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German Pages X, 276 [282] Year 2020
Matthias Medert
17 Ziele für eine lebenswerte Zukunft Für uns und für unsere Kinder
17 Ziele für eine lebenswerte Zukunft
Matthias Medert
17 Ziele für eine lebenswerte Zukunft Für uns und für unsere Kinder
Matthias Medert Schwetzingen Baden-Württemberg, Deutschland
ISBN 978-3-662-61467-9 ISBN 978-3-662-61468-6 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-61468-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Einbandabbildung: © Monthira/stock.adobe.com Planung/Lektorat: Sarah Koch Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany
Vorwort
Wir stehen vor der großen Herausforderung, die Natur und Umwelt zu erhalten und gleichzeitig möglichst allen Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen. Es ist offensichtlich, dass dies nur gelingt, wenn wir einige Dinge grundlegend ändern. Als Vater von drei wundervollen Kindern sehe ich mich in der Verantwortung, meinen Teil dazu beizutragen, dass meine Kinder sich auf eine lebenswerte Zukunft freuen können. Wenn sie mich eines Tages fragen: „Was habt ihr getan, als ihr erkannt habt, dass ihr nicht nachhaltig lebt – also auf Kosten von uns Kindern?“, dann hätte ich gerne eine Antwort darauf, auf die ich stolz bin. Denn wie könnte ich meinen Kindern in die Augen schauen und ihnen sagen, dass wir die Probleme zwar gesehen und die Risiken und Auswirkungen auf ihre Generation verstanden haben − und trotzdem nichts getan haben?
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VI Vorwort
Zurzeit scheint es noch genauso möglich, dass wir die Welt entweder zerstören oder noch die Kurve bekommen und unseren Kindern eine wunderschöne Welt hinterlassen. Die Zeit läuft allerdings gegen uns. Die richtige Zeit zu handeln ist jetzt. Die Vereinten Nationen haben konkret aufgeschrieben, wie so eine nachhaltige Welt aussehen könnte. Sie haben diese Vision in 17 Nachhaltigkeitszielen zusammengefasst. Diese Ziele sind das Fundament dieses Buchs. Bei der Recherche habe ich eine gute und eine schlechte Nachricht gefunden. Die Gute lautet: Wir haben schon viel erreicht und wir bewegen uns bei den meisten Zielen in die richtige Richtung. Damit hängt unmittelbar die schlechte Nachricht zusammen: Wir kommen zu langsam voran. Das führt dazu, dass wir die Umwelt an einigen Stellen unumkehrbar zerstören und dass weiterhin jedes Jahr Millionen von Menschen leiden oder sogar sterben. Neben dieser Erkenntnis habe ich während der Recherche auch viele Aha-Momente erlebt: Ich habe erstmals viele Ursachen und Zusammenhänge verstanden. Daher habe ich mich entschlossen, dieses Buch zu schreiben. Es ist getragen von der Hoffnung, andere Menschen zu inspirieren und dadurch einen weit größeren Effekt zu erreichen, als ich es als Einzelner durch mein geändertes Verhalten schaffen könnte. Das Buch beschreibt anhand der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN die Herausforderungen und Fortschritte auf dem Weg in eine nachhaltige Welt. Jedes Nachhaltigkeitsziel wird in einem eigenen Kapitel betrachtet, mit Ursachen, Folgen und Zusammenhängen – jeweils sowohl auf globaler Ebene als auch bezogen auf Deutschland. Jedes dieser Kapitel beginnt mit einer wahren Geschichte, die in das Thema einführt. Dort, wo es sich anbietet, zeige ich zu jedem der Themen, was wir im Alltag tun können,
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um das jeweilige Nachhaltigkeitsziel zu unterstützen. Dabei versuche ich mich auf die wesentlichen Punkte zu konzentrieren, mit denen wir die größte Wirkung erreichen können. Nach dieser Beschreibung, wohin die Reise gehen kann, geht es in den letzten beiden Kapiteln vor allem darum, wie sich jeder von uns engagieren kann, damit wir auf diesem Weg möglichst gut vorankommen. Ich möchte Dir damit Mut machen, Verantwortung für unsere Zukunft zu übernehmen und selbst etwas zu tun. Willy Brandt liefert das passende Zitat hierzu: „Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie selbst zu gestalten.“ Ich glaube fest daran, dass wir es schaffen können, schon bald wirklich nachhaltiger zu leben und dadurch eine Welt zu gestalten, wie wir sie uns für uns und unsere Kinder wünschen. Matthias Medert
Inhaltsverzeichnis
Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen 1 Einleitung 1 Ziel 1: Keine Armut 5 Ziel 2: Kein Hunger 19 Ziel 3: Gesundheit und Wohlergehen 36 Ziel 4: Hochwertige Bildung 47 Ziel 5: Geschlechtergleichheit 58 Ziel 6: Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen 67 Ziel 7: Bezahlbare und saubere Energie 80 Ziel 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum 100 Ziel 9: Infrastruktur, Industrie & Innovation 109 Ziel 10: Weniger Ungleichheiten 117 Ziel 11: Nachhaltige Städte und Gemeinden 125 Ziel 12: Verantwortungsvoller Konsum und Produktion 135 IX
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Ziel 13: Maßnahmen zum Klimaschutz 150 Ziel 14: Leben unter Wasser 165 Ziel 15: Leben an Land 178 Ziel 16: Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen 190 Ziel 17: Partnerschaften zur Erreichung der Ziele 200 Unser eigenes Engagement 207 Der innere Kompass 209 Der Herdentrieb und soziale Kontrolle 217 Kosten-Nutzen-Abwägung 219 Also los – packen wir es an 221 Wie kannst Du selbst für mehr Nachhaltigkeit sorgen? 225 Im Alltag: Dein eigenes Verhalten für mehr Nachhaltigkeit 226 Beeinflusse Dein persönliches Umfeld 229 Engagiere Dich politisch 231 Engagiere Dich sozial oder für die Umwelt 237 Arbeite nachhaltig 240 Bist Du bereit? 248 Abbildungshinweis 249 Literatur 251
Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen
Einleitung Wir haben große Herausforderungen für Mensch und Natur Chancen, Reichtum und Macht sind innerhalb von Deutschland unterschiedlich verteilt. Noch extremer sind die Unterschiede im Vergleich zu einigen anderen Ländern: Hunderten Millionen von Menschen fehlt dort Essen und sauberes Trinkwasser oder sie leiden unter Kriegen, Dürren oder Gesundheitsgefahren. Doch nicht nur ein großer Teil der Menschheit steht vor großen Herausforderungen. Auch unsere Natur ist bedroht. Gerade in den reichen Ländern nutzen wir die Natur viel stärker, als dies langfristig tragbar ist. Auch wenn es verschiedene Ansichten über die zu erwartenden
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Medert, 17 Ziele für eine lebenswerte Zukunft, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61468-6_1
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Konsequenzen gibt, sehen wir bereits heute erste Auswirkungen. Die damals 12-jährige Severn Cullis-Suzuki hat dies bereits 1992 in einer ergreifenden Rede bei der „Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung“ (Rio-Konferenz) vor 2400 Vertretern aus 178 Ländern beschrieben [223]: „… ich bin nur ein Kind, und ich habe für vieles keine Lösung. Aber ich möchte, dass Ihnen eines bewusst ist: Sie auch nicht! Sie wissen nicht, wie Sie das Ozonloch reparieren sollen. Sie wissen nicht, wie Sie die Lachse in die verseuchten Flüsse zurückbringen können. Sie können eine ausgestorbene Tierart nicht mehr zum Leben erwecken und Sie können auch nicht die großen Wälder dorthin zurückholen, wo jetzt nur noch Wüste ist. Wenn Sie nicht wissen, wie man all das repariert, dann, bitte, hören Sie auf, es zu zerstören!“
Die UNO möchte etwas tun Die vielen negativen Nachrichten, Bilder oder Statistiken zu Elend und Umweltzerstörung könnten einfach nur resigniert und traurig stimmen. Doch unter dem Dach der Vereinten Nationen (UNO) haben viele Experten eine Debatte darüber geführt, in welcher Zukunft wir leben wollen. Sie haben gesehen, dass sich diese globalen Herausforderungen nur gemeinsam lösen lassen, wenn wir zumindest einige der Probleme noch zu unseren Lebzeiten abmildern oder gar beseitigen möchten. So haben im September 2015 alle Mitgliedstaaten auf einem Gipfel der Vereinten Nationen die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ verabschiedet [229]. Diese Agenda zur Transformation unserer Welt enthält 17 Ziele mit 169 Unterzielen für eine nachhaltige Entwicklung
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(„Sustainable Development Goals“, kurz SDGs). Alle Mitglieder der UNO haben sich verpflichtet, diese Ziele auf nationaler und globaler Ebene zu erreichen. Die Agenda ist umfassender als frühere UNOProgramme, wie etwa die Millenniums-Entwicklungsziele der Jahre 2000 bis 2015. Sie deckt entscheidende Bereiche für unsere Zukunft und die Zukunft der Erde ab: • Menschen: Insbesondere Hunger und Armut stehen im Fokus, aber auch die Würde des Menschen. • Planet: Der Schutz der Natur vor Schädigungen ist entscheidend, damit sowohl wir als auch unsere Kinder und Enkel in einer intakten Umwelt leben können. • Wohlstand: Die Agenda zielt darauf ab, dass mehr Menschen am wirtschaftlichen, sozialen und technischen Fortschritt in Harmonie mit der Natur teilhaben können. Wohlstand bedeutet dabei, dass man mit allem versorgt ist, was zum Leben notwendig ist. • Frieden: Nur friedliche Gesellschaften können wirklich nachhaltig sein. • Partnerschaft: Wir benötigen eine stärkere globale Solidarität, um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Je mehr Staaten, Organisationen, Unternehmen und jeder von uns die Ziele tatkräftig unterstützen, desto eher werden wir sie erreichen. Die Nachhaltigkeitsziele sollen für alle Menschen gelten und sie betreffen besonders uns in den sogenannten entwickelten Ländern. Gerade die Industriestaaten verursachen große Umweltschäden und beeinflussen durch ihren Konsum und ihre Unternehmen sowohl die Umwelt als auch die Lebenssituation vieler Menschen weltweit.
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Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung Da es sich insgesamt um Ziele zur „nachhaltigen“ Entwicklung handelt, möchte ich kurz auf den Begriff der Nachhaltigkeit eingehen. Der Begriff ist bereits ziemlich abgenutzt und es gibt dafür sehr viele Definitionen. Ursprünglich stammt der Begriff aus der Forstwirtschaft: Es ist nachhaltig, wenn der Förster dem Wald nicht mehr Holz entnimmt, als in der gleichen Zeit nachwachsen kann. Wenn wir also heute nachhaltig handeln möchten, dann müssen wir auch die Folgen für künftige Generationen bedenken, wenn wir unsere aktuellen Bedürfnisse befriedigen. Hieraus lassen sich bereits viele der Ziele aus dem Bereich Umwelt ableiten. Die UNO bezieht bei ihrem Verständnis von Nachhaltigkeit auch noch Themen wie Armut, Hunger und soziale Ungleichheit mit ein. Wie sinnvoll das ist, sieht man an den aktuellen Flüchtlingsströmen, die unter anderem aufgrund von Armut, Hunger und sozialer Ungleichheit entstehen. Wenn wir diese Punkte nicht ausreichend berücksichtigen, ist unser Wirtschaften eben nicht nachhaltig. Sehr vereinfacht kann mal also sagen, dass Nachhaltigkeit bedeutet: „Genug, für alle, für immer“ [278]. Die Ziele zur nachhaltigen Entwicklung schaffen somit die Grundlage dafür, dass der weltweite wirtschaftliche Fortschritt sowohl die soziale Gerechtigkeit als auch die ökologischen Grenzen unserer Erde berücksichtigt. Die Umsetzung dieser Vision für Frieden, Wohlstand und Würde für alle Menschen auf einem gesunden Planeten ist das umfassendste Vorhaben der UNO seit vielen Jahren. Wenn wir im Folgenden die 17 Ziele im Einzelnen betrachten, werden wir noch genauer sehen, dass viele der Ziele voneinander abhängig sind und sich gegenseitig
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beeinflussen. Häufig lässt sich nicht eindeutig feststellen, was Ursache und was Wirkung ist. Daher spricht man auch davon, dass die Ziele ein unteilbares Ganzes darstellen. Das bedeutet, dass man, um ein Ziel zu erreichen, auch andere Ziele adressieren muss. So gibt es etwa einen engen Zusammenhang zwischen Hunger, Armut, Gesundheit und Zugang zu sauberem Wasser.
Ziel 1: Keine Armut
Phiona aus Uganda Phiona Mutesi weiß nicht einmal genau, in welchem Jahr sie geboren ist. Sie lebt in bitterarmen Verhältnissen in einer schäbigen Wellblechhütte in Katwe. Katwe ist ein Slum in Uganda, etwas außerhalb der Hauptstadt Kampala. Im Slum gibt es weder Strom noch fließendes Wasser oder Sanitäreinrichtungen. Dafür gibt es Unmengen von Müll und Ratten, die dort mit den Menschen auf engstem Raum leben. Die Hälfte der Mütter, die in Katwe leben, ist noch im Teenager-Alter. Als Phiona erst 3 Jahre alt ist, wird sie zur Halbwaise. Ihr Vater stirbt an AIDS, wie so viele Väter
6 M. Medert in Katwe. Kurz danach stirbt auch ihre Schwester Julia – vermutlich an Malaria. Ohne den Vater ist es für Phionas Mutter herausfordernd, jeden Tag ausreichend Essen für ihre Kinder aufzutreiben. So muss Phiona oft hungrig ins Bett und auf der Straße schlafen. Am notwendigen Geld für einen Schulbesuch mangelt es sowieso. Daher kann Phiona weder lesen noch schreiben. Es ist ein Leben ohne Perspektive. Jeden Tag läuft sie durch Katwe auf der Suche nach etwas Essbaren. Mit etwa 9 Jahren trifft sie auf einem dieser Streifzüge den Sozialarbeiter Robert Katende. Robert bietet ihr eine Schale Getreidebrei an, wenn sie bei ihm an einer Schachlektion teilnimmt. Sie stimmt zu und ist sofort von dem Spiel begeistert. Nun läuft Phiona jeden Tag über sechs Kilometer zu Katende, wo sie eine warme Mahlzeit erhält und immer besser Schach spielen lernt. Obwohl einige der Figuren fehlen und durch Gegenstände aus dem Müll ersetzt werden, zeigt sich schnell Phionas großes Talent. Schon ein Jahr später gewinnt sie ein Schachturnier im nahen Kampala und erhält ein kleines Preisgeld. Selbstlos gibt sie das Geld ihrer Mutter. Bald gewinnt Phiona immer größere und wichtigere Turniere und qualifiziert sich mit etwa 16 Jahren sogar für die Schacholympiade im fernen Russland. Von dessen Preisgeld zahlt sie Schulgeld und kauft für ihre Familie vier Betten und Matratzen. Jetzt müssen sie nicht mehr auf dem Boden schlafen. So wird sie zu einer professionellen Schachspielerin. „Am Anfang war Schach für mich nur eine Schale Haferbrei“, sagt Phiona. Doch nun kann sie zur Schule gehen und lernt dort zu lesen, zu schreiben und Englisch zu sprechen. Phionas nächstes Ziel ist es, zu studieren und Ärztin zu werden. Heute kann sie ohne Hunger einschlafen. Sie hat ihr Talent genutzt und konnte so ihrer scheinbar hoffnungslosen Lage entkommen: Obwohl sie weder lesen noch schreiben konnte, setzte sie ihre Gegner schachmatt. Ihr Schicksal wurde inzwischen von Disney unter dem Titel „Queen of Katwe“ verfilmt.
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Absolute Armut Die UNO hat eines ihrer 17 Nachhaltigkeitsziele als erstes und wichtigstes Ziel auserkoren: Sie möchte die Armut in allen ihren Formen und überall beenden. Dabei stehen vor allem Menschen in „absoluter Armut“ im Mittelpunkt. Sie leben unter dem Existenzminimum. Das bedeutet, ihr Leben ist ein ständiger Kampf ums Überleben. Ihnen fehlen häufig selbst für lebensnotwendige Grundbedürfnisse wie Essen und Trinken die Mittel. Die Weltbank schätzt, dass ein Mensch in den USA mindestens 1,90 US$ pro Tag zum Überleben benötigt [57]. Menschen die weniger als diesen Betrag haben, werden als absolut arm angesehen. Nun kann man mit 1,90 US$ im Kongo schon recht viel kaufen, während man in der Schweiz sehr wenig dafür bekommt. Die Weltbank berücksichtigt diese Unterschiede, indem sie die Kaufkraft des US-Dollars in die jeweilige lokale Kaufkraft umrechnet. Die Definition gilt damit weltweit: Absolut arme Menschen können sich am Tag nicht einmal so viele Güter kaufen, wie sie in den USA für 1,90 US$ bekommen würden. Niemand kann genau erfassen, wie viele Menschen weniger als 1,90 US$ am Tag zur Verfügung haben. Schätzungen gingen 2015 von mehr als 700 Mio. Menschen in absoluter Armut aus [125]. Es geht auf jeden Fall um hunderte Millionen Menschen, die nicht das Notwendigste zum Leben haben. Regional sind besonders Afrika südlich der Sahara und Südasien betroffen. Historisch gesehen lebt ein immer geringerer Teil der Weltbevölkerung in absoluter Armut. Noch um 1800 lebten etwa 85 % aller Menschen in absoluter Armut – und das auf allen Kontinenten. Von den damals etwa 1 Mrd. Menschen auf der Welt lebten also etwa 850 Mio. in absoluter Armut [190].
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Interessanterweise sind das, in absoluten Zahlen, etwa so viele Menschen, wie auch heute in absoluter Armut leben. Der Unterschied zu heute ist, dass damals die überwiegende Mehrheit der Menschheit davon betroffen war. Besonders seit den 1950er-Jahren haben es insbesondere Nordamerika und Europa geschafft, das mittlere Einkommen spürbar aus dem Bereich der absoluten Armut herauszubekommen. In den 1990er-Jahren lebten daher bereits weniger als die Hälfte der Weltbevölkerung in absoluter Armut – doch das waren absolut gesehen mehr als 2 Mrd. Menschen. Insbesondere der Aufstieg von China und Indien reduzierte die Anzahl der absolut armen Menschen in den letzten 25 Jahren wieder deutlich – sowohl in absoluten Zahlen also auch relativ: Heute sind nur noch 10 bis 15 % der Menschheit absolut arm. Während die bevölkerungsreichen Länder China und Indien wirtschaftlich aufstiegen, machten zahlreiche andere Länder im gleichen Zeitraum kaum Fortschritte in Bezug auf extreme Armut. Man wird also den Trend nicht einfach fortschreiben können. Es besteht die Gefahr, dass sich Armut in armen oder verfallenen Staaten konzentriert und festsetzt, insbesondere in Afrika südlich der Sahara [125]. Daher ist es wichtig, dieses Ziel mit allem Nachdruck zu verfolgen und sowohl über neue Ansätze nachzudenken oder zu prüfen, welche Erfolgsfaktoren von China und Indien auf die verbleibenden Länder übertragbar sind. Außerdem gibt eine noch größere Zahl von Menschen, deren verfügbares Einkommen nur sehr knapp über dieser Armutsgrenze liegt. Diese Menschen rutschen sehr schnell in die extreme Armut, wenn sie zum Beispiel krank werden oder eine Regenzeit ausbleibt.
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Wir müssen also unsere Anstrengungen verstärken beziehungsweise noch effektiver gestalten. Das gelingt am besten, wenn wir die Ursachen absoluter Armut verstehen und bekämpfen.
Die Hauptursachen absoluter Armut Meist führen mehrere Gründe gleichzeitig zu extremer Armut. Einige führen dazu, dass ganze Länder oder Regionen unter extremer Armut leiden. Andere Armutsursachen treffen eher einzelne Menschen. Schauen wir uns einige der Hauptursachen für absolute Armut etwas genauer an.
Einige Ursachen für verbreitete absolute Armut in ganzen Ländern • Bewaffnete Konflikte: Kriege und bewaffnete Konflikte führen häufig zu extremer Armut in einem Land [88]. Das liegt daran, dass Straßen und andere Infrastrukturen zerstört werden, Produkte des täglichen Lebens fehlen oder nur zu hohen Preisen erhältlich sind. Schließlich nehmen Menschen, die vor dem Krieg fliehen, im Allgemeinen nur das mit, was sie tragen können. Wenn wir in den Nachrichten die Bilder zerbombter Städte in Syrien sehen, können wir uns gut vorstellen, dass die Menschen dort Glück hatten, wenn sie mit dem Leben davongekommen sind. Doch viel mehr als das nackte Leben können sie dann kaum retten. Sie verlieren oft ihr Vermögen, ihren Job, ihren Zugang zu Nahrung und vieles mehr. • Bad Governance: Schlechte Regierungsführung (englisch „bad governance“) ist eine weitere Hauptursache für absolute Armut [17]: Die betroffenen
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Staaten geben meist deutlich mehr Geld für Waffen und Rüstungsprojekte aus, als für Sozialleistungen. Diese Staaten finanzieren also kein soziales Netz, das die Ärmsten auffangen könnte. Im Gegenteil: Die weit verbreitete Korruption sorgt dafür, dass die Ärmsten von Bildung und Wissen abgeschnitten bleiben und medizinisch nicht versorgt werden. Auch die Infrastruktur bleibt meist marode. Weiterhin sind korrupte Staaten auch weniger attraktiv für private Investoren, die zusätzliche Arbeitsplätze im Land schaffen könnten. Korruption betrifft auch die Entwicklungshilfe, wenn die Gelder nicht wie vorgesehen verwendet werden, sondern bei der reichen Elite landen. In solchen Fällen stärken Entwicklungshilfezahlungen sogar das korrupte System. • Klima: Kleinbauern stellen den größten Teil der absolut armen Menschen. So trägt auch das Klima bzw. der Klimawandel zur Armut bei [118]. Kleinbauern müssen meist hilflos zuschauen, wenn sich Wüsten ausbreiten, ihr Boden erodiert, Wasserquellen versiegen oder wenn sie von extremen Wetterphänomenen wie Dürren getroffen werden. Wenn die Erntemengen einer Kleinbauernfamilie zu sehr sinken, rutscht die Familie in extreme Armut. Das wirkt sich auch auf andere aus: Wenn weniger Nahrungsmittel geerntet werden können, steigen die Lebensmittelpreise für die Menschen in den Städten. Deren Einwohner müssen immer mehr Geld für die Ernährung aufwenden. Die Ärmeren müssen dann noch stärker um ihr Überleben kämpfen.
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Einige Ursachen für die absolute Armut Einzelner • Bildung: Eine Ursache für die extreme Armut einzelner Menschen ist ein Mangel an Bildung und Ausbildung: Menschen finden leichter einen ausreichend bezahlten Arbeitsplatz, wenn sie lesen, schreiben und rechnen können und eine gute Ausbildung haben [226]. Menschen mit einer guten Bildung gehen selbst ohne Arbeitsplatz häufiger erfolgreicher durch ihr Leben, weil sie ihren Weg leichter durch eigene Ideen gestalten können. So sind sie weniger von absoluter Armut bedroht. Doch gerade die Bevölkerung in den ländlichen Gebieten von Entwicklungsländern hat oft kaum Zugang zu Bildung. Die betroffenen Kinder helfen stattdessen in der Landwirtschaft. In der Folge werden auch diese Kinder wahrscheinlich ihr ganzes Leben in absoluter Armut verbringen. • Hunger, Unterernährung und Krankheiten: Hunger ist einerseits eine Folge von absoluter Armut und gleichzeitig auch eine Ursache für Armut. Eine unzureichende Ernährung schränkt sowohl die körperlichen als auch die geistigen Kapazitäten eines Menschen erheblich ein. Betroffene können somit schlechter einer geregelten Arbeit mit ausreichend Lohn nachgehen. Betroffene Kinder können sich in der Schule schlechter konzentrieren. Möglicherweise sind sie sogar zu schwach für den weiten Schulweg. Auch eine Krankheit kann in vielfacher Hinsicht zu absoluter Armut führen. Wer Glück hat, kann sich behandeln lassen. Die Kosten für eine Behandlung und für Medikamente müssen die Menschen in den betroffenen Ländern jedoch meist selbst tragen. Wer nur knapp über der Armutsgrenze lebt, rutscht durch solche Ausgaben schnell in eine existenzbedrohende Lage. Andere haben möglicherweise gar keinen Zugang zu einer Gesundheitsstation,
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einem Krankenhaus oder zumindest einem Arzt. Selbst wenn die Krankheit nicht lebensbedrohlich ist, können unbehandelte Krankheiten zu einer geringeren Leistungsfähigkeit führen, was sich wiederum auf das zukünftige Einkommen auswirken wird. • Ausbleibende Investitionen: Extrem Arme können kaum etwas sparen und werden auch kaum Kredite von Banken erhalten. Wenn sie von der eigenen Landwirtschaft leben, können sie daher auch kaum in besseres Saatgut oder in Arbeitsgeräte investieren. Beides könnte möglicherweise die Erträge erhöhen, sodass die Ernte ein Auskommen für das ganze Jahr sicherstellt oder dass ein Teil der Ernte zum Handeln verwendet werden könnte. Für die Bauern ist es schwer, produktiver zu arbeiten, so lange sie nicht investieren können. Gerade bei den angeführten Ursachen für die extreme Armut Einzelner ist erkennbar, dass die Folgen von Armut häufig auch gleichzeitig Ursachen für Armut sind. So entstehen Teufelskreise oder Abwärtsspiralen, die Armut langfristig verfestigen [5]. Für Betroffene ist es dann sehr schwer, sich ohne Hilfe von außen aus ihrer Situation zu befreien (Abb. 1): Armut ist Hauptursache dafür, dass Millionen Menschen verhungern oder unterernährt sind. Mangelnde Ernährung wirkt sich negativ auf die geistige, motorische und soziale Entwicklung eines Kindes aus. Hinzukommt, dass sich Kinder nur schwer auf ein Schulfach konzentrieren können, wenn sie den ganzen Tag noch nichts gegessen haben. Selbst wenn keine Mangelernährung vorliegt, müssen viele Kinder in extrem armen Familien meist bereits in sehr frühem Alter arbeiten. Solche Kinder haben dann keine Zeit für einen Schulbesuch und haben in der Folge als Erwachsene einen sehr niedrigen Bildungsstand. Mangelernährung und K inderarbeit führen
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Abb. 1 Teufelskreis Armut
meist zu einem lebenslangen schlechteren Einkommen, sodass die Betroffenen später auch ihre eigenen Kinder wieder schlechter versorgen können. Dieser Kreislauf dreht sich immer weiter, wenn er nicht an einer Stelle unterbrochen wird. Es wird deutlich, dass absolute Armut ein zentrales Thema ist. Es hat einen Grund, dass es an erster Stelle der Liste der Nachhaltigkeitsziele steht. Es fällt auf, dass viele der Folgen und Ursachen selbst separate Nachhaltigkeitsziele sind. Wir werden diese Themen in den folgenden Kapiteln also noch genauer betrachten. Einerseits wird das Thema durch die vielen Abhängigkeiten komplexer. Andererseits ergeben sich dadurch auch viele Anknüpfungspunkte, die Menschen aus der absoluten Armut führen können. Das Mädchen Phiona am Anfang
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des Kapitels fand ihren Weg aus der extremen Armut. Das haben auch Millionen anderer Menschen geschafft. Wenn es heute eine Milliarde weniger absolut arme Menschen gibt als vor 25 Jahren, dann zeigt uns das, was alles möglich ist.
Armut in Deutschland „Ausgerechnet am Tag des Schulausflugs ist Niko krank und bleibt zu Hause. Das war auch schon bei unserer Klassenfahrt im letzten Jahr so.“ Nikos Klassenlehrerin erkennt hier ein Muster. Niko war auch selbst im heißen Sommer des letzten Jahres fast nie im Schwimmbad. Die Lehrerin vermutet, dass die alleinerziehende Mutter von Niko das Geld fehlt, damit Niko und sein kleiner Bruder an den Ausflügen der Schule oder an relativ teuren Freizeitaktivitäten teilnehmen können.
Absolute Armut sollte in Deutschland ausgeschlossen sein. Unser Sozialsystem sieht vor, dass jeder staatliche Unterstützung erhält, damit keiner hungern, dursten oder frieren muss. Vielmehr soll jeder zumindest grundlegend am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Manchmal jedoch nehmen bedürftige Menschen die staatliche Unterstützung – etwa aus Scham – nicht an. Dann kann es auch in Deutschland vereinzelt zu absoluter Armut kommen. Doch das ist eher die Ausnahme. Weit verbreiteter ist die „relative Armut“ [56]. Sie berücksichtigt die Versorgung von Menschen mit Gütern im Vergleich zum Wohlstand der jeweiligen Gesellschaft. So gilt in Deutschland jeder als relativ arm, der weniger als 60 % des Durchschnittseinkommens verdient. Solange sich Einkommen unterscheiden, herrscht mit dieser Definition automatisch auch relative Armut. Selbst,
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wenn alle Deutschen plötzlich das Zehnfache verdienen würden, wären immer noch genauso viele Menschen relativ arm. Relativ arme Menschen können ihre existenziellen Grundbedürfnisse meist erfüllen. Sie können sich jedoch weniger am gesellschaftlichen Leben beteiligen als die meisten anderen. Dadurch sind sie in der Gesellschaft sozial ausgegrenzt. Wie oben beschrieben, gilt in Deutschland jeder als „arm“, der weniger als 60 % des mittleren Einkommens der gesamten Bevölkerung zur Verfügung hat. Für 2015 bedeutete dies, dass eine alleinlebende Person in Deutschland bei einem Einkommen von unter etwa 1000 EUR als relativ arm bezeichnet wird. Das ist zwar eine praktische, weil gut messbare Größe, doch sie berücksichtigt nicht das Vermögen. Eine Rentnerin, deren Rente knapp unter dem Grenzwert liegt, gilt auch dann als arm, wenn sie ein abbezahltes Haus und ein großes Vermögen hat. Ebenso wird ein Student hinzugezählt, der sein Studium gerade so durch Nebenjobs, BAFÖG oder Unterstützung seiner Eltern finanziert. Daher sollte man selbst in Deutschland sehr vorsichtig mit den absoluten Zahlen zur Armut umgehen. Es besteht die Gefahr, dass einerseits aufgrund ungenauer Statistiken reißerische Schlagzeilen erzeugt werden oder andererseits Armut in Deutschland verharmlost wird. Dabei ist es doch ähnlich wie bei den Statistiken zur absoluten Armut. Auch hier ist nicht die absolute Zahl entscheidend. Fakt ist, dass Millionen Menschen in Deutschland vom gesellschaftlichen und sozialen Leben ausgeschlossen sind, weil sie ein geringes Einkommen haben. Das trifft neben Arbeitslosen auch viele Menschen, die trotz eines Vollzeitjobs Schwierigkeiten haben, mit ihrem geringen Lohn auszukommen. Betroffene fühlen sich ausgegrenzt und sehen auch keine Perspektive. Überproportional häufig von
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Armut betroffen sind neben Arbeitslosen besonders Alleinerziehende und Familien mit vielen Kindern. Wenn man mit den Menschen spricht, die bei den Tafeln für Essen anstehen, das andere nicht mehr haben wollten, versteht man, wie gedemütigt sich viele der Betroffenen fühlen. Sie müssen ihre Scham überwinden, um eine relativ sichere Versorgung mit Grundnahrungsmitteln zu erhalten. Für die Betroffenen ist es eine Katastrophe, wenn eine Waschmaschine kaputtgeht, die Miete steigt oder irgendwo ungeplante Mehrkosten entstehen. Inzwischen hat sich eine Art Parallelwelt entwickelt, sodass sich die Armen und Reichen im Alltag immer seltener begegnen. Wo auf der einen Seite ein fester Arbeitsplatz, ein Biosupermarkt und Restaurantbesuche stehen, finden sich Hunderttausende auf der anderen Seite bei Jobcentern, Tafeln und Second-Hand-Läden. Gerade in den Städten leben die beiden Gruppen in verschiedenen Stadtteilen und die Kinder besuchen unterschiedliche Schulen. Beide Schichten leben in der gleichen Stadt, ohne sich im Alltag zu begegnen und sich auszutauschen. So verwundert es nicht, dass Untersuchungen bestätigen, wie schwer es ist, der relativen Armut zu entkommen. Ähnlich wie bei der absoluten Armut gelingt der Aufstieg relativ selten. So sind die Prognosen für Kinder, die in relativ armen Verhältnissen aufwachsen, eher negativ [139]. Sie sind meist im Bildungssystem und in der Gesundheitsvorsorge benachteiligt. Folglich zeigen sie unterdurchschnittliche Schulleistungen, ernähren sich ungesünder und sind später wesentlich wahrscheinlicher selbst von relativer Armut betroffen. Relative Armut ist nicht nur für den Einzelnen eine Tragödie. Gerade die fehlenden Perspektiven sind auch eine große gesellschaftliche Gefahr: Wenn sich immer mehr Menschen abgehängt fühlen und keine Perspektive für sich und ihre Kinder sehen, werden viele von ihnen
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die bestehenden Institutionen, Werte und die Legitimität des Staates in heutiger Form infrage stellen. Dies machen sich populistische Parteien zunutze, wie die Wahl Donald Trumps eindrucksvoll zeigt. Wenn die Politik dieses wichtige Thema zu sehr vernachlässigt, werden Populisten mit national-protektionistischen Slogans immer mehr Zulauf bekommen. Für ein reiches Land wie Deutschland sollte es daher ein wichtiges Ziel sein, allen Kindern gleichberechtigte Startbedingungen und gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen – unabhängig von den familiären Startbedingungen. Taktisch geschickt verpönen viele Populisten die Globalisierung und versprechen eine Abschottung und den Schutz der heimischen Wirtschaft mit ihren Arbeitsplätzen. Denn die Globalisierung hat zwar den Wohlstand insgesamt sicher erhöht, andererseits haben auch viele Menschen in Deutschland durch die Globalisierung nun weniger Einkommen zur Verfügung [142]. Es gibt offensichtlich einen Zusammenhang zwischen der oben beschriebenen sinkenden globalen Ungleichheit (Sinken der absoluten Armut in Ländern wie China) und der gestiegenen Ungleichheit innerhalb der reichen Staaten wie Deutschland. Auch bei uns sind in den letzten Jahren sehr viele Jobs mit niedriger bis mittlerer Qualifikation im verarbeitenden Gewerbe weggefallen. Ein Hauptgrund hierfür war die Verlagerung der Produktion nach China, mit seinen deutlich niedrigeren Lohnkosten. Der Rückgang der absoluten Armut in China steht somit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Anstieg der relativen Armut in Deutschland. Allerdings handelt es sich bei dieser Umverteilung nicht um ein Nullsummenspiel, bei dem das, was ein Mensch gewinnt, automatisch zu einem Verlust in gleicher Höhe bei einem anderen führt. Wer sich den veränderten Bedingungen anpasst, kann sogar profitieren oder kann die negativen
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Effekte zumindest etwas abmildern. So waren die Einkommenseinbußen der amerikanischen Mittelschicht in diesem Zusammenhang größer als die bei der europäischen Mittelschicht [54]. Es muss also in Deutschland nicht zwangsläufig mehr (relativ) Arme geben, damit es weltweit weniger (absolut) Arme gibt. Wo können wir also ansetzen, um die relative Armut zu reduzieren? Viele denken in diesem Zusammenhang zuerst an den Sozialstaat, der die Folgen der Armut durch höhere Regelsätze in der Grundsicherung, mehr Sozialhilfe und Kindergeld abfedern kann. Anpassungen dort mögen ebenfalls gerechtfertigt sein, allerdings behandeln sie nur die Symptome statt der Ursachen. Im Fokus sollte daher auch insbesondere eine bessere und flexiblere Kinderbetreuung stehen, die es auch alleinerziehenden Angestellten etwa im Einzelhandel, Gastronomie oder Schichtarbeitern erlaubt, trotz Kindern einer Arbeit nachzugehen. Weiterhin sollten Möglichkeiten für bessere Bildungschancen für geringer Qualifizierte und deren Kinder gesucht werden. Ein Ausbau der Ganztagsschulen könnte sich hier positiv auswirken [245]. Solche Maßnahmen sind eine Investition in die Zukunft, die für Wachstum, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit sorgen. Wenn Unternehmen dann noch innovative Produkte entwickeln und damit vor Ort Arbeitsplätze schaffen, könnten in Deutschland in Zukunft immer weniger Menschen von relativer Armut betroffen sein.
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Ziel 2: Kein Hunger
Mary’s Meals Magnus MacFarlane-Barrow ist ein Lachszüchter im kleinen, abgelegenen schottischen Dorf Dalmally. Als er in den 1990ern das Grauen des Balkankriegs im Fernsehen sieht, organisiert der damals erst 24-jährige Magnus mit seinem Bruder einen Hilfstransport mit einem alten Land Rover ins damalige Jugoslawien. Daraus entwickelt sich eine dauerhafte kleine Hilfsorganisation. 2002 hört Magnus von der Hungersnot, unter der die Menschen in Malawi leiden. Er nimmt eine Woche Urlaub, fliegt nach Malawi und macht sich vor Ort ein Bild. Dort trifft er den 14-jährigen Edward, der gerade seinen Vater verloren hat. Er, seine fünf Geschwister und seine Mutter hungern seitdem fast täglich. Edward erzählt Magnus von seinem einzigen Traum: „Ich möchte ausreichend zu essen haben und eines Tages in die Schule gehen.“ Diese Worte berühren Magnus zutiefst und er stellt sich vor: Wie wäre es, wenn es möglich wäre, jedem Kind auf der Erde zumindest eine Mahlzeit am Tag bereitzustellen – und zwar in einer Schule. Das würde hungrigen Kindern wie Edward unmittelbar gegen den akuten Hunger helfen und gleichzeitig eine Ursache des Hungers bekämpfen: den fehlenden Zugang zu Bildung. Wenn sie eine Schule besuchen, würden sie
20 M. Medert später leichter einen Job finden und es damit langfristig schaffen, den Hunger zu überwinden. Die Idee von „Mary’s Meals“ ist geboren. Magnus möchte nicht über die großen Zahlen – die Millionen von Hungernden – nachdenken, sondern konkret den Kindern im nächsten Dorf helfen. Seine kleine Hilfsorganisation richtet er nun immer stärker auf die Schulspeisung aus. Er möchte Kindern täglich eine warme Mahlzeit in der Schule anbieten. Von Anfang an legt Magnus viel Wert auf Nachhaltigkeit. So werden zum Beispiel die Lebensmittel wo immer es geht bei lokalen Kleinbauern gekauft, sodass das Programm auch zum Wirtschaftswachstum in der Region beiträgt. Das Essen wird von Freiwilligen vor Ort zubereitet und ausgegeben. Meist wechseln sich die Eltern der Schulkinder dabei ab. Noch im gleichen Jahr versorgt Magnus mit diesem Konzept 200 Schulkinder in Malawi mit Essen. Sehr schnell zeigt sich, dass die Schülerzahlen und die Rate der erfolgreichen Schulabschlüsse in solchen Schulen stark steigen, in denen Mary’s Meals die Kinder mit einer kostenlosen Schulmahlzeit versorgt. Die 8-jährige Veronica bestätigt, dass sie viel besser zuhören und lernen kann, seitdem sie nicht mehr mit vor Hunger schmerzendem Magen im Unterricht sitzt. Inzwischen hat sie die Schule abgeschlossen. Sie studiert sogar, weil sie Lehrerin werden möchte. Dann kann sie vielen weiteren Kindern helfen, dem Hunger zu entkommen. Das Konzept ist sowohl effektiv als auch extrem kostengünstig. Indem viele Freiwillige das Konzept tragen, kostet es weniger als 16 EUR, ein Kind für ein ganzes Schuljahr mit einer täglichen warmen Mahlzeit zu versorgen. Selbst in der Verwaltung (etwa bei Mary’s Meals Deutschland e. V.) arbeiten fast alle Mitglieder ehrenamtlich. So ist es nicht verwunderlich, dass das Programm immer weiterwächst. Inzwischen versorgt Mary’s Meals weit über 1 Mio. Kinder täglich während ihres Schulbesuchs, und das in vielen Ländern rund um die Welt. Selbst in gefährlichen Gegenden, wie etwa dem berüchtigten Slum Cité Soleil auf Haiti oder auch im Südsudan, funktioniert die tägliche Essensausgabe in den Schulen. Hier zeigt sich der Erfolg des Konzepts, das auf die lokale Gemeinschaft baut. Auf deren Engagement können sich die Kinder auch während schrecklicher Umstände verlassen.
Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen 21 Diese Geschichte von Magnus wird ausführlich in seinem Buch „Eine Schale Getreide verändert die Welt“ beschrieben. Sie zeigt wunderbar, was ein einzelner Mensch bewirken kann. Dafür muss man weder reich noch einflussreich sein. Der kleine Edward aus Malawi hat ihn auf die Idee gebracht und Magnus hat sie mit aller Energie umgesetzt. Das Bild von Edward und seiner Familie aus 2002 hängt seitdem im Wellblech-Schuppen neben dem Haus von Magnus Eltern, von wo aus Magnus heute noch die weltweite Organisation Mary’s Meals steuert.
Was verstehen wir unter „Hunger“ und was sind seine Folgen? Wenn Du einen geregelten Tagesablauf hast, kennst Du das vielleicht: Du kannst ausnahmsweise erst ein paar Stunden später essen als gewohnt, Dein Magen knurrt und Du hast einen richtigen Heißhunger. Das ist unangenehm. Doch hier geht es um Menschen, die dauerhaft weniger Kalorien zu sich nehmen, als sie verbrauchen. Sie müssen teilweise Tage, Wochen oder sogar Monate ohne ausreichend Nahrung auskommen. Bei gesunden Menschen funktioniert das für eine gewisse Zeit überraschend gut: Unser Körper kann auf eine Art Energiesparmodus umstellen [48]. Doch schon bald fühlen sich die hungernden Menschen antriebslos, haben Schmerzen und ihr Immunsystem wird zunehmend schwächer. Ihr Risiko steigt, an gewöhnlichen Krankheiten wie Durchfall oder Masern zu sterben. Bei den Überlebenden greift der Organismus bei anhaltendem Hunger auf immer wichtigere Teile des Körpers zu, damit er genug Energie zum Leben hat. Irgendwann wird dafür sogar der Herzmuskel nach und nach abgebaut. Schließlich versagen
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die Organe. Der Mensch stirbt. So geht es jedes Jahr Millionen von Menschen. Sie sterben an Hunger. Wie dramatisch die Auswirkungen von Hunger sind, sieht man an einer Zahl, die Jean Ziegler (ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung) in einem Interview 2019 nennt: Etwa alle 5 s stirbt ein Kind unter 10 Jahren an den Folgen von Hunger [262]. Das sind Millionen Kinder jedes Jahr. In der Zeit, in der Du diesen Absatz gelesen hast, ist gerade wieder irgendwo auf der Welt ein Kind qualvoll verhungert. Selbst, wenn sie die Hungerleiden überleben, hat Hunger gerade für Kinder gravierende Folgen: Sie bleiben körperlich unterentwickelt und können sich in der Schule kaum konzentrieren – wenn sie überhaupt noch stark genug sind, um die Schule zu besuchen [227]. Ohne Ausbildung haben sie später als Erwachsene wiederum nur geringe Chancen, genug Geld zu verdienen, um sich ausreichend zu ernähren. Wir erinnern uns an den Teufelskreis im vorherigen Kapitel. Genau hier setzt zum Beispiel die oben beschriebene Hilfsorganisation Mary’s Meals an. Bei der Schulspeisung achtet diese Organisation darauf, dass die ausgegebenen Mahlzeiten auch ausreichend Vitamine und Mineralstoffe enthalten. Denn Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 2 Mrd. Menschen zwar nicht unterernährt, aber doch mangelernährt sind. Wie bei der Unterernährung sind mangelernährte Erwachsene meist geschwächt und werden schneller krank. Auch sie rutschen schnell in den oben erwähnten Teufelskreis. Noch schlimmer trifft es wieder die Kinder: Bei ihnen sind die Auswirkungen von Mangelernährung besonders verheerend, wenn sie in den ersten 1000 Tagen ihres Lebens auftritt – also in der Zeit zwischen der Zeugung und dem 2. Geburtstag. Mangelernährung in dieser Phase beeinflusst, wie Kinder wachsen, wie sich das Gehirn entwickelt, ob Kinder mit einer Behinderung auf die Welt
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kommen und wie anfällig sie sind, ernsthaft krank zu werden. Kinder von mangelernährten Müttern kommen häufiger bereits mit Einschränkungen auf die Welt.
Wo ist Hunger am weitesten verbreitet? Nach Angaben des Agrarberichts der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen war im Jahr 2018 etwa jeder neunte Mensch unterernährt und musste regelmäßig hungrig schlafen gehen [72]. Das entspricht mehr als 820 Mio. Menschen. Etwa zwei Drittel davon leben in asiatischen Ländern, wie Indonesien oder den Philippinen. Die meisten anderen Betroffenen leben in Afrika und ein kleinerer Teil in Lateinamerika. In all diesen Ländern hungern besonders Frauen und Kinder. Weiterhin fällt auf, dass die Hälfte der Hungernden ihr Essen gar nicht kauft, sondern als Kleinbauern selbst Lebensmittel anbaut. Auch die Armen in den Slums der großen Städte stellen einen großen Teil der Hungernden. Viele Jahre sank die Zahl der Hungernden und folgte damit dem Trend zur abnehmenden absoluten Armut. Der Zusammenhang ergibt sich daraus, dass, wer nicht absolut arm ist, sich mit den benötigten Lebensmitteln eindecken kann. Im Jahr 2016 gab es dann wieder einen Anstieg der Hungernden. Das lag vor allem an akuten Hungersnöten.
Warum müssen Menschen hungern? Akute Hungersnöte Hungersnöte treten meist infolge von bewaffneten Konflikten oder Naturkatastrophen auf. Sie führen dazu, dass Millionen von Menschen unter starker Unter-
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ernährung leiden und viele an den oben beschriebenen Folgen sterben. Jeder kennt die mitleiderregenden Bilder der hungernden Kinder aus den Nachrichten oder aus den Spendenaufrufen der Hilfsorganisationen. Ein großer Teil der akut hungernden Menschen lebt in Regionen mit Bürgerkriegen wie dem Südsudan. Sie können sich dort nicht ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgen. Viele müssen fliehen, um ihr eigenes Leben und das ihrer Familie zu retten. Doch wer flieht, der sät und erntet nichts. Er verdient auch kein Geld, mit dem er Lebensmittel kaufen könnte. Inmitten der bewaffneten Konflikte werden ohnehin kaum Lebensmittel verkauft, weil kaum jemand den Mut aufbringt, sie zu transportieren oder auf Märkten anzubieten. Das Essen gelangt daher nicht zu den Menschen oder es wird unerschwinglich teuer. Frieden ist somit eine wichtige Voraussetzung für den Kampf gegen den Hunger. Daher gibt es zum Thema „Frieden“ ein separates Nachhaltigkeitsziel, das wir in einem der folgenden Kapitel genauer betrachten. Neben den Kriegen verursachen auch Naturkatastrophen immer wieder Hunger [246]. Besonders schlimm trifft es dabei die Kleinbauern. Selbst wenn sie in guten Jahren gerade genug ernten, um die Familie zu ernähren, können wir uns gut vorstellen, wie es diesen Menschen ergeht, wenn ein großer Teil der Ernte durch extreme Wetterbedingungen verloren geht. Das passiert immer häufiger, denn durch den Klimawandel kommt es vermehrt zu starken Niederschlägen, Dürreperioden und Hitze. Auch zum Thema „Klimawandel“ gibt es daher ein eigenes Nachhaltigkeitsziel und ein eigenes Kapitel in diesem Buch.
Chronischer Hunger Die Medien berichten regelmäßig von solchen akuten Hungersnöten. Doch die meisten Hungernden leiden
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nicht vorübergehend, sondern chronisch an Unterernährung. Sie sind weder von Kriegen noch von Umweltkatastrophen betroffen, und müssen doch regelmäßig hungrig durch den Tag kommen. Um zumindest ein paar Krümel auf den Teller zu bekommen, müssen sie meist all ihre Arbeitskraft und ihr ganzes Geld einsetzen. Viele chronisch Hungernde leben als Kleinbauern auf dem Land. Auch ganz ohne Naturkatastrophen fällt bei vielen von ihnen die eigene Ernte regelmäßig zu gering aus, als dass sie damit ihre Familie das ganze Jahr über satt bekämen. Da nichts zum Verkaufen oder Tauschen übrigbleibt, können sie auch keine zusätzlichen Lebensmittel kaufen. Folglich können sie auch nicht in besseres Saatgut, Werkzeuge oder Dünger investieren, um ihren Ertrag langfristig zu steigern. Ganz im Gegenteil: Einige müssen sogar fürchten, ihr kleines Feld zu verlieren, denn seit Jahren kaufen oder pachten Staaten, Investoren und Großkonzerne großflächig Land in den ärmeren Ländern [135]. Kleinbauern, die aufgrund der meist fehlenden Kataster nicht nachweisen können, dass ihnen das Land gehört, werden teilweise sogar ohne Entschädigung vertrieben. Verschlimmernd kommt hinzu, dass auf diesen Flächen dann häufig keine Nahrung mehr für die lokale Bevölkerung angebaut wird. Dort wachsen danach typischerweise Futtermittel oder Pflanzen zur Energiegewinnung. Ausländische staatliche Akteure nutzen die Flächen häufig, um Nahrungsmittel in ihre Heimatländer zu exportieren, sodass die heimische Bevölkerung dieser Staaten versorgt wird. Doch nicht nur die Kleinbauern hungern chronisch. Manchen hungernden Menschen fehlt der Zugang zu Lebensmitteln, weil es kaum Straßen und Märkte in der Nähe gibt oder weil Korruption eine effektive Verteilung der Lebensmittel verhindert. Vor allem sind da aber hunderte Millionen von Menschen, für die Lebensmittel
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schlichtweg zu teuer sind. Der Preis einer Ware steigt vor allem dann, wenn mehr nachgefragt als angeboten wird. Das führt zu folgender Frage:
Gibt es genug Lebensmittel auf der Welt, um alle Menschen zu ernähren? Unsere Erdoberfläche ist begrenzt und nur auf einem Teil davon können wir Nahrungsmittel anbauen. Reicht die weltweite Menge an Nahrungsmitteln für alle Menschen auf der Erde [123]? Auch wenn der größte Teil unseres Planeten mit Wasser bedeckt ist, ernähren sich die Menschen nur zu einem kleinen Teil von Meerestieren und -früchten. Dass trotzdem große globale Fischbestände als überfischt gelten, betrachten wir im Kapitel zum Meer. Berücksichtigen wir also vor allem die Landfläche. Von ihr fallen große Teile für die Nahrungsmittelproduktion aus, insbesondere Wüsten, Eisschilde, verbaute Flächen durch Städte und Straßen sowie Waldflächen. Die verbleibende Agrarfläche kann zu mehr als zwei Drittel ausschließlich als Weideland für Vieh verwendet werden, weil die Böden zu trocken sind oder im Gebirge liegen. Nur der Rest ist Ackerland. Wäre diese Ackerfläche weltweit gleich verteilt, hätte jeder Mensch etwa 2000 m2 für sich als Anbaufläche zur Verfügung [280]. Das entspricht gut einem Viertel von einem Fußballfeld. Diese Fläche ist mehr als ausreichend, um einen Menschen zu ernähren – zumindest, wenn man sie effektiv und ausschließlich für den Anbau von Lebensmitteln verwendet. Theoretisch könnten die globalen Lebensmittelproduzenten mit der vorhandenen Fläche etwa 12 Mrd. Menschen ernähren. Das sind deutlich mehr als die etwa 7 Mrd. Menschen, die heute auf der Erde leben.
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Lebensmittel müssten demzufolge im Überfluss vorhanden sein. Die Fläche ist ausreichend und wir haben das Wissen und die Technik, um alle Menschen ernähren zu können. Und dennoch ist in einigen Teilen der Welt die Nahrung knapp und Millionen Menschen sterben jedes Jahr an Hunger. Dieses Versagen der Menschheit hat Mahatma Gandhi einmal sehr plakativ ausgedrückt: „Hunger ist Mord.“ Auch Dein Verhalten beeinflusst, ob es ausreichend Nahrung auf der Welt gibt, um alle zu ernähren. Denn die, die es sich leisten können, nehmen meist viel mehr als die verfügbaren 2000 m2 Ackerland pro Kopf in Anspruch. Dieser übermäßige Verbrauch führt dazu, dass anderen Anbauflächen fehlen. Doch wie kommt es, dass wir so viel Ackerland verbrauchen, obwohl doch 2000 m2 mehr als ausreichend wären? Das liegt vor allem daran, dass wir den größten Teil der Ernte gar nicht direkt als Nahrungsmittel verwenden. Schauen wir uns im Folgenden drei wesentliche Wege an, welche die Ernte stattdessen nimmt (Daten aus einer Publikation für das Bundesumweltamt aus dem Jahr 2012).
Trog statt Teller 74 % der weltweiten Ernte (geernteten Agrarbiomasse) kommt gar nicht direkt auf einen Teller kommt, sondern landet vielmehr in den Futtertrögen von Rindern, Schweinen und Geflügel [185]. Menschen essen pro Kopf nämlich immer mehr Fleisch und es gibt immer mehr Menschen. So wird heute 3-mal mehr Fleisch produziert als noch vor 40 Jahren. Die Tierhaltung auf Weideflächen, die sich nicht für andere landwirtschaftliche Zwecke nutzen lässt, kann diese Nachfrage schon lange nicht mehr stillen. Die allermeisten Tiere werden heute in Massen-
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tierhaltung mit Kraftfutter etwa aus Soja, Raps, Mais und Weizen gefüttert – Nahrungsmittel, die sonst Milliarden von Menschen ernähren könnten. Nun könnte man meinen, das sei nicht weiter problematisch. Schließlich verzehren wir letztlich viele der gefütterten Tiere oder deren Produkte in Form von Fleisch, Milch und Eiern. Es gibt jedoch einen Haken an diesem Gedanken: Um eine tierische Kalorie zu erhalten, wird ein Vielfaches an pflanzlichen Kalorien benötigt. Um 1 cal Rindfleisch zu erhalten, sind 7 pflanzliche Kalorien notwendig. Anschaulich ist auch folgender Vergleich: Für 1 kg Fleisch braucht man je nach Tierart und Aufzucht 3 bis 9 kg pflanzliche Nahrungsmittel als Futter, die auch für die menschliche Ernährung direkt geeignet gewesen wären [158]. Der weitaus größte Teil der ursprünglichen Ernte geht also verloren, wenn wir pflanzliche in tierische Kalorien umwandeln. Wenn alle Menschen auf der Welt weniger Fleisch und Tierprodukte essen würden, stünden folglich deutlich mehr Nahrungsmittel direkt für den Menschen zur Verfügung. Was kannst Du tun? Verzichte öfter mal auf Fleisch. Wenn Du Dich durchschnittlich ernährst, zeigt Dir der „Fleischrechner“, wie viele Tiere Du bereits gegessen hast: http://apps.opendatacity. de/fleischrechner/. Natürlich ist der Effekt überschaubar, wenn ein Einzelner seinen Fleischkonsum einschränkt. Doch in Deutschland bezeichnen sich inzwischen mehr als ein Drittel der Menschen als sogenannte Flexitarier, die mindestens 3-mal pro Woche auf Fleisch verzichten. Hinzu kommen noch 4 % reine Vegetarier. All diese Menschen gemeinsam haben dann bereits einen spürbaren Effekt auf den weltweiten Fleischkonsum und damit auf die verfügbare Nahrungsmenge.
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Tank und T-Shirt statt Teller Selbst, wenn wir Holz aus der Forstwirtschaft außer Acht lassen, verwenden wir etwa 8 % des weltweiten Ackerlands, um Energie oder Industrieprodukte herzustellen [185]. Weil Autofahren umweltfreundlicher werden soll, wird ein Teil der Ernte für die Energiegewinnung verwendet. Seit einigen Jahren verfolgt die EU das Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien im Kraftstoff auf 10 % zu steigern. Eine Folge davon sind die zahlreichen großen Rapsfelder, die wir in ganz Deutschland sehen. Weltweit werden beeindruckend große Flächen nicht mehr zum Nahrungsmittelanbau genutzt, sondern für Kraftstoffe. Inzwischen arbeiten Forscher daher an der nächsten Generation von Biokraftstoffen. Diese können Pflanzenabfälle verwenden und stehen dann weniger oder gar nicht mehr in Konkurrenz zu den Lebensmitteln. Auch die Industrie nutzt landwirtschaftliche Flächen. Allein, um Baumwolle anzubauen, werden 2 bis 3 % der weltweiten Ackerflächen verwendet. Auf diesen Flächen kann folglich keine Nahrung angebaut werden. Zudem gibt es hier auch weitere schädliche Nebenwirkungen für Mensch und Umwelt, nachdem die meisten Baumwollplantagen in Trockengebieten stehen, in großen Mengen künstlich bewässert werden und zahlreiche Pestizide notwendig sind, um die Erträge zu sichern. Hier fehlen bisher einsatzfähige und brauchbare Alternativen für den Massenmarkt.
30 M. Medert Was kannst Du tun? Kaufe keine unnötige neue Kleidung. Das schont nicht nur den Geldbeutel, sondern ist auch der wirksamste Weg, weniger Ackerfläche für Baumwolle zu verbrauchen. Wenn wir uns vor Augen halten, dass der durchschnittliche Deutsche im Laufe seines Lebens etwa 1,5 t Altkleider anhäuft, war vermutlich nicht alles davon wirklich nötig und einiges wurde möglicherweise kaum getragen.
Tonne statt Teller Wir haben gesehen, dass für Futtertrog, Tank und Kleidung ein großer Teil der Ernte verbraucht wird. So kommt es, dass wir nur ein Fünftel des Ackerlands für die direkte Nahrungsmittelproduktion verwenden. Zusammen mit den tierischen Nahrungsmitteln gäbe es aber vermutlich immer noch ausreichend Nahrung, um alle Menschen zu ernähren. Doch es geht noch weitere Nahrung verloren oder wird weggeworfen [78]. Dieser Verlust von Lebensmitteln ist ein weiterer wichtiger Faktor, der dafür sorgt, dass am Ende Nahrungsmittel fehlen. Schließlich verbrauchen wir auch Anbauflächen für solche Lebensmittel, die wir wegwerfen statt sie zu essen. Laut einer Schätzung der Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2011 wird fast ein Drittel der für den menschlichen Konsum produzierten Lebensmittel vernichtet [122]. Erschreckend dabei ist, dass alle Hungernden auf der Welt mit diesem Essen satt werden könnten. Das beginnt schon bei der Ernte. Dort werden Nahrungsmittel häufig direkt wieder untergepflügt, wenn sie in Form, Farbe oder Größe vom Idealbild abweichen, das wir als Konsumenten in den Industrieländern im
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Supermarkt erwarten. Sie gelten als unverkäuflich oder erzielen zu geringe Preise. Es gibt Schätzungen, dass ein Drittel der Kartoffelernte in Deutschland nicht als Lebensmittel verwendet wird, weil die Kartoffeln nicht so aussehen, wie es die selbst aufgestellten Normen des Handels vorschreiben [24]. Dabei schmeckt eine zweibeinige Karotte, eine krumme Gurke oder herzförmige Kartoffel genauso lecker und ist genauso gesund wie das Obst und Gemüse, das den Schönheitsidealen genügt. Da es immer mehr Menschen gibt, die bewusst einkaufen, entwickelt sich inzwischen langsam ein Angebot für Produkte mit optischen Mängeln. In Großstädten gibt es Start-ups wie Querfeld (www.querfeld.bio), auf vielen Wochenmärkten und Hofläden vermarkten die Landwirte solche Produkte selbst und sogar ALDI Süd bietet mit seinen „Krummen Dingern“ inzwischen Möhren und Äpfel an, die kleine Schönheitsfehler aufweisen. Was kannst Du tun? Kaufe auch Obst und Gemüse mit kleinen optischen Schönheitsfehlern. Du erhältst den vollen Geschmack, verschwendest weniger Lebensmittel, sorgst für ein Zusatzeinkommen für die Landwirte und bekommst gesunde Lebensmittel zu günstigen Preisen.
Weitere Lebensmittel werden vernichtet, wenn die Waren etwa beim Lagern oder Transportieren verderben oder die Kunden im Supermarkt die bald ablaufenden Produkte nicht mehr kaufen. Hier werden häufig schon wirksame Konzepte umgesetzt. So sammeln etwa Tafeln aussortierte Lebensmittel ein und verteilen diese an bedürftige Menschen. Auch werden in vielen Supermärkten Produkte zu einem stark reduzierten Preis verkauft, wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum bald abläuft.
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Trotzdem gibt es auch hier noch Optimierungspotenzial. So fand 2015 ein Drittel aller Backwaren in Deutschland nicht den Weg in den Magen des Kunden: Hunderttausende Brote landeten im Schweinetrog oder direkt im Müll, weil sie nicht verkauft werden [122]. Was kannst Du tun? Kaufe auch Produkte deren Mindesthaltbarkeitsdatum fast erreicht ist, sofern Du planst, sie zügig zu verbrauchen.
Auch in Restaurants entsteht viel Lebensmittelabfall. Der Koch weiß im Voraus nicht, welche Produkte der Speisekarte wie oft von den Gästen bestellt werden. Wird ein Gericht weniger häufig bestellt als angenommen, bleibt ein Teil der frischen Zutaten übrig. Immer mehr Restaurants finden inzwischen Wege, damit diese Lebensmittel trotzdem nicht auf dem Müll landen. So arbeiten manche Restaurants auch mit den oben erwähnten Tafeln zusammen, die gerne die nicht servierten Zutaten abnehmen. Andere kaufen von vornherein weniger ein und nehmen damit in Kauf, dass auch mal ein Gericht ausgeht. Gerade in größeren Städten gibt es inzwischen auch eine wachsende Anzahl von Apps, die Restaurants helfen, übrig gebliebene Speisen am Ende des Tages vergünstigt über eine App zu verkaufen. Hunderte Restaurants und Millionen von Nutzern schließen sich solchen Netzwerken an, die zum Beispiel „too Good to Go“ oder „ResQ-Club“ heißen. In der Schweiz haben auch bereits Bäckereien positive Erfahrung mit den Apps gemacht und vermeiden dadurch Abfall durch unverkaufte Backwaren [253]. In Restaurants bleiben aber nicht nur Lebensmittel übrig, die nicht bestellt werden. Regelmäßig essen die Gäste auch ihren Teller nicht leer oder es bleiben Reste
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von einem Buffet. Diese Reste dürfen aus Hygienegründen unbehandelt noch nicht einmal als Tierfutter verwendet werden. Was kannst Du tun? • Frage im Restaurant nach einer kleineren Portion, wenn Du weißt, dass Du ohnehin nicht alles schaffst. • Sollte doch etwas übrigbleiben, nimm übrig gebliebene Speisen mit nach Hause, um sie dort in den nächsten Tagen zu essen. Mehr als die Hälfte der Deutschen macht das schon hin und wieder.
Kommen wir nun zum Privathaushalt, dem letzten Glied der Lebensmittelkette. Hier entsteht der größte Teil des Lebensmittelmülls in Deutschland. Jeder Bundesbürger warf 2015 im Durchschnitt 85 kg Lebensmittel pro Jahr in den Mülleimer [240]. Ein Drittel davon sind üblicherweise Kartoffelschalen, Bananenschalen usw. und gelten als nicht vermeidbar. Übrig bleiben jedoch etwa 50 kg Lebensmittel pro Person und Jahr, die bei richtiger Planung, Lagerung und Verwertung vermutlich im Bauch statt in der Mülltonne hätten landen können. Was kannst Du tun? • Planen: Berücksichtige Deine Vorräte, wenn Du Deine Speisen für die nächsten Tage planst. Kaufe dann nur noch das ein, was Du in den nächsten Tagen zusätzlich brauchst. So kaufst Du frische und verderbliche Lebensmittel nur bedarfsgerecht. Solltest Du Reste haben, verwerte diese in den nächsten Tagen. • Lagern: Achte auf eine korrekte Lagerung. Dabei geht es oft um Kleinigkeiten. Beispielsweise zieht ein geöffneter Joghurt Bakterien an. Abgedeckt hält er deutlich länger. Zahlreiche Tipps zum richtigen Lagern gibt es hier: https://www.bzfe.de/lebensmittel-richtiglagern-645.html.
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Zusammenfassend kann man sagen, dass besonders wir Verbraucher wieder lernen müssen, Lebensmittel zu wertschätzen. Niemand ist perfekt, aber jeder kann beim Einkaufen, Kochen, Lagern und beim Essen seinen Beitrag leisten, dass mehr Nahrung auf den Tellern der Welt landet. Wir können erreichen, dass weltweit deutlich mehr Essen auf Tellern landet. Das erkannte bereits John F. Kennedy 1963 als er sagte: „Als Mitglieder der menschlichen Rasse haben wir die Fähigkeit, die Mittel und die Kapazität, um Hunger noch zu unseren Lebzeiten von der Erdoberfläche auszulöschen. Wir benötigen nur den Willen dazu.“.
Hunger und gute Ernährung in Deutschland Der durchschnittliche Einwohner in Europa verbrauchte 2015 pro Kopf mehr als 2800 m2 Agrarfläche [280]. Das ist etwa ein Drittel mehr, als weltweit pro Kopf zur Verfügung steht. Wie wir oben erfahren haben, fehlt das in anderen Ländern. Die Menschen dort können folglich weniger als 2000 m2 Agrarfläche nutzen. Obwohl wir gute Böden und Wachstumsbedingungen haben, importieren wir Agrarfläche aus anderen Regionen: Wenn Du Dir Deine Vorräte anschaust und einen Blick in Deinen Kühlschrank wirfst, siehst Du möglicherweise schon, von welchen Ländern wir Ackerflächen nutzen. Bei Obst und Gemüse steht vielleicht auf dem Aufkleber, dass es aus Italien oder Spanien kommt. Beim vermeintlich deutschen Schwein oder Rind erkennt man hingegen nicht so leicht, dass es vermutlich hauptsächlich mit Soja aus Lateinamerika gefüttert wurde [14]. Im vorangegangenen Abschnitt haben wir gesehen, wie Du dazu beitragen kannst, dass es insgesamt mehr Nahrungsmittel
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gibt, sodass weltweit alle Menschen ausreichend und gut essen können. Und wie sieht es bei uns in Deutschland aus? Ernähren wir uns ausgewogen oder müssen auch hier Menschen hungern? Die jährlichen Ernährungsberichte im Auftrag der Bundesregierung zeigen, dass sich ein großer Teil der Deutschen nicht besonders gesund ernährt. Im Gegensatz zu den weltweit Hungernden nimmt fast die Hälfte der Deutschen dauerhaft mehr Kalorien zu sich, als sie verbrauchen. Das führt dazu, dass die Waage mehr anzeigt, als sie sollte. 2015 war jeder Fünfte sogar fettleibig [38]. Meist liegt das daran, dass sich die Betroffenen mit zu viel ungesundem Essen und zuckerhaltigen Getränken ernähren und sich gleichzeitig zu wenig bewegen. Demgegenüber ist in Deutschland kaum jemand chronisch unterernährt. Wie im Kapitel zur Armut beschrieben, sind die sozialen Sicherungssysteme bemüht, jedem Einzelnen mehr als nur genug zu essen zu bieten. Doch immer mehr Menschen in Deutschland fällt es schwer, sich angemessen und in Würde zu ernähren. Alleine die Tafeln in Deutschland unterstützten 2019 etwa 1,6 Mio. bedürftige Personen regelmäßig [60]. Und es gibt noch zahlreiche andere Einrichtungen, die sich diesem Problem annehmen. Selbst außerhalb dieser Gruppe gibt es viele Kinder, die nicht ausreichend Nährstoffe zu sich nehmen. Natürlich führen fehlende Nährstoffe auch in Deutschland zu unumkehrbaren Wachstums- und Entwicklungsstörungen. Mangelernährte Kinder werden auch hier ihr Leben lang benachteiligt sein und wahrscheinlich werden sie als Erwachsene nur recht wenig verdienen. Aus Finanznot oder Unwissenheit werden diese Kinder nicht adäquat ernährt [82]. Doch auch in Familien mit höherem Einkommen kommt es teilweise zu einseitiger und falscher
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Ernährung, oft mit viel Fett und Zucker. Außer bei Kindern tritt Mangelernährung besonders auch bei älteren Menschen auf, die sich nicht mehr so gut ernähren können oder aufgrund von geringerem Appetit einfach weniger und einseitiger essen.
Ziel 3: Gesundheit und Wohlergehen
Medicines for Malaria Schon Papyrusrollen aus dem Alten Ägypten berichten von Malaria. Noch um 1900 fordert Malaria in fast allen Ländern der Erde Opfer. Auch bei uns in Deutschland ist Malaria zu dieser Zeit noch weit verbreitet und trifft selbst Berühmtheiten wie Friedrich Schiller. Unsere Vorfahren legen dann immer mehr Sümpfe trocken, setzen Insektizide ein und entwickeln neue Medikamente. So rotten die reichen Länder Malaria in den 1970er-Jahren tatsächlich aus. Malaria ist seither fast nur noch in den armen Ländern zu Hause. Als die Erreger im Laufe der Jahre immer resistenter gegen die bekannten Medikamente werden, sterben wieder mehr Menschen in den armen Ländern an
Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen 37 Malaria. Doch die Pharmaindustrie forscht kaum an neuen Wirkstoffen. Der Markt ist für sie nicht mehr attraktiv, denn jetzt sind vor allem die Armen betroffen, die sich keine teuren Medikamente leisten können. Norbert Blüm schreibt dazu in der Süddeutschen Zeitung: „Die Pharmaindustrie gibt weltweit doppelt so viel Forschungsmittel im Kampf gegen Haarausfall und Erektionsschwächen aus, wie gegen Malaria, Gelbfieber und Bilharziose. Das ist marktwirtschaftlich konsequent, denn die Kunden mit Erektionsschwächen und Haarausfall haben in der Regel mehr Kaufkraft als die Malaria- und Gelbfieberkranken.“ In der Folge stirbt zur Zeit des Jahrtausendwechsels alle 40 s ein Kind auf der Welt an Malaria. Der freie Markt versagt hier kläglich mit tödlichen Folgen für mehr als 1 Mio. Menschen jedes Jahr. In dieser Situation zeigt die Weltgemeinschaft beeindruckend, wozu sie in der Lage ist: Zum einen werden zahlreiche Non-Profit – Organisationen mit dem Ziel gegründet, Malaria zu bekämpfen. Zum anderen werden Initiativen wie „Medicines for Malaria“ gegründet. Hier arbeiten die Weltgesundheitsorganisation (WHO), Pharmaunternehmen, Universitäten, Staaten, private Spender und vor allem lokale Partner in den Malariagebieten zusammen, um die Krankheit weltweit auszurotten. Sie entwickeln nicht nur neue Medikamente und speziell behandelte Moskitonetze, sondern sie sorgen auch dafür, dass die Hilfe bei den gefährdeten Menschen ankommt. So gelingt es innerhalb von nur 15 Jahren, die Zahl der Malariatoten zu halbieren. Die WHO geht davon aus, dass dadurch seit dem Jahrtausendwechsel das Leben von etwa 6 Mio. Kindern gerettet wurde.
Jeder von uns hat eine eigene Vorstellung davon, was zu einem gesunden Leben und zum eigenen Wohlergehen gehört. Die Vereinten Nationen versuchen das Thema mehr auf die Allgemeinheit zu beziehen und setzen verschiedene Schwerpunkte. Drei davon werden wir im Folgenden betrachten: Kindersterblichkeit, Müttersterblichkeit und die großen Infektionskrankheiten.
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Kindersterblichkeit In Afrika südlich der Sahara erlebte Stand 2018 jedes 13. Kind seinen 5. Geburtstag nicht [102]. Übertragen auf Deutschland würde das bedeuten, dass aus jeder Kindergartengruppe ein oder zwei Kinder sterben, bevor sie in die Grundschule kommen. Das ist kaum vorstellbar, doch weltweit sterben jedes Jahr mehr als 5 Mio. Kinder noch vor ihrem 5. Geburtstag. Jeden Tag verlieren 15.000 Eltern ihr Kind. Erst, wenn man mit einer Mutter spricht, die ein Kind verloren hat, versteht man etwas besser, welch großes Leid hinter dieser Zahl steckt. Und trotz aller Tragik gibt die Zahl auch Hoffnung. Denn heute sterben nur noch weniger als halb so viele Kinder vor ihrem 5. Geburtstag, als dies noch 1990 der Fall war – und das, obwohl die Weltbevölkerung während dieser Zeit um 2 Mrd. gewachsen ist. Sogar in vielen der ärmsten Länder ist es gelungen, die Kindersterblichkeit spürbar zu senken. Die Menschheit hat also Wege gefunden, die Kindersterblichkeit erfolgreich zu bekämpfen. So haben etwa Initiativen wie die Impfung gegen Masern viele Todesfälle verhindert. Zum anderen hat man erkannt, dass für einen spürbaren Fortschritt drei Faktoren erfüllt sein sollten: der lokale politische Wille, ein gut funktionierendes Gesundheitssystem und eine ausreichende Finanzierung. Das Prinzip funktioniert also – und doch scheint die Kombination dieser drei Faktoren nicht überall durchsetzbar. Insbesondere der politische Wille ist nicht überall vorhanden oder durchsetzbar. Viele Länder mit hoher Kindersterblichkeit gelten als fragil. In Ländern wie Somalia oder dem Südsudan gibt es in weiten Gebieten keine ausreichenden staatlichen Strukturen. Doch auch innerhalb der betroffenen Länder gibt es Unterschiede:
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Kinder von absolut Armen sterben häufiger als die Kinder von Wohlhabenden. Kinder in ländlichen Gebieten und Kinder von schlechter ausgebildeten Müttern sterben häufiger. Wie wir aus den vorherigen Kapiteln wissen, treten diese Risikofaktoren häufig alle gemeinsam auf. Die Kinder sterben letztlich oft an Krankheiten wie Lungenentzündung, Durchfall und Malaria. Viele dieser Krankheiten sind vermeidbar oder zumindest behandelbar. So verlaufen sie bei uns im reichen Norden meist nicht tödlich. In den betroffenen Ländern haben die Kinder aber keinen Arzt, zu dem sie gehen können. Sie werden nicht behandelt. Der Großteil der Kinder stirbt zu Hause ohne jegliche medizinische Hilfe. Viele von ihnen könnten durch einfache und kostengünstige Maßnahmen gerettet werden. Sie müssten jedoch häufig gar nicht erst krank werden. Mit ausreichend Nahrung wäre ihr Immunsystem stark genug gewesen, mit den Erregern fertig zu werden. Wenn sie jedoch unter- oder mangelernährt sind, haben die Krankheiten leichtes Spiel. So sterben die Kinder indirekt an Hunger. Für etwa die Hälfte der sterbenden kleinen Kinder ist Hunger direkt oder indirekt die Todesursache. Das unterstreicht nochmals, warum es so wichtig ist, den Hunger zu bekämpfen. Einige wirkungsvolle Ansatzpunkte dafür haben wir im vorherigen Kapitel kennengelernt. Was kannst Du tun? Schaue noch mal die Anregungen aus dem Kapitel Hunger an – sie helfen auch hier.
Wir wissen also, wie wir Millionen von Kinder retten könnten, die ohne eine Veränderung im nächsten Jahr als
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Kleinkind sterben werden. Es ist nur eine Frage, ob die lokalen Regierungen ihren Neugeborenen die notwendige Priorität einräumen und ob sich die Weltgemeinschaft ausreichend engagiert.
Müttersterblichkeit Es ist schon besonders perfide, wenn eine Frau in dem Moment stirbt, in dem sie neues Leben schenkt. Dieser Schicksalsschlag trifft nicht nur die Frau selbst, sondern die ganze Familie: Kleine Kinder sterben deutlich häufiger, wenn ihre Mutter bei der Geburt gestorben ist. Häufig gibt es schon Geschwister. Auch sie verlieren ihre Mutter, die sie bisher umsorgt und ernährt hat. Solche Kinder werden in armen Ländern dann häufig aus der Schule genommen, weil sie helfen müssen, die Familie zu versorgen. Sie erleben damit nicht nur das Drama, ohne Mutter aufwachsen zu müssen, sondern rutschen fast automatisch in den bekannten Teufelskreis mit mangelnder Bildung, Armut und Hunger. Jeden Tag sterben 800 Frauen an Komplikationen rund um Schwangerschaft und Geburt (Stand 2015) [272]. Wiederum bildet Afrika südlich der Sahara den Schwerpunkt der Müttersterblichkeit. So verläuft in Sierra Leone die Schwangerschaft für eine von hundert werdenden Müttern tödlich. Überhaupt ereignen sich 99 % dieser Todesfälle in Entwicklungsländern. Das ist ein Hinweis darauf, dass die meisten Komplikationen vermeidbar oder zumindest behandelbar sind. Meist sterben die werdenden Mütter an heftigen Blutungen oder Infekten nach der Geburt, aber auch an Bluthochdruck, unsachgemäß durchgeführten Schwangerschaftsabbrüchen sowie stark verzögerten Geburtsverläufen.
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Vielschichtige Ursachen führen dazu, dass solche Komplikationen tödlich verlaufen. Es beginnt bereits damit, wie aufgeklärt und selbstbestimmt Frauen und Mädchen sind. Denn hunderte Millionen von jungen Frauen und Mädchen werden ungewollt schwanger. Sie sind unerfahren und unterschätzen, wie wichtig eine rudimentäre Vorsorge wäre. Doch häufig kann selbst ein Mindestmaß an Vorsorgeuntersuchungen gar nicht wahrgenommen werden, weil das nächste Gesundheitszentrum zu weit weg ist oder die Schwangeren zu stark in die tägliche Arbeit eingebunden sind. In manchen Gegenden gibt es zwar Gesundheitszentren, aber das Personal ist nicht ausreichend geschult, um Komplikationen rechtzeitig und richtig zu erkennen. All diese Gründe führen dazu, dass etwa die Hälfte der Schwangeren in armen Ländern nur unzureichend betreut wird. Für einen erfolgreichen Kampf gegen die Müttersterblichkeit sind die gleichen drei Faktoren entscheidend, die auch bei der Kindersterblichkeit helfen: der lokale politische Wille, ein gut funktionierendes Gesundheitssystem und eine ausreichende Finanzierung. Äthiopien hat die Müttersterblichkeit so in nur 8 Jahren halbiert. Auch weltweit ist die Müttersterblichkeit seit 1990 fast um die Hälfte gesunken.
Die großen Infektionskrankheiten Tuberkulose, HIV/AIDS und Malaria waren 2016 die drei häufigsten lebensbedrohlichen Infektionskrankheiten [127]. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung berichtet 2015, dass diese drei „armutsassoziierten“ Krankheiten weltweit zu den meisten Todesfällen führen [37]. An diesen Krankheiten sterben weltweit mehr als 3 Mio. Menschen jedes Jahr. Armutsassoziiert
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bedeutet, dass diese Krankheiten vor allem in armen Ländern auftreten, wo sie erst spät erkannt und dann aus Geldmangel häufig nicht behandelt werden können. Gerade arme Menschen auf dem Land sind gefährdet, weil dort mehrere Faktoren zusammenkommen: Eine unzureichende Ernährung, mangelnde Versorgung mit sauberem Trinkwasser und Sanitäranlagen sowie Unterkünfte, die keinen Schutz vor Mücken bieten. Wie im Kapitel zur Armut beschrieben, sind diese Erkrankungen sowohl Folge als auch Ursache von absoluter Armut. Die Kosten für eine ärztliche Behandlung, für Medikamente und der Ausfall der eigenen Arbeitskraft stürzen Menschen schnell in den Ruin, selbst, wenn sie es zuvor geschafft hatten, die absolute Armut hinter sich zu lassen.
Tuberkulose Tuberkulose ist eine Infektionskrankheit, die durch Bakterien ausgelöst wird und meist die Lunge befällt. 2016 trug fast jeder dritte Mensch auf der Welt den Erreger in sich [127]. Aber nur bei etwa 10 Mio. Menschen jährlich bricht die Krankheit aus [274]. Erst dann wird der Betroffene ansteckend und kann andere Menschen beim Husten und Niesen anstecken. Es handelt sich um eine vermeidbare und heilbare Krankheit. Wird sie jedoch nicht angemessen behandelt, verläuft sie in knapp der Hälfte der Fälle tödlich. So kommt es jährlich zu 1,5 Mio. Todesfällen durch Tuberkulose. Tuberkulose ist damit zurzeit der tödlichste Krankheitskeim. Zwar sinkt die Zahl der Todesfälle durch Tuberkulose jedes Jahr um etwa 2 %, doch dieses Tempo reicht nicht aus, um die Krankheit bis 2030 auszurotten. Außerdem drohen Rückschläge durch die zunehmenden (multi-)resistenten Tuberkuloseerreger, bei denen bestimmte
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oder sogar mehrere der gängigen Antibiotika nicht mehr wirken. Gerade in Osteuropa finden sich immer mehr dieser Fälle. So wirken in Weißrussland bei jedem Dritten Tuberkulosekranken die gängigen Antibiotika nicht mehr. Eine Ursache hierfür ist, dass die Medikamente, die häufig über mehrere Monate eingenommen werden müssen, nicht konsistent und nicht lange genug eingenommen werden. Daher liegen die Hoffnungen hier in der Suche nach einem neuen Impfstoff.
HIV/AIDS Das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) ist ein Virus, welches das Immunsystem schwächt. Eine HIV-Infektion kann zur lebensbedrohlichen Immunschwächekrankheit AIDS (Aquired Immune Deficiency Syndrome) führen. HIV kann immer noch nicht geheilt werden. Inzwischen gibt es jedoch Therapien, die den Ausbruch einer AIDS-Erkrankung viele Jahre verzögern können. Und doch sterben jedes Jahr rund 1 Mio. Menschen an AIDS. Das hängt auch damit zusammen, dass die meisten Infizierten gar nicht wissen, dass sie sich angesteckt haben. Man schätzt, dass etwa 35 Mio. Menschen HIV in sich tragen. Erneut liegt der Schwerpunkt in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara [275]. Das Virus kommt hochkonzentriert in Sperma, Vaginalflüssigkeit und Blut vor. Menschen stecken sich daher insbesondere an, wenn sie ungeschützten Geschlechtsverkehr haben (egal ob hetero- oder homosexuell), sie beim Drogenkonsum Injektionsnadeln teilen oder wenn sie in medizinischen Einrichtungen mit unzureichenden Sicherheits- und Qualitätsstandards behandelt werden. Besonders dramatisch ist, dass von den Erkrankten etwa 1,5 bis 2 Mio. Kinder unter 15 Jahren sind. Wie ist das
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möglich? Wenn werdende Mütter mit HIV infiziert sind, übertragen sie in einem von vier Fällen die Krankheit auf ihr Baby. Eine entsprechende Behandlung könnte das fast immer verhindern. An Medikamenten und sogar einem HIV-Impfstoff wird geforscht. Doch viele Betroffene werden sich nicht behandeln lassen können, weil sie dafür nicht genug Geld zur Seite legen konnten. Insofern liegt der Schlüssel zur HIV-Bekämpfung vor allem in einer wirksamen Wissensvermittlung, damit sich weniger Menschen neu infizieren.
Malaria Malaria ist eine Parasiteninfektion, die durch die Stiche infizierter Anopheles-Mücken übertragen wird. Die Erreger zerstören die roten Blutkörperchen. Es kommt zu Fieber, Kopfschmerzen und Erbrechen. Unbehandelt kann die Krankheit schnell lebensbedrohlich werden, wenn lebenswichtige Organe nur unzureichend mit Blut versorgt werden. Besonders gefährlich ist Malaria für Kinder und für Schwangere. Etwa zwei Drittel der Menschen, die an Malaria sterben sind Kinder unter 5 Jahren [210]. Wenn Malaria rechtzeitig erkannt wird, kann man die Krankheit gut behandeln. Allerdings zeigen sich die Parasiten immer öfter unempfindlich gegen die gängigen Medikamente. Daher liegt der Fokus neben der Entwicklung eines Impfstoffes darin, Mückenstiche von vornherein zu vermeiden. Als günstiges und wirksames Mittel haben sich mit Insektiziden behandelte Moskitonetze herausgestellt. Durch die Behandlung und Prophylaxe konnte die Zahl der Todesfälle durch Malaria seit dem Jahr 2000 fast halbiert werden. Einige afrikanische
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Länder wie Südafrika, Botsuana, Namibia, Algerien haben eine realistische Chance, die Krankheit bis 2020 auszurotten. Und doch starben 2017 weltweit noch etwa 435.000 Menschen jährlich an den Folgen einer Malariaerkrankung, erneut besonders in Afrika, südlich der Sahara. Dort erkrankten in einigen Ländern zuletzt sogar wieder mehr Menschen an Malaria.
Kindersterblichkeit, Müttersterblichkeit und Infektionskrankheiten in Deutschland Die Müttersterblichkeit liegt in Deutschland bei etwa 4 Todesfällen pro 1000 Geburten im weltweiten Vergleich sehr niedrig. Auch bei der Kindersterblichkeit gab es 2018 kaum Länder mit niedrigeren Raten [102]. Und obwohl jeder einzelne Fall tragisch ist, kann davon ausgegangen werden, dass es in Deutschland kaum vermeidbare Todesfälle rund um die Geburt gibt. Auch bei den Todesfällen durch die oben genannten Infektionskrankheiten liegen die Zahlen im internationalen Vergleich sehr niedrig. So traten 2018 in Deutschland nur etwa 5400 Neuinfektionen mit Tuberkulose jährlich auf. Etwas weniger, etwa 2800 Menschen, infizierten sich im gleichen Jahr neu mit HIV [189]. Mit Malaria kann man sich in Deutschland hingegen nicht infizieren. Doch Urlauber und Flüchtlinge können in den betroffenen Ländern an Malaria erkranken und dann nach Deutschland reisen. So kommt es, dass jedes Jahr mehrere hundert Menschen in Deutschland gegen Malaria behandelt werden.
46 M. Medert Was kannst Du tun? • Benutze Kondome beim Sexualverkehr, wenn Du unsicher bist, ob Dein Sexualpartner HIV-positiv ist oder einen anderen sexuell übertragbaren Virus in sich trägt. • Informiere Dich vor Fernreisen, ob Impfung sinnvoll sind und wie Du Dich durch richtiges Verhalten vor einer Ansteckung schützen kannst.
Die gute Gesundheitsversorgung in Deutschland führt zu einer relativ hohen und weiter steigenden Lebenserwartung. Allerdings ist in einer Untersuchung von Daten zwischen 2002 bis 2014 auffällig, dass in Deutschland das Krankheitsrisiko sozial ungleich verteilt ist [144]. Menschen mit geringerem Einkommen, niedrigerem Bildungsstand und mit Berufen mit schlechten Arbeitsbedingungen haben sogar eine niedrigere Lebenserwartung. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig und beginnen bereits während der Schwangerschaft: Mütter aus Familien mit höherem Sozialstatus rauchen seltener in der Schwangerschaft. Menschen mit höherem sozialem Status nehmen intensiver an F rüherkennungs-Untersuchungen teil. Es ist auch zu berücksichtigen, dass es diesen Menschen auch häufig leichter fällt, sich in ihrem Lebensund Berufsalltag mehr um ihre Gesundheit zu kümmern. Ihre Arbeitsbedingungen verursachen in vielen Fällen weniger körperliche Belastungen und Risiken. Anders als in den armen Ländern kann in Deutschland jeder durch einen gesunden Lebensstil zu seiner Gesundheit beitragen. Wenn die Anzahl von Menschen in Deutschland steigt, die sich ausgewogen ernähren, nicht rauchen, nur mäßig Alkohol trinken und regelmäßig Sport treiben, wird es in der Folge weniger Übergewicht, Bluthochdruck und andere Krankheiten geben.
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Ziel 4: Hochwertige Bildung
Dilyaras Traum Während eines Social Sabbaticals im kasachischen Almaty habe ich die 19-jährige Dilyara getroffen: Sie kommt in Shonzhy auf die Welt, einer kasachischen Kleinstadt nahe der chinesischen Grenze. Die meisten Familien dort sind Kleinbauern. Gerade für Mädchen ist es hier üblich, dass sie nach der Schulzeit möglichst bald verheiratet werden oder zu Hause in der Landwirtschaft helfen. Als Dilyara 11 Jahre alt ist, muss ihre Mutter operiert werden. Plötzlich ändert sich die Rolle von Dilyara als älteste Tochter der Familie: Sie muss jetzt für die ganze Familie kochen und backen. Besonders gerne backt sie und sie träumt davon, eines Tages Konditorin zu werden. Einige Jahre vergehen – doch sie behält ihren Traum. Und tatsächlich besucht eines Tages Mariya die Schule von Dilyara. Mariya stellt in der Schule die „Kazakhstan Foundation for Cultural, Social and Educational Development“ vor. Das ist eine Non-Profit-Organisation, die Mädchen aus den ländlichen Gebieten Kasachstans unter anderem Ausbildungsplätze anbietet. Mit 17 bewirbt Dilyara sich dort für eine Ausbildung zur Konditorin und sie bekommt den Platz. Sie zieht zu ihrem Cousin ins 230 km
48 M. Medert entfernte Almaty, ganz in die Nähe der Schule. Neben dem Konditor-Handwerk lernt sie dort auch viele praktische Dinge, die eine junge Frau für ein selbstständiges Leben benötigt, z. B. „Wie eröffne ich ein Konto?“. Außerdem macht sie ein unbezahltes Praktikum in einer Konditorei. Dort hinterlässt sie einen so guten Eindruck, dass ihr die Konditorei eine feste Anstellung anbietet, nachdem sie mit ihrer Ausbildung fertig ist. Mit 18 beginnt sie dort als Konditorin. Heute, nur ein Jahr später, leitet sie bereits eine Filiale der Konditorei. Sie ist sehr stolz darauf, dass sie für die Umsätze und Kosten der Filiale verantwortlich ist, Mitarbeiter einstellt und vieles mehr. Natürlich geht sie auch noch ihrer Leidenschaft nach und steht häufig noch selbst am Backofen, um ihren Lieblingskuchen zu backen. Nun plant sie schon den nächsten Schritt: Sie möchte ihre eigene Konditorei eröffnen und dort auch anderen Mädchen vom Land eine Ausbildung ermöglichen. Sie weiß schon, welche leckeren Kuchen und süße Teilchen sie anbieten wird. Und sie hat ein genaues Bild davon, wie es in ihrer Konditorei riechen wird, wie die Theke aussehen soll und wie sie ihre Kunden mit Leckereien verwöhnen wird. Ich bin überzeugt, dass sie es schafft.
Was verstehen wir unter Bildung? Menschen erwerben im Laufe ihres Lebens Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzen. Das beginnt schon sehr früh, wenn kleine Kinder etwa zu laufen beginnen, ihre Muttersprache erlernen und erste soziale Beziehungen aufbauen. Für viele folgen irgendwann die Schule und anschließend möglicherweise eine Ausbildung, die sie auf eine berufliche Aufgabe vorbereitet. Gerade heutzutage ist es wichtig, dass auch danach, also wirklich lebenslang, weiter gelernt wird. Schließlich verändert sich unsere Umwelt immer schneller, sodass unser Wissen rasch veraltet. Lebenslanges Lernen ist somit ein Prozess, der mit der Geburt beginnt und den Menschen idealerweise durch
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alle Lebensphasen begleitet. Wir lernen einerseits in vorgegebenen, geplanten Strukturen. Diese können formal sein wie bei Schulen oder weniger formal wie etwa bei Informationskampagnen zum Verhalten bei Epidemien oder bei einem herannahenden Hurrikan. Andererseits lernen wir auch ständig im Alltag, wenn wir lesen, ein Museum besuchen oder uns einfach mit anderen austauschen. Gerade für dieses eigenständige Lernen, sind die ersten 3 bis 6 Lebensjahre eines Menschen wichtig [230]. Erfahrungen in diesem Alter beeinflussen für das ganze Leben, wie offen ein Mensch dafür ist, neue Dinge zu erlernen und seine eigenen Fähigkeiten ständig weiterzuentwickeln.
Inklusiv, gleichberechtigt und hochwertig Doch manchen Menschen, die sich weiterentwickeln möchten, fehlt der Zugang zu Bildung. So können viele Kinder auf der Welt keine Schule besuchen, weil sie vielleicht arbeiten müssen, um etwas Essen kaufen zu können. Daher betont die UN in diesem Nachhaltigkeitsziel, dass Bildung inklusiv und gleichberechtigt sein soll. Der Zugang zu Bildung soll somit unabhängig sein von besonderen Lernbedürfnissen, den wirtschaftlichen Verhältnissen, der sozialen oder ethnischen Zugehörigkeit, des Geschlechts etc. Neben dem inklusiven und gleichberechtigten Zugang zu Bildung ist natürlich auch deren Qualität entscheidend. Es gibt zahlreiche Methoden und Tests, um diese zu bewerten. Viele Studien vergleichen dabei, wie gut die Kinder lesen, schreiben und rechnen können. Doch zu guter Bildung gehört mehr. Letztendlich soll sie die Menschen in die Lage versetzen, mit den Herausforderungen des Lebens zurechtzukommen. Dazu gehören
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auch Werte, Problemlösungsfähigkeiten sowie soziale und emotionale Kompetenzen [164]. Was das konkret bedeutet, kann je nach kulturellen und sozialen Hintergründen unterschiedlich sein. Die Qualität dieser Aspekte ist folglich schwer zu messen und zu vergleichen.
Warum ist Bildung wichtig? Es fällt auf, dass Bildung mit allen Bereichen der vorangegangenen Kapitel eng verwoben ist. Und tatsächlich ist Bildung eines der Nachhaltigkeitsziele, das viele der anderen Ziele beeinflusst. Zu allererst kann eine gute Bildung helfen, dem Teufelskreis rund um Armut und Hunger zu entkommen: Wer gut ausgebildet ist, findet leichter einen Arbeitsplatz, der ausreichend bezahlt wird. Das ist ein effektiver Weg, um aus dem Teufelskreis der absoluten Armut auszubrechen. Gleichzeitig steigt bei einer besseren Bildung die Chance auf bessere Arbeitsbedingungen. Auch zum Thema Gesundheit gibt es einen Zusammenhang. Vor allem erlaubt ein besseres Einkommen eine ausreichende und ausgeglichene Ernährung. Verschiedene Studien zeigen außerdem, dass besser ausgebildete Mütter eher die notwendige medizinische Betreuung während der Schwangerschaft und der Geburt in Anspruch nehmen und auch anschließend besser in der Lage sind, sich um die Gesundheit ihrer Kinder zu kümmern. In Malawi etwa sinkt die Sterbewahrscheinlichkeit eines Kindes um 10 % für jedes zusätzliche Jahr, dass die Mutter in der Schule war [6] – in Uganda sogar um über 16 % pro zusätzlichem Schuljahr. Einen weiteren Effekt der besseren Bildung von Frauen werden wir im Kapitel zur Gleichberechtigung näher
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betrachten. Das kasachische Mädchen Dilyara aus der einleitenden Geschichte ist hierfür schon ein gutes Beispiel. Erwähnenswert ist auch die Tatsache, dass eine bessere Bildung von Mädchen und Frauen zu einer geringeren Geburtenrate und damit zu einem geringeren Bevölkerungswachstum führt. Eine langsamer wachsende Weltbevölkerung würde helfen, viele andere Nachhaltigkeitsziele schneller und einfacher zu erreichen.
Gibt es zumindest eine weltweite Grundversorgung mit Bildung? Wir haben gesehen, dass gute Bildung essentiell für die persönliche und gesellschaftliche Entwicklung ist. So ist es erfreulich zu sehen, dass sich die Bildungsversorgung global betrachtet kontinuierlich verbessert [225]. Zurzeit haben etwa noch 60 Mio. Kinder im Grundschulalter keinen Zugang zu einer Schule. Im Jahr 2000 waren noch 100 Mio. Kinder betroffen. Allerdings stagniert die Zahl seit 2008 bis 2018 [212]. Es braucht folglich zusätzliche Anstrengungen, damit etwa auch in der Subsahara-Region alle Kinder eine Grundschule besuchen können. Besonders trifft es die armen Kinder in armen Ländern wie Nigeria [160]. Weiterhin besuchen Kinder seltener eine Grundschule, wenn sie in dünn besiedelten Gebieten wohnen, von Kinderarbeit betroffen sind, wenn sie ethnischen oder sprachlichen Minderheiten angehören, Nomadenvölkern angehören, Waisen sind oder Krankheiten und Behinderungen haben. Aus dieser Liste lassen sich bereits einige Ursachen von fehlendem Zugang zu Bildung ableiten. Ich möchte einige davon am Beispiel von Malawi, einem kleinen, hügeligen Land im Südosten Afrikas, etwas näher betrachten.
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Ursachen für fehlenden Zugang zu Bildung Erneut steht Armut im Zentrum. Armut ist daher sowohl Folge als auch Ursache fehlender Bildung: In vielen Ländern kostet es Geld, ein Kind zur Schule zu schicken. Je nach Land müssen Schulgeld, Hefte, Bücher, Stifte oder auch eine Schuluniform bezahlt werden. Familien in absoluter Armut fehlt häufig das Geld dafür. Das trifft sogar auch für Familien zu, die leicht oberhalb der absoluten Armutsgrenze liegen. Ihre Kinder können daher keine Schule besuchen. Armut ist somit ein zentraler Punkt für den mangelnden Zugang zu Bildung. Die Regierung Malawis hat dies erkannt und 1994 die Schulgebühren für die Grundschule abgeschafft [154]. Seitdem hat sich die Zahl der Schüler deutlich erhöht. Eine weitere Ursache für fehlende Bildung hängt ebenfalls eng mit der Armut zusammen: Kinderarbeit. Kinder von armen Familien auf dem Land helfen meist in der eigenen Landwirtschaft und sie verlieren viel Zeit, um Trinkwasser von weit entfernten Wasserstellen herbeizuschleppen. Viele Kinder arbeiten auch außerhalb der Familie und tragen so zum Lebensunterhalt ihrer Familien bei. Neben allen anderen negativen Folgen von Kinderarbeit führt diese auch dazu, dass diese Kinder meist keine Schule besuchen. Auch in Malawi gibt es Kinderarbeit: Der englische Guardian berichtet 2018 von einer Untersuchungen in Malawis Tabakanbaugebieten. Diese ergab, dass dort mehr als die Hälfte der Kinder von Kinderarbeit betroffen sind [20]. Als schlecht bezahlte Tagelöhner bauen sie Tabak an und verarbeiten ihn. Die gute Nachricht ist, dass die Zahl der Kinderarbeiter weltweit seit vielen Jahren rückläufig ist. Auch das fehlende Schulangebot kann einem Schulbesuch im Wege stehen. In den ländlichen Gebieten
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im Norden Malawis liegen die meisten der öffentlichen Schulen 50 bis 60 km auseinander. Gleichzeitig gibt es dort keinen günstigen öffentlichen Nahverkehr oder Schulbusse. Kinder, die in abgelegenen Gegenden wohnen, haben somit keine Chance in eine Schule zu gehen. Doch selbst, wenn es Schulen in ländlichen Gebieten gibt, ist es manchmal herausfordernd, Lehrer zu finden. Diese gehören nämlich zu den besser ausgebildeten Menschen und leben lieber in der Stadt als in den armen ländlichen Gebieten. Wir kennen ein ähnliches Phänomen selbst in Deutschland, wenn es um die ärztliche Versorgung in ländlichen Gebieten der Bundesrepublik geht. Allein in Subsahara-Afrika werden aufgrund des erwarteten Bevölkerungswachstums bis 2030 wohl 17 Mio. Grund- und Sekundarschullehrer benötigt. Weltweit liegt der Bedarf laut UNESCO bei fast 70 Mio. neuen Lehrern [224]. Erneut hilft ein Blick auf Malawi, das Problem konkret zu veranschaulichen: Dort gibt es pro qualifiziertem Lehrer so viele Schüler, dass 2007 im Durchschnitt 88 Kinder gemeinsam in einer Klasse unterrichtet werden [154]. Seit dem ist die durchschnittliche Klassenstärke zwar etwas gesunken. Eine hohe Bildungsqualität kann so jedoch kaum erreicht werden. Kriege und Konflikte verhindern ebenfalls, dass Kinder in die Schule gehen können. Krieg herrscht in Malawi zum Glück nicht. Doch jeder, der etwa die Bilder der zerstörten Städte in Syrien gesehen hat, wird sich vorstellen können, dass viele syrische Kinder über Jahre keine Schule besuchen konnten oder gar nicht erst eingeschult wurden. Weil sie wissen, wie wichtig Bildung ist, gehen viele syrische Kinder trotz der Lebensgefahr zur Schule, sofern dort noch Lehrer sind und die Schule nicht zerstört wurde. Die bisher aufgeführten Ursachen betrafen meist äußere Umstände, die verhindern, dass Kinder in die
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Schule gehen „können“. Aber es gibt auch Eltern, die keinen Wert in einer Schulbildung für ihre Kinder sehen und daher gar nicht „wollen“, dass ihre Kinder in die Schule gehen. Dies trifft besonders häufig Mädchen in Kulturen mit einem diskriminierenden Rollenverständnis von Mädchen und Frauen. Im oben angesprochenen nördlichen Malawi ist es zum Beispiel üblich, dass ein zukünftiger Ehemann einen Brautpreis an die Eltern seiner Braut entrichtet [194]. Das führt dazu, dass Eltern zwar ihre Jungen zur Schule schicken, die Mädchen jedoch vor allem früh verheiraten wollen. Einige sehen daher keinen Wert darin, dass ihre Töchter eine Schulbildung erhalten.
Bildung in Deutschland In Deutschland sind solche Ursachen glücklicherweise weniger verbreitet. Grundsätzlich ist das deutsche Bildungssystem in einem guten Zustand. Das ist wichtig, um bei Trends wie Digitalisierung und Wandel zur Wissensgesellschaft zu bestehen. Vergleichsstudien, wie etwa die PISA-Studie von 2018, bestätigen auch, dass die Bildungsqualität in Deutschland inzwischen im oberen Mittelfeld der OECD-Länder liegt [169]. Zwar fällt an den Durchschnittswerten auf, dass die Ergebnisse in Mathematik und in den Naturwissenschaften nur mittelmäßig sind, was gerade für die oben genannten Zukunftstrends wichtige Schlüsselqualifikationen sind. Doch diese Herausforderung lässt sich vermutlich leichter meistern als eine andere, eklatante Schwäche des deutschen Bildungssystems: die fehlende Chancengleichheit. Aufgrund der Schulpflicht, die weit über die Grundschule hinausgeht, gehen zwar fast alle Kinder in Deutschland zur Schule, doch die Bildungschancen sind trotzdem
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äußerst verschieden und hängen maßgeblich vom Einkommen und Bildungsgrad der Eltern ab. Kinder aus bildungsferneren Familien und Familien mit niedrigem Einkommen scheinen benachteiligt zu sein. Nur relativ wenige dieser Kinder können ihre Fähigkeiten und Talente entwickeln. Dadurch wird die soziale Lage in Deutschland immer häufiger „vererbt“ [139]. Je nach Bildungsniveau der Eltern, nehmen diese mehr oder weniger Betreuungs- und Bildungsangebote für ihre Kinder wahr. Das beginnt bereits im frühkindlichen Bereich [192]. So ist schon der Anteil der unter 3-Jährigen, die eine Krippe oder eine Kindertagesstätte besuchen, bei Akademikereltern deutlich höher als wie bei Eltern ohne Studium oder Ausbildung [124]. Das liegt zumindest teilweise daran, dass Eltern in den meisten Bundesländern für frühkindliche Angebote zahlen müssen. Langfristige Studien zeigen, dass gerade Kinder aus bildungsferneren und einkommensschwächeren Familien von einem Kita-Besuch für ihren weiteren Lebensweg profitieren würden. Beim Übergang zur Schule können dann Sprachprobleme von Kindern zu einer Bildungshürde führen – besonders, wenn Kinder zu Hause kaum deutsch sprechen. Kinder, die ohne ausreichende Deutschkenntnisse eingeschult werden, haben ein großes Risiko zu scheitern, wenn sie nicht besonders gefördert werden. Doch auch außerhalb der sprachlichen Herkunft spricht DIE ZEIT 2016 davon, dass es bereits beim Eintritt in die Grundschule teilweise Wissensunterschiede von bis zu 2 Jahren zwischen den Kindern aus Akademikerfamilien und sozial schwachen Familien gibt [201]. Studien zeigen, dass dies eng damit zusammenhängt, wie häufig Eltern ihren Kindern im Vorschulalter vorlesen, mit ihnen gemeinsam Lieder singen, spielen, puzzeln und Geschichten erzählen [86]. Dafür bleibt manchmal wenig
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Zeit – besonders bei Alleinerziehenden oder bei Eltern, die mehrere niedrig bezahlte Jobs ausüben oder in Schichten arbeiten. Da es in der Grundschulzeit oft nur wenig individuelle Förderung und zusätzliche Unterstützung gibt oder angenommen wird, wundert es kaum, dass sich die Unterschiede bis zur vierten Klasse verfestigen. Unter anderem weil Sportvereine und Musikschulen Geld kosten, nehmen Kinder aus bildungsfernen Familien solche Angebote ebenfalls weniger häufig an. Verbringen sie dann schon im Grundschulalter viel Zeit vor dem Bildschirm (Fernsehen, Computer, Handy), vergrößert das eher noch den Lernrückstand. In der Folge gehen die 55 % der Kinder aus der Oberschicht auf ein Gymnasium, aber nur 24 % der Facharbeiterkinder. Vergleichsstudien, wie die PISA-Studie, zeigen, dass sich die Situation auch in den höheren Klassen kaum ändert: Die durchschnittlichen Schulleistungen von 15-jährigen Kindern aus bildungsfernen Familien lag laut PISA 2018 deutlich unter denen ihrer Mitschüler [169]. Auch bei den nächsten Bildungsentscheidungen fällt auf, dass Kinder aus akademischen Familien trotz ähnlicher Abiturnoten signifikant häufiger ein Studium nach dem Abitur beginnen und sich dort nach dem Bachelornoch für ein Masterstudium entscheiden. In der Summe führen die Entscheidungen entlang des Bildungswegs dazu, dass 79 % der Akademikerkinder, jedoch nur 27 % der Nichtakademikerkinder eine Universität besuchen. Es ist anzunehmen, dass deutlich mehr Kinder aus bildungsfernen Familien einen höheren formalen Bildungsabschluss machen könnten, wenn es gelänge, ihre Talente und Fähigkeiten besser zu fördern. Das wäre sowohl für die Betroffenen als auch für die gesamte Gesellschaft ein Gewinn.
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Insofern ist es erfreulich, dass die sechste PISA-Studie zeigt, dass in Deutschland die Ungleichheiten bei den Bildungschancen abgenommen haben. Auch bei den besonders betroffenen Kindern mit Migrationshintergrund gibt es einen positiven Trend. So machten 2015 17 % von ihnen Abitur. Der Anteil liegt damit fast doppelt so hoch, wie noch vor 5 Jahren. Im gleichen Zeitraum sank der Anteil der Schulabbrecher. Wie wichtig ein Schulabschluss ist, zeigt sich beim Übergang von der Schule in den Beruf. Der reibungslose Übergang von der Ausbildung in den Beruf in Deutschland gilt weltweit als vorbildlich. Weniger als 9 % der 15- bis 29-Jährigen waren weder in Bildung bzw. Ausbildung noch in Beschäftigung. Problematisch ist dieser Schritt jedoch vor allem für die vielen Niedrigqualifizierten und insbesondere für die 6 % der Schüler, die gar keinen Schulabschluss haben. Sie haben Schwierigkeiten, einen Ausbildungsplatz oder eine Anstellung zu finden und zu behalten. Selbst dann, wenn sie einen Arbeitsplatz finden, erhalten sie dann meist nur den Mindestlohn. Die Situation für diese Personengruppe wird sich zukünftig eher noch verschlechtern, wenn die Automatisierung und Digitalisierung zu einem höheren Bedarf für hochqualifizierte und zu einem geringeren Bedarf an niedrigqualifizierten Arbeitskräften führt. Trotz des insgesamt recht guten Bildungssystems gibt es also einige Herausforderungen zu meistern. Insofern ist es gut, dass Deutschland seine gesamten Bildungsausgaben seit Jahren kontinuierlich erhöht. Doch der Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt liegt weiterhin unter dem Durchschnitt der anderen OECD-Länder.
58 M. Medert Was kannst Du tun? Sei selbst offen für Neues und lerne jedes Jahr etwas dazu. Frage Dich: Was kannst und weißt Du heute, was Du vor einem Jahr noch nicht konntest beziehungsweise wusstest? Wenn Du Kinder hast, unterstütze sie dabei, ihren unerschöpflichen Wissensdurst, ihre Neugier und ihren Drang zur Selbstständigkeit zu erhalten und zu entwickeln. Versuche Zeit zu finden, mit ihnen zu lesen und zu spielen. Wenn nötig, nutze Fördermöglichkeiten, um ausreichende Deutschkenntnisse sicherzustellen.
Ziel 5: Geschlechtergleichheit
„Wie ein Mädchen“ In dieses Kapitel möchte ich mit einem Werbeclip einsteigen: Lauren Greenfield führt 2014 für eine Kampagne der Marke Always ein soziales Experiment durch. Nacheinander fordert sie 250 Frauen, Männer und Teenager dazu auf, „wie ein Mädchen“ zu laufen, „wie ein
Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen 59 Mädchen“ zu werfen oder „wie ein Mädchen“ zu kämpfen. Alle Teilnehmer reagieren ähnlich. Sie hüpfen tollpatschig, fuchteln ungelenk mit den Armen und wirken einfach nur albern. Mit dieser Reaktion folgen alle Teilnehmer dem weitverbreiteten Stereotyp, dass Mädchen ungeschickt, schwach und unbeholfen sind. Doch nun folgt der zweite, augenöffnende Teil des Experiments: Nun gibt Lauren die gleiche Aufgabe an jüngere, vorpubertäre Mädchen. Was jetzt folgt, ist das komplette Gegenteil. Diese Mädchen sprinten als ginge es um ihr Leben, kämpfen wie eine Löwin und werfen mit voller Kraft. „Wie ein Mädchen“ bedeutet für sie nicht, etwas schlechter zu machen. Vielmehr animiert es sie zu zeigen, was sie können und wie stark, mutig und siegessicher sie sind. Auf die Frage „Was bedeutet das für dich, so wie ein Mädchen zu laufen?“ antwortet ein 5-jähriges Mädchen energisch „So schnell man nur kann“. Etwa zur Pubertät wird für viele Mädchen aus dem „wie ein Mädchen“ etwas Demütigendes und Herabwürdigendes, das bedeutet, dass man etwas weniger gut kann, schwächer ist und überhaupt weniger Wert ist. Es ist in unserer Gesellschaft akzeptiert, dass „wie ein Mädchen“ häufig statt als Kompliment eher als Beleidigung benutzt wird. Doch solche beiläufigen Bemerkungen können dazu beitragen, Klischees zu verfestigen. Die Regisseurin hofft, dass jeder, der den Clip gesehen hat, den Ausdruck „wie ein Mädchen“ nur noch benutzt, um zu sagen, wie stark, talentiert oder einfach fantastisch eine Frau oder ein Mädchen ist. Die Chancen dafür stehen gut, denn ihr Video scheint einen Nerv getroffen zu haben. Schon in der ersten Woche nach der Veröffentlichung wird es 31-Mio.-mal angeklickt. Bei Twitter beschreiben inzwischen viele stolz, was sie alles „wie ein Mädchen“ machen: „Ich habe mein Mountainbike geschrottet – wie ein Mädchen“ – oder eine holländische Olympiasiegerin schreibt „Ich schwimme wie ein Mädchen und habe eine Goldmedaille, um es zu beweisen“. Ein Vater schreibt über den Clip „Als ich angeschaut habe, musste ich weinen wie ein “. Wir alle können dazu beitragen, dass „wie ein Mädchen“ zu einem Kompliment wird. Solche Kleinigkeiten tragen dazu bei, dass Mädchen ihren Mut und ihr Selbstvertrauen leichter über die Pubertät hinwegretten können.
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Vor tausenden Jahren lebten wir in einer Welt, in der vor allem die Körperkraft über Leben und Tod entschied. Da die Männer im Allgemeinen körperlich stärker waren, standen sie meist an der Spitze und wurden bevorzugt. Heute leben wir in einer völlig anderen Welt. Heute ist typischerweise erfolgreich, wer intelligent, kreativ und innovativ ist. Diese Eigenschaften kommen bei Frauen und Männern gleich häufig vor. Folgerichtig sind Gesellschaften und auch Unternehmen besonders dann erfolgreich, wenn sie Frauen und Männer gleichbehandeln und beide Geschlechter an den Entscheidungen beteiligt sind. Doch die Geschlechterrollen konnten mit dieser Entwicklung nur teilweise Schritt halten. In vielen Ländern sorgen Kultur, soziale Normen und manchmal sogar Gesetze dafür, dass Frauen und Männer immer noch ungleich behandelt werden. Schauen wir uns drei Beispiele dafür an.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen Körperliche und psychische Gewalt gegen Frauen tritt in vielen Formen auf: Dazu gehören neben Schlägen, sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen etwa auch Genitalverstümmelung und Zwangsheirat. Die Weltgesundheitsorganisation ging 2018 davon aus, dass weltweit jede dritte Frau zumindest einmal in ihrem Leben zum Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt wird – meist durch ihren eigenen Lebenspartner oder männliche Familienmitglieder [260]. Es handelt sich hierbei nur um grobe Schätzungen. Gerade in Ländern, in denen die Frauen besonders leiden, schweigen diese dazu. Oft fehlt sogar der rechtliche Schutz. 2017 gab es in fast jedem vierten Land noch kein Gesetz, das häusliche Gewalt unter Strafe stellt [208].
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Dass dieses Problem auch uns betrifft, sehen wir an einer repräsentativen, EU-weiten Umfrage aus 2014: Dort gab jede dritte Frau an, bereits Opfer eines körperlichen und/oder sexuellen Übergriffs geworden zu sein [80]. Auch in der EU ist Gewalt gegen Frauen in Teilen der Gesellschaft akzeptiert. So zeigt eine Umfrage von 2016, dass 10 % der EU Bürger der Ansicht sind, dass eine Frau selbst an einer Vergewaltigung schuld ist, wenn sie sich sexy angezogen hat [65]. Im Kongo, in Sierra Leone oder zuletzt im Bürgerkrieg im Südsudan wurde sexuelle Gewalt gegen Frauen häufig gezielt als Kriegstaktik angewendet [141]. Besonders junge Mädchen sind betroffen. Sie leiden sowohl psychisch als auch körperlich. Hinzu kommt erschwerend, dass viele Mädchen nach einer Vergewaltigung durch Kriegsgegner aus Angst die Schule abbrechen. Viele betroffene Mädchen und Frauen werden sogar mitsamt den gezeugten Kindern von ihren Familien verstoßen [261]. Eine weitere Form der Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist die traditionelle Genitalverstümmelung in Ländern Afrikas, des Mittleren Ostens und Teilen Asiens. Dabei werden meist bereits kleinen Mädchen ein Teil oder sogar sämtliche äußere weibliche Geschlechtsteile abgeschnitten. Oft geschieht das ohne Betäubung und mit einfachen Hilfsmitteln wie Glasscherben oder Rasierklingen. Diese Verstümmelung soll die kulturell dominierende Rolle des Mannes stützen. Da die betroffenen Frauen kaum Lust, sondern eher Schmerz beim Sex empfinden, soll so ein Fremdgehen verhindert werden und die Sexualität vom Mann kontrolliert werden. Eltern lassen die Genitalverstümmelung bei ihren Töchtern durchführen, damit sie in der Gemeinschaft aufgenommen werden. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) schätzte in einer Veröffentlichung von 2016, dass etwa 200 Mio. Mädchen und Frauen ein
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Opfer von Genitalverstümmelung sind [231]. Je nach Verstümmelungsgrad und hygienischen Verhältnissen sterben zahlreiche Opfer bereits kurz nach dem Eingriff durch Verbluten und Infektionen oder später bei der Geburt eines Kindes. Selbst wenn der Eingriff inzwischen häufiger von Ärzten vorgenommen wird und damit das Sterberisiko sinkt, leiden die Opfer meist dennoch lebenslänglich an den psychischen und physischen Folgen. Glücklicherweise fruchtet die Überzeugungsarbeit und immer mehr einflussreiche lokale Akteure setzen sich gegen die grausame Praxis ein. So sinkt die Rate der Frauen mit Genitalverstümmelung. Da jedoch gerade in den betroffenen Gebieten die Bevölkerung stark wächst, braucht es zusätzliche Anstrengungen, um diese barbarische Tradition auszurotten. Die Weltgesundheitsorganisation schätzte 2019, dass ohne ein entschlosseneres Vorgehen jedes Jahr 3 Mio. Mädchen in Gefahr schweben, Opfer von Genitalverstümmelung zu werden [261]. Neben den bisher aufgeführten Formen der direkten körperlichen Gewalt gegen Frauen, ist auch die Früh- und Zwangsverheiratung eine Form von Gewalt. Die Vereinten Nationen gehen in einem Bericht von 2018 davon aus, dass zurzeit etwa 650 Mio. Frauen und Mädchen in Ehen leben, die sie vor ihrem 18. Lebensjahr eingehen mussten [232]. In der Folge müssen die Mädchen meist die Schulausbildung abbrechen und sich um den Haushalt des meist deutlich älteren Ehemanns kümmern. Oft kommt zu riskanten Teenagerschwangerschaften. Die betroffenen Mädchen können kein selbstbestimmtes Leben mehr führen.
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Gleichberechtigte wirtschaftliche Entwicklung Auch wenn etwa die Hälfte der Menschheit weiblich ist, fällt auf, dass Frauen deutlich weniger Geld als Männer verdienen. Das liegt erneut besonders an der Kultur und den sozialen Normen in den meisten Gesellschaften. Weltweit ist das klassische Rollenbild verbreitet, bei dem Frauen den größten Teil der Haushaltsarbeit sowie die Pflege von Kindern und Eltern übernehmen. McKinsey & Company schätzte 2015, dass Frauen drei Viertel der unbezahlten Arbeit verrichten [151]. Wer so viel unbezahlt arbeitet, hat natürlich weniger Zeit für bezahlte Arbeit. Wenn Frauen bezahlter Arbeit nachgehen, arbeiten sie häufiger in Teilzeit, in Branchen mit niedrigeren Löhnen und in Jobs, die kaum Karrieremöglichkeiten bieten. Es gibt Schätzungen, dass etwa in Indien über 90 % der Frauen in bezahlter Arbeit keiner offiziellen Beschäftigung mit Arbeitsvertrag nachgehen. Neben einer fehlenden Absicherung sind Frauen in solchen Beschäftigungsverhältnissen häufig auch sexueller Belästigung und Gewalt ausgesetzt. Dies ist eine Folge davon, dass Eltern von Mädchen in Indien weniger Wert auf deren Ausbildung legen. Als Ergebnis der beschriebenen Fakten verdienen Frauen weniger Geld als Männer. Man könnte dies teilweise damit begründen, dass Frauen aus freier Entscheidung einen großen Teil der unbezahlten Arbeit übernehmen. Anders sieht es allerdings bei der Gehaltsgerechtigkeit aus. Sie beschreibt, ob Frauen für die gleiche Arbeit auch das gleiche Gehalt bekommen. Das sollte selbstverständlich sein, doch wie wir im Abschnitt zur Gleichberechtigung in Deutschland sehen werden, gibt es auch in Deutschland Unterschiede. Ähnlich sieht es mit dem Frauenanteil in Führungspositionen aus: Obwohl in den meisten Ländern
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etwa gleich viele Männer wie Frauen studieren, kommen sie seltener in Führungspositionen [151]. Insgesamt gibt es also recht deutliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern, wenn es um die wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten geht. Zwar besuchen inzwischen immer mehr Mädchen eine Grundschule und 2018 schlossen in vielen Ländern mehr Frauen als Männer ein Studium ab [166]. Doch aufgrund der oben genannten Gründe gibt es selbst nach Jahrzehnten mit Fortschritten in der Geschlechtergleichstellung immer noch große Unterschiede. Im sogenannten „Gender Gap Report“ bewertet das Weltwirtschaftsforum jedes Jahr den weltweiten Stand der Gleichstellung zwischen Frauen und Männern [270]. Laut der Studie aus dem Jahr 2020 haben Frauen gut 40 % geringere wirtschaftlichen Chancen als Männer. Fortschritte gab es hier in den letzten 10 Jahren kaum.
Gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an politischen Entscheidungsstrukturen Bei der politischen Teilhabe sehen noch größere Unterschiede als bei den wirtschaftlichen Chancen: Frauen haben hier gut 75 % geringere Chancen als Männer [270]. Bei Führungspositionen in Politik, Behörden und Hochschulen finden wir deutlich weniger Frauen als Männer. So liegt weltweit der Frauenanteil in nationalen Parlamenten unter 25 %. Das ist jedoch bereits mehr als doppelt so viel, wie vor 20 Jahren. Die Ursachen sind auch hier vielfältig und sind teilweise bereits in den vorherigen Absätzen beschrieben worden. So verhindern etwa fehlender Zugang zu Bildung, Diskriminierung, Armut, eine entsprechende Gesundheitsversorgung sowie eine starke Einbindung in Pflege- und Haushaltsaufgaben, dass mehr Frauen politische Ämter übernehmen.
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Geschlechtergleichstellung in Deutschland Mit einem Frauenanteil von knapp einem Drittel im Deutschen Bundestag, einer Frau als langjährige Bundeskanzlerin und mehreren Ministerinnen und Ministerpräsidentinnen steht Deutschland bei der politischen Teilhabe sicherlich besser da, als der weltweite Durchschnitt. Doch wenn man genauer hinschaut, gibt es durchaus Verbesserungspotenzial. So waren 2015 in der Bundesverwaltung Frauen umso weniger in Führungspositionen zu finden, je höher die Leitungsebene war [39]. In der Wirtschaft zeigt sich ein ähnliches Bild. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen in Deutschland lab 2017 bei 28 % – noch unterhalb des EU Durchschnitts [1]. Über das mittlere Management kommen Frauen nur selten hinaus. Und das, obwohl es in Deutschland noch nie so viele gut ausgebildete Frauen gab wie heute. Ein Grund liegt darin, dass ein Großteil der Frauen nach der Geburt ihrer Kinder in Teilzeit wechselt und anschließend dauerhaft in Teilzeit arbeitet. Doch selbst, wenn sie anschließend wieder auf Vollzeit wechseln, kommen sie in der Praxis auf der Karriereleiter häufig nur noch schwer voran. Es scheint, dass vor allem Frauen mit Kindern besonders geringe Aussichten haben, in höhere Führungspositionen aufzusteigen. Um dies zu ändern, müsste sich die Unternehmenskultur der meisten Unternehmen ändern. Während das Thema Führungspositionen eher die gut ausgebildeten Frauen betrifft, gibt es ein weiteres Thema, dass für alle angestellten Frauen relevant ist: Die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern. Insgesamt verdienten Männer 2019 in Deutschland etwa 20 % mehr als Frauen [203]. Die oben angesprochenen Faktoren erklären das: Frauen übernehmen auch in Deutschland
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den weitaus größeren Teil der unbezahlten Arbeit rund um Haushalt, Erziehung und Pflege. Hinzu kommen die häufigeren Teilzeitbeschäftigungen, die geringere Vertretung in gut bezahlten Führungspositionen und die Tatsache, dass Frauen eher in geringer bezahlten Bereichen wie Erziehung, Unterricht, Gesundheits- und Sozialwesen arbeiten. Doch selbst, wenn man all diese Faktoren berücksichtigt, gibt es Unterschiede in der Entlohnung. Das Statistische Bundesamt hat für 2014 berechnet, dass Frauen in gleicher Position im Durchschnitt etwa 6 % weniger Entgelt erhalten als Männer [203]. Erneut liegt es häufig daran, dass Frauen eine Babypause einlegen und danach nur in Teilzeit arbeiten. Ein Ansatzpunkt für eine gerechtere Bezahlung könnten Maßnahmen sein, die es erleichtern, Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Je besser, flexibler und bezahlbarer die Betreuungsmöglichkeiten sind, desto mehr haben Eltern eine echte Entscheidungsfreiheit zu ihrem Lebensmodell. Leider ist neben der gleichberechtigten politischen Teilhabe und den wirtschaftlichen Chancen auch das Thema „Gewalt gegen Frauen“ in Deutschland präsent. Gemäß einer EU Studie aus dem Jahr 2014 hat etwa jede dritte Frau in Deutschland seit ihrem 15. Lebensjahr zumindest einmal sexuelle oder körperliche Gewalt erlebt [80]. Gewalt gegen Frauen ist damit in Deutschland weiter verbreitet, als viele denken. Viele Opfer sprechen nämlich kaum darüber [65]. In der überwiegenden Zahl der Fälle erfolgt sexuelle und körperliche Gewalt durch jemanden, den die Frau kennt oder mit dem sie sogar zusammenlebt. Gerade bei der häuslichen Gewalt gehen die wenigsten Opfer zur Polizei. So leiden manche Frauen ihr ganzes Leben, weil die Gefahr häuslicher Gewalt mit dem Alter kaum abnimmt. Übrigens haben auch Bildungsgrad, Einkommen, Beruf oder Wohnort keinen Einfluss auf die Gefahr, Opfer sexueller Gewalt zu werden.
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Was kannst Du tun? • Zeige Zivilcourage, wenn Du mitbekommst, dass in der Nachbarschaft eine Frau geschlagen wird. Oft ist es sinnvoll, Dich zunächst mit anderen Nachbarn auszutauschen, ob sie den gleichen Eindruck haben. Im Zweifelsfall ist es besser, die Polizei zu rufen, bevor etwas Schlimmeres passiert. Schaue nicht weg, wenn du jemanden siehst, der misshandelt wurde. • Stärke bei der Erziehung Deiner Kinder ihr Bewusstsein und ihr Bedürfnis nach Gleichberechtigung. Schließlich werden weder Jungs als gewalttätiger Macho-Männer geboren noch sehen sich Mädchen als verletzlich oder minderwertig an. Der Videoclip am Kapitelanfang hat gezeigt, welchen Einfluss selbst beiläufige Bemerkungen wie „wie ein Mädchen“ haben können.
Ziel 6: Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen
68 M. Medert Rachel Beckwith Die kleine Rachel wohnt in der Nähe von Seattle, USA. Mit fünf hört sie von einer Organisation, die Haarspenden sucht, um Perücken für krebskranke Kinder herzustellen. Sie will diesen Kindern unbedingt helfen und lässt sich ihre schönen langen Haare für das Projekt abschneiden. Ein paar Jahre später ist Rachel tief ergriffen, als sie erfährt, dass jeden Tag 800 Kinder schon vor ihrem 5. Geburtstag sterben, weil sie kein sauberes Wasser trinken können. Sie kommt auf eine tolle Idee: Sie wünscht sich zu ihrem Geburtstag statt Geschenke nur Spenden für die Hilfsorganisation „charity:water“, die in Afrika Brunnen baut. Als sie am Geburtstag die angestrebten 300 US$ knapp verfehlt, ist sie ziemlich enttäuscht. Wenige Tage nach ihrem Geburtstag kommt es zur Tragödie: Bei einer Massenkarambolage wird das Auto von Rachels Familie von einem Sattelschlepper gerammt. Rachel wird bei diesem Unfall lebensgefährlich verletzt. Sie stirbt 3 Tage später im Krankenhaus. Viele Fernsehsender, Zeitungen und Internet-Plattformen berichten ausführlich über den Unfall und das traurige Schicksal der kleinen Rachel. Rachels Großherzigkeit bewegt Menschen auf der ganzen Welt. Und so kommt es zu einer wahren Spendenflut für ihr Projekt: In wenigen Wochen kommen über 1,25 Mio. US$ zusammen. Dank dieser Spenden haben jetzt 37.000 mehr Menschen Zugang zu sauberen Trinkwasser. So hat die kleine großmütige Rachel das Leben vieler Menschen für immer verändert. Einer der Spender hinterlässt diesen Eintrag auf Rachels Spendenseite: „Wenn es nur mehr so wunderbare Engel wie dich gäbe – dann wäre diese Welt ein besserer Ort.“
Wasser bedeckt einen großen Teil der Erde. Da erscheint es zunächst verwunderlich, dass der Zugang zu Wasser ein Problem sein könnte. Allerdings ist nur ein sehr geringer Teil des Wassers auf der Erde Süßwasser – und das meiste davon ist im Eis der Pole und Gletscher gebunden. Weniger als 1 % des Wassers auf der Erde ist potenziell
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nutzbares Süßwasser in Grundwasser, Flüssen, Seen und Regenwasser [196]. Die Weltbevölkerung, die diesen kleinen Anteil an Süßwasser nutzt, wächst in den nächsten Jahrzehnten vermutlich deutlich an. Gleichzeitig nutzen wir immer mehr Süßwasser etwa in der Landwirtschaft, der Industrie und zur Energiegewinnung. Hinzu kommt unsere private Nutzung: Wir kochen, waschen, putzen und trinken das Süßwasser. Nachdem wir das saubere Süßwasser benutzt haben, verwandelt es sich meist in Abwasser. Ungeklärtes Abwasser kann Menschen krankmachen und die Umwelt belasten. Die UN-Nachhaltigkeitsziele decken daher den gesamten Wasserzyklus ab: Sie betrachten sowohl den Zugang zu Trinkwasser und sanitären Einrichtungen als auch die Wasserbewirtschaftung.
Allgemeiner und gerechter Zugang zu einwandfreiem und bezahlbarem Trinkwasser für alle Sauberes Wasser ist für uns eine Selbstverständlichkeit. In den Jahren von 2007 bis 2018 verbrauchte in Deutschland jeder Einwohner 120 bis 130 L täglich [18]. Das Wasser aus dem Wasserhahn ist dabei hygienisch unbedenklich und frei von chemischen Verunreinigungen. In Subsahara-Afrika sieht das anders aus: Dreiviertel der Haushalte müssen dort das Wasser von einer Wasserstelle holen. Meist sind es Frauen und Mädchen, die viele Stunden damit beschäftigt sind, Wasser für die Familie von der Wasserstelle zu holen. UNICEF schätzte 2013, dass diese im Durchschnitt 6 km entfernt ist [228]. Die schwere und zeitraubende Arbeit verhindert meist, dass
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betroffene Kinder in die Schule gehen. So kommen sie in den Teufelskreislauf, den wir im Kapitel „Armut“ kennengelernt haben.
Warum ist Zugang zu sauberem Trinkwasser so wichtig? Unser menschlicher Körper besteht zu etwa zwei Dritteln aus Wasser. Wir verlieren einen Teil dieses Wassers jeden Tag in Form von Schweiß, Urin oder als Luftfeuchtigkeit beim Atmen. Zum Ausgleich müssen wir ausreichend Wasser zu uns nehmen. Sonst schränkt unser Körper viele lebenswichtige Prozesse ein: Nährstofftransport, Herzkreislauffunktion, Wärmeregulierung und Entgiftung. Ohne ausreichend Wassernachschub kann ein Mensch daher nur wenige Tage überleben. Neben der Menge an Wasser ist auch die Qualität des Wassers entscheidend. Enthält das Wasser Giftstoffe oder Keime, kann auch dies zu Krankheiten und Tod führen.
Gibt es genug Trinkwasser für alle Menschen auf der Welt? Global betrachtet gäbe es ausreichend Süßwasser. Doch lokal ist Süßwasser sehr ungleich verteilt. Es gibt einerseits wasserreiche Regionen wie Kanada. Andererseits leiden viele Regionen in Afrika unter Wasserarmut. Teilweise gibt es auch innerhalb eines Landes Unterschiede: Brasilien gilt zum Beispiel insgesamt als wasserreich, doch im Nordosten des Landes gibt es Dürregebiete mit Wassermangel. Stand 2015 brauchten weltweit etwa 850 Mio. Menschen mehr als 30 min um Wasser von einer Wasserstelle zu holen [276]. Knapp 2 Mrd. Menschen haben dabei nur Wasser in ihrer Umgebung, das mit Fäkalien verunreinigt ist [238]. Fast 1000 Kinder unter 5 Jahren sterben jeden Tag an
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Durchfallerkrankungen durch keimbelastetes Wasser [259]. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Lage deutlich gebessert. Durch das globale Bevölkerungswachstum, steigenden Konsum und den Klimawandel besteht nun jedoch die Gefahr, dass sich die Verfügbarkeit und die Qualität von Trinkwasser in den nächsten Jahren wieder verschlechtern. Schauen wir uns die Ursachen genauer an:
Übernutzung von Wasser Die größte Gefahr für die weltweite Wasserversorgung ist die Übernutzung des Süßwassers. Übernutzung bedeutet, dass der Natur mehr Wasser entnommen wird, als sie bereitstellen kann. Das natürliche Wiederaufbereitungssystem wird aus dem Gleichgewicht gebracht. Durch eine solche Übernutzung entsteht inzwischen immer häufiger Wassermangel in Gegenden, wo es vor einiger Zeit noch ausreichend Süßwasser gab. Doch wofür wird Wasser überhaupt verbraucht? Mehr als zwei Drittel des weltweiten Wasserverbrauchs wird für die Landwirtschaft verwendet. Weitere 20 % für die Industrie. Der private Verbrauch für Trinken, Waschen, Kochen etc. schlägt nur mit etwa 10 % zu Buche. Auffällig ist, dass Menschen in den Industrieländern ein Vielfaches an Wasser verbrauchen als Menschen in Entwicklungsländern. Dabei geht es weniger um den direkten Verbrauch, sondern vielmehr um den indirekten oder virtuellen Verbrauch. Das ist der Wasserverbrauch, der in unseren Nahrungsmitteln und Gebrauchsgegenständen steckt. Bei deren Herstellung werden teilweise ungeheure Mengen Wasser benötigt. Zum Problem wird das, wenn dieses virtuelle Wasser in wasserarmen Regionen verbraucht wird und die
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Produkte von dort exportiert werden. Gerade in Trockengebieten in Afrika, Lateinamerika, Asien und Südeuropa werden unglaublich große Mengen Grund- und Oberflächenwasser eingesetzt, um große Farmen, Plantagen und Weideflächen zu bewirtschaften. Ein Großteil der Produkte wie Sojabohnen, Obst, Fleisch oder Baumwolle werden anschließend in die Industrieländer exportiert. Die Not wasserarmer Regionen verschlimmert sich dadurch noch. Wie groß dieser Effekt ist, sieht man an den Zahlen für Deutschland in einer Untersuchung aus 2011: Zusätzlich zu den 120 L Wasser, die wir direkt verbrauchen, nutzen wir noch 3900 L Wasser im Ausland für die Produkte, die wir von dort importieren [18]. Der indirekte Wasserverbrauch ist somit gut 30-mal höher als der direkte Verbrauch. Hier ein paar Beispiele: • In jeder Tasse Kaffee stecken etwa 130 L Wasser für den Anbau der dafür benötigten Kaffeebohnen und deren Verarbeitung. Das entspricht fast der Menge, die wir für ein Bad in der Badewanne benötigen. • Ein einziges Rindersteak aus der Massentierhaltung steht für etwa 4000 L indirektes Wasser, das allermeiste übrigens für die künstliche Bewässerung beim Anbau der Futtermittel – oft importiert aus Südamerika. Rindfleisch aus heimischer Weidehaltung hat hingegen einen deutlich geringeren Wasserfußabdruck (die Wassermenge, die man zur Herstellung eines Produkts benötigt). • Für eine Jeans werden etwa 8000 bis 11.000 L Wasser benötigt, also etwa 53 Badewannen. Zum Problem werden diese großen entnommenen Wassermengen insbesondere dann, wenn diese nicht durch den natürlichen Wasserkreislauf wieder an der gleichen
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Stelle aufgefüllt werden. Sichtbar wurde dieser Effekt am Aralsee: Aufgrund von extrem großem Wasserverbrauch für die Baumwollplantagen hat der ehemals viertgrößte Binnensee der Erde zwischen 1970 und 2007 etwa 90 % seines Wasservolumens verloren [18]. So wird deutlich, dass unser Konsum und unsere Ernährungsgewohnheiten die Wasserarmut in der ganzen Welt beeinflussen können. Was kannst Du tun? • Essgewohnheiten: – Du verringerst Deinen Wasserfußabdruck, wenn Du weniger Fleisch isst oder, wenn Du Fleisch ist, solches aus Weidehaltung nutzt. Gleiches gilt für Milch und andere tierische Produkte. – Es ist auch vorteilhaft, andere Lebensmittel möglichst regional und saisonal zu kaufen. Wir importieren dann kein Wasser aus wasserarmen Weltregionen. Also eher heimische Erdbeeren im Sommer essen, statt spanische Erdbeeren im Winter. Auch manche exotische Frucht kann eine Menge Wasser verbrauchen: Eine einzelne Avocado benötigt etwa 400 L Wasser. – Grundsätzlich macht es Sinn, beim Einkauf auf die Herkunft zu achten und dabei Trockengebiete eher zu meiden. • Andere Konsumgüter: – Hier ist es häufig sehr schwer, Informationen zum Wasserfußabdruck zu erhalten, um sich daran zu orientieren. Grundsätzlich hilft es natürlich, wenn weniger konsumiert wird. Hier kommen Anregungen aus dem Nachhaltigkeitsziel „Verantwortungsvoller Konsum und Produktion“ zum Tragen. Erstens: Nur das kaufen, was wir wirklich brauchen – also z. B. keine Kleidung, die dann nur im Schrank hängt. Zweitens: Produkte möglichst lange nutzen, in dem wir teilen, reparieren und schon beim Kauf auf Reparierbarkeit achten etc. – Bei Kleidung hat Bio-Baumwolle meist eine bessere Wasserbilanz, denn häufig wird sie hauptsächlich durch Regenwasser bewässert.
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Klimawandel und Bevölkerungswachstum In manchen Regionen gibt es zwar üblicherweise ausreichend Süßwasser, jedoch wird das Wasser schnell knapp, wenn es über einen längeren Zeitraum kaum regnet. Zwar gab es schon immer Dürren, doch Wetterextreme scheinen mit dem Klimawandel zuzunehmen. Einige Regionen Afrikas, wie die Sahelzone, werden besonders häufig von Dürrekatastrophen heimgesucht. Dort breiten sich wüstenähnliche Gebiete aus, wo zuvor noch Savanne war. Der Mensch verstärkt diese Entwicklung noch, indem er dort viele natürliche Ressourcen übernutzt: Viehzucht und das Kochen mit Holz zerstört die Restvegetation und begünstigt so die Bodenerosion. Hier zeigt sich das Problem, dass die Bevölkerung gerade in Gebieten mit Wassermangel besonders stark wächst. Der Klimawandel – und der damit verbundene Anstieg der Meeresspiegel – führt auch dazu, dass das Grundwasser in Küstennähe und auf Inseln versalzt. Gerade in Kombination mit Übernutzung kommt es dann schnell zu Engpässen. Auch Touristen übernutzen das Wasser, wenn etwa für Pools, Grünanlagen und Golfplätze mehr Wasser verbraucht wird, als durch Regen nachgefüllt wird. Was kannst Du tun? • Eine Untersuchung auf Mallorca zeigt, dass der durchschnittliche Tourist im Urlaub etwa 5-mal so viel Wasser verbraucht wie zu Hause. Wer im Urlaub auf seinen Wasserverbrauch achtet, hilft die Wasserreserven zu schonen. Ein Beispiel hierfür sind die Handtücher im Hotel: Werden sie mehrere Tage benutzt, muss weniger gewaschen werden. • Da wir alle mit unserem Lebensstil zum Klimawandel und seinen globalen Auswirkungen beitragen, kannst Du auch helfen, indem Du weniger Treibhausgase zu Hause verursachst. Anregungen hierzu findest Du im Kapitel zum Klimawandel
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Fehlende finanzielle Mittel für teures Wasser Im Abschnitt zur Übernutzung von Wasser haben wir gesehen, dass mancherorts zu viel Wasser für andere Zwecke als zum Trinken abgezweigt wird. Manchmal wird es jedoch sogar zum Problem, wenn die Trinkwasservorräte zur Trinkwassergewinnung genutzt werden. Einige Trinkwasserhersteller stehen in der Kritik: Sie haben sich auch in Wassermangelgebieten die Rechte an Wasserquellen gesichert und verkaufen das Quellwasser in Flaschen. Das schafft zwar zunächst Arbeitsplätze und Steuereinnahmen, doch viele Menschen in der Umgebung haben kein Geld für teure Wasserflaschen. Gleichzeitig fehlt ihnen meist ein Brunnen, um selbst Wasser aus dem unterirdischen Wasserreservoir zu entnehmen. So können Menschen direkt neben einer Trinkwasser-Abfüllstation unter Wassermangel leiden. Wasser ist hier ein kommerzielles Gut, mit dem Geld verdient wird. Fairerweise muss man sagen, dass die Flaschenabfüller die unterirdischen Quellen häufig erst zugänglich gemacht haben. Das Wasser war in diesen Fällen also vorher auch kein öffentliches Gut, von dem sich jeder etwas nehmen konnte, ohne dafür zu bezahlen. In solchen Fällen ist die Flaschenabfüllung keine Konkurrenz zu Brunnen und Leitungen. Trotzdem kann die Wasserentnahme in großen Mengen dazu führen, dass das Wasser an anderer Stelle fehlt oder dass die betroffenen Trinkwasservorräte in Zukunft erschöpft sein werden. Daher argumentieren viele, dass Wasser kein Privateigentum sein dürfe, sondern ein öffentliches Gut sein sollte.
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Wasserverschmutzung Selbst, wenn Menschen Zugang zu Wasser haben, kann dieses so sehr verunreinigt sein, dass es zu gesundheitlichen Problemen führt. Solche Verunreinigungen können sowohl im Oberflächenwasser als auch im Grundwasser vorkommen. Entgegen der bisher häufig beobachteten positiven Trends in anderen Bereichen, verschlechtert sich die Wasserqualität in den letzten Jahren in vielen Regionen der Welt (Stand 2019; 84). In den allermeisten Fällen führt menschliches Handeln zu verunreinigtem Trinkwasser. Dies geschieht durch die Landwirtschaft, industrielle und private Abwässer und durch menschliche Ausscheidungen. In der Landwirtschaft ist insbesondere der übermäßige Einsatz von Dünger oder Pestiziden ein Problem. Die Pflanzen können nur einen Teil der Wirkstoffe aufnehmen, sodass der Rest ins Grundwasser gespült wird. Das geschieht sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern. Einen Unterschied gibt es hingegen bei den Abwässern: Während in den reicheren Ländern häufig strenge Auflagen und Kontrollen für Industrieabwässer existieren, leiten Unternehmen in vielen Entwicklungsländern große Teile ihres Abwassers unbehandelt in Gewässer und bedrohen damit die Versorgung mit sauberem Trinkwasser. Auch das Abwasser privater Haushalte führt aufgrund fehlender Kläranlagen zu Problemen. Im indischen Bangalore wurden 2017 in manche Seen so viele Waschmittel-Tenside eingeleitet, dass sie überschäumen und die Menschen in der Umgebung krank machen [59]. Auch Rückstände von menschlichen Ausscheidungen sind verheerend. Jedes Jahr werden Milliarden Fälle von Durchfall durch fäkal verunreinigtes Wasser verursacht.
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2015 starben 1,8 Mio. Menschen an den folgend von verunreinigtem Wasser [16]. Die Hauptursache für diese Art der Verunreinigung werden wir im nächsten Abschnitt näher betrachten.
Sanitärversorgung und Hygiene für Alle Viele Krankheiten werden durch Keime aus menschlichen Ausscheidungen übertragen. Eine bessere Sanitärversorgung könnte helfen: Menschen bräuchten hierfür insbesondere die Möglichkeit, eine Toilette zu benutzen, die Hände vor dem Essen und nach dem Toilettengang mit Wasser und Seife zu waschen sowie Kleinkinder und Pflegebedürftige zu säubern. Zur Hygiene zählt dabei auch die Lebensmittelhygiene, wie etwa das Waschen und Abkochen von Lebensmitteln. 2015 hatten mehr als 2,3 Mrd. Menschen, also jeder Dritte auf der Welt, keinen Zugang zu sauberen Toiletten [276]. In Zentral- und Südasien verrichten sogar mehr als 40 % der ländlichen Bevölkerung ihre Notdurft in der freien Natur. Ähnlich sieht es in den meisten Slums der globalen Metropolen aus, wo es meist keine Kanalisation gibt. Menschen verrichten ihre Notdurft dort in Bächen und Flüssen, wodurch Böden und Wasservorräte verunreinigt und Krankheitskeime übertragen werden. Die daraus resultierenden Durchfallerkrankungen zählen zu den häufigsten Todesursachen in Entwicklungsländern, insbesondere für Kleinkinder. Neben der Gesundheit bedroht eine unzureichende Sanitärversorgung auch die Ausbildung: Zahlreiche Schulen haben keine Toiletten. Dort bleiben Mädchen während ihrer Menstruation häufig dem Unterricht fern oder brechen den Schulbesuch ganz ab.
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Nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser Schon 2012 galten 20 % der weltweiten Grundwasservorkommen bereits als übernutzt [238]. Die Bewirtschaftung des Wassers ist dort nicht nachhaltig und wird in der Zukunft zu Wasserengpässen führen oder erzeugt sogar schon heute Wassermangel. Ein nachhaltiger Umgang mit dem wertvollen Wasser ist somit essentiell für die Zukunft der Menschheit. Landwirte verwenden den Großteil des Süßwassers. Eine effizientere Bewässerung an dieser Stelle hat somit die größten Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung. Wenn es etwa gelänge, das Regenwasser intensiver zu nutzen, müsste weniger Wasser aus Flüssen entnommen werden. Dann wäre eine nachhaltige Wasserwirtschaft auch in manchem wasserärmeren Gebiet möglich und eine Übernutzung des Wassers vermeidbar.
Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung in Deutschland Deutschland liegt klimatisch günstig, sodass die Menschen hier gut mit Wasser versorgt werden können. Wenn man nur den lokalen Wasserverbrauch in Deutschland betrachtet, könnte man sagen, dass wir unser Wasser nachhaltig bewirtschaften. Nach Aussage des Bundesumweltamts aus 2019 wird nur etwa 13 % des Wasserangebots für Kraftwerke, Industrie, Landwirtschaft und private Haushalte verwendet [18]. Der größte Teil des verfügbaren Wassers bleibt somit unbenutzt. Die landwirtschaftliche Bewässerung fällt in Deutschland weniger ins Gewicht und der Trinkwasserverbrauch pro Person in privaten Haushalten ist in den letzten Jahren auf gut
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120 L pro Person und Tag gesunken. Außerdem hat fast jeder Deutsche Zugang zur öffentlichen Wasserversorgung und zu einem Abwassersystem. An Trinkwasser und Toiletten sollte es in Deutschland folglich niemanden mangeln. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen, wenn man etwa an obdachlose Menschen denkt. Nicht in allen Städten gibt es ausreichend öffentliche Trinkwasserstellen und kostenlose Toiletten, die von ihnen genutzt werden können. Aufgrund der ausreichenden Wassermenge liegt das Hauptaugenmerk der Wasserwirtschaft in Deutschland auf der Wasserqualität. Aufgrund des recht hohen Umweltschutzniveaus hat sich die Wasserqualität in den letzten 25 Jahren in weiten Teilen verbessert. Doch auch in Deutschland ist die Wasserqualität nach wie vor gefährdet. So findet sich in einigen Teilen Deutschlands ein sehr hoher Nitratgehalt im Grundwasser, der teilweise deutlich über den zulässigen Grenzwerten liegt. Das Nitrat stammt etwa aus der Gülle der Massentierhaltung: Die extrem große Anzahl von Tieren produziert viel mehr Gülle, als von den Pflanzen auf den Feldern aufgenommen werden kann. Ein großer Teil des Nitrats gelangt so ins Grundwasser. Neben dem hohen Nitratgehalt finden sich auch die Rückstände von Medikamenten im Wasser [18]. Ein Teil der eingenommenen Medikamente wird wieder ausgeschieden und so ins Abwasser gespült. Rückstände davon finden sich selbst nach der Aufbereitung in modernsten Kläranlagen. Das bedeutet, je mehr Medikamente wir einnehmen, desto mehr Rückstände finden sich anschließend auch im Wasserhaushalt. So kann man heute mit genauen Messmethoden schon Spuren von Diclofenac und Anti-Baby-Pillen immer öfter in deutschen Flüssen nachweisen. Experten diskutieren zurzeit noch, ob diese Mengen schädlich für den Menschen sind.
80 M. Medert Was kannst Du tun? • Wasserverschmutzung vermeiden: Unverbrauchte oder abgelaufene Arzneimittel sollten auf keinen Fall durch die Toilette entsorgt werden. Genau so wenig gehören Farbreste oder andere wassergefährdende Chemikalien in den Abfluss. • Wasserverbrauch reduzieren: Auf jeden Fall gilt es, den oben beschriebenen indirekten Wasserverbrauch zu reduzieren. Die Meinungen gehen auseinander, ob auch beim direkten Wasserverbrauch in Deutschland gespart werden sollte. Selbstverständlich sollte möglichst wenig Warmwasser verbraucht werden, da hierfür zusätzlich Heizenergie aufgebracht werden muss. Doch während die einen sagen, dass unsere überdimensionierten Leitungen, Kanäle und Klärwerke inzwischen eher mehr als weniger Wasser benötigen, sagen andere, dass Wasser gespart werden solle, damit der Grundwasserspiegel stabil bleibt. Zumindest regional kann es also durchaus sinnvoll sein, eher zu duschen als zu baden und wassersparende Armaturen, Toilettenspülungen, Waschmaschinen etc. einzusetzen. Hausbesitzer können auch versuchen, möglichst wenig Fläche zu versiegeln. So versickert das Regenwasser und wird nicht in die Kanalisation abgeleitet.
Ziel 7: Bezahlbare und saubere Energie
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Solarkiosk Andreas Spiess ist ein Berliner Rechtsanwalt. Er berät Unternehmen auch international. So kommt er nach Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens. Im Hotel läuft er zufällig Lars Krückeberg über den Weg. Er kommt auch aus Berlin und baut als Architekt gerade ein Kinderkrankenhaus in Addis Abeba. Beide erkennen ein Grundproblem Äthiopiens: Die Menschen in den abgelegenen Gebieten haben keinen Stromanschluss. So sind sie vom Fortschritt ausgeschlossen. Die beiden Berliner beschließen, etwas dagegen zu tun: Mithilfe ihres Netzwerks entwickeln sie kleine Verkaufshäuschen mit Photovoltaik-Modulen auf dem Dach und einer Batterie unter dem Boden. So ein Kiosk besteht aus kleinen Bauteilen, die sich leicht transportieren und erweitern lassen. Er ist nachts beleuchtet und ist ausgestattet mit Kühltruhe, Fernseher, Drucker und Steckdosen, damit Handys aufgeladen werden können. Sie gründen die Firma SOLARKIOSK und schaffen zusätzliche Arbeitsplätze vor Ort, indem sie ihre Kioske überwiegend in Afrika herstellen. Sie stellen auch die Kioskbetreiber an und bilden sie aus, damit sie technische Probleme selbst beheben können. Die lokalen Betreiber wissen auch am besten, was in ihrem Dorf gebraucht wird. Sie bieten gekühlte Getränke, solarbetriebene Lampen und andere Waren an. Gut laufen meist auch Dienstleistungen, wie das Laden der Handys, Internetzugang und Satellitenfernsehen. Um den Kiosk entsteht schnell ein sozialer Treffpunkt, besonders abends, wenn der Solarkiosk der einzige Ort mit Licht in der Gegend ist. Durch den verfügbaren Strom entstehen häufig auch ein Gesundheitszentrum und kleine Betriebe direkt neben dem Kiosk. Manchmal werden auch mehrere Häuser an ein kleines eigenes Stromnetz angeschlossen. Den Gewinn teilen sich die lokalen Betreiber und die Firma SOLARKIOSK, die damit sowohl ökologisch, ökonomisch als auch sozial erfolgreich ist: Ökologisch, weil Dieselgeneratoren durch erneuerbare Solarenergie ersetzt werden. Ökonomisch, weil zum einen die geschäftstüchtigen Shopbetreiber schnell einen Gewinn erwirtschaften, zum anderen nutzen meist weitere Kleinbetriebe den Strom des Kiosks und siedeln sich direkt daneben an. Sozial, weil Menschen in entlegenen Gebieten in die Lage
82 M. Medert versetzt werden, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und ihre Lebenssituation vor Ort zu verbessern. Vielleicht begeben sich so auch weniger Menschen auf die lebensgefährliche Reise nach Europa. Inzwischen stehen über 230 Solarkioske in 11 verschiedenen Ländern und SOLARKIOSK hat zahlreiche internationale Auszeichnungen erhalten. Andreas Spiess hat sich im Alter von 40 Jahren aus seiner Komfortzone als Anwalt gewagt, hat seine Idee umgesetzt und ist nun Geschäftsführer eines erfolgreichen sozialen Unternehmens.
Je mehr Menschen Zugang zu Energie haben, desto leichter können auch einige andere Nachhaltigkeitsziele erreicht werden. Hier einige Beispiele • Gesundheit: Elektrische medizinische Geräte, wie ein Ultraschallgerät, helfen bei der Diagnose und Behandlung von gesundheitlichen Problemen. Mit Energie können auch Medikamente gekühlt werden. Gerade lebenswichtige Impfstoffe verlieren ungekühlt schnell ihre Wirkung. • Hunger: Durch den Einsatz von Maschinen können Kleinbauern ihre Erntemenge häufig deutlich steigern. Wenn sie ein Fahrzeug haben, können sie möglicherweise auch einen Teil ihrer Ernte zum nächsten Markt bringen. Viele Lebensmittel halten auch länger, wenn sie gekühlt transportiert und gelagert werden. • Armut: Durch Licht können Menschen auch abends arbeiten, um sich noch etwas hinzuzuverdienen und Kinder können abends noch für die Schule lernen, selbst in Zeiten, wenn sie ihren Eltern tagsüber bei der Ernte helfen müssen. Doch neben all diesen positiven Effekten belastet der Verbrauch von Energie – je nach Energiequelle – auch
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mehr oder weniger die Umwelt. Daher fordert das UN-Nachhaltigkeitsziel 7, dass einerseits alle Menschen Zugang zu Energie erhalten und andererseits Ressourcen geschont und das Klima geschützt wird. Um dieses Spagat zu bewerkstelligen, ist das Zusammenspiel von drei Aspekten notwendig: Erstens sollte ein möglichst großer Teil der Energie aus erneuerbaren Energien stammen. Zweitens sollte Energie möglichst effizient genutzt werden. Drittens sollten alle Menschen Zugang zu Energie erhalten. Schauen wir uns die drei Aspekte genauer an.
Anteil erneuerbarer Energie am globalen Energiemix deutlich erhöhen Man unterteilt die Energiequellen in drei Gruppen: Die fossilen, nuklearen und regenerativen Energien. Zu den fossilen Energieträgern zählen Erdöl, Kohle und Erdgas, die 2017 zusammen etwa 80 % der weltweit verbrauchten Energie lieferten [44]. Die nuklearen Kernkraftwerke tragen mit etwa 2 % zur Energieversorgung bei. Die restlichen etwa 18 % steuern mit steigernder Tendenz die regenerativen oder erneuerbaren Energien bei, die sich relativ schnell wieder selbst erneuern oder die praktisch unbegrenzt zur Verfügung stehen. Hierzu zählen insbesondere die Biomassenutzung, Sonnenenergie, Wasserund Windkraft. Wenn Menschen mit Holz heizen und kochen zählt das allerdings auch zu den erneuerbaren Energien. Fast jeder dritte Mensch auf der Welt kocht mit Holz, obwohl der Rauch innerhalb von Hütten gesundheitsschädlich ist. Je nachdem, wo das Holz gesammelt wird, werden dadurch auch Wälder abgeholzt und die Wüstenbildung unterstützt. Doch der Anteil der „modernen“ erneuerbaren Energien liegt heute schon bei etwa 10 % des weltweiten Energieverbrauchs.
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Dieser Anteil steigt Stand 2019 seit Jahren zwar nur langsam, aber kontinuierlich [188]: Etwa zwei Drittel der jährlich zusätzlich gebauten Energiekapazitäten wird durch erneuerbare Energien bereitgestellt. Inzwischen sind Wind und Sonne in vielen Regionen sogar die günstigste Energiequelle. Hinzu kommt, dass Sonnenstrahlung und Wind jeweils 1000-fach mehr Energie bereitstellen können, als weltweit in allen Formen verbraucht wird [50]. So entstehen sowohl dezentrale Photovoltaikanlagen als auch zahlreiche große Solarkraftwerke: Beispiele hierfür sind die riesigen Solarkraftwerke in den Wüsten von Abu Dhabi oder in der Marokko, die zu den sonnenreichsten Gegenden der Erde gehören. Wir sehen viele positive Entwicklungen. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien gibt es jedoch auch noch zahlreiche Herausforderungen, von denen ich hier zwei nennen möchte:
Strom ist nur eine Form des Energieverbrauchs Schon mehr als ein Viertel des Stroms wurde 2018 weltweit durch erneuerbare Energien erzeugt [44]. Doch Strom ist nur eine Art des Energieverbrauchs – und bei weitem nicht die größte. Mehr Energie wird etwa im Verkehr oder beim Heizen verbraucht. In diesen Bereichen verbrauchen wir bisher vor allem fossile Energiequellen [188]. Beim Verkehr zeigen sich die Fortschritte zwar noch im Schneckentempo, doch es bewegt sich etwas: Der Anteil von Elektroautos an den Neuzulassungen steigt, sodass es weltweit schon einige Millionen Elektrofahrzeuge gibt. In Norwegen waren Anfang 2019 sogar bereits mehr als die Hälfte aller Neuzulassungen Elektroautos [50]. In der chinesischen Millionenstadt Shenzhen wurde mit 16.000
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Elektrobussen die komplette Busflotte in wenigen Jahren umgestellt. Diese Umstellungen bringen natürlich nur etwas, wenn die Elektrofahrzeuge mit Strom aus erneuerbaren Quellen geladen werden. Für einen wirklichen Durchbruch brauchen wir noch leistungsstärkere Speicher für eine größere Reichweite der Elektroautos und eine entsprechende Infrastruktur mit Stromtankstellen, an denen leere Speicher schnell wieder geladen werden können. Ähnlich wie beim Verkehr gibt es auch bei Heizungen Trends zu mehr regenerativen Energien wie Erdwärme, Pellets oder Sonnenenergie.
Wir brauchen neue Speicher für Energie Energieangebot und -nachfrage müssen für eine sichere Versorgung stets ausgeglichen sein. Gerade bei erneuerbaren Energien kann es jedoch eher zu einem Über- oder Unterangebot kommen. Ich bin selbst frustriert, dass ich tagsüber mehr als zwei Drittel der Energie meiner Photovoltaikanlage auf dem Dach ins Stromnetz einspeise, dann allerdings nach Sonnenuntergang wieder Strom einkaufen muss. Um traditionelle Kraftwerke endgültig durch erneuerbare Energien zu ersetzen, wird daher an neuen Möglichkeiten zur Speicherung von Energie gearbeitet [120]. Für die kurzfristige Energiespeicherung entstehen zurzeit immer bessere Batteriespeicher. Diese erlauben es zum Beispiel, bei einer Photovoltaikanlage auf dem Dach eines Hauses, den überschüssigen Solarstrom vom Tag nun auch abends zu verbrauchen, wenn die Sonne nicht mehr scheint. Zusätzlich benötigen wir auch längerfristige, saisonale Speicher für große Energiemengen – etwa zum Heizen im Winter, wenn weniger Sonnenenergie zur Verfügung steht. Dafür eignen sich zum Beispiel sogenannte
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umpspeicherkraftwerke. Dort wird Wasser bei EnergieP überschuss in einen Bergsee hochgepumpt. Wenn später mehr Energie benötigt wird, fließt das Wasser wieder bergab und treibt dabei Turbinen an. Ein anderes Beispiel für kleinere Energiemengen sind Wasserstoffspeicher in Häusern. Dabei wird mit der überschüssigen Energie aus Wasser Wasserstoff gewonnen. Der Wasserstoff kann lange gespeichert werden und im Winter genutzt werden, um über eine Brennstoffzelle ein Haus zu heizen. Statt überschüssige Energie zu speichern, können wir auch versuchen, mehr Energie genau dann zu verbrauchen, wenn die Sonne scheint und der Wind weht. Intelligente Stromverbraucher rufen dann den Strom ab, wenn ein Überangebot zur Verfügung steht. In zahlreichen Ländern laufen bereits Pilotprojekte zu einer solchen Laststeuerung.
Energieeffizienz deutlich steigern Es ist folglich noch ein weiter Weg, bis der Großteil unserer Energie aus erneuerbaren Quellen stammt. Daher wäre es sehr hilfreich für eine nachhaltigere Energieversorgung, wenn wir den absoluten Energieverbrauch senken könnten. Müssen wir dafür unseren Lebensstandard einschränken und auf Dinge verzichten, also etwa weniger mit dem Auto fahren und unsere Wohnung im Winter weniger heizen? Das ist zwar ein sehr effektiver Weg, um den Energieverbrauch zu senken. Allerdings ist „Verzichten“ wenig populär. Daher liegt der Fokus auf der Steigerung der Energieeffizienz. Effizienz steigern bedeutet, dass man für das gleiche Ergebnis weniger Input benötigt. Mit einer gesteigerten Energieeffizienz benötigen wir weniger Energie als früher, um Produkte herzustellen, von einem Ort zum
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anderen zu kommen, zu heizen und vieles mehr. Das lässt sich schön am Beispiel der Beleuchtung veranschaulichen: Um einen Raum zu beleuchten, verbraucht eine LED heute nur rund ein Zehntel des Stroms einer früheren Glühlampe. Wenn es solche Fortschritte gibt, warum verbrauchen wir weltweit dann immer mehr Energie? Das liegt einerseits am Wirtschaftswachstum. Zwar verbrauchen wir jedes Jahr 1 bis 2 % weniger Energie für die gleiche Wirtschaftsleistung, doch die Wirtschaft wächst oft noch stärker. Andererseits gibt es den sogenannten „Rebound-Effekt“, der einen Teil der Effizienzgewinne wieder auffrisst [217]. Der Rebound-Effekt basiert auf Verhaltensänderungen, wie wir es zum Beispiel bei der Autonutzung beobachten können: Einerseits sind moderne Benzin- und Dieselmotoren viel effizienter und könnten den Verbrauch deutlich senken. Andererseits sind unsere Autos heute im Durchschnitt viel größer, schwerer und mit viel mehr PS ausgestattet. Der durchschnittliche Kraftstoffverbrauch der Autos in Deutschland ist folglich kaum gesunken – trotz der Fortschritte bei den Motoren. Hinzu kommt noch ein Effekt: Gerade, wenn wir ein besonders sparsames Auto kaufen, fahren wir damit deutlich mehr Kilometer – schließlich ist es ja ein umweltfreundliches Auto. Der Rebound Effekt tritt übrigens fast überall auf, wo Energie verbraucht wird. Der Verkehr ist nur ein Beispiel dafür. Um Ansatzpunkte für Effizienzgewinne zu finden, ist es wichtig zu verstehen, wofür weltweit die meiste Energie verbraucht wird: Verkehr, private Haushalte und Industrie [113].
Verkehr Der Verkehr verbraucht mehr als ein Drittel aller Energie weltweit. Der Pkw-Verkehr hat daran den Löwenanteil.
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Das liegt sowohl daran, dass Autos so häufig genutzt werden, als auch an der geringen Energieeffizienz von Autos mit Verbrennungsmotoren: Mehr als zwei Drittel der Energie des Kraftstoffs bringt keinen Antrieb, sondern geht als Abwärme oder Reibungsverlust verloren [43]. Bei Autos mit Elektroantrieb werden hingegen über zwei Drittel der Energie zum Vortrieb eingesetzt. Es ist allerdings keine Lösung, einfach alle klimaschädlichen Verbrennungsmotoren durch Elektroautos zu ersetzen. Die Fahrzeuge bräuchten mehr erneuerbaren Strom als es aktuell gibt. Zudem kommen durch den weltweit wachsenden Wohlstand immer mehr Fahrzeuge hinzu. Für eine nachhaltige Lösung im Verkehr muss sich daher noch mehr ändern, damit weniger Autos weniger Kilometer fahren. Es gibt dafür zahlreiche Ansätze von autonomen Fahrzeugen über Car-Sharing-Flotten und vorbildlichen öffentlichen Verkehr bis hin zu Pedelecs und E-Bikes. Gerade in Großstädten zeigen solche Angebote Wirkung: Jungen Erwachsenen in Großstädten ist das eigene Auto nicht mehr wichtig [22]. Viele Städte, wie Kopenhagen, fördern den Radverkehr mit sichtbarem Erfolg: 2019 pendelten schon fast zwei Drittel der Einwohner in Kopenhagen mit dem Fahrrad zur Arbeit und Ausbildung [202]. Neben dem Individualverkehr verbraucht auch der Warentransport große Energiemengen. Grundsätzlich treffen die oben gemachten Aussagen auch für diese Art des Verkehrs zu. Hinzu kommt, dass ein Warentransport per Lkw weniger energieeffizient als ein Transport mit Zug oder Schiff. Auch hier gilt, dass ein Verzicht auf den Transport die wirkungsvollste Maßnahme zum Einsparen der Energie wäre. Die meisten Unternehmen werden trotzdem weite Transporte in Kauf nehmen, solange die Einsparungen durch niedrige Lohnkosten im zum Teil weit entfernten Ausland größer sind als die Transportkosten. Ändern kann
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das der technische Fortschritt. Wenn die Produktion nämlich fast vollständig automatisiert ist, spielen die niedrigen Lohnkosten in Vietnam und Indonesien keine entscheidende Rolle mehr und Produkte können dort hergestellt werden, wo sie auch nachgefragt werden.
Energieverbrauch für Haushalte Der Energieverbrauch für Haushalte lag 2016 bei einem Anteil von gut 20 % am gesamten Energieverbrauch [113]. Etwa die Hälfte der Energie für Haushalte wird für das Heizen verbraucht. Das ist ein recht großer Anteil, wenn man bedenkt, dass die meisten Menschen weltweit in Gebieten wohnen, wo gar keine Heizung notwendig ist. Durch eine bessere Isolierung der Häuser und bessere Heizungsanlagen kann man die gleichen Raumtemperaturen mit deutlich weniger Energie erreichen. So wurde der Energiebedarf für das Heizen pro Quadratmeter zwischen 1995 bis 2016 in Deutschland um mehr als 25 % gesenkt [43]. Doch auch hier schlägt wieder der ReboundEffekt zu: Zwar sinkt der Heizenergiebedarf pro Quadratmeter Wohnfläche stark, doch der Bedarf pro Kopf für Heizenergie bleibt nahezu konstant hoch. Das liegt daran, dass wir im Durchschnitt in immer größeren Wohnungen wohnen und somit mehr Quadratmeter beheizen müssen. Der Einspareffekt wird so weitgehend zunichtegemacht. Neben dem Heizen wird Energie in Haushalten zum Beispiel auch für Geräte wie Spülmaschine, Waschmaschine oder Fernseher genutzt. Auch diese Geräte kommen heute mit deutlich weniger Energie aus als früher. Ein Flachbildfernseher kommt im Vergleich mit einem alten Röhrenfernseher etwa mit der Hälfte des Stroms aus. Und trotzdem verbrauchen Haushalte heute mehr als doppelt so viel Energie für Bildschirme als früher
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[9]. Das liegt daran, dass die Geräte heute länger und öfter in Betrieb sind, die Bildschirme immer größer werden und es immer mehr Bildschirme im Haushalt gibt. Der Rebound-Effekt macht sich erneut bemerkbar.
Industrie Neben dem Verkehr und den Hauhalten ist die Industrie der dritte große Energieverbraucher [113]. Dazu zählen besonders Unternehmen in den Bereichen Chemie, Petrochemie und Metallverarbeitung. Untersuchungen der Universität Cambridge und des Fraunhofer-Instituts schätzen, dass bis zu 73 % des Energieverbrauchs eingespart werden könnte, wenn überall die neueste Technik, der aktuelle Wissensstand und die modernste Technologie eingesetzt würden [73]. Selbst, wenn man sich nur auf wirtschaftlich rentable Technologien beschränkt, liegt das Einsparpotenzial gemäß der Internationalen Energieagentur noch über 20 %. Es besteht also eine realistische Hoffnung, dass Unternehmen in Energieeffizienz investieren. Einen zusätzlichen Anreiz kann die Politik schaffen, wenn sie Investitionen in Energieeffizienz durch Subventionen oder durch Abgaben auf Energieverbrauch attraktiver macht oder solche Investitionen sogar gesetzlich vorschreibt. Bei den heute vorherrschenden globalen Produktionsketten besteht bei zusätzlichen Umweltabgaben jedoch stets die Gefahr, dass betroffene Produktionsschritte in Länder verlagert werden, in denen geringere Umweltstandards gelten.
Allgemeinen Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher und sauberer Energie Wir haben bereits gesehen, dass alleine Sonne und Wind jeweils weit mehr saubere Energie bereitstellen könnten, als die gesamte Menschheit verbraucht. Außerdem wird
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immer weniger Energie benötigt, um bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen. Und trotzdem haben heute immer noch etwa 1 Mrd. Menschen weltweit keinen Stromanschluss. Das bedeutet, sie haben kein Licht zum Lernen, Krankenhäuser können keine elektrischen Geräte einsetzen und in Unternehmen können keine Computer und Maschinen betrieben werden – egal wie energieeffizient sie wären. Die betroffenen Länder und Regionen könnten den gleichen Entwicklungspfad anstreben, den Europa, Amerika und Teile Asiens gegangen sind: Sie würden dann nach und nach die Stromnachfrage durch den Bau neuer Kohlekraftwerke bedienen. Das wäre jedoch aufgrund der benötigten Stromleitungen weder bezahlbar noch wäre der Weg nachhaltig und umweltschonend. Anders sieht es aus, wenn die betroffenen Länder die Kohleund Öl-Phase überspringen und direkt eine saubere Energie-Infrastruktur aufbauen. Dass technologische Entwicklungsstufen übersprungen werden können, zeigt das Telefon: In Ländern wie Kambodscha oder Gambia gab es weniger als drei Telefonanschlüsse pro 100 Einwohner. Innerhalb nur weniger Jahre wurde es dann fast flächendeckend möglich, mobil zu telefonieren. Heute gibt es in diesen Ländern ähnlich viele Mobilfunkverträge pro Einwohner wie bei uns. Auf einen Festnetzanschluss hätten die Bewohner in abgelegenen Regionen wohl noch Jahrzehnte warten müssen [233]. In Afrika scheint an vielen Orten an mehr als 300 Tagen im Jahr die Sonne. Daraus ergibt sich ein enormes Potenzial, das zu grünem Wirtschaftswachstum führen kann. So steht inzwischen in Marokko eines der größten Solarkraftwerke der Welt und es werden weitere Solarkraftwerke mit dem Ziel gebaut, bis zum Jahr 2030 mehr als die Hälfte des marokkanischen Strombedarfs aus erneuerbaren Energien zu gewinnen [111].
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Mit Solarkraftwerken kann man die Menschen in den Städten versorgen. Doch es fehlen zusätzliche Stromnetze, um die armen Kleinbauern in den entlegenen Gebieten zu erreichen. Die Geschichte vom SOLARKIOSK in der Einleitung zu diesem Kapitel zeigt, dass die erneuerbaren Energien auch hierfür eine Lösung bieten: Bereits durch kleine Photovoltaikanlagen in einem Dorf können die Menschen Geld verdienen. Auch Bauern können ihre Produkte kühlen und weiterverarbeiten. So arbeitet die Universität Hohenheim mit Milchbauern in Tunesien erfolgreich an einem Pilotprojekt [239]. Durch den Solarstrom können die Kleinbauern ihre Kühe nun 2-mal täglich melken und die Milch kühlhalten. Sie können die Milch dadurch besser auf den lokalen Märkten verkaufen oder sogar zu Käse und anderen Milchprodukten weiterverarbeiten. Moderne Erneuerbare-Energien-Technologien können somit maßgeblich zur Bekämpfung der Armut in den Entwicklungsländern beitragen. Aufgrund des dezentralen Charakters können sie eine Grundversorgung sicherstellen. Wie das auch im großen Stil erfolgreich umgesetzt werden kann, zeigt Bangladesch [110]: Dort wurden in den letzten Jahren die Haushalte von mehr als 13 Mio. Menschen mit Solaranlagen ausgerüstet. Das Programm wird von der Regierung gefördert und durch Mikrokredite unterstützt. Diese große Anzahl Menschen kam dadurch erstmals zu einem Stromanschluss, ohne den Umweg über fossile Brennstoffe zu gehen. Als positiver Nebeneffekt haben zehntausende Menschen eine Arbeit gefunden: Sie sind für die Herstellung und Wartung der Anlagen verantwortlich. In Bangladesch läuft dieses Programm insbesondere auch deshalb so erfolgreich, weil es durch ein kulturell passendes und faires Kreditsystem begleitet wird: Es basiert vor allem auf Mikrokrediten, die zum Beispiel über eine Tochtergesellschaft der Grameen Bank von
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Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus organisiert werden. Die Raten entsprechen etwa den Kosten, den die Haushalte zuvor für Kerzen, Lampenkerosin und das Aufladen ihrer Handys am Kiosk bezahlt haben. Die bessere Versorgung mit Licht hat bereits jetzt positive Auswirkungen auf Bildung und Wirtschaft [163]. Zwischen 2010 und 2017 hat jedes Jahr fast ein weiteres Prozent der Menschheit Zugang zu Elektrizität erhalten [105]. Länder wie Kenia und Bangladesch zeigen, wie erfolgreich und nachhaltig viele Millionen Menschen Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher und sauberer Energie erhalten können. In zahlreichen anderen Ländern hingegen stagniert der Fortschritt. Hinzu kommt, dass selbst ein Stromanschluss keine Garantie für die Verwendung sauberer Energie für alle Haushaltsbereiche ist. Während etwa eine Milliarde Menschen keinen Stromanschluss haben, sind fast 3 Mrd. Menschen beim Kochen und Heizen auf Holz, Holzkohle und Pflanzenreste angewiesen. Die Zahl der Menschen, die auf solche Brennstoffe angewiesen sind, nimmt nur langsam ab. Diese Art des Kochens und Heizens ist teilweise gesundheitsschädlich, ineffizient und nur selten nachhaltig. Zusammenfassend sehen wir, dass die Menschheit bei allen drei Aspekten des Energieziels vorankommt und sich die Lage verbessert: • Der Anteil erneuerbarer Energie am globalen Energiemix steigt • Die Energieeffizienz steigt • Mehr Menschen erhalten Zugang zu sauberer Elektrizität Der weltweite Trend zeigt in die richtige Richtung. Allerdings müsste es schneller gehen, um die Ziele für 2030 zu erreichen.
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Energie in Deutschland Der Begriff Energiewende ist von Deutschland geprägt und strebt die weitgehende Umstellung der Energieerzeugung in Deutschland auf erneuerbare Energien an. Deutschland war zu Beginn des Jahrtausends ein Vorreiter im Bereich des sauberen Stroms. Wo stehen wir heute?
Anteil erneuerbarer Energie am Energiemix deutlich erhöhen Betrachten wir den Strommix in Deutschland, so stammt 2017 fast 40 % des Stroms aus erneuerbaren Energien [218]. Das ist mehr als doppelt so hoch wie noch 2010. Das klingt gut und daher wähnen wir uns auf einem guten Weg zu einer weitgehend sauberen Energienation. Doch für Strom wird nur etwa ein Fünftel der Energie in Deutschland verbraucht. Allein zum Heizen verbraucht Deutschland fast doppelt so viel Energie wie für Strom. Für den Verkehr gilt das Gleiche. In diesen Bereichen spielen erneuerbare Energien eher eine untergeordnete Rolle und ihr Anteil verharrt seit Jahren auf niedrigem Niveau: 13 bis 14 % beim Heizen und 5 bis 6 % beim Verkehr. Folglich wächst der Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Energieverbrauch in Deutschland nur langsam und liegt bei etwa 17 %. Der größte Teil der Energie stammte 2017 nach wie vor von Mineralöl (35 %), Kohle (22 %) und Erdgas (24 %) [147]. An diesen Zahlen wird deutlich, dass es sich in Deutschland bisher eher um eine Stromwende als um eine Energiewende handelt. Durch jährliche Subventionen in zweistelliger Milliardenhöhe wird der Anteil der erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung stetig erhöht. Und doch erzeugen die Tausende von Windrädern und all die
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Photovoltaikanlagen in Deutschland nur wenige Prozent des deutschen Energieverbrauchs. Wir sind also erst einen sehr kleinen Schritt in Richtung erneuerbarer Energien gegangen und wir werden den Energiemix erst dann spürbar verändern können, wenn wir auch Wege zur nachhaltigen Gewinnung der benötigten Heizenergie und Verkehrsenergie gefunden haben. Beim Heizen wurde durch die gesetzlichen Anforderungen der Anteil der erneuerbaren Energien insbesondere bei Neubauten spürbar erhöht. Hier kommen vermehrt Kessel zur Verbrennung von Biomassepellets und Hackschnitzeln, Wärmepumpen und Solarthermie-Anlagen zum Einsatz. Noch dominanter sind die fossilen Brennstoffe im Verkehr. Weit über 90 % der dort verbrauchten Energie stammten 2017 aus Benzin und Diesel [8]. Es wäre jedoch aktuell unsinnig, die über 40 Mio. Autos schnellstmöglich durch Elektroautos zu ersetzen. Schließlich wäre der riesige Energieverbrauch von den Millionen Elektroautos ja nur dann nachhaltig, wenn der verbrauchte Strom aus erneuerbaren Quellen stammt statt aus Kohlekraftwerken. Ein Umstieg würde nur dann Sinn machen, wenn in deutlich größerem Maß sauberer Strom hergestellt würde. Sonst führt ein potenziell besserer Energiemix im Verkehr nur dazu, dass an anderer Stelle sauberer Strom fehlt. Doch auch das kann sich ändern: Eine Untersuchung des Fraunhofer-Instituts zeigt, dass die Strom-Herstellungskosten für neue Solar- und Wind anlagen absolut wettbewerbsfähig sind – häufig sind sie bereits die günstigste Technologie für die Stromerzeugung in Deutschland und die Kosten für die Herstellung von erneuerbarem Strom fallen voraussichtlich weiter [134]. Deren Ausbau dürfte sich dadurch weiter beschleunigen.
96 M. Medert Was kannst Du tun? • Eigenheimbesitzer können selbst erneuerbare Energie produzieren oder nutzen: Möglicherweise kann eine alte Gas- oder Ölheizung durch eine moderne Heizung ersetzt werden, die zumindest teilweise mit erneuerbare Energiequellen betrieben wird (z. B. Erdwärme, Solarthermie, Holzpellets, etc.). Häufig rechnet sich Solarthermie hervorragend. Eine solche solare Wärmeanlage auf dem Dach unterstützt die Heizung etwa bei der Bereitstellung von warmem Wasser. Oftmals rechnet sich auch Photovoltaik (Solarstromanlage) auf Ein- und Mehrfamilienhäusern. Selbst, wenn sich die Anlage finanziell kaum rentieren sollte, ist der positive Effekt auf den Energiemix vielleicht auch ein Argument. • Ökostrom wählen: Je mehr Stromkunden einen Tarif mit „echtem“ Ökostrom wählen, desto höher werden das Angebot und folglich auch der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix. Ökostromtarife sind sogar meist günstiger als der Standardtarif beim Grundversorger. Vergleichsportale können helfen, günstige Anbieter zu finden. Allerdings gibt es viele Anbieter, die gar keine erneuerbaren Energien produzieren, sondern fossilen Strom herstellen und lediglich Ökostrom-Zertifikate kaufen, z. B. von einem norwegischen Versorger, der Strom aus Wasserkraft gewinnt. Das hat folglich keinen Effekt auf den Strommix. Daher bitte unbedingt auf Öko-Labels wie „Grüner-Strom“ oder „OK-Power“ achten: Tarife mit diesen Labels verpflichten sich zum Ausbau der erneuerbaren Energien für jede verkaufte Kilowattstunde. • Mobilität – über ein Elektroauto nachdenken: Wer sein Elektroauto zum Beispiel direkt an (s)einer Photovoltaikanlage auflädt, verwendet nur erneuerbare Energien. Ansonsten kommt jedoch stets der aktuelle deutsche Strommix aus der Steckdose. Wie oben gesehen, enthält dieser zwar schon einen Anteil erneuerbarer Energien. Mehr stammt jedoch noch aus fossilen Quellen. Je höher der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix wird, desto stärker wird der positive Effekt von Elektroautos auf den Energiemix insgesamt.
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Energieeffizienz deutlich steigern Wie auf globaler Ebene würde es natürlich auch in Deutschland helfen, wenn wir weniger Energie verbrauchen. Besonders im Verkehr könnten neue Technologien und Verhaltensweisen eine große Wirkung haben. Schließlich verbrauchte Deutschland 2017 am meisten Energie für den Verkehr [8] und alle bisherigen Effizienzsteigerungen haben lediglich ausgereicht, den Energieverbrauch im Verkehr trotz gestiegenem Personen- und Warentransport einigermaßen konstant zu halten. Viel Energie wird in Deutschland auch zum Heizen verbraucht. Das größte Effizienzpotenzial liegt hier in der Dämmung und Isolierung von Bestandsimmobilien. Wenn dort weniger Wärme durch undichte Fenster und Türen oder durch die Wände verloren geht, bräuchten wir deutlich weniger Energie für diesen Bereich. Und ohne eine ausreichende Dämmung würde selbst bei einer sauberen Energieerzeugung die Energie unnötig verschwendet. Das wäre dann so, als würde man im Winter mit einer Wärmflasche, jedoch ohne Bettdecke ins Bett gehen. Doch die Neubauten und energetisch sanierten Immobilien stellen nur einen relativ kleinen Teil der gesamten Wohnfläche Deutschlands dar. Positiv gesehen, besteht darin noch ein riesiges Potenzial. Wir sehen also, dass es wichtig ist, sowohl beim Energiemix als auch bei der Energieeffizienz den Wärme- und Transportsektor mehr in den Fokus der Energiewende zu stellen.
98 M. Medert Was kannst Du tun? • Verkehr: – Die Energieeffizienz im Verkehr lässt sich steigern, indem Du weniger Energie einsetzt, um von einem Ort zum anderen zu kommen. Das erreichst Du, indem Du weniger mit dem Auto fährst und stattdessen Fahrrad, Bus und Bahn nutzt. • Heizen: – Zu Hause verbrauchen wir die meiste Energie zum Heizen. Hier gibt es zahlreiche Stellschrauben: – Richtig lüften: Stoßlüften bei geschlossenen Heizungsventilen ist besser als Fenster zu kippen – Sparsam heizen: Wird die Raumtemperatur auf 1 Grad Celsius weniger geheizt, sinkt der Energieverbrauch um 6 %. Smarte Ventile können helfen, die Temperatur nur zu Zeiten hochzufahren, zu denen man zu Hause ist – Energetisch sanieren oder bauen: Eigentümer von Gebäuden können mit fachmännischer Beratung meist erheblich Energie sparen, wenn gezielt energetisch saniert wird. • Strom: – Effiziente elektrische Geräte und L ED-Lampen verbrauchen meist spürbar weniger Strom. Bei einigen alten Geräten lohnt sich selbst der Austausch von noch funktionierenden Geräten. EnergieEffizienzlabel helfen bei der Auswahl besonders sparsamer Geräte. – Es gibt zahlreiche Tipps, wie wir uns stromsparender verhalten können. Im Internet gibt es Unmengen Ratgeber mit nützlichen Tipps. Dazu gehören etwa das Ziehen von Ladekabeln nach dem Laden; Kühlschrank auf 6 bis 7 °C stellen und möglichst gut füllen; regelmäßiges Enteisen des Gefrierfaches; Wäsche erst waschen, wenn die Ladung voll ist und dann bei eher niedrigen Temperaturen waschen; auch Spülmaschinen erst anstellen, wenn sie voll sind und dann möglichst das Öko-Programm nutzen; Licht ausmachen, wenn man den Raum verlässt; Wasser eher im regelmäßig entkalkten Wasserkocher erwärmen als im Topf; Geräte komplett ausschalten statt im Stand-by-Modus zu belassen.
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Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher und sauberer Energie in Deutschland In Deutschland ist Strom aus der Steckdose selbstverständlich. Man könnte daher versucht sein, diesen Aspekt für Deutschland direkt zu überspringen, doch die relative Armut in Deutschland hat auch Auswirkungen auf die Energieversorgung. Wenn der Stromanbieter wegen unbezahlter Rechnungen den Strom abstellt, dann bleibt es in der Wohnung dunkel, der Herd bleibt kalt und die Lebensmittel im Kühlschrank verderben. Knapp 300.000 Haushalten in Deutschland wurde 2018 zumindest zeitweise der Strom abgestellt [46]. Das kann den sozialen Abstieg noch beschleunigen: Kommt eine Familie etwa in Zahlungsschwierigkeiten, werden zusätzliche Mahn- und Verwaltungskosten fällig. Noch teurer wird es, wenn ein Inkassounternehmen vom Versorger eingeschaltet wird. Hinzu kommt, dass die daraus resultierenden negativen Schufa-Einträge einen Wechsel zu günstigeren Anbietern verhindern. Auch die Anschaffung von energieeffizienteren Geräten scheitert an den hohen Anschaffungskosten. So werden häufig ältere, gebrauchte Modelle verwendet, die einen sehr hohen Stromverbrauch haben.
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Ziel 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
Nachhaltige Entwicklung ist der Weg in die Zukunft, den wir für alle wollen. Es bietet einen Rahmen, um wirtschaftliches Wachstum zu generieren, soziale Gerechtigkeit zu erreichen und Umweltverantwortung zu übernehmen. Ban Ki-moon, Generalsekretär der Vereinten Nationen 2007 bis 2016
Arbeitslosigkeit oder eine Arbeit unter menschenunwürdigen Bedingungen gehört zu den wesentlichen Ursachen für Armut und Gesundheitsproblemen. Das ist unumstritten. Die UN verbindet diese Themen innerhalb dieses Ziels mit dem Wirtschaftswachstum. Schließlich hat das Wachstum der letzten Jahrzehnte vielen Menschen Wohlstand und Arbeit gebracht. Doch gleichzeitig führte dieses Wachstum zu genau den sozialen und ökologischen Problemen, die mit vielen der anderen Nachhaltigkeits-
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ziele bekämpft werden sollen: Zu häufig erntet eine kleine Elite die Früchte des steigenden Wohlstands alleine und zerstört dabei noch die Umwelt. Dem Ziel wurden daher die Adjektive „dauerhaft, breitenwirksam und nachhaltig“ zur Seite gestellt. Das Wachstum soll also ausreichend menschenwürdige Arbeitsplätze schaffen, ohne der Umwelt zu schaden. Dafür müsste das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppelt werden. Das Bruttoinlandsprodukt müsste steigen und gleichzeitig müssten weniger Treibhausgase ausgestoßen, weniger fossile Brennstoffe verbraucht oder weniger Müll verursacht werden. Das Konzept der „Green Economy“, also der „grünen Wirtschaft“, zielt darauf, dass Wirtschaft profitabel, ökologisch nachhaltig und auch sozialverträglich ist. Ein Schlüssel dafür sind neue ressourcenschonende sowie effiziente Technologien und Innovationen. Und tatsächlich haben wir in den vorherigen Kapiteln gesehen, dass genau das in einzelnen Bereichen möglich ist: Zum Beispiel erzeugen LEDs im Vergleich zu den alten Glühbirnen so viel effizienter Licht, dass wir heute trotz mehr Beleuchtung weniger Energie dafür verbrauchen. In vielen anderen Bereichen steigt die Effizienz jedoch zu wenig oder wird vom Rebound-Effekt aufgefressen, den wir im Energie-Kapitel kennengelernt haben. Viele Menschen zweifeln daher daran, dass es ein nachhaltiges Wachstum geben kann – insbesondere in den Industrieländern, wo wir heute bereits die Ressourcen von mehreren Erden verbrauchen. Sie fordern eine Abkehr vom Mantra des immer weiter steigenden Bruttoinlandsprodukts. Sie streben den Übergang in eine Post-Wachstums-Gesellschaft an – ohne steigendes Bruttoinlandsprodukt und mit weniger Konsum. Egal, ob man eher der Green Economy oder der Post-Wachstums-Idee folgt: Es ist offensichtlich, dass die aktuelle Wirtschaft noch nicht nachhaltig ist [146].
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Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen massive Veränderungen in die Wege leiten, damit Wirtschaft nachhaltig wird – mit oder ohne weiteres Wachstum. Kate Raworth gibt hierzu einige interessante Anregungen in ihrem Buch „Die Donut-Ökonomie – Endlich ein Wirtschaftsmodell, das den Planeten nicht zerstört“ [186]. Nach diesem kurzen Ausflug in ökonomische Leitbilder, schauen wir uns im Folgenden an, wie es global und in Deutschland um Arbeitslosigkeit und menschenwürdige Arbeitsplätze steht.
Arbeitslosigkeit In den vorherigen Kapiteln haben wir gesehen, dass Arbeitslosigkeit und Armut eng zusammenhängen. Weltweit gab es 2018 etwa 170 Mio. arbeitslose Menschen [116]. Das kann bei unzureichenden sozialen Netzen schnell zu absoluter Armut führen. Interessanterweise zeigen Entwicklungsländer häufig eine eher niedrige Arbeitslosenquote. Weil es in diesen Ländern im Allgemeinen kein soziales Netz gibt, sind die Menschen dort seltener arbeitslos im engeren Sinn. Sie sind dann selbstständige Farmer, Tagelöhner oder arbeiten für Kost und Logis. Auffällig ist, dass die Jugendarbeitslosigkeit in vielen Regionen etwa doppelt so hoch liegt wie die Arbeitslosigkeit von Erwachsenen. In manchen Ländern entsteht eine Generation ohne Perspektive. Ohne Hoffnung werden sie anfälliger für populistische und radikale Gruppen. Und, wie häufig in der Menschheitsgeschichte, werden viele davon aufbrechen, um in anderen (z. B. europäischen) Ländern eine neue Heimat zu finden. Schließlich sind im 19. Jahrhundert auch Millionen Deutsche in die USA ausgewandert [214], weil sie hierzulande keine Perspektive mehr sahen.
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Arbeitslosigkeit entsteht üblicherweise, wenn weniger passende Arbeitsplätze von Unternehmen angeboten werden, als es Arbeitssuchende mit bestimmten Fähigkeiten und Fertigkeiten gibt. Schauen wir auf die einzelnen Menschen, dann verringert eine mangelnde Bildung und Ausbildung ihre Jobaussichten: Wem die von Unternehmen gesuchten Fähigkeiten und Fertigkeiten fehlen, der hat oft keine Chance. Dies haben wir im Kapitel zur Bildung ausführlicher betrachtet. In den kommenden Jahren wird der technische Fortschritt in vielen Bereichen Arbeitsplätze vernichten und in anderen Bereichen Arbeitsplätze schaffen [167]. Mit der fortschreitenden Digitalisierung werden in naher Zukunft nicht nur in der Produktion, sondern auch in den Büros für zahlreiche Aufgaben keine Menschen mehr notwendig sein. Auf der anderen Seite werden viel mehr Digitalisierungs-Spezialisten benötigt werden. Das Problem dabei ist, dass die Menschen, deren Jobs durch den technischen Fortschritt wegfallen, wohl nur in geringem Maße die Fähigkeiten und das Wissen haben, das für die neuen Jobs benötigt wird. So wie es zurzeit aussieht, ist selbst ein wesentlicher Teil der Jugendlichen kaum für die gesuchten Rollen ausgebildet. Vermutlich werden auf der einen Seite viele Menschen stehen, die erfolglos eine Anstellung suchen, und auf der anderen Seite die Unternehmen, die erfolglos versuchen, in ausreichender Zahl qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Dabei geht es neben Fachwissen auch um Soft Skills wie Teamfähigkeit, kommunikative Kompetenz, Einfühlungsvermögen oder Problemlösungskompetenz. Es wird daher herausfordernd, den leicht abnehmenden Trend der weltweiten Arbeitslosenquote in den letzten Jahren auch für die Zukunft fortzusetzen.
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Menschenwürdige Arbeitsplätze Wenn Menschen einen Arbeitsplatz gefunden haben, dann soll es sich dabei auch um menschenwürdige Arbeit handeln. Das bedeutet, es gibt zum Beispiel kein Lohndumping, keine ausbeuterische Zwangs- und Kinderarbeit, keine Gesundheitsschäden, keine gravierenden Mängel bei der Arbeitssicherheit und ein Recht auf gewerkschaftliche Organisation. Gerade bei der in armen Ländern verbreiteten informellen Beschäftigung fehlt es genau an solchen Bedingungen. Aber nicht nur dort. Dass es auch heute noch Zwangsarbeit und Sklaverei gibt, können wir uns kaum vorstellen. Bei Sklaverei denken die meisten von uns an längst vergangene Zeiten von römischen Galeeren bis zur Zwangsarbeit auf den Baumwollplantagen in Amerika. Doch auch heute gibt es noch Zwangsarbeit, also eine Arbeit, zu der ein Mensch unter Androhung einer Strafe gegen seinen Willen gezwungen wird. Die internationale Arbeitsorganisation schätzt, dass 2016 mehr als 25 Mio. Menschen von Zwangsarbeit betroffen waren [117]. Dass es zahlreiche internationale Abkommen und Konventionen gibt, die Zwangsarbeit verbieten, hilft hierbei kaum. Allein mit Zwangsprostitution erzielen die Auftraggeber Milliarden. Auch in anderen Branchen oder in privaten Haushalten werden Menschen zur Arbeit gezwungen und wie Ware gehandelt. Doch wie kommt es zu Zwangsarbeit in Ländern wie Indien, China, Pakistan, Bangladesch und Usbekistan? Häufig ist Armut die Ursache. Wenn sehr armen Menschen etwas Ungeplantes passiert, müssen sie sich Geld leihen. Wenn jemand einen Arzt oder Medikamente bezahlen muss, leihen sich die Betroffenen in ihrer Verzweiflung manchmal nur geringe Beträge von ein paar
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EUR. Da sie das Geld meist nicht zurückzahlen können, setzt sich schnell ein Teufelskreis in Gang. Sie müssen ihre Schulden abarbeiten. Doch statt nach ein paar Wochen schuldenfrei zu sein, müssen sie für Unterkunft, Verpflegung und Transport so viel Geld zahlen, dass sie am Ende mehr Schulden haben als zuvor. Die Betroffenen kommen dann kaum noch aus eigener Kraft aus diesem Teufelskreis heraus und teilweise geraten so ganze Familien über Generationen in Zwangsarbeit. So sind viele Produkte, die wir heute kaufen, zumindest teilweise durch Zwangsarbeit entstanden. Die Zwangsarbeiter in asiatischen Textilfabriken oder auf den Kakaound Kaffeeplantagen bringen sowohl den Auftraggebern einen ordentlichen Gewinn als auch uns extrem billige Kleidung. Bei der Textilherstellung gibt es neben Zwangsarbeit auch Kinderarbeit. Eine Studie des britischen „Overseas Development Institutes“ aus dem Jahr 2016 zeigt, dass viele Kinder in Bangladesch in Textilfabriken Kleidung für internationale Markenhersteller produzieren. Diese Kinder zwischen 6 und 14 Jahren arbeiten im Schnitt 64 h in der Woche [172]. Diese Kinder sind extrem erschöpft und besuchen natürlich auch keine Schule. Auch in anderen Branchen ist Kinderarbeit noch immer fester Bestandteil vieler globaler Lieferketten. So arbeiteten 2014 etwa 40.000 Kinder ab einem Alter von nur 7 Jahren in Kobaltminen im Kongo [4]. Ohne Sicherheitsausrüstung schädigen diese Kinder dauerhaft ihre Lungen und schleppen Säcke mit Steinen durch mit der Hand geschlagene Schächte. Der Kongo ist Hauptlieferant für Kobalt, das ein wichtiger Bestandteil der Akkus von Smartphones und Laptops ist. Unabhängig vom Hersteller profitieren wir damit fast alle von Kinderarbeit. Bei den immer undurchschaubaren globalen Lieferwegen über Zulieferer und Subunternehmen ist es
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zugegebenermaßen schwer, einen wirklichen Überblick zu bewahren und Kinderarbeit definitiv auszuschließen. Nachdem die Missstände aufgedeckt wurden, haben sich viele der großen Hersteller von Smartphones und Laptops zu einer Initiative zusammengeschlossen, die sich für bessere Arbeitsbedingungen in den Kobaltminen einsetzen will (Responsible Cobalt Initiative). Da gerade die Markenhersteller großen Wert auf ihr Image legen, liegt hier eine entsprechende Chance, dass in Zukunft entschiedener gegen Missstände vorgegangen wird. Während der Kampf gegen Kinderarbeit in Deutschland vom Eigeninteresse der Unternehmen abhängig ist, gibt es in anderen Ländern schärfere Regeln [199]. In Frankreich oder Großbritannien sind die Hersteller zu Transparenz ihrer Lieferwege und Produktionsstätten verpflichtet und müssen bei Missachtung von Standards entsprechende Strafen in Millionenhöhe zahlen. Ende 2019 wurden einige der größten Technologieunternehmen auch angeklagt, dass sie nicht genug gegen Kinderarbeit in den Kobaltminen unternehmen. Erfreulich ist auf jeden Fall, dass die Zahl der weltweiten Kinderarbeiter von 2000 bis 2016 um 94 Mio. gesunken ist [115]. Was kannst Du tun? Je nachdem, was und wie Du einkaufst, beeinflusst Du die Wertschöpfungs- und Lieferketten weltweit. Produkte, die beispielsweise mit dem Fairtrade-Siegel versehen sind, stehen für bessere Arbeitsbedingungen. Ein fairer Einkauf ist bei einigen Lebensmitteln besonders wichtig, etwa bei Kaffee, Tee, Bananen, Schokolade. Auch Kleidung, Smartphones oder Grabsteine werden oft menschenunwürdig hergestellt. Nachhaltiger Konsum verändert die sozialen und ökologischen Verhältnisse weltweit und wird auch in einem eigenen Kapitel zum „Nachhaltigen Konsum“ beschrieben.
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Arbeitslosigkeit, menschenwürdige Arbeit und nachhaltiges Wirtschaftswachstum in Deutschland Seit 2005 sinkt die Arbeitslosigkeit in Deutschland fast kontinuierlich und befindet sich im internationalen Vergleich auf niedrigem Niveau [29]. Zwar wird häufig kritisiert, dass viele Menschen aus der offiziellen Statistik rausgerechnet werden: Etwa Menschen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, über 58-jährige ALG-II-Empfänger und krankgemeldete Arbeitslose zählen nämlich nicht zu den offiziell gemeldeten Arbeitslosen. Doch auch, wenn man diese Personengruppen berücksichtigt, hat sich die Zahl der Arbeitslosen zwischen 2005 und 2016 positiv entwickelt [107] und auch nach internationalen Maßstäben gehört Deutschland zu den Ländern Europas mit den niedrigsten Arbeitslosenquoten. Das galt 2019 insbesondere auch für die Jugendarbeitslosigkeit [67]. Diese positive Entwicklung hat viele Gründe. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist die große Verbreitung von Möglichkeiten, wie deutsche Unternehmen auf Nachfrageschwankungen reagieren können, ohne Mitarbeiter zu entlassen. In vier von fünf Betrieben haben Unternehmen und Gewerkschaften solche Wege gefunden, etwa durch Überstunden, Sonderschichten, Kurzarbeit und flexible Arbeitszeitmodelle. So konnten viele deutsche Unternehmen auf große Entlassungswellen infolge der letzten Finanzkrise verzichten und ihre gut ausgebildeten Mitarbeiter im Unternehmen halten. Als die Wirtschaft dann wieder anzog, konnte auf die erfahrenen Mitarbeiter gebaut werden [99]. So ein Modell der flexiblen Arbeitszeiten bringt Zeit- und Qualitätsvorteile für die Unternehmen und eine höhere Jobsicherheit für die
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Arbeitnehmer. Allerdings nutzen Unternehmen zusätzliche Maßnahmen, um noch größere Flexibilität zu erreichen. So sind unter den neu geschaffenen Jobs viele prekäre Beschäftigungsverhältnisse entstanden, also etwa schlecht bezahlte befristete Verträge, Teilzeitverträge, Leiharbeit und Minijobs. 2018 waren in Deutschland etwa 4 Mio. erwerbsfähige Menschen für die Grundsicherung berechtigt [29]. Für all diese Menschen ist die Arbeitslosigkeit oder nicht ausreichende Arbeit die Hauptursache für Armut. Was das für die Betroffenen bedeutet, haben wir schon im Kapitel zur Armut näher beleuchtet. In vielen Regionen, etwa dem Ruhrgebiet, gibt es kaum noch Möglichkeiten für geringqualifizierte Menschen eine Arbeit zu finden. Dass auch über 1,6 Mio. Kinder von Hartz IV leben, lässt die Sorge entstehen, dass sich diese Strukturen sogar über die nächste Generation hin verfestigen. Gerade bei Langzeitarbeitslosigkeit kommt es neben relativer Armut auch zu vielen weiteren Folgeerscheinungen. Dazu gehören insbesondere psychologische und andere gesundheitliche Probleme [136], eine Entwertung der bisher erlangten Qualifizierung und familiäre Spannungen. Gerade wenn eine Perspektive fehlt, führt Langzeitarbeitslosigkeit häufig zu Mutlosigkeit und Hilfslosigkeit. Dem gegenüber steht das Problem vieler Unternehmen, dass sie nicht ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte für die von ihnen angebotenen Jobs finden. Es ist absehbar, dass sich diese Situation noch verschärft. Es fehlen insbesondere mathematisch-naturwissenschaftliche Experten und IT-Fachkräfte, die beim Weg der Digitalisierung benötigt werden [28]. Während Arbeitslosigkeit oder Fachkräftemangel häufig in den Medien auftauchen, hört man selten von den tausenden Zwangsarbeitern in Deutschland [248]. Betroffen sind vor allem Frauen aus Osteuropa und
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ussland, die in Deutschland zur Prostitution gezwungen R werden. Und auch in anderen Branchen werden Arbeiter systematisch ausgebeutet, etwa als Schlachtarbeiter aus Rumänien, Bulgarien, Ungarn oder Polen. Diese sind nicht direkt im Schlachtbetrieb angestellt, sondern über Subunternehmer, was den deutschen Mindestlohn aushebelt. Die Methoden sind hier absolut mit denen aus den oben beschriebenen Entwicklungsländern zu vergleichen.
Ziel 9: Infrastruktur, Industrie & Innovation
Solino Felix Ahlers ist Vorstand der FRoSTA AG, die vor allem für ihre Tiefkühlprodukte bekannt ist. Im Jahr 2007 besucht er Äthiopien. Die Bewohner und vor allem der Kaffee wecken sein Interesse. Schließlich gilt die äthiopische Region Kaffa als die Wiege des Kaffees, der auch heute noch ein wichtiges Exportgut des Landes ist. Felix Ahlers fällt auf, dass der Kaffee in Äthiopien nur angebaut und dann als grüner Rohkaffee exportiert wird. Geröstet werden die
110 M. Medert Kaffeebohnen in den Industrieländern. Das ist jedoch der entscheidende Schritt, bei dem aus dem günstigen Rohstoff das wertvolle Endprodukt wird. Diese eigentliche Wertschöpfung findet in den Industrieländern statt. Dort entsteht der Profit, während Menschen in den Rohstoffländern kaum etwas vom Kuchen abbekommen – immer wieder kommt es sogar zu Ausbeutung und Kinderarbeit. Felix Ahlers möchte genau das ändern. Er hält Spenden als Entwicklungshilfe allerdings für unsinnig. Vielmehr möchte er den Menschen Chancen geben, selbst Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen und die Wertschöpfung dort nachhaltig zu verankern. So gründet er 2008 „Solino“. Es ist das erste Unternehmen, bei dem Äthiopier den Kaffee lokal anbauen, ernten, rösten und ihn für den Export verpacken. Ahlers unterstützt in vielfältiger Weise: Er stellt die ersten Maschinen, bildet die Arbeitskräfte aus, vermittelt die Ansprüche der deutschen Kunden und der Händler. Durch ihn erfahren die Mitarbeiter etwa, wie wichtig es ist, dass die Barcodes so aufgeklebt werden, dass sie vom Kassenscanner deutscher Supermärkte gelesen werden können. Nach einer Weile schafft es das lokale Team, die geforderte hohe Qualität zu liefern. Der Verkauf an deutsche Supermärkte spült jetzt Geld in die Kasse. Schließlich liegt der Preis für gerösteten Kaffee mehr als doppelt so hoch wie für den Rohkaffee. Der Gewinn wird in Maschinen und in die Ausbildung der Mitarbeiter gesteckt. Inzwischen sind aus dem Projekt 120 ordentlich bezahlte Arbeitsplätze entstanden. Die Frauen, die die Bohnen sortieren, und die Männer, die ihn rösten, haben jetzt eine Perspektive in ihrem Heimatland. Sie können ihre Familien gut ernähren und haben kein Interesse, ihr Land zu verlassen. Es sind wirtschaftliche Beziehungen auf Augenhöhe entstanden. Solino exportiert zwar nur eine kleine Menge des äthiopischen Kaffees, doch es gibt inzwischen weitere Röstereien. Wenn eines Tages der gesamte exportierte Kaffee nur noch in Äthiopien geröstet würde, könnten hunderttausende Jobs entstehen. Übrigens: Beim Rösten wird der Kaffee 20 % leichter. Der Transport wird somit auch umweltschonender, wenn der Kaffee im Ursprungsland geröstet wird.
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Aufbau einer widerstandsfähigen Infrastruktur Zur Infrastruktur zählen unter anderem Straßen mit Brücken und Tunneln, Häfen, Strom- und Telekommunikationsnetze sowie Wasserversorgung und Wasserentsorgung, und auch Schulen und Krankenhäuser. Grundsätzlich trägt eine gute Infrastruktur dazu bei, die Produktivität in der Wirtschaft zu erhöhen. So können Unternehmen produktiver arbeiten, wenn sie zuverlässig auf Wasser und Strom zugreifen können und an einen Transportweg angeschlossen sind. Eine gute Infrastruktur steigert gleichzeitig auch die Lebensqualität für den Einzelnen und sie kann helfen, Ungleichheiten und Armut zu bekämpfen. So sind uns einzelne Elemente der Infrastruktur bereits in vorherigen Kapiteln begegnet. Dort wurde offensichtlich, wie wichtig der Zugang zu sauberem Wasser, Sanitäranlagen und Krankenhäusern für die Gesundheit ist. Gleichzeitig erleichtern Zugang zu Energie, Transportmöglichkeiten, Schulen und zur Telekommunikation die Bildungsmöglichkeiten, den Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Infrastruktur wirkt also ökonomisch und sozial. Sie hat auch Folgen für die Umwelt. Der Effekt kann positiv sein, etwa bei Kläranlagen. Häufig sind die Folgen jedoch negativ, wenn etwa neue Kohlekraftwerke gebaut werden, die zu Luftverschmutzung führen. Nur wenn eine Infrastruktur aufgebaut wird, die etwa weniger fossile Brennstoffe verbraucht, wird die Infrastruktur helfen, auch die anderen Nachhaltigkeitsziele insgesamt zu erreichen. Die Chance dazu besteht. Schätzungen gehen nämlich davon aus, dass drei Viertel der Infrastruktur des Jahres 2050 erst noch gebaut wird [64]. Wir können also jetzt noch die Weichen für eine nachhaltige Infrastruktur stellen.
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Trotz all dieser Argumente für den Aufbau einer guten Infrastruktur wird in vielen Ländern zu wenig in den Aufbau oder die Modernisierung der Infrastruktur investiert. Hinderlich ist vor allem, dass Infrastrukturprojekte meist teuer sind und sich nur langfristig auszahlen. Dadurch sind sie weder für Politiker noch für Unternehmen besonders attraktiv: Politiker brauchen kurzfristige Erfolge für ihre Wiederwahl und die Märkte erwarten auch von Unternehmen, dass sich Investitionen kurzfristig auszahlen. Erschwerend kommt in vielen Ländern dann noch eine fragile politische Stabilität hinzu.
Breitenwirksame und nachhaltige Industrialisierung Neben einer soliden Infrastruktur hilft auch ein gewisses Maß an Industrialisierung, um Arbeitsplätze zu schaffen und dadurch Armut zu bekämpfen. Die Produktion hat in manchen Entwicklungsländern in Asien einen Anteil von über 30 % am Bruttosozialprodukt, während der Anteil in Afrika südlich der Sahara teilweise unter 10 % liegt [213]. Dort arbeiten die meisten Menschen in der Landwirtschaft. Wie in der Einleitung zu diesem Kapitel beschrieben, wird in den Entwicklungsländern der überwiegende Teil der erzeugten Nahrungsmittel kaum weiterverarbeitet, sondern nur als Rohstoff verkauft. So ist beispielsweise auch das in Ghana beliebte Tomatenmark dort fast nur von italienischen, chinesischen oder südafrikanischen Anbietern erhältlich [61]. Ghana baut zwar selbst viele Tomaten an, verarbeitet sie jedoch kaum weiter zu Tomatenmark, obwohl es dort vielseitig verwendet wird. Das liegt daran, dass die Unternehmen in Ghana aufgrund der günstigen Einfuhren aus Europa kaum gewinnbringend produzieren
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können. Die EU subventionierte die Landwirtschaft 2018 mit über 50 Mrd. EUR im Jahr [95]. Im Zusammenspiel mit den hochautomatisierten Produktionsprozessen und den großen Flächen können europäische Anbieter ihre Lebensmittel damit trotz Transportkosten in Afrika günstiger anbieten als lokale Lebensmittelproduzenten. Folglich gibt es weniger Wertschöpfung und Arbeitsplätze vor Ort. Ein weiterer Aspekt hat einen besonders bitteren Nachgeschmack: Zwar sind die Lohnkosten in Europa höher als in Afrika, doch in vielen europäischen Ländern sind Flüchtlinge bereit, für einen sehr geringen Lohn zu arbeiten. Und so arbeiten auf den riesigen Tomatenfeldern in Süditalien tausende Flüchtlinge – auch aus Ghana. Sie sind als Tomatenbauern aus Ghana geflohen, weil sie mit Tomaten kaum noch Geld verdienen konnten. Jetzt pflücken sie in Apulien unter ärmlichen Bedingungen Tomaten, die anschließend nach Ghana exportiert werden. Unter diesen Bedingungen ist es herausfordernd, Industriebetriebe in afrikanischen Ländern zu entwickeln. Doch wie das Kaffee-Beispiel in der Einleitung zu diesem Kapitel zeigt, kann die lokale Industrialisierung vorangetrieben werden. Die Weitergabe von Wissen und Erfahrung ist dabei ein entscheidender Faktor.
Innovation Neben dem existierenden Wissen werden auch Innovationen für eine Industrialisierung benötigt. Hierzu sind eine Umgebung und eine Kultur hilfreich, in der Menschen eine unternehmerische Chance erkennen, wenn sie auf ein Problem aufmerksam werden. Es geht also sowohl um technische Innovationen als auch um die Fähigkeit, Forschungsergebnisse schneller in neue Produkte umzusetzen.
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Es ist ebenfalls wichtig, innovationsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Gründer eher unterstützt als behindert werden. Gerade die Digitalisierung bietet Entwicklungsländern Chancen. Ein Beispiel hierfür ist das bereits oben erwähnte „mobile Bezahlen“: Dabei wird ein Mobiltelefon mit einem Guthaben aufgeladen, das anschließend für Überweisungen genutzt werden kann. So können Menschen auch ohne Bankkonto an der Wirtschaft teilnehmen. Ein anderes Beispiel sind 3-D-Drucker: Sie können in Zukunft Dinge vor Ort produzieren, die vorher unerschwinglich oder nur sehr schwer in entlegene Gebiete lieferbar waren.
Infrastruktur, Industrialisierung und Innovation in Deutschland Infrastruktur Die vorhandene Infrastruktur in Deutschland stellt die Basisversorgung der Menschen sicher. So gibt es etwa flächendeckend Verkehrswege, Wasser- und Stromnetze, Schulen und Krankenhäuser. Die Herausforderung in Deutschland liegt eher im Erhalt und der Modernisierung der großen Infrastruktur. Dafür stellt allein der Bund im Jahr 2018 über 38 Mrd. EUR zur Verfügung. Trotzdem gibt es immer noch einen Investitionsstau in Deutschland – vor allem auf kommunaler Ebene [68]. Das bedeutet, es wird so wenig investiert, dass der Wert der Infrastruktur sinkt. Dies bedroht auch die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Weitere Investitionen scheitern insbesondere daran, dass finanzielle Mittel fehlen beziehungsweise an anderer Stelle eingesetzt werden [104]. Fehlende Experten
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für die Projektdurchführung, hohe Genehmigungshürden und Bürokratie verhindern ebenfalls Investitionen in die Infrastruktur. Gerade die Veränderungen in der Gesellschaft, wie demografischer Wandel oder Digitalisierung, erfordern höhere Investitionen, wenn wir die Qualität der Infrastruktur auf hohem Niveau erhalten wollen. Viele Anwendungsgebiete der Digitalisierung und der damit verbundenen neuen Produktionsmethoden der sogenannten Industrie 4.0 sind etwa auf einen flächendeckend schnellen Internetzugang angewiesen.
Industrialisierung Während die eigentliche Industrialisierung in Deutschland bereits im 19. Jahrhundert begann und sich dabei insbesondere auf den Eisenbahnbau, die Stahlindustrie, Kohleförderung und Maschinenbau fokussierte, wird die Digitalisierung und die damit verbundene Industrie 4.0 die Industrielandschaft in Deutschland weiter verändern. In der Produktion werden immer stärker Computer, Sensoren und Roboter eingesetzt, Systeme vernetzt und auf künstliche Intelligenz gebaut. Dieser Wandel geht über die Industrie hinaus. Maschinen werden auch anspruchsvolle Denkaufgaben und komplizierte motorische Aufgaben übernehmen. Der Autopilot im Flugzeug existiert schon lange. Inzwischen fahren auch schon Fahrzeuge in Großlagern und auch auf unseren Straßen selbstständig. Auch für Jobs im Controlling, in Callcentern und bei Bankberatern werden schon Automaten eingesetzt. Gerade die parallele Entwicklung von Robotern und der künstlichen Intelligenz erlaubt es den Maschinen, selbstständig dazuzulernen. Während in den früheren Phasen der Industrialisierung vor allem die Jobs von Niedrigqualifizierten durch Maschinen
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übernommen wurden, werden zukünftig also auch durchschnittlich bis hochqualifizierte Berufstätige betroffen sein. Demgegenüber steht ein hoher Bedarf an Arbeitskräften, welche die ganze Technik entwickeln und betreiben. Eine deutlich höhere Arbeitslosigkeit kann also vermieden werden, wenn es gelingt, einen größeren Teil der Bevölkerung durch entsprechende Ausbildung auf die neuen Arbeitsfelder vorzubereiten [79]. Manche Experten sehen sogar die Möglichkeit, die Produktivität so weit zu steigern, dass die Menschheit insgesamt weniger arbeiten muss und sich trotzdem sehr großzügige soziale Netze leisten kann.
Innovation Im Vergleich der OECD-Staaten lag Deutschland 2017 in der Spitzengruppe, wenn man auf die Ausgaben für Forschung und Entwicklung schaut [168]. Ein großer Teil davon wird auch in die globalen Megatrends investiert, also in Themen wie digitale Wirtschaft und Gesellschaft, nachhaltiges Wirtschaften und Energie, innovative Arbeitswelt, gesundes Leben, intelligente Mobilität und zivile Sicherheit. Um diese gute Ausgangsbasis zu erhalten, ist es wichtig, dass die Bildungssysteme den deutschen Arbeitsmarkt weiterhin mit ausreichend innovativen Arbeitskräften und Wissenschaftlern versorgen.
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Ziel 10: Weniger Ungleichheiten
Übersicht Kürzlich habe ich eine Dokumentation zum Dreißigjährigen Krieg gesehen. Danach war ich dankbar, dass wir und unsere Kinder nicht zu dieser grausamen Zeit lebten, sondern im „Hier und Heute“. Dabei ist mir wieder bewusst geworden, wie wichtig das „Hier“ in diesem Zusammenhang ist, weil es ganz entscheidend dafür ist, wie unser Leben voraussichtlich verlaufen wird. Da Du dieses Buch lesen kannst, hängt auch damit zusammen, dass Du mit Deinem Geburtsort Glück hattest. Es hätte jedoch auch ganz anders kommen können: Stellen wir uns vor, das Schicksal oder Zufall hätte dazu geführt, dass Du in einem anderen Land auf die Welt gekommen wärest. Je nachdem wo es Dich hin verschlagen hätte, wärest Du möglicherweise schon gestorben. Etwa, weil Du in Somalia das eine von 10 Kindern bist, das schon vor dem 5. Lebensjahr stirbt, oder weil Dein unschuldiges Dorf im Bürgerkrieg im Südsudan überfallen wurde und Du zusammen mit Deiner ganzen Familie dabei gefoltert, vergewaltigt und getötet wurdest. Vielleicht würdest Du noch leben, weil Du in Indien geboren wurdest. Allerdings schuftet Deine ganze Familie
118 M. Medert im Steinbruch, um die Schulden beim Inhaber zurückzuzahlen – auch wenn Ihr es Euer Leben lang nie schaffen werdet, aus dieser Abhängigkeit zu entkommen. Und zum Glück wurdest Du dort nie ernsthaft krank, denn einen Arzt könnest Du Dir wohl kaum leisten. Mit ganz viel Glück gehörst Du zu den relativ wenigen Menschen, die in einem reichen Industrieland wie Deutschland geboren werden. Dann hast Du Zugang zu sauberem Wasser, Energie, Bildung, einem funktionierenden Gesundheitssystem und vielem mehr. Wenn es richtig gut gelaufen ist, kommst Du sogar in einer Familie auf die Welt, die Dich umsorgt und liebt. Wenn es dieser Familie dann noch finanziell einigermaßen gut geht, hattest Du ziemlich perfekte Startbedingungen für Dein Leben. An solchen Gedankenspielen sehen wir, wie sehr der Geburtsort das Leben eines Menschen prägt.
Wir haben schon in den vorherigen Kapiteln gesehen, dass die Einkommen in der Welt ungleich verteilt sind. Das gilt sowohl zwischen Ländern als auch innerhalb von Ländern. Ähnlich wie das Einkommen ist auch das Vermögen ungleich verteilt. Die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung besitzt weniger als 1 % des weltweiten Reichtums. Auf der anderen Seite besaß 2019 das reichste Prozent der Weltbevölkerung fast genauso viel wie die restlichen 99 % [55]. Auch wenn diese Zahlen eher Schätzungen sind, geben sie uns doch eine ungefähre Vorstellung davon, wie groß die Unterschiede sind. In diesem Zusammenhang ist mir noch mal wichtig darauf hinzuweisen, dass es bei den UN-Zielen nicht darum geht, dass alle Menschen das gleiche Einkommen und das gleiche Vermögen haben sollen. Es geht vielmehr darum, eine extreme Ungleichheit zu vermeiden.
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Globale Ungleichheit Die globale Ungleichheit verstärkte sich zuletzt in den letzten 250 Jahren seit der industriellen Revolution. In deren Folge konnten insbesondere in Westeuropa und Nordamerika deutlich höhere Einkommen erzielt werden als in anderen Regionen. In den Industrieländern entstand eine wachsende Mittelschicht mit gestiegenem Wohlstand und besseren Lebensbedingungen [58]. Der rasante Aufstieg von China und einigen weiteren asiatischen Ländern im Zuge der Globalisierung hat die globale Ungleichheit wieder etwas verringert. Allerdings beschränkt sich der Abbau der Ungleichheit vor allem auf einige asiatische Länder, während zahlreiche andere Länder, etwa in Afrika, bisher weniger aufholen. So hat heute der Geburtsort den größten Einfluss auf den Wohlstand eines Menschen in seinem Leben [155]. In den betroffenen Ländern können die Menschen aus eigener Kraft kaum zu einem gewissen Wohlstand zu kommen. Je größer und zementierter die Unterschiede sind, desto größer werden der Druck und der Wunsch von immer mehr Menschen, aus armen Ländern in reiche Länder zu migrieren.
Innerstaatliche Ungleichheit Auch innerhalb von Staaten sind Einkommen und Vermögen immer ungleich verteilt. So verdienten 2018 etwa die Chefs großer US-Konzerne fast 300-mal so viel wie die einfachen Angestellten in ihrem Unternehmen [157]. 2017 verdienten die Konzernlenker in Deutschland 71 mal so viel wie ihre Angestellten [251]. Das Verhältnis klingt zwar besser, dennoch ist es viel höher als in der Vergangenheit. Noch 2005 lag der Faktor nur bei 42.
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Auswirkung der Globalisierung Die Globalisierung der letzten Jahrzehnte beeinflusst neben der Ungleichheit zwischen den Ländern auch die Ungleichheit innerhalb von Staaten: So erzielen Millionen von zuvor armen Chinesen inzwischen mit ihren Jobs in den Metropolen ein deutlich höheres Einkommen. Die Unterschiede zwischen den Staaten nahmen dadurch ab [58]. In der Folge verloren jedoch viele Arbeiter in den Industrieländern ihren Arbeitsplatz, besonders in der unteren Mittelschicht. Damit verbunden ist die begründete Angst des materiellen und sozialen Abstiegs. Viele derjenigen, die ihre Jobs mit niedriger oder mittlerer Qualifikation behalten haben, mussten eine zurückhaltende Lohnentwicklung akzeptieren, um ihren Arbeitsplatz zu sichern. Da gleichzeitig hochqualifizierte Berufe inzwischen immer besser bezahlt werden, nehmen die Einkommensunterschiede innerhalb der Industrieländer damit zu. Wir sehen also, dass es Gruppen gibt, die von der Globalisierung profitieren, und andere, die darunter leiden [54].
Folgen der innerstaatlichen Ungleichheit Gerade, wenn man in ärmeren Ländern zu den relativ Armen gehört, sind die Auswirkungen dramatisch. In den vorherigen Kapiteln haben wir bereits gesehen, dass die Menschen dann eher krank werden, häufiger hungern und meist früher sterben. Auch in reicheren Ländern haben zu große Einkommensunterschiede negative Effekte auf die Menschen, ihre Gesundheit und die Gesellschaft: So werden durch die Ungleichheit etwa Lebenserwartung, Kindersterb-
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lichkeit, soziale Mobilität oder Kriminalitätsraten signifikant negativ beeinflusst [176]. Sehr hohe Ungleichheiten innerhalb eines Landes erhöhen weiterhin das Risiko für soziale Unruhen, für abnehmenden gesellschaftlichen Zusammenhalt und für eine schwächere wirtschaftliche Entwicklung [121]. Es gibt also viele Gründe, extreme Ungleichheit innerhalb der Länder zu verringern – sowohl in armen wie auch in reichen Ländern. Hinzukommt, dass Reichtum und Einfluss häufig zusammenfallen. Reiche können in vielen Ländern durch Beziehungen und Lobbyismus politische Entscheidungen zu ihrem Vorteil beeinflussen [121]. Im Zusammenhang mit der wachsenden Einkommensungleichheit steigt durch eine solche Entwicklung auch das Risiko, dass sich eine wachsende Anzahl von Menschen in ihrer Gesellschaft abgehängt fühlen und keine Perspektive für sich und ihre Kinder sehen. Diese Menschen sind dann offen für populistische und extremere politische Gruppierungen. Deswegen sollten die betroffenen Länder nach Wegen suchen, um die wachsende Ungleichheit abzufedern, damit eine Tendenz zu Nationalismus, Protektionismus und Populismus vermieden wird. Sonst wird es ungleich schwerer werden, den verbleibenden 700 Mio. extrem Armen einen Weg aus dem Überlebenskampf zu ermöglichen. Die Herausforderung besteht darin, beiden Gruppen von Abgehängten eine Perspektive zu eröffnen – sowohl den extrem Armen in den Entwicklungsländern als auch den Abgehängten im eigenen Land. Wenn wir hierbei versagen, werden zum einen Migrationsbewegungen aus den armen in die reichen Länder kaum mehr aufzuhalten sein und zum anderen werden soziale Verwerfungen innerhalb einzelner Länder zu extremen politischen Modellen führen. Dies wiederum bietet Potenzial für Unruhen und Kriege.
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Wie könnte man die innerstaatliche Ungleichheit reduzieren? Handlungsoptionen hat hier vor allem die Politik. Der klassische Ansatz ist hierbei die Umverteilung: Wohlhabende Menschen zahlen Steuern auf Einkommen, Vermögen und Erbschaften. Mit diesem Geld werden Sozialleistungen für einkommensschwache Menschen finanziert. Die politischen Akteure haben je nach Couleur unterschiedliche Ansichten zur optimalen Höhe solcher Transferleistungen. Während eine Umverteilung nur die Symptome bekämpft, gibt es auch politische Maßnahmen, die die Ursachen bekämpfen. So können etwa Investitionen in Bildung, Ausbildung und Infrastruktur die Chancengleichheit und soziale Mobilität steigern. Verbesserte Entwicklungschancen für sozial benachteiligte Kinder dürften dabei eine der sinnvollsten Investitionen sein. Zahlreiche Länder nutzen auch Mindestlöhne, um die Einkommen im Niedriglohnsektor zu verbessern und damit extreme Ungleichheit zu bekämpfen. Auch hier gibt es unterschiedliche Ansichten zur idealen Höhe des Mindestlohns. Manche Länder experimentieren mit einem bedingungslosen Grundeinkommen oder auch mit Protektionismus, also dem Schutz vor ausländischem Wettbewerb. Die Ergebnisse dieser Experimente zeigen bisher allerdings noch keinen nachhaltigen Erfolg.
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Ungleichheit in Deutschland Wer in Deutschland geboren wird, ist im Normalfall reicher als die meisten Menschen in Afrika. Gleichzeitig haben wir im Kapitel zur Armut bereits gesehen, dass relative Armut in Deutschland verbreitet ist. So empfinden laut mehreren Umfragen auch die meisten Deutschen die soziale Ungleichheit in Deutschland als zu hoch. Dieses Empfinden wird zumindest zu Teilen von offiziellen Statistiken bestätigt: Die Ungleichheit bei den Einkommen ist seit 2005 recht stabil und liegt international nicht zu hoch, insbesondere weil in Deutschland mehr Einkommen umverteilt wird als in vielen anderen Ländern. Dem steht jedoch eine hohe Ungleichheit bei den Vermögen gegenüber. Analysen aus den Jahren 2017 und 2019 zeigen, dass die Reichen in Deutschland einen deutlich höheren Anteil am Gesamtvermögen besitzen, als das in anderen Ländern der Fall ist [34]. Da Vermögen auch durch Kapitalerträge wächst und wir gesehen haben, dass ein sozialer Aufstieg in Deutschland schwerer ist als anderswo, wird sich an der Vermögenskonzentration vermutlich von allein so schnell nichts ändern. Die deutsche Politik könnte die Ungleichheit durch eine noch stärkere Umverteilung bekämpfen: Wenn der Staat den Spitzensteuersatz oder die Erbschaftssteuer erhöht, bekommt er mehr Spielraum für zusätzliche Sozialtransfers. Von einer solchen nachträglichen Umverteilung sind wir weniger abhängig, wenn die Löhne der Beschäftigten in Deutschland stärker steigen. Interessanterweise stieg das Arbeitnehmerentgelt in Deutschland zwischen 2015 und
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2019 stärker als das Unternehmens- und Vermögenseinkommen [205]. Allerdings verteuern höhere Lohnkosten die deutschen Produkte und senken bei Exportgütern die Wettbewerbsfähigkeit. Bei preissensitiven Exportprodukten führt das eventuell zu weiteren Standortverlagerungen. Insofern gilt es hier sorgfältig abzuwägen. Grundsätzlich scheint die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer in Deutschland abzunehmen: 2017 waren nur noch 15 % der Arbeitnehmer in Gewerkschaften organisiert [63]. Folglich werden immer weniger Löhne werden durch Tarifverträge geregelt. Manche der aktuellen sozialpolitischen Ansätze scheinen hingegen wenig wirkungsvoll. Vor allem hilft es kaum, wenn Parteien im Vorfeld von Wahlen Geldgeschenke in Form von Rentenerhöhungen oder Steuersenkungen für ihr Klientel versprechen. Vielmehr sollten die Sozialsysteme verstärkt auf Effektivität und Effizienz hin optimiert werden und gleichzeitig mehr in Bildung sowie in bessere Möglichkeiten zur Integration in den Arbeitsmarkt investiert werden. Gerade der technische Fortschritt, der in den vorherigen Kapiteln bereits mehrfach angesprochen wurde, erhöht auch für Deutschland die Gefahr einer weiter steigenden Ungleichheit, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Während die Globalisierung dazu führte, dass ein deutscher Arbeiter plötzlich mit einem chinesischen Arbeiter konkurrierte, werden zukünftig immer mehr Berufe mit Computern und intelligenten Robotern konkurrieren. Andererseits werden zahlreiche neue Arbeitsplätze entstehen. Diese werden jedoch nur dann in Deutschland geschaffen, wenn die Arbeitnehmer für die potenziellen Jobs entsprechend ausgebildet sind.
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Ziel 11: Nachhaltige Städte und Gemeinden
InnovationCity Ruhr Bottrop ist eine typische kleinere Großstadt im Ruhrpott. Industrie und vor allem der Bergbau prägen die Stadt seit Generationen. Als immer mehr Gruben schließen, droht die Gefahr, dass in der ganzen Stadt die Lichter ausgehen. Um dem entgegenzuwirken, möchte sich Bottrop zu einer grünen Industriestadt wandeln. Die Stadt gründet 2010 gemeinsam mit 70 Unternehmen die „InnovationCity Ruhr“ mit dem Ziel, den CO2-Ausstoß innerhalb von 10 Jahren zu halbieren und die Lebensqualität in der Stadt zu steigern. Während die InnovationCity Ruhr im Industrieumfeld einige Rückschläge hinnehmen muss, gewinnt die CO2-Einsparung bei Wohnungssanierungen immer mehr an Fahrt. Burkhard Drescher, Geschäftsführer der InnovationCity, nennt es die Energiewende von unten, von Haus zu Haus. Er versucht die Hemmschwellen zu senken, die üblicherweise verhindern, dass energetisch saniert wird. So empfehlen seine Berater in Gesprächen mit Immobilienbesitzern, auf besonders teure Sanierungsmaßnahmen zu verzichten, insbesondere wenn eine günstigere Lösung auch schon spürbar CO2 einspart. Je nach Bausubstanz und Aus-
126 M. Medert gangsbasis rechnen sich vielleicht neue Fenster oder eine neue Heizungsanlage. Eine komplette teure Außendämmung führt dann möglicherweise kaum zu zusätzlichen Einsparungen, wenn man deren Kosten entgegenhält. Mit gezielten passgenauen Maßnahmen gelingt es häufig, dass zwar nach der Sanierung die Kaltmiete steigt, jedoch kaum mehr als die Nebenkosten sinken. Die teils sozial schwachen Mieter zahlen somit nach der Sanierung nicht mehr – die Warmmiete bleibt auf gleichem Niveau. Im Endeffekt sind die Immobilien zwar nicht auf dem allerneuesten Stand, trotzdem sinkt ihr Energieverbrauch spürbar. Die Stadt Bottrop schießt für die empfohlenen Einzelmaßnahmen noch etwas aus den Mitteln der Städtebauförderung hinzu. Wer sanieren möchte, kann auf einem speziellen Internetportal mit ein paar Klicks schnell und einfach herausfinden, wie sein Vorhaben gefördert wird. Der Ansatz ist einfach und doch sehr effizient: Nach 3000 Beratungsgesprächen hat die Hälfte der Betroffenen die empfohlenen Maßnahmen umgesetzt. In Bottrop werden 3-mal mehr Privathäuser energetisch saniert als im Bundesdurchschnitt. Von den angestrebten 50 % CO2-Reduzierung hat Bottrop nach 5 Jahren bereits 38 % erreicht. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass sich mehrere Unternehmen der Energiewirtschaft neu in der Stadt angesiedelt haben. Inzwischen kommen Delegationen aus der ganzen Welt nach Bottrop, um Impulse für eine Energiewende in der Stadt zu erhalten.
Schon 2018 lebte weltweit jeder Zweite in einer Stadt [234]. Allein in der Metropolregion Tokio leben mehr Menschen als in Deutschlands Nachbarländern Belgien, Österreich, Schweiz und Dänemark zusammen. Voraussichtlich ziehen auch in den nächsten Jahrzehnten immer mehr Menschen vom Land in die Städte und urbanen Zentren. So werden bis 2050 voraussichtlich zwei von drei Menschen in Städten leben und arbeiten [106]. Das bringt einige Chancen mit sich: Städte sind Schmelztiegel kultureller Entwicklung. Geschäfte und Dienstleistungen sind leichter zu erreichen. Viele Menschen finden dort Arbeit und entkommen so der
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Armut. Bildungsangebote und Gesundheitsversorgung sind für Menschen in der Stadt einfacher zu realisieren. Doch es gibt auch die andere Seite: Städte sind die größten Energieverbraucher, stoßen die meisten Treibhausgase aus und verursachen die größten Abwassermengen. Die Luftverschmutzung in den Großstädten ist ein großes Risiko für Umwelt und Gesundheit. Folglich spielen Städte eine wichtige Rolle in allen drei Bereichen der Nachhaltigkeit, also bei wirtschaftlichen und sozialen Themen sowie beim Umweltschutz. Die aktuelle Situation in vielen Städten ist jedoch oft wenig nachhaltig. Vielmehr schaden viele Städte der Umwelt und auch ihren Bewohnern. Man denke nur an die Luft in den Städten, die Menschen krankmacht und früher sterben lässt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es hierzu ein eigenes Nachhaltigkeitsziel gibt. Allerdings gibt es größere Überschneidungen mit anderen Zielen, etwa zu den Themen Wasser, Energie oder Infrastruktur. Seit vielen Jahren zählen ständiger Zuzug von neuen Einwohnern, wachsende Slums und Schwierigkeiten bei der Grundversorgung zu den klassischen Problemen großer Städte. Neuerdings kommen allerdings noch Smog und Klimaveränderung, steigende Ungleichheit und Unsicherheit sowie die internationale Migration hinzu. Ich möchte hier zwei Aspekte etwas näher betrachten, die sich so nicht in den bisherigen Kapiteln wiederfinden: bezahlbare Wohnungen und nachhaltiger Verkehr.
Zugang zu sicherem und bezahlbarem Wohnraum Insbesondere in Asien, Afrika und Lateinamerika ziehen jeden Monat Millionen von Menschen in die Megastädte und Metropolregionen. Dieser Strom von Menschen ist
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kaum zu kontrollieren. Bezahlbare Wohnungen suchen die Neuankömmlinge meist vergeblich. So wachsen insbesondere informelle oder illegale Siedlungen und Slums [222]. Dies führt dazu, dass 2019 schätzungsweise jeder neunte Mensch auf der Erde in solchen Slums lebte [83], oft ohne Zugang zu Elektrizität, Wasser und Abwasser, ohne Abfallentsorgung, also ohne jegliche Grundversorgung. Hinzu kommt, dass in manchen Regionen kriminelle Organisationen die Slums beherrschen. Die Staaten sind dann meist überfordert, wenn es darum geht, die Sicherheit der Bewohner zu gewährleisten. Das zeigt sich beispielsweise bei den regelmäßigen Versuchen von brasilianischer Polizei und Armee, die sogenannten Favelas wieder unter Kontrolle zu bringen [62]. In vielen Metropolen der Welt stehen den großen Slums auch wohlhabende Stadtteile entgegen, immer häufiger auch in Form von sogenannten „Gated Communities“ [222]. Das sind durch Mauern abgeschirmte und von privaten Sicherheitsdiensten bewachte Luxusviertel, die sich vom Rest der Stadt abgrenzen und in denen die Einwohner in ihrer eigenen Welt leben: Sie leben in ihren Gated Communities, arbeiten in Bürostädten und verbringen ihre freie Zeit in Shoppingcentern oder Freizeitparks. So kommt es zu einer Fragmentierung der Städte. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Inseln des Reichtums inmitten von Ozeanen der Armut [193]. Erneut geht es bei den Nachhaltigkeitszielen nicht darum, allen Stadtbewohnern gleichwertige Wohnungen zu bieten, sondern darum, die extremen Ausprägungen zu verringern und dadurch zum Wohl aller beizutragen. Denn selbst die meisten reichen Einwohner würden sich vermutlich wohler und sicherer fühlen, wenn sie nicht so viel Armut und Perspektivlosigkeit um sich hätten.
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Viele Städte haben die Herausforderung erkannt und beginnen der Fragmentierung entgegenzusteuern. So hat etwa die brasilianische Stadt São Paulo einen strategischen Plan erarbeitet, um den zuvor unkontrollierten Neoliberalismus im Stadtbild durch gesetzliche Regelungen in eine nachhaltigere Stadtentwicklung zu überführen. Ein pragmatisches Mittel ist etwa eine besonders hohe Grundsteuer auf ungenutztes Bauland und leerstehende Wohnungen [265]. Um mehr Wohnraum in den Megastädten zu schaffen, werden wohl mehr Hochhäuser benötigt. Wenn in einem Hochhaus hunderte oder gar tausende Menschen wohnen, übernehmen die Aufzüge einen großen Teil des Nahverkehrs. U-Bahnen können die weiteren Strecken abdecken. Auch die Infrastruktur, wie Strom, Frischwasser, Abwasser, und Abfallentsorgung können in einem Hochhaus gebündelt werden. Doch damit arme Slumbewohner sich überhaupt eine kleine und einfache Wohnung leisten können, ist die Bekämpfung der Armut ein Schlüsselfaktor für die Stadtentwicklung. Der soziale Wohnungsbau hilft nämlich vor allem der unteren Mittelschicht, die sich eine – wenn auch geringe – monatliche Miete leisten können. Zahlreiche Slumbewohner können das nicht. Sie haben oft nur ein geringes oder gar kein Einkommen. Spezielle Wohnungsbauprojekte für Slumbewohner sollten daher auch sicherstellen, dass die Slumbewohner nicht aus ihren Erwerbsnetzwerken herausgerissen werden, wenn sie denn welche haben. Erfolgreich haben sich besonders solche Projekte erwiesen, bei denen es eine enge Abstimmung zwischen der Stadtverwaltung und Vertretern der Slumbewohner gab. Erfolgreich hat hier etwa die kolumbianische Stadt Medellín in die Infrastruktur ihrer ärmsten Viertel investiert [101]. Über Seilbahnen und Rolltreppen können die armen Einwohner auf den Berghängen nun schneller und einfacher in die Stadt gelangen, um dort am Erwerbsleben teilzunehmen.
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Verkehr: nachhaltig, sicher und breitenwirksam Das schnelle Wachstum der Städte führt neben sozialen auch zu ökologischen Herausforderungen. Einige Punkte haben wir bereits bei den Themen Energie und Wasser näher betrachtet. Hinzu kommt der motorisierte Verkehr, der in vielen Großstädten nicht nur zu immer häufigeren Verkehrsinfarkten, sondern auch zu immenser Luftverschmutzung führt. Der regelmäßige gesundheitsgefährdende Smog in Neu Delhi zeigt das deutlich. Natürlich muss die städtische Verkehrsinfrastruktur den Zugang zu Waren, Dienstleistungen, Arbeitsplätzen sowie zu sozialen Aktivitäten für die Einwohner bieten. Die Mobilität sollte dabei jedoch kurz- und langfristig keine negativen Auswirkungen haben – weder sozial noch wirtschaftlich, noch auf die Umwelt. So ist es gut, dass der öffentliche Personennahverkehr in vielen Städten ausgebaut wird. Doch trotzdem steigt auch der motorisierte Individualverkehr fast überall – häufig noch schneller als der öffentliche Verkehr. Einige Städte stellen sich diesem Trend entgegen: Singapur hat es zum Beispiel geschafft, dass die Verkehrsbelastung im Vergleich zu anderen Städten dieser Größenordnung erträglich ist. Hierbei halfen Maßnahmen, wie der Ausbau eines vorbildlichen öffentlichen Personennahverkehrs, aber auch Extraabgaben, wenn man zur Rushhour in den Geschäftsbezirk fährt, und Quoten für die Anzahl Autos, die jährlich neu zugelassen werden darf. Zukünftig wird wohl je nach aktueller Verkehrslage in Singapur eine dynamische Abgabe fällig. Die individuelle Mobilität wird durch solche Maßnahmen zwar kontrolliert, aber sie wird auch zum Luxusgut.
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Eine Alternative könnte zukünftig eine umweltfreundliche „smarte“ Mobilität sein, die derzeit noch in den Kinderschuhen steckt. In den Visionen von „Smart Cities“, also intelligenten Städten, werden die zurzeit noch getrennten Bereiche wie Mobilität, Arbeit, Energie und Wohnen geschickt miteinander vernetzt, um insgesamt weniger Ressourcen zu verbrauchen. Ziel ist es, durch intelligente Technologien und vernetzte Infrastruktur den Verkehr in den Städten schneller, sauberer und vielleicht sogar günstiger zu gestalten. Gerade junge Stadtbewohner legen dabei immer weniger Wert auf ein eigenes Auto. Es wird ersetzt durch eine – je nach Verkehrslage optimale und flexible – Verbindung verschiedener Verkehrsmittel. In den letzten Jahren entstehen immer mehr Apps, die Mobilität als Dienstleitung („Mobility as a Service“) anbieten: Einfach das Ziel auf dem Smartphone eintippen und schon erhalte ich verschiedene Optionen, wie ich dort hinkomme. Vom Leihfahrrad über den Bus bis zum Taxi kann ich die Möglichkeiten vergleichen. Welche Option ist umweltfreundlich, besonders günstig oder bei der aktuellen Verkehrslage besonders schnell? Wenn ich mich für eine Option entschieden habe, kann ich mit einem Klick alle notwendigen Tickets kaufen und bekomme es direkt auf das Smartphone – auch für das Taxi oder das Mietfahrrad. Im Moment gibt es viele Apps, die jeweils noch in den Kinderschuhen stecken. Schon bald könnte sich aber eine Plattform entwickeln, auf der alle möglichen öffentlichen und privaten Anbieter ihre Dienste anbieten. Das wäre dann eine Art Amazon-Marktplatz für Mobilität: Einmal bei der Plattform registriert kann ich Tickets vom Zug über das Leihfahrrad bis zum Taxi buchen, ohne mich dort anmelden zu müssen. Private Autos bräuchten wir dann immer weniger.
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Es gibt Schätzungen, dass private Autos 95 % der Zeit ungenutzt herumstehen und dafür viel zugepflasterten Platz benötigen [184]. Bei weniger privaten Autos könnten viele diese Flächen begrünt werden und die Städte lebenswerter machen. Ein schöner Nebeneffekt.
Städte in Deutschland Während vor 125 Jahren noch zwei Drittel der Bevölkerung Deutschlands in Orten mit weniger als 2000 Einwohnern lebte, lebten dort 2016 heute nur noch 6 % der Bevölkerung [204]. Vor allem die großen Städte Deutschlands – wie Frankfurt, München, Berlin, Stuttgart oder Köln – wachsen jedes Jahr um zehntausende Einwohner. Zahlreiche neue Arbeitsplätze entstehen insbesondere in den großen Städten, während auf dem Land Arbeitsplätze eher abgebaut werden. In der Folge zieht es besonders junge Menschen in die Großstädte, etwa um zu studieren oder um ihren ersten Job anzutreten und nebenbei ein attraktives Freizeitangebot nutzen zu können. Auch Zuwanderer zieht es vor allem in die großen Städte, weil dort bereits Verwandte leben oder sich Gemeinden aus den jeweiligen Heimatländern gebildet haben. Die Probleme der deutschen Städte sind sicher weniger dramatisch als in den Entwicklungsländern. Aber viele deutsche Städte stehen vor ähnlichen Herausforderungen wie andere Städte weltweit. Bei den sozialen Themen geht es etwa darum, dass in vielen Städten die Mieten stark gestiegen sind und es folglich an bezahlbarem Wohnraum fehlt [85]. Auch die soziale Durchmischung der Stadtviertel nahm zwischen 1990 und 2014 ab [97]. Zum Mangel an bezahlbarem Wohnraum führten mehrere Faktoren. Zum einen liegt das an den bereits in früheren
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Kapiteln angesprochenen gestiegenen Wohnansprüchen, sodass heute deutlich mehr Wohnraum pro Person benutzt wird als noch vor 15 Jahren. Es kommen also nicht nur mehr Menschen in die Städte, jeder von ihnen fragt auch noch mehr Wohnraum nach und wohnt häufiger alleine [128]. Demgegenüber steht ein geringeres Angebot an günstigem Wohnraum, weil der soziale Wohnungsbau in vielen Regionen deutlich verringert wurde und private Investoren lieber in hochpreisige Immobilien investieren. So steht besonders bei günstigem Wohnraum einer steigenden Nachfrage ein sinkendes Angebot gegenüber. In der Folge können sich immer weniger Menschen der unteren Mittelschicht eine Wohnung in sozial durchmischten Vierteln leisten. Es gibt bereits mehrere Maßnahmen, um dem entgegenzuwirken: Von diesen möchte ich drei erwähnen. Zum einen wird versucht, mehr günstige Wohnungen bereitzustellen. Das erfolgt entweder direkt über den öffentlichen sozialen Wohnungsbau oder aber durch Bauvorschriften in zahlreichen deutschen Großstädten, die inzwischen beim Neubau größerer Wohnanlagen fordern, dass 20 bis 50 % der Wohnungen als Sozialwohnungen angeboten werden müssen. Eine andere Maßnahme ist das Wohngeld. Hierbei erhalten mehrere hunderttausend Haushalte in Deutschland einen Zuschuss zur Miete, damit sie den benötigten Wohnraum finden und die Miete bezahlen können. Als Drittes versucht man über die Pendlerpauschale Arbeitnehmern zu ermöglichen, auf günstigen Wohnraum im Umland zurückgreifen zu können, ohne die eingesparte Miete gleich wieder auf der anderen Seite für Fahrten zur Arbeit ausgeben zu müssen. Letzteres führt aber wieder zu mehr Verkehr – häufig mit den bekannten negativen Nebenwirkungen auf die Umwelt.
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Apropos Umwelt: Neben der sozialen gibt es auch in Deutschland die ökologische Dimension, wenn wir uns die Herausforderungen der deutschen Städte anschauen. Da wir im Kapitel zur Energie gesehen haben, dass in Deutschland ein großer Teil der Energie in Form von fossilen Brennstoffen für den Verkehr verbraucht wird, sind nachhaltige Verkehrskonzepte für deutsche Städte absolut relevant. In einigen Kommunen gibt es inzwischen auch lokale Strategien in Richtung „Smart City“, bei denen insbesondere die Bereiche Verkehr und Energie über eine IT-Infrastruktur miteinander verbunden werden. Unerlässlich für eine nachhaltigere Mobilität bleibt aber die Änderung des Nutzungsverhaltens. Wenn etwa die Bewohner Kopenhagens innerstädtische Wege meist mit dem Fahrrad zurücklegen, sollte dies auch in deutschen Großstädten möglich sein. Wenn dann die verschiedenen Verkehrssysteme intelligent miteinander verzahnt werden und um innovative neue Angebote ergänzt werden, sollte eine geringere Umweltbelastung innerhalb deutscher Großstädte möglich sein. Wie in den meisten anderen Bereichen auch müssen dafür aber Politik, innovative Unternehmen und die Bewohner an einem gemeinsamen Strang ziehen. Was kannst Du tun? • Maßnahmen zu den Themen Verkehr und Heizen haben wir bereits im Kapitel zur „Energie“ kennengelernt. Diese wirken selbstverständlich unmittelbar auf die Stadt, in der wir wohnen oder arbeiten. • Immer mehr Städte beschäftigen sich mit ihrer eigenen Nachhaltigkeit. Häufig entwickeln die Städte ihre Nachhaltigkeitsstrategie gemeinsam mit den Bürgern. Hieraus ergeben sich viele Möglichkeiten, wie Du die Zukunft Deiner Stadt mitgestalten kannst.
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Ziel 12: Verantwortungsvoller Konsum und Produktion
My Stuff Als ihn seine Freundin verlässt, tröstet sich der Finne Petri Luukkainen, indem er seine Kreditkarte zum Glühen bringt. Wirklich glücklicher wird er durch seine Einkäufe allerdings kaum. Vielmehr bekommt er die Idee für ein außergewöhnliches Selbstexperiment: Er möchte sein Leben materialistisch auf null zurücksetzen. Er räumt seine Wohnung komplett leer – keine Kleidung, keine Technik, keine Möbel. Alles kommt in einen Lagerraum und zurück bleibt nur er – nackt. Die Regeln für sein einjähriges Experiment sind einfach: Jeden Tag darf er genau einen Gegenstand aus dem Lager zurückholen und er darf in dieser Zeit keine neue Dinge kaufen. So möchte er herausfinden, welche materiellen Dinge ihm wirklich wichtig sind. Das Experiment beginnt und Petri hypnotisiert die Uhr, bis es Mitternacht ist und er sich den ersten Gegenstand holen darf. Bekleidet nur mit einer Zeitung aus dem Müllcontainer rennt er durch die verschneiten Straßen Helsinkis zu seinem Lagerraum und holt sich erst mal einen Mantel, der ihm auch als Schlafsack dient. Am Anfang improvisiert er viel, putzt etwa erst mal mit den Fingern seine Zähne.
136 M. Medert Nach einer Woche ist die Matratze dran und er ist überglücklich über seine weichere Schlafunterlage. Überhaupt schätzt er jetzt die Dinge, die er sich aus dem Lager holt, viel mehr als früher. Und schon mit etwa 100 Gegenständen hat er das Gefühl, gut zurechtzukommen. Er führt das Experiment trotzdem zu Ende, in dessen Verlauf er auch noch die Liebe seines Lebens kennenlernt. In diesem Jahr wird ihm klar, dass er auf einen großen Teil seines Besitzes verzichten kann. Folglich holt er sich am Ende des Experiments nur noch etwa 100 weitere Gegenstände und trennt sich vom Rest. Nach dem Experiment lebt er bewusster und konsumiert deutlich weniger – auch wenn das oft aufwendiger und teurer ist. Sein Experiment hat er filmisch begleitet. Sein Film „My Stuff“ diente auch als Vorlage für den deutschen Film „100 Dinge“ von Florian David Fitz und Matthias Schweighöfer. „My Stuff“ gibt dabei keine Lösung vor und ermahnt auch nicht. Vielmehr möchte er zum Nachdenken anregen: Die Zuschauer sollen für sich selbst überlegen, „Was würde ich in so einer Situation machen?“, „Welche von meinen eigenen Sachen würde ich unbedingt wieder zurückhaben wollen?“ oder „Brauche ich die Dinge wirklich, die ich zu kaufen plane?“.
Grundsätzlich geht es beim zwölften Nachhaltigkeitsziel darum, so zu konsumieren und zu produzieren, dass die Bedürfnisse der heutigen und der zukünftigen Generationen erfüllt werden können und dabei die Grenzen unseres Planeten respektiert werden. Das ist wichtig, denn hätten alle Menschen einen Lebensstil wie wir in den Industrieländern, würden wir die Ressourcen von mehreren Erden verbrauchen. Diese Formulierungen erinnern sehr an das Einleitungskapitel zu den 17 Nachhaltigkeitszielen. Daher gibt es zahlreiche Überschneidungen zu anderen Zielen, die wir bereits kennengelernt haben. So haben wir etwa im Kapitel zum Wirtschaftswachstum schon diskutiert, ob Wachstum und Ressourcenverbrauch voneinander entkoppelt werden könnten.
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Nachhaltiger Konsum Den oben genannten Zielen des nachhaltigen Konsums entsprechend, soll der Konsum die Umwelt und Ressourcen schonen und gleichzeitig sozial gerecht und fair sein. Eine wesentliche Rolle spielt dabei, wie die Rohstoffe gewonnen werden, wie das Produkt produziert und zu uns transportiert wird, von uns genutzt und am Ende entsorgt wird. Beim nachhaltigen Konsum geht es also um viel mehr, als nur um den eigentlichen Kauf eines Produkts oder einer Dienstleistung. Wir hatten schon im Kapitel zum Hunger gesehen, welche Folgen es hat, wenn Lebensmitteln weggeworfen und verschwendet werden. Das ist auch dann kaum nachhaltig, wenn die weggeworfenen Lebensmittel bio, regional und fair sind.
Kaufentscheidung Doch beginnen wir beim Kauf. 2019 sind viele Menschen bereits sensibilisiert und möchten gerne nachhaltige Produkte kaufen [258]. Wir sehen das auch daran, dass der Marktanteil nachhaltiger Produkte zwischen 2013 und 2018 gestiegen ist – von Lebensmitteln bis hin zu Finanzanlagen [137]. Allerdings erfolgen diese Steigerungen von einem recht niedrigen Niveau. Warum liegt der Marktanteil von nachhaltigen Produkten so deutlich unter dem Anteil von Menschen, die nachhaltig konsumieren möchten? Zuallererst fehlt häufig die notwendige Transparenz, um wirklich bewusste Entscheidungen zu treffen: Etwa wie wurde das Produkt hergestellt und welche Eigenschaften hat es? Produkte sind möglicherweise etwas teurer, wenn die Hersteller auf faire Arbeitsbedingungen achten und
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die Umwelt schützen. Doch nur, wenn ich nachhaltige Produkte ohne großen Aufwand erkenne, kann ich sie gezielt einkaufen und damit ein nachhaltiges Verhalten belohnen. Doch selbst, wenn wir Verbraucher wissen, welche Produkte nachhaltiger sind, handeln wir meist wenig rational. Wir kaufen etwa Produkte, obwohl wir sie gar nicht wirklich brauchen. Beispiele hierfür sind Kleidungsstücke, die nach dem Kauf fast nie getragen werden oder das neue Smartphone, das kaum mehr Nutzen stiftet als das 2 Jahre alte Vorgängermodell. Selbst Menschen, die eigentlich Wert auf Nachhaltigkeit legen, verhalten sich so. Aus einer positiven Einstellung zur Nachhaltigkeit wird also nicht automatisch auch nachhaltiger Konsum. Dieser Effekt heißt „Intentions-VerhaltensLücke“ („intention-behaviour-gap“) [81]. Es geht dabei um das weit verbreitete Phänomen, dass Menschen zwar ein Problem wie den Klimawandel anerkennen und etwas dagegen tun wollen, sich letztendlich jedoch kontraproduktiv verhalten: Sie unternehmen trotzdem weiter regelmäßig Fernreisen mit dem Flugzeug, fahren ein großes Auto, essen viel Fleisch und so weiter. Schließlich machen es Freunde, Kollegen und die Werbung vor. Und da manch einer ohnehin den Eindruck hat, dass man als Einzelner kaum etwas verändern kann, will man sich auch mal etwas gönnen, seine Bedürfnisse befriedigen und sich möglicherweise auch über bestimmte Produkte definieren. Hinzu kommt, dass die Gegenwart viel greifbarer ist als die Zukunft, in der sich die positiven Folgen eines nachhaltigen Konsums auswirken würden. Als dritte Ursache für nicht nachhaltigen Konsum wird häufig das Einkommen angeführt. Tatsächlich haben Haushalte mit einem höheren Einkommen bessere Möglichkeiten, nachhaltigere Produkte zu kaufen. Fair gehandelte Produkte mit effizienten Technologien, die
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Ressourcen schonen, sind schließlich oft deutlich teurer (weil sie die Kosten für asoziales oder umweltschädlichen Verhaltens nicht auf die Allgemeinheit oder auf andere Menschen auslagern). Allerdings verbrauchen die Haushalte mit hohen Einkommen meist viel mehr Produkte und Energie [129]. Diese zusätzlichen Produkte belasten die Umwelt viel stärker als die wenigen Produkte der geringeren Einkommensschichten, die weniger nachhaltig sind. „Mehr“ kann in diesem Zusammenhang etwa der zwanzigste Schal im Kleiderschrank sein, wohingegen sich Menschen mit geringerem Einkommen nur einen oder zwei Schals leisten können. Natürlich ist es wichtig, dass gerade die Haushalte, die viel verbrauchen, dies möglichst nachhaltig tun. Durch Bio- und Fair-Trade-Produkte mögen viele dabei ein gutes Gewissen haben. Doch wirklich nachhaltiger ist vermutlich jemand, der absolut weniger konsumiert. Ein Pessimist würde daraus das Fazit ziehen, dass die Einen es sich nicht leisten können, nachhaltig einzukaufen, während die anderen so viel konsumieren, dass ihr Ressourcenverbrauch trotz nachhaltiger Produkte insgesamt dann auch nicht mehr nachhaltig ist. Wir sehen also, dass es eine Herausforderung ist, wirklich nachhaltig einzukaufen. Am nachhaltigsten wäre es da vermutlich, ein Produkt gar nicht oder weniger davon zu kaufen. Sobald dadurch die Lebensqualität eingeschränkt wird, finden solche Ansätze jedoch wenig Zustimmung.
Intensivere und längere Nutzung Wenn wir ein Produkt intensiver nutzen, kann das auch zu weniger Konsum führen: Das geschieht insbesondere durch eine gemeinsame Nutzung eines Produkts, also durch Verleihen oder Vermieten. Wird ein Produkt
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im Alltag nur manchmal benötigt, könnte man es sich eventuell gemeinsam anschaffen. Ein Klassiker in dieser Beziehung ist ein Rasenmäher, der die meiste Zeit unbenutzt ist. Der kann problemlos von mehreren Nachbarn gemeinsam benutzt werden. Carsharing, Bikesharing, Couchsurfing und Food Sharing sind weitere Ausprägungen des Teilens. Eine zunehmende Anzahl von Apps macht das Teilen immer einfacher. Neben dem Trend zum Teilen im privaten Umfeld hat sich in diesem Umfeld seit Jahren auch ein schnell wachsender Wirtschaftszweig entwickelt, die sogenannte „Sharing Economy“. Zu den bekanntesten Vertretern zählen dabei Uber (Vermittlung von Autofahrten in Privatautos) und Airbnb (Vermittlung von Übernachtungsmöglichkeiten in Privatwohnungen). Diese Art des Teilens fokussiert eher auf Gewinne als auch Nachhaltigkeit. So gibt es bereits einige Sozialkritik an dieser Art der Sharing Economy, wenn etwa Uber-Fahrer sozial ausgenutzt werden. Neben der intensiveren Nutzung kann ein Produkt auch länger genutzt werden, indem man ein Produkt, das man nicht mehr benötigt, an andere weitergibt. Man kann das Produkt hierzu weiterverkaufen, verschenken oder tauschen. Neben dem traditionellen Flohmarkt, gibt es auch hier zahlreiche Online-Plattformen, die dabei helfen können (von Kleiderkreisel bis ebay). Eine Voraussetzung hierfür ist, dass die Produkte entsprechend langlebig sind und von mehreren Nutzern nacheinander genutzt werden können. Ein Produkt länger nutzen kann man natürlich auch selbst, indem man es reparieren lässt, statt es wegzuwerfen. Das Problem dabei ist allerdings, dass eine Reparatur in vielen Fällen teurer ist, als ein neues Produkt. Der Aspekt, wie gut ein Produkt später zu reparieren ist, könnte daher ein wichtiges Kaufargument für nachhaltigen Konsum sein. Doch auch hier fehlt meist die Transparenz für den Verbraucher.
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Und wenn ein Produkt dann wirklich nicht mehr nutzbar ist? Dann sollte das Produkt im Sinne der Nachhaltigkeit zu recyceln sein und auch dem Recycling zugeführt werden. Beim Recycling werden wiederverwertbare Abfälle aufbereitet und in neue Rohstoffe verwandelt. Damit wird die Nachfrage nach neuen Ressourcen reduziert, sodass ein Produkt sogar noch nach dem Ende seines eigentlichen Lebens einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten kann. Allerdings müssen wir uns bewusst sein, dass der Recycling-Prozess Energie verbraucht und dass das recycelte Material häufig minderwertig gegenüber dem Originalrohstoff ist. Das nennt man dann Downcycling. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist Papier: In jedem Recyclingzyklus verliert Papier an Faserlänge und damit an Qualität. Am Ende kann es nur noch für Toilettenpapier verwendet werden. Vereinzelt gelingt auch ein Upcycling, bei dem nach dem Recycling ein höherwertiges Produkt entsteht als es vorher war, allerdings kaum im großen Stil. Ein Beispiel hierfür sind etwa Möbel, die aus Altholz hergestellt werden [197]. Zusammenfassend kann der Konsum von jedem Verbraucher dadurch nachhaltiger werden, in dem er weniger verwendet und wo möglich nachhaltigere Produkte kauft, die dann intensiv und lange genutzt werden, bevor sie wiederverwendet oder wiederaufbereitet werden. Insofern kann jeder Einzelne zu einer nachhaltigeren Entwicklung beitragen. Neben dem direkten Effekt erhöht sich die Gestaltungsmacht der Konsumenten nochmals, wenn ein großer Anteil der Konsumenten ähnliche Auswahlkriterien für ihre Kaufentscheidung zugrunde legt. Dann müssen sich die Hersteller an die Bedürfnisse der Konsumenten anpassen, um ihre Produkte verkaufen zu können.
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Nachhaltige Produktion Wie nachhaltig Unternehmen produzieren, hängt zum einen von den lokalen gesetzlichen Rahmenbedingungen ab. Zum anderen entscheiden die Unternehmen, ob sie nachhaltiger als vorgegeben produzieren oder ob sie die gesetzlichen Grenzen ausreizen beziehungsweise sie sogar kriminell umgehen. Der Hauptzweck der allermeisten Unternehmen ist es, Gewinne zu erzielen. Dadurch ergibt sich ein gewisses Selbstinteresse, möglichst ressourcen- und energieeffizient zu arbeiten. Das ist schlichtweg günstiger und führt zu einem höheren Gewinn. Weiterhin haben viele Unternehmen erkannt, dass nachhaltige Unternehmen wirtschaftlich erfolgreicher sind [197]. Auch der Druck der Kunden führt häufig dazu, dass Produkte nachhaltiger hergestellt werden. Manche Unternehmen bauen sogar ihr gesamtes Geschäftsmodell um das Thema Nachhaltigkeit und besetzen damit eine Nische. So stellen etwa die Firmen Fairphone und Shiftphones bei ihren Smartphones die Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt ihres Angebots – von den sozialen Standards bei der Rohstoffbeschaffung bis zur verbesserten Reparierbarkeit. Das oben erwähnte Gewinnstreben kann allerdings auch dazu führen, dass Umwelt- und Sozialstandards entlang der Wertschöpfungskette missachtet werden, dass Geräte nicht mehr reparierbar konstruiert werden oder dass problematische Stoffe verwendet werden. Vieles davon bleibt für den Verbraucher verborgen. Dadurch entsteht eine große Versuchung für manch ein Unternehmen. Wenn Unternehmen sich dann noch darauf berufen können, dass es keine ausreichend große Nachfrage nach nachhaltigen Produkten gibt, ist es naheliegend, dass sie nur wenig nachhaltige Produkte entwickeln. Das gilt umso
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mehr, als die Entwicklung nachhaltiger Produkte komplex sein kann und oft Investitionen in innovative Produkte und Geschäftsmodelle erfordert. Unternehmen werden aus Kostengründen auch kaum langlebige Produkte bauen, wenn sie sehen, dass ihre Produkte nur relativ kurz genutzt werden. Wenn heute etwa Smartphones kaum noch 2 Jahre genutzt werden, bevor sie durch ein neues Modell ersetzt werden, werden die Smartphones auch nur auf eine recht kurze Lebensdauer ausgelegt. Schließlich sind langlebigere Bauteile meist etwas teurer. Statt weiter verwendet zu werden, landen die Produkte dann auf dem Müll. Man kann an diesem Effekt sehr schön sehen, wie eng nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion zusammenhängen. Schon 1966 sprach der Wissenschaftler Kenneth E. Boulding einerseits von der „Cowboy-Ökonomie“, die von unbegrenzten Mitteln ausgeht und die zu negativen ökologischen und sozialen Auswirkungen führt [21]. Dem stellt er eine „Raumfahrer-Ökonomie“ entgegen, wo die Mittel begrenzt sind und stark voneinander abhängen. In so einer Situation macht es Sinn, sich die Natur zum Vorbild zu nehmen: Dort finden wir meist Kreisläufe, in denen bestimmte Organismen die Abfallprodukte von anderen Organismen nutzen. Die Idee der sogenannten „Kreislaufwirtschaft“ und das Konzept „Cradle-to-Cradle“ ahmen solche natürlichen Kreisläufe nach. Gemäß dieses Konzepts sollten Unternehmen schon beim Design und der Konstruktion ihrer Produkte darauf achten, dass sie nach der Nutzung entweder wieder als biologische Nährstoffe in biologische Kreisläufe zurückgeführt werden können oder durch Demontage und Abfallverwertung erneut in technische Kreisläufe aufgenommen werden [23].
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Politische Rahmenbedingungen In fast allen Ländern gibt es Gesetze und Vorschriften zur nachhaltigen Produktion und zu nachhaltigen Produkten. Dazu gehören ökologische Vorschriften etwa zur Vermeidung von Verschmutzung von Luft und Gewässern. Sowohl dort als auch bei den sozialen Vorschriften gibt es jedoch international große Unterschiede. Das haben wir bereits in früheren Kapiteln, etwa zur Arbeit, gesehen. Auch bezüglich der zugelassenen Produkte unterscheiden sich die Vorschriften selbst zwischen den Industrieländern erheblich [235]. Man braucht in diesem Zusammenhang nur an gentechnisch veränderte Lebensmittel denken, die ein großes Thema beim Widerstand gegen das Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU waren. Viele Gesetze und Vorschriften fördern nachhaltigere Produkte, ohne unsere Lebensqualität wirklich einzuschränken. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist etwa der Stromverbrauch von Elektrogeräten im Stand-by-Modus. Während manch ein Gerät vor Jahren noch 40 W im Ruhezustand verbrauchte, liegt der Verbrauch aufgrund technischer Zulassungsvorschriften heute teilweise unter einem Watt. Stärkere Regulierungen und Kontrollen können sinnvoll sein, weil wir oben gesehen haben, dass es in vielen Bereichen passieren kann, dass weder die Hersteller nachhaltig produzieren noch die Verbraucher nachhaltig konsumieren. Jedoch stehen Staaten in einem Wettbewerb um Arbeitsplätze und Kapital und Politiker kämpfen um die Wiederwahl. Wenn die Produktion in einem Land durch teure Energie, teure Ressourcen und teure Umweltstandards insgesamt zu teuer wird, besteht immer die Gefahr, dass Unternehmen in andere Länder ausweichen, in denen sie wie gewohnt produzieren können. Hilfreich
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könnte ein Steuermodell sein, das den Ressourcenverbrauch stärker, die Arbeitskosten im Gegenzug geringer besteuert [148]. Die Politik kann neben Zulassungsvorschriften zum Beispiel auch durch Maßnahmen für eine verbesserte Transparenz für nachhaltigere Konsum- und Produktionsmuster sorgen. Ein gutes Beispiel hierfür sind frische Eier [255]. Seitdem in Deutschland die Haltungsformen der Hennen deutlich und einfach auf jedem Ei erkennbar sind, hat sich die Mischung der Haltungsformen deutlich verbessert. Die Verbraucher können einfach erkennen, ob ein Ei aus der Freilandhaltung oder aus der Kleingruppenhaltung kommt und sie haben ihr Kaufverhalten entsprechend angepasst. Inzwischen stammt der größte Teil der verkauften Eier in Deutschland aus ökologischer Haltung, aus Freilandhaltung oder zumindest Bodenhaltung [31]. So gibt es Ideen, Produkte mit einem zweiten Preisschild auszustatten, welches die Umwelt- und sozialen Kosten ausweist. So attraktiv die Idee ist, so groß sind zurzeit noch die Herausforderungen: Wie bewertet man etwa die verschiedenen ökologischen Aspekte (z. B. CO2-Emissionen) und die sozialen Aspekte (z. B. Kinderarbeit). Selbst, wenn man beide Bereiche getrennt betrachtet, erscheint eine Bewertung herausfordernd. Was wiegt schwerer, der CO2-Verbrauch oder der Wasserbrauch in einem Land mit wenigen Wasserressourcen. Weiterhin steigt der Aufwand erheblich, wenn man an komplexe Produkte denkt, die viele Bestandteile und Materialien enthalten und entlang einer langen Lieferkette hergestellt werden. Wir sehen also auch bei diesem Nachhaltigkeitsziel, dass für eine wirksame Veränderung erneut viele Akteure zusammenspielen müssen: Konsumenten können durch ihre Kaufentscheidungen und ihrem Nutzungsverhalten durchaus Einfluss nehmen. Für seinen Konsum
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ist schließlich jeder selbst verantwortlich. Die Politik könnte den nachhaltigeren Konsum durch Initiativen wie dem zweiten Preisschild fördern oder durch Vorschriften weniger nachhaltige Produkte komplett vom Markt zu nehmen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass Unternehmen nachhaltiger produzieren und nachhaltigere Produkte herstellen – entweder aus Eigenantrieb oder aufgrund von politischen Rahmenbedingungen.
Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster in Deutschland Eine Umfrage aus 2018 zeigt, dass viele deutsche Konsumenten sozial- und umweltbewusst sind [41]. Sie stehen dabei jedoch vor den oben genannten Herausforderungen: fehlende Transparenz, die Intentions-Verhaltens-Lücke und die höheren Preise nachhaltiger Produkte. Viele Deutsche fühlen sich schlecht informiert oder vermissen Transparenz zur Nachhaltigkeit von Produkten. So wünschen sich 2018 vier von fünf Deutschen von Bekleidungsfirmen mehr Informationen über deren Umweltengagement [119]. Auf der anderen Seite hat der deutsche Verbraucher kaum eine Chance, den Überblick zu bewahren: Alleine, wenn man sich den Bereich Bekleidung und Schuhe anschaut, gab es 2019 etwa 40 verschiedene Labels zu Umwelt- und Sozialstandards, jeweils mit unterschiedlichen Kriterien und Anforderungen [92]. Es fällt auch schwer, die verschiedenen Aspekte der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen. Deutlich wird das etwa bei Biolebensmitteln. Konsumenten nehmen deutliche Preisaufschläge für Bioprodukte in Kauf, um ökologischer und gesünder zu leben. Doch wie nachhaltig sind Biotomaten aus
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spanischen Gewächshäusern (siehe Kapitel zur Wasserversorgung) oder Biosojabohnen aus China wirklich? Während wir Konsumenten bei Bioprodukten gerne an romantische Höfe denken, handelt es sich in Wirklichkeit häufig um Biofabriken. Deren Betreiber haben wenig mit dem idealistischen Biobauern um die Ecke zu tun. Es geht vielmehr um ein profitables Geschäft, bei dem etwa in der spanischen Provinz Almería große Monokulturen unter riesigen Flächen mit Plastik-Gewächshäusern entstehen, so viel Trinkwasser zum Bewässern entnommen wird, dass die Grundwasserspiegel fallen und das Grundwasser versalzt. Die geernteten Tomaten werden anschließend 2000 km nach Deutschland transportiert. Auch zu den Arbeitsbedingungen auf den Bioplantagen sagen die Biolabel nichts. Und so arbeiten in den betroffenen Gewächshäusern viele Migranten als Tagelöhner ohne festen Job und mit niedrigem Lohn [159]. Konsumiere ich also noch nachhaltig, wenn ich solche Biotomaten kaufe? Die Gleichsetzung von Bio mit nachhaltigem Konsum erscheint zumindest in manchen Fällen fraglich. Dem Konsumenten fehlt die notwendige Information. Oder er wird sogar absichtlich durch das Design der Etiketten in die Irre geführt: In der Wursttheke im Supermarkt nennt sich der Hersteller auf den Etiketten häufig Soundso-Hof oder Soundso-Farm. Hinzu kommen noch Bilder von glücklichen Tieren. Schon hat der Verbraucher ein gutes Gefühl. Das hätte er vielleicht weniger, wenn er klarer erkennen könnte, dass das Fleisch aus der industriellen Massentierhaltung stammt. Fehlende Transparenz ist auch bei uns ein Grund, warum Konsum schon bei der Produktauswahl oft wenig nachhaltig ist. Auch abseits des Marketings sind Informationen teilweise irreführend: So hat ein energieeffizienter SUV mit 200 g CO2-Ausstoß das höchste CO2-Label A. Für seine zwei Tonnen Gewicht verbraucht er nämlich
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beeindruckend wenig Kraftstoff. Demgegenüber erhält ein 15 Jahre alter Kleinwagen mit 110 g CO2-Ausstoß vielleicht nur das recht schlechte CO2-Label D. Dadurch bekommt der SUV Fahrer den Eindruck, als wäre er umweltfreundlicher unterwegs als der Kleinwagenfahrer. In Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall. Denn absolut gesehen verbraucht er mehr Treibstoff als der Kleinwagenfahrer. In Einzelfällen kommt es auch zum sogenannten „Greenwashing“, bei dem sich Produkte und Unternehmen zu Unrecht mit bestimmten Labels oder Eigenschaften schmücken [91]. Wenn Unternehmen etwa ihre eigenen Bio- oder Ökosiegel erfinden, dann haben die Endverbraucher kaum die Chance, so etwas zu durchschauen. Doch selbst, wenn all diese Probleme der Transparenz gelöst wären, existiert auch in Deutschland die oben beschriebene Intentions-Verhaltens-Lücke: Sechs von zehn deutschen Konsumenten sagten 2017 in einer Umfrage, dass für ihre Kaufentscheidung eine Zertifizierung, wie ein Biosiegel, wichtig sei [182]. Trotzdem machten 2017 Bioprodukte lediglich 5 % des gesamten Lebensmittelumsatzes in Deutschland aus [27]. Das gleiche Verhaltensmuster lässt sich auch in den meisten anderen Bereichen des Konsums beobachten: Billigkleidung (sogenannte „Fast Fashion“) aus Bangladesch und Fleisch aus der Massentierhaltung verkauft sich nach wie vor hervorragend in Deutschland.
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Was kannst Du tun? Die Modemacherin Vivienne Westwood fasst es prägnant zusammen: „Buy less, choose well, make it last.“ • Buy less – Konsumiere weniger: – Menschen die achtsam essen, sind seltener übergewichtig. Sie spüren genau, wann sie satt sind und hören dann auf zu essen. Genau so ein Gespür brauchen wir auch beim Einkaufen. Wer erkennt, wann es genug ist, konsumiert nachhaltiger. Frage Dich vor jedem Kauf eines neuen Produkts, ob Du das wirklich benötigst. Oder bist Du der Werbung auf den Leim gegangen und glaubst, der Kauf mache Dich glücklicher, zufriedener oder angesagter? – Vielleicht kannst Du ja auch das alte Smartphone noch ein Jahr länger benutzen oder vielleicht gibt es für Dich auch Alternativen zum eigenen Auto und zur Fernreise mit dem Flugzeug. – Möglicherweise kannst Du manche Produkte auch gemeinsam mit Freunden, Nachbarn oder Kollegen nutzen. – Natürlich gehören auch die Maßnahmen zum Energiesparen in diesen Bereich. Achte besonders auf die im Kapitel zur Energie beschriebenen Rebound-Effekte. • Choose well – Sorgsam auswählen: – Wenn Du etwas kaufst, dann sollte es möglichst nachhaltig sein, also möglichst langlebige Produkte mit geringerem Energie- oder Ressourcenverbrauch. Saisonales, regionales Bioobst und -gemüse sind hierfür die Klassiker. Doch auch bei allen anderen Käufen kannst Du Dich an der Nachhaltigkeit orientieren: Etwa bei Kleidung das T-Shirt für 3 EUR meiden, das dann zum Wegwerfartikel verkommt, recht schnell ersetzt werden muss und vermutlich unfair produziert wurde. Besser ist es, in Qualität zu investieren und eher etwas Zeitloses auszuwählen, statt etwas Supermodisches, das schon in der nächsten Saison out ist. Inzwischen gibt es auch zahlreiche nachhaltige Labels (Fair und Eco Fashion) mit hohen Qualitätsstandards.
150 M. Medert – Auch bei Dienstleistungen wie der Mobilität kannst Du natürlich darauf achten, Verkehrsmittel zu verwenden, welche die Umwelt weniger belasten. – Bei technischen und elektrischen Geräten kannst Du auf Langlebigkeit durch höhere Qualität, auf Energieeffizienz und auf Reparaturmöglichkeiten achten. – Zugegebenermaßen ist es sehr kompliziert geworden, nachhaltig einzukaufen. Eine Vielzahl von Siegeln, Greenwashing und widersprechende Aspekte der Nachhaltigkeit überfordern uns Konsumenten schnell. Es geht jedoch nicht um die perfekte Lösung – auch „etwas nachhaltiger“ hilft bereits. • Make it last – Sorge für eine lange Lebensdauer: – Neben der Qualität sorgt auch die richtige Pflege für eine lange Lebensdauer eines Produkts. Wer sorgsam mit seinen Sachen umgeht und sie bei Bedarf repariert, der schont die Umwelt. – Wenn Ihr die Produkte dann wirklich nicht mehr nutzen möchtet, kann die Lebensdauer verlängert werden, wenn sie noch an andere weitergegeben werden. Als letzte Option verbleibt die Entsorgung – hoffentlich mit Recycling.
Ziel 13: Maßnahmen zum Klimaschutz
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Vier fürs Klima Franziska Wessel hat in der Schule die Hausaufgabe bekommen, sich ihren eigenen CO2-Verbrauch anzuschauen. Also ruft sie am Abend mit ihren Eltern und ihrem Bruder im Internet einen Klimarechner auf. Sie sind überrascht, dass ihr CO2-Verbrauch kaum unter dem deutschen Durchschnittswert liegt – schließlich hat sich ihre 4-köpfige Familie bisher für recht umweltbewusst gehalten. Franziskas Bruder Jakob schlägt daraufhin einen Selbstversuch vor: Die ganze Familie soll über ein Jahr versuchen, ihren CO2-Ausstoß deutlich zu senken: „Ich will es genau wissen. Was könnten wir denn überhaupt tun, ohne dass es albern wird? So als Klimaretter?“ Die Familie ist sofort dabei. Schließlich wissen sie ja, dass das Klima bedroht ist und die Eisschollen für die Eisbären immer kleiner werden. Und auf einmal stellen die vier sich viele Fragen, auf die es manchmal leichte und manchmal kaum sichere Antworten gibt: Sind eingelagerte Äpfel aus der Region immer besser als Äpfel aus Übersee? Was ist wichtiger, bio oder regional? Wohin dürfen wir überhaupt noch in den Urlaub fahren? Doch Jakob bleibt hartnäckig: „Was macht jetzt den großen Unterschied? Wo kann man groß was verändern? Und wo ist wirklich das Ausschlaggebende?“ Sie führen Buch und erkennen, wo sie besonders viel CO2 verursachen. Schnell stellen sich die ersten Erfolge ein: Der zweite Kühlschrank im Keller wird ausgeschaltet, Fenster werden abgedichtet, Fleisch kommt seltener auf den Tisch und die Familie macht den Großeinkauf jetzt mit dem neuen Fahrradanhänger statt mit dem Auto. Die Familie ernährt sich noch stärker saisonal und regional. Sie schaffen es so, manches umweltschädliches Verhalten zu ändern. Doch dann wird es komplizierter und jeder hadert mit so mancher Einschränkung: Die Kinder sind enttäuscht, wenn sie in Zukunft auf Flüge möglichst ganz verzichten sollen. Die Mutter Petra weiß zwar, dass die neuen modischen Klamotten auch CO2 freisetzen, doch soll sie wirklich darauf verzichten? Und Vater Günther findet den Autoschlüssel verführerisch, wenn es draußen kalt und nass ist. Manchmal sind die Wessels dann inkonsequent, doch meistens wählen sie die nachhaltige Alternative.
152 M. Medert Immer wieder rechnen sie nach und bemerken stolz, dass sie nun fast ein Drittel CO2 weniger verursachen. Es ist ein tolles Gefühl, gemeinsam als Familie so etwas geschafft zu haben. Die Eltern freuen sich zusätzlich noch darüber, dass sie durch das ständige Fahrradfahren auch noch abgenommen haben. Sie haben es geschafft, vom Reden zum Handeln zu kommen und schaffen es auch nach dem Jahr Selbstversuch, die meisten klimafreundlichen Angewohnheiten beizubehalten. Diese ganz normale Familie zeigt, dass doch jeder Einzelne etwas tun kann. Die Wessels haben ihre Erfahrung im Buch „Vier fürs Klima: Wie unsere Familie versucht, CO2-neutral zu leben“ unterhaltsam dokumentiert [178]. Es zeigt, wie die Familie Wessel ihren Weg findet, klimafreundlicher zu leben, und sie beschreiben in ihrem Buch, wie sie es schaffen, „den Auto-Einflüsterer, den MangoEsser, die Ich-brauche-eine-neue-Bluse-Käuferin, den Der-Klimawandel-kommt-nicht-so-schnell-Beschwichtiger und den Nutzt-doch-eh-nix-Verzweifelten in uns zu besiegen“.
Das Wort Klima bezeichnet das Wetter über viele Jahre oder Jahrzehnte in einem größeren Gebiet. Das Klima ändert sich langsamer als das Wetter. Doch auch das Klima ändert sich. Wir sprechen dann vom Klimawandel. So wechselten sich im Laufe der Jahrmillionen Eiszeiten und Warmzeiten ab. Das Besondere am aktuellen Klimawandel ist die Geschwindigkeit, mit der es weltweit wärmer wird. In den letzten 200 Jahren stieg die Temperatur bereits um knapp 1 °C [150]. Je nach Prognosemodell wird die Temperatur weltweit bis zum Jahr 2100 noch um 1 bis 5 °C weiter steigen.
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Ursachen des Klimawandels Die hohe Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre gilt als Hauptursache für den Klimawandel [211]. Diese Gase sorgen dafür, dass weniger Wärme ans Weltall abgegeben wird, sodass sich die Luft, die Erde und das Wasser auf der Erde erwärmen. Je höher die Konzentration dieser Gase ist, desto wärmer wird das Klima [74]. Wir pusten viel mehr Treibhausgase in die Luft, als von der Natur wieder aufgenommen werden können. Somit verursacht unser eigenes Verhalten die schnelle globale Erwärmung. Der größte Teil der Treibhausgase entsteht, wenn wir Energie aus Kohle, Öl und Gas verbrauchen: wenn wir Auto fahren, in Urlaub fliegen oder eine Kreuzfahrt unternehmen, unsere Wohnung heizen oder Strom verbrauchen [13]. Meist entsteht hierdurch das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2). Gleichzeitig roden wir Wälder, sodass die Natur weniger Kohlendioxid speichern oder umwandeln kann. Vor der industriellen Revolution waren die natürlichen Kreisläufe für tausende Jahre im Gleichgewicht: An einer Stelle entstand Kohlendioxid (etwa wenn Menschen und Tiere atmen). Demgegenüber wurde in ähnlichem Umfang Kohlendioxid aus der Atmosphäre entnommen (etwa durch Photosynthese von Pflanzen). Neben CO2 gibt es noch andere Treibhausgase, die dafür sorgen, dass sich die Erde weiter erwärmt. So ist die Landwirtschaft nicht nur Opfer des Klimawandels, sondern sie verursacht auch etwa ein Zehntel der Treibhausgase: Recht große Mengen Methan stammen von Reisfeldern und von Rindern, die wir für den weltweit steigenden Fleisch- und Milchkonsum halten. Hinzu kommt noch Lachgas durch künstliche Düngung.
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Folgen des Klimawandels für die Umwelt Es gibt zu viele Einflussfaktoren und Wechselwirkungen, um vorherzusagen, wie stark die Erderwärmung ausfällt und wie dramatisch die Folgen werden. Doch die überwiegende Mehrheit der Forscher sind sich einig, dass der Klimawandel eine globale Bedrohung darstellt und die Auswirkungen umso verheerender werden, je länger wir brauchen, um einen ausgeglichenen CO2-Kreislauf zu erreichen [150]. Die steigenden Temperaturen führen unter anderem zu folgenden Effekten: • Gletscher, das arktische Meereis sowie die Eisschilde auf Grönland und der Antarktis schmelzen durch die steigenden Temperaturen schneller. Während Eis das meiste Sonnenlicht zurück ins Weltall reflektiert, absorbiert Meerwasser die Wärme größtenteils. Das führt zu einer weiteren Beschleunigung des Klimawandels und zu einem Anstieg des Meeresspiegels. Da sich Wasser ausdehnt, wenn es wärmer wird, steigt der Meeresspiegel auch, weil sich neben der Luft auch die Ozeane erwärmen [180]. Sollten der antarktische oder der Grönländische Eisschild instabil werden und schmelzen, zöge das einen Anstieg des Meeresspiegels um mehrere Meter nach sich. • Die Meere nehmen auch einen Teil des Kohlendioxids auf. Dadurch werden die Meere sauer, was ein Problem für viele Meeresbewohner ist: Die Skelette von Kleinstlebewesen, Muscheln und Korallen werden weniger robust oder durch das saure Wasser sogar aufgelöst. • In manchen Regionen tauen Permafrostböden, die bisher ganzjährig gefroren blieben. Dabei wird CO2 und Methan in großen Mengen frei, was den Klimawandel weiter verstärkt.
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• Wetterextreme wie Trockenheit und Niederschläge nehmen zu. In der Folge kommt es zu häufigeren Waldbränden, Ernteausfällen aufgrund von Dürren, häufigeren und heftigeren Wirbelstürmen. Auch wertvolles Ackerland geht verloren. • Lebensbedingungen verändern sich derart schnell, dass sich viele Tier- und Pflanzenarten kaum anpassen können und aussterben. Die bedrohten Eisbären bekommen hier viel Aufmerksamkeit. Sie sind jedoch nur eine von einer riesigen Anzahl bedrohter Arten. Da wir die komplexen Ökosysteme nur in Teilen verstehen, ist das Ausmaß der Folgen für Umwelt, Tier und Mensch kaum abschätzbar.
Auswirkungen auf die Menschen Klar ist, dass die direkten Folgen für die Menschen dramatischer werden, je stärker die Temperatur steigt. Bereits heute führen häufigere Dürren zu Ernteausfällen und regional zur Ausbreitung von Hunger. Wie in den früheren Kapiteln beschrieben, wird sich durch Unterernährung, Hitze und Wassermangel auch die Gesundheitslage verschlechtern. Weiterhin zeigen Studien, dass es in Regionen, die von klimabedingten Naturkatastrophen betroffen waren, häufiger zu bewaffneten Konflikten kam. Vermutlich hat auch in Syrien die schwerste, mehrjährige Dürre seit hunderten Jahren zum Ausbruch des Kriegs dort beigetragen, nachdem hunderttausende Bauern ihre Existenz verloren, weil ihre Viehherden verendet sind [256]. Zurzeit bedroht der steigende Meeresspiegel vor allem einige Atolle und Inselstaaten. Scheitern wir jedoch mit dem Plan, den Temperaturanstieg zu bremsen, werden
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hunderte Millionen Menschen betroffen sein. 2019 wohnte 1 Mrd. Menschen auf der Welt an einer Küste weniger als 10 m über dem täglichen Wasserhöchststand. 250 Mio. Menschen leben sogar weniger als einen Meter über diesem Niveau [140]. Auch große Teile der Niederlande liegen kaum über dem Meeresspiegel – teilweise sogar darunter. Während reiche Industrieländer wie die Niederlande ihre Deiche immer höher bauen können, fehlt armen Ländern wie Bangladesch dieses Geld. Steigt der Meeresspiegel weiter, werden wir die Überflutungskatastrophen dort in den Nachrichten sehen und immer mehr Menschen aus Küstenregionen und Flussdeltas werden sich als Flüchtlinge auf den Weg in andere Regionen machen. Überhaupt sind die Risiken und das erwartete Ausmaß der Auswirkungen weltweit ungleichmäßig verteilt [89]. Gerade Menschen in Entwicklungsländern werden tendenziell stärker betroffen sein. Das ist problematisch, weil die Menschen dort meist verwundbarer sind: Eine Dürreperiode wird dort schnell existenzbedrohend, wenn die Menschen sich schon bei normalen klimatischen Bedingungen am Existenzminimum bewegen und als Kleinbauern von der nächsten Ernte abhängig sind. Oft fehlt auch ein soziales Netz, dass Bedürftige nach einer außergewöhnlichen Belastung infolge einer Naturkatastrophe auffangen könnte. Weiterhin sind die informellen Behausungen meist weniger stabil, sodass sie anfälliger für Stürme und Starkregen sind. Viele der Maßnahmen aus den vorherigen Kapiteln könnten die Widerstandskraft gegen die Folgen des Klimawandels stärken, die wir schon heute spüren: verbesserter Zugang zu Bildung, Ernährung, Wasser, Gesundheitseinrichtungen und anderen Infrastruktureinrichtungen. Parallel zum Schutz vor den Folgen des Klimawandels gilt es, den weiteren Temperaturanstieg abzubremsen.
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Nur so werden die Auswirkungen des Klimawandels noch einigermaßen kontrollierbar sein. Anderenfalls wird es kaum noch möglich sein, viele der anderen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Klimaschutzmaßnahmen zur Abschwächung des Klimawandels Wir haben gesehen, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre und der Erderwärmung gibt. Folglich zielen Klimaschutzmaßnahmen darauf ab, die Konzentration der Treibhausgase zu reduzieren – insbesondere dadurch, indem weniger Treibhausgase ausgestoßen werden. Die Brisanz des Themas führte dazu, dass 196 Staaten 2015 den Pariser Klimavertrag [244] unterzeichnet haben. Jedes Land setzte sich dort Ziele, um wie viel Prozent es seine klimaschädlichen Ausstöße reduzieren möchte. Doch statt einer Reduzierung stieg der Ausstoß von Kohlendioxid zwischen 2015 und 2019 noch um 7 % weiter [109]. Das bedeutet, dass der globale Energieverbrauch schneller wächst als der Ausbau der erneuerbaren Energien. Es bedarf folglich noch stärkerer und drastischerer Maßnahmen, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen. Doch es gibt wenig Hoffnung, dass die Politiker solche drastischen Maßnahmen von alleine in die Wege leiten. Denn viele dieser Maßnahmen würden den Wählern jetzt wehtun und sie müssten ihre Komfortzonen verlassen. Politiker, die solche Maßnahmen durchsetzen, würden vermutlich schnell abgewählt werden. Also lassen sie es lieber. Insbesondere, weil die reichen Länder zwar die meisten Treibhausgase ausstoßen, doch die Auswirkungen des Klimawandels in vielen dieser Länder heute
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noch weniger dramatisch sind. Es herrscht eher der Eindruck, dass der Klimawandel etwas Ungewisses ist, das irgendwann in der Zukunft und vielleicht irgendwo weit weg auftreten wird. Auf der anderen Seite wird auch schon viel getan und wir wissen, wo wir ansetzen können: Die meisten Treibhausgase entstehen bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen. Aus der Perspektive des Klimaschutzes kann ein Ausstieg aus Öl, Kohle und Gas gar nicht schnell genug gehen. In den Kapiteln zu Energie und Verkehr haben wir bereits einerseits Wege kennengelernt, welche die Situation verbessern könnten, und andererseits auch gesehen, welche Herausforderungen für einen Durchbruch noch zu überwinden sind.
Klimawandel in und durch Deutschland Auch in Deutschland wird es immer wärmer. Zwischen 1881 und 2018 stieg die Jahresmitteltemperatur bereits um 1,5 °C [220]. Die letzten 10 Jahre waren in Deutschland die wärmste Dekade seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Wir reden immer häufiger über Jahrhundertsommer oder Jahrhunderthochwasser. Wir spüren also schon die ersten Anzeichen des Klimawandels in Deutschland und in den nächsten Jahrzehnten wird es voraussichtlich auch bei uns noch etwas wärmer. Mit folgendem müssen wir rechnen: • Wetterextreme: Häufigere und extremere Hitzewellen und Dürren belasten unser aller Gesundheit, die Ernten der Bauern und unsere Bäume in Wäldern und Gärten. • Unwetter mit Starkregen nehmen zu. Anwohner an Bächen und Flüssen müssen vermehrt mit Hochwasser rechnen.
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• Steigender Meeresspiegel an Nord- und Ostsee. Dieser wird sich vermutlich durch Deiche im Griff halten lassen, doch Sturmfluten werden gefährlicher. • Die letzten Gletscher und die dauerhaft gefrorenen Böden in den Gipfelregionen der Alpen schmelzen ab. Bergrutsche sind die Folge, die Häuser, Straßen und Schienen gefährden können. • Manche Tier- und Pflanzenarten werden aus Deutschland verschwinden, andere werden bei uns heimisch werden. Ein Seiteneffekt hiervon könnte die Ausbreitung von tropischen Krankheiten sein, die etwa von Stechmücken übertragen werden. Um sich auf diese Folgen einzustellen, wird kräftig an Anpassungsmaßnahmen gearbeitet. So testen etwa Landund Forstwirte Pflanzensorten, die weniger empfindlich auf Trockenheit reagieren und Deiche werden erhöht. Insgesamt steht Deutschland jedoch noch unter überschaubarem Druck, sich auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten. Auf der anderen Seite gehört Deutschland zu den Top10 der Länder mit dem höchsten CO2-Ausstoß. Die gute Nachricht ist, dass der Höhepunkt der Treibhausgasemissionen bereits Ende der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre lag. Seitdem gehen die Emissionen spürbar zurück, obwohl die Wirtschaft seither deutlich gewachsen ist [42]. Deutschland hat das Ziel, bis zum Jahr 2050 80 % weniger Treibhausgase zu emittieren als 1990. Idealerweise möchten wir weitgehend treibhausgasneutral sein. Das bedeutet, dass jeglicher Ausstoß von Treibhausgasen an anderer Stelle kompensiert wird. Das 2020-Zwischenziel von 40 % weniger Treibhausgase als 1990 wird allerdings deutlich verfehlt werden. Seit 2009 verharrt der Ausstoß von Treibhausgasen auf ähnlichem
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Niveau von 25–30 % Rückgang. Schauen wir uns an, wo wir in Deutschland Treibhausgase emittieren: • Mehr als ein Drittel der Treibhausgase entstehen in Deutschland in der Energiewirtschaft, um Strom und Fernwärme bereitzustellen. Das liegt vor allem am großen Anteil der Braun- und Steinkohle, die in deutschen Kraftwerken verbrannt wird. Insofern ist es wichtig, dass sich die deutsche Politik zum Kohleausstieg entschlossen hat und wir gleichzeitig den Anteil der erneuerbaren Energien kontinuierlich steigern. Im Vergleich zu 1990 sind durch deren Ausbau die Emissionen in Energiesektor bereits um ein Drittel gesunken. • Die Industrie verursacht mehr als 20 % der Treibhausgasemissionen, insbesondere in Stahl-, Zement- und Chemiewerken. In den letzten 15 Jahren blieb die Menge der jährlich ausgestoßenen Treibhausgase durch die Industrie recht konstant – in den letzten Jahren gab es sogar wieder einen leichten Anstieg beim Ausstoß der klimaschädlichen Gase. Es ist zwar gelungen, die Emission vom Wirtschaftswachstum zu entkoppeln, jedoch zu wenig, um trotz Wachstum spürbar weniger Treibhausgase auszustoßen. • Fast 20 % trägt der Verkehr zum Treibhausgasausstoß Deutschlands bei, zum allergrößten Teil durch den Straßenverkehr mit Benzin- und Dieselmotoren. Trotz effizienterer Motoren emittieren Autos und Lkws heute noch so viele Treibhausgase wie 1990. Das liegt vor allem daran, dass wir immer größere Fahrzeuge mit immer stärkeren Motoren kaufen und mit diesen mehr Kilometer fahren. • Weitere 15 % der Emissionen stammen aus privaten Haushalten. Sie entstehen insbesondere, wenn wir zu Hause heizen und warmes Wasser verbrauchen. Der
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Anteil wäre natürlich höher, wenn wir die Emissionen der anderen Sektoren hinzurechnen würden, die letztendlich in den privaten Haushalten verbraucht werden – also z. B. den Strom, der in Kohlekraftwerken erzeugt wird, oder die von uns gekauften Produkte, die von der der Industrie hergestellt werden. Durch Neubauten und energetische Sanierungen liegt der Ausstoß von Treibhausgasen bei Gebäuden heute schon mehr als 40 % unter dem Wert von 1990. Der hohe Anteil von unsanierten Altbauten bietet hier noch ein erhebliches Einsparpotenzial. Betrachten wir über all diese Sektoren die „Treibhausgasemission pro Person“, so verbrauchte 2016 jeder Deutsche im Schnitt 11 t CO2 im Jahr [47]. Das ist fast doppelt so viel wie der Weltdurchschnitt [236] und etwa 11-mal so hoch, wie er sein dürfte, wenn wir das Klima nicht weiter anheizen möchten [216]. Es gibt also noch viel zu tun. Auch ohne Politik und Unternehmen können wir an einigen Stellen die CO2-Emissionen reduzieren. Schauen wir uns insbesondere die großen Posten an:
Klimaschutz im Haushalt Das meiste CO2 verursachen wir zu Hause nicht für Strom, sondern für Heizen und Warmwasser. Bei einer 4-köpfigen Familie in einem Einfamilienhaus mit Ölheizung kann die Heizung mit über 3 t CO2 schon ein Viertel ihrer CO2-Emissionen ausmachen [53]. Wieviel CO2 wir persönlich zum Heizen und für warmes Wasser verursachen, hängt insbesondere von folgenden Faktoren ab: von der Art des Gebäudes, der Art der Heizung, dem persönlichen Heiz- und Lüftungsverhalten und dem Verbrauch von Warmwasser. Das sind demnach die Stellschrauben, an denen wir möglicherweise drehen können.
162 M. Medert Was kannst Du tun? • Heizen: Jeder, der mit Öl, Gas oder Kohle heizt, kann effizient heizen und lüften, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren (siehe Details im Kapitel zur Energie). Wenn Du eine eigene Immobilie besitzt, erreichst Du den größten Effekt vermutlich mit einer modernen Heizungsanlage und einer guten Dämmung. Ein Energieberater kann Dir mögliche sinnvolle Optimierungsmaßnahmen vorschlagen. Häufig verringern zumindest ausgewählte Einzelmaßnahmen nicht nur Deinen CO2-Fußabdruck, sondern sie rechnen sich auch finanziell. • Warmwasser: Ein Sparduschkopf und Durchflussbegrenzer mischen dem Wasserstrahl Luft bei. Das macht keinen Unterschied beim Komfort, senkt den Warmwasserverbrauch und damit den CO2-Ausstoß jedoch um 50 %. • Strom: Die Ideen zum Stromsparen aus dem Kapitel Energie helfen selbstverständlich ebenfalls, den CO2-Ausstoß zu reduzieren.
Klimaschutz und Mobilität Je nach unserem Lebensstil erzeugen unsere Fahrten mit dem Auto und insbesondere unsere Flugreisen ebenfalls großen Mengen CO2. Praktisch jeder Flug ruiniert die persönliche CO2-Bilanz. Ein Urlaubsflug auf die Kanaren verursacht knapp zwischen 1 und 2 t CO2, eine Flugreise nach San Francisco schlägt mit mehr als 5 t CO2 zu Buche [53]. Den deutschen Durchschnittswert von jährlich 11 t CO2-Ausstoß kann man nach einem solchen Flug kaum noch erreichen – einen wirklich nachhaltigen CO2-Ausstoß pro Kopf von weniger als 2 t pro Jahr schon gar nicht. Im Schnitt fährt jedes Auto in Deutschlang pro Jahr etwa 14.000 km und verursacht dabei etwa 2 t CO2. Je nach Fahrzeuggröße und persönlicher Fahrleistung kann das natürlich auch deutlich mehr sein. Interessant dabei
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ist, dass etwa die Hälfte aller Autofahrten kürzer als 6 km ist. Was kannst Du tun? • Flugzeug: Am wirkungsvollsten ist es, wenn Du es schaffst, Flüge zu vermeiden. Wenn Du dann doch fliegst, kannst Du die entstehenden Emissionen durch ein Klimaschutzprojekt ausgleichen. Dafür gibt es verschiedene Anbieter, wie etwa „atmosfair“ oder „Climate Fair“. Nachhaltiger ist es allerdings, ganz auf das Fliegen zu verzichten. • Auto: Auch hier ist es am wirkungsvollsten, wenn Du das eigene Auto abschaffst. Wenn Du dann wirklich ein Auto benötigst, kannst Du immer häufiger auf ein Carsharing-Angebot zurückgreifen. Als ersten Schritt kannst Du in Deinem Alltag möglichst häufig Fahrrad, Bus und Bahn nutzen. Gerade regelmäßige Strecken, wie der Weg zur Arbeit, können viel bewirken und Du wirst feststellen, dass es seltener regnet als Du denkst.
Klimaschutz beim Einkaufen Der dritte große Bereich, in dem jeder einzelne viele Treibhausgase freisetzt, ist unser Konsum. Denn fast jedes Produkt, dass wir kaufen, verursacht CO2, wenn es hergestellt, verarbeitet, transportiert oder gelagert wird. Das gilt insbesondere auch für unser Essen. So erzeugt je nach Haltungsart ein Kilogramm Rindfleisch etwa so viele Treibhausgase [14] wie wir verursachen, wenn wir 50 bis 150 km mit dem Auto fahren [40]. Wir sehen, dass wir durch unser Verhalten den Ausstoß von Treibhausgasen stark beeinflussen können. Wie wir bei der Familie in der einleitenden Geschichte gesehen haben, ist es durchaus möglich, unseren persönlichen CO2Fußabdruck um ein Drittel oder sogar mehr zu senken. Das ist viel und wenn viele mitmachen, wäre das schon sehr hilfreich. Viel mehr können wir mit den heutigen
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ahmenbedingungen in Deutschland jedoch ohne politische R Veränderungen nicht schaffen. Wer noch klimaneutraler leben möchte, kann bei seriösen Anbietern nicht nur seine Flüge, sondern seinen gesamten jährlichen CO2-Ausstoß kompensieren. Das ist zwar nicht so gut, wie selbst weniger CO2 zu verursachen. Doch solche Organisationen verwenden ihre steuerlich absetzbaren Spenden, um an anderer Stelle den CO2-Ausstoß zu senken. Sicher kann sich das nicht jeder leisten, doch gerade Menschen mit höherem Einkommen verursachen häufig die meisten Treibhausgase – oftmals obwohl sie sich für umweltbewusst halten. Das Umweltbundesamt spricht dann von „klimabesorgten Klimasündern“, die zwar bio einkaufen und viel Fahrrad fahren, aber auf der anderen Seite Fernreisen mit dem Flugzeug unternehmen, große Autos fahren und vielleicht in einer schlecht isolierten großen Altbauwohnung leben. Was kannst Du tun? • Konsum: Im Kapitel zum „nachhaltigen Konsum“ hast Du bereits einige Ideen kennengelernt, wie Du nachhaltiger konsumieren kannst: Es geht darum, weniger zu konsumieren, und das, was wir trotzdem kaufen, sorgfältig auszuwählen und lange zu nutzen. • Essen: Beim Essen macht ein (zumindest teilweiser) Verzicht auf Fleisch und tierische Produkte den größten Unterschied. Und auch beim Klimaschutz kannst Du mit saisonalen und regionalen Produkten punkten. Natürlich ist es für uns Verbraucher schwer, die verschiedenen Aspekte gegeneinander aufzuwiegen: Zum Beispiel haben einheimische Äpfel nur bis zu 6 Monaten Lagerung eine bessere CO2-Bilanz als importierte Äpfel. Schaue doch mal, welche Lebensmittel wie viel CO2 verursachen unter https://www.klimatarier.com/de/CO2_ Rechner. Wenn Du Bioprodukte wählst, dann werden weniger Treibhausgase freigesetzt, weil die Biolandwirtschaft auf Kunstdünger verzichtet. Und natürlich hilft es auch dem Klimaschutz, wenn Du weniger Lebensmittel wegwirfst.
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Ziel 14: Leben unter Wasser
„Eine Verabredung mit dem Meer“ Afroz Shah ist ein kleiner Junge im indischen Mumbai. Er liebt es, am nahen Strand zu spielen. Für Schule und Studium zieht er um und kommt mit Anfang 30 zurück an den Strand von Mumbai. Was er hier sieht, schockiert ihn: Der ganze Strand ist jetzt unter Unmengen von Plastik und Dreck vergraben – teilweise meterhoch. Sein Drang, daran etwas zu ändern wird jeden Tag stärker. Er möchte „seinen“ sauberen Strand aus seiner Kindheit zurück – ohne Plastikmüll. So geht er zum Strand und fängt einfach an, den Müll mit seinen Händen aufzusammeln. Doch er bekommt Zweifel, ob er es schafft, und er weint, weil es so viel Plastik ist und er kein Ende sieht. Er merkt schnell, dass er mehr helfende Hände braucht. Also spricht er Leute in der Nachbarschaft und in den sozialen Median an. Viele von ihnen sagen „Das bringt nichts. Du wirst es nie schaffen, den Strand sauber zu bekommen“, doch er inspiriert über die Zeit tausende Menschen, die sich an den Wochenenden für eine „Verabredung mit dem Meer (A date with the ocean)“ treffen und den Strand säubern. Darunter sind neben Nachbarn auch Slumbewohner, Bollywood-Stars und viele Schulkinder.
166 M. Medert Er freut sich, dass die Menschen in der Umgebung bald auch sorgsamer mit Plastik umgehen. Einen Strand mit eigenen Händen aufzuräumen, ist anscheinend viel effektiver als theoretische Kampagnen und Schulungen. Über 2 Jahre treffen sich die Freiwilligen jedes Wochenende. Jetzt, wo so viele Menschen von sich aus aktiv sind, engagiert sich auch die Stadtverwaltung und einige große Firmen. Alle zusammen sammeln in dieser Zeit mehr als 9 Mio. kg Plastik und sonstigen Dreck vom Strand ein. Sie schaffen es, dass heute wieder Kinder am Strand spielen können, und Afroz kann endlich wieder über den feinen Sand laufen. 2018 kehren nach vielen Jahren sogar die Schildkröten an den Strand zurück, um dort ihre Eier abzulegen. Es ist einer der glücklichsten Tage für Afroz, als er wenige Wochen später die kleinen, frisch geschlüpften Schildkröten durch den Sand ins Meer tapsen sieht.
Alles Leben auf der Erde hat sich vor Milliarden von Jahren aus dem Meer entwickelt. Oft wird unterschätzt, wie entscheidend die Ozeane und Meere auch heute noch für alle anderen Ökosysteme auf unserem Planeten sind. Eine wichtige Rolle spielt dabei beispielsweise das Phytoplankton: Diese kleinen Lebewesen erzeugen durch Photosynthese den größten Teil des Sauerstoffs für unsere Atmosphäre [266]. Wir brauchen Sie also zum Atmen. Und: Durch ihre Photosynthese binden sie dabei mehr Kohlenstoff, als alle Pflanzen an Land. Zwischen 1950 und 2010 ist der Bestand an Phytoplankton allerdings um 40 % zurückgegangen [98]. Gleichzeitig regulieren die Ozeane das Klima, indem sie etwa als Wärmetank agieren. Dadurch gibt es geringere Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht. Meeresströmungen wie der Golfstrom sorgen in Europa für ein relativ mildes Klima. Auch liefert das über den Meeren verdunstete Wasser die Niederschläge, die für das Pflanzenwachstum an Land benötigt werden und die die Trinkwasserversorgung in vielen Regionen sicherstellen. Hinzu kommt, dass wir uns
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auch von Meeresbewohnern ernähren und Rohstoffe aus dem Meer gewinnen. Das sind viele gute Gründe dafür, die Ozeane und Meere zu schützen und nur in einer nachhaltigen Art und Weise zu nutzen. Die Auswirkungen menschlichen Handelns auf dieses Ökosystem sind inzwischen jedoch bereits deutlich sichtbar. Zu den kritischen Punkten gehören dabei neben den Folgen des Klimawandels insbesondere die Verschmutzung der Meere und die Übernutzung der natürlichen Meeresressourcen.
Meeresverschmutzung, Überdüngung und Versauerung Meeresverschmutzung Meere werden in vielfältiger Weise verschmutzt. Man denkt dabei vielleicht zuerst an Unfälle mit Öltankern oder auf Ölplattformen, wie 2010 im Golf von Mexiko. Das sind durchaus dramatische Umweltkatastrophen in den betroffenen Regionen. Es gibt jedoch auch andere großflächigere Verschmutzungen: Jedes Jahr gelangen mehrere Millionen Tonnen Kunststoffe in die Meere. Ein kleiner Teil des Plastikmülls stammt direkt aus der Nutzung des Meeres. So werfen Schiffsbesatzungen ihren Müll häufig ins Meer, statt ihn auf dem Festland zu entsorgen. Regelmäßig gehen auch Netze und andere Fischereigeräte verloren. Darin verfangen sich Tiere und verenden qualvoll. Der überwiegende Teil des Plastiks im Meer kommt jedoch vom Land [11]: Kunststoffe werden nämlich nur zum Teil recycelt oder weiterverwertet. Besonders – aber nicht nur – in einigen südostasiatischen Ländern landet Plastik oft auf wilden Müllplätzen, von denen
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der Müll auch ins Meer gelangt. Ein wesentlicher Teil dieses Mülls wird von den Industrieländern dorthin exportiert. Offiziell soll der Müll dort recycelt werden. Dabei handelt es sich beim exportierten Plastikmüll insbesondere um den Teil, der nicht recycelt werden kann. Viele Empfängerländer sind von den gigantischen Müllmengen überfordert und so landet ein großer Teil unserer Müllexporte auf illegalen Müllhalden [96]. Experten schätzen, dass ein Drittel des Plastikmülls in Küstennähe weder recycelt noch ordnungsgemäß deponiert wird [11]. Durch Wind und insbesondere über Flüsse landen große Mengen von Plastik im Meer. Meerestiere verwechseln die Plastikteile häufig mit Nahrung und verenden daran. Der verbleibende Plastikmüll zerfällt durch Licht und mechanische Beanspruchungen in immer kleinere Teile, in das sogenannte Mikroplastik. Doch ein großer Teil des Mikroplastiks im Meer entsteht nicht durch Zerfall von großen Plastikteilen im Meer, sondern es entsteht schon an Land und gelangt anschließend durch Abwässer und Flüsse in die Meere. Da die winzigen Partikel kaum sichtbar sind, wurde diese Verschmutzungsquelle lange kaum beachtet, obwohl sie für einen großen Teil des Plastikmülls in den Meeren verantwortlich ist und gleichzeitig besonders gefährlich ist. Der größte Teil dieses Mikroplastiks vom Land entsteht insbesondere als Abrieb von Reifen [15]: Beim Autofahren reiben sich Partikel vom Reifen ab, die dann durch Wind oder Regenwasser ihren Weg in Flüsse und Meere finden. Teilweise wird Mikroplastik jedoch auch absichtlich hergestellt [51]: So mischen manche Hersteller immer noch solche kleine Plastikteile in ihre Kosmetikprodukte, um einen besseren Reinigungseffekt zu erzielen. Auch viele Kleidungsstücke enthalten Mikrofasern oder andere Synthetikanteile. Bei jedem Waschgang verlieren diese Kleidungsstücke kleine Fasern, die durch die Kanalisation
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über Flüsse in die Meere gelangen. So tragen wir durch Verwendung bestimmter Kosmetika, Autofahren und Wäschewaschen zur Verschmutzung der Meere bei. Zwar verlieren zum Beispiel auch Wollpullover Fasern beim Waschen, doch diese bauen sich relativ schnell wieder ab. Demgegenüber dauert es einige 100 Jahre, bis Plastikteile vollständig zerfallen sind. So wundert es kaum, dass die Mikroplastikkonzentration im Meerwasser ständig ansteigt. Es gibt Schätzungen, dass 2050 das Gewicht alles Plastiks im Meer höher ist als das Gewicht aller Fische im Meer [268]. Die Mikroplastikteilchen werden in der Folge von immer mehr kleinen Meeresbewohnern verschluckt, die dann wiederum von Fischen gefressen werden. Auf diese Weise gelangen die Partikel auch in unsere Nahrung. Noch ist es unklar, ob und wie die Plastikteile die einzelnen Meerestiere und den Menschen schädigen. Die Vermutung liegt nahe, da die Plastikpartikel wohl wie ein Magnet auf verschiedene giftige und krebserregende Stoffe wirken, wie Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) oder polychlorierte Biphenyle (PCB). Diese Giftstoffe sind daher häufig auch bei den Plastikpartikeln enthalten, die wir über die Nahrung aufnehmen [96].
Nährstoffeinträge in Küstengewässer und Meeresgewässer Doch nicht nur Plastik verschmutzt das Meerwasser. Vom Land aus leiten wir auch Abwässer von menschlichen Siedlungen und von der Landwirtschaft ins Meer. Im Kapitel zum Wasser ist uns schon die übermäßige Zufuhr von Nährstoffen in die Gewässer begegnet. Wenn etwa durch industrielle Massentierhaltung und Überdüngung Stickstoffe wie Nitrat in zu großen Mengen in unser
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Grundwasser und unsere Flüsse gelangen, landen diese Stoffe früher oder später im Meer. Während bei uns die Überdüngung das Hauptproblem ist, stammt anderswo ein großer Teil der Nährstoffe aus unbehandelten Abwässern. Außerhalb der reichsten Länder gelangt sogar der weitaus größte Teil der Abwässer unbehandelt ins Meer (Stand 2013; 206). Zusätzlich entstehen Stickstoffverbindungen auch in großen Mengen bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen. Sie gelangen über die Luft durch Regen in die Meere [7]. In den betroffenen Meeres-Ökosystemen vermehren sich Wasserpflanzen wie Algen teilweise dramatisch. Das wird bei großflächigen und manchmal giftigen Algenblüten gut sichtbar [162]. Noch schlimmer sind allerdings die Folgen, die man nicht an der Wasseroberfläche sieht. Wenn Bakterien die Reste der Wasserpflanzen beim Herabsinken abbauen, wird dem Wasser Sauerstoff entzogen. So kommt es gerade in Küstengebieten und Randmeeren verstärkt zu Sauerstoffmangel oder gar zu sogenannten Todeszonen. In so einem Umfeld sterben die kleinen Tiere am Meeresboden, die am Anfang verschiedener Nahrungsketten stehen.
Versauerung und Erwärmung der Meere infolge des Klimawandels Im Kapitel zum Klimawandel haben wir gesehen, dass auch die Meere im Zuge des Klimawandels wärmer werden und dass die erhöhte Kohlendioxidkonzentration
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in der Luft zu einer Versauerung der Meere führt. Lebewesen, die ihre Schalen und Skelette aus Kalk aufbauen, leiden direkt unter einer Versauerung: Aufgrund der Versauerung bilden sich die Kalkskelette nicht richtig aus. Ihre Bestände werden in Zukunft vermutlich abnehmen [180] Da diese Kleintiere häufig am Anfang der Nahrungskette stehen, wird dies Auswirkungen auf viele Nahrungsketten im Ökosystem der Meere haben. Welche genau, ist aufgrund der komplexen Abhängigkeiten noch unklar. Sicher und sichtbar sind die Folgen hingegen bereits an Korallenriffen. Die Bilder der Korallenbleiche am Great Barrier Reef in Australien gingen um die Welt. In einem großen Teil des Riffs war die Hälfte der Korallen gestorben. Das ist dramatisch, denn die Artenvielfalt an Korallenriffen ist höher als überall sonst im Ozean. Außerdem werden Korallenriffe gerne als Kinderstube für zahlreiche Fischarten genutzt und die Riffe bieten insbesondere Inseln einen Schutz. Zusammenfassend sehen wir, dass Meerestiere und -pflanzen gleich mit mehreren recht schnellen Veränderungen zurechtkommen müssen: Versauerung, Temperaturanstieg, Nährstoffeintrag und Sauerstoffmangel. Verschiedene Studien zeigen, dass sich die Auswirkungen der einzelnen Umweltfaktoren auf die Meeresbewohner aufaddieren oder gegenseitig abschwächen können [2]. Gerade das Ökosystem der Weltmeere ist noch zu wenig erforscht, um verlässliche Aussagen darüber zu treffen, welche Effekte in welchem Ausmaß genau zu erwarten sind. Doch zeigen die bereits sichtbaren oder messbaren Effekte, dass dieses wichtige Ökosystem ernsthaft in Gefahr ist.
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Nachhaltige Bewirtschaftung bzw. den wirksamen Schutz der Meeres- und Küstenökosysteme Eine nachhaltige Bewirtschaftung der Meere würde dem Ökosystem Meer nur so viele Meerestiere entnehmen wie nachwachsen können. 2015 war jedoch ein Drittel der Speisefischbestände so stark überfischt, dass die Anzahl der Fische im Meer deutlich zurückgeht beziehungsweise schon zurückgegangen ist [77]. So wurden etwa die Bestände des Dornhais im Nordostatlantik innerhalb von 50 Jahren um über 80 % dezimiert [108]. Dieser Fisch ist in Deutschland für Schillerlocken und in England für traditionelle „Fish & Chips“ bekannt und ist inzwischen vom Aussterben bedroht. Eine anhaltende Überfischung bedroht somit die Nahrungsquelle Meer für die Menschheit. Neben den ökologischen Folgen gibt es auch soziale Folgen der Überfischung: In armen Ländern und kleinen Inselstaaten leben viele Küstenbewohner traditionell vom Fischfang aus kleinen Fischerbooten [77]. Sie haben jedoch gegen die hochtechnisierten Fangflotten kaum eine Chance, wenn diese die Fischvorkommen vor ihren Küsten dezimieren. Selbst wenn sie heute weiter hinausfahren und länger auf See bleiben, kommen sie meist nur mit einem kleinen Fang zurück, der kaum ausreicht, die Familie zu ernähren. Die Überfischung führt also auch zu Hunger und Armut. Die Hauptursache für die Überfischung liegt natürlich in der hohen Fischnachfrage und dem Gewinnstreben der Fischereiindustrie. Praktisch tragen insbesondere drei Faktoren dazu bei, dass die Nachhaltigkeit derart auf der Strecke bleibt. Zuallererst sind dabei die Fangmethoden zu nennen. Gerade die großen Fangflotten nutzen riesige
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Schleppnetze: In manche würden zwölf Jumbojets hineinpassen [277]. So werden die Fangmethoden nicht nur effektiver, sondern häufig auch zerstörerisch: Teilweise wird mehr unerwünschter Beifang als erwünschte Fischarten aus dem Meer geholt. So kommen auf 1 kg tropischen Shrimp bis zu 20 kg Beifang in Form von Fischen, Schildkröten und anderen Meerestieren, die meist sterben – auch wenn sie wieder ins Meer zurückgeworfen werden. Für 1 kg Seezunge fallen etwa 6 kg Beifang an. Als zweites trägt auch die Politik zur Überfischung bei, indem sie die Fischereiindustrie mit Subventionen unterstützt [77]. Das ist kontraproduktiv, weil die Überfischung zeigt, dass es bereits eine Überkapazität an Schiffen zum Fischfang gibt. Der dritte Faktor zur Überfischung ist die illegale Fischerei. Zahlreiche Fangflotten fischen mehr als erlaubt oder fischen ohne Genehmigung und nutzen verbotenes Gerät. Eine häufig zitierte Quelle aus dem Jahr 2009 ging davon aus, dass zwischen 11 und 19 % der Fische illegal gefangen wird [267]. Da diese Fänge nicht deklariert werden, unterlaufen sie damit auch die offiziellen Fangquoten. Davon sind insbesondere der Rote Tunfisch und der Schwarze Seehecht betroffen. Inzwischen gibt es Maßnahmen, um die Bewirtschaftung der Meere nachhaltiger zu gestalten. So werden die Gesetze zum illegalen Fischfang und schädlichen Fangmethoden weltweit verschärft. Allerdings ist die Kontrolle der weiten Meeresgebiete schwer. Es gibt auch positive Beispiele für ein naturverträgliches Fischereimanagement. Beim nordamerikanischen Alaska-Wildlachs und Alaska-Seelachs werden nur so viele Fische gefangen, wie auch nachwachsen können. Auch die Bestände von Scholle und Kabeljau in der Nordsee beginnen sich langsam zu erholen, nachdem die Fangquoten deutlich gesenkt wurden [149].
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Umstrittener sind hingegen Aquakulturen, also der Aufzucht von Fischen und anderen Meerestieren typischerweise in Netzgehegen. Fast die Hälfte der heute verzehrten Fische, Muscheln und Krebstiere stammte 2016 bereits aus solchen Kulturen [77]. Doch diese stellen selbst ein Risiko für das Ökosystem Meer dar. Teilweise kommt es zu Umweltbelastungen, wenn für Shrimp-Farmen in Asien und Mittelamerika Mangrovenwälder gerodet [75] oder Antibiotika und andere Medikamente in solchen Farmen großflächig eingesetzt werden [250]. Wenn Nährstoffe durch die Ausscheidungen der Tiere und durch Futtermittelreste in unnatürlich großen Mengen an einer Stelle ins Meer gelangen, kommt es lokal zur Algenblüten und Sauerstoffmangel [173], wie wir es im vorherigen Abschnitt kennengelernt haben. Es bleibt auch die Herausforderung der Fütterung der gezüchteten Tiere. Wenn es sich um Raubfische handelt, werden diese häufig mit Fischmehl und -öl gefüttert, für die Wildfische gefangen werden. Wenn für 1 kg Lachs, Garnelen oder Thunfisch zwischen 3 und 20 kg Wildfischfutter benötigt wird, ist die Aquakultur offensichtlich kein adäquates Mittel gegen die Überfischung [93]. Bei der Umstellung von Fischmehl auf Pflanzenproteine aus Soja und Raps kommen wir schnell wieder in eine ähnliche Diskussion wie bei der Ernährung mit Fleisch.
Erhaltung und umweltverträgliches Nutzen von Meeren in Deutschland Auch Deutschland trägt in verschiedener Weise zur Meeresverschmutzung und -veränderung bei. Wenn wir uns die oben angesprochenen Bereiche anschauen, ist es offensichtlich, dass wir zur Erderwärmung und somit zur Erwärmung und Versauerung der Meere beitragen.
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Doch wie sieht es beim Plastikmüll aus, den wir so sorgfältig trennen und 2017 offiziell fast 100 % der gesammelten Kunststoffabfälle verwertet werden [221]? Tatsächlich wird der größte Teil unseres Plastikmülls verbrannt – also energetisch verwertet. Nur aus gut 15 % des Plastikmülls wurde 2017 Rezyklat zur Herstellung von neuen Kunststoffprodukten. Fast genauso viel wurde zum Recycling ins Ausland exportiert [96]. Deutschland ist der drittgrößte Exporteur von Kunststoffabfällen. Hauptabnehmer des deutschen Mülls war 2018 Malaysia. Wie wir oben gesehen haben, wird unser Müll dort teilweise ohne Schutzvorkehrungen verbrannt oder deponiert. Einiges landet im Meer. Zum anderen gibt es auch in der Nord- und Ostsee einiges an sichtbarem Plastikmüll. Zwischen 2010 und 2015 wurden an der Nordsee auch tot aufgefundene Eissturmvögel untersucht. 19 von 20 dieser Vögel haben Kunststoffe im Magen [219]. Hunderte – teilweise bedrohte – Tierarten sind direkt davon bedroht, weil sie den Müll verschlucken oder sich an Netzresten und Leinen verwickeln und strangulieren. Zu diesem großteiligen Plastikmüll kommt allerdings noch das Mikroplastik hinzu. Auch deutsche Kläranlagen können diese kleinen Teile nur teilweise herausfiltern. So zeigt eine Analyse aus 2015, dass allein durch den Rhein jedes Jahr 20 bis 30 t Mikroplastik ins Meer [242]. Das Mikroplastik stammt auch bei uns vor allem von Reifenabrieb, aber auch von Textilfasern und Kosmetikartikeln.
176 M. Medert Was kannst Du tun? • Reifen: In Deutschland entsteht das meiste Mikroplastik im Straßenverkehr durch Abrieb von Reifen und Asphalt. Wenn Du weniger Auto fährst, erzeugst Du weniger Mikroplastik • Textilien: Eine Fleecejacke verliert pro Wäsche etwa 1 Mio. Mikroplastikteile. Du kannst das Vermeiden, wenn Du weniger Kleidung mit Kunstfasern wie Polyester, Nylon oder Acryl kaufst. Kleidung aus Naturfasern wie Wolle, Baumwolle, Leinen etc. verursacht kein Mikroplastik. Wenn Du Kleidung mit Kunstfasern besitzt, kannst Du einen speziellen Wäschesack (z. B. Guppyfriend) nutzen, der dafür sorgt, dass abgeriebenes Mikroplastik im Wäschesack verbleibt und im Restmüll entsorgt werden kann. So gelangt es nicht ins Meer. • Kosmetikartikel: Mikroplastik versteckt sich hinter zahlreichen Namen bei den Inhaltsstoffen. Mit Apps auf Deinem Smartphone (z. B. Codecheck) kannst Du prüfen, ob Deine Kosmetikprodukte Mikroplastik enthalten. Für Duschgels, Gesichtspeeling, Sonnencremes etc. findest Du sicherlich eine Alternative ohne Mikroplastik. • Plastikverpackungen: Obwohl wir in Deutschland unseren Müll sorgfältig trennen, findet Plastikabfall doch immer wieder seinen Weg in die Gewässer. Dieses Risiko kannst Du senken, indem Du weitestgehend auf Plastik verzichtest. Gerade Plastikverpackungen landen nach einmaligem Gebrauch auf dem Müll. Frisches Obst und Gemüse auf dem Markt kannst Du in eigenen Beuteln transportieren und auch für andere Einkäufe mitgebrachte Behälter verwenden. Du kannst auch Leitungswasser trinken und dadurch auf Plastikflaschen verzichten. Plastikverpackungen kannst Du auch vermeiden, indem Du feste Seifen und feste Shampoos verwendest.
Ein weiteres großes Problem insbesondere für die Ostsee ist die übermäßige Einleitung von Nährstoffen. Seitdem Waschmittel phosphatfrei sind, wird zwar deutlich weniger
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Phosphat eingeleitet. Doch es gelangt nach wie vor viel zu viel Nitrat in die Ostsee. Sie ist aufgrund des geringen Wasseraustauschs besonders anfällig für die Folgen dieser Belastung. Tausende Quadratkilometer des Meeresbodens der Ostsee gelten als Todeszone, in der es keinen Sauerstoff mehr gibt [49]. Was kannst Du tun? Das Nitrat im Meer stammt insbesondere aus der Massentierhaltung. Wenn Du weniger Fleisch und Milchprodukte aus der Massentierhaltung kaufst, sinkt die Nachfrage nach dieser Art der Tierhaltung.
Auch die Überfischung ist besonders für die Ostsee ein Thema. Dort wird neben Sprotte und Hering vor allem Dorsch (Kabeljau) gefischt [152]. Dorsch wurde in der westlichen Ostsee seit Jahrzehnten so stark überfischt, dass Forscher ein Zusammenbrechen des Bestands befürchten. Die Fangquoten für Dorsch wurden daher inzwischen deutlich gesenkt. Sowohl für Nord- als auch Ostsee gibt es inzwischen auch Rückwurfverbote für Arten, die mit einer Fangquote versehen sind. So soll auch die unbeabsichtigte Überfischung vermieden werden, weil die zurückgeworfenen Tiere oft tot oder verletzt waren. Durch solche Regelungen und durch die Anpassung der Fangquoten ist zu hoffen, dass die Küstengewässer Deutschlands vor einer weiteren Überfischung geschützt werden.
178 M. Medert Was kannst Du tun? Du kannst Apps (z. B. die Fisch-Einkaufsratgeber von Greenpeace oder WWF) nutzen, um herauszufinden, welche Fische im Bestand gefährdet sind und wie umweltschonend sie gefangen werden. Durch Dein Kaufverhalten, kannst Du die Nachfrage nach gefährdeten Fischarten senken. Auch Gütesiegel wie MSC (Marine Stewardship Council) oder ASC (Aquaculture Stewardship Coucil) können Dir eine Orientierung geben. Die Empfehlungen der Umweltorganisation legen jedoch strengere Kriterien an.
Ziel 15: Leben an Land
(Abbildung ©pixabay.)
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Ostmost Bernd Schock fährt in Kamerun stundenlang an frisch abgeholztem Regenwald vorbei. Insbesondere die umher-
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Bodenqualität In einer Handvoll gesundem Ackerboden leben mehr Mikroorganismen als Menschen auf der Erde [94]. Besonders diese kleinen Lebewesen spielen eine wichtige Rolle in verschiedenen natürlichen Kreisläufen von Luft, Wasser und Nährstoffen. Dadurch haben sie über Jahrtausende eine dünne Schicht fruchtbaren Boden geschaffen, auf dem wir Menschen Nahrung und Holz anbauen. Es ist wichtig, dass wir diese fruchtbaren Böden erhalten, damit auch für unsere Kinder und Enkel ausreichend Nahrungsmittel geerntet werden können. Sinkt die Qualität des Bodens (sogenannte „Degradation“), wird er immer weniger fruchtbar und die natürlichen Kreisläufe funktionieren immer schlechter. Die Grundlage für die Ernährung, für saubere Luft und Trinkwasser geht dadurch verloren. Zwar kann sich unter geeigneten Bedingungen auch wieder neuer fruchtbarer Boden bilden, doch das dauert Jahrhunderte und Jahrtausende. Die Bodenqualität sinkt immer häufiger durch den Eingriff des Menschen: Wertvoller, gesunder Boden geht etwa verloren, wenn wir Wälder roden, intensive Landwirtschaft mit Monokulturen betreiben, die Böden überdüngen oder den Boden für Straßen und Gebäude versiegeln. Neben solchen direkten Handlungen, wirkt sich auch der Klimawandel auf die Böden aus. Höhere Temperaturen, Dürreperioden und Starkregen können dazu führen, dass die Bodenqualität abnimmt. So geht jeden Tag fruchtbarer Boden in riesigen Mengen verloren. Die direkten Folgen auf andere Nachhaltigkeitsziele wie Klimawandel, Hunger, Wasser, Armut und Gesundheit sind offensichtlich. Schauen wir noch etwas genauer auf die Landwirtschaft: Seit Jahrzehnten schaffen es Landwirte, die Erntemenge
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pro Hektar deutlich zu steigern. Sie erreichen dies etwa durch gezielte Kreuzungen von Saatsorten. Sie verwenden jedoch auch neu entwickelte Pestizide und synthetische Düngemittel. So ernten die Landwirte heute im Durchschnitt fast 3-mal so viel als noch vor 50 Jahren, obwohl die Anbaufläche nur um 12 % gewachsen ist. Doch es stellt sich die Frage, wie nachhaltig diese Ertragssteigerung in der konventionellen Landwirtschaft ist. Denn langfristig werden die kostbaren Ackerböden bei der konventionellen Landwirtschaft meist weniger produktiv [191]: Zwar kann der Ertrag durch die gezielte Nährstoffgabe in Form von Dünger erst einmal gesteigert werden, doch über die Zeit verschlechtert sich die Bodenqualität trotzdem. Der Boden wird weniger fruchtbar, weil der Dünger nur einen kleinen Teil des komplexen Ökosystems Boden ernährt. Doch nur, wenn die Böden fruchtbar bleiben, können sie die Menschheit langfristig ernähren. Insofern ist es wichtig, dass Wissenschaftler auch besonders Sorten für den Biolandbau züchten und an den nachhaltigen Anbaumethoden forschen. 2019 lagen die durchschnittlichen Erträge im ökologischen Landbau 16 % unter denen des konventionellen Landbaus [131]. Achtet der Biolandwirt etwa auf Fruchtwechsel und baut verschiedene Arten auf einem Feld an, kann er die Ertragslücke deutlich reduzieren und seine Erträge liegen häufig nur im einstelligen Prozentbereich unter dem Ertrag der konventionellen Landwirte [179].
Wälder nachhaltig bewirtschaften Wälder bedecken knapp ein Drittel der weltweiten Landfläche [71]. Sie sind Grundlage für die Forstwirtschaft und damit ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Gleichzeitig
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erfüllt der Wald auch zahlreiche ökologische Aufgaben. Seine Funktion als Wasserspeicher und Wasserfilter ist für viele Länder besonders wichtig. Wälder verringern auch die Erosion, indem sie verhindern, dass Boden bei Hochwasser weggeschwemmt wird, Berghänge ins Rutschen geraten oder Sturmfluten in Küstenregionen viel Land mit sich reißen. Weiterhin bieten Wälder, insbesondere die Regenwälder, einen wichtigen Lebensraum für unzählige Pflanzen- und Tierarten. Nicht zuletzt produzieren Wälder in großen Mengen Sauerstoff und nehmen Kohlendioxid auf. Sie helfen damit, die Erderwärmung zu bremsen und werden gerne als grüne Lunge der Erde bezeichnet [279]. Wie in vielen Abschnitten zuvor, sind der Wert und die Wichtigkeit also auch beim Wald offensichtlich. Und doch können wir auch beim Wald beobachten, dass wir mit diesem wertvollen Gut zu verschwenderisch umgehen: Zum einen geht kontinuierlich Waldfläche verloren. Laut dem Weltwaldbericht der UNO ist in den letzten 25 Jahren eine Waldfläche abgeholzt worden, die größer ist als die Gesamtfläche von Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich zusammen [70]. Meistens geht Wald verloren, weil die Flächen landwirtschaftlich genutzt werden sollen: Auf ehemaligen Waldflächen wird dann etwa Palmöl oder Soja angebaut oder es werden dort Rinder gezüchtet [269]. Daher strebt dieses Nachhaltigkeitsziel an, dass die Entwaldung beendet und stattdessen verstärkt in Aufforstung investiert werden soll. Auch wenn Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, scheint es inzwischen einen ermutigenden Trend zu geben: Der Rückgang der Wälder hat sich in den letzten Jahren verlangsamt. Das liegt zum Teil auch daran, dass in vielen Ländern wieder aufgeforstet wird oder sich freie Flächen wieder auf natürliche Weise bewalden. So nimmt die Waldfläche in einigen Ländern sogar wieder zu.
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Aufgrund einer wenig nachhaltigen Holznutzung verschlechtert sich allerdings auch der Zustand des Waldes. In der Folge sinkt die biologische Vielfalt, die Produktivität und Regenerationsfähigkeit des Waldes [25], sodass er unseren Kindern und Enkeln weniger ökologische, wirtschaftliche und soziale Dienste erweisen kann als uns heute. Insbesondere die nachhaltige Nutzung tropischer Regenwälder ist kritisch, weil sie einen besonders hohen Nutzen stiften – sowohl global durch ihre Artenvielfalt und Bedeutung für den Klimaschutz als auch lokal etwa durch ihre Bedeutung als Nahrungs- und Energiequelle. Daher ist es gerade dort wichtig, dass das Holz aus diesen Ländern aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammt. Internationale Zertifizierungssysteme, wie z. B. der „Forest Stewardship Council“ (FSC) und das „Programme for the Endorsement of Forest Certification“ (PEFC), bieten hierfür eine gute Orientierung, da ein großer Teil der Hölzer in Industrieländer exportiert wird. Parallel gibt es eine Vielzahl von Projekten, in denen die lokale Bevölkerung in den Schutz der Wälder einbezogen wird, in dem sie diesen in einer nachhaltigen Art nutzen.
Die biologische Vielfalt erhalten Zur biologischen Vielfalt oder Biodiversität zählt insbesondere die Anzahl der Varianten von Arten von Tieren und Pflanzen bis hin zu den Mikroorganismen. Die biologische Vielfalt ist für uns überlebenswichtig. Sie sorgt dafür, dass Luft- und Wasser gereinigt werden, Böden fruchtbar sind, das Klima geregelt wird und sie ist wichtig für die Ernährung, Gesundheit und Erholung der Menschheit. Die Wildbiene zeigt sehr schön, wie sehr wir von anderen Organismen in unserer Nahrungsversorgung
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abhängig sind [174]. Der stark zurückgegangene Bestand an Wildbienen bedroht die Ernte in einigen Regionen bereits, weil es ohne Bestäubung für viele Pflanzen keine Früchte und damit weniger Nahrung gibt. Sicherlich hat nicht jede Art eine solch entscheidende Rolle in den Ökosystemen, doch häufig ist es noch völlig unklar, welche Funktion eine bestimmte Tier- oder Pflanzenart in den komplexen Ökosystemen übernimmt. Weiterhin findet die Pharmaindustrie ständig neue pflanzliche Arzneimittel. Weniger Arten verringern somit das Potenzial, zukünftig Krankheiten durch pflanzliche Wirkstoffe zu heilen [161]. Wie sehr der Rückgang der Artenvielfalt die Ernährung gefährden kann, zeigt das Beispiel der Banane. Während es früher eine Vielzahl an Bananensorten gab, wird heute vor allem die Sorte Cavendish angebaut. In deutschen Supermärkten finden wir fast ausschließlich diese Sorte. Der Pilz „Tropical Race 4“ zeigt, warum das ein Problem ist: Er befällt speziell die Cavendish-Bananenpflanzen [249]. Er zerstört diese Bananensorte weltweit und es gibt kein Gegenmittel. Nun sind die Existenz der Cavendish-Banane und damit die Versorgung der Menschheit mit Bananen bedroht. Da Bananen das viertwichtigste Lebensmittel nach Getreide, Reis und Mais sind, hätte das durchaus Konsequenzen auf die Nahrungsversorgung in den Anbaugebieten. Noch gibt es zum Glück andere Bananensorten, die gegen den Pilz resistent sind. Diese beiden Beispiele sind sehr anschaulich, doch die noch größeren Gefahren sind vermutlich weniger sichtbar. All die wichtigen Ökosysteme und natürlichen Kreisläufe sind eng miteinander verwoben – wie in einem Netz. Auch wir Menschen sind untrennbar mit dem verbunden, was Alexander von Humboldt das „Netz des Lebens“ nannte. Jede aussterbende Art löst einen Knoten in diesem Netz oder zerschneidet einen Verbindungsfaden. Wir verstehen bisher kaum, wie dieses Netz aufgebaut ist und
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reißen doch immer mehr Löcher in das Netz. Dass Netz des Lebens hält das ein Zeit lang aus, doch irgendwann wird es reißen und die Erde für uns Menschen unbewohnbar machen. Da die Biodiversität also sehr wichtig ist, ist es beängstigend, dass die Zahl der ausgestorbenen Arten in den letzten 100 Jahren um ein Vielfaches höher war als die durchschnittliche Sterberate in früheren Jahrhunderten. Eine Schätzungen aus 2019 geht davon aus, dass mehr als eine von acht Tier- und Pflanzenarten vom weltweiten Aussterben bedroht ist, insgesamt mindestens 1 Mio. Tierund Pflanzenarten [26]. Einen Rückgang der Artenvielfalt in diesem Ausmaß gab es in der gesamten Geschichte unserer Erde bisher nur sehr selten, etwa als ein riesiger Asteroid auf die Erde einschlug und die Dinosaurier ausrottete. Für das heutige Artensterben gibt es mehrere Ursachen. An erster Stelle steht die Verschlechterung oder gar der Verlust von Lebensräumen für bestimmte Spezies. Das erfolgt etwa durch wenig nachhaltige Landwirtschaft, Abholzung von Wäldern oder durch die Ausdehnung von Städten und Straßen. Die zweite Ursache haben wir bereits im Kapitel zu den Meeren kennengelernt: Die Übernutzung von Arten, wenn also mehr Tiere getötet werden, als natürlich nachwachsen können. Auch die Bedrohungen Umweltverschmutzung und Klimawandel sind uns bereits begegnet. Wenn wir diese anderen Nachhaltigkeitsziele erreichen würden, würde sich das unmittelbar positiv auf den Erhalt der Artenvielfalt auswirken. Im Kapitel zu den Meeren haben wir bereits gesehen, dass sich Arten erholen können, wenn sie geschützt werden und sich ihre Lebensbedingungen wieder verbessern. Doch dafür reicht es nicht, einzelne Eisbären oder Nashörner zu retten, sondern wir müssen ganze Lebensräume und Ökosysteme schützen.
186 M. Medert Was kannst Du tun? • Fleisch: Auch für dieses Nachhaltigkeitsziel hilft es, wenn Du weniger und wenn, dann nachhaltig „produziertes“ Fleisch isst. Dann wird weniger Regenwald gerodet, um Soja für Kraftfutter für die deutsche Massentierhaltung anzubauen. • Palmöl: Wenn Du auf Produkte mit Palmöl verzichtest, sinkt die Nachfrage und es muss weniger Regenwald in Indonesien und Malaysia für Plantagen gerodet werden. Du kannst auf heimische, europäische Öle ausweichen, wie Rapsöl und Sonnenblumenöl • Tropenholz: Wenn Du Möbel oder andere Produkte aus Tropenholz kaufst, zeigt zum Beispiel ein FSC-Siegel (Forest Stewardship Council), dass das Holz wahrscheinlich aus nachhaltigem Anbau statt aus illegalen Regenwaldrodungen stammt.
Landökosysteme in Deutschland Böden in Deutschland 2018 wurde in Deutschland im Durchschnitt jeden Tag etwa die Fläche von 120 Fußballfeldern als Siedlungsund Verkehrsflächen neu ausgewiesen [215]. Ein wesentlicher Teil des betroffenen Bodens geht verloren, weil wir Häuser, Garagen, Fabrikhallen und Straßen darauf bauen. Außerdem werden dadurch Landschaftsräume zerschnitten, mit den entsprechenden Folgen für die Tierund Pflanzenwelt. Seit den 1990er-Jahren hat sich der jährlich zusätzliche Flächenverbrauch in Deutschland glücklicherweise bereits fast halbiert und er soll weiter gesenkt werden. Wenn gleichzeitig noch Maßnahmen zur Entsiegelung und Renaturierung ergriffen werden, ist es möglich, bis zum Jahr 2050 netto gar keine zusätzlichen Flächen mehr zu verbrauchen.
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Neben der Flächenversiegelung ist auch die Bodendegradation in Deutschland ein Problem. Sie wird etwa durch Massentierhaltung, Monokulturen, Pestizide und unsachgemäße Düngung verursacht. Wir haben schon in vorherigen Kapiteln gesehen, dass auf vielen Äckern deutlich mehr wachstumsfördernder Stickstoff ausgebracht wird, als von den Pflanzen aufgenommen werden kann. In der Folge werden die Reste davon in Nitrat umgewandelt und über Jahre im Boden und Grundwasser gespeichert. Was kannst Du tun? • Lebensmittel: Mit dem Kauf von Lebensmitteln aus ökologischer Landwirtschaft unterstützt Du Landwirte, deren Anbaumethoden die Fruchtbarkeit der Ackerböden erhält. • Eigenes Grundstück: Wenn Du ein eigenes Grundstück besitzt, kannst Du darauf achten, möglichst viel Fläche zu bepflanzen und auf Steinwüsten (Schotter-, Kies- und Betonflächen) zu verzichten. Damit erhältst Du wertvollen Boden.
Wälder in Deutschland In den 1980er-Jahren war das sogenannte „Waldsterben“ ein großes Thema. Auch wenn heute viele sagen, die Panikmache in dieser Zeit sei übertrieben gewesen, so hatten die Reaktionen auf das Waldsterben zweifelsfrei einen positiven Effekt auf den Zustand des Walds und auch auf unsere Gesundheit [254]. So wurden Entschwefelungsanlagen in Kohlekraftwerke eingebaut und Katalysatoren für Autos mit Benzinmotor verpflichtend. In der Folge geht es dem Wald, der etwa ein Drittel des deutschen Bodens bedeckt, heute relativ gut. Nur ein kleiner Teil der Wälder in Deutschland sind sich selbst überlassen. Die meisten Wälder werden für die
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Forstwirtschaft genutzt. Das entnommene Holz wird in Deutschland insbesondere zu Heizzwecken genutzt und ist dort der wichtigste erneuerbare Energieträger. Die Waldbewirtschaftung wird zusehends nachhaltiger. Kritiker stufen unsere Wälder allerdings eher als „naturfern“ ein, da wenige Baumarten dominieren, zu wenig sehr alte Bäume in den Wäldern stehen und zu wenig Totholz im Wald liegen bleibt [100].
Artenvielfalt in Deutschland In Deutschland ist der Verlust der Artenvielfalt ebenfalls ein Thema. Insbesondere das Insektensterben ist inzwischen dramatisch: In Wäldern ist allein zwischen 2008 und 2017 die Biomasse der Insekten um etwa 40 % zurückgegangen – im Grünland ging die Biomasse im gleichen Zeitraum sogar um zwei Drittel zurück [195]. Viele bedrohte Arten von Kleinstlebewesen nehmen wir kaum wahr, obwohl sie im „Netz des Lebens“ für uns eine wichtige Rolle spielen. Doch auch Vögel wie Kiebitz und Feldlerche, die Feldhamster, einige Schmetterlingsarten sowie die Wildbienen gelten inzwischen als gefährdet [30]. Zwar gibt es auch in Deutschland Fortschritte, wenn etwa zusätzliche Schutzgebiete ausgewiesen werden, die in Deutschland gut 4 % der Landfläche ausmachen. Jedoch gilt es, auch die biologische Vielfalt in der „normalen“, ungeschützten Landschaft zu bewahren. Das gilt insbesondere für die Hälfte der Fläche Deutschlands, die die Landwirtschaft nutzt. Dort sinkt die Artenvielfalt immer weiter, obwohl bekannt ist, wie eng die Biodiversität mit der Art der Bewirtschaftung zusammenhängt [95]. Doch bisher hat sich der Nachhaltigkeitsgedanke gegen die mächtige Agrarlobby bei der EU kaum durchsetzen können: Der überwiegende Teil der hunderte Mrd. EUR
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Agrarsubventionen der EU wird weiterhin ohne Naturschutzvorgaben verteilt. Wichtig für die Biodiversität in Deutschland sind auch die Bach- und Flussläufe sowie die zugehörigen Auen. In diesem Bereich gibt es bereits zahlreiche Sanierungsprojekte zur Renaturierung von früher begradigten Wasserläufen. Dass das sogar innerhalb von Städten geht, zeigt die Renaturierung der Isar in München, die früher begradigt und in ein Steinkorsett gezwängt wurde. Dort ist es gelungen Hochwasserschutz, Naturschutz und Freizeitwert zu kombinieren. Schon nach kurzer Zeit sind dort seltene Tier- und Pflanzenarten wieder heimisch geworden [263]. Was kannst Du tun? • Beim Einkauf: – Du kannst regionale Bioprodukte von Bauern kaufen, die sich für die Artenvielfalt einsetzen. So steigerst Du die Nachfrage nach Produkten von Anbauflächen, auf denen Biodiversität unterstützt wird. Aber Achtung: Nicht überall, wo Bio draufsteht wird etwas für den Artenschutz getan. – Wenn Du Säfte magst, kannst Du Saft von Streuobstwiesen kaufen. Damit hilfst Du, diese wertvollen Inseln der Artenvielfalt zu erhalten. • Im Garten oder auf dem Balkon: – Wenn Du einen Garten oder Balkon hast, kannst Du heimische Bäume, Sträucher und Blumen anpflanzen. Diese bieten unseren Insekten und Vögeln Schutz und Nahrung. – Insektenhotels und Vogel-Nistkästen bieten eine Alternative zu den immer weniger werdenden natürlichen Nistmöglichkeiten wie Baumhöhlen. – Du hilfst Insekten und Kleinstlebewesen auch, wenn Du auf Pestizide im Garten verzichtest und stattdessen natürlichen Pflanzenschutz einsetzt. Sie werden es Dir auch danken, wenn Du im Herbst keine Laubsauger oder ähnliches einsetzt, um alles Laub zu entfernen.
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Ziel 16: Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen
Liberia Leymah wächst glücklich und behütet in Liberias Hauptstadt Monrovia auf. Mit ihrer Familie feiert sie mit 17 ihren Schulabschluss. Ihre Eltern sind stolz, dass ihr strahlendes Mädchen jetzt Medizin studieren möchte, um Kinderärztin zu werden. Sie malen sich eine schöne Zukunft für ihre Tochter aus. Doch dann bricht in Liberia ein furchtbarer Bürgerkrieg aus und Leymahs Welt gerät komplett aus den Fugen – ihre Träume zerplatzen. Statt zu studieren, landet sie in einer Beziehung, die von sexueller Gewalt geprägt ist. Sie bekommt schnell vier Kinder und verliert immer mehr ihre Selbstachtung und ihre Ziele. Sie ist ganz unten. Erst als sie ein Praktikum als Streetworkerin für Kindersoldaten beginnt, erwacht sie aus ihrer Lethargie. Sie möchte diese unglaubliche Gewalt beenden und sich für Frieden einsetzen. Anfangs scheint es noch aussichtslos, doch sie findet einen Weg: Sie glaubt, dass die liberianischen Frauen als Ehefrau und Mutter ihre Männer, Kinder und Enkel vom Frieden überzeugen
Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen 191 können. Leymah bringt die Frauen in ihrer Umgebung dazu, sich einzumischen. Gemeinsam organisieren sie politische Aktionen und Demonstrationen. Jetzt müssen die regierenden Männer Leymah und ihrer Friedensbewegung tatsächlich zuhören. Leymah und ihre Mitstreiterinnen riskieren viel, als sie etwa durch eine menschliche Mauer den Präsidenten und die Rebellen daran hindern, die Friedensgespräche ergebnislos abzubrechen. Kurze Zeit später dankt der Präsident ab und eine Übergangsregierung wird eingesetzt. Der blutige Bürgerkrieg ist vorbei. Leymah hat mit ihrem Einsatz dazu beigetragen, die Geschichte Liberias zu verändern. Für ihr gewaltfreies Engagement für den Frieden wird ihr 2011 der Friedensnobelpreis verliehen.
Frieden, Sicherheit und eine gute Regierungsführung sind eine wichtige Voraussetzung, um viele der Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. So haben wir etwa in früheren Kapiteln gesehen, dass die Ziele zur Armutsbekämpfung, Gesundheit, Bildung, Geschlechter-Gleichberechtigung sowie die umweltbezogenen Nachhaltigkeitsziele in solchen Regionen kaum erreicht werden können, in denen bewaffnete Konflikte und Kriege herrschen, Menschen diskriminiert und ausgebeutet werden, Gewalt zum Alltag gehört oder Korruption blüht und Verwaltungen schlecht bis gar nicht funktionieren. Unsere Nachrichten sind voll von Berichten über Regionen, in denen solche Verhältnisse herrschen. Insofern ist es nur konsequent, dass ein eigenes Nachhaltigkeitsziel aufgestellt wurde, um alle Formen der Gewalt – auch im Alltag – zu verringern und die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der guten Regierungsführung zu fördern. Da wir die gute Regierungsführung bereits in früheren Kapiteln betrachtet haben, schauen wir hier insbesondere auf Frieden und Sicherheit.
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Frieden Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte eine längere Phase ein, in der die Welt tendenziell friedlicher wurde. In den letzten Jahren hat sich das jedoch insbesondere durch die zahlreichen Konflikte im mittleren Osten und Nordafrika geändert. Die meisten hochgewaltsamen Konflikte gibt es zurzeit in Afrika südlich der Sahara. Nun gibt es wieder deutlich mehr Tote aus bewaffneten Konflikten und es befinden sich Millionen Menschen auf der Flucht [10]. So wundert es kaum, dass etwa die Hälfte der Kinder, die keine Grundschule besuchen können, aus Ländern stammt, in denen solche Konflikte herrschen. Auch extreme Armut ist besonders häufig in solchen Regionen zu finden. Doch warum entstehen Kriege überhaupt? Ursachen sind meistens Streit um Weltanschauungen, Macht und Einfluss oder die Verteilung von Ressourcen. Einige Aspekte sprechen dafür, dass die Wahrscheinlichkeit für weitere Konflikte in der Zukunft eher größer als kleiner ist: So findet Bevölkerungswachstum besonders in armen Regionen statt und der Wohlstand wächst hauptsächlich in anderen Regionen. Die damit einhergehende hohe Jugendarbeitslosigkeit mit einem großen Anteil an jungen und gleichzeitig perspektivlosen Männern dürfte das Konfliktpotenzial weiter anheizen. Gewaltsame Konflikte entwickeln sich dabei immer häufiger innerhalb oder ganz unabhängig von Staaten. Andere Staaten nutzen dann häufig solche Konflikte, um ihre Interessen durchzusetzen. Gerade in Syrien oder im Jemen ist erkennbar, wie viele Akteure hier einen Stellvertreterkrieg führen. Weiterhin ist zu erwarten, dass sich die Form der Konflikte verändert. So sehen wir heute bereits eine verstärkte Form des Terrorismus.
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Glücklicherweise schafft es die Weltgemeinschaft, auch einige Konflikte zu beenden. Ein bekanntes Beispiel ist etwa das Friedensabkommen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Rebellengruppe FARC nach über 50 Jahren bewaffneter Auseinandersetzung [175]. Wie schwer es jedoch ist, eine Gesellschaft nach einem bewaffneten Konflikt in eine friedliche Gesellschaft zu überführen, zeigen viele Beispiele der jüngsten Vergangenheit. Ohne UN-Soldaten bricht die Gewalt in vielen befriedeten Gebieten schnell wieder aus. Zwar verlangt die UNO von den betroffenen Staaten mehr Eigenverantwortung beim Staatsaufbau und der Friedensförderung. Doch gerade Länder wie Afghanistan oder der Irak zeigen jedoch, dass ein großer Teil der finanziellen Aufbauhilfen durch Korruption verloren geht und alte Konflikte wieder aufbrechen. Ein Königsweg zu Friedensförderung solcher Staaten muss wohl erst noch gefunden werden. Wir sehen also, dass erstens die Gefahr von neuen Konflikten groß ist und es zweitens keine Modelllösung gibt, den betroffenen Menschen zu helfen, wieder in einer friedlichen Gesellschaft zu leben. Wir sollten also alles unternehmen, bewaffnete Konflikte proaktiv zu verhindern. Das Erreichen der in diesem Buch vorgestellten Nachhaltigkeitsziele kann einen wichtigen Beitrag hierzu leisten. Wenn wir nämlich erfolgreich die Herausforderungen wie Armut, Hunger, Ungleichverteilung oder Bildung meistern, verringern sich die Konfliktrisiken dramatisch. Wenn wir in einer friedlicheren Zukunft leben wollen, sollten wir folglich alles daran setzen, die Nachhaltigkeitsziele umzusetzen. Denn es ist nicht nur so, dass ohne Frieden die Nachhaltigkeitsziele kaum erreicht werden können. Ohne die Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele wird es vermutlich weniger friedlich auf der Welt zugehen.
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Sicherheit Ein weiterer Aspekt dieses sechzehnten Nachhaltigkeitsziels ist die physische Unversehrtheit von Menschen. Hierbei geht es insbesondere darum, alle Formen von Gewalt zu verringern, also etwa schwere und organisierte Kriminalität sowie jede Form von Gewalt, Missbrauch oder Ausbeutung von Kindern. Jedes Jahr werden hunderttausende Menschen ermordet. 2017 starben mit 464.000 Toten etwa 5 mal mehr Menschen durch eine Straftat als durch bewaffnete Konflikte [237]. Die höchsten Mordraten gibt es in Lateinamerika, wo ein Drittel aller weltweiten Morde verübt wird. Neben dem Leid der Angehörigen, hat eine solch mangelnde Sicherheitslage auch politische, wirtschaftliche und soziale Folgen. Während Sicherheit ein Grundbedürfnis aller Menschen ist, ist besonders jegliche Form von Gewalt gegen Kinder inakzeptabel. Das Thema ist in verschiedener Form bereits in den vorangegangenen Kapiteln aufgetaucht, wenn es etwa um Kinderarbeit oder die Verstümmelung und Zwangsverheiratung junger Mädchen geht. Gewalt gegen Kinder kann physisch oder psychisch sein. Besondere Formen sind sexueller Missbrauch und die Vernachlässigung von Kindern. All diese Formen der Gewalt haben dramatische Auswirkungen auf das gesamte Leben der betroffenen Kinder [273]. Hinzu kommt, dass Kinder, die in gewalttätigen Haushalten aufwachsen, ein höheres Risiko haben, später selbst Gewalt auszuüben, weil sie Gewalt als normalen Weg kennengelernt haben, um Konflikte zu lösen [143]. Häufig wird Gewalt gegen Kinder gar nicht öffentlich, sodass weltweit von einer sehr hohen Dunkelziffer ausgegangen werden muss: Die Weltgesundheitsorganisation rechnet mit 1 Mrd. Kinder, die Opfer von Gewalt werden.
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Eine entsprechende Gesetzgebung und Nachverfolgung ist ein deutliches Zeichen, dass Gewalt gegen Kinder nicht geduldet wird. Das wird jedoch nur funktionieren, wenn auch ein Wandel von sozialen Normen herbeigeführt wird, der die physische und psychische Integrität von Kindern genauso schützt, wie es bei Erwachsenen selbstverständlich ist. Solange Gewalt nämlich gesellschaftlich akzeptiert ist, helfen auch Gesetze nur bedingt weiter. Besonders dramatisch bleibt die Lage der Kinder in Gebieten, in denen seit Jahren kriegerische Auseinandersetzungen herrschen. Kinder die seit Jahren einer solchen Gewalt ausgesetzt sind, leiden ihr Leben lang unter den Folgen [126].
Frieden und Sicherheit in Deutschland Frieden und Sicherheit für die Gesellschaft Blickt man auf die Geschichte Europas zurück, gab es noch nie über einen so langen Zeitraum wie heute ununterbrochenen Frieden am Stück. Inzwischen sind mehrere Generationen in Frieden aufgewachsen. Umso überraschender war es, dass 2016 in einer Umfrage der Bundesregierung Frieden eine der häufigsten Antworten darauf war, was für ein gutes Leben in Deutschland notwendig ist [181]. Auch wenn die Gefahr, dass Deutschland in einem offenen Krieg angegriffen wird, eher gering ist, gibt es durchaus Bedrohungen, von denen wir drei etwas näher betrachten wollen: Terrorismus, Cyberangriffe sowie auch mögliche Bedrohungen von Bündnispartnern. Besonders präsent ist die Terrorgefahr und viele Menschen in Deutschland haben Angst, einem Terroranschlag zum Opfer zu fallen. Die Statistiken zeigen
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hingegen unbestritten, dass es Tausende Male wahrscheinlicher ist, sich mit Krankenhauskeimen anzustecken, als von einem Terroranschlag betroffen zu sein. Auch ist es um ein Vielfaches wahrscheinlicher im Straßenverkehr zu sterben, beim Essen zu ersticken und vieles mehr. Es gibt vermutlich mehrere Gründe, warum die Terrorgefahr trotzdem zu einer gefühlten Angst führt. Dazu gehören neben der sehr ausführlichen Berichterstattung in den Medien sicherlich auch die zahlreichen populistischen Parteien in vielen westlichen Gesellschaften, die solche diffusen Ängste bestärken. Einige andere Parteien stimmen meist mit ein, sodass die Terrorgefahr viel stärker wahrgenommen wird, als sie tatsächlich ist. Leider spielt das den Terroristen noch in die Hände. Ohne die große mediale Aufmerksamkeit wäre der Anreiz für weitere Terroranschläge vermutlich geringer. Weniger Aufmerksamkeit erhält hingegen die Gefahr von Cyberangriffen, etwa durch Hackerangriffe auf die öffentliche Infrastruktur oder andere wichtige Computernetzwerke. Wozu Hacker fähig sind, zeigen regelmäßige Angriffe, die sowohl in ihrer Anzahl als auch in ihrer Professionalität stetig zunehmen. Viele deutsche Firmen wurde bereits elektronisch ausspioniert [12]. Auch die Bundesregierung sowie zahlreiche andere Behörden wurden bereits ausgespäht. Mit der wachsenden digitalen Vernetzung, etwa in der Stromversorgung, steigt auch die Anfälligkeit solcher wichtigen Netzwerke für die Grundversorgung der Bevölkerung [130]. Die Angreifer können von überall auf der Welt agieren. Neben diesem Risiko mit physischen Folgen wurde gerade im Zusammenhang mit der Brexitabstimmung und der Trump-Wahl eine weitere Gefahr aus dem Cyberraum sichtbar: Sogenannte „Social Bots“ und Trolle können die öffentliche Meinungsbildung massiv beeinflussen [183]. Social Bots sind nichtmenschliche Akteure in Onlinenetzwerken wie Facebook
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oder Twitter. Mit Bild und Namen versehen, verbreiten Millionen solcher künstlichen Identitäten massenhaft Kommentare, Likes oder Falschmeldungen. Menschen tun sich heute sehr schwer, tatsächliche Fakten von Fehlinformationen zu unterscheiden. So kann die öffentliche Meinung nachweislich manipuliert werden – und damit möglicherweise auch der Ausgang von Wahlen. Da solche Kampagnen ebenfalls aus dem Ausland gesteuert werden können, werden Gesetze in Deutschland nur bedingt helfen. Besonders wichtig ist es daher, schon in den Schulen die Medienkompetenz zu stärken, damit etwa Falschmeldungen kritischer hinterfragt werden. Zuletzt möchte ich noch auf die Bedrohung des Friedens durch einen NATO Bündnisfall eingehen, wenn ein verbündetes Land angegriffen wird. Diese Gefahr war für viele Jahre nach dem Ende der Sowjetunion zunächst recht klein. Dies hat sich allerdings verändert, als Russland 2014 seine militärischere Macht eingesetzt hat, um in der Ukraine Grenzen zu verschieben. In der Folge sind bereits heute deutsche Soldaten etwa in Litauen stationiert, um die Grenzen der Bündnispartner zu sichern. Auch die teilweise unübersichtliche Lage im Nahen Osten birgt ein gewisses Risiko, insbesondere nachdem das NATO-Mitglied Türkei in Nordsyrien einmarschiert ist. Ähnlich wie bei vielen der vorherigen Kapitel möchte ich auch hier erwähnen, dass wir durch unser Handeln auch die Sicherheitslage in anderen Ländern beeinflussen. So können wertvolle Rohstoffe wie Diamanten oder Öl die lokalen Konfliktparteien finanzieren [87]. Im Kapitel zur Arbeit haben wir gesehen, dass einerseits die Probleme in den globalen Lieferketten von den Unternehmen erkannt werden und es teilweise auch engere gesetzliche Vorschriften gibt. Andererseits werden jedoch nach wie vor viele Rohstoffe zur Finanzierung von Konflikten verwendet. Als Verbraucher haben wir heute nur bedingt
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eine Transparenz, ob ein Produkt Rohstoffe enthält, die zur Finanzierung von Kriegsparteien beiträgt. Transparent ist hingegen der Waffenexport aus Deutschland. In den Jahren 2014 bis 2019 war Deutschland der viertgrößte Waffenexporteur weltweit [257].
Sicherheit für den Einzelnen in Deutschland Für die Lebensqualität des Einzelnen ist es wichtig, keine Angst vor Willkür und Kriminalität haben zu müssen. Insofern ist es sehr erfreulich, dass die Zahl der Gewaltdelikte wie Raub und Körperverletzung in Deutschland seit ihrem Höchststand 2007 um 17,5 % zurückgegangen sind. Auch für andere Straftaten wie Diebstahl, Betrug und Straßenkriminalität sind die Fälle zwischen 2005 und 2019 deutlich rückläufig [36]. Gerade im Nachgang zum Flüchtlingsjahr 2015 gibt es eine intensive gesellschaftliche Auseinandersetzung, ob es durch die Zuwanderung zu mehr Straftaten kam. Wie häufig, lassen sich auch hier Statistiken jeweils so darstellen, dass sie die eigene Meinung unterstützen. Vergleichen wir etwa bei Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit den Anteil von Tätern in der Kriminalstatistik mit dem Anteil an der Gesamtbevölkerung, dann sehen wir, dass der Anteil bei den Tätern deutlich höher ist. Aber wir vergleichen hier Äpfel mit Birnen: Zu den Tätern ohne deutsche Staatsangehörigkeit zählen zum Beispiel auch Banden aus Südosteuropa, die zwar bei den Tatverdächtigen bei Einbrüchen und gestohlenen Autos auftauchen, jedoch nicht bei der Wohnbevölkerung mitzählen. So wundert es nicht, dass es ganz ähnliche Effekte gibt, wenn wir in andere Länder schauen: In Österreich leben viele Ausländer. Ein großer Anteil davon sind Deutsche [171]. Wenn wir diese in Österreich lebenden
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Deutschen mit deutschen Straftätern in Österreich ins Verhältnis setzen, ergibt sich ein ganz ähnliches Verhältnis, wie in der deutschen Kriminalstatistik bei den hier lebenden Ausländern [45]. Einer von zwanzig Deutschen, die in Österreich leben, wäre ein Tatverdächtiger. Da die Deutschen in Österreich vermutlich nicht so viel krimineller sind, als die zu Hause gebliebenen Deutschen, sind vermutlich auch viele Deutsche unter den österreichischen Tatverdächtigen, die gar nicht dort wohnen. Es scheint also problematisch, Schlussfolgerungen aus Statistiken für Täter ohne deutschen Pass zu ziehen. Schauen wir hingegen auf Zuwanderer, wie Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Geduldete, sind die Statistiken wohl aussagefähiger: Bei Straftaten, wie Vergewaltigung oder Körperverletzung, ist deren Anteil an den Tätern deutlich höher als ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung [33]. Teilweise liegt das sicherlich daran, dass es sich bei dieser Personengruppe häufig um junge Männer handelt, die auch unter den Deutschen die größte Tätergruppe ausmachen. Das Risiko, straffällig zu werden, steigt vermutlich auch, wenn diese jungen Männer in großer Zahl zusammen untergebracht sind, viel Zeit und keine Arbeit haben. Insofern scheint eine gelungene Integration ein wichtiger Schritt, der Hand in Hand mit Maßnahmen gehen sollte, die auch perspektivlose deutsche Staatsbürger unterstützen. Wenn wir nun auch in Deutschland auf die Gewalt gegen Kinder schauen, ist zunächst hervorzuheben, dass seit dem Jahr 2000 auch Deutschland zu den Ländern gehört, in denen Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung genießen: Körperliche Bestrafung, seelische Verletzung und andere entwürdigende Maßnahmen sind seither rechtlich verboten. Dies bestärkte noch den Trend zur gewaltfreien Erziehung, der bereits in den 1 980er-Jahren begann. Trotzdem ist es schockierend, wenn in Umfragen
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unter Erwachsenen in Deutschland rund jeder Dritte angibt, als Kind körperlich, sexuell oder emotional missbraucht worden zu sein. Wie wir im Kapitel zur Gleichberechtigung gesehen haben, leiden neben Kindern besonders auch viele Frauen unter häuslicher Gewalt. Was kannst Du tun? Schaue Dir noch mal die Tipps zum Umgang mit häuslicher Gewalt aus dem Kapitel zur Gleichberechtigung an. Zivilcourage ist überall gefragt, wo irgendjemanden Gewalt angetan wird. Du kannst das ganze Leben von Kindern zum Positiven verändern, wenn Du Eltern ansprichst, wenn du irgendeine Form von Gewalt gegen das Kind miterlebst oder vermutest. Gerade bei überforderten Eltern ist es meist effektiver, wenn die Ansprache eher verständnisvoll als vorwurfsvoll ist. Im Zweifel hilft auch ein Anruf beim Jugendamt, dem Kinderschutzbund oder einer lokalen Familienberatungsstelle.
Ziel 17: Partnerschaften zur Erreichung der Ziele
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Das 17. Nachhaltigkeitsziel unterscheidet sich von allen anderen bisher vorgestellten Zielen, die jeweils ein konkretes Thema zum Inhalt hatten. Hier geht es darum, die globale Partnerschaft zu stärken, damit die anderen Ziele erreicht werden können. In vielen der vorangegangenen Kapitel haben wir gesehen, dass die ambitionierten Ziele nur erreicht werden können, wenn Politik, Unternehmen, Zivilgesellschaft und Wissenschaft effektiv zusammenarbeiten und ihre Kräfte bündeln. Alle Akteure sind ohnehin eng miteinander verbunden: Die Entscheidungen der Politik hängen von uns allen ab, denn wir wählen ja bestimmte Parteien mit ihren Programmen. Umgekehrt würden wir vermutlich nachhaltiger einkaufen, wenn die Politik die Rahmen anders setzen würde. Auch Unternehmen werden durch Gesetze, Grenzwerte etc. beeinflusst und bieten mehr oder weniger nachhaltige Produkte an. Ob sie mit nachhaltigen Produkten erfolgreich sind, hängt wiederum von unserem Einkaufsverhalten ab.
Politik Die Politik spielt eine Schlüsselrolle auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit – international und national.
Internationale Zusammenarbeit Gerade in den Neunziger- und Nullerjahren waren sich viele Politiker auf der internationalen Bühne einig, dass es eine Menge verflochtener globaler Probleme gibt, die sie nur gemeinsam lösen können. Gemeinsam hat man viel erreicht: Zum Beispiel wurde die globale Finanzkrise überwunden, Epidemien gestoppt, Kriege vermieden und ein Klimaabkommen vereinbart.
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Doch in den letzten Jahren agieren sogar einige Hauptdarsteller auf dieser Bühne vermehrt populistisch, nationalistisch und protektionistisch. Gleichzeitig verschieben sich die globalen Machtverhältnisse und viele Länder ringen um Einfluss. In so einem Umfeld wird es schwer, sich auf gemeinsame Ziele zu einigen und gemeinsam zu handeln. Nationale Interessen spielen heute wieder eine stärkere Rolle. Gerade die 17 Nachhaltigkeitsziele könnten sich nun zum Kompass für die Staatengemeinschaft entwickeln und dazu beitragen, dass sich Staaten wieder mehr gemeinsam um wichtige Themen kümmern.
Der Einfluss von nationaler und europäischer Politik auf Einwohner und Unternehmen Die nationale Politik regelt das Zusammenleben der Bürger. Fast alle Politikbereiche berühren dabei die Nachhaltigkeit. So hat etwa Arbeits- und Sozialpolitik entscheidenden Einfluss auf die Armut von Alleinerziehenden, Rentnern und Arbeitslosen. Die Umwelt-, Verkehrs- oder Landwirtschaftspolitik kann die politischen Rahmenbedingungen so anpassen, dass umweltschädliche Produkte und umweltschädliches Verhalten teurer sind als umweltfreundliche Alternativen. Für Unternehmen werden dadurch Investitionen in nachhaltigere Produkte attraktiver. Beispielsweise werden die Empfehlungen der Kohlekommission unter anderem dazu führen, dass Unternehmen zukünftig kaum noch in Kohlekraftwerke investieren werden. Ein CO2-Preis soll Verbraucher zu nachhaltigerem Konsum motivieren und Unternehmen dazu, neue Technologien zu entwickeln, die weniger CO2 erzeugen. Die Gelbwestenproteste in Frankreich zeigen jedoch, wie
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wichtig ein wirklich umfassend nachhaltiges Konzept bei einer CO2-Steuer ist, das neben der Umwelt auch die sozialen Aspekte berücksichtigt. Durch die in Frankreich geplante Steuererhöhung auf Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas wären Menschen mit geringerem Einkommen anteilig stärker belastet worden. Die Wut der Betroffenen hätte besänftigt werden können, wenn ein Teil der Einnahmen aus der Steuer an die unteren Einkommensgruppen zurückgezahlt worden wäre. Die Politik kann weiterhin eine verpflichtende Transparenz einführen, damit wir Verbraucher beim Einkaufen sehen können, wie nachhaltig bestimmte Produkte sind. Wie stark Konsumenten darauf eingehen, hat die Kennzeichnung der Eier gezeigt: Eier aus Käfighaltung werden seither kaum noch nachgefragt.
Unternehmen Die Rolle von Unternehmen für die einzelnen Nachhaltigkeitsziele haben wir bereits mehrfach betrachtet. Unternehmen können zusammen mit den Käufern ihrer Produkte einen großen Einfluss auf die Nachhaltigkeit entwickeln. Zum einen sind es neben der Wissenschaft insbesondere Unternehmen, die mit Innovationen die Welt etwas nachhaltiger machen: Sie können Produkte und Dienstleistungen entwickeln, die direkt zur Lösung von ökologischen und sozialen Problemen beitragen. Als Beispiel hatten wir hier etwa die Möglichkeit für Überweisungen und Guthaben auf dem Smartphone in Afrika kennengelernt. So können Millionen Menschen am Geldverkehr teilhaben, ohne jemals in die weit entfernte Bankfiliale gehen zu müssen.
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Zum anderen können Unternehmen ihre Produkte mehr oder weniger nachhaltig gestalten. Da die meisten Unternehmen ihren Gewinn maximieren möchten, ist neben der Marge auch die Anzahl der Käufer entscheidend. Nachhaltige Produkte sind in der Herstellung meist etwas teurer. Wenn es einem Unternehmen gelingt, die Nachhaltigkeit für den Verbraucher sichtbar zu machen, kann es seine Produkte auch zu deutlich höheren Preisen verkaufen, was sich positiv auf den Gewinn auswirkt. Allerdings braucht es dann auch ausreichend viele Kunden, die sich für faire und ökologische Produkte interessieren und den höheren Preis zahlen können und wollen. Zuletzt möchte ich noch auf einen Trend eingehen, den wir seit einigen Jahren beobachten können. Es entstehen weltweit immer mehr Sozialunternehmen, oder auf Englisch „Social Enterprises“ und „Social Entrepreneurs“. Diese Unternehmen lösen mit unternehmerischen Mitteln soziale Probleme. Im Gegensatz zu den meisten Nichtregierungsorganisationen und Non-Profit-Organisationen sind diese Sozialunternehmen weder von Spenden noch von Beiträgen abhängig. Sie verdienen durchaus Geld. Allerdings möchten diese Unternehmen vor allem ein soziales Problem lösen. Der Gewinn des Unternehmens ist zweitrangig. In solchen Sozialunternehmen entstehen gerade viele innovative Ideen. So gelingt es den Sozialunternehmen immer häufiger, einen spürbaren Effekt für die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und gleichzeitig ihr Unternehmen auch auf ein stabiles finanzielles Fundament zu bauen. Der finanzielle Erfolg wächst dann häufig Hand in Hand mit dem positiven Effekt, den diese Firmen für die Gesellschaft erreichen. Optimisten sehen im Wachstum dieser Sozialunternehmen bereits einen
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ersten Schritt zu einem neuen Wirtschaftssystem, in dem der gesellschaftliche Nutzen im Vordergrund steht, und weniger die Gewinnmaximierung.
Jeder Einzelne Jeder Mensch kann alleine oder in Wechselwirkung mit Unternehmen oder Politik zu einer besseren Welt beitragen. Da dies ein zentrales Anliegen in diesem Buch ist, habe ich diesem Thema ein separates Kapitel gewidmet.
Unser eigenes Engagement
Wir können aus dem Schwarze-Peter-Spiel aussteigen, in dem sich manch Unternehmen, Politiker und Mitbürger bewegt. Manche Unternehmen sagen: „Wir würden schon längst mehr nachhaltige Lebensmittel herstellen, aber die Kunden kaufen lieber das Billigfleisch.“ Manche Politiker sagen: „Wir würden sofort mehr für Nachhaltigkeit tun, haben aber Angst, dafür in der nächsten Wahl weniger Stimmen zu erhalten.“ Manche Verbraucher sagen: „Ich würde ja mehr Radfahren, aber die Politik müsste erst mal mehr Radwege bauen.“ Inzwischen setzen sich zahlreiche Unternehmen und Politiker ernsthaft mit Nachhaltigkeit auseinander. Ich bin überzeugt, dass dies insbesondere auch eine Folge eines Wertewandels bei uns Bürgern ist. Je stärker wir unsere Wertevorstellungen sichtbar machen, desto eher werden
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Medert, 17 Ziele für eine lebenswerte Zukunft, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61468-6_2
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Unternehmen entsprechende Produkte und Geschäftsmodelle entwickeln und desto eher werden Politiker sich für nachhaltigere Rahmenbedingungen einsetzen. Bei fast keinem der 17 Nachhaltigkeitsziele wird die Herausforderung von der gesellschaftlichen Mehrheit ignoriert. Man sieht das Thema. Allerdings fühlen wir uns vermutlich bei einigen Zielen weniger persönlich involviert – weder als Betroffener noch als Verursacher oder möglicher Helfer. Bei anderen Zielen sind wir schon einen Schritt weiter: Viele von uns sehen nicht nur ein, dass es in diesem Bereich eine Herausforderung gibt. Sondern wir spüren auch, dass unser Verhalten etwas damit zu tun hat und wir eigentlich die Verantwortung haben, etwas zu verändern. Doch häufig gibt es noch viele Gründe, warum das nicht geht oder warum jetzt gerade ein ungünstiger Zeitpunkt für eine Veränderung ist. Der Klimawandel ist vermutlich für viele so ein Bereich: Wir verstehen, dass auch wir persönlich zu viel Treibhausgase in die Atmosphäre bringen und schaffen es häufig doch kaum, unseren CO2-Fußabdruck spürbar zu senken. Doch gleichzeitig sprießen immer häufiger neue Ideen für Nachhaltigkeit, beobachten wir Freunde bei ihrem Engagement für ein Nachhaltigkeitsthema oder sehen Demonstrationen für eine nachhaltigere Zukunft. All diese kleinen Beiträge und Ideen unterstützen und beschleunigen eine Verschiebung der Wertevorstellungen in der Gesellschaft. Im ersten Teil dieses Buchen haben wir viele Fakten zu den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen kennengelernt. Mich würde freuen, wenn ich Dein Interesse für das eine oder andere Thema geweckt habe und Du Dich für dieses einsetzen möchtest. Es gibt heute so viele Möglichkeiten, zu etwas beizutragen, was größer ist als wir selbst.
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Allerdings müssen wir dafür vom Wissen ins Handeln kommen. Um Dich bei diesem Schritt zu unterstützen, schauen wir auf mögliche Stolpersteine und Beschleuniger auf dem Weg zum Handeln. Ich folge dabei der Struktur, die wir aus der Umweltpsychologie kennen [90].
Der innere Kompass Wissen über die gefährdete Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit ist ein sehr abstrakter Begriff. In den vorangegangen Kapiteln habe ich versucht, den Begriff mit Leben zu füllen und die großen Herausforderungen der Menschheit greifbarer zu machen. Wir haben dabei gesehen, dass uns viele der Themen doch auch in Deutschland betreffen, welche Ursachen und Folgen es für die verschiedenen Bereiche gibt und auch, wie wir unser Verhalten im Alltag ändern können, um die jeweiligen Ziele zu unterstützen. Bei der Recherche für dieses Buch haben mich vor allem die Fortschritte beeindruckt, die wir für viele der Nachhaltigkeitsziele bereits erreicht haben. Diese Erfolge sind wenig bekannt. Nachrichtensendungen voller Katastrophen und Elend zeichnen ein anderes Bild. So wundert es nicht, dass etwa zwei von drei Befragten in einer Umfrage im Jahr 2016 fälschlicherweise annahmen, dass die absolute Armut in den vergangenen 20 Jahren gestiegen ist [76]. Dabei ist das Gegenteil der Fall – hunderte Millionen Menschen konnten der absoluten Armut entkommen. In den einzelnen Kapiteln haben wir auch immer wieder ermutigende Beispiele und Geschichten gesehen,
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die alle zu diesen Fortschritten beigetragen haben. Es scheint wirklich möglich, dass wir viele der gesetzten Ziele noch zu unseren Lebzeiten erreichen können. Die Lage ist zwar ernst, doch es gibt so viele Möglichkeiten, die begründeten Anlass zur Hoffnung geben. Es lohnt sich nach vorne zu schauen und zu gestalten.
Selbstwirksamkeit – Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten Doch noch bevor wir mit dem Gestalten beginnen, kommen vielleicht schon Zweifel: „Was kann ich als Einzelner schon ausrichten?“ oder „Was ändert sich, wenn ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre – wenn es allein in Deutschland mehr als 47 Mio. zugelassene Pkws gibt?“. Oder wir nehmen an, dass sich alles schon von alleine regelt. Die amerikanische Autorin Rebecca Solnit beschreibt die Konsequenz so: „Optimisten denken, alles werde sich zum Guten wenden ganz ohne unser Zutun; Pessimisten nehmen die gegenteilige Haltung ein – beide finden darin eine Entschuldigung dafür, nicht selber aktiv zu werden“ [198]. Wenn ich mich zu klein und unbedeutend einschätze, um die großen Herausforderungen der Welt zu lösen, dann versuche ich es vermutlich erst gar nicht. Schnell kommen wir dann zum Standpunkt, dass die Politik die Verantwortung übernehmen muss und entsprechende Regeln aufstellen soll. Doch die Erfahrung zeigt, dass die Politik von sich aus das Problem kaum lösen wird. In der Politik geht es häufig um den Erhalt von Macht. Erst wenn sichtbar wird, dass viele Wähler eine Veränderung wollen, wird die Politik aktiv werden. Schöne Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit sind etwa das Volksbegehren zur Artenvielfalt in Bayern oder die Proteste im
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Hambacher Forst. Daher spielt jeder Einzelne von uns eine entscheidende Rolle dabei, ob es uns gelingt, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen – oder auch nicht. Und wir können eine Menge tun. Sicherlich sind einige der Helden in den Geschichten aus den Kapiteln zu den Nachhaltigkeitszielen Ausnahmepersönlichkeiten. Doch unsere persönliche Unterstützung der Nachhaltigkeit kann ruhig weniger heroisch sein. Kleine Veränderungen, die Millionen Menschen vornehmen, können erhebliche Effekte haben und so die Welt verändern. Manchmal ist es viel effektiver, wenn viele nur etwas tun, statt wenn einer sehr viel tut. Ein Beispiel ist der Fleischverzehr in Deutschland, der 2017 leicht zurückging [84]. Der Rückgang ist so klein, dass der Durchschnittsdeutsche gerade mal jeden zweiten Monat ein Schnitzel oder Steak weniger isst. Das klingt nach wenig. Doch Zusammen sind das Millionen Kilogramm Fleisch von Millionen Hühnern, Schweinen und Rindern. Wenn wir uns erinnern, wie viele Nachhaltigkeitsziele der Fleischkonsum beeinflusst, macht das schon einen Unterschied. Es lohnt sich also durchaus, sich selbst für die Nachhaltigkeitsthemen einzusetzen. Je mehr Menschen mitmachen, desto stärker ist der Effekt. Mutter Teresa stand übrigens vor der gleichen Herausforderung. Selbst sie konnte mit ihrer Arbeit nur einigen Menschen direkt helfen. Trotzdem half sie unermüdlich. Sie soll in diesem Zusammenhang gesagt haben: „Ich alleine kann die Welt nicht ändern, aber ich kann einen Stein ins Wasser werfen, der viele kleine Wellen schlägt“. Und diese Wellen pflanzen sich fort, sie „ziehen Kreise“. Jeder von uns kann solche kleinen Wellen erzeugen. Du erinnerst Dich vielleicht an das kasachische Mädchen, das ihren Traum verwirklichen konnte, Konditorin zu werden. Jemand hat ihr geholfen, eine Perspektive im Leben zu bekommen. Nun plant sie selbst, Mädchen vom Land
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eine Ausbildung zu geben. So werden einzelne gute Taten vervielfältigt. Manchmal ist man auch nur ein Vorbild, dass Nachahmer findet: Eine Freundin erzählte uns zum Beispiel, dass sie ihre Eier immer direkt von einem Bauernhof in der Nähe kauft, bei dem die Hühner offensichtlich viel Freilauf haben und ökologisch gehalten werden. Auch werden die männlichen Küken dort aufgezogen statt getötet, wie sonst häufig üblich. Wir waren sofort davon begeistert. Seither bringt sie uns jede Woche Eier von diesem nachhaltigen Bauernhof mit. Inzwischen kaufen auch unsere Nachbarn dort ihre Eier, nachdem wir ihnen davon erzählt haben. So ziehen kleine Wellen ihre Kreise. In diesem Beispiel sind die Kreise überschaubar. Über das Internet mit seinen zahlreichen sozialen Netzwerken können nachhaltige Ideen schnell auch sehr große Kreise ziehen. Das haben wir bei Greta Thunberg wunderbar sehen können. Im August 2018 stand sie noch allein mit ihrem Schild „Schulstreik für das Klima“ vor dem Schwedischen Reichstag in Stockholm. 2019 demonstrieren Millionen Schüler in Ländern auf der ganzen Welt für mehr Klimaschutz – mit Greta als Symbolfigur [200]. Diese Beispiele zeigen, dass wir in der Masse auch mit kleinen Veränderungen etwas erreichen und die Wirkung sogar noch verstärkt wird, wenn wir Multiplikatoren und Nachahmer finden. Der resultierende Effekt kann gewaltig sein. Daher geht es mir in diesem Buch weniger darum, dass Du Dein ganzes Leben auf den Kopf stellst und ab sofort nur noch in Sachen Nachhaltigkeit unterwegs bist. Auch ich bin weder Idealist noch gelingt es mir, mich in allen Bereichen besonders nachhaltig zu verhalten. Es geht mir vielmehr darum, Dir ohne erhobenen Zeigefinger verschiedene Wege aufzuzeigen, wie Du etwas beitragen und bewirken kannst.
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Wichtig ist dabei, dass Du Vertrauen in Deine eigenen Möglichkeiten hast und überzeugt bist, mit Deinem Handeln etwas bewegen zu können – nämlich die Welt zu einem nachhaltigerem Platz zu machen. Denn nur diejenigen, die wirklich überzeugt sind, einen persönlichen Beitrag zum Erreichen eines oder mehrerer Nachhaltigkeitsziele leisten zu können, werden sich dauerhaft für die Ziele engagieren. Und das hat Folgen für die Betroffenen: Wer sich bewusst ist, selbst etwas zu einer besseren Welt beigetragen zu haben, ist stolz darauf, Teil des Ganzen zu sein. Wer das erkennt, ist schnell motiviert, noch mehr für eine nachhaltigere Welt zu tun. Eine Interviewpartnerin antwortete mir auf die Frage, wie sie sich in einer solchen Welt fühlen würde, so: „Bestimmt wäre ich sehr glücklich. Denn ich weiß, dass ich persönlich etwas dazu beigetragen habe.“
Verantwortungsgefühl – Was sagt Dein Gewissen? Wir sehen also, dass wir durch unser Verhalten durchaus etwas erreichen können. Das gilt jedoch auch umgekehrt: Wir können kaum neutral gegenüber den Nachhaltigkeitszielen sein. Wenn wir uns alle weiter so verhalten wie bisher, verschlimmern wir die Situation. Die Forscherin Jane Goodall beschreibt das so: „Vergesst nicht, dass Ihr jeden Tag Eures Lebens etwas bewirkt. Ihr habt Einfluss auf die Welt und könnt entscheiden, welche Art dieser Einfluss ist. Euer Leben ist von Bedeutung und Ihr bewirkt etwas“ [153]. Ob wir uns für mehr Nachhaltigkeit einsetzen, hängt dabei ganz wesentlich davon ab, ob wir uns selbst für Nachhaltigkeit verantwortlich betrachten und ob für uns soziale und ökologische Werte wichtig sind.
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Verantwortung dafür, welche Welt wir unseren Kindern hinterlassen Für Eltern und Großeltern ist es meist besonders wichtig, dass es ihren Kindern gut geht und sie eine glückliche Zukunft haben. Viele Eltern legen daher großen Wert auf die Erziehung, die richtigen Schulen und Hobbys und welche Werte sie den Kindern mitgeben. Doch welchen Stellenwert geben wir der Welt und wie werden wir sie unseren Kindern übergeben? Soll sie auch für unsere Kinder noch liebens- und lebenswert sein? Wir genießen die grünen Wälder, die frische Luft und die Artenvielfalt in einer – zumindest für uns – relativ sicheren und sozialen Gesellschaft. Man sagt, dass wir den Planeten nicht von unseren Eltern geschenkt bekommen, sondern ihn nur von unseren Kindern und Enkeln geborgt haben. Doch wenn wir weiterhin ein Mehrfaches der verfügbaren Rohstoffe und Naturdienstleistungen verbrauchen, dann geben wir weniger zurück als das, was wir uns geborgt haben. Wir unterschlagen quasi Jahr für Jahr einen Teil und leben dann auf Kosten unserer Kinder und Enkelkinder. Die Kinder verstehen das und sagen das der älteren Generation bei den Fridays-for-Future-Demonstrationen sehr deutlich. Sie erinnern ihre Eltern daran, dass sie es sind, die die Verantwortung haben, ihnen eine intakte Welt zu hinterlassen. Der deutsche Astronaut Alexander Gerst hat – an seine ungeborenen Enkel gerichtet – gesagt: „Ich hoffe für Euch, dass wir die Kurve noch kriegen“ [66]. Meine persönliche Sicht: Inzwischen habe ich die Herausforderungen und Möglichkeiten verstanden und bin mir bewusst, dass ich mit meinen Handlungen etwas erreichen kann. Wenn mich meine Kinder eines Tages
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fragen „Was habt Ihr getan, als Ihr erkannt habt, dass Ihr wenig nachhaltig lebt – also quasi auf unsere Kosten?“, dann möchte ich ihnen in die Augen schauen und ihnen eine Antwort geben können, auf die ich stolz bin.
Verantwortung für eine sozialere Welt In den vorangegangenen Kapiteln haben wir gesehen, dass sich ein relativ kleiner Teil der Weltbevölkerung (zu dem wir gehören) den Großteil der Ressourcen an Wasser, Öl, Ackerboden etc. unter den Nagel reißt und die Armen gleichzeitig am stärksten unter dem menschengemachten Klimawandel leiden. Wir haben dies als einen Grund für Hunger, Krieg und Flüchtlingsströme kennengelernt. Der Hirnforscher Gerald Hüther fragt in diesem Zusammenhang: „Wie halten Sie es mit Ihrer Würde? Ist das, was Sie tagtäglich tun und wie Sie Ihr Zusammenleben mit anderen Menschen gestalten, mit Ihrer eigenen Würde vereinbar?“ [103]. Immer mehr Menschen und auch Unternehmen möchten daher mit ihrem Lebensstil, ihrem Konsum- und Produktionsmustern helfen, dass die Nachhaltigkeitsziele auch in anderen Ländern erreicht werden. Dabei geht es sowohl um soziale Herausforderungen im globalen Süden als auch um soziale Themen in Deutschland. Das haben wir bei vielen der vorangegangenen Kapitel gesehen. Glücklicherweise gibt es auch hier ein Heer von Freiwilligen, die sich engagieren, weil sie anderen helfen wollen: Jeder Vierte in Deutschland war 2019 ehrenamtlich tätig [132]. Viele dieser Menschen übernehmen Verantwortung, die Nachhaltigkeitsziele in Deutschland zu erreichen.
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Warum wir manchmal trotzdem nicht tun, wovon wir überzeugt sind Es fühlt sich gut an, wenn unser Denken und unser Tun übereinstimmen. Doch wir kennen wohl alle die Situation, dass Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Vielleicht wollen wir weniger Süßigkeiten essen und lassen uns dann doch von der Schokolade verführen. Oder der innere Schweinehund war doch stärker als die Motivation, heute Sport zu machen. Gegen die eigenen Überzeugungen und Absichten zu handeln, erzeugt ein ungutes Gefühl. Psychologen sprechen von „kognitiver Dissonanz“. Dieses Phänomen ist auch typisch für Nachhaltigkeitsthemen, etwa, wenn es darum geht, öfter fleischlos zu essen, weniger zu fliegen oder häufiger mit dem Rad zu fahren. Unser Gehirn hat ein paar effektive Strategien parat, um dieses mulmige Gefühl des inneren Widerspruchs aufzulösen oder zumindest zu verkleinern. Ganz automatisch versucht das Gehirn entweder unsere Ansprüche dem Verhalten oder unser Verhalten den Ansprüchen anzupassen. Das Verhalten anzupassen, ist meist schwieriger und erfordert Disziplin. Doch wenn ich es schaffe, tatsächlich keine Schokolade mehr zu essen oder bei jedem Wetter mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren, dann fühlt es sich gut an. Die Dissonanz ist erfolgreich aufgelöst. Die andere Strategie ist hingegen viel einfacher und verführerischer: Wir erklären unser Verhalten so, dass es auf wundersame Weise doch irgendwie zu unseren Ansprüchen zu passen scheint. Gerne werden Widersprüche kleingeredet („Die eine Fahrt mit dem Auto verursacht sicherlich keinen zusätzlichen Temperaturanstieg“) oder gerechtfertigt („Die meisten Kollegen fahren ja auch mit dem Auto“). Oder wir passen unsere Ansprüche
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e infach etwas an („Ich mache ja schon anderer Stelle etwas für den Klimaschutz, da kann ich ruhig weiter mit dem Auto zur Arbeit fahren“). Niemand ist vor diesem Phänomen sicher. Doch es gibt ein paar Tricks, die wir anwenden können, um unser Vorhaben auch wirklich umzusetzen: Wenn wir uns beispielsweise immer wieder bewusst machen, warum wir in einer bestimmten Weise handeln wollen, werden wir es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch tun. Insbesondere, wenn Nachhaltigkeit zu unseren Werten gehört und wir uns wirklich für ein nachhaltigeres Leben entscheiden, können wir unseren inneren Autopiloten überlisten. Ein weiteres wirksames Mittel dazu ist es, Freunden und Kollegen von unserem Vorhaben zu erzählen. Denn je mehr Menschen in meinem Umfeld davon wissen, umso eher werde ich durchhalten.
Der Herdentrieb und soziale Kontrolle Es gibt noch einen weiteren Einfluss von anderen: Menschen imitieren häufig bis zu einem gewissen Grad das Verhalten ihrer Mitmenschen. Deswegen ist es so wichtig, dass heutzutage Themen wie der Erhalt der Umwelt oder soziale Gerechtigkeit als gesellschaftlicher Wert zum guten Ton gehören. Die Fortschritte bei fast allen Nachhaltigkeitszielen zeigen auch, dass sich immer mehr Menschen tatsächlich dafür einsetzen und etwas bewirken. Das bürgerschaftliche Engagement scheint auch breitflächig stärker zu werden: Global etwa bei den unüberhörbaren Fridaysfor-Future-Demonstrationen, regional etwa beim erfolgreichen Volksbegehren zur Artenvielfalt in Bayern sowie das wichtige lokale Engagement der vielen Freiwilligen etwa bei den Tafeln oder in Bürgerenergiegesellschaften.
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Es hilft uns besonders, wenn Freunde, Nachbarn und Kollegen sich ebenfalls für bestimmte Themen der Nachhaltigkeit engagieren. So konnte ich beispielsweise beobachten, dass es anfangs nur ein paar Kollegen waren, die mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen. Inzwischen werden es mehr und mehr, die immer häufiger mit dem Fahrrad ins Büro fahren. Das ist schön sichtbar an den immer volleren Fahrradständern und den vielen Fahrradhelmen in den Büros. Es ist überhaupt eine verblüffende Eigendynamik zu sehen, wenn man einmal angefangen hat, sich für bestimmte Themen der Nachhaltigkeit zu engagieren. Die ZEIT-Redakteurin Annabel Wahba beschreibt das so: „Es ist, als habe man eine Parallelwelt der Gutmenschen betreten, in der hinter jeder Tür, die man öffnet, eine weitere liegt“ [247]. Die eigene Motivation kann gestärkt werden, wenn wir uns mit Gleichgesinnten verbinden. Wir müssen uns dabei natürlich bewusst sein, dass wir uns möglicherweise in einer Blase befinden, in der solchen Informationen ausgetauscht werden, die unserer Haltung bestätigen. So ein „motiviertes Denken“ verringert übrigens automatisch das Risiko der oben beschriebenen kognitiven Dissonanz, weil die Informationen von vornherein zu unserer Haltung passen. Unser Hirn strebt Harmonie nicht nur zwischen unserem Denken und Handeln an. Wir verhalten uns unbewusst häufig auch so, dass wir mit den Erwartungshaltungen unserer Mitmenschen im Einklang sind. Entscheidend ist dabei insbesondere die Einstellung von Menschen, die uns wichtig sind. Dass solche sozialen Normen starken Einfluss haben, lässt sich in Schweden beobachten: Während die Schweden noch zu den Vielfliegern in Europa gehören, verändert sich zurzeit die Einstellung zum Fliegen bei vielen Schweden. Anhänger dieses Trends haben die verheerende Wirkung des
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Fliegens auf das Klima erkannt und möchten vom Fliegen auf die Bahn umsteigen. Zahlreiche prominente Vertreter haben geholfen, diese Einstellung in der Gesellschaft zu verbreiten. Es gibt sogar ein eigenes Wort dafür „Flygskam“, zu Deutsch „Flugscham“. Wer Freunde hat, die Anhänger dieses Trends sind, wird bei diesen wohl seltener Begeisterung für die Urlaubsfotos aus Bali oder vom Wochenendflug nach London auslösen. So war 2019 bereits innerhalb weniger Monate zu beobachten, dass die Anzahl der Flüge sank und die Zahl der Bahnreisenden spürbar stieg [206]. Gerade auch die Nachfrage nach Nachtzügen steigt, sodass Schweden das Angebot an Nachtzügen bereits ausbaut.
Kosten-Nutzen-Abwägung Das Homo-Oeconomicus-Konzept, dass der Mensch rein rational und egoistisch agiert, ist inzwischen stark umstritten [145]. Trotzdem werden wir uns nur dann für ein Thema einsetzen, wenn wir darin einen eigenen Vorteil sehen. Pessimisten sehen daher ein Problem für viele Themen der Nachhaltigkeit: Sie sind der Auffassung, dass eine Verhaltensänderung hin zu mehr Nachhaltigkeit häufig zuerst etwas koste oder mit Verzicht einhergehe. Der Nutzen stelle sich jedoch erst in weiter Zukunft ein oder trete am anderen Ende der Welt auf. Konkret würde das heißen, dass wir weiterhin häufig mit dem Flugzeug fliegen und viel Auto fahren, weil es sehr bequem und komfortabel ist. Dass es anderenorts zu Dürren kommt, der Meeresspiegel steigt und es auch bei uns zukünftig mehr Unwetter geben wird, sind zwar Kosten, die für uns heute jedoch kaum zu spüren sind. Erst zukünftige Generationen werden darunter leiden oder Menschen auf fernen S üdseeinseln.
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Deshalb sei die Wahrscheinlichkeit gering, dass die Menschen etwas tun. Doch viele Menschen, die sich für Nachhaltigkeit einsetzen, haben erkannt, dass es Nutzen auch jenseits der materiellen Dinge gibt. Gerade bei Themen zur Nachhaltigkeit liegt der Nutzen häufig in einer Steigerung des subjektiven Wohlbefindens, der Zufriedenheit und des persönlichen Glücks [243]. Achtsamkeit und Sinnhaftigkeit spielen dabei eine wichtige Rolle. Denn bei all dem Stress in unserem Alltag vergessen wir manchmal, wozu wir uns so abrackern. Wenn wir aber auf Dauer den Sinn und unsere Bedürfnisse vernachlässigen, werden wir eher unglücklich und ausgebrannt. Achtsamkeit hilft uns, eingefahrene Denkmuster und Gewohnheiten aufzubrechen. Wir konzentrieren uns dabei auf das Hier und Jetzt und lenken unsere Aufmerksamkeit verstärkt auf unsere Bedürfnisse und Werte. In vielen Fällen rücken dann Werte rund um Umwelt- oder Gerechtigkeitsfragen stärker in den Fokus. Wenn wir es durch mehr Achtsamkeit schaffen, uns aus dem Stress im Hamsterrad zu befreien, führt das sowohl zu einem gesteigerten eigenen Wohlbefinden als auch zu einem nachhaltigeren Verhalten. Ähnlich verhält es sich bei der Frage nach dem Sinn des Lebens. Wenn wir uns auf Sinn und Werte ausrichten, dann geht es dabei meist weniger darum, wie wir es uns selbst noch besser gehen lassen könnten. Schließlich findet sich im dreißigsten paar Schuhe wohl kaum der Sinn des Lebens. Vielmehr hat sich gezeigt, dass Menschen eher dann von einem erfüllten Leben sprechen, wenn sie sich für etwas einzusetzen, von dem auch andere profitieren [252]. Eine Studie hat sogar gezeigt, dass Menschen, die ehrenamtlich für andere tätig sind, länger leben [133].
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Die Nachhaltigkeitsziele sprechen hierzu viele Möglichkeiten an. Schließlich geht es darum, dass alle heute lebenden Menschen sowie unsere Kinder und Enkelkinder die Chance auf ein Leben in Würde, Gerechtigkeit und Frieden mit sozialer Sicherheit haben, während wir gleichzeitig unsere natürlichen Lebensgrundlagen schützen. Beeindruckend waren für mich diesbezüglich etwa die Gespräche mit dem charismatischen Fußballstar Neven Subotic, der mit Borussia Dortmund schon Meister wurde und im Champions-League-Finale stand. Jemand wie Neven hat so viel erreicht und natürlich liebt er den Fußball. Doch mein Eindruck war, dass seine Augen ganz besonders leuchten, wenn er von seiner Subotic-Stiftung erzählt, durch die er schon so vielen Menschen Zugang zu Wasser und Sanitäranlagen ermöglicht hat. Für ihn ist dieses persönliche soziale Engagement eine wichtige Quelle für seine Erfüllung. Die Quintessenz dieses Abschnitts ist, dass es uns gelingen kann, uns hochmotiviert und begeistert für nachhaltige Themen einzusetzen und daraus Erfüllung und Glück zu ziehen – etwa, weil wir aktiv dazu beitragen, anderen zu helfen oder die Welt in einem lebenswerten Zustand an unsere Kinder und Enkelkinder zu übergeben.
Also los – packen wir es an Angenommen, Du hast das Kapitel bis hierher gelesen und bist entschlossen, Dich für ein Nachhaltigkeitsthema einzusetzen: Dein innerer Kompass bestätigt Dir, dass es das Richtige ist, die sozialen Normen unterstützen Dein Vorhaben und Du glaubst, dass es Dir letztendlich mehr Glück und Erfüllung bringt, als es Dich kostet. Doch sei ehrlich zu Dir selbst. Du wirst vermutlich nur dann etwas spürbar in Deinem Leben verändern,
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wenn Dir ein Thema wirklich am Herzen liegt. Was sind Deine Nachhaltigkeitsthemen, für die Du brennst? Klimakatastrophe, Hunger und Elend, Artensterben, … ? Ob Du Dich für eines oder mehrerer dieser Themen begeisterst, entscheidest nur Du ganz allein. Wenn Du Deine Leidenschaft für ein Thema gefunden hast und es wirklich willst, dann wirst Du auch den Sprung vom Wollen zum Tun schaffen. Folgende Ausreden werden Dich dann nicht von der Verfolgung Deines Ziels abhalten: • Zu teuer: Ja, fair gehandelte und ökologisch unbedenklichere Produkte sind häufig teurer. Doch wir werden im nächsten Kapitel mehrere Arten von Engagement betrachten, die kaum etwas mit Geld zu tun haben. • Zu wenig Zeit: Meist muss ich Zeit für mein Engagement investieren. Manches Engagement kostet zwar nur wenig Zeit, doch selbst, wenn ich nur mein Konsumverhalten ändern möchte, dann muss ich vielleicht einen zusätzlichen Weg in Kauf nehmen, was im Alltagsstress schnell dazu führen kann, in alte Muster zurückzufallen. • Zu kompliziert: Wir sind schnell überfordert, wenn wir uns in Bezug auf alle Nachhaltigkeitsthemen perfekt verhalten möchten. Zum einen haben wir als Verbraucher selten wirklich die notwendige Transparenz, um die ökologischen und sozialen Auswirkungen eines Produkts zu verstehen. Zum anderen haben wir auch Zielkonflikte zwischen den Nachhaltigkeitszielen gesehen. • Zu bequem: Häufig ist es einfach bequemer, ins Auto vor der Tür zu steigen, statt 10 min zu laufen oder bei Nieselregen mit dem Fahrrad zu fahren.
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Natürlich werden wir auch mit der größten Begeisterung für ein Thema manchmal inkonsequent handeln. Doch es geht ja weniger um das Erreichen eines kurzfristigen Erfolgs, als vielmehr darum, dass wir konstant etwas zum Gelingen der Nachhaltigkeitsziele beitragen. Schließlich haben wir gesehen, dass Politik und Wirtschaft kaum von ganz alleine die notwendigen Veränderungen einleiten werden. Es ist unsere eigene Verantwortung, aktiv daran mitzuwirken, unsere Welt nachhaltiger zu gestalten. Wenn sich genug Menschen für die Werte der Nachhaltigkeit engagieren, können wir zusammen eine Welt schaffen, die wir guten Gewissens unseren Kindern übergeben können. Dafür ist es notwendig, unser Leben selbst in die Hand zu nehmen und wirklich zu handeln. Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir wünschst für diese Welt. (Mahatma Gandhi) Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie selbst zu gestalten. (Willy Brandt)
Wie kannst Du selbst für mehr Nachhaltigkeit sorgen?
Vielleicht haben die bisherigen Kapitel des Buchs dazu beigetragen, einen Funken zu entzünden, der die in Dir steckenden Kräfte und Deine Kreativität weckt, damit Du sie für die Nachhaltigkeit einsetzen kannst. In diesem Kapitel möchte ich Dich einladen und ermutigen, Dich für das ein oder andere Nachhaltigkeitsthema konkret zu engagieren. Hierzu zeige ich verschiedene Wege für Dein Engagement auf. Ich hoffe, es ist etwas dabei, wofür Du Dich begeistern kannst.
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Medert, 17 Ziele für eine lebenswerte Zukunft, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61468-6_3
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Im Alltag: Dein eigenes Verhalten für mehr Nachhaltigkeit Nachhaltig leben ist wie nachhaltig denken – nur krasser.
In den vorherigen Kapiteln haben wir gesehen, dass wir mit unserem Lebensstil einen spürbaren Einfluss darauf haben, wie gut wir die Nachhaltigkeitsziele erreichen. An zahlreichen Stellen habe ich bereits ein paar Ideen beschrieben, wie Du durch bewussteres Verhalten an der einen oder anderen Stelle etwas bewirken kannst. Zu verschiedenen Lebensbereichen möchte ich jeweils drei besonders wirksame Tipps hier noch einmal kurz aufführen.
Nachhaltige Ernährung 1. Mehrere Fliegen mit einer Klappe erschlägst Du, wenn Du weniger Fleisch und Wurst konsumierst. Das hilft unter anderem gegen den Hunger in Entwicklungsländern, gegen Verschmutzung von Böden und Grundwasser bei uns und auch gegen den weltweiten Klimawandel. 2. Saisonal, regional und bio sind die drei Aspekte, auf die Du beim Einkauf von Lebensmitteln achten kannst, um Dich nachhaltiger zu ernähren. Apps wie „Grünzeit“ oder „Saisonkalender“ können Dich dabei unterstützen zu sehen, welche Lebensmittel gerade bei uns frisch geerntet werden. Durch kurze Transportwege und einem Anbau außerhalb von geheizten Gewächshäusern verursachen saisonale Produkte weniger Treibhausgase. Wenn Du Appetit auf Tomaten außerhalb der Saison hast, findest Du vielleicht zumindest Bioprodukte. Die Ökolandwirtschaft erhält nämlich die Bodenqualität
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und setzt kaum Pestizide ein, was wiederum der Artenvielfalt zugutekommt. Vielleicht hast Du ja sogar eine Möglichkeit, im Garten etwas Leckeres selbst anzubauen. 3. Wenn Du es schaffst, möglichst wenig Lebensmittel wegzuwerfen, dann hilft das ebenfalls vielen Nachhaltigkeitszielen: Wenn wir weniger wegwerfen, werden weniger Ressourcen wie wertvolles Ackerland, knappes Wasser und klimaschädliche Energie sinnlos verschwendet. Wenn Du Deine Einkäufe sorgfältig planst und die Lebensmittel gut lagerst, unterstützt Du mehrere Klimaziele von Hunger bis zum Klima.
Nachhaltiger Konsum 1. Weniger kaufen: Wenn Du Dich vor einem Kauf noch einmal bewusst fragst, ob Du das Produkt wirklich brauchst, dann vermeidest Du vielleicht den ein oder anderen unnötigen Einkauf. Das hilft zum Beispiel, weil die meisten Produkte bei der Produktion, Lagerung und Transport Treibhausgase ausstoßen und häufig auch noch Plastikverpackungsmüll verursachen. Wenn Du weniger unnötige Textilien kaufst, kann mehr Ackerfläche und knappes Wasser für Lebensmittel statt für Baumwolle genutzt werden. 2. Sorgsam auswählen: Wenn Du weniger Dinge kaufst, kannst Du das gesparte Geld für die Produkte einsetzen, die Du wirklich brauchst: Vielleicht gibt es diese in einer möglichst langlebigen, ökologisch unbedenklichen und fairen Version. 3. Lange Nutzungsdauer: Es müssen weniger Produkte hergestellt werden, wenn Du Dinge sorgsam behandelst, möglicherweise mit Freunden teilst und sie reparierst statt wegzuwerfen.
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Nachhaltige Mobilität 1. Klimaschonender Urlaub: Wenn Du für Deinen Urlaub weder Flugzeug noch Kreuzfahrtschiff nutzt, dann hast Du schon die größten klimaschädlichen Reiseformen umschifft. Noch nachhaltiger wird Deine Anreise mit Bus und Bahn. Spezialisierte Reiseanbieter (z. B. www.wirsindanderswo.de) können Dich hierbei unterstützen. 2. Umsteigen im Alltag: Noch besser als der Umstieg vom Diesel oder Benziner auf ein Elektroauto ist der Umstieg auf Fahrrad, Bus und Bahn. Wenn Du es schaffst, diese Verkehrsmittel als erste Wahl für Deine Wege zur Arbeit, zum Einkaufen, zum Sport oder zu Freunden zu machen, trägst Du dazu bei, weniger Treibhausgase auszustoßen. Zudem entsteht weniger Mikroplastik durch Reifenabrieb. Gerade, wenn Du zu Fuß gehst oder das Fahrrad nutzt, hat der Umstieg auch einen nicht zu unterschätzenden Effekt für Dich selbst und Deine Gesundheit: Regelmäßige Bewegung verringert das Risiko für Übergewicht, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Probleme. 3. Kompensieren: Wenn Flüge und viele Fahrten mit dem Auto unvermeidlich sind, kannst Du Deine Treibhausgasemissionen kompensieren. Dafür gibt es verschiedene Anbieter, wie etwa Atmosfair (gemeinnützige GmbH) und Myclimate (gemeinnützige Stiftung).
Nachhaltig Wohnen 1. Heizen: Da wir zu Hause die meiste Energie zum Heizen verbrauchen, ist es besonders wirksam, wenn Du beim Heizen den Energieverbrauch senkst. Du kannst darauf achten, nur bei Bedarf zu heizen, die
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Temperatur nicht zu hoch zu wählen und energetisch effizient zu lüften (Stoßlüften statt Fenster auf Kipp). Wenn Du Eigentümer bist, kannst Du – wo sinnvoll – zusätzlich noch energetisch sanieren und einen Teil der benötigten Energie über Solarthermie gewinnen. 2. Strom: Wenn Du einen „echten“ Ökostromanbieter (mit Öko-Labels wie „Grüner-Strom“ oder „OK-Power“) wählst, unterstützt Du den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wenn Du gleichzeitig effiziente Elektrogeräte verwendest und darauf achtest, keinen unnötigen Strom zu verschwenden, senkst Du den absoluten Bedarf an erzeugtem Strom. Als Eigentümer kannst Du möglicherweise durch eine Photovoltaikanlage auf dem Dach selbst erneuerbare Energien gewinnen. 3. Artenvielfalt: Wenn Du einen Garten oder einen Balkon hast, kannst Du durch verschiedene geeignete Blühpflanzen und Bäume helfen, die Artenvielfalt zu erhalten. Insektenhotels und Nisthilfen für Vögel bieten Tieren Alternativen in unseren aufgeräumten und zugebauten Grundstücken.
Beeinflusse Dein persönliches Umfeld Wenn Du Dich immer nachhaltiger verhältst, werden das Deine Familie, Freunde, Nachbarn, Arbeitskollegen und Sportkameraden sicherlich wahrnehmen. Gerade, wenn Dein persönliches Umfeld grundsätzlich offen für Nachhaltigkeitsthemen ist, entsteht allein dadurch oft ein Multiplikatoreffekt. Andere werden Deinem Beispiel folgen und im gegenseitigen Austausch unter Gleichgesinnten befruchtet Ihr Euch mit neuen Ideen und Wissen.
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Dann kommt es Dir vielleicht bald so vor, als sei jetzt die ganze Welt aktiv dabei, das ein oder andere Nachhaltigkeitsziel umzusetzen. Doch meist ist es eher eine kleine Blase von Menschen in Deinem Umfeld, die Deine Werte und Einstellungen teilen. Viele andere haben weder das Bewusstsein für die Herausforderungen noch erkennen sie ihre Einflussmöglichkeiten. Auch das Verständnis für die Wichtigkeit dieser Themen fehlt vielen. Trotzdem empfiehlt es sich nicht, jeden in Deinem Umfeld von Deiner Haltung überzeugen zu wollen und andere ständig zu kritisieren, was sie alles „falsch“ machen. Niemand möchte missioniert oder angeklagt werden. Fast automatisch verteidigen sich die Betroffenen dann und es kommt zu Widerstand. Zudem sind die wenigsten von uns wirklich ein so leuchtendes Vorbild in allen Bereichen der Nachhaltigkeit, dass sie sich von einer hohen moralischen Stellung erlauben sollten, andere zu kritisieren. Ich nehme mich hier gerne als Beispiel: Zwar geben wir uns in der Familie viel Mühe, immer ein wenig nachhaltiger zu leben. Doch es gibt noch unzählige Bereiche, in denen ich mich alles andere als nachhaltig verhalte: So habe ich immer noch ein Auto, produziere Unmengen Müll und bestelle viel zu oft online. Und doch hoffe ich, Dich mit diesem Buch zu inspirieren. Auch erzähle ich gerne meinen Kollegen, dass ich morgens mit viel mehr Tatendrang im Büro ankomme, seitdem ich 40 min durch Feld und Wald mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre, statt mich fast genauso lang mit dem Auto in den Stau zu stellen. Die aufgehende Sonne im Wald und das Gezwitscher der Vögel dort sind so viel wohltuender als die Aufregung über Drängler auf der Autobahn. Indem wir etwas Vorleben oder anderen von unseren positiven Erfahrungen erzählen, können wir viel erreichen.
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Wenn Du Mutter oder Vater bist, hast Du zusätzlich eine große Möglichkeit, die Nachhaltigkeit als Wert bei Deinen Kindern zu verankern. Du bist dabei zu allererst Vorbild: Wenn Du nachhaltiges Verhalten vorlebst, eifern Dir Deine Kinder häufig nach. Wenn Du Deinen Kindern die Möglichkeit gibst, Umwelt hautnah zu erleben, ist es wahrscheinlicher, dass sie sich auch für deren Schutz einsetzen. Kinder, die Wald, Tiere und Bauernhöfe nur aus Büchern und Fernsehen kennen, werden sich kaum dafür begeistern. In Bezug auf das Nachhaltigkeitsziel „Gleichberechtigung“ ist es insbesondere wichtig, unsere Söhne so zu erziehen, dass sie Mädchen und Frauen als gleichwertige Partner auf Augenhöhe wahrnehmen und behandeln. Gleichzeitig sollten wir vermeiden, dass unsere Kinder Mädchen als grundsätzlich verletzlich und Jungs als grundsätzlich stark und unabhängig einschätzen. Es sind oft kleine – und vielleicht gut gemeinte – Bemerkungen, wie „Sie ist echt mutig für ein Mädchen“, die solche alten Denkmuster zementieren. Unterstützen wir Mädchen lieber darin, starke Frauen mit einem kraftvollen Selbstvertrauen zu werden.
Engagiere Dich politisch In den vorangegangenen Kapiteln haben wir gesehen, dass wir durch unser Verhalten sehr wohl viele Nachhaltigkeitsziele beeinflussen können. Je mehr Menschen sich engagieren, desto größere und schnellere Fortschritte werden wir machen. Doch in einigen Bereichen – wie etwa beim Klimawandel – ist ein radikalerer und schnellerer Wandel notwendig, als er sich durch einzelne gute Vorbilder und viele kleine Schritte umsetzen lässt. In diesen Bereichen müssen
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sich Gesetze sowie Steuern ändern und Investitionen sowie Subventionen müssen anders eingesetzt werden. Mit diesen Instrumenten kann die Politik die Richtung einer Gesellschaft lenken und beeinflussen. Wir sehen an vielen Stellen, dass das funktioniert: Auf nationaler Ebene gab es durch Subventionen zum Beispiel eine Starthilfe für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Auf lokaler Ebene haben Städte wie Amsterdam oder Kopenhagen eindrucksvoll gezeigt, wie durch eine durchdachte Infrastruktur ein großer Teil des bisherigen Autoverkehrs auf Fahrräder umgestellt werden kann. Wenn Du solche Veränderungen mitgestalten möchtest, macht es durchaus Sinn, dass Du Dich politisch engagierst.
Wählen gehen Das klingt zunächst offensichtlich. Denn, wenn Du Deine Stimme bei Wahlen abgibst, beeinflusst Du maßgeblich die grundlegende Ausrichtung der Politik – egal ob auf Stadt- oder auf Landes-, Bundes- bzw. EU-Ebene. Wenn Dir also bestimmte Nachhaltigkeitsthemen besonders wichtig sind, dann wähle die Partei und die Kandidaten, die für diese Themen stehen und die ihre Schwerpunkte entsprechend setzen. Und trotzdem verzichten viele Bürger auf ihr Wahlrecht. Wenn Du bei einer Wahl zu Hause bleibst, werden andere entscheiden, wer Dich vertreten soll. Oft gehen Wahlen auch eng aus und anders als vorhergesagt. Daher kommt es auf jede einzelne Stimme an.
Beeinflusse die gewählten Politiker Auch nach den Wahlen kannst Du die Politik beeinflussen. Wenn Du die gewählten Volksvertreter und Regierungen dazu bewegen möchtest, Deinem Anliegen
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mehr Aufmerksamkeit zu widmen, hast Du auch außerhalb von Wahlen einige Möglichkeiten.
Schreibe Politiker direkt an Politiker sollen ihr Volk repräsentieren. Also kannst Du ihnen auch Deine Meinung und Deine Wünsche mitteilen. Wenn etwa ein Mitglied des Bundestags aus seinem Wahlkreis von vielen Menschen immer wieder bestimmte Forderungen hört, kann das Eindruck machen. Politiker möchten schließlich wiedergewählt werden. Unter www. abgeordnetenwatch.de findest Du heraus, wer Deinen Wahlkreis vertritt. Da Politiker heute fast alle eine Homepage, eine Facebook-Seite oder einen Twitter-Account haben, kannst Du Dir aussuchen, wie Du Deinen Volksvertreter kontaktieren möchtest. Gerade, wenn Abstimmungen zu Nachhaltigkeitsthemen im Bundestag anstehen, kannst Du den Abgeordneten Deine Sicht mit auf den Weg geben.
Unterzeichne Petitionen Das Petitionsrecht ist in Deutschland ein Grundrecht (Art. 17 im Grundgesetz): „Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.“ Inzwischen gibt es auf EU-, auf Bundes- und Landesebene offizielle Wege, über das Internet Petitionen an die Parlamente zu richten (z. B. beim Bundestag www.epetitionen.bundestag.de). Zusätzlich gibt es auch nichtoffizielle Onlinepetitionen auf privaten Plattformen, wie etwa Change.org, openPetition oder weACT.
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Auf all diesen Plattformen kannst Du entweder eine eigene Petition starten oder bestehende Petitionen elektronisch mitunterzeichnen. Mit ein paar Klicks bekundest Du mit wenig Aufwand, dass Du dem Inhalt der Petition zustimmst. Der Aufwand ist recht gering, die Wirksamkeit leider häufig auch. Weder ist sichergestellt, dass die Politiker die Inhalte der Petition überhaupt wahrnehmen, noch, dass sie die Forderungen der Petition politisch umsetzen. Wenn eine Petition viele Unterstützer hat, wird sie vermutlich von vielen Politikern wahrgenommen. Doch zum einen bleibt da immer die Befürchtung, dass solche Onlinepetitionen manipuliert werden könnten und zum anderen ist eine Petition nur einer von vielen Tropfen in der täglichen Informationsflut, die unsere Politiker jeden Tag verarbeiten müssen. Häufig sind Anliegen besonders dann erfolgreich, wenn Petitionen Hand in Hand mit anderen Maßnahmen gehen.
Beteilige Dich an Volksbegehren Volksbegehren sind stärker als Petitionen. Hat ein Volksbegehren ausreichend viele Unterschriften, dann kann darüber ein Gesetzesentwurf in ein Parlament eingebracht werden, über den dann abgestimmt werden muss. Sollte das Volksbegehren abgelehnt werden, können die Initiatoren dann sogar eine Volksentscheidung verlangen. Eine praktische Rolle spielen Volksentscheide vor allem auf Ebene der Bundesländer. Ein prominentes und erfolgreiches Beispiel war 2019 das Volksbegehren in Bayern, das unter dem Titel „Rettet die Bienen“ bekannt wurde. Über 1,7 Mio. Wahlberechtigte haben sich eingetragen und das bayerische Parlament hat die Forderungen zum Schutz der Artenvielfalt entsprechend umgesetzt [207].
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Auf kommunaler Ebene entspricht das sogenannte Bürgerbegehren dem Volksbegehren auf Landesebene. Hunderte solcher Bürgerbegehren werden jedes Jahr auf den Weg gebracht und mehr als jedes Dritte davon mit Erfolg [187]. Gerade auf kommunaler Ebene bieten Dir solche Bürgerbegehren die Möglichkeit, Dein unmittelbares Lebensumfeld selbst mitzugestalten.
Nehme an Demonstrationen teil Demonstrationen sind ein weiterer Baustein, um die Aufmerksamkeit auf Dein Nachhaltigkeitsthema zu lenken und schließlich auch die Politik zu beeinflussen. Selbstverständlich wird eine Demonstration allein kaum zu neuen Gesetzen oder politischen Entscheidungen führen. Doch Demonstrationen wirken auf verschiedene Weise: Demonstrationen schaffen Aufmerksamkeit: • Demonstrationen bringen Dein Thema auch zu Menschen, die sich bisher kaum damit auseinandergesetzt haben. Das geht heutzutage weit über die Passanten vor Ort hinaus, an denen die Demonstration vorbeiläuft. Erfolgreiche Demonstrationen schaffen es auch über Presse und Internet, viele Menschen zu erreichen und im Gedächtnis zu bleiben. Kreative Demoschilder werden häufig fotografiert und landen anschließend auf Facebook, Twitter, Messangern und anderen sozialen Medien. • Demonstrationen bestärken die Teilnehmer: Es wirkt automatisch motivierend, wenn Du siehst, dass Dein Thema auch anderen Menschen wichtig ist. Du kannst dort neue Kontakte knüpfen und Dich vernetzen. Außerdem kann es eine intensive Erfahrung sein, sich mit anderen für ein Thema zu engagieren. Noch Jahre
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später wirst Du stolz darüber berichten, dass Du damals für Dein Thema auf die Straße gegangen bist. • Demonstrationen tragen zum politischen Wandel bei: In Kombination mit anderen Formen des politischen Engagements und über die Zeit können Demonstrationen durchaus zu den erwünschten politischen Änderungen führen. Bei lokalen Demonstrationen – etwa für ein Naturschutzgebiet – kann die Umsetzung kurzfristig gelingen. Bei großen Themen wie den Frauenrechten hat es Jahrzehnte gedauert, bis sich etwas geändert hat. Daher ist die Ausdauer wichtig. Beispielsweise haben sogar viele Regierungsmitglieder sehr schnell für die Fridays-for-Future-Demonstrationen Sympathie gezeigt. Doch trotz der öffentlich geteilten Besorgnis, gab es zunächst keine politischen Veränderungen. Erst nach einiger Zeit wurde ein „Klimakabinett“ einberufen und auf einmal konnte eine CO2-Abgabe innerhalb der Regierung diskutiert werden. Das zeigt, dass in einer Demokratie auf Dauer kaum erfolgreich gegen die Straße regiert werden kann. Es gibt keine passende Demonstration zu Deinem Nachhaltigkeitsthema? Dann kannst Du auch eine Demonstration selbst organisieren – am besten gemeinsam mit Freunden und abgestimmt mit anderen Gruppen, die sich auch für Euer Thema begeistern können. Dann ist die Demonstration anzumelden, und Du solltest möglichst viele Leute mobilisieren und Aufmerksamkeit bei Medien und sozialen Netzwerken erzeugen. Im Internet gibt es zahlreiche Tipps für die Organisation einer eigenen Demonstration.
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Werde selbst Politiker Bei allen bisherigen Anregungen für politische Beteiligung ging es darum, die Politiker zu beeinflussen. Doch am Ende des Tages bist Du davon abhängig, dass die Abgeordneten der Parteien auf Deine Aktionen reagieren. Anders ist es, wenn Du selbst in die Politik gehst, um direkt etwas zu bewegen. Als Politiker kannst Du die von Dir geforderten Veränderungen selbst aktiv mitgestalten. Politiker wirst Du typischerweise in einer Partei. Bestenfalls findest Du eine Partei, bei der Du zumindest hinter den meisten Zielen stehen kannst. Eintreten kannst Du meist sehr einfach. In vielen Orten hast Du auf kommunaler Ebene auch ohne lange Parteizugehörigkeit die Chance, ein Amt zu übernehmen. Eine spezielle Ausbildung brauchst Du dafür nicht. Allerdings solltest Du Netzwerke pflegen können sowie rhetorisch und argumentativ überzeugend sein. Außerdem musst Du Dir bewusst sein, dass nur wenige den Weg vom „Hobbypolitiker“ auf Orts- oder Kreisebene zum Berufspolitiker auf Landes- oder Bundesebene schaffen.
Engagiere Dich sozial oder für die Umwelt Du kannst Dich recht einfach engagieren, indem Du – je nach verfügbarem Budget – Geld für eine Organisation spendest, die besonders solche Nachhaltigkeitsziele unterstützt, die Dir am Herzen liegen. Zu jedem Ziel gibt es passende Organisationen, die auf Spenden angewiesen sind, um ihre Projekte in Deutschland oder weltweit umzusetzen. Verschiedene Seiten, wie die des Deutsche Zentralinstituts für soziale Fragen (www.dzi.de)
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nterstützen Dich dabei, zertifizierte Organisationen für u Dein Anliegen zu finden. Bei vielen dieser Organisationen kannst Du auch Mitglied werden. Besonders bei den Nichtregierungsorganisationen von Amnesty International bis zum WWF sorgt eine hohe Mitgliederzahl sowohl für regelmäßige Beitragseinnahmen als auch für mehr Einfluss im politischen Diskurs. Auch kleinere Organisationen und Projekte benötigen finanzielle Unterstützung für ihre Themen. Auch solche findest Du online, z. B. unter www.betterplace.de oder in einigen Städten unter www.vostel.de. Doch neben Geldspenden benötigen die meisten Organisationen auch Menschen, die ihre Zeit zur Verfügung stellen. Zeit ist für viele von uns ein kostbares Gut und wir können uns meist kaum vorstellen, dass wir bei unserem ohnehin schon vollgepackten Alltag Zeit für ein zusätzliches Engagement herausschneiden können – und schon gar nicht regelmäßig. Glücklicherweise ist jeder Fünfte in Deutschland trotzdem in irgendeiner Art und Weise ehrenamtlich tätig. Für viele Organisationen und Vereine ist dieses Engagement von unschätzbarem Wert. Doch selbst, wenn Du Dir ein dauerhaftes Engagement in einem Ehrenamt schlecht vorstellen kannst, so kannst Du auch Möglichkeiten für ein kurzzeitiges und spontan ausgeübtes Engagement finden. 2019 war jeder Vierte in Deutschland ehrenamtlich tätig [132]. Dein Engagement muss zu Deiner Lebenssituation passen und auch, wenn Du nur einmal im Jahr helfen kannst, wirst Du damit trotzdem etwas bewirken. Interessant ist, dass Menschen durch so ein Engagement häufig innere Zufriedenheit erfahren, neue Ideen und Kontakte knüpfen können und dadurch ihr Thema weit über den konkreten Einsatz hinaus unterstützen. Die Art der Unterstützung kann ganz verschieden sein. Es kann dabei um Tätigkeiten gehen, die jeder kann.
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ierfür gibt es inzwischen zahlreiche FreiwilligenplattH formen, die potenzielle Freiwillige und Organisationen mit Unterstützungsbedarf zusammenbringen (z. B. www.aktion-mensch.de). Dort kannst Du den Ort und Themenbereich eingrenzen, um ein passendes Projekt zu finden. Vielleicht wirst Du auch auf eine Müllsammelaktion in Deiner Nachbarschaft aufmerksam, an der Du teilnehmen kannst. Vielleicht hast Du auch schon Kontakt zu einem Projekt oder einer Organisation und kannst dort Deine persönlichen Fähigkeiten und Erfahrungen einbringen: Gerade kleine und mittlere Organisationen brauchen auch Leute, die ihnen z. B. eine Webseite aufbauen, die ihre Projekte managen oder Finanzen verwalten. Manchmal kannst Du auch schon mit Deinem Netzwerk unterstützen, indem Du die Organisation mit den richtigen Kontakten in Verbindung bringst, die ihnen helfen können. Wenn Du mit der Schule fertig und noch unter 27 bist, könnten auch Freiwilligendienste wie das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) oder das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) für Dich interessant sein. Dort kannst Du Dich für Dein Nachhaltigkeitsthema engagieren, nebenbei erste Erfahrungen in der Arbeitswelt sammeln und Deine Persönlichkeit weiterentwickeln. Neben diesen klassischen Angeboten gibt es gerade für junge Menschen noch zahlreiche weitere Angebote, wie etwa Weltwärts (www. weltwaerts.de), bei denen sich die Teilnehmer in sozialen und ökologischen Projekten im Ausland engagieren – also etwa in einer Schule in Jordanien oder einem Nationalpark in Thailand. Unabhängig vom Alter gibt es eine Vielzahl von Freiwilligenportalen für weltweite Projekte. Bei www. volunteerworld.com kannst Du etwa eines der 17 Nachhaltigkeitsziele direkt auswählen und dann auf der
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eltkarte sehen, wo es passende Projekte gibt und wie W viele Wochen der Einsatz dauern soll.
Arbeite nachhaltig In zahlreichen Kapiteln dieses Buchs haben wir gesehen, dass auch Unternehmen eine wichtige Rolle bei den Nachhaltigkeitszielen spielen. Große Konzerne erstellen oft schon Nachhaltigkeitsberichte und haben eigene Bereiche, die sich um Nachhaltigkeit und soziales Engagement kümmern. Trotzdem kannst Du dort, wie auch in kleinen und mittleren Unternehmen, als Arbeitnehmer versuchen, innerhalb Deines Unternehmens Bewusstsein für Deine Nachhaltigkeitsthemen zu schaffen. Wie nachhaltig arbeiten wir? Wie nachhaltig sind unsere Produkte? Wie sozial und fair sind die Rohstoffe und Zulieferteile, die wir kaufen? Werden Flüge von Dienstreisen kompensiert? Gibt es Alternativen zum Plastikbecher im Kaffeeautomaten? Übrigens brauchst Du keine Angst haben, als Ökofreak oder Sozialromantiker ausgelacht zu werden. Zahlreiche Studien haben inzwischen bewiesen, dass nachhaltig handelnde Unternehmen auch erfolgreicher sind.
Finde eine nachhaltige Arbeit, die zu Deinem Ikigai passt Vielleicht bist Du jedoch weder mit Deiner Arbeit noch mit Deinem Arbeitgeber zufrieden. Besonders, wenn Du ohne inneren Antrieb einfach Dienst nach Vorschrift machst, könnte das japanische Konzept „Ikigai“ interessant für Dich sein [156]. Ikigai bezieht zwar alle Lebensbereiche mit ein und geht damit über den Job
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hinaus. Doch die Arbeit kann darin eine wichtige Rolle spielen. Schließlich verbringen wir viel Zeit mit Arbeit und es wäre doch bedauerlich, wenn wir nur an Wochenenden und im Urlaub glücklich wären. Besser wäre eine Arbeit, die wir gerne machen und die uns erfüllt. Das Ikigai-Modell kann hierbei helfen. Es besteht aus vier Grundfragen, die jeweils in einem Kreis dargestellt werden: • • • •
Worin bist Du gut? Was liebst Du? Was braucht die Welt? Wofür kannst Du bezahlt werden?
Interessant sind nun die Bereiche, an denen sich jeweils zwei Kreise überschneiden. • Leidenschaft: Wenn Du in etwas gut bist und es gleichzeitig liebst, dann erfüllt Dich diese Tätigkeit mit Leidenschaft. Vielleicht bist du ein leidenschaftlicher Fußballfan und bist ein Experte für alles rund um den Fußball. • Beruf: Wenn Du jemanden findest, der Dich für eine Tätigkeit bezahlt, und Du sie auch einigermaßen gut kannst, dann erhältst Du ein Einkommen für einen Beruf. Vielleicht kannst Du gut Fliesen verlegen und Menschen bezahlen Dich gerne, wenn sie ihr Bad renovieren möchten. • Berufung: Wenn Du etwas findest, was die Welt braucht und Du dafür bezahlt wirst, dann ist das Deine Berufung. Vielleicht verdienst Du Dein Geld als Pfleger mit der Betreuung älterer Menschen, die auf Deine Hilfe angewiesen sind. • Aufgabe/Mission: Wenn Du etwas tust, was Du liebst und die Welt braucht, dann ist das Deine Mission.
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Vielleicht bringst Du Flüchtlingskindern ehrenamtlich Deutsch bei – einfach weil es Dir Freude macht und Du auch weißt, dass sie ohne Deutschkenntnisse keine Chance in der Schule haben werden (Abb. 1). Du erreichst den Idealzustand des Ikigai, wenn Du etwas findest, in dem sich alle vier Bereiche treffen: Dann brennst Du für etwas, was die Welt braucht, was Du gut kannst und wofür Du auch noch bezahlt wirst. Zwar geht es beim Konzept des Ikigai um mehr, als einen erfüllenden Job zu finden. Doch wenn Du einen Job findest, der auch
Abb. 1 Ikigai. (Abbildung selbstständig bearbeitet auf Grundlage von Miralles F et al. 2018: Ikigai: Gesund und glücklich hundert werden. Ullstein, Berlin)
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den Kreis „Was braucht die Welt“ bedient, dann wirst Du vermutlich auch mit Deiner Arbeit mindestens eines der Nachhaltigkeitsziele unterstützen. Wenn Du einen solchen Sinn in der Arbeit siehst, wird es Dir leichter fallen, morgens aufzustehen und aus Deinem Beruf Lebensenergie zu ziehen – statt abends nach einem Tag im Hamsterrad ausgelaugt nach Hause zu kommen. Dein Ikigai ist etwas Einzigartiges, das individuell zu Dir passt. Es kann sich im Laufe des Lebens auch ändern. Wenn Du als junger Mensch überlegst, welchen Beruf Du erlernen möchtest oder zu welcher Firma Du gehen möchtest, dann kann das Ikigai-Konzept ein paar Anregungen beisteuern. Doch auch später, wenn sich etwas in Deinem Leben verändert oder Du einfach mit Deinem Job unzufrieden bist, kann es dabei helfen, Dich beruflich neu zu orientieren. Wenn Du wirklich Dein Ikigai gefunden hast, dann lohnt sich vermutlich auch ein langer und beschwerlicher Weg dorthin. Es gibt unzählige Geschichten von Menschen, die ein erfülltes Leben haben, weil sie ihren Traum verwirklicht haben. Da war zum Beispiel dieses arme Mädchen im Nachkriegsengland, das davon träumte, mehr über Affen zu lernen. Obwohl sie als Sekretärin keine Hochschulausbildung hatte, fand sie ihren Weg nach Kenia und wurde Assistentin eines bekannten Paläontologen. Über Jahre beobachtete sie Schimpansen mitten im Urwald und erlebt bewegende Momente jenseits ihrer kühnsten Hoffnungen – etwa als das Schimpansenmännchen David Greybeard zum ersten Mal eine Frucht von ihr annahm und dabei beruhigend ihre Hand drückte. Über die Jahre fand Jane Goodall fast alles heraus, was wir heute über das Leben und Verhalten von Schimpansen wissen. Als Frau alleine war das zu dieser Zeit alles andere als einfach – doch sie brannte dafür und hat so alle Hindernisse überwunden. Als sie schon über 50 ist, erfährt sie auf einer Konferenz, dass die Schimpansenpopulation
244 M. Medert aufgrund von Waldrodungen, Jagd und Tierversuchen stark zurückgeht. Hier kommt es zu einer Verschiebung ihres Ikigais: Sie sagt selbst, sie sei als Wissenschaftlerin zur Konferenz gekommen und als Aktivistin gegangen. Seither setzt sich diese eindrucksvolle Frau unermüdlich für den Erhalt der Umwelt und das Leben der Schimpansen ein. Inzwischen führt sie eine Stiftung in mehreren Ländern, mit der sie vor allem Kindern den Schutz von Tieren und der Umwelt näher bringen möchte.
Diese Geschichte zeigt, dass Du eine erfüllende nachhaltige Arbeit nicht nur als Mitarbeiter in einer Firma finden kannst. Vielleicht kannst Du auch etwas Eigenes auf die Beine stellen.
Werde ein Social Entrepreneur Social Entrepreneurs (Sozialunternehmer) arbeiten unternehmerisch an gesellschaftlichen Problemen. Unternehmerisch bedeutet, dass sie für ihre Lösungen in irgendeiner Form bezahlt werden und somit unabhängig von Spenden sind. Doch die sozialen oder ökologischen Ziele stehen beim Social Entrepreneurship im Vordergrund. Der Gewinn steht im Hintergrund und wird typischerweise vor allem für den Ausbau des Unternehmens und für die nachhaltigen Projekte genutzt. Es geht also weniger ums Geld, als darum, die Welt ein bisschen besser zu machen. Als Social Entrepreneur kannst Du aktiv etwas für Dein Nachhaltigkeitsanliegen gestalten. Social Entrepreneurs arbeiten dabei meist mit neuen, innovativen Ansätzen. Es geht also weniger darum, bestehende Unternehmensmodelle zu kopieren, indem etwa ein weiterer Bioladen analog zu bestehenden Märkten aufgemacht wird. Vermutlich denkst Du jetzt etwas wie „Es gibt doch schon alles“ oder „Ich bin nur
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ein ganz normaler Mensch und habe keine geniale Ideen“. Doch Du brauchst gar keine revolutionäre Idee. In den Kapiteln zu den Nachhaltigkeitszielen hast Du Dir bestimmt an der einen oder anderen Stelle gedacht, warum geht das nicht anders. Ist da nicht irgendetwas, was für Dich Sinn machen würde? Falls ja, dann macht es vermutlich für viele andere auch Sinn. Und es ist heute leichter als je zuvor, ein Unternehmen zu gründen. War früher häufig noch viel Kapital für eine Gründung notwendig, so entscheiden heute vielmehr die Idee und das Konzept [69]. Die Entwicklung eines guten Konzepts ist der Schlüssel zum Erfolg und wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Innovation als Kern des Konzepts kann in Kleinigkeiten liegen, die dennoch eine große Wirkung haben können. Du kannst auf Innovation stoßen, wenn Du einen existierenden Prozess in jedem Schritt hinterfragst, ob es keine bessere, nachhaltigere Alternative gibt. Am Ende solltest Du Deinen potenziellen Kunden ein starkes Angebot machen, dass ihre Bedürfnisse am besten emotional anspricht. Dein Angebot und Dein Konzept sollten dabei sowohl zu den potenziellen Kunden passen als auch zu Dir: Denn wenn Deine Idee nah an Deinem persönlichen Ikigai liegt, wirst Du mit der notwendigen Leidenschaft und all Deinen Fähigkeiten und Erfahrungen an die Sache gehen. Nur damit wirst Du das Durchhaltevermögen haben, um mögliche Durststrecken und Hürden auf einem Weg zu überwinden. Für die Umsetzung des Konzepts hast Du heutzutage die Möglichkeit, Dir Knowhow und Kompetenz einzukaufen: Du kannst produzieren lassen, statt eine eigene Fabrik zu bauen, Du kannst Produkte versenden lassen, ohne eine eigene Logistik aufzubauen, und Du kannst Produkte verkaufen, ohne Einzelhändler von Deinem Produkt überzeugen zu müssen. Für quasi alle Bereiche eines Unternehmens gibt es spezialisierte Anbieter, auf die
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Du zurückgreifen kannst. Günter Faltin, ein bekannter Professor für Entrepreneurship, nennt das „Gründen mit Komponenten“. Er hat mehrere praktische Bücher geschrieben, die hilfreiche Tipps und Anregungen für Deine Unternehmensgründung enthalten. Die folgenden beiden Beispiele sollen zeigen, dass Du als Social Entrepreneur weder Einstein noch Rockefeller sein musst. Die Initiative „Apfelschätze“ von Anja Fiedler zielt etwa darauf ab, in ihrer Stadt weniger Lebensmittel zu verschwenden und gleichzeitig die natürlichen Schätze der Umgebung zu nutzen. Sie hat gesehen, dass viele ältere Mitmenschen Obstbäume im Garten haben, deren Obst niemand mehr erntet. Auf der anderen Seite wären viele Menschen froh über frische Äpfel und Birnen. So hat sie eine Plattform aufgebaut, die beide Seiten zusammenbringt. Inzwischen verfaulen jährlich viele Tonnen Obst weniger an Obstbäumen, Erntehelfer bekommen einen ordentlichen Anteil von der Ernte und den Rest verkauft die Initiative an Kindergärten und Schulen. Das Sozialunternehmen „Discovering Hands“ des Duisburger Gynäkologen Frank Hoffmann ist ein weiteres Beispiel, wie man als Social Entrepreneur mit einer kleinen Innovation das Leben von vielen Menschen verbessern kann. Die Idee des Entrepreneurs ist es, den besonders gut ausgeprägten Tastsinn blinder Frauen für die Brustkrebsfrüherkennung zu nutzen. Eine Studie der Uni Essen hat tatsächlich gezeigt, dass fast ein Drittel von Gewebeveränderungen nur von den ausgebildeten blinden Frauen erkannt wurde. Die beteiligten Ärzte hatten die Auffälligkeiten nicht festgestellt. Für Brustkrebs, der häufigsten Krebserkrankung bei Frauen, lassen sich Tumore so also nachweislich früher entdecken als bei herkömmlichen Untersuchungen. Diese Idee hat viele positive Effekte: Vor allem überleben mehr Frauen, wo sonst Partnerinnen, Mütter und Töchter aus Familien gerissen worden wären. Wenn der Krebs durch die „Discovering Hands“ früher entdeckt wird, ist auch die Krebsbehandlung für die
Wie kannst Du selbst für mehr Nachhaltigkeit … 247 Patientinnen meist weniger invasiv. Zusätzlich sehen die blinden Frauen ihre neue Tätigkeit als äußerst sinnstiftend an: Statt sehbehindert sind sie jetzt „tastbegabt“. Kein Wunder, dass bereits mehr als 25 gesetzliche Krankenkassen sowie viele private Krankenkassen die Kosten für die Tastuntersuchung übernehmen. „Discovering Hands“ erhält dadurch Einnahmen und ist unabhängig von Spendern oder Sponsoren. Gleichzeitig profitiert die Gesellschaft durch geringere Gesundheitsausgaben und bessere Heilungschancen.
„Apfelschätze“ und „Discovering Hands“ sind nur zwei Beispiele von tausenden Social Entrepreneurs in Deutschland [170]. Sie zeigen, welch wichtige Rolle solche Sozialunternehmen für die Nachhaltigkeitsziele spielen. Hier werden häufig Ideen im Kleinen entwickelt, die Keimzellen für die Lösung der großen Probleme der Menschheit sein können. Viele Social Entrepreneurs berichten übrigens davon, wie sehr sich ihr Leben mit der Unternehmensgründung positiv verändert hat. Obwohl das Hauptaugenmerk auf der Hilfe für andere oder auf der Umwelt liegt, werden sie selbst glücklicher und erfüllter [19]. Und das Gute daran ist, dass es nie zu früh oder zu spät für eine Unternehmensgründung ist. Anna Vital hat das in ihrer Grafik „Too Late to Start?“ eindrucksvoll dargestellt: Sie zeigt, wie alt die Gründer bekannter Firmen zum Zeitpunkt der Gründung waren. Manche waren unter 20 (z. B. Michael Dell – Dell; Mark Zuckerberg – Facebook) oder in ihren 20ern (z. B. Walt Disney; Steve Jobs – Apple). Die meisten waren in ihren 30ern (z. B. Werner von Siemens – Siemens; Hugo Boss – Boss). Und so geht es weiter bis zu den 50ern (z. B. Ferdinand Porsche – Porsche) und 60ern (z. B. Charles Flint – IBM).
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Bist Du bereit? Mein Ziel ist es, Dich durch dieses Buch für das ein oder andere Nachhaltigkeitsziel zu begeistern. Gleichzeitig möchte ich Dir ein paar Möglichkeiten aufzeigen, wie Du selbst etwas tun kannst, um unseren Kindern und Enkelkindern eine Welt zu hinterlassen, in der sie leben können und wollen. Wenn Du etwas (ver)ändern möchtest, dann ist es wichtig, dass Du ins Handeln kommst. Nimm Dir dabei nicht zu viel vor. Suche Dir einen Bereich, der Dir wirklich am Herzen liegt, und fange mit kleinen Schritten an, die Dir leicht fallen und die zu Dir passen. Es muss sich gut anfühlen. Probiere einfach etwas aus. Es muss ja nicht sofort die Gründung eines Sozialunternehmens sein – das kommt vielleicht später. Ich wünsche Dir viel Erfolg und freue mich schon jetzt über Deinen Beitrag zu einer nachhaltigeren Welt. Stell dir vor Es ist 2030. Du sitzt mit Deiner Familie und Freunden zusammen. Ihr sprecht darüber, dass die Gesellschaft inzwischen so viel nachhaltiger lebt. Du freust Dich, dass auch Du dazu beigetragen hast.
Abbildungshinweis
Alle Abbildungen am Anfang der Kapitel zu den 17 Nachhaltigkeitszielen wurden selbstständig bearbeitet auf Grundlage von Pixabay. Pixabay.com is an international, copyleft and free-to-use website for sharing photos, illustrations, vector graphics, and film footage. See https://pixabay.com/de/. Alle weiteren Abbildungen wurden selbstständig vom Autor angefertigt.
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