979 111 33MB
German Pages XVII, 617 [628] Year 2020
VDI-Buch
Klaus H. Weber Frank Mattukat Manfred Schüßler
Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Praxishandbuch mit Checklisten und Beispielen 2. Auflage
VDI-Buch
Weitere Bände in dieser Reihe: http://www.springer.com/series/3482
Klaus H. Weber • Frank Mattukat Manfred Schüßler
Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen Praxishandbuch mit Checklisten und Beispielen 2. Auflage
Klaus H. Weber Dresden, Deutschland
Frank Mattukat Moritzburg-Boxdorf, Deutschland
Manfred Schüßler Düsseldorf, Deutschland
ISSN 2512-5281 ISSN 2512-529X (electronic) VDI-Buch ISBN 978-3-662-55149-3 ISBN 978-3-662-55150-9 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-55150-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Vieweg © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2008, 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany
Vorwort zur 2. Auflage Die 2. Auflage ist eine vollständige Überarbeitung, Aktualisierung und wesentliche Erweiterung der vorherigen Auflage, ohne die bewährte Grundstruktur und den Anspruch einer praktischen Handlungsanleitung aufzugeben. Ausgehend von den Grundlagen und Ausführungen zu den klassischen Produktdokumentationen wird die Thematik zur Dokumentation komplexer, insbesondere verfahrenstechnischer Anlagen umfassend und praxisnah betrachtet. Analog zum Regelwerk der Technischen Produktdokumentation werden das Wissen und die Erfahrungen betreffs der Rechtsvorschriften, des Standes der Technik, der Begriffsdefinitionen, der Strukturierung, der Erarbeitung sowie der Nutzung und Fortschreibung ganzheitlich und praxisnah erläutert. Wesentliche Erweiterungen in der vorliegenden Auflage betreffen u.a.: Die detaillierte Darlegung von Besonderheiten der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen in Abgrenzung zu den Produktdokumentationen. Die ausführlichere Darlegung relevanter Rechtsvorschriften der EU und BRD. Vertiefte Ausführungen zu Struktur und Bestandteilen der Gesamtdokumentation sowie zu wesentlichen Dokumentenarten verfahrenstechnischer Anlagen, insbesondere der Anlagen- und Betriebsdokumentation. Präsentation des bewährten Phasenmodells der Anlagen-Projektabwicklung sowie der entsprechenden schrittweisen Erarbeitung und Nutzung der Gesamtdokumentation. Risikobeurteilung und EU-Konformität für Produkte (Anlagenkomponenten) und Anlagen während der Projektabwicklung. Neue und erweiterte Erfahrungen bei der Nutzung und Pflege der Bestandsdokumentation während des Anlagenbetriebs sowie bei der Einführung eines Dokumentenmanagement-Systems (DMS). Möglichkeiten und Trends zur Nutzung elektronischer Dokumentationen im Dokumentenmanagement, inkl. verfügbarer Software-Tools. Spezifika und Anforderungen an die Dokumentation in Pharmaprojekten. Zwei ausführliche Fallbeispiele über die Auditierung bzw. Prüfung von AS BUILTDokumentation einer Erdgasspeicheranlage und einer Pharmaanlage. Ein wesentliches Anliegen der 2. Auflage war es, die Aussagen durch noch mehr Beispiele und Bilder aus der Praxis zu belegen und deren Umsetzung durch zusätzliche Workflows, Checklisten und Dokumentenbeispiele zu unterstützen. Insgesamt wurde die Anzahl an Abbildungen, Tabellen und Beispielen mehr als verdoppelt. Allen Fachkollegen, die wir „vor Ort“ bzw. auf Fortbildungsseminaren kennen lernen konnten, möchten wir für die anregenden Gespräche und Hinweise danken. Besonderer Dank gilt Frau Dipl.-Ing. Brigitte Weber für die Gestaltung zahlreicher Abbildungen und für die Durchsicht des Manuskripts. Dem Springer-Verlag sei für die angenehme Zusammenarbeit gedankt. Dresden, Mai 2020
Klaus H. Weber Frank Mattukat Manfred Schüßler
Vorwort zur 1. Auflage Das rechtskonforme und wirtschaftliche Erstellen und Pflegen der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen wird u.a. wegen – der erhöhten Anforderungen an die Sicherheit sowie den Gesundheits- und Umweltschutz, – den relevanten haftungs- und gewährleistungsrechtlichen Gesichtspunkten, – der zunehmend weltweiten Arbeitsteilung bei der Anlagenrealisierung, – dem hohen Termin- und Kostendruck während der Projektabwicklung, – der Herausforderung einer ganzheitlichen Qualitätssicherung im Anlagenbau, – dem gestiegenen Informationsbedarf der Öffentlichkeit immer wichtiger und aufwendiger. So beträgt beispielsweise im verfahrenstechnischen Anlagenbau der Kostenanteil für die gesamten Dokumentationsleistungen, von der Anfrage bis zur Übergabe, ca. 8 bis 10 Prozent der Investitionssumme (Anlageneuwert). Zudem ist das Gewährleisten einer aktuellen Dokumentation für die meisten Anlagenbetreiber, nicht zuletzt wegen Mängeln im betrieblichen Dokumentationsprozess, schwierig und kostenintensiv. Trotzdem wird vielen Führungskräften in Unternehmen und Projekten die Bedeutung der Dokumentation, um ihre Sorgfaltspflichten einzuhalten und ein Organisationsverschulden zu vermeiden, immer bewusster. Es wächst die Erkenntnis, dass eine ganzheitliche und aktuelle Dokumentation nicht nur Kosten verursacht, sondern auch ein Wirtschaftlichkeitsfaktor mit erheblichem Effektivitätspotential sein kann. Die modernen Möglichkeiten der elektronischen Dokumentation und ihrer Verwaltung begünstigen dies. Während für die „klassischen“ Technischen Produktdokumentationen zahlreiche Veröffentlichungen und ein umfangreiches Normenwerk existieren, fehlt dies bisher für Dokumentationen verfahrenstechnischer Anlagen nahezu vollständig. Die Autoren finden diesen Sachverhalt während ihrer langjährigen Seminartätigkeit immer wieder bestätigt. Zugleich belegen die praktischen Erfahrungen und viele Gespräche mit Fachkollegen die gravierenden Unterschiede der verfahrenstechnischen Anlagendokumentationen gegenüber den Produktdokumentationen. Es ist de facto eine andere „Welt“. Das vorliegende Buch versucht diese Lücke zu schließen, indem es die verschiedenen Aspekte im Leben der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen systematisiert und im Detail praxisbezogen erörtert. Durch zahlreichen Checklisten, Praxisbeispiele und Musterdokumente werden die Aussagen veranschaulicht. Mit dem vorliegenden Buch soll allen Führungs- und Fachkräften, die im Projekt oder im Betrieb, bei der Fertigung oder bei der Montage sowie in Behörden oder in Technischen Überwachungsorganisationen mit Dokumenten verfahrenstechnischer Anlagen zu tun haben, eine Handlungsanleitung gegeben werden. Ein besonderes Anliegen des Buches ist es, die Technischen Redakteure zu unterstützen, ihr Arbeitsgebiet auf derart komplexe Dokumentation auszudehnen. Einleitend werden zunächst wichtige Begriffe definiert und die wesentlichen Unterschiede von Dokumentationen verfahrenstechnischer Anlagen gegenüber Technischen Produktdokumentation herausgearbeitet. Die folgenden rechtlichen Regelungen und Konsequenzen im Umgang mit der Dokumentation verdeutlichen den einzuhaltenden Handlungsrahmen und die grundsätzliche notwendigen Dokumentationspflichten.
VIII
Vorwort
Ein Hauptteil des Buches ist das 3. Kapitel, in dem ausführlich die Strukturierung und Kennzeichnung sowie die vielen Bestandteile und Dokumentenarten der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen behandelt werden. Viele angeführte Dokumentenbeispiele sollen dies veranschaulichen. Das inhaltliche Verstehen dieser Ausführungen ist wichtig, um letztlich den gesamten Dokumentationsprozess erfolgreich zu bewältigen. Wie die Dokumentationsleistungen zweckmäßig im Anlagenvertrag, bei kaufmännischen Bestellungen und während des Projektmanagements zu regeln sind, wird im Kapitel 4 erörtert. Erfahrungsgemäß werden auf diesem Gebiet nicht selten gravierende und kostspielige Fehler gemacht. Die beiden Kapitel 5 und 6 behandeln den Dokumentationsprozess während der Anlagenrealisierung und während des Anlagenbetriebs. Insbesondere wird dargelegt, wie die Gesamtdokumentation im Leben der Anlage zweckmäßig herzustellen, zu verwaltet, zu nutzen und zu pflegen ist. Nicht zuletzt wird in einem 7. Kapitel ausführlich über die erfolgreiche praktische Einführung eines Dokumenten-Management-Systems (DMS) für die Anlagendokumentation berichtet. Eine Aufgabe, die für viele Unternehmen eine aktuelle Herausforderung darstellt. Ein Glossar mit über 170 Begriffsdefinitionen soll zu einem verbesserten Verständnis zwischen den Fachleuten beitragen sowie Kommunikations- und Schnittstellenprobleme verringern. Insgesamt werden im Buch mehr als 110 Literaturquellen zitiert sowie 76 Abbildungen, inkl. Dokumentenbeispiele und 82 Tabellen, inkl. Checklisten dargestellt. Das Manuskript dieses Buches ist aus den Vorträgen im Seminar „Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen“ des VDI Wissensforum entstanden. Für die zahlreichen Anregungen sei den Fachkollegen gedankt. Besonderer Dank gilt Frau Dipl.-Ing. S. Hüttich für die Gestaltung zahlreicher Abbildungen sowie für die redaktionelle Endbearbeitung des Manuskripts. Dem Springer-Verlag sei für die angenehme Zusammenarbeit gedankt.. Dresden, Juni 2008
Klaus H. Weber
Abkürzungen abP abZ AbfKlärV AFB AFC AFD AFP AFPA AG AKZ AltölV AN API ArbSchG ArbStättV ArbZG ASR ATEX AwSV BauGB BauPVO BaustellV BBergG BetrSichG BIM BImSchG BImSchV BioAbfV BioStoffV BMA BoB BSO CAD CAE ChemG CIP
allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis allgemeine bauaufsichtliche Zulassung Klärschlammverordnung Approved for Basic Approved for Construction Approved for Design Approved for production Approved for Permit Application Auftraggeber Anlagenkennzeichen Altölverordnung Auftragnehmer Active Pharmaceutical Ingredients Arbeitsschutzgesetz Arbeitsstättenverordnung Arbeitszeitgesetz Technische Regeln für Arbeitsstätten Atmosphere Explosible Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen Baugesetzbuch Bauproduktenverordnung Baustellenverordnung Bundesberggesetz Betriebssicherheitsverordung Building Information Modeling Bundes-Immissionsschutzgesetz Verordung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz Bioabfallverordnung Verordung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit Biologischen Arbeitsstoffen Brandmeldeanlage Betrieb ohne ständige Beaufsichtigung Brandschutzordnung Computer Aided Design Computer Aided Engineering Chemikaliengesetz Cleaning in Place
X
Abkürzungen
CLP DCC DepV DIBt DGRL DGUV DKZ DMS DQ EDV EMSR EMV EPCM ERP ETA EVB-IT EX-RL FAT FBL FDA FEE FEL FIDIC FM FMEA GDP GefStoffV GEP GewAbfV GHS GLT GMP GoBD GP GS GSU GU GÜ GuD
Regulation and Classification, Labbelling and Packaging of Substances and Mixtures Document Classification Code Deponieverordnung Deutsches Institut für Bautechnik Druckgeräterichtlinie Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung Dokumentenkennzeichen Dokumentenmanagement-System Design Qualification Elektronische Datenverarbeitung Elektrotechnik-Messtechnik-Regelungstechnik-Steuerungstechnik Elektromagnetische Verträglichkeit Engineering-Procurement-Construction Management Enterprise Resource Planning (Geschäftsressourcenplanung) Event Tree Analysis Ergänzende Vertragsbedingungen f. Beschaffung von Informationstechnik Explosionsschutz-Regeln Factory Acceptance Test Fachbauleiter Food and Drug Administration Front End Engineering Front End Loading Fédération Internationale des Ingénieurs-Conseils Facilitymanagement Failure Mode and Effect Analysis Gute Dokumentationspraxis Gefahrstoffverordnung Good Engineering Practice Gewerbeabfallverordnung Globally Harmonized System of Classification and Labelling Gebäudeleittechnik Good Manufacturing Practice Grundsätze z. ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung v. Büchern, Aufzeichnungen, Unterlagen in elektronischer Form sowie z. Datenzugriff Generalplaner Geprüfte Sicherheit Gesundheit-Sicherheit-Umweltschutz Generalunternehmer Generalübernehmer Gas- und Dampf
Abkürzungen
HAZOP HOAI HSE IED IPA IQ ISBL IT KKS KrWG LAT LBO LSTK MBO MoC MRL MSR NachwV NAT OCR OOS OQ OSBL OWiG PAAG PKMS PLS PLT PQ ProdHaftG ProdSG PSA-BV PU QS RaPS-RL RASR REACH RDS-PP RL SAT
Hazard and Operation Study) Honorarordnung für Architekten und Ingenieure Healthcare-Safety-Environment Industrial Emissions Directive (Industrieemissionsrichtlinie) Independent Project Analysis Inc. Installation Qualification Inside Battery Limits Informationstechnik Kraftwerk-Kennzeichnungssystem Kreislaufwirtschaftsgesetz Laboranalysentechnik Landes-Bauordnung Lump-Sum-Turnkey Musterbauordnung der Bundesländer Management of Change Maschinenrichtlinie Mess-Steuer-Regeltechnik Nachweisverordnung Nachrichtentechnik Optical Character Recognition Out of Specification Operational Qualification Outside Battery Limits Ordnungswidrigkeitengesetz Prognose – Auffinden – Abschätzen - Gegenmaßnahmen Projektkommunikations- und -managementsoftware Prozessleitsystem Prozessleittechnik Performance Qualification Produkthaftungsgesetz Produktsicherheitsgesetz Persönliche Schutzausrüstung-Benutzungsverordnung Package-unit Qualitätssicherung Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit Risk Assessment Summary Report Registration-Evaluation-Authorisation-Chemicals Reference Designation System for Power Plants Richtlinie Site Acceptance Test
XI
XII
Abkürzungen
SächsBO SGB SCC SiGeKo SiGe-Plan SIL SIP SIS SAT SOP SQL SPS StGB TA-Lärm TA-Luft TGA TgV TRBA TRBS TRGS TRwS UschadG UmweltHG UVP UVPG UWL VA VDE VDI VGR VdS VOB WHG WKP ZfP ZÜS
Sächsische Bauordnung Sozialgesetzbuch Sicherheits-Certifikat-Contractoren Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan Safety Integrity Level Sterilisation in Place Safety Instrumented System Site Acceptance Test Standard Operating Procedure Structured Query Language Speicherprogrammierbare Steuerung Strafgesetzbuch Technische Anleitung zum Schutz vor Lärm Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft Technische Gebäudeausrüstung Transportgenehmigungsverordnung Technische Regeln für biologische Arbeitsstoffe Technische Regeln für Betriebssicherheit Technische Regeln für Gefahrstoffe Technische Regeln für wassergefährdende Stoffe Umweltschadensgesetz Umwelthaftungsgesetz Umweltverträglichkeitsprüfung Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz Ursache-Wirkung-Liste Verfahrensanweisung Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik Verein Deutscher Ingenieure Fachverband für die Strom- und Wärmeerzeugung Verband Deutscher Sachversicherer Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Wasserhaushaltsgesetz wiederkehrende Prüfung Zerstörungsfreie Prüfung Zugelassene Überwachungsstelle
Inhalt 1
Spezifika und Aufgaben der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1.1 Begriffsbestimmungen zu Dokument und Dokumentation . . . . . . . . . . . . . .
1
1.2 Besonderheiten der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen . . . . . . .
4
1.3 Ziel und Anforderungen an die Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
1.4 Hauptaufgaben der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen . . . . . . . .
14
1.5 Lebenszyklus der Anlage und der Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
1.6 Verhältnis von elektronischer und gegenständlicher Dokumentation . . . . . . .
19
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
2.1. Internationales Rechtsumfeld im Anlagenbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
2.2 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
2
2.2.1 2.2.2 2.2.3
Übersicht zum fachspezifischen Recht der EU . . . . . . . . . . . . . . . . Dokumentationspflichten für Anlagenkomponenten bzw. Stoffen . . . Dokumentationspflichten für verfahrenstechnische Anlagen . . . . . .
29 33 58
2.3 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der BRD . . . . . . . . . . . . . . . .
65
2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4
. . . .
65 70 93 100
2.4 Schwerpunkte der Arbeitsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103
2.4.1 2.4.2 2.4.3
Übersicht zu rechtlichen Regelungen in der BRD . . . . Genehmigungsrecht (inkl. Baurecht) und Umweltrecht Produktsicherheitsrecht und Anlagensicherheitsrecht . Arbeitssicherheitsrecht und Gesundheitsschutzrecht . .
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Verantwortung und Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflichten und Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übertragung von Pflichten und Zuständigkeiten sowie von Verantwortung und Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
104 105
2.5 Konsequenzen bei Rechts- bzw. Pflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
112
2.5.1 2.5.2
106
Schaden durch fahrlässiges bzw. vorsätzliches Handeln . . . . . . . . . . Mögliche Konsequenzen bei Rechts- bzw. Pflichtverletzungen . . . .
112 116
2.6 Haftung, Gewährleistung. Garantie für die Dokumentation . . . . . . . . . . . . .
119
2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4
Allgemeine Haftung im Schadensfall nach BGB . . . . . . . . Haftung nach Produkthaftungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung nach Umwelthaftungs- und Umweltschadensgesetz Gewährleistung und Garantie für die Dokumentation . . . . .
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119 120 123 125
2.7 Aufbewahrungsgründe und -fristen von Anlagendokumenten . . . . . . . . . . . .
130
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
138
XIV
3
Inhalt
Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
145
3.1 Grundstruktur der Gesamtdokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
150
3.1.1 3.1.2 3.1.3
Hauptdokumentationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teildokumentationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dokumentenarten und Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
150 151 154
3.2 Projektdokumentation inkl. Projekthandbuch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
158
3.3 Engineeringdokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
161
3.4 Genehmigungsdokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4
Dokumente für Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) Dokumente für Genehmigungsantrag nach BImSchG . Genehmigungsbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzung und Änderung der Genehmigung . . . . . . . . .
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162
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163 164 166 167
3.5 Beschaffungsdokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
169
3.6 Anlagendokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
176
3.6.1 3.6.1.1 3.6.1.2 3.6.1.3 3.6.2 3.6.2.1 3.6.2.2 3.6.2.3 3.6.3 3.6.3.1 3.6.3.2 3.6.3.3
Mögliche Grundstrukturierungen der Anlagendokumentation . . . Strukturierung nach Fachdisziplinen / Gewerken . . . . . . . . . . . . Strukturierung analog Betriebsanleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strukturierung nach Mischvariante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übergeordnete Anlagendokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fließschemata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlagenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lageplan und Aufstellungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dokumente zum Nachweis der Produkt- und Anlagensicherheit . . Sicherheitsdatenblätter für Stoffe und Gemische . . . . . . . . . . . . . Betriebsanleitungen für Produkte und Anlagen . . . . . . . . . . . . . Konformitätserklärungen und Risikobeurteilungen für Produkte und Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.3.4 Brandschutzkonzept und Brandschutznachweis . . . . . . . . . . . . . 3.6.3.5 Explosionsschutzdokument und Gefahrenzonenplan . . . . . . . . . . 3.6.3.6 Dokumente von Sicherheitsprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.4 Teildokumentation VERFAHRENSTECHNIK . . . . . . . . . . . . . . 3.6.5 Teildokumentation MASCHINEN / APPARATE / BEHÄLTER . 3.6.6 Teildokumentation BAU / STAHLBAU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.7 Teildokumentation ROHRLEITUNGEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.8 Teildokumentation PROZESSLEITTECHNIK . . . . . . . . . . . . . . 3.6.9 Teildokumentation TECHNISCHE GEBÄUDEAUSRÜSTUNG . 3.6.10 Teildokumentation INBETRIEBNAHME . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.11 Teildokumentation PACKAGE-UNITS und TEILSYSTEME . . .
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177 178 179 181 182 182 190 193 195 195 195
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202 206 209 214 221 223 232 243 251 266 269 271
3.7 Betriebsdokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.1 3.7.1.1 3.7.1.2 3.7.2 3.7.2.1
Übergeordnete Betriebsdokumente . . . . . Interner Alarm- und Gefahrenabwehrplan Brandschutzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebshandbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gefährdungsbeurteilungen . . . . . . . . . . .
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274 275 275 278 280 281
Inhalt
3.7.2.2 3.7.3 3.7.4 3.7.5 3.7.6 3.7.7 3.7.8
. . . . . . .
283 289 291 292 296 297 298
3.8 Rückbaudokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
299
3.9 Anlagen- und Dokumentenkennzeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
304
3.9.1 3.9.2 3.9.3 3.9.4
Betriebsanweisungen . . . . . . . . . Instandhaltungsdokumentation . . Betriebstagebuch . . . . . . . . . . . . Prüfdokumentation . . . . . . . . . . . Sicherheitsmanagementhandbuch Qualitätsmanagementhandbuch . . Umweltmanagementhandbuch . . .
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328
4.4 Vertragsgestaltung zur Dokumentation nach BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
333
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333 335 341 342
4.5 Regelungen zur Dokumentation im Anlagenvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
343
4.5.1 4.5.1.1 4.5.1.2 4.5.1.3 4.5.2 4.5.3 4.5.3.1 4.5.3.2 4.5.3.3 4.5.3.4 4.5.4 4.5.4.1 4.5.4.2 4.5.4.3 4.5.4.4
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4.3 Kosten und Preisformen für die Dokumentation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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326
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4.2 Verantwortung für die Dokumentation im Projektteam . . . . . . . . . . . . . . . . .
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323
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4.1 Allgemeine Grundsätze und Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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323
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Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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317
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. . . . . . .
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Grundsätzliches zu Schuldverhältnissen nach BGB Werkvertrag (BGB, §§ 631 – 650h) . . . . . . . . . . . Kaufvertrag (BGB, §§ 433 – 479) . . . . . . . . . . . . . Dienstvertrag (BGB, §§ 611 – 630) . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . .
304 304 310 314
4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4
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4
Grundsätzliche Vorbemerkungen und Hinweise Anlagenkennzeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dokumentenkennzeichnung . . . . . . . . . . . . . . Dateikennzeichnung / Dateibezeichnung . . . . .
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XV
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343 344 345 348 349 357 359 360 362 364 365 365 369 371 372
4.6 Beachtung der Dokumentation beim Projektmanagement . . . . . . . . . . . . . .
372
4.6.1 4.6.2
Vertragsarten im Anlagenbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Generalvertrag (Turnkey contract) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingenieurvertrag (Engineering contract) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mustergliederung eines Anlagenvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beachtung der Dokumentation im Hauptteil des Anlagenvertrags . Fachspezifische Festlegungen im Anhang DOKUMENTATION . . Festlegungen zum Daten- und Dokumentenmanagement . . . . . . . Spezifikation der AS BUILT-Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitätsanforderungen an die AS BUILT-Dokumentation . . . . . Lieferumfang der AS BUILT-Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . Beachtung der Dokumentation in einzelnen Projektphasen . . . . . Regelungen im Anhang PLANUNGSLEISTUNGEN . . . . . . . . . . . Regelungen im Anhang BESCHAFFUNGSLEISTUNG . . . . . . . . . Regelungen im Anhang BAUSTELLENABWICKLUNG . . . . . . . . Regelungen im Anhang INBETRIEBNAHME . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Projektrichtlinie DOKUMENTATION. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Change-Management zur Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
373 374
XVI
Inhalt
4.6.3 4.6.4 4.6.5 4.6.6 4.6.7
5
Qualitätssicherung der Dokumentationsleistungen . . . . . . . . Fertigstellung und Lieferung der AS BUILT-Dokumentation . Prüfung der AS BUILT-Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . Abnahme der AS BUILT-Dokumentation und Gewährleistung Probleme in Lösungen verwandeln – Lessons Learned . . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
376 382 384 384 387
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
391
Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
393
5.1 Phasenmodell der Anlagen-Projektabwicklung und Front-End-Loading . . . . . 393 5.2 Versionierung und Revisionierung der Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 5.3 Lenkung der Dokumentation – Document Control . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 5.4 Durchführbarkeitsstudie und Lastenheft (Phase 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 5.5 Pre-Basic-Dokumentation inkl. Dokumentationskonzept (Phase 2) . . . . . . . . 406 5.6 Basic Engineering-Dokumentation (Phase 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 5.7 Genehmigung, Investitionsentscheidung, Pflichtenheft (Phasen 4 und 5) . . . 414 5.8 Dokumentenerstellung im Detail Engineering (Phase 6) . . . . . . . . . . . . . . . 417 5.9 Beschaffen und Einordnen der Hersteller-/Lieferantendokumente (Phase 7) . . 419 5.10 Fortschreiben der Dokumentation während der Baustellenphase (Phase 8) . . . 421 5.11 Pflege der Dokumentation bei Inbetriebnahme und Instandhaltung (Phase 9) . 425 5.12 Risikobeurteilung und EU-Konformität während der Projektabwicklung . . . 430 5.12.1 5.12.2 5.12.3
Vorbemerkungen und Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 Risikobeurteilung und EU-Konformität von Produkten . . . . . . . . . 432 Risikobeurteilung und EU-Konformität von Anlagen . . . . . . . . . . 445
5.13 Fallbeispiel: Auditieren der AS BUILT-Dokumentation eines Erdgasspeichers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
461
5.14 Fallbeispiel: Spezifika und Prüfung der Dokumentation in Pharmaprojekten .
469
5.14.1 5.14.2 5.14.3
Spezifika von Pharmaprojekten inkl. Dokumentation . . . . . . . . . . . 469 Good Engineering Practice und GMP-gerechte Dokumentation . . . . 474 Prüfung der AS BUILT-Dokumentation einer Pharmaanlage . . . . . 478
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
486
Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
491
6.1 Verantwortlichkeiten und Nutzung der Dokumentation beim Anlagenbetrieb .
491
6
6.1.1 6.1.2 6.1.3
Übergang vom Errichter zum Betreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 Übertragung von Betreiberpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 Nutzung und Nutzer (Stakeholder) der Dokumentation in der Betriebsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495
6.2 Management der Anlagendokumentation im Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1
Situationsanalyse und Wirtschaftlichkeitspotentiale
497
. . . . . . . . . . . 497
Inhalt
6.2.2 6.2.3
XVII
Leitdokumente zum Management der Anlagendokumentation . . . . 499 Organisation der Pflege der Anlagendokumentation im Bestand . . . 506
6.3 Dokumentation von wiederkehrenden Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 6.3.2
511
Übersicht und Dokumente wiederkehrender Prüfungen . . . . . . . . . Anlagenkataster für wiederkehrende Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . .
511 513
6.4 Reorganisation des betrieblichen Dokumentenmanagements . . . . . . . . . . . . .
516
6.4.1 6.4.2
Begriffsdefinition und Arbeitsschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zielstellungen für Neugestaltung bzw. Reorganisation des betrieblichen Dokumentenmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermitteln der Nutzeranforderungen an das betriebliche Dokumentenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analyse der Ursachen für Dokumentationsänderungen . . . . . . . . . . Software-Tools für das betriebliche Dokumentenmanagement . . . . . Erarbeiten betrieblicher Regelungen zum Dokumentenmanagement . Umsetzen der Festlegungen in der betrieblichen Praxis . . . . . . . . . . Fallbeispiel: Eingangsprüfung und Erweiterung der Bestandsdokumentation bei einer Investition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
517
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
530
Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement . . . . . . . . .
533
7.1 Dokumentenmanagement als Teil des betrieblichen Informationsmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
533
Dokumentenmanagement in Engineering- und Betriebsphase . . . . . CAD-Anlagenmodell und Building Information Modeling (BIM) . .
533 535
6.4.3 6.4.4 6.4.5 6.4.6 6.4.7 6.4.8
7
7.1.1 7.1.2
518 519 520 523 523 527 528
7.2 Aufgaben und Möglichkeiten der Dokumentenmanagement-Systeme (DMS)
539
7.3 Einführen eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
543
7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.3.5 7.3.6
Projektentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedarfs- und Realisierungsphase (Phase I) . Systemkonzept (Phase II) . . . . . . . . . . . . . Systemauswahl (Phase III) . . . . . . . . . . . . Realisierung (Phase IV) . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung zur DMS-Einführung . .
. . . . . .
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545 550 558 564 572 576
7.4 Betreiben eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
577
. . . .
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577 578 579 581
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
584
Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
587
Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
601
7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.4.4
Personal und Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schulung der DMS-Anwender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflege und Fortschreiben des DMS . . . . . . . . . . . . . . . Pflege der Dokumentationsstruktur und Daten im DMS .
. . . . . .
. . . .
1 Spezifika und Aufgaben der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen 1.1 Begriffsbestimmungen zu Dokument und Dokumentation Das inhaltliche Verständnis und die Anwendung zahlreicher Begriffe auf dem Fachgebiet der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen sind leider nicht einheitlich. Einerseits werden nicht selten vergleichbare Inhalte mit verschiedenen Begriffen belegt und andererseits die gleichen Begriffe unterschiedlich definiert. Zum Zwecke eines einheitlichen Begriffsverständnisses ist diesem Fachbuch ein Glossar beigefügt. Die angeführten Begriffsdefinitionen sollen helfen, das noch anzutreffende uneinheitliche Begriffsverständnis auf dem behandelten Fachgebiet einzugrenzen und das Sprachverständnis zwischen allen Beteiligten zu verbessern. Entsprechend dem Anliegen der Autoren, ein Praxishandbuch zu verfassen, werden die Begriffsdefinitionen möglichst verständlich und praxisbezogen formuliert. Begriffe, die im Glossar enthalten sind, werden im Text durch Fettdruck hervorgehoben. Wichtige Definitionen werden außerdem in den betreffenden Kapiteln näher erläutert. Im Weiteren seien einige Grundbegriffe zur Thematik definiert und eingehender betrachtet. Daten sind strukturierte Informationen, die verarbeitet werden oder das Ergebnis einer Verarbeitung sind [1] bzw. Daten sind rückübertragbare, formalisierte Darstellung von Informationen, die für deren Kommunikation, Auswertung oder Weiterverarbeitung geeignet ist [2].
Daten sind nicht nur Zahlen, sondern auch Texte, Grafiken, aufgezeichnete gesprochene Sprache, stehende und bewegte Bilder u.a. Informationen. Sie können auf einen Datenträger aufgezeichnet und von diesem wiedergewonnen werden. Mehrere logisch zusammengehörige Daten bilden einen Datensatz. Datei ist eine logisch zusammengehörige, in sich abgeschlossene und gemeinsam gespeicherte Menge von Daten.
Die Datei ist ein Begriff aus der Informatik und bildet in elektronischer Form die Daten oder den Datensatz, aber auch das Dokument oder das Programm, im Computer ab. Die Dokumenten-Datei ist die elektronische Version des Dokuments, im Unterschied zur Papierversion. Der Begriff Dokument wird im rechtlichen Sinne mit einer Urkunde, einem Beweisstück bzw. einem amtlichen Schriftstück verbunden. Dies ist aber für die Thematik dieses Buches zu eng und in folgender Weise zu erweitern: Dokument ist eine materielle Unterlage/Beleg (gegenständlich) bzw. Datei (elektronisch) mit strukturierten, zusammengehörigen Aufzeichnungen/Informationen über Teile eines Projekts bzw. Objekts.
Die materielle Unterlage ist häufig das Schrift- bzw. Zeichnungsdokument in Papierform, kann aber beispielsweise auch ein Video, ein Audio oder ein Produktmuster sein. Ergänzend zur vorgenannten Definition sei noch auf die Begriffsdefinition in Verbindung mit dem Dokumentenmanagement [3][4] verwiesen, die auch in anderen Normen © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 K. H. Weber et al., Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen, VDI-Buch, https://doi.org/10.1007/978-3-662-55150-9_1
1
2
1 Spezifika und Aufgaben der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
zum Dokumentationswesen [5][6] sinngemäß gebraucht wird. Dokument ist eine festgelegte und strukturierte Menge von Informationen, die als Einheit verwaltet und zwischen Anwendern und Systemen ausgetauscht werden kann.
Zusammenfassend seien aus [4] und [5] die folgenden allgemeinen Wesensmerkmale eines Dokuments dargelegt: Ein Dokument fasst inhaltlich zusammengehörige Informationen strukturiert zusammen, die nicht ohne erheblichen Bedeutungsverlust weiter unterteilt werden können. Ein Dokument stellt spezielle Informationen zu einem Objekt (Produkt, Anlagenkomponente, Teilanlage, Anlage) bzw. Projekt (Anlagenprojekt) bereit und nimmt i.d.R. darauf und auf seinen Zweck Bezug. Die Gesamtheit der Informationen ist für einen gewissen Zeitraum zu erhalten. Dokumente dienen oft als Nachweis von Tatsachen. Ein Dokument ist als Einheit ablegbar (speicherbar) und/oder versendbar und/oder wahrnehmbar (sehen, hören, fühlen). Es wird häufig in einer vereinbarten Darstellungsform visualisiert. Dokumente treten oft in einer materiellen Form auf (zumindest in einem gewissen Zeitabschnitt ihres „Lebens“) und/oder können in eine materielle Form transformiert werden. Das Dokument ist eigentlich der Träger, der die Information speichert, egal ob das Dokument ein Stück Papier, eine Datei auf einem Rechner, ein Vide oder eine DVD usw. ist. Ein Dokument wird i.Allg. als eine Dokumentenart klassifiziert (s. Abschn. 3.1.3). Jedem Dokument sind Metadaten gemäß folgender Definition zugeordnet: Metadaten sind Daten zur Beschreibung von Dokumenten und deren Management [2][3].
Sie enthalten z.B. Informationen zur Klassifizierung und Kennzeichnung/Identifikation, zur administrativen und fachlichen Darstellung sowie zur Einordnung in seinen Lebenszyklus und zum Bearbeitungs- bzw. Revisionsstatus des Dokuments. Man spricht mitunter auch von Attributen des Dokuments. Struktur, Inhalt und Qualität der Metadaten sind für die rechnerseitige Verarbeitung des Dokuments, z.B. mit Dokumentenmanagement-Systemen, wichtig. Einige wichtige Ausführungsspezifikationen von Dokumenten sowie ergänzende Begriffe, auf die in späteren Abschnitten eingegangen wird, sind: Original(-dokument) ist die Erstversion eines Dokuments. Dokumentenkopie ist das genaue oder annähernd genaue Abbild eines Originals. Die Kopie stimmt mit dem Original in Ausführung (Form, Aussehen, Inhalt) überein. Master(-dokument) ist die aktuelle, gültige und verbindliche Arbeitsversion (gegenständlich oder elektronisch) eines Dokuments. Der erste Master geht aus dem Original hervor. Image ist ein aus einzelnen Bildpunkten (Rasterpunkte, Pixel) zusammengesetztes elektronisches Abbild eines Papierdokuments. Archivexemplar eines Dokuments ist eine zur Langzeitspeicherung angefertigte Kopie. Das Archivexemplar muss über den gesamten Lebenszyklus des Produkts/der Anlage nutzbar sein. Die stellt besondere Anforderungen an das Datenformat.
1.1 Begriffsbestimmungen zu Dokument und Dokumentation
3
Dokumentenliste ist eine formal aufgestellte Bestandsliste, in der alle für einen bestimmten Zweck relevanten Dokumente aufgelistet sind [2]. Datenträger ist ein Material, in oder auf dem Daten aufgezeichnet und von dem sie wiedergewonnen werden können [3]. Datenbank ist die Sammlung von nach einem konzeptuellen Schema organisierten Daten, das die Merkmale dieser Daten und die zwischen den zugehörigen Betrachtungseinheiten bestehenden Beziehungen beschreibt und ein oder mehrere Anwendungsgebiete unterstützt [2].
Weitere Begriffe werden insbesondere in den Abschnitten 3.1, 3.10 und 5.2 angeführt und diskutiert. Eine Sammlung von Dokumenten, die einem bestimmten Gegenstand zugeordnet sind, bilden nach [3] eine Dokumentation. Unter Beachtung des Anlagenaspekts wird in diesem Buch die folgende Arbeitsdefinition gewählt: Dokumentation ist eine Gesamtheit von Dokumenten zu einem Projekt bzw. Objekt.
Im konkreten Fall beziehen sich die Dokumentationen und die zugehörigen Dokumente auf den Lebenszyklus einer verfahrenstechnischen Anlage. Der Gegenstand bzw. das Objekt ist im Speziellen eine verfahrenstechnische Anlage. Das Projekt umfasst die Planung und Realisierung dieser Anlage sowie der zugehörigen Dokumentation entsprechend dem Phasenmodell der Anlagen-Projektabwicklung (s. Abb. 5.1 in Abschn. 5.1). Zur näheren Charakterisierung einer ganzheitlichen Dokumentation wird auch von Gesamtdokumentation (bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt im Lebenszyklus) oder von AS BUILT-Dokumentation (bezogen auf den Zeitpunkt der werkvertraglichen Abnahme) gesprochen. Um Teile der Gesamtdokumentation eindeutig begrifflich zu kennzeichnen, wird dem allgemeinen Grundwort DOKUMENTATION ergänzend ein Bestimmungswort hinzugefügt, wie Genehmigungsdokumentation oder Anlagendokumentation. In anderen Fällen wird von Handbüchern (Betriebshandbuch, Qualitätsmanagementhandbuch usw.) gesprochen. In jedem Fall sind diese Dokumentationsteile eigenständig zu definieren, da ein allgemein anerkanntes Begriffsverständnis in der Praxis nicht gegeben ist (s. Abschn. 3.1). Weit verbreitet sind im Dokumentationswesen die Begriffe Technischen Dokumentation bzw. genauer Technische Produktdokumentation. Sie kennzeichnen den klassischen Arbeitsgegenstand des Technischen Redakteurs und beziehen sich im engeren Sinne auf Erzeugnisse bzw. Produkte [2]. Als Produkt wird in diesem Buch „ jede bewegliche Sache, auch wenn sie einen Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bildet“ gemäß der Produktdefinition in § 2 des Produkthaftungsgesetzes (ProdHaftG) [8] verstanden. Beispielsweise wird zum produktbezogenen Dokumentationsbegriff in [7] formuliert: Technische Dokumentation beinhaltet alle Informationen, die von einem Hersteller/ Vertreiber parallel zum Entstehen und zum Lebensweg eines Produkts (Produktlebenszyklus) erstellt werden.
Begrifflich allgemeiner wird in [2] formuliert: Technische Produktdokumentation ist die Angabe der gesamten oder teilweisen Auslegungsdefinition oder Spezifikation eines Produkts.
Beide Begriffe umfassen im Speziellen alle technischen Dokumente, die ein Produkt beschreiben.
4
1 Spezifika und Aufgaben der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Damit unterscheidet sich das Produkt wesentlich von einer Anlage bzw. einer verfahrenstechnischen Anlage, die in Abschn. 1.2 definiert werden. In vielen Publikationen zur Dokumentation wird nur von Technischer Dokumentation gesprochen, dabei aber i.d.R. der konkrete Bezug zum Produkt, (Erzeugnis, Maschine, Gerät u.ä.) vorausgesetzt. Ein zentrales Dokument der Technischen (Produkt-)Dokumentation ist, im Unterschied zur Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen, die Betriebsanleitung (s. Abschn. 3.6.3.2). Die Dokumentation einer verfahrenstechnischer Anlagen unterscheidet sich, wie die Ausführungen im nächsten Abschnitt 1.2 zeigen werden, grundlegend von den angeführten Technische Produktdokumentationen. Sie schließt einerseits zahlreiche Produktdokumentationen von Herstellern und Lieferanten ein, erreicht aber andererseits wegen der Merkmale und Besonderheiten verfahrenstechnischer Anlage eine völlig neue quantitative und qualitative Dimension. Letztlich ist jede Technische Produktdokumentation nur ein Mosaikstein im Gefüge der Gesamtdokumentation verfahrenstechnischer Anlagen. Entsprechend diesem Sachverhalt sind die zahlreichen Normen, Richtlinien und Veröffentlichungen [9][10][11] zur Technischen (Produkt-)Dokumentation nur sehr eingeschränkt für die Aufgaben zur Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen nutzbar. Da der Begriff TECHNISCHE DOKUMENTATION in der Rechts- und Fachwelt inhaltlich (produktbezogen) vorbelegt ist, wird in Verbindung mit verfahrenstechnischen Anlagen nicht von Technischen Dokumentationen gesprochen. Abschließend sei noch vermerkt, dass der Begriff Dokumentation auch im anderen Sinne als Sammelbegriff für eine Tätigkeit - das Dokumentieren - gebraucht wird. Im vorliegenden Buch wird aus Eindeutigkeitsgründen dafür das Verb „dokumentieren“ verwendet.
1.2 Besonderheiten der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen Im Weiteren werden die Wesensmerkmale verfahrenstechnischer Anlagen aufgezeigt und die Folgerungen für deren Dokumentation abgeleitet. Damit werden die qualitativen und quantitativen Unterschiede zur „klassischen“ Produktdokumentation verdeutlicht. Zunächst seien die beiden grundlegenden Begriffsdefinitionen vorangestellt. Anlage ist die Gesamtheit der zur Durchführung eines Verfahrens notwendigen Ausrüstungen und Einrichtungen in ihrer funktionalen Kopplung und räumlichen Anordnung [12] Verfahrenstechnische Anlage ist eine Anlage zur Durchführung von Stoffänderungen und Stoffumwandlungen mit Hilfe zweckgerichteter physikalischer und/oder chemischer und/oder biologischer und/oder nuklearer Wirkungsabläufe [13].
Beide Begriffe unterscheiden sich sehr deutlich vom vorgenannten Produktbegriff. In der Anlage wird mit Hilfe unterschiedlicher Ausrüstungen und Einrichtungen ein Verfahren durchgeführt. Zwischen den Ausrüstungen bestehen u.a. stoffliche, energetische, elektronische, sicherheitstechnische Verbindungen bzw. Zusammenhänge. Zur Anlage gehören oftmals auch Bauwerke. Typisch für verfahrenstechnische Anlagen sind insbesondere zahlreiche Stoffänderungsprozesse, wie Zerkleinern, Sieben, Mischen, Wärmeübertragen, Rektifizieren, Kris-
1.2 Besonderheiten der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
5
tallisieren, Trocknen, Abkühlen, Abfüllen, aber in vielen Fällen auch überlagerte Stoffwandlungsprozesse, wie chemische oder biologische Reaktionen. Verbunden mit diesen komplizierten stofflichen und energetischen Prozessen, die meistens in Großanlagen und von weltweit agierenden Unternehmen durchgeführt werden, ergeben sich weitere dokumentationsrelevante Merkmale verfahrenstechnischer Anlagen. Dazu gehören insbesondere: Die erheblichen Auswirkungen der verfahrenstechnischen Anlagen auf Menschen, Wirtschaft und Umwelt, auch über die Anlagengrenzen hinaus. Nahezu alle verfahrenstechnischen Anlagen sind auf Grundlage eines detailliert ausgestalteten Ordnungs- und Umweltrechts genehmigungspflichtig. Während des Errichtens und Betreibens der genehmigten Anlage sind zahlreiche rechtliche, betriebliche u.a. Vorschriften bzw. Normen zu beachten und ihre Einhaltung nachvollziehbar zu dokumentieren. In Abb. 1.1 wird dies am Beispiel einer technologisch und sicherheitlich „relativ einfachen“ Anlage zur Reinigung kommunaler Abwässer deutlich. Ein erhöhtes Gefährdungspotential im Umgang mit der Anlage bzw. den Produkten und Medien (Brand- und Explosionsgefahr, Umgang mit Gefahrstoffen, extreme Betriebsparameter usw.), verbunden mit der Ableitung und Dokumentation notwendiger Vorkehrungen betreffs GSU (Gesundheit – Sicherheit – Umweltschutz). Der große Umfang und die Ganzheitlichkeit der Informationsverarbeitung während des Anlagenbetriebes. Typisch ist die Anwendung einer hierarchisch aufgebauten Leittechnik zur Gewährleistung eines effizienten Produktionsprozesses aus der Sicht des Unternehmen (s. Tab. 1.1). Tabelle 1.1 Leitebenenmodell des Prozessleitsystems einer verfahrenstechnischen Anlage
Abb. 1.1 Wesentliche Vorschriften für das Betreiben einer Abwasserreinigungsanlage
6 1 Spezifika und Aufgaben der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
1.2 Besonderheiten der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
7
Die Verfahrensplanung (Basic Design) (s. Abb. 1.2) und die resultieren Dokumentenarten sind von zentraler Bedeutung für den gesamten Planungs- und Dokumentationsprozess.
Abb. 1.2 Ablauf (Workflow) und Ergebnisse der Verfahrensplanung [12] Bem.: R&I-Fließschema = Rohrleitungs- und Instrumentenfließschema bzw. P&ID = Piping and Instrumentation Diagram)
Eine große Komplexität und Kompliziertheit der Anlagen. Dies betrifft sowohl die stoffliche und energetische Verflechtung als auch die konstruktive Gestaltung der Hauptausrüstungen. Daraus resultieren neben sicherheitlichen und wirtschaftlichen Risiken auch hohe Anforderungen an das Management, die Schnittstellengestaltung und das Personal. Wegen des erheblichen Anlagenumfangs werden verfahrenstechnische Anlagen in Prozess-Teilanlagen, Nebenanlagen, Mediensysteme, Rohrleitungssysteme, Informationssysteme, Betriebsgebäude, Warten- und Schaltgebäude, Lagerhalle, Versandstation, Werkstattgebäude u.a. Anlagenbestandteile unterteilt. Handelt es sich um eine Teil- bzw. Nebenanlage, die als Ganzes von einem Kontraktor bzw. Subunternehmer geliefert, errichtet und i.Allg. von diesem in Betrieb genommen wird, so spricht man von einer Package-unit. Die verfahrenstechnische Anlage besteht aus einer Vielzahl unterschiedlicher Ausrüstungen, die häufig Produkte gemäß Produkthaftungsgesetz [8] sind (s. Definition in Abschn. 1.1). Die wichtigsten Ausrüstungen , die i.Allg. den EU-Richtlinien für
8
1 Spezifika und Aufgaben der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Produkte unterliegen (s. Abschn. 2.2.2), sind die Maschinen, Apparate, Behälter und Tanks. Sie werden als Hauptausrüstungen zusammengefasst. Der erhebliche Investitionsumfang derartiger Anlagen und die entsprechend hohen finanziellen Aufwendungen und Risiken. Daraus resultieren gravierende Auswirkungen auf Umfang und Qualität der Dokumentation. Die Anwendung von verschiedenartigem, integrativem Fachwissen unterschiedlicher Fachdisziplinen während des Lebenszyklus der Anlagen. Eine weltweite, internationale Arbeitsteilung und entsprechende Kommunikation ist häufig gegeben. Der erhebliche Umfang an Baumaßnahmen (Tiefbau, Hochbau, Stahlbau), die integriert in die Anlagen-Projektabwicklung zu leisten sind (s. Tab. 1.2). Tabelle 1.2 Typische Bau- und Stahlbauarbeit im verfahrenstechnischen Anlagenbau [14] 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Fundamente für Hauptausrüstungen, Stahlbaustützen, Rohrträger, Zäune u.ä. Stahlbeton- und Stahlgerüste für Hauptausrüstungen, Rohrbrücken, Rohr- und Kabeltrassen, Einzelrohre u.ä. Bauarbeiten für Produktions- und Servicetrakte, Aufzugsschächte, Maschinenhallen, Werkstatt- und Laborgebäude Bauarbeiten für Messwarte, Schalträume, Umspann-/Trafostationen, Analysenlabor, Werkstatt, Büro- und Sozialräume Bauarbeiten für Empfangs-, Umschlags- und Verladestation u.ä. Bauarbeiten für baulichen Brandschutz (Trenn-/Brandschutzwände, Wanddurchführungen, Fluchttreppen) Feuerschutzummantelungen von tragenden Stahlgerüststützen oder -trägern, Kolonnen- oder Behälterfußzargen Säureschutzarbeiten und Ausmauerungen Bauarbeiten für Tassen, Wannen, Gruben, Schächte usw. Arbeiten für Bühnen, Podeste, Übergänge, Laufstege, Treppen, Steigleitern Tiefbauarbeiten für Ver- und Entsorgungsleitungen, Kabelrohre, Blitzschutz und Erdung, kathodischen Korrosionsschutz u.ä. Erdarbeiten für Slopbehälter und Slopleitungen Oberflächenbefestigung im Anlagenbereich inkl. Entwässerung Arbeiten für Be- und Entladeflächen, Straßen, Schienen, Wege, Parkplätze usw.
Das Vorhandensein eines umfangreichen Rohrleitungssystems u.a. logistischer Systeme zum Transport der Stoffe und Medien innerhalb der Anlagen sowie über die Anlagengrenzen hinweg. In größeren Anlagenprojekten werden häufig mehrere tausend Rohrleitungen gefertigt, montiert, gereinigt, geprüft und in Betrieb genommen. Der häufig anzutreffende unikate Charakter jeder verfahrenstechnischen Anlage. Die Folge sind individuelle Projekte inkl. Anlagenverträge, verbunden mit kunden- und marktspezifischen Regelungen zur Dokumentation. Viele Änderungsmaßnahmen in den Anlagen, die z.B. aus neuen Rechtsvorschriften, veränderten Marktbedingungen oder neuen Forschungsergebnissen resultieren. Die Dokumentationspflege muss entsprechend dynamisch und effizient möglich sein. Die angeführten Wesensmerkmale beeinflussen gravierend den Inhalt sowie das Erstellen und Handhaben der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen.
1.2 Besonderheiten der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
9
Zugleich bewirken sie wesentliche Unterschiede gegenüber den traditionellen Technischen Dokumentationen für Produkte des Maschinen-, Apparate- und Gerätebaus (s. Tab. 1.3). Mancher Fachkollege, der viele Jahre auf dem Gebiet der Technischen Produktdokumentation tätig war und sich an die Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen herangewagt hat, kann dies sicherlich bestätigen. Tabelle 1.3 Wesentliche Besonderheiten von Dokumentationen verfahrenstechnischer Anlagen im Vergleich zu Technischen Produktdokumentationen 1
Für die Genehmigung zum Bau, Betrieb und Rückbau der verfahrenstechnischen Anlage sind viele Dokumente nachweisbar zu erarbeiten, fortzuschreiben und zu verwalten. Bestandteil dieser Unterlagen sind häufig Dokumente über Umweltverträglichkeitsprüfungen, Sicherheitsanalysen usw. Die Einhaltung der Nebenbestimmungen des Genehmigungsbescheides sollte aus Haftungsgründen jederzeit nachvollziehbar dokumentiert werden.
2
Die Vorbereitung und Realisierung (Planen, Beschaffen, Errichten) der verfahrenstechnischen Anlage und die Erarbeitung der adäquaten Dokumentation erfolgt oftmals in einem internationaler Prozess, verbunden mit den entsprechenden Rechts-, Schnittstellen-, Verständigungs- und Mentalitätsproblemen.
3
Das Risiko für Mensch, Anlage und Umwelt ist während der Errichtung, der Inbetriebnahme und des Dauerbetriebs der verfahrenstechnischen Anlage i.Allg. größer. Daraus folgen hohe inhaltliche und entsprechend dokumentarische Anforderungen an das Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltschutzmanagement. Beispiele dafür sind: Betriebsanweisungen an das Bau-/Montagepersonals und das Betriebs-/Servicepersonal, um dieses im Umgang mit der Anlage und mit Stoffen vor Gefahren zu schützen, das Baustellenhandbuch für die Baustellenabwicklung und das Inbetriebnahmehandbuch für die Erstinbetriebnahme, Gefährdungsbeurteilungen und Risikobeurteilungen (z.B. mittels der HAZOP-Methode) für die komplexe verfahrenstechnische Anlage, eine Vielzahl von Sicherheitsprüfungen vor der Erstinbetriebnahme sowie wiederkehrende während des Dauerbetriebs, übergreifende Dokumente zur Alarm- und Gefahrenabwehr (Alarm- und Gefahrenabwehrplan, Brandschutzplan, Feuerwehrplan, Notfallplan u.a.), Informationen an Umwelt- bzw. Aufsichtsbehörden, wie Immissionsschutzerklärungen, Anzeigen nach Störfallverordnung u.ä..
4
Die Gefahr von Haftungsansprüchen sowie von ordnungswidrig und/oder strafrechtlich relevanten Vorwürfen gegenüber den verantwortlichen Personen ist wesentlich größer. Die Aspekte einer beweiskräftigen und gerichtsfesten Dokumentation sind für das Management entsprechend wichtig (s. Abschn. 2.5 und 2.6).
5
Die Kosten für die Erstellung und Verwaltung der Dokumentation sind erheblich (s. Abschn. 4.3). Nachbesserungen der Dokumentation sind teuer. Auf Grund der erheblichen Investitionssummen sowie der hohen Umsätze und Kosten während des Anlagenbetriebs bewirken Dokumentationsmängel i.Allg. gravierende Folgekosten.
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Die Lebensdauer der Dokumentation ist sehr lang. Verfahrenstechnische Anlagen werden i.d.R. zwischen 10 bis 60 Jahre genutzt. Dokumentationen müssen aus Haftungsgründen mitunter noch mindestens 10 Jahre nach deren Rückbau archiviert werden (s. Abschn. 2.7).
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1 Spezifika und Aufgaben der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Tab. 1.3 (Fortsetzung) 7
Die Dokumente zur Qualitätssicherung (Beschaffung, Montage, Betrieb) sowie für die sachgerechte Bedienung und Instandhaltung der Anlage sind wegen der verausgabten enormen Ressourcen wichtig und umfangreich.
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Der Umfang und die Komplexität der Dokumentation sind i.Allg. wesentlich größer. Nicht selten beträgt der Papierumfang eines Exemplars mehr als 100 bis zum Teil über 2000 Ordner und beinhaltet über 200 verschiedene Dokumentenarten. Dies erfordert u.a.: eine rechtzeitige Beachtung der Dokumentation in der Anfrage- und Angebotsphase, klare Regelungen zur Dokumentation im Anlagenvertrag und im Projektmanagement, andere Ordnungs- und Strukturierungsprinzipien, andere Methoden und Werkzeuge beim Erstellen, Nutzen und Pflegen.
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Viele Dokumentenarten und -inhalte werden durch das Verfahren und die Art der Hauptausrüstungen für Stoffänderungen und Stoffumwandlungen geprägt. Die Teildokumentation VERFAHRENSTECHNIK ist für alle Hauptdokumentationen von zentraler Bedeutung. Die Dokumentenart R&I-Schema ist i.d.R. die wichtigste Dokumentenart einer verfahrenstechnischen Anlage.
10 Die Dokumente für BAU, ROHRLEITUNGEN und PROZESSLEITTECHNIK machen einen großen Anteil an der Gesamtdokumentation aus. Zur Anlagendokumentation gehören i.d.R. zahlreiche Baudokumente (s. Tab. 1.2 und Abschn. 3.6.6)), nicht selten mehrere tausend Rohrleitungsisometrien (s. Abschn. 3.6.7) sowie Dokumente von 10.000 PLT-Stellen und mehr (s. Abschn. 3.6.8). Der Dokumentationsumfang für die Hauptausrüstungen (Maschinen, Apparate, Behälter) ist demgegenüber häufig geringer. 11 Der Wiederholungsgrad bei der Erarbeitung verfahrenstechnischer Anlagendokumentation ist vergleichsweise gering. Zahlreiche Dokumentationen sind kunden- bzw. projektspezifisch und in vielen Teilen Unikate. 12 Der Anteil dynamischer, veränderlicher Dokumente sowie hinzukommender oder entfallender Dokumente ist vergleichsweise hoch. Entsprechend muss sich das Change-Management zur Dokumentation in all ihren Phasen darauf einstellen. Die elektronische Dokumentation in Form änderbarer Dateien hat eine hervorragende Bedeutung. 13 Einen allgemein anerkannter Stand der Technik sowie entsprechende Regeln und Normen existieren auf dem Fachgebiet der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen nahezu nicht. Die bestehenden Normen und Publikationen zum Dokumentations- und Bibliothekswesen sind für dieses spezifische Fachgebiet nicht oder nur eingeschränkt anwendbar. 14 Die Verwaltung und Pflege der elektronischen und gegenständlichen Dokumentation, vor allem der Zeichnungen und Schaltpläne, ist schwierig. Unterschiedliche Dateiformate müssen über die Lebensdauer der Anlage lesbar, nutzbar und bearbeitbar bleiben.
1.3 Ziel und Anforderungen an die Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen Allgemein dient eine Dokumentation zum Speichern und Vermitteln von Informationen. Der erste Aspekt ist mehr passiv, indem Sachverhalte abgelegt bzw. archiviert werden und der zweite Aspekt ist aktiv, indem sie die Kommunikation zwischen den Informationserzeugern und den Informationsbenutzern maßgeblich unterstützt (s. Abb. 1.3).
1.3 Ziel und Anforderungen an die Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
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Abb. 1.3 Dokumentation als Vermittler von Informationen
Bezogen auf verfahrenstechnische Anlagen sind beispielsweise: Informationserzeuger: Auftraggeber/Investor/Bauherr Forscher und Entwickler Konstrukteure und Planer Hersteller und Lieferant Bau-/Montageunternehmen Anlagenbauer Inbetriebnehmer Betreiber Instandhalter Dokumentationsdienstleister
Informationsbenutzer: Auftraggeber/Investor/Bauherr Genehmigungs- und Überwachungsbehörden Hersteller und Lieferant Bau-/Montageunternehmen Anlagenbauer Inbetriebnehmer Betreiber Instandhalter Dokumentationsdienstleister Öffentlichkeit
Letztlich bedient sich im Leben der Anlage nahezu jeder Beteiligte der Dokumentation und verändert sie bzw. veranlasst dieses. Die meisten Unternehmen und Personen sind sowohl Erzeuger als auch Nutzer. Abbildung 1.3 konkretisiert beispielhaft die Informationsvermittlung für den Anlagenbau. Ausgehend von dieser Erkenntnis über Ziel und Zweck der Dokumentation muss sich jeder Dokumentationserzeuger zu Beginn seiner Arbeit die Frage beantworten: Wer ist der Nutzer meiner Dokumentationsleistungen und welche ganzheitlichen Anforderungen (Qualität, Verantwortlichkeiten, Termine, Kosten) ergeben sich daraus bzgl. der zu erarbeitenden Dokumentation und Dokumente? Zugleich muss sich jeder Dokumentationsbenutzer, insbesondere wenn er Auftraggeber ist, fragen: Welche ganzheitlichen Vorgaben (Qualität, Verantwortlichkeiten, Termine, Kosten) müssen an den Ersteller der von mir benötigten Dokumentation gemacht werden und welche verbindlichen Vereinbarungen sind zu ihrer Erfüllung notwendig?
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1 Spezifika und Aufgaben der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Abb. 1.4 „Magisches Dreieck“ der Informationsvermittlung im Anlagenbau
Die folgenden ausgewählten Beispiele und Hinweise sollen diese beiden Grundsätze näher erläutern. Beispiel 1.1: Zielgenaue Dokumentationsleistungen im Genehmigungsverfahren Die Unterlagen zum Genehmigungsantrag sollten bzgl. Umfang, Inhalt und Form bewusst auf das Ziel (termin- und antragsgerechte Erteilung der Genehmigung) und auf die Aufgabe der Genehmigungsbehörde (rechtskonforme und sachgerechte Prüfung des Genehmigungsantrags) ausgerichtet sein. Gegebenenfalls muss sich der Antragersteller bei einem förmlichen Verfahren (s. Abschn. 3.4 und 5.7) auf eine öffentliche Anhörung und vorherige Auslegung der Unterlagen einstellen. Hauptaufgabe der Behörde ist die Prüfung und Bewertung von Umwelt- und Sicherheitsrisiken. Entsprechend sind die technisch-technologischen Informationen auszurichten. In der Regel sind z.B. Verfahrensfließschemata den R&I-Fließschemata (auch vereinfachten R&I`s) vorzuziehen. Umgekehrt, und dies geschieht auch, sollten die Genehmigungsbehörden dem Antragsteller klare Vorgaben zum Genehmigungsantrag machen. Beispiel 1.2: Minimierung von Schnittstellenproblemen durch Dokumentation Ein Fachplaner (z.B. für das Prozessleittechnik), der weiß oder davon ausgehen muss, dass das Detail-Engineering seiner Fachdisziplin (z.B. die Programmierung der Leit-
1.3 Ziel und Anforderungen an die Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
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technik-Software) ganz oder teilweise in Indien ausgeführt wird, sollte seine fachspezifische Basic Engineering-Dokumente entsprechend ausführlich und vor allem für den Informationsbenutzer eindeutig erarbeiten. Die Arbeitsteilung zwischen „Basic“ und „Detail“ sowie die Qualitätssicherung müssen derart organisiert werden, dass von Anfang an Fehler vermieden werden. Im konkreten Fall eines Prozessleittechnikers bedeutet dies u.a. vorrangig grafische Darstellungsformen (Funktions- bzw. Logikpläne, Ursache-Wirkungsdiagramme) anzuwenden. Beschreibende, sprachbasierte Dokumentenarten sind ungeeignet. Zugleich ist eine effektive Qualitätskontrolle zu den Programmierergebnissen (z.B. mittels zeitnahem Factory Acceptance Test (FAT) und Site Acceptance Test (SAT)) zu organisieren. Analoges gilt für dokumentarische Vorgaben bzw. Unterlagen an das Bau- und Montagepersonal, an Inbetriebnehmer, an das Betriebs- und Servicepersonal usw. Wer es nicht selbst erlebt hat, kann sich nicht vorstellen, wie lückenhaft, falsch bzw. missverständlich die Aussagen der Dokumentation mitunter sind und welch hohe Mehrkosten daraus resultieren. Beispiel 1.3: Exakte Spezifizierung von Dokumentationsleistungen Ein Generalunternehmer (GU) ist im Anlagenvertrag gegenüber dem Auftraggeber (AG) für die AS BUILT-Dokumentation der Gesamtanlage verantwortlich. Teile dieser Dokumentation erstellt er während des Engineering selbst; aber große Teile kauft er darüber hinaus zusammen mit Package-units und anderen Anlagenkomponenten ein bzw. lässt sie durch Dienstleister erarbeiten. Der GU ist somit in einer Doppelfunktion; gegenüber dem AG als Dokumentationserzeuger und gegenüber den Kontraktoren/Zulieferern als Dokumentationsbenutzer. Er muss die Dokumentationsleistungen gegenüber den Kontraktoren derart spezifizieren und vertraglich vereinbaren, dass er sie möglichst ohne Anpassung in die AS BUILTDokumentation aufnehmen und an den AG weiterreichen kann. Zum anderen müssen diese Dokumentationsteile aber auch für eine effiziente Nutzung und Pflege während der Bau-, Montage- und Inbetriebnahmephase geeignet sein. Beispiel 1.4: Einflussnahme des Betreibers auf Dokumentationsleistungen im Projekt Der Anlagebetreiber ist i.Allg. der Hauptnutzer der Dokumentation. Er braucht sie zur Bewirtschaftung der Anlage und nicht selten auch bei Gewährleistungs- und Haftungsproblemen. Ihm obliegt die Verwaltung und Pflege der Dokumentation. Folglich muss der Auftraggeber bzw. Betreiber von der Anfrage bis zur Dokumentations-Übergabe größtes Interesse an einer für ihn optimalen Dokumentation haben. Die Praxis zeigt aber oft, dass der spätere Betreiber sich während der Anlagenrealisierung zu wenig mit der Dokumentation befasst und auf deren Gestaltung und Erarbeitung zu wenig Einfluss nimmt. Er verlässt sich häufig zu sehr auf den Auftragnehmer. Der Auftragnehmer sieht und nutzt die Dokumentation aber nur in seinem Leistungsund Verantwortungszeitraum bis zur werkvertraglichen Abnahme bzw. bis zur Erfüllung des Vertrags. Entsprechend wird die Dokumentation von ihm vorrangig als Errichterdokumentation und weniger als Betreiberdokumentation konzipiert und erarbeitet. Die Folgen der geschilderten Situation sind nicht selten erhebliche Probleme und Mehrkosten im Umgang mit der Dokumentation während des Betriebs. Besondere Bedeutung haben in diesem Zusammenhang die änderbaren Dateien als Teil der AS BUILT-Dokumentation. Sie ermöglichen dem Betreiber eine effiziente Nutzung und Pflege der Dokumentation (s. auch Abschn. 4.5).
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1 Spezifika und Aufgaben der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Da die Anforderungen der Dokumentationsbenutzer, insbesondere der Anlagenbetreiber, welt- und branchenweit sehr unterschiedlich sind, ergeben sich auch sehr verschiedenartige Anforderungen an die Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen. Trotz dieser erschwerenden Bedingungen können aus Sicht des Verfassers zahlreiche Kenntnisse und Erfahrungen über die Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen verallgemeinert und effizient nutzbar gemacht werden. Eine Vermittlungsaufgabe kann eine Dokumentation nur erfüllen, wenn sie den Dokumentationsgegenstand weitgehend adäquat widerspiegelt. Anders gesagt, der Nutzer der Dokumentation braucht nicht nur ausreichende sondern auch richtige und aktuelle Informationen. Dies zu gewährleisten, ist in der Praxis ein enormes Problem. In Kapitel 6 wird darauf vertieft eingegangen. An dieser Stelle deshalb nur wenige grundsätzliche Ausführungen. Die Anforderungen an bestehende Dokumentationen verfahrenstechnischer Anlagen sind wegen der Markt- und Produktentwicklung, neuer internationaler und nationaler Rechtsverordnungen, Um- und Ausbaumaßnahmen u.a. Einflussfaktoren einer ständigen Veränderung unterzogen. Das heißt, die Dokumentationsbenutzer brauchen ständig neue dokumentierte Informationen, welche zuvor, teils von ihnen selbst, erzeugt werden müssen. Die Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen ist aus diesen Gründen außerordentlich dynamisch und pflegeintensiv; genau darin liegt eine große Schwierigkeit und Herausforderung. Jeder weiß aus der Praxis: Sobald eine Dokumentation nicht mehr aktuell ist, wird sie nicht mehr genutzt! Als Hauptanforderung an die Dokumentation gilt zusammenfassend: Die Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen muss einerseits die Anlage zu jeder Zeit ausreichend vollständig und genau abbilden und andererseits die Vorgänge im Leben der Anlage nachvollziehbar erfassen.
1.4 Hauptaufgaben der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen Auf die Unternehmens- bzw. Betriebsebene bezogen ermöglicht die Dokumentation eine externe und interne Informationsvermittlung. Sie muss als Teil eines integrierten verstanden und gestaltet werden. Zielstellung sollte dabei nicht nur ein vernetztes Denken und Handeln, sondern auch ein vernetztes (ganzheitliches, koordiniertes, redundanzarmes) Dokumentieren sein. Die angestrebte Integration des Managementsystems bezieht sich aber auch auf die unternehmensinternen Managementkomponenten. Bislang getrennte Managementfelder wie Wertschöpfung, Sicherheit, Umwelt und Qualität werden nach und nach zu einem integrierten Managementsystem inkl. Wissensmanagement verschmelzen (s. Abb. 1.5). Diese Entwicklung wird insbesondere durch vier Trends beschleunigt: Das Management der Wertschöpfung vernetzt sich stärker: nach außen durch die stärkere Einbindung von Beschaffungs- und Absatzpartnern; nach innen durch flachere Hierarchien und abteilungsübergreifendes Handeln. Sicherheit wird nicht als Begrenzung von einzelnen Risiken angestrebt, sondern im ganzheitlichen Risk Management täglich erarbeitet.
1.4 Hauptaufgaben der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
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Abb. 1.5 Einflussfaktoren (Stakeholder) auf das Integrierte Managementsystem und die Dokumentation
Umwelt wird nicht als vom Betrieb isolierter externer Kostenfaktor behandelt, sondern über das eigene Umweltmanagementsystem einbezogen. Qualität wird nicht mehr (nachträglich) erprüft, sondern von allen Mitarbeitern produziert (Stichwort: „Total Quality Management“). Die heute noch mitunter getrennten Managementteilsysteme wachsen zu einem integrierten Managementsystem und -controlling zusammen. Sie dienen zur Sicherung, Entwicklung und dynamischen Steuerung des gesamten Unternehmens. Dazu sind enorme Informationsströme nötig und effektiv auszutauschen (kommunizieren). Neben dem gesprochenen Wort ist die Dokumentation auch in einem integrierten Managementsystem das wichtigste Medium zur Übermittlung und Aufbewahrung von Informationen. Als Bestandteil dieses integrierten Managementsystems hat die Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen während ihres Lebens folgende Hauptaufgaben zu erfüllen: a) Ablegen (s. Definition im Glossar) und Bereitstellen von Dokumenten über grundlegende Managementregelungen des Unternehmens bzw. Betriebs oder Projekts in Form von
Unternehmensmanagement-Handbüchern bzw. Guidelines, Umweltmanagementhandbüchern, Sicherheitsmanagementhandbüchern, Qualitätsmanagementhandbüchern, Engineeringmanagementhandbüchern, Projektmanagementhandbüchern, Investitionsrichtlinien, Beschaffungsrichtlinien, Technische Richtlinien und Spezifikationen des Unternehmens, Musterverträge, Workflows, Templates u.ä. Baustellen-, Inbetriebnahme- und Betriebshandbücher usw.
b) Ablegen und Bereitstellen von Dokumenten für die Vorbereitung und Durchführung der Investition sowie Ablegen der Unterlagen, die während der Investitionsdurchführung erarbeitet werden.
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1 Spezifika und Aufgaben der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Dazu gehören vorrangig: Dokumente für den Genehmigungsantrag sowie über das Genehmigungsverfahren und zum Nachweis des genehmigungsgerechten Betriebs und Rückbaus der Anlage (s. Abschn. 3.4, 3.8 und 5.7). Dokumente für die Ermittlung der Investitionskosten und Betriebskosten sowie für die Durchführung der Wirtschaftlichkeitsrechnung der Anlageninvestition. Dokumente für die Investitionsentscheidung, i.Allg. auf Grundlage der BasicEngineering-Dokumente sowie Ablage der auf dieser Grundlage erarbeiteten Entscheidungsdokumente (s. Abschn. 3.3 und 5.6). Dokumente für die einzelnen Beschaffungsvorgänge sowie Ablage der auf dieser Grundlage erarbeiteten und gelieferten Hersteller- und Lieferantendokumente (s. Abschn. 3.5 und 5.9). Dokumente für die Bau- und Montageausführung sowie Ablage der anfallenden bau- und montagebegleitenden Dokumente inkl. der Dokumente für die Inbetriebnahmevorbereitung (s. Abschn. 5.10). Dokumente für und über die notwendigen Sicherheitsprüfungen vor Inbetriebnahme (s. Abschn. 3.6.3 und 3.7.2). c) Ablegen und Bereitstellen von Dokumenten für die Fertigstellung der AS BUILTDokumentation, die werkvertragliche Abnahme der Anlage und der Dokumentation bzw. gegebenenfalls die rechtsverbindliche schriftliche Bestätigung der erbrachten Vertragsleistung (s. Abschn. 4.5). d) Ablegen und Bereitstellen von Dokumenten für einen bestimmungsgemäßen, sicheren und wirtschaftlichen Betrieb der Anlage sowie Ablage von anfallenden betrieblichen Dokumenten (s. Abschn. 3.7 und Kap. 6). Dazu gehören insbesondere: Dokumente für die Inbetriebnahme der Anlage sowie Ablage der angefallenen Inbetriebnahmedokumente (s. Abschn. 5.11). Gefährdungsbeurteilungen für Arbeitstätigkeiten (s. Abschn. 3.7.2.1) und Anweisungen an das Betriebspersonal zur sicheren und effizienten Bewirtschaftung der Anlage (s. Abschn. 3.7.2.2). Dokumente für/über die wiederkehrenden Sicherheitsprüfungen (s. Abschn. 6.3). Dokumente für eine effiziente Instandhaltung der Anlage sowie Ablage von anfallenden Instandhaltungsdokumenten (s. Abschn. 3.7.3 und 5.11). Dokumente für das Abfahren/die Außerbetriebnahme der Anlage, für die Vorbereitung und Durchführung des Anlagenstillstands (shut down) sowie Anlagen/Nachweisdokumente über Maßnahmen während des Anlagenstillstands. Dokumente für Modernisierungs- und Erweiterungsmaßnahmen sowie Ablage der dabei anfallenden Dokumente (s. Kap. 6). e) Bereitstellung von Unterlagen/Dokumenten für den Rückbau der Anlage sowie Ablage der dabei anfallenden Dokumente (s. Abschn. 3.8). f) Gewährleistung eines nachvollziehbaren und beweiskräftigen Erfüllungsnachweises für die Einhaltung der Sorgfaltspflichten verantwortlicher Personen in allen Lebensphasen der Anlage und Dokumentation. g) Nicht zuletzt ist die Dokumentation eine wichtige Beweisgrundlage für die Klärung (durchsetzen bzw. abweisen) von Gewährleistungs- und/oder Haftungsansprüchen.
1.5 Lebenszyklus der Anlage und Dokumentation
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1.5 Lebenszyklus der Anlage und Dokumentation Der Lebenszyklus einer Anlage umfasst den Zeitraum von der Grundlagenermittlung bis zum Detail Engineering, über die Beschaffung und Errichtung der Anlage bis zur Stilllegung, Demontage und Entsorgung derselben (s. Abb. 1.6).
Abb. 1.6 Darstellung des Lebenszyklus einer verfahrenstechnischen Anlage
Die Gesamtdokumentation einer verfahrenstechnischen Anlage dient grundsätzlich als Träger und Vermittler von Informationen im Umgang mit der Anlage. Sie muss entsprechend den Änderungen über den gesamten Lebenszyklus der Anlage ständig angepasst werden. Man spricht von der notwendigen Dynamisierung der Dokumentation. Dies ist derart zu organisieren, dass der zeitliche Schlupf vertretbar bleibt und eine ausreichende inhaltliche Adäquatheit zur Anlage gegeben ist. Die Gesamtdokumentation verfahrenstechnischer Anlagen durchläuft deshalb analog zur Anlage ebenfalls einen Lebenszyklus, der in Abb. 1.7 veranschaulicht ist und kurz erläutert werden soll. Offiziell wird die Dokumentation einer verfahrenstechnischen Anlage i.d.R. mit dem Projektstart (kick-off) eröffnet, d.h. während des Kick-off-Meetings sind erste, grundlegende Festlegungen zum Umgang mit der Dokumentation zu treffen (s. auch Abschn. 4.6.1). Diese betreffen u.a. deren Grundstruktur, die wichtigsten Begriffe, die Verantwortung und Befugnisse sowie andere organisatorisch-administrative Regelungen. Vorteilhaft ist, wenn dazu im Unternehmen grundlegende DokumentenmanagementRegelungen existieren.
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1 Spezifika und Aufgaben der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Abb. 1.7 Lebenszyklus der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Entsprechend den Phasen der Anlagen-Projektabwicklung (s. Abschn. 5.1) und der Anlagenbewirtschaftung wird die Gesamtdokumentation jeweils als Engineering- und Genehmigungsdokumentation, Errichterdokumentation, Betreiberdokumentation oder Rückbaudokumentation verstanden. Diese Begriffe drücken aus, in welcher Phase ihres Lebens sich die Dokumentation befindet und wer für sie aktuell zuständig ist. In den Planungsphasen Grundlagenermittlung, Vorplanung und Entwurfsplanung werden zunächst wichtige Planungsdokumente erarbeitet und unter dem Sammelbegriff Engineeringdokumentation zusammengefasst (s. Abschn. 3.3, 5.4 bis 5.8). Gegen Ende des Entwurfszeitraums wird auf Basis der Basic Engineering-Dokumente der Genehmigungsantrag inkl. zugehöriger Unterlagen erarbeitet. Zusammen mit dem Genehmigungsbescheid und anderen Dokumenten aus dem Genehmigungsverfahren bilden sie die Genehmigungsdokumentation (s. Abschn. 3.4 und 5.7). Nach der Investitionsentscheidung werden die Detail Engineering-Dokumente erstellt (s. Abschn. 5.8), die zusammen mit den Hersteller-und Lieferantendokumenten und den Package-unit-Dokumenten (s. Abschn. 3.6.11) die Errichterdokumentation bilden. Während der Bau-/Montagephase wird diese fortgeschrieben und bis zum Zeitpunkt MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG um die Dokumente für die Inbetriebnahme und das Betreiben der Anlage (z.B. Betriebsanweisungen) ergänzt. Sie bilden die Inbetriebnahmedokumentation. Gleichzeitig wird aus der Errichterdokumentation gemäß ihrer neuen Funktion die Betreiberdokumentation. Sie ist Arbeitsgrundlage für das Betriebspersonal während der Betriebsphase (Dauerbetrieb) (s. auch Abb. 7.17 in Abschn. 7.4.4). Nach der erfolgreich durchgeführten Inbetriebnahme erfolgt im klassischen Vertragsfall die Anlagenübergabe an den Auftraggeber/Betreiber und der kommerzielle Dauerbetrieb beginnt.
1.6 Verhältnis von elektronischer und gegenständlicher Dokumentation
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Zeitnah zur Anlagenübergabe findet i.d.R. die Übergabe der AS BUILT-Dokumentation gemäß dem folgenden Begriffsverständnis statt. AS BUILT-Dokumentation ist die Gesamtdokumentation der Anlage, die den Sachstand über die Anlage zum Zeitpunkt ihrer Abnahme richtig (as-built) und vollständig gemäß vertraglicher Vereinbarung beschreibt.
Die Dokumentation dient fortan dem Betrieb bzw. dem Betreiber der Anlage. Der Betreiber ist verantwortlich, die Gesamtdokumentation den aktuellen Erfordernissen anzupassen und entsprechend den Änderungen in der Anlage und im Betrieb fortzuschreiben. Gegen Ende des „Anlagenlebens“ dient die Dokumentation letztlich dazu, den Rückbau der Anlage vorzubereiten, durchzuführen und alle Vorgänge nachvollziehbar zu erfassen. Aus rechtlichen insbesondere haftungsrechtlichen Gründen (s. Abschn. 2.6.3) muss die Dokumentation auch nach dem Rückbau noch viele Jahre aufbewahrt werden, d.h. die Lebensdauer der Dokumentation einer verfahrenstechnischer Anlagen ist wesentlich länger als die der Anlage selbst. Als Schlüssel für eine effektive Bewältigung dieses komplizierten Problemlösungsprozesses wird eine ganzheitliche Betrachtungsweise der Dokumentationsthematik angesehen.
1.6 Verhältnis von elektronischer und gegenständlicher Dokumentation Die in Abschn. 1.5 geforderte ganzheitliche Betrachtungsweise zur Dokumentationsthematik wird u.a. dadurch erschwert, dass Dokumente und Dokumentationen in unterschiedlichen Formen vorliegen. Im ersten Schritt kann man zwischen elektronischer und gegenständlicher Dokumentation unterscheiden: Die elektronische Dokumentation ist eine Gesamtheit von Dokumenten zu einem Projekt bzw. Objekt in digitaler Form. Sie ist das digitale Abbild der Dokumentation und kann der Mastersatz oder die digitale Kopie des Mastersatzes sein. Die gegenständliche Dokumentation ist eine Gesamtheit von Dokumenten zu einem Projekt bzw. Objekt in gegenständlicher Form, z.B. Papierdokumente, Röntgenfilme, Rückstellmuster, Schweißproben.
Häufig existieren beide Formen in unterschiedlichen Lebenszyklen und oftmals auch gleichzeitig nebeneinander. Viele Anlagendaten sind nur sinnvoll nutzbar, wenn sie elektronisch vorliegen. Zum Beispiel die Programmbausteine der Gebäudeleittechnik oder die im Enterprise Resource Planning (ERP)-System hinterlegten Wartungsdaten. In Papierform sind diese Anlagendaten nicht praxistauglich. Andere Dokumentenvorlagen werden oft zunächst elektronisch erstellt, danach ausgedruckt und handschriftlich ausgefüllt und im Anschluss wieder digitalisiert. Beispiel 1.5: Nutzung eines Dokuments unterschiedlichen Formats (Medienbruch) Bei der Inbetriebnahme einer Teilanlage wird die Checkliste zur Durchführung der Inbetriebnahme als Vordruck im Textverarbeitungsprogramm erzeugt und gegebenenfalls durch den Inbetriebnahmeleiter ausgedruckt. Während der Inbetriebnahme wird der Vordruck handschriftlich ausgefüllt und als Inbetriebnahmeprotokoll unterschrieben. Das Original des Inbetriebnahmeprotokolls
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1 Spezifika und Aufgaben der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
wird in Papierform abgelegt. Parallel dazu wird das Original eingescannt und im PDF/A-Format abgespeichert. Während des Inbetriebnahmeprozesses werden die Informationen (Checkpunkte, Ergebnisse, Hinweise) also mehrfach mit unterschiedlichen Inhalten bzw. auf verschiedene Arten gespeichert. Dies wird als Medienbruch bezeichnet. Im Beispiel liegt die Information dreifach vor: 1. der Vordruck des Protokolls im Quellformat, 2. das ausgefüllte Protokoll in Papierform, 3. das eingescannte Protokoll in einemelektronischen Format. Aus den jeweiligen Dokumenten im Beispiel 1.5 selbst lässt sich nicht erkennen, welche Information den Master darstellt und was als Teil der Dokumentation in welcher Form archiviert werden muss. Deshalb gilt der Grundsatz: Für die jeweilige Dokumentationseinheit (z.B. Basic Engineering-Dokumentation, Inbetriebnahmedokumentation, Package-unit-Dokumentation, AS BUILT-Dokumentation, Dokument XYZ) ist stets verbindlich festzulegen (z.B. in Projektrichtlinie, Vertrag, Bestellung, Protokoll), welches Exemplar der Dokumentationseinheit der Master, also die aktuell gültige Version der Dokumentation bzw. des Dokuments ist. Durch den Einsatz elektronischer Datenbanksysteme über alle Phasen des Anlagenlebenszyklus hinweg ist die elektronische Version immer häufiger der Master der Dokumentation. Im Zuge dessen muss das Papierexemplar der Dokumentation immer häufiger der elektronischen Version angepasst werden. Grundsätzlich lassen sich elektronische Dokumente in zwei Grundkategorien einteilen: änderbare Daten/Dateien (Synonym: bearbeitbare Daten/Dateien) können mit dem zugehörigen Anwendungsprogramm editiert (geändert, ergänzt, fortgeschrieben) werden. Diese Daten/Dateien werden auch als Quelldaten/-dateien bezeichnet. Dazu gehören insbesondere Quelldaten der Tabellenkalkulation oder Textverarbeitung und Daten aus CADSystemen. unveränderbare Daten/Dateien (Synonym: nichtbearbeitbare Daten/Dateien) können nicht mehr mit dem Programm geändert werden, mit dem sie erstellt wurden, z.B. Bilddateien. Dabei ist zu beachten, dass im Sinne dieser Definition auch unveränderbare Daten/ Dateien manipuliert werden können.
Die Unterscheidung beider Kategorien ist nicht immer anhand des Dateiformats zu treffen. Eine PDF-Datei kann passwortgeschützt im Archivformat PDF/A oder (mit einem Textverarbeitungsprogramm bearbeitbar) als ungeschütztes PDF vorliegen. Eine häufig gestellte Frage, die das Verhältnis von elektronischer und gegenständlicher Dokumentation wesentlich betrifft, lautet: Müssen alle Dokumente bzw. zumindest welche Dokumente müssen in Papierform vorliegen und archiviert werden? Dazu gibt der Blue Guide [15] (ein unverbindlicher Leitfaden zum Produktsicherheitsrecht der EU) die nachfolgend angeführte vage Vorgabe für Produktdokumentationen:
1.6 Verhältnis von elektronischer und gegenständlicher Dokumentation
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Sofern in spezifischen Rechtsvorschriften nicht anders festgelegt, müssen die Sicherheitsinformationen zwar auf Papier vorgelegt werden, aber es wird nicht verlangt, dass alle Anleitungen ebenfalls auf Papier vorliegen...
Der Blue Guide und die EU-Richtlinien stellen den Informationsbenutzer in den Vordergrund und fordern, das Format unter den Aspekten der Wahrnehmbarkeit für den Nutzer und des erforderlichen Schutzniveaus zu wählen. Auch die Rechtsprechung ist bei der Beantwortung der gestellten Frage nicht einheitlich. Es gibt bereits Urteile (z.B. zur Frage, ob für eine Digitalkamera eine gedruckte Anleitung erforderlich sei), die eine rein elektronische Produktdokumentation als ausreichend erachten (Urteil des LG Potsdam vom 26.06.2014, AZ 2 O 188/13). Da die rechtlichen Regelungen zur Notwendigkeit der Papierform relevanter Dokumente, insbesondere im Anlagenbau, weder hinreichend noch eindeutig sind, muss der Sachverhalt unbedingt im Anlagenvertrag bzw. der Bestellung exakt beschrieben und geregelt werden. Für die Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen vollzieht sich der Übergang von der Papierform in die elektronische Dokumentenform vergleichsweise noch langsam. Die Gründe sind u.a.: a) Die Genehmigungsbehörden fordern i.d.R. die Unterlagen zum Genehmigungsantrag in Papierform, zumeist in mehreren Exemplaren. Nur so ist gewährleistet, dass alle beteiligten Stellen und Person (auch die Teilnehmer einer Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. einer öffentlichen Anhörung/Erörterung) die Dokumente eindeutig lesen und die Inhalte entnehmen können. b) Der Gesetzgeber fordert in besonderen Fällen, dass definierte Dokumente in Papierform vorliegen müssen. Beispielsweise wird in der Maschinenrichtlinie (MRL) [16] in Anhang I (Grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen für Konstruktion und Bau von Maschinen) unter Ziff. 1.7.4 (Betriebsanleitung) vorgegeben: Die der Maschine beiliegende Betriebsanleitung muss eine „Originalbetriebsanleitung“ oder eine „Übersetzung der Originalbetriebsanleitung“ sein; im letzteren Fall ist der Übersetzung die Originalbetriebsanleitung beizufügen.
Im „Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie [17] wird dazu in § 255 (Die Form der Betriebsanleitung) näher ausgeführt: Die Form der Betriebsanleitung wird in Nummer 1.7.4 (d. Verf.: Anhang I der MRL) nicht festgelegt. Der allgemeine Konsens lautet, dass sämtliche Anleitungen, die für Sicherheit und Gesundheitsschutz relevant sind, in Papierform mitgeliefert werden müssen, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Benutzer Zugang zu einem Lesegerät für das Lesen einer in elektronischer Form oder auf einer Website zur Verfügung gestellten Betriebsanleitung hat. Häufig ist es jedoch hilfreich, die Betriebsanleitung in elektronischer Form und im Internet sowie in Papierform zur Verfügung zu stellen, da der Benutzer damit die elektronische Fassung bei Bedarf herunterladen und sich wieder ein Exemplar der Betriebsanleitung beschaffen kann, falls das Papierexemplar verloren gegangen ist. Diese Vorgehensweise erleichtert auch gegebenenfalls erforderliche Aktualisierungen der Betriebsanleitung.
c) Bei Rechtsstreitigkeiten fordern die beteiligten Richter, Rechtsanwälte u.a. Personen i.Allg. die relevanten Dokumente in Papierform.
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1 Spezifika und Aufgaben der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Die Beweis-/Rechtskraft eines Dokuments in Papierform (möglichst als unterschriebenes Original) ist höher. Zugleich ist die eindeutige Identifikation eines elektronischen Dokuments mittels der sog. elektronischen Signatur in der Praxis nicht einheitlich geregelt (z.B. länderspezifisch) und relativ aufwendig. d) In Pharmaprojekten und Pharmaunternehmen, die den Good Manufacturing Practice (GMP)-Regularien unterliegen, ist die Nutzung elektronischer Dokumentationssysteme an strenge Bedingungen geknüpft [18][19][20] (s. auch Abschn. 5.14.2). Dies schränkt den Umgang mit elektronischen Dokumenten ein bzw. macht ihn aufwendiger. e) Während der Projektabwicklung sind häufig komplexe Zusammenhänge, z.B. auf R&I-Schemata, Aufstellungsplänen, Werksstattzeichnungen oder Bauzeichnungen, darzustellen und verständlich zu machen. Dazu sind häufig Papierdokumente im Format DIN A1 (594 x 841 mm; Diagonale ca. 40 Zoll) oder im Sonderfall auch DIN A0 (841 x 1189 mm; Diagonale ca. 57 Zoll) besser geeignet als kleinere Bildschirme. f) Nicht alle Auftragnehmer, die z.B. auf der Baustelle vor Ort mit Bau-/Montagearbeiten und/oder im Betrieb mit Instandhaltungsarbeiten beauftragt sind, haben einen schnellen und zuverlässigen Zugriff auf elektronische Dokumente bzw. verfügen nicht über die dafür notwendige Qualifikation. In diesen Fällen ist ein eigenständiges und langjährig gewohntes Papierdokument oftmals unabdingbar. g) Die Anlagenbetreiber und Anlageninstandhalter nutzen für betriebliche Belange, z.B. für Schulungs- und/oder Einweisungsmaßnahmen, zur Störungsdiagnose, zur aktuellen Bestandserfassung älterer Anlagenteile, zur Abstimmung notweniger Sicherheitsprüfungen und/oder Instandsetzungsmaßnahmen gern Papierdokumente. Diese hat er unmittelbar vor Ort vorliegen und kann ggf. Änderungen und Bemerkungen auf den Dokumenten per Hand vornehmen. h) Der Lebenszyklus verfahrenstechnischer Anlagen inkl. Anlagenkomponenten sowie der zugehörigen Dokumentation beträgt mitunter mehrere Jahrzehnte. In diesem langen Zeitraum müssen zahlreiche Dokumente schnell, leserlich, vollständig usw. verfügbar sein. Bei elektronischen Dokumenten mit den unterschiedlichen Dateiformaten war dies über längere Zeiträume zum Teil nicht zu zuverlässig gewährleistet. Im Grundsatz wird der Anteil elektronischer Dokumente im verfahrenstechnischer Anlagenbau immer größer. Es gibt aber weder gesetzliche Regelungen noch normative Vorgaben, in welchen Fällen komplett auf ein Papierexemplar verzichtet werden kann. Die Nutzung von Papierdokumenten wird sich auch weiterhin in bestimmten Anwendungssituationen als notwendig sowie zuverlässiger, zweckmäßiger und wirtschaftlicher erweisen. Auch in Zukunft werden elektronische und gegenständliche Dokumentationen mit- und nebeneinander erstellt und übergeben werden. Unter Berücksichtigung der Informationsbenutzer (Nutzergruppe) muss festgelegt werden, welche Dokumente in welcher Form
1.6 Verhältnis von elektronischer und gegenständlicher Dokumentation
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übergeben, gepflegt und archiviert werden. Bei einer solchen Festlegung spielen auch die Vorgaben des eigenen Unternehmens und der Behörden eine entscheidende Rolle. Außerdem werden die Anforderungen der Informationsbenutzer an die Übergabeformate und -strukturen weiter steigen, um ganze Dokumentationen mit wenig Aufwand in vorhandene Systeme (z.B. DMS/Dokumentenmanagement-Systeme oder ERP-Systeme /Enterprise-Resource-Planning) importieren zu können). Abb. 1.8 zeigt die zeitliche Entwicklung des Miteinander von elektronischer und gegenständlicher (Papier-)Dokumentation auf.
Abb. 1.8 Entwicklung der Dokumentationsformen und der Ablageorte im Überblick
Anlagenbau-Projekte und die zugehörige Anlagendokumentation waren ursprünglich durch Erstellung und Übergabe von Dokumenten in Papierform und deren Ablage in geeigneten Archivräumen geprägt. Mit der Einführung von CAD-Systemen zum Erstellen von Zeichnungen und dem Einsatz von Software zur Textverarbeitung und Tabellenkalkulation wurden Dokumente zwar elektronisch erstellt und gespeichert, die Übergabe erfolgte aber immer noch weitestgehend in Papierform. Inzwischen werden in vielen Projekten zusätzlich zur gegenständlichen Dokumentation in Papierform auch die Quelldaten elektronisch übergeben. In den letzten Jahren kommen zunehmend Softwaresysteme zum Einsatz, oft werden Einzellösungen der unterschiedlichen Projektbeteiligten über Projektkommunikationsund -managementsoftware (PKMS) miteinander verbunden. Der Austausch und die Verteilung von Dokumenten erfolgt auch in der Ausführungsphase nur noch elektronisch durch den Austausch von Quelldaten und nicht veränderbaren Dateien (z.B. im PDF/AFormat). Der zunehmende Einsatz von Softwarewerkzeugen führt i.d.R. nicht zu einer Vereinfachung der Engineering- und Ausführungsprozesse. Daher wird versucht, die Zahl der Softwarewerkzeuge wieder zu verringern, z.B. durch das Einspielen der 3D-CAD-Daten aller Projektbeteiligten in ein gemeinsames Datenmodell. Dieser Ansatz wird auch im Rahmen des Building Information Modelling (BIM) umgesetzt (s. auch Abschn. 7.1.2).
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1 Spezifika und Aufgaben der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
In letzter Konsequenz soll die elektronische Anlagendokumentation als "Digitaler Zwilling" der körperlichen Anlage alle Informationen über den Lebenszyklus der Anlage strukturiert enthalten. Ein weiterer Ansatz ist es, die Anlagendokumentation bei Umbauprojekten direkt im ERP-System des Anlagenbetreibers fortzuschreiben, wobei der Prozess der Anpassung der Bestandsunterlagen im ERP-System geführt und nur das CAD-Modell außerhalb fortgeschrieben wird. Der Trend in Großprojekten des Anlagenbaus geht also dahin, Medienbrüche zu vermeiden und die Dokumentation vollumfänglich in einem integrierten System zu verwalten. Die Prozesse werden in den integrierten Systemen als elektronischer Arbeitsablauf (Workflow) implementiert Nähere Ausführungen zur ganzheitlichen Verwaltung elektronischer Dokumente sind in Kapitel 7 enthalten.
Literatur [1]
Gaus W (2005) Dokumentations- und Ordnungslehre, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg
[2]
DIN EN ISO 10209: Technische Produktdokumentation – Vokabular - Begriffe für technische Zeichnungen, Produktdefinition und verwandte Dokumentation
[3]
DIN EN 82045-1 (IEC 82045-1): Dokumentenmanagement Teil 1: Prinzipien und Methoden
[4]
Götzer K, Maier B, Schmale R, Rehbock K, Komke T (2014) DokumentenManagement, dpunkt.verlag, Heidelberg
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Anhang 11 zum EG-Leitfaden der Guten Herstellungspraxis, Computergestützte Systeme vom 08.08.2011
2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation Die Dokumentation ist aus rechtlicher Sicht mehrfach bedeutungsvoll. a) Für jede verfahrenstechnische Anlage existiert eine Fülle von zu beachtenden Rechtsvorschriften. Diese Rechtsvorschriften haben Einfluss auf den gesamten Lebenszyklus der Anlage und der Dokumentation sowie auf jede Partei, die damit zu tun haben. Die Rechtsvorschriften sind zudem von Land zu Land unterschiedlich und werden z.T. auch unterschiedlich ausgelegt. b) Über die gesetzlichen Vorgaben hinaus ist in den meisten Fällen die Erarbeitung und Lieferung der Dokumentation ein definierter Bestandteil des Anlagenvertrags bzw. der Bestellung. Die Dokumentationsleistungen unterliegen, genau wie die Herstellung der Anlage, den gesetzlichen Regelungen zum Schuldrecht wie auch den sonstigen vertraglichen Vereinbarungen. Das heißt, für die im Anlagenvertrag vereinbarten Dokumentationsleistungen gilt i.d.R. auch das Werkvertragsrecht, mit allen Konsequenzen bezüglich Gewährleistung, Gefahrenübergang, Beweislast usw. In Abschnitt 4.4 wird darauf detailliert eingegangen. c) Im Umgang mit der Anlage und der Dokumentation gibt es für die verantwortlichen Unternehmen und Personen in allen Lebensphasen (abgeleitet aus a) und b)) eine Vielzahl von Pflichten bzw. Vorgaben, die sich beispielsweise aus relevanten Rechtsvorschriften (EU-Richtlinien, Gesetzen, Verordnungen, Durchführungsbestimmungen), Festlegungen der Zulassungsentscheidungen im Ergebnis einer Umweltverträglichkeitsprüfung (s. Abschn. 3.4.1), Bestimmungen des Genehmigungsbescheides inkl. zutreffender Verwaltungsvorschriften (s. Abschn. 3.4), berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriften, Regeln zum Stand der Technik und insbesondere zur Sicherheitstechnik und Dokumentation, wie ISO-Normen, EU-Normen, DIN-Normen, VDI-/ VDE-Richtlinien, Regeln staatlicher Körperschaften (z.B. der Berufsgenossenschaften in der BRD) und Vorgaben der Sachversicherer (z.B. des VdS in der BRD) geltenden unternehmensspezifischen bzw. betrieblichen Vorschriften, vereinbarten projekt- und vertragsspezifischen Vorschriften bzw. Regelungen ableiten. In einigen dieser Vorschriften wird zwingend gefordert, dass die darin angeführten Dokumente (Alarm- und Gefahrenabwehrplan, Flucht- und Rettungsplan, Explosionsschutzdokument, Brandschutzkonzept/-nachweis, Gefährdungsbeurteilungen, Betriebsanweisungen, Betriebsanleitungen, EU-Konformitätserklärungen, Kranbücher, Sicherheitsdatenblätter, Prüfzertifikate, ...) angefertigt und wieder auffindbar abgelegt werden. Darüber hinaus sind Dokumente (z.B. Protokolle von Emissionsmessungen, TÜVPrüfbescheinigungen, Prüfstatiken) auch nötig, um die vorschriftsgemäße Ausführung und Nutzung nachweisen zu können. d) Nicht zuletzt spielt die Dokumentation auch eine wichtige Rolle in Zusammenhang mit vereinbarten Leistungen bei der Errichtung und dem Betrieb der Anlage selbst, © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 K. H. Weber et al., Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen, VDI-Buch, https://doi.org/10.1007/978-3-662-55150-9_2
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
indem sie zu einem vertragsrelevanten bzw. genehmigungsrelevanten und/oder sicherheitskritischen Sachverhalt einen Nachweis oder Beweis (Dokumentation liefert Informationen, siehe Kapitel 1) liefern kann. Zusammenfassend gilt auch heute der Grundsatz: Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen! J. W. Goethe
Bei der Beurteilung von Schäden und Haftungsansprüchen, die in Verbindung mit den Ausführungen nach a) bis d) untersucht werden, sind rechtliche Aspekte entscheidend. Die weiteren Ausführungen sollen für den Nichtjuristen einen Überblick und eine Orientierung geben.
2.1 Internationales Rechtsumfeld im Anlagenbau Verfahrenstechnische Anlagen werden überall auf der Welt errichtet und betrieben. Die Arbeit in Projekten des Anlagenbaus ist oft international geprägt und erfolgt in interdisziplinären, interkulturellen und internationalen Teams. Alleine in Deutschland erzielten im Jahre 2018 ca. 6.500 Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus einen Umsatz von mehr als 220 Milliarden Euro; die Exportquote der BRD lag bei über 78 % [1]. Die meisten Projekte werden in anderen Ländern Europas und auf anderen Kontinenten abgewickelt. Daher lohnt sich ein kurzer Blick auf das internationale Rechtsumfeld. Generell teilen sich die Rechtssysteme in der Welt in Gruppen auf, von denen zwei genauer betrachtet werden: das Civil Law und das Common Law (s. Abb. 2.1).
Abb. 2.1 Gegenüberstellung von Common Law und Civil Law
Abgeleitet aus dem römischen Recht ist das Civil Law gesetzesbasiert. Die Rechtsprechung folgt abstrakten, generellen Regeln (Gesetzen) [2]. Die Länder der europäischen Gemeinschaft (mit wenigen Ausnahmen) haben ein Rechtssystem, das auf dem Civil Law basiert. Dies gilt auch für Länder wie Russland, China und Japan. Das Common Law (traditionell aus England stammend) ist dagegen einzelfallorientiert. Der Richter entscheidet auf der Basis von Präzedenzfällen. Common Law herrscht u.a. in England und Irland, den USA, Kanada, Australien und Neuseeland. Der Unterschied in den Rechtssystemen kann dazu führen, dass baugleiche Anlagen an unterschiedlichen Standorten völlig unterschiedlichen Rechtssystemen unterliegen
2.2 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der EU
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und die Vertragsparteien völlig unterschiedlich miteinander umgehen (müssen). Europa ist weitgehend dem Civil Law unterworfen. Der Rechtsraum des Common Law wird im weiteren Verlauf nicht weiter betrachtet. Eine Möglichkeit, Projekte und Verträge international zu vereinheitlichen, ist die Anwendung standardisierter Vertragsmuster, z.B. der internationalen Organisation beratender Ingenieure (Fédération Internationale Des Ingénieurs-Conseils (FIDIC). Der Einsatz von Musterverträgen entbindet jedoch die Vertragsparteien nicht davon, die am Anlagenstandort gültigen Gesetze und Vorgaben von Behörden einzuhalten. Neben den unterschiedlichen Rechtssystemen gibt es weltweit auch unterschiedliche Vorstellungen über Umfang und Detaillierung der erforderlichen Anlagendokumentation. Daher ist es bei Anlagen- und Dokumentationsprojekten unumgänglich, zu Projektbeginn eine Analyse der geltenden Gesetze und der vertraglich getroffenen Vereinbarungen durchzuführen (s. auch Abschn. 4.6). Vereinfacht gesagt, bilden die gesetzlichen Vorgaben und die vertraglichen Gegebenheiten den Rahmen für die geschuldete Dokumentation.
2.2 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der EU 2.2.1 Übersicht zum fachspezifischen Recht der EU Seit über 60 Jahren versuchen die Staaten Europas, den Handel zu vereinfachen und zu standardisieren. Beginnend mit den römischen Verträgen aus dem Jahr 1957 bis zum Vertrag von Lissabon von 2007 haben die EU-Mitgliedsstaaten versucht, die Normen und Gesetzeslage im Anlagenbau Schritt für Schritt anzugleichen. In diesem Buch werden aus dem Vertrag von Lissabon zwei Paragrafen näher betrachtet (s. Tab. 2.1). Mit Artikel 114 werden einheitliche Standards für Produkte und Arbeitsmittel vereinbart. Der Artikel 153 sorgt für Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz im Betrieb. Ziele dieser beiden Artikel ist der Abbau von Handelshemmnissen und eine einheitliche juristische Sichtweise und Grundlage zur Beurteilung von Arbeitssicherheit, Umweltaspekten und Produktsicherheit. Abgeleitet aus diesen beiden Paragrafen erlässt die EU Richtlinien, Verordnungen, Stellungnahmen und Beschlüsse. Europarecht hat Vorrang vor den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften. Die Vorgaben der EU sind entweder unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten geltendes Recht (z.B. Verordnungen) oder müssen durch die nationalen Parlamente binnen vorgegebener Fristen in nationales Recht umgesetzt werden (EU-Richtlinien). Die Vorgaben der EU erfolgen nach vier unterschiedlichen Verfahren:
EU-Richtlinien, EU-Verordnungen, EU-Beschlüsse bzw. EU-Entscheidungen, EU-Empfehlungen und Stellungnahmen.
a) EU-Richtlinien EU-Richtlinien formulieren Ziele und ggf. Maßnahmen sowie Fristen für deren Umsetzung. Die Mitgliedsstaaten entscheiden selbständig über die Mittel, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen. Richtlinien müssen innerhalb der angeführten Fristen in nationales Recht überführt werden.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Tabelle 2.1 Auszug aus dem Vertrag von Lissabon [3] Artikel 114 (ex-Artikel 95 EGV) (1) Soweit in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist, gilt für die Verwirklichung der Ziele des Artikels 26 die nachstehende Regelung. Das Europäische Parlament und der Rat erlassen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben… (3) Die Kommission geht in ihren Vorschlägen nach Absatz 1 in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz von einem hohen Schutzniveau aus und berücksichtigt dabei insbesondere alle auf wissenschaftliche Ergebnisse gestützten neuen Entwicklungen. Im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse streben das Europäische Parlament und der Rat dieses Ziel ebenfalls an… Artikel 153 (ex-Artikel 137 EGV) (1) Zur Verwirklichung der Ziele … unterstützt und ergänzt die Union die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf folgenden Gebieten: a) Verbesserung insbesondere der Arbeitsumwelt zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer, b) Arbeitsbedingungen, c) soziale Sicherheit und sozialer Schutz der Arbeitnehmer… (2) Zu diesem Zweck können das Europäische Parlament und der Rat… b) den in Absatz 1 Buchstaben a bis i genannten Bereichen unter Berücksichtigung der in den einzelnen Mitgliedstaaten bestehenden Bedingungen und technischen Regelungen durch Richtlinien Mindestvorschriften erlassen, die schrittweise anzuwenden sind. …
Beispiele von EU-Richtlinien mit Auswirkungen auf die Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen sind:
Maschinen-Richtlinie (MRL) [4], Druckgeräte-Richtlinie (DGRL) [5], ATEX-Herstellerrichtlinie [6], Niederspannungsrichtlinie [7], Elektromagnetische Verträglichkeit-Richtlinie (EMV-RL) [8], Persönliche Schutzausrüstung-Richtlinie (PSA-RL) [9], EU-Industrieemissionsrichtlinie (IE-RL) [10], ATEX-Betriebsrichtlinie [11], Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit (RaPS-RL) [12].
Die meisten dieser Richtlinien sind in der BRD im Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) [13] in nationales Recht umgesetzt. Obwohl der Begriff „Richtlinie“ etwas irreführend ist, sind die EU-Richtlinien für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtend und müssen analog wie Gesetze eingehalten werden. Ein Übersicht wesentlicher EU-Richtlinien, die sich aus den Artikeln 114 und 153 ableiten, sowie deren Umsetzung in deutsches Recht zeigt Abb. 2.2. Auf der linken Seite von Abb. 2.2 ist die Zuordnung der EU-Richtlinien zur Produktsicherheit zum deutschen Produktsicherheitsgesetz dargestellt.
Abb. 2.2 Übersicht zu europäischen und abgeleiteten deutschen Rechtsvorschriften
2.2 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der EU 31
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Die rechte Bildhälfte stellt die Umsetzung der Richtlinien zur Sicherheit und Gesundheitsschutz dar. Hier folgt die Umsetzung in nationales Recht keinem eindeutigen Muster. Daher ist hier bei Fragestellungen der Aufwand zur Recherche erheblich höher. Die EU-Richtlinien haben zugleich auch erhebliche Auswirkungen auf Inhalt und Umfang der zu erstellenden Gesamtdokumentation verfahrenstechnischer Anlagen (s. Abschn. 2.2.2 und 2.2.3). Eine Verletzung der Vorgaben von EU-Richtlinien hat Auswirkung auf Haftung und im Extremfall strafrechtliche Folgen. Im Produktsicherheitsgesetz sind die produktrelevanten EU-Richtlinien als Verordnungen dieses Gesetzes umgesetzt (s. Abb. 2.2). Die deutschen Verordnungen sind i.d.R. gleichlautend mit den EU-Richtlinien. Da alle EU-Richtlinien in allen Amtssprachen der EU frei verfügbar sind werden im vorliegenden Buch die Folgerungen immer direkt auf die EU-Richtlinie bezogen. b) EU-Verordnungen EU-Verordnungen sind unmittelbar gültig und in allen EU-Mitgliedstaaten rechtlich verbindlich, ohne dass es einer Umsetzung in nationales Recht bedarf.
Beispiele von EU-Verordnungen sind:
EG-Abfallverbringungsverordnung [14] Europäische ÖKO-Verordnung [15] Europäische REACH-Verordnung [16] Bauproduktenverordnung [17]
c) EU-Beschlüsse bzw. EU-Entscheidungen EU-Beschlüsse und EU-Entscheidungen sind für die Empfänger rechtlich verbindlich und bedürfen keiner Umsetzung in nationales Recht. Sie können an Mitgliedstaaten, Unternehmen und Einzelpersonen gerichtet sein.
Die Beschlüsse und Entscheidungen haben eine ähnliche Rechtskraft wie die Verordnungen. Ein wichtiger Beschluss mit Auswirkung auf die Dokumentation von Produkten ist der Beschluss 768/2008/EG [18] (s. Auszug in Tab. 2.2). Der Beschluss 768/2008/EG bildet mit den EU-Richtlinien die Basis für das geltende Recht zur Produktsicherheit. Aus dem Text in Tabelle 2.2 können für den Errichter einer Anlage folgende Pflichten abgeleitet werden: Die Anlage und die Anlagendokumentation müssen allen gesetzlichen Vorgaben vollumfänglich genügen. Der Hersteller muss die technischen Unterlagen aufbewahren. Ein Produkt muss mit verständlicher und nutzbarer Dokumentation ausgeliefert werden. Tabelle 2.2 Auszug aus dem Beschluss 768/2008/EG [18] Artikel 1: Allgemeine Grundsätze (1) Produkte, die in der Gemeinschaft in Verkehr gebracht werden, müssen mit allen geltenden Rechtsvorschriften übereinstimmen. (2) Bringen Wirtschaftsakteure Produkte auf dem Gemeinschaftsmarkt in Verkehr, so sind sie im Rahmen ihrer jeweiligen Rolle in der Lieferkette für die Konformität ihrer Produkte mit allen geltenden Rechtsvorschriften verantwortlich.
2.2 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der EU
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Tab. 2.2 (Fortsetzung) Artikel 1: Allgemeine Grundsätze (Fortsetzung) (3) Die Wirtschaftsakteure sind dafür verantwortlich zu gewährleisten, dass alle Informationen, die sie über ihre Produkte bereitstellen, korrekt und vollständig sind und mit den geltenden Rechtsvorschriften der Gemeinschaft übereinstimmen. Anhang I Kapitel R2: Pflichten der Hersteller (Auszug) (2) Die Hersteller erstellen die erforderlichen technischen Unterlagen und führen das anzuwendende Konformitätsbewertungsverfahren durch oder lassen es durchführen... (3) Die Hersteller bewahren die technischen Unterlagen und die EG-Konformitätserklärung [einen zum Lebenszyklus des Produkts und zur Schwere der Gefährdungen verhältnismäßigen Zeitraum] ab dem Inverkehrbringen des Produkts auf… (7) Die Hersteller gewährleisten, dass dem Produkt die Gebrauchsanleitung und die Sicherheitsinformationen beigefügt sind, die in einer Sprache, die von den Verbrauchern und sonstigen Endbenutzern leicht verstanden werden kann, gemäß der Entscheidung des betreffenden Mitgliedstaats zur Verfügung gestellt wird...
d) EU-Empfehlungen und EU-Stellungnahmen EU-Empfehlungen und Stellungsnahmen sind unverbindlich. Sie gelten als Ratschläge, werden aber vom jeweiligen Adressaten fast immer umgesetzt.
Beispiel sind die sogenannten Leitfäden, die von der EU zur Erklärung und Auslegung der EU-Richtlinien veröffentlicht werden. Die Leitfäden klären strittige Fragen und verdeutlichen die EU-Richtlinien anhand von Beispielen. Obwohl die Leitfäden keinen Gesetzescharakter haben, sollten die Vorgaben trotzdem beachtet und umgesetzt werden. Sie werden von den Genehmigungsbehörden bei strittigen Fragen verwendet. Leider erscheinen die Leitfäden nicht für alle EU-Richtlinien und nicht zeitgleich mit den Richtlinien, da die Übersetzungen aus dem Englischen meistens erst später erfolgt. Wichtiger Leitfaden für die Anlagendokumentation ist der Leitfaden zur Maschinenrichtlinie [19]. Abschließend zu diesem Abschnitt ist festzustellen, dass sich die meisten EUVorgaben auf das Inverkehrbringen von Produkten beziehen. Den Warenaustausch innerhalb der EU zu vereinfachen, war und ist deren primäres Ziel. Verfahrenstechnische Anlagen waren davon zunächst weniger betroffen. Aber die Situation ändert sich. Einige der produktbezogenen EU-Richtlinien sind inzwischen auch für Anlagen relevant, sofern es sich z.B. um eine Gesamtheit von Maschine [4] handelt (s. Abschn. 5.12). Ferner gibt es zunehmend EU-Richtlinien, die a priori für verfahrenstechnische Anlagen erarbeitet und erlassen wurden. Im Weiteren wird deshalb zwischen EU-Rechtsvorschriften, die primär für Produkte gelten und anderen, die für Anlagen erlassen wurden, unterschieden.
2.2.2 Dokumentationspflichten für Anlagenkomponenten bzw. Stoffe Der Begriff Anlagenkomponente soll im engeren Sinne Produkte (bewegliche Sachen/Güter gemäß der Definition im Produkthaftungsgesetz [20] (s. auch Abschn. 1.1) umfassen. Dazu gehören insbesondere die Hauptausrüstungen, aber auch Rohrleitungen und Rohrleitungsteile, Armaturen, Geräte, Kabel u.a. technische Bauteile. Nicht dazu gehören Teilanlagen, Package-units oder komplette Bauwerke.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
a) Maschinen-Richtlinie (MRL) [4] In Artikel 1 (Anwendungsbereich) steht: (1) Diese Richtlinie gilt für die folgenden Erzeugnisse: a) Maschinen; b) auswechselbare Ausrüstungen; c) Sicherheitsbauteile; d) Lastaufnahmemittel; e) Ketten, Seile und Gurte; f) abnehmbare Gelenkwellen; g) unvollständige Maschinen.
Wegen des großen Umfangs werden nachfolgend nur wenige Aussagen zu den Buchst. a) (Maschinen) und g) (unvollständige Maschinen) angeführt. Die MRL regelt das Inverkehrbringen von Maschinen innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) sowie der Schweiz und der Türkei und soll insbesondere einheitliche und ausreichende Vorkehrungen zur Unfallverhütung im Umgang mit der Maschine gewährleisten. Vier wichtige Begriffe sind in der MRL, Artikel 2 (Begriffsbestimmungen) wie folgt definiert: „Maschine“ eine mit einem anderen Antriebsystem als der unmittelbar eingesetzten menschlichen oder tierischen Kraft ausgestattete oder dafür vorgesehene Gesamtheit miteinander verbundener Teile oder Vorrichtungen, von denen mindestens eines beweglich ist und die für eine bestimmte Anwendung zusammengefügt sind. (Wesensmerkmale kursiv!) „Unvollständige Maschine“ ist eine Gesamtheit, die fast eine Maschine bildet, für sich genommen aber keine bestimmte Funktion erfüllt. Ein Antriebssystem stellt eine unvollständige Maschine dar. Eine unvollständige Maschine ist nur dazu bestimmt, in andere Maschinen oder in andere unvollständige Maschinen oder Ausrüstungen eingebaut oder mit ihnen zusammengefügt zu werden, um zusammen mit ihnen eine Maschine im Sinne dieser Richtlinie zu bilden. „Inverkehrbringen“ die entgeltliche oder unentgeltliche erstmalige Bereitstellung einer Maschine oder einer unvollständigen Maschine in der Gemeinschaft (d. Verf.: EU) im Hinblick auf ihren Vertrieb oder ihre Benutzung. „Hersteller “ jede natürliche oder juristische Person, die eine von dieser Richtlinie erfasste Maschine oder eine unvollständige Maschine konstruiert und/oder baut und für die Übereinstimmung der Maschine oder unvollständigen Maschine mit dieser Richtlinie im Hinblick auf ihr Inverkehrbringen unter ihrem Namen oder Warenzeichen oder für den Eigenverbrauch verantwortlich ist. Wenn kein Hersteller im Sinne der vorstehenden Begriffsbestimmung existiert, wird jede natürliche oder juristische Person, die eine von dieser Richtlinie erfasste Maschine oder unvollständige Maschine in Verkehr bringt oder in Betrieb nimmt, als Hersteller betrachtet. „Inbetriebnahme“ die erstmalige bestimmungsgemäße Verwendung einer von dieser Richtlinie erfassten Maschine in der Gemeinschaft. Bem.: In Anhang I, Ziff. 1.1.1 wird unter „bestimmungsgemäßer Verwendung“ die Verwendung einer Maschine entsprechend den Angaben in der Betriebsanleitung verstanden.
Außer des angeführten Maschinenbegriffs sind in der MRL noch weitere spezielle Ausrüstungen bzw. Vorrichtungen genannt, die auch als „Maschine im Sinne der MRL“ zu verstehen sind und den Regelungen der MRL unterliegen.
2.2 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der EU
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Dazu gehört auch der Begriff Gesamtheit von Maschinen, der für die Frage bedeutend ist, ob verfahrenstechnische Anlagen von der MRL betroffen sind und eine EUKonformitätserklärung benötigen (s. Abschn. 5.12.3). In Artikel 5 (Inverkehrbringen und Inbetriebnahme) der MRL steht als Voraussetzung für das Inverkehrbringen/der Inbetriebnahme einer Maschine u.a.: (1) Der Hersteller oder sein Bevollmächtigter muss vor dem Inverkehrbringen und/oder der Inbetriebnahme einer Maschine a) sicherstellen, dass die Maschine die in Anhang 1 aufgeführten, für sie geltenden grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen erfüllt; b) sicherstellen, dass die in Anhang VII Teil A genannten technischen Unterlagen verfügbar sind; c) insbesondere die erforderlichen Informationen, wie die Betriebsanleitung, zur Verfügung stellen; d) die zutreffenden Konformitätsbewertungsverfahren gemäß Artikel 12 durchführen; e) die EG-Konformitätserklärung gemäß Anhang II Teil 1 Abschnitt A ausstellen und sicherstellen, dass sie der Maschine beiliegen; f) die CE-Kennzeichnung gemäß Artikel 16 anbringen. (2) Vor dem Inverkehrbringen einer unvollständigen Maschine stellen der Hersteller oder sein Bevollmächtigter sicher, dass das in Artikel 13 genannte Verfahren (d. Verf.: Verfahren für unvollständige Maschinen) abgeschlossen worden ist.
Die in Abs. (1), Buchst. a) gemachte Auflage ist im Anhang I (Grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen für Konstruktion und Bau von Maschinen) sehr umfangreich und detailliert untersetzt. Sie stellen eine wichtige Handlungsanleitung für das Engineering, die Beschaffung, die Inbetriebnahme und für die Dokumentation der Maschine dar. In Anhang I, Kapitel 1. (Allgemeine Grundsätze) wird u.a. gefordert: (1) Der Hersteller einer Maschine oder sein Bevollmächtigter hat dafür zu sorgen, dass eine Risikobeurteilung vorgenommen wird, um die für die Maschine geltenden Sicherheitsund Gesundheitsschutzanforderungen zu ermitteln. Die Maschine muss dann unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Risikobeurteilung konstruiert und gebaut werden. Bei den vorgenannten Verfahren der Risikobeurteilung und Risikominderung hat der Hersteller oder sein Bevollmächtigter die Grenzen der Maschine zu bestimmen, was ihre bestimmungsgemäße Verwendung und jede vernünftigerweise vorhersehbare Fehlanwendung einschließt, die Gefährdungen, die von der Maschine ausgehen können, und die damit verbundenen Gefährdungssituationen zu ermitteln; die Risiken abzuschätzen unter Berücksichtigung der Schwere möglicher Verletzungen oder Gesundheitsschäden und der Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens; die Risiken zu bewerten, um zu ermitteln, ob eine Risikominderung gemäß dem Ziel dieser Richtlinie erforderlich ist, die Gefährdungen auszuschalten oder durch Anwendung von Schutzmaßnahmen die mit diesen Gefährdungen verbundenen Risiken in der in Nummer 1.1.2 Buchstabe b festgelegten Rangfolge zu mindern.
Problematisch ist, dass die zuvor angeführte Risikobeurteilung gemäß MRL nicht zwingend Teil der Hersteller- bzw. Lieferantendokumentation ist. Sie steht somit dem Besteller für dessen Folgebetrachtungen nicht zur Verfügung und kann nur durch die zuständige Behörde eingesehen werden. Andere Regelungen sind vertraglich zu vereinbart bzw. nur im gegenseitigen Einvernehmen beider Partner möglich.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Wie in Artikel 5, Abs. (1), Buchst. d) zitiert, fordert die MRL vom Hersteller oder seinem Bevollmächtigten, dass vor Inverkehrbringen der Maschine ein Konformitätsbewertungsverfahren gemäß Artikel 12 (Konformitätsbewertungsverfahren für Maschinen) durchzuführen ist. In diesem Verfahren ist nachzuweisen und zu dokumentieren, dass die Maschine den Bestimmungen der MRL entspricht. Im Ergebnis des Konformitätsbewertungsverfahrens ist für die Maschine u.a. eine EG-Konformitätserklärung auszustellen (s. Tab. 2.3) und an der Maschine ein CEKennzeichen anzubringen. Tabelle 2.3 Inhalt der Konformitätserklärung nach MRL, Anhang II, Teil 1, Abschnitt A Die EG-Konformitätserklärung muss folgende Angaben enthalten: 1. Firmenbezeichnung und vollständige Anschrift des Herstellers und gegebenenfalls seines Bevollmächtigten; 2. Name und Anschrift der Person, die bevollmächtigt ist, die technischen Unterlagen zusammenzustellen; diese Person muss in der Gemeinschaft ansässig sein; 3. Beschreibung und Identifizierung der Maschine, einschließlich allgemeiner Bezeichnung, Funktion, Modell, Typ, Seriennummer und Handelsbezeichnung; 4. einen Satz, in dem ausdrücklich erklärt wird, dass die Maschine allen einschlägigen Bestimmungen dieser Richtlinie entspricht, und gegebenenfalls einen ähnlichen Satz, in dem die Übereinstimmung mit anderen Richtlinien und/oder einschlägigen Bestimmungen, in denen die Maschine entspricht, erklärt wird. Anzugeben sind die Referenzen laut Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union; 5. gegebenenfalls Name, Anschrift und Kennnummer der benannten Stelle, die das in Anhang IX genannte EG-Baumusterprüfverfahren durchgeführt hat, sowie die Nummer der EGBaumusterprüfbescheinigung; 6. gegebenenfalls Name, Anschrift und Kennnummer der benannten Stelle, die das in Anhang X genannte umfassende Qualitätssicherungssystem genehmigt hat; 7. gegebenenfalls die Fundstellen der angewandten harmonisierten Normen nach Artikel 7 Absatz 2; 8. gegebenenfalls die Fundstellen der angewandten sonstigen technischen Normen und Spezifikationen; 9. Ort und Datum der Erklärung; 10. Angaben zur Person, die zur Ausstellung dieser Erklärung im Namen des Herstellers oder seines Bevollmächtigten bevollmächtigt ist, sowie Unterschrift dieser Person.
Im Normalfall muss der Maschinenhersteller bzw. -lieferant, sofern er eine vollständige Maschine gemäß MRL in Verkehr bringt, das Konformitätsverfahren durchführen, die EG-Konformitätserklärung ausstellen und als Teil der technischen Dokumentation an den Besteller übergeben. Betrifft die Bestellung nur eine unvollständige Maschine, so muss der Hersteller eine Risikobeurteilung aber kein Konformitätsbewertungsverfahren durchführen. Stattdessen wird in Artikel 13 (Verfahren für unvollständige Maschinen) gefordert: (1) Der Hersteller einer unvollständigen Maschine oder sein Bevollmächtigter stellt vor dem Inverkehrbringen sicher, dass a) die speziellen technischen Unterlagen gemäß Anhang VII Teil B erstellt werden; b) die Montageanleitung gemäß Anhang VI erstellt ist; c) eine Einbauerklärung gemäß Anhang II Teil 1 Abschnitt B erstellt ist.
2.2 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der EU
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(2) Die Montageanleitung und die Einbauerklärung sind der unvollständigen Maschine bis zu ihrem Einbau in die vollständige Maschine beigefügt und sind anschließend Teil der technischen Unterlagen der vollständigen Maschine.
Der Hersteller der unvollständigen Maschine muss somit nur eine Einbauerklärung ausstellen (s. Tab. 2.4). Tabelle 2.4 Inhalt der Einbauerklärung nach MRL, Anhang II, Teil 1, Abschnitt B Diese Erklärung (d. Verf.: Einbauerklärung) muss folgende Angaben enthalten: 1. Firmenbezeichnung und vollständige Anschrift des Herstellers der unvollständigen Maschine und gegebenenfalls seines Bevollmächtigten; 2. Name und Anschrift der Person, die bevollmächtigt ist, die relevanten technischen Unterlagen zusammenzustellen; diese Person muss in der Gemeinschaft ansässig sein; 3. Beschreibung und Identifizierung der unvollständigen Maschine, einschließlich allgemeiner Bezeichnung, Funktion, Modell, Typ, Seriennummer und Handelsbezeichnung; 4. eine Erklärung, welche grundlegenden Anforderungen dieser Richtlinie zur Anwendung kommen und eingehalten werden, ferner eine Erklärung, dass die speziellem technischen Unterlagen gemäß Anhang VII Teil B erstellt wurden, sowie gegebenenfalls eine Erklärung, dass die unvollständige Maschine anderen einschlägigen Richtlinien entspricht. Anzugeben sind die Referenzen laut Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union; 5. die Verpflichtung, einzelstaatlichen Stellen auf begründetes Verlangen die speziellen Unterlagen zu der unvollständigen Maschine zu übermitteln. In dieser Verpflichtung ist auch anzugeben, wie die Unterlagen übermittelt werden; die gewerblichen Schutzrechte des Herstellers der unvollständigen Maschine bleiben davon unberührt; 6. einen Hinweis, dass die unvollständige Maschine erst dann in Betrieb genommen werden darf, wenn gegebenenfalls festgestellt wurde, dass die Maschine, in die die unvollständige Maschine eingebaut werden soll, den Bestimmungen dieser Richtlinie entspricht; 7. Ort und Datum der Erklärung; 8. Angaben zur Person, die zur Ausstellung dieser Erklärung im Namen des Herstellers oder seines Bevollmächtigten bevollmächtigt ist, sowie Unterschrift dieser Person.
Der Besteller, der z.B. später während der Montagephase aus der unvollständigen Maschine zusammen mit anderen Komponenten eine (vollständige) Maschine gemäß der Definition in der MRL zusammenbaut, muss vor Inverkehrbringen dieser konfigurierten vollständigen Maschine ein Konformitätsbewertungsverfahren durchführen, die EG-Konformitätserklärung ausstellen und das CE-Kennzeichen anbringen. Um diese Schnittstelle zwischen Hersteller und Montage zu vereinfachen, sollte der Auftraggeber/Besteller möglichst immer eine vollständige Maschine „aus einer Hand“ einkaufen. Damit erhält er zusammen mit der Maschine vom Hersteller/Lieferant eine zum Produkt (Maschine) zugehörige EU-Konformitätserklärung. In Anhang I, Ziff. 1.7.4 (Betriebsanleitung) der MRL wird gefordert: Jeder Maschine muss eine Betriebsanleitung in der oder den Amtssprachen der Gemeinschaft des Mitglieds beiliegen, in dem die Maschine in Verkehr gebracht und/oder in Betrieb genommen wird. Die der Maschine beiliegende Betriebsanleitung muss eine „Originalbetriebsanleitung“ … sein.
Die Vorgaben für die Betriebsanleitung gemäß MRL, Anhang I, Ziff. 1.7.4.2 enthält Tabelle 2.5. Ferner sei auf Abschn. 1.6, b) dieses Buchs verwiesen.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Tabelle 2.5 Inhalt der Betriebsanleitung nach MRL, Anhang 1, Ziff. 1.7.4.2 Jede Betriebsanleitung muss erforderlichenfalls folgende Mindestangaben enthalten: a) Firmenname und vollständige Anschrift des Herstellers und seines Bevollmächtigten; b) Bezeichnung der Maschinen entsprechend der Angabe auf der Maschine selbst, ausgenommen die Seriennummer, c) die EG-Konformitätserklärung oder ein Dokument, das die EG-Konformitätserklärung inhaltlich wiedergibt und Einzelangaben der Maschine enthält, das aber nicht zwangsläufig auch die Seriennummer und die Unterschrift enthalten muss; d) eine allgemeine Beschreibung der Maschine; e) die für die Verwendung, Wartung und Instandsetzung der Maschine und zur Überprüfung ihres ordnungsgemäßen Funktionierens erforderlichen Zeichnungen, Schaltpläne, Beschreibungen und Erläuterungen; f) eine Beschreibung des Arbeitsplatzes bzw. der Arbeitsplätze, die voraussichtlich vom Bedienungspersonal eingenommen werden; g) eine Beschreibung der bestimmungsgemäßen Verwendung der Maschine; h) Warnhinweise in Bezug auf Fehlanwendungen der Maschine, zu denen es erfahrungsgemäß kommen kann; i) Anleitungen zur Montage, zum Aufbau und zum Anschluss der Maschine, einschließlich der Zeichnungen, Schaltpläne und der Befestigungen, sowie Angabe des Maschinengestells oder der Anlage, auf das bzw. in die die Maschine montiert werden soll; j) Installations- und Montagevorschriften zur Verminderung von Lärm und Vibration; k) Hinweise zur Inbetriebnahme und zum Betrieb der Maschine sowie erforderlichenfalls Hinweise zur Ausbildung bzw. Einarbeitung des Bedienungspersonals; l) Angaben zu Restrisiken, die trotz der Maßnahmen zur Integration der Sicherheit bei der Konstruktion, trotz der Sicherheitsvorkehrungen und trotz der ergänzenden Schutzmaßnahmen noch verbleiben; m) Anleitung für die vom Benutzer zu treffenden Schutzmaßnahmen, gegebenenfalls einschließlich der bereitzustellenden persönlichen Schutzausrüstung; n) die wesentlichen Merkmale der Werkzeuge, die an die Maschine angebracht werden können; o) Bedingungen, unter denen die Maschine die Anforderungen an die Standsicherheit beim Betrieb, beim Transport, bei der Montage, bei der Demontage, wenn sie außer Betrieb ist, bei Prüfungen sowie bei vorhersehbaren Störungen erfüllt; p) Sicherheitshinweise zum Transport, zur Handhabung und zur Lagerung, mit Angabe des Gewichts der Maschine und ihrer verschiedenen Bauteile, falls sie regelmäßig getrennt transportiert werden müssen; q) bei Unfällen oder Störungen erforderliches Vorgehen; falls es zu einer Blockierung kommen kann, ist in der Betriebsanleitung anzugeben, wie zum gefahrlosen Lösen der Blockierung vorzugehen ist; r) Beschreibung der vom Benutzer durchzuführenden Einrichtungs- und Wartungsarbeiten sowie der zu treffenden vorbeugenden Wartungsmaßnahmen; s) Anweisungen zum sicheren Einrichten und Warten einschließlich der dabei zu treffenden Schutzmaßnahmen; t) Spezifikation der zu verwendenden Ersatzteile, wenn diese sich auf die Sicherheit und Gesundheit des Bedienungspersonals auswirken; u) folgende Angaben zur Luftschallemission der Maschine: ▪ … (diverse Angaben zu Emissionsschalldruckpegel)
2.2 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der EU
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Problematisch ist, dass in der MRL vom Hersteller einer unvollständigen Maschine zwar eine Montageanleitung und Einbauerklärung, aber keine Betriebsanleitung gefordert wird. In Kenntnis dieser Situation wird im Anhang VI (Montageanleitung für eine unvollständige Maschine) vorgegeben: In der Montageanleitung für eine unvollständige Maschine ist anzugeben, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit die unvollständige Maschine ordnungsgemäß und ohne Beeinträchtigung der Sicherheit und Gesundheit von Personen mit den anderen Teilen zur vollständigen Maschine zusammengebaut werden kann.
Ergänzend dazu steht im „Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie“ [19] unter § 39 (Montageanleitung für eine unvollständige Maschine): In der Montageanleitung müssen sämtliche sicherheitsrelevanten Aspekte der unvollständigen Maschine sowie die Schnittstelle zwischen der unvollständigen Maschine und der vollständigen Maschine behandelt werden, die von demjenigen zu berücksichtigen sind, der die unvollständige Maschine in die vollständige Maschine einbaut.
Zusammenfassend wird empfohlen, sowohl aus Sicht des Herstellers (Abwehr möglicher Haftungsansprüche) als auch des Bestellers (Nutzung der zusätzlichen Informationen), auch für unvollständige Maschinen eine Betriebsanleitung (in Anlehnung an Tab. 2.5) zu erarbeiten und gemeinsam mit der unvollständigen Maschine auszuliefern bzw. von Anfang an zu bestellen. Über die Betriebsanleitung hinaus fordert die MRL vom Hersteller oder seinem Bevollmächtigten, dass vor Inverkehrbringen und/oder vor Inbetriebnahme der Maschine die in Anhang VII Teil A genannten technischen Unterlagen verfügbar sind. Im Einzelnen wird festgelegt: 1. Die technischen Unterlagen (d. Verf.: für Maschinen) umfassen a) eine technische Dokumentation mit folgenden Aufgaben bzw. Unterlagen: eine allgemeine Beschreibung der Maschine, eine Übersichtszeichnung der Maschine und die Schaltpläne der Steuerkreise sowie Beschreibungen und Erläuterungen, die zum Verständnis der Funktionsweise der Maschine erforderlich sind, vollständige Detailzeichnungen, eventuell mit Berechnungen, Versuchsergebnissen, Bescheinigungen usw., die für die Überprüfung der Übereinstimmung der Maschine mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen erforderlich sind, die Unterlagen über die Risikobeurteilung, aus denen hervorgeht, welches Verfahren angewandt wurde; die schließt ein: i) eine Liste der grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen, die für die Maschinen gelten, ii) eine Beschreibung der zur Abwendung ermittelten Gefährdungen oder Risikominderung ergriffenen Schutzmaßnahmen und gegebenenfalls eine Angabe der von der Maschine ausgehenden Restrisiken, die angewandten Normen und sonstigen technischen Spezifikationen unter Angabe der von diesen Normen erfassten grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen, alle technischen Berichte mit den Ergebnissen der Prüfungen, die vom Hersteller selbst oder von einer Stelle nach Wahl des Herstellers oder seines Bevollmächtigten durchgeführt wurden, ein Exemplar der Betriebsanleitung der Maschine,
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation gegebenenfalls die Einbauerklärung für unvollständige Maschinen und die Montageanleitung für solche unvollständigen Maschinen, gegebenenfalls eine Kopie der EG-Konformitätserklärung für in die Maschine eingebaute andere Maschinen oder Produkte, eine Kopie der EG-Konformitätserklärung.
Anhand der technischen Unterlagen muss es möglich sein, die Übereinstimmung der Maschine mit den Anforderungen der MRL zu beurteilen. Im Unterschied zur Betriebsanleitung, müssen die technischen Unterlagen gemäß MRL nicht zwingend an den Besteller der Maschine ausgeliefert werden. Falls er ausgewählte technische Dokumente benötigt, muss er diese in der Anfrage spezifizieren und in der Bestellung vereinbaren. Hier gilt das Gleiche wie für die Risikobeurteilung. Ähnliche Regelungen trifft die MRL in Anhang VII Teil B (Spezifische technische Unterlagen für unvollständige Maschinen). Auszugsweise wird festgelegt: Sie (d. Verf.: die technischen Unterlagen für unvollständige Maschinen) umfassen: a) eine technische Dokumentation mit folgenden Angaben bzw. Unterlagen: eine Übersichtszeichnung der unvollständigen Maschine und die Schaltpläne der Steuerkreise, vollständige Detailzeichnungen, eventuell mit Berechnungen, Versuchsergebnissen, Bescheinigungen usw., die für die Überprüfung der Übereinstimmung der unvollständigen Maschine mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen erforderlich sind, die Unterlagen über die Risikobeurteilung, aus denen hervorgeht, welches Verfahren angewandt wurde; dies schließt ein: i) eine Liste der grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen, die angewandt wurden und eingehalten werden, ii) eine Beschreibung der zur Abwendung ermittelter Gefährdungen oder zur Risikominderung ergriffenen Schutzmaßnahmen und gegebenenfalls eine Angabe des Restrisikos, iii) die angewandten Normen und sonstigen technischen Spezifikationen unter Angabe der von diesen Normen erfassten grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen, iv) alle technischen Berichte mit den Ergebnissen der Prüfungen, die vom Hersteller selbst oder von einer Stelle nach Wahl des Herstellers oder seines Bevollmächtigten durchgeführt wurden, v) ein Exemplar der Montageanleitung für die unvollständige Maschine.
Hinsichtlich der Auslieferung der technischen Unterlagen gelten die gleichen Ausführungen wie für die vollständige Maschine. Die EG-Konformitätserklärung sowie die technischen Unterlagen (Dokumentation) inkl. Risikobeurteilung zur vollständigen oder unvollständigen Maschine sind durch das gemäß MRL verantwortliche Unternehmen 10 Jahre (nach dem letzten Tag der Herstellung der Maschine) aufzubewahren. Die MRL wurde mit der 9. ProdSV (Maschinenverordnung) [21] in deutsches Recht überführt. Die Frage: Unterliegt die verfahrenstechnische Anlage auch der Maschinenrichtlinie? wird in Abschn. 5.12.3 beantwortet.
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b) Druckgeräte-Richtlinie (Druckgeräte-RL bzw. DGRL) [5] Die Druckgeräte-RL betrifft gemäß Artikel 1 (Geltungsbereich), Abs. (1) die Auslegung, Fertigung und Konformitätsbewertung von Druckgeräten und Baugruppen mit einem maximal zulässigen Druck (Abk.: PS) von über 0,5 bar (d. Verf.: > 0,5 barü). Die beiden laut Geltungsbereich betroffenen Anlagenkomponenten werden in Artikel 2 (Begriffsbestimmungen wie folgt definiert: 1. „Druckgerät“ Behälter, Rohrleitungen, Ausrüstungsteile mit Sicherheitsfunktion und druckhaltende Ausrüstungsteile, gegebenenfalls einschließlich an drucktragenden Teilen angebrachte Elemente, wie z.B. Flansche, Stutzen, Kupplungen, Tragelemente, Hebeösen. 6. „Baugruppen“ mehrere Druckgeräte, die von einem Hersteller zu einer zusammenhängenden funktionalen Einheit verbunden werden.
Darüber hinaus werden in Artikel 2 u.a. weitere wichtige Begriffe bestimmt: 2. „Behälter“ ein geschlossenes Bauteil, das zur Aufnahme von unter Druck stehenden Fluiden ausgelegt und gebaut ist, einschließlich der direkt angebrachten Teile bis hin zur Vorrichtung für den Anschluss an andere Geräte; ein Behälter kann mehrere Druckgeräte aufweisen. 3. „Rohrleitungen“ zur Durchleitung von Fluiden bestimmte Leitungsbauteile, die für den Einbau in ein Drucksystem miteinander verbunden sind; zu Rohrleitungen zählen insbesondere Rohre oder Rohrsysteme, Rohrformteile, Ausrüstungsteile, Ausdehnungsstücke, Schlauchleitungen oder gegebenenfalls andere drucktragende Teile; Wärmetauscher aus Rohren zum Kühlen oder Erhitzen von Luft sind Rohrleitungen gleichgestellt. 4. „Ausrüstungsteile mit Sicherheitsfunktion“ Einrichtungen, die zum Schutz des Druckgeräts bei einem Überschreiten der zulässigen Grenzen bestimmt ist, einschließlich Einrichtungen zur unmittelbaren Druckbegrenzung wie Sicherheitsventile, Berstscheibenabsicherungen, Knickstäbe, gesteuerte Sicherheitseinrichtungen (CSPRS) und Begrenzungseinrichtungen, die entweder Korrekturvorrichtungen auslösen oder ein Abschalten oder Abschalten und Sperren bewirken wie Druck-, Temperatur- oder Fluidniveauausschalter sowie mess- und regeltechnische Schutzeinrichtungen (SRMCR) 7. „Druck“ der auf den Atmosphärendruck bezogene Druck, d.h. ein Überdruck; demnach wird ein Druck im Vakuumbereich durch einen Negativwert ausgedrückt. 12. „Fluide“ Gase, Flüssigkeiten und Dämpfe als reine Phase sowie deren Gemische; Fluide können eine Suspension von Feststoffen enthalten. 15. „Bereitstellung auf dem Markt“ jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Druckgeräts oder einer Baugruppe zum Vertrieb, zum Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Unionsmarkt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit. 16. „Inverkehrbringen“ die erstmalige Bereitstellung eines Druckgeräts oder einer Baugruppe auf dem Unionsmarkt. 17. „Inbetriebnahme“ die erstmalige Verwendung eines Druckgeräts oder einer Baugruppe durch seinen oder ihren Nutzer. 18. „Hersteller“ jede natürliche oder juristische Person, die ein Druckgerät oder eine Baugruppe herstellt bzw. entwickeln oder herstellen lässt und dieses Druckgerät oder diese Baugruppe unter ihrem eigenen Namen oder ihrer eigenen Handelsmarke vermarktet oder für eigene Zwecke verwendet. 19. „Bevollmächtigter“ jede in der Union ansässige natürliche oder juristische Person, die von einem Hersteller schriftlich beauftragt wurde, in seinem Namen bestimmte Aufgaben wahrzunehmen.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation 20. „Einführer“ jede in der Union ansässige natürliche oder juristische Person, die ein Druckgerät oder eine Baugruppe aus einem Drittstaat auf dem Unionsmarkt bringt. 21. „Händler“ jede natürliche oder juristische Person in der Lieferkette, die ein Druckgerät oder eine Baugruppe auf dem Markt bereitstellt, mit Ausnahme des Herstellers oder des Einführers. 22. „Wirtschaftsakteure“ Hersteller, Bevollmächtigte, Einführer und Händler. 27. „Konformitätsbewertung“ das Verfahren zur Bewertung, ob die wesentlichen Sicherheitsanforderungen dieser Richtlinie an ein Druckgerät oder eine Baugruppe erfüllt worden sind.
Die Druckgeräte-RL regelt u.a. in Artikel 4 die Technischen Anforderungen an Druckgeräte. Im Anhang I der Druckgeräte-RL sind dazu Wesentliche Sicherheitsanforderungen und notwendige Maßnahmen angeführt, die u.a. betreffen: den Entwurf des Druckgerätes (Anhang I, Ziff. 2.), inkl. ▪ Auslegung auf die erforderliche Belastbarkeit ▪ Vorkehrungen für die Sicherheit in Handhabung und Betrieb ▪ Vorkehrungen für die Inspektion ▪ Entleerungs- und Entlüftungsmöglichkeiten ▪ Korrosion und andere chemische Einflüsse ▪ Verschleiß ▪ Baugruppen ▪ Füllen und Entleeren ▪ Schutz vor Überschreiten der zulässigen Grenzen des Druckgerätes ▪ Ausrüstungsteile mit Sicherheitsfunktion ▪ externer Brand die Fertigung des Druckgerätes (Anhang I, Ziff. 3.), inkl. ▪ Fertigungsverfahren ▪ Abnahme (Schluss- und Druckprüfung, Prüfung der Sicherheitseinrichtungen) ▪ Kennzeichnung und Etikettierung ▪ Betriebsanleitung Werkstoffe (Anhang I, Ziff. 4) spezifische, zusätzliche Anforderungen für bestimmte Druckgeräte (u.a. auch für Rohrleitungen) (Anhang I, Ziff. 5 bis 7). Beispielsweise wird für die Betriebsanleitung unter Ziff. 3.4 vorgegeben: a) Bei ihrer Bereitstellung auf dem Markt ist den Druckgeräten, sofern erforderlich, eine Betriebsanleitung für den Benutzer beizufügen, die alle der Sicherheit dienlichen Informationen zu folgenden Aspekten enthält: Montage einschließlich Verbindung verschiedener Druckgeräte, Inbetriebnahme, Benutzung, Wartung einschließlich Inspektion durch die Benutzer. b) Die Betriebsanleitung hat die gemäß Nummer 3.3 (d. Verf.: Kennzeichnung und Etikettierung) auf den Druckgerät anzubringenden Angaben mit Ausnahme der Serienkennzeichnung zu enthalten; der Betriebsanleitung sind gegebenenfalls die technischen Dokumente sowie Zeichnungen und Diagramme beigefügt, die für das richtige Verständnis dieser Anleitung erforderlich sind.
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c) Gegebenenfalls ist in die Betriebsanleitung auch auf die Risiken einer unsachgemäßen Verwendung gemäß Nummer 1.3 und auf die besonderen Merkmale des Entwurfs gemäß Nummer 2.2.3 hinzuweisen.
Druckgeräte müssen vom Hersteller einem Konformitätsbewertungsverfahren unterzogen werden (Artikel 6). In Abs. (2) des Artikels 6 wird dazu festgelegt: (29 Bei den Druckgeräten oder Baugruppen nach Artikel 4 Absätze 1 und 2 erstellen die Hersteller die erforderlichen technischen Unterlagen gemäß Anhang III und führen das einschlägige Konformitätsbewertungsverfahren gemäß Artikel 14 durch oder lassen es durchführen. Wurde mit dem Verfahren gemäß Unterabschnitt 1 dieses Abschnitts nachgewiesen, dass die Druckgeräte oder Baugruppen nach Artikel 4 Absätze 1 und 2 den geltenden Anforderungen entsprechen, stellen die Hersteller eine EU-Konformitätserklärung aus und bringen die CE-Kennzeichnung an.
Bringt ein Einführer ein Druckgerät in Verkehr (s. Artikel 8, Abs. (2)) bzw. ein Händler ein Druckgerät auf den Markt (s. Artikel 9, Abs. (2)) muss er prüfen, dass das betreffende Konformitätsbewertungsverfahren vom Hersteller durchgeführt wurde und mit einer CE-Kennzeichnung versehen ist. Die Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens wird nach folgender Vorgehensweise bestimmt: Festlegen der Art des Druckgeräts (Behälter, Rohrleitung, spezielle Druckgeräte gem. Artikel 4, Abs. (1), Buchst. b). Einstufung des Druckgeräts in die Gruppen 1 und 2 entsprechend dem im Druckgerät vorhandenen Fluid gemäß Artikel 13 (Einstufung von Druckgeräten). Für die Einstufung der Fluids ist die GHS/CLP-Verordnung [22] die Grundlage. Ermitteln der Kategorie des Druckgeräts mit Hilfe des zutreffenden Konformitätsbewertungsdiagramms in Anhang II. Insgesamt gibt es 9 Diagramme, je 4 Diagramme für Behälter bzw. Rohrleitungen und 1 Diagramm für spezielle Druckgeräte. Die in Artikel 4, Absatz (1) genannten Druckgeräte werden gemäß Anhang II nach zunehmendem Gefahrenpotential in Abhängigkeit von: ▪ der Art des Druckgeräts, ▪ der Gruppe, in die das Fluid eingestuft wurde, ▪ dem maximal zulässigen Druck PS, ▪ dem maßgeblichen Volumen V (für Behälter) bzw. der Nennweite DN (für Rohrleitungen), ▪ dem Produkt aus Druck und Volumen PS*V (für Behälter) bzw. aus Druck und Nennweite P*DN (für Rohrleitungen) in die Kategorien I bis IV eingestuft (Artikel 4 und 13). Wahl des Konformitätsbewertungsverfahren in Form von sog. Modulen gem. Artikel 14. In Abhängigkeit von der Kategorie I bis IV sind den Druckgeräten die Module A bis H zugeordnet (Artikel 14, Abs. (2)). Für diese Module sind im Anhang III die zutreffenden Konformitätsbewertungsverfahren angeführt. Die Verfahren schließen auch Vorgaben ein für: ▪ die Bereitstellung technischer Unterlagen durch den Hersteller, inkl. Ergebnisse der Risikoanalyse und -bewertung (Risikobeurteilung) (s. Beispiel in Tab. 2.6), ▪ eine ggf. notwendige Entwurfsprüfung durch eine notifizierte Prüfstelle,
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▪ ▪ ▪ ▪
die fertigungsbegleitende Überwachung durch eine notifizierte Prüfstelle, die Schluss- und Druckprüfung durch den Hersteller bzw. die notifizierte Stelle, die Ausstellung einer schriftlichen Konformitätserklärung (s. Tab. 2.7), das Anbringen des CE-Kennzeichens.
Tabelle 2.6 Auszug aus Anhang III der DGRL für den Modul A 2. Technische Unterlagen Der Hersteller erstellt die technischen Unterlagen. Anhand dieser Unterlagen muss es möglich sein, die Übereinstimmung des Druckgeräts mit den es betreffenden Anforderungen zu bewerten; sie müssen eine geeignete Risikoanalyse und -bewertung enthalten. In den technischen Unterlagen sind die anwendbaren Anforderungen aufzuführen und der Entwurf, die Herstellung und der Betrieb des Druckgeräts zu erfassen, soweit sie für die Bewertung von Belang sind. Die technischen Unterlagen enthalten gegebenenfalls zumindest folgende Elemente: eine allgemein Beschreibung des Druckgeräts; Entwürfe, Fertigungszeichnungen und -pläne von Bauteilen, Unterbaugruppen, Schaltkreisen usw.; eine Aufstellung, welche harmonisierten Normen, deren Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden, vollständig oder in Teilen angewandt wurden, und eine Beschreibung, mit welchen Lösungen die wesentlichen Sicherheitsanforderungen dieser Richtlinie in den Punkten erfüllt wurden, in denen diese harmonisierten Normen nicht angewandt wurden; im Fall von teilweise angewandten harmonisierten Normen werden die Teile, die angewandt wurden, in den technischen Unterlagen angegeben. Tabelle 2.7 Inhalt der EU-Konformitätserklärung nach Druckgeräte-RL, Anhang IV 1. Druckgerät oder Baugruppe (Produkt-, Typen-, Chargen- oder Seriennummer: 2. Name und Anschrift des Herstellers und gegebenenfalls seines bevollmächtigten: 3. Die alleinige Verantwortung für die Ausstellung dieser Konformitätserklärung trägt der Hersteller: 4. Gegenstand der Erklärung (Bezeichnung des Druckgeräts oder der Baugruppe zwecks Rückverfolgbarkeit; sie kann, falls zur Identifizierung des Druckgeräts oder der Baugruppe notwendig, ein Bild enthalten): Beschreibung des Druckgeräts oder der Baugruppe; angewandte Konformitätsverfahren; bei Baugruppen Beschreibung des Druckgeräts aus denen die Baugruppe besteht, sowie die angewandten Konformitätsbewertungsverfahren. 5. Der oben beschriebene Gegenstand der Erklärung erfüllt die einschlägigen Harmonisierungsvorschriften der Europäischen Union: 6. Angabe der einschlägigen harmonisierten Normen, die zugrunde gelegt wurden, oder Angabe der sonstigen technischen Spezifikation, für die die Konformität erklärte wird: 7. Gegebenenfalls Name, Anschrift und Nummer der notifizierten Stelle, die die Konformitätsbewertung vorgenommen hat, Nummer der ausgestellten Bescheinigung und Verweis auf die EU-Baumusterprüfbescheinigung (Baumuster), die EU-Baummusterprüfbescheinigung (Entwurfsmuster) oder die Konformitätsbescheinigung. 8. Zusatzangaben (Unterzeichner, Ort, Datum, Name, Funktion u.a.)
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Der Hersteller bzw. sein in der Gemeinschaft ansässiger Bevollmächtigter hat eine Kopie der Konformitätserklärung sowie andere Unterlagen, die sein richtlinienkonformes Vorgehen belegen, 10 Jahre (nach Herstellung des letzten Druckgerätes) aufzubewahren. Die Druckgeräte-RL wurde mit der 14. ProdSV (Druckgeräteverordnung) [23] in deutsches Recht überführt. Nähere Ausführungen zur Umsetzung sind in der Betriebssicherheitsverordnung [24] enthalten (s. Abschn. 2.3.3, c)). c) ATEX-Herstellerrichtlinie [6] Die ATEX-Herstellerrichtlinie findet gemäß Artikel 1(Anwendungsbereich), Abs. (1) Anwendung auf: a) Geräte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemäßen Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen; b) Sicherheits-, Kontroll- und Regelvorrichtungen für den Einsatz außerhalb von explosionsgefährdeten Bereichen, die jedoch im Hinblick auf Explosionsgefahren für den sicheren Betrieb von Geräten und Schutzsysteme erforderlich sind oder dazu beitragen; c) Komponenten, die zum Einbau in die in Buchstabe a genannten Geräte und Schutzsysteme vorgesehen sind.
Sie trifft kurzgefasst Festlegungen für das Inverkehrbringen bzw. die bestimmungsgemäße Verwendung der angeführten Produkte, die in Artikel 2 (Begriffsbestimmungen) wie folgt definiert sind: 1. „Geräte“: Maschinen, Betriebsmittel, stationäre oder ortsbewegliche Vorrichtungen, Steuerungs- und Ausrüstungsteile sowie Warn- und Vorbeugungssysteme, die einzeln oder kombiniert zur Erzeugung, Übertragung, Speicherung, Messung, Regelung und Umwandlung von Energien und/oder zur Verarbeitung von Werkstoffen bestimmt sind und die eigene potentielle Zündquellen aufweisen und dadurch eine Explosion verursachen können. 2. „Schutzsysteme“: alle Vorrichtungen mit Ausnahme der Komponenten von Geräten, die anlaufende Explosionen umgehend stoppen und/oder den von einer Explosion betroffenen Bereich begrenzen sollen und als autonome Systeme gesondert in den Verkehr gebracht werden.
3. „Komponenten“: solche Bauteile, die für den sicheren Betrieb von Geräten und Schutzsystemen erforderlich sind, ohne jedoch selbst eine autonome Funktion zu erfüllen.
Der Geräte-Begriff wurde in der ATEX-Herstellerrichtlinie bewusst umfangreich definiert, sodass die elektrischen Betriebsmittel mit ihren möglichen, elektrisch verursachten Zündquellen, wie z.B. Wärme- und/oder Funkenbildung durch lose bzw. korrodierte Kabelklemmen, Wicklungskurzschluss, Kabelbruch, überhöhte Stromstärke bzw. vergrößerter ohmscher Widerstand, und die Maschinen u.a. Vorrichtungen mit ihren möglichen, mechanisch verursachten Zündquellen, wie z.B. Wärmebildung durch Reibung an Stopfbuchsen, Gleitringund Labyrinthdichtungen, Kupplungen, Wellenlagern erfasst werden. Der Gerätebegriff nach Hersteller-ATEX schließt somit Maschinen ein.
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Weitere wichtige Begriffsdefinitionen aus Artikel 2 sind: 4. „explosionsfähige Atmosphäre“: ein Gemisch aus Luft und brennbaren Gasen, Dämpfen, Nebeln oder Stäuben unter atmosphärischen Bedingungen, in dem sich der Verbrennungsvorgang nach erfolgter Entzündung auf das gesamte unverbrannte Gemisch überträgt. 5. „explosionsgefährdeter Bereich“: ein Bereich, in dem die Atmosphäre aufgrund der örtlichen und betrieblichen Verhältnisse explosionsfähig werden kann.
Darüber hinaus definiert die ATEX-Herstellerrichtlinie zahlreiche Begriffe, wie z.B. Inverkehrbringen, Bereitstellung auf dem Markt, Hersteller, Bevollmächtigter, Einführer, Händler, Wirtschaftsakteure, nahezu identisch zur Druckgeräte-Richtlinie [5] (Buchst. b) dieses Abschnitts). Beide Normen sind somit harmonisiert. Die ATEX-Herstellerrichtlinie [6] stuft die Geräte laut Artikel 2 (Begriffsdefinition) in folgende zwei Gerätegruppen ein. 6. „Gerätegruppe I“: Geräte, die zur Verwendung in Untertagebetrieben von Bergwerken sowie deren Übertageanlagen, die durch Grubengas und/oder brennbare Stäube gefährdet werden können, bestimmt sind; dies umfasst die in Anhang I genannten Gerätekategorien M1 und M2; 7. „Gerätegruppe II“: Geräte, die zur Verwendung in den übrigen Bereichen, die durch eine explosionsfähige Atmosphäre gefährdet werden können, bestimmt sind; dies umfasst die in Anhang I genannten Gerätekategorien 1, 2 und 3.
Für die meisten verfahrenstechnischen Anlagen ist somit die Gerätegruppe II zutreffend, sodass die weiteren Aussagen sich auf die Gerätegruppe II beschränken. Der Begriff Gerätekategorie ist in Artikel 2, Ziff. 8. wie folgt definiert: 8. „Gerätekategorie“: die Einteilung von Geräten innerhalb jeder Gerätegruppe nach Anhang I, aus der sich das erforderliche Maß an Sicherheit, dass gewährleistet werden muss, ergibt.
Die Einstufung der Gerätegruppen in die Gerätekategorien steht im Anhang I. Nachfolgend auszugsweise die Angaben für die Gerätegruppe II in Anhang I, Ziff. 2: a) Die Gerätekategorie 1 umfasst Geräte, die konstruktiv so gestaltet sind, dass sie in Übereinstimmung mit den vom Hersteller angegebenen Kenngrößen betrieben werden können und ein sehr hohes Maß an Sicherheit gewährleisten. Geräte dieser Kategorie sind zur Verwendung in Bereichen bestimmt, in denen eine explosionsfähige Atmosphäre, die aus einem Gemisch von Luft und Gasen, Dämpfen oder Nebeln oder aus Staub/Luft-Gemischen besteht, ständig oder langfristig oder häufig vorhanden ist. Geräte dieser Kategorie müssen selbst bei selten auftretenden Gerätestörungen das erforderliche Maß an Sicherheit gewährleisten und weisen daher Explosionsschutzmaßnahmen auf, sodass beim Versagen einer apparativen Schutzmaßnahme mindestens eine zweite unabhängige apparative Schutzmaßnahme die erforderliche Sicherheit gewährleistet oder beim Auftreten von zwei unabhängigen Fehlern die erforderliche Sicherheit gewährleistet wird. Die Geräte dieser Kategorie müssen die weitgehenden Anforderungen des Anhangs II Nummer 2.1 erfüllen. b) Die Gerätekategorie 2 umfasst Geräte, die konstruktiv so gestaltet sind, dass sie in Übereinstimmung mit den vom Hersteller angegebenen Kenngrößen betrieben werden können und ein hohes Maß an Sicherheit gewährleisten.
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Geräte dieser Kategorie sind zur Verwendung in Bereichen bestimmt, in denen damit zu rechnen ist, dass eine explosionsfähige Atmosphäre aus Gasen, Dämpfen, Nebeln oder Staub/Luft-Gemischen gelegentlich auftritt. Die apparativen Explosionsschutzmaßnahmen dieser Kategorie gewährleisten selbst bei häufigen Gerätestörungen oder Fehlerzuständen, die üblicherweise zu erwarten sind, das erforderliche Maß an Sicherheit. Die Geräte dieser Kategorie müssen die weitgehenden Anforderungen des Anhangs II Nummer 2.2 erfüllen. c) Die Gerätekategorie 3 umfasst Geräte, die konstruktiv so gestaltet sind, dass sie in Übereinstimmung mit den vom Hersteller angegebenen Kenngrößen betrieben werden können und ein Normalmaß an Sicherheit gewährleisten. Geräte dieser Kategorie sind zur Verwendung in Bereichen bestimmt, in denen nicht damit zu rechnen ist, dass eine explosionsfähige Atmosphäre durch Gase, Dämpfe, Nebel oder aufgewirbelten Staub auftritt, aber wenn sie dennoch auftritt, dann aller Wahrscheinlichkeit nur selten und während eines kurzen Zeitraums. Geräte dieser Kategorie gewährleisten bei normalem Betrieb das erforderliche Maß an Sicherheit. Die Geräte dieser Kategorie müssen die weitgehenden Anforderungen des Anhangs II Nummer 2.3 erfüllen.
Für die Geräte werden im Anhang II der ATEX-Herstellerrichtlinie getrennt nach Kategorie 1 bis 3 zahlreiche gestalterische Anforderungen formuliert. Entsprechend den Sicherheitsanforderungen, denen die Geräte der drei Kategorien gerecht werden, sind sie für den Einsatz in unterschiedlichen Explosionsbereichen geeignet. In Tabelle 2.8 ist dazu eine Übersicht angegeben, die den Angaben in der ATEXBetriebsrichtlinie [11], Anhang II, Buchst. B. entsprechen. Tabelle 2.8 Angaben zu Geräten der Gerätegruppe II und der Gerätekategorien 1 bis 3 nach ATEX-Betriebsrichtlinie, Anhang II, Buchst. B [11] Gerätekategorie
Vorhandensein einer explosionsfähigen Atmosphäre
Sicherheitsanforderungen
Einsatz in Ex-Zone
1
Explosionsfähige Atmosphäre stän- sehr hohes Maß an Zone 0, 1, 2 (Gase) Zone 20, 21, 22 (Stäube) dig oder langfristig oder häufig vor- Sicherheit handen
2
Explosionsfähige Atmosphäre tritt hohes Maß an gelegentlich auf Sicherheit
Zone 1, 2 (Gase) Zone 21, 22 (Stäube)
3
Explosionsfähige Atmosphäre in der Normalmaß an Regel nicht vorhanden; wenn sie Sicherheit dennoch auftritt, dann nur selten und während eines kurzen Zeitraums
Zone 2 (Gase) Zone 22 (Stäube)
Im Anhang II der ATEX-Herstellerrichtlinie sind die „Wesentlichen Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen für die Konzeption und den Bau von Geräten und Schutzsystemen zur bestimmungsgemäßen Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen“ angeführt. Diese betreffen u.a.: Gemeinsame Anforderungen für Geräte und Schutzsysteme, inkl. ▪ Prinzipien der integrierten Explosionssicherheit, ▪ Kennzeichnung,
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▪ Betriebsanleitung (s. Tab. 2.9), Auswahl von Werkstoffen, Konstruktion und Bau, inkl. ▪ geschlossene Bauweise und Verhinderung von Undichtigkeiten, ▪ Staubablagerungen, ▪ gefahrloses Öffnen, ▪ Schutz vor sonstigen Risiken, ▪ Überlastung von Geräten, ▪ druckfeste Kapselungseinrichtungen. Potentielle Zündquellen, inkl. ▪ Gefahren durch unterschiedliche Zündquellenszenarien, ▪ Gefahren durch statische Elektrizität, ▪ Gefahren durch elektrische Streu- und Leckströme, ▪ Gefahren durch unzulässige Erwärmung, ▪ Gefahren bei Druckausgleichsvorgängen. Gefahren durch äußere Störungseinflüsse, Integration von sicherheitsrelevanten Systemanforderungen, Gefahren durch Energieausfall, Gefahren durch Anschlüsse weitergehende Anforderungen an Geräte der verschiedenen Gerätekategorien (Ziff. 2.), weitergehende Anforderungen an Schutzsysteme (Ziff. 3.). Inhaltliche Vorgaben inkl. Begriffsdefinition zur Betriebsanleitung, die in Anhang II, Ziff. 1.0.6., Buchst. b) der ATEX-Herstellerrichtlinie [8] gemacht werden, enthält Tabelle 2.9. Tabelle 2.9 Angaben zur Betriebsanleitung in Anhang II, Ziff. 1.0.6 der ATEX-Herstellerrichtlinie a) Zu jedem Gerät oder Schutzsystem muss eine Betriebsanleitung vorhanden sein, die folgende Mindestangaben enthält: gleiche Angaben wie bei der Kennzeichnung für Geräte oder Schutzsysteme (siehe Nummer 1.0.5) mit Ausnahme der Chargen- oder Seriennummer und gegebenenfalls instandhaltungsrelevante Hinweise (z.B. Anschriften von Service-Werkstätten usw.); Angaben zur oder zum sicheren ▪ Inbetriebnahme, ▪ Verwendung, ▪ Montage und Demontage, ▪ Instandhaltung (Wartung und Störungsbeseitigung) ▪ Installation, ▪ Rüsten; erforderlichenfalls die Markierung von gefährdeten Bereichen vor Druckentlastungen; erforderlichenfalls Angaben zur Einarbeitung; Angaben, die zweifelsfrei die Entscheidung ermöglichen, ob die Verwendung eines Geräts (entsprechend seiner ausgewiesenen Kategorie) oder eines Schutzsystems in den vorgesehenen Bereich unter den zu erwartenden Bedingungen gefahrlos möglich ist; elektrische Kenngrößen und Drücke, höchste Oberflächentemperaturen sowie andere Grenzwerte;
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Tab. 2.9 (Fortsetzung) erforderlichenfalls besondere Bedingungen für die Verwendung, einschließlich der Hinweise auf sachwidrige Verwendung, die erfahrungsgemäß vorkommen kann; erforderlichenfalls die grundlegenden Merkmale der Werkzeuge, die an dem Gerät oder Schutzsystem angebracht werden können. b) Die Betriebsanleitung beinhaltet die für die Inbetriebnahme, Instandhaltung, Inspektion, Überprüfung der Funktionsfähigkeit und gegebenenfalls Reparatur des Geräts oder Schutzsystems notwendigen Pläne und Schemata sowie alle zweckdienlichen Angaben insbesondere im Hinblick der Sicherheit. c) Bezüglich der Sicherheitsaspekte dürfen die Unterlagen, in denen das Gerät oder Schutzsystem präsentiert wird, nicht in Widerspruch zur Betriebsanleitung stehen.
In Artikel 6 (Pflichten der Hersteller) wird festgelegt: (1) Die Hersteller gewährleisten, wenn sie ihre Produkte in Verkehr bringen oder sie für ihre eigenen Zwecke verwenden, dass diese gemäß den wesentlichen Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen in Anhang II entworfen und hergestellt wurden. (2) Die Hersteller erstellen die technischen Unterlagen nach den Anhängen III bis IX und führen das entsprechende Konformitätsbewertungsverfahren nach Artikel 13 durch oder lassen es durchführen. Wurde mit diesem Verfahren nachgewiesen, dass das Produkt, das keine Komponente ist, den anwendbaren Anforderungen entspricht, stellen die Hersteller eine EUKonformitätserklärung aus und bringen die CE-Kennzeichnung an. Wurde mit dem entsprechenden Konformitätsbewertungsverfahren nachgewiesen, dass eine Komponente den anwendbaren Anforderungen entspricht, stellen die Hersteller eine schriftliche Konformitätsbescheinigung nach Artikel 12 Absatz 3 aus.
Der letzte Satz bringt zum Ausdruck, dass für Produkt- bzw. Geräte-Komponenten analoge Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt werden, aber für die Komponente nur eine schriftliche Konformitätsbescheinigung ausgestellt wird. In Artikel 13 wird festgelegt, welches Konformitätsbewertungsverfahren für Geräte, Schutzsysteme und Komponenten der Gerätegruppen I und II sowie der Gerätekategorien 1 bis 3 während der Produktherstellung durchzuführen sind. Dazu werden die einzelnen Verfahren in 9 verschiedene Module unterteilt, die wie folgt definiert sind: EG-Baumusterprüfung, inkl. Ausstellen der EG-Baumusterprüfbescheinigung, Qualitätssicherung Produktion, inkl. Ausstellen der Konformitätsbescheinigung und CE-Kennzeichnung, Prüfung der Produkte, inkl. Ausstellen der Konformitätsbescheinigung und CEKennzeichnung, Konformität mit der Bauart, inkl. Ausstellen der Konformitätsbescheinigung und CE-Kennzeichnung, Qualitätssicherung Produkt, inkl. Ausstellen der Konformitätsbescheinigung und CE-Kennzeichnung, Interne Fertigungskontrolle, inkl. Ausstellen der Konformitätsbescheinigung und CE-Kennzeichnung, Einzelfertigung, inkl. Ausstellen der Konformitätsbescheinigung und CE-Kennzeichnung.
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Der Hersteller des Produkts muss das Konformitätsbewertungsverfahren durchführen, die EU-Konformitätserklärung ausstellen und die CE-Kennzeichnung des Produkts vornehmen. Mit der Ausstellung der EU-Konformitätserklärung übernimmt der Hersteller die volle Verantwortung dafür, dass das Produkt die Anforderungen dieser ATEXHerstellerrichtlinie erfüllt. Bringt ein Einführer ein Produkt in Verkehr (s. Artikel 8) bzw. ein Händler ein Produkt auf den Markt (s. Artikel 9) muss er prüfen, dass das betreffende Konformitätsbewertungsverfahren vom Hersteller durchgeführt wurde und das Produkt mit einer CE-Kennzeichnung versehen ist. Welche technischen Unterlagen für die einzelnen Module im Konformitätsbewertungsverfahren benötigt werden, wird beispielshaft anhand des Modul A (Interne Fertigungskontrolle) in Tabelle 2.10 angeführt. Tabelle 2.10 Auszug aus Anhang VIII der ATEX-Herstellerrichtlinie für den Modul A: Interne Fertigungskontrolle 2. Technische Unterlagen Der Hersteller erstellt die technischen Unterlagen. Anhand dieser Unterlagen muss es möglich sein, die Übereinstimmung des Produkts mit den betreffenden Anforderungen zu bewerten; sie müssen eine geeignete Risikoanalyse und -bewertung enthalten. In den technischen Unterlagen sind die anwendbaren Anforderungen aufzuführen und der Entwurf, die Herstellung und die Funktionsweise des Produkts zu erfassen, soweit sie für die Bewertung von Belang sind. Die technischen Unterlagen enthalten zumindest folgende Elemente: a) eine allgemein Beschreibung des Produkts; b) Entwürfe, Fertigungszeichnungen und -pläne von Bauteilen, Baugruppen, Schaltkreisen usw.; c) Beschreibungen und Erläuterungen, die zum Verständnis der genannten Zeichnungen und Pläne sowie der Funktionsweise des Produkts erforderlich sind; d) eine Aufstellung, welche harmonisierten Normen, deren Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden, vollständig oder in Teilen angewandt worden sind, und, wenn diese harmonisierten Normen nicht angewandt wurden, eine Beschreibung, mit welchen Lösungen die wesentlichen Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen dieser Richtlinie entsprochen wurde, einschließlich einer Aufstellung, welche anderen einschlägigen technischen Spezifikationen angewandt worden sind. Im Fall von teilweise angewandten harmonisierten Normen werden die Teile, die angewandt wurden, in den technischen Unterlagen angegeben. e) die Ergebnisse der Konstruktionsberechnungen, Prüfungen usw., sowie f) die Prüfberichte.
Der Inhalt der EU-Konformitätserklärung gemäß Anhang X ist in Tabelle 2.11 angegeben. Der Hersteller bzw. sein in der Gemeinschaft ansässiger Bevollmächtigter hat eine Kopie der Konformitätserklärung sowie andere Unterlagen, die sein richtlinienkonformes Vorgehen belegen, 10 Jahre (nach Herstellung des letzten Geräts oder Schutzsystems) aufzubewahren.
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Tabelle 2.11 Inhalt der Konformitätserklärung nach Anhang X der ATEX-Herstellerrichtlinie [6] 1. Produktmodell/Produkt (Produkt-, Typen-, Chargen- oder Seriennummer); 2. Name und Anschrift des Herstellers und gegebenenfalls seines Bevollmächtigten; 3. Die alleinige Verantwortung für die Ausstellung dieser Konformitätserklärung trägt der Hersteller; 4. Gegenstand der Erklärung (Bezeichnung des Produkts zwecks Rückverfolgbarkeit; nötigenfalls kann zur Identifizierung des Produkts ein Bild hinzugefügt werden); 5. Der oben beschriebene Gegenstand der Erklärung erfüllt die einschlägigen Harmonisierungsvorschriften der Union; 6. Angabe der einschlägigen harmonisierten Normen oder der anderen technischen Spezifikationen, die der Konformitätserklärung zugrunde gelegt wurden; 7. Gegebenenfalls: Die notifizierte Stelle … (Name, Kennnummer … hat … (Beschreibung ihrer Maßnahme) … folgende Bescheinigung ausgestellt; 8. Zusatzangaben Unterzeichnet für und im Namen von: (Ort und Datum der Ausstellung): (Name, Funktion) (Unterschrift):
Die ATEX-Herstellerrichtlinie wurde mit der 11. ProdSV (Explosionsschutzverordnung) [25] in deutsches Recht überführt. d) Niederspannungsrichtlinie (Niederspannungs-RL) [7] Die Niederspannungsrichtlinie regelt das Inverkehrbringen von elektrischen Betriebsmitteln zur Verwendung bei einer Nennspannung zwischen 50 und 1000 V für Wechselstrom und zwischen 75 und 1500 V für Gleichstrom mit Ausnahme der Betriebsmittel und Bereiche, die in Anhang II der Richtlinie aufgeführt sind. Die für den Anlagenbau wichtigste Ausnahme sind die elektrischen Betriebsmittel zur Verwendung in explosibler Atmosphäre. Für diese gilt die ATEX-Herstellerrichtlinie [6]. Die Begriffsdefinitionen in Artikel 2 (Begriffsbestimmungen) sind weitgehend harmonisiert zu den zuvor zitierten Definitionen in der Druckgeräte-RL [5] und der ATEXHerstellerrichtlinie [6]. Die Niederspannungs-RL gibt u.a. vor: die „Wichtigsten Angaben über die Sicherheitsziele für elektrische Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen“ in Anhang I, das Konformitätsbewertungsverfahren durch den Hersteller gemäß Anhang III, die Ausstellung einer Konformitätserklärung und die CE-Kennzeichnung, die notwendigen Angaben in der EU-Konformitätserklärung (Anhang IV), die Anforderungen an die technischen Unterlagen (inkl. geeignete Risikoanalyse und -bewertung), die der Hersteller oder sein in der Gemeinschaft ansässiger Bevollmächtigter zur Einsichtnahme durch die nationalen Behörden vorhalten muss (s. Tab. 2.12), die Aufbewahrungsfristen für die technischen Unterlagen und die Konformitätserklärung von 10 Jahren nach Herstellung des letzten Produkts.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Tabelle 2.12 Inhalt der technischen Unterlagen gemäß Anhang III, Ziff. 2. der Niederspannungsrichtlinie [7] Der Hersteller erstellt die technischen Unterlagen. Anhand dieser Unterlagen muss es möglich sein, die Übereinstimmung eines elektrischen Betriebsmittels mit den betreffenden Anforderungen zu bewerten; sie müssen eine geeignete Risikoanalyse und -bewertung enthalten. In den technischen Unterlagen sind die anwendbaren Anforderungen aufzuführen und der Entwurf, die Herstellung und der Betrieb des elektrischen Betriebsmittels zu erfassen, soweit sie für die Bewertung von Belang sind. Die technischen Unterlagen enthalten gegebenenfalls zumindest folgende Elemente: a) eine allgemeine Beschreibung des elektrischen Betriebsmittels; b) Entwürfe, Fertigungszeichnungen und -pläne von Bauteilen, Baugruppen, Schaltkreisen usw.; c) die Beschreibungen und Erläuterungen, die zum Verständnis der genannten Zeichnungen und Pläne sowie der Funktionsweise der elektrischen Betriebsmittel erforderlich sind; d) eine Aufstellung, welche harmonisierten Normen, deren Fundstellen im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurden oder welche in Artikel 13 und 14 genannten internationalen oder nationalen Normen vollständig oder in Teilen angewandt worden sind, und, wenn diese harmonisierten Normen bzw. internationalen oder nationalen nicht angewandt wurden, eine Beschreibung, mit welchen Lösungen den Sicherheitszielen dieser Richtlinie entsprochen wurde; e) die Ergebnisse der Konstruktionsberechnungen, Prüfungen usw.; f) die Prüfberichte.
Mit der 1. ProdSV (Verordnung über die Breitstellung elektrischer Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen auf dem Markt) [26] wurde die Niederspannungs-RL in deutsches Recht überführt. e) Elektromagnetische Verträglichkeit-Richtlinie (EMV-RL) [8] Die EMV-RL regelt die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln gemäß der Begriffsbestimmung in Artikel 3. In Artikel 3 werden im Sinne der EMV-RL die folgenden Begriffe wie folgt verstanden: 1. „Betriebsmittel“: ein Gerät oder eine ortsfeste Anlage. 2. „Gerät“: einen fertigen Apparat oder eine als Funktionseinheit auf den Markt bereitgestellte Kombination solcher Apparate, der bzw. die für Endnutzer bestimmt ist und elektromagnetische Störungen verursachen kann oder dessen bzw. deren Betrieb durch elektromagnetische Störungen beeinträchtigt werden kann. 3. „ortsfeste Anlage“: eine besondere Kombination von Geräten unterschiedlicher Art und gegebenenfalls weiteren Einrichtungen, die miteinander verbunden oder installiert werden und dazu bestimmt sind, auf Dauer an einem vorbestimmten Ort betrieben zu werden. 4. „elektromagnetische Verträglichkeit“: die Fähigkeit eines Betriebsmittels, in seiner elektromagnetischen Umgebung zufriedenstellend zu arbeiten, ohne dabei selbst elektromagnetische Störungen zu verursachen, die für andere Betriebsmittel in derselben Umgebung unannehmbar wären.
2.2 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der EU
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5. „elektromagnetische Störung“: jede elektromagnetische Erscheinung, die die Funktion eines Betriebsmittels beeinträchtigen könnte; eine elektromagnetische Störung kann ein elektromagnetisches Rauschen, ein unerwünschtes Signal oder eine Veränderung des Ausbreitungsmediums selbst sein.
Der Begriff „Betriebsmittel“ ist weit gefasst und schließt u.a. auch elektrische/elektronische Teilsysteme bzw. Teilanlagen verfahrenstechnischer Anlagen ein. Typisches Beispiel ist das Prozessleitsystem (PLS). Die Begriffsdefinitionen in Artikel 3 (Begriffsbestimmungen) sowie die Ausführungen zur Konformität sind weitgehend harmonisiert zu den zuvor zitierten Definitionen in der Druckgeräte-RL [5] bzw. der ATEX-Herstellerrichtlinie [6]. Die EMV-RL gibt u.a. vor: wesentliche Anforderungen an die Betriebsmittel (Anhang I), das Konformitätsverfahren (interne Fertigungskontrolle) durch den Hersteller oder seinen Bevollmächtigten in der Gemeinschaft (Anhang II und III), inkl. EUKonformitätserklärung und CE-Kennzeichnung, Angaben, die die EU-Konformitätserklärung beinhalten muss (Anhang IV), Anforderungen an die technischen Unterlagen, die der Hersteller oder sein Bevollmächtigter in der Gemeinschaft für die zuständigen Behörden zur Einsicht bereithalten muss (Anhang II, Ziff. 3 und Anhang III, Ziff. 3), Aufbewahrungsfristen für die technischen Unterlagen und die EU-Konformitätserklärung von 10 Jahren nach Fertigung des letzten Geräts. Die EMV-RL wurde mit Hilfe des Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmittels (EMVG ) [27] in deutsches Recht umgesetzt. f) REACH-Verordnung [16] Die REACH-Verordnung ist eine sehr umfangreiche Chemikalienverordnung der EU. Die Abkürzung REACH leitet sich ab aus: Registration (Registrierung) – Evaluation (Bewertung) – Authorisation (Zulassung) – Chemicals (Chemikalien) Ziel und Geltungsbereich dieser Verordnung sind in Artikel 1 wie folgt angegeben: (1) Zweck dieser Verordnung ist es, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sicherzustellen, einschließlich der Förderung alternativer Beurteilungsmethoden für von Stoffen ausgehende Gefahren, sowie den freien Verkehr von Stoffen im Binnenmarkt zu gewährleisten und gleichzeitig Wettbewerbsfähigkeit und Innovation zu verbessern. (2) Diese Verordnung enthält Bestimmungen über Stoffe und Gemische des Artikels 3. Diese Bestimmungen gelten für die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung derartiger Stoffe als solcher, in Gemischen oder in Erzeugnissen sowie für das Inverkehrbringen von Gemischen. (3) Diese Verordnung beruht auf dem Grundsatz, dass Hersteller, Importeure und nachgeschaltete Anwender sicherstellen müssen, dass sie Stoffe herstellen, in Verkehr bringen und verwenden, die die menschliche Gesundheit oder die Umwelt nicht nachteilig beeinflussen. Ihren Bestimmungen liegt das Vorsorgeprinzip zu Grunde.
Die Definition der beiden Hauptbegriffe Stoff und Gemisch in Artikel 3 (Begriffsbestimmungen) lautet:
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation Stoff: chemisches Element und seine Verbindungen in natürlicher Form oder gewonnen durch ein Herstellungsverfahren, einschließlich der zur Wahrung seiner Stabilität notwendigen Zusatzstoffe und der durch das angewandte Verfahren bedingten Verunreinigungen, aber mit Ausnahme von Lösungsmitteln, die von dem Stoff ohne Beeinträchtigung seiner Stabilität und ohne Änderung seiner Zusammensetzung abgetrennt werden können. Gemisch: Gemenge, Gemisch oder Lösungen, die aus zwei oder mehr Stoffen bestehen.
Die REACH-Verordnung regelt u.a. bezüglich der Stoffe und Gemische: Registrierung von Stoffen (Titel II), gemeinsame Nutzung von Daten und Vermeidung unnötiger Versuche (Titel III), Informationen in der Lieferkette (Titel IV), Nachgeschaltete Anwender (Titel V), Bewertung (Titel VI), Zulassung (Titel VII), Beschränkungen für die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe, Gemische und Erzeugnisse (Titel VIII). Unter den Titel IV (Informationen in der Lieferkette) sind insbesondere die Anforderungen an Sicherheitsdatenblätter formuliert, die im Anhang II, Teil B nochmals präzisiert werden (s. Tab. 2.13). Tabelle 2.13 Inhalt eines Sicherheitsdatenblatts nach REACH-Verordnung [16] ABSCHNITT 1: Bezeichnung des Stoffs bzw. des Gemischs und des Unternehmens 1.1 Produktidentifikator 1.2 Relevante identifizierte Verwendungen des Stoffs oder Gemischs und Verwendungen, von denen abgeraten wird 1.3 Einzelheiten zum Lieferanten, der das Sicherheitsdatenblatt bereitstellt 1.4 Notrufnummer ABSCHNITT 2: Mögliche Gefahren 2.1 Einstufung des Stoffs oder Gemischs 2.2 Kennzeichnungselemente 2.3 Sonstige Gefahren ABSCHNITT 3: Zusammensetzung/Angaben zu Bestandteilen 3.1 Stoffe 3.2 Gemische ABSCHNITT 4: Erste-Hilfe-Maßnahmen 4.1 Beschreibung der Erste-Hilfe-Maßnahmen 4.2 Wichtige akute und verzögert auftretende Symptome und Wirkungen 4.3 Hinweise auf ärztliche Soforthilfe oder Spezialbehandlung ABSCHNITT 5: Maßnahmen zur Brandbekämpfung 5.1 Löschmittel 5.2 Besondere vom Stoff oder Gemisch ausgehende Gefahren 5.3 Hinweise zur Brandbekämpfung ABSCHNITT 6: Maßnahmen bei unbeabsichtigter Freisetzung 6.1 Personenbezogene Vorsichtsmaßnahmen, Schutzausrüstungen und in Notfällen anzuwendende Verfahren 6.2 Umweltschutzmaßnahmen
2.2 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der EU Tab. 2.13 (Fortsetzung) 6.3 6.4
Methoden und Material für Rückhaltung und Reinigung Verweis auf andere Abschnitte
ABSCHNITT 7: Handhabung und Lagerung 7.1 Schutzmaßnahmen zur sicheren Handhabung 7.2 Bedingungen zur sicheren Lagerung unter Berücksichtigung von Unverträglichkeiten 7.3 Spezifische Endanwendungen ABSCHNITT 8: Begrenzung und Überwachung der Exposition/Persönliche Schutzausrüstung 8.1 Zu überwachende Parameter 8.2 Begrenzung und Überwachung der Exposition ABSCHNITT 9: Physikalische und chemische Eigenschaften 9.1 Angaben zu den grundlegenden physikalischen und chemischen Eigenschaften 9.2 Sonstige Angaben ABSCHNITT 10: Stabilität und Reaktivität 10.1 Reaktivität 10.2 Chemische Stabilität 10.3 Möglichkeit gefährlicher Reaktionen 10.4 Zu vermeidende Bedingungen 10.5 Unverträgliche Materialien 10.6 Gefährliche Zersetzungsprodukte ABSCHNITT 11: Toxikologische Angaben 11.1 Angaben zu toxikologischen Wirkungen ABSCHNITT 12: Umweltbezogene Angaben 12.1 Toxizität 12.2 Persistenz und Abbaubarkeit 12.3 Bioakkumulationspotential 12.4 Mobilität im Boden 12.5 Ergebnisse der PTB- und vPvB-Beurteilung 12.6 Andere schädliche Wirkungen ABSCHNITT 13: Hinweise zur Entsorgung 13.1 Verfahren der Abfallbehandlung ABSCHNITT 14: Angaben zum Transport 14.1 UN-Nummer 14.2 Ordnungsgemäße UN-Versandbezeichnung 14.3 Transportgefahrenklasse 14.4 Verpackungsgruppe 14.5 Umweltgefahren 14.6 Besondere Vorsichtsmaßnahmen für den Verwender 14.7 Massengutbeförderung gemäß Anhang II des MARPOL-Übereinkommens 73/78 und IBC-Code ABSCHNITT 15: Rechtsvorschriften 15.1 Vorschriften zu Sicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz/-spezifische Rechtsvorschriften für den Stoff oder das Gemisch 15.2 Stoffsicherheitsbeurteilung ABSCHNITT 16: Sonstige Angaben
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Verantwortlich für die Bereitstellung des Sicherheitsdatenblatts ist der Inverkehrbringer des Stoffs bzw. Gemischs. Das ist meist der Hersteller/Lieferant, kann aber bei neuartigen Stoffen oder Gemischen (z.B. Zwischen-, Neben-, Abprodukte) im Rahmen von Anlageninvestitionen auch der Inbetriebnahmeleiter sein. In der BRD wurden die Bestimmungen der REACH-Verordnung vorwiegend im Chemikaliengesetz (ChemG) [28] und daraus abgeleitet in der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) [29] umgesetzt (s. Abschn. 2.3.2, f)). g) GHS/CLP-Verordnung [22] Ziele der CLP-Verordnung (Regulation on Classification, Labelling und Packaging of Substances und Mixtures) sind ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherzustellen sowie den freien Warenverkehr innerhalb der EU von chemischen Stoffen, Gemischen und bestimmten spezifischen Erzeugnissen zu gewährleisten. Die CLP-Verordnung basiert auf den Globally Harmonised System (GHS) of Classification and Labelling der Vereinten Nationen. Die CLP-Verordnung ist in enger Verbindung mit der REACH-Verordnung [16] zu sehen. Konkret wird die CLP-Verordnung im Anlagenbau genutzt, wenn die betroffenen Stoffe und Gemische in anderen Produkten eingesetzt werden bzw. vorhanden sind. Dies ist z.B. bei der Anwendung der Druckgeräte-RL [6] der Fall, wenn die Druckgeräte entsprechend dem im Druckgerät befindlichen Fluid in die Gruppe 1 oder 2 eingestuft werden (s. Buchst. b) dieses Abschnitts). h) Bauproduktenverordnung (BauPVO) [17] Die BauPVO legt Bedingungen für das Inverkehrbringen von Bauprodukten oder ihre Bereitstellung auf dem Markt durch die Aufstellung von harmonisierten Regeln über die Angabe der Leistung von Bauprodukten sowie über die Verwendung der CEKennzeichnung fest (Artikel 1). In Artikel 2 der BauPVO werden u.a. die folgenden Begriffe bestimmt: 1. „Bauprodukte“: jedes Produkt oder jeden Bausatz, das beziehungsweise der hergestellt und in Verkehr gebracht wird, um dauerhaft in Bauwerke oder Teile davon eingebaut zu werden, und dessen Leistung sich auf die Leistung des Bauwerks im Hinblick auf die Grundanforderungen an Bauwerken auswirkt. 2. „Bausatz“: ein Bauprodukt, das von einem einzigen Hersteller als Satz von mindestens zwei getrennten Komponenten, die zusammengefügt werden müssen, um ins Bauwerk eingefügt zu werden, in Verkehr gebracht wird. 3. „Bauwerk“: Bauten, sowohl des Hochbaus als auch des Tiefbaus. 4. „Hersteller“: jede natürliche oder juristische Person, die ein Bauprodukt herstellt beziehungsweise entwickelt oder herstellen lässt und dieses Produkt unter ihrem eigenen Namen oder ihrer Marke vermarktet.
Im Anhang I sind die „Grundanforderungen an Bauwerke“ gemäß folgenden Schwerpunkten angegeben:
2.2 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der EU
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mechanische Festigkeit und Standsicherheit, Brandschutz, Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz, Sicherheit und Barrierefreiheit bei der Nutzung, Schallschutz, Energieeinsparung und Wärmeschutz, nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen.
Die alleinige Verantwortung für das Inverkehrbringen von Bauprodukten liegt beim Hersteller (Artikel 14). Er muss i.d.R. für dieses Bauprodukt vor dessen Inverkehrbringen eine Leistungserklärung ausstellen und das Bauprodukt mit einem CE-Kennzeichen versehen. In Artikel 4 (Leistungserklärung) steht dazu: Ist ein Bauprodukt von einer harmonisierten Norm erfasst oder entspricht ein Bauprodukt einer Europäischen Technischen Bewertung, die für diese ausgestellt wurde, so erstellt der Hersteller eine Leistungserklärung für das Produkt, wenn es in Verkehr gebracht wird.
An denjenigen Bauprodukten, für die der Hersteller eine Leistungserklärung gemäß Anhang III erstellt hat, ist ein CE-Kennzeichen anzubringen. Eine separate EU-Konformitätserklärung ist nicht erforderlich. Neben den europäisch harmonisierten Bauprodukten können aber in der BRD auch Bauprodukte auf andere Arten in Verkehr gebracht werden: 1. „Bauprodukte nach Technischen Baubestimmungen“: Technische Baubestimmungen sind eingeführte und öffentlich bekannt gemachte technische Regeln (z.B. DINNormen). Diese Produkte werden mit einer Übereinstimmungserklärung ausgeliefert und mit dem „Ü-Zeichen“ gekennzeichnet. Die technischen Regeln werden in Deutschland u.a. durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) in einer Verwaltungsvorschrift veröffentlicht [30].
2. Bei Abweichungen dürfen „Bauprodukte nach Technischen Baubestimmungen“ oder „ungeregelte Bauprodukte“ (hier gibt es keine anerkannten Regeln der Technik) gemäß ihres Verwendbarkeitsnachweises oder einer Zustimmung im Einzelfall verbaut werden.
Zusätzlich wurde in der BRD der Begriff der „Bauart“ eingeführt. Bauart ist das Zusammenfügen von Bauprodukten zu baulichen Anlagen oder Teilen von baulichen Anlagen [31].
Eine Bauart besteht im Unterschied zum Bausatz aus Bauprodukten mehrerer Hersteller. Bauarten können keine CE-Kennzeichnung tragen. Der Fachunternehmer stellt in diesen Fall eine Übereinstimmungserklärung aus. Beispiel 2.1 Einbau einer Brandschutzklappe in eine Trockenbauwand Eine handelsübliche Brandschutzklappe wird mit der zugehörigen EU-Leistungserklärung in Verkehr gebracht (europäisch harmonisiertes Bauprodukt). Mit der Leistungserklärung darf die Brandschutzklappe an einen Anlagenerrichter verkauft werden. Der Anlagenerrichter muss beim Einbau die Vorgaben des Anwendbarkeitsnachweises der Bauart einhalten, sonst kann die baubehördliche Abnahme verweigert werden. In der Dokumentation müssen also folgende Dokumente enthalten sein:
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation 1. EU-Leistungserklärung 2. Anwendbarkeitsnachweis der Bauart 3. Übereinstimmungserklärung des Anlagenerrichters
Wenn die Brandschutzklappe zusätzlich Anforderungen aus dem Explosionsschutz unterliegt, müssen folgende weitere Dokumente in die Dokumentation integriert werden: 4. EU-Konformitätserklärung nach ATEX-Herstellererklärung [6] 5. EG-Baumusterprüfbescheinigung (mit besonderen Bedingungen für die Verwendung)
Schließlich kann auch noch eine 6. Hygiene-Konformitätserklärung
zur Abnahme erforderlich sein. Bei der Zusammenstellung der Anlagendokumentation ist generell zu beobachten, dass Behörden und Überwachungsstellen die o.g. Dokumente immer häufiger vor Abnahme einsehen und prüfen.
2.2.3 Dokumentationspflichten für verfahrenstechnische Anlagen Für verfahrenstechnische Anlagen gibt es bisher nur wenige Rechtsvorschriften auf der Ebene der Europäischen Union (EU). Nachfolgend ist eine auf dem Gebiet des Umweltschutzes und eine auf dem Gebiet des Explosionsschutzes aufgeführt. a) EU-Industrieemissionsrichtlinie [10] und deren Umsetzung in deutsches Recht Die EU-Industrieemissionsrichtlinie (IE-RL) bzw. Industrial Emissions Directive (IED) über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung verfolgt das Ziel, die Umweltverschmutzung durch Industrieanlagen in der EU (sog. IEDAnlagen) mittels einer integrierten Genehmigung zu vermeiden oder zumindest zu verringern. Zugleich sollen die Umweltstandards in der EU vereinheitlicht werden. Die IE-RL hat insbesondere die folgenden Neuerungen für Betreiber von IEDAnlagen bewirkt [32]: Der Kreis der Anlagen, die dem europäischen Anlagenzulassungsrecht unterliegen, wurde erweitert. Die Anforderungen zur Genehmigung von IED-Anlagen wurden verschärft. Für IED-Anlagen wurde ein System von Umweltinspektionen eingeführt. Auf europäischer Ebene werden die sog. Beste Verfügbare Techniken (BVT) in BVTMerkblättern für Industriesektoren verbindlich festgelegt. Die daraus resultierenden BVT-Schlussfolgerungen sind für die Betreiber dieser IED-Anlagen verpflichtend. Die Regelungen zum Boden- und Grundwasserschutz wurden verschärft. Betreiber von IED-Anlagen haben neue Berichtspflichten gegenüber den Behörden. Die Öffentlichkeit hat einen breiteren Zugang zu den anlagenbezogenen Informationen erhalten. Mit der IE-RL wird de facto versucht, für die verschiedenen Teilgebiete (Sektoren) der Umwelttechnik einen „aktuellen Stand der Umwelttechnik“ zu ermitteln, zu formulieren und innerhalb der EU bei neuen Anlageninvestitionen und/oder beim Betrieb bestehender Anlagen anzuwenden. Im Wesentlichen unterliegen alle relevanten großtechnischen verfahrenstechnischen Anlagen, die in den Mitgliedsländern der EU geplant bzw. betrieben werden, der IE-RL. Zentrales Element der IE-RL ist die Ermittlung und Anwendung der beste verfügbare Techniken (BVT).
2.2 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der EU
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In Artikel 3 (Begriffsbestimmungen), Abs. 10. der IE-RL ist dieser Begriff wie folgt definiert: Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck: (Abs. 10.) „beste verfügbare Techniken“ den effizientesten und fortschrittlichsten Entwicklungsstand der Tätigkeiten und entsprechenden Betriebsmethoden, der bestimmte Techniken als praktisch geeignet erscheinen lässt, als Grundlage für die Emissionsgrenzwerte und sonstige Genehmigungsauflagen zu dienen, um Emissionen in und Auswirkungen auf die Umwelt zu vermeiden oder, wenn dies nicht möglich ist, zu vermindern; a) „Techniken“: sowohl die angewandte Technologie als auch die Art und Weise, wie die Anlage geplant, gebaut, gewartet, betrieben und stillgelegt wird; b) „verfügbare Techniken“: die Techniken, die in einem Maßstab entwickelt sind, der unter Berücksichtigung des Kosten/Nutzen-Verhältnisses die Anwendung unter in dem betreffenden industriellen Sektor wirtschaftlich und technisch vertretbaren Verhältnissen ermöglicht, gleich, ob diese Techniken innerhalb des betreffenden Mitgliedsstaates verwendet oder hergestellt werden, sofern sie zu vertretbaren Bedingungen für den Betreiber zugänglich sind; c) „beste“: die Techniken, die am wirksamsten zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt sind;
Die „beste verfügbare Techniken“ werden zunächst in BVT-Merkblättern dokumentiert. Die IE-RL formuliert dazu in Artikel 3 (Begriffsbestimmungen): 11. „BVT-Merkblatt“ ein aus dem gemäß Artikel 13 organisierten Informationsaustausch hervorgehendes Dokument, das für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigten Techniken sowie alle Zukunftstechniken beschreibt, wobei die Kriterien in Anhang III besonders Rechnung zu tragen ist.
Die EU-Kommission hat Leitlinien zur Ausarbeitung der BVT-Merkblätter verabschiedet [33], in denen festgelegt wird:
Verfahren für die Ausarbeitung und Überprüfung eines BVT-Merkblatts, Inhalt und Geltungsbereich eines BVT-Merkblatts (s. Tab. 2.14), BVT-Schlussfolgerungen, Organisation des Informationsaustauschs, Erhebung und Übermittlung von Daten, Qualitätssicherung bei der Ausarbeitung und Überprüfung von BVT-Merkblättern, Bewertungssystem für die Datenqualität, typischer Arbeitsablauf für die Ausarbeitung/Überprüfung von BVT-Merkblättern.
Die BVT-Schlussfolgerungen sind gemäß IE-RL, Artikel 3 wie folgt definiert: 12. „BVT-Schlussfolgerungen“ ein Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblattes mit den Schlussfolgerungen zu den besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung, Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, den mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerten, den zugehörigen Überwachungsmaßnahmen, den dazugehörigen Verbrauchswerten sowie gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen enthält.
Die BVT-Schlussfolgerungen sind somit die Aktionspunkte, die sich aus dem Sachverhalt im BVT-Merkblatt ableiten. Sie enthalten u.a. verbindliche Anforderungen für die Genehmigung und den Betrieb von Anlagen des jeweiligen Sektors.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Tabelle 2.14 Gliederung eines BVT-Merkblatts [33][34] 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Vorwort Geltungsbereich Kapitel: Allgemeine Informationen über den betreffenden Sektor Kapitel: Angewandte Prozesse und Techniken Kapitel: Aktuelle Emissions- und Verbrauchswerte Kapitel: Bei der Festlegung der BVT zu berücksichtigende Techniken Kapitel: Schlussfolgerungen zu den besten verfügbaren Techniken (BVT) Kapitel: Zukunftstechniken Abschließende Bemerkungen und Empfehlungen für zukünftige Arbeiten Referenzen Glossar der Begriffe und Abkürzungen Anhänge (je nach Bedeutung für den Sektor und Verfügbarkeit der Informationen)
Die gültigen aktuellen BVT-Merkblätter und Durchführungsbeschlüsse können auf der Homepage des Umweltbundesamtes eingesehen und heruntergeladen werden. Die BVT-Merkblätter und die BVT-Schlussfolgerungen unterliegen folgenden Aktualisierungs- und Umsetzungsfristen [32]: Aktualisierung der BVT-Merkblätter durch die EU-Kommission aller 8 Jahre, Umsetzung der BVT-Schlussfolgerungen durch die Anlagenbetreiber innerhalb von 4 Jahren nach Veröffentlichung der BVT-Merkblätter und der zusammenfassenden BVT-Schlussfolgerungen, Überprüfung der Genehmigungsauflagen der Anlagen durch die Behörde innerhalb von 4 Jahren nach Veröffentlichung der BVT-Merkblätter und Schlussfolgerungen. Die IE-RL wurde mit dem „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen (IndEmRLUmsG) [35] in folgender Weise in deutsches Recht überführt: ▪ ▪ ▪ ▪ ▪
Artikel 1: Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, Artikel 2: Änderung des Wasserhaushaltgesetzes, Artikel 3: Änderung der Kreislaufwirtschaftsgesetzes, Artikel 4: Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes, Artikel 5: Änderung des Gesetzes zum Schutz der nichtionisierten Strahlung bei der Anwendung am Menschen, ▪ Artikel 6: Änderung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, ▪ Artikel 7: Änderung des Umweltschadensgesetzes, ▪ Artikel 8: Änderung des Strafgesetzbuchs. Die konkreten Anforderungen aus den BVT-Schlussfolgerungen werden in Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Ministerium sowie den zuständigen Ämtern und Behörden [32][36] u.a. umgesetzt in Allgemeinen Verwaltungsvorschriften, der Aktualisierung der TA-Luft [37], der Überarbeitung der Bundesimmissionsschutzverordnungen (BImSchV).
2.2 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der EU
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b) ATEX-Betriebsrichtlinie [11] Die ATEX-Betriebsrichtlinie legt Mindestanforderungen in Bezug auf Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer fest, die durch explosionsfähige Atmosphären gemäß der Definition in Artikel 2 gefährdet werden können. Dazu steht in Artikel 2: Im Sinne dieser Richtlinie gilt als explosionsfähige Atmosphäre ein Gemisch aus Luft und brennbaren Gasen, Dämpfen, Nebeln oder Stäuben unter atmosphärischen Bedingungen, in dem sich der Verbrennungsvorgang nach erfolgter Entzündung auf das gesamte unverbrannte Gemisch überträgt.
Die ATEX-Betriebsrichtlinie betrifft im Unterschied zu den vorgenannten EU-Richtlinien nicht das Inverkehrbringen definierter Produkte, sondern Schutzziele und Schutzvorkehrungen beim Betreiben von Anlagen mit explosionsfähiger Atmosphäre. Sie ist für viele Anlagenprojekte, in denen Explosionsgefährdungen existieren, eine wichtige Arbeitsgrundlage. In Abschnitt II (Pflichten des Arbeitgebers) der ATEX-Betriebsrichtlinie wird u.a. geregelt: 1) Verhinderung von und Schutz gegen Explosionen (Artikel 3) Mit dem Ziel des Verhinderns von Explosionen … und des Schutzes gegen Explosionen trifft der Arbeitgeber die der Art des Betriebes entsprechenden technischen und/oder organisatorischen Maßnahmen nach folgender Rangfolge von Grundsätzen: Verhinderung der Bildung explosionsfähiger Atmosphären, oder, falls dies auf Grund der Art der Tätigkeit nicht möglich ist, Vermeidung der Zündung explosionsfähiger Atmosphären und Abschwächung der schädlichen Auswirkungen einer Explosion, um die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Wo erforderlich, werden diese Maßnahmen mit Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Explosionen kombiniert und/oder durch sie ergänzt; sie werden regelmäßig überprüft, auf jeden Fall aber dann, wenn sich wesentliche Änderungen ergeben.
2) Beurteilung der Explosionsrisiken (Artikel 4) (1) Im Rahmen seiner Pflichten gemäß (…) beurteilt der Arbeitgeber die spezifischen Risiken, die von explosionsfähigen Atmosphären ausgehen, wobei mindestens folgendes berücksichtigt wird: ▪ Wahrscheinlichkeit und Dauer des Auftretens von explosionsfähigen Atmosphären; ▪ Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins und der Aktivierung und des Wirksamwerdens von Zündquellen, einschließlich elektrostatischer Entladungen; ▪ die Anlagen, verwendete Stoffe, Verfahren und ihre möglichen Wechselwirkungen; ▪ das Ausmaß der zu erwartenden Auswirkungen. Die Explosionsrisiken sind in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. (2) Bereiche, die über Öffnungen mit Bereichen verbunden sind oder verbunden werden können, in denen explosionsfähige Atmosphären auftreten können, werden bei der Beurteilung der Explosionsrisiken ebenfalls berücksichtigt.
3) Allgemeine Verpflichtungen (Artikel 5) 4) Koordinierungspflicht (Artikel 6) Unbeschadet der Einzelverantwortung jedes Arbeitgebers gemäß der Richtlinie 89/391/EWG koordiniert der Arbeitgeber, der nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Praktiken die Verantwortung für die Arbeitsstätte hat, die Durchführung aller
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer betreffenden Maßnahmen und macht in seinem Explosionsschutzdokument nach Artikel 8 genauere Angaben über das Ziel, die Maßnahmen und die Modalitäten der Durchführung dieser Koordinierung.
5) Bereiche mit explosionsfähigen Atmosphären (Artikel 7) Abs. (1): Der Arbeitgeber teilt Bereiche, in denen explosionsfähige Atmosphären vorhanden sein können, entsprechend Anhang I in Zonen ein. Abs. (2): Der Arbeitgeber stellt sicher, dass die Mindestvorschriften des Anhangs II in Bereichen, die unter Absatz (1) fallen, angewendet werden. Abs. (3): Wo erforderlich, werden Bereiche, in denen explosionsfähige Atmosphäre in einer die Sicherheit und die Gesundheit der Atmosphäre gefährdenden Menge auftreten können, an ihren Zugängen gemäß Anhang III gekennzeichnet.
In Anhang I ist dazu in Abschnitt 2 (Einteilung von explosionsgefährdeten Bereichen) festgelegt: Explosionsgefährdete Bereiche werden nach Häufigkeit und Dauer des Auftretens von explosionsfähiger Atmosphäre in Zonen unterteilt. Zone 0:
Bereich, in dem explosionsfähige Atmosphäre als Gemisch aus Luft und brennbaren Gasen, Dämpfen oder Nebeln ständig, über lange Zeiträume oder häufig vorhanden ist.
Zone 1:
Bereich, in dem sich bei Normalbetrieb gelegentlich eine explosionsfähige Atmosphäre als Gemisch aus Luft und brennbaren Gasen, Dämpfen und Nebeln bilden kann.
Zone 2:
Bereich, in dem bei Normalbetrieb eine explosionsfähige Atmosphäre als Gemisch aus Luft und brennbaren Gasen, Dämpfen oder Nebeln normalerweise nicht oder aber nur kurzzeitig auftritt.
Zone 20: Bereich, in dem explosionsfähige Atmosphäre in Form einer Wolke aus in der Luft enthaltenem brennbaren Staub ständig, über lange Zeiträume oder häufig vorhanden ist. Zone 21: Bereich, in dem sich bei Normalbetrieb gelegentlich eine explosionsfähige Atmosphäre in Form einer Wolke aus in der Luft enthaltenem brennbaren Staub bilden kann. Zone 22: Bereich, in dem bei Normalbetrieb eine explosionsfähige Atmosphäre in Form einer Wolke aus in der Luft enthaltenem brennbaren Staub normalerweise nicht oder aber nur kurzzeitig auftritt. Anmerkungen (d. Verf.: zur Einteilung von explosionsgefährdeten Bereichen): 1. Schichten, Ablagerungen und Anhäufungen von brennbarem Staub sind wie jede andere Ursache, die zur Bildung einer explosionsfähigen Atmosphäre führen kann, zu berücksichtigen. 2. Als Normalbetrieb gilt der Zustand, in dem Anlagen innerhalb ihrer Auslegungsparameter benutzt werden.
Die in Anhang II angeführten Mindestvorschriften betreffen u.a.: Die notwendige Unterweisung der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber hinsichtlich des Explosionsschutzes. Schriftliche Anweisungen und Arbeitsfreigaben gemäß folgender Formulierung: Soweit im Explosionsschutzdokument vorgesehen, ▪ sind Arbeiten in explosionsgefährdeten Bereichen gemäß den schriftlichen Anweisungen des Arbeitgebers auszuführen;
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▪ ist ein Arbeitsfreigabesystem für die Durchführung von gefährlichen Tätigkeiten und von Tätigkeiten, die durch Wechselwirkung mit anderen Arbeiten gefährlich werden können, anzuwenden. Die Arbeitsfreigabe ist vor Beginn der Arbeiten von einer hierfür verantwortlichen Person zu erteilen.
Vorgaben zu Explosionsschutzmaßnahmen (im Anhang II, Ziff. 2): 2.1 Entwichene und/oder absichtlich oder unabsichtlich freigesetzte brennbare Gase, Dämpfe, Nebel oder Stäube, die zu einer Explosionsgefahr führen können, sind auf sichere Weise abzuführen oder zu einem sicheren Platz abzuleiten oder, wenn dies nicht möglich ist, sicher einzuschließen oder auf andere Weise unschädlich zu machen. 2.2 Enthält die explosionsfähige Atmosphäre mehrere Arten von brennbaren Gasen, Dämpfen, Nebeln oder Stäuben, so müssen die Schutzmaßnahmen auf das größtmögliche Risikopotential ausgelegt sein. 2.3 Bei der Vermeidung von Zündgefahren gemäß Artikel 3 sind auch die elektrostatischen Entladungen zu berücksichtigen, die von Arbeitsnehmern oder der Arbeitsumwelt als Ladungsträger ausgehen. Den Arbeitnehmern muss geeignete Arbeitskleidung zur Verfügung gestellt werden; diese muss aus Materialien bestehen, die nicht zu elektrostatischer Entladung führen, durch die die explosionsfähige Atmosphäre entzündet werden kann. 2.4 Anlagen, Geräte, Schutzsysteme und dazugehörige Verbindungsvorrichtungen dürfen nur in Betrieb genommen werden, wenn aus dem Explosionsschutzdokument hervorgeht, dass sie in explosionsfähiger Atmosphäre sicher verwendet werden können. Dies gilt ebenfalls für Arbeitsmittel und die dazugehörigen Verbindungsvorrichtungen, die nicht als Geräte oder Schutzsysteme im Sinne der Richtlinie 94/9/EG gelten, wenn ihre Verwendung in einer Einrichtung an sich eine potentielle Zündgefahr darstellt. Es sind die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, damit Verbindungsvorrichtungen nicht verwechselt werden. 2.5 Es sind alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass der Arbeitsplatz, die Arbeitsmittel und die dazugehörigen Verbindungsleitungen, die den Arbeitnehmern zur Verfügung gestellt werden, so konstruiert, errichtet, zusammengebaut und installiert wurden und so gewartet und betrieben werden, dass das Explosionsrisiko so gering wie möglich gehalten wird und, falls es doch zu einer Explosion kommen sollte, das Risiko einer Explosionsübertragung innerhalb des Bereichs des betreffenden Arbeitsplatzes und/oder des Arbeitsmittels kontrolliert oder so gering wie möglich gehalten wird. Bei solchen Arbeitsplätzen sind geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Gefährdung der Arbeitnehmer durch die physikalischen Auswirkungen der Explosion so gering wie möglich zu halten. 2.6 Erforderlichenfalls sind die Arbeitnehmer vor Erreichen der Explosionsbedingungen optisch und/oder akustisch zu warnen und zurückzuziehen. 2.7 Soweit im Explosionsschutzdokument vorgesehen, sind Fluchtmittel bereitzustellen und zu warten, um zu gewährleisten, dass die Arbeitnehmer gefährdete Bereiche bei Gefahr schnell und sicher verlassen können. 2.8 Vor der erstmaligen Nutzung von Arbeitsstätten mit Bereichen, in denen explosionsfähige Atmosphären auftreten können, muss die Explosionssicherheit der Gesamtanlage überprüft werden. Sämtliche zur Gewährleistung des Explosionsschutzes erforderlichen Bedingungen sind aufrechtzuerhalten. Eine solche Prüfung ist von Personen durchzuführen, die durch ihre Erfahrung und/oder berufliche Ausbildung auf dem Gebiet des Explosionsschutzes hierzu befähigt sind.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation 2.9 Wenn sich aus der Risikobewertung die Notwendigkeit dazu ergibt, ▪ und ein Energieausfall zu einer Gefahrenausweitung führen kann, muss es bei Energieausfall möglich sein, die Geräte und Schutzsysteme unabhängig vom übrigen Betriebssystem in einem sicheren Betriebszustand zu halten, ▪ müssen im Automatikbetrieb laufende Geräte und Schutzsysteme, die vom bestimmungsgemäßen Betrieb abweichen, unter sicheren Bedingungen von Hand abgeschaltet werden können. Derartige Eingriffe dürfen nur durch fachkundige Arbeitnehmer durchgeführt werden. ▪ müssen gespeichert Energien beim Betätigen der Notabschalteinrichtungen so schnell wie möglich abgebaut oder isoliert werden, damit sie ihre gefahrbringende Wirkung verlieren.
Im Unterabschnitt B (Kriterien für die Auswahl von Geräten und Schutzsystemen) wird formuliert: Sofern das Explosionsschutzdokument unter Zugrundelegung einer Risikoabschätzung nichts anderes vorsieht, sind in allen Bereichen, in denen explosionsfähige Atmosphären vorhanden sein können, Geräte und Schutzsysteme entsprechend den Kategorien gemäß der Richtlinie 94/9/EG (d. Verf.: ATEX-Herstellerrichtlinie gemäß Abschn. 3.3.1.2, c) und [6]) auszuwählen. Insbesondere sind in diesen Zonen folgende Kategorien von Geräten zu verwenden, sofern sie für Gase, Dämpfe, Nebel und/oder Stäube geeignet sind: ▪ in Zone 0 oder Zone 20: ▪ in Zone 1 oder Zone 21: ▪ in Zone 2 oder Zone 22:
Geräte der Kategorie 1, Geräte der Kategorie 1 oder der Kategorie 2, Geräte der Kategorie 1, der Kategorie 2 oder der Kategorie 3.
Bem.: Die angeführte Zuordnung der Gerätekategorien zu den Explosionszonen steht in Übereinstimmung mit den Angaben in Tab. 2.8 in Abschn. 2.2.2, c). 6) Vorgaben zum Explosionsschutzdokument (Artikel 8), wie folgt: Im Rahmen seiner Pflichten nach Artikel 4 (d. Verf.: Beurteilung der Explosionsrisiken) stellt der Arbeitgeber sicher, dass ein Dokument (nachstehend „Explosionsschutzdokument“ genannt) erstellt und auf den letzten Stand gehalten wird. Aus dem Explosionsschutzdokument geht insbesondere hervor: dass die Explosionsrisiken ermittelt und einer Bewertung unterzogen worden sind; dass angemessene Maßnahmen getroffen werden, um die Ziele dieser Richtlinie zu erreichen; welche Bereiche entsprechend Anhang I in Zonen eingeteilt wurden; für welche Bereiche die Mindestanforderungen gemäß Anhang II gelten; dass die Arbeitsstätte und die Arbeitsmittel einschließlich der Warneinrichtungen sicher gestaltet sind, und sicher betrieben und gewartet werden; dass gemäß der Richtlinie 89/655/EWG des Rates Vorkehrungen für die sichere Benutzung der Arbeitsmittel getroffen worden sind. Das Explosionsschutzdokument wird vor Aufnahme der Arbeit erstellt; es wird überarbeitet, wenn wesentliche Änderungen, Erweiterungen oder Umgestaltungen der Arbeitsstätte, der Arbeitsmittel oder des Arbeitsablaufs vorgenommen werden. Der Arbeitgeber kann bereits vorhandene Explosionsrisikoabschätzungen, Dokumente oder andere gleichwertige Berichte, die im Rahmen anderer gemeinschaftlicher Akte erstellt wurden, miteinander kombinieren.
7) Besondere Vorschriften für Arbeitsmittel und Arbeitsstätten (Artikel 9).
2.3 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der BRD
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Die ATEX-Betriebsrichtlinie ist in der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) [29] und in der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) [24] in deutsches Recht überführt worden. Wesentliche Arbeiten, die sich aus der ATEX-Betriebsrichtlinie und der GefStoffV (bzgl. Arbeiten in explosionsgefährdeten Bereichen) ableiten und deren Ergebnisse nachvollziehbar und gerichtsfest dokumentiert werden müssen, sind: Einbeziehen der Gefährdungen, die von explosionsfähigen Atmosphären (sog. ExGefahren) ausgehen, in die Risikobeurteilungen für ▪ Produkte im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens vor Inverkehrbringen, ▪ verfahrenstechnische Anlagen vor Inbetriebnahmebeginn. Einbeziehen der Explosionsgefahren in die Gefährdungsbeurteilungen und Schutzmaßnahmen gemäß § 3, BetrSichV (s. Abschn. 2.3.3, c)) und nach § 6, GefStoffV (s. Abschn. 2.3.2, d)). Prüfung vor Inbetriebnahme der Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen gemäß § 15, BetrSichV (s. Abschn. 2.3.3, c)). Die (Sicherheits-)Prüfung (s. auch Abschn. 3.6.3.6) schließt die Erfüllungskontrolle zum vorgenannten Explosionsschutzdokument ein.
2.3 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der BRD 2.3.1 Übersicht zu rechtlichen Regelungen in der BRD Das Recht in der Bundesrepublik Deutschland wird zunächst grundsätzlich zwischen dem Privatrecht und dem Öffentlichen Recht unterschieden (s. Abb. 2.3).
Abb. 2.3 Vereinfachte Übersicht zum Recht der Bundesrepublik Deutschland
Das Privatrecht bestimmt die Rechtsbeziehungen zwischen zwei gleichgestellten Personen (Parteien) und ist in den meisten Ländern in einem Zivilgesetzbuch geregelt.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
In der BRD befinden sich die zivilrechtlichen Regelungen vorwiegend im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) [38]. Für die Thematik dieses Buchs ist das Privatrecht vorrangig im Vertragsrecht (s. Abschn. 4.4) sowie bei Schadenersatzansprüchen anzuwenden. Im Öffentlichen Recht ist der Staat der anderen juristischen Person übergeordnet. Die staatlichen Organe (z.B. Behörden, Polizei, Staatsanwaltschaften, Gerichte usw.) nehmen hoheitliche Aufgaben wahr und sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, dem Öffentlichen Recht Geltung zu verschaffen. Für die Dokumentation sind im Öffentlichen Recht insbesondere das Verwaltungsrecht, das Ordnungswidrigkeiten- und das Strafrecht sowie das Recht betreffs Gesundheit-Sicherheit-Umwelt wichtig. Das Ordnungswidrigkeitengesetz [39] ist u.a. dann relevant, wenn gegen eine Rechtsvorschrift verstoßen wird (z.B. das Inverkehrbringen einer Maschine oder eines Druckgeräts ohne Konformitätserklärung bzw. ohne Betriebsanleitung) und dieser Verstoß mit einer Ordnungsstrafe belegt ist. Eine Ordnungsstrafe ist auch dann möglich, wenn kein Schaden entstanden ist, aber eine Ordnungswidrigkeit begangen wurde. Einen strafrechtlich, relevanten Risiko setzt sich derjenige aus, der fahrlässig oder grob fahrlässig oder vorsätzlich handelt (sog. subjektiver Tatbestand) und dadurch einen Schaden (sog. objektiver Tatbestand) verursacht, der im Strafgesetzbuch (StGB) [40] unter Strafe steht (s. auch Abschn. 2.5.2, b)). Eine Untersetzung der allgemeinen Ausführungen zum Recht der BRD erfolgt beispielhaft in Abb. 2.4, auf der die nationalen rechtlichen Regelungen für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz dargestellt sind. Sie können in drei Säulen gegliedert werden.
Abb. 2.4 Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz nach dem Recht der BRD
2.3 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der BRD
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a) Staatliches Recht Für die Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen ist das staatliche Recht in Form von Gesetzen und Verordnungen besonders wichtig. Dabei ist zwischen Bundes- und Landesrecht sowie kommunalen Recht zu unterscheiden. Die Rechtsstruktur wichtiger genehmigungsrelevanter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der BRD zeigt Abb. 2.5. Die Verordnungen enthalten de facto die Ausführungsbestimmungen zu den Gesetzen. Sie werden von der Bundesregierung bzw. den Landesregierungen erlassen und sind rechtsverbindlich, d.h. bis auf die angeführten Ausnahmen für die betroffenen Personen und/oder Unternehmen verpflichtend. Je nach Regelungsbedarf und -umfang können für ein Gesetz viele Verordnungen erlassen werden. Beispiel sind die Verordnungen zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchV) [41] (s. Abschn. 2.3.2, a)). Ferner existieren als Empfehlung und Hilfe für den Anwender, zugehörig zu bestimmten Gesetzen und Verordnungen, sogenannte Technische Regeln gemäß folgender Begriffsdefinition: Technische Regeln sind sachkundige Vorschläge, Hinweise und Empfehlungen, wie bei Anwendung des zugehörigen Gesetzes bzw. der zugehörigen Verordnung rechtskonform, fachlich richtig und effizient zu verfahren ist.
Technische Regeln werden von Expertenteams (Fachverbänden, Ausschüssen, Berufsverbänden, Kommissionen u.ä.) erarbeitet und veröffentlicht. Technische Regeln sind keine Rechtsnormen und somit nicht verbindlich. Einige wichtige Technische Regelwerke für verfahrenstechnische Anlagen einschließlich deren Dokumentation sind:
Technische Regeln für Anlagensicherheit (TRAS), Technische Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) (s. Tab. 2.21, Abschn. 2.3.3, c)), Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS), Technische Regeln für wassergefährdende Stoffe (TRwS), Technische Regeln für biologische Arbeitsstoffe (TRBA).
Einige traditionelle und bekannte Technische Regelwerke, die überwachungsbedürftige Anlagen gemäß Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) [13] bzw. Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) [24] betreffen, wie zum Beispiel: ▪ Technische Regeln für Aufzüge (TRA), ▪ Technische Regeln für brennbare Flüssigkeiten (TRbF), ▪ Technische Regeln zur Druckbehälterverordnung (für Druckbehälter/TRB und für Rohrleitungen (TRR), ▪ Technische Regeln für Dampfkessel (TRD), sind nicht mehr bzw. nur noch befristet gültig. Da die zugehörigen Einzelverordnungen außer Kraft sind, werden die bisherigen Regeln in die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) (s. Abschn. 2.3.3, c)) bzw. in die europäischen Regelwerke/Normen integriert. Der Anwender muss sich deshalb zum aktuellen Sachstand über die Technischen Regeln für überwachungsbedürftige Anlagen regelmäßig informieren und sachkundig machen. Grundsätzlich ist zu beachten, dass die neuen Technischen Regeln zunehmend nur noch Schutzziele und weniger technische Maßnahmen und Details enthalten. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem „Gefährdungsbezogenen Regelwerk“.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Abb. 2.5 Struktur wichtiger, genehmigungsrelevanter Rechts- und Verwaltungsvorschriften/-akte in der BRD
2.3 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der BRD
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Nicht zuletzt sei noch auf die in Abb. 2.4 angegebenen Allgemein anerkannten Regeln der Technik hingewiesen, die nicht gesetzes- bzw. verordnungsspezifisch sind, sondern allgemeinere Aussagen enthalten und einen größeren Geltungsbereich umfassen. Sie sind folgendermaßen definiert: Die Allgemein anerkannten Regeln der Technik sind auf wissenschaftlichen Grundlagen und fachlichen Erkenntnissen beruhende Regeln, die in der praktischen Anwendung erprobt sind und von der Mehrheit der Fachleute des jeweiligen Fachgebiets anerkannt sind und regelmäßig angewandt werden [42]. Dies ist bei technischen Festlegungen zu vermuten, die nach einem Verfahren zustande kamen, an dem die betroffenen Fachkreise mitgewirkt haben.
Zu den Allgemein anerkannten Regeln der Technik gehören Normen (ISO, EN, DIN) und technische Richtlinien von Fachverbänden, wie z.B.: ▪ VDI – Verein Deutscher Ingenieure, ▪ VDE – Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik, ▪ VGB – Verband der Elektrizitäts- und Wärmeversorgungswirtschaft, ▪ VDMA – Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, ▪ VDS – Verband der Sachversicherer Die Allgemein anerkannten Regeln der Technik haben (wie die Technischen Regeln) keine Rechtskraft. Das heißt, es kann in begründeten Fällen (z.B. bei gleichwertigen Alternativen) davon abgewichen werden. Der Gesetzgeber bzw. andere Rechtsorgane, ggf. auch die Vertragsparteien, können dies ändern, indem sie in Rechtsvorschriften (Gesetze, Verordnungen, Erlasse usw.) oder im Vertrag die Anwendung der betroffenen Regel als verbindlich vorgeben. Dies gilt auch für die zuvor betrachteten Technischen Regeln. Große Bedeutung haben die Technischen Regeln sowie die Allgemein anerkannten Regeln der Technik bei der Beurteilung strafrechtlicher und zivilrechtlicher Sachverhalte. Wurden diese Regeln eingehalten, so wurde gemäß Stand der Technik und nicht fahrlässig gehandelt. Umgekehrt muss ein abweichendes Verhalten sehr gut begründet (möglichst im Team) und nachvollziehbar dokumentiert werden. b) Autonomes Recht Im Sozialgesetzbuch (SGB), VII (Gesetzliche Unfallverhütung) [43] wurde der Unfallversicherungsträger ermächtigt, Unfallverhütungsvorschriften zu erlassen. Dies ist durch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), die als Dachverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallkassen fungiert, durch DGUV-Vorschriften erfolgt (s. Abschn. 2.3.4, a)). Sie stellen für die Versicherten autonomes Recht dar. Die DGUV-Vorschriften werden durch DGUV-Regeln für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sowie DGUV-Informationen und DGUV-Grundsätze ergänzt. Die nachfolgenden Definitionen, die noch die früheren berufsgenossenschaftlichen Formulierungen wiedergeben, sind deshalb nur sinngemäß zu verstehen. DGUV-Vorschriften: Berufsgenossenschaftliche Vorschriften für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sind Unfallverhütungsvorschriften im Sinne des § 15 SGB VIII. DGUV-Regeln: Berufsgenossenschaftliche Regeln für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sind Zusammenstellungen bzw. Konkretisierungen von Inhalten z.B. aus staatlichen Arbeitsschutzvorschriften (Gesetze, Verordnungen), BG-Vorschriften (Unfallverhütungsvorschriften), Technischen Spezifikationen, Erfahrungen berufsgenossenschaftlicher Präventionsarbeit.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation DGUV-Grundsätze: Maßstäbe in bestimmten Verfahrensfragen, z.B. hinsichtlich der Durchführung von Prüfungen. DGUV-Informationen: Hinweise und Empfehlungen, die die praktische Anwendung von Regelungen zu einem Sachgebiet oder Sachverhalt erleichtern sollen.
Alle zusammen gehören zum Stand der Sicherheitstechnik. Betreffs der Verbindlichkeit gilt das Gleiche wie für die zuvor beschriebenen Technischen Regeln bzw. Allgemein anerkannten Regeln der Technik. c) Privates Recht Das Privatrecht ist in den meisten Ländern in einem Zivilgesetzbuch geregelt. In der BRD finden sich die zivilrechtlichen Regelungen vorwiegend im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) [38]. Auf ausgewählte privat- bzw. zivilrechtliche Haftungsaspekte wird in Abschn. 2.5.2 (u.a. Schadenersatz bei fahrlässigen und grob fahrlässigen Handeln) und auf Managementaspekte (z.B. mögliche Übertragung von Pflichten/Verantwortung/Befugnissen) in Abschn. 2.4 eingegangen. Nach den einführenden Bemerkungen zum Recht der BRD werden nachfolgend die für verfahrenstechnische Anlagen und deren Dokumentation/Dokumente wichtigen Rechtsvorschriften plus wichtige zugehörige Regeln in folgende 3 Komplexe unterteilt und überblicksweise betrachtet: Genehmigungs- und Umweltrecht, Recht zur Produkt- und Anlagensicherheit, Recht zu Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Aus all diesen Rechtsvorschriften leiten sich Dokumentationserfordernisse und Dokumentationsaufgaben ab. Insbesondere betrifft dies auch die Erstellung notwendiger Prüfdokumente und Nachweisdokumente.
2.3.2 Genehmigungsrecht (inkl. Baurecht) und Umweltrecht Die Genehmigung stellt die Errichtung und den Betrieb von Anlagen auf eine gesicherte Rechtsgrundlage. Im zugehörigen Genehmigungsverfahren werden die berechtigten Interessen der Allgemeinheit und die Belange des Investors/Bauherrn geprüft, gegeneinander abgewogen und soweit wie möglich ausgeglichen. Verfahrenstechnische Anlagen sind in den allermeisten Fällen genehmigungspflichtig. Verantwortlich für die Einholung der Genehmigung ist der Investor bzw. Bauherr. Im Einzelnen gibt es folgende Möglichkeiten der behördlichen Zustimmung bzw. Freigabe für die Errichtung und den Betrieb von Anlagen [44]: Genehmigung: Die genehmigende Behörde prüft auf Antrag, in einem definierten Genehmigungsverfahren, ob bei dem beantragten Vorhaben alle Vorschriften eingehalten und die Interessen der Allgemeinheit gewahrt werden.
Dieses Begriffsverständnis ist typisch für das Genehmigungsverfahren nach BundesImmissionsschutzgesetz (BImSchG) [41] sowie für Baugenehmigungen nach Baurecht. Anzeige: Der Verantwortliche muss vor Aufnahme einer bestimmten Tätigkeit dies der zuständigen Behörde mitteilen. Die Behörde muss die Informationen bewerten und über das weitere Vorgehen entscheiden. Wenn sich die Behörde innerhalb einer bestimmten Frist nicht äußert, ist die Tätigkeit erlaubt.
2.3 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der BRD
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Anzeigen sind u.a. in Verbindung mit der Errichtung und dem Betrieb von überwachungsbedürftigen Anlagen nach dem Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) [13] bzw. der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) [24] üblich. Weitere Begriffe behördlicher Zustimmungen sind: ▪ für bestimmte Anlagen nach Wasserhaushaltsgesetz (WHG) [45] ▪ für bestimmte überwachungsbedürftige Anlagen nach den Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) [13] Bewilligung: ▪ für bestimmte Anlagen nach Wasserhaushaltsgesetz (WHG) [45] Erlaubnis:
Erlaubnis und Bewilligung sind schriftliche Zustimmungen der Behörde zu einem angezeigten bzw. beantragten Vorhaben. Erlaubnis und Bewilligung haben unterschiedliche Rechtskraft. Beispielsweise steht in § 10, WHG [45]: (1) Die Erlaubnis gewährt die Befugnis, die Bewilligung das Recht, ein Gewässer zu einem bestimmten Zweck in einer nach Art und Maß bestimmten Weise zu benutzen.
In Genehmigungsverfahren, die auf dem Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) [46] basieren (z.B. Errichtung und Betrieb von Deponien), werden die Begriffe Planfeststellungsbeschluss und im Sonderfall Plangenehmigung verwendet. a) Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung [47] Unterliegt die geplante Anlage dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG), so ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig. Diese kann dem Genehmigungsverfahren nach BImSchG (s. Buchst. b) dieses Abschnitts) zeitlich vorgelagert bzw. in das BImSchG-Genehmigungsverfahren eingebunden sein. Im § 2 Abs. (1) des UVPG) steht geschrieben: (1) Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist ein unselbstständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren, die der Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben dienen. Die Umweltverträglichkeitsprüfung umfasst die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen des Vorhabens auf 1. Menschen, einschließlich der menschlichen Gesundheit, Tiere und Pflanzen und die biologische Vielfalt, 2. Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, 3. Kultur- und sonstige Sachgüter sowie 4. die Wechselwirkung zwischen den vorgenannten Schutzgütern. Sie wird unter Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt. Wird über die Zulässigkeit eines Vorhabens im Rahmen mehrerer Verfahren entschieden, werden die in diesen Verfahren durchgeführten Teilprüfungen zu einer Gesamtbewertung aller Umweltauswirkungen zusammengefasst.
Die Vorhaben (Anlagen), für die eine UVP nötig ist, sind als Liste „UVP-pflichtige Vorhaben“ in der Anlage 1 zum UVPG aufgeführt. Die Spalte 1 der Liste enthält alle Vorhaben, für die eine Umweltverträglichkeitsprüfungen durchzuführen ist. In der Spalte 2 der Liste sind Vorhaben (Anlagen) aufgeführt für die eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c, Satz 1 oder eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c, Satz 2 vorzunehmen ist. Bei diesen Vorhaben (Anlagen) prüft die Behörde an Hand der „Kriterien für die Vorprüfung des Einzelfalls im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung“ in Anlage 2 des UVPG, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig ist.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Die Vorprüfung des Einzelfalls, sofern das Vorhaben nicht eindeutig der Spalte 1 zuzuordnen und damit a priori UVP-pflichtig ist, sollte möglichst frühzeitig im Projekt stattfinden. Zugleich sind die rechtlichen Vorschriften und Verwaltungsvorschriften der Bundesländer über die Umweltverträglichkeitsprüfung im Detail zu recherchieren und zu studieren. Der Ablauf des Verwaltungsverfahrens zur Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgt im Allgemeinen in folgenden Schritten: 1) Unterrichtung der zuständigen Behörde über das geplante Vorhaben Information über Gegenstand, Umfang und Methoden der möglichen Umweltverträglichkeitsprüfung Abstimmung über Inhalt und Umfang der einzureichenden Unterlagen eventuell Sachverständige , betroffene Gemeinden und Bürger, anerkannte Umweltverbände usw. hinzuziehen und deren Meinung entgegennehmen zuständige Behörde muss Ergebnis der Besprechung dokumentieren 2) Feststellung der UVP-Pflicht nach § 3a, UVPG (falls nicht eindeutig durch Antragsteller zu entscheiden) Antrag auf Feststellung der UVP-Pflicht inkl. Vorprüfung des Einzelfalls Übergabe geeigneter Angaben/Unterlagen an zuständige Behörde Festlegung der zuständigen Behörde und Information des Antragstellers sowie der Stellen gem. § 3a, UVPG Bem.: Im Weiteren wird ein UVP-pflichtiges Vorhaben zugrunde gelegt. 3) Einreichen der Unterlagen für die Durchführung der UVP (s. Abschn. 3.4.1) 4) Einholen der Stellungnahmen der beteiligten Behörden, ggf. auch grenzüberschreitend nach § 8, UVPG durch die zuständige Behörde 5) Öffentliche Bekanntmachung des Vorhabens in der Tagespresse und öffentliche Auslegung der Unterlagen für 1 Monat zur Einsichtnahme (§ 9, UVPG) 6) Bekanntgabe des öffentlichen Erörterungstermins und ggf. Durchführung der Erörterung des Vorhabens auf Basis der fristgemäß eingegangenen Stellungnahmen, Einwendungen u.ä. Dritter 7) Bewertung des Vorhabens unter Beachtung der vorliegenden Stellungnahmen, Gutachten, Einwände, Hinweise u.a. Informationen durch die zuständige Behörde 8) Zusammenfassende Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen durch die zuständige Behörde nach §§ 11 und 12 des UVPG 9) Gegebenenfalls Erteilen eines Vorbescheids und einer ersten Teilgenehmigung oder Teilzulassung nach § 13, UVPG. Die Unterlagen gemäß Punkt 7) und 8) sind Bestandteil des förmlichen Genehmigungsverfahrens nach BImSchG (s. Buchst. b)). Die UVP sollte i.d.R. früher als das eigentliche Genehmigungsverfahren beginnen, um dessen Dauer zu verkürzen. In Abhängigkeit vom Verlauf des UVP-Verfahrens wird sich der Investor zum gegebenen Zeitpunkt entscheiden, den Genehmigungsantrag einzureichen, auch wenn die UVP noch nicht abgeschlossen ist. In Folge wird die UVP dann, eingebettet in das BImSchG-Verfahren, zeitlich parallel fortgesetzt.
2.3 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der BRD
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Wurde im Vorfeld des Genehmigungsverfahrens nach BImSchG die UVP-Pflicht nicht festgestellt und vom Investor keine UVP beantragt, so erfolgt dies im BImSchGGenehmigungsverfahren auf Veranlassung der Genehmigungsbehörde. In § 1, Abs. (2) des BImSchG [41] steht dazu: (2) Ist für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich (UVP-pflichtige Anlage), so ist die Umweltverträglichkeitsprüfung jeweils unselbständiger Teil des in Absatz 1 genannten Verfahrens.
b) Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) [41] Für die allermeisten verfahrenstechnischen Anlagen ist das Bundes-Immissionsschutzgesetz die Genehmigungsgrundlage, da die Anlagen i.Allg. stoffliche und andere Emissionen aufweisen. Zum BImSchG existieren zurzeit ca. 45 Verordnungen (BImSchV), von denen einige wichtige in Tabelle 2.15 angeführt sind. Tabelle 2.15 Ausgewählte Verordnungen zum Bundes-Immissionsschutzgesetz 4. BImSchV
Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen [48]
9. BImSchV 12. BImSchV 13. BImSchV 17. BImSchV 30. BImSchV 32. BImSchV 39. BImSchV
Verordnung über das Genehmigungsverfahren [49] Störfall-Verordnung (StörfallV) [50] Verordnung über Großfeuerungs- und Gasturbinenanlagen [51] Verordnung über die Verbrennung und die Mitverbrennung von Abfällen [52] Verordnung über Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen [53] Geräte- und Maschinenlärmverordnung [54] Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstgrenzen [55]
Nachfolgend werden einige wichtige Begriffe nach § 3 (Begriffsdefinitionen) des BImSchG definiert. Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Immissionen im Sinne diese Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen. Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Erscheinungen. Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
Ferner ist in § 4 (Genehmigung), Abs. (1) festgelegt: (1) Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen, sowie von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen bedürfen der Genehmigung.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Die Kriterien für die Einordnung, ob eine Anlage nach BImSchG genehmigungsbedürftig ist, sind in den Paragraphen 4 bis 25 des BImSchG angeführt. Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen genehmigungsbedürftigen Anlagen (§§ 4 bis 21 des BImSchG) und nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen (§§ 22 bis 25a) entsprechend ihrer Emissionen und Immissionen. Die genehmigungsbedürftigen Anlagen sind im Einzelnen in der 4. Verordnung zum Bundes-Immissionsgesetz (4. BImSchV) [48] aufgelistet. Das BImSchG-Verfahren ist ein „bündelndes Genehmigungsverfahren“, d.h. der Antragsteller beantragt die Genehmigung bei nur einer Genehmigungsbehörde, z.B. beim zuständigen Regierungspräsidium. Die Genehmigungsbehörde koordiniert das gesamte Verfahren, inklusive der sicherheitlichen sowie der baurechtlichen, wasserrechtlichen, abfallrechtlichen und sonstigen Belange. Sie ist während des gesamten Genehmigungsprozesses der alleinige Ansprechpartner des Antragstellers. Der Ablauf des Genehmigungsverfahrens nach BImSchG ist in Abb. 2.6 gezeigt. Inwieweit ein förmliches oder vereinfachtes Genehmigungsverfahren durchzuführen ist, entscheidet die Zuordnung der Anlage gemäß der Auflistung im Anhang zur 4. BImSchV. 1.) Förmliches Genehmigungsverfahren (§ 10, BImSchG, 9. BImSchV) Diese Verfahrensart ist nach § 10, BImSchG für Anlagen anzuwenden, die in der Spalte c des Anhangs zur 4. BImSchV mit „G“ bezeichnet sind. Im förmlichen Verfahren ist neben den Behörden auch die Öffentlichkeit beteiligt. Zu diesem Zweck hat die zuständige Behörde, sobald die Antragsunterlagen vollständig sind, das Vorhaben ▪ im amtlichen Veröffentlichungsblatt, ▪ im Internet oder ▪ in örtlichen Tageszeitungen öffentlich bekannt zu machen und die Unterlagen zur Einsicht durch die Öffentlichkeit auszulegen. Die Öffentlichkeit (auch Firmen, Verbände, Vereine) kann bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist gegenüber der zuständigen Behörde schriftliche Einwendungen erheben. Danach sind alle Einwendungen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln (Ansprüchen) beruhen, ausgeschlossen. Nach Ablauf der Einwendungsfrist kann die Genehmigungsbehörde die fristgemäß erhobenen Einwendungen mit dem Antragsteller und den Einwendern (und nur diesen!) erörtern. Die Erörterung soll den Einwendern Gelegenheit geben, ihre Einwendungen zu erläutern. Ein Erörterungstermin findet nach § 16 der 9. BImSchV nicht statt, wenn ▪ Einwendungen gegen das Vorhaben nicht oder nicht rechtzeitig erhoben worden sind, ▪ die rechtzeitig erhobenen Einwendungen zurückgenommen worden sind, ▪ ausschließlich Einwendungen erhoben worden sind, die auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen oder ▪ die erhobenen Einwendungen nach der Einschätzung der Behörde keiner Erörterung bedürfen.
2.3 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der BRD
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Abb. 2.6 Ablauf des Genehmigungsverfahrens nach BImSchG und 9. BImSchV
Der Erörterungstermin ist öffentlich. Im Einzelfall kann aus besonderen Gründen die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Weitere Regelungen zur Erörterung siehe §§ 14 bis 19 der 9. BImSchV. Die Genehmigungsbehörde holt Sachverständigengutachten ein, soweit dies für die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen notwendig ist. Sind alle Umstände ermittelt, die für die Beurteilung des Genehmigungsantrags von Bedeutung sind, hat die Genehmigungsbehörde unverzüglich über den Antrag zu entscheiden.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Bezüglich der Gesamtdauer des Genehmigungsverfahrens steht in § 10, Abs. 6a des BImSchG: Über den Genehmigungsantrag ist nach Eingang des Antrags und der nach Absatz 1 Satz 2 einzureichenden Unterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, in vereinfachten Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten, zu entscheiden. Die zuständige Behörde kann die Frist um jeweils drei Monate verlängern, wenn dies wegen der Schwierigkeiten der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist.
2) Vereinfachtes Genehmigungsverfahren (§ 19, BImSchG, 9. BImSchV) Diese Verfahrensart ist nach § 19, BImSchG für Anlagen anzuwenden, die in der Spalte c des Anhangs zur 4. BImSchV mit „V“ bezeichnet sind. Das vereinfachte Verfahren beinhaltet keine Öffentlichkeitsbeteiligung und keine UVP-relevanten Maßnahmen. Die anderen Pflichten und Maßnahmen bleiben weitgehend unberührt (s. Abb. 2.6, rechter Zweig). Das vereinfachte Verfahren wird ohne Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt. Die bei einer UVP vorgeschrieben Öffentlichkeitsbeteiligung erfordert ein förmliches Verfahren. In einem vereinfachten Genehmigungsverfahren sind privatrechtliche Abwehransprüche gemäß § 14, BImSchG nicht mehr ausgeschlossen. Das heißt, betroffene Nachbarn oder andere Dritte, die im nicht-öffentlichen Verfahren nicht beteiligt waren, können gegen die Genehmigung (z.B. gegen deren Errichtung und Betrieb) privatrechtlich klagen. Da die Einwände von Dritten im bisherigen Verfahren nicht betrachtet und berücksichtigt wurden, ist ein signifikantes Risiko für den Projektträger in der Weise gegeben, dass die Einwände ggf. als berechtigt eingeschätzt werden und in Folge der Genehmigungsbescheid geändert wird. Möchte der Antragsteller mit der Genehmigung einen privatrechtlichen Bestandsschutz für die Errichtung und den Betrieb seiner Anlage, so kann er nach § 19, Abs. (3) des BImSchG auch ein förmliches Verfahren beantragen; auch wenn dies nach der 4. BImSchV nicht nötig wäre. Das Verfahren würde länger dauern, aber die Rechtskraft (der öffentlichrechtliche Bestandsschutz) der Genehmigung ist größer. Die dokumentarischen Anforderungen an den Genehmigungsantrag inkl. Antragsunterlagen sowie Ausführungen zum Genehmigungsbescheid inkl. Erfüllungsnachweis und zu wesentlichen Änderungen bzw. nachträglichen behördlichen Anordnungen werden in den Abschnitten 3.4.2 bis 3.4.4 dargelegt. c) Musterbauordnung (MBO) [31] Die baurechtliche Genehmigung verfahrenstechnischer Anlagen ist i.Allg. integraler Bestandteil des Genehmigungsverfahrens nach BImSchG bzw. des Planfeststellungsverfahrens nach Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG). Dabei unterliegen Gebäude und ortsfeste Einrichtungen dem Bauordnungsrecht. In der BRD ist das Bauordnungsrecht im Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereich der Bundesländer. Die „Konferenz der Bauminister der Bundesländer (BMK)“ verabschiedet Mustervorschriften und Mustererlasse, die als gemeinsame Grundlage für die Gesetzgebung der Bundesländer dienen. Jedes Bundesland entscheidet danach selbst,
2.3 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der BRD
77
in welchem Umfang die Mustervorgaben umgesetzt werden. Die für die Baugenehmigung wichtigste Mustervorschrift ist die Musterbauordnung [31]. Die Musterbauordnung (MBO) ist in folgende sechs Teile gegliedert 1. Teil: Allgemeine Vorschriften 2. Teil: Das Grundstück und seine Bebauung 3. Teil: Bauliche Anlagen 4. Teil: Die am Bau Beteiligten 5. Teil: Bauaufsichtsbehörden, Verfahren 6. Teil: Ordnungswidrigkeiten, Rechtsvorschriften, Übergangs- und Schlussvorschriften Gebäude werden in der MBO in Gebäudeklassen eingeteilt. Anlagen und Gebäude besonderer Nutzung werden als Sonderbauten bezeichnet. Als Sonderbauten gelten auch: Bauliche Anlagen, deren Nutzung durch Umgang oder Lagerung von Stoffen mit Explosions- oder erhöhter Brandgefahr verbunden ist und Anlagen und Räume, [...] deren Art oder Nutzung mit vergleichbaren Gefahren verbunden sind.
Auszüge aus der MBO enthält Tabelle 2.16. Tabelle 2.16 Auszüge aus der Musterbauordnung (MBO) [31] § 1 Anwendungsbereich (1) Dieses Gesetz gilt für bauliche Anlagen und Bauprodukte. Es gilt auch für Grundstücke sowie für andere Anlagen und Einrichtungen, an die in diesem Gesetz oder in Vorschriften aufgrund dieses Gesetzes Anforderungen gestellt werden. §2 Begriffe (1) Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen; eine Verbindung mit dem Boden besteht auch dann, wenn die Anlage durch eigene Schwere auf dem Boden ruht oder [...] wenn die Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden [...] Anlagen sind bauliche Anlagen und sonstige Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2. §3 Allgemeine Anforderungen Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden; dabei sind die Grundanforderungen an Bauwerke gemäß Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 zu berücksichtigen. Dies gilt auch für die Beseitigung von Anlagen und bei der Änderung ihrer Nutzung. §55 Unternehmer Jeder Unternehmer ist für die mit den öffentlich-rechtlichen Anforderungen übereinstimmende Ausführung der von ihm übernommenen Arbeiten und insoweit für die ordnungsgemäße Einrichtung und den sicheren Betrieb der Baustelle verantwortlich. Er hat die zur Erfüllung der Anforderungen dieses Gesetzes oder aufgrund dieses Gesetzes erforderlichen Nachweise und Unterlagen zu den verwendeten Bauprodukten und den angewandten Bauarten zu erbringen und auf der Baustelle bereitzuhalten. Bei Bauprodukten, die die CE-Kennzeichnung nach der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 tragen, ist die Leistungserklärung bereitzuhalten.
78
2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Tab. 2.16 (Fortsetzung) §59 Grundsatz (1) Die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von Anlagen bedürfen der Baugenehmigung, soweit in den §§ 60 bis 62, 76 und 77 nichts anderes bestimmt ist. §60 Vorrang anderer Gestattungsverfahren Keiner Baugenehmigung, Abweichung, Genehmigungsfreistellung, Zustimmung und Bauüberwachung nach diesem Gesetz bedürfen 1. nach anderen Rechtsvorschriften zulassungsbedürftige Anlagen in oder an oberirdischen Gewässern [...] ausgenommen Gebäude, die Sonderbauten sind, 2. nach anderen Rechtsvorschriften zulassungsbedürftige Anlagen für die öffentliche Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme, Wasser und für die öffentliche Verwertung oder Entsorgung von Abwässern, ausgenommen Gebäude, die Sonderbauten sind, [...] 4. Anlagen, die nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz einer Genehmigung bedürfen, 5. Anlagen, die nach Produktsicherheitsrecht einer Genehmigung oder Erlaubnis bedürfen, [...] Für Anlagen, bei denen ein anderes Gestattungsverfahren die Baugenehmigung, die Abweichung oder die Zustimmung einschließt [...] nimmt die für den Vollzug der entsprechenden Rechtsvorschriften zuständige Behörde die Aufgaben und Befugnisse der Bauaufsichtsbehörde wahr. §66 Bautechnische Nachweise (1) Die Einhaltung der Anforderungen an die Standsicherheit, den Brand-, Schall- und Erschütterungsschutz ist nach näherer Maßgabe der Verordnung [...] nachzuweisen (bautechnische Nachweise). §68 Bauantrag, Bauvorlagen (1) Der Bauantrag ist schriftlich bei der unteren Bauaufsichtsbehörde einzureichen. (2) Mit dem Bauantrag sind alle für die Beurteilung des Bauvorhabens und die Bearbeitung des Bauantrags erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) einzureichen. Es kann gestattet werden, dass einzelne Bauvorlagen nachgereicht werden. §85a Technische Baubestimmungen (1) Die Anforderungen nach § 3 können durch Technische Baubestimmungen konkretisiert werden. Die Technischen Baubestimmungen sind zu beachten. Von den in den Technischen Baubestimmungen enthaltenen Planungs-, Bemessungs- und Ausführungsregelungen kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung in gleichem Maße die Anforderungen erfüllt werden und in der Technischen Baubestimmung eine Abweichung nicht ausgeschlossen ist.
Bei allen Klärungen zu Fragen der Baugenehmigung ist immer zuerst die Bauordnung des Bundeslandes heranzuziehen. Für die Technischen Baubestimmungen im Sinne der Bauordnung gibt es eine MusterVerwaltungsvorschrift [56], die für die Bundesländer jedoch nur empfehlenden Charakter hat. Für bestimmte technische Anlagen werden erstmalige und wiederkehrende Sachverständigenprüfungen vorgeschrieben. Viele dieser Prüfungen setzen das Vorhandensein der entsprechenden Dokumentationsunterlagen voraus. Allerdings bestehen hier erhebliche Unterschiede in Bezug auf Umfang und Qualität der Dokumentationsunterlagen, die der Sachverständige bei der Prüfung als hinreichend akzeptiert. Welche Anlagen in
2.3 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der BRD
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welchem Umfang geprüft werden müssen, ist in den Prüfverordnungen der Bundesländer festgelegt. Die Muster-Gliederung eines Bauantrags wird in Abschn. 3.4.2 vorgestellt. d) Wasserhaushaltsgesetz (WHG) [45] und Verordnungen über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdender Stoffe (AwSV) [57] Für den Gewässerschutz enthält das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) u.a. Regelungen zum ordnungsgemäßen Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, insbesondere beim Betrieb von Anlagen zum Umgang mit solchen Flüssigkeiten und Gasen einschließlich zugehöriger Rohrleitungen. In § 62 (Anforderungen an den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen), Abs. (1) des WHG steht: (1) Anlagen zum Lagern, Abfüllen, Herstellen und Behandeln wassergefährdender Stoffe sowie Anlagen zum Verwenden wassergefährdender Stoffe im Bereich der gewerblichen Wirtschaft und im Bereich öffentlicher Einrichtungen müssen so beschaffen sein und so errichtet, unterhalten, betrieben und stillgelegt werden, dass eine nachhaltige Veränderung der Eigenschaften von Gewässern nicht zu besorgen ist. Das Gleiche gilt für Rohrleitungen, die 1. den Bereich eines Werksgeländes nicht überschreiten, 2. Zubehör einer Anlage zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen oder 3. Anlagen verbinden, die in engem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang miteinander stehen.
Mit Inkrafttreten der bundesweit einheitlichen Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) [57] wurden in der BRD die Anforderungen an Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen vereinheitlicht. Das WHG definiert in § 62, Abs. (3) die wassergefährdenden Stoffe folgendermaßen: Wassergefährdende Stoffe im Sinne dieses Abschnitts sind feste, flüssige und gasförmige Stoffe, die geeignet sind, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen.
Ergänzend wird dazu in der AwSV, § 2 (Begriffsbestimmungen) formuliert: …, und die nach Maßgabe von Kapitel 2 (d. Verf.: der AwSV) als wassergefährdend eingestuft sind oder als wassergefährdend gelten. In der AwSV, Kapitel 2 (Einstufung von Stoffen und Gemischen wird in § 3 (Grund-
sätze) festgelegt: (1) Nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Kapitels werden Stoffe und Gemische, mit denen in Anlagen umgegangen wird, entsprechend ihrer Gefährlichkeit als nicht wassergefährdend oder in eine der folgenden Wassergefährdungsklassen eingestuft:
Wassergefährdungsklasse 1 (WGK 1): schwach wassergefährdend Wassergefährdungsklasse 2 (WGK 2): deutlich wassergefährdend Wassergefährdungsklasse 3 (WGK 3): stark wassergefährdend Betreffs der Einstufung von Stoffen ist in § 4 vorgegeben: (1) Beabsichtigt ein Betreiber, in einer Anlage mit einem Stoff umzugehen, hat er diesen nach Maßgabe der Kriterien von Anlage 1 als nicht wassergefährdend oder in eine Wassergefährdungsklasse nach § 3 Absatz 1 einzustufen (d. Verf.: sog. Selbsteinstufung). (3) Der Betreiber hat die Selbsteinstufung eines Stoffes nach Maßgabe von Anlage 2 Nummer 1 zu dokumentieren und diese Dokumentation dem Umweltbundesamt vorzulegen.
80
2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Das Umweltbundesamt kontrolliert die Dokumentation zur Selbstauskunft von Stoffen auf ihre Vollständigkeit und Plausibilität und entscheidet über die Einstufung. In §§ 6 bis 11 sind analoge Regelungen zur Einstufung, Kontrolle und Entscheidung zur Einstufung von Gemischen angegeben. Der Anlagenbegriff wird in § 2 (Begriffsbestimmungen), Abs. (9) der AwSV [57] wie folgt definiert: (9) „Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen“ (Anlagen) sind 1. selbständige und ortsfeste oder ortsfest benutzte Einheiten, in denen wassergefährdende Stoffe gelagert, abgefüllt, umgeschlagen, hergestellt, behandelt oder im Bereich der gewerblichen Wirtschaft oder im Bereich öffentlicher Einrichtungen verwendet werden, sowie 2. Rohrleitungsanlagen nach § 62 Absatz 1 Satz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes. Als ortsfest benutzt gelten Einheiten, wenn sie länger als ein halbes Jahr an einem Ort zu einem bestimmten betrieblichen Zweck betrieben werden; Anlagen können aus mehreren Anlagenteilen bestehen.
Ausnahmen und Einschränkungen sind für bestimmte Anlagen angeführt. Die AwSV [57] formuliert in Kapitel 3 detaillierte „Technische und organisatorische Anforderungen an Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen“, die auch für die Vorbereitung und Durchführung der Inbetriebnahme wichtig sind. Dies betrifft beispielsweise in: Abschnitt 2: Allgemeine Anforderungen an Anlagen § 17: Grundsatzanforderungen § 18: Anforderungen an die Rückhaltung wassergefährdender Stoffe § 19: Anforderungen an die Entwässerung § 20: Rückhaltung bei Brandereignissen § 21: Besondere Anforderungen an die Rückhaltung bei Rohrleitungen § 22: Anforderungen bei der Nutzung von Abwasseranlagen als Auffangvorrichtungen § 23: Anforderungen an das Befüllen und Entleeren § 24: Pflichten bei Betriebsstörungen, Instandsetzung Abschnitt 3: Besondere Anforderungen an die Rückhaltung bei bestimmten Anlagen Abschnitt 4: Anforderungen an Anlagen in Abhängigkeit von ihren Gefährdungsstufen § 39: Gefährdungsstufen von Anlagen § 40: Anzeigepflicht § 41: Ausnahmen vom Erfordernis der Eignungsfeststellung § 42: Antragsunterlagen für die Eignungsfeststellung § 43: Anlagendokumentation § 44: Betriebsanweisung Merkblatt § 45: Fachbetrieb; Ausnahmen § 46: Überwachungs- und Prüfpflichten des Betreibers § 47: Prüfung durch Sachverständige § 48: Beseitigung von Mängeln
Die Betreiber von Anlagen haben die Anlage gemäß Tabelle 2.17 in eine Gefährdungsstufe einzuordnen. Bei flüssigen Stoffen ist das für die jeweilige Anlage maßgebende Volumen zugrunde zu legen, bei gasförmigen und festen Stoffen die für die jeweilige Anlage maßgebende Masse.
2.3 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der BRD
81
Tabelle 2.17 Gefährdungsstufen von Anlagen mit wassergefährdenden Stoffen gemäß § 39 AwSV Ermittlung der Gefährdungsstufen
Wassergefährdungsklasse (WGK)
Volumen im m3 oder Masse in t
1
2
3
≤ 0,22 m3 oder 0,2 t
Stufe A
Stufe A
Stufe A
> 0,22 m3 oder 0,2 t ≤ 1 t
Stufe A
Stufe A
Stufe B
> 1 ≤ 10
Stufe A
Stufe B
Stufe C
> 10 ≤ 100
Stufe A
Stufe C
Stufe D
> 100 ≤ 1000
Stufe B
Stufe D
Stufe D
> 1000
Stufe C
Stufe D
Stufe D
In § 46 (Überwachung- und Prüfpflichten des Betreibers) der AwSV wird gefordert: (1) Der Betreiber hat die Dichtheit der Anlage und die Funktionsfähigkeit der Sicherheitseinrichtungen regelmäßig zu kontrollieren… (2) Betreiber haben Anlagen außerhalb von Schutzgebieten und außerhalb von festgesetzten oder vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten nach Maßgabe der in Anlage 5 (d. Verf.: s. Tab. 2.18) geregelten Prüfzeitpunkte und -intervalle auf ihren ordnungsgemäßen Zustand prüfen zu lassen. Tabelle 2.18 Prüfzeitpunkte und -intervalle für Anlagen außerhalb von Schutzgebieten und festgesetzten oder vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten nach § 46, Abs. 2 der AwSV [57] Anlagen
1) 2)
Spalte 1
Prüfzeitpunkte und -intervalle Spalte 2
Spalte 3
Spalte 4
vor Inbetriebnah3) me oder nach einer wesentlichen Änderung
wiederkehrende 4) Prüfung
bei Stilllegung einer Anlage
unterirdische Anlagen mit flüssigen oder gasförmigen wassergefährdenden Stoffen
A, B, C und D
A, B, C und D alle 5 A, B, C und D Jahre
oberirdische Anlagen mit flüssigen oder gasförmigen wassergefährdenden Stoffen, einschließlich Heizölverbraucheranlagen
B, C und D
C und D alle 5 Jahre
C und D
Anlagen mit festen wassergefährdenden Stoffen
über 1000 t
unterirdische Anlagen und Anlagen im Freien über 1000 t alle 5 Jahre
unterirdische Anlagen und Anlagen im Freien über 1000 t
Anlagen zum Umschlagen wassergefährdender Stoffe im intermodalen Verkehr
über 100 t umgeschlagener Stoffe pro Arbeitstag
Anlagen über 100 t umgeschlagener Stoffe pro Arbeitstag alle 5 Jahre
Anlagen über 100 t umgeschlagener Stoffe pro Arbeitstag
über 1000 m³ alle 5 Jahre
über 1000 m³
Anlagen mit aufschwimmen- über 100 m³ den flüssigen Stoffen
82
2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Tab. 2.18 (Fortsetzung) Anlagen
1) 2)
Spalte 1
Prüfzeitpunkte und -intervalle Spalte 2
Spalte 3
Spalte 4
vor Inbetriebnah3) me oder nach einer wesentlichen Änderung
wiederkehrende 4) Prüfung
bei Stilllegung einer Anlage
Biogasanlagen, in denen ausschließlich Gärsubstrate nach § 2 Abs. 8 eingesetzt werden
über 100 m³
über 1000 m³ alle 5 Jahre
über 1000 m³
Abfüll-/Umschlaganlagen sowie Anlagen zum Laden und Löschen von Schiffen
B, C und D
B alle 10 Jahre; C und D alle 5 Jahre
B, C und D
1)
Die in Tab. 2.18 verwendeten Buchstaben A, B, C und D beziehen sich auf die Gefährdungsstufen nach Absatz § 39, Abs. 1 der zu prüfenden Anlagen (s. Tab. 3.12).
2)
Die in Tab. 2.18 enthaltenen Angaben zum Volumen und zur Masse beziehen sich auf das maßgebende Volumen oder die maßgebende Masse wassergefährdender Stoffe (§ 39), mit denen in der Anlage umgegangen wird (s. Tab. 2.17).
3)
Zur Prüfung vor Inbetriebnahme sowie zur Prüfung nach einer wesentlichen Änderung von Abfüll- oder Umschlaganlagen gehört eine Nachprüfung der Abfüll- und Umschlagflächen nach einjähriger Betriebszeit. Die Nachprüfung verschiebt das Abschlussdatum der Prüfung vor Inbetriebnahme nicht.
4)
Die Fristen für die wiederkehrenden Prüfungen beginnen mit dem Abschluss der Prüfung vor Inbetriebnahme oder nach einer wesentlichen Änderung nach Spalte 2.
Betreffs der notwendigen Betriebsanweisung und Unterweisung des Betriebspersonals gibt die AwSV [57] vor: (1) Der Betreiber hat eine Betriebsanweisung vorzuhalten, die einen Überwachungs-, Instandhaltungs- und Notfallplan enthält und Sofortmaßnahmen zur Abwehr nachteiliger Veränderungen der Eigenschaften von Gewässern festlegt. Der Plan ist mit den Stellen abzustimmen, die im Rahmen des Notfallplans und der Sofortmaßnahmen beteiligt sind. Der Betreiber hat die Einhaltung der Betriebsanweisung und deren Aktualisierung sicherzustellen. (2) Das Betriebspersonal der Anlage ist vor Aufnahme der Tätigkeit und dann regelmäßig in angemessenen Zeitabständen, mindestens jedoch einmal jährlich, zu unterweisen, wie es sich laut Betriebsanweisung zu verhalten hat. Die Durchführung der Unterweisung ist vom Betreiber zu dokumentieren. (3) Die Betriebsanweisung muss dem Betriebspersonal der Anlage jederzeit zugänglich sein.
Mit der Betriebsanweisung weist der Betreiber die Beschäftigten an, wie sie die Anlage bestimmungsgemäß handhaben und wie sie sich bei Betriebsstörungen verhalten müssen [58]. Das Muster-Inhaltsverzeichnis einer Betriebsanweisung für eine L-Anlage zeigt Tab. 2.19. Dies betrifft Anlagen zum Vorhalten wassergefährdender Stoffe zur weiteren Nutzung im Sinne: Herstellen, Behandeln, Verwendung (HBV) bzw. zu deren externer Abgabe inkl. Entsorgung bzw. Abstellen von Behältern und Verpackungen.
2.3 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der BRD
83
Tabelle 2.19 Muster-Inhaltsverzeichnis einer Betriebsanweisung für eine Anlage zum Lagern wassergefährdender Stoffe gemäß § 44 Abs. 1 AwSV und Nr. 6.2 Abs. 4 TRwS 779 [58] 1 1.1
1.2 1.3 1.4
Allgemeine Pflichten Zuständigkeiten Organisation und Personal Regelung von Aufgaben und Verantwortungsbereichen Sicherstellung der notwendigen Sachverständigenprüfungen Instandhaltung Fachbetriebspflicht
2 2.1
Vor Ort durchzuführende Maßnahmen Betriebliche Pflichten Befüllen der Anlagen Sicherung der am Be-/Entladen beteiligten Transportmittel (LKW) gegen Wegrollen, Verschieben oder Abfahren (Unterkeile unterlegen) Beseitigung von Niederschlagswasser aus Anlagen Einteilung von wassergefährdenden Stoffen in Abwasseranlagen 2.2 Kontrollen im bestimmungsgemäßen Betrieb; Funktionsfähigkeit der Sicherheitseinrichtungen; Festlegung welche, wie oft, wer Maßnahmen im gestörten Betrieb Außer-/Wiederinbetriebnahme Beseitigung von Störungen Handhabung von Leckagen Handhabung von verunreinigtem Löschwasser oder sonstigen Löschmitteln 2.3 Alarm- und Maßnahme-/Notfallplan, der wirksame Maßnahmen und Vorkehrungen zur Vermeidung von Gewässerschäden beschreibt und mit den in die Maßnahmen einbezogenen Stellen abgestimmt ist 2.3.1 Sofortmaßnahmen (z.B. Bindemittel, Barrieren) 2.3.2 Meldung nach Alarmplan, insbesondere Pflicht zur Anzeige des Austretens eines wassergefährdenden Stoffs in einer nicht nur unerheblichen Menge (betriebsindividuell zu quantifizieren: > …l bzw. kg) bei der zuständigen Behörde oder einer Polizeidienststelle
Wesentliche Vorgaben macht die AwSV zur Anlagendokumentation in § 43 entsprechend nachfolgender Formulierung in Absatz 1 (s. auch Tab. 2.20): (1) Der Betreiber hat eine Anlagendokumentation zu führen, in der die wesentlichen Informationen über die Anlage enthalten sind. Hierzu zählen insbesondere Angaben zum Aufbau und zur Abgrenzung der Anlage, zu den eingesetzten Stoffen, zur Bauart und zu den Werkstoffen der einzelnen Anlagenteile, zu Sicherheitseinrichtungen und Schutzvorkehrungen, zur Löschwasserrückhaltung und zur Standsicherheit. Tabelle 2.20 Muster-Inhaltsverzeichnis einer Anlagendokumentation zur Lagerung wassergefährdender Stoffe gemäß §43 Abs. 1 AwSV und Nr. 6.2 Abs. 2 TRwS 779 [58] 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5
Anlage Bezeichnung Kurzbeschreibung, Aufbau Wasserrechtliche Abgrenzung Maßgebende/s Volumen/Masse Gefährdungsstufe (ABCD)
84
2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Tab. 2.20 (Fortsetzung) 2 2.1 2.2 2.3 2.4
Behördliche Vorgänge Anlagengenehmigungen Erlaubnisse Eignungsfeststellungen Anzeigen
3 3.1 3.2
Lage Ort und Anlage Besondere Merkmale der hydrologischen Beschaffenheit des Aufstellungsortes, z.B. Lage zu Schutzgebieten, Schutzzonen, Überschwemmungsgebieten, Grundwasserabstand, Lage zu oberirdischen Gewässern, Abstand
4 4.1 4.2
Eingesetzte Stoffe Stoffdaten (fest, flüssig, gasförmig: Umschließungen) Wassergefährdungsklasse (WGK)
5 5.1 5.2 5.3 5.4
Bauart und Werkstoffe der primären und sekundären Anlagenteile Oberirdisch/unterirdisch Einwandig/doppelwandig/Innenhülle Zugehörige Verwendbarkeitsnachweise Prüfbarkeit der Anlagenteile
6 6.1 6.2
Sicherheitseinrichtungen und Schutzvorkehrungen Leckkontrolle (Leckanzeigegerät bei doppelwandigem Behälter) Leckageortung/Leckageerkennungssystem (Leckagesonde, Leckagesensor o.ä. in Auffangraum)
7 7.1 7.2
Sicherheitskonzept Bewertung der von der Anlage ausgehenden Gefahren für das Gewässer a) Analyse und Beurteilung der Anlagenkonzeption: b) Ermittlung und Festlegung des erforderlichen Rückhaltevermögens; c) Vorkehrungen zur Branderkennung, -bekämpfung und Löschmittelrückhaltung
8
Statische Berechnungen
9 9.1 9.2
Prüfungen Fristen Berichte
e) Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) [46] Das Kreislaufwirtschaftsgesetz soll die Kreislaufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen fördern und den Schutz von Mensch und Umwelt bei der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen sicherstellen. Das KrWG gilt für: 1. die Vermeidung von Abfällen, 2. die Verwertung von Abfällen, 3. die Beseitigung von Abfällen, 4. die sonstigen Maßnahmen der Abfallbewirtschaftung. Nach § 3 (Begriffsbestimmungen), Abs. (1) des KrWG gilt die Begriffsdefinition: (1) Abfälle im Sinne diese Gesetzes sind alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Abfälle zur Verwertung sind Abfälle, die verwertet werden. Abfälle, die nicht verwertet werden, sind Abfälle zur Beseitigung.
2.3 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der BRD
85
Im Abschnitt 1 werden Grundsätze der Abfallbeseitigung und Abfallbewirtschaftung dargelegt und in § 6 (Abfallhierarchie), Abs. (1) vorgegeben: (1) Maßnahmen der Vermeidung und der Abfallbewirtschaftung stehen in folgender Rangfolge: 1. Vermeidung, 2. Vorbereitung zur Wiederverwertung, 3. Recycling, 4. sonstige Verwertung, insbesondere energetische Verwertung und Verfüllung, 5. Beseitigung.
Diese Rangfolge ist zugleich Grundlage für die Betrachtung und Auswahl möglicher Verfahrensvarianten zur Abfallbeseitigung, die u.a. im Entsorgungskonzept zusammengestellt werden. Im Abfallrecht (§ 35 KrWG) werden in Verbindung mit der Genehmigung von Deponien die Begriffe Planfeststellungsverfahren und Planfeststellung gebraucht. Zum KrWG gehören eine Vielzahl von Verordnungen, wie z.B.: Altölverordnung (AltölV), Bioabfallverordnung (BioAbfV), Deponieverordnung (DepV), Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV), Klärschlammverordnung (AbfKlärV), Transportgenehmigungsverordnung (TgV), Nachweisverordnung (NachwV). Die letztgenannte Nachweisverordnung [59] beinhaltet in § 3 (Entsorgungsnachweis) die Vorgaben zur Nachweisführung über die Entsorgung von Abfällen. Dies beinhaltet auch ein zwingend vorgeschriebenes elektronisches Abfallnachweisverfahren (eANV) für nachweispflichtige Abfälle. Abb. 2.7 zeigt das Formblatt/Deckblatt eines Entsorgungsnachweises. Zum Nachweis gehören außerdem noch 2 Seiten „Verantwortliche Erklärung für Nachweise“ und 2 Seiten „Deklarationsanalyse zum Entsorgungsnachweis“. Zusätzlich zum Bundes-Abfallrecht gibt es auch ein Abfallrecht der Bundesländer, ggf. in Form von ergänzenden Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften auf Länder- und/oder kommunaler Ebene. f) Chemikaliengesetz (ChemG) [28] und Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) [29] Zweck des Chemikaliengesetzes ist es, gemäß § 1, den Menschen und die Umwelt vor schädlichen Einwirkungen gefährlicher Stoffe und Gemische zu schützen, insbesondere die Einwirkungen erkennbar zu machen, sie abzuwenden und ihrem Entstehen vorzubeugen. Das ChemG setzt die REACH-Verordnung [16] und die GHS/CLP-Verordnung [22] in deutsches Recht um. Entsprechend sind die Begriffe Stoff und Gemisch fast identisch wie in der REACH-Verordnung (s. Abschn. 2.2.2, f)) definiert. Weitere Einschränkungen für das Inverkehrbringen bestimmter gefährlicher Stoffe und Gemische sowie bestimmter Erzeugnisse, die diese freisetzen können oder enthalten, sind in der Chemikalien-Verbotsverordnung – ChemVerbotsV) [60] gemacht. Das ChemG und die ChemVerbotsV verweisen häufig auf die GHS/CLP-Verordnung [22].
86
2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Abb. 2.7 Muster-Deckblatt eines Entsorgungsnachweises
2.3 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der BRD
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Für die Erarbeitung konkreter Risikominderungsmaßnahmen im Umgang mit gefährlichen Stoffen und Gemischen sowie notwendiger Dokumentationspflichten, liefert die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) [29] eine praktische Handlungsanleitung. In § 2 (Begriffsbestimmungen) werden u.a. folgende Begriffe definiert: (1) Gefahrstoffe im Sinne dieser Verordnung sind 1. gefährliche Stoffe und Zubereitungen nach § 3, 2. Stoffe, Gemische und Erzeugnisse, die explosionsfähig sind, 3. Stoffe, Gemische und Erzeugnisse, aus denen bei der Herstellung oder Verwendung Stoffe nach Nummer 1 oder 2 entstehen oder freigesetzt werden, 4. Stoffe und Gemische, die die Kriterien nach den Nummern 1 bis 3 nicht erfüllen, aber auf Grund ihrer physikalisch-chemischen, chemischen oder toxischen Eigenschaften und der Art und Weise, wie sie am Arbeitsplatz vorhanden sind oder verwendet werden, die Gesundheit und die Sicherheit der Beschäftigten gefährden können, 5. alle Stoffe, denen ein Arbeitsplatzgrenzwert zugewiesen worden ist. (10) Ein explosionsfähiges Gemisch ist ein Gemisch aus brennbaren Gasen, Dämpfen, Nebeln oder aufgewirbelten Stäuben und Luft oder einem anderen Oxidationsmittel, das nach Wirksamwerden einer Zündquelle in einer sich selbsttätig fortpflanzenden Flammenausbreitung reagiert, sodass im Allgemeinen ein sprunghafter Temperaturund Druckanstieg hervorgerufen wird. (11) Chemisch instabile Gase, die auch ohne ein Oxidationsmittel nach Wirksamwerden einer Zündquelle in einer sich selbsttätig fortpflanzenden Flammenausbreitung reagieren können, sodass ein sprunghafter Temperatur- und Druckanstieg hervorgerufen werden kann, stehen explosionsfähigen Gemischen nach Absatz 10 gleich. (12) Ein gefährliches explosionsfähiges Gemisch ist ein explosionsfähiges Gemisch, das in solcher Menge auftritt, dass besondere Schutzmaßnahmen für die Aufrechterhaltung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten oder anderer Personen erforderlich werden. (13) Gefährliche explosionsfähige Atmosphäre ist ein gefährliches explosionsfähiges Gemisch mit Luft als Oxidationsmittel unter atmosphärischen Bedingungen (Umgebungstemperatur von –20 °C bis +60 °C und Druck von 0,8 bar bis 1,1 bar). (14) Explosionsgefährdeter Bereich ist der Gefahrenbereich, in dem gefährliche explosionsfähige Atmosphäre auftreten kann.
In § 3 (Gefahrenklassen) werden die Art der Gefährdung (unterteilt in Physikalische Gefahren, Gesundheitsgefahren, Umweltgefahren, Weitere Gefahren) in Gefahrenklassen gemäß Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 [22] eingeteilt und nummeriert. Zusätzlich werden in der GefStoffV u.a. Vorgaben gemacht über: Die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen sowie von Erzeugnissen mit Explosivstoff (§ 4). Die Erarbeitung des Sicherheitsdatenblatts beim Inverkehrbringen von Gefahrstoffen (§ 5) unter Verweis auf die REACH-Verordnung [16] (s. Abschn. 2.2.2, f)), Die Pflicht des Arbeitgebers gemäß § 6 (Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung) im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festzustellen, inwieweit seine Beschäftigten durch Gefahrstoffe gefährdet sind (s. auch Abschn. 3.7.2.1).
88
2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Dazu steht in den Absätzen 1 und 5 des § 6 (Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung): (1) Im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung als Bestandteil der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber festzustellen, ob die Beschäftigten Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ausüben oder ob bei Tätigkeiten Gefahrstoffe entstehen oder freigesetzt werden können. Ist dies der Fall, so hat er alle hiervon ausgehenden Gefährdungen der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten unter folgenden Gesichtspunkten zu beurteilen: 1. gefährliche Eigenschaften der Stoffe oder Gemische, einschließlich ihrer physikalischchemischen Wirkungen, 2. Informationen des Lieferanten zum Gesundheitsschutz und zur Sicherheit insbesondere im Sicherheitsdatenblatt, 3. Art und Ausmaß der Exposition unter Berücksichtigung aller Expositionswege; dabei sind die Ergebnisse der Messungen und Ermittlungen nach § 7 Absatz 8 zu berücksichtigen, 4. Möglichkeiten einer Substitution, 5. Arbeitsbedingungen und Verfahren, einschließlich der Arbeitsmittel und der Gefahrstoffmenge, 6. Arbeitsplatzgrenzwerte und biologische Grenzwerte, 7. Wirksamkeit der ergriffenen oder zu ergreifenden Schutzmaßnahmen, 8. Erkenntnisse aus arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen nach Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge. (5) Bei der Gefährdungsbeurteilung sind ferner Tätigkeiten zu berücksichtigen, bei denen auch nach Ausschöpfung sämtlicher technischer Schutzmaßnahmen die Möglichkeit einer Gefährdung besteht. Dies gilt insbesondere für Instandhaltungsarbeiten, einschließlich Wartungsarbeiten. Darüber hinaus sind auch andere Tätigkeiten wie Bedien- und Überwachungsarbeiten zu berücksichtigen, wenn diese zu einer Gefährdung von Beschäftigten durch Gefahrstoffe führen können.
Hinsichtlich der Explosions- und Brandgefährdungen wird in § 6, Absatz 4 ergänzt: (4) Der Arbeitgeber hat festzustellen, ob die verwendeten Stoffe, Gemische und Erzeugnisse bei Tätigkeiten, auch unter Berücksichtigung verwendeter Arbeitsmittel, Verfahren und der Arbeitsumgebung sowie ihrer Wechselwirkungen, zu Brand- und Explosionsgefährdungen führen können. (Bem. d. Verf.: die GefStoffV bezieht im Unterschied zur ATEX-Betriebsrichtlinie [11] die Brandgefährdungen umfassend mit ein) Dabei hat er zu beurteilen: 1. ob gefährliche Mengen oder Konzentrationen von Gefahrstoffen, die zu Brand- und Explosionsgefährdungen führen können, auftreten, dabei sind sowohl Stoffe und Gemische mit physikalischen Gefährdungen nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (d. Verf.: GHS/VLP-Verordnung) wie auch andere Gefahrstoffe, die zu Brand- und Explosionsgefährdungen führen können, sowie Stoffe, die in gefährlicher Weise miteinander reagieren können, zu berücksichtigen, 2. ob Zündquellen oder Bedingungen, die Brände oder Explosionen auslösen können, vorhanden sind und 3. ob schädliche Auswirkungen von Bränden oder Explosionen auf die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten möglich sind. Insbesondere hat er zu ermitteln, ob die Stoffe, Gemische und Erzeugnisse auf Grund ihrer Eigenschaften und der Art und Weise, wie sie am Arbeitsplatz vorhanden sind oder verwendet werden, explosionsfähige Gemische bilden können.
2.3 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der BRD
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Im Fall von nicht atmosphärischen Bedingungen sind auch die möglichen Veränderungen der für den Explosionsschutz relevanten sicherheitstechnischen Kenngrößen zu ermitteln und zu berücksichtigen.
Bezüglich des Zeitpunkts, zu dem die Gefährdungsbeurteilung durchzuführen ist, und hinsichtlich deren Dokumentation wird in Absatz 8 bestimmt: (8) Der Arbeitgeber hat die Gefährdungsbeurteilung unabhängig von der Zahl der Beschäftigten erstmals vor Aufnahme der Tätigkeit zu dokumentieren. Dabei ist Folgendes anzugeben: 1. die Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, 2. das Ergebnis der Prüfung auf Möglichkeiten einer Substitution nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 4, 3. eine Begründung für einen Verzicht auf eine technisch mögliche Substitution, sofern die Schutzmaßnahmen nach § 9 oder § 10 zu ergreifen sind, 4. die durchzuführenden Schutzmaßnahmen einschließlich derer, a) die wegen der Überschreitung eines Arbeitsplatzgrenzwerts zusätzlich ergriffen wurden sowie der geplanten Schutzmaßnahmen, die zukünftig ergriffen werden sollen, um die Arbeitsplatzgrenzwerte einzuhalten, oder b) die unter Berücksichtigung eines Beurteilungsmaßstabs für krebserzeugende Gefahrstoffe, der nach § 29 Absatz 4 bekannt gegeben worden ist, zusätzlich getroffen worden sind oder zukünftig getroffen werden sollen (Maßstabsplan), 5. eine Begründung, wenn von den nach § 20 Absatz 4 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnissen abgewichen wird und 6. die Ermittlungsergebnisse, die belegen, dass der Arbeitsplatzgrenzwert eingehalten wird oder, bei Stoffen ohne Arbeitsplatzgrenzwert, die ergriffenen technischen Schutzmaßnahmen wirksam sind. Im Rahmen der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung können auch vorhandene Gefährdungsbeurteilungen oder andere gleichwertige Berichte verwendet werden, die auf Grund von Verpflichtungen nach anderen Rechtsvorschriften erstellt worden sind.
Betreffs der Einbeziehung von Gefährdungen durch gefährliche explosionsfähige Gemische in die Gefährdungsbeurteilungen, inklusive Vorgaben zum Explosionsschutzdokument, wird in Absatz 9 festgelegt (s. auch Abschn. 3.6.3.4): (9) Bei der Dokumentation nach Absatz 8 (d. Verf.: betreffs Erarbeiten und Dokumentieren der Gefährdungsbeurteilungen) hat der Arbeitgeber in Abhängigkeit der Festlegungen nach Absatz 4 die Gefährdungen durch gefährliche explosionsfähige Gemische besonders auszuweisen (Explosionsschutzdokument). Daraus muss insbesondere hervorgehen: 1. dass die Explosionsgefährdungen ermittelt und einer Bewertung unterzogen worden sind, 2. dass angemessene Vorkehrungen getroffen werden, um die Ziele des Explosionsschutzes zu erreichen (Darlegen des Explosionsschutzkonzepts), 3. ob und welche Bereiche entsprechend Anhang I Nummer 1.7 (d. Verf.: der GefStoffV) in Zonen eingeteilt wurden, 4. für welche Bereiche Explosionsschutzmaßnahmen nach § 11 (d. Verf.: Besondere Schutzmaßnahmen gegen physikalisch-chemische Einwirkungen, insbesondere gegen Brand- und Explosionsgefährdungen) und Anhang I Nummer 1 getroffen wurden, 5. wie die Vorgaben nach § 15 (d. Verf.: Zusammenarbeit verschiedener Firmen) umgesetzt werden und
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation 6. welche Überprüfungen nach § 7 (d. Verf.: Grundpflichten) Absatz 7 und welche Prüfungen zum Explosionsschutz nach Anhang 2 Abschnitt 3 der Betriebssicherheitsverordnung durchzuführen sind.
Aus dem Explosionsschutzdokument mit Explosionsschutzkonzept (s. auch Abschn. 2.2.3, b) über die ATEX-Betriebsrichtlinie [11]) muss u.a. hervorgehen: ▪ dass die Brand- und Explosionsgefährdungen ermittelt und einer Bewertung unterzogen worden sind, ▪ dass angemessene Vorkehrungen getroffen werden, um die Ziele des Brand- und Explosionsschutzes zu erreichen (Darlegen eines Explosionsschutzkonzeptes), ▪ ob und welche Bereiche entsprechend Anhang I Nummer 1.7 in Zonen eingeteilt wurden, ▪ für welche Bereiche Explosionsschutzmaßnahmen nach § 11 und Anhang I Nummer 1 getroffen wurden. In § 7 (Grundpflichten) wird der Arbeitgebers verpflichtet, eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen erst aufnehmen zu lassen, nachdem eine Gefährdungsbeurteilung nach § 6 durchgeführt und die erforderlichen Schutzmaßnahmen nach Abschnitt 4 ergriffen worden sind. In § 14 (Unterrichtung und Unterweisung der Beschäftigten) wird vorgegeben: (1) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass den Beschäftigten eine schriftliche Betriebsanweisung, die der Gefährdungsbeurteilung nach § 6 Rechnung trägt, in einer für die Beschäftigten verständlichen Form und Sprache zugänglich gemacht wird. Die Betriebsanweisung muss mindestens Folgendes enthalten: 1. Informationen über die am Arbeitsplatz vorhandenen oder entstehenden Gefahrstoffe, wie beispielsweise die Bezeichnung der Gefahrstoffe, ihre Kennzeichnung sowie mögliche Gefährdungen der Gesundheit und der Sicherheit, 2. Informationen über angemessene Vorsichtsmaßregeln und Maßnahmen, die die Beschäftigten zu ihrem eigenen Schutz und zum Schutz der anderen Beschäftigten am Arbeitsplatz durchzuführen haben; dazu gehören a) Hygienevorschriften, b) Informationen über Maßnahmen, die zur Verhütung einer Exposition zu ergreifen sind, c) Informationen zum Tragen und Verwenden von persönlicher Schutzausrüstung und Schutzkleidung, 3. Informationen über Maßnahmen, die bei Betriebsstörungen, Unfällen und Notfällen und zur Verhütung dieser von den Beschäftigten, insbesondere von Rettungsmannschaften, durchzuführen sind. Die Betriebsanweisung muss bei jeder maßgeblichen Veränderung der Arbeitsbedingungen aktualisiert werden. … (2) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass die Beschäftigten anhand der Betriebsanweisung nach Absatz 1 über alle auftretenden Gefährdungen und entsprechenden Schutzmaßnahmen mündlich unterwiesen werden. … Die Unterweisung muss vor Aufnahme der Beschäftigung und danach mindestens jährlich arbeitsplatzbezogen durchgeführt werden. Sie muss in für die Beschäftigten verständlicher Form und Sprache erfolgen. Inhalt und Zeitpunkt der Unterweisung sind schriftlich festzuhalten und von den Unterwiesenen durch Unterschrift zu bestätigen.
Das Beispiel einer Betriebsanweisung nach GefStoffV zeigt Abb. 2.8.
2.3 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der BRD
_________________
__________________
________________
Betriebsleiter Datum:
Sicherheitskoordinator Datum:
Sicherheitsingenieur Datum:
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Abb. 2.8 Betriebsanweisung gemäß Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) [29] für den Umgang mit dem Gefahrstoff Aceton
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Bei Zusammenarbeit mehrerer Firmen ist in § 15 (Zusammenarbeit verschiedener Firmen) Folgendes geregelt: (1) Sollten in einem Betrieb Fremdfirmen Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ausüben, hat der Arbeitgeber als Auftraggeber sicherzustellen, dass nur solche Fremdfirmen herangezogen werden, die über die Fachkenntnisse und Erfahrungen verfügen, die für diese Tätigkeiten erforderlich sind. Der Arbeitgeber hat die Fremdfirmen über die Gefahrenquellen und spezifischen Verhaltensregeln zu informieren. (2) Kann bei Tätigkeiten von Beschäftigten eines Arbeitgebers eine Gefährdung von Beschäftigten anderer Arbeitgeber durch Gefahrstoffe nicht ausgeschlossen werden, so haben alle betroffenen Arbeitgeber bei der Durchführung ihrer Gefährdungsbeurteilungen nach § 6 zusammenzuwirken und die Schutzmaßnahmen abzustimmen. Dies ist zu dokumentieren. Die Arbeitgeber haben dabei sicherzustellen, dass Gefährdungen der Beschäftigten aller beteiligten Unternehmen durch Gefahrstoffe wirksam begegnet wird. (3) Jeder Arbeitgeber ist dafür verantwortlich, dass seine Beschäftigten die gemeinsam festgelegten Schutzmaßnahmen anwenden.
In Anhang I Nummer 1 (Brand- und Explosionsgefährdungen) der GefStoffV werden weitere konkrete Vorgaben zu Planung und Betrieb von derartigen Anlagen mit Gefahrstoffen und explosionsgefährdeten Bereichen angeführt. Diese betreffen u.a.: Grundlegende Anforderungen zum Schutz vor Brand- und Explosionsgefährdungen (Abs. 1.2), Schutzmaßnahmen in Arbeitsbereichen mit Brand- und Explosionsgefährdungen (Abs. 1.3), Organisatorische Maßnahmen (Abs. 1.4), Schutzmaßnahmen für die Lagerung (Abs. 1.5), Mindestvorschriften für den Explosionsschutz bei Tätigkeiten in Bereichen mit gefährlichen explosionsfähigen Gemischen (Abs. 1.6); u.a. Kennzeichnung der Arbeitsbereiche, in denen explosionsfähige Atmosphäre auftreten kann, an ihren Zugängen mit dem Ex-Warnzeichen (s. Abb. 2.9),
Abb. 2.9 Warnzeichen zur Kennzeichnung von Bereichen, in denen explosionsfähige Atmosphäre auftreten kann, nach Anhang II der ATEX-Betriebsrichtlinie [11]
Zoneneinteilung explosionsgefährdeter Bereiche (Abs. 1.7) (entsprechend den Angaben in Abschn. 2.2.3, b) zur ATEX-Betriebsrichtlinie [11]), Mindestvorschriften für Einrichtungen in explosionsgefährdeten Bereichen und für Einrichtungen in nichtexplosionsgefährdeten Bereichen, die für den Explosionsschutz in explosionsgefährdeten Bereichen bedeutend sind (Abs. 1.8). g) Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG) [61], Umweltschadensgesetz (USchadG) [62] Das UmweltHG und USchadG regeln die Haftung (Schadenersatzpflicht) für Schäden, die auf Grund einer Umwelteinwirkung von einer definierten und relevanten Anlage ausgehen. Es gilt die sog. Verdachtshaftung.
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Beide Gesetze sind für die Errichtung und den Betrieb sowie die zugehörige, notwendige Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen bedeutungsvoll. Im Einzelnen wird darauf in Abschn. 2.6.3 eingegangen.
2.3.3 Produktsicherheitsrecht und Anlagensicherheitsrecht Das deutsche Recht zur Produkt- und Anlagensicherheit setzt vorrangig die EU-Richtlinien, die in Abschn. 2.2.2 beschrieben sind, in nationales Recht um. a) Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) [13] Das ProdSG dient der Umsetzung von ca. 20 EU-Richtlinien. Im § 1 (Anwendungsbereich) ist formuliert: (1) Dieses Gesetz gilt, wenn im Rahmen einer Geschäftstätigkeit Produkte auf den Markt bereitgestellt, ausgestellt oder erstmals verwendet werden. (2) Dieses Gesetz gilt auch für die Errichtung und den Betrieb überwachungsbedürftiger Anlagen, die gewerblichen oder wirtschaftlichen Zwecken dienen oder durch die Beschäftigte gefährdet werden können, mit Ausnahme der überwachungsbedürftigen Anlagen… (d. Verf.: für Anlagenprojekte wenig relevant).
Gegenstand des ProdSG sind Produkte und überwachungsbedürftige Anlagen, die in § 2 (Begriffsbestimmungen) Nummer 22. und 30. wie folgt definiert sind: 22. Im Sinne dieses Gesetzes sind Produkte Waren, Stoffe oder Zubereitungen, die durch einen Fertigungsprozess hergestellt worden sind. 30. Im Sinne dieses Gesetzes sind überwachungsbedürftige Anlagen: a) Dampfkesselanlagen mit Ausnahme von Dampfkesselanlagen auf Seeschiffen, b) Druckbehälteranlagen außer Dampfkesseln, c) Anlagen zur Abfüllung von verdichteten, verflüssigten oder unter Druck gelösten Gasen, d) Leitungen unter inneren Überdruck für brennbare, ätzende oder giftige Gase, Dämpfe oder Flüssigkeiten, e) Aufzugsanlagen, f) Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen, g) Getränkeschankanlagen und Anlagen zur Herstellung kohlensaurer Gase, h) Acetylenanlagen und Calciumcarbidlager, i) Anlagen zur Lagerung, Abfüllung und Beförderung von brennbaren Flüssigkeiten. Zu den überwachungsbedürftigen Anlagen gehören auch Mess-, Steuer- und Regeleinrichtungen, die dem sicheren Betrieb überwachungsbedürftiger Anlagen dienen; zu den in den Buchstaben b, c und d bezeichneten überwachungsbedürftigen Anlagen gehören nicht die Energieanlagen im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes. Überwachungsbedürftige Anlagen stehen den Produkten im Sinne von Nummer 22 gleich, soweit sie nicht schon von Nummer 22 erfasst sind.
Das ProdSG erfasst alle Hersteller-/Lieferantenerzeugnisse sowie viele Teilanlagen, Package-units und Anlagenkomponenten, die per Gesetz ein Produkt bzw. eine überwachungsbedürftige Anlage darstellen und Gegenstand der Dokumentation sind. Gemäß ProdSG dürfen nur Produkte auf dem Markt bereitgestellt werden, die die Sicherheit und Gesundheit von Personen oder sonstige … Rechtsgüter (d. Verf.: z.B. Schutz der Umwelt) bei bestimmungsgemäßer oder vorhersehbarer Verwendung nicht gefährden (§ 3, Abs. 1, Anstrich 1).
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Das Produktsicherheitsgesetz macht in den Abschn. 2 und 5 u.a. Vorgaben betreffs: Allgemeine Anforderungen an die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt gemäß § 3, wie z.B. ▪ die Eigenschaften des Produkts einschließlich seiner Zusammensetzung, seine Verwendung, die Anleitungen für seinen Zusammenbau, die Installation, die Wartung und die Gebrauchsdauer, ▪ die Einwirkungen des Produkts auf andere Produkte, soweit zu erwarten ist, dass es zusammen mit anderen Produkten verwendet wird, ▪ die Aufmachung des Produkts, seine Kennzeichnung, die Warnhinweise, die Gebrauchs- und Bedienungsanleitung, die Angaben zu seiner Beseitigung sowie alle sonstigen produktbezogenen Angaben oder Informationen Beachtung harmonisierter Normen (§ 4) sowie von Normen und anderen technischen Spezifikationen (§ 5) bei der Beurteilung, ob ein Produkt den Anforderungen entspricht (§ 4). CE-Kennzeichnung des Produkts (§ 7), bevor es in den Verkehr gebracht wird. Bem.: Inverkehrbringen ist im Sinne des ProdSG die erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Markt; die Einfuhr in den Europäischen Wirtschaftsraum steht dem Inverkehrbringen eines neuen Produkts gleich (§ 2, Nummer 15).
Zuerkennung und Anbringen des GS-Zeichens (Geprüft Sicherheit) (§ 20). In Abschnitt 9 (Überwachungsbedürftige Anlagen) wird u.a. geregelt: die Ermächtigung der Bundesregierung (nach Zustimmung des Bundesrats) zum Erlass von Rechtsvorschriften ( § 34), die z.B. bestimmen: 1. dass die Errichtung, ihre Inbetriebnahme, die Vornahme von Änderungen an bestehenden Anlagen (…) angezeigt und der Anzeige bestimmte Unterlagen beigefügt werden müssen, 2. dass die Errichtung, ihr Betrieb sowie die Vornahme von Änderungen an bestehenden Anlagen (…) der Erlaubnis einer (…) zuständigen Behörde bedürfen, 3. dass solche Anlagen oder Teile von solchen Anlagen nach einer Bauartprüfung allgemein zugelassen und mit der allgemeinen Zulassung Auflagen zum Betrieb und zur Wartung verbunden werden können, 4. dass solche Anlagen, insbes. die Errichtung, die Herstellung, die Bauart, die Werkstoffe, die Ausrüstung und die Unterhaltung sowie ihr Betrieb, bestimmten, dem Stand der Technik entsprechenden Anforderungen genügen müssen, 5. dass solche Anlagen einer Prüfung vor Inbetriebnahme, regelmäßig wiederkehrenden Prüfungen und Prüfungen auf Grund behördlicher Anordnungen unterliegen. die Prüfungen der überwachungsbedürftigen Anlagen werden von zugelassenen Überwachungsstellen vorgenommen. Die wichtigste deutsche Rechtsverordnung, die nach Abschnitt 9 des ProdSG erlassen wurde und die insbesondere ▪ die (Sicherheits-)Prüfungen von überwachungsbedürftigen Anlagen vor Inbetriebnahme sowie ▪ die wiederkehrenden Prüfungen von Anlagen und Anlagenteilen regelt, ist die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) [24] (s. Buchst. c) dieses Abschnitts).
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Zwecks Umsetzung von EU-Richtlinien in deutsches Recht wurden für bestimmte Produktarten/-gruppen einzelne Verordnungen zum ProdSG (sog. ProdSV) erlassen. Die wichtigsten sind: Maschinenverordnung (9. ProdSV) [21] → aus Maschinenrichtlinie [4], Druckgeräteverordnung (14. ProdSV) [23] → aus Druckgeräte-RL [5], Explosionsschutzverordnung (11. ProdSV) [26] → aus ATEX-Hersteller-RL [6]. In diesen Verordnungen wird u.a. auf Regelungen in der zugehörigen EU-Richtlinie verwiesen, insbesondere auf die notwendigen EU-Konformitätserklärung, Betriebsanleitung, Technische Unterlagen (Dokumentation) und CE-Kennzeichnung vor Inverkehrbringen des Produkts (s. nähere Angaben in Abschn. 2.2.2 und 3.6.3.3). b) Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) [20] Das Produkthaftungsgesetz regelt die Haftung bei Schäden, die durch ein fehlerhaftes Produkt verursacht wurden. Zugleich definiert es den Produktbegriff enger und genauer als das Produktsicherheitsgesetz. Je nach konkretem Sachverhalt kann im Schadensfall die Beweislast beim Geschädigten oder beim Hersteller liegen. Das Vorliegen einer rechtskonformen und umfassenden Produktdokumentation hat darauf großen Einfluss. Die Einzelheiten werden in Abschn. 2.6.2, a) dargelegt. c) Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) [24] Die Betriebssicherheitsverordnung ist eine komplexe Verordnung, die auch für verfahrenstechnische Anlagen wichtige Regelungen beinhaltet. Unter § 1 (Anwendungsbereich und Zielstellung) wird konkret formuliert: (1) Diese Verordnung gilt für die Verwendung von Arbeitsmitteln. Ziel dieser Verordnung ist es, die Sicherheit und den Schutz der Gesundheit von Beschäftigten bei der Verwendung von Arbeitsmitteln zu gewährleisten. Dies soll insbesondere erreicht werden durch 1. die Auswahl geeigneter Arbeitsmittel und deren sichere Verwendung, 2. die für den vorgesehenen Verwendungszweck geeignete Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren sowie 3. die Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten. Diese Verordnung regelt hinsichtlich der in Anhang 2 genannten überwachungsbedürftigen Anlagen zugleich Maßnahmen zum Schutz von Personen im Gefahrenbereich, soweit diese aufgrund der Verwendung dieser Anlagen durch Arbeitgeber im Sinne des § 2 Absatz 3 gefährdet werden können.
Die wichtigen Begriffe sind in § 2 (Begriffsbestimmungen) der BetrSichV folgendermaßen definiert: (1) Arbeitsmittel sind Werkzeuge, Geräte. Maschinen oder Anlagen, die für die Arbeit verwendet werden, sowie überwachungsbedürftige Anlagen. (2) Die Verwendung von Arbeitsmitteln umfasst jegliche Tätigkeiten mit diesen. Hierzu gehören insbesondere das Montieren und Installieren, Bedienen, An- oder Abschalten oder Einstellen, Gebrauchen, Betreiben, Instandhalten, Reinigen, Prüfen, Umbauen, Erproben, Demontieren, Transportieren und Überwachen. (7) Instandhaltung ist die Gesamtheit aller Maßnahmen zur Erhaltung des sicheren Zustands oder der Rückführung in diesen. Instandhaltung umfasst insbesondere Inspektion, Wartung und Instandsetzung.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation (8) Prüfung ist die Ermittlung des Istzustandes, der Vergleich des Istzustandes mit dem Sollzustand sowie die Bewertung der Abweichung des Istzustandes vom Sollzustand. (9) Prüfpflichtige Änderung ist jede Maßnahme, durch welche die Sicherheit eines Arbeitsmittels beeinflusst wird. Auch Instandsetzungsarbeiten können solche Maßnahmen sein. (13) Überwachungsbedürftige Anlagen sind Anlagen nach § 2 Nummer 30 des Produktsicherheitsgesetzes, soweit sie nach dieser Verordnung in Anhang 2 genannt oder nach § 18 Absatz 1 erlaubnispflichtig sind. Zu den überwachungsbedürftigen Anlagen gehören auch Mess-, Steuer- und Regeleinrichtungen, die dem sicheren Betrieb dieser überwachungsbedürftigen Anlagen dienen.
Entsprechend den Begriffsbestimmungen ist besonders festzustellen, dass die überwachungsbedürftige Anlagen als Arbeitsmittel im Sinne der BetrSichV verstanden werden, die Mess-, Steuer- und Regeleinrichtungen sind ein Bestandteil der überwachungsbedürftigen Anlage. Für die Bereitstellung und Benutzung der Arbeitsmittel legt die BetrSichV u.a. die Erarbeitung von Gefährdungsbeurteilungen durch den Arbeitgeber für die Arbeitstätigkeiten seiner Beschäftigten fest. Dazu werden in § 3 (Gefährdungsbeurteilung) folgende Angaben gemacht: Abs. (1) Der Arbeitgeber hat vor der Verwendung von Arbeitsmitteln die auftretenden Gefährdungen zu beurteilen (Gefährdungsbeurteilung) und daraus notwendige und geeignete Schutzmaßnahmen abzuleiten. Das Vorhandensein einer CE-Kennzeichnung am Arbeitsmittel entbindet nicht von der Pflicht zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung. Abs. (8) Der Arbeitgeber hat das Ergebnis seiner Gefährdungsbeurteilung vor der erstmaligen Verwendung der Arbeitsmittel zu dokumentieren. Dabei sind mindestens anzugeben 1. die Gefährdungen, die bei der Verwendung der Arbeitsmittel auftreten, 2. die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen, 3. wie die Anforderungen dieser Verordnung eingehalten werden, wenn von den nach § 21 Absatz 6 Nummer 1 bekannt gegebenen Regeln abgewichen wird, 4. Art und Umfang der erforderlichen Prüfungen sowie die Fristen der wiederkehrenden Prüfungen /Absatz 6 Satz 19 und 5. das Ergebnis der Überprüfung der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen nach § 4 Abs. 5. Die Dokumentation kann auch in elektronischer Form vorgenommen werden.
Zur Gefährdungsbeurteilung wurden bereits in Abschn. 2.3.2, Buchst f) dieses Buchs in Verbindung mit dem Chemikaliengesetz und der Gefahrstoffverordnung detaillierte Ausführungen gemacht. Die grundlegenden Ziele und Vorgaben sowie die anzuwendende Methodik sind bei den Gefährdungsbeurteilungen nach BetrSichV sehr ähnlich. Hinsichtlich der praktischen Umsetzung wird auf Abschn. 3.7.2.1 (Gefährdungsbeurteilungen) verwiesen. Gemäß den Angaben in der BetrSichV muss vor der erstmaligen Verwendung des Arbeitsmittels (lt. DGRL ist dies z.B. die Inbetriebnahme des Druckgeräts) eine EUKonformitätserklärung und eine zugehörige Betriebsanleitung vorliegen (s. auch DGRL in Abschn. 2.2.2, b)). In der o.g. Begriffsdefinition zu überwachungsbedürftigen Anlagen wird auf das Produktsicherheitsgesetz [13] (s. Buchst. a) dieses Abschnitts) und deren Erwähnung
2.3 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der BRD
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in Anhang 2 der BetrSichV verwiesen. Gemäß Anhang 2 (Prüfvorschriften für überwachungsbedürftige Anlagen) sind davon im Wesentlichen folgende Anlagen erfasst: Aufzugsanlagen gemäß Abschnitt 2 in Anhang 2, Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen gemäß Abschnitt 3 in Anhang 2, Druckanlagen gemäß Abschnitt 4 in Anhang 2. Die Prüfung der überwachungsbedürftigen Anlage hat vor der erstmaligen Inbetriebnahme, nach prüfpflichtigen Änderungen und wiederkehrend zu erfolgen. Sie ist zusätzlich zu den Prüfungen des Herstellers von Geräten und Schutzsystemen zur Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen nach ATEX-Herstellerrichtlinie [6] (s. Abschn. 2.2.2, c)), den Schluss- und Druckprüfungen des Herstellers gemäß Druckgeräte-Richtlinie [5] (s. Abschn. 2.2.2, b)) zu verstehen, die der Produkt-Hersteller im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens durchführt. Für überwachungsbedürftige Anlagen wird in § 17 (Prüfaufzeichnungen und -bescheinigungen) vorgegeben: (1) Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass das Ergebnis nach § 15 (d. Verf.: Prüfung vor Inbetriebnahme und vor Wiederinbetriebnahme nach prüfpflichtigen Änderungen) und § 16 (d. Verf.: Wiederkehrende Prüfung) aufgezeichnet wird. Sofern die Prüfung von einer zugelassenen Überwachungsstelle durchzuführen ist, ist von dieser eine Prüfbescheinigung über das Ergebnis der Prüfung zu fordern. Aufzeichnungen und Prüfbescheinigungen müssen mindestens Auskunft geben über 1. Anlagenidentifikation, 2. Prüfdatum, 3. Art der Prüfung, 4. Prüfungsgrundlagen, 5. Prüfumfang, 6. Eignung und Funktion der technischen Schutzmaßnahmen sowie Eignung der organisatorischen Schutzmaßnahmen, 7. Ergebnis der Prüfung, 8. Frist bis zur nächsten wiederkehrenden Prüfung nach § 16 Absatz 2 und 9. Name und Unterschrift des Prüfers, bei Prüfung durch zugelassene Überwachungsstellen zusätzlich Name der zugelassenen Überwachungsstelle; bei ausschließlich elektronisch übermittelten Dokumenten die elektronische Signatur. Aufzeichnungen und Prüfbescheinigungen sind während der gesamten Verwendungsdauer am Betriebsort der überwachungsbedürftigen Anlage aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen. Sie können auch in elektronischer Form aufbewahrt werden.
In Abschnitt 3 (Explosionsgefährdungen) des Anhangs 2 der BetrSichV wird u.a. für die Prüfung der Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen unter Ziff. 4., Abs. 4.1 bzw. Ziff. 5., Abs. 5.1 festgelegt: 4.1 Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen sind vor der erstmaligen Inbetriebnahme und nach prüfpflichtigen Änderungen auf Explosionssicherheit zu prüfen. Hierbei sind das im Explosionsschutzdokument nach § 6 Absatz 9 Nummer 2 der Gefahrstoffverordnung dargelegte Explosionsschutzkonzept und die Zoneneinteilung zu berücksichtigen.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation Bei der Prüfung ist festzustellen, ob a) die für die Prüfung benötigten Unterlagen vollständig vorhanden sind, b) die Anlage entsprechend dieser Verordnung errichtet und in einem sicheren Zustand ist und c) die festgelegten technischen und organisatorischen Maßnahmen wirksam sind. 5.1 Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen sind mindestens alle sechs Jahre auf Explosionssicherheit zu prüfen. Hierbei sind das Explosionsschutzdokument und die Zoneneinteilung zu berücksichtigen. Bei der Prüfung ist festzustellen, ob… (usw. usf.)
Die Prüfungen vor Inbetriebnahme beinhalten u.a. eine Erfüllungskontrolle des Explosionsschutzdokument nach ATEX-Betriebsrichtlinie [11] (s. Abschn. 2.2.3, b)) bzw. Gefahrstoffverordnung [29] (s. Abschn. 2.3.2, f)). Wesentlicher Inhalt der BetrSichV sind die Angaben in Anhang 2, Abschnitt 4 über die überwachungspflichtigen Druckanlagen. 2.1 Druckanlagen im Sinne der Nummer 1 sind: a) Dampfkesselanlagen, die beheizte überhitzungsgefährdete Druckgeräte zur Erzeugung von Dampf oder Heißwasser mit einer Temperatur von mehr als 110 °C beinhalten, b) Druckbehälteranlagen außer Dampfkessel, c) Anlagen zur Abfüllung von verdichteten, verflüssigten oder unter Druck gelösten Gasen einschließlich der Lager- und Vorratsbehälter (Füllanlagen), die dazu bestimmt sind, dass in ihnen folgende Behälter, Geräte und Fahrzeuge befüllt werden: aa) Druckbehälter zum Lagern von Gasen mit Gasen aus ortsbeweglichen Druckgeräten, bb) ortsbewegliche Druckgeräte mit Gasen, cc) Land-, Wasser- oder Luftfahrzeuge mit Gasen zur Verwendung als Treib- oder Brennstoff, d) Rohrleitungsanlagen unter inneren Überdruck für Gase, Dämpfe oder Flüssigkeiten, die nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (d. Verf.: GHS/ CLP-Verordnung [5]) in deren Anhang I wie folgt eingestuft sind: aa) als entzündliche Gase in Nummer 2.2, bb) als entzündliche Flüssigkeiten in Nummer 2.6, sofern sie einen Flammpunkt von höchstens 55 °C haben, cc) als pyrophore Flüssigkeiten in Nummer 2.9, dd) als akut toxisch in Nummer 3.1.2 Kategorie 1 oder 2 oder ee) als ätzende in Nummer 3.2.2.6. … Zu einer Druckanlage gehören auch der Aufstellungsbereich und dessen Umgebung, soweit diese für die sichere Verwendung von Bedeutung sind, bei Dampfkesselanlagen insbesondere der Aufstellungsraum.
In Abschnitt 4 (Druckanlagen) steht einleitend unter Abs. 1: 1. Anwendungsbereich und Ziel Dieser Abschnitt gilt für die Prüfung der in den Nummern 2.1 und 2.2 aufgeführten Druckanlagen (Anlagen und Anlagenteile) vor der erstmaligen Inbetriebnahme und nach prüfpflichtigen Änderungen sowie für wiederkehrende Prüfungen.
Bezüglich der Prüfungen vor Inbetriebnahme wird u.a. in Anhang 2, Abschn. 4, Abs. 4 vorgegeben:
2.3 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der BRD
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4. Prüfung von Druckanlagen vor Inbetriebnahme und nach prüfpflichtigen Änderungen 4.2 Bei der Prüfung vor Inbetriebnahme ist zu prüfen, ob a) die für die Prüfung benötigten technischen Unterlagen, wie beispielsweise die EG-Konmitätserklärung, vorhanden sind und ihr Inhalt plausibel ist und b) die Anlage einschließlich der Anlagenteile entsprechend dieser Verordnung errichtet wurde und in einem sicheren Zustand ist. Die Prüfung nach einer prüfpflichtigen Änderung darf sich darauf beschränken zu prüfen, ob die Anlage entsprechend dieser Verordnung geändert wurde und sicher funktioniert.
Welche befähigte Person im Einzelfall die Erstprüfung durchführen muss, hängt (analog zur Einstufung der Druckgeräte in Kategorien und Module nach DruckgeräteRichtlinie [5] (s. Abschn. 2.2.2, b)) von ▪ der Art des Druckgeräts, ▪ der Gruppe, in die das Fluid eingestuft wurde, ▪ dem maximal zulässigen Druck PS, ▪ dem maßgeblichen Volumen V (für Behälter) bzw. der Nennweite DN (für Rohrleitungen), ▪ dem Produkt aus Druck und Volumen PS*V (für Behälter) bzw. aus Druck und Nennweite P*DN (für Rohrleitungen) ab und wird durch eine entsprechende Einstufung in eine sog. Prüfgruppe klassifiziert. Für die Wiederkehrenden Prüfungen wird in Anhang 2, Abschn. 4, Abs. 5 festgelegt: 5. Wiederkehrende Prüfungen von Anlagen und Anlagenteilen 5.2 Bei der wiederkehrenden Prüfung ist festzustellen, ob a) die für die Prüfung benötigten technischen Unterlagen vorhanden sind und ihr Inhalt plausibel ist, b) sich die Anlage in einem dieser Verordnung entsprechenden Zustand befindet und sicher verwendet werden kann und c) die festgestellten technischen u. organisatorischen Maßnahmen wirksam sind.
Die Fristen für die wiederkehrenden Prüfungen sind einzelnen Tabellen zu entnehmen. Abschließend zur Betriebssicherheitsverordnung sind einige Bemerkungen zu den Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) angefügt. In Abschn. 2.3.1, a) war bereits auf die Problematik des Übergangs bisheriger Regeln (u.a. TRD, TRB, TRR, TRbF) auf neue Technische Regeln TRBS hingewiesen worden. In Tabelle 2.21 ist aus der TRBS 1001 [63] die Gliederung der Technischen Regeln für Betriebssicherheit enthalten. Während zu Teil 1 (Allgemeines und Grundlagen) und Teil 2 (Gefährdungsbezogene Regeln) viele Regeln vorliegen, sind zu Teil 3, insbesondere zu den überwachungsbedürftigen Anlagen, noch viele TRBS in Arbeit. Tabelle 2.21 Thematische Gliederung der Technischen Regeln für Betriebssicherheit [63] 1 1.1 1.1.1 1.1.4 1.1.5
Allgemeines und Grundlagen Methodisches Vorgehen Gefährdungsbeurteilung Prüfpflichtige Änderungen Ergonomische Zusammenhänge
TRBS 1001…1009 TRBS 1111 TRBS 1121…1129 TRBS 1151…1159
100
2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Tab. 2.21 (Fortsetzung) 1 1.2 1.3
Allgemeines und Grundlagen (Fortsetzung) Prüfungen, prüfpflichtige Änderungen Erfassung und Behandlung von Unfällen und Schadensfällen
2
Gefährdungsbezogene Regeln
2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6 2.1.8 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2
Allgemeine Gefährdungen Mechanische Gefährdungen Gefährdungen von Personen durch Absturz Elektrische Gefährdungen Gefährdungen durch Dampf und Druck Vormals Explosionsgefährdungen (s. jetzt TRGS) Thermische Gefährdungen Sonstige Gefährdungen Gefährdungen durch Wechselwirkungen Tätigkeitsbezogene und sonstige Gefährdungen Tätigkeitsbezogene Gefährdungen Sonstige Gefährdungen
3.
Spezifische Regeln für Arbeitsmittel, überwachungsbedürftige Anlagen oder Tätigkeiten Betrieb von Aufzugsanlagen Ortsbewegliche Druckgasbehälter Ortsfeste Druckanlagen für Gase Tankstellen
3.1 3.2 3.3 3.4
TRBS 1201…1209 TRBS 1301…1309
TRBS 2111…2119 TRBS 2121…2129 TRBS 2131…2139 TRBS 2141…2149 TRBS 2151…2159 TRBS 2161…2169 TRBS 2181…2189 TRBS 2201…2209 TRBS 2311…2319 TRBS 2321…2329
TRBS 3121 TRBS 3145/TRGS 745 TRBS 3146/TRGS 746 TRBS 3151/TRGS 751
2.3.4 Arbeitssicherheitsrecht und Gesundheitsschutzrecht Die Arbeitssicherheit ist die Sicherheit der Beschäftigten bei der Arbeit. Sie betrachtet Gefährdungen und Risiken für Personen, die in Ausübung menschlicher Arbeit/Tätigkeit möglich sind. Das Schutzziel sind somit die Beschäftigten. Potentielle Quelle der Gefährdung kann in Verbindung mit der ausgeübten Tätigkeit alles Mögliche sein (z.B. Mensch, Anlage, Stoffe, Umwelt, Umgebung). Die Begriffe Arbeits- und Gesundheitsschutz werden im Fachbuch als Teil der Arbeitssicherheit behandelt. Der Arbeitsschutz soll Verletzungen (z.B. durch Unfall) und der Gesundheitsschutz soll längerfristige Auswirkungen auf die Gesundheit (z.B. Berufskrankheiten) verhindern. In diesem Sinne dienen viele Maßnahmen, die in vorhergehenden Abschnitten (z.B. zur Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) in Abschn. 2.3.2, f) oder zur Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) in Abschn. 2.3.3, c)) dargelegt sind, der Arbeitssicherheit. Zwei weitere Rechtsvorschriften werden nachfolgend ergänzt. a) DGUV-Vorschriften Die Berufsgenossenschaften und die Unfallkassen sind gemäß Sozialgesetzbuch, § 15 (Unfallverhütungsvorschriften) [43] durch autonomes Recht berechtigt, Unfallverhütungsvorschriften zu erlassen. Sie haben sich zur Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) zusammengeschlossen und ein Regelwerk der DGUV-Vorschriften, DGUV-Regeln, DGUV-Informationen und DGUV-Grundsätzen erlassen.
2.3 Dokumentationsrelevante Rechtsvorschriften der BRD
101
Für die Planung, Errichtung und den Betrieb verfahrenstechnischer Anlagen sind die folgenden DGUV-Vorschriften besonders relevant: DGUV Vorschrift 1 DGUV Vorschrift 2 DGUV Vorschrift 3 DGUV Vorschrift 6 DGUV Vorschrift 9 DGUV Vorschrift 15 DGUV Vorschrift 21 DGUV Vorschrift 30 DGUV Vorschrift 38 DGUV Vorschrift 43 DGUV Vorschrift 52 DGUV Vorschrift 54 DGUV Vorschrift 68
Grundsätze der Prävention Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit Elektrische Anlagen und Betriebsmittel Arbeitsmedizinische Vorsorge Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung am Arbeitsplatz Elektromagnetische Felder Abwassertechnische Anlagen Wärmekraftwerke und Heizwerke Bauarbeiten Müllbeseitigung Krane Winden, Hub- und Zuggeräte Flurförderzeuge
Von grundlegender Bedeutung für die Arbeitssicherheit ist die DGUV Vorschrift 1 [64] nach Tabelle 2.22. Sie muss einerseits für alle mitwirkende Unternehmen und Personen Handlungsanleitung sein und bewirkt andererseits Dokumentationspflichten bzw. gebotene Dokumentationsleistungen. Tabelle 2.22 Gliederung der DGUV Vorschrift 1 (Grundsätze der Prävention) (Auszug) 1. Kapitel: Allgemeine Vorschriften §1 Geltungsbereich von Unfallverhütungsvorschriften 2. Kapitel: Pflichten des Unternehmers §2 Grundpflichten des Unternehmers §3 Beurteilung der Arbeitsbedingungen, Dokumentation, Auskunftspflichten §4 Unterweisung der Versicherten §5 Vergabe von Aufträgen §6 Zusammenarbeit mehrerer Unternehmer §7 Befähigung für Tätigkeiten §8 Gefährliche Arbeiten §9 Zutritts- und Aufenthaltsverbote § 10 Besichtigung des Unternehmens, Erlass einer Anordnung, Auskunftspflicht § 11 Maßnahmen bei Mängeln § 12 Zurverfügungstellung von Vorschriften und Regeln § 13 Pflichtenübertragung § 14 Ausnahmen 3. Kapitel: Pflichten des Versicherten § 15 Allgemeine Unterstützungspflichten und Verhalten § 16 Besondere Unterstützungspflichten § 17 Benutzung von Einrichtungen, Arbeitsmitteln und Arbeitsstoffen § 18 Zutritts- und Aufenthaltsverbote
102
2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Tab. 2.22 (Fortsetzung) 4. Kapitel: Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes 1. Abschnitt: Sicherheitstechnische und betriebsärztliche Betreuung, Sicherheitsbeauftragte § 19 Bestellung von Fachkräften für Arbeitssicherheit und Betriebsärzten § 20 Sicherheitsbeauftragte 2. Abschnitt: Maßnahmen bei besonderen Gefahren § 21 Allgemeine Pflichten des Unternehmers § 22 Notfallmaßnahmen § 23 Maßnahmen gegen Einflüsse des Wettergeschehens 3. Abschnitt: Erste Hilfe § 24 Allgemeine Pflichten des Unternehmers § 25 Erforderliche Einrichtungen und Sachmittel § 26 Zahl und Ausbildung der Ersthelfer § 27 Zahl und Ausbildung der Betriebssanitäter § 28 Unterstützungspflichten der Versicherten 4. Abschnitt: Persönliche Schutzausrüstung § 29 Bereitstellung § 30 Benutzung § 31 Besondere Unterweisungen
b) Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) [65] Das Arbeitsschutzgesetz dient dazu, Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern. Es gilt in allen Tätigkeitsbereichen. Die Maßnahmen des Arbeitsschutzes werden in § 2 (Begriffsbestimmungen) wie folgt definiert: § 2 (1) Maßnahmen des Arbeitsschutzes im Sinne dieses Gesetzes sind Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen bei der Arbeit und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren einschließlich Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit.
In § 5 (Beurteilung der Arbeitsbedingungen) und § 6 (Dokumentation) wird die Erarbeitung von Gefährdungsbeurteilungen gefordert. § 5 (1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. § 6 (1) Der Arbeitgeber muss über die je nach Art der Tätigkeit und der Zahl der Beschäftigten Unterlagen verfügen, aus denen das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, die von ihm festgelegten Maßnahmen des Arbeitsschutzes und das Ergebnis ihrer Überprüfung ersichtlich sind.
Diese Festlegungen wurden u.a. in der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) für die Benutzung von Arbeitsmitteln, inkl. überwachungspflichtiger Anlagen, und in der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) Umgang mit Gefahrstoffen weiter untersetzt. Im ArbSchG sind darüber hinaus zum Arbeitsschutz auch Aussagen gemacht zu: Übertragung von Aufgaben (§ 7), Zusammenarbeit mehrerer Arbeitgeber (§ 8),
2.4 Schwerpunkte der Arbeitsorganisation
103
Besondere Gefahren (§ 9), Erste Hilfe und sonstige Notfallmaßnahmen (§ 10), Arbeitsmedizinische Vorsorge (§ 11), Unterweisung (§ 12), Verantwortliche Personen (§ 13), Pflichten der Beschäftigten (§ 15), Besondere Unterstützungspflichten (§ 16), Rechte der Beschäftigten (§ 17).
Verordnungen, die aus den ArbSchG abgeleitet wurden, sind u.a. Teile der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) [24] Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) [66], Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV) [67], PSA-Benutzungsverordnung (PSA-BV) [68]. Die ArbStättV macht u.a. in Abhängigkeit von der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer und der Beschäftigungsdauer Vorgaben über: Umkleide-, Wasch- und Aufwärmmöglichkeiten, Möglichkeiten zum Wärmen von Speisen sowie zur Einnahme von Mahlzeiten, abschließbaren Schränken mit Lüftungsöffnungen, Waschgelegenheiten, u.U. zu Waschräumen, Dusche u.a., Einrichtungen zum Trocknen der Arbeitskleidung, Toilettenräumen mit Toilette. Die LärmVibrationsArbSchV, die durch Technische Regeln weiter präzisiert ist, formuliert Richtwerte für den Lärm (sog. Auslösewerte in Bezug auf die TagesLärmexpositionspegel und den Spitzenschalldruckpegel) und für die Vibration (sog. Expositionsgrenzwert und Auslösewert) von Hand-Arm-Vibrationen bzw. Ganzkörper-Vibrationen. Aus vielen dieser Verordnungen resultieren Prüf- und/oder Nachweisdokumente.
2.4 Schwerpunkte der Arbeitsorganisation Vereinfacht formuliert gilt das folgende Zitat: Zweck und Ziel der Organisation ist es, die Stärken der Menschen produktiv zu machen und ihre Schwächen unwesentlich. Peter F. Drucker Die Arbeitsorganisation ist ein Regelwerk für das Zusammenwirken von Unternehmen und Personen, die gemeinsam für ein definiertes Ziel arbeiten. Im konkreten Fall sind das Ziel die vertragsgerechte Erarbeitung der Gesamtdokumentation einer verfahrenstechnischen Anlage während der Projektabwicklung sowie deren effiziente Nutzung und Pflege während des Anlagenbetriebs. Die Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen wird i.Allg. in einem gegliederten, arbeitsteiligen Prozess erstellt und gepflegt. Die Aufgaben, Pflichten und Verantwortungen aller Beteiligten sind eindeutig zu definieren, zu vereinbaren und nachvollziehbar zu dokumentieren. Die Möglichkeiten der Delegierung sind möglichst zu nutzen. Insgesamt liegen in der Klarstellung dieser Aspekte erhebliche Reserven bei der Projektabwicklung einschließlich des Dokumentationsprozesses.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
In diesem Abschnitt sollen die Begriffe Verantwortung und Befugnisse sowie Pflichten und Zuständigkeiten definiert und ihre mögliche praktische Ausgestaltung diskutiert werden.
2.4.1 Verantwortung und Befugnisse Nachfolgend die beiden Begriffsdefinitionen: Verantwortung (accountability) ist ein Auftrag, im definierten Aufgabenbereich für ein bestimmtes Ergebnis (Sachverhalt, Erfolg) einzustehen. Befugnis (authority) ist das Recht, im definierten Aufgabenbereich und Kompetenzbereich selbstständig Entscheidungen über die Definition von Zielstellungen und/oder die Planung, Terminierung und Durchführung von Arbeiten inkl. vorgegebener Rahmenbedingungen und/oder den Einsatz (inkl. Bezahlung) von Personal-, Betriebs- und Finanzmittel und/oder die Freigabe und Verteilung von Informationen zu treffen.
Die Verantwortung drückt im Prinzip aus, welche Ziele der Verantwortliche erreichen muss und dass er bei Nichterreichen dieser Ziele die damit verbundenen Konsequenzen trägt. Mögliche Arten von Verantwortung sind z.B.: ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪
Projektverantwortung inkl. Budget- und Terminverantwortung, Fachverantwortung, Personalverantwortung, Sicherheitsverantwortung, ordnungsrechtliche Verantwortung, zivilrechtliche bzw. haftungsrechtliche Verantwortung, strafrechtliche Verantwortung.
Die Befugnis bzw. Kompetenz kennzeichnet, was der Verantwortliche darf und was nicht. Mögliche Arten von Befugnissen sind z.B.: fachliche und/oder disziplinarische Weisungsbefugnis gegenüber benannten Personen, Unterschriftsbefugnis für definierte Unterschriftsleistungen (z.B. Prüfung und Freigabe von Dokumenten zur weiteren Nutzung), Bestellbefugnis für den Einkauf definierter Lieferungen und/oder Leistungen, Handlungsvollmacht für definierte Handlungen bzw. Aufgaben, Entscheidungsbefugnis im Rahmen eines definierten Aufgaben- und Verantwortungsumfangs, Vertretungsbefugnis für benannte Personen. Klare Regelungen bezüglich dieser beiden Begriffe (einschließlich der im nächsten Unterabschnitt betrachteten Begriffe: Pflicht und Zuständigkeit) bewirken u.a. folgenden Konsequenzen und Vorteile: Die beteiligten Personen und insbesondere die Führungskräfte kennen und empfinden ihre Verantwortung genauer und werden letztlich ihrer Verantwortung erfolgreicher gerecht. Die Erfahrung im täglichen Leben zeigt: Wer seine Verantwortung genau kennt sowie bewusst versteht und fühlt, wird sie auch ein Stück gewissenhafter, selbstbewusster und erfolgreicher wahrnehmen.
2.4 Schwerpunkte der Arbeitsorganisation
105
Zugleich wissen auch die Anderen, wer für den definierten Erfolg verantwortlich ist und wer nicht. Die mitwirkenden Personen wissen, was sie im Rahmen ihrer Befugnisse und Zuständigkeiten tun und entscheiden können und was ihnen nicht erlaubt ist. Dabei gilt es nicht nur Kompetenzüberschreitungen zu vermeiden, sondern auch ein selbständiges Handeln und Entscheiden zu unterstützen. Die verantwortliche Person stellen sich bewusst die Frage, welche Möglichkeiten habe ich, einen Teil meiner Verantwortung an andere Personen bzw. Unternehmen zu übertragen (s. Abschn. 2.4.3). Ferner ist zu klären, in welchen Fällen dies zweckmäßig bzw. angeraten ist und wie es konkret und rechtskonform geschehen kann. Wer für die Wahrnehmung einer konkreten Verantwortung vergütet wird, sollte diese Verantwortung auch persönlich spüren und bei Fehlern und Mängeln persönlich haften. Das Risiko eines Organisationsverschuldens (s. Abschn. 2.5) wird dadurch deutlich geringer. Die logische Konsequenz bei der Übertragung von Verantwortung ist, dass auch damit verbundene bzw. benötigte Befugnisse mit übertragen werden. Mancher Manager tut sich schwer, diesen Zusammenhang zu verstehen und umzusetzen. Es gilt die Empfehlung: Wer Verantwortung übernehmen soll, aber nicht gleichzeitig die dafür erforderlichen Befugnisse übertragen bekommt, sollte diese verantwortliche Aufgabe ablehnen. Das eigenverantwortliche Handeln gemäß dem vorgenannten Grundsatz setzt natürlich voraus, dass ich einerseits meine Verantwortung genau kenne und verstehe sowie andererseits genau beurteilen kann, welche Befugnisse ich für meinen Erfolg brauche.
2.4.2 Pflichten und Zuständigkeiten Der Begriff Pflicht wird teils mit Verantwortung gleichgesetzt, hat aber eine völlig andere Bedeutung. Pflicht (duty) ist die Notwendigkeit zu einem Tun oder Unterlassen, die sich aus Vertrag, Gesetzen, Verhaltensnormen, Anweisungen u.ä. ergibt.
Pflicht ist somit kurzgefasst eine dringend notwendige Aufgabe. Der letzte wichtige Begriff, der diskutiert werden soll, ist der Begriff Zuständigkeit. Dieser Begriff ist in der Praxis weniger gebräuchlich und wird häufig nicht klar zum Begriff Verantwortung abgegrenzt. Zuständigkeit (responsibility) ist ein Auftrag, definierte Aufgaben zu bearbeiten und bestimmte Aktivitäten einzuleiten.
Die Zuständigkeit regelt, einfach gesprochen, wer konkret welche Aufgaben bearbeitet. Die Zuständigkeit ordnet die einzelnen Aufgaben den mitwirkenden Unternehmen bzw. Personen zu. Das heißt, es geht nicht darum, wer letztlich verantwortlich ist, sondern wer die konkrete Arbeit leistet. Die beiden definierten Begriffe Pflicht und Zuständigkeit unterscheiden sich in der Dringlichkeit bzw. Verbindlichkeit der zu erledigenden Aufgaben.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
2.4.3 Übertragung von Pflichten und Zuständigkeiten sowie von Verantwortung und Befugnissen Im Weiteren soll die Frage beantwortet werden: Können Pflichten und Zuständigkeiten sowie Verantwortung und Befugnisse im Allgemeinen und im Besonderen bei der Projektabwicklung inkl. Dokumentationserstellung ganz oder teilweise auf Andere übertragen werden und wie ist dies gegebenenfalls zu tun? a) Übertragung von Pflichten und Zuständigkeiten bzw. Aufgaben Eine dringend notwendige Aufgabe, wie eine Pflicht kurz definiert wird, ist weitgehend übertragbar. Gleiches gilt für die Übertragung von Zuständigkeiten, die eine Person bzw. ein Unternehmen zu erledigen haben. Man spricht in diesem Zusammenhang von Pflichtenübertragung. Mitunter wird auch von Delegierung gesprochen. An welche Voraussetzung diese Übertragung gebunden ist, wird unter Buchst. c) dieses Abschnitts erläutert. In vielen Fällen werden zusammen mit den Pflichten bzw. Zuständigkeiten auch Verantwortung und Befugnisse übertragen, soweit dies gemäß den nachfolgenden Ausführungen unter Buchst. b) dieses Abschnitts möglich ist. Grundsätzlich ist jede Führungskraft angehalten, Pflichten und Aufgaben (gegebenenfalls mit Verantwortung und Befugnissen), die sie selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann, an befähigte Personen zu übertragen. Wer keine Pflichten, Aufgaben und Verantwortung überträgt, obwohl dies möglich wäre, und zugleich wegen Arbeitsüberlastung oder anderer Umstände seine Ziele nicht erreicht bzw. seine Aufgaben nicht erfüllt, handelt u.U. fahrlässig. Derjenige, der fachliche Pflichten bzw. Aufgaben an andere Personen überträgt, bleibt trotzdem in der Verantwortung. Erledigt die übernehmende Person die übertragenen fachlichen Pflichten/Aufgaben nicht sachgerecht, so haftet der Delegierende für den nicht erreichten Arbeitserfolg. Für manchen Manager und Spezialisten, die sehr erfolgreich sind und persönlich ganz wenig Fehler machen, ist dies ein Problem. Sie neigen deshalb auch dazu, sich zu viele Aufgaben selbst zuzumuten und zu wenig zu delegieren. b) Übertragung von Verantwortung und Befugnissen Anders als bei Pflichten und Aufgaben ist die Übertragung von Verantwortung eingeschränkt und aus Sicht des Autors wie folgt zu sehen: Fachverantwortung ist nicht übertragbar. Auch wenn die verantwortliche juristische bzw. natürliche Person an andere natürliche bzw. juristische Personen Aufgaben überträgt, so bleibt sie letztlich doch in der fachlichen Zielverantwortung. Sie muss weiterhin für das fachliche Ergebnis (z.B. Erarbeitung eines R&I-Schemas), einstehen und bei Misserfolg/Fehlern die Konsequenzen tragen. Bei der Rechtfertigung kann sie u.U. darauf verweisen, dass sie die gegebenen Möglichkeiten der Einbeziehung anderer Fachleute genutzt hat und somit eventuell die Konsequenzen mildern. Verantwortung gemäß Strafgesetzbuch (StGB) ist übertragbar. Im StGB [40] formuliert der Gesetzgeber unter § 14 (Handeln für einen anderen):
2.4 Schwerpunkte der Arbeitsorganisation
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(2) Ist jemand von dem Inhaber eines Betriebes oder einem dazu Befugten 1. beauftragt, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten, oder 2. ausdrücklich beauftragt, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebes obliegen, und handelt er auf Grund dieses Auftrages, so ist ein Gesetz, nach dem besondere Merkmale die Strafbarkeit begründen, auch auf den Beauftragten anzuwenden, wenn diese Merkmale nicht bei ihm, aber bei dem Inhaber des Betriebs vorliegen. Dem Betrieb im Sinne des Satzes 1 steht das Unternehmen gleich.
Daraus abgeleitet, ist eine Übertragung sog. strafrechtlicher Verantwortung gemäß StGB möglich. Verantwortung entsprechend Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) bzw. DGUV Vorschrift 1 (Grundsätze der Prävention) ist übertragbar. Im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) [65] wird in § 13 (Verantwortliche Personen) in Abs. (2) formuliert: Der Arbeitgeber kann zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihn obliegende Aufgaben nach diesem Gesetz (d. Verf.: ArbSchG) in eigener Verantwortung wahrzunehmen.
In der DGUV Vorschrift 1 [64] steht unter § 13 (Pflichtenübertragung): Der Unternehmer kann zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm nach Unfallverhütungsvorschriften obliegende Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Die Beauftragung muss den Verantwortungsbereich und Befugnisse festlegen und ist vom Beauftragten zu unterschreiben. Eine Ausfertigung ist ihm auszuhändigen.
Das heißt, die Verantwortung, insbesondere die wichtige Sicherheitsverantwortung, gemäß ArbSchG und DGUV Vorschrift 1 sind übertragbar. Die Möglichkeiten der Verantwortungsübertragung sowie der damit verbundenen Aufgaben- und Pflichtenübertragung werden in der Praxis zunehmend genutzt; auch für Dokumentationsleistungen inkl. Dienstleister. Selbstverständlich müssen mit der Verantwortung in adäquater Weise auch Befugnisse mit übertragen werden. Beides gehört zusammen. Dabei sehen die Autoren grundsätzlich keine Einschränkungen beim Übertragen von adäquaten Befugnissen. c) Praktische Möglichkeiten und Formen der Übertragung Die Verantwortungs-/Befugnis-/Pflichten-/Aufgabenübertragung erfolgt zweckmäßig in Form einer sog. Bestellung. Dieser Begriff ist in diesem Zusammenhang nicht kaufmännisch sondern wie folgt rechtlich-organisatorisch zu verstehen: Bestellung (organisatorisch) ist die schriftliche Beauftragung und Namhaftmachung einer verantwortlichen Person für eine definierte Aufgabe, inkl. der damit verbundenen Verantwortung, Befugnisse u.a. Bedingungen.
Im Projekt allgemein sowie speziell für Engineering- und Dokumentationsleistungen kann eine Übertragung von Verantwortung, Befugnissen, Pflichten und Zuständigkeiten auf unterschiedliche Weise erfolgen. Möglichkeiten sind u.a.: Vereinbarungen in der kaufmännischen Bestellung bzw. in der werkvertraglichen Vereinbarung.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Festlegungen im Arbeitsvertrag der betroffenen Person, z.B. indem der Mitarbeiter als Leadingenieur DOKUMENTATION bzw. Document Controller mit genau definierten Aufgaben, Verantwortung und Befugnissen eingestellt wird. Festlegungen in Project Management Guidelines, Engineering-Management-Handbüchern u.a. verbindlichen Unternehmensdokumenten. Festlegungen in Entscheidungsmatrizen; im Englischen mitunter RACI (Responsible – Accountable – Consulted – Informed) bezeichnet. Organigramm (s. Abb. 2.10) und Stellenbeschreibungen (s. Abb. 2.11) für die Funktionen, die von der betreffenden Person gemäß Organigramm ausgeführt wird.
Abb. 2.10 Organigramm des Investors nach Vertragsabschluss über die Ausführungsplanung und Realisierung einer Chemieanlage (Praxisbeispiel)
Ausführliche, spezifische Stellen-/Funktionsbeschreibungen für besondere Leitungsfunktionen. Wenn z.B. ein Leadingenieur DOKUMENTATION extern gebunden wird, so reicht i.d.R. das in Abb. 2.1 angeführte Formblatt Stellenbeschreibung nicht aus. In diesem Fall müssen mehr Details geregelt und dokumentiert werden, ggf. auch in einer vertraglichen Vereinbarung. Das Muster für die Bestellung eines Leadingenieurs DOKUMENTATION bzw. eines Document Controllers zeigt Abb. 2.12. Festlegungen in Verbindung mit der Benennung eines Aufsichtführenden nach § 5, DGUV Vorschrift 1 [64], der auch für die Dokumentationsleistungen seines Unternehmens vor Ort verantwortlich und zuständig ist. Die zuletzt angeführte Möglichkeit nach DGUV Vorschrift 1 betrifft während der Projektabwicklung die sensible Schnittstelle zu den Subunternehmern, z.B. zu
2.4 Schwerpunkte der Arbeitsorganisation
109
den Dienstleistern für Engineeringleistungen, den Package-unit-Lieferanten, den Herstellern und Lieferanten der Hauptausrüstungen, zu den Bau- und Montagefirmen, zum Inbetriebnahmepersonal aller Fremdfirmen, zu den externen Serviceunternehmen, die Spezialleistungen (Logistik, Wartung, Inspektion, Schall- und Schwingungsmessungen, Analytik u.a.) übernehmen.
Stellenbeschreibung Projekt: _____________________________________________ Name des Projektmitarbeiter: ______________________________
______________________________
Abteilung: Funktion: Zeitraum:
________________________ __________ - ______________
Übergeordnete Projektmitarbeiter: ___________________________ Untergeordnete Projektmitarbeiter: ___________________________ Vertreter:
____________________________________________
Befugnisse: ___________________________________________
___________________________________________ Aufgaben: ____________________________________________
____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ Verantwortung: __________________________________________
__________________________________________
_____________
______________
____________
Vorgesetzter
Projektleiter
Mitarbeiter
Abb. 2.11 Formblatt für eine Stellenbeschreibung
110
2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Firmenbezeichnung
Bestellung als Leadingenieur D O KUM ENT ATI O N Hiermit werden Sie, …………….............., als Leadingenieur DOKUMENTATION für die verantwortliche Durchführung der übertragenen Arbeiten während der Abwicklung des Projekts ………………………. . bestellt. Mit der Bestellung werden zugleich die folgenden Pflichten und Befugnisse übertragen: a) Wahrnehmung der Verantwortung für alle Dokumentationsleistungen der o.g. Firma gegenüber den zuständigen Projektleiter und b) Wahrnehmung der Sicherheits- und Fachverantwortung für alle Personen der o. g. Firma, die Ihnen gemäß Projekthandbuch inkl. Organisationsschema vom TT.MM.JJ .................. zum Projekt ............. ............. zugeordnet sind, während des unten angeführten Zeitraums. Dazu sind insbesondere die folgender Aufgaben wahrzunehmen und deren Erfüllung im Verantwortungsbereich zu gewährleisten: Erarbeiten von Anforderungen an die Dokumentation für das o.g. Projekt, Koordinieren aller Dokumentationsarbeiten im eigenen Projektteam, Unterbreiten von Vorschlägen zur Verbesserung des projektspezifischen Dokumentationsprozesses, Erfüllungskontrolle bezüglich der Dokumentationsleistungen im Projekt und insbesondere der Vereinbarungen in den Bestellungen und/oder im Anlagenvertrag, Durchsetzen der Firmeninteressen bezüglich der Dokumentation gegenüber dem Vertragspartner und den Kontraktoren, Sicherheit und Ordnung sowie Einhaltung von Gesetzen und Verordnungen, Einhaltung relevanter Normen, Richtlinien u.a. Regeln der Technik, Richtlinien und Vorschriften sowie entsprechende Vorgaben der o.g. Firma, geordnete Zusammenarbeit im Verantwortungsbereich, Führen der ihnen zugeordneten Mitarbeiter. Schwierigkeiten in der Wahrnehmung dieser Verantwortung, sofern sie nicht von Ihnen selbst behoben werden können, haben sie unverzüglich dem zuständigen Projektleiter zu melden. Zur Wahrnehmung der Verantwortung wird Ihnen gegenüber den zugeordneten Personen der o.g. Firma eine Weisungsbefugnis erteilt. Die Bestellung und Pflichtenübertragung erfolgen für den Zeitraum vom …..... bis …….. ………………….., den …………
…..………………………………..... Unterschrift des Bestellenden
Erklärung der verantwortlichen (bestellten) Person Hiermit erkläre ich, dass ich mir der Verantwortung, die sich aus den angeführten Aufgaben, Pflichten und Befugnissen ergeben, bewusst bin. In die örtlichen und sachlichen Grenzen meiner Tätigkeit bin ich eingewiesen. Mit der o.g. Bestellung und Pflichtenübertragung bin ich einverstanden. ………………….., den ……………
....……………………………….. Unterschrift des Bestellten
Abb. 2.12 Beispiel für die Bestellung eines Leadingenieurs DOKUMENTATION
2.4 Schwerpunkte der Arbeitsorganisation
111
Der zuvor definierte und im Text in Abb. 2.12 verwendete Begriff Bestellung kommt ursprünglich aus dem Bergrecht [69] und bedeutet, dass verantwortliche Personen des Unternehmers (Auftragnehmers) sowie von Subunternehmern in Bergbaubetrieben nur tätig werden dürfen, wenn sie gemäß vorgegebener Prozedur schriftlich bestellt und gegenüber dem Bergamt namhaft gemacht wurden. In anderen Industriezweigen wird zunehmend, im Zusammenhang mit der Benennung von Aufsichtspersonen gemäß DGUV Vorschrift 1, § 5 [64] sowie von Verantwortlichen Personen gemäß ArbSchG, § 13 [65], gleichfalls von Bestellung gesprochen und ein Musterformular analog Abb. 2.12 genutzt. d) Restverantwortung des Bestellenden bzw. des Delegierenden Abschließend soll noch die Frage beantwortet werden, welche Verantwortung und Pflichten, auch nach vollzogener, rechtskonformer Übertragung bzw. Delegierung, noch beim Übertragenden bzw. Delegierenden verbleiben. Die Antwort lautet: Damit die Übertragung bzw. Delegierung von Verantwortung, Pflichten, Zuständigkeiten, Befugnissen u.ä. rechtswirksam ist, obliegen dem Unternehmer bzw. seinem Beauftragten (z.B. Projektleiter) auf Grund der allgemeinen Gesetzeslage die folgende Verantwortung und Pflichten gegenüber den bestellten Personen bzw. beauftragten Unternehmen: Auswahlverantwortung Wählen Sie für die anstehenden Aufgaben die richtigen Mitarbeiter ihres Unternehmens aus. Wählen Sie für die anstehenden Aufgaben die richtigen Unternehmen aus. Dokumentieren Sie die Entscheidungen und Handlungen nachvollziehbar. Ordnungsverantwortung Klären Sie im eigenen Unternehmen bzw. im Arbeitsteam die Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Befugnisse der Mitarbeiter. Führen Sie möglichst eine schriftliche Aufgabe-, Verantwortungs- und Befugnisübertragung durch. Schaffen sie rechtskonforme und ausreichende sicherheitliche, fachliche sowie organisatorisch-administrative Arbeitsunterlagen für die Mitarbeiter. Führen Sie die Ersteinweisung und ggf. wiederkehrende Unterweisungen der Mitarbeiter durch. Dokumentieren Sie die Entscheidungen und Handlungen nachvollziehbar. Aufsichtsverantwortung Führen Sie stichprobenartige Kontrollen bzgl. der Aufgaben- und Pflichtenerfüllung, der gegebenen Sicherheit und Ordnung, des Gesundheits- und Umweltschutzes sowie der Einhaltung von Rechtsvorschriften und verbindlichen Regeln der Technik durch. Prüfen Sie zu Beginn der Arbeitsaufnahme und wiederkehrend das Vorliegen aktueller Gefährdungsbeurteilungen, Betriebsanweisungen u.a. notwendiger Vorgaben. Führen Sie bei gegebenem Anlass wiederkehrende Unterweisungen durch. Dokumentieren Sie die Entscheidungen und Handlungen nachvollziehbar. Beim Delegierenden verbleibt somit, auch nach vollzogener schriftlicher Pflichten-/Verantwortungsübertragung, die Auswahl-, Ordnungs- und Aufsichtsverantwortung.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Nimmt ein Unternehmen die vorgenannte (Rest-)Verantwortung nicht wahr, spricht man von einen Organisationsverschulden gemäß folgender Definition: Organisationsverschulden ist im Deliktsrecht die Haftung wegen der Verletzung von Organisationspflichten oder wegen Nichterfüllung rechtlicher Anforderungen an betriebliche organisatorische Maßnahmen [70].
Haftbar ist bei einen Organisationsverschulden das Unternehmen bzw. die Körperschaft (juristische Person).
2.5 Konsequenzen bei Rechts- bzw. Pflichtverletzungen 2.5.1 Schaden durch fahrlässiges bzw. vorsätzliches Handeln Ein Schaden ist allgemein ein Nachteil, den jemand durch ein bestimmtes Ereignis erleidet. Im engeren Sinne ist ein technischer Schaden eine Veränderung an einem Bauteil/Baukörper, durch die seine vorgesehene Funktion beeinträchtigt oder unmöglich gemacht wird oder eine Beeinträchtigung erwarten lässt. Ist ein Schaden (Personen-, Sach-, Vermögens- oder Imageschaden) eingetreten, so gilt es zunächst die Ursachen zu ermitteln und zu beseitigen. Danach wird aber gefragt: Wer ist für den Schaden verantwortlich, liegen Versäumnisse vor und welche Konsequenzen ergeben sich für die beteiligten Personen und Unternehmen? Juristisch gesprochen setzt eine sogenannte Tatbestandsprüfung ein, die nochmals zwischen einem objektiven und subjektiven Tatbestand unterscheidet. 1) Der objektive Tatbestand beinhaltet die Frage: Was ist passiert? Dies kann beispielsweise, u.a. auch verursacht durch Fehler in der Dokumentation, sein: eine Augenverletzung eines Operators durch Austritt eines ätzenden Gefahrstoffs, ein Umwelt- und Sachschaden durch Riss in der Schweißnaht, Explosion mit Brand, die erheblichen Sachschaden und entgangenen Gewinn verursacht, unzulässige Emissionen an Schadstoffen durch Störung im Prozessleitsystem, die Verunreinigung eines Gewässers durch eine Fehlbedienung. Zugleich wird geprüft, ob es Vorschriften gibt, die einen solchen objektiven Tatbestand (Schaden) ahnden. 2) Der subjektive Tatbestand fragt: Was haben der Ausführende und der Verantwortliche falsch gemacht? Dies kann beispielsweise während der Inbetriebnahme sein: Rechtsvorschriften (z.B. betreffs Gesundheit – Sicherheit – Umweltschutz) wurden nicht oder nicht ausreichend beachtet (z.B. unzureichend Gefährdungsbeurteilung), Fehler bei Spezifikation eines Gerätes, das in einem Ex-Bereich eingesetzt wurde, Fehler bei Stoff- und Mengenbilanzierung im Engineering, Vorgaben im Genehmigungsbescheid wurden wegen mangelhafter Dokumentation nicht eingehalten,
2.5 Konsequenzen bei Rechts- bzw. Pflichtverletzungen
113
Fehlbedienung des Operator durch mangelhafte Betriebsanweisung, Ersteinweisung und/oder Unterweisung der Beschäftigten wurde nicht oder nicht ausreichend durchgeführt bzw. nicht nachvollziehbar dokumentiert, Unfall wegen Organisationsverschulden, z.B. unzureichender Klärung von Verantwortung, Befugnissen und Zuständigkeiten, Fehlentscheidung der verantwortlichen Person auf Grund einer fehlerhaften Störungsdiagnose (z.B. durch Nichteinbeziehung von Spezialisten). In diesem Zusammenhang wird geprüft, inwieweit die beteiligten und insbesondere die verantwortlichen Personen fahrlässig, grob fahrlässig oder gar vorsätzlich gehandelt haben und ob dieses Verhalten in einem kausalen Zusammenhang mit den objektiven Tatbestand (Schaden) steht. Im Ernstfall ist die Frage zu beantworten: Hatten im Schadensfall die verantwortliche und ggf. auch die ausführende Person fahrlässig, grob fahrlässig oder gar vorsätzlich gehandelt? Von zentraler Bedeutung bei der Tatbestandsprüfung ist der Begriff der Fahrlässigkeit, da im täglichen Leben und insbesondere im Berufsleben die Gefahr eines fahrlässigen Handelns durchaus realistisch ist. Ferner ist der Fahrlässigkeitsvorwurf schon strafrechtlich relevant (s. Abschn. 2.5.2, Ziff. 4.). Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) [38] steht dazu in § 276, Abs. (2): Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
Im Strafgesetzbuch (StGB) [40] wird die Begriffsdefinition wie folgt vertieft: Fahrlässig handelt, wer entweder die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und fähig ist, und deshalb die Tatbestandsverwirklichung (d. Verf.: Schadenssituation) nicht erkennt (unbewusste Fahrlässigkeit) oder wer die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, jedoch pflichtwidrig und vorwerfbar im Vertrauen darauf handelt, dass sie nicht eintreten werde (bewusste Fahrlässigkeit).
Für die Praxis kann man vereinfachend feststellen: Ich handele fahrlässig, wenn ich in einer bestimmten Situation nicht ausreichend sorgfältig handele, obwohl ich es auf Grund meiner Fähigkeiten, Kenntnisse und Möglichkeiten hätte tun können! In den angeführten Definitionen stehen die Begriffe „fahrlässig“ und „Sorgfalt“ in einem Zusammenhang. Man könnte sagen: Wer seine Sorgfaltspflichten nicht erfüllt, handelt fahrlässig! oder Wer fahrlässig handelt, erfüllt seine Sorgfaltspflichten nicht! Die Sorgfaltspflichten betreffen natürliche Personen und sind umfassender als die Organisationspflichten (s. Abschn. 2.4.3, d)), da sie nicht nur die organisatorischen Belange, sondern alle Verantwortungsbereiche und Aufgabengebiete der jeweiligen Person betreffen. Entscheidend dafür, ob ein fahrlässiges Handeln vorliegt, sind die Sorgfaltsmaßstäbe für die jeweilige Situation.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Dabei ist zu beachten: Im Rahmen der erforderlichen Sorgfalt wird grundsätzlich auf die Einsichtsfähigkeit eines durchschnittlichen objektiven Dritten in gleicher Situation und dessen gesunden Menschenverstand Bezug genommen. Wer über ein qualifiziertes Wissen und langjährige Berufserfahrungen verfügt, muss aufgrund dieses Mehrwissens und der Erfahrungen auch ein Mehr an Sorgfalt aufbringen. Eine Strafbarkeit liegt nicht nur bei pflichtwidrigem aktiven Tun vor, sondern auch bei pflichtwidrigem Unterlassen einer gebotenen Handlung: Verantwortlich ist man nicht nur für das, was man tut, sondern auch für das, was man nicht tut. Laotse
Ergänzend zu den vorgenannten Ausführungen über den Begriff des „fahrlässigen Handelns“ sind in Tabelle 2.23 mögliche Versäumnisse im Umgang mit der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen aufgeführt. Die Verfasser mussten in ihrer praktischen Tätigkeit leidvoll erfahren, dass dokumentarische Versäumnisse zu erheblichen Schäden führen können. Zum anderen erschien in einigen Praxisfällen der Vorwurf eines fahrlässigen Handelns nicht unbegründet. Tabelle 2.23 Versäumnisse im Umgang mit der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen mit erheblichem Schadenspotential und dem Risiko eines Fahrlässigkeitsvorwurfs 1 Übergreifende Aspekte (inkl. Projekt- und Dokumentenmanagement) Keine oder nicht ausreichende Beachtung der Dokumentationsleistungen im Lastenheft und/oder Pflichtenheft. Keine oder nicht ausreichende Erarbeitung eines umfassenden Dokumentationskonzepts für die Anlagen-Projektabwicklung. Keine klaren Regelungen und Praktiken zur Master- bzw. Revisionspflege, sodass zu einem Dokument unterschiedliche Revisionsstände mit abweichenden Inhalten genutzt werden. Rechts- und sicherheitsrelevante Vorkehrungen und Aktionen (Pflichtenübertragung, Einweisung, Kontrollgänge, Schulungen, Training, Montagekontrollen usw.) werden nicht bzw. nicht eindeutig und nachvollziehbar dokumentiert. Die werkvertraglichen Abnahmehandlungen, die u.a. mit Verantwortungs- und Gefahrenübergang verbunden sind, sind nicht bzw. unzureichend dokumentiert. Keine Archivierung eines „eingefrorenen“ Belegexemplars der AS BUILT-Dokumentation inkl. Herstellerdokumentationen (im Sinne einer Urkunde), sodass Gewährleistungsansprüche nicht bzw. nur eingeschränkt durchsetzbar sind. Keine klare Regelung, ob die gegenständliche oder elektronische Form/Version der Dokumentation das Primat hat. 2 Engineering- und Beschaffungsphase Informationsverluste und Risikoerhöhung an Schnittstellen (z.B. zwischen Basic-/Detailengineering oder Engineering/Montage oder Engineering/Inbetriebnahme) durch Anwendung von ungeeigneten, nichteindeutigen Darstellungsformen bzw. Dokumentenarten. Fehlerhafte Angaben in den Technischen Beschaffungsunterlagen, die die Lieferung und den Einsatz ungeeigneter Komponenten (Werkstoff, Druckstufe, Funktion, Dichtigkeit, ExEignung u.a.) bewirken.
2.5 Konsequenzen bei Rechts- bzw. Pflichtverletzungen
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Tab. 2.23 (Fortsetzung) 2 Engineering- und Beschaffungsphase (Fortsetzung) Die Herstellung der Dokumentation ist nicht bzw. nicht ausreichend in die Qualitätssicherungsmaßnahmen des Herstellers und/oder Bestellers einbezogen. Übernahme der Package-unit- bzw. Herstellerdokumentationen ohne vorherige, dokumentierte Abnahmeprüfung (Qualität, Auftragsgemäßheit). Gefahr der Fehlerfortpflanzung! Mängel beim Identifizieren, Zuordnen und Wiederfinden von Dokumenten, auf die in sogenannte Basisdokumenten (z.B. Qualifizierungs- und Validierungsdokumente) verwiesen bzw. referenziert wird. 3 Bau-, Montage- und Inbetriebnahmephase (inkl. Abnahme der Anlage/Dokumentation) Mängel in der Baustellenordnung bzgl. Inhalt und Form (z.B. für Fremdfirmenmitarbeiter nicht verständlich und nicht zugänglich). Die Regelungen/Formulare zum Arbeitserlaubnissystem der Baustelle sind in Form und Inhalt unzureichend; Freigabescheine werden z.B. nicht geordnet und sicher aufbewahrt. Notwendige Anweisungen für das Bau- und Montagepersonal fehlen bzw. sind mangelhaft bzw. nicht zugänglich; ggf. fehlen die Nachweise der durchgeführten Unterweisungen. Inverkehrbringen von Maschinen und/oder Druckgeräten ohne gültige und sicher abgelegte EG- bzw. EU-Konformitätserklärung bzw. ohne CE-Kennzeichnung. Inverkehrbringen von Geräten und/oder Schutzsystemen zur bestimmungsgemäßen Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen ohne gültige und sicher abgelegte EUKonformitätserklärung bzw. ohne CE-Kennzeichnung. Fehlende bzw. fehlerhafte Unterlagen (Bescheinigungen, Protokolle, Zertifikate, Erklärungen usw.) über notwendige Sicherheitsprüfungen vor Inbetriebnahme. Übernahme der AS BUILT-Dokumentation ohne vorherige, dokumentierte Abnahmeprüfung (Qualität, Vertragsgemäßheit), sodass letztlich eine mangelhafte Dokumentation abgenommen und genutzt wird. 4 Betriebsphase (inkl. Instandhaltung und Umbaumaßnahmen) Notwendige Anweisungen für das Betriebs- und Servicepersonal fehlen bzw. sind mangelhaft bzw. nicht zugänglich; ggf. fehlen die Nachweise der durchgeführten Unterweisungen. Die Papierversion und die elektronische Version der Anlagendokumentation sind nicht identisch, sodass keine eindeutige Dokumentation- und Arbeitsbasis gegeben sind. Mängel (fehlende, falsche, missverständliche Dokumente) in der Anlagendokumentation, die zu Bedienungsfehlern führen können. Mängel (fehlende, falsche, missverständliche Dokumente) in der Anlagendokumentation, die zu Instandhaltungsfehlern durch das Servicepersonal führen können. Nicht-Fortschreibung der Genehmigungsunterlagen bzw. Nicht-Anzeige von genehmigungsrelevanten Änderungen gegenüber der Behörde. Unzureichendes Einpflegen von Änderungsvorgängen und zugehörigen Dokumenten (Change-Control-Dokumente) in die Anlagen- und/oder Betriebsdokumentation. Fehlende bzw. fehlerhafte GMP-relevante Dokumente in Pharmabetrieben. 5 Rückbau- und Archivierungssphase Verstöße gegen Rechtsverordnungen wegen fehlender, falscher, missverständlicher u.a. Dokumente für den Rückbau (Stilllegung, Demontage, Entsorgung). Versäumnisse beim Dokumenten- bzw. Datenschutz (Zugangs- und Zugriffsrechte, Aufbewahrung, Speicherung) während der Langzeit-Archivierung der haftpflichtrelevanten Dokumente (Papier und elektronisch) nach dem Rückbau.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Für den Begriff „grobe Fahrlässigkeit“ gibt es weder im Bürgerlichen Gesetzbuch noch im Strafgesetzbauch eine exakte Begriffsdefinition. Nach allgemeiner Ansicht gilt: Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt; wer das unbeachtet lässt, was im gegebenen Falle Jedem gleich einleuchten musste [71] oder grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wir, indem schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden sowie das nicht beachtet wird, was im vorliegenden Fall Jedem hätte einleuchten müssen [72].
Der Begriff „Vorsatz“ wird insbesondere im Strafrecht genutzt und bedeutet vereinfacht: Vorsätzlich handelt, wer den Schaden voraussehen konnte und dessen Eintritt billigend in Kauf genommen hat.
2.5.2 Mögliche Konsequenzen bei Rechts- und Pflichtverletzungen Mögliche Konsequenzen bei Rechts- bzw. Pflichtverletzungen bzw. bei rechts-/pflichtwidrigem Verhalten sind: 1. Disziplinarische bzw. arbeitsrechtliche Konsequenzen Jeder Beschäftigte muss bei fehlerhafter Arbeit mit Kritik und ggf. finanziellen Konsequenzen rechnen. Sind die zu verantwortenden Fehler gravierend (z.B. erheblicher Sachschaden, Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften, Nichtbeachtung von Rechtsvorschriften) oder sind von den Auswirkungen Dritte betroffen, so können sich auch disziplinarische bzw. arbeitsrechtliche Konsequenzen ergeben. Ob der Betreffende dabei fahrlässig gehandelt hat, spielt unter Beachtung aller Umstände eine wichtige Rolle. 2. Privat- bzw. zivilrechtliche Konsequenzen Das deutsche Zivilgesetz ist das BGB [38]. In diesem wird in Abschnitt 1 (Inhalt der Schuldverhältnisse) formuliert: Unter Titel 1 (Verpflichtung zur Leistung) in § 276 (Verantwortlichkeit des Schuldners): (1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist.
sowie in § 278 (Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte): Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden.
Unter Titel 27 (Unerlaubte Handlungen) in § 823 (Schadenersatzpflicht): (1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. (2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes der Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
2.5 Konsequenzen bei Rechts- bzw. Pflichtverletzungen
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Näheres zur Haftung nach BGB siehe Abschnitt 2.6.1. 3. Ordnungsrechtliche Konsequenzen Bei Verstößen gegen gesetzliche und/oder behördliche Auflagen können die befugten Stellen (z.B. Genehmigungsbehörden, Aufsichtsbehörden, Ordnungsämter, Feuerwehr, Polizei) gegenüber der verantwortlichen natürlichen bzw. juristischen Person eine Ordnungsstrafe (Bußgeld) verhängen. Grundlage sind das Ordnungswidrigkeiten-Gesetz (OWiG) [39] sowie die Ausführungen in den jeweiligen Rechtsvorschriften selbst. Die Gesetze und Verordnungen haben meistens einen Paragraphen „Bußgeldvorschriften“, in dem die Geldbuße bei ordnungswidrigen Verhalten konkret angeführt ist. Beispielsweise resultiert aus der Maschinenverordnung [21] gemäß § 8 (Ordnungswidrigkeiten) unter anderen (auszugsweise): Ordnungswidrig im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 7 Buchstabe a des Produktsicherheitsgesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 3 Abs. 2 Nr. 2 nicht sicherstellt, dass die technischen Unterlagen verfügbar sind, 2. entgegen § 3 Abs. 2 Nr. 3 die Betriebsanleitung nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellt, 3. entgegen § 3 Abs. 2 Nr. 4 in Verbindung mit § 4 eines der dort vorgeschriebenen Konformitätsbewertungsverfahren nicht oder nicht rechtzeitig durchführt, 4. entgegen § 3 Abs. 2 Nr. 5 eine EG-Konformitätserklärung nicht oder nicht rechtzeitig ausstellt oder nicht sicherstellt, dass sie der Maschine beiliegt, 5. entgegen § 3 Abs. 2 Nr. 6 in Verbindung mit § 5 Absatz 1 bis 3 oder Absatz 4 eine CEKennzeichnung nicht, nicht in vorgeschriebener Weise oder nicht rechtzeitig anbringt, 7. entgegen § 6 Absatz 1 Nr. 1 nicht sicherstellt, dass die technischen Unterlagen erstellt werden, 8. entgegen § 6 Absatz e eine Montageanleitung oder eine Einbauerklärung nicht beifügt.
Die im Beispiel angeführte Ordnungswidrigkeit können gemäß Produktsicherheitsgesetz [13] mit Geldbußen zwischen 10 bis 100 TEURO geahndet werden. 4. Strafrechtliche Konsequenzen Grundlage für die Beurteilung von Straftaten ist das Strafgesetzbuch [40]. Von Rechts wegen ermittelt i.Allg. der Staatsanwalt. Er ermittelt gegen die natürliche Person. Bezüglich der strafrechtlichen Verantwortung natürlicher Personen steht im Strafgesetzbuch (StGB) unter § 15 (Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln): Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.
Als Strafe kommen Geldstrafe oder Freiheitsentzug in Betracht. Die Angaben in Tabelle 2.24 belegen, dass gemäß StGB in vielen Situationen bereits ein fahrlässiges Handeln strafbar ist. Dabei können erfahrungsgemäß (s. Tab. 2.23) auch Mängel in der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen die in Tab. 2.24 angeführten objektiven Tatbestände bewirken. Bei einem signifikanten objektiven Tatbestand ist bereits der Vorwurf eines fahrlässigen Handelns strafrechtlich relevant. Die strafrechtliche „Schwelle“ ist in diesen Fällen niedriger als die zivilrechtliche. Entscheidend dafür, ob ein fahrlässiges Handeln vorliegt, sind die Sorgfaltsmaßstäbe für die jeweilige Situation.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Tabelle 2.24 Auszug aus dem Strafgesetzbuch der BRD [40] § 222 Fahrlässige Tötung Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. § 229 Fahrlässige Körperverletzung Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. § 306f Herbeiführen einer Brandgefahr (2) Ebenso wird bestraft, wer eine in Absatz 1 Nr. 1 bis 4 (d. Verf.: Nr. 1 : feuergefährdete Betriebe oder Anlagen) bezeichnete Sache in Brandgefahr bringt und dadurch Leib oder Leben anderer Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet. (3) Wer in den Fällen des Absatzes 1 (d. Verf.. u.a. fremde feuergefährdete Betriebe oder Anlagen) fahrlässig handelt oder in den Fällen des Absatzes 2 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. § 319 Baugefährdung (1) Wer bei der Planung, Leitung oder Ausführung eines Baues oder des Abbruchs eines Bauwerkes gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik verstößt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer in Ausübung eines Berufs oder Gewerbes bei der Planung, Leitung oder Ausführung eines Vorhabens, technische Einrichtungen in ein Bauwerk einzubauen oder eingebaute Einrichtungen dieser Art zu ändern, gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik verstößt und dadurch Leib und Leben eines anderen Menschen gefährdet. § 323e Unterlassene Hilfeleistung Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. § 324 Gewässerverunreinigung (1) Wer unbefugt ein Gewässer verunreinigt oder sonst dessen Eigenschaften nachteilig verändert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe. § 324a Bodenverunreinigung (3) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. § 325a Verursachen von Lärm, Erschütterungen und nichtionisierenden Strahlen (3) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. § 326 Unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen (5) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe in den Fällen des Absatzes 3 Freiheitsstrafe bis zu einem Jahre oder Geldstrafe. § 327 Unerlaubtes Betreiben von Anlagen (3) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe in den Fällen des Absatzes 2 Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. § 329 Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete (5) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe in den Fällen der Absätze 1 und 2 Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.
2.6 Haftung, Gewährleistung, Garantie für die Dokumentation
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Im Wissen um die Gefahr eines Fahrlässigkeitsvorwurfs und da die „Schwelle“ in vermeintlich guter Absicht schnell überschritten wird, gilt der folgende Rat: Machen Sie Ihre Arbeit so, dass Ihnen niemals im Problemfall die folgenden Vorwürfe gemacht werden können: Das hätten Sie wissen müssen! oder
Das hätten Sie verhindern können! Analysieren und bewerten sie von Zeit zu Zeit an diesem „Maßstab“ ihr eigenes Tun. Dazu gehört auch die Qualität, Rechtskonformität und Beweiskraft der zugehörigen Dokumentation.
2.6 Haftung, Gewährleistung, Garantie für die Dokumentation In Zusammenhang mit der Herstellung und Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen sind insbesondere die folgenden Haftungsfälle von Bedeutung: 1. Allgemeine Haftung nach Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), 2. besondere Haftung nach Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG), 3. besondere Haftung nach Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG) und Umweltschadensgesetz (USchadG), 4. Haftung bei Nichterfolg nach Werkvertragsrecht. Der 4. Fall, der sich auf das Nichterreichen der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit in einem Werkvertrag bezieht, wird in Verbindung mit der Gewährleistung in Abschn. 2.6.4 und zusammen mit werkvertraglichen Regelungen in Abschn. 4.4.1 und 4.4.2 betrachtet.
2.6.1 Allgemeine Haftung im Schadensfall nach BGB Haftung bedeutet i.Allg. für einen eingetreten Schaden verantwortlich zu sein und diesen zu ersetzten bzw. durch geeignete Maßnahmen wieder gut zu machen. Der Schaden, der die Dokumentation selbst betrifft bzw. durch Dokumentationsmängel verursacht wurde, kann u.a. ein Sachschaden, Personenschaden, Vermögensschaden oder immaterieller Schaden sein. Die Haftung kann sich aus dem Vertrag oder unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. Grundsätzlich setzt eine Haftung ein Verschulden voraus. Verschulden bezeichnet das objektiv pflichtwidrige und subjektiv vorwerfbare Verhalten einer schuldfähigen Person. Es ist vielfach Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch bzw. für die Strafbarkeit einer Handlung (s. auch Abschn. 2.5.2, Ziff. 4). Nach deutschen Privat- bzw. Zivilrecht kann der Geschädigte grundsätzlich von dem vermeintlichen Verursacher (natürliche oder juristische Person) Schadenersatz fordern. Der Geschädigte trägt i.d.R. die Beweislast (ist in der Beweispflicht), d.h. er muss seinen Schadenersatzanspruch geltend machen, beweisen und privatrechtlich oder anderweitig durchsetzen. Die deutsche Rechtsordnung kennt allerdings in Ausnahmen auch eine verschuldungsunabhängige Verdachtshaftung und gegebenenfalls eine Beweislastumkehr (s. Abschn. 2.6.2). Gemäß BGB, § 276 (Verantwortlichkeit des Schuldners) und § 823 (Schadensersatzpflicht) (s. Zitate in Abschn. 2.5.2, Ziff. 2) hat der Verantwortliche für einen Schaden grundsätzlich Vorsatz und Fahrlässigkeit (nicht nur grobe Fahrlässigkeit) zu vertreten.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Somit haftet lt. BGB das verantwortliche Unternehmen bzw. die verantwortliche Person schon bei einen fahrlässigen Handeln für den Schaden. In der Rechtspraxis wird diese BGB-Formulierung im Einzelfall aber unterschiedlich und nicht so streng bzw. strikt ausgelegt. Einerseits wird bezüglich der Fahrlässigkeit nochmals zwischen: grober Fahrlässigkeit, mittlere bzw. normaler Fahrlässigkeit und leichter Fahrlässigkeit. Dabei ist die Abgrenzung zwischen normaler und grober Fahrlässigkeit wichtig, da i.d.R. erst bei grober Fahrlässigkeit der Schuldige voll haftet. Zugleich gibt es in besonderen Fällen, z.B. bei der Haftung von Arbeitnehmern, spezielle Haftungseinschränkungen bzw. Haftungsbeschränkungen. Dabei spielen die Art und der Umfang des Fehlers/Verschuldens und des Fehlverhaltens eine wichtige Rolle. In [73] ist im Ergebnis der Rechtsprechung die folgende Regelung für die Arbeitnehmerhaftung angeführt: bei leichter Fahrlässigkeit: keine Haftung des Arbeitnehmers, bei mittlere/normale Fahrlässigkeit: Arbeitnehmer trägt Schaden anteilig, oftmals zur Hälfte, bei grober Fahrlässigkeit: Arbeitnehmer trägt den Schaden voll, jedoch nur bis zu einem Höchstbetrag von drei Bruttomonatsgehältern. Nach BGB, § 619a (Beweislast bei Haftung des Arbeitnehmers) trägt der geschädigte Arbeitgeber die volle Beweislast. Auf dem Gebiet der Dokumentation können sich Haftungs- bzw. Schadenersatzansprüche beispielsweise dann ergeben, wenn beim Erarbeiten relevante Rechtsvorschriften nicht eingehalten wurden, ein Verstoß gegen allgemein anerkannte Regeln der Technik vorliegt, im Projekt keine eindeutige Revisionierung der Dokumente erfolgte, sodass die beteiligten Partner mit unterschiedlichen Revisionsständen gearbeitet haben, im Projektablauf die Änderung während der Baustellenabwicklung und/oder während der Inbetriebnahme nicht as-built in die Dokumentation eingepflegt wurden, die Dokumentation erhebliche Sicherheits- und/oder Qualitätsmängel aufweist, versäumt wurde, Fachspezialisten hinzuzuziehen, keine rechtzeitigen Informationen an die betreffenden Personen, Unternehmen, Behörden u.a. ergangen sind. In Tabelle 2.23 im Abschn. 2.5.1 sind weitere mögliche haftungsrelevante Versäumnisse zur Dokumentation angegeben.
2.6.2 Haftung nach Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) [20] Das Produkthaftungsgesetz formuliert im § 2: Produkt im Sinne dieses Gesetzes ist jede bewegliche Sache, auch wenn sie einen Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bildet, sowie Elektrizität.
Ein Produkt nach ProdHaftG ist somit eine bewegliche Sache. Damit ist diese Produktdefinition relativ eindeutig und zugleich etwas abweichend zu der des Produktsicherheitsgesetzes (s. Buchstabe a) im Abschn. 2.3.3). Gemäß dieser Definition in § 2 sind in verfahrenstechnischen Anlagen viele gelieferten Komponenten als Produkte im Sinne des ProdHaftG zu verstehen und zu handhaben.
2.6 Haftung, Gewährleistung, Garantie für die Dokumentation
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Im Weiteren soll im Zusammenhang mit Leistungen des Herstellers analysiert werden: Welche Anforderungen ergeben sich aus dem ProdHaftG für die Haftung des Herstellers für sein Produkt und welche Dokumentationspflichten resultieren daraus? Um diese Frage zu beantworten, gilt es den Gesetzestext in Tabelle 2.25 zu lesen, zu verstehen sowie anschließend die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Tabelle 2.25 Auszug aus dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) [20] § 1 Haftung (1) Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Im Fall der Sachbeschädigung gilt dies nur, wenn eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt wird und diese andere Sache ihrer Art nach gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt und hierzu von dem Geschädigten hauptsächlich verwendet worden ist. (2) Die Ersatzpflicht des Herstellers ist ausgeschlossen, wenn 1. er das Produkt nicht in den Verkehr gebracht hat, 2. nach den Umständen davon auszugehen ist, dass das Produkt den Fehler, der den Schaden verursacht hat, noch nicht hatte, als der Hersteller es in den Verkehr brachte, 3. er das Produkt weder für den Verkauf oder eine andere Form des Vertriebs mit wirtschaftlichem Zweck hergestellt, noch im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit hergestellt oder vertrieben hat, 4. der Fehler darauf beruht, dass das Produkt in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller es in den Verkehr brachte, dazu zwingenden Rechtsvorschriften entsprochen hat, oder 5. der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte. (4) Für den Fehler, den Schaden und den ursächlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden trägt der Geschädigte die Beweislast. Ist streitig, ob die Ersatzpflicht gemäß Absatz 2 oder 3 ausgeschlossen ist, so trägt der Hersteller die Beweislast. § 3 Fehler (1) Ein Produkt hat einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere a) seiner Darbietung, b) des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, c) des Zeitpunkts, in dem es in Verkehr gebracht wurde, berechtigterweise erwartet werden kann.
Der Hersteller sollte Produktfehler möglichst vermeiden, sodass diese Haftungsvoraussetzung a priori nicht gegeben wird. Dies erfordert gemäß § 3, dass das Produkt unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere seiner Darbietung und seines Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, ausreichend sicher ist. Zur Darbietung dient hauptsächlich die Produkt- bzw. Herstellerdokumentation.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Der Fehlerbegriff gemäß § 3 beinhaltet jedoch auch einen Fehlgebrauch des Produkts, mit dem der Hersteller rechnen muss. Eine fehlerfreie Darbietung (Dokumentation) muss benutzerspezifische Hinweise auf die bestimmungsgemäße Verwendung des Produkts sowie auf Restgefahren und Vorkehrungen enthalten. Bei der Produktentwicklung und -darbietung sind die geltenden Rechtsvorschriften und i.d.R. auch die allgemein anerkannten Regeln der Technik einzuhalten. Genügt ein Produkt (inkl. zugehörige Dokumentation) nicht den rechtlichen u.a. Normen, so muss gefolgert werden, dass es nicht die notwendige Sicherheit bietet und gemäß § 3, ProdHaftG einen Fehler hat. Ein strukturiertes und haftungssicheres Vorgehen hat die folgenden, nachvollziehbar zu dokumentierenden Arbeitsschritte zu beinhalten [74]: Produkt- und Zielgruppenanalyse, Recherche und Zusammenstellung der geltenden Anforderungen aus Rechtsvorschriften und Normen, Risikobeurteilung inkl. Risikoanalyse und Risikobewertung, Nachweis, dass das Produkt die gestellten Anforderungen erfüllt (interne Dokumentation), notwendige Sicherheitskennzeichnung, EU-Konformitätserklärung oder ggf. Einbauerklärung, Betriebsanleitung. Die wichtigsten Bestandteile der zugehörigen Technischen Produktdokumentation (betriebsintern und -extern) sind in [75] angeführt. Voraussetzung für eine Schadenersatzpflicht des Herstellers nach § 1, ProdHaftG ist zunächst, dass durch den Fehler eines Produkts ein Mensch getötet, an Körper oder Gesundheit verletzt oder eine andere Sache beschädigt wurde. Gemäß § 1, Abs. (4), 1. Satz hat der Geschädigte den Schaden, den Fehler und den ursächlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden zu beweisen (Beweislast). Soweit ist die angeführte Regelung zunächst analog zum BGB zu sehen, aber dies ist nur die „halbe Wahrheit“. Den Unterschied im Sinne einer verschuldensunabhängigen Haftung macht der 2. Satz, Abs. (4) aus, in dem der Gesetzgeber eine Beweislastumkehr festlegt, sobald die Ersatzpflicht des Herstellers gemäß § 1, Abs. (2) oder (3) streitig ist. Für den Hersteller ergeben sich somit im Haftungsfall folgende beiden Varianten: a) Kann er belegen, dass einer der Punkte von Abs. (2) zutrifft, z.B. durch Nachweis, dass der schadenverursachende Produktfehler zum Zeitpunkt seines Inverkehrbringens nicht vorlag oder Nachweis, dass der Produktfehler gemäß damaligen Stand der Wissenschaft und Technik nicht erkannt werden konnte, so bleibt die Beweislast beim Geschädigten. b) Gelingt dies dem Hersteller nicht, und in der Praxis ist diese Situation nicht selten, muss der Hersteller den kausalen Beweis erbringen. Dazu hat er zu beweisen, dass „nach den Umständen davon auszugehen ist“, dass das Produkt zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens den Fehler noch nicht aufwies. Voraussetzung für eine solche Beweisführung ist eine zuverlässige Produktdokumentation, insbesondere mit zuverlässigen Angaben über durchgeführte Qualitätskontrollen.
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2.6.3 Haftung nach Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG) [61] und Umweltschadensgesetz (USchadG) [62] Das Umwelthaftungsgesetz, aus dem in Tabelle 2.26 einige Auszüge angeführt sind, regelt die Haftbarkeit für Umweltschäden. Die Anlagen, welche dem UmweltHG unterliegen, sind im Anhang 1 des Gesetzes aufgeführt. Insgesamt sind ca. 100 verschiedene Anlagenarten angegeben, d.h. für den Großteil der verfahrenstechnischen und nach der 4. BImSchV [48] genehmigungsbedürftigen Anlagen gilt das UmweltHG. Die Begriffsdefinitionen in § 3 des UmweltHG machen zugleich deutlich, dass die möglichen Umwelteinwirkungen und der Anlagenbegriff weit gefasst sind. Tabelle 2.26 Auszug aus dem Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG) [61] § 1 Anlagenhaftung bei Umwelteinwirkungen Wird durch eine Umwelteinwirkung, die von einer im Anhang 1 genannten Anlage ausgeht, jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Inhaber der Anlage verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. § 3 Begriffsbestimmungen (1) Ein Schaden entsteht durch eine Umwelteinwirkung, wenn er durch Stoffe, Erschütterungen, Geräusche, Druck, Strahlen, Gase, Dämpfe, Wärme oder sonstige Erscheinungen verursacht wird, die sich in Boden, Luft oder Wasser ausgebreitet haben. (2) Anlagen sind ortsfeste Einrichtungen wie Betriebsstätten und Lager. (3) Zu den Anlagen gehören auch Maschinen, Geräte, Fahrzeuge und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen und Nebeneinrichtungen, die mit der Anlage oder einem Anlagenteil in einem räumlichen oder betriebstechnischen Zusammenhang stehen und für das Entstehen von Umwelteinwirkungen von Bedeutung sein können. § 5 Beschränkung der Haftung bei Sachschäden Ist die Anlage bestimmungsgemäß betrieben worden (§ 6 Abs. 2 Satz 2), so ist die Ersatzpflicht für Sachschäden ausgeschlossen, wenn die Sache nur unwesentlich oder in einem Maße beeinträchtigt wird, das nach den örtlichen Verhältnissen zumutbar ist. § 6 Ursachenvermutung (1) Ist eine Anlage nach den Gegebenheiten des Einzelfalles geeignet, den entstandenen Schaden zu verursachen, so wird vermutet, dass der Schaden durch diese Anlage verursacht ist. Die Eignung im Einzelfall beurteilt sich nach dem Betriebsablauf, den verwendeten Einrichtungen, der Art und Konzentration der eingesetzten und freigesetzten Stoffe, den meteorologischen Gegebenheiten, nach Zeit und Ort des Schadenseintritts und nach dem Schadensbild sowie allen sonstigen Gegebenheiten, die im Einzelfall für oder gegen die Schadensverursachung sprechen. (2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn die Anlage bestimmungsgemäß betrieben wurde. Ein bestimmungsgemäßer Betrieb liegt vor, wenn die besonderen Betriebspflichten eingehalten worden sind und auch keine Störung des Betriebs vorliegt. (3) Besondere Betriebspflichten sind solche, die sich aus verwaltungsrechtlichen Zulassungen, Auflagen und vollziehbaren Anordnungen und Rechtsvorschriften ergeben, soweit sie die Verhinderung von solchen Umwelteinwirkungen bezwecken, die für die Verursachung des Schadens in Betracht kommen.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Tab. 2.26 (Fortsetzung) § 6 Ursachenvermutung (Fortsetzung) (4) Sind in der Zulassung, in Auflagen, in vollziehbaren Anordnungen oder in Rechtsvorschriften zur Überwachung einer besonderen Betriebspflicht Kontrollen vorgeschrieben, so wird die Einhaltung dieser Betriebspflicht vermutet, wenn 1. die Kontrollen in dem Zeitraum durchgeführt wurden, in dem die in Frage stehende Umwelteinwirkung von der Anlage ausgegangen sein kann, und diese Kontrollen keinen Anhalt für die Verletzung der Betriebspflicht ergeben haben, oder 2. im Zeitpunkt der Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs die in Frage stehenden Umwelteinwirkung länger als zehn Jahre zurückliegt.
Im UmweltHG wird im § 6 eine so genannte Ursachenvermutung festgelegt. Dabei wird im Schadensfall angenommen, dass eine Anlage mit potentiellen Umweltrisiken a priori die Schäden verursacht hat. Dies entspricht einer verschuldungsunabhängigen Gefährdungshaftung. Das heißt beispielsweise, ein Betrieb haftet verschuldungsunabhängig auch dann, wenn er seine Anlage genehmigungskonform, unter Einhaltung der zulässigen Grenzwerte, unter Berücksichtigung aller Auflagen ohne Störungen betrieben hat, dies aber nicht dokumentarisch nachweisen kann. Diese Gefährdungshaftung (Synonym: Verdachtshaftung) ist als „Gegenleistung“ des Betreibers einer Anlage mit einem bestimmten Gefährdungspotenzial gegenüber der Gesellschaft, die dem Betreiber den Betrieb der Anlage erlaubt, zu verstehen. Die Beweislast liegt im Schadensfall gemäß § 6, Abs. 1 zunächst entsprechend der Ursachenvermutung beim Anlagenbetreiber und nicht beim Geschädigten. Der Anlagenbetreiber kann die Ursachenvermutung außer Kraft setzen und somit die Beweislast an den Geschädigten übertragen, wenn er die Vorgaben gemäß § 6, Abs. (2), (3) und (4) einhält und dies nachvollziehbar dokumentieren kann. Dies bedeutet aber insbesondere, dass die Einhaltung verwaltungsrechtlicher Zulassungen, Auflagen, vollziehbaren Anordnungen und Rechtsvorschriften während des genehmigten bestimmungsgemäßen Betriebs (ggf. inkl. der umweltbezogenen Bestimmungen aus der UVP, s. Abschn. 3.4.1) erfolgt ist und gerichtsfest nachgewiesen werden kann sowie alle in Zulassung, Auflagen, vollziehbaren Anordnungen oder Rechtsvorschriften vorgeschriebenen Kontrollen (z.B. Emissionsmessungen) durchgeführt wurden, keine Pflichtverletzungen ergaben und dies gerichtsfest dokumentiert ist. Die möglichen und sehr wesentlichen Haftungserleichterungen für den Betreiber bewirken somit erhebliche Dokumentationspflichten während der Projektabwicklung und des Anlagenbetriebs. Liegt die in Frage stehende Umwelteinwirkung gegenüber dem Zeitpunkt des Schadenersatzanspruchs länger als 10 Jahre zurück, so hat gemäß § 6, Abs. (4) Satz 2 der Geschädigte den ursächlichen Beweis zu erbringen. Die Haftungshöchstgrenze nach § 15 UmweltHG liegt bei 85 Millionen Euro, soweit die Schäden aus einer einheitlichen Umwelteinwirkung entstanden sind. Für spezielle
2.6 Haftung, Gewährleistung, Garantie für die Dokumentation
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Anlagen besteht die Pflicht, eine Deckungsvorsorge für eventuelle Schäden, z.B. durch eine Haftpflichtversicherung zu schaffen. Insgesamt sind bei verfahrenstechnischen Anlagen die Umwelthaftungsrisiken entsprechend UmweltHG und der sich daraus ableitenden Nachweispflichten erheblich. In der Praxis wird dies aber, anders als bei den Produkthaftungsrisiken, mitunter unterschätzt. Gemäß § 1 beschränkt das UmweltHG die Haftung auf sog. Drittschäden (Personen, Sache). Eine reine Haftung für Umweltschäden ist im UmweltHG nicht vorgesehen. Diese Lücke schließt das Umweltschadensgesetz (USchadG), indem auch Umweltschäden im Sinne von § 2 (Begriffsbestimmungen) einer Schädigung von Arten und natürliche Lebensräumen, der Gewässer und des Bodens erfasst werden. Grundsätzlich ist festzustellen: Das USchadG verschärft die Haftung für natürliche und juristische Personen. Für berufliche Tätigkeiten, die in der Anlage 1 zu § 3 Abs. 1 des USchadG aufgeführt sind, gilt eine verschuldungsabhängige Haftung des Verantwortlichen für Umweltschäden. Dies betrifft u.a. den Betrieb/das Betreiben von Anlagen, für den eine Genehmigung gemäß Richtlinie 2010/75/EU, Anlage I (d. Verf.: Industrieemissionsrichtlinie – IE-RL [10]), erforderlich ist. Für den Verantwortlichen formuliert das USchadG sog. Informationspflichten (§ 4), Gefahrenabwehrpflichten (§ 5) und Sanierungspflichten (§ 6). In § 9 (Kosten für Vermeidungs- und Sanierungsmaßnahmen) steht: (1) Der Verantwortliche trägt vorbehaltlich von Ansprüchen gegen die Behörden oder Dritte die Kosten der Vermeidungs-, Schadenbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen.
Es erscheint ratsam, in das zuvor beschriebene Controlling zu den behördlichen umweltrelevanten Vorgaben auch die anderen behördlich angeordneten Pflichten (bezüglich Sicherheit, Anzeige, Prüfung, Fortschreibung, Dokumentation usw.) mit aufzunehmen.
2.6.4 Gewährleistung und Garantie für die Dokumentation Die Gewährleistung ist sowohl für Werkverträge (s. Abschn. 4.4.2), z.B. Anlagenvertrag über eine verfahrenstechnische Anlage inkl. Dokumentation, als auch für Kaufverträge (s. Abschn. 4.4.3), z.B. Liefervertrag über eine Hauptausrüstung, zutreffend und wichtig. Ihre Definition lautet in strenger Abgrenzung zu Garantie nach [76]: Die Gewährleistung bzw. Mängelhaftung bezeichnet die gesetzlichen Mängelansprüche des Bestellers (im Werkvertrag) bzw. des Käufers (im Kaufvertrag).
Die Rechte des Bestellers bzw. Käufers bei Mängeln sind im Werkvertrag nach BGB, § 634 bzw. im Kaufvertrag nach § 437 folgende: 1. Nacherfüllung verlangen, 2. den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen (nur im Werkvertrag), 3. von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 636 die Vergütung mindern, 4. Schadenersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.
Geht man vom Normalfall einer Nacherfüllung (Nachbesserung) aus, so gilt vereinfacht: Die Gewährleistung bzw. Mängelhaftung (im Werk und Kaufvertrag) definiert eine zeitlich befristete Nachbesserungspflicht für Mängel am hergestellten Werk bzw. am Kaufgegenstand, die zum Zeitpunkt der Abnahme bzw. des Kaufs bereits bestanden. Die Gewährleistung resultiert aus gesetzlichen Regelungen.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
a) Gewährleistung im Werkvertrag Für Dokumentationsleistungen, die überwiegend in Werkverträgen erbracht werden oder ein Bestandteil des herzustellenden Werks (sprich: Anlage und zugehörige Dokumentation) sind, sind betreffs Gewährleistung folgende Aspekte zu beachten: 1) Gewährleistungsmängel und -ansprüche sind erst nach erfolgter werkvertraglicher Abnahme relevant. Ist die Abnahme noch nicht erfolgt, so handelt es sich um einen normalen Leistungsmangel gemäß Vertrag. 2) Wesentliche Mängel vor der Abnahme sind nachzubessern, ansonsten erfolgt keine Abnahme und keine Vergütung für diese Leistung (sog. Erfüllungsanspruch). Nicht-wesentliche Mängel werden in einer Restpunkt- bzw. Mängelliste erfasst und dem Abnahmeprotokoll beigefügt. Sie sind Teil der vertraglich geschuldeten Leistung (Erfüllungsanspruch) und kein Gewährleistungsanspruch. Der Besteller/Auftraggeber kann das Doppelte der für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten verweigern (einbehalten) (BGB, § 641, Abs. (3)). 3) Zum Zeitpunkt der Abnahme hat der Auftragnehmer zu gewährleisten, dass das Werk (sprich: die erbrachte Leistung) frei von Sach- und Rechtsmängeln ist (s. § 633 BGB in Abschn. 4.4.2). 4) Ein Sachmangel des Werks (der Leistung) liegt vor [77], wenn es nicht die zwischen Besteller (Auftraggeber) und Unternehmer (Auftragnehmer) vereinbarte Beschaffenheit hat, es sich nicht für die im Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, es sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und nicht eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann, oder ein anderes als das bestellte Werk oder das Werk in zu geringer Menge hergestellt worden ist. Ferner liegt ein Rechtsmangel immer dann vor, wenn ein Dritter aufgrund eines privaten oder öffentlichen Rechts das Eigentum, den Besitz oder den Gebrauch der Sache oder des Rechts beeinträchtigen kann [78]. 5) Die Gewährleistung ist zeitlich befristet. Dazu sollten im Vertrag entsprechende Regelungen getroffen werden. Im deutschen Recht gibt es im BGB [38] in Verbindung mit Werkverträgen (§ 634a) und Kaufverträgen (§ 438) indirekt auch Angaben zur Gewährleistungsfrist. Der Gesetzgeber spricht dabei nicht von Gewährleistungsfrist, sondern in der umgekehrten Sprachlogik von einer Verjährung der Mängelansprüche. Für den Werkvertrag steht im § 634a (Verjährung der Mängelansprüche): (1) Die in § 634 Nr. 1, 2 und 4 bezeichneten Ansprüche (d. Verf.: Nacherfüllung, Selbstvornahme, Schadenersatz) verjähren 1. vorbehaltlich der Nummer 2 in zwei Jahren bei einem Werk, dessen Erfolg in der Herstellung, Wartung oder Veränderung einer Sache oder in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen hierfür besteht, 2. in fünf Jahren bei einem Bauwerk und einem Werk, dessen Erfolg in der Erbringung von Planungs- und Überwachungsleistungen hierfür besteht und 3. im Übrigen in der regelmäßigen Verjährungsfrist (d. Verf.: 3 Jahre nach § 195). (2) Die Verjährung beginnt in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 mit der Abnahme.
2.6 Haftung, Gewährleistung, Garantie für die Dokumentation
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Im Umkehrschluss heißt dies, dass der Auftragnehmer (laut BGB der Unternehmer) im Werkvertrag gemäß BGB für die Mangelfreiheit der vereinbarten Bauplanungsleistungen bis zu 5 Jahre und der anderen Planungsleistungen bis zu 2 Jahre und der zugehörigen Dokumentation nach deren Abnahme gewährleistet. Die Dokumentationsleistungen gehören zweifelsfrei zu den Planungsleistungen, sodass für sie die Gewährleistungsfrist die gleiche ist, wie für die Anlage. Vertragliche Regelungen, die von diesen Angaben in § 634a abweichen, sind möglich, da die Angaben zum Werkvertragsrecht im BGB dispositiv sind (s. Abschn. 4.4.1). 6) Entsprechend der folgenden Formulierung in § 363 BGB (Beweislast bei Annahme als Erfüllung): Hat der Gläubiger eine ihm als Erfüllung angebotene Leistung als Erfüllung angenommen, so trifft ihn die Beweislast, wenn er die Leistung deshalb nicht als Erfüllung gelten lassen will, weil sie eine andere als die geschuldete Leistung oder weil sie unvollständig sei.
muss der Auftraggeber nachweisen, dass der reklamierte Gewährleistungsmangel bereits zum Abnahmezeitpunkt vorlag. Er trägt die Beweislast (Synonym: Beweispflicht). Dies gilt auch im Kaufvertrag. 7) Von zentraler Bedeutung für den Gewährleistungsumfang, wie er allgemein in Punkt 4) beschrieben wurde, sind die Vereinbarungen zur sog. vereinbarten Beschaffenheit im Werkvertrag. Mögliche Beschaffenheitsmerkmale von Vertragsleistungen betreffs der Dokumentation, die zum Gewährleistungsumfang gehören, sind u.a.: die Einhaltung von Qualitätsanforderungen an die Papierdokumentation, die vertraglich vereinbart sind. Diese können gegebenenfalls sein: ▪ Vollständigkeit, ▪ Rechtskonformität, ▪ Einhaltung der Regel der Technik sowie der Allgemein anerkannten Regeln der Technik, ▪ Lesbarkeit, ▪ Begrifflichkeit, Eindeutigkeit, ▪ Nutzergerechtheit, ▪ Änderungsfreundlichkeit, ▪ As-built-Gerechtheit, ▪ Lieferung der Dokumentation in der abgestimmten Struktur bzw. Gliederung, ▪ Lieferung der Dokumentation in der abgestimmten Form. die Einhaltung von Qualitätsanforderungen an die elektronische Dokumentation, die vertraglich vereinbart sind. Diese können gegebenenfalls sein: ▪ Qualitätsmerkmale analog 1. Anstrich, Anpunkte 1 bis 8, ▪ Übergabe der elektronischen Dokumente in der abgestimmten Ablagestruktur, ▪ Lieferung der elektronischen Dokumente in den abgestimmten Dateiformaten.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
8) Bestimmte Gewährleistungsansprüche zur Anlage und Dokumentation können an die Einhaltung definierter Gewährleistungsvoraussetzungen geknüpft sein. Letztere sind im Vertrag oder in Betriebsanleitungen des Anlagenbauers/Herstellers zu definieren. Dies können z.B. Vorgaben des Auftragnehmers an den Auftraggeber im Umgang mit der Dokumentation sein. b) Gewährleistung im Kaufvertrag Ein Kaufvertrag gilt nach § 650 BGB für die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen (s. Abschn. 4.4.3). 1) Im Kaufvertrag wird der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Sache frei von Sachund Rechtsmängeln zu verschaffen (§ 433 BGB). Der Begriff Sachmangel wird in § 434 BGB folgendermaßen definiert: (1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrenübergang (d. Verf.: z.B. Frei Baustelle (Free Construction Site) oder Ab Werk (Ex Works) oder Frei an Bord (Free on Board) die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, 1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst 2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Zu der Beschaffenheit nach Satz 2 Nr. 2 gehören auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers (§ 4 Abs. 1 und 2 des Produkthaftungsgesetzes) oder seines Gehilfen insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann … (2) Ein Sachmangel ist auch dann gegeben, wenn die vereinbarte Montage durch den Verkäufer oder dessen Erfüllungsgehilfen unsachgemäß durchgeführt worden ist. Ein Sachmangel liegt bei einer zur Montage bestimmten Sache ferner vor, wenn die Montageanleitung mangelhaft ist, es sei denn, die Sache ist fehlerfrei montiert worden. (3) Einen Sachmangel steht es gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache oder eine zu geringe Menge liefert.
Analog zum Werkvertrag (s. Buchst. a), Ziff. 4)) wird auch beim Kaufvertrag auf die vereinbarte Beschaffenheit Bezug genommen. Somit gelten auch die Ausführungen zu möglichen Beschaffenheitsmerkmalen für die Dokumentation (s. Ziff. 7)) entsprechend. 2) Zur Gewährleistungsfrist bei Kauf steht in BGB § 438 (Verjährung der Mängelansprüche): (1) Die in § 437 Nr. 1 und 3 bezeichneten Ansprüche (d. Verf.: Nacherfüllung, Zurücktreten vom Kauf, Kaufpreisminderung, Schadenersatz) verjähren 1. in 30 Jahren, wenn der Mangel a) in einem dinglichen Recht eines Dritten (d. Verf.: vorrangig: Eigentumsrecht), auf Grund dessen Herausgabe der Kaufsache verlangt werden kann, oder b) in einem sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist, 2. in fünf Jahren a) bei einem Bauwerk und b) bei einer Sache, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat, und 3. im Übrigen in zwei Jahren.
2.6 Haftung, Gewährleistung, Garantie für die Dokumentation
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(2) Die Verjährung beginnt bei Grundstücken mit der Übergabe, im Übrigen mit der Ablieferung der Sache.
Die Regelungen zur Verjährung von Mängelansprüchen bzw. de facto die Gewährleistungsfristen sind im Werk- und Kaufvertrag somit ähnlich und schließen jeweils die Dokumentation ein. 3) Zu den Rechten des Käufers bei Mängeln werden in Abschn. 4.4.2 Ausführungen gemacht. c) Ausführungen zu Garantie Der Begriff Garantie wird im BGB in Verbindung mit Werkverträgen nicht und betreffs Kaufverträge nur selten (§§ 442, 443) gebraucht. In der Praxis versuchen einige Unternehmen diesen Begriff zu vermeiden, da ihnen die Abgrenzung zur Gewährleistung schwierig erscheint. Dies kann Unklarheit bewirken, sodass nachfolgend einige Ausführungen angebracht erscheinen. Zunächst zur Begriffsdefinition aus der Fachliteratur: Die Garantie ist eine freiwillig, zusätzlich zu den gesetzlichen Mängelrechten, übernommene und vereinbarte Verpflichtung eines Garanten (Vertragspartners).
Das Wort „freiwillig“ gilt insofern, dass es keine gesetzlichen Regelungen und Zwänge für ein Garantieversprechen/Garantiezusage gibt. Der Auftragnehmer unterliegt aber den markwirtschaftlichen Regeln des Wettbewerbs und geht deshalb diese Verpflichtung ein. In Anlagenprojekten ist der Garant (Garantiegeber) i.Allg. der Auftragnehmer, z.B. der Generalplaner oder der Generalunternehmer. Im Weiteren zur Vertiefung der Thematik noch einige Bemerkungen. 1) Die Garantiezusage kann eine gesetzliche Gewährleistung nicht ersetzen und auch nicht in Umfang und Zeitdauer verringern. Sie ist neben bzw. zusätzlich zur gesetzlichen Gewährleistung zu verstehen. 2) Das Garantieversprechen ist eine bestimmte Zusage, die nicht an den Zustand des Werks inkl. Dokumentationsleistung zum Zeitpunkt der Abnahme gebunden ist. 3) Die Garantie sichert dem Auftraggeber eine unbedingte Schadenersatzleistung gemäß der Garantievereinbarung zu. Im Gewährleistungsfall, z.B. bei einen Dokumentationsmangel, wird meistens nachgebessert. 4) Garantien sind besondere Versprechen des Auftragnehmers gegenüber den Auftraggeber, um ihn von seiner Leistungskraft zu überzeugen. Sie sind wichtige Punkte bei den Vergabe- bzw. Vertragsverhandlungen. Je nachdem, ob der Garantiefall vor oder nach der werkvertraglichen Abnahme der Vertragsleistung eintritt, hat der Auftragnehmer oder der Auftraggeber die Beweislast (Beweispflicht) zu tragen. 5) Eine besondere Aussage betreffs Garantie wird für den Kaufvertrag im BGB, § 443 (Garantie) gemacht: (1) Geht der Verkäufer, der Hersteller oder ein sonstiger Dritter in einer Erklärung oder einschlägigen Werbung, die vor oder bei Abschluss des Kaufvertrags verfügbar war, zusätzlich zu der gesetzlichen Mängelhaftung insbesondere die Verpflichtung ein, den Kaufpreis zu erstatten, die Sache auszutauschen, nachzubessern oder in ihrem Zusammenhang Dienstleistungen zu erbringen, falls die Sache nicht diejenige Beschaffenheit aufweist oder andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderungen nicht erfüllt,
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation die in der Erklärung oder einschlägigen Werbung beschrieben sind (Garantie), stehen dem Käufer im Garantiefall unbeschadet der gesetzlichen Ansprüche die Rechte aus der Garantie gegenüber demjenigen zu, der die Garantie gegeben hat (Garantiegeber). (2) Soweit der Garantiegeber eine Garantie dafür übernommen hat, dass die Sache für eine bestimmte Dauer eine bestimmte Beschaffenheit behält (Haltbarkeitsdauer), wird vermutet, dass ein während ihrer Geltungsdauer auftretender Sachmangel die Rechte aus der Garantie begründet.
6) Im Anlagenbau sind für die Dokumentation spezielle Garantieverpflichtungen und Garantienachweise, z.B. vereinbarte Garantieparameter, die während eines Dokumentationstests nachzuweisen sind, nicht üblich. Man spricht in Verbindung mit der Überprüfung der Vertragsgemäßheit und/oder der Leistungs-/Nutzungsfähigkeit der Dokumentation, von Prüfung oder Qualitätskontrolle der Dokumentation, z.B. in Vorbereitung der werkvertraglichen Abnahme der AS BUILT-Dokumentation (s. Abschn. 4.6.5) bzw. Inspektion der Dokumentation, z.B. im Zusammenhang mit Arbeiten zur GMPrelevanten Qualifizierung von Pharma-Anlagen inkl. zugehöriger Dokumente.
2.7 Aufbewahrungsgründe und -fristen von Anlagendokumenten Im Handels- und Steuerrecht sind zahlreiche Aufbewahrungspflichten für kaufmännische und geschäftliche Dokumentenarten vorgegeben, damit an Hand der aufzubewahrenden Dokumente die Buchführung überprüft werden kann [80]. Im Mittelpunkt stehen stets die Aufbewahrungspflichten, die sich aus rechtlichen Vorgaben ergeben. Wichtige gesetzliche Grundlagen sind dafür das Handelsgesetzbuch (HGB) [81] sowie die Steuergesetzgebung. Methodisch wird unterschieden zwischen den aufbewahrungspflichtigen Personen und Unternehmen, den aufbewahrungspflichtigen Dokumenten, den Aufbewahrungspflichten und -fristen, den Aufbewahrungsformen/-medien, dem Aufbewahrungsort. Dokumente können traditionell in Papierform archiviert werden. Inzwischen werden handelsrechtliche Dokumente und Aufzeichnungen jedoch fast ausschließlich in elektronischer Form aufbewahrt und archiviert. Der Gesetzgeber hat die diesbezüglichen Pflichten der Unternehmen in mehreren Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) mit dem Titel „Grundsätze der ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“ (abgekürzt GoBD) festgelegt. Informationstechnische Systeme zur Verarbeitung und Aufbewahrung von diesen Daten müssen den Vorgaben der GoBD genügen Schwerpunkt dieses Abschnitts ist die Aufbewahrung technischer Dokumente (Anlagendokumente). Der Themenkomplex der steuerlichen und handelsrechtlichen Dokumente von Anlagen bleibt weitgehend unbeachtet, obwohl er streng genommen ein Teil der Gesamtdokumentation einer verfahrenstechnischen Anlage ist.
2.7 Aufbewahrungsgründe und -fristen von Anlagendokumenten
131
Bei der Aufbewahrung technischer Dokumente (inkl. Gesundheit, Sicherheit, Umwelt), die vorrangig zur Anlagendokumentation gehören und auch den wesentlichen Teil der AS BUILT-Dokumentation ausmachen steht die Frage: Wer muss oder soll welche Dokumente aus welchen Gründen wie lange aufbewahren? Die grundsätzlichen Möglichkeiten zur Aufbewahrung sowie wichtige Gründe seitens des Auftraggebers und Auftragnehmers sind in Abb. 2.13 dargestellt.
Abb. 2.13 Aufbewahrungsmöglichkeiten und -gründe von Anlagendokumenten
Einleitend sollen zunächst folgende Vorbemerkungen und Klarstellungen erfolgen: Der Begriff Aufbewahren wird als Überbegriff im Sinne des Bereithaltens von Informationen und Dokumenten zur Nutzung verstanden. Dabei wird unterschieden zwischen. Ablage/Ablegen: dient der kurz- und mittelfristigen Aufbewahrung und Verwaltung von Informationen bzw. Dokumenten zum Zweck des schnellen und einfachen Zugriffs [82). Das Ablegen schließt somit das Abheften (gegenständlich) und das Speichern (elektronisch) ein. Archiv/Archivieren: dient der langfristigen, strukturierten und statischen Aufbewahrung von Dokumenten [82].
Abgelegt werden dynamische, sich zeitlich verändernde/fortgeschriebene Dokumente; archiviert werden überwiegend statische bzw. zu einem bestimmten Zeitpunkt „eingefrorene“ Dokumente und/oder Dokumentationen. Die Ablage von Dokumenten findet während des gesamten Anlagen-Lebenszyklus statt. Zunächst gleichermaßen seitens des Auftraggebers und der Auftragnehmer, später nach Lieferung und Abnahme der AS BUILT-Dokumentation überwiegend beim Anlagenbetreiber. Die Aufbewahrungsfristen rechtsrelevanter, genehmigungsrelevanter und GSUrelevanter Dokumente sind i.d.R. gesetzlich vorgegeben. Andere Fristen enden mit
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Ablauf von Gewährleistungs- und/oder Haftungsansprüchen bzw. von entsprechenden Verjährungsfristen. Die Aufbewahrungsfrist der meisten Dokumente hängt darüber hinaus von ihrer weiteren Nutzung im Leben der Anlage ab. Eine generelle Aussage ist nicht möglich. Bei der Analyse der Aufbewahrungspflichten, die sich aus Rechtsvorschriften ergeben, muss insbesondere im internationalen Anlagenbau beachtet werden, welches nationale Recht im Vertrag bzw. im Auftrag vereinbart ist. Die Aussagen in diesem Abschnitt beziehen sich auf deutsches bzw. europäisches Recht. Nicht zuletzt sind die Aufbewahrungsgründe und -fristen für die einzelnen Vertragspartner bzw. für andere beteiligte Stellen, die an der Dokumentation mitwirken bzw. diese nutzen, sehr unterschiedlich und entsprechend getrennt zu analysieren. Im Folgenden werden, ergänzend zu Abb. 2.13, Aufbewahrungsgründe und –fristen aus der Sicht der unterschiedlichen Rollen bzw. Parteien (Stakeholder) betrachtet. a) Aufbewahrung durch Hersteller bzw. seinen Bevollmächtigten Der Hersteller ist derjenige, der ein Produkt im Sinne des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG) [13]) erzeugt und in Verkehr bringt. Er ist zugleich auch für die zugehörige Technische Produktdokumentation verantwortlich. Der Hersteller übergibt dem Nutzer die zum bestimmungsgemäßen und sicheren Gebrauch/Verwendung erforderlichen Anleitungen (externe Technische Dokumentation) und bewahrt diese auf; übergibt dem Nutzer die Konformitätserklärung/Herstellererklärung (sofern gesetzlich erforderlich) und bewahrt diese auf; erzeugt die technischen Unterlagen (interne Technische Dokumentation) und bewahrt diese auf. Der Gesetzgeber hat für gefahrenträchtige Produkte nähere Vorgaben für deren Herstellung und Inverkehrbringen gemacht, die auch Angaben zur Dokumentation (s. Abschn. 2.2.2) und 2.3.3) und zu den Aufbewahrungspflichten einschließen. In Tabelle 2.27 sind zu den Aufbewahrungsfristen nähere Informationen enthalten, die folgende anlagenrelevante Produkte betreffen: Maschinen entsprechend dem Begriffsverständnis nach Artikel 1 der MaschinenRichtlinie (MRL) [4], Geräte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemäßen Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen nach Artikel 1 der ATEX-Herstellerrichtlinie [6], Druckgeräte und Baugruppen nach Artikel 1 der Druckgeräte-Richtlinie (DGRL) [5], elektrische Baugruppen im Sinne der Niederspannungsrichtlinie [7]. Die Mindestaufbewahrungsfrist der in EU-Richtlinien vorgegebenen Dokumente beträgt i.d.R. 10 Jahre, beginnend nach dem letzten Tag der Herstellung des betreffenden Produkts. Wie konsequent der Gesetzgeber die Aufbewahrungspflicht sieht, verdeutlicht der folgende Auszug aus der MRL, Anhang VII (Technische Unterlagen für Maschinen): 3. Werden die technischen Unterlagen den zuständigen einzelstattlichen Behörden auf begründetes Verlangen nicht vorgelegt, so kann dies ein hinreichender Grund sein, um die Übereinstimmung der betreffenden Maschine mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen anzuzweifeln.
2.7 Aufbewahrungsgründe und -fristen von Anlagendokumenten
133
Tabelle 2.27 Aufbewahrungspflichten wesentlicher Herstellerdokumente RECHTSGRUNDLAGE/ DOKUMENT
AUFBEWAHRUNGSFRIST
1) Maschinenrichtlinie [4] EG-Konformitätserklärung (Original) nach Anhang II, Ziff. 1, Buchst. A und Ziff. 2
10 Jahre (n. letzten Tag der Herstellung der Maschine)
Erklärung für den Einbau einer unvollständigen Maschine (Original) n. Anhang II, Ziff. 1, Buchst. B und Ziff. 2
10 Jahre (nach letzten Tag der Herstellung der unvollständigen Maschine)
Technische Unterlagen für Maschinen nach Anhang VII, Buchst. A, Ziff. 1 und 2
10 Jahre (nach letzten Tag der Herstellung der Maschine bzw. bei Serienfertigung nach Tag der Fertigstellung der letzten Einheit)
Spezielle technische Unterlagen für unvollständige Maschinen nach Anhang VII, Buchst. B
10 Jahre (nach letzten Tag der Herstellung der Maschine bzw. bei Serienfertigung nach Tag der Fertigstellung der letzten Einheit)
EG-Baumusterprüfbescheinigung (Kopie), die technische Unterlagen und alle dazugehörigen wichtigen Dokumente nach Anhang IX, Ziff. 4 und Ziff. 9.3
15 Jahre (nach Ausstellung der Bescheinigung)
Unterlagen für Bewertung des Qualitätssicherungssystems (QS) durch benannte Stelle nach Anhang X, Ziff. 4, 1. Anstrich
10 Jahre (nach letzten Tag der Herstellung der Maschine)
Entscheidungen und Berichte der benannten Stelle über die Bewertung des QS-Systems nach Anhang X, Ziff. 4, 2. Anstrich
10 Jahre (nach letzten Tag der Herstellung der Maschine)
Bem.: gilt für Hersteller und benannte Stelle
2) ATEX-Herstellerrichtlinie [6] EU-Baumusterprüfbescheinigung (Kopie) und. technische Unterlagen nach Anhang III, Ziff. 9 (Modul B: EU-Baumusterprüfung)
10 Jahre (nach Herstellung des letzten Geräts)
Unterlagen für Bewertung des Qualitätssicherungssystems (QS) durch benannte Stelle nach Anhang IV, Ziff. 5 und technische Unterlagen sowie EU-Konformitätserklärung bzw. EUBaumusterprüfbescheinigung (Modul D: Qualitätssicherung Produktion)
10 Jahre (nach Herstellung des letzten Geräts)
Unterlagen der Baumusterprüfung durch benannte Stelle sowie EU-Konformitätserklärung bzw. Konformitätsbescheinigung nach Anhang V (Modul F: Konformität mit dem Baumuster auf Grundlage einer Produktprüfung)
10 Jahre (nach Herstellung des letzten Geräts)
10 Jahre Unterlagen der Baumusterprüfung durch benannte Stelle sowie EU-Konformitätserklärung (nach Herstellung des letzten Geräts) bzw. Konformitätsbescheinigung nach Anhang VI (Modul C1: Konformität mit dem Baumuster mit interner Fertigungskontrolle und Produktprüfungen)
134
2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Tab. 2.27 (Fortsetzung) 2) ATEX-Herstellerrichtlinie (Fortsetzung) Unterlagen der Baumusterprüfung durch benannte Stelle sowie EU-Konformitätserklärung bzw. Konformitätsbescheinigung nach Anhang VI (Modul C1: Konformität mit dem Baumuster mit interner Fertigungskontrolle und Produktprüfungen)
10 Jahre (nach Herstellung des letzten Geräts)
Unterlagen für Bewertung des Qualitätssicherungssystems (QS), sowie Änderungen Entscheidungen u. Berichte der durch benannte Stelle n. Anhang VII, dazu EU-Konformitätserklärung bzw. Konformitätsbescheinigung, (Modul E: Konformität mit dem Baumuster auf der Grundlage QS Produktion)
10 Jahre (nach Herstellung des letzten Geräts)
EU-Konformitätserklärung bzw. Konformitätsbescheinigung u. technische Unterlagen n. Anhang VIII, Ziff. 4 (Modul A: Interne Fertigungskontrolle EU-Konformitätserklärung bzw. Konformitätsbescheinigung und technische Unterlagen n. Anhang IX, Ziff. 5 (Modul G: Einzelprüfung)
10 Jahre (nach Herstellung des letzten Geräts) 10 Jahre (nach Herstellung des letzten Geräts)
3) Druckgeräterichtlinie [5] EU-Konformitätserklärung (Kopie) und ggf. technische Unterlagen nach Anhang III (s. einzelne Module)
10 Jahre (nach Herstellung des letzten Druckgeräts)
EU-Baumusterprüfbescheinigung (Kopie) und techni- 10 Jahre sche Unterlagen nach Anhang III (s. relevante Modu- (nach Herstellung des letzten Druckgeräts) le) 10 Jahre Unterlagen für Bewertung des Qualitätssicherungs(nach Herstellung des letzten Drucksystems (QS) durch benannte Stelle n. Anhang III geräts) (s. relevante Module) Unterlagen über die Aktualisierung des QS-Systems nach Anhang III (s. relevante Module)
10 Jahre (nach Herstellung des letzten Druckgeräts)
Entscheidungen u. Berichte der benannten Stelle über das QS-System nach Anhang III (s. relevante Module)
10 Jahre (nach Herstellung des letzten Druckgeräts)
4) Niederspannungsrichtlinie [7] EU-Konformitätserklärung (Kopie) und technische Unterlagen nach Anhang III (Modul A)
10 Jahre (nach Herstellung des letzten elektrischen Betriebsmittels)
Neben den gesetzlichen Aufbewahrungspflichten gibt es für den Hersteller weitere Gründe für das Aufbewahren von Dokumenten nach Fertigstellen und Ausliefern seines Produkts (s. auch Abb. 2.13). Diese sind u.a. Klärung und ggf. Abwehr von Gewährleistungsansprüchen des Kunden. Entsprechend den üblichen Gewährleistungsfristen von 2 Jahren für gelieferte Anlagenkomponenten sind auch die Dokumente mindestens ebenso lange aufzubewahren.
2.7 Aufbewahrungsgründe und -fristen von Anlagendokumenten
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Gewährleistungsrelevante Dokumentenarten sind beispielsweise ▪ freigegebene Werkstattzeichnungen inkl. Stücklisten, ▪ Schweißzeugnisse, Scheißverfahrensprüfungen, Schweißereinsatzliste u.ä. ▪ Protokolle von Zerstörungsfreien Prüfungen (ZfP), Prüferzeugnisse u.a. Nachweise über Qualitätskontrollen, ▪ Werkstoff-Prüfbescheinigungen nach EN 10204, ▪ Betriebsanleitungen, ▪ Wartungs-/Inspektionspläne, ▪ Hersteller-/Lieferantendokumentationen bzw.-dokumente. Klärung und ggf. Abwehr von Haftungsansprüchen des Kunden bzw. Dritter. Die Dokumentenarten sind z.T. den Ausführungen zum Produkthaftungsgesetz [20] in Abschn. 2.6.2 zu entnehmen. Wichtig sind Dokumente, die die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen nachweisen sowie eine ausreichende Darbietung des Produkts und umfassende Qualitätskontrollen während seiner Herstellung belegen. Die Aufbewahrungsfrist beträgt ausgehend von der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB [38] mindestens 3 Jahre. Klärung von Change-Order-Vorgängen. Betroffen sind Dokumente oder einzelne Versionen bestimmter Dokumente, mit denen der Verursacher von Änderungen und entsprechenden Mehrkosten ermittelt werden kann. Neben technischen Dokumenten betrifft dies oftmals auch Projekt- und Beschaffungsdokumente. Nutzung der Dokumente für zukünftige Aufträge bzw. zur betriebsinternen Erfassung von Know-how. b) Aufbewahrung durch Generalunternehmer bzw. Package-unit-Lieferant Die genannten juristischen Personen (Unternehmen) liefern i.d.R. komplette Anlagen bzw. Teilanlagen inkl. der zugehörigen Gesamtdokumentation, auf Basis eines Generalvertrages. Sie sind de facto der Hersteller einer kompletten verfahrenstechnischen Anlage und der entsprechenden AS BUILT-Dokumentation. Wichtige Gesichtspunkte für die Aufbewahrung der AS BUILT-Dokumentation oder von Teilen davon sind: Falls der Generalunternehmer (GU) bzw. Package-unit-Lieferant die Gesamt- bzw. Teilanlage in Verkehr gebracht hat und für diese die EG-Konformität nach Maschinenrichtlinie [4] bewerten und erklären muss (s. Abschn. 5.12.3), gelten für ihn auch Aufbewahrungspflichten entsprechend Tab. 2.27, a). Beispielsweise sind die gegebenenfalls notwendigen EU-Konformitätserklärungen für die Anlage, Package-units, Produkte und die Unterlagen des zugehörigen Konformitätsbewertungsverfahrens inkl. Risikobeurteilung mindestens 10 Jahre aufzubewahren. Eine analoge Pflicht kann sich für den GU ergeben, wenn er keine kompletten Maschinen einkauft, sondern diese aus Einzelzulieferungen (z.B. Pumpe und Antriebsmotor, Rührgefäß und Rührer mit Antriebsmotor) eigenverantwortlich konfiguriert. Er erhält in diesen Fällen vom Hersteller nur Einbauerklärungen und muss vor Inverkehrbringen (Übergabe) der Anlage selbst die Konformität für die durch ihn in Verkehr gebrachte Gesamtheit von Maschinen bewerten und erklären.
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2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Klärung und ggf. Abwehr von Gewährleistungsansprüchen des Kunden. Die Aufbewahrungsfristen relevanter Dokumente sollten mindestens den Gewährleistungszeitraum überdauern. Dies können beispielsweise nach BGB für gewährleistungsrelevante Baudokumente 5 Jahre und für die anderen Dokumente 2 Jahre sein (s. Abschn. 2.6.4). Klärung und ggf. Abwehr von Haftungsansprüchen des Kunden bzw. Dritter. Der GU bzw. Package-unit-Lieferant muss bis zur Verjährung eventueller Haftungsansprüche (z.B. 3 Jahre n. BGB, § 195) oder bis zum Eintritt von Beweiserleichterungen (z.B. 10 Jahre n. UmweltHG, § 6) die relevanten Nachweisdokumente sicher aufbewahren. Dazu gehören vorrangig Dokumente, mit denen die Erfüllung der rechtlichen Pflichten und der anerkannten Regeln der Technik während des Verantwortungszeitraums nachgewiesen werden kann. Ein Großteil davon sind Nachweise (Protokolle, Bescheinigungen, Zertifikate) über erfolgreich durchgeführte Sicherheitsprüfungen (s. Abschn. 3.6.3.5). Klärung von Change-Order-Vorgängen. Betroffen sind Dokumente oder einzelne Versionen bestimmter Dokumente, mit denen der Verursacher von Änderungen und entsprechenden Mehrkosten ermittelt werden kann. Neben technischen Dokumenten betrifft dies oftmals auch Projekt- und Beschaffungsdokumente. Nutzung der Dokumente als Wettbewerbsvorteil für zukünftige Aufträge bzw. zur betriebsinternen Sicherung des Know-how. Eine Aufbewahrung weit über die gesetzlichen Fristen hinaus ist meist wirtschaftlich sinnvoll! c) Aufbewahrung durch Ingenieurbüro bzw. Generalplaner Beim klassischen Engineeringvertrag verantwortet das Ingenieurbüro als Auftragnehmer verschiedenartige Ingenieurleistungen, aber keine Herstellung der Anlage. Die Leistungen für die Lieferung und Errichtung der Anlage kauft der Auftraggeber selbst ein. Das Ingenieurbüro bringt in diesem Fall keine Produkte bzw. Anlagen in Verkehr und haftet somit auch nicht für die Vertragsleistungen inkl. Dokumentation der Produkthersteller/-lieferanten und der Bau-/Montagefirmen. Die Aufbewahrungspflichten sind aus diesem Grund im Vergleich zum Generalunternehmer (Buchstabe b) geringer. Trotz der vorgenannten Einschränkungen gibt es auch für das Ingenieurbüro zahlreiche Gründe für die Aufbewahrung von Dokumenten, z.B. Klärung und ggf. Abwehr von Gewährleistungsansprüchen des Kunden. Das Ingenieurbüro gewährleistet für die Richtigkeit seiner Engineeringleistungen. Dies bedeutet nach BGB 5 Jahre für Bauplanung/-überwachung und 2 Jahre für sonstige Planungs- und Überwachungsleistungen. Nachweisdokumente für die rechts- und vertragskonforme Leistungserbringung sind mindestens über diesen Zeitraum aufzubewahren. Klärung und ggf. Abwehr von Haftungsansprüchen des Kunden bzw. Dritter: Bei Rechtsverstößen aber auch bei Fehlern und Schäden, die auf ein fahrlässiges bzw. grob fahrlässiges fachliches Handeln zurückzuführen sind, drohen strafrechtliche, ordnungsrechtliche und/oder zivilrechtliche Konsequenzen (s. Abschn. 2.6.1). Schadenersatzansprüche sind möglich. Die hohen Prämien für eine Planungshaftpflichtversicherung belegen die erheblichen Planungsrisiken. Die in der Tabelle 2.23 angeführten möglichen Versäumnisse sind dafür Beispiele.
2.7 Aufbewahrungsgründe und -fristen von Anlagendokumenten
137
Das Ingenieurbüro muss die eigenen Haftungsrisiken analysieren und bis zu deren Verjährung (z.B. 3 Jahre n. BGB, § 195) die notwendigen beweiskräftigen Dokumente aufbewahren. Im Mittelpunkt steht der Nachweis einer rechts- und genehmigungskonformen Planung sowie der Beachtung der anerkannten Regeln zum Stand der Technik. In der Praxis beauftragt der Kunde nicht selten, auch wenn er selbst die Komponenten und die Montageleistungen einkauft, das Ingenieurbüro mit dem Procurement (Technischer Einkauf) und/oder mit Überwachungs- und Kontrollaufgaben zur Anlage und Dokumentation. Damit erfolgt eine zusätzliche Pflichtenübertragung auf das Ingenieurbüro über die eigentlichen Planungsaufgaben hinaus. Das erhöht die Gewährleistungs- und Haftungsrisiken, verbunden mit Konsequenzen für die Aufbewahrungen von Nachweisdokumenten. Klärung von Change-Order-Vorgängen. Betroffen sind Dokumente oder einzelne Versionen bestimmter Dokumente, mit denen der Verursacher von Änderungen und entsprechenden Mehrkosten ermittelt werden kann. Neben technischen Dokumenten betrifft dies oftmals auch Projekt- und Beschaffungsdokumente. Der letzte Stand aller Dokumentationsunterlagen stellt für das Ingenieurbüro eine Wissensbasis für künftige Projekte sowie Um- und Ausbauten der dokumentierten Anlage dar. Zur Sicherung des Know-how und als Wettbewerbsvorteil bei künftigen Projekten ist eine Aufbewahrung weit über die gesetzlichen Fristen hinaus meist wirtschaftlich sinnvoll. Wirkt der Auftragnehmer (z.B. Ingenieurbüro) als Generalplaner und nimmt im Auftrag des Investors/Auftraggebers verantwortlich die Bau-/Montageleitung und -überwachung bis zur Mechanischen Fertigstellung/Beginn Inbetriebnahme der Gesamtanlage wahr, so bringt der Auftragnehmer de facto die gesamte verfahrenstechnische Anlage in Verkehr. In diesem Fall sind u.U. gemäß Engineeringvertrag die Dokumentationspflichten gemäß Buchst. b), analog zum Generalunternehmer, zu beachten. d) Aufbewahrung durch Anlagenbetreiber Für den Betreiber (Auftraggeber) ist zunächst die Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs vorrangig. Das heißt, er muss die abgenommene AS BUILT-Dokumentation derart ablegen und pflegen, dass er sie für den Anlagenbetrieb effektiv verwenden kann. Die Aspekte der längerfristigen Aufbewahrung (Archivierung) der Dokumentation sind trotzdem zu beachten und u.a. aus folgenden Gesichtspunkten zu entscheiden: Der Betreiber muss zum Zeitpunkt der rechtverbindlichen Abnahme der AS BUILTDokumentation (beim Generalvertrag) bzw. der Herstellerdokumentationen (beim Engineeringvertrag mit separaten Liefer- und Montageverträgen) ein sog. Belegexemplar der jeweiligen Dokumentation „einfrieren“ und möglichst gerichtsfest aufbewahren (archivieren). Dieses Exemplar dient als Beweismittel bei Gewährleistungs- und/oder Haftungsansprüchen. Die Archivierung muss in elektronischer oder materieller Form so erfolgen, dass Änderungen an der Dokumentation gegenüber dem Abnahmezeitpunkt (Gewährleistungsbeginn) überzeugend ausgeschlossen werden können.
138
2 Rechtliche Grundlagen zur Dokumentation
Die Aufbewahrungsfristen haben mindestens den Gewährleistungs- bzw. Haftungszeitraum zu entsprechen. In § 17 (Prüfaufzeichnungen und -bescheinigungen) der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) [24] ist festgelegt: Aufzeichnungen und Prüfbescheinigung (d. Verf.: von überwachungsbedürftigen Anlagen gem. ProdSG [21], Absatz 2.3.2, a)) sind während der gesamten Verwendungsdauer am Betriebsort der überwachungsbedürftigen Anlage aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen. Sie können auch in elektronischer Form aufbewahrt werden.
In der Praxis wird dies häufig in der Prüfdokumentation für die verfahrenstechnische Gesamtanlage bzw. in Form von Prüfbüchern für die überwachungsbedürftigen Anlagen/Anlagenkomponenten vollzogen (s. Abschn. 3.7.5). Nach Rückbau der verfahrenstechnischen Anlage sollte ein Exemplar der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Gesamtdokumentation „eingefroren“ und möglichst gerichtsfest aufbewahrt werden. Dieses Exemplar sollte gegebenenfalls entsprechend dem UmweltHG, § 6 (Ursachenvermutung) [61] als Nachweis dienen, dass zu jedem Zeitpunkt des bestimmungsgemäßen Anlagenbetriebs die besonderen Betriebspflichten eingehalten wurden und keine Störung des Betriebs vorlag (s. Abschn. 2.6.3). Im Minimum müssen zumindest die nach UmweltHG haftungsrelevanten Dokumente gerichtsfest aufbewahrt werden. Die Aufbewahrungsfrist sollte mindestens 10 Jahre betragen, um als früherer Betreiber bei Schadenersatzansprüchen, die in diesem Zeitraum im gegebenen Fall nach dem UmweltHG möglich sind, den Unschuldsbeweis führen zu können.
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Vierte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen – 4. BImSchV) vom 14.03.1997
[49]
Neunte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über das Genehmigungsverfahren – 9. BImSchV) vom 29.05.1992
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Zwölfte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Störfall- Verordnung – 12. BImSchV) vom 08.06.2005
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Dreizehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Großfeuerungs- und Gasturbinenanlagen – 13. BImSchV) vom 20.07.2004
[52]
Siebzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über die Verbrennung und die Mitverbrennung von Abfällen – 17. BImSchV) vom 14.08.2003
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Dreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen – 30. BImSchV) vom 20.02.2001
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen Die Ordnung einer Dokumentation äußert sich in ihrer Struktur und Gliederung sowie in ihrer Klarheit und Eindeutigkeit. Demgegenüber zeigt sich die Funktion einer Dokumentation in ihrer Kausalität (Bezug zur Anlage, Nutzerfreundlichkeit) und ihrer Dynamik (Änderungs- und Anpassungsfreundlichkeit). Eine effiziente Funktion setzt eine zweckmäßige Ordnung voraus. Im vorliegenden Kapitel, welches insbesondere auch die wesentlichen Dokumentenarten und die fachlichen Inhalte der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen vermitteln soll, sind bezogen auf das sehr komplexe und zugleich spezifische Dokumentationsobjekt die folgenden Fragen zu beantworten: Wie kann die Gesamtdokumentation einer verfahrenstechnischer Anlage zweckmäßig strukturiert bzw. gegliedert werden? Wie sind die wesentlichen Gliederungsbestandteile begrifflich und inhaltlich definiert? Welche Teildokumentationen sind im verfahrenstechnischen Anlagenbau und -betrieb typisch? Welche Dokumentenarten gehören zu den einzelnen Teildokumentationen? Wie sind die wichtigen Dokumentenarten begrifflich und inhaltlich definiert? Wie sollten die einzelnen Dokumente zweckmäßig gekennzeichnet werden? Die Beantwortung liefert wesentliche Qualitäts- bzw. Spezifikationsmerkmale der Dokumentation (s. auch Abschn. 4.5). Sie sollte möglichst ganzheitlich, d.h. den ganzen Lebenszyklus beachtend, erfolgen. Die zahlreichen Veröffentlichung über Technische (Produkt-)Dokumentationen (s. Literaturangaben zu Kap. 1) machen zur o.g. Thematik keine bzw. nur sehr wenige Aussagen. Darüber hinaus sind aber auch in der Fachliteratur und den Normen/Richtlinien, die sich mit der Planung (Engineering), Errichtung und dem Betrieb komplexer bzw. verfahrenstechnischer Anlagen beschäftigen, keine umfassenden und praktikablen Vorschläge zum ganzheitlichen Dokumentationsprozess und zu den Dokumentationsprodukten gemacht. Nachfolgend eine Auswahl wesentlicher Veröffentlichungen, die auf die Dokumentationsaufgaben im verfahrenstechnischen Anlagenbau eingehen. a) Aussagen in der Fachliteratur Ullrich (Wirtschaftliche Planung und Abwicklung verfahrenstechnischer Anlagen) [1] Die Dokumentation wird in Verbindung mit der „Kommunikation im Anlagenbau“ behandelt. Die (Gesamt-)Dokumentation wird in die 3 Hauptdokumentationen: Abwicklungsdokumentation, Technische Dokumentation und Betriebsdokumentation unterteilt. Bem.: Der Begriff Betriebsdokumentation wurde im vorliegenden Buch übernommen und inhaltlich vertieft. Für die drei Hauptdokumentationen wird eine Grob-Strukturierung in Abschnitte, die de facto Teildokumentationen darstellen, vorgeschlagen. Zu den einzelnen Abschnitten werden ausgewählte Dokumentenarten angeführt. Die Grob-Strukturierung der Technischen Dokumentation erfolgt nach Fachdisziplinen. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 K. H. Weber et al., Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen, VDI-Buch, https://doi.org/10.1007/978-3-662-55150-9_3
145
146
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Der ganzheitliche Dokumentationsprozess entlang des Phasenmodells der AnlagenProjektabwicklung wird nicht betrachtet.
Sattler, Kasper (Verfahrenstechnischer Anlagen – Planung, Bau und Betrieb) [2] In einem Kapitel „Dokumentation“ werden Aussagen zur Datenbeschaffung, Projektunterlagen und Anlagendokumentation gemacht. Der ganzheitliche Dokumentationsprozess entlang des Phasenmodells der Anlagen-Projektabwicklung wird nicht betrachtet. Ausführungen zur Begriffsdefinitionen sowie Strukturierung der Gesamtdokumentation inkl. der Projektunterlagen werden nicht angeführt. Für die Anlagendokumentation wird ein Gliederungsvorschlag, unterteilt in Teilanlagen (Teildokumentationen), vorgeschlagen. Die Teildokumentationen sind nach Fachdisziplinen/Gewerken gegliedert. Wesentliche Dokumentenarten werden, strukturiert nach Fachdisziplinen/Gewerken, aufgelistet und kurz inhaltlich definiert.
Weber (Engineering verfahrenstechnischer Anlagen – Praxishandbuch mit Checklisten und Beispielen) [3] Die Dokumentationsaufgaben während des Engineering werden anhand eines Phasenmodells der Anlagen-Projektabwicklung ganzheitlich betrachtet. Die wesentlichen dokumentationsrelevanten Begriffe werden definiert. Im Einzelnen werden die Struktur und die Inhalte (Dokumentarten) der Phasendokumentation, die am Ende der jeweiligen Engineering-Phase vorliegen sollten, dargestellt. Die Strukturierung der Phasendokumentation erfolgt weitgehend nach Fachdisziplinen bzw. Gewerken.
Wagner (Planung im Anlagenbau) [4] Die Dokumentation wird in Abwicklungsdokumentation, Technische Dokumentation und Betriebsdokumentation unterteilt. Die Angaben zur Abwicklungsdokumentation und Technischen Dokumentation sind weitgehend analog zu den Ausführungen in [1]. Die Betriebsdokumentation wird in einem separaten Abschnitt behandelt. Der ganzheitliche Dokumentationsprozess entlang des Phasenmodells der AnlagenProjektabwicklung wird nicht betrachtet.
Weber (Inbetriebnahme verfahrenstechnischer Anlagen – Praxishandbuch mit Checklisten und Beispielen) [5] Die Dokumentationsanforderungen für eine erfolgreiche Inbetriebnahme werden anhand eines Phasenmodells der Anlagen-Projektabwicklung dargelegt. Die Dokumentationsaufgaben aus Sicht der Inbetriebnahme, wichtige inbetriebnahmerelevante Phasendokumentation sowie spezielle Inbetriebnahmedokumente werden betrachtet. Die Begriffe Inbetriebnahmedokumentation und AS BUILT-Dokumentation werden definiert. Die Fertigstellung, Prüfung und werkvertragliche Abnahme der AS BUILT-Dokumentation wird erörtert.
b) Aussagen in Normen oder Richtlinien DIN 77005-1 (Lebenslaufakte für technische Anlagen – Teil 1: Strukturelle und inhaltliche Festlegungen) [6] Die Lebenslaufakte ist eine Struktur, die unterschiedliche Arten von Informationssätzen oder untergeordnete Lebenslaufakten enthält. Die Inhalte einer Lebenslaufakte müssen sich mindestens auf den Zeitraum der Inbetriebnahme bis zur Entsorgung des Objekts sowie auf alle dokumentierten Informationen, die nach DIN EN 13460: 2009-08 (d. Verf.: Instandhaltung – Dokumente für die Instandhaltung) zur Vorbereitung von Betrieb und Instandhaltung notwendig sind, beziehen.
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
147
Es wird unterschieden zwischen Lebenslaufakten ▪ der technischen Anlagen, ▪ eines Anlagenteils, ▪ eines Bauteils. Bem.: Im vorliegenden Buch wird der Begriff Lebenslaufakte nur in Verbindung mit Prüfbüchern prüfpflichtiger Anlagenkomponenten benutzt (s. Abschn. 3.6.3.6 und 3.7.5). Als Teile von Lebenslaufakten werden Teildokumentationen definiert. Zugehörige Dokumentenarten werden nicht genannt. Die Norm legt eine Gliederung der Anlagendokumentation nach Anlagenkennzeichnungssystem (z.B. nach Kraftwerk-Kennzeichensystem/KKS bzw. RDS-PP) nahe. Auf andere Hauptdokumentationen wird in der Norm nicht eingegangen. Die Aussagen in der DIN betreffen insbesondere die Betriebsphasen (Inbetriebnahme bis Rückbau und Entsorgung, s. Tab. 3.1) und nicht die Projektphasen im Lebenszyklus der Anlage und Dokumentation.
DIN 28000-1 und 2: (Chemischer Apparatebau – Dokumentation im Lebensweg von Prozessanlagen) [7] Der Lebensweg (Lebenszyklus) einer Prozessanlage (d. Verf.: Verfahrenstechnische Anlage gemäß Begriffsdefinition in Abschn. 1.1) wird in 18 Phasen unterteilt (s. Tab. 3.1). Tabelle 3.1 Lebensphasen einer (Prozess-)Anlage nach [6] Buchst.
Phase
Buchst.
A B C D E F G H J
Grundlagenermittlung Vorplanung Entwurfsplanung Genehmigungsplanung Planung der Investitionsentscheidung Ausführungsplanung Beschaffung Fertigung Bau und Montage
K L M N P Q R S T
Phase Mechanische Fertigstellung Funktionstest Inbetriebnahme Übergabelauf Betrieb Instandhaltung Außerbetriebnahme Stilllegung Rückbau und Entsorgung
Insgesamt werden 13 Projektphasen (Phase A bis N) und 4 Betriebsphasen (Phase P bis S) vorgeschlagen. Das Phasenmodell der Anlagen-Projektabwicklung des vorliegenden Buchs (s. Abschn. 5.1) umfasst demgegenüber nur 9 Projektphasen, von der Grundlagenermittlung bis einschließlich Inbetriebnahme. In diesem verkürzten Modell sind die Phase H (Fertigung) in der Beschaffung, die Phasen K (Mechanische Fertigstellung) und L (Funktionstest) sind in Bau/Montage bzw. Inbetriebnahme und die Phase N (Übergabelauf) sind ist in der Inbetriebnahme integriert. Im Teil 1 von [7] werden den einzelnen Phasen ausgewählte Dokumentenarten zugeordnet; mit Bezug auf relevante Normen und einen Vorschlag für einen Document Classification Code (DCC) (s. Abschn. 3.9.3). In Teil 2 von [7] werden viele der im Teil 1 angeführten Dokumentenarten begrifflich definiert und inhaltlich spezifiziert. Der Begriff Teilanlage wird als Teil einer verfahrenstechnischen Anlage verstanden, der zumindest zeitweise selbstständig betrieben werden kann. Bem.: Im vorliegenden Buch wird dafür der Begriff Package-unit verwendet. Betreffs des verwendeten Teilanlagen-Begriffs siehe auch Abschn. 3.1.2.
148
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Die Norm betrachtet wichtige Dokumentationsinhalte in den einzelnen Projekt- und Betriebsphasen. Ein Strukturierungsvorschlag für die Gesamtdokumentation und für die Haupt- und Teildokumentationen wird nicht unterbreitet. Die angeführten Dokumentenarten von Phase A bis T sind nicht fachspezifisch oder nutzungsspezifisch, sondern einfach alphabetisch sortiert.
VGB-S-831-00-2015-05-DE: Lieferung der Technischen Dokumentation (Technische Anlagendaten, Dokumente) für Anlagen der Energieversorgung) [8] Die vorgeschlagene Dokumentationsstruktur der Projektdokumentation ist in Abb. 3.1 dargestellt.
Abb. 3.1 Dokumentenstruktur für Anlagen der Energieversorgung [8] Einige Begriffsdefinitionen sind: Projektmanagementdokumentation enthält alle Dokumente, die hauptsächlich Informationen zur Steuerung und Überwachung von ▪ Verträgen, ▪ Terminen, ▪ Ressourcen (Personal, Material), ▪ Kosten und ▪ Qualität bereitstellen, die für verschiedene Tätigkeiten wie Planung, Fertigung, Errichtung, Inbetriebsetzung und Betrieb erforderlich sind. Die Dokumente beinhalten hauptsächlich Informationen über Abläufe und Regeln für die verschiedenen Tätigkeiten. Besonderer Bestandteil der Projektmanagementdokumentation ist die Qualitätsplanungsdokumentation. Genehmigungsdokumentation ist die Zusammenstellung aller behördlichen Genehmigungsanträge, der hierzu erteilten Genehmigungsbescheide sowie der Nachweise über die Erfüllung sämtlicher Genehmigungsauflagen. Betriebsdokumentation umfasst sämtliche Betriebsaufzeichnungen und Betriebsdaten, die bei der Betriebsführung nach Inbetriebnahme entstehen. Begleitdokumentation umfasst die Dokumente und Daten, die während der Planungs-, Beschaffungs-, Fertigungs-, Errichtungs-/Montage- und Inbetriebsetzungsphase zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer ausgetauscht werden.
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
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Übergabedokumentation umfasst sämtliche Informationen, die die Gesamtanlage sowie die genehmigten und gebauten bzw. gelieferten und abgenommenen Systeme/Teilanlagen und Ausrüstungen (Bauteile) darstellen. Im Sprachgebrauch …auch „Enddokumentation“ oder „endgültige Dokumentation“ verwendet. Die Übergabedokumentation besteht aus den nachfolgend näher erläuterten Teildokumentationen: ▪ Betriebsanleitungen Gesamtanlage, Systeme/Teilanlagen, ▪ Ausführungsdokumentation, ▪ Qualitätsnachweisdokumentation. Ausführungsdokumentation umfasst die technischen Dokumente zum Aufbau der Gesamtanlage und Systeme/Teilanlagen. Qualitätsnachweisdokumentation umfasst die Zusammenstellung der Nachweise der Qualität der Gesamtanlage, Systeme/Teilanlagen und Ausrüstungen (Bauteile) einschließlich der Entwurfsprüfdokumente. Weitere inhaltliche Schwerpunkte sind u.a.: ▪ Angaben zur Dokumentengestaltung, Dokumentenkennzeichnung sowie über Dokumentenmerkmale (Metadaten bzw. Attribute). ▪ Aussagen zur Übergabe der Enddokumentation, in der Reihenfolge: „vorläufige Dokumentation“, „Dokumente mit Roteinträgen (As-built-Stand)“ und „endgültige Dokumentation“. ▪ Vorgaben zur zeitlich gestaffelten Übergabe der Ausführungs- und Qualitätsnachweisdokumentation. ▪ Angabe ausgewählter Dokumentenarten (Unterlagen) inkl. Document Classification Code (DCC), die Bestandteile der Übergabedokumentation sind. Ein Phasenmodell der Projektabwicklung ist nicht angeführt. Die Dokumentationsaspekte während des Engineering und der Errichtung der Anlage werden kaum betrachtet. Insgesamt konzentriert sich der VGB-S-831 sehr auf die Übergabe und Abnahme der Enddokumentation (gegenständlich und elektronisch) vor und nach der Inbetriebnahme. Obwohl die Energieversorgungsanlagen auch zu den verfahrenstechnischen Anlagen gehören, sind im VGB-Standard 831 die Begrifflichkeit und die Übergabe-/Abnahmeprozeduren sehr speziell definiert. Darüber hinaus werden allgemein übliche Begriffe, z.B. Betriebsdokumentation, inhaltlich anders als in anderen Industriezweigen definiert bzw. übliche Begriffe (z.B. Anlagendokumentation) nicht verwendet.
Ähnlich, wie bei der Inbetriebnahmethematik [5] bildet auch bei der Dokumentationsthematik die Energiebranche eine Ausnahme, die sich bezüglich Begrifflichkeit und Prozeduren von den anderen Branchen (Chemie, Kunststoff, Pharma, Lebensmittel, Öl, Gas, Umwelttechnik usw.) unterscheidet. Die Energiebranche stellt im Vergleich zu den vorhergehenden Ausführungen zur Fachliteratur [1] bis [5] und den Fachnormen [6] bis [7] eine Ausnahme dar. Aus diesem Grund wird der VGB-S-831 in diesem Buch nicht weiter betrachtet. Zusammenfassend belegen die Ausführungen unter a) und b), dass es zur Struktur und Prozedur der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen, sowohl betreffs Dokumentationsprodukte als auch Dokumentationsprozess, keine einheitliche und ausreichend detaillierte Grundlage gibt. Aus diesem Grund gilt die leidvolle Erfahrung: Die Verfasser mussten in der eigenen Berufspraxis häufig feststellen, dass in vielen Unternehmen und Projekten die Vorgaben zum Dokumentationsprozess
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
bzw. die Anforderungen an die Dokumentation nur unzureichend geregelt bzw. spezifiziert werden. Mitunter ganz im Gegensatz zu sehr umfangreich vorhandenen Arbeitsrichtlinien und Technischen Richtlinien für Anlagenkomponenten. Die nachfolgenden Betrachtungen gelten weitgehend unabhängig von der konkreten Ausführungsform (z.B. gegenständlich bzw. elektronisch) der Dokumentation und Dokumente.
3.1 Grundstruktur der Gesamtdokumentation Entsprechend der Spezifik der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen wird eine vertikale (hierarchische) und horizontale Strukturierung für zweckmäßig erachtet. Einen ganzheitlichen Vorschlag, der diesem Buch zugrunde liegt und der sich in der Praxis oftmals bewährt hat, zeigt Abb. 3.2.
Abb. 3.2 Strukturvorschlag für die Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Die Gesamtdokumentation umfasst alle Dokumente über eine Anlage, die zu einem bestimmten Zeitpunkt im Leben der Anlage (Lebenszyklus) vorliegen. Dies bedeutet konsequenterweise, dass es außerhalb des Inhaltsverzeichnisses der Gesamtdokumentation keine weiteren anlagenbezogenen Dokumente geben darf. Eventuelle Ausnahmen sind zu definieren und zu vereinbaren. Die Gesamtdokumentation durchläuft synchron zur Anlage die verschiedenen Lebensphasen, wie sie im Abschn. 1.5 beschrieben und in Abb. 1.6 und 1.7 dargestellt sind. Begrifflich wird von einer „Gesamtdokumentation für die Anlage XYZ“ gesprochen.
3.1.1 Hauptdokumentationen Die Gesamtdokumentation gliedert sich zunächst in die Hauptdokumentationen. Diese umfassen die Dokumente relativ eigenständiger und großer Sachgebiete.
3.1 Grundstruktur der Gesamtdokumentation
151
Ausgehend vom Phasenmodell der Anlagen-Projektabwicklung (s. Abschn. 5.1), den Lebenszyklen der Anlage und Dokumentation (s. Abschn. 1.5) sowie den Inhalten und Verantwortlichkeiten im Projekt bzw. im Betrieb werden i.Allg. folgende Hauptdokumentationen unterschieden:
Projektdokumentation (s. Abschn. 3.2), Engineeringdokumentation (s. Abschn. 3.3), Genehmigungsdokumentation (s. Abschn. 3.4), Beschaffungsdokumentation (s. Abschn. 3.5), Anlagendokumentation (s. Abschn. 3.6), Betriebsdokumentation (s. Abschn. 3.7), Rückbaudokumentation (s. Abschn. 3.8).
Weitere Hauptdokumentationen sind möglich. In der Praxis werden mitunter einzelne Hauptdokumentationen, obwohl die zugehörigen Teildokumentation und/oder die spezifischen Dokumentenarten existieren, als solche nicht wahrgenommen. In manchen Projekten spricht man beispielsweise nur zu Beginn von einer Engineering- oder Beschaffungsdokumentation, während diese Teile später in die Anlagendokumentation oder Projektdokumentation eingeordnet werden. Im Sinne einer systematischen und ganzheitlichen Betrachtungsweise sind die Hauptdokumentationen jedoch wichtig, da sie i.Allg. eigenständige Aufgaben, Pflichten und Verantwortlichkeiten abbilden. Ferner bedienen die Hauptdokumentationen nicht selten Kommunikationsschnittstellen zwischen verschiedenen Partnern. Die nachfolgenden Abschnitte 3.2 bis 3.8 enthalten dazu nähere Ausführungen.
3.1.2 Teildokumentationen Die zweite Strukturierungsebene sind die Teildokumentationen. Sie entsprechen einzelnen Kapiteln bzw. relativ eigenständigen Teilen der Hauptdokumentationen. Gemäß DIN 77005-1 [6] ist eine Teildokumentation eine systematische Zusammenstellung von ausgewählten dokumentierten Informationen innerhalb der Hauptdokumentation.
Mehrere Teildokumentationen können auch hierarchisch zueinander angeordnet sein. Eine standardisierte Gliederung aller Teildokumentationen innerhalb einer Hauptdokumentation ist zu empfehlen, allerdings gibt es für unterschiedliche Hauptdokumentationen auch unterschiedliche sinnvolle Gliederungskriterien. Ziel ist es, die Gliederung in einer Form zu wählen, die eine leichte Handhabung und ein einfaches Einpflegen der Dokumente in die Struktur unterstützt. Tabelle 3.2 zeigt Strukturierungsmöglichkeiten für die zuvor angeführten Hauptdokumentationen und mögliche Teildokumentationen auf. Tabelle 3.2 Auswahl und Kriterien möglicher Teildokumentationen 1 Projektdokumentation (s. Abschn. 3.2) themenbezogene Gliederung gemäß Abschn. 3.2 Projektmanagementdokumentation, Projekthandbuch Unterteilung in mehrere Projekte, z.B. Projekt für ISBN (Inside Battery Limits) und OSBL (Outside Battery Limits) Gliederung in Teilprojekte Gliederung nach Ausbaustufen
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Tab. 3.2 (Fortsetzung) 2 Engineeringdokumentation (s. Abschn. 3.3) 1. Gliederungsebene gemäß Engineeringphase, z.B. nach Phasenmodell der Anlagenprojekte [3] (s. Abschn. 5.1), z.B. Lastenheft, Pre-Basic-Dokumentation, Basic-EngineeringDokumentation, Detail Engineering-Dokumentation 1. Gliederungsebene nach Phasenmodell für Bauprojekte (HOAI) [9] 2. Gliederungsebene meist nach Fachdisziplinen bzw. Gewerken 3 Genehmigungsdokumentation (s. Abschn. 3.4) Unterlagen für Umweltverträglichkeitsprüfung inkl. Vorbescheid und Zulassung Antragsunterlagen für Genehmigungsantrag, ggf. unterteilt nach Betriebseinheiten Unterlagen über den Ablauf des Genehmigungsverfahrens Genehmigungsbescheid Nachweise über die Einhaltung der Auflagen aus dem Genehmigungsbescheid 4 Beschaffungsdokumentation (s. Abschn. 3.5) Beschaffungsrichtlinie, Technische Unternehmensrichtlinien (z.B. Schweißrichtlinie), Technische Spezifikation Gliederung nach Beschaffungsvorgängen, inkl. Pflichtenheft, Anfrageunterlagen, Angebot, Vertrag, Bestellung, Qualitätsnachweise, Liefer-/Abnahmedokumente, Rechnungen u.a. 1. Gliederungsebene nach Projekt/Kostenstelle 2. Gliederungsebene nach Vorgangs- oder Bestellnummer 5 Anlagendokumentation (s. Abschn. 3.6) Gliederung nach Fachdisziplinen bzw. Gewerken Gliederung nach Teilanlagen/Package-units Gliederung nach Herstellern und/oder Lieferanten Gliederung nach Systemen, z.B. Rohrleitungssystemen Gliederung nach Ortskriterien (z.B. Grundstücke) Gliederung nach Gebäuden oder Stahlbauwerken Gliederung nach Anlagenkennzeichnungsstruktur, z.B. Kraftwerk-Kennzeichensystem (KKS) (s. Abschn. 3.9) Gliederung nach Vorgabe des Enterprise-Resource-Planning-Systems (ERP-System) (z.B. Technischer Platz) Gliederung nach Kostengruppen, z.B. gemäß DIN 276 [10] Bem.: Häufig gibt es Mischformen, in denen Kriterien hierarchisch angeordnet sind. 6 Betriebsdokumentation (s. Abschn. 3.7) Unterteilung nach fachspezifischen Handbüchern, z.B. Betriebs- und Instandhaltungsdokumentation, Betriebstagebuch, Prüfhandbuch (s. Abschn. 3.7) Gliederung nach Teilbetrieben Gliederung kann auch nach Verantwortungsbereich (Abteilung) erfolgen, z.B. Qualitätssicherung, Arbeitssicherheit, Produktion, Werksplanung, ... 7 Rückbaudokumentation (s. Abschn. 3.8) Gliederung nach Teilanlagen Unterteilung nach Bauabschnitten Gliederung nach Planungsdokumenten, Genehmigungsdokumenten, Ausführungsdokumenten, Sicherheits- und Nachweisdokumenten Bem.: Häufig wird die Gliederung der Anlagendokumentation beibehalten.
3.1 Grundstruktur der Gesamtdokumentation
153
Die in Tabelle 3.2 angeführten möglichen Unterteilungen der Hauptdokumentation verfahrenstechnische Anlagen in Teildokumentationen sind in keiner Norm festgelegt. Es existiert eine Vielzahl von Gliederungen, die sich i.Allg. aus branchen-, unternehmens- und projektspezifischen Gesichtspunkten ergeben. Eine Vereinheitlichung über Unternehmens- und Branchengrenzen hinweg kann es wegen der Vielzahl der vorhandenen Organisations- und Dokumentationsstrukturen nicht geben. Die Mannigfaltigkeit der angeführten Teildokumentationen ist insgesamt aber eher kritisch zu sehen, da erfahrungsgemäß gilt: Jede Teildokumentation bedeutet mehrere Schnittstellen innerhalb der Hauptdokumentationen; aber i.d.R. darüber hinaus auch zahlreiche andersartige Schnittstellen während des Engineerings und der Beschaffung sowie bei der Baustellenabwicklung und Inbetriebnahme. Viele Teildokumentationen sind das Ergebnis einer sehr arbeitsteiligen Projektabwicklung. Bekanntlich bereiten aber viele Schnittstellen i.Allg. auch viele Probleme. In der Praxis passiert das Aufsplitten der Anlagen-Projektabwicklung und die damit verursachte Schnittstellenproblematik häufig dadurch, dass der Eigenanteil der Generalübernehmer an Engineering und Realisierung verfahrenstechnischer Anlagen geringer wird (mancher GU ist inzwischen mehr Händler als Planer) oder einige Kunden/Auftraggeber die Gesamtanlage in vielen Paketen/Losen, inkl. Engineering- und Dokumentationsleistungen, selbst einkaufen und mit dem eigenen Projektmanagement koordinieren und als Ganzes konfigurieren. Sie erhoffen sich dadurch u.a. Kostenvorteile im Vergleich zu einem LSTK-Vertrag mit einem GU. Beispiel 3.1 Neuerstellung einer Anlagendokumentation wegen gravierender Mängel Die Planung und Errichtung einer Großanlage wurde unter großem Zeitdruck über einen LSTK-Vertrag (s. Abschn. 4.5.1.1) mit einem Generalunternehmer (GU) realisiert. Der GU unterteilte die Gesamtanlage, in Abstimmung mit dem Auftraggeber (AG), in 52 Pakete, die er an Subunternehmen (SUB) vergab. Die Pakete beinhalteten u.a. Package-units und Einzelausrüstungen, aber auch Bauund Montageleistungen. Viele dieser Unteraufträge beinhalteten auch Engineering- und Dokumentationsleistungen. Mitunter hatten die SUB`s die Aufträge weiter vergeben. Die vertraglichen Vereinbarungen mit den SUB`s sowie die zugehörigen Vorgaben (Pflichtenhefte, Spezifikationen u.ä.) betreffs Technik und Dokumentation waren zum Teil lückenhaft. Dies betraf insbesondere auch die Schnittstellendefinition/-gestaltung zwischen den Teilleistungen der SUB`s. In die Qualitätskontrolle während der Projektabwicklung waren die Dokumentationsleistungen und -ergebnisse nur partiell einbezogen. Während der Funktionsprüfungen und Inbetriebnahme der Gesamtanlage stellten sich viele technische Probleme heraus, die operativ vor Ort behoben werden mussten. Das Einpflegen der damit verbundenen technischen Änderungen in die Dokumentation, das durch den verantwortlichen SUB hätte zeitnah erfolgen müssen, wurde teils versäumt. Im Ergebnis hatte jeder SUB seine eigene Teildokumentation, weitgehend nach seinen Vorstellungen, geliefert. Der GU hatte die sog. Lieferanten-Doku-Packages, auch aus Zeitgründen, ohne eingehende Überprüfung zusammengestellt und als „AS BUILTDokumentation der Gesamtanlage“ an den Auftraggeber übergeben. Bei der Nutzung der AS BUILT-Dokumentation durch den Betreiber stellte dieser fest, dass die Dokumentation wesentliche Mängel aufwies und somit für ihn während des
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Anlagenbetriebs inkl. Instandhaltung praktisch nicht nutzbar war. Der Auftraggeber betrachtete die festgestellten Dokumentationsmängel als Abnahme behindernd und behielt die zugehörige Rate (Zahlungsmeilenstein) ein. Da der GU eine Nachbesserung der gelieferten Gesamtdokumentation ablehnte, beauftragte der AG letztlich einen Dritten mit der kompletten Neuerstellung einer Anlagendokumentation für die Gesamtanlage. Der Auftraggeber sollte seine Möglichkeiten nutzen, um bei der Vergabe einen signifikanten Engineering-Eigenanteil des Generalunternehmers bzw. Generalplaners zu sichern sowie im Anlagenvertrag die Weitervergabe an Subunternehmer zustimmungspflichtig zu machen (s. Abschn. 4.5.2, d)). Sofern der Auftraggeber/Investor die Anlage selbst in Paketen/Losen einkauft, sollte er möglichst große Pakete „schnüren“.
3.1.3 Dokumentenarten und Dokumente Die dritte und wichtigste Strukturierungsebene bilden die Dokumentenarten. Die Zuordnung der Einzeldokumente zu definierten Dokumentenarten ist ein wichtiges Klassifizierungs- und Ordnungsprinzip der Dokumentation sowie des Engineeringprozesses, in dem die Dokumente erarbeitet werden. Bildlich gesehen, sind die Dokumentenarten die „Schubladen“ (sprich: Register bzw. Pfade) des Doku-Schranks (sprich: Teildokumentation), in die die Dokumente einsortiert (sprich: abgelegt bzw. archiviert) werden. Das Verständnis über diesen Begriff und dessen praktische Umsetzung ist für die gesamte Dokumentationsthematik von wesentlicher Bedeutung. Folgende Begriffsdefinition soll gelten: Eine Dokumentenart umfasst Dokumente gleicher inhaltlicher Zielstellung und gleicher formaler Struktur (Synonym: Dokumententyp).
In der DIN EN 61355-1: Klassifikation und Kennzeichnung von Dokumenten für Anlagen, Systeme und Einrichtungen [11] wird ähnlich definiert: Eine Dokumentenart ist ein Typ eines Dokuments, definiert im Hinblick auf seinen festgelegten Informationsgehalt und die Darstellungsform.
Beide Definitionen besagen, dass die Dokumentenart ein Sammelbegriff für gleich- bzw. ähnlichartige Einzeldokumente ist. Eine mögliche Systematisierung der Dokumentenarten/ Dokumente zeigt Abb. 3.3. Ein Dokument, das einen abgeschlossenen Sachverhalt darstellt und endgültig ist, wird als statisches Dokument bezeichnet und gehört zu einer statischen Dokumentenart. Statische Dokumente beziehen sich auf definierte Objekte (z.B. Foto, Lieferschein, EU-Konformitätserklärung) bzw. auf abgeschlossene Vorgänge (z.B. Besprechungsprotokoll, Abnahmebescheinigung, Emissionserklärung). Sie bleiben relativ lange gültig und werden gegebenenfalls gegen neue statische Dokumente ausgetauscht. Im Gegensatz dazu unterliegt ein dynamisches Dokument in Inhalt und/oder Form mehr oder weniger schnellen Änderungen. Dynamische Dokumente bzw. Dokumentenarten spiegeln den Entwicklungs- und Prozesscharakter des Dokumentationsgegenstandes (z.B. Projekt, Anlage, Verfahren, Produkte) sowie seiner Einflussfaktoren (z.B. Markt, Kunde, Gesetzgeber, Behörde, Territorium) wider. Ihr Anteil ist in einer verfahrenstechnischen Dokumentation vergleichsweise hoch.
3.1 Grundstruktur der Gesamtdokumentation
155
Abb. 3.3 Mögliche Einteilung der Dokumentenarten und Dokumente
Die Dokumentenart fasst letztlich eine Menge von Einzeldokumenten nach übereinstimmenden, qualitativen Merkmalen zusammen. Während das Dokument immer „konkret“ existiert, ist die Dokumentenart abstrakt. Beispielhaft sind in Tabelle 3.3 jeweils 32 grafische und nichtgrafische Dokumentenarten angeführt. Tabelle 3.3 Beispiele grafischer und nichtgrafischer Dokumentenarten Grafische Dokumentenarten
Foto 3D-CAD-Modell 3D-CAD-Rohrleitungsmodell Lageplan Grundriss Aufstellungsplan Gefahrenzonenplan Feuerwehrplan Flucht- und Rettungswegeplan Projektterminplan
Nichtgrafische Dokumentenarten
Gesetzestext Genehmigungsantrag Sicherheitsbericht Genehmigungsbescheid Sicherheitsdatenblatt Risikobeurteilung Explosionsschutzdokument Technische Beschaffungsunterlage Besprechungsprotokoll Ausbildungsprogramm
Grundfließschema Verfahrensfließschema Rohrleitungs- und Instrumentenfließschema
Anlagenbeschreibung Verfahrensbeschreibung Funktionsbeschreibung
Schal- und Bewehrungsplan Belastungsplan Entwässerungsplan Stahlbau-Konstruktionszeichnung Explosionsdarstellungen Zusammenbauzeichnung Einzelteilzeichnung Unterflursummenplan Rohrplan Rohrleitungsisometrie Strangschema Übersichtsschaltplan
Prüfstatik Standsicherheitsnachweis Ausrüstungsliste Ausrüstungsdatenblatt Rohrleitungsliste Betriebsanleitung Montageanleitung Abnahmeprüfzeugnis 3.1 EU-Konformitätserklärung Gefährdungsbeurteilung Betriebsanweisung PLT-Stellenliste
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Tab. 3.3 (Fortsetzung)
Kabeltrassenplan Anordnungsplan Stromlaufplan Funktionsplan Klemmenplan Elektroinstallationsplan Erdungsplan
PLT-Stellenblatt Alarm- und Verriegelungsliste E-Verbraucherliste Kabelliste Steuerluftverteilerliste Installationsbescheinigung MSR-Gerätespezifikation
Für verfahrenstechnische Anlagen sind i.Allg. mehr als 200 verschiedene Dokumentenarten relevant. Viele davon werden in den späteren Ausführungen über die Haupt- und Teildokumentationen näher erläutert. Die Verfasser empfehlen jeden Verantwortlichen und Spezialisten, der Dokumente und Dokumentationen erstellt, nutzt oder pflegt, sich für seinen Zuständigkeitsbereich eine Liste wichtiger Dokumentarten (LwD) zusammenzustellen. Die Gliederung der LwD kann unterteilt nach Aufgabenschwerpunkten und/oder nach Fachdisziplinen/Gewerken erfolgen. Die Liste wichtiger Dokumentenarten (LwD) beinhaltet die Zusammenstellung aller Dokumentenarten der definierten Anlage.
Mit der LwD verschafft man sich einen ersten Überblick zum Aufbau und Inhalt sowie zu wichtigen Begriffen seiner Dokumentation. Das Normenwerk [7][11][12][13] und die Fachliteratur [3] helfen beim Erarbeiten der LwD, indem in ihnen die Dokumentenarten klassifiziert, gekennzeichnet und teils inhaltlich definiert werden. Die Ausführungen dieses Buchs werden belegen, dass die Dokumentenarten an mehreren Stellen, wie bei der Spezifikation von Haupt- und Teildokumentation, insbesondere der AS BUILT-Dokumentation (Enddokumentation) (s. Abschn. 4.5.3.2), vertraglichen Vereinbarung von Ingenieurleistungen (s. Abschn. 4.5.4.1) und/oder Dokumentationsleistungen (s. Abschn. 4.5.3), Abbildung der Abwicklungsstruktur der Projektdokumentation in elektronischer Form (s. Abschn. 5.6), Bezeichnung von Dokumentationsabschnitten (z.B. im Inhaltsverzeichnis), Dokumentenkennzeichnung (s. Abschn. 3.9.3), Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs, inkl. Anlageninstandhaltung und Anlagen-shut-down, immer wieder wichtig sind. Im Normenwerk werden die Dokumentenarten vorrangig unter dem Aspekt der Kennzeichnung behandelt. Dabei sind an den verschiedenen Stellen die begrifflichen und inhaltlichen Aussagen leider nicht einheitlich, sodass die nachfolgenden Klarstellungen notwendig erscheinen. Die Verwendung der in Tab. 3.4 aufgeführten Sammelbegriffe ist missverständlich und zu vermeiden. Beispielsweise wird vermutlich unter einen Plan ein 3D-Planer (Aufstellungsplan) etwas anderes verstehen als ein Maschinentechniker (Schmierplan), ein Elektroingenieur (Funktionsplan) oder ein Kaufmann (Kostenplan).
3.1 Grundstruktur der Gesamtdokumentation
157
Tabelle 3.4 Beispiele nichteindeutiger und missverständlicher Begriffe Anleitung:
eine Vorgabe bzw. Empfehlung zum sachgerechten Handeln
Beschreibung:
die sprachliche Fassung eines Sachverhalts
Fließschema:
eine mit Hilfe von grafischen Symbolen und Schriftzeichen vereinfachte zeichnerische Darstellung von Aufbau und Funktion einer Anlage
Datenblatt:
eine strukturierte Zusammenstellung der Daten einer Anlagenkomponente
Diagramm:
die grafische Darstellung errechneter oder beobachteter Werte
Liste/Verzeichnis:
eine systematisch angeordnete und zusammenfassende Übersicht, die ohne erläuternden Text verständlich sein soll
Plan:
eine zweidimensionale, maßstäbliche Darstellung von Objekten oder die sinnbildliche grafische Darstellung der Funktion, des Ablaufs bzw. der Verknüpfung von Objekten
In der Hierarchie oberhalb der Dokumentenart werden noch folgende Begriffe genutzt: Dokumentenartklasse: Gruppe von Dokumentenarten mit ähnlichen Eigenschaften hinsichtlich Informationsinhalt, unabhängig von der Darstellungsform [11]. Dokumentensatz: Zusammenstellung von Dokumenten, die logisch zusammengehören.
Die Dokumentenartklasse wird i.Allg. nochmals in eine Hauptklasse und eine Unterklasse unterteilt. Die Verfasser halten für verfahrenstechnische Dokumentationen diese zusätzliche Strukturierungsebene für nicht erforderlich bzw. bilden sie durch inhaltlich geprägte Teildokumentationen mit ab (s. auch [7]). Wie im Engineering und in der Anlagendokumentation häufig wichtige Dokumentenarten einander zugeordnet werden, veranschaulicht Abb. 3.4.
Abb. 3.4 Zuordnung wichtiger Dokumentenarten der Anlagendokumentation
158
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Das R&I-Fließschema fungiert, wie in der Praxis üblich, als das wichtigste Übersichtsdokument zu Verfahren und Anlage/Teilanlage. Es ist zugleich die wichtigste Dokumentenart einer verfahrenstechnischen Anlage (s. Abschn. 3.6.2.1). Die Stammdaten der verschiedenen Anlagenkomponenten und Stoffe, die auf einen bzw. mehreren R&I-Fließschemata dargestellt sind, werden in speziellen Komponentenlisten oder -verzeichnissen zusammengestellt. Letztlich wird die Detailinformation über die einzelne Anlagenkomponente, die eine Zeile der Liste ausmacht, in einem zugehörigen Komponentendatenblatt bzw. einer Komponentenstückliste erfasst. Die 4. und letzte Strukturierungsebene sind schließlich die Dokumente selbst. Jedes Dokument stellt ein Unikat dar, muss eindeutig identifizierbar sein und sollte in der Dokumentation nicht redundant vorkommen. Das Dokument durchlebt einen Lebenszyklus gemäß der folgenden Definition: Dokumentenlebenszyklus: Periode von der konzeptionellen Idee bis zur logischen und physischen Löschung eines Dokuments [14]
Inhaltliche Änderungen am Dokument werden i.d.R. zunächst in einer Arbeitsversion (Master) des betreffenden Dokuments erfasst. Werden die Änderungen offiziell eingearbeitet und abgespeichert, so entsteht eine neue Dokumentenversion bzw. ein neuer Bearbeitungsstatus (Revisionsstand) des Dokuments (s. Abschn. 5.2) und im Sinne der Eindeutigkeit auch ein neues Dokument.
3.2 Projektdokumentation inkl. Projekthandbuch Die Projektdokumentation umfasst die Gesamtheit aller Dokumente, die während der Abwicklung des Projekts erarbeitet, verwaltet, abgelegt und archiviert werden (Synonym: Abwicklungsdokumentation). Die Gliederung einer Projektdokumentation für ein Projekt, in dem der Auftraggeber die Anlage selbst in Paketen/Teilen einkauft und in eigener Verantwortung zur Gesamtanlage konfiguriert, enthält Tabelle 3.5. Tabelle 3.5 Inhaltsverzeichnis einer Projektdokumentation (Praxisbeispiel) 1
Organisatorische Festlegungen und Unterlagen Projektziele und Projektverantwortung Projektteam inkl. Organigramm und Stellenbeschreibungen Projektplanung
2
Administrative Unterlagen Unternehmensrichtlinien, Projektrichtlinien Einkaufsbedingungen Informationsmanagement inkl. Postverteilung, Mailverkehr, Öffentlichkeitsarbeit Besprechungen, Berichts- und Formularwesen
3
Kommunikation und Ablage Bauherr Behörde Planer Sonstige
3.2 Projektdokumentation inkl. Projekthandbuch
159
Tab. 3.5 (Fortsetzung) 4
Technische Grundlagen und Rahmenbedingen Planungsgrundlagen Technische Spezifikationen Baustellenbedingungen Bauseitige Leistungen
5
Vertragsunterlagen, Bestellungen Anfragen, Angebote Verhandlungsprotokolle Vertrag/Bestellungen Auftragsunterlagen, Auftragsbestätigungen Nachauftragnehmer Nachträge Termin- und Qualitätsplanung
6
Projektcontrolling Budget, Zahlungsplan Einkaufskontrolle Nachkalkulation Statusberichte
7
Bau und Montage Bau-/Montagepläne Anweisungen Bautagebuch, Montageberichte Mangelmeldungen, Terminverzugsmeldungen u.ä.
8
Abrechnung Aufmaße Stundennachweise Abschlagszahlungen Sonstiges
9
Ausführungsdokumentation Dokumentenverwaltung Technische Ausführungsunterlagen Prüf- und Nachweisdokumente, Bescheinigungen Qualitätsnachweise
10 Abnahmen Abnahmemessungen, Leistungstests, Leistungsnachweis Abnahmeprotokolle, Schriftverkehr Restpunktabwicklung Inventarliste
Die in der Projektdokumentation enthaltenen administrativen, kommerziellen und technischen Abwicklungsgrundlagen und -regelungen, werden oftmals separat in einem Projekthandbuch zusammengefasst (s. Tab. 3.6). In der Regel führt jeder Vertragspartner seine eigene Projektdokumentation. Mitunter einigen sich die Hauptpartner auf die Erarbeitung einer abgestimmten Projektabwicklungsrichtlinie, in der für das gemeinsame Projekt grundlegende Festlegungen vereinbart werden, wie z.B.:
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
die Nutzung eines gemeinsamen Dokumentenmanagement-Systems (DMS) bzw. Projekt-Kommunikations-Management-Systems (PKMS), um die zahlreichen Projektdokumente effizient zu erstellen und auszutauschen, die Anwendung eines einheitlichen Begriffs- und Kennzeichnungssystems, die konkrete Ausgestaltung der administrativen Zusammenarbeit usw. Tabelle 3.6 Gliederung eines Projekthandbuchs aus der chemischen Industrie (Praxisbeispiel) 1 Projektgrundlagen und Projektstart Projektziele, Projektbeschreibung, Geltungsbereich Lastenheft, Vertrag, (Zusatzverträge, Patente, Lizenzvereinbarungen) Rechte und Pflichten Dritter Technische Spezifikationen u.a. firmeninterne Normen Kick-off-Meeting Begriffsdefinitionen für Projekt sonstige Rahmenbedingungen 2 Projektorganisation Organigramme Stellenbeschreibungen Zuständigkeit, Verantwortlichkeit, Befugnisse, Vertretungsregelung vollzogene Verantwortungs-/Pflichtenübertragung Unterschriftenregelung Projektbeteiligtenliste mit Kontaktdaten 3 Projektrichtlinien und -anweisungen Sicherheitsrichtlinie (GSU) Baustellenordnung und SiGePlan Festlegungen zur Geheimhaltung von Informationen und Know-how Abwicklungsrichtlinie (Projektphasen, Schnittstellen) Dokumentationsrichtlinie und Liste wichtiger Dokumentenarten (LwD) Qualitätsmanagement Prozess der Vergabe inkl. Kostenstruktur Baustellenrichtlinie, inkl. Mechanical Completion Inbetriebnahmerichtlinie, inkl. Leistungsnachweis und Abnahme Vertrags- und Projektende (Close-Out) 4 Projektverfolgung und -steuerung Meilensteine, Terminplanung und -verfolgung, Kostenplanung und -controlling Leistungsänderungen (Change Order) Jour Fixe Termine (Regelbesprechungen) Berichterstattung intern und extern (Reporting) Projektausschuss (Steering Commitee) 5 Information und Kommunikation Document Control Besprechungen inkl. Protokollierung, Aktionspunktlisten usw. Vorgaben zur Ablage und Archivierung von Dokumenten Nutzung der Kommunikationsplattformen (PKMS, DMS) 6 Anhänge Formblätter (z.B. Baustellenunterweisung, Änderungsmeldung, Protokollvordrucke)
3.3 Engineeringdokumentation
161
3.3 Engineeringdokumentation Die Engineeringdokumentation beinhaltet alle Dokumente, die während des Engineering (von der Grundlagenermittlung bis zum Detail Engineering, s. Abschn. 5.1) erarbeitet, verwaltet, abgelegt und archiviert werden. Dabei bedeutet: Engineering umfasst das Erarbeiten von technologisch-technischen sowie organisatorischadministrativen Unterlagen (Dokumenten), die für die Beschaffung, Errichtung, den bestimmungsgemäßen Betrieb und die Instandhaltung von Anlagen benötigt werden.
Der Engineeringprozess besteht i.Allg. aus 6 Phasen (s. Abschn. 5.1). 1. Phase: 2. Phase: 3. Phase: 4. Phase: 5. Phase: 6. Phase:
Grundlagenermittlung (Basic Evaluation)) Vorplanung (Pre-Basic) Entwurfsplanung (Basic Engineering) Genehmigungsplanung (Planning for permission) Kostenermittlung und Vorbereiten der Investitionsentscheidung Ausführungsplanung (Detail Engineering)
Die einzelnen Phasen können sich überschneiden, teilweise parallel stattfinden und iterativ (z.B. zwecks Zielerreichung oder bei Änderungen) mehrfach durchlaufen werden. In den Abschn. 5.1 bis 5.10 wird das Phasenmodell erläutert und die Dokumentenerstellung und -verwaltung in den Engineeringphasen ausführlich betrachtet. Zur Engineeringdokumentation selbst seien deshalb an dieser Stelle nur folgende Bemerkungen ergänzt: Entsprechend den Zielen in den einzelnen Projektphasen werden die Engineeringdokumente schrittweise erarbeitet und gegebenenfalls genutzt für die Erstellung des Lastenhefts (s. Abschn. 5.4), Beschreibung möglicher Lösungsalternativen und des ausgewählten Anlagenkonzepts sowie Zusammenstellung der Pre-Basic-Dokumentation inkl. Dokumentationskonzept (s. Abschn. 5.5), Beschreibung des Anlagenentwurfs und Zusammenstellung der Basic-EngineeringDokumentation (s. Abschn. 5.6), Anfragen über die Lieferung der terminkritischer Ausrüstungen (s. Abschn. 5.6), Erstellung der Unterlagen für eine Umweltverträglichkeitsprüfung sowie für den Genehmigungsantrags inkl. Antragsunterlagen (s. Abschn. 3.4 und 5.7), Ermittlung von Investitions- und Betriebskosten in Vorbereitung der Investitionsentscheidung (s. Abschn. 5.7), Erstellung des Pflichtenhefts für die Anlage bzw. Package-units (s. Abschn. 5.7), Ausführungsplanung (Detail-Engineering-Dokumentation) für Anfrageunterlagen und die Angebotserarbeitung für die Herstellung der verfahrenstechnischen Anlage (s. Abschn. 5.8), Formulierung und Abstimmung des Anlagenvertrags (s. Abschn. 4.5), Beschaffung aller notwendigen Ausrüstungen sowie der Bau- und Montageleistungen (s. Abschn. 3.5 und 5.9), Errichtung (Bau, Montage) der Anlage (s. Abschn. 5.10), Vorbereitung/Durchführung der Inbetriebnahme/Instandhaltung (s. Abschn. 5.11), Bewirtschaftung der Anlage im Dauerbetrieb.
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Während der Projektabwicklung wächst die Engineeringdokumentation stetig, indem die Ergebnisse der einzelnen Phasen einfließen. Man spricht von Phasendokumentation, in der zielorientiert bestimmte Dokumente (elektronisch und/oder gegenständlich) am Ende einer Projektphase zusammengestellt werden. Eine wichtige Phasendokumentation ist die Basic Engineering-Dokumentation am Ende des Konzept- und Entscheidungszeitraums (Ende Phase 3). Sie stellt die notwendigen Angaben/Dokumente für die Genehmigung und Investitionsentscheidung sowie für das Pflichtenheft bereit. Neben den Hersteller- und Lieferantendokumenten bilden die Dokumente des Detail Engineering (Ende Phase 6) zum großen Teil die spätere Anlagendokumentation. Die Engineeringdokumente sollten deshalb von Anfang an so wie die spätere Anlagendokumentation gegliedert und gekennzeichnet sein. Die as-built revidierten Engineeringdokumente fließen in die AS BUILT-Dokumentation ein und werden an den Auftraggeber (Anlagenbetreiber) übergeben.
3.4 Genehmigungsdokumentation Die Genehmigungsdokumentation umfasst alle Dokumente, die für Beantragung, Erteilung und Erhaltung einer behördlichen Genehmigung zwecks Errichtung und Betrieb einer Anlage nötig sind sowie erarbeitet, verwaltet, abgelegt und archiviert werden. Verantwortlich für die Genehmigung Auch wenn die Genehmigungsdokumentation zahlreiche Anlagendokumente enthält, so sollte sie als eigenständige Hauptdokumentation unter Verantwortung des Investors/ Bauherrn erarbeitet und verwaltet werden. Die Genehmigung und die zugehörigen Dokumente haben letztlich eine rechtliche, verantwortungsseitige und inhaltliche Spezifik. Die Genehmigungsdokumentation verfahrenstechnischer Anlagen wird i.d.R. gemäß behördlicher Vorgaben in Papierform, mitunter zusätzlich elektronisch, erarbeitet (s. Abschn. 1.6). Sie umfasst i.Allg. mehrere Ordner, ist aber im Vergleich zur Anlagendokumentation relativ klein. Die möglichen Hauptgliederungspunkte enthält Tabelle 3.7. Tabelle 3.7 Hauptgliederungspunkte einer Genehmigungsdokumentation ohne notwendige Umweltverträglichkeitsprüfung nach BImSchG-Genehmigungsverfahren (Praxisbeispiel) 1 2
3
4 5 6 7
Grundlagen Genehmigungsantrag und zugehörige Antragsunterlagen, z.B. Unterlagen zum BImSchG Unterlagen des wasserrechtlichen Verfahrens Unterlagen des landesrechtlichen Verfahrens (u.a. Bau) Alarm- und Gefahrenabwehrplan, Notfall-Plan, Feuerwehrpläne, Gefahrenzonenpläne u.a. Unterlagen aus dem Genehmigungsverfahren, z.B. Schriftverkehr zwischen Antragsteller und Genehmigungsbehörde Gutachten, Stellungsnahmen u.ä. Protokolle, Belege usw. Genehmigungsbescheid und zugehörige Unterlagen Unterlagen zu Mitteilungen, Anzeigen, Fortschreibungen, Änderungen u.ä. Nachweise über Einhaltung der Betriebspflichten (aus Rechtsvorschriften, Genehmigungsbescheid usw.) Sonstiges
3.4 Genehmigungsdokumentation
163
3.4.1 Dokumente für Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) [15] Die rechtlichen Grundlagen des Verfahrens sind in Abschn. 2.3.2, a) angeführt. Ist für eine Anlage gemäß § 1 (Anwendungsbereich) des „Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG)“ [15] eine UVP nötig, so sind insbesondere folgende Informations-/Dokumentationsleistungen und Dokumente erforderlich: Erarbeiten eines UVP-Berichts gemäß § 16 (UVP-Bericht) (1) Der Vorhabenträger hat der zuständigen Behörde einen Bericht zu den voraussichtlichen Umweltauswirkungen des Vorhabens (UVP-Bericht) vorzulegen, der zumindest folgende Angaben enthält: 1. eine Beschreibung des Vorhabens mit Angaben zum Standort, zur Art, zum Umfang und zur Ausgestaltung, zur Größe und zu anderen wesentlichen Merkmalen des Vorhabens, 2. eine Beschreibung der Umwelt und ihrer Bestandteile im Einwirkungsbereich des Vorhabens, 3. eine Beschreibung der Merkmale des Vorhabens und des Standorts, mit denen das Auftreten erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen des Vorhabens ausgeschlossen, vermindert oder ausgeglichen werden soll, 4. eine Beschreibung der geplanten Maßnahmen, mit denen das Auftreten erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen des Vorhabens ausgeschlossen, vermindert oder ausgeglichen werden soll, sowie eine Beschreibung geplanter Ersatzmaßnahmen, 5. eine Beschreibung der zu erwartenden erheblichen Umweltauswirkungen des Vorhabens, 6. eine Beschreibung der vernünftigen Alternativen, die für das Vorhaben und seine spezifischen Merkmale relevant und vom Vorhabenträger geprüft worden sind, und die Angabe der wesentlichen Gründe für die getroffene Wahl unter Berücksichtigung der jeweiligen Umweltauswirkungen sowie 7. eine allgemein verständliche, nichttechnische Zusammenfassung des UVP-Berichts.
Die Absätze (2) bis (9) untersetzen diese Vorgaben. In Abs. (9) wird bezogen auf die elektronische Form noch ergänzt: (9) Der Vorhabenträger hat den UVP-Bericht auch elektronisch vorzulegen.
Unterrichtung der Öffentlichkeit gemäß § 19 (1) Bei der Bekanntgabe zu Beginn des Beteiligungsverfahrens unterrichtet die zuständige Behörde die Öffentlichkeit über .. (d. Verf.: insgesamt 8 Punkte). (2) Im Rahmen des Beteiligungsverfahrens legt die zuständige Behörde zumindest folgende Unterlagen zur Einsicht der Öffentlichkeit aus: 1. den UVP-Bericht, 2. die das Vorhaben betreffenden entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der zuständigen Behörde zum Zeitpunkt des Beginns des Beteiligungsverfahrens vorgelegen haben.
Nach Abschluss des Beteiligungsverfahrens der Öffentlichkeit (Information, Anhörung, Erörterung) muss die zuständige Behörde nach § 24 eine zusammenfassende Darstellung wie folgt erarbeiten: (1) Die zuständige Behörde erarbeitet eine zusammenfassende Darstellung 1. der Umwelteinwirkungen des Vorhabens, 2. der Merkmale des Vorhabens und des Standorts, mit denen erhebliche nachteilige Umwelteinwirkungen ausgeschlossen, vermindert oder ausgeglichen werden sollen, und
164
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen 3. der Maßnahmen, mit denen erhebliche nachteilige Umwelteinwirkungen ausgeschlossen, vermindert oder ausgeglichen werden sollen, sowie 4. der Ersatzmaßnahmen bei Eingriffen in Natur und Landschaft. Die Erarbeitung erfolgt auf der Grundlage des UVP-Berichts, der behördlichen Stellungnahmen nach § 17 Absatz 2 und § 55 Absatz 4 sowie der Äußerungen der betroffenen Öffentlichkeit nach den §§ 21 und 56. Die Ergebnisse eigener Ermittlungen sind einzubeziehen. (2) Die zusammenfassende Darstellung soll möglichst innerhalb eines Monats nach dem Abschluss der Erörterung im Beteiligungsverfahren erarbeitet werden.
Über die Bewertung der zusammenfassenden Darstellung muss die Behörde einen Beschluss nach §§ 25 und 26 fassen. Dazu steht in § 26 (Inhalt des Bescheids über die Zulassung oder Ablehnung des Vorhabens): (1) Der Bescheid über die Zulassung des Vorhabens muss zumindest die folgenden Angaben enthalten: 1. die umweltbezogenen Nebenbestimmungen, sofern sie mit der Zulassungsentscheidung verbunden sind, 2. eine Beschreibung der vorgesehenen Überwachungsmaßnahmen nach § 28 oder nach entsprechenden bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften sowie 3. eine Begründung, aus der die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe hervorgehen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben; hierzu gehören a) Angaben über das Verfahren zur Beteiligung der Öffentlichkeit, b) die zusammenfassende Darstellung gemäß § 25 Absatz 1 und c) die begründete Bewertung gemäß § 25 Absatz 1 und d) eine Erläuterung, wie die begründete Bewertung, insbesondere die Angaben des UVP-Berichts, die behördlichen Stellungsnahmen nach § 17 Absatz 2 und § 55 Absatz 4 sowie die Äußerungen der Öffentlichkeit nach den §§ 21 und 56, in der Zulassungsentscheidung berücksichtigt wurden oder wie ihnen anderweitig Rechnung getragen wurde. (2) Wird das Vorhaben nicht zugelassen, müssen im Bescheid die dafür wesentlichen Gründe erläutert werden. (3) Im Übrigen richtet sich der Inhalt des Bescheids nach den einschlägigen fachrechtlichen Vorschriften.
Weitere Ausführungen zur UVP komplexer Anlagen sind u.a. in § 27 zur Bekanntmachung der Entscheidung und Auslegung des Bescheids sowie in § 28 zur Überwachung der Einhaltung der umweltbezogenen Bestimmungen des Zulassungsbescheids. 3.4.2 Dokumente für Genehmigungsantrag nach BImSchG [16] Die rechtlichen Grundlagen des Verfahrens sind in Abschn. 2.3.2, b) angeführt. Ist für eine Anlage ein Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz nötig, so sind insbesondere folgende Informations- und Dokumentationsleistungen und Dokumente erforderlich: Antragsstellung gemäß § 2 der 9. Verordnung zum BImSchG (9. BImSchV) [17] (1) Der Antrag ist von dem Träger des Vorhabens bei der Genehmigungsbehörde schriftlich zu stellen. Träger des Vorhabens kann auch sein, wer nicht beabsichtigt, die Anlage zu errichten oder zu betreiben.
3.4 Genehmigungsdokumentation
165
(2) Sobald der Träger des Vorhabens die Genehmigungsbehörde über das geplante Vorhaben unterrichtet, soll diese ihn im Hinblick auf die Antragsunterlagen beraten und mit ihm den zeitlichen Ablauf des Genehmigungsverfahrens sowie sonstige für die Durchführung dieses Verfahrens erhebliche Fragen erörtern. Sie kann andere Behörden hinzuziehen, soweit dies für die Zwecke des Satzes 1 erforderlich ist. Die Erörterung soll insbesondere der Klärung dienen, 1. welche Antragsunterlagen bei Antragstellung vorgelegt werden müssen, 2. welche voraussichtlichen Auswirkungen das Vorhaben auf die Allgemeinheit und die Nachbarschaft haben kann und welche Folgerungen sich daraus für das Verfahren ergeben, 3. welche Gutachten voraussichtlich erforderlich sind und wie doppelte Gutachten vermieden werden können, 4. wie der zeitliche Ablauf des Genehmigungsverfahrens ausgestaltet werden kann und welche sonstigen Maßnahmen zur Vereinfachung und Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens vom Träger des Vorhabens und von der Genehmigungsbehörde getroffen werden können, 5. ob eine Verfahrensbeschleunigung dadurch erreicht werden kann, dass der behördliche Verfahrensbevollmächtigte, der die Gestaltung des zeitlichen Verfahrensablaufs sowie die organisatorische und fachliche Abstimmung überwacht, sich auf Vorschlag oder mit Zustimmung und auf Kosten des Antragsstellers eines Projektmanagers bedient, 6. welche Behörden voraussichtlich im Verfahren zu beteiligen sind. Bei UVP-pflichtigen Vorhaben gilt ergänzend § 2a.
Der Antragsteller sollte diese rechtlich zugesicherte Unterstützung durch die Genehmigungsbehörde umfassend wahrnehmen und entsprechend den protokollierten Abstimmungsergebnissen vorgehen. In der 9. BImSchV sind ferner zum Teil sehr detaillierte Vorgaben enthalten betreffs: Antragsunterlagen (allgemein) (§ 4), Angaben zur Anlage und zum Anlagenbetrieb (§ 4a), Angaben zu den Schutzmaßnahmen (§ 4b), Plan zur Behandlung der Abfälle ( § 4c), Angaben zur Energieeffizienz (§ 4d), Zusätzliche Angaben zur Prüfung der Umweltverträglichkeit; UVP-Bericht (§ 4e). Im Antrag ist die Einhaltung aller genehmigungsrelevanten Rechtsvorschriften sowie der zugehörigen Regelwerke und Verwaltungsvorschriften nachzuweisen. Für Anlagen, die auf Grund der benutzten gefährlichen Stoffe und Stoffmengen der Störfall-Verordnung (12. BImSchV) [18] unterliegen, sind nach § 4b, Abs. (2), 9. BImSchV dem Genehmigungsantrag umfangreiche, zusätzliche Angaben aus dem Sicherheitsbericht beizufügen. Der Inhalt des Sicherheitsberichts für sog. Störfall-Anlagen ist in § 9 (Sicherheitsbericht) der 12. BImSchV wie folgt vorgegeben: (1) Der Betreiber eines Betriebsbereichs der oberen Klasse hat einen Sicherheitsbericht nach Absatz 2 zu erstellen, in dem dargelegt wird, dass 1. ein Konzept zur Verhinderung von Störfällen umgesetzt wurde und ein Sicherheitsmanagementsystem zu seiner Anwendung gemäß den Grundsätzen des Anhangs III vorhanden ist und umgesetzt wurde,
166
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen 2. die Gefahren von Störfällen und möglichen Störfallszenarien ermittelt sowie alle erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung derartiger Störfälle und zur Begrenzung ihrer Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt ergriffen wurden, 3. die Auslegung, die Errichtung sowie der Betrieb und die Wartung sämtlicher Teile eines Betriebsbereichs, die im Zusammenhang mit der Gefahr von Störfällen im Betriebsbereich stehen, ausreichend sicher und zuverlässig sind, 4. interne Alarm- und Gefahrenabwehrpläne vorliegen und die erforderlichen Informationen zur Erstellung externer Alarm- und Gefahrenabwehrpläne gegeben werden sowie 5. ausreichend Informationen bereitgestellt werden, damit die zuständigen Behörden Entscheidungen über die Ansiedlung neuer Tätigkeiten oder Entwicklungen in der Nachbarschaft bestehender Betriebsbereiche treffen kann. (2) Der Sicherheitsbericht enthält mindestens die in Anhang II aufgeführten Angaben und Informationen. Er führt die Namen der an der Erstellung des Berichts maßgeblich Beteiligten auf. Er enthält ferner ein Verzeichnis der in dem Betriebsbereich vorhandenen gefährlichen Stoffe auf der Grundlage der Bezeichnungen und Einstufungen in Spalte 2 der Stoffliste des Anhangs I.
Der Anhang II beinhaltet „Mindestangaben im Sicherheitsbericht“ und der Anhang III enthält „Grundsätze für das Konzept zur Verhinderung von Störfällen und das Sicherheitsmanagementsystem.
3.4.3 Genehmigungsbescheid In § 21 (Inhalt des Genehmigungsbescheids) der 9. BImSchV [17] ist u.a. festgelegt: (1) Der Genehmigungsbescheid muss enthalten 1. die Angabe des Namens und des Wohnsitzes oder des Sitzes des Antragstellers, 2. die Angabe, dass eine Genehmigung, eine Teilgenehmigung oder eine Änderungsgenehmigung erteilt wird, und die Angabe der Rechtsgrundlage, 3. die genaue Bezeichnung des Gegenstandes der Genehmigung einschließlich des Standortes der Anlage sowie den Bericht über den Ausgangszustand, 3a. die Festlegung der erforderlichen Emissionsbegrenzungen einschließlich der Begründung für die Festsetzung weniger strenger Emissionsbegrenzungen nach § 7 Absatz 1b Satz 1 Nummer 2, § 12 Absatz 1b oder § 48 Absatz 1b Satz 1 Nummer 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, 4. die Nebenbestimmungen zur Genehmigung, 5. die Begründung, aus der die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben, und die Behandlung der Einwendungen hervorgehen sollen, 6. Angaben über das Verfahren zur Beteiligung der Öffentlichkeit, 7. eine Rechtsbehelfsbelehrung. (1a) Der Genehmigungsbescheid für UVP-pflichtige Anlagen muss neben den nach Absatz 1 erforderlichen Angaben zumindest noch folgende Angaben enthalten (s. auch Abschn. 3.4.1): 1. eine Beschreibung der vorgesehenen Überwachungsmaßnahmen, 2. eine ergänzende Begründung, in der folgende Angaben enthalten sind: a) die zusammenfassende Darstellung nach § 20 Absatz 1a, b) die begründete Bewertung nach § 20 Absatz 1b und c) eine Erläuterung, wie die begründete Bewertung nach § 20 Absatz 1b, insbesondere die Angaben des UVP-Berichts nach § 4e, die behördlichen Stellungsnahmen nach den §§ 11 und 11a sowie die Äußerungen der Öffentlichkeit nach den
3.4 Genehmigungsdokumentation
167
§§ 11a und 12, in der Entscheidung berücksichtigt wurden oder wie ihnen anderweitig Rechnung getragen wurde.
In § 21 (Inhalt des Genehmigungsbescheids) sind weitere Vorgaben gemacht zu zusätzliche Auflagen, Regelungen, Anforderungen, Maßnahmen und Vorkehrungen für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie (IE-RL) [19] (s. Abschn. 2.2.3, a)) sowie zusätzliche Angaben für Anlagen, die die Verordnung über die Verbrennung und Mitverbrennung von Abfällen anwenden [20]. Das Inhaltsverzeichnis des Genehmigungsbescheids einer Gas- und Dampfturbinen (GuD)-Kraftwerksanlage enthält Tabelle 3.8. Tabelle 3.8 Inhaltsverzeichnis eines Genehmigungsbescheids einer Chemieanlage (Praxisbeispiel) I. II. III. IV.
V. VI.
Allgemeine Angaben (Antragsteller, Vorhaben, Rechtsgrundlagen u.ä.) Ergebnis der Entscheidung Antragsunterlagen Nebenbestimmungen gemäß § 12 des BImSchG 1. Allgemeines 2. Bauordnungsrechtliche Erfordernisse 3. Immissionsschutz - Teil Reinhaltung der Luft 4. Immissionsschutz - Teil Lärmschutz 5. Arbeitsschutz und Sicherheit 6. Brandschutz 7. Explosionsschutz 8. Reststoffe/Abfall 9. Gewässerschutz 10. Bauordnungsrechtliche Erfordernisse Hinweise Begründung 1. Umweltverträglichkeitsprüfung 2. Angabe der Umwelteinwirkungen 3. Beurteilung der Umwelteinwirkungen 4. Gesamtbeurteilung des Vorhabens
VII. Kostenentscheidung VIII. Rechtsbehelfsbelehrung
3.4.4 Nutzung und Änderung der Genehmigung Mit der erteilten Genehmigung ist die rechtliche Basis für die Errichtung (beginnend mit der Baustelleneinrichtung) und den Betrieb (beginnend mit der Inbetriebnahme) der Anlage gegeben. Die Pflichten, die aus dem Genehmigungsbescheid für die Projektabwicklung resultieren, sind dem Genehmigungsbescheid zu entnehmen und im Projekt umzusetzen (s. auch Ausführungen zum Umwelthaftungsgesetz in Abschn. 2.6.3). Ferner sind Änderungen im Projekt auf ihre Genehmigungsrelevanz zu prüfen und adäquat zu berücksichtigen. Von Bedeutung ist dabei der § 16 (Wesentliche Änderungen genehmigungsbedürftiger Anlagen) des BImSchG, der u.a. beinhaltet: (1) Die Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage bedarf der Genehmigung, wenn
168
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen ▪ durch die Änderung nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können und ▪ diese für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 (d. Verf.: Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen) erheblich sein können (wesentliche Änderung). Eine Genehmigung ist stets erforderlich, wenn die Änderung oder Erweiterung des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage für sich genommen die Leistungsgrenzen oder Anlagengrößen des Anhangs zur Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen erreichen. Eine Genehmigung ist nicht erforderlich, wenn durch die Änderung hervorgerufene nachteilige Auswirkungen offensichtlich gering sind und die Erfüllung der sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 ergebenden Anforderungen sichergestellt ist. (5) Einer Genehmigung bedarf es nicht, wenn eine genehmigte Anlage oder Teile einer genehmigten Anlage im Rahmen der erteilten Genehmigung ersetzt oder ausgetauscht werden sollen.
Der zitierte Wortlaut bewirkt einen Ermessensspielraum in der Einschätzung des Investors bzw. Anlagenbetreibers, ob eine Projekt- bzw. Betriebsänderung wesentlich oder nichtwesentlich im genehmigungsrechtlichen Sinne ist. Die Änderungsgenehmigung beruht auf dem aktuellen Stand der Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der Antragstellung. In Tabelle 3.9 ist ein Praxisbeispiel angegeben. Tabelle 3.9 Grobgliederung der Antragsunterlagen auf Erteilung einer Änderungsgenehmigung nach § 15 BImSchG [16] (Praxisbeispiel) 1
Antragsformular
2
Verzeichnis der Unterlagen, die Geschäfts-/Betriebsgeheimnisse enthalten
3 3.1
Anlagen- und Betriebsbeschreibung Allgemeines zu den Betriebseinheiten Antragsgegenstand Ausrüstungen Tank- und Betriebslager Energieversorgung Produktionsprogramm Angaben zur Belegschaft Anlagen- und Betriebsbeschreibung Verfahrensbeschreibung (getrennt nach Betriebseinheiten (BE)) Abwasser- und Gewässerschutz (z.T. in Formularvordrucken) Abluftreinigung (z.T. in Formularvordrucken) Schallschutzmaßnahmen Sicherheitsvorkehrungen (Allgemeine Vorkehrungen, Brand- und Explosionsschutz, Flucht- und Rettungswege usw.) Schutzvorkehrungen für Belegschaft (Schutzkleidung, Atemschutz, Vorkehrungen gegen Kontamination mit Gefahrstoffen, Unterweisungen usw.) Angaben zu Reststoffen, Stoffdaten u.ä. (z.T. in Formularvordrucken) Baubeschreibung
3.2
4
Lageplan, Bauvorlagen u.a. Baudokumente
5
Topografische Karte
6
Fließschemata
7
Maschinen- und Apparateaufstellungspläne
8
Sicherheitsbericht
3.5 Beschaffungsdokumentation
169
Sofern die Änderung Einfluss auf die Schutzgüter Menschen, Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Atmosphäre, Kulturgüter hat, ist sie der Behörde gemäß § 15, BImSchG anzuzeigen. Änderungen an der erteilten Genehmigung, insbesondere während des späteren Anlagenbetriebs, können sich nicht nur bei wesentlichen Änderungen (§ 16, BImSchG) und daraus resultierenden Änderungsgenehmigungen, sondern auch durch nachträgliche behördliche Anordnungen gemäß § 17, BImSchG ergeben. Dazu steht in § 17: (1) Zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtverordnungen ergebenden Pflichten können ▪ nach Erteilung der Genehmigung sowie ▪ nach einer nach § 15 Abs. 1 angezeigten Änderung Anordnungen getroffen werden.
Die behördlichen Anordnungen können auch entsprechend der gegebenen Situation dazu dienen, schädliche Umwelteinwirkungen abzuwehren (sog. Grundpflichten) oder ihnen vorzubeugen (sog. Vorsorgepflichten). Kriterien für die Anordnungen sind die zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften sowie der aktuelle Stand der Technik gemäß der Begriffsdefinition nach § 3 (Begriffsbestimmungen), Abs. 6 des BImSchG [16]. Der Stand der Technik schließt die Veröffentlichung von BVT-Merkblättern und von BVT-Schlussfolgerungen gemäß der Industrieemissionsrichtlinie (IE-RL) [19] ein (s. Abschn. 2.2.2, a)).
3.5 Beschaffungsdokumentation Die Beschaffungsdokumentation umfasst die Gesamtheit der Dokumente, die für die Beschaffung der Lieferungen und Leistungen zur Anlagenrealisierung und ggf. zur Inbetriebnahme erarbeitet, verwaltet, abgelegt und archiviert werden. Sie enthält zunächst unternehmens- und/oder projektspezifische Regelungen zur Beschaffung. Die organisatorisch-administrativen Ausführungen zur Beschaffung werden i.Allg. in einer Beschaffungsrichtlinie (Synonym: Einkaufsrichtlinie) oder einer Werknorm des zuständigen Unternehmens formuliert. Die Richtlinie ist ähnlich einem Anlagenvertrag (s. Mustervertrag in Abschn. 4.5.1.3) gegliedert und macht, zugeordnet zu den Vertragsschwerpunkten, prinzipielle Angaben über Ziele, Verantwortlichkeiten, Prozeduren, Haltepunkte, Checklisten usw. Bei größeren Projekten reichen derartige übergreifende Unternehmensrichtlinien nicht aus. Sie sind, z.B. in Form einer Projektrichtlinie BESCHAFFUNG, durch abgestimmte projektspezifische Festlegungen zu ergänzen. Tabelle 3.10 zeigt ein Beispiel. Tabelle 3.10 Inhaltsverzeichnis einer Projektrichtlinie BESCHAFFUNGSLEISTUNGEN (Praxisbeispiel) 1
Grundsätzliches 1.1 Organisationsstruktur, Organigramm 1.2 Projektspezifische Grundlagen für Beschaffungsleistungen 1.3 Vorgaben aus Anlagenvertrag 1.3.1 Verantwortlichkeiten 1.3.2 Termine
170
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Tab. 3.10 (Fortsetzung) 2
Beschaffung 2.1 Leistungskatalog 2.2 Planung der Beschaffung 2.3 Bieterauswahl 2.4 Anfragen 2.4.1 Benennung und Kennzeichnung 2.4.2 Geltende Liefer- und Einkaufbedingungen 2.4.3 Geheimhaltung 2.4.4 Ersatz- und Verschleißteile 2.4.5 Serviceleistungen 2.5 Angebote 2.5.1 Angebotseinholung 2.5.2 Angebotsvergleich 2.6 Angebotsverhandlungen 2.6.1 Verhandlungsprotokoll 2.6.2 Zahlungsbedingungen 2.6 3 Bürgschaften 2.6.4 Dokumentation 2.6.5 Vertragsstrafen, Pönalen 2.6.6 Gewährleistung 2.6.7 Leistungsgarantien 2.6.8 Mängel an Lieferungen/Leistungen 2.6.9 Qualitätssicherung 2.6.10 Materialbeschaffungs- und Fertigungsplan 2.6.11 Versicherungen 2.6.12 Optionen (z.B. Ersatz- und Verschließteile für 2 Jahre)
3
Bestellung (kaufmännisch) 3.1 Bestellausführung 3.2 Bestellannahme 3.1.1 Bestätigung 3.1.2 Einsprüche
4
Termincontrolling
5
Prüfungen, Freigaben, Entgegennahmen, Abnahmen 5.1 Inspektionen und Prüfungen beim Hersteller 5.2 Freigaben von Beschaffungsleistungen beim Hersteller 5.2.1 Freigabe von Engineeringleistungen 5.2.2 Freigaben zur Fertigung 5.2.3 Test- und Probeläufe beim Hersteller 5.2.4 Freigaben zur Auslieferung 5.3 Lieferung, Entgegennahme bzw. Abnahme von Lieferungen/Leistungen 5.3.1 Gefahrenübergang bei der Lieferung 5.3.2 Entgegennahme der Lieferung 5.3.3 Werkvertragliche Abnahmen
6
Koordinierung der Bestellung 6.1 Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten, Befugnisse 6.2 Schriftverkehr und Kommunikation 6.2 Änderung der Bestellung 6.3 Verhalten bei Abweichungen
3.5 Beschaffungsdokumentation
171
Tab. 3.10 (Fortsetzung) 7
Verpackung, Signierung, Transport
8
Rechnungsprüfung Anhang Anhang 1 Anhang 2 Anhang 3 Anhang 4 Anhang 5
Organigramm und Stellenbeschreibungen Verhandlungsprotokoll (Muster) Geheimhaltungsvereinbarung (Muster) Diverse Formblätter und Checklisten für Prüfungen/Freigaben Richtlinie für „Verpackung, Signierung, Transport“
Die Beschaffungsdokumente sind i.Allg. entsprechend den einzelnen Beschaffungsvorgängen strukturiert, wobei jeder Vorgang die folgenden Arbeitsschritte durchläuft: Erstellen der Anfrageunterlagen, Lieferantenauswahl und Anfrage, Angebotseinholung und Angebotsvergleich, Vergabeverhandlungen und Vergabevorschlag, Bestellung/Beauftragung und Einholen der Auftragsbestätigung, Controlling zum Auftrag (Kosten-, Termin-, Qualitätssicherung), Ausführung der Lieferung und/oder Leistung, Bestätigung/Abnahme der Lieferung und/oder Leistung. Je nachdem, wie die Beschaffung durch den Auftraggeber und Auftragnehmer arbeitsteilig erfolgt, ergeben sich unterschiedliche Verantwortlichkeiten, Befugnisse und Zuständigkeiten für die zugehörige Dokumentation. In Abschn. 4.5 und 5.9 werden Regelungen zur Beschaffung und Konsequenzen für die Dokumentation dargestellt. Zugeordnet zu den o.g. Beschaffungsschritten werden im Weiteren ausgewählte Beschaffungsdokumente näher erläutert. Die Anfrageunterlagen definieren den Liefer- und/oder Leistungsumfang sowie sonstige Beschaffungsbedingungen. Sie bilden die Grundlage für eine zielgerichtete und vergleichbare Angebotserarbeitung. Inhaltliche Schwerpunkte für die Anfrageunterlagen enthält Tabelle 3.11. Die Bestellung muss den Auftrag und die sonstigen Bedingungen bei der Auftragserfüllung vollständig und eindeutig formulieren. Um abzusichern, dass der Vertrag mit allen seinen Bedingungen zustande kommt, hat der Auftragnehmer die Bestellung, z.B. unter Nutzung eines Vordrucks „Auftragsbestätigung“, schriftlich zu bestätigen. Das Inhaltsverzeichnis einer Musterbestellung im Anlagenbau enthält Tabelle 3.12. Unter Punkt 6 der Bestellung in Tab. 3.12 ist der Leistungsumfang zur Dokumentation ausreichend zu spezifizieren. In der Bestellung einer Einzelausrüstungen erfolgt dies zweckmäßig in Form von Dokumenten-Anforderungstabellen (s. Abb. 3.5). Für bestimmte Ausrüstungstypicals (Maschinen, Apparate, Behälter, Geräte) werden Musterformulare genutzt. Die Tabellen können sowohl für die Anfrage als auch für die Bestellung genutzt werden. Ergänzend zu diesen tabellarischen Angaben (Spezifikation) sind weitere Vorgaben zur Dokumentation erforderlich, wie z.B. Welche Qualitätsanforderungen müssen die einzelnen Dokumentationsprodukte und -leistungen erfüllen?
172
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Tabelle 3.11 Inhalte der technischen und kaufmännischen Liefer- und Leistungsbeschreibungen in Anfragen (Praxisbeispiel) Technische Angaben Beschreibung des Liefer- und/oder Leistungsumfangs Vorgaben zur Kennzeichnung wichtige relevante Rechtsvorschriften geltende Spezifikationen, Richtlinien und Normen Vorgaben zur Qualitätssicherung notwendige Vorabinformationen Vorgaben zur Dokumentation, inkl. zu den Dateiformaten Vorgaben zu Gesundheit-SicherheitUmweltschutz Kontrollrechte des Bestellers behördliche Auflagen
Kaufmännische Angaben
Preisstellung, Abrechnung, Aufmaße Termine Berichtswesen Zahlungsbedingungen, Rechnungslegung Vorgaben zu Lieferung, Versand Abnahmebedingungen Gewährleistung Subunternehmereinsatz Auftragsänderungen Geheimhaltung Versicherung Freistellung von Ansprüchen Dritter Angebotsabgabe, Kontaktdaten
Tabelle 3.12 Inhaltsverzeichnis einer Bestellung für einen Behälter mit inneren Einbauten und technologischem Stahlbau (Praxisbeispiel) 1 2
3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24
Deckblatt (Formblatt mit Logo, Auftrags-Nr., Auftragswert u.a. Kopfdaten) Vertragsgrundlagen Allgemeine Bedingungen, Vorschriften, Spezifikationen usw. Angebot, Verhandlungsprotokoll u.a. Dokumente zum Vorgang Auftragsumfang (Beschreibung, Preise, Sonstiges) Änderungen Regelung betreffs Subunternehmer Dokumentation EU-Konformitätserklärung und CE-Kennzeichnung Technische Vorschriften und Normen Technische Prüfungen Termine, Terminsicherung Lieferung, Gefahrenübergang Vollständigkeit der Lieferungen/Leistungen Vergütung, Zahlungsbedingungen Vertragsstrafe, Pönale Gewährleistung, Garantie Auftragsausführung, Schriftwechsel Qualitätssicherungssystem Geheimhaltung Haftung, Versicherung, Bürgschaft Höhere Gewalt Rücktrittsrecht Geltendes Recht, Gerichtsstand Auftragsannahme Anhang
3.5 Beschaffungsdokumentation
Abb. 3.5 Anforderungen an die Herstellerdokumentation einer Maschine (Seite 1)
173
174
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Abb. 3.5 Anforderungen an die Herstellerdokumentation einer Maschine (Seite 2)
3.5 Beschaffungsdokumentation
175
Wann und Wie erfolgt die Lieferung und Abnahme der Dokumentationsprodukte/ -leistungen? Dies betrifft sowohl die Enddokumentation als auch Vorablieferungen von Dokumenten (z.B. Pumpenmaßblätter für Fundamente). Welche Dokumente sind neben der Papierform auch in elektronischer Form und in welchem Format (z.B. als bearbeitbare Dateien) zu liefern? Wofür ist betreffs der bestellten Dokumentation zu gewährleisten und wie sind die Gewährleistungsbedingungen (Meldung, Terminieren, Kostenübernahme usw.)? In Abschn. 4.5 werden diese Fragen bezogen auf Anlagenverträge erörtert. Für die AS BUILT-Dokumentation der verfahrenstechnischen Anlage sind die Hersteller- bzw. Lieferantendokumente wichtig. Sie machen einen Großteil der Anlagendokumentation aus (s. Abschn. 3.6.5) und sind in die AS BUILT-Dokumentation einzupflegen. Die Spezifikation für die bestellte Dokumentation hat derart zu erfolgen, dass das Einpflegen effizient möglich ist (s. Abb. 3.5). In Projekten ist es i.Allg. zweckmäßig, für typische Beschaffungsvorgänge, wie z.B. Bestellungen von Einzelausrüstungen, Bestellungen von Teilanlagen (Package-unit), Bestellungen von Rohrleitungen, inkl. Montage, Bestellungen von EMSR-Ausrüstungen, inkl. Installation, sog. Musterdokumentation zu erarbeiten und der Anfrage und Bestellung beizulegen (s. Beispiel in Tab. 3.13). Tabelle 3.13 Muster-Inhaltsverzeichnis „Hersteller- bzw. Lieferantendokumentation für Einzelausrüstungen“ einer Pharmaanlage (Praxisbeispiel) 1
Inhaltsverzeichnis
2
Allgemeine Dokumentation Equipment 2.1 Leistungsdaten 2.1.1 Kennlinien 2.1.2 Datenblätter 2.1.3 Festigkeitsberechnungen 2.2 Zeichnungen und Listen 2.2.1 Zusammenstellungszeichnungen mit Stücklisten 2.2.2 Detailzeichnungen mit Stücklisten 2.2.3 Ersatzteillisten und Verschleißteillisten
3
Unterlagen zu zugehörigen Equipmentteilen (inkl. EMSR)
4
Betriebsanleitungen
5
Wartung / Instandhaltung / Reparaturaufträge
6
Anfragen / Angebote / Bestellungen / Wareneingang
7
Prüfdokumentation 7.1 Prüfplan 7.2 Abnahme-/ Mess- und Prüfprotokolle 7.3 Werkstoffzeugnisse 7.4 Protokolle Dämmung und Anstrich 7.5 QS-Protokolle / GMP-Prüfdokumente 7.6 EU-Konformitätserklärungen / Einbauerklärungen 7.7 Sonstige relevante Unterlagen gemäß Maschinen-RL, Druckgeräte-RL, ATEX-Hersteller-RL u.a. relevanter Rechtsvorschriften
176
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Tab. 3.13 (Fortsetzung) 8
DGUV-Unterlagen sowie Prüfunterlagen und -ergebnisse mit Prüfbuch u.a. sicherheitsrelevante Unterlagen
9
Reinigung 9.1 Reinigungskonzept 9.2 Bescheinigung über Erstreinigung durch Hersteller
10
Grundsätzliche Anforderungen 10.1 Kennzeichnung des As-built-Status 10.2 Revisionsangabe 10.3 Gültigkeitsnachweis mit Unterschriften, Datum: erstellt/geprüft/freigegeben 10.4 Jedes Dokument (auch Deckblatt und Inhaltsverzeichnis) muss mit Apparate-Nummer (Pos.-Nr.) gekennzeichnet sein. 10.5 Vollständigkeit
Beinhaltet die Bestellung die Anlage als Ganzes, so spricht man i.d.R. vom Anlagenvertrag, z.B. zur „Lieferung und Errichtung einer schlüsselfertigen Anlage für die Erzeugung von ...........“. In diesem Fall ist der Generalunternehmer für die Beschaffungsdokumentation der Gesamtanlage verantwortlich. Er pflegt wichtige Teile davon später in die AS BUILTDokumentation ein und übergibt sie an den Auftraggeber (Anlagenbetreiber). Die Dokumentationsleistungen, die in diesem Fall im Vergleich zur Einzelbestellung wesentlich komplexer und komplizierter sind, müssen im Anlagenvertrag konkret spezifiziert und vereinbart werden (s. Abschn. 4.5).
3.6 Anlagendokumentation Die Anlagendokumentation ist die Gesamtheit aller Dokumente, die zur technologischen, technischen, baulichen und sicherheitlichen Beschreibung der Anlage dient. Sie macht den Hauptumfang der späteren AS BUILT-Dokumentation aus und umfasst alle Dokumente, die die Grundlagen und Ziele des Verfahrens und der Anlage, die Spezifikation der Produkte und Medien, die Wirkungsweise des Verfahrens und der Anlage, den Aufbau und die Gestaltung der Anlage sowie der Anlagenkomponenten, die Sicherheit der Anlage, die Prozessdaten, Leistungsgarantien, Produktkennwerte u.ä. Daten, die Vorgaben und Anlageninformationen zur Instandhaltung der Anlage enthalten, beschreiben und erläutern. Der Begriff Anlagendokumentation wird bewusst im Unterschied zum „vorbelegten“ Begriff Technischen Dokumentation verwendet, da in ihr häufig neben technischen auch zahlreiche technologische Sachverhalte (exakter: physikalische, chemische, biologische Wirkungsabläufe) dokumentiert werden, der Begriff Technische Dokumentation sich im engeren Sinne auf eine Technische Produktdokumentation (s. Abschn. 1.1) nach DIN EN 10209 (Technische Produktdokumentation) [14] bezieht, die Unterschiede zwischen den Dokumentationen verfahrenstechnischer Anlagen und den Technischen Produktdokumentation und die daraus resultierenden fachlichen,
3.6 Anlagendokumentation
177
rechtlichen, organisatorischen, monetären u.a. Konsequenzen sehr gravierend sind (s. Abschn. 1.2). Die Anlagendokumentation wird im Wesentlichen aus vier Quellen gespeist. 1. Teil: Detail-Engineering-Dokumente des General- bzw. Hauptplaners In klassischen verfahrenstechnischen Projekten gibt es einen Generalplaner (GP), der egal ob EPCM-Vertrag (s. Abschn. 4.5.1.2) oder LSTK-Vertrag (s. Abschn. 4.5.1.1), den Hauptteil der Planungsleistungen selbst erbringt. Entsprechend erarbeitet er auch die zugehörigen Ausführungsdokumente mit dem Bearbeitungsstatus AFC – Approved for Construction (s. Abschn. 4.5.4.1 und 5.2) und gibt diese für die Beschaffung sowie Bau/Montage frei. Die zukünftigen Änderungen bis zur werkvertraglichen Abnahme müssen in Abstimmung zwischen Generalplaner und Baustellenleiter bzw. Inbetriebnahmeleiter eingepflegt werden. 2. Teil: Hersteller- und/oder Lieferantendokumente Die Hersteller- bzw. Lieferantendokumente sind die produktbeschreibenden und/ oder produktbegleitenden Dokumente des Herstellers bzw. Lieferanten. Sie beziehen sich überwiegend auf Produkte. Nähere Ausführungen zur Beschaffung und Einordnung der Hersteller- und Lieferantendokumente in die Anlagendokumentation werden in Abschn. 5.9 gemacht. 3. Teil: Package-unit-Dokumentationen Im Normalfall werden bestimmte Teil-/Nebenanlagen, die mehr oder weniger standardmäßig geplant, gefertigt und errichtet werden, als Package-unit eingekauft. Typische Beispiele sind: ▪ Anlagen zur Wasseraufbereitung in Kraftwerken oder Pharmabetrieben, ▪ Anlagen zur Dampferzeugung, ▪ Anlagen zur Kältebereitstellung, ▪ Abluftreinigungsanlagen, ▪ Luftzerlegungsanlagen, ▪ Anlagen zur Steuerlufterzeugung und -verteilung, ▪ Verdichteranlagen in vielen Industriezweigen. Zusammen mit der Package-unit ist eine adäquate Dokumentation zu liefern. Wie hinsichtlich der Dokumentation von Package-units zweckmäßig zu verfahren ist, wird in Abschn. 3.6.11 dargelegt. 4. Teil: Prüfdokumente und Nachweisdokumente aus Beschaffung, Bau/Montage und Inbetriebnahme (s. Abschn. 3.5, 3.6.3.6 sowie 3.6.4 bis 3.6.10 und 5.9 bis 5.11). Bem.: Die Qualitätsdokumente werden den Nachweisdokumenten zugeordnet.
3.6.1 Mögliche Grundstrukturierungen der Anlagendokumentation Die Frage: Wie sind die Anlagendokumentation und im Zusammenhang damit die Betriebsdokumentation zweckmäßig zu strukturieren? ist für den Dokumentationsprozess während des gesamten Lebenszyklus wichtig. Insbesondere aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten hat die Dokumentationsstruktur folgende Zielstellungen zu erfüllen und Hinweise zu beachten:
178
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Die Dokumentationsstruktur sollte den Stand der Technik, wie er im verfahrenstechnischen Anlagenbau und -betrieb überwiegend praktiziert wird, entsprechen. Leider existiert für die Struktur bzw. Gliederung verfahrenstechnischer Anlagendokumentationen keine zutreffende Norm, sodass die betrieblichen Praxislösungen nicht selten verschieden und unbefriedigend sind. Eine weitgehende Übereinstimmung zwischen der Dokumentationsstruktur und der arbeitsteiligen Organisation während der Projektabwicklung, sowohl im Engineering, bei der Beschaffung als auch auf der Baustelle ist anzustreben. Sind beispielsweise die Projekt- bzw. Leadingenieure für abgeschlossene Teildokumentation verantwortlich, so werden Schnittstellenprobleme und Koordinierungsaufwand minimiert. Die AS BUILT-Dokumentation, die vorrangig die Anlagendokumentation bei Abnahme der Anlage abbildet, sollte analog zu den Ingenieurleistungen im Anlagenvertrag gegliedert sein und umgekehrt (s. Abschn. 4.5.4.1). Die Dokumentationsstruktur muss die Nutzung (Akzeptanz durch Nutzer, Dokumentenkennzeichnung, Suchaufwand, Herstellen von Kopien, eindeutige Wiederablage von Dokumenten, Rechtskraft) und die Pflege (Änderungs- und Ergänzungsaufwand) der Dokumentation unterstützen. Zweckmäßige Strukturierung entsprechend der verwendeten bzw. geplanten Software für die Dokumentenverwaltung während der Projektabwicklung (sog. „Abwicklungsstruktur der Dokumentation während des Projekts“) (s. Abschn.4.5.3.1) sowie hinsichtlich des betrieblichen Dokumentenmanagements. Die Anlagendokumentation und die Liste wichtiger Dokumentenarten (LwD) sind zueinander passend zu strukturieren. Eine gut durchdachte Strukturierung wird i.Allg. für die Papierform der Dokumentation als notwendig akzeptiert, ist jedoch auch für die elektronische Form relevant, da die Dokumenten-Dateien in den meisten Fällen ebenfalls strukturiert abgespeichert werden. Entsprechend den angeführten Zielstellungen sind in der Praxis insbesondere die folgenden drei Strukturierungsvarianten von Bedeutung.
3.6.1.1 Strukturierung nach Fachdisziplinen/Gewerken Die Anlagendokumentation wird, wie im verfahrenstechnischen Großanlagenbau üblich, in fachspezifische Teildokumentationen analog zum Engineeringprozess [3] unterteilt. Erfahrungsgemäß sind bei der Errichtung von verfahrenstechnischen Anlagen fast immer die angeführten Fachdisziplinen relevant und gleichartige Dokumentenarten zu erarbeiten bzw. zu verwalten. Die angeführte Unterteilung entspricht bei größeren Projekten weitgehend der Arbeitsteilung während der Engineeringphase (Fachplaner/Leadingenieure) bzw. auf der Baustelle (Fachbau- bzw. Fachmontageleiter). Das heißt, die Fachverantwortung schließt die Erarbeitung bzw. Fortschreibung einer zugehörigen Teildokumentation ein. Schnittstellen und Fehlerquellen werden minimiert, was vorrangig bei Großprojekten sehr vorteilhaft ist. Tabelle 3.14 zeigt eine typische Strukturierung der Anlagendokumentation von Großanlagen, wie sie der weiteren Gliederung des Abschnitts 3.6 zugrunde liegt. Wird das Gesamtprojekt in mehrere komplexe Teilanlagen/Package-units unterteilt, so sollte die vorgeschlagene Gliederung auch für jede einzelne Package-unitDokumentation genutzt werden (s. auch Abschn. 3.6.11).
3.6 Anlagendokumentation
179
Tabelle 3.14 Mögliche Strukturierung der Anlagendokumentation nach Fachdisziplinen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Übergeordnete Anlagendokumente (z.B. R&I-Fließschemata, 3D-CAD-Anlagenmodell, Lage- und Aufstellungspläne, Abnahmedokumente) Dokumente zum Nachweis der Produkt- und Anlagensicherheit Verfahrenstechnik (Synonym: Prozesstechnik) Maschinen/Apparate/Behälter Bau/Stahlbau Rohrleitungen Prozessleittechnik (inkl. Elektrotechnik) Technische Gebäudeausrüstung (TGA) Package-units und Teilsysteme (Synonym: Teil-/Nebenanlagen) Inbetriebnahme Prüf- und Nachweisdokumente
Die Hersteller- bzw. Lieferantendokumentationen werden „wie-geliefert“ bzw. bei Änderungen „wie-gebaut“ als Ganzes im zugehörigen Fachkapitel der Anlagendokumentation abgelegt, beispielsweise eine Apparatedokumentation in Kapitel 4 (Ordner auf Fileserver) und eine PLT-Gerätedokumentation in Kapitel 7. Package-Unit-Dokumentationen werden als Ganzes ins Kapitel 9 eingeordnet. In der Anlagendokumentation verfahrenstechnischer Anlagen sind ca. 200 bis 300 verschiedene Dokumentenarten enthalten. Wesentliche Dokumentenarten der einzelnen Teildokumentationen werden in den Abschn. 3.6.2 bis 3.6.10 definiert bzw. tabellarisch aufgeführt. Die Anlagendokumentation gemäß der Gliederung in Tabelle 3.14 beschreibt den Aufbau und die Funktion der Anlage, reicht aber für einen sicheren, effizienten und genehmigungskonformen Anlagenbetrieb allein nicht aus. Insbesondere für die Gewährleistung des Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutzes, die sichere und wirtschaftliche Betriebsführung und Instandhaltung, die Sicherung der Produktqualitäten, den Nachweis eines genehmigten bestimmungsgemäßen Betriebs sind zusätzliche betriebliche Dokumente nötig, die in einer separaten Betriebsdokumentation zusammengefasst werden (s. Abschn. 3.7). Eine derartige Grobstrukturierung in zwei eigenständige Anlagen- und Betriebsdokumentationen (neben der eigenständigen Genehmigungsdokumentation) ist typisch für den klassischen verfahrenstechnischen Anlagenbau in der Chemie, Kunststoffindustrie, Energiewirtschaft, Pharmazie, Öl- und Gasindustrie usw.
3.6.1.2 Strukturierung analog Betriebsanleitung Eine zentrale Dokumentenart im Maschinen-/Apparatebau ist die Betriebsanleitung. In den Rechtsvorschriften für Produkte (Maschinen, Druckgeräte, ATEX-Geräte u.a.) wird vom Hersteller eine Betriebsanleitung gefordert (s. Abschn. 2.2.2 und 3.6.3.2). Gemäß der langjährigen Erfahrung mit Maschinen- bzw. Apparatedokumentationen führen Package-unit-Hersteller und Anlagenbauer, die dem Maschinen- und/oder Apparatebau nahe stehen bzw. daraus hervorgegangen sind, alle beschreibenden und betriebsrelevanten Dokumente in einer Hauptdokumentation (z.B. Anlagenhandbuch) zusammen und gliedern diese analog einer Betriebsanleitung (s. Tab. 3.15).
180
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Ein ähnliches Inhaltsverzeichnis für eine komplexe Anlagendokumentation wird in [20] vorgeschlagen. Tabelle 3.15 Inhaltsverzeichnis einer Anlagendokumentation für eine Abwasserbehandlungsanlage in Anlehnung an eine Betriebsanleitung 1
2
3
4
Über die Anleitung – Einleitung 1.1 Allgemeine Information 1.2 Normen und Richtlinien Beschreibung der Anlage 2.1 Allgemeines zur Anlage 2.2 Bestimmungsgemäße Verwendung/Betrieb 2.3 Umgebungsbedingungen Zu Ihrer Sicherheit 3.1 Grundlegendes zu den Sicherheitshinweisen 3.2 Wichtige Sicherheitshinweise 3.3 Qualifikation des Bedien- und Wartungspersonals 3.4 Angaben für den Notfall / Sicherheitseinrichtungen Technische Funktion und Daten 4.1 Funktion der Anlage 4.2 Schnittstellen und Medienbedarf 4.3 Technische Daten
5
Inbetriebnahme und Bedienung 5.1 Inbetriebnahme 5.2 Bestimmungsgemäßer Betrieb inkl. Bedienung der Anlage
6
Wartung und Instandhaltung 6.1 Wartungsplan 6.2 Bauteillisten und Ersatzteillisten 6.3 Störungssuche und Störungsbeseitigung
7
Außerbetriebnahme und Wiederinbetriebnahme 7.1 Außerbetriebnahme 7.2 Wiederinbetriebnahme
8
Demontage und Entsorgung
9
Schalt- und Stromlaufpläne der Anlage
10 11 12
R&I-Fließschemata, Grundrisspläne und Detailzeichnungen der Anlage Zertifikate und Prüfprotokolle (inkl. EU-Konformitätserklärung) Zulieferdokumentation (nach Hersteller sortiert)
Die analog einer Betriebsanleitung strukturierte Anlagendokumentation in Tabelle 3.15 enthält, im Unterschied zur Gliederung in Tab. 3.14, auch viele Informationen, die für das Betreiben und Instandhalten der Anlage benötigt werden. Unter Umständen kann damit auf eine separate Betriebsdokumentation verzichtet werden. Die technischen Unterlagen, die in der Produktdokumentation vom Hersteller (s. Abschn. 2.2.2) zusätzlich zur Betriebsanleitung zu erarbeiten und auszuliefern sind, werden bei dieser Strukturierungsvariante in das Inhaltsverzeichnis integriert. Für große verfahrenstechnische Anlagen erscheint diese Gliederung weniger geeignet.
3.6 Anlagendokumentation
181
Insbesondere ist eine systematische Einordnung der sehr umfangreichen Anlagen- bzw. Zulieferdokumente, die in Tabelle 3.15 unter den Punkten 9 und 10 bzw. Punkt 12 „versteckt“ sind und den Großteil der AS BUILT-Dokumentation ausmachen, problematisch.
3.6.1.3 Strukturierung als Mischvariante Die Gesamtdokumentationen großer Anlagen sind nicht selten Mischvarianten. Beispielsweise kann die Prozessanlagen-Dokumentation, die meistens zum Leistungsumfang des Hauptauftragnehmers gehört, nach „Fachdisziplinen“ (analog Tab. 3.14) und die Package-unit-Dokumentationen nach „Betriebsanleitung“ (analog Tab. 3.15) gegliedert werden. Die konkrete Ausführungsform einer solchen Mischvariante für die Gesamtdokumentation einer Kunststoffanlage zeigt Abb. 3.6.
Abb. 3.6 Beispiel für gemischte Strukturierung der Anlagendokumentation
Da im verfahrenstechnischen Anlagenbau oftmals Package-units als Ganzes eingekauft und realisiert werden, ist die gemischte Struktur häufig anzutreffen. Sie erfordert zusätzlich eine übergreifende Betriebsdokumentation für die Gesamtanlage. Weitere Mischvarianten bezüglich Strukturierung der Anlagendokumentation können sich ergeben, indem Teildokumentationen nach
Örtlichkeiten (Grundstücke, Betriebsteile, Logistik- und Infrastrukturbereiche), Objekten (Gebäude, Stahlbauwerke), Anlagensystemen (Mediensysteme, Rohrleitungssysteme, leittechnische Systeme), Kennzeichnungssystemen (KKS, RDS-PP, Technischer Platz), Kostenstruktur bzw. Kostengruppen
definiert und verwaltet werden. Insgesamt ist eine große Vielfalt möglich. Heterogene Strukturen sind i.Allg. schwieriger zu nutzen und zu pflegen.
182
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Bei der Erarbeitung des Lastenhefts (s. Abschn. 5.4), des Dokumentationskonzepts (s. Abschn. 5.5) und des/der Pflichtenhefts/-e (s. Abschn. 5.7) muss entschieden werden, welche Strukturierung der Anlagendokumentation im Leben der Anlage und Dokumentation die zweckmäßigste ist. Entsprechend den Erfahrungen der Verfasser liegt den weiteren Ausführungen dieses Buches eine Strukturierung der Anlagendokumentation nach Fachdisziplinen (s. Tab. 3.14, Abschn. 3.6.1.1) zugrunde. In den folgenden Abschnitten werden die einzelnen Teildokumentationen und zugehörige Dokumentenarten kurz angeführt sowie ausgewählte Dokumentenbeispiele näher erläutert.
3.6.2 Übergeordnete Anlagendokumente Nachfolgend werden einige wichtige Dokumentenarten aus Kapitel 1 der Anlagendokumentation gemäß der o.g. Gliederung in Tab. 3.14 vorgestellt.
3.6.2.1 Fließschemata Fließschemata (verfahrenstechnisch) sind die zeichnerische Darstellung des Ablaufs, Aufbaus und der Funktion einer verfahrenstechnischen Anlage oder Teilanlage [7]. Je nach Umfang und Darstellung der Informationen wird zwischen Grundfließschemata, Verfahrensfließschemata und Rohrleitungs- und Instrumentenfließschemata unterschieden. a) Grundfließschema (GFS) (s. Abb. 3.7) Das Grundfließschema (GFS) (Block diagram) ist die Darstellung eines Verfahrens oder einer verfahrenstechnischen Anlage in einfacher Form. Die Darstellung erfolgt mit Hilfe von Rechtecken, die durch Linien verbunden werden [21].
Abb. 3.7 Grundfließschema mit Grund- und Zusatzinformationen [7][21]
3.6 Anlagendokumentation
183
Auf den Grundfließschemata werden außer dem Hauptverfahren auch die wichtigen Nebenverfahren, die Hauptstoff- und Hauptenergieströme sowie wichtige Prozessparameter angegeben (s. Tab. 3.16). Es ermöglicht einen Überblick über die Grob-Strukturierung des Verfahrens und der Anlage. Tabelle 3.16 Informationen auf dem Grundfließschema (Block diagram) [7][21] Grundinformationen
Zusatzinformationen
a) Benennung der Rechtecke b) Benennung der Ein- und Ausgangsstoffe c) Fließrichtung der Hauptstoffe zwischen den Rechtecken
a) Benennung der Hauptstoffe zwischen den Rechtecken b) Durchflüsse bzw. Mengen der Ein- und Ausgangsstoffe c) Durchflüsse bzw. Mengen von Energien bzw. Energieträgern d) Hauptstoffe zwischen den Rechtecken von Energien bzw. Energieträgern e) charakteristische Betriebsbedingungen
b) Verfahrensfließschema (VFS) (s. Abb. 3.9) Das Verfahrensfließschema ist das Hauptdokument der Verfahrensentwurfsplanung und folgendermaßen definiert: Das Verfahrensfließschema (VFS) (Process flow diagram) ist die Darstellung eines Verfahrens oder einer verfahrenstechnischen Anlage mit Hilfe von grafischen Symbolen, die durch Linien verbunden sind. Die grafischen Symbole bedeuten Anlagenteile, die Linien Fließlinien für Stoffe und Energien bzw. Energieträger.
Die Wechselwirkung mit dem Grundfließschema zeigt Abb. 3.8.
Abb. 3.8 Ablauf und Dokumentenarten der verfahrenstechnischen Entwurfsplanung [3]
Außer in der Vorplanungsphase werden die Verfahrensfließschemata noch vorrangig als Unterlage für die Behörde im Genehmigungsverfahren sowie als Schulungsunterlage für das Inbetriebnahme-, Betriebs- und Instandhaltungspersonal genutzt.
184
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Abb. 3.9 Verfahrensfließschema mit Grund- und Zusatzinformationen [7][21]
Neben den Grund- und Zusatzinformationen (s. Tab. 3.17), die als grafische Symbole dargestellt sind, enthält das Verfahrensfließschema noch eine sog. Stoffstromleiste mit den Hauptdaten zur Charakterisierung der Stoffströme (s. Abb. 3.9).
3.6 Anlagendokumentation
185
Tabelle 3.17 Informationen auf dem Verfahrensfließschema (Process flow diagram) [7][21] Grundinformationen a) Art der für das Verfahren erforderlichen Apparate und Maschinen außer Antriebsmaschinen b) Bezeichnung der Apparate und Maschinen außer Antriebsmaschinen c) Fließweg und Fließrichtung der Einund Ausgangsstoffe und Energien d) Benennung und Durchflüsse bzw. Mengen der Ein- /Ausgangsstoffe e) Benennung von Energie bez. Energieträgern f) charakteristische Betriebsbedingungen
Zusatzinformationen a) Benennung und Durchflüsse bzw. Mengen der Stoffe zwischen den Verfahrensstufen b) Durchflüsse bzw. Mengen von Energien bzw. Energieträgern c) Anordnung wesentlicher Armaturen d) Aufgabenstellung für Messen, Steuern, Regeln an wichtigen Stellen e) Ergänzende Betriebsbedingungen f) Kennzeichnende Größen von Apparaten und Maschinen (außer Antriebsmaschinen) ggf. in getrennten Listen g) Kennzeichnende Daten von Antriebsmaschinen, ggf. in getrennten Listen
c) Rohrleitungs- und Instrumentenfließschema (R&I-FS) Die Fließschemaarbeit während der Entwurfs- und Ausführungsplanung sowie während der Anlagenrealisierung beinhaltet hauptsächlich die Erarbeitung und Fortschreibung der Rohrleitungs- und Instrumentenfließschemata. Das R&I-FS ist im verfahrenstechnischen Anlagenbau und -betrieb die wichtigste Dokumentenart und wie folgt definiert: Das Rohrleitungs- und Instrumentenfließschema (R&I-Fließschema) (Piping and instrument diagram (P&ID)) basiert auf dem Verfahrensfließschema und illustriert durch grafische Symbole für Anlagenteile und Rohrleitungen sowie grafische Symbole für die Mess-, Regel- und Steuerfunktionen die technische Realisierung eines Verfahrens [7][21].
Die Grund- und Zusatzinformationen des R&I-FS sind in Tab. 3.18 zusammengestellt. Tabelle 3.18 Informationen auf den Rohrleitungs- und Instrumentenfließschema [7][21] Grundinformationen
Zusatzinformationen
a) Funktion und Art der Apparate und Maschinen, einschließlich Antriebsmaschinen, Fördereinrichtungen und installierte Reserve b) Identifikations-Nummer der Apparate und Maschinen einschließlich Antriebsmaschinen c) Kennzeichnende Größen von Apparaten und Maschinen, gegebenenfalls in Form getrennter Listen d) Bezeichnung von Nennweite, Druckstufe, Werkstoff und Ausführung der Rohrleitungen, z.B. durch Rohrleitungsnummer und Rohrleitungsklasse oder Identifikations-Nummer e) Angaben zu Apparaten, Rohrleitungen, Armaturen f) Mess-, Regel- und Steuerfunktionen mit Identifikations-Nummer g) Kennzeichnende Daten von Antriebsmaschinen, gegebenenfalls in Form getrennter Listen
a) Benennung und Durchflüsse bzw. Mengen von Energie bzw. Energieträgern b) Fließweg und Fließrichtung von Energien bzw. Energieträgern c) Art wichtiger Geräte für Messen, Steuern, Regeln d) Wesentliche Werkstoffe von Apparaten und Maschinen e) Plattformhöhe und ungefähre relative vertikale Position der Anlagenteile f) Referenzkennzeichnung von Armaturen g) Benennung von Anlagenteilen
186
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Die grafischen Symbole für die R&I-Fließschemata und andere zeichnerische Darstellungen einzelner Fachdisziplinen sind in Normen angegeben (s. Tab. 3.19). Tabelle 3.19 Ausgewählte Normen mit Angaben zu graphischen Symbolen und Kennbuchstaben für die Darstellung auf Verfahrensfließschemata und R&I-Fließschemata Norm DIN EN ISO 10628
DIN EN ISO 10628-1, Beiblatt 1
DIN 28000
T i t e l und I n h al t Schemata für die chemische und petrochemische Industrie Teil 1
Spezifikation der Schemata
Teil 2
Grafische Symbole
Ziff. 3.2
Kennbuchstaben Anlage
Ziff. 3.3
Kennbuchstaben Teilanlage
Ziff. 3.4
Kennbuchstaben Apparate und Maschinen
Ziff. 3.5
Kennbuchstaben Verpackungsmaschinen
Ziff. 3.6
Kennbuchstaben Armaturen
Ziff. 3.7
Rohrleitungen
Ziff. 3.8
Rohrleitungsteile
Chemischer Apparatebau – Dokumentation im Lebensweg von Prozessanlagen Teil 3:
Fließschemata und Anlagenkennzeichnung
Teil 4:
Graphische Symbole für Armaturen und Rohrleitungen
DIN EN 62424 VDE 0810-24
Darstellung von Aufgaben der Prozessleittechnik – Fließbilder und Datenaustausch zwischen EDV-Werkzeugen zur Fließbilderstellung und CAE-Systemen
DIN EN 61082
Dokumente der Elektrotechnik
EN 60617
Graphische Symbole für Schaltpläne
DIN 1356-1
Bauzeichnungen, Teil 1: Arten, Inhalte und Grundregeln der Darstellung
Die Symbole, für die Fließschemaarbeit im Projekt und Betrieb genutzt werden, sind in einer Legende „Grafische Symbole für Fließschemata“ zu definieren und zu vereinbaren. Gleichzeitig ist die Strukturierung aller R&I-Fließschemata spätestens zu Beginn der Entwurfsplanung (Basic Engineering) festzulegen und in einer zweiten Legende „Strukturierung der R&I-Fließschemata im Projekt XYZ“ zu dokumentieren. Dies kann z.B. in Form einer grafischen Darstellung oder einer Liste erfolgen. Kriterien für die Strukturierung [3] sind u.a. die: Übersichtlichkeit der Informationsdarstellung, Handhabbarkeit der R&I-Fließschemata in der vor-Ort-Arbeit, Handhabbarkeit der R&I-Fließschemata in der CAD- und CAE-Arbeit, Flexibilität bei Änderungen, Ergänzungen, Erweiterungen der Anlage, Konformität zwischen R&I-Fließschemata-Strukturierung und den Unterlagen zum Genehmigungsantrag, Minimierung der Schnittstellen bzgl. Verantwortung, Zuständigkeiten, Befugnissen, Konformität zwischen Strukturierung der R&I-FS und der Beschaffungskonzeption, Minimierung des Know-how-Verlustes.
3.6 Anlagendokumentation
187
Abb. 3.10 Legende „Grafische Symbole für Fließschemata“ (Praxisbeispiel) Die Wechselwirkung zwischen R&I-FS und Verfahrensfließschema ist auf Abb. 1.2 in Abschn. 1.2 dargestellt. Ein R&I-FS mit Grundinformationen zeigt Abb. 3.11.
188
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Abb. 3.11 Rohrleitungs- und Instrumentenfließschema (R&I-FS) mit Grundinformationen [7][21]
Ein R&I-FS, auf den, ergänzend zu Abb. 3.1, auch mehr Mess-, Steuer- und Regelfunktionen, inkl. vieler Signallinien dargestellt sind, enthält Abb. 3.12 (s. auch [22]).
3.6 Anlagendokumentation
Abb. 3.12 R&I-Fließschema vom 3-Phasenanscheider eines Ölbetriebs (Auszug)
189
190
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
3.6.2.2 Anlagenmodell Das Anlagenmodell ist eine dreidimensionale Darstellung der Anlage oder Teilanlage zur Festlegung der lagemäßigen Anordnung aller Anlagenteile, Gebäude, Apparate, Rohrleitungen, Messstellen, Stützkonstruktionen und Trassen für Rohrleitungen, Kabel und Kanäle [7].
Da es fast immer mit Hilfe von 3D-Planungstools erzeugt wird, spricht man exakterweise von einem 3D-CAD-Anlagenmodell. Das 3D-CAD-Anlagenmodell wird während der Vorplanung (relativ zeitnah mit dem Beginn der (Verfahrens-)Fließschemaarbeit) planerisch begonnen und bis zum Ende des Detail Engineering ergänzt und präzisiert. Es durchläuft die Stufen vom 3D-Anlagenkonzept bzw. -layout über den 3DAnlagenentwurf bis zum 3D-Anlagenmodell. Auf Abb. 3.13. ist der Werdegang (Workflow) der 3D-CAD-Modellierung während der Engineering-Phasen (s. Abschn. 5.1) dargestellt. Die nachfolgende Pflege des 3DAnlagenmodells bis zum Projektende ist nicht angegeben.
Abb. 3.13 Stufen der 3D-CAD-Planung während der Anlagen-Projektabwicklung, einschließlich des Inputs (Vorgaben) und Outputs (Dokumentenarten) der einzelnen Planungsschritte
3.6 Anlagendokumentation
191
Nähere inhaltliche Angaben zu den drei Stufen der 3D-CAD-Anlagenplanung enthält Tabelle 3.20. Tabelle 3.20 Informationsinhalte des 3D-Anlagenkonzepts, des 3D-Anlagenentwurfs und des 3D-Anlagenmodells [3] 1
3D-Anlagenkonzept bzw. -layout Platzieren der Hochbauten und Stahlbauwerke, inkl. ▪ Darstellung als Freianlage oder Inhouseanlage oder Mischvariante, ▪ Darstellung über Hoch- und/oder Flachbauweise. Anordnung der Hauptausrüstungen, ggf. als Platzhalter (Dummy), Verkehrs- und Fluchtwege u.a. Infrastrukturflächen, ggf. Rohrbrücken/-trassen und Kabeltrassen, ggf. Hauptrohrleitungen, Hauptarmaturen, Lüftungskanäle u.a. platz- und kostenintensive Anlagenkomponenten Anlagengrenzen
2
3D-Anlagenentwurf Apparate, Behälter, Erhitzer einschließlich Flansche, Sättel, Tragfüße und zugehörige Bühnen mit Stützkonstruktionen Maschinen und Antriebe Kennzeichen der Anlagenteile Kamine und Gaskanäle Stützkonstruktionen mit Haupt- und Auflageträgern für Anlagenteile Bühnen, Laufstege, Treppen, Leitern Fundamente über Oberkante Grundplatte Gruben, Tanktassen Zufahrts- sowie Flucht- und Rettungswege Orientierung der Koordinatenachsen Höhenangabe für Geschosse und Bühnen
3
3D-Anlagenmodell Informationen des 3D-Anlagenentwurfs Anlagenkomponenten unter Flur Symbol- und Kennfarbenerläuterungen Rohrleitungen ab bestimmter Nennweite (z.B. DN 50) mit Kennzeichnung der Gefälleangabe, Armaturen, Kompensatoren, Steckscheiben usw. Mess- und regeltechnische Einrichtungen (Feldtechnik, Kennzeichnung usw.)
Das 3D-Anlagenmodell (s. Beispiel in Abb. 3.14) ist ein Fachdisziplin/Gewerke übergreifendes Planungsprodukt, das sich zunehmend zu einem der wichtigsten Dokumente im verfahrenstechnischen Anlagenbau entwickelt hat. Der Workflow in Abb. 3.13 verdeutlicht die große Anzahl unterschiedlicher Dokumentenarten (blau dargestellt), für deren Erstellung das 3D-Modell nutzbar ist. Zum Teil lassen sich die Dokumente direkt aus dem 3D-Model selektieren bzw. generieren und zum Teil liefert das 3D-Modell Vorlagen (z.B. zeichnerische 2D-Darstellung), die durch Nachbearbeitung in die Endform gebracht werden können. Die ganzheitliche (viele Gewerke und über viele Phasen) Anwendung einer 3DAnlagenmodellierung verringert nicht nur die Schnittstellenfehler zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen im Engineering, es wird auch effektiv zur Qualitätskontrolle von Planungsergebnissen sowie auf der Baustelle und bei der Inbetriebnahme genutzt.
192
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Abb. 3.14 3D-CAD-Anlagenmodell einer Chemieanlage (Praxisbeispiel)
Ferner dient das 3D-Anlagenmodell u.a. für Präsentationszwecke und virtuelle Anlagenbesichtigungen, den Bau-/Montagefirmen zur räumlichen und örtlichen Orientierung, für Bau- und Montagekontrollen, zur Aufmaßermittlung, zur Schulung des Betreiber- und Servicepersonals, zur Ausarbeitung der Inbetriebnahmeanleitung und -anweisungen. Mitunter dient das 3D-CAD-Anlagenmodell auch als CAE-Tool (Computer-aidedengineering) zur Verwaltung der Anlagen- und Prozessdaten. Leider gelingt es in den meisten Projekten nicht, das 3D-Anlagenmodell entsprechend den Anforderungen einer Folgeplanung ausreichend genau „as-built“ zu pflegen. Dies betrifft insbesondere die Maßgenauigkeit der Bau-/Stahlbauwerke, der Rohrleitungs- und Kabeltrassen sowie der Rohrleitungen (Isometrien). Damit wird das 3D-Anlagenmodell nicht selten für den späteren Anlagenbetreiber weniger bedeutend und er scheut den Aufwand. Der Ansatz, das 3D-CAD-Anlagenmodell kontinuierlich zu pflegen und zu verfeinern sowie mit Anlagendaten zu versehen (hinterlegen), wird in Abschn. 7.1.1 unter dem Begriff Building Information Modeling (BIM) nochmals aufgegriffen und diskutiert.
3.6 Anlagendokumentation
193
3.6.2.3 Lageplan und Aufstellungsplan a) Lageplan Ein Lageplan ist eine Darstellung von Anlagen bzw. Teilanlagen, Bauwerken, wesentlichen, freistehenden Anlagenteilen sowie kennzeichnenden Einrichtungen ihrer Umgebung. Die Darstellung erfolgt vorwiegend maßstäblich im Grundriss des Standorts oder Gebäudes [7].
Er beinhaltet: Umrisse/Grenzen der Anlagen, Teilanlagen bzw. Nebenanlagen, Umrisse, Lage und Hauptabmessungen von Gebäuden und wesentlichen, freistehenden Anlagenteilen, Umrisse, Lage und Hauptabmessungen von Freiflächen und Plätzen für bestimmte Zwecke, wie z.B. Abstellflächen, Lagerflächen, Parkplätze, Verlauf und Abmessungen von Hauptverkehrswegen, z.B. Straßen, Gleise, Fluss, Hauptrohrbrücken, Hauptrohrleitungs- und -kabeltrassen, Bezugshöhen (Koten), vermessener Geländepunkt; Kennzeichen der Anlagenfelder, Bauwerke und Anlagenteile, geographischer Nordpfeil. Der Lageplan kann ein Werksgelände und/oder ein Betriebsgelände mit Umgebung abbilden. Er stellt den Mikro-Standort der Anlage im Verbund dar. Zur Erstellung wird i.Allg. ein 2D-CAD-Softwaretool genutzt. Abbildung 3.15 zeigt den Lageplan eines Erdgasspeichers, der während der Vorplanung (s. Abschn. 5.5) erarbeitet und später aktualisiert wurde. Für wesentliche Rasterfelder des Lageplans wurde ein Aufstellungsplan erarbeitet.
Abb. 3.15 Lageplan (Key-Plan) eines Speicherbetriebs für Erdgas
194
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
b) Aufstellungsplan (s. Abb. 3.16) Ein Aufstellungsplan ist eine maßstäbliche Darstellung in Grundrissen und kennzeichnenden Schnitten, die zeigt, wie Anlagenteile, Gebäude und Stützkonstruktionen lagemäßig angeordnet sind [7].
Der Aufstellungsplan veranschaulicht: vereinfacht dargestellte Umrisse der Anlagenteile, Gebäude, Stützkonstruktionen (z.B. Apparategerüste, Rohrleitungsbrücken) und wesentlicher Rohrleitungs- und Kabeltrassen, Angaben zu betrieblichen Flächen zum Abstellen, Zwischenlagern, Reparieren u.ä. Angaben zur betrieblichen Infrastruktur (z.B. Verkehrs- und Zufahrtswege), Angaben zu Flucht- und Rettungswegen, Maße oder Koordinaten für die Lagebestimmung der Anlagenteile, Gebäude und Stützkonstruktionen, Kennzeichen der Anlagenteile, Kennzeichen der Gebäude, Stützkonstruktionen und Trassen u.a., geografischer Nordpfeil. Der Aufstellungsplan wird i.d.R. aus dem 2D-CAD-Anlagenentwurf bzw. -modell extrahiert. Er basiert auf dem Aufstellungsentwurf (s. Abschn. 5.7), der wiederum aus dem Aufstellungskonzept (s. Abschn. 5.6) hervorgegangen ist.
Abb. 3.16 Aufstellungsplan einer Recyclinganlage für Kunststoffabfälle
3.6 Anlagendokumentation
195
Der Aufstellungsplan ist die Grundlage für weitere grafische Dokumente, die den Anlagengrundriss bzw. die Etagen-/Bühnengrundrisse als Vorlage nutzen und mit Hilfe von 2D-CAD-Tools fachspezifisch weitergeplant werden. Die in Abbildung 3.13 blau dargestellten Dokumentenarten belegen beispielhaft diese Aussage.
3.6.3 Dokumente zum Nachweis der Produkt- und Anlagensicherheit Nachfolgend sollen wichtige sicherheitsrelevante Dokumente der Anlagendokumentation, die die Produkt- und Anlagensicherheit begründen, separat betrachtet werden. In der Praxis sind sie i.d.R. nach fachspezifischen Gesichtspunkten in die betreffenden Teildokumentation eingegliedert (s. Tab. 3.14). Mitunter werden die sicherheitsrelevanten Prüf- und Nachweisdokumente auch in einem extra Kapitel der Anlagendokumentation abgeheftet bzw. abgespeichert (s. Ziff. 11 in Tab. 3.15 sowie Fallbeispiel in Abschn. 5.16). Die Kategorie der „Qualitätsdokumente“, die letztlich auch GSU-relevant sind, wird in Verbindung mit der Dokumentation der jeweiligen Anlagenkomponente betrachtet bzw. den Nachweisdokumenten zugeordnet.
3.6.3.1 Sicherheitsdatenblätter für Stoffe und Gemische In Artikel 31 (Anforderungen an Sicherheitsdatenblätter) der REACH-Verordnung [23] wird gefordert: (1) Der Lieferant eines Stoffes oder eines Gemischs stellt dem Abnehmer des Stoffes oder des Gemischs eine Sicherheitsdatenblatt nach Anhang II zur Verfügung, a) wenn der Stoff die Kriterien für die Erfüllung als gefährlich gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 [24] erfüllt oder wenn das Gemisch die Kriterien für die Einstufung als gefährlich gemäß der Richtlinie 1999/45/EG erfüllt oder …
In § 5 (Sicherheitsdatenblatt und sonstige Informationspflichten) der Gefahrstoffverordnung [25] wird diese Vorgabe eins zu eins umgesetzt. Das heißt, für die nach REACH-Verordnung eingestuften Gefahrstoffe (inkl. Gemische) muss der Lieferant den Abnehmer ein Sicherheitsdatenblatt bereitstellen. Das Sicherheitsdatenblatt muss zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens (erstmalige Benutzung) des Gefahrstoffs vorliegen. Der Inhalt eines Sicherheitsdatenblatts ist in der Tabelle 2.13 im Abschnitt. 2.2.2, f) über REACH-Verordnung enthalten.
3.6.3.2 Betriebsanleitungen für Produkte und Anlagen a) Betriebsanleitungen für Produkte (Anlagenkomponenten) Betriebsanleitungen werden vom Hersteller bzw. seinem Bevollmächtigten als Teil der Produktdokumentation insbesondere gefordert für: Maschinen nach Maschinenrichtlinie (MRL) [26] (s. Abschn. 2.2.2, a)), Druckgeräte und Baugruppen nach Druckgeräte-Richtlinie (DGRL) [27] (s. Abschn. 2.2.2, b)), Geräte, Schutzsysteme und Komponenten nach ATEX-Herstellerrichtlinie [28] (s. Abschn. 2.2.2, c)), elektrische Betriebsmittel nach Niederspannungsrichtlinie [29] (s. Abschn. 2.2.2, d)),
196
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Betriebsmittel (Gerät oder ortsfeste Anlage) nach Elektromagnetische-Verträglichkeit-Richtlinie (EMV-RL) [30] (s. Abschn. 2.2.2, e)). Die Betriebsanleitung muss vor Inverkehrbringen des Produkts verfügbar sein. Die Begriffsdefinition steht, stellvertretend für die anderen harmonisierten EU-Richtlinien, in der ATEX-Herstellerrichtlinie [28] und lautet: Die Betriebsanleitung beinhaltet die für die Inbetriebnahme, Instandhaltung, Inspektion, Überprüfung der Funktionsfähigkeit und gegebenenfalls Reparatur des Geräts oder Schutzsystems notwendigen Pläne und Schemata sowie alle zweckdienlichen Angaben insbesondere im Hinblick der Sicherheit.
Die Betriebsanleitung dient dazu, ein Produkt im umfassenden Sinne bestimmungsgemäß, sachgerecht, wirkungsvoll und sicher zu verwenden. Es handelt sich um eine Verhaltensanleitung, die der Hersteller im Rahmen seiner Instruktionspflicht dem Benutzer des Produkts geben muss. Darüber hinaus sollte der Hersteller eines Produkts die Betriebsanleitung nutzen, um seine Gewährleistungsvoraussetzungen zu formulieren und zu dokumentieren. Die Einhaltung der Angaben in der Betriebsanleitung durch den Nutzer des Produkts ist zugleich Voraussetzung für die Gewährleistung des Herstellers. Die Betriebsanleitung ist eine eigenständige Dokumentenart. Innerhalb einer Produktdokumentation bzw. Anlagendokumentation ist die jeweilige Betriebsanleitung zahlenmäßig aber nur ein Dokument; wenn auch ein wichtiges und komplexes. Folgerichtig bedeutet dies, dass es in einer Technischen Produktdokumentation bzw. Anlagendokumentation neben der Betriebsanleitung noch weitere technische Dokumente (Unterlagen) gibt. Die Maschinenrichtlinie [26] macht im Anhang II detaillierte inhaltliche Vorgaben über die Betriebsanleitung einer Maschine(s. Tab. 2.5, Abschn. 2.2.2, a)). Ein entsprechendes Inhaltsverzeichnis nach DIN EN ISO 20607 [31] ist in Tab. 3.21 abgebildet. Für die Betriebsanleitung eines Druckgeräts (s. Abschn. 2.2.2, b)) ist in Tabelle 3.22 eine mögliche Mustergliederung angeführt. Tabelle 3.21 Muster-Inhaltsverzeichnis einer Betriebsanleitung für eine Maschine [31]
1 2 3
4
Titelblatt Inhaltsverzeichnis Einführung und Zweck dieser Betriebsanleitung Sicherheit 3.1 Beschreibung der Maschine 3.2 Bestimmungsgemäße Verwendung 3.3 Wichtige Maschinenspezifikation 3.4 Beschreibung der Steuerung und der Anzeigen 3.5 Grundriss / Layout Transport, Handling und Lagerung 4.1 Transport der Maschine und/oder der Komponenten 4.2 Handling der Maschine und/oder der Komponenten 4.3 Lagerung der Maschine und/oder der Komponenten
3.6 Anlagendokumentation Tab. 3.21 (Fortsetzung) 5
Montage, Installation und Inbetriebnahme 5.1 Montage/Einbau der Maschine 5.2 Platzierung der Maschine 5.3 Mechanische, pneumatische, hydraulische und elektrische Installation 5.4 Prüfung und Funktionstest von Sicherheitssystemen 5.5 Installationsprüfung 5.6 Inbetriebnahme
6
Einstellungen des Originalgeräteherstellers 6.1 Mechanische Einstellungen und Synchronisation 6.2 Sicherheitstechnische (Einstellungs-)Parameter 6.3 Pneumatische, hydraulische, elektrische und Vakuumeinstellung 6.4 Weitere Einstellungen
7
Betrieb 7.1 Betriebsarten 7.2 An- und Abschalten der Maschine 7.3 Reihenfolge oder zeitliche Abfolge der Arbeitsabläufe 7.4 Gegebenenfalls weitere Betriebsanweisungen
8
Produkt- oder Kapazitätsumstellung 8.1 Allgemeine Informationen zu Produkt- oder Kapazitätsumstellungen 8.2 Produktspezifische Konfigurationsinformationen
10 11
Inspektion, Prüfung und Wartung Fehlersuche / Fehlerbehebung und Reparatur 11.1 Allgemeine Informationen zur Fehlersuche / Fehlerbehebung und Reparatur 11.2 Fehlerbehebungstabellen 11.3 Fehlerbehebung von elektrischen Sensoren, Vakuumsystemen, pneumatischen Systemen und hydraulischen Systemen
12 13
Demontage, Außerbetriebnahme und Verschrottung Dokumente und Zeichnungen 13.1 Dokumente 13.2 Zeichnungen 13.3 Teileliste Glossar Sachwortverzeichnis Anhänge
Tabelle 3.22 Inhaltsverzeichnis der Betriebsanleitung eines Druckgeräts (Apparat) [32] 1
Beschreibung des Druckgerätes 1.1 Verwendungszweck 1.2 Angaben zum Druckgerät 1.3 Kennzeichnung 1.4 Lieferumfang
2
Entwurfsmerkmale 2.1 Betriebsbedingungen 2.2 Besondere Entwurfsmerkmale
197
198
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Tab. 3.22 (Fortsetzung) 3 4
5 6
Transport und Lagerung Montage 4.1 Aufstellungsbedingungen 4.2 Anschließen des Druckgeräts 4.3 Ausrüstung des Druckgeräts mit Begrenzungseinrichtungen Prüfung (inkl. Inbetriebnahmevoraussetzungen) Benutzung (inkl. Sicherheitshinweise) 6.1 Allgemeine Hinweise 6.2 Anfahrbetrieb 6.3 Normalbetrieb 6.4 Außerbetriebnahme 6.5 Unsachgemäße Verwendung
7
Instandhaltung 7.1 Allgemeine Angaben 7.2 Schließen und Öffnen des Druckgeräts 7.3 Wartung und Inspektion 7.4 Wiederkehrende Prüfung 7.5 Instandsetzung 7.6 Ersatz- und Verschleißteilliste
8
Mitgeltende Unterlagen
In Veröffentlichungen über Produkte aller Art, die insbesondere auch für Endverbraucher bestimmt sind, werden auch Begriffe, wie Benutzerinformationen, Gebrauchsanleitungen [33] und Benutzerhandbuch [34], gebraucht. Im vorliegenden Fachbuch, das Produkte als Teile verfahrenstechnischer Anlagen versteht, werden diese Begriffe nicht gebraucht und nicht genutzt. Technische Informationen über das Produkt, die der Hersteller zusätzlich zur Betriebsanleitung an den Nutzer übergibt, werden gemäß den Formulierungen in den EURichtlinien als technische Unterlagen bezeichnet (s. Abschn. 2.2.2, a) bis e)). Unabhängig von den begrifflichen Aspekten, sind die in [33] und [34] enthaltenen Checklisten zur technischen und darstellerischen Überprüfung von Betriebsanleitungen, auch im verfahrenstechnischen Anlagenbau nutzbar. b) Betriebsanleitungen für Package-unit Der DIN-Fachbericht 146 [20] behandelt Betriebsanleitungen für Anlagen gemäß der Definition: Betriebsanleitung: Hersteller-Informationen, die den Benutzer zum sicheren und sachgerechten Umgang mit der Anlage und ihren Komponenten anleitet.
Konkret geht es dabei aber um die Zusammenfassung von Informationen aus Betriebsanleitungen von Komponenten. Im Anhang A des Fachberichts ist beispielhaft das Inhaltsverzeichnis (Umfang: 3 Seiten) einer Betriebsanleitung für eine lebensmittelverarbeitende Verpackungsmaschine gezeigt. Die Gliederung erscheint für maschinentechnische Anlagen aber u.U. auch für Package-units geeignet. Sie findet sich im Beispiel in Tabelle 3.23 großteils wieder. Für komplexe verfahrenstechnische Anlagen, z.B. in der Chemie-, Kunststoff-, Pharma- und Kraftwerksbranche, sind die Betriebsanleitungen für Produkte (Tab. 3.21 und
3.6 Anlagendokumentation
199
3.22), als auch für Package-units (Tab. 3.23) nicht geeignet. In diesen Anlagen, die sicherheits- und prozesstechnische kompliziert sind, gibt es viel mehr Regelungsbedarf. Tabelle 3.23 Betriebsanleitung einer Package-unit/Wasseraufbereitungsanlage (Praxisbeispiel) 1
Einleitung 1.1 Allgemeine Informationen 1.2 Normen und Richtlinien
2
Beschreibung der Anlage 2.1 Überblick 2.2 Technische Daten 2.3 Schnittstellen mit externen Bereichen 2.4 Ansichten 2.4.1 Gesamtansicht und Lage der Anlage 2.4.2 Bedieneinrichtungen und Sicherheitseinrichtungen 2.4.3 Typenschilder und Kennzeichnungen 2.5 Verwendete Medien und Anschlüsse 2.5.1 Elektrische Anschlüsse 2.5.2 Betriebsstoffe/Medienversorgung 2.5.3 Entsorgung und Abluft 2.6 Bestimmungsgemäße Verwendung
3
Sicherheitshinweise 3.1 Darstellung der Sicherheitshinweise 3.2 Grundlegende Sicherheitshinweise 3.3 Qualifikation des Bedien- und Servicepersonals 3.4 Überwachungs- und Sicherheitseinrichtungen
4
Anlagenbetrieb 4.1 Funktionsbeschreibungen 4.2 Inbetriebnahme 4.3 Bestimmungsgemäße Verwendung/Betrieb 4.3 Bedienung der Anlage 4.3.1 Bedienungs- und Anzeigeelemente 4.3.2 Automatikbetrieb 4.3.3 Sonderfunktionen 4.4 Außerbetriebnahme und Wiederinbetriebnahme nach längeren Stillstand
5
Prüfung, Wartung, Störungen und Instandsetzung 5.1 Wiederkehrende Prüfungen 5.2 Wartungsintervalle 5.3 Ersatz- und Verschleißteilliste 5.4 Störungsdiagnose und -beseitigung 5.5 Hinweise zur Instandsetzung Anhänge
c) Betriebsanleitungen für die verfahrenstechnische Gesamtanlage Bevor auf Betriebsanleitungen verfahrenstechnischer Anlagen näher eingegangen wird, sei aber noch folgende Diskussion geführt: Mitunter wird in der Praxis die Notwendigkeit einer eigenständigen Betriebsanleitung für die Gesamtanlage angezweifelt und der Aufwand gescheut. Es wird auf die Herstellerdokumentationen (ggf. auch Package-unit-Dokumentationen) und auf das Betriebshandbuch verwiesen.
200
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Dieser vorgenannten Ansicht wird aus folgenden Gründen heftig widersprochen: Wenn der Gesetzgeber für das Inverkehrbringen von Maschinen, Druckgeräten, elektrischen Betriebsmitteln u.a. Produkten eine zugehörige Betriebsanleitung fordert, so gelten diese Erwägungen und Gründe erst recht für das Inverkehrbringen einer komplexen und risikobehafteten verfahrenstechnischen Anlage. Das heißt, eine Betriebsanleitung für die Gesamtanlage ist, auch aus haftungsrechtlichen Gründen, dringend angeraten. Die Gefährdungen, die von der komplizierten Anlage ausgehen, sind größer als bei einen Produkt. Es bedarf aus diesem Grund ausführlicher Vorgaben des Herstellers/Inverkehrbringers der Anlage (z.B. des Generalunternehmers gemäß Abschn. 4.5.1.1) an den Nutzer (z.B. den Inbetriebnehmer), damit er erfolgreich arbeiten kann. Diese Vorgaben muss er bis zum Inverkehrbringen (Zeitpunkt: MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG) der Gesamtanlage erarbeiten. Kauft der Auftraggeber/Investor die Lieferungen und Leistungen für die Anlage selbst ein, so ist er der Inverkehrbringer der Gesamtanlage und für die Erarbeitung der Gesamt-Betriebsanleitung verantwortlich. Er kann diese Aufgabe und Verantwortung gegebenenfalls in Rahmen eines Engineeringvertrags an einen Dritten (z.B. Generalplaner gemäß Ingenieurvertrag in Abschn. 4.5.1.2) übertragen. Der Hersteller/Inverkehrbringer der Anlage sollte in seinem Interesse die GesamtBetriebsanleitung nutzen, um seine Garantie-/Gewährleistungsvoraussetzungen inkl. zugehöriger Aufzeichnungsvorgaben zu formulieren. Der Verweis auf die ohnehin vorgesehenen Betriebsanweisungen im Betriebshandbuch ist fachlich nicht begründet. Die Betriebsanweisungen sind sehr konkrete, schriftliche Anordnungen. Sie untersetzen die Leitlinien aus der Betriebsanleitung, können diese aber nicht ersetzen. Eine vorliegende Gesamt-Betriebsanleitung erleichtert aber wesentlich die Ausarbeitung der Betriebsanweisungen und des Betriebshandbuches. Nicht zuletzt erfolgt beim Erarbeiten der Gesamt-Betriebsanleitung eine Qualitätsprüfung der Anlagendokumente. Es wird nochmals kontrolliert, ob die geplante Anlage effizient in Betrieb genommen sowie bestimmungsgemäß genutzt werden kann. Betreffs der Erarbeitung der Betriebsanleitung Gesamtanlage ist zu beachten: Die Gesamt-Betriebsanleitung sollte parallel zur Errichtung der Anlage erarbeitet werden, nachdem die Betriebsanleitungen der Hersteller bzw. Lieferanten vorliegen. Verantwortlich ist der Inverkehrbringer der Gesamtanlage. Entsprechend dem primären Zweck, dem ingenieurtechnischen Personal zu dienen, ist sie nur auf das Wesentliche beschränkt. Detailhandlungen im Sinne eines „exakten Kochrezeptes“ werden nicht fixiert. Tabelle 3.24 enthält eine bewährte Gliederung. Der Punkt 4 (Spezifikation des bestimmungsgemäßen Betriebs) in Tab. 3.24 beinhaltet die Angaben wesentlicher Prozessparameter, gegebenenfalls auch von zulässigen Grenzwerten, des genehmigten bestimmungsgemäßen Betriebs. Es soll insbesondere der Anlagen-Sollzustand im Nennzustand/Normalbetrieb definiert werden. Dies kann z.B. eine Zusammenstellung aller Betriebsparameter mit dem zulässigen Minimal- und Maximalwerten im Normalbetrieb sein. Somit wird die Frage beantwortet: „Wann befindet sich die Anlage im Nennzustand bzw. Normalbetrieb?“ Wird dieser Nennzustand nicht erreicht, sollen Hinweise zur Fehlersuche und deren Behebung unter Punkt 14 der Tab. 3.24 helfen.
3.6 Anlagendokumentation
201
Tabelle 3.24 Gliederung der Gesamt-Betriebsanleitung einer Monomer-/Polymeranlage (Praxisbeispiel) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Grundlagen und Erläuterungen Sicherheitshinweise Entwurfsdaten (Design Basis) Spezifikation des bestimmungsgemäßen Betriebs Vorgaben zur Reinigung der Anlage Sicherheits- und Funktionsprüfungen inkl. Wasserfahrt MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG und Inbetriebnahmevoraussetzungen Übernahme von Energien und Hilfsstoffen Herstellen der (Kalt-Inbetriebnahme) Hauptschritte der Heiß-Inbetriebnahme/des Probebetriebs Anfahren der Teilanlagen und Gesamtanlage Abfahren und Außerbetriebnahme der Anlage bzw. von Anlagenteilen Leistungsfahrt inkl. Leistungsnachweis und Abnahme Hinweise zur Fehlersuche/-behebung (Störungsdiagnose/-beseitigung) Instandhaltung (Wartung, Inspektion, Instandsetzung) Verschleiß- und Ersatzteile
Beilagen Inertisierungsprogramm 1 Programm der Sicherheits- und Funktionsprüfungen (Komplexe Funktionsprüfungen) 2 Analysenprogramm 3 Anfahrvorschrift Ofen 4 Vorschrift zum Aktivieren des Katalysators 5 Beschreibung der Inbetriebnahme der Energie- und Hilfsstoffsysteme 6 Ablaufplan für Heiß-Inbetriebnahme 7 Programm der Leistungsfahrt inkl. Leistungsnachweises 8 Ausbildungsprogramm für das Leit-, Anlagen- und Servicepersonal des Käufers 9
Unter Punkt 7 ist konkret der Anlagen-Sollzustand zu Beginn der Inbetriebnahme nach der Mechanischen Fertigstellung zu fixieren. In der Praxis wird der Inbetriebnahmeleiter nicht selten gedrängt, trotz erheblicher Montagerestpunkte u.a. Restleistungen, mit der Inbetriebnahme zu beginnen. Die klare Formulierung der Startvoraussetzungen in der Inbetriebnahmeanleitung ist für ihn, wie für das gesamte Management, eine fundierte Basis für eine sachliche, fachbezogene Diskussion und Entscheidung über den Beginn der Inbetriebnahme. Analoges gilt für den Übergang von der Kalt- zur Heiß-Inbetriebnahme gemäß Punkt 9. Die Angaben unter Punkt 15 beinhalten insbesondere einen Wartungs- und Inspektionsplan für die Gesamtanlage. Dieser muss auf Basis der Angaben in den zahlreichen Produkt-Betriebsanleitungen zusammengestellt werden. Unter Punkt 16 ist eine Ersatz- und Verschleißteilliste für die Gesamtanlage zu erarbeiten.
202
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Wichtige Bestandteile der Gesamt-Betriebsanleitung sind die Beilagen bzw. Anhänge. Sie beinhalten Dokumente, die für eine systematische sowie fachlich fundierte Vorbereitung und Durchführung der Inbetriebnahme wichtig sind. Ein wichtiges Dokument, welches in vielen Projekten vernachlässigt wird, ist das Ausbildungsprogramm für das Kundenpersonal. In Verbindung mit der Erstinbetriebnahme verfahrenstechnischer Anlagen, die de facto die erste Betriebsphase darstellt, wird die Gesamt-Betriebsanleitung mitunter auch als Inbetriebnahmeanleitung bezeichnet [5] und wie folgt definiert: Die Inbetriebnahmeanleitung beinhaltet die Zusammenstellung der sicherheitlichen, verfahrenstechnischen, technischen und organisatorisch-administrativen Leitlinien für eine sichere, rechtskonforme und vertragsgemäße Inbetriebnahme.
3.6.3.3 EU-Konformitätserklärungen und Risikobeurteilungen für Produkte und Anlagen a) EU-Konformitätserklärungen für Produkte (Anlagenkomponenten) In den EU-Richtlinien für die Herstellung und das Inverkehrbringen von Produkten (s. Abschn. 2.2.2) wird vom Inverkehrbringer (i.d.R. vom Hersteller) gefordert (z.B. in [28]), dass er das Produkt gemäß den wesentlichen Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen (entsprechend geltender EU-Richtlinie) entworfen und hergestellt hat, die geforderten technischen Unterlagen erstellt und das entsprechende Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt hat oder hat durchführen lassen, im Fall, dass das Produkt im Ergebnis des Verfahrens den anwendbaren Anforderungen entspricht das Verfahren, eine EU-Konformitätserklärung ausstellt und am Produkt die CE-Kennzeichnung anbringt. Die EU-Konformitätserklärung ist eine schriftliche Bestätigung des Herstellers bzw. seines Bevollmächtigten mit Sitz in der EU, dass das von ihm in Verkehr gebrachte Produkt (Erzeugnis) den wesentlichen Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen der zutreffenden EU-Richtlinie und den angeführten mitgeltenden EU-Richtlinien (mitunter auch den angeführten harmonisierten EU-Normen) entspricht.
Die Inhalte der EU-Konformitätserklärungen für Produkte sind in der jeweiligen EURichtlinie im Detail vorgegeben (s. Angaben in Abschn. 2.2.2 für Maschinen in Tab. 2.3, für Druckgeräte in Tab. 2.7 und für ATEX-Geräte in Tab. 2.11). Das Muster einer EU-Konformitätserklärung für eine Maschine enthält Abb. 3.17. Auf Einzelheiten zum Konformitätsverfahren für Produkte wird in Abschn. 5.12.2 eingegangen. Abschließend sei noch auf zwei Dokumentenarten verwiesen, die sich aus der Maschinenrichtlinie (MRL) [26] ergeben können. Diese sind ▪ die Einbauerklärung, die vom Hersteller gem. Artikel 13, MRL für eine unvollständige Maschine ausgestellt wird (s. Tab. 2.4 in Abschn. 2.2.2, a) und Abschn. 5.12.2, e), ▪ die Konformitätserklärung im Sinne von Artikel 2, Buchst a), 4. Gedankenstrich der MRL für eine Gesamtheit von Maschinen. Da in nahezu jeder verfahrenstechnischen Anlage mehrere Maschinen zum Einsatz kommen, stellt sich rechtlich die Frage, ob die verfahrenstechnische Anlage auch eine
3.6 Anlagendokumentation
203
Gesamtheit von Maschinen darstellt und auf Grund dessen für die verfahrenstechnische Gesamtanlage eine EU-Konformitätserklärung auszustellen und an ihr ein CE-Kennzeichen anzubringen sind. Die Antwort dazu wird in Abschn. 5.12.3, c) gegeben.
Abb. 3.17 Muster einer EU-Konformitätserklärung für eine Maschine nach MRL [35]
204
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
b) Risikobeurteilungen für Produkte Der Begriff Risikobeurteilung (Risk Assessment) geht u.a. auf die EU-Richtlinien zurück, die das Inverkehrbringen spezieller Produkte in der EU regeln. In diesen Richtlinien wird vom Hersteller oder seinem Bevollmächtigten eine Risikobeurteilung bezogen auf dem Umgang mit dem betreffenden Produkt gefordert (s. Abschn. 2.2.2, a) bis d). Die Risikobeurteilung dient in diesen Fall zum Nachweis der Produktsicherheit. Beurteilt werden Gefährdungen und Risiken, die vom Produkt ausgehen. Die Risikobeurteilung von Maschinen wird in der DIN EN ISO 12100 [36] ausführlich beschrieben, wobei folgende Begriffsdefinitionen gelten (s. auch Glossar): Risikobeurteilung ist Gesamtheit des Verfahrens, das eine Risikoanalyse und Risikobewertung umfasst. Risikoanalyse ist Kombination aus Festlegung der Grenzen der Maschine, Identifizierung der Gefährdungen und Risikoeinschätzung. Risikoeinschätzung ist Bestimmung des wahrscheinlichen Ausmaßes eines Schadens und der Wahrscheinlichkeit seines Eintritts. Risikobewertung ist auf der Risikoanalyse beruhende Beurteilung, ob die Ziele zur Risikominderung erreicht wurden.
Die Ergebnisse der Risikobeurteilung sind im Konformitätsbewertungsverfahren auf sachgerechte und rechtskonforme Ausführung und Beachtung zu überprüfen und in den internen technischen Unterlagen zum Produkt zu dokumentieren (s. Tab. 3.25). Tabelle 3.25 Auszug aus DIN EN ISO 12100 [36] betreffs Punkt 7: Dokumentation zur Risikobeurteilung und Risikominderung Die Dokumentation muss das angewendete Verfahren und die erzielten Ergebnisse darlegen. Dies umfasst, sofern relevant: a) die Maschine, für welche die Risikobeurteilung durchgeführt wurde (z.B. Spezifikationen, Grenzen, bestimmungsgemäße Verwendung), b) alle relevanten Annahmen, die getroffen wurden (zu Lasten, Festigkeit, Sicherheitsbeiwerten usw.), c) die identifizierten Gefährdungen und Gefahrensituationen und die bei der Risikobeurteilung in Betracht gezogenen Gefährdungsereignisse, d) die Angaben, auf denen die Risikobeurteilung beruhte (siehe 5.2), 1) die verwendeten Daten und deren Quellen (Unfallgeschichten, Erfahrungen bei der Risikominderung an vergleichbaren Maschinen usw.), 2) die mit den Daten verbundene Unsicherheit und deren Einfluss auf die Risikobeurteilung, e) die durch Schutzmaßnahmen zu erreichenden Risikominderungsziele, f) die zur Beseitigung identifizierter Gefährdungen oder zur Risikominderung angewendeten Schutzmaßnahmen, g) die mit der Maschine verbundenen Restrisiken, h) das Ergebnis der Risikobeurteilung (siehe Bild 1), i) alle während der Risikobeurteilung ausgefüllten Formulare. Auf Normen oder andere Spezifikationen, die zur Auswahl der Schutzmaßnahmen verwendet wurden, auf die sich Punkt f) bezieht, sollte verwiesen werden.
3.6 Anlagendokumentation
205
Der Ergebnisbericht zur produktbezogenen Risikobeurteilung ist gemäß geltender EURichtlinie nicht Teil der mit dem Produkt gelieferten technischen Unterlagen. Er muss aber vom Hersteller mindestens 10 Jahre aufbewahrt werden und auf begründetes Verlangen den zuständigen Behörden vorgelegt werden. In der Praxis gilt diese Einsichtsmöglichkeit i.Allg. auch für den Besteller des Produkts, folgert aber nicht zwingend aus den EU-Richtlinien. Im Zweifel muss der Besteller die Einsichtsmöglichkeit in die Dokumentation über die Risikobeurteilung und ggf. deren Übergabe vertraglich vereinbaren. Auf das Verfahren/Methodik der Risikobeurteilung von Maschinen wird in Abschn. 5.12.2 näher eingegangen. c) Risikobeurteilungen für verfahrenstechnische Anlagen Die Risikobeurteilung verfahrenstechnischer Anlagen dient primär zum Nachweis der Anlagensicherheit gemäß folgender Begriffsdefinitionen (s. auch Glossar): Die Anlagensicherheit betrachtet Gefährdungen und Risiken für Personen, Umwelt und Sachen, die sich durch die Anlagentechnik inkl. Prozessleitsystem während des Anlagenbetriebs (inkl. In- und Außerbetriebnahme) ergeben können. Die Risikobeurteilung für die verfahrenstechnische Anlage umfasst die Gesamtheit des Verfahrens, das eine Risikoanalyse mit Risikobewertung bezogen auf den Umgang mit der verfahrenstechnischen Anlage beinhaltet.
Bei der Risikobeurteilung werden Gefährdungen und Risiken für Personen, Umwelt und Vermögen betrachtet, die von der Anlage ausgehen. Das heißt: Quelle der Gefährdung ist die Anlage inkl. in ihr befindliche Medien, Schutzziele sind Mensch, Umwelt, Vermögen, Image u.a. Grundsätzlich gilt, auch wenn für die verfahrenstechnische Gesamtanlage keine EUKonformität erklärt wird: In verfahrenstechnischen Anlagenbauprojekten ist immer eine Risikobeurteilung für die Gesamtanlage vor deren Inverkehrbringen erforderlich! Dies resultiert in bestimmten Fällen aus der Maschinenrichtlinie (MRL) [26], die für Anlagen im Sinne einer „Gesamtheit von Maschinen“ ein Konformitätsbewertungsverfahren mit Risikobeurteilung fordert (s. Abschn. 5.12.3). Aber auch für verfahrenstechnische Anlagen, die nicht der MRL unterliegen, gebietet die Sorgfaltspflicht bzw. haftungsrechtliche Gründe (wegen eines möglichen, signifikanten Fahrlässigkeitsvorwurf, s. Abschn. 2.5.1) eine Risikobeurteilung vor Inverkehrbringen der Anlage durchzuführen. Dabei gilt [5]: Die verfahrenstechnische Anlage wird zum Zeitpunkt „Protokollierung MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG“ bzw. „Beginn Inbetriebnahme“ in Verkehr gebracht. Grundlage für die rechtsrelevante Risikobeurteilung muss deshalb der Anlagenzustand zum Zeitpunkt MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG sein. Im Vergleich zu den Produkten (Anlagenkomponenten) ist der Betrieb verfahrenstechnischer Anlagen mit erheblich größeren Gefährdungen und Risiken verbunden. Entsprechend ist der Umfang der Risikobeurteilung größer und die Methodik eine andere. Im Einzelnen wird dies in Abschn. 5.12.3 betrachtet. Die Ergebnisse sind im „Abschlussbericht zur Risikobeurteilung XYZ“ (Risk Assessment Summary Report - RASR) zusammenzufassen (s. Tab. 3.26). Die znotwendigen Sicherheitsmaßnahmen werden als Aktionspunkte formuliert und realisiert.
206
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Tabelle 3.26 Ergebnisbericht über die Risikobeurteilung eines Erdölbetriebs (Praxisbeispiel)
1 2 3
Deckblatt Unterschriftenblatt Content (Inhalt) Management Summary (Kurzfassung) Purpose, Scope and Objectives (Grund, Ziel und Zweck) 3.1 Betrachtete Anlagen 3.2 Angabe der definierten Nodes
4 5
Methodolgy (Methodik) Assumptions and Boundaries (Annahmen und Abgrenzungen) 5.1 Berücksichtige Sachverhalte und Auswirkungen 5.2 Nicht berücksichtigte Sachverhalte und Auswirkungen
6
Results (Ergebnisse) 6.1 HAZOP-Analyse 6.2 WHAT-IF-Analyse 6.3 Vorschlag für die Risiko-beherrschenden Maßnahmen
7 8 9
Communication Plan (Kommunikationsplan) Lessons Learned (Erfahrungssicherung) Appendix (Anhang) A: Scenario Worksheets B: HAZOP-Worksheet C: WHAT-IF-Worksheet D: Risk Assessment Charter E: Process flow diagrams F: Piping and instrument diagrams (P&ID`s) G: Cause-effect diagrams (Ursache-Wirkung-Listen)
3.6.3.4 Brandschutzkonzept und Brandschutznachweis Das Brandschutzkonzept (im Anlagenbau) umfasst die Gesamtheit aller erforderlichen allgemeinen und anlagenspezifischen Brandschutzmaßnahmen, um im Anlagenbetrieb die vorhandenen Risiken durch Brand und dessen Auswirkungen zu beherrschen und die vorgegebenen Schutzziele zu erreichen. Rechtsgrundlage in der BRD ist die Bauordnung des betroffenen Bundeslandes (Landes-Bauordnung – LBO), da für das Baurecht die Bundesländer zuständig sind. Notwendig ist ein Brandschutzkonzept u.a. für Sonderbauten, für die es keine speziellen Bauvorschriften gibt. Dies trifft i.d.R. auf die baulichen Maßnahmen (Gebäude) im verfahrenstechnischen Anlagenbau zu [37]. Wegen der häufig und mitunter in großen Mengen genutzten brennbaren Stoffe und Gemische sowie der zahlreich vorhandenen Zündquellen sind die Brandgefahren und die Brandauswirkungen in verfahrenstechnischen Anlagen i.d.R. deutlich größer als in „klassischen“ Gebäuden. Das Brandschutzkonzept wird im Basic Engineering erarbeitet und als Teil der Genehmigungsunterlagen verwendet. Es wird mitunter auch als Brandschutznachweis, im Sinne eines Abgleichs der vorgesehenen Brandschutzmaßnahmen mit den gesetzlichen u.a. bauaufsichtlichen Vorgaben, verstanden und genutzt.
3.6 Anlagendokumentation
207
Tabelle 3.27 enthält eine Checkliste für die Erstellung eines Brandschutzkonzepts, die im Wesentlichen auch als Gliederung genutzt werden kann. Tabelle 3.27 Mögliche Gliederung eines Brandschutzkonzepts (Praxisbeispiel) 1
Ausgangssituation 1.1 Auftrag, Auftragsumfang, Anlass 1.2 Beurteilungsgrundlagen (Planungsstand, Rechtsgrundlage) 1.3 Unterlagen
2
Beschreibung Gebäude und bauliche Anlagen 2.1 Beschreibung (Anzahl und Art der baulichen Anlagen) 2.2 Anzahl und Art der Nutzung und Anwesenheit von Personen 2.3 Baurechtliche Einordnung 2.4 Bestandsschutz 2.5 Denkmalschutz 2.6 Grundlegende Aspekte des Konzepts 2.7 Nutzung der Gebäude und baulichen Anlagen
3
Brandrisikoanalyse 3.1 Schutzziele 3.2 Barrierefreiheit
4
Brandgefahrenanalyse 4.1 Potenzielle Brandursachen 4.2 Potenzielle Brandlasten 4.3 Risiken der Brandausbreitung 4.4 Risiken der Brandbekämpfung
5
Risiken der Flucht und Rettung 5.1 Anforderungen an Flucht- und Rettungswege 5.2 Flucht- und Rettungswegführung 5.3 Beurteilung der Flucht- und Rettungswegsituation
6
Baulicher Brandschutz 6.1 Brandabschnitte 6.2 Rauchabschnitte 6.3 Tragende und aussteifende Bauteile 6.4 Trennwände 6.5 Feuerschutzabschlüsse, Türen, Tore, Feststellanlagen 6.6 Außenwände inkl. Brandüberschläge 6.7 Dachkonstruktionen (höherliegende Öffnungen, Lichtkuppeln, Lichtbänder, überdachte Durchfahrt, Vor- und Aufbauten 6.8 Doppelböden/Systemböden 6.9 Zwischendecken 6.10 Dehnfugen 6.11 Abschottungen 6.12 Versorgungs- und Installationsschächte
7
Anlagenbereiche und bauliche Anlagen 7.1 Produktionsräume 7.2 Wartenräume 7.3 Lagerbereiche 7.4 Schalträume u.a. elektrische Betriebsräume 7.5 Aufzüge 7.6 Labor- und Technikumräume 7.7 Werkstätten 7.8 Garagen
208
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Tabelle 3.27 (Fortsetzung) 8
Technischer Brandschutz 8.1 Brandmeldeanlage 8.2 Rauchwarnmelder 8.3 Rauch- und Wärmeableitung 8.4 Sicherheitsbeleuchtung 8.5 Löscheinrichtungen (Feuerlöscher, Wandhydranten, Steigleitungen u.a.) 8.6 Sonstige sicherheitstechnische Einrichtungen und Anlagen (z.B. Blitz- und Überspannungsschutz) 8.7 Stromversorgung 8.8 Sicherheitsstromversorgung
9
Abwehrender Brandschutz 9.1 Öffentliche bzw. betriebliche Feuerwehr 9.2 Zufahrten, Aufstell- und Bewegungsflächen für die Feuerwehr 9.3 Besondere Anforderungen der Fremdrettung und Brandbekämpfung 9.4 Löschwasserrückhaltung 9.5 Löschwasserversorgung
10
Organisatorischer Brandschutz 10.1 Brandschutzordnung 10.2 Flucht- und Rettungswegeplan 10.3 Feuerwehrplan 10.4 Brandschutzbeauftragter 10.5 Evakuierung 10.6 Sonstige Betriebsvorschriften 10.7 Anweisungen
11
Bauausführung, Prüfung, Dokumentation 11.1 Allgemein 11.2 Bauausführung und Abnahme 11.3 Wiederkehrende Prüfungen brandschutztechnischer Einrichtungen 11.4 Dokumentation brandschutztechnischer Einrichtungen Anhänge
12
Die verwendeten Bauprodukte müssen bestimmten Anforderungen, z.B. der Bauproduktenverordnung [38] (s. Abschn. 2.2.2, h)), nachweislich entsprechen. Die verantwortliche Umsetzung der Maßnahmen des Brandschutzkonzepts obliegt dem Bauherrn. Die Bauaufsichtsbehörde prüft den Brandschutznachweis und überwacht deren Einhaltung während der Bauausführung. Gemäß § 82 (Bauzustandsanzeigen, Aufnahme der Nutzung) der SächsBO [37] gilt: (1) Die Bauaufsichtsbehörde kann verlangen, dass ihr Beginn und Beendigung bestimmter Bauarbeiten angezeigt werden. Die Bauarbeiten dürfen erst fortgesetzt werden, wenn die Bauaufsichtsbehörde der Fortführung der Bauarbeiten zugestimmt hat. (2) Der Bauherr hat die beabsichtigte Aufnahme der Nutzung einer nicht verfahrensfreien baulichen Anlage mindestens zwei Wochen vorher der Bauaufsichtsbehörde anzuzeigen.
Das heiß, der Bauherr zeigt rechtzeitig die Beendigung der Baumaßnahme, z.B. vor Protokollierung MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG, gegenüber der zuständigen Behörde an. Diese führt, sofern sie dies für erforderlich hält, eine Überprüfung der rechtskonformen Ausführung durch und stimmt ggf. der Nutzung (sprich. Beginn Inbetriebnahme) zu. Abschließend sei vermerkt, dass das realisierte Brandschutzkonzept eine wesentliche Grundlage für die Ausarbeitung der Brandschutzordnung des Betriebs darstellt.
3.6 Anlagendokumentation
209
3.6.3.5 Explosionsschutzdokument und Gefahrenzonenplan a) Explosionsschutzdokument [3][40][41] Das Explosionsschutzdokument dient als Nachweis, dass 1. die Explosionsrisiken gemäß ATEX-Betriebsrichtlinie [39]) ermittelt und einer Bewertung unterzogen wurden (s. Abschn. 2.2.3, b)), 2. die Brand- und Explosionsgefährdungen gemäß Gefahrstoffverordnung [25] beurteilt wurden (s. Abschn. 2.3.2, f)), 3. konkrete Vorkehrungen/Maßnahmen festgelegt wurden (sog. Explosionsschutzkonzept), um die vorgeschriebenen Schutziele des Explosionsschutzes zu erreichen, 4. unter Beachtung der angeführten Vorkehrungen bei der Nutzung der beurteilten Anlage keine Explosionsrisiken bzw. nur vertretbar geringe Restrisiken bestehen. Das Explosionsschutzdokument wird gegen Ende des Basic Engineerings für die Genehmigungsplanung inkl. Genehmigungsverfahren und für die Vorbereitung der Investitionsentscheidung benötigt. Sowohl die Genehmigungsfähigkeit als die Wirtschaftlichkeit der Anlageninvestition werden durch Art und Umfang dieser Gefährdungen stark beeinflusst. Der rechtsverbindliche Zeitpunkt, zu dem die Gefährdungsbeurteilungen und das Explosionsschutzdokument gemäß Gefahrstoffverordnung [25] vorliegen müssen, ist „vor Aufnahme der Tätigkeit mit Gefahrstoffen und/oder der Tätigkeiten in explosionsgefährdeten Bereichen“. Dies ist in den meisten verfahrenstechnischen Anlagenprojekten der Beginn Inbetriebnahme. Das heißt, das rechtsrelevante Explosionsschutzdokument muss den Bearbeitungsstatus „AFP – Approved for Production bzw. Freigabe für Inbetriebnahme“ haben (s. auch Abschn. 5.2). Das Inhaltsverzeichnis des Explosionsschutzdokuments einer Raffinerieanlage ist in Tabelle 3.28 enthalten. Tabelle 3.28 Inhaltsverzeichnis eines Explosionsschutzdokuments einer Raffinerieanlage 1
Einleitung 1.1 Zweck des Dokuments 1.2 Rechtliche Grundlagen
2
Beschreibung der Anlage und der Arbeitsbereiche 2.1 Anlage 2.2 Betriebliche Organisation 2.3 Arbeitsbereiche und Räume
3 4
Sicherheitstechnische Kennzahlen eingesetzter Stoffe und Stoffgemische Beurteilung der Explosionsgefahr 4.1 Gefährdungsbeurteilung (nach Arbeitsbereichen) 4.2 Gefahrenzoneneinteilung (nach Anlagenbereichen)
5
Maßnahmen / Schutzkonzept 5.1 Primärer Explosionsschutz 5.1.1 Auf „Dauer technisch dichte“ Anlagenteile 5.1.2 „Technisch dichte“ Anlagenteile 5.1.3 Gaswarnanlage 5.1.4 Technische und natürliche Lüftung 5.1.5 Inertisierung 5.1.6 Begrenzte Nutzung brennbarer Stoffe auf bestimmte Bereiche
210
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Tab. 3.28 (Fortsetzung) 5
Maßnahmen / Schutzkonzept (Fortsetzung) 5.2 Sekundärer Explosionsschutz 5.2.1 Erfassung und Betrachtung möglicher Zündquellen (Zündquellenkataster) 5.2.2 Auswahl der Arbeitsmittel/Geräte 5.2.3 Vermeidung statischer Elektrizität 5.3 Tertiärer Explosionsschutz 5.4 Organisatorische Explosionsschutzmaßnahmen 5.5 Kennzeichnung
6
Prüfungen zum Explosionsschutz 6.1 Prüfung vor Erstinbetriebnahme 6.2 Wiederkehrende Prüfungen 6.3 Prüfung nach Instandsetzung
7 8 9 10
Dokumentation der Maßnahmen und Koordination Verantwortliche und Befähigte Personen Mitgeltende Unterlagen Anhänge (u.a. Gefahrenzonenpläne)
In der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) [42] wird in Anhang 2, Abschnitt 3 (Explosionsgefährdungen) unter Ziff. 4., Abs. 4.1 bzw. Ziff. 5., Abs. 5.1 gefordert (s. auch Abschn. 2.3.3, c)), dass Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen vor der erstmaligen Inbetriebnahme und nach prüfpflichtigen Änderungen auf Explosionssicherheit zu prüfen sind. Hierbei sind das im Explosionsschutzdokument dargelegte Explosionsschutzkonzept und die Zoneneinteilung zu berücksichtigen. Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen mindestens alle sechs Jahre auf Explosionssicherheit zu prüfen sind. Eine Checkliste zur Prüfung auf Vollständigkeit eines Explosionsschutzdokuments ist in Tabelle 3.29 enthalten. b) Gefahrenzonenpläne Der Gefahrenzonenplan (Synonym: Ex-Zonen-Plan) ist der Aufstellungsplan einer Anlage/Teilanlage/Package-unit oder der Anordnungsplan eines Gebäudes, auf dem die Zoneneinteilung explosionsgefährdeter Bereiche kenntlich gemacht ist. Die Zoneneinteilung der explosionsgefährdeten Bereiche ist europaweit einheitlich in der ATEX-Betriebsrichtlinie [39] geregelt (s. Abschn. 2.2.3, b)). In Anhang 1, Nummer 1, Abs. 1.7 der Gefahrstoffverordnung [25] wurde diese Richtlinie mit kleinen begrifflichen Änderungen wie folgt in deutsches Recht überführt: Zone 0 ist ein Bereich, in dem gefährliche explosionsfähige Atmosphäre als Gemisch aus Luft und brennbaren Gasen, Dämpfen oder Nebeln ständig, über lange Zeiträume oder häufig vorhanden ist. Zone 1 ist ein Bereich, in dem sich bei Normalbetrieb gelegentlich eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre als Gemisch aus Luft und brennbaren Gasen, Dämpfen und Nebeln bilden kann.
3.6 Anlagendokumentation
211
212
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
3.6 Anlagendokumentation
213
Zone 2 ist ein Bereich, in dem bei Normalbetrieb eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre als Gemisch aus Luft und brennbaren Gasen, Dämpfen oder Nebeln normalerweise nicht oder aber nur kurzzeitig auftritt. Zone 20 ist ein Bereich, in dem gefährliche explosionsfähige Atmosphäre in Form einer Wolke aus in der Luft enthaltenem brennbaren Staub ständig, über lange Zeiträume oder häufig vorhanden ist. Zone 21 ist ein Bereich, in dem sich bei Normalbetrieb gelegentlich eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre in Form einer Wolke aus in der Luft enthaltenem brennbaren Staub bilden kann. Zone 22 ist ein Bereich, in dem bei Normalbetrieb eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre in Form einer Wolke aus in der Luft enthaltenem brennbaren Staub normalerweise nicht oder aber nur kurzzeitig auftritt. Als Normalbetrieb gilt der Zustand, in dem Anlagen innerhalb ihrer Auslegungsparameter verwendet werden. Im Zweifelsfall ist die strengere Zone zu wählen. Schichten, Ablagerungen und Aufhäufung von brennbaren Stäuben sind wie jede andere Ursache, die zur Bildung einer gefährlichen explosionsfähigen Atmosphäre führen kann, zu berücksichtigen. Die Zoneneinteilung ist in die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung (Explosionsschutzdokument) zu dokumentieren. Allgemeine Hinweise zur Zoneneinstufung in verfahrenstechnischen Anlagen sind in Tabelle 3.30 zusammengestellt. Tabelle 3.30 Hinweise zur Zoneneinstufung in verfahrenstechnischen Anlagen [40] Zone 0: In den meisten Fällen nur das Innere von Anlagen und Anlagenkomponenten (Apparate, Behälter, Tanks), wenn die Bedingungen der Zone 0 erfüllt sind. Zone 1: Hierzu gehören z.B. folgende Bereiche: die nähere Umgebung der Zone 0, die nähere Umgebung von Abblaseöffnungen ins Freie (Notentspannung, Sicherheitsventil), die nähere Umgebung von Beschickungsöffnung (Füllstutzen, Trichter) bzw. Entnahme-/Entleerungsöffnungen, der nähere Bereich um offene Auffangräume (Gruben, Tanktassen), der nähere Bereich um nicht ausreichend dichte Stopfbuchsen (Spindel, Welle). Zone 2: Hierzu gehören z.B.: Bereiche, welche die Zone 0 oder 1 umgeben, Bereiche um technisch dichte Anlagen bzw. Anlagenteile Zone 20: In den meisten Fällen nur das Innere von Anlagen und Anlagenkomponenten (Silo, Mühle, Trockner, Mischer, Zyklon), wenn die Bedingungen der Zone 0 erfüllt sind. Zone 21: Im Inneren bzw. in der Umgebung betriebsbedingter Öffnungsstellen, wenn gelegentlich gefährliche explosionsfähige Atmosphäre auftritt. Zone 22: In der Umgebung von Zone 20 und 21 sowie um technisch dichte Anlagen
214
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Neben diesen allgemeinen Hinweisen gibt es in der DGUV Regel 113 001: Explosionsschutz-Regeln (EX-RL) [41] eine umfangreiche Beispielsammlung. Das Beispiel eines Gefahrenzonenplans bzw. Ex-Zonenplans zeigt Abb. 3.18.
Abb. 3.18 Gefahrenzonenplan (Auszug) eines innerbetrieblichen Behälter-Lagers (Praxisbeispiel)
Diese Pläne werden nicht nur Teil der Genehmigungsunterlagen, sie bilden auch die Basis für die Spezifikation der Maschinen-/Geräte, die im Ex-Bereich eingesetzt werden. Auch wenn der Gefahrenzonenplan in diesem Buch als wichtige, eigenständige Dokumentenart betrachtet wird, so ist er streng genommen ein Bestandteil des Explosionsschutzdokuments.
3.6.3.6 Dokumente von Sicherheitsprüfungen Die Sicherheitsprüfung (safety check) ist eine Prüfung zum Nachweis einer definierten Komponenten- und/oder Anlagensicherheit bezogen auf eine oder mehrere mögliche Gefährdungen. Die darüber angefertigten Nachweisdokumente werden als Prüfdokumente bezeichnet. Die Sicherheitsprüfungen dienen: dem Nachweis der rechts- und genehmigungskonformen Planung und Realisierung der Anlage und ihrer Komponenten und/oder dem Nachweis der sicheren und beanspruchungsgerechten Konstruktion, Fertigung und Montage überwachungsbedürftiger Komponenten. Die erforderlichen Sicherheitsprüfungen ergeben sich aus: relevanten Rechtsvorschriften (EU-Richtlinien, Gesetze, Verordnungen, Durchführungsbestimmungen), Bestimmungen des Genehmigungsbescheides inkl. zutreffender Verwaltungsvorschriften, Vorschriften der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV-Vorschriften),
3.6 Anlagendokumentation
215
geltenden Regeln zum Stand der Technik und insbesondere der Sicherheitstechnik, wie ISO-, EU-, und DIN-Normen, VDI- bzw. VDE-Richtlinien, BG-Regeln usw., geltenden unternehmensspezifischen bzw. betrieblichen Vorschriften, vereinbarten projektspezifischen Vorschriften bzw. Regelungen. Sie bilden die Grundlage für die Betriebsfreigabe bzw. exakter die Inbetriebnahmefreigabe der Anlage betreffs Gesundheit-Sicherheit-Umwelt. Zugleich dienen sie als Basis für die wiederkehrenden Sicherheitsprüfungen während des Anlagenbetriebs. Der rechtssicher dokumentierte Nachweis der erfolgreich durchgeführten notwendigen Sicherheitsprüfungen ist eine wesentliche Voraussetzung für den Beginn der Inbetriebnahme. Ein zweites Teilgebiet der Sicherheitsprüfungen betrifft Prüfungen/Kontrollen, die aus dem Genehmigungsbescheid resultieren. Sie sind hoheitliche Aufsichtsmaßnahmen der Genehmigungsbehörde und anderer behördlicher Stellen. Wer als Verantwortlicher auf diesen beiden Sachgebieten seine Pflichten nicht erfüllt, handelt i.Allg. fahrlässig bzw. sogar grobfahrlässig und kann im Schadensfall strafrechtlich und zivilrechtlich haftbar gemacht werden (s. Abschn. 2.5). Der Umfang der Sicherheitsprüfungen ist erheblich und tendenziell steigend. Er ändert sich häufig, insbesondere durch die zunehmende Gesetzgebung der Europäischen Union. Tabelle 3.31 enthält eine Zusammenstellung wesentlicher Sicherheitsprüfungen nach deutschen Recht, die vor Beginn der Inbetriebnahme (Beginn des bestimmungsgemäßen Betriebes) erfolgreich durchgeführt und gerichtsfest dokumentiert sein müssen. Die Auflistung in Tab. 3.31 soll aufzeigen, wie viele unterschiedliche Vorschriften und Prüfpflichten für verfahrenstechnische Anlagen gelten. In der angeführten Tabelle 3.31 nicht erfasst sind: 1) EU-Konformitätserklärungen für Produkte gemäß EU-Richtlinien (s. Abschn. 2.2.2) sowie Einbauerklärungen für Maschinen (s. Abschn. 2.2.2, a)), 2) zusätzliche Begehungen, Prüfungs- und Kontrollmaßnahmen, Zertifikate, Zulassungen usw., die von Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden, wie z.B. ▪ Bauordnungsamt (außer Ziff. 13 in Tab. 3.31 betreffs der Überprüfungen des realisierten Brandschutzkonzept), ▪ Gewerbeaufsicht, Umweltamt, ▪ Feuerwehr sowie von beauftragten Dritten durchgeführt werden. aus Bauvorschriften resultieren, wie z.B. ▪ Prüfprotokoll/-bescheinigung über die konstruktive und statische Ausbildung des Übergangs vom Bauwerk zum Boden (sog. Gründung), ▪ Nachweis zur Baugrundabdichtung, ▪ Standsicherheitsnachweis inkl. Windlasten und ggf. Erdbebengefährdung, ▪ Zulassungen des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) für geregelte bzw. nichtgeregelte Bauprodukte und Bauarten, z.B. Leistungserklärung und/oder EU-Konformitätserklärung bzw. ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (abP) oder eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ), sich aus Unternehmensrichtlinien, vertraglichen Vereinbarung u.ä. ergeben.
216
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
3.6 Anlagendokumentation
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218
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
3.6 Anlagendokumentation
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
3) Prüfdokumente, die aus Richtlinien, Normen u.ä. Unterlagen zum Stand der Technik folgern, wie ▪ Prüfberichte für Brand- und Rauchmeldeanlage, Feuerlöschanlage ▪ Prüfbescheinigungen hinsichtlich Erdung, Blitzschutz, Überspannungsschutz, ▪ Prüfprotokolle über Kabelprüfung, Isolations- und Übergangswiderstand, ▪ Berechnung der Druckentlastung (Entrauchung) und der Schutzstaffelung von Schaltanlagen, ▪ Prüfprotokolle für Isolieröle von Trafos. 4) Pflichten bezüglich Durchführung und Dokumentation von wiederkehrenden Prüfungen der Anlagen bzw. Anlagenkomponenten. In der Praxis sind die Durchführung und Dokumentation der umfangreichen Sicherheitsprüfungen gemäß Ziff. 1) bis 3) oftmals zeitkritisch für den Inbetriebnahmebeginn. Die Ablage der gegenständlichen bzw. elektronischen Prüfdokumente (Nachweisdokumente über Sicherheitsprüfungen) kann auf verschiedene Art und Weise erfolgen: Var. 1: Die Prüfdokumente werden den betroffenen Anlagen bzw. Anlagenkomponenten zugeordnet und zusammen mit den anderen technischen Dokumenten abgelegt. Betreffen die Prüfdokumente die Gesamtanlage, wie z.B. ▪ Protokoll von der End-Überprüfung (Begehung) des Bauordnungsamtes gemäß Landes-Bauordnung (LBO) oder ▪ Bescheinigung über die Prüfung einer Anlage in explosionsgefährdeten Bereichen vor der erstmaligen Inbetriebnahme nach BetrSichV, so werden diese im Kapitel 1 „Übergeordnete Dokumente“ der Gesamt-Anlagendokumentation (s. Abschn. 3.6.1.1, Tab. 3.14) bzw. Package-unit-Dokumentation (s. Abschn. 3.6.11) abgelegt. Betreffen die Prüfdokumente eine Anlagenkomponente, wie z.B. ▪ Bescheinigung über die Prüfung eines Druckgeräts vor der erstmaligen Inbetriebnahme gemäß BetrSichV oder ▪ Bescheinigung über die Prüfung eines Kranes vor der erstmaligen Inbetriebnahme so werden diese im Kapitel „Maschinen/Apparate“ “ der Gesamt-Anlagendokumentation (s. Abschn. 3.6.1.1, Tab. 3.14) bzw. Package-unit-Dokumentation (s. Abschn. 3.6.11) abgelegt. Var. 2: Die Original-Prüfdokumente werden in einem eigenen Kapitel 2 „Dokumente zum Nachweis der Produkt- und Anlagensicherheit“ (s. Abschn. 3.6.1.1, Tab. 3.14) der GesamtAnlagendokumentation bzw. Package-unit-Dokumentation (s. Abschn. 3.6.11) abgelegt. Kopien der Prüfdokumente werden u.U. zusätzlich an „Ort und Stelle“ analog zu Var. 1 eingeordnet, sodass die speziellen Anlagen- bzw. Komponentendokumentation vollständig und in sich schlüssig sind. Var. 3: Die Original-Prüfdokumente werden in der Prüfdokumentation (Synonym: Prüfhandbuch) der Betriebsdokumentation (s. Abschn. 3.7.5) abgelegt werden. In den fachspezifischen Kapiteln (Teildokumentationen) der Anlagendokumentation verbleiben Kopien. Diese Variante hat den Vorteil, dass die Prüfdokumente während der Projektrealisierung von Anfang an in der gleichen Struktur verwaltet werden, wie dies später während des Anlagenbetriebs mit den Dokumenten der wiederkehrenden Prüfungen zweckmäßig ist.
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass die Sicherheitsprüfungen streng von den Funktionsprüfungen zu unterscheiden sind [5]. Die Funktionsprüfung (Funktionstest, Funktionsnachweis, operational check) ist die Erprobung und Prüfung der Anlagenkomponente, der Teilanlage oder der Anlage nach der Montage hinsichtlich ihrer einwandfreien technischen Funktion.
3.6 Anlagendokumentation
221
Sie ist ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft und keine rechtsrelevante Maßnahme. Das heißt, wer die Funktionsprüfung nicht durchführt, begeht keinen Rechtsverstoß, wohl aber einen Managementfehler. Durch die Funktionsprüfungen sollen vor der Inbetriebnahme Mängel und Bauteil-Frühausfälle erkannt und behoben werden. Dies ist eine entscheidende Maßnahme zur Verringerung der Inbetriebnahmekosten.
3.6.4 Teildokumentation VERFAHRENSTECHNIK Die Teildokumentation VERFAHRENSTECHNIK (Synonym: Prozesstechnik) beinhaltet die wesentlichen stofflichen, energetischen und technologischen Informationen über das Verfahren und die Anlage. Die zugehörigen Dokumentenarten (s. Tab. 3.32) sind für die Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen typisch und wesentlich, insbesondere da sie den Prozesscharakter beschreiben (s. Abschn. 1,2, Abb. 1.2 und Abschn. 3.6.2.1) sowie zahlreiche rechtsund sicherheitsrelevante Dokumentenarten (s. Abschn. 3.6.3) enthalten. Ferner liefern die verfahrenstechnischen Dokumente die Vorgaben/das Input für die anderen Fachplanungsdisziplinen [3]. Tabelle 3.32 Dokumentenarten der VERFAHRENSTECHIK Teil A: Übergeordnete Dokumentenarten Grundfließschema Verfahrensfließschema R&I-Fließschema Verfahrens- und Anlagenbeschreibung Lagepläne, Werkleitplan 3D-CAD-Anlagenmodell Schnitte und Ansichten Aufstellungspläne Übersichtsplan zur Anlagengrenze (Inside Battery Limits/ISBL und Outside Battery Limits/OSBL) Übersichtspläne zur Infrastruktur Explosionsschutzdokument inkl. Gefahrenzonenpläne und Zündquellenkataster Schallschutzkonzept Lärmkataster, Lärmschutzprogramm ggf. Sicherheitsbericht nach Störfall-Verordnung Protokolle der Sicherheitstestate Teil B: Fachspezifische Dokumentenarten Verfahrensgrundlagen und Erläuterungen Entwurfs- und Auslegungsdaten, inkl. Emissionsgrenzwerte Liste aller Stoffe, inkl. Kennzeichnung Gefahrstoffe/-gemische, wassergefährdende Stoffe (ggf. in separaten Listen) Stoffspezifikationen (Roh-/Zusatzstoffe, Zwischen-/Fertigprodukte, Neben-/Abfallprodukte, Betriebsstoffe/Additive) Energiespezifikationen (Wärme, Kälte, Spannung, Abfallenergie) Massen-/Stoffbilanzen, Mengenflussbilder (-diagramme) inkl. Schemata, Bilanzstellenliste Energiebilanzen inkl. Schemata, Energieflussbilder (-diagramme) Stoffstromlisten
222
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Tab. 3.32 (Fortsetzung) Teil B: Fachspezifische Dokumentenarten (Fortsetzung) Sicherheitsdatenblätter für Gefahrstoffe und Gemische Stoffdatenblätter für sonstige Stoffe Übersicht über Verbrauchsdaten Katalysatoren, Adsorbentien u.a. Schüttgüter Liste der stofflichen Abfälle (fest, flüssig, gasförmig) Liste der Hauptausrüstungen, inkl. Angabe von Werkstoff und Betriebsparametern Berichte über die Auslegung verfahrensspezifischer Hauptausrüstungen Ergebnisbericht über Risikobeurteilungen (PAAG-/HAZOP-Studien) Berichte über Auslegung der Sicherheitsarmaturen gegen Drucküberschreitung Liste der Sicherheitsarmaturen gegen Drucküberschreitung Datenblätter für Sicherheitsarmaturen gegen Drucküberschreitung Ausbreitungsrechnungen für Stoffe und Schall Analysenplan bzw. Analysenprogramm Mess-, Probenahme- und Analysenvorschriften
Die Dokumentenarten des Teils A sind im Kapitel 1 (Übergeordnete Dokumente) der Anlagendokumentation und die des Teils B im Kapitel 3 (Teildokumentation VERFAHRENSTECHNIK) eingeordnet (s. Abschn. 3.6.1.1, Tab. 3.14). Wichtige Dokumentenartklassen (-gruppen) verfahrenstechnischer Dokumente sind:
Spezifikationen u.a. Angaben zu verwendeten/entstehenden Stoffen und Energien, Fließschemata (s. Abschn. 3.6.2.1) inkl. zugehörige Beschreibungen, grafische und/oder tabellarische Darstellung von Bilanzierungsergebnissen, zusammenfassende Darstellung von Daten gleichartiger Kenngrößen bzw. Ausrüstungen in Listen bzw. Verzeichnissen (s. Tab. 3.33 und 3.34), Berichte über durchgeführte Berechnungen und Untersuchungen, Datenblätter zu verfahrensspezifischen Ausrüstungen. Tabelle 3.33 Liste der Sicherheitsventile (Auszug) Kennzeichen 22-01 SV100 22-01 SV101 22-01 SV102 22-01 SV103 22-01 SV104
Arbeitsdruck Dim. bar abs bar abs bar abs bar abs bar abs
min. 1,8 1,8
norm.
Abblasedruck max. 2,4 2,4
2,5 -0,7 55
6,0 260
Dim. bar abs bar abs bar abs bar abs bar abs
norm. 17 17 6 7 251
Abblasemenge Dim. m3/h m3/h m3/h m3/h m3/h
max. 0,6 1,9 2,52 0,11 1,23
Tabelle 3.34 Mögliche Daten eines Analysenplans bzw. Analysenprogramms Lfd. AKZ Benennung R&I Nr.
Messort
Messgröße
Messmethode
Häufigkeit
Bemerkung
Weitere Dokumenten-Beispiele sind u.a. in [3][43] angegeben. Der prinzipielle Ablauf (Workflow) beim Erarbeiten der verfahrenstechnischen Dokumente wird aus Abb. 1.2 in Abschn. 1.2 deutlich.
3.6 Anlagendokumentation
223
3.6.5 Teildokumentation MASCHINEN / APPARATE / BEHÄLTER Beim Planen und Dokumentieren verfahrenstechnischer Anlagen gilt der Grundsatz: Das Verfahren findet in der Anlage und die Grundoperation findet in einer Hauptausrüstung statt. Die verwendeten Begriffe sind wie folgt definiert: Ein Verfahren ist die Gesamtheit der physikalischen, chemischen, biologischen und nuklearen Wirkungsabläufe (Synonym: Prozess). Die Wirkungsabläufe werden durch Grundoperationen (Unit Operation) charakterisiert. Die Grundoperation ist derjenige verfahrenstechnische bzw. technologische Einzelschritt/-vorgang, der letztlich eine physikalische Stoffänderung bzw. eine chemische oder biologische Stoffwandlung realisiert. Die Grundoperation ist ein typischer, in vielen Verfahren wiederkehrender Basisvorgang.
Zu den Hauptausrüstungen gehören Apparate, Maschinen und Behälter inkl. Tanks nach folgendem Verständnis: Apparat ist eine Ausrüstung/Vorrichtung zur Durchführung von Stoffänderungen und/oder Stoffwandlungen. (Bsp.: Reaktoren, Öfen, Kessel, Kolonnen, Wärmeübertrager, Abscheider, Filter, Sprühtrockner) Maschine ist eine mit einem anderen Antriebssystem als der unmittelbar eingesetzten menschlichen oder tierischen Kraft ausgestattete oder dafür vorgesehene Gesamtheit miteinander verbundener Teile oder Vorrichtungen, von denen mindestens eines beweglich ist und die für eine bestimmte Anwendung zusammengefügt sind [26] (Wesensmerkmale kursiv!) (Bsp.: Pumpe, Verdichter, Gebläse, Turbinen, Rührbehälter, Zentrifugen, Filtertrockner, Drehscheibenextraktoren, Extruder, Förderband) Behälter ist eine geschlossene, ortsfeste Ausrüstung/Vorrichtung zur Aufbewahrung von Stoffen. (Bsp.: Betriebsbehälter, Lagerbehälter, Lagertank, Silo)
Ein Tank ist im Prinzip ein sehr großer stehender oder liegender Behälter. Mancher Apparat oder Behälter wird durch den Anbau eines Antriebs zur Maschine, sodass die Abgrenzung teilweise schwierig ist. Mitunter werden Behälter durch „intelligente“ Einbauten und Zweckänderung auch zu einem Apparat. Die Hauptausrüstungen sind definitionsgemäß Produkte (s. Definition in Abschn. 1.1) und die zugehörigen Dokumentationen dementsprechend Technische Produktdokumentationen. Sie bilden in Summe die Teildokumentation MASCHINEN/APPARATE/ BEHÄLTER. Bestandteile der einzelnen Produktdokumentationen sind: die Technischen Vorgaben des Bestellers an den Hersteller (Technische Beschaffungsunterlagen/TBU), die im Detail Engineering erzeugt wurden und vom Hersteller fortgeschrieben werden (z.B. Ausrüstungsdatenblätter) und die produktbeschreibenden Herstellerdokumente und/oder die produktbegleitenden Lieferantendokumente. Der Workflow in Abb. 3.19 veranschaulicht das Zusammenwirken von Planer und Hersteller.
224
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Abb. 3.19 Ablauf (Workflow) bei der Apparatekonstruktion und -fertigung sowie beim Erarbeiten der zugehörigen Herstellerdokumentation
Hinsichtlich der erwähnten Produktdokumentationen sind im verfahrenstechnischen Anlagenbau folgende Bedingungen und Besonderheiten zu beachten: In verfahrenstechnischen Anlagen sind die Hauptausrüstungen wesentlich, da in ihnen ein Großteil des verfahrenstechnischen und technischen Know-how vergegenständlicht ist. Viele dieser Ausrüstungen sind Sonderkonstruktionen mit zum Teil komplizierten Fertigungs- und Montageabläufen. Analoges gilt für den Betrieb und die Instandhaltung. Die Konstruktionszeichnung eines relativ einfachen Druckbehälters in Abb. 3.20, der als Kolonnensumpf genutzt wird, veranschaulicht dies. Die Beschaffung der Hauptausrüstungen ist fast immer terminkritisch. Damit sind a priori erhöhte Termin- und Qualitätsrisiken für die Herstellung der Ausrüstung und der zugehörigen Dokumentation gegeben (s. auch Abschn. 5.9). Für die Herstellung und Dokumentation der Hauptausrüstungen gibt es zahlreiche Rechtsvorschriften, die zu beachten sind (s. Abschn. 2.2.2).
3.6 Anlagendokumentation
Abb. 3.20 Konstruktionszeichnung eines Druckbehälters mit Einbauten (Ausschnitt)
225
226
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Abb. 3.21 Anforderungen an die Herstellerdokumentation eines Apparats bzw. Behälters ( Seite 1)
3.6 Anlagendokumentation
227
Abb. 3.21 Anforderungen an die Herstellerdokumentation eines Apparats bzw. Behälters ( Seite 2)
Die Anforderungen an die Herstellerdokumentationen sind in der Anfrage und Bestellung umfassend zu spezifizieren und entsprechend zu vereinbaren. Ein Beispiel für die Dokumentenanforderung für eine Maschine ist in Abschn. 3.5, Abb. 3.5 und eins für die Dokumentenanforderung für Apparate bzw. Behälter ist in Abb. 3.21 angeführt. Die Einzeldokumentationen gleichartiger Ausrüstungen sollten identisch gegliedert sein (s. Beispiel in Abschn. 3.5, Tab. 3.13) und gleiche Begriffe verwenden. Die Herstellerdokumentationen für die Einzelausrüstungen sind von den Package-unitDokumentation (s. Abschn. 3.6.11) zu unterscheiden.
228
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
a) Herstellerdokumentationen für APPARATE und BEHÄLTER Das Inhaltsverzeichnis einer Herstellerdokumentation für einen Apparat bzw. Behälter, der der Druckgeräte-RL [27] (s. Abschn. 2.2.2, b)) unterliegt, enthält Tab. 3.35. Tabelle 3.35 Inhaltsverzeichnis der Herstellerdokumentation eines Druckbehälters mit Einbauten und Zubehör (Praxisbeispiel) 1 Technische Unterlagen 1.1 Kennzeichnung 1.2 Ausrüstungsdatenblatt 1.3 Konstruktionszeichnungen für Zusammenbau und Stücklisten 1.4 Konstruktionszeichnungen für Einbauten, Sonderteile u.ä. und Stücklisten 1.5 Dokumentation von Anbauteilen 1.6 Festigkeitsberechnungen 2 EU-Konformitätserklärung (n. Anhang IV, Druckgeräte-Richtlinie) 3 Betriebsanleitung 2.1 Sicherheitshinweise 2.1.1 Bestimmungsgemäße Verwendung 2.1.2 Sicherheitseinrichtungen, Warnhinweise, Verbote 2.1.2 Hinweise auf Restgefahren 2.2 Transport, Lagerung 2.2.1 Anschlagmöglichkeiten, Anschlagmittel 2.2.2 Hinweise für Transport 2.2.3 Konservierung, Vermeidung von Schmutzeintrag 2.3 Montage 2.3.1 Maßblatt und Gewichte 2.3.2 Aufstellen und Befestigen 2.3.3 Reinigen 2.3.4 Wärmedämmung 2.4 Inbetriebnahme, Betrieb, Außerbetriebnahme 2.4.1 Verschließen und Dichtheitsprüfung 2.4.2 Prüfungen vor Inbetriebnahme 2.4.3 Hinweise zur Druckbeaufschlagung 2.4.4 Hinweise für Außerbetriebnahme 2.5 Wartung, Inspektion, Wiederkehrende Prüfungen 2.5.1 Wartungsmaßnahmen 2.5.2 Inspektionshinweise 2.5.3 Hinweise zu Wiederkehrenden Prüfungen 2.6 Störungen, Instandsetzung 2.6.1 Mögliche Störungsursachen 2.6.2 Hinweise zu Instandsetzungsarbeiten 2.7 Verschleiß- und Ersatzteile 3
Prüf- und Nachweisdokumentation 3.1 Bescheinigung über Bau- und Druckprüfung 3.2 Schweißplan 3.3 Schweißerbescheinigungen 3.4 Durchstrahlungsprüfbericht, Röntgenprüfplan 3.5 Beizprotokoll 3.6 Prüfbescheinigungen von Werkstoffen (Werkstoffnachweise) 3.7 Protokoll Bauabweichung
3.6 Anlagendokumentation
229
Typisch für die Apparatedokumentation sind die Konstruktionszeichnungen des Apparats (s. Tab. 3.36, Teil B). b) Herstellerdokumentationen für MASCHINEN Zu dieser Thematik sind bereits im Zusammenhang mit der Maschinen-Richtlinie [26] in Abschn. 2.2.2, a) sowie in Verbindung mit Betriebsanleitungen für Maschinen in Abschn. 3.6.3.2, a) (s. auch Muster-Inhaltsverzeichnis einer Betriebsanleitung in Tab. 3.21) mehrere Ausführungen gemacht. Ergänzend dazu ist in Tabelle 3.36 ein Praxisbeispiel angegeben. Tabelle 3.36 Inhaltsverzeichnis der Herstellerdokumentation einer magnetgekuppelten Seitenkanalpumpe mit Elektromotor für den Einsatz im Ex-Bereich (Praxisbeispiel) 1
Pumpendatenblatt
2
Betriebsanleitung Pumpe (n. Anhang I, Maschinen-Richtlinie) 2.1 Kennzeichnung 2.2 Sicherheitshinweise, Gewährleistung 2.3 Verwendungszweck, Beschreibung 2.4 Auspacken, Transportieren, Lagern 2.5 Aufstellen der Pumpe 2.6 Inbetriebnahme, Außerbetriebnahme 2.7 Wartungshinweise und -intervalle 2.8 Technische Daten (Abmessung, zul. Rohrleitungskräfte, Drehmomente u.a.) 2.9 Anhang (Zeichnungen, Schaltschemata, Zubehörunterlagen usw.)
3
EU-Konformitätserklärung für Pumpenaggregat (n. Anhang II, Maschinen-Richtlinie)
4
Aggregatmaßzeichnung
5
Ersatzteile 5.1 Ersatzteilliste 5.2 Schnittzeichnung mit Teilepositionen
6
Elektromotor 6.1 Motordatenblatt 6.2 EU-Konformitätserklärung Motor (n. Anhang X, ATEX-Herstellerrichtlinie) 6.3 Betriebsanleitung Motor (n. Anhang I, ATEX-Herstellerrichtlinie) 6.3.1 Beschreibung 6.3.2 Transport, Einlagerung 6.3.3 Aufstellung und Inbetriebnahme 6.3.4 Wartung 6.3.5 Zusatzeinrichtungen 6.3.6 Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Explosionsschutzes im Betrieb 6.3.7 Ersatz- und Verschleißteile 6.3.8 Maßnahmen bei Störungen
7
Prüfprotokolle, Prüfbescheinigungen u.a. Prüf-/Nachweisdokumente
Von erheblicher Bedeutung sind für die Herstellerdokumentationen der Hauptausrüstungen auch die Prüfbescheinigungen nach DIN EN 10204 [44], die das Qualitätszertifikat für den eingesetzten metallischen Werkstoff darstellen. Zur Gruppe der Prüfbescheinigungen gehören die Dokumentenarten: Abnahmeprüfzeugnis 3.1 bzw. Abnahmeprüfzeugnis 3.2 und mitunter die Werkbescheinigung 2.1 oder das Werkzeugnis 2.2.
230
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
In der Regel ist durch den Hersteller zu jedem Bauteil eine eigene Prüfbescheinigung (Werkstoffnachweis) beizufügen. Die Zuordnung der Bescheinigung zum betroffenen Bauteil erfolgt meistens über die Bauteil-Positionsnummer und die entsprechende Zeile in der zugehörigen Zeichnungsstückliste. Zusammenfassend zu diesem Abschnitt sind in Tabelle 3.37 nochmals die Dokumentenarten der Teildokumentation MASCHINEN/APPARATE/BEHÄLTER aufgelistet. Formblätter für die Dokumentenanforderung für Maschinen sind in Abschn. 3.5, Abb. 3.5 und für Apparate/Behälter in Abb. 3.21 dieses Abschnitts enthalten. Tabelle 3.37 Dokumentenarten der Teildokumentation MASCHINEN/APPARATE/BEHÄLTER (Synonyme: MuA (Maschinen und Apparate) bzw. EQP (Equipments)) Teil A: Zusammenfassende und übergreifende Dokumentenarten Spezifikation für Dokumentenanforderung Betriebsanleitung/-en Liste der Hauptausrüstungen Ausrüstungsdatenblatt (Medium, Betriebsparameter, Hauptabmessungen, Werkstoff, Ein-/Austrittsstutzen, Messstutzen, Entleerungsstutzen usw.) Leistungsdiagramm für Maschine (z.B. Pumpendiagramm) Ersatz- und Verschleißteilliste Schema für Schmier-, Regel- und Dichtungssysteme Schmiermittelliste Schaltpläne für elektrische Antriebe PLT-Stellenliste für produktspezifische PLT-Stellen PLT-Stellendatenblatt für produktspezifische PLT-Stellen, inkl. SIL-Klassifizierung Vorgaben/Richtlinien für Risikobeurteilung ggf. Ergebnisbericht über Risikobeurteilung Bedienungskonzept für Hauptausrüstung, inkl. Platzbedarf Instandhaltungskonzept für Hauptausrüstung, inkl. Platzbedarf Teil B: Dokumentenarten der Konstruktion inkl. Festigkeitsberechnung Auslegungsgrundlagen und-vorschriften (Auslegungsdaten, Richtlinien, Normen) Gestaltungsgrundsätze/-prinzipien (Richtlinien, Normen, Standards) Grundlagen und Vorgaben zur Werkstoffauswahl Vorgaben/Hinweise zum Korrosionsschutz (Beschichtung) Vorgaben zur inneren Oberflächengüte und Reinheit Vorgaben zur Wärme- und/oder Kältedämmung Vorgaben zur Schalldämmung Vorgaben/Hinweise zur Isolierung Bericht zur Festigkeitsberechnung Anfragezeichnungen bzw. Anfrageskizzen Hauptansichtszeichnung inkl. Hauptabmessungen und Gewichte Zusammenbauzeichnung bzw. Übersichtszeichnung Fertigungszeichnung bzw. Werkstattzeichnung Stückliste zu Einzel- und Zubehörteilen Einzelteilzeichnung Zeichnung mit Ansichten, Schnitten, Durchdringungen, Abwicklungen u.ä. Beschreibung von Stutzen, Einbauten, Zubehörteilen usw. Fundamentzeichnung bzw. Maßblatt mit Hauptabmessungen, Grundflächengröße, Bemaßung der Ankerschrauben, Belastungsangaben u.ä. besondere Anforderungen an Fundamente und Aufstellung, u.U. Aufstellungsplan Angaben zum apparativen bzw. technologischen Stahlbau
3.6 Anlagendokumentation
231
Tab. 3.37 (Fortsetzung) Teil C: Prüf- und Nachweisdokumentenarten EU-Konformitätserklärung/-en ggf. Einbauerklärung und Montageanleitung für unvollständige Maschine Bescheinigung über Entwurfsprüfung für Apparat/Behälter n. Druckgeräte-RL Bescheinigung über Bau-/Druckprüfung für Apparat/Behälter n. Druckgeräte-RL Schweißerbescheinigungen bzw.-zeugnisse Schweißplan und Schweißereinsatzliste Bescheinigung über angewendete Schweißverfahrensprüfungen Liste der Werkstoffnachweise von Schweiß-Zusatzwerkstoffe Werkstoffnachweise für Schweiß-Zusatzwerkstoffe Bericht/Protokolle über Durchstrahlungsprüfungen Bericht/Protokolle über Ultraschallprüfungen Bericht/Protokolle über endoskopische Untersuchungen (z.B. Schweißnaht, Oberflächengüte, Verschmutzung) Bericht/Protokolle über Oberflächenrissprüfung Liste der Prüfbescheinigungen von Werkstoffen metallischer Bauteile Prüfbescheinigungen von Werkstoffen metallischer Bauteile Umstempelungsbescheinigungen Beizprotokolle Qualitätsbescheinigung über Korrosionsschutz
Die angeführten technischen Dokumentenarten werden z.T. entsprechend vertraglicher Vereinbarung in die produktbegleitende Herstellerdokumentation eingefügt und verbleiben ansonsten betriebsintern beim Hersteller. Abb. 3.22 zeigt diesen Zusammenhang.
Abb. 3.22 Hauptbestandteile der gesamten Technischen Produktdokumentation [45]
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Die in Abb. 3.22 dargestellten Teile der gesamten Hersteller-Produktdokumentation sind auszugsweise wie folgt definiert [45]. Die Technische Dokumentation beinhaltet alle Informationen (Dokumente), die von einem Hersteller/Vertreiber parallel zum Entstehen und zum Lebensweg eines Produkts (Produktlebenszyklus) erstellt werden. Die Externe Dokumentation für die Nutzung dient dazu, den Kunden/Anwender nach dem Kauf zum korrekten und sicheren bestimmungsgemäßen Gebrauch/Verwendung anzuleiten. Die Interne Technische Dokumentation beinhaltet alle technischen Informationen über ein Produkt, die im Unternehmen verbleiben; sie werden in unterschiedlichen Dokumenten nachvollziehbar festgehalten.
In die Anlagendokumentation der verfahrenstechnischen Anlage wird nur die Externe Dokumentation für die Nutzung des gelieferten Produkts eingeordnet. Abschließend sei noch vermerkt, dass die Aussagen in Abb. 3.22 nicht nur für die Hauptausrüstungen sondern auch für andere technische Produkte (z.B. Geräte, Armaturen, Messinstrumente) gelten. Die zugehörigen Herstellerdokumente werden zusammen mit dem Produkt in der zutreffenden Teildokumentation (z.B. Prozessleittechnik oder Rohrleitungstechnik) abgelegt.
3.6.6 Teildokumentation BAU / STAHLBAU Zum Bau und Stahlbau gehören alle Leistungen der Teildisziplinen Tiefbau (civil), Architektur (architecture), Hochbau (structural) und Stahlbau (steel construction) sowie mit dem Bauwerk fest verbundene technische Ausrüstungen, z.B. ▪ Krane, ▪ Aufzüge, ▪ Rolltore und andere bauliche Einrichtungen bzw. Ausstattungen, z.B. ▪ für den baulichen Brandschutz, ▪ zur Raumausstattung, ▪ zur bauspezifischen Wärme-, Kälte-, Schalldämmung, ▪ für den baulichen Korrosionsschutz inkl. Ausmauerungen, ▪ die Außenansicht/-gestaltung der Anlage, ▪ die Oberflächengestaltung der Außenbereiche der Anlage. Nicht integriert sind die Leistungen der Technischen Gebäudeausrüstung, die in diesem Buch als eigene Fachdisziplin behandelt wird; in manchen Unternehmen aber auch dem Bau und in Sonderfällen auch der Verfahrens bzw. Prozesstechnik zugeordnet ist. Typische Bau- und Stahlbauarbeiten im verfahrenstechnischen Anlagenbau sind in Tab. 1.2 in Abschn. 1.2 zusammengefasst. Insgesamt sind die Bau-/Stahlbaumaßnahmen umfangreich und vielfältig. Auf Grund der Spezifik verfahrenstechnischer Anlagen und Betriebe sind sie meistens herausfordernd. Dies gilt auch für die zugehörige Teildokumentation. Die Teildokumentation BAU/STAHLBAU besteht i.d.R. aus einem Abschnitt „Baudokumente Gesamtanlage“, der übergreifende Dokumente enthält (s. Tab. 3.39) und
3.6 Anlagendokumentation
233
aus weiteren Abschnitten, die nach Bauobjekten (z.B. Gebäude, Stahlgerüste, Rohrbrücken, Betriebs- bzw. Lagerflächen) gegliedert sind und die zugehörigen objektbezogenen Baudokumente enthalten. Die Dokumente der technischen Ausrüstungen sind ggf. örtlich zugeordnet. Die wichtigsten Arten und Inhalte von Bauzeichnungen für die Objekt- und Tragwerksplanung (Stahlbeton- und Spannbetonbau) sowie Grundregeln für die Darstellung in Bauzeichnungen sind in der DIN 1356-1 [46] enthalten. Wichtige Dokumentenarten [46] der Entwurfs- und Genehmigungsplanung sind: Bau-Entwurfszeichnungen sind Bauzeichnungen mit zeichnerischen Darstellungen des durchgearbeiteten Planungskonzepts der geplanten baulichen Anlage. Entwurfszeichnungen berücksichtigen die Beiträge anderer, an der Planung fachlich Beteiligter und lassen die Gestaltung und Konstruktion erkennen. Sie dienen als Grundlage für die Bau-Kostenermittlung. Bau-Vorlagezeichnungen sind Entwurfszeichnungen, die durch alle Angaben ergänzt sind, die nach den jeweiligen Bauvorlageverordnungen der Länder oder nach den Vorschriften für andere öffentlich-rechtliche Verfahren (d. Verf.: z.B. Genehmigungsverfahren nach BImSchG) gefordert werden. In Stahlbau-Entwurfszeichnungen sind Konstruktions- und Hauptmaße einer Stahlbaukonstruktion für Anlagenteile festgelegt. Weiterhin sind Art und Zusammenwirken der funktionsbestimmenden Bauglieder, die insgesamt die Stahlbaukonstruktion charakterisieren, deutlich erkennbar. Berührungspunkte mit anderen bautechnischen Bereichen, die Forderungen an die Stahlbaukonstruktion stellen, sind eindeutig, maßlich und konstruktiv darzustellen.
Typische Dokumentenarten der Ausführungsplanung sind: Bau-Ausführungszeichnungen sind Bauzeichnungen mit zeichnerischen Darstellungen des geplanten Bauobjektes mit allen für die Ausführung notwendigen Einzelangaben. Sie enthalten unter Berücksichtigung der Beiträge anderer an der Planung fachlich Beteiligter alle für die Ausführung bestimmten Einzelangaben in Werkzeichnungen und Detailzeichnungen und dienen als Grundlage der Leistungsbeschreibung und Ausführung der baulichen Leistungen. In Stahlbau-Fertigungszeichnungen bzw. in Stahlbau-Werkstattzeichnungen sind die für die Fertigung und Montage erforderlichen Angaben einer Stahlbaukonstruktion enthalten. Die Stückliste gehört zur Zeichnung.
Weitere Zeichnungsdokumente der Bau-/Stahlbauentwurfs- und -ausführungsplanung planung sind in Tabelle 3.38 zusammengestellt und kurz charakterisiert. Ergänzend dazu sind in Abb. 3.23 bis 3.28 einige Beispieldokumente abgebildet. Tabelle 3.38 Grafische Dokumentenarten der Bau-/Stahlbauentwurfsplanung und der Bau-/Stahlbauausführungsplanung [47]
Teil A: Grafische Dokumentenarten der Bau-/Stahlbau-Entwurfsplanung 1
Bauübersichtszeichnung Massivbau Darstellung der Bauwerke des Massivbaus in Grundrissen, Ansichten, Schnitten. Angabe der zusätzlich zu den örtlichen Vorschriften an die Bauwerke gestellten Anforderungen für die verfahrens- und betriebsgerechte Aufstellung der Ausrüstungen wie: – Verkehrswege, – Lichtraumprofile, – Montageöffnungen und Laufbahnträger für Hebezeuge,
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Tab. 3.38 (Fortsetzung) 1
Bauübersichtszeichnung Massivbau (Fortsetzung) – Art und Menge der abzuführenden Flüssigkeiten, – Beanspruchungen durch aggressive Medien: Beanspruchungsart, erforderlicher Oberflächenschutz, – Schutz gegen mechanischen Verschleiß, – besondere örtliche Temperaturbeanspruchung, – Maßnahmen für Schall- und Wärmedämmung, – natürliche Belichtung, – natürliche Belüftung – Durchbrüche und Kanäle für Ausrüstungen, Rohrleitungen, Rohrleitungs- und Kabeltrassen, – Liefergrenzen. Dieser Zeichnung liegt keine statische Berechnung zugrunde.
2
Belastungsplan für Abtragungen von Ausrüstungen Bei kleineren Anlagen werden die Informationen dieser Unterlage in der Regel in die Bauübersichtszeichnung integriert. Belastungsplan für Fundamente und Unterstützungskonstruktionen einschließlich Gebäudebühnen und Brücken durch Ausrüstungsteile in Einliniendarstellung mit folgenden Eintragungen: – Bauwerksumrisse und Angabe der Achsen, der statischen und dynamischen Lasten nach Größe, Lage und Richtung aus Maschinen, Apparaten, Rohrleitungen, sonstigen Ausrüstungen und Montagelasten, – Verkehrslasten, die außer den gültigen Vorschriften und Normen zu berücksichtigen sind, – zulässige Betonpressung in der Lagerfuge.
3
Verankerungszeichnung für Ausrüstungsteile Je nach Größe der Anlage und Praxis des Abwicklungsstils können diese Informationen auch in die Bauübersichtszeichnung oder den Belastungsplan aufgenommen werden. Zeichnung für die Verankerung und Befestigung von Maschinen, Apparaten und sonstigen Ausrüstungsteilen mit Darstellung bzw. Angabe der Achsen von Bauwerk und Ausrüstungsteil mit Bezeichnung, Höhenkoten, Verankerungsdetails wie Ankerlöcher, Ankerschrauben, Ankerbarren bzw. schienen usw., Größe der Fußplatten, Dicke der Vergussfugen.
4
Bauübersichtszeichnung Stahlbau Darstellung der Bauwerke des Stahlbaus in Grundrissen, Ansichten und Schnitten mit: – Darstellung des statischen Systems, – Darstellung der Konstruktionsteile, – Eintragung der für die Anfertigung von Werkstattzeichnungen erforderlichen Maße und Höhenkoten aufgrund der verfahrens- und betriebsbedingten Angaben, – Darstellung der Verankerungs- und Befestigungsdetails für Maschinen, Apparate und sonstige Ausrüstungsdetails, – Angabe der statischen und dynamischen Lasten nach Größe und Lage der Maschinen, Apparate, Rohrleitungen und sonstige Ausrüstungsteile, – Angabe der Verkehrslasten, die außer den örtlich gültigen Vorschriften und Normen zu berücksichtigen sind, – Angabe von Werkstoff- und Ausführungsvorschriften für Konstruktionsteile, wie Geländer, Leitern, Treppen, Lampenbefestigung usw.
3.6 Anlagendokumentation
235
Tab. 3.38 (Fortsetzung) 4
Bauübersichtszeichnung Stahlbau (Fortsetzung) Dieser Zeichnung liegt keine statische Berechnung zugrunde, sondern sie ist die Grundlage für die Anfertigung falls keine Systemzeichnung angefertigt wird.
5
Systemzeichnung für Stahlbau Schematische Darstellung der statischen Systeme in Grundrissen, Ansichten und Schnitten mit Achsenmaßen, Riegelhöhen usw. Diese Systemzeichnung ist bei größeren Anlagen für größere Stahlbaukonstruktionen Grundlage der statischen Berechnung. Für einfache Stahlbaukonstruktionen ist die Systemzeichnung häufig im Belastungsplan enthalten.
6
Terrassierungsplan Darstellung des Bodenauf- bzw. -abtrag herzustellenden Werksplanums.
7
Übersichtslageplan Darstellung der Eintragung der: – Lage der Neuanlage mit Bauwerksgrundrissen, – Linienführung der Verkehrswege, – Trassen der Versorgungs- und Abflussleitungen bzw. der Kabel innerhalb der Anlagengrenzen in Einliniendarstellung, – Bezugsachsen, Bezugshöhen und Nordrichtung.
Teil B: Grafische Dokumentenarten der Bau-/Stahlbau-Ausführungsplanung 1
Architektonische Detailzeichnung bei Gebäuden Darstellung aller für die Ausführung erforderlichen Details mit sämtlichen hierzu nötigen Maßen und Angaben.
2
Straßenpläne
2.1 Straßen-Lageplan Darstellung der Linienführung der Straßen mit Böschungsverlauf, befestigten Radien, Bogenanfang und Bogenende, Quergefälle, Lage der beigegebenen Regelquerschnitte, Gräben und Gerinne mit Abmessungen und Fließrichtung, erforderlichen Angaben über vorhandene und neue Kunstbauwerke. 2.2 Straßen-Längsschnitte (Höhenplan) Eingetragen sind: Höhen des Geländes und vorhandener Straßen, Gradienten der neuen Straßen, Brechpunkte der Gefälle und Halbmesser der Kuppen-/Wannenausrundungen, erforderliche Angaben über vorhandene und neue Bauwerke. 2.3 Straßen-Regelquerschnitte Darstellung des Straßenquerschnittes mit Eintragung aller baulichen Bestandteile: Unterbau, Fahrbahndecke, Randbefestigungen, Böschungen und Gräben, Lage aller Leitungen und Kabel im Querschnitt. 2.4 Straßen-Absteckplan (Anfertigung durch Geometer)
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Tab. 3.38 (Fortsetzung) 3
Gleispläne Lageplan, Längs- und Querprofile einschl. Darstellung der Entwässerung des Gleiskörpers, mit kompletter Vermaßung der Gleistrassen, Weichen und sonstigen Eisenbahnbauwerke sowie Angabe der Grundstücksgrenzen.
4
Kanalisationspläne (können auch Bestandteil von Straßen- und Gleisplänen sein)
4.1 Kanalisation-Lageplan Darstellung der Linienführung mit folgenden Eintragungen: angeschlossene Teilflächen, Lage der Schächte und Einläufe, Höhen, Gefälle und Fließrichtung, Leitungsdurchmesser und Werkstoff, sonstige Kunstbauwerke. 4.2 Kanalisation-Längsschnitte Darstellung der: Höhen von Geländer bzw. Straße und Kanalsohle, Gefälle, Leitungsdurchmesser und Werkstoff, Lage der Schächte. 4.3 Kanalisation-Detailzeichnung Darstellung der Entwässerungsbauwerke mit allen für die Ausführung erforderlichen Angaben, wie Lage und Abmessungen, Baustoffe usw. 5
Übersichtszeichnungen und Positionspläne
5.1 Massivbau-Positionsplan (kann Teil der Statik sein) Angabe der wesentlichen Abmessungen des Bauwerks sowie der Positionsnummer der statischen Berechnungen. 5.2 Massivbau-Übersichtszeichnung Grundrisse der einzelnen Anlagefelder mit Angabe der endgültigen Abmessungen der Bauteile entsprechend der statischen Berechnung sowie Vermaßung auf die Bezugslinien. 5.3 Stahlbau-Positionsplan (kann Teil der Statik sein) Darstellung aller Konstruktionsteile, Angabe der wesentlichen Abmessungen sowie der Positionsnummern der statischen Berechnungen. 5.4 Stahlbau-Übersichtszeichnung Grundrisse, Schnitte und Ansichten des Bauwerks mit Darstellung aller Konstruktionsteile und Eintragung der für die Anfertigung von Fertigungszeichnungen erforderlichen Maße, Profile, Bleche, Rohre u.a. Anschlussdetails für Maschinen, Apparate, Rohrleitungen usw., wichtigen Konstruktionsdetails, z.B. Anschluss von Rahmenecken, Brücken- und Kranbahnauflager, Dehnfugen usw.; Anschlusskräfte für Träger, Verbandsstäbe usw. 6
Belastungsplan B (für Abtragung von Stahlbauten) Plan für Fundamente des Stahlbaues (Gebäude, Unterkonstruktionen, Brücken) Darstellung und Eintragung von Bauwerksgrundrissen mit Achsen einschl. Achsbezeichnung und Stützenstellung, Lage von Verbänden und Rahmen,
3.6 Anlagendokumentation
237
Tab. 3.38 (Fortsetzung) 6
Belastungsplan B (für Abtragung von Stahlbauten) (Fortsetzung) Höhenkote von Fundamentoberkante, Abmessungen der Fußplatten, Zulässige Betonpressung in der Lagerfuge, Positive x-, y- und z-Richtung, Belastungstabelle, unterteilt in die einzelnen Lastfälle.
7
Verankerungszeichnung B Zeichnung für Stahlbau und sonstige vorgefertigte Bauteile. Darstellung und Eintragung von:
Verankerungsdetails (Ankerlöcher, Ankerschrauben, Ankerbarren usw.), Bauwerksachsen mit Bezeichnung, Höhenkote von Fundamentoberkante, Abmessungen der Fußplatten, Dicke der Vergussfuge, Lageplan mit Liefergrenzen.
8
Pfahlplan, Rammplan Darstellung der Lage von Gründungspfählen (Rammpfähle, Bohrpfähle) oder Spundwänden im Grundriss und ggf. in Schnitten mit Angabe der Lage in Bezug auf Bauwerksachsen, Neigung von Schrägpfählen, Tragfähigkeit der Pfähle, Oberkante Pfahlkopf bzw. Spundwand, evtl. einzuhaltenden Mindesttiefe, Baustoffe.
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Schalungszeichnung bzw. Schalplan (s. Abb. 3.23) Darstellung der Beton-/Stahlbetonbauwerke in Grundrissen, Schnitten, Ansichten mit den für die Ausführung der Betonarbeiten erforderlichen Maßen und Angaben.
10 Bewehrungszeichnung bzw. -plan Bauzeichnungen des Stahlbetons mit allen zum Biegen und Verlegen der Bewehrung erforderlichen Angaben. Eingetragen sind: wesentliche Schalungsmaße, Lage, Form, Durchmesser, Positionsnummern, Betondeckung der Bewehrung, Betonstahlgruppe, Betongüteklasse, Zementart und Zementgehalt, Stahlliste. 11 Stahlbau-Fertigungszeichnung bzw. -Werkstattzeichnung (s. Abb. 3.24) Darstellung sämtlicher Konstruktionsteile in Grundrissen, Schnitten und Ansichten mit Angabe der Informationen für die Fertigung, wie – Profile, – Schweißnähte und sonstige Verbindungen, – kompletten Bemaßung einschl. Systemmaße, – evtl. erforderlichen Toleranzen und Bearbeitungszeichen, – Positionsnummern. 12 Stahlbau-Montagezeichnung (s. Abb. 3.25) Übersichtsdarstellung der zu montierenden Stahlbauelemente, z.B. als Grundlage für Montageanweisung. 13 Oberflächenbefestigungsplan (s. Abb. 3.26) Vorgaben zu ebenerdigen Ausführung des Betriebsplatzes.
238
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Abb. 3.23 Schal- und Bewehrungsplan für Pumpenfundamente (Ausschnitt)
3.6 Anlagendokumentation
Abb. 3.24 Stahlbau-Fertigungszeichnung mit hohem Anteil an Vor-Ort-Fertigung
Abb. 3.25 Stahlbau-Montagezeichnung (Anhang einer Montageanweisung)
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Abb. 3.26 Oberflächenbefestigungsplan einer Fackelanlage (Ausschnitt)
Abb. 3.27 Unterflursummenplan eines Kesselhauses (Ausschnitt)
3.6 Anlagendokumentation
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Tab. 3.38 (Fortsetzung) 14
Unterflursummenplan (s. Abb. 3.27) Darstellung eines maßstäblichen Grundrisses der Anlage/Teilanlage, in dem alle unterirdischen Bauobjekte (Fundamente, Schächte, Gruben, Kanäle), Behälter (Erdtank, Slopbehälter) und erdverlegten Rohrleitungen, Kabel (Kabeltrassen, Schutzrohre) dargestellt sind.
15
Montagepläne
15.1 Stahlbaumontagezeichnung / Stahlbau-Signierungsplan Grundrisse, Schnitte und Ansichten des Bauwerks mit Darstellung aller Konstruktionsteile und Eintragung der für die Montage wesentlichen Maße, Profile, für Versand und Montage maßgebende Positionsnummern der zum Versand kommenden, zu zusammengebauten, transportfähigen Teilen/Aggregaten. 15.2 Gitterrost-Verlegeplan – Lage der Roste, Abmessungen, Ausschnitte, Positionsnummern. 15.3 Gebäudeverkleidung-Verlegeplan – Lage der Elemente sowie Abmessungen, Ausschnitte, Positionsnummern. 16
Raumbuch (z.T. ohne Elektroinstallation) Beschreibung der Anforderungen an einen Raum bezogen auf die vorgesehene Nutzung Benennung der beschriebenen Bauwerksteile, wie z.B. Wände, Decken, Fußböden, Treppen, Türen, Zargen, Fenster, Geländer, Farbton, Baustoffe, Hinweise auf Hersteller, Verarbeitungsrichtlinien, zugehörige Positionsnummer.
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Freianlagenplan / Einfriedungsplan (s. Abb. 3.28) Darstellung der Frei-/Außenanlage mit Bepflanzung, Wegen und Straßen inkl. Zauntrassen mit Toren und komplette Bemaßung bezogen auf Festpunkte.
Abb. 3.28 Freianlagenplan eines Flurstücks
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Im Unterschied zum Tief- und Hochbau wird im Stahlbau konstruiert, gefertigt und montiert. Die Stahlbaudokumente sind entsprechend spezifisch und zum Teil ähnlich wie im Apparatebau. Eine Spezifik bildet der sog. Apparative Stahlbau für Bühnen, Laufstege, Podeste u.ä., die zum Bedienen und Warten der Anlagenkomponenten gebraucht werden. Die Planung wird i.d.R vom Hersteller der Hauptausrüstung erledigt und die Stahlbaudokumente entsprechend den Ausrüstungsdokumenten zugeordnet. Wichtige Bestandteile der Baudokumentation sind zahlreiche genehmigungs-, sicherheits- und qualitätsrelevante Dokumentenarten (s. Tab. 3.39). Diese Dokumentenarten resultieren zum großen Teil aus Rechtsvorschriften bzw. behördlichen Auflagen und dienen dem Bauherrn als Nachweis, dass er während der Bauphase seine Eigentümer- und Sorgfaltspflichten erfüllt hat. Sie sind insbesondere im Rahmen der Baustellenabwicklung (s. Abschn. 5.10) und auf Basis eines ganzheitlichen Prüfdokumentation (s. Abschn. 3.7.5) zu beschaffen bzw. zu erstellen. Tabelle 3.39 Ausgewählte genehmigungs-, sicherheits- und/oder qualitätsspezifische Dokumentenarten der Baudokumentation 1
Übergreifende Dokumentenarten (für Gesamtanlage) Erläuterungsbericht zum Bauantrag Prüfstatiken für Tragwerke Begehungsprotokolle und/oder Zulassungen der Bauaufsichtsbehörde u.a. behördlicher Stellen Brandschutzkonzept und Brandschutznachweis inkl. Abschottung Wärmeschutznachweis Bautechnischer Nachweis zu Schallschutz und Erschütterungsschutz Standsicherheitsnachweise Dokumente zum Gebäudeschutz vor unberechtigtem Zutritt Nachweise zum Anprallschutz für ausgewählte Szenarien
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Tief- und Hochbau (Straßenbau, Massivbau, Entwässerung usw.) Bodengutachten bzw. Dokument über die Baugrunduntersuchung Fachunternehmererklärung nach WHG Protokoll zu Baugrubenabnahme Verdichtungsnachweise für Erdarbeiten Zertifikate und Bescheinigungen für Baugrundabdichtung (Folien) Nachweise über Bewehrungsabnahme Nachweise für Freigabe der Betonrezeptur Betongütenachweise Prüfbescheinigungen über Betonstahl Zertifikate bzw. Zeugnisse für Vergussmaterialien Freigabeprotokolle für Verguss Herstellerbescheinigungen, Zertifikate für Beschichtungen Einmessprotokolle für Bauwerke Freigabeprotokolle für Betonierung der Erdung Leistungserklärung für Bauprodukte vor deren in Verkehr bringen bauaufsichtliche Zulassung für nicht geregelte Bauprodukte bzw. nicht geregelte Bauarten hydraulische Berechnungen und Nachweise für die Auslegung und Ausführung des Regenwasser- und Schmutzwassersystems (Kanalisation)
3.6 Anlagendokumentation
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Tab. 3.39 (Fortsetzung) 3
Stahlbau Montageanweisungen Leistungserklärung für Stahlbauprodukte bauaufsichtliche Zulassung für nicht geregelte Stahlbauprodukte Einmess-/Vermessungsprotokolle über Stahlbau Erklärung betreffs Einhaltung der Anzugsmomente Freigabeprotokolle zum Betonieren der Stützen Schweißerliste mit Schweißerprüfbescheinigungen Werkstoff-Prüfbescheinigungen für Material Werkstoff-Prüfbescheinigungen für Schweißzusatzwerkstoffe Bescheinigungen über Materialien und Ausführung zum Korrosionsschutz
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Bautechnische Einrichtungen EU-Konformitätserklärungen zu Brandschutzeinrichtungen u.a. relevanten bautechnischen Produkten/Einrichtungen Herstellerdokumentation der Krane, inkl. Kranbücher Herstellerdokumentation der Aufzüge, inkl. Prüfbescheinigungen Herstellerdokumentation der kraftbetätigten Rolltore, inkl. Prüfbücher Herstellerdokumentation für Bodenwaage, inkl. Eichprotokolle
Neben den in Tab. 3.38 und 3.39 angeführten Dokumentenarten gibt es noch weitere bauspezifische Planungsdokumente, die u.a. betreffen (s. auch HOAI [9]): Objektbeschreibungen und/oder Erläuterungsberichte zum Bauvorhaben, Ergebnisberichte von Kostenberechnungen, Zuarbeit zum Genehmigungsantrag sowie Stellungsnahmen im Genehmigungsverfahren, Ausführungsdokumente zur Beschichtung, insbesondere von Stahlbauten, Ausführungsdokumente zum Feuerfestbau.
3.6.7 Teildokumentation ROHRLEITUNGEN In verfahrenstechnischen Anlagenprojekten hat der Rohrleitungsbau einen hohen Anteil. In größeren Anlagen sind mehrere tausend Einzelrohrleitungen montiert und entsprechend dokumentiert. Zur Rohrleitungsdokumentation gehören neben den Übersichts- bzw. Ausführungsdokumenten zu den eigentlichen Rohrleitungen beispielsweise auch die Spezifikationen und Herstellerunterlagen über Armaturen (Ventile, Schieber, Kugelhähne, Klappen, Rückschlagventile, Kondensatableiter), Spezifikation und Herstellerdokumentationen über Rohrleitungssonderteile (Kompensatoren, Messstutzen, Lochblenden, Steckscheiben, Schläuche, Kupplungen, Siebe, Schaugläser), Spezifikationen und Ausführungsdokumente (as built) zu Rohrleitungshalterungen (Unterstützungen, Federhänger/-lager, Konstanthänger/-lager, Sonderlager, Schallentkopplung), Spezifikationen sowie Auslegungs- und Herstellerunterlagen über Druckentlastungseinrichtungen (Sicherheitsventile, Berstscheiben). Die Erarbeitung wichtiger Rohrleitungsdokumente wird aus Abb. 3.29 ersichtlich.
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Abb. 3.29 Ablauf (Workflow) und wichtige Dokumentenarten der Rohrleitungsplanung
Einige wichtige Dokumentenarten des Rohrleitungsbaus sind in Tabelle 3.40 angeführt. Tabelle 3.40 Dokumentenarten der Teildokumentation ROHRLEITUNGEN (Auswahl) Teil A: Allgemeine Dokumentenarten als Planungsvorgaben (Input) Richtlinien und Spezifikationen für Planung, Fertigung, Montage von Rohrleitungen und Rohrleitungsteilen, inkl. Qualitäts- und Druckprüfung Spezifikationen der Rohrklassen Spezifikation der Armaturen- und Dichtungsklassen Spezifikation der Rohrleitungssonderteile Spezifikation für die Rohrleitungsbenennung/-kennzeichnung Spezifikationen für Rohrleitungshalterungen Spezifikationen für Beschichtung bzw. Auskleidung Spezifikationen für Dämmung Spezifikation für Isolierung Spezifikationen für Beheizung der Rohrleitungen
3.6 Anlagendokumentation
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Tab. 3.40 (Fortsetzung) Teil B: Fachspezifische Dokumentenarten Lage- bzw. Übersichtspläne mit Hauptrohrbrücken, Rohrtrassen, Portalen usw. Übersichtspläne zu kanal- bzw. erdverlegten Leitungen 3D-Rohrleitungsmodell und Rohrleitungssystemisometrie Ergebnisbericht über Kontrolle der Rohrleitungsplanung am 3D-Anlagenmodell Rohrleitungstrassenpläne und Rohrbrückenbelegungspläne Rohrleitungspläne Rohrleitungslisten (-verzeichnisse) für Gesamt- und Teilanlagen Rohrleitungsisometrien Rohrleitungsstücklisten Armaturenlisten, ggf. extra Liste der Rückschlagklappen/-ventile Listen der Rohrleitungshalterungen (ggf. getrennt nach Art der Halterung) Liste der Sonderunterstützungen, inkl. Körperschallentkopplung Listen der Rohrleitungssonderteile, ggf. extra Steckscheibenliste bzw. -plan Rohrleitungssonderteil-Zeichnungen Listen der Druckentlastungseinrichtungen (oft in Verfahrenstechnik) Datenblätter für Sicherheitsventile und Berstscheiben (oft in Verfahrenstechnik) Liste der Kondensatableiter ggf. Listen elektrisch beheizter Rohrleitungen ggf. Zeichnungen/Liste der Warmwasser-/Dampfbegleitheizungen Ausführungsdokumente für Beschichtung, Dämmung, Isolierung Ergebnisse der Druckverlustberechnungen von Rohrleitungen/Rohrleitungssystemen Ergebnisse der Stressberechnungen (thermische Beanspruchung) ggf. Ergebnisse von Druckstoßberechnungen ggf. Ergebnisse der Schwingungsanalyse/-studie Beschilderungslisten für Rohrleitungen und Armaturen Einbindepunktlisten (Tie-in-List) Teil C: Prüf- und Nachweisdokumentenarten EU-Konformitätserklärung/-en für prüfpflichtige Rohrleitung n. DGRL ggf. Herstellererklärung n. Artikel 4, Abs. 3 der DGRL Bescheinigung über Entwurfsprüfung für Rohrleitung n. Druckgeräte-RL Bescheinigung über Bau-/Druckprüfung für Rohrleitung n. Druckgeräte-RL ggf. Ergebnisse der Gefährdungsabschätzungen für Rohrleitungen nach AwSV ggf. Dichtheitsnachweise für Flansche und/oder Armaturen nach TA-Luft Schweißerbescheinigungen bzw.-zeugnisse Schweißplan, Schweißereinsatzliste, Schweißtagebuch Bescheinigung über angewendete Schweißverfahrensprüfungen Liste der Werkstoffnachweise von Schweiß-Zusatzwerkstoffe Werkstoffnachweise für Schweiß-Zusatzwerkstoffe Bericht/Protokolle über Durchstrahlungsprüfungen und/oder Ultraschallprüfungen Bericht/Protokolle über endoskopische Untersuchungen (z.B. Schweißnaht, Oberflächengüte, Verschmutzung) Bericht/Protokolle über Oberflächenrissprüfung Liste der Prüfbescheinigungen von Werkstoffen metallischer Bauteile Prüfbescheinigungen von Werkstoffen metallischer Bauteile Umstempelungsbescheinigungen Beizprotokolle Zertifikate und Qualitätsbescheinigung inkl. Zertifikate über Korrosionsschutz
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Ausgewählte Beispiele von Dokumentenarten der Rohrleitungstechnik sind: a) Spezifikation für eine Rohrklasse Eine Rohrklasse ist eine Zusammenstellung und Beschreibung aller Rohrleitungsteile, die einem bestimmten Werkstoff sowie Druck- und Temperaturbereich zugeordnet sind. Innerhalb einer Rohrklasse sind die Rohrleitungsteile bezogen auf die angeführten Einsatzgrenzen eindeutig definiert. Zu den erfassten Rohrleitungsteilen gehören die eigentlichen Rohre, Formstücke (Bögen, T-Stücke, Reduzierstücke, Abzweige, Blindflansche) und Rohrverbindungen (Flansche, Schrauben, Muttern). Nicht zur Rohrklasse gehören Rohrhalterungen und Rohrleitungssonderteile (Düsen, Lochblenden, Drosselscheiben, Steckscheiben, Siebe, Trichter, Mischelemente u.ä.). Indem mit Rohrklassen gearbeitet wird, kommen für definierte Einsatzbedingungen (Medium, Druck, Temperatur) standardisierte sowie exakt dimensionierte und nachgeprüfte Rohrleitungsteile (-normteile) zum Einsatz. Dadurch wird der Planungsaufwand, aber auch der Beschaffungs-, Montage und Instandhaltungsaufwand verringert [3][48][49]. Tabelle 3.41 zeigt das Inhaltsverzeichnis einer Rohrklasse. Tabelle 3.41 Inhaltsverzeichnis einer Rohrklasse (Praxisbeispiel) 1 Anwendungsbereich 1.1 Basisdaten 1.1.1 Druck- und Temperaturbereich 1.1.2 Werkstoff 1.1.3 Nennweitenbereich 1.2 Rohrverbindungen 1.3 Dimensionierungsdaten 1.3.1 Angewandte Normen, Richtlinien 1.3.2 Sicherheitsbeiwert 1.3.3 Wanddickenunterschreitung 1.3.4 Festigkeitskennwerte 1.3.5 Korrosionszuschlag 2 Listen 2.1 Liste der Rohrleitungsstandardteile 2.2 Liste der Rohrleitungssonderteile 2.3 Liste der rohrklassenzugeordneten Armaturen 3 Angaben zu Rohrleitungsteilen 3.1 Wanddickentabellen 3.2 Rohre 3.3 Rohrbögen 3.4 Rohrbiegung 3.5 T-Stücke 3.6 Reduzierstücke 3.7 Kappen 3.8 Maßtabellen für Flansche 3.9 Vorschweißflansche 3.10 Blindflansche 3.11 Steckscheiben 3.12 Schrauben und Muttern
3.6 Anlagendokumentation
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Analog zu den Rohrklassen gibt es auch standardisierte Dichtungs- und Armaturenklassen gemäß folgender Definition: Dichtungsklasse (DKL) ist eine Zusammenstellung und Beschreibung von Dichtflächenbzw. Anschlussformen sowie von Dichtungen, die einem bestimmten Werkstoff sowie einem Druck- und Temperaturbereich zugeordnet sind und zum Abdichten von Verbindungen (Flansche, Gewinde) in Rohrleitungen dienen. Armaturenklasse (AKL) ist eine Zusammenstellung und Beschreibung aller Armaturen, die einem bestimmten Werkstoff sowie einem Druck- und Temperaturbereich zugeordnet sind und zum Absperren bzw. Regeln von Stoffströmen in einer Rohrleitung dienen.
b) 3D-Rohrleitungsmodell bzw. Rohrleitungssystemisometrie Das 3D-Rohrleitungsmodell ist eine maßstäbliche Darstellung des Rohleitungsverlaufs der Anlage bzw. von Teilanlagen (s. Abb. 3.30).
Abb. 3.30 3D-Rohrleitungsmodell einer Verdichteranlage als Grundlage für eine Schwingungsanalyse (Praxisbeispiel)
Das Rohrleitungsmodell wird i.Allg. aus dem 3D-CAD-Anlagenmodell generiert und dient beispielsweise zur Präsentation, Qualitätskontrolle und Freigabe der Rohrleitungsplanung, zur Veranschaulichung der Rohrleitungsverläufe für Stressberechnungen bzw. für schwingungstechnische und/oder schalltechnische Analysen, zur Veranschaulichung von Mehrungen und Nachträgen, zur Endkontrolle, Aufmaßermittlung und Abnahme der Rohrleitungsmontage. In anderen Fällen wird mit der analogen Zielstellung aus dem Anlagenmodell eine sog. Rohrleitungssystemisometrie (s. Abb. 3.31) generiert.
248
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Abb. 3.31 Systemisometrie eines Rohrleitungssystems zur Dampfversorgung einer Anlage
c) Rohrleitungsplan Ein Rohrleitungsplan ist eine Einlinien- oder Dreiliniendarstellung von Rohrleitungen in Grundrissen, Ansichten bzw. kennzeichnenden Schnitten (s. Abb. 3.32). Er wird meistens aus dem 3D-Anlagenmodell generiert.
Abb. 3.32 Rohrleitungsplan (Vorderansicht und isometrische Ansicht) eines Rohrverteilers
d) Rohrleitungsliste Eine Rohrleitungsliste (Synonym: Rohrleitungsverzeichnis) ist eine Zusammenstellung aller im R&I-Schema benummerten Rohrleitungen. Die mögliche Kopfzeile mit den Rohrleitungsparametern einer Rohrleitungsliste zeigt Tabelle 3.42. Tabelle 3.42 Mögliche Daten einer Rohrleitungsliste (-verzeichnis) Lfd. Nr.
R&I
AKZ
Verlauf DN von nach
Einstufung n. Prüfung BetrSichV durch
Prüfdruck
RKL
Schweißprüfung
Medium
Aggregatzustand
Dämmung/ Beheizung
max. zul. max. zul. Druck Temp.
Anstrich
IsomtrieNr.
3.6 Anlagendokumentation
249
Im Einzelfall können weitere Rohrleitungsdaten hinzukommen, wie z.B. Strömungsgeschwindigkeit, Dichtungs- und Armaturenklassen, Beheizung, Dämmung, Beschichtung innen/außen, Liner, kathodischer Korrosionsschutz. e) Rohrleitungsisometrie bzw. Isometrische Rohrleitungszeichnung Eine Rohrleitungsisometrie ist eine nichtmaßstäbliche Darstellung (i.d.R. Einliniendarstellung) eines Rohrleitungssystems, einer Rohrleitung oder eines Rohrleitungsabschnitts mit bemaßtem Rohrleitungsverlauf in isometrischer Projektion. (s. Abb. 3.33).
Abb. 3.33 Rohrleistungsisometrie (ohne Positionsangaben und ohne Stückliste)
Die Rohrleitungsisometrien beinhalten u. a folgende Informationen: Grafische Symbole für Rohrleitungsteile, Armaturen, PLT-Geräte und Rohrleitungshalterungen, Kennzeichnung der Rohrleitung und der dargestellten Rohrleitungsteile, Anlagenordpfeil, Fließrichtung, Bemaßung der Rohrleitung, Gefälleangaben, Montagehinweise zu Schweißnähten u.a., Dämmung, Beheizung, Verweise auf Anschlusspunkte, Anschlusszeichnungen und Rohrleitungsstücklisten. Um die Übersichtlichkeit zu wahren, wird i.Allg. eine Rohrleitung, die im R&I-Schema als solche einheitlich gekennzeichnet ist, verteilt auf mehrere isometrischen Rohrleitungszeichnungen dargestellt.
250
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Bei Leitungen mit kleinerem Rohrdurchmesser ist die Vorfertigung sog. Spools (vorgefertigte Rohrleitungseinheit, die als Ganzes vor Ort transportiert und als Teil eines Rohrleitungssystems montiert wird) üblich. Die Spools werden möglichst als eine Rohrleitungsisometrie auf einer Zeichnung dargestellt. Die Rohrleitungsisometrien werden mittels spezieller Software aus dem 3DAnlagenmodell generiert. Die nichtmaßstäbliche Darstellung ermöglicht auch große Rohrleitungen auf einem praktikablen Zeichnungsformat abzubilden. Andererseits erhält der Nutzer beim Betrachten der Rohrleitungsisometrie eine verzerrte, räumliche Vorstellung vom Rohrleitungsverlauf, den er vor Ort nicht findet. Bei kleineren Rohrleitungen, z.B. im Maschinenbau, werden u.a. aus diesem Grund maßstäbliche Rohrleitungsisometrien genutzt, die de facto eine Rohrleitungskonstruktionszeichnung darstellen und direkt aus dem 3D-Anlagenmodell erzeugt werden. Die Rohrleitungsisometrien sind die häufigsten und i.Allg. wichtigsten Ausführungszeichnungen (Dokumentenart) im Rohrleitungsbau. In verfahrenstechnischen Anlagen existieren nicht selten mehrere tausend Rohrleitungsisometrien. Sie dienen u.a. als Basis für die Vorfertigung und Vor-Ort-Montage (sog. Feldmontage) sowie als Dokumentationsgrundlage für die durchgeführten Schweißarbeiten (sog. Schweißnahtisometrie mit Angabe der Schweißnähte) sowie für die zerstörungsfreie Schweißnahtprüfung (sog. ZfP-Isometrie mit Angabe der Messpunkte) (s. Abb. 3.34).
Abb. 3.34 Rohrleitungsisometrie mit Messpunkten der Zerstörungsfreien Prüfung (ZfP)
f) Rohrleitungsstückliste Eine Rohrleitungsstückliste ist eine Zusammenstellung aller Rohrleitungsteile, Armaturen und Rohrleitungshalterungen einer Rohrleitung. Das heißt, die Stückliste enthält die technischen Daten über die Bauteile einer Rohrleitung. Die Rohrleitungsstücklisten dienen insbesondere als Liefer- und Leistungsverzeichnisse für den Einkauf und die Montage.
3.6 Anlagendokumentation
251
g) Rohrleitungsbuch Das Rohrleitungsbuch entspricht der Lebenslaufakte der Rohrleitung bzw. eines definierten Rohrleitungssystems. Viele Rohrleitungen verfahrenstechnischer Anlagen unterliegen der DruckgeräteRichtlinie [27] bzw. Betriebssicherheitsverordnung [42]. Damit ergeben sich zahlreiche Prüf- und Dokumentationspflichten. Das Rohrleitungsbuch ist die rohrleitungsspezifische Prüfdokumentation und enthält alle Dokumente, die für die erstmalige und wiederkehrende Prüfung der Rohrleitung oder des Presskreises benötigt werden sowie neu entstehen und nachvollziehbar abgelegt bzw. gespeichert werden müssen. Ein presskreisbezogenes Rohrleitungsbuch ist dann zweckmäßig, wenn vor Inbetriebnahme einzelne Rohrleitungssysteme als sog. Presskreise zusammen einer Druckprüfung unterzogen werden. Die wiederkehrende Prüfung erfolgt dann in gleicher Weise. Das Inhaltsverzeichnis eines Rohrleitungsbuchs enthält Tabelle 3.43. Tabelle 3.43 Inhaltsverzeichnis des Rohrleitungsbuchs eines Presskreises (Praxisbeispiel) Bezeichnung des Rohrleitungsbuchs 1 Inhaltsverzeichnis 2 Ausführungsdokumente des Presskreises 2.1 R&I-Fließschemata mit farblich markierten Rohrleitungen des Presskreises 2.2 Rohrleitungsliste des Presskreises 2.3 Rohrleitungsisometrien des Presskreises 2.3.1 Fertigungsisometrien mit Zuordnung der Werkstoffnachweise 2.3.2 Schweißisometrien (Isometrien mit Kennzeichnung der Schweißnähte und Zuordnung der Schweißdokumente) 2.3.3 Dokumentationsisometrien (Isometrien mit Kennzeichnung der ZfPStellen und Zuordnung der Prüfdokumente) 3 Dokumente zur Druckprüfung der Rohrleitung 10-40-01 3.1 Prüfbericht zur Druckprüfung und Dichtigkeitsprobe 3.2 Druckverlaufnachweis (Ausdruck aus Prozessleitsystem) 3.3 Prüfbericht über die Prüfung beim Hersteller 3.4 Prüfbericht zum Spülen und Trocknen der Rohrleitung 3.5 Werkstoffnachweise für Bauteile der Rohrleitung 3.6 Schneidliste mit Umstempelungsnachweis für diverse Rohrstücke 4 Dokumente zur Druckprüfung der Rohrleitung 10-40-02 4.1 bis 4.6 (Inhalte analog 3.1 bis 3.6) 5 Zusammenfassende Nachweisdokumente 5.1 Projekt- bzw. anlagenbezogene Schweißerliste 5.2 Berichte über Durchstrahlungsprüfungen 5.3 Berichte über Magnetpulverprüfungen 5.4 Schneidliste
3.6.8 Teildokumentation PROZESSLEITTECHNIK Die Prozessleittechnik (PLT) wird als übergreifende Fachdisziplin verstanden. Sie vereint im Wesentlichen alle Gewerke, die elektrischen Strom (ggf. unterschiedlicher Spannungsebenen) nutzen. Die Elektrotechnik ist somit in die Prozessleittechnik integriert. Dieses umfassende Begriffsverständnis setzt sich zunehmend in der Fachliteratur und Praxis durch, muss aber im Projekt vereinbart werden.
252
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Entsprechend dieser Festlegung umfasst die PLT-Fachplanung ganzheitlich die nachfolgenden Teildisziplinen sowie die angeführten Komponenten und Einrichtungen. Mess-/Steuer-/Regeltechnik (MSR) und Prozessleitsystem (PLS) PLT-Feldtechnik für Prozess Brand- und Rauchmelder sowie Gaswarneinrichtungen vor Ort Komponenten für Signalübertragung zwischen Feld und Warte und umgekehrt Prozessnahe Komponenten (auch: Prozessstationen, Automatisierungsstationen, Central Prozessing Unit/CPU) Prozessleitsystem (PLS), als die leittechnische Komponente (Teilsystem) im eigentlichen Sinne Stromversorgung der PLT-Geräte und PLT-Einrichtungen, inkl. USV (Unterbrechungsfreie Spannungsversorgung) Instrumentenluft(Steuerluft)-Versorgung der PLT-Geräte PLT-Ortswelt (Wartenräume, Schalträume, Vor-Ort-Stationen u.ä.) PLT-Infrastruktur (Kabeltrassen, Kabelschächte, Kabelrohre u.ä.) Elektrotechnik (ET) Stromeinspeisung, Umspannstationen, Hochspannungsschaltanlagen Trafostationen, Mittelspannungsschaltanlagen Stromversorgung der elektrischen Verbraucher Notstromversorgung Kabeldimensionierung und -verlegung Beleuchtung und elektrische Begleitheizung Blitzschutz und Erdung elektrischer Explosionsschutz kathodischer Korrosionsschutz Nachrichtentechnik (NAT), Prozessanalysentechnik (PAT), Laboranalysentechnik (LAT) innerbetriebliche Kommunikation (Telefon, Sprechfunk, Internet, Bereitschaftsdienst) außerbetriebliche Kommunikation (Nachbarbetriebe, Feuerwehr, Kommune) Auswahl der Analysenmethoden und -geräte für Prozess- und Laboranalytik Planen der Installation der Prozessanalysentechnik komplexe Planung des Betriebslabors inkl. der Laboreinrichtungen und -geräte Die Prozessleittechnik ist eine sehr komplexe Fachdisziplin, die einerseits zahlreiche fachspezifische Dokumentenarten umfasst, anderseits aber auch Zuarbeit für viele Dokumentenarten anderer Fachdisziplinen leistet. In Abb. 3.35 sind der Grob-Ablauf (Workflow) und wichtige Dokumentenarten der Prozessleittechnik dargestellt. Einige Dokumentenarten (z.B. PLT-Stellenblätter, PLT-Stellenlisten, Übersichtsschaltpläne, Stromlaufpläne, Klemmenpläne, Gerätelisten, Kabellisten usw.) gibt es in allen Teildisziplinen der Prozessleittechnik. Zugleich sind spezifische Dokumentenarten ▪ der Elektrotechnik [11][13], ▪ des Prozessleitsystems (z.B. Systembeschreibung, Bedienungsanleitung, Dokumente von Hardware-und Softwarekomponenten) [50], ▪ der Einrichtungen/Geräte/Bauteile der Prozessleittechnik nicht angeführt (s. auch Gerätevielfalt in Abb. 3.36).
3.6 Anlagendokumentation
253
Abb. 3.35 Ablauf (Workflow) und wichtige Dokumentenarten der Prozessleittechnik
Die nachfolgende Abb. 3.36 verdeutlicht die Vielfalt der Gerätetechnik und den daraus resultierenden großen Dokumentationsumfang am Beispiel ausgewählter Einrichtungen, Geräte und sonstiger Bauteile der PLT-Feldebene und PLT-Betriebsebene. Wie die zahlreichen Dokumentenarten der PLT-Technik eines Anlagenbau-Projekts zweckmäßig strukturiert werden können, zeigt Abb. 3.37. Es wird unterschieden unterschiedet in Dokumentenarten zur Darstellung von: Technischen Daten, Funktionen, Elektrischen Schaltungen und Anordnungen von EMSR-Einrichtungen bzw. Teilanlagen. Fügt man diesen 4 Komplexen noch die EMSR-spezifischen Hersteller- bzw. Lieferantendokumente hinzu, so ist ein Großteil der relevanten EMSR-Dokumentenarten erfasst.
254
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Abb. 3.36 Ausgewählte Einrichtungen, Geräte u.a. Bauteile der PLT-Feldebene und Betriebsebene
Ausgehend vom Ordnungsprinzip gemäß Abb. 3.37 werden in den folgenden Unterabschnitten wichtige, ausgewählte Dokumentenarten der Prozessleittechnik erläutert und mit Beispielen belegt.
3.6 Anlagendokumentation
255
Abb. 3.37 Systematisierung wesentlicher Dokumentenarten der Prozessleittechnik
a) Dokumentenarten zur Darstellung von TECHNISCHEN DATEN PLT-Stellenblätter u.a. Datenblätter Die technischen Daten jeder PLT-Stelle (Sensoren und Aktoren) werden in einem PLTStellenblatt (Synonym: PLT-Stellendatenblatt) übersichtlich zusammengefasst. Im Einzelnen beinhaltet das PLT-Stellendatenblatt (s. Abb. 3.38) folgende Angaben: allgemeine Kennzeichnung der PLT-Stelle, Prozess-/Stoffdaten (Bezeichnung, Medium, Stoffeigenschaften u.a.), Gerätedaten inkl. Zubehör und Einbauort. Für andere PLT-Einrichtungen und Geräte/Betriebsmittel, wie z.B. Elektromotoren, Transformatoren, Frequenzumrichter, USV-Einrichtungen, Schaltanlagen, Beleuchtung-,Funk-, Videoeinrichtungen, Betriebsuhren werden ebenfalls technische Datenblätter eröffnet bzw. angelegt. PLT-Stellenlisten u.a. Listen Die PLT-Stellenliste (Synonym: PLT-Stellenverzeichnis) ist eine ganzheitliche Zusammenstellung der Stammdaten aller PLT-Stellen der Anlagen, egal welcher Teildisziplin (EMSR, ET, NAT, PAT) sie zuzuordnen sind. Sie ist ein wichtiges Übersichtsdokument der Prozessleittechnik. Weitere Dokumentenarten in Listenform sind u.a.: Die Messstellenliste (s. Tab. 3.44) ist eine Zusammenstellung der Stammdaten mehrere MSR-Stellen zugeordnet zu einem R&I oder Teilanlage. Tabelle 3.44 Mögliche Daten einer Messstellenliste Lfd. Nr.
Signaltyp
AKZ
Benennung
Binärgeberart
R&I
Typ Sensor bzw. Aktor
Medium
Fabrikat
Messbereich Nr. des PLT-Stellenblatts
Einheit Nr. des Hook-up
256
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Abb. 3.38 PLT-Stellendatenblatt eines Standmessgeräts (Praxisbeispiel)
3.6 Anlagendokumentation
257
Die Aktoren (Regel-/Absperrarmaturen) werden oft in der Messstellenliste mit gelistet, während die Stellmotoren in der Motorenliste erfasst werden. Die Alarm- und Grenzwertliste (Synonym: Alarm-/Verriegelungsliste, Set-PointList)) enthält nur die MSR-Stellen mit Überwachungsfunktion (Alarm) und mit sicherheitsrelevanter Schutzfunktion (Grenzwerte). Ergänzend zur MSR-Stellenliste enthält die Alarm- und Grenzwertliste noch die Angaben der Alarmwerte (hoch, tief, ggf. mehrere von Beiden) und der Grenz- bzw. Schaltwerte (hoch, tief, ggf. mehrere von Beiden). Die Geräteliste ist eine Zusammenstellung der Stammdaten aller Geräte; in der Regel zugeordnet zu einer Teilanlage. Die mögliche Kopfzeile einer solchen Liste zeigt Tabelle 3.45. Tabelle 3.45 Mögliche Daten einer Geräteliste Lfd. Nr.
AKZ
ExKennzeichen
Benennung
Feuchteschutz
Ex-Zone
Anschlussleistung
Hersteller
Geräte-Typ
Nennspannung
Nr. ATEXBescheinigung
Nennstrom
Kabel-Typ
Aus den Gerätelisten kann gegebenenfalls ein Grob-Mengengerüst für die PLT-Geräte abgeleitet werden, welches als Basis für die Investitionskostenermittlung des PLTGewerks genutzt werden kann. Weitere Listen sind für Kabel, Steuerluftverteiler, Schaltschränke, PLS-Schränke, Prozessanalysatoren, Rezepte u.a. Anlagen- bzw. Softwarekomponenten üblich. Je nach Informationsumfang werden die Listen einem oder mehreren R&IFließschemata bzw. Anlagenteilen zugeordnet. In der Regel werden diese Listen im „Basic“ begonnen und während des „Detail“ vervollständigt. Die Elektro-Kabelliste in Abb. 3.39 zeigt den Stand „Ende Detail Engineering“. Sie wurde für wichtige Kabel (Versorgungskabel von Maschinen, Feldbus-Kabel) im Basic Engineering eröffnet. lfd. Nr.
Kennz.
Kabeltyp
1 2 3 4 5 6
Kennz. Kennz. -W003N -W004N -W005N -W006N
NYCWY 3x50/25 NYCWY 3x35/16 NYCWY 3x50/25 NYCWY 3x50/25 NYCWY 3x35/16 NYCY 3x2,5re/2,5
7
-W007N
NYCY
8
-W008N
NYCY
9
-W009N
NYCY
10
-W010N
11 12 13 14
-W011S -W012S -W013S -W014S
15
-W015S
Quer- Spannung schnitt (V)
Länge (m)
Kabelverlauf von
Kabelverlauf nach
400 400 400 400 400 400
25 25 260 260 260 260
52 - 2 +EU 19 52 - 2 +EU 18 22 - 1 EH1 22 - 1 EH2 22 - 1 EN2 22 - 1 EN1
3x4re/4
400
260
2x2,5re/2,5
230
50
2x2,5re/2,5
230
25
NYCY
2x2,5re/2,5
230
25
NYCY NYCY NYCY NYCY
7x2,5re/2,5 7x2,5re/2,5 12x2,5re/4 12x2,5re/4
230 230 230 230
260 260 260 260
A 07 D A 07 F 52 - 2 +EU 19 52 - 2 +EU 19 52 - 2 +EU 18 A 07 G1 52 - 6 +EV 15 / Einsch. B11 - G Verteiler Begleitheizung L1 Verteiler Begleitheizung L2 Verteiler Begleitheizung L3 52 - 2 +EU 19 52 - 2 +EU 19 52 - 2 +EU 18 A 07 G1
NYCY
2x2,5re/2,5
230
25
A 07 E
Bemerkungen Rev.
Thyrotakt - Schrank FU-Schrank E-Heizung (40kW) E-Heizung (40kW) Pumpe (FU-Antrieb) Pumpe Einspeis. Verteiler Begleitheizung Begleitheizung
Abb. 3.39 Elektro-Kabelliste einer Reinstwasseranlage (Auszug)
0 0 0 0 0 0 0
Begleitheizung
HK 1
0
Begleitheizung
HK 2
0
HK 3
0
örtliche Steuerstelle örtliche Steuerstelle örtliche Steuerstelle örtliche Steuerstelle Steuerspannung NotAus Steuerspannung Not-
0 0 0 0
Begleitheizung 22 - 1 EH1 22 - 1 EH2 22 - 1 EN2 22 - 1 EN1 52 - 2 +EU 19
1
258
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
b) Dokumentenarten zur Darstellung von FUNKTIONEN inkl. ÜBERSICHTEN Übersichtsplan Prozessleitsystem Der Übersichtsplan PLS zeigt in grafischer Darstellung die Grob-Struktur des Prozessleitsystems sowie deren wesentliche Komponenten und ihr Zusammenwirken inkl. Signalübertragung.
Abb. 3.40 Übersichts-Strukturplan eines Prozessleitsystems (Siemens PCS 7) für eine Dampfkesselanlage mit Anbindung an die Betriebsleitebene eines anderen Betriebs
Das Beispiel in Abb. 3.40 zeigt den prinzipiellen strukturellen Aufbau des Prozessleitsystems (Prozessebene und z.T. der Feldebene) eines Dampferzeugerbetriebs. Die dargestellten Komponenten sind Teil eines Gesamt-Prozessleitsystems für insgesamt drei Betriebe. Eine Vertiefung der Fachthematik ist in [51][52][53][3] ausgeführt. (Ablauf-)Funktionspläne und Funktionsbeschreibungen In der Praxis wird der Begriff Funktionsplan häufig im engeren Sinne als grafische Darstellung der Funktion einer Ablaufsteuerung benutzt. Dabei gelten folgende Begriffsbestimmungen: Eine Ablaufsteuerung ist eine Kette von Steuerschritten, welche durch Weiterschaltbedingungen (Transitionen) miteinander verbunden ist. Man spricht auch von einer sog. Schrittketten-Steuerung. Ein Funktionsplan zeigt eine logische Verknüpfung von Eingangssignalen mit daraus resultierenden Ausgangssignalen, unabhängig von der hardwareseitigen Ausführung.
Die Ablaufsteuerung ist eine Prozesssteuerung und besteht i.d.R. aus mehreren Einzelschritten. Derartige Steuerungen und zugehörige Funktionspläne inkl. Beschreibungen
3.6 Anlagendokumentation
259
werden immer häufiger, da sich Trend zu vollautomatisierten Anlagen (BoB – Betrieb ohne ständige Beaufsichtigung) und fernbedienten Anlagen geht. Die prozessgerichtete Ablaufsteuerung ist streng von der sicherheitsgerichteten Steuerung, die in Ursache-Wirkung-Listen dargestellt wird, zu unterscheiden. Die grafische Darstellung einer Ablaufsteuerung in Form eines Ablauf-Funktions-planes, die den Normen [53][54][55] über Programmier-/Spezifikationssprachen für Steuerungen folgt, zeigt Abb. 3.41.
Abb. 3.41 Ablaufsteuerung für das Anfahren einer Wasseraufbereitungsanlage (Auszug)
Bei komplexen Steuerungen, wie es beispielsweise die Anfahr- und Rezeptsteuerungen sind, werden ergänzend zu den grafischen Darstellungen noch sog. Grundfunktionsbeschreibungen erarbeitet. Diese stellen grafische Ablauf-Funktionspläne dar, die ausführlich beschrieben sind und mit zusätzlichen, eindeutigen Erläuterungen, Befehlen, Hinweise u.ä. Vermerken (möglichst in der Muttersprache des späteren Programmierers) versehen wurden. Ursache-Wirkung-Listen bzw. Verriegelungspläne Die Ursache-Wirkung-Liste (UWL) ist ein Dokument zur Erläuterung sicherheitsrelevanter bzw. sicherheitsgerichteter Steuerungen (s. Abb. 3.42). In diesem Zweck unterscheidet sie sich grundlegend von den Ablauf-Funktionsplänen.
260
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Abb. 3.42 Ursache-Wirkung-Liste des Sondenplatzes eines Ölbetriebs (Auszug)
In der UWL werden dargestellt: links der Auslöser (die überwachte Messstelle oder die erfolgte Bedienhandlung), rechts die Aktion, die daraufhin stattfindet. Die in der Ursache-Wirkung-Liste dargestellte sicherheitsgerichtete Steuerung enthält (im Unterschied zum Ablauf-Funktionsplan) nur einen Schritt/Aktion. Mitunter werden auf den Ursache-Wirkung-Listen die Grenz- bzw. Schaltwerte mit angeführt. Erfolgt die Darstellung der kausalen Abhängigkeit in grafischer Form, wird von einem Ursache-Wirkung-Schema bzw. Verriegelungsplan/-schema gesprochen. Hardware- oder Softwarestellenplan Ein Hardware-Stellenplan stellt die Verknüpfung und die örtlichen Informationen über den Hardware-Bausteinen dar, die zur Realisierung der konkreten PLT-Aufgabe notwendig sind. Ein Software-Stellenplan stellt die Verknüpfung der Softwarebausteine des Prozessleitsystems dar, die zum Erfüllen der konkreten PLT-Aufgabe notwendig ist. Er ist eng mit den Aufgaben und Dokumenten (Programmablaufpläne, Programmanweisungen, Programmlisten) für die Programmierung des Leitsystems verknüpft. Neben der klassischen Darstellung von PLT-Funktionen sind in der Praxis zunehmend Dokumentenarten wichtig, in denen leittechnische Funktionen beschrieben werden. Dazu gehören u.a.: Pflichtenheft Prozessleitsystem, PLS-Bedienungshandbuch, Handbuch für Beschreibung der PLS-Funktionen, Programmablaufpläne, Funktionsbeschreibungen der Einzelgerätesteuerung.
3.6 Anlagendokumentation
261
c) Dokumentenarten zur Darstellung von SCHALTUNGEN (elektrisch) Übersichtsschaltplan Ein Übersichtsschaltplan ist die vereinfachte (meist einpolige) Darstellung einer Schaltung, wobei nur die wesentlichen Teile (Hauptstromkreise) berücksichtigt werden. Er zeigt die Arbeitsweise und Gliederung einer elektrischen Einrichtung bzw. eines Systems und enthält Informationen über Stromart, Spannung, Frequenz und Anschlussleistung (s. Abb. 3.43).
Abb. 3.43 Übersichtsschaltplan für eine Package-unit (Praxisbeispiel)
Stromlaufplan Ein Stromlaufplan (Synonym: Loop-Plan) ist die ausführliche Darstellung einer Schaltung mit ihren Einzelheiten. Er zeigt und erläutert durch übersichtliche Darstellung der einzelnen Stromwege die Wirkungsweise einer elektrischen Schaltung. An Grundinformationen werden dargestellt: die Schaltung, z.B. die Lösung eines technologischen Problems durch das Zusammenwirken elektrischer Betriebsmittel, dargestellt mit Hilfe von Schaltzeichen, Kennzeichnung der Betriebsmittel inkl. der Anschlussbezeichnungen, Erläuterungen zu Stromkreisen und Stromwegen. Die Stromlaufpläne der MSR-Technik werden auch als (Fein-)MSR-Stellenpläne bezeichnet [56]. Abb. 3.44 zeigt ein Beispiel, in welchem jede PLT-Stelle vom Feld bis in die Warte und umgekehrt über eigene, durchgängige Leitungen verfügt. Für die Stromversorgung der MSR-Feldgeräte gibt es diese klassischen MSRStellenpläne mit Parallelverdrahtung noch vorrangig für die Signalübertragung von sicherheitsrelevanten PLT-Stellen; sog. PLT-Schutzeinrichtungen. In vielen anderen Praxisfällen ist ein Feldbus dazwischen geschaltet. Üblich sind bei Feldbus-Signalübertragung zunächst Stromlaufpläne vom Feldgerät bis zum Remote I/O-Geräte (Umsetzer) und für die anschließende Bus-Signalübertragung sog. Bus-Signallogikpläne bzw. Bus-Signalaustauschlisten. Bei der umgekehrten Signalübertragung von der Warte ins Feld wird analog verfahren.
262
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Abb. 3.44 Auszug aus dem Stromlaufplan der Überfüllsicherung eines Behälters (Praxisbei-spiel)
Die Stromlaufpläne sind Grundlage für die wichtigen Loop-Checks vor Inbetriebnahme. Weitere Schaltungsdokumentenarten sind in Tabelle 3.46 angegeben. Tabelle 3.46 Zusammenstellung weiterer Schaltungsdokumentenarten Ersatzschaltplan: Stellt äquivalente Schaltungen dar und dient für die Analyse und Berechnung der Eigenschaften oder des Verhaltens einer Schaltung. Signalliste:
Liste funktionaler oder elektrischer Verbindungen zwischen unterschiedlichen Punkten (z.B. Klemmen) einer Gruppe von Betriebsmitteln, Baueinheiten, Ausrüstungen, Einrichtungen oder Systemen.
Anschlussfunktionsplan:
Schaltplan für eine Funktionseinheit, der die Anschlusspunkte der Schnittstellenverbindungen zeigt und interne Funktionen beschreibt.
Programmplan:
Schaltplan (Tabelle, Liste), in dem die Programmelemente und -module sowie deren Verbindungen detailliert dargestellt und so angeordnet sind, dass die Beziehungen klar erkennbar sind.
d) Dokumentenarten zur Darstellung von ANORDNUNGEN Der Begriff Anordnung beinhaltet eine örtliche Information bezogen auf einen Gegenstand. Der anzuordnende Gegenstand kann beispielsweise ein Schaltraum in einem Gebäude, ein Schaltschrank in einem Schaltraum, ein Gerät in einem Schaltschrank oder eine Klemmenleiste in einem Gerät sein. In jedem Fall ist die konkrete räumliche Lage bzw. Ausführung derart anzugeben, dass der Installateur danach arbeiten kann. Nachfolgend dazu einige Beispiele.
3.6 Anlagendokumentation
263
EMSR-Montagezeichnung bzw. Hook-up Für die mechanische und elektrische Installation von Sensoren und Aktoren (auch Motoren) werden sog. Hook-up erstellt (s. Abb. 3.45). Sie bestehen aus Skizzen, einer zugehörigen Stückliste und ergänzenden Hinweisen. Man spricht mitunter auch von ET- bzw. PLT-Montagetypicals.
Abb. 3.45 Montagezeichnung einer Standmessung mit analoger Anzeige (Praxisbeispiel)
Anordnungsplan Ein Anordnungsplan enthält Angaben über die räumliche Lage elektrischer Betriebsmittel. Er braucht nicht maßstäblich zu sein (s. Abb. 3.46).
Abb. 3.46 Anordnungsplan eines Trafo- und Schaltanlagengebäudes mit Aufstellung der Trafos in 4 Kammern (oben) und der Schaltschränke in 2 Räumen (unten)
264
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Die anzuordnenden Objekte können sehr unterschiedlich sein, wie z.B. Schaltgebäude, Schaltanlagen, Kammern, Schalträume, Schaltschränke, Klemmenkasten. Spezielle Anordnungspläne sind die Netzpläne (Leitungsführung eines Netzes), Aufstellungspläne für Schaltanlagen, Installationspläne (z.B. Elektroinstallation einer Etage/eines Raumes), Aufstellungspläne für Leitwarten und Schaltgebäude (s. Abb. 3.46), Aufstellungspläne für Schalträume, Rasterpläne für Boden in Leitwarte, Aufbaupläne für Schaltschränke. Klemmenplan Ein Klemmenplan (Synonym: Anschlussplan) zeigt die Anschlusspunkte einer elektrischen Einrichtung (z.B. Klemmenkasten bzw. -leiste) sowie die daran angeschlossenen inneren und äußeren leitenden Verbindungen (s. Abb. 3.47). Es können Hinweise auf die entsprechenden Stromlauf- und Anordnungspläne sowie auf Funktionszugehörigkeit gegeben werden.
Abb. 3.47 Klemmenplan eines PLT-Geräts (Praxisbeispiel) e) Dokumentenarten zur PRODUKTDARBIETUNG Analog zu Apparaten und Maschinen beinhaltet die Teildokumentationen PROZESSLEITTECHNIK auch zahlreiche Herstellerdokumente. Da es sich i.d.R. um Produkte handelt, gelten die Vorschriften für die „klassischen“ Produktdokumentationen. Typisch sind insbesondere EU-Konformitätserklärungen, Betriebsanleitungen und Technische Unterlagen für Motoren, Geräte u.a. elektrische Betriebsmittel und Einrichtungen. Im Einzelnen sei auch auf die Ausführungen in Abschn. 2.2.2, c), insbesondere in Tab. 2.9 (Betriebsanleitungen), Tab. 2.10 (Technische Unterlagen) und Tab. 2.11 (EU-
3.6 Anlagendokumentation
265
Konformitätserklärung) verweisen, die nach ATEX-Herstellerrichtlinie [28] für Geräte, Schutzsysteme u.a. Vorrichtungen bzw. Komponenten in explosionsgefährdeten Bereichen gelten. Für größere elektrische Anlagen bzw. Systeme (z.B. das eigentliche Prozessleitsystem) sind Bedienungshandbücher gebräuchlich (s. Tab. 3.47). Tabelle 3.47 Inhaltsverzeichnis eines Bedienungshandbuchs zum Prozessleitsystem für Anlagenfahrer (Praxisbeispiel) 1
Einleitung und Benutzerhinweise
2
Sicherheitshinweise
3
System der Bedienungs- und Beobachtungsfunktionen 3.1 Bildschirmdarstellung der Bedien- und Beobachtungsfenster 3.2 Aufruf und Schließen von Bedien- und Beobachtungsfenstern 3.3 Umschalten zwischen den verschiedenen Anwendungsfenstern 3.4 Dynamische Fenster
4
Individuelle Funktionen der Bedienungs- und Beobachtungsfunktionen 4.1 Fenster zur Statusüberwachung 4.2 Fenster für Prozess, Bedienung und Beobachtung 4.3 Fenster zur Darstellung des Prozesses 4.4 Fenster zur Systemverwaltung
5
Bedienung der Anlage im Normalbetrieb 5.1 Anzeigefunktionen 5.2 Funktionen zur Modusänderung 5.3 Funktionen zur Wertveränderung 5.4 Funktionen zur Dateneingabe
6
Sicherheitsfunktionen 6.1 Überblick zu Sicherheitsfunktionen 6.2 Sicherheit durch Erkennen seitens der Bediener 6.3 Sicherheit bei Funktionsblöcken 6.4 Sicherheitsfunktionen im Umgang mit der Tastatur 6.5 Aufzeichnung von sicherheitsrelevanten Änderungen
7
Verarbeiten von Meldungen 7.1 Alarmierung des Bedieners bei Meldungen 7.2 Quittieren und Löschen von Meldungen 7.3 Ausdrucken von Meldungen
8
Nutzung ausgewählter Bedienkomponenten 8.1 Bedienung des Systems mit der Tastatur 8.2 Ausdrucken von „Screens“ oder „Screenshots“ 8.3 Speichern von Bildschirminhalten 8.4 Drucken von Reports
Neben den vorher beschriebenen Hersteller- bzw. Lieferantendokumenten existieren noch zahlreiche Prüfdokumente, die letztlich vor Inbetriebnahme vorliegen müssen. In Abschn. 3.6.3.6 und speziell in Tab. 3.31 sind die wesentlichen angeführt. Zahlreiche weitere Dokumentenarten der Prozessleittechnik, die nicht aus der Systematisierung in Abb. 3.37 folgern und nicht extra betrachtet wurden, können dem Workflow in Abb. 3.35 entnommen werden. Auf eine nochmalige tabellarische Zusammenstellung der PLT-Dokumentenarten wird aus diesem Grund verzichtet.
266
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
3.6.9 Teildokumentation TECHNISCHE GEBÄUDEAUSRÜSTUNG Die Technische Gebäudeausrüstung (TGA) umfasst alle technischen Maßnahmen, die in Gebäuden und Räumen sowie in Betriebsstätten und Einrichtungen (die keine Gebäude sind) für die energetische Versorgung (z.B. Beleuchtung und Beheizung), stofflichen Versorgung (z.B. Trinkwasser, Luft, Löschwasser), Entsorgung der Abfallprodukte (z.B. Schmutzwasser, Oberflächenwasser, Müll), Teilaufgaben der Sicherheitstechnik (z.B. Erste-Hilfe-Einrichtungen Einbruch- und Diebstahlsicherung), Aufzugstechnik (z.B. Personen- und Lastenaufzug) erforderlich sind. Neben diesen „klassischen“ Aufgaben plant die TGA in Abstimmung mit der Verfahrenstechnik auch wichtige sicherheits- und prozessrelevante Teilanlagen, wie z.B.: ▪ Feuerlöschanlagen inkl. Löschwasserrückhaltung und -entsorgung, ▪ Absaugungsanlagen zur Entfernung gesundheitsschädlicher Stoffe (Gase, Dämpfe, Stäube), ▪ Belüftungsanlagen, die innerhalb eines Gebäudes (Verdichterhalle, Produktionstrakt) einen ausreichenden Luftwechsel sichern, ▪ Entrauchungsanlagen für Räume und Gebäude, ▪ Spezial-Einrichtungen zur Ausstattung von Laborräumen, Reinräumen u.ä. Insgesamt wird im verfahrenstechnischen Anlagenbau die Technische Gebäudeausrüstung immer wichtiger, da sie als Fachdisziplin zunehmend prozess- und sicherheitsrelevante Aufgaben wahrnimmt [3]. Ursachen sind die Trends zum häufigeren Bau von Inhouse-Anlagen und zur Erzeugung hochreiner Endprodukte, z.B. in der Pharma-, Halbleiter- und Elektronikindustrie. Die TGA sollte aus dieser Einschätzung heraus in den verfahrenstechnischen Anlagenbau-Projekten als eigenständige Fachdisziplin, auch hinsichtlich der Dokumentation, definiert und genutzt werden. Für die TGA werden zum großen Teil gleiche Ausrüstungsarten (Apparate, Maschinen, Rohrleitungen, EMSR-Einrichtungen) genutzt, wie für die Prozessanlagen. Die benötigten fachspezifischen Informationen für die TGA werden i.d.R. auf folgende drei verschiedene Weisen dokumentiert. Darstellung der TGA-Sachverhalte in den gebräuchlichen Dokumentenarten der anderen Fachgebiete, wie sie in den Abschnitten 3.6.4 bis 3.6.8 beschrieben wurden. Entsprechend werden die notwendigen TGA-Informationen im 3D-Anlagenmodell, auf den relevanten Aufstellungs- und Etagenplänen, den Bau- und Stahlbauzeichnungen, den Übersichtsschaltplänen, den Anordnungsplänen usw. integriert. Das heißt, die TGA ordnet sich ganzheitlich, analog der Prozesstechnik oder Logistik, in die Gesamtanlage und die AS BUILT-Dokumentation ein. Zusätzliche TGADokumentenarten sind dafür nicht nötig. Fehlerquellen und Schnittstellenprobleme werden minimiert. In der TGA-Teildokumentation ist gegebenenfalls auf diese Dokumentenarten, die anderen Teildokumentationen zugeordnet sind, zu verweisen. Die Abb. 3.48 zeigt beispielhaft die 3D-Ansicht und den Grundriss eines Lüftungskanals, die aus dem 3D-Anlagenmodell extrahiert wurden.
3.6 Anlagendokumentation
267
Abb. 3.48 Isometrische Ansicht und Grundriss eines Lüftungskanals (als Ausschnitt aus dem 3DCAD-Anlagenmodell generiert)
Die TGA erstellt eigenständige, neue Dokumente, nutzt dabei aber allgemein gebräuchliche Dokumentenarten. Beispiele sind: spezielle R&I-Fließschemata, z.B. für Be-/Entlüftung oder Klimaanlage, Anlagen- und Funktionsbeschreibungen für TGA-Anlagen, Aufstellungspläne, Grundrisse, 2D-Ansichten, Schnitte, Technische Datenblätter für TGA-Ausrüstungen, inkl. PLT-Stellen, Ausrüstungs- und Rohrleitungslisten, Betriebsmittel- oder Kabellisten, Stromlaufpläne für Sensoren bzw. Aktoren der TGA, Anordnungspläne für TGA-Komponenten, Betriebsanleitungen bzw. Bedienungshandbücher, Wartungs- und Inspektionslisten, Ersatz- und Verschleißteillisten. Die jeweiligen Einzeldokumente sind fachspezifisch und gehören deshalb zur TGATeildokumentation. Zur Darstellung fachspezifischer TGA-Sachverhalte werden neuartige Dokumentarten benötigt, die es in anderen Gewerken nicht gibt. Diese Dokumentenarten gehören zweifelsfrei zur TGA-Dokumentation. Die Abbildungen 3.49 sowie die Tabelle 3.48 enthalten Beispiele.
268
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Abb. 3.49 Strangschema der Sanitäreinrichtungen eines Gebäudes Tabelle 3.48 Fachspezifische Dokumentenarten der Technischen Gebäudeausrüstung (Auswahl) Bem.: Prüf- und Nachweisdokumente sowie Dokumentenarten anderer Fachdisziplinen, die in der TGA ebenfalls erstellt werden, sind nicht angeführt.
Wärmebedarfsberechnungen Übersichts- und Detail-Strangschemata Heizung Übersichts- und Detail-Installationspläne Heizung Spezifikation der Heizungskomponenten inkl. Rohrleitungen Übersichts- und Detail-Strangschemata Warmwasser und Trinkwasser Übersichts- und Detail-Installationspläne Warmwasser und Trinkwasser Spezifikation der Warmwasser-/Trinkwasserkomponenten inkl. Rohrleitungen Luftmengenberechnungen Kanalnetzberechnungen für Be-/Entlüftung 3D-Ansichten zum Be- und Entlüftungssystem Fertigungszeichnungen Lüftungskanäle inkl. Stücklisten Bauteilzeichnungen für Lüftungsgitter, Jalousieklappen u.ä. Spezifikation der Lüftungskomponenten (z.B. Gebläse) Ausführungsunterlagen für Entrauchungsanlagen Kühllast-/Kältebedarfsberechnung Mollier-h-x-Diagramme Übersichts- und Detail-Strangschemata Kühlung Übersichts- und Detail-Installationspläne Kühlung Spezifikation der Kühlkomponenten inkl. Rohrleitungen Fertigungszeichnungen für Absaughauben Dokumentation zu Augen- und Körperduschen spezielle Dokumente für ein ggf. vorhandenes Gebäudeleitsystem bzw. für die Einbindung der Gebäudeautomation ins Prozessleitsystem der Gesamtanlage
3.6 Anlagendokumentation
269
Tabelle 3.48 (Fortsetzung) Feuerwehrpläne (u.U. in Bau-Doku) Ausführungsunterlagen für Feuerlöscheinrichtungen inkl. Löschwasserrückhaltung und ggf. Löschwasserentsorgung Ausführungsunterlagen zum Sammeln und Beseitigen von Hausmüll Ausführungsunterlagen für die Blitzschutzanlage (evtl. Elektrotechnik) Ausführungsunterlagen für Aufzugsanlagen (u.U. in Bau-Doku) Ausführungsunterlagen für Nachrichten- und Kommunikationstechnik (evtl. PLT) Ausführungsunterlagen für Gaswarn- und/oder Brandmeldeanlagen (evtl. PLT) Ausführungsunterlagen für Einbruch- und Diebstahlsicherung
3.6.10 Teildokumentation INBETRIEBNAHME Unter Inbetriebnahme wird allgemein die Überprüfung der Anlage aus dem Ruhezustand in den Dauerbetriebszustand verstanden. Man unterscheidet zwischen Erstinbetriebnahme und Wiederinbetriebnahme. In Verbindung mit der Anlagendokumentation ist insbesondere die Erstinbetriebnahme interessant. Sie ist nach [5] wie folgt definiert: Erstinbetriebnahme (First-time-commissioning) ist die Überführung der Anlage aus dem Ruhezustand nach MECHANISCHER FERTIGSTELLUNG (Mechanical Completion) in den Dauerbetriebszustand nach werkvertraglicher Abnahme bzw. nach schriftlicher Bestätigung der erbrachten Vertragsleistung. Wiederinbetriebnahme (Recommissioning) ist die Überführung der Anlage aus dem
Ruhezustand nach Abstellung (Stillstand) in den Dauerbetriebszustand. Im Weiteren wird stets die Inbetriebnahme von Neuanlagen betrachtet und dafür vereinfachend der Begriff Inbetriebnahme gebraucht. Die o.g. Teildokumentation beinhaltet hauptsächlich die Betriebsanleitung für die Gesamtanlage, die auch als Inbetriebnahmeanleitung bezeichnet wird. In Abschn. 3.6.3.2, c) ist der Begriff definiert und in Tab. 3.24 die Muster-Gliederung einer GesamtBetriebsanleitung angeben. Für die Erarbeitung der Inbetriebnahmeanleitung ist derjenige Vertragspartner verantwortlich, der gemäß der Vertragssituation die Anlage in Verkehr bringt; analog wie für die AS BUILT-Dokumentation. Sie liefert hauptsächlich Vorgaben im Umgang mit der Anlage und ist somit verantwortungsseitig und inhaltlich als Teil der Anlagendokumentation zu verstehen. Nähere Ausführungen zu ihrer Erarbeitung dazu werden in Abschn. 5.11 gemacht. Sobald die Anlage im Dauerbetrieb ist, verliert die Inbetriebnahmeanleitung an Bedeutung, da die Inhalte inzwischen weitgehend in anderen Dokumentenarten der Betriebsdokumentation, vorrangig in den Betriebsanweisungen, umgesetzt wurden. Trotzdem kann die Inbetriebnahmeanleitung der Neuanlage auch für die spätere Stillstandsvorbereitung (Außer- und Wiederinbetriebnahme) oder für die Wiederinbetriebnahme nach Um- und Ausbaumaßnahmen sehr nützlich sein. Neben den Einzeldokumenten, die zur Inbetriebnahmeanleitung gehören, entstehen während der Inbetriebnahmephase zahlreiche weitere Arbeits-, Prüf- und Nachweisdokumente. Diese werden, je nach Schwerpunktsetzung, als Teil der Projektdokumentation verstanden und archiviert, der Betriebsdokumentation (z.B. Betriebshandbuch, Betriebstagebuch, Prüfdokumentation) zugeordnet (s. Abschn. 3.7),
270
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
in der Anlagendokumentation, Teildokumentation INBETRIEBNAHME abgelegt und als Teil der AS BUILT-Dokumentation an den Kunden übergeben. Abschluss- bzw. Erfahrungsberichte über die Inbetriebnahme werden i.d.R. firmenintern ausgewertet. Einige der inbetriebnahmerelevanten Dokumentenarten enthält Tab. 3.49. Tabelle 3.49 Wichtige Dokumentenarten der Inbetriebnahme (ohne Dokumentenarten aus der Betriebsdokumentation) Teil A: Fachspezifische Dokumentenarten Inbetriebnahmeablaufplan Inbetriebnahmeorganigramme Plan der Montagekontrollen und Inspektionen Inbetriebnahmeanleitung für Gesamtanlage Inbetriebnahmeanleitungen der Package-units Inbetriebnahmeanleitungen ausgewählter Anlagenkomponenten Ausbildungs-/Schulungsprogramm Ausblaseprogramm für Anlage inkl. Rohrleitungen und Reinheitsnachweise Spülprogramm zum Reinigen der Anlage und Reinheitsnachweise Programm der Probeläufe, Funktionsprüfungen und Abnahmeversuche von Nebenanlagen Inertisierungsvorschrift Checkliste für Inbetriebnahmeaudit Probebetriebsprogramm einschließlich Termin- und Ressourcenplan Unterlagen zum Anfahrcheck der Anlage Bilanzierungsrechnungen und Berechnungen spezifischer Verbräuche Ergebnisberichte zu Tests und Versuchen Untersuchungsberichte zu Schäden und Störungen Protokoll inkl. Detailplan zu Durchführung der Leistungsfahrt PLS-Einstellwerte (Alarme, Grenzwerte, Reglerparameter) Teil B: Prüf- und Nachweisdokumentenarten (inkl. Vertragserfüllung) Protokolle zur MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG Restpunktlisten inkl. Erfüllungskontrolle Protokolle zum Dichtigkeitstest der Gesamtanlage Protokolle über Funktionsprüfungen einschl. Wasserfahrt Protokolle zur ANZEIGE DER BETRIEBSBEREITSCHAFT inkl. Restpunktliste Protokoll über die DURCHFÜHRUNG DES LEISTUNGSNACHWEISES Protokoll über die ABNAHME DER ANLAGE inkl. Restpunktliste Protokoll über die ABNAHME DER AS BUILT-DOKUMENTATION inkl. Restpunktliste ggf. EU-Konformitätserklärung für Gesamtanlage Bericht über Risikobeurteilung der Gesamtanlage (Status AFP (Approved for Production/MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG) Einweisungs- und Unterweisungsnachweise Schulungsnachweise Prüfnachweisdokumente der rechtsrelevanten Sicherheitsprüfungen gemäß Abschn. 3.6.3.6, Tab. 3.31
Ein Teil der angeführten Inbetriebnahmedokumente wird während der Inbetriebnahmevorbereitung und ein Teil während der Inbetriebnahme erarbeitet. (s. Abschn. 5.12 und 5.13).
3.6 Anlagendokumentation
271
3.6.11 Teildokumentation PACKAGE-UNITS und TEILSYSTEME Beim Einkauf größerer verfahrenstechnischer Anlagen werden nach Möglichkeit „komplexe Pakete geschnürt“. Man versucht viele Leistungen aus „einer Hand“ im Rahmen eines Anlagenvertrags einzukaufen. Dadurch soll die Anzahl der Beschaffungsvorgänge verringert und die Kosten und Risiken minimiert werden. Typisch ist in diesem Zusammenhang der Einkauf von weitgehend eigenständigen verfahrenstechnischen Teilanlagen als sog. Package-units. Eine Package-unit (PU) ist eine Teilanlage, die als Ganzes von einem Kontraktor bzw. Subunternehmer geliefert, errichtet und i.Allg. von diesem in Betrieb genommen wird.
Beispiele von Package-units sind Teilanlagen zur Ver-/Entsorgung von Hilfsstoff und Energien (utilities), Wärme- und Kälteerzeugung, Verdichtung von Gasen, Reinigen und Abführung von Stoffen bzw. Entsorgung von Abprodukten, Reinigung bzw. Regeneration von Stoffen, z.B. mit anschließender Rückführung in den Prozess, Logistik von Einsatzstoffen sowie von Zwischen- und Endprodukten (Lagern, Stapeln, Absacken, Verpacken usw.). Die vertragsgemäß zu liefernde Package-unit-Dokumentation kann z.B. als „Enddokumentation – Teilanlage XYZ“ betitelt werden. In manchen Anlagenbau-Projekten, z.B. der Pharma- oder Halbleiterindustrie, in denen der Gesamtprozess und die Gesamtanlage stärker modular gegliedert sind, werden auch die Prozessanlagen (Hauptanlagenteile) in Package-unit unterteilt und getrennt eingekauft. Dies ist nicht selten problematisch, da ▪ die prozesstypischen Fragen betreffs Garantie und Gewährleistung, ▪ die stofflichen und energetischen Verflechtungen/Kopplungen und ▪ die Sicherheits- und Umweltaspekte meistens übergreifend sind und möglichst ganzheitlich (in einem Vertrag ohne Schnittstellen) vereinbart werden sollten. Analog zu den Package-units werden auch Liefer- und Montageleistungen für abgegrenzte Teilsysteme der verfahrenstechnischen Anlage, z.B. komplexe Rohrleitungssysteme inkl. Armaturen (Mediensysteme, anlagenverbindende Leitungssystem, Infrastrukturrohrleitungen), elektrische Leitungssysteme (Kabelsysteme) inkl. eingebundener Bauteile/Geräte im Rahmen eines Liefer- und Montagevertrags als Ganzes eingekauft. Man spricht in diesem Fall nicht von einer Package-unit sondern von einem Anlagen-Teilsystem. Die vertragsgemäß zu liefernde System-Dokumentation kann z.B. als „Enddokumentation – Rohrleitungssystem XYZ“ betitelt werden (s. Beispiel in Tabelle 3.50). Im Umgang mit den Package-unit-Dokumentationen bzw. System-Dokumentationen, deren Anteil an der Gesamt-AS BUILT-Dokumentation erheblich sein kann, sollten folgende Hinweise beachtet werden: Die PU-/System-Dokumentationen sollten, zumindest im Gewährleistungszeitraum, vom Betreiber als Ganzes (z.B. in der Teildokumentation PACKAGE-UNIT/SYSTEME) abgelegt und verwaltet werden. Damit können eventuelle Gewährleistungs-/Haftungsansprüche besser nachvollzo-
272
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
gen und gegebenenfalls bewiesen werden. Bei einer späteren Reorganisation der Betreiberdokumentation können die PU- bzw. Systemdokumente u.U. in die fachspezifischen Kapitel der Anlagendokumentation eingeordnet werden (s. Abschn. 6.3). Die verschiedenen PU-Dokumentationen sollten möglichst die gleiche Grundgliederung (Kapitel und Hauptabschnitte) haben und möglichst die gleichen Dokumentenarten und Begriffswahl verwenden. Damit werden Missverständnisse verringert sowie die Suche und Pflege erleichtert. Mögliche Alternativen sind.: A1: Als Vorzugsvariante sollten die PU-Dokumentation analog zum Strukturierungsvorschlag in Tab. 3.14, Abschn. 3.6.1.1 nach Fachdisziplinen/Gewerken gegliedert werden. A2: Da viele PU-Hersteller/Lieferanten traditionell Maschinen- bzw. Apparatehersteller sind, gliedern sie ihre Dokumentation gern analog einer Betriebsanleitung (s. Tab. 3.15 in Abschn. 3.6.1.2). A3: Hierarchische Gliederung der PU-Dokumentation nach Anlagenkennzeichen oder sog. Technischen Platz (s. Abb. 3.50). Damit entspricht die Dokumentationsstruktur der Strukturierung und Begriffswelt von betriebswirtschaftlichen ERPSystemen (z.B. SAP), die viele Betriebe zur Anlagenbewirtschaftung aber auch zum Dokumenten-Management nutzen (s. auch Abschn. 7.1).
Abb. 3.50 Strukturierung der Package-unit-Dokumentation nach Anlagenkennzeichen bzw. Technischen Platz Bem:. Diese Variante wird meistens eingeführt, wenn der Master der Anlagendokumentation im ERP-System (Enterprise Resource Planning) gespeichert ist und verwaltet wird.
Die Anforderungen an die PU-/System-Dokumentation müssen mit der Anfrage vollständig und eindeutig spezifiziert werden und im Beschaffungsprozess bis zur Abnahme konsequent umgesetzt werden. Die Qualitätssicherung (QS) der PU-Leistungen muss von Anfang an die Dokumentation einschließen. Dies gilt insbesondere für die As-built-Prüfung der revidierten PU-/System-Dokumentationen. Aus Sicht des Betreibers ist die Übergabe von änderbaren Dateien (Dokumentenarten, Erstellungssoftware und Format, Speichermedium usw.) als Teil der PU- bzw.
3.6 Anlagendokumentation
273
System-Dokumentation frühzeitig anzufragen und im Vertrag exakt zu vereinbaren, da der PU-Lieferant diese Vorgaben ggf. bei sich und gegenüber seinen Subkontraktoren durchsetzen muss. Für System-Dokumentationen sind die Gliederungen entsprechend dem speziellen Leistungsgegenstand anzupassen. Tabelle 3.50 zeigt die Gliederung einer Montagefirma für ein komplexes, anlagenverbindendes Rohrleistungssystem. Tabelle 3.50 Inhaltsverzeichnis der Enddokumentation eines Rohrbauers für ein komplexes Rohrleitungssystem (Praxisbeispiel) 1
Allgemeiner Teil 1.1 Zertifikate der Firma XYZ 1.2 Herstellerzulassungen der Firma XYZ 1.3 Projekthandbuch der Firma XYZ
2
Arbeitssicherheit – HSE 2.1 Integriertes Managementhandbuch 2.2 Projekt Sicherheitsplan 2.3 Betriebsanweisungen 2.4 Sicherheitsanweisungen
3
Qualitätssicherung 3.1 Qualitätshandbuch 3.2 Projektqualitätsplan 3.3 Wareneingangsprüfung 3.4 Verarbeitungs- und Qualitätsmatrix 3.5 Prüftechnik 3.5.1 ZfP-Anweisungen 3.5.2 Qualifikation der Prüfer 3.5.3 ZfP-Protokolle 3.6 Schweißtechnik 3.6.1 Schweißereinsatzliste 3.6.2 Schweißanweisungen 3.6.3 Schweißverfahrensprüfungen 3.6.4 Schweißerzeugnisse 3.6.5 Referenznähte und Fertigungsproben vor Ort 3.7 Arbeitsanweisungen 3.7.1 QM-Prüfungen 3.7.2 Wasser- und Gasdruck- bzw. -dichtheitsprüfungen 3.7.3 Formieren und Wurzelschutz 3.7.4 Montage Rohrleitungen und Unterstützungen 3.7.5 Formier- und Schweißgase 3.8 Projektorganisation/-information 3.8.1 Organigramm 3.8.2 Funktionsbeschreibung Schlüsselpositionen 3.8.3 Kontaktinformationen 3.8.4 Unterschriftenliste
4
Material 4.1 Liste der Materialzertifikate 4.2 Materialzertifikate, FDA-Zulassungen, TA-Luft-Bescheinigungen 4.3 Halterungen 4.4 Schweißzusatzwerkstoffe 4.5 Umstempelungsbescheinigungen 4.6 Armaturendokumentation
274
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Tab. 3.50 (Fortsetzung) 5
Montagedokumentation 5.1 As-built-Isometrien 5.2 Schweißtagebuch für einzelne Rohrklassen 5.3 Bilddokumentation (in elektronischer Form) 5.4 As-Built-Halterungszeichnungen 5.5 R&I-Fließschemata (letzter gültiger Revisionsstand) 5.6 Abnahmeprotokolle und Mängellisten 5.7 Dokumentation der Druckprüfungen (je Presskreis) 5.8 Dokumentation der Dichtheitsprüfungen 5.9 EU-Konformitätserklärung (für RL der Kat. I und Kat. II gemäß DGRL) 5.10 Herstellererklärung (für RL nach Art. 4, Abs. 3 gemäß DGRL)
3.7 Betriebsdokumentation Die Betriebsdokumentation umfasst alle Dokumente, die (über die Anlagendokumentation hinaus) für den bestimmungsgemäßen Betrieb sowie den gestörten, nichtbestimmungsgemäßen Betrieb und die Instandhaltung der Anlage erforderlich sind bzw. zugehörige Daten speichern. Sie ist neben der Anlagendokumentation die zweite Säule der Gesamtdokumentation. Während die Anlagendokumentation einen vorwiegend passiven Charakter hat, indem die Funktion und der Aufbau der Anlage beschrieben werden, bezieht sich die Betriebsdokumentation verstärkt auf das aktive Handeln, auf das Produzieren mit der Anlage. Die Betriebsdokumentation ordnet und systematisiert ganzheitlich die betrieblichen Informationen (s. Tab. 3.51). In der Praxis ist diese übergreifende Strukturierungsebene unter dem Begriff BETRIEBSDOKUMENTATION mitunter nicht gebräuchlich, sodass einzelne Dokumentationsteile mehr oder weniger „vagabundieren“. Tabelle 3.51 Mögliche Strukturierung der Betriebsdokumentation 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Übersichtsdokumente des Betriebes Betriebshandbuch Instandhaltungsdokumentation Rückstellmuster (Rohstoffe, Zwischen-/Endprodukte, Katalysatoren u.a.) Betriebstagebuch Prüfdokumentation (Synonym: Prüfhandbuch) Sicherheitsmanagementhandbuch Qualitätsmanagementhandbuch Umweltmanagementhandbuch
Die Betriebsdokumentation wird, anders als bei der Anlagendokumentation, in mehrere, relativ eigenständige Teildokumentationen untergliedert. Deren Inhalte sind vorwiegend tätigkeitsbezogen und zielen auf die Arbeit des Personals.
3.7 Betriebsdokumentation
275
Die Teildokumentationen des Betriebshandbuchs werden häufig als Handbücher bezeichnet, auch wenn sie vorwiegend in elektronischer Form genutzt werden.
3.7.1 Übergeordnete Betriebsdokumente Die übergeordneten Betriebsdokumente (s. Tab. 3.52) beinhalten die für den Anlagenbetrieb wichtigen übergreifenden sicherheitlichen und prozesstechnischen Basisinformationen. Sie müssen für jeden Beschäftigten im Betrieb, insbesondere den Operatoren in der Leitwarte, zugänglich sein. Dadurch ist gewährleistet, dass sich die betroffene Person in kritischen und/oder schwierigen Situationen schnell sachkundig machen kann. Zum Teil sind einige übergeordnete Dokumente, sofern sie zum Verständnis der Betriebsanweisungen nötig sind, auch im Betriebshandbuch eingeordnet. Tabelle 3.52 Mögliche übergeordnete Dokumente eines Betriebs (Auswahl)
Interner Alarm- und Gefahrenabwehrplan Brandschutzordnung (nach DIN 14096) Flucht- und Rettungspläne, Brandschutzpläne, Feuerwehrpläne, Notfall und Evakuierungspläne (in Verbindung mit Werksgelände/Territorium) Bereitschaftsplan, Namens-, Telefon-, Adressverzeichnis Gefahrenzonenpläne Lärmkataster und Lärmschutzprogramm Unterlagen für Einweisung von Betriebsfremden Einweisungs- und Unterweisungsnachweise (u.U. im Betriebshandbuch) R&I-Fließschemata (u.U. im Betriebshandbuch) Alarm- und Verriegelungslisten (u.U. im Betriebshandbuch) Lagepläne, Aufstellungspläne, Unterflursummenpläne (u.U. im Betriebshandbuch) Bedienungshandbuch für das Prozessleitsystem Übersichtspläne zur Stromversorgung Übersichtspläne zum Prozessleitsystem
Im konkreten Fall ist abzuwägen und zu entscheiden, ob die Informationen zweckmäßig in Papierform oder elektronischer Form bereitgestellt werden. Mehrere der in Tab. 3.52 angeführten Dokumente gehören zur Anlagendokumentation, werden aber nochmals den Betriebspersonal vor Ort in der Warte bereitgestellt. Nachfolgend sollen ausgewählte übergeordnete Betriebsdokumente, die bisher nicht betrachtet wurden, kurz erläutert werden.
3.7.1.1 Interner Alarm- und Gefahrenabwehrplan Für Betriebsbereiche, die der 12. BImSchV (Störfall-Verordnung) unterliegen [57] (s. auch Abschn. 3.4.3) und die aufgrund der vorhandenen Mengen an gefährlichen Stoffen ein „Betriebsbereich der oberen Klasse“ sind, wird in § 10 (Alarm- und Gefahrenabwehrplan) gefordert: (1) Der Betreiber eines Betriebsbereichs der oberen Klasse hat nach Maßgabe des Satzes 2 1. interne Alarm- und Gefahrenabwehrpläne zu erstellen, die die in Anhang IV aufgeführten Informationen enthalten müssen, und 2. der zuständigen Behörde, die für die Erstellung externer Alarm- und Gefahrenabwehrpläne erforderlichen Informationen zu übermitteln. Die Pflichten nach Satz 1 sind mindestens einen Monat vor Inbetriebnahme eines Betriebsbereichs ... zu erfüllen.
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen (4) Der Betreiber hat die internen Alarm- und Gefahrenabwehrpläne in Abständen von höchstens drei Jahren zu überprüfen und zu erproben…
Zur Umsetzung der Vorgaben in Anhang IV der 12. BImSchV haben die zuständigen Stellen der Bundesländer eigene Vorschriften erarbeitet [58]. Die Hauptpunkte einer Muster-Gliederung zeigt Tab. 3.53. Tabelle 3.53 Muster-Gliederung eines internen Alarm- und Gefahrenabwehrplanes nach [58] Bem.: ältere Bezeichnung: Betrieblicher Alarm- und Gefahrenabwehrplan 1
2
Angaben zu den Anlagen und ihrer Umgebung 1.1 Angaben zum Objekt (Anlage, Betrieb, Werk) 1.1.1 Allgemeine Beschreibung 1.1.2 Zufahrtsmöglichkeiten, Bereitstellungsplätze 1.1.3 Betriebszeiten und Beschäftigungszahlen 1.1.4 Einzelpläne Feuerwehrplan (nach DIN 14095) Energieversorgungsplan Rohrleitungspläne Abwasserkanalplan (Löschwasserrückhaltung) Absperreinrichtungen Lageplan interner Alarm- und Warneinrichtungen Flucht- und Rettungsplan (Not-)Abfahrplan 1.2 Gefahrenschwerpunkte 1.2.1 Gefährliche Stoffe 1.2.2 Gefährliche technische Einrichtungen 1.2.3 Gefahrenbereiche 1.2.4 Auswirkungsbetrachtungen und Gefährdungsbereiche 1.3 Angaben zur Umgebung 1.3.1 Allgemeine Beschreibung (Ortsplan) 1.3.2 Besondere Schutzobjekte in der Nachbarschaft 1.3.3 Gefahrenquellen in der Umgebung 1.4 Externe Unterlagen Gefahrenabwehrkräfte und -einrichtungen 2.1 Betriebliche Gefahrenabwehrkräfte 2.1.1 Einsatzkräfte (intern) 2.1.2 Werksleitung/Betriebsleitung im Alarmfall 2.1.3 Spezielle Fachkräfte (intern) 2.1.4 Weisungsbefugnisse 2.2 Außerbetriebliche Gefahrenabwehrkräfte 2.2.1 Einsatzkräfte (extern) 2.2.2 Spezielle Einsatzkräfte (extern) 2.2.3 Geräte und Ausrüstungen (extern) 2.3 Einrichtungen und Ausrüstungen 2.3.1 Koordinierungsstelle 2.3.2 Kommunikationsstrukturen 2.3.3 Mobile Einsatzmittel 2.3.4 Ausrüstungen 2.3.5 Hilfsmittel zur Ermittlung des Gefährdungsbereichs 2.3.6 Alarm- und Warneinrichtungen für Beschäftigte 2.3.7 Stationäre Sicherheitseinrichtungen
3.7 Betriebsdokumentation Tab. 3.53 (Fortsetzung) 3
4
5
6 7
8
Alarmplan 3.1 Alarmfälle 3.1.1 Werks-/Betriebsinterne Alarmfälle 3.1.2 Meldepflichtige Ereignisse 3.2 Alarmierungen 3.2.1 Alarmierungsablauf 3.2.2 Interne Alarmierungen 3.2.3 Meldungen an Behörden 3.2.4 Vereinbarungen über Vorabmeldungen Warnungen 4.1 Warnung der Beschäftigten 4.2 Warnung der Nachbarschaft Gefahrenabwehr 5.1 Gefahrenabwehr durch interne Stellen 5.1.1 Alarmzentrale 5.1.2 Werkfeuerwehr/Betriebsfeuerwehr/interne Einsatzkräfte 5.1.3 Werksärztlicher Dienst/Sanitätsstation 5.1.4 Werksleiter vom Dienst 5.1.5 Werkschutz 5.1.6 Sicherheitsabteilung/Fachkräfte für Arbeitssicherheit 5.1.7 Umweltabteilung/Umweltbeauftragter/-e 5.1.8 Betroffene Anlage des Werkes 5.1.9 Nachbaranlage im Werk 5.1.10 Hilfeleistende interne Fachabteilungen 5.1.11 Alle Mitarbeiter 5.2 Gefahrenabwehr unter Beteiligung externer Stellen 5.2.1 bis 5.2.3 … Anweisungen für spezielle Ereignisse Information der Behörden und der Medien (Presse, Rundfunk, Fernsehen) und Auskünfte an die Bevölkerung 7.1 Informationen der Behörden 7.2 Information der Medien und Auskünfte an die Bevölkerung Telefonverzeichnis 8.1 Interne Rufnummern 8.2 Behörden-Rufnummern 8.3 Fremdfirmen-Rufnummern Anlagen Anlage 1 Übersichtsplan Anlage 2 Lageplan Anlage 3 Feuerwehrplan Anlage 4 Energieversorgungsplan Anlage 5 Werkplan „Rohrbrücke“ Anlage 6 Werkplan „Abwasser“ Anlage 7 Flucht- und Rettungsplan Anlage 8 Sicherheitsdatenblätter Anlage 9 Alarmierungsablauf Anlage 10 Alarmierungsumfang Anlage 11 Alarmierungsliste für Alarmzentrale Anlage 12 Vorabmeldung Anlage 13 Meldestufen Stichwortverzeichnis
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
In [58] werden auch Angaben zu internen Alarm- und Gefahrenabwehrplänen für komplexe Industriestandorte sowie für externe Alarm- und Gefahrenabwehrpläne bzw. Notfallpläne gemacht. Die Erarbeitung ggf. erforderlicher Notfallpläne erfolgt in Verantwortung der zuständigen Stellen des Landes bzw. der Landkreise. Die Gliederung in Tab. 3.53 ist auch für „Nicht-Störfall-Anlagen“ nutzbar, indem sie orientierend als Checkliste bei der Risikobeurteilung der Anlagensicherheit vor deren in Verkehr bringen (s. Abschn. 3.6.3.3, c)), den Gefährdungsbeurteilung vor erstmaligen Arbeitsantritt (z.B. Beginn Inbetriebnahme), der Erarbeitung von Brandschutz-, Alarmierungs- und Feuerwehrplänen für die Baustelle und/oder den Betrieb, der Erstellung der Brandschutzordnung des Betriebs (s. Abschn. 3.7.1.2) genutzt werden kann.
3.7.1.2 Brandschutzordnung Die Brandschutzordnung (BSO) regelt das Verhalten von Personen in einem Gebäude oder Betrieb im Brandfall und gibt präventive Maßnahmen zur Brandverhütung vor. Eine Brandschutzordnung wird in den Rechtsvorschriften der BRD inkl. der arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften nicht konkret gefordert. Sie folgert gegebenenfalls aus § 10 Arbeitsschutzgesetz (Erste Hilfe und sonstige Notfallmaßnahmen) [59], aus den Landesbauordnungen der Bundesländer (z.B. für Sonderbauten) sowie aus dem Bemühen der Unternehmen und Personen ihre Aufgaben wirtschaftlich, sicher und sorgfaltspflichtgemäß zu erfüllen. Die Basis zum Erarbeiten der Brandschutzordnung in Betrieben der BRD liefert der „Leitfaden zur Erstellung einer Brandschutzordnung“ in der DIN 14096 [60]. Danach besteht die BSO aus den Teilen A, B und C, die wie folgt charakterisiert sind: Teil A: ▪ Enthält i.d.R. nur einen Aushang von einer DIN A4-Seite, der an mehreren Stellen im Gebäude bzw. des Betriebs gut sichtbar angebracht sein muss. ▪ Richtet sich an alle Personen, sie sich im Gebäude/Betrieb aufhalten. ▪ Der Aushang kann allein im Format DIN A4 entsprechen der Darstellung auf Abb. 3.51, links unten oder zusammen mit dem Flucht- und Rettungsplan (s. Abb. 3.51) erfolgen. Teil B: ▪ Richtet sich an Personen, die sich nicht nur vorübergehend im Gebäude/Betrieb aufhalten aber keine besonderen Brandschutzaufgaben haben (z.B. Beschäftigte). ▪ Der Inhalt von Teil B ist in folgende Abschnitte zu gliedern: a) Einleitung b) Brandschutzordnung Teil A c) Brandverhütung d) Brand- und Rauchgasausbreitung e) Flucht- und Rettungswege (s. Abb. 3.51) f) Melde- und Löscheinrichtungen g) Verhalten im Brandfall h) Brand melden i) Alarmsignale und Anweisungen beachten j) In Sicherheit bringen k) Löschversuche unternehmen l) Besondere Verhaltensregeln m) Anhang
3.7 Betriebsdokumentation
Abb. 3.51 Vordruck „Aushang FLUCHT- UND RETTUNGSPLAN“ [5]
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Teil C: ▪ Richtet sich an Personen, denen über ihre allgemeinen Pflichten hinaus besondere Aufgaben im Brandschutz übertragen sind (z.B. Betriebsleiter, Sicherheitsbeauftragter, Brandschutzhelfer). ▪ In diesem Teil, der den betroffenen Personen übergeben werden muss, sind vorbeugende und abwehrende Brandschutzmaßnahmen beschrieben. ▪ Der Inhalt von Teil C ist in folgende Abschnitte zu gliedern: a) Einleitung b) Brandverhütung c) Meldung und Alarmierungsablauf d) Sicherheitsmaßnahmen für Personen, Tiere, Umwelt und Sachwerte e) Löschmaßnahmen f) Vorbereitung für den Einsatz der Feuerwehr g) Nachsorge h) Anhang
Die Brandschutzordnung ist insbesondere auf Basis bzw. in Abstimmung mit dem Brandschutzkonzept/-nachweis (s. Abschn. 3.6.3.4), dem Explosionsschutzdokument (s. Abschn. 3.6.3.6), dem Brandschutz- und Alarmplan der Baustelle (s. Abschn. 5.10) und gegebenenfalls dem internen Alarm- und Gefahrenabwehrplan (s. Abschn. 3.7.1.1) zu erarbeiten. Verantwortlich für die Erstellung und Anwendung der Brandschutzordnung ist der Betriebsleiter bzw. der Inbetriebnahmeleiter. Die Brandschutzordnung ist gemäß dem aktuellen Stand fortzuschreiben und aller 2 Jahre von einer fachkundigen Person zu überprüfen.
3.7.2 Betriebshandbuch Das Betriebshandbuch enthält eine Zusammenstellung betrieblicher Vorschriften und Anweisungen an das Betriebspersonal, inkl. zugehöriger beschreibender Anlagendokumente, die zur sicheren und erfolgreichen Realisierung aller möglichen Betriebszustände nötig sind. Das Betriebshandbuch schreibt viele Informationen der Gesamt-Betriebsanleitung aus Sicht des Anlagebetreibers fort und formuliert sie für das Betriebspersonal präziser und verbindlicher. Typische Dokumentenarten, die im Betriebshandbuch abgelegt/abgespeichert werden sind in Tabelle 3.54 zusammengestellt. Tabelle 3.54 Dokumentenarten des Betriebshandbuchs Basisdaten des Verfahrens- und der Anlage Allgemeine Sicherheitsvorschriften (Hinweise auf DGUV-Vorschriften und andere grundlegende Bestimmungen und Unterlagen) ggf. Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung für die betrieblichen Tätigkeiten bei unterschiedlichen Fahrweisen (In-/Außerbetriebnahme, Nennfahrweise, Teillastfahrweise u.a.) Anweisungen, die aus Rechtsvorschriften zwingend folgern (z.B. Gefahrstoffe, WHGAnlagen, Umgang mit Arbeitsmitteln) allgemeine Verhaltensanweisungen (z.B. Tragen von persönlicher Schutzausrüstung, Verhalten bei Unfällen, Erste-Hilfe, Verhalten bei Gewitter, Rauchverbot) Vorschrift zur Bedienung des Prozessleitsystems Anweisungen für Inbetriebnahme- und Anfahrvorbereitung (Reinigen, Funktionsprüfungen)
3.7 Betriebsdokumentation
281
Tab. 3.54 (Fortsetzung) Anweisungen für die Erst- und Wiederinbetriebnahme, darunter ▪ Anweisungen für Aktivieren, Vorbehandeln u. ▪ Anweisungen für Anfahren und Hochfahren ▪ Anweisungen für Einfahren und Optimieren (bei Nennlast) ▪ Anweisungen für Teillast- u.a. Nebenfahrweisen ▪ Anweisungen für Abfahren ▪ Anweisungen für Außerbetriebnahme einschließlich Konservieren ▪ Anweisungen für Probenahmen und Analysen Anweisungen für Dauer-/Normalbetrieb (soweit zuvor nicht enthalten), wie z.B. ▪ Be- und Entladen von Produkten ▪ Schlüsselsystem des Betriebs ▪ Überprüfung sicherheitsrelevanter Einrichtungen ▪ Anlagenüberwachung durch Protokollierung ▪ Überwachungstätigkeiten und Kontrollen im Außenbereich ▪ Schichtübergabe Anweisungen für Leistungsänderungen und Produktänderungen Reinigungsvorschriften bei Produktumstellung (z.B. CIP, SIP) Verhalten bei Abweichungen vom Normalbetrieb und bei Störungen, darunter ▪ Betätigung von NOT-HALT oder NOT-AUS ▪ Information des Schichtleiters ▪ Änderung von Alarm- und Grenzwerten ▪ betriebsbedingte Alarmunterdrückung Kalibrier- und Eichvorschriften für MSR (u.U. in Instandhaltungsdokumentation) Prüfvorschriften u.ä. für Prozessanalysatoren (u.U. im Instandhaltungsdokumentation) Herstellungsvorschriften- und -rezepturen Vorschriften für den Versand Zugehörige beschreibende Anlagendokumente auf die in Anweisungen Bezug genommen bzw. verwiesen wird, wie z.B. ▪ Verfahrens- und Anlagenbeschreibung ▪ Funktionsbeschreibungen, insbesondere von Regelungs- und Überwachungseinrichtungen ▪ R&I-Fließschemata ▪ Alarm- und Grenzwertlisten ▪ Ursache-Wirkungs-Listen ▪ div. Ausrüstungsdatenblätter und PLT-Stellenblätter
Der Umfang und die Komplexität des Betriebshandbuchs sind erheblich, da letztlich dem Betriebspersonal für alle betrieblichen „Lebenssituationen der Anlage“ eindeutige und verbindliche Vorgaben zu machen sind. Mitunter werden einzelne Dokumentenarten auch in andere Teildokumentationen, z.B. als Übersichtsdokumente oder im Sicherheitshandbuch, eingeordnet. Nachfolgend wird auf zwei wichtige Dokumentenarten des Betriebshandbuchs näher eingegangen.
3.7.2.1 Gefährdungsbeurteilungen Die Gefährdungsbeurteilung ist der Prozess, bei dem der Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen beurteilt, indem er die Gefährdungen, die für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbunden sind, ermittelt, die Beurteilung vornimmt,
282
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
▪ ob die vorhanden und bereits praktizierten Maßnahmen des Arbeitsschutzes ausreichen oder ▪ Handlungsbedarf besteht und zusätzliche Maßnahmen des Arbeitsschutzes festgelegt werden müssen, sowie die ermittelten Gefährdungen und die festgelegten Maßnahmen (Vorkehrungen) des Arbeitsschutzes dokumentiert. Im Begriffsglossar [61] zu den Regelwerken der BetrSichV, BioStoffV und GefStoffV ist definiert: Gefährdungsbeurteilung ist die systematische Ermittlung und Bewertung relevanter Gefährdungen der Beschäftigten mit dem Ziel, erforderliche Maßnahmen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit festzulegen.
Die Gefährdungsbeurteilung zielt auf die Verbesserung der Arbeitssicherheit gemäß folgender Definition: Die Arbeitssicherheit ist die Sicherheit der Beschäftigten bei der Arbeit. Sie betrachtet Gefährdungen und Risiken für Personen, die in Ausübung menschlicher Arbeit möglich sind.
Schutzziele sind, wie bei der Risikobeurteilung, auch der Mensch, Umwelt, Vermögen, Ansehen usw., aber Quelle der Gefährdungen ist die Tätigkeit des Menschen. Die Unterschiede zur Risikobeurteilung in Abschn. 3.6.3.3, b) und c) zeigt die folgende Tabelle. Tabelle 3.55 Gegenüberstellung von Risikobeurteilung und Gefährdungsbeurteilung R i s i ko b e u r t e i l u ng
G e f ä h r d u ng s be u r t e i l u ng
Rechtsgrundlage sind EU-Richtlinien für Produkte und Produktsicherheitsgesetz produkt- bzw. anlagebezogen zielgruppenorientiert Schutzziele sind Mensch, Umwelt, Vermögen, Ansehen muss vor Inverkehrbringen des Produkts/der Anlage vorliegen und Bearbeitungsstatus „AFP-Geprüft für Inbetriebnahme“ haben Pflicht des Inverkehrbringers wird i.d.R. nur bei wesentlichen Änderungen fortgeschrieben Restrisiken werden in der Betriebsanleitung dokumentiert
Rechtsgrundlage sind Arbeitsschutzgesetz und Betriebssicherheitsverordnung tätigkeitsbezogen mitarbeiterbezogen Schutzziele sind Mensch, Umwelt, Vermögen, Ansehen muss vor der erstmaliger Arbeitsaufnahme vorliegen Pflicht des Arbeitgebers wird periodisch überprüft und fortgeschrieben Restrisiken werden in Betriebsanweisung dokumentiert und durch angeführte Maßnahmen minimiert
Errichterverantwortung
Auftraggeber(Betreiber-)verantwortung
Die Gefährdungsbeurteilungen sind entsprechend Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) § 5 und § 6 [59] vom Arbeitgeber für die Arbeitstätigkeiten seiner Beschäftigten zu erarbeiten und zu dokumentieren (s. Abschn. 2.3.4, b)). Die grundsätzlichen Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes hinsichtlich notwendiger Gefährdungsbeurteilungen wurden insbesondere untersetzt für den Umgang mit Gefahrstoffen laut GefStoffV [25] (s. Abschn. 2.3.2, f)),
3.7 Betriebsdokumentation
283
die Benutzung und Bereitstellung der Arbeitsmittel nach BetrSichV [42] (s. Abschn. 2.3.3, c)). Der weitgehend standardisierte Ablauf einer Gefährdungsbeurteilung beinhaltet die Schritte gemäß Tabelle 3.56. Tabelle 3.56 Hauptschritte zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung 1 Erfassung der Betriebs-/Projektstruktur und Arbeitsorganisation 2 Definition der Betrachtungseinheit (z.B. arbeits-, verantwortungs- oder personenbezogener Bereich) 3 Identifizieren und Definieren möglicher Gefährdungen (u.a. Nutzung von Checklisten, Brainstorming) 4 Ermitteln möglicher Auswirkungen der Gefährdungen bezogen auf definierte Schutzziele 5 Bewertung der Risiken unter Beachtung von Auswirkungen und Eintrittswahrscheinlichkeit (möglichst quantifiziert mittels Risikomatrix) 6 Prüfen, ob die Schutzziele erreicht und die Restrisiken vertretbar sind 7 gegebenenfalls Erarbeiten zusätzlicher Schutzvorkehrungen und Kontrolle, ob damit die Schutzziele erreicht bzw. Risiken ausreichend verringert werden 8 Festlegen von Aktionspunkten (Maßnahmen) mit Terminen, Verantwortlichkeiten und Erfüllungskontrollen 9 Dokumentation der Ergebnisse und Zugänglichmachung für die Beschäftigten
Detaillierte Vorgaben sind u.a. im Technischen Regelwerk [62][63] zur BetrSichV und zur GefStoffV enthalten. Für Standardtätigkeiten sind im Internet und von den Unfallversicherungen Muster-Formulare veröffentlicht. Die Schwierigkeit besteht in der Anlagenpraxis darin, alle möglichen Gefährdungen zu identifizieren, sachkundig das realistische Risiko zu ermitteln und gegebenenfalls geeignete Schutzmaßnahmen zu finden. Falls es als Vorzugsvariante nicht möglich ist, durch technische Schutzmaßnahmen das Restrisiko auszuschließen bzw. zumindest ausreichend zu minimieren, müssen organisatorische (Ersatz-)Maßnahmen ergriffen werden. Dazu gehören insbesondere die Betriebsanweisungen. Die Gefährdungsbeurteilung liefert in diesem Fall die Begründung und Basis für die Betriebsanweisung.
3.7.2.2 Betriebsanweisungen Durch Betriebsanweisungen wird das Verhalten der Beschäftigten im Hinblick von Sicherheit und Gesundheitsschutz reglementieren. Die Begriffsdefinition lautet nach [64]: Eine Betriebsanweisung umfasst arbeitsplatz-, tätigkeits- und stoffbezogene verbindliche schriftliche Anordnungen und Verhaltensregeln des Arbeitgebers an Beschäftigte. Sie dienen dem Schutz vor Unfallgefahren, Gesundheits-, Brand- und Explosionsgefährdungen sowie dem Schutz der Umwelt bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen
Die Betriebsanweisung ist de facto ein Befehl des Arbeitgebers an weisungsgebundene Arbeitnehmer. Begriffe mit ähnlichem Inhalt sind ferner: Dienstanweisung, Arbeitsanweisung und Bedienungsanweisung. Im vorliegenden Buch werden diese Begriffe nicht genutzt.
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Andere Begriffe, wie Verfahrens-, Instandhaltungs- und Prüfanweisungen unterscheiden sich in Ziel und Inhalt von den Betriebsanweisungen. Die Betriebsanweisung unterscheidet sich, wie Tab. 3.57 belegt, grundlegend von der Betriebsanleitung (s. Abschn. 3.6.3.2). Tabelle 3.57 Gegenüberstellung von Betriebsanleitung und Betriebsanweisung B e t r i e bs a nl e i t u ng
B e t r i e bs a nw e i s u ng
Rechtsgrundlage sind EU-Richtlinien für Produkte und Produktsicherheitsgesetz produkt- bzw. anlagebezogen zielgruppenorientiert soll dem Nutzer einen sicheren und bestimmungsgemäßen Umgang mit dem Produkt/der Anlage ermöglichen muss vor Inverkehrbringen des Produkts/der Anlage vorliegen Pflicht des Inverkehrbringers wird i.d.R. nach dem Inverkehrbringen nicht fortgeschrieben Restrisiken werden in der Betriebsanleitung dokumentiert
Rechtsgrundlage sind Arbeitsschutzgesetz und Betriebssicherheitsverordnung tätigkeitsbezogen mitarbeiterbezogen durch klare, verbindliche Handlungsvorgaben an das Personal soll Schaden verhindert werden muss vor der erstmaliger Arbeitsaufnahme vorliegen Pflicht des Arbeitgebers wird periodisch überprüft und ggf. fortgeschrieben auf mögliche Restrisiken ist in der Betriebsanweisung hinzuweisen
Errichterverantwortung
Betreiber(Betriebsleiter-)verantwortung
Der Gesetzgeber verweist in zahlreichen Rechtsvorschriften, wie z.B. in der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) [25], der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) [42], der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) [65], dem Bundesberggesetz [66] und abgeleiteten Verordnungen, auf notwendige Betriebsanweisungen (s. auch Tab. 3.31 in Abschn. 3.6.3.6).. Verantwortlich für deren Vorliegen und Einhaltung ist der zuständige Arbeitgeber bzw. der zuständige weisungsbefugte Leiter (z.B. Baustellenleiter, Inbetriebnahmeleiter, Betriebsleiter). Darüber hinaus obliegt es dem jeweiligen Verantwortlichen zu entscheiden, für welche sonstigen Tätigkeiten seiner Mitarbeiter verbindliche Verhaltensvorschriften bzw. Handlungsanleitungen erforderlich sind. Welche Betriebsanweisungen vom Management im konkreten Fall für erforderlich erachtetet werden, hängt u.a. ab, von der Neuheit und Kompliziertheit des Verfahrens und der Anlage, der Qualifikation, Erfahrung, Mentalität des Anlagenpersonals, der Rechtssituation am Standort, der Unternehmensphilosophie. In der Praxis ist dies, selbst bei vergleichbaren Anlagen, sehr unterschiedlich. Wer aus Angst vor möglichen Versäumnisvorwürfen versucht ist, viele Vorgänge/Handlungen durch Betriebsanweisungen zu reglementieren, begeht u.U. einen gravierenden organisatorischen Fehler. Dieser besteht darin, dass gegebenenfalls die große Anzahl an Betriebsanweisungen nicht mehr vermittelbar und somit nicht praktikabel ist.
3.7 Betriebsdokumentation
285
In Tabelle 3.58 sind Hinweise im Umgang mit Betriebsanweisungen angegeben. Tabelle 3.58 Hinweise zum Erarbeiten und zum Umgang mit Betriebsanweisungen
schriftliche Form klare und logische Gliederung sowie verständliche Form tätigkeitsbezogene Darstellung der Sachverhalte exakte und eindeutige Aussagen in Sprache und Wortschatz des Betroffenen formuliert Übereinstimmung mit Fachkenntnissen des Betroffenen Unterrichtung und Unterweisung des Betroffenen über die Betriebsanweisung schriftliche Bestätigung der Unterrichtung und Unterweisung durch den Betroffenen Zugänglichmachen der Betriebsanweisung (aushängen, auslegen, aushändigen)
Im Weiteren werden die Betriebsanweisungen in folgende 3 Kategorien unterteilt: 1. Kategorie: Betriebsanweisungen, die in Rechtsvorschriften gefordert werden. In Abb. 3.52 ist als Beispiel eine Betriebsanweisung für Kranarbeiten dargestellt, die entsprechend DGUV Vorschrift 52 erarbeitet wurde. Betriebsanweisungen in dieser Form und ähnlich sind gebräuchlich für den Umgang mit Gefahrstoffen, wie auch für die Nutzung technischer Arbeitsmittel. Sie sind meist als Muster-Betriebsanweisungen über die Berufsgenossenschaften zu beziehen. Beispiele sind Betriebsanweisungen für: Nutzung von Anlagen mit wassergefährdenden Stoffen (s. Muster-Inhaltsverzeichnis einer Betriebsanweisung in Tab. 2.19, Abschn.2.3.2, d)), Umgang mit Gefahrstoffen (s. Abb. 2.8 in Abschn. 2.3.2, f)), Betrieb, Wartung und Prüfung von Dampfkesselanlagen, Arbeiten in explosionsgefährdeten Bereichen, Arbeiten mit Kranen und anderen kraftbetätigten Hebezeugen, Führen von Flurförderzeugen (Gabelstapler). 2. Kategorie: Betriebsanweisungen, die gemäß der gegebenen allgemeinen und anlagenspezifischen Gefährdungssituation und den eigenen Sicherheitserwägungen, vom Management für notwendig erachtet werden. Für den Betrieb verfahrenstechnischer Anlagen reichen die gesetzlich vorgeschriebenen „Pflichtbetriebsanweisungen“ der 1. Kategorie nicht. Das häufig vorhandene, hohe Gefährdungs- und Risikopotential dieser Anlagen, welches neben den Menschen ebenso die Umwelt und das Betriebsvermögen betrifft, erfordert auch für andere betriebliche Tätigkeiten zwingende, detaillierte Vorgaben an das Personal. Beispiele derartiger Betriebsanweisungen, die sehr standort- und/oder kundenbzw. betriebsspezifisch sein können, sind: Tragen von persönlicher Schutzausrüstung, Befahren von Gruben, Behältern und Rohrleitungen, Arbeiten in engen oder schwer zugänglichen Räumen oder Ausrüstungen, Erteilung von Arbeitsfreigaben, Einweisung und Unterweisung von Personen, Arbeiten mit möglicher gegenseitiger Gefährdung, Verhalten bei Unfällen.
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Abb. 3.52 Betriebsanweisung nach DGUV Vorschrift 52 für Transportarbeiten mit flurgesteuer-
tem Kran [67] Bem.: Dieser Entwurf muss durch arbeitsplatz- und tätigkeitsbezogene Angaben ergänzt werden.
3.7 Betriebsdokumentation
287
Allgemeine Tendenzen im betrieblichen Umfeld vieler Anlagenstandorte, wie z.B. Beschäftigen von weniger qualifizierten und unerfahrenen Anlagenpersonal, Verständigungsschwierigkeiten durch unterschiedliche Sprachen, zunehmende Ausgliederung von Produktions- und Dienstleistungen an Externe, erhöhte Unwettergefahren (Gewitter, Starkregen, Überschwemmung, Sturm, Glatteis), verstärkte kriminelle Aktivitäten (Einbruch, Diebstahl, Hacker-Angriffe, Terrorismus) machen immer mehr Betriebsanweisungen nötig, um das Personal zu unterstützen bzw. sein Verhalten zu steuern. 3. Kategorie: Betriebsanweisungen, die für die Inbetriebnahme inkl. Anfahren, den Dauerbetrieb inkl. Störungen und die Außerbetriebnahme inkl. Abfahren/Stillstand der Anlage inkl. Package-units und Komponenten benötigt werden. Ein Teil dieser Betriebsanweisungen wird mitunter auch als Inbetriebnahmeanweisung (Synonym: Anfahranweisung) bezeichnet [5]. Von besonderer Bedeutung sind derartige Anweisungen während der Erstinbetriebnahme einer verfahrenstechnischen Anlage, die i.d.R. mit vielen Unwägbarkeiten verbunden ist. In den Anweisungen müssen auch Vorgaben/Hinweise zum Abfahren und zur Außerbetriebnahme sowie zum Verhalten bei technologischen und/oder technischen Störungen gemacht werden. Die Angaben in Tabelle 3.59 belegen diese Spezifik und Vielfalt am Beispiel einer komplizierten, neuartigen Kunststoffanlage. Tabelle 3.59 Arten von Inbetriebnahmeanweisungen einer Kunststoffanlage (Praxisbeispiel) 1 Anweisungen für die Inbetriebnahmevorbereitung, z.B. für das Reinigen der Anlage, die Durchführung bestimmter Sicherheitsprüfungen, die Durchführung von Funktionsprüfungen, die Durchführung bestimmter Dichtheitsprüfungen. 2 Anweisungen für die Erst- und Wiederinbetriebnahme, z.B. für das Einfüllen und Aktivieren von Katalysatoren, das Anfahren und Hochfahren von Teilanlagen bzw. der Gesamtanlage, das Einfahren der Anlage in den Nennzustand, das Verhalten bei Störungen, das Wiederanfahren nach NOT-HALT und NOT-AUS. 3 Anweisungen für den Dauerbetrieb, z.B. für den Übergang in einen anderen Betriebszustand, den Übergang zu einer anderen Produktfahrweise, das Verhalten bei extremen Winterbedingungen, das Verhalten bei definierten abweichenden Betriebsbedingungen, die Entnahme und Analyse von Proben, die Durchführung von Versandarbeiten. 4 Anweisungen für das Abfahren bzw. die Außerbetriebnahme, z.B. für das Abfahren in einem Stand-by-Zustand, die Außerbetriebnahme für einen Stillstand, die Notabschaltung, das Reparaturfreimachen von Teilanlagen bzw. der Gesamtanlage, die Vorbereitung der Anlage zur Wiederinbetriebnahme.
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Bewährt hat sich in der Praxis der modulare Aufbau der Anfahranweisungen in zwei Schritten. Im 1. Schritt wird die Gesamtanlage in sog. Ausrüstungstypicals unterteilt. Dies sind gleichartige Hauptausrüstungen (mitunter auch Package-units), die einheitlich gehandhabt werden können. Für die Inbetriebnahme dieser Typicals werden Standardanweisungen (Typical-Anweisungen) erarbeitet. In der Anweisung sind unbedingt die Anfahrvoraussetzungenen zu definieren und vor ANZEIGE DER BETRIEBSBEREITSCHAFT ein Anfahrcheck nachzuweisen. Zugleich sind Hinweise zum Verhalten bei Störungen zu geben, z.B. bei Alarmen und Eingriffen. Tabelle 3.60 enthält die Gliederung einer Anfahranweisung für eine magnetgekuppelte Kreiselpumpe. Die Typical-Anweisungen basieren auf der Betriebsanleitung der jeweiligen Hauptausrüstung oder Package-unit. Tabelle 3.60 Gliederung einer Anweisung für Ausrüstungstypical „Magnetgekuppelte Chemienormpumpe“ (Praxisbeispiel) 1
2
3
4
5 6 7
Geltungsbereich sachlich, personell, zeitlich Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten Allgemeine Angaben zur Charakterisierung des Ausrüstungstypicals Hersteller, Kennzeichnung Verwendungszweck, Einordnung in Anlage allgemeine Hinweise zur Nutzung Herstellung der Betriebsbereitschaft des Ausrüstungstypicals 3.1 Angaben zur Gewährleistung der Sicherheit Hinweise auf Gefahren spezifische Verhaltensregeln und Sicherheitsanforderungen notwendige Unterweisungen 3.2 Durchführung von Sicherheits- und „Kalt-Funktionsprüfungen“ Vorgaben zu Prüfungen inkl. Dokumentation Checkliste für Beginn der Prüfungen Vorgaben zur Durchführung inkl. Nachweispflicht 3.3 Erklärung der Betriebsbereitschaft (Freigabeprozedur) Durchführung der Inbetriebnahme und Betrieb des Ausrüstungstypicals 4.1 Vorgaben zum erstmaligen Anfahren 4.2 Vorgaben zur Durchführung von „Heiß-Funktionsprüfungen“ 4.3 Vorgaben/Hinweise zum Betrieb 4.4 Vorgaben zur Außerbetriebnahme Verhalten bei Störungen z.B. Auszüge aus Betriebsanleitungen Bemerkungen z.B. Hinweise zur Wartung, Kontaktadressen Unterschriften
In einem 2. Schritt werden dann übergreifende Systemanweisungen erarbeitet, wobei auf die vorgenannten Ausrüstungstypical-Anweisungen verwiesen wird. Die hierarchische und modulare Strukturierung der Anweisungen für die Inbetriebnahme und den Dauerbetrieb verringert nicht nur den Arbeits- und Textumfang, sie vermeidet auch Redundanzen zwischen den Dokumenten und ist änderungsfreundlich.
3.7 Betriebsdokumentation
289
Neben den angeführten Betriebsanweisungen gibt es in verfahrenstechnischen Anlagen weitere Anweisungen, die speziellen Zielen dienen. Beispiele sind: Verfahrensanweisungen (Prozedur im Qualitätsmanagement-System), Instandhaltungsanweisungen (in der Instandhaltungsdokumentation), Prüfanweisungen (im QM-Handbuch bzw. in der Prüfdokumentation), Standard Operating Procedure (SOP) (vorrangig in Pharmaprojekten). Insgesamt ist die Vielfalt an Anweisungen und insbesondere an Betriebsanweisungen im verfahrenstechnischen Anlagenbau und -betrieb hoch. Die zahlreichen Dokumentenarten des Betriebshandbuchs (s. Tab. 3.54) sind dafür Beleg.
3.7.3 Instandhaltungsdokumentation Die Instandhaltungsdokumentation beinhaltet alle relevanten technisch-organisatorischen Informationen, Regeln, Anweisungen usw. für die Anlageninstandhaltung. Die Instandhaltung von technischen Systemen soll den funktionsfähigen Zustand erhalten oder bei Ausfall wieder herstellen. Sie umfasst folgende Hauptmaßnahmen [68]: Inspektion:
Maßnahmen zur Feststellung und Beurteilung des Istzustandes einer Betrachtungseinheit einschließlich der Bestimmung der Ursachen der Abnutzung und dem Ableiten der notwendigen Konsequenzen für eine künftige Nutzung
Wartung:
Maßnahmen zur Verzögerung des Abbaus des vorhandenen Abnutzungsvorrates der Betrachtungseinheit
Instandsetzung: Maßnahmen zur Rückführung einer Betrachtungseinheit in den funktionsfähigen Zustand, mit Ausnahme von Verbesserung Verbesserung:
Kombination aller technischen und administrativen Maßnahmen sowie Maßnahmen des Managements zur Steigerung der Funktionssicherheit einer Betrachtungseinheit, ohne die von ihr geforderte Funktion zu ändern
Die Trennung in Betriebshandbuch und Instandhaltungsdokumentation ist sinnvoll, da diese nicht nur verschiedene Tätigkeiten widerspiegeln, sondern auch unterschiedlichen Unternehmen und Personengruppen als Arbeitsgrundlage dienen. Wichtige Dokumentenarten der Instandhaltungsdokumentation sind in Tab. 3.61 sowie im Praxisbeispiel in Tab. 3.62 enthalten. Tabelle 3.61 Dokumentenarten der Instandhaltungsdokumentation Allgemeine Sicherheitsvorschriften u.a. sicherheitstechnische Hinweise zu Inspektions-, Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten Vorschriften/Anweisungen zur Einweisung und Vorbereitung des Instandhaltungspersonals Vorschriften/Anweisungen zur Arbeitsfreigabe Vorschriften/Anweisungen zur Beaufsichtigung und Kontrolle und ggf. Mitwirkung des Operatorpersonals Inspektionspläne Wartungs- und Schmierpläne Pläne für zustandsorientierte Instandhaltung Pläne für vorbeugende Instandhaltung Anweisungen für Instandhaltung während des Anlagenbetriebs, darunter ▪ Anweisungen zur Inspektion und Wartung ▪ Anweisungen zur störungsbedingten Instandsetzung
290
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Tab. 3.61 (Fortsetzung) Anweisungen für Instandhaltung während des Anlagenbetriebs (Fortsetzung) ▪ Anweisungen zur zustandsorientierten Instandsetzung Anweisungen zur Instandhaltung bei Stillständen Anweisungen zur wiederkehrenden Prüfung Anweisungen zum Auswechseln von Verschleißteilen nebst zugehörigen Zeichnungen Kalibrier- und Eichvorschriften für MSR (u.U. im Betriebshandbuch) Prüfvorschriften u.ä. für Prozessanalysatoren (u.U. im Betriebshandbuch) Vorschriften zur Ersatz- und Verschleißteilbevorratung inkl. Beschaffung Ggf. zugehörige beschreibende Anlagendokumente auf die in Anweisungen Bezug genommen bzw. verwiesen wird, wie z.B. ▪ Auszüge aus Anlagen- und Funktionsbeschreibungen ▪ Übersichtsschaltpläne ▪ div. Konstruktionszeichnungen ▪ div. Herstellerunterlagen
Grundsätzlich gilt für Instandhaltungsanweisungen sinngemäß das gleiche wie für Betriebsanweisungen in Abschn. 3.7.2.2 ausgeführt. Das Inhaltsverzeichnis einer Instandhaltungsdokumentation zeigt Tabelle 3.62. Tabelle 3.62 Gliederung einer Instandhaltungsdokumentation (Praxisbeispiel) 1
Zielstellung und Benutzerhinweise
2
Grundsätze zur Sicherheit sowie zum Gesundheits- und Umweltschutz
3
Organisationsstruktur 3.1 Betriebsstrukturen 3.2 Einbindung von Fremdfirmenmitarbeitern 3.3 Besonderheiten im Stillstand 3.4 Auslösung von Aufträgen
4
Instandhaltungsstrategien 4.1 Inspektion und Wartung 4.2 Störungsbedingte Instandhaltung 4.3 Zustandsorientierte Instandhaltung 4.4 Instandhaltung bei Stillständen 4.5 Richtlinie für Vergabe von Instandhaltungsarbeiten
5
Ersatz- und Verschleißteillisten
6
Ablauforganisation und Anweisungen zur Instandhaltung 6.1 Inspektion und Wartung 6.1.1 Wartungs- und Inspektionsplan 6.1.2 Freigaben für Wartung/Inspektion 6.1.3 Anweisungen für Wartungs-/Inspektionsmaßnahmen 6.1.4 Abrechnung von Leistungen 6.1.5 Auswertung und Dokumentation 6.2 Störungsbedingte Instandsetzung 6.2.1 Identifizierung der Instandsetzungsmaßnahmen 6.2.2 Freigaben für Instandsetzung 6.2.2 Anweisungen für Instandsetzungsarbeiten 6.2.3 Abrechnung von Leistungen 6.2.4 Auswertung und Dokumentation
3.7 Betriebsdokumentation
291
Tab. 3.62 (Fortsetzung) 6.3 Zustandsorientierte Instandsetzung 6.3.1 Freigaben für Instandsetzung 6.3.2 Anweisungen für Instandsetzungsarbeiten 6.3.3 Abrechnung von Leistungen 6.3.4 Auswertung und Dokumentation 6.4 Instandsetzung bei Stillständen 6.4.1 Anweisungen für Instandsetzungsarbeiten 6.4.2 Abrechnung von Leistungen 6.4.3 Auswertung und Dokumentation
3.7.4 Betriebstagebuch Der Begriff Betriebstagebuch ist in der Abfall- und Abwasserwirtschaft gebräuchlich. Das Betriebstagebuch hat alle für den Betrieb der Abfallentsorgungs- bzw. Abwasseranlage wesentlichen Daten zu enthalten. Es ist nachvollziehbar zu dokumentieren, dass jederzeit die erteilte Genehmigung und die Anforderungen aus den geltenden Rechtsvorschriften eingehalten wurden. In Tabelle 3.63 ist ein praktisches Beispiel dargestellt. Tabelle 3.63 Hauptpunkte des Betriebstagebuchs einer Kunststoff-Recyclinganlage (Praxisbeispiel) 1 2 3 4 5
Zielstellung und Grundsätze Kurzbeschreibung der Anlage Betriebs- und Stillstandszeiten der Anlage Vorkommnisse und Betriebsstörungen (inkl. Abhilfemaßnahmen) Nachweise für angenommene Kunststoffabfälle (Annahmebelege, Lieferscheine, Begleitzettel) 6 Fahrprotokolle der Prozessstufen 7 Probenahme- und Analysenprotokolle (von Eigenkontrollen) 8 Nachweise zur Reststoffverwertung (inkl. Entsorgungsnachweise) 9Anhang Formblätter zur Erfassung des Lagerbestands Vorgaben zu Funktionsprüfungen Richtlinie zur Instandhaltung (Wartung, Inspektion, Instandsetzung)
Folgernd aus diesem Anwendungsbeispiel wird empfohlen, Betriebstagebücher auch in anderen verfahrenstechnischen Anlagen zu nutzen. Hauptziel des Betriebstagebuchs ist, die Einhaltung des bestimmungsgemäßen Betriebs inkl. relevanter Rechtsvorschriften nachvollziehbar und gerichtsfest zu dokumentieren. Neben den Schwerpunkten in Tabelle 3.63, soweit zutreffend, kann das Betriebstagebuch für folgende weiteren Ziele genutzt werden: Nachweis des Betreibers, dass während des Anlagenbetriebs zu jedem Zeitpunkt die behördlichen Festlegungen, insbesondere die Nebenbestimmungen des Genehmigungsbescheids, eingehalten wurden. Damit sind die Voraussetzungen für die Beweislastumkehr bei Umwelthaftungsansprüchen gegeben (s. Abschn. 2.6.3). Konkret bedeutet dies, ▪ zunächst alle behördlichen Festlegungen (einzuhaltende Grenzwerte, notwendige Kontrollen und Prüfungen usw.) zu identifizieren,
292
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
▪ die erforderlichen Messungen und sonstigen Prüfungen durchzuführen und ▪ die Ergebnisse/Nachweise nachvollziehbar zu dokumentieren. Das Betriebstagebuch kann dafür den geeigneten Ordnungsrahmen bilden und die Grundlage für die Archivierung dieser Daten. Erfassen von Alarmen bzw. Grenzwertüberschreitungen, sodass die Ursachen von Alarmierungen analysiert und Änderungsmaßnahmen abgeleitet werden können. Erfassen von ausgewählten Betriebsparametern, die eine fundierte Prozess- und Anlagenanalyse im Hinblick einer höheren Wirtschaftlichkeit ermöglichen. Erfassen von Fahrprotokollen/-berichten (Batch-, Versuchs-, Reinigungsprotokolle), um die vorgabe- und qualitätsgerechte Produktherstellung zu belegen (z.B. in Pharmaanlagen). Mögliche Dokumentenarten des Betriebstagebuchs sind in Tab. 3.64 enthalten. Tabelle 3.64 Dokumentenarten des Betriebstagebuchs Unterlagen zum Nachweis des bestimmungsgemäßen Betriebes ▪ Protokolle bzw. Registrierunterlagen von signifikanten Prozessgrößen ▪ Analysenprotokolle und Registrierstreifen von Prozessanalysengeräten ▪ Emissionserklärungen nach 11. BImSchV ▪ Betriebstagebuch (z.B. zum Nachweis der Einleitwerte n. WHG) ▪ Alarm- und Störprotokolle ▪ Nachweise im Sinne des UmweltHG bzw. des ProdHaftG Unterlagen zur Erfassung, Registrierung, Auswertung u.a. nichtbestimmungsgemäßer Betriebszustände Unterlagen zur nachweislichen Einhaltung gesetzlicher, behördlicher u.a. verbindlicher Auflagen Alarmlisten und Alarmprotokolle kontrollierte und primär ausgewertete/verdichtete Prozessparameter für Prozess- und Anlagenanalysen (Lessons Learned) Unterlagen zum Qualitätsnachweis der Produkte
3.7.5 Prüfdokumentation Die Sicherheitspflichten für die Errichter und Betreiber verfahrenstechnischer Anlagen sind sehr umfangreich. Die zugehörigen Dokumente beeinflussen das Leben einer Dokumentation entscheidend. Dabei ist zwischen Dokumentenarten für Arbeitssicherheit und für Anlagensicherheit zu unterscheiden. Die arbeitssicherheitlichen Dokumentenarten, insbesondere die Betriebs- und Instandhaltungsanweisungen, wurden bereits in den Abschn. 3.7.2 und 3.7.3 betrachtet. Sie sind überschaubar und ihr Handling ist i.d.R. in allen Lebensphasen der Anlage geregelt. Schwieriger ist die pflichtgemäße Beschaffung bzw. Erarbeitung der Dokumentenarten zum Nachweis der Anlagensicherheit, die i.Allg. als fachspezifische Prüfdokumente vorliegen und der Anlagendokumentation zuzuordnen sind (s. Abschn. 3.6.3.6). Die Herausforderungen im Umgang mit diesen Dokumenten sind u.a. folgende: die Zahl der Prüf-/Nachweisdokumente ist groß und resultiert aus vielen Vorschriften, die Dokumente sind von vielen verschiedenen Unternehmen und Personen zu erarbeiten bzw. zu liefern. der Ablageort (gegenständlich und elektronisch) der Prüf- und Nachweisdokumente in der Anlagendokumentation ist nicht eindeutig und teils zerstreut (s. Abschn. 3.6.3.6).
3.7 Betriebsdokumentation
293
die Prüf- und Nachweisdokumente werden oftmals für wiederkehrende Prüfungen benötigt. Das heißt, die Art und Weise ihrer Ablage nach der Anlagenerrichtung sollte derart erfolgen, dass sie für wiederkehrende Prüfungen (z.B. im Sinne einer Lebenslaufakte des Prüfobjekts) zweckmäßig genutzt werden kann (s. auch Abschn. 6.3). Für die Inbetriebnahme- und Betriebsleiter verfahrenstechnischer Anlagen ist es in der Praxis oft sehr schwierig zu beurteilen, ob zum gegebenen Zeitpunkt (z.B. Beginn der Erstinbetriebnahme) alle notwendigen sicherheits- und rechtsrelevanten Dokumente vorliegen. Nicht wenige Führungskräfte befürchten, wegen nicht durchgeführter Prüfungen bzw. wegen fehlender Prüfungsnachweise eine Sorgfaltspflichtverletzung zu begehen. Zur Lösung dieses Problems kann aus Sicht der Verfasser eine anlagenspezifische Prüfdokumentation gemäß folgender Definition wesentlich beitragen. Die Prüfdokumentation (Synonym: Prüfhandbuch) ist eine Zusammenstellung von rechts- und vertragsrelevanten Prüfpflichten und Prüfergebnissen sowie von ergänzenden Hinweisen zur Vorbereitung, Durchführung, Dokumentation und Erfüllungskontrolle der notwendigen Prüfungen im Leben einer Anlage.
Die Prüfdokumentation mit den notwendigen Sicherheitsprüfungen vor Inbetriebnahme (s. Tab. 3.31 in Abschn. 3.6.3.6) sollte gegen Ende des Detail Engineering begonnen und während der Bau-/Montagephase sukzessive als Arbeitsunterlage fertiggestellt werden. Das Inbetriebnahmeteam nutzt die Prüfdokumentation erstmalig für die Verwaltung der notwendigen „Prüfungen vor Inbetriebnahme“, ggf. mittels der betrieblichen OfficeTools. Der Anlagenbetreiber kann die Prüfdokumentation inkl. Anlagenprüfkataster (s. Abschn. 6.3.2) später als Grundlage für die wiederkehrenden Prüfungen nutzen. Funktionsprüfungen und Instandhaltungsmaßnahmen (IH) gehören nicht in die Prüfdokumentation. Die Funktionsprüfungen der Anlagenkomponenten, Package-units der verfahrenstechnischen Gesamtanlage werden in der jeweiligen Betriebsanleitung (s. Abschn. 3.6.3.2, a) bis c)) beschrieben und vorgegeben. Die IH-Maßnahmen werden im Instandhaltungshandbuch (s. Abschn. 3.7.3) verwaltet. Die Prüfdokumentation sollte analog zur Anlagendokumentation strukturiert sein. Für jede definierte prüfpflichtige Anlage, Teilanlage (Package-unit) oder Hauptausrüstung sind die Prüfschwerpunkte gemäß Tab. 3.65 zu planen und zu erfassen. Tabelle 3.65 Schwerpunkte der Prüfdokumentation inkl. Anlagenprüfkataster
Zusammenstellung aller sicherheitsrelevanten Prüfungen vor Inbetriebnahme Zusammenstellung aller wiederkehrenden Sicherheitsprüfungen Spezifikationen der erforderlichen Arbeiten Angaben der Zeitintervalle und Zeitpunkte der durchzuführenden Arbeiten rechtlichen Grundlagen zur Durchführung der Prüfungen Anforderungen an die Qualifikation der Durchführenden organisatorische Maßnahmen zur Vorbereitung und Durchführung der Prüfung spezielle technische Maßnahmen zur Vorbereitung und Durchführung der Prüfung die Beschreibung von Form und Umfang der Dokumentation Regeln zur Aufbewahrung (gegenständlich und/oder digital) einzelner Prüfbücher von Produkten (Anlagenkomponenten), z.B. Behälterbücher, Apparatebücher, Rohrleitungsbücher oder Kranbücher, innerhalb der ganzheitlichen Prüfdokumentation
294
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Die einzelnen Dokumentenarten aller Prüf- und Nachweisdokumente sind in Abschn. 3.6.3.6 sowie den zusammengestellten Dokumentenarten der einzelnen Fachdisziplinen in den Abschn. 3.6.4 bis 3.6.10 zu entnehmen. Die rechnerseitige Verwaltung der Prüfpflichten erfolgt häufig, analog zu den Instandhaltungsmaßnahmen, mit der ERP-Software des Betriebes (z.B. SAP). Zugleich können mit dieser Software die Prüfaufträge bearbeitet, die Erledigung festgestellter Mängelpunkte kontrolliert sowie die anfallenden Prüfdokumente gespeichert und verwaltet werden. Beispiel 3.2 Anlagenspezifisches Prüfprogramm für die obertägigen Anlagen eines Erdgasspeichers (s. Abb. 3.53) Während der Errichtung einer Erdgas-Speicheranlage auf der „grünen Wiese“ und im Rahmen eines EPCM-Vertrags wurde ca. 3 Monate vor der MECHANISCHEN FERTIGSTELLUNG ein sog. Inbetriebnahme-Audit durchgeführt. Ziel war es, die Projektsituation, inkl. aktueller Baustellensituation, aus Sicht der Inbetriebnahme zu auditieren und möglichst frühzeitig eventuelle Schwachpunkte zu erkennen und zu beheben. Die Speicheranlage enthielt zahlreichen prüfpflichtigen Anlagenkomponenten. Während der Auditierung wurde festgestellt, dass es für die Durchführung der Sicherheitsprüfungen bisher kein ganzheitliches Prüfprogramm gab. Die Sicherheitsprüfungen sollten gemäß der aktuellen Bau-/Montagesituation und den Erfahrungen des Generalplaners individuell geplant und realisiert werden. Auf Grund des erheblichen Prüfumfangs von über 1000 Einzelprüfungen (inkl. PLTSchutzeinrichtungen) wurde nach Abstimmung mit dem Kunden die Erarbeitung eines „Anlagespezifischen Prüfprogramms für die Gesamtanlage“ (im Sinne eines Prüfhandbuchs) beschlossen. Das Prüfprogramm sollte die Prüfpflichten unterteilen in: Gesamtanlage, inkl. genehmigungs- und prozessrelevante Pflichten, Bau/Stahlbau, Maschinen/Apparate/Behälter, Rohrleitungen, Elektrotechnik, Mess-Steuer-Regelungstechnik, inkl. Prozessleitsystem, Sonstiges. Die Mitwirkungsleistungen des Auftraggebers waren einzubeziehen. Das ganzheitliche Prüfprogramm wurde mit Nachdruck erarbeitet, geprüft und freigegeben (s. Abb.3.53). Es war die Grundlage für die Vorbereitung, Durchführung und Dokumentation aller rechtsrelevanten Prüfungen vor und in wenigen Fällen auch während der Inbetriebnahme. Zugleich diente die tabellarische Form auch zur Erfüllungskontrolle und als Erfüllungsnachweis. Im Ergebnis konnten, u.a. auf Grund dieser Maßnahme, alle Prüfungen termin- und qualitätsgerecht erbracht und nachvollziehbar dokumentiert werden. Im Zusammenhang mit der Protokollierung MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG bestätige der Gesamt-Sachverständige des TÜV, dass es für den „Beginn der Inbetriebnahme keinerlei sicherheitsrelevante Einschränken“ gibt. Unmittelbar nach der Inbetriebnahme wurden die aktuellen (as-built) Informationen aus dem Prüfprogramm in das ERP-System des Betreibers eingepflegt und somit für zukünftige Prüfungen effektiv genutzt.
3.7 Betriebsdokumentation
295
Abb. 3.53 Anlagenspezifisches Prüfprogramm (Anlagenprüfkataster) der obertägigen Anlagen eines Erdgasspeichers (Auszug)
296
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
3.7.6 Sicherheitsmanagementhandbuch Im Sicherheitsmanagementhandbuch sind die grundsätzlichen Regelungen des Unternehmens über Gesundheitsschutz Sicherheit Umweltschutz (GSU) während der Projekte und im Betrieb enthalten. Dazu gehören beispielsweise (s. auch Tab. 3.66): Die Formulierung und Erläuterung der Unternehmensgrundsätze zum Gesundheitsschutz, zur Sicherheit und zum Umweltschutz, wie z.B. der Leitsätze: Im Zweifel hat Sicherheit Vorrang! Jeder Unfall ist vermeidbar! Information über eine ggf. erfolgte SCC-Zertifizierung (Sicherheits-CertifikatContraktoren) des Sicherheitsmanagementsystems des Unternehmens bzw. entsprechende Forderungen gegenüber Kontraktoren. Auszüge aus Managementhandbüchern, Global-Solutions, Project-Guidelines usw. über Ziele und Aufgaben des GSU und ihre betriebliche Umsetzung. Festlegungen über die Verantwortlichkeiten betreffs GSU im Betrieb, inkl. der vollzogenen Pflichtenübertragungen. Grundsätze und Richtlinien über die Durchführung, Auswertung und Dokumentation von Risikobeurteilungen während der Projektabwicklung bzw. für bestehende Anlagen. Im Einzelnen können dies sein: Festlegung der Haltepunkte (Gates) bzw. Fristen in denen Risikobeurteilungen im Projekt bzw. im laufenden Betrieb durchzuführen sind, Festlegung der betreffenden Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, Methoden zur Identifizierung der Risiken/Gefährdungen (HAZID), Methoden zur Risikobeurteilung (Technical Review, HAZOP, WHAT-IF, FMEA), Methoden und Vorgaben zur Quantifizierung und Bewertung der Risiken/Gefährdungen. Grundsätze und Richtlinien zur Gewährleistung der Arbeitssicherheit auf Baustellen und im Betrieb. Grundsätze und Richtlinien zur Durchführung, Auswertung und Dokumentation von Gefährdungsbeurteilungen im Projekt bzw. Betrieb. Festlegungen über die Auswertung und Präsentation der Ergebnisse zu GesundheitsschutzSicherheitUmweltschutz auf der Baustelle und im Betrieb. Tabelle 3.66 Wichtige Dokumentenarten im Sicherheitsmanagementhandbuch Grundsätze zu GSU im Unternehmen Nachweis der SCC-Zertifizierung geltende DGUV-Vorschriften u.a. Rechtsvorschriften bzw. Sicherheitsregeln zum Arbeitsschutz, inkl. abgeleiteter Unternehmensrichtlinien Grundsätze zu Risikobeurteilungen Grundsätze zu Gefährdungsbeurteilungen betriebliche Dokumente zur Arbeitssicherheit bezüglich ▪ Maschinen, Geräte u.a. technische Einrichtungen ▪ Gefahrstoffe und Schutzmaßnahmen ▪ Arbeitsstätten und Arbeitsschutzmittel ▪ Arbeitsschutzorganisation im Betrieb ▪ Arbeitszeit u.a. Regelungen ▪ Schutz bestimmter Personengruppen ▪ Arbeitsschutzbelehrungen, Anweisungen, Unterweisungen usw.
3.7 Betriebsdokumentation
297
Einige der angeführten grundsätzlichen Regelungen werden im Betriebshandbuch in konkrete Handlungsanweisungen für die Beschäftigten umgesetzt. Sie stehen zugleich in einem Zusammenhang mit den Unternehmensgrundsätzen zur Qualitätssicherung (s. Abschn. 3.7.7). Mitunter werden die GSU-Grundsätze und abgeleiteten Richtlinien gemeinsam mit den Aspekten des Qualitätsmanagement betrachtet und in einem übergreifenden Managementhandbuch zusammengefasst.
3.7.7 Qualitätsmanagementhandbuch Die Qualität von Produkten und Dienstleistungen ist ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor. Soll dauerhaft Qualität geliefert werden, ist die Organisation von Arbeitsabläufen und Verantwortlichkeiten entscheidend. Diese Regelungen werden im Qualitätsmanagementhandbuch (QM-HB) beschrieben. Der hierarchische Aufbau und wesentliche Dokumentenarten eines QM-Handbuchs zeigt Abb. 3.54.
Abb. 3.54 Struktur und Dokumentenarten eines Qualitätsmanagementhandbuchs (Praxisbeispiel)
Ausgehend von der „Qualitätspolitik“ des Unternehmens sind zunächst die wichtigen Geschäftsprozesse zu identifizieren und zu beschreiben. Dem schließt sich die Erarbeitung von Verfahrensanweisungen an, in denen die komplexen Abläufe und Schnittstellen der Geschäftsprozesse übersichtlich dargestellt werden. Die Verfahrens- bzw. Prozeduranweisungen enthalten fachliches und organisatorisches Know-how in Form von Graphen, Tabellen, Checklisten, Formularen. Ein Praxisbeispiel zur Dokumentenlenkung (elektronisch und gegenständlich) in Anlehnung an die DIN EN ISO 9001 [69] ist auf Abb. 3.55 dargestellt.
298
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Abb. 3.55 Ablaufgraph der Verfahrensanweisung „Lenkung dokumentierter Information“ eines Ingenieurbüros (Praxisbeispiel)
Da die QM-Normen allgemeingültig verfasst wurden, sind die Formulierungen mitunter sehr abstrakt und für das Betriebspersonal schwer verständlich. Das QM-Handbuch des Betriebs muss deshalb in verständlicher Weise und in der täglichen „Begriffswelt“ der Betroffenen formuliert werden. Ansonsten findet es keine Akzeptanz und wird in der betrieblichen Praxis nicht „gelebt“.
3.7.8 Umweltmanagementhandbuch Eine wichtige rechtliche Basis für Umweltmanagementsysteme (UMS) stellt die EGUmweltaudit-Verordnung [70] dar, die den Begriff wie folgt definiert: Umweltmanagementsystem (UMS) ist der Teil des gesamten Managementsystems, der die Organisationsstruktur, Planungstätigkeiten, Verantwortlichkeiten, Verhaltensweisen, Vorgehensweisen, Verfahren und Mittel für die Festlegung, Durchführung, Verwirklichung, Überprüfung und Fortführung der Umweltpolitik und das Management der Umweltaspekte umfasst.
3.8 Rückbaudokumentation
299
Die dazu notwendigen Regelungen und Anweisungen sind im Umweltmanagementhandbuch (UM-HB) angeführt. Die Umweltbehörden der Länder stellen MusterInhaltsverzeichnisse für derartige UM-HB bereit. Das UMS und das entsprechende Handbuch gliedern sich, ähnlich wie in Abb. 3.54, in folgende Ebenen: Umweltpolitik/-strategie/-ziele, Identifizierung und Beschreibung umweltrelevanter Prozesse, Umweltverfahrensanweisungen (UVA), Umweltarbeitsanweisungen (UAA). Methodik und Begriffe sind ähnlich dem Qualitätsmanagement. In der betrieblichen Praxis werden deshalb z.T. die Qualitäts- und Umweltaspekte in einem Handbuch zusammengefasst. Mitunter werden die Ziele sowie die Verfahrens- und Arbeitsanweisungen zum betrieblichen Umweltschutz auch in das Qualitätsmanagementhandbuch integriert. Im Weiteren wird die Thematik nicht weiter vertieft und auf die zahlreichen Veröffentlichungen [70][71][72] verwiesen.
3.8 Rückbaudokumentation Der Rückbau umfasst die Gesamtheit der Tätigkeiten für Außerbetriebnahme (Stilllegung), Abriss (Abbruch), Demontage und Entsorgung der Anlage. Die zugehörige Rückbaudokumentation beschreibt die letzte Phase im Leben der Anlage. Die Vorgehensweise beim Rückbau verfahrenstechnischer Anlagen ist insbesondere von folgenden Einflussfaktoren abhängig: Standort der rückzubauenden Anlage (Rechtslage, Umfeld, Arbeitskräfte), Art der rückzubauenden Anlage (Materialien, Kontamination, Zugänglichkeit), Umfang der Rückbaumaßnahme (Tonnage, Kosten, Fristen), Maßnahmen zur Stilllegung und Freigabe für den Rückbau, anzuwendende Rückbautechnologie (Demontage, Schneiden, Zertrümmern), Verwertungs-/Entsorgungsmöglichkeiten der Materialien (Recycling, Deponie), Gefährdungen und Schutzmaßnahmen. a) Genehmigungsdokumente für den Rückbau Für Anlagen, die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz [16] genehmigungsbedürftig sind, gilt gemäß § 15 (Änderung genehmigungsbedürftiger Anlagen): (3) Beabsichtigt der Betreiber, den Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage einzustellen, so hat er dies unter Angabe des Zeitpunktes der Einstellung der zuständigen Behörde unverzüglich anzuzeigen. Der Anzeige sind Unterlagen über die vom Betreiber vorgesehenen Maßnahmen zur Erfüllung der sich aus § 5 Absatz 3 und 4 ergebenden Pflichten beizufügen. Die Sätze 1 und 2 gelten für die in Absatz 1 Satz 5 bezeichneten Anlagen entsprechend.
Unter § 5 (Pflichten der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen) fordert der Gesetzgeber: (3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung 1. von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können,
300
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen 2. vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und 3. die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Betriebsgeländes gewährleistet ist.
In der Anzeige ist die Einhaltung dieser Vorgaben sowie sonstiger Rechtsvorschriften, nachzuweisen. Dabei gilt nach § 16 Abs. 1, Satz 2 (Wesentliche Änderung genehmigungsbedürftiger Anlagen) (d. Verf.: Stilllegung und Rückbau sind wesentliche Änderungen): Eine Genehmigung ist nicht erforderlich, wenn durch die Änderung hervorgerufene nachteilige Auswirkungen offensichtlich gering sind und die Erfüllung der sich aus § 6 Absatz 1 Nummer 1 ergebenden Anforderungen sichergestellt ist.
Auf Grundlage der Anzeige inkl. zugehöriger Unterlagen hat die Genehmigungsbehörde über das weitere Vorgehen/Verfahren, u.U. nachdem sie zusätzliche Untersuchungen und Prüfungen veranlasst hatte, zu entscheiden. Das Ergebnis ist i.d.R. ein Bescheid, in dem die Einhaltung behördlicher Auflagen in Form von Nebenbestimmungen aufgeführt sind (s. Beispiel in [73]). Die Nebenbestimmungen fordern i.Allg. die „Überwachung und Dokumentation der Rückbauarbeiten“ durch einen zugelassenen Sachverständigen. Unterliegt die verfahrenstechnische Anlage nicht dem BImSchG, so ist i.Allg. nach dem Abfallrecht und/oder dem Baurecht zu verfahren. Die Anzeige- und Dokumentationspflichten des Anlageneigentümers gegenüber der Bauaufsichtsbehörde sind weitgehend ähnlich wie bei BImSchG-Anlagen und setzen im Wesentlichen eine Entwurfsplanung der Abbruchmaßnahmen voraus (s. Tab. 3.67). Tabelle 3.67 Unterlagen zum Antrag auf Abbruchgenehmigung (nicht BImSchG-Anlage) [74]
konstruktive Gegebenheiten und Besonderheiten statische Verhältnisse Umfang und Reihenfolge der Abbrucharbeiten Abbruchmethoden Geräte- und Maschineneinsatz Hilfskonstruktionen, Gerüste, Aufstiege, Schutzdächer, Seile, Schläuche Tragfähigkeit befahrbarer Decken Sicherung des öffentlichen Verkehrs Schutz angrenzender oder benachbarter Objekte, z.B. Fassadenschutz, Schutzmaßnahmen an Gebäuden Zugänge zu den Arbeitsplätzen Absturzsicherungen persönliche Schutzausrüstung Absperrung von Gefahrenbereichen Schutz vor auftretenden Gefahrstoffen Entsorgung des Abbruchabfalls und kontaminierter Bausubstanzen und Erdreich
b) Maßnahmen und Dokumente für die Vorbereitung und Beauftragung zum Rückbau Für eine erfolgreiche und kostenkontrollierte Abwicklung der Rückbaumaßnahmen ist eine detaillierte Planung unabdingbar. Unvorhergesehene Abfall- und Arbeitsschutzprobleme und die damit verbundenen Behördeneingriffe müssen vermieden werden. Folgende Planungsleistungen und zugehörige Dokumente sind zu erbringen:
3.8 Rückbaudokumentation
301
Erfassen und Bewerten des Istzustands Erfassen des Abrissumfangs (Zustand, Masse, Materialien, Geometrie) von Gebäuden und Anlagenteilen als Grundlage für das Lastenheft bzw. Leistungsverzeichnisse Erfassen der Verunreinigungen und Ablagerungen innerhalb der Rohrleitungen und Ausrüstungen sowie der damit verbundenen Gefährdungen Erarbeiten einer Reinigungstechnologie und daraus abgeleiteter Anweisungen zur inneren Reinigung der Anlage Auflisten und Beschreibung aller relevanten Rest- und Schadstoffe Standortrecherche durch Begehungen und Auswerten von Bau-/Betriebsakten hinsichtlich der Kontaminierung von Bausubstanz und/oder Erdreich Analyse und ggf. Inventarisierung der kontaminierten Bausubstanz und Anlagenteile bzw. des Erdreichs (Abfallkataster) Analyse der Baustatik bzgl. kritischer Bauteile und möglicher kritischer Demontage-/Abbruchsituationen Erarbeiten eines Abbruch- und Abfallkonzepts (Basic Engineering) Erfassen der Schnittstellen der rückzubauenden Anlage zur Infrastruktur bzw. nicht betroffenen Anlagenteilen Planen der prinzipiellen technologisch-technischen Abbruchmaßnahmen (Basic Engineering) Erstellen eines Konzepts zur Abfallbergung und -trennung Darstellen der einzuhaltenden Grenzwerte und abfallrechtlichen Bestimmungen Aufzeigen von Möglichkeiten zur Abfallreduzierung, -verwertung und -entsorgung Festlegen zur gutachterlichen Begleitung des Rückbaus Erarbeiten eines Sicherheitskonzeptes für den Rückbau [74][75] Zusammenstellen relevanter Sicherheitsvorschriften, insbesondere der Arbeitsschutzmaßnahmen, für Rückbau Festlegen der notwendigen Überwachungsmaßnahmen (Sicherheitskoordinator) Konzept zur Sicherung der Umgebung vor schädlichen Immissionen (Stäube, Gase, Lärm, Erschütterung) Regeln zur Übergabe der stillgelegten Anlage für den Abbruch, inkl. der Verantwortlichkeiten Vergabe der Rückbauleistungen Erarbeiten eines Lastenhefts bzw. detaillierter Leistungsverzeichnisse Einholen von Angeboten, Vergabeverhandlungen und Beauftragung c) Maßnahmen und Dokumente für die Durchführung des Rückbaus [74][75] Wichtige Voraussetzungen für den Beginn der Demontage und/oder des Abbruchs der Anlage sind zunächst das Vorliegen aller relevanten Genehmigungen bzw. Bescheide, die Stilllegung der Anlage und die anschließende schriftliche Anlagenfreigabe seitens des Anlagenbetreibers. Weitere Einzelmaßnahmen sind: Sicherheitliche und technische Detailplanung (Detail Engineering) Bereitstellung aller notwendigen Anlagendokumente Gefährdungsbeurteilungen zu Demontage bzw. Abbruch Erarbeitung notwendiger Betriebs- und Abbruchanweisungen (s. Abb. 3.56)
302
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Abb. 3.56 Muster eine Abbruchanweisungen [74]
3.8 Rückbaudokumentation
303
Kranstudien und statischer Nachweis Regelung der Schnittstellen (Aufgaben, Verantwortung, Befugnisse) mit dem ehemaligen Anlagenbetreiber Fertigstellung eines auftragsspezifischen Baustellenhandbuchs, inkl. Organigramm und Stellenbeschreibungen Einweisung der betroffenen Personen in die Tätigkeiten auf der Baustelle Durchführen und Dokumentation der Arbeitsdurchführung Führen eines Baustellentagebuchs Dokumentation des Arbeitsfortschritts (Fotos, Fortschrittsberichte, Kosten- und Termincontrolling) sichere und nachvollziehbare Aufbewahrung der Arbeitsfreigabescheine Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden und der Öffentlichkeit Wahrnehmen und Dokumentation von Überwachungsmaßnahmen i.d.R. Bestellung eines zugelassenen Sachverständigen Überwachen und steuern der Abfallprodukte Überwachen und steuern der die Baustelle verlassenden Abfälle (Analysenprotokolle, Begleitscheine, Entsorgungsnachweise) Kontrolle der Gesundheits-/Arbeitsschutzmaßnahmen (Bestellung eines Sicherheits-Gesundheitsschutzkoordinator (SiGeKO), Begehungsprotokolle) d) Maßnahmen und Dokumente nach Beendigung des Rückbaus Ein vollzogener Anlagenrückbau erfordert i.d.R. ein Abschlussgutachten, dass eine zusammenfassende Einschätzung und Dokumentation des abbruchbegleitenden Gutachters darstellt. Es ist auch aus haftungsrechtlichen Gründen ein wichtiger Beleg für den Betreiber (Bauherrn, Eigentümer) über den ordnungsgemäßen Verlauf des Rückbaus. Das Abschlussgutachten sollte u.a. enthalten: Ergebnisse der Stilllegungsprüfungen vor Beginn des Rückbaus, Angaben über den Ablauf des Rückbaus, inkl. unterirdischer Objekte, Rückbaumassen und Nachweise zur Abfallverwertung und -entsorgung, Dokumentation der Gesundheits-/Arbeitsschutzmaßnahmen und Nachweise über durchgeführte Unterweisungen und Kontrollen, inkl. Protokolle des SiGeKo, Dokumentation der Immissionsschutzmaßnahmen und Nachweise über zugehörige Kontrollmessungen, Angaben zu Maßnahmen der Auffüllung von Baugruben sowie zum Auffüllmaterial, Bescheinigung über die ordnungsgemäße und genehmigungskonforme Durchführung des gesamten Rückbaus. Gegebenenfalls können im Abschlussgutachten auch Hinweise zur vorgesehenen Nachnutzung der rückgebauten Flächen gegeben werden. Weitere abschließende Dokumentationsleistungen sind darüber hinaus:, ▪ Schriftverkehr mit Behörden, ▪ Berichte von ausführenden Firmen, ▪ Protokolle von Begehungen und Abnahmen, inkl. zur Beweissicherung, ▪ Protokoll betreffs Rückübertragung der Verkehrssicherungspflicht für die rückgebaute Fläche an den Grundstückeigentümer, ▪ Fertigstellungsmeldung der Rückbaumaßnahme an die Behörde.
304
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
3.9 Anlagen- und Dokumentenkennzeichnung Ein Kennzeichen ist ein Code (Folge von Buchstaben, Ziffern, Vorzeichen, Gliederungszeichen) zur Charakterisierung eines Objekts bzw. Dokuments. Mit dem Kennzeichen soll in der Anlagenwirtschaft jeweils eine konkrete Anlagenkomponente oder ein einzelnes Dokument eindeutig identifiziert werden. Man spricht auch von einem sog. Identifikator.
3.9.1 Grundsätzliche Vorbemerkungen und Hinweise Zur Kennzeichnungsthematik existieren zahlreiche Normen und Veröffentlichungen. Auf den Nichtspezialisten wirken diese häufig formal und verwirrend. Trotzdem bleibt es all jenen, die Projekte und Anlagen effizient managen und dazu moderne Softwareprodukte und Kommunikationsmöglichkeiten anwenden wollen, nicht erspart, sich zu diesem Fachgebiet sachkundig zu machen. Die folgende Erfahrung der Verfasser soll dabei Mut machen. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Anlagen- und Dokumentenkennzeichnung schafft nicht nur Klarheit über die Anlagen- und Dokumentationsstruktur und ihre Bestandteile, sondern bewirkt zugleich eine Definition und Strukturierung des Verantwortungs- und Arbeitsbereichs. Dadurch wird nicht selten erhebliches Verbesserungspotential aufgezeigt. Etwas kennzeichnen bedeutet auch eine eindeutige Zuordnung und eine exakte Begriffswahl. Viele Management-Systeme nutzen die Kennzeichnung als Identifikationsmerkmal (Attribut, Deskriptor, Referenz) des zu verwaltenden Gegenstands bzw. Vorgangs (s. Kap. 7). Weitere grundsätzliche Hinweise, die es bei der Kennzeichnung zu beachten gilt, sind: Es ist konsequent zwischen der Kennzeichnung der Anlage (Anlagenkomponenten) und der Dokumentation (Dokumente) zu unterscheiden. Entsprechend wird vom Anlagenkennzeichen (AKZ) oder Dokumentenkennzeichen (DKZ) gesprochen. Im Schrifttum wird mitunter, statt Anlagenkennzeichen, allgemeiner vom Objektkennzeichen (OKZ) geschrieben. Neben dem Identifikationsmerkmal sollte das Kennzeichen auch weitere Informationen, beispielsweise zu Art, Aufgabe und Funktion der Ausrüstung oder zu Form und Inhalt des Dokuments des gekennzeichneten Objekts bzw. Dokuments enthalten. Ein Kennzeichen besteht aus sog. Kennzeichnungsblöcken, die einzeln oder in Kombination angewandt werden. Das Dokumentenkennzeichen (DKZ) sollte in seinem Aufbau das Anlagenkennzeichen ganz oder teilweise mit einschließen. Damit ist anhand des DKZ eine Zuordnung des Dokuments zur betroffenen Komponente/Bauteil möglich.
3.9.2 Anlagenkennzeichnung Das Anlagenkennzeichen (AKZ) (allgemein: Objektkennzeichen) charakterisiert eindeutig eine bestimmte Anlagenkomponente bzw. ein Bauteil.
3.9 Anlagen- und Dokumentenkennzeichnung
305
Die Anlagenkennzeichnung und formelle Darstellung kann erfolgen mittels: eindeutige Nummer, z.B. Herstellungs-, Fabrikations- Inventarnummer in Form von Barcode bzw. QR-Code, Abkürzung für einen sog. Technischen Platz im System zur Anlagenbewirtschaftung, Kennbuchstaben für die Darstellung von Anlagenkomponenten auf Schemata nach DIN EN ISO 10628-1 Beiblatt 1 [21] und DIN 28000 [7], Kennzeichnung nach DIN EN 81346 [12] und DIN 6779 [76], Kennzeichnungssysteme für technische Objekte und deren Dokumentation, wie KKS [77] und RDS-PP [78]. Nachfolgend werden die drei letztgenannten Darstellungsformen, die in verfahrenstechnischen Anlagen verbreitet sind, etwas näher betrachtet. a) Anlagenkennzeichnung nach DIN EN ISO 10628-1 Beiblatt 1 und DIN 28000 Die Kennzeichnung von Anlagen und Anlagenkomponenten auf Fließschema, wie sie in der Praxis noch sehr häufig ist, wurde in Abschn. 3.6.2.1 betrachtet. In Tab. 3.19 sind wesentliche Normen zusammengestellt. Die Kennung erfolgt durch 1 bis 2 Buchstaben und ergänzende Ziffern. Die Buchstaben kennzeichnen die Art der Komponente und die Ziffern charakterisieren die Teilanlage oder den Betriebsbereich. Mitunter sind sie auch Zählnummern. Beispiele sind die Abb. 3.11 und 3.12 in Abschn. 3.6.2.1. b) Anlagenkennzeichnung nach DIN EN 81346 und DIN 6779 In der DIN EN 81346 [12] werden „Industrielle Systeme, Anlagen und Ausrüstungen und Industrieprodukte – Strukturierungsprinzipien und Referenzkennzeichnung“ strukturiert, klassifiziert und gekennzeichnet. Die Strukturenwerden unterschieden in: funktionsbezogene Struktur (Vorzeichen: „=“ (Gleich), produktbezogene Struktur (Vorzeichen: „‒ „ (Minus), ortsbezogene Struktur (Vorzeichen: „+“ (Plus) andere Struktur (z.B. nach Kostenaspekten) (Vorzeichen. „#“ (Raute), Mischstrukturen. Die eindeutige Kennzeichnung erfolgt mittels eines sog. Referenzkennzeichens. Ein Referenzkennzeichen hat den Zweck, ein gegebenes Objekt in einem betrachteten System unverwechselbar zu identifizieren. Es besteht aus einer Menge von Vorzeichen, Buchstaben und Nummern. Seine Gliederung unterliegt vorgegebenen Regeln und wird wesentlich von den Strukturierungsebenen geprägt. Tabelle 3.68 zeigt Referenzkennzeichen für nur eine Strukturierungsebene. Bei mehreren Ebenen entstehen längere, zusammengesetzte Mehrebenen-Referenzkennzeichen. Tabelle 3.68 Beispiele für Einzelebenen-Referenzkennzeichen [12]
306
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
In der DIN 6779-Teil 12 und Teil 13 werden die Grundprinzipien der DIN EN 81346 auf spezielle Typen verfahrenstechnischer Anlagen angepasst. Die o.g. Basisstrukturen und die entsprechenden Vorzeichen werden übernommen. Darüber hinaus werden branchenspezifische Objektklassen und zugeordnete Kennbuchstaben (Referenzkennzeichen) für diese Objektklassen festgelegt. Die Kennzeichen werden, z.B. gemeinsamen mit den grafischen Symbolen oder anderen Daten auf den jeweiligem Dokument (R&I-Fließschema, Lage-/Aufstellungsplan, Schaltplan, Ausrüstungsdatenblatt u.a.) angegeben; ähnlich wie eine Positionsnummer gemäß Buchst. a). Abb. 3.57 zeigt ein Beispiel.
Abb. 3.57 Kennzeichnungsbeispiel auf einem R&I-Schema (Ausschnitt) [76]
c) Nutzung von Kennzeichnungsblöcken Das KKS, das RDS-PP und die DIN EN 61355 verwenden, sog. Kennzeichnungsblöcke zur Untergliederung des Kennzeichens. Die nachfolgenden Ausführungen sollen deren Aufbau und Funktion kurz erläutern. Sie gelten auch für die Aussagen unter Buchst. d) und e). Gliederung des Kennzeichens in Kennzeichnungsblöcke Ein Kennzeichen wird nach funktions-, orts- und/oder produktbezogenen Kriterien hierarchisch aufgebaut.
3.9 Anlagen- und Dokumentenkennzeichnung
307
Es besteht die Möglichkeit, die verschiedenartigen Informationen über das Objekt durch mehrere verschiedene Kennzeichnungsblöcke darzustellen (s. Tab. 3.68). Welche Informationsart der Block ausdrückt, wird durch das Vorzeichen vor dem jeweiligen Block mitgeteilt. Die Kennzeichnungsblöcke dienen der eindeutigen Identifizierung und Lokalisierung der technischen Produkte selbst sowie ihrer Kennzeichnung in den technischen Dokumenten. Sie werden je nach Bedarf einzeln oder in Kombinationen angewendet. Regeln zum Aufbau der Kennzeichnungsblöcke (s. Abb. 3.58) – Die Kennzeichnungsblöcke werden durch Vorzeichen identifiziert. – Die Kennzeichnungsblöcke sind in Gliederungsstufen unterteilt. Diese bestehen aus einem oder mehreren Abschnitten. Innerhalb eines Kennzeichnungsblocks werden von links nach rechts kleiner werdende Betrachtungseinheiten gekennzeichnet. – Jeder Abschnitt besteht aus maximal 3 Datenstellen, die nicht alle geschrieben werden müssen. Die Abschnitte sind abwechselnd alphabetisch (A) und numerisch (N) aufgebaut. Abschnitte am Anfang und/oder am Ende eines Kennzeichnungsblocks dürfen entfallen. – Bestimmte Kennzeichnungsblöcke sind zwischen Gliederungsstufen durch das Gliederungszeichen „“ (Punkt) unterteilt. Gliederungsstufen
1 1
Abschnitte Datenstellen
=
2
2 3
4
AAA NNN AAA NNN
5
6
3 7
AAA NNN AAA
8 A...N
Vorzeichen Kennzeichnung von Anlage und Teilanlage Kennzeichnung von technischen Einrichtungen Gliederungszeichen Weitere Untergliederung
Abb. 3.58 Möglicher Aufbau eines Kennzeichnungsblocks für Anlagen, Teilanlagen und technische Einrichtungen
Vorzeichen vor Kennzeichnungsblöcken und deren Bedeutung Außer dem Block zur Kennzeichnung der Anlage selbst (s. Abb. 3.57) können mittels weiterer Blöcke beispielsweise auch der Aufstellungsort, der Einbauort, das Betriebsmittel oder die Signalart bezogen auf das zu kennzeichnende Objekt (Anlage bzw. Komponente) charakterisiert werden. Die verschiedenartigen Kennzeichnungsblöcke werden durch Vorzeichen markiert und dadurch eindeutig identifiziert (s. Tab. 3.69). Auf den in der unteren Zeile von Tabelle 3.69 angeführten Kennzeichnungsblock für die Dokumentenart wird in Abschn. 3.9.3 eingegangen.
308
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Tabelle 3.69 Vorzeichen von Kennzeichnungsblöcken
== = ++ + # : ; &
Funktionale Zuordnung Anlage Aufstellungsort Einbauort Betriebsmittel Gemeinsame Zuordnung Anschluss Signal Dokumentenart
d) Anlagenkennzeichnung nach Kraftwerk-Kennzeichensystem (KKS) [77][81] Mit dem Kraftwerk-Kennzeichensystem (KKS) werden Anlagen, Teilanlagen und Geräte aller Kraftwerksarten nach Aufgabe, Art und Ort gekennzeichnet. Zielstellungen und Anforderungen an das KKS einheitliche Kennzeichnung für alle Kraftwerksanlagen inkl. Nebenanlagen ausreichender Umfang und Detaillierungsmöglichkeit zur Kennzeichnung aller Systeme, Komponenten, Bauwerke ausreichende Erweiterungsmöglichkeit für neue Technologien durchgehende Kennzeichnung für alle Lebensphasen der Anlage gemeinsame Anwendbarkeit für alle Fachbereiche Berücksichtigung bestehender nationaler und internationaler Normen Anwendung in elektronischen Verwaltungssystemen internationale Verwendbarkeit durch sprachunabhängige Kodierung Kennzeichnungsarten und Gliederungsstufen (s. Abb.3.60) Lfd. Nr. der Gliederungsstufe
0
1
2
3
Betriebsmittel– Kennzeichen
VerfahrenstechnischeKennzeichnung
=
Gesamtanlage
System– Kennzeichen
Aggregat– Kennzeichen
Einbauort– Kennzeichnung
+
Gesamtanlage
Einbaueinheit -Kennzeichen
Einbauplatz– Kennzeichen
Aufstellungsort– Kennzeichnung
++
Gesamtanlage
Bauwerk– Kennzeichen
•
Raum– Kennzeichen
Abb. 3.59 Aufbau eines Anlagenkennzeichens nach dem Kraftwerk-Kennzeichensystem
Die vorgenannten Anforderungen werden erfüllt durch (s. Abb. 3.59): den hierarchischen Aufbau mit 4 Gliederungsstufen und fest vorgegebenen alphanumerischen Datenstellen. Das KKS-Kennzeichen umfasst i.Allg. 15 bis 17 Zeichen, wobei die Buchstaben meistens zur Klassifizierung des Objekts und die Ziffern zur Zählung dienen.
3.9 Anlagen- und Dokumentenkennzeichnung
309
die drei getrennt möglichen Kennzeichnungsarten: ▪ Verfahrenstechnische Kennzeichnung (Charakterisierung des Bezugsobjekts nach seiner verfahrenstechnischen Funktion im Kraftwerksprozess) ▪ Einbauort-Kennzeichnung (Charakterisierung der Einbauorte und Einbauplätze des Bezugsobjekts im elektrotechnischen System) ▪ Aufstellungsort-Kennzeichnung (Charakterisierung der topographischen Lage des Bezugsobjekts in Bauwerken) e) Anlagenkennzeichnung nach Reference Designation System für Power (RDS-PP) Das RDS-PP [78] ist die Weiterentwicklung des KKS und kennzeichnet Anlagen, Signale, Kabel und Dokumente. Das RDS-PP kann nur zur gegenstandsorientierten Anwendersicht genutzt werden. Zur Kennzeichnung von Organisations- und Prozessdokumenten muss jeweils ein eigenes System angewandt werden. Die Festlegungen zu den Vorzeichen und zu den Kennzeichnungsblöcken enthält Tabelle 3.70. Tabelle 3.70 Vorzeichen und Stellen von Kennzeichnungsblöcken nach RDS-PP [78] Aspekte/Aufgabe
Vorzeichen
Gemeinsame Zuordnung Funktion Funktionale Zuordnung
# = ==
Produkt Einbauort Aufstellungsort Signal Anschluss Dokumentenart
‒ + ++ ; : &
Buchstaben/Ziffern (maximal) A/N…A/N ANN AAANN AANNN ANN AAANN.AANN ANN AAANN AANNN.AANN AANNN ANN AAANN.A/N ANN AAANN.A/N AANNN A/N AAANNN
Das Kennzeichen besteht aus 3 Gliederungsstufen gemäß dem Beispiel in Abb. 3.60.
Abb. 3.60 Kennzeichnung einer Windenergieanlage nach RDS-PP (Praxisbeispiel)
310
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Die möglichen Vor- und Nachteile bei Nutzung des RDS-PP sind in Tabelle 3.71 gegenüber gestellt. Tabelle 3.71 Vor- und Nachteile des RDS-PP Vorteile
Nachteile
Systematische Kennzeichnung der Anlage über den gesamten Lebenszyklus
Hoher Aufwand für Zuweisung, Einarbeitung und Pflege
Weiterentwicklung des KKS sowie anerkannter Stand der Technik
KKS seit 1969 im Einsatz – RDS-PP seit 2007 implementiert
Berücksichtigung der Dokumentenkennzeichnung in Abgrenzung zur Anlagenkennzeichnung
bisher keine Erfahrung mit Anlagen- und Dokumentenkennzeichnungssystem
umfangreicher „Werkzeugkasten“ mit dem sich alle Aspekte der Kennzeichnung abbilden lassen
Gefahr des „zu viel“ mit dem Risiko der aufwändigen Handhabung
Abschließend zur Thematik der Anlagenkennzeichnung lässt sich einschätzen: Die Gesamtzahl an Zeichen (Stellen), die ein Anlagenkennzeichen (AKZ) aufweist, kann sehr unterschiedlich sein. Sie hängt insbesondere von der Beantwortung folgender Fragen ab: Wie global ist der Bereich gewählt, für den das AKZ gelten und die zugehörige Komponente eindeutig identifizieren soll? Weltweit oder nur betriebsweit? Wozu soll das AKZ genutzt werden? Zur Einzel-Ersatzteilverwaltung oder für die Zuordnung von Kosten? Wie detailliert soll die Anlage „nach unten“ gegliedert werden? Bis zur letzten Schraube? Wie „offen“ und erweiterungsfähig muss das Kennzeichnungssystem sein, damit es an die zukünftige Entwicklung angepasst werden kann? Welche Personen nutzen und pflegen das AKZ und wie ist deren Qualifikation und Akzeptanz? Welche Möglichkeiten bietet die Software, die das AKZ und/oder das Dokumentenkennzeichen (DKZ) nutzt? Die Festlegung der AKZ-Struktur ist eine schwierige Managemententscheidung, die sowohl Überblick als auch Augenmaß erfordert. Die Kennzeichnung von Anlagen und Dokumenten ist zwar genormt, diese Systematik wird aber in der Praxis oft nicht bzw. nicht einheitlich umgesetzt.
3.9.3 Dokumentenkennzeichnung Das Dokumentenkennzeichen (DKZ) ist der Identifikator für ein bestimmtes Dokument in Beziehung zu einem Objekt (Anlage, Anlagenkomponente, Bauwerk, Bauteil), dem das Dokument zugeordnet ist [11]. Die Einheit von Anlagen- und Dokumentenkennzeichnung wird insbesondere in der DIN EN 61355-1 [11] und im RDS-PP [78] betrachtet. Das DKZ wird gebildet, indem an das Anlagen- bzw. Objektkennzeichen, verknüpft durch das Vorzeichen „&“, ein neuer Dokumenten-Kennzeichnungsblock angefügt wird. Die prinzipielle Struktur eines Dokumentenkennzeichens (DKZ) ist in Abb. 3.61 dargestellt.
3.9 Anlagen- und Dokumentenkennzeichnung
311
Abb. 3.61 Aufbau eines Dokumentenkennzeichens
Die Darstellung in Abb. 3.61 ist wie folgt zu verstehen: Links vom „&“ ist das Anlagenkennzeichen (AKZ) des Objekts/der Komponente abgebildet, der das Dokument zugeordnet (referenziert) ist. Man spricht vom kennzeichnenden Teil des DKZ. Die eindeutige Zuordnung des Dokuments zum Referenzobjekt anhand seines Kennzeichens ist vergleichsweise einfach und wird von vielen DokumentenManagement-Systemen (DMS) genutzt (s. Kap. 7). Sie ist i.d.R. Voraussetzung, um Dokumente wiederauffindbar abzulegen und bei Bedarf schnell und sicher zu finden. Das Vorzeichen „&“ (kaufmännisches UND) oder ein anderes, vereinbartes Zeichen signalisiert dem Nutzer, dass es sich um ein Dokumentenkennzeichen handelt. Bem.: Das „&“ ist ein Sonderzeichen und sollte u.U. im Dateikennzeichen nicht genutzt werden (s. auch Abschn. 3.9.4).
Die 1. Gliederungsstufe rechts vom „&“ bildet den klassifizierenden Teil des DKZ. Grundlage dafür ist die DIN EN 61355-1 [11], in der definiert wird: Dokumentenartklasse ist die Gruppe von Dokumentenarten mit ähnlichen Eigenschaften hinsichtlich des Informationsinhalts, unabhängig von der Darstellungsform.
Die Dokumentartklassen werden in [11] durch einen sog. DokumentenartKlassenschlüssel gekennzeichnet, der aus 3 Buchstaben besteht und mit DCC (Document Classification Code) bezeichnet wird. Die 3 Kennbuchstaben A1, A2 und A3 des DCC bedeuten: A1 Kennbuchstabe für Technischer Bereich (z.B. Bauwesen, Maschinenbau, Prozesstechnik), A2 Kennbuchstabe für Dokumentenart-Hauptklasse (z.B. Funktionsbeschreibende Dokumente, Ortsbeschreibende Dokumente, Verbindungsbeschreibende Dokumente),
A3 Kennbuchstabe für Dokumentenart-Unterklasse (z.B. Fließschemata, Datenblätter, Schaltkreisdokumente, Rohbaudokumente, Rohrleitungsdokumente, Verkabelungsdokumente).
Der Nachteil diese Vorschlags ist, dass der DCC und somit auch das Dokumentenkennzeichen nach DIN EN 61355-1 nicht die Dokumentenart, sondern nur eine Dokumentenart-Unterklassen eindeutig identifiziert.
312
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Es bedarf in der Praxis mindestens eines weiteren Zeichens, z.B. um in der Unterklasse „Fließschemata“ exakt die Dokumentenart „R&I-Fließschema“ zu kennzeichnen. Dieser Mangel wurde im Aufbau des Dokumentenkennzeichens nach Abb. 3.61 behoben, indem von der Dokumentenartklasse (Kennbuchstabe A2) direkt auf die einzelne Dokumentenart (Kennbuchstabe A3) herunter strukturiert wird. Der Dokumentenarten-Schlüssel in Abb. 3.61 identifiziert somit eindeutig die Dokumentenart. Wie dies praktisch, ausgehend von einer Liste wichtiger Dokumentenarten (LwD), erfolgen kann, veranschaulicht das Beispiel 3.3. Die 2. Gliederungsstufe bestehend aus 3 numerischen Zeichen ist eine Zählnummer für 1 bis 999 verschiedene Einzeldokumente der gleichen Dokumentenart. Sie wird als sog. identifizierender Teil des DKZ bezeichnet. In größeren Anlagen kann, z.B. wegen vieler Rohrleitungsisometrien oder Stromlaufpläne (Loops), eine 4. Ziffer notwendig sein. Die Gliederungsstufe rechts vom Trennstrich ist offen und kann verschiedenen Zwecken dienen. Üblich ist beispielsweise eine Zählnummer von 1 oder 2 Zeichen für die Kennzeichnung des Bearbeitungsstatus des Dokuments (Synonym: Dokumentenstatus, Dokumentenversion, Revisionsstand) (s. auch Abschn. 5.2). In der Praxis sind Dokumentenkennzeichen mit 20 bis 35 Zeichen anzutreffen. Dies bewirkt nicht nur erhöhte Anforderungen an deren fehlerfreie Eingabe in die ManagementSoftware (s. Kap. 7), sondern kann auch zu erheblichen Akzeptanzproblemen beim Anwender (z.B. Betriebspersonal) führen. Beispiel 3.3 Matrix zur Dokumenten- und Dateikennzeichnung Ein Ingenieurbüro, welches als Generalplaner für Anlagenbauprojekte im Bereich Öl/Gas tätig war, suchte eine praktikable Methodik zur Kennzeichnung der erstellten Planungsdokumente in Papierform und digitaler Form. Die Kennzeichnungssystematik sollte unabhängig von den unterschiedlichen Praktiken der verschiedenen Kunden und für die genutzten Planungstools geeignet sein. Ausgangspunkt der Überlegungen war die Ablagestruktur der Dokumente auf dem eigenen Server. Diese Struktur wurde so gewählt, dass sie möglichst die Gliederung der eigenen Projektdokumentation, den internen arbeitsteiligen Planungsprozess (z.B. nach Fachdisziplinen und/oder nach Teildokumentationen, die Inhalte der zu liefernde Enddokumentation abbildete. In Abb. 3.62 ist dies die Kopfzeile der Matrix und im Kennzeichen gemäß Abb. 3.61 der Kennbuchstabe A1. Die 2. Strukturierungsebene bildeten die Dokumentenartklassen, d.h. der Kennbuchstabe A2 im Kennzeichen (1. Spalte von links in Matrix). Als Basis diente der Vorschlag aus DIN EN 61355-1 [11] für die Benennung der Dokumentenart-Hauptklassen. Dieser wurde um weitere Hauptklassen erweitert, sodass einer Hauptklasse weniger Dokumentenarten zugeordnet waren. Ferner wurden z.T. die Begriffe für die Hauptklassen und Dokumentenarten an die übliche Praxis im verfahrenstechnischen Anlagenbau angepasst. In Abb. 3.62 sind Auszüge der Hauptklassen „Funktionsbeschreibende Dokumentenarten“ und „Ortsbezogene Dokumentenarten“ dargestellt.
3.9 Anlagen- und Dokumentenkennzeichnung
Abb. 3.62 Matrix zur Bestimmung des Dokumentenkennzeichens und Dateinamens (Auszug)
313
314
3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
Im letzten Schritt wurden die für das Ingenieurbüro relevanten Dokumentenarten aus der „Liste wichtiger Dokumentenarten (LwD)“ den Hauptklassen zugeordnet und mit den Kennbuchstaben A3 versehen (2. Spalte von links in Matrix). Ein Anwendungsbeispiel zeigt Abb. 3.63.
Abb. 3.63 Schriftfeldauszug mit Dokumenten- und Dateikennzeichen (Praxisbeispiel)
Die verschlüsselte Darstellung beinhaltet Folgendes: Die Buchstaben „NFI“ im rechten Teil des Schriftfelds sind der Dokumentenartenschlüssel und bedeuten „R&I-Fließschema“ entsprechend der Kennzeichnungsmatrix in Abb. 3.62:: N = Verfahrenstechnik (in Kopfzeile von Abb. 3.62) F = Funktionsbeschreibende Dokumente (in 1. Spalte von links) I = R&I-Fließschemata (in 2. Spalte von links) Rechts von „NFI“ wurde (mit „─“ abgetrennt) die Dokumentenzählnummer „3“ angefügt, d.h. es ist innerhalb der Teilanlage mit der Ziffer 22 das R&I-Fließschema Nr. 3. Die „8“ daneben (mit „●“ abgetrennt) bedeutet schließlich die 8. Revision des R&IFließschemas Nr. 3. Das „&“ vor den klassifizierenden Teil (links von A1) wurde durch ein „─“ ersetzt, um mögliche Problem bei der rechnerseitigen Verarbeitung zu vermeiden. Die Ziffern „982“ links davon verschlüsseln firmeninterne Informationen zum Auftrag und Projekt. Das Dateikennzeichen im rechten, unteren Feld ist um das Dateiformat ergänzt, aber ansonsten weitgehend übereinstimmend mit dem Dokumentenkennzeichen. Dies minimiert Fehler beim Abspeichern und erleichtert das Wiederfinden der Datei bzw. des Dokuments in elektronischer Form.
3.9.4 Dateikennzeichnung / Dateibezeichnung Bei der Erzeugung eines elektronischen Dokuments (einer Datei) wird die Dateibezeichnung (Synonym: Dateibenennung) durch den Ersteller der Datei festgelegt. Sie besteht aus dem Dateinamen und der Dateierweiterung (File Extension), z.B. DOCX für ein Textdokument oder DWG für eine CAD-Zeichnung. Die Dateierweiterung charakterisiert nicht die Dokumentenart, sondern in der Regel das Dateiformat und das zugehörige Bearbeitungsprogramm.
3.9 Anlagen- und Dokumentenkennzeichnung
315
Zwischen der Dateierweiterung und dem Bearbeitungsprogramm gibt es aber keine eindeutige Zuordnung. Zum Beispiel können DOCX-Dateien nicht nur mit MS-Word geöffnet und bearbeitet werden, sondern auch mit anderen Textverarbeitungsprogrammen. Für die Kennzeichnung von Dateien gibt es kaum Vorgaben aus Normen. Die Benennung von Dateien kann grundsätzlich auf unterschiedliche Arten erfolgen: a) Der Editor oder das die Datei erzeugende Gerät (z.B. ein Dokumentenscanner) gibt den Dateinamen vor. In der Regel beinhaltet der Dateiname dann nur einen eindeutigen Identifikator, z.B. eine laufende Nummer. b) Der Dateiname besteht aus dem Objektkennzeichen der Anlage, zu der das Dokument zugeordnet werden kann. Diese Namensgebung greift aber nur bei Dokumenten, die sich auf eine Anlage beziehen [11]. c) Der Ersteller der Information wählt willkürlich einen Freitext als Dateinamen (z.B. „betriebsanleitung.doc“) d) Der Ersteller vergibt den Namen auf Basis klarer Vorgaben im Projekt oder im Unternehmen. Wenn der Dateiname aus mehreren standardisierten Information erstellt wird (z.B. dem Kürzel des Bearbeiters, der Projektnummer, einer Dokumentenart und einem Datum), bezeichnet man dies als sprechender Schlüssel. e) Zudem existieren Mischformen aus Buchst. c) und d). Welche Art der Benennung zum Einsatz kommt, hängt von den eingesetzten Werkzeugen und der Dokumentationsstruktur ab. Bei einer klaren und ausführlichen Verzeichnisstruktur ("starke" Dokumentationsstruktur) kann der willkürliche Name bzw. der sprechende Schlüssel einfach gehalten werden. Manche Systeme (z.B. zahlreiche Dokumenten-Management-Systeme (DMS) erlauben – im Gegensatz zum Dateiverwaltungsprogramm "Windows Explorer" – keine Vergabe des Dateinamens durch den Nutzer. Stattdessen werden der Datei sog. Metadaten zugewiesen, die eine Verwaltung und das Wiederfinden ermöglichen. Der Dateiname beim Einspielen der Datei in das DMS bleibt aber oft sichtbar als ein Dateiattribut erhalten (s. auch Abschn. 7.3). Bestimmte Informationen im Projekt sind auch nicht nur durch den Dateinamen gekennzeichnet. Gespeicherte E-Mails werden z.B. häufig durch eine geeignete Ablagestruktur und eine aussagefähige Betreffzeile charakterisiert. Bei der Festlegung des Dateinamens muss auch auf die maximale Anzahl der Zeichen geachtet werden. Dateinamen im Betriebssystem Microsoft Windows sind auf eine Maximallänge von 255 Zeichen beschränkt ("255-Zeichen-Regel"). Dabei gehört der Ablagepfad ebenfalls zum Dateinamen. Wenn Verzeichnisnamen und Dateibenennung die Maximalzahl der Zeichen überschreiten kommt es zu Problemen beim Einspielen oder Sichern der Daten. Aus diesem Grund sind lange Verzeichnisnamen in der elektronischen Anlagendokumentation. zu vermeiden z.B. "07_04 Unternehmererklärung und Fachbauleitererklärung" bzw. zu kürzen ("7-4_Erklaerungen"). Verbreitet ist die Vergabe des Dateinamens als sprechender Schlüssel, der Rückschlüsse über den Inhalt erlaubt (s. Beispiel 3.4). Damit können Dateien leichter aufgefunden werden, insbesondere wenn sie versehentlich falsch abgespeichert wurden. Die gewählte Kennzeichnungsvorschrift muss im Unternehmen bzw. Projekt nicht nur festgelegt, sondern den Beteiligten auch vermittelt werden. Bisweilen sind die Regeln nur schwer umsetzbar (zu komplizierte Vorgaben, kein
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3 Struktur und Bestandteile der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen
ausreichendes Training) und werden dann nicht konsequent umgesetzt. Wenn Daten das System wechseln gibt es Probleme mit dem Dateinamen (Länge des Dateinamens, unerlaubte Zeichen, wie Umlaute oder Sonderzeichen). Zum Beispiel ist die Dokumentenkennzeichnung nach DIN 61355 [11] in einem Dateisystem nicht zu empfehlen, da das „&“ ein Sonderzeichen ist und oft zu Problemen führt. Zusammenfassend können bei der Festlegung von Dateibezeichnungen folgende Empfehlungen gegeben werden [79]: Datei- und Verzeichnisnamen grundsätzlich so kurz wie möglich halten. Keine Umlaute und Sonderzeichen verwenden, Leerzeichen vermeiden. Eine "starke" Verzeichnisstruktur ist wichtiger als eine zu komplexe Dateibezeichnung. Bei der Namensgebung auf die später gewünschte Sortierung achten. Bsp.: Wenn das Datum im ISO-Format (2020-01-13 für den 13. Januar 2020) vorgegeben ist, wird das neueste Element in einer Liste immer oben dargestellt. Wenn es eine elektronische Ablage und eine Ablage in Papierform gibt, muss die Reihenfolge der Dokumente in einem Verzeichnis/einem Abschnitt aber identisch zwischen den beiden Exemplaren sein. Wird kein Dokumenten-Management-System eingesetzt und die Verzeichnisstruktur ist "schwach", sollte ein sprechender Schlüssel zur Vergabe der Dateinamen eingesetzt werden. Die Dokumentenartklasse (als sprechender Kennzeichnungsblock) sollte in der Dateibezeichnung erscheinen (s. Beispiel 3.3 und Abb. 3.63). Damit ist die Dokumentenartklasse sowohl im Dokumentenkennzeichen als auch im Dateikennzeichen gleichartig dargestellt. Dies ermöglicht Rückschlüsse auf den Inhalt des elektronischen Dokuments und erleichtert dessen Zuordnung und Suche. Der Bearbeitungsstatus des Dokuments (alternativ: Dokumentenstatus, Dokumentenversion, Revisionsstatus) (s. Abschn. 5.2) sollte im Dateinamen enthalten sein. Damit ist das Dokument eindeutig gekennzeichnet bzw. referenziert. Ferner können die elektronischen Dokumente einer Phasendokumentation einfach selektiert werden. Die Bezeichnung von Dateien sollte möglichst einheitlich und widerspruchsfrei erfolgen. In aller Regel können jedoch nie alle Dokumente einer Organisation einheitlich benannt werden. Nomenklatur und Ausnahmen müssen dokumentiert, an alle Beteiligten verteilt und diese unterwiesen werden. Es gilt, zwischen dem perfektem aber komplizierten System und dem vermittelbaren System abzuwägen. Beispiel 3.4 Vergabe eines Dateinamens in einem Ingenieurbüro Im Grundsatz wird die genaue Namensgebung von Dateien nicht verbindlich vorgegeben. Es gelten aber folgende verpflichtende Grundregeln: a) Datei- und Verzeichnisnamen bestehen nur aus den Zeichen "A-Z", "a-z", "0-9" und
"_". Andere Sonderzeichen und Umlaute sind nicht erlaubt.
Literatur
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b) Der Punkt "." ist nur zur Trennung zwischen Dateinamen und Dateiendung erlaubt. c) Die maximale Länge eines Pfades (Dateiname inkl. Pfadangabe) beträgt 255 Zeichen. d) Der Dateiname enthält folgende Bestandteile:
1) 2) 3) 4) 5)
Kürzel für die Dokumentenart, z.B. RB für die Dokumentenart Risikobeurteilung Kürzel des Erstellers, z.B. FM für Frank Mattukat Kürzel des Kunden, z.B. XY für die XY GmbH kurzer Freitext zum Inhalt, z.B. Projektnummer Datum im Format yymmdd
Das Beispiel einer Dateibezeichnung ist: RB_FM_XY_A20013-HCl_190113.docx
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https://www.forschungsdaten-bildung.de/datei-benennung: Dateien benennen und organisieren
4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement Mit dem Vertragsabschluss über die Herstellung und Errichtung einer verfahrenstechnischen Anlage werden zugleich wesentliche Festlegungen zur zum „weiteren Leben“ der Dokumentation getroffen. Dabei sind die Interessen der beiden Vertragspartner unterschiedlich. Während der Auftraggeber (Betreiber) die Dokumentation vorwiegend bei der Durchführung und dem Nachweis eines sicheren, bestimmungsgemäßen und wirtschaftlichen Dauerbetriebs braucht, benötigt der Auftragnehmer (Anlagenbauer) sie insbesondere als Ausführungsund Kontrollgrundlage während der Beschaffung und Errichtung der Anlage. Jeder Partner sieht die Dokumentation aus seinem Blickpunkt und somit verschieden. Grundsätzlich gilt das Sprichwort: Abgeredet vor der Zeit, gibt nachher keinen Streit! Insgesamt birgt die Dokumentationsschnittstelle zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer viele Schwierigkeiten und Konflikte in sich.
4.1 Allgemeine Grundsätze und Erfahrungen Im Weiteren sind einleitend zunächst wichtige Grundsätze (Thesen) zur rechtzeitigen Beachtung der Dokumentation während der Projektabwicklung zusammengestellt und kurz erläutert. Sie beruhen zum großen Teil auf leidvollen Erfahrungen der Verfasser. Die nachfolgenden Abschnitte dieses Kapitels vertiefen diese Thesen. a) Der Auftraggeber muss im Lastenheft (Anfragespezifikation, Scope), analog zur Anlage, auch umfassende Vorgaben zur Dokumentation machen. Die Aufgabenstellung des Investors (Projektträgers, Auftraggebers) für das Projekt wird bei verfahrenstechnischen Anlagen in Form eines Lastenhefts erarbeitet (s. auch Abschn. 5.4). Das Lastenheft ist die Zusammenstellung der Anforderungen an die herzustellende Anlage aus Sicht des Auftraggebers. Synonyme: Aufgabenstellung bzw. Spezifikation für Anlage, Scope-Definition, Fundamental Specification, Requirement Specification
Der Auftraggeber (AG) muss in eigener Verantwortung umfassende Vorgaben an die Dokumentationsleistungen erarbeiten und im Lastenheft festschreiben. In der Praxis tut er dies oftmals nicht bzw. nicht ausreichend. Zum Teil gibt es Technische Spezifikationen und Arbeitsrichtlinien des AG’s im Umfang von mehreren Ordnern, aber für die Dokumentationsleistungen und die AS BUILT-Dokumentation existiert keine. Er sollte bedenken: Wer nicht genau vorgibt, was er braucht, sollte sich nicht wundern, wenn er das Benötigte nicht erhält! Die Ansicht des AG, dass er seine Dokumentationsinteressen auch noch in späteren Projektphasen durchsetzen kann, ist häufig ein Irrtum bzw. mit hohen „Reibungsverlusten“ verbunden. Darüber hinaus beinhalten vertragliche Unklarheiten bezüglich der © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 K. H. Weber et al., Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen, VDI-Buch, https://doi.org/10.1007/978-3-662-55150-9_4
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324 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
Dokumentationsleistungen auch ein hohes Nachtragspotential (Claim, Change-Order). Der Auftragnehmer wird immer nur so viel Dokumentationsleistungen erbringen, wie aus seiner Sicht zur Vertragserfüllung notwendig sind. Die Angaben im Lastenheft müssen grundsätzlich folgende zwei Schwerpunkte berücksichtigen: Vorgaben zur Qualität/Spezifikation der Dokumentationsprodukte, die während der Abwicklung bis zur Vertragsbeendigung benötigt werden, sowie Vorgaben zum Dokumentationsprozess betreffs Aufgaben, Termine, Verantwortung und Befugnisse, Prüfmöglichkeiten und Freigaben, Beistellleistungen des Auftraggebers, Vertraulichkeit und Geheimhaltung, Close-out usw. Es sind Struktur, Begriffe und Inhalte zu spezifizieren sowie Prozeduren vorzugeben. In der Checkliste in Tabelle 4.1 sind diese beiden Hauptaufgaben nochmals untersetzt. Die Fragestellungen und Hinweise sind dabei sowohl für die Erstellung des Lastenhefts als auch später (entsprechend der Planungstiefe inhaltlich ergänzt) für die Erarbeitung des Pflichtenhefts bzw. des Anlagenvertrags zu nutzen. Tabelle 4.1 Checkliste zur Beachtung der Dokumentation im Lastenheft und u.U. auch im Pflichtenheft und Anlagenvertrag Spezifikation der Dokumentationsprodukte (sog. Phasendokumentationen) 1 1.1 Vorgaben zur Qualität der AS BUILT-Dokumentation (Final Documentation) Bezeichnung und Begriffsdefinitionen wesentlicher Dokumentenarten Struktur und Inhalt der Phasendokumentationen, einschließlich der AS BUILT-Dokumentation detaillierte Qualitätsanforderungen an die AS BUILT-Dokumentation, inkl. an einzelne Teile und Dokumentenarten (ggf. auch für andere Phasendokumentationen) Liste der Dokumentenarten, die als änderbare Dateien zu liefern sind, inkl. Angaben bzgl. Erstellungssoftware, Dateiformat usw. Kennzeichnung der Dokumente Form und Exemplarzahl der Papierversion Vorgaben für das elektronische Exemplar 1.2 Vorgaben für andere Dokumentationsprodukte (neben AS BUILT-Dokumentation), die während des Engineering zu erarbeiten sind (inkl. zur Ausführungsform) Dokumente für den Genehmigungsantrag Dokumente für Investitionsentscheidung (Basic Engineering-Dokumentation bzw. FEL-Documentation, Unterlagen über die Kostenermittlung) Dokumente für Beschaffungsleistungen des Investors Dokumente für die Baustellenabwicklung Dokumente für die Inbetriebnahme Dokumente für die Instandhaltung 1.3 Vorgaben und Angaben zu den Dokumentationsprodukten, die der Investor beizustellen hat (inkl. zur Ausführungsform) Dokumente für AS BUILT-Dokumentation (z.B. aus eigenen Beschaffungsvorgängen) Dokumente zum Standort, inkl. Infrastruktur Dokumente zu Schnittstellen an der Anlagengrenze Richtlinien, Normen u.a. Vorgaben des Investors, die für 1.1 und 1.2 gelten
4.1 Allgemeine Grundsätze und Erfahrungen
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Tab. 4.1 (Fortsetzung) 2
Vorgaben zum Dokumentationsprozess (inhaltlich, organisatorisch, administrativ)
2.1 Vorgaben zur fachlichen Ausführung Angaben zur Dokumentationsstruktur (-gliederung) (sprich: Abwicklungsstruktur), die im Projekt genutzt wird Angaben zur Arbeitsplattform bzw. zu den Tools, die im Dokumentationsprozess zu nutzen sind Angaben zu den einzelnen Dokumentationsleistungen, die im gesamten Projekt zu erbringen sind Angaben zur Dokumentenkennzeichnung 2.2 Vorgaben zu vertragsrechtlichen Aspekten Festlegungen zu grundsätzlichen werkvertraglichen Regelungen für die Dokumentationsleistungen Festlegung der Konsequenzen, die sich bei nicht vorgabegerechter Erbringung der Dokumentationsleistungen ergeben Festlegungen zu Gewährleistung und Haftung für die verschiedenen Dokumentationsleistungen Festlegungen zum Eigentum der Dokumentation und ihrer Teile, inkl. der daraus resultierenden Konsequenzen 2.3 Vorgaben zu organisatorisch-administrativen Aspekten Vorgaben bzgl. der Verantwortlichkeiten für die angeführten Dokumentationsleistungen und den Mitwirkungspflichten (Erarbeiten, Prüfen, Freigeben) des anderen Partners Festlegungen zur Geheimhaltung im Dokumentationsprozess sowie im Umgang mit vertraulichen Dokumenten Vorgaben zum Umgang mit der Dokumentation nach Projektabschluss (Close-out)
b) Die DOKU-Vorgaben im Lastenheft sind in der Angebots- und Konzeptphase zu beachten und die Ergebnisse im Pflichtenheft zu fixieren sowie im Anlagenvertrag zu vereinbaren. Der Auftragnehmer (AN) sollte im eigenen Interesse bemüht sein, die Dokumentationsleistungen im Pflichtenheft zu erfassen und im Anlagenvertrag exakt zu regeln. Die allgemeine Erfahrung besagt: Vieles, was im Vertrag nicht oder nicht eindeutig geregelt wurde, geht zu Kosten des Auftragnehmers. Die präzise Festlegung der geschuldeten Dokumentationsleistungen im Angebot und Vertrag kann dieses Risiko des AN verringern. c) Die Dokumentationsthematik muss als integraler Bestandteil der Vertragsgestaltung und Projektabwicklung betrachtet und umgesetzt werden. Die Einheit von Anlage und Dokumentation ist zu gewährleisten. Die Fragen zur Herstellung der Dokumentation betreffen (analog wie bei der Herstellung der Anlage) den Vertrag als Ganzes. Das heißt, sowohl im Haupttext als auch in den meisten Anhängen des Vertrags sind zur Dokumentation entsprechende Regelungen zu vereinbaren. Die alleinige Regelung der Dokumentationsaspekte in einem speziellen Vertragsanhang DOKUMENTATION reicht nicht aus.
326 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
Anlage und Dokumentation sind ganzheitlich als Einheit zu betrachten und zu behandeln. Es gilt der Grundsatz: Die Technische Produktdokumentation ist ein Bestandteil des Produkts und die AS BUILT-Dokumentation ist ein Bestandteil der Anlage. Die wesentlichen werkvertraglichen Regelungen bezüglich der Dokumentationsleistungen, wie z.B. Beachtung der Dokumentation bei Definition von Vertragsleistung, Abnahme, Gewährleistung, Beweislast, Mangelanzeige, Nachbesserung, Zahlungsbedingungen und Termine, müssen umfassend und konkret im Vertrag ausgestaltet werden. Im Einzelfall ist zu prüfen, wann am Projektende eine getrennte Behandlung von Anlage und AS BUILT-Dokumentation zweckmäßig ist. Dies kann z.B. die Abnahmetermine und Zahlungsmeilensteine betreffen (s. Abschn. 4.5.2, j)).
4.2 Verantwortung für die Dokumentation im Projektteam Der Anlagenvertrag bzw. die Bestellung regelt die Aufgaben, Verantwortungen und Befugnisse zwischen dem Auftraggeber und Auftragnehmer (s. Abschn. 4.5). Wie diese in den jeweiligen Projektteams des AG bzw. AN speziell umgesetzt werden, steht i.Allg. nicht im Vertrag. Dazu bedarf es separater Festlegungen beider Partner, die in firmenspezifischer Projektrichtlinien und mitunter auch in einer gemeinsamen Dokumentationsrichtlinie für das Projekt (s. Abschn. 4.6.1) festgeschrieben werden. Im Weiteren dazu einige Ausführungen und Erfahrungen. Zunächst sollte bezüglich der Gesamtverantwortung immer gelten: Der Projektleiter des Auftraggebers bzw. Auftragnehmers muss stets für die Anlage und die Dokumentation als Ganzes verantwortlich sein. Er kann aber damit verbundene Pflichten delegieren. Das Muster für eine mögliche Verantwortungs- und Pflichtenübertragung in Form einer Bestellung zeigt Abb. 2.12 in Abschn. 2.4.3. Differenzierter sind aus Sicht der Dokumentation die Zuständigkeiten und Verantwortung der Projekt- bzw. Leadingenieure zu sehen. In der Praxis sind zwei Varianten üblich. Var. 1: Die Leadingenieure sind innerhalb ihres Fachgebiets ganzheitlich für die Anlage (Technik) und die zugehörige Dokumentation zuständig und gegenüber dem Projektleiter verantwortlich. Bei kleinen Projekten nimmt der Projektleiter selbst die notwendigen Dokumentationsaufgaben wahr. Diese Variante sichert die angestrebte Einheit von Anlage und Dokumentation. Die Verantwortung liegt in einer Hand, ohne Schnittstelle. In der Praxis gibt es jedoch nicht selten Probleme, da die Leadingenieure für die Dokumentation zu wenig Zeit haben oder sich keine Zeit nehmen. Im Zweifel geht die Technik vor, weil sie zu diesem Zeitpunkt i.d.R. wichtiger ist, aber auch weil sie den meisten Ingenieuren mehr Spaß macht. Eine projektbegleitende Qualitätskontrolle der Dokumentationsprodukte und der zugehörigen Leistungen findet nicht ausreichend statt. Erst gegen Ende des Projekts oder wenn die Probleme eskalieren, widmet sich der Leadingenieur intensiver der Dokumentation. Nicht selten erweisen sich dann erheb-
4.2 Verantwortung für die Dokumentation im Projektteam
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liche „Reparaturen“ an der gelieferten Dokumentation als erforderlich, die i.Allg. für beide Vertragspartner mit Zusatzkosten und Kraftaufwand verbunden sind. Mitunter kann ein Projekt nicht geschlossen werden (Close-out), obwohl die Anlage schon lange produziert, weil Restleistungen zur Dokumentation noch ausstehen. Var. 2: Im Projektteam wird ein Leadingenieur DOKUMENTATION bzw. Document Controller (ggf. mit zugeordneten Mitarbeitern) eingesetzt, der zentral für die Dokumentationsleistungen zuständig und gegenüber dem Projektleiter verantwortlich ist. Die anderen Leadingenieure unterstützen ihn fachlich und bei Bedarf (s. Abb. 2.10 in Abschn. 2.4.3). Diese Variante bewirkt zusätzliche Schnittstellen im Projektteam, die exakt betreffs Aufgaben, Verantwortung und Befugnisse der betroffenen Personen definiert werden müssen. Für den Leadingenieur DOKUMENTATION stehen die Dokumentationsleistungen im Mittelpunkt seiner Arbeit. Er identifiziert sich mit dieser Aufgabe und bringt das nötige Spezialwissen über die komplexe und etwas „trockene“ Dokumentationsthematik mit. Der Leadingenieur DOKUMENTATION schafft es aber allein nicht. Er braucht in Fachfragen die Mitarbeit der anderen Fachingenieure. Dies erfordert seinerseits ein möglichst breites Fachwissen (Schnittmenge zu anderen Fachkollegen) sowie Autorität und Durchsetzungsvermögen. Vorteilhaft ist ein fleißiger und gründlicher sowie sachlicher und konsequenter Arbeitsstil. Nicht selten wird der Leadingenieur DOKUMENTATION von einer Fremdfirma „ausgeliehen“, ist aber im Projektteam verantwortungsseitig eingebunden. Mitunter bringt er noch weitere Personen mit bzw. kooperiert mit ihnen. Die anderen Fachingenieure sind i.Allg. dankbar, dass ihnen der Leadingenieur DOKUMENTATION „den Rücken freihält“. Entsprechend sind sie auch bereit, ihn bei Bedarf zu unterstützen. In der Praxis nehmen mitunter, z.T. branchenspezifisch und insbesondere in Großprojekten, externe Dienstleister die Leadfunktionen zur Dokumentation wahr. Mögliche Dienstleistungen dieser externen Büros sind in Tabelle 4.2 angeführt. Sie gelten übergreifend für die gegenständliche und elektronische Form der Dokumentation. Tabelle 4.2 Mögliche Aufgaben und Verantwortlichkeiten externer Dokumentationsdienstleister im Anlagenbau 1 Mitwirken beim Erarbeiten von Managementunterlagen bzgl. Dokumentation Dokumentationsanforderungen für Lieferungen- und Leistungen im Anlagenvertrag und/oder in Bestellungen Unterstützung bei Vertragsabstimmung und/oder bei Vergabeverhandlungen QM-Verfahrensanweisungen betreffs Dokumentation Projektrichtlinie DOKUMENTATION, inkl. Kennzeichnung Projektrichtlinie zur Prüfung und Freigabe der Dokumentationsleistungen Checklisten (Dokumentationsanforderungslisten) für definierte Lieferungen und Leistungen zur Dokumentation Vorbereiten und Einführen eines Dokumentenmanagement-Systems
328 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement Tab. 4.2 (Fortsetzung) 2 Koordinierung der Dokumentationsleistungen des AG bzw. AN im Projekt Einfordern, Erfassen und Verteilen der eingehenden Dokumente Vollständigkeits- und Plausibilitätsprüfung (ggf. teilweise Inhaltsprüfung) der eingehenden/gelieferten Dokumente Prüfung der eingehenden elektronischen Dokumente bzgl. Änder-/Bearbeitbarkeit u.a. Kennzeichnen und Indexieren der eingehenden Dokumente Einpflegen der gegenständlichen und elektronischen Dokumente in das DokumentenManagementsystem Organisation der firmeninternen Prüfung und Freigabe der Dokumente, inkl. Erfassung, Weitergabe und Erfüllungskontrolle der Prüfergebnisse Verteilung der freigegebenen Dokumente Ausdrucken bzw. Kopieren sowie Zustellen angeforderter Dokumente Verwaltung und Pflege der Papierdokumentation sowie der Elektronischen Dokumentation 3 Mitwirken an Qualitätsprüfung und Abnahme der AS BUILT-Dokumentation Wahrnehmung definierter Prüfaufgaben Erfassen der Prüfergebnisse inkl. Mangelmeldungen Zusammenstellung der AS BUILT-Dokumentation für die Übergabe an den Kunden Mitwirkung an Vorbereitung, Durchführung, Auswertung und Umsetzung eines Audits zur ganzheitlichen Prüfung der AS BUILT-Dokumentation Koordinierung der Restpunkt- bzw. Nachbesserungsleistungen Koordinierung der Leistungen aus Gewährleistungsansprüchen zur AS BUILT-Dokumentation
4.3 Kosten und Preisformen für die Dokumentation Auf die Frage: Wie viel kosten die Dokumentationsleistungen im Anlagenbau bzw. wie viel kostet die mit der Anlage gelieferte AS BUILT- Dokumentation? lässt sich leider keine einfache und klare Antwort finden. Der Hauptgrund ist darin zu sehen, dass im verfahrenstechnischen Anlagenbau die „Dokumentationsleistungen“ bzw. besser „Dokumentationsarbeit“ von anderen Tätigkeiten nicht eindeutig abzugrenzen, zu definieren und monetär zu bewerten sind. Die folgenden zwei Beispiele sollen dies belegen: Beispiel 4.1: Einheit von Konstruktion und Dokumentation Im Ergebnis seiner Arbeit erstellt der Konstrukteur u.a. eine Konstruktionszeichnung, z.B. für einen Behälter. Das heißt, er erarbeitet letztlich ein Dokument. Ist deshalb aber seine Leistung insgesamt als Dokumentationsleistung zu verstehen? Sicherlich nicht! Neben dem Dokumentieren der Konstruktionsergebnisse muss der Konstrukteur auch auswählen, berechnen, nachprüfen, rückfragen, korrigieren, ändern usw. Beispiel 4.2: Einheit von Sicherheitsarbeit und Dokumentation Ein Inbetriebnahmeleiter benötigt Betriebsanweisungen für die Erstinbetriebnahme einer verfahrenstechnischen Anlage. Er bildet unter seiner Leitung ein Team das u.a. folgende aufwendige Arbeiten ausführt:
4.3 Kosten und Preisformen für die Dokumentation
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Recherche der relevanten Rechtsvorschriften, Durchführung von Gefährdungsbeurteilung für Inbetriebnahmetätigkeiten, Analyse weiterer Risiken hinsichtlich Bedienungsfehler, Produktqualität, technischer Störungen usw. Festlegung und Erarbeitung von als notwendige erachteten Betriebsanweisungen, um die erkannten Gefährdungen und Risiken auszuschließen bzw. vertretbar zu verringern. Die sichtbaren Arbeitsergebnisse des Teams sind letztlich mehrere Betriebsanweisungen sowie weitere Dokumente über die Gefährdungsbeurteilungen. Was ist von den erbrachten Leistungen aber Dokumentationsarbeit und was Sicherheits- bzw. sonstige Ingenieurarbeit? Analoge Beispiele lassen sich für die meisten Arbeiten des Projektmanagements, des Engineerings, des Einkaufs (Procurement) usw. finden. Die Dokumentationsleistungen sind in andere fachspezifische Arbeiten integriert. Eingedenk dieser Schwierigkeiten können die folgenden Ausführungen an vielen Stellen nur einen orientierenden Charakter haben. a) Kosten für Dokumentationsdienstleistungen Die Kosten für Dokumentationsdienstleistung, wie sie während der Projektabwicklung oder für die Dokumentationspflege während des Anlagenbetriebs entstehen, werden i.Allg. nach Aufwand kalkuliert und abgerechnet. Mitunter werden auch Einheitspreise bezogen auf ein bestimmtes Mengengerüst (z.B. je 1 Stück R&I-Fließschema, PLT-Stellenblatt, Rohrleitungsisometrie) genutzt. Zur Unterstützung können Kalkulationstabellen wie in Abb. 4.1 dienen. Ist der Leistungsumfang exakt spezifiziert und arbeiten die Partner bereits länger vertrauensvoll zusammen, so ist auch eine Beauftragung zum Festpreis für das definierte Arbeitspaket möglich. b) Kosten für die Dokumentation im Rahmen von Anlagenverträgen Wie einleitend ausgeführt, lassen sich die Dokumentationsleistungen nicht exakt von anderen Leistungen abgrenzen. Die Auffassungen gehen aus diesem Grund weit auseinander und die wenigen Zahlen, die veröffentlicht wurden, schwanken extrem. Zur Eingrenzung seien die folgenden Angaben näher diskutiert: Für traditionelle Technische Produktdokumentationen wird in [1] geschrieben: Für eine professionelle und vollständige produktbegleitende Technische Dokumentation sind 5-10 % der Entwicklungskosten ein guter Richtwert. Im Einzelfall sind aber auch durchaus höhere Werte möglich. Der Anteil hängt beispielsweise stark von der Erklärungsbedürftigkeit des Produktes ab.
Die im Zitat erwähnte Technische Produktdokumentation umfasst vor allem die Betriebsanleitung, die mit dem Produkt ausgeliefert wird. Die Aufwendungen für die entwicklungs- und fertigungsbegleitenden Dokumente, die nicht der Technische Redakteur sondern der Entwicklungsingenieur bzw. das Betriebes-/Servicepersonal erbringen muss, sind in diesem Prozentanteil nicht enthalten. Bei verfahrenstechnischen Anlagen, die einen wesentlich höheren Erklärungsbedarf haben und wo es um eine Errichterdokumentation inklusive Genehmigungsdokumenten geht, dürfte dieser Anteil bedeutend größer sein. Die Lieferanten von Package-units, die früher ausschließlich Einzelkomponenten gefertigt und dokumentiert haben, bestätigen dies immer wieder.
330 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
Abb. 4.1 Kalkulationsschema für die Kostenermittlung von Dokumentationsdienstleistungen (Praxisbeispiel)
Eine weitere Abschätzungsmöglichkeit der Kosten ermöglicht die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) [2]. Sie liefert die Basis für die Entgelte der Architekten und Ingenieure bei Bauvorhaben und unterbreitet auch Vorschläge für die Aufteilung des Gesamthonorars auf die einzelnen Leistungsstufen. Tabelle 4.3 zeigt dies für das Leistungsbild „Technische Ausrüstungen“, welches von allen Leistungsbildern der HOAI den verfahrenstechnischen Anlagen am nächsten kommt und diese Anlagen in der Objektliste des Leistungsbilds auch aufführt. Die Dokumentationsleistungen sind in den einzelnen Leistungsbildern überwiegend in den Planungsleistungen enthalten, aber teils auch separat angeführt.
4.3 Kosten und Preisformen für die Dokumentation
331
Tabelle 4.3 Honoraranteile der einzelnen Leistungsphasen (LPH) nach HOAI, Leistungsbild Technische Ausrüstung [2] LPH
Benennung
1
Grundlagenermittlung
2
Vorplanung
3
Entwurfsplanung
4
Genehmigungsplanung
5
Ausführungsplanung
6
Vorbereitung der Vergabe
7
Mitwirkung bei der Vergabe
8
Objektüberwachung - Bauüberwachung
9
Objektbetreuung
Bewertung der Grundleistungen (in v. H. des Honorars) 2 9 17 2 22 7 5 35 1
Im Einzelnen sind in den Leistungsphasen als Dokumentationsleistungen angeführt: LPH 1: Zusammenfassen, Erläutern und Dokumentieren der Ergebnisse (Grundleistung) sowie Bestandsaufnahme, zeichnerische Darstellung und Nachrechnen vorhandener Anlagen und Anlagenteile (Besondere Leistungen) LPH 2: Zusammenfassen, Erläutern und Dokumentieren der Ergebnisse (Grundleistung) LPH 3: Zusammenfassen, Erläutern und Dokumentieren der Ergebnisse (Grundleistung) LPH 4: Vervollständigen und Anpassen der Planungsunterlage, Beschreibungen und Berechnungen (Grundleistung) LPH 5: Fortschreiben der Ausführungsplanung auf den Stand der Ausschreibungsergebnisse und der dann vorliegenden Ausführungsplanung des Objektplaners, Übergeben der fortgeschriebenen Ausführungsplanung an die ausführenden Unternehmen (Grundleistung) LPH 6: Zusammenstellen der Vergabeunterlagen (Grundleistung) LPH 7: Zusammenstellen der Vertragsunterlagen (Grundleistung) LPH 8: m) Prüfung der übergebenen Revisionsunterlagen auf Vollzähligkeit, Vollständigkeit und stichprobenartige Prüfung auf Übereinstimmung mit dem Stand der Ausführung (Grundleistung) p) Systematische Zusammenstellung der Dokumentation, der zeichnerischen Darstellung und rechnerischen Ergebnisse des Objekts (Grundleistung) ‒ Erstellen fachübergreifender Betriebsanleitungen (Zum Beispiel Betriebshandbuch, Reparaturhandbuch) oder computer-aided Facility Management-Konzepte (Besondere Leistungen) ‒ Fortschreiben der Ausführungsplanung (z.B. Grundrisse, Schnitte, Ansichten)
Insbesondere die LPH 8 hat einem hohen Dokumentationsaufwand. Nach Tabelle 4.3 machen die Leistungen dieser Phase anteilig 35 % des Gesamthonorars aus. Übereinstimmende Schätzungen von Bau-Fachleuten besagen, dass für das eigentliche Dokumentieren aller Arbeitsergebnisse, die bei Bauvorhaben in den Leistungsphasen 1 bis 9 zu erbringen sind, insgesamt ca. 20 Prozent des Gesamthonorars benötigt wird. Bei Anlagenprojekten ist dieser Anteil, im Vergleich zu klassischen Bauprojekten, größer, da viele andere Dokumente bzgl. Sicherheit, Verfahrenstechnik, Apparatetechnik, Prozessleittechnik, Inbetriebnahme usw. hinzukommen (s. Abschn. 3.6 und 3.7).
332 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
Im verfahrenstechnischen Anlagenbau haben die Engineeringkosten (inkl. Dokumentationsleistungen aber ohne Procurement-Unterstützung, ohne Bau-/Montageleitung und -überwachung und ohne Inbetriebnahmeleistungen) i.d.R. einen Anteil zwischen 12 bis 25 Prozent an der Investitionssumme. Im klassischen EPCM-Vertrag (s. Abschn. 4.5.1.2) betragen die Gesamt-Engineeringkosten anteilig ca. 20 bis 30 Prozent der Investitionssumme (Direkte Anlagekosten) [3]. Ausnahmen sind z.B. bei Rohrleitungsprojekten (nach unten) sowie bei Pharmaprojekten (nach oben) typisch. Ausgehend von dem angeführten Engineering-Anteil, den vorhergehenden Aussagen zur HOAI sowie basierend auf den Erfahrungen der Autoren und andere Fachkollegen wird eingeschätzt, dass im verfahrenstechnischen Anlagenbau (insgesamt von der Anfrage bis zur Übergabe) die Dokumentationsleistungen ca. 6 bis 9 Prozent der Investitionssumme (Anlagenneuwert) betragen. Neben den DOKU-Kosten bei Neuinvestitionen können, in Auswertung umfangreicher Erfahrungen, folgende weitere grobe Orientierungen gegeben werden: DOKU-Kosten für Wiederbeschaffung/-erstellung der Gesamtdokumentation nach Inbetriebnahme bei Totalverlust (gegenständlich und elektronisch):
ca. 5 bis 8 % vom Anlagenneuwert
DOKU-Kosten bei Um- und Ausbaumaßnahmen in Altanlagen:
ca. 5 bis 15 % des Investments
DOKU-Kosten bei Instandhaltung (IH):
ca. 3 bis 8 % der IH-Kosten
Die Kosten für Dokumentationsleistungen sind stark von Umfang und Qualität der Vorgaben abhängig. Nach Front-End-Loading-Erkenntnissen (s. Abschn. 5.1) werden bis zu 80 % der Dokumentationskosten in der Konzept-/Entwurfsphase begründet. Mögliche Preisformen für das Erbringen von Dokumentationsleistungen sind: Gesamt-Pauschalpreis gemäß der Definition: Pauschalpreis (Lump Sum) ist eine vereinbarte Vergütung für eine definierte Leistung (auch für Herstellung einer Anlage), die ohne Nachweis des erfolgten Aufwands (Stunden) und ohne Mengenermittlung, (Aufmaße, Mengengerüste) zu zahlen ist.
Diese Preisform setzt voraus, dass bei Vertragsabschluss der Leistungsumfang exakt spezifizierbar ist und sich während der Projektlaufzeit wenig ändert. Mengengerüstpreis nach Aufmaß, z.B. auf Basis vereinbarten Mengengerüstpreise und einer Kalkulationstabelle analog Abb. 4.1. Diese Preisform wird genutzt, wenn die Einzelleistungen bekannt sind und wiederholt erbracht werden. Bei Dokumentations-Dienstleistungen ist dies, z.B. für die Erarbeitung und/oder die Pflege der Bestandsdokumentation, häufig der Fall. Stundenverrechnungssatz und erbrachte Arbeitsstunden. Diese Preisform basiert auf vereinbarten Stundenverrechnungssätzen, i.d.R. für eine definierte Qualifikation des Mitarbeiters, und den vom Auftraggeber bestätigten Stundennachweisen. Sie wird genutzt, wenn bei Vertragsabschluss die Arbeiten nicht bzw. nur sehr ungenau definiert und spezifiziert werden können. Dies gilt u.a. für Dokumentations-Dienstleister (Document Controller).
4.4 Vertragsgestaltung zur Dokumentation nach BGB
333
4.4 Vertragsgestaltung zur Dokumentation nach BGB Die Fertigstellung, Lieferung, Prüfung und Abnahme der AS BUILT-Dokumentation sind in vielen Projekten die letzten Handlungen zur Vertragserfüllung. Sie finden zeitgleich bzw. häufig auch nach der werkvertraglichen Abnahme der Anlage statt. Das Management beider Partner hat sich gründlich darauf einzustellen. Der Anlagenvertrag muss vom Führungspersonal verinnerlicht werden. Es gilt eine solide Vertragskenntnis zu erlangen, die auch in der täglichen Arbeit vor Ort abgerufen werden kann. Der erste Schritt sollte eine Vertragsanalyse durch den Projektleiter sein. Er bindet ggf. Leadingenieure und Spezialisten ein. Danach ist bei Großprojekten ein sog. Vertragsseminar zweckmäßig, welches in Verbindung mit dem internen Kick-off-Meeting stattfinden kann und dem Einzelnen seine vertraglich vorgegebenen Aufgaben, Randbedingungen und Risiken betreffs Anlage und Dokumentation vermittelt. Der Anlagenvertrag oder signifikante Auszüge daraus müssen für die Projekt- bzw. Leadingenieure jederzeit als Arbeitsunterlage einsehbar sein. Unternehmen, die den Anlagenvertrag wie ein vertrauliches Dokument handhaben, schaden oft dem unternehmerischen Denken und selbstbewussten Handeln ihrer Mitarbeiter. Professionelle Juristen sind als Fachberater nützlich und werden von beiden Partnern, z.B. beim Ausloten der eigenen Positionen, herangezogen. Während der Projektabwicklung ist das Herbeiführen einer richterlichen Entscheidung zur Klärung von Streitfragen sehr selten, da i.d.R. dazu die Zeit fehlt. Andererseits klagt mitunter im Nachhinein (nach Inbetriebnahme) der Auftragnehmer (z.B. ausstehende Restzahlungen und/oder einbehaltene Vertragsstrafen) oder der Auftraggeber (z.B. Erfüllungs- bzw. Gewährleistungsansprüche) betreffs der gelieferten AS BUILT-Dokumentation vor Gericht ein. In der Berufspraxis der Autoren hat sich oft gezeigt, dass die Ingenieure und Naturwissenschaftler nicht selten die Bedeutung von rechtlich-vertraglichen Aspekten unterschätzen. Dies ist im gegenwärtigen verfahrenstechnischen Anlagenbau mit all seinen Risiken nachteilig und fahrlässig; auch hinsichtlich der persönlichen Absicherung sowie der Vermeidung von Haftungsansprüchen gegen die eigene Person. Ausgehend von der vorgenommen Situationsbeschreibung sollen im Weiteren einige allgemeine Ausführungen zu Schuldverhältnissen nach BGB sowie zu Vertragsformen in Verbindung mit Anlagenverträgen inkl. Dokumentation behandelt werden. Dabei ist es zunächst nicht wichtig, ob es sich um einen Turnkey-Vertrag, Engineeringvertrag, Montagevertrag oder Liefervertrag handelt. Auf diese letztgenannten Vertragsarten, die begrifflich durch den Leistungsumfang bzw. Vertragsgegenstand definiert sind, wird im Abschn. 4.5.1 eingegangen.
4.4.1 Grundsätzliches zu Schuldverhältnissen nach BGB Eine rechtliche Systematisierung von Verträgen bzw. Bestellungen ist nach dem BGB (Bürgerlichem Gesetzbuch) [4][5] in Abhängigkeit vom Schuldverhältnis zwischen Gläubiger (Investor, Auftraggeber, Bauträger) und Schuldner (Kontraktor, Auftragnehmer) möglich. Für die Anlagen-Projektabwicklung sind die Schuldverhältnisse nach Werkvertrag, Kaufvertrag oder Dienstvertrag bedeutungsvoll. Die angeführten Vertragsbezeichnungen drücken die Rechtsform eines Vertrages aus; in diesem Buch als Vertragsform definiert. Hinsichtlich der Gültigkeit der BGB-Aussagen über die Schuldverhältnisse gemäß den o.g. Vertragsformen sind die folgenden Vorbemerkungen wichtig:
334 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
a) Das im BGB formulierte Recht der Schuldverhältnisse ist dispositiv, d.h. die Vertragsparteien können etwas anderes vereinbaren als im Gesetz steht (sog. Gestaltungsfreiheit). Oder anders gesagt, wenn nichts Anderes vereinbart ist, gelten die Rechtsnormen des BGB bzw. wenn andere Regelungen als im BGB gewollt sind, muss dies ausdrücklich im Anlagenvertrag vereinbart werden. Bsp: Wird in einem Werkvertrag über ein Bauwerk inkl. zugehörige Baudokumentation keine Aussage zur Gewährleistungsfrist/-dauer gemacht, so verjähren nach BGB, § 634a, Abs. 2 die Mängelansprüche nach 5 Jahren. Dies entspricht umgekehrt formuliert einer Gewährleistungsdauer von 5 Jahren für das Bauwerk. Basiert der Vertrag über das Bauwerk aber auf der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) [6] und wurde im Vertrag keine Aussage über die Gewährleistungsfrist gemacht, so gilt gemäß § 13 Nr. 4 VOB/B eine Verjährungsfrist von 4 Jahren. b) Sofern durch das Recht aber die Interessen einer Vertragspartei oder Dritter geschützt werden sollen, ist im BGB die Rechtsnorm zwingend formuliert, d.h. sie ist für die Vertragsparteien im Sinne eines Gesetzes bindend. Bsp.: Im BGB, § 276 (Verantwortlichkeit des Schuldners) ist geregelt: (1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 (d. Verf.: Ausschluss und Minderung der Verantwortung) und 828 (d. Verf.: gilt für Minderjährige) finden entsprechend Anwendung. (3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
Bsp.: In ähnlicher Weise wie im vorherigen Beispiel wird im BGB, § 639 (Haftungsausschluss im Werkvertrag) zwingend vorgegeben: Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Bestellers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Unternehmer nicht berufen, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit des Werkes übernommen hat.
c) Unabhängig von den Feststellungen gemäß a) und b) macht der Gesetzgeber im BGB nur wenige grundlegende Vorgaben zu vertraglichen Normen. Im Unterschied zum Ordnungs- und Genehmigungsrecht, überlässt er vieles den Vertragsparteien. Zusammenfassend lässt sich aus den Ausführungen unter a) bis c), sowohl für die Anlage als auch für die zugehörige Dokumentation, folgern: Im Vertrag sind die wichtigen rechtsrelevanten Aspekte, die insbesondere Aussagen und Regelungen: zu Verantwortlichkeiten und Befugnissen, über die zugesicherten Eigenschaften (vereinbarte Beschaffenheit), zu Gewährleistungen bzw. Garantien, zu Haftung und Schadenersatz, zu Abnahme, Vergütung, Zahlungszielen usw. betreffen, zwischen den beiden Partnern projektbezogen und ausführlich zu vereinbaren. Die detaillierten vertraglichen Vereinbarungen sind insbesondere bei Anlagenverträgen nach BGB nötig, da der Gesetzgeber bewusst den Vertragsparteien einen großen Gestaltungsspielraum lässt.
4.4 Vertragsgestaltung zur Dokumentation nach BGB
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Auch wenn viele Regelungen zu Schuldverhältnissen im BGB für die Vertragsparteien nicht zwingend sind, so stellen sie doch bewährte Rechtsnormen und Orientierungen für die konkrete Vertragsgestaltung dar. Die drei wichtigsten rechtlichen Vertragsformen für Anlagenprojekte inkl. der Dokumentationsleistungen werden nachfolgend kurz erläutert.
4.4.2 Werkvertrag (BGB, §§ 631 – 650h) Zum Werkvertrag ist im BGB, § 631 (Vertragstypische Pflichten beim Werkvertrag) formuliert: (1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer (d. Verf.: Auftragnehmer) zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller (d. Verf.: Auftraggeber) zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Werkvertrages kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.
Im Anlagenbau sind häufig die Engineeringleistungen inkl. Dokumentationsleistungen und/oder die Herstellung der Anlage der Gegenstand des Werkvertrags. Im Werkvertrag schuldet der Auftragnehmer dem Auftraggeber gemäß § 631, BGB einen vereinbarten Erfolg, nicht nur sein Mitwirken bzw. sein Bemühen. Der AN haftet im Werkvertrag verschuldungsunabhängig für den Erfolg. Wie der Erfolg (das Ergebnis) im Werkvertrag sein muss, sagt die nachfolgend angeführte Formulierung nach BGB, § 633 (Sach- und Rechtsmangel): (1) Der Unternehmer hat dem Besteller das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. (2) Das Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist das Werk frei von Sachmängeln, 1. wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst 2. für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann. Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Unternehmer ein anderes als das bestellte Werk oder das Werk in zu geringer Menge herstellt. (3) Das Werk ist frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf das Werk keine oder nur die im Vertrag übernommenen Rechte gegen den Besteller geltend machen können.
Die Erfolgs-/Mangelhaftung des Auftragnehmers gilt prinzipiell auch dann, wenn er selbst bei der Herstellung des versprochenen Werks kein Verschulden begangen hat. Das heißt, der Auftragnehmer kann bei Misserfolg u.U. für die Fehler anderer haften. Dies können z.B. Fehler oder Versäumnisse des Auftraggebers selbst oder anderer Auftragnehmer (Planer, Lieferant, Montagefirma u.a.) sein. Um dies zu vermeiden, gilt nach [7] und analog zur VOB/B, § 4 Abs. (3): Der Auftragnehmer ist bei jedem Werkvertrag im Rahmen seines Leistungsumfangs (auch bei Änderung/Nachträgen) dazu verpflichtet, auf Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung (z.B. Erarbeiten der Dokumentation), die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe//Materialien/Medien und Bauteile/Komponenten,
336 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
die Leistungen anderer Auftragnehmer (Erfüllungsgehilfen des Auftraggebers) hinzuweisen. In der Berufspraxis des Autors wurden mögliche Bedenken (Fragen, Unklarheiten u.ä.) des Auftragnehmers (als Generalplaner oder Generalunternehmer) gegenüber den Vorgaben (Lastenheft, Pflichtenheft) des Auftraggebers jeweils im Prozess der Angebotserarbeitung und/oder der Vertragsverhandlung zerstreut (beantwortet, geklärt). Sollten sich trotzdem nach Vertragsabschluss bzw. bei nachträglichen Änderungen/ Ergänzungen noch Bedenken ergeben, so gilt der Hinweis: Hat der Auftragnehmer Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung, muss er diese dem Auftraggeber unverzüglich schriftlich anzeigen. Form und Inhalt der sog. Bedenkenanmeldung können, auch bei einem Werkvertrag nach BGB, analog wie bei VOB-Verträgen erfolgen [6]. Das Muster einer Bedenkenanmeldung gemäß § 4 Abs. 3, VOB/B bzw. §§ 631, 633 BGB zeigt Abb. 4.2. Die Frage: „Welche Fehler/Mängel muss der Auftragnehmer erkennen und anzeigen und welche nicht? ist gemäß der erfolgten Rechtsprechung nicht eindeutig zu beantworten. Die Entscheidung wird insbesondere beeinflusst, von der Art des Fehlers bzw. Mangels, der Kompliziertheit und Komplexität des Sachverhalts, der Sachkunde des Auftragnehmers und der anderen Beteiligten, den Aufwand für die Fehlererkennung (Verhältnismäßigkeit), der Auswirkung des Fehlers bzw. Mangels. Wichtige Bestandteile der im BGB, § 633 Abs. (2) angeführten vereinbarten Beschaffenheit sind die vom Auftragnehmer im Werkvertrag zugesicherten Gewährleistungen und Garantien (s. Abschn. 2.6.4). Ihre Nichterfüllung stellt i.d.R. einen wesentlichen Sachmangel dar. Bei Nichterfüllung des Werkvertrages seitens des Auftragnehmers resultieren Forderungen des Auftraggebers. Mögliche Maßnahmen bei Nichterfüllung sowie die üblichen Verjährungsfristen dieser Versprechen sind im Abschn. 2.6.4 angeführt. Von besonderem Interesse bei Leistungsstörungen sind oft die Regelungen zum Schadenersatz, inkl. Schadenersatz für entgangenen Gewinn (BGB, § 252) oder für andere Folgeschäden. Die Grundaussage zum Schadenersatz steht im BGB, § 280 (Schadenersatz wegen Pflichtverletzung) und betrifft alle Schuldverhältnisse. Danach hat der Schuldner, der eine Leistungspflicht verletzt, dem Gläubiger den hierdurch entstehenden Schaden zu ersetzen. Es sei denn, dass er die Pflichtverletzung nicht (im Sinne von § 276) zu vertreten hat (Beweis beim Schuldner). Unter welchen Voraussetzungen die Schadenersatzforderung durchsetzbar ist, wird im BGB, § 281 (Schadenersatz statt der Leistung) formuliert. Einen Schadenersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281 (erfolglose Fristsetzung), des § 282 (Unzumutbarkeit der Leistung für den Gläubiger) oder des § 283 (vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit der Leistung) verlangen. In besonderen Fällen und unter bestimmten Voraussetzungen kann es auch einen Schadenersatz neben der Leistung geben. Die Erfahrungen im Anlagenbau zeigen, dass ein Schadenersatz statt der Leistungen selten ist. Im Allgemeinen bessert bei einer Leistungsstörung im Werkvertrag der Schuldner (Auftragnehmer) die Leistung gemäß BGB, § 635 (Nacherfüllung) nach.
4.4 Vertragsgestaltung zur Dokumentation nach BGB LOGO und Anschrift (Auftragnehmer)
337
Datum
Anschrift (Auftraggeber)
Betreff: Anmeldung von Bedenken gem. § 4 Abs. 3 VOB/B (§§ 631, 633 BGB) Projekt: Sehr geehrte Damen und Herren, gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B (alternativ: §§ 631, 633 BGB) hat der Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber eine Mitteilungspflicht, sofern er gegen die vorgesehene Art der Ausführung, gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Materialien und Vorarbeiten oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer Bedenken hat. Entsprechend dieser dem Auftragnehmer auferlegten Mitteilungspflicht melden wir hiermit Bedenken an. a) Beschreibung und Begründung der Bedenken
b) Lösungsvorschlag zur Beseitigung der Bedenken
Um eine Verzögerung in der Durchführung der Leistungserbringung zu vermeiden, bitten wir um unverzügliche Prüfung und Stellungnahme zur Bedenkenanmeldung. ( ) Ihre Rückinformation dazu erbitten wir bis zum …………….. ( ) Wir weise darauf hin, dass wir ohne ausdrückliche Weisung Ihrerseits unsere Leistung erst fortsetzen können, wenn die Ursachen für unsere Bedenken beseitigt sind.
Mit freundlichen Grüßen ………………………….. Ort, Datum
...…………………………… Unterschrift Auftragnehmer
Kopie an: Abb. 4.2 Muster einer Bedenkenanmeldung nach VOB/B, § 4 Abs. 3 [6] und nach BGB §§ 631, 633 [4] (angepasst an Dokumentationsleistungen und entsprechende Verträge)
338 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
Ist die Nacherfüllung (Nachbesserung) innerhalb einer angemessenen Frist nicht erfolgreich, kann der Besteller den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen (§ 637 Selbstvornahme), wenn der Unternehmer die Nacherfüllung nicht zu Recht verweigert. Ein besonderes Merkmal des Werkvertrages ist die Durchführung einer Abnahmehandlung. Dabei wird die Vertragserfüllung geprüft und durch die Abnahme der Vertragsleistung bestätigt. Im BGB, § 640 (Abnahme) wird dazu formuliert: (1) Der Besteller ist verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist. Wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden. (2) Als abgenommen gilt ein Werk, wenn der Unternehmer (d. Verf.: Auftragnehmer) dem Besteller (d. Verf.: Auftraggeber) nach Fertigstellung des Werks eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Besteller die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat. …… (3) Nimmt der Besteller ein mangelhaftes Werk gemäß Absatz 1 Satz 1 ab, obschon er den Mangel kennt, so stehen ihm die in § 634 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Rechte (d. Verf.: Nacherfüllung, Selbstvornahme, Minderung, Vertragsrücktritt) nur zu, wenn er sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Abnahme vorbehält.
Betreffs der Dokumentationsleistungen muss sich nach Absatz (3) der Besteller die Rechte zur Nachbesserung bei der Abnahme sichern, da die Dokumentation zur Abnahme vorliegt aber oftmals noch nicht geprüft wurde. Die Regelungen nach § 640 Abs. (2) ermöglichen eine „fiktive Abnahme“, wenn zwar objektive Mängel vorliegen, der Auftraggeber aber innerhalb der vom Auftragnehmer gesetzten Frist die Abnahmeverweigerung nicht mit entsprechenden Mängeln begründet. Häufig wird aber in Anlagenverträgen diese fiktive Abnahme explizit ausgeschlossen. Über die Fälligkeit der Vergütung wird im BGB, § 641 festgelegt: (1) Die Vergütung ist bei der Abnahme des Werkes zu entrichten. Ist das Werk in Teilen abzunehmen und die Vergütung für die einzelnen Teile bestimmt, so ist die Vergütung für jeden Teil bei dessen Abnahme zu entrichten. (3) Kann der Besteller die Beseitigung eines Mangels verlangen, so kann er nach der Fälligkeit der Zahlung eines angemessenen Teils der Vergütung verweigern; angemessen ist in der Regel das Doppelte der für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten. (4) Eine in Geld festgesetzte Vergütung hat der Besteller von der Abnahme des Werkes an zu verzinsen, sofern nicht die Vergütung gestundet ist.
Weitere allgemeine Vorschriften zum Werkvertrag im BGB, die die Abnahme, Vergütung, Mitwirkungsleistungen des Bestellers und Kündigung betreffen, sind kurz gefasst: Werkunternehmer können vom Auftraggeber eine Abschlagszahlung in Höhe des Wertes der von ihm erbrachten und nach dem Vertrags geschuldeten Leistungen verlangen (§ 632a, Abs. (1). Die Vergütung eines Subunternehmers ist spätestens dann fällig, sobald sein Auftraggeber vom Bauherrn seine Vergütung oder Teile davon erhalten hat (§ 641, Abs. (2). Bei mangelnder Ausführung kann der Besteller in der Regel den 2fachen Betrag der für die Beseitigung von Mängeln erforderlichen Kosten einbehalten (§ 641, Abs. (3). Eine in Geld festgesetzte Vergütung hat der Besteller von der Abnahme des Werkes an zu verzinsen, sofern nicht die Vergütung gestundet ist (§ 641, Abs. (4). Der Unternehmer ist im nach § 642 (d. Verf.: unterlassene Mitwirkung des Bestellers)
4.4 Vertragsgestaltung zur Dokumentation nach BGB
339
berechtigt, dem Besteller zur Nachholung der Handlung (z.B. Beibringen einer rechtskräftigen Genehmigung) eine angemessene Frist mit der Erklärung zu bestimmen, dass er den Vertrag kündige, wenn die Handlung nicht bis zum Ablauf der Frist vorgenommen werde (§ 643 Kündigung bei unterlassener Mitwirkung). Der Unternehmer trägt die Gefahr bis zur Abnahme des Werks. Kommt der Besteller in Verzug der Annahme, so geht die Gefahr auf ihn über. Für den zufälligen Untergang und eine zufällige Verschlechterung des von dem Besteller gelieferten Stoffes ist der Unternehmer nicht verantwortlich (§ 644 Gefahrtragung). Der Besteller kann bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. Kündigt der Besteller, so ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch jederzeit anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Es wird vermutet, dass danach dem Unternehmer 5 von Hundert der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden Vergütung zustehen (§ 648 Kündigungsrecht des Bestellers). Beide Vertragsparteien können den Vertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werks nicht zugemutet werden kann (§ 648a Kündigung aus wichtigem Grund). Auf einen Vertrag, der die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand hat, finden die Vorschriften über den Kauf Anwendung (§ 650 Anwendung des Kaufrechts).
Im internationalen und nationalen Recht anderer Staaten sind der Begriff der Abnahme sowie die damit verbundenen Inhalte, Rechtsfolgen u.a. teils unterschiedlich geregelt. Insbesondere bei internationalen Anlagenverträgen ist es wichtig, dass die Details zur Abnahme ausführlich vertraglich vereinbart werden. Konkret heißt das, die Voraussetzungen, der Inhalt, der Ablauf und die Rechtsfolgen der werkvertraglichen Abnahme nach § 640 BGB müssen aus dem Text des Vertrags erkennbar sein. Ergänzend zur Abnahmethematik sei noch auf die erheblichen Rechtsfolgen verwiesen, die i.d.R. mit der werkvertraglichen Abnahme, auch der AS BUILT-Dokumentation (s. Abschn. 4.6.6) verbunden sind. Zunächst resultiert aus der Abnahme per Gesetz, dass der Besteller die Leistung des Auftragnehmers als im Wesentlichen vertragsgemäß anerkennt. Im Abnahmeprotokoll angeführte Mängel (Restpunkte) sind nach § 640 BGB nur unwesentliche Mängel. Ferner kann die Abnahme nach § 640, entweder abgeleitet aus dem anzuwendenden Recht bzw. laut vertraglicher Vereinbarung folgende Rechtsfolgen bewirken: Mit der Abnahme eines Vertragsgegenstandes gelten die vom Auftragnehmer zugesicherten Eigenschaften (lt. BGB: vereinbarte Beschaffenheit), als erbracht. Spätestens mit der Abnahme beginnt die Gewährleistungsfrist (s. Abschn. 2.6.4, a)). Nach der Abnahme stehen dem Besteller bezüglich der Qualität der Leistung des Auftragnehmers nur noch Gewährleistungen und Garantie zu. Aus dem bisherigen Erfüllungsanspruch wird somit ein Mängelbeseitigungsanspruch (sofern eine Mängelhaftung des Verkäufers nach der Abnahme fortbesteht).
340 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
Mit der Abnahme ist meistens der Gefahrenübergang bzw. Verantwortungsübergang für die Dokumentation vom Auftragnehmer an den Besteller verbunden (s. auch BGB, § 644 Gefahrtragung); sofern dieser nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt vereinbart und erfolgte ist (z.B. nach Lieferung der Dokumentation). Mit erfolgter Abnahme ändert sich die Beweislast (Beweislastumkehr). Während vor der Abnahme der Auftragnehmer die Vertragsgemäßheit der Leistung beweisen muss, sind Mängel nach der Abnahme durch den Besteller zu beweisen. Bei einem Dokumentationsmangel im Gewährleistungszeitraum muss z.B. der Besteller nachweisen, dass die Mangelursache vom Auftragnehmer zu vertreten ist. Dazu muss er ggf. belegen, dass die Schadensursache bzw. der Mangel bereits zum Zeitpunkt des Gewährleistungsbeginns vorlag. Dies kann anhand eines „beweiskräftig eingefrorenen“ (z.B. notariell hinterlegten) Belegexemplars der abgenommenen AS BUILT-Dokumentation erfolgen. Die Beweislastumkehr entbindet den Auftragnehmer aber nicht davon, angezeigte Mängel zu untersuchen bzw. auf die Mangelanzeige angemessen zu reagieren. Der Abnahmetermin ist meistens für die vertragsgemäße Terminerfüllung wichtig. Eine vertragliche Fixierung des Abnahmetermins ist jedoch i.Allg. nicht zweckmäßig, da seine Erfüllung nur partiell durch den Auftragnehmer zu beeinflussen ist. Im Vertrag sollte jedoch vereinbart sein, innerhalb welcher Frist nach Lieferung der AS BUILT-Dokumentation mit den Abnahmeverhandlungen zur Dokumentation zu beginnen ist. Der Zeitpunkt der Abnahme kann als spätester Zeitpunkt für den Beginn von Garantieund/oder Gewährleistungsfristen gelten. Das Abnahmeprotokoll stellt häufig ein zahlungsauslösendes Dokument dar. Die Abnahme gibt i.d.R. dem Auftragnehmer das Recht zur Rechnungslegung (z.B. für einen vereinbarten Zahlungsmeilenstein). Mit der Abnahme und der anschließenden Zahlung der vereinbarten Vergütung kann ein Eigentumsübergang des Vertragsgegenstandes verbunden sein. Dokumentationsleistungen werden i.Allg. als Teil einer Gesamtleistung in Werkverträgen vereinbart. Sie können aber im speziellen Fall auch im Rahmen eines Dienstvertrags eingekauft werden (s. Abschn. 4.4.4). Abschließend sei noch angefügt, dass im BGB, §§ 650a bis 650h noch spezielle Vorgaben zum Bauvertrag, als eine spezielle Form eines Werkvertrags, gemacht werden. Nach § 650a (Bauvertrag gilt: Der Bauvertrag ist ein Vertrag über die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder der Umbau eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon. Für den Bauvertrag gelten ergänzend die folgenden Vorschriften dieses Kapitels.
Im Einzelnen sind im BGB zum Bauvertrag Festlegungen getroffen betreffs: ▪ Änderung des Vertrags; Anordnungsrecht des Bestellers (§ 650b), ▪ Vergütungsanpassung bei Anordnungen nach § 650b, Absatz 2 (§ 659b), ▪ Einstweilige Verfügung (§ 650d), ▪ Sicherungshypothek des Bauunternehmers (§ 650e), ▪ Bauhandwerkersicherung (§ 659f), ▪ Zustandsfeststellung bei Verweigerung der Abnahme; Schlussrechnung (§ 650g), ▪ Schriftform der Kündigung (§ 650h).
4.4 Vertragsgestaltung zur Dokumentation nach BGB
341
Zusammenfassend zur Thematik Bauvertrag lässt sich feststellen: Die Vorgaben zum Bauvertrag gelten ergänzend zu den zuvor angeführten Allgemeinen Vorschriften zum Werkvertrag. Im verfahrenstechnischen Anlagenbau sind die Baumaßnahmen inkl. zugehöriger Dokumentationsleistungen im Normalfall in das Gesamt-Anlagenprojekt und entsprechend in den Anlagenvertrag eingebunden. In diesen Fällen bedarf es keines speziellen Bauvertrags. Im Einzelfall muss entschieden werden, ob es sich um eine Anlageninvestition inkl. Baumaßnahmen oder um eine Bauinvestition inkl. technischer Ausrüstungen handelt. Kauft der Investor/Auftraggeber/Besteller die Gesamtanlage partiell in Form einzelner Pakete (Teilanlagen, Package-units, Bauwerke usw.) ein, so kann im Sonderfall für die Herstellung der Bauwerke (im Rahmen der gesamten Anlageninvestition) ein Bauvertrag abgeschlossen werden. In diesem Fall sind die o.g. acht Paragraphen 650a bis 650h zusätzlich zum allgemeinen Werkvertragsrecht zu beachten. Für Bauvorgaben der öffentlichen Hand in der BRD ist die VOB (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen) [6] bindend. Sie besteht aus 3 Regelwerken: ▪ VOB/A: Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen, ▪ VOB/B: Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen, ▪ VOB/C: Allgemeine technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen.
4.4.3 Kaufvertrag (BGB, §§ 433 – 479) Die vertragstypischen Pflichten beim Kaufvertrag sind nach BGB, § 433 folgende: (1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet. dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. (2) Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.
Die Abgrenzung zwischen Kaufvertrag und Werkvertrag ist nach BGB, § 650 (Anwendung des Kaufrechtes) wie folgt geregelt: Auf einen Vertrag, der die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand hat, finden die Vorschriften über den Kauf Anwendung.
Die im Kaufvertrag vereinbarte Dokumentation ist ein Bestandteil der Sache. Im Anlagenprojekt muss geklärt werden, welche Beschaffungsvorgänge für Anlagenkomponenten (Hauptausrüstungen, PLT-Ausrüstungen, Armaturen, Rohrleitungen u.a.) einschließlich der zugehörigen Dokumentation dem Kaufvertragsrecht unterliegen und welche dem Werkvertragsrecht. Mitunter erfolgt jedoch im Anlagenbau, trotz dieser Abgrenzung nach § 650, BGB, auch die Beschaffung beweglicher Anlagenkomponenten über einem Werkvertrag, da im Vertrag neben der Produktlieferung zugleich noch Konstruktions-, Montage-, Inbetriebnahme- oder andere Serviceleistungen des Kontraktors vereinbart sind. Analog zum Werkvertrag schuldet im Kaufvertrag der Verkäufer dem Käufer einen vereinbarten Erfolg (vereinbarte Beschaffenheit) an der Sache.
342 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
Die rechtlichen Regelungen bei einem Kaufvertrag, wie beispielsweise betreffs Sachmangel (BGB, § 434), Rechtsmangel (§ 435), Rechte des Käufers bei Mängeln (§ 437), Verjährung der Mängelansprüche (§ 438), Nacherfüllung (§ 439), Minderung (§ 441), Besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadenersatz (§ 440), Haftungsausschluss (§ 444), sind ähnlich denen des Werkvertrages. Besonderheiten gelten für die Haftung (sog. Gefährdungshaftung) und den Schadensersatz bei Produkten gemäß Produkthaftungsgesetz [8] (s. Abschn. 2.6.2). Auf die Gewährleistung und Garantie des Verkäufers im Kaufvertrag wurde in Abschn. 2.6.4, b) eingegangen. Ist die gemäß Kaufvertrag erworbene Sache mangelhaft, so muss der Käufer zunächst Nacherfüllung verlangen. Diese kann nach seiner Wahl entweder durch Mangelbeseitigung (Nachbesserung) oder Lieferung einer mangelfreien Sache (§§ 437, 439) erfolgen. Ist die Nacherfüllung nicht durchführbar, kann er vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis anteilig mindern (§§ 437, 441). Eine Abnahmeprozedur zur Prüfung und Bestätigung der Vertragserfüllung ist im Kaufvertrag nicht üblich. Man spricht stattdessen von der „Übergabe und Entgegennahme der verkauften bzw. gekauften Sache“. Sobald die Sache (inkl. Dokumentation) vom Käufer entgegengenommen und entsprechend vergütet wurde, hat der Käufer die Erfüllung der Vertragsleistung bestätigt und trägt zukünftig die Beweislast. Ein wichtiger Unterschied des Kaufvertrags gegenüber dem Werkvertrag ist, dass beim Kauf einer Sache Mängel unverzüglich anzuzeigen sind (§ 377 Handelsgesetzbuch). Dies gilt auch, wenn der Kaufgegenstand auf eine Baustelle geleifert wird. Daher ist es wichtig, bei Erhalt der Ware eine Eingangsprüfung auf Vertragsgemäßheit durchzuführen und zu dokumentieren. Die Spezifik des Verbrauchgüterkaufs (BGB, §§ 474 – 479), die u.a. die Beweislastumkehr in den ersten 6 Monaten (§ 477) betreffen, ist für den Anlagenbau nicht relevant, da die beteiligten Unternehmen keine Verbraucher im Sinne des BGB, § 13 sind.
4.4.4 Dienstvertrag (BGB, §§ 611 – 630) Gegenüber dem Werk- bzw. Kaufvertrag weist der Dienstvertrag gravierende Unterschiede auf. Er ist nach BGB, § 611 (Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag) wie folgt definiert: (1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrages können Dienste jeder Art sein.
Schwierig ist teils die Abgrenzung zwischen Dienstvertrag und Werkvertrag. Grundsätzlich wird beim Dienstvertrag nur ein Bemühen, beim Werkvertrag ein Erfolg geschuldet. Wenn beispielsweise der Mitarbeiter einer Fremdfirma als Leadingenieur DOKUMENTATION bzw. Document Controller im Team des Generalunternehmers tätig wird, so erfolgt dies meistens im Rahmen eines Dienstvertrags. Er muss sich nach „besten Wissen und Gewissen“ bemühen und darf nicht „grob fahr-
4.5 Regelungen zur Dokumentation im Anlagenvertrag
343
lässig“ handeln (s. Abschn. 2.6.1). In der Regel wird er aber nicht für ein bestimmtes Ergebnis (Erfolg) seiner Arbeit gewährleisten. Das Leasing von Spezialisten und deren Einbindung ins eigene Team ist deshalb bezüglich der Erfolgshaftung (Gewährleistung) aber auch aus arbeits- und versicherungsrechtlichen Gründen problematisch. Dies gilt insbesondere, wenn die delegierte Person ausschließlich für den neuen Arbeitgeber tätig ist, der Arbeitsort beim neuen Arbeitgeber liegt und der neue Arbeitgeber gegenüber der delegierten Person weisungsbefugt ist. Aus dem Gesagten kann umgekehrt gefolgert werden, wenn der Auftraggeber vom Auftragnehmer für die Vertragsleistung eine Gewährleistung möchte, muss er die Leistung über einen Werkvertrag einkaufen. Der Dienstvertrag (sprachlich: Arbeitsvertrag) ist der klassische Vertrag zwischen einem Arbeitgeber und einem nichtselbstständigen Arbeitnehmer. Er kann aber auch vom Arbeitgeber mit einem Selbstständigen (z.B. freiberuflichen Dokumentationsspezialisten) abgeschlossen werden. Bei einem Dienstvertrag und bei Haftung des Arbeitnehmers trägt der Arbeitgeber die Beweislast entsprechend der nachfolgenden Formulierung im BGB, § 619a (Beweislast bei Haftung des Arbeitnehmers): Abweichend von § 280 Abs. 1 (d. Verf.: Beweislast beim Schuldner) hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Ersatz für den aus der Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden Schaden nur zu leisten, wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat.
Begeht ein über einen Dienstvertrag beschäftigter Fremdfirmenmitarbeiter bzw. Freiberufler einen Schaden, z.B. indem er Mängel in der Dokumentation nicht erkennt, so gelten grundsätzlich die Ausführungen gemäß Abschn. 2.5.2 und 2.6.1. Kann ihm der Geschädigte im Schadensfall keine Pflichtverletzung nachweisen, aber ggf. einen fachlichen Fehler oder ein Versäumnis, so ist gegebenenfalls der Fahrlässigkeitsvorwurf zivilrechtlich bzw. strafrechtlich relevant.
4.5 Regelungen zur Dokumentation im Anlagenvertrag 4.5.1 Vertragsarten im Anlagenbau Im Anlagenbau wird ein Auftrag, der z.B. die Herstellung oder Planung einer kompletten Anlage beinhaltet, als Anlagenvertrag vereinbart. Kleinere Aufträge werden als Bestellungen ausgelöst. Der Anlagenvertrag hat eine werkvertragliche Rechtsnatur, während eine Bestellung auch ein Kauf- bzw. Dienstvertrag sein kann. Natürlich ist der organisatorisch-inhaltliche Regelungsbedarf im Anlagenvertrag größer als in der Bestellung. Unabhängig von der Rechtsform eines Vertrages, werden im Anlagenbau verschiedene Vertragsarten definiert. Deren Bezeichnung spiegelt den Vertragsgegenstand bzw. die Vertragsleistung wider; mitunter auch die Vergütungsform. Die zwei häufigsten Vertragsarten sind der Generalvertrag (Turnkey contract) und der Ingenieurvertrag (Engineeringvertrag, Engineering contract). Beide Vertragsarten beschreiben grundlegende Vertragsbeziehungen zwischen den Partnern und schließen die Dokumentationsleistungen ein. Auf andere Vertragsarten (z.B. Liefer- und Montageverträge) bzw. Mischformen von Verträgen wird nicht eingegangen und auf die Fachliteratur verwiesen. Die Übersicht in Abb. 4.3 zeigt auf Basis des Phasenmodells der Anlagen-Projektabwicklung (s. Abschn. 5.1) für typische verfahrenstechnische Branchen die vertraglich
344 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
Abb. 4.3 Übersicht zu Vertragsleistungen und Vertragsarten bei der Anlagen-Projektabwicklung
zu regelnden Leistungen und einige Vertragsarten. Sie soll für die folgenden Ausführungen zu beiden Vertragsarten als Grundlage dienen. Die angeführten Abkürzungen werden nachfolgend im Text erläutert. Die Dokumentationsleistungen sind integrierter Vertragsbestandteil, egal um welche Vertragsart es sich handelt (s. Abschn. 4.5.2 bis 4.5.4).
4.5.1.1 Generalvertrag (Turnkey contract) Die Rechtsform eines Generalvertrags im Anlagenbau ist der Werkvertrag. Er wird insbesondere für die Anlagenausführung angewandt. Im Generalvertrag verpflichtet sich der (General-)Auftragnehmer (GeneralContractor) gegenüber dem Auftraggeber (Investor, Bauherr) eine funktionstüchtige (schlüsselfertige) Anlage gegen Zahlung eines Pauschal- bzw. Festpreises zu liefern und zu errichten [9]. Es existiert somit eine einheitliche und umfassende Leistungsverpflichtung des Auftragnehmers, die beinhaltet (s. Abb. 4.3): die Ausführungsplanung (Detail Engineering) (optional), die Fertigung und Lieferung der Komponenten zur Baustelle (Procurement), den Bau und die Montage inkl. Baustellenleitung (Construction), die Inbetriebnahmedurchführung und/oder -leitung (Commissioning) (optional). Diese Vertragsart minimiert die Schnittstellen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Sie setzt eine detaillierte Leistungsbeschreibung und Vorgabe der Rahmenbedingungen im Pflichtenheft bzw. den Ausschreibungsunterlagen voraus. Die häufigste Modifikation eines Generalvertrags im Anlagenbau ist der LSTKVertrag. Dabei steht LSTK für Lump-Sum-Turn-Key und bedeutet Schlüsselfertige Anlage zum Pauschalpreis.
4.5 Regelungen zur Dokumentation im Anlagenvertrag
345
Die Vergütung erfolgt im „klassischen“ LSTK-Vertrag zum Pauschalpreis gemäß folgender Definition: Pauschalpreis (Lump Sum) ist eine vereinbarte Vergütung für eine definierte Leistung (auch für Herstellung einer Anlage), die ohne Nachweis des erfolgten Aufwands (Stunden) und ohne Mengenermittlung, (Aufmaße, Mengengerüste) zu zahlen ist.
Die Ausführungsplanung kann zum Vertragsumfang gehören, muss aber nicht. Im verfahrenstechnischen Anlagenbau gehört die Ausführungsplanung (Detail Engineering) oftmals mit zum Leistungsumfang des LSTK-Vertrags. Andererseits wird die Ausschreibung und Vergabe öffentlicher Vorhaben häufig auf Basis einer zuvor stattgefundenen Ausführungsplanung durchgeführt. Gehört das Detail Engineering zum Leistungsumfang, spricht man von einen Generalübernehmer(GÜ)-Vertrag; sonst von einem Generalunternehmer(GU)-Vertrag. Die werkvertragliche Abnahme der Anlage und Dokumentation erfolgt häufig, insbesondere wenn der Auftragnehmer auch Verfahrens- und Know-how-Träger ist, erst nach dem erfolgreichen Leistungsnachweis [10]. Das heißt, der Auftragnehmer ist auch für die Inbetriebnahmedokumentation sowie die Pflege der Gesamtdokumentation während der Inbetriebnahmephase bis hin zur AS BUILT-Dokumentation verantwortlich. Den weiteren Ausführungen dieses Kapitels liegt eine solch umfassende Leistungserbringung seitens des Auftragnehmers zugrunde. Tabelle 4.5 in Abschn. 4.5.1.3 zeigt das Inhaltsverzeichnis eines entsprechenden Anlagenvertrags. Weitere Musterverträge für Anlagen- und/oder Bauprojekte sind in [9][11][12] angegeben.
4.5.1.2 Ingenieurvertrag (Engineering contract) Die Rechtsform des Ingenieur- bzw. Engineeringvertrags ist in den meisten Anlagenprojekten auch der Werkvertrag. In der Rechtsform inkl. werkvertraglicher Konsequenzen sind General- und Ingenieurvertrag dann gleich. Der Ingenieurvertrag kann ausschließlich Ingenieurleistungen umfassen, wie es z.B. bei Verträgen über die Mitwirkung am Lastenheft bzw. beim Behörden-Engineering oder über die Erarbeitung des Pre- und Basic-Engineering nicht selten der Fall ist. Er kann aber im klassischen Fall bei der Anlagenausführung (auf Basis des Pflichtenhefts) auch komplexer sein und die Leistungen für: die Planung (Engineering), die Procurement-Unterstützung (Beschaffung), die Bau-/Montageleitung inkl. Baustellenleitung (Construction), die Inbetriebnahmeleitung und -durchführung (ggf. nur Unterstützung). beinhalten. Entsprechend dem vertraglichen Leistungsumfang von Engineering, Procurement-Unterstützung, Construction Management spricht man in diesem Fall von einem EPCM-Vertrag. Erbringt nur ein Auftragnehmer diesen komplexen Leistungsumfang, so wird er als Generalplaner (GP) oder General-Engineer bezeichnet. Typische Engineeringverträge sind solche, die auf Grundlage der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) [2] abgeschlossen werden. Ein Engineeringvertrag kommt alternativ zum Turnkeyvertrag zustande, wenn der Auftraggeber aus unterschiedlichsten Gründen die Lieferungen und Leistungen selbst einkaufen will oder der Auftragnehmer (z.B. ein traditionelles Ingenieurbüro), nicht als „Zwischenhändler“ der Anlage fungieren möchte.
346 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
Neben dem Ingenieurvertrag gibt es somit im Rahmen der gesamten Anlagenrealisierung noch weitere Liefer- und Montageverträge. Zwischen den einzelnen Verträgen ist eine exakte juristische und inhaltliche Abgrenzung und Schnittstellengestaltung der Leistungen und Gewährleistungen notwendig. Nicht selten wünscht der Auftraggeber, auch wenn er de jure der Besteller/Einkäufer bleibt, dass das Ingenieurbüro einen Großteil seiner Beschaffungsaufgaben (Procurement) übernimmt (s. Abschn. 3.5 und 5.9). Eine Zusammenstellung möglicher Leistungen in EPCM-Verträgen, die überwiegend Dokumentationsleistungen darstellen, enthält Tab. 4.4. Die Leistungen des GeneralAuftragnehmers (GU) in einem Engineeringvertrag nach Tab. 4.4 unterscheiden sich inhaltlich nicht wesentlich von denen eines Generalvertrags. Tabelle 4.4 Mögliche Leistungen des Auftragnehmers im EPCM-Vertrag 1 Grundlagen- und Planungsphase 1.1
Erarbeitung bzw. Mitwirkung an einer Vorstudie (feasibility study) zur Erarbeitung der Ziele, Bedingungen und Aufgaben der vorgesehenen Anlageninvestition
1.2
Erarbeitung bzw. Mitwirkung am Lastenheft bzw. der Anfragespezifikation für die Anlageninvestition Erarbeitung der projektspezifischen Verfahrensunterlagen (Basic Design) Gesamtentwurf der Anlage sowie Erarbeitung der fachspezifischen Aufgabenstellung für die Ausführungsplanung (Basic Engineering) – Im Allgemeinen ist es zweckmäßig, das Basic Engineering (falls es fremdvergeben wird), insgesamt von einem Ingenieurunternehmen erarbeiten zu lassen. – Die Ergebnisse des Basic Engineering ermöglichen eine fundierte Kosten- und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der beabsichtigten Anlageninvestitionen.
1.3 1.4
1.5
Mitwirkung bei der Erarbeitung von Unterlagen zur Investitionsentscheidung
1.6
Ggf. Mitarbeit an der Dokumentation zur Umweltverträglichkeitsprüfung sowie am anschließenden Verfahren
1.7
Mitarbeit an der Dokumentation zum Genehmigungsantrag sowie am Genehmigungsverfahren (Behördenengineering) – Durch die Komplexität und Kompliziertheit der Genehmigungsunterlagen hat sich diese Aufgabe zu einer spezifischen Ingenieurleistung entwickelt. Wahrnehmung aller bzw. einzelner Fachplanungsfunktionen bei der Ausführungsplanung (Detail Engineering) – Größere Ingenieurunternehmen führen das Detail-Engineering mitunter komplett aus, kleinere binden für einzelne Fachplanungen spezialisierte Ingenieurbüros. – Nicht selten werden Fachplanungsleistungen auch in Verbindung mit der Lieferung und Montage der entsprechenden Ausrüstungen bzw. Teilanlagen vergeben (sog. Packageunits).
1.8
2 Beschaffungsphase 2.1 2.2 2.3 2.4
Ausarbeiten der Ausschreibungsunterlagen/Anfragespezifikationen zur Realisierung der Anlage bzw. von Package-units und Ausrüstungen Einholen von Angeboten zu 2.1 und Durchführung der Angebotsvergleiche Mitwirken an Vergabeverhandlungen, Protokollierung der Ergebnisse und Erarbeiten eines Vergabevorschlags Vorbereiten der Bestellungen zur Unterschrift (ggf. auch Bestellen „im Namen und auf Rechnung“ des Auftraggebers
4.5 Regelungen zur Dokumentation im Anlagenvertrag
347
Tab. 4.4 (Fortsetzung) 2.5
2.6 2.7 2.8
Planung und Durchführung von Qualitätssicherungsmaßnahmen während der Beschaffung – Erarbeiten von Qualitätssicherungsprogrammen für die Fertigung und Montage – Durchführen bzw. Mitwirken von Fertigungskontrollen bei den Herstellern – Durchführen/Mitwirken an Freigaben vor Auslieferung – Durchführen/Mitwirken bei Entgegennahme der Lieferung (Eingangskontrollen nach Lieferung frei Baustelle) – Kontrolle der gelieferten Dokumentation (vor Zahlung) Kontrolle der eingehenden Rechnungen auf sachliche Richtigkeit Mitwirken beim Controlling (Termine, Kosten) während der Beschaffung Mitwirkung bei Begründung und Durchsetzung von Mängelansprüchen
3 Bau- und Montagephase 3.1 3.2 3.3
Wahrnehmen der Bau-/Montageleitung und/oder der Bau-/Montageüberwachung Wahrnehmen der Aufgaben des Sicherheitskoordinators der Baustelle Koordinieren aller Dokumentationsleistungen sowie Zusammenstellen und Verwalten der Gesamtdokumentation in dieser Phase 3.4 Planen und Durchführen von Qualitätssicherungsmaßnahmen auf der Baustelle 3.5 Mitwirken bei der Abnahme von Bau-/Montageleistungen 3.6 Mitwirken beim Controlling (Termine, Kosten) auf der Baustelle 3.7 Prüfung von Change-Order-Anträgen auf sachliche Richtigkeit, Claim Management 3.8 Erarbeiten des Ausbildungspogramms sowie zugehöriger Unterlagen für die Ausbildung des Leit-, Bedienungs- und Fachpersonals des Betreibers 3.9 Ausarbeiten von Unterlagen zur Durchführung von Sicherheits- und Funktionsprüfungen, Dichtheitsprüfungen u.a. inbetriebnahmevorbereitenden Arbeiten 3.10 Ausarbeiten/Mitwirken bei der Erarbeitung des Inbetriebnahmehandbuchs u.a. Inbetriebnahmedokumente (z.B. Betriebsanweisungen) 3.11 Prüfen der vorliegenden Dokumentation auf Inbetriebnahmetauglichkeit 3.12 Prüfen der Anlage auf Inbetriebnahmebereitschaft sowie Mitwirkung beim Vorbereiten des Montageendprotokolls (z.B. Restpunktliste) 4 Inbetriebnahme 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
Mitwirkung bei der Inbetriebnahmeplanung Mitwirkung im Inbetriebnahmeteam während der Inbetriebnahme Dokumentation der Inbetriebnahmeaktivitäten (Tagebuch) und -ergebnisse Mitwirken beim Erarbeiten des Probebetriebsprogramms Mitwirken beim Planen, Durchführen und Auswerten von Versuchen zum gezielten Know-how-Gewinn 4.6 Planung und Mitwirken beim Garantieversuch und Leistungsnachweis, inkl. des rechtsverbindlichen Protokollierens der Ergebnisse 4.7 Revision und Zusammenstellung der AS BUILT-Dokumentation zur Übergabe 4.8 Mitarbeit bei den Übergabe/Übernahmeverhandlungen sowie bei der Ausarbeitung und Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls inkl. Restpunktliste 4.9 Mitwirkung bei Auswertung der Inbetriebnahme seitens des Auftraggebers 4.10 Mitwirkung bei Begründung und Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen
348 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
Demgegenüber sind beim Engineeringvertrag im Vergleich zum Generalvertrag die rechtlichen und verantwortungsseitigen Aspekte und Konsequenzen geringer, da der Auftragnehmer für die Beschaffung und Errichtung der Anlage nicht werkvertraglich verantwortlich ist. Er wirkt bei diesen Aufgaben „nur“ in der Rolle eines Dienstleisters für den Auftraggeber mit. Das Ingenieurunternehmen haftet nur für die Planungsleistungen und wird, da es nicht für die Investitionskosten verantwortlich ist, im Zweifel stets höherwertige und kostenintensivere planerische Lösungen vorschlagen. Der Investor muss im Engineeringvertrag (z.B. durch eine Zielpreisvereinbarung mit Bonus-/Malus-Regelung) versuchen, dass Ingenieurunternehmen zum Erreichen geringer Investitionskosten zu motivieren. Das Ingenieurunternehmen trägt keine Haftung bei Lieferverzug und bei Nichterfüllung der Technischen Gewährleistung bzw. Funktionalen Gewährleistung (während des 24-monatigen Gewährleistungszeitraums). Die eventuell im Engineeringvertrag eingekaufte Mitwirkung des Ingenieurpartners während der Phasen 7 (Beschaffung) und 8 (Bau/Montage) ändern die angeführte Rechtssituation ncht, solange der Auftragnehmer dabei keine Pflichtverletzungen begeht bzw. grob fahrlässig einen Schaden verursacht (s. auch Abschn. 2.5). Die Durchsetzung von Garantie- und Gewährleistungsansprüchen gegenüber Drittunternehmen, die vom Auftraggeber betreffs Lieferungen und Leistungen direkt (außerhalb des Engineeringvertrags) beauftragt wurden, obliegt dem Auftraggeber selbst. Dies gilt auch für die Liefer- und Herstellerdokumentationen.
4.5.1.3 Mustergliederung eines Anlagenvertrags Wegen der vergleichbaren Leistungen im General- und Engineeringvertrag sind auch die empfohlenen Regelungen zur Dokumentation in beiden Vertragsarten weitgehend identisch. Aus diesem Grund soll der Mustervertrag in Tabelle 4.5 als einheitliche Ordnungsstruktur für die weiteren Betrachtungen dienen. Tabelle 4.5 Musteraufbau eines LSTK-Anlagenvertrags als Bezugsbasis für nachfolgende Erörterung (Praxisbeispiel) 1 Formale Vertragsbestimmungen Vertragsabschluss, Vertragsparteien, Inkrafttreten des Vertrages, Bestandteile des Vertrages, Vertragssprache, Vertragsänderungen, Rangordnung der Vertragsdokumente 2 Begriffsdefinitionen Vertrag, Vertragsleistung, Partner, Anlage, Mechanische Fertigstellung, Inbetriebnahme, Leistungsnachweis, Abnahme, AS BUILT-Dokumentation 3 Leistungen der Vertragspartner (Dokumentation jeweils eingeschlossen!) Lieferungs- und Leistungsgegenstand (z.B. Planung, Beschaffung, Montage, Inbetriebnahme, inkl. Dokumentation und Qualitätssicherung) Lieferungs- und Leistungsausschlüsse, Anlagen- und Leistungsgrenzen, Mitwirkungspflichten, Beistellleistungen des Auftraggebers u.a. 4 5 6 7 8
Subunternehmer des Auftragnehmers Informations- und Prüfungsrechte sowie -pflichten Weisungsrecht des Auftraggebers Projektorganisation Vergütung und Zahlungsbedingungen
4.5 Regelungen zur Dokumentation im Anlagenvertrag
349
Tab. 4.5 (Fortsetzung) 9 Änderungen und zusätzliche Leistungen 10 Vorschriften und Normen 11 Gewährleistung, Haftung, Vertragsstrafen, Pönale 12 Abnahme der Vertragsleistung 13 Beschränkung der Vertragshaftung 14 Gesetzliche Haftpflicht, Versicherungen 15 Eigentum der Dokumente 16 Schutzrechte 17 Geheimhaltung, Veröffentlichungen 18 Kündigung, Unterbrechung, Rechtsnachfolge 19 Höhere Gewalt 20 Sonstige Bestimmungen Anhang
Anhang 1 Anhang 2 Anhang 3 Anhang 4 Anhang 5 Anhang 6 Anhang 7 Anhang 8 Anhang 9 Anhang 10 Anhang 11 Anhang 12 Anhang 13
Grundlagen und Vorleistungen Planungsleistungen Vorschriften und Normen Beschaffungsleistungen Baustellenabwicklung Inbetriebnahmeleistungen Dokumentation Projektabwicklung/-controlling Projektterminplan Formblätter GSU-Management (Gesundheit-Sicherheit-Umweltschutz) Zahlungsplan Optionen
Die weiteren Ausführungen gelten grundsätzlich auch für Bestellungen, sofern sie werkvertraglicher Rechtsnatur sind. Betreffs der „klassischen“ Produktbestellungen gemäß Kaufrecht sei auch auf Abschn. 3.5 verwiesen.
4.5.2 Beachtung der Dokumentation im Hauptteil des Anlagenvertrags Bezug nehmend auf den Mustervertrag in Tabelle 4.5 werden im Weiteren zu einzelnen Vertragsartikeln, die für die Dokumentation besonders bedeutend sind, konkrete Hinweise zur Regelung der Dokumentationsleistungen unterbreitet. a) Allgemeiner Hinweis Im Anlagenvertrag sind die Herstellung der Anlage und die Herstellung der AS BUILTDokumentation grundsätzlich als Einheit zu sehen. Auf Ausnahmen, die z.B. getrennte Zahlungsmeilensteine bzw. getrennte Abnahmeprozedere betreffen können, ist speziell hinzuweisen. Um die Einheit von Anlage und Dokumentation zu verdeutlichen, wurde im Mustervertrag gemäß Tab. 4.5 bewusst kein eigenständiger Vertragsartikel: Dokumentation aufgenommen. Damit soll erreicht werden, dass die Belange zur Dokumentation in
350 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
jedem einzelnen Artikel des Vertrags geprüft und gegebenenfalls an dieser Stelle vereinbart werden. b) Beachtung in Artikel 2: Begriffsdefinitionen Grundsätzlich ist bei allen Begriffsdefinitionen zu prüfen, inwieweit die Dokumentationsaspekte betroffen sind und ob sie in der Begriffsdefinition explizit erwähnt werden sollten. Dies gilt insbesondere für die Begriffe: Vertragsleistung, Mechanische Fertigstellung, Herstellung der Betriebsbereitschaft, Abnahme. Beispielsweise ist zu prüfen, wo im Haupttext anstelle von Anlage besser Anlage einschließlich zugehöriger AS BUILT-Dokumentation formuliert werden sollte. Die wichtigen Begriffe zur Dokumentation sind in diesem Vertragsartikel eigenständig zu definieren. Im Weiteren sind einige angeführt. AS BUILT-Dokumentation: Gesamtdokumentation der Anlage, die den Sachstand über die Anlage zum Zeitpunkt ihrer Abnahme richtig (as built) und vollständig gemäß vertraglicher Vereinbarung beschreibt (Synonym: Enddokumentation, Final Documentation). Belegexemplar:
Exemplar der AS BUILT-Dokumentation, in der (bis auf wenige Ausnahmen) alle freigegebenen Dokumente mit dem Bearbeitungsstatus „as-built“ abgeheftet bzw. abgespeichert sind. Das Belegexemplar wird unverändert archiviert und dokumentiert den Sachstand zum Zeitpunkt der werkvertraglichen Abnahme (Synonym: Archivexemplar).
Arbeitsexemplar:
Kopie des Belegexemplars (gegenständlich und/oder elektronisch), die als Arbeitsgrundlage für Betrieb und Technik dient und gemäß dem aktuellen Anlagen- und Betriebszustand gepflegt wird.
Die AS BUILT-Dokumentation beschreibt somit eine Gesamtdokumentation anhand von allgemeinen inhaltlichen Merkmalen. Sie kann in verschiedenen Exemplaren sowie in gegenständlicher und elektronischer/digitaler Form vorliegen (s. Abschn. 4.5.3). c) Beachtung in Artikel 3: Leistungen der Vertragspartner In diesen Artikeln sind u.a. die Dokumentationsleistungen der Vertragspartner grundsätzlich zu vereinbaren. Dies betrifft vorrangig: Welche Dokumentenarten bzw. Teildokumentationen sind von welchem Partner zu erarbeiten (s. Abschn. 4.5.4.1)? Bsp.: Der Auftragnehmer erarbeitet i.Allg. die Engineeringdokumente für die Neuanlage sowie notwendige Dokumente für die Baustellenabwicklung. Der Auftraggeber kann u.a. für die Genehmigungsdokumentation bzw. für die aktuelle Bestandsdokumentation verantwortlich sein. Welche Mitwirkungspflichten hat dabei der jeweils andere Partner? Bsp.: Der Auftragnehmer kann im Auftrag des Bauherrn das Behördenengineering ausführen. Der Auftraggeber muss während der Projektabwicklung zahlreiche Dokumente prüfen und freigeben (s. Abschn. 4.5.4.1). Er wird als späterer Anlagenbetreiber auch an den Inbetriebnahmedokumenten (Betriebsanweisungen) mitwirken. Wer ist für die Erarbeitung der AS BUILT-Dokumentation inkl. der einzelnen Exemplare verantwortlich und welcher Partner erbringt im Einzelnen welche Leistungen?
4.5 Regelungen zur Dokumentation im Anlagenvertrag
351
Bsp.: Der Auftragnehmer ist bei einem Generalvertrag und häufig auch bei einem Engineeringvertrag für die Fertigstellung der AS BUILT-Dokumentation verantwortlich. Sofern der Auftraggeber eigenverantwortlich einkauft, muss er u.U. die Hersteller- und Lieferantendokumente beistellen. Welche Qualitätsanforderungen sind allgemein betreffs der AS BUILT-Dokumentation und speziell bei der Herstellung der einzelnen Exemplare einzuhalten (s. Abschn. 4.5.3.3)? Welche Termine und Fristen sind betreffs der vereinbarten Dokumentationsleistungen einzuhalten? Die detaillierte Ausgestaltung der grundsätzlichen vertraglichen Regelungen erfolgt in Anhängen, die vollwertige Vertragsbestandteile sind. In wichtigen und/oder kritischen Fällen sollten nicht nur die Leistungspflichten sondern auch die Leistungsgrenzen und/oder Leistungsausschlüsse bezüglich der Dokumentation vereinbart werden. d) Beachtung in Artikel 4: Subunternehmer des Auftragnehmers Subunternehmer sind diejenigen Unternehmen bzw. Lieferanten, derer sich der Auftragnehmer (Generalunternehmer bzw. Generalplaner) zur Erbringung seiner Vertragsleistung bedient. Gemäß der ausgeprägten Arbeitsteilung sind im verfahrenstechnischer Anlagenbau zahlreiche Subunternehmer nötig. Die Schnittstellen zu ihnen, die zunehmend über Ländergrenzen hinweg existieren, enthalten erhebliche Projektrisiken und müssen exakt vertraglich gestaltet (reglementiert) werden. Dies gilt für die Anlage und die Dokumentation gleichermaßen. Tabelle 4.6 enthält mögliche vertragliche Formulierungen. Tabelle 4.6 Vertragliche Formulierungen zu Artikel 4: Subunternehmer des Auftragnehmers (Praxisbeispiel) 4 Subunternehmer des Auftragnehmers 4.1 Der Auftragnehmer kann nur mit schriftlicher, rechtzeitig einzuholender Einwilligung des Auftraggebers Teile der ihm obliegenden Leistungen an Subunternehmer vergeben . 4.2 In keinem Falle wird der Auftragnehmer durch Vergabe von Teilleistungen an Subunternehmer von seinen Verpflichtungen aus diesem Vertrag entbunden. Der Auftragnehmer haftet für Subunternehmer wie für sich selbst und ist für sämtliche Handlungen von Subunternehmer verantwortlich. 4.3 Der Auftragnehmer hat in jedem Falle gegenüber dem Subunternehmer vertraglich sicherzustellen, dass das Informations- und Prüfungsrecht des Auftraggebers gemäß Artikel 5 des Vertrags unberührt bleibt.
e) Beachtung in Artikel 5: Informations- und Prüfungsrechte, -pflichten Im Sinne eines effizienten Projektmanagements und insbesondere Qualitätsmanagements sind folgende Aspekte, bezogen auf die Dokumentation, zu regeln: Der Auftraggeber muss vertraglich das Recht haben, sich beim Auftragnehmer und seinen Subunternehmers über den Fortgang der beauftragten Dokumentationsleistungen zu informieren (z.B. über Unterlagen zum Konformitätsbewertungsverfahren inkl. Risikobeurteilung, TÜV-Bescheinigungen).
352 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
Der Auftraggeber muss berechtigt sein, beim Auftragnehmer und seinen Subunternehmern eigene Qualitätskontrollen durchzuführen (z.B. Einsicht in den betrieblichen Qualitätssicherungsplan und dessen Erfüllungskontrolle, Kontrolle der WerkstoffPrüfbescheinigungen nach DIN EN 10204 [13]). Der Auftraggeber muss das Recht und die Pflicht haben, vertraglich definierte Dokumente zu prüfen und gegebenenfalls für die anschließende Nutzung freizugeben (s. Abschn. 4.5.4.1). Die Übergabe dieser Dokumente und deren Prüfprozedur müssen derart vereinbart sein, dass eine planmäßige und effiziente Arbeit beider Partner gewährleistet ist. Zugleich darf durch die mitwirkende Qualitätsprüfung des Auftraggebers die vertragliche Verantwortlichkeit des Auftragnehmers nicht eingeschränkt werden. Der Auftragnehmer muss das Recht haben, notwendige Dokumente, die er zur Vertragserfüllung benötigt und die ihm nicht vorliegen, beim Auftraggeber einzusehen (z.B. Genehmigungsbescheid, Protokolle behördlicher Begehungen, Spezifikationen und Richtlinien des Auftraggebers). Der Auftragnehmer muss alle Unterlagen, die er vom Auftraggeber erhalten hat bzw. während der Vertragserfüllung erhält, auf Richtigkeit und Vollständigkeit prüfen und den Auftraggeber unverzüglich auf Fehler, Widersprüche und Unvollständigkeiten hinweisen (s. Bedenkenanzeige in Abschn. 4.4.2). Die Vergütung von Aufwendungen, die dem Auftragnehmer durch die Informationsund Prüfungsrechte des Auftraggebers entstehen, muss vertraglich vereinbart sein. Sofern Regelungen bei Vertragsabschluss noch offen sind, ist im Vertrag in einer verbindlichen und kontrollierbaren Form auf eine spätere Ausgestaltung (z.B. in einer Projektrichtlinie) zu verweisen. f) Beachtung in Artikel 8: Vergütung und Zahlungsbedingungen Im verfahrenstechnischen Anlagenbau ist es üblich, die Gesamtvergütung des Auftragnehmers gemäß einem abgestimmten Zahlungsplan in 5 bis 15 Zahlungsmeilensteine zu unterteilen. Bei der Definition und Vereinbarung der Lieferungen/Leistungen jedes Meilensteins ist die zugehörige Dokumentation zu berücksichtigen. Analoges gilt für die Erfüllungskontrolle vor Freigabe der Zahlung. Dabei gilt der Grundsatz: Die Dokumentation ist Bestandteil der Lieferung und/oder Leistung. Bei wesentlichen Mängeln in der zugehörigen Dokumentation erfolgt keine Zahlung. Die mit der anlagenseitigen Lieferung/Leistung verbundene Dokumentationsleistung muss als Zahlungsvoraussetzung verstanden werden. Restmängel zur Dokumentation dürfen, analog zur Anlage, nur unwesentlich sein. Dies gilt insbesondere für die Lieferung von Package-units und Anlagenkomponenten sowie für die beiden Projektmeilensteine: MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG und ANZEIGE DER BETRIEBSBEREITSCHAFT [10]. Darüber hinaus sind wichtige und aufwendige Dokumentationsleistungen als eigenständiger Zahlungsmeilenstein zu vereinbaren. Dies kann beispielsweise betreffen: Fertigstellung (zu 95 %) der R&I-Fließschemata mit dem Status AFC (Approved for Construction). Bsp.: Zahlung von 2 bis 4 % der Gesamtvergütung bei einem Generalvertrag bzw. 15 bis 25 % der Gesamtvergütung bei einem Engineeringvertrag
4.5 Regelungen zur Dokumentation im Anlagenvertrag
353
Fertigstellung (zu 95 %) der unterschriftsreifen Aufträge/Bestellungen. Bsp.: Zahlung von 25 bis 35 % der Gesamtvergütung bei einem Engineeringvertrag Herstellung und Übergabe der AS BUILT-Dokumentation in der vereinbarten Form. Bsp.: Zahlung von 5 bis 10 % der Gesamtvergütung bei einem Generalvertrag Die Freigabe der Zahlung an den Dokumentationsmeilensteinen sollte, analog wie bei technischen Lieferungen/Leistungen, nach folgender Prozedur erfolgen: Lieferung bzw. Fertigmeldung durch Auftragnehmer, Entgegennahme sowie Kontrolle durch Auftraggeber, Bestätigung der vertragsgerechten Lieferung (Form und Umfang), Protokollierung der Erfüllung, inkl. vorhandener Restpunkte, ggf. werkvertragliche Abnahme nach § 640 BGB durch Auftraggeber. g) Beachtung in Artikel 9: Änderungen und zusätzliche Leistungen Zu diesem Sachverhalt kann beispielsweise die vertragliche Formulierung lauten: Vor Ausführung von Änderungen bereits erfolgter Arbeiten oder vor Erbringen zusätzlicher Leistungen ist vom Auftragnehmer ein schriftlicher Änderungsantrag mit Angabe der Konsequenzen bzgl. Vergütung, Termin, Gewährleistung und Sonstigem zu erstellen und vom Auftraggeber zu genehmigen.
Diese Aussage muss auch für Dokumentationsleistungen gelten und konsequent angewendet werden. Ein Formblatt für Change-Orders ist in Abb. 4.4 dargestellt. Weitere Ausführungen zum Change-Management siehe auch Abschn. 4.6.2. Das erhebliche Nachforderungs(Claim-)potential bezüglich der Dokumentation sollen die folgenden beiden Praxisbeispiele veranschaulichen. Beispiel 4.3 Change-Order wegen nichtaktueller Bestandsunterlagen Eine Anlage zur Chlorherstellung war unter Anwendung eines neuen Verfahrens und basierend auf einem Generalvertrag in wesentlichen Teilen umzubauen. Gemäß Kundenvorgabe waren mehrere Gebäude u.a. Infrastruktureinrichtungen wieder zu verwenden. Die Bestandsunterlagen für diese Objekte stellte der Kunde bei. Kontrollen des Auftragnehmers zu Beginn des Engineerings zeigten, dass einige Bestandsdokumente, insbesondere die Bau- und Stahlbauzeichnungen, nicht aktuell waren. Der Auftragnehmer bewertete das Risiko möglicher Fehlplanungen bzw. aufwendiger örtlicher Anpassungsarbeiten als erheblich und bezüglich seiner Vertragsleistung als nicht kalkulierbar. Um den bestehenden Anlagenvertrag wieder eine solide Basis zu verleihen, wurde nachträglich eine Change-Order (schriftliche Änderungsbestellung) zur Vermessung der Bauobjekte und zur Erarbeitung aktueller Bestandsunterlagen abgeschlossen. Der Mehrpreis war erheblich. Beispiel 4.4 Change-Order wegen fehlender Rohrklassen In einem Erdgasspeicher-Betrieb war auf Basis eines Festpreis-Engineeringvertrags eine für den Kunden neuartige Package-unit zu planen. Seitens des Auftraggebers waren zahlreiche Vorgaben (Spezifikationen/Bauvorschriften/ Rohrklassen) gemacht. Während der Projektabwicklung stellte sich heraus, dass für die Neuanlage keine bzw. keine wirtschaftlichen Rohrklassen vorlagen. Da auch an anderen Standorten derartige Anlagen geplant waren, beauftragte der Kunde das Ingenieurbüro im Rahmen einer Change-Order mit der Erarbeitung dieser Rohrklassen.
354 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
LOGO-AG
Blatt 1 von
ÄNDERUNGSANTRAG NR. PROJEKT-NR.: (Auftragnehmer)
PROJEKT-NR.: (Auftragnehmer)
VERTEILER: 1. BESCHREIBUNG UND BEGRÜNDUNG DER ÄNDERUNG
2. ÄNDERUNG WURDE VERANLASST DURCH (ZUGEHÖRIGE UNTERLAGEN)
INGENIEURGEBÜHREN (EURO)
MEHRKOSTEN FÜR LIEFERUNGEN UND LEISTUNGEN DRITTER (EURO)
SONSTIGES
4. TERMINAUSWIRKUNGEN: 5. EINFLUSS AUF GEWÄHRLEISTUNG: 6. EINFLUSS AUF GARANTIEWERTE: 7. ZIELPREISRELEVANZ: AUFTRAGNEHMER: DATUM/ UNTERSCHRIFT
AUFTRGAGEBER: DATUM/ UNTERSCHRIFT
DATUM/ UNTERSCHRIFT
DATUM/ UNTERSCHRIFT
Abb. 4.4 Formblatt für Änderungsnachträge bzw. Änderungsbestellungen (Change-Order) im Rahmen eines Engineeringvertrags mit Zielpreisvereinbarung
h) Beachtung in Artikel 10: Vorschriften und Normen Die Einhaltung der Vorschriften und Normen ist ein wichtiger Bestandteil der Vertragsleistung und stellt somit ein grundlegendes und gut kontrollierbares Erfüllungs- und Gewährleistungsmerkmal dar. Aus den vertraglich geltenden Vorschriften und Normen lassen sich wesentliche Dokumentationspflichten und -hinweise ableiten (s. Kap. 2). Die Vorschriften und Normen betreffen im Anlagenbau vorrangig: Rechtsvorschriften der Europäischen Union (EU-Richtlinien und EU-Verordnungen), Rechtsvorschriften der BRD (Gesetze, Verordnungen, DGUV Vorschriften), behördliche Vorschriften (Genehmigungsbescheid, Verwaltungsvorschriften),
4.5 Regelungen zur Dokumentation im Anlagenvertrag
355
Vorschriften/Normen des Auftraggebers (Sicherheitsbestimmungen, Prüfvorschriften, Arbeitsrichtlinien, Bauvorschriften, Spezifikationen, Rohrklassen, Werknormen), Nationale/internationale Normen und Richtlinien (ISO, EN, DIN, VDI, VDE, VGB), sonstige allgemein anerkannte Regeln der Technik. In der Zusammenstellung sind unbedingt die geltenden Fachvorschriften und Fachnormen zur eigentlichen Dokumentationsthematik (Begriffe, Inhalt, Form, Kennzeichnung, Musterdokumente usw.) mit zu erfassen. Insgesamt existiert zur Dokumentationsthematik ein sehr umfangreiches nationales und europäisches Normenwerk, welches allerdings stark auf Technische Produktdokumentationen zugeschnitten ist. Welche dieser Normen im Anlagenvertrag angewandt werden, ist kritisch zu prüfen und abzustimmen. Bei der Verhandlung von Artikel 10 wird mitunter darauf verwiesen, dass die Rechtsvorschriften in jedem Fall, auch ohne detaillierte vertragliche Nennung, einzuhalten sind. Dies ist grundsätzlich richtig, reicht aber nicht aus. Ein alleiniger allgemeiner Bezug auf die Einhaltung des geltenden Rechts (s. Abschn. 2.1 bis 2.3) würde beiden Partner viele Deutungsmöglichkeiten lassen. Im Hinblick eines effizienten Handelns ist eine frühzeitige Präzisierung und Abstimmung dieser wichtigen Rahmenbedingungen zweckmäßig. i) Beachtung im Artikel 11: Gewährleistung, Haftung, Vertragsstrafen, Pönale In den meisten Anlagenverträgen schuldet der Auftragnehmer (als ein Bestandteil seiner Vertragsleistung) die Herstellung und Lieferung einer vertragsgerechten AS BUILTDokumentation. Der Begriff „vertragsgerecht“ ist bei Werkverträgen als sog. „vereinbarte Beschaffenheit“ (zugesicherte Eigenschaften) zu verstehen und kann bezogen auf die AS BUILT-Dokumentation beinhalten: den Liefertermin, den Lieferumfang (Anzahl und Vollständigkeit der Exemplare), die Qualitätsmerkmale (s. Abschn. 4.5.3.3). Im Vertrag ist bzgl. der Dokumentationsleistungen zu vereinbaren:
Wofür sollte der Auftragnehmer gewährleisten? Welche Gewährleistungsvoraussetzungen gibt es? Wann beginnt die Gewährleistung und wie ist der Gewährleitungszeitraum? Wie ist bei festgestellten Mängeln im Gewährleistungszeitraum zu verfahren?
Tabelle 4.7 enthält Hinweise zur vertraglichen Ausgestaltung dieser Fragen. Tabelle 4.7 Regelungsbedarf und Hinweise zur Gewährleistung für die Dokumentation im Anlagenvertrag 1 Regelungen zu LIEFERTERMINEN Im Vertrag ist ein Termin für die Lieferung der AS BUILT-Dokumentation in allen Exemplaren an den Auftraggeber zu vereinbaren und zu pönalisieren. Die Lieferung anderer Dokumentationsprodukte, z.B. ▪ die Vor-Ort-Bereitstellung der vereinbarten Dokumentation zum Zeitpunkt MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG (MF) oder ▪ die Übergabe eines vollständigen Vorabexemplars (ggf. handrevidiert) zum Zeitpunkt der Abnahme der Anlage, sind Erfüllungsvoraussetzungen für die Protokollierung MF bzw. Abnahme der Anlage. Sie sind im Projektterminplan zu erfassen.
356 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement Tab. 4.7 (Fortsetzung) 2 Regelungen zum GEWÄHRLEISTUNGSUMFANG Der vereinbarte Lieferumfang der AS BUILT-Dokumentation in allen Exemplaren ist zu gewährleisten. Die Erfüllung der vereinbarten Qualitätsanforderungen an die AS BUILT-Dokumentation ist zu gewährleisten. 3 Regelungen zu GEWÄHRLEISTUNGSVORAUSSETZUNGEN Das Belegexemplar der AS BUILT-Dokumentation sollte im Sinne einer „juristischen Urkunde“ zum Zeitpunkt seiner Lieferung „eingefroren“ und in einer nichtveränderbaren Form archiviert werden. Im Gewährleistungsfall liegt beim Auftraggeber die Beweislast/-pflicht. Er muss nachweisen, dass der Mangel bereits bei Lieferung der AS BUILT-Dokumentation bestand und/ oder vom Auftragnehmer zu vertreten ist. 4 Regelungen zu BEGINN und DAUER der GEWÄHRLEISTUNG Die Gewährleistungsfrist für die AS BUILT-Dokumentation (Umfang und Qualität) beginnt nach erfolgter werkvertraglicher Abnahme der AS BUILT-Dokumentation. Die Gewährleistungsfrist für die AS BUILT-Dokumentation in Form des unveränderten Belegexemplars beträgt 2 Jahre. Dies entspricht den Regelungen des BGB, § 634a für Planungsleistungen, mit Ausnahme solcher für Bauwerke. Ggf. kann gemäß BGB, § 634a für Baudokumente eine längere Gewährleistungsfrist von 5 Jahren vereinbart werden. 5 Regelungen bei festgestellten MÄNGELN im Gewährleistungszeitraum Der Mangel ist vom Auftraggeber schriftlich anzuzeigen. In der Mangelanzeige sind zu begründen, ▪ dass es sich gemäß den vertraglichen Vereinbarungen um einen Leistungsmangel handelt und ▪ dass der Auftragnehmer den Mangel kausal zu vertreten (verursacht) hat. Über die Gewährleistungsrelevanz des angezeigten Mangels sowie die Vorgehensweise bei der Mangelbeseitigung (Nachbesserung) ist zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber eine Abstimmung herbeizuführen. Die Prozedur bei festgestellten Mängeln ist, analog zur Anlage, vertraglich detailliert auszugestalten. Es ist zu vereinbaren, wie lange und wofür sich im Gewährleistungsfall die Gewährleistungsfrist verlängert.
Ferner wird auf die grundsätzlichen Ausführungen im Abschn. 2.6 verwiesen. j) Beachtung in Artikel 12: Abnahme der Vertragsleistung Eine zeitgleiche Abnahme der Anlage und der AS BUILT-Dokumentation ist aus Sicht des Verfassers ein häufiger Fehler, der entweder die Abnahme der Anlage verzögert bzw. zu einer Abnahme der AS BUILT-Dokumentation ohne vorangegangene gründliche Prüfung führt. Dem Auftraggeber bleiben im letzten Fall bzgl. der Dokumentation dann nur noch die Gewährleistungsansprüche und nicht mehr die Erfüllungsansprüche. Die Abnahme der Anlage und der zugehörigen AS BUILT-Dokumentation sollten aus diesem Grund im Anlagenvertrag inhaltlich, lieferseitig, zeitlich und vergütungsseitig entkoppelt werden. Der entsprechende Text in Artikel 12 könnte lauten:
4.5 Regelungen zur Dokumentation im Anlagenvertrag
357
(1) Die Abnahme der Vertragsleistung findet in mehreren Schritten statt: Protokollierung MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG, erfolgreicher Abschluss des Leistungsnachweises, formale Abnahme der Anlage und formale Abnahme der AS BUILT-Dokumentation. Die einzelnen Schritte können auch für Teile oder Teilsysteme der Anlage oder der AS BUILT-Dokumentation ausgeführt werden. (2) Nach Erledigung der Punkte aus der Restpunktliste, die nach Prüfung der AS BUILTDokumentation durch den Auftraggeber abgestimmt wurde, sowie nach Vorliegen der gemäß den erledigten Restpunkten nachgebesserten AS BUILT-Dokumentation erfolgt die Abnahme der AS BUILT-Dokumentation, indem der Auftraggeber das zugehörige Abnahmeprotokolls unterzeichnet.
Weitere Einzelheiten zur Vorgehensweise bei der Abnahme der AS BUILT-Dokumentation sind in Abschn. 4.6.6 ausgeführt. k) Beachtung in Artikel 15: Eigentum der Unterlagen, Schutzrechte Die Begriff „Unterlage“ wird als Synonym zum Begriff Dokument verstanden. Die Regelungen zum Eigentum sollten allgemein gelten, d.h. unabhängig davon, in welcher Form (gegenständlich oder elektronisch) das Dokument vorliegt oder ob es sich um ein Ursprungsdokument mit Originalunterschrift oder eine Kopie handelt. Folgende Fragen sind vorrangig zu klären: Wer ist Eigentümer der Unterlagen, die in Erfüllung des Anlagenvertrags vom Auftragnehmer hergestellt oder beschafft werden? Wann erfolgt gegebenenfalls der Eigentumsübergang an den Unterlagen? Welche Rechte hat der Eigentümer der Unterlagen für deren Benutzung außerhalb des Anlagenvertrags, d.h. für einen anderen Zweck und zu einer anderen Zeit? Welche Rechte hat der Auftragnehmer für die Benutzung von Unterlagen, die er hergestellt oder beschafft hat, außerhalb des Anlagenvertrags? Die Regelungen haben für beide Partner u.U. eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Sie betreffen nicht selten urheberrechtliche Fragen und sind entsprechend kompliziert. Vertragliche Regelungen zum Eigentum der Unterlagen bzw. Dokumente sind besonders dann relevant und notwendig, wenn gemäß vertraglicher Vereinbarungen wesentliche Teile der AS BUILT-Dokumentation als änderbare Dateien im Format der Erzeugersoftware an den Auftraggeber zu übergeben sind. Wenn der Auftraggeber beispielsweise im Artikel 15 (Eigentum der Unterlagen) des Anlagenvertrags ein alleiniges Eigentumsrecht an allen Unterlagen/Dokumenten möchte, die in Erfüllung des Vertrags vom Auftragnehmer hergestellt oder beschafft wurden, und gleichzeitig ein uneingeschränktes Benutzungsrecht an den übereigneten Unterlagen/Dokumenten möchte, z.B. auch durch beauftragte Dritte, so wird dies i.d.R. die Verhandlungsposition des Auftragnehmers aus Wettbewerbs- und Kostengesichtspunkten gravierend beeinflussen.
4.5.3 Fachspezifische Festlegungen im Anhang DOKUMENTATION Grundsätzlich sollten die Vereinbarungen zu den Dokumentationsleistungen jeweils dezentral an der Stelle im Vertrag eingeordnet werden, wo sie zugehörig sind. Das heißt,
358 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
die technischen und zugehörigen dokumentarischen Leistungen sollten gemeinsam, z.B. im Haupttext bzw. in den Anhängen über die einzelnen Projektphasen, beschrieben und vereinbart werden. Darüber hinaus ist aber ein Anhang DOKUMENTATION zum Anlagenvertrag zweckmäßig, um übergreifende Vereinbarungen zur Dokumentation zusammenzufassen. Schwerpunkte dieses Anhangs sind die Festlegungen zum Daten- und Dokumentenmanagement sowie die Spezifikation der AS BUILT-Dokumentation. In Tabelle 4.8 ist beispielhaft das Inhaltsverzeichnis eines Vertragsanhangs DOKUMENTATION angeführt. Tabelle 4.8 Inhaltsverzeichnis des Anhangs DOKUMENTATION eines Anlagenvertrags 1
Zielstellung und Abgrenzung
2
Grundsätzliche Anforderungen an die Dokumentation 2.1 Dokumentationsprinzipien 2.2 Anforderungen an die Dokumentenkennzeichnung 2.3 Dokumentenvorlagen und Musterdokumente
3
Dokumentationsrichtlinie 3.1 Zielstellung und Regelungsbedarf 3.2 Festlegungen zur Erarbeitung, Abstimmung, Freigabe und Aktualisierung
4
Festlegungen zum Daten- und Dokumentenmanagement 4.1 Betriebssystem und Office-Software 4.2 Festlegungen zu Beschaffungs- und Management-Software 4.2.1 Betriebswirtschaftliche Software für Beschaffung, Controlling u. ä. 4.2.2 Projektmanagement-Software 4.2.3 Dokumenten-Management-Software 4.3 Festlegungen zu Planungssoftware und Datenformaten 4.3.1 Prozessplanung (R&I-Fließschemata, Datenblätter u. ä.) 4.3.2 Anlagenplanung (3D-Modell, Aufstellung u. ä.) 4.3.3 Bau- und Stahlbauplanung 4.3.4 EMSR-Planung 4.3.5 Rohrplanung 4.3.6 TGA-Planung 4.3.7 Sonstige Planungstools
5
AS BUILT-Dokumentation 5.1 Begriffsdefinitionen 5.2 Strukturierung der AS BUILT-Dokumentation 5.2.1 Mustergliederung 5.2.2 Vorläufige Liste wichtiger Dokumentenarten 5.2.3 Spezifikationen ausgewählter Dokumentenarten, ggf. Musterdokumente 5.3 Qualitätsanforderungen an die AS BUILT-Dokumentation 5.3.1 Grundsätzliche Qualitätsanforderungen 5.3.2 Ergänzende Qualitätsanforderungen an die Papierversion 5.3.3 Ergänzende Qualitätsanforderungen an die Elektronische Version 5.4 Lieferumfang zur AS BUILT-Dokumentation 5.4.1 Belegexemplar 5.4.2 Arbeitsexemplare 5.4.3 Elektronisches Exemplar 5.4.4 Sonstige Dokumentationsteile
4.5 Regelungen zur Dokumentation im Anlagenvertrag
359
Die Vereinbarungen zur Dokumentation müssen derart ausführlich und präzise sein, dass das Claimpotential möglichst gering ist. Leider ist dies in der Praxis häufig nicht der Fall. Die grundsätzlichen Festlegungen des Vertrags werden später in einer Projektrichtlinie DOKUMENTATION näher ausgestaltet (s. Abschn. 4.6.1). Wichtig ist diesbezüglich, dass im Vertrag bereits die Aufgabenstellung für diese Dokumentationsrichtlinie (Ziele, Verantwortlichkeiten, Termine, Kosten) vereinbart wird.
4.5.3.1 Festlegungen zum Daten- und Dokumentenmanagement Die Festlegungen zum Daten- und Dokumentenmanagement, insbesondere für die Herstellung der AS BUILT-Dokumentation, haben strategische Bedeutung für den Auftraggeber. Sie wirken meistens weit über das Projekt hinaus und setzten Managemententscheidungen voraus. Dabei gibt es erfahrungsgemäß keine „einfachen Wahrheiten“. Für den Auftraggeber gilt der Grundsatz: Zunächst die mittel- und langfristigen Anforderungen an die Dokumentation erkennen sowie anschließend die daraus abgeleiteten und machbaren Maßnahmen im Anlagenvertrag und -projekt umsetzten. Die Angaben in Tabelle 4.8, Ziffer 4 veranschaulichen, welche Festlegungen für die Kommunikation zwischen den Vertragspartnern und für das Erbringen der Vertragsleistungen zu treffen sind. Im Weiteren dazu einige Hinweise für beide Vertragspartner. Die Festlegungen zum Betriebssystem und der Office-Software ist i.Allg. weniger problematisch, da häufig die gleichen marktführenden Softwareprodukte genutzt werden. Trotzdem liegt der Teufel mitunter im Detail (Version der Software, Updaten, Virenschutz usw.). Die Beschaffungssoftware bestimmt i.d.R. derjenige, der einkauft. Mitunter nutzt dazu der Auftragnehmer die Software im Hause des Auftraggebers. Die gleiche Software sollte auch für das Controlling der Beschaffungsvorgänge genutzt werden. Die Projektmanagement-Software dient vorrangig zur Projektplanung (Termine, Ressourcen) und für das Projektcontrolling. Jeder Partner muss für sich die zweckmäßigste Lösung finden. Darüber hinaus ist zu entscheiden, ob beide Partner für die Projektkommunikation/ und den Workflow im Projekt eine gleiche oder gemeinsame Software nutzen. Die Festlegungen zur Management-Software für Dokumente sind schwieriger, da beide Partner i.d.R. bereits eine solche Software haben und diese auch im Projekt nutzen möchten (s. auch Abschn. 7.1). In diesem Zusammenhang ist u.a. zu prüfen: Wie kompatibel sind die Tools? Wo kann mit Standard-Datenformaten (PDF, TIFF, BITMAP, JPEG) gearbeitet werden und wo müssen es die Originalformate (DOCX, DWG, XLSX, DGN) sein? Nutzt der Auftraggeber seine Software auch später für die Verwaltung des Arbeitsexemplars der AS BUILT-Dokumentation? Wie ist der Datenschutz und Know-how-Schutz gewährleistet? Welche Lösungsalternativen mit welchen vertraglichen Konsequenzen (Kosten, Termine) gibt es? Die Festlegungen zur Planungssoftware sind häufig am schwierigsten. Sie betreffen viele Tools und sind für beide Partner kostenrelevant.
360 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
Die Lösungsfindung kann in folgenden Schritten erfolgen: 1. Schritt: Der Auftraggeber (Anlagenbetreiber) muss sich zunächst klar werden, wozu und in welchem Datenformat er die Dateien benötigt. Die Prüfung sollte systematisch anhand der Liste wichtiger Dokumentenarten erfolgen. Die Ergebnisse sind als Vorgaben im Lastenheft zu dokumentieren und der Anfrage zugrunde zu legen. 2. Schritt: Der Auftragnehmer muss prüfen, inwieweit er zu welchen Konditionen die Vorgaben des Auftraggebers erfüllen kann oder will. Diese Ergebnisse sind dem Angebot zugrunde zu legen und im Pflichtenheft zu dokumentieren. 3. Schritt: Lösungs- bzw. Kompromisssuche zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer während der Vertragsverhandlungen und vereinbaren der Ergebnisse im Vertrag. In der Regel muss der Auftraggeber am Ende entscheiden, was ihm die durchgängige vertragliche Nutzung seiner Software wert ist. Der Auftragnehmer muss in den Vertragsverhandlungen erreichen, dass er die Eigentums- und Nutzungsrechte an den Dateien, die er gegebenenfalls im Vertrag veräußert, vom Auftraggeber adäquat vergütet bekommt (s. Abschn. 4.5.2, Buchstabe k)).
4.5.3.2 Spezifikation der AS BUILT-Dokumentation Die herzustellende AS BUILT-Dokumentation muss durch den Auftraggeber bereits im Lastenheft umfassend spezifiziert werden (s. Abschn. 4.1 und Checkliste in Tab. 4.1). In einer Spezifikation oder Norm „AS BUILT-Dokumentation“ (s. Tab. 4.9) sind insbesondere Vorgaben zu machen über: Bezeichnungen und Begriffsdefinition wesentlicher Dokumentenarten, Struktur und Inhalt der AS BUILT-Dokumentation, Qualitätsanforderungen an die AS BUILT-Dokumentation, inkl. an einzelne Teile, Kapitel, Abschnitte und Dokumentenarten, Liste der Dokumentenarten, die als änderbare Dateien zu liefern sind, inkl. Angaben bzgl. Erstellungssoftware, Dateiformat usw., Form und Exemplaranzahl der Papierversion und elektronischen Version. Später ist diese Spezifikation, gegebenenfalls unter Beachtung von abgestimmten bzw. verhandelten Änderungen, als Vertragsbestandteil zu vereinbaren. Wird ein Vertragsanhang DOKUMENTATION analog dem Inhaltsverzeichnis in Tab. 4.8 vereinbart, so können die genannten Vorgaben an die AS BUILT-Dokumentation in diesen Anhang textlich integriert werden. Tabelle 4.9 Inhaltsverzeichnis einer „Spezifikation für die AS BUILT-Dokumentation“ 1000
Ziel und Zweck
2000
Anwendungsbereich
3000 3100 3200 3300
Begriffsdefinitionen mit Erläuterungen Begriffsdefinitionen Definitionen übergeordneter Begriffe Definitionen wesentlicher Dokumentenarten
4.5 Regelungen zur Dokumentation im Anlagenvertrag Tab. 4.9 (Fortsetzung) 4000 4100 4200
Struktur der AS BUILT-Dokumentation Anlagendokumentation Betriebsdokumentation
5000 5100 5200 5300 5400 5500 5600
Qualitätsanforderungen an die AS BUILT-Dokumentation Vorbemerkungen Grundsätzliche Forderungen Ganzheitlichkeit / Vollständigkeit Widerspruchsfreiheit / Eindeutigkeit As-built-Gerechtheit Nutzergerechtheit / Ergänzungsfreundlichkeit
6000 6100 6200 6300 6400 6410 6420 6430 6500 6510 6520 6530 6540
Ordnungskriterien Gliederung / Systematik Schriftfelder Dokumentenkennzeichen Papierdokumentation Ablageform Inhaltsverzeichnis Ordnerkennzeichnung Elektronische Dokumentation Grundsätzliches Software / Datenträger Dateinamen Systematik / Inhaltsverzeichnis / Kennzeichnung
7000 7100 7200 7300
Übergabeprotokoll zur AS BUILT-Dokumentation Kopf des Protokolls Angaben/Erklärung zur übergebenen Dokumentation Unterschriften / Firmenstempel
8000 8100 8200 8210 8220 8230 8240 8250 8300 8400
Spezifikationen wesentlicher Dokumentationsteile bzw. Dokumentenarten Prüfhandbuch der Anlage Prüfbücher für Anlagenkomponenten Prüfbuch für Druckgeräte Prüfbuch für WHG-Behälter Rohrleitungsbuch Kranbuch Prüfbuch für kraftbetätigte Fenster, Türen und Tore Wartungs- und Inspektionsplan der Anlage Betriebsanweisungen
9000
Mitgeltende Dokumente
Beilagen: Beilage 01 Beilage 02 Beilage 03 Beilage 04 Beilage 05 Beilage 06 Beilage 07 Beilage 08 Beilage 09
Glossar Checkliste zur Qualitätsprüfung der AS BUILT-Dokumentation Codierung der Kennzeichnungsblöcke Schriftfelder für Dokumente Beispiel "Inhaltsverzeichnis Datenträger" Beispiel "Übergabeprotokoll zur AS BUILT-Dokumentation" Beispiel "Inhaltsverzeichnis des Prüfbuches eines Druckgeräts" Beispiel "Inhaltsverzeichnis des Prüfbuches eines WHG-Behälters“ Beispiel "Betriebsanweisung"
361
362 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
4.5.3.3 Qualitätsanforderungen an die AS BUILT-Dokumentation Grundsätzlich gilt auch für Dokumentationsleistungen in Anlagenverträgen: Ein effektives Qualitätsmanagement bezüglich Kontrolle, Erfüllung und Gewährleistung setzt voraus, dass die Qualität anhand von Merkmalen/Kriterien überprüfbar ist. Erfolgt dies nicht bzw. nicht ausreichend, fehlt dem Auftragnehmer eine klare Zielvorgabe für seine Dokumentationsleistungen und dem Auftraggeber die fachliche Bezugsbasis, um später seinen Erfüllungsanspruch und noch mehr seinen Gewährleistungsanspruch bezüglich der Dokumentation durchzusetzen. Ein Verweis auf die Einhaltung der geltenden Vorschriften und Normen bzw. des Standes der Technik reicht nicht aus. Welche Qualitätsanforderungen gegebenenfalls konkret zu vereinbaren sind, soll die Checkliste in Tab. 4.10 veranschaulichen. Tabelle 4.10 Qualitätsanforderungen an die AS BUILT-Dokumentation (Praxisbeispiel für eine Pharmaanlage) 1 Grundsätzliche Forderungen 11.1 Die AS BUILT-Dokumentation muss den Vorschriften und Normen, die bei der Vertragsleistung zu beachten sind, entsprechen. 1.2 Die AS BUILT-Dokumentation muss den Anlagenzustand zum Zeitpunkt der Abnahme der vertraglichen Lieferungen und Leistungen vollständig widerspruchsfrei und in Übereinstimmung mit dem ausgeführten Zustand der Anlage wiedergeben bzw. beschreiben. Ausnahmen sind zu vereinbaren. 1.3 Die AS BUILT-Dokumentation muss in Papierform und in elektronischer Form eine effiziente Nutzung, Pflege und Fortschreibung der Dokumentation ermöglichen. 1.4 Die AS BUILT-Dokumentation muss alle notwendigen Unterlagen für einen bestimmungsgemäßen und sicheren Betrieb der Anlage sowie Unterlagen für eine sichere und effiziente Instandhaltung der Anlage enthalten. 1.5 Die AS BUILT-Dokumentation muss gemäß dem abgestimmten Inhaltsverzeichnis strukturiert und begrifflich (z.B. Überschriften, Bezeichnung der Dokumentenarten) gekennzeichnet sein. 2 Ganzheitlichkeit/Vollständigkeit 2.1 Die AS BUILT-Dokumentation muss alle technischen Dokumente, die insbesondere Informationen über die Ausführung, die Prüfung, den Betrieb und die Instandhaltung der Anlage enthalten, ganzheitlich beinhalten. 2.2 Außerhalb des Inhaltsverzeichnisses und der Systematik der AS BUILT-Dokumentation darf es keine weiteren technischen Dokumente geben. 2.3 Die Dokumente, die aufgrund von Rechtsverordnungen und behördlichen Auflagen bereitzustellen sind, müssen vollständig (d.h. zu 100 % bei Überprüfungen) vorhanden sein. 2.4 Die Dokumente, die zum Nachweis der Anlagen- und Arbeitssicherheit sowie zum Nachweis des Gesundheits- und Umweltschutzes dienen, müssen vollständig (d.h. zu 100 % bei Überprüfungen) vorhanden sein. 2.5 Die Qualitätsprüfungs- und Abnahmedokumente müssen vollständig (d.h. zu 100 % bei Überprüfungen) vorhanden sein.
4.5 Regelungen zur Dokumentation im Anlagenvertrag
363
Tab. 4.10 (Fortsetzung) 2 Ganzheitlichkeit/Vollständigkeit (Fortsetzung) 2.6 Die dynamischen (veränderlichen) Dokumente (z.B. R&I-Fließschemata, Aufstellungspläne, Funktions- und Schaltpläne) müssen vollständig (d.h. zu 100 % bei Überprüfungen) vorhanden sein. 2.7 Alle weiteren Dokumente müssen nahezu vollständig (d.h. zu mindestens 98 % bei Überprüfungen) vorhanden sein. 2.8 Nicht bzw. nichteindeutig lesbare Dokumente sowie nichtvollständige Dokumente sind de facto nicht vorhanden. 3 Widerspruchsfreiheit/Eindeutigkeit 33.1 Die Aussagen, die an den verschiedenen Stellen der Dokumentation zum gleichen Sachverhalt getroffen werden, müssen widerspruchsfrei sein. 3.2 Redundanzen von Dokumenten, z.B. die Ablage des gleichen Dokumentes an verschiedenen Stellen der Dokumentation, sind zu vermeiden. 3.3 In der Dokumentation (z.B. im Allgemeinen Teil) ist eine Änderungsmatrix für die in der AS BUILT-Dokumentation redundant vorhandenen Dokumente zu erstellen. 3.4 Die Begriffswahl ist eindeutig nach dem deutschen Normenwerk und dem Stand der Technik zu treffen. Synonyme sind zu vermeiden. 3.5 Die Geräte-/Herstellerdokumentationen sind so zu kennzeichnen, dass eine eindeutige Zuordnung zur Anlagenkomponente erfolgt. 3.6 Die Papierdokumente und Dateien der AS BUILT-Dokumentation mit dem gleichen Dokumentenkennzeichen müssen inhaltlich identisch sein. Im Widerspruchsfall hat das Papierdokument das Primat. 3.7 Handschriftliche Eintragungen müssen dokumentenecht sein. 4 As-built-Gerechtheit 4.1 Dokumente, die als Grundlage für wiederkehrende Prüfungen, für eine sichere und funktionsgerechte Betriebsführung, als Grundlage für Instandhaltungs- und/oder Erweiterungsmaßnahmen dienen, müssen umfassend und aktuell (d.h. zu 100 % bei Überprüfungen) den As-builtZustand wiedergeben. 4.2 Alle anderen Dokumente müssen nahezu umfassend und aktuell (d.h. zu 98 % bei Überprüfungen) den As-built-Zustand bzw. den Bestand wiedergeben. 4.3 Die As-built-Revision muss durch persönliche Unterschrift mit Datum auf dem Dokument bestätigt werden. Der/das per CAD-Software gezeichnete Name/ Kürzel reicht nicht. 4.4 Die Angaben in der Dokumentation (z.B. R&I-Fließschemata, Datenblättern) müssen mit den zuordenbaren Angaben auf der Anlagenkomponente (z.B. Firmenschild, Stempel, Beschilderung) übereinstimmen. 4.5 Bewusst vorgenommene und zulässige Einschränkungen zur As-built-Wiedergabe sind an geeigneter Stelle in der Dokumentation zu vermerken. 5 Nutzergerechtheit/Ergänzungsfreundlichkeit 5.1 Im allgemeinen Teil der AS BUILT-Dokumentation ist eine Anleitung zu deren Nutzung anzugeben. 5.2 Im 1.Ordner der Papierdokumentation ist das Gesamtinhaltsverzeichnis der AS BUILTDokumentation abzulegen.
364 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement Tab. 4.10 (Fortsetzung) 5 Nutzergerechtheit/Ergänzungsfreundlichkeit (Fortsetzung) 5.3 Im 1. Ordner einer Hauptgruppe (Kapitel) ist das Inhaltsverzeichnis der jeweiligen Hauptgruppe (Kapitel) anzugeben. 5.4 Jedes Dokument der AS BUILT-Dokumentation muss durch entsprechende Kennzeichnung/Beschriftung betreffs Dokumentenart, Zuordnung zur Anlagenkomponente und Ablageort des Papierdokumentes eindeutige identifizierbar sein (sog. Selbstauskunft des Dokuments). 5.5 Jeder Ordner der AS BUILT-Dokumentation darf maximal zu 75 % gefüllt sein 6 Gliederung / Systematik 6.1 Die AS BUILT-Dokumentation muss übersichtlich und logisch gegliedert sein, z.B. um die Suchzeiten zu minimieren und die Dokumentenverwaltung/-pflege zu erleichtern. 6.2 Die AS BUILT-Dokumentation ist so zu gliedern, dass eine eindeutige Zuordnung der Dokumente zu der Anlage bzw. den Anlagenteilen möglich ist. 6.3 Die Gliederungs- und Ablagesystematik sowie die Ordnung (Systematik, Beschriftung, Form) auf der Ablage-/Ordnerebene müssen eindeutig und ergänzungsfreundlich sein. 6.4 Package-Unit-Dokumentationen u.ä. Teildokumentationen sollten identisch und analog zur Anlagendokumentation strukturiert sein. 6.5 Abschnitte, die viele gleichartige Einzeldokumente enthalten, müssen nochmals strukturiert und/oder mit einem Inhaltsverzeichnis versehen werden. 7 Elektronisches Exemplar 7.1 Das elektronische Exemplar ist auf Datenträgern sowie einer Erläuterung/Nutzeranleitung (How-to oder Readme) zu übergeben. 7.2 Die auf Datenträgern (z.B. DVD) übergebenen Dokumente müssen mit Hilfe der vereinbarten Software lesbar und änderbar sein. 7.3 Jeder Datenträger ist wie folgt zu beschriften: Projektname, laufende Nummer, Ersteller, Erstelldatum. 7.4 Zusammenstellung eines Gesamtverzeichnisses der übergebenen Datenträger mit Angaben pro Datenträger von: Datenträgerbezeichnung/-nummer, zugehöriges Kapitel der AS BUILT-Dokumentation, Erstelldatum, enthaltene Dateien, Gesamtumfang aller Dateien dieses Datenträgers u. ä. Ordnungsangaben. 7.5 Zusammenstellung eines Inhaltsverzeichnisses für jeden übergebenen Datenträger mit Angaben pro Datei von: Pfadbezeichnung, Dateiname, Dokumentenbezeichnung, Version, Datum der letzten Änderung, Dokumentenkennzeichen, Erstellungssoftware mit Versionsangabe, Format, Dateigröße komprimiert und/oder unkomprimiert u.ä. Ordnungsangaben. 7.6 Das Ordnungssystem, welches der Datenträger-, Dateien- und Dokumentenkennzeichnung zugrunde gelegt wurde, ist nachvollziehbar zu dokumentieren.
4.5.3.4 Lieferumfang der AS BUILT-Dokumentation Manche Auftraggeber fordern im Vertrag, neben dem elektronischen Exemplar, noch mehrere Exemplare in Papierform, ohne die Konsequenzen (Herstellungskosten, Prüfaufwand, Platzbedarf, Pflegeaufwand, Gefahr unterschiedlicher Revisionsstände usw.) zu bedenken. Mit Näherrücken des Übergabetermins wird dann häufig nochmals über die Zweckmäßigkeit dieser vielen Exemplare nachgedacht und u.U. neu entschieden. In welcher Form (gegenständlich und/oder elektronisch) die angeführten Exemplare bzw. Teile der Gesamtdokumentation zum Zeitpunkt ihrer werkvertraglichen Abnahme
4.5 Regelungen zur Dokumentation im Anlagenvertrag
365
übergeben werden, hängt insbesondere von der benötigten Rechtskraft (Beweiskraft) sowie vom erwarteten Änderungsumfang (Pflegeaufwand) ab. In Pharmaanlagen ist beispielsweise das Originaldokument in Papierform noch häufig anzutreffen. Analoges gilt in vielen Fällen auch für rechtsrelevante Genehmigungs- und Sicherheitsdokumente. Nicht zuletzt beeinflusst auch der Preis die Art der Dokumente und Dokumentation (z.B. in Form änderbarer Dateien im Originalformat). Gemäß den praktischen Erfahrungen wird im Normalfall folgender Lieferumfang der AS BUILT-Dokumentation empfohlen, wobei die Begriffe im Glossar und in Abschn. 4.5.2, Buchstabe b) definiert sind. Belegexemplar (in Papierform oder in nichtveränderbarer elektronischer Form als „juristische Urkunde“) 1. Arbeitsexemplar (Papierkopie des Belegexemplars; dient neben dem elektronischen Exemplar als Arbeitsunterlage) Elektronisches Exemplar (dynamische Dokumente als änderbare Dateien; andere Dokumente in konvertierter bzw. eingescannter Form; Inhalt und Ausführung der elektronischen Form des Dokuments muss mit der entsprechenden Papierform identisch sein) 2. Arbeitsexemplar (Papierkopien von Abschnitten der AS BUILT-Dokumentation (R&I-Fließschemata, Schaltpläne, Betriebsanleitungen, Prüfbücher usw.), die dezentral in der Anlage (Schaltwarte, Schaltraum, Labor), in der Werkstatt (Maschinenakten) oder in Zentralbereichen (Sicherheit, Genehmigung)) aufbewahrt und genutzt werden. Bei weiteren DOKU-Exemplaren besteht die Gefahr, dass zukünftig nicht alle Exemplare und die zugehörigen Einzeldokumente gepflegt werden und während des Dauerbetriebs mit Dokumenten verschiedener Revisionsstände gearbeitet wird. Die Folgen dessen sind nicht absehbar und fahrlässig verursacht. Im Vertrag ist zu vereinbaren, welches Exemplar als Master behandelt wird.
4.5.4 Beachtung der Dokumentation in einzelnen Projektphasen Entsprechend den Vertragsleistungen, die gemäß dem Mustervertrag in Tab. 4.5, Abschn. 4.5.1.3 in den einzelnen Projektphasen zu erbringen sind, werden wichtige spezifische Hinweise zur Beachtung der Dokumentation angeführt und erläutert.
4.5.4.1 Regelungen im Anhang PLANUNGSLEISTUNGEN Der Anhang PLANUNGSLEISTUNGEN definiert die Einzelpositionen der Ingenieurleistungen, die beide Vertragspartner zu erbringen haben und regelt zugleich die zugehörigen Verantwortlichkeiten und Befugnisse. Die Ergebnisse der Anlagenplanung werden hauptsächlich in Anlagendokumenten beschrieben und dargelegt. Das heißt, zwischen Planung und Dokumentation besteht ein direkter Zusammenhang. Entsprechend dieser Feststellung muss der Anhang PLANUNGSLEISTUNGEN eine Spezifizierung und Aufteilung (bzgl. Zuständigkeiten, Verantwortung, Befugnisse) der Planungsleistungen im Vertrag beinhalten. Gemäß dem engen Zusammenhang von Ingenieur- und Dokumentationsleistungen wird bezüglich seiner Ausgestaltungen empfohlen:
366 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
Die Strukturierung der Ingenieurleistungen im Vertrag sollte analog zur Gliederung der AS BUILT-Dokumentation erfolgen (s. Tab. 4.11). Tabelle 4.11 Inhaltsverzeichnis des Anhangs PLANUNGSLEISTUNGEN eines LSTK-Anlagenvertrags (Praxisbeispiel) 1 2 4 3 5 6 7 8 9 10 11
Allgemeine Festlegungen Verfahrensplanung Genehmigungs- und Sicherheitsplanung 3D-Anlagenmodellplanung und Aufstellungsplanung Bau- und Stahlbauplanung Maschinen- und Apparateplanung (inkl. Behälter und Tanks) Rohrleitungsplanung Elektrotechnikplanung MSR- und PLS-Planung TGA-Planung und Laborplanung Package-unit-Planung
Zur Charakterisierung der Ingenieurleistungen können die jeweiligen Dokumentenarten dienen, die dabei zu erarbeiten und zu liefern sind. Das heißt, die Liste wichtiger Dokumentenarten (LwD) des Projekts kann als Grundlage für das detaillierte Inhaltsverzeichnis dieses Vertragsanhangs dienen. Einzelpositionen, die nicht die Erarbeitung von Dokumenten beinhalten (z.B. Koordinierungstätigkeiten), sind eindeutig zu beschreiben. Für die aufgelisteten Ingenieurleistungen ist anzugeben, ob sie vom Auftraggeber (AG) oder vom Auftragnehmer (AN) verantwortlich zu erbringen sind. Außerdem können die Mitwirkungsrechte bzw. -pflichten des jeweils anderen Partners angegeben werden (s. Beispiel 4.5). Beispiel 4.5 Spezifizierung der Ingenieurleistungen eines LSTK-Vertrags für Umbau und Erweiterung einer Anlage zur Chlorherstellung In einer bestehenden Anlage zur Herstellung von Chlor war die Umstellung der Chloralkalielektrolyse von Quecksilberzellen auf die Membrantechnologie vorgesehen. Zugleich sollte mit diesem Projekt eine Kapazitätserhöhung durch gezielte technologische und technische Maßnahmen erreicht werden. Verfahrensgeber für die neuen Verfahrensstufen war der Auftragnehmer. Die Realisierung sollte weitestgehend bei laufender Produktion und unter Nutzung großer Teile der vorhandenen Anlage erfolgen. Zur Demontage alter und Montage neuer Anlagenteile u.a. Bau-/Montagearbeiten war ein enges Zeitfenster während eines Anlagenstillstands vorgesehen. Um die Schnittstellen ganzheitlich zu minimieren und den Montagezeitraum zu verkürzen, wurde das Projekt auf Basis eines Pflichtenhefts über einen Generalvertrag (LSTK-Vertrag) abgewickelt. Die Ausführungsplanung war Vertragsbestandteil. Abb. 4.5 zeigt einen Auszug von Anhang „Vereinbarungen zu Ingenieurleistungen“ dieses Vertrags. Aufgelistet sind auszugsweise die Einzelpositionen für Ingenieurleistungen für zwei Fachdisziplinen. Die angeführten Positionen spezifizieren zugleich die zu erstellenden und zu liefernden Dokumentarten.
4.5 Regelungen zur Dokumentation im Anlagenvertrag
367
Abb. 4.5 Ingenieurleistungen zur Verfahrens-, Aufstellung- und Rohrleitungsplanung (Auszug) Abkürzungen: K (an AG zur Kenntnisnahme bzw. Information) / F (an AG zur Freigabe)
368 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
Für die aufgelisteten Ingenieurleistungen in Abb. 4.5 ist angegeben, ob sie vom Auftraggeber (AG) oder vom Auftragnehmer (AN) verantwortlich zu erbringen sind. Außerdem sind die Informationsrechte/-pflichten (K) und die Genehmigungsrechte/-pflichten (F) des jeweils anderen Partners angeführt. Im LSTK-Vertrag dieses Beispiels wurden derartige Spezifikations-Matrizen für alle Fachdisziplinen sowie für die Teilbereiche: Projektleitung, Projektcontrolling, Bau und Montage, Inbetriebnahme erarbeitet und vertraglich vereinbart. Zugleich wurde festgelegt, dass die angeführten Bezeichnungen der Dokumentenarten für das Projekt verbindlich sind. Die Kenntnisnahme und Freigabe von Planungsergebnissen gemäß Beispiel 4.3 ist ein Informations- und Prüfungsrecht des Auftraggebers gemäß Artikel 5 des Mustervertrags (s. Abschn. 4.5.2, Buchstabe e)). Es ist als Qualitätssicherungsmaßnahme zu verstehen und darf nicht die Verantwortung des Auftragnehmers für seine Vertragsleistung einschränken. Mögliche Vertragsformulierungen zu diesem Sachverhalt sind: (1) Die im Anhang PLANUNGSLEISTUNGEN mit dem Vermerk F (Freigabe) gekennzeichneten Ingenieurleistungen bedürfen der Prüfung und Freigabe durch den AG. (2) Die mit dem Vermerk K (Kenntnisgabe) gekennzeichneten Ingenieurleistungen hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber zur Kenntnis zu geben. (3) Der AG ist bei festgestellten und schriftlich angezeigten Mängeln an den Ingenieurleistungen berechtigt die Freigabe zu verweigern. Der AN hat den angezeigten Mangel an der Ingenieurleistung zu beseitigen und diesen dem AG erneut zur Freigabe zu unterbreiten. Die Mangelbeseitigung gehört zur Vertragsleistung des AN. Lehnt der AN den angezeigten Mangel ab, hat er zur weiteren Vorgehensweise umgehend mit dem AG eine Abstimmung und Entscheidung herbeizuführen. (4) Die Prüfung und Freigabe durch den AG erfolgt innerhalb von 14 Kalendertagen nach Zugang der Unterlagen durch Rückgabe der mit einem Prüf- bzw. Freigabevermerk versehenen Unterlagen an den AN. Sofern der AG nicht innerhalb dieser Frist reagiert, gelten die eingereichten Ingenieurleistungen als freigegeben. (5) Die vereinbarte Kenntnisnahme und Freigabe von Ingenieurleistungen durch den AG entbindet den AN in keiner Weise von der alleinigen Verantwortung für seine Vertragsleistung.
In der Spezifikationsmatrix kann, zusätzlich zu den Spalten AG und AN auch noch eine Spalte SUB ergänzt werden. In dieser Spalte sind die Ingenieurleistungen anzukreuzen, die der Auftragnehmer (Generalunternehmer) im Rahmen seiner Gesamtverantwortung an Subunternehmen weiter vergibt. Damit werden die häufig kritischen Schnittstellen gegenüber Dritten sichtbar. Ist das Ankreuzen in der Matrix gemäß Abb. 4.5 nicht ausreichend eindeutig, können weitere Zwischenzeilen mit ergänzenden Erläuterungen, Bemerkungen, Festlegungen u.ä. eingefügt werden. Die Begriffswahl und das Begriffsverständnis der Dokumentenarten sollten so erfolgen, wie sie später in der AS BUILT-Dokumentation verwendet werden.
4.5 Regelungen zur Dokumentation im Anlagenvertrag
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Die Dokumentenartenbegriffe im Anhang PLANUNGSLEISTUNGEN können als verbindlich für die gesamte Vertragsleistung festgelegt werden.
4.5.4.2 Regelungen im Anhang BESCHAFFUNGSLEISTUNGEN In diesem Anhang werden die Einzelpositionen des Procurement und die dafür zu erstellenden Dokumente, wie Lastenheft, Leistungsverzeichnisse, Technische Beschaffungsunterlagen (TBU), Verhandlungsprotokolle, Auftragsunterlagen usw., vereinbart. Die Darstellung kann analog zu den Ingenieurleistungen (s. Abschn. 4.5.4.1, Abb. 4.5) in tabellarischer Form mit Angabe der Verantwortlichkeit sowie mit Vermerken zur Freigabe (F) und Kenntnisnahme (K) durch den Auftraggeber erfolgen. Bei einem Engineeringvertrag ist die Spezifizierung der Beschaffungsleistungen, wegen der Arbeitsteilung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, besonders wichtig. Bei den zu vereinbarenden Beschaffungsleistungen sollte die Dokumentation wie folgt beachtet werden: Die Einhaltung der Vorschriften und Normen ist wichtiger Bestandteil der Vertragsleistung. Sie enthalten i.d.R. auch Vorgaben zur Dokumentation, die der Hersteller mit dem Produkt auszuliefern bzw. aufbewahren muss (s. Beispiel 4.6). Will der Besteller technische Dokumente, die über den gesetzlich geforderten Mindestumfang hinausgehen, muss er dies in der Bestellung durchsetzen und vereinbaren. Beispiel 4.6 Lieferumfang der Hersteller- bzw. Lieferantendokumentation für Maschinen nach Maschinen-Richtlinie (MRL) In der Maschinen-Richtlinie fordert der Gesetzgeber vom Hersteller, dass er vor dem Inverkehrbringen und/oder der Inbetriebnahme der Maschine für den Benutzer eine Betriebsanleitung und eine EU-Konformitätserklärung zur Verfügung stellt. Zum Inhalt beider Dokumente werden in der MRL detaillierte Vorgaben gemacht (s. Abschn. 2.2.2, a)). Außerdem muss der Hersteller technische Unterlagen (interne technische Dokumentation für die Maschine erstellen und verfügbar halten. Zu deren Inhalt macht die MRL klare Vorgaben. Die Pflicht zur Auslieferung der technischen Unterlagen besteht nicht. In einem Praxisfall reklamierte der Besteller, dass er neben der Betriebsanleitung und EU-Konformitätserklärung keine weiteren technischen Dokumente erhalten habe. Er forderte insbesondere den Bericht über die Risikobeurteilung, um bei zukünftigen Änderungen an der Maschine diesen fortschreiben zu können und Detailzeichnungen von der Maschine inkl. Stückliste und zugehörige Werkstoff-Prüfzeugnisse sowie Einzelteilzeichnungen, um zukünftig selbst Änderungen an der Maschine vornehmen zu können bzw. über eine gegebenenfalls veränderte Nutzung der Maschine entscheiden zu können.. Der Hersteller lehnte die Nachforderung mit Verweis auf die MRL und die Bestellung, in der weder die Lieferung „Ergebnisse Risikobeurteilung“ noch „Detailzeichnungen“ vereinbart waren, ab. Er war auch nicht bereit, diese gegen Aufpreis zu übergeben. Die Hersteller- bzw. Lieferantendokumentation ist als Teil der Anfrage/Bestellung (z.B. Technische Beschaffungsunterlagen) hinsichtlich Struktur und Inhalt eindeutig zu spezifizieren (s. Abschn. 3.5 und 3.6.5 und 5.9).
370 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
In der Bestellung sind auch Vorgaben für den Prozess der Dokumentationserstellung, zu machen wie Vorablieferungen von Dokumenten, z.B. für Genehmigungsunterlagen, statische Berechnungen, Kostenermittlung, Lieferanfragen, Termine, Haltepunkte und Freigaben von Dokumentationsleistungen, Maßnahmen zur begleitenden Qualitätsprüfung der Dokumentation, Festlegungen zur Abnahme und Gewährleistung der Dokumentation. Grundsätzlich muss in den Vereinbarungen betreffs Beschaffungsleistungen festgelegt sein, dass generell die zugehörige Dokumentation ein Bestandteil der Lieferung ist. Dies bedeutet: die Fertigungskontrolle und Freigabe beim Hersteller vor Auslieferung muss die Dokumentation einschließen, die Lieferkontrolle bzgl. Vollständigkeit und Unversehrtheit auf der Baustelle muss die Dokumentation einschließen, Mängel an der Dokumentation sind Qualitätsmängel an der Lieferung, die Rechnungsprüfung muss die gelieferte Dokumentation einschließen, eigenständige DOKU-Lieferungen erfolgen analog zur Hardware generell mit Lieferschein bzw. als dokumentierte Übergabe. Im Vertrag wird i.Allg. auf detaillierte Regelungen in einer vorliegenden bzw. zu erarbeitenden Beschaffungsrichtlinie des Unternehmens bzw. Projekts (s. Abschn. 3.5) verwiesen. Ergänzend zu den vorgenannten Ausführungen enthält Tabelle 4.12 nochmals einige konkrete Erfahrungen und Hinweise, um Fehler möglichst zu vermeiden. Tabelle 4.12 Spezielle Hinweise an den Auftraggeber, die bezüglich der Dokumentation in der Bestellung zu vereinbaren sind. 1
Die Zahlung für das gelieferte Produkt sollte nur bei erfolgter Lieferung der bestellgerechten Hersteller-/Lieferantendokumentation erfolgen. Die Vereinbarung eines eigenen Zahlungsmeilenstein (z.B. 10 % des Gesamtbetrags) für die Dokumentation ist häufig für den Hersteller nicht verpflichtend genug.
2
Es ist grundsätzlich, z.B. in Form eines Dokumentenverzeichnisses, zu vereinbaren, welche Dokumente in Papierform und/oder welche Dokumente als Dateien (inkl. Format, Erstellungssoftware usw.) zu liefern sind.
3
Dokumente und Daten, die der Hersteller vorab zur produktbegleitenden Dokumentation übergeben soll, wie z.B. Massen, Maßblätter, Anschlusskoordinaten, sind ausdrücklich zu vereinbaren.
4
Die Lieferung einer EU-Konformitätserklärung ist ausdrücklich zu vereinbaren. Dies gilt insbesondere für Maschinen, da die Hersteller mitunter geneigt sind, nur eine Einbauerklärung mitzuliefern und die Vorschriften sowie die aktuelle Situation nicht immer eindeutig sind.
5
Die Lieferung zusätzlicher Dokumente aus dem EU-Konformitätsbewertungsverfahren, wie z.B. Bescheinigungen über Bau- und Druckprüfungen von Druckgeräten, ATEX-Bescheinigungen für Geräte Maschinen in explosionsgefährdeten Bereichen, Herstellerbescheinigungen von Zulieferern (Subkontraktoren) ist ausdrücklich zu bestellen. Ansonsten liefern die Hersteller häufig nur die EUKonformitätserklärung ohne Begleitdokumente.
4.5 Regelungen zur Dokumentation im Anlagenvertrag
371
Tab. 4.12 (Fortsetzung) 6
Die Lieferung qualitätsrelevanter Nachweisdokument, wie z.B. – Prüfbescheinigungen für metallische Werkstoffe (sog. Werkstoffzeugnisse), – Dokumente (Berichte, Protokolle, Aufzeichnungen) über zerstörungsfreie Werkstoffprüfungen, über Eignungstest von Materialien sowie über Messungen der Oberflächengüte, der Beschichtungsdicken, der Isolationswiderständen, – Nachweise über die Einhaltung vorgegebener Fertigungs- und Prüfvorschriften des Auftraggebers ist ausdrücklich zu bestellen.
7
Die ggf. gewünschte Lieferung der Risikobeurteilung des Herstellers ist ausdrücklich zu bestellen. Aus den Vorschriften folgert eine derartige Lieferpflicht des Herstellers nicht.
8
Die Lieferung von speziellen Arbeitsdiagrammen, Kennlinienfeldern u.ä. Angaben über das Betriebsverhalten der jeweiligen Anlagenkomponente, die die Inbetriebnehmer und Betreiber benötigen, ist ausdrücklich zu bestellen. Ansonsten machen die Hersteller innerhalb der Betriebsanleitung ggf. nur allgemeine Angaben.
9
Falls in der Betriebsanleitung strukturierte und ausführliche Hinweise und Prozeduren bei der Fehlersuche gewünscht werden, sind diese ausdrücklich zu bestellen.
10 Die Übergabe von Wartungs- und Inspektionslisten sowie von Ersatz- und Verschleißteillisten ist nach Umfang und Form ausdrücklich zu bestellen
4.5.4.3 Regelungen im Anhang BAUSTELLENABWICKLUNG In Verbindung mit der Baustellenabwicklung ist u.a. betreffs der Dokumentation zu vereinbaren: Welche Teile der Dokumentation zu den verschiedenen Meilensteinen (Baustelleneröffnung, Beginn Bau- bzw. Stahlbaumaßnahmen, Beginn Grobmontage, Installation Prozessleitsystem, Loop-checks, definierter Sicherheitsprüfungen) vorliegen müssen. Der Oberbauleiter und die Fachbauleiter sind für die notwendigen Abwicklungs- und Abnahmedokumente verantwortlich, die auf der Baustelle erarbeitet und verwaltet werden müssen (s. Abschn. 5.10). Zu den Aufgaben des Baustellenteams gehört i.d.R. die Eingangskontrolle (Prüfung auf Übereinstimmung mit Bestellung) der Herstellerdokumentationen, die gemeinsam mit den Anlagenkomponenten auf die Baustelle zu liefern sind. Der Oberbauleiter und die Fachbauleiter sollten für die Pflege der Ausführungsdokumente während der Bau- und Montagephase verantwortlich. Dies betrifft u.a. die Vor-Ort-Erfassung der Änderungen im elektronischen Arbeitsexemplar oder als Roteintragungen in den Masterdokumenten, die Revision des Arbeitsexemplars inkl. Herstellerdokumente gemäß den erfassten Änderungen zum Zeitpunkt: MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG (MF), die Prüfung des revidierten Arbeitsexemplars auf vorgabegerechte Ausführung, die Übergabe des aktuellen Arbeitsexemplars an den Inbetriebnahmeleiter. Vorgaben an die Dokumentation, die zum Zeitpunkt: MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG vorliegen muss, um die Rechtsvorschriften zu erfüllen, den Sorgfaltspflichten nachkommen zu können sowie eine vertragsgerechte und effiziente Inbetriebnahme zu ermöglichen.
372 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
4.5.4.4 Regelungen im Anhang INBETRIEBNAHME Bei der Vereinbarung der Inbetriebnahmeleistungen ist hinsichtlich der Dokumentation zu beachten: In diesem Anhang ist zu regeln, welche Teile der Dokumentation zu den verschiedenen Meilensteinen (Schulung, Endkontrolle/Final-check, Erklärung der Betriebsbereitschaft, Beginn Leistungsfahrt) vorliegen müssen, wie z.B. Inbetriebnahmehandbuch bzw. Projektrichtlinie INBETRIEBNAHME (s. Abschn. 5.11), Ausbildungsprogramm und zugehörige Schulungsunterlagen, Gesamt-Betriebsanleitung bzw. Inbetriebnahmeanleitung (s. Abschn. 3.6.3.2, c)), Gefährdungsbeurteilungen und Betriebsanweisungen inkl. Anfahranweisungen für die Inbetriebnahme (s. Abschn. 3.7.2.1 und 3.7.2.2), interner Alarm- und Gefahrenabwehrplan (s. Abschn. 3.7.1.1), Brandschutzordnung, Brandschutz-, Alarm-, Fluchtpläne u.ä. Sicherheitsdokumente des Betriebs (s. Abschn. 3.7.1.2), Herstellerunterlagen bzgl. Instandhaltung, Störungsdiagnose, Ersatzteilhaltung, Erarbeiten der Prüfdokumentation bzw. des Prüfhandbuchs Erfüllungsnachweise der Sicherheitsprüfungen vor MECHANISCHER FERTIGSTELLUNG und des Anfahrchecks zum Zeitpunkt: ANZEIGE DER BETRIEBSBEREITSCHAFT, Programm des Probebetriebs (Heiß-Inbetriebnahme) und der Leistungsfahrt. Der Inbetriebnahmeleiter und die Inbetriebnahme-Fachingenieure sind für die Abwicklungs- und Abnahmedokumente verantwortlich, die während der Inbetriebnahme erarbeitet und verwaltet werden müssen (s. Abschn. 5.11). Der Inbetriebnahmeleiter und die Inbetriebnahme-Fachingenieure sind für die Pflege der Ausführungsdokumente ihres Fachbereichs während der Inbetriebnahmephase verantwortlich. Dies betrifft u.a. die Vor-Ort-Erfassung der Änderungen im elektronischen Arbeitsexemplar oder als Roteintragungen in den Masterdokumenten, die Übergabe eines vollständigen und revidierten Arbeitsexemplars an den Auftraggeber zum Zeitpunkt: ABNAHME DER ANLAGE. die Prüfung der revidierten AS BUILT-Dokumentation auf vorgabegerechte Ausführung, die Mitwirkung bei der Übergabe und Abnahme der AS BUILT-Dokumentation.
4.6 Beachtung der Dokumentation beim Projektmanagement Die im Anlagenvertrag getroffenen Vereinbarungen, die mitunter auf vorliegende Richtlinien des Auftraggebers Bezug nehmen, bilden die grundlegenden Sollvorgaben für die Projektabwicklung. Sie müssen jedoch entsprechend der aktuellen Situation und dem konkreten Geschehen präzisiert werden. Dies erfolgt in vertragsspezifischen und aufgabenbezogenen Projektrichtlinien, die zum Teil für beide Vertragspartner gemeinsam, aber mitunter auch partnerintern gelten. Wichtige Festlegungen zur Dokumentation beinhalten beispielsweise folgende Projektrichtlinien:
4.6 Beachtung der Dokumentation beim Projektmanagement
373
PLANUNG und BAU von ANLAGEN (Abwicklungsrichtlinie), DOKUMENTATION (Dokumentationsrichtlinie), BESCHAFFUNG (Beschaffungsrichtlinie), QUALITÄTSMANAGEMENT, KOSTENCONTROLLING, ÄNDERUNGSLEISTUNGEN (Change Orders), BAUSTELLENABWICKLUNG, INBETRIEBNAHME.
Im vorliegenden Abschnitt werden zunächst die Dokumentationsrichtlinie sowie einzelne Projektregelungen zur Dokumentation näher betrachtet. Auf weitere Projektrichtlinien wird in Verbindung mit der Erstellung, Nutzung und Pflege der Dokumentation in den Kapiteln 5 und 6 eingegangen.
4.6.1 Projektrichtlinie DOKUMENTATION Im Anhang DOKUMENTATION zum Anlagenvertrag (s. Abschn. 4.5.3) wird i.d.R. auf eine zu erarbeitende Projektrichtlinie DOKUMENTATION verwiesen. Den möglichen Regelungsbedarf, präzisierend zum Vertrag, enthält Tabelle 4.13. Tabelle 4.13 Möglicher Regelungsbedarf für eine Projektrichtlinie DOKUMENTATION
Umsetzung von Vorgaben des Vertrags (z.B. aus Vorschriften und Normen) Umsetzung von sonstigen Vorgaben des Auftraggebers Dokumentenkennzeichnung u.a. Attribute (Papierform, Elektronische Form) Benennung/Bezeichnung der Dokumentenarten und Dokumente Gestaltungsvorgaben (Formulare, Masken, Schriftfelder, Muster u. ä.) Aufbewahrung (abheften, abspeichern, archivieren) Kommunikation und Workflow im Projekt Festlegungen zum angewandten Dokumentenmanagement-Tool (DMS, ERP, PKMS) Vorgaben für CAD- und CAE-Anwendungen (ggf. als spezielle Projektrichtlinie) Dokumente und Software für Kosten-, Terminkontrolle und Berichtswesen Datenübertragung zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber und umgekehrt präzisierte Vorgaben zur AS BUILT-Dokumentation
Die inhaltlichen Schwerpunkte der Dokumentationsrichtlinie sind im Vertrag anzuführen, damit beide Partner die Konsequenzen (Kosten, Termine, Ressourcen) bereits bei den Vertragsverhandlungen berücksichtigen können. Darüber hinaus sind im Vertrag festzulegen, bis wann (z.B. innerhalb von 4 Wochen nach Vertragsunterzeichnung) und wie (z.B. Entwurf durch Auftragnehmer sowie anschließende Abstimmung und Freigabe durch Auftraggeber) die Dokumentationsrichtlinie zu erarbeiten ist. Änderungsnachträge (Change-Orders) zu Dokumentationsleistungen sollte es auf Grund der ausgehandelten Dokumentationsrichtlinie nicht geben. Das Inhaltsverzeichnis einer Projektrichtlinie DOKUMENTATION, die ergänzend zum Vertragsanhang DOKUMENTATION in Abschn. 4.5.3 erarbeitet wurde, zeigt Tabelle 4.14. In vielen Projekten gibt es zusätzlich zur Dokumentationsrichtlinie noch eine Projektricht-
374 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
linie CAD-/CAE-ANWENDUNGEN, in der u.a. die Planungstools, Datenformate, Dateikennzeichnung, Symbolbibliotheken, Layerbelegung, Farben, Stricharten, Strichstärken festgelegt werden. Tabelle 4.14 Inhaltsverzeichnis einer Projektrichtlinie DOKUMENTATION (Praxisbeispiel) 1
Grundsätzliches 1.1 Zielstellung 1.2 Begriffsdefinitionen / Abkürzungen 1.3 Sprache 1.4 Geltungsbereich
2
Ergänzungen zu Vorschriften und Normen 2.1 Hinweise zur Anwendung internationaler und nationaler Vorschriften/Standards 2.2 Hinweise zur Anwendung betrieblicher Vorschriften/Standards
3
Dokumentenkennzeichnung 3.1 Dokumentenkennzeichen des AG für Technische Dokumente 3.2 Dokumentenkennzeichen des AN für Technische Dokumente 3.3 Kennzeichnung von Schriftgut 3.4 Festlegungen zur Benennung der Dokumente
4
Formulare, Formblätter, Masken 4.1 Dokumentenvorlagen 4.2 Masken und Schriftfelder
5
Dokumentenerstellung und -verwaltung 5.1 Allgemeine Hinweise und Prozeduren 5.2 Festlegungen zur Anwendung von CAD- und CAE 5.3 Hinweise zum genutzten Dokumenten-Management-System (DMS) 5.4 Workflow zwischen AG und AN 5.5 Workflow des AG/AN mit Subunternehmen 5.6 Prüfung, Freigabe und Revision von Dokumenten 5.7 Ablage und Archivierung von Dokumenten
6
AS BUILT-Dokumentation 6.1 Qualitätsanforderungen der AS BUILT-Dokumentation 6.2 Gliederung, Inhalt und Exemplare der AS BUILT-Dokumentation 6.3 Fertigstellung und Lieferung der AS BUILT-Dokumentation 6.4 Prüfung und Abnahme der AS BUILT-Dokumentation
4.6.2 Change-Management zur Dokumentation In Projekten gilt der Grundsatz: Das Change-Management (Änderungsmanagement) während der Projektabwicklung ist ganzheitlich unter Beachtung kommerzieller, administrativer und technischer Konsequenzen zu organisieren. Neben den monetären Aspekten muss insbesondere die Beantragung, Freigabe und inhaltliche Kommunikation der technischen Änderungen bedacht und geregelt werden. In Abschn. 4.5.2, Buchstabe g) wurde bereits auf die Prozedur bei Änderungen der Vertragsleistung, die letztlich zu einer Change-Order (Änderungsnachtrag) führen können, eingegangen. Diese Aspekte sind zweckmäßig im Vertrag bzw. in einer Projektrichtlinie ÄNDERUNGSLEISTUNGEN eindeutig zu reglementieren.
4.6 Beachtung der Dokumentation beim Projektmanagement
375
Unzureichend ist mitunter das Verhalten bei technischen Änderungen geregelt, die sich im „normalen“ Arbeits- bzw. Verbesserungsprozess ergeben und nicht kosten-, terminund gewährleistungsrelevant sind. Derartige technische Änderungen werden mitunter nicht präzise dokumentiert und nur unzureichend an alle betroffenen Personen und Unternehmen kommuniziert. Die Vorgehensweise bei technischen Änderungen, die keine Change-Orders erwarten lassen, kann u.a. in der Dokumentationsrichtlinie (s. Abschn. 4.6.1) mit erfasst werden. Besser ist es aber, dies in einer separaten Projektrichtlinie CHANGE CONTROL bei TECHNISCHEN ÄNDERUNGEN zu tun (s. Tab. 4.15). Tabelle 4.15 Inhaltsverzeichnis einer Projektrichtlinie „Change Control bei technischen Änderungen“ einer Pharmaanlage 1
Grundsätzliches 1.1 Zweck 1.2 Geltungsbereich 1.3 Begriffsdefinitionen / Abkürzungen 1.4 Mitgeltende Unterlagen
2
Erfassung und Umsetzung technischer Änderungen bzw. Abweichungen 2.1 Grundsätze zur Erfassung und Umsetzung 2.2 Vorgehensweise bei Erfassung und Umsetzung 2.2.1 Änderungen/Abweichungen beim ENGINEERING 2.2.2 Änderungen/Abweichungen bei der BESCHAFFUNG 2.2.3 Änderungen/Abweichungen bei BAU/MONTAGE 2.2.4 Änderungen/Abweichungen bei der INBETRIEBNAHME
Anhang Anhang 1 Ablaufdiagramm zum Change Control Anhang 2 Änderungsmeldung für Anlagenkomponenten und -dokumentation Anhang 3 Liste der Änderungsmeldungen
Für die Erarbeitung einer solchen Projektrichtlinie werden folgende Hinweise gegeben: Zunächst ist die Zielstellung des Change Control grundsätzlich zu klären. Ist es beispielsweise eine Voraussetzung für die Qualifizierung und Validierung gemäß den Grundsätzen der Good Manufacturing Practice (GMP) in Pharmaprojekten oder „nur“ als Maßnahme zur effizienten und nachvollziehbaren Änderungserfassung und Kommunikation in nicht-GMP-relevanten Projekten zu verstehen. Im ersten Fall sollte das Change Control, vom Zeitpunkt AFD (Approved for Design – Freigabe für Ausführungsplanung) an, alle Änderungen und Abweichungen der technischen Ausführung (inkl. Prozessleitsystem) der Pharmaanlage erfassen, sodass eine nachvollziehbare Basis für die Design Qualification (DQ) und die weiteren Qualifizierungsschritte gegeben ist. Im anderen Fall (nicht-GMP-relevant) kann der Startzeitpunkt und der Umfang der Change Control-Maßnahmen vorrangig aus wirtschaftlichen sowie gewährleistungsund haftungsrechtlichen Gesichtspunkten, inkl. Vertragsart, entschieden werden. Nicht selten werden die Dokumente erst nach dem Detail Engineering (Bearbeitungsstatus: AFC (Approved for Construction – Freigabe für Beschaffung und Bau/Montage) „eingefroren“ (Freezing Point) und auch erst ab diesem Zeitpunkt konsequent nach der Change Control-Prozedur verfahren.
376 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
Beim Change Control sollte unterschieden werden zwischen Änderungen und Abweichungen gemäß folgender Begriffsdefinitionen: Änderungen sind bewusst vorgenommene Veränderungen gegenüber den vorangegangenen freigegebenen Status. Sie können insbesondere durch Verbesserungs-, Detaillierungsund Korrekturmaßnahmen begründet sein. Abweichungen sind ungeplante Veränderungen, die während der Projektabwicklung erfasst werden. Sie können u.a. durch mangelhafte Lieferungen und Leistungen, durch zusätzliche behördliche Forderungen oder durch Versicherungsschäden verursacht sein.
Ausgehend von der Notwendigkeit des Change Control ist festzulegen: Wird für alle Ausrüstungsarten eine gemeinsame Change Control-Richtlinie erarbeitet oder werden die Änderungen des Prozessleitsystems inkl. der Software separat behandelt? Welche der technischen Änderungen bzw. Abweichungen werden erfasst? Wer ist für die Erfassung verantwortlich und in welcher Form erfolgt diese? Welche technischen Dokumente (Anlagendokumente) und andere Dokumentenarten der Liste wichtiger Dokumentenarten (LwD) sind vom Change Control betroffen? Wie werden die Änderungen bzw. Abweichungen in den betroffenen Dokumenten eingetragen (z.B. in das Master-Papierdokument oder in die Master-Datei? Ab welchem Zeitpunkt (Meilenstein) der Projektabwicklung ist die Erfassung der Änderungen bzw. Abweichungen gemäß der Change Control-Richtlinie zwingend? Wie erfolgt die organisatorische Umsetzung der erfassten Änderungen bzw. Abweichungen in der Projektarbeit? Grundsätzlich muss geklärt sein, dass eine erfasste Änderung bzw. Abweichung erst dann in der Projektarbeit pflichtgemäß zu beachten ist, wenn sie vom Verantwortlichen offiziell schriftlich freigegeben ist. Der Ablaufplan (Plan der Umsetzung) für das Change Control im Projekt ist analog zum Ablaufplan bei der Pflege der Dokumentation während des Dauerbetriebs zu sehen (s. Abschn. 6.2).
4.6.3 Qualitätssicherung der Dokumentationsleistungen Die Qualitätssicherung der Vertragsleistung ist für jeden Projektleiter eine enorme Herausforderungen, in vielen Fällen schwieriger einzuhalten als Budget und Termine. Dies gilt insbesondere für die Dokumentationsleistungen, da sie häufig gegenüber der Anlage vernachlässigt und unterschätzt werden. Im ersten Schritt muss die Qualität zunächst anhand von Merkmalen definiert werden. Wie dies geschehen sollte, wurde bereits im Abschn. 3.5 für die Hersteller- bzw. Lieferantendokumente und im Abschn. 4.5.3.3 für die AS BUILT-Dokumentation gemäß Anlagenvertrag dargelegt. Ferner ist wichtig, dass die entsprechenden Vorgaben und Leistungen in der Angebotsphase ausreichend kommuniziert sowie in der Bestellung bzw. im Vertrag eindeutig vereinbart wurden. Sind beide Voraussetzungen erfüllt, so stellt sich die Frage: Welche Qualitätssicherungsmaßnahmen sind während der Vertragsrealisierung geeignet und notwendig, um die vereinbarten Qualitätsmerkmale der Dokumentationsleistungen (-produkte) zu erreichen?
4.6 Beachtung der Dokumentation beim Projektmanagement
377
Die Antwort soll in Form von Thesen mit Erläuterungen gegeben werden. 1. These: Der Auftraggeber muss die im Auftrag fixierten Rechte und Pflichten bei der Prüfung, Freigabe und Abnahme von Leistungen und zugehörigen Dokumenten gewissenhaft wahrnehmen. Bemerkung: Dazu gehören insbesondere Prüfungen und Freigaben: – von Ingenieurleistungen (s. Abschn. 4.5.4.1) und zugehörigen Dokumenten, auch bei Herstellern von Package-units und Einzelausrüstungen, – von Procurementleistungen (s. Abschn. 4.5.4.2) und den zugehörigen Dokumenten, – von Konstruktionszeichnungen zur Fertigung, – von Anlagenkomponenten inkl. der Dokumente zum Versand, – von Anlagenkomponenten inkl. notwendiger Montageanweisungen zur Montage, – von der Anlage inkl. zugehöriger Dokumentation zur Inbetriebnahme und zum Anfahren, – zur werkvertraglichen Abnahme der Anlage und der AS BUILT-Dokumentation, – sonstiger Zahlungsmeilensteine inkl. zugehöriger Dokumentation.
2. These: Je nach Umfang, Kompliziertheit und Wichtigkeit sind die Beschaffungsvorgänge in Kategorien einzuteilen (klassifizieren), für die „zwischen AG und AN standardisierte“ Prüf- und Freigabeprozedere zu vereinbaren sind. Diese Prozeduren sollten als Verfahrensanweisungen des betrieblichen QMSystems formuliert und für den Beschaffungsprozess als verbindlich freigegeben werden. Bemerkung: Einen Vorschlag für die angeführte Klassifizierung der Beschaffungsvorgänge enthält Tabelle 4.16. Tabelle 4.16 Klassifizierung und Prüfkategorien für Beschaffungsvorgänge (Praxisbeispiel) Prüfkategorie 1 (Einfache, standardisierte Serien- oder Normprodukte) in unkritischen Einsatzbereichen)
Endkontrolle nach Lieferung auf der Baustelle
Prüfkategorie 2 (Einfache, standardisierte Serien- oder Normprodukte in sensiblen Einsatzbereichen)
Zwischenkontrolle, Endkontrolle und Versandfreigabe möglichst beim Hersteller
Prüfkategorie 3 (Sonderkonstruktionen, Sonderwerkstoffe in sensiblen Einsatzbereichen)
Eventuell Pre-start-up-Gespräche, Dokumentenfreigaben, Zwischenkontrollen, Endkontrolle und Versandfreigabe beim Hersteller
Prüfkategorie 4 (Package-units, verfahrenstechnisch und/oder apparatetechnisch und/oder sicherheitstechnisch relevante Sonderkonstruktionen)
Pre-start-up-Gespräche, Qualitätskontrollen der Engineeringleistungen, Dokumentenfreigaben, produktionsbegleitende Zwischen-/Endkontrollen, Testläufe, Sachverständigenprüfungen beim Hersteller, Freigabe zur Auslieferung
3. These: Für die fundierte inhaltliche Durchführung und Protokollierung der o.g. Prüfungen und Freigaben sind Checklisten zu erarbeiten und zu nutzen. Bemerkung: In der Praxis werden die o.g. Prüfungen oftmals nach „besten Wissen und Gewissen“ sowie gemäß den personellen und zeitlichen Möglichkeiten durchgeführt. Nicht selten werden Mängel übersehen. Mit Hilfe von Checklisten werden die Erfahrungen anderer Fachleute genutzt und der Prüfaufwand verringert. Die Formblätter in Abb. 4.6 zeigen Beispiele.
378 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
Abb. 4.6 Checkliste zur Qualitätskontrolle eines Apparats (Druckgerät) beim Hersteller und für die Freigabe zum Versand auf die Baustelle (Seite 1)
4.6 Beachtung der Dokumentation beim Projektmanagement
379
Abb. 4.6 Checkliste zur Qualitätskontrolle eines Apparats (Druckgerät) beim Hersteller und für die Freigabe zum Versand auf die Baustelle (Seite 2)
380 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
4. These: Jeder Auftragnehmer (AN) hat im Zeitraum von 2 bis 4 Wochen nach Eingang des rechtskräftigen Auftrags (Bestellung bzw. Anlagenvertrag) für seine Vertragsleistung dem Auftraggeber (AG) einen ganzheitlichen Qualitätssicherungsplan für seine Vertragsleistung inkl. Dokumentation vorzulegen. Bemerkung: Damit wird der AN gezwungen, sich mit den Dokumentationsleistungen und der zugehörigen Qualitätssicherung zu beschäftigen und sich zu offenbaren. Der AG kann sich selbst ein „Bild machen“ und unter Nutzung seiner grundsätzlich vereinbarten Informations- und Prüfungsrechte (s. Abschn. 4.5.2, Buchstabe e)) sowie unter Berücksichtigung der im Vertrag vereinbarten Freigaben angemessen reagieren. Diese Empfehlung setzt die Projektstrategie des Front-End-Loading konsequent um (s. Abschn. 5.1).
5. These: Das Erfassen und Verwalten (melden, abarbeiten, abmelden, prüfen) der festgestellten Qualitätsmängel an der Anlage und Dokumentation ist professionell zu organisieren (s. Abschn. 4.6.5). Mängel- bzw. Restpunktlisten müssen „per Knopfdruck“ und zugeordnet nach Verantwortungs- und Fachbereichen erstellt werden können. Bemerkung: Jeder Mangel sollte in Form einer separaten Mangelmeldung erfasst und im System (Software-Tool) gespeichert werden. Ein formales, elektronisches Mangelerfassungssystem inkl. einer Datenbank lässt keine „Schlupflöcher“ und gestattet sehr schnell einen Überblick zum Sachstand, z.B. zwecks Abnahme von Vertragsleistungen und/oder hinsichtlich der Frei-/Nichtfreigabe von Zahlungen. In Beispiel 4.7 ist eine Vorgehensweise beschrieben, die sowohl für technische als auch für dokumentarische Mängel nutzbar ist. Weitere Beispiele, inkl. geeigneter Templates sind in Abschn. 4.6.5 und 5.13 bzw. 5.14 angeführt.
Beispiel 4.7 Formblatt und Prozedur für die ganzheitliche Mangelmeldung betreffs der Anlage und Dokumentation Die Qualitätssicherung im Projekt ist eine der wichtigsten und schwierigsten Aufgaben. Sie muss über alle Phasen professionell organisiert und durchgesetzt werden. Ein Schwerpunkt ist die effektive und zuverlässige Erfassung der festgestellten Qualitätsmängel aller Art. Das elektronische Meldungsformular in Abb. 4.7 ermöglicht eine eindeutige Erfassung und Verwaltung jedes einzelnen Mangels; auch zu Dokumenten. Zugleich kann es auch zur Abmeldung und Erfüllungskontrolle des Mangels genutzt werden. In die Meldung können Digitalfotos bzw. eingescannte Informationen zum Mangel, eingefügt werden. Ferner können sowohl Mängel an der Anlage (auch bei Herstellerkontrollen) als auch Mängel an der Dokumentation erfasst werden. Jeder Mangel/Restpunkt wird in eine der drei Kategorien A: Mangel behindert Mechanische Fertigstellung, B: Mangel behindert Anzeige der Betriebsbereitschaft, C: Mangel behindert werkvertragliche Abnahme nach § 640 BGB
eingestuft. Damit wird die Dringlichkeit seiner Beseitigung ausgedrückt. Sicherheitsrelevante Mängel bzw. GMP-relevante Mängel (in Pharmaprojekten) werden in extra Feldern vermerkt und sind i.Allg. „Knock-Out-Kriterien“ für das Erreichen der Mechanischen Fertigstellung. In das Kennzeichen der Mangelmeldung kann z.B. das Namenskürzel der Person integriert werde, die den Mangel gefunden hat.
4.6 Beachtung der Dokumentation beim Projektmanagement
Mangelmeldung 1)
(Kennzeichen der Mangelmeldung)
381
(Status der Mangelmeldung)
Projekt:
Bezeichnung:
Bestellung-Nr.:
R&I-FB-Nr.:
Auftragnehmer:
AKZ:
Leadingenieur AN:
DOKU-KZ:
Fachdisziplin / Gewerk
Prozesstechnik
Bau/Stahlbau
Apparate/Behälter/ Maschinen
Rohrleitungen
Prozessleittechnik
TGA
Package Unit
Dokumentation
Elektrotechnik
Beschreibung:
Mangel behindert:
Auslieferung
Beseitigung
Mechanische Fertigstellung (Kategorie A)
Prüfung/ Rücksprache
Meldung erstellt Datum, Name
Kenntnis
Anzeige der Betriebsbereitschaft (Kategorie B)
Endabnahme nach § 640 BGB (Kategorie C)
sicherheitsrelevanter Mangel
Meldung freigegeben Datum, Name
GMP-relevanter Mangel
Meldung erhalten Datum
Unterschrift AUFTRAGGEBER
Name
Unterschrift AUFTRAGNEHMER
Erledigungsvermerk:
Datum: 1)
Name:
Unter
Gegebenenfalls ist ein Inverzugsetzungschreiben zu erstellen.
Abb. 4.7 Formular für die Meldung technischer und/oder dokumentarischer Mängel
382 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
Mit dem Status der Mangelmeldung kann u.a. gekennzeichnet werden, ob der Mangel „gemeldet“ – „abgemeldet“ – „nachgeprüft“ – „behoben“ ist. Auf Seiten des Auftraggebers wird die Mangelmeldung vom Ersteller (z.B. Anlagenfahrer) und vom Freigebenden (z.B. zuständige Lead-Ingenieur) unterschrieben. Nach den Datenfeldinhalten im Formblatt, die in einem Software-Tool abgelegt sind, kann leicht recherchiert und die Mängel sortiert werden. Fehleranalysen sind möglich. 6. These: Das Erstellen und Handling von Dokumenten im Projekt ist konsequent gemäß den Qualitätsmanagementregeln beider Partner vorzunehmen. Dies betrifft insbesondere die schriftliche Bestätigung durch den ERSTELLER – PRÜFER FREIGEBER auf den Engineering- und Beschaffungsdokumenten. Bemerkung: Die firmeninterne Qualitätssicherung muss von den Verantwortungsträgern konsequent durchgesetzt und in der Projektarbeit „gelebt“ werden.
7. These: Die Unternehmen müssen ihre Führungskräfte und Mitarbeiter auf dem Fachgebiet „Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen“ verstärkt fortbilden. Bemerkung: Die Wissensunterschiede im Umgang mit der Technik und der Dokumentation sind zum Teil frappierend. Sie sind auch eine Ursache, dass die Dokumentationsbelange nicht selten verdrängt werden. Das Einbinden eines „Spezialisten für Dokumentation“ in das Projektteam ist meist hilfreich, ersetzt aber nicht den Sachverstand der Leadingenieure.
Zusammenfassend ist festzustellen: Die Qualitätssicherung von Anlage und Dokumentation ist während der Projektlaufzeit ganzheitlich durchzusetzen. Mängel in der Dokumentation müssen zeitnah zu ihrer Erstellung erkannt und beseitigt werden. Die häufig anzutreffende “nachträgliche Reparatur“ an der Dokumentation ist für alle Beteiligte unwirtschaftlich. Durch ein professionelles Dokumenten- und Qualitätsmanagement können in den meisten Projekten erhebliche Kosten eingespart werden.
4.6.4 Fertigstellung und Lieferung der AS BUILT-Dokumentation Im Weiteren wird vorausgesetzt, dass die Gesamtdokumentation in die Qualitätssicherungsmaßnahmen inkl. Hersteller/Montagekontrollen einbezogen war und zum Zeitpunkt MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG eine vor Ort nutzbare und vorgeprüfte Gesamtdokumentation vorlag, die Genehmigungs- und Anlagendokumentation während der Baustellenabwicklung (s. Abschn. 5.10) und Inbetriebnahme (s. Abschn. 5.11) entsprechend dem aktuellen Sachstand fortgeschrieben wurden, die Betriebsdokumentation gegen Ende der Montagephase erarbeitet sowie während der Inbetriebnahme genutzt und entsprechend dem Erfahrungsrückfluss angepasst wurde (s. Abschn. 5.11). Im Ergebnis dessen werden hinsichtlich der Fertigstellung und Lieferung die folgenden Hinweise gegeben: Der Inbetriebnahmeleiter sollte verantwortlich sein, dass am Ende der Inbetriebnahme (falls zu diesem Zeitpunkt die werkvertragliche Abnahme der Anlage erfolgt) zumin-
4.6 Beachtung der Dokumentation beim Projektmanagement
383
dest ein vertragsgerechtes Arbeitsexemplar der AS BUILT-Dokumentation vor Ort verfügbar und durch den Betriebsleiter nutzbar ist. Neben der Erfassung von Änderungen muss während der Inbetriebnahme auch eine gezielte Dokumentationsprüfung stattfinden, indem Mängel an der Dokumentation, die bei ihrer Nutzung sichtbar werden, zeitnah erfasst und revisionsgerecht dokumentiert werden, der Auftraggeber in Vorbereitung der Endabnahme von Anlage und Dokumentation gezielt mit deren Prüfung beginnt. Die vertragsgemäße AS BUILT-Dokumentation sollte zeitversetzt zur Anlage fertiggestellt, geliefert und werkvertraglich abgenommen werden (s. Abschn. 4.5.2, j)). Im Einzelnen kann zweckmäßigerweise nach folgender Prozedur verfahren werden: 1) Das Arbeitsexemplar der handrevidierten AS BUILT-Dokumentation wird zum Abnahmetermin der Anlage „eingefroren“ und auf Basis einer Papierkopie oder eines elektronischen Masters im Stammhaus des Auftragnehmers CAD-/CAE-revidiert sowie im vereinbartem Zeitraum von 2 bis 4 Wochen in die vertragsgemäße Form gebracht. 2) Danach wird die aus Sicht des Auftragnehmers (AN) vertragsgemäß hergestellte AS BUILT-Dokumentation offiziell mittels Lieferschein inkl. detaillierter Auflistung des Lieferumfangs an den Auftraggeber (AG) übergeben. Hinsichtlich des Lieferumfangs der AS BUILT-Dokumentation wird auf Abschn. 4.5.3.4 verwiesen. 3) Der AG führt eine Vorprüfung der gelieferten AS BUILT-Dokumentation auf Vollständigkeit gemäß Lieferschein und Unversehrtheit der Lieferung durch. 4) Die Übergabe der AS BUILT-Dokumentation wird von beiden Seiten schriftlich bestätigt, z.B. durch Gegenzeichnen des Transmittals (s. auch Abschn. 5.3). Änderungsvorgänge zur Dokumentation, die nach dem sog. Freezing-Point entstehen, müssen als Change-Control-Vorgänge gestapelt werden. Das gilt auch für Vorgänge, die im anschließenden Prüfungszeitraum anfallen. In der Praxis fordert der Auftraggeber mitunter im Vertrag, dass die AS BUILTDokumentation (zumindest handrevidiert) bereits ca. 4 Wochen vor dem geplanten Endabnahmetermin für die Anlage übergeben wird, sodass der Auftraggeber bis zur Abnahme der Anlage die Gesamtdokumentation prüfen kann. Wesentliche Mängel sind bis zur Abnahme der Anlage zu beheben. Falls keine wesentlichen Dokumentationsmängel mehr bestehen, können dann die Anlage und die zugehörige AS BUILT-Dokumentation zusammen abgenommen werden. Als Begründung für diese Vorgehensweise wird genannt, dass die ausstehende Restzahlung für die vertragsgemäße AS BUILT-Dokumentation nicht ausreicht, um die Nachbesserungsarbeiten gegenüber dem Auftragnehmer durchzusetzen. Die Autoren können entsprechend ihrer Berufspraxis diese Bedenken für den verfahrenstechnischen Anlagenbau nicht teilen. Voraussetzungen für diese Aussage waren allerdings, dass im Anlagenvertrag für die Dokumentationsleistung eine äquivalente Vergütung (10 % der Gesamtvergütung als Zahlungsmeilenstein) sowie eine signifikante Vertragsstrafe bei gravierenden Dokumentationsmängeln vereinbart werden.
384 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
4.6.5 Prüfung der AS BUILT-Dokumentation Ist die AS BUILT-Dokumentation an den Auftraggeber übergeben, muss dieser diese Vertragsleistung überprüfen, um ggf. bis zur Abnahme und Vergütung seinen Erfüllungsanspruch (z.B. auf Nachbesserung) wahrnehmen zu können. Bem.: Bei einem Kaufvertrag muss die Prüfung (Kontrolle) der übergebenen Hersteller- bzw. Lieferantendokumentation im Zeitraum zwischen Lieferung (Entgegennahme) und entsprechender Vergütung stattfinden (s. Abschn. 2.6.4 und 4.4.3).
Grundsätzlich erfordert eine fundierte und nachvollziehbare Prüfung zwei Voraussetzungen. Einerseits müssen die Qualitätsanforderungen an die AS BUILT-Dokumentation (s. Abschn. 4.5.3.3) definiert sein und zum anderen muss die Prozedur für die Prüfung feststehen. Letzteres kann z.B. als Projektrichtlinie (s. Abschn. 5.14) bzw. als Verfahrensanweisung im QM-System schriftlich formuliert werden. Im Normalfall ist folgende Vorgehensweise üblich: (1) Der AG prüft im vereinbarten Zeitraum von ca. 3 bis 4 Wochen, beginnend mit dem Belegexemplar, die übergebene AS BUILT-Dokumentation auf Vertragsgemäßheit. (2) Dokumentationsmängel, die der AG bei der Prüfung feststellt, sind dem AN zeitnah anzuzeigen. Zur Mängelerfassung wird zweckmäßigerweise ein Formblatt gemäß Abb. 4.7, Abschn. 4.6.3 bzw. Abb. 5.23, Abschn. 5.14.3 oder eine Checkliste gemäß Abb. 6.9, Abschn. 6.2.3 genutzt. (3) Der AN muss die angezeigten Mängel umgehend bewerten und ggf. nachbessern. Nachbesserungen sind von Anfang an in allen Exemplaren (elektronisch und gegenständlich) vorzunehmen. (4) Akzeptiert der AN den angezeigten Mangel nicht, muss er gegenüber dem AG eine Klärung veranlassen. Diese kann z.B. ergeben: ▪ der AG zieht die Mangelmeldung zurück, ▪ der AN beseitigt den Mangel vor Abnahme der AS BUILT-Dokumentation, da der Mangel abnahmebehindernd ist, ▪ der Mangel wird als Restpunkt ins Abnahmeprotokoll aufgenommen. (5) Sofern die, ggf. nachgebesserte AS BUILT-Dokumentation keine wesentlichen Mängel aufweist, wird sie werkvertraglich abgenommen (s. Abschn. 4.6.6). (6) Änderungen an der Dokumentation, die aus technischen Maßnahmen resultierten, wurden während des Prüfzeitraumes in den Change-Control-Vorgängen gespeichert und erst nach Abnahme der AS BUILT-Dokumentation eingepflegt. Weitere Erfahrungen aus der Prüfung/Auditierung größerer AS BUILT-Dokumentationen sind in den Abschn. 5.13 und 5.14 dargelegt.
4.6.6 Abnahme der AS BUILT-Dokumentation und Gewährleistung a) Abnahme der AS BUILT-Dokumentation
Die konkreten Voraussetzungen und Bedingungen für die Abnahme sind im Vertrag zu regeln. Dazu gehören u.a.: Nachweis der vollständigen Lieferung gemäß Vertrag, Nachweis der qualitätsgerechten Lieferung gemäß Vertrag, Prüffrist des Auftraggebers,
4.6 Beachtung der Dokumentation beim Projektmanagement
385
Abstimmung der Restpunktliste zur AS BUILT-Dokumentation, inkl. der Termine für deren Erledigung, Abstimmung zur Gewährleistung für die AS BUILT-Dokumentation, inkl. der zugehörigen Gewährleistungsvoraussetzungen. Das Praxisbeispiel eines werkvertraglichen Abnahmeprotokolls für die AS BUILTDokumentation enthält Abb. 4.8. Analog zur Anlage sind nichtwesentliche Mängel als Anhang zum Protokoll in einer Restpunktliste (Punch-list) zusammenzustellen. Im Praxisbeispiel in Abb. 4.8 wurden in das Abnahmeprotokoll bewusst noch ergänzende Erklärungen des Auftragnehmers aufgenommen, da zu diesen Fragen im Anlagenvertrag keine Aussagen gemacht waren. Mit der Unterschrift unter das Abnahmeprotokoll sind für die AS BUILT-Dokumentation im Normalfall der Gefahrenübergang, der Gewährleistungsbeginn und die Beweislastumkehr verbunden (s. Abschn. 4.4.2). Da fortan der Auftraggeber beweisen muss, dass im Gewährleistungszeitraum erkannte Anlagen- und/oder Dokumentationsmängel vom Auftragnehmer zu verantworten sind, sollte er ein Exemplar der AS BUILT-Dokumentation (gekennzeichnet mit dem Lieferstatus „as-built“) als Belegexemplar unter Verschluss und in einer nichtveränderbaren Form archivieren. Im Arbeitsprozess ist dieses Exemplar nicht zu verwenden. In manchen Anlagenprojekten, insbesondere mit umfangreichen und u.U. kostenintensiven Gewährleistungsansprüchen, wird ein von AG und AN bestätigtes Belegexemplar (z.B. elektronisch auf Datenträger) während des Gewährleistungszeitraum bei einem Notar als „Urkunde/Nachweis“ hinterlegt. b) Gewährleistung für die AS BUILT-Dokumentation Der Auftragnehmer hat nach deutschem Recht gemäß BGB, sowohl im Werkvertrag nach § 634 (s. Abschn. 2.6.4, a)) als auch im Kaufvertrag nach § 438 (s. Abschn. 2.6.4, b)) für die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit der AS BUILT-Dokumentation zu gewährleisten, da die Dokumentationsleistungen zu den im BGB angeführten Planungsleistungen gehören. Die sog. „vereinbarte Beschaffenheit“ (zugesicherte Eigenschaften) beinhaltet i.Allg. bezogen auf die AS BUILT-Dokumentation: Liefertermine, Lieferumfang, Qualitätsanforderungen an die Papierdokumentation (Vollständigkeit, Rechtskonformität, Genehmigungskonformität, Einhaltung der vertraglich gültigen Regeln zum Stand der Technik inkl. Sicherheitstechnik, Eindeutigkeit, As-built-Gerechtheit, Nutzergerechtheit, Ergänzungsgerechtheit, Lesbarkeit u.a.), Qualitätsanforderungen analoger Art an die Elektronische Dokumentation. Die Gewährleistung bezieht sich auf den Zustand des Belegexemplars der AS BUILTDokumentation zum Abnahmezeitpunkt. Der AG hat nach der werkvertraglichen Abnahme im Gewährleistungszeitraum die Beweispflicht. Entsprechend BGB, § 634a (Werkvertrag) und § 438 (Kaufvertrag) beträgt die Gewährleistungsdauer 5 Jahre für die Bau-Dokumentation und 2 Jahre für alle anderen Dokumentationsteile.
386 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
(Fortsetzung von Abb. 4.8 auf der nächsten Seite)
4.6 Beachtung der Dokumentation beim Projektmanagement
387
Abb. 4.8 Protokoll über die Abnahme der AS BUILT-Dokumentation im Rechtssinn (Praxisbeispiel)
4.6.7 Probleme in Lösungen verwandeln – Lessons Learned Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln; durch Nachdenken, ist der edelste, durch Nachahmen, ist der leichteste, durch Erfahrung, ist der bitterste. Konfuzius
Projekte im Anlagenbau sind – wie die Anlagen selbst – oft einmalig und vielschichtig. Neben einer guten Planung eines neuen Projekts ist es wichtig, aus abgeschlossenen Projekten für künftige Projekte zu lernen. Ziel eines Unternehmens muss es sein, eine lernende Organisation aufzubauen und Wissen und Erfahrungen wiederauffindbar abzulegen (Wissensmanagement).
388 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
Lernen durch Erfahrung (bei Konfuzius der dritte Weg) muss daher ein wichtiger Schritt in Projekten sein. Eine Möglichkeit der Umsetzung ist die Durchführung sogenannter Lessons Learned; in etwa mit "gelernte Lektionen" zu übersetzen. Als Lessons Learned wird die Sammlung, Bewertung und Dokumentation von Erfahrungen – Hinweisen – Fehlern – Verbesserungspotential – Risiken aus Projekten bezeichnet.
Ein Lessons Learned wird durch das Projektteam durchgeführt. Es wird oft gegen Projektende in Form eines Workshops praktiziert und in größeren Projekten/Teams durch einen neutralen Moderator geführt. Zur Durchführung und zur Methodik gibt es keine normativen Vorgaben. Beide Faktoren hängen vom zu betrachtenden Projekt ab. Ziele des Lessons Learned sind: ▪ Fehlervermeidung in künftigen Projekten, ▪ Wissenstransfer an künftige Projektteams, ▪ Wissenstransfer auch an Nicht-Projektbeteiligte, ▪ Erfahrungsaustausch zwischen erfahrenen und weniger erfahrenen Kollegen, ▪ Dokumentation des Optimierungspotentials (Wissensmanagement). Zum Erreichen dieser Ziele gelten bei der Durchführung des Lessons Learned die folgenden Grundregeln: keine persönliche Kritik an Personen oder Institutionen, auch positive Dinge festhalten, Projektbeteiligte führen Lessons Learned als Team gemeinsam durch, ggf. unterstützt durch einen methodisch versierten externen Moderator, Bewertung der Punkte erfolgt ohne Berücksichtigung der Hierarchie im Unternehmen, Aufbereitung der Ergebnisse in einer Form, die von künftigen Projektteams nachvollzogen werden kann (s. Auswerteblatt in Tab. 4.17) . Tabelle 4.17 Auszug eines Lessons-Learned-Auswerteblatts aus einem Projekt (Praxisbeispiel) Datum,…………….
Lessons Learned Projektname:
Document Control im Musterprojekt
Projektnummer:
A20009
Projektleiter:
Geschäftsführer
Projektteam:
Mitarbeiter A, Mitarbeiter B, Mitarbeiter C
Leistungszeitraum:
…………………….
Dokument erstellt von
Name: ……….
Datum: ……….
Leistungsinhalt im Projekt Document Control: Planlauf zwischen dem Bauherrn und der ausführenden Firma und deren Nachunternehmern (terminkritisch, Team war in die Informationsübermittlung zwischen Auftraggeber und Baufirma sowie deren Planungspartner und Nachunternehmer eingebunden
4.6 Beachtung der Dokumentation beim Projektmanagement
389
Tab. 4.17 (Fortsetzung) Kommunikation im Projektteam Team-intern: Vertretungslösung hat gut funktioniert alle Mitarbeiter haben gleichberechtigt an allen Aufgaben gleichermaßen gearbeitet zum Auftraggeber: kein bis wenig Feedback im Tagesgeschäft mehrfacher Wechsel der Ansprechpartner, schlecht kommuniziert Zusatzanfragen des Auftraggebers waren häufig schwammig oder unklar formuliert aufwändiges Nachfragen, um Ziel oder Anfrage zu verstehen Qualität und Zielerreichung Ziel der nachvollziehbaren Planläufe wurde erreicht – Abstriche in der Umsetzung aufgrund diverser Punkte (s.u.) Positive Punkte interne Arbeitsanweisung „Document Control Handbuch“ gut und wirksam gegenüber Auftraggeber wurde eine klare Linie für die Leistungserbringung gezeigt „Document Control Handbuch“ wurde regelmäßig aktualisiert (Wechsel Ansprechpartner, Verteilerschlüssel) regelmäßige Baustellenpräsenz wurde positiv beurteilt Folgeauftrag für Dokumentation erhalten Kritische Punkte und Vorschläge stark schwankende Auslastung vor Ort Papierchaos auf der Baustelle; Projektmitarbeiter „ersticken“ in Papierübergaben des Kopierdienstleisters geplante Manpower war in Stoßzeiten zu gering Beteiligte haben Planlauf-Vorgaben nicht eingehalten (z.B. zusätzliches Ingenieurbüro mit neuer Planungsleistung, zusätzliche Planläufe an Prüfstatiker)
Aus der Erfahrung gelernt: Organisatorisches Mitarbeiterwechsel in der Laufzeit vermeiden (Einarbeitungsaufwand!) keine räumliche Trennung der Mitarbeiter (Baustelle und Büro Stammsitz) von vornherein größere Baustellenpräsenz anbieten, Auslastung durch baubegleitende Zusammenstellung der As-Built Anlagendokumentation anbieten, u.U. zusätzliche Projektleistungen anbieten (Mängelverfolgung) Fachliches bei Mitarbeiterwechsel im Projekt Einarbeitungsaufwand der neuen Mitarbeiter berücksichtigen Einarbeitungsplan erstellen Methodisches Ablagesystematik für Planunterlagen sofort zu Projektbeginn verbindlich festlegen bei neuen Projektbeteiligten sind diese über Prozesse und Vorgaben zu informieren Planablage aller aktuell gültigen Zeichnungen in einem „Master-Verzeichnis“ bei Aktualisierung einer Zeichnung wird der alte Index gelöscht Mastersatz (Papier) mit A3-Papierplänen auf der Baustelle führen Sonstiges
390 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
In Bezug auf die Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen gibt es Punkte, die regelmäßig in Lessons Learned auftauchen. In Tabelle 4.18 sind Kernaussagen aus durchgeführten Lessons Learned eines Ingenieurbüros für Technische Dokumentation zusammengestellt. Die Aussagen sind aus der Sicht des Lead-Ingenieurs für Dokumentation getroffen. Nicht jede Aussage gilt dabei für jedes Projekt. Viele Probleme bei der Projektabwicklung sind auf Planungsmängel zurückzuführen, gefolgt von der Strategie, das betreffende Problem unter Zeitdruck zu lösen. Dieser Ansatz wird mitunter als "reaktive Dokumentation" bezeichnet. Tabelle 4.18 Kernaussagen der Projektbeteiligten aus Lessons Learned Aussagen zu Problemen im Projektverlauf
möglicher Lösungsansatz
Dokumentation wird als Nebenaufgabe der Projektleitung angesehen (keine gesonderten Ressourcen)
Dokumentation ist eine Hauptleistungspflicht und wird als solche behandelt („Projekt im Projekt“)
Durchführung und Inhalte folgen keinen abgestimmten Standards
Vertrags- und Anforderungsanalyse zu Projektbeginn
Dokumentationserstellung beginnt meist erst nach der Inbetriebnahme
Dokumentation erfolgt projektbegleitend, spezialisiert, interdisziplinär und als Teil des Projektteams
Abgabe der unabgestimmten Dokumentation an den Vertragspartner
Vertrags- und Anforderungsanalyse zu Projektbeginn
Abarbeitung der angezeigten Mängel erfolgt erst spät
Projektbegleitende Zusammenstellung (durch einen oder mehrere verantwortliche Bearbeiter der Technischen Dokumentation, sog. Doku-Stelle)
Verlust der Experten nach Projektabschluss (lange Wege)
Ansprechpartner mit Ressourcen und Befugnissen als Schnittstelle Dokumentation erfolgt projektbegleitend, spezialisiert, interdisziplinär und als Teil des Projektteams
Dokumentation zu spät erstellt und/oder zu spät übergeben
projektbegleitendes Audit zum Stand VOR der geplanten Abnahme durchführen externer „Leadingenieur DOKUMENTATION“ im Team Prozess der Prüfung und Freigabe der Dokumentation so früh wie möglich festlegen
formale Qualitätsprobleme (Dokumentation nicht wie spezifiziert)
Dokumentation im Vertrag beschreiben Qualitätsparameter der Dokumentation festlegen und projektbegleitend prüfen (in Form von Audits oder als Teilaktivität der Document Control) Eingangsprüfung (Plausibilitätsprüfung) Festlegungen zur Dokumentation in Projektrichtlinien Document Control (siehe Abschn. 5.3) planen, einführen und konsequent umsetzen
inhaltliche Qualitätsprobleme (sachlich falsch)
projektbegleitendes Audit zur sachlichen Richtigkeit VOR Abnahme Änderungsmanagement klar regeln und regelmäßig auditieren Gründliche Kontrolle der eingehenden AS BUILT-Dokumentation inklusive Stichproben vor Ort
Literatur
391
Tab. 4.18 (Fortsetzung) Aussagen zu Problemen im Projektverlauf Kosten zur Erstellung der Dokumentation zu hoch
möglicher Lösungsansatz
standardisieren (Struktur und Dokumente) systematisieren (Prozess) optimieren (Struktur, Dokumente, Prozess, Vertrag) Vertrag und Richtlinien analysieren, Abweichungen und Widersprüche zu Projektbeginn einvernehmlich klären und die Klärung dokumentieren („Dokumentation der Dokumentation“) Änderungsmanagement klar vereinbaren und regelmäßig auditieren bei vielen Änderungen der Vorgaben und Dokumente rechtzeitig Logbuch führen
Das Instrument Lessons Learned wird in vielen Unternehmen immer noch zu selten genutzt. Neben der Optimierung von Prozessen und der damit verbundenen Verbesserung der Leistungen hat die Durchführung eines Lessons Learned häufig auch eine weitere positive Wirkung. Durch Lessons Learned erhöht sich die Zufriedenheit der Projektbeteiligten, denn Konflikte werden besprochen und gelöst. Damit wird die Grundlage für eine bessere Zusammenarbeit in den Folgeprojekten geschaffen.
Literatur [1]
Riedel F, Walter K-D, Wallin-Felkner C (1999) Praxishandbuch Technische Dokumentation, WEKA-Fachverlage für technische Führungskräfte, Augsburg
[2]
Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure – HOAI) vom 10.07.2013
[3]
Weber K H (2016) Engineering verfahrenstechnischer Anlagen – Praxishandbuch mit Checklisten und Beispielen, Springer Viehweg Verlag, Berlin Heidelberg
[4]
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), Beck-Texte im dtv (2018) Verlag Beck, München
[5]
Brox H, Walker W-D (2018) Allgemeines Schuldrecht und (2018) Besonderes Schuldrecht, Verlag Beck, München
[6]
Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB), Gesamtausgabe 2016, Beuth Verlag, Berlin VOB/A: Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen VOB/B: Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen VOB/C. Allgemeine technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen
[7]
www.bosy-online.de/bedenken_anmelden.htm (16.04.2020)
[8]
Gesetz über die Haftung für fehlerhaft Produkte (Produkthaftungsgesetz – ProdHaftG) vom 15.12.1989
392 4 Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag und beim Projektmanagement
[9]
Mallmann R. A (2002) Bau- und Anlagenverträge nach den FIDIC-Standardbedingungen, Verlag C. H. Beck
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Weber K H (2018) Inbetriebnahme verfahrenstechnischer Anlagen - Praxishandbuch mit Checklisten und Beispielen, Springer Viehweg Verlag, Berlin Heidelberg
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Dünnweber I (2011) Vertrag zur Erstellung einer schlüsselfertigen Industrieanlage im internationalen Wirtschaftsverkehr, Verlag Walter de Gruyter, Berlin
[12]
Jaeger A-V, Hök G-S (2009) FIDIC – A Guide for Practitioners, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg
[13]
DIN EN 10204: Metallische Erzeugnisse – Arten von Prüfbescheinigungen
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung Ausgehend vom Lebenszyklus der Anlage und Dokumentation (s. Abschn. 1.5) werden in diesem Kapitel die Lebensphasen der Gesamtdokumentation im Engineering und während der Anlagenrealisierung inkl. Inbetriebnahme betrachtet. Bei der Vorbereitung und Abwicklung von Anlageninvestitionen dienen die Dokumentation und die zugehörigen Dokumente hauptsächlich – dem Vorbereiten und Herbeiführen einer begründeten Entscheidung über die Anlageninvestition, – dem Einholen der Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der Anlage, – der Herstellung bzw. Realisierung (Beschaffung und Errichtung) der Anlage sowie – der Vorbereitung und Durchführung der Anlageninbetriebnahme. In zeitlicher Folge werden zunächst die Anlagendokumente (s. Abschn. 3.6 sowie 5.4 bis 5.8) und die Genehmigungsdokumente (s. Abschn. 3.4 sowie 5.7) erarbeitet. Die Dokumente werden später während der Anlagenrealisierung ergänzt und gemäß dem aktuellen Anlagenzustand (bis hin zur AS BUILT-Dokumentation) fortgeschrieben. Mit Beginn der Anlagenrealisierung entstehen später schrittweise die Beschaffungsdokumente (s. Abschn. 3.5 sowie 5.9), die Baustellendokumente (s. Abschn. 5.10) und letztlich die Betriebsdokumente (s. Abschn. 3.7 sowie 5.11).
5.1 Phasenmodell der Anlagen-Projektabwicklung und FrontEnd-Loading In Abbildung 5.1 sind die Struktur und Bestandteile des Phasenmodells für die Planung und Realisierung verfahrenstechnischer Anlagen gezeigt. Die Darstellung soll zugleich als Grundlage für die nachfolgende Erläuterung des Dokumentationsprozesses während der Projektrealisierung dienen. Das Phasenmodell bildet die Projekt-Hauptaktivitäten im Zeitraum von Beginn der Grundlagenermittlung bis zum Ende der Inbetriebnahme ab. Projektvorbereitende Aktivitäten, wie z.B. die Entwicklung eines neuen Verfahrens oder die wesentliche Weiterentwicklung/Modifizierung bekannter Verfahren, die ggf. umfangreiche Labor- und Technikumsversuche erfordern, das Erarbeiten einer Durchführbarkeitsstudie (Machbarkeitsstudie, Feasibility Study) finden im Normalfall zeitlich vor dem Projektstart (Kick-off-Meeting) statt. Während der Projektabwicklung fehlt dafür die Zeit. Diese Maßnahmen dienen der Projektvorbereitung und werden nicht vom Phasenmodell des konkreten Projekts erfasst. Insgesamt besteht das Anlagen-Phasenmodell aus 9 Phasen. Bei Pharmaanlagen kommt noch eine Phase 10 (Validierung) hinzu, die zeitlich nach der Inbetriebnahme stattfindet. (s. Abschn. 5.14.1). Das Phasenmodell nach Abb. 5.1 ist weitgehend in Übereinstimmung mit dem Strukturierungsvorschlag für den Lebensweg einer Prozessanlage in DIN 28000-1/2 [1] (s. Buchst. b) in der Einführung zu Kap. 3) sowie mit dem bewährten Phasenmodell für Bauprojekte nach HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) [2]. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 K. H. Weber et al., Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen, VDI-Buch, https://doi.org/10.1007/978-3-662-55150-9_5
393
394
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Abb. 5.1 Phasenmodell für die Planung und Realisierung verfahrenstechnischer Anlagen [3]
Das abgebildete Anlagenprojekt-Phasenmodell ist im klassischen Fall grundsätzlich zweigeteilt in einen Entwurfs- und Entscheidungszeitraum und einen Ausführungs- und Errichtungszeitraum. Der 1. Projektzeitraum (-abschnitt), der früher auch als Vorprojekt bezeichnet wurde, beinhaltet schwerpunktmäßig die Definition der Aufgabenstellung (Scope-Definition) für das Projekt sowie die Lösungssuche und prinzipielle Lösungsfindung während der Vorplanung (Pre-Basic) sowie deren Ausgestaltung während der Entwurfsplanung (Basic Engineering). Die Planungstiefe des Basic Engineering muss die erfolgreiche Genehmigungsplanung sowie die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zur Anlageninvestition ermöglichen. Zugleich sind ausreichende Vorgaben für den 2. Projektabschnitt zur Anlagenrealisierung erforderlich. Da der 1. Abschnitt vor der verbindlichen Investitionsentscheidung liegt, wird er als vorläufig bzw. vorbereitend charakterisiert. Der 2. Projektzeitraum (-abschnitt) beginnt sobald die behördliche Genehmigung erteilt und die Investition freigegeben ist. Er beinhaltet zunächst die Ausführungsplanung und danach die Beschaffung und Errichtung der Anlage. Dieser Projektabschnitt endet im Normalfall mit der werkvertraglichen Abnahme bzw. mit der schriftlichen Bestätigung der Vertragsleistung, z.B. nach erfolgreicher Inbetriebnahme. Da dem 2. Abschnitt die verbindliche Investitionsentscheidung und Budgetfreigabe vorausgegangen ist, wird er als endgültig bzw. verbindlich charakterisiert. Die einzelnen Phasen verlaufen großteils chronologisch nacheinander, wobei sich die Projektphasen teilweise überschneiden. In Abb. 5.1 ist dies grafisch dargestellt. Eine Ausnahme bilden die Phasen 4 (Genehmigungsplanung) und 5 (Kostenermittlung), die während des gesamten Projektablaufs relevant sind (s. Abschn. 5.7). Die chronologische Darstellung in Abb. 5.1 schließt nicht aus, dass einzelne Phasen,
5.1 Phasenmodell der Anlagen-Projektabwicklung und Front-End-Loading
395
z.B. einige Engineeringphasen, mehrfach im Sinne einer Iterationsschleife durchlaufen werden. Dies kann beispielsweise bei Änderungen der Aufgabenstellung und/oder Randbedingungen im Lastenheft (z.B. Änderung des Makrostandorts oder der Anlagenkapazität oder der Produktpalette), planerischen Maßnahmen zur Kostenreduzierung, die während der Vorplanung bzw. des Basic Engineering erkennbar werden (z.B. Realisierung in zwei Ausbaustufen), Änderungen zur Genehmigungssituation, die während des Engineerings eintritt (z.B. veränderte Gesetzeslage bzw. neue BVT (beste verfügbare Techniken), Änderungen am Verfahren (z.B. neue störende Schutzrechte Dritter oder eigene Forschungsergebnisse) erforderlich werden. Die dadurch bedingten unterschiedlichen Projektvarianten werden i.Allg. auch als Projekt-Version bezeichnet (s. Abschn. 5.2). Die Versions-Bezeichnung ist im Dokumentenkennzeichen (s. Abschn. 3.9.3) und ggf. auch im Dateinamen (s. Abschn. 3.9.4) zu erfassen und zu pflegen. Im Zusammenhang mit der Projektabwicklung nach Phasenmodell sei noch auf den Begriff des Front-End-Loading gemäß folgender Definition eingegangen: Front-End-Loading (Front-End-Engineering) ist eine Methodik zur Projektabwicklung, die durch eine große Bearbeitungs-/Planungstiefe bis zur Investitionsentscheidung gekennzeichnet ist.
Ausgangspunkt sind Untersuchungen der Independent Project Analysis Inc. (IPA) in den USA, die die Planungsunterlagen und Ergebnisse zahlreicher unterschiedlicher Projekte einer Benchmark unterzogen haben [4]. Aus der Analyse ließ sich statistisch ableiten: Je präziser ein Projekt zu Beginn definiert und bis zur Investitionsentscheidung geplant ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Kostenüberschreitung in der Ausführungsphase. Das heißt, die Gesamtkosten eines Projekts können in den ersten Projektphasen am wirksamsten beeinflusst werden. In Abb. 5.2 ist dieser Sachverhalt grafisch dargestellt. Mit relativ geringen Planungskosten in den frühen Projektphasen können die Gesamtkosten stark beeinflusst werden.
Abb. 5.2 Mögliche Kostenbeeinflussung während der Projektlaufzeit
396
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Dieses Konzept bzw. die abgeleitete Methodik zur Projektabwicklung wurde mit dem Begriff Front-End-Loading (FEL) bzw. Front-End-Engineering (FEE) gekennzeichnet und bedeutet sinngemäß: „Vorder- statt Endgewichtung“. Unter Verwendung der o.g. Begrifflichkeit werden die Projektphasen 1, 2 und 3 auch als FEL 1, FEL 2 und FEL 3 bezeichnet. Für die Dokumentationsleistungen im Projekt ist das beschriebene und statistisch belegte Analyseergebnis des IPA voll zutreffend und sollte u.a. folgende Schlussfolgerungen bewirken: (1) Umfassende Beachtung der Dokumentationsaspekte während der Grundlagenermittlung und im Lastenheft (s. Abschn. 5.4). (2) Exakte Festlegungen zu den Dokumentationsprodukten und -leistungen im Projekt durch die Erarbeitung des Dokumentationskonzepts während des Pre-Basic (s. Abschn. 5.5). (3) Frühzeitige Beachtung der Genehmigungsaspekte von der Projektvorbereitung bis zur Genehmigungsplanung (s. Abschn. 5.7). (4) Detaillierte Entwurfsplanung und gründliche Zusammenstellung der Planungsergebnisse in der Basic Engineering-Dokumentation (s. Abschn. 5.6). (5) Detaillierte Ausgestaltung der Dokumentationsleistungen im Pflichtenheft (s. Abschn. 5.7) sowie umfassende Beachtung der Dokumentation im Anlagenvertrag (s. Kap. 4). Die Ausführungen dieses Buchs entsprechen weitgehend dem Gedanken des Front-End-Loading bzw. Front-End-Engineering, ohne diesen Begriff weiterhin zu verwenden. Während der Projektabwicklung wächst die Gesamtdokumentation in Form einer ganzheitlichen Projektdokumentation stetig, indem die Ergebnisse der einzelnen Phasen einfließen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Phasendokumentation, in der zielorientiert bestimmte Dokumente (elektronisch und/oder gegenständlich) am Ende einer Projektphase zusammengestellt werden. Beispiele von Phasendokumentationen sind bezugnehmend auf das AnlagenprojektPhasenmodell in Abb. 5.1:
Lastenheft bzw. Scope Definition (Ende Phase 1, ggf. auch während Phase 2), Pre-Bacic-Dokumentation (Ende Phase 2), Basic Engineering-Dokumentation (Ende Phase 3), Genehmigungsdokumentation (Ende Phase 4), Pflichtenheft (nach Freigabe der Investition), Detail Engineering-Dokumentation (Ende Phase 6), Beschaffungsdokumentation und Hersteller-/Lieferantendokumentationen (Phase 7), Inbetriebnahmedokumentation (Ende Phase 8), AS BUILT-Dokumentation (Ende Phase 9).
Welche Dokumentationsleistungen und Ergebnisse in den einzelnen Projektphasen 1 bis 9 zu erbringen sind, wird in den Abschnitten 5.4 bis 5.11 dargelegt. Zuvor sollen aber noch zwei übergreifende Fragestellungen betreffs der zweckmäßigen Versionierung bzw. Revisionierung und der Lenkung der Dokumente im Projekt beantwortet werden.
5.2 Versionierung und Revisionierung der Dokumente
397
5.2 Versionierung und Revisionierung der Dokumente Beide Begriffe sollten im Unternehmen bzw. Projekt definiert werden, da ihr Begriffsverständnis in der Literatur und Praxis nicht einheitlich ist. Zugleich können die notwendigen Regelungen im Document Control (s. Abschn. 5.3) vereinbart werden. In der DIN EN ISO 10209 [5] ist für Produktdokumentationen der Begriff Dokumentenversion wie folgt definiert: Dokumentenversion ist der identifizierte Zustand eines Dokuments in seinem Lebenszyklus, der gespeichert ist, sodass er als Dokumentenstand wiedergewonnen werden kann, oder zum Zweck der Verteilung.
Im verfahrenstechnischen Anlagenbau und im vorliegenden Buch wird nochmals zwischen Version/Versionierung und Revision/Revisionierung unterschieden. Die Version bzw. Revision drücken den Dokumentenstand aus und die Versionierung bzw. Revisionierung das entsprechende Kennzeichnen auf dem Dokument. Die Versionierung und Revisionierung dienen beide dem eindeutigen Kennzeichnen bzw. Identifizieren von Dokumenten, die sich in einem bestimmten, formell anerkannten Dokumentenstatus befinden. Die Zielstellung und Methodik sind gleich, aber die betroffenen Dokumentenarten sind verschieden. Die geänderte Versions- bzw. Revisionsbezeichnung (z.B. Kürzel V2 oder Statuskennzeichen aus Tab. 5.1) kann auf einem Deckblatt (ggf. als eigenes Dokument zur Versions- bzw. Revisionspflege), im Schriftfeld/-kopf des Dokuments, in einer Tabelle neben dem Schriftfeld des Dokuments eingetragen werden. Zusätzlich zum Versions-/Revisionsstatus muss das Dokument durch einen entsprechenden Vermerk „geprüft“ und „freigegeben“ sein. Der PRÜFER-Vermerk belegt, dass der zuständige Spezialist (z.B. Fachplaner) es als fachgerecht bewertet. Der FREIGABE-Vermerk bedeutet, dass der Dokument-Verantwortliche, z.B. der zuständige Leadingenieur, das vorliegende Dokument zur Nutzung freigegeben hat. Damit wird einerseits eine Qualitätskontrolle des Dokuments erreicht und zum anderen geregelt, wer bei einem fehlerhaften aber freigegebenen Dokument, was ggf. auch zu Mehrkosten bzw. Schadenersatzansprüchen führen kann, verantwortlich zu machen ist. Ein Dokument, welches keinen FREIGABE-Vermerk hat, ist eine unverbindliche Arbeitsversion des Dokuments und zur Nutzung nicht erlaubt. Im Normalfall wird nur das Namenskürzel per Computer eingetragen. Bei rechts- und haftungsrelevanten Dokumenten muss die zuständige Person im Original unterschreiben. Die Änderung der Versionierung bzw. Revisionierung des Dokuments wird darüber hinaus im Dokumentenkennzeichen (s. Abb. 3.61 in Abschn. 3.9.3) und auch in der Dateibezeichnung (s. Abb. 3.63 sowie Abschn. 3.9.4) vollzogen. a) Versionierung und Version Die Versionierung betrifft die Kennzeichnung von Dokumenten des Unternehmens bzw. Projekts, die unabhängig von den Projektphasen in Abb. 5.1 sind. Es handelt sich insbesondere um Managementdokumente, die sich während der Projektabwicklung nicht bzw. selten ändern. Beispiele sind u.a. Auszüge aus Rechtsvorschriften, Regeln zum Stand der Technik,
398
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Lasten- und Pflichtenheft, Genehmigungsbescheid, Unternehmens- und Projektrichtlinien, Projekthandbuch, Spezifikationen, Checklisten, Templates u.ä., Anfrage- und Angebotsunterlagen, Bestellungen, Vertragsunterlagen, Betriebsanleitungen, Betriebsanweisungen usw.
Sobald sich diese Dokumente ändern, wird eine Versionierung (Dokument mit neuer Versionsbezeichnung versehen) nötig. b) Revisionierung und Revision Die Revisionierung betrifft die Kennzeichnung von Dokumenten, die sich während der Projektphasen gemäß Abb. 5.1 ändern. Es handelt sich vorrangig um technische Planungs- bzw. Engineeringdokumente (Anlagendokumente). Teils betrifft es auch ausgewählte Genehmigungs-, Beschaffungs-, Baustellen- und Inbetriebnahmedokumente. Die Revisionsbezeichnung bzw. der Bearbeitungsstatus eines Dokuments (Synonyme: Revisionskennung, Dokumentenstatus) informiert über den aktuellen Stand der Bearbeitung eines Dokuments sowie über dessen Freigabe zur Nutzung in einer Projektphase.
Da sich die Engineeringdokumente während des Projekts häufig ändern, ist die Gefahr, dass mit unterschiedlichen Revisionsständen gearbeitet wird, groß. Entsprechend muss im Projekt der Bearbeitungsstatus auf dem Dokument gewissenhaft gepflegt und beachtet werden. In Tabelle 5.1 sind die wichtigen Haltepunkte bzw. Schnittstellen des Phasenmodells angegeben und zugleich ein Vorschlag für die Kennzeichnung des Bearbeitungsstatus (sog. Statuskennzeichen) der einzelnen Phasendokumentationen unterbreitet. Tabelle 5.1 Kennzeichnung des Bearbeitungsstatus von Dokumenten gemäß Phasenmodell Statuskennzeichen
Bearbeitungsstatus des Dokuments
Erläuterung
Draft
Entwurf / For Comment
Arbeitsversion; keine Freigabe
Scope
Freigabe als Bestandteil des Lastenhefts
Ende Phase 1/ggf. in Phase 2
AFB
Freigabe für Basic Engineering / Approved for Basic
Ende Phase 2
HAZOP
Freigabe für HAZOP-Studie / Approved for HAZOP
innerhalb Phase 3
AFPA
Freigabe für Genehmigungsantrag / Approved for Permit Application
Ende Phase 4
AFD
Freigabe für Detail Engineering / Approved for Design
Ende Phase 3 oder 5; Bestandteil des Pflichtenhefts
AFC
Freigabe für Beschaffung und Bau/Montage / Approved for Construction
Ende Phase 6
AFP
Freigabe für Inbetriebnahme / Approved for Production
Ende Phase 8
as-built
Freigabe für AS BUILT-Dokumentation / Approved for as-built
Ende Phase 9; Bestandteil der AS BUILT-Dokumentation / Final Documentation
5.3 Lenkung der Dokumente – Document Control
399
Das Statuskennzeichen AFC–Approved for Construction kennzeichnet beispielsweise die Ausführungsdokumente zum Zeitpunkt Ende Detail Engineering. Häufig wird das Statuskennzeichen als Namenserweiterung (Suffix) dem DokumentDateinamen mit Unterstrich angefügt, sodass eine Suche und Selektierung derartiger Dokumente schnell möglich ist. Der Bearbeitungsstatus wird in Englisch mitunter auch mit „Issued for ….“ an Stelle von „Approved for ….“ bezeichnet. Im Statuskennzeichen (Tab. 5.1, linke Spalte) wird dann entsprechend der Buchstabe „I“ statt „A“ verwendet.
5.3 Lenkung der Dokumente – Document Control Die Anlagendokumente sind nicht nur vertragsgerecht zu erarbeiten, sie müssen auch nachvollziehbar an den Vertragspartner übergeben werden. In Bauprojekten liegt die Verantwortung für die Übergabe oft nicht beim Lead Ingenieur Dokumentation, sondern bei einer anderen Stelle. Diese wurde früher oft als Projektsekretariat bezeichnet. Der heutige international übliche Begriff ist Document Control. Document Control ist die lückenlose Erfassung, Verwaltung, Verteilung und Verfolgung der projektrelevanten Dokumente in Papierform sowie des zugehörigen elektronischen Datenbestandes.
Die Funktion Document Control ist in Projekten meist nicht auf die Dokumente der Anlagendokumentation beschränkt, sondern kontrolliert alle vertragsrelevanten Unterlagen (kaufmännisch, administrativ, ...). Document Control ist nicht zu verwechseln mit dem Führen eines Betriebsarchivs im kaufmännischen oder rechtlichen Sinne. Diese Funktion wird im angelsächsischen oft auch als Record Control bezeichnet [6]. Aufgaben und Ziele einer Document Control in Projekten sind: Verfolgung der ein- und ausgehenden kaufmännischen und administrativen Dokumente (alle vertragsrelevanten technischen Unterlagen werden über die Document Control ein- und ausgegeben), Verfolgung der ein- und ausgehenden Technischen Dokumentation sowie Verfolgung der zugehörigen Termine, formale Prüfung der eingehenden Daten und der Technischen Dokumentationen auf Übereinstimmung mit den Projektvorgaben (Plausibilitätsprüfung), nachvollziehbare und kontrollierte Übergabe und kontrollierte Freigabe der technischen Unterlagen (Transmittal/Submittal), insbesondere Wahrung von Terminen und Fristen in Bezug auf Dokumente, projektbegleitende Unterstützung als Ansprechpartner in den Bereichen Dokumentenverwaltung und Technische Dokumentation, Mitwirken beim Einsatz von Datenbanken und Dokumentenmanagementsystemen, z.B. Rechtevergabe an die Projektbeteiligten, um Daten im System einstellen und ausgeben zu können, Sammeln und Einfordern der Unterlagen bei den beauftragten Nachunternehmern und Planungspartnern, Kontrolle der Kennzeichnung inkl. Versionierung und Revisionierung der Dokumente im Projekt, Datenablage im System (eingehende und ausgehende Dokumente).
400
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Ohne nachvollziehbare Übergabe der Dokumente ist eine Gewährleistung eines effektiven Change-Managements nur schwer möglich. Die Document Control ist somit auch in vieler Hinsicht der verlängerte Arm der Projektleitung, um Termin- und Kostenziele zu erreichen. Aufbau und Struktur der Document Control und der zugehörigen Prozesse müssen vertragskonform erfolgen. Sie sind oft kundenspezifisch und nicht ohne Weiteres von einem Projekt auf ein anderes übertragbar. Leitdokumente der Document Control sind:
Verzeichnisstruktur bzw. Ablagestruktur (Aktenplan), Liste der Übergaben (Transmittalliste), Liste der Freigaben und Stellungnahmen (Submittalliste), Posteingangs- und Postausgangsbuch (Poststelle), Zeichnungsliste und aktueller Planstand, Wissensdokumente (z.B. ein Document Control Handbuch), Prozessdokumente (Vorlagen).
Document Control muss im Projekt gelebt werden. Dazu müssen die Projektbeteiligten über Regeln und Ablauf informiert werden. Dies kann z.B. über das Projekthandbuch erfolgen. Typische Festlegungen sind dabei: Alle technischen Dokumente werden nicht unmittelbar zwischen Planung und den Nachunternehmern oder den Nachunternehmern untereinander verteilt, sondern immer über die Document Control (Ausnahmen sind nicht kontrollierte Arbeitsstände von Zeichnungen). Alle Dokumente werden grundsätzlich nach der gültigen CAD- und Dokumentationsrichtlinie erstellt. Ausnahmen zu dieser Regel werden nur nach vorheriger schriftlicher Freigabe durch Document Control akzeptiert. Zu jeder Zeichnungsübermittlung gehört eine „Handlungsanweisung“, d.h. die Verwendung und Weiterleitung der Daten wird durch den Absender vorgegeben. Beispiele dafür sind: Freigabe zur Ausführung, Zur Information an …, Mit der Bitte um Weiterleitung an …, Mit der Bitte um Freigabe kurzer, eindeutiger und nachvollziehbarer Freitext In Abbildung 5.3 ist die Document Control eines Generalunternehmers (hier als DokuTeam bezeichnet) schematisch dargestellt. Sie bildet die Schnittstellen für den Dokumentenaustausch zwischen Nach-/Subunternehmern, dem Auftraggeber/Betreiber, den Fachplanern des Projektteams und der Bauleitung. Neben der Ablagestruktur ist die Verfahrensanweisung zur Festlegung der Abläufe, Fristen und Ansprechpartner für das Team der Document Control das zentrale Wissensdokument, das oft als Document Control Handbuch bezeichnet wird (s. Tab. 5.2). Das Handbuch legt Verantwortlichkeiten und Prozesse so fest, dass die Document Control (unabhängig vom Sachbearbeiter) nach außen einheitlich arbeitet. Die Wirksamkeit einer Document Control ist aber nur so gut, wie die Konsequenz, mit der Sie umgesetzt wird. Daher gilt: Änderungen im Projekt (z.B. Verteilerlisten) müssen schnell in das Document Control Handbuch eingearbeitet werden.
5.3 Lenkung der Dokumente – Document Control
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Abb. 5.3 Document Control als zentrale Maßnahme der Dokumentenverteilung in einem Projekt (Praxisbeispiel)
Projektspezifische Sonderregelungen (z.B. wenn die Vertragsparteien vereinbaren, bestimmte Zeichnungen aus Zeitgründen doch formlos zu übergeben) sollten ebenfalls dokumentiert werden. Gleiches gilt für Schnittstellen zwischen den Projektbeteiligten und Reaktionszeiten bzw. Fristvorgaben bei der Bearbeitung von Dokumenten. Tabelle 5.2 Aufbau eines Document Control Handbuchs (Praxisbeispiel) 1
Einleitung 1.1 Vorstellung des Projekts und Geltungsbereich des Handbuchs 1.2 Wann sind formlose Übergaben erlaubt?
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Dokumentenarten, Dokumentenbezeichnung und Plankennzeichnung 2.1 Welche Dokumente werden durch Document Control verteilt? 2.2 Wie werden Dokumente bezeichnet (z.B. Dateinamen und E-Mail-Betreffzeilen)? 2.3 Wie werden Pläne benannt (Nomenklatur)? 2.4 Wie wird der Plankopf beschriftet?
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Aufgaben des Document Control Teams
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Planlauf, Planverteilung (Transmittal) und Planfreigabe (Submittal) 4.1 Planlauf vom AUFTRAGGEBER (Übergabe an Auftragnehmer via Transmittal) 4.2 Freigabe der Montageplanung durch den AUFTRAGGEBER (Submittal)
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Ausdrucke in Papierform (Plots) 5.1 Verteilung Planlauf in Papierform Baupläne Gebäude 1 5.2 Verteilung Planlauf in Papierform Baupläne Gebäude 2 5.3 Verteilung Planlauf in Papierform TGA-Gewerke 5.4 Verteilung Planlauf in Papierform Prozessgewerke
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Ablagestruktur im Dokumentenmanagementsystem (Aktenplan) 6.1 Grundregeln beim Up- und Download von Dokumenten 6.2 Ablagestruktur/Aktenplan
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Tab. 5.2 (Fortsetzung) 7
Projektbeteiligte und Verteilerlisten 7.1 Ansprechpartner Document Control Team 7.2 Verteilerliste Planlauf 7.3 Verteilerliste sonstige Unterlagen (Transmittal) 7.4 Verteilerliste freigegebener Unterlagen (Submittal)
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Mitgeltende Unterlagen 8.1 Organigramm und Schnittstellenliste 8.2 Dokumentationsrichtlinie des AUFTRAGGEBERS im Projekt 8.3 CAD-Richtlinie des AUFTRAGGEBERS im Projekt 8.4 Formatvorlage Übergabeschreiben (Transmittal) 8.5 Formatvorlage Freigabeersuchen (Submittal) 8.6 Formatvorlage Zeichnungsliste
In kleineren Projekten oder wenn eine Document Control nicht umgesetzt werden kann, ist es mitunter hilfreich, ein Logbuch zur führen. Im Logbuch werden Änderungen und daraus resultierende Handlungen dokumentiert und bewertet. Grundsätzlich ist zu beachten: Im Streitfall und bei behördlichen oder gerichtlichen Ermittlungen ist nur ein nachweislich übergebenes Dokument ein sicheres Beweismittel. Der Nachweis der Dokumentenübergabe ist also vergleichbar wichtig, wie das Dokument selbst.
5.4 Durchführbarkeitsstudie und Lastenheft (Phase 1) Jedem Projektstart geht eine mehr oder weniger umfangreiche Projektvorbereitung voraus. Da sie dem Projektstart zeitlich vorgelagert ist, wird sie nicht als Bestandteil des Anlagen-Phasenmodells nach Abb. 5.1 verstanden. Die Einordnung der Maßnahmen zur Projektvorbereitung zeigt Abb. 5.4.
Abb. 5.4 Einordnung der Projektvorbereitung, des Lastenhefts und der Investitionsentscheidung
Das Verfahren und das zugehörige Know-how, welches in einer verfahrenstechnischen Anlage genutzt wird, beeinflussen sehr entscheidend deren Gestaltung, Betriebsführung und Wirtschaftlichkeit. Entsprechend dieser zentralen Bedeutung ist es für den Investiti-
5.4 Durchführbarkeitsstudie und Lastenheft (Phase 1)
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onserfolg wichtig, welches Hauptverfahren angewandt wird und wer die Nutzungsrechte (inkl. Schutzrechte) sowie das Verfahrens-Know-how zu diesem Hauptverfahren besitzt. Um einen Wettbewerbsvorteil durch ein neues, vorteilhaftes und eigenes Verfahren (ggf. auch neues Zielprodukt) zu erlangen, führen die Industriepartner, z.T. in Kooperation mit externen Forschungseinrichtungen, eigene Verfahrensentwicklungen durch [7]. Das fachliche Ziel der Verfahrensentwicklung (process development) ist die Erarbeitung von Verfahrensunterlagen, die als Grundlage für die Planung (Engineering) einer großtechnischen Anlage nach diesen Verfahren geeignet sind. Die Unterlagen müssen vor allem eine Maßstabsübertragung (scale-up) für eine kunden- und standortspezifische Großanlage zuverlässig ermöglichen. Die Ergebnisse der Verfahrensentwicklung werden in einer Verfahrensdokumentation oder Know-how-Dokumentation zusammengestellt. Ausgehend vom eigenen Know-how und der Unternehmensstrategie analysiert der spätere Investor während der Projektvorbereitung, gegebenenfalls mit externer Unterstützung, die Markt- und Finanzsituation. Dazu dienen häufig Durchführbarkeitsstudien. Die Durchführbarkeitsstudie (Machbarkeitsstudie, Feasibility Study) ist eine dem Projekt vorausgehende Analyse und Bewertung, ob ein bestimmtes Projekt überhaupt durchführbar, technisch machbar, wirtschaftlich lohnend, finanziell realisierbar ist. Im Erfolgsfall sind die grundlegenden Zielstellungen und Rahmenbedingungen des Projektes (z.B. Leistungs- und Anlagenumfang, Termine und Meilensteine, Budget, Basisdaten zu Verfahren und Technik) zu ermitteln und dem Investor als Entscheidungsgrundlage für den Projektstart vorzulegen. Abbildung 5.5 zeigt den Workflow und Tabelle 5.3 die Gliederung eines Abschlussberichts [3][7].
Abb. 5.5 Workflow bei der Erarbeitung einer Durchführbarkeitsstudie
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Tabelle 5.3 Gliederung des Abschlussberichts einer Durchführbarkeitsstudie (Praxisbeispiel) 1
Projektziele 1.1 Beschreibung des Ist-Stands 1.2 Projektziele und Projektbegründung 1.3 Entwurfsdaten (Basis Design) 1.4 Vorgaben für Verfahren und Technik 1.5 Mögliche Alternativen
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Verfahrens- und Anlagenkonzept 2.1 Grobverfahrensbeschreibung mit Blockfließschema 2.2 Fachspezifische Aufgabenschwerpunkte 2.3 Einschätzung Schutzrechtssituation 2.4 Stand der Verfahrensentwicklung
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Standortbetrachtungen 3.1 Auswahl Makro-Standort 3.2 Auswahl Mikro-Standort 3.3 Randbedingungen für Layout-Planung 3.4 Alternativen zu Makro-/Mikro-Standort
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Projektorganisation, Kosten und Termine 4.1 Vorschlag zur Projektorganisation 4.2 Investitionskosten- und Betriebskostenschätzung 4.3 Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen 4.4 Projekt-Grobterminplan mit Meilensteinen Anhang Anhang 1 Anhang 2 Anhang 3 Anhang 4
Blockfließschema Lageplan und Aufstellungskonzept Vorschlag für Projekt-Organigramm Projekt-Grobterminplan
Das Hauptziel und die Hauptaufgabe der 1. Projektphase (Grundlagenermittlung) ist das Erarbeiten des Lastenhefts in Verantwortung des Auftraggebers. Die Begriffsdefinition sowie allgemeine Grundsätze inkl. einer Checkliste zur Beachtung der Dokumentation im Lastenheft sind bereits in Tab. 4.1, Abschn. 4.1 dargelegt. Ergänzend dazu ist in Tabelle 5.4 die mögliche Mustergliederung des Lastenhefts einer verfahrenstechnischen Anlage angegeben. Tabelle 5.4 Gliederung des Lastenhefts einer verfahrenstechnischen Anlage (Praxisbeispiel) 1 Allgemeine Projektinformation 1.1 Kurzbeschreibung Istzustand 1.2 Standort der Anlage 1.3 Standortbedingungen bzgl. Klima, Wetter inkl. möglicher Extremsituationen u.ä. 1.4 Standortbedingungen bzgl. Örtlichkeiten, Infrastruktur, sozialer Einrichtungen u.ä. 1.5 Projektgegenstand 1.6 Zielprodukte, Kapazität, Technische Verfügbarkeit 1.7 Wirtschaftlichkeit (Investitionskosten, Betriebskosten) 1.8 Termine (Endtermin, Meilensteine) 1.9 Verantwortlichkeiten, Befugnisse und Zuständigkeiten 1.10 Zusammenhang mit anderen Projekten bzw. bestehenden Verträgen 1.11 Management Statements zu grundsätzlichen Projektanforderungen 1.12 Mögliche Mitwirkungsleistungen des Auftraggebers
5.4 Durchführbarkeitsstudie und Lastenheft (Phase 1)
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Tab. 5.4 (Fortsetzung) 2 Entwurfsdaten (Design Basis) 2.1 Produktspezifikationen 2.2 Maximale Produktionskapazität (stündlich, jährlich) 2.3 Betriebszeiten (wöchentlich, monatlich, jährlich) 2.4 Spezifikation verfügbarer Medien und Energien (Stoff, Durchsatz, Qualität) 2.5 Vorgaben zu Neben- und Abprodukten 2.6 Vorgaben zu auslegungsrelevanten Umweltbedingungen 2.7 Auslegungswerte Emissionen 2.8 Vorgaben zum Anlagenbetrieb inkl. Inbetriebnahme/Außerbetriebnahme 2.9 Vorgaben zur Anlageninstandhaltung und Shutdown 3 Vorgaben zu Verfahren und Anlage 3.1 Vorgaben zu Anlagendesign und Aufstellung 3.2 Vorgaben zum Verfahren (u.a. genehmigungsrelevante) 3.3 Vorgaben zu Grundoperationen inkl. Verfahrensparameter 3.4 Vorgaben zu Haupt- bzw. Spezialausrüstungen inkl. Auslegungsdaten 3.5 Vorgaben zu Reinheit und Reinigung der Anlagenkomponenten 3.6 Vorgaben zur NOT-HALT- und NOT-AUS-Strategie 3.7 Vorgaben zu Schnittstellen an Anlagengrenzen 3.8 Angaben zum verfügbaren Betriebs- und Servicepersonal 3.9 Vorgaben zu Gewährleistung und Garantien 4 Sonstige Rahmenbedingungen für Projektabwicklung 4.1 Zu beachtende Rechtsvorschriften (international und national) 4.2 Genehmigungsrechtliche u.a. behördliche Vorgaben 4.3 Anforderungen an Umweltschutz 4.4 Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen 4.5 Vorgaben zur Sicherheitstechnik 4.6 Vorgaben zur Alarm- und Gefahrenabwehr am Standort 4.7 Vorgaben zu Qualitätsstandards und Qualitätssicherung 4.8 Zu beachtende Unternehmensrichtlinien und -standards 4.9 Vorgaben zu Stand der Technik 4.10 Vorgaben zu Patente und Lizenzen 5 Projektanforderungen nach Fachdisziplinen 5.1 Tiefbau, Architektur, Hochbau, Stahlbau 5.2 Apparate, Maschinen, Behälter 5.3 Rohrleitungen inkl. Halterungen und Trassenverlauf 5.4 Prozessleittechnik inkl. Elektrotechnik, Nachrichtentechnik 5.5 Labor- und Prozessanalysentechnik 5.6 Lager- und Transporteinrichtungen 5.7 Technische Gebäudeausrüstung sowie Labor- und Büroausstattung 5.8 Spezifikationen der zu liefernden Dokumentationsprodukte (Phasendokumentationen, Package-unit-Dokumentationen, ausgewählte Einzeldokumente u.ä.) 5.9 Vorgaben (inhaltlich, organisatorisch, administrativ) zur Lieferung der Dokumentationsprodukte) 6 Administrative Anforderungen 6.1 Bestehende Verträge, Vereinbarungen, Bestellungen 6.2 Vorgaben zum Projektmanagement 6.3 Vorgaben zum Projektablauf 6.4 Vorgaben zur Beschaffung 6.5 Vorgaben zur Baustellenabwicklung und Inbetriebnahme 6.6 Vorgaben zum Projektcontrolling
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
5.5 Pre-Basic-Dokumentation inkl. Dokumentationskonzept (Phase 2) Die Vorplanung (Pre-Basic, Preliminary Planning) entspricht der 2. Phase des AnlagenPhasenmodells (s. Abb. 5.1 in Abschn. 5.1). Sie hat zum Ziel, auf Basis des Lastenhefts (Input) prinzipielle Lösungsvorschläge für das Verfahren, die Anlagengestaltung inkl. wichtiger Anlagenkomponenten sowie für die Projektabwicklung zu erarbeiten. Während der Vorplanung werden vorrangig die folgenden Planungsleistungen erbracht: a) Erarbeiten möglicher Alternativen zur Verfahrensgestaltung inkl. einzelner Verfahrens- bzw. Prozessstufen, 3D-Anlagengestaltung (Anlagenkonzept) inkl. der 2D-Aufstellungsanordnung, grundlegenden technischen Ausgestaltung der Anlage und ihrer Hauptkomponenten, strukturiert für die Hauptgewerke, Abwicklung des Projekts, insbesondere hinsichtlich vertraglicher Beziehungen während des Engineerings, der Beschaffung und Errichtung der Anlage entsprechend den Zielen und Bedingungen für das Projekt; auch unter den Aspekt der Genehmigungsfähigkeit der Anlage. b) Bewertung der Lösungsalternativen und Auswahl von Vorzugsvarianten für die Schwerpunkte gemäß Buchstaben a). c) Dokumentation der Planungsergebnisse inkl. fachspezifischer Konzepte als Input für das Basic Engineering sowie für die Genehmigungsplanung und Kostenermittlung. Die erstellten Dokumente haben den Bearbeitungsstatus (Revisionsstand) AFB (Approved for Basic) (s. Tab. 5.1 in Abschn. 5.2). Eine wichtige Aufgabe der Vorplanung ist das Erarbeiten des Dokumentationskonzepts. Das Dokumentationskonzept ist de facto die Richtlinie zum Erbringen der Dokumentationsleistungen im Projekt.
Es gibt Antwort auf die nachfolgend angeführten Fragen, sofern diese nicht schon im Lastenheft verbindlich vorgegeben wurden. Ergänzende Aspekte und Schwerpunkte sowie mögliche Lösungsalternativen wurden den einzelnen Fragestellungen als Anstriche beigefügt. 1) Wie sind der Umfang und die Abwicklungs-/Ablagestruktur der Dokumentation während des Projekts zu definieren (s. auch Abschn. 3.1 und 3.6)? Findet die Abwicklung während des Projekts in der Dokumentationsstruktur des Auftragnehmers oder des Auftraggebers statt bzw. nutzt jeder Partner seine eigene Struktur? ▪ Die Engineeringunternehmen möchten i.d.R. ihre eigene Standard-Abwicklungsstruktur verwenden und möglichst jedes Projekt in ihrer „eigenen Welt“ abwickeln. ▪ Die Konsequenzen, die sich aus der später notwendige Transformation/Umsetzung der AS BUILT-Dokumentation sowie gegebenenfalls anderer Dokumentationsprodukte in die Auftraggeber-Ablagestruktur ergeben, sind dem Engineeringpartner häufig nicht bewusst. In dieser Frage muss der Auftraggeber klare Vorgaben machen und durchsetzen.
5.5 Pre-Basic-Dokumentation inkl. Dokumentationskonzept (Phase 2)
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▪ Fordert der Auftraggeber die Nutzung seiner Dokumentationsstruktur, müssen die Mehraufwendungen für den Auftragnehmer bedacht, kalkuliert und in der Projektplanung berücksichtigt werden (s. Fallbeispiel Abschn. 6.4.8). Erfolgt die Abwicklung und Ablage aller Dokumentationsleistungen innerhalb der Projektdokumentation oder werden alternativ auch andere Hauptdokumentationen als Arbeitsplattform genutzt (z.B. eigene Plattform für Genehmigungsdokumentation)? Wie sollte die Projektdokumentation, die als ganzheitliche Arbeitsplattform empfohlen wird, zweckmäßig strukturiert sein? Einige Hinweise (s. auch Abschn. 3.1 und 3.2): ▪ Die Struktur muss den Engineering- und Abwicklungsprozess abbilden. ▪ Es werden drei Strukturierungsebenen (Teildokumentation – Dokumentenart – Dokument) empfohlen. ▪ Es sind eindeutige Bezeichnungen für die Dokumentenarten zu verwenden. Die Struktur muss vor allem nutzergerecht sein, d.h. die Projekt- und Planungsingenieure müssen sie akzeptieren. 2) Welche Software-Werkzeuge werden für das Erstellen der unterschiedlichen Dokumente während der Projektabwicklung genutzt (s. auch Abschn. 1.6 und 7.1)? Für Office-Dokumente sind die firmeninternen Regelungen zu beachten. Im Rahmen größerer Anlagenverträge gibt es mitunter Vereinbarungen, dass Auftraggeber und Auftragnehmer beim Schriftverkehr im Projekt auf die gleiche Arbeitsplattform und Software zurückgreifen. Analoges gilt für Projektmanagement-Dokumente, z.B. für die Projekttermin- und -ressourcenplanung, die Beschaffung und das Controlling. Zu den Engineering-Werkzeugen sind i.d.R. im Lastenheft Vorgaben gemacht, zumindest zu den Formaten (Originalformate) der bearbeitbaren Dateien. Zielstellung betreffs des Softwareeinsatzes sollte sein: Umfassende Nutzung eines Software-Produktes für möglichst viele Engineeringarbeiten sowie für alle Fachdisziplinen und alle Projektphasen. Benötigt werden Softwareprodukte, die für unterschiedliche Fachdisziplinen (Gewerke) gleichermaßen CAD- und CAE-Funktionalitäten haben, nutzerfreundlich sind, gut gepflegt werden und bezahlbar sind. 3) Wie wird neben der elektronischen Dokumentenform (Dateien), die im Arbeitsprozess grundsätzlich genutzt wird, mit den gegenständlichen Dokumenten (Papierdokumente) verfahren (s. auch Abschn. 1.6)? In welchen Anwendungsfällen sind neben der elektronischen Form auch Papierdokumente zu erstellen und zu nutzen? Das Ziel muss eine möglichst papierarme Projektabwicklung sein. Welche Regelungen sind dafür gültig bzw. vorgesehen? Welche Dokumentenform hat im Zweifel das Primat? 4) Welche Phasendokumentationen, Dokumentationspakete bzw. sonstige wichtige Einzeldokumente sind während des Projekts zu erarbeiten? Hauptprodukte im Dokumentationsprozess sind je nach Vertrag die Basic Engineering-Dokumentation am Ende Phase 3 sowie das Pflichtenheft nach der Mittel-
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
freigabe (Ende Phase 5) und/oder die AS BUILT-Dokumentation am Ende der Inbetriebnahme (Phase 9) zum Zeitpunkt der werkvertraglichen Abnahme bzw. der schriftlichen Bestätigung der erbrachten Vertragsleistung. Während der Genehmigungsplanung (Phase 4) ist ein Genehmigungsantrag inkl. zugehöriger Antragsunterlagen zu erarbeiten, der zusammen mit weiteren Dokumenten aus dem Genehmigungsverfahren in der Genehmigungsdokumentation abgelegt und verwaltet wird (s. auch Abschn. 3.4). Es empfiehlt sich, die Genehmigungsdokumentation gleich in der zukünftigen Dokumentationsstruktur und ggf. auch im System des Anlageninvestors zu erstellen. Der Auftraggeber, der i.Allg. den späteren Anlagenbetreiber stellt, ist dafür verantwortlich und sollte federführend sein. In vielen Projekten wird auch eine eigenständige Ausführungsdokumentation (Ende Phase 6) in der vereinbarten Struktur und mit dem Dokumentenstatus: AFC (Approved for Construction) erarbeitet, da ▪ sie als Ausschreibungsgrundlage benötigt wird, wenn die Gesamtrealisierung der Anlage nach Phase 6 im Rahmen eines LSTK-Vertrags ausgeschrieben wird, ▪ große Teile als Anfragespezifikationen (TBU-Technische Beschaffungsunterlagen) für den Einkauf der Lieferungen und Leistungen benötigt werden, ▪ Auftragnehmer und Auftraggeber sie später archivieren möchten, um sie bzw. Teile davon für zukünftige Projekte zu nutzen. 5) Wie sind die Inhalte, Strukturen, Formate, Grobtermine u.ä. dieser Phasendokumentationen definiert (s. Abschn. 5.4 bis 5.11 sowie Abschn. 4.5.3)? 6) Welche Vorgaben gibt es für die Beschaffung der Hersteller-/Lieferantendokumente (s. Abschn. 3.5, 3.6.5, 3.6.11) und wie erfolgt deren Einordnung in die Gesamtdokumentation (s. Abschn. 5.9)? 7) Welche Vorgaben (Richtlinien, Normen, Templates u. ä.) sind betreffs der Form inkl. Schriftfeld der Dokumente zu beachten (s. Abschn. 3.6 und 3.9)? 8) Wie erfolgen die Kennzeichnung der Dokumente (s. Abschn. 3.9.3) und Dateien (s. Abschn. 3.9.4)? 9) Auf welcher Arbeitsplattform bzw. mit welchen Werkzeugen (z.B. Fileserver, DMS, ERP, BIM) und in welchen Formaten erfolgt die Abwicklung der Dokumentationsleistungen (s. Kap. 7 und Abschn. 1.6)? 10) Wie erfolgen die Versionierung und Revisionierung der Dokumente und die Verwaltung der Dokumente unterschiedlicher Revisionsstände (s. Abschn. 5.2 und 5.3)? 11) Wie erfolgen die Kommunikation und der Workflow (intern und extern) von Dokumenten? 12) Wie erfolgen die Pflege und Fortschreibung der Dokumentation während der Phase 8 (Bau/Montage) und Phase 9 (Inbetriebnahme) (s. Abschn. 5.10 und 5.11)? 13) Wie sind Inhalt, Struktur, Formate u.a. Qualitätsmerkmale der AS BUILTDokumentation (Enddokumentation) definiert (s. Abschn. 4.5.3.2)? 14) Wie sind Verantwortung, Befugnisse und Zuständigkeiten für die Dokumentationsleistungen während des Projekts bzw. der Projektphasen geregelt (s. Abschn. 4.5.4 und 4.6)?
5.5 Pre-Basic-Dokumentation inkl. Dokumentationskonzept (Phase 2)
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Die Projektverantwortung für die Dokumentationsleistungen liegt beim Projektleiter und den Leadingenieuren. Bei größeren Projekten ist ein Document Controller ins Team integriert und dem Projektleiter unterstellt (s. Abschn. 5.3). Mitunter wird die Koordinierung der Dokumentationsleistungen auch einem externen DOKU-Dienstleister übertragen. In der Liste wichtiger Dokumentenarten (LwD) (s. Abschn. 3.1.3), die sich aus der Abwicklungsstruktur gemäß Punkt 1) generieren lässt, ist für jede Dokumentenart eine verantwortliche Person schriftlich festzulegen. 15) Wie ist das Rechte-Konzept beim Erbringen der Dokumentationsleistungen und wie wird es umgesetzt und eingehalten (s. Abschn. 4.5.2)? 16) Welche Festlegung gibt es im Umgang mit vertraulichen Dokumenten? 17) Wie sind die Eigentumsverhältnisse an der Dokumentation (s. Abschn. 4.5.2, k))? Im Vertrag ist zu klären, wer Eigentümer der erarbeiteten Dokumentation bzw. einzelner Bestandteile ist. Ferner ist zu vereinbaren, in welcher Weise der Auftraggeber und der Auftragnehmer die Dokumentation bzw. spezielle Teile davon nutzen dürfen (z.B. duplizieren der Anlage oder von Teilen ohne Einbeziehen des bisherigen Partners). 18) Welche Maßnahmen bezüglich der Dokumentation sind bei Projektabschluss (CloseOut) durchzuführen? Was passiert mit den Projektdokumentationen des Auftragnehmers und Auftraggebers nach Projektabschluss? Welche Teile werden wie archiviert und welche gelöscht bzw. vernichtet? Die Ergebnisse der vorgenannten Fragestellungen können in einer Ausarbeitung mit dem Titel Dokumentationskonzept für Projekt XYZ zusammengefasst werden. Zweckmäßiger erscheint: die generellen, projektübergreifenden Regelungen aus Punkt 1) bis 18) in einer Unternehmensrichtlinie bzw. einer Werksnorm zu verarbeiten und die speziellen, projektspezifischen Festlegungen in einer Projektrichtlinie DOKUMENTATION (s. auch Abschn. 4.6.1) zusammenzufassen. Beide Richtlinien zusammen machen das Dokumentationskonzept aus. Die Pre-Basic-Dokumentation ist in vielen Projekten nicht ausgeprägt und existiert häufig nicht als eigenständige Phasendokumentation. Die Planungsergebnisse dieser Phase werden in vielen Fällen gleitend ins Basic Engineering übernommen. Die wichtigsten Ergebnisse und Dokumente der Vorplanung sind in Tabelle 5.5 zusammengestellt. Die Vorgaben des Lastenhefts (s. Tab. 5.4 in Abschn. 5.4) sind in Tab. 5.5 nicht nochmals aufgeführt. Tabelle 5.5 Ergebnisse und Dokumente der Vorplanung (ohne Angaben aus Lastenheft) 1 Projektplanung/-organisation 1.1 Grob-Terminplan und Grob-Ressourcenplan 1.2 Projektorganigramm und Stellenbeschreibungen 1.3 Entscheidungsmatrix, Unterschriftsregelung 1.4 Projekthandbuch und/oder Projektrichtlinien
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Tab. 5.5 (Fortsetzung) 2 Dokumentationskonzept 3 Projektplanung/-organisation 3.1 Grundfließschemata inkl. Beschreibung 3.2 Verfahrensfließschemata mit Apparate- und Stoffstromleiste sowie Beschreibung 3.3 Stoff- und Energiestromliste inkl. der stofflichen Emissionen 3.4 Liste der Hauptausrüstungen 3.5 Datenblätter für Hauptausrüstungen 3.6 Reinigungskonzeption 3.7 Inbetriebnahmekonzeption 3.8 ggf. Berichte über Versuche im Labor und/oder Technikum 3.9 Angaben/Hinweise zu Gewährleistung und Garantien 4 Lage- Layout- und Aufstellungsplanung 4.1 Lageplan für Werksgelände und/oder Baugrundstück 4.2 3D-Anlagenlayout 4.3 Grob-Aufstellungsplan, Ansichten, Schnitte 5 Ergebnisse technischer Fachplanungen 5.1 Baukonzept (Bauleitplanung) 5.2 PLT-Konzept inkl. Energie-Versorgungskonzept 5.3. TGA-Konzept 5.4 Konzept für innerbetriebliche Logistik; Vorgaben für außerbetriebliche Logistik 5.5 Vorgaben/Hinweise zur Standort-/Infrastrukturplanung (außerbetrieblich) 6 Sicherheitstechnisches Grundkonzept 6.1 Sicherheitsdatenblätter für Gefahrstoffe und Gemische 6.2 Zusammenstellung ergänzender, sicherheitsrelevanter Stoffdaten 6.3 Dokumente für WGK-Einstufung wassergefährdender Stoffe und Gemische 6.4 Dokumente für zu beseitigende Abfälle (ggf. Entsorgungskonzept) 6.5 Ergebnisse über die Beurteilung kritischer Prozessparameter 6.6 Dokumente und Beurteilung der Emissionen und der Immissionen, 6.7 Abschlussbericht über die Risikobeurteilung inkl. Aktionspunkte 6.8 Protokoll/Formblatt zum Konzepttestat 7 Beschaffungskonzept 8 Sonstiges 8.1 Eingeholte Angebote zu Leistungen und Lieferungen 8.2 Grobabschätzung der Investitionskosten und Betriebskosten 8.3 Überschlägliche Wirtschaftlichkeitsberechnungen 8.4 Sonstige Vorgaben/Hinweise zur Entwurfsplanung
5.6 Basic Engineering-Dokumentation (Phase 3) Die Entwurfsplanung (Basic Engineering) umfasst die Verfahrensplanung (Basic Design) und die Erarbeitung eines verbindlichen Gesamtentwurfs für die Anlage und Technik sowie für die Abwicklung des Projekts. Sie entspricht der 3. Phase im AnlagenPhasenmodell (s. Abb. 5.1 in Abschn. 5.1). Die Entwurfsplanung führt keine grundlegenden Variantenbetrachtungen mehr durch. Sie greift vielmehr die während der Vorplanung erarbeiteten Lösungsvorschläge auf und gestaltet sie planerisch soweit aus, dass auf Basis der Engineering-Dokumente
5.6 Basic Engineering-Dokumentation (Phase 3)
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der Genehmigungsantrag erarbeitet und das Genehmigungsverfahren durchgeführt werden können (s. Abschn. 3.4 und 5.7), die Investitionsentscheidung (Investitionskostenermittlung, Wirtschaftlichkeitsberechnung) fundiert vorbereitet werden kann (s. Abschn. 5.7), gegebenenfalls die Erarbeitung eines Pflichtenhefts, die Angebotseinholung und Angebotsauswahl sowie der Abschluss eines Anlagenvertrags (s. Abschn. 4.5) möglich sind, die Ausführungsplanung (Detail Engineering) und insbesondere die detaillierten Fachplanungen möglich sind (s. Abschn. 5.8), die Bestellung terminkritischer Lieferungen und Leistungen vor der Investitionsentscheidung durchgeführt werden kann. Das während der Vorplanung erarbeitet Dokumentationskonzept wird entsprechend dem aktuellen Projektstand fortgeschrieben. Das Inhaltsverzeichnis einer ausführlichen Basic Engineering-Dokumentation (Extended Basic) ist in Tabelle 5.6 angegeben. Tabelle 5.6 Inhaltsverzeichnis einer Basic Engineering-Dokumentation (Praxisbeispiel) 1 Verfahrensgrundlagen 1.1 Entwurfsdaten (Kapazität, Ausbeute, Produktionskapazität, Betriebszeiten u.ä.) 1.2 Rohstoffspezifikation 1.3 Produktspezifikationen 1.4 Spezifikation der Medien und Energien 1.5 Auslegungswerte Emissionen 1.6 Angaben zu Anlagengrenzen 1.7 Begründung und Dokumentation der Verfahrenswahl 1.8 Angaben zu Verfahrensgarantien 2 Rahmenbedingungen für Projektabwicklung 2.1 Zu beachtende Rechtsvorschriften (international und national) 2.2 Genehmigungsrechtliche u.a. behördliche Vorgaben 2.3 Anforderungen an Umweltschutz 2.4 Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen 2.5 Vorgaben zur Sicherheitstechnik 2.6 Vorgaben zur Alarm- und Gefahrenabwehr am Standort 2.7 Vorgaben zu Qualitätsstandards und Qualitätssicherung 2.8 Zu beachtende Unternehmensrichtlinien und -standards 2.9 Vorgaben zu Normen u.a. Regeln zum Stand der Technik 2.10 Angaben zum Standort inkl. Werksinfrastruktur 2.11 Vorgaben zum Anlagenbetrieb inkl. Inbetriebnahme/Außerbetriebnahme 2.12 Vorgaben zur Anlageninstandsetzung und zum Anlagenstillstand Shutdown 2.13 Administrative Anforderungen (Projektmanagement, Controlling u.ä.) 2.14 Zusammenhang mit anderen Projekten 2.15 Sonstige Vorgaben zu Gewährleistung und Garantien 3 Vorgaben zur Design Basis 3.1 Klimadaten 3.2 Geländedaten (Bodenuntersuchung, Topographische Daten) 3.3 Werksplan, Vermessungsdaten 3.4 Vorgaben zur Anlagengestaltung (Lage- und Aufstellungsplanung) 3.5 Vorgaben zu NOT-HALT, NOT-AUS, Notentspannung
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Tab. 5.6 (Fortsetzung) 3 Vorgaben zur Design Basis (Fortsetzung) 3.6 Vorgaben zum Brand- und Explosionsschutz 3.7 Vorgaben zum Lärmschutz (alle Fachdisziplinen) 3.8 Vorgaben zum Wärme- und Kälteschutz (alle Fachdisziplinen) 3.9 Vorgaben zur Anlagenverfügbarkeit 4 Verfahrensplanung (Basic Design) 4.1 Grundfließschemata 4.2 Verfahrensfließschemata inkl. Stoffstromleiste 4.3 R&I-Fließschemata inkl. Apparateleiste 4.4 Verfahrens- und Anlagenbeschreibung inkl. Funktionsbeschreibung 4.5 Stoff- und Massenbilanzen inkl. Schemata, Bilanzstellenliste 4.6 Stoffstromlisten 4.7 Liste Gefahrstoffe und Sicherheitsdatenblätter für Gefahrstoffe 4.8 Liste der wassergefährdenden Stoffe 4.9 Verbrauchszahlen für Roh- und Hilfsstoffe, Katalysator u.ä. 4.10 Energiebilanzen inkl. Schemata 4.11 Verbrauchszahlen (min, norm, max) für Energien (Wärme, elektrische Energie), 4.12 Abfallprodukte und Abfallenergien, Liste der Abfälle nach KrWG 4.13 Auslegungsdrücke und -temperaturen, Druckstufen (Dokumentation zu Festlegungen) 4.14 Dokumentation der Werkstoffauswahl für Hauptausrüstungen 4.15 Datenblätter der Hauptausrüstungen inkl. Reinheit der Oberfläche 4.16 Entwurfszeichnungen für Hautausrüstungen; Vorgaben für technologischen Stahlbau 4.17 Listen Hauptausrüstungen inkl. Druckbehälter, WHG-Behälter usw. 4.18 Berichte über Auswahl und Auslegung der Sicherheitsarmaturen 4.19 Datenblätter für Sicherheitsventile (beginnen) 4.20 Verfahrensschemata mit Mengen- und Wärmebilanz für Genehmigungsantrag 5 3D-Anlagen- und Aufstellungsentwurfsplanung 5.1 Lageplan (z.B. Maßstab 1:2000) 5.2 Anlagen-Layout (z.B. Maßstab 1:500) mit Teilanlagen, Gebäude, Bauwerke, Straßen, Trassen, Wege, Lager- und Freiflächen u.ä. 5.3 3D-Anlagenentwurf (zgl. Hauptausrüstungen, Hauptrohrleitungen, Kabeltrassen, Lüftungskanäle) 5.4 Aufstellungspläne (z.B. Maßstab 1:100) 5.5 Aufstellungspläne für Genehmigungsantrag 6 Rohrleitungsentwurfsplanung 6.1 Dokumentation hydraulische Auslegung Rohrleitungen 6.2 Rohrleitungsliste (beginnen) 6.3 Rohrklassen auswählen bzw. erarbeiten 6.4 Dichtungsklassen auswählen bzw. erarbeiten 6.5 Armaturenklassen auswählen bzw. erarbeiten 6.6 Angaben zu Reinheit und Reinigung der Rohrleitungen/Rohrleitungssysteme 6.7 Einbindepunktliste (Tie-In-List) 6.8 Konzept Stressberechnungen 7 Bau-/Stahlbauentwurfsplanung 7.1 Auslegungsdaten für Wind, Niederschläge u.ä. 7.2 Topographische Karte 7.3 Geotechnisches und hydrologisches Gutachten 7.4 Festlegung der Lasten, Vorläufige Berechnung Stahlbau und Fundamente 7.5 Zeichnungen Bau-/Stahlbau
5.6 Basic Engineering-Dokumentation (Phase 3)
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Tab. 5.6 (Fortsetzung) 7 Bau-/Stahlbauentwurfsplanung (Fortsetzung) 7.6 Baukonzept/Baubeschreibung 7.7 Baulicher Brandschutz gemäß Brandschutzkonzept 7.8 Entwurf Raumprogramm und ggf. ausgewählte Raumbücher 7.9 Unterflureinrichtungen 7.10 Fachspezifische Berechnungen (Auffangvolumina, Treppenräume, Aufzugsschächte, Energieschächte u.ä.) 7.11 Abschätzung Dämmschichtdicken 7.12 Konzeption für Korrosionsschutz Bau-/Stahlbau 7.13 Hauptmaßnahmen zur Geländeerschließung 7.14 Bauliche Maßnahmen gemäß Wasserhaushaltsgesetz 7.15 Bauvorlage für Genehmigungsantrag 8 Entwurfsplanung Mess-, Steuer-, Regelungstechnik (MSR) und Prozessleitsystem (PLS) 8.1 Darstellen PLT-Kreise in R&I-Fließschemata 8.2 MSR-Stellendatenblätter (beginnen) 8.3 Klassifizieren PLT-Sicherungseinrichtungen und Kennzeichnen in R&I 8.4 NOT-AUS- und NOT-HALT-Schaltungen identifizieren und spezifizieren 8.5 Messstellenliste (beginnen) und Alarm- und Grenzwertlisten (beginnen) 8.6 Grob-MSR-Stellenpläne 8.7 Regelschemata inkl. Beschreibung 8.8 MSR-Geräteliste (beginnen) 8.9 Ursache-Wirkung-Listen (beginnen) 8.10 Ablauf-Funktionspläne und Grundfunktionsbeschreibung 8.11 Spezifikation Prozessleitsystem (Struktur, Komponenten, Signalübertragung) 8.12 Spezifikation Messwarte und Schalträume 8.13 Entwurf Kabeltrassen, -schächte, -schiene, -rohre 8.14 Konzept Steuerluft-Versorgung 9 Entwurfsplanung Elektrotechnik 9.1 ET-Geräteliste bzw. ET-Verbraucherliste 9.2 Motorendatenblätter (beginnen) 9.3 ggf. Motorenliste inkl. Frequenzumrichter/Sanftanlaufgeräte 9.4 Übersichtsschaltpläne Spannungsversorgung 9.5 Konzept Staffelversorgung der Verbraucher (Entwurf Schutzstaffelplan) 9.6 Konzept Notstromversorgung 9.7 Beleuchtungskonzept 9.8 Konzept Erdung, Blitzschutz 9.9 Konzept Elektrische Begleitheizung 9.10 Spezifikation elektrotechnischer Räume (Schalträume, Umspann-/Trafostation) 10 Entwurfsplanung Sonstiger Fachdisziplinen (NAT, TGA, PAT, LAT) 10.1 Fließschemata für TGA 10.2 Auswahl und Auslegung TGA-Hauptausrüstungen (Datenblätter, Listen) 10.3 Auslegung Be-/Entlüftung 10.4 Einplanen Zu-/Abluftkanäle in 3D-Anlagenentwurf 10.5 PLT-Entwurfsplanung für TGA (ggf. auch Gebäudeleitsystem) 10.6 Konzeption der innerbetrieblichen Kommunikation (Telefon, Sprechfunk, Internet, Bereitschaftsdienst u.a.) 10.7 Konzeption der außerbetrieblichen Kommunikation (Nachbarbetriebe, Werksleitstellen, Feuerwehr, Dispatcher u.a.) 10.8 Zusammenstellung Probenahmestellen, Analysenmethoden und -geräte 10.9 Spezifikation Laborraum und -einrichtungen
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Tab. 5.6 (Fortsetzung) 11 Gesundheit Sicherheit Umweltschutz (GSU) (s. auch Verfahrensplanung) 11.1 Ergebnisbericht Risikobeurteilung inkl. Aktionspunktliste 11.2 Beurteilung der Brand- und Explosionsgefährdungen sowie Explosionsschutzdokument inkl. Gefahrenzonenpläne 11.3 ggf. Entwurf Alarm- und Gefahrenabwehrplan (AGAP) 11.4 Liste Gefahrstoffe mit Mengenangaben, Sicherheitsdatenblätter 11.5 Liste der wassergefährdenden Stoffe mit Mengenangaben 11.6 Notentspannungskonzept (s. auch MSR-Entwurfsplanung) 11.7 Brandschutzkonzept, inkl. Melder, Feuerwehrplan 11.8 Spezifikation Gaswarneinrichtungen 11.9 Entsorgungskonzept 11.10 Schallschutzprognose und -konzept 11.11 ggf. Umweltverträglichkeitsprüfung 11.12 Sicherheitsbetrachtungen in Vorbereitung des Genehmigungsantrags; gegebenenfalls Sicherheitsbericht nach Störfallverordnung; Ausbreitungsrechnung 11.13 Dokumente für Genehmigungsantrag 12 Dokumentationskonzept (Update) 13 Bedienungskonzeption 14 Instandhaltungskonzeption 15 Sonstige Vorgaben und Hinweise für Ausführungsplanung 16 Beschaffungskonzeption (inkl. Bau, Montage, Inbetriebnahme) 17 Vorbereiten der Bestellungen terminkritischer Lieferungen/Leistungen 18 Angaben zum Projektmanagement (Organisation, Controlling)
5.7 Genehmigung, Investitionsentscheidung, Pflichtenheft (Phasen 4 und 5) Die Genehmigungsplanung ist die Phase 4 im Phasenmodell. Sie findet von der Projektvorbereitung bis zur Investitionsentscheidung (Budgetfreigabe), parallel zu den anderen Engineeringphasen, statt. Die Abbildung 5.6 veranschaulicht diesen Sachverhalt.
Abb. 5.6 Einordnen der Planungsleistungen für die Genehmigung in das Phasenmodell
5.7 Genehmigung, Investitionsentscheidung, Pflichtenheft (Phasen 4 und 5)
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Bereits während der Durchführbarkeitsstudie muss in Verbindung mit dem Anlagenstandort die Genehmigungssituation beurteilt und die Genehmigungsfähigkeit der Investition eingeschätzt werden. Die Ergebnisse sind ein wesentliches Input für das Lastenheft und die konkreten Festlegungen zum Projektstart. Während der folgenden Projektphasen sind die Betrachtungen zur Genehmigung entsprechend dem Planungsfortschritt zu vertiefen. Sobald im Basic Engineering die Verfahrensdokumente vorliegen, kann schrittweise der Genehmigungsantrag inkl. zugehöriger Antragsunterlagen erarbeitet und bei der zuständigen Behörde eingereicht werden (s. Abschn. 3.4.2). Gegebenenfalls sind zuvor die Unterlagen für die Umweltverträglichkeitsprüfung zu erstellen und einzureichen (s. Abschn. 3.4.1). Der Ablauf des Genehmigungsverfahrens nach Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) [8], das für verfahrenstechnische Anlagen überwiegend gilt, ist in Abschn. 2.3.2, b) beschrieben. Während der nachfolgenden Anlagenrealisierung muss der Auftraggeber/Investor, insbesondere aus haftungsrechtlichen Gründen (s. Abschn. 2.6.3), gerichtsfest dokumentieren, dass er die Anlage genehmigungsgerecht errichtet hat und betreibt. Parallel zum Erarbeiten der Genehmigungsunterlagen und begleitend zum Genehmigungsverfahren ist vom Projektteam auf Basis spezifischer Unternehmensregelungen der Investitionsantrag zu erstellen und dem Investor zur Entscheidung vorzulegen (s. auch Abb. 5.4 in Abschn. 5.4). Schwerpunkte und Entscheidungsunterlagen sind u.a.: Begründung der Investition ausgehend von der Unternehmensstrategie, Darlegen der Markt-/Wettbewerbssituation, inkl. begründeter Prognosen zur weiteren Entwicklung, Ermitteln der Investitionskosten und Vorschläge für Kreditierung und Zahlungsziele, Ermitteln der Betriebs- und Instandhaltungskosten [3], Durchführung von Investitionsrechnungen (Wirtschaftlichkeitsrechnungen) [9], Darlegen der Schutzrechts- und Know-how-Situation, Vorschlag zur Vertragsgestaltung während der weiteren Projektabwicklung, Erarbeiten eines aktuellen Projekt-Ablaufplans und Projekt-Organigramms, Vorschlag für Bereitstellung des Betreiber- und Instandhaltungspersonals. Im Phasenmodell in Abb. 5.1 sind all diese Aufgaben, die mehr oder weniger von Anfang an projektbegleitend sattfinden sollten, in der Phase 5 integriert. Nach der Investitionsentscheidung setzten sich die Aufgabe beim Projekt-/Kostencontrolling fort. Hinsichtlich ausgewählter Projektrisiken, die mit der Investitionsentscheidung verbunden sind, sei noch Folgendes angemerkt [3][7]: Die Planungstiefe/Planungsgrad am Ende des Entwurfs-/Entscheidungszeitraums nach Abb. 5.1, Abschn. 5.1 beträgt ca. 30 bis 35 Prozent. Das heißt, zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung sind ca. ein Drittel der Gesamt-Engineeringkosten des Projekts verausgabt. Entsprechend dieser Planungstiefe können die Investitionskosten in der Regel nur mit einer Kostengenauigkeit von ca. 10 bis 12 Prozent kalkuliert werden. Wird eine Kostengenauigkeiten von 5 Prozent gefordert, so ist eine Planungstiefe von ca. 60 Prozent nötig, d.h. der größte Teil des Detail Engineerings muss abgeschlossen sein.
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Sobald die Investition freigeben ist, kann das Pflichtenheft gemäß folgender Definition erarbeitet werden. Pflichtenheft ist die Zusammenstellung von Vorgaben für die Ausführungsplanung, Herstellung und Inbetriebnahme der Anlage. (Synonyme: Aufgabenstellung bzw. Anfragespezifikation für Anlage, Requirement Specification, FEL-Dokumentation)
Das Pflichtenheft ist mehr als die Basic Engineering-Dokumentation aus folgendem Grund: Die Basic Engineering-Dokumentation beinhaltet in erster Linie die bis zum Ende der Phase 3 erarbeiteten Engineeringergebnisse. Damit ist sie die fachliche Basis und das wichtigste Input für das Pflichtenheft. Das Pflichtenheft nimmt die organisatorisch-administrativen Vorgaben und Rahmenbedingung aus dem Lastenheft (s. Tab. 5.4 in Abschn. 5.4) mit auf. Das Pflichtenheft beschreibt den Bearbeitungsstatus zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung (Budget-Freigabe), d.h. nach dem Ende der Phasen 4 bzw. 5 und nicht am Ende der Phase 3. Änderungen am Engineering, die sich während des Genehmigungsverfahrens oder bei der Investitionsentscheidung ergeben haben und im Normalfall nicht umfangreich sind, werden im Pflichtenheft berücksichtigt, d.h. die ursprüngliche Basic Engineering-Dokumentation wird angepasst. Der auf den Dokumenten angegebene Bearbeitungsstatus AFD (Approved for Design) (s. Tab. 5.1 in Abschn. 5.2) beschreibt exakt den Status des Pflichtenhefts. Letztlich hat das Pflichtenheft eine andere Funktion zu erfüllen. Es soll nicht Engineeringergebnisse dokumentieren, sondern ist die ganzheitliche Basis für die Ausschreibung sowie die Vertragsgestaltung und Auftragsvergabe zur Ausführung der Anlage. Da die beabsichtigte Vertragskonstellation nach der Investitionsfreigabe klar ist, kann das Pflichtenheft zielorientiert erarbeitet werden. Im Allgemeinen wird im verfahrenstechnischen Anlagenbau im Sinne eines Pflichtenhefts nach der Phase 5 und der Budget-Freigabe eine Aufgabenstellung für die Engineeringleistungen der Anlage XYZ (EPCM-Vertrag) oder Aufgabenstellung für Ausführungsplanung und Herstellung der Anlage XYZ (LSTKVertrag) derart erstellt, dass sie später als Technische Spezifikation zum Anlagenvertrag genutzt werden kann. In dieser Anlagenspezifikation sind die Angaben/Vorgaben aus dem Lastenheft (s. Tab. 5.4 in Abschn. 5.4), der Basic Engineering-Dokumentation (s. Tab. 5.6 in Abschn. 5.6), des Genehmigungsbescheids (s. Abschn. 3.4.3) und der dokumentierten Investitionsentscheidung zu verarbeiten. Die Bezeichnung Pflichtenheft für die Gesamt-Aufgabenstellung ist im verfahrenstechnischen Anlagenbau eher selten. Gebräuchlicher sind die Begriffe Anfragespezifikation und Requirement Specification.
5.8 Dokumentenerstellung im Detail Engineering
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5.8 Dokumentenerstellung im Detail Engineering Das Detail Engineering (Ausführungsplanung) ist die Erledigung aller ingenieurtechnischen Fachplanungsfunktionen. Es liefert ausführungsreife Unterlagen (Dokumente) für die Realisierung (Beschaffung und Errichtung) der Anlage sowie auch für deren Inbetriebnahme, Dauerbetrieb und Instandhaltung. Man spricht verkürzt vom „Detail“. Input für das Detail Engineering sind die Basic Engineering-Dokumentation (s. Abschn. 5.6) sowie relevante Vorgaben aus dem Genehmigungsverfahren bzw. im Ergebnis der Investitionsentscheidung (s. Abschn. 5.7). Zum Teil werden Dokumente aus dem „Basic“ fortgeschrieben (z.B. Fließschemata, 3D-CAD-Modell, div. Datenblätter), zum Teil werden Dokumente neu erzeugt (z.B. Rohrleitungsisometrien und Schaltpläne) [3]. Um die ausgeprägte und wichtige Schnittstelle zwischen „Basic“ und „Detail“ eindeutig inhaltlich zu definieren, müssen die Input-Dokumente mit dem Bearbeitungsstatus AFD (Approved for Design) (s. Tab. 5.1 in Abschn. 5.2) gekennzeichnet und zur Detailplanung freigegeben sein. Im Einzelnen werden die Ergebnisse der Ausführungsplanung für folgende Zielstellungen und Aufgaben im Projekt genutzt: Beschaffung aller notwendigen Lieferungen und Leistungen inkl. Qualitätsüberwachung, Errichtung (Bau, Montage) der Anlage, incl. Qualitätsüberwachung, Durchführung der Sicherheitsprüfungen gemäß der relevanten Rechtsvorschriften und der vertragsrelevanten Richtlinien, Normen u.ä., Durchführung der Funktionsprüfungen vor Montageende und/oder vor Beginn der Heiß-Inbetriebnahme, Durchführung von Leistungsnachweisen und werkvertraglichen Abnahmehandlungen für Package-Units, Nachweis der genehmigungsgerechten Errichtung und Betrieb der Anlage sowie für die Fortschreibung der Genehmigung, Erarbeiten der Inbetriebnahmedokumentation bis zum Zeitpunkt: MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG, Fertigstellung der AS BUILT-Dokumentation bis zum Zeitpunkt der werkvertraglichen Abnahme, Informationsbasis bei der Fehler- und/oder Störungssuche während der Inbetriebnahme und des Dauerbetriebs der Anlage, Vorbereitung und Durchführung der Inbetriebnahme, Vorbereitung und Durchführung des Leistungsnachweises und der werkvertraglichen Abnahme der Gesamtanlage, Nutzung der Anlage im bestimmungsgemäßen Betrieb, Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der wiederkehrenden Sicherheitsprüfungen, Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Instandhaltungsmaßnahmen, Außerbetriebnahme der Anlage und Vorbereiten von Anlagenstillständen, Basis für die Fortschreibung und Pflege der Bestandsdokumentation, Gewährleisten und Nachweis der Sorgfaltspflicht der verantwortlichen Unternehmen und Personen.
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Die Nutzung ist umfassender, als den meisten Projektbeteiligten bewusst ist. Viele Zielstellungen berühren vorrangig die Interessen des Anlagenbetreibers. Letzterer muss diesen Sachverhalt erkennen und in seinem Interesse die Ausführungsplanung und zugehörige Anlagendokumentation sowie die anschließende Projektabwicklung gestalten und kontrollieren. Im Anlagenvertrag ist in der Regel der General-Auftragnehmer bzw. der Generalplaner für die Leistungen im Detail Engineering inkl. Dokumentation verantwortlich. Bei einem Generalvertrag (s. Abschn. 4.5.1.1) ist dies a priori gegeben und bei einem Engineeringvertrag (s. Abschn. 4.5.1.2) wird ihm häufig diese Gesamtverantwortung für die Anlagendokumentation zwecks fachlicher Koordinierung und Erfüllungskontrolle vom Auftraggeber übertragen. Die verschiedenen Ausführungsdokumente werden meist in einem vielschichtigen, globalen und arbeitsteiligen Prozess erarbeitet. Dabei finden meistens die folgenden Leistungsvarianten parallel statt: Var. 1: Der Generalunternehmer (GU) bzw. Generalplaner (GP) erarbeitet mit seinem eigenen Personal, ggf. unter Einbeziehung von „geleastem“ Fremdpersonal, einen Großteil der Ausführungsdokumente. Bem.: Der GU bzw. GP selbst erstellt vorrangig die grundlegenden, die sicherheitsrelevanten und die know-how-intensiven Dokumente. Dies betrifft u.a. viele Dokumentenarten der Teildokumentation VERFAHRENSTECHNIK und PROZESSLEITTECHNIK sowie die ÜBERSICHTSDOKUMENTE anderer Fachgewerke. In Abhängigkeit vom Verfahren/Projekt, von den Forderungen des Kunden, von der Marktsituation und von der Fachkompetenz des GU/GP kann dessen Leistungsanteil sehr verschieden sein.
Var. 2: Der GU bzw. GP vergibt Planungsleistungen an Subunternehmer, die unter seiner Verantwortung definierte Ausführungsdokumente erarbeiten. Bem.: Betroffen sind vorrangig Dokumentenarten; die viele Einzeldokumente umfassen und wiederkehrende Tätigkeiten beinhalten (z.B. Rohrleitungsisometrien inkl. Stücklisten, Schaltpläne, ggf. auch R&IFließbilder), für die Planungs-Fremdaufträge exakt abgegrenzt, formuliert und kontrolliert werden können und wo dem GU/GP ggf. die Fachkompetenz fehlt (z.B. Bauplanung, TGA-Planungsleistungen).
Var. 3: Der GU (im Generalvertrag) bzw. der Auftraggeber (im Engineeringvertrag) kauft die Planungsleistungen und -dokumente im Rahmen eines Liefer- und/ oder Leistungsvertrags mit ein. Bem.: In diesen Fällen erarbeitet der Hersteller bzw- Lieferant von Package-units, Hauptausrüstungen u.a. Anlagenkomponenten oder die Montagefirma die Ausführungsdokumente, die sie für ihre Auftragserfüllung benötigen, selbst. Diese Variante wird im verfahrenstechnischen Anlagenbau häufig praktiziert und betrifft z.B.: die Erarbeitung kompletter Package-unit-Dokumentationen durch den beauftragten Package-unit-Hersteller, das Erarbeiten der Fertigungsdokumente für Einzelausrüstungen (Apparate, Behälter, Maschinen, Geräte) durch die Hersteller sowie das Erstellen der kompletten Hersteller-/Lieferantendokumentation, das Erbringen der Tiefbau-, Hochbau- und Stahlbauplanung inkl. Ausführungsdokumente durch die ausführende Bau- bzw. Montagefirma.
5.9 Beschaffen und Einordnen der Hersteller- bzw. Lieferantendokumente (Phase 7)
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Die Variante 2 und insbesondere die Variante 3 enthalten zahlreiche risikobehaftete Planungsschnittstellen inkl. Dokumentationsleistungen, die in Form von Lastenheften für Package-units, Technischen Beschaffungsunterlagen, Auftragsspezifikationen u.ä. exakt zu definieren und zu bedienen sind. Die Ausführungsdokumente, die in Abschn. 3.6 ausführlich aufgeführt und beschrieben sind, werden während der Baustellenabwicklung als Teile der Anlagendokumentation genutzt und teilweise auch für die Erarbeitung der Betriebsdokumentation verwendet. Die Detail Engineering-Dokumentation fließt somit bald in die Anlagendokumentation ein. Ein eigenständiger Dokumentationsbegriff für diese temporäre Engineeringdokumentation ist deshalb wenig üblich. Je nach vertraglicher Vereinbarung, werden die Ausführungsdokumente bis zur MECHANISCHEN FERTIGSTELLUNG oder bis ENDE INBETRIEBNAHME „as-built“ revidiert und als wesentlicher Bestandteil der AS BUILT-Dokumentation an den Auftraggeber übergeben (s. Abschn. 4.6.4 bis 4.6.6).
5.9 Beschaffen und Einordnen der Hersteller- bzw. Lieferantendokumente (Phase 7) Die Beschaffung (Procurement) bildet die Phase 7 des Anlagen-Phasenmodells (s. Abschn. 5.1) und steht im Fokus der Qualitätssicherung. Die Beschaffung umfasst den Gesamtprozess der Vorbereitung und Realisierung von Bestellungen für Lieferungen und Leistungen, die zur Anlagenrealisierung und gegebenenfalls zur Inbetriebnahme benötigt werden.
Die mitbestellten Hersteller- bzw. Lieferantendokumente sind die produktbeschreibenden und/oder produktbegleitenden Dokumente des Herstellers bzw. Lieferanten. Sie beziehen sich häufig auf Produkte (s. Abschn. 2.2.2, 2.3.3 und 2.6.2) und sind i.d.R. Leistungen eines Kaufvertrags (s. Abschn. 4.4.3). Im Speziellen können sie auch Teilanlagen (Package-units) betreffen und über einen Werkvertrag abgewickelt werden (s. Abschn. 3.6.11 und 4.4.2). Die grundlegenden Prozeduren [7] zur Beschaffung von Lieferungen und Leistungen werden i.Allg. im Qualitätsmanagementhandbuch jedes Unternehmens geregelt. Zu den Dokumentationsleistungen während der Beschaffung wurden bereits in den Abschnitten 3.5, 3.6.5, 4.5.4.2, 4.6.3 und 5.3 detaillierte Ausführungen mit Checklisten und Praxisbeispielen gemacht. Um die Dokumentationsvorgaben aus der Bestellung möglichst effizient umzusetzen, sind nachfolgend für den Besteller und den Hersteller noch einige Hinweise angegeben. a) Verantwortlich für die Beschaffung im Projekt ist der Projektleiter. Der Projekteinkäufer muss ihm gemäß Organigramm unterstellt sein, d.h. das letzte Wort bei der Einkaufsentscheidung muss der Projektleiter haben. b) Während des Beschaffungsvorgangs muss von allen Partnern der Grundsatz „gelebt“ werden: Die Dokumentation ist als Teil des Produkts zu sehen und zu realisieren. c) Die Dokumentationsleistungen sind voll in die Qualitätssicherungsmaßnahmen während der Auftragsbearbeitung zu integrieren (s. Abschn. 4.6.3). d) Analog zur Anlagenkomponente ist die fertiggestellte, produktbegleitende Dokumentation durch den Besteller beim Hersteller zu prüfen und nur im Erfolgsfall zur Aus-
420
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
lieferung freizugeben. Restpunkte sind möglich, aber wesentliche Mängel an der Dokumentation müssen die Auslieferung des Produkts verhindern bzw. zumindest einen entsprechenden Zahlungseinbehalt des Bestellers bewirken. e) In die Prüfung der Hersteller-/Lieferantendokumentationen können erfolgreich externe Dokumentationsdienstleister einbezogen werden (s. auch Abschn. 5.3.). Diese können u.a. – bei Prüfungen und Freigaben der Dokumente, – auf Basis von Dokumentationsanforderungslisten bei der formalen Prüfung (Vollständigkeit, Form, Lesbarkeit, Plausibilität) sowie – unter Nutzung von Checklisten, Dokumentenarten-Spezifikationen, Musterdokumenten, Erfahrungen usw. bei der inhaltlichen Qualitätsprüfung, – bei der Erfassung und Abarbeitung eventueller Restpunkte mitwirken. f) Die mit dem Produkt zeitgleiche bzw. zeitnahe Fertigstellung, Prüfung und Auslieferung der Dokumentation ist auch deshalb notwendig, da die Beschaffung i.Allg. mittels eines Kaufvertrags (s. Abschn. 4.4.3) abgewickelt wird. Damit erlischt der Erfüllungsanspruch bei einer Übergabe und Entgegennahme mit Zahlung aber ohne gleichzeitige Mängelanzeige (Restpunktliste). g) Jede Hersteller- bzw. Lieferantenrechnung ist zu prüfen (sachlich, monetär), ob die zugehörigen und bestellten Dokumentationsleistungen erbracht sind. Bei wesentlichen Dokumentationsmängeln ist die Rechnung zurückzuweisen. Nichtwesentliche Mängel sind als Restpunkte (Erfüllungsanspruch) der in Rechnung gestellten Leistungen zu erfassen und zu vereinbaren. Gegebenenfalls kann der Auftraggeber nach BGB, § 441 bzw. § 641 Abs. (3) [10] den Kaufpreis mindern bzw. „einen angemessenen Teil der Vergütung verweigern; angemessen ist in der Regel das Doppelte der für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten“. h) Der Besteller muss entscheiden, ob die Hersteller-/Lieferantendokumentation „frei Baustelle“ oder „frei Stammhaus“ geliefert werden soll. In der Regel sollte die Auslieferung über das Stammhaus erfolgen, da noch Kontroll-, Kennzeichnungs- und Einordnungsaufgaben sowie weitere Verwaltungsmaßnahmen zu erledigen sind. Falls die Dokumentationsprüfung durch den Besteller bereits vor Auslieferung erfolgte, kann sie im Sonderfall auch direkt zur Baustelle geliefert werden. i) Die bestellgerechten Hersteller-/Lieferantendokumente müssen dem Baustellenteam für die Bau- und Montageausführung zur Verfügung gestellt werden. Dabei sind die entsprechenden Zuständigkeiten, Prüfpflichten und Verantwortlichkeiten der Fachbauleiter (FBL) (z.B. für Maschinen/Apparate, E-Technik, PLTTechnik und Technische Gebäudeausrüstung) zu klären. Die FBL sollten während der Baustellenabwicklung jeweils „ihre“ Hersteller-/ Lieferantendokumente verantwortlich pflegen und verwalten. Dies schließt auch deren Revision bei Änderungen ein. j) Die Hersteller-/Lieferantendokumente wird meist zunächst in das Baustellenexemplar der Anlagendokumentation eingepflegt. Nach der Inbetriebnahme fließen sie, ggf. nach erfolgter As-built-Revision durch den Hersteller/Lieferant, in die AS BUILT-Dokumentation für die Gesamtanlage ein.
5.10 Fortschreiben der Dokumentation während der Baustellenphase (Phase 8)
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5.10 Fortschreiben der Dokumentation während der Baustellenphase (Phase 8) Unter Bau und Montage wird die Gesamtheit aller Arbeiten verstanden, die zum physischen Errichten der Anlage auf der Baustelle notwendig sind. Man spricht auch von der Baustellenphase, die mit der Baustelleneröffnung beginnt und mit der Protokollierung MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG endet. In Abbildung 5.7 ist schematisch der Dokumentationsprozess während der Anlagenrealisierung inkl. der Baustellenphase dargestellt.
Abb. 5.7 Dokumentenbedarf und Dokumentationsprozess während der Anlagenrealisierung
Grundsätzlich werden folgende zwei Kategorien von Dokumenten unterschieden: a) Ausführungs- und Abwicklungsdokumente für Bau, Montage, Kontrollen, Prüfungen, Tests und Abnahmen Die baustellenspezifischen Ausführungsdokumente enthalten Vorgaben für und Informationen über die Baustellentätigkeiten. Die meisten dieser Dokumente entstehen im Detail Engineering (s. Abschn. 5.8). Die Package-unit-Dokumente (s. Abschn. 3.6.11) eingeschlossen. Technische Änderungen während der Abwicklung, die sich im Vergleich zum Bearbeitungsstatus AFC (Approved for Construction) ergeben, sind vom zuständigen Fachbauleiter/Leadingenieur im Masterdokument (z.B. als Roteintragung im Papierdokument bzw. Eintragungen in der Datei) zu erfassen. Entsprechend dem Änderungsumfang werden die Masterdokumente von Zeit zu Zeit durch das Stammhaus des Auftragnehmers oder beauftragte Dienstleister revidiert. Die zweite Gruppe sind die Ausführungsdokumente von Einzelausrüstungen, die mit den Hersteller-/Lieferantendokumentationen (s. Abschn. 5.9) geliefert wurden und produktspezifische Vorgaben zur Montage, Sicherheits- und Funktionsprüfungen sowie in Vorbereitung und Durchführungen der Inbetriebnahme enthalten. Ihre Pflege erfolgt analog zu den Engineeringdokumenten, nur dass der Hersteller bzw. Lieferant die CAD-/CAE-Revisionen erledigt.
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Darüber hinaus werden in Vorbereitung und während der Baustellenphase projektübergreifende Ausführungsdokumente genutzt, wie z.B. ▪ Unternehmensrichtlinie und Technische Spezifikationen, ▪ Sicherheits- und Umweltmanagement-Handbücher, ▪ Qualitätsmanagement-Handbücher inkl. Richtlinien zur Qualitätssicherung, ▪ projektübergreifende Fertigungs- und Montagerichtlinien, ▪ projektübergreifende Prüf- und Kontrollvorschriften, Betriebsanweisungen u.ä., ▪ Werknormen, z.B. generell, Regelungen zum Umgang mit der Dokumentation, sowie projektspezifische Ausführungsdokumente neu erarbeitet, wie z.B. ▪ Bau- und Montageablaufpläne, ▪ Gefährdungsbeurteilungen für die Bau- und Montagetätigkeiten, ▪ projektspezifische Bau- und Montagevorschriften, ▪ Fertigungs-, und/oder Montageanweisungen (s. Tab. 5.7), ▪ Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (SiGe-Plan) [11], ▪ Ausbildungsprogramm und zugehörige Ausbildungsunterlagen, ▪ Reinigungsprogramme und Reinigungsvorschriften, ▪ Prüfdokumentation (Prüfhandbuch (s. Abschn. 3.7.5), ▪ projektspezifische Kontroll- und Prüfvorschriften bzw. Prüfanweisungen, ▪ Programm und Vorschriften für Funktionsprüfungen, ▪ Programm für Leistungsnachweise von Nebenanlagen, ▪ Prozedur und Checkliste zur Mechanischen Fertigstellung. Die beispielhaft angeführten Ausführungsdokumente können sowohl technischer als auch sicherheitlicher und organisatorisch-administrativer Art sein. Viele dieser Dokumente sind Teil der Betriebsdokumentation (s. Abschn. 3.7). Tabelle 5.7 Arbeitsanweisung „Fertigung, Montage und Schweißen von Rohrleitungen und Rohrleitungshalterungen“ (Praxisbeispiel) Deckblatt Allgemeines Gefährdungsbeurteilungen Rechtskonformität Montagetermine Montageumfang Arbeitsablauf 6.1 Anlieferung und Lagern 6.2 Baustellentransport von Material und Werkzeug 6.3 Anfertigen und Montage von Rohrleitungshalterungen 6.4 Montage von C-Stahl- und Edelstahl-Rohrleitungen 6.5 Montage von Kunststoffrohrleitungen 6.6 Montage von Steril-Rohrleitungen 6.7 Scheißnahtnachbehandlung von Edelstahl- und Steril-Rohrleitungen 7 Persönliche Schutzausrüstung 8 Einweisung und Unterweisung 9 Dokumentation 10 Anhänge 10.1 Gefährdungsbeurteilung „Montage C-Stahl- und Edelstahl-Rohrleitungen“ 10.2 Gefährdungsbeurteilung „Montage Sterilrohrleitungen“ 1 2 3 4 5 6
5.10 Fortschreiben der Dokumentation während der Baustellenphase (Phase 8)
423
Die wichtigen sicherheitlichen und organisatorisch-adminstrativen Regelungen der Baustelle werden i.Allg. in einem Baustellenhandbuch (Baustellenrichtlinie) zusammengefasst. Alternativ zum ganzheitlichen Baustellenhandbuch wären mehrere problemspezifische Baustellenrichtlinien möglich. Beispielweise wurde für ein internationales Großprojekt zum Errichten eines Fusionsexperiments [12] ein Montagehandbuch (s. Tab. 5.8) bestehend aus dem Teil A: MONTAGESICHERHEIT und einem Teil B: MONTAGEORGANISATION erarbeitet. Tabelle 5.8 Inhaltsverzeichnis eines Montagehandbuchs (Praxisbeispiel) 1
Geltungsbereich
2
Zweck und Aufbau
3
Montagesicherheit 3.1 Grundlegende Dokumente und Regelungen im Unternehmen 3.1.1 Organisation der Arbeitssicherheit im Unternehmen 3.1.2 Organisation der Arbeitssicherheit auf der Montagestelle 3.1.3 Verantwortung und Pflichtenübertragung für Beschäftigte von Fremdfirmen 3.2 Zugang, Anwesenheitserfassung, Arbeiten außerhalb der Dienstzeit 3.3 Arbeitserlaubnisse/-freigaben 3.4 Arbeitsschutz 3.4.1 Gefährdungsbeurteilungen 3.4.2 Betriebsanweisungen (sicherheitsrelevant) 3.4.3 Unterweisungen 3.4.4 Arbeitsmittel 3.4.5 Strahlenschutz 3.4.6 Persönliche Schutzausrüstung 3.4.7 Arbeitsmedizinische Vorsorge 3.4.8 Erste-Hilfe und Notfallmaßnahmen 3.4.9 Innerbetrieblicher Verkehr und Transport, Verkehrswege 3.5 Brandschutz 3.6 Sonstige Gesundheits- und Umweltgefährdungen 3.6.1 Gefahrstofferfassung 3.6.2 Abluft- und Wassergefährdung 3.6.3 Abfallentsorgung 3.7 Sicherheitsingenieur, -koordinator, -beauftragter Anhang: 1: Lageplan mit Kennzeichnung des Montagebereichs 2: Zusammenstellung wichtiger Gesetze und Vorschriften für GSU 3: Richtlinie „Organisation der Arbeitssicherheit“ 4: Arbeitsanweisung „Zugang und Zufahrt, Anwesenheitskontrolle, Arbeiten im Montagebereich außerhalb der Dienstzeit 5: Arbeitsanweisung „Arbeitserlaubnisse/-freigaben während der Montage“ 6: Arbeitsanweisung „Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen für Montage“ 7: Betriebsanweisungen für die Montage 8: Arbeitsanweisung „Unterweisungen vor und während der Montage“ 9: Arbeitsanweisung „Benutzung von Arbeitsmitteln während der Montage“ 10: Arbeitsanweisung „ Montagetätigkeiten außerhalb des Montagebereichs“ 11: Merkblätter und Formulare zur Unfallmeldung 12: Brandschutzordnung 13: Bestellung des Sicherheitskoordinators
424
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Tab. 5.8 (Fortsetzung) 4 Montageorganisation 4.1 Montageablaufplan 4.2 Organisationsstruktur, inkl. Verantwortung und Zuständigkeiten 4.2.1 Organisationsschema 4.2.2 Aufgabenspezifikation für den Teilbereich Montage 4.2.3 Funktionsbeschreibungen 4.2.4 Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten 4.2.5 Unterschriftenregelung 4.2.6 Aufsichtspersonen von Fremdfirmen 4.3 Schnittstellenregelungen 4.3.1 Montagesteuerung und Logistik 4.3.2 Schnittstellen zu anderen Teilbereichen 4.4 Montageadministration 4.4.1 Besprechungen zur Montage 4.4.2 Berichts- und Formularwesen 4.5 Dokumentation zu Montageablauf/-ergebnisse Anhang: 1: Montageablaufplan 2: Organisationsschema 3: Aufgabenspezifikation für den Teilbereich Montage 4: Funktionsbeschreibungen 5: Unterschriftenregelung 6: Regelungen zu vertragsrelevanten Abnahmen während der Montage 7: Vordrucke zur Montage Bem.: Das in Tab. 5.10, Abschn. 5.11 angeführte Inhaltsverzeichnis eines Inbetriebnahmehandbuchs kann (unter Beachtung der Baustellenspezifika) gleichfalls als Grundlage für die Strukturierung eines Baustellenhandbuchs verwendet werden.
b) Prüf- und Nachweisdokumente für Baustellentätigkeiten Diese Kategorie von Dokumentenarten entsteht im Ergebnis von Baustellentätigkeiten und dient als Nachweis einer rechtskonformen, sicheren, qualitätsgerechten und funktionsgerechten Ausführung. Der Begriff Prüfung schließt die Sicherheitsprüfung, Funktionsprüfung, Qualitätsprüfung und Montageprüfung/-kontrolle ein. Für die einzelnen Fachdisziplinen sind die jeweiligen fachspezifischen Prüf- und Nachweisdokumentenarten in den Abschn. 3.6.5 bis 3.6.9 angeführt. Die GSU-relevanten Dokumente sind in Abschn. 3.6.3.6, Tab. 3.31 zusammengestellt (s. auch Abschn. 3.7.5 über die Prüfdokumentation). Weitere Beispiele baustellenspezifischer Prüf- und Nachweisdokumente sind: ▪ Anwesenheitsnachweise, ▪ Nachweise von Einweisungen und Unterweisungen, ▪ Protokolle von Sicherheitsbegehungen bzw. -befahrungen, ▪ Lieferscheine, Wareneingangsscheine, Warenrückgabescheine, ▪ Dokumente zu Änderungsvorgängen, ▪ Nachweise über erteilte Freigaben, ▪ Nachweise von Qualitätsprüfungen während Bau und Montage, ▪ Mängelanzeigen bzw. -meldungen,
5.11 Pflege der Dokumentation bei Inbetriebnahme und Instandhaltung (Phase 9)
425
▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪
Protokolle über durchgeführte Funktionsprüfungen, Nachweise über durchgeführte Dichtheitsprüfungen, Protokolle über behördliche Kontrollen und Begehungen, Protokolle über werkvertragliche Abnahmen von Nebenanlagen, Besprechungsprotokolle, Aktionspunktlisten, Summen-Fortschrittskurven, Fortschrittsberichte, ggf. EG-Konformitätserklärung inkl. Risikobeurteilung für Produkte (s. Abschn. 5.12.2), ▪ ggf. EG-Konformitätserklärung inkl. Risikobeurteilung für Package-unit und verfahrenstechnische Gesamtanlage (s.Abschn.5.12.3). Zu den Prüf- und Nachweisdokumenten der Bau-/Montagephase gehören ebenfalls die Dokumente des Controllings und die Qualifizierungsdokumente für die Installation Qualification (IQ), die beispielsweise in Pharmaprojekten gemäß der Good Manufacturing Practice (GMP) erarbeitet werden (s. Abschn. 5.14.1). Die Gesamtheit der Anlagen- und Betriebsdokumentation sowie der Genehmigungsdokumentation mit dem Bearbeitungsstatus AFP (Approved for Production), die für die Inbetriebnahme benötigt wird und zum Zeitpunkt MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG vor Ort nutzbar sein muss, wird als Inbetriebnahmedokumentation bezeichnet [13]. Für die Pflege (Änderungsdienst gemäß As-built-Zustand) und die Fortschreibung (Ergänzung, Neuerstellung) aller Baustellendokumente (Baustellen-Dokumentation) ist im Normalfall der Baustellenleiter (Oberbauleiter, Construction Manager) verantwortlich. Er delegiert die Teil-Verantwortung für die fach- bzw. gewerkespezifischen Teildokumentationen an die Fachbauleiter bzw. Leadingenieure. Bei Bedarf unterstützt ihn ein Leadingenieur DOKUMENTATION vor Ort (s. Abb. 2.12 in Abschn. 2.4.3) bzw. ein Document Controller (s. Abschn. 5.3). Für ausgewählte Dokumente (z.B. Fortschrittsberichte, Abnahmedokumente) kann, in Abstimmung mit dem Baustellenleiter, der Projektleiter verantwortlich sein. Je nach Dokumentenart werden die angeführten Baustellendokumente nach Vertragsende abgelegt (gespeichert bzw. abgeheftet) ▪ in der Projektdokumentation (s. Abschn. 3.2), ▪ in der as-built-revidierten Anlagendokumentation (s. Abschn. 3.6 und 4.6.4), ▪ in der Prüfdokumentation, insbesondere in den Prüfbüchern von prüfpflichtigen Anlagenkomponenten (s. Abschn. 3.7.5), ▪ im Betriebshandbuch und Instandhaltungshandbuch (s. Abschn. 3.7.2 und 3.7.3).
5.11 Pflege der Dokumentation bei Inbetriebnahme und Instandhaltung (Phase 9) Die Inbetriebnahme ist die 9. und letzte Projektphase (s. Abb. 5.1). Sie ist in Abschn. 3.6.10 definiert. Die Instandhaltung unterteilt sich in die Grundmaßnahmen: Inspektion, Wartung, Instandsetzung und Verbesserung (Begriffsdefinition s. Abschn. 3.7.3). Hinsichtlich der Nutzung und Ergänzung der Dokumentation für die Inbetriebnahme und Instandhaltung ist die Situation ähnlich, wie im vorherigen Abschnitt für die Baustellenphase beschrieben. Die Dokumentenarten in Tab. 5.9 sowie in Abschn. 3.6.10, Tab. 3.49 und Abschn. 3.7.3, Tab. 3.61 belegen dies.
426
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Da die Inbetriebnahme die erste Phase des nach BImSchG genehmigten bestimmungsgemäßen Betriebs einer verfahrenstechnischen Anlage ist, sind viele der Ausführungsdokumente in Tabelle 5.9 auch für den Dauerbetrieb der Anlage relevant. Dies trifft insbesondere auf die Betriebsanweisungen zu, die im Betriebshandbuch zusammengefasst werden (s. Abschn. 3.7.2). Tabelle 5.9 Ausführungs- und Nachweisdokumente der Inbetriebnahme und Instandhaltung (Auswahl)
Nachweisdokumente
Ausführungs- und Prüfdokumente
Inbetriebnahme (Betrieb)
Instandhaltung
– Arbeitsexemplar der Anlagendokumentation inkl. Herstellerdokumentationen – Inbetriebnahmeablauf bzw. -teminpläne – Inbetriebnahmeanleitung für Gesamtanlage (s. Abschn. 3.6.10) – Inbetriebnahmehandbuch (s. Tab. 5.10) – Gefährdungsbeurteilungen für Inbetriebnahmetätigkeiten – Anweisungen für Inbetriebnahmevorbereitung/-durchführung (s. Abschn. 3.7.2) – Anweisungen für Dauerbetrieb – Anweisungen für Außerbetriebnahme – Unterlagen für den Anfahrcheck – Probebetriebs- und Anfahrprogramm – Abgaben zum Hoch- und Einfahren – Verhalten bei technologischen und technischen Störungen (u.a. Störungsdiagnose) – Programm des Garantieversuchs und Leistungsnachweises – Bescheinigungen von Sicherheitsprüfungen – Protokolle zum Dichtheitsnachweis
– Wartungs- und Inspektionsplan für die Gesamtanlage – Ersatz- und Verschleißteilliste für die Gesamtanlage – Strukturierung der Anlage in Technische Plätze, Kontierung – Richtlinie zur Vergabe von Instandhaltungsleistungen – Instandhaltungsdokumentation bzw. Instandhaltungsrichtlinie (s. Tab. 3.62 in Abschn. 3.7.3) – Vorgaben zur Inspektion und Wartung – Konstruktionszeichnungen – Vorgaben bei störungsbedingter Instandsetzung – Vorgaben für zustandsorientierte Instandsetzung – Vorgaben für Instandsetzung bei Stillständen – sonstige relevante technische Anlagendokumente
– Protokoll MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG inkl. Restpunktliste – Einweisungs-/Unterweisungsnachweise – Spül- und Reinigungsnachweise – Arbeitserlaubnisscheine – Protokolle über Funktionsprüfungen – Protokolle zur ANZEIGE DER BETRIEBS-
– – – – –
BEREITSCHAFT
– Protokoll zum LEISTUNGSNACHWEIS – Protokoll zur ABNAHME
Einweisungs-/Unterweisungsnachweise Arbeitsauftrag, Jobkarte Arbeitserlaubnisscheine handrevidierte Bestandsdokumente Übergabe neuer technischer Dokumente zum Einpflegen – Arbeits- /Stundennachweise – Freigabemeldung für Stillstandsarbeiten – Freigabedokumente für Wiederinbetriebnahme
–
Bei Neuinvestitionen auf der „Grünen Wiese“ wird zunächst ein Inbetriebnahmehandbuch erarbeitet und genutzt, welches später als Betriebshandbuch fortgeschrieben wird (s. Tab. 5.10). Bei Investitionen in einer bestehenden Anlage kann u.U. das vorliegende Betriebshandbuch für die Inbetriebnahme der Gesamtanlage fortgeschrieben werden, sodass ein extra Inbetriebnahmehandbuch entfällt. Das Inbetriebnahmehandbuch enthält eine Zusammenstellung allgemeiner betrieblicher Sicherheitsvorschriften und organisatorisch-administrativer Regelungen sowie aller Betriebsanweisungen an das Inbetriebnahmepersonal.
5.11 Pflege der Dokumentation bei Inbetriebnahme und Instandhaltung (Phase 9)
427
Tabelle 5.10 Inhaltsverzeichnis eines Inbetriebnahmehandbuchs (Praxisbeispiel) 1 2 3 4 5 6 7 Beilagen Beilage 1 Beilage 2 Beilage 3 Beilage 4 Beilage 5 Beilage 6 Beilage 7 Beilage 8 Beilage 9 Beilage 10 Beilage 11 Beilage 12 Beilage 13 Beilage 14 Beilage 15
Gültigkeitsbereich, Zielstellung, Rechtsgrundlagen Kurzbeschreibung des Projektes, Abgrenzung von Baustelle und Betrieb Bergrechtliches Bestellwesen (Pflichtenübertragung) Alarmierung, Brand- und Explosionsschutz Erste-Hilfe-Einrichtungen, Ersthelfer-Register, Brandschutz Inbetriebnahmeordnung Inbetriebnahmeadministration Einweisung und Unterweisung Betriebsanweisungen Arbeitserlaubnissystem Gefährdungsbeurteilungen Inbetriebnahmeorganisation, Organigramme Schnittstellenregelungen zwischen Baustelle und Betrieb Zugangs- und Zufahrtsregelungen Alarm- und Brandschutzplan Formblätter zur Inbetriebnahme Abfallentsorgung Bestellung des Koordinators Allgemeine Sicherheitsbestimmungen für Auftragnehmer Unfallberichtswesen, Unfallmeldung Gesamtaufstellungsplan, Gefahrenzonenplan Unterschriftenregelungen
Im Weiteren wird vorausgesetzt, dass die Gesamtdokumentation in die Qualitätskontrollen während der Baustellenphase einbezogen war und zum Zeitpunkt MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG eine vor Ort nutzbare und auf das Qualitätsmerkmal „wie montiert“ vorgeprüfte Gesamtdokumentation vorliegt. Das Inbetriebnahmemanagement ist verantwortlich, dass Änderungen während der Inbetriebnahme erfasst und ggf. sofort in das Vor-Ort-Arbeitsexemplar eingepflegt werden. Die folgenden zwei Varianten werden dabei vorrangig praktiziert: (1) Jede Änderung wird entsprechend einer Projektrichtlinie „Change-Control“ beantragt, genehmigt und ausführungsgerecht dokumentiert. Bem.: Die einzelnen, bis zur Endabnahme der Anlage angefallenen Change-ControlVorgänge werden i.d.R. in die AS BUILT-Dokumentation bis zu ihrer Lieferung eingepflegt. Diese Prozedur ist aufwendig, aber sie minimiert Fehler und ist nachvollziehbar. Für Pharmaanlagen ist sie entsprechend den GMP(Good Manufacturing Practice)Grundsätzen zwingend.
(2) Die Änderungen werden vom verantwortlichen Inbetriebnahmeingenieur erfasst und vor Ort in die Master-Dokumente eingetragen. Bem.: In vielen Fällen sind die Master noch Papierdokumente und die Eintragungen erfolgen per Hand mittels Rotstift. Am Ende der Inbetriebnahme werden die Master kopiert und dienen als Grundlage für die Endrevision der AS BUILT-Dokumentation. Diese Prozedur ist weniger aufwendig, aber zugleich subjektiver geprägt und schlechter nachvollziehbar.
428
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Neben der Erfassung von Änderungen findet während der Inbetriebnahme aber auch eine Dokumentationsprüfung statt, indem ▪ die Dokumentation zunehmend genutzt wird und evtl. Mängel konkret sichtbar werden und ▪ in Vorbereitung der Endabnahme von Anlage und Dokumentation der Auftraggeber gezielt mit deren Prüfung beginnt. Erkannte Mängel sollten direkt während des gemeinsamen Arbeitsprozesses kommuniziert und vom Auftragnehmer behoben werden. Ist die Abstimmung auf der Arbeitsebene nicht möglich, wird das Prüfergebnis in Form einer Mangelmeldung (s. Abb. 4.7. in Abschn. 4.6.3 sowie Fallbeispiele in Abschn. 5.13 und 5.14) formal erfasst und verwaltet. Die während der Inbetriebnahme anfallenden Prüf- und Nachweisdokumente werden unter Verantwortung des Inbetriebnahmeleiters in die Prüfdokumentation und u.U. redundant in der Anlagendokumentation abgelegt (abgespeichert bzw. abgeheftet). Zum Zeitpunkt der werkvertraglichen Abnahme der Anlage ist die AS BUILTDokumentation fertigzustellen und an den Auftraggeber (Betriebsleiter) zu übergeben. Die Prozedur ihrer Fertigstellung und Lieferung ist im 4.6.4, ihrer Prüfung in Abschn. 4.6.5 und ihrer werkvertraglichen Abnahme in Abschn. 4.6.6 beschrieben. Die Grundlagen für die Instandhaltung sind in der Instandhaltungsdokumentation enthalten (s. Abschn. 3.7.3). Deren Erarbeitung sollte vorrangig der Anlagenbetreiber leiten und aktiv unterstützen; auch dann, wenn er laut Vertrag nicht für die Inbetriebnahme verantwortlich ist. Er hat auf diesem Fachgebiet i.Allg. mehr Erfahrung als der Auftragnehmer und muss die mittelfristigen Instandhaltungsziele im Fokus haben, wie z.B. ▪ Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit, ▪ Nutzung einer zustandsorientierten Instandhaltung bzw. von Anlagenstillständen, ▪ kostengünstige Ersatz-/Verschleißteilhaltung, ▪ effiziente Bewirtschaftung der Instandhaltungsmaßnahmen (Beauftragung Kostenzuordnung, Kostenanalyse, Inventarisierung u.a.), ▪ Maßnahmen der Anlagen- und Prozessanalyse/-optimierung. Neben den Instandhaltungsanweisungen werden für eine effiziente Inbetriebnahme besonders die Ersatz- und Verschleißteillisten sowie der Wartungs- und Inspektionsplan für die Gesamtanlage benötigt. Zweckmäßig und kostengünstig kann es sein, wenn für zuvor definierte Funktionseinheiten die Wartungs- und Inspektionsarbeiten zusammen mit den Überwachungsmaßnahmen (wiederkehrende Sicherheitsprüfungen) geplant werden. Ein Beispiel für eine kleinere Kesselanlage zeigt Abb. 5.8. Im Vertrag bzw. später während der Projektabwicklung sind dazu abzustimmen: a) Wer erarbeitet verantwortlich die vorgenannten Dokumentenarten für die Gesamtanlage und wie sind die Arbeiten im Einzelnen organisiert? Bem.: Da die Informationen i.d.R. mühsam aus den Betriebsanleitungen der Hersteller/Lieferanten zusammengestellt werden müssen, ist der Aufwand erheblich.
b) Wie sind die Beschaffung und das Controlling der Instandhaltungsarbeiten zu organisieren und zu dokumentieren? Bem.: Die Prozedur sowie die genutzte Software sollten von Anfang an so sein, wie sie später der Betreiber während des Dauerbetriebs verwendet.
Abb. 5.8 Datenblatt für die integrierte Überwachung und Instandhaltung einer Kesselanlage (Praxisbeispiel)
5.11 Pflege der Dokumentation bei Inbetriebnahme und Instandhaltung (Phase 9) 429
430
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
5.12 Risikobeurteilung und EU-Konformität während der Projektabwicklung 5.12.1 Vorbemerkungen und Begriffe In den Abschnitten 2.2.2 und 2.2.3 wurden die wesentlichen dokumentationsrelevanten Rechtsvorschriften der Europäischen Union (EU) für Produkte, im Sinne von Maschine bzw. unvollständige Maschine nach MRL [15], Druckgeräte und Baugruppen nach DGRL [16], Geräte und Schutzsystemen in explosionsgefährdeten Bereichen nach ATEX-Hersteller-RL [17], elektrische Betriebsmittel nach Niederspannungs-RL [18], Betriebsmittel (Gerät oder ortsfeste Anlage) nach EMV-RL [19], sowie für verfahrenstechnische Anlagen beschrieben und diskutiert. Dabei sind die Rechtsvorschriften für die angeführten Produkte sowie die notwendigen Maßnahmen, die vor deren in Verkehr bringen zu erledigen sind, sehr detailliert ausgestaltet. In Abschn. 5.12.2 wird darauf näher eingegangen. Im Unterschied zu den Produkten existieren für Anlagen und insbesondere für verfahrenstechnische Anlagen nur wenige Rechtsvorschriften über deren Inverkehrbringen. In Abschn. 5.12.3 sind die wenigen Aussagen des Gesetzgebers sowie die präziseren fachlichen Meinungen und Erfahrungen der Autoren dargelegt. Einleitend zu den weiteren Ausführungen sind in Tabelle 5.11 wichtige Begriffe angeführt und definiert. Tabelle 5.11 Zusammenstellung von Begriffen und Definitionen zur EU-Konformitätsbewertung für Produkte und verfahrenstechnische Anlagen
A) Begriffsdefinitionen für PRODUKTE Begriff Produkt
Definition jede bewegliche Sache, auch wenn sie einen Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bildet, sowie Elektrizität (nach ProdHaftG [20]) oder Waren, Stoffe oder Zubereitungen, die durch einen Fertigungsprozess hergestellt werden (nach ProdSG [21])
Risikobeurteilung Gesamtheit des Verfahrens, das eine Risikoanalyse und Risikobeurteilung bezogen auf dem Umgang mit dem Produkt umfasst. Sie dient zum Nachweis der Produktsicherheit [22] (s. auch Abschn. 3.6.3.3, b) sowie Abschn. 5.12.2) Konformitätsbewertung
das Verfahren zur Bewertung, ob die wesentlichen Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen dieser Richtlinie an ein Produkt erfüllt worden sind (nach ATEX-Hersteller-RL [17])
EU-Konformitäts- schriftliche Erklärung des Wirtschaftsakteurs, dass das angeführte Produkt den zutreffenden EU-Richtlinien und harmonisierten Normen entspricht erklärung Inverkehrbringen die entgeltliche oder unentgeltliche erstmalige Bereitstellung einer Maschine oder einer unvollständigen Maschine in der Gemeinschaft im Hinblick auf ihren Vertrieb oder ihre Benutzung (nach MRL [15]) oder die erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Unionsmarkt (nach [17])
5.12 Risikobeurteilung und EU-Konformität während der Projektabwicklung
431
Tab. 5.11 (Fortsetzung) Inbetriebnahme
erstmalige bestimmungsgemäße Verwendung einer von dieser Richtlinie erfassten Maschine in der Gemeinschaft (nach MRL [15]) oder erstmalige Verwendung eines Druckgeräts oder einer Baugruppe durch seinen oder ihren Nutzer (nach DGRL [16])
Wirtschaftakteure bezeichnet den Hersteller, den Bevollmächtigten, den Einführer/Importeur und den Händler (nach [16][17]) Hersteller
jede natürliche oder juristische Person, die ein Produkt herstellt bzw. entwickeln oder herstellen lässt und dieses Produkt unter ihrem eigenen Namen oder ihrer eigenen Handelsmarke vermarktet oder es für seine eigenen Zwecke verwendet (nach [17])
Bevollmächtigter
jede in der Union ansässige natürliche oder juristische Person, die von einem Hersteller schriftlich beauftragt wurde, in seinem Namen bestimmte Aufgaben wahrzunehmen (nach [16][17])
Einführer
jede in der Union ansässige natürliche oder juristische Person, die ein Produkt aus einem Drittstaat auf dem Unionsmarkt bringt (nach [17])
Händler
jede natürliche oder juristische Person in der Lieferkette, die ein Produkt auf dem Markt bereitstellt, mit Ausnahme des Herstellers oder des Einführers (nach [17])
CE-Kennzeichnung
Kennzeichnung, durch die der Hersteller erklärt, dass das Produkt den geltenden Anforderungen genügt, die in den Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union über ihre Anbringung festgelegt sind (nach [17])
B) Begriffsdefinitionen für VERFAHRENSTECHNISCHE ANLAGEN [13] Begriff
Definition
Anlage
Gesamtheit der zur Durchführung eines Verfahrens (Prozesses) notwendigen Ausrüstungen und Einrichtungen in ihrer funktionsbedingten Kopplung und räumlichen Anordnung
verfahrenstechnische Anlage
Anlage zur Durchführung von Stoffänderungen und Stoffumwandlungen mit Hilfe zweckgerichteter physikalischer und/oder chemischer und/oder biologischer und/oder nuklearer Wirkungsabläufe
Risikobeurteilung
Gesamtheit des Verfahrens, das eine Risikoanalyse mit Risikobewertung bezogen auf den Umgang mit der verfahrenstechnischen Anlage umfasst. Sie dient zum Nachweis der Anlagensicherheit (s. auch Abschn. 3.6.3.3, c) und Abschn. 5.12.3).
EU-Konformitäts- schriftliche Erklärung des Wirtschaftsakteurs, dass die angeführte Anlage den zutreffenden EU-Richtlinien entspricht erklärung Inverkehrbringen
erstmalige Bereitstellung einer neuen oder wesentlich veränderten Anlage nach der Mechanischen Fertigstellung für die Inbetriebnahme
Erstinbetriebnahme
Überführung der Anlage aus dem Ruhezustand nach Mechanischer Fertigstellung (Mechanical Completion) in den Dauerbetriebszustand nach werkvertraglicher Abnahme bzw. nach schriftlicher Bestätigung der erbrachten Vertragsleistung. Die Inbetriebnahme unterteilt sich in die Abschnitte: KaltInbetriebnahme, Heiß-Inbetriebnahme und Leistungsfahrt.
Wiederinbetriebnahme
Überführung der in Verkehr befindlichen Anlage aus dem Ruhezustand nach Abstellung (Stillstand) in den Dauerbetriebszus
432
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
5.12.2 Risikobeurteilung und EU-Konformität von Produkten In den einzelnen EU-Richtlinien für das jeweils angeführte Produkt wird von den handelnden Wirtschaftsakteuren (Hersteller, Bevollmächtigte, Einführer, Händler) gefordert, dass für das definierte Produkt vor dessen Inverkehrbringen eine EU-Konformitätsbewertung durchgeführt sowie im Erfolgsfall eine EU-Konformitätserklärung ausgestellt und am Produkt ein CEKennzeichen angebracht werden. Mit der EU-Konformitätserklärung und der CE-Kennzeichnung bestätigt der Wirtschaftsakteur, dass das von ihm in Verkehr gebrachte Produkt (Erzeugnis) den zutreffenden EU-Richtlinien sowie den mitgeltenden europäischen Normen entspricht (s. Inhaltsverzeichnis in Abschn. 2.2.2, Tab. 2.3, Tab. 2.7 und Tab. 2.11 sowie Beispiel in Abschn. 3.6.3.3, Abb. 3.17). Die Bestätigung bezieht sich insbesondere auf die Erfüllung der vorgegebenen wesentlichen Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen an das Produkt. Eine wichtige Maßnahme im EU-Konformitätsbewertungsverfahren ist die Durchführung einer Risikobeurteilung für das in Verkehr zu bringende Produkt (s. Definitionen in Tab. 5.1 sowie Abschn. 3.6.3.3, b)) und die nachvollziehbare, gerichtsfeste Dokumentation ihrer Ergebnisse (s. Abschn. 2.2.2, a) bis e)). a) Ablauf der Risikobeurteilung für Produkte Nachfolgend wird der Ablauf der Risikobeurteilung für Produkte am Beispiel einer Maschine beschrieben. Die Maschinenrichtlinie (MRL) [15] legt in Anhang I fest, dass für Maschinen und unvollständige Maschinen (s. Definitionen in Abschn. 2.2.2, a)) eine Risikobeurteilung durchzuführen sind. Die Ergebnisse müssen bei der Errichtung und beim Erarbeiten der Dokumentation (Betriebsanleitung und technische Unterlagen) berücksichtigt werden. Der grundsätzliche Ablauf einer Risikobeurteilung für eine Maschine (d. Verf.: im Wesentlichen auch zutreffend für andere technische Produkte) ist in Abb. 5.9 grafisch dargestellt. Die beiden genannten Normen DIN EN ISO 12100 [22] und DIN EN ISO 13849 [23] sind zur Maschinenrichtlinie harmonisiert. Die Angaben in Tabelle 5.12 untersetzen den Workflow in Abb. 5.9. Die Methodik der Risikobewertung ist weder in der Maschinenrichtlinie noch in der DIN EN ISO 12100 festgelegt. Der in Abb. 5.10 gezeigte Bewertungsablauf (sog. Risikograph) nach [23] ist eine Möglichkeit, Risiken zu bewerten. Wichtig ist, das Verfahren und die Ergebnisse der Risikobewertung sind nachvollziehbar zu dokumentieren. Zugleich muss zu Beginn der Risikobeurteilung eine Recherche der anwendbaren Normen erfolgen. Die dokumentierte Risikobeurteilung muss als Teil der Technischen Unterlagen nicht an den Betreiber übergeben werden. Dennoch fordern viele Anlagenbetreiber die Übergabe, um bei späteren Um- und Ausbauten handlungsfähig zu bleiben. Die Risikobeurteilung von Maschinen bzw. unvollständigen Maschinen nach MRL [15] ist zu einem Teil der Projektabwicklung geworden. Seit der Revision und Harmonisierung von EU-Richtlinien im Jahr 2016 (im Rahmen des sogenannten "New Legislative Framework") fordern neben der Maschinenrichtlinie auch weitere EU-Richtlinien [16][17][18][19] die Durchführung einer "geeigneten Risikoanalyse und Risikobewertung".
5.12 Risikobeurteilung und EU-Konformität während der Projektabwicklung
433
Die Begriffe "geeignete Risikoanalyse und -bewertung" sind in diesen EU-Richtlinien jedoch nicht eindeutig belegt (z.B. durch die Angabe der harmonisierten Normen). Im Zweifel wird empfohlen, für die Risikobewertung dieser Produkte die Vorgaben und Verfahren aus der Maschinenrichtlinie zu übernehmen.
Abb. 5.9 Ablaufschema der Risikobeurteilung für Maschinen [23] Tabelle 5.12 Ablauf einer Risikobeurteilung in acht Schritten (Praxisbeispiel) 1
Recherche maschinenbezogen: Lastenheft, Pflichtenheft, Dokumentation vergleichbarer Maschinen Normenrecherche erfahrungsbasiert: Unfall- oder Fehlfunktionsberichte sonstige relevante Informationen, z.B. berufsgenossenschaftliche Richtlinien und Regeln
434
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Tab. 5.12 (Fortsetzung) 2
Grenzen festlegen Anlagenbeschreibung: Merkmale, Leistung, Aufstellungsort, Umgebung, Schnittstellen Verwendungsgrenzen: Betriebsarten, Betrieb bei Störungen zugehörige Zeichnungen, z.B. Fließschemata Benutzer (Bediener/Operator, Wartungspersonal, Systembetreuer/-ingenieur) und weitere Personen (z.B. Besucher) räumliche Grenzen (bewegte Teile, Platzbedarf bei Einbringung, Betrieb und Instandhaltung) Festlegung der Lebensdauer sonstige Grenzen (Grad an Sauberkeit, Temperaturen, Medieneigenschaften)
3
Gefährdungen identifizieren Eine Möglichkeit, Gefährdungen systematisch zu identifizieren, ist die Abarbeitung der folgenden Gefährdungsgruppen aus [22][24]: Mechanische Gefährdungen Elektrische Gefährdungen Thermische Gefährdungen Lärmgefährdungen Schwingungsgefährdungen Strahlungsgefährdungen Material-/Substanzgefährdungen, z.B. Leckage Ergonomische Gefährdungen Fehlbedienungen Gefährdungen im Zusammenhang mit der Einsatzumgebung der Maschine Kombination von Gefährdungen Zu jeder Gruppe können Gefährdungssituationen/Szenarien (abgeleitet aus Ursache und Gefährdungsfolge) ermittelt und später bewertet werden. Möglicher Ursprung und mögliche Folgen sind in Tabelle B.1 in [22] aufgelistet
4
Risiko einschätzen (Risikoelemente nach [22])
Bem: Erläuterungen und Abkürzungen siehe Risikograph in Abb. 5.10 5
Risiko bewerten Die Risikobewertung erfolgt anhand des festgelegten Bewertungsgraphen oder -schlüssels in zwei Stufen: 1. Das Risiko wird ohne die getroffenen Schutzmaßnahmen bewertet. 2. Das Restrisiko wird später nochmals unter der Berücksichtigung der getroffenen Schutzmaßnahmen bewertet.
5.12 Risikobeurteilung und EU-Konformität während der Projektabwicklung
435
Tab. 5.12 (Fortsetzung) 6
Risiko minimieren Die Risikominimierung soll im sog. 3-Schritt-Verfahren erfolgen: 1. konstruktive Maßnahmen ermitteln und festlegen, 2. technische Schutzmaßnahmen ermitteln und festlegen, 3. das Restrisiko in der Betriebsanleitung aufführen, um dem Betreiber zu informieren.
7
Risikobeurteilung dokumentieren (parallel über alle Schritte) Die DIN EN ISO 12100 macht umfangreiche Vorgaben, wie die Risikobeurteilung dokumentiert werden muss. Neben dem gewählten Verfahren und dem Ergebnis ist die bloße Aussage, dass die Risiken hinreichend minimiert werden, auf keinen Fall ausreichend. Die Dokumentation umfasst unter anderem alle während der Risikobeurteilung ausgefüllten Formulare, d.h. alle Korrespondenz und alle Zwischenstände sind aufbewahrungspflichtig. Es muss also nicht nur der Endstand dokumentiert werden, sondern der Prozess als Ganzes. Eine reine Dokumentation der Ergebnisse der Risikobeurteilung ist nicht ausreichend.
8
Ergebnisse der Risikobeurteilung umsetzen Die aus der Risikobeurteilung abgeleiteten Maßnahmen der Risikominderung müssen vollständig umgesetzt werden. Dies betrifft nicht nur die Anlagendokumentation und die Betriebsanleitung, sondern auch die Information aller Projektbeteiligten. Ein Teil der Maßnahmen führt u.U. zu Änderungen in Planung und Ausführung der Anlage.
Die Identifizierung von Gefährdungen im Umgang mit der Maschine (Produkt) gemäß Ziff. 3 erfolgt i.d.R. anhand von sog. Gefährdungs-Checklisten aus der Literatur [24]. In der Anlagentechnik wird auch von der WHAT-IF-Methode gesprochen. Für alle identifizierten Gefährdungen ist die Risikobeurteilung durchzuführen und gegebenenfalls Maßnahmen zur Risikominderung zu ermitteln und festzulegen. Für die sicherheitsbezogenen Teile einer Steuerung (Hard- und Software) muss nach DIN EN ISO 13849 [23] (s. Abb. 5.9 unten) ein sog. Performence Level (PL r) ermittelt werden. Dazu wird der Risikograph in Abb. 5.10 genutzt. Der Performance Level (PLr) ist in die Stufen a bis e unterteilt und drückt die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls des sicherheitsbezogenen Teils pro Stunde aus. Er ist ein Zuverlässigkeitsparameter des sicherheitsrelevanten Bauteils einer Steuerung.
Für die relevanten Gefährdungen, deren Risiko durch eine Sicherheitsschaltung zu minimieren bzw. zu beseitigen sind, ist durch Anwendung von [23] (s. Abb. 5.10) das erforderliche Performence Level (Soll-Performance Level) der Sicherheitsschaltung sowie die Zuverlässigkeitsparameter aller eingesetzten Sicherheitsbauteile zu ermitteln. Bei der nachfolgenden Spezifizierung, Beschaffung und Montage aller sicherheitsgerichteten Bauteile ist dieses Soll-Performance Level mindestens zu realisieren. Im Prinzip ist die Bewertungsmethodik ähnlich, wie bei der SIL-Einstufung von PLTSicherungseinrichtungen inkl. Systemkomponenten in der Prozessindustrie nach IEC 61511 [34] (s. Abb. 5.12 in Abschn. 5.12.3, b)). Die Risikobeurteilung ist von einem interdisziplinären Team durchzuführen. Teamgröße und -zusammensetzung sind der Aufgabe entsprechend festzulegen. Bei einer komplexen Maschine oder einer Anlage sind folgende Teilnehmer zweckmäßig: Moderator und Dokumentator (Schriftführer online), Lead Ingenieur Verfahrenstechnik bzw. Verfahrensplaner, Lead Ingenieur MSR-Technik/Prozessleitsystem bzw. Fachplaner/Programmierer,
436
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Lead Ingenieur Elektrotechnik bzw. Elektrofachplaner, Betreiber bzw. Teilnehmer, der die Sichtweise des künftigen Betreibers vertritt, Lead Ingenieur Dokumentation.
Abb. 5.10 Ermittlung des Performance Levels (PLr) für sicherheitsbezogene Teile einer Steuerung nach [23]
b) Ergebnisse und Dokumentation der Risikobeurteilung Die Risikobeurteilung ist als Prozess zu begreifen und die Dokumentation begleitend durch den Moderator oder eine Fachkraft zusammenzustellen. Diese Aufgabe kann auch der Lead Ingenieur Dokumentation wahrnehmen. Die Ergebnisse der Risikobeurteilung sind nachweisbar zu dokumentieren (s. Tab. 5.13). Tabelle 5.13 Muster-Gliederung der Nachweisdokumentation einer Risikobeurteilung für eine Maschine bzw. maschinentechnische Anlage [24] Deckblatt 1
Zweck der Risikobeurteilung
2
Durchführung
3
Beschreibung der Maschine 3.1 Bestimmungsgemäße Verwendung 3.2 Aufstellungsplan 3.3 Maschinen/Anlagenkomponenten 3.4 Arbeitsablauf 3.5 Kenndaten
4
Identifizierung von Gefährdungen 4.1 Erläuterungen für den Gebrauch der Gefährdungs-Checkliste 4.2 Gefährdungs-Checkliste – Maschinen- bzw. anlagenspezifische Gefährdungen 4.3 Gefährdungsbeschreibung 4.4 Beurteilung der Brand- und Explosionsgefahr
5.12 Risikobeurteilung und EU-Konformität während der Projektabwicklung
437
Tab. 5.13 (Fortsetzung) 5
Sicherheits- und Bedienungskonzept 5.1 Erforderliche Schutzmaßnahmen (Übersicht) 5.2 Erläuterungen zur Erstellung der Maßnahmenblätter 5.3 Maßnahmenblätter – Maschinen- bzw. anlagenspezifische Risikoeinschätzung 5.4 Funktionsweise der gesicherten Anlage 5.5 Sicherheitsplan
6
EU-Konformitätserklärung
7
Normenliste 7.1 Europäische und internationale Normen (Kurztitel) 7.2 Nationale Regeln (Kurztitel)
Die zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen (Schutzvorkehrungen, Aktionspunkte) sind in Kapitel 5 der Nachweisdokumentation zusammengefasst sowie und in den Maßnahmeblättern (zugeordnet zu den einzelnen Gefährdungen in der Gefährdungs-Checkliste) nachvollziehbar dargelegt [24]. Abschließend zur Risikobeurteilung ist festzustellen: Ohne nachweisbare Risikobeurteilung darf für eine Maschine oder ein anderes Produkt, dass den harmonisierten EU-Richtlinien unterliegt (s. Abschn. 5.12.1), keine EU-Konformitätserklärung ausgestellt und kein CE-Kennzeichen angebracht werden. c) EU-Konformitätsbewertung, EU-Konformitätserklärung und CE-Kennzeichen Die nachfolgenden Ausführungen gelten sowohl für Maschinen (vollständige) als auch für andere konformitätspflichtige Produkte (z.B. Druckgeräte und ATEX-Geräte). Die Begriffe dieses Unterabschnitts sind in Abschn. 3.6.3.3, a) bzw. in Tab. 5.1, Abschn. 5.12.1 definiert. In der Fachliteratur [25] werden im Detail 10 Schritte zur Konformitätserklärung angegeben. Eine Zusammenfassung auf 6 Schritte zeigt Tabelle 5.14. Tabelle 5.14 Der Weg zur EU-Konformitätserklärung und CE-Kennzeichnung in 6 Schritten [26] 1
Richtlinie- und Normenrecherche zu ermitteln sind die geltenden EU-Richtlinien sowie die harmonisierten Normen
2
Ermitteln der spezifischen Bedingungen für das konkrete Produkt Definition des Produkts und seiner bestimmungsgemäßen Verwendung Anführen der vorgesehene Nutzer des Produkts Spezifikation der Anforderungen an das Produkt
3
Klären, ob „benannte Stelle“ im Konformitätsbewertungsverfahren nötig ist hierbei handelt es sich um Prüfdienst oder andere berechtigte Stellen (ZÜS) die Notwendigkeit ist in der EU-Richtlinie für das betreffende Produkt vorgegeben eine benannte Stelle ist i.d.R. bei hohen Risiken (z.B. Pharmaprodukte) verpflichtend
4
Durchführen des Konformitätsbewertungsverfahrens Durchführen und Dokumentation der Risikobeurteilung Überprüfen der Übereinstimmung mit den zutreffenden EU-Richtlinien und harmonisierten Normen
5
Technische Dokumentation erarbeiten Betriebsanleitung EU-Konformitätserklärung
438
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Tab. 5.14 (Fortsetzung) 5
Technische Dokumentation erarbeiten (Fortsetzung) Technische Unterlagen inkl. Risikobeurteilung Die ersten beiden Dokumente müssen zwingend mit dem Produkt ausgeliefert werden. Alle 3 Dokumentationsteile müssen auf Verlangen den Aufsichtsbehörden auf Anfrage vorgelegt und 10 Jahre aufbewahrt werden. Betriebsanleitung und EU-Konformitätserklärung sind gemäß der Rechtsvorschriften in andere Sprachen zu übersetzen.
6
EU-Konformitätserklärung ausstellen und CE-Kennzeichen am Produkt anbringen
Das Beispiel einer EU-Konformitätserklärung für eine Maschine ist in Abschn. 3.6.3.3, Abb. 3.17 angegeben. d) Einbauerklärung u.a. Unterlagen für UNVOLLSTÄNDIGE MASCHINEN Grundsätzlich gilt für unvollständige Maschinen gemäß der Begriffsdefinition in Artikel 2 der MRL [15] (s. Abschn. 2.2.2, a)): Für unvollständige Maschinen ist vom Hersteller nach Artikel 13 der MRL vor deren Inverkehrbringen nur eine Einbauerklärung gemäß Anhang II, Teil 1 Abschnitt B und keine Konformitätserklärung auszustellen und auszuliefern (s. Inhalt in Abschn. 2.2.2, Tab. 2.4). Mit der Einbauerklärung bestätigt der Hersteller der unvollständigen Maschine, dass das angeführte Produkt den zutreffenden EU-Richtlinien und harmonisierten Normen entspricht. In der Einbauerklärung muss der Hersteller darauf hinweisen: … dass die unvollständige Maschine erst dann in Betrieb genommen werden darf, wenn gegebenenfalls festgestellt wurde, dass die Maschine, in die die unvollständige Maschine eingebaut werden soll, den Bestimmungen dieser Richtlinie (d. Verf.: MRL) entspricht.
In Vorbereitung der Einbauerklärung ist für die unvollständige Maschine auch eine Risikobeurteilung durchzuführen. Die Ausführung unter Buchst. a) und b) dieses Abschnitts sind sinngemäß auf die unvollständige Maschine zu übertragen. Die Nachweisdokumentation der Risikobeurteilung ist Teil der technischen Dokumentation für die unvollständige Maschine und vom Hersteller 10 Jahre aufzubewahren. Sie wird i.d.R. nicht an den Besteller ausgeliefert. Für die unvollständige Maschine ist vom Hersteller eine Montageanleitung gemäß Artikel 13 und Anhang VI zu erarbeiten und auszuliefern; aber keine Betriebsanleitung. Dazu steht in Anhang VI (Montageanleitung für eine unvollständige Maschine): In der Montageanleitung für eine unvollständige Maschine ist anzugeben, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit die unvollständige Maschine ordnungsgemäß und ohne Beeinträchtigung der Sicherheit und Gesundheit von Personen mit den anderen Teilen zur vollständigen Maschine zusammengebaut werden kann. Bem.: Bei komplexen unvollständigen Maschinen (z.B. einer Teilanlage, die komplett verrohrt, aber ohne Steuerung in Verkehr gebracht wird) ist zu empfehlen, die Montageanleitung wie ein Betriebsanleitung zu betrachten, zu erstellen und aufzubewahren. Abschnitte mit Inhalten, die der Inverkehrbringer der unvollständigen Maschine nicht zu verantworten hat (z.B. Aussagen zur Steuerung) erhalten einen Querverweis auf die Betriebsanleitung der vollständigen Maschine.
5.12 Risikobeurteilung und EU-Konformität während der Projektabwicklung
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Derjenige Akteur (juristische Person), wie z.B. der Anlagenbetreiber, der verantwortlich die vollständige Maschine zusammenbaut/ montiert und in Verkehr bringt, Investor oder in dessen Auftrag der Generalunternehmer bzw. u.U. der die vollständige Maschine zusammenbaut und mit der Gesamtanlage in Verkehr bringt, müssen für die vollständige Maschine vor deren Inverkehrbringen: eine Risikobeurteilung durchführen, eine Betriebsanleitung erarbeiten, eine EU-Konformitätsbewertung durchführen und letztlich eine EU-Konformitätserklärung ausstellen. Bem.: Falls die unvollständige Maschine in die ganzheitliche Risikobeurteilung, Betriebsanleitung und Konformitätserklärung der Gesamtanlage integriert wird, kann u.U. die o.g. Einzelbetrachtung für die unvollständige Maschine entfallen (s. auch Abschn. 5.12.3).
Beispiel 5.1 Abgrenzung zwischen vollständiger und unvollständiger Maschine Eine unvollständige Maschine ist nach Artikel 2 der MRL durch folgende Merkmale charakterisiert: 1.) „eine Gesamtheit, die fast eine Maschine bildet, für sich genommen aber keine bestimmte Funktion erfüllen kann.“ 2.) „nur dazu bestimmt, ▪ in andere Maschinen oder ▪ in andere unvollständige Maschinen oder Ausrüstungen eingebaut oder mit ihnen zusammengefügt zu werden, um zusammen mit ihnen eine Maschine im Sinne dieser Richtlinie zu bilden. 3.) „Ein Antriebssystem stellt eine unvollständige Maschine dar.“
Das heißt, die unvollständige Maschine endet letztlich in einer vollständigen Maschine gemäß MRL und ein Antriebssystem allein ist keine vollständige Maschine. Typische Beispiele für unvollständige Maschinen sind der Motor ggf. mit Getriebe bzw. Frequenzumrichter einer Pumpe und der Motor ggf. mit Getriebe bzw. Frequenzumrichter eines Rührbehälters. Bestellt ein Betriebsingenieur beispielsweise einen Rührbehälter PN 16 ohne Antrieb und ohne Rührer, um ihn anschließend mit einem separat beschafften Rührer mit Antrieb zu komplettieren, so erhält er für den Rührbehälter vom Hersteller eine Betriebsanleitung und eine EU-Konformitätserklärung nach Druckgeräte-RL [16], für den Antrieb mit Rührer vom Hersteller eine Montageanleitung und Einbauerklärung nach MRL [15]. Er selbst muss nach Einbau (Montage) des Antriebs mit Rührer auf den Rührbehälter für das Gesamtaggregat (sprich: vollständige Maschine nach MRL) vor dessen Inverkehrbringen die o.g. Pflichten erledigen. Der 2. Praxisfall betrifft den Hersteller einer Zentrifuge mit Elektromotor die nach der Aufstellung noch vor Ort rohrleitungsseitig (inkl. Halterung, Hand- und Regelarmaturen) und
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
elektrisch (inkl. Kabel, Klemmkästen, Ein-Ausschalter, NOT-HALT- bzw. NOT-AUSSchalter, Reparaturschalter eingebunden und angeschlossen werden müssen. „Für sich genommen erfüllt die Zentrifuge somit keine bestimmte Funktion“ und wäre als unvollständige Maschine zu betrachten. Die Entscheidungsgrundlage für diesen Fall liefert der Artikel 2 (Begriffsbestimmungen) der MRL gemäß folgendem Wortlaut: Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „Maschine“ die in Artikel 1 Absatz 1 Buchstaben a bis f aufgelisteten Erzeugnisse. Ferner bezeichnet der Ausdruck a) „Maschine“ eine Gesamtheit im Sinne des ersten Gedankenstrichs (d. Verf.: ist Begriffsdefinition für Maschine, s. Abschn. 2.2.2, a)), der lediglich die Teile fehlen, die sie mit ihrem Einsatzort oder mit ihrem Energie- und Antriebsquellen verbinden; eine einbaufertige Gesamtheit im Sinne des ersten und zweiten Gedankenstrichs, die erst nach Anbringung auf einem Beförderungsmittel oder Installation in einem Gebäude oder Bauwerk funktionsfähig ist.
Die o.g. Vor-Ort-Anschluss- bzw. Einbindearbeiten (Rohrleitung, Elektrotechnik) sind unter die Formulierungen beider Gedankenstriche einzuordnen. Somit ist die geliefert Zentrifuge mit Motor eine vollständige Maschine und der Hersteller zur Erfüllung signifikanter Vorgaben nach MRL verpflichtet. Einen 3. Praxisfall, der sichtbar macht, dass auch aus mehreren „unvollständigen Maschinen“ eine „Gesamtheit von Maschinen“ nach MRL entstehen kann, demonstriert das Beispiel 5.4 in Abschn. 5.12.3, c). Das Beispiel 5.1 sowie andere praktische Erfahrungen belegen, dass die Abgrenzung zwischen einer vollständigen und unvollständigen Maschine mitunter schwierig ist. Zugleich sind die Hersteller bemüht, nach Möglichkeit eher eine Einbauerklärung als EU-Konformitätserklärung auszustellen. Das bedeutet für sie weniger Aufwand und Verantwortung. Um „Reibungsverluste“ im Beschaffungsprozess zu verringern, muss der Auftraggeber (Besteller) während der Angebots- und Vergabephase zusammen mit dem Auftragnehmer (Hersteller) klären, ob der Liefergegenstand eine vollständige oder unvollständige Maschine nach MRL ist. Das Ergebnis und der damit verbundene Leistungsumfang (inkl. Dokumentationsleistungen) des Herstellers sind in der kaufmännischen Bestellung exakt zu spezifizieren. e) Wesentliche Veränderungen an Maschinen und ihre Konsequenzen Sowohl in der Maschinenrichtlinie (MRL) [15] als auch im Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) [21] ist der Begriff „wesentliche Veränderung“ nicht erwähnt. Daraus kann gefolgert werden: Der Gesetzgeber geht davon aus, das eine gebrauchte aber wesentlich veränderte Maschine (Produkt) betreffs der EU-Rechtsvorschriften wie eine neue Maschine (Produkt) zu behandeln ist. Inverkehrbringer der „wesentlich veränderten Maschine“ ist diejenige Person, die für die Änderung verantwortlich war und die Freigabe zur Wiederinbetriebnahme der Maschine nach vollzogener Veränderung erteilt hat.
5.12 Risikobeurteilung und EU-Konformität während der Projektabwicklung
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Dass der Gesetzgeber dies so versteht und erwartet belegt der nachfolgende Auszug aus dem „Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG“ [27]. § 72 Neue und gebrauchte Maschinen Die Maschinenrichtlinie gilt auch für Maschinen, die auf gebrauchten Maschinen basieren, welche so wesentlich umgebaut oder wieder aufgebaut worden sind, dass sie als neue Maschinen angesehen werden können.
Noch präziser sind die Aussagen, die für Produkte allgemein gelten, im „Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“)“ [48] unter Abs. 2. (Wann gelten die EU-Harmonisierungsvorschriften für Produkte?). Ein Produkt, an dem nach seiner Inbetriebnahme erhebliche Veränderungen oder Überarbeitungen mit dem Ziel der Modifizierung seiner ursprünglichen Leistung, Verwendung oder Bauart vorgenommen worden sind, die sich wesentlich auf die Harmonisierungsvorschriften der Union auswirken, ist als neues Produkt anzusehen. Dies ist von Fall zu Fall und insbesondere vor dem Hintergrund des Ziels der Rechtsvorschriften und der Art der Produkte im Anwendungsbereich der betreffenden Rechtsvorschrift zu entscheiden. Wird ein umgebautes oder modifiziertes Produkt als neues Produkt eingestuft, so muss es bei der Bereitstellung bzw. Inbetriebnahme den Bestimmungen der anzuwendenden Rechtsvorschrift entsprechen. Dies ist anhand des entsprechenden Konformitätsbewertungsverfahrens, das in der betreffenden Rechtsvorschrift festgelegt ist, zu überprüfen. Ergibt die Risikobeurteilung, dass die Art der Gefahr sich geändert und das Risiko zugenommen hat, so muss das modifizierte Produkt wie ein neues Produkt angesehen werden; folglich muss überprüft werden, ob das modifizieret Produkt die geltenden Anforderungen einhält und muss derjenige, der die Veränderung vornimmt, dieselben Anforderungen erfüllen wie der eigentliche Hersteller, beispielsweise technische Unterlagen erarbeiten, die EU-Konformitätserklärung ausstellen und die CE-Kennzeichnung am Produkt anbringen.
Der zitierte Textauszug besagt für alle Produkte, die den Harmonisierungsvorschriften (Richtlinien) der EU unterliegen: Für ein gebrauchtes Produkt, welches „erheblich verändert oder überarbeitet“ wurde, sind vor dessen „Bereitstellung bzw. Inbetriebnahme“ die gleichen Maßnahmen (Risikobeurteilung, Betriebsanleitung, EU-Konformitätsbewertung, Dokumentation, EU-Konformitätserklärung, CE-Kennzeichnung) erforderlich, wie bei einem neuen derartigen Produkt. In Umsetzung beider Leitfäden sowie des nationalen Produktsicherheitsgesetzes [21] wurde als praktische Handlungsanleitung für die BRD ein „Interpretationspapier zum Thema – Wesentliche Veränderung von Maschinen“ [28] erarbeitet. Im Einzelnen sind (unter Bezug auf die zuvor zitierten EU-Leitfäden) folgende Aussagen gemacht: Jede Veränderung, wie z.B. Leistungserhöhung, Funktionsänderungen, Änderung der bestimmungsgemäßen Verwendung (Änderung der Hilfs-, Betriebsund Einsatzstoffe, Umbau oder Änderungen der Sicherheitstechnik), an einer Maschine, unabhängig ob gebraucht oder neu, ist zunächst im Hinblick auf ihre sicherheitsrelevanten Auswirkungen zu untersuchen. In jedem Einzelfall ist zu ermitteln, ob sich durch die Veränderung der (gebrauchten) Maschine neue Gefährdungen ergeben haben oder sich ein bereits vorhandenes Risiko
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
erhöht hat. Dies erfolgt durch eine Risikobeurteilung für die veränderte Maschine entsprechend dem Ablaufplan in Abbildung 5.11.
Abb. 5.11 Entscheidungshilfe – Wesentliche Veränderung von Maschinen gemäß dem Interpretationspapier in [28]
Nach Durchlaufen des Workflow in Abb. 5.11 können sich folgende Sachverhalte und Konsequenzen ergeben: 1. Fall: Es liegt keine neue Gefährdung bzw. keine Erhöhung des vorhandenen Risikos vor. Die Maschine ist somit nach der Veränderung ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen sicher. → Es liegt keine wesentliche Veränderung vor. 2. Fall: Es liegt eine neue Gefährdung vor, die zu einer Erhöhung des vorhandenen Risikos führt. Die vorhandenen Schutzmaßnahmen der Maschine vor der Veränderung sind aber weiterhin ausreichend. → Es liegt keine wesentliche Veränderung vor.
5.12 Risikobeurteilung und EU-Konformität während der Projektabwicklung
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3. Fall: Es liegt eine neue Gefährdung vor, die zu einem neuen Risiko führt. Die vorhandenen Schutzmaßnahmen der Maschine vor der Veränderung sind aber weiterhin ausreichend. → Es liegt keine wesentliche Veränderung vor. 4. Fall: Es liegt eine neue Gefährdung vor, die zu einem neuen Risiko oder zur Erhöhung des vorhandenen Risikos führt. Das neue bzw. erhöhte Risiko kann mit einfachen Schutzeinrichtungen eliminiert bzw. ausreichend minimiert werden. → Es liegt keine wesentliche Veränderung vor. 5. Fall: Es liegt eine neue Gefährdung vor, die zu einem neuen Risiko oder zur Erhöhung des vorhandenen Risikos führt. Das neue bzw. erhöhte Risiko kann nicht mit einfachen Schutzeinrichtungen eliminiert bzw. ausreichend minimiert werden. → Es liegt eine wesentliche Veränderung vor. Somit ist nur im 5. Fall eine wesentliche Veränderung der Maschine, die zur erneuten umfassenden Anwendung aller zutreffenden EU-Rechtsvorschriften führt, gegeben. Der Begriff „einfache Schutzeinrichtung“ wird wie folgt charakterisiert: Unter einer einfachen Schutzeinrichtung im vorgenannten Sinne kann z.B. eine feststehende trennende Schutzeinrichtung verstanden werden. Als einfache Schutzeinrichtung gelten auch bewegliche trennende Schutzeinrichtungen und nicht trennende Schutzeinrichtungen, die nicht erheblich in die bestehende sicherheitstechnische Steuerung der Maschine eingreifen. Das bedeutet, dass durch diese Schutzeinrichtung lediglich Signale verknüpft werden, auf dessen Verarbeitung die vorhandene Sicherheitssteuerung bereits ausgelegt ist oder dass unabhängig von der Sicherheitssteuerung ausschließlich das sichere Stillsetzen der gefahrbringenden Maschinenfunktion bewirkt wird.
Ferner ist im Interpretationspapier klargestellt: Der Austausch von Bauteilen der Maschine durch identische Bauteile oder Bauteile mit identischer Funktion und identischem Sicherheitsniveau sowie der Einbau von Schutzeinrichtungen. die zu einer Erhöhung des Sicherheitsniveaus der Maschine führen und die darüber hinaus keine zusätzlichen Funktionen ermöglichen, werden nicht als wesentliche Veränderung angesehen.
Unabhängig von den vorgenannten Ausführungen und dem Workflow in Abb. 5.11 kann sich aber aus anderen Rechtsvorschriften für den Arbeitgeber, der die Maschine seinen Beschäftigten als Arbeitsmittel zur Verfügung stellt, die Pflicht zur Festlegung zusätzlicher Schutzmaßnahmen ergeben. Grundsätzlich muss bei allen Änderungen an Maschinen (nicht nur bei wesentlichen Veränderungen) eine neue bzw. aktuelle Gefährdungsbeurteilung erarbeitet werden. Daraus können neue technische Maßnahmen (Vorkehrungen) aber auch organisatorische Maßnahmen (z.B. Anpassung der Betriebsanweisung) notwendig werden. Die wesentlich veränderte Maschine wird wie eine neue Maschine behandelt. Die Person, die für die wesentliche Veränderung verantwortlich ist, wird dadurch zum Hersteller.
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Diese Person (z.B. Betriebsleiter oder Betriebsingenieur) führt für die wesentlich veränderte Maschine verantwortlich das EU-Konformitätsbewertungsverfahren durch, erstellt die vorgeschriebenen technischen Unterlagen, überarbeitet die Betriebsanleitung und stellt diese zur Verfügung, versieht ggf. die veränderte Maschine mit Warnhinweisen, stellt eine EU-Konformitätserklärung aus und bringt an die wesentlich veränderte Maschine das CE-Kennzeichen an. Die Autoren halten die zuvor für Maschinen beschriebene Verfahrensweise nach [28] prinzipiell auch bei wesentlichen Veränderungen an andern Produkten, z.B. an Druckgeräten nach [16] oder an größeren elektrischen Geräten nach [17][18], für geeignet und sinngemäß anwendbar. f) Zusammenwirken mehrere EU-Richtlinien In der Praxis weist ein komplexes Produkt mitunter die Wesensmerkmale mehrerer unterschiedlicher Produkte auf, sodass mehrere EU-Richtlinien anzuwenden sind. Zum Beispiel gilt für eine funktionstüchtige Kreiselpumpe mit Elektromotor, die ein fluides Medium von ca. 6 barü auf ca. 16 barü fördert und im Ex-Bereich steht: die Pumpe als Ganzes ist eine Maschine und unterliegt der MRL [15] sowie auf Grund der Explosionsgefährdung der ATEX-Hersteller-RL [17], das Pumpengehäuse unterliegt der Druckgeräte-RL [16], der Elektromotor unterliegt der Niederspannungs-RL [18] und EMV-RL [19]. Auf welcher rechtlichen Basis muss in diesem Fall die EU-Konformität betrachtet und erklärt werden? Die Antwort auf diese Frage steht in der MRL [15] in Artikel 3 (Spezielle Richtlinien): Werden die in Anhang I (d. Verf.: Grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen für Konstruktion und Bau von Maschinen) genannten, von einer Maschine ausgehenden Gefährdungen ganz oder teilweise von anderen Gemeinschaftsrichtlinien genauer erfasst, so gilt diese Richtlinie (d. Verf.: die MRL) für diese Maschine nicht und diese Gefährdungen nicht bzw. ab dem Beginn der Anwendung dieser anderen Richtlinien nicht mehr.
In der Druckgeräte-RL [16] steht (analog wie in anderen harmonisierten EU-Richtlinien [17][18][19]) in Artikel 17 (EU-Konformitätserklärung), Absatz (1): (1) Unterliegen Druckgeräte oder Baugruppen mehreren Rechtsvorschriften der europäischen Union, in denen jeweils eine EU-Konformitätserklärung vorgeschrieben ist, wird nur eine einzige EU-Konformitätserklärung für sämtliche EU-Rechtsvorschriften ausgestellt. In dieser Erklärung sind die betroffenen Rechtsvorschriften der Union samt ihrer Fundstelle im Amtsblatt anzugeben.
Für die Umsetzung der Vorgaben in der Praxis werden folgende Empfehlungen gegeben: 1) Die Klärung, welche EU-Richtlinie angewandt wird, sollte zu Beginn der Risikobeurteilung erfolgen und dokumentiert werden. 2) Die Entscheidung ist abhängig von der Art und dem Umfang der Gefährdungen, die im Umgang mit dem Produkt gegeben sind, zu treffen. Sind die maschinentechnischen Gefährdungen (s. Tab. 5.12) dominant, wird die MRL genutzt; sind die Ex-Gefährdungen besonders gravierend wird die ATEXHersteller-RL angewandt usw.
5.12 Risikobeurteilung und EU-Konformität während der Projektabwicklung
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3) Die Festlegung auf eine EU-Richtlinie entbindet den verantwortlichen Inverkehrbringer nicht davon, im EU-Konformitätsverfahren, in der Betriebsanleitung und in der technischen Dokumentation die Vorgaben anderer zutreffender EU-Richtlinien und Normen einzuhalten. 4) In der EU-Konformitätserklärung sind die mitgeltenden EU-Richtlinien und angewandten harmonisierten Normen anzuführen. Im eingangs angeführten Beispiel einer funktionstüchtigen Kreiselpumpe mit Elektromotor wurde nach Analyse und Wichtung aller Gefährdungen die MRL [15] als Basis für das EU-Konformitätsbewertungsverfahren genutzt und eine EU-Konformitätserklärung gemäß MRL ausgestellt (s. auch Beispiel in Abb. 3.17, Abschn. 3.6.3.3, a)).
5.12.3 Risikobeurteilung und EU-Konformität von Anlagen Ergänzend zu den Ausführungen in Abschn. 3.6.3.3 c) wird nachfolgend die Vorgehensweis bei der Risikobeurteilung beschrieben (s. auch Definitionen im Glossar). a) Situationsanalyse und Zielstellung Zur Konformitätsbewertung inkl. Risikobeurteilung und Konformitätserklärung für Anlagen gibt es keine speziellen EU-Richtlinien. Das bedeutet, diese Thematik ist in der Europäischen Union nicht bzw. nicht eindeutig geregelt. Da einerseits in der Praxis Klärungsbedarf besteht und andererseits die Maschinenrichtlinie [15] im Sonderfall eine Gesamtheit von Maschinen mit erfasst (s. Buchst. c) dieses Abschnitts) wird auf diesem Weg versucht, eine Entscheidung herbeizuführen. Wichtige Begriffe dazu sind in Tab. 5.11, Abschn. 5.12.1 aufgeführt. Bevor darauf näher eingegangen wird, seien folgende zwei Prämissen vorangestellt: 1.) Für jede verfahrenstechnische Anlage sind vor dem Inverkehrbringen (Beginn Inbetriebnahme) eine aktuelle Risikobeurteilung und Betriebsanleitung zu erarbeiten. Verantwortlich dafür ist der Inverkehrbringer der Anlage. Diese Notwendigkeit ergibt sich in jedem Fall aus der Sorgfaltspflicht der verantwortlichen Person (z.B. Oberbauleiter bzw. Baustellenleiter), die die Anlage in Verkehr bringt. Die Gefährdungen bei einer Anlage sind a priori höher sind als bei einem Produkt. Oder anders formuliert: Vor dem Inverkehrbringen der Anlage muss deren Anlagensicherheit nachgewiesen werden. Die Risikobeurteilung dient (analog wie beim Nachweis der Produktsicherheit) diesem Ziel. Der Anlagennutzer braucht eine Betriebsanleitung, damit im Umgang mit der Anlage kein Schaden entsteht. Was für den Umgang mit einem Produkt gilt, gilt erst recht auch für die komplexe und risikobehaftete Anlage. 2.) Eine EU-Konformitätserklärung für die Gesamtanlage ist nicht immer, sondern nur nach vorheriger Einzelfallentscheidung gemäß Buchst. c) auszustellen. Ein Anlagenbauer (Errichter), der vor Inbetriebnahme eine Risikobeurteilung durchgeführt sowie die geltenden EU-Rechtsvorschriften und harmonisierten Normen eingehalten hat, kann an sich ohne Bedenken eine EU-Konformitätserklärung für die verfahrenstechnische Gesamtanlage ausstellen. Der Gesetzgeber lässt dies zu. Er erklärt mit einem Dokument ohne großen Aufwand die EU-Konformität für die Gesamtanlage und geht allen Diskussionen zur Frage: Wann muss für die verfahrenstechnische Anlage die EU-Konformität erklärt werden? aus dem Weg. Deshalb sollte für den Anlagenbauer grundsätzlich gelten:
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Möchte der Auftraggeber für die verfahrenstechnische Gesamtanlage eine EU-Konformitätserklärung, bekommt er diese. Aus Sicht des Anlagenbetreibers ist die EU-Konformitätserklärung für die Gesamtanlage problematisch. Er muss später bei wesentlichen Veränderungen an der Anlage immer für die Gesamtanlage die EU-Konformitätserklärung fortschreiben, d.h. für die Gesamtanlage eine aktuelle Risikobeurteilung durchführen sowie die Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften neu prüfen und bestätigen. Das ist aufwendig und kostenintensiv. Deshalb sollte für den Anlagenbetreiber grundsätzlich gelten: Der Anlagenumfang für die EU-Konformitätserklärung ist, so weit wie dies der Gesetzgeber zulässt, zu begrenzen. Wie diese Entscheidung herbeigeführt werden kann, wird unter Buchst. c) erläutert. b) Ablauf der Risikobeurteilung für verfahrenstechnische Anlagen Für die Risikobeurteilung in der Produkt- und Anlagenwirtschaft werden sowohl vorwärts gerichtete, induktive Methoden wie z.B. HAZOP-Methode (Hazard and Operation Study) bzw. PAAG (Prognose, Auffinden, Abschätzen, Gegenmaßnahmen) [3], WHAT-IF-Methode, FMEA-Methode (Failure Mode and Effect Analysis) [29][30], Ereignisablaufanalyse (ETA – Event Tree Analysis) [31], als auch rückwärts gerichtete, deduktive Methoden, wie z.B. Fehlerbaumanalyse (FTA – Fault Tree Analysis) [32] genutzt. Für Maschinen sind in Abschn. 5.12.2, a) und b) Aussagen gemacht. Risikobeurteilung mittels HAZOP-Methode (Hazard and Operability Study) Die HAZOP-Methode (dt.: PAAG – Prognose, Auffinden, Abschätzung, Gegenmaßnahme) ist eine formalisierte Methode, die die Anlage in Teilanlagen (sog. Nodes) strukturiert, Gefährdungen auf Basis von definierten Leitworten (Szenarien) generiert, für jede Teilanlage systematisch anhand der leitwort-basierten Gefährdungen deren Auswirkungen und Wahrscheinlichkeiten unter Beachtung der vorhandenen Sicherheitsmaßnahmen analysiert und bewertet, bei Bedarf zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen erarbeitet, um das Restrisiko auszuschließen bzw. auf ein vertretbar geringes Maß zu minimieren. Nachfolgend werden die Einzelschritte in Vorbereitung und Durchführung einer Risikobeurteilung (Risk Assessment) näher beschrieben. 1) Erarbeiten eines Auftrags (Charter) zur Durchführung der Risikobeurteilung und dessen Genehmigung seitens der zuständigen/verantwortlichen Personen. Im Auftrag sind u.a. eindeutig zu formulieren: ▪ Welcher Anlagenumfang ist Gegenstand der Risikobeurteilung? ▪ Welche Dokumente sind für die Risikobeurteilung zu nutzen? Im Auftrag ist exakt abzugrenzen: ▪ Welche Szenarien/Zustände und mögliche Gefährdungen sind in die Risikobeurteilung einzubeziehen (s. Tab. 5.15)?
5.12 Risikobeurteilung und EU-Konformität während der Projektabwicklung
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▪ Welche Szenarien/Zustände und mögliche Gefährdungen sind nicht in die Risikobeurteilung einzubeziehen (s. Tab. 5.15)? Die Antworten auf die Fragen in Tabelle 5.15 beeinflussen wesentlich den Zeitund Kostenaufwand für die Risikobeurteilung, aber auch das Risiko, signifikante Gefährdungen bei der Risikobeurteilung nicht zu betrachten. Im Auftrag sind die Teilnehmer an der Risikobeurteilung festzulegen. Tabelle 5.15 Vereinbarungen und/oder Abgrenzungen in Vorbereitung der Risikobeurteilung verfahrenstechnischer Anlagen Sind Zustände und mögliche Gefährdungen während der Bau- und Montagephase zu berücksichtigen? Sind Zustände und mögliche Gefährdungen während der Inbetriebnahme und Außerbetriebnahme einzubeziehen? Sind Gefährdungen bei Instandsetzungsarbeiten zu berücksichtigen? Sind Einwirkungen und mögliche Gefährdungen von außen zu beachten? Sind Fehler des Bedien- und Servicepersonals einzubeziehen? Sind Naturkatastrophen (Sturm, Gewitter, Blitzschlag, Hagel, Starkregen, Hochwasser, Waldbrand, Erdbeben) zu beachten und wenn ja, welche? Sind mögliche Sabotageakte und/oder Cyber-Angriffe einzubeziehen? Wird nur eine Gefährdung betrachtet oder auch das zeitgleiche Aufeinandertreffen von zwei bzw. mehreren unabhängigen Gefährdungen? Sind Änderungen (Technik, Rechtsvorschriften, Organisation u.ä.), die während der Nutzungsdauer der Anlage absehbar sind, mit eingeschlossen?
2) Einführen der Teammitglieder in den Auftrag und die geltenden Abgrenzungen, um ein gemeinsames Verständnis sicherzustellen. 3) Studium der R&I-Fließschemata, der Ursache-Wirkung-Listen, Gefahrenzonenpläne u.a. Basisdokumente; i. Allg. in Vorbereitung der Teamsitzung. 4) Identifizieren, Definieren und farbliche Markierung der Teilanlagen (sog. Node) auf den R&I-Fließschemata, ggf. in Vorbereitung der Teamsitzung. Die „Kunst“ besteht darin, den richtigen Anlagenumfang für die einzelnen Teilanlagen zu wählen. Ist der Umfang zu gering (z.B. einzelner Apparat oder einzelne Rohrleitung) sind die leitwortbasierten Szenarien häufig nicht zutreffend. Ist der Umfang zu groß (z.B. ganze Package-Unit), ist es schwer den Überblick zu bewahren und die Ergebnisse verständlich in der HAZOP-Tabelle darzustellen. In die R&I-Fließschemata sind die Nennbedingungen (Sollzustand) für Druck, Temperatur, Fluss, Stand usw. einzutragen. 5) Durchführen der Risikoanalyse mit Hilfe der HAZOP-Methode in folgenden Einzelschritten: 1. Schritt: Erarbeiten einer sog. HAZOP-Leitwort-Tabelle mit der Kopfzeile gemäß Tabelle 5.16 für jede Node. 2. Schritt: Für jedes Leitwort gemäß Tabelle 5.17 sind die folgenden Fragen zu beantworten und in der HAZOP-Leitwort-Tabelle zu dokumentieren.
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Tabelle 5.16 Kopfzeile einer HAZOP-Leitwort-Tabelle Lfd. HAZOPNr. Leitwort
Mögliche Ursache
Abweichung erkennbar durch
Auswirkung (ohne Si-Einrichtungen)
Risikobewertung Konsequenz
Eintrittswahrscheinlichkeit
Vorhandene Sicherheitseinrichtungen
Aktion/Empfehlung
Kommentar
Risikokategorie
2. Schritt: (Fortsetzung) Zum Beispiel für das Leitwort „Mehr Fluss“: a) Ist eine Ursache für „Mehr Fluss – als normal“ möglich? b) Wie ist die ursächlich bedingte Abweichung erkennbar? c) Wie ist die Eintrittswahrscheinlichkeit für das Eintreten der Abweichung? d) Welche Auswirkungen/Konsequenzen können sich für die definierten Schutzziele, ohne Berücksichtigung der vorhandenen Sicherheitseinrichtungen/-maßnahmen, ergeben? e) Welche Sicherheitseinrichtungen/-maßnahmen sind vorhanden und welche Auswirkungen ergeben sich unter Beachtung dieser vorhandenen Einrichtungen/Maßnahmen? Tabelle 5.17 Typische Leitworte der HAZOP-Methode 1 2 3 4 5 6
Fluss (Mehr Fluss / Weniger Fluss / Rückfluss) Druck (Höherer Druck / Niedrigerer Druck / Vakuum) Temperatur (Höhere Temperatur / Niedrigere Temperatur) Stand (Hochstand / Tiefstand) Zusammensetzung (Veränderte Zusammensetzung / Anderes Produkt) Sonstiges (Korrosion, Leckage, Brand, Explosion, Bedienfehler, Gewicht, Schwingungen, Stöße usw.)
3. Schritt: Bewerten der Eintrittswahrscheinlichkeit (des Szenario) und der Auswirkungen (mit Sicherheitsmaßnahmen und für jedes Schutzziel) gemäß firmenspezifischer Bewertungskriterien und Ermitteln der Risikokategorie. Die Ergebnisse werden in eine sog. Risikomatrix eingetragen. 4. Schritt: Entscheidung, ob die für jedes Leitwort-Szenario ermittelten Risikokategorien vertretbar sind. Wenn nein, sind zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen zu erarbeiten und in einer erneuten Risikobeurteilung der Erfolg nachzuweisen. 5. Schritt: Zusammenstellung der Ergebnisse in einem Ergebnisbericht zur Risikobeurteilung, die eine Aktionspunkliste und Empfehlungen mit den zusätzlich abgeleiteten Sicherheitsmaßnahmen enthält. Die Inbetriebnahmezustände sind bei der Beurteilung der Gefährdungen, die sich aus den Leitworten ableiten, zu berücksichtigen. Im Leitwort „Sonstiges“ sollten weitere Szenarien und Gefährdungen betrachtet werden, die sich einerseits nicht aus den Leitworten ableiten und sich andererseits nur auf die betreffende Node beziehen, z.B. Produktaustritt durch Korrosion, Leckage mit Brand).
5.12 Risikobeurteilung und EU-Konformität während der Projektabwicklung
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Der Vorteil der HAZOP-Methode ist, dass durch die formale leitwortbasierte Vorgehensweise auch Gefährdungen und Risiken gefunden werden, die der Fachmann a priori für nichtmöglich gehalten hätte. Der Nachteil der HAZOP-Methode ist, dass man u.U. zu sehr auf die Leitworte fixiert bleibt und andere Gefährdungen übersieht. Das Leitwort „Sonstiges“ hat deshalb große Bedeutung. Risikobeurteilung mittels WHAT-IF-Methode Bei der WHAT-IF-Methode werden die Szenarien und Gefährdungen nicht über Leitworte sondern als Fragestellungen: „Was ist, wenn…?“ generiert. Die Fragen werden meistens als Checklisten vorbereitet, können aber auch als Brainstorming während der Teamsitzung erdacht werden. Ansonsten ist die Vorgehensweise die gleiche wie bei der HAZOP-Methode. Die WHAT-IF-Tabelle ist genauso aufgebaut. Mit der WHAT-IF-Methode lassen sich sehr flexibel die unterschiedlichsten Szenarien analysieren. Sie wird aus diesem Grund gern zur Beurteilung übergreifender Gefährdungen genutzt (s. Tab. 5.18). Tabelle 5.18 Mögliche übergreifende Gefährdungen für die Gesamtanlage 1. 2. 3. 4. 5.
Anlagenintegrität Extreme Witterungseinflüsse Infrastruktur der Umgebung Security Human Factors
6. 7. 8. 9. 10.
Arbeitssicherheit/Gesundheitsgefährdungen Emissionen Feuer / Explosion Gefährdung durch Medien Organisationsverschulden
Ergebnisbericht von der Risikobeurteilung Die Gliederung eines Ergebnisberichts über die Risikobeurteilung aus der Ölindustrie, bei der sowohl die HAZOP-Methode als auch die WHAT-IF-Methode (wie zuvor beschrieben) angewandt wurde, ist in Tab. 3.26, Abschn. 3.6.3.3, c) angegeben. SIL-Einstufung der PLT-Schutzeinrichtungen (inkl. Systemkomponenten) Während der PLT-Entwurfs- und Ausführungsplanung werden die einzelnen PLTStellen auf den R&I-Fließschemata in vier Klassen eingeteilt. PLT-Betriebseinrichtungen sind PLT-Einrichtungen, die den bestimmungsgemäßen Betrieb einer Anlage in ihrem Gutbereich dienen. Mit ihnen werden die Automatisierungsfunktionen Messen, Steuern, Regeln, Melden, Registrieren u.a. realisiert. PLT-Überwachungseinrichtungen sind PLT-Einrichtungen, die an der Grenze zwischen Gutbereich und zulässigen Fehlbereich ansprechen und das Bedienpersonal durch eine Meldung (Alarmierung) informieren und ggf. zu einem Eingreifen veranlassen. PLT-Schutzeinrichtungen sind PLT-Einrichtungen, die das Erreichen eines unzulässigen Fehlbereiches durch einen selbsttätigen Eingriff (Verriegelung) in den Prozess verhindern. PLT-Schadensbegrenzungseinrichtungen sind PLT-Einrichtungen, die im Fall des Eintritts eines unerwünschten Ereignisses die möglichen Auswirkungen dieses Ereignisses begrenzen.
Die PLT-Schutzeinrichtungen sind die sog. „Z-Stellen“, die fallbezogen die sicherheitsrelevante Schaltfunktion auslösen, um mögliche Schäden zu vermeiden.
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Durchschnittlich sind in klassischen verfahrenstechnischen Anlagen ca. 6 – 10 Prozent der PLT-Stellen sicherheitsrelevante Z-Stellen. Während der Risikobeurteilung werden die sicherheitsrelevanten PLT-Stellen nochmals eingehend überprüft. In der Regel werden die bisherigen PLT-Darstellungen auf den R&Is (inkl. ihrer Klassifizierung) bestätigt, zum Teil geändert bzw. um weitere ergänzt. Daran anschließend müssen die sicherheitsrelevanten PLT-Stellen, insbesondere die PLT-Schutzeinrichtungen, nach Zuverlässigkeits-/Qualitätsanforderungen gemäß den internationalen Normen [33][34] eingestuft werden. Die IEC 61508 [33] ist eine Grundnorm für die Beurteilung der funktionalen Sicherheit (safety functions) und betrachtet Risiken, die durch den Ausfall der Sicherheitsfunktionen der Geräte verursacht werden. Sie gilt als Basis für Spezifikationen, Entwurf und Betrieb von sicherheitstechnischen Systemen (Safety Instrumented Systems – SIS). Abgeleitet davon, dient die IEC 61511 [34] als Fachnorm zur Umsetzung der zuvor angeführten Grundnorm IEC 61508. Die IEC 61511 ist speziell für die Prozessindustrie und somit auch für verfahrenstechnische Anlagen gültig. Sie dient insbesondere als Grundlage für die SIL-Einstufung von Anlagen-Systemen. In jedem Fall ist die SIL-Einstufung für das gesamte sicherheitstechnische System (SIS) vorzunehmen. Dieses sicherheitstechnische System entspricht der gesamten Sicherheitskette; vom Sensor, über Wandler, Signalübertragung, diverse Verarbeitungsmodule u.a. Bauelemente bis zum Aktor. Die Fehlersicherheit dieses SIS muss entsprechend den möglichen Folgen bei dessen Versagen ermittelt und geplant werden. Zu diesem Zweck definieren die angeführten Normen vier Sicherheitsstufen SIL 1 bis SIL 4 (Safety Integrity Level), die in [34] für die Prozessindustrie gemäß Tabelle 5.19 beschrieben sind. Tabelle 5.19 Ausfallgrenzwerte für eine Sicherheitsfunktion bei Anforderung (Low Demand) für die Prozessindustrie 1) 2)
SIL SIL 1 SIL 2
PFD -1 ≥ 10 bis < 10 -3 -2 ≥ 10 bis < 10
SIL 3 SIL 4
≥ 10 bis < 10 -5 -4 ≥ 10 bis < 10
1)
-2
-4
Maximal akzeptierter Ausfall des SIS ein gefährlicher Ausfall in 10 Jahren ein gefährlicher Ausfall in 100 Jahren
-3
Anforderung des SIS maximal einmal pro Jahr
ein gefährlicher Ausfall in 1000 Jahren ein gefährlicher Ausfall in 10000 Jahren 2)
Probability of Failure on Demand
Welche Sicherheitsstufe (SIL) im konkreten Fall notwendig ist, lässt sich mit Hilfe eines sog. Risikograph ermitteln [34]. Aus Abbildung 5.12 ist das Vorgehen ersichtlich. Außer der qualitativen Methode ist auch eine SIL-Berechnung ausgehend von vorgegebenen maximal zulässigen Ausfällen des SIS möglich. Manche Engineeringunternehmen verbinden die Risikobeurteilung und SIL-Einstufung, indem sie einzelnen Feldern der Risikomatrix gemäß HAZOP-Methode bestimmte SIL-Stufen zuordnen. Die ermittelte SIL-Stufe gilt für das gesamte SIS (Safety Instrumented System). Das heißt, die Summe der SIL aller Komponenten des SIS darf nicht größer als die ermittelte SIL-Stufe sein.
5.12 Risikobeurteilung und EU-Konformität während der Projektabwicklung
451
Abb. 5.12 Ermittlung des SIL (Safety Integrity Level) einer Sicherheitskette mittels Risikograph
Es kann also passieren, wenn alle Einzelkomponenten mit SIL 2 spezifiziert wurden, dass das SIS (Gesamtkette) nicht SIL 2 erreicht. Zur Rationalisierung der SIL-Klassifizierung wird firmenspezifisch versucht, bestimmten PLT-Planungstypicals (z.B. „Überfüllsicherung eines Tanks WGK 2“ oder „Trockenlaufschutz einer Kolbenpumpe für Kohlenwasserstoffe im Ex-Bereich“ bestimmte Standard-SIL-Stufen zuzuordnen. c) EU-Konformitätsbewertung und -erklärung für verfahrenstechnische Anlagen Da zum Zeitpunkt MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG, d.h. mit Beginn der Inbetriebnahmephase, die verfahrenstechnische Anlage in Verkehr gebracht wird, ist zu diesem Zeitpunkt die Frage zu beantworten: Muss für die verfahrenstechnische Gesamtanlage die EG-Konformität erklärt werden? Praxisbeispiel 5.2 zeigt einen Versuch, auf Basis des Maschinenbegriffs nach Maschinenrichtlinie (MRL) [15] diese Frage zu beantworten. Beispiel 5.2 Entscheidung über die EU-Konformitätserklärung einer Wasseraufbereitungsanlage Abbildung 5.13 zeigt einen Ausschnitt einer Wasseraufbereitungsanlage in der Halbleiterindustrie. Die Anlage unterliegt folgenden Rechtsvorschriften: Die Behälter unterliegen der Druckgeräterichtlinie [16]. Ein Teil der Rohrleitungen unterliegt ebenfalls der Druckgeräterichtlinie. Der Schaltschrank (im Bild rechts unten) unterliegt der Niederspannungsrichtlinie [18] und der EMV-Richtlinie [19].
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Die Pumpen sind Maschinen nach Maschinenrichtlinie [15]. Die kraftbetätigten Armaturen sind unvollständige Maschinen im Sinne der Maschinenrichtlinie [15]. Die Anlage als Ganzes stellt eine WHG-Anlage im Sinne § 43 AwSV [35] dar. Der Produktionsstandort als Ganzes unterliegt der Störfallverordnung [36].
Abb. 5.13 Wasseraufbereitungsanlage in der Halbleiterindustrie (Ausschnitt)
Die Frage ist, ob es sich bei dieser Anlage um eine Maschine nach Maschinenrichtlinie gemäß folgender Definition handelt? Eine Maschine ist "— eine mit einem anderen Antriebssystem als der unmittelbar eingesetzten menschlichen oder tierischen Kraft ausgestattete oder dafür vorgesehene Gesamtheit miteinander verbundener Teile oder Vorrichtungen, von denen mindestens eines bzw. eine beweglich ist und die für eine bestimmte Anwendung zusammengefügt sind“; „— eine Gesamtheit im Sinne des ersten Gedankenstrichs, der lediglich die Teile fehlen, die sie mit ihrem Einsatzort oder mit ihren Energie- und Antriebsquellen verbinden."
In der Analyse wurde Bezug nehmend auf den Maschinenbegriff festgestellt:
Mit Pumpen und Ventilantrieben sind "Antriebssysteme" vorhanden. Die Teile sind miteinander verbunden, einige Teile sind beweglich (Ventile, Pumpen). Die Anlage ist für eine "bestimmte Anwendung" zusammengefügt. Teile, die die Anlage mit Einsatzort und Energiequellen (Energieanschluss) verbinden, sind vorhanden.
Im Ergebnis wurde entschieden, dass die Merkmale des Maschinenbegriffs erfüllt sind und die Wasseraufbereitungsanlage wie eine Maschine zu verstehen ist und der Maschinenrichtlinie unterliegt.
5.12 Risikobeurteilung und EU-Konformität während der Projektabwicklung
453
Das Inhaltsverzeichnis des zugehörigen Ergebnisberichts über die Risikobeurteilung der Wasseraufbereitungsanlage enthält Tabelle 5.20. Tabelle 5.20 Inhaltsverzeichnis der Risikobeurteilung einer Wasseraufbereitungsanlage 1
Einleitung 1.1 Projektablauf und Projektbeteiligte 2.2 Dokumentation
2
Informationen zur Risikobeurteilung 2.1 Bestimmungsgemäße Verwendung 2.2 Vorhersehbare Fehlanwendung 2.3 Beschreibung der Anlage 2.4 Vorschriften, Normen und anwendbare Dokumente 2.5 Erfahrung mit vergleichbaren Anlagen im Einsatz 2.6 Ergonomische Grundsätze 2.7 Hilfsmedien, Spannungsversorgung
3
Festlegung der Grenzen der Anlage 3.1 Einsatzbereich 3.2 Verwendungsgrenzen 3.3 Benutzer/Bediener 3.4 Weitere Personen, die den Gefährdungen ausgesetzt sein können 3.5 Räumliche Grenzen 3.6 Zeitliche Grenzen/Lebensdauer
4
Methodik der Risikobeurteilung 4.1 Identifizierung der Gefährdungen 4.2 Risikoeinschätzung 4.3 Risikobewertung 4.3.1 3-Schritt-Verfahren 4.3.2 Risikominderung
5
Anlagen und mitgeltende Unterlagen 5.1 RI-Fließschema der Anlage 5.2 Sicherheitsdatenblätter der eingesetzten Gefahrstoffe 5.3 Tabelle der Risiken
Auch wenn die Vorgehensweise und Argumentation bezogen auf Beispiel 5.2 schlüssig erscheint, so ist sie aus folgenden Gründen nicht pauschal auf Anlagen anwendbar. a) Auf dieser Basis wäre jede verfahrenstechnische Anlage eine Maschine nach MRL. b) Die Formulierung in der Begriffsdefinition Gesamtheit miteinander verbundener Teile oder Vorrichtungen bezieht sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Maschinenteile im engeren Sinne und nicht auf größere Anlagenteile im weiteren Sinne. Die Autoren empfehlen stattdessen als Entscheidungsgrundlage, ob für eine verfahrenstechnische Anlage eine EU-Konformitätserklärung auszustellen ist, die nachfolgend dargelegte Prüfung einer „Gesamtheit von Maschinen“ nach dem Interpretationspapier in [37]. Gemäß Artikel 2, Buchstabe a, 4. Gedankenstrich der MRL bzw. § 2, Nummer 2, Buchstabe d der Maschinenverordnung ist eine „Maschine“ auch: eine Gesamtheit von Maschinen […] oder von unvollständigen Maschinen […], die, damit sie zusammenwirken, so angeordnet sind und betätigt werden, dass sie als Gesamtheit funktionieren.
454
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Da in nahezu jeder verfahrenstechnischen Anlage mehrere Maschinen zum Einsatz kommen, stellt sich rechtlich die Frage, ob die verfahrenstechnische Anlage auch immer eine „Gesamtheit von Maschinen“ darstellt und auf Grund dessen für die verfahrenstechnische Gesamtanlage immer eine EG-Konformitätserklärung auszustellen ist. Die Antwort gibt das zuvor erwähnte Interpretationspapier. Dieses Dokument gibt Hilfestellung bei der Interpretation der Begriffsdefinition „Gesamtheit von Maschinen“ gemäß der MRL. Das Interpretationspapier enthält das in Abbildung 5.14 dargestellte Ablaufschema zur Entscheidungsfindung.
Abb. 5.14 Entscheidungshilfe – Gesamtheit von Maschinen nach Maschinenrichtlinie (MRL) gemäß dem Interpretationspapier in [37]
Zur näheren Vorgehensweise steht in Abschnitt 2 des Interpretationspapiers: 2 Anwendung der MRL auf eine Gesamtheit von Maschinen Gemäß der Begriffsbestimmung in Abschnitt 1 (d. Verf.: Gesamtheit von Maschinen) ist damit von Bedeutung, dass 1. ein produktionstechnischer Zusammenhang dadurch gegeben ist, dass die einzelnen Maschinen bzw. unvollständigen Maschinen als Gesamtheit in einer Weise angeordnet sind, dass sie als geschlossene Einheit anzusehen sind (hier wird insbesondere auf die zusammenhängende Aufstellung abgehoben) und die einzelnen Maschinen bzw. unvollständigen Maschinen als Gesamtheit zusammenwirken, (das bedeutet z.B., dass das Zusammenwirken auf ein gemeinsames Ziel hin ausgerichtet sein muss, beispielsweise auf die Herstellung eines bestimmten Produkts)
5.12 Risikobeurteilung und EU-Konformität während der Projektabwicklung
455
und die einzelnen Maschinen bzw. unvollständigen Maschinen als Gesamtheit betätigt werden, d.h. über eine gemeinsame oder übergeordnete, funktionale Steuerung oder gemeinsame Befehlseinrichtungen verfügen und 2. die einzelnen Maschinen bzw. unvollständigen Maschinen sicherheitstechnisch als Gesamtheit funktionieren und damit auch in dieser Hinsicht eine Einheit bilden (sicherheitstechnischer Zusammenhang). Das ist der Fall, wenn Maschinen und/oder unvollständige Maschinen so miteinander verbunden sind, dass ein Ereignis, das bei einem Bestandteil der Anlage auftritt, zu einer Gefährdung bei einem anderen Bestandteil führt und für diese „Gesamtheit“ sicherheitstechnische Maßnahmen ergriffen werden müssen, um im Gefährdungsfall alle diese Bestandteile in einem gefahrlosen Zustand zu bringen. Werden Einzelmaschinen ausschließlich durch ein gemeinsames NOT-HALT-Befehlsgerät verbunden, entsteht nicht allein durch diese Verbindung bereits eine Gesamtheit von Maschinen. Bestehen ein produktionstechnischer und ein sicherheitstechnischer Zusammenhang, liegt ein „Gesamtheit von Maschinen“ i.S. der MRL vor. Diese muss insgesamt die Anforderungen der MRL erfüllen.
Im konkreten Fall ist somit in zwei Schritten nach Abb. 5.14 wie folgt zu prüfen: 1. Schritt: Gibt es zwischen den einzelnen Maschinen bzw. unvollständigen Maschinen einen produktionstechnischen Zusammenhang? In vielen Fällen wird es gemäß den Kriterien im zitierten Abschnitt 2. des Interpretationspapiers einen produktionstechnischen Zusammenhang geben (Antwort: ja), wenn die Maschinen ▪ als Gesamtheit angeordnet/aufgestellt sind, ▪ zusammenwirken auf ein Ziel (z.B. Herstellung eines Produkts), ▪ zusammen betätigt werden, um eine Einheit zu bilden. „Ein produktionstechnischer Zusammenhang liegt auch vor, wenn die Maschinen oder unvollständigen Maschinen mechanisch und/oder steuerungstechnisch miteinander verbunden sind und sie eine gemeinsame oder übergeordnete, für den Produktionsablauf erforderliche Steuerung oder gemeinsame Befehlseinrichtung aufweisen“. 2. Schritt: Gibt es zwischen den einzelnen Maschinen bzw. unvollständigen Maschinen einen sicherheitstechnischen Zusammenhang? „Tritt an einer Maschine bzw. unvollständigen Maschine ein Ereignis auf, das zu einer Gefährdung an anderen Maschinen bzw. unvollständigen Maschinen der Anlage führen kann, sind auf die Gesamtheit abgestellte sicherheitstechnische Maßnahmen erforderlich“ (Antwort: ja). Der sicherheitstechnische Zusammenhang ist dadurch gekennzeichnet, dass z.B. durch eine auf die Maschinenanlage abgestellte Sicherheitssteuerung oder über nicht zu dieser Steuerung gehörende Sicherheitsbauteile, wie feststehende Schutzeinrichtungen, die Sicherheit der Gesamtheit gewährleistet ist. „Ist im Rahmen des produktionstechnischen Zusammenwirkens von Einzelmaschinen dagegen weder das Übertragen von Gefährdungen von einer dieser Maschine auf die anderen Maschinen noch das Entstehen von neuen
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Gefährdungen an diesen Maschinen möglich, ist kein sicherheitstechnischer Zusammenhang gegeben.“ In vielen Fällen wird es bei komplexen verfahrenstechnischen Anlagen gemäß den Kriterien im zitierten Abschnitt 2. des Interpretationspapiers keinen sicherheitstechnischen Zusammenhang geben (Antwort: nein), da ▪ bei einer sicherheitsgerichteten Abschaltung einer gefährdeten Maschine häufig nicht zeitgleich die andere bzw. die anderen Maschinen abgeschaltet werden (s. auch Beispiel 5.3). Die sicherheitsgerichtete Steuerung (Verriegelung) der gefährdeten Maschine wirkt nicht direkt auf die andere Maschine/-nen, sondern diese Maschine/-nen haben eine eigene sicherheitsgerichtete Steuerung, die sie im Gefahrenfall selbst schützen und auch abschaltet(-n). ▪ Der u.U. gegebene sicherheitstechnische Zusammenhang zwischen den Maschinen über einen gemeinsamen NOT-HALT-Schalter ist nicht relevant, da dieser Zusammenhang im Interpretationspapier (letzter Satz in Abschnitt 2.) ausdrücklich ausgeklammert wurde. Die Fragestellung, inwieweit eine verfahrenstechnische Anlage als Ganzes eine Gesamtheit von Maschinen darstellt oder aus mehreren Gesamtheiten von Maschinen (ggf. zusätzlich mit Druckgeräten und ATEX-Geräten) besteht, ist deshalb spätestens zu Beginn der Risikobeurteilung zu diskutieren, festzulegen und zu dokumentieren. Beispiel 5.3 Ist ein industrielles Dampfkraftwerk eine Gesamtheit von Maschinen? In einem Dampfkraftwerk sind die Kesselspeisewasserpumpe und die Dampfturbine die beiden Hauptmaschinen. Falls beide zusammen eine „Gesamtheit von Maschinen“ bilden, würde die Prozessanlage und u.U. das ganze Dampfkraftwerk der Maschinenrichtlinie mit allen daraus folgenden Konsequenzen unterliegen. Die Analyse der Wechselwirkung (Zusammenhang) beider Einzelmaschinen nach dem Workflow Abb. 5.14 ergab folgende Ergebnisse (E): 1. Schritt: Gibt es einen produktionstechnischen Zusammenhang? E1: Beide Maschinen bilden zusammen die Prozessstufe, auch wenn sie nicht direkt nebeneinander aufgestellt sind. E2: Ihr Zusammenwirken ist auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet (Produktion von Wärme und Strom). E3: Die Gesamtanlage wird über ein Prozessleitsystem geführt, in das die beiden Maschinen eingebunden sind. Fazit: Zwischen beiden Einzelmaschinen gibt es einen produktionstechnischen Zusammenhang. 2. Schritt: Gibt es einen sicherheitstechnischen Zusammenhang? E1: Beide Maschinen sind über sicherheitsgerichtete Steuerungen (Verriegelungen), die hartverdrahtet realisiert sind, gegen Schäden abgesichert. E2: Die Kesselspeisewasserpumpe hat z.B. einen sog. Trockenlaufschutz, der die Pumpe vor einem Schaden durch Trockenlauf (z.B. Erhitzung bei Min-Menge) schützt. Zu diesem Zweck wird der Wasserdurchsatz auf der Saugseite der Pumpe gemessen. Ist er zu niedrig (z.B. wegen Absperrung oder Verstopfung der Saugleitung) gibt es
5.12 Risikobeurteilung und EU-Konformität während der Projektabwicklung
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zunächst einen optisch-akustischen Alarm. Bewirkt der Alarm keine Gegenmaßnahmen durch den Operator, wird die Pumpe nach Erreichen des sicherheitsrelevanten Grenzwertes (Ursache) automatische abgeschaltet (Wirkung). Auch bei anderen Störungen (z.B. Schwingungen, Wicklungstemperatur des Motors) wird die Maschine gemäß Ursache-Wirkung-Liste und Verriegelungsschema sicherheitsgerichtet abgestellt. E2: Der sicherheitsrelevante Eingriff an der Kesselspeisewasserpumpe bewirkt aber nicht, dass zeitgleich die Dampfturbine abgeschaltet wird. Das heißt, die Ursache (Min-Menge) wirkt nicht zeitgleich parallel auf die Dampfturbine. Die Dampfturbine bleibt vielmehr zunächst noch in Betrieb, da der Dampfkessel zwischen den beiden Maschinen als Wasserpuffer wirkt. Erst wenn der Wasserstand im Kessel den Min-Grenzwert erreicht, wird über den Stand die Dampfturbine sicherheitsgerichtet abgeschaltet. E3: Die Dampfturbine ist somit eigenständig abgesichert, damit bei Störungen an der Kesselspeisewasserpumpe nicht gleich das ganze Kraftwerk außer Betrieb geht. Fazit: Zwischen beiden Einzelmaschinen gibt es keinen sicherheitstechnischen Zusammenhang. Endergebnis: Die beiden Einzelmaschinen bilden keine Gesamtheit von Maschinen. Somit sind für die Prozessanlage bzw. für das gesamte Dampfkraftwerk (falls bei den anderen Maschinen der gleiche Sachverhalt vorliegt) keine EU-Konformitätserklärung und keine CE-Kennzeichnung nötig. Ergänzend zu Beispiel 5.3 seien noch einige Hinweise angefügt. Zur Überprüfung eines sicherheitstechnischen Zusammenhangs zwischen Maschinen und ggf. anderen Hauptausrüstungen (z.B. Druckgerät) sollten insbesondere folgende Dokumentenarten genutzt werden [3]: ▪ R&I-Fließschemata (PLT-Stellen sind dargestellt), ▪ Alarm- und Verriegelungslisten (sicherheitsrelevante PLT-Stellen und deren Alarmwerte und Grenzwerte/Abschaltwerte sind angeführt), ▪ Ursache-Wirkung-Listen (Prozessgröße, die Ursache für Abschaltung ist und Wirkung/Aktion, die auf Grund der Ursache ausgelöst wird, sind dargestellt), ▪ Verriegelungsschemata (grafische Darstellung der Sicherheitsschaltung). Der Gesetzgeber versteht grundsätzlich die Analyse und Folgerung gemäß Beispiel 5.3 ebenso, indem er im Interpretationspapier [37] schreibt: In der praktischen Anwendung des Begriffs der Gesamtheit von Maschinen stellt sich bei kompletten industriellen Großanlagen (z.B. Hüttenwerken, Kraftwerken oder Anlagen der chemischen Industrie) häufig die Frage, inwieweit solche Anlagen als Gesamtheit von Maschinen der MRL unterliegen. Bei Anwendung der beschriebenen Entscheidungsschritte auf industrielle Großanlagen kann zwar häufig der produktionstechnische Zusammenhang bejaht werden, i.d.R. aber nicht der sicherheitstechnische Zusammenhang. In diesem Fall unterliegen solche Anlagen als Gesamtheit nicht den Anforderungen der MRL. Es ist jedoch ggf. möglich, solche Großanlagen aus Sicht der MRL in mehrere einzelne Anlagenteile i.S. einer Gesamtheit von Maschinen zu unterteilen.
Die letzte Aussage ist auch die Erfahrung der Autoren. Für Package-Units mit mehre-
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
ren Einzelmaschinen ergibt die Anwendung des Ablaufschemas in Abb. 5.14 in den meisten Fällen, dass es sich um eine Gesamtheit von Maschinen im Sinne der handelt. Für sie sind deshalb i.d.R. ein Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen, eine Konformitätserklärung auszustellen und an der Package-unit-Anlage an geeigneter Stelle ein CE-Kennzeichen anzubringen (s. auch Beispiel 5.4). Auf der EU-Ebene ist die Handhabung der MRL betreffs Industrieanlagen ähnlich wie im nationalen Interpretationspapier [37] beschrieben, indem z.B. im § 38 (Gesamtheit von Maschinen) im „Leitfaden für die Anwendung der MRL“ [27] formuliert wird: Die Definition von Gesamtheiten von Maschinen schließt nicht zwingend eine vollständige Industrieanlage ein, die aus einer großen Zahl von Maschinen, Gesamtheit von Maschinen und anderen Geräten unterschiedlicher Hersteller besteht. Im Hinblick auf die Anwendung der MRL können derartige Großanlagen normalerweise in Teilbereiche untergliedert werden, die selbst als Gesamtheit von Maschinen betrachtet werden können, beispielsweise Einheiten zur Rohmaterialentladung und -zuführung sowie Verarbeitungs-, Verpackungs- und Beladeeinheiten. In diesem Fall müssen etwaige Risiken, die durch die Schnittstellen zu den jeweiligen Bereichen der Industrieanlage entstehen können, in der Betriebsanleitung beschrieben werden.
Beispiel 5.4 Analyse der Gesamtheit von Maschinen für eine Druckluftanlage mit zwei unvollständigen Maschinen Abbildung 5.15 zeigt die schematische Darstellung einer Druckluftversorgungsanlage.
Abb. 5.15 Schematische Darstellung einer Druckluftversorgungsanlage als Gesamtheit von Maschinen
Die Beispielanlage, die Verbraucher mit Druckluft versorgt, besteht aus folgenden Komponenten: zwei Kompressoren ohne eigene Steuerung, eine SPS (Speicherprogrammierbare Steuerung) für die Teilanlage (Package-unit), kraftbetätigten Ventilen, handbetätigten Ventilen. Die SPS übermittelt eine Sammelstörmeldung und eine Betriebsmeldung an das Gebäudeleitsystem. Das Gebäudeleitsystem kann die Anlage nicht abschalten (kein externer NOT-HALT).
5.12 Risikobeurteilung und EU-Konformität während der Projektabwicklung
459
Die Sachverhalte nach MRL [15] und Druckgeräte-RL [16] sind: Die beiden Kompressoren (blau) sind je eine unvollständige Maschine dar ( ein Kompressor ohne Steuerung kann seine Funktion nicht erfüllen). Die Regelarmatur mit Motorantrieb (blau) ist eine unvollständige Maschine (per Definition). Die Steuerung (rot) alleine unterliegt der Niederspannungsrichtlinie [18] und der EMV-Richtlinie [19], stellt aber keine Maschine dar (keine beweglichen Teile). Der Ausgleichsbehälter (gelb) unterliegt der Druckgeräterichtlinie. Die handbetätigten Ventile (grün hinterlegt) haben keinen Antrieb und unterliegen nicht der Maschinenrichtlinie. Durch Anwendung der Entscheidungshilfe in Abb. 5.14 lässt sich ableiten: 1) Die drei unvollständigen Maschinen sind zusammen aufgestellt und wirken als Einheit. Sie dienen gemeinsam der Druckluftversorgung. Für die gesamte Teilanlage gibt es eine übergeordnete, funktionale Steuerung. Fazit: Zwischen den drei unvollständigen Einzelmaschinen gibt es einen produktionstechnischen Zusammenhang. 2) Für die drei unvollständigen Maschinen gibt es eine übergeordnete Steuerung, die auch sicherheitstechnische Aufgaben wahrnimmt. Wenn z.B. der Kompressor 1 störungsbedingt ausfällt, schaltet die Steuerung automatisch auf den Kompressor 2 um oder wenn beide Kompressoren ausfallen, schließt die Steuerung das motorbetätigte Regelventil, damit keine Druckluft aus dem Pufferbehälter zurück strömt. Fazit: Zwischen den drei unvollständigen Einzelmaschinen gibt es über die Steuerung einen sicherheitstechnischen Zusammenhang. Somit muss der Errichter der Druckluftversorgungsanlage für diese Teilanlage u.a. folgende Pflichten vor deren Inverkehrbringen erfüllen: Durchführen der Risikobeurteilung; Erstellen der Betriebsanleitung und Übergabe an den Betreiber; Erstellen der EG-Konformitätserklärung und Übergabe an den Betreiber; Zusammenstellen und Aufbewahren der technischen Unterlagen (interne Technische Dokumentation). 3) Da das Gebäudeleitsystem nicht aktiv in den Betrieb der Teilanlage eingreifen kann (nur Störmeldung und Laufanzeige) gibt es zum Gebäudeleitsystem und den anderen mit ihm verbundenen Maschinen keinen sicherheitstechnischen Zusammenhang. Fazit: Die Gesamtheit von Maschinen bleibt auf die Teilanlage (Package-unit) beschränkt. Beispiel 5.5 EU-Konformität einer Beschichtungsanlage (s. Abb. 5.16) An einem Produktionsstandort wurde eine neue eine Beschichtungsanlage entsprechend der schematischen Darstellung in Abbildung 5.16 gebaut. Die gesamte Anlage besteht aus drei Teilbereichen bzw. Teilanlagen: 1. Produktionsbereich mit Beschichtungsanlage, dezentraler Steuerung für die Produktionsanlagen und den betriebsnotwendigen Energieversorgungseinrichtungen.
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Abb. 5.16 Schematische Darstellung einer Beschichtungsanlage mit Nebenanlagen
2. Nebenanlage zur Prozessgasversorgung und Abgasreinigung, inkl. zugehöriger dezentraler Steuerung. 3. Technikzentrale mit Luftkompressor, Luftzerlegungsanlage und Pufferspeicher für Stickstoff. In den Räumen am Standort wurden die vorhandene Brandmeldeanlage (BMA) und die Gebäudeleittechnik (GLT) erweitert. Jede der drei Teilanlagen (außer dem Pufferspeicher) stellt auf Grund des produktionstechnischen und sicherheitstechnischen Zusammenhangs nach Abb. 5.11 eine Gesamtheit von Maschine im Sinne der Maschinenrichtlinie [15] dar. Der Pufferspeicher unterliegt der Druckgeräterichtlinie [16]. Für die Steuerungen und Teile der Energieversorgungseinrichtungen gilt die Niederspannungsrichtlinie [18] und EMV-Richtlinie [19]. Einige Betriebsbereiche mit explosionsfähiger Atmosphäre unterliegen der ATEX-Hersteller-RL [17]. Die Baumaßnahme als Ganzes unterliegt der Landes-Bauordnung (LBO); gleiches gilt für die Erweiterung der Brandmeldeanlage. Bei der Bauabnahme stellte die Genehmigungsbehörde fest, dass die in Abb. 5.16 dargestellten drei Teilanlagen nicht nur produktionstechnisch, sondern auch (über die Gebäudeleittechnik GLT) sicherheitstechnisch miteinander verbunden sind. Damit ist die Gesamtanlage eine Gesamtheit von Maschinen. In Folge dessen forderte die Behörde, dass für die Gesamtanlage (rot gestrichelte Umrandung) eine EU-Konformitätserklärung auszustellen ist. Da die Vergabe der Leistungen als Einzelvergabe erfolgt war, wurde letztlich der Betreiber (mit allen Pflichten) zum Hersteller und Inverkehrbringer dieser neuen Gesamtheit von Maschinen. Im Beispiel bedeutete dies u.a. für die Gesamtanlage eine Risikobeurteilung durchzuführen und eine Gesamtbetriebsanleitung zu erarbeiten.
5.13 Fallbeispiel: Auditieren der AS BUILT-Dokumentation eines Erdgasspeichers
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Abschließend zur Thematik „EU-Konformitätsbewertung verfahrenstechnischer Anlagen“ soll noch diskutiert werden, inwieweit aus der Druckgeräte-RL [16] eine Konformitätserklärung für die Gesamtanlage im Sinne „Gesamtheit von Druckgeräten“ resultiert, sofern in der Anlage mehrere Druckgeräte eingesetzt werden. Dazu steht in der Präambel der Druckgeräte-RL unter Punkt (7). (7) Diese Richtlinie sollte auch für Baugruppen gelten, die aus mehreren Druckgeräten bestehen und eine zusammenhängende funktionelle Einheit bilden. Diese Baugruppen können von einfachen Baugruppen wie einem Schnellkochtopf bis zu komplexen Baugruppen wie einem Wasserrohrkessel reichen. Ist eine solche Baugruppe vom Hersteller dafür bestimmt, als Baugruppe – und nicht in Form nicht zusammengebauter Bauteile – in Verkehr gebracht und in Betrieb genommen zu werden, sollte sie dieser Richtlinie entsprechen. Diese Richtlinie sollte dagegen nicht für den Zusammenbau von Druckgeräten gelten, der – beispielsweise in Industrieanlagen – auf dem Gelände und unter Verantwortung eines Anwenders erfolgt, der nicht der Hersteller ist.
Aus Sicht der Autoren bedeutet der letzte Satz, dass eine verfahrenstechnische Anlage mit mehreren Druckgeräten nicht als Baugruppe bestehend aus mehreren Druckgeräten zu verstehen ist und aus der Druckgeräte-RL nicht die Notwendigkeit einer Konformitätserklärung für die verfahrenstechnische Anlage als Ganzes abzuleiten ist.
5.13 Fallbeispiel: Auditieren der AS BUILT-Dokumentation eines Erdgasspeichers Gegenstand des Audits war die AS BUILT-Dokumentation der im Rahmen eines Greenfield-Projekts neu errichteten obertägigen Anlagen eines Erdgasspeichers zum Zeitpunkt MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG (s. Abb. 5.17 und 5.18).
Abb. 5.17 Übersichtsschema der obertägigen Anlagen eines Erdgasspeichers (Praxisbeispiel)
Die Gesamtanlage dient der saisonalen Speicherung von Erdgas. Der eigentliche Untertagespeicher besteht aus porösem Buntsandstein in einer Tiefe von ca. 1500 m. Das Erdgas wird über eine Pipeline mit ca. 50 bar antransportiert und mittels Kreiselverdichtern auf einen maximalen Druck bis zu 250 bar komprimiert und über 5 Bohrungen eingespeichert.
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Abb. 5.18 Rohrleitungs- und Löschtechnik der obertägigen Anlagen (Ausschnitt)
Die Entnahme des Erdgases aus dem Untertagespeicher erfolgt unter Nutzung des Speicherdrucks. Da das entnommene Erdgas mit Lagerstättenflüssigkeit (Wasser, flüssige Kohlenwasserstoffe) verunreinigt ist, muss es vor Abgabe ins Erdgas-Fernleitungssystem getrocknet werden. Zu diesem Zweck wird das ausgespeicherte Erdgas auf ca. -30 °C abgekühlt und die unter diesen Bedingungen auskondensierenden Flüssigbestandteile u.a. Verunreinigungen abgeschieden. Die Neuanlage war so konzipiert, dass sie später ferngesteuert (Betrieb ohne ständige Beaufsichtigung (BoB)) betrieben werden konnte. Aus diesem Grund waren zahlreiche prozessrelevante Steuerungen (sog. Schrittketten-Steuerungen) zum automatischen Anfahren, Umfahren und Abfahren realisiert. Der entsprechende Dokumentationsaufwand war erheblich. Auf Grund des großen Energiepotentials im gespeicherten Erdgas, des hohen Drucks und der erheblichen Brand- und Explosionsgefährdungen waren die Anforderungen an die Sicherheit, inkl. Sicherheitstechnik und Sicherheitsprüfungen, sehr hoch. Die vorgenannten sicherheitlichen und technischen Spezifika bewirkten zugleich hohe Anforderungen an die AS BUILT-Dokumentation. Das Hauptziel der Auditierung war die Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung der laut Vertrag vom Auftragnehmer fertiggestellten und gelieferten AS BUILT-Dokumentation der obertägigen Anlagen. a) Grundlagen und Basisdokumente für die Auditierung Im Praxisbeispiel erfolgten die werkvertragliche Abnahme der Anlage und der Dokumentation zeitlich versetzt entsprechend den Ausführungen in Abschn. 4.5.2, j) und in Abschn. 4.6.4. Die Auditierung betraf primär ein Belegexemplar der AS BUILT-Dokumentation in Papierform mit einem Gesamtumfang von 418 Ordnern, gefüllt mit ca. 20900 Papierdokumenten. Eine inhaltliche Identitätskontrolle zu den anderen Exemplaren der AS BUILT-Dokumentation inkl. der elektronischen Version erfolgte später, nachdem die Aktionspunkte aus der Auditierung vom Auftragnehmer in alle anderen Exemplare der AS BUILTDokumentation eingearbeitet und gemäß Vertrag an den Auftraggeber übergeben wurden. Die Prüfung dieser Exemplare ist nicht Gegenstand des vorliegenden Fallbeispiels.
5.13 Fallbeispiel: Auditieren der AS BUILT-Dokumentation eines Erdgasspeichers
463
Wesentliche Grundlagen für die sachgerechte Durchführung des Audits waren: die Vereinbarungen zur Dokumentation im Anlagenvertrag inkl. Nachträgen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, die aus Rechtsvorschriften resultierenden Vorgaben, die Vorgaben zur Dokumentation in den vertraglich vereinbarten Spezifikationen und Arbeitsrichtlinien des Auftraggebers, die Regeln der Technik sowie die anerkannten Regeln zum Stand der Technik, soweit sie Aussagen zur Dokumentation beinhalten. b) Auditfragen Die Problemstellung wurde entsprechend der Aufgabenstellung in folgende Schwerpunkte strukturiert: 1. GRUNDSÄTZLICHES 2. SICHERHEIT / QUALITÄT 2.1 Sicherheit 2.2 Qualität 3. RECHTSKONFORMITÄT 3.1 Rechtskonformität 3.2 Beachtung anerkannter Regeln zum Stand der Technik 4. GANZHEITLICHKEIT / VOLLSTÄNDIGKEIT 5. WIDERSPRUCHSFREIHEIT / SYSTEMATIK 6. AS-BUILT-ZUSTAND 7. NUTZERGERECHTHEIT 8. ELEKTRONISCHE DOKUMENTATION Für jeden dieser Schwerpunkte wurden durch den Auditor Fragestellungen formuliert, die als Grundlage für die Prüfung, insbesondere für die Auditsitzung sowie für die gestraffte Darstellung der Auditergebnisse dienten. Die insgesamt ca. 70, zum Teil sehr komplexen Fragestellungen, basieren insbesondere: ▪ auf den vertraglichen Vereinbarungen zur Dokumentation der obertägigen Einrichtungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, ▪ auf dem Wissen und den Erfahrungen des Auditors, ▪ auf dem Stand der Technik und Wissenschaft zum Fachgebiet der Dokumentation komplexer Anlagen. Maßstab für die Auditierung waren somit der Anlagenvertrag sowie der fortgeschrittene Stand der Technik auf dem betrachteten Fachgebiet, d.h. es wurden bewusst auch Fragestellungen zugelassen, die über die vertraglichen Vereinbarungen hinausgingen. c) Ablauf der Auditierung Der Handlungsablauf während der Auditierung war in nachfolgende Hauptschritte untergliedert: Schaffung der Voraussetzungen für die Auditierung Abstimmung der detaillierten Aufgabenstellung (Ziel, Umfang) sowie des Ablaufes der Auditierung. Übergabe/Übernahme des kompletten Belegexemplars der AS BUILT-Dokumentation als Papierdokumentation. Geordnete Ablage der übergebenen AS BUILT-Dokumentation.
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Vorbereitung der Auditierung Abstimmung von Grundregeln für die Auditsitzungen (s. Tab. 5.21). Erarbeitung einer Methodik zur Vorgehensweise bei der Auditierung, insbesondere zur statistisch begründeten Stichprobenauswahl. Erarbeitung von Fragestellungen zur Prüfung grundlegender Merkmale/Sachverhalte der AS-BUILT-Dokumentation. Näherungsweise Ermittlung der Dokumentenanzahl pro Gruppe sowie ausgewählter, wichtiger Untergruppen. Erarbeitung des Musters einer Audittabelle zur Erfassung der Auditfragen und zur Protokollierung der Prüfergebnisse pro Auditfrage (s. Abb. 5.19). Abstimmung der Qualitätsanforderungen an die AS-BUILT-Dokumentation. Planung des Auditablaufes (Aufgaben, Zeit, Teilnehmer, Arbeitsunterlagen u.a.). Tabelle 5.21 Grundregeln für die Durchführung der Auditsitzungen 1
Zu Beginn der Audit-Sitzung werden vom Auditor ▪ die Grundlagen und die Zielstellung des Audits, ▪ die Teilnehmer an der Audit-Sitzung, ▪ die Grundregeln bei der Audit-Durchführung erläutert.
2
Der Auditor wirkt als Moderator während der Audit-Sitzung. Er gibt die Auditschwerpunkte und die Fragestellungen vor, leitet die Besprechung/Erörterung/Diskussion zu diesen Fragen und fasst die Ergebnisse zusammen.
3
Die Teilnehmer nehmen als Fachleute an der Diskussion teil; können aber auch durch eigene Fragestellungen die Auditierung vertiefen.
4
Ein Schriftführer protokolliert den Verlauf und die Ergebnisse des Audits derart, dass anschließend vom Auditor in Verbindung mit dem Schriftführer eine zusammenfassende Auswertung der Audit-Sitzung sowie die Nutzung der Auditergebnisse für den Endbericht möglich wird.
5
Hauptziel der Auditierung ist die Prüfung der As-built-Dokumentation entsprechend der vorgegebenen Ziel- bzw. Aufgabenstellung. Zugleich sollte es aber auch Anliegen aller Teilnehmer sein, nicht nur einen Prüfsachverhalt zu ermitteln, sondern Hinweise, Vorschläge, Empfehlungen u.ä. zur Problemlösung/Mängelbeseitigung zu geben.
6
Die Erörterung der Fragestellungen ist streng ergebnisbezogen und sachlich durchzuführen.
7
Die Teilnehmer am Audit sollten nach bestem Wissen und Gewissen sowie gleichrangig und unabhängig wirken.
Durchführung des Audits Vorprüfung der Vollständigkeit der AS BUILT-Dokumentation entsprechend dem Inhaltsverzeichnis. Eröffnungssitzung mit Vorstellung der Auditziele, -abläufe und -regeln. Durchführung der Auditsitzung vom ……… bis ……… in …………unter Mitwirkung von: ………………….. Schrittweise Auswahl der zu prüfenden Papierdokumente gemäß den eigenen Erfahrungen/Wissen des Auditors sowie unter Beachtung von Erkenntnissen der mathematischen Statistik. Prüfung des Stichproben-Dokumentes gemäß den relevanten Prüfkriterien und Protokollierung der detaillierten Prüfergebnisse in einer Audittabelle (s. Abb. 5.19).
5.13 Fallbeispiel: Auditieren der AS BUILT-Dokumentation eines Erdgasspeichers
Abb. 5.19 Audit- und Ergebnistabelle für Auditierung der AS BUILT-Dokumentation
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
d) Ermittlung des Stichprobenumfangs Bei der Auditierung war u.a. zu prüfen, inwieweit bestimmte quantifizierte Qualitätsmerkmale/Eigenschaften erfüllt sind. Zu Punkt 4. (Ganzheitlichkeit/Vollständigkeit) der Auditfragen war z.B. gefordert: 4.1 Sind die Dokumente, die aufgrund von Rechtsverordnungen und behördlichen Auflagen zu erstellen sind, zu 100 % vorhanden? 4.2 Sind die Dokumente, die zum Nachweis der Anlagen- und Arbeitssicherheit sowie des Gesundheits- und Umweltschutzes dienen, zu 100 % vorhanden? 4.3 Sind die Abnahme-, Prüf- und Qualitätsdokumente (gemäß Gruppe IX der AS BUILTDokumentation) zu 100 % vorhanden? 4.4 Sind die wichtigsten dynamischen Dokumente, wie Lage-, Aufstellungs-, Gefahrenzonenpläne, R&I-Fließschemata, Rohrleitungsisometrien, zu 100 % vorhanden? 4.5 Sind alle weiteren Dokumente zu 98 % (statistisch) vorhanden?
Ferner war zu Punkt 6. (As-built-Zustand) der Auditfragen u.a. vorgeschrieben: 6.1 Beschreiben die Dokumente, die als Grundlage für die wiederkehrenden Prüfungen dienen, zu 100 % den As-built-Zustand? 6.2 Beschreiben die Dokumente, die für eine sichere und funktionsgerechte Betriebsführung dienen, zu 100 % den As-built-Zustand? 6.3 Beschreiben die Dokumente, die als Grundlage für Instandhaltungs- und Erweiterungsmaßnahmen dienen, zu 100 % den As-built-Zustand? 6.4 Beschreiben alle anderen Dokumente zu 98 % (statistisch) den As-built-Zustand?
In beiden Fällen musste bei der Prüfung/Kontrolle das Qualitätsmerkmal „Dokument vorhanden“ bzw. „Dokument as built“ zu mindestens 98 % erfüllt sein bzw. umgekehrt durften die Merkmale „Dokument nicht vorhanden“ bzw. „Dokument nicht as built“ in nicht mehr als 2 % der Prüffälle zutreffen. Auf Grund des erheblichen Umfanges der AS BUILT-Dokumentation war aus Zeit- und Kostengründen eine stichprobenweise Prüfung geboten. Die aus der Gesamtdokumentation (sog. Grundgesamtheit) insgesamt zur Prüfung ausgewählten Einzeldokumente werden als Stichprobe bezeichnet. Die Stichprobenerhebung (-auswahl) musste gezielt geplant werden, um bei vertretbarem Aufwand eine ausreichend gute Eigenschaftsübereinstimmung zwischen der Stichprobe und der Gesamtdokumentation zu gewährleisten. Dabei ist die Frage zu beantworten: Wie umfangreich muss die Stichprobe sein, damit das zuvor angeführte Qualitätsmerkmal statistisch ausreichend genau ermittelt werden kann? Theoretische Basis dafür sind die Methoden der mathematischen Statistik. Im Weiteren wird auf wenige Grundlagen kurz eingegangen. Die aus der Gesamtheit entnommenen Einzeldokumente können verschiedene Merkmale (z.B. vollständig oder nicht-vollständig, as-built oder nicht-as-built) aufweisen. Diese Merkmale werden als Zufallsgröße bezeichnet. Die Häufigkeit des Auftretens von Dokumenten mit diesem definierten Merkmal entspricht der Verteilungsfunktion dieser Zufallsgröße. Eine Zufallsgröße wird durch ihre Verteilungsfunktion wahrscheinlichkeitstheoretisch vollständig charakterisiert. Eine Zufallsgröße heißt diskret, wenn sie nur endlich oder abzählbar unendlich viele Werte annehmen kann.
5.13 Fallbeispiel: Auditieren der AS BUILT-Dokumentation eines Erdgasspeichers
467
Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine diskrete Zufallsgröße, da die Merkmale nur jeweils zwei Zustände (z.B. vorhanden oder nicht vorhanden bzw. as-built oder nicht as-built) annehmen können. Zur Beschreibung der Verteilungsfunktion der gegebenen Aufgabe empfiehlt sich nach der Fachliteratur die sog. Hypergeometrische Verteilung. Sie beschreibt das Auftreten eines qualitativen Merkmales in einer Stichprobe. Aus dem zweiten Moment dieser Verteilung kann man zur Berechnung des Stichprobenumfanges die folgende Berechnungsgleichung ableiten: n
P1 P N N 1 P1 P 2 p
(I)
Dabei sind: N Umfang der Gesamtheit, d.h. die Anzahl der insgesamt zu auditierenden/prüfenden unabhängigen, gleichberechtigten Dokumente n Umfang der Stichprobe, d.h. die Anzahl der insgesamt geprüften Einzeldokumente P Anteil der Dokumente mit dem betrachteten Merkmal in der Gesamtheit. (P = 0.02 könnte z.B. bedeuten, 2 % aller Dokumente sind "nicht as built" bzw. „nicht vorhanden“). Ϭp Standardabweichung bzw. Streuung der Zufallsgröße. Zur Erläuterung der Vorgehensweise soll das anschließende Beispiel dienen. Beispiel 5.6 Abschätzung der Prüfgenauigkeit bei den realisierten Stichprobenumfang a) Input: ▪ Ausgehend von 418 Ordnern und ca. 50 Dokumente pro Ordner ergibt sich eine Gesamt N = 20900. ▪ Bei einem maximalen Anteil an Dokumenten mit dem Merkmal „nicht vorhanden“ bzw. „nicht as built“ gilt: P = 0,02. ▪ Während der Auditierung wurden insgesamt 2818 Einzeldokumente der AS BUILT-Dokumentation auf Vollständigkeit und As-built-Gerechtheit geprüft. Somit betrug: n = 2818. b) Output: ▪ Unter Verwendung der o.g. Vorgaben errechnet sich mittels Gleichung (I) eine Standardabweichung von Ϭp = 0,0034. ▪ Dies bedeutet gemäß den angeführten Vorgaben: 1.) Die erwartete Trefferzahl in der Gesamtheit ist: NP = 418 71. 2.) Der angenommene Anteil der fehlerheften Dokumente kann statistisch gesehen zwischen P = 0.0166 bis P = 0,0234 schwanken. Wenn also tatsächlich in der Gesamtdokumentation 2 % aller Dokumente fehlen bzw. nicht as-built sind, so liefert die Untersuchung einer Stichprobe im Umfang von 13 % der Gesamtheit immer noch eine statische Sicherheit im Bereich von 1,7 bis 2.3 %. Anders formuliert bedeutet dies: Wenn vertraglich gefordert wird: "98 % aller Dokumente der AS BUILT-Dokumentation (Gesamtheit) müssen vorhanden bzw. as built sein“, so kann dieser Nachweis mittels einer Stichprobe von 13 % der Gesamtheit im Bereich von 97,6 bis 98,3 % erbracht werden. Diese Genauigkeit war ausreichend.
468
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Weitergehende Parameterstudien von Gleichung (I) führen zu folgenden interessanten Ergebnissen: (1) Bei einer größeren Gesamtheit N (mehr Dokumente in der AS BUILT-Dokumentation) verändert sich die Streuung Ϭp (bei ansonsten gleichen Werten für n und P) nur unwesentlich. Das heißt, der realisierte Stichprobenumfang n würde auch eine wesentlich umfangreichere Dokumentation N ausreichend gut beschreiben. Zugleich wird aber mit wachsender Gesamtheit die Stichprobenauswahl immer bedeutender. (2) Bei einer geringen Gesamtheit N (z.B. Dokumentationen mit weniger als 1000 Dokumenten) gilt die Aussage nach (1) nicht mehr. Hier hat der Stichprobenumfang n aus Genauigkeitsgründen mehr Einfluss. (3) Bei gleicher vorgegebener Streuung Ϭp und bei kleinen P (Anteil der Dokumente mit dem betrachteten Merkmal in der Gesamtheit, z.B. P < 0,1) erhöht sich der notwendige Stichprobenumfang annähernd proportional zu P. Das heißt, wenn sich P verdoppelt, müsste sich auch der Stichprobenumfang n verdoppeln, um annähernd die gleiche Streuung zu erreichen. e) Auswahl der Stichprobe Die Stichprobenauswahl erfolgte zum Teil statistisch, aber nicht selten auch gewichtet bzw. zielorientiert. Die statistische Vorgehensweise wurde u.a. bei der Auswahl von Dokumenten innerhalb der gleichen Dokumentenart (Rohrleitungsbücher, Betriebsanleitungen, R&I-Fließschemata usw.), bei der Auswahl von Rohrleitungsisometrien, Herstellerdokumentationen u.ä. innerhalb eines R&I-Fließschemas sowie durch Einbeziehung fremder Fachkräfte in die Detailprüfung angewandt. Ferner erfolgte eine gezielte Auswahl auf Grund der Bedeutung einzelner Dokumente und ausgehend von Erfahrungen und Problemen bei der Erstellung anderer AS BUILTDokumentationen, wobei jedes Kapitel annähernd proportional berücksichtigt wurde. Die zielorientierte Prüfung üblicher Schwachstellen hat sicher die Trefferwahrscheinlichkeit im Vergleich zur rein statistischen Auswahlmethode erhöht. Die Anzahl der geprüften Einzeldokumente, gegliedert nach Gruppen aus dem Betriebshandbuch, ist in Tabelle 5.22 dargestellt. Tabelle 5.22 Anzahl der geprüften Einzeldokumente Kapitel I II III IV V VI VII VIII IX
Bezeichnung Allgemeine Unterlagen Verfahrenstechnik Maschinentechnik Apparate und Package-units Rohrleitungen Bau und Stahlbau Elektrotechnik MSR-Technik und Prozessleitsystem Nachweis-, Prüf- und Qualitätsdokumente Insgesamt
Anzahl 121 17 196 264 396 35 706 125 959 2.818
5.14 Fallbeispiel: Spezifika und Prüfung der Dokumentation in Pharmaprojekten
469
f) Auswertung und Zusammenfassung der Auditergebnisse Der Gegenstand der Auditierung war mit ca. 21000 Einzeldokumenten sehr umfangreich. Die Auditierung musste sich aus diesem Grund zwangsläufig auf eine stichprobenweise Überprüfung beschränken. Durch gezielte Anwendung von Methoden der mathematischen Statistik konnte nachgewiesen werden, dass die ausgewählte Stichprobe im Umfang von ca. 2800 Einzeldokumenten die Grundgesamtheit (sprich: Gesamtdokumentation) ausreichend genau beschreibt. Zugleich sicherte eine gruppen- und erfahrungsbezogene Stichprobenauswahl auch eine hohe Repräsentanz der Stichprobe. Die Fragestellung und die Ergebnisse (Aktionspunkte) zu jedem Teilproblem wurden in jeweils einer Audittabelle zusammengestellt. In der Summe resultieren 64 Aktionspunkte in 78 Audittabellen aus der Auditierung. Diese betrafen insbesondere ▪ die Ergänzung fehlender Unterlagen, insbesondere auch von Prüfdokumenten, ▪ den Austausch von Dokumenten, die nicht den As-built-Zustand beschreiben bzw. nicht als solche gekennzeichnet sind, ▪ die Gewährleistung der Selbstidentifikation jedes Dokumentes in der AS BUILTDokumentation. Entsprechend den festgestellten Aktionspunkten waren alle Exemplare der AS BUILT-Dokumentation vor ihrer werkvertraglichen Abnahme nachzubessern.
5.14 Fallbeispiel: Spezifika und Prüfung der Dokumentation in Pharmaprojekten 5.14.1 Spezifika von Pharmaprojekten inkl. Dokumentation Pharmazeutische Anlagen (kurz: Pharmaanlagen) dienen zur Herstellung von pharmazeutischen Produkten (Pharmaprodukten). Dabei wird zwischen der Erzeugung des Wirkstoffs (API – Active Pharmaceutical Ingredients) und deren Weiterverarbeitung zum Arzneimittel/Medikament (sog. Formulierung) unterschieden. a) Spezifika und Anforderungen an die Dokumentation Pharmaanlagen haben typische Charakteristika, die auch die Projektabwicklung inkl. Dokumentation stark beeinflussen (s. Tab. 5.23). Tabelle 5.23 Herausforderungen für Dokumentationsleistungen in Pharmaprojekten [3][38] 1
Die zuverlässige und nachvollziehbare Gewährleistung der definierten Pharma-Produktqualität(-en) im Dauerbetrieb der geplanten Pharmaanlage ist ein zentrales Projektziel. Diesem Ziel dient u.a. ein systematisches, projektbegleitendes QualitätsmanagementProzedere, welches insbesondere durch die Begriffe Qualifizierung und Validierung gekennzeichnet ist [39][40] (s. Buchst. d) und e)).
2
Die Abwicklung pharmazeutischer Projekte sowie der spätere Anlagenbetrieb unterliegen strengen internationalen Regularien [41], die kurzgefasst als GMP-Anforderungen bzw. GMP-Grundsätze bezeichnet werden. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer GMP-gerechten Projektabwicklung inkl. GMP-gerechten Engineering. Bem.: GMP ist die Abkürzung für Good Manufacturing Practice.
470
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Tab. 5.23 (Fortsetzung) 3
Die Einhaltung der GMP-Anforderungen im gesamten Pharmaprojekt und bei der anschließenden Pharmaprodukt-Herstellung wird konsequent behördlich überwacht. Die Prüfung der zugehörigen Dokumentation ist dabei ein Schwerpunkt. Bekannt ist z.B. die FDA (Food and Drug Administration) in den USA, die nicht nur Hersteller bzw. Lieferanten von Pharmaprodukten in den USA prüft, sondern auch im Auftrag anderer Regierungen weltweit tätig wird. Die Befugnisse der Aufsichts- und Kontrollbehörden sind sehr hoch. Bei schweren Verstößen kann die FDA z.B. ein Warning Letter ausstellen und im nächsten Schritt die Produktion für den US-amerikanischen Markt sowie den Produktimport stoppen.
4
Typisch für Pharmaprojekte ist das konsequente Handeln auf Basis freigegebener Prozeduren. Für bestimmte GMP-relevante Handlungen gibt es sog. SOP (Standard Operation Procedure) die verbindlich sind. Das heißt, die Handlungsweise der tätigen Personen wird reglementiert, letztlich um die Qualität zu sichern und um Fehler zu vermeiden. In anderen Fällen muss man z.B. zunächst für die beabsichtigte Tätigkeit eine zutreffende Projektrichtlinie erarbeiten. Erst wenn diese Richtlinie vom Verantwortlichen per OriginalUnterschrift freigegeben ist, kann die Handlung beginnen (s. auch Abschn. 5.14.3). Insgesamt erhöht sich somit erheblich der Dokumentationsaufwand.
5
Alle GMP-relevanten (vereinfacht: produktrelevanten) Vorgänge (Handlungen, Änderungen, Entscheidungen u.ä.) während des Projekts müssen nachvollziehbar dokumentiert sein. Dies setzt u.a. die konsequente Realisierung von Change-Control-Prozessen während der Projektabwicklung betreffs der Anlage und der Dokumentation voraus.
6
Pharmaanlagen sind oft hochautomatisiert, insbesondere um eine hohe Reproduzierbarkeit der Produktqualität zu gewährleisten. Der Mensch als mögliche Fehlerquelle wird durch zuverlässigere Technik ersetzt. Typisch sind in diesen Fällen prozessgerichtete Steuerungen (sog. SchrittkettenSteuerungen), die z.B. über Rezeptvorgaben geführt werden und die Herstellungsprozesse sowie Reinigungsprozesse in der Anlage weitgehend automatisch steuern. Der notwendige Aufwand für die Prozessleittechnik, inkl. Software, Engineering, Qualifizierung und Dokumentation, ist entsprechend hoch.
7
Das Engineering muss den Grundsätzen der Good Engineering-Practice (GEP) gerecht werden [3][38][39]. Dazu sind bei der technischen Planung eine Reihe besonderer Anforderungen zu beachten. Analoges gilt für die Erarbeitung und den Umgang mit der Dokumentation.
8
Gemäß den Anforderungen an GMP-relevante Dokumente hinsichtlich Beweiskraft, Fälschungssicherheit, langfristige Archivier- und Lesbarkeit u.ä. hat in Pharmaanlagen das Original-Dokument in Papierform noch große Bedeutung. Die Nutzung elektronischer Dokumente und Dokumentenmanagement-Systeme ist restriktiv und an strenge Voraussetzungen und Regeln gebunden [38][41].
b) Anpassung des Phasenmodells der Anlagen-Projektabwicklung an GMP Der Begriff Good Manufacturing Practice wurde 1962 von der Food and Drug Administration (FDA) eingeführt und ist wie folgt definiert: Good Manufacturing Practice (GMP) bzw. Gute Herstellungspraxis: der Teil der Qualitätssicherung, der gewährleistet, dass Produkte gleichbleibend nach den Qualitätsstandards produziert und geprüft werden, die der vorgesehenen Verwendung entsprechen [42].
Wesentliche GMP-spezifische Maßnahmen während der Projektabwicklung, die mit einen erheblichen Dokumentationsaufwand verbunden sind, zeigt Abbildung 5.20.
5.14 Fallbeispiel: Spezifika und Prüfung der Dokumentation in Pharmaprojekten
471
Abb. 5.20 GMP-Testate, Qualifizierung und Validierung während der Projektabwicklung
Planerisch vorbereitet werden alle GMP-relevanten Aktivitäten in einem Validierungsmasterplan. Der Validierungsmasterplan ist ein Dokument, in dem die qualitätsbezogenen Arbeitsweisen und Hilfsmittel sowie der Ablauf der Tätigkeiten in einem Neuanlagenprojekt dargelegt sind. In diesem Dokument werden u.a. definiert: Projektorganisation Auflistung der Qualifizierungs- und Validierungstätigkeiten Verantwortung und Zeitplan.
c) GMP-Testate [3] Begleitend zu den Engineeringphasen 1 bis 6 sowie zu den Phasen 6 (Beschaffung) und 7 (Bau/Montage) finden in den meisten Pharmaprojekten (basierend auf Unternehmensrichtlinien) sog. GMP-Testate statt. Ein GMP-Testat ist eine systematische, nachvollziehbare Überprüfungen und Testierung, inwieweit zum jeweiligen Zeitpunkt im Projekt die GMP-Anforderungen erfüllt sind.
Während der Testate zu den angeführten Haltepunkten wird im Team kontrolliert, ob die bis dahin vorgesehenen GMP-relevanten Aufgaben erledigt und die Zielstellungen erreicht sind. Im Erfolgsfall wird ein zugehöriges GMP-Testat (Formular) ausgestellt und von den Teilnehmern unterschrieben. Ein Schwerpunkt während des GMP2-Testats am Ende Basic Engineering sowie des GMP4-Testats vor dem Inverkehrbringen der Anlage ist eine produktbezogene Qualitätsrisikobeurteilung. In dieser ist nachzuweisen, dass während des Anlagenbetriebs keine bzw. nur vertretbar geringe Risiken bezüglich des Erreichens der Pharmaproduktqualität gegeben sind. Die Methodik ist ähnlich wie bei der Risikobeurteilung zum Nachweis der Anlagensicherheit (s. Abschn. 5.12.3, b). Zur Anwendung kommen häufig die FMEA-Methode (Failure Mode and Effect Analysis) und die HAZOP-Methode (Hazard and Operation Study). d) Qualifizierung gemäß GMP [39][40] Die Qualifizierung ist die dokumentierte Beweisführung, dass alle Ausrüstungsgegenstände (inkl. Leittechnik mit Software) und baulichen Einrichtungen einwandfrei arbeiten und tatsächlich zu den erwarteten Ergebnissen führen.
472
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Die Qualifizierung wird für alle GMP-relevanten Einzelausrüstungen inkl. Prozessleittechnik (Hard- und Software), für abgegrenzte Anlagen-Teilsysteme (Package-units) und die Gesamtanlage durchgeführt. GMP-relevant bedeutet kurzgefasst, dass diese Ausrüstungen bzw. Teilsysteme in ihren Arbeitsverhalten die Pharmaprodukt-Qualität beeinflussen. Korrespondierend mit dem Phasenmodell (s. Abb. 5.20) wird die Qualifizierung zeitlich gestaffelt in folgende vier Qualifizierungsschritte unterteilt: (1) Designqualifizierung / Design Qualification (DQ) ist der dokumentierte Nachweis, dass die Planung der Anlage und ihrer Komponenten (inkl. Prozessleitsystem mit Software, Bauwerke, Räumlichkeiten) entsprechend den geltenden Vorgaben (z.B. Lastenheft, Projektrichtlinien, Pflichtenheft, GMP-Regelwerk) durchgeführt wurde und für den entsprechenden Verwendungszweck geeignet ist.
Die Design Qualification (DQ) findet bis zum Ende des Detail Engineering (Ende Phase 6) statt. Sie soll für die GMP-relevanten Ausrüstungen, Systeme, Bauwerke und in der Summe für die Gesamtanlage nachweisen, dass die Ausführungsplanung entsprechend den User Requirements (Benutzeranforderungen) erfolgte. (2) Installationsqualifizierung / Installation Qualification (IQ) ist der formale und systematische Nachweis, dass alle wesentlichen Aspekte der Anlagenmontage/-installation (Hard- und Software) und des Bauens den vereinbarten Regeln entsprechen, mit den freigegebenen Ausführungsdokumenten übereinstimmen und die Empfehlungen der Zulieferer berücksichtigen.
Das Ziel der IQ, die bis zum Zeitpunkt MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG (Ende Phase 8) beendet sein muss, ist der Nachweis, dass die Beschaffung und Montage aller Komponenten und Systeme wie geplant erfolgt und in der Dokumentation as built beschrieben ist. Es wird der Ist-Zustand mit dem Soll-Zustand, insbesondere mit den Angaben in den Technischen Beschaffungsunterlagen (TBU) und Ausführungsdokumenten, verglichen. (3) Funktionsqualifizierung / Operational Qualification (OQ) ist der formale und systematische Nachweis, dass eine Hauptausrüstung, Teilanlage, Subsystem und sonstige technische bzw. bauliche Einrichtung die Funktion wahrnimmt, für die sie bzw. es erstellt wurde, und zwar im Rahmen der vorgesehenen Betriebsbereiche.
Die OQ beinhaltet vorrangig einen formalen, systematischen und dokumentierten Funktionsnachweis für die Einzelausrüstungen und GMP-relevante Teilanlagen/Subsysteme (z.B. Reinstwasser, Reinstdampf, Lösungsmittel, Lüftung) und Bauwerke/Räume. Sobald die technischen Voraussetzungen erfüllt sind, kann in Verbindung mit den Sicherheits- und Funktionsprüfungen die OQ der fertigmontierten GMP-relevanten Ausrüstungen inkl. Prozessleitsystem beginnen. Gleiches gilt für die Infrastruktur, Mediensysteme und Nebenanlagen. Die OQ der prozessrelevanten Anlagenteile und der Gesamtanlage wird i.Allg. erst während der Kalt-Inbetriebnahme erfolgen. (4) Leistungsqualifizierung / Performance Qualification (PQ) ist der formale und systematische Nachweis, dass eine Anlage oder ein komplexes System die Leistungsfähigkeit und komplexe Funktionsfähigkeit erbringt, für die sie oder es erstellt wurde.
Das Ziel der PQ ist der Nachweis der Leistungsfähigkeit und der Funktionsfähigkeit der Gesamtanlage über die Einzelprüfungen der Funktionsqualifizierung hinaus. Für die Gesamtanlage wird die PQ im Normalfall in Verbindung mit dem Leistungsnachweis am Ende der Inbetriebnahmephase durchgeführt. Die PQ ausgewählter Teilanlagen kann schon am Ende der Bau-/Montagephase stattfinden.
5.14 Fallbeispiel: Spezifika und Prüfung der Dokumentation in Pharmaprojekten
473
Für die einzelnen Qualifizierungsmaßnahmen werden sog. DQ-, IQ-, OQ- bzw. PQPläne erstellt, geprüft und freigegeben. Hauptinhalt dieser Pläne sind vorgegebene Testpläne mit sog. Akzeptanzkriterien sowie Templates für Prüfprotokolle. Akzeptanzkriterium ist eine festgelegte Anforderung (Merkmal, Charakteristika, Vorgabe, Wert), die erfüllt sein muss, damit eine Qualifizierung oder Validierung erfolgreich abgeschlossen werden kann.
Die Ergebnisse werden in Qualifizierungsberichten zusammengestellt. In ihnen sind die durchgeführten Arbeiten und die Ergebnisse der im Validierungsmasterplan und den einzelnen Qualifizierungsplänen festgelegten Prüfungen beschrieben und bewertet. Die Berichte können auch Mangelpunkte beinhalten. e) Validierung gemäß GMP [43] Neben der Qualifizierung ist in der Good Manufacturing Practice die Validierung von zentraler Bedeutung. Die Validierung bezieht sich im Unterschied zur Qualifizierung nicht auf die Anlage, sondern auf das Produkt. Mitunter wird der Begriff Validierung um das Konzept der Qualifizierung erweitert [39][41]. Die Validierung ist die dokumentierte Beweisführung, dass ein Prozess (Verfahren) in einer Anlage reproduzierbar ein spezifikations- und qualitätsgerechtes Produkt erzeugt. In Pharmaprojekten sind alle qualitäts- und GMP-relevanten Herstellungsprozesse, Reinigungsverfahren und Analysenmethoden zu validieren. Auf einige wenige Aspekte wird nachfolgend eingegangen und darüber hinaus auf die Fachliteratur verwiesen [43]. (1) Reinigungsvalidierung ist der dokumentierte Nachweis, dass ein Reinigungsverfahren zuverlässig innerhalb festgelegter Grenzen (Grenzwerte) zum erwarteten Ergebnis (ausreichende Reinigung) führt.
Die Validierung eines Reinigungsverfahrens hat zu beweisen, dass das Reinigungsverfahren die gestellten Ansprüche erfüllt und den erforderlichen Reinigungserfolg reproduzierbar gewährleistet. Das Testprogramm, welches entsprechend des spezifischen Validierungsplans durchzuführen ist, sollte beinhalten: einen Probenahmeplan und Probenahmevorschrift sowie mindestens drei Validierungsläufe zur Überprüfung der Reproduzierbarkeit des zu validierenden Reinigungsverfahrens. Die gemessene Restverunreinigung muss reproduzierbar niedriger sein, als der strengste ermittelte Grenzwert. Die Ergebnisse werden in Validierungsberichten dokumentiert. (2) Prozessvalidierung ist der dokumentierte Beweis, der einen hohen Grad der Absicherung liefert, dass ein bestimmter Prozess konsistent ein Produkt produziert, welches den vorherbestimmten Spezifikationen und Qualitätsmerkmalen entspricht.
Die Prozessvalidierung betrifft die Validierung aller qualitäts- und GMP-relevanten Herstellungsverfahren und dient der Beweisführung, dass der Herstellungsprozess mit hoher Wahrscheinlichkeit zum erwarteten Ergebnis, einem spezifikationskonformen und allen weiteren Qualitätsanforderungen entsprechenden Produkt führt. Sie beginnt bereits bei der Produkt- und Verfahrensentwicklung mit der Festlegung der Qualitätsspezifikationen (Produktspezifikationen) und setzt sich über die weiteren Schritte der Maßstabsvergrößerung bis zur betrieblichen Produktion fort.
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Das Testprogramm, welches entsprechend des zutreffenden Validierungsplans durchzuführen ist, sollte beinhalten: Festlegung der kritischen Parameter und Begründung (Risikobeurteilung), Prüfpunkte sowie Akzeptanzkriterien und Grenzwert, Vorgehen bei Abweichungen, Art und Umfang der durchzuführenden Tests, Zeitplan, Probenahmeplan und Probenahmevorschrift, angewandtes validiertes Prüfverfahren. Nach [43] gilt: Als Nachweis für einen reproduzierbaren und gesicherten stabilen Prozess gilt im Allgemeinen die spezifikationskonforme Herstellung von drei aufeinanderfolgenden Produktchargen mit den erarbeiteten Prozessparametern im vorgesehenen Produktionsmaßstab.
Die Ergebnisse werden in Validierungsberichten dokumentiert.
5.14.2 Good Engineering Practice und GMP-gerechte Dokumentation Grundsätzlich sind ca. 80 bis 90 % der Dokumentenarten, die für verfahrenstechnische Anlagen typisch sind, auch in Pharma-Dokumentationen anzutreffen. Darüber hinaus bewirkt die Good Manufacturing Practice aber einige Besonderheiten und zusätzliche Anforderungen an das Engineering und die zugehörige Dokumentation (s. auch Tab. 5.23 in Abschn. 5.14.1). Insbesondere für die GMP-relevanten Teilanlagen, Systeme und Anlagenkomponenten kommen zusätzliche rechtliche, fachliche und formale Anforderungen an das Engineering hinzu [3][39]. Man spricht in diesem Zusammenhang von Good Engineering Practice. a) Good Engineering Practice (GEP) [39][3] In den ISPE Baseline Pharmaceutical Engineering Guide [44] wird Good Engineering Practice folgendermaßen definiert: Good Engineering Practice (GEP) ist die Anwendung etablierter Ingenieurmethoden und Ingenieurstandards, die während der Projektlaufzeit eine passende und kosteneffiziente Lösung liefern.
Konkrete Merkmale von Good Engineering Practice sind zusammengefasst: professionelles und kompetentes Projektmanagement (Prozesse, Vorschriften, Personal), professionelle und kompetente Anlagenplanung, Beschaffung, Bau/Montage und Inbetriebnahme, Beachtung von Bau/Montage, Inbetriebnahme und Instandhaltung im Engineering, umfassende Berücksichtigung der gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz, exakte Einhaltung aller Vorgaben aus dem Genehmigungsbescheid, Berücksichtigung aller Anforderungen betreffs Qualität und Funktion, umfassende Beachtung allgemein anerkannter Regeln zum Stand der Technik, inkl. industrieller Standards und Richtlinien, effiziente Dokumentation für alle Unternehmensprozesse inkl. Instandhaltung, dokumentierte Beweisführung der Übereinstimmung der Planungsergebnisse mit dem Genehmigungsbescheid sowie den maßgeblichen Regularien und Gesetzen.
5.14 Fallbeispiel: Spezifika und Prüfung der Dokumentation in Pharmaprojekten
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Die meisten der angeführten Merkmale sind nicht pharmaspezifisch und auch für andere Anlagenprojekte grundsätzlich gültig. In Pharmaprojekten werden sie jedoch gemäß den GMP-Anforderungen formal und besonders akribisch angewandt. Ihre Einhaltung wird nachvollziehbar kontrolliert und dokumentiert. Verstöße werden streng geahndet, da sie häufig Risiken für die Einhaltung der Pharmaproduktqualität sind. Wenn man bedenkt, dass in einer größeren Pharma-Dokumentation ca. 500–1000 einzelne Qualifizierungs- und Validierungsberichte existieren und in diesen Berichten auf ca. 100 andere technische Dokumentenarten, die in anderen Kapiteln der Dokumentation abgelegt sind, eindeutig und nutzergerecht verwiesen (referenziert) werden muss, so zeigt dies beispielhaft die dokumentarische Herausforderung. GEP ist eine wichtige Grundlage und Voraussetzung für GMP. b) GMP-gerechte Dokumentation [38] Wichtige GMP-relevante Informationen und zum Teil auch abgeleitete Dokumente, die während der Errichtung und des Betriebs von Pharmaanlagen erarbeitet und genutzt werden, sind in Tabelle 5.24 angeführt. Tabelle 5.24 GMP-relevante Tätigkeiten und Dokumenteninhalte während der Projektabwicklung und des Betriebs von Pharmaanlagen (gegliedert nach Aufgabenbereichen) [38] Bereich
GMP-relevante Tätigkeiten und Dokumenteninhalte
Qualitätssicherung
QS-Handbuch Organigramm und Stellenbeschreibung Anweisungen und Protokolle Validierungsmasterplan Änderungsverfahren inkl. Änderungsanzeige, Änderungsprotokoll Freigabeverfahren Produktqualitätsüberprüfungen Verträge mit externen Dienstleistern und Lieferanten Qualifizierungsunterlagen zu externen Dienstleistern und Lieferanten Management Review
Personal
Verfahren der Ausbildung (Schulung und Training) Erfolgs- und Wirksamkeitskontrollen Anweisungen zum Personal (Untersuchung, Kontrolle, Test u.ä.) Hygieneprogramme. Personalbekleidung und -hygiene
Herstellung
Kalibrieren/Qualifizieren der Geräte und Einrichtungen Wartung, Reparatur, Reinigung der Geräte und Einrichtungen (Logbücher) Betriebs-/Bedienungsanweisungen Prozess- und Reinigungsvalidierung Herstellungsanweisungen/Herstellungsprotokolle Statistische Prozesskontrollen Maßnahmen bei Abweichungen in der Herstellung Kennzeichnung und Verpackung von Gebinden Hygieneplan der Räume Aufzeichnungen über Umgebungskontrollen Dokumentation der Lagerung inkl. Wareneingang Anweisungen zur Schädlingsbekämpfung Berichte über Audits bei Dienstleistern und Lieferanten
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Tab. 5.24 (Fortsetzung) Bereich
Qualitätskontrolle
Vertrieb
GMP-relevante Tätigkeiten und Dokumenteninhalte
Untersuchungen von Ausgangsstoffen Probenahmeverfahren Prüfanweisungen/Prüfprotokolle Verfahren bei Out of Specification (OOS)-Resultaten Kalibrierung/Qualifizierung der Laborgeräte Analytische Methodenvalidierung Umgang mit Standards und Reagenzien
Vertriebsnachweise Vorgehen/Maßnahmen bei Beanstandungen Rückrufpläne
Vorgaben zu den Dokumentationspflichten und Dokumenten, die sich aus den in Tab. 5.24 angeführten Tätigkeiten/Inhalten ergeben, sind u.a. im EU-GMP-Leitfaden [41] und in der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV) [45] enthalten. Die Dokumentation pharmazeutischer Anlagen und Betriebe unterscheidet i.Allg. zwei typische Klassen von korrespondierenden Dokumentenarten. Einerseits GMP-relevante Dokumentenarten, die verbindliche Vorgaben/Verhaltensregeln beinhalten (z.B. Verträge, Spezifikationen, Anweisungen, Pläne) und andererseits Dokumentenarten, die deren Einhaltung/Erfüllung bestätigen bzw. nachweisen (z.B. Protokolle, Bescheinigungen, Zertifikate, Berichte). Nicht wenige GMP-relevante Vorgaben zur Dokumentation und dem Dokumentationsprozess sind administrativer Art (s. Tab. 5.25), z.B. um als Nachweis dienen zu können, die Nachverfolgbarkeit von Prozessen/Vorgängen zu ermöglichen, die Datenintegrität zu gewährleisten. Mitunter wird in Bezug auf die Umsetzung dieser administrativen Vorgaben der Begriff „Gute Dokumentationspraxis (GDP)“ gebraucht. Tabelle 5.25 Mustergliederung einer Arbeitsanweisung „GMP-gerechte Dokumentation“ [38] Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 1.1 Hintergrund, Zielsetzung 1.2 Beziehung zu anderen Regeln 1.3 Geltungsbereich 1.4 Definitionen 2. Durchführung 2.1 Allgemeines 2.2 Handschriftliche Eintragungen 2.3 Ausdrucke 2.4 Kopien 2.5 Korrekturen 2.6 Schreibweise von Datum und Uhrzeit 2.7 Schreiben von Zahlen 2.8 Unterschriften 2.9 Entwertung von Leerfeldern 2.10 Aufbewahrung (Ablage bzw. Archivierung)
5.14 Fallbeispiel: Spezifika und Prüfung der Dokumentation in Pharmaprojekten
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Für die Erarbeitung und Anwendung anderer wichtiger Pharmadokumente, wie z.B. Qualifizierungs- und Validierungsdokumente, Herstellungsanweisungen und Herstellungsprotokolle, Prüfanweisungen und Prüfprotokolle existieren i.d.R. eigene Arbeitsanweisungen bzw. SOP (Standard Operating Procedure). c) Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement-Systems [38][3] Das Informationsmanagement im Leben einer verfahrenstechnischen Anlage findet überwiegend und zunehmend mit Hilfe elektronischer Dokumente (Dateien) statt (s. Abschn. 1.6 und Kap. 7). Diese werden mit unterschiedlichen Software-Tools erarbeitet und verwaltet (s. Abschn. 7.1). Papierdokumente kommen nur noch dort zum Einsatz, wo es notwendig (s. Abschn. 1.6) und/oder zweckmäßig ist. Mitunter fehlen dem Nutzer aber noch die wirtschaftlichen oder personellen Voraussetzungen für die Erarbeitung und Anwendung elektronischer Dokumente. Insgesamt ist die zunehmende Nutzung elektronischer Dokumente (statt Papierdokumenten) während der Projektabwicklung und des Betriebs verfahrenstechnischer Anlagen ein Trend, der sich fortsetzen wird. Der angeführte Übergang von der klassischen Papierdokumentation zur elektronischen Dokumentation vollzieht sich auch in der Pharmaindustrie, wenn auch langsamer und GMP-bedingt unter strengen Auflagen. Grundsätzlich lassen die GMP-Regularien [41][47] die Anwendung elektronischer Dokumente und Dokumentationssysteme zu. Welche Bedingungen daran geknüpft sind, veranschaulicht Tabelle 5.26. Tabelle 5.26 Wesentliche Bedingungen für die GMP-gerechte Nutzung elektronischer Dokumentationssysteme [47]
das elektronische Dokumentationssystem muss zuvor qualifiziert und validiert sein, die beteiligten Personen müssen angemessen ausgebildet sein, nur ermächtigte Personen dürfen Daten in das System eintragen und ändern, die Identität und Berechtigung des Bedieners muss durch das System geprüft werden, Maßnahmen zum Schutz vor unerlaubter Dateneingabe bzw. -modifikation müssen ausreichend gegeben sein, das System muss ein vollständiges Protokoll sämtlicher Eingaben und Änderungen (Audit Trail) ermöglichen, jede Änderung kritischer elektronischer Daten ist zu genehmigen und zusammen mit der Änderung zu protokollieren, das System muss die Prüfung der Dateneingabe und -verarbeitung unterstützen, die Verfügbarkeit, Beständigkeit und Genauigkeit der gespeicherten Daten muss sichergestellt sein und regelmäßig überprüft werden.
Von zentraler Bedeutung ist die Gewährleistung der Datenintegrität [38][46] über den gesamten Lebenszyklus des Dokuments gemäß den Prinzipien in Tabelle 5.27. Detaillierte Erläuterungen zur Datenintegrität, sowohl für Papierdokumente als auch elektronische Dokumente, sind in [38] enthalten. Zugleich sind nähere Ausführungen zur Einführung von Dokumentenmanagement-Systemen (DMS) in Pharmaunternehmen sowie zur Nutzung der elektronischen Signatur gemacht.
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5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Tabelle 5.27 Prinzipien bzgl. Einhaltung der Datenintegrität [38] Prinzip
Bedingung
Verfügbarkeit
Daten sollten für eine Überprüfung und ein Audit oder eine Inspektion über die gesamte Lebensdauer des Dokuments verfügbar sein.
Vollständigkeit
Alle Daten liegen vor und sind verfügbar.
Konsistenz
Alle Elemente des Dokuments, wie z.B. der zeitliche Ablauf, folgen einem Ablauf und sind in der erwarteten Reihenfolge datiert oder mit einem Zeitstempel versehen.
Beständigkeit
Daten sollten auf bewährten Speichermedien gespeichert sein (in Papierform oder elektronisch).
Lesbarkeit
Daten sollten leicht zu lesen ein.
Vertrauenswürdigkeit
Daten und die Aufzeichnung sind unverfälscht.
Entsprechend den praktischen Gegebenheiten werden in den meisten Projekten und Betrieben elektronische Dokumente und Papierdokumente gemeinsam und ergänzend genutzt. Beispielsweise ist, unabhängig von den rechtlichen Zwängen, festzustellen: Auf der Baustelle für Bau-/Montagetätigkeiten, insbesondere in der Arbeit vor Ort, werden noch häufig Papierdokumente genutzt. Dies gilt im Wesentlichen auch für Tätigkeiten bei der Inbetriebnahme und Instandhaltung. Die Belegexemplare (Master) der Hersteller-/Lieferantendokumentation, der Package-unit-Dokumentation und der Gesamt-Anlagendokumentation, die der Auftragnehmer am Ende des Vertrags gemäß dem As-built-Zustand revidiert und fertigstellt, werden in vielen Fällen noch im Papierformat an den Auftraggeber übergeben, geprüft und werkvertraglich abgenommen. GMP-relevante Dokumente werden nicht selten elektronisch erstellt, auf Papier ausgedruckt und als Original in Papierform handschriftlich genehmigt (unterschrieben). Danach wird das Papier-Original eingescannt und als Kopie elektronisch in einem Dokumentenmanagement-System verwaltet. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer hybriden Dokumentenverwaltung bzw. von einer Hybriddokumentation.
5.14.3 Prüfung der AS BUILT-Dokumentation einer Pharmaanlage Gegenstand der Prüfung war die AS BUILT-Dokumentation einer neuen großen Pharma-Wirkstoffanlage. Die Anlageninvestition wurde als Brownfield-Projekt im Rahmen eines Generalvertrags (LSTK – Lump Sum Turnkey) (s. Abschn. 4.5.1.2) auf einem vorhandenen Werksgelände realisiert. Im Anlagenvertrag war die Lieferung und Errichtung der Gesamtanlage sowie die verantwortliche Durchführung der Kalt-Inbetriebnahme vereinbart. Die Pharmaanlage war als Mehrproduktanlage für ca. 30 Wirkstoffe ausgeführt und weitestgehend rezeptgesteuert. Das heißt, der Anlagenbetrieb verlief basierend auf der Produktionsplanung/Anlagenbelegung (sog. Kampagnenstudio) und den vorgegebenen Rezeptparametern mit Hilfe prozessgerichteter Steuerungen (sog. Schrittketten-Steuerung) automatisch.
5.14 Fallbeispiel: Spezifika und Prüfung der Dokumentation in Pharmaprojekten
479
Abb. 5.21 Apparate-, Rohrleitungs- und MSR-Technik einer Pharmaanlage (Ausschnitt)
Während der erweiterten Kalt-Inbetriebnahme waren, neben den sonst üblichen Aktivitäten [13], umfangreiche Funktionsprüfungen mit inerten Medien (u.a. mit Luft, Stickstoff, Deionat, organischen Lösungsmitteln, Pulver aber ohne Chemie) durchzuführen. Eine wesentliche Zielstellung der komplexen Funktionsprüfungen war die detaillierte Erprobung der Prozessleittechnik inkl. der rezeptgeführten Prozesssteuerung. Die Heiß-Inbetriebnahme [13] war nicht Vertragsinhalt. a) Grundlagen und Basisdokumente für die Prüfung Im Praxisbeispiel erfolgte die werkvertragliche Abnahme der Anlage und der zugehörigen AS BUILT-Dokumentation gemeinsam nach der Kalt-Inbetriebnahme. Eine zeitlich getrennte Abnahme von Anlage und Dokumentation war im Vertrag nicht vereinbart und von beiden Partnern nicht gewollt. Zum Abnahmezeitpunkt wurden vom Auftragnehmer an den Auftraggeber übergeben: 1 Belegexemplar der AS BUILT-Dokumentation (Papierversion), in dem (bis auf wenige abgestimmte Ausnahmen) alle Original- und Masterdokumente abgelegt waren; 1 Arbeitsexemplar der AS BUILT-Dokumentation (Papierversion), das eine vollständige Kopie des Belegexemplars sein sollte. Der Umfang eines Exemplars waren ca. 2320 Ordner mit insgesamt ca. 40000 einzelnen Papierdokumenten. Im Abnahmeprotokoll wurde vereinbart, dass die Prüfung der AS BUILT-Dokumentation durch den Auftraggeber auf Vertragsgemäßheit erst nach der Abnahme erfolgt und von ihm angezeigte Mängel vom Auftragnehmer (nach Abstimmung und Bestätigung) und auf dessen Kosten umgehend in allen Exemplare der AS BUILT-Dokumentation nachgebessert werden. zunächst das Belegexemplar geprüft wird, aber die Nachbesserungen stets in allen Exemplaren erfolgen. die restlichen Exemplare der AS BUILT-Dokumentation zu einem späteren Zeitpunkt nachgeliefert werden. Der Termin ist in Abhängigkeit von den Prüfergebnissen und den Nachbesserungsfristen zu vereinbaren.
480
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
das Arbeitsexemplar sowie noch nachzuliefernder Exemplare anschließend durch Vergleichsprüfungen zum Belegexemplar geprüft werden. der Auftraggeber einen Kostenbetrag einbehält, der nach Protokollierung „Fertigstellung vertragsgerechte AS BUILT-Dokumentation“ zur Zahlung fällig wird. Beide Exemplare wurden zum Zeitpunkt der Übergabe „eingefroren“. Alle Change-Control-Vorgänge bezüglich der Dokumentation, die im Prüfzeitraum anfielen, wurden separat abgelegt und erst nach Abnahme der AS BUILTDokumentation in diese eingepflegt. Entsprechend den allgemeinen GMP-Grundsätzen wurden zunächst verbindliche Vorgaben für die Prüfung erarbeitet und freigegeben. Dies erfolgte durch zwei Projektrichtlinien im Sinne von Anweisungen. (1) Projektrichtlinie „Qualitätsanforderungen an die AS BUILT-Dokumentation“ (s. Tab. 5.28) Tabelle 5.28 Inhaltsverzeichnis der Projektrichtlinie „Qualitätsanforderungen an die AS BUILTDokumentation“ 1. 2. 3. 4.
Qualitätsanforderungen aus dem LSTK-Vertrag Qualitätsanforderungen aus der Dokumentationsrichtlinie Qualitätsanforderungen aus Besprechungsberichten u.a. Festlegungen Qualitätsanforderungen aus GEP-Praxis und Stand der Technik 4.1 Grundsätzliche Forderungen (u.a. Rechtskonformität) 4.2 Zusätzliche GEP-Anforderungen 4.3 Ganzheitlichkeit / Vollständigkeit 4.4 Widerspruchsfreiheit / Eindeutigkeit 4.5 As-built-Zustand 4.6 Nutzergerechtheit / Ergänzungsfreundlichkeit 4.7 Gliederung / Systematik 5. GMP-Anforderungen an die Lieferantendokumentation (inkl. Package-units)
Insgesamt wurde über 80 Qualitätsmerkmale identifiziert, definiert und abgestimmt, an Hand derer den Prüfern ein Soll-Ist-Vergleich der einzelnen Dokumente möglich war. (2) Projektrichtlinie „Prüfung der AS BUILT-Dokumentation“ (s. Tab. 5.29) Tabelle 5.29 Inhaltsverzeichnis der Projektrichtlinie „Prüfung der AS BUILT-Dokumentation“ 1. Zweck 2. Geltungsbereich 3. Abkürzungen und Definitionen 3.1 Abkürzungen 3.2 Definitionen 4. Mitgeltende Unterlagen 5. Durchführung der Qualitätsprüfung 5.1 Voraussetzungen für den Beginn 5.2 Erläuterung der prinzipiellen Vorgehensweise 5.3 Vorprüfung 5.4 Hauptprüfung 5.4.1 Belegexemplar 5.4.2 Weitere Exemplare
5.14 Fallbeispiel: Spezifika und Prüfung der Dokumentation in Pharmaprojekten
481
Tab. 5.29 (Fortsetzung) 5.4.3 Auswahl einer repräsentativen Stichprobe 5.4.3.1 Ermittlung des Stichprobeumfangs 5.4.3.2 Stichprobenauswahl 5.4.4 Durchführung und Protokollierung der Prüfung 5.4.5 Nachbesserung und Nachprüfung 6. Auswertung und Ergebnisse der Prüfungen 7. Beilage: Formblatt „Meldung – Prüfung AS BUILT-Dokumentation“
b) Durchführung der Qualitätsprüfung Die Prüfung wurde unter strenger Einhaltung der Vorgaben in Tabelle 5.29 durchgeführt. Nachfolgend dazu schwerpunktbezogen einige Erläuterungen. zu 5.2 Erläuterung der prinzipiellen Vorgehensweise Die detaillierte und umfassende Qualitätsprüfung/-sicherung war in folgende Schritte unterteilt: Hauptprüfung: Erfüllungskontrolle aller Qualitätsanforderungen durch Detailprüfung auf Ordner- bzw. Dokumentenebene. Nachbesserung: Beseitigung der vom AG zum Zeitpunkt „Übergabe AS BUILT-Dokumentation“ angeführten Restpunkte zur Dokumentation sowie der vom AG während der Prüfung festgestellten und dem AN angezeigten Mängelpunkte. Nachprüfung:
Erfüllungskontrolle der Nachbesserung und Abschluss der einzelnen Prüfmaßnahme bei Mängelfreiheit. Falls bei der Nachprüfung noch Mängel festgestellt wurden, waren die beiden vorhergehenden Schritte erneut zu durchlaufen.
Gegenstand der Qualitätsprüfung war zunächst das Belegexemplar. Dabei festgestellte Mängel wurden vom AN sowohl im Belegexemplar als auch in allen anderen Exemplaren der Papierversion sowie in der Elektronischen Dokumentation beseitigt. Anschließend an die Qualitätsprüfung und -nachbesserung des Belegexemplars wurden die anderen Exemplare bzw. Teile der AS BUILT-Dokumentation bzgl. ihrer Identität mit dem Belegexemplar geprüft. Die letzte Phase der Prüfung umfasste die Elektronische Dokumentation unterteilt in bearbeitbare Dateien (Quellformat) und nichtbearbeitbare Dateien (PDF-Format). zu 5.3 Vorprüfung durch Auftraggeber Die Vorprüfung ist ein erster und schneller Qualitätscheck und betraf mehr grundlegende Aspekte. Der Ablauf war folgender: Eingangskontrolle der gelieferten Dokumentationsteile auf Vollständigkeit und Unversehrtheit (auf Ordner- bzw. Dateiebene). Im Ergebnis der Kontrolle wurden für die einzelnen Lieferungen ohne sichtbare Mängel sog. Übergabe-/Übernahme-Protokolle erstellt und von den zuständigen Leadingenieuren beider Seiten unterschrieben. Lieferungen mit erkennbaren Mängeln wurden nicht übernommen. Grobprüfung des Belegexemplars seitens AG-Leadingenieure. Befragen der AG-Leadingenieure im Rahmen einer Auditierung des Belegexemplars.
482
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Zu diesem Zweck wurden zu den wichtigsten Qualitätsanforderungen durch den Auditor sog. Auditfragen formuliert, die während der internen Auditsitzungen (2 Tage) beantwortet und kurz diskutiert wurden. Mängelpunkte wurden fragenbezogen durch den Auditor als Aktionspunkte (insgesamt 34) dokumentiert und nach Bestätigung durch den AG an den AN zur Mangelbeseitigung übergeben. Im Ergebnis der Vorprüfung wurden erste sichtbare Mängel erkannt und deren Behebung unverzüglich veranlasst. konnten die Prüfungsschwerpunkte (Schwachpunkte) identifiziert werden. Damit war eine zielgenauere Stichprobenauswahl und Dokumentenprüfung möglich. wurden notwendige organisatorische und fachliche Voraussetzungen für die nachfolgende Hauptprüfung erkannt, die Teambildung und arbeitsteilige Zusammenarbeit zwischen den Prüfern gefördert. zu 5.4.1 Hauptprüfung des Belegexemplars Während der Hauptprüfung wurde für jeden Prüfvorgang (i.d.R. für ein Dokument) eine zugehörige Meldung gemäß Abb. 5.23 erstellt und in einer Access-Datenbank verwaltet. Wurden keine Mängel festgestellt, so diente die Meldung als Prüfungsnachweis sowie für statistische Auswertungen (z.B. der Berechnung der Fehlerquote oder der Erfassung des Stichprobenumfanges). Der gesamte Prüfungs- und Nachbesserungsprozess zur AS BUILT-Dokumentation wurde vom Projektmanagement straff geleitet und kontrolliert. In Abständen von 2 bis 4 Wochen gab es regelmäßige Projektroutinen zur Prüfung und Mängelbeseitigung der AS BUILT-Dokumentation mit den Schwerpunkten: Erfüllungskontrolle der Festlegung aus der vorhergehenden Routine, Stand AN-Abarbeitung von Mängelmeldungen, Stand AG-Prüfung und Übergabe von Mängelmeldungen. Der Status der Prüfungen und Nachbesserung wurde in Form von Statustabellen und Fortschrittskurven (s. Abb. 5.22) regelmäßig dargestellt, ausgewertet und kontrolliert.
Abb. 5.22 Gesamtfortschrittskurve über die Prüfung des Belegexemplars (Zwischenstand)
5.14 Fallbeispiel: Spezifika und Prüfung der Dokumentation in Pharmaprojekten
483
Abb. 5.23 Musterformular für die Meldung des Ergebnisses einer Dokumentenprüfung
zu 5.4.3 Auswahl einer repräsentativen Stichprobe Zu Beginn der Prüfung wurde von den AG-Leadingenieuren jeweils für ihren Zuständigkeitsbereich festgelegt, welche Dokumente des Belegexemplars einer 100 %-Prüfung und welche einer Stichprobenprüfung unterzogen werden sollen.
484
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Die anderen Teile des Belegexemplars sollten nach der in Abschn. 5.13, c) beschriebenen statistischen Methode anhand einer Stichprobe geprüft werden. Nachdem die ersten Prüfergebnisse zu Kapitel 1 (Allgemeine Dokumentation inkl. Verfahrenstechnik), Kapitel 2 (Maschinen und Apparate inkl. Behälter) und Kapitel 3 (Rohrleitungen) zeigten, dass 20 bis 30 Prozent der geprüften Dokumente mangelhaft waren, wurde der Anteil der 100 %-Prüfung sukzessive erhöht. Diese Maßnahme resultiert auch zwingend aus den statistischen Betrachtungen in Abschn. 5.13, d). Letztlich wurden fast 45 % des Belegexemplars (entspricht 15629 Dokumenten) einer 100 %-Prüfung unterzogen. Der Prüfumfang war somit erheblich und der hohen Mängelquote geschuldet. Durch die Vorgehensweise ist, nach erfolgter Nachbesserung, gewährleistet, dass die im 100 %-Prüfumfang ausgewählten, wichtigsten Dokumente der AS BUILTDokumentation qualitätsgerecht sind. Zusätzlich zur 100 %-Prüfung wurden als Stichprobe nochmals ca. 3200 Dokumente geprüft. Dies ist ein Anteil von ca. 8 % des Belegexemplars bzw. von ca. 15 % der zu prüfenden Grundgesamtheit (Gesamtumfang minus 100 %-Prüfumfang). Dieser große Stichprobenumfang sowie die praktizierte Auswahl einer repräsentativen Stichprobe gewährleisteten eine hohe statistische Sicherheit für die Qualitätsprüfung. zu 5.4.2 Hauptprüfung weiterer Exemplare bzw. Teilexemplare Neben dem Belegexemplar wurden als Teil der AS BUILT-Dokumentation vom AN gemäß Anlagenvertrag weiterhin geliefert: 1. das unter Buchst. a) angeführte Arbeitsexemplar in Papierform. Dieses diente dem Betrieb (nach Freigabe der AS BUILT-Dokumentation) als Arbeitsgrundlage. 2. eine Teildokumentation Anlagensicherheit in Papierform mit allen sicherheitsrelevanten Dokumenten. In ihr waren alle Nachweise über Sicherheitsprüfungen zusammengestellt. Zugleich diente sie für die wiederkehrenden Prüfungen. 3. eine Maschinenakte in Papierform mit den wichtigsten Kerndokumenten (z.B. Zusammenbauzeichnungen, Stücklisten, Datenblätter, Ersatz- und Verschleißteillisten, Betriebsanleitungen) für die einzelnen Apparate, Maschinen und Package-units. 4. eine Elektronische Dokumentation mit einer Zusammenstellung der elektronischen Dokumente (Dateien) geordnet wie das Belegexemplar. Die unter 1. bis 3. angeführten Exemplare bzw. Teilexemplare in Papierform waren vollständige bzw. auszugsweise Kopien bzw. des Belegexemplars. Nach Vorliegen eines weitgehend qualitätsgerechten Belegexemplars war somit die Identität dieser Exemplare bzgl. Inhalt und Form mit dem Belegexemplar zu prüfen. Die Prüfung erfolgte anhand von Stichproben für die einzelnen Kapitel. Die Auswahl der repräsentativen Stichproben mit einem Umfang von 3 % der Grundgesamtheit (Dokumentenanzahl des Kapitels) erfolgte nach den Kenntnissen der Statistik. Dokumente, die im Belegexemplar mangelhaft waren, wurden besonders gewichtet. Das Erfassen der Prüfergebnisse in der Meldung nach Abb. 5.23 sowie ggf. die Mangelmeldung → Abstimmung → Nachbesserung → Mangelfertigmeldung → Nachprüfung → Mangelabmeldung erfolgten analog zur Prüfung des Belegexemplars.
5.14 Fallbeispiel: Spezifika und Prüfung der Dokumentation in Pharmaprojekten
485
Bei der Prüfung der unter Punkt 4. angeführten Elektronischen Dokumentation war zwischen bearbeitbaren und nichtbearbeitbaren Dateien zu unterscheiden. Die übergebenen bearbeitbaren Dateien wurden einer 100 %-Prüfung unterzogen, die PDF-Dateien einer Stichprobenprüfung. zu 6. Auswertung und Ergebnisse der Prüfungen Welche Arten von Mängeln bei der Prüfung des Belegexemplars festgestellt wurden, zeigt Tabelle 5.30. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse enthält Tabelle 5.31. Tabelle 5.30 Klassifizierung der Mängel im Belegexemplar (Zwischenstand) Mangelgruppe
absolut 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
fehlende Dokumente Dokumente nicht „as built“ Inhaltliche Fehler Keine Originaldokumente Fehlende Unterschriften Fehlerhafte Revisionsangaben Fehlerhafter Verweis auf andere Dokumente 8. Fehler in Dokumentennummer 9. Sonstige Mängel Summenwerte 1)
Mangelbewertung 1)
Mängel in Gruppe
266 122 185 44 76 34 99 41 277 1144
prozentual sicherheits- qualitätsrelevant relevant 23,3 10,7 16,2 3,8 6,6 3,0 8,6
sonstige
% % % % % % %
62 0 29 1 0 0 0
85 26 20 31 46 17 6
131 96 136 12 30 17 93
3,6 % 24,2 %
0 6 98
0 158 389
41 113 669
Mehrfachnennungen bei Sicherheits- und Qualitätsrelevanz möglich
Tabelle 5.31 Prüfumfang und Prüfergebnisse für die einzelnen Exemplare bzw. Teilexemplare der AS BUILT-Dokumentation Exemplar bzw. Teilexemplar
Prüfumfang und Prüfergebnis
Belegexemplar
insgesamt wurden 18298 Dokumente geprüft die durchschnittliche Mangelquote betrug 21,7 % die Mangelquote der zu 100 %-geprüften Qualifizierungsdokumentation betrug 0,0 Prozent
Arbeitsexemplar
insgesamt wurden 3 % von ca. 18298 Dokumenten geprüft die Mangelquote der Identitätsprüfung betrug 1,4 %
Teildokumentation Anlagensicherheit
es fand eine 100 %-Prüfung statt die Mangelquote betrug 3,0 %
Teildokumentation Maschinenakte
insgesamt wurde eine Stichprobe von 10 % geprüft die Mangelquote bzgl. Vollständigkeit/Identität betrug 1,1 %
Elektronische Dokumentation
die bearbeitbaren Dateien wurde zu 100 % geprüft die Mangelquote für bearbeitbare Dateien betrug 2,6 % von nichtbearbeitbaren Dateien Stichprobe von 3 % geprüft die Mangelquote bei nichtbearbeitbare Dateien betrug 7,0 %
486
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
Insgesamt dauerte die Qualitätsprüfung/-sicherung der sehr umfangreichen AS BUILTDokumentation einer Pharmaanlage sowie die Nachbesserung und Nachprüfungen der festgestellten Mängel über ein Jahr. Die aufgewandten personellen und finanziellen Ressourcen waren erheblich. Letztlich war das erreichte Ergebnis jedoch überzeugend, wie der nachfolgend angeführte Befund belegt. Etwa drei Monate nach Abschluss der beschriebenen Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Dokumentation fand in der Pharmaanlage eine Inspektion der FDA (Food and Drug Administration) statt. Im Inspektionsbericht wurde die Dokumentation ausdrücklich lobend erwähnt.
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DIN EN 60812: Analysetechniken für die Funktionstüchtigkeit von Systemen – Verfahren für die Fehlzustandsart- und -auswirkungsanalyse (FMEA)
488
5 Erstellen und Nutzen der Dokumentation während der Projektabwicklung
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Werdich M (Hrsg.) (2012) FMEA – Einführung und Moderation, Springer Vieweg, Berlin Heidelberg
[31]
DIN 25419: Ereignisablaufanalyse; Verfahren, graphische Symbole und Auswertung
[32]
DIN 25424: Fehlerbaumanalyse; Handrechenverfahren zur Auswertung eines Fehlerbaums
[33]
IEC 61508: Funktionale Sicherheit sicherheitsbezogener elektrischer, elektronischer u. programmierbarer elektronischer Systeme Teil 1: Allgemeine Anforderungen Teil 2: Anforderungen an sicherheitsbezogene elektrische/elektronische/programmierbare elektronische Systeme Teil 3: Anforderungen an Software Teil 4: Begriffe und Abkürzungen Teil 5: Beispiele zur Ermittlung der Stufe der Sicherheitsintegrität (SIL) Teil 6: Richtlinien für die Anwendung von DIN EN 61508-2/61508-3 Teil 7: Überblick über Techniken und Maßnahmen
[34]
DIN EN 61511-1 (VDE 0810-1): Funktionale Sicherheit – Sicherheitstechnische Systeme für die Prozessindustrie
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6 Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs Sobald die werkvertragliche Abnahme der AS BUILT-Dokumentation erfolgte, ist der Auftraggeber für den Umgang mit der Gesamtdokumentation verantwortlich. Bevor darauf in Abschn. 6.1 näher eingegangen wird, seien noch einige Hinweise vorangestellt. Der Auftraggeber sollte das Belegexemplar der AS BUILT-Dokumentation oder eine Kopie in elektronischer Form derart archivieren, dass dessen Zustand zum Abnahmezeitpunkt beweiskräftig dokumentiert wird. Nur so kann er im Gewährleistungsfall seiner Beweispflicht nachkommen und belegen, dass der Auftragnehmer den Dokumentationsmangel zu vertreten hat. Die Art und Weise der Archivierung, z.B. als Belegexemplar in Papierform oder im PDF-Format bzw. PDF/A-Format (Standard für Langzeitarchivierung [1]), sind mit dem Auftragnehmer abzustimmen und zu vereinbaren. Die Dokumente aus Änderungsvorgängen, die zwischen dem „Freezing Point“ für die AS BUILT-Dokumentation und ihrem Abnahmezeitpunkt anfallen, sind – ebenfalls in einem Exemplar in unveränderter Form, zum Beispiel als Anhang zum Belegexemplar, aufzubewahren bzw. zu archivieren oder – in alle Exemplare der AS BUILT-Dokumentation (elektronisch und in Papierform) einzupflegen.
6.1 Verantwortlichkeiten und Nutzung der Dokumentation beim Anlagenbetrieb 6.1.1 Übergang vom Errichter zum Betreiber Die Übertragung der Verantwortung für die Anlagendokumentation vom Errichter auf den Anlagenbetreiber stellt eine große Zäsur im Lebenszyklus der Dokumentation dar. Aus der bisherigen Errichterdokumentation wird eine Betreiberdokumentation. Zusätzlich zur Pflege und Fortschreibung der Anlagendokumentation, die im Mittelpunkt der weiteren Ausführungen steht, werden auch die Betriebs- und Genehmigungsdokumentation fortgeschrieben und verwaltet. Das „Magische Dreieck“ der Informationsvermittlung im Anlagenbau nach Abb. 1.4, Abschn. 1.3 wird an zwei von drei Seiten neu besetzt (s. Abb. 6.1): Eine neue Organisation (die des Betreibers) bearbeitet die Dokumente mit einer neuen IT- und Softwarelandschaft im Rahmen neuer Geschäftsprozesse. Die dritte Seite (Dokumente) bleibt aber zunächst identisch. Unter diesen veränderten Bedingungen müssen die drei Seiten erneut in Einklang gebracht werden. Der Übergang vom Errichter zum Betreiber erfolgt bei größeren Anlagen und Umbauten gleitend, d.h. in der Übergangsphase laufen Prozesse der Errichtung und des Betriebs parallel zueinander ab und greifen auf denselben Dokumentenbestand zu (s. Tab. 6.1). Die Verantwortung für die Anlagendokumentation geht an den Betreiber über. Die Anlage wird zum Arbeitsmittel im Sinne der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) [2] (s. auch Abschn. 2.3.3, c)). © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 K. H. Weber et al., Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen, VDI-Buch, https://doi.org/10.1007/978-3-662-55150-9_6
491
492
6 Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs
Abb. 6.1 Änderungen im „Magischen Dreieck“ beim Übergang in die Betriebsphase
In diesem Zusammenhang spricht man häufig von der Betreiberverantwortung, die auch die Fortschreibung der Anlagendokumentation und die Erstellung und Pflege der Betriebsdokumentation beinhaltet. Zur Klarstellung des Sachverhalts bzgl. der Betreiberverantwortung, insbesondere auch zur Einordnung der Inbetriebnahmephase, sei noch ergänzt [3]: Der Anlagenbetreiber gehört als juristische und natürliche Person im „klassischen Fall“ zum Unternehmen des Auftraggebers (AG). Seine Hauptaufgabe ist die effiziente Bewirtschaftung der Anlage im Dauerbetrieb. Sofern die werkvertragliche Abnahme der Anlage und Dokumentation zum Zeitpunkt MECHANISCHE FERTIGSTELLUNG erfolgt, übernimmt der Betriebsleiter des AG sofort mit Beginn Inbetriebnahme die Betreiberverantwortung. Er erhält in diesem Fall die as-built-gerechte Anlagendokumentation vom Anlagenerrichter, muss die Betriebsdokumentation aber eigenverantwortlich erarbeiten. Andersartige Verantwortlichkeiten kann es geben, wenn z.B. im Anlagenvertrag der Auftragnehmer (AN) (als Generalunternehmer oder Generalplaner) für die Inbetriebnahme verantwortlich ist und entsprechend die werkvertragliche Abnahme der Anlage und Dokumentation erst am Ende der KaltInbetriebnahme bzw. noch später am Ende der Gesamtinbetriebnahme nach erfolgreichen Leistungsnachweis erfolgt. In diesem Fall, der insbesondere ▪ bei Investitionen auf der „grünen Wiese“ (Greenfield-Projekt) und ▪ bei Projekten, in denen der AN der Verfahrensträger ist, gegeben ist, nimmt der AN temporär während der Inbetriebnahme die Betreiberverantwortung wahr. Der AN muss in diesem Fall, als erster Anlagenbetreiber nach erfolgter Investition, sowohl die Anlagendokumentation als auch die Betriebsdokumentation verantwortlich erarbeiten. der AG generell den AN (z.B. während des Gewährleistungszeitraums) bzw. einen Dritten mit der Betriebsführung (Betriebsführungsvertrag) beauftragt. Dieser muss dann auch verantwortlich die Betriebsdokumentation erstellen.
6.1 Verantwortlichkeiten und Nutzung der Dokumentation beim Anlagenbetrieb
493
Für den Begriff Betreiberverantwortung gibt es keine eindeutige Definition. Entsprechend den Ausführungen in Abschn. 2.4.1 kann man folgende Definition ableiten: Betreiberverantwortung ist der Auftrag, beim Betrieb von Anlagen und Gebäuden für die Einhaltung der Rechtsvorschriften und geltenden Technischen Regeln und Normen, den Schutz der Arbeitnehmer und anderer Personen, den Schutz des Unternehmens vor Haftungsansprüchen sowie Umweltschutz und Sachschutz einzustehen. Die daraus abgeleiteten Pflichten werden als Betreiberpflichten bezeichnet. Tabelle 6.1 Mögliche Aktivitäten in einer Anlage nach deren werkvertraglicher Abnahme 1 2 3 4 5 6 7 8
Der Betreiber vergibt Erweiterungen und Umbauten bzw. veranlasst den Austausch der ersten Verschleißteile. Der Auftragnehmer arbeitet letzte Abnahmemängel ab und überarbeitet die Anlagendokumentation nach Bemängelung. Der Auftragnehmer führt Änderungen als Nachtrag (Change Order) aus. Unterauftragnehmer bieten selbst Erweiterungen an. Der Auftragnehmer erweitert die Bestandsanlage als Nachfolge-/Ausbauprojekt. Prozessverantwortliche ändern Anlageneinstellungen (z.B. Abluftmengen). Anlagen werden umgewidmet bzw. anders als geplant genutzt. Sachversicherer/Feuerwehr/sonstige Stellen fordern Änderungen von Anlagen und Dokumenten (z.B. Feuerwehrlaufkarten, Flucht- und Rettungswegpläne).
Abbildung 6.2 zeigt wichtige Rechtsvorschriften, deren Einhaltung den Betreiberpflichten in der BRD gehört (s. auch Abb. 1.1 in Abschn. 1.2).
Abb. 6.2 Rechtsgrundlagen für Anlagen- und Gebäudebetreiber in der BRD (Auszug)
494
6 Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs
Nicht alle in Abb. 6.2 aufgeführten Quellen haben Gesetzescharakter (z.B. Normen und Herstellerangaben). Dennoch kann bei Nichteinhaltung dieser Vorgaben ein Fahrlässigkeitsvorwurf (mit den in Abschn. 2.5. aufgeführten Konsequenzen) abgeleitet werden. Zur Wahrnehmung der Betreiberpflichten gehört auch die Durchführung und Dokumentation der wiederkehrenden Prüfungen [4] (s. Abschn. 6.3).
6.1.2 Übertragen von Betreiberpflichten betreffs Dokumentation Es gehört zu den wichtigsten Pflichten des Anlagenbetreibers, für den sicheren und bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlage zu sorgen. Dies gilt nicht nur für genehmigungspflichtige Anlagen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) [5] (s. Abschn. 2.3.2 und 3.4), sondern für alle verfahrenstechnischen Anlagen. Bestandteil dieser Pflicht ist, neben der Anlage auch die Dokumentation sicher und genehmigungsgerecht, d.h. insbesondere aktuell und as-built (wie gebaut) zu halten. Die Dokumentation ist in Einheit mit der Anlage zu verstehen und zu managen. Sie unterliegt i.Allg. denselben gesetzlichen Anforderungen, wie die Anlage selbst. Zugleich resultieren Pflichten zur Aktualisierung der Dokumentation auch aus den in Abb. 6.2 aufgeführten Rechtsgrundlagen. In vielen Umbauprojekten werden die zu ändernden Dokumente durch die beauftragten ausführenden Firmen erstellt und übergeben. Hier ist der Anlagenbetreiber im Rahmen seiner Aufsichts- und Sorgfaltsverantwortung verpflichtet, die Richtigkeit, den As-built-Status und die Nutzbarkeit der eingereichten Unterlagen zumindest in Stichproben zu prüfen, um ein Organisationsverschulden auszuschließen. Nur die konsequente Umsetzung bestehender CAD- und Dokumentationsstandards und deren Überwachung gewährleisten die langfristige Nutzbarkeit der Dokumentation, erfordern aber Aufwand und somit Geld. Im Gegenzug wird sichergestellt, dass die Dokumentation dauerhaft nutzbar ist und alle oben genannten Auflagen erfüllt. Die Pflichtenübertragung für die Dokumentation durch das Management des Anlagenbetreibers kann typischerweise auf zwei Arten erfolgen: Var.1: Der Anlagen- bzw. Betriebsleiter ist für die Gesamtdokumentation (nutzen, pflegen, fortschreiben, ablegen, archivieren) allein verantwortlich. Bem.: Dies ist eine eindeutige Regelung, da die Verantwortung für die Gesamtdokumentation bei einer Person liegt. Der Betriebsleiter delegiert i.d.R. die Verantwortung und Pflichten wie folgt weiter: – für die Anlagendokumentation an einen oder zwei Betriebsingenieure (ggf. getrennt für Mechanik und EMSR), – für Teile der Betriebsdokumentation (z.B. Prüfdokumentation, Qualitätsdokumentation, Beschaffungsdokumentation) an Spezialisten des Betriebs und/oder der Zentralbereiche. In die konkrete Aufgabenbearbeitung werden häufig externe Dienstleister einbezogen. In Großanlagen bzw. im Pharmabereich wird mitunter eine Dokumentationsstelle des Betriebs bzw. Bereichs eingerichtet und deren Leiter weitestgehend für die Dokumentation verantwortlich gemacht.
Var. 2: Die Verantwortung und Pflichten für die Dokumentation werden vom Unternehmen zentral auf mehrere Bereiche und Personen übertragen. Bem.: Diese Variante ist fachlich orientiert. Sie beinhaltet eine geteilte Verantwortung mit zahlreichen Schnittstellen und entsprechend Konfliktpotential.
6.1 Verantwortlichkeiten und Nutzung der Dokumentation beim Anlagenbetrieb
495
Praktiziert wird beispielsweise die folgende Übertragung von Verantwortung und Pflichten: – für die Anlagendokumentation an den Leiter Technik, – für Teile der Prüfdokumentation (z.B. Prüfbücher für Druckgeräte und für Anlagen mit wassergefährdenden Stoffen) an die Abteilung Anlagensicherheit, – für sonstige Teile der Betriebsdokumentation an den Betriebsleiter. Die Einbeziehung externer Dienstleister in die Aufgabenbearbeitung ist ebenfalls üblich.
Bei beiden Varianten können die Delegierenden (z.B. Betriebsleiter oder Geschäftsführer) die in Abschn. 2.4.3 erläuterten gesetzlichen und organisatorischen Möglichkeiten und Hinweise nutzen. In jedem Fall verbleiben aber beim Delegierenden die Auswahlverantwortung, Ordnungsverantwortung und Aufsichtsverantwortung (s. Abschn. 2.4.3, d)). Ob die Variante 1 oder 2 angewandt wird, hängt auch von der gewachsenen Unternehmensstruktur (Organisation und Prozesse) ab. Viele Betriebsleiter neigen, aus verständlichen Gründen, gern zur 2. Variante. Die Verfasser befürworten im Sinne einer einheitlichen Verantwortlichkeit für Anlage und Dokumentation sowie der verringerten Schnittstellen die 1. Variante. In jedem Fall muss das Ziel ein effizientes Dokumentenmanagement während des Dauerbetriebs sein: Die richtigen Informationen müssen zur richtigen Zeit nutzergerecht und kosteneffizient zur Verfügung stehen.
6.1.3 Nutzung und Nutzer (Stakeholder) der Dokumentation in der Betriebsphase Wofür die Dokumentation während des Dauerbetriebs verfahrenstechnischer Anlagen benötigt wird, veranschaulicht Abbildung 6.3.
Abb. 6.3 Nutzung der Dokumentation während des Dauerbetriebs
496
6 Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs
Mit dem Übergang in den Dauerbetrieb nach der Abnahme vergrößert sich die Anzahl der interessierten Nutzer bzw. Parteien (engl. Stakeholder) und deren Anforderungen an die Anlagen- und Betriebsdokumentation (s. Abb. 6.4).
Abb. 6.4 Stakeholder der Gesamtdokumentation in der Betriebsphase
Die Dokumentation fungiert als Träger und Vermittler dieser Informationen (s. auch Abschn. 1.3). Dabei kann der Nutzerkreis bezüglich Informationsbedarf, Fachwissen, Erfahrungsschatz, Verantwortung, Befugnissen u.v.a. sehr umfangreich und verschiedenartig sein. Im Einzelnen sind seitens der Stakeholder u.a. folgende Bedürfnisse bzw. Wünsche anzutreffen: Behörden und Prüfsachverständige möchten übersichtliche, verständliche Informationen zu speziellen Sachverhalten und Vorkommnissen. Die Öffentlichkeit möchte allgemeinverständlich informiert werden, was im Betrieb hergestellt wird, welche potenziellen Gesundheits- und Umweltgefährdungen bestehen und welche Vorkehrungen getroffen werden. Der Anlagensicherheitsverantwortliche braucht aktuelle Bestandsunterlagen, um die wiederkehrenden Risikobeurteilungen für die Anlage sowie die wiederkehrenden Prüfungen überwachungspflichtiger Anlagenkomponenten durchzuführen. Der Arbeitsschutzverantwortliche (GSU) will überprüfen, inwieweit die bestehenden Gefährdungsbeurteilungen und Betriebsanweisungen dem aktuellen Anlagenregime und neuen Rechtsvorschriften entsprechen. Die Betriebsingenieure, Schichtführer und Anlagenfahrer benötigen verständliche Betriebsanweisungen für das Bedienen der Anlage. Ihnen müssen auch detaillierte Informationen über Aufbau und Funktion der Anlage zur Verfügung stehen, um neues Bedien- bzw. Servicepersonal zu schulen und einzuarbeiten. Das Wartungs- und Reparaturpersonal brauchen bei abweichenden Betriebszuständen und bei Störungen präzise Informationen und Vorgaben, wie Ursachen eindeutig und
6.2 Management der Anlagendokumentation im Betrieb
497
schnell identifiziert und wie entsprechende Gegen- bzw. Reparaturmaßnahmen eingeleitet werden können. Instandhalter, Wartungspersonal sowie beauftragte Fremdfirmen benötigen vollständige und aktuelle Unterlagen, um die notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen schnell und sachgerecht auszuführen. Externe Planungsbüros und Anlagenerrichter brauchen die Anlagendokumentation (vor allem R&I-Fließschemata und Herstellerunterlagen der Komponenten) im As-built-Zustand, um die Produktion schnell den Markterfordernissen anzupassen. Der Investitionsabteilung müssen präzise und aktuelle Bestandsunterlagen von allen Gewerken, möglichst als bearbeitbare Dateien, zur Verfügung stehen, um Erweiterungsmaßnahmen schnell und fehlerfrei zu planen und zu realisieren. Der Qualitätsinspektor fordert, dass alle qualitätsrelevanten Änderungsvorgänge (Change-Control-Vorgänge) in der Dokumentation nachvollziehbar erfasst sind. Das Management setzt voraus, dass jederzeit eine rechtskonforme sowie vollständige und aktuelle Dokumentation verfügbar ist, der Geheimnisschutz gewahrt bleibt und zugleich die Kosten reduziert werden.
6.2 Management der Anlagendokumentation im Betrieb 6.2.1 Situationsanalyse und Wirtschaftlichkeitspotentiale Immer mehr Unternehmen sind, insbesondere in Verbindung mit Neuinvestitionen, bemüht, den Dokumentationsprozess im Leben der Anlage systematisch und wirtschaftlich zu gestalten. Ein Anblick wie in Abbildung 6.5 gehört inzwischen überwiegend der Vergangenheit an.
Abb. 6.5 Teile eines Betriebsarchivs (Praxisbeispiel)
Das Risiko eines möglichen Organisationsverschuldens (s. Abschn. 2.4.3, d)) bei mangelhafter Dokumentation wird Führungskräften zunehmend bewusst. Schwere Havarien und Unfälle, die sich in den letzten Jahren ereigneten und zu strafrechtlichen Ermittlungen führten, haben unter den Führungskräften u.a. die Frage aufgeworfen: Wann kann bei Mängeln in der Dokumentation ein strafrechtlich relevanter Fahrlässigkeitsvorwurf erhoben werden? In Abschn. 2.5.1 dieses Buchs wurde bereits auf diese Frage eingegangen. In Tabelle 2.23 sind praxisnahe Gefährdungen und Risiken hinsichtlich eines fahrlässigen Umgangs mit der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen aufgeführt.
498
6 Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs
Trotz aller Risiken wird die Pflege der Dokumentation von vielen Betreiberverantwortlichen allerdings nach wie vor in erster Linie als Kostenfaktor gesehen. Die Chancen und Wirtschaftlichkeitspotentiale auf diesem Fachgebiet werden häufig nicht erkannt und nicht ausgeschöpft (s. Tab. 6.2). Tabelle 6.2 Kritische Situationsanalyse zur betrieblichen Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen 1
Vom Betreibermanagement wird nicht selten eine vollständige und aktuelle Dokumentation als nicht zwingend eingestuft und die dazu erforderlichen Kosten gescheut. Die Pflege wird auf wenige Dokumentenarten beschränkt.
2
Ein ganzheitliches Konzept zum Erstellen, Nutzen und Pflegen der Dokumentation im Lebenszyklus der Anlage ist selten. Die Dokumentation wird zu sehr als abgeschlossene AS BUILT-Dokumentation im Rahmen des Anlagenvertrags und nicht als dynamische, langlebige Dokumentation während des Lebenszyklus verstanden.
3
Struktur, Inhalt und Bearbeitungswerkzeuge der Dokumentation sind stark durch die Anforderungen bei der Anlagenrealisierung geprägt. Der Auftraggeber (Betreiber) nimmt während der Projektabwicklung zu wenig Einfluss auf die Gestaltung der Dokumentation in seinem Sinne.
4
Die als Teil der AS BUILT-Dokumentation übergebene Elektronische Dokumentation ist häufig für eine effiziente Nutzung und Pflege nicht geeignet bzw. dem Betreiber fehlen dazu die Voraussetzungen.
5
Der Änderungsprozess zur Dokumentation ist oft nicht ausreichend praktikabel geregelt bzw. wird nicht „gelebt“. Große Teile der Dokumentation sind nicht mehr aktuell. Das Vertrauen der Mitarbeiter in die Dokumentation sowie die Nutzung derselben werden dadurch geringer. Die Mitarbeiter stellen sich eigene „Dokumentationsunterlagen“ zusammen.
6
Notwendige Aktualisierungen, z.B. in Vorbereitung von Erweiterungsmaßnahmen bzw. wegen neuer Rechtsvorschriften, lösen neue und teure As-built-Aufnahmen bzw. andere Sofortaktionen aus.
7
Betriebliches Dokumentenmanagement wird oft unterschätzt. Einige Betreiber sind überfordert. Der Änderungsprozess der Dokumentation ist oft gar nicht oder nicht praktikabel geregelt.
Die in Tabelle 6.2 geschilderte Situation bewirkt, dass die Dokumentation in einem Teil der Betriebe den Anforderungen der Stakeholder gemäß Abschn. 6.1.3 nicht gerecht wird. Die notwendigen betrieblichen Maßnahmen können folglich nicht optimal vorbereitet und durchgeführt werden. In einigen Fällen vergeht unnötig viel Zeit, um technische Störungen zu diagnostizieren und zu beseitigen. Die Verfasser sind der festen Überzeugung, dass ein professionelles Dokumentenmanagement, sowohl im Projekt als auch während des Anlagenbetriebs ein wichtiger Wirtschaftlichkeitsfaktor mit erheblichem Effektivitätspotential ist. Um diese Wirtschaftlichkeitsreserven zu erschließen, ist es erforderlich, insbesondere die folgenden beiden Zielstellungen erfolgreich zu lösen: (1) Die AS BUILT-Dokumentationen, die bei Neu-, Erweiterungs- und Modernisierungsinvestitionen erarbeitet werden, müssen zielgerichtet entsprechend den Erfordernissen des betrieblichen Dokumentationsprozesses realisiert werden.
6.2 Management der Anlagendokumentation im Betrieb
499
Bem.: Das heißt, Dokumentationsleistungen in Verbindung mit Investitionen müssen verstärkt die längerfristigen Anforderungen berücksichtigen.
(2) Das betriebliche Dokumentenmanagement muss konsequent gemäß den aktuellen und zukünftigen Anforderungen an die Dokumentation sowie mit Hilfe des bewährten Know-hows und der geeigneten Software-Tools effizient organisiert und praktiziert werden. Hinsichtlich des betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Mehrnutzens einer aktuellen Anlagen- und Betriebsdokumentation zeigt die DIN 77005-1 [4] folgenden Nutzen auf: Hilfestellung bei der Verwaltung anlagenbezogener dokumentierter Informationen, verbesserte Übersicht und Wiederauffindbarkeit der dokumentierten Informationen entlang des Lebenszyklus der technischen Anlage, verbesserte inner- und zwischenbetriebliche Kommunikation durch gemeinsame Begriffe und Strukturen, Grundlage für Auswertungen und Analysen, Grundlage zur Optimierung der Instandhaltung, vereinfachte Kontrolle und Erhöhung der Effizienz von anlagenbezogenen Tätigkeiten, Unterstützung bei der Einhaltung normativer Anforderungen und Pflichten, vereinfachte Informationsübergabe bei z.B. Eigentümerwechsel, Grundlage für einen standardisierten Informationsaustausch zwischen Hersteller und Betreiber, u.a. mit dem Ziel der Übermittlung von Erfahrungswissen für die Weiterentwicklung der eingesetzten Bauteile. Darüber behalten die bisher aufgeführten Argumente (z.B. Vermeidung eines Organisationsverschuldens, Gewährleistung des sicheren Anlagenbetriebs, …) auch in der Betriebsphase ihre Gültigkeit. Die Dokumentation ist – wie die Anlage selbst – ein Teil des Betriebsvermögens. Dieses Vermögen gilt es zu schaffen, zu erhalten und nicht durch mangelnde Pflege zu vergeuden. Als Fazit lassen sich für die Anlagen- und Betriebsdokumentation zwei Hauptaufgaben des Anlagenbetreibers während der Betriebsphase ableiten, die er verantwortlich (i.d.R. durch Einbeziehen unternehmensinterner und/oder -externer Helfer) wahrnehmen muss. a) Zielgerechte Pflege/Fortschreibung der werkvertraglichen AS BUILT-Dokumentation (Gesamtdokumentation der Anlage)! b) Konsequentes betriebliches Dokumentenmanagement!
6.2.2 Leitdokumente zum Management der Anlagendokumentation Die Umsetzung der beiden o.g. Hauptaufgaben erfordert die verbindliche und schriftliche Festlegung der wichtigsten Dokumentationsprodukte und Dokumentationsprozesse. Die Detailtiefe der Festlegungen und die Aufteilung bzw. Benennung der Leitdokumente ist in der Praxis unterschiedlich und stark vom Unternehmen abhängig. In Tabelle 6.3 sind mögliche Leitdokumente und denkbare Vorgaben zur Anlagendokumentation genannt und beschrieben. Je nach Unternehmensstruktur und Anlagenkomplexität können mehrere Inhalte in einem übergreifenden Dokument zusammengeführt sein.
500
6 Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs
Tabelle 6.3 Mögliche Leitdokumente zum Management der Anlagendokumentation im Bestand 1 2 3 4
5 6 7
Gliederung der Anlagendokumentation (Inhaltsverzeichnis) Externe Dokumentationsrichtlinie (Anforderungen und Pflichten an Hersteller/Lieferanten, Planer u.a. Dienstleister) Vorgaben an Zeichnungen (CAD-Richtlinie) Interne Dokumentationsrichtlinie (Aufgaben und Prozess der Prüfung, Freigabe und Archivierung der Dokumentation, inkl. Umgang mit Kleinänderungen im Rahmen des internen betrieblichen Änderungswesens (Management of Change – MoC) Anlagenbezogenes Kennzeichnungssystem für Anlagen, Räume u.a. Einrichtungen Vorlagedateien (Templates) für Dokumente (meist als Anhang zur externen Dokumentationsrichtlinie) Liste wichtiger Dokumentenarten (z.B. als Anhang zur externen Dokumentationsrichtlinie)
So wie die Anlagendokumentation in der Betriebsphase fortgeschrieben wird (ohne diese strukturell komplett zu ändern), können auch die Leitdokumente zur Dokumentationsstruktur häufig aus den Richtlinien der Errichterphase abgeleitet werden. Der Prozess des Einpflegens von Änderungen im Bestand ist allerdings nicht mit der Dokumentationserstellung in einem Greenfield-Projekt vergleichbar. Bei der Abwicklung von Anlagenprojekten sind die angeführten Leitdokumente i.d.R. vom Auftragnehmer zu erstellen. Im Sonderfall können Teile davon auch vom Projektteam des Auftraggebers erarbeitet bzw. beigestellt werden. Nachfolgend werden einige Leitdokumente Bezug nehmend auf Tabelle 6.3 hinsichtlich ihrer Anwendung in der Betriebsphase (z.T. im Unterschied zur Projektphase in den vorhergehenden Kapiteln) näher betrachtet. zu 1) Gliederung (s. auch Abb. 6.6) Im Grundsatz sollte die in der Errichterphase genutzte Gliederung der Anlage und Dokumentation nur verändert werden, wenn diese nicht nutzbar oder nicht einheitlich ist. Wenn in der Betriebsphase weitere Inhalte ergänzt werden müssen, sollte die bestehende Gliederung um die zusätzlichen betreiberspezifischen Inhalte erweitert werden.
Abb. 6.6 Oberste Gliederungsebene der Anlagendokumentation eines technischen Platzes in einem ERP-System (Auszug) (Praxisbeispiel)
6.2 Management der Anlagendokumentation im Betrieb
501
zu 2) Externe Dokumentationsrichtlinie Auch in dieser Richtlinie sollten die Vorgaben aus der Errichterphase sofern möglich und sinnvoll übernommen werden. Zu denkbaren Gliederungen sei an dieser Stelle nochmals auf die Tabellen 4.8, Abschn. 4.5.3 und 4.14, Abschn. 4.6.1 aus der Projektphase verwiesen. In der Betriebsphase müssen jedoch Angaben ergänzt werden, z.B. über den Umgang mit zu ändernden Dokumenten und über die Integration der neu erzeugten Dokumente in den Bestand. Die Tabelle 6.4 enthält ein Praxisbeispiel, welches speziell für die Betriebsphase erarbeitet und erfolgreich genutzt wurde. Tabelle 6.4 Mögliche Vorgaben einer externen Dokumentationsrichtlinie (Praxisbeispiel) 1
Formale Vorgaben – Die Dokumentation ist in deutscher Sprache anzufertigen. – Für Dokumente bzw. Teile von Dokumenten werden folgende Vorlagen bereitgestellt und sind zu verwenden: ▪ Inhaltsverzeichnis ▪ Deckblätter ▪ Formblatt zu entfallenden Kapiteln ▪ Ordnerrücken (mit Angabe der Ordnernummer und der Gesamtanzahl der Ordner) ▪ Beschriftung Datenträger (DVD-Label) ▪ Abnahmeprotokoll und Restpunkteliste ▪ Übersichtsliste Hersteller und Lieferanten ▪ Zeichnungsliste ▪ Revisionstabelle der Dokumentation ▪ Formatvorlage inklusive Gliederung für Betriebsanleitungen und Betriebshandbücher – Es sind weiße Ordner mit Einsteckrückenschild zu verwenden (z.B. Leitz 1010, Ordnerbreite 8 cm) – Für die Hauptkapitel sind DIN A4-Trennregister aus grauem Kunststoff zu verwenden. – Für Unterkapitel sind handelsübliche Trennstreifen aus Karton zu verwenden. Die Trennstreifen enthalten nur die Kapitelnummer bzw. die Angabe des Herstellers und sind mit Laserdrucker zu beschriften. – Entfällt ein Kapitel, so ist das dafür vorgesehene „Formblatt zu entfallenden Kapiteln“ zu verwenden. – Die Papierordner sind maximal zu 2/3 zu füllen. – Im 1. Ordner ist das Gesamtinhaltsverzeichnis vor dem Deckblatt abzuheften. – Farbige Dokumente sind in Farbe auszudrucken. – Querverweise innerhalb der Dokumentation sind zulässig. Sie sind eindeutig mit genauer Angabe des Ziel-Kapitels anzugeben. Querverweise auf Dokumentationen anderer Gewerke müssen abgestimmt werden.
2
Ablage der Herstellerunterlagen – Die Übersichtsliste der verbauten Hersteller und Package Unit-Lieferanten ist vollständig auszufüllen. – Herstellerunterlagen sind aufsteigend (A-Z) nach Hersteller (nicht nach Vertriebspartner) und dann nach Produkt (A-Z) sortieren. – Verwendete Teile/Materialien sind eindeutig zu markieren (im Papierexemplar und den eingescannten Unterlagen auf der CD). – Original-Prüfbücher für Anlagen (Tore, Bühnen, Krane, Aufzug, etc.) sind im Rahmen der Inbetriebnahme im Original zu übergeben. Prüfbücher müssen vollständig ausgefüllt sein. Eine Kopie des Prüfbuches ist in der Dokumentation abzulegen.
502
6 Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs
Tab. 6.4 (Fortsetzung) 3
Festlegungen zur elektronischen Dokumentation – Die elektronische Dokumentation ist identisch zur Papierdokumentation aufzubauen. Die Verzeichnisstruktur der elektronischen Dokumentation entspricht der Kapiteleinteilung des Papierexemplars. – Elektronisch nicht vorhandene Unterlagen und Protokolle sind einzuscannen (z.B. Firmenerklärungen oder Prüfungen/Protokolle mit Unterschriften). Dies gilt auch für alle anderen Dokumente mit Unterschriften. Die PDF-Dateien müssen durchsuchbar sein (OCR). – Die Dateibenennung muss eindeutig sein, damit eine präzise Zuordnung zum Papierexemplar möglich ist. – Die Reihenfolge der Dokumente in Papierform und die Reihenfolge der Dateien im Verzeichnis müssen identisch sein. – Jede selbst erstellte Datei ist in dem Dateiformat zu übergeben, in dem sie erstellt wurde (z.B. Word, Excel, ...). – Datei- und Verzeichnisnamen sollen ausdrücklich kurz gehalten werden, um die „255Zeichen-Regel“ einzuhalten.
4
Zeichnungen – Zeichnungen sind entsprechend der gültigen CAD-Richtlinie zu erstellen und zu übergeben. Die Symbolbibliothek für R&I-Fließschemata ist zwingend zu benutzen. – Alle Zeichnungsdateien (CAD-Daten) sind richtliniengerecht im DWG-Format und zusätzlich als PDF-Datei zu übergeben. – Alle Zeichnungen DIN A3 oder größer sind mit stabilen PVC-Randverstärkern zu versehen; die Faltung erfolgt nach DIN 824. – Stromlaufpläne sind entsprechend der gültigen Richtlinie zu erstellen und zu übergeben. – Stücklisten müssen eine eindeutige Zuordnung der Komponente auf den Zeichnungen zu den Herstellerunterlagen ermöglichen (Angabe der vollständigen Bestellnummer). – Die Zeichnungsliste muss vollständig ausgefüllt sein und mit dem Inhalt der Dokumentation übereinstimmen.
5
Besonderheiten beim Anpassen der Dokumentation im Bestand – Bei Umbauten im Bestand wird für jede Dokumentart in jedem Kapitel die Festlegung getroffen, ob die Bestandsunterlagen ▪ ausgefasst und angepasst werden, ▪ gelöscht werden (da überholt) ▪ oder durch neue Dokumente ergänzt werden. Die Festlegung wird für das jeweilige Projekt in der Liste wichtiger Dokumentenarten (LwD) festgehalten. – Unterlagen, die angepasst werden müssen, werden zu Projektbeginn ausgefasst und im Rahmen des Projekts fortgeschrieben. Teilstücklisten oder Teilanleitungen sind nicht zulässig! – Geänderte und neue Unterlagen sind als eine Dokumentation zu übergeben, die Integration in den Bestand erfolgt durch den Dokumentationsverantwortlichen des Betreibers („Doku-Stelle“).
6
Sonstige Vorgaben – Zur Erstellung folgender technischer Dokumente sind die bereitgestellten Vorlagen zwingend zu verwenden und vollständig auszufüllen: ▪ Alarm- und Verriegelungsliste ▪ Ersatzteilliste mit Angabe der empfohlenen Lagermenge ▪ Armaturen- und Feldgeräteliste ▪ Datenpunktliste /Loop Check-Liste
6.2 Management der Anlagendokumentation im Betrieb
503
Tab. 6.4 (Fortsetzung) 6
Sonstige Vorgaben (Fortsetzung) – Alle weiteren genannten Richtlinien müssen ebenfalls eingehalten werden: ▪ CAD-Richtlinie ▪ Richtlinie zur Anlagenkennzeichnung ▪ … – Die Anzahl der zu übergebenden Exemplare der Dokumentation (Papierexemplare und Datenträger) wird zu Projektbeginn abgestimmt.
Die externe Dokumentationsrichtlinie kann aber auch in mehrere einzelne Richtlinien aufgeteilt werden, z.B.: Richtlinie zur Kennzeichnung der Anlage und der Dokumentation, Richtlinie zur Dokumentation wiederkehrender Prüfungen, Richtlinie zur Dokumentation von Instandhaltungsarbeiten, inkl. Demontage, Richtlinie zur rechnergestützten Dokumentenerstellung, Richtlinie zur Erfassung und Verwaltung technischer Dokumente im Dokumentenmanagement-System (DMS). zu 3) Vorgaben an Zeichnungen (CAD-Richtlinie) Die Komplexität moderner CAD-Systeme steigt stetig (s. auch Kapitel 7.2). Damit erhöhen sich die Anforderungen an die Vorgaben, in welcher Form und in welchem Format Zeichnungen anzufertigen und zu pflegen sind. Je einheitlicher die Zeichnungsdateien erstellt und bearbeitet werden, desto einfacher fällt dem Betreiber die Fortschreibung und Pflege. Die Festlegung des zu verwendenden CAD-Systems und des Übergabeformats (z.B. AutoCAD und DWG-Format) ist hier nicht ausreichend. Darüber hinaus müssen in erheblichem Umfang weitere Festlegungen getroffen werden. Abbildung 6.7 zeigt dazu Stichworte in Form des Inhaltsverzeichnisses einer CADRichtlinie. Auch hier sollten die Vorgaben zum vorhandenen Zeichnungsbestand passen, um kostenintensive Nacharbeit und Mehrkosten im Engineeringprozess zu minimieren. Im Gegenzug sollte eine CAD-Richtlinie aber für die Zielgruppe (Anlagenerrichter und Engineeringpartner) handhabbar bleiben. Die Vorgaben müssen an die Zielgruppe angepasst werden. Ein spezialisierter Anlagenbauer verfahrenstechnischer Anlagen ist beispielsweise nicht mit einem ausführenden Betrieb im Gewerk Sanitär vergleichbar. Ein wesentlicher Punkt einer CAD-Richtlinie ist die Abgrenzung, welche Zeichnungen der Richtlinie unterliegen und welche nicht. Zeichnungen, die mit speziellen Programmen erstellt werden (z.B. statische Nachweise, Schal- und Bewehrungspläne, Stahlbauzeichnungen) können in aller Regel nicht nach einer betreiberspezifischen Richtlinie erstellt oder ausgegeben werden. Gleiches gilt für Apparatezeichnungen und Zeichnungen von Komponenten und Package-units. zu 4) Interne Dokumentationsrichtlinie (s. auch Tab. 6.5) Die interne Dokumentationsrichtlinie setzt sich nicht mit den Dokumenten und Dokumentationsprodukten auseinander, sondern mit dem internen betrieblichen Dokumentationsprozess. Dazu gehören z.B. die Ausgabe, Einforderung, Prüfung, Freigabe und Archivierung der Dokumente.
504
6 Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs
Die interne Dokumentationsrichtlinie ist de facto die Handlungsanweisung an alle Prozessbeteiligten beim betriebsinternen Umgang mit der Dokumentation. 1 1.1 1.2 1.3 1.4 2 2.1 2.2 3 3.1 3.2 3.3 3.4 4 4.1 4.2 5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 6 6.1 6.2
Einleitung.......................................................................................................................... 3 Zielstellung ....................................................................................................................... 3 Anwendungsbereich.......................................................................................................... 3 Verantwortlichkeiten ........................................................................................................ 3 Ansprechpartner ................................................................................................................ 3 CAD-Struktur ................................................................................................................... 4 Architektur-Grundrisse ..................................................................................................... 4 Einfüge-Punkt ................................................................................................................... 4 Dateinamen und Zeichnungsnummerierung ..................................................................... 5 Aufbau .............................................................................................................................. 5 Beispiel ............................................................................................................................. 5 Hauptzeichnung DWG mit mehreren Layouts .................................................................. 5 Vorgabe ............................................................................................................................ 6 Datenaustausch ................................................................................................................. 7 Übergabe Papier................................................................................................................ 7 Übergabe digital................................................................................................................ 7 Zeichnungselemente ......................................................................................................... 7 Zeichnungsmaßstab .......................................................................................................... 7 Papierformate nach DIN/ISO ............................................................................................ 7 Layer-Vereinbarungen ...................................................................................................... 8 Farbzuordnung und Strichstärken ..................................................................................... 9 Linientypen ....................................................................................................................... 9 Text und Attribute............................................................................................................. 9 Hinweise zur Erstellung von Symbolen, Schraffuren und Bemaßungen ........................... 9 R&I - Fließschema .......................................................................................................... 10 Rohrleitungsdarstellung .................................................................................................. 10 Zeichnungserstellung ...................................................................................................... 10 Modell- und Papierbereich .............................................................................................. 10 Zeichnungskopf und Zeichnungsrahmen ........................................................................ 10
Abb. 6.7 Inhaltsverzeichnis der CAD-Richtlinie eines Ingenieurbüros [7] (Praxisbeispiel)
Häufig werden Anlagenänderungen, wie z.B. Kleinständerungen im Rahmen des internen betrieblichen Änderungswesens (MoC – Management of Change), kleinere Änderungen durch Rahmenvertragspartner bzw. fest am Standort integrierte Fremdfirmen, Umbauprojekte über unterschiedliche Prozesse ausgelöst und sind deshalb unterschiedlich abzuwickeln. Um den Pflegeaufwand der Dokumentation gering zu halten, müssen die unterschiedlichen Prozesse verschieden gestaltet werden. Gerade bei Kleinständerungen sind die Schnittstellen möglichst gering zu halten, um die zahlreichen kleinen Anpassungen zeitnah durchführen zu können. Andernfalls droht die Dokumentation schnell zu veralten.
6.2 Management der Anlagendokumentation im Betrieb
505
Tabelle 6.5 Inhaltsverzeichnis einer internen betrieblichen Richtlinie „Umgang mit der betrieblichen Dokumentation“ (Praxisbeispiel) Inhaltsverzeichnis Zielstellung 1
Anwendungsbereich, Zuständigkeiten
2
Begriffsbestimmung
3
Ordnungstechniken 3.1 Ordnungstechniken auf Dokumentenebene 3.1.1 Schriftfelder 3.1.2 Benennungen und Inhalte 3.1.3 Dokumentenkennzeichen 3.1.4 Vermerke zu Erstellen, Prüfen, Freigabe 3.1.5 Kenntlichmachen von Änderungen 3.2 Ordnungstechniken auf Ablageebene 3.2.1 Arbeitsexemplar (Papierform) 3.2.2 Beleg-/Archivexemplar 3.2.3 Handbestände 3.2.4 Ablage in elektronischen Systemen
4
Arbeitsabläufe 4.1 Beschaffen und Erzeugen von Dokumenten 3.1.1 Papierdokumente 3.1.2 Elektronische Dokumente (Dateien) 4.2 Eingabe elektronischer Dokumente in die betrieblichen Tools 4.3 Verteilen von Dokumenten 4.3.1 Papierdokumente 4.3.2 Elektronische Dokumente 4.4 Änderung von Dokumenten 4.4.1 Grundsätze 4.4.2 Änderungen durch Managemententscheidungen 4.4.3 Änderungen wegen GSU (GesundheitSicherheitUmweltschutz) 4.4.4 Änderungen durch Investitionsmaßnahmen 4.4.5 Änderungen durch Instandhaltungsmaßnahmen 4.4.5.1 Auftragserteilung 4.4.5.2 Arbeitserlaubnis/-freigabe 4.4.5.3 Fertigmeldung und Anzeige der Betriebsbereitschaft 4.4.5.4 Abmeldung der Instandhaltungsmaßnahme im System 4.4.6 Sonstige Änderungsursachen 4.5 Sicherung der Dokumentation und Datenschutz
5
Mitgeltende Dokumente
6
Änderungsdienst
7
Verteiler
8
Anhang (u.a. die relevanten mit geltenden Richtlinien und Spezifikationen)
506
6 Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs
6.2.3 Organisation der Pflege der Anlagendokumentation im Bestand Auch wenn Prozesse und Leitdokumente klar und eindeutig sind, so bleibt die Pflege der Anlagendokumentation doch eine betriebliche Daueraufgabe, die über die gesamte Betriebsdauer der Anlage konsequent und akribisch bewältigt werden muss. Ansatzpunkte zu bestehenden Problemen und möglichen Lösungen dieser Aufgabe, die im Grundsatz auch für die Pflege und Fortschreibung der Betriebs- und Genehmigungsdokumentation zutreffen, sind in Tabelle 6.6 einander gegenübergestellt. Tabelle 6.6 Typische Probleme und Lösungsansätze bei Dokumentationsänderungen im Bestand Fragen zu Problemen im Projektverlauf
möglicher Lösungsansatz
Gibt es Richtlinien am Standort, und sind diese auch den Projektbeteiligten bekannt und Vertragsbestandteil?
▪ Richtlinien erarbeiten und implementieren ▪ Schnittstelle zwischen Dokumentation und Ein-
Ist der Ablauf klar, und sind die Prüfungen der Unterlagen für alle Beteiligten nachvollziehbar?
▪ Prozess festlegen (Dokumentationsrichtlinie) ▪ Checklisten zur Dokumentationsprüfung entwerfen und einsetzen
Gibt es ein unveränderliches („eingefrorenes“) Bestandsexemplar?
▪ Archivraum mit reguliertem Zugang einrichten ▪ geeignetes Dokumentenmanagement-System nutzen ▪ Festlegungen zu Archivierung und zur Pflege des Mastersatzes treffen ▪ klare Festlegung, welche Unterlagen in Papierform zu archivieren sind (z.B. statische Nachweise und Genehmigungsbescheide) und wo auf ein Papierexemplar verzichtet werden kann (z.B. Projektdokumentation)
Kennen die Projektbeteiligten die Bestandsdokumentation und deren Qualität?
▪ Unterlagen und Dateien schon bei der Ausgabe auf Eignung und Nutzbarkeit überprüfen
Gibt es Festlegungen, wo der Master der Bestandsdokumentation abgelegt ist?
▪ Festlegung treffen, dokumentieren und Beteiligte informieren ▪ Voraussetzungen schaffen, damit die Ablage auch zum gerichtsfesten Nachweis geeignet ist (z.B. abschließbares Archiv, GoBD-konformes Dokumentenmanagement-System)
Sind die vertraglich zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer getroffenen Festlegungen hinreichend klar und ist der Leistungsumfang klar beschrieben?
▪ Auftragnehmer: Vertragsanalyse durch Leadingenieur DOKUMENTATION zu Projektbeginn ▪ gemeinsame Klärung und Vertragsanpassung (z.B. als Änderungsantrag/Change Order)
kauf schaffen, um Dokumentationsrichtlinien als festen Bestandteil der Beschaffung einzubínden ▪ Einweisung neuer Projektbeteiligter in die Richtlinien und Besonderheiten des Standorts (engl. „Onboarding“) inklusive Übergabe aller Richtlinien und Vorlagedateien (Templates)
6.2 Management der Anlagendokumentation im Betrieb
507
Tab. 6.6 (Fortsetzung) Liegen die Dokumente, die fortgeschrieben werden sollen, auch in einem bearbeitbaren elektronischen Format vor (besonders CAD-Zeichnungen und Schaltpläne)?
▪ Prüfung der zu ändernden Dokumente seitens Auftraggeber zu Projektbeginn vor der Ausgabe an den Auftragnehmer ▪ Wenn die Dokumente nicht in bearbeitbarer Form vorliegen: Dokumente aufbereiten (z.B. einscannen und OCR für Textdokumente oder Vektorisierung und Nachbearbeitung für CAD-Daten)
Sind die Bestandsunterlagen entsprechend der Richtlinie aufgebaut? Wie wird mit Abweichungen umgegangen?
▪ Prüfung der zu ändernden Dokumente seitens Auftraggeber zu Projektbeginn vor der Ausgabe an den Auftragnehmer ▪ Dokumente aufbereiten, wenn die Dokumente formal nicht mangelfrei sind.
Stimmen die Bestandsunterlagen mit dem As-built-Bauzustand überein?
▪ Wenn die Dokumente inhaltlich/fachlich nicht mangelfrei sind: Ortstermin durchführen (As-built-Aufnahme) und Dokumente aktualisieren
Sind Festlegungen zum Thema CEKennzeichnung und Risikobeurteilung getroffen und dokumentiert?
▪ Auftragnehmer: Vertragsanalyse durch Leadingenieur DOKUMENTATION zu Projektbeginn
Sind die eingehenden Unterlagen as-built und auf Übereinstimmung mit dem Bauzustand vor Ort geprüft?
▪ Auftragggeber: Plausibilitätskontrolle („Sanity Check“) der eigehenden Dokumentation inkl. Stichprobe auf Übereinstimmung mit dem Bauzustand vor Ort
Ist es klar, wann welche Unterlagen durch den Betreiber selbst fortgeschrieben werden müssen?
▪ Auftragggeber: Prüfung zu Projektbeginn (betrifft insbesondere Dokumente der Genehmigungsdokumentation)
Pflichtenübertragung bei unterschiedlichen Verantwortlichen (EMSR, VT, Bau, …)
▪ Dokumentationsprozess inklusive Schnittstellen und Verantwortlichkeiten aufnehmen, visualisieren, dann Projektbeteiligte informieren
Wie werden die Projektergebnisse (geänderte Dokumente) nach Projektende geprüft und wieder in die Bestandsdokumentation eingepflegt?
▪ Schnittstelle klären (in der Regel ist der Projektleiter nicht die beste Wahl, um Projektdokumente zu sichten und in die Bestandsdokumentation zu überführen)
Abschließend kann man sagen, dass es keine allgemeingültigen Prozesse und Standards zur Pflege der Anlagendokumentation und Betriebsdokumentation gibt. Der Anlagenbetreiber muss die Dokumentationsprozesse erarbeiten und sein „Magisches Dreieck“ bestmöglich ergänzen. Dies beinhaltet auch die Schnittstellen zu anderen Bereichen und Prozessen, wie Qualitätssicherung, Beschaffung und Änderungswesen. Die Organisation der Dokumentationspflege muss in die Projekte eingebettet sein; ein reiner Archivar greift zu kurz. Die Organisation muss prozessorientiert sein. Eine gute Dokumentationsorganisation versteht sich als hausinterner Dienstleister und Archivar (engl. Document Control und Record Control). Die Abbildung. 6.8 zeigt beispielhaft den Workflow zur Ausgabe und Überarbeitung von Dokumenten sowie deren anschließendes Einpflegen in den Bestand durch die Fachstelle DOKUMENTATION eines Standorts.
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6 Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs
Abb. 6.8 Ablaufschema zur Ausgabe von Dokumenten an Projektbeteiligte sowie zur Überarbeitung und zum Einpflegen von Dokumenten (Praxisbeispiel)
6.2 Management der Anlagendokumentation im Betrieb
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Nachfolgend zum Ablaufschema noch einige Erläuterungen: Bei der Ausgabe von Dokumenten wird entschieden, ob diese zur Information ausgegeben werden, oder ob die Dokumente durch den Empfänger bearbeitet und wieder eingespielt werden. Das Dokument kann sowohl in Papierform als auch in elektronischer Form (Quelldatei) ausgegeben werden. Die Fachstelle DOKUMENTATION ist im Beispiel auch als Dienstleister zur Bereitstellung von Papierunterlagen und großformatigen Zeichnungen tätig. Für die Projektdurchführung gibt es drei unterschiedliche Szenarien: ▪ Änderungen in Eigenleistung durch den Betreiber (Kleinständerungen) ▪ Änderungen im Rahmen von Direktbeauftragungen an Rahmenvertragspartner (kleine Änderung) ▪ Änderungen durch ein Projektteam im Rahmen eines Investitionsprojektes (große Änderung) Da viele Änderungen am Standort sehr klein sind, werden diese Kleinständerungen in der Dokumentation durch die Fachstelle selbst durchgeführt. Die geänderten Unterlagen werden immer nach dem Vier-Augen-Prinzip technisch und formal geprüft. In diesem Praxisbeispiel wurde die Prüftiefe durch die Beteiligten fallspezifisch selbst festgelegt. Das Papierexemplar in der Leitwarte des Standorts ist allen zugänglich, das Papierexemplar im Archiv kann nur durch die Fachstelle Dokumentation eingesehen werden („eingefrorenes“ Belegexemplar). Bei der Prüfung eingehender Dokumentationsunterlagen ist möglichst einheitlich vorzugehen, um Prüftiefe und Prüfumfang beherrschbar zu halten und den Prozess zu standardisieren. Ein Werkzeug dafür ist die Erstellung und Nutzung geeigneter Checklisten oder Mängellisten. Abbildung 6.9 zeigt eine Seite aus einem Vordruck eines Prüfberichts zur Dokumenten-/Dokumentationsprüfung von Fertigungsanlagen in der Solarindustrie. Nach dem Vorbild der allgemein gehaltenen Fragen in Abb. 6.9 können spezifische Kriterienkataloge in gleicher Form ergänzt werden, z.B. die Prüfkriterien aus Anhang I Abschn. 1.7.4.2. (Mindestbestandteile einer Betriebsanleitung) der Maschinenrichtlinie (MRL) [8]. Zusammenfassend zur Thematik „Dokumentationsänderungen im Bestand“ und aus vielen leidvollen Erfahrungen lassen sich zwei grundsätzliche Thesen ableiten: (1) Festlegungen und Analyse der Schnittstellen sparen Zeit und Geld. (2) Jedes System muss auch gelebt werden. Die Kosten der Organisation sind gerin-
ger, als die Kosten der Reorganisation. Leider ist es nicht möglich, die beiden Thesen mit belastbaren Zahlen zu hinterlegen. Ein messbarer wirtschaftlicher Verlust, z.B. Fehlbedienungen wegen unzureichender Qualifikation des Anlagenpersonals, nicht optimale Fahrweise der Anlage und ihrer Hauptausrüstungen, zeitaufwendige Störungssuche und Störungsbeseitigung, unzureichende Inspektion, Wartung und Instandsetzung,
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6 Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs
oder Schaden (Unfall, Leckage, Brand, Stillstand u.a.) ist schwierig nachzuweisen. Nichtsdestotrotz sind die Thesen richtig und jeder Betreiber sollte sie seinem Handeln zu Grunde zu legen.
Abb. 6.9 Auszug einer Checkliste zur Prüfung eingehender Dokumentationsunterlagen
6.3 Dokumentation von wiederkehrenden Prüfungen
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6.3 Dokumentation von wiederkehrenden Prüfungen 6.3.1 Übersicht und Dokumente wiederkehrender Prüfungen Überwachungsbedürftige (Synonym: überwachungspflichtige) als auch viele nichtüberwachungsbedürftige Anlagen müssen vor Inbetriebnahme (nach Errichtung) geprüft werden. Die wesentlichen Prüfungen sind in Abschn. 3.6.3.6, Tab. 3.31 aufgelistet. Mit der Prüfung vor Inbetriebnahme ist es aber nicht getan. Prüfungen müssen zum Teil periodisch wiederholt werden. Wichtige Rechtsgrundlagen sind in der Betriebssicherheitsverordung (BetrSichV) angegeben (s. Abschn. 2.3.3, c)). Umfang, Turnus und Vorgaben zur Qualifikation des Prüfers werden dabei i.d.R. im Rahmen der Einstufung zur Erstprüfung (in vielen Richtlinien „Prüfung vor Inbetriebnahme“) getroffen. Der Nachweis über die Einstufung ist zu archivieren. Wiederkehrende Prüfungen (WKP) sind Sicherheitsprüfungen, Inspektionen, Kontrollen u.ä., die aufgrund von Rechtsvorschriften, Auflagen der zuständigen Behörden oder anderweitigen Festlegungen in festgelegten Zeitabständen durchgeführt werden.
Die fristgerechte und sachgerechte Durchführung der wiederkehrenden Prüfungen ist eine Daueraufgabe des Anlagenbetreibers. Die Dokumentation wiederkehrender Prüfungen ist Bestandteil der Prüfdokumentation (s. Abschn. 3.7.5). Beim Einsatz von ERP(Enterprice Resource Planning)- oder FM(Facilitymanagement)-Systemen ist es häufig so, dass wiederkehrende Prüfungen, Wartungen und Instandsetzungsmaßnahmen in einem gemeinsamen System verwaltet werden. Oftmals werden die verschiedenen technischen Maßnahmen an einem gemeinsamen Termin (Shutdown) durchgeführt, um Stillstandszeiten zu minimieren. In den meisten Betrieben liegt die Verantwortung für Reparatur, Wartung und wiederkehrenden Prüfungen der Anlagen bei derselben Abteilung. Wiederkehrende Prüfungen werden insbesondere durch folgende Merkmale bestimmt und charakterisiert: a) Rechtsgrundlage (Warum wird geprüft?) b) Prüfobjekt (Was wird geprüft?) c) Qualifikation des Prüfers (Wer darf die Prüfung durchführen?) d) Prüfumfang/Prüftiefe (Wie wird geprüft?) e) Prüfturnus (Wann/wie oft wird geprüft?) f) Dokumente/Unterlagen für Prüfung (Welche Dokumente müssen zur Prüfung vorliegen?) g) Prüfdokumente/-ergebnisse (Welche Dokumente werden im Ergebnis der Prüfung erstellt?) Diese Punkte werden im Folgenden genauer erklärt: zu a) Rechtsgrundlage (Warum wird geprüft?) Abb.1.1 in Abschn. 1.2 und Abb. 6.2 in Abschn. 6.1.1 haben bereits die vielschichtige Rechtslage eines Anlagenbetreibers aufgezeigt. Auch wiederkehrende Prüfungen leiten sich aus diesen unterschiedlichen Rechtsquellen ab (s. Abschn. 2.3 und 3.6.3). Normen [6] und etliche Dienstleister fordern den Betreiber auf, seine Betreiberpflichten durch die Erstellung eines Rechtskatasters abzuleiten. Rechtskataster ist die Liste zu beachtender Rechtsvorschriften und anderer Regelungen bezogen auf eine Betrachtungseinheit zur Gewährleistung von Rechtssicherheit bezüglich der Aufgaben und Tätigkeiten [6].
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6 Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs
Sicher ist es wichtig, seine Betreiberpflichten und deren Rechtsrahmen zu kennen, periodisch zu überprüfen und deren Wahrnehmung zweckmäßig zu planen. In der Regel fordert der Gesetzgeber für Anlagen, die gemäß Rechtsvorschriften „vor Beginn Inbetriebnahme“ zu prüfen sind, auch eine wiederkehrende Prüfung. zu b) Prüfobjekt (Was wird geprüft?) Das Prüfobjekt ist genau festzulegen (mit eindeutigem Anlagenkennzeichen), z.B. der elektrische Stellantrieb einer Absperrklappe. zu c) Qualifikation des Prüfers (Wer darf die Prüfung durchführen?) Die erforderliche Qualifikation des Prüfers ist meist durch die Rechtsquelle vorgegeben. Sie ist an die Prüftiefe und das Prüfobjekt gebunden. Beispiele für Qualifikationen sind: Fachkundige Person nach § 2 Abs. 5 BetrSichV [2]: Fachkundig ist, wer zur Ausübung einer in dieser Verordnung bestimmten Aufgabe über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügt. Die Anforderungen an die Fachkunde sind abhängig von der jeweiligen Art der Aufgabe. Zu den Anforderungen zählen eine entsprechende Berufsausbildung, Berufserfahrung oder eine zeitnah ausgeübte entsprechende berufliche Tätigkeit. Die Fachkenntnisse sind durch Schulungen auf dem aktuellem Stand zu halten. Sachkundige Person nach §2 Abs. 17 GefStoffV [9]: Sachkundig ist, wer seine bestehende Fachkunde durch Teilnahme an einem behördlich anerkannten Sachkundelehrgang erweitert hat. In Abhängigkeit vom Aufgabengebiet kann es zum Erwerb der Sachkunde auch erforderlich sein, den Lehrgang mit einer erfolgreichen Prüfung abzuschließen. Sachkundig ist ferner, wer über eine von der zuständigen Behörde als gleichwertig anerkannte oder in dieser Verordnung als gleichwertig bestimmte Qualifikation verfügt. Befähigte Person nach §2 Abs. 6 BetrSichV [2]: Zur Prüfung befähigte Person ist eine Person, die durch ihre Berufsausbildung, ihre Berufserfahrung und ihre zeitnahe berufliche Tätigkeit über die erforderlichen Kenntnisse zur Prüfung von Arbeitsmitteln verfügt; soweit hinsichtlich der Prüfung von Arbeitsmitteln in den Anhängen 2 (d. Verf.: Aufzüge) und 3 (bestimmte Arbeitsmittel wie Krane, Flüssiggasanlagen, Veranstaltungstechnik) weitergehende Anforderungen festgelegt sind, sind diese zu erfüllen. Prüfsachverständige / öffentlich bestellte Sachverständige Diese von einer öffentlich-rechtlichen Institution (z.B. den Industrie- und Handelskammern oder den Ingenieurskammern) bestellten und vereidigten Sachverständigen nehmen anspruchsvolle Prüfaufgaben in ihrem Fachgebiet war. Zugelassene Überwachungsstelle (ZÜS) Zugelassene Überwachungsstellen (engl. „notified bodies“) sind in EU-Richtlinien beschriebene Körperschaften oder Unternehmen (z.B. DEKRA, TÜV), die für die jeweilige Fachaufgabe (z.B. Prüfung von Druckgeräten) akkreditiert sind. zu d) Prüfumfang/Prüftiefe (Wie wird geprüft?) Prüfumfang und Prüftiefe sind, selbst bei Sachverständigenprüfungen, oftmals nicht genau festgelegt und liegen z.T. im Ermessen des Prüfers. Bei einigen Prüfungen werden Prüfumfang und Prüftiefe durch Technische Regeln, Normen und Vorgaben in der Anlagendokumentation vorgegeben.
6.3 Dokumentation von wiederkehrenden Prüfungen
513
zu e) Prüfturnus (Wann/wie oft wird geprüft?) Bei vielen wiederkehrenden Prüfungen durch fachkundige und sachkundige Personen ist der Prüfturnus nicht verbindlich vorgegeben. Für Arbeitsmittel muss der Arbeitgeber die Prüffristen im Rahmen seiner Gefährdungsbeurteilung häufig selbst festlegen. Es gibt aber meist Empfehlungen (häufig durch berufsgenossenschaftliche Publikationen), deren Einhaltung i.d.R. seitens der Behörden und der zugelassenen Überwachungsstelle (ZÜS) vorausgesetzt wird. zu f) Unterlagen für Prüfung (Welche Dokumente müssen zur Prüfung vorliegen?) Für überwachungsbedürftige Anlagen nach BetrSichV [2] (s. Abschn. 2.3.3, c)) werden in § 17 detaillierte Vorgaben zu Prüfaufzeichnungen und Prüfbescheinigungen gemacht. Ferner sind in Anhang 2 auch Festlegungen zum Inhalt der wiederkehrenden Prüfungen überwachungsbedürftiger Anlagen getroffen. Darüber hinaus sind ggf. die Vorgaben der jeweiligen Rechtsquelle sowie die Anforderungen des Prüfers einzuhalten. Um die Prüfung nicht zu gefährden, müssen mindestens die zur Erstprüfung vorhandene Anlagendokumentation sowie die Prüfdokumente (Prüfbescheinigung) der vorangegangenen Prüfungen vorliegen. zu g) Prüfdokumente/-ergebnisse (Welche Dokumente werden im Ergebnis der Prüfung erstellt?) Im Ergebnis der Prüfung werden i.d.R. Prüfbescheinigungen und u.U. Prüfaufzeichnungen mit Verweis auf das Prüfziel (z.B. Einhaltung angeführte Rechtsvorschrift) ausgestellt. Die typische Gliederung einer Prüfbescheinigung enthält Tabelle 6.7. Bei größeren komplexen Prüfungen, die z.B. die Explosionssicherheit einer kompletten Chemieanlage oder eines Kraftwerks betreffen, werden erläuternd zur finalen Prüfbescheinigung noch Prüfberichte angefertigt. Tabelle 6.7 Gliederung einer Prüfbescheinigung für die wiederkehrende Prüfung einer überwachungsbedürftigen Anlage (Package-unit) in explosionsgefährdeten Bereichen nach BetrSichV [2]
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Titel Auftraggeber, Betreiber, Ort, Datum Prüfungszeitraum, Datum der vorangegangenen und nächsten Prüfung Art und Gegenstand der Prüfung Grundlage der Prüfung und Prüfkriterien Kurzbeschreibung des Prüfobjekts Durchführung der Prüfung (Umfang, Prüfmittel, Vorgehensweise, Messdaten usw.) Ergebnis der Prüfung (ggf. Einschränkungen, Mängel u.ä. mit Angaben zu Konsequenzen, Beseitigung, Nachprüfung usw.) Sonstige Hinweis und Bemerkungen (u.a. Frist bis zur nächsten widerkehrenden Prüfung) Name und Unterschrift des Prüfers und der zugelassenen Überwachungsstelle
6.3.2 Anlagenprüfkataster für wiederkehrende Prüfungen Die Dokumentation und der Prozess wiederkehrender Prüfungen kann auf unterschiedliche Arten verwaltet werden. Grundsätzlich sollte ein ganzheitlicher Ansatz im Sinne einer Prüfdokumentation (Synonym: Prüfhandbuch) angestrebt werden (s. Abschn. 3.7.5). Neben den Prüfpflichten sind auch die Prüfergebnisse sowie weitere Informationen zur organisatorischen Vorbereitung (z.B. Terminplanung, Bestellung) und zur Erfüllungskontrolle der Prüfungen zu managen.
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6 Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs
In der Praxis treten unterschiedliche Formen auf: a) Erfassung und Dokumentation im Rahmen des ERP-Systems oder mit spezialisierter Facility-Management-Software (s. Abb. 6.10).
Abb. 6.10 Bildschirmansicht einer Prüfmeldung in einem Datenbanksystem
b) Erfassung in Form einer Liste der Prüfungen. Mitunter wird in diesem Zusammenhang auch von einem Anlagenspezifischen Prüfprogramm gesprochen (s. Beispiel 3.2 in Abschn. 3.7.5). Die Erfassung der Anlagen in einer Liste oder einer Software ist meist wenig problematisch. Die Herausforderung liegt zum einen darin, die rechtlichen Vorgaben und deren Änderungen zu verfolgen und auf den eigenen Anlagenbestand zu übertragen. Zum anderen ist die Organisation der Prüfungen durch die Vielzahl an unterschiedlichen Projektbeteiligten (mit unterschiedlichen Anforderungen an die Dokumentation) schwierig. c) Erfassung in Form eines Anlagenprüfkatasters (s. Abb. 6.11) Der Begriff Anlagenkataster steht für die Aufstellung aller für eine Anlage relevanten wiederkehrenden Prüfungen (von der Sichtprüfung durch den Operator bis zur Sachverständigenprüfung). Das Anlagenprüfkataster ist Teil der Prüfdokumentation und setzt den abstrakten Begriff der Betreiberverantwortung auf dem Teilgebiet der Prüfpflichten in die Praxis um. Es wird in vielen Fällen aufgestellt, um die Daten gesammelt in ein ERP-System eingeben zu können; ist also nur ein temporär gültiges Arbeitsdokument. Darüber hinaus muss der Datenbestand permanent angepasst und kontrolliert werden, da Umbaumaßnahmen im Bestand häufig auch Auswirkungen auf das Anlagenprüfkataster haben. Da im Anlagenprüfkataster alle wiederkehrenden Prüfungen erfasst werden sollen, muss die Erstellung durch ein entsprechend qualifiziertes Team erfolgen.
6.3 Dokumentation von wiederkehrenden Prüfungen
Abb. 6.11 Auszug aus einem Anlagenprüfkataster (Praxisbeispiel)
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6 Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs
Beispiel 6.1 Erarbeiten eines Anlagenprüfkatasters für einen Forschungsstandort An einem Forschungsstandort sollte ein Anlagenprüfkataster erstellt und in das im Aufbau befindliche Facility-Management-System eingespielt werden. Im Vorfeld war klar, dass wiederkehrende Prüfungen neu ausgeschrieben und vergeben werden mussten. Die Bearbeitung erfolgte in sechs Teilprojekten jeweils mit definierten Leistungen und Haltepunkten (Stage-Gate-Projekt). 1) Grundlagenermittlung Im ersten Schritt wurden die bereits erfassten Anlagen aus dem System ausgespielt. Es wurden ein Übergabeformat und eine Erfassungstabelle abgestimmt, um die Daten im letzten Schritt ohne Nachbearbeitung wieder in das System einspielen zu können. Im Betriebsarchiv wurden die Anlagendokumentation (vor allem die R&IFließschemata) eingesehen, um die Liste in Bezug auf die vorhandenen Anlagen zu vervollständigen. Bereits vorhandene Prüfberichte werden digitalisiert und erfasst. 2) Bestandsaufnahme Die Anlagen wurden begangen und soweit möglich zu jeder Anlage ein Foto erstellt. Widersprüche zwischen Dokumenten wurden durch Begehungen vor Ort geklärt. 3) Dokumentation der Bestandsaufnahme In Schritt 3 wurde das Anlagenprüfkataster mit den Ergebnissen aus den beiden vorherigen Schritten erstellt. Für einen Teil der Anlagen konnte weder vor Ort noch aus der Dokumentation ermittelt werden, wann die Anlage zuletzt geprüft wurde. Nach Rücksprache mit der Genehmigungsbehörde wurde festgelegt, dass diese Anlagen wie Neuanlagen zu behandeln sind und entsprechend geprüft werden müssen. 4) Ausschreibung wiederkehrender Prüfungen Mit dem aktuellen Anlagenprüfkataster konnten die erforderlichen Erstprüfungen und die anstehenden wiederkehrenden Prüfungen ausgeschrieben und vergeben werden. 5) Objektüberwachung (Überwachung der wiederkehrenden Prüfungen) Im fünften Schritt wurden, abgeleitet aus den Prüfbescheinigungen, die Planung und Durchführung der wiederkehrenden Prüfungen vorbereitet, begleitet und überwacht. Es wurden Mängellisten aufgestellt und abgearbeitet. 6) Dokumentation Im letzten Block wurden die Prüfberichte, Mängellisten und Nachweise aufbereitet, digitalisiert und strukturiert abgelegt (parallel zu Schritt 5). 7) Eingabe ins Facility-Management-System Abschließend wurden das Anlagenprüfkataster und die zugehörigen Dokumente in das Facility-Management-System eingespielt, um die späteren Prüfungen im System abwickeln und dokumentieren zu können.
6.4 Reorganisation des betrieblichen Dokumentenmanagements In den Abschnitten 6.2 und 6.3 wurde davon ausgegangen, dass die Dokumentation, Prozesse und Organisation vorhanden und weitgehend wirksam sind. Der vorliegende Abschnitt setzt sich damit auseinander, wie bei einer Neugestaltung und Reorganisation des betrieblichen Dokumentenmanagements vorgegangen werden kann.
6.4 Reorganisation des betrieblichen Dokumentenmanagements
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Im Kontext dieses Fachbuchs bezieht sich der Begriff des betrieblichen Dokumentenmanagements ausschließlich auf die Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen. Eine Neugestaltung bzw. Reorganisation ist dann erforderlich, wenn bestehende Daten nur noch eingeschränkt verwendbar sind, der Change-Control-Prozess in der Vergangenheit nicht konsequent umgesetzt wurde und die vorhandenen Dokumentationsunterlagen nicht mehr nutzbar sind, sich die Anforderungen der Nutzer wesentlich verändert haben (z.B. DMS statt Papierarchiv), wenn eine umfangreiche Anlagenänderung durch Investition durchgeführt wird.
6.4.1 Begriffsdefinitionen und Arbeitsschritte Das Attribut betrieblich bedeutet Anwendung während der Dauerbetriebsphase. Dokumentenmanagement (Synonym: Dokumentationswesen) umfasst die Gesamtheit von Prozessen, Abläufen und Verantwortlichkeiten, die die Administration (erfassen, verwalten) von Dokumenten betreffen [10].
Zu den verwalteten Dokumenten gehören hier nicht nur die Anlagendokumentation, sondern auch Teile der anderen in Abschn. 3.1.1 aufgezählten Hauptdokumentationen, z.B. der Genehmigungs-, Betriebs- und Engineeringdokumentation. Sie werden in der Gesamtheit auch als Bestandsdokumentation gemäß folgender Definition bezeichnet. Bestandsdokumentation (Synonym: Bestandsunterlagen, Betreiberdokumentation) ist die aktuelle Gesamtdokumentation über die verfahrenstechnischen Anlage eines Betriebs.
Folgende Aufgaben stehen bei verfahrenstechnischen Anlagen im Mittelpunkt des betrieblichen Dokumentenmanagements: Kennzeichnen und indexieren der Dokumente (z.B. durch Stamm- bzw. Metadaten), Erfassen und Verwaltung der Bestandsdokumentation, Archivieren der Dokumente, Verteilung und Umlauf der Dokumente, Fortschreiben der Dokumente, Qualitätsprüfung und Freigabe von Dokumenten, Suche und Bereitstellung von Dokumenten, Vernichten von Dokumenten, Regelung der Verantwortlichkeiten, Befugnisse und Zuständigkeiten bei der Bearbeitung und Verwaltung von Dokumenten. Den betrieblichen Dokumentationsprozess erfolgreich zu realisieren, ist in erster Linie eine Managementaufgabe. Es ist eine Illusion, dass leistungsstarke Softwarewerkzeuge dieses Problem alleine lösen. Der Einsatz eines effizienten Tools ist für den Erfolg wichtig, setzt aber Klärungsprozesse voraus. Tabelle 6.8 zeigt den möglichen Arbeitsablauf bei der Reorganisation des betrieblichen Dokumentenmanagements, der im Einzelfall anzupassen ist. Es bedarf zunächst einer klaren Ziel- und Aufgabenformulierung sowie der notwendigen organisatorisch-administrativen Regelungen im Betrieb. Erst auf dieser Basis kann konkret über den Einsatz eines Dokumentenmanagement-Systems (DMS) oder anderer Software-Tools beraten und entschieden werden (s. auch Abschn. 7.3). Die in Tab. 6.8. dargestellten Arbeitsschritte werden nachfolgend näher betrachtet.
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6 Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs
Tabelle 6.8 Mögliche Arbeitsschritte bei der Reorganisation des betrieblichen Dokumentationsmanagements 1. Erarbeiten und Bestätigen der grundlegenden Zielstellungen, die mit Hilfe des betrieblichen Dokumentenmanagements zu erreichen sind 2. Ermitteln der Nutzeranforderungen an das betriebliche Dokumentenmanagement 3. Identifizieren und Analysieren der betrieblichen Geschäftsprozesse, die Änderungen an der betrieblichen Dokumentation verursachen 4. Einschätzen der vorhandenen und beschaffbaren Software-Tools für das betriebliche Dokumentenmanagement 5. Lösungssuche und Lösungsfindung zur Realisierung eines effizienten betrieblichen Dokumentenmanagements 6. Festlegen und Bestätigen der erarbeiteten Lösung in einer Richtlinie zum Umgang mit der betrieblichen Dokumentation 7. Umsetzen der festgelegten Regelungen zum Dokumentenmanagement in der betrieblichen Praxis
6.4.2 Zielstellungen für Neugestaltung bzw. Reorganisation des betrieblichen Dokumentenmanagements „Erst planen, dann bauen“ [11] Analog zur Planung und Errichtung der Anlage muss sich der Anlagenbetreiber zunächst darüber klarwerden, welche Ziele (Ergebnisse) er mit der Reorganisation des eigenen betrieblichen Dokumentenmanagements erreichen will. Dabei geht es insbesondere um Ergebnisse, die wirtschaftlich bewertbar sind und eine Projektentscheidung ermöglichen. Die Angaben in Tabelle 6.9 sollen dafür als Anregung dienen. Die Ziele müssen in einem Lastenheft (Requirements Specification) festgehalten und verfolgt werden. Um den Projekterfolg zu gewährleisten, ist es wichtig, in den ersten vier Schritten die Erfahrungen, Anforderungen und Wünsche der späteren Nutzer abzufragen und in die Zielstellung einzubeziehen. Dabei sollte aus jeder späteren Nutzergruppe mindestens ein Vertreter befragt werden. Die Nutzung eines standardisierten Fragebogens ist sinnvoll und hilfreich. Neben der nutzergerechten Zielstellung erhöht die Befragung nicht nur die Qualität des späteren Prozesses, sondern auch die Akzeptanz der späteren Prozessbeteiligten. Bei den Zielen und Wünschen der Nutzer ist es sinnvoll, die Anforderungen zu wichten, z.B. in sehr wichtig („Must-haves“) und weniger wichtig („Nice-to-haves)“. Tabelle 6.9 Mögliche Zielstellung für die Neugestaltung bzw. Reorganisation des betrieblichen Dokumentenmanagements 1
Gewährleistung der Technischen Integrität – Einhalten von Unternehmensgrundsätzen – Minimieren von Schnittstellenproblemen und -kosten – Fehlervermeidung und Kosteneinsparung durch Standardisieren von Prozessabläufen, Begriffen, Dokumenteninhalten u.ä. – weitgehende Gewährleistung der Übereinstimmung zwischen der Anlage selbst (Bauzustand) und der Dokumentation
6.4 Reorganisation des betrieblichen Dokumentenmanagements
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Tab. 6.9 (Fortsetzung) 2
Erfüllen der Sorgfaltspflichten – Vermeiden bzw. Abwehr von Haftungs- und Schadenersatzansprüchen – umfassende Einhaltung von Gesundheit-Sicherheit-Umweltschutz (GSU) – Erfüllung der Vorgaben zur sicheren Archivierung (GoBD, s. Abschn. 2.7) – Nachweis des gesetzeskonformen Betriebs der Anlage
3
Zeit- und Kostenersparnis – Verkürzen der Suchzeiten nach Dokumenten – erhöhte Anlagenverfügbarkeit durch schnellere Fehler- bzw. Schadensdiagnose – verringerter Aufwand beim Änderungsdienst – Vermeiden von erneuten Vor-Ort-Bestandsaufnahmen – Einsparen von Kosten (Raum, Suchzeit u.a.) durch elektronische Dokumentation und Verringerung des Dokumentenbestandes – Automatisieren von Arbeitsabläufen – flexiblere Anpassung an neue Anforderungen – Klarstellen der Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Befugnisse bzgl. der Dokumentation – klare und eindeutige Vorgaben an Auftragnehmer
4
Qualitätserhöhung und damit verbundene Kostenreduzierung – ganzheitliche Nutzung aktueller und einheitlich strukturierter Dokumente – Fehlervermeidung durch Nutzung eines DMS – Vermeiden von Nachbesserungskosten
5
Dokumentenorganisation und -zugang – einfacher Zugang zu Informationen, flexible Organisation – Verbesserung der Dokumentationsstruktur durch klares Ordnungsprinzip – schnelle und komfortable Suche nach Dokumenten durch Volltextsuche und klar strukturierte Metadaten – Viewer-Funktionen für zahlreiche Dateiformate
6
Dokumentensicherheit – besserer Schutz vor unberechtigtem Zugriff – besserer Schutz vor ungewollten Änderungen, Vernichtung und Verlust – Versionskontrolle möglich
7
Automatisierung von Prozessen (Workflow-Funktionen) – automatische Verteilung von Dokumenten – Steuerung des Bearbeitungsablaufes von Dokumenten – Alarm- und Controlling-Funktionen – Parallelbearbeitung von Dokumenten möglich
8
Datenintegrität (s. auch Tab. 5.27 in Abschn. 5.14.2, c)) Verbesserung der Verfügbarkeit, Vollständigkeit, Konsistenz, Beständigkeit. Lesbarkeit, Vertrauenswürdigkeit der Daten
6.4.3 Ermitteln der Nutzeranforderungen an das betriebliche Dokumentenmanagement Zunächst ist zu identifizieren, welche Dokumentenarten zur betrieblichen Gesamtdokumentation gehören. Zu diesem Zweck ist für den Betrieb die Liste wichtiger Dokumentenarten (LwD) zu erarbeiten (s. Abschn. 3.1.3). Diese Tätigkeit bewirkt eine intensive Auseinandersetzung mit den Bestandteilen der Dokumentation und deren Informationsinhalten.
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6 Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs
Folgende Hinweise werden gegeben: Die LwD sollte von einem in Bezug auf Dokumentation erfahrenen Mitarbeiter oder einem externen Spezialisten federführend zusammengestellt werden. Dabei sind die unterschiedlichen Nutzergruppen und die Betriebsleitung in die Arbeitsgruppe einzubinden. In der LwD sind zunächst alle Dokumentenarten zu erfassen, die der Arbeitsgruppe bekannten sind. Erst danach ist zu entscheiden, welche Dokumentenarten zum Geltungsbereich des betrieblichen Dokumentations-Managements gehören sollen. Die Dokumentenarten sind präzise zu benennen (die nicht eindeutigen Begriffe in Tabelle 3.4 sind zu vermeiden). Die LwD soll alle wichtigen Merkmale der Dokumentenarten enthalten, die für die spätere Verwaltung wichtig sind (z.B. mit welcher Software die jeweilige Dokumentenart bearbeitet werden kann). Damit wird die Zuordnung zu Anlagenobjekten oder Betriebseinheiten ermöglicht. Die Struktur der LwD muss zur Gliederung der Gesamtdokumentation passen (s. Abschn.3.1). Vom Betreiber und in der jeweiligen Industriesparte verwendete Werknormen und Normen sind zu berücksichtigen und zu beachten (z.B. [12], [13]). In die LwD sollte in einer Spalte DOKUMENTENANZAHL die näherungsweise ermittelte Anzahl der Einzeldokumente (der jeweiligen Dokumentenart) eingetragen werden. Damit können der Dokumentationsumfang und der spätere Aufwand zum Einpflegen in ein DMS abgeschätzt werden. Die ermittelten Nutzeranforderungen müssen in einem Lastenheft festgehalten werden.
6.4.4 Analyse der Ursachen für Dokumentationsänderungen Der Änderungsdienst zur Dokumentation ist in der betrieblichen Praxis häufig die Schwachstelle im betrieblichen Dokumentenmanagement. Er weist z.B. erhebliche Mängel auf, indem – die Revision der Dokumente auf Grund technischer Änderungen nicht oder nicht vollständig bzw. zu spät erfolgt, – die an mehrere Stellen notwendigen Änderungen unterschiedlich und nicht abgestimmt eingearbeitet werden, – die Änderungen ohne Plausibilitätsprüfung oder auf der Basis inhaltlich unvollständiger oder nicht schlüssiger Vorgaben eingepflegt werden, – die Änderungen nicht vollständig in allen Exemplaren eingepflegt werden, sodass zwischen Dokumentationsexemplare Unterschiede bestehen, – die Änderungen gar nicht erst an den Dokumentationsverantwortlichen kommuniziert werden. Bei einer derartigen Situation sind Fehler und Störungen im Arbeitsprozess vorprogrammiert. Es entstehen erhebliche versteckte Mehrkosten. Hält dieser Zustand länger an, wächst das Misstrauen in die Bestandsdokumentation. Wenn man der Dokumentation nicht vertraut, wird sie auch nicht genutzt! Werden dann für eine Erweiterungsinvestition aktuelle Bestandsunterlagen benötigt, so bleibt nur die teure Lösung der As-built-Bestandsaufnahme; oder der Betreiber geht mit einem erheblichen Claimrisiko in die Vertragsabwicklung (s. Abschn. 4.5.2, g)).
6.4 Reorganisation des betrieblichen Dokumentenmanagements
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Aus dem Gesagten lässt sich folgern: Das betriebliche Dokumentenmanagement muss gewährleisten, dass alle organisatorischen, sicherheitlichen, technischen u.ä. Änderungen adäquat zum Sachstand (Vorschriften, Anlage, Organisation) in die Dokumentation eingepflegt werden. Zu diesem Zweck sind zunächst die betrieblichen Geschäftsprozesse, die auf Änderungen an der vorhandenen Dokumentation von Einfluss sind, zu identifizieren und in ihrer Wirkung zu analysieren. Ferner sollte geprüft werden, wie die bisher bestehenden Organisationsabläufe zum Änderungs-Workflow der Dokumentation funktionieren. Beispiele für betriebliche Änderungsprozesse, die gravierende Auswirkungen auf die Dokumentation haben, sind: a) Umsetzen neuer bzw. veränderter Organisations- und/oder Sicherheitsrichtlinien des Unternehmens Bem.: Neue bzw. veränderte Unternehmensrichtlinien können sich u.a. beim Wechsel des Eigentümers oder in Auswertung von Havarien bzw. schweren Unfällen ergeben. Sie werden i.d.R. organisatorisch und dokumentarisch stabsmäßig vorbereitet und „von oben nach unten“ konsequent, auch in der betrieblichen Dokumentation, durchgesetzt.
b) Beachtung und Umsetzung neuer bzw. veränderter Vorschriften bezüglich GSU (Gesundheit – Sicherheit – Umweltschutz) Bem.: Die Gesetz- und Normengeber verursachen häufig Änderungen an der Dokumentation. Eine Ursache ist die europäische Harmonisierung der Gesetzgebung. In größeren Unternehmen werden die Folgen stabsmäßig umgesetzt. In kleineren ist dies nicht selten ein Problem. Nicht wenige Betriebsleiter sind unsicher, inwieweit sie alle Vorschriften beachten und dies auch nachvollziehbar dokumentieren. Da der Gesetzgeber zunehmend Schutzziele und nicht Maßnahmen vorgibt, werden für den Anlagenbetreiber die Handlungsspielräume und entsprechend die Unsicherheiten größer.
c) Anlagenänderungen durch Investitionen Bem.: Bei Neubau-, Erweiterungs- und/oder Optimierungsinvestition muss die Dokumentation einerseits wesentliche Vorgaben liefern, andererseits wird sie im Ergebnis gravierend verändert. Abb. 6.12 zeigt den Informations- und Dokumentenfluss. Vorteilhaft ist, dass diese technischen und dokumentarischen Change-Vorgänge bewusst geplant werden können. Wie dies im verfahrenstechnischen Anlagenbau vollzogen wird, ist in Kapitel 5 beschrieben. Entscheidend für die effiziente Einbindung dieser neuen As-built-Teildokumentation in das bestehende Dokumentenmanagement ist, dass sie – das gleiche Ordnungs- und Kennzeichnungssystem besitzt sowie – möglichst komplett in elektronischer Form und im Speziellen als bearbeitbare Dateien übergeben wird (s. Abschn. 4.5.3.1). In jedem Fall sollte das Belegexemplar der AS BUILT-Dokumentation, die die Änderungsinvestition vertragsgerecht beschreibt, als „juristische Urkunde“ im „eingefrorenen“ Zustand archiviert werden.
d) Anlagenänderungen durch Instandhaltung (IH). Bem.: Abbildung 6.13 zeigt, dass die Prozesse der Instandhaltung (bestehend aus Inspektion, Wartung, Instandsetzung) prinzipiell denen bei Investitionen gleichen (s. Abschn. 3.7.3 und 5.11).
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6 Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs
Abb. 6.12 Informations- und Dokumentenfluss beim Planen, Errichten und Instandhalten von Anlagen
Abb. 6.13 Kumulative Investitions- und Instandhaltungskosten im Leben einer Anlage (Prinzipdarstellung)
6.4 Reorganisation des betrieblichen Dokumentenmanagements
523
e) Anlagenänderungen durch Instandhaltung (IH) (Fortsetzung). Bem.: Dass die Änderungen aus der Instandhaltung unbedingt in die Dokumentation eingepflegt werden müssen, soll Abb. 6.13 belegen. Wenn die kumulierten Instandhaltungs- und Rückbaukosten das zwei bis dreifache der Investitionskosten ausmachen, ist der Änderungsumfang bezüglich der Dokumentation ebenfalls in dieser Größenordnung. Das heißt, große Teile der Anlagendokumentation erneuern sich während der Betriebsphase ebenfalls ein bis zwei Mal. Sofern die Instandhaltungsmaßnahmen geplant werden, ist eine analoge Prozedur zur Dokumentationspflege wie bei Investitionen möglich (s. Kap. 5). Problematischer hinsichtlich der Dokumentationspflege sind operative Instandsetzungsarbeiten ausgelöst durch technische Störungen. In diesen Fällen muss zunächst die Störung schnell behoben werden, ohne dass zuvor ein neues technisches Dokument engineert und freigegeben wurde. Dabei besteht das Risiko, dass dann letztlich kein ChangeControl-Vorgang zur Dokumentation stattfindet.
f) Anlagenänderungen durch Demontage von Anlagenteilen Bem.: Nicht mehr benötigte Anlagenteile verursachen Kosten und sollten möglichst demontiert bzw. rückgebaut werden. Die damit verbundenen Änderungen sind analog wie bei Instandhaltungsmaßnahmen in die betriebliche Dokumentation einzupflegen.
6.4.5 Software-Tools für das betriebliche Dokumentenmanagement Software zur Dokumentenerstellung und -verwaltung unterliegt einem stetigen Wandel. Viele Software-Anbieter werben mit der Möglichkeit, dass ihre Produkte auch Dokumente speichern und nutzerfreundlich verwalten können. Grundsätzlich ist dies auch richtig, doch der „Teufel steckt im Detail“. Die stark in Entwicklung begriffenen Software-Tools bieten immer neue betriebliche Einsatzmöglichkeiten. Die Dokumentation wird dabei in das betriebliche Wissensmanagement eingebunden [14][15]. Zielstellung ist, das im Unternehmen vorhandene Wissen (Erfahrungen) besser zu nutzen und die Kommunikation effektiver zu gestalten. Eine mögliche Richtung ist die Einführung interaktiver Software für elektronische Enzyklopädien im Internet und Projekt sowie für Social Software in Unternehmen [16], z.B. ein sog. „Unternehmenswiki“. Für das betriebliche Dokumentenmanagement gibt es kein universelles SoftwareTool. Es werden nach wie vor unterschiedliche Tools als Teil-/Insellösung genutzt (s. Abschn. 7.1 sowie Abb. 1.8 in Abschn. 1.6). Solange die Anwendungen eindeutig abgegrenzt sind und keine Redundanzen bestehen, ist dies weniger problematisch. Letztlich ist aber für viele Betreiber verfahrenstechnischer Anlagen der erfolgreiche Einsatz eines Dokumentenmanagement-Systemen (DMS) noch eine echte Herausforderung. In Kapitel 7 wird diese Thematik vertieft und Erfahrungen vermittelt.
6.4.6 Erarbeiten betrieblicher Regelungen zum Dokumentenmanagement Nachdem für das angestrebte effektive betriebliche Dokumentenmanagement – die Zielstellungen schriftlich formuliert und vom Betriebsleiter bestätigt sind – sowie der IST-Zustand bezüglich Nutzeranforderungen, Änderungsnotwendigkeiten und verwendbarer Software-Tools erfasst und analysiert wurde, muss die konkrete Lösungssuche und -findung vollzogen werden. Im Weiteren werden dazu einige verallgemeinerte Hinweise und Vorschläge unterbreitet. Im Speziellen sei auf die praxisbezogenen Ausführungen im Kap. 7 verwiesen.
524
6 Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs
a) Vorbemerkungen und Hinweise Die Betriebsleitung muss bei der Lösungssuche verantwortlich und inhaltlich mitwirken. Nur so ist gewährleistet, dass sie die Ergebnisse nachvollziehen kann und später, während der häufig beschwerlichen Umsetzung, vorbehaltlos mitträgt. Den Verfassern sind auch erfolgreiche Beispiele bekannt, bei denen der Abteilungsbzw. Betriebsleiter an der Sache persönlich Spaß gefunden und sich als Projektleiter an die „Spitze gestellt“ hatte. Alle beteiligten Führungskräfte müssen sich bemühen, die Vorteile eines effizienten betrieblichen Dokumentenmanagements deutlich herauszuarbeiten und überzeugend zu vertreten. Es reicht nicht aus, wenn nur die Sorgfaltspflicht- und Sicherheitsaspekte betont werden. Zusätzlich müssen die Chancen der Kosteneinsparungen und Gewinnerhöhung herausgearbeitet werden. Falls in den Betrieben das notwendige fachliche Know-how fehlt, muss es eingekauft werden. Ein verändertes Dokumentenmanagement, insbesondere hinsichtlich der technischen Dokumente, kann nur dann erfolgreich sein, wenn es die Akzeptanz der Nutzer (Betriebsingenieure, Meister, Schichtführer, Operator, Servicepersonal) findet. Das heißt, die Meinung dieses Personenkreises muss rechtzeitig erfragt und nach Möglichkeit pragmatisch beachtet werden (s. Kap. 7). Die Nutzer sind von der Lastenhefterstellung an in alle wichtigen Diskussions- und Entscheidungsprozesse sowie bei eventuellen Präsentationen und Tests einzubeziehen. Misserfolge bei der Reorganisation des betrieblichen Dokumentmanagements, auch in großen Unternehmen, waren häufig darin begründet, dass die Projektziele zu umfangreich und zu wenig praxisorientiert waren. In der Folge fanden die vorgeschlagenen Maßnahmen keine Akzeptanz beim Betriebspersonal und wurden letztlich in Misskredit gebracht bzw. „torpediert“. Der Dokumenten-Workflow ist in die Regelungen zu den sicherheitlichen, technischen und/oder organisatorischen Arbeitsabläufen (s. Abschn. 6.4.4) zu integrieren. Es gilt der Grundsatz: Die Änderungen an der Anlage und die an der Dokumentation sind in einem gemeinsamen Prozess zu betrachten und zu realisieren. Das betriebliche Dokumentenmanagement muss konsequent in elektronischer Form organisiert werden (s. Kap. 7). Dies bedeutet u.a. – zu ermitteln, wo Dokumente in Papierform zwingend sind (z.B. als gerichtsfeste Dokumentation), – zu ermitteln, ob in Grenzfällen die Risiken bei der Nutzung elektronischer Dokumente vertretbar sind (z.B. Betriebsanweisungen im Rechnernetz), – dass neue Dokumente, die bei Investitions- und/oder Instandhaltungsmaßnahmen anfallen, konsequent in elektronischer Form und als bearbeitbare Dateien beschafft bzw. selbst erstellt werden, – dass Papierdokumente von Herstellern bzw. aus Altbeständen konsequent in das Software-Tool eingepflegt werden, – die hardwareseitigen Voraussetzungen für die effektive Nutzung elektronischer Dokumente zu schaffen, wie z.B. ausreichende Anzahl an Bildschirmen, TabletComputer, Dokumentenscanner, Plotmöglichkeiten,
6.4 Reorganisation des betrieblichen Dokumentenmanagements
525
– ein DMS, insbesondere für die Verwaltung der technischen Dokumente, einzuführen und zu nutzen, – das Personal intensiv im Umgang mit der elektronischen Dokumentation inkl. der Hard- und Software zu schulen und fortzubilden, – sich gegebenenfalls zu verständigen, dass im Zweifel die elektronische Version der Dokumentation das Primat hat, getreu dem Grundsatz: Die Wahrheit (der Master) liegt im Rechnersystem/-netz des Betriebs. Das Handling von Papierdokumenten sollte soweit wie möglich minimiert werden. Trotzdem sind Papierdokumente in viele Fällen noch unverzichtbar (s. auch Abschn. 1.6) , da – sie als Originale benötigt werden, z.B. für besonders GMP-relevante Dokumente in Pharmaanlagen, – sie weniger manipulierbar sind als elektronische Dokumente und somit eine größere Beweiskraft besitzen, z.B. fordern die Behörden i.Allg. zumindest ein Exemplar in Papierform, – sie i.d.R. in größeren Formaten und somit besser lesbar und übersichtlicher verfügbar sind, – in der Vor-Ort-Arbeit in der Anlage und Werkstattarbeit (noch) unverzichtbar sind, – für den Informationsaustausch mit Projektpartnern und Auftragnehmern noch oftmals benötigt werden. Die benötigten Papierdokumente sollten konsequent mittels der betrieblichen Software-Tools erzeugt werden. b) Integration ins betriebliche Qualitätsmanagement-System Die erarbeiteten betrieblichen Regelungen zum Dokumentenmanagement sind in das Qualitätsmanagement-System (QS) des Betriebs aufzunehmen und in die betroffenen Unterlagen des Qualitätsmanagementhandbuchs einzupflegen. Gemäß dessen Struktur (s. Abb. 3.54 in Abschn. 3.7.7) betrifft dies gegebenenfalls: die Ergänzung der Unternehmensziele hinsichtlich der Zielstellungen für das betriebliche Dokumentenmanagement. das zusätzliche bzw. veränderte Einbeziehen des Dokumenten-Workflow in die definierten Prozessabläufe und in die QS-Verfahrensanweisungen. Betroffene Verfahrensanweisungen (VA) sind z.B.: – VA für Anlageninvestitionen inkl. Vertragsprüfung, – VA für Beschaffung technischer Ausrüstungen und Leistungen, – VA zur Durchführung von Instandhaltungsarbeiten, – VA zur Durchführung von Prüfungen, – VA zur Designprüfung und Designlenkung, – VA zur Lenkung fehlerhafter Produkte – VA zur Aus- und Fortbildung von Betriebs- und Servicepersonal. Darüber hinaus gibt es im betrieblichen QM-Handbuch meistens eine eigenständige Verfahrensanweisung „Ändern und Verteilen von Dokumenten“, die unmittelbar an das neue bzw. veränderte betriebliche Dokumentenmanagement anzupassen ist. In Abb. 6.14 ist beispielhaft der mögliche Arbeitsablauf einer solchen Verfahrensanweisung dargestellt. In dieser VA ist unter dem Punkt „Geltungsbereich“ festzulegen, für welche ausgewählten Dokumentenarten bzw. Einzeldokumente die VA gilt.
526
6 Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs
Dies kann beispielsweise durch Bezug auf eine entsprechende Markierung in der Liste wichtiger Dokumentenarten (LwD) erfolgen. Eine Einbeziehung aller technischen Dokumente ist i.d.R. mit Ausnahme von Pharmaanlagen nicht wirtschaftlich und nicht praktikabel. das Ergänzen der arbeitsplatzbezogenen Regelungen, wie Anweisungen, Vorschriften, Arbeitsplatzbeschreibungen, Checklisten, sowie das Erarbeiten zusätzlicher Festlegungen zum Dokumenten-Workflow. Start
Nr.
Änderungsantrag erstellen
1
Prüfen
2 3
nein
Änderung genehmigt?
Information an Antragsteller
Ende
5
nein
Dokument o.K.?
V
M
Dokumente
QS
Antrag schriftlich
1
Antrag auf Änderung mit Begründung stellen
alle
2
Antrag prüfen
zust. Stelle
3
Entscheidung
zust. Stelle
4
Information an den Antragsteller
QS
Stellungnahme
5
Dokument ändern
siehe Matrix
Entwurf neues Dokument
6
Dokument auf Inhalt prüfen
siehe Matrix
geprüftes Dokument
7
Geändertes Dokument freigeben
siehe Matrix
freigegebenes Dokument
8
Dokument verteilen und Empfangsbestätigung
Änderungsdienst
neus Dokument
4
Dokument ändern
Tätigkeit
6
Stellungnahme
ja nein Freigabe 7
ja Verteilen
8
Ende
Abb. 6.14 Arbeitsablauf beim Ändern und Verteilen von definierten Dokumenten (Auszug aus einer gleich lautenden Verfahrensanweisung)
c) Richtlinien zu Ausführung und Verwaltung der betrieblichen Dokumentation Die mehr grundsätzlichen Festlegungen zum Dokumentenmanagement im Qualitätsmanagement-Handbuch sind notwendig, müssen aber für die praktische Arbeit konkretisiert und auch einfacher bzw. verständlicher formuliert werden. Dies erfolgt i.d.R. in Form von verbindlichen betrieblichen Richtlinien (s. Abschn. 6.2.2). Wichtig ist, dass als Ergebnis der Reorganisation Verfahrensanweisungen, Richtlinien und der tatsächliche Prozess übereinstimmen. Zusätzlich zu den in Abschn. 6.2.2 genannten Leitdokumenten können weitere Richtlinien erforderlich werden, z.B.:
6.4 Reorganisation des betrieblichen Dokumentenmanagements
527
– eine Richtlinie für die Beschaffung komplexer Engineering- und/oder Investitionsleistungen im Rahmen von Anlagenverträgen, inkl. zugehöriger Dokumentationsleistungen (s. Abschn. 4.5). Die vertragliche Spezifikation der AS BUILT-Dokumentation ist ein Teil dieser Richtlinie (s. Abschn. 4.5.3). – eine Richtlinie für die Beschaffung von Ausrüstungen und Leistungen über Hersteller bzw. Lieferanten (s. Abschn. 3.5, 4.5.4.2 und 5.9). – eine Projektrichtlinie DOKUMENTATION in der nähere Ausführungen zur Abwicklung der Dokumentationsleistungen während des Projekts gemacht werden (s. Abschn. 4.6.1 und 6.2.2). – weitere Festlegungen zu Dokumentationsleistungen bei Investitionen sind enthalten in Unterlagen für das Einholen von Genehmigungen (s. Abschn. 3.4 und 5.7), für die Baustellenabwicklung (s. Abschn. 4.5.4.3 und 5.10) und für die Inbetriebnahme (s. Abschn. 4.5.4.4 und 5.11). All diese Festlegungen dienen dem Ziel, die Dokumentationsleistungen bei Investitionen sowohl hinsichtlich einer effizienten Projektabwicklung als auch im Hinblick eines wirtschaftlichen betrieblichen Dokumentenmanagements erfolgreich zu organisieren.
6.4.7 Umsetzen der Festlegungen in der betrieblichen Praxis Die festgelegten betrieblichen Maßnahmen zum Dokumentenmanagement müssen in der praktischen Arbeit konkret umgesetzt und gelebt werden. Dies erfordert eine vorbehaltlose Unterstützung und Vorbildfunktion der Betriebsleitung. Darüber hinaus müssen die Nutzer in das neue System eingeführt und geschult werden. Die betrieblichen Vorteile und möglichst auch die persönlichen Vorteile, die der einzelne Nutzer hat, sind hervorzuheben. Zugleich ist ein Verbesserungsprozess derart zu organisieren, dass Nutzerhinweise schnell aufgegriffen, im Team diskutiert und ggf. im System umgesetzt werden. Die Nutzung des betrieblichen Dokumentenmanagements wird zudem neue Fragen aufwerfen. Mögliche Problemfälle, die nur angedeutet werden können und auf die es keine Patentlösung gibt, sind beispielsweise: a) Wie sind die Dokumente der Ersatz- und Verschleißteile zu verwalten? Bem.: Aus Sicht der Verfasser sollten diese Dokumente, sobald sie geliefert wurden, vollständig im betrieblichen Dokumentenmanagement erfasst und verwaltet werden. Ihr „Einbauort“ ist de facto das Lager.
b) Wer pflegt die Änderungen in die Dokumentation ein, wenn es keine Fachstelle Dokumentation gibt und Kontraktoren Instandhaltungsmaßnahmen ausführen? Bem.: Dies ist im Einzelfall zu entscheiden. In der Regel ist es nicht möglich, dass Kontraktoren ihre Dokumentationsleistungen eigenverantwortlich einpflegen.
c) Ist eine Package-unit-Dokumentation (in Papierform) als Ganzes abzulegen und zu verwalten, oder sollten die Einzeldokumente in die Gesamtdokumentation eingeordnet werden? Bem.: In jedem Fall ist ein Belegexemplar der Package-unit-Dokumentation, zumindest während des Gewährleistungszeitraumes, in der gelieferten Form als Ganzes sicher abzulegen. Theoretisch können Einzeldokumente der Package-unit-Dokumentation einzeln eingeordnet werden; davon ist aus Haftungsgründen aber abzuraten.
528
6 Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs
Entsprechend den gesammelten Erfahrungen im Umgang mit der betrieblichen Dokumentation sind die notwendigen Regelungen von Zeit zu Zeit kritisch zu hinterfragen und ggf. fortzuschreiben.
6.4.8 Fallbeispiel: Eingangsprüfung und Erweiterung der Bestandsdokumentation bei einer Investition Im Praxisbeispiel benötigt ein Unternehmen zusätzliche Produktionskapazitäten. Die dazu erforderlichen Anlagenteile passen nicht in das Bestandsgebäude und die bestehende Infrastruktur reicht nicht aus, um die zusätzlichen Produktionsanlagen zu versorgen. Das Unternehmen entscheidet sich, das bestehende Gebäude zu vergrößern, um die zusätzlichen Produktionsanlagen unterzubringen. Ein Teil der Anlagen wird erweitert; aber es werden auch neue Prozessversorgungssysteme errichtet. Die Erweiterung soll erfolgen, ohne den laufenden Betrieb zu unterbrechen. Das Unternehmen verfügt über umfangreiche Werknormen und betriebliche Regelungen, wie die Dokumentation auszuführen ist. Die bestehenden Werknormen beziehen sich auf Aufbau und Inhalt der Anlagendokumentation, nicht aber auf den Prozess der Erstellung und Freigabe. Die Bestandsdokumentation des bestehenden Gebäudes und der zugehörigen Anlagen liegt in einem DMS (Dokumentenmanagement-System) vor. Das DMS wiederum ist in das bestehende ERP(Enterprice-Resource-Planning)-System eingebettet (Gliederung in „technische Plätze“). Bisher wurden bei Umbauprojekten die Ausführungsdokumente von einem Engineeringpartner im Auftrag der Bauabteilung des Betreibers erarbeitet. Nach Abschluss des Projekts sowie Fertigstellung, Prüfung und Freigabe der AS BUILT-Dokumentation wurde diese durch die Bauabteilung auf einem Datenträger an den Betreiber übergeben. Dieses Vorgehen hatte für den Betreiber zwei gravierende Nachteile: 1) Zwischen Ausgabe und Rückgabe der Daten lag oft ein sehr langer Zeitraum (praktisch die gesamte Projektdauer). Oft wurden parallel zu den Projekten Kleinständerungen am Standort durchgeführt und dokumentiert, sodass zwei inhaltlich unterschiedliche Versionen desselben Dokuments parallel gepflegt wurden. 2) Die Daten mussten nach der Rückgabe erneut durch den Betreiber in das DMS eingespielt werden. Als Lessons Learned (s. Abschn. 4.6.7) aus den Vorprojekten forderte der Betreiber im anstehenden Projekt ständigen Zugriff auf die Bestandsdokumentation, um die bestehende Anlage sicher betreiben zu können. Die Betriebsleitung erwartete außerdem, dass die Unterlagen so zeitnah wie möglich im ERP-System vorliegen. Die Freigabe der überarbeiteten Unterlagen durch den Betreiber sollte durch den bereits bestehenden elektronischen Workflow im ERP-System erfolgen. Sowohl die Bauabteilung als auch der Engineeringpartner nutzen für das Projekt ihre bestehende Software-Arbeitsumgebung (Dokumentenmanagementsystem und Projektkommunikationsplattform). Ein Datenaustausch via E-Mail zwischen Engineeringpartner, Kontraktoren und der Bauabteilung war aus Gründen der Geheimhaltung und der Datensicherheit nicht erwünscht. Damit ergibt sich eine Kommunikationskette von vier Datenbanksystemen entsprechend Abbildung 6.15, um Informationen auszutauschen.
6.4 Reorganisation des betrieblichen Dokumentenmanagements
529
Abb. 6.15 Informationsfluss während der Investition im Fallbeispiel
Basierend auf dieser Ausgangssituation und den Wünschen der Beteiligten wurde das anstehende Projekt, anders als alle Vorprojekte, wie folgt abgewickelt: Die Übergabe von vertraglich relevanten Dokumenten und Daten zwischen den drei Parteien erfolgte über eine gemeinsame Projektfunktion („Document Control Team“). Um das Einspielen in das ERP-System zu ermöglichen, wurde anlagenspezifisch abgestimmt, ▪ welche Dateien überarbeitet werden sollten, ▪ welche Dateien durch den Umbau nicht verändert werden mussten, ▪ welche Dateien neu hinzukommen und ergänzt werden mussten (s. Abb. 6.16).
Abb. 6.16 Auflistung der zu überarbeitenden und der neu zu erzeugenden Dokumente für einen Technischen Platz (vereinfachte Darstellung)
Die Festlegungen wurden bei der Erstellung und der Eingangsprüfung der Dokumentation als Hilfsmittel genutzt. Die Vorgaben in Bezug auf die Dokumentationsstruktur und die Dokumentationsinhalte blieben unverändert, nur der Projektablauf wurde angepasst.
530
6 Nutzung und Pflege der Dokumentation während des Anlagenbetriebs
Die Vorteile des geänderten Ablaufs, die nach Projektende von den Beteiligten bestätigt wurden, waren: Die Transparenz in der Projektabwicklung war für alle Beteiligten höher. Viele Anforderungen der unterschiedlichen Projektbeteiligten an die Dokumentation wurden bereits projektbegleitend geklärt. Unstimmigkeiten in den Bestandsdokumenten wurden früher (schon bei der Ausgabe) erkannt und diskutiert. Der Aufwand zur Datenpflege in den vier Systemen aus Abb. 6.15 war verglichen mit einer Abwicklung via E-Mail und Papierdokumenten höher. Der Anlagenbetreiber blieb in der Bauphase handlungsfähig und problemlos in den Informationsfluss im Projekt eingebunden. Nachfolgende Investitionsprojekte am Standort werden seither in gleicher Art und Weise abgewickelt.
Literatur [1]
ISO19005: Dokumentenmanagement – Elektronisches Dokumentendateiformat für Langzeitarchivierung – Teil 1: Verwendung von PDF 1.4 (PDF/A-1) Teil 2: Anwendung der ISO 32000-1 (PDF/A-2) Teil 3: Anwendung der ISO 32000-1 mit Unterstützung für eingebettete Dateien (PDF/A-3)
[2]
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Weber K H (2019) Inbetriebnahme verfahrenstechnischer Anlagen: Praxishandbuch mit Checklisten und Beispielen, Springer Viehweg, Berlin Heidelberg
[4]
Irsigler, K. (2013) Rechtssicherheit für Gebäudebetreiber, Beuth Verlag, Berlin
[5]
Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz – BImSchG) vom 27.05.2013
[6]
DIN 77005-1: Lebenslaufakte für technische Anlagen Teil 1: Strukturelle und inhaltliche Festlegungen
[7]
docemos GmbH – Ingenieurbüro für Technische Dokumentation und Engineering, [email protected]
[8]
Richtlinie 2006/42/EG (Maschinen-Richtlinie – MRL) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.05.2006 über Maschinen und zur Änderung der Richtlinie 95/16/EG
[9]
Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung – GefStoffV) vom 26.11.2010; inkl. Änderung der Gefahrstoffverordnung in Artikel 2 der Verordnung zur Neuregelung der Anforderungen an den Arbeitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln und Gefahrstoffen vom 03.02.2015
Literatur
531
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[12]
DIN EN 61355-1 (VDU 0040-3): Klassifikation und Kennzeichnung von Dokumenten für Anlagen, Systeme und Einrichtungen Teil 1: Regeln und Tabellen zur Klassifikation
[13]
DIN 28000-1: Chemischer Apparatebau - Dokumentation im Lebensweg von Prozessanlagen Teil 1: Erfassung der grundlegenden und ergänzenden Dokumentation Teil 2: Inhalte der Dokumentation
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Donleitner B (2012) Prozess- und Wissensmanagement: Ansätze zur Integration von Prozess- und Wissensmanagement, AV Akademikerverlag,
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Schmeling R (2012) Weniger Dokumentation, mehr Management interner, externer und sozialer Technischer Kommunikation, Beitrag in Schriften zur Technischen Kommunikation, Verlag Schmidt-Römhild, Lübeck
[16]
Schaffner M (2018) Technische Redakteure als Wissensmanager, Beitrag in Schriften zur Technischen Kommunikation, tcworld, Stuttgart
7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement Sicherer und wertschöpfender Anlagenbau und Anlagenbetrieb sind ohne elektronische Datenverarbeitung und moderne Systeme der Informationstechnik nicht mehr umsetzbar. Stichworte wie "Web 2.0" und "Industrie 4.0" stehen für einen steigenden Automatisierungsgrad und vorwiegend digitale Informationsübertragung. Dies betrifft nicht nur die Anlagen selbst, sondern auch die Geschäftsprozesse beim Errichten und Betreiben der Anlagen. Diese Entwicklung hat gravierende Auswirkungen auf die Technische Dokumentation, wie beispielsweise: Der betriebliche Dokumententransfer erfolgt zunehmend in elektronischer und immer weniger in gegenständlicher Form (s. Abschn. 1.6). Die Informationsübergabe erfolgt direkt zwischen unterschiedlichen Programmen. Dies erhöht die Anfälligkeit für Schnittstellenprobleme. Die Sicherheit der Anlagendokumentation gegen Verlust der Daten oder eines Datendiebstahls hängt von den eingesetzten Systemen ab. Bei der Konzeption eines Dokumentationsprojekts muss daher dem Aspekt des Dokumentenmanagements besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Dies gilt, wie in Abschn. 5 und 6 beschrieben, insbesondere für die Schnittstellen zwischen Engineering, Errichtung und Betrieb der Anlage. Die nachfolgenden Abschnitte befassen sich speziell mit der Erstellung, Verwaltung, Nutzung und Archivierung der Dokumente bzw. der Anlagendokumentation.
7.1 Dokumentenmanagement als Teil des betrieblichen Informationsmanagements 7.1.1 Dokumentenmanagement in Engineering- und Betriebsphase Seit der Einführung des Personal Computers (PC) in den Unternehmen ist das "papierlose Büro" die Vision vieler Unternehmen. Betriebsarchive und eine Ablage in Papierform sollten durch elektronische Systeme ersetzt werden. Dokumentenmanagement ist dabei ein wichtiger Teil des betrieblichen Informationsmanagements. Dokumentenmanagement umfasst Prozesse und Verantwortlichkeiten bei der Ver-
arbeitung, Übermittlung, Verwaltung und Archivierung von Dokumenten über den gesamten Dokumentenlebenszyklus [1]. Im kaufmännischen Bereich ist das "papierlose Büro" weitgehend umgesetzt. Dies gilt auch in der Kommunikation zwischen Prozessbeteiligten. Seit über 10 Jahren enden viele E-Mails mit dem oft in grün gedruckten Hinweis: "Bitte denken Sie an die Umwelt, bevor Sie diese E-Mail ausdrucken." Trotz all dieser Entwicklungen fordern u.a. Genehmigungsbehörden, Gerichte, EUVorgaben, GMP-Regularien in der Pharmabranche nach wie vor, dass Dokumente auch in Papierform vorliegen müssen (s. auch Abschn. 1.6). © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 K. H. Weber et al., Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen, VDI-Buch, https://doi.org/10.1007/978-3-662-55150-9_7
533
534
7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Auf Grund der rechtlichen u.a. Vorgaben sind dem ganzheitlichen Dokumentenmanagement in elektronischer Form gewisse Grenzen gesetzt. Neben den gegebenen Einschränkungen hinsichtlich einer „papierlosen Projektabwicklung“ sowie eines „papierlosen Anlagenbetriebs“ stellt auch die Vielfalt an Systemen zur Datenverarbeitung eine große Herausforderung dar. Abbildung 7.1 zeigt die vier wesentlichen Arten von Systemen, die im Umgang mit der Anlagendokumentation eingesetzt werden.
Abb. 7.1 Anlagendokumentation im Spannungsfeld des betrieblichen Informationsmanagements
Die Abkürzungen in Abb. 7.1 stehen für folgende Systeme: Ein Enterprise-Resource-Planning-System (ERP-System) unterstützt sämtliche in einem Unternehmen ablaufende Geschäftsprozesse. Es ist modular aufgebaut und kann alle Unternehmensbereiche bedarfsgerecht mit Daten aus einer Datenbasis versorgen. Ein Dokumentenmanagement-System (DMS) ist ein Programm zur datenbankgestützten Verwaltung von elektronischen Dokumenten aller Art. Hauptaufgabe ist es, Dokumente zu erfassen, den Beteiligten zugänglich zu machen und sie zu archivieren. Ein Projekt-Kommunikations-Management-System (PKMS) ist eine webbasierte Software für das Projektmanagement. Projekträume verbinden Projektbeteiligte über Unternehmensgrenzen hinweg. PKMS werden im Bauwesen eingesetzt, um Informationen zeitlich befristet projektgerecht bereitzustellen. Der Begriff des Building Information Modeling (BIM) umschreibt die Strategie, ein digitales Gebäudemodell über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes zu erstellen und fortzuschreiben. Dabei liegt der Schwerpunkt auf einer standardisierten Informationsübergabe, die durch unterschiedliche Softwarewerkzeuge bearbeitet werden kann.
Nachfolgend einige Erläuterungen, wie diese Systeme sinnvoll gegeneinander abgegrenzt werden können und was ihre wesentlichen Einsatzgebiete sind. ERP-Systeme verarbeiten abteilungsübergreifend Daten von Geschäftsprozessen. Dokumente (z.B. eine Lieferantenrechnung) sind nur ein Beleg, um Daten (z.B. den Rechnungsbetrag) nachvollziehbar beweisen zu können. In der Regel sind ERPSysteme nicht zur Verwaltung der Anlagendokumentation mit vielen unterschiedlichen Dokumentenarten und Dateitypen geeignet.
7.1 Dokumentenmanagement als Teil des betrieblichen Informationsmanagements
535
DMS dienen in erster Linie der Verwaltung und Langzeitarchivierung von Dokumenten. PKMS werden im Rahmen von Projekten nur zeitlich begrenzt eingesetzt. Sie sind nicht zur Archivierung geeignet und dienen der Projektabwicklung. In der Regel sind PKMS nicht zur Zusammenstellung und Pflege der Anlagendokumentation geeignet. Schwerpunkt der BIM-Systeme ist die Verwaltung von Gebäude- und Anlagendaten (technische Daten). Sie enthalten in der Regel keine kaufmännischen Informationen. BIM-Systeme können keine Dokumente verwalten. Allerdings verschwimmen diese Grenzen insofern, als dass viele Systemanbieter versuchen, ihre Tools und Lösungen mit zusätzlichen Nutzungsmöglichkeiten zu versehen. Es gibt z.B. mittlerweile auch Langzeitarchivierungssysteme von Anbietern, die BIMSysteme erstellen. Viele DMS bieten auch die Modellierung von Geschäftsprozessen an, die bisher ERPSystemen vorbehalten war. In anderen Fällen beinhalten ERP-Systeme spezielle Module für das Projektmanagement und binden Dokumentenmanagement-Systeme ein.
7.1.2 CAD-Anlagenmodell und Building Information Modeling (BIM) Die Zeichnung ist die Sprache des Ingenieurs. Diese Aussage, die keinem Verfasser zugeordnet werden kann, gilt uneingeschränkt für die Anlagendokumentation. Bis auf wenige Ausnahmen werden Technische Zeichnungen heute rechnerunterstützt erstellt (Computer Aided Design – CAD). Die Anlagendokumentation einschließlich CAD-Zeichnungen sollen den Bauzustand „as-built“ wiedergeben. Dies geht mit einer großen Menge an Informationen einher. Das geometrische 3D-CAD-Anlagenmodell ist wegen dieser Komplexität und der extrem großen Datenmengen nur selten in einer Datei gespeichert. Stattdessen werden geometrische Informationen themenbezogen in mehreren Dateien abgelegt. Diese Dateien sind untereinander verknüpft und referenziert (z.B. durch einen gemeinsamen Nullpunkt aller verbundenen Dateien). Die Gesamtheit der geometrischen Informationen einer Anlage wird allgemein als CAD-Anlagenmodell bezeichnet. CAD-Zeichnungen können in drei Gruppen unterteilt werden: 1. Gruppe: nichtmaßstäbliche Zeichnungen (z.B. das R&I-Fließschema), 2. Gruppe: 2D-Zeichnungen (z.B. Grundrissplan oder Schnittdarstellung), 3. Gruppe: 3D-Anlagenmodell (s. auch Abschn. 3.6.2.2). 2D-Zeichnungen sind vektororientiert und die einzelnen Ansichten eines Objekts sind voneinander unabhängig. Dies wird als zeichnungsorientiertes Prinzip bezeichnet [2]. Wenn die Vorderansicht in der CAD-Zeichnung verändert wird, passt sich die Seitenansicht nicht automatisch an. Im 3D-Modell sind alle Zeichnungselemente als Körper, als Volumenmodell konstruiert (werkstückorientiertes Prinzip). In einer CAD-Zeichnung können Elemente mit Metadaten versehen werden. Diese werden als Attribute bezeichnet (s. auch Abschn. 1.1). Informationen innerhalb einer CAD-Datei können gruppiert werden.
536
7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Jede Gruppe hat Ihre Darstellungsregeln. Diese Gruppen werden oft als Layer bezeichnet. Durch die Gruppierung in Layern können Informationen in der CAD-Datei abhängig vom Verwendungszweck ein- oder ausgeblendet werden (z.B. Maßketten, Beschriftungen, Raumstempel). Oftmals werden komplexe CAD-Zeichnungen nicht in einer Datei gespeichert. Dabei können Bestandteile einer Zeichnung aus anderen Dateien als sog. externe Referenz eingebunden werden. Beispielsweise kann die Dateistruktur einer 2D-Grundrisszeichnung in einem CADSystem umfassen: Plotbereichszeichnung (Hauptzeichnung) mit den Inhalten des Schriftfelds, Gewerkezeichnung als externe Referenz (Rohrleitungen, Feldgeräte, Höhen, geom. Informationen), Zeichnungsrahmen als externe Referenz, Schriftfeld als externe Referenz (ohne Eintragungen), Architekturgrundriss als externe Referenz (meist "eingegraut" und vereinfacht, um die Übersicht zu erhalten), im Bedarfsfall: Gewerkezeichnung anderer Gewerke zur Querkoordination zwischen den Projektbeteiligten, Konfigurationsdatei, die den einzelnen Zeichnungselementen die Strichstärke und die Farben zuweist (oft als "Stiftdatei" bezeichnet). Das der Grundrisszeichnung zugeordnete R&I-Fließschema stellt im vorgenannten Beispiel eine komplett separate Datei dar. Informationen zu Anlagenkomponenten (z.B. Stammdaten der Hauptausrüstungen, Rohrklassen) sind i.d.R. im R&I-Fließschema als Metadaten hinterlegt (s. Abb. 7.2). Diese Metadaten (Attribute) können ausgelesen und verarbeitet werden, z.B. in Listen oder Datenblätter von Anlagenkomponenten (s. Abb. 3.4 in Abschn. 3.1.3). Die Anbieter der marktüblichen CAD-Systeme ermöglichen mittlerweile, das geometrische Anlagenmodell und die R&I-Fließschemata miteinander zu verknüpfen. Ohne diese Verknüpfung ist ein effizientes Engineering verfahrenstechnischer Anlagen kaum noch möglich. Der Markt an CAD-Systemen und Dateiformaten ist groß. Häufig ist die Pflege der Daten in der Betriebsphase durch den Anlagenbetreiber ein Kernproblem. Um diese Schnittstelle (s. auch Kap. 6) zu vereinfachen, wird zunehmend versucht, die Informationen betreibergerecht und plattformübergreifend über den gesamten Lebenszyklus der Anlage zu verarbeiten. Eine dabei eingesetzte Methode wird mit dem Begriff Building Information Modeling (BIM) umschrieben. Unter einem BIM versteht man ein umfassendes digitales Abbild eines Bauwerks mit großer Informationstiefe. Dazu gehören neben der dreidimensionalen Geometrie der Bauteile vor allem auch nichtgeometrische Zusatzinformationen wie Typinformationen, technische Eigenschaften oder Kosten. Der Begriff Building Information Modeling beschreibt entsprechend den Vorgang zur Erschaffung, Änderung und Verwaltung eines solchen digitalen Bauwerkmodells mithilfe entsprechender Softwarewerkzeuge [3].
7.1 Dokumentenmanagement als Teil des betrieblichen Informationsmanagements
537
Abb. 7.2 Attribute einer Absperrarmatur in einem R&I-Fließschema (Praxisbeispiel)
Der wichtigste Nutzenvorteil von BIM ist es, dass die Daten über den gesamten Lebenszyklus ohne Medienbruch oder Konvertierung genutzt und fortgeschrieben werden. Wesensmerkmale eines BIM sind: ein einheitlicher Übergabestandard von Informationen und Dateien, Kollaborationsansatz (alle Projektbeteiligten nutzen ein Modell), prozessorientierter Ansatz: Durchgängigkeit der Nutzung über den Lebenszyklus der Anlage hinweg, Kollisionserkennung und Austausch zwischen allen Projektbeteiligten, geometrische Informationen (z.B. Rohrleitungsverlauf) und nichtgeometrische (Attribute, z.B. zu Komponenten) in einem Datenmodell, standardisierte Vorgaben für den Detaillierungsgrad der geometrischen Informationen, standardisierte Vorgaben für den Detaillierungsgrad der nichtgeometrischen Informationen (Attribute). Um einen Einblick in das Thema zu erhalten, stellt Tabelle 7.1 die wichtigsten Begriffe der BIM-Methode mit einer kurzen Erklärung vor. Tabelle 7.1 Wichtige Begriffe und Dokumentenarten im BIM BIM-Modell Gesamtmodell (geometrische Daten und nichtgeometrische Daten). In Abhängigkeit vom Detaillierungsgrad und der Anlage kann das BIM-Modell sehr groß und schlecht handhabbar werden.
538
7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Tab. 7.1 (Fortsetzung) BIM-Entwicklungsplan / BIM-Execution Plan (BEP) Der BEP ist das Lastenheft des Auftragnehmers in Bezug auf BIM-spezifische Regelungen. Der BEP ist Teil des Anlagenbauvertrags und bildet die Grundlage für den nachfolgenden BIMAbwicklungsplan. BIM-Abwicklungsplan (BAP) Der BAP beschreibt die im Projekt festgelegten BIM-spezifischen Regelungen. Er gibt allen Beteiligten die gleichen Vorgaben, um einen reibungslosen Informations- und Datenaustausch zu ermöglichen; er wird projektbegleitend fortgeschrieben. Level of Detail / Level of Development (LOD) Ausarbeitungsgrad: Informationstiefe der geometrischen Informationen. In Anlehnung an die Planmaßstäbe im konventionellen CAD steigt der Informationsgehalt über die Projektdauer an. Dabei wird ausgehend von LOD 100 in Hunderterschritten bis LOD 500 hochgezählt. LOD 100 zeigt nur die Störkanten eines Objekts, LOD 500 das komplett durchkonstruierte Objekt. Level of Information (LOI) Informationstiefe der nicht-geometrischen Informationen (Attribute). Eine grobe Zuordnung von Engineeringphase zu LOD und LOI ist wie folgt: Vorplanung LOD/LOI 100 Entwurfsplanung LOD/LOI 200 Genehmigungsplanung LOD/LOI 300 Ausführungsplanung LOD/LOI 400 As-built-Modell LOD/LOI 500 Die genaue Zuordnung und die Festlegungen werden projektspezifisch im BAP festgehalten. Industry Foundation Classes Herstellerunabhängiges, einheitliches und standardisiertes Austauschformat für BIM-Modelle (Zweck ähnelt dem STEP-Format für 3D-CAD-Daten), um einen parteienübergreifenden und projektbegleitenden Datenaustausch (z.B. zur Kollisionsprüfung mehrerer Gewerke) zu ermöglichen. BIM Collaboration Format (BCF) Mit dem BCF-Format können Informationen einzelnen Bauteilen zugeordnet werden. Der Einsatz dieses Formats erfolgt vorwiegend bei Problemen der Kollisionskontrolle ("Clashes") und bei der bauteilbezogenen Mängelverfolgung. Das BCF entspricht damit der Revisionswolke mit Anmerkung in einer konventionellen CAD-Zeichnung.
In der BRD sind öffentliche Großprojekte in den letzten Jahren nicht immer erfolgreich abgewickelt worden. Eine der Ursachen war auch der mangelnde Informationsaustausch der Projektbeteiligten untereinander. Auch aus diesem Grund wird der Einsatz der BIM-Methodik in Großprojekten von Auftraggebern gefordert, um die nachfolgend angeführten Ziele erreichen zu können: einheitliches Datenmodell über alle Lebensphasen der Anlage, Verbindung von geometrischen Informationen (CAD-Daten) mit Metadaten der Anlage (Attribute) und der Anlagenteile, Schnittstellen minimieren (einheitliches Modell, gerne auch als "digitaler Zwilling/digital twin" bezeichnet), Kollisionsprüfung aller Projektbeteiligten, Vision: Bessere Beherrschung der Schnittstellenrisiken in Großprojekten.
7.2 Aufgaben und Möglichkeiten der Dokumentenmanagement-Systeme (DMS)
539
Die bisher getrennten "Welten" der dokumentenorientierten Sichtweise (Nutzung DMS) und der darstellungsorientierten Sichtweise (Nutzung CAD) wachsen weiter zusammen. DMS-Anbieter verwalten CAD-Daten, CAD-Anbieter bieten Programme zur Ablage (Speicherung) und Archivierung von Daten. BIM als Ansatz versucht, beide "Welten" miteinander zu verbinden. BIM ist nicht grundlegend neu; neu ist nur der Versuch, dies anbieter- und systemübergreifend durchzuführen. Welche Strategie und welche Softwareplattformen sich durchsetzen, bleibt zu beobachten. Weitere innovative Ansätze betreffs Dokumentation, wie z.B. Virtual Reality and Augmented Reality, sind im Anlagenbau in der Erprobungsphase, haben sich bei Planung und Bau verfahrenstechnischer Anlagen aber noch nicht durchgesetzt. Aus der Sicht der Anlagendokumentation ist der Einsatz von Dokumentenmanagement-Systemen (DMS) der derzeit am besten bewährte und am meisten verbreitete Ansatz, um Anlageninformationen über den gesamten Lebenszyklus der Anlage zu verwalten und zu archivieren. Deswegen wird im weiteren Verlauf des Kapitels auf die Einführung und Nutzung von DMS ausführlich eingegangen.
7.2 Aufgaben und Möglichkeiten der Dokumentenmanagement-Systeme (DMS) Analog zur Verbreitung der ERP-Systeme haben auch die DokumentenmanagementSysteme die Unternehmen durchdrungen. Nahezu alle Großkonzerne und viele mittelständische Unternehmen nutzen ein DMS. Allerdings beschränkt sich die Nutzung von DMS in vielen Unternehmen auf einzelne Unternehmensbereiche. Ausgehend von traditionellen Anwendungen (z.B. Belegerfassung und Eingangsrechnungen) gelingt es vielen Unternehmen auch heute noch nicht, ihre Anlagen- und Gebäudedokumentation vollständig in einem DMS abzulegen. Systeme werden in großen Unternehmen oft zur unternehmensweiten Nutzung beschafft und implementiert. Einher geht damit oft ein rückläufiger Einfluss der Bearbeiter von Anlagendokumentationen, da aus den Softwareinseln immer mehr eine homogene unternehmensweite ITStruktur geformt wird. Das DMS sollte nicht nur für einzelne Aufgaben (z.B. für die Anlagendokumentation) genutzt werden, sondern auch andere Fachbereiche und Dokumentationsarten unterstützen. Analog zum EVA-Prinzip der Datenverarbeitung (Eingabe, Verarbeitung und Ausgabe) lässt sich die Grundstruktur eines Dokumentenmanagement-Systems (s. Abb. 7.3) in Erfassung (=Eingabe), Verwaltung (=Verarbeitung) und Ausgabe (=Ausgabe) unterteilen. Zur Grundfunktion außerhalb der Datenbank des DMS gehört dabei auch die Bearbeitung der Dokumente in den jeweiligen Anwendungsprogrammen. Weitere Grundfunktionen eines DMS sind die Archivierung der Daten und die Verwaltung des DMS (Administration) selbst, z.B. Nutzerverwaltung. Das Suchen und Finden von Dokumenten erfolgt anhand der Ordnungsstruktur und der anderen Metadaten der Dokumente, die bei der Erfassung und Verwaltung der Dokumente vergeben und gepflegt werden.
540
7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Abb. 7.3 Grundstruktur eines Dokumentenmanagement-Systems
Leistungsfähige DMS nehmen über die Grundfunktionen hinaus oft noch weitere Aufgaben wahr, wie z.B.: automatische Schrifterkennung der eingepflegten Dokumente (OCR – Optical Character Recognition) mit dem Ziel, Dokumente auch über eine Volltextsuche zu finden, Automatisierung von Arbeitsabläufen (Workflows), um Dokumente automatisch an die Bearbeiter zu verteilen und z.B. Freigaben nachvollziehbar zu machen, Archivierung (auch GoBD-konform [4]), um keine Papierdokumente archivieren zu müssen und trotzdem Belege handelsrechtlich konform archivieren zu können, Dokumentenmanagement von verschachtelten Daten und großen verknüpften Datenmengen (z.B. CAD-Daten oder Verwaltung der Anlagendokumentation), Schnittstelle zu den übergeordneten Systemen des betrieblichen Informationsmanagements (z.B. dem ERP-System), Unterstützung nicht nur von Standardprozessen, sondern auch von Projekten im Unternehmen, Unterstützung des Wissensmanagements im Unternehmen. Trotz der hohen Durchdringung und der ständigen Verbesserungen der Systemanbieter scheitern immer wieder DMS-Einführungen, die in Zusammenhang mit der Verwaltung der Anlagendokumentation stehen. Abbildung 7.4 zeigt die notwendigen Grundschritte auf, um ein DMS-System erfolgreich einzuführen. Im Weiteren sollen diese Schritte nur grob beschrieben werden. Im Detail wird auf die bewährte Methodik und langjährigen Erfahrungen in Abschn. 7.3 verwiesen. Zunächst ist eine Ordnungsstruktur (auch als Aktenplan bezeichnet) festzulegen. Bezogen auf die Anlagendokumentation bedeutet dies, eine einheitlich Grundstruktur zu vereinbaren (s. Abschn. 3.6.1).
7.2 Aufgaben und Möglichkeiten der Dokumentenmanagement-Systeme (DMS)
541
Abb. 7.4 Dokumentenmanagement-Pyramide [5]
Im zweiten Schritt müssen Organisation und Ausbildung der Nutzer festgelegt werden. Der größte Aufwand verbirgt sich bei der Erfassung und Einbindung der Bestandsdokumente im 3. Schritt. Alle Bestandsdaten und alle Informationen, die noch nicht zentral aufbereitet vorliegen (z.B. Papierunterlagen in Meisterbüros und andere "Angstlager") müssen aufbereitet und in die Ordnungsstruktur eingebunden werden. Erst dann können Unternehmensprozesse (z.B. Umbaumaßnahmen an Anlagen) durch das DMS wirkungsvoll unterstützt werden. Bei diesen drei Schritten gehen Unternehmen immer wieder davon aus, dass der Systemanbieter eine für das Unternehmen geeignete Lösung bereitstellen kann. Dies ist aber in der Regel nicht der Fall. Vielmehr muss der Nutzer dem Anbieter möglichst genau vorgeben, was er benötigt (s. Abschn. 7.3). Neben der Verwaltung von Unternehmens- und Bestandsdaten werden DMS mittlerweile auch (im Wettbewerb zu PKMS) zur Projektabwicklung eingesetzt. Dabei kann das DMS in einem Anlagenbauprojekt u.a. leisten: Dokumentenmanagement der Projektdokumente über alle Phasen der AnlagenProjektabwicklung (s. Abschn. 5.1), Vorschaufunktion für Bildformate, Viewer für CAD-Daten, Document Control, inkl. Qualitätssicherung (s. Abschn. 5.3), Prozessunterstützung, z.B. Nutzung automatisierter Workflows für Freigabeprozesse, Planverteilung oder Prüfung der Dokumentation, Mängelverwaltung im Engineering, bei Beschaffung, Bau und Montage sowie in Vorbereitung der Abnahmeprozedur und im Gewährleistungszeitraum,
542
7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Unterstützung typischer Bau- und Montageprozesse, wie Terminplanung, Abnahme von Leistungen, Bau- und Montagemängelverfolgung, Bautagebuch Standardprozesse der Bauleitung/Objektüberwachung (Bedenkenanzeige, Änderungsanzeige) Im Projekteinsatz zeigen sich mitunter aber auch folgende Nachteile des DMS: Außerhalb der Unternehmensgrenzen gibt es oft Verbindungsprobleme, geringe Übertragungsgeschwindigkeit auf Baustellen und Unterbrechungen. Für Anwender ist Menüführung einiger Systeme gewöhnungsbedürftig. Im Projekteinsatz mit vielen Beteiligten ist eine CAD-Datenverwaltung in einem DMS kaum möglich (Bem.: Lösungsansatz ist die Umsetzung von BIM). Einige DMS erlauben keinen Upload von ganzen Verzeichnissen und teilweise bereits strukturierten Teildokumentationen. Für Zugriff auf eine Datei ist meist ein Nutzerkonto im System erforderlich. DMS bieten meist keine Gruppen zum Planversand an und sind auch sonst wenig prozessorientiert. Diese Nachteile sind nicht generell, sondern system- und projektspezifisch. In welcher Ordnungsstruktur die Projektdokumentation eines Anlagenbauprojekts auch in einem DMS abgebildet werden kann, zeigt Tabelle 7.2. Tabelle 7.2 Struktur eines Dokumentenmanagement-Systems zur Abwicklung eines Anlagenbauprojektes (Praxisbeispiel)
Verzeichnis / Teilbereich
Hauptinhalte und Dokumentenarten
M1_Projektmanagement
Grundlagendokumente des Projekts, Protokolle der Führungsrunden; dieser Teil ist nur dem Management zugänglich
M2_AdministrationSekretariat
Bereich des Projektsekretariats, enthält auch die Korrespondenz der Projektteilnehmer untereinander
M3_Budget-und-Kosten
kaufmännische Projektdokumentation, Budgettabelle, ChangeOrders, ...
M4_Protokolle
Protokolle und Mitschriften aus den Regelmeetings und anderen Besprechungen
M5_Terminplan
Terminplan des Projekts mit allen Meilensteinen
M6_Korrespondenz
Schriftwechsel mit Projektpartnern und Lieferanten, weiter unterteilt nach Adressaten
M7_Qualifizierung_ Inbetriebnahme
Inbetriebnahmeunterlagen, untergliedert nach Gewerkegruppen und Gewerken
M8_ Document_Control
kontrollierte eingehende und ausgehende Dokumente (Transmittals, Submittals), As Built-Anlagendokumentation
010_Infrastruktur
Technische Unterlagen der Gewerkegruppe Infrastruktur: Unterflursummenpläne, Außenanlagen, Anbindung des Standorts an Energieversorgung, Trinkwasser und Abwasser
7.3 Einführen eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation
543
Tab. 7.2 (Fortsetzung)
Verzeichnis / Teilbereich
Hauptinhalte und Dokumentenarten
020_Bau und Ausbau
Unterlagen der Baugewerke (Stahlbau, Betonbau, Innenausbau)
040_Reinraum
technische Unterlagen des Reinraums (Lufttechnik, Decken, Böden, Wände, Türen, Doppelboden)
050_ Mechanische_ Systeme
Unterlagen der Technischen Gebäudeausrüstung (Lüftung, Heizung, Kälteversorgung, Kühltürme, Sprinkleranlage, Sanitär)
060_Prozesssysteme
technische Unterlagen der Prozessversorgungssysteme (gegliedert nach Gewerkegruppen (Gase, Chemikalienver-/ -entsorgung) und Systeme (Stickstoff, Sauerstoff, Argon, Helium)
070_Elektro
technische Unterlagen der elektrischen Anlagen gegliedert nach Gewerkegruppen (Normalspannungsversorgung, unterbrechungsfreie Spannungsversorgung, Transformatoren)
080_MSR und Sicherheitssysteme
technische Unterlagen der Automatisierung von Gebäude- und Prozesssystemen und der Sicherheitssysteme (z.B. Einbruchmeldeanlage, Gaswarnanlage, Videoüberwachung)
100_Koordination
Koordinationspläne der Gewerkegruppen untereinander, Schnittstellenlisten
110_Logistik
Dokumente zu Logistik und Transportsystem (z.B. Transportbahnen, Lagersysteme)
Das Praxisbeispiel in Tab. 7.2 zeigt eine Aufteilung, die die Funktion der Mitarbeiter im Projekt (Projektleitung, Projektsekretariat, Dokumentationsteam, Projektkaufmann, Lead-Ingenieure) wiedergibt. Der Zugriff auf die einzelnen Teilbereiche erfolgt anhand der Rolle, die der Nutzer im Projekt einnimmt. DMS werden von großen Anlagenbetreibern inzwischen häufig in das ERP-System eingebunden. Das ERP-System gibt die Struktur der Technischen Plätze vor, regelt die Zugriffsrechte und verwaltet die dem Technischen Platz zugehörigen Dokumente. Auch der Einsatz von Workflows zum teilautomatisierten Dokumententransfer nimmt kontinuierlich zu. Aus der Sicht der Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen stellt die Gruppe der Dokumentenmanagement-Systeme die wichtigste der vier Säulen des betrieblichen Informationsmanagements dar. Die weiteren Ausführungen konzentrieren sich daher auf die Einführung und den Betrieb von Dokumentenmanagement-Systemen.
7.3 Einführen eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation Die folgenden Ausführungen beschreiben eine bewährte und erfolgreiche Methodik sowie die zugehörigen inhaltlichen Schwerpunkte, die bei der Vorbereitung und Einführung eines Dokumentenmanagement-Systems (DMS) für eine verfahrenstechnische Anlage zu beachten sind. Sie resultieren insbesondere aus langjährigen praktischen Erfahrungen und aus zahlreichen Gesprächen mit Fachkollegen. Die Ausführungen gelten grundsätzlich auch für Migrationsprojekte, wenn z.B. ein vorhandenes DMS durch ein neues ersetzt werden soll.
544
7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Das ausgeführte Praxisbeispiel erläutert die Einführung eines DMS bei einem Anlagenbetreiber in Verbindung mit der Investition in einer bestehenden verfahrenstechnischen Großanlage. Mit dem DMS waren sowohl die neuen Anlagendokumente (Engineering-, Hersteller-, Lieferantendokumente) als auch der weiterhin gültige Altbestand an Anlagendokumenten zu erfassen und zu verwalten (s. Dokumentationsstruktur in Abb. 7.17 in Abschn. 7.4.4). Die Gliederung dieses Abschnitts wurde entsprechend der praktizierten Vorgehensweise bei der Einführung des Dokumentenmanagement-Systems gewählt. Die im Projekt entstehende Dokumentation (interne sowie externe Dokumente) wird vielfach von der Unternehmensleitung und dem im Projekt tätigen Personal als nicht so wichtig betrachtet. Die Dokumentation steht häufig im Schatten des Anlagenprojekts. Die Unternehmen (mitunter auch die Anlagenbetreiber) möchten einerseits über eine ausführliche und effiziente Dokumentation verfügen, sind aber andererseits nicht bereit, Personal und Finanzen hierfür bereitzustellen. Jedoch spätestens zum Zeitpunkt, wenn die „alten“ Unterlagen, z.B. in einem Gewährleistungsfall benötigt werden, wird die Dokumentation wieder wichtig. Vergessen wird oftmals, dass „neue“ Projekte ohne die „alten“ Bestandsdokumente nicht umsetzbar bzw. fehlerhaft sind. Die Bedeutung einer modernen und innovativen Dokumentenverwaltung mit Hilfe eines DMS wird vielfach unterschätzt. Um den gesetzlichen, genehmigungsrechtlichen und ökologischen Anforderungen als Anlagenbetreiber gerecht zu werden, ist eine effiziente Dokumentenverwaltung unerlässlich. Weitere Notwendigkeiten für eine gesicherte Dokumentation ergeben sich aus den gestiegenen Anforderungen an die Sicherheit und Qualität sowie an die Information der Öffentlichkeit. Besondere Sorgfalt muss dabei auf Vorgaben zur Kennzeichnung der Dokumente von Anlagen und deren Komponenten sowie der Ablage- und Aktenordnungen gelegt werden. Diese Zielvorgaben bzw. Strukturen müssen beim Aufbau eines Dokumentenmanagementsystems (DMS) unbedingt berücksichtigt werden. Der Anlagenerrichter sowie der Anlagenbetreiber müssen bei der Konzipierung einer Dokumentenverwaltung die zu erfüllenden Aufgaben und die zu erreichenden Dokumentationsziele festlegen. Die Gewährleistung einer aktuellen Dokumentation wird für den Betreiber eines DMS eine zunehmend schwierigere und aufwendigere Aufgabe. Die nachfolgenden Beschreibungen sollen die Beschaffung eines DMS unterstützen. An Beispielen zu den einzelnen Beschaffungsstufen wird erläutert, mit welchen Schritten eine Systemeinführung durchgeführt werden kann. Neben dem Erarbeiten einer Anlagendokumentation in der Investitionsphase stellt deren Nutzung und Pflege während des Dauerbetriebs, einschließlich der Instandhaltungs-, Umbau- und Rückbaumaßnahmen, einen zusätzlichen Schwerpunkt dar. Dabei versuchen viele Unternehmen, die Verwaltung der Dokumente ausschließlich über ein CAD-System bzw. eine Verzeichnisstruktur (Explorer) auf dem Server zu organisieren. Da aber eine systematische Dokumentenverwaltung damit nicht selten problematisch ist, wird alternativ nach einer datenbankgestützten EDV-Lösung gesucht. Hinzu kommen unter anderem die bekannten Schnittstellenprobleme in der „CADWelt“ und der hohe Konvertierungsaufwand bei den Release-Wechseln.
7.3 Einführen eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation
545
Demgegenüber bietet ein Archiv auf Basis eines DMS ganz andere Möglichkeiten. Bis vor wenigen Jahren suchte man nicht selten in tausenden von Dokumentenakten und in endlosen Archivregalen vergebens nach den erforderlichen Dokumenten, da die „wissenden und ordnenden“ Archivare verschwunden sind. Mit der Digitalisierung der Akten besteht nun die Möglichkeit, das Unternehmenswissen langzeitgesichert in einer Datenbank bereitzustellen. Die erforderlichen Dokumente stehen nach der Archivierung im DMS digital zur Verfügung. Grundsätzlich können alle im Lebenszyklus einer Anlage anfallenden Dokumente im DMS abgelegt, bereitgestellt und verarbeitet werden. Diese Form der Archivierung bewirkt große Sicherheits- und Wirtschaftlichkeitsvorteile für ein Unternehmen, z.B. wenn die Dokumente schnell verfügbar sein sollen und jederzeit bereitgestellt werden müssen. Von wesentlicher Bedeutung ist auch die Sicherung des Unternehmenswissens. Ein Archiv ist und bleibt das Gedächtnis des Unternehmens und ohne Langzeitgedächtnis wird ein Unternehmen seine Zukunftsaufgaben nicht bewältigen können. Ein DMS bietet eine Vielzahl von Funktionen, die sorgfältig mit der Betriebsleitung und den Nutzern abgestimmt werden müssen. Ein zu komplexes und kompliziertes System wird i.d.R. von der Belegschaft nicht genutzt. In der Betriebsphase des DMS fehlen häufig Mitarbeitende die, neben der DMS – Systembetreuung auch das Einpflegen und das Änderungswesen der Dokumentation im DMS systematisch betreiben. Das Anforderungsprofil an ein zu beschaffendes DMS ergibt sich im Wesentlichen aus folgenden Zielstellungen:
Verwaltung der Dokumente über ein DMS, Datenmanagement basierend auf einer relationalen Datenbank, Bearbeitung und Speichern von Vektor und Rasterdaten, Abbildung der Anlagenstruktur im DMS, Kennzeichnungsvorgaben für die Dokumentation.
Vor dem Hintergrund, dass verfahrenstechnische Anlagen häufig mehrere Jahrzehnte in Betrieb sind, ist nach heutigen Maßstäben eine sichere Speichermöglichkeit festzulegen. Als Speichermedium kommen z.B. RAID-Systeme (Redundant Array of Independent Disks) und als Langzeit-Speicherformat (Rasterdatenformat TIFF/G4 und PDF/A [6]) in Frage. Die Auswahl ist jeweils unternehmensabhängig zu treffen. 7.3.1 Projektentwicklung a) Bedarfsermittlung Um die Handhabung von Dokumenten/Dokumentationen zu verbessern, ist die Einführung eines DMS eine zeitgemäße und wirtschaftliche Möglichkeit. Auf Basis einer Datenbank (s. Abb. 7.5) werden Dokumente über eine Bearbeitungsoberfläche archiviert, verwaltet und wieder ausgegeben. Hinsichtlich der Bedarfsermittlung für ein DMS sind u.a. folgende Aspekte zu beachten: Der primäre Bedarf eines DMS ergibt sich aus der Fülle an Dokumenten (hierzu zählen neben der Anlagendokumentation u.a. auch E-Mails, Schriftverkehr, Protokolle) und dem Wunsch der Unternehmen nach dem papierlosen Büro.
546
7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Abb. 7.5 DMS-Grundfunktionen
Im nächsten Schritt wird an die Reduzierung der Kosten, wie Archivraummiete, Papier-, Druck- und Portokosten gedacht. Der Zeitaspekt, wie die Verkürzung von Durchlaufzeiten und der schnellere Zugriff auf Informationen, ist dann der logische Folgeschritt bei der Bedarfsfeststellung. Ein weiterer Aspekt ist die Verbesserung der Dokumentationsprozesse (Archivierung, Verwaltung und Ausgabe von Dokumenten) und der Dokumentationsqualität durch die Bündelung von Informationen (Stichwort: „digitale Akte“). Für die Verwaltung der Dokumente bietet ein DMS entsprechende Funktionen an, die u.a. zur einheitlichen Archivierung und Indexierung, Erfassung unterschiedlicher Datenquellen und Datenformate, Verbesserung der Datenqualität, Sicherung der Datenbestände dienen. Sobald der Bedarf für ein DMS erkannt wurde, muss die Geschäftsleitung von den Vorteilen überzeugt und die Freigabe der nötigen Finanzmittel und personellen Ressourcen erwirkt werden. b) Maßnahmen zur Projektentwicklung Nach der Feststellung, dass für die Modernisierung der Dokumentenverwaltung ein Bedarf vorhanden ist, sind folgende Maßnahmen erforderlich: Projektinitialisierung Eine Projektinitialisierung resultiert i.d.R. aus wirtschaftlichen Erwägungen. Die Begründung für die Modernisierung der Dokumentationsverwaltung ergibt sich u.a. aus folgenden Problemsituationen: unzureichende Dokumentenpflege, unvollständige und widersprüchliche Dokumentation, Schwierigkeiten bei der Bereitstellung von Dokumenten, dezentrale Dokumentenaufbewahrung (Verwaltung & Anlagenbereiche), aufwendige Archivierung (dezentrale Papierarchive), keine Möglichkeit zur Übernahme von EDV-Dokumenten. Projektrahmen Wichtig für die Projektdefinition ist die Klärung der Rahmenbedingungen. Wo soll beispielsweise das Dokumentenmanagementsystem eingesetzt werden und in welchem Umfang sollen die Anlagen dokumentiert werden? Die Rahmenbedingungen beinhalten u.a.: Projektumfeld, ▪ Informationssystem für die Mitarbeiter in den Anlagen, ▪ Informations- und Bearbeitungssystem für die Planung, Bau und Betrieb,
7.3 Einführen eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation
547
Anforderungen der Nutzer in den Fachbereichen: ▪ Bautechnik (z.B. Schal-und Bewehrungspläne), ▪ Maschinenbau (z.B. Maschinenzeichnungen), ▪ Prozessleittechnik inkl. Elektrotechnik (z.B. Schaltpläne) ▪ Verfahrenstechnik (z.B. R&I-Schemata), usw. Projektziel Die Zielsetzung zur Einführung eines DMS muss klar, verständlich, eindeutig und realistisch sein. In diesem Zusammenhang ist immer wieder festzustellen, dass die Vorstellungen, was ein System leisten soll, häufig überzogen sind. Nicht alles was die Systeme anbieten, dient der Zielerreichung. Die Projektbeteiligten müssen sich auf eine sinnvolle Machbarkeit einigen, da eine DMS-Einführung durch überfrachtete Vorstellungen schnell scheitern kann. Im nachfolgend beschriebenen Praxisbeispiel zur Systemeinführung eines Dokumentenmanagements werden die Forderungen nach einer umfassenden Dokumentenverwaltung konkret auf den Bereich der Anlagendokumentation eingegrenzt und entsprechend festgelegt. Als Projektziel kann beispielsweise eine Dokumentenverwaltung für die Anlagendokumentation mit integrierten Bearbeitungstools definiert werden. Projektbegründung Es ergibt sich immer die Fragestellung nach der Begründung und dem Nutzen (immateriell und finanziell) für die Einführung einer Dokumentenverwaltung. Beispielhaft werden folgende Argumente genannt: besseres Verwalten der technischen Datenbestände, Steuern des Freigabe- und Änderungswesens der Dokumente, Beheben von Organisationsschwachpunkten, Bewältigen komplexer Anforderungen der Zukunft (Stichwort: Wissensmanagement), finanzielle Amortisation (Einsparpotenzial gegenüber Betriebskosten pro Jahr), Erhalten des Dokumentationswertes von ca. 10 % des Anlagenwertes. Ausgehend von den aufgezeigten Vorteilen eines DMS und einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sind die erforderlichen Finanzmittel und personellen Ressourcen zu beschaffen. Vor allem die personellen Ressourcen sind ein wichtiger Faktor zum Projekterfolg. Sind diese Rahmenbedingen gegeben, kann die Umsetzung nach dem folgenden Stufenmodell beginnen. c) DMS-Einführung über ein Stufenmodell Das vorgestellte Stufenmodell dient als Leitfaden für eine DMS-Einführung. Es wurde mehrfach und erfolgreich in der Praxis angewendet. Gemäß diesem Stufenmodell erfolgt die Einführung eines DMS in 12 Schritten (s. Tab. 7.3). Dabei ist wichtig, dass die zu erreichenden Ziele realistisch sind. Es ist das technisch “Machbare“ für die Nutzer so zu gestalten, dass es von ihnen bewältigt wird und Vorteile für die Arbeitsprozesse bringt. Dies wird bei der Einführung neuer Systeme von den Verantwortlichen mitunter übersehen. Die Herausforderung ist, die komplexen Systemvorgänge im DMS so zu konfigurieren, dass sie vom Anwender „intuitiv“ zu erlernen und zu bedienen sind.
548
7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Tabelle 7.3 Stufenmodell zur DMS-Einführung
Schritt
Aufgaben mit Erläuterungen
1
Bedarfs- und Realisierungsanalyse (z.B. in Form einer Studie durch ein Fachbüro)
2
Erstellen des Projektstrukturplans (auf Basis der Realisierungsstudie)
3
Projektbearbeitung (Grundlagen) (Erarbeiten der Leistungsmerkmale für das künftige DMS, Grundlage für das Lastenheft)
4
Festlegung der Erfordernisse (Erstellen von Spezifikationen für die Dokumentation)
5
Erstellen des Lastenhefts (Beschreibung der Anforderungen an das DMS)
6
Marktanalyse (Auszug des Lastenhefts, Beauftragung eines Fachbüros)
7
Ausschreibung (auf Basis der Marktanalyse, des Lastenhefts und Leistungskatalogs)
8
Submission und Auswertung (Bewertung der Angebote)
9
Systempräsentation und Systementscheidung (Bewertung der Umsetzung gemäß Lastenheft)
10
Erstellen des Pflichtenhefts (Beschreibung der zu realisierenden Anforderungen)
11
Teststellung (Praxistest auf Basis des Pflichtenhefts)
12
Systemeinführung (nach Zustimmungen durch Geschäftsführung und Personalrat; danach Systemabnahme und Vertragserfüllung)
Die Bedarfsermittlung gemäß Buchst. a) muss dem Stufenmodell vorgelagert sein, da aus einer Idee sich nicht immer ein Projekt entwickelt. Mitunter kommt es in der Praxis vor, dass durch die Vielzahl der angebotenen DMS-Funktionen der eigentliche Unternehmensbedarf aus dem Blick gerät und am Ende die benötigten und erwarteten Funktionen nicht vorhanden sind. Ein Grund hierfür ist u.a., dass die Anbieter insbesondere ihre StandardFunktionen verkaufen wollen. Die anwenderspezifischen Funktionen können zusätzlich einen erheblichen Konfigurationsaufwand verursachen. d) Festlegen der Projektphasen Sobald der Beschluss für die Einführung eines DMS im Unternehmen vorliegt, sind die 12 Schritte nach Tab. 7.3 einzelnen Projektphasen zuzuordnen. Dabei sind die als Phase 1 zusammengefassten Schritte 1 und 2 wichtige Bausteine zur Zielerreichung. Ohne die Durchführung einer Bedarfsanalyse, das Erstellen eines Projektstrukturplans, das Erarbeiten von Grundlagen für die IT-Landschaft (Umgebung), das Festlegen (Spezifizieren) einer Dokumentationsstruktur und eines entsprechenden Kennzeichnungssystems fehlen wichtige Grundlagen für die Systemeinführung. Auch zur Personalqualifikation sind Festlegungen zu treffen. All die angeführten Vorleistungen sind bedeutende Bausteine, an denen sich die künftigen DMS-Funktionen orientieren müssen. Insbesondere das vom Auftraggeber zu erstellende Lastenheft (Schritt 5) ist eine wichtige Voraussetzung, um bei der Marktanalyse (Schritt 6), Ausschreibung (Schritt 7) und Angebotsauswertung (Schritt 8) erfolgreich zu sein. Das Lastenheft bietet dem Auftraggeber und dem Anbieter die Sicherheit, ein Dokumentmanagementsystem gemäß dem erforderlichen Bedarf zu beschaffen. Dies erleich-
7.3 Einführen eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation
549
tert die Suche nach einem geeigneten System und bietet den Vorteil, dass die Beteiligten sich immer an den, im Lastenheft beschriebenen Funktionen orientieren können. Mit den Forderungen des Lastenheftes lässt sich oft schon bei der Systempräsentation eine Systementscheidung (Schritt 9) treffen. Im Pflichtenheft (Schritt 10) werden dann alle „realistischen“ Anforderungen an das zu liefernde System beschrieben, die im Rahmen einer Teststellung (Schritt 11) geprüft werden können. Wenn alle vereinbarten Funktionen erfolgreich die Teststellung durchlaufen haben, kann die Systemeinführung (Schritt 12) abgeschlossen werden. Erfahrungsgemäß haben sich die vier Phasen nach Abb. 7.6 bewährt. Projektphase 1 (Bedarfskonzept)
Schritte 1 bis 2
Projektphase 2 (Systemkonzept)
Schritte 3 bis 6
Projektphase 3 (Systemauswahl)
Schritte 7 bis 9
Projektphase 4 (Realisierung)
Schritte 10 bis 12
Abb. 7.6 Phasenmodell zur DMS-Einführung
Die gewählte Strukturierung der Projektphasen ist eine beispielhafte und erweiterungsfähige Unterteilung. Die o.g. Projektphasen gewährleisteten eine kontinuierliche Projektentwicklung. Sie eröffnen ferner den Anbietern und dem Auftraggeber die Möglichkeit, die Strukturen den sachlichen und technischen Entwicklungen anzupassen. Im Lastenheft sollten die Einzelschritte der Phasen noch detaillierter gegliedert werden. Es sind Meilensteine für die Systemeinführung festzulegen. Ein möglicher Projektabbruch ist ebenfalls alternativ zu betrachten. In der folgenden Tabelle 7.4 werden die Einzelaktivitäten jeder Phase dargestellt. Tabelle 7.4 Einzelaufgaben und Ergebnisse der Phasen Nr.
Phasen
Aktivitäten
1
Bedarfskonzept
Bedarfs- und Realisierungsstudie (Grobkonzept) Analyse Bestandsdokumentation Analyse der Organisation Analyse der Geschäftsabläufe Analyse des Nutzungspotenzials
Systemvorschlag für die Anlagendokumentation
2
Systemkonzept
Definition der Anforderungen und des Leistungsumfangs für das Lastenheft
Zielformulierung Aufbau von Richtlinien Anlagenkennzeichnungssystem EDV-Analyse Auftragnehmer Aufbau-/Ablauforganisation Systemauslegung Software Systemauslegung Hardware Erstellung Lastenheft Marktanalyse Schätzung der Projektkosten Personalkonzept und Qualifikation
Ergebnisse
550
7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Tab. 7.4 (Fortsetzung) Nr.
Phasen
Aktivitäten
Ergebnisse
3
Systemauswahl
Angebotsanfrage Angebotsbewertung Auswahl der Anbieter Vorgespräche bei den Anbietern Präsentation der Systeme Bewertung der Präsentation Auswahl des Systems Systemtest Systembewertung Projekt- und Systemkosten Systemauswahl
Systementscheidung
4
Realisierung
Erstellen des Pflichtenhefts Angebot Vertrag Systemeinführung Systemabnahme Feststellung der Gesamtkosten
Systemeinführung
Jede Phase wird mit Zielvorgaben, Meilensteinen und Einzelaktivitäten konkretisiert. Damit ist eine begleitende Kontrolle des Projektfortschritts möglich.
7.3.2 Bedarfs- und Realisierungsanalyse (Phase I) Grundlage für die Einführung eines DMS für die Anlagendokumentation ist die Formulierung von Zielen und deren Aufgabenstellung. Über eine Untersuchung der Dokumentenarten und Vorgänge/Prozesse bei denen das größte Verbesserungspotenzial in den jeweiligen Abteilungen besteht, lassen sich die Ziele ableiten. Zu diesem Zweck wird die Einbindung eines fachlich kompetenten Beratungsunternehmens empfohlen, weil dieses einen neutralen Blick auf die Unternehmensstrukturen hat. Vor der Auswahl eines DMS ist zu klären, welche „Dokumentationsprobleme“ gelöst werden sollen, z.B.: die (richtigen) Dokumente werden nicht gefunden, die Dokumente sind unzureichend gekennzeichnet (fehlende Zuordnung), verschiedene Versionen eines Dokuments liegen vor, der Zugriff auf ein Dokument ist für bestimmte Personengruppen nicht gegeben, die Anzahl der Dateiformate hat unverhältnismäßig zugenommen, die Dateien können vom Anwender nicht geöffnet werden, es muss eine Reduzierung der Aktenarchive erfolgen (Platzgründe), … weitere unternehmensspezifische Gründe. a) Bedarfsstudie und Grobkonzept Das zu erstellende Grobkonzept sollte alle Anforderungen der Fachabteilung DOKUMENTATION definieren. Zugleich sind genaue Angaben zu den bestehenden EDV-Bedingungen und den betrieblichen Erfordernissen zu machen. Die Vorgabe einer Musterdokumentation ist zweckmäßig.
7.3 Einführen eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation
551
Die Bedarfsstudie und das Grobkonzept dienen als Grundlage für das zu erstellende Lastenheft (Leistungsbeschreibung). In Tabelle 7.5 sind Eckpunkte und wichtige Kriterien eines Grobkonzeptes beschrieben. Die aufgeführten Punkte definieren den Rahmen für die Bedarfsermittlung und sind um die unternehmensspezifischen Belange zu ergänzen. Die im Beispiel angeführten Kriterien können auch bei einer Beauftragung an ein externes Büro/Dienstleister als Auftragsinhalt vorgegeben werden. Tabelle 7.5 Struktur und Schwerpunkte der DMS-Bedarfsanalyse (Praxisbeispiel)
Übersicht zur DMS-Bedarfsanalyse (Grobkonzept) Dieses Systemkonzept bildet die Grundlage für die Auswahl eines geeigneten Systems und seiner Komponenten. Es dient der Entscheidungsfindung im Unternehmen. Ein weiterer Aspekt ist die Entwicklung von Gestaltungsvorgaben für evtl. notwendige Änderungen in der Organisation und den Arbeitsprozessen im Bezug zur zukünftigen Dokumentation.
1.
Festlegung der Projektziele a. Ziele und Aufgaben des Dokumentenverwaltungssystems b. Vorschläge zur Umsetzung der Systemeinführung
2.
IST-Analyse Unternehmensorganisation und der Bestandsdokumentation a. Aufgabenstellung und Organisation des Unternehmens Wie ist das Unternehmen derzeit aufgestellt? b. Verwaltung und Organisation der bestehenden Bestandsdokumentation Erfassung der vorhandenen Dokumentenarten Aufnahme der vorhandenen Dokumentation (Fragebogen) Auswertung und Ergebnisse der Fragebögen
3.
Analyse der Geschäftsprozessabläufe und des Bedarfs a. Gegenwärtiger Zugriff auf Dokumente Hauptsächlich beteiligte Personen Häufigkeit der Anforderung Schwachstellen des Geschäftsprozesses Verbesserungen nach Einführung eines EDV-Systems Kosten-Einsparungspotenzial b. Zukünftige Organisation und Zugriff auf die Dokumente Vorschläge zur zukünftigen Organisation Vorschläge zur Optimierung des Zugriffs auf die Dokumente
4.
Konzeption des Dokumentenverwaltungssystems a. Erläuterungen zur aktuellen Informationstechnologie Das Client-Server-Prinzip Normen und Standards für Offene Systeme b. Begriffserklärung Glossar mit aktuellen Begriffen aus dem Bereich des DMS
5.
Anwendungsneutrale Software-Komponenten a. b. c. d.
6.
Betriebs- und Systemsoftware Kommunikation Integrationssoftware Datenschutz und Datensicherheit
Datenbank-Management-Systeme und Datenbank-Zugriffs-Systeme a. b. c. d.
Standard Abfragesprache SQL Lauffähigkeit auf Basis der vorgeschlagenen Systemsoftware, Verteilung der Datenbanken auf unterschiedliche Systeme Einfache Skalierbarkeit
552
7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Tab. 7.5 (Fortsetzung) 7.
Benutzeroberflächen a. Grafische Benutzeroberfläche analog der angewandten Standardsoftware b. Ergonomische Gestaltung und durchgängige Benutzeroberfläche
8.
Standard-Anwendungssoftware
9.
Einführung in Dokumentenmanagement-Systeme
a. Schnittstellen zur vorhandenen betrieblichen Standardsoftware a. Situation heute b. Komponenten und technische Plattform
10.
Systementwurf a. Eine geeignete Hardware-Struktur für das Unternehmen Netzwerkeinbindung, Serverlandschaft, Drucker und Plotter b. Eine geeignete Software-Struktur für das Unternehmen Modul Benutzeroberfläche (Erfassungs- und Auskunftssystem) Modul Ausgabe, Viewer mit Redlining - Funktion (Bildeditor) Modul Bearbeitung (Vektor und Rasterbearbeitung) Modul Datenbank
11.
Kosten- und Zeitrahmen für die DMS - Beschaffung a. Kostenrahmen der geplanten Ausbaustufen Zeitbedarfsabschätzung für Belegübernahmen Kosten/Nutzen-Betrachtung
12.
Rahmenplanung für Einführung und Organisation a. b. c. d.
Systemverwaltung, Personalqualifikation und Schulungsaufwand Auswahl- und Beurteilungskriterien Marktübersicht und Vorauswahl in Frage kommender DMS Vorschläge zur weiteren Vorgehensweise
b) Praxisleitfaden zur Bestandsanalyse Um die Projektziele zu definieren, ist eine Bestandsanalyse der Dokumentation und der Geschäftsabläufe nötig (s. Tab. 7.6). Tabelle 7.6 Maßnahmen zur Bestandsanalyse Maßnahmen
Aktivität
Hilfsmittel
Ziel
Analyse der Anlagendokumentation
Untersuchung auf Umfang, Qualität, Format, Vollständigkeit und Aktualität
Erstellen eines Fragebogens
Ermitteln aller Dokumentenarten für die jeweiligen Anlagenbereiche
Analyse der Ablageorganisation
Untersuchung, wie die Dokumentation im Unternehmen abgelegt und verwaltet wird
Fragebogen und Interview der Beteiligten
SOLL-/IST-Abgleich
Analyse der Geschäftsabläufe
Ermittlung typischer Geschäftsabläufe im Zusammenhang mit den Bestandsdokumenten
Fragebogen und Interview der Beteiligten
SOLL-/IST-Abgleich
Ermitteln des Nutzungspotenzials
Analyse des Kosten-/ Nutzenpotenzials
Eckdaten der bisherigen und zukünftigen Kosten
Darstellung der Kosteneinsparung
7.3 Einführen eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation
553
Die Bestandsanalyse ermittelt den Bedarf der Dokumentenverwaltung und dient als Nachweis des Nutzens im Vergleich zu den Kosten. Auf Basis dieser Analyse lassen sich auch die Konzeption des erforderlichen Dokumentenmanagement-Systems und die Optimierung der Ablauforganisation ableiten. Die Analyse der vorhandenen Dokumentation gemäß Tab. 7.6 dient zugleich zur Ermittlung und Pflege der zweckmäßigen Dokumentationsstruktur (s. auch Abschn. 7.4.4). In der Praxis hat es sich als nützlich erwiesen, die Geschäftsabläufe der Dokumentation bei der Bestandsanalyse mit zu erfassen, um die Nutzungsmöglichkeiten und Nutzungsgrenzen, z.B. für die zukünftige Automatisierung der Arbeitsabläufe, zu erkennen. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, welche technischen Unterlagen für eine schlüssige Dokumentation benötigt werden. Unter einer schlüssigen Dokumentation ist eine transparente und lückenlose Dokumentation zu verstehen. Es muss gewährleistet sein, dass die Informationen der Dokumentation nachvollzogen, überprüft und angewendet werden können. Zum besseren Verständnis ist eine einheitliche Gliederung und Darstellung der Dokumente vorzugeben. Dabei gilt die Erfahrung: Nur wenn der Nutzer die Dokumentenart kennt, ist er in der Lage nach dem Dokument zu suchen. Durchführung der Analyse zur Dokumentenerfassung Eine der ersten Maßnahmen ist der Abgleich der bestehenden Anlagen mit der vorhandenen Dokumentation, um anschließend eine Strukturierung/Gliederung der Dokumente, bezogen auf die jeweilige Anlage, vornehmen zu können. In die Analyse zur Dokumentenerfassung sind alle Betriebsbereiche, in denen Dokumente vorhanden sind, einzubeziehen. In der Praxis haben sich zur Durchführung einfach gestaltete Fragebögen bewährt, die von den Mitarbeitern/-innen schnell bearbeitet werden können. Wichtig ist, dass vor Verteilen der Fragebögen an die Abteilungen bzw. Arbeitsbereiche, die “Know-how”-Träger der Dokumentation ausfindig gemacht werden, damit die richtigen Personen am richtigen Ort angesprochen werden. Nur dies gewährleistet, dass das Ergebnis der Analyse realistisch ist und Akzeptanz findet. Ziel der Analyse ist es, die Art und Anzahl der Dokumente für jeden Anlagenbereich und die Gesamtsumme der Dokumente, u.a. bezogen auf die DIN-Formate, zu ermitteln. Fragebogen zur Dokumentenerfassung Zur Anlagendokumentation gehören z.B. Zeichnungen, Stücklisten, Betriebsanleitungen, Abnahmeprotokolle, Genehmigungen und Prüfzeugnisse. Der Umfang kann je nach Anlage variieren. Um die notwendigen Aussagen über den aktuellen Zustand der Anlagendokumentation machen zu können, ist eine exakte schriftliche Erfassung (quantitativ und qualitativ) der vorhandenen Dokumente durchzuführen. Dabei ist die vorhandene Dokumentation zu sichten und hinsichtlich Umfang, Qualität, Aktualität und Vollständigkeit zu analysieren. Zur möglichst genauen Erfassung aller relevanten Dokumente und um vergleichbare Daten zu erhalten, kann ein Fragebogen analog Abb.7.7 erarbeitet werden. Dieser ist für jede Anlage (ggf. auch für Anlagenteile) von den sachkundigen Mitarbeitern/-innen auszufüllen.
554
7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Abb. 7.7 Fragebogen zur Erfassung des Dokumentenbestands (Praxisbeispiel)
Auswertung der Dokumentenerfassung Für jeden Teil einer Anlage wird ein Fragebogen erstellt. Untersucht wird im Praxisbeispiel nach Abb. 7.7 die Anzahl der vorhandenen Dokumente, bezogen auf alle vorhandenen Gewerke (Anlagen/Anlagenteile) und die existierenden Dokumentenformate. Die ausgewerteten Ergebnisse können in einem Auswerteformular analog Abb. 7.8 aufbereitet werden. Bei der Zusammenfassung aller Auswertungsergebnisse wird der Dokumentationsaufwand für eine Anlage deutlich. Im vorliegenden Praxisbeispiel lagen für die Bereiche Bau, Maschinentechnik und Elektro-/Prozessleittechnik insgesamt 929 Dokumente mit einem Aktualitäts- und Vollständigkeitsgrad von ca. 80 % vor. Da bei einer Recherche nicht alle Dokumente erfasst werden, kann davon ausgegangen werden, dass sich die tatsächliche Dokumentenanzahl um ca. 30% erhöht. Damit verändert sich die Anzahl der Dokumente von 929 auf ca.1208 Dokumente, die zukünftig für diese Anlage archiviert werden müssen. Für den Bereich der Maschinentechnik wurde erkannt, dass die Dokumentation hierfür im Vergleich zu den Erfahrungen anderer unterrepräsentiert war, d.h. Unterlagen fehlten und mussten ergänzt werden. Ferner wurde im Beispiel ermittelt, dass von den 929 gefundenen Dokumenten allein 772 Dokumente (ca. 83 %) im Format DIN A4 vorlagen.
7.3 Einführen eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation
555
Abb. 7.8 Musterformular zur Auswertung der Dokumentenerfassung (Praxisbeispiel)
Die Aussage zur Anzahl der DIN-Formate ist für die Auslegung des DMS wichtig, da die Fragestellung nach großformatigen Einzeldokumenten (Format A0) und mehrseitigen Dokumenten (Multipage -Dokumente) beantwortet werden muss. Für eine Gesamtanlage mit 50 Teilanlagen und 200 Anlagenteilen (Hauptkomponenten) kann eine Gesamtanzahl von Minimum ca. 30.000 Dokumenten angenommen werden. Hieraus lässt sich der Speicherbedarf für ein DMS ableiten. Erfahrungsgemäß kann für ca. 6500 Dokumente (in den beschriebenen DINFormaten) ein erforderlicher Speicherbedarf von ca. 7,5 GB abgeschätzt werden. Bem: Für 120.000 Blatt gescannte DIN A4-Dokumente (Speicherbedarf: ca. 17 KB/Blatt) ergibt sich vergleichsweise ein Gesamt-Speicherbedarf von ca. 2,1 GB.
Mit den Möglichkeiten der heutigen Speichermedien stellt diese Datenmenge jedoch kein besonderes Problem dar. Analyse der Dokumentationsstruktur und Ablageorganisation Die zukünftige Ablageorganisation ist auf Basis der durchgeführten Dokumentenanalyse zu entwickeln. Zu diesem Zweck sind Vorgaben für die Struktur und Erstellung der Dokumentation und zur Anlagenkennzeichnung erforderlich. Hieraus leiten sich später die technische Plattform und die Konzeption des einzuführenden DMS ab. Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass die Dokumente strukturiert abgelegt werden. Das ermöglicht eine beschleunigte Recherche, dem schnellen Zugriff und eine einfache Ausgabe der im DMS vorhandenen Dokumente. In einem ersten Schritt muss die geplante Dokumentationsstruktur entworfen werden. Das angeführte Praxisbeispiel orientiert sich an einer verfahrenstechnischen Anlage, bei der die technischen Einrichtungen der Bau-, Maschinen- und Elektrotechnik und Verfahrenstechnik berücksichtigt wurden. Eine mögliche Gliederung der Gesamtanlage und die Zuordnung der Dokumente beschreibt Abb. 7.9. Die Ablageebenen sind gegliedert in Verfahrenstechnische (Gesamt-) Anlage, Anlage (Teilanlage/Package-unit), Anlagenteil und Technische Bereiche.
556
7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Abb. 7.9 Struktur der Gesamtanlage und der zugehörigen Anlagendokumentation (Praxisbeispiel)
An dieser Stelle sei auf Kapitel 3 verwiesen. In ihm werden die Strukturen und die Bestandteile einer Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen ausführlich behandelt. Der Dokumentationsstruktur und dem Kennzeichnungssystem sind von Anfang an große Aufmerksamkeit zu widmen, da sie die Effektivität der DMS-Dokumentenablage und der DMS-Suchfunktionen wesentlich beeinflussen. Das Kennzeichnungssystem sollte sich am Bedarf der Betriebsabteilungen orientieren, da jeder Nutzer mit dem System klarkommen muss. Auf Basis der im Kapitel 3 angeführten Beispiele ist vom Auftraggeber eine Musterdokumentation zu erarbeiten und den Auftragnehmern vorzugeben. Das erleichtert dem Anbieter die Realisierung und Testung eines kundenspezifischen DMS. Analyse der Geschäftsprozesse und des zukünftigen Bedarfs Mit der Analyse von exemplarischen Geschäftsabläufen (Geschäftsprozessen) werden die Nutzungsmöglichkeiten und Nutzungsgrenzen der bisherigen Arbeitsweise transparent. Sie eröffnet die Möglichkeit der Prozessoptimierung. Darüber hinaus kann mit einer solchen Analyse das Einsparpotenzial, das durch eine EDV-gestützte Dokumentenverwaltung erreicht wird, ermittelt werden. Zu diesem Zweck sind bei der Analyse der Geschäftsabläufe: die beteiligten Personen, die Häufigkeit der angeforderten Dokumente, die örtlichen Verhältnisse (Lage der Archive), der erforderliche Zeitaufwand zur Dokumentenbereitstellung und das Verbesserungspotenzial zu betrachten. Ziel ist ein Soll-/Ist-Vergleich, der “alten” gegenüber der “neuen” Arbeitsweise, um eine Entscheidungsgrundlage zu erhalten. Als Beispiel kann der Ablauf, der für die Beschaffung eines Dokumentes erforderlich ist und der zugehörige Zeitaufwand ermittelt werden. Um die eigenen Prozesse im Unternehmen umfassend zu analysieren, sind die in Abschn. 1.3 und Kap. 2 dargelegten Anforderungen an die Dokumentation mit zu berücksichtigen.
7.3 Einführen eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation
557
Kosten-/Nutzenanalyse Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist eine Kosten-/Nutzenanalyse erforderlich, um den Entscheidungsträgern die Kosteneinsparpotenziale darzustellen und zu verdeutlichen. Die Analyse kann und darf sich nicht auf eine isolierte Betrachtungsweise von bestimmten Details, wie der Neubeschaffung eines EDV-Systems, beschränken. Es ist immer der Gesamtzusammenhang zu betrachten. Einsparpotenziale bei der Einführung einer digitalen Technologie (gegenüber der analogen Arbeitsweise) ergeben sich nicht nur durch geringere Folgekosten, sondern auch durch die mögliche Automatisierung der Informationsprozesse. In vielen Fällen nicht zahlenmäßig zu bewerten, aber gegebenenfalls von großer Bedeutung, können auch positive Nebeneffekte sein, wie: das sichere Wiederfinden von technischen Dokumenten, das Vermeiden von Doppelarbeit und der fehlerfreie und effektive Informationstransfer. Für die Einführung eines digitalen Archivs sind nicht nur die vergleichbaren Kosten von Bedeutung, vielmehr sind es auch die nicht direkt zu bewertenden Kosten, wie z.B. die Ergonomie, Qualitätsverbesserungen und Effizienz. Mit der besseren Verwaltung der Anlagendokumentation lassen sich erhebliche Einsparungen bei der Dokumentenbereitstellung für Neu- und Umbaumaßnahmen sowie für die Inspektion, Wartung und Instandsetzung erzielen. Die Kostenersparnis ermittelt sich z.B. aus Eckdaten, wie der Anzahl der aktiven Dokumente, der Zugriffhäufigkeit, der Zeitersparnis pro Dokument beim Dokumentenhandling und dem Stundensatz der Mitarbeiter/-innen. Weitere Einsparpotenziale, die durch den Einsatz von digitalen Archiven erreicht werden können, sind in Tabelle 7.7 angeführt. Die Werte basieren auf allgemeinen Erfahrungen beim Einsatz digitaler Archive. Tabelle 7.7 Kosteneinsparung durch Einsatz digitaler Archive
Einsparpotenziale in Prozent Dokumente
Personalbedarf
Reduzierung der Bearbeitungszeiten
erstellen
bis zu 10 %
bis zu 20 %
suchen
bis zu 90 %
bis zu 90 %
reproduzieren
bis zu 40 %
bis zu 75 %
duplizieren
bis zu 80 %
bis zu 85 %
archivieren
bis zu 60 %
bis zu 70 %
verteilen
bis zu 70 %
bis zu 60 %
Archiv (Lagerbedarf)
bis zu 80 %
Kostenreduzierung bis zu 50 %
Abzüglich der Investitions- und Betriebskosten betrug im konkreten Beispielfall die Kosteneinsparung für die ersten vier Jahre nach DMS-Einführung ca. 18 % gegenüber der bisherigen Arbeitsweise.
558
7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
7.3.3 Systemkonzept (Phase II) a) Projektstrukturplan nach DIN 69901 [7] Bei der Entwicklung des Systemkonzepts wird empfohlen, im ersten Schritt ein Projektstrukturplan auf Basis der DIN-Normenreihe DIN 69901 zu erarbeiten. Diese DIN beinhaltet die erforderlichen Grundlagen, nach denen Prozesse, Methoden, Daten, und Begriffe für ein professionelles Projektmanagement aufgebaut werden können. Der Projektstrukturplan beinhaltet und beschreibt u.a.: die Zielvorgabe und Struktur für alle Aufgaben im Projekt, die vollständige Darstellung des Leistungsumfangs (Lastenheft), das Ermitteln der zeitlichen und personellen Ressourcen, die Kostenschätzung und Klärung der Finanzierung, die Definition eines Projektnamens und des Projektziels, das Überprüfen der Zielerreichung mittels des Meilenstein-Prinzips, das Festlegen der Projektbeteiligten und der jeweils zu erbringenden Leistungen, das Ordnen und Strukturieren der Arbeitspakete (Leistungsumfang), das Berichtswesen zur Transparenz gegenüber allen Projektbeteiligten (Stakeholdern), das Erstellen des Projektzeitplans inkl. wichtiger Termine, z.B. für Lastenheft, Marktanalyse, Ausschreibung, Systemauswahl und Realisierung. b) Bausteine des Systemkonzepts Zielsetzung Um den Entscheidungsträgern das Ziel und die Aufgabe zu verdeutlichen, die mit dem Aufbau einer EDV-gestützten Dokumentenverwaltung verbunden sind, muss das Projektziel verbindlich formuliert werden. Dies kann z.B. lauten: Einführung eines Dokumentenmanagement-Systems (DMS) mit einem integrierten CAD-System. Gesamtkonzept der Dokumentation Um ein DMS erfolgreich einzuführen, müssen die künftigen Rahmenbedingungen für die Dokumentation festgelegt werden. In dieser Projektphase werden die Ergebnisse der Bestandsanalyse (s. Abschn. 7.3.2) herangezogen. Die Betrachtung der Analysenergebnisse und die Festlegung der zukünftigen organisatorischen Randbedingungen ist für die erfolgreiche Einführung der Dokumentenverwaltung eine unabdingbare Voraussetzung. Als Bestandteile des Gesamtkonzeptes sind: die künftige Ausführung (Umfang und Qualität) der Dokumentation/Dokumente, die Festlegung der Anlagen- und Dokumentenkennzeichnung, die Definition der Arbeitsabläufe (Workflows), wie z.B. das Änderungswesen in Form von Spezifikationen und Ablaufstrukturen festzulegen bzw. zu erarbeiten. Vorgaben für die Dokumentation Eine Spezifikation für die Dokumentation, die z.B. vom Anlagenbetreiber erarbeitet und freigegeben wurde, ist im Anlagenbau als Bestandteil der zu schließenden Lieferverträge zu vereinbaren (s. auch Abschn. 4.5.3.2). Die Spezifikation kann als Unternehmens-/Projektrichtlinie oder Werknorm ausgeführt sein und beschreibt die Ausführung der von den Auftragnehmern zu liefernden
7.3 Einführen eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation
559
Dokumentation. Sie legt die Art, den Aufbau, die Ausführung und den Umfang der zu liefernden Dokumente fest. Als Beispiel ist in Tabelle 7.8 das Inhaltsverzeichnis einer Spezifikation zur Ausführung der Anlagendokumentation beschrieben. Tabelle 7.8 Inhaltsverzeichnis einer Spezifikation zur Ausführung der Anlagendokumentation 1 Anwendungsbereich und Zweck – Allgemeine Hinweise, z.B. Geltungsbereich und Umgangssprache – Mitgeltende Normen und Richtlinien (Hinweis auf geltende Normen und Richtlinien) – Hinweise zur Anlagenkennzeichnung 2 Anlagendokumentation 2.1 Übergreifende Bestimmungen – Prüf- und Genehmigungsverfahren zur Freigabe der Dokumentation – Übergabe der Bestandsdokumentation (Festlegung der Papierversion und der Datenträger) 2.2 Zeichnungsausführung – Forderungen an DIN-Formate, Schriftfeld usw. – Forderungen an die Zeichnungsdarstellung wie z.B. Linienstärke, Maßeintragungen, Beschriftung, Dokumentationssystematik usw. – Vorgaben zur Verwendung von Sinnbildern und grafischen Symbolen 2.3 Begriffsbestimmungen – Erläuterung der zur Anlagendokumentation gehörenden Teile und Dokumentenarten 3 Umfang der Dokumentation – Beschreibung der zu liefernden Anlagendokumente für die Bau-, Elektro-, Maschinenund Verfahrenstechnik – Ferner die in diesem Zusammenhang geltenden Betriebsanweisungen für das Betreiben und die Instandhaltung der jeweiligen Anlagen und Anlagenteile 4 Kennzeichnung der Anlagendokumentation – Vorgaben und Forderungen an die Dokumentenkennzeichnung, um eine sichere und ordnungsgemäße Ablage zu gewährleisten 5 Datenformate (DMS) – Festlegung der EDV-Datenformate für die Übergabe der Dokumentation, damit eine Fortschreibung der Dokumente gewährleistet ist 6 Änderungen – Beschreibung der Verfahrensweise, nach der Änderungen an Zeichnungen u.a. technischen Dokumenten vorgenommen werden
Eine spezifikationsgerecht gelieferte Dokumentation erleichtert dem Betreiber später die Archivierung und die Pflege der Dokumentation. Entsprechend leidvoller Erfahrungen sei angemerkt: Eine Vielzahl von Normen (ISO, EN, DIN) machen Vorgaben zur Gestaltung von Dokumenten [12]. In der Praxis zeigt sich jedoch häufig, dass ungeachtet dessen viele Unternehmen eine “eigenwillige” Auffassung von der Form und dem Inhalt der Anlagendokumente haben. Fehlerhafte und schlimmstenfalls falsche Dokumente sind leider keine Seltenheit.
560
7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Anlagen- und Dokumentenkennzeichnung Im Kapitel 3 wurde bereits auf die Struktur und Kennzeichnung von Anlagen und Dokumenten ausführlich eingegangen. Im vorliegenden Abschnitt wird deshalb nur ergänzend auf die speziellen Erfordernisse hingewiesen, die für das Betreiben eines DMS erforderlich sind. Eine örtliche und namentliche Bezeichnung der Anlagenkomponenten ist für die Orientierung vor Ort zweckmäßig, reicht aber nicht aus, um eine Anlagendokumentation ordnungsgemäß zu verwalten. Die Einführung eines systematisch aufgebauten Anlagen- und Dokumentenkennzeichnungssystems wird i.d.R. in Verbindung mit Erneuerungs- und Umbaumaßnahmen dann notwendig, wenn: ein Dokumentenmanagement-System eingeführt wird, eine Optimierung der Anlagenbewirtschaftung vorgenommen wird, Schnittstellenprobleme minimiert werden sollen, die Wartung und Instandsetzung harmonisiert werden soll, Betriebsanweisungen u.a. Anweisungen erarbeitet werden müssen. Die Bedeutung der Anlagen- und Dokumentenkennzeichnung und der damit verbundene Aufwand werden oft unterschätzt. Ohne ein hierarchisch strukturiertes Ordnungssystem sind technische und organisatorische Schnittstellenprobleme zu erwarten. Für eine effektive Dokumentenverwaltung ist zunächst ein systematisches und praktikables Anlagenkennzeichnungssystem erforderlich (s. Abschn. 3.9.2). Darauf aufbauend kann dann die Kennzeichnung der zugehörigen Dokumente erfolgen (s. Abschn. 3.9.3). Nach Fertigstellung der Anlage können die gekennzeichneten Dokumente direkt in das DMS übernommen werden. Die heutigen Systeme sind zwar vielfach in der Lage über Funktionen (z.B. eine Freitextrecherche) die gesuchten Dokumente zu finden, aber eine einheitliche Nomenklatur erleichtert in der Praxis die Handhabung mit der Dokumentation und ist für verfahrenstechnische Anlagen unabdingbar. Hinweise zu den grundlegenden Normen für die Anlagen- und Dokumentenkennzeichnung sind im Kapitel 3.9 zu finden. Die Vorgaben des Anlagenbetreibers sollten in einer Werknorm zusammengestellt werden. Die Festlegung der Anlagen- und Dokumentenkennzeichnung ist ein schwieriger Prozess, der ausführliche Diskussion erfordert und i.d.R. einen längeren Zeitraum dauert. Spätere Ergänzungen des Kennzeichnungssystems, z.B. ergänzende Kurzzeichen, sollten möglich sein und unbedingt berücksichtigt werden. Dabei gilt der Grundsatz: Bei der Entwicklung des Anlagen- und Dokumentenkennzeichnungssystems ist eine Zusammenarbeit mit dem Anlagenplaner, den Betriebsverantwortlichen und vor allem mit den Mitarbeitern vor Ort (“Praktikern”) besonders zu empfehlen. Eine Anlagen- und Dokumentenkennzeichnung analog [8] wird empfohlen. Mit dieser Kennzeichnungssystematik ist eine eindeutige Identifizierung und Lokalisierung (Ortskennzeichnung) der Anlage, des Anlagenteils, der Technischen Einrichtung, des Betriebsmittels und des Dokuments im DMS möglich. Eine auf die Anlage abgestimmte Kennzeichnung wird häufig als sog. sprechender Schlüssel gefordert. Dieser Schlüssel sollte so gewählt werden, dass über die abgekürzten Begriffe die Anlage (ohne Schlüsselhandbuch) erkennbar ist. Dies wird insbesondere vom Betriebspersonal begrüßt und akzeptiert.
7.3 Einführen eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation
561
Beispiele für einen sprechenden Schlüssel sind z.B. ein Kurzzeichen BA (Betriebsanlage) für die Anlage oder ein Kurzzeichen HW (Hauptwarte) für einen Anlagenteil. Wenn die Werknorm bei allen Maßnahmen konsequent angewendet wird, ermöglicht die systematische Anlagenkennzeichnung eine schlüssige Zuordnung der Dokumente in der Anlage. Damit kann die gesamte Dokumentation effektiv im DMS verwaltet werden. Workflow Mit der Einführung eines DMS können Prozesse/Arbeitsvorgänge über ein SoftwareWorkflow-Modul automatisiert werden. Ein Workflow ist in diesem Zusammenhang ein automatisierter Teil eines Geschäftsprozesses, der im DMS implementiert ist.
Mit Hilfe des Workflow-Moduls kann die Leistungsfähigkeit des Unternehmens, z.B. durch schnelle, fehlerfreie und flexible Vorgangsbearbeitung, verbessert werden. Workflows zeichnen sich u.a. durch eine elektronische Verteilung der Dokumente sowie durch die Unterstützung der Vorgangsverarbeitung (Wiedervorlage, Genehmigung, Freigabe) von Dokumenten aus. Workflow-Systeme lassen sich zu mächtigen Werkzeugen ausbauen, was aber nicht in jedem Fall erforderlich bzw. sinnvoll ist. Mit dem Workflow erfolgt die Bearbeitung des aktuellen Geschehens. Für die Bereiche der Dokumentenarchivierung und Dokumentensuche können überschaubare Vorgänge eingerichtet werden. Diese können ggf. zu einem späteren Zeitpunkt in einen Workflow für die Änderung der Dokumente integriert werden. Am Beispiel eines Ablaufplanes für die Dokumentensuche wird in Abb. 7.10 ein Workflow verdeutlicht.
Abb. 7.10 Workflow bei der Dokumentensuche
Alle abgebildeten Schritte werden im DMS automatisiert. Der Nutzer wird anschaulich durch das System geführt und kann sich auf den zu bearbeitenden Vorgang konzentrieren. c) Leistungskatalog (Grundlage für das Lastenheft) Um die Anforderungen und die Zielsetzungen an ein DMS in die Praxis umzusetzen, sind diese unbedingt in einem Leistungskatalog zu erfassen. Außerdem sind alle von den künftigen Systemnutzern gewünschten Leistungen zu berücksichtigen. Der Leistungskatalog dient zugleich als Basis, um das Lasten- und Pflichtenheft zu erarbeiten (s. Abschn. 7.3.4, a)).
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7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Die Anforderungen, einschließlich aller Randbedingungen, müssen in den beteiligten Unternehmensbereichen abgefragt werden. Sie sind anschließend hard- und softwareneutral zu beschreiben, um ein möglichst breites Anbieterspektrum zu erreichen. Nachfolgend werden allgemeine Anforderungen an ein Dokumentenmanagement, wie sie im Leistungskatalog und Lastenheft festgelegt werden können, aufgeführt. Software Die Software-Anforderungen können folgende Funktionen beinhalten: Übersicht über die vorhandenen Dokumente, Aufbau der Anlagendokumentation, schneller Zugriff auf die Dokumente, Zugriff auf die Dokumente über spezielle Suchfunktionen, schnelle und einfache Prüfung der Dokumente auf Aktualität und Vollständigkeit, Vereinheitlichung der Dokumentenarten, Vereinfachen und Unterstützen der Aktualisierung und Fortschreibung, Ausleihkontrolle, Inventarisierung und Aufbewahrungsort der Dokumente, einfache Übernahme externer Dokumente, Definition der Arbeitsabläufe (Workflows) wie die Vorgangsverwaltung von Dokumentenänderungen und die Dokumentenfreigabe, Redlining (Marker) – Anfügen von Korrekturen und Vermerken in Dokumenten, Koordination und Zentralisierung der Dokumentenverwaltung, Hilfestellung für Wartungs- und Planungsarbeiten auf der Anlage, Datenübergabe an die Auftragnehmer, die Anlagendokumentation soll nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt werden, d.h. kostengünstig zu handhaben sein, Integration von Bearbeitungstools (z.B. CAD- und Office-Anwendungen), die Ergonomie und die intuitive Erlernbarkeit muss gegeben sein, Verwaltung aller Dokumente der Bautechnik, Tief- und Hochbau, Maschinentechnik, Elektrotechnik und Verfahrenstechnik. Hardware Bei der Beschreibung der Anforderungen an die Hardware sind die Schwerpunkte besonders auf die Einhaltung der Ergonomie- und Arbeitsplatzrichtlinien zu legen. Die Vorgaben für die Gerätetechnik sowie die Leistungsforderungen an die Rechnereinheiten, Bildschirme und Grafikkarten müssen so sein, dass alle geforderten Leistungsmerkmale der Software und der vorhandenen Hardwareumgebung (zukunftsorientiert) erfüllt werden, um Probleme bei der Systemintegration zu vermeiden. Die Struktur der Hardware-Ausbaustufen sollte beschrieben werden. Weitere Anforderungen In der Leistungsbeschreibung können auch weitere Anforderungen, z.B. an die Datensicherheit, die Netzwerkfähigkeit der Ein- und Ausgabegeräte (Scanner, Drucker, Plotter), sowie die Zugriffzeiten festgelegt werden. Forderungen, die eine schnelle Nutzung des Systems gewährleisten sollen, sind entsprechend zu formulieren. Derartige Vorgaben beinhalten u.a. Aussagen/Bedingungen an die Installation, die Funktionsprüfung sowie an die Inbetriebnahme inkl. Probebetrieb des DMS. Darüber hinaus sind Aussagen zur Abnahme und Gewährleistung zu treffen. Gegebenenfalls können auch die Projektabwicklung, die Form der Projektorganisation und des
7.3 Einführen eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation
563
Angebots (Kosten und Produktbeschreibung) sowie vom Auftraggeber vorgegebene Vertragsgrundlagen beschrieben werden. DMS-Struktur Mit einer einfachen grafisch gestalteten Hard- und Software-Struktur (s. Abb. 7.11) können der Aufbau der Benutzeroberfläche und das Zusammenwirken der Hardwarekomponenten am besten verdeutlicht werden. Die Struktur des Verwaltungs- und Speichersystems ist so zu gestalten, dass alle Anwendungen, die zur Verwaltung und Bearbeitung der Dokumente benötigt werden, über eine einheitliche Benutzeroberfläche erfolgen können.
Abb. 7.11 Struktur des Verwaltungs- und Speichersystems (Praxisbeispiel) Erläuterungen zu Abb. 7.11: Im Vordergrund steht der DMS-Server 1 als sog. Produktionsserver. Diesem Server werden die DMS-Clients für die Dokumentationsbearbeitung und die Auskunftsarbeitsplätze zugeordnet. Über den DMS-Client Bearbeitung erfolgen die Viewer-, Archivierungs- und Suchfunktionen sowie der Datenexport und die Einbindung von Bearbeitungstools (z.B. Rasterdatenbearbeitung). Mittels DMS-Clients 1+2 für die Auskunft sollen nur der Informationsabruf zum Dokument und der Ausgabe als Druck möglich sein. Für den Test von Software-Updates und zur Mitarbeiterschulung sollte ein eigener Schulungsserver (DMS-Server 2) zu Verfügung stehen, um Störungen beim Produktionsserver zu vermeiden. Zur Verbesserung der Datensicherheit und zur Absicherung von Systemausfällen ist zusätzlich ein weiterer DMS-Server (s. DMS-Server 3) vorzusehen, auf dem die Daten gespiegelt werden. Dieser Failover-Server („Ausfallsicherung“) übernimmt bei einem ungeplanten Ausfall des Produktionsservers alle erforderlichen DMS-Funktionen.
d) Kosten für die Systemeinführung Die Gesamtkosten der DMS-Systemeinführung setzten sich insbesondere aus den Planungskosten über alle Phasen der Systemvorbereitung und -einführung sowie den
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7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Beschaffungskosten für das DMS-System (Hard- und Software) zusammen. Im Einzelnen sind das die Kosten für: Analysen, Studien und externe Beratungsleistungen, Schnittstellenbetrachtung und -festlegungen, Lastenheft- und Pflichtenhefterstellung, Erarbeiten des Archivierungssystems, Erstellen des Anwendungskonzepts, Systemauswahl, Systeminstallation und Systemanpassungen, Systemtest und -abnahme, Datenübernahme von vorhandenen Datenbanken und Bestandsdaten, Durchführen der Anwenderschulungen, erforderliche Reorganisationsmaßnahmen Beschaffung der Hardware (Infrastruktur wie Server, PC, Drucker, usw.) und der Software (Datenbank, Betriebssysteme, usw.) inkl. Lieferantendokumentation (Benutzerhandbuch usw.) Darüber hinaus entstehen später in der Nutzungsphase des DMS laufende Kosten, z.B. für Lizenzen, Updates, Support u.a. Diese Folgekosten, die im Angebot und dem Preis der Systemlieferanten nicht enthalten sind, müssen bei der Kostenplanung und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung berücksichtigt werden.
7.3.4 Systemauswahl (Phase III) In Vorbereitung der Systemauswahl ist vom Projektbeauftragten bzw. dem Projektteam die Vorgehensweise für die Systemausschreibung festzulegen. In der Praxis hat sich folgende Vorgehensweise bewährt: Erstellen und Freigabe des Lastenheftes durch den Auftraggeber, Marktanalyse zur Bietereignung und Erfüllung der grundsätzlichen Funktionen, Auswahl und Festlegung der geeigneten Systemanbieter, Aufforderung der Systemanbieter zur Angebotsabgabe gemäß Lastenheft, Fragenkatalog und Terminvorgabe, Auswertung der Angebote und Auswahl von mindestens drei Anbietern, Systempräsentation von maximal drei Anbietern. Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Software, durch die künftigen Anwender bzw. durch ein Projektteam, Auswahl eines Systems durch das Projektteam, Beurteilung des ausgewählten Systems im Rahmen einer Teststellung, Vertragsverhandlungen und Vertragsabschluss mit dem Systemlieferanten, Systemeinführung nach einem Stufen- und Terminplan, Festlegung der Kriterien für die Systemabnahme. a) Leistungsbeschreibungen (Lasten- und Pflichtenheft) Um die Anforderungen und die Zielsetzungen an ein DMS in die Praxis umzusetzen, ist eine detaillierte Leitungsbeschreibung entscheidend. Die Leistungsbeschreibung in Form eines Lastenheftes (für die Ausschreibung des Systems) und eines Pflichtenheftes (für den Leistungsvertrag und die Systemeinführung) gewährleistet die Einhaltung der beabsichtigten und vertraglichen Ziele zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber. Nachfolgend werden die Unterschiede zwischen einem Lasten- und Pflichtenheft detaillierter erläutert (s. Abb. 7.12).
7.3 Einführen eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation
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Abb. 7.12 Struktur und Hauptbestandteile einer Leistungsbeschreibung
Lastenheft Das Lastenheft beschreibt möglichst präzise die Gesamtheit der Forderungen des Auftraggebers an die Lieferung und Leistung. Bei einem Dokumentenmanagement-System sind dies insbesondere die Anforderungen an die Hard- und Software. Die Forderungen des Auftraggebers, einschließlich aller Randbedingungen, müssen prüfbar sein. Das Lastenheft muss Angaben enthalten, die ein Systemanbieter benötigt, um ein aussagekräftiges Angebot zu erstellen. Das Lastenheft dient als Grundlage zur Marktanalyse und der Anforderung von Angeboten. Zugleich ermöglicht es dem Auftraggeber, eine vergleichbare Bewertung aller eingereichten Angebote vorzunehmen. Diese Vergleichsgrundlage erleichtert die Systemauswahl und begründet die Entscheidung für das ausgewählte Produkt. Die Anforderungen sind im Lastenheft möglichst hart- und softwareneutral zu beschreiben, um ein möglichst breites Anbieterspektrum zu erreichen. Die Erarbeitung des Lastenhefts ist grundsätzlich die Verantwortung und Aufgabe des Auftraggebers. Im Lastenheft können u.a. folgende Fakten beschrieben und festgelegt werden: der Aufbau der Bestandsdokumentation, die Ausgangssituation im Unternehmen, die allgemeinen Anforderungen an das DMS und CAD System, die Anforderungen an die Hardware (Systemintegration), die Systemauslegung für die Hard- und Software, die Anforderungen für die Inbetriebnahme, die Anforderungen an die Qualität der Hard- und Software (Zertifikate), die Anforderungen an die Projektabwicklung und Hinweise zum Pflichtenheft. Pflichtenheft Im Pflichtenheft formuliert der Anbieter die realistische Umsetzung der Anforderungen, die der Auftraggeber im Lastenheft beschrieben hat. Die Erstellung des Pflichtenhefts erfolgt auf Basis des Lastenheftes. Wichtig ist, dass im Pflichtenheft die Anwendervorgaben und die Realisierungsanforderungen detailliert beschrieben werden. Im Pflichtenheft wird definiert WIE und WOMIT die Anforderungen aus dem Lastenheft zu realisieren sind.
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7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Im Gegensatz zum Lastenheft wird im Pflichtenheft der zu liefernde Leistungsumfang beschrieben. Es werden genaue Aussagen über die Realisierung des einzuführenden DMS getroffen (s. Abb. 7.13). Der Anbieter prüft dabei die Widerspruchsfreiheit und Realisierbarkeit der im Lastenheft genannten Anforderungen.
Abb. 7.13 Inhaltlicher Vergleich zwischen Lastenheft und Pflichtenheft
Das Pflichtenheft muss i.d.R. vor der Auftragserteilung erarbeitet werden, da es Vertragsbestandteil wird. Um Differenzen nach Vertragsabschluss auszuschließen, ist das Pflichtenheft in enger Zusammenarbeit zwischen dem Anbieter und Auftraggeber zu erstellen. Erst wenn das Pflichtenheft durch den Auftraggeber freigegeben wurde, kann die Umsetzung des Projektes beginnen. Nach Genehmigung durch den Auftraggeber wird das Pflichtenheft die verbindliche Vereinbarung (Vertragsgrundlage) für die Realisierung und Abwicklung des Projekts. Als Grundlage für das Erarbeiten eines Lasten- und Pflichtenheftes wird die VDE/ VDI/VDE-Richtlinie 3694 [9] empfohlen. Marktanalyse Mit Hilfe einer Marktanalyse (Marktuntersuchung) werden marktrelevante Informationen für das zu beschaffende Produkt gesammelt und beurteilt. Sie dient zur Absicherung der Investition. Die Marktanalyse hat das Ziel, leistungsfähige, zuverlässige und kostengünstige Lieferanten zu finden. Der Markt bietet eine Vielzahl von Anbietern, die im Bereich Dokumentenmanagement und technische Dokumentation (z.B. der Anlagendokumentation) tätig sind. Durch die Auswertung von Messen, Markuntersuchungen anderer Institutionen, Internet und Zeitschriften können geeignete Anbieter identifiziert werden. Welche Relevanz der jeweilige Anbieter und dessen Software haben, kann nach Sichtung der Prospekt-, Messe- oder Präsentationsinformationen gut abgeschätzt werden. Eine niedrige Relevanz haben Anbieter, die nur Teilfunktionen anbieten oder explizit einen anderen, nichtzutreffenden fachlichen Schwerpunkt haben (z.B. fachfremde Schwerpunkte).
7.3 Einführen eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation
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Eine hohe Relevanz erreichen Anbieter, die den fachlichen Schwerpunkt in den erforderlichen technischen Funktionen haben, ein vollständiges DMS liefern und installieren können sowie Referenz-Kunden im gesuchten Bereich benennen können. Bei einer Recherche finden sich schnell Anbieter, die auf Basis von Relevanzstufen als geeignete Firmen identifiziert werden und in die engere Auswahl kommen. Dabei ist zu beachten, dass viele Anbieter in Spezialbereichen (z.B. DMS für Banken und Versicherungen, Emails) tätig sind. Die detaillierte Eignung des Produkts selbst, wird in dieser Marktuntersuchung nicht angefragt, da die technische Ausprägung erst im Lastenheft beschrieben wird. Die Marktanalyse soll einen geeigneten Systemlieferanten finden, der ein System: liefern und einrichten kann, alle erforderliche Schulungen durchführen kann, die erforderlichen Dienstleistungen zur Systembetreuung erbringen kann, und überzeugend erwarten lässt, dass er das System in den nächsten 10 Jahren mit Fehlerbehebung und Weiterentwicklung pflegen kann. Um den Aufwand in diesem Wettbewerbsverfahren für die beteiligten Systemhäuser und den Auftraggeber gering zu halten, ist durch den Auftraggeber das Anforderungsprofil so zu definieren, dass die Systemhäuser zunächst ihre Leistungsfähigkeit darstellen und Merkmale der angebotenen DMS-Software angeben. Zu diesem Zweck wird zunächst auf Basis des freigegebenen Lastenhefts ein gekürztes Anforderungsprofil erstellt, das folgende Schwerpunkte beinhalten sollte: Produktbezeichnung, Produktalter, Produktsprachen des angebotenen DMS, lizenzpflichtige Software anderer Lieferanten, Betriebssysteme, auf denen das DMS verfügbar ist, Produktverbreitung (Installationen im Bereich der Anlagendokumentation), Menüs, Handbuch und Hilfetexte, Fehlermeldungen für Anwenderfehler, Fehlermeldungen für Administratorfehler, Softwarelieferant (Name, Sitz, Gründungsdatum, Standorte), Anzahl der Mitarbeiter insgesamt, davon im deutschen Sprachraum, Anzahl der Softwareentwickler insgesamt, Dienstleistungsunternehmen (Name, Sitz, Gründungsdatum, Standorte), Anzahl der Mitarbeiter der (deutschsprachigen) Hotline? Zu welchen Zeiten ist die Hotline (deutschsprachig) besetzt? Neben den Antworten zum Fragenkatalog sind vom Anbieter folgende Unterlagen anzufordern und zu übergeben: eine für das Projekt aussagefähige Referenzliste, die allgemeinen Geschäftsbedingungen, allgemeine Preisinformationen. Die Preisinformationen dienen der Budgetierung und der Auswahl des richtigen Ausschreibungsverfahrens (z.B. national/europaweit bei öffentlichen Ausschreibungen). In einem weiteren Schritt werden ausgewählte Anbieter aufgefordert, auf Grundlage einer Musterdokumentation ihr System zu präsentieren. Dadurch können geeignete Systeme identifiziert werden. Für die Auswertung und Wichtung der Bieter-Antworten kann beispielsweise ein Kriterienkatalog analog Abb. 7.14 genutzt werden.
568
7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Abb. 7.14 Musterformular zur Vorauswahl der DMS-Anbieter (Praxisbeispiel)
b) DMS - Auswahlverfahren Ausschreibung Nach der Marktanalyse und Festlegung der geeigneten Anbieter erfolgt die Ausschreibung auf Basis des Lastenheftes. Ein zusätzlicher Fragenkatalog mit internen und für den Bieter nicht sichtbaren Bewertungskriterien [10] erleichtert die Auswahl des Systems. Mögliche Informationen, die beim Bieter abgefragt und nach Angebotsabgabe bewertet werden, enthält Tab. 7.9. Tabelle 7.9 Fragenkatalog für die Bieter (Praxisbeispiel) Nr.
Bewertungskriterien
Bewertung
1
Systemanbieter
2
Produktpalette
3
Referenzen
4
Dienstleistung
5
Systemarchitektur DMS
6
DMS Funktionalität
7
Qualitätsnachweis
1 = erfüllt
8
Sonstiges
2 = gut erfüllt
9
Erklärungen des Systemanbieters
3 = sehr gut erfüllt
Die Beantwortung der einzelnen Fragen kann über eine Gewichtung und deren Erfüllungsgrad bewertet werden. Wichtung
1 = weniger wichtig 2 = wichtig 3 = sehr wichtig
Erfüllungsgrad
0 = nicht erfüllt
Die Bewertungszahl ergibt sich aus Wichtung x Erfüllungsgrad und der Gesamtsumme aller Einzelbewertungen.
7.3 Einführen eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation
569
Ein zusätzliches Leistungsverzeichnis (Auflistung aller Lastenheftforderungen in Tabellenform) ermöglicht den Kostenvergleich zwischen den Anbietern betreffs zusätzlicher Kosten, z.B. für die Systemkonfiguration (Einrichten des Systems auf die Anwenderbedürfnisse) und für die Schulung der Anwender. Die Bereitstellung der Ausschreibungsunterlagen auf Datenträger erleichtert die Auswertung der Angebote. In den folgenden Ausführungen wird die Bewertung von Anbietern näher erläutert. Grundlage sind die angebotenen Gesamtkosten (Hardware-, Software- und Dienstleistungskosten) und der beantwortete Fragenkatalog (Fragestellungen zur Dienstleistung, Hardware, DMS, CAD und Qualitätsmanagement). Angebotsauswertung Bei den eingereichten Angeboten ist darauf zu achten, dass in der jeweiligen Angebotssumme alle „Nebenkosten“ erfasst und ausgewiesen sind. Eine Korrektur wird erforderlich, wenn z.B. die Dienstleistungskosten für die Installation und Konfiguration nicht im Angebot aufgeführt sind. Die Angebote können anschließend, auch unter Einbeziehung der Fragebogenbewertung, verglichen und bewertet werden. Mit den drei erstplatzierten Systemanbietern sind Vorgespräche zu führen, bei denen spezifische Systemfragen und die durchzuführende Präsentation erörtert werden. In den Gesprächen kann die Professionalität des Anbieters bewertet und die Umsetzung der vorgegebenen Musterdokumentation besprochen werden. Die Musterdokumentation wird den Bietern im Vorfeld der Gespräche übergeben, um anhand der praktischen Erfordernisse einen Eindruck von der Umsetzung mit der angebotenen Software zu bekommen. Systempräsentation Durch Systempräsentationen haben die Anbieter die Gelegenheit, ihr DMS vor den zukünftigen Anwendern zu präsentieren. Um die Systemanbieter vergleichen zu können, ist die Präsentation anhand einer allen Anbietern vorgegebenen Musterdokumentation zweckmäßig. Entscheidend für die erfolgreiche Präsentation ist vorrangig der Nachweis einer schnellen und nachvollziehbaren Dokumentensuche, die insbesondere die Bedürfnisse der Anwender widerspiegelt. Die Anwender sind in die Bewertung und Auswahl des DMS einzubeziehen. Zur Auswertung kann ein Fragebogen nach Tabelle 7.10 genutzt werden. Die Systembewertung erfolgt, indem die Erfüllung der angeführten Kriterien gemäß einer Bewertungsskala (z.B. von 1 bis 10) beurteilt wird. Die erreichte Punktzahl spiegelt die Erfüllung der Anwenderbedürfnisse wider. Tabelle 7.10 Fragebogen zur Systembewertung (Praxisbeispiel)
Fragebogen zur Systembewertung (Muster) 1
Allgemeine Bewertung
A
Schwierigkeitsgrad beim Systemeinstieg
B
Benutzeroberfläche des DMS
C
Benutzeroberfläche der Module
D
Präsentation insgesamt
Bewertungsskala 1
+ 2
3
4
5
6
7
8
9 10
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7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Tab. 7.10 (Fortsetzung) 2
Dokumentensuche
A
Suchfunktion zum Auffinden der Daten und Dokumente
B
Anzeige der Dokumente (Liste, Icon)
C
Anzeige der zum Projekt gehörenden Dokumente
D
Visualisierung einzelner Dokumente (Viewer)
E
Visualisierung mehrerer Dokumente?
3
Änderungsmanagement
A
Redlining (Eintragen von Änderungsinformationen)
B
Workflow (versenden der Änderungsinformationen)
4
Druckmanagement
A
Handhabung des Druckmanagers
5
Welche weiteren Anregungen haben Sie?
A
Welche Funktionen haben Ihnen besonders gut gefallen?
B
Was hat Ihnen am vorgestellten System nicht gefallen?
Name/Tel.:
Teststellung Um die Risiken bei der DMS-Einführung zu verringern, ist ein Systemtest einzuplanen. Erst mit einem erfolgreichen Systemtest ist erwiesen, dass die im Lastenheft geforderten Funktionen vom Anbieter auch umgesetzt wurden. Mit dem ausgewählten Systemlieferanten ist eine Teststellung über mindestens zwei Monate zu vereinbaren. Während der Teststellung werden noch einmal alle im Lastenheft und im Fragenkatalog gestellten Forderungen geprüft und bewertet. Die Testphase kann gemäß den Schwerpunkten in Tabelle 7.11 unterteilt werden. Tabelle 7.11 Prüfschwerpunkte bei der Teststellung eines DMS (Praxisbeispiel)
Nr.
Testphasen
Beschreibung
1
Installation
Bewertung der Softwareinstallation und Netzwerkintegration mit Plotterfunktionstest usw.
2
Dokumentenmanagement
Funktionsprüfung der Benutzeroberfläche, Dokumenten-, Archiv und Projektverwaltung. Test der Systemhandhabung, der Menüführung, der gezielten Suchmöglichkeit nach den Dokumenten über Kern- und Sachmerkmale auf Basis der bestehenden Anlagenkennzeichnung. Versionskontrolle und Statuskontrolle (gesperrt/freigegeben). Zugangs- und Privilegien-Management zum DMS. Referenzieren von Dokumenten. usw.
7.3 Einführen eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation
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Tab. 7.11 (Fortsetzung) 3
Dokumentenbearbeitung
Einbindung der CAD-Anwendung und Rasterdatenbearbeitung sowie der WINDOWS-Office-Software. Schnittstelle zu SQL-fähigen Datenbanken. Standardschnittstelle zur Übernahme von gescannten Daten (Rasterdaten).
4
Workflow
Strukturierter Arbeitsfluss bei Dokumentenänderungen. Redlining (Marker) = Eintragen von Änderungsinformationen, ohne Änderung des Originals. usw.
5
Auskunftsarbeitsplatz
Anbindung der vorhandenen Clients und Test der Anwenderakzeptanz.
6
Pflichtenheft
Überprüfung des Fragenkatalogs, Umsetzung der Testergebnisse in das Pflichtenheft usw.
Die angeführte Aufteilung orientiert sich an dem Ziel, möglichst alle Erfordernisse während der Teststellung zu erfassen und die Merkmale für das Pflichtenheft festzuhalten. Das Ergebnis wird in einem Bericht zusammengefasst und ist die Grundlage des zu schließenden Vertrages mit dem Systemlieferanten. Die Testphase ermöglicht, alle Fragestellungen und Modifikationsmöglichkeiten in einem Katalog festzuhalten. Die Angaben aus dem Katalog dienen zugleich zur Spezifikation des erforderlichen Dienstleistungsumfangs, die der Anbieter zur späteren anwenderspezifischen Konfiguration seines DMS benötigt. Systementscheidung Die Entscheidung für das “richtige” System ist und wird immer schwierig sein. Die Entwicklungen auf dem Softwaremarkt sind schnelllebig und unübersichtlich. Eine Entscheidung, die heute richtig erscheint, kann morgen schon wieder falsch sein, da z.B. das Softwareunternehmen aufgekauft oder das ausgewählte Produkt nicht mehr weiterentwickelt und schließlich vom Markt genommen wird. Eine Systementscheidung muss individuell für jedes Unternehmen, abhängig von den Bedürfnissen der Mitarbeiter sowie der Soft- und Hardwareumgebung, getroffen werden. Aus diesem Grund sind die Entscheidungskriterien im Vorfeld der Entscheidung schriftlich festzulegen. Letztlich sollte die Systementscheidung ganzheitlich folgende Kriterien berücksichtigen: 1. Ausschreibung Abgabe und Form des Angebotes, im Vergleich zum Lastenheft sowie Beantwortung des Fragenkatalogs. 2. Angebotsbewertung Kosten und ermittelte Bewertungszahl gemäß Fragenkatalog. 3. Präsentation Bewertung der Umsetzung der Musterdokumentation und die Anwenderakzeptanz im Rahmen der Präsentationen. 4. Teststellung Anforderungen des Lastenhefts wie: Verwaltung von Raster- und Vektordokumenten, hybride Rasterdatenbearbeitung, Integration in das Netzwerk und die Hardware des Auftraggebers, Möglichkeit der Vorgangsbearbeitung (Workflow) usw.
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7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Nach Auswahl kann der Unternehmensleitung und den Kostenverantwortlichen eine schlüssig dokumentierte Entscheidungsgrundlage vorgelegt werden.
7.3.5 Realisierung (Phase IV) a) Systemauslegung Sobald die Systemauswahl erfolgt ist, können die Beschaffung der Hard- und Software sowie die Realisierung der Dokumentenverwaltung mit dem ausgewählten DMS beginnen. Die Übersichtsdarstellung in Abb. 7.15 zeigt beispielhaft eine vorgegebene und zu realisierende DMS-Netzstruktur. Mittels dieser Struktur soll u.a. die Bereitstellung der archivierten Dokumente für jeden Standort gewährleistet werden.
Abb. 7.15 Netzstruktur des DMS (Praxisbeispiel)
Die DMS-Software wird später während der Realisierungsphase auf den Bedarf der Anwender abgestimmt, wobei die Arbeitsabläufe (Workflows) weitestgehend automatisiert werden sollten. Die Softwarestruktur muss an die unternehmensspezifischen Anforderungen angepasst werden, um Schnittstellenverluste zu vermeiden. Ein DMS kann in den meisten Fällen flexibel mit den Erfahrungen und Anforderungen der Anwender „wachsen“. Durch diese Flexibilität wird das Investitionsrisiko minimiert sowie Effektivitätssteigerungen und Kosteneinsparungen möglich. b) Systembeschaffung Die Beschaffung und Installation der Hard- und Software sollte in mehreren Schritten erfolgen. Im beschriebenen Beispiel wurde die Realisierung in drei Schritten durchgeführt.
7.3 Einführen eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation
573
Dazu ist im Vertrag zu vereinbaren, dass die Freigabe der vereinbarten Schritte von der vertragsgerechten Realisierung des jeweils vorausgegangen Schritts abhängt. 1. Schritt In diesem Schritt finden die Einrichtung des DMS-Bearbeitungs- und Verwaltungsarbeitsplatzes sowie die Anbindung eines Clients und der verfügbaren Netzwerkplotter bzw. Netzwerkdrucker statt. Ferner erfolgt die Installation der Datenbank und der Softwarewerkzeuge zur Dokumentenverwaltung und Dokumentenbearbeitung, wie z.B. das CAD-System und der DMS-Manager/-Viewer. Aufgrund der zu diesem Zeitpunkt noch sehr geringen Datenbestände ist im ersten Schritt die Realisierung auf einem Einzelarbeitsplatz zu bevorzugen, da auf Problemfälle schneller reagiert werden kann. Alle Archivstrukturen und Modulfunktionalitäten werden auf diesem Arbeitsplatz getestet sowie dokumentiert und abgenommen. 2. Schritt Im zweiten Schritt kann der zur Aufnahme größerer Datenmengen erforderliche Produktionsserver beschafft werden. Die im 1. Schritt eingerichtete Datenbank (Archivdaten) und die DMS-Module werden auf den Archivserver übertragen. Nach diesem Schritt kann auch die Anbindung weiterer Clients erfolgen. 3. Schritt In diesem Schritt erfolgt die Einrichtung der Auskunftsarbeitsplätze auf den Anlagenstandorten und deren Anbindung an den Produktionsserver über die vorhandenen Netzwerke. c) Systemumsetzung des DMS Die praktische Strukturierung des DMS kann z.B. in ein Managementmodul (Datenmanagement & Workflow), Funktionsmodul (Viewer), Bearbeitungsmodul (hybride CAD-Anwendung) und Datenbankmodul gegliedert werden (s. Tab. 7.12). Tabelle 7.12 Übersicht der DMS-Module (Praxisbeispiel) Managementmodule Archiv
Workflow
Funktionsmodul
Anwendungsmodul
Viewer
Hybrid-CAD
Struktur der Anlagenkennzeichnung
Änderungswesen
Sichten der Dokumente
Bearbeiten der Dokumente
Archivierung im Rasterformat (TIFF/G4)
Automatisierung der Arbeitsprozesse
Darstellung/Drucken Hybride Bearbeitung gemäß Auswahl von Vektor und Pixel
Datenbankmodul
Den einzelnen Modulen sind die in der Teststellung (s. Tab. 7.11) überprüften Funktionen zugeordnet. Die Benennung der Module ist bewusst allgemein gewählt, da die Softwareanbieter betreffs der Funktionsbezeichnungen kreativ sind. Um die Funktionen besser nachvollziehen zu können, verbessert eine solche Zuordnung die Vergleichbarkeit der Systeme.
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7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Managementmodul Das Managementmodul fasst die Funktionalität der projekt- und/oder produktorientierten Verwaltung des Datenbestands zusammen. Dieses Modul bildet die Kernfunktion des DMS ab. Es bestehen u.a. aus den Verwaltungsfunktionen (speichern, suchen, drucken, referenzieren, sperren u.a.). Weitere Funktionen der Vorgangsbearbeitung (Abbildung von Geschäftsprozessen), wie z.B. der Workflow zur Dokumentenänderung, werden diesem Modul zugeordnet. Wichtig ist, dass die Funktionen auf den Bedarf der Anwender abgestimmt werden. Funktionsmodul Mit dem Funktionsmodul wird ein Viewer zum Sichten der Dokumente bereitgestellt. Der Viewer ermöglicht die Suche, das Sichten und wenn erforderlich das Ausdrucken der Dokumente. Ein Viewer kann unterschiedliche Datenformate interpretieren und anzeigen. Für die Handhabung innerhalb des DMS wird empfohlen, sich auf wenige Datenformate wie z.B. TIFF, PDF, Office und CAD zu beschränken. Wichtig für die Anwender ist die einfache Handhabung. Bem.: Im vorliegenden Praxisbeispiel wurden für das DMS die Datenformate TIFF/G4 und PDF/A als Archivierungsformate festgelegt, da diese Formate zur Langzeitarchivierung geeignet sind. Es handelt sich hierbei um frei zugängliche Datenformate, die langfristig nutzbar sein sollten.
Zusätzlich bietet der Markt noch sog. Redlining-Module, die wie ein Notizblock funktionieren. Es können hier ergänzende Informationen auf Zeichnungen und Dokumente aufgebracht werden, ohne diese zu verändern. Erläuterungstexte und Skizzen werden auf einer gesonderten Ebene abgelegt und an das Dokument angebunden. Dieses Modul versetzt die Mitarbeiter/-innen in die Lage, Korrekturen zu dokumentieren und die Informationen von Änderungen an die zentrale Dokumentenverwaltung weiterzuleiten. Die Redlining-Funktion kann in einen zukünftigen Workflow eingebunden werden. Anwendungsmodul (Applikationsmodul) In diesem Modul kann die Bearbeitungs- und Modifizierungssoftware (wenn erforderlich) zugeordnet werden. Für die Bearbeitung und Pflege der Dokumente bietet sich ein hybrides CAD-System (Raster/Vektor Editiersystem) als Applikation an, welches in das Datenmanagement eingebunden werden kann. Diese Systeme verfügen über die einschlägig bekannten Funktionen, die für die Bearbeitung von Raster- und Vektor-Dateien erforderlich sind. Die Bearbeitungsfunktionalität zum Editieren von Rasterdaten dient im Wesentlichen der Pflege von gescannten Daten aus dem Altarchiv. Das Programm erkennt Rasterinformationen, wie Linien, Kreise, Schnittpunkte als Elemente, und erleichtert hierdurch die Handhabung dieser Daten. Grundverschmutzungen von gescannten Dokumenten können mit diesem Modul weitgehend automatisch bearbeitet werden. Dynamische Kopier-, Bewegungs- und Skalierfunktionen erleichtern das Einpassen von Rasterelementen, wie Baugruppen und Texte. Bem.: Wenn eine Langzeitarchivierung von Daten, z.B. bei einem Anlagenbetreiber, im Fokus steht, führt die Archivierung von Vektordaten nicht zum gewünschten Ergebnis. CAD-Datenformate werden fortgeschrieben und Dateien können i.d.R. nach wenigen Jahren nicht mehr eingelesen werden.
7.3 Einführen eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation
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Auf dem Markt werden automatische Verfahren zur Konvertierung von Raster- zu Vektordaten angeboten. Die Art der Vektorisierung hängt von der jeweiligen Qualität der verwendeten Eingabe-Raster-Daten ab. Diese Verfahren sind wesentlich kostengünstiger als der Konvertierungsaufwand für Vektordaten.
Datenbankmodul Vor der Beschaffung einer Datenbank ist zu prüfen, ob im Unternehmen bereits Datenbanksoftware vorhandenen ist und diese gegebenenfalls für das zu beschaffende DMS verwendet werden kann. Hier lassen sich gegebenenfalls erhebliche Kosten bei der Installation und Systembetreuung einsparen. Wenn diese Möglichkeit nicht besteht, bietet der Markt eine Vielzahl hierauf spezialisierter Anbieter. Als Datenbank empfiehlt sich eine relationale Datenbank, die eine SQL-Schnittstelle (Structured Query Language) zur Verfügung stellt. Die Datenbank sollte separat von der DMS-Software gekauft werden, damit bei künftigen Systemfortschreibungen (Migration) ein Wechsel des DMS-Anbieters möglich ist. d) Systemfortschreibung (Migration) Geschäftsprozesse ändern sich und werden kontinuierlich und in immer kürzeren Zeitabständen weiterentwickelt. Um den Anforderungen des Markts und der Ergonomie zu genügen, ist oftmals bereits nach relativ kurzer Nutzungsdauer (im Schnitt alle fünf Jahre), eine Systemfortschreibung (Migration) erforderlich. Die Systemfortschreibung betrifft die Hard- und Software gleichermaßen. Bei der Migration werden neue Funktionen, unter Beibehaltung der bestehenden Datenbankinformationen, auf das bestehende System aufgesetzt. Migrationen werden vor allem durch die Weiterentwicklung der Betriebssysteme und dem Bedürfnis nach verbesserter Ergonomie der Anwendungssoftware verursacht. Zur besseren Übersicht ist eine Matrix der vorhandenen DMS-Module zu den neuen DMS-Modulen zweckmäßig (s. Tab. 7.13). Damit wird die Übertragung der gewünschten Funktionen besser gewährleistet. Die „alten“ Funktionen sind mit den „neuen“ Funktionen abzugleichen, da der Anwender die bewährten Funktionalitäten in der neuen Anwendung wieder finden will. Tabelle 7.13 DMS-Migrationsmatrix (Praxisbeispiel) NEU
Serversoftware
Administration
Managementmodul: DMS-Archiv
X
X
Managementmodul: Workflow
X
Funktionsmodul: Viewer
X
ALT
Rasterdaten Bearbeitung
X
Bearbeitungsmodul Basis: vorhandene Relationale - Datenbank
e) Vertragsabschluss Für den Vertragsabschluss von Lieferungen/Leistungen betreffs Informationstechnik (IT) gibt es i.d.R. in jedem Unternehmen eigene Regeln und Anforderungen. Seitens der Anbieter werden oft eigene Vertragsarten und -bedingungen eingebracht.
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7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Ein IT-Liefervertrag sollte folgende Themen beinhalten: Softwareüberlassung (Festlegung der Version und der Updates), Nutzerlizenzen, Softwarebetreuung (Konfigurations- und Migrationsbetreuung), Customizing (Anpassung der Software an die Kundenbedürfnisse), Hardware (Kauf und Wartung), Zukunftsentwicklung des Systems und Bestandsgarantien. Als neutrales Vertragsmuster bieten sich die sog. EVB-IT-Verträge [11] (Ergänzende Vertragsbedingungen für die Beschaffung von Informationstechnik) an, die im Bereich der öffentlichen Hand ihre Anwendung finden. Auch für privatwirtschaftliche Unternehmen sind diese Verträge von Interesse. Auf Basis dieser Vertragsmuster lassen sich Verträge schließen die eine erfolgreiche Systemeinführung gewährleisten. Die Muster für zahlreiche EVB-IT-Vertragstypen sind in [11] verfügbar.
7.3.6 Zusammenfassung zur DMS-Einführung Die Realität beim Dokumentenmanagement sieht auch heute noch so aus, dass neben elektronischen Dokumenten in Form änderbarer und unveränderbarer Dateien auch Dokumente in Papierform verwaltet werden müssen (s. auch Abschn. 1.6). Ein unternehmensweites Dokumentenmanagement-System (DMS) wird durch eine Kombination aus organisatorischen und technischen Restriktionen erheblich behindert. Die Unternehmensführung tendiert vielfach dazu, vorhandene ERP-Systeme (Enterprise-Resource-Planning) auch für das Management von Anlagendokumenten nutzen zu wollen, obwohl diese ERP-Systeme aufwendig und komplex sind. Mitunter ist gerade aus diesen Gründen eine unternehmensweite Nutzung für die Anlagendokumentation schwierig bzw. nicht möglich. Im Zweifel ist aber weniger mitunter mehr! Ein globales und unternehmensweit genutztes DMS ist für viele Unternehmen auch heute noch eher Vision als Realität. In jeden Fall sollte bei der Einführung eines DMS berücksichtigt werden, wer das System nutzen soll (z.B. Betriebsabteilungen, Technische Büros, Einkauf), damit bei den Anwendern eine notwendige Akzeptanz erreicht wird. Bei der Einführung eines DMS ist die Dokumentenstruktur inkl. Dokumentenkennzeichnung ein wichtiger Faktor. Je eindeutiger eine Dokumentation strukturiert bzw. ein Dokument charakterisiert ist, umso einfacher ist die Ablage und Suche. Freitextrecherchen stoßen bei gescannten technischen Dokumenten schnell an ihre Grenze. Das Einpflegen der Dokumente in das DMS sollte in folgender Weise erfolgen: erfassen – prüfen – freigeben/ablehnen – ablegen/archivieren nach Merkmalen. Die wichtigen Meilensteine und Erfahrungen bei Einführung eines DMS sind:
Analyse der vorhandenen Dokumente und Prozesse hinsichtlich der geplanten DMSAnwendung (Menge, Formate, Zugriffshäufigkeit, Ablageorganisation). Erarbeiten eines realistischen Lastenhefts und des DMS-Systemkonzepts. Ausgehend vom Systemkonzept erfolgt die Auswahl eines DMS, welches die definierten Anforderungen am besten abdeckt.
7.4 Betreiben eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation
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Die Einführung eines DMS erfolgt schrittweise, wobei zunächst die Bereiche berücksichtigt werden, die aus dem DMS den größtmöglichen Nutzen ziehen. Die Akzeptanz der Nutzer entscheidet oftmals über den Erfolg oder Nichterfolg einer DMS-Einführung. Zusammenfassend ist festzustellen: Es gibt keine "guten und schlechten Systeme“, sondern vor allem „passende oder unpassende“!
7.4 Betreiben eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation Nach der Projektabwicklung erfolgt die Nutzung der Dokumentation im Zeitraum des Anlagenbetriebs bis zum Rückbau der Anlage. Die Anlagendokumentation des Betreibers (Synonym: Bestandsdokumentation) dient in erster Linie dazu, bestimmte Zielgruppen (Projektleiter/-ingenieur, Betriebs-/Wartungspersonal, Behörde u.a.) mit den jeweils benötigten Informationen über die Anlage zu versorgen. Sie umfasst letztlich alle technischen Unterlagen zum gesamten Anlagenbestand. Die Anlagendokumentation dient ferner der Archivierung aller für die Anlage relevanten Dokumente beim Anlagenbetreiber über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Zu den Hauptaufgaben der Archivierung mittels DMS gehört das Sammeln, Bewerten, Ordnen, Erschließen und Verwalten von technischen und kaufmännischen Dokumenten.
7.4.1 Personal und Qualifikation Um die Qualifikation und die Tätigkeiten für das Dokumentenmanagement zu beschreiben, sind die Aufgaben und der Tätigkeitsbereich mit einen passenden Namen zu kennzeichnen. Da im Gegensatz zum reinen Archivieren in dieser Funktion viele Abstimmungen der Unternehmensbereiche erfolgen müssen, bieten sich in diesem Zusammenhang die Aufgabenbezeichnungen als DMS-Koordinator und als DMS-Archivar an. Die Tätigkeitsbeschreibung des DMS-Koordinators und des DMS-Archivars ist abhängig von den Aufgaben, die für das DMS durchgeführt werden sollen. In den nachfolgenden Beispielen wird der Schwerpunkt auf die Beschreibung einer Tätigkeit im Bereich der „Anlagendokumentation“ gelegt. Es ist von erheblicher Bedeutung, dass dem DMS-Koordinator die Betreuung der DMS-Systemfunktionen übertragen wird, da nur er den Funktionsbedarf praxisbezogen beurteilen kann. Die Betreuung der allgemeinen Soft- und Hardware (Datensicherung, Datenbank, Betriebssystem usw.), muss von der IT-Systembetreuung vorgenommen werden. Die Tätigkeit bezogen auf die Anlagendokumentation beinhaltet das Sammeln und Archivieren von Information (Dokumenten) über alle Lebensphasen der Anlage. Die dazu notwendigen ca. 200 bis 300 Dokumentenarten sind in der Liste wichtiger Dokumentenarten (LwD) zusammengefasst und in den Abschn. 3.6.2 bis 3.6.11 aufgeführt und erläutert. In der Regel sollte der DMS-Koordinator bzw. der DMS-Archivar nach Abstimmung mit dem Betrieb entscheiden, welche Dokumente aufbewahrt werden müssen und welche nicht.
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7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Die Abgrenzung welche Dokumente hinsichtlich ihrer Relevanz langzeitarchiviert werden, ist insbesondere von den Anlagen und ihren Komponenten, der Betriebs- und Personalsituation und der erforderlichen Dokumentenlebensdauer abhängig. Dokumente, die für das DMS nicht von Bedeutung sind, werden nur in der gelieferten AS BUILT-Dokumentation („eingefrorenes“ Exemplar in Papierversion) aufbewahrt. Nachfolgend werden die Aufgabenschwerpunkte möglicher Stellenbeschreibungen für den DMS-Koordinator und DMS-Archivar beispielhaft angeführt. Aufgabenschwerpunkte eines DMS-Koordinators (m/w) Fortschreibung und Ausbau des bestehenden technischen DokumentenmanagementSystems (DMS), Projektleitung für die Einführung neuer DMS-Module, z.B. für die Projektdatenverwaltung inkl. Konzeption, Realisierung, Test und Produktionseinsatz, Administration der DMS-Funktionen, wie z.B. das Anlegen neuer Anwender, Rechtevergaben und Entwicklung von Handbüchern, Betreuung der Kennzeichnungssysteme der Anlage und der Dokumentation, Anpassung der Ablauforganisation an die DMS-gestützte Vorgangsbearbeitung (Workflow) mit dem Ziel einer vollständigen elektronischen Aktenführung, Bearbeitung der Spezifikationen (Regelwerke, Handbücher) für die Anwender, Schulungsorganisation und Schulungsdurchführung der DMS-Anwender, Kenntnisse im Umgang mit wichtigen Dokumentenarten, wie Lage-, Bau-, Maschinenbau- und Elektroplänen sowie mit R&I-Fließschemata, Prüfung der eingereichten Bestandsdokumentation sowie deren Ablage im Dokumentenmanagement-System. Aufgabenschwerpunkte eines DMS-Archivar (m/w) Fortschreibung und Ausbau des bestehenden DMS, Betreuung der Kennzeichnungssysteme der Anlage und Dokumentation, Schulungsorganisation und -durchführung der DMS-Anwender, Kenntnisse im Umgang mit Lage-, Bau-, Maschinenbau- und Elektroplänen bzw. zeichnungen sowie mit Verfahrensfließschemata, Prüfung der eingereichten Bestandsdokumentation sowie deren Ablage im Dokumentenmanagement-System. Für den Bereich der Anlagendokumentation ist ein entsprechendes Verständnis für die Anlagentechnik eine notwendige Voraussetzung.
7.4.2 Schulung der DMS-Anwender Um bei der künftigen Systemanwendung eine hohe Sicherheit und Routine zu gewährleisten, sollten die späteren Nutzer bereits im Probebetrieb am System arbeiten. Damit bleibt vor Beginn des Produktionsbetriebs (Echtbetrieb) genügend Zeit, um das DMS kennenzulernen. Die Schulung der Anwender während der DMS-Einführung beschränkt sich häufig nur auf den Umgang und die Nutzung der grundlegenden Systemfunktionen. Oftmals werden vertiefende Schulungen zwar zugesagt aber meist im betrieblichen Alltag „vergessen“. Nicht selten erfolgt die Schulung in Eigenleistung nach dem Motto “Learning by Doing“. In diesen Fällen werden keine Kosten gespart, sondert Kosten erzeugt, weil mehr Zeit für den Lernprozess und den Betrieb des DMS benötigt wird.
7.4 Betreiben eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation
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Bei einer konsequenten Planung und Durchführung der Schulungen werden die Projektziele bei der DMS-Einführung schneller und wirtschaftlicher erreicht. Unter den Begriff Projektziele fallen in Verbindung mit Schulungsmaßnahmen z.B.: schnelle Dateneingabe, hohe Anwenderakzeptanz, Anpassung der Geschäftsprozesse, Vermeidung von Datenverlusten. Die durch die Einführung des DMS veränderten Geschäftsprozesse müssen im Unternehmen/Betrieb geschult und umgesetzt werden. Erfahrungsgemäß werden bis zu 70 % der Datenverluste durch Bedienungsfehler am DMS verursacht. Bei der Schulung der Anwender sind ferner folgende Hinweise zu beachten: die Schulungskonzeption muss praxisnahe Beispiele beinhalten, die Durchführung der Schulung muss an die Fähigkeiten der zu schulenden Personen angepasst sein, Hilfefunktionen sollten im System abrufbar sein, die Anregungen zur Systemverbesserung, die während der Schulung geäußert werden, müssen umgehend geprüft und gegebenenfalls direkt umgesetzt werden, der Anwender muss in der Schulungsphase intensiv betreut werden, die Hotline des Systemlieferanten muss immer erreichbar sein.
7.4.3 Pflege und Fortschreiben des DMS Ein DMS kann nur dann erfolgreich betrieben werden, wenn das System organisatorisch und technisch auf Stand gehalten wird. Das DMS muss hinsichtlich Soft- und Hardware weiterentwickelt werden, um EDV-technisch den Anschluss nicht zu verlieren. Für die Anpassung der DMS-Software (Datenbank, Betriebssystem) und der DMS-Hardware ist mit einem Rhythmus von drei bis maximal fünf Jahren zu rechnen. a) Hardwarepflege Für die zuverlässige Nutzung der Hardware wird in der IT-Branche mit einer Zeitspanne von drei Jahren gerechnet, da in diesen Zeitraum mit geringen Ausfällen zu rechnen ist. Das Ausfallrisiko erhöht sich anschließend wesentlich, da die Serverhardware 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr in Betrieb ist. Ein zusätzliches Problem entsteht nach diesem Nutzungszeitraum von ca. 3 Jahren dadurch, dass die Ersatzteilbeschaffung immer schwieriger wird. Für viele Unternehmen sind die Server das Herzstück ihrer IT- Infrastruktur. Fällt ein Server aus, ist kein Zugriff auf die PC-Anwendungen und Daten möglich. Um die Daten und den Betrieb abzusichern, sind ausreichende Sicherungsmaßnahmen einzuführen (s. Abb. 7.16). Dem DMS-Produktionsserver wird ein weiterer Server (Failover) als Ausfallsicherung zugeordnet. Beide Server sind zusätzlich mit Dauerspeichersystemen verknüpft, auf denen zusätzlich alle DMS-Daten gespeichert werden. Die DMS-Client-PC`s (Bearbeitungs- und Auskunftsplätze) greifen im Normalfall auf den Produktionsserver zu. Nur bei einem Systemausfall werden die Clients auf den Failover-Server umgeleitet.
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7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
Alle Schulungen und Softwaretests werden ausschließlich auf einem separaten Server (Test & Schulung) durchgeführt, um Datenverluste zu vermeiden. Für die Stromversorgung werden alle drei Server zusätzlich über eine USV (Unterbrechungsfreie Stromversorgung) abgesichert, um bei Störungen einen Datenverlust zu vermeiden.
Abb. 7.16 Strukturbild einer Hardwareauslegung (Praxisbeispiel)
b) Softwarepflege, Datensicherheit und Datenschutz Grundsätzlich sind alle vom Softwareentwickler angebotenen Updates für das DMS zu nutzen, um immer „Up to Date“ zu bleiben. Ferner müssen die sich ständig verändernden Datenschutz- und Datensicherheitsanforderung beachtet und umgesetzt werden. Das Gewährleisten der Datensicherheit und der Datenschutz gehört zu den Aufgaben der Administration und müssen konzeptionell auf den gesamten IT-Bereich abgestimmt werden. Der Schutz der Daten und Dokumente gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Administration. Die Datensicherheit hat oberste Priorität und muss durch folgende Maßnahmen gewährleistet werden: personell (Fachpersonal), organisatorisch (definierter Zutritt zum Server und Zugriff auf das System), hardwareseitig (Backup-Server), softwareseitig (Sicherungssoftware, Firewall usw.), bauliche Maßnahmen (z.B. Schutz gegen Brand, Wasser, Sturm usw.). Zur Umsetzung dieser Maßnahmen muss ein spezifisches Unternehmenskonzept erarbeitet werden. Dazu ist eine Risikobeurteilung hinsichtlich Datensicherheit zweckmäßig. In dieser sind die relevanten Unternehmensschwachpunkte zu ermittelt und notwendigen Schlussfolgerungen/Sicherheitsvorkehrungen abzuleiten.
7.4 Betreiben eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation
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7.4.4 Pflege der Dokumentationsstruktur und Daten im DMS a) Pflege der Dokumentationsstruktur Abb. 7.17 zeigt die typische Dokumentationsstruktur einer Betreiberdokumentation bzw. Bestandsdokumentation, wie sie den Ausführungen in Abschn. 7.3 zugrunde lag und im eingeführten DMS abgebildet wurde.
Abb. 7.17 Dokumentationsstruktur einer Betreiberdokumentation (Praxisbeispiel)
Im Einzelfall hängt die Struktur von der Anlagen- und Betriebssituation im Projekt bzw. Unternehmen ab. Im konkreten Praxisbeispiel diente die Struktur und das DMS den Dokumentationsinteressen des Betreibers einer großen verfahrenstechnischen Anlage. Entsprechend der Fortentwicklung der betrieblichen Gesamtsituation und der daraus erwachsenden neuen Anforderungen an die ganzheitliche Betreiberdokumentation ist die Zweckmäßigkeit der Dokumentationsstruktur regelmäßig zu prüfen und gegebenenfalls, unter Beachtung der aktuellen Software- und Hardwaregegebenheiten, anzupassen. b) Datenpflege (s. auch Buchst. d)) Der Anlagenbetreiber als Hauptnutzer der Dokumentation muss gemäß seinen Erfordernissen und Wünschen konkrete Vorgaben/Ziele zur Weiterentwicklung der Dokumentation sowie zu deren besserer Verwaltung im DMS formulieren. Zugleich muss der Anlagenbetreiber nachprüfbare Qualitätskriterien an neue Dokumente, z.B. bei Umbau- und/oder Instandhaltungsmaßnahmen, in Form von Spezifikationen oder Musterdokumenten vorgeben. Noch zu oft werden vom Anlagenbetreiber und seinem Dienstleister Mängel in der Dokumentation toleriert oder bagatellisiert.
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7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
c) Archivierung im DMS Wenn das eingeführte DMS als Produktivsystem freigegeben ist und die Archivierung von Dokumenten beginnt, sollte nochmal überprüft werden, welche Dokumentationen und welche Dokumente im System verwaltet werden sollen. Dabei ist u.a. zu klären, welche von den Auftragnehmern erstellten Dokumente und welche Dokumente aus dem analogen Zeichnungsarchiv übernommen werden sollen. Aufgrund der Vielzahl der einzupflegenden Dokumente sind hier Prioritäten festzulegen. Im Anschluss sind folgende Tätigkeiten erforderlich: digitale Aufbereitung der Dokumente, wie scannen und/oder Datenformatprüfung, Erschließung der Informationen und Zuordnung der Dokumente zur Anlagenstruktur, Archivierung der Dokumente im DMS in der vorgeschriebenen Reihenfolge. Die Umwandlung von papiergebundenen Dokumenten in digitale Dateien (TIFF, PDF/A) ist ein weiterer wichtiger Teil einer DMS-Implementierung und der DMSNutzung. Diese Aufgabe kann schnell und relativ günstig mit handelsüblichen Multifunktionsgeräten durchgeführt werden und wird oft als Dienstleistung angeboten. d) Dokumentenänderungsdienst im DMS Der Änderungsdienst ist in der analogen Dokumentenverwaltung und insbesondere im DMS ein problematisches Thema, da dies von vielen Unternehmen nicht konsequent priorisiert wird. Die organisatorischen Voraussetzungen sind in den Unternehmen meist vorhanden, es fehlt aber oft an der praktischen Realisierung. Leider mangelt es zumeist an aktiven Änderungsprozeduren bzw. an deren praktischer Umsetzung. Viele DMS bieten eine Funktion an, mit der die Änderungsmerkmale (als Änderungsstammsatz) bei jeder Versionisierung bzw. Revisionierung gespeichert werden können. Diese Informationen sind jederzeit wieder abrufbar. Diese Historie kann im Bedarfsfall genutzt werden, um Änderungen zu verfolgen bzw. geänderte Dokumente zu verifizieren. Der Änderungsdienst soll gewährleisten, dass die in der Anlagendokumentation vorhandenen Dokumente die tatsächliche, aktuelle Situation wiedergeben. Der Änderungsdienst besteht i.d.R. aus drei Schritten: 1. Schritt: Änderungsdienst muss Information darüber bekommen, dass in der Anlage eine Änderung vorgenommen wurde. 2. Schritt: Änderung in den Dokumenten vornehmen. 3. Schritt: geänderte Dokumente wieder dem Nutzer elektronisch und/oder als Papierfassung (Referenzexemplar) zur Verfügung stellen. Das Hauptproblem des Änderungsdienstes liegt bei der Informationsbeschaffung im 1. Schritt, d.h. wann und welche Änderung durchgeführt wurde bzw. geplant ist. Grundsätzlich unterscheiden sich dabei die langfristig geplanten Umbaumaßnahmen von den kleineren operativen Maßnahmen (s. Abschn. 6.2). Über den Fortschritt bei den Umbau- und Investitionsprojekten wird der Änderungsdienst normalerweise ausreichend informiert. Die Dokumente werden gemäß dem Projektfortschritt erstellt, geprüft und in die Anlagendokumentation eingestellt. Problematisch ist die Informationsbeschaffung bei den kleineren Änderungen und Reparaturen im Rahmen des Betriebs.
7.4 Betreiben eines Dokumentenmanagement-Systems für die Anlagendokumentation
583
Um auch in diesen Fällen den Änderungsdienst zu verbessern, sollten folgende Hinweise beachtet werden: Das Unternehmensmanagement aller Ebenen muss die Aktualität der Dokumentation einfordern, z.B. zwecks Gewährleistung der Technischen Integrität im Unternehmen. Die Nutzer der Dokumente (Meister, Planer, Feuerwehr, Einkauf u.a.) müssen ein Interesse und einen eigenen Nutzen an der Weitergabe ihrer Informationen an die Änderungsabteilung haben. Der Nutzen besteht u.a. darin, dass beim nächsten Dokumentenzugriff bereits die Änderungen eingepflegt wurden und die Dokumente aktuell sind. Es ist also wichtig, dass Änderungen zeitnah vorgenommen werden, so dass der Nutzer den Erfolg seiner Informationsweitergabe sieht. Die Organisation des Unternehmens muss den Änderungsprozess/Workflow abbilden. Unternehmen, in denen es eine zentrale Arbeitsvorbereitung gibt, haben i.d.R. kein Problem mit der Informationsbeschaffung, da in dieser Abteilung genaue Kenntnisse über alle durchgeführten Arbeiten vorliegen. e) Qualitätskontrolle bei der Dateneingabe Um die Dokumentenübernahme in das DMS unkompliziert bewältigen zu können, sind Maßnahmen zur Qualitätskontrolle der Dokumente erforderlich. Zunächst sind die existierenden Vorgaben (s. Abschn. 7.3.3, b) der Dokumentationsqualität vertraglich zu vereinbaren und bei den Erstellern einzufordern. Darüber hinaus sind die neuen bzw. geänderten Dokumente vor ihrer Eingabe/Ablage im DMS einer Qualitätsprüfung nach folgenden Mindestkriterien zu unterziehen: Prüfung nach allgemeinen Kriterien Schwachstellenanalyse der Ordnungsmäßigkeit Feststellung des As-built-Zustands (Aktualität der Dokumentation) sprachlich und sachlich richtig und verständlich gesetzes- und normenkonform Zuordnung zum vorgegeben Kennzeichnungssystem schlüssige Dokumentation (Konsistenz , Gliederung) Betreiber taugliche Dokumentation (Beschreibung aller Anforderungen) langfristige Lesbarkeit (TIFF, PDF/A) Versionskontrolle, Änderungsdienst Prüfung der inhaltlichen Anforderungen allgemeine Anforderungskriterien, wie Identifizierbarkeit, Eindeutigkeit, Nachverfolgbarkeit, Widerspruchsfreiheit, Zusammengehörigkeit, Methodik Dokumentationseigenschaften und grundlegende Anforderungen, wie z.B. Struktur, Format, Inhalts- und Abbildungsverzeichnis, Quellenverzeichnis Lesbarkeit, Übersichtlichkeit, Grammatik und Satzbau, Layout, typografische Konventionen, Verknüpfungen Sprache, Präzision, Knappheit, Fremdwörter, sprachliche Konsistenz Verwendung definierter Begriffe (Terminologie) Nutzbarkeit (Usability), Revisionierung, Index, Ausgabedatum, Verfasser Der Auftraggeber sollte für die Qualitätsprüfung der Dokumentation auf Basis der Spezifikationen sowie anhand seiner Erfordernisse und Erfahrungen, praktikable Checklisten bzw. Dokumentenanforderungslisten erstellen und gezielt nutzen (s. Abschn. 6.2.3).
584
7 Elektronische Dokumentation und Dokumentenmanagement
f) Weitere Maßnahmen zur Datenpflege Um ein DMS kontinuierlich zu verbessern, können u.a. folgende weitere Maßnahmen durchgeführt werden: 1. Einführung eines betrieblichen Änderungsdienstes Änderungsantrag durch den Veranlasser technische Bewertung und Durchführung Änderung der Dokumente kontinuierliche Aktualisierung der Dokumente im DMS 2. Verbesserung der Datenqualität im DMS Ergänzen der Metadaten Referenzieren der Komponenten Vereinheitlichen von Benennungen, Inhalten und Dokumentationsstrukturen Strukturanpassung der Digitaldokumentation und der Papierdokumentation 3. Verknüpfung des DMS mit den Instandhaltungstools Zugriff der Instandhaltung/-halter auf das DMS Rückkopplung über den betrieblichen Änderungsdienst 4. Pflege und Weiterentwicklung der Klassifizierungsmerkmale (z.B. AKZ) zentrale Vergabe der Klassifizierungsmerkmale qualitative Prüfung der Klassifizierungsmerkmale 5. Zeitnahes Einpflegen der Dokumentation in das DMS Einpflegen unmittelbar nach Abnahme der Dokumentation. Darüber hinaus wird empfohlen, die Vorschläge der Anwender aufzugreifen und möglichst umzusetzen. Damit wird die Akzeptanz für das DMS deutlich verbessert.
Literatur [1]
Götzer K, Maier B, Schmale R, Rehbock K, Komke T (2014) DokumentenManagement, dpunkt.verlag, Heidelberg
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Kurz U, Wittel H (2014) Böttcher Forberg Technisches Zeichnen: Grundlagen, Normung, Darstellende Geometrie und Übungen, Springer Vieweg Verlag, Wiesbaden
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Borrmann A, König M, Koch C, Beetz j (Hrsg) (2015) Building Information Modeling – Technologische Grundlagen und industrielle Praxis, Springer Viehweg Verlag, Wiesbaden
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GoBD – Grundsätze zur ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff vom 01.01.2020, Verwaltungsvorschrift des Bundesministerium der Finanzen (BMI)
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Steinbrecher W, Müller-Schnurr M (2014) Prozessorientierte Ablage – Dokumentenmanagement-Projekte zum Erfolg führen. Praktischer Leitfaden für die Gestaltung einer modernen Ablagestruktur, Springer Gabler Verlag
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ISO 19005-1: Document management — Electronic document file format for long-term preservation — Part 1: Use of PDF 1.4 (PDF/A-1)
Literatur
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DIN 69901: Projektmanagement – Projektmanagementsysteme Teil 1: Grundlagen Teil 2: Prozesse, Prozessmodell Teil 3: Methoden Teil 4: Daten, Datenmodell Teil 5: Begriffe
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DIN 6779: Kennzeichnungssystematik für technische Produkte und technische Produktdokumentation Teil 10: Kraftwerke Teil 11: Schiffe und Meerestechnik Teil 12: Bauwerke und technische Gebäudeausrüstung Teil 13: Chemieanlagen
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VDI/VDE 3694: Lastenheft/Pflichtenheft für den Einsatz von Automatisierungssystemen
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UfAB (2018) Praxis der IT-Vergabe
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EVB-IT, Ergänzende Vertragsbedingungen für die Beschaffung von Informationstechnik, www.evb-it.de / www.cio.bund.de
[12]
DIN-VDE Taschenbuch 351 (2018) Technische Dokumentation – Normen für technische Produktdokumentation und Dokumentenmanagement
Glossar (Glossary) Bemerkungen: a) Begriffe des Glossars sind im Text fett gedruckt b) Synonyme bzw. englische Begriffe sind im Glossar in (…) gesetzt und kursiv gedruckt Ablage/Ablegen:
kurz- und mittelfristige Aufbewahrung und Verwaltung von Informationen bzw. Dokumenten zum Zweck des schnellen und einfachen Zugriffs (Unterbegriffe: Abheften (Papier) und Abspeichern (Datei))
änderbare Daten/Dateien:
Daten bzw. Dateien, die mit dem zugehörigen Anwendungsprogramm editiert (geändert, ergänzt, fortgeschrieben) werden können (bearbeitbare Daten/Dateien)
Anlage:
Gesamtheit der zur Durchführung eines Verfahrens notwendigen Ausrüstungen und Einrichtungen in ihrer funktionalen Kopplung und räumlichen Anordnung
Anlagendokumentation:
Gesamtheit aller Dokumente, die zur technologischen, technischen, baulichen und sicherheitlichen Beschreibung der Anlage dienen (Technische Dokumentation der Anlage)
Anlagenprüfkataster:
Aufstellung aller für eine Anlage relevanten wiederkehrenden Prüfungen (s. auch Prüfdokumentation)
Anlagenkennzeichen (AKZ):
Identifikator für eine bestimmte Anlagenkomponente/Bauteil (allgemein: Objektkennzeichen)
Anlagenkomponente:
Produkt (i.S. bewegliche Sache), das Teil einer verfahrenstechnischen Anlage ist
Anlagensicherheit:
betrachtet und vermeidet bzw. minimiert Gefährdungen und Risiken von Personen, Umwelt und anderen Schäden, die sich durch die Verfahrens- und Anlagentechnik inkl. Prozessleitsystem während des Anlagenbetriebs ergeben können
Anzeige der Betriebsbereitschaft:
Protokoll über die Bereitschaft der Anlage zum Anfahren, d.h. dem 1. Schritt der Heiß-Inbetriebnahme zu beginnen (ready for start up)
Arbeitsexemplar:
Kopie des Belegexemplars (gegenständlich und/oder elektronisch), die als Arbeitsgrundlage für Betrieb und Technik dient und gemäß dem aktuellen Anlagen- und Betriebszustand gepflegt wird.
Arbeitsmittel:
Werkzeuge, Geräte, Maschinen oder Anlagen, die für die Arbeit verwendet werden, sowie überwachungsbedürftige Anlagen (nach BetrSichV)
Arbeitsorganisation:
Regelwerk für das Zusammenwirken von Unternehmen und Personen, die gemeinsam für ein definiertes Ziel arbeiten
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 K. H. Weber et al., Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen, VDI-Buch, https://doi.org/10.1007/978-3-662-55150-9
587
588
Glossar
Arbeitssicherheit:
betrachtet und vermeidet bzw. minimiert Gefährdungen und Risiken von Personen/Beschäftigten, die sich in Ausübung menschlicher Arbeit (z.B. während des Anlagenbetriebs) ergeben können
Archivexemplar:
s. Belegexemplar
Archiv/ Archivieren:
langfristige, strukturierte und statische Aufbewahrung von Dokumenten
Archivsystem:
Software bzw. -komponente zur revisionssicheren, unveränderbaren Langzeit-Aufbewahrung großer Informationsmengen (Endablage, Langzeitspeicherung)
AS BUILTDokumentation.
Gesamtdokumentation der Anlage, die den Sachstand über die Anlage zum Zeitpunkt ihrer Abnahme richtig (as-built) und vollständig gemäß vertraglicher Vereinbarung beschreibt (Enddokumentation, final documentation)
Attribut:
identifizierende und/oder beschreibende Eigenschaft eines Dokuments (Deskriptoren, Metadaten)
Aufbewahren:
Bereithalten von Informationen und Dokumenten zur Nutzung
Backup:
Sicherung von Daten und Dokumenten mittels einer Kopie auf ein externes Medium
Bearbeitungsstatus: Information über den aktuellen Stand der Bearbeitung eines Do(Dokument) kuments sowie über dessen Freigabe zur Nutzung in einer Projektphase (Revisionsstand, Revisionsbezeichnung) Befugnis: (Kompetenz)
Recht, im definierten Aufgabenbereich und Kompetenzumfang selbständig Entscheidungen über den Einsatz von Personal-, Betriebs- und Finanzmitteln sowie ggf. die Freigabe von Informationen zu treffen (Kompetenz, competence, authority)
Belegexemplar:
Exemplar der AS BUILT-Dokumentation, in der (bis auf wenige Ausnahmen) alle freigegebenen Dokumente mit dem Bearbeitungsstatus „as-built“ abgeheftet bzw. abgespeichert sind. Das Belegexemplar wird unverändert archiviert und dokumentiert den Sachstand zum Zeitpunkt der werkvertraglichen Abnahme der Analge (Archivexemplar)
Beschaffung: (Beschaffen)
Gesamtprozess der Vorbereitung und Realisierung von Bestellungen für Lieferungen und Leistungen, die zur Anlagenrealisierung und gegebenenfalls zur Inbetriebnahme benötigt werden (Einkauf, procurement)
Beschaffungsdokumentation:
Gesamtheit der Dokumente, die für die Beschaffung der Lieferungen und Leistungen zur Anlagenrealisierung und ggf. zur Inbetriebnahme erarbeitet und abgelegt (gespeichert, archiviert) werden (Einkaufsdokumentation)
Bestandsdokumentation:
aktuelle Gesamtdokumentation über die verfahrenstechnische Anlage eines Betriebs (Bestandsunterlagen )
Glossar
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Bestellung: (kaufmännisch):
Beauftragung einer Leistung und/oder Lieferung unter Bezugnahme auf ein Angebot
Bestellung: (organisatorisch)
schriftliche Beauftragung und Namhaftmachung einer verantwortlichen Person für eine definierte Aufgabe, inkl. damit verbundener Verantwortung, Befugnisse, Zuständigkeiten u.a. Bedingungen
bestimmungsgemäßer Betrieb: (nach BImSchG)
zulässiger Betrieb, für den die Anlagen, Infrastruktur und Tätigkeiten in einem Betriebsbereich nach ihrem technischen Zweck bestimmt, ausgelegt und geeignet sind. (…). Betriebszustände, die der erteilten Genehmigung, vollziehbaren nachträglichen Anordnungen oder Rechtsvorschriften nicht entsprechen, gehören nicht zum bestimmungsgemäßen Betrieb. Der bestimmungsgemäße Betrieb umfasst den Normalbetrieb einschließlich betriebsnotwendiger Eingriffe wie z.B. der Probenahme, und einschließlich der Lagerung mit Füll-, Umfüll- und Abfüllvorgängen, die Inbetriebnahme und den An- und Abfahrbetrieb, den Probebetrieb, Instandhaltungsvorgänge (Wartung, Inspektion, Instandsetzung, Verbesserung) und Reinigungsarbeiten sowie den Zustand bei vorübergehender Außerbetriebnahme.
bestimmungsgemä- die Verwendung einer Maschine entsprechend den Angaben in der ße Verwendung: Betriebsanleitung (nach MRL) Betreiber: (Anlage)
Gesamtheit des Personals bzw. juristische Person, die die Anlage bewirtschaftet (betreibt)
Betreiberdokumentation:
Gesamtheit der Dokumente eines Betriebs (i.S. Bereich eines Unternehmens)
Betrieb/Betreiben: (i.S. Lebensphase)
Zeitraum bzw. Handlung zur bestimmungsgemäßen Nutzung der Anlage nach Beendigung der Inbetriebnahme bis zu ihrer Stilllegung (Dauerbetrieb, kommerzieller Betrieb, production)
Betriebsanleitung:
beinhaltet die für die Inbetriebnahme, Instandhaltung, Inspektion, Überprüfung der Funktionsfähigkeit und gegebenenfalls Reparatur des Geräts oder Schutzsystems notwendigen Pläne und Schemata sowie alle zweckdienlichen Angaben insbesondere im Hinblick der Sicherheit (instruction manual, instructions für use)
Betriebsanweisung:
arbeitsplatz- und tätigkeitsbezogene, verbindliche schriftliche Anordnungen und Verhaltensregeln des Arbeitgebers an weisungsgebundene Arbeitnehmer zum Schutz vor Unfall- und Gesundheitsgefahren sowie zum Schutz der Umwelt (operating instructions, standard operating procedure)
Betriebsbereitschaft:
Anlagen- und Betriebszustand, der die Freigabe zum Anfahren der Anlagen nach der Kalt-Inbetriebnahme bzw. nach einen Stillstand ermöglicht (ready for start-up)
590
Glossar
Betriebsdokumentation:
Gesamtheit aller Dokumente, die (zusätzlich zur Anlagendokumentation) für die Inbetriebnahme, den Betrieb, die Überwachung und die Instandhaltung der Anlage nötig sind sowie als Nachweis dienen (operating documentation)
Beweislast: (im Anlagen- und Maschinenbau)
Pflicht eines Vertragspartners, von ihm aufgestellte Behauptungen bzw. gestellte Ansprüche zu beweisen (Beweispflicht)
BrownfieldProjekt:
Anlage wird auf einem erschlossenem Werksgelände (Industriepark, Gewerbegebiet) bzw. Betriebsgelände errichtet
Code:
Zeichenzuordnung
Datei:
logisch zusammengehörige, in sich abgeschlossene und gemeinsam gespeicherte Menge von Daten (file)
Daten:
strukturierte Informationen, die verarbeitet werden oder das Ergebnis einer Verarbeitung sind (data)
Datenbank:
Sammlung von nach einem konzeptuellen Schema organisierten Daten, das die Merkmale dieser Daten und die zwischen den zugehörigen Betrachtungseinheiten bestehenden Beziehungen beschreibt und ein oder mehrere Anwendungsgebiete unterstützt
Datenintegrität:
Ausmaß, in dem alle Daten über ihren gesamten Lebenszyklus vollständig, konsistent und richtig vorliegen
Datensatz:
logisch zusammengehörige Daten
Datenträger:
Material, in oder auf dem Daten aufgezeichnet und von dem sie wiedergewonnen werden können
Deskriptoren:
Schlagwörter u.ä., die den wesentlichen Inhalt eines Dokuments charakterisieren (Metadaten, Stammdaten, Dokumentattribute)
Dokument:
materielle Unterlage/Beleg (gegenständlich) bzw. Datei (elektronisch) mit strukturierten, zusammengehörigen Aufzeichnungen/ Informationen über Teile eines Projekts bzw. Objekts oder festgelegte und strukturierte Menge von Informationen, die als Einheit verwaltet und zwischen Anwendern und Systemen ausgetauscht werden kann
Dokumentation:
Gesamtheit von Dokumenten zu einem Projekt oder Objekt
Dokumentationsbenutzer:
Unternehmen bzw. Person, das/die die Dokumentation oder Teile davon nutzt
Dokumentationserzeuger:
Unternehmen bzw. Person das/die beim Erstellen, Verwalten oder Fortschreiben der Dokumentation bzw. von Teilen mitwirkt
Dokumentationskonzept:
Festlegungen zum Erbringen der Dokumentationsleistungen und zum Umgang mit Dokumenten und Dokumentationen im Projekt
Glossar
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Dokumentenart:
Dokumente gleicher inhaltlicher und/oder gleicher formaler Struktur (Dokumententyp)
Dokumentenartklasse:
Gruppe von Dokumentenarten mit ähnlichen Eigenschaften hinsichtlich Informationsinhalt, unabhängig von der Darstellungsform
Dokumentenkennzeichen (DKZ):
Identifikator für ein bestimmtes Dokument in Beziehung zu einem Objekt (Komponente), dem das Dokument zugeordnet ist
Dokumentenlebenszyklus:
Periode von der konzeptionellen Idee bis zur logischen und physischen Löschung eines Dokuments
Dokumentenliste:
formal aufgestellte Bestandsliste, in der alle für einen bestimmten Zweck relevanten Dokumente aufgelistet sind
Dokumentenkopie: genaues oder annähernd genaues Abbild eines Originals Dokumentenmanagement:
Gesamtheit von Prozessen, Abläufen und Verantwortlichkeiten, die die Administration (Verwaltung) von Dokumenten betreffen oder Gesamtheit von Prozesse und Verantwortlichkeiten bei der Verarbeitung, Übermittlung, Verwaltung und Archivierung von Dokumenten über den gesamten Dokumentenlebenszyklus
Dokumentenrevision:
s. Bearbeitungsstatus
Dokumentenversion:
identifizierter Zustand eines Dokuments in seinem Lebenszyklus, der gespeichert ist, sodass er als Dokumentenstand wiedergewonnen werden kann, oder zum Zweck der Verteilung
Durchführbarkeitsstudie:
eine dem Projekt vorausgehende Analyse und Bewertung, ob ein bestimmtes Projekt überhaupt durchführbar, technisch machbar, wirtschaftlich lohnend und finanziell realisierbar ist (Machbarkeitsstudie, feasibility study)
EG-Konformitätserklärung:
s. EU-Konformitätserklärung (ab 2011 wird die Bezeichnung EU-Konformitätserklärung genutzt)
Einbauerklärung: (Maschine)
schriftliche Erklärung des Wirtschaftsakteurs, dass die unvollständige Maschine die Anforderungen der Maschinenrichtlinie und der harmonisierten Normen erfüllt
elektronische Dokumentation:
Gesamtheit von Dokumenten zu einem Projekt oder Objekt in digitaler Form
Engineering:
Erarbeiten von technologisch-technischen sowie organisatorischadministrativen Unterlagen (Dokumenten), die für die Beschaffung, Errichtung, den bestimmungsgemäßen Betrieb und die Instandhaltung von Anlagen benötigt werden (Anlagenplanung)
Engineeringdokumentation:
Gesamtheit der Dokumente, die während der Anlagenplanung (von Grundlagenermittlung bis Detail Engineering) erarbeitet, verwaltet und aufbewahrt werden (engineering documentation)
592
Glossar
Engineeringvertrag:
Vertrag über das Erbringen von Ingenieurleistungen inkl. Dokumentationsleistungen und ggf. weiterer Leistungen bei der Projektabwicklung (außer kaufmännischer Beschaffung) (Ingenieurvertrag, engineering contract)
Entwicklung: (verfahrenstechnisch)
Erarbeiten von Verfahrensunterlagen, die als Grundlage für die Planung (Engineering) einer großtechnischen Anlage nach diesen Verfahren geeignet sind (development)
EPCM-Vertrag:
Vertrag über Leistungen für Anlagenplanung, Technischen Einkauf, Bau-Montageleitung und Bau-/Montageüberwachung (Engineering-Procurement-Construction Management)
Errichterdokumentation:
Gesamtheit der Dokumente, die zur Errichtung/Herstellung der Anlage erarbeitet, verwaltet und aufbewahrt werden (erection documentation)
Errichtung: (Errichten)
Gesamtheit der Arbeiten auf der Baustelle im Zeitraum von Baustelleneröffnung bis Protokollierung der Mechanischen Fertigstellung (erection)
EU-Konformitätsbewertung:
das Verfahren zur Bewertung, ob die wesentlichen Gesundheitsund Sicherheitsanforderungen der zutreffenden Richtlinie an das betreffende Produkt erfüllt worden sind
EU-Konformitätserklärung:
schriftliche Erklärung des Wirtschaftsakteurs, dass das angeführte Produkt den zutreffenden EU-Richtlinien und harmonisierten Normen entspricht (EU declaration of conformity)
Fertigung:
Herstellung und Montage von Anlagenkomponenten bzw. lagenteilen (fabrication)
Formular:
Vordruck/Formatvorlage, der bzw. die eine formatierte und einheitliche Informationseingabe und -ausgabe ermöglicht (template) oder Hilfsmittel zur Lenkung von Prozessen/Abläufen, die Klarheit, Akzeptanz, Ordnung, Funktionalität u.ä. bewirken
Freigabe (Dokument):
formaler Akt einer autorisierten Person/Organisation, mit der ein Dokument für einen deklarierten Zweck im Prozessablauf für gültig erklärt wird
Garantie:
freiwillig übernommene und vereinbarte Verpflichtung eines Garanten/Vertragspartners (guarantee)
Gefährdung:
Möglichkeit eines Schadens oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung unabhängig von deren Ausmaß oder Eintrittswahrscheinlichkeit (hazard)
Gefährdungsbeurteilung:
systematische Ermittlung und Bewertung relevanter Gefährdungen der Beschäftigten mit dem Ziel, erforderliche Arbeitsschutzmaßnahmen festzulegen (job hazard analysis)
An-
Glossar
593
Gefahrenübergang:
Zeitpunkt, ab dem die Gefahr des zufälligen Untergangs/Vernichtung oder der Verschlechterung/Beschädigung des Werks (im Werkvertrag) oder der Sache (im Kaufvertrag) auf den Besteller bzw. Käufer übergeht (risk assumption, transfer of risk)
gegenständliche Dokumentation:
Gesamtheit von Dokumente zu einem Projekt oder Objekt in gegenständlicher Form, z.B. Papierdokumente, Röntgenfilme, Rückstellmuster, Schweißproben
Genehmigungsdokumentation:
Gesamtheit der Dokumente, die für Beantragung, Erteilung und Erhaltung einer behördlichen Genehmigung zur Errichtung und dem Betrieb einer Anlage nötig sind sowie erarbeitet und abgelegt bzw. gespeichert werden (approval documentation)
Generalübernehmervertrag:
Vertrag über die Ausführungsplanung, Lieferung und Errichtung einer funktionstüchtigen (schlüsselfertigen) Anlage gegen Zahlung eines Pauschal- bzw. Festpreises (turnkey contract)
Generalvertrag:
Vertrag über die Lieferung und Errichtung einer funktionstüchtigen (schlüsselfertigen) Anlage gegen Zahlung eines Pauschalbzw. Festpreises (turnkey contract)
Gesamtdokumentation:
Gesamtheit aller Dokumente über eine Anlage, die zum jeweiligen Zeitpunkt im Lebenszyklus vorliegen (complete documentation)
Gewährleistung:
gesetzliche Mängelansprüche des Bestellers (im Werkvertrag) bzw. des Käufers (im Kaufvertrag) oder definiert eine zeitlich befristete Nachbesserungspflicht für Mängel am Werk bzw. am Kaufgegenstand, die zum Zeitpunkt der Abnahme bzw. des Kaufs bereits bestanden (Mängelhaftung)
GreenfieldProjekt:
Anlage wird auf einem unerschlossenen Grundstück außerhalb eines Werksgeländes (grüne Wiese) neu errichtet
gültiges Dokument:
Dokument, welches erstellt, geprüft und freigegeben ist (valid document)
Haftung:
als Person bzw. Unternehmen für etwas, z.B. für entstandenen Schaden, einstehen (liability)
Hauptausrüstung:
Maschine oder Apparat oder Behälter oder Tank
Hauptdokumentation:
systematische Zusammenstellung der Dokumente eines relativ eigenständigen und komplexen Sachgebiets
Hersteller:
jede natürliche oder juristische Person, die ein Produkt herstellt bzw. entwickelt oder herstellen lässt und diese Produkt unter ihrem eigenen Namen oder ihrer eigenen Handelsmarke vermarktet oder es für seine eigenen Zwecke verwendet (nach ATEXHerstellerrichtlinie)
Herstellerdokumentation:
produktbeschreibende und/oder produktbegleitende Dokumentation des (Produkt-)Herstellers (manufacturer documantation)
594
Glossar
Image:
aus einzelnen Bildpunkten (Pixel, Rasterpunkte) zusammengesetztes elektronisches Abbild eines Papierdokuments
Inbetriebnahme (Produkt)
erstmalige bestimmungsgemäße Verwendung einer von dieser Richtlinie erfassten Maschine in der Gemeinschaft (nach MRL) oder erstmalige Verwendung eines Druckgeräts oder einer Baugruppe durch seinen oder ihren Nutzer (nach DGRL)
Inbetriebnahme (Anlage):
Überführung der Anlage aus dem Ruhezustand nach Mechanischer Fertigstellung (MECHANICAL COMPLETION) in den Dauerbetriebszustand nach werkvertraglicher Abnahme bzw. nach schriftlicher Bestätigung der erbrachten Vertragsleistung (Erstinbetriebnahme, commissioning)
Inbetriebnahmedokumentation:
Gesamtheit der Anlagen- und Betriebsdokumentation mit dem Bearbeitungsstatus AFP – Approved for Production, die für die Inbetriebnahme benötigt werden (commissioning documentation)
Index:
Menge festgelegter (beschreibender und identifizierender) Suchinformationen eines Dokuments
Indizieren:
Erstellen möglichst eindeutiger Zugriffsinformationen für das schnelle Wiederauffinden gespeicherter Dokumente
Instandhaltung: (IH)
Maßnahmen zur Bewahrung und Wiederherstellung des Sollzustandes sowie zur Feststellung und Beurteilung des Istzustandes von technischen Mittel eines Systems Bem.: Die IH umfasst: Inspektion, Wartung, Instandsetzung.
Inverkehrbringen: (Produkt)
die entgeltliche oder unentgeltliche erstmalige Bereitstellung einer Maschine oder einer unvollständigen Maschine in der Gemeinschaft im Hinblick auf ihren Vertrieb oder ihre Benutzung (nach MRL) oder die erstmalige Bereitstellung eines Druckgeräts oder einer Baugruppe auf dem Unionsmarkt (nach DGRL)
Inverkehrbringen: (Anlage)
erstmalige Bereitstellung einer neuen oder wesentlich veränderten Anlage nach der MECHANISCHEN FERTIGSTELLUNG für die Inbetriebnahme
Kennzeichen:
Code (Folge von Buchstaben, Ziffern, Vorzeichen, Gliederungszeichen) zur Charakterisierung eines Objekts bzw. Dokuments
Kennzeichnungsblock:
Teil eines Kennzeichens zur Kennzeichnung einer Gliederungsstufe
Klassifizierungssystem:
Ordnungssystem, das nach dem Ordnungsprinzip KLASSIFIKATION aufgebaut ist
Glossar
595
Lastenheft:
Zusammenstellung der Anforderungen an die herzustellende Anlage aus Sicht des Auftraggebers (Aufgabenstellung bzw. Spezifikation für Anlage, Scope-Definition, requirements specification)
Lebenszyklus (Anlage):
Zeitraum von der Auftragserteilung zur Planung und Errichtung einer Anlage bis zum Ende ihrer Demontage und Entsorgung (life cycle of plant)
Lebenszyklus (Dokumentation):
Zeitraum von der Lastenhefterstellung bis zur Archivierung der Gesamtdokumentation nach Rückbau und Entsorgung der Anlage (life cycle of documentation)
Lieferantendokumentation:
produktbeschreibende und/oder produktbegleitende Dokumentation des (Produkt-)Lieferanten (supplier documentation)
Liste wichtiger Dokumentenarten: (LwD)
Zusammenstellung aller Dokumentenarten einer Anlage (Dokumentenliste/-verzeichnis der Anlage)
LSTK-Vertrag:
Vertrag über das Erbringen einer komplexen Leistung zum Festbzw. Pauschalpreis, z.B. die Herstellung einer schlüsselfertigen Anlage (Lump-Sum-TurnKey-Contract)
Master: (-dokument)
aktuelle, gültige und verbindliche Arbeitsversion (gegenständlich oder elektronisch) eines Dokuments
Mechanische Fertigstellung (MF)
Zeitpunkt, zu dem: ▪ die Montage der Anlage einschließlich aller wesentlichen Dämmungs-, Isolierungs- und Anstricharbeiten beendet und ▪ die Prüfungen auf mechanische Vollständigkeit und Funktionsfähigkeit, welche auch die Elektro-, Mess-, Steuerungs-, Regelund Überwachungseinrichtungen umfassen, sowie ▪ die Prüfungen gemäß relevanter Rechtsvorschriften, behördlicher Vorgaben und dem vertragsrelevanten Stand der Technik erfolgreich durchgeführt und nachvollziehbar dokumentiert wurden (Mechanical Completion/MC)
Metadaten:
Daten zur Beschreibung von Dokumenten und deren Management (Attribute, Deskriptoren)
Montage und Bau:
Gesamtheit aller Arbeiten, die zur physischen Errichtung der Anlage auf der Baustelle zu erledigen sind (construction)
Nachweisdokumente:
Dokumente, die belegen, dass vereinbarte Leistungen u.a. Zusagen erbracht wurden, die Ausführung qualitätsgerecht erfolgte, Vorgaben eingehalten wurden und gemachte Angaben sachgerecht und richtig sind.
Ordnungsprinzip:
dokumentarischer Grundgedanke, nach dem ein Ordnungssystem aufgebaut ist
Organigramm: (Projekt)
grafische Darstellung der Aufbauorganisation eines Projektes inkl. zugehöriger Einheiten (Stellen) und Kommunikationsbeziehungen (Organisationsschema, organisation chart)
596
Glossar
Original: (-dokument)
Erstversion eines Dokuments
Package-unit:
Teilanlage, die als Ganzes von einem Kontraktor/Subunternehmer hergestellt und i.Allg. von diesem in Betrieb genommen wird
PDF (Portable Document File):
Plattformübergreifendes Dateiformat für Dokumente (übertragbares Dokumentenformat)
Pflicht:
Notwendigkeit zu einem Tun oder Unterlassen, die sich aus Vertrag, Gesetzen, Verhaltensnormen, Anweisungen u.a. ergibt (duty)
Pflichtenheft (Anlage):
Zusammenstellung von Vorgaben für die Ausführungsplanung, Herstellung und Inbetriebnahme der Anlage (Mitunter auch ohne Ausführungsplanung) (Aufgabenstellung bzw. Anfragespezifikation für Anlage, requirement specification for plant )
Pflichtenübertragung :
Übertragung von Pflichten, aber auch von Verantwortung und Befugnissen, von einem Unternehmer oder einem durch ihn Beauftragten auf eine andere verantwortliche Person
Phasendokumentation :
Teildokumentation im Projekt, die zielorientiert bestimmte Dokumente am Ende einer Projektphase zusammenfasst
Produkt:
jede bewegliche Sache, auch wenn sie einen Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bildet, sowie Elektrizität (nach ProdHaftG) oder Waren, Stoffe oder Zubereitungen, die durch einen Fertigungsprozess hergestellt werden (nach ProdSG)
Produktdokumentation (technisch):
alle Informationen, die von einem Hersteller/Vertreiber parallel zum Entstehen und zum Lebensweg eines Produkts (Produktlebenszyklus) erstellt werden (Technische Dokumentation) oder Angabe der gesamten oder teilweisen Auslegungsdefinition oder Spezifikation eines Produkts
Produktsicherheit:
Merkmal bzw. Zustand eines Produkts, von dem bei bestimmungsgemäßer Verwendung keine bzw. nur vertretbar geringe Gefährdungen und Risiken ausgehen
Projektdokumentation:
Gesamtheit aller Dokumente, die während der Abwicklung eines Projekts erarbeitet, verwaltet und abgelegt bzw. gespeichert werden (project documentation)
Projekthandbuch:
Zusammenstellung der administrativen, kommerziellen und technischen Abwicklungsgrundlagen und -regelungen des Projekts (project manual)
Prüfbuch:
Zusammenstellung der Prüfdaten und Prüfergebnisse/-dokumente im Leben einer Anlagenkomponente (z.B. Behälterbuch, Apparatebuch, Rohrleitungsbuch, Kranbuch) (Lebenslaufakte der Anlagenkomponente)
Glossar
597
Prüfdokumentation:
Zusammenstellung von behördlichen, rechts- und vertragsrelevanten Prüfpflichten und erzielter Prüfergebnissen sowie von ergänzenden Hinweisen zur Vorbereitung, Durchführung, Dokumentation und Erfüllungskontrolle der notwendigen Prüfungen im Leben einer Anlage (Prüfhandbuch) (s. auch Anlagenprüfkataster)
Prüfdokumente:
Dokumente, die die Durchführung und Ergebnisse von Prüfpflichten belegen, die sich aus relevanten Rechtsvorschriften, behördlichen Vorgaben und dem vertragsrelevanten Stand der Technik ergeben.
Prüfung: (Überprüfung/ Kontrolle)
Ermittlung des Istzustandes, der Vergleich des Istzustandes mit dem Sollzustand sowie die Bewertung der Abweichung des Istzustandes vom Sollzustand (nach BetrSichV)
Qualität:
Übereinstimmung der Realität mit allen vereinbarten und festgelegten Anforderungen
Realisieren: (Realisierung)
Gesamtheit der Arbeiten von der Auftragserteilung bis zur Endabnahme der Vertragsleistung (Herstellen, Herstellung, realization)
Recherche:
gezieltes Suchen und Wiederfinden von Dokumenten zu einem interessierenden Sachverhalt
Rechtskataster:
Liste zu beachtender Rechtsvorschriften und anderer Regelungen bezogen auf eine Betrachtungseinheit zur Gewährleistung von Rechtssicherheit bezüglich der Aufgaben und Tätigkeiten
Redundanz:
mehrfaches Vorkommen desselben materiellen Dokuments an unterschiedlichen Stellen der Dokumentation (körperliche Redundanz) oder mehrfaches Vorkommen desselben Inhalts an verschiedenen Stellen des Dokuments bzw. anderer Dokumente (inhaltliche Redundanz)
Revisionierung:
Kennzeichnung von Dokumenten, die sich während der Projektphasen ändern
Risiko:
Produkt (mathematisch) aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkung eines Ereignisses
Risikoanalyse:
Identifizieren von Gefährdungen und deren Ursachen sowie die Bestimmung der potentiellen Konsequenzen und deren Eintrittswahrscheinlichkeiten
Risikobeurteilung: (für Produkt)
Gesamtheit des Verfahrens, das eine Risikoanalyse und Risikobeurteilung bezogen auf dem Umgang mit dem Produkt umfasst (dient zum Nachweis der Produktsicherheit) (risk assessment)
Risikobeurteilung: (für Anlage)
Gesamtheit des Verfahrens, das eine Risikoanalyse mit Risikobewertung bezogen auf den Umgang mit der verfahrenstechnischen Anlage umfasst (dient zum Nachweis der Anlagensicherheit) (risk assessment)
598
Glossar
Risikobewertung:
Einschätzen des potentiellen Schweregrads einer Gefährdung sowie der Eintrittswahrscheinlichkeit und Vergleich mit einem Bewertungsmaßstab (Sollzustand)
Rückbau:
Gesamtheit der Tätigkeiten für Außerbetriebnahme (Stilllegung), Abriss (Abbruch), Demontage und Entsorgung der Anlage
Rückbaudokumentation:
Gesamtheit der Dokumente, die für den Rückbau benötigt werden, anfallen und als Nachweis dienen
Scannen:
Erstellen einer elektronischen Kopie (Abbild) eines Dokuments
Schaden:
Nachteil, den jemand durch ein bestimmtes Ereignis erleidet (damage)
Sicherheitsprüfung:
Prüfung zum Nachweis einer definierten Komponenten- und/oder Anlagensicherheit bezogen auf eine oder mehrere mögliche Gefährdungen (safety check) Bem.: Man unterschiedet zwischen: „Prüfung vor Inbetriebnahme“ und „wiederkehrender Prüfung“
Speichern (allgemein):
Sammeln und Einlagern von Gegenständen oder Informationen bzw. Daten in einem Speicher
Stellenbeschreibung:
Dokument, welches die Aufgabe der Stelle, die Befugnisse und Verantwortung des Stelleninhabers sowie die organisatorische Einordnung der Stelle festlegt
Technische Dokumentation:
s. Produktdokumentation
Technische Gewährleistung:
Versprechen des Auftragnehmers/Verkäufers, über einen definierten Zeitraum für eine funktionierende Anlage bzw. Anlagenkomponente zu gewährleisten (Funktionale Gewährleistung)
Technische Spezifikation:
Lieferantenunabhängige technische Unterlagen für Anfrage und Bestellung (Technische Beschaffungsunterlagen (TBU)) oder Dokument bzw. Dokumentation, in dem die technischen Anforderungen vorgeschrieben sind, denen das Objekt (Produkt, Anlage) genügen muss
Technische Unterlagen (Produkt):
Dokumente, die der Hersteller eines Produkts gemäß der zutreffenden EU-Richtlinien erarbeiten und aufbewahren muss, damit die betreffenden Anforderungen an das Produkt erfüllt werden und die Übereinstimmung des Produkts mit den betreffenden Anforderungen nachgewiesen werden kann
Teildokumentation: systematische Zusammenstellung von ausgewählten Dokumenten eines Teilgebiets innerhalb der Hauptdokumentation Teilsystem: (Anlage)
Gesamtheit gleichartiger Anlagenkomponenten, Bauteile, Einrichtungen (z.B. Rohrleitungssysteme, Kabelsysteme), die als Ganzes von einem Kontraktor bzw. Subunternehmer hergestellt werden
Glossar
599
überwachungsbedürftige Anlagen:
Anlagen, die im ProdSG und in der BetrSichV aufgeführt sind und bestimmtem Erlaubnis-, Prüf-, Dokumentations- und Betriebspflichten unterliegen
Unterweisung:
arbeitsplatz- und tätigkeitsbezogene mündliche Informationen von Beschäftigten über Gefährdungen, deren Unterrichtungen über Schutzmaßnahmen sowie Belehrungen über das richtige Verhalten
unveränderbare Daten/Dateien:
Daten bzw. Dateien, die nicht mehr mit dem Programm geändert werden könne, mit dem sie erstellt wurden
Verbraucher:
jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen, beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann (BGB, § 13)
Verantwortung:
Auftrag, im definierten Aufgabenbereich für ein bestimmtes Ergebnis einzustehen (accountability)
Verfahren: (Prozess)
Gesamtheit der physikalischen, chemischen, biologischen und nuklearen Wirkungsabläufe (process)
Verfahrensgeber:
natürliche oder juristische Person, die das Know-how und i.Allg. auch die Eigentums- bzw. Nutzungsrechte zum Verfahren besitzt
verfahrenstechnische Anlage: (vt Anlage)
Anlage zur Durchführung von Stoffänderungen und Stoffumwandlungen mit Hilfe zweckgerichteter physikalischer und/oder chemischer und/oder biologischer und/oder nuklearer Wirkungsabläufe
Verschulden:
bezeichnet das objektiv pflichtwidrige und subjektiv vorwerfbare Verhalten einer schuldfähigen Person
Versionierung:
Kennzeichnung von Dokumenten des Unternehmens bzw. Projekts, die unabhängig von den Projektphasen sind
Vertrag:
Rechtsgeschäft, das durch zwei sich deckende Willenserklärungen zustande kommt
Vertragsart:
Bezeichnung eines Anlagenvertrages, die den Vertragsumfang/ Vertragsgegenstand oder die Vergütungsform widerspiegelt
Vertragsform:
Bezeichnung eines Anlagenvertrages, die die Rechtsform des Vertrags ausdrückt
wiederkehrende Prüfung (WKP):
Sicherheitsprüfungen, Inspektionen, Kontrollen u.ä., die aufgrund von Rechtsvorschriften, Auflagen der zuständigen Behörden oder anderweitigen Festlegungen in festgelegten Zeitabständen durchgeführt werden
Zuständigkeit:
Auftrag, definierte Aufgabenbereiche zu bearbeiten und bestimmte Aktivitäten einzuleiten (responsibility)
Sachwortverzeichnis Abfall/Abprodukt 84, 86 – Definition 84 – Entsorgungsnachweis 85, 86 Ablage/Ablegen (s. Aufbewahren) Abnahme (werkvertraglich) 338, 356, 384 ff. – Abnahmeprotokoll 386, 387 – Anlage 383 – AS BUILT-Dokumentation 384 ff. – im Anlagenvertrag 356 – nach BGB 338 ff. – Rechtsfolgen 339, 340 Änderungswesen/Change Control 10, 353, 373 ff., 384, 520, 526 – Arbeitsablauf/Workflow 526 – Change-Control/-Management 374 ff. – Change-Orders 324, 353, 354, 373 – Definitionen 374, 376 – Handlungsbedarf 376 – im Anlagenvertrag 353, 354 – in Betriebsphase 520 ff. Anlage 4, 17, 431, 469 – Definition 4 – EU-Konformitätserklärung (s. extra Sachwort) – in Ex-Bereichen 209 ff. – Inverkehrbringen (s. extra Sachwort) – -kennzeichen (s. extra Sachwort) – Lebenszyklus 17 – -modell 190 ff., 535 ff. – nach WHG/AwSV 79 ff., 216 – Pharma- (s. Pharmaprojekte) – -planung (s. Engineering) – Risikobeurteilung (s. extra Sachwort) – überwachungsbedürftige -- (s. extra Sachwort) – verfahrenstechnische -- (s. extra Sachwort) Anlagenbau 28 Anlagenbetrieb 19, 491 ff. (s auch Betriebsphase)
– bestimmungsgemäßer Betrieb (s. extra Sachwort) – Betreiber (s. extra Sachwort) – mögliche Aktivitäten 493 Anlagendokumentation 176 ff. – Anlagendokumente (s. extra Sachwort) – Aufbewahrung (s. Belegexemplar) – Ausführungsdokumente 177, 417 – Definition/Hauptinhalte 176 – Erstellung 417 ff. (s. auch Projektabwicklung) – Fortschreiben/Pflege 421 ff., 427, 428 – Strukturierungsmöglichkeiten 177 ff., 556, 581 – Strukturierung als Mischvariante 181 – Strukturierung analog Betriebsanleitung 179, 180 – Strukturierung nach Fachdisziplinen/ Gewerken 178, 179 – Prüf- bzw. Nachweisdokumente (s. extra Sachwörter) – Quellen 177 – Teildokumentationen (s. extra Sachwort) Anlagendokumente (übergeordnete) 182 – Anlagenmodell 190 ff., 247, 535 ff. – Fließschemata 182 ff. – Lage-/Aufstellungsplan 193, 194 – Sicherheitsdatenblätter 54, 195, Anlagenkennzeichnung/-zeichen 304 ff., 560 – bei DMS-Einführung 560 – Definition 304, 587 – Kennzeichnungsblöcke 306 ff., 594 – nach DIN EN 10628 186, 305, – nach DIN EN 81346/DIN 6779 305 – nach KKS 308, 310 – nach RDS-PP 309, 310 Anlagenkomponente 33 (s. auch Produkt) – Definition 33, 587 Anlagensicherheit 93 ff., 195 ff., 205, 214, 220, 292, 587
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 K. H. Weber et al., Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen, VDI-Buch, https://doi.org/10.1007/978-3-662-55150-9
601
602
Sachwortverzeichnis
– Definition 205 – Risikobeurteilung (s. extra Sachwort) Anlagenvertrag 333 ff., 348 ff. – Abnahme (s. extra Sachwort) – Änderungswesen (s. extra Sachwort) – Anhang Baustellenabwicklung 371 ff. – Anhang Beschaffungsleistungen 369 ff. – Anhang Dokumentation 357 ff. – Anhang Inbetriebnahme 372 – Anhang Planungsleistungen 365 ff. – AS BUILT-Dokumentation (s. extra Sachwort) – Bauvertrag (s. extra Sachwort) – Begriffsdefinitionen 350 – Daten-/Dokumentenmanagement 359 ff. – Dienstvertrag 342 (s. extra Sachwort) – Eigentum an Dokumenten/Dateien 357 – Garantie (s. extra Sachwort) – Generalvertrag 344 ff. – Gewährleistung (s. extra Sachwort) – Grundsätze/Erfahrungen 323 – Hauptteil 349 ff. – Ingenieurvertrag 345 ff. – Kaufvertrag 341 ff. (s. auch extra Sachwort) – Lastenheft (s. extra Sachwort) – Musteraufbau 348, 349 ff. – nach VOB (s. extra Sachwort) – Pflichtenheft (s. extra Sachwort) – Qualitätssicherung 377 ff. – Schuldverhältnisse n. BGB 333, 334 – Vertragsart 343 ff. (s. auch extra Sachwort) – Vertragsform 335 (s. auch extra Sachwort) – Vergütung 352, 353 – Werkvertrag 335 ff. (s. auch extra Sachwort) Anweisungen 280, 287, 289, 290 – Betriebsanweisungen (s. extra Sachwort) – Inbetriebnahme- 287, 288
– Prüfanweisungen (s. Prüfdokumente) – Verfahrensanweisung (s. Qualitätsmanagement) Anzeige der Betriebsbereitschaft 288, 350, 352, 372, 380, 505, 587, 589 Apparat/Behälter 223, 226, 230, 378 – Ablaufschema/Workflow 224 – Definitionen 223 – Dokumentenarten 230 – Konstruktionszeichnung 225 – Qualitätskontrolle 378, 379 Arbeitsmittel 95 Arbeitsexemplar 350, 365 – Definition 350 – mehrere Exemplare/Teile 365 Arbeitsorganisation (s. Organisation) Arbeitssicherheit 100 ff., 282 ff., 292, 296 – Betriebsanweisung (s. extra Sachwort) – Definition 100, 282, 587 – Gefährdungsbeurteilung (s. extra Sachwort) Archivexemplar (s. Belegexemplar) Archivieren (s. Aufbewahren) Armaturen (s. Rohrleitungstechnik) AS BUILT-Dokumentation 3, 19, 350, 360, 362, 364, 382, 384, 461 ff. – Abnahme 383, 384 ff. – Arbeitsexemplar (s. extra Sachwort) – Aufbewahrung 114, 136, 137 (s. auch Belegexemplar) – Belegexemplar (s. extra Sachwort) – Definition 19, 350 – Fallbeispiel: Auditieren -- 461 ff. – Fallbeispiel: Pharmadoku 469 ff. – Fertigstellung/Lieferung 382 ff. – Gewährleistung 385 – Lieferumfang 364, 365, 382 – Prüfung/Kontrolle 384, 461 ff., 478, 480 ff., 484 – Qualitätsanforderungen 358, 360, 361, 362 ff., 384, 385, 463, 480 ff. – Qualitätssicherung 376 ff. – Spezifikation 358, 360 ff. Auditieren 461 ff. – Ablauf 463 ff. – AS BUILT-Dokumentation 461
Sachwortverzeichnis
– Ergebnisse 469 – Grundregeln 464 – Stichprobeauswahl/-umfang 466 ff., 483 Aufbewahren/Aufbewahrung 130 ff. – Ablage/Ablegen 15, 13, 131, 544, 555 – Archiv/Archivieren 9, 20, 115, 130, 131, 137, 154, 269, 292, 374, 385, 476, 492, 506, 509, 517, 531, 533 ff. – Aufbewahrungspflichten 133 ff. – Definitionen 131 – durch Anlagenbetreiber 137, 491 – durch Generalunternehmer bzw. Package-unit-Lieferant 135 – durch Hersteller 132, 133, 135 – durch Ingenieurbüro bzw. Generalplaner 136 – von Prüfdokumenten 136
Bau/Montage (s. Baustellenabwicklung) Bau/Stahlbau 8, 232 – Dokumentenarten 233 ff. – Leistungen 8, 232 Bauprodukte 56 ff. – Definitionen 56 – Leistungserklärung 57 – CE-Kennzeichen 57 Baustellenabwicklung/-phase 371 ff., 421 ff. – Baustellenhandbuch 423, 424 – Dokumentenarten 422 ff – Dokumentationsleistungen 371 – Montagedokumentation 274, 423 – Verantwortung 371, 425 Bauvertrag 340, 341 bearbeitbare Datei (s. Datei) Bearbeitungsstatus/Revisionierung 158, 312, 316, 398 – Definitionen 398 – Kennzeichnung/Statuskennzeichen 398 Befugnis 104 ff. – Arten von -- 104 – Definition 104 – Übertragung 106 Belegexemplar 350, 365, 385, 478, 482 – Aufbewahrung 114, 136, 137, 385 – Definition 350, 588
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– Gewährleistung 385 – Prüfung/Auditieren 384, 462 ff., 478 ff., 482 ff. Beschaffung 169 ff., 177, 419 ff. – Definition 419, 588 – Hinweise zu Doku 419, 420 Beschaffungsdokumentation 169 ff. – Anfrageunterlagen 171, 172 – Bestellung (s. extra Sachwort) – Hersteller-/Lieferantendokumentation (s. extra Sachwort) – Projektrichtlinie BESCHAFFUNG 169, 170 beste verfügbare Techniken (BVT) 59 – BVT-Merkblätter 59 – BVT-Schlussfolgerungen 59 – Umsetzung in BRD-Recht 60 Bestellung (kaufmännisch) 172, 175 – Dokumentenanforderung 173, 175, 226, 370 – Hinweise an Dokumentation 226 ff. – Inhaltsverzeichnis 172 Bestellung (verantwortungsseitig) 107 ff. – Definition 107 – Leadingenieur DOKUMENTATION 110 – Möglichkeiten 107 ff. – Muster/Template 109, 110 bestimmungsgemäßer Betrieb 215 – Definition 589 – Prüfungen vor Inbetriebnahme 216 bestimmungsgemäße Verwendung 34, 35, 45, 122, 196, 204, 228 – Definition 589 Betreiber 19, 282, 439, 444, 491 ff., 589 – -pflichten 493, 507 – Übertragen von Betreiberverantwortung 494 , 495 – -verantwortung 491 ff. Betreiberdokumentation 18, 491 Betrieb (s. Anlagenbetrieb) Betriebsanleitung (Produkte) 38, 42, 48, 195 ff. – Definition 196 – Gliederung für Maschine 196 – Gliederung für Druckgerät 197 – nach ATEX-Hersteller-RL 48, 49, 196 – nach Druckgeräte-RL 42
604
Sachwortverzeichnis
– nach Maschinen-RL 38 Betriebsanleitung (Package-unit) 198 – Gliederung für PU 199 Betriebsanleitung (verfahrenstechnische Gesamtanlage) 199 ff., 201, 269, 284, 445 – Begründung/Notwendigkeit 200 – Gliederung 201 – Inbetriebnahmeanleitung (s. extra Sachwort) – Verantwortung 198, 199 ff., 284 Betriebsanweisung 82, 90, 283 ff. – Definition 283 – für Arbeitsmittel 286 – für Gefahrstoffe 90, 91 – für Inbetriebnahme 287, 288 – für WHG-Anlagen 82 – Gliederung nach AwSV 83 – Kategorien 285 ff. – Methodik/Erarbeitung 285 – Muster gem. GefStoffV. 91 – Verantwortung 82, 90 ff, 111, 284 Betriebsdokumentation 179, 274 ff., 280, 289, 291, 292, 296, 297, 298 – Betriebsdokumente (übergeordnete) (s. extra Sachwort) – Definition/Hauptinhalte 274 – Strukturierung 274 – Teildokumentationen (s. extra Sachwort) Betriebsdokumente (übergeordnete) 275 – Alarm-/Gefahrenabwehrplan 275 ff. – Brandschutzordnung 278 ff. Betriebshandbuch 280 ff., 297 – Betriebsanweisungen 283 ff. – Definition 280 – Dokumentenarten 280, 281 – Gefährdungsbeurteilungen 281 ff. Betriebsphase/Dauerbetrieb 17, 18, 491 ff., 495, 498, 510, 520, 523, 577 ff. – Änderungen an Dokumentation 520 ff. – Bestandsdokumentation 517, 588 – CAD-Richtlinie 503 – Dokumentationsrichtlinie 501 ff., 504, 505 – Dokumentenmanagement 497 ff., 533 ff.
– Fallbeispiel: Eingangsprüfung/Erweiterung der Bestandsdoku 528 ff. – Leitdokumente 499 ff. – Lenkung der Dokumente 399 ff., 523 ff. – Nutzung/Nutzer der Dokumentation 495, 499, 519 – Nutzung/Pflege eines DMS 539 ff., 577 ff. – Pflege der Dokumentation 506 ff. – Prüfbescheinigung 513 – Prüfung der Dokumentation 510 – Reorganisation betriebliches Dokumentenmanagement 516 ff. – Situationsanalyse/Ziele 498 – Software-Tools 523 – wiederkehrende Prüfungen 511 ff. Betriebstagebuch 291 ff, – Gliederung 291 – Dokumentenarten 292 Bevollmächtigter 41 Beweislast/-pflicht) 127, 129, 589 – nach BGB 119, 127, 129 – nach ProdHaftG 95, 119, 121, 122 – nach UmweltHG 124 – -umkehr 119, 122, 340 Brandschutz/Brandgefährdung 88, 92, 206 ff. – Brandschutzkonzept 206 ff., 207, 280 – Brandschutznachweis 206 ff. – Brandschutzordnung 208 – Checkliste 207, 208 BRD-Recht 65 ff. – ArbSchG 102 – BetrSichV 95 ff. – BGB 66 – BImSchG 73 – ChemG 85 – DGUV-Vorschriften 66, 69, 100 ff. – GefStoffV 87 ff. – KrWG 84 – ProdHaftG 95, 120 ff. – ProdSG 93 – StGB 66, 118 – Übersicht 65, 66, 68 – UmweltHG/USchadG 92, 123 ff. – UVP-Gesetz 71 ff., 163 ff. – WHG/AwSV 79 ff.
Sachwortverzeichnis
CE-Kennzeichnung (s. Konformität) Change-Order/Claim Management (s. Änderungswesen)
Datei 1, 20 – änderbare/bearbeitbare -- 20, 272 – Definition 1 – -kennzeichnung (s. extra Sachwort) – unveränderbare/nichtbearbeitbare 20 Dateikennzeichnung/-bezeichnung 314 ff – Empfehlungen 316 – Möglichkeiten 315 Daten 1 – Definition 1 – -integrität 477, 478, 590 – -management – Meta- 2 Datenbank 3, 539 Datensatz 1 Datenträger 3 DCC (Document Classification Code) 311 DGUV-Vorschriften 66, 69, 100 Dichtungen (s. Rohrleitungstechnik) Dienstvertrag 342, 343 Document Control/Lenkung der Dokumente) 399 ff., 523 ff. – Ablaufschema/Workflow 401 – Aufgaben/Ziele 399 – Definition 399 – -Handbuch 401, 402 – Regeln 400 Dokument 1 – Aufbewahrung 130 ff. – Definition 1, 2 – Explosionsschutz- (s. Explosionsschutz) – Image 2 – -kennzeichen (s. extra Sachwort) – Master- 2 (s. auch extra Sachwort) – Original- 2 (s. auch extra Sachwort) Dokumentation (allgemein) 3 – Ablageorte 23 – Änderungen an Dokumentation 520 ff. – Aufbewahren (s. extra Sachwort) – CAD-Richtlinie 503
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– Dokumentationsrichtlinie 373, 374, 501 ff. – Dokumentationspflege 506 ff. – Definition 3 – Dokumentationsrichtlinie 373, 374, 501 ff., 504 – elektronische -- (s. extra Sachwort) – gegenständliche -- (s. extra Sachwort) – Garantie (s. extra Sachwort) – Gewährleistung (s. extra Sachwort) – Prüfung/Kontrolle 384, 461 ff., 478, 480 ff., 484, 510 – Qualitätssicherung 376 ff. – rechtliche Grundlagen 27 – Rechtskataster 511 – Rechtsvorschriften (s. Europarecht und BRD-Recht) – Reorganisation 516 ff. – Verantwortungsübergang 491 ff. – Ziel 11, 518 Dokumentation (Anlage) 3, 4, 10, 14, 145 ff., 417 ff., 469, 491 ff. – Anforderungen 10, 14 (s. auch Qualitätsanforderungen) – AS BUILT- 19 – Beachtung im Vertrag (s. Anlagenvertrag) – Bedeutung 28 – Besonderheiten 9 – Dokumentenanforderungen 370, 371 – Eigentum 357 – Einordnen der Prüfdokumente 220 – Fachliteratur 145 ff. – für WHG-Anlagen 83, 84 – Hauptaufgaben 14 ff. – Hauptdokumentationen (s. extra Sachwort) – in Pharmaprojekten 469 ff., 475 ff. (s. auch Pharmaprojekte) – -kosten (s. Kosten) – Lebenszyklus 18 – Nutzung/Pflege in Betriebsphase 492 ff., 495 ff. – Normen/Richtlinien 146 – Phasendokumentation (s. extra Sachwort) – Qualitätssicherung 376 ff.
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Sachwortverzeichnis
– Rechtsvorschriften 58, 70, 95, 100, 493 – Risikobeurteilung (s. extra Sachwort) – Stand der Technik 10, 27, 69, 94, 137, 168, 169, 215, 220, 385, 480 – -struktur (s. extra Sachwort) – Teildokumentationen (s. extra Sachwort) – Umfang/Komplexität 10 – Versäumnisse/Fahrlässigkeit 114, 498 Dokumentation (Produkt) 3, 4 – Betriebsanleitung 38 (s. auch extra Sachwort) – Dokumentenanforderung 173, 175, 226, 230, 370 – -pflichten 33 – Risikobeurteilung (s. extra Sachwort) – Rechtsvorschriften 33, 93 – technische Unterlagen (s. extra Sachwort) Dokumentationsbenutzer 11 Dokumentationsdienstleister 107 ff., 327, 328, 329, 420 Dokumentationserzeuger 11 Dokumentationskonzept 406 ff. – Ablauf/Schwerpunkte 406 ff. – Definition 406 Dokumentationsstruktur 145 ff., 150 ff., 556, 576 – Hauptdokumentationen 151 – Strukturvorschlag 150, 581 Dokumentenart/-typ 154 ff. – Baustellenphase 421 ff. – Betriebshandbuch 280, 281 – Betriebstagebuch 292 – Definition 154 – -klasse (s. extra Sachwort) – grafische -- 155 – Inbetriebnahme 270, 426 – Instandhaltungsdokumentation 289, 290, 428 – -klasse (s. extra Sachwort) – Liste wichtiger Dokumentenarten (LwD) (s. extra Sachwort) – mögliche Zuordnung der -- 157 – nichtgrafische -- 155
– Prüf- bzw. Nachweisdokumente (s. extra Sachworte) – Qualitätsmanagementhandbuch 297 – Sicherheitsmanagementhandbuch 296 ff. – Übersicht 155 – Bau/Stahlbau 233 ff., 242 – Maschinen/Apparate/Behälter 230, 231 – Prozessleittechnik 253 ff. – Rohrleitungstechnik 244 ff. – Verfahrenstechnik 221 Dokumentenartklasse 157, 311, 316 – Definition 157, 311, 590 – DCC 311 – Haupt-/Unterklasse 311 – Kennbuchstaben 311, 312 Dokumentenkennzeichnung/-zeichen 310 ff, 556, 560, 576 – Aufbau 311 – Definition 310, 590 Dokumentenliste 3 Dokumentenkopie 2 Dokumenten-/Datenmanagement 23, 358, 397 ff., 399 ff., 497 ff., 499 ff., 508, 528, 533 ff. – Ablaufschema/Workflow 508, 509 – Änderungsprozesse 10, 353, 373 ff., 384 – betriebliche Regelungen 523 ff. – CAD-Richtlinie 503 – Definition 517, 533 – DMS (s extra Sachwort) – Dokumentationsrichtlinie 373, 374, 501 ff., 504, 505 – Document Control (s. extra Sachwort) – Dokumentationspflege 506 ff. – Fallbeispiel: Eingangsprüfung/Erweiterung der Bestandsdoku 528 ff. – im Anlagenvertrag 358, 359 ff. – im Engineering 533 ff. – in Betriebsphase 495, 497 ff., 527, 533 ff. – in Pharmaprojekten 477, 478 – Leitdokumente 499 ff. – Nutzeranforderungen 519 – Reorganisation 516 ff. – Software-Tools (s. extra Sachwort)
Sachwortverzeichnis
– -System (DMS) (s. extra Sachwort) – Wissensmanagement 14, 387, 388, 523, 540, 547 – Zielstellung Dokumentenmanagement-System (DMS) 160, 311, 315, 374, 477, 517, 539 ff., 543 ff., 576, 577 ff. – Aufgaben/Möglichkeiten 539 ff. – Bedarfs- und Realisierungsanalyse 550 ff. – Datenpflege/Qualitätskontrolle 581 ff. – DMS-Auswahl/-Testung 568 ff. – Dokumentationsstruktur 556, 581 – Dokumentensuche/Workflow 561 – Einführen eines -- 543 ff., 576 – Kosten/Nutzenanalyse 557, 564 – Lastenheft 561 ff., 564, 565 – Marktanalyse 566 ff. – Nutzer/Schulung 577 ff. – Pflege/Fortschreibung 579 ff. – Pflichtenheft 565, 566 – Projektentwicklung 545 ff. – Projektstufen/-phasen 548 ff. – Realisierung/Inbetriebnahme DMS 572 ff. – Struktur 540, 541, 563 – Systemauswahl 564 ff. – Systemkonzept 558 ff. – -- und ERP-System 543 – Zielstellung 544, 545 Dokumentensatz 157 Dokumentenversion 158, 397 ff. – Definition 397 – Prüfung/Freigabe 397 Druckgerät/-anlagen 41 ff., 98 ff., 197, 228 – Betriebsanleitung 42, 197 – BetrSchV 95 ff. – Definitionen 41 – Dokumentation 228 – Druckgeräte-RL 41 – Druckgeräteverordnung 45 – EU-Konformitätserklärung 43, 461 – Gesamtheit von -- 461 – Inbetriebnahme 41 – Inverkehrbringen 41 – Prüfungen 44, 97 ff. – Risikobeurteilung 44
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– Rohrleitungen 41, 98 – Sicherheitsanforderungen 42 – technische Unterlagen 44 Durchführbarkeitsstudie 393, 402 ff.
Einführer 41 elektronische Dokumentation 19 ff, 477, 533 ff., 539 ff. – Anlagenmodell und BIM 535 ff. – Definition 19 – Gewährleistung 127, 385 – in Betriebsphase 498, 502, 525 – in Pharmaprojekten 477, 481, 484 – Software-Tools (s. extra Sachwort) – Spezifikation 361, 385 Elektronisches Exemplar 358, 364, 365 Engineeringdokumentation 18, 161 ff., 410 ff. – Basic Engineering-Doku 411 ff. – Definitionen 161 – Detail Engineering-Doku 417 ff. – Nutzung 161 – Pre-Basic-Doku 409, 410 Engineering 161, 365, 406, 410, 417, 533 – Basic Engineering 410 ff. – Definition 161 – Detail Engineering 417 ff. – Dokumentenmanagement 533 ff. – Genehmigungsplanung 414 ff. – -leistungen im Vertrag 365 ff. – -phasen 161, 394 (s. Projektabwicklung) – Pre-Basic 406 ff. Engineeringvertrag/EPCM-Vertrag (s. Ingenieurvertrag) Errichten/Errichter 282, 491 ff. Errichterdokumentation 18, 491 EU-/EG-Konformitätserklärung 202 ff., 430 ff. (s. auch Konformität) – bei Zusammenwirken mehrerer EURichtlinien 444 – Beispiel 203 – Definitionen 202, 430, 431 – für Druckgerät 44, 461 – für elektrische Betriebsmittel 51 – für Gerät im Ex-Bereich 51 – für Gesamtheit von Maschinen 202, 453 ff.
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Sachwortverzeichnis
– für Maschine 36, 40, 203 – für unvollständige Maschine 40, 438 ff. – für Anlage 202, 431, 446, 451 ff., 455 ff., 461 – für Produkte (allgemein) 432 ff., 437, 438 Europarecht 29 ff., 58 ff. – ATEX-Betriebs-RL 61 ff. – ATEX-Hersteller-RL 45 ff. (s. auch Geräte) – Bauprodukten-VO 56 – Druckgeräte-RL 41 ff. (s. auch Druckgerät) – EMV-Richtlinie 52 – EU-Beschlüsse/-Entscheidungen 32 – EU-Empfehlungen 33 – EU-Richtlinien 29, 30 – EU-Verordnungen 32 – GHS/CLP-Verordnung 56 – Industrieemissions-RL 58 ff. – Maschinen-RL 34 ff. (s. auch Maschine) – Niederspannungs-RL 51 – REACH-Verordnung 53 – Übersicht 29 Explosionsschutz 45 ff., 61 ff., 88 ff., 209, 211, 213 – Anweisungen 62 – Arbeitsfreigabe 62 – Checkliste zur Prüfung/Einstufung 211, 213 – Explosionsgefährdung/-risiken 61, 88, 92, 97, 210 – Explosionsschutzdokument 64, 89, 98, 209, 280 – Explosionsschutzkonzept 89, 209, 211 – Ex-Zonen/-einteilung 62, 89, 210, 213 – -maßnahmen 63, 209 – Gefahrenzonenplan 210, 214 – Unterweisung 62, 92 – Warnzeichen 92
Fahrlässigkeit 113, 116, 120 – Definition 113, 116 – fahrlässiges Handeln 112, 116
– grobe -- 116 – Konsequenzen 116 ff. – leichte -- 120 – mittlere/normale -- 120 – Risikopotential 114 Funktionsprüfung (-test) 220, 221 – Definition 220
Garantie 129 ff. – Definition 129 Gefährdung 592 – bei Risikobeurteilung 434 – bzgl. Arbeitssicherheit 100 – durch Gefahrstoff 87, 92 – Explosions- 63, 88 Gefährdungsbeurteilung 88, 96, 102, 281 ff. – Definition 281, 282, 592 – für Gefahrstoff 88, 89 ff. – Methode 283 – nach ArbSchG 102 – nach BetrSichV 96, 99 – Verantwortung 96, 102, 111, 282 Gefahren-/Verantwortungsübergang 114, 128, 340, 491 ff. Gefahrstoff 53, 87, 195 – Definitionen 87 – Gefährdungsbeurteilung 88 – Sicherheitsdatenblatt 54, 87, 195 gegenständliche Dokumentation 19, 21 – Definition 19 – Gründe 21, 22 Genehmigung 9, 70, 162 ff. – Definitionen 70, 71 – Verantwortung 70, 162 Genehmigung nach BImSchG 164 ff. – Antragstellung 164, 165 – behördliche Anordnungen 169 – Genehmigungsbescheid 166, 167 – Genehmigungsplanung 414 ff. – Nutzung 124, 167 – Sicherheitsbericht 165, 166 – wesentliche Änderungen 167, 168 Genehmigungsdokumentation 18,162 ff. – -antrag 164 ff. – -bescheid 166, 167 – Inhaltsverzeichnis 162 – UVP (s. extra Sachwort)
Sachwortverzeichnis
Genehmigungsverfahren 73, 76 – nach BImSchG 73 ff. – nach Musterbauordnung 76 – mit UVP 72 Generalvertrag (LSTK-Vertrag) 344 ff. Geräte (u.a. im Ex-Bereich) 45 ff., 254 ff. – ATEX-Hersteller-RL 45 – Betriebsanleitung 48, 49 – Definitionen 45 – Einstufung/Kategorie 46, 47 – elektrische Betriebsmittel 45, 254 – EU-Konformitätserklärung 49 – Explosionsschutzverordnung 51 – -kategoien 46, 47 – -liste 257 – Maschinen/Vorrichtungen 45 – Übersicht 254 – Prüfungen/Kontrolle 211, 216 ff. – Sicherheitsanforderungen 47 – technische Unterlagen 50 Gesamtdokumentation 3, 146, 148, 150 – Aufbewahren 132 – Definition 150 – Lebenslaufakte der Anlage 146, 147 Gewährleistung 125 ff., 355 ff., 385 – für AS BUILT-Dokumentation 385 – Definition 125 – -frist/Verjährung 126, 127, 128, 339 – im Anlagenvertrag 355, 356 – im Kaufvertrag 128 ff. – im Werkvertrag126 ff., 339 – nach VOB 334 – vereinbarte Beschaffenheit 126 ff., 385
Haftung 9, 119 ff., 334, 335 – des Arbeitnehmers 120 – im Dienstvertrag 342, 343 – im Kaufvertrag 118, 341 – im Werkvertrag 119, 335 – nach BGB 119, 120, 333 ff. – nach ProdHaftG 120 – nach UmweltHG/USchadG 123 ff, 125 – Verdachts-/Gefährdungs- 92, 119, 124 Händler 41
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Hauptausrüstung 8, 223, 224, 593 Hauptdokumentation 150, 152, 158, 161, 162, 169, 176, 274, 199 (s. auch extra Sachworte) – Projektdokumentation 158 – Engineeringdokumentation 163 – Genehmigungsdokumentation 162 – Beschaffungsdokumentation 169 – Anlagendokumentation 176 – Betriebsdokumentation 274 – Rückbaudokumentation 299 – Strukturierungsmöglichkeiten 152, 556, 581 Hersteller 34, 41, 43 Hersteller-/Lieferantendoku 171 ff., 223, 224, 226, 229, 369, 419 ff. – Ablaufschema/Workflow 224 – Beschaffen 171, 227 – Dokumentenanforderung 173, 226 – Einkaufen/Einordnen 177, 420, 421 – für Apparat/Behälter 226, 228 – für Einzelausrüstungen 175, 419 ff. – für Maschine 173, 229, 369 – Inhaltsverzeichnis 175 – Qualitätssicherung 376 ff. – technische Spezifikation 172
Image 2 Inbetriebnahme (Anlage) 216, 269 ff. – -anweisungen 287, 288 – Definition 269 – -dokumentation (s. extra Sachwort) – Dokumentenarten 270, 426 – -handbuch (s. extra Sachwort) – -management 427 – Prüfungen vor -- 216 ff. Inbetriebnahme (Produkt 34, 41 – Druckgerät 41 – Maschine 34, 35 Inbetriebnahmeanleitung 201, 202, 269 – Definition 202 – Gliederung 201 – Verantwortlichkeit 269 Inbetriebnahmedokumentation 18, 417, 425 – Definition 594 – Erstellen 417, 425 Inbetriebnahmehandbuch 426, 427
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Sachwortverzeichnis
– Gliederung 427 – Definition 426 Ingenieurvertrag 345 ff. Instandhaltung 289 ff., 425 ff., 521 ff. – -anweisungen 290, 291, 426 – Definitionen 289 – -dokumentation (s. extra Sachwort) – Dokumentenarten 289, 290, 426 – Gliederung 290, 291 – -planung 429 – Verantwortung 428 Instandhaltungsdokumentation 289 ff. – Dokumentenarten 289 – Gliederung 290, 291 Inverkehrbringen 34, 41, 49, 94, 196, 200, 202, 430, 431 – nach ATEX-Hersteller-RL 49 – nach BauPVO 56 – nach Druckgeräte-RL 41 – von Gefahrstoff 195 – nach MRL 34, 36 – nach ProdSG 94 – von Anlage 200, 205, 431 – von Produkt (allgemein) 196, 202, 430 – von unvollständiger Maschine 439
Kaufvertrag 341 ff., 420 – Abgrenzung zu Werkvertrag 341 – Entgegennahme 342, 420 – Garantie 129 ff. – Gewährleistung 128 ff. – Haftung/Erfolgshaftung 118, 341 – Handhabung Dokumentation 420 421 Kennzeichen/Kennzeichnung 304 ff., 594 – Anlagen- 304 ff. (s. auch extra Sachwort) – Datei- 314 ff. (s. auch extra Sachwort) – Dokumenten- 310 ff. (s. auch extra Sachwort) – Grundsätzliches 304 Konformität (Anlage) 202, 430, 431, 445 ff., 451 ff., 461 – Ablauf/Workflow 454, 455 ff. – Beispiele 451 ff., 456 ff. – Definitionen 430, 431, 452, 453
– -erklärung (s. EU-Konformitätserklärung)) – Gesamtheit von Maschinen 202, 453 ff., 456 – Interpretationspapier "Gesamtheit von Maschinen" 453, 454 ff. – Situationsanalyse/Zielstellung 445 Konformität (Produkt) 36, 43, 44, 49, 50, 51, 53, 202 ff., 430, 432 ff., 437, 444 – CE-Kennzeichnung 36, 44, 50, 51, 53, 57, 94, 96, 431, 437 – Definitionen 430, 431, 592 – Einbauerklärung 37, 202, 438 ff. – Gesamtheit von Maschinen 202 – Interpretationspapiere 442, 454 – unvollständige Maschine (s. Maschine) – -verfahren 36, 43, 50, 51 – wesentliche Veränderung (s. Maschine) – Zusammenwirken mehrerer EU-RL 444 Kopie 2 Kosten/Preisformen 9, 328 ff., 415, 522, 557, 564 – Abschätzung nach HOAI 330, 331 – Einsparpotential durch DMS-Einführung 557 – für DMS-Einführung 563, 564 – für Dokumentationsdienstleistungen 329, 330 – für Dokumentationsleistungen in Anlagenprojekten 332 – Instandhaltungs- 522 – Investitions- 415, 522 – -kalkulation 330 – Preisform/Vergütung 329, 332, 352, 353
Laboranalysentechnik (LAT) (s. Prozessleittechnik) Lastenheft 182, 323 ff., 402 ff., 518, 561, 565 – Checkliste 324, 325 – Definition 323, 594 – Gliederung 404, 405 – für DMS-Einführung 561 ff., 565 – für Dokumentenmanagement 518
Sachwortverzeichnis
Lebensdauer 9 Lebenslaufakte (s. Gesamtdokumentation bzw. Prüfbuch) Lebensphasen 17, 18, 147 (s. auch Phasenmodell) Lebenszyklus 17, 18, 147, 158 – der Anlage 17, 147 – der Dokumentation 18 – eines Dokuments 158 Lessons Learned 387 ff. – Auswerteblatt 388, 389 – Definition 388 – Erfahrungen/Kernaussagen 390 – Ziele/Grundregeln 388 Lieferantendokumentation (s. Herstellerdokumentation) Liste wichtiger Dokumentenarten (LwD) 156, 178, 312, 314, 376, 519 – Definition 156 – LwD und Anlagenvertrag 366 LSTK-Vertrag (s. Generalvertrag)
Managementsystem (Integriertes) 15 s. auch Dokumentenmanagement bzw. Software-Tools) Maschine/unvollständige Maschine 34 ff., 173, 196, 223, 229, 438, 442, 452 – Abgrenzung 439 – Betriebsanleitung 37, 38, 196 – Definitionen 34, 223, 230, 452 – Dokumentenanforderung/Spezifikation 173, 174 – Dokumentation 229 – Dokumentenarten 230 – EG-Konformitätserklärung 36, 203 – Einbauerklärung 37, 438 ff. – Gesamtheit von -- 35, 202, 453 ff., 456 – im Ex-Bereich 45, 229 – Inbetriebnahme 34 – Interpretationspapier "Wesentliche Veränderung" 442, 443 – Inverkehrbringen 34 – Maschinen-RL 34 – Montageanleitung 36, 39, 438 – Maschinenverordnung 40 – Risikobeurteilung 35, 36, 40 – Sicherheitsanforderungen 35
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– technische Unterlagen 39, 40 – unvollständige Maschine 34, 36, 37, 40, 438 ff. – wesentliche Veränderung 440 ff. Master(-dokument) 2, 20, 158, 272, 365, 371, 372, 376, 383, 389, 421, 427, 478, 506, 525 Mechanische Fertigstellung (MF) 18, 160, 200 ff., 205, 208, 270, 352, 357, 371, 380, 417, 421, 426, 451, 461, 472, 492 – Definition 595 Metadaten 2
Nachrichtentechnik (NAT) (s. Prozessleittechnik) Nachweisdokumente 177, 231, 242, 245, 270, 273, 280, 290, 292, 424, 426 – Definition 595 – Bau/Stahlbau 242 – bei Inbetriebnahme 270, 426 – bei Instandhaltung 289, 426 – Betriebshandbuch 280, 281 – Betriebstagebuch 292 – in Baustellenphase 424, 425 – Maschinen/Apparate/Behälter 231 – Package-unit/Teilsystem 273 – Prozessleittechnik 216 ff., 264 – Rohrleitungen/Armaturen/Dichtungen 245 – Rückbau 303 nichtbearbeitbare Datei (s. Datei)
Ordnungswidrigkeit 66 Organisation 103 ff., 506 – Organigramm 108 – Organisation Doku-Pflege 506 ff. – Organisationsverschulden 103, 112, 113, 497 – Stellenbeschreibung 109 Original(-dokument) 2, 21, 22, 470, 478, 502, 526
Package-unit (PU)/Teilsystem (TS) 147, 177, 271 ff. – Definition 271 – -Dokumentation 177, 272
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Sachwortverzeichnis
– Kabelsystem 271 – Rohrleitungssystem 271, 273 Pflicht 105, 116 – Definition 105 – Sorgfalts- 113, 205, 445 – -übertragung 106, 110 – -verletzung 112, 116 ff. Pflichtenheft 162, 324, 325, 416, 565 – Definition 416 – für DMS-Einführung 565, 566 – Spezifik 416 Pharmaprojekte 469 ff. – Anpassung Phasenmodell 471 – elektronische Doku/DMS 477, 478, 481, 484, 485 – GMP-gerechte Doku 475 ff. – Good Engineering Practice (GEP) 470, 474 – Good Manufacturing Practice (GMP) 469, 470 – Prüfung AS BUILT-Doku 478 ff., 484, 485 – Qualifizierung 472 – Qualitätsanforderungen 480 – Spezifika 469 – Validierung 473 Phasendokumentation 146, 162, 317, 396, 404, 406, 419 – Auflistung 396 – Baustellenphase 421 ff. – Basic Engineering-Doku 410 ff. – Definition 595 – Detail Engineering-Doku 417 ff. – Hersteller-/Lieferantendoku 419 ff. – Inbetriebnahme 269 ff., 425 ff. – Instandhaltung 289 ff., 425 ff – Lastenheft (s. extra Sachwort) – Pre-Basic-Doku 409, 410 PLT-Dokumentation (s. Prozessleittechnik) Produkt 3, 33, 93, 120, 202, 204, 223, 430 – Betriebsanleitung (s. extra Sachwort) – Definition 3, 93, 120 – -dokumentation (s. Technische Produktdokumentation) – EU-Konformitätserklärung (s. extra Sachwort)
– -fehler 121, 122 – Hauptausrüstung 223, 224, 229, 288, 293 – Konformität (s. extra Sachwort) – -haftungsgesetz 95, 120 – Hauptausrüstung 8 – Inbetriebnahme (s. extra Sachwort) – Inverkehrbringen (s. extra Sachwort) – Risikoanalyse 204 – Risikobeurteilung (s. extra Sachwort) – Risikobewertung 204 – Risikoeinschätzung 204 – -sicherheit 93 ff. – technische Unterlagen (s. extra Sachwort) Produktsicherheit 195 ff., 204, 596 Projektabwicklung/-phasen 393 ff., 430 ff., 469 ff. – Basic Engineering/Entwurfsplanung 410 ff. – Baustellenphase (s. Baustellenabwicklung) – Beschaffung ( s. extra Sachwort) – Detail Engineering/Ausführungsplanung 417 ff. – Durchführbarkeitsstudie 393, 402 ff. – EU-Konformität 430 ff. – Front-End-Loading 395, 396 – Genehmigungsplanung 414 ff. – Grundlagenermittlung 394, 404 – Inbetriebnahme 425 ff. – Instandhaltung 425 ff. – Investitionskosten/-antrag 415 – Lastenheft (s. extra Sachwort) – Mechanische Fertigstellung (s. extra Sachwort) – Nutzung von DMS/PKMS 541 – Pflichtenheft (s. extra Sachwort) – Pharmaprojekte (s. extra Sachwort) – Phasendokumentation (s. extra Sachwort) – Phasenmodell 394 ff. – Pre-Basic/Vorplanung 406 ff. – Projektvorbereitung 393, 402 – Risikobeurteilung 430 ff. Projektdokumentation 158 ff., 396 – Definition 158
Sachwortverzeichnis
– Inhaltsverzeichnis 158, 159 Projekthandbuch 159 ff. – Definition 159 – Inhaltsverzeichnis 160 Projektmanagement 326 ff., 372 ff., 393 ff., 480 – Abnahme AS BUILT-Doku 384 ff – Änderungswesen (s. extra Sachwort) – Auswertung (s. Lessons Learned) – Beschaffungsrichtlinie 152, 169, 370 – Brownfiled-Projekt 478, 590 – Change-Order (s. Änderungswesen) – Document Control (s. extra Sachwort) – Dokumentationsrichtlinie 373, 374 – Einführung eines DMS – Greenfield-Projekt 461, 492, 500, 593 – Hersteller-/Lieferantendoku 419, 420 – Inbetriebnahme 427 – Investitionskosten/-antrag 415 – Kosten (s. extra Sachwort) – Leadingenieur DOKUMENTATION 108, 110, 327, 342 – Pharmaprojekte (s. extra Sachwort) – Phasenmodell 494 ff. – Projektabwicklung/-phasen (s. extra Sachwort) – Projektdokumentation (s. extra Sachwort) – Prüfung AS BUILT-Doku 384, 480 ff. – Qualitätssicherung 376 ff. (s. auch Qualitätsanforderungen) – Verantwortung im Team 326 ff. Prozess (s. Verfahren) Prozessanalysentechnik (PAT) (s. Prozessleittechnik) Prozessleittechnik 251 ff. – Ablaufschema/Workflow 251 – Bedienungshandbuch PLS 265 – Dokumentenarten 251, 255 ff. – Einrichtungen/Komponenten 254 – Elektrotechnik 252, 255 ff. – Kabelsysteme 271 – MSR-Technik 184, 188, 189, 252, 255 ff.
– – – –
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Nachrichtentechnik 252, 255 PAT-/LAT-Technik 252, 255 PLT-Stellen klassifizieren 449 Prozessleitsystem (PLS) 5, 252, 258, 260, 265 – SIL-Einstufung 449 ff., 451 – Steuerung (prozessgerichtet) 258, 259 – Steuerung (sicherheitsgerichtet) 259, 260 – Systematisierung 253 – Teildisziplinen 252 Prozesstechnik (s. Verfahrenstechnik) Prüfbuch 138, 216 ff., 293, 251, 596 Prüfdokumentation 220, 231, 242, 245, 293 ff., 484, 511 ff., 513 ff. – Anlagenprüfkataster 293, 295, 513 ff., 587 – Definition/Abgrenzung 293 – Schwerpunkte 293 Prüfdokumente 177, 214, 215, 216 ff., 220, 231, 242, 245, 270, 273, 275, 290, 424, 426 – Bau/Stahlbau 242 – in Baustellenphase 424, 425 – Betriebshandbuch 281 – Betriebstagebuch 292 – Definition 596 – Einordnen in Dokumentation 220, 419 ff., 421 ff. – Inbetriebnahme 270, 426 – Instandhaltung 289, 290 – Maschinen/Apparate/Behälter 231 – Package-unit/Teilsystem 273 – Prozessleittechnik 216 ff. – Prüfanweisung 284, 289 – Rohrleitungen/Armaturen/Dichtungen 245 – Rückbau 303 – Werkstoffe 229 Prüfhandbuch (s. Prüfdokumentation) Prüfung 596 (s. auch Sicherheits- bzw. Funktionsprüfung)
Qualitätsmanagement 297 ff., 376 ff., 525 ff. – betriebliches 525 ff. – -handbuch 297
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Sachwortverzeichnis
– Mangelmeldung/-verwaltung 380, 381, 483 – Struktur 297 – Verfahrensanweisung 289, 297, 298, 525 ff. Qualitätsanforderungen 362 ff., 480 – an AS BUILT-Dokumentation 351, 355, 358, 360, 361, 362 ff., 384, 385 – an Pharma-Dokumentation 480 – im Lasten-/Pflichtenheft 324 Qualitätsdokumente (s. Prüf- bzw. Nachweisdokumente) Qualitätssicherung/-kontrolle 10, 376 ff., 565
Regeln der Technik 67 ff. – Allgemein anerkannte -- 66, 69 – DGUV-Regeln 66, 69, 100 – Technische Regeln 66, 67 – TRBS 99 Regelung (technisch) (s. Prozessleittechnik) Revisionierung/Revision (s. Bearbeitungsstatus) Risiko 9, 434, 597 Risikoanalyse 204 Risikobeurteilung (Anlage) 65, 205, 206, 282, 296, 445 ff. – Ablauf 446 ff. – Definitionen 205, 431, 597 – Ergebnisbericht 206, 449, 453 – HAZOP-Methode 446 ff. – Methoden 296, 446, 449 – Performance Level 435, 436 – Risikoanalyse 205, 447, 597 – Risikobewertung 205, 448, 597 – SIL-Einstufung 449 ff., 451 – Situationsanalyse 445 – Verantwortung 205, 282, 445 Risikobeurteilung (Produkt) 204 ff., 432 ff. – Ablaufschema/Workflow 433 ff. – Definitionen 204, 430, 597 – Dokumentation 204 – für unvollständige Maschine 438 – für Produkte 204 ff., 434 ff. – nach ATEX-Hersteller-RL 50 – nach Druckgeräte-RL
– nach Maschinen-RL 35, 36, 39, 40 – Methodik 432 – Nachweisdokumentation 436, 437 – Performance Level 435, 436 Risikobewertung 204 Rohrleitungstechnik 243 ff. – Ablaufschema/Workflow 244 – Armaturenklasse 247 – Dichtungsklasse 247 – Dokumentenarten 244, 245 – Rohrklasse 246 – Rohrleitungsbuch 217, 251 – Rohrleitungsisometrie 248, 249, 250 – Rohrleitungsliste 248, – Rohrleitungsmodell 247 – Rohrleitungsplan 248 – Rohrleitungssysteme 271, 273 Rückbau 299 Rückbaudokumentation 299 ff. – Abbruchanweisung 302 – Ausführungsdokumente 301, 303 – Genehmigungsdokumente 291 – Prüf-/Nachweisdokumente 303 – Vorbereitungsdokumente 300, 301
Schaden 112, 113, 116 – -ersatzpflicht 116 – Tatbestand/Tatbestandsprüfung 112 Sicherheit 9, 214, ff., 281 ff. – Anlagen- (s. extra Sachwort) – Anweisung (s. Betriebsanweisung) – Arbeits- 100 ff. – Betriebs- 67, 99 – Betriebsanweisung (s. extra Sachwort) – Brandschutz (s. extra Sachwort) – DGUV-Vorschruften 66, 69, 100 – Explosionsschutz (s. extra Sachwort) 46 – Gefährdungsbeurteilung (s. extra Sachwort) – Geräte 46, 47, 254 ff. – Gesundheitsschutz (s. auch Unfallschutz) 100 – -managementhandbuch 296 ff. – Produkt- (s. extra Sachwort) – -prüfungen (s. extra Sachwort)
Sachwortverzeichnis
– Sicherheitsdatenblatt 54, 195 – -verantwortung 107, 110 – Unterweisung (s. extra Sachwort) – WHG-Anlagen 79 ff. Sicherheitsprüfungen 214 ff. – Definition 214, 597 – Einordnen der Prüfdokumente 220 – von Anlagen im Ex-Bereich 93, 94, 98, 210, 216 – nach Druckgeräte-RL 43, 44, 216 ff. – nach ProdSG 94 – nach WHG/AwSV 81, 216 – vor Inbetriebnahme 94, 97, 99, 215, 216 ff. – wiederkehrende Prüfungen 94, 97, 99, 428, 484, 511 ff. Sicherheitsbericht 165, 166 Sicherheitsmanagementhandbuch 296 ff. – Dokumentenarten 296 – Schwerpunkte 296 Situationsanalyse Software-Tools 23, 359, 523, 534 ff. – BIM 23, 534, 535 ff., 538 – DMS (s. extra Sachwort) – ERP-System 19, 24, 534 – PKMS 23, 534, 535 – Wissensmanagement 14, 387, 388, 523, 540, 547 Sorgfaltspflichten 113, 205 Steuerung (technisch) (s. Prozessleittechnik) Strafrecht/strafrechtlich 9, 32, 66, 69, 194, 107, 113, 116, 117, 136, 215, 343, 497 Stand der Technik 10 Stoff/Gemisch 53 – Definitionen 54 – Gefahrstoff (s. extra Sachwort) – Sicherheitsdatenblatt 54 – wassergefährdende -- 79 Störfall-Verordnung 165
Technische Dokumentation (s. Technische Produktdokumentation) Technische Gebäudeausrüstung (TGA) 266 ff. – Dokumentenarten 267 ff. – Übersicht 266
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Technische Regeln (s. Regeln der Technik) Technische Produktdokumentation 3, 176, 223, 326 (s. auch technische Unterlagen) – Aufbewahrung 133, 124 Maschinen/Apparate/Behälter 173, 175, 223 ff. – Definition 3 – externe -- 231, 232 – Geräte – interne -- 231, 232 – Prüf-/Nachweisdokumente 231 technische Unterlagen 39, 44, 50, 51, 180, 198 – Definition 597 – für Druckgeräte 44 – für elektrische Betriebsmittel 52 – für Geräte im Ex-Bereich 50 – für Maschine 39 – für unvollständige Maschine 40 Teilanlage (s. Package-unit) Teildokumentation (allgemein) 151 ff. – Definition 151 – Gliederungsvorschläge 151, 152 – Phasendokumentation (s. extra Sachwort) Teildokumentation (TD) (Anlage) 182 ff. (s. auch extra Sachworte) – Anlagendokumente (übergeordnete) 182 ff. – Bau/Stahlbau 232 ff. – Inbetriebnahme 269 ff. – Maschine/Apparat/Behälter 223 ff. – Package-unit/Teilsystem 248, 271 ff. – Prozessleittechnik (PLT) 251 ff. – Rohrleitungen 243 ff. – Technische Gebäudeausrüstung (TGA) 266 ff. – Verfahrenstechnik 221 ff. Teildokumentation (TD) (Betrieb) 275 ff. (s. auch extra Sachworte) – Betriebsdokumente (übergeordnete) 275 ff. – Betriebshandbuch 280 ff. – Betriebstagebuch 291, 292 – Instandhaltungsdokumentation 289, 290, 291
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Sachwortverzeichnis
– Prüfdokumentation 292 ff. – Qualitätsmanagementhandbuch 297 ff. – Sicherheitsmanagementhandbuch 296 ff. – Umweltmanagementhandbuch 298 ff. Teilsystem (s. Package-unit)
überwachungsbedürftige Anlage nach ProdSG und BetrSichV 93, 97 – Anzeige 70, 94 – Definition 93, 597 – Prüfbescheinigung 97, 511 – Prüfung vor Inbetriebnahme 94 – wiederkehrende Prüfung 94, 98, 511 ff. Umweltmanagement 298 ff. – -handbuch 298 – -system 298 Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) 71, 163 – Bericht/Unterlagen 163 – Bescheid 163 – Verwaltungsverfahren 72, 163 Unterweisung/Unterrichtung 62, 90 – gem. ATEX-Betriebs-RL 62 – gem. AwSV 82 – gem. GefStoffV 90
Verantwortung 104 ff., 326, 491 ff. – Arten von -- 104, 106, 107 – auf Baustelle/Errichtung 282 – Aufsichts- 111 – Auswahl- 111 – auf Baustelle 371, 425 – bei Inbetriebnahme 427, 428 – Betreiber- 492, 493 – Definition 104 – für Dokumentation 326 ff., 491 ff. – für Genehmigung 70, 162 – für Instandhaltung 428 – im Betrieb 282 – im Projektteam 108, 326 ff. – Ordnungs- 111, 117 – Sicherheits- 107 – strafrechtliche -- 106, 107, 117, 118
– -übergang 114, 491 ff. – -übertragung 106 – zivilrechtliche -- 116 Verfahren/Prozess 221, 223 Verfahrensanweisung 289, 297, 298 Verfahrensentwicklung 393, 403 Verfahrensplanung 7 Verfahrenstechnik 182, 221 ff. – Ablaufschema/Workflow 7, 183 – Dokumentenartklasse 222 – fachspezifische Dokumentenarten 221, 222 – Fließschemata 182 ff. – übergeordnete Dokumentenarten 221 verfahrenstechnische Anlage 4, 199, 431, 469 – Anlagenkomponente 33 – Besonderheiten 4 ff. – Betriebsanleitung (s. extra Sachwort) – Definition 4 – Inbetriebnahme (s. extra Sachwort) – in Ex-Bereichen 209 ff. – Inverkehrbringen (s. extra Sachwort) – Pharmaanlagen (s. Pharmaprojekte) – Risikobeurteilung (s. extra Sachwort) Verschulden 116, 119, 335, 341, 343 – Definition 119 – Organisationsverschulden 105, 112 Versionierung/Version (s. Dokumentenversion) Vertrag (s. Anlagenvertrag) Vertragsart 343 ff., 598 – Engineeringvertrag – Generalvertrag 344 ff. – Mustervertrag 348 ff. – Übersicht 344 Vertragsform 333 ff., 598 VOB 334, 336, 337, 341 Vorsatz 66, 116, 119
Werkvertrag 335 ff. – Abnahme (s. extra Sachwort) – Bauvertrag 340, 341 – Bedenkenanzeige 335 ff.
Sachwortverzeichnis
– Garantie 129 ff. – Gewährleistung 126 ff. – Haftung/Erfolgshaftung 119, 335 – Vergütung 338, 353, 354 Wirtschaftsakteure 42
Zivilrecht/zivilrechtlich 66, 69, 70, 104, 116, 117, 119, 136, 215, 343 Zuständigkeit 105 – Definition 105 – -übertragung 106
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