Differenzierung, Entscheidung und Integration: Dilemmata der Steuerung und Intervention in Organisationen [1 ed.] 9783428504022, 9783428104024

Christian Drepper beschäftigt sich aus organisationsoziologischer Perspektive mit den Möglichkeiten, Unternehmen zu steu

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German Pages 241 Year 2001

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Differenzierung, Entscheidung und Integration: Dilemmata der Steuerung und Intervention in Organisationen [1 ed.]
 9783428504022, 9783428104024

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CHRISTIAN DREPPER

Differenzierung, Entscheidung und Integration

Soziologische Schriften Band 72

Differenzierung, Entscheidung und Integration Dilemmata der Steuerung und Intervention in Organisationen

Von

Christian Drepper

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Drepper, Christian: Differenzierung, Entscheidung und Integration : Dilemmata der Steuerung und Intervention in Organisationen / Christian Drepper. - Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Soziologische Schriften; Bd. 72) Zugl.: Essen, Gesamthochsch., Diss., 1999/2000 ISBN 3-428-10402-1

Alle Rechte vorbehalten

© 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0584-6064 ISBN 3-428-10402-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706§

Zur Erinnerung an meinen Vater Manfred Drepper

Vorwort Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Notwendigkeit und den Möglichkeiten, Unternehmungen - als einen Typus komplexer Organisationssysteme - zu steuern und insbesondere ihre Entscheidungsprozesse zu organisieren. Der Ansatz, den die Auseinandersetzung mit diesem Thema wählt, ist organisationsoziologisch. Die Arbeit verfolgt demnach weniger die Intention, für das in der Organisationspraxis virulente Problem der Intervention und Steuerung praktische Lösungen aufzuzeigen, sondern geht von der Überzeugung aus, daß sich eine Analyse der Interventions- und Steuerungs möglichkeiten zuerst eines soliden organisationstheoretischen Fundaments zu versichern hat, um in weiteren Schritten die Möglichkeiten und Grenzen managerialen Handeins zu bestimmen. Zugleich soll der Versuch unternommen werden, den Blick der Soziologie für die Einsichten der Nachbarwissenschaften - vor allem der betriebswirtschaftlichen Organisationstheorie - zu öffnen, um deren Forschungserträge gewinnbringend in die soziologische Theorieentwicklung einfließen zu lassen. Wenn dieser Ansatz und seine Ergebnisse darüber hinaus einer reflektierten Praxis zu ein wenig Verunsicherung verhilft und in der Theorie zur Entdeckung neuer Aspekte des Gegenstandes beiträgt, wären die Hoffungen auf einen interessierten Theorie-/Praxisdialog zum Teil erfüllt. Die Arbeit wurde im Wintersemester 1999/2000 vom Fachbereich Soziologie der Universität Essen als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung wurde sie moderat überarbeitet, später erschienene Literatur konnte noch bis Ende 2000 Berücksichtigung finden. Die Arbeit ist parallel zu meiner Tätigkeit im Bereich Managementberatung und Organisation bei der Ruhrgas AG, Essen, entstanden. Die tägliche praktische Beschäftigung mit Fragen der Organisationsanalyse und -gestaltung, Entscheidungs- und Leistungserstellungsprozessen und nicht zuletzt die Erfahrung mit der Implementierung von Organisationskonzepten hat diese Arbeit maßgeblich beeinflußt, indem sie den Blick für praktische Relevanzen sowie für Grenzen und Möglichkeiten der Intervention geschärft hat. Darüber hinaus hat mir die Beratungstätigkeit einen umfassenden Zugriff auf nichtsoziologische Theorieangebote ermöglicht, die die Gewißheiten der Soziologie in produktiver Weise irritieren können. Manche Thesen mußten aufgrund der Erfahrung der Arbeit in und an der Organisation revidiert werden, andere Einsichten entstanden erst in der praktischen Projektarbeit.

8

Vorwort

Mein herzlicher Dank gilt an erster Stelle meinem Doktorvater und Erstgutachter Prof. Dr. Eckart Pankoke, der diese Arbeit in nicht zu unterschätzender Weise gefördert hat. Insbesondere sein Vertrauen in den Fortgang des Projektes, aber auch die zahlreichen Gelegenheiten zum Gedankenaustausch und zur Diskussion im Kreis der Organisationssoziologie, haben mich immer wieder angespornt und mir einen Rahmen für den fortgesetzten ..Grenzgang" zwischen Theorie und Praxis gegeben. Ebenso danke ich Prof. Dr. Alois Brandenburg, der das Zweitgutachten übernommen und dem Thema - insbesondere auch seiner praxisorientierten Ausrichtung - großes Interesse entgegen gebracht hat. Für die großzügige Gewährung eines Druckkostenzuschusses zur Veröffentlichung dieser Arbeit gilt mein Dank der Alfred und Cläre Pott-Stiftung. Neben dem Beruf eine wissenschaftliche Arbeit zu verfassen ist ohne Rückhalt durch Familie und Freunde nicht denkbar. Mein Dank gilt zu allererst meiner Frau Andrea Andor für ihre Unterstützung und für ihre Entscheidung, die Promotion nur zum zweitwichtigsten Projekt des Jahres 2000 zu machen. Ein besonderer Dank gilt meinen Eltern, die meine Ausbildung und beruflichen Entscheidungen jederzeit wohlwollend und mit großem Engagement unterstützt haben. Ebenfalls danke ich meinem Bruder Thomas Drepper, der als Soziologe hilfreiche Anregungen beigesteuert und das Manuskript kritisch durchgesehen hat. Der professionellen und geduldigen Korrekturarbeit von Klaus Dimrnler schließlich ist es zu verdanken, wenn der soziologische Duktus nicht zu sehr die Lesbarkeit dieses Textes beeinträchtigt. Dr. Ulrich R. Haltern gilt Dank für fruchtbare Diskussionen und den hartnäckigen Ansporn, trotz aufreibender Praxis immer wieder in die Wissenschaft einzutauchen. Essen, im Juli 2001

Christian Drepper

Inhaltsverzeichnis Kapitel I

Problemstellung und Vorgehensweise

13

1. Das Schweigen der Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

13

2. Vorgehensweise ....................................................

17

Kapitel II

Theoretische Positionen

20

1. Problernhistorie der Steuerung der Organisation ........................

20

2. Wissenschaftliche Betriebsführung ...................................

23

3. Methodisches Management ..........................................

26

4. Was hält die Organisation zusammen? ................................

27

5. Kooperation Und Motivation ........................ , . . . .. . . . . .. . . . ..

30

6. Die Entdeckung des Informellen .....................................

33

7. System und Umwelt ................................................

35

8. Grenzen der Empirie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 42 9. Themenkontinuität und Verlust des Gegenstandes ...................... 44 Kapitel I/l

Organisation als soziales System 1. Explikation statt Ontologie ..........................................

48 48

2. Blinde Flecken: der Beobachter ...................................... 49 3. Ein postmoderner Standpunkt? .......................................

52

4. Zirkuläre Anfange: Autopoiesis ......................................

55

5. Respezifikation: Sozialsystem Organisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

58

6. Offenheit durch Geschlossenheit .....................................

59

7. Entscheidung unter Unsicherheit .....................................

62

8. Entscheidungsprämissen: Integration von Struktur und Strategie . . . . . . . . .. 65 9. Koordinationsbedarf ................................................

69

10

Inhaltsverzeichnis

10. Kritik des Ziel begriffs ..............................................

71

11. Programmierung ...................................................

75

12. Rehabilitierung der Entscheidungsprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

79

Kapitel IV Dilemmata funktionaler Differenzierung

1. Komplexität .......................................................

82 82

2. Soziale Komplexität ................................................ 83 3. Differenzierung und Komplexität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

88

4. Komplexitätsreduktion der Organisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

91

5. Subsystembildung ..................................................

92

6. Systemtheoretische Zuspitzungen .....................................

95

7. Eigenkomplexität und semantische Engführung ........................ 97 8. Beobachtungsverhältnisse in Organisationen ...........................

99

9. Verhältnis von Semantik und Strukturen ............................... 100 10. Selektionsleistung von Semantik ..................................... 106 11. Fallbeispiel: Forschung und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 108

Kapitel V Organisationsgestaltung

115

1. Selbstgefährdung durch Differenzierung ............................... 115 2. Organisation der Entscheidungsverknüpfung ........................... 116 3. Begriff der Organisation ............................................ 117 4. Organisierende Entscheidungsprämissen ............................... 119 5. Zwischen Dezentralisierung und Zentralisierung ...................... " 121 6. Hierarchische Koordination .......................................... 123 7. Selbstabstimmung und die unwägbaren Individuen ..................... 127 8. Kommunikationstheoretische Zuspitzungen ........................... . 131 9. Heterarchie und Konsonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 10. Heterarchie und Resonanz ........................................... 135 11. Self-Restraint ...................................................... 140 12. Kernkompetenzorientierung .......................................... 142 13. Kritik der Personenorientierung - Reflexivität der Organisation .......... 145

Inhaltsverzeichnis

11

Kapitel VI

Restriktionen der Steuerung

151

1. Wirksame Fiktionen ................................................ 151

2. Management ....................................................... 153 3. Dekonstruktion des Managements .................................... 156 4. Lehren statt Anweisen .............................................. 163 5. Lernen aus Erfahrung ............................................... 165 6. Kulturelle Muster .................................................. 167 7. Lernen und Wissen ................................................ . 172 8. Lernen der oder Lernen in der Organisation ........................... 174 9. Kritik des Organisationalen Lernens .................................. 178 Kapitel VII

Steuerung als Kompensation: Wissensmanagement

182

1. Level managerialer Intervention ...................................... 182

2. Beobachtung von Differenzen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 183 3. Destruktive Interventionen ........................................... 184 4. Inviolate Level ............................................... . . . . .. 186 5. Beobachtung der Beobachter ......................................... 188 6. Wissen in Organisationen - Definitionsversuche 1 ..................... . 190 7. Wissen in Organisationen - Definitionsversuche 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 8. Entscheidungsprozesse und Wissen .................................. . 200 9. Wissensmanagement in dezentralen Organisationen ..................... 202 10. Wissensmanagement als Entscheidungsprämisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 11. Theoretische Abstraktionen ......................................... . 209 12. Innerhalb des Einen Viele: Wissensmanagement als Steuerungsoption .... 212 13. Free Jazz .......................................................... 213 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Sachwortverzeichnis ................................................... . 239

Abbildungsverzeichnis Abb.l:

Komplexität in der Unternehmungsumwelt .......................

90

Abb.2:

Organisationales Dualproblem ..................................

94

Abb.3:

Selektive Umweltbeobachtung durch Teilsysteme .................

96

Abb.4:

Operative Ebene und Beobachtungsebene in Organisationssystemen . 105

Abb.5:

Spezialisierungsnutzen und Koordinationskosten .................. 116

Abb.6:

Loops in hierarchischen Entscheidungsprozessen .. . . . . . . . . . . . . . . . . 128

Abb.7:

Management als "cross divisional function" ...................... 155

Abb.8:

Der Management-Prozeß ....................................... 157

Abb. 9:

Adaptiv-manipulative System-Umwelt-Beziehung nach Hedberg .... 165

Abb. 10: Überblick über Theorien Lernender Organisation ................. 173 Abb. 11: Zusammenhang von Entscheidung, Entscheidungsprämissen und Selbstbeschreibung ............................................ 185 Abb. 12: Zusammenhang der Begriffe in der Begriffshierarchie nach Probst, Raub und Romhardt ........................................... 194 Abb. 13: Begriffsdifferenzierung nach Willke ............................. 196 Abb. 14: Integrierte Dimensionen des Wissensmanagements nach Arthur D. Little ........................................................ 205 Abb. 15: Prozeß Wissensmanagement .................................... 207 Abb. 16: Gemeinsamer Zugriff auf Wissensbasis .......................... 211

Kapitell

Problemstellung und Vorgehensweise Theorien sind gewöhnlich Übereilungen eines ungeduldigen Verstandes, der die Phänomene gern los sein möchte und an ihrer Stelle deswegen Bilder, Begriffe, ja oft nur Worte einschiebt. Man ahnet, man sieht auch wohl, daß es nur ein Behelf ist; liebt sich nicht aber Leidenschaft und Parteigeist jederzeit Behelfe? Und mit Recht, da sie ihrer so sehr bedürfen. J. W. von Goethe I

1. Das Schweigen der Theorie Wenige Themen faszinieren die moderne Soziologie mehr als der Komplex Steuerung und Intervention von sozialen Systemen. In politischen und massenmedialen Diskursen scheint es Common sense zu sein, daß es gesellschaftsweit Problemstellungen gibt, die zunehmend nach Intervention und Steuerung verlangen. Das Stichwort "Reform", lange Zeit als semantisches Überbleibsel der veränderungs- und steuerungsfreudigen siebziger Jahre gemieden, wird derzeit entstaubt und von dem ihm anhaftenden Stigma der Technokratie befreit. Als Überblick über die aktuellen gesellschaftlichen Debatten kann das Themenspektrum der 1998 von der Wochenzeitung "Die Zeit" eröffneten "Reformwerkstatt" dienen: In loser Folge werden dort Fragen nach der "Zukunft des Sozialstaats", der "Regierbarkeit der Welt", oder der "Steuerbarkeit der internationalen Finanzmärkte angesichts der schwindenden Macht der Nationalstaaten" gestellt. 2 Im gesellschaftlichen Diskussionskontext werden mit verstärkter Dringlichkeit Themen diskutiert I J. W. von Goethe, Maximen und Reflexionen (548), Werke Bd. 12 (Hamburger Ausgabe), München 1994, S. 440. 2 U. J. HeuserlG. von Randow, So kommt Neues in die Welt: Deutschland muß wieder lernen zu lernen: Eine Einladung zum schöpferischen Vergnügen, in: Die Zeit, Nr. 42/1998; o. Verj., Räumen Sie doch mal auf! - Die Deutschen warten immer auf den Staat, meint Benjamin Barber. Ein Zeit-Gespräch über die Zukunft der Demokratie, in: Die Zeit, Nr. 45/1998; T. FischermannlU. J. HeuserlP. Pinzlerl G. von Randow, Wie regieren wir die Welt?, in: Die Zeit, Nr. 3l/1999.

14

Kap. I: Problemstellung und Vorgehensweise

wie "Was hält die Gesellschaft zusammen?,,3, "Welche Rolle kann die Politik in der globalisierten Weltwirtschaft spielen?,,4. Es scheint offenkundig Beratungs-, Steuerungs- und Interventionsbedarf zu bestehen. Die wesentlichen sozialtheoretischen Diskurse sind sich zumindest darin einig, daß die Gesellschaft auseinanderdriftet und dem etwas entgegen zu setzen ist. 5 Entsprechend üben in den letzten Jahren auf gesamtgesellschaftlicher Ebene solche Theorieangebote besondere Anziehungskraft aus, die prätendieren, Wege zu einem neuen sozialen Konsens beschreiben zu können. 6 Insbesondere auf der Ebene von Organisationssystemen, speziell bei Organisationen im Wirtschaftssystem, scheint hinsichtlich der Diagnose, daß es Steuerungsbedarf gibt und daß dieser mit unterschiedlichen Ansätzen auch zufriedenstellend zu bewerkstelligen ist, kein Zweifel zu bestehen. 7 Die Organisations theorie entstand gerade. weil es den von der Praxis beobachteten Bedarf nach Lenkung und Steuerung von Leistungserstellungsprozessen gibt. 8 Entsprechend sicher kann sie sich sein, die richtigen Fragen zu stellen und am richtigen Gegenstand zu arbeiten. Lediglich die soziologische Systemtheorie als derzeit epistemologisch anspruchvollstes soziologisches Theorieunternehmen und prekärerweise den Anspruch erhebend, alle sozialen Phänomene beobachten zu können, scheint das Thema eher stiefmütterlich zu behandeln, wenn nicht sogar avers gegenüber den damit zusammenhängenden Fragestellungen gegenüber zu stehen. Zugleich muß sie zu ihrer eigenen Verunsicherung diagnostizie3 Zum Beispiel: E. Teufel (Hrsg.), Was hält die modeme Gesellschaft zusammen?, Frankfurt am Main 1996; W. Heitmeyer (Hrsg.), Bundesrepublik Deutschland: Eine zerrissene Gesellschaft und die Suche nach Zusammenhalt, 2 Bde., Frankfurt am Main 1997. 4 Vgl. W. H. Reinicke, Global Public Policy: Goveming without Govemment?, Washington D.C. 1998. 5 Siehe stellvertretend U. Sander, Die Bindung der Unverbindlichkeit, Frankfurt am Main 1998; Z. Bauman, Modeme und Ambivalenz: Das Ende der Eindeutigkeit, Frankfurt am Main 1992; ders., Postmodemity and its Discontents, New York 1997. 6 Das Thema Zivilgesellschaft scheint hier von besonderer Attraktivität zu sein; vgl. stellvertretend A. Oldfield, Citizenship and Community: Civic Republicanism and the Modem World, in: G. Shafir (Hrsg.), The Citizenship Debates, Minneapolis, London 1998; A. Mac/ntyre, After Virtue, 2. Aufl. Notre Dame 1984. Dabei aber gelingt es diesen Ansätzen, so die Kritik, nicht, die Differenzierung der Gesellschaft in funktionale Subsysteme in ihrer vollen Problematik zu erfassen, sodaß damit politische Steuerungs- und Interventionsmöglichkeiten zwangsläufig überschätzt werden müssen; vgl. D. Richter, Zivilgesellschaft - Probleme einer Utopie in der Modeme, in: R. Eickelpasch/A. Nassehi (Hrsg.), Utopie und Modeme. Frankfurt am Main 1996, S. 170 ff. 7 Vgl. T. von fenner (Hrsg.), Determinanten des Unternehmenserfolges: Eine empirische Analyse auf der Basis eines holistischen Untersuchungsansatzes, Stuttgart 1999. 8 Hierzu ausführlich Kapitel 11.

1. Das Schweigen der Theorie

15

ren, daß es einen flagranten Widerspruch zwischen einer - vielleicht alltags weltlichen - Beobachtung von Steuerungs- und Interventionspraxis und der theoretischen Einsicht gibt, daß Intervention, Beratung und Steuerung zwar als Professionen und Handlungen sozial wirksam zu sein scheinen, aber im Begriffsgebäude der Theorie nicht entsprechend formulierbar sind. Zahlreiche Vertreter der Theorie machen einerseits die irritierende Erfahrung, daß sie in ihrer Alltagswirklichkeit - zum Beispiel als Hochschullehrer oder Unternehmensberater - etwas tun, was von einem Beobachter (der sie selbst sein können) durchaus als Intervention, Beratung, Steuerung beschrieben werden kann, andererseits theoretisch aufgeklärt nicht umhinkönnen festzustellen, daß ihre Handlungen mit der Analytik der Theorie beobachtet lediglich eine - wenn auch wirkungsmächtige - soziale Zuschreibung sind, aber keine theoretisch beschreibbare gelingende Steuerung.9 Nun muß man von einer anspruchsvollen Theorie nicht verlangen, daß sie verbissen versucht, Anschlußfähigkeit an andere wissenschaftliche oder alltagsweltliche Sprachspiele zu gewinnen. Nirgends findet sich eine Liste gesellschaftlicher Phänomene, die unbedingt von der Theorie begriffen werden müßten. Gerade das naive "zu den Sachen" empirischer Soziologien verbietet sich aus epistemologischen Gründen einer Theorie, die aus eben diesen guten Gründen zum "Flug über den Wolken,,10 angesetzt hat. Vor dem Hintergrund der allgemeinen gesellschaftlichen Diskussion und im wissenschaftlichen Diskurs jedoch gerät gerade diese Position der Soziologischen Systemtheorie zunehmend in Rechtfertigungszwang. Wenn sich die modeme Gesellschaft insgesamt und Organisationen im speziellen als steueningsbedürftig darstellen und auch entsprechende interventionistische Theorieangebote bestehen, trägt es nur im kleinen Kreis - einem recht engen Zirkel der Scientific Community zudem - zur eigenen Beruhigung bei, diese zu "Theorien mittlerer Reichweite"!! zu erklären, ad acta zu legen und weiter an den Feinheiten des Begriffsgebäudes zu feilen. Dies zumal, als die Soziologische Systemtheorie durchaus etwas zum Thema beizutragen hat, denn die "Organisation" wird als Gegenstand der Theorie seit langem behandelt und gehört zu den am besten ausgebauten Teilen des systemtheoretischen Gebäudes.!2 Auf diesem Fundament wird die vorliegende Arbeit aufbauen und der Frage der Steuerungsnotwendigkeit und -möglich9 Was, wie der Verfasser aus einigen anregenden Diskussionen im Rahmen des Theorie-Praxis-Dialogs weiß, zu irritierenden Gesprächen unter "Grenzgängern zwischen Theorie und Praxis" führen kann. 10 N. Luhmann, Soziale Systeme: Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt am Main 1984, S. 13. II Der Begriff wurde geprägt von R. K. Merton, On Sociological Theories of the Middle Range, in: ders., On Social Structure and Science, Chicago Ill., London 1996 (1949), S. 41-50.

16

Kap. I: Problemstellung und Vorgehensweise

keit von Organisationssystemen ohne Berührungsangst gegenüber Ansätzen aus anderen disziplinären Zusammenhängen nachgehen. Zugleich gilt es, dem kursierenden, sich hartnäckig haltenden Diktum, gerade die Systemtheorie sei besonders gut geeignet, unter Bedingungen hoher Komplexität intelligente - weil die Systemautonomie respektierende - Interventionsstrategien und Steuerungsansätze zu entwickeln I3 , theoretische Nüchternheit, vielleicht sogar ein wenig Scholastik, entgegenzusetzen. Es wird im Rahmen dieser Arbeit explizit nicht darum gehen, auf der Basis der soziologischen Systemtheorie aufbauend eine Theorie der Steuerung der Unternehmung zu entwickeln. Es ist dem theoretischen Kontext geschuldet, daß Erwartungen einer präskriptiv-handlungsanweisenden Orga12 Vgl. bereits N. Luhmann, Funktionen und Folgen formaler Organisation, 5. Auft. Berlin 1999; ders., Organisation und Entscheidung, sowie ders., Organisation im Wirtschaftssystem, heide in: ders., Soziologische Aufklärung 3: Soziales System, Gesellschaft, Organisation, Opladen 1981, S. 335-389 bzw. S. 390-414. 13 Vgl. C. Maul, Der Beitrag der Systemtheorie zum strategischen Führungsverhalten in komplexen Situationen, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 63 (1993), S. 715-740; vgl. hier vor allem die Arbeiten von Willke, aber auch die mittlerweile recht gut organisierte Linie der sogenannten "Systemischen Beratung"; Diese Spielart der Beratung scheint sich ihrer selbst alles andere als sicherzu sein, was durch den recht hohen Selbstverständigungsaufwand deutlich wird, den sie treibt: A. ExnerfR. KönigswieserfS. Titscher, Unternehmens beratung - systemisch: Theoretische Annahmen und Interventionen im Vergleich zu anderen Ansätzen, in: Die Betriebswirtschaft 47 (1987), S. 265-284; P. HeintelfE. E. Krainz, Beratung als Projekt: Zur Bedeutung des Projektmanagements in Beratungsprojekten, in: R. Wimmer (Hrsg.), Organisationsberatung: Neue Wege und Konzepte, Wiesbaden 1992, S. 128150; R. KönigswieserfJ. Pelikan, Anders - gleich - beides zugleich: Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Gruppendynamik und Systemansatz, in: Gruppendynamik 21 (1990), S. 69-94; A. ExnerfR. KönigswieserlJ. Pelikan, Systemische Intervention in der Beratung, in: Organisationsentwicklung 14 (1995), Nr. 2, S. 52--65; H. Schober, Irritation und Bestätigung - die Provokation der Systemischen Beratung oder: Wer macht eigentlich die Veränderung?, in: M. Hofmann (Hrsg.), Theorie und Praxis der Unternehmensberatung: Bestandsaufnahme und Entwicklungsperspektiven, Heidelberg 1991, S. 345-370; G. Walger, Chancen und Folgen der Irritation in der systemischen Unternehmensberatung, in: ders. (Hrsg.), Systemische Unternehmensberatung, Organisationsentwicklung, Expertenberatung und gutachterliche Beratungstätigkeit in Theorie und Praxis, Köln 1995, S. 301-322; H. Willke, Systemtheorie 11: Interventionstheorie - Grundzüge einer Theorie der Intervention in komplexe Systeme, Stuttgart 1994; R. Wimmer, Organisationsberatung: Eine Wachstumsbranche ohne professionelles Selbstverständnis: Überlegungen zur Weiterführung des OE-Ansatzes in Richtung systemischer Beratung, in: M. Hofmann (Hrsg.), Theorie und Praxis der Unternehmensberatung, a.a.O., S. 45-136; ders., Was kann Beratung leisten? Zum Interventionsrepertoire und Interventionsverständnis der systemischen Organisationsberatung, in: ders. (Hrsg.), Organisationsberatung, a. a. 0., S. 59-lll. Im Bereich betriebswirtschaftlicher Beratung wird hingegen in der Regel nur diskutiert, ob interner oder externer Beratung aus Effizienzgründen der Vorzug zu geben ist, so bei L Theuvsen, Interne Beratung, Wiesbaden 1994.

2. Vorgehensweise

17

nisationslehre enttäuscht werden müssen. Vielmehr geht es um Beobachtung, Analyse und Reflexion - von praktischen, theoretischen und solchen Diskursen, die sich dazwischen verorten. Deren Rekonstruktion und Rekombination und damit die Diskussion des Gegenstandes Steuerung erfordern ein hohes Maß an Abstraktion, weil die Restriktionen der Systemtheorie ernst zu nehmen sind. Wenn darüber hinaus Möglichkeiten der Steuerung als plausibel dargestellt werden, dann immer im Rahmen dieser Restriktionen. Als soziologische Analyse - und eben nicht als Beitrag zur betriebswirtschaftlichen Organisationslehre - kann und will diese Arbeit keine detaillierten Lösungen für betriebliche Probleme bieten.

2. Vorgehensweise Kapitel II verfolgt die Entdeckung der Steuerungsproblematik in der organisationstheoretischen Literatur und zeigt auf, daß in historischer Perspektive praktische Steuerungsprobleme der Anlaß für die theoretische Beschäftigung mit Organisationen waren. Anhand der Rekonstruktion des historischen Diskurses wird wird zugleich sichtbar, daß es der Organisationstheorie überwiegend nicht gelingt, die zwei Hauptausprägungen der Steuerungsnotwendigkeiten von Organisationen - Umweltadäquanz von Operationen und Strukturen auf der einen und innerorganisatorischer Abstimmungsbedarf auf der anderen Seite - als zwei Seiten einer Medaille zu beschreiben. Die Folge einer vertieften organisationstheoretischen Auseinandersetzung mit lediglich dem einen oder dem anderen Teilproblem ist der nahezu zwangsläufige Verlust der Einheitlichkeit des Gegenstandes Organisation, über die nur noch je nach Beobachterstandpunkt, Erkenntnis- und Handlungsinteresse in partikularen und reduktionistischen 14 Organisationsbegriffen gesprochen werden kann. Kapitel III stellt dieser Ausgangslage einen systemtheoretischen Begriff der Organisation entgegen. Wesentlich ist dabei die Ausbreitung des epistemologischen Fundaments, eingeführt über den zentralen Begriff der Beobachtung. Ist diese Basis gelegt, gelingt es aufzuzeigen, daß sich die zentralen Fragestellungen der klassischen Organisationstheorie, effektiver Außenbezug der Organisation und effiziente Koordination von Entscheidungen in der Innenperspektive des Systems, demselben Mechanismus der Entwicklung von Organisationssystemen verdanken. In der zunehmenden Differenzierung von Organisationen liegt der Grund für Eigengefahrdungen der Organisation ebenso wie die Basis ihres Erfolges. Organisationen werden sich 14 Von Ausnahmen abgesehen: Ansätze wie der der "St. Gallener Schule" erheben den Anspruch, ganzheitlich über Organisation zu sprechen. Aufgrund ihres dem kritischen Rationalismus verhafteten epistemologischen Fundaments kommen sie aber nicht über einen Multi-Reduktionismus hinaus. 2 Drcpper

18

Kap. I: Problemstellung und Vorgehensweise

also selbst zum Risiko durch ihre eigene Evolution und sind - das wird in Kapitel IV aufzuzeigen sein - zwangsläufig auf sich gestellt, wenn sie diese selbsterzeugte Riskanz durch Steuerungsmaßnahmen abwenden wollen. Kapitel IV beschreibt unter Rückgriff auf die entscheidungs- und kommuni kations theoretischen Grundlagen des systemtheoretischen Ansatzes die Problematik des organisationalen Dilemmas als Folge semantischer Binnendifferenzierung von Teilsystemen. Die Effizienz- und Effektivitätsrisiken, die mit einer solchen Engführung von Beobachtungsperspektiven einhergehen, wenn die - untechnisch gesprochen - Grenzkosten der Differenzierung die Differenzierungserlöse übersteigen, wird am Beispiel der Abstimmung zwischen Marketing sowie Forschung und Entwicklung aufgezeigt. Unter dem Stichwort Organisationsgestaltung diskutiert Kapitel V klassische bis moderne Konzepte der Organisationssoziologie und der betriebswirtschaftlichen Organisationstheorie und -lehre. Basis dieser Ansätze ist das Vertrauen auf die Möglichkeit, daß durch das Organisieren der Organisation oder der Unternehmung die aufgezeigten Steuerungsfragestellungen zu lösen sind. Der Gang der Erörterung wird jedoch zeigen, daß die Folgen von Differenzierung in der Organisation nur durch den Aufbau von Reflexionspotential in organisationalen Subsystemen abgefedert werden können, und diese innersystemische Reflexion Koordinations- und Integrationseffekte ermöglicht, die unter Bedingungen hierarchischer Ordnung nicht optimal zustandekommen. Zugleich wird zu verdeutlichen sein, daß insbesondere für Innovationen in Systemen die Leistungsfahigkeit - und als deren Grundlage die Beobachtungsfahigkeit - differenzierter und spezialisierter Subsysteme gestützt und erhöht werden muß. Die Analyse zeigt im weiteren, daß hierfür sowohl di~ Vorstellung autoritativer Koordination als auch ein bloß evolutionäres "muddling through" nicht ausreichend sein können, daß aber die Organisation dies sehr wohl durch ein Management der Grundlagen der Entscheidung lösen kann - wenn auch nicht als simpel ansetzende manageriale Intervention, sondern unter Voraussetzungen semanti scher Differenzierung und angesichts disparaten Wissens, das sich an Subsystemgrenzen akkumuliert. Setzt man die komplexen Rahmenbedingungen für Steuerung - wie sie in Kapitel V entfaltet werden - voraus, zeigt sich, daß der klassische Begriff des Management nicht länger tragfahig ist. Im folgenden Kapitel VI werden entsprechend Managementbegriffe reund dekonstruiert, um zu einem mit dem hier vorausgesetzten theoretischen Begriff der Organisation als sozialem System kompatiblen Managementverständnis zu gelangen. Dieses wird, um einen Begriff von Dirk Baecker aufzunehmen, weniger "heroisch" als "zurückgenommen" sein. Die Darstellung und Kritik von Ansätzen des organisationalen Lernens schließlich untersucht eine der meistdiskutierten Alternativen zu herkömmlicher managerialer Steuerung, zeigt aber auf, daß diese überwiegend Gefahr laufen,

2. Vorgehensweise

19

einerseits sich in den Fallstricken eines naiven Lernverständnisses zu verheddern, und andererseits durch eine aus der Organisationslehre als bias übernommene Individuenzentrierung die strukturelle Dimension der Probleme, die sie lösen wollen, zu unterschätzen. Kapitel VII geht von der bis dahin entwickelten These aus, daß Organisationen für eine gelingende Steuerung ihrer Operationen nach innen und außen einer verbesserten Selbstbeschreibungsfähigkeit auf der Ebene ihrer Subsyteme bedürfen, damit interne Abstimmung und externer Problembezug.auf hohem Niveau gelingen können. Es wird aufgezeigt, daß dies voraussetzt, daß ein beobachtender Zugriff auf das Wissen um die eigenen Operationen. vor allem aber die Grenzen und Voraussetzungen von Entscheidungen in Form organisationaler Entscheidungsprämissen möglich wird. Dazu werden Ansätze zum Wissensmanagement der Organisation, die derzeit in Betriebswirtschaft und angewandter Sozialwissenschaft als Steuerungsoptionen behandelt werden, untersucht. Die Erkenntnisse, die durch eine Beobachtung der Organisation mit Hilfe des Instrumentariums, das der Begriff Wissen freilegt, gewonnen werden, werden im Anschluß in den Kontext der Entscheidungstheorie der Organisation eingeordnet. Durch diese Einordnung kann abschließend plausibel gemacht werden, daß Wissensmanagement eine Option der Selbststeuerung der Organisation ist, die theoretisch konsistent formulierbar ist.

2'

Kapitel II

Theoretische Positionen Komplexe Systeme müssen sich nicht nur an ihre Umwelt, sie müssen sich auch an ihre eigene Komplexität anpassen. Sie müssen mit internen Unwahrscheinlichkeiten und Unzulänglichkeiten zurechtkommen. Sie müssen Einrichtungen entwickeln, die genau darauf aufbauen, etwa Einrichtungen, die abweichendes Verhalten reduzieren, das erst dadurch möglich wird, daß es dominierende Grundstrukturen gibt. Komplexe Systeme sind mithin zur Selbstanpassung gezwungen, und zwar in dem Doppelsinne einer eigenen Anpassung an die eigene Komplexität. Nur so ist zu erklären, daß Systeme den Veränderungen ihrer Umwelt nicht bruchlos folgen können, sondern auch andere Gesichtspunkte der Anpassung berücksichtigen müssen und letztlich an Selbstanpassung zugrunde gehen. Niklas Luhmann l

1. Problemhistorie der Steuerung der Organisation Die theoretische Auseinandersetzung mit dem Gegenstand Steuerung von Organisationen setzt voraus, daß man sich über die wesentlichen Begriffe, die das Thema erfordert, und über den Status der Arbeit am Begriff Klarheit verschafft. Eine der Überzeugungen, die diese Arbeit leiten, ist, daß dabei nicht ohne Not scholastisch vorgegangen werden sollte. Es wäre eine wenig überzeugende Strategie, bei aller Notwendigkeit begrifflicher Klarheit, den Begriffen selbst zuviel zuzutrauen und aus Begriffen Aussagen folgern zu wollen, will man nicht riskieren, nur zu rhetorisch tragfahigen und überzeugenden Positionen zu gelangen. Die Arbeit am Begriff ist gleichwohl wichtig, insbesondere im Kontext elaborierter Theorien wie der I N. Luhmann, Soziale Systeme: Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt am Main 1984, S. 56.

I. Problemhistorie der Steuerung der Organisation

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soziologischen Systemtheorie, die die Folie der hier angestellten Überlegungen abgibt. Die Themenstellung Steuerung von Organisationssystemen aber bewegt sich immer schon im interdisziplinären Raum. Die Diskussion, ob, und wenn, wie Organisationen gesteuert werden müssen und können, wäre schwerlich allein als kommunikationstheoretische, soziologische oder betriebswirtschaftliche zu führen. Der Reichtum der bereits gedachten Analysen und Ansätze sowie die Anregungen, die andere disziplinäre Kontexte bereithalten, gingen verloren, wollte man sich durch die disziplinären Grenzen im Denken limitieren lassen. Die vorzunehmenden Begriffsdefinitionen dienen der Verständigung und Grenzziehung, indem sie theoretische Standorte angeben und den Beobachter als einen nicht-beliebigen Beobachter ausweisen. Die soziologische Systemtheorie nimmt die Arbeit am Begriff sehr ernst. Die allgemeine Theorie zwingt Begriffe zur Anpassung, lautet die hierfür verwendete Formel der Selbstbeschreibung der soziologischen Systemtheorie 2, und die hier vorzunehmende Lektüre anderer Ansätze ist natürlich auch keine Lektüre ohne die Präformation theoriegeleiteter Interessen. In dieser Arbeit wird dem entsprechend aus gutem Grund Rechnung zu tragen sein, versteht sie sich doch auch als Arbeit an theoretischen Fragestellungen und Optionen für die Weiterentwicklung des theoretischen Instrumentariums der wissenschaftlichen Beschreibung der Gesellschaft. Die Arbeit im interdisziplinären Kontext jedoch zwingt zum Teil, der oft anders aufgebauten Quellensprache ihr Recht zu geben und sie nicht in die präferierte, doch zwangsläufig auch restringierte Theoriesprache zu übersetzen. Dieses Vorgehen distanziert sich damit bei aller Verpflichtung zu begrifflicher Exaktheit von einer Begriffsgläubigkeit, die für sich beansprucht, aus begrifflichen Zuordnungen und der Relationierung von Begriffen zwingend Beweise ableiten zu können, und verhält sich nominalistisch. 3 Die begriffliche Annäherung an Organisation und Steuerung läßt bereits ein erstes, grundlegendes Problem sichtbar werden. Es verbietet sich angesichts der langen Historie des Themas, der unterschiedlichen theoretischen Kontexte, die das Thema streift, und der daraus resultierenden Fülle von Ansätzen, einen Stand der Forschung zur Frage der Steuerungsproblematik von Organisationssystemen zu behaupten. Sich aber nur auf soziologische Vgl. hierzu ebd., S. 12 f., 16 f. Bei aller Distanz zum mimetischen Programm der negativen Dialektik sollte jede wissenschaftliche Arbeit, die zwangsläufig auch an Begriffen arbeitet, sich immer Adomos Warnung vergegenwärtigen: "Aus der Not der Philosophie, mit den Begriffen zu operieren, darf so wenig die Tugend von deren Priorität gemacht werden, wie umgekehrt aus der Kritik dieser Tugend das summarische Verdikt über Philosophie"; T. W. Adomo, Negative Dialektik, Gesammelte Schriften Bd. 6, Frankfurt am Main 1970 ff., S. 23. 2

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Kap. 11: Theoretische Positionen

und sogar systemtheoretische Ansätze und Versuche zu beziehen, würde dem Thema ebensowenig gerecht werden können. Man schmorte im eigenen Saft und würde dann verwundert feststellen, daß Theorien anderer Provenienz, anders ansetzend, argumentierend und formulierend, schon längst dort waren, wo man endlich angekommen ist. Steuerungsprobleme der Organisation, des Betriebes, der Unternehmung beschäftigen die wissenschaftliche und praxisorientierte Auseinandersetzung mit Organisationen spätestens seit dem Beginn der industriellen Revolution und dem zeitgleichen Aufkommen zentralisierter, durch Formen der Arbeitsteiligkeit gekennzeichneter Güterherstellung. 4 Theoretische Auseinandersetzung mit Organisationen ist seitdem immer auch Auseinandersetzung mit der Thematik organisationaler Steuerung gewesen. Mehr noch: Eine theoretische Beschäftigung mit der Organisation als Gegenstand theoretischer Reflexion wird offenkundig erst notwendig, als deren Steuerung zum Problem wird. Die bei Haase ausführlich aufzufindende Darstellung von Konzepten der Organisation erweist, daß der Problembezug der Organisationstheorie überwiegend ein pragmatischer, selten aber ein nur auf Explikation gerichteter ist. 5 Seither ist weder an Theorien unterschiedlicher Provenienz und Abstraktionsniveaus, noch an einer schier unübersehbaren Publikationsflut aus dem oftmals diffusen Kontext von Managementliteratur und, seit einem Jahrzehnt verstärkt, Organisationsberatung, Mangel. Hier auch nur so etwas wie einen Abriß der Problemgeschichte geben zu wollen, verlöre sich unweigerlich im "Management theory jungle,,6. Stattdessen ist es angezeigt, einige Schneisen und Pfade in das Dickicht zu schlagen, um gegebenenfalls auf einer Lichtung zentraler Differenzen habhaft zu werden, die die Organisationsforschung beschäftigen und die anknüpfenswerte Fragestellungen aufwerfen. Verzichtet man darauf, die zahlreichen feinen Verästelungen der Organisationstheorie im Detail nachzuvollziehen und nachzuzeichnen, und versucht statt dessen, eher ideengeschichtlich vorzugehen, so gelangt man zu 4 E. Haase, Organisationskonzepte im 19. und 20. Jahrhundert: Entwicklungen und Tendenzen, Wiesbaden 1995. S. 8 f. S Vgl. hierzu die Darstellung bei E. Freese, Organisationstheorie: Historische Entwicklungen, Ansätze, Perspektiven, 2. Aufl. Wiesbaden 1992, S. II ff. Freese arbeitet deutlich den handlungsorientierten Aspekt der frühen Auseinandersetzung mit Steuerungsproblemen heraus, der vor jeder wissenschaftlichen Beschäftigung liegt. 6 Der Begriff wurde bereits anläßlich eines Symposions im Jahr 1962 von Harald Koontz geprägt. Umso zutreffender beschreibt er die heutige Publikationslage. Vgl. H. Koontz, The Management Theory Jungle, in: Journal of the Academy of Management 3 (1961), S. 174-188; ders., The Management Theory revisited, in: Academy of Management Review 2 (1980), S. 175-187.

2. Wissenschaftliche Betriebsführung

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einer Reihe von Phasen in der Organisationstheorie, deren Differenzen und Übergänge unterschiedlich distinkt hervortreten. Mit deutlichen Brüchen oder radikalen Verabschiedungen von Grundgedanken ist dabei nicht zu rechnen. Ebenso wie die Ansätze innerhalb der zu bezeichnenden Phasen durch zentrale Leitideen, dominante Differenzen oder Einheit und Kontinuität sichernde Fragestellungen organisiert werden, sind radikale Schnitte im Sinne paradigmatischer Wenden eher selten. Dabei wird deutlich herauszuarbeiten sein, daß die Organisationstheorie häufig zugleich beides ist, erklärend und präskriptiv, auf Kausalität fokussiert und Normativität beanspruchend. Das kann insofern nicht verwundern und bleibt bis in heutige Diskussionen innerhalb der Soziologie als Auseinandersetzung erhalten, zieht man in Betracht, daß bereits Taylors Lehre von der Arbeitsorganisation eng an empirischen Fragestellungen von Betrieben orientiert war und entsprechend auf Präskription abzielt. Grundlegend jedoch gilt das soziologische Interesse nicht normativen Ansätzen, sondern solchen, die gegebenenfalls neben ihrem Erkenntnisinteresse auch eines an Prognose haben. An normativen Ansätzen interessiert ihr analytischer Gehalt. Die kleine Ideengeschichte der Steuerung der Organisation wird sich so organisieren.

2. Wissenschaftliche Betriebsführung Am Beginn der systematischen, auf Explikation ausgerichteten Organisationstheorie stehen Ansätze, die praktische Erfahrung in Organisationen zu theoretischen Aussagen verdichten. Der Fokus ist unterschiedlich: Er reicht von Versuchen, normativ Prinzipien für die effiziente Gestaltung von Arbeitsabläufen zu formulieren, bis zu Ansätzen, die bereits Funktionen der Steuerung oder des Management in umfassender Weise betrachten. Breite Resonanz in der amerikanischen und in der Folge auch in der deutschen Praxis hat Taylors eher mikroskopische Lehre von der Wissenschaftlichen Betriebs!ühruni gefunden. 8 Der etwas unglücklich übersetzte Titel begründete eine Theorielinie, die Taylor als Scientific Management verstanden haben wollte und deren scientific approach9 wohl nicht zuletzt F. W. Taylor, The Principles of Scientific Management, Norwood Mass. 1911. Ein recht guter Überblick über den Ansatz bei T. M. Bardmann, Wenn aus Arbeit Abfall wird: Aufbau und Abbau organisatorischer Realitäten, Frankfurt am Main 1994, S. 266 ff. 9 Tompkins macht dabei zurecht darauf aufmerksam, daß die Rezeption Taylors Methodologie der rationalen Gestaltung weit in den Vordergrund vor seine Vorstellung, eine "geistige Revolution" anzustoßen, gestellt und daher das "Inhumane" der tayloristischen Arbeitsorganisation stark betont hat; vgl. P. K. Tompkins, The Functions of Human Communication in Organizations, in: C. C. Amold/J. W. Bowers (Hrsg.), Handbook of Rhetorical and 'Communication Theory, New York 1984, S. 659-719, 667. 7

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Kap. II: Theoretische Positionen

der ingenieurwissenschaftlichen Orientierung des Autors selbst geschuldet ist. Aus Taylors Ansatz spricht das ungebrochene Vertrauen in die Möglichkeit, den Betrieb an der Richtschnur von allgemeingültigen Prinzipien rational zu organisieren. Zentrale Aufgabe der Managementlehre zu Beginn der industriellen Massenproduktion war, wie bei Tailor deutlich wird, die Zähmung der Verrichtung des undisziplinierten Arbeiters, seine Gewöhnung an den Prozeß der Arbeit an sich. \0 Taylors Ansatz geht es weniger um die Formulierung einer Theorie der Organisation oder Unternehmung, sondern um die möglichst exakte Formulierung von Grundsätzen für den erfolgsorientierten Einsatz von personellen und technischen Ressourcen im operativen Produktionsprozeß. Insofern zielt das Scientific Management eher auf die Bereitstellung praktikabler Vorschläge für operativ Verantwortliche als auf Prinzipien für ein General Management, obgleich die formulierten Managementgrundsätze durchaus in der nachfolgenden Rezeption in Versuche zur Formulierung von Managementfunktionen transformiert wurden.

Das Scientific Management vollzog in dramatischer Weise die technischen Möglichkeiten auf dem Feld der Arbeitsgestaltung nach, indem es die bis dahin - heute würde man, gegen den Taylorismus gemünzt, formulieren - ganzheitliche Einheit von Planung, Verrichtung und Kontrolle in der Fertigung, die kennzeichnend für vor- und frühindustrielle Produktion war, auflöste. Der Facharbeiter, der die eigene Arbeit plante, durchführte und selbst noch die Endkontrolle vollzog, war, wie es aktuelle Ansätze des business process reengineering beschreiben und postulieren würden, der Prozeßverantwortliche, dessen Erfahrung und Fachexpertise die umfassend verantwortliche Bearbeitung zuließ. War dieser Zusammenhang aufgelöst, die Einheit der Phasen der Produktion in der Person des Arbeiters zerlegt, öffnete sich die Möglichkeit, insbesondere den Teilprozeß 11 Planung zu systematisieren. Daß Spezialisierungsvorteile zu verzeichnen sind, wenn in Produktionsprozessen eine von der Verrichtung getrennte vorbereitende Phase, eine Teilfunktion Produktions10 G. Mikl-Morke, Industrie- und Arbeitssoziologie, München 1991, S. 25 ff. Baecker hat in seiner Analyse von Konzepten des Management pointiert herausgearbeitet, daß die Aufgabe der Unternehmensführung sich historisch aus dieser Grundkonstellation ableitet: "Die Kontinuierung des Unternehmens ruht auf den Schultern des Management; wenn es nach den Arbeitern ginge, liefe alles auseinander. Dieses Bild stammt wohl aus den Tagen der ersten Industrialisierung, als eine arbeits gewohnte, aber ihre eigenen Rhythmen pflegende bäuerliche Arbeiterschaft mit der Zeitmechanik der Fabrikarbeit vertraut gemacht werden mußte." D. Baecker, Die Form des Unternehmens, Frankfurt am Main 1993, S. 165. 11 Zur Konzeption der analytischen Untergliederung von Leistungsprozessen in Teilprozesse siehe grundlegend E. Freese, Unternehmensführung, Landsberg a. Lech 1987, S. 16 f.

2. Wissenschaftliche Betriebsführung

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planung, eingerichtet ist, kann bei aller Kritik an tayloristischen Konzepten 12 nach wie vor als gültig unterstellt werdenP Mit der Zerlegung des Produktionsprozesses wird zugleich die für die Industrieproduktion maßgebliche Differenzierung von Planung und Ausführung installiert. Planung ist fortan die vornehmste Aufgabe des Management, Ausführung ist die Verrichtung von Arbeiten, die für den Ausführenden fremdgeplant werden. Die Organisationstheorie entdeckt mit dem Scientific Management bereits zu Beginn ihrer disziplinären Karriere die heute noch vielfach als erstrebenswert angesehene Exaktheit der wissenschaftlichen Untersuchung von Arbeitsvorgängen. Diese werden analysiert, Aufgaben in möglichst einfach zu beherrschende Verrichtungen zergliedert, die von spezialisierten Aufgabenträgern erledigt werden können, Verrichtungszeiten werden gemessen, optimale Losgrößen bestimmt. 14 Die Qualität der Planung der Arbeit ist die Garantie für eine effiziente Verrichtung, die leistungsgerechte Entlohnung das flankierende motivatorische Element, die Einrichtung von systematisierten Arbeits- und Qualitätskontrollen der Tribut an die Entkoppelung von Verrichtung und fertigem Produkt. Mit dem Scientific Management entstand folgerichtig eine Differenzierung von spezialisierten Funktionen in der Organisation, die die Aufgaben, die zuvor vom Verrichtenden selbst oder von Vorarbeitern wahrgenommen wurden, als Unterstützung der Produktion erbringen: Materialbeschaffung, Personalwesen, Qualitätskontrolle. Eine Ausweitung der Managementaufgaben und die Differenzierung der Organisation in Weisungshierarchien stellen sich als weitere Folge ein. Aktuelle Konzepte der Betriebswirtschaftsund Managementlehre wie das lean management, quality management oder business process reengineering heben sich von den Folgen arbeitsteiliger Produktion implizit oder explizit noch heute ab. Was im Sprachgebrauch der Unternehmensberatungen als Overhead-Kostenl 5 bezeichnet wird und prominenter Ansatzpunkt von Betriebs- und Kostenoptimierungen ist, sollte in der Konzeption des Scientific Management durch den rationellen Mitteleinsatz aufgrund der funktionalen Differenzierung der Arbeitsorganisation nicht negativ ins Gewicht fallen. 12 Prominent: H. Kern/M. Schumann, Das Ende der Arbeitsteilung, München 1984. 13 Zur genauen inhaltlichen Bestimmung vgl. W. Kern, Industrielle Produktionswirtschaft, 5. Aufl. Stuttgart 1992, S. 314 ff.; G. Zäpfet, Produktionswirtschaft: Operatives Produktions-Management, Berlin, New York 1982, S. 184 f. 14 Das Synonym dafür ist im deutschsprachigen Umfeld immer noch die Methodik der REFA; vgl. REFA (Verband für Arbeitsstudien und Betriebsorganisation e. V.), Methodenlehre der Planung und Steuerung, Teile 1-4, 4. Aufl. München 1985. 15 Vgl. G. Ebert, Kostengliederung, in: Management Enzyklopädie, Bd. 5, Landsberg a. Lech. 2. Aufl. 1983, S. 649-662.

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Kap. II: Theoretische Positionen

3. Methodisches Management Spezialisierung und Koordination, Weisung und Gehorsam, rationelle Relation von Mitteln und Zwecken sind die Differenzen, die auch die Lehre des zweiten bedeutenden klassischen Ansatzes von Henri Fayol organisieren. In "Administration industrielle et generale,,16 entwirft Fayol einen systematischen Bezugsrahmen für eine Organisationslehre, die erstmals auch eine funktionale Betrachtung und Systematik von Managementaufgaben beinhaltet. Fayol formuliert bei aller Differenz zum pragmatischen Ansatz Taylors neben der heute noch einflußreichen Systematik der elements d'administration vierzehn Prinzipien der Unternehmensführung. Orientiert am individuellen Akteur, aber übertragen auf die Unternehmung als kollektiver Akteur, differenziert der Fayolsche Ansatz Planung und Organisation als Handlungsvorbereitung, Befehl und Koordination als Handlung sowie abschließende Eifolgskontrolle. Der Planung wird die Fähigkeit zur Zukunftsprognose und zur Antizipation künftiger Umweltereignisse sowie die Möglichkeit zur verbindlichen Zielfestlegung und zur Strategiefindung zugeschrieben. Die Organisationstheorie wendet sich, gleichsam im Vorgriff auf eines ihrer hervorragenden Themen, der zeitlichen und sachlichen Unkalkulierbarkeit und Unerreichbarkeit der Zukunft zu und befindet fürs erste, daß diese Aufgabe zwar die schwierigste im Kanon der elements, aber gleichwohl unabdingbar für gelingende Unternehmens steuerung ist: Planlosigkeit gefährdet den Erfolg der Unternehmung. Noch nicht gesehen wird die heute geläufige Einsicht, daß Planung ein hochdiffiziles Steuerungsinstrument 17 sein kann. Dies wird in anthropozentrischer Analogiebildung zum unterstellten menschlichen Handlungsschema naiv unterschätzt. 18

Ebenfalls vor dem Hintergrund der Zweck-Mittel-Relation entfaltet sich die Funktion des Organisierens als Realisierung der Struktur der Unternehmung und - analytisch noch nicht davon getrennt - des optimalen Personaleinsatzes, um die Ziele der Planung zu verwirklichen. Organisation ist ein Instrument der Planung und bereitet - wie die Planung im allgemeinen im speziellen die eigentliche Verrichtung vor. Die Betonung des strukturellen Aspekts geht, prägend für nahezu alle folgenden Theorien der Organisa16 H. Fayol, Administration industrielle et generale, Paris 1916; dt.: Allgemeine und industrielle Verwaltung, Berlin 1929. 17 Vgl. F. Boos, Planlose Planung? Zur Steuerung von Unternehmen durch Planung, in: R. Wimmer (Hrsg.), Organisationsberatung: Neue Wege und Konzepte, Wiesbaden 1992, S. 205-218, 205 ff. 18 Die analytische Trennung von Planung und Ausführung wurde zeitgenössisch als Innovation gehandelt. Vgl.: J. L Massie, Management Theory, in: J. G. March (Hrsg.), Handbook of Organizations, Chicago Ill. 1968, S. 388.

4. Was hält die Organisation zusammen?

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tion, mit der Abstraktion von Personen in Organisationen einher. Organisation betrifft die Struktur von Aufgaben und Stellen. Dies reduktionistische Absehen von Verhalten in Organisationen prägt die folgenden Organisationstheorien, weil sie erkennen müssen, daß sie mit dem Ausschluß dieses Aspektes bald nur noch unzureichende Beschreibungen der Organisation fertigen können und sich entsprechende Strategien zurechtlegen müssen, um doch auf Verhalten bezug nehmen zu können. Entweder wird Verhalten als Element der Organisation, von dem abgesehen wird, explizit als das ausgeschlossene Dritte thematisiert und dann als solches in die Theorie wiedereingeführt 19 , oder der Reduktionismus selbst wird, insbesondere durch die Ansätze der Human-Relations-Theorie, als grundlegend verfehlt angesehen. Wie aber kommt die Einheit der Organisation zustande? Die Arbeit von Individuen mit partikularen Interessen und intransparenten Motivlagen muß auf eine Einheit, das Ziel der Organisation hin ausgerichtet werden. Die Dichotomie von Einzelnem und Ganzem kann nicht, das wäre eine paradoxale Antwort. durch das Ganze gewährleistet werden. Die Paradoxie wird aufgelöst durch den Befehl. Die Unternehmensführung hat durch command sicherzustellen, daß die partikularen Individualinteressen das Interesse des Ganzen nicht gefährden. Die Einheit der Auftragserteilung, verkörpert vom Prinzip one man, one boss, in klarer Linienhierarchie und mit zentralisierter Verantwortung für Entscheidungen, die in letzter Konsequenz in der Unternehmensspitze zusammenläuft, sichern die Einheit der Führung und damit die Einheit der Organisation.

4. Was hält die Organisation zusammen? Weisung und Gehorsam als Mittel zur Sicherstellung, daß die Ziele der Organisation erreicht werden, ist das Signum rationaler Herrschaft. Weniger der Mythos von Ordnung, der in diesem Prinzip verkörpert wird, als der legitimatorische Aspekt von Herrschaft wird in Max Webers Bürokratiemode1l 2o pointiert. Im Gegensatz zu den Ansätzen Taylors und Fayols ist nicht die Aufstellung von Prinzipien zur Optimierung betrieblicher Führung das Ziel der Theorie bürokratischer Herrschaft. sondern Explikation. Angesichts der empirisch zu verzeichnenden Expansion großer Organisationen geht es um die Klärung der Funktionsweise, der Modi der gegenseitigen Abstimmungen der Handlungen von Individuen in Organisationen, um die Routinisierung von Handlungen und Entscheidungen und schließlich darum, wie die Einheit der Organisation zu denken iSt. 21 19

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Vgl. E. Freese, Organisationstheorie, S. 365 f. M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Auf!. Tübingen 1972.

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Kap. 11: Theoretische Positionen

In nicht-weberianischer Theoriesprache refonnuliert stellt sich folgendes Problem: Die Sicherstellung von Ordnung, Regelkonfonnität des HandeIns, Regelmäßigkeit von Entscheidungen sowie die gemeinsame Zielorientierung aller Organisationsmitglieder ist bei zunehmender Größe der Organisation und dem Verlust der Koordinationsmöglichkeiten über unmittelbare Interaktion unter Anwesenden nicht mehr selbstverständlich vorauszusetzen, sondern muß hergestellt werden. Hier wird legale Herrschaft, Autorität relevant, indem sie die Chance bereitstellt, daß Befehle auf Gehorsam treffen und befolgt werden. 22 Wenn diese These Gültigkeit besitzt, könnte in Herrschaft derjenige Mechanismus gesehen werden, der die dauerhafte Koordination von Handlungen in der Organisation qua Befehl, hierarchischer Weisung, gewährleistet, so daß die Organisation durch Herrschaft sich als Einheit konstituiert. Fraglich ist, auf welche legitimatorische Grundlage sich Herrschaft stützen kann. Herrschafts- und Machtverhältnisse sind dabei zu unterscheiden. Nicht die temporäre oder dauerhafte Asymmetrie, die Schwäche des Untergebenen oder sein durch Karriereaussichten oder monetäre Anreize individuell motivierter Kalkül kann die Herrschaft in der Organisation dauerhaft fundieren. Nicht extern bezogene Anreize, sondern nur die Anerkennung des Herrschaftswillens, der Glaube an die Legitimität der Herrschaft verschaffen Befehlen eine wirksame Basis. Legale Herrschaft ist das Kennzeichen neuzeitlicher Über- und Unterordnungsverhältnisse. 23 Legale Herrschaft fordert nicht Glaube an Stärke aus Tradition oder Akzeptanz von Charisma24 , vielmehr entfaltet sie ihre Wirkung aufgrund ab21 Vgl. W. Schluchter, Die Entstehung des modemen Rationalismus, Frankfurt am Main 1998, S. 223 f. 22 M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 122. Grundlegend zu Webers Bürokratiemodell v. a. R. Mayntz, Max Webers Idealtypus der Bürokratie und die Organisationssoziologie, in: dies. (Hrsg.), Bürokratische Organisation, Köln, Berlin 1968, S. 27 ff. 23 Vgl. hierzu auch die neue Studie von R. Swedberg, Max Weber and the Idea of Economic Sociology, Princeton NJ. 1998, S. 34 f. 24 In einer vermutlich jedoch nur temporären Modeströmung der schnellebigen Management-Ratgeberliteratur gewinnt derzeit, angesichts der Krisen regelgesteuerter Organisationen, gerade Charisma wieder an Faszination. Die Rhetorik des genialen, charismatischen Feldherrn in der Vorstandsetage hat Konjunktur, sei es bei den für den Leserbezug vermutlich auf personifizierende Titel angewiesenen ..ManagerMagazine" , sei es in populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen wie R. G. Sprenger, Mythos Motivation: Wege aus der Sackgasse, 15. Aufl. Frankfurt am Main 1998. Auch Abgesänge wie die berühmt gewordenen ..Nieten im Nadelstreifen" (G. Ogger, Nieten im Nadelstreifen: Deutschlands Manager im Zwielicht, München 1992) konfirmieren, um eine dialektische Denkfigur zu bemühen, gerade durch die Kritik an versagenden ..Führungskräften" die Überzeugung, daß personenorientierte Führung durch charismatische leadership wirtschaftlichen Erfolg verbürgt; vgl.

4. Was hält die Organisation zusammen?

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strakter Regelbindung. 25 Dies gilt für den Anordnenden wie den Befehlsempfänger gleichermaßen. 26 Der reinste Typus von Herrschaft, der abstrakte Regelbindung und Legitimitätsunterstellung der Regeln beinhaltet, ist nach Webers Analyse bekanntermaßen die Bürokratische Herrschaft. Angelehnt an die juristisch durchgeformte öffentliche Verwaltung wird sie durch Festlegung von Amtspflichten, Autoritäten, festurnrissenen Handlungsspielräumen durch Geschäftsverteilung und Hierarchie geprägt. Die Einwände gegen die Vorstellung einer historisch überlegenen, universell gültigen Effizienz 27 des okzidentzentrierten Modells sind vielfältig. Bürokratie wird nachgerade als Synonym für organisationale Ineffizienz gebraucht: Organisationsmitglieder passen sich nicht ohne Motivationsverlust in bürokratische Strukturen ein, problematischer noch, Bürokratien bieten nicht genug Interpretationsspielraum in der Zweckorientierung der Handlungsprogrammierung, um in Situationen, bei denen streng regelkonformes Verhalten der Ausführenden zu Ineffizienzen führt, der Organisation den fit an Umweltgegebenheiten zu erlauben,zs Diese Kritiklinie, Regelkonformität erschwere bei ungewohnten und schlecht prognostizierbaren Umweltbedingungen die Abstimmung mit außerorganisatorischen Realitäten, entwickelt sich, als die Organisationstheorie beginnt, mit der Differenz von System und Umwelt zu arbeiten. Sie kann als Topos in der organisationstheoretischen Literatur bis in die Gegenwart verfolgt werden. hierzu G. Ogger, ebd., S. 244 ff. Weit entfernt von Webers Idealvorstellung des sine ira et studio sind auch führungstheoretische Ansätze der transformationsorientierten Führung wie bei B. M. Bass, Charisma entwickeln und zielführend einsetzen, Landsberg a. Lech 1986, insb. S. 28 ff., auf der Basis begrifflicher Unterscheidungen von J. M. Bums, Leadership, New York u.a. 1978, S. 4 sowie 20. Charismatisch sind ..Aktionen des Führers, die eine Veränderung der Ziele, Bedürfnisse und Ansprüche des Untergebenen bewirken", so R. J. House, Führungstheorien - Charismatische Führung, in: A. Kieser/G. Reber/R. Wunderer (Hrsg.), Handwörterbuch der Führung, Stuttgart 1987, Sp. 735-747, 736 (Hervorhebungen weggelassen, d. Verf.). Zur Kritik vgl. insb. O. Neuberger, Moden und Mythen der Führung, in: A. Kieser/G. Reber/R. Wunderer (Hrsg.), Handwörterbuch der Führung, Stuttgart 1987, Sp. 1495-1510. 25 Vgl. hierzu bereits M. Crozier, The Bureaucratic Phenomenon, Chicago BI. 1964, S. 187-198 mit der Betonung der Bedeutung überindividueller Regelungen gerade angesichts individueller Bedürfnisse und Ziele von Organisationsmitgliedern. 26 M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 125. 27 Ebd., S. 561 f. 28 Die einschlägige Literatur ist vielfältig. Ihre jeweilige methodologische Basis (vorwiegend an Fallstudien gearbeitet) und Kausalaussagen kommen jedoch i. d. R. unter Ausblendung zahlreicher, intervenierender Variablen zustande. Stellvertretend: A. M. Gouldner, Patterns of Industrial Bureaucracy, Glencoe III. 1954; R. K. Merton, Social Theory and Socia! Structure, 3. Aufl. Glencoe III. 1968; C. Argyris, Integrating the Individual and the Organization, New York 1964.

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Kap. II: Theoretische Positionen

Schließlich entdeckt die Organisationstheorie auf der Folie der Organisation als fonnaler, zweckrationaler Struktur bald, daß das Funktionieren von Organisationen - oder aber auch ihre Dysfunktionalitäten - nicht nur durch das mehr oder weniger perfektionierte Zusammenspiel von Planung, Organisation und Kontrolle erklärbar ist, sondern daß Menschen mit Motivation und Bedürfnissen für die Gestaltung eine zuvor unterschätzte Bedeutung besitzen. Bezogen auf das fonnale Organisationsverständnis gelingt es der Theorie aber vorerst nur, diesen "Faktor" als informelle Organisation, als nicht intendiert und wenig beherrschbar, als "Störgröße" zu behandeln. 29

5. Kooperation und Motivation Fragen von Arbeitsmotivation und Verhalten von Individuen in Organisationen beginnen vor diesem Hintergrund um die Mitte dieses Jahrhunderts die Organisationsforschung und Theorie im Rahmen der Verhaltenswissenschaftlichen Schule zu faszinieren. Mit ihr vollzieht sich eine deutliche Abkehr von Grundüberzeugungen der zuvor erwähnten Ansätze. Ihre Grundlinien deuten sich zum einen bereits in den Arbeiten von Chester I. Bamard, zum anderen mit den sogenannten Hawthome-Experimenten an. Bamards Studie3o, theoretisch in der Rezeption von Weber und Parsons, aber auch den praktischen Erfahrungen des executive geschuldee 1, wird in der Literatur überwiegend eine vennittelnd-transfonnierende Stellung zwischen "Klassik" und verhaltens wissenschaftlichen Ansätzen attestiert. 32 Grundgedanke des Bamardschen Ansatzes ist sein Theorem zur Konstitution von Organisationen infolge der Entscheidungen von Individuen zur zielgerichteten Kooperation. 33 Demnach ist die Organisation als ein System beschreibbar, dessen Fonnalisierung als Mittel zur Koordination der Zusam29 So beispielsweise deutlich C. Argyris, Personality and Organization, New York 1957 und A. Tannenbaum, Social Psychology of the Work Organization, Belmont 1966, die insbesondere den Zusammenhang von Divergenzen zwischen Individualbedürfnissen, Anforderungen der Organisation und dem Phänomen der informellen Beziehungen in Organisationen herausstellen. 30 C. I. Bamard, The Functions of the Executive, Cambridge Mass. 1938. 31 Bamard war Präsident der "New Jersey Bell Telephone Company". 32 So W. H. Staehle, Management: Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive, 6. Aufl. München 1991, S. 28; siehe auch die Beiträge in: O. E. Williamson (Hrsg.) Organization Theory: From Chester Barnard to the Present and Beyond, New York, Oxford 1995. 33 Der Grundgedanke der Koalition von Akteuren wurde von March und Simon aufgegriffen. Vgl. insb. die Arbeiten zur "decision to produce", H. A. Simon, Administrative Behaviour: A Study of Decision-Making Processes in administrative Organizations, 4. Aufl. New York 1949; J. G. March/H. A. Simon, Organizations, New York u.a. 1958; R. M. Cyert/J. G. March, A behavioral Theory of the Firm, Englewood Cliffs NJ. 1963.

5. Kooperation und Motivation

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menarbeit der Organisationsmitglieder dient und das auf den Zweck der absichtsvollen Zielerreichung gerichtet ist. 34 Vermittelnd im zuvor genannten Sinne ist das Theorem insoweit, als die Aufgabe, der Zweck der Organisation oder des konkreten Leistungserstellungsprozesses und die Motivlage der Organisationsmitglieder in einen einander konfundierenden Zusammenhang gestellt werden. Einerseits wird die bloße Aufgabenzentrierung der Vorgängertheorien überwunden, andererseits der zwischen Aufgabe und Mitarbeiter wie naturwüchsig unterstellte Hiatus elegant aufgelöst. Dadurch erfährt die Organisationstheorie eine thematische Erweiterung um so wesentliche Faktoren wie individuelle Ziele und Motivlagen. Barnard verbreitert damit das Spektrum der klassischen Theoriefragestellungen und setzt Impulse für die folgenden Theorieentwicklungen. Unterstellt man den Grundgedanken des Kooperationstheorems, daß Organisationen ihr Zustandekommen der zumindest überwiegenden Kongruenz individueller Bedürfnisse und Erwartungen und deren Erfüllung verdanken, wird das Ganze bei Nichterfüllung der Erwartungen brüchig?5 Organisationsmitglieder reduzieren ihre Leistung oder scheiden aus, wenn nicht genügend Anreize zur Fortsetzung der Kooperation bestehen. Entsprechend, so die Anreiz-Beitrags-Theorie der Organisation, muß die Organisation dem Mitglied jederzeit ausreichende Anreize bieten, seine Leistungsfähigkeit den organisationalen Zielen zu widmen. Dabei ist das Gleichgewicht von Anreizen und Beiträgen Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Organisation. Zugleich gibt dieser Ansatz der Organisationstheorie die vielleicht entscheidende Entwicklung frei, indem zum ersten Mal die Organisation als offenes System beschrieben wird, dessen Elemente nicht Personen, sondern deren Handlungen sind. Handlungen sind die elementaren Bausteine der Organisation, ihre Verknüpfung zu Handlungsketten durch Koordination schafft das Ganze der Organisation. Hiermit rückt in den Vordergrund, daß das Augenmerk der Organisation nicht darauf gerichtet sein muß, Handlungen in erwünschter Art und Weise zu provozieren, sondern die Mitglieder zu dauerhafter Kooperation zu bewegen, damit ihre Handlungen aneinander ausgerichtet bleiben. Die Wende zur Handlung als Element bringt nun die Schwierigkeit mit sich, das Innen und Außen des Organisationssystems zu beschreiben. Handlungen kommen überall in der Gesellschaft vor. Im Vorgriff auf die noch C. I. Bamard. The Functions of the Executive, S. 73. Simon scheint der Idee der Koalition nicht zuzutrauen, über die Grundentscheidung der Kooperation hinaus Verhalten dauerhaft koordinieren zu können, und setzt auf Aufgabenabgrenzung, Autoritätszuordnung, Fonnulierung von Entscheidungsrestriktionen, Schulung und Indoktrination, um Aktivitäten der Organisationsmitglieder dauerhaft zu koordinieren und auf die Ziele der Organisation auszurichten. 34 3S

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Kap. 11: Theoretische Positionen

zu thematisierenden Schwachpunkte der Ansätze der open systems theory stellt sich die Frage, was denn die Einheit des Systems und seiner Teile ist, wenn Bamard letztlich Aktionen von share- und stakeholdem, wie man in neuerer Terminologie die interessierten und relevanten Gruppen zu nennen sich gewöhnt hat, zur Organisation zählt. Dies unterstellt, wird unklar, wo die Grenze der Organisation liegt. Darüber hinaus kann die Einheit der Organisation bei einer derart weit angesetzten Grenze der Organisation nicht mehr über Befehl oder Hierarchie, sondern nur über einen irgendwie gearteten Modus der Koalition verbürgt werden?6 Verloren hat damit die Organisationslehre ihre bis dahin dominierende Binnenperspektive, die Differenz von System und Umwelt mit ihren Implikationen wird zum Thema. Rückbezüge zu Webers Legitimitätskonzept weist der motivationstheoretische Ansatz innerhalb der Bamardschen Theorie auf, der als Konsequenz aus der These, Organisationen bedürften der freiwilligen Bereitschaft der Mitglieder zur Kooperation, den Autoritätsbegriff dekomponiert. Autorität ist nicht naturwüchsig gegeben, sie entsteht erst dadurch, daß Mitglieder entscheiden, einer Anweisung zu folgen, und so Autorität konstituiert wird. Autorität kann, nimmt man die Konstituiertheit der Organisation durch freiwillige Entscheidung zu Beitritt, Kooperation und Beitrag ernst, schlechterdings nicht fremdbezogen werden. Die Quelle ihrer Legitimität bezieht sie aus demselben Akt, der die Organisation konstituiert. Ergänzt wird das Autoritätskonzept durch den Gedanken einer Indifferenzzone, einer Art Vertrauensvorschuß des Organisationsmitglieds, dem partiell gleichgültig ist, womit es beschäftigt wird, wenn nur anerkannt wird, daß es die basalen Mitgliedschaftsregeln erfüllt. Die zone of indifference stabilisiert die Autorität und bewahrt sie vor jederzeitiger Dekonstruierbarkeit, der sie sich, wie die Kommunikationstheorie und jeder, der in organisationalen Kontexten agiert, weiß, aufgrund der ständig mitgeführten Paradoxie in Weisungen, Ratschlägen oder schlicht Information zwangsläufig aussetzt. Bamards Einsicht, daß Autorität nicht vor Dekonstruktion und Reparadoxierung gefeit ist, ist insofern bemerkenswert aktuell. 37 Fraglich ist jedoch, ob man mit Bamard das Zustandekommen von Organisation und ihre Aufrechterhaltung mit dem freien Willen der Organisationsmitglieder hinreichend erklären kann. Insbesondere der theoretische Zugriff auf Umwelt scheint von zahlreichen Faktoren idealisierend zu abstrahieren. Zwar eröffnet die Koalitionstheorie den Blick auf das, was außerhalb der Grenzen der Organisation zu beschreiben wäre, schattet aber 36 Hierzu prägnant: C. I. Bamard, Organization and Management, Cambridge Mass. 1948, S. 111 ff. 37 Vgl. C. I. Bamard, The Functions of the Executive, S. 161 ff.; siehe auch: N. Luhmann, Funktionen und Folgen fonnaler Organisation, 5. Auf!. Berlin 1999, S. 95 f.

6. Die Entdeckung des Infonnellen

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zugleich die gesellschaftlichen Bedingungen für die Wahlentscheidung der Individuen ab, indem sie deren Eintritts- und Beitragsmotivation frei von Zwängen denkt.

6. Die Entdeckung des Informellen Eine weit folgenreichere Revision der klassischen Annahmen über das Innere der Organisation erfolgt jedoch nicht in der Rezeption der theoretischen Arbeiten Barnards, sondern ist Ergebnis arbeitswissenschaftlicher Experimente mit tayloristischer Ablauf- und Aufbauorganisation in der industriellen Praxis. Die Hawthome-Experimente im Werk der AT&T-Tochtergesellschaft Western Electric Ende der zwanziger Jahre waren angelegt, ganz im Sinne der Taylorschen Idee eines scientific management, zu Aussagen über und Handlungsempfehlungen für die Effizienzsteigerung in der Produktion zu gelangen?8 Man richtete Versuchs- und Kontrollgruppen ein, variierte Arbeitsbedingungen (beispielsweise die Beleuchtungsstärke in den Werkshallen) in der Hoffnung, zu validen Erkenntnissen über die Kausalität zwischen diesen Bedingungen und der Arbeitsproduktivität zu gelangen, und erlebte zur Überraschung der Forscher, daß simple Kausalattributionen nicht zu treffen waren. Die dann folgende wissenschaftliche Begleitforschung durch die HarvardForschergruppe um Elton Mayo entdeckte in Interviews und Begleitstudien statt der als sicher geglaubten Motivationsfaktoren äußerliche Arbeitsbedingungen und Lohnsystem die Bedeutung von emotionaler Zufriedenheit und Identifikation mit der Gruppe als wesentliche Variablen für die Effizienz der Arbeit. Die Unterscheidung von formaler und informaler Organisation und Kommunikation in der Organisation gewinnte Bedeutung für die Theorie. Die human relations werden als Gegenstand des Interesses entdeckt, eine weitergehende disziplinäre Differenzierung in der Organisationslehre wird geboren und prägt fortan die Diskussion um Mensch und Organisation. 39 Die Studien zeigten deutlich, daß die bis dato gängige Ansätze der Organisationslehre informellen Beziehungen in Organisationen zu geringe Bedeutung beigemessen hatten. Mit Hilfe des Schemas formal/informal ist dann zweierlei möglich. Je nachdem, welche Seite bezeichnet wird, können andere Aussagen getroffen werden. Entweder erscheint die formale Organi38 F. J. RoethlisbergerlW. J. Dickson, Management and the Worker, 16. Aufl. Cambridge Mass. 1975 (1939), S. 19 ff. 39 Von Human Relations ist es dann ein kurzer Weg zur Entdeckung der Ressource Humankapital. Im englischsprachigen Organisationskontext finniert Personalarbeit auch i. d. R. unter diesem Titel; vgl. M. Armstrong, A Handbook of Human Ressource Management. London 1990. 3 Drepper

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Kap. 11: Theoretische Positionen

sation als das, was die Effizienz nur unzureichend zu steuern in der Lage ist, sowie die human relations als Störgröße. Oder die human relations erscheinen als interessantes - und vor allem empirischer Arbeit zugängliches - Forschungsfeld, das die Perspektive klassischer Ansätze nicht ergänzt, sondern die Seite wechselt. Am informalen Element wird die Kreativität, das den Unternehmenszweck Fördernde, hervorgehoben. Die Organisationswissenschaft nimmt den angebotenen Perspektivenwechsel auf und reagiert mit Differenzierung von Theorieperspektiven, die die Organisation in Bezug auf eine entsprechende individualtheoretische, verhaltenswissenschaftliche Perspektive thematisieren: Individuum und Organisation, Individuum in der Organisation, Gruppen und Organisation, Manager und Organisation. 4o Damit führt die pointierte Zuwendung zu verhaltenswissenschaftlichen Beobachtungen nachvollziehbar zu einer Abkehr von strukturellen Überlegungen. In dem Maße, in dem die mikrosoziologische Perspektive mit ihrer Betonung von Arbeitssituation, Motivation, Individuum und Gruppe in den Vordergrund tritt, wird Organisation als formales System nur noch als Folie verwendet, als gegeben vorausgesetzt. Die fallige Gegenbewegung, die bei der Kritik des wissenschaftlichen und vor allem steuerungspraktischen Ertrags ansetzt, führt in der Folge zu einer Rückwärtsbewegung zur formalen Organisation.41 Sie führt die Differenz formal/informal aus anderem Blickwinkel wieder ein. 42 Die Rückwendung zur formalen Organisation als dominierender Perspektive kann jedoch nicht verdecken, daß der Organisationslehre bereits im Zuge ihrer Entwicklung der Begriff der Organisation abhanden gekommen ist und sich in Bindestrich-Organisationstheorien dekomponiert hat. Die Perspektive auf informaler Organisation firmiert heute, in Weiterentwicklung des Human Ressources Paradigmas43 , vorwiegend im theoretischen Kontext der Organisationsentwicklung44 und hier wohl mehr im Beratungs40 L. W. PorterlE. E. Lawler I1I./J. R. Hackman, Behaviour in Organizations, New York 1985; L. N. JewelllH. J. Reitz, Group Effectiveness in Organizations, G1enville Ill. 1981; R. Wunderer, W. Grunwald, Führungslehre, Bd. 1, Berlin, New York 1980. 41 Vgl. M. Irle, Soziale Systeme: Eine Kritische Analyse der Theorie von formalen und informalen Organisationen, Göttingen 1963. 42 Bspw.: P. M. BlauiR. W. Scott, Formal Organizations: A comparative Approach, San Francisco 1962. 43 Stellvertretend: D. McGregor, The human Side of Enterprise, New York 1960; C. Argyris, Persona1ity and Organization; sowie unter Betonung des dann zunehmend als wichtig herausgearbeiteten Aspekts der Integration von individuellen Bedürfnissen und Organisationszielen, die neue mitarbeiterbezogene Führungsprinzipien und Strukturen erfordern: ders., Integrating the Individual and the Organization, New York 1964; R. Likert, The human Organization: Its Management and Value, New York 1967.

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als im wissenschaftlichen Kontext und sucht zunehmend Anschluß an systemtheoretische Perspektiven, um das immer noch inhärente gruppendynamische Paradigma makro theoretisch zu fundieren. 45

7. System und Umwelt Die mit Barnard begonnene Zuwendung zur Außenseite der Organisation hatte bereits den einseitigen Fokus auf Interna der Organisation abgelöst. Man hatte zuvor versucht, zunächst zu klären, was die Organisation im Inneren zusammenhält, und postuliert, daß sich der Begriff der Organisation daraus ergäbe. Die Theorie gelangte dann aber fast zwangsläufig zu ontologischen Aussagen über die essentia der Organisation: bürokratische Weisungshierarchie, zielorientiertes, auf Dauer angelegtes System46 oder auch Teil und Ganzes. 47 In der Folge muß die Organisationstheorie klären, wie die entstandene Paradoxie aufzulösen ist, daß die Organisation in dieser Unterscheidung doppelt vorkommt: auf der Ebene der Teile, von denen keines das Ganze ist, und auf der Ebene des Ganzen, das kein Teil seiner Selbst sein kann. 48 Versuche, diese Paradoxie innerhalb des dichotomisch angelegten Paradigmas aufzulösen, erscheinen wenig aussichtsreich: Die Differenz mit Hilfe von Begriffen wie "Integration der Vielfältigkeit" oder "Ganzheitlichkeit" auf Einheit zurückzuführen49 , ist problematisch, schleichen sich hier doch alte Integrationskonzepte wie Herrschaft, Führung oder Partizipation lediglich in neuer Kombinatorik durch die Tapetentür wieder ein. Einer Pendelbewegung nicht unähnlich wendet sich die Organisationstheorie dem vernachlässigten Außen zu und erweitert den noch bei Barnard 44 Zum Überblick: W. G. Bennis, Organization Development, Reading Mass. 1969; ein Ansatz der Weiterentwicklung unter dem Signum Prozeßbetrachtung, in der die individuenzentrierte Perspektive der OE deutlich fortgesetzt wird (RollenCoaching), findet sich bei G. Fatzer, Prozeßberatung als Organisationsberatung der neunziger Jahre, in: R. Wimmer (Hrsg.), Organisationsberatung, S. 115-127. 45 R. Wimmer, Organisationsberatung - Eine Wachstumsbranche ohne professionelles Selbstverständnis: Überlegungen zur Weiterentwicklung des OE-Ansatzes in Richtung Systemischer Organisationsberatung, in: M. Hoffmann (Hrsg.), Theorie und Praxis der Unternehmensberatung, S. 45-136, 66 ff. sowie 113 ff. 46 So A. Kieser, H. Kubicek, Organisation, 2. Auf!. Berlin. New York 1983. S. 125. 47 Wie bspw. in den Ansätzen der sog. "St. Gallener Schule", v.a.: K. Bleicher, Das Konzept integriertes Management. Frankfurt am Main, New York 1991, S. 49 ff.; darauf aufbauend: P. Gomez/f. Zimmermann, Unternehmensorganisation. Frankfurt am Main, New York 1992, S. 20 ff.; C. pümpin/J. Prange, Management der Unternehmensentwicklung, Frankfurt am Main. New York 1991, S. 20 f. 48 So die Fundamentalkritik eines ontologisch ansetzenden Systembegriffs; vgl. N. Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt am Main 1997, S. 598 ff. 49 Vgl. bspw. P. GomezIT. Zimmermann, Unternehmensorganisation, S. 20.

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Kap. 11: Theoretische Positionen

engen (für die Abgrenzung und begriffliche Fassung des Objekts, wie oben dargestellt, jedoch bereits problematischen) Begriff der Umwelt. Die gesellschaftliche Eingebettetheit der Organisation in ihre Umwelt wird unter den Stichworten System und Komplexität ins organisationstheoretische Themenspektrum eingeführt. Die theoretischen Verankerungen der frühen systemtheoretischen Ansätze finden sich einerseits in der strukturfunktionalistischen soziologischen Organisationstheorie Talcott Parsons 50 , andererseits fasziniert das Theorieangebot von Kybernetik und Informationstheorie, beispielsweise in Gestalt der Allgemeinen Systemtheorie des Biologen Ludwig von Bertalanffy.51 Kybernetik stellt damit das zuerst rezipierte Bezugsgerüst52 managementtheoretischer Aneignungsversuche der Systemtheorie d~3, und das Bild des Regelkreises als Modell für Managementhandeln präformiert die Fragestellungen und Konzepte. Das vordringliche Managementproblem ist in dieser theoretischen Konzeption folglich die Aufrechterhaltung von "Homöostase", die Erhaltung und Stabilisierung des Systemgleichgewichts. 54 Dabei hebt die Theorie offener Systeme die Außenbezüge der Organisation hervor, indem sie die grundlegende Asymmetrie von System und Umwelt zum Ausgangspunkt nimmt. Von da aus läßt sich nachvollziehbar beschreiben, daß das Überleben von Systemen in variablen und komplexen Umwelten eine Reduktion von Umweltkomplexität voraussetzt. Organisationssysteme sind dann Gebilde, die dem Input einer überkomplexen und ständigen Veränderungen unterworfenen Umwelt mit ihrem eigenen, arbeitsteiligen Prozeß begegnen und Strukturen ausbilden, um ihre Identität zu formen und zu erhalten. Systeme regeln das Verhältnis von exogener und endogener Komplexität durch den Aufbau eigener Komplexität, um nicht ihr Ende im Zerfall aller für sie konstituierenden Differenzen zu erfahren und sich entropisch aufzulösen. Dies geschieht durch den Aufbau von Struktur. Struktur ermöglicht die Umweltbezüge, macht diese erfaßbar und bearbeitbar. Darüber, wie man sich dies vorzustellen hat, insbesondere aber, wie die Struktur auszuse50 T. Parsons, The Analysis of Formal Organizations, in: ders., Structure and Process in Modem Societies, New York 1960, S. 16-96. 51 L v. Bertalanffy, General Systems Theory, 6. Aufl. New York 1979. 52 Die Rezeption der soziologischen Theorielinie erfolgt demgegenüber mit Verzögerung: vgl. K. Türk, Organisationssoziologie, in: E. Freese (Hrsg.), Handwörterbuch der Organisation, 3. Aufl. Stuttgart 1992, Sp. 1633-1648; J. P. Thompson, Organizations in Action, New York 1967. 53 Vgl. insbes. die frühen systemtheoretischen Arbeiten von H. Ulrich, Die Unternehmung als produktives soziales System, 2. Aufl. Bem, Stuttgart 1970; für den angelsächsischen Raum v.a.: F. E. Kast/J. E. Rosenzweig, Organization and Management: A Systems Approach, New York 1970. 54 Hienu insbes. F. E. Emery (Hrsg.), Systems Thinking, Harmondsworth 1969.

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hen hat, die dies in geeigneter Weise darstellt, wird seit den späten fünfziger Jahren intensiv diskutiert. Mit der Fragestellung der optimalen Gestaltung des Umweltbezugs der Organisation ist in der hier vorgelegten kleinen Geschichte der Forschungsprobleme und Lösungshypothesen ein entscheidender Schritt erreicht. Die theoretischen Positionen müssen entsprechend eingehender herausgearbeitet werden, um zu zeigen, daß die Organisationstheorie, so wie sie sich dem Beobachter ihrer Diskurse heute darbietet, wenn er eine problemgeschichtliche Perspektive anlegt, sich grundlegend an eben diesen Problemen bis dato abarbeitet. Der situative Ansatz, von dem die Rede ist, prägt in theoretischer und auch in forschungspraktischer Hinsicht bis heute die Organisationstheorie. 55 Er erweitert das Spektrum von Theoriefragen insbesondere, indem er auf Differenzen zwischen Organisationsstrukturen in vergleichbaren Unternehmen abstellt und wesentlich die Frage nach der Bedeutung von Situationsparametern für die Organisation der Organisation, ihre Effektivität und Effizienz stellt. Eine wesentliche Beobachtung der empirischen Forschung war die große Variationsbreite möglicher formaler Strukturen von Organisationen. 56 Die dominierende These des Ansatzes, die alle Weiterentwicklungen der Organisationstbeorie mit Modifikationen überdauerte, ist die Abhängigkeit der Gestaltung der Struktur von verschiedenen situativen Bedingungsfaktoren wie der Stabilität, Vorhersehbarkeit. Ungewißheit und Komplexität, aber auch der Größe der Organisation. 57 Dies hat die wesentSS Begriffsprägung durch W. H. Staehle, Organisation und Führung sozio-technischer Systeme: Grundlagen einer Situationstheorie, Stuttgart 1973. S6 T. Bums, G. M. Stalker, Tbe Management of Innovation, London 1961; P. M. BlaulW. R. Seott, Formal Organizations; R. H. Hall, Intraorganizational Structural Variation: Applications of the Bureaucratic Model, in: Administrative Science Quarterly 7 (1962), S. 295-308; D. S. Pugh/D. J. Hiekson et al., Dimensions of Organization Structure, in: Administrative Science Quarterly 13 (1968), S. 65-105; dies., The Context of Organization Structures. in: Administrative Science Quarterly 14 (1969), S. 91-114. S7 T. Bums, G. M. Stalker, The Management of Innovation; P. R. Lawrenee/J. W. Larseh, Organization and Environment, Boston Mass. 1967; D. J. Hiekson/D. S. Pugh/D. L. Phesey, Operations Technology and Organization Structure: An Empirical Repraisal, in: Administrative Science Quarterly 14 (1969), S. 378-397; J. Woodward, Management and Technology, London 1958. Die Zusammenhänge zwischen Faktoren, aber auch Möglichkeiten, sie aufeinander zurückzuführen, sollen hier nicht weiter behandelt werden. So führt beispielsweise nach Dunean erst Komplexität in Verbindung mit Dynamik in UmweIten zu Ungewißheit und stellt dann ein Problem für die Organisation der Organisation dar; vgl. hierzu R. B. Dunean, Characteristics of Organizational Environments and Perceived Environmental Uncertainty, in: Administrative Science Quarterly 17 (1972), S. 313-327, 324 f.; zum Begriff der Ungewißheit: J. R. Galbraith, Organization Design, Reading Mass. 1977, S. 36 f.; zur begrifflichen Abgrenzung von Komplexität und Dynamik vgl. W. Hill/R. Fehlbaum/P. Ulrieh. Organisationslehre 1: Ziele, Instrumente und Bedingun-

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Kap. 11: Theoretische Positionen

liche, für kritische Rationalisten und Gestalter gleichennaßen entmutigende und herausfordernde Konsequenz, daß es die eine beste Fonn der Organisation nicht geben kann, diese zumindest nicht aus einer übergreifenden Ratio ableitbar zu sein scheint und sich Gestaltungsempfehlungen daher in der Folge damit bescheiden müssen, die Fonn von Gestaltungsheuristiken anzunehmen. 58 Die methodischen Innovationen des situativen Paradigmas nähern die Organisationsforschung stark an die empirischen Sozialwissenschaften an beziehungsweise bedienen sich ihres Instrumentariums. Aussagen werden nicht mehr auf die Autorität analytischer Argumente gestützt, sondern auf Ergebnisse empirisch-quantitativer Untersuchungen, vornehmlich in der Perspektive des Vergleichs verschiedener Unternehmen. 59 Postuliert werden nicht mehr Aussagen und Gestaltungsempfehlungen, die generelle Gültigkeit als Prinzipien beanspruchen, sondern Aussagen, die die Bedingtheit ihrer Gültigkeit abhängig von den vorgefundenen Situationsbedingungen der Organisation im Index mitführen. Schreyögg spricht in diesem Zusammenhang dann auch vom Kontingenzansatz der Organisation. 6o Zwei Grundthesen kennzeichnen das Programm des situativen Ansatzes. Erstens wird postuliert, daß sowohl spezifische Ausprägungen organisationaler Stuktunnerkmale als auch des Verhaltens von Organisationsmitgliedern auf Unterschiede der Situation zurückzuführen sind, in denen sich die Organisation befindet. Zweitens wird davon ausgegangen, daß diese Organisationsstrukturen und Verhaltensweisen in Abhängigkeit von der jeweils gegebenen Umweltsituation eine unterschiedliche Effizienz aufweisen. Das Forschungsprogramm des Ansatzes hat folglich den generellen Fokus, genau zu bestimmen, welche Situationsmerkmale welche Strukturvariationen und Verhaltensweisen forcieren, und noch wesentlicher, welche Kongen der Organisation sozialer Systeme, Bem, Stuttgart 1974, S. 325 f.; E. Grochla, Grundlagen der organisatorischen Gestaltung, Stuttgart 1982, S. 185 f. 58 E. Freese, Organisationstheorie, S. 368 ff. 59 Zuerst: J. Woodward, Management and Technology, mit dem Versuch, Korrelationen zwischen Organisationsstruktur und Produktionsverfahren festzustellen; zur Kritik vgl. G. Schreyögg, Umwelt, Technologie und Organisationsstruktur: Eine Analyse des kontingenztheoretischen Ansatzes, Bem, Stuttgart 1978, S. 126 ff. sowie C. Perrow, A Framework for the Comparative Analysis of Organizations, in: American Sociological Review 32 (1967), S. 194-208, 208. Die vergleichende Komponente prägt bis in die heutige Zeit die Methodologie insbesondere der Unternehmensberatung in Form der "Benchmark-" und "Best Practice-Analysen" sowie wesentliche Veröffentlichungen der Managementliteratur. Auch T. J. Peters/R. H. Waterman, In Search of Excellence, New York 1982, verwendet letztlich eine organisationsvergleichende Perspektive. 60 G. Schreyögg, Umwelt, Technologie und Organisationsstruktur: Eine Analyse des kontingenztheoretischen Ansatzes; die Terminologie entspricht auch dem angelsächsischen Sprachgebrauch.

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stellationen zwischen Umweltfaktoren und Struktur welche Auswirkungen auf die Effizienz der Organisation haben. Schließlich gilt es, die Mechanismen zu bestimmen, die einer Organisation die Passung ennöglichen. Innerhalb des Forschungsprograrnrns des situativen Ansatzes lassen sich theoretische und methodologische Differenzen ausmachen, denen in aller gebotenen Kürze nachzugehen geboten scheint, um die Reichweite des Paradigmas für die zentrale organisationstheoretische Fragestellung des Umweltbezuges der Organisation zu sehen und blinder Flecken habhaft zu werden. Nach dem bisher über organisationstheoretische Fragestellungen Gesagten ergibt sich zwangsläufig eine Differenzierung zwischen analytisch-explikativem und pragmatischem Erkenntnisinteresse. Erstere Ansätze zielen primär auf die möglichst exakte empirische Erfassung organisationaler Strukturunterschiede, die Erklärung ihrer Ursachen, die gemäß der Grundkonzeption in unterschiedlichen Umweltbedingungen und Situationen liegen, sowie ihrer innerorganisationalen Folgen für das Verhalten der Mitglieder. Hingegen zielen Ansätze mit pragmatischem Erkenntnisinteresse auf Präskription: bestimmte organisationale Ziele vor Augen werden empirisch valide Empfehlungen für die bestmögliche Gestaltung organisationaler Strukturen in Abhängigkeit von Umweltgegebenheiten erwartet. Zudem differieren die Analyseniveaus, je nachdem, ob der Einfluß der Umwelt auf die Struktur der Gesamtorganisation61 oder auf deren Subsysteme62 oder auf die konkreten Ausgestaltungen der Stellen- und Aufgabenstruktur63 im Vordergrund steht. Studien mit dem Anspruch, mehrere Ebenen der Organisationsstruktur zugleich in ihrem Bezug zu Umwelteinflüssen zu betrachten64 , sind, ebenso wie Versuche, Aussagen über die Detenninanten der letztlich in der Organisationsgestaltung interessierenden Struktureffizienz zu treffen 65 , eher die Ausnahme. 61 Hier insbesondere die Studie von T. Bums/G. M. Stalker, The Management of Innovation. 62 R. H. Hall, Intraorganizational Structural Variation: Applications of the Bureaucratic Model; E. Gaugier, Instanzenbildung als Problem betrieblicher Führungsorganisation, Berlin 1966; H. J. Drumm, Automation und Leistungsstruktur, Berlin 1970; J. Hauschild, Organisation der finanziellen Unternehmensführung, Stuttgart 1970. 63 L G. Hrebiniak, Job Technology, Supervision, and Workgroup Structure, in: Administrative Science Quarterly 19 (1974), S. 444-459. 64 Vor allem die Studien von D. S. Pugh/D. J. Hickson (Hrsg.), Organizational Structures in its Context: The Aston Programme I, Westmead-Farnborough 1976; D. S. Pugh/R. L. Payne (Hrsg.), Organizational Behaviour in its Context: The Aston Programme III, Westmead-Farnborough 1977. 6S Daher auch der nachhaltige Einfluß der Arbeit von P. R. Lawrence/J. W. Lorsch, Organization and Environment, auf spätere Konzepte mit Anspruch auf nor-

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Kap. 11: Theoretische Positionen

Unter dem Stichwort Messung der Organisations struktur werden im Rahmen situativer Ansätze eine Zahl von Situationsfaktoren, strukturellen Merkmalen und Zusammenhängen zwischen diesem Außen und Innen der Organisation analysiert. Bereits die zugrunde gelegten Beschreibungen dessen. was als Strukturmerkmale der Organisation und somit als das Explanandum anzusehen ist, divergieren, wobei immer die Grundprobleme der Organisationsgestaltung, die die Problemgeschichte der Organisationslehre dominieren und organisieren, als Bezugspunkte feststehen: Art und Maß der organisatorischen Arbeitsteilung, Differenzierung der Organisation und Spezialisierung sowie Art und Intensität der Koordination oder Integration. Die tiefergehende Auffacherung in Dimensionen der Organisationsstrukturen ist innerhalb des Paradigmas an Webers Bürokratiemodell orientiert, gleichwohl im Detail uneinheitlich, was die Vergleichbarkeit verschiedener Studien unterschiedlicher Autoren erschwert. 66 Während die Rückversicherung bei Weber den Strukturmerkmalen zumindest in Ansätzen ein soziologisches Fundament verleiht, fehlt ein Theoriebezug bei der Wahl und Beschreibung der relevanten Situations- oder Umweltfaktoren gänzlich: es sollen alle Faktoren einbezogen werden, die geeignet sind, Unterschiede der Strukturmerkmale zu erklären. 67 Nach Kieser und Kubicek lassen sich die intervenierenden Situationsfaktoren unterschiedlichen Analyseebenen zuordnen. Der Einfluß gesellschaftlicher und kultureller Bedingungen auf Organisationsstrukturen wird auf der Ebene der allgemeinen Umwelt der Organisation untersucht. 68 Darunter zu subsummieren wäre beispielsweise der Einfluß von spezifischen Bildungssystemen, was bei interkultureller vergleichender Strukturanalyse zum Tragen käme. 69 Unscharf ist bereits die Differenz zur Analyseebene Aufgabenumwelt. die ihrerseits unterschiedliche Umweltbereiche umfassen soll, die Organisationsstrukturen beeinflussen: der Staat, Kunden, Lieferanten, Mitbewerber7o . Hier kommen dann die wohl wesentlichen Vokabeln der Ormative Aussagen zur Gestaltungseffizienz, z. B. bei E. Freese, Organisationstheorie, S. 155 ff. 66 Ein Überblick mit eigenem Klassifikationsschema bei A. Kieser/H. Kubicek, Organisation, S. 79 ff. 67 Ebd., S. 211 ff. 68 C. J. Lammers/D. J. Hickson (Hrsg.), Organizations Like and Unlike, London 1979; M. K. Welge, Management in deutschen multinationalen Unternehmen, Stuttgart 1980; D. J. HicksonlC. J. McMillan (Hrsg.), Organization and Nation: The Aston Programme IV, Westmead-Farnborough 1981. 69 Bspw. die Studie von M. G. Lieb, Organisationsstruktur und Bildungswesen, Frankfurt am Main 1986. In diesem Zusammenhang sind auch konzeptionell die frühen organisationskulturellen Ansätze wie W. G. Ouchi, Theory Z, Reading Mass. 1981 zu sehen; hierzu ausführlicher C. Drepper, Unternehmenskultur: Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung im Kommunikationssystem Unternehmen, Frankfurt am Main u. a. 1992, 12 ff.

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ganisationstheorie ins Spiel, will man die Notwendigkeit der Umweltanpassung der Organisation hervorheben: Umweltkomplexität, als Produkt der Zahl, Verschiedenheit und Placierung relevanter Faktoren in den jeweiligen Umweltsegmenten71, und Umweltdynamik, die Häufigkeit, Stärke und Vorhersehbarkeit von Änderungen eben dieser Faktoren. 72 Von besonderem Interesse sind dabei insbesondere Einflüsse technischer Entwicklungen73 oder auch interorganisationale74 Einflußverhältnisse wie die einer Konzernzentrale auf Tochtergesellschaften. 75 Die Ebene der internen Situation ist insofern von besonderem Interesse, als sie dem Ansatz der Situativen Organisationsforschung zufolge managerialer Gestaltung zugänglich ist - im Gegensatz zur allgemein kulturell-gesellschaftlichen Umwelt oder zur Aufgabenumwelt. Es geht um Größe der Organisation76, Technologie in der Produktion77 , Informationstechnologie oder auch rechtliche Verfassung der Organisation78. 70 Vgl. W. R. Dill, Environment as an Influence on Managerial Autonomy, in: Administrative Science Quarterly 2 (1958), S. 409-425. 71 So R. B. Duncan, Characteristics of Organizational Environments and Perceived Environmental Uncertainty. 72 Vgl. J. Child, Organizational Structure, Environment and Performance: The Role of Strategie Choice, in: Sociology 6 (1972), S. 1-22. 73 T. Bums/G. M. Stalker, The Management of Innovation, sowie: M. Aikin/J. Hage, The Organic Organization and Innovation, in: Sociology 5 (1971), S. 63-81. 74 J. Pfeffer, Size and Composition of Corporate Boards of Directors: The Organization and its Environment, in: Administrative Science Quarterly 17 (1972), S. 218-228. 75 J. Child, Predicting and Understanding Organization Structures, in: Administrative Science Quarterly 18 (1973), S. 168-185. 76 P. M. Blau/R. A. Schänherr, The Structure of Organizations, New York 1971, J. Child, Predicting and Understanding Organization Structures; D. S. Pugh/C. R. Hinnings (Hrsg.), Organizational Stucture - Extensions and Replications: The Aston Programme II, Westmead-Farnborough 1976. 77 J. Woodward, Management and Technology; P. R. Lawrence/J. W. Lorsch, Organization and Environment; R. Mansfield, Bureaucracy and Centralization: An Examination of Organizational Structure, in: Administrative Science Quarterly 18 (1973), S. 477-488. 78 Hier geht es nicht so sehr um die Frage, welche Rechtsform gewählt werden sollte, um eine. Organisation effizient zu gestalten; dies ist eher juristischen Ratgebern für Unternehmensgründer vorbehalten. Die Debatten thematisieren hingegen den Einfluß des Rückgangs von "Eigentümer-Managern" und das Vordringen angestel1ter Führungskräfte. Vgl. A. A. Berle, Power without Property: A New Development in American Political Economy, New York 1959; C. Kaysen, The Social Significance of the Modem Corporation, in: American Economic Review 49 (1959), S. 311-319; J. S. Earley, A Critique of Paper by H. A. Simon on Economics, Organization Theory and Decision Making, in: American Economic Review 47 (1957), S. 330-335; L. R. Pondy, Effects of Size, Complexity, and Ownership on Administrative Intensity, in: Administrative Science Quarterly 14 (1969), S. 47-60; O. E.

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Kap. I1: Theoretische Positionen

8. Grenzen der Empirie Bei allem Verdienst um ein verbessertes Verständnis organisatorischer Strukturen und eine differenzierte Betrachtung potentiell relevanter Umweltfaktoren dominiert in der Diskussion über das Paradigma die Thematisierung der Grenzen des Ansatzes. Hervorzuheben ist dabei zunächst das flagrante Mißverhältnis zwischen empirischem Material und Explikationsleistung. Diese ist allein deshalb begrenzt, weil in der Mehrzahl der Studien die Mechanismen, die die empirisch vorfindbaren Regelmäßigkeiten von Struktur und Umweltparametern vermitteln, nicht erfaßt werden. Der Fokus liegt auf "was-", nicht auf "wie-Fragen".79 Der Vorwurf der Kritik an die Kontingenztheorie lautet, ein mechanistisches Verständnis der Einflußwege und -logiken zu haben80 oder eigentlich theorie los zu argumentieren. 81 Dabei ist jedoch fraglich, ob gerade dieser Vorwurf den contingency approach überhaupt im Kern trifft. Staehle führt aus, daß es gerade das Kennzeichen des Ansatzes sei, keine Theorie zu sein, sondern eben nur ein Forschungsansatz, der inhaltlich beliebig zu füllen sei. 82 Nur bei Beobachtung des Ansatzes als Theorie können konzeptionelle Schwächen angeführt werden: die Dominanz der Methode als Forschungsziel, die fehlende Berücksichtigung verhaltensbezogener Dimensionen83 , die Arbeit mit Rationalitätsunterstellungen auf der Seite der Entscheider84 und vor allem die zu Williamson, The Economics of Discretionary Behaviour, Englewood Cliffs NJ. 1964. Die empirischen Belege für einen Einfluß auf die Organisationsstruktur sind zwar mager, haben aber ausgereicht, um Einfluß auf die Debatte der neunziger Jahre um die Notwendigkeit von Entrepreneurship zu nehmen. Diese entdeckte die These des weniger aufopferungsvollen angestellten Managers wieder; vgl. statt vieler G. Ogger, Nieten im Nadelstreifen, S. 241 f. 79 Vgl. hierzu C. B. Schoonhofen, Problems with Contingency Theory: Testing Assumptions Hidden Within the Language of Contingency Theory, in: Administrative Science Quarterly 26 (1981), S. 349-377. 80 Vgl. A. M. Theis, Organisationskommunikation: Theoretische Grundlagen und empirische Forschungen, Opladen 1994, S. 140 f.; H. Kubicek, Bestimmungsfaktoren der Organisationsstruktur, in: RKW-Handbuch Führungstechnik und Organisation, Kz. 1412, 6. Lfg., Berlin 1980. 81 S. Kudera, Organisationsstrukturen und Gesellschaftsstrukturen: Thesen zu einer gesellschaftsbezogenen Reorientierung der Organisationssoziologie, in: Soziale Welt 28 (1977), S. 1&-38. 82 W. H. Staehle, Macht und Kontingenzforschung, in: W. Küpper/G. Ortmann (Hrsg.), Mikropolitik: Rationalität, Macht und Spiele in Organisationen, 2. Aufl. Opladen 1992, S. 155-163, 158. 83 Hierzu auch E. Freese, Organisationstheorie, S. 291 ff. 84 Vgl. W. H. Starbuck, Organizations as Action Generators, in: American Sociological Review 48 (1983), S. 91-102; M. Ebers, Organisationskultur: Ein neues Forschungsprogramm? Wiesbaden 1985. Die Theoriedebatte über Organisationskultur war dann auch im wesentlichen eine Reaktion auf die theoretischen Unzulänglich-

8. Grenzen der Empirie

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schlichte Vorstellung, nur die Umwelt beeinflusse die Organisation, nicht aber die Organisation ihre Umwelten. 85 Darüber hinaus wird kritisiert, daß der kontigenztheoretische Ansatz die Eigendynamik und das Vermögen von Organisationssystemen unterschätzt, ihre Strukturen unabhängig von Umwelteinflüssen zu bilden und gegenüber externen Einflüssen aufrechtzuerhalten. Die vom situativen Paradigma geleistete Sensibilisierung für Fragen des System-Umwelt-Verhältnisses ist von den Kritiklinien dann entsprechend folgerichtig ausgeweitet worden auf die Frage, inwieweit die Organisation ihrerseits Umwelten zu beeinflussen in der Lage ist86, oder auch, inwieweit die Abhängigkeit der Organisation von externen Ressourcen wie Finanzmitteln, Gütern, aber auch Information zu einer external control 0/ the organization 87 führt. Von diesem Problemstand aus werden in der Folge Fragen der Substituierbarkeit, vertikaler Leistungsverbünde, aber vor allem von Handeln unter Ungewißheit aufgeworfen. In den achtziger Jahren wurde die Perspektive um den Begriff des Risikos ergänzt. 88 Ressourcenabhängigkeit, aber auch Abhängigkeit von nur wenigen oder gar einem Kunden der Produkte, verursacht Ungewißheit und erschwert damit die Planbarkeit. Man würde heute modisch von Risikominimierungsstrategien reden, die intern die Ressourcenabhängigkeit abfangen oder zumindest "frühwamen" oder die wie der Aufbau kooperativer Strategien (joint venture, Langfristverträge oder die im Bereich des Reisemanagements verbreiteten Implantkonstruktionen) auf Kontrolle der Umwelt abzielen 89 , zugleich aber die Organisation und ihre Theorie vor die Herausforderung stellen, zu entscheiden, wo hier noch die Grenze der Operation des Systems liegt. keiten des Situativen Paradigmas. Diese Theorieentwicklungslinie wird an dieser Stelle nicht weiter verfolgt, vgl. statt dessen: C. Drepper, Unternehmenskultur, S. 20 f. 85 Vgl. J. Child, OrganizationaI Structure, Environment and Performance: The Role of Strategie Choice. 86 K. E. Weid