Abhandlungen Jean Reys : Über die Gewichtszunahme von Zinn und Blei beim Verkalken


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Abhandlungen Jean Reys : Über die Gewichtszunahme von Zinn und Blei beim Verkalken

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Princeton University Library 32101

LUI

056923194

OSTWALD'S KLASSIKER DER EXAKTEN WISSENSCHAFTEN. Nr. 172 .

ABHANDLUNG

JEAN REY'S DOKTORS DER MEDIZIN

ÜBER DIE URSACHE DER GEWICHTSZUNAHME VON ZINN UND BLEI BEIM VERKALKEN.

WILHELM ENGELMANN IN LEIPZIG .

GSG 8378

.763

Abhandlungen

JEAN REY'S, Doktors der Medizin.

Über die Ursache der Gewichtszunahme von Zinn und Blei beim

Verkalken.

Deutsch herausgegeben und mit Anmerkungen versehen von

Ernst Ichenhäuser und Max Speter.

Mit zwei Abbildungen im Text.

Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann 1909

E94 8188 SSG

(RECAP) $

* * * 38 39

Vorrede . Verschiedene bedeutende Forscher beobachteten , daß Zinn und Blei beim Verkalken an Gewicht zunehmen, und äußerten

die lobenswerte Wißbegierde, die Ursache dieser erstaunlichen Dieses Vorhaben war gut, die Unter suchung jedoch mühevoll, und das Ergebnis ziemlich gering. Trotz reiflichen Überlegens und vieler Betrachtungen konnten sie nur recht schwache Begründungen anführen , die niemand von scharfer Urteilskraft als stichhaltig anerkennen wird , um

Tatsache zu erfahren .

eine Theorie darauf zu begründen.

Herr Brun, Apothekermagister in Bergerac, der diese Zu nahme unlängst ebenfalls konstatierte, ersuchte mich in einem Briefe, dieser Tatsache näher zu treten und ihm meine An sicht darüber zu äußern .

Da derselbe eine Persönlichkeit von

tadellosem Rufe, von hoher Gelehrsamkeit und andern männ lichen Tugenden ist, die ihm jedermanns Hochachtung sichern, so haben seine Anregungen so mächtig auf mich gewirkt, daß ich seine Bitte nicht abschlagen konnte.

Ich widmete ihr

einige Stunden intensiven Nachdenkens, und da ich glaube, die richtige Erklärung gefunden zu haben, schreibe ich diese Unter suchungen nieder. Ich laufe zwar dabei Gefahr, in den Ruf eines Verwegenen zu kommen, denn ich verstoße gegen einige, seit altersher bestehende Theorien, zu denen sich die meisten

Philosophen seit Jahrhunderten bekennen . Aber wenn es gilt, eine als richtig erkannte Wahrheit auszusprechen, ist Schüchtern heit nicht am Platze . Hielte man mich nicht mit mehr Grund für kindisch furchtsam oder miſgünstig, wenn ich solche, anstatt

sie zu veröffentlichen, für mich behielte ? Ich lasse aber diesen Tadel nicht auf mich kommen, sondern hoffe vielmehr, daß der Leser an meinen Ausführungen Geschmack finden möchte und mir Dank wissen wird, daß ich sie veröffentlicht habe . Sollte das aber nicht der Fall sein , so möge er wenigstens mein Streben nach Erkenntnis in einer solch heiklen Sache anerkennen und

durch mein Beispiel angeregt werden, die Materie glücklicher anzufassen, als es mir gelungen ist. Jedenfalls glaube ich durch Herausgabe dieser Schrift dem Publikum zu nützen , selbst wenn dieselbe meinem Ruf nicht allzu förderlich wäre. 1*

Ć

270375

Jean Rey .

4

I.

Alle Materie unter dem Himmelszelte besitzt Schwere .

Gott schuf das Weltall weder sich völlig gleich, noch sich

durchaus unähnlich. ER ist einzig, das Weltall aber, mit seinen unzähligen Einzelwesen, ist vielgestaltig, und doch offenbart sich im letzteren eine innere Einheitlichkeit, die durch die vollkom mene Harmonie aller Wesen zum Ausdruck kommt.

Die obere Welt kann hier außer Betracht bleiben . Die untere und materielle Welt verdankt diese Harmonie der

Schwere, die allen ihren Teilen von Gott verliehen wurde, und die gemeinsam mit einem der elementaren Stoffe überall anzutreffen ist. Diese Eigenschaft, mit der die Materie der vier Elemente in

höherem oder geringerem Maße ausgestattet ist, veranlaßt auch, daß dieselben unter sich getrennt sind, und daß ein jedes den ihm

eigenen Platz einnimmt; weiterhin beruht auf ihr die Entstehung der Gemische, sowie die gesamte Ausstattung des Universums. Denn die einst den ganzen Raum unter dem Himmelsgewölbe

erfüllende Materie wurde stufenweise durch ihr Eigengewicht gegen den Mittelpunkt der Erde getrieben. In der Tat nimmt auch die Erde als schwerstes der Elemente diesen Platz ein, nachdem sie die übrigen gezwungen hatte , ihr zu weichen .

Sie gestattete dem Wasser, das ihr an Gewicht zunächst steht, die zweite Stelle zu besetzen ; letzteres wiederum schob die

leichtere Luft vor sich her und zwang sie, den Raum oberhalb ihr einzunehmen . Und schließlich wurde dadurch das leichteste

der Elemente, das Feuer, veranlaßt, noch höhere Regionen auf zusuchen .

Die Chemiker haben hierfür eine hübsche symbolische Dar stellung gefunden. Sie nehmen feinstgepulverten schwarzen Schmelz, Weinsteinöl, Weingeist, der mit Lackmus blau gefärbt

ist, ferner mit Alkanna geröteten Terpentingeist und schütteln alles in einer Flasche zu einem trüben Gemisch durcheinander. Nach kurzem Stehenlassen sieht man nachher zu seiner Freude die

Klärung vor sich gehen. Der schwarze Schmelz setzt sich am Boden des Gefäßes ab, er soll die Erde darstellen, das darüber befindliche Weinsteinöl versinnbildlicht das Wasser, der Wein

Über die Ursache der Gewichtszunahme von Zinn u. Blei usw.

5

geist, der Luft ähnlich, nimmt den dritten Platz ein, und der Terpentingeist, als Repräsentant des Feuers, schwimmt oben

auf 1). All das geschieht lediglich auf Grund der Schwere, die diesen Körpern in verschieden hohem Maße eigen ist. Durch keine andere Ursache werden die Elemente in diesem Sinne be

einflußt und an den ihnen zukommenden Ort geführt. Somit ist es auch unnötig, den Begriff der Leichte einzuführen , den unsere Vorgänger zwecklos gebildet haben. II.

Es gibt nichts Leichtes in der Natur. Fast alle Philosophen , die alten wie die neuen ,

vertreten

die Ansicht, es müßte eine fortwährende Durchmischung der Elemente stattfinden , wenn sie alle der Schwere unterworfen wären. Sie stellen daher die These auf, daß die beiden oberen Elemente mit einer » Leichte « ausgestattet seien, vermöge deren ihr Platz in den höheren Regionen bestimmt werde , während andererseits die beiden unteren Elemente allein der Schwere

unterworfen seien und durch diese nach unten getrieben würden . Wir haben jedoch bereits im vorigen Kapitel erkannt , daß

die Annahme einer Leichte überflüssig ist , und die Schwere zur Erklärung der stufenweisen Anordnung der Elemente in

der Natur völlig ausreicht. Ich handle dabei ganz im Sinne der von diesen Philosophen aufgestellten, sehr richtigen Lehre, die Vorstellung von Dingen niemals mit überflüssigen Begriffen zu beschweren .

Und da ich weiterhin von der Wahrheit durch

drungen bin, daß Gott und die Natur nichts zwecklos tun, so sehe ich vom Begriffe der Leichte als unnütz ab.

Im andern Falle müßte ja auch das Feuer, das von Natur aus so fein ist , daß es kaum den Namen eines Körpers ver dient und deshalb keinen wesentlichen Widerstand bieten kann, von der gleichfalls emporstrebenden Luft von seinem Sitze am Himmel verdrängt werden und — in Widerspruch mit all diesen Ansichten

einen tieferen Platz aufsuchen 2) .

Eine

weitere Unzulänglichkeit, die sich bei der Annahme von leichten und schweren Elementen ergeben müßte, wäre eine stetige Zug wirkung zwischen diesen beiden Arten. Sie würde dadurch hervorgerufen , daß die leichteren Elemente mit der ganzen

ihnen eigenen Kraft nach oben , die schweren dagegen nach

unten zerren müßten, und ihre Wechselwirkung stände somit unter einer gewaltigen Spannung , die um vieles größer sein

6

Jean Rey .

müßte als die bei einer durch den Zug kraftvoller Hände reißenden Schnur.

Dies wäre aber keineswegs im Einklang

mit jener Verwandtschaft, mittels welcher die Natur benachbarte Elemente einander nähert und ihnen gleichartige Eigenschaften

zuteilt, so daß sie sich anziehend beeinflussen. Wir sehen somit, daß die Leichte nichts weiter ist als ein leerer Ausdruck, ohne jeden Inhalt, und daher zu verwerfen wäre. Wenn wir diesen Begriff aber dennoch gebrauchen, so sei

es nur, um die Beziehung eines Körpers von geringerem Ge wicht zu einem solchen von größerer Schwere zum Ausdruck zu bringen . III.

Es gibt keine natürliche Bewegung nach oben. Was aus dem Schatten würde, wenn es keine Körper gäbe, das geschieht mit der von Natur aus erfolgenden Bewegung

nach oben, wenn wir die Leichte nicht anerkennen. Es wäre denn doch ein Unding , natürliche Vorgänge anzunehmen , die nicht auch ihre Ursache in der Natur hätten . Man spricht von natürlicher Bewegung, wenn die Ursache der letzteren im Gegenstande selbst liegt. Wenn ich nun aber alles sich Be

wegende betrachte, so sehe ich nichts, was mittels seiner Eigen bewegung in die Höhe strebte .

Wasser steigt zwar augen

scheinlich in die Höhe, wenn ich Erde in das solches ent haltende Gefäß bringe ; jedermann wird aber zugeben müssen, daß das nicht infolge der in ihm enthaltenen Leichte geschieht; durch ihr Niedersinken vielmehr bewirkt die Erde , daß das Wasser emporsteigt.

Wenn nun in diesem Falle die Leichte

nicht als Ursache der Bewegung angenommen werden darf, warum sollen wir sie für die Luft beanspruchen, die in gleicher

Weise emporsteigt, wenn man Wasser auf sie gießt ? Warum für das Feuer, das sich ebenso verhält ?

Zweifellos. wird man dann sagen, daß die Bewegung nach oben zwangsläufig ist, und es sieht in der Tat auf den ersten

Blick hin widerspruchsvoll aus, zugestehen zu müssen, daß die Elemente ihren Platz in der Natur mit Gewalt behaupten. Ich gebe dies auch gern zu, aber es ist das ein sanfter Zwang, der keineswegs vernichtend wirkt.

Etwa wie die Bewegung,

der Planetenhimmel von Ost nach West , von einem höheren Himmel ausgeht und allgemein als zwangsläufig bezeichnet wird,

ohne daß sie etwa Zerstörung herbeiführte.

Über die Ursache der Gewichtszunahme von Zinn u. Blei usw.

7

So treffen diejenigen , die von Eigenbewegung nach oben sprechen, sich selbst, da sie notwendigerweise doch zuzugeben gezwungen sind , daß der wirkliche und natürliche Sitz von Wasser und Luft wenn auch durch Zwang gewahrt wird, nämlich der des ersteren über der Erde, der der letzteren -

unter dem Feuer.

Nachdem wir so Leichte und dadurch verursachte Bewe

gung nach oben aus der Reihe der natürlichen Erscheinungen gestrichen haben, stellen wir nun die Schwere bei den hier in Betracht kommenden Elementen Luft und Feuer fest. IV .

Luft und Feuer sind schwer und bewegen sich von Natur aus nach unten .

Wenn wir mit dem Feuer so leicht wie mit der Luft um

gehen könnten, hätten wir ohne Zweifel für unsere Behauptungen auch betreff des ersteren keinen Mangel an Beweisen. Doch ist es

im Hinblick auf die Ähnlichkeit des Wesens beider gestattet, das von der Luft Erwiesene auf das Feuer zu übertragen.

Wir haben gesehen, daß alles, was sich ohne Zwang3) ab wärts bewegt, Schwere besitzt, und auch der Luft müssen wir diese Eigenschaft zusprechen , wenn wir bedenken , daß kein Pfahl aus dem Erdboden herausgezogen werden kann , ohne daß die Luft den entstehenden Hohlraum ausfüllte, und daß

man keinen noch so tiefen Brunnen ausschöpfen kann , ohne daß die Luft danach seinen Inhalt bildete ; weder Gewalt, noch irgend eine sichtbare Triebkraft kommt dabei zum Ausdruck.

Ich sage noch weiter, wenn es einen beiderseits offenen Kanal vom Erdmittelpunkte bis hinauf in die Region des Feuers gäbe, der mit den vier Elementen in der natürlichen Aufeinander

folge ausgefüllt wäre , und wir die Erde als unterste Schicht entfernten, daß dann das Wasser ihre Stelle einnehmen und seinen Platz der Luft einräumen würde, die ihrerseits wiederum dem Feuer wiche. Nähmen wir nun noch das Wasser hinweg, So würde die Luft den Raum des letzteren ausfüllen und dem

Feuer den von ihr bisher beanspruchten überlassen. Wenn sich das Spiel noch weiter fortsetzte, so würde zum Schlusse das Feuer den ganzen Kanal bis zum Erdmittelpunkte erfüllen , da

wir all das entfernt haben, was es daran verhinderte . Die jenigen aber, welche behaupten, daß das lediglich geschähe, um keinen leeren Raum aufkommen zu lassen , sagen nicht viel :

Jean Rey .

8

Sie sprechen von der Endwirkung, und hier handelt es sich um deren Ursache , die niemals die Leere sein kann. Denn es ist ganz sicher, daß das Leere, das das Nichts ist, keinen Platz in der Natur finden wird.

Es ist keine Kraft in ihr,

die aus Nichts das Weltall geschaffen hätte , und ebensowenig eine, die das All in das Nichts zurückverwandeln könnte. Anders wäre es allerdings , wenn man den leeren Raum finden würde . Denn wenn er hier bestehen könnte, so müßte er auch dort anzutreffen sein. Und wenn schon hier und dort,

warum nicht irgendwo , warum nicht überall ? So müßte das Weltall aus eigener Kraft zugrunde gehen können.

Aber

nur Dem allein , der es zu schaffen vermochte , kommt der Ruhm zu, es vernichten zu können 4) . Wenn also das Leere nicht angenommen werden darf, was verleiht dann der Luft und dem Feuer die Fähigkeit , im Gegensatz zu ihrer Natur, nach unten zu gehen ? Hat nicht jeder Vorgang auch eine wirk liche Ursache ? Sagen wir daher mit voller Berechtigung, daß es die Schwere ist , die diese Elemente nach unten führt, um ihre Teilchen einander zu nähern, und so der Leere jeden Zu gang zu verschließen . V.

Es wird bewiesen , daß Luft und Feuer schwer sind ,

dadurch daß die Geschwindigkeit schwerer Körper am Ende größer ist als zu Anfang .

Ein noch so kleiner Irrtum , der zu Anfang einer Deduktion begangen wurde , vergrößert sich beim Weiterentwickeln und

hat oft die größten Schwierigkeiten zur Folge. Wir bemerken das an folgendem Beispiel : Die Philosophen, die sich in den

Anfängen der Naturwissenschaft irreführen ließen , indem sie den beiden oberen Elementen Leichte und Bewegung nach

oben zuschrieben, waren nicht imstande die Ursache dafür zu finden , warum die natürliche Bewegung schwerer Körper nach

unten am Ende viel rascher erfolgt als zu Anfang. Die Un zahl verschiedenster Ansichten , die man bei den einzelnen Forschern findet, bezeugt genügend ihre Verlegenheit. Es ist nicht meine Absicht, sie alle anzuführen , da ich mich der Kürze befleißigen möchte. Sie sind in großer Anzahl bei dem

geistreichen Philosophen Pererius, in seinem Buche » De com

munibus omnium rerum naturalium principiis et affectionibus *) *) Liberi XV .

Parisiis, 1589.

Über die Ursache der Gewichtszunahme von Zinn u. Blei usw.

9

zu lesen ; er widerlegt alle wissenschaftlich und nimmt eine Ansicht an , die er nur bedingt anerkennt , bis eine bessere

gefunden ist. Über diese Erklärung will ich mich später noch etwas auslassen , da sie doch nicht so sehr der Wirklichkeit nahe kommt, als es scheint. Ich lasse nun die meinige folgen ,

die ich in Übereinstimmung mit den bisher ausgeführten Lehren aufgestellt habe.

Die Geschwindigkeit der Bewegung eines schweren Körpers vergrößert sich von Anfang bis zum Ende infolge der Ver mehrung des Elementarstoffes, der sich auf den Körper setzt, und somit durch das hierbei erfolgende stetige Wachsen der Be

lastung.

Die Zeichnung wird das Gesagte erläutern . Fig. 1 . HIKI

C

B

B

A A sei der Himmel, BB die Erde,C deren Mittelpunkt, D eine zur Erde fallende Eisenkugel, E dieselbe schon_tiefer gefallen, F etwa in der Mitte des Falles und G fast am Ende , ÅH zwei

Linien vom Erdmittelpunkt zum Himmel, die die Kugel in Stellung D berühren. JJ dieselben Tangenten in Stellung E , KK eben solche in Stellung F und LL wiederum solche in Stellung G.

Es ergibt sich nun , daß die Kugel in D außer der Eigen schwere noch die Materie der Elemente Feuer und Luft auf

sich lasten hat, soweit sie durch die Linien HH eingeschlossen

Jean Rey .

10

In Stellung wird die Belastung von der durch die Geraden JJ umgrenzten Materie dargestellt ; sie ist also schon größer geworden , wird es noch mehr in Stellung F und ver

ist.

mehrt sich weiter bis zu Ende des Falles.

Wie hieraus klar

hervorgeht, wächst die Geschwindigkeit dadurch , daß die auf der Kugel lastende Materie immer größer wird5).

Pererius' Ansicht hat damit eine gewisse Ähnlichkeit ; er nimmt an, daß .die nachfolgende Luft die Kugel vor sich her triebe. Er geht aber dabei fehl; da die Luft leicht ist und darum nach oben strebt , so kann sie doch nicht die fallende

Kugel nach unten schieben , ebenso wie das Boot , das gegen die Strömung geschleppt wird , nicht durch das Wasser fluß aufwärts getrieben wird.

Denn letzteres teilt sich beim Auf

treffen auf den Bug , fließt nach dem Ufer zu und kommt niemals an das Hinterteil des Bootes.

Der Rest seiner Ausführungen ist nicht besser ; er nimmt

nämlich an , daß die durch die Bewegung beunruhigte Luft dem bewegten Körper leichter weichen würde.

Das ist ver

kehrt : Bewegte Luft und bewegtes Wasser haben höheres Ge wicht.

Asche steigt im Wasser bei starkem Rühren empor,

und ebenso eine Feder in bewegter Luft; sie fallen aber zu Boden , wenn Ruhe eingetreten ist 8). Danach müßte aber die

Bewegung zu Ende langsamer sein , was bekanntlich nicht zu trifft.

VI .

Die Schwere ist so innig mit der Ursubstanz der Elemente

verbunden , daß bei der Umwandlung eines Elementes in ein anderes das Gewicht allezeit das nämliche bleibt .

Mein Hauptbestreben war bisher, jedermann davon zu über zeugen, daß die Luft Gewicht besitzt ; denn ich behaupte, daß sie die Ursache der Gewichtsvermehrung beim Verkalken von Zinn und Blei ist. Aber bevor ich zeige , wie dies vor sich geht, muß ich noch eine Bemerkung einflechten . Die Erkennung des Gewichts einer Sache kann auf zwei Wegen erfolgen : entweder durch Vernunftschlüsse oder mit Hilfe der Wage .

Durch Vernunftgründe bin ich zu der An

nahme der Schwere bei allen Elementen gekommen , und auf die gleiche Weise stoße ich jene irrige Lehre um , die seit Anbeginn der Philosophie vorherrschte, jene Lehre, die besagt, daß bei der Transmutation eines Elementes in ein anderes das

Gewicht zu- oder abnimmt, je nachdem Verdünnung oder Ver

Über die Ursache der Gewichtszunahme von Zinn u. Blei usw. 11

dichtung stattfindet. Mit den Waffen dieser Vernunftschlüsse trete ich kühn auf den Kampfplatz, um jenen Irrtum zu be

fehden, und behaupte , daß die Schwere derart mit der Ur substanz der Elemente vereint ist, daß sie nicht davon getrennt werden kann . Das Gewicht jedes einzelnen Teiles liegt mit ihm

schon in der Wiege, und er trägt es mit sich bis zur Bahre. Das Gewicht ist stets das gleiche, gleichgültig an welchen Ort , in welche Form oder auf welches Volumen die Materie gebracht wird.

Ich erwarte keineswegs , daß man meine Ausführungen denen des Pythagoras gleichstelle , und es schon genüge, sie zu dedu zieren ; im Gegenteil, ich stütze sie auf Beweise , die wohl den vorsichtigsten Gelehrten als ausreichend erscheinen werden. Es werde ein Anteil Erde , der das denkbar geringste Gewicht hat, durch die alles vermögenden Mittel der Natur in Wasser verwandelt ; es ist nun ganz klar , daß dieses Wasser Schwere

besitzt, da alles Wasser solche in sich

birgt. Wird nun aber dessen Gewicht größer , kleiner oder

gleich dem der Erde sein ? Daß es größer geworden sei, wird von keiner Seite behauptet (sondern das Gegenteil) , und ich

will das ebensowenig tun. Kleiner kann es aber auch nicht geworden sein, vorausgesetzt, daß das kleinst mögliche Gewicht

genommen wurde; somit verbleibt nur die Möglichkeit, daß es sich gleich geblieben ist , was ich von Anfang an behauptete. Was nun

von dem einen Teilchen gezeigt wurde , läßt sich

von zweien , dreien , überhaupt von einer großen Anzahl be weisen , kurz von jedem Element, das nichts anderes enthält. Und dies ist weiter anwendbar auf die Umwandlung von

Wasser in Feuer, von Luft in Feuer und umgekehrt ?). VII .

Mittel zur Bestimmung des Volumens der Luft, in die sich eine gewisse Menge Wasser verwandelt. Die Gelehrten haben viel über die Ausdehnung eines festen

Elementes beim Übergang in ein dünneres geschrieben und oft versucht, die zahlenmäßigen Verhältnisse festzulegen ; aber ich

kann mich keines Versuches erinnern , der sich auf annehm bare Vernunftschlüsse oder Erfahrungen gestützt hätte.

Da

ich nun im vorigen Kapitel von dieser Ausdehnung gesprochen habe, und ihre Kenntnis zu verschiedenen schönen und be wundernswerten Kunststücken führt, so will ich dem gespannten Leser nicht das Mittel vorenthalten, das ich erdacht habe , um

Jean Rey.

12

zu erfahren , zu welchem Volumen sich eine bestimmte Menge Wasser ausdehnt, wenn sie sich in Luft verwandelt. Dieser Beweis kann analog auf andere Elemente übertragen werden. Man verschaffe sich eine Walze aus Kupfer von

pas

sender Größe , die innen sauber geglättet , am einen Ende ganz offen, am andern , mit Ausnahme eines kleinen Loches in der Mitte , ganz geschlossen ist.

In der Walze sei

ein

leicht verschiebbarer Stempel angebracht, der aber so dicht ist, daß keine Luft entweichen kann .

Ist

er ganz unten, so trifft er auf das Fig. 2.

kleine Loch , das mit einer Wind kugel dicht verbunden ist; letztere ist mit Wasser gefüllt und wird auf

das Feuer gesetzt. Das Wasser ver dünnt sich, verwandelt sich in Luft und geht durch das kleine Loch in die Walze . Dort schiebt sie den Stem

pel so lange vor sich her, bis alles in Luft verwandelt ist.

Der Raum

der Walze , vermehrt um den der Windkugel entspricht dem Raume, der bei der Umwandlung der Materie erreicht wird 8) .

Wer das Gleiche leichter , aber

A zeigt die Windkugel, B das Rohr, das von letzte

nicht so genau feststellen will, nehme einen Schweins- oder sonstigen Darm, der nach guter Reinigung tüchtig zu sammengedrückt und dadurch luft leer gemacht wird. Alsdann wird er in ein Gefäß mit Wasser gebracht ;

rer zur Walze C geht. D

dieses Gefäß ist mit einem durch

ist der Stempel , Eder

lochten Deckel fest verschlossen , so

Griff zum Hin- und Her

bewegen .

daß nur durch dieses Loch Wasser austreten kann . Das eine Ende des Darmes wird nun mit der Wind

kugel dicht verbunden , letztere mit Wasser angefüllt und auf das Feuer gesetzt. Der Darm nimmt so die bei der Umwand lung des Wassers gebildete Luft auf. Je mehr er sich da durch aufbläht , um so mehr Wasser dringt aus dem Loche des Gefäßdeckels heraus ; dieses wird aufgefangen und ergibt das gesuchte Volumen , wenn man noch den Inhalt der Wind kugel zuzählt ).

Über die Ursache der Gewichtszunahme von Zinn u. Blei usw. 13 Men Diese erda

bei der Luft in Wasser verwandelt und die Volumabnahme Das Loch der oben erwähnten Walze werde bestimmt wird .

! pa

verschlossen und der Stempel mit großer Kraft nach unten

End

gedrückt, soweit dies eben die Verdichtung der eingeschlossenen

Coche ei es

Luft gestattet. Man befestige ihn nun in dieser Stellung , so daß er nicht zurückgetrieben werden kann, und setze das Ganze

ht is

über Nacht der Wirkung der Gefrierkälte aus .

n. L uf dai

schlossene Luft gefriert alsdann oder verwandelt sich wenig stens in Wasser und hinterläßt nur noch diejenige Luftmenge,

Ich füge diesen sehr sicheren Methoden noch folgende hinzu,

Die einge

Durch Messen des Wassers oder des

Wind

die frei bleiben kann.

etzter

Eises kann man den Verlust beurteilen 10) . Ich habe diese Ver suche selbst noch nicht angestellt. Wenn irgend ein Wiß begieriger mir zuvorkommen sollte , so bitte ich ihn , mir als Dank für die Angabe dieser Methode davon Mitteilung zu machen, damit ich der Mühe des Ausprobierens enthoben bin.

ed all T ver

2 Lut

och in Stem alle Rauc i de

VIII.

Kein Element zeigt Gewicht an , wenn es sich im gleichen Medium befindet, und warum dem so ist .

eume,

aterie

Ich komme auf meinen früheren Gedankengang wieder zurück und sage weiter, daß das Studium der Schwere mittels

aber

der Wage nicht annähernd zu den Schlußfolgerungen führt, die mit Hilfe der Vernunft gewonnen werden 11). Letzterer Weg wird nur von Gelehrten betreten , ist stets richtig und unabhängig von den Einflüssen der Umgebung , ersterer ist

ehme

arm ,

2 luft

rder

grob und nicht ohne Gefahr der Täuschung. Das Wägen wird gewöhnlich in der Luft, zuweilen auch im Wasser vor

acht;

genommen , und daher rührt der zu bekämpfende Irrtum , daß

arch

die Luft ohne Gewicht sei .

, 80

Denn da man stets Luft in der

des

Luft selbst wog und kein Gewicht fand, wurde man zu der irrigen Annahme verleitet, sie besäße überhaupt kein Gewicht . Hätte man aber Wasser , das doch stets für schwer gehalten

ind

wurde , in Wasser selbst gewogen , so würde man gleichfalls

auf

kein Gewicht gefunden haben , und es ist somit sehr wahr

und

scheinlich, daß kein Element in seiner eigenen Sphäre Schwere zeigt. Alles , was in Luft oder Wasser Gewicht besitzt , muß

asser

da che

ibt

nd

auf das gleiche Volumen größeres Gewicht haben als Luft oder Wasser, worin sich eben die Wägung vollzieht . Daraus

schließe ich , was noch wenige begriffen haben , daß nämlich alles, was in der Luft (vom Wasser gilt das gleiche) Gewicht

14

Jean Rey.

anzeigt , diese Luft teilt , sie verdrängt und zwingt , Platz zu machen , um selbst nach unten sinken zu können. Das heißt man dann Kraft und Aktion in der Luft ausüben.

Nun aber

wirkt kein Agens in einem solchen gleicher Natur , da jeder Vorgang eine gewisse Gegensätzlichkeit voraussetzt. Die Hitze

wird niemals in demselben Hitzegrad zur Geltung kommen ;

beide Wärmen werden sich vereinen , ihre Wirkung wird sich addieren , so daß sie nicht mehr zwei Agentien vorstellen , sondern eines .

Wenn aber Heißes mit weniger Warmem zu

sammentrifft, so begegnet sich hier Ungleichartiges und in ge wisser Beziehung Gegensätzliches : das weniger Warme be mächtigt sich des Hitzestoffes des Wärmeren . So kann auch die Luft nicht durch ihr Gewicht zur Geltung kommen in Luft

vom gleichen Gewicht ; vielmehr vereinen sich beide Luftarten und ergeben das gleiche Gewicht 12) . Aber was schwerer ist als

Luft, kommt in ihr durch Unähnlichkeit und Gegensatz, die sich aus diesem Mehr und Weniger ergeben , zur Wirkung,

indem der Körper sie zwingt, sich zu teilen, ihm auszuweichen , um selbst nach unten gehen zu können.

Wenn nun schon

die Luft, in Luft selbst gewogen, ihr Gewicht nicht anzeigt, um wieviel weniger wird sie das in dem noch viel schwereren Wasser tun ; denn , selbst unter letzteres gebracht , wird sie darin nicht untersinken können ; das Gewicht des Wassers über ihr veranlaßt sie ja, einen höheren Platz aufzusuchen. IX.

Die Luft erweist sich als schwer , wenn ihr irgend ein schwererer Stoff beigemischt wird.

Ich beabsichtige, zu beweisen , daß es die dem Kalk von Zinn oder Blei sich beimischende Luft ist , die deren Ge wichtszunahme verursacht ; das wäre nicht möglich , wenn ich

nicht noch eine sich erhebende Schwierigkeit beseitigte. Denn man wird fragen, wie dies wohl bestätigt werden könnte, da ja

die Feststellung der Zunahme mittels der Wage in der Luft ge schieht , worin ja Luft gemäß der im vorigen Kapitel ausge führten Darlegungen kein Gewicht anzeigt. Um diesen Zweifel

zu beseitigen , behaupte ich , daß die Luft in ihren Teilchen verändert und an Gewicht vermehrt werden kann 13) , und daß diese so veränderten Anteile durch Wägen in Luft von gewöhn licher Beschaffenheit dem Gewichte nach bestimmt werden

Über die Ursache der Gewichtszunahme von Zinn u. Blei usw. 15 Welcher Art ist nun aber diese mit Gewichtsver

können .

mehrung verbundene Veränderung der Luft ? Ich bemerke, daß sie auf drei Weisen vor sich gehen kann, als da nämlich sind : 1. durch Zumischen irgend eines andern , schwereren Stoffes, 2. durch Verdichten ihrer Teilchen und

3. durch Trennung von ihren weniger schweren Bestand teilen .

Es ist sicher , daß die Luft für verschiedene schwerere

Stoffe aufnahmefähig ist , z. B. für Dämpfe, für die Ausdüns tungen des Wassers und der Erde. Ein Teil der mit solchen

Stoffen geschwängerten Luft wiegt mehr als die gleiche Menge reiner Luft.

So ist auch die Seeluft schwerer als die in der

Umgebung süßer Gewässer, da sie im Gegensatz zu dieser viel

Salz enthält. Man beobachte doch, wie der Nebel beim Öffnen der oberen Fenster in das Zimmer tritt ; er muß doch wohl

schwerer als Luft sein, da er letztere durchschneidet und darin zu Boden sinkt. · Füllt man einen Ballon mit Nebel , so wird er mehr wiegen als einer , der nur Luft ohne Zusatz enthält.

Dieser Erfahrung schließt sich auch die Vernunft an, indem sie lehrt: Wenn man zu zwei gleichen Gewichten zwei ungleiche hinzufügt, so sind auch die Endgewichte ungleich , und jenes wird am größten sein , dem das Meiste zugelegt worden ist.

Nehmen wir also beispielsweise zwei Anteile derselben Luft, jeder etwa gleich zehn Kubikzoll, und fügen zum einen zwei Kubikzoll Wasser, zum andern aber weitere zwei Zoll Luft, so wird wohl jedermann einsehen , daß beide Quanten wohl gleich an

Volumen , aber ungleich an Gewicht sind , und daß das mit ?

Wasser versetzte das schwerere ist.

Es ist das so selbstver

ständlich , daß ich nichts weiter darüber zu sagen brauche , zumal die Gewichtsvermehrung auf diese Art nichts mit dem Thema zu tun hat . über.

Wir gehen daher zum nächsten Punkt X.

Luft erweist sich als schwer durch Verdichten ihrer Teilchen .

Die zweite Art, wie die Luft ihr Gewicht vermehrt, ist durch Zusammenpressen ihrer Teilchen.

Die Natur gestattet aus nur ihr bekannten Gründen, daß die Elemente sich bis zu gewissen , genau vorgeschriebenen Grenzen ausdehnen

und

verdichten .

Im gleichen Raume beobachtet

Jean Rey.

16

man irgend ein Element einmal auf das engste zusammengepreßt und sodann wieder auf das weiteste ausgedehnt.

In

einem

halb mit Wasser gefüllten Topfe, unter dem der Koch ein da

gutes Feuer angezündet hat, dehnt es sich derart

aus ,

ß es

den Rand des Gefäßes übersteigt ; erlischt aber das Feuer wieder , so geht das Wasser auf den ursprünglichen Zustand zurück . Man nehme die oben beschriebene Walze, bei der sich der Stempel in der Mitte befinde, verschließe das kleine Loch und drücke ersteren mit Gewalt nach unten .

Man drückt so die

Luft auf den kleinst möglichen Raum zusammen.

Zieht man

den Stempel, ohne ihn ganz herauszunehmen, in die Höhe, so veranlaßt man die Luft, sich auf einen viel größeren Raum zu verteilen als zuvor .

Ist wohl darüber ein Zweifel möglich,

daß die gepreßte Luft in freier Luft wägbar sei , sie enthält doch im gleichen Volumen bedeutend mehr Materie ! Wenn die in Kapitel VIII gegebenen Vernunftgründe nicht genügen sollten , so wollen wir zum Experiment schreiten . Man fülle einen Ballon mittels eines Blasebalges mit gepreßter Luft, und man wird finden, daß er mehr wiegt als sonst. Und um

wieviel ? Naturgemäß um so viel mehr , als der Überschuß an Luft, bezogen auf die sonst enthaltene Luftmenge, wiegt . Verschiedene Forscher haben schon dieses Gewichtsplus des mit gepreßter

Luft gefüllten Ballons gefunden , aber noch niemand konnte bisher die Ursache angeben . Ich lasse Leute von geringerem Rufe beiseite . Doch auch der hochweise Scaliger, ein zweiter Aristoteles , hat nichts davon gewußt . In seiner Exercitatio 121

gegen Cardani teilt er die allgemeine Ansicht und hält die Luft für leicht . Er meint , die Zunahme an Gewicht käme

daher , daß die der Erde benachbarte und in den Ballon ge preßte Luft mit kleinen , erdigen Teilchen gemischt sei, Teil wie

chen , die sich auch in den Sonnenstrahlen zeigten . Aber soll das möglich sein , da ja die ganze Untersuchung in der gleichen Luft vor sich geht ? Man könnte gewiß die Zunahme nicht feststellen , wäre die Verdichtung nicht vorangegangen. Und wenn man den Ballon mit der reinsten in der Natur vor

handenen Luft oder selbst mit Elementarfeuer füllen würde, so müßte er nach der Verdichtung in gewöhnlicher Luft sowohl, wie auch im Feuer , Gewicht anzeigen . Dieses Pressen der Luft ist ein fruchtbares Gebiet , auf dem geistreiche Leute schöne Erfolge erzielten .

Beispielsweise beruht darauf die

Büchse des Herrn Marin , Bürgers von Lisieux . Vor einigen Jahren, noch ehe sie Herr Flurance beschrieben hatte , machte

Über die Ursache der Gewichtszunahme von Zinn u. Blei usw. 17

ich die gleiche Erfindung, aber die meine übertrifft die von Marin durch viel größere Kraftleistung (ich sage das, frei von jeder Eitelkeit). Ich könnte dem Leser noch eine andere hübsche und nütz

liche Erfindung, die ich gemacht habe, mitteilen. Aber ich ver schweige sie, in der Hoffnung, eines Tages das Glück haben zu

können, eine untertänigste Bittschrift an Seine Majestät richten zu dürfen, die mir das Privilegium für die alleinige Ausbeutung dieser

Erfindung verschaffen soll. Sowohl um mir die erheblichen Kosten

wieder einzubringen, als auch, um noch einige andere Erfindungen verwirklichen zu können, die ich aber vorerst noch geheim halte. XI .

Luft wird schwer durch Abscheidung ihrer leichteren Teile .

Bei der dritten Art , wie die Luft Schwere zeigt , nämlich infolge der Scheidung ihrer leichteren Anteile , brauche ich mich nicht lange aufzuhalten ; es ist ein leichtes zu beweisen,

daß diese Wahrheit jedem Widerspruche standhält. Wenn von irgend etwas , was es auch immer sein möge, die weniger schweren Anteile weggenommen werden, wird der Rückstand schwerer sein. Natürlich ist hier nicht der ganze ursprüngliche Körper gemeint, sondern es wird stets ein Teil davon mit dem

gleichen Raumteil des Rückstands verglichen. Entfernt man das Silber , das jener betrügerische Goldschmied zum Golde für die Königskrone Hieros hinzugab, so wird das zurückbleibende Gold mehr wiegen als ein großer Teil der ursprünglichen Krone. Was nun hier auf künstlichem Wege erreicht worden ist, voll zieht sich in der Natur mit Leichtigkeit durch die Wärme,

eines der vollendetsten Hilfsmittel zur Erreichung dieses Zweckes. Man denke an die Salzgewinnung, wo das durch Kanäle hin durchgeleitete Meerwasser mit viel Luft in Berührung gebracht

wird; man benutzt die Sonnenwärme, um das Wasser zu ver feinern, es in Luft zu verwandeln und so das Salz als schwer sten Anteil übrig zu lassen . Der Alchymist, der ausgesprochene

Nachahmer der Natur, erhitzt den Aufguß von Rhabarber, um dessen Extrakt zu erhalten, weil sich die Flüssigkeit dabei verflüchtigt. Will er aber den Teil gewinnen , der sich ver

flüchtigt , so fängt er ihn vorsichtigerweise durch Destillation aus einer Blase auf.

Durch denselben Kunstgriff erhält er

den Branntwein , der leichter ist als der Wein , von dem er Ostwalds Klassiker.

172 .

2

18

Jean Rey.

herrührt, und dieser ist wieder leichter als der Bodensatz, der bei der Destillation als Rückstand hinterbleibt. Überhaupt be wirkt die Wärme bei vielen Flüssigkeiten, indem sie die einen

Teile verdünnt, die andern aber dichter macht, Trennung in die Einzelbestandteile durch Verursachen verschiedenen Gewichtes . Die nämlichen Wirkungen hat sie auch bei der Luft zur Folge, und ich bitte den Blick auf das Feld zu richten, auf das die Sonne tagsüber ihre heißen Strahlen aussandte.

Ich

wette,

daß die meisten glauben , daß die so direckt von den Strahlen getroffene Luft viel feiner und leichter geworden ist, als sie es morgens war. Doch lich ! Die Luft am

wie ganz anders verhält sich das tatsäch

Boden ist viel dicker und schwerer ge

worden ; denn wie könnte die Wärme die Luft verfeinern , ohne sie aufsteigen zu lassen , und wie sie in die Höhe gehen lassen, ohne das Sinken irgend eines schwereren Stoffes. Nichts steigt von selbst in die Höhe , nur durch das Heruntersinken von etwas anderem kann sie in die Höhe getrieben werden .

Die Luft

wird ohne Zweifel durch die Wärme geschieden , der leichtere Teil steigt in die Höhe und läßt den schwereren zurück , so wie der Satz beim Destillieren von Flüssigkeit zurückbleibt 14). Wenn aber dieser Grund noch nicht genügt, die Verdichtung

und gleichzeitige Verdünnung der Luft glaubhaft zu machen , so bitte ich , doch der Wahrnehmung der eigenen Sinne zu glauben. Ich werde mich redlich bemühen, sie so hand greiflich als möglich zu machen. Verspüret Ihr dieselbe Luft am Mittag nicht viel wärmer als etwa eine Stunde nach Sonnen aufgang ? Keineswegs hat ihr die Sonne einen höheren Hitze grad verliehen ; denn die Sonne besitzt einen gleichbleibenden

Hitzegrad, und ebenso ist die Verteilung der Wärme in ihrer Wirkungssphäre stets gleich. So wie sie in einem Augen blick mit ihren Strahlen die Luft ohne jeden Widerstand durchdringt und ihre ganze Leuchtkraft übermittelt, so bringt

sie auch ihre ganze Wärme von Anfang an zur Geltung, ohne sie späterhin zu vermehren . Wohl aber kommt ihr eine stei

gernde Wirkung durch Verdichten zu 15) . Die feinsten Teilchen der Luft werden nach und nach zur Abscheidung gebracht, die andern bleiben hier unten zurück und sind dann an ein und demselben Orte viel enger zusammengedrängt. Und von

dieser größeren Dichte und Vereinigung kommt die gesteigerte Wirkung. Das kann durch Betrachtung des elementaren Feuers gefolgert werden . Es brennt nicht, obgleich es doch im höchsten

Maße heiß ist, wohingegen das geglühte Eisen , ohne daß es

Über die Ursache der Gewichtszunahme von Zinn u. Blei usw. 19 wie könnte es denn das heißeste übertreffen

heißer wäre

-;

heftig zündet; aber es ist dichter und enthält mehr Teilchen

auf den gleichen Raum. Und so ist es auch mit der Bestrah lung , womit wir zu einem andern unserer Sinne gelangen . Als an jenem Morgen die Sonne am Horizont aufging, entzog sich die Luft durch ihre Feinheit ganz unseren Augen. Jetzt aber beginnt sie zu zittern, weil sie sich verdickt und höhere Dichte erlangt hat, die sie uns sichtbar macht.

Ich glaube damit , mich meines Versprechens entledigt zu haben ; es erübrigt nur, das von der einfachen Sonnenhitze Gesagte auf die heftigste Glühhitze eines gut ziehenden Kohlen feuers zu übertragen. Wenn erstere unsere Luft derart dichter

und feiner zu machen vermag, daß die feineren Teilchen nach oben entweichen , während die dichteren und festeren nach unten gleiten , was Wunder darob, wenn auf dem starken Herd

.feuer ein Quantum Branntwein sofort verschwindet, oder wenn W: Vasser , wie auch die meisten anderen Flüssigkeiten , sich in wenigen Stunden gänzlich verflüchtigen.

Dadurch entsteht eine

viel dichtere und schwere Luft, eine Luft, die, wie ich beinahe

sagen möchte , keine Luft mehr ist, da sie ihrer eigentlichen Natur beraubt ist 16). Ihre ursprüngliche, überaus subtile Flui dität ist in klebrige Grobheit übergegangen. Denn die Macht des Feuers verfeinert die umgebende Luft, verjagt einen großen

Teil und hinterläßt nur eine Art Satz, der wegen seiner kleb rigen Schwere nicht verflüchtigt wird. XII .

Das Feuer kann die einheitlichen Körper vermöge seiner Hitzewirkung verdichten . Ich muß die trostlosen Zustände in der Wissenschaft be

klagen : Wenn irgend eine irrtümliche Lehre aufgestellt worden

ist, die sich auch eine Reihe von Jahren erhalten hat , so wollen alle, die sie verfochten, ihre Berichtigung nicht zulassen . Man hat sich bereits gegen die Behauptungen des vorigen

Kapitels gewendet und mir entgegengehalten , daß das Feuer wohl bei den zusammengesetzten Körpern durch Scheidung der feinsten Teilchen deren Schwere vergrößerte, die einheitlichen Stoffe aber niemals in diesem Sinne beeinflussen könnte . Letztere

seien ja völlig einheitlich , das Feuer müsse daher auf alle Teilchen gleichartig einwirken und sie lediglich ausdehnen und verbreitern . Somit könnte auch die Luft nicht durch die Kraft 2* 1

20

Jean Rey.

der Wärme verdichtet und schwerer gemacht werden.

Ich

er

kenne hierin die Lehre aus der Schule von Philosophen , ich als große Forscher der Natur achte ; ich füge aber

die frei

mütig hinzu, daß ich auf die Worte keines derselben schwöre. Wenn die Wahrheit auf ihrer Seite ist, nehme ich sie gern

von

ihnen an , im Nichtfalle jedoch suche ich sie anderswo . Sehen wir doch zu, ob sie hierbei das Richtige getroffen haben . Die einheitlichen Körper, sagen sie, sind solche, die in allen ihren Teilchen von gleicher Beschaffenheit sind, oder besser, deren Teilchen alle denselben Namen haben , auf deren Einzelteile also die nämliche Definition wie auf das Ganze zutrifft.

Ich

gebe von vornherein zu , daß das Feuer an und für sich solche Körper ausdehnt. Die Vernunft lehrt mich jedoch, und die Erfahrung bestärkt mich darin , daß durch akzessorische

Wirkung, wie man es nennt, Verfeinerung und Scheidung ge wisser Teilchen eintritt, wodurch die übrig bleibenden : dichter und schwerer werden. Wenn das von anderer Seite geleugnet

wird , und man die Lehre, daß das Feuer die einheitlichen Körper schwerer machen kann , auf die Probe stellen will , so verpflichte ich mich , eine Reihe von Beispielen für dieselbe aufzubringen. Doch der gütige Leser, für den ich ja arbeite, wird sich mit wenigen begnügen .

Vitriol ist ein einheitlicher

Körper , da seine einzelnen Teilchen die gleiche Bezeichnung haben wie das Ganze .

Nun wirkt aber das Feuer derart auf

ihn ein , daß wir aus der Retorte dara

getrennt erhalten :

Phlegma, Öl und Colcothar 17), alles an Gewicht verschiedene Terpentin ist ebenfalls ein einheitlicher Körper. Das kleinste Teilchen davon ist nicht minder Terpentin

Einzelbestandteile .

als das Ganze . Gibt man es aber in eine Destillierblase , so wird es teilweise vom Feuer ausgedehnt, anderseits werden

von ihm Teile schwerer gemacht, und man erhält hernach

Wasser, Geist, Öl und Kolophonium , deren Verschiedenheit leicht durch den Unterschied an Gewicht und Feinheit festgestellt werden kann . Ich habe früher schon vom Wein, einem eben falls einheitlichen Körper gesprochen, auf den das Feuer seine Kräfte bei der Destillation dergestalt wirken läßt, daß es ihn ausdehnt und ihn zu Branntwein und wässeriger Flüssigkeit

scheidet. Der Rückstand ist um so viel dichter, daß man noch weiter Wasser oder vielmehr Phlegma daraus erhalten kann. Aber wozu mühe ich mich ab, diese Beispiele vorzuführen ? Es ist ja augenscheinlich, daß sich aus allen derartigen Körpern

durch die Wirkung der Feuers , des Salzes , des Schwefels

Über die Ursache der Gewichtszunahme von Zinn u. Blei usw. 21

und des Quecksilbers 18) Teile erhalten lassen, die an Dichte und Schwere bedeutende Verschiedenheiten aufweisen . Somit ist es nicht richtig, daß das Feuer alle Teilchen der einheitlichen Körper gleichmäßig ausdehnt. Ich bin zwar auf den Einwand

vorbereitet, daß die von mir angeführten Beispiele von zusammen gesetzten Körpern handelten und nicht einfacher Natur wären .

Doch habe ich genügend darauf hingewiesen , daß diese An nahme nicht zutrifft, und daß meine Behauptung auf alle Körper ausgedehnt werden kann. Sehen wir doch zu , wie sie sich bei den einfachen Körpern äußert. XIII. Das Feuer kann Wasser verdichten .

Ohne Zweifel ist das Wasser ein einfacher Stoff; trotzdem

wirkt das Feuer derart darauf, daß einzelne Teilchen ausgedehnt, die andern verdichtet werden ; erstere Wirkung nannte ich weiter oben die ureigene und natürliche , letztere die akzes sorische 19) . Zum Beweise gieße man doch ein Quantum Wasser in eine Destillierblase, setze Feuer nach allen Regeln der Kunst darunter und ziehe das Destillat vorerst auf einen Topf ab .

Es ist gewiß , daß das Wasser des Topfes viel feiner ist als das in der Blase. Sollte jemand dies aus Lust zum Streite leugnen, so widerlege ich dies mit dem Hinweise auf die Chemiker, die

im allgemeinen ihre Extrakte nicht mit gewöhnlichem Wasser

machen können, sondern sich des destillierten oder Regenwassers bedienen, welch’ letzteres ja auch nichts anderes ist als Wasser, das die großartige Destillation der Natur durchgemacht hat.

Solches Wasser durchdringt die Kräuter infolge größerer Feinheit viel leichter und zieht deren Kräfte und Farben besser aus . Weiter wird seine harntreibende Heilkraft und insbesondere sein

geringes Gewicht , die notwendige Begleiterscheinung minderer

Dichte, jedermann die Richtigkeit meiner Behauptung beweisen. Wenn nun das Wasser im Topfe feiner ist als das in die Blase gebrachte, so muß notwendigerweise das darin verbleibende dich

ter geworden sein, weil sich eben die feineren Anteile verflüchtigt haben . Das bestätigt sich auch beim weiteren Fortsetzen der Destillation ; denn wenn man einen Topf nach dem andern übertreibt, wird man finden, daß der letzte dichter ist als der erste. Diese merkliche Differenz wird nun auch, wiewohl kaum nachweisbar, zwischen dem ersten und dem zweiten Topfe, überhaupt zwischen den einzelnen Töpfen bestehen ; ja noch

22

Jean Rey.

weiter , sie wird von Glas zu Glas und endlich von Tropfen Da der erste und letzte Tropfen

zu Tropfen vorhanden sein.

Unterschiede an Dichte und Schwere aufweisen, ist es wohl ein leuchtend , daß diese Verschiedenheit sich ganz allmäblich von Anfang bis zu Ende vollziehen muß. Daraus folgt, daß ebenso wie die ungleichartigen Stoffe, auch die gleichartigen und einfachen Substanzen vom Feuer in Teile geschieden werden , die verschiedenartig in bezug auf Feinheit sind. Die Schwere bewirkt dabei die Anordnung in der richtigen Reihen folge und weist so jedem Teil den richtigen Platz an . Selbst

bei flüssigen Stoffen streben die schweren Teile immer nach unten , räumen so den leichteren ihren Platz ein , indem sie notwendigerweise in ihnen untergehen . Angenommen z. B.,

alles Wasser, das aus der oben erwähnten Blase überdestilliert, würde in einer Röhre von etwa der Weite einer Schreibfeder

und entsprechender Länge aufgefangen ; dann würde der zweite Tropfen im ersten untergehen , der dritte genau so in diesen beiden, und so fort bis zum Ende , daß also der letzte Tropfen

V

als schwerster den untersten Platz einehmen, der zuerst gefallene

1

sich an oberster Stelle befinden würde .

V

Durch dieses fort

währende Hindurchtropfen der Flüssigkeit wird eine gewisse Durchmischung der Teile herbeigeführt, und daher kommt es auch, daß dieser Unterschied an Gewicht nicht immer bemerkt wird.

Um dieses Niedersinken dem Auge deutlich zu machen , setze

man den Hals einer mit Wasser gefüllten Flasche sorgsam auf eine ebensolche mit Rotwein und schließe dicht ab ; man wird

dann beobachten, daß das schwerere Wasser durch den Wein hindurch in die untere Flasche hinabsinkt und letzteren in die

obere treibt. Im Fasse verteilt sich der Wein ja auch derart,

ta

daß sein Feinstes oben und sein Dickstes unten gelagert ist,

da

und nicht ohne Grund schätzen die Leute das erste Glas als

da BE

das feinste und gehaltvollste gegenüber den folgenden . Dieser

im kleinsten Gefäße schon bemerkbare Unterschied könnte zur Ansicht führen , daß in einem nur einen Schuh breiten und mehrere Klafter tiefen , mit Wein gefüllten Kanal nach einiger

do lit

Zeit die oberste Schicht Weingeist wäre oder ihm wenigstens

let

an Leichtflüssigkeit und Wirkung sehr nahe käme. Sicherlich, das wäre eine schöne Erfindung, Branntwein ohne Feuer her zustellen , wenn nur die Sache so glatt ginge, und sie die

ber

Schwierigkeit das Apparates nicht hinfällig machen würde 20). All diese Bemerkungen dienen nur als Übergang zu einer Behauptung allgemeiner Natur , nämlich der , daß bei allen

Tore

|

Über die Ursache der Gewichtszunahme von Zinn u. Blei usw. 23

Flüssigkeiten, zusammengesetzten wie elementaren, die oberen Teile sich stets von den unteren in bezug auf Feinheit und Dichte unterscheiden, und daß dieser Unterschied sich in so viele Stufen differenziert, als sich die Materie durch die Höhe in verschiedenartige Teile zerlegen läßt. Denkt man sich z. B. von den untersten Partien eines fluidalen Elementes,

das

auch Luft sein kann, eine Linie gezogen bis zur höchsten Ober fläche, so ergeben sich so viele Grade verschiedenen Gewichtes

und verschiedener Feinheit , als diese Linie in verschiedene Teile zerlegt werden kann .

Б

Die oberste Schicht wird dünner

und leichter sein als die zweite , diese wieder leichter als die folgende, und so weiter bis zum Schluß. Denn allen Teilen eines Elementes gleiche Dichte zuschreiben, hieße den Augen schein Lügen strafen , der uns beispielsweise die Luft an der Spitze eines Berges als feiner erkennen läßt als die der Ebene .

Und auch weiter steigt die Luft zweifellos in die Höhe, wenn sie durch Sonnen- oder Feuerhitze gefeint wird, und zwar so weit, bis sie auf Luft von gleicher Feinheit, als sie selbst er

langt hat, auftrifft.

Dies gilt für alle Elemente und ist der

wahre Grund, warum deren Teile nach unten oder oben gehen , wenn sonst Ruhe herrscht. Denn solche Dinge dem Zufall

oder der Abenteuerlichkeit zuzuschreiben , hieße die unvergleich

liche Weisheit des Schöpfers der Natur anzweifeln, der nichts darin erschaffen hat, was nicht Gewicht, Zahl und Maß bätte, und der eine solche Ordnung in ihr Getriebe gebracht hat, daß nichts ohne Ursache und nichts gewaltsam vor

sich

geht. Ich schließe daher damit , daß diese Anordnung einzig und allein vom Gewicht herrührt, und wiederhole die Behaup tung von der Einwirkung des Feuers auf das Element Wasser,

daß es seine Teilchen nicht gleichartig ausdehnt, sondern daß es die einen durch Ausdehnung abscheidet, wodurch ein Schwererwerden der übrigen bedingt wird . Wird nun doch nicht die gegenteilige Lehre die richtige sein ? Sehen wir zu ; doch, wird man sagen, müßte das noch bei der Luft, dem Mittelpunkt der Streitfrage, untersucht werden . Das ist die

letzte Rettung der Gegner, und ich werde sie deren sogleich berauben ,

XIV . Feuer macht die Luft dichter .

Die Abhandlungen des vorigen Kapitels würden einem nicht voreingenommenen Kopf völlig genügen, um die Überzeugung zu

Jean Rey.

24

gewinnen, daß das Feuer beim Erhitzen der Luft darin Teile verfeinert und scheidet, und daß notwendigerweise diese Schei

dung mit einer Verdichtung und Gewichtszunahme des Rückstandes Hand in Hand geht. Da man sich aber mit Nachdruck dieser

Wahrheit widersetzt, so schlage ich zum unzweideutigen Beweise vor, daß man mir eine Werkstätte dort zur Verfügung stelle, wo die Region des Feuers die der Luft berührt. Dort werde ich ihnen klar und deutlich beweisen , was sie nicht glauben

wollen. Denn wie die sogenannten leeren Gefäße bei uns voll Luft sind , so werden sie da oben mit Feuer angefüllt sein . Und wie hier , wenn wir Wasser in eine Retorte gießen , die darin enthaltene Luft entweicht, so wird dort Feuer der Luft

Platz machen, wenn wir sie in die Blase gießen .

Setzen wir

letztere dann auf den Herd, so wird die Luft tropfenweise in die Vorlage destillieren. Das dabei zuerst erhaltene Maß wird dünner und feiner sein als das zweite , dieses mehr als das

dritte, und so fort bis zum Ende. Der Unterschied an Feinheit und Schwere zwischen den ersten und letzten Partien wird ebenso

merklich sein wie beim destillierten Wasser. Sollte jemand über meine Forderung lachen, so sei er an den großen Archi

medes erinnert, der bei einer ähnlichen Gelegenheit verlangte,

ihm einen Ort in der Region der Luft zur Aufstellung seiner Maschinen zu geben , wofür er versprach , die ganze Erde aus ihren Angeln zu heben .

Er glaubte nicht etwa, daß seine Be

dingung ausführbar sei (denn nach dem Urteil der Weisesten war er durchaus kein Narr oder Großsprecher) , er tat das

vielmehr, durchdrungen von der Unumstößlichkeit seiner Behaup tungen , nur zur Erhöhung der Klarheit seiner Ausführungen . Meine Forderung hat keinen andern Zweck . Wer aber den Beweis verlangt, ohne zum Unmöglichen zu

greifen, stelle ein außerordentlich großes Destilliergefäß auf, und binde an den Schnabel des Helmes eine luftleere Blase ; alsdann beginne man zu erhitzen. Die Luft des Gefäßes dehnt sich aus, kann sich in ihrem ursprünglichen Raum nicht mehr halten und füllt die Blase aus . Man entfernt letztere alsdann, ersetzt sie durch eine zweite, gleich große , bis diese gefüllt ist, und setzt das fort.

Ich behaupte pun , daß die letzte Blase

7

schwerer befunden werden wird als die erste .

Wer daran

bi

zweifelt, versuche es doch, verfahre dabei aber richtig 21).

ba

Angeregt durch diese Betrachtungen eröffnet sich meinem

geistigen Auge der Ausblick auf großzügige Dinge, deren Er örterung ich hier unterlasse , um nicht abzuschweifen, und weil

SAT

lich

Über die Ursache der Gewichtszunahme von Zinn u. Blei usw. 25

deren Beweis wie Verständnis überaus schwierig ist

Ich

komme vielmehr auf eine andere Erscheinung zu sprechen, welche die von mir verteidigte Wahrheit noch klarer zeigen soll. Es werde eine Kanone mit der Mündung senkrecht nach oben aufgestellt, und eine ihrem Kaliber entsprechende, glühende Kugel hineinfallen gelassen. Die Luft innerhalb des Laufes

ist an Substanz so dünn und an Menge so gering , daß die Kugel beim Hinabfallen ihre ganze Wärme auf sie übertragen TE

wird. Dessenungeachtet wird man mit der Hand die Mündung des Geschützes ruhig berühren können , nach einiger Zeit je doch wird das nicht mehr möglich sein. Das rührt nicht da

von her, daß die Luft inzwischen an Hitzegraden zugenommen hätte ; im Gegenteil sie wird an Wärme abnehmen , genau so wie die Kugel allmählich erkaltet. Vielmehr hat die Luft sich verdichtet durch Scheidung der feinsten Teilchen, die rasch hin weggehen , und daher rührt eine erhöhte Wirkung , ganz wie ich das früher schon besprochen habe 22) . Weiterhin beweist uns die an der Mündung flimmernde Luft, was anfangs nicht der Fall war , daß eine Verdichtung vor sich gegangen ist , denn niemand wird behaupten wollen , daß es Dämpfe oder Ausdünstungen sind, die sich aus der Kanone erheben. Alles ist ja zu trocken und fest, um irgend etwas von sich geben zu können. Drittens aber , wenn die

Luft sich nicht verdichtet hätte, würde man die Gegenstände, ]

die man durch sie bindurch betrachtet, auch nicht verschwommen und zitternd sehen ; denn andererseits sehe ich ganz deutlich die

Schönheit jener Dame durch die Luft hindurch, die sie mit ihrem Fächer bewegt. Und ich sehe auch klar jeden beliebigen Gegen

stand durch die als Wind sich bewegende Luft hindurch, wenn dieser noch so mächtig weht und pfeift. Endlich, wenn eine aus gezupfte Wollflocke auf die Mündung gebracht wird, so fällt diese nicht hinein, sondern fliegt schnell wieder hoch, wenn sie mit Absicht in den Laufhinuntergestoßen wird. Das würde sicherlich nicht stattfinden, wenn die Luft über der Mündung nicht dichter wäre als am andern Ende, wo die Wolle ruhig nach unten geht. Obwohl diese Gründe nicht gerade schwerwiegend sind, so ge

nügen sie doch wohl , um jedermann die Überzeugung beizu bringen, daß die Wärme die Luft über der Mündung verdickt

hat. Wenn nun dort Verdichtung stattgefunden hat, was muß nun am unteren Ende des Laufes nächst der Kugel geschehen sein? Die Kugel selbst sieht nach dem Erkalten viel weiß licher aus als vor dem Erhitzen auf Rotglut, da eben die ver

26

Jean Rey .

dichtete und schwerer gewordene Luft ihr diese Färbung ver leiht, welche letztere aber mit der Zeit selbst an feuchten Orten nachdunkelt und ganz vergeht, veranlaßt durch Aufnabme der

anhaftenden Luft von der umgebenden. Auf diese Weise wird dann der ursprüngliche Zustand wieder erreicht 23) . Für das zuletzt Gesagte will ich dem Leser ein Gleichnis bringen, an dem er vielleicht Geschmack findet. Männer, die sich würdigerweise mit Medizin befassen, müssen oft Asthmatiker

besuchen, die im warmen Zimmer keuchend zu Bette liegen , und nur mit großen Anstrengungen atmen können . Man führt sie alsdann an das geöffnete Fenster , um sie die Außenluft

einatmen zu lassen, wodurch sie große Erleichterung verspüren . Fragt man nun diese Herren nach der Ursache dieses raschen

Erfolges, so sagen sie , daß die Zimmerluft durch zu große Hitze dem Herzen die notwendige Erfrischung nicht bieten könne, was die Außenluft infolge ihrer Frische viel besser be

sorge. Jedoch , meine sehr verehrten Herren Kollegen, ich habe mich durch die vorhergehenden Ausführungen eines besseren überzeugt, und bitte, auch Sie belehren zu dürfen . Keines

wegs bewirkt die Wärme der Zimmerluft durch mangelhaftes Er frischen des Herzens dieses Keuchen ; vielmehr ist es ihre Dichte,

die das Anströmen zu den Lungen verzögert , welch' letztere alsdann dem Herzen nicht genügend Stoffe zur Erneuerung der Lebensgeister liefern können .

Das kann aber die frische

Luft, als viel feiner, weit besser vollbringen. Glauben Sie

1

aber nicht, meine Herren, ich begehe die Kühnheit einer solchen Behauptung ohne Grund ! Betrachten Sie doch den Fieber kranken, der im gleichen Zimmer liegt ; ihn erfrischt die Luft darin zur Genüge , obwohl er der Kühlung so sehr bedarf!

Und wenn nun das Fieber den Asthmatiker überfällt (was Sie zu seinem Besten hoffen) und die Stoffe zerteilt, die die Zu

gänge zu den Lungen verstopfen , erfrischt nicht dann dieselbe Luft den Patienten genügend , wo jetzt das Bedürfnis dafür vermehrt ist ?

Geschieht nicht das Gleiche , wenn die Reini

gung der Lungen durch Anwendung von Diasulphur erreicht wird, das Galenus, wie Ihnen wohl bekannt, aus gleichen Teilen

Schwefel, Pfeffer und Senfsamen zusammengemischt ?

Hier

muß sich also ebenfalls die Luft durch Einwirkung der Wärme

verdichtet und die feinsten Teilchen verjagt haben , was man doch immer als undenkbar hinstellte.

Ich höre schon , wie

man , um der Wucht so vieler Beweise und Versuche auszu weichen , mir entgegnet, daß die von mir angeführten Beispiele

}

Über die Ursache der Gewichtszunahme von Zinn u. Blei usw. 27

sich wohl in unserer groben und unreinen Luft bestätigen mögen, daß es aber anders sei mit der reinen Luft, wenn sich solche überhaupt in der Natur findet.

Nichts aber wüßte ich ,

was

mich mehr in die Lage versetzte, aufzujubeln . Sollte vielleicht Herrn Brun und den übrigen Beobachtern der fraglichen Ge wichtszunahme andere Luft zur Verfügung gestanden haben ? Sie haben dieselbe wohl durch einen Wechselbrief von außer halb der Natur erstanden ! XV . Die

Schwere der Luft wird auf dreierlei Arten ver

ringert. Die Wage kann täuschen ; ein Mittel um dem abzuhelfen .

Ich nehme den unterbrochenen Gang meiner Betrachtung wieder auf, um gemachten Einwänden zu begegnen, sowie um unser Thema besser zu beleuchten, und wiederhole, daß ich in den 3 früheren Kapiteln X bis XII die drei Arten erklärt habe,

wie die Luft an Schwere zunimmt, was man nur durch Wägen in einer reinen und freien Luft nachweisen kann. Nun verlangt das Gesetz der Gegensätzlichkeit, daß durch drei entgegenge setzte Mittel eine Abnahme des Gewichts erzielt werden müsse .

Diese Mittel sind : Das Entfernen irgend einer fremden schweren

Materie, die Ausdehnung auf größeren Raum und die Extraktion der schweren Teile .

Da aber durch die Kenntnis der Vor

gänge beim Zunehmen des Gewichtes der Luft schon genügend

Aufklärung gegeben wurde, übergehe ich eine weitläufige Aus einandersetzung ; ich bitte nur den Leser , stets zu bedenken , daß die Zu- oder Abnahme von der die erwähnten Kapitel handeln , sich stets auf eine Luftmenge gleichen Raumes be bezieht 24) . Denn wenn wir den Raum der Materie nicht be achten , sondern ihr Gewicht an und für sich studieren , so kann sich selbstverständlich nichts vermehren, außer durch Zu

gabe von Materie, noch etwas vermindern, es sei denn , daß Materie weggenommen wurde.

Denn unteilbar vereint sind

Materie und Gewicht , wie in Kapitel VI gezeigt worden ist. Prüfen wir aber an der Wage nach , so kommt es trotzdem vor, daß , ohne Zugabe oder Wegnahme von irgend etwas, ein

Ding sein Gewicht ändert, was vom Schrumpfen, bzw. der Aus dehnung herrührt.

Das war auch den Alten bekannt und ihre

Stütze für die Lehre , daß die natürliche Transmutation der Elemente unter Gewichtszu- oder -abnahme vor sich geht,

Jean Rey .

28

je nachdem Zu- oder Abnahme an Raum stattfindet. Doch auch künstlich läßt sich das Gewicht der Dinge ändern.

Schlaget

doch längere Zeit auf ein Eisenstück, so werdet ihr seine Teil chen näher aneinander bringen, sein Volumen wird schrumpfen und auf der Wage mehr wiegen. Ich komme dadurch auf das , was schon kurz angedeutet

wurde; die Wage ist nämlich so falsch , daß sie uns nie das richtige Gewicht der Dinge anzeigt, außer wenn 2 Gegen

stände aus gleichem Material und von gleicher Form , 2 Blei kugeln beispielsweise, verglichen werden. Aber ein Barren Gold und ein solcher von Eisen , die uns die Wage als gleich schwer

angibt, sind es in Wirklichkeit nicht. Das Eisen wiegt mehr um das Gewicht der Luft, die in dem Raume enthalten ist , um welchen das Eisen größer ist als das Gold. Ich könnte diesen Unterschied für alle Stoffe genau angeben und das wahre Ge wicht ermitteln, wenn ich damit die im 7. Kapitel beschriebene Probe anstellte . XVI.

Förmliche Antwort auf die gestellte Frage , warum Zinn und Blei beim Verkalken an Gewicht zunehmen .

Da ich nun alle Vorbereitungen getroffen habe, will ich

$

1

jetzt zur Beantwortung der Frage des Herrn Brun schreiten. Er tat 2 Pfund 6 Unzen feinen englischen Zinns in ein Eisen

gefäß, setzte letzteres auf einen Herd mit starkem , offenem Feuer und erhielt nach 6 Stunden langem Rühren 2 Pfund 13 Unzen weißen Kalk. Dies setzte ihn in große Verwunderung und erregte in ihm den Wunsch, zu erfahren, woher diese Zu nahme kommt , die nicht allein 7 Unzen beträgt, sondern der noch zuzurechnen ist , was durch Verdampfen , Verflüchtigen

und Ausdehnung des Zinns verloren gegangen ist. Auf diese Frage also erwidere ich , gestützt auf die bis herigen grundlegenden Ausführungen : Die Gewichtszunahme kommt von der Luft; sie wurde im

Gefäß durch die intensive und lange währende Einwirkung der Ofenhitze verdichtet, schwerer und anhaftend gemacht ; sie vermischt sich mit dem Kalk (wozu das häufige Rühren ver

hilft) und hängt nun fest an dessen kleinsten Teilchen.

Wie

der Sand schwerer wird , wenn man ihn mit Wasser durch

rührt, und dabei ein inniges Gemenge entsteht, so ist auch dieser Vorgang aufzufassen 25)

1

Über die Ursache der Gewichtszunahme von Zinn u. Blei usw. 29

Hätte ich diese Antwort gleich zu Anfang gegeben , so

wären wohl viele darüber entsetzt gewesen , jetzt aber ,

nach

den einführenden Abhandlungen und der überzeugenden Wahr

heit der früheren Kapitel wird dies wohl annehmbar erscheinen . weiterhin von der Lehre überzeugt bleibt , daß die Luft leicht ist , wird allerdings davor zurückschrecken . Es Wer

hieße , wird er sagen , aus Kalt Warm , aus Weiß Schwarz , aus Licht Finsternis hernehmen, wenn die Luft, ein leichter Körper , Schwere verleihen soll.

Wer aber den Glauben an

das Gewicht der Luft sich angeeignet hat, bedarf keiner Über redung , daß sie wohl befähigt ist , Gewichtszunahme zu be wirken . Um dies klarzulegen , mußte ich das Gewicht der Luft nachweisen , mußte ausführen , daß das auf andere Art

zu geschehen hat als mittels der Wage, und ferner, daß nach

der Veränderung und Verdichtung das Gewicht wohl festgestellt werden kann .

So kurz als möglich habe ich es getan , ohne irgend etwas zu bringen , was sich nicht auf das Thema bezogen hätte. Um es noch von allen Seiten zu behandeln, erübrigt noch eine kurze Betrachtung zur Widerlegung gegenteiliger Ansichten, die andere geäußert haben oder entgegnen könnten. XVII.

Nicht das Schwinden der himmlischen Hitze , die dem

Blei Leben verleiht, oder der Tod des letzteren vermehrt das Gewicht beim Verkalken .

Unter allen, die meines Wissens sich mit dieser Frage be schäftigt haben , ist wohl Cardani26) der erste ; in seinem Buche » De subtilitate « sagt er, daß Blei bei der Umwandlung in Blei weiß oder beim Verkalken um den 13. Teil seines Gewichtes

zunimmt, was aus folgendem Grunde geschähe. Das Blei stirbt durch Aufgabe des himmlischen Feuers , das seine Seele war. Dessen Anwesenheit verleiht ihm Leben und macht es leicht, sein Verlust schwer und verursacht seinen Tod . Das bestätigt

er mit den lebenden Wesen ; die Tiere werden ebenfalls nach dem Tode an Gewicht schwerer wegen des Erlöschens der himm

lischen Hitze, die (nach seinem Glauben) die Seele der Tiere, wie überhaupt aller zusammengesetzten Körper ist. Die Ansicht ist nach mehreren Richtungen hin verfehlt, um nichts Schlimmeres von ihr zu sagen . Vor allem darin, daß sie dem Blei Leben zuschreibt. Zweitens insofern, als die Anwesenheit der himm

30

Jean Rey.

lischen Hitze leicht, ihr Fehlen schwer machen soll.

Endlich

drittens dadurch, daß sie die Kalzination des Bleies in Parallele bringt mit dem Tod der Tiere. Nichts von alledem ist richtig. Wie kann Blei Leben besitzen , ein gleichartiger Körper ohne

jeden Unterschied seiner Einzelteile, obne Organe, ohne irgend eine Lebensbetätigung ? Wenn es stirbt , so erhält man als seinen Leichnam das

Bleiweiß, und wenn es wieder ersteht, geschieht mit dem Blei weiß das gleiche .

Aber wie ist es mit diesem Lebendigsein

bei der Veränderung in eine Anzahl Formen, die es annehmen kann und dabei doch immer Blei ist ?

Es wäre ein rechtes

Wunder, wenn sich dieses Leben weiter erhielte, nachdem das Blei einen Tag oder gar einen Monat im Ofen geschmolzen worden ist , und die Seele müßte doch recht feist sein , wenn sie soviel aushielte, ohne zu entschwinden. Noch mehr, jeder mann ist überzeugt, daß es nach dem Tode kein Zurück zum

Leben gibt , doch die Chemiker versprechen uns , daß , wenn wir Wasser, in dem Meerfenchel aufgelöst worden ist, mit Blei

kalk mischen, das Ganze trocknen und in einem Schmelztiegel, der nur eine kleine Öffnung hat, stark glühen , der Kalk zu Blei zurückverwandelt wird. Nun soll aber die Hitze die Körper leicht machen , und Scaliger sagt daher , daß der Himmel in dieser Hitze

da er deren Quelle ist

verwelke und leicht

und gleichgestimmt mit den übrigen Körpern sei – das ist zum Lachen. Auch der Verlust dieser Hitze kann sie nicht schwer machen , denn ich habe früher schon klargelegt, daß nichts an Gewicht zunimmt, als durch Vermehrung der Materie oder Verringerung des eingenommenen Raumes, was aber beides hier nicht zutrifft. Die Hitze kann beim Verschwinden nichts

hinzufügen, und was das Volumen anbetrifft, so ist es sichtbar größer geworden , indem das kompakte Blei in so viele Teil

chen übergegangen ist, daß sich deren Zahl dem Unendlichen nähert. Die Pflanzen müßten ja beim Absterben gleichfalls schwerer werden , da die himmlische Hitze sich ja auch bei ihnen verflüchtigt haben müßte : Aber das Gegenteil ist uns allen bekannt. Daß die Tiere beim Tod schwerer werden , hat seinen Grund in etwas ganz anderem. Solange es lebt, ver feinert und vermehrt seine natürliche Wärme die Säfte , das Fleisch und überhaupt alles , was der Ausdehnung fähig ist ; ‫ܕ‬

verliert es aber diese Wärme durch den Tod , und wird es

kalt, so schrumpft alles und geht zusammen ; daher kommt die Gewichtszunahme, wie ich schon oft gesagt habe. Ist etwa

Über die Ursache der Gewichtszunahme von Zinn u. Blei usw. 31

dergleichen bei dem Blei zu beobachten ? So erscheint Cardanis Ansicht haltlos, und es verdrießt mich, daß ein großer Mann,

einer, dessen Ruf mit gutem Recht in der Welt bekannt ist, mir unlängst erklärte, er neige ihr zu . XVIII.

Auch das Verzehren der luftigen Teile vermehrt nicht das Gewicht des Bleies .

Scaliger 27) schließt sich Cardanis Ansichten so eng an, daß ich seine Meinung hier folgen lasse. In seiner Exercitatio Nr. 101 sectio 18 behauptet er , die Gewichtszunahme des ver kalkten Bleies rühre daher, daß dessen luftige Teile vom Feuer verzehrt würden, aus derselben Ursache, weshalb der gebrannte Ziegel mehr wiegt als der rohe. Wie Ähnlichkeit von Dingen oft die erleuchtetsten Geister täuscht ! Dieser bedeutende Forscher

vergleicht den Bleikalk mit einem durch Brennen schwerer ge wordenen Ziegelstein , und schließt, daß dieselbe Wirkung nur von der gleichen Ursache hervorgerufen werden könnte.

Trotz

dem ist letztere in beiden Fällen grundverschieden . Der Ziegel stein ist schwerer geworden durch Verringerung des Raumes, der Kalk jedoch durch Materie, die sich damit verbunden hat28) . Wem ist nicht bekannt, daß der Ziegel aus lehmiger und san diger Erde mit Wasser geknetet wird, und daß die Sonne beim Verflüchtigen seiner Feuchtigkeit eine Anzahl kleiner Kanälchen bildet, die zuvor das Wasser ausgefüllt hatte. Wird er nun geglüht, so erweicht ihn die Hitze, etwa wie die Metalle vor dem Schmelzen , ja schmilzt ihn sogar , wenn die Glut stark genug ist.

Beim Erweichen nähern sich nun die einzelnen

Teilchen und vereinigen sich enger und dichter ; die Hohlräume

verschwinden, und ein Schrumpfen erfolgt. Das ist die wirkliche Ursache der Gewichtszunahme 29). Das Blei schmilzt wohl auch beim Erhitzen , aber es füllt dann das Gefäß eng aus und ent hält nicht mehr die geringste Menge Luft, da nach den Natur gesetzen die schwere Flüssigkeit zu Boden sinken muß, um da durch die leichtere nach oben zu schieben . Stellt man es nun

beiseite , so nimmt die Hitze allmählich ab , es wird fest und verringert sein Volumen, wie man an dem gebildeten Rand be

obachtet, wenn es erkaltet ist. In dieser schweren Masse können wir uns wohl kaum Luft eingeschlossen denken. Schmilzt und verkalkt man sie aber wieder , so wird man ein höheres Nicht wegen des Verzehrens der luftigen

Gewicht finden .

Jean Rey .

32

Teile , denn es sind keine vorhanden , wohl aber infolge der

verdichteten Luft, die sich in der schon beschriebenen Weise damit verbunden hat.

Und weiter, wenn luftige Teile wirklich

verloren gegangen wären, müßte doch das Volumen abnehmen, Und dann, warum ver wenn diese An Gewicht, nicht ihr mehren Steine und Pflanzen nahme richtig wäre ? es hat aber tatsächlich zugenommen .

Ich schließe aus all dem Gesagten, daß Verlust der luftigen Teile niemals das Gewicht der Dinge vermehrt, außer es tritt Abnahme des Volumens ein, was aber in unserem Falle nicht zutrifft. Luft, die in einen Ballon gepreßt worden war, nimmt

beim Entweichen auch an Gewicht ab und vergrößert es nicht im entferntesten , wie Scaliger behauptet. XIX . Auch der Ruß ist nicht die Ursache der Gewichts zunahme .

Ich lese im 10. Kapitel des 6. Buches der » Arcana Chymiae « von Libavius (anderswo konnte ich es nicht finden ), von Caesal pinus die merkwürdige Tatsache angegeben , daß schwarzes Blei durch Kalzinieren um 6 bis 8 Pfund auf 100 an Gewicht

Er geht weiter auf die Ursache dieses Vorganges ein und meint, es sei der Ruß durch das Auftreffen des Feuers

zunimmt.

gegen das Ofengemäuer erzeugt, und durch den Rückprall in

die Masse hineingeschlagen. Caesalpinus 30) hätte das wohl nie behauptet, hätte er folgendes bedacht : Vor allem ist der vom Feuer erzeugte Ruß so fein, daß die 7 Unzen, die Herr Brun

an Gewichtszunahme gefunden hat , mehr Raum einnehmen würden als der gesamte , bei dem Vorgang erhaltene Kalk. Zweitens müßten diese gewaltige Mengen den Kalk derart schwärzen , daß die Damen wohl · damit nicht die Blässe des ‫ܕ‬

Angesichtes erreichen könnten , wie das ja häufig geschieht.

Und weiter noch , wenn wir das Feuer genügend lange ein wirken ließen , müßte sich ja die Menge des Kalkes ständig, schließlich bis ins Unendliche vermehren . Bemerkt sei , daß Herr Brun sein Zinn auf offenem , unbedecktem Feuer erhitzt hat, so daß der Ruß nur durch die Zuglöcher des Herdes gehen konnte und somit entweichen mußte, ohne in die Masse zu gelangen . Auch kann er im Gefäße nicht zu Boden fallen, da er leichter ist als die darin befindliche Luft 31).

Über die Ursache der Gewichtszunahme von Zinn u. Blei usw. 33

Libavius selbst verwirft die Ansicht Caesalpinus' indem er sagt, daß sich die Lehrlinge der Chemie darüber lustig machen

würden. Trotzdem bringt er nichts Wesentliches gegen sie und umgibt seine Meinung mit einem solchen Schwall von Worten , daß aus ihr nicht klug zu werden ist. Etwa folgender Art glaubt er den

Zweifel zu beseitigen : » Die Transmutation ändert das Gewicht«, und einige Zeilen später : » Das Verbrennen vermehrt das Ge wicht des Bleies « . Damit stellt er lediglich die Worte unserer Frage um. » Warum ändert sich bei der Transmutation des

Bleies in Kalk das Gewicht ?.« So lautet sie , und seine Ant wort darauf ist : » Weil die Transmutation das Gewicht ändert. « » Warum vermehrt die Verbrennung das Gewicht ? « > Weil «,

sagt er , » das Verbrennen das Gewicht vermehrt. «

Begnüge

sich mit dieser Lösung wer mag , ich werde sie niemals an nehmen. Aber ich bin beschämt, solch einen Makel bei einer Persönlichkeit aufzudecken , die sich andererseits durch viele lichtvolle Schriften große Verdienste um die Wissenschaft er worben hat. XX. Auch vom Gefäß rührt die Gewichtszunahme nicht her,

Ich komme jetzt zu Ansichten, die nicht schriftlich nieder gelegt sind , wenigstens ist mir nichts davon bekannt.

Da das zu verkalkende Metall , außer mit der Luft und dem Gefäß, mit nichts in Berührung kommt , so könnten alle, die erstere nicht als Ursache der Gewichtszunahme anerkennen

wollen , dem letzteren die Schuld beimessen , und zwar , wie ich zugestehe, mit einem Schein von Berechtigung. Sie könnten glauben, daß beim Kalzinieren und ständigen Rühren genannter Metalle das Eisen verbrennen und abblättern würde, daß sich

so ein Teil davon mit dem Kalk vermischen , und daß dadurch die Gewichtsvermehrung zustande käme. Etwa wie die Perlen, die der Apotheker auf dem Probierstein reibt, durch Anhaften abgebröckelter Masse des Steines schwerer werden, sehr oft zum Nachteil des Käufers.

Um dieser Ansicht zu begegnen , sage

ich : Erstens , wenn sich das abgebröckelte , braune Eisen in

solcher Menge mit dem Zinn vermischen täte, würde es den Kalk dunkel färben; dieser ist aber stets rein weiß. Zweitens, wenn das Gefäß in diesem Maße angegriffen würde , wäre es nach

zwei oder höchstens drei Kalzinierungen verbraucht; es hält aber, selbst bei täglichem Gebrauch , mehrere Jahre aus. Ostwalds Klassiker.

172 .

3

Jean Rey .

34

Drittens müßte man aus ganz wenig Zinn oder Blei reichliche Mengen Kalk herstellen können, da es ein leichtes wäre, durch fortgesetztes Feuern das ganze Gefäß in Pulver zu verwandeln ; dies entspricht aber nicht der Wirklichkeit.

Noch

mehr ,

Modestinus Fachsius 32) hat beobachtet (auch Libavius berichtet an angeführter Stelle darüber ), daß bei der Probe der Metalle

sowohl das Gefäß, die Kapelle, das Blei als auch das betref fende Metall, kurz, daß alles nach dem Versuche schwerer ge worden ist als vor der Einwirkung des Feuers, obwohl er noch beträchtliche Verluste durch Verdampfen zu verzeichnen hatte .

1

All das kann also nur der Aufnahme von viel Luft zuge

schrieben werden, eine Tatsache , die bis heute nie begriffen worden ist. Was aber das Gefäß zur Kalzinierung betrifft, so kann es ebenfalls an Gewicht zunehmen , worauf ich Herrn Brun zu achten bitte . XXI.

Auch die Dämpfe der Kohle vermehren das Gewicht nicht .

Es wurde mir berichtet (ich weiß nicht , ob getreulich ),

1

daß einer meiner nächsten Freunde , ein Mann von tiefem Wissen und überaus scharfer Urteilskraft, an den sich Herr Brun gleichfalls gewandt hatte , sich zu der Ansicht bekannt

habe, die fragliche Gewichtszunahme solle von dem Rauch der Kohle, der durch das Gefäß hindurchdringe, herrühren. Das halte ich für unmöglich. Solche Dämpfe vermögen ja nicht

} 1

einmal durch ein Glasgefäß, durch eine Zinnplatte oder einen irdenen Topf hindurchzudringen (sonst würden ja das heiße Wasser , sowie unsere Saucen und Suppen ganz verräuchert

1

werden) , um wie viel weniger sollten sie durch einen Eisen tiegel , dessen Masse ja viel stärker und fester ist , hindurch kommen können .

Wenn schon die feinste Luft nicht durch

dringen kann (wie ginge es andernfalls mit der Windkugel), wie 'dann erst sollen es dicke Schwaden tun ?

Und selbst

wenn dies der Fall wäre , was fesselt sie dann an den Kalk, daß sie in ihm ihren Lauf beendigen sollen. Die Macht der Hitze treibt aus Zinn und Blei die Feuchtigkeit ‫ܕ‬, die ihre

Teilchen bindet, sie vertreibt die ihnen doch nahe verwandten

Dämpfe, und diese fremdartigen sollte sie darin belassen ? 0 Wahrheit, wie bist du mir teuer, daß du mich gegen einen so lieben Freund Stellung nehmen läßt.

4

Über die Ursache der Gewichtszunahme von Zinn u. Blei usw. 35

XXII.

Auch das flüchtige Salz der Kohle vermehrt das Gewicht nicht.

Bald nach dem Entwurf vorstehender Ausführungen sandte

ich sie dem Manne , von dem ich im vorigen Kapital sprach ; er händigte mir daraufhin nach einigen Tagen eine Schrift ein, worin er die von mir zurückgewiesenen Ansichten berichtigt. Aber er tritt gegen meine Lehre von neuem auf und leugnet die im 12. Kapitel aufgestellten Sätze von der Verdichtung und dem Schwererwerden der erwärmten Luft.

Dann spricht

er folgende Ansicht aus : Die in Frage kommende Zunahme rührt notwendiger Weise vom Gefäß, von der Luft oder von der Kohle her. Vom Gefäß stammt sie nicht , denn dieses verliert nichts von seinem Gewichte ; aber auch von der Luft

kann sie nicht herrühren, da die. Hitze die Körper nur feiner und leichter machen könnte, wie er bewiesen zu haben glaubt. Bliebe also, wie er sagt, nur die Kohle, der die Zunahme zu geschrieben werden kann. Um das nun zu erklären , führt er aus, daß die Kohle zwei verschiedenartige Teile oder Naturen besitze, einen pflanzlichen und einen mineralischen Bestandteil, und jeder derselben setze sich wieder aus zwei verschiedenen zusammen , einem fixen und einem flüchtigen. Der fixe Teil verbliebe unten im Herde in Form von Asche , in der as fixe Salz enthalten ist , das durch Auslaugen getrennt werden kann . Der flüchtige Teil steigt nach oben in die Nähe des Gefäßes und enthält in einem Überschuß von Feuchtigkeit (die

vom Pflanzlichen herrührt) ein flüchtiges Salz von metallischer Natur.

Dieses geht mit Hilfe der Feuchtigkeit in die Höhe,

trifft auf die über dem Gefäß befindliche Luft, die verdünnter und leichter ist als die von der Kohle ausgehenden Dämpfe ; diese sinken daher durch erstere hindurch in das Gefäß hinab

und vereinigen sich durch nahe Verwandtschaft mit dem fixen Salz des Zinnkalkes .

Dasselbe nimmt davon nur eine bestimmte

Menge auf und stößt den Überschuß wieder ab , sobald es damit gesättigt ist. Etwa wie Weinstein sich nach mehrfachem Destillieren nicht mehr mit dem im Weingeist enthaltenen, flüchtigen Salze schwängert. Nachdem ich so seine Schrift angeführt habe , widerlege ich sie mit folgenden Gründen : Da man jedermann in seinem

Fache Vertrauen schenken muß , ehe man Gegenteiliges weiß, 3*

Jean Rey .

36

so wollen wir uns beim Besprechen des flüchtigen Salzes der Sprache der Alchymisten bedienen , die allein darin sach verständig sind , da sie es entdeckten und es uns entschleiert haben, lange bevor wir noch eine Ahnung vom Bestehen eines solchen hatten .

Sie nehmen in den Pflanzen (wie überhaupt

in fast allen Dingen) zwei Arten von Salz an : ein fixes und ein flüchtiges. Ersteres soll einen fixen Geist in sich bergen und ist selbst in den festen Teilen des Gegenstandes enthalten ;

das andere besitzt einen flüchtigen Geist und ist in den Säften vorhanden. Das fixe Salz, so sagen sie, wird durch Kalzinieren erhalten und verbleibt in der Asche zurück, das andere kann wie auch der Name sagt >

im Feuer nicht bestehen

vielmehr verfliegt es beim Erhitzen , ja schon beim einfachen Trocknen der Pflanze , gemeinsam mit dem Saft, in dem es enthalten ist. Wenn nun dem so ist, so steht es ganz außer Zweifel, daß in der Kohle überhaupt kein flüchtiges Salz ent

halten ist ; auch in dem Holz , aus dem sie hergestellt wird , ist keines vorhanden , denn man trocknet es vorher. Und selbst seine Existenz in der Kohle zugestanden , so wird jeder, der weiß , in welch geringer Menge das flüchtige Salz in den Körpern vorkommt, sich darüber klar sein , daß von den wenigen Kohlen, die Herr Brun verbrauchte, die beträchtliche Zunahme nicht aus gegangen sein kann . Denn sie beträgt nicht allein 7 Unzen, son

dern es kommt noch hinzu : der Verlust durch Verdampfen, durch die Vergrößerung des Volumens des Zinnes 33) , was noch der

Rauch der Kohle hinweggeführt hat, sowohl ins Laboratorium selbst , als auch ins Freie , wohin durch die vielen Öffnungen das Entweichen leicht möglich war.

Wäre in diesem Rauch

wirklich eine solche Menge Salz vorhanden, wahrlich dessen

Anreicherung wäre höchst interessant, und die Ausbeute müßte massenhaft sein .

Und dann noch weiter, wenn sich der Kalk auf Grund dieser angeblichen Verwandtschaft mit Salz gesättigt hat , so müßte man ja beim Fortsetzen des Heizens im Gefäße noch weiter davon aufsammeln können , da es doch infolge seiner eigenen Schwere in dasselbe fallen müßte . Die Erfahrung wider spricht aber all dem , denn ich habe mich davon überzeugt, daß die Luft über dem Gefäß so dick ist, daß nichts hinein gelangen kann 34). Noch mehr, es werde im Ofen eine Mauer

errichtet , die ihn in zwei Kammern teilt , in der Weise, daß das Gefäß sich auf der einen , die Zuglöcher und Ofentüren sich auf der andern Seite befinden ; alsdann tritt gleichfalls

Über die Ursache der Gewichtszunahme von Zinn u. Blei usw. 37

die Gewichtsvermehrung ein, obgleich die Dämpfe gar nicht in die Kammer mit dem Gefäß gelangen können. Das habe ich auch durch einen Versuch bestätigt, den ich in der Schmiede von Jean Rey, des Herrn auf Perotasse, meines älteren Bruders, angestellt habe . Ich habe dort die gleiche Zunahme an Ge

wicht gefunden , als ich Zinn , auf einer Gänze oder Massel, wie sie es nennen , von 16 bis 20 Zentnern Eisen , das so eben aus dem Hochofen in die Form geflossen war, verkalkte. Hier haben gewiß die Kohlendämpfe keine Rolle gespielt, und die Berufung auf das flüchtige Salz ist somịt nicht zulässig. XXIII.

Das flüchtige Merkursalz ist nicht die Ursache der Gewichtsvermehrung .

Einige Tage nach der Widerlegung , die ich soeben aus geführt habe, teilte mir derselbe Herr eine erneute Ansicht mit. Danach wäre Ursache der Gewichtşzunahme das flüchtige Salz

merkurialischer Natur, in dem keines der drei Prinzipien völlig rein vorhanden sei ; vielmehr seien sie derart vermischt, daß darin wirkliches fixes Salz , dann ein anderes weniger erdiges, etwa

von der Natur des Schwefels, und endlich ein noch feineres und durchdringenderes, von der Natur des Quecksilbers, ent halten seien. Nun aber durchdringt das rohe und kalte Queck silber mit Leichtigkeit das Gold und verbindet sich mit ihm innerlich und äußerlich , und es sei daher nicht unmöglich, daß dieses flüchtige Merkursalz, das vom Feuer verfeinert und noch durchdringender gemacht wird, auch durch die Wandung des Gefäßes hindurchgeht, welch' letztere von der Hitze ihrer seits durchlässiger geworden ist. Das Salz verbinde sich mit dem Zinnkalk durch eine gewisse Sympathie, wie sie ja auch zwischen Gold und Quecksilber vorhanden ist. Diese neuer liche Ansicht jenes Herrn ist durch die Ausführungen des

vorigen Kapitels bereits widerlegt. Da ich gezeigt habe, daß die Kohlen kein flüchtiges Salz enthalten können , so ist es wohl in keiner Form darin möglich . Andererseits , wenn dieses Merkursalz durch die Gefäße hindurchgeht, so müßte es sie doch auflösen und ein Amalgam daraus machen. Davon ist beim Verkalken aber nichts zu bemerken . Gewöhnliches Queck

silber verflüchtigt sich bekanntlich bei recht mäßiger Hitze; wie sollte nun dieses überaus feine und leichte Salz in dem

stark glühenden Kalk verbleiben können ?

Und außerdem ,

Jean Rey .

38

wenn wir in jedem der Prinzipien alle drei finden sollen , so sehe ich nicht ein , warum nicht gar jedes der letzteren sie alle enthalten sollte, und so fort bis ins Unendliche. Das sind

spitzfindige Spekulationen, die keine Begründung in der Natur haben .

XXIV .

Auch die vom Kalk angezogene Feuchtigkeit vermehrt das Gewicht nicht.

Vor kurzem, als ich mit einem gelehrten und urteilsfähigen Manne sprach , legte ich ihm die uns beschäftigende Frage vor, und er äußerte eine mir bis dahin unbekannte Ansicht. Er meinte , daß der Kalk nach dem starken Trocknen durch die

Hitze viel Feuchtigkeit angezogen habe und dadurch schwerer

geworden sei. Ich kann mich aber dieser Erklärung nicht anschließen, und zwar aus folgenden Gründen : Ich habe nie gefunden , daß sich Gegenteiliges anziehend beeinflusse , sondern immer hat es sich abgestoßen , ja sogar,

das eine verjagte das andere, wo es nur konnte. Feuchtigkeit kann der Kalk nur aus Wasser oder feuchter Luft sich an

eignen. Woher sollte aber Wasser angezogen werden , da ja keines in der Umgebung vorhanden ist ? Und sollte am Ende im Laboratorium, wo die Verkalkung vor sich geht , die Luft

feuchter als die gewöhnliche sein ? Die Feuchtigkeit würde ja doch von der Hitze des Ofens verzehrt worden sein.

Und wenn

auch der Kalk so viel Wasser oder nebelige Luft anzöge, daß das Gewicht um den fünften Teil vermehrt wird, so sollten wir zum Schlusse doch Mörtel erhalten statt des trockenen Kalkes.

Dazu bemerke ich ich noch , daß dieser vom Augenblick der Kalzinierung an schon zugenommen hat , lange bevor er Zeit gehabt hätte, diese undenkbare Aufnahme zu vollziehen . XXV .

Durch einen einzigen Beweis werden alle der meinen entgegengesetzten Ansichten widerlegt .

Kaum hatte Herkules einen der Köpfe jener Hydra, die im

Sumpfe Lernea hauste , abgeschlagen , als ihr schon wieder zwei neue wuchsen.

So geht es mir auch.

Der Irrtum , den ich bekämpfe, wuchert weiter in Meinungen , die den Köpfen

gleichen : Wenn ich eine ausmerze , so sieht man gleich deren zweie auftauchen. Meine Arbeit wächst stetig, und ich könnte

Über die Ursache der Gewichtszunahme von Zinn u. Blei usw. 39 nichts anderes mehr tun, wenn ich daran ginge, alle Ansichten der Gegner zu widerlegen.

Ich will

daher

meine

Kräfte

sammeln und weit ausholen , damit ich sie alle niederschlage. Seht euch vor, ich versetze jetzt den tödlichen Schlag! Ich las soeben im 3. Kapitel von Hamerus Poppius' Basi

lica Antimoniż 35) die neue Methode, Antimon zu verkalken. Er nimmt davon eine bestimmte Menge , wägt und bringt sie feinst gepulvert in Form eines Kegels auf einen Mühlstein .

Dann hält er einen Brennspiegel gegen die Sonne derart, daß der Treffpunkt der zurückgeworfenen Strahlen auf die Spitze des

Antimonkegels fällt. Dieser beginnt nun reichlich zu rauchen, und nach kurzer Zeit hat sich alles , was von den Strahlen

getroffen wurde, in einen sehr schönen weißen Kalk verwandelt, den er mit einem Messer abhebt.

Dann lenkt er die Strahlen

auf das darunter Liegende , bis alles weiß geworden ist, und

nun ist die Kalzinierung beendet. Es ist eine auffällige Tat sache (fügt er binzu) , daß , obgleich bei dieser Kalzinierung durch die sich reichlich entwickelnden Dämpfe viel Substanz verloren geht, das Antimon dennoch an Gewicht zunimmt, statt abzunehmen36). 36

Fragt man nun nach der Ursache dieser Zunahme, so wird Cardani antworten, daß sie das Verschwinden der himmlischen Wärme sei .

Hier wird sie aber doch in erhöhtem Maße durch

die Sonnenstrahlen eingegeben ! Scaliger wird sagen , die luf tigen Teile wurden verzehrt.

Aber durch die Vermehrung

des Volumens bei der Umwandlung in Kalk wird ja noch mehr Luft hinzugebracht . Wird Caesalpinus sich auf den

Ruß berufen wollen , wo doch kein Feuer vorhanden ist ? Sollte das Gefäß irgend etwas abgegeben haben ?

Man kann

ja die Strahlen derart lenken , daß der Mühlstein in keiner Weise von ihnen berührt wird . Wird man Kohlendämpfe als Ursache nennen ? Es wird bei dem Vorgang gar keine Koble

angewandt. Für das flüchtige Salz, das man so kühn erdacht hat, wird wohl keine Stimme mehr vorhanden sein. Allen falls wird man die Feuchtigkeit vorschieben , wie unlängst geschehen.

Aber woher sollte sie kommen ?

Vom Mühlstein,

das wäre undenkbar ; aus der Luft, solches wäre noch weniger möglich. Dieses Experiment geht am besten an den heißesten

Sommertagen, in den Hundstagshitzen, wo alles, auch im Schatten so heiß ist , daß des Nachts die Luft die nasse

Wäsche und die zuvor feuchte Erde völlig austrocknet, und am Tage unsere Haut gebräunt wird , wo die Gräser welken ,

Jean Rey .

40

die Früchte verbrennen, das Holz austrocknet, die Flüsse seicht werden , und leicht brennbare Körper , wie der Taubenmist, Man suche doch die Feuchtigkeit in der Luft in dieser Jahreszeit nicht bei Nacht , sondern am Tage, nicht im Schatten , aber in der Sonne, und auch nicht da,

von selbst entflammen .

wo sie ganz einfach hinscheint, sondern dort, wo ihre Strahlen angesammelt sind, wie im Brennpunkt eines Hohlspiegels. Das

hieße wahrhaftig Feuer im Eis oder » den Knoten einer Binse suchen « , wie wir sagen, wenn man eine Sache sucht, die nie zu finden sein wird .

Könnte man alle hervorragenden Geister zu einem einzigen zusammenschweißen, und dieser Genius würde seine Gedanken mit aller Kraft anspannen, mit aller Sorgfalt die Schlupfwinkel der Natur durchwühlen , auf Erden und in den Himmeln nach

forschen, er wird keine andere Ursache finden als die, daß die Luft , die durch die Sonnenstrahlen erhitzt wurde, dicker und schwerer geworden ist, sich unter den Kalk mischt und dessen kleinsten Teilen anhaftet 37). Das bestätigt meine Ansicht von der Zunahme des Ge wichtes bei Zinn und Blei, die ebenfalls keine andere Ursache

haben kann als das Anhängen der erschwerten Luft. Es be steht durchaus kein Unterschied zwischen der Gewichtszunahme

des Antimons und der unserer Metalle , höchstens der , daß dort die Wärme der Sonnenstrahlen , hier die Hitze des ge wöhnlichen Feuers die Luft verdickt hat. XXVI.

Warum der Kalk sein Gewicht nicht bis ins Unendliche vermehrt hat .

Nachdem ich nun alle entgegengesetzten Ansichten zurück

gewiesen habe, kann nur noch die meine das Feld behaupten. Zwar sind noch einige Einwendungen möglich , die ich klar legen will. Die erste führt uns zu der Absurdität , die ich Caesalpinus vorgeworfen habe, nämlich der, daß bei Annahme

meiner Erklärung der Kalk unsinnig viel zunehmen könnte . Denn warum, wird man sagen, soll die Zunahme nicht bis ins Unendliche fortgehen , wenn das Feuer so lange unterhalten wird,

daß es ständig . diese verdickte und erschwerte Luft liefert. Ich entledige mich dieser Aufgabe, die einem weniger Schlauen

verfänglich werden könnte, mit der Bemerkung , daß jede

Über die Ursache der Gewichtszunahme von Zinn u. Blei usw. 41

Materie , die sich durch Zugabe einer andern vermehrt , ent weder fest oder flüssig ist , und daß die Mischung sich auf drei Weisen vollzieht.

Entweder die Masse ist fest und mischt

sich mit einer ebenfalls festen, oder eine flüssige Masse mischt sich mit einer flüssigen oder endlich eine solche letzterer Art mit einer ersterer Beschaffenheit.

In den ersten beiden Fällen Fügt man

ist die Mischung und Vermehrung unbegrenzt.

diesem Sand hier anderen zu , so kann man ihn ohne Ende vermehren .

Gießt man zu Wein anderen hinzu, so wird der

Vorgang niemals begrenzt sein. Anders jedoch verhält es sich

im dritten Falle, wo man Flüssiges mit Festem mischt. Solch eine Zugabe kann nicht unbegrenzt fortgesetzt werden. Durch ihre unerforschliche Weisheit hat sich die Natur hier selbst

Grenzen gezogen , die sie nie überschreitet. Mischet doch Wasser mit Sand oder Mehl , so werden letztere sich damit wohl völlig, bis zum kleinsten ihrer Teilchen, bedecken ; gießt ihr aber noch mehr hinzu, so wird nichts mehr aufgenommen, und, aus dem Wasser herausgeholt , enthalten sie von diesem nur so viel, als ihnen anhaftet, was gerade ausreicht, sie völlig zu umhüllen. Taucht man sie noch hundertmal ein, sie wer den nicht mehr davon

durchtränkt sein.

Und

selbst im

Wasser geben sie , wenn sie zur Ruhe kommen , den Über schuß ab und setzen sich von selbst zu Boden. So gehorsam ist die Natur, daß sie streng an den Gesetzen festhält, die sie sich einmal gezogen hat 38). Mit unserem Kalk verhält es sich ebenso .

Die verdickte

Luft schmiegt sich ihm an und wird allmählich bis zu den feinsten Teilchen anhaftend .

So wächst das Gewicht vom An

fang bis zu einem gewissen Punkte ; ist aber alles gesättigt, so vermag er nichts mehr aufzunehmen .

Setzet daher die

Kalzination in dieser Erwartung nicht fort, es ist verlorene Mühe . Zum Schlusse berichtige ich noch , was im XI. Kapitel ge sagt wurde 39) , wo mir die Wendung entschlüpfte : » Jene Luft, eigentlich gar keine Luft mehr , sondern eine entartete Luft. « Es sind dies Worte des Übermaßes , durch die ich nichts weiter sagen wollte als, daß diese Luft jener flüssigen Feinheit,

die sie an nichts anhaften läßt, beraubt worden und grob, wägbar und anhaftend geworden ist.

Jean Rey .

42

XXVII . Warum andere Kalke und Aschen nicht an Gewicht zunehmen .

Ich komme zu einem weiteren Einwand, den man erheben Warum vermehren andere , durch Feuers Macht ent stehende Kalke und Aschen nicht ebenso ihr Gewicht , wie könnte.

die von Zinn und Blei ?

Was zeichnet letztere vor den an

dern aus ?

Ich erwidere darauf, daß die Körper , die verascht oder

kalziniert werden können, von ganz verschiedener Natur sind. Die einen haben viel ausdunstbare und verdampfbare Materie, oder, um mich der Sprache der Adepten zu bedienen, sie ent

halten viel Schwefel und Merkur , die das Feuer vollständig verjagt. Bei solchen findet man einen großen Verlust und wenig Asche , die nun nicht soviel verdickte Luft aufnehmen kann, daß ersterer ausgeglichen wird. Andere wieder haben

wenig ausdunstbare und verdampfende Substanz oder besser wenig Schwefel und Merkur , daher geringer Verlust und viel Asche (wegen des reichlichen Gehaltes an Salz) ; letztere zieht nun so viel verdichtete Luft an , daß nicht allein der Verlust gedeckt wird, sondern auch das Gewicht das anfängliche weit übersteigt. Die Steine, die Pflanzen und die Tiere folgen der ersteren Regel, Blei und Zinn der letzteren. Dann aber gibt es noch andere Dinge , die durch die Kalzination auf ein

so großes Volumen gebracht werden , daß , selbst wenn keine

oder nur wenig Masse verloren geht , das Gewicht trotzdem stark abnimmt, was durch die Wage wohl nachgewiesen werden

kann 40) .

So verhält sich das indische Metall , das Calaëm 41)

genannt wird , und der Marssaffran , wie die Chemiker gefun den haben.

XXVIII. Blei nimmt an Gewicht ebenso zu wie das Zinn .

Ich hätte meine Ausführungen nun zu Ende gebracht, wenn ich nicht noch auf eine Beobachtung des Herrn Brun eingehen müßte . Nachdem er das Zinn verkalkt und die Ge

wichtszunahme gefunden hatte , machte er den gleichen Ver such mit Blei, wobei sich ein Verlust von einer Unze auf das

Pfund ergab. Das machte ihm damals schon Bedenken , da er sich einbildete , wegen der Ähnlichkeit beider Metalle und

Über die Ursache der Gewichtszunahme von Zinn u . Blei usw. 43

wegen des gleichen Vorganges beim Kalzinieren die gleiche Zu nahme finden zu müssen .

Ich kann auch dem Versuch des

Herrn Brun, den Cardanis, Scaligers und insbesondere den von Caesalpinus entgegenstellen , welchen ich schon oben erwähnt habe, und der äußert, daß er voll Verwunderung darüber sei, daß schwarzes Blei beim Verkalken um 8 bis 10 Pfund auf 100 an Gewicht zunimmt. Soll ich diese Männer in die De

batte verwickeln und jeden zum Beweise seines Versuches heranziehen ? Ich bin dazu zu friedliebend und erkläre die

widersprechenden Angaben folgendermaßen : Blei ist mehr oder

weniger rein , je nachdem von welcher Hütte es kommt , oder je nachdem es zuvor geschmolzen wurde. Die oben genannten haben mit reinstem Metall Zunahme gefunden, Herr Brun, bei weniger reinem, Verlust. Schluß .

Aus den tiefsten Verliesen nächtlicher Dunkelheit habe ich

diese Wahrheit hervorgeholt , die sich nun mit ihrer ganzen Macht vor Euch entrollt , sie , deren Annahme bis auf den heutigen Tag unmöglich schien . Sie war es , die so viele gelehrte Männer in ärgerliche

Verzweiflung gebracht hat , Männer , die sich redlich Mühe gaben , sie zu erreichen und sich vergebens abmühten , die Schwierigkeiten zu besiegen, die sie gefangen hielten . Cardani,

Scaliger, Fachsius, Caesalpinus, Libavius haben sie wißbegierig erstrebt, aber nie ergründet +2). Auch andere mögen noch in Frage kommen, aber vergeblich, wenn sie nicht den Weg be

folgen , den ich zuerst gangbar gemacht habe. Alles andere sind nur trügerische Irrwege, die nie zum Ziele führen werden. Die Arbeit war mein ,

Der Nutzen dem Leser, Gott allein der Ruhm .

US Y NO

Anmerkungen. Schon seit den ältesten Zeiten nahm man an , daß Ver

brennung und Verkalkung auf ähnliche Vorgänge zurückzuführen sind. Hier wie dort sollte aus dem verbrennenden, bezw. ver kalkenden Stoffe etwas entweichen. Wiewohl die Abhängigkeit beider Erscheinungen von der atmosphärischen Luft klar war,

hielt man doch an der irrigen Ansicht fest, daß Verbrennung wie Verkalkung eine Art Zerstörung der Stoffe sei. Man hielt diese Vorgänge für analytische Prozesse, in Anlehnung an die

Ansicht der alten Philosophen, daß Verbrennung eine Aus scheidung elementarer Feuermaterie sei.

Daß beide Prozesse

synthetischer Natur sind , daß sich hierbei nichts ausscheidet,

sondern im Gegenteil etwas mit dem Stoffe verbindet, das galt für unmöglich. Diese Grundanschauung war es vorzüglich, die einen Becher und Stahl zur Begründung und zum Ausbaue ihrer Systeme führen sollte. Es ist bekannt, welchen Einfluß die Stahlsche Phlogistontheorie auf die Entwicklung der Chemie

1

während eines ganzen Säkulums ausübte. Erst Lavoisier war

es vorbehalten, aus dem bis auf ihn gekommenen Tatsachen material und aus den Erfahrungen seiner Vorgänger und Zeit genossen richtige Schlüsse für die Erklärung dieser Erschei nungen zu ziehen .

Wer die geschichtliche Entwicklung der Wissenschaften mit Aufmerksamkeit verfolgt, wird häufig auf Fälle stoßen, wo grundlegende Ansichten , die für eine Wissenschaft von um wälzender Bedeutung werden, schon früher von hervorragenden Männern zum Ausdruck gebracht wurden , ohne daß sie in ihrer Zeit zur Geltung gelangen sollten .

Wir haben gerade

bei Lavoisier eine Anzahl Vorläufer, die in Anbetracht der Kenntnisse ihres Zeitalters als stark an ihn heranreichend *) *) Über die Vorläufer Lavoisiers wird demnächst eine Studie des einen von uns (unter dem Titel : » Lavoisier und seine Vorläufer « ,

in der Samml . chem. u. chem.-techn. Vorträge, Stuttgart) zur Ver öffentlichung gelangen.

1

Anmerkungen . bezeichnet werden müssen.

45

Es sei besonders an den hervor

ragenden englischen Arzt John Mayow erinnert *) , und — last not least

an Jean Rey, der vorwiegend auf Grund speku

lativer Erwägungen der Lösung der Frage über die der Luft bei der Verkalkung der Metalle sehr nahe Jean Rey , gegen Ende des 16. Jahrhunderts zu (Departement der Dordogne) geboren, war Arzt. Er

Wirkung kam. Bugues hielt sich

bei seinem Bruder, dem Besitzer eines Eisenhammers auf und

widmete sich ganz physikalischen und chemischen Studien. Seine letzten Lebensjahre waren durch häusliches Mißgeschick und durch einen Kriminalprozess getrübt. Er starb im Jahre 1645 . Ein Mann von vielen Kenntnissen und Interessen , unterhielt er einen ausgedehnten Briefwechsel mit hervorragenden Geistern seiner Zeit. Ein Apotheker Brun in Bergerac gab durch eine

Anfrage **) Veranlassung, daß er sich mit der Frage beschäf tigte , warum Metalle beim Verkalken an Gewicht zunehmen . Die Resultate seiner Untersuchungen legte er in einer Schrift : »Essais sur la recherche de la cause par la quelle l'estain et le plomb augmentent de poids, quand on les calcine. Bazas 1630. 8 ° « nieder, von der wir im Vorliegenden eine deutsche Ausgabe liefern . *) In den vorliegenden Klassikern ist (Nr. 125) eine von F. G. Donnan besorgte deutsche Ausgabe seiner wichtigsten Arbeiten 1901 erschienen .

**) Herrn Bruns Brief , we her die Anregung zu

den

Vor

liegenden Untersuchungen gab : Herrn Rey, Als ich dieser Tage Zinn verkalken wollte , nahm ich

2 Pfand 6 Unzen feinsten englischen Metalls , gab es in einen auf offenem Herde stehenden Eisenkessel und schmolz es unter

ständigem Rühren ohne jeden Zusatz bei starkem Feuer. Nach etwa 6 Stunden erhielt ich einen rein weißen Kalk, den ich_wog , um den Verlust festzustellen . Zu meinem

größten Erstaunen fand ich aber 2 Pfund 13 Unzen und kann mir nun nicht denken , woher diese 7 Unzen Zunahme ge kommen sind. Ich machte darauf den gleichen Versuch mit 6 Pfund Blei , wobei ich nun 6 Unzen Verlust erhielt . Ich

bat verschiedene Gelehrte , auch Doktor N., um ihre Ansicht ,

ohne jedoch die Erklärung dieser merkwürdigen Tatsache zu erfahren . Ihr Scharfsinn jedoch , der sich vorzüglich außer halb des Alltäglichen bewährt hat, wird hier ein reiches Arbeitsfeld finden, und ich bitte Sie ganz ergebenst, sich mit

dem Studium dieser Erscheinung zu beschäftigen. Sie würden mich sehr verpflichten , wenn Sie mir Aufklärung über dieses Wunder geben könnten.

Anmerkungen .

46

Seine Anschauungen blieben unbeachtet , wie auch seine Schrift wenig Verbreitung gefunden hatte. Erst später taten einige Autoren, wie Jac. Reinb. Spielmann *), M. de Bordeu **), M. J. Corvinus ***), M. Saget) in ihren Schriften seiner Erwäh nung, aber nur durch die Bemühung M. Bayens, der in einem Schreiben an den Abbé Rozier ++) die Aufmerksamkeit auf

Jean Rey lenkte, wurde verhütet, daß dieser der Vergessenheit anheimfiel. M. Gobet +11) veranstaltete 1777 einen Neudruck dieses

ebenso interessanten wie seltenen Werkes und fügte dieser Ausgabe einige Briefe, Reys an den Pater Mersenne, an den Apotheker Brun , die Antworten , sowie erklärende Anmer kungen hinzu .

J. G. Children S) lieferte im Jahre 1821 eine englische Über setzung dieser Rey schen Schrift. Nachdem schon Chr. Ehrenfr . Weigel88) einen ausführlichen Auszug veröffentlicht hatte , machte auch Hermann Kopp SSS) vollständige Angaben über dieses Werk Reys, » weil es ein Muster ausgezeichneter Untersuchung aus der damaligen Zeit und die erste Annäherung zur besseren Erklärung einer Er

scheinung, deren richtiges Verständnis später auf das ganze System der Chemie reformierend einwirkte « . In neuerer und neuester Zeit beschäftigten sich außerdem mehrfach einige Autoren mit den Anschauungen Jean Reys,

*) Institutiones Chemiae. Argentorati 1766 p . 275. **) Recherches sur les Maladies Chimiques Nr. 93. ***) Dissertatio sistens historiam aëris factitii. Argentor. P. I 1766 .

+) Mineralogie docimatique. ++) Rozier , Observations sur la physique, Tome V, P. I. Paris 1775.

p . 47–52.

+++) Essays ... Nouvelle Edition, Revue sur l'Exemplaire ori ginal & augmentée sur les Manuscripts de la Bibliotheque du Roi & des Minimes de Paris, Avec des Notes, a Paris 1777 , angezeigt in Rozier, Observations. T. X. S. 239. 8) The Quaterly Journal of Science, Literature, and the Arts. Vol. XI, London 1821 , p . 72–83, 260—271; Vol . XII, 1822, p . 54-64 , 294—299 ; Vol. XIII, 1822, p . 136–141 , 278—286. $$) Beiträge zur Geschichte der Luftarten. Greifswald 1784, Tl. I , p . 1-11 . $ SS) Geschichte

der Chemie.

Braunschweig 1845.

S. 131—133 ; siehe auch S. 145, 178, 819.

Teil

III.

Anmerkungen .

47

so Hoefer * ), Dumas** ), Ramsay *** ) u. a. +), die meist in ge rechter Würdigung der ihrer Zeit vorauseilenden Ansichten, diesem scharf denkenden Manne seinen verdienten Platz in der Geschichte anweisen .

Was aber besonders hervorgehoben werden muß, ist die bis her allzu wenig betonte Tatsachett), daß Jean Rey vor Torricelli 2

und Otto von Guericke die Schwere der Luft als etwas unbe dingt vorhandenes dargestellt hat. Schon dadurch allein ist

sein Verdienst in der Geschichte der Wissenschaft begründet. Wir müssen uns nun fragen, ob Lavoisier die Ansichten Reys gekannt hattit ) . Bis zum Jahre 1775 , dem Zeitpunkte, wo Bayen durch seinen oben erwähnten Brief die Aufmerksamkeit der

gelehrten Welt auf das seltene Werk dieses Mannes gelenkt hatte, dürfte dies wohl kaum der Fall gewesen sein. Dann muß aber Lavoisier entschieden von der Reyschen Schrift Kenntnis ge nommen haben , umsomehr, als 1777 der Neudruck Gobets er

schienen war. Die Stelle in seiner Abhandlung: » Bemerkungen über das Phlogiston. « Eine Entwicklung der 1777 bekannt *) Histoire de la Chimie. Paris 1843. Tome II. p. 245—258. **) Die Philosophie der Chemie . Berlin 1839. S. 52 und 151.

***) Die Gase der Atmosphäre. Halle a. S. 1907. S. 16. Ver gangenes und Künftiges aus der Chemie. Leipzig 1909. S. 39 . +) Siehe : Nouvelle Biographie Générale . Paris 1863.Tome LXII. S. 70 ; Biographie Universelle. Paris-Leipzig. Tome XXXV. S. 501;

Grand Dictionnaire.

Paris 1875.

Tome XIII.

S. 1133 ;

Grimaux , Lavoisier. Paris 1888. S. 106, usw .; Jörgensen -Ortwed Speter, Die Entdeckung des Sauerstoffs ( Samml. chem . u . chem. techn. Vorträge XIV, 1909, S. 144) . Eine Neuauflage der Essais ist von Maurice Petit, Paris 1907, veranstaltet worden , wo auch die

Anmerkungen Gobets und eines R. Dezeimeris angefiihrt sind. ++) Vergl. hierzu die Stelle aus Sir William Ramsays » Ein leitung in das Studium der physikalischen Chemie « , deutsch von

Max İklé, Leipzig 1908, S. 7 : » Zwar wurde die Tatsache, daß die Luft Gewicht besitzt, von dem französischen Hofarzt (?) Jean Rey vorweggenommen . «

+++) Johann Christian Wiegleb merkt in seiner Übersetzung von Torbern Bergmanns Historiae Chemiae medium seu obscurum aevum , à medio seculi VII ad medium Seculi XVII (Geschichte des Wachs

thums und der Erfindungen in der Chemie in der ältesten und mitt leren Zeit, Berlin und Stettin , 1792 , S. 234) zu der Stelle : » Johann Rey machte auch schon 1630 die Beobachtung bekannt, daß die

Metalle bei der Kalzination schwerer werden, und behauptete, daß diese Zunahme des Gewichts von eingezogener Luft herrühre «, als eingefleischter Phlogistiker an : » Diese Schrift (die Essays) enthielt den angeführten grundfalschen Gedanken zum ersten Male , auf welchen in der neueren Zeit Lavoisier sein neues chemisches System begründet hat.