klärungsversuche bezüglich der Umstände. Generalmajor Dwight D. Eisenhower (1890 – 1969) wird Oberbefehlshaber der amerikanischen Truppen in Europa. Abschluss der Tätigkeiten von Zimmermann; fortschreitende Stellen­streichung im Kunstschutz. Korrespondenz über die Einrichtung einer Abteilung Kunstschutz in Ägypten (Afrikafeldzug); Planung wird eingestellt aufgrund der militärischen Rückschläge und der allgemeinen personellen Dezimierung beim Kunstschutz. Tieschowitz und Wolff Metternich: Vortrag bei General von Drabig. Tieschowitz und Wolff Metternich: Vortrag beim Oberbefehlshaber und Militärverwaltungschef Franz Albrecht Medicus (1890 – 1967). Tieschowitz und Wolff Metternich: Vortrag bei Krüger (Kulturreferent). Wolff Metternich: Abreise aus Paris, Antritt Arbeitsurlaub Rheinprovinz. Wolff Metternich: Bonn und Köln. Rafle du Vélodrome d’Hiver, Festnahme mehrerer Tausend Juden durch die französische Polizei und Deportation in Vernichtungslager. Tieschowitz: militärische Übung in Bessières und Vincennes. Wolff Metternich: Paris, diverse Treffen mit deutschen und französischen Kollegen und Besuch kulturelle Veranstaltungen. Tieschowitz und Wolff Metternich: Berlin, Besprechungen DAI und REM betreffend Mittelmeerraum. Tieschowitz: Bonn, im Amt, Besichtigung der Kriegsschäden in Köln. Wolff Metternich: Fürstenberg und Bonn. Diverse Dienstreisen u. a. nach Köln und Trier (bspw. zu Sitzungen). Tieschowitz: Paris. Landungsversuch der Alliierten bei Dieppe. Tieschowitz: Reise von Paris über Rouen nach Dieppe, Besichtigung der Kriegsschäden und Kampfstätten des Landungsversuchs. Tieschowitz: Brüssel, Besprechungen betreffend Genter Altar (dieser war Anfang August trotz der Bemühungen des Kunstschutzes gegen

Chronologische Eckdaten zum militärischen Kunstschutz   I  573

einen Abtransport von Ernst Buchner (1892 – 1962) ins Deutsche Reich verbracht worden). 10. 09. 1942 Aufstellung der 7. Kompanie, Regiment „Majestic“. 11. – 23. 09. 1942 Tieschowitz: Arbeitsurlaub in Bonn, auch Amt und Institut, und München, dort 17.09. Treffen mit Wolff Metternich, Besuch Haus der deutschen Kunst. 13. 09. 1942 Beginn der Schlacht von Stalingrad, Großoffensive der Wehrmacht. 14. – 17. 09. 1942 Wolff Metternich: München. 18. – 23. 09. 1942 Wolff Metternich: Rheinland. 24.09. – 21. 10. 1942 Wolff Metternich: Paris. 24.09. – 22. 11. 1942 Tieschowitz: Paris. 26. – 30. 09. 1942 Tieschowitz und Wolff Metternich: Reise nach Angers, Treffen mit Josef Busley (1888 – 1969). Besprechungen in Gennes an der Loire. 28.09. von Tieschowitz‘ und 30.09. Rückreise Wolff Metternichs nach Paris. 21.10. – 24. 11. 1942 Wolff Metternich: Rheinland. 10. 11. 1942 Einnahme Stalingrads durch die 6. Armee; diese wird am 22.11. von der Roten Armee eingeschlossen. 11. 11. 1942 Einmarsch der Wehrmacht in das unbesetzte Südfrankreich (Freie Zone) der Vichy-Regierung. 22.11. – 25. 11. 1942 Tieschowitz: Bonn, Treffen mit Wolff Metternich und 24.11. gemeinsame Reise nach München. 26.11. – 18. 12. 1942 Wolff Metternich und von Tieschowitz: Studienreise nach ­Italien. Ab 27.11. Rom, 11.12. Florenz, 15.12. Mailand, 17.12. Venedig, 18. 12. Verona; Besichtigungen und Austausch mit Wissenschaftlern der Forschungsinstitute in Italien, insbesondere kunsthistorisches Institut (Bibliotheca Hertziana). 19.12. Ankunft München, 20.12. Wolff Metternich: Treffen mit Clemen in Endorf, Rückreise ins Rheinland, von Tieschowitz nach Paris. 21. 12. 1942 – 07. 01. 1943 Tieschowitz: Paris.

1943 01.01. – 01. 02. 1943

05. 01. 1943

Wolff Metternich: Rheinland, Dienstreisen und Besprechungen, außerdem Arbeit an einer Schrift über die Organisation der staatlichen Kunstpflege in Frankreich und Denkmalpflege im Auftrag von Best für dessen Werk über den französischen Staat. „Inter-Allied Declaration against Acts of Dispossession committed in Territories under Enemy Occupation or Control“; interalliierte Erklärung von 18 Staaten in London gegen Kulturgutraub im Krieg.

574 I Esther Rahel Heyer

Abb. 3  Wolff Metternich (im zivilen Mantel mit schwarzem Hut in der Hand und Spazierstock) mit Margarethe Schmidt und Gisela Günther vor dem Schloss von Versailles, 1942/1943.

07. – 29. 01. 1943

29.01. – 25. 02. 1943 02. 02. 1943 02.02. – 07. 03. 1943

18. 02. 1943

Tieschowitz: Reise nach Südfrankreich zur Ausweitung des Kunstschutzes. 08. – 18.01. Lyon, Meldung beim Kommandanten des Heeresgebiets Südfrankreich und Quartiermeister des Kommandanten, Zuweisung eines Arbeitszimmers in der Dienststelle des Kommandanten. Besprechungen mit französischen Verwaltungsbeamten, Belegungsverbote, Stadt- und Museumsbesichtigungen, gemeinsame Tätigkeiten mit Fuchs, Leiter Bibliotheksschutz. Weitere Stationen u. a. in Marseille, Avignon, Toulouse, Nîmes. 29.01. Übergabe der Geschäfte in Lyon an Hans Möbius (1895 – 1977). Tieschowitz: Paris. Kapitulation der letzten Wehrmachtstruppen in Stalingrad. Wolff Metternich: Paris, Fortführung der Arbeit über französische Denkmalpflege und Austausch dazu mit Kollegen der französischen Kulturverwaltung. Besprechungen über die eigenen Dienstverhältnisse (Abb. 3). Verkündung des „Totalen Kriegs“ durch Propagandaminister Joseph Goebbels.

Chronologische Eckdaten zum militärischen Kunstschutz   I  575

25.02. – 12. 03. 1943

05. 03. 1943 08.03. – 02. 05. 1943

13.03. – 13. 04. 1943 13. – 16. 04. 1943 17.04. – 13. 05. 1943 20. 04. 1943

02. – 05. 05. 1943 06.05. – 05. 06. 1943 14. – 16. 05. 1943 17.05. – 05. 06. 1943 18. 05. 1943

05./06. 06. 1943 05. – 27. 06. 1943

28. – 30. 06. 1943 07.06. – 30. 07. 1943

Tieschowitz: Arbeitsurlaub. 27.02. – 01.03. Berlin, dort auch Besprechung REM. 02. – 04.03. Bonn, im Amt. 05. – 08.03. Marburg, Insti­ tut und Treffen mit Hamann. 09. – 12.03. Bonn, Besprechungen im Amt und im Institut. Beginn schwerer alliierter Bombenangriffe auf das Ruhrgebiet. Wolff Metternich: Rheinland, Weiterführung der Kunstschutzmaßnahmen und Dienstreisen (u. a. Trier, Saarburg, Luxemburg). 02.04. Besprechung der Beauftragten für Kunstschutz. Austausch mit Clemen über „Fragen des Kriegskunstschutzes und der Denkmal­ pflege“. 22. – 27.04. Fürstenberg. Tieschowitz: Paris. 14. – 20.03. militärische Übung in Moisson sur Seine. Tieschowitz: Bonn, Besprechungen mit Wolff Metternich im Amt. Tieschowitz: Paris. Bericht des Chefs der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdiensts an das REM über Wolff Metternich und dessen eindeutige frankophile und mit den Interessen des Reiches nicht im Einklang stehende Haltung. Wolff Metternich: Berlin, Besprechungen im REM. Wolff Metternich: Bonn. 06. – 09.05. und 22. – 24.05. in Fürstenberg. Tieschowitz: Bonn, Besprechungen mit Wolff Metternich. Tieschowitz: Paris. Tieschowitz: Sitzung zu einem „Gesetz für Ausfuhr von Kunstwerken“ [Bezug unklar, Inhalte und Umsetzung aus den Kalenderdaten nicht ersichtlich]. Tieschowitz: Reise mit Kuetgens nach Angers, Treffen mit Busley, gemeinsam nach Tours, Amboise, Chaumont, Chenonceaux. Wolff Metternich: Reise nach Italien. Bis 19.06. in Rom, Treffen mit Kollegen an den Auslandsinstituten, Museumsfachleuten und Denkmalpflegern, Militär und Verwaltungsbeamten und Besprechungen über Bergungsmaßnahmen. 20. – 27.06. Florenz, Besprechungen kunsthistorisches Institut, auch über Kunstschutz. Wolff Metternich: München, Landesamt für Denkmalpflege und Besuch bei Clemen in Endorf. 01.07. Rückreise nach Bonn. Tieschowitz: Paris, Besprechungen mit Möbius nach dessen Rückkehr aus Südfrankreich und Vorbereitung der Südfrankreichreise Kuetgens’ und der Kollegen aus Archivschutz und Bibliotheksschutz; Besprechungen über den Schutz sowie Besichtigung des Basler Altars.

576 I Esther Rahel Heyer

Abb. 4 Wolff Metternich mit Bernhard von Tieschowitz (li.) und seinem Fahrer Josef Bauch, 24. Juli [1943].

10. 06. 1943 28. 06. 1943 02. – 11. 07. 1943 10. 07. 1943 12. – 25. 07. 1943 24. – 28. 07. 1943

26.07. – 20. 09. 1943

31. 07. 1943

Beginn der kombinierten Bombardierungsoffensive gegen Deutschland durch die Westalliierten. Schwere Beschädigung des Kölner Doms bei Bombenangriff. Wolff Metternich: Bonn, u. a. Besichtigungen und Besprechungen in Köln, grundsätzliche Richtlinien für Notstandsarbeiten. Landung britischer und amerikanischer Truppen auf Sizilien. Wolff Metternich: Paris, Dienstgeschäfte, Ordnen der Akten, Besichtigungen und Ausstellungsbesuche. Überführung von Kunstschutzakten nach Bonn. Durchsicht der Akten durch von Tieschowitz und Wolff Metternich; Transport durch den Kraftfahrer Josef Bauch (Lebensdaten unbekannt, Fahrer des Provinzialkonservators im Rheinland und auch in Paris) (Abb. 4). Wolff Metternich: Rheinland, Vielzahl an Dienstreisen, Besichtigung von Kriegsschäden und Erkundung von Bergungsorten. 27.08. – 13.09. Fürstenberg. Erklärung Roms zur „offenen Stadt“.

Chronologische Eckdaten zum militärischen Kunstschutz   I  577

31.07. – 02. 08. 1943 August 1943

02. – 05. 08. 1943 06. – 13. 08. 1943 14. – 23. 08. 1943

24. – 29. 08. 1943

24.08. – 09. 09. 1943 30.08. – 28. 09. 1943 08. 09. 1943 10. 09. 1943

21.09. – 16. 10. 1943

02./03. 10. 1943

04. – 25. 10. 1943

13. 10. 1943 17.10. – 01. 11. 1943 20. 10. 1943 21. 10. 1943

25.10. – 10. 12. 1943

Tieschowitz: Reise nach Vaux-de-Cernay, Treffen mit Stülpnagel. Ausbau des US-amerikanischen Kunstschutzes zur Gründung der American Commission for the Protection and Salvage of Artistic and Historic Monuments in War Areas (Roberts Commission) und der Monuments, Fine Arts, and Archives Section (MFA&A). Tieschowitz: Paris. Tieschowitz: Reise nach Dijon und Lyon, Besichtigungen. Tieschowitz: Paris, Besprechungen mit Kollegen, Archiv- und Biblio­ theksschutz, Vortrag von Tieschowitz’ über Angriff und Verteidigung vor III. Btl. Majestic, auch Telefonat mit Wolff Metternich. Tieschowitz: Berlin, Besprechungen REM, und Bonn, Zerstörungen besichtigt, telefonische Rücksprache mit Wolff Metternich (Fürstenberg). Schreibkraft (Kunstschutz OKH) Margarethe Schmidt in Lyon. Tieschowitz: Paris, u. a. Besichtigungen der Schäden nach Fliegerangriffen auf Paris. Bekanntgabe des Waffenstillstands der Alliierten mit Italien. Rom und Norditalien werden von deutschen Truppen besetzt. Entwaffnung italienischer Besatzungstruppen in Albanien, Griechenland, Jugoslawien und Südostfrankreich durch die Wehrmacht. Wolff Metternich: Paris, Besprechungen im Amt, Drucklegung der Arbeit über die französische Kunstpflege, Besprechungen über die eigenen Dienstverhältnisse: nach Entlassung aus dem Militärdienst als Beauftragter des REM im Zivilverhältnis für die Steuerung des Kunstschutzes zuständig. Tieschowitz und Wolff Metternich: Reise mit Kunstschutzmitarbeitern, u. a. Kuetgens und Schmidt, nach Angers, Treffen mit Busley. Wolff Metternich bleibt bis 07.10. Tieschowitz: Paris, 19.10. Auftrag (Medicus, OKH) zur Einrichtung des Kunstschutzes in Italien; folgend Abwicklung der Arbeiten in Paris. Kriegserklärung der italienischen Regierung an das Deutsche Reich; Italiens Anerkennung als Verbündeter durch die Westmächte. Wolff Metternich: Bonn, Arbeit im Amt, Dienstreisen im Rheinland. Wolff Metternich: Kriegsverdienstkreuz I. Klasse mit Schwertern. Wolff Metternichs: Entlassung aus dem Militärdienst. Nachfolger für die Dienstgeschäfte OKH wird der vormalige Stellvertreter von Tieschowitz. Tieschowitz: Reise nach Italien, Aufbau Kunstschutz Italien. Über München, Trient, Rovereto, Montefiascone nach Rom. 31.10. – 21.11.

578 I Esther Rahel Heyer

Rom, Besichtigungen, Besprechungen und Termine mit Botschaft, Militär, Leitern des archäologischen und kunsthistorischen Instituts, deutscher Botschaft, italienischem Ministerium etc., Besprechungen über Montecassino und Auslagerung der Kulturgüter aus Kloster Casamari in die Engelsburg; 21.11. Ankunft Hans Gerard Evers’ in Rom und Geschäftsübernahme. 29.11. – 01.12. Florenz, Besprechungen u. a. im kunsthistorischen Institut. Weiterreise über Mailand und 04. – 08.12. Verona, u. a. Besichtigungen, Meldung beim Chef der MV, Besprechung mit Botschaftern. 02. – 09. 11. 1943 Wolff Metternich: Paris, Meldung bei Militärverwaltungschef, Stabschef und Militärbefehlshaber über das Ausscheiden aus der MV ; auch Besprechung mit dem Personalreferat über Aufgaben der Gruppe Kunstschutz und Personalfragen. 10.11. – 23. 12. 1943 Wolff Metternich: Rheinland und Fürstenberg. 28.11. – 1. 12. 1943 Konferenz von Teheran: Stalin, Roosevelt und Churchill entscheiden über Grundlagen einer europäischen Nachkriegsordnung. 10. – 16. 12. 1943 Tieschowitz: Paris, 14.12. Vortrag über Italien. 16. 12. 1943 – 01. 01. 1944 Tieschowitz: Bonn, diverse Treffen mit Kollegen im Amt und im Institut, Besprechungen mit Wolff Metternich. 23. 12. 1943 Beauftragung Albert Speers durch Hitler zur Planung des Wiederaufbaus der deutschen Städte. 29. 12. 1943 – 12. 01. 1944 Wolff Metternich: Rheinland (genaues Ankunftsdatum unbekannt).

1944 02.01. – 06. 01. 1944 07.01. – 26. 01. 1944 13. – 29. 01. 1944 22. 01. 1944 27.01. – 01. 02. 1944 01. 02. 1944 02.02. – 18. 04. 1944

13. 03. 1944 09. – 22. 02. 1944

Tieschowitz: Berlin, auch Besprechungen REM. Tieschowitz: Paris, u. a. Besprechungen mit Jaujard, Busley, Schoenebeck. Wolff Metternich: Paris, Dienstgeschäfte und Besichtigungen. Landung alliierter Truppen südlich von Rom. Tieschowitz: militärischer Lehrgang in Maisson bei Bonnières. Vereinigung der wichtigsten französischen Widerstandsgruppen als Forces françaises de l’intérieur (FFI). Tieschowitz: Paris, u. a.  10.02. Treffen mit Germain ­Martin (1872 – 1948), Präsident des Institut de France; militärische Besprechungen. Beendigung der Tätigkeiten und Abreise Kuetgens’ aus Paris. Wolff Metternich: Paris, u. a. Besprechungen und kulturelle Veranstaltungen, Besichtigungen Rouen und Jumièges.

Chronologische Eckdaten zum militärischen Kunstschutz   I  579

15. 02. 1944 25.03. – 07. 04. 1944

19. – 25. 04. 1944 26.04. – 16. 08. 1944

Mai 1944

18. 05. 1944 03. 06. 1944

04. 06. 1944 06. 06. 1944 03. 07. 1944 20. 07. 1944 10. – 16. 08. 1944

12. – 14. 08. 1944

Zerstörung des Benediktinerklosters in Montecassino in Italien bei alliiertem Bombenangriff. Wolff Metternich: Paris, Besprechungen mit Kunstschutzkollegen aus den Bezirken und französischen Beamten, 27.03. mit von ­Tieschowitz bei Abel Bonnard (1883 – 1968), Ministre de l’Éducation nationale. Tieschowitz: militärische Übung in Bonnières sur Seine und Mousseaux. Tieschowitz: Paris, diverse Besprechungen mit französischen Beamten und deutschen Militärs, Belehrungen der Kompanie über den Einsatz; nach und nach kommen die Mitarbeiter der Referate aus den Bezirken und besetzten Gebieten nach Paris und reisen endgültig zurück ins Deutsche Reich (28.04. Abschied Schnath, 16.05. Abreise Kraiker, 09./10.06. Evers in Paris und Abreise, 28.06. Möbius aus Nîmes zurück in Paris und 10.07. Abschied, 03.08. Busley in Paris, 10.08. Abreise Margarethe Schmidt, 15.08. Abreise Fuchs etc.). Gründung des British Committee on the Preservation and Restitution of Works of Art, Archives and Other Material in Enemy Hands (Macmillan Committee); britischer Kunstschutz, Kooperation mit MFA&A. Alliierte Truppen erobern Montecassino und durchbrechen die deutsche Verteidigungslinie; Beginn des Vormarschs auf Rom. Einrichtung einer provisorischen Regierung der französischen Republik unter Charles de Gaulle (1890 – 1970) in Algier; Ende der Vichy-Regierung. Einmarsch der Alliierten in Rom; widerstandsloser Abzug deutscher Truppen. Landung der Alliierten in der Normandie. Tieschowitz: „große Louvre-Besprechung“. Gescheitertes Bombenattentat auf Hitler durch die Widerstandsgruppe um Claus Graf Schenk von Stauffenberg (1907 – 1944). Tieschowitz: Abschlussarbeiten im Büro Kunstschutz, (Geheim-) Akten vernichtet und verpackt, nicht alles wird abtransportiert; Abschlussbesprechung mit Jean Prinet (1912 – 1991, Bibliothèque nationale), dieser holt die letzten Pakete ab. Bemühungen der SS , den Teppich von Bayeux, der im ­Louvre eingelagert wurde, ins Deutsche Reich abzutransportieren. ­Tieschowitz: Vorträge bei der MV und der deutschen Botschaft

580 I Esther Rahel Heyer

15. 08. 1944 16.08. – 06. 09. 1944 25. 08. 1944 03. 09. 1944 06. – 30. 09. 1944

September 1944

08. 09. 1944 11. 09. 1944 30.09. – 20. 10. 1944 01. 10. 1944 02. 10. 1944 03. 10. 1944 18. 10. 1944 20. 10. 1944 21. 10. 1944 23. 10. 1944

24. 11. 1944

16. 12. 1944

sowie ­Besprechungen mit französischen Kollegen, um den Abtransport zu verhindern. Landung alliierter Truppen in Südfrankreich. Tieschowitz: Rückzug aus Paris über St. Dié bis Bonn. Befreiung von Paris; Einmarsch alliierter Verbände und der Widerstandstruppen um de Gaulle. Einnahme Brüssels durch die Westmächte. Tieschowitz: Rheinland, u. a. Besprechungen im Amt und im Institut, Anträge zur Verbeamtung, Treffen mit Wolff Metternich und gemeinsame Vorträge beim Oberbefehlshaber West, Gerd von Rundstedt (1875 – 1953), Gespräch mit Medicus, OKH. Wolff Metternich: Beginn der Ausfertigung „Abschliessender Bericht über die Arbeit des Kunstschutzbeauftragten in der Zeit von Mai 1940–September 1944 (02/1945)“ unter Rücksprachen mit von Tieschowitz. Verschleppung Pétains nach Sigmaringen durch die NS-Regierung. In Trier erreichen alliierte Truppen das Gebiet des Deutschen Reichs. Tieschowitz: Marburg, Annahme- und Entlassungsstelle für MVBeamten und Kaserne in Bonn; auch im Amt und im Institut. Tieschowitz: Ernennung zum Beamten. Tieschowitz: Entlassung aus der MV. Befehl Hitlers zum Rückzug aus Griechenland. Flächenbombardement auf Bonn; schwere Zerstörung der Universität und des Denkmalpflegeamts. Tieschowitz: Abmarsch mit der 361. Infanterie-Division. Aachen wird als erste deutsche Stadt von den Alliierten besetzt. Offizielle Anerkennung der provisorischen französischen Regierung unter de Gaulle durch die Sowjetunion, Großbritannien und die USA. Gründung der Commission de récupération artistique, französische Einheit zur Rückführung von geraubtem Kulturgut nach Frankreich. Ardennenoffensive: letzter vergeblicher Verteidigungsangriff der deutschen Wehrmacht gegen die alliierten Streitkräfte.

Chronologische Eckdaten zum militärischen Kunstschutz   I  581

1945 04. – 11. 02. 1945

06. 03. 1945 04. – 12. 04. 1945 17. 04. 1945 26. 04. 1945 30. 04. 1945 08./09. 05. 1945 Ab Mai 1945



05. 06. 1945

08. 07. 1945

17.07. – 02. 08. 1945 Ab Juli 1945

02. 08. 1945

Konferenz von Jalta: Frankreich wird von der Sowjetunion, Großbritannien und den USA als gleichberechtigte Besatzungsmacht anerkannt. Befehl Hitlers zur Evakuierung der Berliner Kunstschätze und Verlagerung ausgelagerten Kulturgutes in westlichere Gebiete. Wolff Metternich: Fürstenberg, wird von den Alliierten aufgegriffen; Inhaftierung im Zuchthaus in Rheinbach. Letzte im Ruhrgebiet eingekesselte Wehrmachtstruppen ergeben sich. Pétain wird durch die französische Regierung inhaftiert. Selbstmord Hitlers im Führerbunker in Berlin. Kapitulation der Wehrmacht, Kriegsende. Wolff Metternich: Bemühungen um die Wiederaufnahme seiner Tätigkeiten als Provinzialkonservator und Zusammenarbeit mit MFA &A-Offizieren zur Rückführung der ausgelagerten Kulturgüter. Einrichtung zentraler Sammelstellen durch die Alliierten für die Bergung ausgelagerter Kulturgüter, Organisation auch in Zusammenarbeit mit deutschen Kulturschaffenden und Institutionen (bspw. erster Central Collecting Point in Marburg, Central Collecting Point München, CP Wiesbaden, Kultursammeldepot Schloss Dyck etc.). Nutzung zur Erfassung, Rückführung und Restitution von geraubtem Kulturgut, aber auch Ausstellungen. Berliner Deklaration: Übernahme der „Obersten Regierungsgewalt in Deutschland“ durch die vier Siegermächte; Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen und Aufteilung Berlins in vier Sektoren. Gründung des „Kulturbunds zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ in Berlin durch Kulturschaffende und Wissenschaftler. Potsdamer Konferenz – Abkommen zur Regelung der alliierten Politik für das Deutsche Reich. Wolff Metternich: Bemühungen um eine Neuorganisation der Denkmalpflege in der Rheinprovinz; Diskussion über Wolff Metternich als Staatskonservator und Provinzialkonservator in Personalunion. Wolff Metternich: Vorläufige Bestätigung im Amt durch die britische Militärverwaltung und Wiederaufnahme der Tätigkeiten als Provinzialkonservator.

582 I Esther Rahel Heyer

18. 10. 1945

24. 10. 1945 07. 11. 1945

Beginn des Prozesses des Internationalen Militärgerichts gegen 24 Hauptkriegsverbrecher in Berlin; ab 20.11. Nürnberger Prozesse vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg. Gründung der UNO; Unterzeichnung der Charta der Vereinten Nationen durch 51 Staaten. „Wiesbadener Manifest“ amerikanischer MFA &A-Kunstschutz­ offiziere gegen die Verbringung deutschen Kulturgutes in die USA.

1946 – 1964 14. 02. 1946 01. 04. 1947 Februar 1948 21. 04. 1948 23. – 27. 08. 1948 1949 1950 – 1952

1953 – 1962 1953 – 1967 1964

Wolff Metternich: Endgültige Bestätigung als Provinzialkonservator durch die britische Militärverwaltung. Wolff Metternich: Ernennung zum Landeskonservator im Rahmen der Verwaltungs-Neuorganisation der Denkmalpflege. Wolff Metternich: Wiederzulassung als Dozent an der Universität Bonn. Wolff Metternich: Abschluss des Entnazifizierungsverfahrens und Entlastungs-Zeugnis Kategorie V „unbelastet“. Erster deutscher Kunsthistorikertag in Brühl. Vortrag Wolff ­Metternichs über „Die zerstörten europäischen Kunstdenkmäler“. Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Wolff Metternich: Leiter des Referats Wissenschaft in der Abteilung Kultur beim Auswärtigen Amt; Tieschowitz: Leiter der Treuhandverwaltung von Kulturgut beim Auswärtigen Amt, Bonn. Wolff Metternich: Direktor der wiedereröffneten Bibliotheca Hertziana, Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte, Rom. Tieschowitz: Referent der Kulturabteilung, Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Paris. Wolff Metternich erhält den Orden der französischen Ehrenlegion; Anerkennung der Verdienste für den Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg.

Chronologische Eckdaten zum militärischen Kunstschutz   I  583

Synopse der Taschenkalender Wolff Metternichs, von Tieschowitz’ und Bunjes’ Esther Rahel Heyer/Julia Schmidt

Die Taschenkalender Bernhard von Tieschowitz’ (1902 – 1968) und die Tagebücher sowie Taschenkalender Franziskus Graf Wolff Metternichs (1893 – 1978) im NL FGWM ermöglichen einen interessanten Einblick in die Reisetätigkeit sowie in die persönlichen Begegnungen, Besprechungen in Ämtern, Treffen mit Künstlern und Kunsthändlern, aber auch Aussagen zu Konflikten und Kooperationen.1 Eine Synopse dieser Tageskalender, in Form einer tabellarischen Auflistung und Gegenüberstellung der dort enthaltenen Informationen, soll vertiefende Einblicke in den Aktionsraum dieser Akteure und ihr Netzwerk geben. Sie werden mit Inhalten aus den Kalendern von Hermann Bunjes (1911 – 1945) ergänzt, der u. a. in Bonn Kunstgeschichte studiert hatte und ab September 1940 beim Kunstschutz in Frankreich für den Militärverwaltungsbezirk Großraum Paris zuständig war. Er leitete zudem die im Januar 1942 gegründete Kunsthistorische Forschungsstätte in Paris, die bis August 1944 bestand. Er gehört damit zum erweiterten Netzwerk um Wolff Metternich und Tischowitz, eröffnet aber eine weitere Perspektive aufgrund seiner aktiven Verbindungen zum Kunstraub in Frankreich.2

1 Taschenkalender von Bernhard von Tieschowitz, 1940 – 1944, NL FGWM, Nr. 251. Taschenkalender Wolff Metternich Jahre 1939, 1942 und 1943 in NL FGWM, Nr. 437 und Tagebücher 1940 – 1942 und 1943 im NL FGWM, Nr. 200. 2 Kalender Hermann Bunjes’ 1941 – 1944/45, Archives nationales, AJ 40/1674. Diese Quellen sind beispielsweise für benachbarte Projekte wie Nikola Dolls Studie „Zwischen Kunst, Wissenschaft und Besatzungspolitik“ am Deutschen Forum für Kunstgeschichte und „Die Provenienz des Mainzer Buchbestandes aus der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris (1942 – 44)“, das von Sabine Scherzinger und Julia Schmidt an der Universität Mainz bearbeitet wurde, von großem Interesse und werden dort intensiv bearbeitet. Siehe hierzu auch den Beitrag von Julia Schmidt in d ­ iesem Band, außerdem dies., Die Bücher der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris in der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Der französischsprachige Bestand: Geschenkt – Gekauft – Gewollt, in: Hans-Werner Langbrandtner/Esther Heyer/Florence de Peyronnet-Dryden (Hg.), Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland. Franziskus Graf Wolff Metternich und der Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im National­ sozialismus 5), Köln/Wien/Weimar 2021 und Sabine Scherzinger, Bonn – Paris – ­Bürresheim –

Konkret wurden die Transkriptionen der Taschenkalender Wolff Metternichs, von ­ ieschowitz’ und Bunjes’ systematisch in einer Tabelle erfasst. Die selektiven AufstellunT gen der Daten, geordnet nach Akteur und Jahr, sind in der Datenbank zum Sachinventar zugänglich und mittels Suchfunktion durchsuchbar. In den Tabellen wurden Datum, Ort, Personen und Tätigkeit (bzw. der Eintrag hierzu in Transkription) verkürzt erfasst.3 Durch die Gegenüberstellung werden Personenkontakte, Beziehungen und Veranstaltungen sichtbar, die grundlegende Informationen für ein Verständnis der Netzwerke und Ereignisse liefern können. Aus der Beschreibung der Termine und Umstände in den Kalendern werden darüber hinaus Zusammenarbeiten, Streite, Tätigkeiten von Kunstraub und Kunstschutz, Forschungsvorhaben, kulturelle Erlebnisse und private Umstände ersichtlich. Die Inhalte sind wörtlich wiedergegeben, normale runde Klammern sind aus den Quellen entnommen, eckige Klammern und „[…]“ verdeutlichen unleserliche Elemente und Anmerkungen der Transkription.4 Während in der digitalen Version des Sachinventars die gesamten vorhandenen Kalender gegenübergestellt werden, findet sich in der gedruckten Version lediglich ein Ausschnitt, um die Vorgehensweise zu verdeutlichen. Für diese Ansicht wurde eine direkte Gegenüberstellung der Daten nebeneinander gewählt, die sich von der Online-Präsentation der Daten unterscheidet. Es handelt sich bei der folgenden Tabelle um eine Zusammenstellung von Daten aus den Kalendern Wolff Metternichs, von Tieschowitz’ und Bunjes’ aus dem Zeitraum vom 22. Juni 1942 bis 14. Juli 1942. Dieser Ausschnitt wurde ausgewählt, da zu d ­ iesem Zeitraum die Beurlaubung Wolff Metternichs erfolgte und dementsprechend interessante Treffen in Paris stattfanden. Schon eine kursorische Auswertung dieser Synopse lässt einige spannende Rückschlüsse auf die Schreibpraktiken, die Priorisierungen der drei Akteure und nicht zuletzt ihre Netzwerke und Tätigkeiten zu. Eine Auswahl dieser Erkenntnisse und Beobachtungen Mainz. Die Translokation der Bibliothek der ehemaligen Kunsthistorischen Forschungsstätte in Paris in den besetzten Gebieten vor und nach 1945, in: ebd., S. 249 – 265. 3 An dieser Stelle wird auf die unterschiedliche Darstellung der Inhalte für die Nutzung bei der Recherche im Familienarchiv Wolff Metternich im Bestand NL FGWM bzw. in der Online-Darstellung in der Datenbank zum Sachinventar verwiesen: Die gesamte Tabelle (Excel) mit Gegenüberstellung der Daten ist bei der Recherche im Bestand NL FGWM einsehbar und nutzbar. Die frei zugängliche Online-Darstellung zeigt diese Daten verkürzt und systematisch nach Personen und Jahr gegliedert. 4 Zur Vereinheitlichung der Darstellung wurde nach Abfolge der Wochentage (Montag bis Sonntag) ein auf den Sonntag folgendes Notizfeld ergänzt. In den Kalendern selbst befindet sich das Notizfeld an unterschiedlicher Stelle (nach Samstag oder Sonntag). Oftmals sind in der Transkription aufgrund der schwierigen Lesbarkeit der Handschriften Fehlstellen festzustellen. Es kann insofern weder Vollständigkeit noch Fehlerlosigkeit garantiert werden. Daher ist die Konsultation der Originalquellen weiterhin von enormer Wichtigkeit. Die digitale Präsentation ermöglicht zudem auch künftig Korrekturen und Ergänzungen in den Daten.

586 I Esther Rahel Heyer/Julia Schmidt

wird hier kurz vorgestellt, wobei das Material freilich unter anderen Fragestellungen weiterbearbeitet werden kann. Zum einen unterschieden sich die Aufzeichnungstätigkeiten der drei Akteure deutlich voneinander. Bernhard von Tieschowitz beschrieb sehr regelmäßig und oft ausführlich die Tagesgeschehnisse. Auch Besuche von Ausstellungen, Vorträgen, Opern, Theatern oder Restaurants sind häufig genannt – seltener auch mit Verweis auf kulinarische Besonderheiten wie beispielsweise das Essen von Austern. Wolff Metternichs Kalender weisen hingegen viele Leerstellen auf, die notierten Informationen sind häufig durchgestrichen. Kontinuierlich sind hingegen im Kalender die Briefwechsel mit seiner Frau Alix (1900 – 1991) notiert; anhand des Datums können die entsprechenden Feldpostbriefe ­zwischen dem Ehepaar im NL FGWM zugeordnet werden und somit erweiterte Rückschlüsse auf die Abläufe geben. In seinem unregelmäßig geführten Tagebuch verweist er sogar explizit darauf, dass die Briefe an seine Frau die Lücken der Eintragungen ersatzweise dokumentieren könnten.5 Hermann Bunjes führte zeitweise mehrere Kalender, Tagesmerk- bzw. Notizbücher gleichzeitig, hier ist aus dem Tagesmerkbuch von 1942 zitiert. Viele der Einträge Bunjes’ sind diagonal durchgestrichen, was möglicherweise eher einem Abhaken gleichkam als einem tatsächlichen Streichen der Termine. Ein horizontales Durchstreichen von Terminen ist auch in Wolff Metternichs Kalendern zu beobachten, wohingegen Termine, die nicht stattgefunden haben, als „ausgefallen“ gekennzeichnet wurden. Auch die personellen Bezüge der Kalender sind unterschiedlich stark ausgeprägt. Während in Bunjes’ Notizen auch Wolff Metternich und von Tieschowitz erwähnt werden, was im Jahr 1941 häufig vorkommt und 1942 abnimmt, sind in von Tieschowitz’ Kalendern Treffen mit Bunjes 1941 meist deckungsgleich zu finden und er wurde auch 1942 und 1943 noch öfter erwähnt; in Wolff Metternichs Aufzeichnungen sind die Hinweise auf Bunjes hingegen seltener. Bunjes war in ­diesem dargestellten Zeitraum nicht Teil der regelmäßigen Treffen der Kunstschutz-Kollegen, sondern befand sich auf Reisen in Orléans, Blois und Chambord. Bei ihm wurden zudem andere Personen vermerkt, die bei Wolff Metternich und von Tieschowitz nicht oder selten auftauchen, außerdem Zahlen und Geldbeträge, die auf geschäftliche Transaktionen oder eigene Geldangelegenheiten rückschließen lassen könnten. Gründe für diesen in den Kalendereinträgen ersichtlichen erweiterten Personenkreis könnten aus den verschiedenenen – teilweise parallel laufenden – Tätigkeiten Bunjes‘ erklärlich sein.

5 Mit seiner Berufung zum Kunstschutzbeauftragten im Mai 1940 begann Wolff Metternich mit dem Ziel, die Ereignisse zu dokumentieren, ein Tagebuch zu schreiben, das er in den ersten Wochen noch regelmäßig nutzte. Am 25. 05. 1940 endet es zunächst ohne Erklärung. Am 17. 07. 1941 nahm er seinen Bericht wieder auf und verwies darauf, dass die Feldpostbriefe an seine Frau Alix diese Lücken des Tagebuchs schließen sollten: Ich hatte es im Drang der Geschäfte vernachlässigt und mir gedacht, dass meine Briefe an Alix einen Ersatz bieten würden. Das ist auch weitgehend der Fall. NL FGWM , Nr. 200, Tagebuch Wolff Metternich 1940 – 1942. Diese Feldpostbriefe als Gegenüberlieferung befinden sich in NL FGWM, Nr. 19.

Synopse der Taschenkalender Wolff Metternichs, von Tieschowitz’ und Bunjes’  I  587

Bunjes leitete seit Anfang 1942 die Kunsthistorische Forschungsstätte in Paris und war auch als Agent für Hermann Göring (1893 – 1946) auf dem französischen Kunstmarkt tätig. Am 1. Juli 1942 traf Bunjes bspw. unter anderem den französischen Kunsthändler Étienne Bignou (1891 – 1950), der eine Großschenkung von französischen Auktionskatalogen an die Bibliothek der Kunsthistorischen Forschungsstätte tätigte, und Hans Joachim Apffelstaedt (1902 – 1944), Leiter der Kulturabteilung der Rheinischen Provinzialverwaltung.6 Wolff ­Metternich notierte in seinem Kalender an ­diesem Tag einen späteren Termin mit Apffelstaedt, es scheint jedoch kein gemeinsames Treffen stattgefunden zu haben. Rückschlüsse auf eine mögliche Involvierung der Akteure in Kunsthandel oder Kunstraub können auf Grundlage der Kalender hier nur angedeutet werden. Es finden sich zwar Hinweise auf Ankäufe von Kunstwerken, diese wurden aber selten konkret benannt, wie etwa am 10. Juli 1942 bei von Tieschowitz notiert: mit Kuetgens Bildeinkauf bei Clairin für Minister. Die Gegenüberstellung der Kalender soll jedoch einen Anreiz geben, solchen Hinweisen unter Einbezug weiterer Quellen nachzugehen. Auf unterschiedliche Priorisierungen dessen, was aufgeschrieben wurde, lässt sich ebenfalls anhand der Gegenüberstellung der Kalender rückschließen. So legte von Tieschowitz viel Wert darauf, sein persönliches enges Netzwerk aus Kunstschutzkollegen dort festzuhalten. Dieses traf sich häufig im Royal Monceau und wurde von ihm regelmäßig als „innerer Kreis“ bezeichnet, ohne dass bisher geklärt werden konnte, wen genau er dazu zählte.7 Er notierte etwa am 6. Juli 1942: Treffen innerer Kreis bei Gigue (Gisela Günther, Schreibkraft beim Kunstschutz, Lebensdaten unbekannt). Im Verlauf des Junis und somit kurz vor der Beurlaubung Wolff Metternichs war von Tieschowitz auf Reisen in Serbien und Griechenland, Wolff Metternich war zeitgleich in Berlin und Paris. Am 23. Juni 1942 reiste von Tieschowitz über Saarbrücken wieder zurück nach Paris und traf dort am Abend, wie auch am folgenden Tag, Wolff Metternich, Joseph Buchkremer (1899 – 1986), Ernst Heinrich Zimmermann (1886 – 1971) und Felix Kuetgens (1890 – 1976) im Royal Monceau. Buchkremer war Dombaumeister in Aachen, er unternahm im Juni 1942 eine Reise nach Paris, und sein Bericht darüber sowie eine Niederschrift zu den Säulen des Aachener Doms aus dieser Zeit finden sich ebenfalls im NL FGWM dokumentiert.8 Neben den häufig genannten Treffen des engen Kreises der Kunstschutzmitarbeiter in Paris ­zwischen

6 Siehe dazu auch die Beiträge von Heidi Gansohr und Julia Schmidt in ­diesem Band, außerdem die Forschung von Nikola Doll zur Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris und Hermann Bunjes. 7 Im Hôtel Royal Monceau wohnte Wolff Metternich während seiner Pariser Zeit. Dort fanden auch Tagungen, Besprechungen und, wie im genannten Beispiel, regelmäßige gemeinsame Abendessen im Kollegenkreis statt. 8 NL FGWM, Nr. 4, Die Säulen des Aachener Doms. Darin Mappe „Aachen“ mit Bauzeichnungen der Säulen des Aachener Doms von Joseph Buchkremer von Juli 1942 mit Anmerkungen Wolff Metternichs. Außerdem NL FGWM, Nr. 158, darin Bericht und Skizzen von Joseph Buchkremer zur Reise nach Paris, Juni 1942.

588 I Esther Rahel Heyer/Julia Schmidt

von Tieschowitz, Wolff M ­ etternich, Kuetgens, Gisela Günther und Margarethe Schmidt (Schreibkraft beim Kunstschutz, genannt Schmidt’chen, Lebensdaten unbekannt) sind auch Kollegen aus benachbarten Referaten in Paris, wie bspw. Eduard Neuffer (1900 – 1954) und Hans Möbius (1895 – 1977), Referat Frühgeschichte und Archäologie, Teil der regelmäßigen Treffen in Paris. Des Weiteren waren die Kollegen Zimmermann und Josef Busley (1888 – 1969) aus den französischen Militärverwaltungsbezirken immer wieder in Paris und nahmen an diesen Treffen teil. In Wolff Metternichs Kalender wurden für die Tage im gewählten Ausschnitt weniger die Treffen in Kollegenkreisen notiert, an denen er laut von Tieschowitz jedoch teilnahm. Vielmehr vermerkte er Termine mit französischen Amtsträgern, so etwa ein ausgefallenes Treffen für den 10. Juli 1942 mit Dr. Michel (vermutlich Kunsthistoriker und Museumskonservator Eduard Michel, 1873 – 1953) oder am 25. Juni 1942 ein geplantes Treffen mit dem Minister für Nationalerziehung im Vichy-Regime, Abel Bonnard (1883 – 1968). Am 25. Juni 1942 notierte von Tieschowitz: Fall Metternich! – ein Hinweis auf die Beurlaubung Wolff Metternichs, die sich bei d ­ iesem selbst jedoch nicht im Kalender niederschlug. An d ­ iesem Tag waren laut von Tieschowitz auch Kollegen der Fotokampagnen aus Marburg in Paris, Richard Hamann (1879 – 1961), Frieda Dettweiler (1900 – 1996) und Johanna Müller (1900–unbekannt), die er für ein gemeinsames Abendessen traf. Den späteren Abend verbrachte von Tieschowitz danach jedoch allein mit Wolff Metternich im Monceau, höchstwahrscheinlich um die Umstände der Beurlaubung zu besprechen. Die Unterlagen im NL FGWM unterstützen diese Interpretation: Das ­diesem Treffen ­zwischen Wolff Metternich und von Tieschowitz zugrunde liegende Fernschreiben zur Beurlaubung Wolff Metternichs ist auf den 22. Juni 1942 datiert. Die Festsetzung des Abreisetages wurde durch den Chef des Verwaltungsstabes am 8. Juli 1942 auf den 14. Juli 1942 festgesetzt: (…) Entsprechend der Verfügung des OKH /Gen. Qu. (Verw.) vom 22. 6. 1942 – Nr. II /8045/42 – erhalten Sie bis auf weiteres Arbeitsurlaub ohne Gebührnisse zur Aufnahme der Tätigkeit beim Landeshauptmann der Rheinprovinz in Bonn. (…).9 Die letzten Tage bis zu Wolff Metternichs Abreise aus Paris und Antritt des Arbeitsurlaubs wurden von ihm nicht sehr ausführlich aufgezeichnet. Erst ein Blick in von Tieschowitz’ Kalendernotizen lässt hier auf die Abläufe rückschließen. Am 4. Juli 1942 vermerkte von Tieschowitz, dass Busley in Paris war, außerdem hielt er an d ­ iesem Tag als Termin 9.00 Vortrag mit Metternich bei General v. Drabig im Ritz fest. Am 7. Juli 1942 wurde zwar von Wolff Metternich wieder kein Eintrag vorgenommen, jedoch ist bei von Tieschowitz zu entnehmen, dass sich die beiden an d ­ iesem Tag beim OB (Oberbefehlshaber) mit Franz Albrecht Medicus (1890 – 1967, zu ­diesem Zeitpunkt Leiter der Abteilung Verwaltung beim Militärbefehlshaber in Frankreich) trafen. Daraufhin erfolgte vermutlich die Festsetzung des Abreisetages 9 NL FGWM, Nr. 34, darin mehrere Abschriften des Fernschreibens zur Beurlaubung Wolf ­Metternichs am 22. 06. 1942 sowie Festsetzung des Reisetages auf den 14. 07. 1942 durch den Chef des Verwaltungs­ stabes vom 08. 07. 1942.

Synopse der Taschenkalender Wolff Metternichs, von Tieschowitz’ und Bunjes’  I  589

von Wolff Metternich durch den Chef des Verwaltungsstabes, das erwähnte Schreiben vom 8. Juli 1942 ist von Medicus unterzeichnet. Am 11. Juli 1942 notierte von Tieschowitz, wahrscheinlich ebenfalls mit dem Sachverhalt der Beurlaubung in Zusammenhang stehend, einen Termin Wolff Metternichs mit ihm und Krüger (Kulturreferent der deutschen Botschaft); Gerhard Krüger (1908 – 1994) war 1942 kurzzeitig Kulturattaché in Paris. Was genau dort Thema war, ist ohne weitere Recherche nicht ersichtlich. In den letzten Tagen vor Wolff Metternichs Abreise fand neben diesen offiziell anmutenden Terminen noch ein – vielleicht eher kollegialer – Ausflug Wolff Metternichs am 12. Juli 1942 mit von Tieschowitz, Gigue und Schmidt’chen nach Senlis statt und am 13. Juli 1942 ein Abendessen in d ­ iesem Kreis gemeinsam mit Kuetgens im Royal Monceau, wie von Tieschowitz notierte. Den Anschein eines Abschieds verdeutlicht auch der Eintrag Besorgungen in Wolff Metternichs Kalender am 9. Juli 1942. Am 14. Juli 1942 notierte von Tieschowitz schließlich: 10.30h. Abreise von Metternich (Antritt des Arbeitsurlaubs für die Rheinprovinz); dieser Reisetag ist auch in Wolff Metternichs Kalender bestätigt. Wolff Metternich wurde – wie diesen Kalenderdaten und den Dokumenten im NL FGWM zu entnehmen ist – im Juli 1942 beurlaubt und kehrte zurück ins Rheinland. Dies war auf der einen Seite darin begründet, dass Wolff Metternich sich gegen die Beschlagnahme französischer Kunstwerke aussprach und dabei in Konflikt mit dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg und Hermann Göring geriet, andererseits auch darin, dass seine Fachkompetenz für den Kunstschutz im Rheinland aufgrund der steigenden Gefahr durch den Luftkrieg dringend erforderlich wurde. Trotz der Beurlaubung war Wolff Metternich bereits im August 1942 erneut in Paris, wie den Kalendern zu entnehmen ist. Dass der unfreiwillige Weggang aus Paris, die folgende Umstrukturierung und personelle Dezimierung der Abteilung Kunstschutz in Frankreich bei Wolff Metternich und von Tieschowitz auf Unverständnis stießen und der Versuch eines Gegensteuerns unternommen wurde, wird insbesondere in deren direktem Briefwechsel ersichtlich. Dies kann wiederum mit den Terminen in den Kalendern und den dort genannten Kontaktpersonen abgeglichen werden. Die beiden verblieben in engem Austausch über die Tätigkeiten des Kunstschutzes, auch nach Wolff Metternichs Entlassung aus dem Militärdienst im Oktober 1943.10 In Bunjes’ Kalender findet sich lediglich im Notizfeld nach dem 4. Juli 1942 die Erwähnung Metternich, jedoch keine Hinweise, dass er in die Beurlaubung Wolff Metternichs involviert war oder an Treffen teilgenommen hätte. Die Taschenkalender und Tagebücher Wolff Metternichs und von Tieschowitz’ aus den Jahren 1940 bis 1945 sind sehr aufschlussreiche Quellen für die Analyse der engen Zusammenarbeit dieser beiden Personen für den Kunstschutz in Frankreich und im Rheinland, ihrer Reisetätigkeiten sowie Kollegenkreise. Die Ergänzung durch die Kalender von Bunjes ermöglicht zudem weitere Einblicke in das kulturelle Umfeld der deutschen Militärverwaltungsbeamten in Paris, in mögliche Bezüge zum französischen Kunstmarkt, 10 Ebd.

590 I Esther Rahel Heyer/Julia Schmidt

insbesondere jedoch in Wissenschaftsbeziehungen. Dieser Rechercheansatz, die Kalender und Tage­bücher von Kunstschutzmitarbeitern vergleichend auszuwerten, kann darüber hinaus durch ­weitere Quellen in anderen Archiven ausgeweitet werden, so bspw. durch die Tagebücher von ­Carlheinz Pfitzner (1908 – 1944, Direktorialassistent beim Provinzialkonservator im Rheinland und Mitarbeiter im Referat für Kunstschutz in Frankreich) und von Josef Busley.11 Die Gegenüberstellung der Kalender soll den Zugriff auf ausgewählte Quellen vereinfachen. Um weiterführende Aussagen treffen zu können, sind jedoch weitere Recherchen in diesen Hauptbeständen des Sachinventars, dem NL FGWM und AJ 40 in den Archives nationales, nötig. Die digitale Aufarbeitung der Kalender, die eine Stichwortsuche beinhaltet, kann diese Recherchen deutlich erleichtern. Der direkte Vergleich ermöglicht zudem wichtige Erkenntnisse über die Akteure, ihre Eigenarten und Beziehungen.

11 Das Tagebuch Pfitzner umfasst den Zeitraum Sommer 1940 bis Frühjahr 1941, siehe Nachlass Carlheinz Pfitzner, Rheinisches Archiv für Künstlernachlässe Bonn, RAK 116. Die Tagebücher von Busley befinden sich in dessen Nachlass, Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland, Nachlass Josef Busley RWN 0119, Jahre 1940 bis 1945 in den Signaturen RWN 0119 Nr. 87 bis Nr. 114.

Synopse der Taschenkalender Wolff Metternichs, von Tieschowitz’ und Bunjes’  I  591

592 I Esther Rahel Heyer/Julia Schmidt

Paris

Paris

Paris

Paris

Paris

Dienstag 23. Juni 1942

Mittwoch 24. Juni 1942

Donnerstag 25. Juni 1942

Freitag 26. Juni 1942

Ort

Montag 22. Juni 1942

Datum

Bonnard, Huart,

Bonnard, Rilke

Hautcoeur, Buchkremer

Clairin, Faÿ

Personen

[durchgestrichen: 13.30 Büro, T­ heater], Br(ie)f an Alix!

[durchgestrichen: Mittag Minister Bonnard, [rot unterstrichen:] [Mme Huart anrufen 9.0 – 10.0, Abends Chabrillan]

[durchgestrichen: Mittags Frühstück Bonnard, Abschied Rilke Monceau, 8.30 Bowle Walderdb.]

[durchgestrichen: 17.30 Hautcoeur, 19.30 Abends Buchkremer abholen, Monceau]

[durchgestrichen: 16.0 Referentenbesprechung, 17.0 Clairin, 20.0 Faÿ Monceau]

Kalender Wolff Metternich (NL FGWM, Nr. 437)

Wolff Metternich, Kuetgens, Zimmermann, Buchkremer, Rilke

Hamann, Dettweiler, Müller, Wolff Metternich

Dettweiler, Müller, Hamann

Paris

Paris

Wolff Metternich, Kuetgens, Buchkremer, Zimmermann

Personen

Paris

Saarbrücken, Paris

Wien

Ort

Abendessen wie Abend vorher. Abfahrt Hamann vom Ostbf.

„Fall Metternich“ !, 7h Abendessen mit Hamann, Dett u. Johanna; anschliessend mit Mett. allein im Monceau

mit Mett., Buchkremer, Kuetgens, Zimmerm. auf arc de triomphe, Abschiedsfeier für Rilke

in Saarbrücken gefrühstückt, 18.45h an Paris, Ostbf., Abendessen Monceau mit Mett., Kuetgens, Buchkremer, Zimmerm.

Mittags Treffen mit Hellen in Wien, Herrliche Fahrt durchs Salzkammergut

Kalender von Tieschowitz (NL FGWM, Nr. 251)

Paris

Ort

Heinen

Personen

[durchgestrichen: Hotel Majestic 569, Oberinspektor Heinen]

[leer]

[leer]

[leer]

[leer]

Tagesmerkbuch Bunjes (AN, AJ 40/1674)

Synopse der Taschenkalender Wolff Metternichs, von Tieschowitz’ und Bunjes’  I  593

Paris

Paris

Dienstag 30. Juni 1942

Mittwoch 1. Juli 1942 [durchgestrichen: 10.0 Gerh. Krüger, Zimmermann, Juli […?] tag, 16.0 Apffelstaedt, danach zu Hause]

[durchgestrichen: Frühstück La Bruillez], 13.0, 8.15, Chabrillan, Opera Comique]

Brf. v. A.

Paris

Montag 29. Juni 1942

[leer]

[leer]

Kalender Wolff Metternich (NL FGWM, Nr. 437)

[leer]

Krüger, Zimmermann, Apffelstaedt

Personen

Notizen

Paris

Paris

Samstag 27. Juni 1942

Sonntag 28. Juni 1942

Ort

Datum

Paris

Paris

Paris

Paris

Paris, Barbizon

Ort

Schürenberg

Zimmermann

Wolff Metternich, Schmidt

Personen

[leer]

Abendessen mit Frl. Schürenberg bei Michaud, rue des St. Pères

Nachricht von Matthias‘ Tod, Abschiedsfeier f. Zimmermann in „ParisParis“, Champs Elysées

[leer]

vorm. Suresnes, nachm. Quartier latin

(Mett. mit Schmidt’chen in Barbizon)

Kalender von Tieschowitz (NL FGWM, Nr. 251)

Paris

Paris

Paris

Paris

Paris

Ort

Bignou, Trotti, Apffelstaedt, Krüger

Drees, Fabiani, Göring

Eswilder Keller

Keller

Opelka [?]

Drees, Tieschowitz, Mathot, Schenker, Müller

Personen

13h Bignou, Trotti Apffelstaedt Maxim [?], 5h 82 Rue de Lille, Krüger

½ 10h [geschwärzt] Major Drees, [geschwärzt], 3h Fabiani [geschwärzt], Obl. Albert, Göring, Z[…?] 90

[durchgestrichen: Botschaftskasse anrufen, 12h Eswilder], 6h Keller

[im Original Notiz nach Sonnabend] 3.30 Hausmeister, 16h Keller

[durchgestrichen: Seife, Hemden, Opelka [?]]

[durchgestrichen: Major Drees, Tieschowitz anrufen, 2675 Mathot Vergrösserungen Schelle, Schenker anrufen], Frl. Müller,

Tagesmerkbuch Bunjes (AN, AJ 40/1674)

594 I Esther Rahel Heyer/Julia Schmidt

Paris

Paris

Paris

Freitag 3. Juli 1942

Samstag 4. Juli 1942

Sonntag 5. Juli 1942

Notizen

Paris

Ort

Donnerstag 2. Juli 1942

Datum

v. Drabig

Personen

[leer]

[durchgestrichen: 9.15 Frühstück Monceau]

[durchgestrichen: General v. Drabig], Karte v. Al.

[durchgestrichen: ­Theater], Brf. v. Alix

[durchgestrichen: ­Besorgungen], Brf an Alix

Kalender Wolff Metternich (NL FGWM, Nr. 437)

Paris, Chevreuse

Wolff Metternich, Schmidt

Graf Wolff Metternich, Franziskus

v. Gagern, Cossmann

Paris

Paris

Wolff Metternich

Personen

Paris

Ort

[leer]

mit Graf u. Schmidt’chen Ausflug nach Chevreuse, (Mittagessen im Lou Basquon), Abendessen im Périgord (rond poire[?])

9.00 Vortrag mit Metternich bei General v. Drabig im Ritz, Busley in Paris

20h bei Frl. v. Gagern (mit Cossmann)

ganztägig mit Graf in der Stadt, Mittagessen routes [?] du Madeleine

Kalender von Tieschowitz (NL FGWM, Nr. 251)

Paris

Paris, Orleans

Paris

Paris

Paris

Ort

Rigall, Hartmann, Wolff Metternich

Glassner

Glassner

Cranach, Rudier, Guinat, Opelka [?]

Schürenberg

Personen

[im Original nach Sonnabend] [durchgestrichen: Rigall, Hartmann ­Metternich, Botschaftskasse, INV 4675]

Glassner, Fahrt Paris – Orleans

[durchgestrichen: F. K. Orleans anrufen], 4h Glassner, 7h Dep. Kanner v. Carton vom Institut, 4539,00 + 9000 = 13539

Cranach [?] anrufen, Hof für Rudier, 13.30 [durchgestrichen: Guinat], 17.00 [durchgestrichen: Möbius], Opelka [?], [Aufstellung von Ausgaben: Zweck meist unleserlich] [durchgestrichen: vorgelegt: 4539,00]

10 000 francs Schuld von Frl. Schürenberg, Gehalt Juni 9000 francs [Summe:] 19000 francs.

Tagesmerkbuch Bunjes (AN, AJ 40/1674)

Synopse der Taschenkalender Wolff Metternichs, von Tieschowitz’ und Bunjes’  I  595

Paris

Paris

Paris

Paris

Paris

Mittwoch 8. Juli 1942

Donnerstag 9. Juli 1942

Freitag 10. Juli 1942

Samstag 11. Juli 1942

Paris

Montag 6. Juli 1942

Dienstag 7. Juli 1942

Ort

Datum

Lorraine

Michel

Marbœuf

Dankwarts

Personen

Lorraine

[durchgestrichen: 13.0 Essen Dr. Michel] ausgefallen

Besorgungen

[durchgestrichen: 16.0 Manufactur Sèvres, Gobelins, 19.0 Mme de] Marbœuf

[leer]

[durchgestrichen: Danckwerts], Brf. a. Al., Karte v. Al.

Kalender Wolff Metternich (NL FGWM, Nr. 437)

Paris

Paris

Paris

Paris, St. Germain

Paris, Versailles

Paris

Ort

Wolff Metternich, Krüger

Kuetgens

Wolff Metternich, Schwerin

Schwerin

Wolff Metternich, Medicus, Kuetgens

Günther und andere

Personen

Frühstück mit Mett. bei Krüger (Kulturreferent der dt. Botschaft) im Tour d’argent

mit Kuetgens Bildeinkauf bei Clairin für Minister

mit Mett. Besorgungen ganztägig, Mittagessen mit Schwerin im Offiziersheim, Abendessen mit Mett. in der Bonne franquette/ Montmartre

Abschiedsabend für Uwe Schwerin in St. Germain

mit Mett. beim OB u. Medicus, Mittagessen im Monceau, mit Mett. u. Kuetgens in Versailles, Abendessen im Monceau

innerer Kreis bei Gigue

Kalender von Tieschowitz (NL FGWM, Nr. 251)

Blois

Blois, Chambord

Blois

Orleans, Blois

Orleans

Orleans

Ort

Erhardt, Kasseckert [?]

Opelka

Keller

Lippert, Krüger, Langlotz

Personen

Blois

Blois, Chambord, 15 ½ , 25 000 mille francs

Blois, 11h Erhardt betr. Pinder Übersetzung. 6h Kasseckert [?], Abendessen

Orleans – Blois, 3h, 5h Opelka [?]

[durchgestrichen: 15h Lebroy [?]], Orleans, [durchgestrichen: 17.30 Flipo [?] + Keller]

Orleans, [durchgestrichen: F. K. Orleans anrufen], Ausflug nach Sully, von Cranach [?] anrufen, 3h Lippert, 4h –5h Dr. Krüger, Langlotz

Tagesmerkbuch Bunjes (AN, AJ 40/1674)

596 I Esther Rahel Heyer/Julia Schmidt

Paris

Dienstag 14. Juli 1942 Abfahrt, Übernachtg. Aachen

[durchgestrichen: Abend. R. Monceau]

Paris

[durchgestrichen: Senlis, Abendessen Périgourdine]

Kalender Wolff Metternich (NL FGWM, Nr. 437)

Montag 13. Juli 1942

Personen

[leer]

Paris

Ort

Notizen

Sonntag 12. Juli 1942

Datum

Paris

Paris

Paris, Senlis

Ort

Wolff Metternich

Wolff Metternich, Kuetgens, Schmidt, Günther

Wolff Metternich, Günther, Schmidt, Neuffer, Möbius, Kuetgens

Personen

10.30h. Abreise von Metternich (Antritt des Arbeitsurlaubs für die Rheinprovinz)

Im Monceau mit Metternich, Kuetgens, Gigü u. Schmidt’chen

[leer]

Mit Mett., Gigue u. Schmidt’chen Ausflug nach Senlis, Mittagessen im Gargantua, Abendessen + Neuffer, Möbius, Kuetgens in Paris, Périgourdinne

Kalender von Tieschowitz (NL FGWM, Nr. 251)

Blois

Blois

Blois

Blois

Ort

Buchner

Personen

Blois, Chaumont

Blois, Cour-Cheverny

[im Original Notiz nach Sonnabend] [durchgestrichen: Professor Buchner [?], Dürer sei nicht Deutsch […?], Dürer sei formal nicht deutscher […?]]

Blois

Tagesmerkbuch Bunjes (AN, AJ 40/1674)

Gespräche mit Angehörigen ehemaliger Kunstschutzmitarbeiter Esther Rahel Heyer

In Vorbereitung für das Projekt und im Verlauf der Recherchen ergab der Austausch mit Familienmitgliedern der ehemaligen Kunstschutzmitarbeiter interessante Rückschlüsse auf deren Tätigkeiten und biografische Kontexte. In den Jahren 2015 bis 2019 konnten die Projekt­ mitarbeiter*innen Gespräche mit Nachkommen von Franziskus Graf Wolff ­Metternich (Beauftragter für den Kunstschutz in den besetzten Gebieten beim Oberkommando des Heeres [OKH]), einem Sohn von Hans Gerhard Evers (Kunstschutzmitarbeiter, u. a. in Italien tätig), der Ehefrau und den drei Kindern von Wend Graf von Kalnein (Kunstschutzmitarbeiter in Frankreich) sowie einem Sohn von Carlheinz Pfitzner (Kunstschutzmitarbeiter in Frankreich) führen. Dieser Austausch erbrachte neben lebhaften Einblicken in das persönliche Leben ehemaliger Kunstschutzmitarbeiter auch den Zugang zu weiteren erhaltenen privaten Dokumenten, die teilweise auch an Archive übergeben wurden, und darüber hinaus eine zusätzliche Informationsgenerierung für das Sachinventar.1 Die Mitglieder der Familie Wolff Metternich konnten auch zahlreiche private Fotografien im Nachlass anhand der dargestellten Personen zuordnen, datieren und so die Informationslage für Forscher*innen im NL FGWM weiter ergänzen. Einige prägnante Aussagen werden hier in inhaltlichen Zusammenfassungen präsentiert, teilweise mit Ergänzung aus Forschungsliteratur und Archivquellen.2 Da es sich um locker geführte Gespräche handelte, verlief jedes Treffen unterschiedlich und auch die Struktur der folgenden Texte unterscheidet sich. Die Zusammenfassungen zu den Gesprächen Evers, Kalnein und Pfitzner sind weitgehend chronologisch nach beruflichen und privaten Stationen gegliedert und sollen insbesondere die Erinnerungen und die Wahrnehmung seitens der Nachfahren sowie die Kommunikation der ehemaligen Kunstschutzmitarbeiter über ihre Tätigkeiten und Beziehungen untereinander widerspiegeln. Die beiden Texte zu den Gesprächen mit der Familie Wolff Metternich beinhalten darüber hinaus Erinnerungen an die familiären Umstände und ergänzen die Biografie des Protagonisten des

1 An dieser Stelle soll seitens des Projektteams der ausdrückliche Dank an Verena Limper (Köln), Julia Schmidt (Mainz) und Simone Rünagel (München) ausgesprochen werden, die dem Projekt tatkräftig für Lektorats- und Korrekturarbeiten zur Seite standen. 2 Zu den Biografien und Tätigkeiten der ehemaligen Kunstschutzmitarbeiter siehe die Kurzbiografien sowie den Beitrag zum Forschungskontext in ­diesem Band.

­Forschungsprojekts.3 Für den Austausch und die Zustimmung zur Veröffentlichung sei den Familien an dieser Stelle ausdrücklich gedankt. Ergänzung und Vervollständigung der Momentaufnahmen und Erinnerungen aus den Gesprächen erfolgten in Abstimmung mit allen Familien im Frühjahr 2021.

1. Gespräche mit Nachkommen von Franziskus Graf Wolff Metternich In Vorbereitung des Projektes fand am 25. November 2015 ein Gespräch mit Antonius Graf Wolff Metternich (*1933), dem jüngsten Sohn von Franziskus Graf Wolff Metternich (1893 – 1978), auf dem Familiensitz Fronhof in Köln-Junkersdorf, statt; beim Gespräch mit Henrike Bolte, Esther Heyer und Hans-Werner Langbrandtner war außerdem Antonius’ Tochter Elisabeth anwesend. Der Austausch mit der Familie hielt im Laufe des Projektes an und wurde auch im Rahmen von Vorträgen zur Thematik und damit verbundenen Treffen der Familienmitglieder ausgeweitet. Schließlich konnte ein weiteres Gespräch auf dem Fronhof mit Antonius Graf Wolff Metternich und seiner Schwester Theresia, verheiratete Gräfin von Hoensbroech (*1930), genannt Resita, am 29. Mai 2017 stattfinden, an dem Esther Heyer, Hans-Werner Langbrandtner und Florence de Peyronnet-Dryden teilnahmen. Antonius’ Töchter Maria und Elisabeth sowie deren kleiner Sohn Levin (*2017) wohnten dem Gespräch ebenfalls bei. Besonders Antonius freute sich sehr, über seinen Vater sprechen zu können, denn er selbst hatte mit dessen schriftlichem Nachlass und dem Familienarchiv vorher wenig zu tun. Die Verantwortung lag bei den älteren Brüdern als Nachlassverwaltern, während sich Antonius immer mehr mit Natur und seiner Leidenschaft, den Rennpferden, beschäftigt hatte. Es war ihm ein besonderes Anliegen, den Folgegenerationen einen Eindruck vom Leben als Kind im Nationalsozialismus zu vermitteln. Antonius (2015): Man kann sich nicht vorstellen, was es heißt, im Totalitarismus zu leben.

Aufwachsen der Kinder und ihr Verhältnis zu Hausangestellten Die Familie Franziskus Graf Wolff Metternich lebte in Bonn. Bei der Geburt der Söhne Johann Adolf (1926 – 1995, genannt Hanno) und Winfried (1928 – 2017) wohnte die Familie in der Reuterstraße, Theresia (*1930, genannt Resita) wurde in der Koblenzer Straße (heute Adenauerallee) geboren und Antonius (*1933) kam schließlich im Haus der Familie in der 3 Ausführlich: Esther Rahel Heyer, Franziskus Graf Wolff Metternich. Biographie als Kontextforschung, in: Hans-Werner Langbrandtner/Esther Rahel Heyer/Florence de Peyronnet-Dryden (Hg.), Kulturgutschutz in Europa und in Rheinland. Franziskus Graf Wolff Metternich und der Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg (Brüche und Kontinuitäten. Forschung zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 5), Köln/Wien/Weimar 2021, S. 79 – 113.

598 I Esther Rahel Heyer

Abb. 1  Die vier Kinder von Alix und Franziskus Graf Wolff Metternich dem Alter nach aufgereiht von rechts nach links: Hanno, Winfried, Theresia, Antonius; Schloss Fürstenberg, ca. 1940.

Blücherstraße 2 zur Welt (Abb. 1). Theresia erinnert sich an eine ruhige Zeit und ein gutbürgerliches Leben mit Freunden und einer fürsorglichen Kinderschwester „Nanny“, die die Kinder überallhin mitnahm. Die ­Mutter Alix kam aus dem Schloss Herdringen und die Großmutter mütterlicherseits pflegte ein sehr herrschaftliches Leben, nach Aussagen Theresias. Somit stimmte das Leben in einem kleinen Wissenschaftlerhaushalt mit den Vorstellungen der Großmutter nicht immer überein, wobei die M ­ utter ihren eigenen Weg ging und den Haushalt zu führen wusste. Die Erziehung durch die Eltern scheint von Zuneigung, aber auch von einer adelig-gebildeten Persönlichkeitsformung geprägt gewesen zu sein. Antonius (2017): Die M ­ utter war wahnsinnig lieb und großartig. (…) Sie hat sich völlig zurückgestellt für die Familie. Hatte aber einen sehr guten Geschmack. Alix hatte vor ihrer Heirat in München Malerei (Aquarell) gelernt, nach ihrem Tod fand die Familie eine Mappe mit ihren Bildern. Die Kinder wurden kulturgeschichtlich und kunsthistorisch geschult. Antonius bezeichnet auch seine Schwester als Künstlerin und Theresia berichtet, dass sie von ihrem Vater lernte, stundenlang im Museum zu sein und sich dabei auf weniges zu konzentrieren. Ihnen wurde viel gezeigt und so entwickelten sie ein Gefühl für Kunst und Kultur. Antonius (2017): Aber wir haben doch einen Begriff gekriegt. (…) Theresia: Ja, das Gefühl entwickelt. Es lag Wolff Metternich offenbar am Herzen, ein nachhaltiges Verständnis für Kulturgeschichte an seine Kinder weiterzugeben, bspw. die Bedeutung der Pracht in K ­ irchen für die Gesellschaft, insbesondere in Form der Bildsprache, zu erklären (Abb. 2). Theresia (2017): In den bayerischen ­Kirchen, da haben wir auch viel angeguckt. Und da habe ich [vom Vater] gelernt – er hatte gesagt, man muss sich das vorstellen – dass die Leute durch den tiefen Schnee zwei Stunden in ihre Kirchenmesse gingen, und da sahen sie das Paradies. Antonius (2017):

Gespräche mit Angehörigen ehemaliger Kunstschutzmitarbeiter  I  599

Abb. 2  Alix und Franziskus Graf Wolff Metternich während eines kulturellen Ausfluges, ca. 1930.

Ja, Resita, es gibt Leute, die Analphabeten waren, die konnten da von den Bildern die Bibel lesen. Ja, der Vater hatte eine s­olche Begeisterung (…). Und er war bei den Vorträgen immer sehr ernst, er war überhaupt ein ernster Mensch (…). Und [bei Vorträgen] hat er immer geklopft für das nächste Bild. Das weiß ich noch genau, die Bewegung.

Doch waren für die Kinder die Besuche u. a. in ­Kirchen und die langen Vorträge auch anstrengend. Antonius (2017): Und der Vater hatte keinen Sinn für Längen. Da musste man sich also die Beine in den Bauch stehen. (…) Und er hatte eine derartige Intensität, wenn er sowas anschaute und hatte einen wahnsinnig guten Blick (…). Den Vater beschreibt Antonius zwar insgesamt als sehr ernst, er ließ den Kindern aber auch viel Freiheit, sie durften etwa in das Büro in der Bachstraße mitkommen, kannten die Sekretärin Frau Linden und durften auf der Schreibmaschine tippen. Teil des Haushalts waren außerdem eine Köchin und ein Lehrmädchen, die ein Pflichtjahr nach der Schule machte; eine Waschfrau kam alle drei Wochen (Frau Esser aus ­Poppelsdorf ).

600 I Esther Rahel Heyer

Abb. 3  Die Kinderschwester Agnes Tuschmann („Nanny“) mit Theresia (re.) und Antonius (li.), ca. 1935/1936.

Auch an einen Gärtner erinnert sich Theresia und an einen Heizer (Herr Heinen), der den Ofen schürte und manchmal im Garten arbeitete. Antonius (2015): und eine ganz große Person spielte in unserer Familie eine Rolle, das ist die Nanny genannt. Gemeint war das Kindermädchen Agnes Tuschmann, die aus einer Bäckereifamilie in Arnsberg, Stadtteil Bruchhausen, stammte. Vor ihrer Anstellung bei der Familie war sie Putzmädchen auf Schloss Herdringen gewesen, wo Alix Freiin von Fürstenberg aufgewachsen war. Dort war sie von der Großmutter entdeckt und auf die Säuglingsschwesternschule nach Köln geschickt worden. Nach dem E ­ rsten Weltkrieg arbeitete sie bei einer englischen Offiziersfamilie Maxwell in Köln-Junkersdorf, bis der Vater nach Indien versetzt wurde. Daher stammte der Rufname „Nanny“ sowie ihre Affinität zum englischen Lebensstil, zu nursery rhymes (Kinderreimen) und englischer Küche (Porridge), aber es erfolgte keine Erziehung in englischer Sprache. Als Franziskus und Alix das erste Kind erwarteten, erinnerte sich die Familie an Nanny und stellte sie an. Nanny, die immer Schwesterntracht trug und so auf den Fotografien im NL FGWM gut wiederzuerkennen ist, begleitete die Familie bis in die 1950er Jahre. Antonius besuchte sie auch danach noch oft in Bruchhausen bis sie Ende der 1960er Jahre verstarb (Abb. 3). Nanny war eine zentrale und geliebte Person, die den Kindern dabei half, das Verhalten der Erwachsenen im Nationalsozialismus zu verstehen. Theresia (2017): Ja, also wenn wir die Nanny nicht gehabt hätten, dann hätten wir auch nicht so viel gewusst. Weil für die Eltern war das vielleicht gefährlich. Theresia erläutert, dass viele der Kindheitserinnerungen erst im

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Nachhinein verständlich wurden und sie die damals herrschende Atmosphäre innerhalb der Familie einordnen konnte. Theresia (2017): Jetzt erfassen wir das erst alles, wie so eine Kultur entsteht, wie zum Beispiel die [Gäste] bei uns zum Abendessen kamen. Wir hatten eigentlich fast gar nichts zu Essen und Nanny, die hatte immer irgendwas gezaubert. Es ist gut, dass Sie das gefragt haben, ob jemand zum Essen kam. Es kam immer jemand. In der Zeit war das nämlich auch so üblich, dass man zum Beispiel zum Abendessen jemanden einlud. Und dann kamen immer die Studenten, (…) vor allem unsere verwandten Studenten, die kamen immer. Wie man damals sagte: Bratkartoffelfreundschaften.

Verhältnis zum Nationalsozialismus in der Familie und dem familiären Umfeld Die Einstellung der Eltern zum NS-Regime wurde weder zu jener Zeit noch in der Nachkriegsphase besprochen, doch Antonius ist davon überzeugt, dass immer eine Abneigung bestand. Antonius (2015): Nein. Unausgesprochen. Das war aber ganz klar: die Familie war sehr religiös, die Eltern waren sehr religiös, die Kinder auch. Das war ganz klar, unausgesprochen. Es war ganz klar eine furchtbare Macht, dagegen müssen wir bestehen. (…) und wenn da einer auf der Straße irgendwas gegen die Religion [sagte], [sich] gegen jemanden oder nazistisch geäußert hat, hat die [Nanny] immer geantwortet: „Unser Herr Graf hat aber was anderes gesagt.“

Wolff Metternich sprach wohl öfter von „Knoten“. Antonius (2015): Ja, er hatte den Ausdruck „die Knoten“, also Leute, die sich furchtbar benehmen. Er war, wie gesagt, furchtbar dünn in dieser Zeit, (…) vor Leiden und Ärger. [E]r hatte ja so furchtbar ernste Sachen erlebt. Ein Erlebnis aus dem Jahr 1938, das das Verhältnis des Vaters zum Nationalsozialismus einzuordnen half, ist Antonius besonders lebendig im Gedächtnis geblieben. Antonius (2015): [An einem Sonntag] war eine Hitlerrede angesagt, das heißt man musste verpflichtet am Volksempfänger Hitler hören, jeder Haushalt. Wenn einer das nicht tat, konnte er angezeigt werden. [M]an hörte aus jedem Fenster (…) die furchtbare Stimme. Ich komme in unser Haus und gehe irgendwie ins Zimmer, weil da Vater saß [im] Herrenzimmer zur Straße zu. Da saß der Vater, zu der Zeit furchtbar schmal, bleich, an seinem Schreibtisch und diesen Eindruck habe ich behalten. Also furchtbar leidend, grauenhaft, keinen Volksempfänger an.

Theresia unterstützt diese Einschätzung ihres Bruders mit zwei eigenen Erzählungen. Zur ­Mutter hält sie fest (2017): Und der Mann, der bei uns Blockwart war, der verkaufte auch zum Beispiel den Stürmer, den wollte er immer der ­Mutter unterjubeln. Die ­Mutter sagte immer:

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„So einen brutalen Unsinn kauf‘ ich nicht.“ Und da hat sie aber gar nicht [daran] gedacht, wie gefährlich das war. Sie erinnert sich auch daran, dass die M ­ utter sich um Arme, Roma und Klosterschwestern kümmerte und nach dem Krieg ohne Wissen des Vaters auf dem Schwarzmarkt kaufte. Über den Vater sagt sie (2017): Also wir wissen nur, also ich glaube, wir können nur sagen, dass er Antinazi war. Weil zum Beispiel Verwandte von uns, die waren Nazi und waren irgendwie begeistert davon. [Ich weiß] noch, wie sie – früher war ja ein anderes Leben, da war ja nicht so viel Hektik, und da kamen Leute zum Tee (…) – so begeistert waren von Hitler, und – das weiß ich noch genau – vom Jungvolk und was alles. Den Namen will ich nicht nennen.

Theresia betont, dass das Leben stets unter dem Zeichen ­­ des Christentums und dessen Art des Zusammenlebens – Verantwortung für Mitmenschen, Bescheidenheit und Hilfsbereitschaft – stand. Während die Kernfamilie als antinazistisch beschrieben wird, gab es im weiteren Familienkreis wohl auch überzeugte Anhänger des Nationalsozialismus, was zu familiärem Zwist führte. Die Großmutter mütterlicherseits, genannt Omi, hatte andere Ansichten als die Eltern Wolff Metternich, bspw. bezüglich der Vereinbarkeit von und Annäherung ­zwischen K ­ irche und NS-Staat. Antonius (2015): (…) und ich weiß nunmehr bei einem Fall, wie der Vater dann ganz unwirsch sagte: „Nein, nein, du irrst dich.“ Die Kinder nahmen auch Veränderungen im nichtfamiliären Umfeld, vor allem in der Schule wahr. Antonius nennt stolzierende und spionierende Hitlerjungen, die Irritation über die vermeintliche Gottgläubigkeit der Nazis und Verstörung über Propagandafilme, die die Schulkinder in Fürstenberg ansehen mussten („Hitlerjunge Quex“). Auch die vermeintlichen Helden und Verlierer des Krieges blieben ihm in Erinnerung – ein junger U-Boot-Soldat, der für den Abschuss eines gegnerischen U-Bootes mit dem Ritterkreuz gefeiert wurde, ein Arbeiter auf dem Hof, der im Krieg ein Bein verloren hatte, und immer wieder die große Trauer der Erwachsenen über Gefallenenmeldungen. Theresia blieb der Eindruck einer immer brenzliger werdenden Situation im Gedächtnis: nationalsozialistische Lehren in der Schule und dass dies der eigenen Erzählung und dem katholischen Glauben konträr gegenüberstand. Theresia kam 1936 in die Schule und erinnert sich an die kritische Reaktion der Nanny, als in der Volksschule Plaketten mit Hitler-Kopf verteilt wurden. Theresia (2017): [Die] Nanny kriegte auch eine [Plakette] und da sagte sie: „Nee, den Kopp hab‘ ich nicht gewählt.“ Auch der Schulalltag veränderte sich, bspw. durch Flaggenappell im Schulhof und gesungene Lieder, den Hitlergruß, die Wochenschau. Antonius erinnert sich auch an den Brand der Synagoge in der Bennauerstaße (Ecke Jagdweg, Poppelsdorf ) am 10. November 1938. Seine Schwester habe ihn zum Balkon im Haus in der Blücherstraße gerufen, von wo aus sie den Rauch aufsteigen sahen. Theresia (2017): Um zwölf Uhr brannte die Synagoge. [Ich musste] um [von der Schule] nach Hause zu gehen, an der Sirene vorbei, an der Synagoge vorbeigehen. Samstags hatten wir immer gesehen, wie die jüdischen

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Leute in die Synagoge gehen (…). Und wir kannten viele Juden. Besonders Nanny kannte viele (…). Da waren wir wirklich gewarnt.

Über die Ereignisse sprachen die Eltern im Folgenden jedoch wohl nicht. Theresia (2017): Also wir sind wenig damit konfrontiert worden. Aber es wurde darüber gesprochen. [Zwar nicht bei den Eltern], aber zum Beispiel die Waschfrau und die Nanny. Zu ­diesem Dreigestirn gehörte noch ein Gemüsemann [Andreas Schellenbach]. Die Nanny war die Person, die den Kindern eine differenzierte Sichtweise und Informationen zu den Nationalsozialisten vermittelte. Sie sorgte für die korrekten Abläufe, brachte die Flagge mit dem Hakenkreuz an, wenn es notwendig war, und kontrollierte das Eintopfsuppe-Kochen. Theresia (2017): [Die Flagge] hatten sie gewaschen und dann war die ganz rosa. Eines Tages kam der Blockwart und hat sich da drüber beschwert. Und die Nanny, die war so schlagfertig, da hat sie gesagt: „Da können Sie mal sehen, was alte Kämpfer sind.“ Auch eine Waschfrau kam alle vier Wochen aus Poppelsdorf zur Familie. Theresia (2017): Diese Frauen, die wussten glaube ich immer, was Sache ist. Aber genau kann ich das auch nicht sagen, wie sie die Lage einschätzten. Jedenfalls waren sie alle gegen die Nazis. Vor allem weil die Nazis auch die Fronleichnamsprozession abschafften, die für sie ganz wichtig war. Antonius und Theresia erinnern sich, dass katholische Adelige im Nationalsozialismus durchaus gefährdet waren. 1939 wurden Kirchenveranstaltungen wie die Fronleichnamsprozession verboten, dennoch ­seien alle mitgegangen – auch Wolff Metternich selbst. Der Gemüsemann sprach offener über die Nationalsozialisten und war darüber verärgert, dass er bei der Fronleichnamsprozession aufgrund seiner Behinderung nicht mehr die Fahne tragen durfte. Theresia (2017): [Die] Nanny ging zum Beispiel auch zu der ­Mutter von ­diesem Mann und holte Gemüse. Dann hat sie der M ­ utter gesagt: „Passen Sie auf ihn auf.“ Weil manche Behinderten wurden ja weggebracht. Der Glaube und die ­Kirche gehörten fest zum Tagesablauf des Vaters. Theresia (2017): Der Vater war ein ganz frommer Mensch. Um sich zu entspannen, hat er jeden Abend den Rosenkranz gebetet und einen Krimi gelesen. An die Rolle des Vaters bei der Genossenschaft der Rheinisch-Westfälischen Malteser-Devotions-Ritter, in der Wolff Metternich seit Sommer 1931 Vorstandsmitglied war, während der NS-Zeit erinnern sich Antonius und Theresia kaum. In Erinnerung blieben vielmehr die Reise der ganzen Familie nach Rom im Heiligen Jahr 1950 zur Papstaudienz der Malteser – der Vater war in Uniform mit Malteserhut gekleidet – oder Wolff Metternichs Teilnahme an der 700-Jahrfeier des Kölner Doms 1948, bei der er in seiner Funktion als päpstlicher Geheimkämmerer die spanische Uniform mit Bundhose trug. Im Zusammenhang mit dem NSDAP -Parteieintritt des Vaters und Gesprächen über seine berufliche Stellung erinnern sich die Kinder an eine besondere Situation. Antonius (2017): Eines Tages in der Nachkriegszeit kriegten wir einen wahnsinnigen Schock. Warum? Weil Vater in der NSDAP war. Der Kardinal Schulte, Vorgänger von Frings, hatte geraten: „macht mit, um das Schlimmste zu verhindern“. Einschätzen können die Kinder diese Entscheidung kaum, können sich jedoch vorstellen, dass der Vater als Beamter, mit knappen Finanzen

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und vier Kindern, sich dazu genötigt sah. Die Bedrohung des Vaters ist ihnen deutlich in Erinnerung. Antonius (2017): [Der Vater] hat ja ein Wahnsinns-Glück gehabt, dass er dann nach der [Beurlaubung], als er von Paris weggeschickt wurde, (…) nicht im KZ gelandet ist. Ein Freund im Auswärtigen Amt Berlin hat ihm den Tipp gegeben: „du stehst auf der schwarzen Liste“. Also die Familie hat ein wahnsinniges Glück gehabt. Die Parteimitgliedschaft bzw. auch seine Stellung als Provinzialkonservator wurde in einer Geheimversammlung besprochen, die die Kinder mitbekamen. Anwesend waren bei ­diesem Treffen vermutlich neben Kardinal Schulte Franz Joseph Fürst zu Salm-Reifferscheidt-­ Krautheim und Dyck (1899 – 1958), der Patenonkel von Antonius, und der Onkel Levin Graf Wolff Metternich (1877 – 1944).4 Theresia (2017): Eines Tages wurden wir aus dem Spielzimmer verbannt und mussten oben spielen, wo die Schlafzimmer waren. Ich war ja aber so neugierig und saß auf der Treppe neben der Haustür, dann kamen (…) vier Männer. [W]ir haben nachher erst gehört – drei davon kannte ich und einen kannte ich nicht – (…), wer das gewesen ist. Und zwar waren das ein Bischof aus Köln [Kardinal Schulte] (…) und zwei Brüder von meinem Vater. Die kamen, um meinen Vater zu beraten (…), ob der Vater in ­diesem Beruf bleiben soll oder nicht. [Sie haben] wahrscheinlich beschlossen, dass er in dem Amt bleiben soll, denn der Bischof hatte gesagt: „Um Gottes willen bleiben Sie drin, wir wissen nicht, was mit unseren ­Kirchen passiert.“

Antonius erinnert sich an den Druck dieser Zeit, auch wenn die Eltern nicht mit den Kindern, gerade den jüngsten, darüber sprachen. Theresia (2017): Als Kind hat man das nur gefühlt, dass irgendwas gefährlich war, aber man konnte es ja nicht identifizieren. Viele der kindlichen Erinnerungen begriffen die beiden erst sehr viel ­später. Theresia (2017): Das ist unglaublich, das ist wirklich für uns auch unglaublich. Wir verstehen das jetzt alles erst. Doch sie hat auch 4 Der Erinnerung Theresias (2017) nach fand d ­ ieses Treffen im Jahr ihrer Erstkommunion 1938 statt, weil die Gäste ihr dafür noch Geschenke mitbrachten. Später korrigierte sie, dass das Treffen früher, spätestens 1936, gewesen sein muss, und benannte als Teilnehmer Kardinal Schulte, Großvater Ferdinand Graf Wolff Metternich, (Groß-)Onkel Paul sen. Wolff Metternich und Onkel Levin Wolff Metternich als Rechtsanwalt. Antonius und Theresia erzählen beide, dass Paul Graf Wolff Metternich (1853 – 1934), deutscher Diplomat und Botschafter in London (1901 – 1912) und s­päter im Osmanischen Reich (1915/1916), bei ­diesem Treffen anwesend war. Da er bereits 1934 verstorben war, ist zu vermuten, dass das Treffen früher stattfand und die Kinder sich anhand von Erzählungen erinnern oder aber andere Teilnehmer dem Treffen beiwohnten bzw. es mehrere Treffen gab. Ein Gespräch vor 1934 wäre durchaus schlüssig, da Franziskus Graf Wolff Metternichs am 01. 05. 1933, nach vorhergegangener Beratung mit Vertrauten und kirchlichen Vertretern wie bspw. dem Prälaten und Erzbischöflichen Generalvikar Dr. Albert Emil Lenné (1878 – 1958) und dem Erzbischof von Köln Kardinal Karl Joseph Schulte (1871 – 1941), der NSDAP beitrat. Dies tat er, der Argumentation nach, um seinen Posten als Provinzialkonservator halten und sich für den Schutz der kirchlichen Kulturgüter einsetzen zu können. Siehe auch NL FGWM, Nr. 38 zur Entnazifizierung.

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eine heitere Erinnerung an die politische Einstellung des Vaters. Er hatte ihr ein kleines Marionettentheater mit kleinen Figuren an Drähten geschenkt (evtl. Weihnachten 1942). Theresia (2017) erzählt dazu: [Der Vater] hatte so einen Krimi erfunden: Da kam dann schließlich der Böse – war natürlich immer [ein] Nazi – und der Nazi wurde hinterher überfallen. Antonius, weißt du noch? (…) Und dann schließlich und endlich lag der auf dem Boden und die anderen tanzten alle auf ihm herum.

Der Krieg auf Schloss Fürstenberg Die Zeit des Zweiten Weltkriegs verbrachten Theresia und Antonius bei Verwandten auf Schloss Fürstenberg bei Paderborn, zusammen mit den Cousinen Elisabeth (*1930) und Monika (*1932). Nanny begleitete sie ebenfalls. Antonius’ Erinnerungen an den Kriegsausbruch 1939 sind verbunden mit einem Sommerurlaub der Familie bei Verwandten. Alix’ Schwester Maria Felicitas Freiin von Fürstenberg (1898 – 1939, genannt Maya) war verheiratet mit Friedrich Carl Graf von Westphalen zu Fürstenberg (1898 – 1992), gemeinsam verbrachten sie die Ferien auf Gut Rixdorf an der Ostsee, bis der Onkel zum Militär eingezogen wurde. Antonius (2015): Am 1. September, Kriegsausbruch ’39, das ist wirklich unbeschreiblich, wurden wir um 5 Uhr morgens geweckt, mussten uns fertigmachen und fuhren mit den zwei riesigen Mercedeswagen, der eine mit Chauffeur, der andere mit meinem Onkel, Richtung Paderborn (…). Ja und dann fuhren wir weiter, 24 km weiter, ich glaub‘ östlich von Paderborn, zum Ort Fürstenberg. Ich habe neulich nicht genug erklärt: Einmal hieß die ­Mutter geborene Fürstenberg [zu Herdringen], aber der Ort hieß Fürstenberg, und da ist das Schloss Fürstenberg. Als wir dort hinfuhren, habe ich den Ausspruch getan, der dann immer wiederholt wurde: „Kann ich denn wohl einmal in ­diesem Fürstenberg, in ­diesem Schloss, übernachten?“ [Als] wir da angekommen sind, hat der Onkel seine Uniform angezogen und ist sofort wieder zurück zum Regiment nach Paderborn. Ich habe also nicht nur eine Nacht, sondern 7 Jahre dort verbracht, bis zum Herbst ’46. [Die] Tante Maya, ältere Schwester meiner ­Mutter, sagte zu meiner ­Mutter: „Lass die Kleinen – das waren meine Schwester Theresia, genannt Resita, und ich – doch hier auf dem Land, in der Stadt wird es sicher schlimm im Krieg.“

Auf dem Schloss waren oft viele Familienmitglieder versammelt und es gab häufig Besuch. Antonius erinnert sich, dass der Vater öfter – aber nicht regelmäßig – in Fürstenberg bei der Familie zu Besuch war (Abb. 4), vor allem zu Festtagen (Weihnachten und Silvester – er hatte ja an Silvester Geburtstag –, Ostern, Antonius’ Erstkommunion). Antonius (2015): Die ­Mutter kam noch mehr zu Besuch, aber in Bonn ging ja der Haushalt weiter. Antonius erinnert sich, dass er öfter Erwachsene, wie z. B. die Nanny, weinen sah. Antonius (2015): Warum weinte die? Weil wieder einer gefallen war. Das habe ich als so furchtbar empfunden und

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Abb. 4  Franziskus Graf Wolff Metternich mit seinen vier Kindern (li.: Hanno und Winfried, re.: Theresia und Antonius) vor Schloss Fürstenberg, ca. 1940/1941.

habe gehofft: hoffentlich ist der Krieg bald vorbei, dass das aufhört. Besonders einschneidend war die Nachricht vom Tod des Onkels Karl Gottfried Graf von Fürstenberg Herdringen (1909 – 1941, genannt Onkel Goffy), jüngster Bruder von Alix und Liebling der Großmutter. Er war Panzersoldat und fiel in Russland, was für die ganze Familie ein schwerer Schlag war.5 Goffy hatte Kunstgeschichte studiert und war oft bei der Familie in Bonn zu Besuch gewesen, führte die Kinder in klassische Literatur ein, und auch seine polnische Freundin Pola Pototska studierte Kunstgeschichte und blieb vor allem Theresia in guter Erinnerung (Abb. 5). Das Essen auf Fürstenberg war knapp, aber es reichte aus. Antonius wurde um Ostern 1940 eingeschult und besuchte die Volksschule in Fürstenberg. Später wurde die Schule geschlossen und die Kinder wurden zu Hause unterrichtet. Antonius nahm an Geländespielen teil (auch in der Nachkriegszeit im ND, Bund Neudeutschland, einer katholischen Vereinigung). Ihm blieben aus der Zeit während des Krieges auf Fürstenberg auch Kriegsgefangene, Flüchtlingsfamilien und -kinder und Fliegerbombenalarme im Gedächtnis. So erinnert er sich beispielsweise an drei französische Kriegsgefangene auf dem Schloss, die kulturaffin waren und einen freundlichen Umgang mit der Familie pflegten. Auf dem 5 Siehe auch NL FGWM, Nr. 200, Tagebuch Wolff Metternich, Eintrag vom 19. 10. 1941: (…) wird mir ein Telegramm mit der erschütternden Nachricht vom Heldentod unsres lieben Goffy gebracht.

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Abb. 5  Carl Gottfried Frhr. von Fürstenberg („Goffy“), der jüngste Bruder von Alix, stehend auf seinem Panzer; im Oktober 1941 beim militärischen Vorstoß nach Moskau gefallen.

­großen landwirtschaftlichen Hof in der Nähe arbeiteten auch polnische Kriegsgefangene, von denen Antonius lebhaft berichtet. Antonius (2015): Da habe ich eine Leidenschaft vor allem für Pferde entdeckt und war dann jeden Tag auf dem Hof. Im Herbst 1944 waren rumänische SS-Leute in der Volksschule einquartiert, deren Leutnant die jungen unglücklichen Leute drillte, was Antonius in furchtbarer Erinnerung blieb. An den Spätherbst 1944 und die Durchschleusung von polnischen und russischen Frauen mit Kindern und die Essensverteilung auf dem Hof, den Anblick der ausgemergelten Kinder sowie die Gewalt und den Hunger denkt er mit Schrecken zurück. Antonius (2015): Also das war eine der schlimmsten Sachen, die ich im Krieg also als Kind mitgekriegt habe. Der älteste Bruder Hanno besuchte die Schule in Arnsberg, dort wohnte eine Tante (Familie Lüninck). Hanno war in der Hitlerjugend (HJ), wurde Flakhelfer und gegen Kriegsende noch zu einer Panzerdivision nach Bielefeld eingezogen (Abb. 6).6 Der Bruder Winfried war zuerst ebenfalls in Fürstenberg, ging dann in Mayen in der Eifel in die Schule. Winfried 6 Ein Schreiben vom 14. Februar 1945 belegt, dass der Vater für Hanno Urlaub beantragte. Hanno war in der Ausbildungskompanie als Panzerschütze in Bielefeld. Jedoch teilte der Kommandant mit, dass jeglicher Urlaub bis auf Ausnahmefälle gesperrt sei.

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Abb. 6  Der älteste Sohn Hanno als Panzerschütze mit seinen Eltern Alix und Franziskus Graf Wolff Metternich, Schloss Fürstenberg, Februar 1945.

war in Mayen Mitglied der HJ und wurde zum Einsatz an den Westwall nach Lothringen beordert. Nach Angriffen von Tieffliegern und dem Tod von Klassenkameraden floh Winfried im Sommer 1944 nach Bonn. Antonius (2015): Das war dann [eine] sehr gefährliche Situation. Und das erzählte Winfried – da war der Vater schon wieder zu Hause, also nachdem der Vater in Frankreich gewesen war – hat [der Vater] seine Uniform angezogen und hatte erwirkt, dass ihm nichts passierte, [denn] es wurde schwer bestraft, diese Flucht.7 Nachdem sich der Vater dafür eingesetzt hatte, dass Winfried nicht wegen Fahnenflucht belangt wurde, verstecke ihn die Familie auf Fürstenberg als landwirtschaftlichen Lehrling. Aufgrund seiner guten Englischkenntnisse konnte er sich dort mit vielen Menschen (aus Russland, Polen und den USA) austauschen.

7 Siehe NL FGWM, Nr. 438 (Nr. 35), im Kalender 1944 Wolff Metternichs finden sich hier die Hinweise vom 28. 08. 1944 Winni in Bonn und vom 16. 09. 1944 Alix mit Winni nach Fürstenberg.

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Im Sommer 1944 waren Alix und die Kinder einige Wochen in Bonn beim Vater, nachdem dieser aus seiner Stellung in Frankreich entlassen worden war, da davon auszugehen war, dass die Alliierten durch das Ruhrgebiet ziehen würden.8 Die Erinnerungen an die Besuche des Vaters sind zeitlich vage, jedoch sehr intensiv. Antonius (2017): Da habe ich sehr großartige Erinnerungen mit dem Vater, da haben wir ihn auch abgeholt am Bahnhof in Siegburg. Ich hatte Ihnen das letzte Mal erzählt, dass der Vater, nachdem er von Paris zurückgekommen ist, hochgefährdet war und auf seinen Berufsreisen, er musste ja zu ­Kirchen und so weiter, jedes Mal an einem anderen Bahnhof wieder ankam, etwa in Beuel sehr oft oder in Siegburg (…). Es war ja ein ungeheures Ereignis für einen deutschen Jungen, wenn der Vater mal zu Hause war, also drei Mal im Jahr vielleicht. Das war also jedes Mal ein Fest. Und an einem Sonntag, das weiß ich noch genau, da sind wir mit dem Vater auf den Venusberg gegangen, haben uns da auf eine Wiese gesetzt, da kam plötzlich eine V2 geflogen. Da war es noch wie im Frieden eigentlich, dieser Sonntag zum Beispiel.

Nach seinem Weggang aus Paris griff Wolff Metternich seine Tätigkeiten als Provinzialkonservator wieder auf. Ende 1944 verließ er das kriegszerstörte Bonn und hielt sich bis zum Frühjahr 1945 weitgehend in Fürstenberg auf. Zuvor war der Vater – so die Erinnerungen Theresias – alle vier Wochen zu Besuch gewesen. Sie erinnert sich auch an die Sekretärin Frau Linden, eine Frau Rosué, den Fahrer Herrn Bauch, Frau Möckel, die im Archiv arbeitete. Sie alle waren aus Bonn evakuiert worden und sammelten sich gelegentlich auf Fürstenberg um Wolff Metternich. Theresia (2017): Da [war der Vater] sozusagen versteckt und sein ganzer Stab war da. Antonius erinnert sich auch an die beruflichen Tätigkeiten seines Vaters während dieser Zeit, so bspw. an den Transport von Kunstschätzen aus dem Kölner Dom.9 Auch von der Auslagerung des Marienaltars nach Kloster Dalheim in der Nähe von Fürstenberg um Ostern 1945 berichtet Antonius (2015): Das war wohl so eine Sache! [Man kam] da in Dalheim an, das war vor Ostern, und dann ging das nicht durch das Tor durch, und man musste das irgendwie nachts über die Mauer stemmen mit Leuten, Bauern, die man schnell geholt hatte. Das war die Erzählung. 8 Ebd. Die Anreise von Alix mit den Kindern ist am 18.09., die Abreise am 02. 10. 1944 vermerkt. Antonius nennt im Gespräch vier Wochen im August 1944 als Aufenthalt in Bonn, dies deckt sich jedoch nicht mit den Kalendereinträgen des Vaters, der sich zu d ­ iesem Zeitpunkt öfter in Fürstenberg bei der Familie aufhielt. Theresia nennt ­später den 15. 10. 1944 als Abreisedatum nach Fürstenberg, nach dem Bombenangriff auf Bonn. Bonn wurde am 18. 10. 1944 bombardiert, Franziskus Graf Wolff Metternich hielt sich ab dem 28. 10. 1944 weitgehend in Fürstenberg auf, unternahm aber auch noch einige (Dienst-)Reisen. 9 Die Kunstschätze aus dem Kölner Dom wurden zur Abteikirche Marienmünster bei Paderborn ausgelagert, Wolff Metternich leitete den Transport am 20. 12. 1944 selbst. Siehe NL FGWM , Nr. 438, Taschenkalender Wolff Metternichs, 1944 (Nr. 35). Siehe auch Niklas Möring, Der Kölner Dom im Zweiten Weltkrieg, Köln 2011, S. 81 – 83: Auslagerung des Altars der Stadtpatrone und des Dreikönigenschreins.

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Kriegsende, Verhältnis zum MFA&A und Entnazifizierungsverfahren An das Kriegsende und die Ankunft der alliierten Streitkräfte auf Fürstenberg, an die Karwoche 1945 und den Gang zur K ­ irche am Karfreitag, Schüsse z­ wischen der HJ und den anrückenden Amerikanern erinnert sich Antonius sehr eindrücklich. Theresia erinnert sich an den Moment, als die Bevölkerung zur Messe in der K ­ irche versammelt war und die Kirchen­tür aufging und davor ein Jeep mit MG und zwei einfache Soldaten zu sehen waren. Theresia (2017): Und dann hatten sie die Tür aufgemacht, haben gesehen, dass da eine Andacht war und haben die Türe wieder zu gemacht. Die sind nicht reingekommen. Das fand ich ja so unglaublich. Am Karsamstag weckte Nanny die Kinder, es herrschte große Angst, dass alle erschossen werden würden. Der Vater verhandelte im Bademantel auf Englisch mit dem Major. Antonius (2017): Auf dem Sessel saß der Major und gegenüber auf dem Sessel saß mein Vater. Mein Vater mit tadellosem Englisch hat jetzt mit dem Major verhandelt. Es ging darum, wer ist noch im Haus, wo gibt es Waffen und so weiter. Und zum Schluss dieser Verhandlung – das dauerte lange – mussten alle auch ihre Pässe zeigen, hat der Vater gesagt: „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort als Offizier, dass ich hier die Wahrheit spreche, dass alle Leute, die das Haus bewohnen, jetzt hier versammelt sind.“

Ein Mann aus dem Salzkammergut, der am Vorabend angekommen war, wurde vergessen, verschwand aber noch während der Verhandlungen. Zu d ­ iesem Zeitpunkt hielten sich mindestens 40 Personen im Schloss auf, so die Erinnerung – ­später waren laut Theresia sogar 300 GIs im Schloss. Auch die unmittelbare Nachkriegszeit barg Gefahren für die Familie auf Schloss Fürstenberg. Im benachbarten Wald wurde von der Organisation Todt unter dem Einsatz von Kriegsgefangenen eine Startbahn für die „Wunderwaffe“ gebaut. Antonius (2017): Und [die Gefangenen] wollten auch das Schloss stürmen, und dann haben die gefangenen Franzosen, mit denen wir ein so tolles Verhältnis hatten, uns gerettet. Sie hatten während des Krieges im Garten gearbeitet und das Schloss mit Holz versorgt. Zu ihnen war bald ein freundlicher Kontakt entstanden, und Nanny versorgte sie in der Küche mit Essen. An drei Franzosen und auch eine geschnitzte Taube als Geschenk erinnert sich Antonius besonders. Im Mai 1945 durften sie wieder zurück nach Frankreich. Und nachdem sich diese Franzosen für die Familie eingesetzt hatten, wurde ihnen aus Dankbarkeit Schmuck geschenkt, und es gab ein großes Abschiedsessen. An Ostern kam ein amerikanischer Major zum Schloss und inspizierte d ­ ieses für eine eventuelle Truppenbelegung. Er fand die Kinder mit Ostereiern vor. Theresia (2017): (…) und dann kam der Major und hat gesagt: „Oh, lauter kleine BDM-Mädchen!“ Und dann haben wir stolz gesagt: „Nein, niemals!“ Aber da hatten wir auch mehr Glück als Verstand. An diesen amerikanischen Major hat Antonius sehr gute Erinnerungen, ebenso an die Panzer und Militärfahrzeuge. Antonius (2015):

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Ich ging jeden Tag mit dem gleichen Spruch herein: „I must feed my pony“. Ich hatte nämlich ein Pony [und] mein Job war es, das geliebte Pony Mohrchen – kann ich auch auf Bildern zeigen – zu versorgen, und sie haben sich an mich gewöhnt. Das war kein Problem, die waren immer ganz toll und nett. Und öfter gab’s auch mal Schokolade oder überall sah man Büchsen, so mit Fleisch. Ja, das war also die amerikanische Zeit.

Nach dem ersten Kontakt zu den amerikanischen Alliierten wurde Wolff Metternich im April 1945 von Fürstenberg abgeholt und zwölf Tage im Zuchthaus in Rheinbach inhaftiert. Theresia erinnert sich, dass dort auch Konrad Adenauer (1876 – 1967) inhaftiert war. Antonius (2015): Ja, also im Jahr ‘45 war der Krieg zu Ende. Und der Vater war in Fürstenberg und eines Tages, dann kam nach der kämpfenden Truppe, Amerikaner, kam die andere Truppe, und eines Tages, das war wohl im Mai, an einem regnerischen kalten Tag, musste ich den Vater begleiten zu dem Hof, der Vater mit dem Mantel und der Aktentasche. Und da stand auf dem Hof ein Lastwagen, auf dem schon Leute waren, hinten auf der Ladefläche. Und der Vater musste da aufsteigen mit der Aktentasche, Kette drum und fuhr weg. Das war ein furchtbarer Augenblick. Mein Bruder Winfried war auch dabei, der hat sogar geweint.

Im Zuchthaus in Rheinbach zog sich der Vater laut Antonius (2015) eine Rippenfellentzündung zu, die er dann ein Leben lang hatte, und daran ist er auch gestorben. Nach der Entlassung hatte die Familie lange keine Nachricht über den Vater. Er sei dann zu Fuß zu Verwandten nach Schillingscapellen (hier war eine Nichte verheiratet) und Schloss Alfter (hier wohnte Franz Joseph Fürst zu Salm-Reifferscheidt, dessen Frau eine Nichte der ­Mutter war) gelaufen. Hilfe bei seiner Wiederanstellung als Provinzialkonservator erhielt Wolff Metternich wohl durch seinen Kontakt zu dem britischen Maler und MFA&A-Offizier Michael Ross (1905 – 1982). Von ihm befindet sich noch heute ein Gemälde im Besitz der Familie, mit Widmung an Wolff Metternich (1949). Es stellt eine Landschaft in Fürstenberg dar, die er bei einem Besuch dort malte. Ross war auch ein wichtiger Leumundszeuge für die Entnazifizierung des Vaters. Antonius (2015): Ja, es zog sich doch lange hin, dieser Entnazifizierungsprozess, und der Michael Ross, dieser Maler, hatte eine hohe Stellung bei der englischen Militärregierung in Düsseldorf. Der Vater hat ihm das so vorgetragen, die Sache, und dann hat er einen Satz gesprochen: „Stop this case“, Schluss mit der Sache, da war der Vater dann gerettet.

In der Nachkriegszeit arbeitete Wolff Metternich in seiner Tätigkeit als Provinzial-, s­ päter Landeskonservator auch eng mit den internationalen MFA&A-Offizieren bei der Militärregierung in Düsseldorf zusammen, um die Rückführung der ausgelagerten Kulturgüter (bspw. der Tafeln des Genter Altars) zu organisieren. Die Begegnung mit den MFA&A-Offizieren, die länger auf Fürstenberg zu Gast waren, war für die Kinder sehr schön. Auch zu den Regimentsgeistlichen bestand engerer Kontakt. Nach den Amerikanern waren britische Offiziere

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auf Fürstenberg, Theresia erinnert sich an „tea time“ und die Dankbarkeit der Tante für den Schutz der englischen Offiziere. Antonius (2015): Eine ganz große Erinnerung, das haben wir alle Geschwister, an die Kunstoffiziere. Die haben uns wieder nach der furchtbaren Nazizeit, in der man da jedem misstrauen musste, Menschlichkeit und die unglaublich angelsächsische Art [gelehrt]. Also zum Beispiel der Amerikaner Lesley hat den Vater sofort mit Vornamen angeredet, Francis, und dann war der Perry, großartiger gütiger Mensch, und Hugh Murray Baillie aus London, der hat noch am längsten gelebt, ich war noch in London und habe ihn besucht.

Im Zusammenhang mit dem Entnazifizierungsprozess erinnern sich beide an die Unterstützung seitens der alliierten Kunstschutzoffiziere, aber auch an eine Verleumdung durch einen deutschen Kollegen. Antonius (2017): Also der Entnazifizierungsprozess vom Vater zog sich lange hin. Später wusste man, dass ein lieber Kollege ihn da verleumdet hatte.10 Der Kontakt zu den MFA&A-Offizieren prägte die Familie nachhaltig, es entstanden berufliche wie private Verbindungen. Der irische MFA&A-Offizier Lionel Perry (Lebensdaten unbekannt) brachte der Familie zu Weihnachten 1945 eine Kiste mit Geschenken, wie sich Antonius erinnert. Bereits 1948 machte Wolff Metternich mit seiner Frau eine von den ehemaligen MFA &A-Offizieren Lord Methuen (1886 – 1974), Hugh Murray Baillie (1916 – 1982) und Lionel Perry organisierte Reise nach England und hielt dort kunsthistorische Vorträge. 1961 reiste er auch nach New York. Mit Everett Parker Lesley (1913 – 1982) bestand eine lange Brieffreundschaft. Die Kontakte der Nachkriegszeit bereicherten Antonius im Englischunterreicht und er entwickelte eine Faszination für amerikanische Literatur und Wildwestfilme. Antonius zeigt sich erfreut, dass die „Monuments Men“ aktuell in den Medien eine gestiegene Wertschätzung erfahren.11

Nachkriegskarriere des Vaters und Leben der Kinder als Erwachsene Der Großteil der Familie war Ende 1945 wieder in Bonn vereint. Als der Krieg schließlich vorbei war, hatte es vom ältesten Sohn Hanno keine Nachricht gegeben. Der Zufall wollte

10 Wolff Metternich konnte bereits 1945 seine Tätigkeiten wieder aufnehmen, im Februar 1946 wurde er offiziell im Amt bestätigt. Eine Einstufung als unbelastet wurde zunächst aufgehalten und Wolff Metternich als Mitläufer (Kategorie IV) eingestuft. Nach dem Berufungsverfahren wurde das Entlastungszeugnis (Kategorie V – entlastet) im April 1948 ausgestellt. Zur Entnazifizierung siehe u. a. NL FGWM, Nr. 9, Nr. 10 und Nr. 38. 11 Insbesondere der Film „Monuments Men“ von George Clooney und Grant Heslov, USA und Deutschland 2014, 118 Minuten, Bundesstart: 20. 02. 2014, ist hier zu nennen. Der Film basiert auf: Robert Edsel/Bret Witter, The Monuments Men. Allied Heroes, Nazi Thieves and the Greatest Treasure Hunt in History, London/New York 2009.

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es, dass die ­Mutter Alix an einem Tag im Mai 1945 etwas auf Fürstenberg verloren hatte und das große Gelände um das Schloss danach absuchte. Dabei entdeckte sie Hanno, der aus Bielefeld geflüchtet war, in Lumpen gekleidet im Gebüsch. Daraufhin wurde beschlossen, ihn als Patienten im Krankenhaus, das von Nonnen geführt wurde, zu verstecken. Hanno kam Ende 1945 wieder nach Bonn und machte auf dem Beethoven-Gymnasium Abitur, danach in Kapellen bei den Verwandten (Familie Boeselager) eine landwirtschaftliche Lehre, studierte dann Jura in Bonn. Antonius kehrte im Herbst 1946 als Letzter zurück nach Bonn, wo er das Gymnasium besuchte, litt jedoch unter der Trennung vom ländlichen Leben und von den Tieren. Anschließend ging er in Bad Godesberg zur Schule und machte danach ebenfalls eine landwirtschaftliche Lehre. Winfried studierte nach dem Abitur in Bonn Architektur in Aachen. Das Nachkriegsleben beschreibt Theresia als schwierig. Sie war nach Kriegsende erst in Bonn und auf dem Familienschloss Gracht, dann im katholischen Sacré-Cœur-Internat in Pützchen (Bonn-Beuel). Mit ihren Freundinnen hörte sie Vorträge über Literatur an der Universität Bonn. Die Vorträge waren sehr früh morgens und es gab aufgrund der Kriegsschäden an den Gebäuden und der allgemeinen Mangelsituation der Nachkriegszeit noch keinen universitären Regelbetrieb. Auf Schloss Gracht gab es eine kulturelle Kontaktplattform und Treffen u. a. mit Personen mit Nähe zum Widerstand und Industriellen aus Neuss, es war aber auch Zufluchtsort für Kriegswaisen und Flüchtlinge. Dort lernte Theresia bspw. Töchter von Josef Wirmer (1901 – 1944) oder von Adenauer kennen, auch der 20. Juli 1944 und der Widerstand wurden Thema. Theresia (2017): (…) die Tochter Adenauer war ja auch da, und das ist auch interessant: Da wurden die Mädchen, die sonst eigentlich für den Hausfrauenberuf vorbereitet wurden, auf einmal politisch. Sie erzählt davon, dass viele der Mädchen vermutlich Töchter der Industriellen waren, die vormals politisch dem Zentrum angehörten und nun der CDU nahestanden: Aber wir hatten ja eigentlich gar keine richtige Vorstellung. 1954 heiratete Theresia Clemens Graf von und zu Hoensbroech und bekam in den folgenden Jahren sechs Kinder. Theresia (2017): Ja, da ging das Landleben los. Und da war ich eine richtige Bauernfrau. Sie lebt – auch nach dem frühen Tod ihres Mannes im Jahr 1970 – in der Nähe von Kevelaer am Niederrhein. Das Bonner Haus der Familie in der Bücherstraße 2, das leichte Kriegsschäden hatte, wurde auch nach dem Wegzug der Eltern 1953 nach Rom nicht aufgegeben. Dort wohnten Hanno, Nanny und Antonius, während der untere Teil an eine Familie (Kulturattaché bei der griechischen Botschaft in Bonn) vermietet war. Nach dem Tode Franziskus’ erbte Winfried das Haus, dessen Sohn Paul lebte dort eine Zeitlang, es wurde u. a. an Studierende vermietet.12 Antonius erinnert sich, dass in der Nachkriegszeit in Bonn viele Kollegen, ­Verwandte, 12 Hans-Werner Langbrandtner ergänzte im Gespräch, dass Paul Graf Wolff Metternich in einem Telefonat geschildert habe, dass das Haus in der Blücherstraße zeitweise einer großen Wohngemeinschaft des Kunsthistorischen Instituts der Universität Bonn glich und dort viele Kunsthistoriker verkehrten.

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Freunde und Studenten zu Besuch waren, sowie an Teegesellschaften der M ­ utter mit Besuch älterer Damen, u. a. der adligen Verwandtschaft aus Frankreich und Belgien. Die vielen Verwandten in Belgien und Frankreich waren laut den Kindern einer der Gründe dafür, dass der Vater so frankophil war. Die Eltern luden oft Gäste ein. Theresia (2017): Das ist ja eine Universitätsstadt und viele Verwandte, die studierten in Bonn. Zum Beispiel ein ständiger Gast [vor dem Krieg] war der Bruder von meiner ­Mutter, der jüngste Bruder, genannt Goffy.13 Antonius (2015): Es war immer was los. Auch Wolff Metternichs Mitarbeiter waren oft zu Besuch und die Familie ihrerseits bei den Kollegen eingeladen. Theresia erinnert sich bspw. an Besuche bei Theodor Wildemann und von Tieschowitz. Theresia (2017): Bei Tieschowitz waren wir und die waren dann auch wieder bei uns zum Abendessen. Das ist eine gute Sache anzusprechen, weil das war eine richtige Kultur (…). Aber nach dem Krieg kamen vor allem natürlich viel Verwandte von uns, um mit dem Vater zu sprechen, über den Wiederaufbau ihrer Schlösser. Die kriegten ja dann für die riesigen Dächer irgendwelche Zuschüsse (…). Und da waren immer sehr viele [Studenten] und vor allem (…) viele belgische Verwandte (Merode, Durant). Da war der Krieg kaum zu Ende, da kamen die schon. Und das finde ich so unglaublich, wie man dafür dankbar sein muss. Wir hatten ja belgische Besatzung in Bonn und dann hatten diese Verwandten (…) für uns jede Woche ein Paket mit Käse und Kakao und anderes (…).

Zudem wurden Aspekte des adeligen und künstlerischen Lebens weiterhin gepflegt. Theresia erzählt von Adelsbällen und Festen der Nachkriegszeit, beispielsweise auf Burg Heimerzheim, vom jährlichen Herrenclubball der Rheinischen Ritterschaft auf Schloss Ehreshoven und dem Damenclubball in Münster, Kunstgesprächen auf Schloss Alfter und den Bahnhofsgesprächen in Köln („Mittwochsgespräche“ im Kölner Hauptbahnhof in den 1950er Jahren), die nach Kriegsende Teil des gesellschaftlichen, kulturellen Lebens waren, da in den Städten die ­Theater und Museen zerstört waren. Dorthin wurden auch Franzosen und Belgier eingeladen und die Familie traf dort auf viele belgische Verwandte. Theresia erinnert sich an eine Begegnung mit zwei Söhnen der Familie Lobkowitz. Theresia (2017): Und da hatte der eine Sohn mir gesagt, bestellen Sie Ihrem Vater viele Grüße, er hat uns viel geholfen. Auf Schloss Alfter gab es von 1947 bis 1950 regelmäßig die „Donnerstag-Gesellschaft“, eine Kultur- und Kunstinitiative, die Franz Josef Fürst zu Salm-Reifferscheidt-Krautheim und Dyck, Antonius’ Patenonkel, organsierte. Franziskus und Alix hatten den Herbst 1945 weitgehend auf dessen Schloss Alfter verbracht.14 13 Karl Gottfried Graf von Fürstenberg Herdringen (1909 – 1941, genannt Goffy) studierte Kunstgeschichte und Philosophie in Berlin (bei Romano Guardini), war im Krieg bei einer Panzerdivision und fiel im Herbst 1941 beim militärischen Vorstoß nach Moskau, was eine große Erschütterung für die Familie war. Wolff Metternich habe ihn als „idealen Charakter“ beschrieben. 14 NL FGWM, der Kalender Wolff Metternich 1945 liegt nur als Digitalisat vor. Dort ist am 11./12. 05. 1945 notiert: Übersiedlung nach Alfter. Siehe auch bspw. Maxi Sickert, Donnerstag-Gesellschaft Schloss

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Theresia berichtet auch, dass die Kinder von Alfter aus bei der Bahnhofsmission halfen und sie selbst an Hilfssammlungen für den Winter beteiligt war. Sie war ­später auch auf den erwähnten Kulturveranstaltungen und traf bspw. Heinrich Böll (1917 – 1985) und Hann Trier (1915 – 1999). In der Erinnerung Theresias an Künstlerkontakte spielt auch die Religion eine wichtige Rolle. In Begleitung des Vaters lernte sie u. a. auf Schloss Gracht Künstler kennen, dabei war die Verbindung zeitgenössischer Künstler und lebendiger ­Kirche für Wolff ­Metternich ein großes Anliegen. Denn in der Nachkriegszeit 1946/1947 sollten die Kölner K ­ irchen wieder aufgebaut werden und Theresia war mit dem Vater unterwegs. Theresia (2017): Er hat immer gesagt, „lebendige K ­ irche“, also hat er die ganzen jungen Künstler (…) zugezogen. Antonius und Theresia berichten, dass der Vater in den Nachkriegsjahren sehr unglücklich über den Wiederaufbau war, insbesondere den vielen Beton, eine Ansicht, die er auch bei einer Diskussion in einem Hörsaal der Uni Bonn vertrat. Antonius (2017): Dann hat er aber dafür plädiert (…) und das war eine Entscheidung: ohne Kultur oder Religion können wir nicht leben. Das war ja entscheidend! [Es] ist ja eine unglaubliche Leistung von Köln, dass man die romanischen ­Kirchen wiederaufgebaut hat. Er stellte sich vehement gegen die Stimmen, die den Abriss von zerstörten K ­ irchen forderten. Das sei der Ausschlag für eine Umorientierung gewesen. Theresia (2017): Schließlich hat er kapituliert. Von der Karriere des Vaters in der Nachkriegszeit haben Antonius und Theresia wenig Kenntnis. Jedoch wurde in dieser Zeit über einen „Feind“ gesprochen, bei dem es sich vermutlich um Josef Busley (1888 – 1969) handelte, gegen den eine Aversion bestanden habe.15 Ansonsten berichten die Kinder von sehr guten kollegialen Verbindungen. An die Zeit beim Auswärtigen Amt, Wolff Metternich war 1950 bis 1952 Leiter der dortigen Kulturabteilung, haben Antonius und Theresia kaum Erinnerungen, lediglich, dass es für den Vater eine mühsame Zeit war. Zu Konrad Adenauer hatte Wolff Metternich vielseitigen Kontakt, laut Theresia u. a. auch zu Theodor Heuss (1884 – 1963) und Carlo Schmid (1896 – 1979). Antonius erinnert sich daran, dass sich der Vater mit Adenauer über die Einrichtung der Villa ­Hammerschmidt beraten habe.16 Die Bestrebungen des Vaters im politischen Raum zu Alfter 1947 – 1950 und die Zeit danach, Berlin 2010 und Frank-R. Hildebrandt/Jens Scholz, Die Donnerstag-Gesellschaft Alfter 1947 – 1950, Bonn 1997. 15 Josef Busley war Kunstschutzmitarbeiter in Frankreich gewesen. Von 1927 bis zu seiner Entlassung 1933 hatte er die Leitung der Kultur- und Denkmalpflegeabteilung beim Landeshauptmann der Rheinprovinz inne, anschließend war er für die Denkmälerinventarisation in Bonn sowie nach Kriegsende beim Kultusministerium in Düsseldorf tätig. Infolge der Bemühungen Wolff Metternichs um den „Wiederaufbau der Denkmalpflege“ gab es Differenzen über Zuständigkeiten, was zum Disput mit dem langjährigen Kollegen Busley führte, der in seiner Funktion beim Kultusministerium nicht mit einbezogen worden war. Siehe bspw. NL FGWM, Nr. 52, Nr. 64 und Nr. 91, außerdem Nr. 38 und PA AA P14/59907. 16 NL FGWM, Nr. 134, darin Unterlagen zur Beratung Konrad Adenauers bei der Einrichtung des Bundeskanzleramtes und Aktennotiz Wolff Metternichs über den Vorschlag Adenauers, ihn als Referenten nach Italien zu ­schicken, 15. 05. 1950.

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verwundern Antonius. In den frühen 1950er Jahren bemühte Wolff Metternich sich um die Stelle des Kulturreferenten bei der Botschaft der Bundesrepublik in Rom und konkurrierte dabei mit Dieter Sattler (1906 – 1968). Antonius (2015): Eines Tages kam dieser Dieter Sattler aus München nach Bonn. Ich sehe ihn da noch sitzen mit seinen grauen Haaren, der war wesentlich jünger als der Vater, und der Vater hat sich Bedenkzeit erbeten, für ­welche Sache er sich dann schließlich entscheidet. Und Gott sei Dank hat sich der Vater ja dann entschieden, Direktor der Hertziana, [Institut für] Kunstgeschichte, zu werden, und Dieter Sattler ist dann Kulturattaché geworden. Wir sind mit der Familie bis heute befreundet.

1953 wurde Franziskus Graf Wolff Metternich erster Direktor der wiedereröffneten Bibliotheca Hertziana, Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte, in Rom. 1954 begleitete Antonius den Vater nach Rom und besuchte dort zwei Jahre lang die deutsche Schule. Er wohnte zusammen mit dem Vater in der Dienstwohnung, die an das Institut in der Via Gregoriana anschloss. Zu dieser Zeit war Alix aufgrund einer Schilddrüsenerkrankung sehr geschwächt und konnte erst ca. 1956 nach Rom nachkommen. Die Cousinen Elisabeth und Monika aus der Familie Westphalen zu Fürstenberg reisten abwechselnd nach Rom, um den Haushalt zu führen. An die Zeit in Rom hat Antonius sehr schöne Erinnerungen, weil die Stadt damals noch nicht so voll war, sodass der Vater ohne Gefahr ein Buch lesend durch die Straßen laufen konnte. Antonius zog ­später nach Heidelberg, besuchte den Vater aber jährlich in Rom. Franziskus blieb auch nach Eintritt in den Ruhestand 1962 in Rom und arbeitete weiter an seiner Forschung zum Petersdom. Erst 1971 kehrte er zurück ins Rheinland, wohnte auf dem Fronhof in Köln-Junkersdorf, wo er auch Besuch aus Rom wie den Kunsthistoriker Christof Thoenes (1928 – 2018) empfing, um seine Petersdom-Forschung weiterzuführen. Der Fronhof in Köln-Junkerdorf wurde in den 1960er Jahren zum neuen Stammsitz der Familie. Der Großvater Ferdinand Graf Wolff Metternich hatte den Gutshof 1934 von der Familie Finger erworben, Pächter war bis 1964 Franz Finger. Als der Finanzverwalter der Familie Wolff Metternich in Bonn starb, übernahm Hanno auf Bitte des Vaters diese Aufgabe und suchte nach einem geeigneten Familienstammsitz.17 Antonius war der Erste, der im Herbst 1965 auf den Fronhof zog, die beiden anderen Brüder wohnten noch in Bonn. Der Hof wurde gänzlich neu aufgebaut und 1968 konnten die Brüder in ihre Bereiche einziehen: Sie hatten im Nebengebäude jeweils ein Büro, Hanno für die Verwaltung, Winfried für sein Architekturbüro. 1971 kam der Vater aus Rom zurück und lebte bis zu seinem Tod 1978 im Gutshaus des Fronhofs, Alix bis zu ihrem Tod 1991. Die Kinder von Winfried und Antonius wuchsen auf dem Fronhof auf. Auf dem Fronhof wurde auf Initiative von Franziskus Wolff Metternich auch die deutschbelgische Freundschaft zelebriert. Begonnen hat dies den Erzählungen Antonius’ nach in 17 Schloss Gracht in Erftstadt-Liblar war über mehrere Jahrhunderte Herrschaftssitz der Familie Wolff Metternich, wurde jedoch 1957 verkauft.

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den späten 1960er Jahren, der Vater und Hanno hatten Verbindung zu den Offizieren in der nahegelegenen belgischen Kaserne. Bei der Kirmes in Junkerdorf gab es ein Platzkonzert. Antonius (2017): (…) und da hat der Vater gesagt: „Mein Haus steht Ihnen offen, vor allem den Nachbarn.“ Dies wurde zur Tradition, die s­ päter vom ältesten Sohn Hanno als Hausherr weitergeführt wurde und erst mit dessen Tod im Jahr 1995 endete.

Erinnerungen an Kunstschutzkollegen des Vaters An Bernhard von Tieschowitz haben Antonius und Theresia viele gute Erinnerungen, er war ein enger Kollege und Vertrauter des Vaters (Abb. 7). Antonius (2017): Bis dahin war es so, dass kein Tag verging, ohne dass mal von Tieschowitz die Rede war. Der war also immer da und gegenwärtig. Von Tieschowitz war immer helfend zur Stelle, holte auch zu Kriegszeiten und während seiner Zeit bei der rheinischen Denkmalpflege die Familie und Franziskus ab. So auch nach 1943, als der Vater bereits vom Militärdienst beurlaubt und dann entlassen worden war und, wie die Kinder es empfanden, eine Gefahr für ihn bestand. Der Erinnerung nach war er eine Zeitlang in Burg Lede (Bonn-Vilich) bei den Berghe von Trips versteckt. Theresia (2017): Genau. Weil er hat immer die Sorge gehabt oder vielleicht wusste er es auch konkret, dass der Vater verfolgt wurde. Der Vater habe in dieser Zeit auf Dienstfahrten auch gewohnte Wege gemieden, um in keine Falle zu geraten, und habe sogar unter dem Bett geschlafen, für den Fall, dass die Unterkunft gestürmt würde. Bernhard von Tieschowitz wohnte mit seiner Frau Lisl, die die Familie ebenfalls kannte, auf der Poppelsdorfer Allee, Theresia und Antonius beschreiben ihn als „Lebenskünstler“, diplomatisch und verantwortungsbewusst. Theresia (2017): Der war sehr humorvoll, aber er war ein empfindlicher Mensch, er war sehr sensibel. Ich nehme an, dass er dann auch depressiv war, s­ päter (…). Antonius (2015): Herr Tieschowitz war also immer eine tolle elegante Erscheinung und war immer zu uns Kindern wahnsinnig nett. Auch in der Nachkriegszeit und in der Zeit von Tieschowitz’ als Kulturattaché in Paris bis 1967 bestand ein guter Kontakt, die Familie besuchte ihn dort. Antonius erinnert sich, dass er als Kleinkind in das Büro in der Bachstraße mitgenommen wurde und von Tieschowitz ihm das Pfeifen beigebracht habe. Antonius (2015): Ich war mal in der Wohnung, die hat mir einen großen Eindruck gemacht, weil das so schöne impressionistische Bilder waren. Besonders eindrücklich erinnert sich Antonius an eine Fahrt mit dem Vater und von Tieschowitz im Dienstwagen mit Fahrer Bauch nach Aachen, wo im Aachener Dom der Karlsschrein geöffnet wurde und er als Zuschauer von der Empore aus zusehen konnte, während draußen ein Frühlingsgewitter tobte. Im Anschluss habe ein schöner Austausch mit den Fachkollegen stattgefunden.18 18 Der Zeitpunkt ist bisher nicht weiter einzugrenzen, es handelte sich um eine konservatorische Begutachtung. Laut den Erinnerungen Antonius’ wurden Textilien begutachtet, Theresia berichtete, dass die Gebeine auf Schimmel überprüft wurden.

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Abb. 7  Bernhard von Tieschowitz im zivilen Anzug, ca. 1940/1941.

Der furchtbare Tod von Bernhard von Tieschowitz (Schienensuizid) im Jahr 1968 erschütterte Antonius sehr. Auch nach von Tieschowitz’ Tod pflegten die Familie und Wolff Metternich weiterhin Kontakt zu dessen Witwe Lisl von Tieschowitz. Antonius erinnert sich an die Feierlichkeiten 1973 zum 80. Geburtstag des Vaters in Aachen.19 Bei dieser Veranstaltung sprach Wolff Metternich auch über den Kunstschutz in Frankreich, vergaß dabei jedoch, von Tieschowitz zu erwähnen. Antonius und die Familie machten ihn darauf aufmerksam, denn Lisl von Tieschowitz war Gast auf der Veranstaltung, und Wolff Metternich honorierte ihn im Nachwort. Neben von Tieschowitz blieben weitere Kollegen in Erinnerung. Felix Kuetgens (1890 – 1976) beschreibt Theresia als ganz treue Seele. Sie erinnert sich, dass er in der Nachkriegszeit verfolgt wurde, aber nicht warum, und dass Kuetgens auf einer Dienstreise, zu der Wolff Metternich die Kinder mitgenommen hatte, in den Stadttrümmern Erbsensuppe für sie gekocht habe. Auch Antonius erinnert sich positiv an Kuetgens, als er den Vater und von Tieschowitz auf einer Dienstreise nach Aachen begleitete. An Wend Graf von Kalnein erinnern sich Antonius und Theresia ebenfalls. Dieser war 1950 aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt. Antonius wurde von ihm ­später auch nach Düsseldorf eingeladen, dort war Graf Kalnein Direktor des Kunstmuseums und wohnte mit der Familie in Neuss. Antonius berichtet, dass Kalnein ihm ebenfalls nichts vom Kunstschutz 19 Josef Ruland (Hg.), Festschrift für Franz Graf Wolff Metternich (Jahrbuch des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz 1974), Neuss 1973. Siehe auch NL FGWM, Nr. 180, Verleihung des Doktoringenieurs ehrenhalber an Wolff Metternich an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen 1973.

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erzählte. Antonius (2017): Nein, der kam ja dann verspätet aus der Gefangenschaft und wohnte in Poppelsdorf. Der wohnte da in einem kleinen Haus vor dem Schloss. Dann hat er noch das Studium vollendet und ist ja dann [Museumsdirektor] geworden und kam [in der Bonner Zeit] aber fast täglich in unser Haus.

Erinnerung an die Arbeit des Vaters beim Kunstschutz Über den Krieg und seine Zeit in Frankreich und beim Kunstschutz erzählte Wolff M ­ etternich auch in der Nachkriegszeit wenig. Theresia betont, dass es kaum sein könne, dass ein Großteil der Denkmalschützer nationalsozialistische Ansichten gehabt habe (2021): Das geht einfach nicht nach der Auffassung des Christentums und der Bauweise. Antonius erschloss sich die Informationen über die Zeit des Vaters beim Kunstschutz erst s­ päter. Das Bild des Vaters ist bei Antonius unmittelbar an dessen Konflikt mit Hermann Göring über den Abtransport von beweglichen Kunstgütern sowie an die generelle frankophile Haltung des Vaters geknüpft. Antonius (2015): Ja, also was er erzählt hat glaube ich, das habe ich also unmittelbar gehört, die Geschichte: Da hat man ja dann im Louvre die Nachsicht [der konfiszierten Kunstwerke aus jüdischem Besitz] für den Göring in einer Kunstausstellung gemacht. Da war der Vater als Hauptzuständiger [für die Sicherung von Kunstgut] nicht eingeladen. Und da ist er vor die Tür gegangen und hat gehustet und mit dem Schuh gescharrt und ist schließlich reingekommen und stand dann vor dem Hermann Göring in Zivil, zweitmächtigster Mann im Staat, und hat dann diesen Ausspruch getan: „Laut Haager Landeskonvention, Kunstschätze aus einem besiegten Land sind nicht auszuführen“. Also das ist ja seine Tat. Wurde dann ja sofort entlassen (…). Vater und M ­ utter konnten wunderbar Französisch, ich kann das leider nicht. Ja, also unsere Familie hat mehrere Verwandte in Belgien und Frankreich wie in Deutschland, kannte auch viele vom Adel und hat dann wahnsinnig gute Beziehungen zu den Franzosen gehabt. Er hat natürlich verstanden, dass das entsetzlich war, da ins Land einzubrechen und hatte sehr gute Beziehungen und vielleicht zu Gute, das war vielleicht den Nazis auch aufgefallen.

Auch die Reisen des Vaters nach Italien und Griechenland nahmen die Kinder weniger wahr, er erzählt über seine Reise nach Athos, den Aufenthalt im Kloster und Gespräche mit den Mönchen sowie kulinarische Genüsse. Erst im Nachhinein wurde ihnen klar, dass er in Griechenland wohl auch in Sachen Kunstschutz unterwegs gewesen war. Als Mitbringsel aus Paris bekamen die Kinder hauptsächlich Kleidungsstücke. Zu Paris scheint der Erinnerung Antonius’ nach ­später keine engere Bindung mehr vorhanden gewesen zu sein. In den 1950er Jahren war er einmal gemeinsam mit den Eltern in Paris, jedoch erzählt Antonius (2015): Ich war komischerweise niemals im Louvre, also das ist entsetzlich, das muss ich mal nachholen. Antonius’ Tochter Elisabeth erinnert sich an ihren Besuch einer kleinen Fotoausstellung im

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Louvre über das Museum während der Besatzung und meint, dass ihr Großvater Franziskus dort auch auf Fotografien vorkam.20 Den Erzählungen der Kinder nach hatte der Vater sehr unter den Kriegszerstörungen gelitten und empfand dies als Konservator als besonders furchtbar. Theresia (2017): Und dann weiß ich noch, dass er natürlich auch alle diese Fotos kriegte. Und dann sagte er: „Ach, schon wieder kaputt.“ [Das war] im ­Ersten Weltkrieg auch zerstört worden und dann war es mühsam aufgebaut und dann war es schon wieder kaputt. Vor allem hat er sehr gelitten, dass Belgien wieder überfallen wurde. Und, das weiß ich noch, das war in der ersten Zeit nach dem Krieg, fuhr ich mit ihm (…) in Vororte von Brügge. Da fuhr er immer auf einen bestimmten Friedhof von einem Dorf. [Er besuchte dort] immer ein Grab von einem Vetter [Familie Limburg-Stirum]. Der war auch im ­Ersten Weltkrieg gefallen. Also, diese belgische Geschichte hatte er nie überwunden, nie.

Antonius beschreibt den Vater als sehr ernsten und ehrenwerten Menschen. 2011 wurde er auf eine Publikation zum Kölner Dom im Zweiten Weltkrieg aufmerksam, bei der es ihm wichtig erschien, das Bild des Vaters zu ­schützen.21 Er erzählt, dass der Autor viele Dinge sehr richtig geschrieben habe, bspw. wie der Vater als Konservator für den Schutz des Doms eingestanden war. Antonius (2017): Das hat er richtig geschrieben, aber er hat vorher geschrieben: in den 30er, 33er Jahren hielten Franziskus Wolff Metternich und sein Vorgänger Clemen begeisterte Nazireden. Als Beweis hat er angeführt, dass der Vater mal irgendwas über den Dom geschrieben und den Ausspruch getan hat: „Es ist ein weihevoller Raum.“ Und das hat der als germanische Schwärmerei [gesehen].

Daraufhin fuhr Antonius zur Buchpräsentation nach Köln zum Domforum, um bei der Aussprache mit Gästen wie dem Domprobst, der Dombaumeisterin und dem Autor seine Sichtweise erläutern zu können. Er erzählte dort aufgeregt über das Verdienst des Vaters, den Kontakt zu MFA&A-Offizieren, den Kunstschutz in Frankreich und seinen Widerstand gegen Hermann Göring – er wollte richtigstellen und das Ansehen des Vaters bewahren. Theresia betont resümierend (2021): Es muss klar sein, dass die Familien der Kunstschützer 20 Guillaume Fonkenell (Hg.), Le Louvre pendant la guerre. Regards photographiques, 1938 – 1947 (Ausstellung Paris, Musée du Louvre, 7 mai–31 août 2009), Paris 2009. 21 Niklas Möring, Der Kölner Dom im Zweiten Weltkrieg, Köln 2011. In ­diesem Buch wird mehrfach betont, dass der engagierte Provinzialkonservator Wolff Metternich für den Dom und dessen Schutz im Krieg von Vorteil war. Der Anstoß für Antonius, sich über die Positionierung des Vaters zu äußern, geht vermutlich auf S. 10 zurück: „Auch sie [die Denkmalschützer] standen zu einem großen Teil nationalen Anschauungen nahe und übten schon länger den Spagat, indem sie das ‚Deutsche‘ in der eigentlich französischen Architektur des Domes herausstellten.“ Als Beleg verweist der Autor auf die Ausführungen in Franz Wolff Metternich, Der Dom zu Köln (Rheinische Kunststätten 16), Düsseldorf 1937.

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sich spätestens ab 1939 ständig unter Lebensgefahr, das heißt verfolgt fühlten, und mit Tricks und Verantwortung Kunstschätze versteckten und in Sicherheit brachten: Erstens vor den Nazis, zweitens vor den Bomben.

2. Gespräch mit Karsten Evers, Sohn von Hans Gerhard Evers Am 6. September 2017 fand in Brauweiler ein Treffen des Projektteams mit Karsten Evers statt, dem jüngsten Sohn des Kunstschutzmitarbeiters Hans Gerhard Evers (1900 – 1993). ­Themen waren die Überlieferung zum Kunstschutz und die Personennetzwerke der Kunstschützer. Karsten Evers hatte im Diskurs der letzten Jahre um den Kunstschutz Italien die Dokumente im Nachlass des Vaters aus dieser Zeit gesichtet und sie digita­lisiert bzw. transkribiert auf einer privaten Internetplattform für Forscher*innen zur Verfügung gestellt.22

Biografisches Hans Gerhard Evers wurde am 19. März 1900 als drittes und jüngstes Kind des Pastors Johannes Evers (1859 – 1945) und seiner Frau Anna Evers geb. Plitt (1874 – 1906) in Lübeck geboren. Nach dem Abitur 1917 in Lübeck studierte er Literatur, Sport und Geschichte in Göttingen, Heidelberg und Berlin, unterbrochen durch einen ­kurzen Wehrdienst 1918. Das Interesse für Kunst entdeckte er erst im Verlauf des Studiums. Seine Promotion im Fach Kunstgeschichte 1924 in Göttingen markiert diese Umorientierung.23 Anschließend war er Assistent am Kunsthistorischen Institut der Universität Heidelberg, hatte 1925/1926 ein halbjähriges Stipendium für Forschung in Ägypten und war dann Assistent am Ägyptologischen Institut in Heidelberg.24 Karsten Evers:

22 Familienarchiv Evers http://www.kunstschutz.evers.frydrych.org (Stand: 29. 08. 2021). Ein Zugang zu Datenbank erfolgt nach Kontaktierung und Zustimmung der Familie. 23 Hans Gerhard Evers, Winckelmann und Lessing im Kampf um die Erziehung zur Kunst, Diss. phil. Universität Göttingen, 20. Nov. 1924. Zur Biografie siehe bspw. Christian Fuhrmeister, Optionen, Kompromisse und Karrieren. Überlegungen zu den Münchner Privatdozenten Hans Gerhard Evers, Harald Keller und Oskar Schürer, in: Nikola Doll/Christian Fuhrmeister/Michael H. Sprenger (Hg.), Kunstgeschichte im Nationalsozialismus. Beiträge zur Geschichte einer Wissenschaft z­ wischen 1930 und 1950, Weimar 2005, S. 219 – 242. 24 Hans Gerhard Evers, Staat aus dem Stein. Denkmäler, Geschichte und Bedeutung der ägyptischen Plastik während des Mittleren Reichs, 2 Bde., München 1929. Die beiden Bände werden mit Einverständnis des Verlags auf der Website der Familie von Hans Gerhard Evers digital zur Verfügung gestellt: https://archiv.evers.frydrych.org.

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Daraus ist ein zweibändiges Werk („Staat aus dem Stein“) über die Plastik des Mittleren Reiches in Ägypten geworden. Dann war er also irgendwie Ägyptologe, hat sich dann aber entschieden, dass ihm das doch noch zu eng ist und er in die Kunstgeschichte will. Er ist dann nach München gegangen und hat eine (…) Habilitation geschrieben über die Breitrichtung der Basilika. Er ist immer wieder angeeckt mit seinen Thesen. Und die Vorstellung, dass die Basilika als Bauwerk eigentlich nicht so gemeint ist, dass vorne der Altar ist und dann dahinter die Gläubigen in Reihen sitzen, sondern dass die Gemeinde sich gegenübersitzt, war im Grunde seine These. Die Dissertation wurde zunächst abgelehnt und erst in einem zweiten Überarbeitungsschritt anerkannt. Später hat er dann mit Spaß gesehen, wie sich das zweite Vatikanische Konzil im Petersdom gegenübersaß und hat gesagt: „Genau so!“

1928 wechselte Hans Gerhard Evers an die Universität München als Assistent am Lehrstuhl von Wilhelm Pinder (1878 – 1947). Seine Habilitation im Fach Kunstgeschichte schloss er 1932 ab, anschließend war er als Privatdozent in München tätig.25 Hans Gerhard Evers war in erster Ehe (1928) mit Erna Moro verheiratet, aus der Ehe stammen zwei Kinder, Konrad (*1929) und Vera (*1932). Erna Evers’ M ­ utter war jüdischer Abstammung, aber katholischen Glaubens, der Vater Dr. Ernst Moro (1874 – 1951) war erfolgreicher Kinderarzt. Aufgrund der NS-„Rassengesetze“ wuchs der Druck auf das Paar. Bereits 1935 wurde Evers mitgeteilt, dass aufgrund der „jüdischen Versippung“ ein akademisches Beamtenverhältnis nicht möglich sei, und 1937 drohte die Entlassung als Dozent, seine Lehrerlaubnis wurde zum Ende des Wintersemesters 1937/1938 entzogen. Diese zusätzliche Belastung war nach Einschätzung Karsten Evers’ der äußere Anlass und ausschlaggebender Zeitpunkt für die Scheidung der Ehe im Dezember 1937, die sich zuvor schon unglücklich entwickelt hatte. Im März 1938 heiratete Evers Sibylle Tobler, die er 1935 kennengelernt hatte, als sie zum Studium nach München gekommen war. Aus der zweiten Ehe stammen vier Kinder, Diemut (*1939), Irmelin (*1940), Tilman (*1942) und Karsten (*1945). Enger Kontakt zur ersten Ehefrau und den gemeinsamen Kindern bestand zeitlebens. Sie lebte nach der Scheidung mit den Kindern in Heidelberg bei ihren Eltern. Der parteinahe Kollegenkreis ihres Vaters setzte sich für den Schutz und gegen die Verfolgung der Familie Moro ein. Um seine Entlassung zu verhindern, trat Evers um 1938 außerdem der SA bei. Sein Sohn schätzt diese Entscheidung folgendermaßen ein: Als die Entscheidung gefallen war, dass er sich scheiden lässt, wurde ihm gesagt, ja, das wird noch nicht reichen, sondern du musst auch in irgendeine der Organisationen eintreten. Und dann ist er in die SA . Das erschien ihm damals sozusagen als das geringste Übel, eine Mitgliedschaft in der SA , in der er nie irgendwelchen Rang und Bedeutung hatte, sondern eben seine Pflichtübungen gemacht hat.

25 Habilitationsschrift Hans Gerhard Evers, Die Breitrichtung der Basilika (1932).

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Evers’ Karriere im Kunstschutz Im August 1939 wurde Evers zum Polenfeldzug als Soldat zu einer Entgiftungskompanie einberufen, dort stieg er bis zum Unteroffizier auf. Im September 1940 wurde er, für ihn wohl unerwartet, zur Fotokampagne nach Frankreich berufen. Evers war Kunstfotograf und hatte auch zu Fotografie veröffentlicht, für seine Forschung fotografierte er meist selbst. Karsten Evers: (…) für meinen Vater war es eben wichtig, wie er fotografiert hat, sozusagen er und sein spezieller Blick auf das Kunstwerk. Einen persönlichen Kontakt zu Richard Hamann (1879 – 1961) gab es den Informationen des Sohnes nach zu d ­ iesem Zeitpunkt noch nicht, die erste Begegnung mit ihm ergab sich in Paris: (…) er war völlig überrascht davon, dass er da gerufen wurde und sah die Fotokampagne von Hamann eher etwas kritisch, hört man so im Unterton [der Briefe]. Diese Vorstellung Hamanns, ich fotografiere einfach alles, war nicht so Seins. Aber er hat sich da auch irgendwelche Freiräume verschafft, weil sein Ziel war, die Kunst und Architektur des 19. Jahrhunderts zu fotografieren. Und da [mit ­diesem Interesse] war er wieder der Einzige.

Ein Kontakt zu Wolff Metternich scheint nach Einschätzung des Sohnes im Voraus nicht bestanden zu haben. Evers war von Oktober 1940 bis September 1941 Teil des kunstwissenschaftlichen Arbeitsstabes in Frankreich und fotografierte in der Gruppe 4 der Fotokampagne „Architektur des 19. Jahrhunderts“.26 Anschließend war er bis 1943 nach Antwerpen abkommandiert, um an seiner Studie über Rubens zu arbeiten, die noch während des Krieges in zwei Büchern publiziert wurde.27

26 NL FGWM, Nr. 158, Abschließender Bericht über die Tätigkeit des kunstwissenschaftlichen Arbeitsstabes in Frankreich in der Zeit vom 01. 10. 1940 – 30.09. (bzw. 31.12.)1941, 30. 04. 1942. In den Kalendern von Bernhard von Tieschowitz im NL FGWM, Nr. 251 finden sich weitere Hinweise zu Evers’ Tätigkeiten und Aufenthalten in Paris. Diese wurden im Verlauf des Gesprächs auch thematisiert. In den Kalendern ist mehrfach die Anwesenheit von Evers dokumentiert, im Juni 1941 (25. 6. 1941 Vortrag Evers; Paris im 19. Jh. und 28. 6. 1941 Führung Evers: Paris im XIX Jh. […]), Juli und September 1941, Juni 1942 und im September 1943, da auch zwei Treffen mit Wolff Metternich, von Tieschowitz und Gruppe Kult der MV mit Evers, zudem war Evers laut von Tieschowitz’ Kalendereinträgen auch am 09./10. 06. 1944 nochmals in Paris. 27 Hans Gerhard Evers, Peter Paul Rubens, München 1942 (flämische Ausgabe Antwerpen 1946) und ders., Rubens und sein Werk. Neue Forschungen, Brüssel 1943. Siehe NL FGWM, Nr. 51, Schriftwechsel Wolff Metternich und Hans Gerhard Evers über dessen Rubens-Publikation, Nov. 1941 und auch NL FGWM, Nr. 67, darin Korrespondenz von Wolff Metternich mit Hans Gerhard Evers über dessen Rubensarbeit, 1942/1943.

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Abb. 8  Hans Gerhard Evers als Kunstschutzoffizier in Italien, ca. 1944.

Bernhard von Tieschowitz reiste Ende Oktober 1943 in das nunmehr besetzte Italien und bemühte sich dort um die Einrichtung des militärischen Kunstschutzes.28 Dabei ging es insbesondere um die Bergung von beweglichem Kulturgut aus dem Kloster Montecassino, aber auch um die Sorge wegen der Zerstörung und des Aufkommens für Deutschland negativer Propaganda. Im November 1943 wurde Evers mit der Leitung des Kunstschutzes in Italien betraut und zum Militärverwaltungsrat ernannt (Abb. 8).29 Von Italien aus arbeitete er weiter mit von Tieschowitz zusammen und berichtete dem Beauftragten für Kunstschutz über die Tätigkeiten in Italien.30 Im Februar 1944 wurde der SS-Standartenführer und Archäologe Alexander Langsdorff (1898 – 1946) Leiter des Kunstschutzes in Italien.31 Karsten Evers:

28 Wolff Metternich war zu d ­ iesem Zeitpunkt bereits beurlaubt und Bernhard von Tieschowitz übernahm als sein Stellvertreter die Aufgaben des Beauftragten für Kunstschutz in den besetzten Gebieten beim Oberkommando des Heeres. Im Oktober 1943 wurde Wolff Metternich aus dem Militärdienst entlassen. 29 NL FGWM, Nr. 251, Kalender von Bernhard von Tieschowitz, darin Hinweise auf die Übergabe der Geschäfte für den Kunstschutz in Italien, erstes Treffen von Tieschowitz’ und Evers’ am 21. 11. 1943, am 22. 11. 1943: (…) Erste „Einweisung“, dann „I“ Büro mit ihm (…), am 23. 11. 1943: Büro mit Evers „2“ (…). Von Tieschowitz reiste am 29. 11. 1943 von Rom aus über Florenz, Mailand, Verona und München zurück nach Paris, Ankunft dort am 10. 12. 1943. 30 NL FGWM, Nr. 70, darin auch Berichte über den Kunstschutz Italien, u. a. von Tieschowitz und Evers. 31 Von Langsdorff sind Tagebücher aus der Kriegszeit (vier Bände) überliefert, in denen Evers nicht erwähnt wird, wie Karsten Evers im Austausch mit dessen Tochter Mareile Langsdorff erfuhr.

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In den Briefen wird erkennbar, dass Evers teilweise eine andere Auffassung als Langsdorff hatte, wie die Aufgabe Kunstschutz umzusetzen war. Ein anderer Punkt ist, dass die Persönlichkeiten einfach sehr unterschiedlich waren und er sich in Briefen auch immer mal wieder amüsiert bis pikiert ­darüber zeigt, dass die anderen Akteure so ehrgeizig sind, ihre Karriere irgendwie vorantreiben, was ihm überhaupt nicht lag, und zum Teil auch gesellschaftlich gewandter sind. So hat er Tieschowitz zum Beispiel ausgesprochen bewundert, der sich mit seinem Hintergrund der Adelsfamilie einfach mit einer Selbstverständlichkeit in höheren Kreisen bewegt hat, was meinem Vater zu dieser Zeit immer schwergefallen ist. Also er hat natürlich nach dem Krieg seinen Kreis von Leuten um sich gehabt, die sich gerne mit ihm sich ausgetauscht haben, aber die Gesellschaft zu pflegen war nicht wirklich seine Welt.

Mit dem Vorrücken der alliierten Streitkräfte verlagerte sich der Dienstort ab Ende Mai 1944 von Rom nach Verona und Mailand und schließlich nach Sand in Taufers, Tirol. Dort wurde Evers im Mai 1945 inhaftiert und in das Gefangenenlager Ghedi überstellt, wo ihn der amerikanische MFA &A-Leiter in Rom, Ernest T. DeWald (1891 – 1968), und dessen britischer Kollege Douglas Cooper (1911 – 1984) zum Kunstschutz befragten. Im September 1945 wurde er aus der Gefangenschaft entlassen und kehrte zurück zu seiner Familie nach Heidelberg.

Entnazifizierungsverfahren und Verhältnis zum Kunstschutz nach dem Zweiten Weltkrieg Evers’ Entnazifizierungsverfahren in der amerikanischen Besatzungszone nach dem Krieg erfolgte durch die Spruchkammer Heidelberg. Eine erste Einstufung durch die Spruchkammer als „entlastet“ vom 24. April 1947 wurde aufgrund seiner Zugehörigkeit zur SA im September 1947 aufgehoben. Nach erneuter Prüfung wurde er im zweiten Spruch vom 20. November 1947 erneut als „entlastet“ eingestuft und dies am 22. Januar 1948 durch die amerikanische Militärverwaltung bestätigt.32 Infolgedessen konnte er seine Dozentenstelle in München wieder aufnehmen. Zum Wintersemester 1949/1950 wurde er Lehrbeauftragter an der TH Darmstadt und im April 1950 zum Professor für Kunstgeschichte im Fachbereich Architektur berufen. Diese Stelle hatte er bis zur Emeritierung 32 Hier zeigt sich eine Parallele zu anderen Kunstschutzkollegen. Auch bei Wolff Metternich wurde aufgrund seiner NSDAP-Mitgliedschaft eine erste Entlastung gestoppt, er wurde erst als Mitläufer und nach Berufung 1948 dann als entlastet eingestuft. Siehe Unterlagen zum Spruchkammerverfahren und zur Entnazifizierung Evers’ im Privatnachlass, dort auch Gutachten von Wolff Metternich und von Tieschowitz zu Evers. Siehe außerdem NL FGWM, Nr. 237, darin Unterlagen zur Entnazifizierung im Kollegen- und Freundeskreis von Bernhard von Tieschowitz, u. a. ein Gutachten über Hans Gerhard Evers, 16. 05. 1946.

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1968 inne. Karsten Evers: (…) und er war da der einzige Kunsthistoriker, was er wunderbar fand (da er so die ganze Bandbreite der Kunstgeschichte bearbeiten und lehren konnte). Laut seinem Sohn forschte und publizierte der Vater zeitlebens engagiert und orientierte sich in seinen wissenschaftlichen Tätigkeiten weitgreifend und nicht unbedingt am vorherrschenden Kanon. 1952 zog auch die Familie nach Darmstadt. Karsten Evers: Also er hat dann Vorlesungen gehalten und zwar immer einen Zyklus von der Vorgeschichte bis in die Moderne über acht Semester. Der Sohn, der in seinem Architekturstudium selbst einen kompletten Zyklus mitbekommen hatte, berichtete über diese Vorlesungen sehr begeistert: Und diese Vorlesungen waren Happenings. Es gab keine andere Vorlesung an der Darmstädter Universität, die so voll war. Der Vortragssaal war gefüllt mit Architekturstudenten und begeisterten Bürger*innen Darmstadts, die das freie Vortragen des Vaters und dessen vergleichende Bildprojektionen mit zwei parallelen Dias sehr schätzten. Die Ausbildung der Architekten war ihm ein besonderes Anliegen, obwohl er seine Kinder eher davon abhalten wollte, Kunstgeschichte zu studieren. Eine Tochter studierte im Nebenfach Kunstgeschichte, ­später waren alle Kinder im Bereich Pädagogik tätig. Auch Karsten Evers blieb nicht bei der Architektur, sondern studierte danach Kulturpädagogik und arbeitete in der Erwachsenenbildung. Nach seiner Emeritierung setzte Hans Gerhard Evers seine vielseitig angelegten Forschungen fort. Zuletzt fokussierte er sich auf König Ludwig II., über den er bereits zu Anfang seiner Kunsthistorikerkarriere gearbeitet hatte. Im Kontakt mit den Wittelsbachern erhielt er privilegierten Zugang zum geheimen Hausarchiv.33 Um das 75. Lebensjahr erkrankte er an Alzheimer und verstarb am 8. April 1993 in Hofgeismar.

Initiative von Karsten Evers zur Aufarbeitung der Tätigkeiten seines Vaters beim Kunstschutz Der Zugang zum Privatnachlass wurde durch die Forschung zum Kunstschutz angestoßen. 2009 wurde Karsten Evers aus Darmstadt eine Nutzungsanfrage für eine Fotografie des Vaters weitergeleitet: Andrea Carlesi arbeitete über den Kunstschutz in Italien, daraus entstand ein inhaltlicher Austausch.34 Infolgedessen setzte sich Karsten Evers mit der Forschungsliteratur zum Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg auseinander, war über deren Umfang überrascht und aufgrund mancher Aufsätze, denen es aus seiner Perspektive an Differenzierung mangelte, 33 Hans Gerhard Evers, Ludwig II. von Bayern. Theaterfürst, König, Bauherr, hrsg. von J. A. Schmoll gen. Eisenwerth und bearb. von Klaus Eggert, München 1986. Das Buch wurde aufgrund fortschreitender Krankheit nicht mehr von Evers selbst fertiggestellt. 34 Andrea Carlesi, La protezione del patrimonio artistico italiano nella RSI (1943 – 1945), Mailand 2012. Wobei das Buch aufgrund mangelnder Quellenangaben und fraglicher politischer Intention des Autors kritisch zu betrachten sei, so Karsten Evers.

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auch irritiert.35 So widmete sich die Familie schließlich einem hinterlassenen Karton mit der Aufschrift „Kunstschutz“ mit Dokumenten des Vaters. Die Öffnung des Privatarchivs für die Forschung erfolgte in zwei Etappen. Ein Anlass war eine Tagung in München im Jahr 2010, die sich mit dem italienischen Kunstschutz beschäftigte.36 Nach dieser Veranstaltung wurden die Dokumente aus dem Privatarchiv zum Kunstschutz digitalisiert und auf einer passwortgeschützten Webseite der Wissenschaft zugänglich gemacht. Der zweite Anlass war die Habilitationsschrift von Christian Fuhrmeister, im Zuge derer Karsten Evers weitere Unterlagen, insbesondere private Briefe, fand, die er ebenfalls online zur Verfügung stellte.37 Er berichtete sehr positiv vom Austausch mit Fuhrmeister und der kritischen Auseinandersetzung, wenn auch die Forschung nicht in jedem Detail mit der persönlichen Deutung seitens der Familie übereinstimmt. Der Nachlass Hans Gerhard Evers umfasst u. a. rund 800 Briefe z­ wischen ihm und seiner Frau aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Diese handschriftlichen Briefe sind schwer zu lesen, soweit nicht ein Exzerpt oder eine Abschrift seitens des Ehepaars vorliegt.38 Der Nachlass zeigt hinsichtlich der Quellenkritik und anhand der Auswahl von Exzerpten eine Parallele zu anderen Privatnachlässen von Kunstschutzmitarbeitern. In den Privatbriefen lässt sich die berufliche Laufbahn nachverfolgen. Karsten Evers: Er hat auch Stichworte an den Rand geschrieben in den Exzerpten, und anhand davon kann man relativ schnell sehen, wo es privat wird und wo es beruflich wird, das ist eine große Hilfe.

35 Bspw. wurde in den 1970er Jahren in der italienischen Presse über Evers als SS-Offizier berichtet, er war jedoch weder Parteimitglied noch Mitglied der SS, sondern war 1937 der SA beigetreten. Im Gespräch ergab sich somit eine weitere Parallele zu Wolff Metternich, dem in der älteren Forschungsliteratur ebenfalls fälschlicherweise eine SS-Angehörigkeit zugeschrieben wurde. 36 Fachtagung „Deutscher Militärischer Kunstschutz in Italien 1943 – 1945“, 06. – 08. 05. 2010 im Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München. Siehe Christian Fuhrmeister/Johannes Griebel/ Stephan Klingen (Hg.), Kunsthistoriker im Krieg. Deutscher Militärischer Kunstschutz in Italien 1943 – 1945 (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte 29), Köln/Wien/Weimar 2012. 37 Christian Fuhrmeister, Die Abteilung „Kunstschutz“ in Italien. Kunstgeschichte, Politik und Propaganda 1936 – 1963 (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 1), Köln/Wien/Weimar 2019. Siehe auch ders., Deutsche Kunstgeschichte, Kulturpolitik und Kulturpropaganda in Italien vor und nach 1943. Eine Problemskizze, in: ­Agnieszka Gąsior/Magdalena Bushart/Alena Janatková (Hg.), Kunstgeschichte in den besetzten Gebieten 1939 – 1945 (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 2), Köln/Weimar/Wien 2016, S. 15 – 25. 38 Es handelt sich um private Briefe (Liebesbriefe) ­zwischen Evers und seiner Ehefrau. Es wurden nicht alle Briefe durch das Ehepaar transkribiert, einige wurden hinsichtlich des Entnazifizierungsverfahrens exzerpiert. Ein geplanter Beziehungsroman in Briefform wurde von den Eheleuten bewusst nicht publiziert. Eine Aufarbeitung des Kunstschutzes war nicht das Ziel. Nur wenn sich berufliche Hinweise in den Briefen finden, sind Teiltranskriptionen online verfügbar.

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Aus der Kriegszeit und der Kunstschutztätigkeit sind nur sehr wenige offizielle Dokumente im Familienarchiv überliefert, auch diese sind auf Anfrage online verfügbar.39 Zum Zeitpunkt des Gesprächs war nicht bekannt, dass anderweitig ein wissenschaftlicher Nachlass überliefert ist, ein solcher wurde aber nun in Darmstadt aufgefunden.40 Im Privatnachlass sind keine kunstwissenschaftlichen Fotografien überliefert, der umfangreiche Fotonachlass aus Evers’ Tätigkeit als Fotograf findet sich heute aufgeteilt in der TU Darmstadt, dem Bildarchiv Foto Marburg, ein Teil wurde in den 1960er Jahren an das kunsthistorische Institut der New York University verkauft.41 Im Gespräch wurde auch allgemein über die Überlieferung der Kunstschutzakten aus Italien gesprochen. Karsten Evers: Das ist eine der weiteren großen Fragen, wo sind die Kunstschutz-Akten aus Italien hingekommen? Von dem Anteil, den mein Vater in Rom erstellt hatte, ist der erste Teil verbrannt, das ist bekannt, und ein zweiter späterer Teil aber nach Sand in Taufers (Südtirol) gekommen und wurde da von den Alliierten beschlagnahmt.42

39 Familienarchiv Evers, http://www.kunstschutz.evers.frydrych.org. Es handelt sich insbesondere um Material zu Kunstschutz und Entnazifizierung, die Inhalte sind anhand der Biografie in Untergruppen gegliedert, die sich thematisch über Biografie, privates Umfeld, Militär, Universität München, NS -Bezüge, Rubensforschung, Kunstschutz, Netzwerke, Entnazifizierung und Rezeption erstrecken. 40 Im Hochschularchiv der Technischen Universität Darmstadt befindet sich ein wissenschaftlicher Nachlassteil zu Hans Gerhard Evers, der dort von Wintersemester 1949 bis Wintersemester 1968/1969 lehrte. Die Familie ergänzte diesen Bestand um Dokumente dieser Zeit aus dem Privatnachlass. Der Nachlass wurde anlässlich des 150-jährigen Jubiläums des Lehrstuhls für Kunstgeschichte an der TU Darmstadt in einem Forschungsprojekt bearbeitet und in einem virtuellen Symposium präsentiert (Januar 2021), siehe https://www.architektur.tu-darmstadt.de/150-jahre-kunstgeschichte/ projekt_150jkg/ (Stand: 29. 08. 2021). Unterlagen zu Evers’ Rubensforschungen, die ebenfalls um Dokumente aus dem Privatnachlass ergänzt wurden, liegen im Rubenianum in Antwerpen, siehe https://www.rubenianum.be/en/page/hans-gerhard-evers-collection (Stand: 29. 08. 2021). 41 Auch in der Photothek des Zentralinstituts für Kunstgeschichte (ZI) in München gibt es ein Bildkonvolut Kunstschutz. Siehe dazu die Publikation Fuhrmeister/Griebel/Klingen (Hg.), Kunsthistoriker im Krieg (wie Anm. 36). Laut Karsten Evers sind neben ­diesem Konvolut weitere Fotos seines Vaters an das ZI übergeben worden. 42 Zur Quellenlage Kunstschutz Italien siehe Fuhrmeister, Die Abteilung „Kunstschutz“ (wie Anm. 37), S. 31 – 43. In einem Brief im NL an seine Frau vom 15. 07. 1944 berichtet Evers: (…) Schlimmerweise sind meine eigentlichen Akten, die schön geordnet waren und so viel Material enthielten, was man beim späteren Rechenschaftsbericht des Kunstschutzes brauchen würde, verbrannt (…). Die Vermutung der Beschlagnahmung der Akten durch die Alliierten stellte Karsten Evers aufgrund der Erzählungen und Briefe des Vaters an, in denen dieser seine Verwunderung über den genauen Kenntnisstand der MFA&A-Offiziere, von denen er im Gefangenenlager Ghedi zu den Kunstschutz-Tätigkeiten befragt wurde, äußerte.

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Abschließende Einschätzungen Karsten Evers berichtet, dass der Familie immer bekannt war, dass der Vater im Krieg beim Kunstschutz tätig war, obwohl er insgesamt wenig aus der Kriegszeit erzählte. Aus den gelegentlich erzählten Geschichten hatte Karsten Evers den Eindruck gewonnen, dass er ausgesprochen stolz auf das war, was er da (zum Schutz der italienischen Kulturgüter) getan hat. (…) Da war kein Zweifel von Verstrickung oder sowas (…). Im Detail besprochen hat er das wenig. Ich kann mich erinnern, dass er irgendwann mal sehr ausführlich über Montecassino erzählt hat und auch dann über seine Rolle bei der Rückführung der Kulturgüter (…). Wobei er seine Rolle immer als sehr überschaubar dargestellt hat. Tieschowitz hatte das eingefädelt, dass die Kunstschätze wiederkommen sollte. Unser Vater musste noch ein paar Mal hin und her telefonieren, dass das [die Kunstschätze und die Archivalien] dann wirklich [nach Rom] kam und hat dann irgendwann paar Worte geredet, als die Sache übergeben wurde, die natürlich propagandistisch sein mussten und darstellen, wie toll die deutsche Wehrmacht ist (…). Und ansonsten hat er also sich das nicht angerechnet.

Die Tätigkeit habe ihn auch vor der Front bewahrt und davor, selbst schießen zu müssen: Was immer wieder kam, war, dass er unglaublich froh und dankbar war. Er hat gesagt, die Kunst hat mir das Leben gerettet. Die persönlichen Briefe dokumentieren laut Karsten Evers auch die Selbstzweifel des Vaters über die eigene militärische Rolle als Militärverwaltungsrat im deutschen militärischen Kunstschutz und Reflexionen über das ihm wesensfremde militärische Denken sowie die Schwierigkeit der Sensibilisierung der deutschen Truppen in Ermangelung der Einbindung des Kunstschutzes in die unmittelbaren Befehlsketten. In den Briefen zeige sich zudem, dass der Kontakt zu Wolff Metternich und von Tieschowitz auch als moralische Unterstützung zunehmend bedeutsam war, da Evers innerhalb der Kunstschutzabteilung unter Druck geraten sei. Zu von Tieschowitz bestand während der Kriegszeit und auch danach eine persönlichere Beziehung und privater Kontakt. Nach Karsten Evers’ Einschätzung war der Kunstschutz nicht prägend und relevant für das Selbstverständnis seines Vaters und dessen Karriere, sondern vielmehr eine Phase im Leben unseres Vaters, die er sich nicht selber ausgesucht hat, (…) die er hinter sich gelassen hat. Also auch die Frage (…), ob sie ein Weißbuch über den Kunstschutz machen wollen, taucht auf, hinterher gab es aber kein Interesse dran. Die waren froh, dass diese Zeit hinter ihnen war.43 Die 43 Wolff Metternich und weitere Kollegen waren hingegen eher um eine Aufarbeitung bemüht. Siehe zu einem geplanten Weißbuch Kunstschutz NL FGWM, Nr. 143 und PA AA B95/973, außerdem Margot Günther-Hornig, Kunstschutz in den von Deutschland besetzten Gebieten 1939 – 1945, Tübingen 1958 sowie BArch B 120, Bestand Institut für Besatzungsfragen, und die Korrespondenz um Zugang zur Aktenüberlieferung Kunstschutz in NL FGWM, Nr. 188.

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Frage der Aufarbeitung des Kunstschutzes scheint bei Evers keine große Bedeutung gehabt zu haben. Sein Interesse war – so der Eindruck des Sohnes – nach vorne gerichtet und auf die Ausbildung von Architekten mit fundierten kunsthistorischen Kenntnissen, seine eigene breit angelegte Forschung und die Etablierung einer neuen Diskussionskultur („Darmstädter Gespräche“) konzentriert. Evers war der Einschätzung seines Sohnes nach im Charakter ganz Forscher und Lehrer. Karsten Evers: Irgendwann [im Stadium der beginnenden AlzheimerErkrankung] hat er über sich selber gesagt, er sei ein liebender Wissenschaftler gewesen. Und das trifft es im Grunde wunderbar (…).

3. Gespräche mit Livia Gräfin von Kalnein, Witwe von Wend Graf von Kalnein, sowie den Kindern Heinrich, Albrecht und Alexandra Am 24. Juli 2018 fand in Seekirchen, bei Salzburg in Österreich, ein Gespräch statt ­zwischen Esther Heyer und den Mitgliedern der Familie des Kunstschutzmitarbeiters in Frankreich, Wend Graf von Kalnein (1914 – 2007): seiner Witwe Livia Gräfin von Kalnein und den Söhnen Heinrich und Albrecht. Sie gewährten auch Einblick in Dokumente aus dem privaten Nachlass.44 Weitere Treffen mit Familienmitgliedern erfolgten im Juli und Oktober 2019, ein telefonisches Gespräch mit der Tochter Alexandra am 9. April 2021 konnte die Erzählungen und das Familienbild Wends vervollständigen.

Biografisches Wend Graf von Kalnein (1914 – 2007) wurde am 24. Mai 1914 in Ludwigslust (Mecklenburg) geboren.45 Sein Vater Karl Erhard von Kalnein (1873 – 1914) fiel am 12. August 1914 im ­Ersten Weltkrieg in Belgien, seine ­Mutter war Erna Gräfin von der Recke (1889 – 1955, geb. Reichel, in zweiter Ehe 1919 Gräfin von der Recke von Volmerstein). Die Familie der Grafen von Kalnein stammt aus Ostpreußen, wo sie seit etwa 1200 nachgewiesen ist, Familienstammsitz war Kilgis bei Königsberg. Das Verhältnis zur ­Mutter, die aus einer Familie mit Brauereibesitz stammte, war eng, das Verhältnis zum Stiefvater, Gotthard Graf von der

44 Privates Familienarchiv der Grafen von Kalnein, Nachlass Wend Graf von Kalnein, darin ist insbesondere der Briefwechsel Wend Graf von Kalneins mit seiner Tante Leonie Lenz 1939 – 1942 von Interesse. 45 Deutsches Adelsarchiv e. V. (Hg.), Genealogisches Handbuch des Adels, Gräfliche Häuser, Bd. XII, Limburg an der Lahn 1988, S. 284 f: „Karl Wend, * Ludwigslust 24. 5. 1914, Dr. phil. Prof. Museumsdir. i. R.; Heirat Schwetzingen 27. 5. 1959 Livia Freiin v. Thielmann, * Oppeln 10. 2. 1936, T. d. preuß. Ldrats z. D. Adolf Frhr v. T. Mithrn auf Geppersdorf, Kr. Strehlen, Schles., u. d. Livia Jay. Kinder: Henrich *1960, Albrecht *1962, Alexandra *1964“.

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Recke von Volmerstein (1919 – 1951), einem begeisterten Jäger, gestaltete sich eher schwierig. Die Familie wohnte in Wald im Pinzgau (Österreich). Wend hatte drei Brüder: Adalbert, einen Stiefbruder aus der ersten Ehe des Stiefvaters, und zwei Halbbrüder, Eberhard und Gerwin, aus der zweiten Ehe der ­Mutter. Adalbert und Eberhard fielen im Zweiten Weltkrieg, Gerwin lebt heute noch in Wald. Wend besuchte von 1929 bis zum Abitur 1932 das Maximiliansgymnasium in München. In Bonn studierte er auf Wunsch der ­Mutter zunächst Jura, dann von 1935 bis 1939 Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Romanistik. Das familiäre Umfeld war gegenüber dem Fach Kunstgeschichte wenig verständnisvoll. Seine Tante Leoni (genannt Loni), die sehr kulturaffin war, wurde daher eine enge Vertraute. Livia: Die berühmte Tante Leoni Lenz, mit der er alle Reisen nach Italien gemacht hat und die mit ihm immer über Kunstgeschichte sprach und die eine Herzensfreundin war (…). Sie war mit einem Bankier namens Lenz verheiratet, die Ehe wurde jedoch nach kurzem geschieden und Leonie, die nie wieder heiratete, verbrachte viel Zeit mit Wend, mit dem sie einige Reisen (bspw. nach Italien) unternahm. Sie wohnte ebenfalls im Oberpinzgau in Nähe zum stiefelterlichen Haushalt. Diese enge Verbindung ­zwischen Tante und Neffe zeigt sich in Briefen aus den Jahren 1939 und 1942 sehr deutlich.46 Im Zweiten Weltkrieg wurde er zum Militärdienst eingezogen und verbrachte die Wehrdienstzeit von Bonn aus in verschiedenen Kasernen. Von September 1940 bis Oktober 1941 war er in Paris zum militärischen Kunstschutz in Frankreich abgeordnet, aber auch danach bis März 1942 zu Studienzwecken noch mehrfach Paris (Abb. 9). Später war er in Südrussland und der Ukraine Verbindungsoffizier zur rumänischen Armee. Nach Aussage des Sohnes Heinrich schien sich der Stiefvater dafür eingesetzt zu haben, dass Wend als einziger Sohn einer Adelsfamilie an die Front Richtung Krim und Kaukasus und nicht wie vorgesehen in Richtung Stalingrad geschickt wurde. Alexandra fügt hinzu, dass dies auch aufgrund einer Gelbfieber-Erkrankung und seiner Verlegung in ein Krankenhaus nach Salzburg verhindert werden konnte, was sich im Nachhinein als glückliche Fügung herausstellte. Nach der Kapitulation der Wehrmacht war Wend fünf Jahre lang in sowjetischer Kriegsgefangenschaft im Kaukasus, von der er der Familie s­ päter auch berichtete. Die Familie erzählt mit Respekt von dieser schwierigen Situation, insbesondere bewundern sie sein Sprachtalent. Die Zeit an der Front und s­ päter in Kriegsgefangenschaft nutzte er laut Heinrich: Was aber für ihn spricht oder was typisch war für ihn, er fing sofort an Russisch zu lernen, noch während der Zeit der deutschen Besatzung. Und s­ päter haben ihm diese Kenntnisse in der Gefangenschaft einerseits geholfen, andererseits auch in Schwierigkeiten gebracht, da man ihn aufgrund seiner 46 Albrecht von Kalnein (und Familie, Hg.), Vielen Dank für Brief und die sehr schönen Bilder! Briefe an Leonie Lenz 1939 – 1942, Graz/Bad Homburg/Miami 2007. Die Familie sammelte diese transkribierten Briefe in einem kleinen Büchlein.

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Abb. 9  Wend Graf von Kalnein im zivilen Abendanzug mit Fliege, ca. 1940/1941.

Sprachkenntnisse als Spion verdächtigte. Ihn hatte eine große Neugierde ausgezeichnet. Er war Zeit seines Lebens ein neugieriger Mann. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Offenheit, man sieht die schön auch auf diesen Fotos da aus dem Stab, dass das ein offener junger lernbegieriger Mann war, mit dem es angenehm war zu arbeiten. Ich kann mir vorstellen, dass mein Vater ein sehr angenehmer junger Assistent war, also, den man gerne um sich herumhatte. So würde ich ihn wahrnehmen. Und er war in gewisser Weise (und aufgrund seiner Erziehung) natürlich auch gebildet, er sprach fließend Französisch (…).

Auch ­später kehrte Wend von Kalnein mehrfach nach Frankreich zurück – nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft Anfang 1950 nach Österreich besuchte er im Herbst 1950 unter anderem einige Schlösser in Frankreich und schrieb seine Erinnerungen auf. Eine erste Fassung seiner Erzählungen wurde in „Le Figaro“ publiziert. Nach Einschätzung der Familie suchte er in Frankreich Erholung und eine „fröhlichere Umgebung“ im Vergleich zum Wiederaufbau der Trümmer in Deutschland. Er schätzte zudem die Kultur sehr, konnte aus Russland erzählen und hatte auch besonders freundschaftliche Verbindungen zu Familien, denen er während der Besatzungszeit und innerhalb des Kunstschutzes hatte helfen können. Seine Erinnerungsschrift über die Kriegsgefangenschaft wurde 2003 publiziert.47

47 Wend Graf von Kalnein, Georgisches Tagebuch. Fünf Jahre kriegsgefangen im Kaukasus, Osnabrück 2003.

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Nachkriegskarriere im Rheinland und Familienleben Nach seiner Rückkehr ins Rheinland griff er sein Studium der Kunstgeschichte in Bonn wieder auf und schloss d ­ ieses 1953 mit der Doktorarbeit ab.48 Danach war er Leiter der Markgräflichen Badischen Sammlungen in Salem. 1957 wurde er Direktor des ZähringerMuseums in Baden-Baden, daraufhin Kustos an den Staatlichen Kunstsammlungen Kassel. 1959 heiratete er in Heidelberg Livia Freiin von Thielmann und sie zogen nach Baden-Baden. Livia (*1936) und Wend lernten sich 1956 bei der Verlobungsfeier eines Halbbruders Livias im Rheinland kennen. Ihr Vater war in erster Ehe mit einer Tante Wends verheiratet.49 Livia ist das einzige Kind aus zweiter Ehe des Vaters mit einer wohlhabenden Bürgerstochter. Die ­Mutter starb bei ihrer Geburt und sie wuchs bei der Schwester ihrer M ­ utter auf. Livia war Au-pair in Paris und wurde dort nach 1956 von Wend besucht, mit der dortigen Gastfamilie entstand eine lebenslange Freundschaft, die die Tochter Alexandra ­später während ihres eigenen langjährigen Aufenthaltes in Paris weiterführte. Livia studierte zwei Semester Jura in Freiburg, um dann zum Internationalen Roten Kreuz zu gehen. Sie hatte sich immer sozial engagiert und ist heute noch ehrenamtlich im sozialen Bereich aktiv. Als die Beziehung zu Wend enger wurde, empfahl dieser ihr, zwei Semester Kunstgeschichte zu studieren, um ein Verständnis für den akademisch anspruchsvollen Beruf zu entwickeln, der viel Zeit am Schreibtisch für abendliche Vortragsvorbereitungen und zum Schreiben erforderte. Sie studierte bei Kurt Bauch (1897 – 1975) in Freiburg und war u. a. Studienkollegin von Margret Stuffmann (1936 – 2020, Leiterin der Graphischen Sammlung des Städelschen Kunstinstituts, Frankfurt am Main). Aus der Ehe stammen die drei Kinder Heinrich (*1960), Albrecht (*1962) und Alexandra (*1964). 1964 wurde Wend von Kalnein zum Direktor des Kunstmuseums Düsseldorf berufen und blieb bis zu seinem Ruhestand 1979 in dieser Position. Die Düsseldorfer Zeit, in der die Familie schließlich in ein Haus in Neuss zog, war eine sehr glückliche. Livia: (…). Im Ganzen war sie toll, weil da war mein Mann auch wirklich sehr zufrieden. Dies‘ Museum war sein ganzes Leben. Das war wirklich eine Zeit, wo er das lebte, was er gern leben wollte. Diese Zeit war beruflich für Wend sehr spannend und die Familie hat dies in interessanter und guter Erinnerung. Dabei hatte der Vater auch mit russischen Künstlern zu tun, machte Ausstellungen zur russischen Moderne und kaufte auch Kunst an, pflegte in den 1970er Jahren Kontakte zu couragierten und systemkritischen Künstlern, die dann auch bei der 48 Wend Graf von Kalnein, Das kurfürstliche Schloß Clemensruhe in Poppelsdorf. Ein Beitrag zu den deutsch-französischen Beziehungen im 18. Jahrhundert (zugl. Bonn Univ. Diss. 1953), Düsseldorf 1956. 49 Deutsches Adelsarchiv e. V. (Hg.), Genealogisches Handbuch des Adels, Gräfliche Häuser, Bd. XII , Limburg an der Lahn 1988, S. 286. Barbara Clara Philippine Erna (1885 – 1964) heiratete am 11. 10. 1904 Adolf Frhr. V. Thielmann (1879 – 1948) auf Kilgis, die Ehe wurde am 01. 11. 1934 in Breslau geschieden.

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Familie zu Gast waren. Die Düsseldorfer Kunstnetzwerke waren prägend für die Familie. Livia: Düsseldorf war eine gute Zeit. Dann war ganz prägend in der Zeit die Beziehung zu der Gruppe Zero, Mack, Piene, Uecker.50 Auch Joseph Beuys (1921 – 1986) spielte dabei eine Rolle. Livia: Ja, er hat es sogar geschafft, dass er mit Beuys eine gute Beziehung aufbaute (…). Albrecht: (…) dessen Frühwerk, dessen zeichnerisches Werk er sehr schätzte. Zudem waren die Kinder im gleichen Alter und hatten miteinander Kontakt. Die Familie hat sehr anregende Erinnerungen aus den langjährigen Berührungspunkten mit Beuys, den sie als netten und umgänglichen Menschen beschreiben, und dessen Kunst. Auch Bernhard Schultze (1915 – 2005) blieb den Kindern als einer der Künstler in Erinnerung, die neben dem fachlichen Austausch mit dem Vater einen gelassenen Umgang mit den Kindern pflegten. Die Familie erinnert sich zudem an Mäzene und Galerien im beruflichen Alltag des Vaters, wie bspw. die Galerien Schmela und Hella Nebelung (beide in Düsseldorf ), aber auch an fachliche Konkurrenz im kulturellen Umfeld, wie bspw. zu Werner Schmalenbach (1920 – 2010).51 1979, im Jahr des Ruhestandes, wurde Wend von Kalnein von Hans Sedlmayr (1896 – 1984) als Honorarprofessor für Kunstgeschichte an die Universität Salzburg berufen und lebte dann mit seiner Familie in Seekirchen, Österreich.52 Den Ruf nach Salzburg beschreibt Sohn Albrecht als „Ritterschlag“ und einen „wunderbaren Epilog“ seiner wissenschaftlichen Tätigkeiten: Er hat bis zu seinem Schluss in seinem Leben immer weitergeforscht, und er hat angefangen, Arabisch zu lernen in den letzten Jahren, bevor er die Alzheimerkrankheit bekam. Und das war immerhin mit Ende 80. Wir haben sehr schöne Gespräche geführt. (…) Mein Vater war ein sehr kultivierter Mann, ein witziger Mann (…), ein feiner, mein Vater war ein sehr feiner Mann.

50 Die Düsseldorfer Künstlergruppe ZERO wurde 1958 von Heinz Mack (*1931) und Otto Piene (1928 – 2014) gegründet, Günther Uecker (*1930) kam 1961 hinzu. 51 Werner Schmalenbach wurde 1962 erster Direktor der kurz zuvor neu gegründeten Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf und blieb in dieser Position bis zu seiner Pensionierung 1990. 52 Hans Seldmayr war österreichischer Kunsthistoriker, studierte, habilitierte sich und lehrte in Wien. Aufgrund seiner NSDAP-Mitgliedschaft verlor er seine Professur für Kunstgeschichte, erhielt 1951 einen Ruf nach München und nach Emeritierung wurde er 1965 Professor für Kunstgeschichte an der Universität Salzburg. Sedlmayr war auch Teilnehmer der Studienfahrt deutscher D ­ enkmalpfleger durch Belgien und Frankreich 12. – 22. 10. 1940 und der Studienfahrt deutscher Kunsthistoriker durch Frankreich 21.09. – 06. 10. 1941, die der kunstwissenschaftliche Arbeitsstab in Frankreich und der Kunstschutz organisierten und an denen Wend von Kalnein mitwirkte (siehe NL FGWM , Nr. 158). Der Kontakt zu Sedlmayr geht vermutlich auf diese Zeit zurück. In einem Brief an seine Tante vom 18. 10. 1941 schildert Kalnein: (…) Es waren aber auch prima Leute darunter. (…) ganz reizend ist auch Sedlmayr, beste Wiener Klasse. Wir haben uns alle ganz prächtig verstanden, und ich hätte mir den Assistentenposten aussuchen können!

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Als Honorarprofessor konnte Kalnein auch nach der Pensionierung passioniert wissenschaftlich tätig sein und berufliche und freundschaftliche Kontakte knüpfen. München war für ihn als – laut Albrecht – im Grunde urbanen Menschen eine Form von „Eskapismus“, eine willkommene Abwechslung, und insbesondere das Zentralinstitut für Kunstgeschichte sowie der Kontakt mit Willibald Sauerländer (1924 – 2018) waren für ihn wertvoller Austausch. In Salzburg schrieb er ein Buch über Schloss Anif, wobei eine Freundschaft mit dem Schlossbesitzer Johannes Graf von Moy (1902 – 1995) entstand, bei dem er häufig zu Gast war.53 Wend von Kalnein starb 2007 im Alter von 93 Jahren in Seekirchen.

Reflexionen über die Arbeit von Ehemann und Vater Berufliche Kontakte zu halten und sich in neue, ungewohnte Situationen einzufinden schien Wend von Kalnein leichtgefallen zu sein – so auch in Paris. Albrecht: Aber immerhin, es gelang ihm wohl doch zu mancher Schlossbesitzerin, manchem Schlossbesitzer fast freundschaftliche Bande aufzunehmen, und dazu mag auch beigetragen haben, neben hoffentlich anständiger Pflichterfüllung als Kunstschutzbeauftragter, diese Offenheit, die Sprachfertigkeit, das echte Interesse am dortigen Gastland, seiner Kultur, seiner Sprache. Und ebenso schnell konnte dieser Wend Kalnein sich, offenbar ja, in die rheinländische Kunstgeschichte und Museumslandschaft einfinden. Und schließlich ist es d­ iesem Wend Kalnein, als immerhin 65-Jährigem, erstaunlich schnell gelungen, Teil auch der Universität Salzburg, aber auch der Regionalgeschichte von Salzburg, Oberbayern, Österreich zu werden. (…) All d­ ieses hat es erleichtert immerhin, dass er da noch in der Nachkriegszeit sich mit Haut und Haaren, in vergleichsweise kürzerer Berufsbiografie, doch ziemlich gut für moderne Kunst und Kunstgeschichte hat engagieren können.

Diese komprimierte Berufsbiografie und verschiedene berufliche Stationen nach dem Studienabschluss legen die Vermutung nahe, dass sich die Netzwerke verschoben hatten und kein enger Kontakt mehr zu den ehemaligen Kunstschutzkollegen bestand. Wenngleich auch großer Respekt den Lehrern und Vorbildern in Bonn, wie Wolff Metternich und Herbert von Einem (1905 – 1983), gegenüber herrschte, war die universitäre Bindung nicht sehr eng. Die Aussagen der Söhne zeigen deutlich den Respekt vor der Karriere des Vaters, der sich als Museumsdirektor in Düsseldorf für die Wiederentdeckung der Düsseldorfer Malerschule einsetzte und sich im kulturellen Netzwerk behauptete, indem er für die Sache einstand ohne engstirnigen Ehrgeiz, sondern mit Souveränität. Wend von Kalnein hatte eine Leidenschaft für ältere Kunst, widmete sich nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft mit großem Elan seiner Karriere, um die lange Unterbrechung seiner Studien wieder aufzuholen, und 53 Wend Graf von Kalnein, Schloss Anif. Ein Denkmal bayerischer Romantik in Salzburg, Salzburg 1988.

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knüpfte Verbindungen zur zeitgenössischen Kunst- und Wissenschaftsszene. Er arbeitete nach Erinnerung der Söhne oft bis spät in die Nacht, laut Albrecht mit einem höchstpersönlichen Interesse und Sensibilität. Mein Vater versuchte, mit moderner Kunst zu arbeiten. Beispielsweise grade auch mit modernen Künstlern aus der damaligen Sowjetunion (…). Bei der Bedeutung von moderner Kunst für den Vater deckt sich Heinrichs Bild mit dem Alexandras: Und er hat sich innerhalb kürzester Zeit in die Welt der modernen Kunst reingelebt, und ich glaube auch, relativ erfolgreich. Kann mich gut erinnern, wie er mir Bilder von Gerhard Richter zeigte, die mich als kleinen Jungen (…) und diese Düsseldorfer Malerschule, Piene und Mack und so, die mich sehr beeindruckten. Bei ihm war Schluss bei Concept Art, also sprich Fluxus, Joseph Beuys und der Tatsache, (…) wo auch die Kunst ihre Funktion verliert, die sie bis dahin innehatte. Da war für ihn Schluss. Für ihn war der Begriff der Schönheit inhärent, also Kunst inhärent und, sagen wir mal so, den philosophischen Gedanken, inwieweit Schönheit nach Hiroshima überhaupt noch existieren kann, den Gedanken hatte er nicht vollzogen. (…) Also dieser Begriff der Schönheit, das war glaub ich für ihn irgendwo auch eine Flucht aus dieser von ihm negativ erlebten, engstirnigen adligen Welt (wie sie durch seinen Stiefvater und dessen Freundeskreis verkörpert wurde). Ich kann mich aber erinnern, dass er auch (zu mir) als Kind sagte, also den Grafen hier im Rheinland, den trag ich nicht vor mir her, das trägt mir eher zum Nachteil bei, das will ich nicht, ich heiße Wend von Kalnein. In dem Fall, der Doktor war ihm wichtig, das war auch das, was er sozusagen geleistet, persönlich geleistet hatte.

Alexandra ergänzt, dass der Vater von den Traditionen und auch den Werten der „adligen Welt“ sein ganzes Leben lang überzeugt blieb, sich mit der durch seinen Stiefvater vertretenen „engstirnigen Welt“ jedoch nicht identifizierte, allerdings den Kindern dennoch stets die positiven Aspekte dieser Erziehung nahebringen wollte. Er lebte in einem Zwiespalt: Die Welt der modernen Kunst im Düsseldorf der 1960er/1970er Jahre, politisch eher links ausgerichtet, vertrug sich nur bedingt mit den Idealen der ostpreußischen Grafengeschlechter. Dies hat häufig zu langen Gesprächen gerade in Salzburg geführt, als er aus dem beruflichen Leben und dem rheinischen Umfeld ausgeschieden war. Zu seinen Kindern pflegte Wend Kontakt in langen und liebevollen Briefen und auch wenn zeitweise eine gewisse Distanz herrschte, wurde über die Kultur, die Liebe zu den Bergen sowie zur Sprache auch die Nähe gesucht. Es entstanden insbesondere Verbindungen durch die Leidenschaft für Kulturaustausch und Fremdsprachen; durch die Kunstform des Musikers Heinrich, den Studienaufenthalt des Historikers Albrecht in Spanien, mit dem Wend außerdem eine intensive Bergfreundschaft pflegte, oder den mehrjährigen Parisaufenthalt der Tochter Alexandra, bei dem der Vater sie euphorisch an ihm bekannte Orte führte. Auf Familienreisen, bspw. in Madrid beim Besuch im Prado, wurde sein kunsthistorischer Spürsinn für die Familie deutlich. Heinrich: Die Begeisterung zu wecken und vor allem einen Sinn für Qualität auch zu artikulieren (…). Er konnte auch sehr gut erzählen. Also er konnte eine Gruppe von Leuten so fesseln, und er hat glaube ich, auch immer sehr gut es geschafft, das

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Große im Bild zu behalten. Alexandra: Er hatte ein Gefühl für Ästhetik, Schönheit und hat dies in späteren Jahren häufig mit mir geteilt, gerade wenn es um seine Vorstellung von Frauen, „klassische Schönheit“ der Frauen und deren Rolle in der Gesellschaft ging.

Verhältnis zum Kunstschutz Die Erinnerung an Wolff Metternich und den Kunstschutz war, so die Einschätzung ­Heinrichs, nach den Erzählungen seines Vaters positiv und er habe die Zeit beim Kunstschutz auch genossen: Er lernte dort die französischen Schlösser kennen, durch die Besatzungssituation wurden viele Türen geöffnet, als Teil der Wehrmacht und des Adels war ihm ein gewisser Ehrenkodex eigen, als Teil einer Gruppe von Akademikern, die so dem Kriegsdienst entgehen konnten und sich auf wissenschaftliche Aufgaben konzentrieren konnten. Wolff Metternich schien nicht nur eine Lehrer-, sondern auch eine Vorbildfunktion gehabt zu haben – gesellschaftlich adelig wie auch wissenschaftlich beruflich eine Identifikationsfigur. Heinrich: Ich glaube, dass diese Kunstschutzzeit für ihn ein, irgendwo ein Balsam war. Ich glaube (…), dass Wolff Metternich für ihn eine Identifikationsfigur war, der hätte sein Professor sein können, jetzt auch altersmäßig. Der war, also wenn ich mir die Fotos anschaue (…), aber ich würde sagen, das war eine Führerfigur, ein Alphatier vielleicht auch, eher ein Schüler-Lehrer Verhältnis (…).

Nach der Einschätzung Heinrichs war Wend Graf von Kalnein kaum bestrebt, das Thema Kunstschutz aufzuarbeiten; spätere Bezüge zum Kulturgutschutz kann die Familie nicht benennen, doch war ein Interesse für Denkmalpflege und in den 1990er Jahren für Restitution vorhanden, wenngleich er sich von Politik distanzierte. Livia: Die Denkmalpflege war ihm innerlich immer ein Anliegen (…). Seiner Tochter Alexandra hat er jedoch in ihren Pariser Jahren ab 1991 viel über die Zeit beim Kunstschutz berichtet, mit ihr auch einige seiner damaligen Wirkungsstätten in und um Paris besucht (bspw. das Château de Ferrières der Familie Rothschild) und auch seine Bewunderung besonders für die Führungsqualitäten Wolff Metternichs geäußert. Allgemein bestand nach dem Krieg kaum Kontakt zu den ehemaligen Kunstschutzkollegen. Dies könnte auch in einem Loslösen von Vorbildern begründet sein sowie örtlicher Distanz und der zeitlich versetzten Karriere nach seiner späten Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft 1950, durch die der berufliche Anschluss erschwert wurde. Alexandra fügt dem hinzu, dass in den Augen ihres Vaters das Halten von sozialen Kontakten „durch die Ehefrauen“ geschehen sollte: Nachdem unsere M ­ utter jedoch deutlich jünger war, gestaltete sich d­ ieses manchmal schwierig, da sie wiederum zu den anderen Ehefrauen nur bedingt Kontakt fand. Zu Bernhard von Tieschowitz hatte Wend von Kalnein eine freundschaftliche Beziehung, sie trafen sich oft und auch Livia lernte ihn kennen. Livia: Mit Tieschowitz war er echt

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befreundet, ja. Am meisten mit Tieschowitz. Kuetgens ehrlich gesagt habe ich nur aus Erzählungen gekannt und Metternich, ja der wurde dann alt und irgendwie aus einer anderen Welt, ja. (…) Dieser Mann (Tieschowitz) war toll, der war witzig, der war schlagfertig (…). Er war immer nach außen. Ich habe ihn auch nur fröhlich erlebt und nur aufgeschlossen und toll, und der hat mir wahnsinnig imponiert. Von Tieschowitz war bis 1967 Kulturattaché in Paris und kehrte danach wieder ins Rheinland zurück, sein Tod 1968 (Schienensuizid) erschütterte sie sehr. Die Familie betont, dass Wend nie bewusst über den Krieg erzählte. Heinrich: (…) die Kunst war für ihn der Ausweg. Und die wissenschaftliche Qualifikation und auch der wissenschaftliche Erfolg, der berufliche Erfolg war sein Beweis, dass er’s geschafft hat. Die Zeit in Paris war dennoch für den jungen Studenten sehr prägend gewesen und äußerte sich in einer lebenslangen Verbundenheit zum Land, der Sprache und der Kultur. Livia: Ich glaube, dass Frankreich eigentlich immer ein Wunschland war, ein ganz stark prägendes. Seiner Tochter Alexandra hatte er nahegelegt, nach dem Abitur ein oder zwei Jahre nach Frankreich zu gehen, denn nur dort werde sie „Kultur, Lebensfreude und ästhetische Schönheit“ erleben. Mit dem Deutschland der Nachkriegszeit hatte er für viele Jahre ein schwieriges Verhältnis, was schließlich mit zum Umzug nach Österreich führte.

Abschließende Einschätzungen Das Porträt, das die Familie in ihren Erzählungen von Wend von Kalnein zeichnet, zeigt einen diplomatischen, sprachtalentierten Kunsthistoriker und Wissenschaftler mit offenem und gleichzeitig konservativem Weltbild, der sich weniger den Netzwerken widmete und kein Alphatier, sondern vielmehr pflichtbewusst, seriös und bescheiden war, sich politisch nicht besonders positionierte – auch wenn er eine klare Meinung hatte –, sondern vielmehr historisch analysierte und argumentierte. Zudem legte er größeren Wert auf die Verständigung ­zwischen den Nationen als auf nationale Dominanz. Albrecht: Wenn man meinen Vater gefragt hätte, würde er wahrscheinlich, hätte er immer gesagt, mein Interesse ist am Ende mehr für internationale Beziehungen in Kunst, also französische Kunst, die er intensivst studiert hat, die Strahlkraft der Düsseldorfer Malerschule nach den USA oder nach Skandinavien, russische Avantgardisten, mehr als, wie gesagt, etwa die Auseinandersetzung mit Frankreich, mit Österreich von mir aus auch, mit Russland. Da ist wieder d­ ieses Diplomatische. Also eine Entangled history, Histoire croisée war für ihn viel wichtiger als innerdeutsche ­Themen, die ihn dann nach 1990 auf Sachsen, auf Berlin hätten bringen können.

Die Familie schilderte zwei Verlusterfahrungen Wend von Kalneins, einerseits die Entbehrung durch fünf Jahre Krieg und fünf Jahre Kriegsgefangenschaft, andererseits die von Verlust geprägte Familiengeschichte: durch das Ende einer 800-jährigen Geschichte der Familie Kalnein als Familie von Stand mit großem Gut in Ostpreußen, das Ende der 1920er Jahre

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versteigert wurde, sowie durch den Verlust des Kontakts zu ­diesem Familienzweig nach der Wiederheirat seiner ­Mutter, wodurch sich Wend von Kalnein nach Aussage Alexandras zeitlebens als Halbwaise gefühlt habe. Er war jedoch nicht an diesen Verlusten zerbrochen oder hatte der Folgegeneration Vorurteile vermittelt, sondern habe in der Kunstgeschichte seine Erfüllung gefunden. Gleichzeitig beschreibt Heinrich den Vater auch als sensibel und weich. Auch Alexandra spürte oft ein fragiles emotionales Gerüst, das ihn häufig sehr sentimental werden ließ und für das, ihrer Meinung nach, die intensive kunsthistorische Forschung einen guten Schutz bot. Albrecht reflektiert zusammenfassend: Wenn mich meine Kinder fragten, was ich als eine Überschrift über das Leben eines Großvaters von 93 Jahren setzte, würde ich vielleicht alles in allem sagen, die Kraft des Neuanfangs, immer wieder. Nach der russischen Kriegsgefangenschaft, Baden-Baden und Markgraf, nach unglücklicheren Jahren in Kassel, im hessischen Staatsdienst, Museumsdirektor in Düsseldorf, nach einer intensivsten Zeit im Rheinland, Kunsthistoriker in Salzburg. Die Kraft des Neuanfangs, ohne auf jeweils dort vorhandene große Netzwerke zurückgreifen zu können, sondern sie eigentlich neu zu knüpfen. À la bonne heure, das ist nicht jedem gegeben.

4. Gespräch mit Hansjörg Pfitzner, Sohn von Carlheinz Pfitzner Am 9. August 2019 fand in Brauweiler ein Treffen des Projektteams statt mit Hansjörg Pfitzner, Sohn von Carlheinz Pfitzner (1908 – 1944), Kunstschutzmitarbeiter in Frankreich und beim Provinzialkonservator im Rheinland. Hansjörg Pfitzner hatte zuvor Dokumente aus dem Nachlass seines Vaters an das Rheinische Archiv für Künstlernachlässe in Bonn übergeben.54 Im Gespräch berichtete er über die familiären Verhältnisse und Verbindungen der Familie Pfitzner, außerdem wurde über die private Quellenüberlieferung resümiert. Die Informationen aus dem Gespräch 2019 wurden für diesen Zeitzeugenbericht zusammengefasst und im Frühjahr 2021 ergänzt.

Biografisches Carlheinz Pfitzner (1908 – 1944) wurde in Rotterdam geboren und war das älteste von fünf Kindern des dort tätigen Großkaufmanns Wilhelm Ernst Pfitzner, dessen Vater bereits die niederländische Staatsangehörigkeit angenommen hatte, und seiner Ehefrau Anna geb. Barckhausen aus Wittingen (Hannover). Im Zuge der Wirtschaftskrise der späten 1920er Jahre siedelte die Familie nach Bad Godesberg um, wo sie die deutsche Staatsangehörigkeit annahm; auch Carlheinz Pfitzner war zuvor niederländischer Staatsbürger gewesen. Im 54 Rheinisches Archiv für Künstlernachlässe Bonn, Nachlass Carlheinz Pfitzner, RAK 116.

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Abb. 10  Carlheinz Pfitzner als Kunstschutzoffizier in Paris, Februar 1941.

Rahmen von Aufenthalten auf dem zur weiteren Familie gehörenden Gut Marienstuhl bei Magdeburg lernte Carlheinz Pfitzner seine Ehefrau Andrea geb. Boecker von Kapff (1911 – 1995) kennen. Das Paar heiratete 1934 und zog nach Bonn. Andrea wurde in Paris geboren, wo ihr Vater Ernst Böcker (aus Wuppertal stammend, in Frankreich auch Ernest Boecker genannt) Kompagnon in der Privatbank Alfred Gans & Cie (Rue Lafitte, Paris) war. 1910 wurde er in die Légion d’honneur aufgenommen. Seine Ehefrau Agnes Luise von Kapff stammte aus dem alteingesessenen Weinhandelshaus Ludwig von Kapff (seit 1692) in Bremen. Die Familie lebte bis zum Ausbruch des E ­ rsten Weltkriegs in Paris und kehrte dann nach Bremen zurück. Aus der Ehe von Carlheinz und Andrea Pfitzner stammen drei Kinder: am 20. Mai 1936 wurde die Tochter Andrea Yolande (heute Hasebrink, Essen), am 19. Dezember 1939 der Sohn Hansjörg Bernhard und am 22. Juli 1942 Gesa (heute Schmidt-Pfitzner, Bremen) geboren. Hansjörg kam in Bünde/Westfalen zur Welt, auf einer Reise der ­Mutter Andrea zu ihrer Halbschwester Yolande (aus der ersten Ehe des Vaters mit einer Französin aus Nantes)

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und deren Mann, dem Zigarrenfabrikanten Walter André. Anfang der 1950er Jahre verstarb Yolande. Andrea, die seit 1944 selbst verwitwet war, heiratete Walter André; der gemeinsame Wohnsitz wurde nach Bielefeld verlegt. Carlheinz Pfitzner studierte Kunstgeschichte an der Universität Bonn und wurde bei Paul Clemen promoviert; eventuell waren hier bereits erste Kontakte mit Wolff Metternich zustande gekommen. Er begann 1934 ein Volontariat beim Denkmalpflegeamt in Bonn und erhielt in der Folge den Posten des Direktorialassistenten. 1937 erfolgte die militärische Grundausbildung zusammen mit Bernhard von Tieschowitz. Am 8. Juni 1940 wurde er zum Kriegsverwaltungsrat ernannt und begann seine Tätigkeit für den deutschen militärischen Kunstschutz zunächst in Belgien und dann in Frankreich (Abb. 10). Anfang 1942 erfolgte die Rückberufung nach Bonn und im November 1942 wurde er zum Frontdienst ­eingezogen.55 Carlheinz Pfitzner verstarb am 25. März 1944 in einem Lazarett bei Odessa an seinen Kriegsverletzungen. Andrea Pfitzner und die drei Kinder blieben zunächst in Bonn, zogen dann aber nach Bünde, wo Hansjörg Pfitzner 1946 eingeschult wurde. Durch den frühen Tod des Vaters, bei dem Hansjörg gerade vier Jahre alt war, kann er weder auf persönliche Erinnerungen an den Vater zurückgreifen noch detaillierte oder im Gedächtnis gebliebene Schilderungen der ­Mutter wiedergeben. Hansjörg Pfitzner: Die Zeit meines Vaters im Deutschen Kunstschutz wurde nicht tabuisiert, sie war einfach kein Thema. So genau hat mein Vater offensichtlich weder über die Aufgaben und Ziele dieser Organisation noch über seine persönliche Rolle darin zu Hause gesprochen. Und entsprechend gering waren vermutlich die Kenntnisse darüber innerhalb der Familie.

In Erinnerung ist Hansjörg Pfitzner die – zugegebenermaßen „vergröberte Schwarz-WeißVersion“, wie er konstatiert –, die zuhause in seiner Kinder- und Jugendzeit im Hinblick auf den als nebulös empfundenen Begriff „Deutscher Kunstschutz“ geäußert wurde. Dieser sei in zwei Gruppen einzuteilen: „die Guten“, die davon ausgegangen s­ eien, dass der „Spuk bald vorüberginge“, und für die der Schutz der Kulturgüter höchste Priorität gehabt habe – zu jenen zählten Wolff Metternich, von Tieschowitz und Carlheinz Pitzner –, und „die Bösen“, die ihre Aufgabe in der Beschlagnahme von Kunstwerken für Hermann Göring (Carinhall) und Adolf Hitler (Linz) gesehen hätten.

Dokumente über Carlheinz Pfitzner Nachdem sich Hansjörg Pfitzner zunächst eher der Aufbereitung der familiären Hintergründe des Bremer Familienzweiges gewidmet hatte, kam es, u. a. durch die ­Kontaktaufnahme von 55 Unterlagen zur Einberufung Pfitzners etc. in ALVR 35141, Unterlagen zur Anstellung Pfitzners sowie dessen Todesanzeige in ALVR 11014.

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Daniel Schütz, Leiter des Rheinischen Archivs für Künstlernachlässe in Bonn, zur intensiveren Beschäftigung mit den Dokumenten seines Vaters und dessen Arbeit im militärischen Kunstschutz. Dabei ist ihm die differenzierte Betrachtung der Arbeit und der Begriffe „Schutz“ oder „Schutztruppe“ oder „Bergungsort“ besonders wichtig, da immer zu hinterfragen sei, zu wessen Schutz gehandelt werde, da „Bergung“ die Doppeldeutigkeit der Schutzfunktion, aber auch des Verbergens innewohnt. Die Tatsache, dass der Kunstschutz eine Abteilung der Wehrmacht darstellte, ließ Hansjörg Pfitzner immer mit der Frage zurück, ­welche Position sein Vater gehabt haben mochte. Die wenigen hinterlassenen Dokumente des Vaters enthalten laut Hansjörg Pfitzner kaum aufschlussreiche Bemerkungen zur Rolle des Vaters innerhalb des Kunstschutzes. Dessen Privatnachlass umfasst persönliche Briefe ­zwischen den Eltern und ein Tagebuch, das für den Sohn die ausführlichste Informationsquelle über dessen Tätigkeit im Kunstschutz darstellt.56 Das Tagebuch enthält einige persönliche Äußerungen, aber keine politischen Stellungnahmen. Es beinhaltet jedoch ausführliche Informationen zu geschäftlichen Terminen, Personen und Orten: Es dominieren Hinweise auf Begegnungen mit Kunsthistorikerkollegen, Ausführungen zu zahlreichen Theateraufführungen, Besuchen von Restaurants, Fahrten durch viele Regionen Frankreichs mit Notizen zu Art und Umfang von Beschädigungen an Kathedralen, Klöstern, Rathäusern etc. Die Notizen beginnen am 6. Juni 1940 mit der Einberufung zum Kunstschutz durch das OKH und stellen somit ein wertvolles Dokument für die Anfänge des Kunstschutzes dar. Dass Carlheinz Pfitzner rasch nach Dienstbeginn in Brüssel auch hochrangige Aufgaben übernahm, belegt ein Eintrag, der etwa drei Wochen nach seiner Ankunft in Belgien entstand. Er hatte bspw. am 29. Juni 1940 die Aufgabe, Joseph ­Goebbels (1897 – 1945) durch Löwen und Brüssel zu führen, da Wolff Metternich, der von ihm im Tagebuch und in privaten Briefen meist als „WM“ oder „Metternich“ (seltener auch als „Gräfle“) bezeichnet wird, nicht anwesend war.57 56 Das Tagebuch Pfitzner umfasst den Zeitraum Sommer 1940 bis Frühjahr 1941. Private Dokumente verbleiben bei der Familie, so auch das Tagebuch, ­dieses wurde für den Nachlass im Rheinischen Archiv für Künstlernachlässe digitalisiert. 57 Auch Joseph Goebbels hatte von 1917 – 1921 die Bonner Universität für ein Germanistik- und Geschichtsstudium besucht. Die Vermutung Hansjörg Pfitzners, dass er durch die Verbindung der Lehrstühle in der Philosophischen Fakultät auch Vorlesungen bei Clemen hörte, bleibt im Bereich des Möglichen. Diese Vermutung geht auf einen sehr interessanten Brief von Carlheinz Pfitzner an seine ­Mutter vom 03. 07. 1940 im NL Pfitzner, RAK 116, zurück, in dem er die Begegnung mit Goebbels beschreibt und auch Clemen erwähnt: (…) Dieser Goebbelsbesuch war wirklich sehr interessant (…). An sich sollte Gräfle führen, aber der war gerade den Tag vorher nach Bonn gebraust (…). In Brüssel (…) wo wir ausstiegen und ich ihm das zweibändige Clemenwerk „Kunstschutz im Kriege“ überreichte. Clemen war sein Lehrer, und Goebbels sagte wirklich soviel Ehrendes von ihm, dass ich es dem guten alten Pappi noch gleich mitteilen will. Auch sprach er fein von Wölfflin und war glücklich über die Erhaltung von Paris, denn: „Wenn wir es zerstört hätten, wäre uns das immer wieder vorgehalten worden, es gibt eben Dinge, die nicht einem einzelnen Volk gehören, sondern Angelegenheit und

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Auch Hermann Bunjes (1911 – 1945)58 sowie Bernhard von Tieschowitz, den er „Tiescho“ oder „Harry“ nannte, werden im Tagebuch erwähnt. Pfitzner notierte in seiner Zeit in Paris auch Termine mit Jacques Jaujard (Leiter der Musées nationaux in Frankreich) und anderen französischen Kollegen, was Hansjörg Pfitzner besonders nach dem Film „Francofonia“ (2015) in der Bedeutung bewusst wurde. Im Tagebuch sind einige Reisen mit französischen Fachkollegen der Museumsverwaltung zu den Depots und Bergungsorten der staatlichen Kunstsammlungen vermerkt; diese zeugen von einer der Hauptaufgaben des Kunstschutzes, der Sicherung der ausgelagerten staatlichen Kunstsammlungen und der Sicherung ortsfester historisch wertvoller Baudenkmale und Schlösser.59 Seltener finden sich auch Eintragungen, die diese generelle Linie verlassen und eine persönliche Einschätzung und Bewertung beinhalten. So bspw. der Eintrag vom 26. August 1940: Selten schauerlicher Bürotag. Die Arbeit macht mir nichts aus, aber man ist ganz ab – psychisch – von soviel Habgier, Unaufrichtigkeit und Taktlosigkeit. Es kann alles nicht gut enden bei d­ iesem Wirrwarr. Abends mit Gräfle und Tiescho bei Loti gegessen, Av. Wagram […]. Und auch der Eintrag vom 19. September 1940 ist sehr aufschlussreich: Ausweisfragen geregelt, endlich fertig. Die Abetz-Kerle alle abgeschossen. Erfolg – aber für wie lange? Besprechung im Louvre. Vorjury in der Orangerie betr. moderne Kunstausstellung. Abends im Périgourdine, Konservatorentagung besprochen. In diesen Äußerungen wird die ablehnende Haltung gegenüber der Beschlagnahme von Kunstgut deutlich, die sich auch mit der Einstellung in persönlichen Schilderungen Wolff Metternichs und von Tieschowitz’ deckt. Auch in den Quellen zeigen sich die Bestrebungen des Kunstschutzes in den ersten Monaten, der „Sicherstellung“ und Ausfuhr privater Kunstsammlungen entgegenzuwirken, insbesondere durch den hier namentlich erwähnten Otto Abetz und die deutsche Botschaft. Das Denkmalamt in der Bachstraße in Bonn wurde in der Familie immer als das „Ämtle“ bezeichnet. Für Hansjörg Pfitzner ist auffällig, dass nach dem Tod seines Vaters von ­Tieschowitz derjenige war, der der M ­ utter persönlich kondolierte. Hingegen gibt es keine Nachweise über einen intensiveren Kontakt Wolff Metternichs zur Familie.60 Die besondere und freundschaftliche Bindung Carlheinz Pfitzners zu Bernhard von Tieschowitz zeigt sich nicht zuletzt daran, dass er der Patenonkel Hansjörg Pfitzners wurde. Herrschte auch nie ein familiäres Klima, so war von Tieschowitz doch gerne bereit dazu, Hansjörg Dokument der Menschheit sind. Hierzu gehört auch Paris.“ Stelle Dir vor, es war wirklich fein, das aus seinem Munde zu hören. 58 Hermann Bunjes war ein Kollege aus Bonn, der ebenfalls dort Kunstgeschichte studiert hatte, für den Kunstschutz im Großraum Paris tätig und ab 1942 offizieller Leiter der Kunsthistorischen Forschungsstätte in Paris war. 59 Diese Dienstreisen lassen sich mit den Reise- und Tätigkeitsberichten in der Gegenüberlieferung abgleichen. 60 Wolff Metternich verfasste aber einen Nachruf auf Carlheinz Pfitzner. Siehe: Franziskus Graf Wolff Metternich, Nachruf Karl Heinz Pfitzner, August 1944 in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege, Berlin 1944, S. 66 f.

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in den 1950er und 1960er Jahren mehrfach in Paris zu empfangen. Von Tieschowitz war dort über einen langen Zeitraum bis 1967 Kulturattaché bei der deutschen Botschaft, den Erinnerungen Hansjörg Pfitzners nach aufgrund von Abstimmung ­zwischen der deutschen und französischen Regierung, und lebte an der Place du Panthéon. So wurde zum Beispiel 1961 der 50. Geburtstag von Andrea André (vormals Pfitzner) in Paris begangen, Hansjörg wurde zu Empfängen eingeladen, bei denen von Tieschowitz Gastgeber war, und er nahm am sonntäglichen „Jour fixe“ im Restaurant „[La] Méditerranée“ an der Place de l’Odéon teil, wo von Tieschowitz ausgewählte Gäste in kleiner Runde empfing. Hansjörg Pfitzner traf von Tieschowitz auch nach dessen Rückkehr aus Paris gelegentlich in Bonn, allerdings nicht in privatem Rahmen, sondern bspw. bei Vernissagen in der Galerie Hermann Wünsche (Bonn), den Hansjörg Pfitzner während seines Jurastudiums in Bonn und im Rahmen des eigenen Kunstinteresses kennengelernt hatte und mit dem er auch beruflich zusammenarbeitete. Im Gespräch mit Hansjörg Pfitzner wurde ein weiterer Aspekt des Lebens von Bernhard von Tieschowitz deutlich, der so weder in der Forschung noch in den Quellen bisher zur Sprache gekommen war. Von Tieschowitz sei homosexuell gewesen, wie auch einige andere Nachfahren ehemaliger Kunstschützer und Personen aus dem Umfeld von Tieschowitz’, mit denen im Laufe des Projektes ein Austausch stattfand, erzählten. Hansjörg Pfitzner, dem dieser Aspekt erst nach von Tieschowitz’ Rückkehr aus Paris 1967 bewusst geworden war, und die anderen Zeitzeugen teilen die Einschätzung über einen Zusammenhang ­zwischen von Tieschowitz’ Sexualität und dessen Suizid im Jahr 1968. Homosexualität ­zwischen Männern war tabuisiert und strafbar, er habe offensichtlich Schwierigkeiten bei der Umstellung seines Lebens von Paris nach Bonn gehabt und sei sehr unglücklich gewesen. Über sein Privatleben oder seine Zeit beim Kunstschutz gemeinsam mit Carlheinz Pfitzner hatte von Tieschowitz mit Hansjörg nach dessen Bekunden nie gesprochen.

Abschließende Einschätzungen Das Gespräch zeigte abermals die positive Rezeption des Kunstschutzes und der Tätigkeit der Vorfahren in der Folgegeneration, was in den überlieferten privaten und beruflichen Dokumenten bestätigt wird. Es zeigt sich zudem ein freundschaftlich-kollegialer Umgang der Rheinländer, aber auch die spärliche Kommunikation über die Tätigkeiten beim Kunstschutz in der Nachkriegszeit.

5. Fazit aus den Gesprächen Die hier geschilderten persönlichen Aspekte zu den familiären Umständen und dem Nachwirken der Akteure in der Wahrnehmung der Nachfahren waren für das Verständnis und die weiteren Recherchen im Projekt aufschlussreich. Zusammenfassend kann man über die

Gespräche mit Angehörigen ehemaliger Kunstschutzmitarbeiter  I  645

Gespräche mit den Angehörigen der ehemaligen Kunstschutzmitarbeiter sagen, dass mit der Kindergeneration wenig über die Zeit beim Kunstschutz gesprochen wurde, jedoch ein positives Selbstverständnis herrschte, das so auch an die Familien weitergegeben wurde. Die meisten der Kollegen konnten nach ihrem Entnazifizierungsverfahren „unbelastet“ ihre Tätigkeiten weiterführen und verfolgten ambitioniert ihre Karriere. Der Wunsch einer Aufarbeitung scheint insbesondere bei Wolff Metternich sehr groß gewesen zu sein, wenngleich dies der Familie im Vergleich zum Engagement in beruflichen Stellungen der Nachkriegszeit nicht so bewusst gewesen war, sondern mehr den Quellen zu entnehmen ist. Während die Nachfahren auch mit den Namen der Kunstschutz-Kollegen und den freundschaftlichen Verbindungen untereinander grundsätzlich bekannt sind, scheint es doch so, als hätten die Netzwerke des Kunstschutzes in der Nachkriegszeit im Grunde nicht weiterbestanden. Ein schöner Aspekt der Gespräche und des Forschungsprojektes war in jedem Fall, dass die Familien mit der Geschichte der Vorfahren in Kontakt kamen, ein reger Austausch entstand, private Dokumente zur Verfügung gestellt wurden und sogar ein persönliches Kennenlernen der Kindergeneration auf der Tagung in Brauweiler im September 2019 stattfinden konnte.

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Auswahlbibliografie zum militärischen Kunstschutz Esther Rahel Heyer

Neben den gesammelten Quellen zum militärischen Kunstschutz sind thematisch weiterführende Publikationen, Forschungsliteratur und Datenbanken von besonderer Relevanz. In dieser Bibliografie wird, nach Themenbereichen aufgeteilt, eine Auswahl an Literaturverweisen rund um den Kunstschutz im E ­ rsten und im Zweiten Weltkrieg gegeben. Dabei werden die Publikationen zum und über den militärischen Kunstschutz in Primärquellen, wie bspw. Berichte und Veröffentlichungen der Mitarbeiter, und Sekundärquellen in Form von Forschungsliteratur aufgeteilt. Die Erfahrungsberichte zu Belangen des Kulturgutschutzes aus der Nachkriegszeit sind unter Sekundärliteratur gelistet, können jedoch auch als Primärquellen gewertet werden. Die weitere Aufteilung erfolgt nach thematischen Schwerpunkten, struktureller und aufgabenspezifischer Abgrenzung sowie den geografischen Schwerpunkten Frankreich und Rheinland. Darüber hinaus sind Institutionen und Akteure, deren Erfahrungsberichte aus der Nachkriegszeit, Aktenüberlieferung und Datenbanken relevante Aspekte in dieser Materialsammlung. Einige Titel haben den Fokus Kunstraub oder Wissenschaftsgeschichte, dabei wurde anhand der Schnittmenge mit Hinweisen zum Kunstschutz ausgewählt. Bei Sammelbänden sind nicht alle Aufsätze gelistet, sondern nur jene, die konkreten Bezug zu den Kategorien aufweisen. So ist beispielsweise die Publikation zur Brauweiler Projekt-Tagung im September 2019 als Gesamtwerk genannt, aber nicht alle Aufsätze daraus sind gelistet. Die Bibliografie zielt nicht auf eine Vollständigkeit, sondern teilt eine Auswahl an Publikationen in Kategorien, die als Hilfestellung zur Einfindung in verschiedene Aspekte der Thematik dienen soll.

1. Kunstschutz im Ersten Weltkrieg und in der Zwischenkriegszeit Baudoux-Rousseau, Laurence/Michel-Pierre Chélini/Charles Giry-Deloison (Hg.), Le patrimoine, un enjeu de la Grande guerre. Art et archéologie dans les territoires occupés 1914 – 1921 / Der Kulturerbeschutz als Herausforderung im E ­ rsten Weltkrieg. Kunst und Archäologie in den besetzten Gebieten 1914 – 1921, Arras 2018. Born, Robert/Beate Störtkuhl (Hg.), Apologeten der Vernichtung oder „Kunstschützer“? Kunsthistoriker der Mittelmächte im E ­ rsten Weltkrieg (Visuelle Geschichtskultur 16), Köln/Wien/Weimar 2017.

Clemen, Paul (Hg.), Kunstschutz im Kriege. Berichte über den Zustand der Kunstdenkmäler auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen und über die deutschen und österreichischen Massnahmen zu ihrer Erhaltung, Rettung, Erforschung, Bd. 1: Die Westfront, Bd. 2: Die Kriegsschauplätze in Italien, im Osten und Südosten, Leipzig 1919. Clemen, Paul (Hg.), Protection of Art During War. Reports Concerning the Condition of the Monuments of Art at the Different Theatres of War, and the German and Austrian Measures Taken for their Preservation, Leipzig 1919. Dimier, Louis, La protection allemande des monuments de l’art pendant la guerre, Paris 1915. Goege, Thomas, Kunstschutz und Propaganda im E ­ rsten Weltkrieg. Paul Clemen als Kunstschutzbeauftragter an der Westfront, in: Udo Mainzer (Hg.), Paul Clemen. Zur 125. Wiederkehr seines Geburtstags (Jahrbuch der Rheinischen Denkmalpflege 35), Köln 1991, S. 149 – 168. Hädler, Emil, Kriegsdenkmalpflege 1914 – 1918. Paul Léon versus Paul Clemen; zwei Denkmalpfleger in feindlichen Lagern, in: Die Denkmalpflege 72 (2014), H. 1, S. 5 – 13. Huault-Nesme, Laurence (Hg.), Les muses blessées, 1914 – 1918. Le patrimoine en guerre, images d’Italie et de France (Ausstellungskatalog 20. September 2014 bis 5. Januar 2015, Musée Hébert, Grenoble), Grenoble 2014. Kaiser, Anna/Julia Walleczek-Fritz, Vom Krieg zum Schutz. Österreich-Ungarns Kulturgüterschutz im ­Ersten Weltkrieg und die Erhaltung seiner baulichen Überreste, in: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien 148 (2018), S. 203 – 218. Kott, Christina, „Kunstschutz“ an der Westfront, ein transnationales Forschungsfeld? Methoden, Quellen, Perspektiven, in: Robert Born/Beate Störtkuhl (Hg.), Apologeten der Vernichtung oder „Kunstschützer“? Kunsthistoriker der Mittelmächte im ­Ersten Weltkrieg (Visuelle Geschichtskultur 16), Köln/Wien/Weimar 2017, S. 29 – 42. Kott, Christina, Das belgische Kulturerbe unter deutscher Besatzung – 1914 bis 1918 und 1940 bis 1944. Eine Skizze, in: Sebastian Bischoff u. a. (Hg.), Belgica – terra incognita? Resultate und Perspektiven der Historischen Belgienforschung. Historische Belgienforschung (Historische Belgienforschung im deutschsprachigen Raum 1), Münster/New York 2016, S. 155 – 165. Kott, Christina, Der deutsche „Kunstschutz“ und die Museen im besetzten Belgien und Frankreich, in: Petra Winter/Jörn Grabowski (Hg.), Zum Kriegsdienst einberufen. Die Königlichen Museen zu Berlin und der Erste Weltkrieg (Schriften zur Geschichte der Berliner Museen 3), Wien/Köln/Weimar 2014, S. 51 – 72. Kott, Christina, The German Museum Curators and the International Museums Office, 1926 – 1937, in: Andrea Meyer/Bénédicte Savoy (Hg.), The Museum is Open. Towards a Transnational History of Museums 1750 – 1940 (Contact Zones 1), Berlin 2014, S. 205 – 218. Kott, Christina, Kunstwerke als Revanche? Die Problematik der Restitutionen im und nach dem ­Ersten Weltkrieg in Westeuropa, in: G. Ulrich Großmann/Petra Krutisch (Hg.), The Challenge of the Object. Die Herausforderung des Objekts (33rd Congress of the International Committee of the History of Art, Nürnberg, 15. – 20. Juli 2012), Nürnberg 2013, S. 1355 – 1359.

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Auswahlbibliografie zum militärischen Kunstschutz  I  671

Kirchmayr, Birgit/Gregor Derntl, Leda mit dem Schwan oder: Provenienzforschung und Restitutionspolitik seit 1945. Ein Beispiel aus Oberösterreich, in: Eva Blimlinger/Heinz Schödl (Hg.), … (k)ein Ende in Sicht. 20 Jahre Kunstrückgabegesetz in Österreich, Wien/Köln/Weimar 2018, S. 163 – 170. Kistenich, Johannes, Gesunkene Schätze. Die Kahnakten. Schadensgeschichte und Restaurierungsgeschichte (Veröffentlichungen des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen 36), Düsseldorf 2010. Kurtz, Michael J., America and the Return of Nazi Contraband. The Recovery of Europes Cultural Treasures, Cambridge 2006. Lauterbach, Iris, Der Central Collecting Point in München. Kunstschutz, Restitution, Neubeginn, Berlin/München 2015. Lauterbach, Iris, Central Art Collecting Point und Zentralinstitut für Kunstgeschichte 1945 – 1949. Kunstschutz, Restitution und Wissenschaft, in: dies. (Hg.), Kunstgeschichte in München 1947. Institutionen und Personen im Wiederaufbau, München 2010, S. 7 – 18. Lillteicher, Jürgen, Raub, Recht und Restitution. Die Rückerstattung jüdischen Eigentums in der frühen Bundesrepublik (Moderne Zeit 15), Göttingen 2007. Löffler, Emily, Kunstschutz im besetzten Deutschland. Restitution und Kulturpolitik in der französischen und amerikanischen Besatzungszone (1944 – 1953) (Brüche und Kontinuitäten. Forschungen zu Kunst und Kunstgeschichte im Nationalsozialismus 3), Köln/ Wien/Weimar 2019. Lorentz, Claude, La France et les restitutions allemandes au lendemain de la Seconde Guerre Mondiale (1943 – 1954), Paris 1998. Rothfeld, Anne, Evelyn Tucker. An Enforcer of Restitution Policy in U. S. Occupied Austria, in: Eva Blimlinger/Monika Mayer (Hg.), Kunst sammeln, Kunst handeln. Beiträge des Internationalen Symposiums in Wien (Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 3), Wien 2012, S. 279 – 287. Schieder, Martin, Expansion/Integration. Die Kunstausstellungen der französischen Besatzung im Nachkriegsdeutschland, München 2004. Schieder, Martin/Friederike Kitschen (Hg.), Art Vivant. Quellen und Kommentare zu den deutsch-französischen Beziehungen 1945 – 1960, Berlin 2011. Spirydowicz, Krysia, Rescuing Europe’s Cultural Heritage: The Role of the Allied Monuments Officers in Wolfd War II, in: Laurie Rush (Hg.), Archoelogy, Cultural Property, and the Military, Woddbridge 2010, S. 15 – 27.

Kulturgutschutz heute Buhse, Karl-Heinrich, Der Schutz von Kulturgut im Krieg. Unter besonderer Berücksichtigung der Konvention zum Schutze des Kulturguts im Falle eines bewaffneten Konflikts vom 14. Mai 1954 (Veröffentlichungen des Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel 40), Hamburg 1959.

672 I Esther Rahel Heyer

Gerstenblith, Patty, From Bamiyan to Baghdad. Warfare and the Preservation of Cultural Heritage at the Beginning of the 21st Century, in: Georgetown Journal of International Law 37 (2006), S. 245 – 352. Odendahl, Kerstin, Kulturgüterschutz. Entwicklung, Struktur und Dogmatik eines ebenenübergreifenden Normensystems, Tübingen 2005. O’Keefe, Roger, The Protection of Cultural Property in Armed Conflict, Cambridge 2006. Pabst, Friederike, Kulturgüterschutz in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten (Schriften zum Völkerrecht 177), Berlin: 2008. Rosén, Frederik, NATO and Cultural Property. Embracing New Challenges in the Era of Identity Wars. Report on the NATO Science for Peace and Security Project: Best Practices for Cultural Property Protection in NATO-led Military Operations, CHAC 2017. Rush, Laurie, Working with the Military to Protect Archaeological Sites and Other Forms of Cultural Property, in: World Archaeology 44 (2012), S. 359 – 377. Schorlemer, Sabine von, Internationaler Kulturgüterschutz. Ansätze zur Prävention im Frieden sowie im bewaffneten Konflikt (Schriften zum Völkerrecht 102), Berlin 1992. Schorlemer, Sabine von, Cultural Heritage Law. Recent Developments in the Laws of War and Occupation, in: James A. R. Nafziger/Ann M. Nicgorski (Hg.), Cultural Heritage Issues. The Legacy of Conquest, Colonization, and Commerce, Leiden 2009, S. 137 – 158. Toman, Jiří, The Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict, Aldershot, Vermont 1996.

Quellenüberlieferung: Inventare und Recherchetools Archives nationales (Hg.), La France et la Belgique sous l’occupation allemande 1940 – 1944. Les fonds allemands conservés au Centre historique des Archives nationales. Inventaire de la sous-série AJ40, Paris 2002. Kennedy Grimstedt, Patricia, ERR Archival Guide, Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, https://www.errproject.org/guide.php (Stand: 29. 08. 2021). Kennedy Grimsted, Patricia, Reconstructing the Record of Nazi Cultural Plunder. A Survey of the Dispersed Archives of the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR), Amsterdam 2011. Martens, Stefan (Hg.), Frankreich und Belgien unter deutscher Besatzung 1940 – 1944. Die Bestände des Bundesarchiv-Militärarchivs Freiburg, Stuttgart 2002. Piketty, Caroline: Guide des Recherches dans les Archives des Spoliations et des Restitutions, Paris 2000. Archivportal Frankreich: https://francearchives.fr/ Archivportal Deutschland: https://www.archivportal-d.de/ Archivportal Europa: https://www.archivesportaleurope.net/de/home

Auswahlbibliografie zum militärischen Kunstschutz  I  673

http://www.adresses-france-occupee.fr/de# Das Deutsche Historische Institut Paris stellt eine Karte bereit, auf der die jeweiligen deutschen und französischen Dienststellen in Frankreich unter deutscher Besatzung für die Jahre 1940 – 1945 verzeichnet sind. https://www.dhm.de/sammlung/forschung/provenienzforschung/ Das Deutsche Historische Museum Berlin präsentiert auf seiner Homepage zum einen Provenienzforschung und deren Ergebisse im eigenen Haus und stellt Datenbanken für die internationale Provenienzrecherche zur Verfügung: Datenbank zum „Sonderauftrag Linz“, Datenbank „Die Kunstsammlung Hermann Göring“ und Datenbank zum Münchener Central Collecting Point (CCP). https://www.errproject.org/jeudepaume/ Die Conference on Jewish Material Claims Against Germany und das United States Holocaust Memorial Museum, in Kooperation mit dem Bundesarchiv, den Archives diplomatiques, der United States National Archives and Records Administration (NARA) und der Commission for Art Recovery, stellen die Datenbank Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg zur Verfügung; dort sind anhand von Fotografien und Registerkarten über 400.000 Kunstobjekte recherchierbar, die während der Okkupation in Belgien und Frankreich enteignet wurden. https://www.fold3.com/ In der Datenbank fold3 der NARA stehen zum Themenkomplex des Zweiten Weltkrieges diverse Konvolute zur freien Einsicht zur Verfügung. http://www.lostart.de/ Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste, Magdeburg, stellt die Lost Art Database bereit, eine im ständigen Weiterausbau befindliche Datenbank zur Erfassung und Darstellung von Raub- und Beutekunst. https://www.proveana.de Proveana ist die Forschungsdatenbank des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste zur Dokumentation historischer Informationen und für die Recherche zu Personen, Körperschaften, Ereignissen, Sammlungen, Provenienzmerkmalen, Objekten und weiterführenden Quellen.

674 I Esther Rahel Heyer

Verzeichnisse

Abbildungsverzeichnis Esther Rahel Heyer Abb. 1 – 3: Die Stellenbesetzung in der Kunstschutz-Organisation in den besetzten Gebieten. Stand bei höchster Besetzung. Anlage 6 zum Abschlussbericht Wolff Metternichs, 1944. Foto: NL FGWM, Nr. 8. Abb. 4: Die Stellenbesetzung der Kunstschutz-Organisation. Stand von August 1944. Anlage 7 zum Abschlussbericht Wolff Metternichs, 1944. Foto: NL FGWM, Nr. 8. Abb. 5: Liste der Verwaltungsgruppenleiter in den Feldkommandanturen in den Militärverwaltungsbezirken A, B und C, Stand: 5. Februar 1942. Foto: NL FGWM, Nr. 56.

Florence de Peyronnet-Dryden, Hans-Werner Langbrandtner Abb. 1: Gisela Günther und Margarethe Schmidt (re.), die beiden Schreibkräfte der Kunstschutzzentrale, auf dem oberen Balkon des Hôtel Majestic in Paris, ca. 1941. Foto: NL FGWM, Nr. 246.

Kateryna Kostiuchenko Abb. 1: Verordnung von Hermann Göring vom 5. November 1940, eigenhändiger Kommentar und Unterschrift. Foto: NL FGWM, Nr. 187.

Julia Schmidt Abb. 1: Grafische Darstellung der Kataloge ohne Stempel aus dem Bestand der ehemaligen Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Grafik: © Julia Schmidt. Abb. 2: Grafische Darstellung der Häufigkeit der Ankäufe durch die Kunsthistorische Forschungsstätte Paris in Pariser Buchhandlungen. Grafik: © Julia Schmidt. Abb. 3: Ältester Katalog des Konvolutes der „Schenkung Étienne Bignou“ (Detail der vergebenen Nummer 1) im Bestand der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Foto: JG/U, Julia Schmidt.

Nereida Gyllensvärd Abb. 1: Norwegen, Zweiter Weltkrieg. Beute-Kommission, von links: Knötel, Konteradmiral Hermann Lorey, Kunert, Henke und ein norwegischer Kraftfahrer. Foto: Bundesarchiv, Bild 134-D115 (Fotograf unbekannt).

Abb. 2: Burg Hocheppan/Südtirol, Blick auf die Burgkapelle um 1944/1945. Foto: Dr. Peter Halm, Universität Hamburg, Kunstgeschichtliches Seminar, Fotoarchiv Kunstgeschichte, Nachlass Wilhelm-Kästner. Abb. 3: Postkarte (Nr. 9599): Denkmal für die österreichischen Gefallenen des Jahres 1878 in Doboj, A. Schwiedernoch, Wien-Hacking XIII/S. Foto: BArch RW 40/230 Bl. 76. Fotograf: A. Schwiedernoch.

Heidi Gansohr Abb. 1: Inventarbuch des Rheinischen Landesmuseums Bonn mit dem Eintrag über den Erwerb des kleinformatigen Bildes: Hendrick Averkamp, Winterlandschaft mit Eisläufern: Erworben von Herrn S. Meller in Paris für 12.500 RM. Foto: LVR-LandesMuseum Bonn. Abb. 2: Schreiben Hermann Bunjes’, KVR im Kunstschutz Paris, an den Kulturdezernenten der Rheinischen Provinzialverwaltung, Hanns Joachim Apffelstaedt, mit der zunächst rein privaten Mitteilung, dass in den nächsten Monaten eine Anzahl wertvollster Kunstgegenstände aus Privatbesitz in den hiesigen Kunsthandel gebracht werden, Paris, den 23. September 1940. Foto: ALVR 11412. Abb. 3: Bernhard von Tieschowitz stellt im Namen des Beauftragten für den Kunstschutz den Marschbefehl für den Landesrat Dr. Apffelstaedt aus, sich zur Bearbeitung von besonderen Fragen des Kunstschutzes nach Brüssel und Paris zu begeben, Paris, den 9. November 1940. Foto: ALVR 11412. Abb. 4: Carlheinz Pfitzner stellt im Namen des Beauftragten für den Kunstschutz die Ausfuhrgenehmigung für die beiden vom Landesrat Apffelstaedt erworbenen niederländischen Bilder des 17. Jahrhunderts aus, Paris, den 22. November 1940. Foto: ALVR 11412.

Susanne Haendschke Abb. 1: Eduard Neuffer, in der Mitte ­zwischen Carlheinz Pfitzner (li.) und Felix Kuetgens (re.) anlässlich Frl. Goebens Geburtstag im Amt, 20.V.41. Foto: NL Carlheinz Pfitzner, Rheinisches Archiv für Künstlernachlässe, Bestand 116.

Florence de Peyronnet-Dryden Abb. 1: Vertrauliche Karte (Ausschnitt) des deutschen Militärbefehlshabers in Frankreich mit den unter Belegungsverbot stehenden Burgen und Schlössern, 1942. Foto: NL FGWM, Nr. 74. Abb.2.: Ort für Truppenbelegungen (Teilbelegungsverbot): Schloss Louÿe im Departement Eure, Normandie. Ansicht von ca. 1900/1920. Foto: Privatarchiv.

678 I Abbildungsverzeichnis

Annika Flamm Abb. 1: Karte der Archivberatungsstelle mit der Verzeichnung der Bergungsorte (Ausschnitt). Foto: ALVR, Bestand: Brw. Archivberatungsstelle 1, Nr. 367. Abb. 2: Transporte zur Bergung von Kulturgut ­zwischen 1940 – 1945. Grafik nach ALVR 11234: © Annika Flamm. Abb. 3: Stefan Lochner, Muttergottes mit dem Veilchen (vor 1450), Erzbischöfliches Diözesanmuseum, Köln. Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln, RBA 046 549 (Fotograf unbekannt).

Katharina Schmude Abb. 1: Glocke von St. Johannes Baptist in Bruchhausen. Foto: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Deutsches Glockenarchiv, DGA 15/24/159 Bruchhausen (Fotograf unbekannt). Abb. 2: Glocke von Schloss Moyland. Foto: Bildarchiv des LVR-Amts für Denkmalpflege im Rheinland (Fotograf unbekannt).

Hans-Werner Langbrandtner Abb. 1: Die Archivarin Katharina Gräfin von Looz-Corswarem besichtigt auf der Festung Ehrenbreitstein eines der beschädigten Archivschutz-Magazine, in dem Flurbücher ­gesichert waren, 1945. Bomben hatten am 1. November 1944 die Gewölbe verschiedener Magazine durchschlagen. Foto: Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 710, Nr. 17325.

Marco Rasch Abb. 1: Universitätsmuseum Marburg, Blick in einen Saal der Ausstellung „Meisterwerke der europäischen Malerei des 19. Jahrhunderts“, 14. April bis zum 2. Juni 1946. Foto: Bildarchiv Foto Marburg, Aufn.-Nr.: LA 935/13. Abb. 2: Staatsarchiv Marburg, um 1939. Foto: Bildarchiv Foto Marburg, Aufn.-Nr.: 75.589. Abb. 3: Organigramm des Marburger Collecting Point. Grafik: © Marco Rasch. Abb. 4: Belegschaft des Marburger Collecting Point, darunter der Leiter Francis Bilodeau (5. v. l.) und sein Stellvertreter Joachim Steinbacher (3. v. r.), mit britischen Armeeangehörigen vor dem Staatsarchiv, Juni 1946. Foto: Bildarchiv Foto Marburg, Aufn.-Nr.: LA 940/34. Abb. 5: Alliierte Sammelstellen (Rauten) und größere Kulturgüter-Depots der amerikanischen (dunkelgrau), britischen (hellgrau) und französischen (grau) Besatzungszone. Grafik: © Marco Rasch.

Abbildungsverzeichnis  I  679

Esther Rahel Heyer Chronologische Eckdaten Abb. 1: „Studienfahrt deutscher Kunsthistoriker durch ausgewählte Gebiete Frankreichs 21.9. – 6. 10. 1941“: Rast der Gruppe auf einer Wiese am Straßenrand, Wolff Metternich im Gras sitzend. Foto: NL FGWM, Nr. 246. Abb. 2: „Studienfahrt deutscher Kunsthistoriker durch ausgewählte Gebiete Frankreichs 21.9. – 6. 10. 1941“: Wolff Metternich bei einem Vortrag vor einem Schloss, das möglicherweise als Lazarett (vgl. Krankenschwester im Hintergrund) genutzt wurde. Foto: NL FGWM, Nr. 246. Abb. 3: Wolff Metternich (im zivilen Mantel mit schwarzem Hut in der Hand und Spazierstock) mit Margarethe Schmidt und Gisela Günther vor dem Schloss von Versailles, 1942/1943. Foto: NL FGWM, Nr. 246. Abb. 4: Wolff Metternich mit Bernhard von Tieschowitz (li.) und seinem Fahrer Josef Bauch, 24. Juli [1943]. Foto: NL FGWM, Nr. 246.

Esther Rahel Heyer Gespräche mit Angehörigen ehemaliger Kunstschutzmitarbeiter Abb. 1: Die vier Kinder von Alix und Franziskus Graf Wolff Metternich dem Alter nach aufgereiht von rechts nach links: Hanno, Winfried, Theresia, Antonius; Schloss Fürstenberg, ca. 1940. Foto: NL FGWM, Nr. 245. Abb. 2: Alix und Franziskus Graf Wolff Metternich während eines kulturellen Ausfluges, ca. 1930. Foto: NL FGWM, Nr. 245. Abb. 3: Die Kinderschwester Agnes Tuschmann („Nanny“) mit Theresia (re.) und Antonius (li.), ca. 1935/1936. Foto: NL FGWM, Nr. 245. Abb. 4: Franziskus Graf Wolff Metternich mit seinen vier Kindern (li.: Hanno und ­Winfried, re.: Theresia und Antonius), Schloss Fürstenberg, ca. 1940/1941. Foto: NL FGWM , Nr. 245. Abb. 5: Carl Gottfried Frhr. von Fürstenberg („Goffy“), der jüngste Bruder von Alix, stehend auf seinem Panzer; im Oktober 1941 beim militärischen Vorstoß nach Moskau gefallen. Foto: NL FGWM, Nr. 245. Abb. 6: Der älteste Sohn Hanno als Panzerschütze mit seinen Eltern Alix und Franziskus Graf Wolff Metternich, Schloss Fürstenberg, Februar 1945. Foto: NL FGWM, Nr. 245. Abb. 7: Bernhard von Tieschowitz im zivilen Anzug, ca. 1940/1941. NL FGWM, Nr. 246. Abb. 8: Hans Gerhard Evers als Kunstschutzoffizier in Italien, ca. 1944. Foto: Familienarchiv Hans Gerhard Evers. Abb. 9: Wend Graf von Kalnein im zivilen Abendanzug mit Fliege, ca. 1940/1941. Foto: NL FGWM, Nr. 246. Abb. 10: Carlheinz Pfitzner als Kunstschutzoffizier in Paris, Februar 1941. Foto: Foto: NL Carlheinz Pfitzner, Rheinisches Archiv für Künstlernachlässe, Bestand 116.

680 I Abbildungsverzeichnis

Autor*innenverzeichnis Annika Flamm, M. A.

LVR-Museumsberatung, Augustinerstraße 10 – 12, 50667 Köln Prof. Dr. Christian Fuhrmeister Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Katharinavon-Bora-Straße 10, 80333 München Dr. Heidi Gansohr LVR-LandesMuseum Bonn, Colmantstraße 14 – 16, 53115 Bonn PD Dr. Iris Grötecke Kunsthistorikerin/unabhängige Wissenschaftlerin, Franzstraße 2, 50226 Frechen Nereida Gyllensvärd, M. A. Universität Hamburg, Kunstgeschichtliches Seminar, Edmund-Siemers-Allee 1, 20146 Hamburg Susanne Haendschke, M. A., M. L. S. LVR-LandesMuseum Bonn, Colmantstraße 14 – 16, 53115 Bonn Esther Rahel Heyer, M. A. Kunsthistorikerin und Provenienzforscherin, München/­Bonn Kateryna Kostiuchenko, M. A. Von der Heydt-Museum Wuppertal, Turmhof 8, 42103 Wuppertal Dr. Hans-Werner Langbrandtner LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum, Abtei Brauweiler, 50259 Pulheim Raphael Frhr. v. Loë Vorsitzender der Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e. V. Schloss Wissen, Schlossallee 26, 47652 Weeze Dr. Emily Löffler Deutsche Nationalbibliothek Leipzig, Deutscher Platz 1, 04103 Leipzig Laura Nicolaiciuc, M. A. FC Bayern Museum, 80939 München Florence de Peyronnet-Dryden, M. A. Denkmalschutzbeauftragte bei der Conservation régionale des monuments historiques (CRMH), Lyon Dr. Marco Rasch SAXONIA-FREIBERG-STIFTUNG, Chemnitzer Straße 8, 09599 Freiberg Julia Schmidt, M. A. Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Abteilung Kunstgeschichte, Jakob-Welder-Weg 12, 55128 Mainz Katharina Schmude Jochen-Klepper-Str. 3, 14469 Potsdam Dr. Peter K. Weber LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum, Abteilungsleitung Archivwesen, Abtei Brauweiler, 50259 Pulheim Antonius Graf Wolff Metternich Fronhof, 50858 Köln-Junkersdorf

Autor*innenverzeichnis  I  681