Dietrich Bonhoeffer Werke: Band 5 Gemeinsames Leben. Das Gebetbuch der Bibel 9783641072186


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German Pages 203 Year 2019

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort der Herausgeber
Dietrich Bonhoeffer GEMEINSAMES LEBEN
Vorwort
Gemeinschaft
Der gemeinsame Tag
Der einsame Tag
Der Dienst
Beichte und Abendmahl
Das Gebetbuch der Bibel
Nachwort der Herausgeber
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Register
DIE HERAUSGEBER
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Dietrich Bonhoeffer Werke: Band 5 Gemeinsames Leben. Das Gebetbuch der Bibel
 9783641072186

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Dietrich Bonhoeffer Werke Band 5

DI ET RICH BONHOEFFER WERKE Herausgegeben von Eberhard Bethge (†), Ernst Feil (†), Christian Gremmels, Wolfgang Huber, Hans Pfeifer (†), Albrecht Schönherr (†), Heinz Eduard Tödt (†), Ilse Tödt Fünfter Band

DI ET RICH BONHOEFFER

GEMEINSAMES LEBEN DAS GEBETBUCH DER BIBEL Herausgegeben von Gerhard Ludwig Müller und Albrecht Schönherr (†)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.

Copyright © 1987 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Das E-Book gibt den Textbestand der Dietrich Bonhoeffer Werke – Sonderausgabe, Gütersloh 2015, wieder. Sie wurde gedruckt mit Unterstützung der Internationalen Dietrich Bonhoeffer-Gesellschaft und der Adolf-Loges-Stiftung, die die Sonderausgabe in besonderer Weise förderte. Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. Umschlaggestaltung: Ingeborg Geith, München ISBN 978-3-641-07218-6 www.gtvh.de

Inhalt

Vorwort der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dietrich Bonhoeffer GEMEINSAMES LEBEN

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Vorwort . . . . . . Gemeinschaft . . . . Der gemeinsame Tag Der einsame Tag . . Der Dienst . . . . . Beichte und Abendmahl

14 15 35 65 77 93

DAS GEBETBUCH DER BIBEL Eine Einführung in die Psalmen Die Beter der Psalmen . . . . . Namen, Musik, Versgestalt . . . Der Gottesdienst und die Psalmen Einteilung . . . Die Schöpfung . . . Das Gesetz . . . . . Die Heilsgeschichte Der Messias Die Kirche . Das Leben . Das Leiden . Die Schuld Die Feinde Das Ende . Nachwort der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . .

1 05 1 10 113 115 117 117 118 1 19 120 121 1 22 124 1 26 128 1 30 1 33

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Inhalt

. . . . . . Literaturverzeichnis . a) Von Bonhoeffer benutzte Literatur. . . . b) Von den Herausgebern benutzte Literatur c) Auswahlbibliographie zu "Gemeinsames Leben"

1 77 1 77 1 79 1 82

Abkürzungsverzeichnis .

1 85

Register. . . . . a) Bibelstellen . . . b) Personen . . . . c) Sachen und Orte.

1 87 1 89 194 1 96

Die Herausgeber . . .

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Vorwort der Herausgeber

I Paradoxerweise verdanken wir das Buch "Gemeinsames Le­ ben" der , Geheimen Staatspolizei' . Denn diese hatte Ende September 1 9 3 7 neben anderen Einrichtungen der Bekennen­ den Kirche auch das von Dietrich Bonhoeffer geleitete Predi­ gerseminar und Bruderhaus in Finkenwalde, wo angehende Pfarrer , gemeinsames Leben' zu praktizieren versucht hatten, geschlossen und dadurch Bonhoeffer veranlaßt, aufzuschrei­ ben, was er über das Leben einer christlichen Gemeinschaft zu sagen hatte. ' "Drei Jahre zuvor", so berichtet Eberhard Bethge, "hatte es Bonhoeffer glatt abgelehnt, etwas über den Finken­ walder Stil zu schreiben", da er der Ansicht gewesen sei, "erste Experimente seien nicht zur Veröffentlichung reif" . 2 Er wollte zuerst Erfahrungen auf einem Feld sammeln, das von der evangelischen Kirche zu ihrem Schaden allzuwenig bestellt worden war. Das Vorwort sagt es in knapper Form : Die Gestaltung eines gemeinsamen Lebens unter dem Wort sei keine "Angelegenheit privater Zirkel, sondern . . . eine der Kir­ che gestellte Aufgabe" ; die praktische Erprobung habe die "kirchliche Bereitschaft zur Mithilfe" wecken sollen, denn es gehe um eine Aufgabe, die die "wachsame Mitarbeit aller Verantwortlichen" benötige ; Finkenwalde sei "nur ein einzel­ ner Beitrag" dazu.3 Auch andere hatten das Problem erkannt. So hatte z. B. schon 1 93 7 Hans Joachim Iwand den Kandidaten des von ihm geleiteten Predigerseminars von "der Gemein­ schaft christlichen Lebens" gepredigt. 4 Es ist bemerkenswert, wann und unter welchen Umständen "Gemeinsames Leben" entstand und erschienen ist. "Bonhoef­ fer schrieb die ca. hundert Seiten in einem Zuge nieder", wie 1

Vgl. zum Ganzen DB 481-762, bes. 527-539.

2 E. Bethge, Nachwort (1 979) zu GL, 1 1 0 f. 3 Siehe S. 14. 4 H . J. Iwand, Von der Gemeinschaft christlichen Lebens,

1 937.

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Vorwort der Herausgeber

sich Eberhard Bethge erinnert, "und zwar im September/Okto­ ber 1938 während eines merkwürdigen vierwöchentlichen Fe­ rienaufenthalts im Göttinger Haus seiner eben emigrierten Zwillingsschwester Sabine Leibholz in der Herzberger Land­ straße. Ich versuchte mich in die Barthsche Dogmatik (I, 2) einzulesen, er saß am Schreibtisch seines Schwagers und schrieb und schrieb. Es gab genußreiche Unterbrechungen : täglich eine Stunde auf dem Tennisplatz, gelegentlich eine Fahrt zu den Kasseler Musiktagen mit Philipp Emanuel Bachscher Musik und dem Erwerb eines dabei entdeckten Merzdorf'schen Clavi­ chords. Aber es gab auch andere Unterbrechungen : die tägli­ chen Nachrichten im englischen Rundfunk über die Zuspitzung der Sudetenkrise, die täglichen Telefonate mit Berlin, der Fami­ lie und dem Bruderrat über drohende Einziehungen, die zu befürchtende Stillegung aller Tätigkeiten der Bekennenden Kir­ che . . . Für die gesamte Bekennende Kirche hatte der Sommer den Tiefpunkt ihrer Schwäche und Schwindsucht gebracht, da die Mehrzahl der Pfarrer schließlich den Eid auf Hitler ablegte, den das offizielle Kirchenregiment als Geburtstagsgeschenk für den Führer nach dessen Einmarsch in Österreich angeboten hatte. Bonhoeffer hatte mit seinen Kandidaten leidenschaftlich auf Pfarrkonferenzen dagegen gestritten, vergeblich. «5 Wie es mit der Bekennenden Kirche stand, kam noch im September an den Tag, als sich viele weigerten, die Gebetsliturgie der VKL zur Tschechenkrise im Gottesdienst zu verwenden. Zur selben Zeit spitzte sich auch im familiären Bereich die Lage zu. Am 8. September 1938 war Gerhard Leibholz, ein getaufter , Nichtarier' - wie die diskriminierende Terminologie damals lautete -, mit seiner Frau Sabine, der Zwillingsschwester Dietrich Bonhoeffers, in die Schweiz und von dort nach Eng­ land geflohen, weil sie mit verschärften Paß-Maßnahmen gegen Bürger jüdischer Herkunft rechnen mußten. "Zu alledem liefen die ersten Vorbereitungen für einen Putsch, an denen der Schwager Hans von Dohnanyi maßgeblich beteiligt war. «6 In dieser politisch, kirchlich und persönlich angespannten Situation arbeitete Dietrich Bonhoeffer mit höchster Konzen5 E. Bethge, Nachwort (1 979) zu GL, 1 08 f. 6 A.a. O . , 1 1 0.

Vorwort der Herausgeber

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tration an der kleinen Schrift "Gemeinsames Leben" . Er war überzeugt, daß der Anspruch der Bekennenden Kirche, die Kirche Jesu Christi in dieser Zeit in Deutschland zu sein, hohl wäre, wenn sie sich nicht als Gemeinschaft aus dem Wort und unter dem Wort immer aufs neue berufen, stärken und trösten ließe.7 Als Beitrag dazu ist "Gemeinsames Leben" zu verste­ hen. Die Fülle biblischer Bilder und Impulse, frömmigkeits ge­ schichtlicher Bezüge und sozialpsychologischer Erkenntnisse vermochte Bonhoeffer mit großer kompositorischer Kraft zu einer überzeugenden Einheit zusammenzufügen. Das Fernhal­ ten alles romantischen Schwärmens macht den Blick empfäng­ lich für die engagierte Hingabe des Glaubens und die Bereit­ schaft zum Dienst an den Brüdern, wie sie den Geist j eder lebendigen Kommunität bestimmen. Man wird freilich nicht übersehen dürfen, daß nach 1 945 die isolierte Lektüre von "Gemeinsames Leben" einem schwärmerischen Verständnis des Buches gelegentlich Vorschub geleistet hat. Deshalb bemüht sich das Nachwort um seine Einordnung in das theologische Gesamtwerk Bonhoeffers. "Gemeinsames Leben" erschien in 1 .-3 . Auflage 1 939 im Chr. Kaiser Verlag München als Heft 61 der damals von Eduard Thurneysen herausgegebenen Schriftenreihe "Theologische Existenz heute". Bereits ein Jahr später war eine 4. Auflage nötig geworden; sie wurde 1 940 unter Berichtigung einiger Druckfehler, im übrigen aber unverändert, als Separatdruck im Evangelischen Verlag Albert Lempplfrüher Chr. Kaiser Verlag herausgebracht. Die 5. Auflage konnte erst nach dem Krieg, 1 949, wieder im Chr. Kaiser Verlag München erscheinen. Daß 1 980 in der Deutschen Demokratischen Republik eine 4. Auf­ lage, in der Bundesrepublik 200 1 die 26. Auflage gedruckt werden konnte, belegt eindrücklich die bis heute ungebrochene Anziehungskraft von " Gemeinsames Leben". 8 7 VgI. 1 936 DBW 14, 667 f. , Übersetzungen: franz. 1 947 e1 984); holl. 1 952 (41 9 8 1 ); engl. 1 954 ("1976); dän. 1 958; chines. 1 958; jap. 1 960 ('1968); finn. 1 962; port. 1 962 ('1 982); koreanisch 1 964; span. (kastilianisch) 1966 ('1985); ital. 1 969 ('1 979); afrikaans (Ausw.) 1 970; schwed. 1971 ('1 984); katalanisch 1 977 ('1 984); norw. 1 979.

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Vorwort der Herausgeber

II Wir geben dieser Ausgabe im Rahmen der Dietrich Bonhoeffer Werke (DBW) eine kleine Bibelarbeit Bonhoeffers zu den Psalmen bei, die praktisch eine erweiterte Ausführung dessen ist, was im zweiten Abschnitt von "Gemeinsames Leben" zum Verständnis und zum Umgang mit den Psalmen gesagt wird. Es ist die letzte von Bonhoeffer selbst herausgegebene Schrift. Sie trägt den Titel "Das Gebetbuch der Bibel. Eine Einführung in die Psalmen" und ist 1 940 im Verlag für Missions- und Bibel­ Kunde Bad Salzuflen, als Heft 8 der Reihe "Hinein in die Schrift" erschienen. Ihre genaue Entstehungszeit läßt sich nicht mehr datieren. Da sich Bonhoeffer aber während der Zeit des Sammelvikariats in Ostpommern intensiv mit den Psalmen beschäftigt hat, kann man vermuten, daß er sie damals - Anfang 1 940 - auch geschrieben hat. Das von Bonhoeffer selbst ge­ wünschte und ausgewählte Titelbild zeigt die Skulptur des Königs David vom Wormser Dom (1483). Die Absicht war, daran zu erinnern, daß Gott die christliche Gemeinde durch die Psalmen verbindlich anspreche, und zwar durch den Mund eines jüdischen Königs, - eine damals theologisch wie politisch brisante Aussage. An die Schrift schloß sich, auch wegen der beiden Bücher "Nachfolge" und "Gemeinsames Leben", ein unerfreulicher Schriftwechsel zwischen der sog. , Reichsschrifttumskammer' und Bonhoeffer an. 9 Die Veröffentlichung trug dem Verfasser wegen Verstoßes gegen die Meldepflicht eine Ordnungsstrafe von 30 Reichsmark ein, zudem das Verbot weiterer schriftstel­ lerischer Betätigung. Am 22. April 1 941 erhob Bonhoeffer Ein­ spruch, indem er sich darauf berief, daß die beanstandeten Schriften wissenschaftliche und darum der Meldepflicht nicht unterliegende Arbeiten seien. Im übrigen wären sie so ungenau bezeichnet, daß sie der Kammer offensichtlich nicht vorgelegen hätten. 1o Der Präsident der Kammer hob die Ordnungsstrafe wieder auf, bekräftigte jedoch das Veröffentlichungsverbot, nicht ohne darauf hinzuweisen, daß er "Geistliche wegen über9

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Vgl. 1 941 DBW 16, 170 f, 177-1 8 1 . DBW 1 6, 177 f.

Vorwort der Herausgeber

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wiegender dogmatischer Bindung nicht ohne weiteres als Wis­ senschaftler" im Sinne der Kammer anerkennen könne.l 1 Nach dem Krieg erreichte die Schrift im selben Verlag mehrere Auflagen, deren letzte, die 1 2., 1 986 erschien. 1 2

III

Die vorliegende Neuausgabe basiert auf den j eweils letzten von Bonhoeffer autorisierten Auflagen: - Gemeinsames Leben, 4. A uf/. München: Evangelischer Verlag Albert Lempplfrüher ehr. Kaiser Verlag, 1940. - Das Gebetbuch der Bibel. Eine Einführung in die Psalmen (Hinein in die Schrift 8), Bad Salzuf/en: MBK-Verlag. Verlag für Missions- und Bibel-Kunde, 1940. Die Manuskripte zu beiden Schriften sind verschollen. Für die Präsentation des Textes gilt entsprechend den Richtli­ nien zur Edition der Dietrich Bonhoeffer Werke, daß die von Bonhoeffer autorisierte Textgestalt unangetastet bleibt; lediglich einige offenkundige Druckfehler werden stillschweigend korrigiert. Sperrungen sind kursiv wiedergegeben. Der Apparat der Herausgeber ist knapp gehalten worden. Er dient primär dem Zitatnachweis, der Übersetzung fremdspra­ chiger Begriffe und Wendungen sowie der Erläuterung von Fachtermini und Anspielungen. Die Wiedergabe von Bibeltex­ ten wurde durchgehend verglichen mit der von Bonhoeffer damals benutzten Konfirmationsbibel seines 1 9 1 8 gefallenen Bruders Walter, die dieser zum 1 7. März 1 9 1 4 von seiner Mut­ ter geschenkt bekommen hatte. 1 3 Geringfügige Abweichungen vom Luthertext, mit dem Bonhoeffer nach eigenem Urteil und 11 12

DBW 1 6, 1 8 1 . Übersetzungen: franz. 1968; ita!. 1 969 ('1 985); holl. 1 969 e1971); eng!. 1 970 ('1 983); span. 1 974; norw. 1 979; slowakisch 1985. 1 3 Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments nach der deutschen Übersetzung D. Martin Luthers. Durchgesehen im Auftrag der Deutschen Evangelischen Kirchenkonferenz. Mitteloktav-Ausgabe, Stutt­ gart 1 9 1 1 (in den Anm. zitiert als: LB).

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Vorwort der Herausgeber

sprachlichem Geschmack frei umging, eigens zu vermerken, erschien uns nicht notwendig. Nur wo es sich um auffällige, das Verständnis sachlich betreffende Abweichungen handelt, sind sie in den Anmerkungen verzeichnet. Im Blick auf die neutesta­ mentlichen Zitate orientierte sich Bonhoeffer dabei auch am griechischen Text. 1 4 Für bibliographische Nachweise werden in der Regel Kurztitel verwendet; die vollständigen Angaben sind dem Literaturverzeichnis zu entnehmen. Die Innenpaginierung verweist auf die am meisten verbreite­ ten Nachkriegsausgaben von "Gemeinsames Leben" (10.2 1 . Aufl. München 1 961-1 986) bzw. auf den in den "Gesam­ melten Schriften" wiedergegebenen Text von "Das Gebetbuch der Bibel" (GS IV 544-569). Die in der Kopfleiste genannten Seiten beginnen jeweils nach dem senkrechten Strich im Text. Den zwei Texten Bonhoeffers ist ein ausführliches kommen­ tierendes Nachwort der Herausgeber in drei Teilen angefügt. Albrecht Schönherr gibt aus der Perspektive persönlicher Er­ fahrung einen Einblick in die biographischen, kirchlichen und zeitgeschichtlichen Voraussetzungen der Entstehung beider Schriften und bündelt darüber hinaus erste Hinweise auf ihre Wirkungsgeschichte. Im zweiten Teil versucht Gerhard L. Mül­ ler, der auch den Herausgeberapparat verantwortet, in Geist und Gehalt von "Gemeinsames Leben" einzuführen und die Schrift in das Ganze des Lebens und der Theologie von Diet­ riSh Bonhoeffer einzuordnen. Mit knappen, ebenfalls von Ger­ hard L. Müller verfaßten Bemerkungen zum "Gebetbuch der Bibel" wird das Nachwort der Herausgeber beschlossen. Herzlich danken wir Ilse Tödt für zahlreiche Anregungen und Matthias Bahr und Martin Antwerpen für ihre Mithilfe beim Erstellen der Register. Ebenso gilt unser Dank Ulrich Kabitz und Herbert Anzinger sowie Eberhard Bethge, der von seiten der Gesamtherausgeber DBW diesen Band mitbetreut hat. Gerhard L. Müller Albrecht Schönherr

München und Waldesruh 30. Dezember 1 986

14 Novum Testamentum Graece et Germanice. Das Neue Testament grie­ chisch und deutsch, hg. v. Eberhard Nestle und neu bearb. v. Erwin Nestle, Stuttgart 131 929.

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Vorwort.

Es liegt im Wesen der behandelten Sache, daß sie nur in gemeinsamer Arbeit gefördert werden kann. Da es sich nicht um eine Angelegenheit privater Zirkel, sondern um eine der Kirche gestellte Aufgabe handelt, geht es auch nicht um mehr oder weniger zufällige Einzellösungen, sondern um eine ge­ meinsame kirchliche Verantwortung. Die begreifliche Zurück­ haltung in der Behandlung dieser kaum neu erfaßten Aufgabe muß allmählich einer kirchlichen Bereitschaft zur Mithilfe wei­ chen. Die Mannigfaltigkeit neuer kirchlicher Gemeinschaftsfor­ men macht die wachsame Mitarbeit aller Verantwortlichen nötig. Nur ein einzelner Beitrag zu der umfassenden Frage und möglichst auch eine Hilfe zur Klärung und zur Praxis möchte die folgende Ausführung sein.

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Gemeinschaft.

"Siehe, wie fein und lieblich ist es, daß Brüder einträchtig beieinander wohnen" (Psalm 1 3 3 , 1 ) . Wir wollen im Folgenden einige Weisungen und Regeln betrachten, die uns die Heilige Schrift für das gemeinsame Leben unter dem Wort gibt. Es ist nichts Selbstverständliches für den Christen, daß er unter Christen leben darf. Jesus Christus lebte mitten unter seinen Feinden. Zuletzt verließen ihn alle Jünger. Am Kreuz war er ganz allein, umgeben von Übeltätern und Spöttern. Dazu war er gekommen, daß er den Feinden Gottes den Frieden brächte. So gehört auch der Christ nicht in die Abge­ schiedenheit eines klösterlichen Lebens, sondern mitten unter die Feinde. Dort hat er seinen Auftrag, seine Arbeit. "Die Herrschaft soll sein inmitten deiner Feinde. Und wer das nicht leiden will, der will nicht sein von der Herrschaft Christi, sondern er will inmitten von Freunden sein, in den Rosen und Lilien sitzen, nicht bei bösen, sondern bei frommen Leuten sein. 0 ihr Gotteslästerer und Christi Verräter! Wenn Christus getan hätte als ihr tut, wer wäre immer selig geworden?" (Luther) . l "Ich will sie unter die Völker säen, daß sie in fernen Landen mein gedenken" (Sach. 1 0,9). Ein zerstreutes Volk ist die Christenheit nach Gottes Willen, ausgestreut wie ein Same "unter alle Reiche auf Erden" (5 . Mose 28,25). Das ist ihr Fluch und ihre Verheißung. In fernen Landen, unter den Ungläubigen muß Gottes Volk leben, aber es wird der Same des Reiches Gottes in aller Welt sein. "Und ich will sie sammeln, denn ich will sie erlösen", "sie sollen wiederkommen" (Sach. 1 0 , 8 . 9). Wann wird das ge- I schehen? Es ist geschehen in Jesus Christus, der starb, daß "er zusammenbrächte die Kinder Gottes, die zerstreut waren" Goh. 1 1 , 52), und es wird zuletzt sichtbar geschehen am Ende der Zeit, wenn die Engel Gottes die Auserwählten sammeln 1 Zusammengezogenes Zitat (nach : K. Witte, Nun freut euch lieben Christen gmein, 226) aus einer längeren Passage bei M. Luther, Auslegung des 1 09. (1 1 0. )

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Gemeinsames Leben

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werden von den vier Winden, von einem Ende des Himmels bis zum andern (Matth. 24, 3 1 ). Bis dahin bleibt Gottes Volk in der Zerstreuung, zusammengehalten allein in Jesus Christus, eins geworden darin, daß sie, ausgesät unter die Ungläubigen, in fernen Landen Seiner gedenken. So ist es in der Zeit zwischen dem Tod Christi und dem jüngsten Tag nur wie eine gnädige Vorwegnahme der letzten Dinge, wenn Christen schon hier in sichtbarer Gemeinschaft mit andern Christen leben dürfen. Es ist Gottes Gnade, daß sich eine Gemeinde in dieser Welt sichtbar um Gottes Wort und Sakrament versammeln darf. Nicht alle Christen haben an dieser Gnade teil. Die Gefangenen, die Kranken, die Einsamen in der Zerstreuung, die Verkündiger des Evangeliums in heidni­ schem Lande stehen allein. Sie wissen, daß sichtbare Gemein­ schaft Gnade ist. Sie beten mit dem Psalmsänger: "Denn ich wollte gern hingehen mit dem Haufen und mit ihnen wallen zum Hause Gottes mit Frohlocken und Danken unter dem Haufen derer, die da feiern" (Psalm 42, 5). Aber sie bleiben allein, in fernen Landen ein ausgestreuter Same nach Gottes Willen. Doch was ihnen als sichtbare Erfahrung versagt bleibt, das ergreifen sie umso sehnlicher im Glauben. So feiert der verbannte Jünger des Herrn, Johannes der Apokalyptiker, in der Einsamkeit der Insel Patmos "im Geiste am Tage des Herrn" (Offbg. 1 , 1 0) den himmlischen Gottesdienst mit seinen Gemeinden. Er sieht die sieben Leuchter, das sind seine Ge­ meinden, die sieben Sterne, das sind die Engel der Gemeinden, und in der Mitte und über dem allen den Menschensohn, Jesus Christus, in der großen Herrlichkeit des Auferstandenen. I Der stärkt und tröstet ihn durch sein Wort. Das ist die himmlische Gemeinschaft, an der der Verbannte am Auferstehungstage seines Herrn teilnimmt. Die leibliche Gegenwart anderer Christen ist dem Gläubigen eine Quelle unvergleichlicher Freude und Stärkung. In großem Verlangen ruft der gefangene Apostel Paulus "seinen lieben Sohn im Glauben" 2 Timotheus in den letzten Tagen seines

Psalms. 1 5 1 8 (WA 1, 696 f). 0 2 I Tim 1 ,2. LB übersetzt: "meinen rechtschaf­ fenen Sohn im Glauben". Vgl. 1938 DBW 1 5, 303 f.

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Gemeinschaft

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Lebens z u sich ins Gefängnis, e r will ihn wiedersehen und bei sich haben. Die Tränen des Timotheus, die beim letzten Ab­ schied geflossen waren, hat Paulus nicht vergessen (2. Tim. 1 ,4). Im Gedanken an die Gemeinde in Thessalonich betet Paulus "Tag und Nacht gar sehr darum, daß ich sehen möge euer Angesicht" (1 . Thess. 3,1 0), und der alte Johannes weiß, daß seine Freude an den Seinen erst vollkommen sein wird, wenn er zu ihnen kommen kann und mündlich mit ihnen reden statt mit Briefen und Tinte (2 . Joh. 1 2). Es bedeutet keine Beschämung für den Gläubigen, als sei er noch gar zu sehr im Fleische, wenn es ihn nach dem leiblichen Antlitz anderer Christen verlangt. Als Leib ist der Mensch erschaffen, im Leibe erschien der Sohn Gottes um unsertwillen auf Erden, im Leibe wurde er aufer­ weckt, im Leibe empfängt der Gläubige den Herrn Christus im Sakrament, und die Auferstehung der Toten wird die vollendete Gemeinschaft der geist-leiblichen Geschöpfe Gottes herbeifüh­ ren. Ü ber der leiblichen Gegenwart des Bruders preist darum der Gläubige den Schöpfer, den Versöhner und den Erlöser, Gott Vater, Sohn und Heiligen Geist. Der Gefangene, der Kranke, der Christ in der Zerstreuung erkennt in der Nähe des christlichen Bruders ein leibliches Gnadenzeichen der Gegen­ wart des dreieinigen Gottes. Besucher und Besuchter erkennen in der Einsamkeit aneinander den Christus, der im Leibe gegen­ wärtig ist, sie empfangen und begegnen einander, wie man dem Herrn begegnet, in Ehrfurcht, in Demut und Freude. Sie neh­ men voneinan- I der den Segen als den Segen des Herrn Jesus Christus. Liegt aber schon so viel Seligkeit in einer einzigen Begegnung des Bruders mit dem Bruder, welch unerschöpfli­ cher Reichtum muß sich dann für die auftun, die nach Gottes Willen in täglicher Gemeinschaft des Lebens mit andern Chri­ sten zu leben gewürdigt sind! Freilich, was für den Einsamen unaussprechliche Gnade Gottes ist, wird von dem täglich Be­ schenkten leicht mißachtet und zertreten. Es wird leicht verges­ sen, daß die Gemeinschaft christlicher Brüder ein Gnadenge­ schenk aus dem Reiche Gottes ist, das uns täglich genommen werden kann, daß es nur eine kurze Zeit sein mag, die uns noch von der tiefsten Einsamkeit trennt. Darum, wer bis zur Stunde ein gemeinsames christliches Leben mit andern Christen führen darf, der preise Gottes Gnade aus tiefstem Herzen, der danke

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Gemeinsames Leben

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Gott auf Knieen und erkenne: es ist Gnade, nichts als Gnade, daß wir heute noch in der Gemeinschaft christlicher Brüder leben dürfen. Das Maß, in dem Gott die Gabe der sichtbaren Gemeinschaft schenkt, ist verschieden. Den Christen in der Zerstreuung tröstet ein kurzer Besuch des christlichen Bruders, ein gemein­ sames Gebet und der brüderliche Segen, ja ihn stärkt der Brief, den die Hand eines Christen schrieb. Der eigenhändig geschrie­ bene Gruß des Paulus in seinen Briefen war doch wohl auch ein Zeichen solcher Gemeinschaft. 3 Andern ist die sonntägliche Gemeinschaft des Gottesdienstes geschenkt. Wieder andere dürfen ein christliches Leben in der Gemeinschaft ihrer Familie leben. Junge Theologen empfangen vor ihrer Ordination das Geschenk gemeinsamen Lebens mit ihren Brüdern für eine bestimmte Zeit. Unter ernsten Christen der Gemeinde erwacht heute das Verlangen, sich in den Ruhepausen ihrer Arbeit für einige Zeit mit andern Christen zu gemeinsamem Leben unter dem Wort zusammenzufinden. Gemeinsames Leben wird von den heutigen Christen wieder als die Gnade begriffen, die es ist, als das Außerordent- I liche, als die "Rosen und Lilien" des christlichen Lebens (Luther). 4 Christliche Gemeinschaft heißt Gemeinschaft durch Jesus Christus und in Jesus Christus. Es gibt keine christliche Ge­ meinschaft, die mehr, und keine, die weniger wäre als dieses. Von der kurzen einmaligen Begegnung bis zur langjährigen täglichen Gemeinschaft ist christliche Gemeinschaft nur dieses. Wir gehören einander allein durch und in Jesus Christus . Was heißt das? Es heißt erstens, daß ein Christ den andern braucht um Jesu Christi willen. Es heißt zweitens, daß ein Christ zum andern nur durch J esus Christus kommt. Es heißt drittens, daß wir in Jesus Christus von Ewigkeit her erwählt, in der Zeit angenommen und für die Ewigkeit vereinigt sind. Zum ersten: Christ ist der Mensch, der sein Heil, seine Rettung, seine Gerechtigkeit nicht mehr bei sich selbst sucht, sondern bei J esus Christus allein. Er weiß, Gottes Wort in J esus Christus spricht ihn schuldig, auch wenn er nichts von eigener Schuld spürt, und Gottes Wort in J esus Christus spricht ihn frei 3

Vgl. I Kor 16,2 1 ; Ga16, 1 1 ; II Thess 3,1 7. D 4 Vgl. Anm. 1 (WA 1, 697).

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Gemeinschaft

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und gerecht, auch wenn er nichts von eigener Gerechtigkeit fühlt. Der Christ lebt nicht mehr aus sich selbst, aus seiner eigenen Anklage und seiner eigenen Rechtfertigung, sondern aus Gottes Anklage und Gottes Rechtfertigung. Er lebt ganz aus Gottes Wort über ihn, in der gläubigen Unterwerfung unter Gottes Urteil, ob es ihn schuldig oder ob es ihn gerecht spricht. Tod und Leben des Christen liegen nicht in ihm selbst be­ schlossen, sondern er findet beides allein in dem Wort, das von außen auf ihn zukommt, in Gottes Wort an ihn. Die Reforma­ toren haben es so ausgedrückt: unsere Gerechtigkeit ist eine "fremde Gerechtigkeit" , eine Gerechtigkeit von außen her (extra nos). 5 1 Damit haben sie gesagt, daß der Christ angewiesen ist auf das Wort Gottes, das ihm gesagt wird. Er ist nach außen, auf das auf ihn zukommende Wort ausgerichtet. Der Christ lebt ganz von der Wahrheit des Wortes Gottes in Jesus Christus. Wird er gefragt: wo ist dein Heil, deine Seligkeit, deine Gerech­ tigkeit? so kann er niemals auf sich selbst zeigen, sondern er weist auf das Wort Gottes in J esus Christus, das ihm Heil, Seligkeit, Gerechtigkeit zuspricht. Nach diesem Worte hält er Ausschau, wo er nur kann. Weil es ihn täglich hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit6, darum verlangt er immer wie­ der nach dem erlösenden Worte. Nur von außen kann es kommen. In sich selbst ist er arm und tot. Von außen muß die Hilfe kommen, und sie ist gekommen und kommt täglich neu in dem Wort von Jesus Christus, das uns Erlösung, Gerechtig­ keit, Unschuld und Seligkeit bringt. Dieses Wort aber hat Gott in den Mund von Menschen gegeben, damit es weitergesagt werde unter den Menschen. Wo einer von ihm getroffen ist, da sagt er es dem andern. Gott hat gewollt, daß wir sein lebendiges Wort suchen und finden sollen im Zeugnis des Bruders, in Menschenmund. Darum braucht der Christ den Christen, der ihm Gottes Wort sagt, er braucht ihn immer wieder, wenn er ungewiß und verzagt wird ; denn aus sich selbst kann er sich nicht helfen, ohne sich um die Wahrheit zu betrügen. Er braucht den Bruder als Träger und Verkündiger des göttlichen 5

Dt.: "außerhalb von uns". Zu diesem wichtigen Topos lutherischer Rechtfer­ tigungsauffassung vgl. z. B. M. Luther, Disputatio de homine. 1536 (WA 39/1, 83). D 6 Vgl. Mt 5,6.

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Gemeinsames Leben

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Heilswortes. Er braucht den Bruder allein um Jesu Christi willen. Der Christus im eigenen Herzen ist schwächer als der Christus im Worte des Bruders ; j ener ist ungewiß, dieser ist gewiß. Damit ist zugleich das Ziel aller Gemeinschaft der Christen deutlich: sie begegnen einander als Bringer der Heils­ botschaft. Als solche läßt Gott sie zusammenkommen und schenkt ihnen Gemeinschaft. Allein durch Jesus Christus und die "fremde Gerechtigkeit" ist ihre Gemeinschaft begründet. Wir dürfen nun also sagen: aus der biblischen und reformatori­ schen Bot- I schaft von der Rechtfertigung des Menschen aus Gnaden allein entspringt die Gemeinschaft der Christen, in ihr allein liegt das Verlangen der Christen nacheinander begründet. Zum zweiten: Ein Christ kommt zum andern nur durch Jesus Christus. Unter den Menschen ist Streit. "Er ist unser Friede" (Eph. 2,14), sagt Paulus von J esus Christus, in dem die alte zerrissene Menschheit eins geworden ist. Ohne Christus ist Unfriede zwischen Gott und den Menschen und zwischen Mensch und Mensch. Christus ist der Mittler geworden und hat Frieden gemacht mit Gott und unter den Menschen. Ohne Christus kennten wir Gott nicht, könnten wir ihn nicht anru­ fen, nicht zu ihm kommen. Ohne Christus aber kennten wir auch den Bruder nicht und könnten nicht zu ihm kommen. Der Weg ist versperrt durch das eigene Ich. Christus hat den Weg zu Gott und zum Bruder freigemacht. Nun können Christen miteinander in Frieden leben, sie können einander lieben und dienen, sie können eins werden. Aber sie können es auch fortan nur durch Jesus Christus hindurch. Nur in Jesus Christus sind wir eins, nur durch ihn sind wir miteinander verbunden. Er bleibt in Ewigkeit der einzige Mittler. Zum dritten: Als Gottes Sohn Fleisch annahm, da hat er aus lauter Gnade unser Wesen, unsere Natur, uns selbst wahrhaftig und leibhaftig angenommen. So war es der ewige Ratschluß des dreieinigen Gottes. Nun sind wir in ihm. Wo er ist, trägt er unser Fleisch, trägt er uns. Wo er ist, dort sind wir auch, in der Menschwerdung, im Kreuz und in seiner Auferstehung. Wir gehören zu ihm, weil wir in ihm sind. Darum nennt uns die Schrift den Leib Christi. Sind wir aber, ehe wir es wissen und wollen konnten, mit der ganzen Gemeinde in Jesus Christus erwählt und angenommen, so gehören wir auch miteinander in

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Ewigkeit z u ihm. Die wir hier i n seiner Gemeinschaft leben, werden einst in ewiger Gemeinschaft bei ihm sein. Wer seinen Bruder ansieht, soll I wissen, daß er ewig mit ihm vereinigt sein wird in J esus Christus. Christliche Gemeinschaft heißt Ge­ meinschaft durch und in Jesus Christus. Auf dieser Vorausset­ zung ruht alles, was die Schrift an Weisungen und Regeln für das gemeinsame Leben der Christen gibt. "Von der brüderlichen Liebe aber ist nicht not, euch zu schreiben ; denn ihr seid selbst von Gott gelehrt, euch unterein­ ander zu lieben . . . wir ermahnen euch aber, liebe Brüder, daß ihr noch völliger werdet" (1. Thess. 4, 9 f.). Den Unterricht in der brüderlichen Liebe hat Gott selbst übernommen ; alles, was hier noch von Menschen hinzugefügt werden kann, ist die Erinnerung an jene göttliche Unterweisung und die Ermah­ nung, noch völliger darin zu bestehen. Als Gott uns barmherzig wurde, als er uns Jesus Christus als den Bruder offenbarte, als er uns das Herz durch seine Liebe abgewann, da begann zu gleicher Zeit der Unterricht in der brüderlichen Liebe. War Gott uns barmherzig, so lernten wir zugleich die Barmherzig­ keit mit unsern Brüdern. Empfingen wir Vergebung statt Ge­ richt, so waren wir zur brüderlichen Vergebung bereit gemacht. Was Gott an uns tat, das waren wir nun unserm Bruder schuldig. Je mehr wir empfangen hatten, desto mehr konnten wir geben, und je ärmer unsere Bruderliebe, desto weniger lebten wir offenbar aus Gottes Barmherzigkeit und Liebe. So lehrte uns Gott selbst, einander so zu begegnen, wie Gott uns in Christus begegnet ist. "Nehmet euch untereinander auf, gleich wie euch Christus aufgenommen hat zu Gottes Lobe" (Röm. 15, 7). Von hier aus lernt nun der, den Gott in ein gemeinsames Leben mit andern Christen hineingestellt hat, was es heißt, Brüder zu haben. "Brüder im Herrn" nennt Paulus seine Gemeinde (Phi!. 1, 14). Bruder ist einer dem andern allein durch Jesus Christus. Ich bin dem andern ein Bruder durch das, was Jesus Christus für mich und an mir getan hat ; der I andere ist mir zum Bruder geworden durch das, was Jesus Christus für ihn und an ihm getan hat. Daß wir allein durch Jesus Christus Brüder sind, das ist eine Tatsache von unermeßlicher Bedeu­ tung. Also nicht der ernste, nach Bruderschaft verlangende,

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fromme Andere, der mir gegenübertritt, ist der Bruder, mit dem ich es in der Gemeinschaft zu tun bekomme; sondern Bruder ist der von Christus erlöste, von seiner Sünde freige­ sprochene, zum Glauben und zum ewigen Leben berufene Andere. Was einer als Christ in sich ist, in aller Innerlichkeit und Frömmigkeit, vermag unsere Gemeinschaft nicht zu be­ gründen, sondern was einer von Christus her ist, ist für unsere Bruderschaft bestimmend. Unsere Gemeinschaft besteht allein in dem, was Christus an uns beiden getan hat, und das ist nicht nur im Anfang so, so daß im Laufe der Zeit noch etwas anderes zu dieser unserer Gemeinschaft hinzukäme, sondern es bleibt so in alle Zukunft und in alle Ewigkeit. Gemeinschaft mit dem Andern habe ich und werde ich haben allein durch Jesus Christus. Je echter und tiefer unsere Gemeinschaft wird, desto mehr wird alles andere zwischen uns zurücktreten, desto klarer und reiner wird zwischen uns einzig und allein J esus Christus und sein Werk lebendig werden. Wir haben einander nur durch Christus, aber durch Christus haben wir einander auch wirk­ lich, haben wir uns ganz für alle Ewigkeit. Das gibt allem trüben Verlangen nach Mehr von vornherein den Abschied. Wer mehr haben will, als das, was Christus zwischen uns gestiftet hat, der will nicht christliche Bruder­ schaft, der sucht irgend welche außerordentlichen Gemein­ schaftserlebnisse, die ihm anderswo versagt blieben, der trägt in die christliche Bruderschaft unklare und unreine Wünsche hin­ ein. An eben dieser Stelle droht der christlichen Bruderschaft meist schon ganz am Anfang die allerschwerste Gefahr, die innerste Vergiftung, nämlich durch I die Verwechslung von christlicher Bruderschaft mit einem Wunschbild frommer Ge­ meinschaft, durch Vermischung des natürlichen Verlangens des frommen Herzens nach Gemeinschaft mit der geistlichen Wirk­ lichkeit der christlichen Bruderschaft. Es liegt für die christliche Bruderschaft alles daran, daß es vom ersten Anfang an deutlich werde: Erstens, christliche Bruderschaft ist kein Ideal, sondern eine göttliche Wirklichkeit. Zweitens, christliche Bruderschaft ist eine pneumatische und nicht eine psychische Wirklichkeit. 7 7 Das Gegensatzpaar ,pneumatisch-psychisch ' entspricht der paulinischen Ent­ gegenstellung von Pneuma (Geist) und Sarx (Fleisch). Es geht um ein Handeln

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Unzählige Male ist eine ganze christliche Gemeinschaft daran zerbrochen, daß sie aus einem Wunschbild heraus lebte. Gerade der ernsthafte Christ, der zum ersten Male in eine christliche Lebensgemeinschaft gestellt ist, wird oft ein sehr bestimmtes Bild von der Art des christlichen Zusammenlebens mitbringen und zu verwirklichen bestrebt sein. Es ist aber Gottes Gnade, die alle derartigen Träume rasch zum Scheitern bringt. Die große Enttäuschung über die Andern, über die Christen im allgemeinen und, wenn es gut geht, auch über uns selbst, muß uns überwältigen, so gewiß Gott uns zur Erkennt­ nis echter christlicher Gemeinschaft führen will. Gott läßt es aus lauter Gnade nicht zu, daß wir auch nur wenige Wochen in einem Traumbild leben, uns jenen beseligenden Erfahrungen und jener beglückenden Hochgestimmtheit hingeben, die wie ein Rausch über uns kommt. Denn Gott ist nicht ein Gott der Gemütserregungen, sondern der Wahrheit. Erst die Gemein­ schaft, die in die große Enttäuschung hineingerät mit all ihren unerfreulichen und bösen Erscheinungen, fängt an zu sein, was sie vor Gott sein soll, fängt an, die ihr gegebene Verheißung im Glauben zu ergreifen. Je bälder die Stunde dieser Enttäuschung über den Einzelnen und über die Gemeinschaft kommt, desto besser für beide. Eine Gemeinschaft aber, die eine solche Ent­ täuschung nicht ertragen und nicht überleben würde, die also I an dem Wunschbild festhält, wenn es ihr zerschlagen werden soll, verliert zur selben Stunde die Verheißung christlicher Gemeinschaft auf Bestand, sie muß früher oder später zerbre­ chen. Jedes menschliche Wunschbild, das in die christliche Gemeinschaft mit eingebracht wird, hindert die echte Gemeinaus Gottes Gnade und Geist im Unterschied zu einer Ausrichtung menschli­ chen Handelns und Verstehens am Geist einer sich Gott und seiner Ordnung entgegensetzenden Welt. In anderer Weise hat Kar! Barth lange vorher mit seinem Protest gegen die ,Religion' im Namen der ,Offenbarung' diese Grund­ figur paulinischer und reformatorischer Rechtfertigungslehre aufgegriffen. Mit einigen wichtigen Modifikationen hat auch Bonhoeffer diese Position durchge­ halten (vgl. 1 944 DBW 8, 480). Seine Wendung gegen ,Psyche-Sarx' enthält keine Stellungnahme gegen Psychologie und Psychotherapie, sofern sie sich als empirische Wissenschaften verstehen. In Bonhoeffers Bibliothek befanden sich u. a. C. G. Jung, Seelenprobleme der Gegenwart, 1 93 1 und ders., Die Beziehun­ gen der Psychotherapie zur Seelsorge, 1 932.

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schaft und muß zerbrochen werden, damit die echte Gemein­ schaft leben kann. Wer seinen Traum von einer christlichen Gemeinschaft mehr liebt als die christliche Gemeinschaft selbst, der wird zum Zerstörer jeder christlichen Gemeinschaft, und ob er es persönlich noch so ehrlich, noch so ernsthaft und hingebend meinte. Gott haßt die Träumerei ; denn sie macht stolz und an­ spruchsvoll. Wer sich das Bild einer Gemeinschaft erträumt, der fordert von Gott, von dem Andern und von sich selbst die Erfüllung. Er tritt als Fordernder in die Gemeinschaft der Christen, richtet ein eigenes Gesetz auf und richtet danach die Brüder und Gott selbst. Er steht hart und wie ein lebendiger Vorwurf für alle anderen im Kreis der Brüder. Er tut, als habe er erst 'die christliche Gemeinschaft zu schaffen, als solle sein Traumbild die Menschen verbinden. Was nicht nach seinem Willen geht, nennt er Versagen. Wo sein Bild zunichte wird, sieht er die Gemeinschaft zerbrechen. So wird er erst zum Verkläger seiner Brüder, dann zum Verkläger Gottes und zu­ letzt zu dem verzweifelten Verkläger seiner selbst. Weil Gott den einzigen Grund unserer Gemeinschaft schon gelegt hat, weil Gott uns längst, bevor wir in das gemeinsame Leben mit andern Christen eintraten, mit diesen zu einem Leibe zusam­ mengeschlossen hat in Jesus Christus, darum treten wir nicht als die Fordernden, sondern als die Dankenden und Empfan­ genden in das gemeinsame Leben mit andern Christen ein. Wir danken Gott für das, was er an uns getan hat. Wir danken Gott, daß er uns Brüder gibt, die unter seinem Ruf, unter seiner Vergebung, unter seiner Verheißung leben. Wir beschweren uns nicht über das, was I Gott uns nicht gibt, sondern wir danken Gott für das, was er uns täglich gibt. Und ist es nicht genug, was uns gegeben ist: Brüder, die in Sünde und Not mit uns unter dem Segen seiner Gnade dahingehen und leben sollen? Ist denn die Gabe Gottes an irgend einem Tage, auch in den schwierigen, notvollen Tagen einer christlichen Bruder­ schaft weniger als dies unbegreiflich Große? Ist denn nicht auch dort, wo Sünde und Mißverstehen das gemeinsame Leben belasten, ist nicht auch der sündigende Bruder doch immer noch der Bruder, mit dem ich gemeinsam unter dem Wort Christi stehe, und wird seine Sünde mir nicht zu immer neuem

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Anlaß, dafür zu danken, daß wir beide unter der einen verge­ benden Liebe Gottes in Jesus Christus leben dürfen? Wird so nicht gerade die Stunde der großen Enttäuschung über den Bruder mir unvergleichlich heilsam sein, weil sie mich gründ­ lich darüber belehrt, daß wir beide doch niemals von eigenen Worten und Taten, sondern allein von dem einen Wort und der einen Tat leben können, die uns in Wahrheit verbindet, nämlich von der Vergebung der Sünden in J esus Christus? Wo die Frühnebel der Traumbilder fallen, dort bricht der helle Tag christlicher Gemeinschaft an. Es geht in der christlichen Gemeinschaft mit dem Danken, wie sonst im christlichen Leben. Nur wer für das Geringe dankt, empfängt auch das Große. Wir hindern Gott, uns die großen geistlichen Gaben, die er für uns bereit hat, zu schen­ ken, weil wir für die täglichen Gaben nicht danken. Wir meinen, wir dürften uns mit dem kleinen Maß uns geschenkter geistlicher Erkenntnis, Erfahrung, Liebe nicht zufrieden geben und hätten immer nur begehrlich nach den großen Gaben auszuschauen.8 Wir beklagen uns dann darüber, daß es uns an der großen Gewißheit, an dem starken Glauben, an der reichen Erfahrung fehle, die Gott doch andern Christen geschenkt habe, und wir halten diese Beschwerden für fromm. Wir beten um die großen Dinge und vergessen, für I die täglichen, kleinen (und doch wahrhaftig nicht kleinen!) Gaben zu danken. Wie kann aber Gott dem Großes anvertrauen, der das Geringe nicht dankbar aus seiner Hand nehmen will? Danken wir nicht täglich für die christliche Gemeinschaft, in die wir gestellt sind, auch dort, wo keine große Erfahrung, kein spürbarer Reich­ tum, sondern wo viel Schwäche, Kleinglauben, Schwierigkeit ist, beklagen wir uns vielmehr bei Gott immer nur darüber, daß alles noch so armselig, so gering ist, so gar nicht dem entspricht, was wir erwartet haben, so hindern wir Gott, unsere Gemein­ schaft wachsen zu lassen nach dem Maß und Reichtum, der in J esus Christus für uns alle bereit liegt. Das gilt in besonderer Weise auch für die oft gehörte Klage von Pastoren und eifrigen 8 Vgl. Jer 45,5 ("Und du begehrst dir große Dinge . . . "). Diese Stelle war Bonhoeffer sehr wichtig. In LB gibt es hier im Unterschied zum Umkreis des Kap. Jer 45 viele Unterstreichungen. Vgl. auch 1 944 DBW 8, 542.

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Gemeindegliedern über ihre Gemeinden. Ein Pastor soll nicht über seine Gemeinde klagen, schon gar nicht vor Menschen, aber auch nicht vor Gott ; nicht dazu ist ihm eine Gemeinde anvertraut, daß er vor Gott und Menschen zu ihrem Verkläger werde. Wer an einer christlichen Gemeinschaft, in die er gestellt ist, irre wird und Anklage gegen sie erhebt, der prüfe sich zuerst, ob es nicht eben nur sein Wunschbild ist, das ihm hier von Gott zerschlagen werden soll, und findet er es so, dann danke er Gott, der ihn in diese Not geführt hat. Findet er es aber anders, dann hüte er sich doch, jemals zum Verkläger der Gemeinde Gottes zu werden ; sondern er klage viel mehr sich selbst seines Unglaubens an, der bitte Gott um Erkenntnis seines eigenen Vers agens und seiner besonderen Sünde, der bete darum, daß er nicht schuldig werde an seinen Brüdern, der tue in der Erkenntnis eigener Schuld Fürbitte für seine Brüder, der tue, was ihm aufgetragen ist und danke Gott. Es ist mit der christlichen Gemeinschaft wie mit der Heili­ gung der Christen. Sie ist ein Geschenk Gottes, auf das wir keinen Anspruch haben. Wie es um unsere Gemeinschaft, wie es um unsere Heiligung wirklich bestellt ist, das weiß I allein Gott. Was uns schwach und gering erscheint, das kann bei Gott groß und herrlich sein. Wie der Christ sich nicht dauernd den Puls seines geistlichen Lebens fühlen soll, so ist uns auch die christliche Gemeinschaft von Gott nicht dazu geschenkt, daß wir fortgesetzt ihre Temperatur messen. Je dankbarer wir täg­ lich empfangen, was uns gegeben ist, desto gewisser und gleich­ mäßiger wird die Gemeinschaft von Tag zu Tag zunehmen und wachsen nach Gottes Wohlgefallen. Christliche Bruderschaft ist nicht ein Ideal, das wir zu ver­ wirklichen hätten, sondern es ist eine von Gott in Christus geschaffene Wirklichkeit, an der wir teilhaben dürfen. Je klarer wir den Grund und die Kraft und die Verheißung aller unserer Gemeinschaft allein an J esus Christus erkennen lernen, desto ruhiger lernen wir auch über unsere Gemeinschaft denken und für sie beten und hoffen. Weil christliche Gemeinschaft allein auf J esus Christus be­ gründet ist, darum ist sie eine pneumatische und nicht eine psychische Wirklichkeit. Sie unterscheidet sich darin von allen andern Gemeinschaften schlechthin. Pneumatisch "geistlich" =

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nennt die Heilige Schrift, was allein der Heilige Geist schafft, der uns J esus Christus als Herrn und Heiland ins Herz gibt. Psychisch "seelisch" nennt die Schrift, was aus den natürli­ chen Trieben, Kräften und Anlagen der menschlichen Seele kommt. Der Grund aller pneumatischen Wirklichkeit ist das klare, offenbare Wort Gottes in J esus Christus. Der Grund aller psychischen Wirklichkeit ist das dunkle, undurchsichtige Trei­ ben und Verlangen der menschlichen Seele. Der Grund geistli­ cher Gemeinschaft ist die Wahrheit, der Grund seelischer Ge­ meinschaft ist das Begehren. Das Wesen geistlicher Gemein­ schaft ist das Licht - "denn Gott ist Licht und in ihm ist keine Finsternis" (1. Joh. 1,5) und "so wir im Lichte wandeln, wie er im Lichte ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander" (1, 7). Das Wesen seelischer Gemeinschaft ist I Finsternis - "denn von innen, aus dem Herzen des Menschen9, gehen heraus böse Gedanken" (Mc. 7,21). Es ist die tiefe Nacht, die über die Ursprünge alles menschlichen Wirkens und gerade auch alle edlen und frommen Triebe gebreitet ist. Geistliche Gemein­ schaft ist die Gemeinschaft der von Christus Berufenen, see­ lisch ist die Gemeinschaft der frommen Seelen. In der geistli­ chen Gemeinschaft lebt die helle Liebe des brüderlichen Dien­ stes, die Agape, in der seelischen Gemeinschaft glüht die dunkle Liebe des frommen-unfrommen Triebes, der Eros, dort ist geordneter, brüderlicher Dienst, hier das ungeordnete Verlan­ gen nach Genuß, dort die demütige Unterwerfung unter den Bruder, hier die demütig-hochmütige Unterwerfung des Bru­ ders unter das eigene Verlangen.1o In der geistlichen Gemein­ schaft regiert allein das Wort Gottes, in der seelischen Gemein­ schaft regiert neben dem Wort noch der mit besonderen Kräf=

9 Vgl. LB: "der Menschen . . . ". Der Plural entspricht dem griechischen Text. o 10 Zum Begriffspaar , Eros und Agap e ' vgl. DBW 1 (SC), 108 u. 265 Anm. 1 1 5. Bonhoeffer orientierte sich in "Sanctorum Communio" an K. Barth, Der Römerbrief, 479, der mit Hinweis auf Sören Kierkegaard christliche Liebe so verstand: "Sie ist nicht Eros, der immer nur begehrt, sie ist Agape, die nimmer aufhört." Auch hier kommt der Gegensatz von Pneuma und Sarx zur Geltung. Für "Gemeinsames Leben" ist darüber hinaus jedoch auch das Buch von A. Nygren, Eros und Agape, zu vergleichen, dessen Band 1 1 930, Band II 1 937 erschienen war. Vgl. auch 1944 DBW 8, 480.

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ten, Erfahrungen, suggestiv-magischen Anlagen ausgestattete Mensch. Dort bindet allein Gottes Wort, hier binden außerdem noch Menschen an sich selbst. Dort ist alle Macht, Ehre und Herrschaft dem heiligen Geist übergeben, hier werden Macht und Einflußsphären persönlicher Art gesucht und gepflegt, gewiß, sofern es sich um fromme Menschen handelt, in der Absicht, dem Höchsten und Besten zu dienen, aber in Wahrheit doch, um den heiligen Geist zu entthronen, ihn in unwirkliche Ferne zu rücken. Wirklich bleibt eben hier nur das Seelische. So regiert dort der Geist, hier die Psychotechnik, die Methode, dort die naive, vorpsychologische, vormethodische, helfende Liebe zum Bruder, hier die psychologische Analyse und Kon­ struktion, dort der demütige, einfältige Dienst am Bruder, hier die erforschende, berechnende Behandlung des fremden Men­ schen. Vielleicht wird der Gegensatz zwischen geistlicher und seeli­ scher Wirklichkeit am deutlichsten durch folgende Beobach­ tung: Innerhalb der geistlichen Gemeinschaft gibt es nie- I mals und in keiner Weise ein "unmittelbares" Verhältnis des Einen zum Andern, während in der seelischen Gemeinschaft ein tiefes, ursprüngliches seelisches Verlangen nach Gemeinschaft, nach unmittelbarer Berührung mit andern menschlichen Seelen, so wie im Fleisch das Verlangen nach der unmittelbaren Ver­ einigung mit anderm Fleisch lebt. Dies Begehren der menschli­ chen Seele sucht die völlige Verschmelzung von Ich und Du, sei es, daß dies in der Vereinigung der Liebe, sei es nun, was doch dasselbe ist, daß es in der Vergewaltigung des Andern unter die eigene Macht- und Einflußsphäre geschieht. Hier lebt der see­ lisch Starke sich aus und schafft sich die Bewunderung, die Liebe oder die Furcht des Schwachen. Menschliche Bindungen, Suggestionen, Hörigkeiten sind hier alles, und im Zerrbild erscheint in der unmittelbaren Gemeinschaft der Seelen alles wieder, was der durch Christus vermittelten Gemeinschaft ursprünglich und allein zu eigen ist. So gibt es eine "seelische" Bekehrung. Sie tritt mit allen Erscheinungsformen echter Bekehrung dort auf, wo durch bewußten oder unbewußten Mißbrauch der Übergewalt eines Menschen ein Einzelner oder eine ganze Gemeinschaft aufs tiefste erschüttert und in seinen Bann gezogen wird. Hier hat

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Seele auf Seele unmittelbar gewirkt. Es ist zur Überwältigung des Schwachen durch den Starken gekommen, der Widerstand des Schwächeren ist zusammengebrochen unter dem Eindruck der Person des Andern. Er ist vergewaltigt, aber nicht von der Sache überwunden. Das wird in dem Augenblick offenbar, in dem ein Einsatz für die Sache gefordert wird, der unabhängig von der Person, an die ich gebunden bin, oder möglicherweise im Widerspruch zu ihr geschehen muß. Hier scheitert der seelisch Bekehrte und macht damit sichtbar, daß seine Bekeh­ rung nicht vom heiligen Geist, sondern von einem Menschen bewirkt wurde und darum keinen Bestand hat. I Ebenso gibt es eine " seelische" Nächstenliebe. Sie ist zu den unerhörtesten Opfern fähig, sie übertrifft die echte Christus­ liebe oft weit an brennender Hingabe und an sichtbaren Erfol­ gen, sie redet die christliche Sprache mit überwältigender, zündender Beredsamkeit. Aber sie ist es, von der der Apostel sagt : " Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen"l1 - das heißt, wenn ich die äußersten Taten der Liebe mit der äußersten Hingabe verbände - " und hätte der Liebe nicht (nämlich die Christusliebe), so wäre ich nichts" ( 1 . Kor. 1 3 , 2). 12 Seelische Liebe liebt den Andern um seiner selbst willen, geistliche Liebe liebt den Andern um Christi willen. Darum sucht seelische Liebe die unmittelbare Berührung mit dem Andern, sie liebt ihn nicht in seiner Freiheit, sondern als den an sie Gebundenen, sie will mit allen Mitteln gewinnen, erobern, sie bedrängt den Andern, sie will unwiderstehlich sein, sie will herrschen. Seelische Liebe hält nicht viel von der Wahrheit, sie relativiert sie, weil nichts, auch nicht die Wahrheit, störend zwischen sie und den gelieb­ ten Menschen treten darf. Seelische Liebe begehrt den Andern, seine Gemeinschaft, seine Gegenliebe, aber sie dient ihm nicht. Vielmehr begehrt sie auch dort noch, wo sie zu dienen scheint. An zweierlei, das doch ein und dasselbe ist, wird der Unter­ schied zwischen geistlicher und seelischer Liebe offenbar : seeli­ sche Liebe kann die Aufhebung unwahr gewordener Gemein-

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I Kor 13,3. D 12 In London hat Bonhoeffer im September und Oktober 1 934 vier Predigten über I Kor 13 gehalten (DBW 1 3, 378--404).

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schaft um der wahren Gemeinschaft willen nicht ertragen, und seelische Liebe kann den Feind nicht lieben, den nämlich, der sich ihr ernstlich und hartnäckig widersetzt. Beides kommt aus derselben Quelle : Seelische Liebe ist ihrem Wesen nach Begeh­ ren, und zwar Begehren nach seelischer Gemeinschaft. So lange sie dies Begehren noch irgendwie befriedigen kann, so lange wird sie es nicht aufgeben, auch um der Wahrheit willen nicht, auch um der wahren Liebe zum Andern willen nicht. Wo sie aber für ihr Begeh- I ren keine Erfüllung mehr erwarten kann, dort ist sie am Ende, nämlich beim Feind. Hier schlägt sie um in Haß, Verachtung und Verleumdung. Eben hier aber ist der Ort, an dem die geistliche Liebe anfängt. Darum wird die seelische Liebe zum persönlichen Haß, wo sie der echten geistlichen Liebe begegnet, die nicht begehrt, sondern dient. Seelische Liebe macht sich selbst zum Selbstzweck, zum Werk, zum Götzen, den sie anbetet, dem sie alles unterwerfen muß. Sie pflegt, sie kultiviert, sie liebt sich selbst und sonst nichts auf der Welt. Geistliche Liebe aber kommt von Jesus Christus her, sie dient ihm allein, sie weiß, daß sie keinen unmittelbaren Zugang zum andern Menschen hat. Christus steht zwischen mir und dem Andern. Was Liebe zum Andern heißt, weiß ich nicht schon im voraus aus dem allgemeinen Begriff von Liebe, der aus meinem seelischen Ver­ langen erwachsen ist, - das alles mag vielmehr vor Christus gerade Haß und böseste Selbstsucht sein, - was Liebe ist, wird mir allein Christus in seinem Wort sagen. Gegen alle eigenen Meinungen und Überzeugungen wird Jesus Christus mir sagen, wie Liebe zum Bruder in Wahrheit aussieht. Darum ist geistli­ che Liebe allein an das Wort Jesu Christi gebunden. Wo Christus mich um der Liebe willen Gemeinschaft halten heißt, will ich sie halten, wo seine Wahrheit um der Liebe willen mir Aufhebung der Gemeinschaft befiehlt, dort hebe ich sie auf, allen Protesten meiner seelischen Liebe zum Trotz. Weil geistli­ che Liebe nicht begehrt, sondern dient, darum liebt sie den Feind wie den Bruder. Sie entspringt ja weder am Bruder, noch am Feind, sondern an Christus und seinem Wort. Seelische Liebe vermag die geistliche Liebe niemals zu begreifen ; denn geistliche Liebe ist von oben, sie ist aller irdischen Liebe etwas ganz Fremdes, Neues, Unbegreifliches.

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Weil Christus zwischen mir und dem Andern steht, darum I darf ich nicht nach unmittelbarer Gemeinschaft mit ihm verlan­ gen. Wie nur Christus so zu mir sprechen konnte, daß mir geholfen war, so kann auch dem Andern nur von Christus selbst geholfen werden. Das bedeutet aber, daß ich den Andern freigeben muß von allen Versuchen, ihn mit meiner Liebe zu bestimmen, zu zwingen, zu beherrschen. In seiner Freiheit von mir will der Andere geliebt sein als der, der er ist, nämlich als der, für den Christus Mensch wurde, starb und auferstand, für den Christus die Vergebung der Sünde erwarb und ein ewiges Leben bereitet hat. Weil Christus an meinem Bruder schon längst entscheidend gehandelt hat, bevor ich anfangen konnte zu handeln, darum soll ich den Bruder freigeben für Christus, er soll mir nur noch als der begegnen, der er für Christus schon ist. Das ist der Sinn des Satzes, daß wir dem Andern nur in der Vermittlung durch Christus begegnen können. Seelische Liebe macht sich ein eigenes Bild vom Andern, von dem, was er ist und von dem, was er werden soll. Sie nimmt das Leben des Andern in die eigenen Hände. Geistliche Liebe erkennt das wahre Bild des Andern von Jesus Christus her, es ist das Bild, das J esus Christus geprägt hat und prägen will. Darum wird geistliche Liebe sich darin bewähren, daß sie den Andern in allem, was sie spricht und tut, Christus befiehlt. Sie wird nicht die seelische Erschütterung des Andern zu bewirken suchen durch allzupersönliche, unmittelbare Einwir­ kung, durch den unreinen Eingriff in das Leben des Andern, sie wird nicht Freude haben an frommer, seelischer Überhitzung und Erregung, sondern sie wird dem Andern mit dem klaren Worte Gottes begegnen und bereit sein, ihn mit diesem Wort lange Zeit allein zu lassen, ihn wieder frei zu geben, damit Christus mit ihm handle. Sie wird die Grenze des Andern achten, die durch Christus zwischen uns gesetzt ist, und sie wird die volle Gemeinschaft mit ihm finden in dem Christus, der uns allein verbindet und vereinigt. I So wird sie mehr mit Christus von dem Bruder sprechen als mit dem Bruder von Christus. Sie weiß, daß der nächste Weg zum Andern immer durch das Gebet zu Christus führt und daß die Liebe zum An­ dern ganz an die Wahrheit in Christus gebunden ist. Aus dieser Liebe spricht Johannes, der Jünger: "Ich habe keine

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größere Freude, denn daß ich höre, daß meine Kinder in der Wahrheit wandeln" (3 . Joh. 4). Seelische Liebe lebt aus unkontrolliertem und unkontrollier­ barem dunklen Begehren, geistliche Liebe lebt in der Klarheit des durch die Wahrheit geordneten Dienstes. Seelische Liebe bewirkt menschliche Knechtung, Bindung, Verkrampfung, geistliche Liebe schafft Freiheit der Brüder unter dem Wort. Seelische Liebe züchtet künstliche Treibhausblüten, geistliche Liebe schafft die Früchte, die unter dem freien Himmel Gottes in Regen, Sturm und Sonne in aller Gesundheit wachsen nach Gottes Wohlgefallen. Es ist für jedes christliche Zusammenleben eine Daseinsfrage, daß es gelingt, rechtzeitig das Unterscheidungsvermögen zu Tage zu fördern zwischen menschlichem Ideal und Gottes Wirklichkeit und zwischen geistlicher und seelischer Gemein­ schaft. Es entscheidet über Leben und Tod einer christlichen Gemeinschaft, daß sie in diesen Punkten so bald wie möglich zur Nüchternheit kommt. Mit andern Worten : ein gemeinsa­ mes Leben unter dem Wort wird nur dort gesund bleiben, wo es sich nicht als Bewegung, als Orden, als Verein, als collegium pietatis13 auftut, sondern wo es sich als ein Stück der Einen, heiligen, allgemeinen, christlichen Kirche 1 4 versteht, wo es an Not, Kampf und Verheißung der ganzen Kirche handelnd und leidend teilnimmt. Jedes Ausleseprinzip und jede damit verbun­ dene Absonderung, die nicht ganz sachlich durch gemeinsame Arbeit, durch örtliche Gegebenheiten oder durch familiäre Zusammenhänge bedingt ist, ist für eine christliche Gemein­ schaft von größter I Gefahr. Auf dem Wege der geistigen oder geistlichen Auslese schleicht sich immer das Seelische wieder 1 3 Dt. : "Vereinigung der Frömmigkeit". Als , collegia pietatis' wurden private Erbauungszirkel bezeichnet, die Philipp Jakob Spener (1 635-1 705), bedeuten­ der Theologe des lutherischen Pietismus, als Senior der Geistlichkeit in Frank­ furt a. M. 1666 einzurichten begann. 0 14 Die vier klassischen Kirchenattri­ bute (una, saneta, catholica et apostolica) wurden beim Konzil von Konstanti­ nopel (38 1 ) ins Symbolum Nicaeno-Constantinopolitanum aufgenommen. Die deutschen Übersetzungen der altkirchlichen Bekenntnisse in den reformatori­ schen Bekenntnisschriften geben ,katholisch' (wörtlich : "allgemein" ; sachlich : " rechtgläubig", "orthodox") in der Regel mit ,christlich' wieder (v gl. z. B. BSLK 2 1 ) .

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ein und bringt die Gemeinschaft um ihre geistliche Kraft und Wirksamkeit für die Gemeinde, treibt sie in die Sektiererei. Der Ausschluß des Schwachen und Unansehnlichen, des scheinbar Unbrauchbaren aus einer christlichen Lebensgemeinschaft kann geradezu den Ausschluß Christi, der in dem armen Bru­ der an die Tür klopft, bedeuten. Darum sollen wir hier sehr auf der Hut sein. Man könnte nun bei unscharfer Beobachtung meinen, daß die Vermischung von Ideal und Wirklichkeit, von Seelischem und Geistlichem dort am nächsten liege, wo eine Gemeinschaft in ihrer Struktur mehrschichtig, das heißt also, wo, wie in der Ehe, in der Familie, in der Freundschaft, das Seelische an sich schon eine zentrale Bedeutung für das Zustandekommen der Gemeinschaft überhaupt einnimmt und wo das Geistliche nur noch zu allem Leiblich-Seelischen hinzutritt. Es sei demnach eigentlich nur in diesen Gemeinschaften eine Gefahr der Ver­ wechslung und Vermischung der beiden Sphären vorhanden, während eine solche bei einer Gemeinschaft rein geistlicher Art kaum eintreten könne. Mit diesen Gedanken befindet man sich jedoch in einer großen Täuschung. Es ist aller Erfahrung und, wie leicht ersichtlich, auch der Sache nach genau umgekehrt. Eine Ehe, Familie, Freundschaft kennt die Grenzen ihrer ge­ meinschaftbildenden Kräfte sehr genau ; sie weiß, wenn sie gesund ist, sehr wohl, wo das Seelische seine Grenze hat und wo das Geistliche anfängt. Sie weiß um den Gegensatz leiblich­ seelischer und geistlicher Gemeinschaft. Umgekehrt aber liegt gerade dort, wo eine Gemeinschaft rein geistlicher Art zusam­ mentritt, die Gefahr unheimlich nahe, daß nun in diese Ge­ meinschaft alles Seelische mit hineingebracht und mit unter­ mischt wird. Eine rein geistliche Lebensgemeinschaft ist nicht nur gefährlich, sondern auch durchaus eine unnormale Erschei­ nung. I Wo nicht leiblich-familiäre Gemeinschaft oder die Ge­ meinschaft ernster Arbeit, wo nicht das alltägliche Leben mit allen Ansprüchen an den arbeitenden Menschen in die geistliche Gemeinschaft hineinragt, dort ist besondere Wachsamkeit und Nüchternheit am Platz. Darum breitet sich ja erfahrungsgemäß gerade auf kurzen Freizeiten am allerleichtesten das seelische Moment aus. Nichts ist leichter, als den Rausch der Gemein­ schaft in wenigen Tagen gemeinsamen Lebens zu erwecken,

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und nichts ist verhängnisvoller für die gesunde, nüchterne brüderliche Lebensgemeinschaft im Alltag. Es gibt wohl keinen Christen, dem Gott nicht einmal in seinem Leben die beseligende Erfahrung echter christlicher Gemeinschaft schenkt. Aber solche Erfahrung bleibt in dieser Welt nichts als gnädige Zugabe über das tägliche Brot christli­ chen Gemeinschaftslebens hinaus. Wir haben keinen Anspruch auf solche Erfahrungen, und wir leben nicht mit andern Chri­ sten zusammen um solcher Erfahrungen willen. Nicht die Erfahrung der christlichen Bruderschaft, sondern der feste und gewisse Glaube an die Bruderschaft hält uns zusammen. Daß Gott an uns allen gehandelt hat und an uns allen handeln will, das ergreifen wir im Glauben als Gottes größtes Geschenk, das macht uns froh und selig, das macht uns aber auch bereit, auf alle Erfahrungen zu verzichten, wenn Gott sie uns zu Zeiten nicht gewähren will. Im Glauben sind wir verbunden, nicht in der Erfahrung. " Siehe, wie fein und lieblich ist es, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen", das ist der Lobpreis der Heiligen Schrift auf ein gemeinsames Leben unter dem Wort. In rechter Ausle­ gung des Wortes " einträchtig" aber darf es nun heißen : " wenn Brüder durch Christus beieinander wohnen" ; denn Jesus Chri­ stus allein ist unsere Eintracht. " Er ist unser Friede. " Durch ihn allein haben wir Zugang zueinander, Freude aneinander, Ge­ meinschaft miteinander.

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Des Morgens, Gott, dich loben wir, Des Abends auch beten vor dir. Unser armes Lied rühmt dich Jetzund, immer und ewiglich. (Luther nach Ambrosius. ) 1 5

" Lasset das Wort Christi reichlich unter euch wohnen" (KoI. 3, 1 6) . Der alttestamentliche Tag beginnt mit dem Abend und endet wieder mit dem Sonnenuntergang. Das ist die Zeit der Erwartung. Der Tag der neutestamentlichen Gemeinde beginnt mit der Frühe des Sonnenaufgangs und endet mit dem Anbruch des Lichtes am neuen Morgen. Das ist die Zeit der Erfüllung, der Auferstehung des Herrn. In der Nacht wurde Christus geboren, ein Licht in der Finsternis, der Mittag wurde zur Nacht, als Christus am Kreuze litt und starb, aber in der Frühe des Ostermorgens ging Christus als Sieger aus dem Grabe hervor. " Früh morgens, da die Sonn' aufgeht, I mein Heiland Christus aufersteht ; I vertrieben ist der Sünde Nacht, I Licht, Heil und Leben wiederbracht. Hallelujah ! " 1 6 So sang die Ge­ meinde der Reformation. Christus ist die " Sonne der Gerech­ tigkeit" 1 7, die der wartenden Gemeinde aufgegangen ist (Mal. 4,2?8, und " die ihn lieb haben, sollen sein, wie die Sonne aufgehet in ihrer Macht" (Richter 5 , 3 1 ) . Die Frühe des Morgens gehört der Gemeinde des auferstandenen Christus. Beim An­ bruch des Lichtes gedenkt sie des Morgens, an dem Tod, Teufel und Sünde bezwungen darniederlagen, und neues Leben und Heil den Menschen geschenkt ward.

15 Aus dem Hymnus ,,0 lux beata"; verdeutscht von Martin Luther (WA 35, 473). 0 16 EG 1 1 1 ,1 (mit leichten Abänderungen): Lied zu Mk 1 6,1-6 von Johann Heermann (1585-1 647); im EG ist das Lied auf 1 630 datiert. 0 1 7 Vgl. EG 263: Lied von Christian David (1 690-1 751 ), Mitbe­ gründer der Herrnhuter Brüdergemeine, aus dem Jahre 1 741 mit einer Weise der Böhmischen Brüder von 1 566. 0 18 Bonhoeffer übernimmt Luthers Zählung nach Septuaginta und Vulgata (Hebräische Bibel: Mal 3,20).

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Was wissen wir Heutigen, die wir Furcht und Ehrfurcht 1 vor der Nacht nicht mehr kennen, noch von der großen Freude unserer Väter und der alten Christenheit an der morgendlichen Wiederkehr des Lichtes ? Wollen wir wieder etwas lernen von dem Lobpreis, der am frühen Morgen dem dreieinigen Gott gebührt, Gott, dem Vater und Schöpfer, der unser Leben bewahrt hat in der finsteren Nacht und uns aufgeweckt hat zu einem neuen Tag, Gott, dem Sohn und Weltheiland, der für uns Grab und Hölle überwand und als der Sieger mitten unter uns ist, Gott, dem heiligen Geist, der uns in der Frühe des Morgens Gottes Wort als einen hellen Schein in unser Herz gibt, alle Finsternis und Sünde vertreibt und uns recht beten lehrt, - so werden wir auch ahnen, was für Freude es bedeutet, wenn sich nach vergangener Nacht die Brüder, die einträchtig beieinander wohnen, am frühen Morgen wieder zusammenfinden zum ge­ meinsamen Lobpreis ihres Gottes, zum gemeinsamen Hören des Wortes und zum gemeinsamen Gebet. Der Morgen gehört nicht dem Einzelnen, er gehört der Gemeinde des dreieinigen Gottes, er gehört der christlichen Hausgemeinschaft, der Bru­ derschaft. Unerschöpflich sind die alten Lieder, die die Ge­ meinde zu gemeinsamem Lob Gottes am frühen Morgen aufru­ fen. So singen die Böhmischen Brüder beim Morgengrauen : " Der Tag vertreibt die finstre Nacht ; 1 ihr lieben Christen, seid munter und wacht, 1 und lobt Gott, den Herren. 1 Gedenk, daß dich dein Herre Gott 1 zu seinem Bild erschaffen hat, 1 daß du ihn erkenntest" 1 9 ; und " Der Tag bricht an und zeiget sich, 1 0 Herre Gott, wir loben dich, 1 wir danken dir, du höchstes Gut, 1 daß du die Nacht uns hast behüt. 1 1 Wir bitten auch, behüt uns heut, 1 denn wir sind arme Pilgersleut, 1 so steh' uns bei, tu' Hilf', bewahr', 1 daß uns kein Übel widerfahr"' 2 o ; und " Es geht daher des Tages Schein, 1 0 Brüder, laßt uns dankbar sein 1 dem milden Gott, der uns die Nacht 1 bewahrt hat gnädig und bewacht. 1 Wir opfern, Herre Gott, uns dir, 1 daß unsre Wort, Tat und Begier 1 wallst leiten du nach deinem Mut, 1 und unser Werk gerate gut. " 2 1

19 Nr. 276 der in der evangelischen Jugendbewegung verbreiteten Liedsamm­ lung »Ein neues Lied". 0 20 Nr. 277, EG 438,1 f. 0 21 Nr. 278, vgl. EG 439, 1 .5.

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Das gemeinsame Leben unter dem Wort beginnt mit dem gemeinsamen Gottesdienst in der Frühe des Tages. Die Haus­ gemeinschaft versammelt sich zu Lob und Dank, Schriftlesung und Gebet. Die tiefe morgendliche Stille wird erst durch das Gebet und Lied der Gemeinde durchbrochen. Nach dem Schweigen der Nacht und des ersten Morgens wird Lied und Wort Gottes um so vernehmlicher werden. Die Heilige Schrift sagt dazu, daß der erste Gedanke und das erste Wort des Tages Gott gehöre : " Frühe wollest du meine Stimme hören, frühe will ich mich zu dir schicken" (Ps. 5 , 4), " mein Gebet kommt frühe vor dich" (Ps. 88, 1 4), " mein Herz ist bereit, Gott, mein Herz ist bereit, daß ich singe und lobe. Wache auf, meine Ehre, wache auf, Psalter und Harfe ! Mit der Frühe will ich aufwa­ chen !" (Ps. 57, 8 f. ) . Mit anbrechendem Morgen dürstet und verlangt der Gläubige nach Gott : " Ich komme in der Frühe und schreie ; auf dein Wort hoffe ich" (Ps. 1 1 9, 1 47). " Gott, du bist mein Gott ; frühe wache ich zu dir. Es dürstet meine Seele nach dir ; mein Fleisch verlangt nach dir in einem trockenen und dürren Lande, da kein Wasser ist" (Ps. 63,2). Die Weisheit Salomos will, " daß es kund würde, daß man, ehe die Sonne I aufgeht, dir danken solle und vor dich treten, wenn das Licht aufgehet" ( 1 6,28), und Jesus Sirach sagt vom Schriftgelehrten insbesondere, daß " er denkt, wie er frühe aufstehe, den Herrn zu suchen, der ihn geschaffen hat und betet vor dem Höchsten" (39,6). Auch spricht die Heilige Schrift von der Morgenzeit als von der Stunde der besonderen Hilfe Gottes. Von der Stadt Gottes heißt es : " Gott hilft ihr früh am Morgen" (Ps. 46,6), und wiederum : " Seine Güte ist alle Morgen neu" (Klag. Jer. 3,23). Der Anfang des Tages soll für den Christen nicht schon belastet und bedrängt sein durch das Vielerlei des Werktages . Über dem neuen Tag steht der Herr, der ihn gemacht hat. Alle Finsternis und Verworrenheit der Nacht mit ihren Träumen weicht allein dem klaren Licht Jesu Christi und seines erwek­ kenden Wortes. Vor ihm flieht alle Unruhe, alle Unreinheit, alle Sorge und Angst. Darum mögen in der Frühe des Tages die mancherlei Gedanken und die vielen unnützen Worte schwei­ gen, und der erste Gedanke und das erste Wort möge dem gehören, dem unser ganzes Leben gehört. " Wache auf, der du

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schläfst, stehe auf von den Toten, so wird dich Christus er­ leuchten" (Eph. 5, 14 ). Auffallend oft erinnert uns die Heilige Schrift daran, daß die Männer Gottes frühe aufstanden, um Gott zu suchen und um Gottes Befehl auszuführen, so Abraham, Jakob, Mose, Josua (vgi. 1 . Mose 1 9,27. 22, 3 . 2. Mose 8, 1 6 . 9, 1 3 . 24,4. Jos. 3 , 1 . 6, 1 2 u . ö . ) . Von Jesus selbst berichtet das Evangelium, das uns kein überflüssiges Wort sagt : "Des Morgens vor Tage stand er auf und ging hinaus. Und Jesus ging in eine wüste Stätte und betete daselbst" (Marc. 1 , 35). Es gibt ein Frühaufstehen aus Unruhe und Sorge . Das nennt die Schrift unnütz : " Es ist umsonst, daß ihr frühe aufstehet und esset euer Brot mit Tränen"22 (Ps. 1 2 7,2). Und es gibt ein Frühaufstehen aus Liebe zu Gott. Das übten die Männer der Heiligen Schrift. Zur gemeinsamen Andacht des Morgens gehört Schriftle- I sung, Lied und Gebet. So mannigfach die Gemeinschaften sind, so mannigfach wird sich die Morgenandacht gestalten. Das muß so sein. Eine Hausgemeinschaft mit Kindern braucht eine an­ dere Andacht als eine Gemeinschaft von Theologen, und es ist keineswegs gesund, wenn sich hier eines an das andere an­ gleicht, also wenn sich z. B. eine Theologenbruderschaft mit einer Hausandacht für Kinder begnügt. Zu jeder gemeinsamen Andacht aber gehört das Wort der Schrift, das Lied der Kirche und das Gebet der Gemeinschaft. Es soll nun hier von einzelnen Stücken der gemeinsamen Andacht gesprochen werden. " Redet untereinander mit Psalmen" (Eph. 5, 1 9) . " Lehret und vermahnet euch selbst mit Psalmen" (Koi. 3 , 1 6) . Eine besondere Bedeutung ist von alters her in der Kirche dem gemeinsamen Psalmengebet beigelegt worden. In vielen Kir­ chen steht es bis zur Stunde am Anfang jeder gemeinsamen Andacht. Uns ist es weithin verloren gegangen, .lmd wir müssen den Zugang zum Psalmengebet erst wieder zurückgewinnen. Der Psalter nimmt eine einzigartige Stellung im Ganzen der Heiligen Schrift ein. Er ist Gottes Wort, und er ist zugleich, bis auf wenige Ausnahmen, Gebet des Menschen. Wie ist das zu verstehen ? Wie kann Gottes Wort zugleich Gebet zu Gott sein ? 22 V gl. LB : " . , , früh aufsteht und hernach lange sitzet und esset euer Brot mit Sorgen " , " ,

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Zu dieser Frage tritt eine Beobachtung hinzu, die j eder macht, der anfängt die Psalmen zu beten. Er versucht zunächst, sie persönlich als sein eigenes Gebet nachzusprechen. Bald stößt er dabei auf Stellen, die er von sich aus, als sein persönliches Gebet, nicht glaubt beten zu können. Wir denken etwa an die Unschuldspsalmen, an die Rachepsalmen, teilweise auch an die Leidenspsalmen. Dennoch sind diese Gebete Worte der Heili­ gen Schrift, die er als gläubiger Christ nicht mit billigen Ausre­ den als überholt, veraltet, als " religiöse Vorstufe" abtun I kann. Er will also das Wort der Schrift nicht meistern und erkennt doch, daß er diese Worte nicht beten kann. Er kann sie als Gebet eines andern lesen, hören, sich darüber wundern, Anstoß daran nehmen, aber er kann sie weder selbst beten, noch auch aus der Heiligen Schrift hinausweisen. Zwar wäre hier praktisch jedes Mal zu sagen, daß in solcher Lage ein j eder sich zunächst an die Psalmen halten soll, die er verstehen und beten kann, und daß er am Lesen der andern Psalmen lernen soll, Unbegreifli­ ches und Schwieriges der Heiligen Schrift ganz schlicht stehen zu lassen und immer wieder zu dem Einfachen und Begreifli­ chen zurückzukehren. Sachlich aber bedeutet die bezeichnete Schwierigkeit allerdings den Ort, an dem wir den ersten Blick in das Geheimnis des Psalters tun dürfen. Das Psalmengebet, das uns nicht über die Lippen will, vor dem wir stocken und uns entsetzen, läßt es uns ahnen, daß hier ein Anderer der Beter ist, als wir selbst, daß der, der hier seine Unschuld beteuert, der Gottes Gericht herbeiruft, der in so unendlich tiefes Leiden gekommen ist, kein anderer ist - als J esus Christus selbst. Er ist es, der hier betet und nun etwa nicht nur hier, sondern im ganzen Psalter. So hat es das Neue Testament und die Kirche von je her erkannt und bezeugt. Der Mensch Jesus Christus, dem keine Not, keine Krankheit, kein Leid fremd ist und der doch der ganz Unschuldige und Gerechte war, betet im Psalter durch den Mund seiner Gemeinde. Der Psalter ist das Gebet­ buch J esu Christi im eigentlichsten Sinne. Er hat den Psalter gebetet, nun ist er Sein Gebet geworden für alle Zeiten. Wird es jetzt begreiflich, wie der Psalter zugleich Gebet zu Gott und doch Gottes eigenes Wort sein kann, eben weil der betende Christus uns hier begegnet? J esus Christus betet den Psalter in seiner Gemeinde. Seine Gemeinde betet auch, ja, auch der

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Einzelne betet, aber er betet eben, sofern Christus in ihm betet, er betet hier nicht im eigenen Namen, sondern im Namen Jesu j Christi. Er betet nicht aus dem natürlichen Verlangen seines eigenen Herzens, sondern er betet aus der angenommenen Menschheit Christi, er betet auf Grund des Gebetes des Men­ schen Jesus Christus. Damit aber hat sein Gebet allein die Verheißung der Erhörung gefunden. Weil Christus das Psal­ mengebet des Einzelnen und der Gemeinde vor dem himmli­ schen Thron Gottes mitbetet, vielmehr weil die Betenden hier in das Gebet Jesu Christi mit einfallen, darum dringt ihr Gebet zu Gottes Ohren. Christus ist ihr Fürbitter geworden. Der Psalter ist das stellvertretende Gebet Christi für seine Gemeinde. Nun, da Christus beim Vater ist, betet die neue Menschheit Christi, betet der Leib Christi auf Erden sein Gebet weiter bis zum Ende der Zeit. Nicht dem einzelnen Gliede, nein, dem ganzen Leib Christi gehört dieses Gebet zu. Nur in ihm als Ganzem lebt all das, wovon der Psalter sagt, was der Einzelne niemals voll begreifen und sein eigen nennen kann. Darum gehört das Psalmen gebet in besonderer Weise in die Gemeinschaft. Ist ein Vers oder ein Psalm nicht mein eigenes Gebet, so ist es doch das Gebet eines der andern aus der Gemeinschaft, so ist es ganz gewiß das Gebet des wahren Menschen Jesus Christus und seines Leibes auf Erden. Im Psalter lernen wir beten auf Grund des Gebets Christi. Der Psalter ist die große Schule des Betens überhaupt. Wir lernen hier erstens, was beten heißt : auf Grund des Wortes Gottes beten, auf Grund von Verheißungen beten. Christliches Gebet steht auf dem festen Grunde des offenbarten Wortes und hat nichts zu tun mit vagen, selbstsüchtigen Wünschen. Auf Grund des Gebetes des wahren Menschen J esus Christus beten wir. Das meint die Schrift, wenn sie sagt, daß der heilige Geist in uns und für uns betet, daß Christus für uns betet, daß wir nur im Namen J esu Christi recht zu Gott beten können. I Wir lernen aus dem Psalmen gebet zweitens, was wir beten sollen. So gewiß der Umfang des Psalmengebets weit über das Maß der Erfahrung des Einzelnen hinausgeht, so betet dieser doch im Glauben das ganze Christusgebet, das Gebet dessen, der wahrer Mensch war und allein das volle Maß der Erfahrun­ gen dieser Gebete hat. Dürfen wir also die Rachepsalmen

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beten ? Wir, insofern wir Sünder sind und mit dem Rachegebet böse Gedanken verbinden, dürfen es nicht, aber wir, sofern Christus in uns ist, der alle Rache Gottes auf sich selbst nimmt, den Gottes Rache traf an unserer Stelle, der so - getroffen von der Rache Gottes - und nicht anders den Feinden vergeben konnte, der selbst die Rache erfuhr, damit seine Feinde frei würden - wir als Glieder dieses J esus Christus dürfen auch diese Psalmen beten - durch Jesus Christus, aus dem Herzen J esu Christi. 23 Dürfen wir uns mit dem Psalmenbeter unschul­ dig, fromm und gerecht nennen ? Wir dürfen es nicht als die, die wir von uns aus sind, wir können es nicht als das Gebet unseres verkehrten Herzens, aber wir dürfen und sollen es aus dem Herzen J esu Christi, das sündlos und rein war und aus der Unschuld Christi, an der er uns teil gegeben hat im Glauben ; sofern - " Christi Blut und Gerechtigkeit unser Schmuck und Ehrenkleid"24 geworden ist, dürfen und sollen wir die Un­ schuldspsalmen beten als Christi Gebet für uns und Geschenk an uns. Auch diese Psalmen gehören uns durch ihn. Und wie sollen wir j ene Gebete unsagbaren Elends und Leidens beten, die wir kaum angefangen haben, von fern etwas von dem zu ahnen, was hier gemeint ist? Nicht, um uns in etwas hineinzu­ steigern, was unser Herz aus eigener Erfahrung nicht kennt, nicht, um uns selbst zu beklagen, sondern weil all dies Leiden wahr und wirklich gewesen ist in J esus Christus, weil der Mensch J esus Christus Krankheit, Schmerz, Schande und Tod erlitt und weil in seinem Leiden und Sterben alles Fleisch gelitten hat und gestorben ist, dar- I um werden und sollen wir die Leidenspsalmen beten. Was an uns geschah am Kreuze Christi, der Tod unseres alten Menschen, und was seit unserer Taufe eigentlich an uns geschieht und geschehen soll im Abster­ ben unseres Fleisches, das gibt uns das Recht zu diesen Gebe­ ten. Durch das Kreuz J esu sind diese Psalmen seinem Leibe auf Erden zuteil geworden als Gebete aus seinem Herzen. Wir können das hier nicht weiter ausführen. Es ging allein darum, 23 Vgl. die Predigt über Ps 58 (Recht und Art der Rache Gottes) 1 937 DBW 1 4, 980-988. 0 24 EG 350,1 (Anfang). Diese Strophe klingt an Apk 7,1 4 an; sie stammt aus Leipzig 1 638. Nach EG gehen die Verse 2 bis 5, bearbeitet von Christian Gregor (1 778), auf Zinzendorf (1739) zurück.

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den Umfang des Psalters als des Christusgebetes anzudeuten. Hier gibt es nur ein langsames Hineinwachsen. Drittens lehrt uns das Psalmengebet als Gemeinschaft zu beten. Der Leib Christi betet, und als Einzelner erkenne ich, wie mein Gebet nur ein kleinster Bruchteil des ganzen Gebetes der Gemeinde ist. Ich lerne das Gebet des Leibes Christi mitbeten. Das hebt mich über meine persönlichen Anliegen hinaus und läßt mich selbstlos beten. Viele Psalmen sind von der alttestamentlichen Gemeinde höchst wahrscheinlich im Wechsel gebetet worden. Der sogenannte parallelismus mem­ brorum25, d. h. jene merkwürdige Wiederholung derselben Sa­ che mit anderen Worten in der 2. Zeile des Verses, wird nicht nur eine literarische Form sein, sondern auch kirchlich-theolo­ gischen Sinn haben. Es würde sich verlohnen, dieser Frage einmal sehr gründlich nachzugehen. Man lese hierzu als ein besonders deutliches Beispiel einmal den 5. Psalm. Immer sind es zwei Stimmen, die mit andern Worten ein und dasselbe Gebetsanliegen vor Gott bringen. Sollte das nicht ein Hinweis darauf sein, daß der Betende nie allein betet, sondern daß immer ein Zweiter, ein anderer, ein Glied der Gemeinde, des Leibes Christi, ja J esus Christus selbst mitbeten muß, damit das Gebet des Einzelnen rechtes Gebet sei ? Sollte nicht auch in der Wiederholung derselben Sache, die sich schließlich im 1 1 9. Psalm ins Nicht-enden-wollende, fast unzugänglich-un­ auslegbar-Einfache steigert, eben dies angedeutet werden, daß j edes Gebetswort in eine Tiefe des I Herzens hineindringen will, die ihm nur in unaufhörlicher Wiederholung - und letztlich auch so nicht ! - erreichbar wird ; daß es im Gebet nicht um das einmalige, not- oder freudvolle Ausschütten des Menschenher­ zens geht, sondern um das ununterbrochene, stetige Lernen, sich Aneignen, dem Gedächtnis Einprägen des Willens Gottes in J esus Christus. 26 Ötinger hat in seiner Psalmenauslegung eine tiefe Wahrheit zur Geltung gebracht, wenn er den ganzen Psalter den sieben Bitten des Vaterunsers eingeordnet hat.27 Er 25 Dt.: ,,(Inhaltliche) Parallelität der (beiden) Satzglieder". Vgl. u. S. 1 14. D 26 Vgl. das Fragment zu Psalm 1 1 9 (1 939/40 DBW 1 5, 499-537). D 27 Vgl. Fr. ehr. Oetinger, Die Psalmen Davids nach den sieben Bitten des Gebets des Herrn in sieben Klassen gebracht, 1 860.

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wollte damit sagen, daß es in dem weiten und großen Psalm­ buch doch um nichts mehr und um nichts anderes geht, als in den kurzen Bitten des Gebets des Herrn. Es bleibt in allem unserm Beten immer nur das Gebet Jesu Christi, das Verhei­ ßung hat und das uns von heidnischem Geplapper befreit. Je tiefer wir in die Psalmen wieder hinein wachsen, und je öfter wir sie selber gebetet haben, desto einfacher und reicher wird unser Gebet werden. Auf das Psalmengebet wird, unterbrochen durch ein Lied der Hausgemeinde, die Schriftlesung folgen. " Halte an mit lesen" ( 1 . Tim. 4, 1 3) . Auch hier werden wir manche schädlichen Vor­ urteile zu überwinden haben, ehe wir zum rechten gemeinsa­ men Schriftlesen kommen. Wir sind fast alle mit der Meinung groß geworden, es handle sich in der Schriftlesung allein darum, das Gotteswort für den heutigen Tag zu hören. Darum besteht die Schriftlesung bei vielen nur aus einigen kurzen, ausgewähl­ ten Versen, die das Leitwort des Tages ausmachen sollen. Es ist nun kein Zweifel, daß etwa auf den Losungen der Brüderge­ meine28 für alle, die sie gebrauchen, bis zur Stunde ein wirkli­ cher Segen liegt. Gerade in den Kampfzeiten der Kirche ist das vielen zu ihrem großen und dankbaren Erstaunen aufgegangen. Aber es kann ebensowenig ein Zweifel darüber bestehen, daß kurze Leit- und Losungsworte nicht an die Stelle der Schriftle­ sung überhaupt treten können und dürfen. Die Losung I für den Tag ist noch nicht die Heilige Schrift, die durch alle Zeiten hindurch bis in den jüngsten Tag bleiben wird. Die Heilige

28 Die , Losungen der Brüdergemeine' sind ein Andachtsbüchlein für alle Tage des Jahres mit je einem kurzen gelosten Bibelspruch aus dem Alten Testament (,Losung') und einem passend gewählten aus dem Neuen Testament (,Lehr­ text') sowie einer Liedstrophe oder einem kurzen Gebetstext. In der 1 722 von mährischen Emigranten gegründeten Siedlung Herrnhut in Sachsen hat Graf Zinzendorf 1 728 zum ersten Mal einen Bibelspruch als Tageslosung (,Parole') in die Häuser rufen lassen. Die Bewohner waren Nachkommen der verfolgten ,Böhmischen Brüder', eines Überrests der 1457 in Böhmen entstandenen ,Evangelischen Brüderunität'. Die Losungen werden seit 1 73 1 jeweils für ein Jahr gedruckt und sind seitdem ohne Unterbrechung erschienen; sie erschienen 1 999 in 46 Sprachen. Zu Bonhoeffers Verhältnis zu den Losungen vgl. 1 937 DBW 1 5, 14-19; 1 944 DBW 1 6, 651-658; 1 943/44 DBW 8 passim (s. Register). Vgl. insgesamt W. Günther, Dietrich Bonhoeffer und die Brüdergemeine, 62-70.

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Schrift ist mehr als Losung. Sie ist auch mehr als "Brot für den Tag"29. Sie ist Gottes Offenbarungswort für alle Menschen, für alle Zeiten. Die Heilige Schrift besteht nicht aus einzelnen Sprüchen, sondern sie ist ein Ganzes, das als solches zur Geltung kommen will. Als Ganzes ist die Schrift Gottes Offen­ barungswort. Erst in der Unendlichkeit ihrer inneren Bezie­ hungen, in dem Zusammenhang von Altem und Neuem Testa­ ment, von Verheißung und Erfüllung, von Opfer und Gesetz, von Gesetz und Evangelium, von Kreuz und Auferstehung, von Glauben und Gehorsam, von Haben und Hoffen wird das volle Zeugnis von J esus Christus, dem Herrn, vernehmlich. Darum muß die gemeinsame Andacht außer dem Psalmen gebet eine längere alt- und neutestamentliche Lektion enthalten. Eine christliche Hausgemeinschaft sollte wohl imstande sein, mor­ gens und abends je ein Kapitel aus dem Alten Testament und mindestens je ein halbes Kapitel aus dem Neuen Testament zu hören und zu lesen. Beim ersten Versuch wird sich allerdings herausstellen, daß schon dieses geringe Maß für die meisten eine Höchstforderung darstellt, die auf Widerspruch stößt. Man wird einwenden, es sei nicht möglich, eine so große Fülle von Gedanken und Zusammenhängen wirklich aufzunehmen und zu behalten, es sei sogar eine Mißachtung des göttlichen Wor­ tes, mehr zu lesen, als man ernstlich verarbeiten könne. Von diesem Einwand her wird man sich leicht wieder mit der Spruchlesung begnügen. In Wahrheit aber liegt hier eine schwere Schuld verborgen. Verhält es sich wirklich so, daß es uns als erwachsenen Christen schon schwer ist, ein Kapitel des Alten Testaments im Zusammenhang aufzunehmen, so kann uns das nur selbst mit tiefster Beschämung erfüllen ; denn was für ein Zeugnis ist damit unserer Schriftkenntnis und unserm ganzen bisherigen I Schriftlesen ausgestellt? Ware uns der Sache nach bekannt, was wir lesen, so könnten wir der Verlesung eines Kapitels unschwer folgen, zumal wenn wir die aufgeschla­ gene Bibel zur Hand haben und mitlesen. So aber müssen wir selbst zugeben, daß uns die Heilige Schrift noch weithin unbe­ kannt ist. Darf nun diese Schuld unserer eigenen Unkenntnis

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Anspielung auf den Titel emes damals bekannten Abreißkalenders.

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des Wortes Gottes eine andere Folge haben, als daß wir das Versäumte ernstlich und treu nachholen, und sollten hier nicht die Theologen am allerersten an der Arbeit sein ? Man wende nicht ein, eine gemeinsame Andacht sei nicht dazu da, um die Schrift kennen zu lernen, das sei ein zu profaner Zweck, der außerhalb der Andacht erreicht werden müsse. Dem liegt ein völlig verkehrtes Verständnis einer Andacht zugrunde. Gottes Wort soll gehört werden von jedem in seiner Weise und in dem Maße seines Verständnisses, das Kind hört und lernt in der Andacht die biblische Geschichte zum erstenmal, der mündige Christ lernt sie immer wieder und immer besser, und er wird nie auslernen beim eigenen Lesen und Hören. Es wird aber nicht nur der unmündige, sondern auch der mündige Christ darüber zu klagen haben, daß ihm die Schriftle­ sung oft zu lang sei, daß er vieles nicht erfasse. Dazu ist zu sagen, daß gerade für den reifen Christen jede Schriftlesung " zu lang" sein wird, auch die kürzeste. Was bedeutet das ? Die Schrift ist eine Ganzheit und j edes Wort, jeder Satz steht in einer solchen Mannigfaltigkeit von Beziehungen zum Ganzen, daß es unmöglich ist, über dem Einzelnen immer das Ganze im Auge zu behalten. Es wird hier also sichtbar, daß das Schrift­ ganze und daher auch j edes Schriftwort unser Verstehen weit übersteigt, und es kann ja nur gut sein, wenn wir täglich an diese Tatsache erinnert werden, die uns ihrerseits wieder auf Jesus Christus selbst verweist, in dem " alle Schätze der Weis­ heit verborgen liegen" (KoI. 2,3). So darf man vielleicht sagen, daß j ede I Schriftlesung gerade immer um einiges " zu lang" sein muß, damit sie nicht Spruch- und Lebensweisheit ist, sondern Gottes Offenbarungswort in Jesus Christus. Weil die Schrift ein Corpus, ein lebendiges Ganzes ist, darum wird für die Schriftlesung der Hausgemeinde vor allem die sog. lectio continua30, d. h. die fortlaufende Lesung in Betracht kommen. Geschichtliche Bücher, Propheten, Evangelien, 30

Dt. : " Fortlaufende Lesung". Ursprünglich waren die Lesungen in der Eucharistiefeier der alten Kirche thematisch nicht auf die Feste abgestimmt. Die biblischen Bücher wurden kontinuierlich (,Bahnlesung') gelesen, vor allem (noch lange) in Klöstern. Mit der neuen Leseordnung von 1969 wurde die lectio continua in der katholischen Liturgie wiederhergestellt.

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Briefe und Offenbarung werden im Zusammenhang als Gottes Wort gelesen und gehört. Sie stellen die hörende Gemeinde mitten hinein in die wunderbare Offenbarungswelt des Volkes Israel mit seinen Propheten, Richtern, Königen und Priestern, seinen Kriegen, Festen, Opfern und Leiden ; die gläubige Ge­ meinde wird hineingezogen in die Weihnachtsgeschichte, in die Taufe, in Wunder und Reden, in Leiden, Sterben und Auferste­ hen J esu Christi, sie nimmt teil an dem, was einmal zum Heil aller Welt auf dieser Erde geschah, und sie empfängt hier und in alledem selbst das Heil in Jesus Christus. Die fortlaufende Lesung biblischer Bücher zwingt jeden, der hören will, sich dorthin zu begeben, sich dort finden zu lassen, wo Gott zum Heil der Menschen ein für allemal gehandelt hat. Gerade im gottesdienstlichen Lesen werden uns die geschichtlichen Bü­ cher der heiligen Schrift ganz neu. Wir bekommen teil an dem, was einst zu unserm Heil geschah, wir ziehen, uns selbst vergessend und verlierend, mit durch das Rote Meer, durch die Wüste, über den Jordan ins gelobte Land, wir fallen mit Israel in Zweifel und Unglauben und erfahren durch Strafe und Buße wieder Gottes Hilfe und Treue ; und das alles ist nicht Träume­ rei, sondern heilige, göttliche Wirklichkeit. Wir werden aus unserer eigenen Existenz herausgerissen und mitten hineinver­ setzt in die heilige Geschichte Gottes auf Erden. Dort hat Gott an uns gehandelt, und dort handelt er noch heute an uns, an unsern Nöten und Sünden durch Zorn und Gnade. Nicht daß Gott der Zuschauer und Teil- I nehmer unsers heutigen Lebens ist, sondern daß wir die andächtigen Zuhörer und Teilnehmer an Gottes Handeln in der heiligen Geschichte, an der Ge­ schichte des Christus auf Erden sind, ist wichtig, und nur sofern wir dort dabei sind, ist Gott auch heute bei uns. Eine völlige Umkehrung tritt hier ein. Nicht in unserm Leben muß sich Gottes Hilfe und Gegenwart erst noch erweisen, sondern im Leben J esu Christi hat sich Gottes Gegenwart und Hilfe für uns erwiesen. Es ist in der Tat wichtiger für uns zu wissen, was Gott an Israel, was er an seinem Sohn J esus Christus tat, als zu erforschen, was Gott heute mit mir vorhat. Daß J esus Christus starb, ist wichtiger, als daß ich sterbe, und daß Jesus Christus von den Toten auferweckt wurde, ist der einzige Grund meiner Hoffnung, daß auch ich auferweckt werde am jüngsten Tag.

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Unser Heil ist "außerhalb unser selbst" (extra nos/I, nicht in meiner Lebensgeschichte, sondern allein in der Geschichte Jesu Christi finde ich es. Nur wer sich in Jesus Christus finden läßt, in seiner Menschwerdung, seinem Kreuz und seiner Auferste­ hung, der ist bei Gott und Gott bei ihm. Von hier aus wird das gesamte gottesdienstliche Lesen der heiligen Schrift uns täglich bedeutsamer und heilsamer werden. Was wir unser Leben, unsere Nöte, unsere Schuld nennen, ist j a noch gar nicht die Wirklichkeit, sondern dort in der Schrift ist unser Leben, unsere Not, unsere Schuld und unsere Errettung. Weil es Gott gefallen hat, dort an uns zu handeln, darum wird uns nur dort geholfen werden. Nur aus der heiligen Schrift lernen wir unsere eigene Geschichte kennen. Der Gott Abra­ hams, Isaaks und Jakobs ist der Gott und Vater Jesu Christi und unser Gott. Wir müssen die heilige Schrift erst wieder kennen lernen wie die Reformatoren, wie unsere Väter sie kannten. Wir dürfen die Zeit und die Arbeit dafür nicht scheuen. Wir müssen die Schrift kennen lernen zu allererst um unseres Heiles I willen. Aber es gibt daneben genug gewichtige Gründe, um uns diese Forde­ rung ganz dringlich zu machen. Wie sollen wir z. B. in unserm persönlichen und kirchlichen Handeln j emals Gewißheit und Zuversicht erlangen, wenn wir nicht auf festem Schriftgrund stehen? Nicht unser Herz entscheidet über unsern Weg, son­ dern Gottes Wort. Wer aber weiß heute noch etwa rechtes über die Notwendigkeit des Schriftbeweises ? Wie oft hören wir zur Begründung wichtigster Entscheidungen ungezählte Argu­ mente "aus dem Leben", aus der "Erfahrung", aber der Schrift­ beweis bleibt aus, und gerade er würde vielleicht in genau entgegengesetzte Richtung weisen ? Daß freilich der den Schriftbeweis in Mißkredit zu bringen versuchen wird, der selbst die Schrift nicht ernstlich liest, kennt und durchforscht, ist nicht zu verwundern. Wer aber nicht lernen will, selbständig mit der Schrift umzugehen, der ist kein evangelischer Christ. Weiter wäre zu fragen: wie sollten wir einem christlichen Bruder in seiner Not und Anfechtung zurechthelfen, wenn nicht mit Gottes eigenem Wort ? Alle unsere Worte versagen 31

Vgl. Anm. 5.

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schnell. Wer aber als ein " guter Hausvater aus seinem Schatze Altes und Neues hervorträgt" (Mt. 1 3 , 52), wer aus der Fülle des Wortes Gottes, aus dem Reichtum der Weisungen, Ermahnun­ gen, Tröstungen der Schrift heraus sprechen kann, der wird durch Gottes Wort Teufel austreiben und den Brüdern helfen können. Wir brechen ab. "Weil du von Kind auf die heilige Schrift weißt, kann dich dieselbe unterweisen zur Seligkeit" (2. Tim. 3 , 1 5) . Wi e sollen wir die heilige Schrift lesen ? I n der Hausgemein­ schaft wird die fortlaufende Lesung am besten abwechselnd von den einzelnen Hausgenossen übernommen werden. Es wird sich dabei herausstellen, daß es nicht leicht ist die Schrift vorzulesen. Je kunstloser, je sachlicher, je demütiger die innere Einstellung zu dem Stoff ist, desto besser wird das Lesen dem Gegenstand entsprechen. Der Unterschied zwi- I schen dem erfahrenen Christen und dem Neuling tritt beim Schriftlesen oft deutlich hervor. Es darf als eine Regel des rechten Schriftle­ sens angesehen werden, daß der Vorlesende sich niemals mit dem in der Schrift redenden Ich identifizieren soll. Nicht ich zürne, sondern Gott zürnt, nicht ich tröste, sondern Gott tröstet, nicht ich ermahne, sondern Gott ermahnt in der Schrift. Freilich, daß es Gott ist, der zürnt, tröstet, ermahnt, das werde ich ja nicht in gleichgültiger Monotonie, sondern nur mit innerster Beteiligung als ein solcher sagen können, der sich selbst angeredet weiß, aber es wird eben den ganzen Unter­ schied des rechten und des falschen Schriftlesens ausmachen, daß ich mich nicht mit Gott verwechsle, sondern ihm ganz schlicht diene. Sonst werde ich rhetorisch, pathetisch, rührselig oder treiberisch, d. h. ich lenke die Aufmerksamkeit des Zuhö­ renden auf mich statt auf das Wort ; das aber ist die Sünde des Schriftlesens. Wenn man es an einem profanen Beispiel verdeut­ lichen könnte, so käme die Situation des Schriftlesenden wohl derjenigen am nächsten, in der ich einem andern den Brief eines Freundes vorlese. 32 Ich werde den Brief nicht so lesen, als hätte ich selbst ihn geschrieben, die Distanz wird beim Lesen deut­ lich hörbar sein, und ich werde den Brief meines Freundes doch 32 Vgl. in Bonhoeffers "Finkenwalder Homiletik" 1 935/36 den Abschnitt zu Kausalität und Finalität der Predigt DBW 14, 481-486.

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auch nicht vorlesen können, als ginge er mich nichts an, son­ dern in persönlicher Beteiligung und Beziehung. Das rechte Lesen der Schrift ist nicht eine technische Übung, die erlernt werden könnte, sondern es nimmt zu oder ab nach meiner eigenen geistlichen Verfassung. Das schwerfällige, mühsame Bibellesen mancher in Erfahrung alt gewordenen Christen übertrifft oft das noch so formvollendete Lesen eines Pfarrers bei weitem. In einer christlichen Hausgemeinschaft darf einer dem andern auch hierin Rat und Hilfe zuteil werden lassen. N eben der fortlaufenden Schriftlesung braucht die Losung nicht verloren zu gehen. Sie kann als Wochenspruch oder I als Tageslosung am Anfang der Andacht oder an anderer Stelle ihren Platz finden. Zum Psalmengebet und zur Schriftlesung tritt das gemein­ same Lied und in ihm die lobende, dankende, bittende Stimme der Kirche. " Singet dem Herrn ein neues Lied"33 ruft uns der Psalter immer wieder zu. Es ist das an j edem Morgen neue Christlls­ lied, das die Hausgemeinschaft in der Frühe anstimmt, das neue Lied, das von der ganzen Gemeinde Gottes auf Erden und im Himmel gesungen wird und das wir mitzusingen berufen sind. Ein einziges großes Loblied hat Gott sich in Ewigkeit bereitet, und wer zur Gemeinde Gottes hinzutritt, der stimmt in dieses Lied mit ein. Es ist das " Loblied und Jauchzen der Morgen­ sterne und aller Kinder Gottes" vor Erschaffung der Welt (Hiob 3 8 , 7) . Es ist das Siegeslied der Kinder Israel nach dem Durchzug durch das Rote Meer34, das Magnifikat der Maria nach der Verkündigung35, das Loblied des Paulus und Silas in der Nacht des Gefängnisses36, das Lied der Sänger am gläsernen Meer nach ihrer Errettung, das " Lied Moses und des Lammes" (Offbg. 1 5, 3), es ist das neue Lied der himmlischen Gemeinde. Am Morgen jedes Tages stimmt die Gemeinde auf Erden in dieses Lied ein und des Abends beschließt sie den Tag mit diesem Lied. Der dreieinige Gott und sein Werk ist es, was hier gepriesen wird. Anders klingt dieses Lied auf Erden und anders im Himmel. Auf Erden ist es das Lied der Glaubenden, im 33 Vgl. Ps 96, 1 ; 98, 1 . 0 34 Vgl. Ex 15, 1-2 1 . 0 35 Vgl. Lk 1,4fr55. 0 36 Vgl. Act 16,25.

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Himmel das Lied der Schauenden, auf Erden ist es ein Lied in armen Menschenworten, im Himmel sind es "unaussprechliche Worte, die kein Mensch sagen kann" (2. Kor. 12,4), ist es das "neue Lied, das niemand lernen kann, denn die 144 000" (Offbg. 14,3), zu dem "die Harfen Gottes" gespielt werden (Offbg. 15,2). Was wissen wir von j enem neuen Lied und Harfen Gottes? Unser neues Lied ist ein irdisches Lied, ein Lied der Pilger und Wallfahrer, denen das Wort Gottes I aufgegangen ist und leuchtet auf ihrem Weg. Unser irdisches Lied ist gebunden an Gottes Offenbarungswort in Jesus Chri­ stus. Es ist das schlichte Lied der Kinder dieser Erde, die zu Gottes Kindern gerufen sind, nicht ekstatisch, nicht entrückt, sondern nüchtern, dankbar, andächtig auf Gottes offenbares Wort gerichtet. "Singet und spielet dem Herrn in eurem Herzen" (Eph. 5,19). Das neue Lied wird zuerst im Herzen gesungen. Anders kann es gar nicht gesungen werden. Das Herz singt, weil es von Christus erfüllt ist. Darum ist alles Singen in der Gemeinde ein geistliches Ding. Hingabe an das Wort, Einordnung in die Gemeinschaft, viel Demut und viel Zucht ist die Voraussetzung alles gemeinsamen Singens. Wo das Herz nicht mitsingt, dort gibt es nur das greuliche Durcheinander menschlichen Selbst­ ruhms. Wo nicht dem Herrn gesungen wird, dort singt man sich selbst oder der Musik zu Ehren. So wird das neue Lied zum Götzenlied. "Redet miteinander in Psalmen und Lobgesängen und geist­ lichen Liedern" (Eph. 5,19). Unser Lied auf Erden ist Rede. Es ist gesungenes Wort. Warum singen die Christen, wenn sie beieinander sind? Zunächst ganz einfach darum, weil es ihnen im gemeinsamen Singen möglich ist, dasselbe Wort zu gleicher Zeit zu sagen und zu beten, also um der Vereinigung im Worte willen. Alle Andacht, alle Sammlung gilt dem Worte im Lied. Daß wir es nicht gemeinsam sprechen, sondern singen, bringt nur die Tatsache zum Ausdruck, daß unsere gesprochenen Worte nicht hinreichen, das auszusprechen, was wir sagen wollen, daß der Gegenstand unseres Singens weit über alle menschlichen Worte hinausgeht. Dennoch lallen wir nicht, sondern wir singen Worte zum Lobpreis Gottes, zum Dank, zum Bekenntnis, zum Gebet. So steht das Musikalische ganz im

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Dienst des Wortes. E s verdeutlicht e s i n seiner Unbegreiflich­ keit. Weil ganz ans Wort gebunden, darum ist das gottesdienst- I liche Lied der Gemeinde, besonders der Hausgemeinde wesent­ lich einstimmiges Lied. Hier verbinden sich Wort und Ton in einzigartiger Weise. Der freischwebende Ton des einstimmigen Gesanges hat seinen einzigen und wesentlichen inneren Halt an dem Wort, das gesungen wird, und bedarf darum keiner musi­ kalischen Stützung durch weitere Stimmen. " Singen wir heut mit einem Mund, in Eintracht und aus Herzensgrund"37 sangen die Böhmischen Brüder. "Einmütig mit einem Munde lobet Gott und den Vater unseres Herrn Jesu Christi" (Röm. 1 5 , 6) . Die Reinheit des einstimmigen Singens, unberührt von fremden Motiven musikalischer Schwelgerei, die Klarheit, un­ getrübt von dunklem Verlangen, dem Musikalischen ein Eigen­ recht neben dem Worte zu verleihen, die Schlichtheit und Nüchternheit, die Menschlichkeit und Warme dieses Singens ist das Wesen des irdischen Gemeindegesanges überhaupt. Freilich erschließt es sich unserm verbildeten Ohr nur langsam und in geduldiger Übung. Es wird eine Frage der geistlichen Urteils­ kraft sein, ob eine Gemeinschaft zum rechten einstimmigen Singen kommt. Hier wird von Herzen gesungen, hier wird dem Herrn gesungen, hier wird das Wort gesungen, hier wird in Eintracht gesungen. Es gibt einige Feinde des einstimmigen Singens, die man in der Gemeinschaft mit aller Rigorosität ausmerzen muß. Nir­ gends nämlich kann sich im Gottesdienst Eitelkeit und schlech­ ter Geschmack so durchsetzen wie beim Singen. Da ist zuerst die improvisierte zweite Stimme, der man fast überall begegnet, wo gemeinsam gesungen werden soll. Sie will dem schweben­ den einstimmigen Ton den nötigen Untergrund, die vermißte Fülle geben und tötet dabei Wort und Ton. Da ist der Baß oder der Alt, der alle Mitsingenden darauf aufmerksam machen muß, daß er über einen erstaunlichen Tonumfang verfügt und daher jedes Lied eine Oktave tiefer singen muß. Da ist die Solisten­ stimme, die breit I und aus voller Brust schmetternd, schwel­ gend, tremulierend alles andere übertönt zur Ehre des eigenen 37 Ein neues Lied, Nr. 74 (vgl. Anm. 1 9); EG 1 04.

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schönen Organs. Da sind die weniger gefährlichen Feinde des gemeinsamen Gesanges, die " Unmusikalischen", die nicht sin­ gen können, deren es in Wahrheit doch sehr viel weniger gibt, als man uns vormacht. Schließlich sind da häufig auch solche, die aus irgendeiner Stimmung oder Verstimmung heraus nicht mitsingen wollen und dadurch die Gemeinschaft stören. Das einstimmige Singen ist, so schwer es ist, viel weniger eine musikalische als eine geistliche Sache. Nur wo jeder in der Gemeinschaft bereit ist zur Haltung der Andacht und der Zucht kann das einstimmige Singen selbst bei viel musikalischer Unzulänglichkeit uns die Freude geben, die ihm allein eigen ist. Für die Übung des einstimmigen Singens werden in erster Linie die reformatorischen Choräle, dann die Lieder der Böh­ mischen Brüder und die altkirchlichen Stücke in Betracht kom­ men. Von hier aus wird sich ganz von selbst das Urteil darüber bilden, welche Lieder unseres Gesangbuches sich darüber hin­ aus zum gemeinsamen einstimmigen Gesang eignen und welche nicht. Jeder Doktrinarismus, der uns auf diesem Gebiete heute so häufig begegnet, ist hier von Übel. Die Entscheidung kann hier wirklich nur von Fall zu Fall getroffen werden, und wir sollen auch hier nicht bilderstürmerisch werden. Eine christli­ che Hausgemeinschaft wird sich darum bemühen, einen mög­ lichst reichen Schatz von Liedern frei und auswendig singen zu können. Sie wird dieses Ziel erreichen, wenn sie in j eder Andacht außer einem frei zu .wählenden Lied einige feste Verse einfügt, die zwischen den Lesungen gesungen werden können. Aber nicht nur in den Andachten, sondern zu regelmäßigen Zeiten des Tages oder der Woche soll der Gesang geübt wer­ den. Je mehr wir singen, desto größer wird unsere Freude I daran, aber vor allem j e gesammelter, je zuchtvoller, j e freudi­ ger wir singen, desto reicher wird der Segen sein, der vom gemeinsamen Singen auf das gesamte Leben der Gemeinschaft ausgeht. Es ist die Stimme der Kirche, die im gemeinsamen Singen hörbar wird. Nicht ich singe, sondern die Kirche singt, aber ich darf als Glied der Kirche an ihrem Liede teilhaben. So muß alles rechte gemeinsame Singen dazu dienen, daß der geistliche Blick sich weitet, daß wir unsere kleine Gemeinschaft als Glied der großen Christenheit auf Erden erkennen, daß wir uns willig

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und freudig mit unserem schwachen oder guten Gesang einord­ nen in das Lied der Kirche. Gottes Wort, die Stimme der Kirche und unser Gebet, gehören zusammen. Vom gemeinsamen Gebet haben wir darum j etzt zu sprechen. "Wo zwei unter euch eins werden38, worum es ist, daß sie bitten wollen, das soll ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel" (Matth. 1 8 , 1 9) . Es gibt kein Stück der gemeinsamen Andacht, das uns so ernste Schwierig­ keiten und Nöte bereitet wie das gemeinsame Gebet; denn hier sollen ja nun wir selbst sprechen. Gottes Wort haben wir gehört, und in das Lied der Kirche durften wir einstimmen, jetzt aber sollen wir als Gemeinschaft zu Gott beten, und dieses Gebet muß wirklich unser Wort sein, unser Gebet für diesen Tag, für unsere Arbeit, für unsere Gemeinschaft, für die beson­ deren Nöte und Sünden, die uns gemeinsam bedrücken, für die Menschen, die uns befohlen sind. Oder sollten wir wirklich nichts für uns zu beten haben, sollte das Verlangen nach gemeinsamem Gebet aus eigenem Mund und mit eigenen Wor­ ten ein unerlaubtes Ding sein ? Was man auch alles einwenden mag, es kann doch einfach nicht anders sein als daß dort, wo Christen gemeinsam unter dem Wort Gottes leben wollen, sie auch gemeinsam mit eigenen Worten zu Gott beten sollen und dürfen. Sie haben gemeinsame Bitten, gemeinsamen Dank, I gemeinsame Fürbitte vor Gott zu bringen, und sie sollen das freudig und zuversichtlich tun. Alle Furcht voreinander, alle Scheu, mit eigenem, freiem Worte vor den andern zu beten, darf hier zurücktreten, wo in aller Nüchternheit und Schlicht­ heit das gemeinsame brüderliche Gebet durch einen der Brüder vor Gott gebracht wird. Ebenso aber darf und soll hier alle Beobachtung und Kritik schweigen, wo im Namen Jesu Christi mit schwachen Worten gebetet wird. Es ist in der Tat das Normalste des gemeinsamen christlichen Lebens, daß man gemeinsam betet, und so gut und nützlich hier unsere Hem­ mungen sein mögen, um das Gebet rein und biblisch zu erhal­ ten, so dürfen sie doch nicht das notwendige freie Gebet selbst ersticken ; denn es hat von Jesus Christus eine große Verhei­ ßung empfangen. 38 LB ergänzt hier: ". . . auf Erden . . . . "

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Das freie Gebet am Ende der Andacht wird vom Hausvater, j edenfalls aber am besten immer von einem und demselben Bruder gesprochen werden. Das legt diesem eine ungeahnte Verantwortung auf. Aber um das Gebet vor falscher Beobach­ tung und vor falscher Subjektivität zu schützen, soll einer längere Zeit hintereinander für alle beten. Die erste Voraussetzung dafür, daß das Gebet eines Einzel­ nen für die Gemeinschaft möglich wird, ist die Fürbitte aller andern für diesen und für sein Gebet. Wie könnte einer das Gebet der Gemeinschaft beten, ohne von der Gemeinschaft selbst im Gebet gehalten und getragen zu sein ? Jedes Wort der Kritik wird sich gerade an dieser Stelle umsetzen müssen in treue re Fürbitte und in brüderliche Hilfe. Wie leicht kann sonst hier eine Gemeinschaft auseinanderbrechen ! Das freie Gebet in der gemeinsamen Andacht soll das Gebet der Gemeinschaft sein und nicht das des Einzelnen, der betet. Es ist sein Auftrag, für die Gemeinschaft zu beten. So muß er das tägliche Leben der Gemeinschaft mitleben, er muß ihre Sorge und Not, ihre Freude und Dankbarkeit, I ihre Bitte und ihre Hoffnung kennen. Ihre Arbeit und alles, was sie mit sich bringt, darf ihm nicht unbekannt sein. Er betet als Bruder unter Brüdern. Es fordert Prüfung und Wachsamkeit von ihm, wenn er nicht sein eigenes Herz mit dem Herzen der Gemeinschaft verwechseln soll, wenn er sich wirklich allein von seinem Auftrag, für die Gemeinschaft zu beten, leiten lassen will. Es wird aus diesem Grund gut sein, wenn dem Beauftragten aus dem Kreise der Gemeinschaft immer wieder Rat und Hilfe zuwächst, wenn er Hinweise und Bitten erhält, dieser oder j ener Not, dieser oder jener Arbeit oder auch eines bestimmten Menschen im Gebet zu gedenken. So wird das Gebet immer mehr zum gemeinsamen Gebet aller. Auch das freie Gebet wird durch eine gewisse innere Ord­ nung bestimmt sein. Es ist ja nicht der chaotische Ausbruch eines Menschenherzens, sondern das Gebet einer in sich geord­ neten Gemeinschaft. So werden gewisse Gebetsanliegen täglich wiederkehren, wenn auch vielleicht in verschiedener Weise. In der täglichen Wiederholung derselben Bitten, die uns als Ge­ meinschaft aufgetragen sind, mag anfangs eine Eintönigkeit, später aber gewiß eine Befreiung von der allzu individuellen

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Form des Gebetes gefunden werden. Ist es möglich, zu dem Maß der täglich wiederkehrenden Bitten noch andere hinzuzu­ fügen, so mag hier eine Wochenordnung, wie sie verschiedent­ lich vorgeschlagen ist, versucht werden. Ist das in der gemeinsa­ men Andacht nicht möglich, so ist es gewiß für die persönliche Gebetszeit eine Hilfe. Um das freie Gebet von der Willkür der Subjektivität zu befreien, wird sich ferner die Anknüpfung des Gebets an eine der Schriftlesungen als hilfreich erweisen. Hier gewinnt das Gebet festen Halt und Grund. Immer wieder wird es sich einstellen, daß der mit dem Gebet für die Gemeinschaft Beauftragte sich innerlich gar nicht dazu imstande findet, daß er am liebsten seinen Auf- I trag einem andern für diesen Tag übergäbe. Doch ist dazu nicht zu raten. Zu leicht wird sonst das Gebet der Gemeinschaft durch Stim­ mungen beherrscht, die mit geistlichem Leben nichts zu tun haben. Gerade dort, wo einer, durch innere Leere und Müdig­ keit oder durch persönliche Schuld belastet, sich seinem Auf­ trag entziehen möchte, soll er lernen, was es heißt, einen Auftrag in der Gemeinde zu haben, und sollen die Brüder ihn tragen in seiner Schwäche, in seiner Unfähigkeit zum Gebet. Vielleicht wird dann gerade das Pauluswort wahr : "Wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich's gebührt, aber der Heilige Geist selbst vertritt uns aufs beste mit unaussprechlichen Seuf­ zern" (Röm. 8,26). Alles liegt daran, daß die Gemeinschaft das Gebet des Bruders als ihr Gebet versteht, trägt und mitbetet. Der Gebrauch festformulierter Gebete kann unter gewissen Umständen auch für eine kleine Hausgemeinschaft eine Hilfe sein, oft aber wird es nur ein Ausweichen vor dem wirklichen Gebet sein. Durch kirchliche Formen und reiche Gedanken täuscht man sich leicht über das eigene Gebet hinweg, die Gebete werden dann schön und tief, aber nicht echt. So hilf­ reich die Gebetsüberlieferung der Kirche zum Betenlernen ist, so kann sie doch nicht das Gebet ersetzen, das ich heute meinem Gott schuldig bin. Ein schlechtes Gestammel kann hier besser sein als das beste formulierte Gebet. Daß die Sachlage im öffentlichen Gottesdienst eine andere ist als in der täglichen Hausgemeinschaft, braucht hier nicht ausgeführt zu werden. Über das tägliche Gebet in der gemeinsamen Andacht hinaus wird in der christlichen Lebensgemeinschaft oft das Verlangen

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nach besonderen Gebetsgemeinschaften bestehen. Es läßt sich hier wohl keine Regel außer der einen aufstellen, daß nur dort, wo ein gemeinsames Verlangen und eine gemeinsame Beteili­ gung an einer bestimmten Gebetsstunde gewiß ist, solche Stunde abgehalten werden soll. Jede Einzel- I unternehmung pflanzt hier leicht den Keim der Zersetzung in die Gemein­ schaft. Gerade auf diesem Gebiet muß es sich bewähren, daß die Starken die Schwachen tragen und die Schwachen die Starken nicht richten. 39 Daß eine freie Gebetsgemeinschaft das selbstverständlichste und natürlichste Ding ist und ohne Arg­ wohn angesehen werden darf, lehrt uns das Neue Testament. Wo aber Mißtrauen und Ängstlichkeit vorhanden sind, dort trage einer den andern in Geduld. Nichts geschehe hier mit Gewalt, alles aber in Freiheit und in Liebe. Wir haben einen Gang angestellt durch die Morgenandacht einer christlichen Lebensgemeinschaft. Gottes Wort, das Lied der Kirche und das Gebet der Gemeinde stehen am Anfang des Tages. Erst wenn die Gemeinschaft mit dem Brote des ewigen Lebens versorgt und gestärkt worden ist, vereinigt sie sich, um von Gott das irdische Brot für dieses leibliche Leben zu emp­ fangen. Danksagend und um Gottes Segen bittend nimmt die christliche Hausgemeinde das tägliche Brot aus der Hand des Herrn. Seit J esus Christus mit seinen Jüngern zu Tische saß, ist die Tischgemeinschaft seiner Gemeinde durch seine Gegenwart gesegnet. " Und es geschah, da er mit ihnen zu Tische saß, nahm er das Brot, dankte, brach's und gab's ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet und sie erkannten ihn" (Luk. 24, 30 f. ) . Von dreierlei Tischgemeinschaft J esu mit den Seinen spricht die Schrift : Von der täglichen Tischgemeinschaft, von der Tischge­ meinschaft des Heiligen Abendmahls, von der letzten Tischge­ meinschaft im Reiche Gottes. Alle dreimal aber kommt es auf das Eine an : "Da wurden ihre Augen geöffnet und sie erkann­ ten ihn . " Jesus Christus erkennen über den Gaben, was heißt das ? Es heißt erstens, ihn erkennen als den Geber aller Gaben, als den Herrn und Schöpfer dieser unsrer Welt mit dem Vater 39 Anspielung auf Röm 14,1-1 5,2; I Kor 8,1-13. Im Hintergrund stehen die Auseinandersetzungen um den Arierparagraphen und den Bestand der Beken­ nenden Kirche (vgl. DB 338-340 u. 358 f); 1 933 DBW 12, 84 f.

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und dem Heiligen Geist. " Und segne, was du uns be- I scheret hast"40, betet darum die Tischgemeinde und bekennt sich damit zur ewigen Gottheit J esu Christi. Zweitens erkennt die Ge­ meinde, daß alle irdischen Gaben ihr nur gegeben sind um Christi willen, wie diese ganze Welt auch nur erhalten wird um J esu Christi, seines Wortes und seiner Predigt willen. Er ist das wahre Brot des Lebens, er ist nicht nur der Geber, sondern auch die Gabe, um derentwillen alle irdischen Gaben da sind. N ur weil das Wort von J esus Christus noch ausgehen und Glauben finden soll, und weil unser Glaube noch nicht vollen­ det ist, erhält uns Gott in seiner Geduld mit seinen guten Gaben. Darum betete die christliche Tischgemeinde mit den Worten Luthers : " Herr Gott, lieber himmlischer Vater, segne uns und diese deine Gaben, die wir von deiner milden Güte zu uns nehmen durch Jesum Christum, unsern Herrn. Amen"41 und bekennt sich damit zu J esus Christus dem göttlichen Mittler und Heiland. Drittens glaubt die Gemeinde J esu, daß ihr Herr gegenwärtig sein will, wo sie ihn darum bittet. Darum betet sie : " Komm Herr Jesu, sei unser Gast"42 - und bekennt sich damit zur gnädigen Allgegenwart J esu Christi. Jede Tisch­ gemeinschaft erfüllt die Christen mit Dankbarkeit gegen den gegenwärtigen Herrn und Gott Jesus Christus. Nicht als würde damit eine krankhafte Vergeistigung der leiblichen Gaben ge­ sucht, vielmehr erkennen die Christen gerade in der vollen Freude über die guten Gaben dieses leiblichen Lebens ihren Herrn als den wahren Geber aller guten Gaben, darüber hinaus aber als die wahre Gabe, das wahre Brot des Lebens selbst und schließlich als den, der sie zum Freudenmahle im Reiche Gottes ruft. So verbindet die tägliche Tischgemeinschaft die Christen mit ihrem Herrn und untereinander in besonderer Weise. Über Tische erkennen sie ihren Herrn als den, der ihnen das Brot bricht, die Augen ihres Glaubens sind aufgetan. I Die Tischgemeinschaft ist etwas Festliches. Sie ist die mitten in der Werktagsarbeit uns immer wieder geschenkte Erinne­ rung an die Ruhe Gottes nach seiner Arbeit, an den Sabbath als 40 Tischgebet aus dem Anhang des EG.BP, 72 (Nr. 5); EG 836 0 41 EG.BP Nr. 3; EG 833.2. Vgl. M. Luther, Enchiridion. Der kleine Katechismus für die gemeine pfarrherrn und Prediger (WA 30/1, 378; BSLK 523). 0 42 Siehe Anm. 40.

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den Sinn und das Ziel der Woche und ihrer Mühe. Unser Leben ist nicht nur Mühe und Arbeit, sondern es ist auch Erquickung und Freude an der Güte Gottes. Wir arbeiten, aber Gott ernährt und erhält uns. Das ist Grund zur Feier. Nicht mit Sorgen soll der Mensch sein Brot essen (Ps. 1 27,2), sondern " iß dein Brot mit Freuden" (Pred. Sal. 9, 7), " ich lobte die Freude, daß der Mensch nichts Besseres hat unter der Sonne, denn essen und trinken und fröhlich sein" (8, 1 5 ) ; aber freilich, "wer kann fröhlich essen und sich ergötzen ohne Ihn ?" (2,25). Von den siebzig Ältesten aus Israel, die mit Mose und Aaron auf den B erg Sinai stiegen, heißt es : " Und da sie Gott geschaut hatten, aßen und tranken sie" (2 . Mose 24, 1 1 ) . Gott mag unser unfestli­ ches Wesen, das das Brot mit Seufzen, mit wichtigtuerischer Geschäftigkeit oder gar mit Beschämung ißt, nicht leiden. Er ruft uns durch das tägliche Mahl zur Freude, zur Feier mitten am Werktag. Die Tischgemeinschaft der Christen bedeutet Verpflichtung. Es ist unser täglich Brot43, das wir essen, nicht mein eigenes. Wir teilen unser Brot. So sind wir nicht nur im Geiste, sondern mit unserm ganzen leiblichen Wesen fest miteinander verbun­ den. Das eine Brot44, das unserer Gemeinschaft gegeben ist, schließt uns zu festem Bund zusammen. Nun darf keiner hungern, solange der andere Brot hat, und wer diese Gemein­ schaft des leiblichen Lebens zerstört, der zerstört damit auch die Gemeinschaft des Geistes. Unlöslich ist beides verbunden. "Brich dem Hungrigen dein Brot" Ges. 5 8 , 7) . " Verachte den Hungrigen nicht" Ges. Sir. 4,2) ; denn im Hungrigen begegnet uns der Herr (Mt. 2 5 , 3 7) . " So aber ein Bruder oder eine Schwester bloß wäre und Mangel hätte der täglichen Nahrung und j emand unter euch spräche zu ihnen : I Gott berate euch, wärmet euch, sättiget euch ! ihr gebt ihnen aber nicht, was des Leibes Notdurft ist, was hülfe ihnen das ?" G ak. 2, 1 5 f. ) . So­ lange wir unser Brot gemeinsam essen, werden wir auch mit dem wenigsten genug haben. Erst wo einer sein eigenes Brot für sich selbst behalten will, fängt der Hunger an. Das ist ein seltsames Gesetz Gottes. Sollte nicht die Geschichte von der 43

Vgl. das "Vaterunser" ; Mt 6, 1 1 ; Lk 1 1 ,3. 0 44 Vgl. I Kor 1 0, 1 7 (in Bonhoeffers Ausgabe des Novum Testamentum Graece angestrichen).

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wunderbaren Speisung der 5000 mit zwei Fischen und fünf Broten neben vielem andern auch diesen Sinn haben ?45 Die Tischgemeinschaft lehrt die Christen, daß sie hier noch das vergängliche Brot der irdischen Wanderschaft essen. Teilen sie aber dieses Brot miteinander, so sollen sie dereinst auch das unvergängliche Brot im Vaterhaus miteinander empfangen. " Selig ist, der das Brot ißt im Reiche Gottes" (Luk. 1 4 , 1 5) . N ach der ersten Morgenstunde gehört der Tag des Christen bis zum Abend der Arbeit. ,, 50 gehet dann der Mensch aus an seine Arbeit und an sein Ackerwerk bis an den Abend" (Ps . 1 04,23). Die christliche Hausgemeinschaft wird in den meisten Fällen für die Länge der Arbeitszeit auseinander gehen. Beten und Arbeiten ist zweierlei. Das Gebet soll nicht durch die Arbeit, aber auch die Arbeit nicht durch das Gebet verhindert werden. Wie nach Gottes Willen der Mensch sechs Tage arbei­ ten und am siebenten ausruhen und feiern soll vor Gottes Angesicht, so ist nach Gottes Willen jeder Tag des Christen durch das Doppelte gekennzeichnet, Gebet und Arbeit. Auch das Gebet braucht seine Zeit. Aber die Länge des Tages gehört der Arbeit. Nur wo j edes sein ungeteiltes, eigenes Recht be­ kommt, wird die unauflösliche Zusammengehörigkeit von bei­ dem deutlich. Ohne die Last und Arbeit des Tages ist das Gebet nicht Gebet und ohne das Gebet ist die Arbeit nicht Arbeit. Das weiß nur der Christ. So wird gerade in der klaren Unterschie­ denheit beider ihre Einheit offenbar. I Die Arbeit stellt den Menschen in die Welt der Dinge. Sie fordert von ihm das Werk. Aus der Welt der brüderlichen Begegnung tritt der Christ hinaus in die Welt der unpersönli­ chen Dinge, des " Es", und diese neue Begegnung befreit ihn zur Sachlichkeit ; denn die Welt des Es ist nur ein Werkzeug in der Hand Gottes zur Reinigung der Christen von aller Selbst­ bezogenheit und Ichsucht. 46 Das Werk in der Welt kann ja nur 45 Vgl. Mt 14,13-2 1 . 0 46 Zur Frage eines dinglich-sachhaften und eines per­ sonal-sozialen Seinsverständnisses vgl. DBW 2, 1 1 1 f, 1 1 6, 124. Wichtig sind auch Bonhoeffers Überlegungen zu Schicksal und Gottes Vorsehung, zu Widerstand und Ergebung. Vgl. 1 944 DBW 8, 333 f: " . . . Gott begegnet uns nicht nur als Du, sondern auch ,vermummt' im ,Es', und in meiner Frage geht es also im Grunde darum, wie wir in diesem ,Es' (,Schicksal') das ,Du' finden, oder mit anderen Worten, wie aus dem ,Schicksal' wirklich ,Führung' wird."

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dort vollbracht werden, wo der Mensch sich selbst vergißt, wo er sich an die Sache, an die Wirklichkeit, an die Aufgabe, an das Es verliert. In der Arbeit lernt der Christ, sich von der Sache begrenzen zu lassen, so wird ihm die Arbeit zum Heilmittel gegen die Trägheit und Bequemlichkeit seines Fleisches. An der Welt der Dinge sterben die Ansprüche des Fleisches. Das kann aber nur dort geschehen, wo der Christ durch das Es hindurch­ bricht zu dem " Du" Gottes, der ihm die Arbeit und das Werk befiehlt und ihm zur Befreiung von sich selbst dienen läßt. Damit hört die Arbeit nicht auf, Arbeit zu sein, vielmehr wird die Härte und Strenge der Arbeit von dem erst recht gesucht werden, der weiß, wozu sie ihm dient. Die dauernde Auseinan­ dersetzung mit dem Es bleibt bestehen. Aber zugleich ist der Durchbruch erfolgt, die Einheit zwischen Gebet und Arbeit, die Einheit des Tages ist gefunden ; denn hinter dem Es der Tagesarbeit das Du Gottes finden, das ist es, was Paulus " ohne Unterlaß beten" ( 1 . Thess. 5, 1 7) nennt. So reicht das Beten des Christen über die ihm zugewiesene Zeit hinaus mitten in die Arbeit hinein. Es umfaßt den ganzen Tag, es hält dabei die Arbeit nicht auf, sondern es fördert sie, bejaht sie, gibt ihr Ernst und Fröhlichkeit. So wird j edes Wort, jedes Werk, jede Arbeit des Christen zum Gebet, nicht in dem unwirklichen Sinne eines fortwährenden Abgelenktseins von der gestellten Aufgabe, son­ dern in dem wirklichen Durchbruch durch das harte Es zum gnädigen Du. "Alles, was ihr tut, mit Wort oder I Werk, das tut alles in dem Namen des Herrn Jesu" (Kol. 3 , 1 7) . 47 Aus der gewonnenen Einheit des Tages empfängt nun der ganze Tag Ordnung und Zucht. Im morgendlichen Gebet muß sie gesucht und gefunden werden, in der Arbeit wird sie bewährt. Das Gebet in der Frühe entscheidet über den Tag. Vergeudete Zeit, deren wir uns schämen, Versuchungen, denen wir erliegen, Schwäche und Mutlosigkeit in der Arbeit, Unord­ nung und Zuchtlosigkeit in unseren Gedanken und im Umgang mit anderen Menschen haben ihren Grund sehr häufig in der Vernachlässigung des morgendlichen Gebetes. Ordnung und Einteilung unserer Zeit wird fester, wo sie aus dem Gebet 47 Bonhoeffer korrigiert LB ("mit Worten oder mit Werken") nach Novum Testamentum Graece.

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kommt. Versuchungen, die der Werktag mit sich bringt, wer­ den überwunden aus dem Durchbruch zu Gott. Entscheidun­ gen, die die Arbeit fordert, werden einfacher und leichter, wo sie nicht in Menschenfurcht, sondern allein vor Gottes Ange­ sicht gefällt werden. " Alles, was ihr tut, das tut von Herzen als dem Herrn und nicht den Menschen" (Kol. 3 , 23). Auch mecha­ nisches Arbeiten wird geduldiger getan, wenn es aus der Er­ kenntnis Gottes und seines Befehles kommt. Die Kräfte zur Arbeit nehmen zu, wo wir Gott darum gebeten haben, er wolle uns heute die Kraft geben, die wir für unsere Arbeit brauchen. Die Mittagsstunde wird für die christliche Hausgemein­ schaft, dort wo es möglich ist, eine kurze Rast auf dem Wege durch den Tag. Der halbe Tag ist vorüber. Die Gemeinde dankt Gott und bittet um Bewahrung bis zum Abend. Sie empfängt das tägliche Brot und betet mit dem Reformationslied : " Speis uns, Vater, deine Kinder, tröste die betrübten Sünder. "48 Gott muß uns speisen. Wir können und dürfen es uns nicht nehmen, denn wir armen Sünder haben es nicht verdient ; so wird das Mahl, das Gott uns reicht, ein Trost der Betrübten ; denn es ist der Erweis der I Gnade und Treue, mit der Gott seine Kinder erhält und führt. Zwar sagt die Schrift : "Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen" (2. Thess. 3 , 1 0) und bindet den Empfang des Brotes fest an die geleistete Arbeit. Aber nicht von dem Anspruch, den der Arbeitende vor Gott auf sein Brot hätte, spricht die Schrift. Die Arbeit ist zwar befohlen, das Brot aber ist Gottes freie und gnädige Gabe. Daß unsere Arbeit uns Brot verschafft ist nicht selbstverständlich, sondern Gottes Gnadenordnung. Ihm allein gehört der Tag. So vereinigt sich zur Mitte des Tages die christliche Gemeinde und läßt sich von Gott zu Tische laden. Die Mittagsstunde ist eine der sieben Gebetszeiten der Kirche und des Psalmsängers. 49 Auf der Höhe des Tages ruft die Kirche den dreieinigen Gott an im Lobpreis 48 EG.BP 275: Lied nach Ps 145,1 5 f von Johann Heermann (1585-1 647). 0 49 Gemeint ist die Sext. Nach jüdischer Zählung beginnt der Tag um sechs Uhr unserer Stundenzählung. Bonhoeffer kannte offenbar den Aufbau des Stunden­ gebets der katholischen Liturgie mit den Gebetszeiten Matutin, Laudes, Terz, Sext, Non, Vesper, Komplet. In seinem Besitz befanden sich der "Liber usualis Missae et Officii pro Dominicis et Festis cum cantu Gregoriano" und "Die Komplet - nach dem Benediktinischen und Römischen Brevier".

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seiner Wunder und im Gebet um Hilfe und baldige Erlösung. Um Mittag verfinstert sich der Himmel über dem Kreuze Jesu . 50 Das Werk der Versöhnung ging seiner Vollendung entgegen. 51 Wo eine christliche Hausgemeinschaft um diese Stunde zu kurzer Andacht singend oder betend zusammensein kann, wird sie es nicht vergeblich tun. Die Arbeit des Tages geht zu Ende. Wo sie hart und voll Mühe war, dort wird der Christ verstehen, was Paul Gerhardt meinte, wenn er sang: " Das Haupt, die Füß und Hände / sind froh, daß nun zu Ende / die Arbeit kommen sei, / Herz, freu dich, du sollst werden / vom Elend dieser Erden / und von der Sündenarbeit frei. "52 Ein Tag ist lang genug, um Glauben zu bewahren, der morgige Tag wird seine eigene Sorge haben. Wieder versammelt sich die christliche Hausgemeinschaft. Die abendliche Tischgemeinschaft und die letzte Andacht verei­ nigt sie. Mit den Jüngern in Emmaus bitten sie : "Herr, I bleibe bei uns ; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt. ,,53 Es ist gut, wenn die Abendandacht wirklich am Ende des Tages stehen und so das letzte Wort vor der Nacht­ ruhe sein kann. Wenn die Nacht hereinbricht, leuchtet der Gemeinde das wahre Licht des göttlichen Wortes heller. Psal­ mengebet, Schriftlesung, Lied und gemeinsames Gebet be­ schließen den Tag, wie sie ihn begannen. Nur zum Abendgebet bleiben noch einige Worte zu sagen. Hier ist der besondere Ort für die gemeinsame Fürbitte. Nach vollbrachtem Tageswerk bitten wir Gott um Segen, Frieden und Bewahrung für die ganze Christenheit, für unsere Gemeinde, für die Pfarrer im Amt, für alle Armen, Elenden, Einsamen, für die Kranken und Sterbenden, für unsere Nachbarn, für die Unsern daheim und für unsere Gemeinschaft. Wann könnten wir tiefer um Gottes Macht und Wirken wissen, als in der Stunde, da wir die Arbeit aus den Händen legen und uns seinen treuen Händen befehlen ? Wann sind wir zum Gebet um Segen, Frieden und Bewahrung bereiter als dort, wo unser Tun am Ende ist ? Wenn wir müde werden, tut Gott sein Werk. " Der Hüter Israels schläft noch 50 Vgl. Mk 1 5,33 par. 0 51 Vgl. Joh 1 9,28. 0 52 EG.BP 280,5 ("Nun ruhen alle Wälder"): Lied zu Ps 63,5-9 von Paul Gerhardt (1 607-1 676); vgl. EG 477,5. o 53 Lk 24,29.

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schlummert nicht. ,,54 Sodann gehört in das Abendgebet der christlichen Hausgemeinschaft besonders die Bitte um Verge­ bung alles Unrechts, das wir an Gott und an unsern Brüdern getan haben, um die Vergebung Gottes, um die Vergebung der Brüder und um die Bereitschaft, alles uns angetane Unrecht gern zu vergeben. Es ist ein alter Brauch der Klöster, daß in der Abendandacht der Abt nach fester Ordnung seine Brüder um Vergebung bittet für alle an den Brüdern begangene Versäum­ nis und Schuld, und daß nach dem Vergebungswort der Brüder diese gleicherweise den Abt um Vergebung ihrer Versäumnisse und Schuld bitten und von ihm die Vergebung empfangen. " Lasset die Sonne nicht über eurem Zorne untergehen" (Eph. 4,26). Es ist eine entscheidende Regel jeder christlichen Ge­ meinschaft, daß al- I le Zertrennung, die der Tag angerichtet hat, am Abend geheilt sein muß . Es ist gefährlich für den Christen, sich mit unversöhntem Herzen schlafen zu legen. Darum ist es gut, wenn in das allabendliche Gebet die Bitte um die brüderli­ che Vergebung besonders mitaufgenommen wird, zur Versöh­ nung und zur Begründung neuer Gemeinschaft. Schließlich fällt uns bei allen alten Abendgebeten auf, wie häufig die Bitte um Bewahrung in der Nacht vor dem Teufel, Schrecken, vor bösem, schnellem Tod begegnet. Die Alten wußten noch etwas von der Ohnmacht des Menschen im Schlaf, von der Verwandt­ schaft des Schlafes mit dem Tode, von der List des Teufels, den Menschen zu Fall zu bringen, wenn er wehrlos ist. Darum beteten sie um den Beistand der heiligen Engel und ihrer güldenen Waffen, um die Gegenwart der Heerscharen Gottes, wenn der Satan Gewalt über uns gewinnen will. Am merkwür­ digsten und tiefsten ist die altkirchliche Bitte, Gott wolle, wenn unsere Augen schlafen, doch unser Herz wach sein lassen zu ihm. Es ist das Gebet darum, daß Gott bei uns und in uns wohnen wolle, auch wenn wir nichts spüren und wissen, daß er unser Herz rein und heilig halten wolle vor allen Sorgen und Anfechtungen der Nacht, daß er es bereit machen wolle, seinen Ruf j ederzeit zu hören und wie der Knabe Samuel auch des Nachts zu antworten : " Rede, Herr, dein Knecht hört" ( 1 . Sam. 3 , 1 0) . Auch im Schlafen sind wir in der Hand Gottes oder in 54 Ps 121 ,4.

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der Gewalt des Bösen. Auch im Schlafen kann Gott an uns Wunder schaffen oder der Böse in uns Verheerung anrichten. So beten wir am Abend : " So unsre Augen schlafen hier, / laß unsre Herzen wachen dir ; / beschirm uns, Gottes rechte Hand, / und lös uns von der Sünde Band" (Luther). 55 Über Morgen und Abend aber steht das Wort des Psalters : " Tag und Nacht ist Dein" (Ps. 74, 1 6).

5 5 Aus: Ein neues Lied, Nr. 303. Vgl. EG 469,3 (mit leicht abweichendem Text): Lied zu Ps 121,7 in Verdeutschung des altkirchlichen Hymnus "Christe qui lux es et dies" (vor 534) durch Erasmus Alber (1 500-1 553) um 1 536.

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" Dir wird Schweigen als Lobpreis, Gott, in Zion" (Ps. 65,2) . 56 Viele suchen die Gemeinschaft aus Furcht vor der Einsamkeit. Weil sie nicht mehr allein sein können, treibt es sie unter die Menschen. Auch Christen, die nicht allein mit sich fertig wer­ den können, die mit sich selbst schlechte Erfahrungen gemacht haben, hoffen in der Gemeinschaft anderer Menschen Hilfe zu erfahren. Meist werden sie enttäuscht und machen dann der Gemeinschaft zum Vorwurf, was ihre eigenste Schuld ist. Die christliche Gemeinschaft ist kein geistliches Sanatorium. Wer auf der Flucht vor sich selbst bei der Gemeinschaft einkehrt, der mißbraucht sie zum Geschwätz und zur Zerstreuung, und mag dieses Geschwätz und diese Zerstreuung noch so geistlich aussehen. In Wahrheit sucht er garnicht die Gemeinschaft, sondern den Rausch, der die Vereinsamung für kurze Zeit vergessen läßt und gerade dadurch die tödliche Vereinsamung des Menschen schafft. Zersetzung des Wortes und aller echten Erfahrung und zuletzt die Resignation und der geistliche Tod sind das Ergebnis solcher Heilungsversuche.

Wer nicht allein sein kann, der hüte sich vor der Gemein­ schaft. Er wird sich selbst und der Gemeinschaft nur Schaden tun. Allein standest du vor Gott, als er dich rief, allein mußtest du dem Ruf folgen, allein mußtest du dein Kreuz aufnehmen, mußtest du kämpfen und beten, und allein wirst du sterben und Gott Rechenschaft geben. Du kannst dir selbst nicht auswei­ chen ; denn Gott selbst hat dich ausgesondert. Willst du nicht allein sein, so verwirfst du den Ruf Christi an dich und kannst an der Gemeinschaft der Berufenen I keinen Anteil haben. " Wir sind allesamt zum Tode gefordert und wird keiner für den 56 Bonhoeffer weicht hier stark von LB ab. Seine Christologie-Vorlesung 1 933 hatte er mit dem Satz begonnen (DBW 12, 280): Mystagogisches Schweigen ist Geschwätz. Das Schweigen der Kirche ist Schweigen vor dem Wort. Indem die Kirche Christus verkündigt, fällt sie schweigend vor dem Unaussprechbaren nie­ der." Vgl. auch Thomas a Kempis, Imitatio Christi I, 20 (Liebe, Einsamkeit und Schweigen).

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andern sterben, sondern ein j eglicher in eigener Person für sich mit dem Tod kämpfen . . . ich werde dann nicht bei dir sein, noch du bei mir" (Luther). 57 Umgekehrt aber gilt der Satz : wer nicht in der Gemeinschaft steht, der hüte sich vor dem Alleinsein. In der Gemeinde bist du berufen, der Ruf galt nicht dir allein, in der Gemeinde der Berufenen trägst du dein Kreuz, kämpfst du und betest du. Du bist nicht allein, selbst im Sterben und am jüngsten Tage wirst du nur ein Glied der großen Gemeinde Jesu Christi sein. Miß­ achtest du die Gemeinschaft der Brüder, so verwirfst du den Ruf Jesu Christi, so kann dein Alleinsein dir nur zum Unheil werden. " Soll ich sterben, so bin ich nicht allein im Tode, leide ich, so leiden sie (die Gemeinde) mit mir" (Luther) . 58 Wir erkennen : nur in der Gemeinschaft stehend können wir allein sein, und nur wer allein ist, kann in der Gemeinschaft leben. Beides gehört zusammen. Nur in der Gemeinschaft lernen wir recht allein sein und nur im Alleinsein lernen wir recht in der Gemeinschaft stehen. Es ist nicht so, daß eines vor dem andern wäre, sondern es hebt beides zu gleicher Zeit an, nämlich mit dem Ruf Jesu Christi. Jedes für sich genommen hat tiefe Abgründe und Gefahren. Wer Gemeinschaft will ohne Alleinsein, der stürzt in die Leere der Worte und Gefühle, wer Alleinsein sucht ohne Gemein­ schaft, der kommt im Abgrund der Eitelkeit, Selbstvernarrtheit und Verzweiflung um. Wer nicht allein sein kann, der hüte sich vor der Gemein­ schaft. Wer nicht in der Gemeinschaft steht, der hüte sich vor dem Alleinsein. Der gemeinsame Tag der christlichen Hausgemeinschaft wird begleitet von dem einsamen Tag jedes Einzelnen. Das I muß so sein. Unfruchtbar ist der gemeinsame Tag ohne den einsamen Tag für die Gemeinschaft wie für den Einzelnen. Das Merkmal der Einsamkeit ist das Schweigen, wie das 57

M. Luther, Erste der Invocavitpredigten. 1 522 (WA 1 0/III, 1). Vgl. DBW 1 (SC), 1 1 9. 0 58 M. Luther, Ein Sermon von dem hochwürdigen Sakrament. 1 5 1 9 (WA 2, 745). Diese Schrift Luthers war Bonhoeffer seit seiner Dissertation wichtig. Vgl. DBW 1 (SC), 1 1 7 Anm. 41; DBW 2, 1 1 7 Anm. 44), 120 Anm. 45); Vorlesung über "Das Wesen der Kirche" (1 932 DBW 1 1 , 290).

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Wort das Merkmal der Gemeinschaft ist. Schweigen und Wort stehen in derselben inneren Verbundenheit und Unterschieden­ heit wie Alleinsein und Gemeinschaft. Es gibt eines nicht ohne das andere. Das rechte Wort kommt aus dem Schweigen, und das rechte Schweigen kommt aus dem Wort. Schweigen heißt nicht Stummsein, wie Wort nicht Gerede heißt. Stummsein schafft nicht Einsamkeit und Gerede schafft nicht Gemeinschaft. " Schweigen ist das Übermaß, die Trun­ kenheit und das Opfer des Wortes. Die Stummheit aber ist unheilig, wie ein Ding, das nur verstümmelt, nicht geopfert wurde . . . Zacharias war stumm, an statt schweigsam zu sein. Hätte er die Offenbarung angenommen, vielleicht wäre er dann nicht stumm, sondern schweigend aus dem Tempel gekom­ men" (Ernest Hello). 59 Das Wort, das die Gemeinschaft neu begründet und zusammenschließt, wird begleitet vom Schwei­ gen. " Schweigen und reden hat seine Zeit" (Pred. Sal. 3 , 7) . Wie es am Tage des Christen bestimmte Stunden für das Wort gibt, besonders die gemeinsame Andachts- und Gebetszeit, so braucht der Tag auch bestimmte Zeiten des Schweigens unter dem Wort und aus dem Wort. Das werden vor allem die Zeiten vor und nach dem Hören des Wortes sein. Das Wort kommt nicht zu den Lärmenden, sondern zu den Schweigenden. Die Stille des Tempels ist das Zeichen der heiligen Gegenwart Gottes in seinem Wort. Es gibt eine Gleichgültigkeit, ja, eine Ablehnung, die im Schweigen eine Geringschätzung der Offenbarung Gottes im Wort erblickt. Hier wird das Schweigen als die feierliche Ge­ bärde, als mystisches Über-das-Wort-hinauswollen mißver- I standen. Das Schweigen wird nicht mehr erkannt in seiner wesenhaften Beziehung auf das Wort, als das schlichte Stillwer­ den des Einzelnen unter dem Worte Gottes. Wir schweigen vor dem Hören des Wortes, weil unsere Gedanken schon auf das Wort gerichtet sind, wie ein Kind schweigt, wenn es in das

59 E. Hello, Worte Gottes, 9 1 . Das Bonhoeffer sehr wichtige Zitat hat am Anfang (zwischen "Schweigen" und "ist") größere Auslassungen. Hello (1 828-1 885) war ein bedeutender religiöser Schriftsteller und Vorkämpfer des Renouveau catholique.

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Zimmer des Vaters tritt. 60 Wir schweigen nach dem Hören des Wortes, weil das Wort noch in uns redet und lebt und Woh­ nung macht. Wir schweigen am frühen Morgen des Tages, weil Gott das erste Wort haben soll und wir schweigen vor dem Schlafengehen, weil Gott auch das letzte Wort gehört. Wir schweigen allein um des Wortes willen, also gerade nicht, um dem Wort Unehre zu tun, sondern um es recht zu ehren und aufzunehmen. Schweigen heißt schließlich nichts anderes als auf Gottes Wort warten und von Gottes Wort gesegnet her­ kommen. Daß dies aber nötig ist zu lernen in einer Zeit, in der das Gerede überhand genommen hat, das weiß j eder von sich selbst, und daß es dabei eben darum geht, wirklich zu schwei­ gen, stille zu sein, seiner Zunge einmal Einhalt zu gebieten, das ist schließlich nur die nüchterne Folge des geistlichen Schwei­ gens. Es wird aber das Schweigen vor dem Wort sich auswirken auf den ganzen Tag. Haben wir vor dem Wort schweigen gelernt, so werden wir mit Schweigen und Reden auch am Tag haushalten lernen. Es gibt ein unerlaubtes, selbstgefälliges, ein hochmütiges, ein beleidigendes Schweigen. Schon daraus geht hervor, daß es niemals um das Schweigen an sich gehen kann. Das Schweigen des Christen ist hörendes Schweigen, demütiges Schweigen, das um der Demut willen auch j ederzeit durchbro­ chen werden kann. Es ist das Schweigen in Verbindung mit dem Wort. So meint es Thomas a Kempis, wenn er sagt : " Keiner redet sicherer als wer gern schweigt. «61 Es liegt im Stillesein eine wunderbare Macht der Klärung, der Reinigung, der Samm­ lung auf das Wesentliche. Das ist schon eine rein profane Tatsache. Das I Schweigen vor dem Wort aber führt zum rechten Hören und damit auch zum rechten Reden des Wortes Gottes zur rechten Stunde. Viel Unnötiges bleibt ungesagt. Das Wesentliche und Hilfreiche aber kann in wenigen Worten gesagt sein. Wo eine Hausgemeinschaft räumlich eng beieinander wohnt 60 E. Bethge, Nachwort (1 979) zu GL, 107 bemerkt dazu: ,,50 traten vor 70 Jah­ ren die Kinder in der Wangenheimstraße in das Zimmer Kar! Bonhoeffers" (des Vaters von Dietrich, d. Hg.). D 61 Thomas a Kempis, Imitatio Christi 1,20, 1 1 . Vgl. 1 943 DBW 8, 246 f.

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und dem Einzelnen äußerlich die nötige Stille nicht geben kann, dort sind feste Schweigezeiten unentbehrlich. Wir begegnen dem Andern anders und neu nach einer Zeit des Schweigens. Manche Hausgemeinschaft wird nur durch eine feste Ordnung in dieser Hinsicht dem Einzelnen sein Alleinsein sichern und damit die Gemeinschaft selbst vor Schaden bewahren können. Wir wollen hier nicht von dem reden, was im Alleinsein und Schweigen den Christen alles an Früchten wunderbarster Art zuwachsen kann. Allzuleicht geriete man hier auf gefährliche Abwege ; auch ließen sich wohl manche dunklen Erfahrungen aufzählen, die aus dem Schweigen herauswachsen können. Das Schweigen kann eine furchtbare Wüste sein mit all ihren Ein­ öden und Schrecken. Es kann auch ein Paradies des Selbstbetru­ ges sein, und eins ist nicht besser als das andere. Darum, wie dem auch sei : keiner erwarte vom Schweigen etwas anderes als die schlichte Begegnung mit dem Worte Gottes, um deswillen er ins Schweigen gekommen ist. Diese Begegnung aber wird ihm geschenkt werden. Der Christ stelle keine Bedingungen, wie er diese Begegnung erwartet oder erhofft, sondern er nehme sie hin, wie sie kommt, und sein Schweigen wird reich­ lich belohnt werden. Drei Dinge sind es, für die der Christ am Tage eine feste Zeit für sich allein braucht : die SchriJtbetrachtung, das Gebet, die Fürbitte. I Alle drei soll er in der täglichen Meditationszeit finden. 62 Es liegt dabei nichts an diesem Wort. Es ist ein altes Wort der Kirche und der Reformation, das wir hier aufnehmen. Man könnte fragen, warum hierfür eine besondere Zeit nötig sei, da wir doch alles in der gemeinsamen Andacht schon haben. Das Folgende wird die Antwort darauf geben. Die Meditationszeit dient der persönlichen Schriftbetrach­ tung, dem persönlichen Gebet und der persönlichen Fürbitte, sonst keinem andern Zweck. Geistliche Experimente haben hier keinen Raum. Aber für diese drei Dinge muß Zeit da sein, denn Gott selbst fordert sie von uns. Wenn uns die Meditation lange Zeit nichts anderes bedeutete als dies eine, daß wir Gott einen schuldigen Dienst leisten, so wäre das genug.

62 Vgl. "Anleitung zur täglichen Meditation" (1936 DBW 14, 945-950).

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Die Meditationszeit läßt uns nicht in die Leere und den Abgrund des Alleinseins versinken, sondern sie läßt uns allein sein mit dem Wort. Damit gibt sie uns festen Grund, auf dem wir stehen, und klare Wegweisung für die Schritte, die wir zu tun haben. Wahrend wir in der gemeinsamen Andacht einen langen fortlaufenden Text lesen, halten wir uns in der Schriftmedita­ tion an einen kurzen ausgewählten Text, der möglicherweise eine ganze Woche hindurch nicht wechselt. Werden wir durch das gemeinsame Schriftlesen mehr in die Weite und das Ganze der Heiligen Schrift geführt, so hier in die unergründliche Tiefe j edes einzelnen Satzes und Wortes. Beides ist gleich notwendig, " auf daß ihr begreifen möget mit allen Heiligen, was da sei die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe" (Eph. 3 , 1 8) . Wi r lesen i n der Meditation den uns gegebenen Text auf die Verheißung hin, daß er uns ganz persönlich für den heutigen Tag und für unsern Christenstand etwas zu sagen habe, daß es nicht nur Gottes Wort für die Gemeinde, sondern auch Gottes Wort für mich persönlich ist. Wir setzen I uns dem einzelnen Satz und Wort so lange aus, bis wir persönlich von ihm getroffen sind. Damit tun wir nichts anderes, als was der schlichteste, ungelehrteste Christ täglich tut, wir lesen Gottes Wort als Gottes Wort für uns. Wir fragen also nicht, was dieser Text andern Menschen zu sagen habe, für uns Prediger heißt das, wir fragen nicht, wie wir über den Text predigen oder unterrichten würden, sondern was er uns selbst ganz persönlich zu sagen hat. Daß wir dazu den Text erst einmal seinem Inhalt nach verstanden haben müssen, ist gewiß, aber wir treiben hier nicht Textauslegung, nicht Predigtvorbereitung, nicht Bibelstu­ dium irgendwelcher Art, sondern wir warten auf Gottes Wort an uns. Es ist kein leeres Warten, sondern ein Warten auf klare Verheißung hin. Oft sind wir so belastet und überhäuft mit andern Gedanken und Bildern, Sorgen, daß es lange dauert, ehe Gottes Wort das alles beiseite geräumt hat und zu uns durch­ dringt. Aber es kommt gewiß, so gewiß Gott selbst zu den Menschen gekommen ist und wiederkommen will. Eben darum werden wir unsere Meditation mit dem Gebet beginnen, Gott wolle seinen Heiligen Geist durch sein Wort zu uns senden und uns sein Wort offenbaren und uns erleuchten.

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Es ist nicht notlg, daß wir in der Meditation durch den ganzen Text hindurch kommen. Oft werden wir bei einem einzigen Satz oder gar bei einem Wort stehen bleiben müssen, weil wir von ihm festgehalten werden, gestellt sind und nicht mehr ausweichen können. Genügt nicht oft das Wort " Vater", " Liebe", " B armherzigkeit" , " Kreuz", " Heiligung", " Aufer­ stehung", um unsere kurze Meditationszeit überreichlich aus­ zufüllen ? Es ist nicht nötig, daß wir in der Meditation darum bemüht sind, in Worten zu denken und zu beten. Das schweigende Denken und Beten, das nur aus dem Hören kommt, kann oftmals förderlicher sein. I Es ist nicht nötig, daß wir in der Meditation neue Gedanken finden. Das lenkt uns oft nur ab und befriedigt unsere Eitelkeit. Es genügt vollkommen, wenn das Wort, wie wir es lesen und verstehen, in uns eindringt und bei uns Wohnung macht. Wie Maria das Wort der Hirten " in ihrem Herzen bewegte"63, wie uns das Wort eines Menschen oft lange Zeit nachgeht, in uns wohnt, arbeitet, uns beschäftigt, beunruhigt oder beglückt, ohne daß wir etwas dazu tun könnten, so will Gottes Wort in der Meditation in uns eingehen und bei uns bleiben, es will uns bewegen, in uns arbeiten, wirken, daß wir den ganzen Tag lang nicht mehr davon loskommen, und es wird dann sein Werk an uns tun, oft ohne daß wir davon wissen. Es ist vor allem nicht nötig, daß wir bei der Meditation irgendwelche unerwarteten, außergewöhnlichen Erfahrungen machen. Das kann so sein, ist es aber nicht so, so ist das kein Zeichen einer vergeblichen Meditationszeit. Es wird sich nicht nur am Anfang, sondern immer wieder zu Zeiten eine große innerliche Dürre und Gleichgültigkeit bei uns bemerkbar ma­ chen, eine Unlust, ja Unfähigkeit zur Meditation. Wir dürfen dann an solchen Erfahrungen nicht hängen bleiben. Wir dürfen uns durch sie vor allem nicht davon abbringen lassen, mit großer Geduld und Treue unsere Meditationszeit nun gerade einzuhalten. Es ist darum nicht gut, wenn wir die vielen bösen Erfahrungen, die wir in der Meditationszeit mit uns selbst machen, allzu ernst nehmen. Hier könnte sich auf einem from63

Vgl. Lk 2,19; 1 936 DBW 14, 145 und 947.

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men Umwege unsere alte Eitelkeit und unser unerlaubter An­ spruch an Gott einschleichen, als hätten wir irgend ein Recht auf lauter erhebende und beglückende Erfahrungen, und als sei die Erfahrung unserer inneren Armut unser unwürdig. In sol­ cher Haltung aber kommen wir nicht weiter. Durch Ungeduld und Selbstvorwürfe fördern wir nur unsere Selbstgefälligkeit und verstricken uns immer tiefer in das Netz der I Selbstbeob­ achtung. Zur Selbstbeobachtung aber ist in der Meditation ebenso wenig Zeit wie im christlichen Leben überhaupt. Auf das Wort allein sollen wir achten, und alles seiner Wirksamkeit anheimstellen. Kann es denn nicht sein, daß Gott uns selbst die Stunden der Leere und Dürre schickt, damit wir wieder alles von seinem Wort erwarten ? " Suche Gott, nicht Freude"64 - das ist die Grundregel aller Meditation. Suchst du Gott allein, so wirst du Freude empfangen, - das ist die Verheißung aller Meditation. Die Schriftbetrachtung führt ins Gebet. Wir sprachen schon davon, daß es der verheißungsvollste Weg zum Gebet ist, sich vom Schriftwort leiten zu lassen, auf Grund des Schriftwortes zu beten. So verfallen wir nicht unserer eigenen Leere. Beten heißt dann nichts anderes als die Bereitschaft für die Aneignung des Wortes, und zwar für mich in meiner persönlichen Lage, in meinen besonderen Aufgaben, Entscheidungen, Sünden und Versuchungen. Was in das Gebet der Gemeinschaft niemals eingehen kann, das darf hier vor Gott im Schweigen laut werden. Auf dem Grund des Schriftwortes beten wir um Klarheit für unsern Tag, um Bewahrung vor Sünde, um Wach­ sen in der Heiligung, um Treue und Kraft für unsere Arbeit und wir dürfen der Erhörung unseres Gebetes gewiß sein, weil es aus Gottes Wort und Verheißung kommt. Weil Gottes Wort seine Erfüllung in J esus Christus gefunden hat, darum sind alle Gebete, die wir auf Grund dieses Wortes beten, in Jesus Christus gewiß erfüllt und erhört. Es ist eine besondere Not der Meditationszeit, daß unsere 64 Diese Formel ist die prägnante Zusammenfassung des Gedankens bei Thomas a Kempis, Imitatio Christi II, 9, 1 1-36, daß man nicht Gott um seines Trostes willen suchen soll, sondern Gott, der in Trost und Trostlosigkeit und in Zeiten geistlicher Dürre nahe ist als unser Heil.

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Gedanken sich leicht zerstreuen und eigene Wege gehen, zu andern Menschen oder zu irgendwelchen Ereignissen unseres Lebens hin. So sehr uns das immer wieder betrübt und be­ schämt, dürfen wir doch auch hier nicht kleinmütig und ängst­ lich werden, oder gar meinen, diese Meditationszeit sei eben nichts für uns . Es bedeutet manchmal eine Hilfe, wenn I wir in solcher Lage unsere Gedanken nicht krampfhaft zurückreißen, sondern ganz ruhig die Menschen und die Ereignisse, bei denen sie immer wieder verweilen wollen, in unser Gebet hineinzie­ hen und so in aller Geduld wieder zum Ausgangspunkt der Meditation zurückkehren. Wie wir unser persönliches Gebet an das Wort der Schrift anschließen, so tun wir es auch mit der Fürbitte. Es ist nicht möglich, in der gemeinsamen Andacht all der Menschen fürbit­ tend zu gedenken, die uns befohlen sind, oder doch es so zu tun, wie es von uns gefordert ist. Jeder Christ hat seinen eigenen Kreis von Menschen, die ihn um seine Fürbitte gebeten haben oder für die er sich aus bestimmten Gründen zur Für­ bitte aufgerufen weiß. Es werden zu allererst diejenigen sein, mit denen er täglich zusammenleben soll. Damit sind wir an einen Punkt vorgedrungen, an dem wir das Herz alles christli­ chen Zusammenlebens schlagen hören. Eine christliche Ge­ meinschaft lebt aus der Fürbitte der Glieder füreinander, oder sie geht zugrunde. Einen Bruder, für den ich bete, kann ich bei aller Not, die er mir macht, nicht mehr verurteilen oder hassen. Sein Angesicht, das mir vielleicht fremd und unerträglich war, verwandelt sich in der Fürbitte in das Antlitz des Bruders, um dessentwillen Christus starb, in das Antlitz des begnadigten Sünders . Das ist eine beseligende Entdeckung für den Christen, der anfängt, Fürbitte zu tun. Es gibt keine Abneigung, keine persönliche Spannung oder Entzweiung, die nicht in der Für­ bitte, was uns betrifft, überwunden werden könnte. Die Für­ bitte ist das Läuterungsbad, in das der einzelne und die Ge­ meinschaft täglich hinein müssen. Es kann ein hartes Ringen mit dem Bruder in der Fürbitte sein, aber es hat die Verheißung, zum Ziel zu führen. Wie geschieht das ? Fürbitte tun heißt nichts anderes als den Bruder vor Gott bringen, ihn unter dem Kreuz Jesu sehen als den armen Menschen und Sünder, der Gnade I braucht. Da fällt

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alles ab, was mich von ihm abstößt, da sehe ich ihn in aller seiner Bedürftigkeit und Not, da wird seine Not und seine Sünde mir so groß und so bedrückend, als wäre sie meine eigene, und nun kann ich nicht mehr anders als bitten : Herr, handle Du selbst, Du allein mit ihm, nach Deinem Ernst und Deiner Güte . 65 Fürbitte tun heißt: Dem Bruder dasselbe Recht einräumen, das wir empfangen haben, nämlich vor Christus zu stehen und an seiner Barmherzigkeit Anteil zu haben. Es ist damit deutlich, daß auch die Fürbitte ein schuldiger Dienst an Gott und unserem Bruder ist, der täglich getan sein will. 66 Wer dem Nächsten die Fürbitte versagt, der versagt ihm den Christendienst. Es ist weiterhin klar geworden, daß die Fürbitte nicht eine allgemeine, verschwommene, sondern eine ganz konkrete Sache ist. Es geht um bestimmte Menschen, um bestimmte Schwierigkeiten und darum um bestimmte Bitten. Je klarer meine Fürbitte wird, desto verheißungsvoller ist sie. Wir können uns endlich auch der Einsicht nicht mehr ver­ schließen, daß der Dienst der Fürbitte Zeit beansprucht, von jedem Christen, am meisten vom Pfarrer, dem eine ganze Gemeinde aufliegt. Die Fürbitte allein würde, wenn sie recht getan wurde, die tägliche Meditationszeit füllen. In dem allen wird es sich erweisen, daß die Fürbitte ein Geschenk der Gnade Gottes für jede christliche Gemeinschaft und für jeden Christen ist. Weil uns hier ein unermeßlich großes Angebot gemacht ist, werden wir es auch freudig ergreifen. Gerade die Zeit, die wir der Fürbitte geben, wird uns täglich eine Quelle neuer Freude an Gott und an der christlichen Gemeinde sein. Weil es in Schriftbetrachtung, Gebet und Fürbitte um einen schuldigen Dienst geht und weil in diesem Dienst sich Gottes Gnade finden läßt, sollen wir uns darin üben, hierfür eine feste Zeit des Tages anzusetzen, wie für jeden an- I dern Dienst, den wir tun. Das ist nicht " Gesetzlichkeit", sondern Ordnung und Treue. Der frühe Morgen wird sich für die meisten als der rechte Zeitpunkt erweisen. Wir haben auch vor andern Men­ schen ein Recht auf diese Zeit und dürfen sie uns allen äußeren Schwierigkeiten zum Trotz als völlig ungestörte, stille Zeit 65 Vgl. Röm 1 1 ,22. D 66 Zur Theologie der Fürbitte vgl. DBW 1 (SC), 1 23-126 und die Vorlesung "Das Wesen der Kirche" (1 932 DBW 1 1 , 293 f).

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erzwingen. Für den Pfarrer ist das eine unerläßliche Pflicht, von der seine ganze Amtsführung abhängen wird. Wer will in großen Dingen wirklich treu sein, wenn er die Treue in den täglichen Dingen nicht gelernt hat ? Jeder Tag bringt dem Christen viele Stunden des Alleinseins mitten in einer unchristlichen Umwelt. Das ist die Zeit der Bewährung. Das ist die Probe auf eine rechte Meditationszeit und auf eine rechte christliche Gemeinschaft. Hat die Gemein­ schaft dazu gedient, den einzelnen frei, stark und mündig zu machen, oder hat sie ihn unselbständig und abhängig gemacht ? Hat sie ihn eine Weile an der Hand genommen, damit er wieder lernt, eigene Schritte zu tun, oder hat sie ihn ängstlich und unsicher gemacht? Das ist eine der ernstesten und schwersten Fragen an jede christliche Lebensgemeinschaft. Weiter wird sich hier entscheiden, ob die Meditationszeit den Christen in eine unwirkliche Welt geführt hat, aus der er mit Schrecken erwacht, wenn er wieder in die irdische Welt seiner Arbeit hinaustritt, oder ob sie ihn in die wirkliche Welt Gottes geführt hat, aus der er gestärkt und gereinigt in den Tag hineingeht ? Hat sie ihn für kurze Augenblicke in einen geistlichen Rausch versetzt, der verfliegt, wenn der Alltag kommt, oder hat sie ihm das Wort Gottes so nüchtern und so tief in das Herz gesenkt, daß es ihn den ganzen Tag festhält und stärkt, daß es ihn zur tätigen Liebe, zum Gehorsam, zum guten Werk führt ? Der Tag nur kann darüber entscheiden. Ist die unsichtbare Gegenwart der christlichen Gemeinschaft für den einzelnen eine Wirklich­ keit und eine Hilfe ? Trägt mich die Fürbitte der an- I dern durch den Tag ? Ist das Wort Gottes mir nahe als Trost und Kraft ? Oder mißbrauche ich das Alleinsein gegen die Gemeinschaft, gegen das Wort und das Gebet? Der einzelne muß wissen, daß auch die Stunde seines Alleinseins zurückwirkt auf die Gemein­ schaft. In seinem Alleinsein kann er die Gemeinschaft zerreißen und beflecken, und er kann sie stärken und heiligen. Jede Selbstzucht des Christen ist auch ein Dienst an der Gemein­ schaft. Umgekehrt gibt es keine noch so persönliche oder heimliche Sünde mit Gedanken, Wort und Tat, die nicht der ganzen Gemeinschaft Schaden zufügte. Ein Krankheitsstoff gerät in den Körper, noch weiß man vielleicht nicht, woher er kommt, in welchem Glied er steckt, aber der Körper ist vergif-

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tet. Das ist das Bild der christlichen Gemeinschaft. Weil wir Glieder an einem Leibe sind, nicht nur dann, wenn wir es wollen, sondern in unserem ganzen Sein, darum dient jedes Glied dem ganzen Leib, zur Gesundheit oder zum Verderben. Das ist nicht Theorie, sondern eine geistliche Wirklichkeit, die in der christlichen Gemeinschaft oft erschütternd deutlich, zerstörend oder beglückend, erfahren wird. Wer nach bestandenem Tage in die christliche Hausgemein­ schaft zurückkehrt, der bringt den Segen des Alleinseins mit, er selbst aber empfängt aufs Neue den Segen der Gemeinschaft. Gesegnet, wer allein ist in der Kraft der Gemeinschaft, geseg­ net, wer Gemeinschaft hält in der Kraft des Alleinseins. Die Kraft des Alleinseins und die Kraft der Gemeinschaft aber ist allein die Kraft des Wortes Gottes, das dem Einzelnen in der Gemeinschaft gilt.

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" Es kam auch ein Gedanke unter sie, welcher unter ihnen der Größte wäre" (Luk. 9,46). Wer diesen Gedanken unter die christliche Gemeinschaft sät, wissen wir. Vielleicht bedenken wir aber nicht genug, daß keine christliche Gemeinschaft zu­ sammenkommen kann, ohne daß alsbald dieser Gedanke auf­ taucht als Saat der Zwietracht. Kaum daß Menschen beieinan­ der sind, müssen sie anfangen, einander zu beobachten, zu beurteilen, einzuordnen. Damit hebt schon im Entstehen christlicher Gemeinschaft ein unsichtbarer, oft ungewußter, furchtbarer Streit auf Leben und Tod an. " Es kam auch ein Gedanke unter sie" - das genügt, um die Gemeinschaft zu zerstören. Darum ist es für jede christliche Gemeinschaft le­ bensnotwendig, daß sie von der ersten Stunde an diesen gefähr­ lichen Feind ins Auge faßt und ausrottet. Hier ist keine Zeit zu verlieren ; denn vom ersten Augenblick der Begegnung mit dem Andern an sucht der Mensch nach der Kampfstellung, die er dem Andern gegenüber beziehen und durchhalten kann. Da sind Starke und Schwache ; ist er selbst nicht stark, nun, so ergreift er alsbald das Recht des Schwachen als sein eigenes und führt es gegen die StarkenY Da sind Begabte und Unbegabte, Einfache und Schwierige, Fromme und weniger Fromme, Ge­ meinschaftsmenschen und Eigenbrödler. Hat nicht der Unbe­ gabte ebenso eine Position zu beziehen wie der Begabte, der Schwierige wie der Einfache ? Und bin ich nicht begabt, so bin ich doch vielleicht fromm, oder bin ich nicht fromm, so will ich es auch gar nicht sein. Kann nicht der Gemeinschaftsmensch im Augenblick alles für sich gewinnen I und den Eigenbrödler bloßstellen, und kann nicht der Eigenbrödler der unüberwind­ liche Feind und schließliche Besieger des Gemeinschaftsmen­ schen werden ? Welcher Mensch fände nicht mit instinktiver Sicherheit den Ort, an dem er stehen und sich verteidigen kann, den er aber nie und nimmer einem andern einräumen wird, um den er kämpfen wird mit seinem ganzen Trieb zur Selbstbe67 Vgl. Anm. 39; s . 1 933 DBW 12, 85.

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hauptung ? Das alles kann unter den zivilsten oder auch frömm­ sten Formen geschehen, aber es kommt darauf an, daß eine christliche Gemeinschaft weiß, daß ganz gewiß irgendwo " ein Gedanke unter sie karn, wer der Größte unter ihnen wäre" . Es ist der Kampf des natürlichen Menschen um Selbstrechtferti­ gung. Er findet sie nur am Vergleich mit dem andern, am Urteil, am Gericht über den andern. Selbstrechtfertigung und Richten gehört zusammen, wie Rechtfertigung aus Gnaden und Dienen zusammengehört. Wir bekämpfen unsere bösen Gedanken oft am wirksamsten, wenn wir ihnen grundsätzlich das Wort verbieten. So gewiß der Geist der Selbstrechtfertigung nur aus dem Geist der Gnade überwunden werden kann, so werden doch die einzelnen rich­ tenden Gedanken dadurch begrenzt und zum Ersticken ge­ bracht, daß man ihnen niemals das Recht einräumt, zu Worte zu kommen, es sei denn als das Bekenntnis der Sünde, von dem wir später zu sprechen haben. Wer seine Zunge im Zaum hält, der beherrscht Seele und Leib Oak. 3 , 3 H. ). So wird es eine entscheidende Regel jedes christlichen Gemeinschaftslebens sein, die dem Einzelnen das heimliche Wort über den Bruder verbietet. b � Daß damit nicht das persönlich zurechtweisende Wort an den andern gemeint ist, ist deutlich und wird noch ge�eigt werden. Unerlaubt aber bleibt das heimliche Wort über den andern, auch dort, wo es unter dem Schein der Hilfe und des Wohlwollens steht ; denn gerade in dieser Deckung wird sich der Geist des Bruderhasses immer einschleichen, wenn er nach Scha- I den trachtet. Es ist hier nicht der Ort, die einzelnen Begrenzungen einer solchen Regel aufzuführen. Sie unterliegen der jeweiligen Entscheidung. Die Sache ist klar und biblisch : " Du sitzest und redest wider deinen Bruder; deiner Mutter Sohn verleumdest du - aber ich will dich strafen und will dir's unter Augen stellen" (Ps. 50,20 f. ). "Afterredet nicht unterein­ ander, liebe Brüder. Wer seinem Bruder afterredet und richtet seinen Bruder, der afterredet dem Gesetz und richtet das Ge­ setz. Richtest du aber das Gesetz, so bist du nicht ein Täter des 68 Nach Eberhard Bethge galt in Finkenwalde als einzige Regel, "daß über einen der Mitkandidaten nicht in Abwesenheit geredet werden sollte oder es diesem gesagt werden müsse, wenn es doch geschah" (DB 491 ) .

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Gesetzes, sondern ein Richter. Es ist ein einiger Gesetzgeber, der kann seligmachen und verdammen. Wer bist du, der du einen andern richtest ?" Gak. 4, 1 1 f. ). " Laßt kein faul Ge­ schwätz aus eurem Munde gehen, sondern was nützlich zur Besserung ist, da es not tut, daß es holdselig sei zu hören" (Eph. 4,29). Wo diese Zucht der Zunge von Anfang an geübt wird, dort wird jeder Einzelne eine unvergleichliche Entdeckung machen. Er wird aufhören können, den andern unaufhörlich zu beob­ achten, ihn zu beurteilen, ihn zu verurteilen, ihm seinen be­ stimmten beherrschbaren Platz zuzuweisen und ihm so Gewalt zu tun. Er kann nun den Bruder ganz frei stehen lassen, so wie Gott ihn ihm gegenübergestellt hat. Der Blick weitet sich, und er erkennt zu seinem Erstaunen über seinen Brüdern zum ersten Male den Reichtum der Schöpferherrlichkeit Gottes. Gott hat den andern nicht gemacht, wie ich ihn gemacht hätte. Er hat ihn mir nicht zum Bruder gegeben, damit ich ihn beherrsche, sondern damit ich über ihm den Schöpfer finde. In seiner geschöpflichen Freiheit wird mir nun der Andere Grund zur Freude, während er mir vorher nur Mühe und Not war. Gott will nicht, daß ich den Andern nach dem Bilde forme, das mir gut erscheint, also nach meinem eigenen Bilde, sondern in seiner Freiheit von mir hat Gott den Andern zu seinem Eben­ bilde gemacht. Ich kann es niemals im Voraus wissen, wie I Gottes Ebenbild im Andern aussehen soll, immer wieder hat es eine ganz neue, allein in Gottes freier Schöpfung begründete Gestalt. Mir mag sie fremd erscheinen, ja ungöttlich. Aber Gott schafft den Andern zum Ebenbilde seines Sohnes, des Gekreu­ zigten, und auch dieses Ebenbild schien mir ja wahrhaftig fremd und ungöttlich, bevor ich es ergriff. Nun wird Stärke und Schwachheit, Klugheit oder Torheit, begabt oder unbegabt, fromm oder weniger fromm, nun wird die ganze Verschieden artigkeit der Einzelnen in der Gemein­ schaft nicht mehr Grund zum Reden, Richten, Verdammen, also zur Selbstrechtfertigung sein, sondern sie wird Grund zur Freude aneinander und zum Dienst aneinander. Auch jetzt empfängt jedes Glied der Gemeinschaft seinen bestimmten Ort, aber nicht mehr den, an dem es sich am erfolgreichsten selbst behauptet, sondern den Ort, an dem es seinen Dienst am besten

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ausrichten kann. Es kommt in einer christlichen Gemeinschaft alles darauf an, daß jeder Einzelne ein unentbehrliches Glied einer Kette wird. Nur wo auch das kleinste Glied fest eingreift, ist die Kette unzerreißbar. Eine Gemeinschaft, die es zuläßt, daß ungenutzte Glieder da sind, wird an diesen zugrundegehen. Es wird darum gut sein, wenn jeder Einzelne auch einen bestimmten Auftrag für die Gemeinschaft erhält, damit er in Stunden des Zweifels weiß, daß auch er nicht unnütz und unbrauchbar ist. Jede christliche Gemeinschaft muß wissen, daß nicht nur die Schwachen die Starken brauchen, sondern daß auch die Starken nicht ohne die Schwachen sein können. Die Ausschaltung der Schwachen ist der Tod der Gemeinschaft. Nicht Selbstrechtfertigung und darum Vergewaltigung, son­ dern die Rechtfertigung aus Gnade und darum Dienst soll die christliche Gemeinschaft regieren. Wer einmal in seinem Leben das Erbarmen Gottes erfahren hat, der will fortan nur noch dienen. Der stolze Thron des Richters lockt ihn I nicht mehr, sondern er will unten sein bei den Elenden und Geringen, weil dort unten Gott ihn gefunden hat. "Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch herunter zu den Niedrigen" (Röm. 1 2 , 1 6) . Wer lernen will z u dienen, der muß zuerst lernen, gering von sich selbst zu denken. " Niemand halte weiter von sich, denn sich gebührt zu halten" (Röm. 1 2 , 3 ) . " Sich selbst recht kennen und gering von sich denken zu lernen, das ist die höchste und nützlichste Aufgabe. Nichts aus sich selber machen und dage­ gen stets von anderen eine gute Meinung haben, das ist große Weisheit und Vollkommenheit" (Thomas a Kempis) . 69 "Haltet euch nicht selbst für klug" (Röm. 1 2 , 1 7) . Nur wer aus der Vergebung seiner Schuld in Jesus Christus lebt, wird in rechter Weise gering von sich denken, der wird wissen, daß seine Klugheit hier ganz an ihr Ende kam, als Christus ihm vergab, der erinnert sich der Klugheit der ersten Menschen, die wissen wollten, was gut und böse ist und in dieser Klugheit umkamen. Der erste aber, der auf dieser Erde geboren wurde, war Kain, der Brudermörder. Das ist die Frucht der Klugheit des Men­ schen. Weil der Christ sich nicht mehr selbst für klug halten 69

Thomas a Kempis, Imitatio Christi 1,2, 1 6 f.

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kann, darum wird e r auch von seinen eigenen Plänen und Absichten gering denken, er wird wissen, daß es gut ist, daß der eigene Wille gebrochen wird in der Begegnung init dem Näch­ sten. Er wird bereit sein, den Willen des Nächsten für wichtiger und dringlicher zu halten als den eigenen. Was schadet es, wenn der eigene Plan durchkreuzt wird ? Ist es nicht besser, dem Nächsten zu dienen, als den eigenen Willen durchzusetzen ? Aber nicht nur der Wille, sondern auch die Ehre des Andern ist wichtiger als meine eigene. "Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt und die Ehre, die von Gott allein ist, suchet ihr nicht?" Goh. 5 , 44). Das Verlangen nach eigener Ehre hindert den Glauben. Wer eigene Ehre I sucht, der sucht schon nicht mehr Gott und den Nächsten. Was schadet es, wenn mir Unrecht widerfährt ? Habe ich nicht härtere Strafe von Gott verdient, wenn Gott nicht nach seiner Barmherzigkeit mit mir handelte ? Geschieht mir nicht auch im Unrecht tausendmal Recht ? Muß es nicht nützlich und gut sein zur Demut, daß ich schweigend und geduldig so geringe Übel ertragen lerne ? " Ein geduldiger Geist ist besser denn ein hoher Geist" (Pred. Sal. 7, 8). Wer aus der Rechtfertigung aus Gnaden lebt, der ist bereit, auch B eleidigungen und Kränkungen ohne Protest, sondern aus Gottes strafender und gnädiger Hand hinzunehmen. Es ist kein gutes Zeichen, wenn man Derartiges nicht mehr hören und ertragen kann, ohne alsbald daran zu erinnern, daß doch auch Paulus z. B. auf seinem Recht als Römer bestanden habe7o, und daß Jesus dem, der ihn schlug, antwortete : " Warum schlägst du mich ?"71 Es wird j edenfalls keiner von uns wirklich so handeln wie J esus und Paulus, der nicht vorher gelernt hat, wie diese unter Kränkung und Schmach zu schweigen. Die Sünde der Empfindlichkeit, die in der Gemeinschaft so rasch aufblüht, zeigt immer wieder, wieviel falsche Ehrsucht und das heißt doch, wieviel Unglaube noch in der Gemeinschaft lebt. Schließlich muß noch ein Äußerstes gesagt werden. Sich nicht für klug halten, sich herunterhalten zu den Niedrigen, heißt ohne Phrase und in aller Nüchternheit : sich selbst für den größten Sünder halten. Das erregt den ganzen Widerspruch des natürlichen Menschen, aber auch den des selbstbewußten Chri70

Vgl. Act 22,25-29. D 71 Joh 1 8,23; s . 1 936/37 DBW 4, 139 Anm. 7).

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steno Es klingt wie eine Übertreibung, wie eine Unwahrhaftig­ keit. Und doch hat Paulus selbst von sich gesagt, daß er der vornehmlichste, d. h. der größte Sünder sei ( 1 . Tim. 1 , 1 5), und zwar gerade dort, wo er von seinem Dienst als Apostel spricht. Es kann keine echte Sündenerkenntnis geben, die mich nicht in diese Tiefe hinabführte. Erscheint mir meine Sünde noch ir­ gendwie im Vergleich zu I Sünden Anderer geringer, weniger verwerflich, dann erkenne ich überhaupt noch nicht meine Sünde. Meine Sünde ist notwendig die allergrößte, die aller­ schwerste und verwerflichste. Für die Sünden der Andern findet j a die brüderliche Liebe soviele Entschuldigungen, nur für meine Sünde gibt es gar keine Entschuldigung. Darum ist sie die schwerste. Bis in diese Tiefe der Demut muß hinab, wer dem Bruder in der Gemeinschaft dienen will. Wie könnte ich auch dem in ungeheuchelter Demut dienen, dessen Sünde mir ganz ernsthaft schwerer erschiene als meine eigene. Muß ich mich nicht über ihn erheben, darf ich denn für ihn noch Hoffnung haben ? Es wäre geheuchelter Dienst. " Glaube nicht, daß du einen Schritt weitgekommen bist im Werke der Heili­ gung, wenn du es nicht tief fühlst, daß du geringer bist als alle andern" (Thomas a Kempis). 72 Wie wird nun der rechte brüderliche Dienst in der christli­ chen Gemeinschaft getan ? Wir sind heute leicht geneigt, hier schnell zu antworten, daß der einzig wirkliche Dienst am Nächsten der Dienst mit dem Worte Gottes sei. Es ist wahr, daß kein Dienst diesem gleich kommt, daß vielmehr j eder andere Dienst auf ihn ausgerichtet ist. Dennoch besteht eine christliche Gemeinschaft nicht nur aus Predigern des Wortes. Der Mißbrauch könnte ungeheuerlich werden, wenn hier einige andere Dinge übersehen würden. Der erste Dienst, den einer dem andern in der Gemeinschaft schuldet, besteht darin, daß er ihn anhört. Wie die Liebe zu Gott damit beginnt, daß wir sein Wort hören, so ist es der Anfang der Liebe zum Bruder, daß wir lernen, auf ihn zu hören. Es ist Gottes Liebe zu uns, daß er uns nicht nur sein Wort gibt, sondern uns auch sein Ohr leiht. So ist es sein Werk, das wir an unserem Bruder tun, wenn wir lernen, ihm zuzuhö72 Thomas a Kempis, Imitatio Christi H,2, 12.

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ren. Christen, besonders Prediger, meinen so oft, sie müßten immer, wenn sie mit andern Menschen zusammen sind, etwas " bieten", das sei ihr ein- I ziger Dienst. Sie vergessen, daß Zuhören ein größerer Dienst sein kann als Reden. Viele Men­ schen suchen ein Ohr, das ihnen zuhört, und sie finden es unter den Christen nicht, weil diese auch dort reden, wo sie hören sollten. Wer aber seinem Bruder nicht mehr zuhören kann, der wird auch bald Gott nicht mehr zuhören, sondern er wird auch vor Gott immer nur reden. Hier fängt der Tod des geistlichen Lebens an, und zuletzt bleibt nur noch das geistliche Ge­ schwätz, die pfäffische Herablassung, die in frommen Worten erstickt. Wer nicht lange und geduldig zuhören kann, der wird am Andern immer vorbeireden und es selbst schließlich gar nicht mehr merken. Wer meint, seine Zeit sei zu kostbar, als daß er sie mit Zuhören verbringen dürfte, der wird nie wirklich Zeit haben für Gott und den Bruder, sondern nur immer für sich selbst, für seine eigenen Worte und Pläne. Brüderliche Seelsorge unterscheidet sich von der Predigt wesentlich dadurch, daß zum Auftrag des Wortes hier der Auftrag zum Hören hinzutritt. Es gibt auch ein Zuhören mit halben Ohren, in dem Bewußtsein, doch schon zu wissen, was der Andere zu sagen hat. Es ist das ungeduldige, unaufmerk­ same Zuhören, das den Bruder verachtet und nur darauf wartet, bis man endlich selbst zu Worte kommt und damit den Andern los wird. Das ist keine Erfüllung unseres Auftrages, und es ist gewiß, daß sich auch hier in unserer Stellung zum Bruder nur unser Verhältnis zu Gott widerspiegelt. Es ist kein Wunder, daß wir den größten Dienst des Zuhörens, den Gott uns aufgetragen hat, nämlich das Hören der Beichte des Bruders, nicht mehr zu tun vermögen, wenn wir in geringeren Dingen dem Bruder unser Ohr versagen. Die heidnische Welt weiß heute etwas davon, daß einem Menschen oft allein dadurch geholfen werden kann, daß man ihm ernsthaft zuhört, sie hat auf dieser Erkenntnis eine eigene säkulare Seelsorge aufgebaut, die I den Zustrom der Menschen, auch der Christen findet. 73 Die 73 Zum Thema ,säkularisierte Seelsorge ' und ihren Anleihen bei Psychothera­ pie und Existenzphilosophie vgl. in der Finkenwalder Vorlesung "Seelsorge" (1 935-1939 DBW 14, 563 f); s. auch 1 944 DBW 8, 478.

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Christen aber haben vergessen, daß ihnen das Amt des Hörens von dem aufgetragen ist, der selbst der große Zuhörer ist und an dessen Werk sie teilhaben sollen. Mit den Ohren Gottes sollen wir hören, damit wir mit dem Worte Gottes reden können. Der andere Dienst, den in einer christlichen Gemeinschaft einer dem andern tun soll, ist die tätige Hilfsbereitschaft. Dabei ist zunächst an die schlichte Hilfe in kleinen und äußeren Dingen gedacht. Es gibt deren eine große Zahl in jedem Ge­ meinschaftsleben. Keiner ist für den geringsten Dienst zu gut. Die Sorge um den Zeitverlust, den eine so geringe und äußerli­ che Hilfeleistung mit sich bringt, nimmt meist die eigene Arbeit zu wichtig. Wir müssen bereit werden, uns von Gott unterbre­ chen zu lassen. Gott wird unsere Wege und Pläne immer wieder, ja täglich durchkreuzen, indem er uns Menschen mit ihren Ansprüchen und Bitten über den Weg schickt. Wir können dann an ihnen vorübergehen, beschäftigt mit den Wich­ tigkeiten unseres Tages, wie der Priester an dem unter die Räuber Gefallenen vorüberging, vielleicht - in der Bibel le­ send. 74 Wir gehen dann an dem sichtbar in unserem Leben aufgerichteten Kreuzeszeichen vorüber, das uns zeigen will, daß nicht unser Weg, sondern Gottes Weg gilt. Es ist eine seltsame Tatsache, daß gerade Christen und Theologen ihre Arbeit oft für so wichtig und dringlich halten, daß sie sich darin durch nichts unterbrechen lassen wollen. Sie meinen damit Gott einen Dienst zu tun, und verachten dabei den " krummen und doch geraden Weg" Gottes (Gottfried Arnold). 75 Sie wol­ len von dem durchkreuzten Menschenweg nichts wissen. Es gehört aber zur Schule der Demut, daß wir unsere Hand nicht schonen, wo sie einen Dienst verrichten kann, und daß wir unsere Zeit nicht in eigene Regie nehmen, sondern sie von Gott füllen lassen. Im Kloster nimmt das Gehorsams- I gelübde gegen den Abt dem Mönch das Verfügungsrecht über seine Zeit. Im evangelischen Gemeinschaftsleben tritt der freie Dienst am Bruder an die Stelle des Gelübdes. Nur wo die Hände sich für das Werk der Liebe und der Barmherzigkeit in täglicher Hilfs­ bereitschaft nicht zu gut sind, kann der Mund das Wort von der 74 Vgl. Lk 1 0,3 1 . 0 75 EG.BP 230,1 ( ,,50 führst du doch recht selig, Herr, die Deinen"): Lied zu Ps 4,4 von Gottfried Arnold (1 666-1714).

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Liebe und der Barmherzigkeit Gottes freudig und glaubwürdig verkündigen. Wir sprechen drittens von dem Dienst, der im Tragen des Andern besteht. " Einer trage des Andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen" (Gal. 6,2). So ist das Gesetz Christi ein Gesetz des Tragens. Tragen ist ein Erleiden. Der Bruder ist dem Christen eine Last, gerade dem Christen. Dem Heiden wird der Andere gar nicht erst zur Last. Er geht jeder Belastung durch ihn aus dem Wege, der Christ muß die Last des Bruders tragen. Er muß den Bruder erleiden. Nur als Last ist der Andere wirklich Bruder und nicht beherrschtes Objekt. Die Last der Menschen ist Gott selbst so schwer gewesen, daß er unter ihr ans Kreuz mußte. Gott hat die Menschen am Leibe J esu Christi wahrhaftig erlitten. So aber hat er sie getragen, wie eine Mutter ihr Kind, wie ein Hirte das verlorene Lamm. Gott nahm die Menschen an, da drückten sie ihn zu Boden, aber Gott blieb bei ihnen und sie bei Gott. Im Erleiden der Menschen hat Gott Gemeinschaft mit ihnen gehalten. Es ist das Gesetz Christi, das im Kreuz in Erfüllung ging. An diesem Gesetz bekommen die Christen teil. Sie sollen den Bruder tragen und erleiden, aber, was wichtiger ist, sie können nun auch den Bruder tragen unter dem erfüllten Gesetz Christi. Auffallend oft spricht die Schrift vom Tragen. Sie vermag mit diesem Wort das ganze Werk Jesu Christi auszudrücken. " Für­ wahr er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmer­ zen, die Strafe lag auf ihm, auf daß wir Frieden hätten" Ges. 53/6• Sie kann darum auch das ganze Le- I ben der Christen als Tragen des Kreuzes bezeichnen. Es ist die Gemeinschaft des Leibes Christi, die sich hier verwirklicht. Es ist die Gemein­ schaft des Kreuzes, in der einer die Last des andern erfahren muß. Erführe er sie nicht, so wäre es keine christliche Gemein­ schaft. Weigerte er sich, sie zu tragen, so verleugnete er das Gesetz Christi. Es ist zuerst die Freiheit des Andern, von der wir früher sprachen, die dem Christen eine Last ist. 77 Sie geht gegen seine Selbstherrlichkeit und doch muß er sie anerkennen. Er könnte sich dieser Last entledigen, indem er den andern nicht freigäbe, 76 Vgl. Jes S3,4a und sb.

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77 Vgl. S. 29-3 1 .

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sondern vergewaltigte, ihm sein Bild aufprägte. Läßt er aber Gott sein Bild an ihm schaffen, so läßt er ihm damit die Freiheit und trägt selbst die Last solcher Freiheit des andern Geschöp­ fes. Zur Freiheit des Andern gehört all das, was wir unter Wesen, Eigenart, Veranlagung verstehen, gehören auch die Schwächen und Wunderlichkeiten, die unsere Geduld so hart beanspruchen, gehört alles, was die Fülle der Reibungen, Ge­ gensätze und Zusammenstöße zwischen mir und dem Andern hervorbringt. Die Last des Andern tragen heißt hier, die ge­ schöpfliche Wirklichkeit des Andern ertragen, sie bejahen und in ihrem Erleiden zur Freude an ihr durchdringen. Besonders schwer wird das, wo Starke und Schwache im Glauben in einer Gemeinschaft verbunden sind. Der Schwache richte nicht den Starken, der Starke verachte nicht den Schwa­ chen. Der Schwache hüte sich vor Hochmut, der Starke vor Gleichgültigkeit. Keiner suche sein eigenes Recht. Fällt der Starke, so bewahre der Schwache sein Herz vor Schadenfreude, fällt der Schwache, so helfe ihm der Starke freundlich wieder auf. Einer braucht so viel Geduld wie der Andere. "Weh dem, der allein ist ! Wenn er fällt, so ist keiner da, der ihm aufhilft" (Pred. Sal. 4, 1 0) . Von diesem Ertragen des Andern in seiner Freiheit spricht wohl auch die Schrift, wenn sie ermahnt: "Vertrage einer den Andern" I (Kol. 3, 1 3) . "Wandelt mit aller Demut und Sanftmut und Geduld und vertraget einer den Andern in der Liebe" (Eph. 4,2). Zur Freiheit des Andern kommt ihr Mißbrauch in der Sünde, die dem Christen an seinem Bruder zur Last wird. Die Sünde des Andern ist noch schwerer zu tragen als seine Freiheit ; denn in der Sünde wird die Gemeinschaft mit Gott und mit den Brüdern zerrissen. Hier erleidet der Christ den Bruch der in J esus Christus gestifteten Gemeinschaft am Andern. Hier aber wird auch im Tragen die große Gnade Gottes erst ganz offen­ bar. Den Sünder nicht verachten, sondern tragen dürfen, heißt ja, ihn nicht verloren geben müssen, ihn annehmen dürfen, ihm die Gemeinschaft bewahren dürfen durch Vergebung. " Liebe Brüder, so ein Mensch etwa von einer Sünde übereilt würde, so helfet ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist" (Gal. 6, 1 ) . Wi e Christus uns als Sünder trug und annahm, s o dürfen wir in seiner Gemeinschaft Sünder tragen und annehmen zur Gemein-

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schaft Jesu Christi durch Vergebung der Sünden. Wir dürfen die Sünden des Bruders erleiden, wir brauchen nicht zu richten. Das ist Gnade für den Christen ; denn welche Sünde geschieht in der Gemeinschaft, bei der er sich nicht zu prüfen und anzuklagen hätte auf seine eigene Untreue im Gebet und in der Fürbitte, auf seinen Mangel an brüderlichem Dienst, an brüder­ licher Zurechtweisung und Tröstung, ja auf seine persönliche Sünde, auf seine geistliche Zuchtlosigkeit, mit der er sich, der Gemeinschaft und den Brüdern Schaden getan hat ? Weil j ede Sünde des Einzelnen die ganze Gemeinschaft belastet und verklagt, darum jauchzt die Gemeinde in allem Schmerz, der ihr durch die Sünde des Bruders zugefügt wird, und unter aller Last, die damit auf sie fällt, daß sie gewürdigt ist, Sünde zu tragen und zu vergeben. " Siehe, so trägst du sie alle, so tragen sie dich wiederum alle und sind alle Dinge gemein, gut und böse" (Luther). 78 Den Dienst der Vergebung tut einer dem Andern täglich. I Ohne Worte geschieht er in der Fürbitte füreinander; und j edes Glied der Gemeinschaft, das in diesem Dienst nicht müde wird, darf sich darauf verlassen, daß auch ihm dieser Dienst von den Brüdern getan wird. Wer selbst trägt, weiß sich getragen, und nur in dieser Kraft kann er selbst tragen. Wo nun der Dienst des Hörens, der tätigen Hilfe, des Tragens treu getan wird, kann auch das Letzte und Höchste geschehen, der Dienst mit dem Worte Gottes . Es geht hier um das freie, nicht an Amt, Zeit und Ort gebundene Wort von Mensch zu Mensch. Es geht um die in der Welt einzigartige Situation, in der ein Mensch dem andern mit menschlichen Worten den ganzen Trost Gottes und die Ermah­ nung, die Güte und den Ernst Gottes bezeugt. Dieses Wort ist von unendlichen Gefahren umlauert. Ist ihm das rechte Hören nicht vorangegangen, wie sollte es dann wirklich das rechte Wort für den Andern sein ? Steht es im Widerspruch zur tätigen Hilfsbereitschaft, wie könnte es ein glaubwürdiges und wahr­ haftiges Wort sein ? Kommt es nicht aus dem Tragen, sondern aus der Ungeduld und dem Geist der Vergewaltigung, wie 78 M. Luther, Ein Sermon von dem hochwürdigen Sakrament. 1 5 1 9 (WA 2, 745).

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könnte es das befreiende und heilende Wort sein ? Umgekehrt verstummt gerade dort der Mund leicht, wo wirklich gehört, gedient, getragen worden ist. Das tiefe Mißtrauen gegen alles, was nur Wort ist, erstickt oft das eigene Wort zum Bruder. Was kann ein ohnmächtiges Menschenwort an einem andern aus­ richten ? Sollen wir die leeren Reden vermehren ? Sollen wir wie die geistlichen Routiniers über die wirkliche Not des Andern hinwegreden ? Was ist gefährlicher, als Gottes Wort zum Über­ fluß zu reden, wiederum, wer will es verantworten, geschwie� gen zu haben, wo er hätte reden sollen ? Wieviel leichter ist das geordnete Wort auf der Kanzel als dieses gänzlich freie, zwi­ schen der Verantwortung zum Schweigen und zum Reden stehende Wort ? I Zu der Furcht vor der eigenen Verantwortung zum Wort tritt die Furcht vor dem Andern hinzu. Was kostet es oft, den Namen Jesus Christus selbst einem Bruder gegenüber über die Lippen zu bringen. Es vermischt sich auch hier Richtiges und Falsches. Wer darf in den Nächsten eindringen ? Wer hat An­ spruch darauf, ihn zu stellen, zu treffen, ihn auf das Letzte hin anzureden ? Es wäre kein Zeichen großer christlicher Einsicht, wollte man hier einfach sagen, jeder habe diesen Anspruch, ja diese Verpflichtung. Der Geist der Vergewaltigung könnte sich hier in bösester Weise wieder einnisten. Der Andere hat in der Tat sein eigenes Recht, seine eigene Verantwortung und auch seine eigene Pflicht, sich gegen unbefugte Eingriffe zu wehren. Der Andere hat sein eigenes Geheimnis, das nicht angetastet werden darf ohne großen Schaden, das er nicht preisgeben darf, ohne sich selbst zu zerstören. Es ist nicht ein Geheimnis des Wissens oder Fühlens, sondern das Geheimnis seiner Freiheit, seiner Erlösung, seines Seins. Und doch liegt diese rechte Erkenntnis in so gefährlicher Nähe des mörderischen Kains­ wortes : " Soll ich meines Bruders Hüter sein ?"79 Die scheinbar geistlich begründete Respektierung der Freiheit des Andern kann unter dem Fluche des Gotteswortes stehen : " Sein Blut will ich von deiner Hand fordern" (Ez. 3 , 1 8) . Wo Christen zusammenleben, muß e s irgendwann und ir­ gendwie dazu kommen, daß einer dem andern persönlich Got79

Vgl. Gen 4,9.

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tes Wort und Willen bezeugt. Es ist undenkbar, daß von den Dingen, die jedem Einzelnen die Wichtigsten sind, nicht auch brüderlich gesprochen werden sollte. Es ist unchristlich, wenn einer dem Andern den entscheidenden Dienst wissentlich ver­ sagt. Will das Wort nicht über die Lippen, so werden wir uns zu prüfen haben, ob wir unseren Bruder nicht doch nur in seiner Menschenwürde sehen, die wir nicht anzutasten wagen und darüber das Wichtigste vergessen, daß auch er, er sei so alt, so hochgestellt, so bedeutend I wie er wolle, ein Mensch ist wie wir, der als Sünder nach Gottes Gnade schreit, der seine großen Nöte hat wie wir, der Hilfe, Trost und Vergebung braucht wie wir. Es ist die Grundlage, auf der Christen miteinander reden können, daß einer den Andern als Sünder weiß, der in aller seiner Menschenehre verlassen und verloren ist, wenn ihm nicht geholfen wird. Das bedeutet keine Verächtlichmachung, keine Verunehrung des Andern ; vielmehr wird hier dem Andern die einzige wirkliche Ehre erwiesen, die der Mensch hat, daß er nämlich als Sünder an Gottes Gnade und Herrlichkeit teilhaben soll, daß er Gottes Kind ist. Diese Erkenntnis gibt dem brüder­ lichen Wort die nötige Freiheit und Offenheit. Wir reden einander auf die Hilfe an, die wir beide brauchen. Wir ermah­ nen einander zu dem Weg, den Christus uns gehen heißt. Wir warnen einander vor dem Ungehorsam, der unser Verderben ist. Wir sind sanft und wir sind hart gegeneinander, denn wir wissen von Gottes Güte und von Gottes Ernst. 80 Warum sollten wir uns voreinander fürchten, da wir beide doch nur Gott zu fürchten haben ? Warum sollten wir meinen, der Bru­ der würde uns nicht verstehen, da wir es doch sehr gut verstan­ den, als irgendeiner uns, vielleicht mit ungeschickten Worten, Gottes Trost oder Gottes Ermahnung gesagt hat ? Oder glauben wir etwa, es gäbe einen einzigen Menschen, der weder der Tröstung noch der Ermahnung bedürftig wäre ? Warum hat uns Gott dann wohl die christliche Bruderschaft geschenkt ? Je mehr wir lernen, uns selbst das Wort vom Andern sagen zu lassen, auch harte Vorwürfe und Ermahnungen demütig und dankbar anzunehmen, desto freier und sachlicher werden wir 80

Vgl. Röm 1 1 ,22. LB übersetzt: "Drum schau die Güte und den Ernst Gottes".

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zum eigenen Wort. Wer selbst in Empfindlichkeit und Eitelkeit das ernste brüderliche Wort ablehnt, der kann auch dem An­ dern nicht in Demut die Wahrheit sagen, weil er die Ablehnung fürchtet und sich dadurch wieder selbst verletzt fühlt. Der Empfindliche wird immer I zum Schmeichler und damit alsbald zum Verächter und Verleumder seines Bruders. Der Demütige aber bleibt zugleich an der Wahrheit und an der Liebe. Er bleibt am Worte Gottes und läßt sich von ihm zum Bruder führen. Weil er nichts für sich sucht und fürchtet, kann er durch das Wort dem Andern helfen. Unerläßlich, weil von Gottes Wort geboten, ist die Zurecht­ weisung dort, wo der Bruder in offenbare Sünde fällt. Im engsten Kreise beginnt die Übung der Zucht der Gemeinde. Wo der Abfall vom Worte Gottes in Lehre oder Leben die häusliche Gemeinschaft und damit die ganze Gemeinde gefähr­ det, dort muß das ermahnende und strafende Wort gewagt werden. Nichts kann grausamer sein als jene Milde, die den Andern seiner Sünde überläßt. Nichts kann barmherziger sein als die harte Zurechtweisung, die den Bruder vom Wege der Sünde zurückruft. Es ist ein Dienst der Barmherzigkeit, ein letztes Angebot echter Gemeinschaft, wenn wir allein Gottes Wort zwischen uns stehen lassen, richtend und helfend. Nicht wir richten dann, Gott allein richtet und Gottes Gericht ist hilfreich und heilsam . Wir können bis zuletzt dem Bruder nur dienen, uns niemals über ihn erheben, wir dienen ihm auch dort noch, wo wir ihm das richtende und trennende Wort Gottes sagen, wo wir im Gehorsam gegen Gott die Gemeinschaft mit ihm aufheben. Wir wissen ja, es ist nicht unsere menschliche Liebe, mit der wir dem Andern unsere Treue halten, sondern es ist Gottes Liebe, die nur durch das Gericht hindurch zu den Menschen kommt. Indem Gottes Wort richtet, dient es selbst den Menschen. Wer sich mit Gottes Gericht dienen läßt, dem ist geholfen. Hier ist der Ort, an dem die Grenzen alles menschlichen HandeIns am Bruder deutlich werden : " Kann doch einen Bruder niemand erlösen, noch ihn Gott versöhnen ; denn es kostet zuviel, ihre Seele zu erlösen. Man muß es anstehen lassen ewiglich" (Ps . 49, 8 f. ). Dieser Verzicht auf das eigene I Vermögen ist gerade die Voraussetzung und die Bestäti­ gung für die erlösende Hilfe, die Gottes Wort allein dem

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Bruder geben kann. Wi r haben die Wege des Bruders nicht in der Hand, wir können nicht zusammenhalten, was zerbrechen will, wir können nicht am Leben erhalten, was sterben will. Aber Gott verbindet im Zerbrechen, schafft Gemeinschaft in der Trennung, gibt Gnade durch Gericht. Sein Wort aber hat er in unseren Mund gelegt. Durch uns will er es gesagt haben. Hindern wir sein Wort, so kommt das Blut des sündigen Bruders auf uns. Richten wir sein Wort aus, so will Gott durch uns unseren Bruder retten. "Wer einen Sünder bekehrt hat von dem Irrtum seines Weges, der wird eine Seele vom Tode erretten und wird die Menge der Sünden bedecken" (Jak. 5 , 20). " Wer unter euch will groß werden, der soll euer Diener sein" (Mark. 1 0, 43). Jesus hat alle Autorität in der Gemeinschaft an den brüderlichen Dienst gebunden. Echte geistliche Autorität gibt es nur, wo der Dienst des Hörens, Helfens, Tragens und Verkündigens erfüllt wird. Jeder Personenkult, der sich auf bedeutende Eigenschaften, auf hervorragende Fähigkeiten, Kräfte, Begabungen eines Andern - und seien sie durchaus geistlicher Art - erstreckt, ist weltlich und hat in der christli­ chen Gemeinde keinen Raum, ja er vergiftet sie. Das heute so oft gehörte Verlangen nach den " bischöflichen Gestalten", nach den " priesterlichen Menschen", nach " vollrnächtigen Per­ sönlichkeiten" entspringt oft genug dem geistlich kranken Be­ dürfnis nach Bewunderung von Menschen, nach Aufrichtung sichtbarer Menschenautorität, weil die echte Autorität des Dienstes zu gering erscheint. Nichts widerspricht solchem Ver­ langen schärfer als das Neue Testament selbst in seiner Schilde­ rung des Bischofs ( 1 . Tim. 3 , 1 ff. ) . Hier ist nichts von dem Zauber menschlicher Begabungen, von den glänzenden Eigen­ schaften einer geistlichen Persönlichkeit zu finden. Der Bischof I ist der schlichte, in Glauben und Leben gesunde treue Mann, der seinen Dienst an der Gemeinde recht versieht. Seine Autori­ tät liegt in der Ausrichtung seines Dienstes. Am Menschen selbst ist nichts zu bewundern. Die Sucht nach unechter Auto­ rität will zuletzt doch wieder irgendeine Unmittelbarkeit, eine Menschenbindung in der Kirche aufrichten. Echte Autorität weiß, daß alle Unmittelbarkeit gerade in Sachen der Autorität unheilvoll ist, daß sie nur im Dienste dessen bestehen kann, der allein Autorität hat. Echte Autorität weiß sich im strengsten

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Sinne gebunden an das Wort Jesu : " Einer ist euer Meister, Christus ; ihr aber seid alle Brüder" (Matth. 23 , 8) . Die Ge­ meinde braucht nicht glänzende Persönlichkeiten, sondern treue Diener Jesu und der Brüder. Es fehlt ihr auch nicht an j enen, sondern an diesen. Die Gemeinde wird ihr Vertrauen nur dem schlichten Diener des Wortes Jesu schenken, weil sie weiß, daß sie hier nicht nach Menschenweisheit und Menschendün­ kel, sondern mit dem Worte des guten Hirten geleitet wird. Die geistliche Vertrauensfrage, die mit der Autoritätsfrage in so engem Zusammenhang steht, entscheidet sich an der Treue, mit der einer im Dienste J esu Christi steht, niemals aber an den außerordentlichen Gaben, über die er verfügt. Seelsorgerliche Autorität kann nur der Diener J esu finden, der keine eigene Autorität sucht, der selbst unter die Autorität des Wortes gebeugt ein Bruder unter Brüdern ist.

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Beichte und Abendmahl.

"Bekennet einer dem andern seine Sünden" Oac. 5, 1 6) . Wer mit seinem Bösen allein bleibt, der bleibt ganz allein. Es kann sein, daß Christen trotz gemeinsamer Andacht, gemeinsamen Gebe­ tes, trotz aller Gemeinschaft im Dienst allein gelassen bleiben, daß der letzte Durchbruch zur Gemeinschaft nicht erfolgt, weil sie zwar als Gläubige, als Fromme Gemeinschaft miteinander haben, aber nicht als die Unfrommen, als die Sünder. Die fromme Gemeinschaft erlaubt es ja keinem, Sünder zu sein. Darum muß jeder seine Sünde vor sich selbst und vor der Gemeinschaft verbergen. Wir dürfen nicht Sünder sein. Unaus­ denkbar das Entsetzen vieler Christen, wenn auf einmal ein wirklicher Sünder unter die Frommen geraten wäre. Darum bleiben wir mit unserer Sünde allein, in der Lüge und der Heuchelei ; denn wir sind nun einmal Sünder. Es ist aber die Gnade des Evangeliums, die für den Frommen so schwer zu begreifen ist, daß es uns in die Wahrheit stellt und sagt : du bist ein Sünder, ein großer heilloser Sünder und nun komm als dieser Sünder, der du bist, zu deinem Gott, der dich liebt. Er will dich so, wie du bist, er will nicht irgend etwas von dir, ein Opfer, ein Werk, sondern er will allein dich. " Gib mir, mein Sohn, dein Herz" (Spr. 23,26). Gott ist zu dir gekommen, um den Sünder selig zu machen. Freue dich ! Diese Botschaft ist Befreiung durch Wahrheit. Vor Gott kannst du dich nicht verbergen. Vor ihm nützt die Maske nichts, die du vor den Menschen trägst. Er will dich sehen wie du bist, und er will dir gnädig sein. Du brauchst dich selbst und deinen Bruder nicht mehr zu belügen, als wärest du ohne Sünde, du darfst ein Sünder I sein, danke Gott dafür ; denn er liebt den Sünder, aber er haßt die Sünde. Christus wurde unser Bruder im Fleisch, damit wir ihm glaubten. In ihm war die Liebe Gottes zu dem Sünder gekom­ men. Vor ihm durften die Menschen Sünder sein und nur so wurde ihnen geholfen. Aller Schein hatte vor Christus ein Ende. Das Elend des Sünders und die Barmherzigkeit Gottes, das war die Wahrheit des Evangeliums in Jesus Christus. In

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dieser Wahrheit sollte seine Gemeinde leben. Darum gab er den Seinen die Vollmacht, das Bekenntnis der Sünde zu hören und die Sünde in seinem Namen zu vergeben. "Welchen ihr die Sünden vergebt, denen sind sie vergeben, welchen ihr sie behal­ tet, denen sind sie behalten" Goh. 20,23). Damit hat Christus uns die Gemeinde und in ihr den Bruder zur Gnade gemacht. Er steht nun an Christi Statt. Vor ihm brauche ich nicht mehr zu heucheln. Vor ihm allein in der ganzen Welt darf ich der Sünder sein, der ich bin ; denn hier regiert die Wahrheit J esu Christi und seine Barmherzigkeit. Christus wurde unser Bruder, um uns zu helfen ; nun ist durch ihn unser Bruder für uns zum Christus geworden in der Vollmacht seines Auftrages. Der Bruder steht vor uns als das Zeichen der Wahrheit und der Gnade Gottes. Er ist uns zur Hilfe gegeben. Er hört unser Sünden bekenntnis an Christi Statt, und er vergibt uns unsere Sünde an Christi Statt. Er bewahrt das Geheimnis unserer Beichte, wie Gott es bewahrt. Gehe ich zur brüderlichen Beichte, so gehe ich zu Gott. So ergeht in der christlichen Gemeinschaft der Ruf zur brüderlichen Beichte und Vergebung als zu der großen Gnade Gottes in der Gemeinde. In der Beichte geschieht der Durchbruch zur Gemeinschaft. Die Sünde will mit dem Menschen allein sein. Sie entzieht ihn der Gemeinschaft. Je einsamer der Mensch wird, desto I zerstö­ render wird die Macht der Sünde über ihn, und je tiefer wieder die Verstrickung, desto heilloser die Einsamkeit. Sünde will unerkannt bleiben. Sie scheut das Licht. Im Dunkel des Unaus­ gesprochenen vergiftet sie das ganze Wesen des Menschen. Das kann mitten in der frommen Gemeinschaft geschehen. In der Beichte bricht das Licht des Evangeliums in die Finsternis und Verschlossenheit des Herzens hinein. Die Sünde muß ans Licht. Das Unausgesprochene wird offen gesagt und bekannt. Alles Heimliche und Verborgene kommt nun an den Tag. Es ist ein harter Kampf, bis die Sünde im Geständnis über die Lippen kommt. Aber Gott zerbricht eherne Türen und eiserne Riegel (Ps. 1 07, 1 6) . Indem das Sündenbekenntnis im Angesicht des christlichen Bruders geschieht, wird die letzte Festung der Selbstrechtfertigung preisgegeben. Der Sünder liefert sich aus, er gibt all sein Böses hin, er gibt sein Herz Gott, und er findet

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die Vergebung aller seiner Sünde in der Gemeinschaft Jesu Christi und des Bruders . Die ausgesprochene, bekannte Sünde hat alle Macht verloren. Sie ist als Sünde offenbar geworden und gerichtet. Sie vermag die Gemeinschaft nicht mehr zu zerreißen. Nun trägt die Gemeinschaft die Sünde des Bruders. Er ist mit seinem Bösen nicht mehr allein, sondern er hat sein Böses mit der Beichte " abgelegt" , Gott hingegeben. Es ist ihm abgenommen. Nun steht er in der Gemeinschaft der Sünder, die von der Gnade Gottes im Kreuze Jesu Christi leben. Nun darf er Sünder sein und doch der Gnade Gottes froh werden. Er darf seine Sünden bekennen und gerade darin erst Gemeinschaft finden. Die verborgene Sünde trennte ihn von der Gemein­ schaft, machte alle scheinbare Gemeinschaft unwahr, die be­ kannte Sünde half ihm zur wahren Gemeinschaft mit den Brüdern in Jesus Christus. Dabei ist hier allein von der Beichte zwischen zwei Christen die Rede. Um die Gemeinschaft mit der ganzen Ge- I meinde wieder zu finden, bedarf es nicht eines Sündenbekenntnisses vor allen Gemeindegliedern. In dem einen Bruder, dem ich meine Sünde bekenne und der mir meine Sünden vergibt, begegnet mir schon die ganze Gemeinde. In der Gemeinschaft, die ich mit dem einen Bruder finde, ist mir schon die Gemein­ schaft der ganzen Gemeinde geschenkt ; denn hier handelt ja keiner im eigenen Auftrag und in eigener Vollmacht, sondern im Auftrag Jesu Christi, der der ganzen Gemeinde gilt, und den der Einzelne nur auszuführen berufen ist. Steht ein Christ in der Gemeinschaft der brüderlichen Beichte, so ist er nirgends mehr allein. In der Beichte geschieht der Durchbruch zum Kreuz. Die Wurzel aller Sünde ist der Hochmut, die superbia81 • Ich will für mich sein, ich habe ein Recht auf mich selbst, auf meinen Haß und meine Begierde, auf mein Leben und auf meinen Tod. Geist und Fleisch des Menschen sind von Hochmut entzündet ; denn der Mensch will gerade in seinem Bösen sein wie Gott. 8 1 Dt. : " Stolz", "Hochmut", "Hoffart". Aufgrund von Sir 1 0, 1 4 f ("Der Anfang aller Sünde ist der Hochmut") galt der klassischen Tradition der Stolz als Wurzel der Sünde in der Erhebung gegen Gott (vgl. auch Gen 3, 5). Vgl. etwa Thomas von Aquin, S. th. lI-lI q . 1 62 a. 7.

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Gemeinsames Leben

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Die Beichte vor dem Bruder ist tiefste Demütigung, sie tut weh, sie macht gering, sie schlägt den Hochmut furchtbar nieder. Vor dem Bruder als Sünder dazustehen, ist kaum zu ertragende Schmach. Im Bekenntnis konkreter Sünden stirbt der alte Mensch unter Schmerzen einen schmachvollen Tod vor den Augen des Bruders. Weil diese Demütigung so schwer ist, meinen wir immer wieder, der Beichte vor dem Bruder auswei­ chen zu können. Unsere Augen sind so verblendet, daß sie die Verheißung und die Herrlichkeit solcher Erniedrigung nicht mehr sehen. Es ist ja kein anderer als Jesus Christus selbst, der den Schandtod des Sünders an unserer Stelle in aller Öffentlich­ keit erlitten hat, er schämte sich nicht, als Übeltäter für uns gekreuzigt zu werden, und es ist ja nichts anderes als unsere Gemeinschaft mit Jesus Christus, die uns in das schmachvolle Sterben der Beichte hineinführt, damit wir in Wahr- I heit teilhaben an seinem Kreuz. Das Kreuz J esu Christi macht allen Hochmut zunichte. Wir können das Kreuz Jesu nicht finden, wenn wir uns scheuen dorthin zu gehen, wo er sich finden läßt, nämlich zum öffentlichen Sterben des Sünders, und wir weigern uns, das Kreuz zu tragen, wenn wir uns schämen, den schmach­ vollen Tod des Sünders in der Beichte auf uns zu nehmen. In der Beichte brechen wir durch zur echten Gemeinschaft des Kreuzes Jesu Christi, in der Beichte bejahen wir unser Kreuz. In dem tiefen geistlich-leiblichen Schmerz der Demütigung vor dem Bruder, das heißt ja: vor Gott, erfahren wir das Kreuz Jesu als unsere Rettung und Seligkeit. Der alte Mensch stirbt, aber über ihn hat Gott gesiegt. Nun haben wir teil an der Auferste­ hung Christi und am ewigen Leben. In der Beichte geschieht der Durchbruch zum neuen Leben. Wo Sünde gehaßt, bekannt und vergeben ist, dort ist der Bruch mit der Vergangenheit vollzogen. " Das Alte ist vergangen. " Wo aber mit der Sünde gebrochen ist, dort ist Bekehrung. Beichte ist Bekehrung. " Siehe, es ist alles neu geworden" (2. Kor. 5, 1 7) . Christus hat einen neuen Anfang mit uns ge­ macht. Wie die ersten Jünger auf Jesu Ruf alles hinter sich ließen und ihm nachfolgten, so gibt der Christ in der Beichte alles hin und folgt nach. Beichte ist Nachfolge. Das Leben mit J esus Christus und seiner Gemeinde hat angefangen. " Wer seine Missetat leugnet, dem wird es nicht gelingen. Wer sie aber

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bekennt und läßt, der wird Barmherzigkeit erlangen" (Spr. 28, 1 3 ) . In der Beichte fängt der Christ an, seine Sünde zu lassen. Ihre Herrschaft ist gebrochen. Von nun an erficht der Christ Sieg um Sieg. Was in der Taufe an uns geschah, das wird uns in der Beichte neu geschenkt. Wir sind errettet aus der Finsternis ins Reich Jesu Christi. Das ist Freudenbotschaft. Die Beichte ist die Erneuerung der Tauffreude. " Den Abend lang währt das Weinen, aber des Morgens ist Freude" (Ps. 30,6). I In der Beichte geschieht der Durchbruch zur Gewißheit. 82 Woran liegt es, daß uns oft das Sündenbekenntnis vor Gott leichter wird als vor dem Bruder? Gott ist heilig und ohne Sünde, er ist ein gerechter Richter des Bösen und ein Feind alles Ungehorsams. Der Bruder aber ist sündig wie wir, er kennt die Nacht der heimlichen Sünde aus eigner Erfahrung. Sollten wir nicht den Weg zum Bruder leichter finden als zum heiligen Gott ? Steht es bei uns aber anders, so müssen wir uns fragen, ob wir uns mit unserm Sündenbekenntnis vor Gott nicht oftmals selbst getäuscht haben, ob wir nicht vielmehr uns selbst unsere Sünden bekannten und sie uns auch selbst vergaben ? Und haben nicht die unzähligen Rückfälle, hat nicht die Kraftlosig­ keit unseres christlichen Gehorsams vielleicht eben darin ihren Grund, daß wir aus einer Selbstvergebung und nicht aus der wirklichen Vergebung unserer Sünde leben ? Selbstvergebung kann niemals zum Bruch mit der Sünde führen, das kann nur das richtende und begnadigende Wort Gottes selbst. Wer schafft uns hier Gewißheit, daß wir es im Bekenntnis und in der Vergebung unserer Sünden nicht mit uns selbst zu tun haben, sondern mit dem lebendigen Gott? Diese Gewißheit schenkt uns Gott durch den Bruder. Der Bruder zerreißt den Kreis der Selbsttäuschung. Wer vor dem Bruder seine Sünden bekennt, der weiß, daß er hier nicht mehr bei sich selbst ist, der erfährt in der Wirklichkeit des Andern die Gegenwart Gottes. Solange ich im Bekenntnis meiner Sünden bei mir selbst bin, bleibt alles im Dunkeln, dem Bruder gegenüber muß die Sünde ans Tageslicht. Weil aber die Sünde einmal doch ans Licht muß, darum ist es besser, es geschieht heute zwischen mir und dem Bruder, als daß es am letzten Tag in der Helle des jüngsten Gerichtes 82 Vgl. DBW 4, 287.

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geschehen muß. Es ist Gnade, daß wir dem Bruder unsere Sünden bekennen dürfen. Es ist Verschonung vor den Schrek­ ken des letzten Gerichtes. Dazu ist mir der Bruder gegeben, daß ich durch ihn I schon hier der Wirklichkeit Gottes gewiß werde in seinem Gericht und in seiner Gnade. Wie das Bekenntnis meiner Sünde dort dem Selbstbetrug entzogen wird, wo es vor dem Bruder geschieht, so ist auch die Zusage der Vergebung mir erst dort ganz gewiß, wo sie der Bruder mir im Auftrag und im Namen Gottes zuspricht. Um der Gewißheit der göttlichen Vergebung willen ist uns die brüderliche Beichte von Gott geschenkt. Um eben dieser Gewißheit willen aber geht es in der Beichte um das Bekenntnis konkreter Sünden. Mit allgemeinen Sünden­ bekenntnissen pflegen sich die Menschen selbst zu rechtferti­ gen. Die völlige Verlorenheit und Verdorbenheit der menschli­ chen Natur erfahre ich an meinen bestimmten Sünden, sofern sie überhaupt in meine Erfahrung eingeht. Die Prüfung an allen zehn Geboten wird darum die rechte Vorbereitung für die Beichte sein. Es könnte sonst geschehen, daß ich auch in der brüderlichen Beichte noch zum Heuchler werde und daß mir der Trost fern bleibt. Jesus hatte es mit Menschen zu tun, deren Sünden offenbar waren, mit Zöllnern und mit Dirnen. Sie wußten, wofür sie Vergebung brauchten, und sie empfingen sie als Vergebung ihrer besonderen Sünde. Den Blinden Bartimäus fragt J esus : was willst du, daß ich dir tun soll ?83 Auf diese Frage müssen wir vor der Beichte klare Antwort wissen. Auch wir empfangen in der Beichte die Vergebung bestimmter Sünden, die hier ans Licht kommen, und eben darin die Vergebung aller unserer Sünde, der erkannten und der unerkannten. Heißt das alles, daß die brüderliche Beichte ein göttliches Gesetz ist ? Die Beichte ist kein Gesetz, sondern sie ist ein Angebot göttlicher Hilfe für den Sünder. Es kann sein, daß einer ohne die brüderliche Beichte zur Gewißheit, zum neuen Leben, zum Kreuz und zur Gemeinschaft durchbricht durch Gottes Gnade. Es könnte ja sein, daß einer den Zweifel an I der Vergebung und an seinem Sündenbekenntnis niemals kennen lernt, daß ihm in der einsamen Beichte vor Gott alles geschenkt 83 Mk 1 0,5 1 ; Lk 18,4 1 .

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wird. Wir haben hier für die gesprochen, die das von sich nicht bekennen können. Luther selbst gehörte zu denen, die ihr christliches Leben ohne die brüderliche Beichte nicht mehr denken konnten. Im Großen Katechismus hat er gesagt : " Darum, wenn ich zur Beichte vermahne, so vermahne ich dazu, ein Christ zu sein" . 84 Denen, die trotz allen Suchens und Mühens die große Freude der Gemeinschaft, des Kreuzes, des neuen Lebens und der Gewißheit nicht finden können, soll das göttliche Angebot gezeigt werden, das uns in der brüderlichen Beichte gemacht ist. Die Beichte steht in der Freiheit des Christen. Aber wer wird eine Hilfe, die Gott anzubieten für nötig gehalten hat, ohne Schaden ausschlagen ? Wem sollen wir die Beichte ablegen ? Jeder christliche Bruder darf nach der Verheißung Jesu dem andern zum Beichthörer werden. Wird er uns aber verstehen ? Steht er nicht vielleicht in seinem christlichen Leben so hoch über uns, daß er sich gerade von unserer persönlichen Sünde nur verständnislos abwenden kann ? Wer unter dem Kreuze J esu lebt, wer im Kreuze J esu die tiefste Gottlosigkeit aller Menschen und des eignen Herzens erkannt hat, dem ist keine Sünde mehr fremd ; wer vor der Furchtbarkeit der eignen Sünde, die Jesus ans Kreuz schlug, einmal erschrocken ist, der erschrickt auch vor der schwersten Sünde des Bruders nicht mehr. Er kennt das menschliche Herz aus dem Kreuz Jesu. Er weiß, wie es gänzlich verloren ist in Sünde und Schwachheit, wie es sich verirrt auf den Wegen der Sünde, und er weiß auch, wie es angenommen ist in Gnade und Barmherzigkeit. Allein der Bruder unter dem Kreuz kann meine Beichte hören. Nicht Lebenserfahrung, sondern Kreu­ zeserfahrung macht den Beichthörer. Der erfahrenste Men­ schenkenner weiß unendlich viel weniger vom menschlichen Her- I zen als der schlichteste Christ, der unter dem Kreuz Jesu lebt. Die größte psychologische Einsicht, Begabung, Erfahrung vermag ja das eine nicht zu begreifen : was Sünde ist. Sie weiß von Not, von Schwachheit und Versagen, aber sie kennt die Gottlosigkeit des Menschen nicht. Darum weiß sie auch nicht, daß der Mensch allein an seiner Sünde zugrunde geht und allein 84 Vgl. M. Luther, Der große Katechismus, Vermahnung zur Beicht. 1 529 (WA 30/1, 238; BSLK 732). Vgl. auch DBW 4, 287; 1 936 DBW 14, 75 1-755.

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durch Vergebung heil werden kann. Das weiß nur der Christ. Vor dem Psychologen darf ich nur krank sein, vor dem christli­ chen Bruder darf ich Sünder sein. Der Psycholog muß mein Herz erst erforschen und findet doch nie den tiefsten Grund, der christliche Bruder weiß : da kommt ein Sünder wie ich, ein Gottloser, der beichten will und Gottes Vergebung begehrt. Der Psycholog sieht mich an, als wäre kein Gott85, der Bruder sieht mich vor dem richtenden und barmherzigen Gott im Kreuz Jesu Christi. 86 Es ist nicht Mangel an psychologischen Kenntnissen, sondern Mangel an Liebe zu dem gekreuzigten Jesus Christus, wenn wir so armselig und untauglich sind für die brüderliche Beichte. Im täglichen ernsten Umgang mit dem Kreuz Christi vergeht dem Christen der Geist menschlichen Richtens und schwächlicher Nachsicht, er empfängt den Geist des göttlichen Ernstes und der göttlichen Liebe. Der Tod des Sünders vor Gott und das Leben aus dem Tode durch Gnade wird ihm tägliche Wirklichkeit. So liebt er die Brüder mit der barmherzigen Liebe Gottes, die durch den Tod des Sünders zum Leben des Kindes Gottes führt. Wer kann unsere Beichte hören ? Wer selbst unter dem Kreuz lebt. Wo das Wort vom Gekreuzigten lebendig ist, dort wird auch brüderliche Beichte sem. Vor zwei Gefahren muß die christliche Gemeinschaft, die die Beichte übt, sich hüten. Die erste geht den Beichthörer an. Es ist nicht gut, wenn einer der Beichthörer für alle andern ist. Allzuleicht wird ein einzelner überlastet, wird ihm so die Beichte zur leeren Handlung und entsteht daraus der I unheil­ volle Mißbrauch der Beichte zur Ausübung geistlicher Gewalt­ herrschaft über die Seelen. Um dieser unheimlichsten Gefahr der Beichte nicht zu erliegen, hüte sich jeder, die Beichte zu hören, der sie nicht selbst übt. Nur der Gedemütigte kann ohne Schaden für sich selbst die Beichte des Bruders hören. Die zweite Gefahr geht den Beichtenden an. Er bewahre seine Seele um ihres Heiles willen davor, daß seine Beichte jemals zu einem frommen Werk wird. Dann nämlich wird sie die letzte, ab85 Vgl. 1 944 DBW 8, 530: . . . H. Grotius, der sein Naturrecht als Völkerrecht aufstellt, das Gültigkeit hat ,etsi deus non daretur', ,auch wenn es keinen Gott gäbe'." 0 86 Vgl. Anm. 7 und 73. "

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scheulichste, heilloseste, unkeuscheste Preisgabe des Herzens, sie wird zum wollüstigen Geschwätz. Die Beichte als frommes Werk ist ein Gedanke des Teufels. Ganz allein auf das Angebot der Gnade Gottes, der Hilfe und Vergebung hin dürfen wir uns in den Abgrund der Beichte hineinwagen, allein um der Verhei­ ßung der Absolution willen dürfen wir beichten. Beichte als Werk ist der geistliche Tod, Beichte auf Verheißung hin ist Leben. Vergebung der Sünden allein ist Grund und Ziel der Beichte. So gewiß die Beichte ein in sich geschlossenes Handeln im N amen Christi ist und in der Gemeinschaft so oft geübt wird, wie das Verlangen danach besteht, so dient die Beichte der christlichen Gemeinschaft besonders zur Vorbereitung des ge­ meinsamen Ganges zum heiligen Abendmahl. Versöhnt mit Gott und Menschen wollen die Christen Leib und Blut Jesu Christi empfangen. Es ist das Gebot Jesu, daß keiner mit unversöhntem Herzen gegen seinen Bruder zum Altar komme. 87 Gilt dieses Gebot schon für jeden Gottesdienst, ja für jedes Gebet, so erst recht für den Gang zum Sakrament. Der Tag vor dem gemeinsamen Abendmahl wird die Brüder einer christlichen Gemeinschaft beieinander finden, einer erbittet vom andern Vergebung für begangenes Unrecht. Keiner kann recht bereitet zum Tisch des Herrn gehen, der diesen Gang zum Bruder scheut. Aller Zorn, Streit, Neid, böses Geschwätz und unbrüderliches Handeln muß abgetan I sein, wenn die Brüder miteinander die Gnade Gottes im Sakrament empfangen wol­ len. Doch ist die Abbitte beim Bruder noch nicht Beichte, und nur j ene steht unter dem ausdrücklichen Gebot Jesu. Die Bereitung zum Abendmahl wird aber beim Einzelnen auch das Verlangen wachrufen nach voller Gewißheit der Vergebung bestimmter Sünden, die ihn ängsten und quälen, und die nur Gott weiß. Diesem Verlangen wird das Angebot der brüderli­ chen Beichte und Absolution verkündigt. Wo Angst und Not über die eigne Sünde groß geworden ist, wo Gewißheit der Vergebung gesucht wird, dort wird im Namen J esu zur brüder­ lichen Beichte eingeladen. Was J esus den Vorwurf der Gotteslä­ sterung eintrug, nämlich daß er Sünden vergab88, das geschieht 87

Vgl. Mt 5,23 f.

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Vgl. Mk 2,7; Mt 9,3 ; Lk 5,2 1 .

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nun in der christlichen Bruderschaft in der Kraft der Gegenwart Jesu Christi. Einer vergibt dem andern im Namen Jesu des dreieinigen Gottes alle seine Sünde89, und bei den Engeln im Himmel ist Freude über den Sünder, der sich bekehrt . 90 So wird die Vorbereitungszeit vor dem Abendmahl erfüllt sein von brüderlicher Ermahnung, Tröstung, von Gebeten, von Angst und von Freude. Der Tag des Abendmahls ist für die christliche Gemeinschaft ein Freudentag. Im Herzen versöhnt mit Gott und den Brüdern empfängt die Gemeinde die Gabe des Leibes und Blutes J esu Christi und in ihr Vergebung, neues Leben und Seligkeit. Neue Gemeinschaft mit Gott und Menschen ist ihr geschenkt. Die Gemeinschaft des heiligen Abendmahls ist die Erfüllung der christlichen Gemeinschaft überhaupt. So wie die Glieder der Gemeinde vereinigt sind in Leib und Blut am Tische des Herrn, so werden sie in Ewigkeit beieinander sein. Hier ist die Ge­ meinschaft am Ziel. Hier ist die Freude an Christus und seiner Gemeinde vollkommen. Das gemeinsame Leben der Christen unter dem Wort ist im Sakrament zu seiner Erfüllung gekom­ men.

89

Vgl. Mt 6, 14; 1 8,21 . 3 5 ; Lk 6,37; Jak 5 , 1 6.

D 90

Vgl. Lk 15,7.

Das Gebetbuch der Bibel

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Das Gebetbuch der Bibel

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" Herr, lehre uns beten ! " ! So sprachen die Jünger zu Jesus . Sie bekannten damit, daß sie von sich aus nicht zu beten vermoch­ ten. Sie müssen es lernen. Beten-lernen, das klingt uns wider­ spruchsvoll. Entweder ist das Herz so übervoll, daß es von selbst zu beten anfängt, sagen wir, oder es wird nie beten lernen. Das ist aber ein gefährlicher Irrtum, der heute freilich weit in der Christenheit verbreitet ist, als könne das Herz von Natur aus beten. Wir verwechseln dann Wünschen, Hoffen, Seufzen, Klagen, Jubeln - das alles kann das Herz ja von sich aus - mit Beten. Damit aber verwechseln wir Erde und Him­ mel, Mensch und Gott. Beten heißt ja nicht einfach das Herz ausschütten, sondern es heißt, mit seinem erfüllten oder auch leeren Herzen den Weg zu Gott finden und mit ihm reden. Das kann kein Mensch von sich aus, dazu braucht er Jesus Christus . D i e Jünger wollen beten, aber s i e wissen nicht, wie sie es tun sollen. Das kann eine große Qual werden, mit Gott reden wollen und es nicht können, vor Gott stumm sein müssen, spüren, daß alles Rufen im eigenen Ich verhallt, daß Herz und Mund eine verkehrte Sprache sprechen, die Gott nicht hören will. In solcher Not suchen wir Menschen, die uns helfen können, die etwas vom Beten wissen. Wenn uns I einer, der beten kann, in sein Gebet mit hineinnähme, wenn wir sein Gebet mitbeten dürften, dann wäre uns geholfen ! Gewiß kön­ nen uns erfahrene Christen hier viel helfen, aber sie können es auch nur durch den, der ihnen selbst helfen muß und zu dem sie uns weisen, wenn sie rechte Lehrer im Beten sind, durch J esus Christus. Wenn er uns mit in sein Gebet hineinnimmt, wenn wir sein Gebet mitbeten dürfen, wenn er uns auf seinem Wege zu Gott mit hinaufführt und uns beten lehrt, dann sind wir von der Qual der Gebetslosigkeit befreit. Das aber will J esus Chri­ stus . Er will mit uns beten, wir beten sein Gebet mit und dürfen darum gewiß und froh sein, daß Gott uns hört. Wenn unser Wille, unser ganzes Herz eingeht in das Gebet Christi, dann beten wir recht. Nur in Jesus Christus können wir beten, mit ihm werden auch wir erhört. So müssen wir also beten lernen. Das Kind lernt sprechen, weil der Vater zu ihm spricht. Es lernt die Sprache des Vaters. 1 Lk 1 1 , 1 .

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So lernen wir zu Gott sprechen, weil Gott zu uns gesprochen hat und spricht. An der Sprache des Vaters im Himmel lernen seine Kinder mit ihm reden. Gottes eigene Worte nachspre­ chend, fangen wir an zu ihm zu beten. Nicht in der falschen und verworrenen Sprache unseres Herzens, sondern in der klaren und reinen Sprache, die Gott in J esus Christus zu uns gesprochen hat, sollen wir zu Gott reden und will er uns hören. Gottes Sprache in J esus Christus begegnet uns in der Heili­ gen Schrift. Wollen wir mit Gewißheit und Freude beten, so wird das Wort der Heiligen Schrift der feste Grund unseres Gebetes sein müssen. Hier wissen wir, daß Jesus Christus, das Wort Gottes, uns beten lehrt. Die Worte, die von Gott kom­ men, werden die Stufen sein, auf denen wir zu Gott finden. Nun gibt es in der Heiligen Schrift ein Buch, das sich von allen anderen Büchern der Bibel dadurch unterscheidet, daß I es nur Gebete enthält. Das sind die Psalmen. 2 Es ist zunächst etwas sehr Verwunderliches, daß es in der Bibel ein Gebetbuch gibt. Die Heilige Schrift ist doch Gottes Wort an uns. Gebete aber sind Menschenworte. Wie kommen sie daher in die Bibel ? Wir dürfen uns nicht irre machen lassen : die Bibel ist Gottes Wort, auch in den Psalmen. So sind also die Gebete zu Gott Gottes eigenes Wort ? Das scheint uns schwer verständlich. Wir begreifen es nur, wenn wir daran denken, daß wir das rechte B eten allein von J esus Christus lernen können, daß es also das Wort des Sohnes Gottes, der mit uns Menschen lebt, an Gott den Vater ist, der in der Ewigkeit lebt. J esus Christus hat alle Not, alle Freude, allen Dank und alle Hoffnung der Menschen vor Gott gebracht. In seinem Munde wird das Menschenwort zum Gotteswort, und wenn wir sein Gebet mitbeten, wird wiederum das Gotteswort zum Menschenwort. So sind alle Gebete der Bibel solche Gebete, die wir mit Jesus Christus zusammen beten, in die er uns hineinnimmt und durch die er uns vor Gottes Angesicht trägt, oder es werden keine rechten Gebete ; denn nur in und mit Jesus Christus können wir recht beten. Wenn wir daher die Gebete der Bibel und besonders die Psalmen lesen und beten wollen, so müssen wir nicht zuerst 2 Zum Verständnis der Psalmen vgl. auch o . S. 38-43.

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danach fragen, was sie mit uns, sondern was sie mit Jesus Christus zu tun haben. Wir müssen fragen, wie wir die Psalmen als Gottes Wort verstehen können, und dann erst können wir sie mitbeten. Es kommt also nicht darauf an, ob die Psalmen gerade das ausdrücken, was wir gegenwärtig in unserem Herzen fühlen. Vielleicht ist es gerade nötig, daß wir gegen unser eigenes Herz beten, um recht zu beten. Nicht was wir gerade beten wollen, ist wichtig, sondern worum Gott von uns gebeten sein will. Wenn wir auf uns allein gestellt wären, so würden wir wohl auch vom Vaterunser oft nur die vierte Bitte beten. Aber Gott will es I anders . Nicht die Armut unseres Herzens, sondern der Reichtum des Wortes Gottes soll unser Gebet bestimmen. Wenn also die Bibel auch ein Gebetbuch enthält, so lernen wir daraus, daß zum Worte Gottes nicht nur das Wort gehört, das er uns zu sagen hat, sondern auch das Wort, das er von uns hören will, weil es das Wort seines lieben Sohnes ist. Das ist eine große Gnade, daß Gott uns sagt, wie wir mit ihm sprechen und Gemeinschaft haben können. Wir können es, indem wir im Namen J esu Christi beten. Dazu sind uns die Psalmen gegeben, daß wir sie im Namen Jesu Christi beten lernen. Auf die Bitte der Jünger hat Jesus ihnen das Vaterunser gegeben. 3 In ihm ist alles B eten enthalten. Was in die Bitten des Vaterunsers eingeht, ist recht gebetet, was in ihnen keinen Raum hat, ist kein Gebet. Alle Gebete der Heiligen Schrift sind im Vaterunser zusammengefaßt. Sie werden in seine unermeßli­ che Weite auJgenommen. Sie werden also durch das Vaterunser nicht überflüssig gemacht, sondern sie sind der unerschöpfliche Reichtum des Vaterunsers, wie das Vaterunser ihre Krönung und Einheit ist. Vom Psalter sagt Luther : " Er ist durchs Vaterunser und das Vaterunser durch ihn also gezogen, daß man eins aus dem andern sehr fein verstehen kann und lustig zusammenstimmen. «4 So wird das Vaterunser zum Prüfstein dafür, ob wir im Namen Jesu Christi beten oder im eigenen Namen. Es hat darum guten Sinn, wenn der Psalter in unser Neues Testament meist mit hineingebunden wird. Er ist das Gebet der Gemeinde J esu Christi, er gehört zum Vaterunser. 3

Vgl. Mt 6,9-1 3 ; Lk 1 1 ,2-4. 0 4 M. Luther, Vorrede zur Neuburger Psalter-

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Die B eter der Psalmen

Von den 1 50 Psalmen werden 73 dem König David zugeschrie­ ben, 12 dem von David angestellten Sangmeister Asaph, 12 der unter David wirkenden levitischen Sänger- I familie der Kinder Korah, 2 dem König Salomo, je einer den vermutlich unter David und Salomo tätigen Musikmeistern Heman und Ethan . So ist es verständlich, daß sich der Name Davids in besonderer Weise mit dem Psalter verbunden hat. Von David wird berichtet, daß er nach seiner heimlichen Salbung zum König zu dem von Gott verworfenen und mit einem bösen Geist geplagten König Saul gerufen worden sei, um ihm auf der Harfe vorzuspielen. " Wenn nun der Geist Gottes über Saul kam, so nahm David die Harfe und spielte mit seiner Hand, so erquickte sich Saul, und es ward besser mit ihm, und der böse Geist wich von ihm" ( 1 . Sam. 1 6, 2 3 ) . Das mag der Anfang der Psalmendichtung Davids gewesen sein. In der Kraft des Geistes Gottes, der mit der Salbung zum König über ihn gekommen war, vertreibt er den bösen Geist durch sein Lied. Kein Psalm aus der Zeit vor der Salbung ist uns überliefert. Erst der zum messianischen König Berufene, aus dem der verheißene König J esus Christus entstammen sollte, betete die Lieder, die später in den Kanon der Heiligen Schrift aufgenommen werden. David ist nach dem Zeugnis der Bibel als der gesalbte König des erwählten Volkes Gottes ein Vorbild auf Jesus Christus. Was ihm widerfährt, geschieht ihm um deswillen, der in ihm ist und aus ihm hervorgehen soll, Jesus Christus ; und das blieb ihm nicht unbewußt, sondern " da er nun ein Prophet war und wußte, daß ihm Gott verheißen hatte mit einem Eide, daß die Frucht seiner Lenden sollte auf seinem Stuhle sitzen, hat er's zuvorgesehen und geredet von der Auferstehung Jesu Christi" (Apg. 2 , 3 0 f. ) . David war ein Zeuge Christi in seinem Amt, seinem Leben, seinen Worten. Ja, mehr noch sagt das Neue

ausgabe. 1 545 (WA.DB 1 01II, 1 55).

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Die Beter der Psalmen

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Testament. In den Psalmen Davids spricht schon der verhei­ ßene Christus selbst (Hebr. 2, 1 2 ; 1 0 , 5) oder, wie es auch heißen kann, I der Heilige Geist (Hebr. 3 , 7) . Dieselben Worte also, die David sprach, sprach in ihm der zukünftige Messias . Die Ge­ bete D avids wurden von Christus mitgebetet oder vielmehr Christus selbst betete sie in seinem Vorläufer David. Diese kurze Bemerkung des Neuen Testaments wirft ein bedeutsames Licht auf den ganzen Psalter. Sie bezieht ihn auf Christus. Wie das im einzelnen zu verstehen ist, werden wir noch zu überlegen haben. Wichtig ist für uns, daß auch David nicht nur aus dem persönlichen Überschwang seines Herzens, sondern aus dem in ihm wohnenden Christus heraus betete. Der Beter seiner Psalmen bleibt zwar er selbst, aber in ihm und mit ihm Christus . Die letzten Worte des alten David sprechen das in geheimnisvoller Weise selber aus : " Es spricht David, der Sohn Isais, es spricht der Mann, der hoch erhoben ist, der Gesalbte des Gottes Jakobs, der liebliche Psalmensänger Isra­ els : der Geist des Herrn hat durch mich geredet und seine Rede ist auf meiner Zunge" , und nun folgt eine letzte Weissagung auf den künftigen König der Gerechtigkeit, J esus Christus (2 . Sam. 2 3 , 2 H. ) . Damit sind wir wiederum z u der Erkenntnis geführt, die wir früher gewonnen hatten. Gewiß sind nicht alle Psalmen von David, und es gibt kein Wort des Neuen Testamentes , das den ganzen Psalter Christus in den Mund legt. Immerhin müssen uns die genannten Andeutungen wichtig genug für den ganzen Psalter werden, der ja entscheidend mit dem Namen Davids verbunden ist, und von den Psalmen insgesamt sagt J esus selbst, daß sie seinen Tod und seine Auferstehung und die Predigt des Evangeliums verkündigt haben (Luk. 24,44 H . ) . Wie ist e s möglich, daß zugleich ein Mensch und J esus Christus den Psalter beten ? Es ist der menschgewordene Sohn Gottes, der alle menschliche Schwachheit an seinem eigenen Fleisch getragen hat, der hier das Herz der ganzen Menschheit vor Gott ausschüttet, der an unserer Stelle steht und für I uns betet. Er hat Qual und Schmerz, Schuld und Tod tiefer gekannt als wir. Darum ist es das Gebet der von ihm angenommenen menschlichen Natur, das hier vor Gott kommt. Es ist wirklich unser Gebet, aber da er uns besser kennt als wir selbst, da er

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Das Gebetbuch der Bibel

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selbst wahrer Mensch war uns zugut, ist es auch wirklich sein Gebet, und es kann unser Gebet nur werden, weil es sein Gebet war. Wer betet den Psalter ? D avid (Salomo, Asaph usw. ) betet, Christus betet, wir beten. Wir - das ist zunächst die ganze Gemeinde, in der allein der ganze Reichtum des Psalters gebetet werden kann, es ist schließlich aber auch j eder einzelne, sofern er an Christus und seiner Gemeinde teil hat und ihr Gebet mitbetet. David, Christus, die Gemeinde, ich selber - und wo wir dies alles miteinander bedenken, erkennen wir den wunder­ baren Weg, den Gott geht, um uns beten zu lehren.

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Namen, Musik, Vers g estalt

Die hebräische Überschrift des Psalters heißt soviel wie " Hym­ nen " . Ps . 72,20 werden alle vorangegangenen Psalmen " Gebete Davids " genannt. Beides ist überraschend und doch verständ­ lich. Zwar enthält der Psalter auf den ersten Blick weder ausschließlich Hymnen noch ausschließlich Gebete. Trotzdem sind auch die Lehrgedichte oder die Klagelieder im Grunde Hymnen, denn sie dienen dem Lobpreis der Herrlichkeit Got­ tes, und selbst diej enigen Psalmen, die nicht einmal eine Anrede an Gott enthalten (z. B. 1 . 2 . 78), dürfen Gebete genannt wer­ den, denn sie dienen der Versenkung in Gottes Gedanken und Willen. " Psalter" ist ursprünglich ein Musikinstrument und erst in übertragener Weise von der Sammlung der Gebete gebraucht, die Gott als Lieder dargebracht werden. I Die Psalmen, wie sie uns heute überliefert sind, sind großen­ teils für den gottesdienstlichen Gebrauch in Musik gesetzt. Singstimmen und Instrumente aller Art wirken zusammen. Wiederum ist es David, auf den die eigentliche liturgische Musik zurückgeführt wird. Wie einst sein Harfenspiel den bösen Geist vertrieb, so ist die heilige, gottesdienstliche Musik eine wirksame Kraft, so daß gelegentlich für sie dasselbe Wort gebraucht werden kann wie für die prophetische Verkündigung ( 1 . Chron. 2 5 , 2 ) . Viele der schwer verständlichen Überschriften der Psalmen sind Anweisungen für den Musikmeister. Ebenso das häufige " Sela" mitten in einem Psalm, das vermutlich ein hier einsetzendes Zwischenspiel bezeichnet. " D as Sela zeigt an, daß man muß stille halten und dem Worte des Psalmes fleißig nachdenken ; denn sie fordern eine ruhige und stillstehende Seele, die da begreifen und fassen könne, was ihr der Heilige Geist allda vorhält und einbildet" (Luther). 5 Die Psalmen wurden wohl meist im Wechselchor gesungen. 5 Bonhoeffer zitiert hier die Erlanger Ausgabe von: M. Luther, Auslegung des 67. Psalms. 1 521 (EA 39, 220). Eine leicht abweichende Fassung bietet WA 8, 25. Sinngemäß findet sich diese Deutung des Sela auch in: M. Luther, Operationes in Psalmos. 1 5 1 9-1521 (WA 5, 8 1 ).

1 14

Das Gebetbuch der Bibel

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Dafür waren sie auch durch ihre Versform besonders geeignet, dergemäß je zwei Versglieder so miteinander verbunden sind, daß sie mit anderen Worten im wesentlichen denselben Gedan­ ken aussprechen. Das ist der sogenannte Parallelismus der Glieder. Diese Form ist nicht zufällig, sondern sie ruft uns dazu auf, das Gebet nicht abbrechen zu lassen, und sie lädt dazu ein, miteinander zu beten. Was uns, die wir hastig zu beten gewöhnt sind, als unnötige Wiederholung erscheint, ist in Wahrheit die rechte Versenkung und Sammlung im Gebet, ist zugleich das Zeichen dafür, daß viele, ja daß alle Gläubigen mit verschiede­ nen Worten doch ein und dasselbe beten. So fordert uns die Versform noch besonders dazu auf, die Psalmen gemeinsam zu beten.

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Der Gottesdienst und die Psalmen

In vielen Kirchen werden sonntäglich oder sogar täglich Psal­ men im Wechsel gelesen oder gesungen. Diese Kirchen haben sich einen unermeßlichen Reichtum bewahrt, denn nur im täglichen Gebrauch wächst man in jenes göttliche Gebetbuch hinein. Bei nur gelegentlichem Lesen sind uns diese Gebete zu übermächtig in Gedanken und Kraft, als daß wir uns nicht immer wieder zu leichterer Kost wendeten. Wer aber den Psalter ernstlich und regelmäßig zu beten angefangen hat, der wird den anderen, leichten, eigenen " andächtigen Gebetlein bald Urlaub geben und sagen : ach, es ist nicht der Saft, Kraft, Brunst und Feuer, die ich im Psalter finde, es schmeckt mir zu kalt und zu hart" (Luther) . 6 Wo wir also in unseren Kirchen die Psalmen nicht mehr beten, da müssen wir den Psalter um so mehr in unsere tägli­ chen Morgen- und Abendandachten aufnehmen, j eden Tag mehrere Psalmen möglichst gemeinsam lesen und beten, damit wir mehrmals im Jahr durch dieses Buch hindurchkommen und immer tiefer eindringen. Wir dürfen dann auch keine Auswahl nach eigenem Gutdünken vornehmen, damit tun wir dem Gebetbuch der Bibel Unehre und meinen besser zu wissen, was wir beten sollen, als Gott selbst. In der alten Kirche war es nichts Ungewöhnliches, " den ganzen David" auswendig zu können. In einer orientalischen Kirche war dies Voraussetzung für das kirchliche Amt. Der Kirchenvater Hieronymus erzählt, daß man zu seiner Zeit in Feldern und Gärten Psalmen singen hörte. 7 Der Psalter erfüllte das Leben der jungen Christenheit.

6

M. Luther, Vorrede zur Neuburger Psalterausgabe. 1 545 (WA.DB 1 0/ II, 1 57). 0 7 Vgl. Hieronymus, Epistola ad Marcellam 24,4 (PL 22,428) und Epistola ad Marcellam 43,3 (PL 22,479). Diesen Hinweis hat Bonhoeffer übernommen von F. Delitzsch, Die Psalmen, 43. Vgl. auch ders., Biblischer Kommentar über die Psalmen (in Bonhoeffers Besitz; mit Unterstreichungen bei Ps 1 1 9).

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Das Gebetbuch der Bibel

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Wichtiger als dies alles aber ist, daß J esus mit Worten der Psalmen auf den Lippen am Kreuz gestorben ist. 8 Mit dem Psalter geht einer christlichen Gemeinde ein unver­ gleichlicher Schatz verloren, und mit seiner Wiedergewinnung werden ungeahnte Kräfte in sie eingehen.

8 Vgl. Mt 27,46 u. Mk 1 5,34 (Ps 22,2: " Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen."); Lk 23,46 (Ps 3 1 , 6 : "Vater in deine Hände lege ich meinen Geist. ").

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Einteilun g

Die Gegenstände, um die es im Psalmengebet geht, wollen wir folgendermaßen einteilen : Die Schöpfung ; das Gesetz ; die Heilsgeschichte ; der Messias ; die Kirche ; das Leben ; das Lei­ den ; die Schuld ; die Feinde ; das Ende. Es wäre nicht schwer, alle diese Stücke dem Vaterunser einzuordnen und so zu zeigen, wie der Psalter ganz in das Gebet Jesu aufgenommen ist. Um aber nicht dieses Ergebnis unserer B etrachtungen vorwegzu­ nehmen, wollen wir bei der den Psalmen selbst entnommenen Einteilung bleiben. Die Schöpfung Die Schrift verkündigt Gott als den Schöpfer Himmels und der Erden. Ihm Ehre, Lob und Dank zu bringen, rufen uns viele Psalmen auf. Es gibt j edoch keinen einzigen Psalm, der nur von der Schöpfung spricht. 9 Immer ist es der Gott, der sich seinem Volk in seinem Wort schon offenbart hat, der als der Schöpfer der Welt erkannt werden soll. Weil Gott zu uns gesprochen hat, weil uns Gottes Name offenbar geworden ist, können wir ihn als den Schöpfer glauben. Sonst könnten wir ihn nicht kennen. Die Schöpfung ist ein Bild der Macht und Treue Gottes, die er uns in seiner Offenbarung in J esus Christus erwiesen hat. Den Schöpfer, der sich uns als Erlöser offenbart hat, beten wir an. Psalm 8 preist den Namen Gottes und sein gnädiges Tun am Menschen als - von der Schöpfung her unbegreifliche - Krö­ nung seiner Werke. Ps. 19 kann von der Herrlichkeit des Laufes der Gestirne nicht sprechen, ohne sogleich in j ähem, unvermit­ teltem neuem Einsatz der viel größeren Herrlichkeit der Offen9 Bonhoeffer wendet sich gegen die Vorstellung einer von der Christus­ Offenbarung unabhängigen oder von ihr nicht umgriffenen ,Schöpfungs offen­ barung', wie sie von einer volkstumsorientierten oder rassenideologisch über­ fremdeten Theologie vertreten wurde (vgl. DB 260-265). Er bietet statt dessen eine christologisch-eschatologisch vermittelte Deutung der Schöpfung. Vgl. DBW 2, 25 f, 1 52; DBW 3, 21 f, 135 f; 1 932 DBW 1 1 , 335-338 (in: "Zur theologi­ schen Begründung der Weltbundarbeit").

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Das Gebetbuch der Bibel

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barung seines Gesetzes zu gedenken und zur Buße zu rufen. Ps. 29 läßt uns die furchtbare Gewalt Gottes im I Gewitter bewundern, und doch liegt ihr Ziel in der Kraft, dem Segen und dem Frieden, den Gott seinem Volk schenkt. Ps. 1 04 faßt die Fülle der Werke Gottes ins Auge und sieht sie zugleich als ein Nichts vor ihm, dessen Ehre allein ewig bleibt und der zuletzt die Sünder vertilgen muß . Die Schöpfungspsalmen sind nicht lyrische Gedichte, son­ dern die Anleitung für das Volk Gottes , in der erfahrenen Heilsgnade den Weltschöpfer zu finden und zu ehren. Die Schöpfung dient den Gläubigen, und alle Kreatur Gottes ist gut, wenn wir sie mit Danksagung empfangen ( 1 . Tim. 4 , 3 f. ) . Danken aber können wir nur für das, was mit der Offenbarung Gottes in Jesus Christus in Einklang steht. Um Jesu Christi willen ist die Schöpfung mit all ihren Gaben da. So danken wir Gott mit, in und durch Jesus Christus, dem wir gehören, für die Herrlichkeit seiner Schöpfung. Das Gesetz Die drei Psalmen ( 1 . 1 9 . 1 1 9), die in besonderer Weise das Gesetz Gottes zum Gegenstand des Dankens, Lobens und Bittens machen, wollen uns vor allem die Wohltat des Gesetzes vor Augen führen. Unter " Gesetz" ist dann meist die ganze Erlösungstat Gottes und die Weisung für ein neues Leben im Gehorsam zu verstehen. Die Freude am Gesetz, an den Gebo­ ten Gottes erfüllt uns, wenn Gott unserem Leben durch J esus Christus die große Wendung gegeben hat. Daß Gott mir sein Gebot einmal verbergen könnte (Ps . 1 1 9, 1 9), daß er mich eines Tages seinen Willen nicht erkennen lassen könnte, ist die tiefste Angst des neuen Lebens . Es ist Gnade, Gottes Befehle zu kennen. Sie befreien uns von den selbstgemachten Plänen und Konflikten. Sie machen unsere Schritte gewiß und unseren Weg fröhlich. Gott gibt seine Gebote, damit wir sie erfüllen, und " seine Gebote sind nicht I schwer" ( 1 . Joh. 5 , 3 ) für den, der in Jesus Christus alles Heil gefunden hat. J esus ist selbst unter dem Gesetz gewesen und hat es in völligem Gehorsam gegen den Vater erfüllt. Gottes Wille wird seine Freude, seine Speise. So dankt er in uns für die

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Die Heilsgeschichte

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Gnade des Gesetzes und schenkt uns die Freude in sem er Erfüllung. Nun bekennen wir unsere Liebe zum Gesetz, wir bekräftigen, daß wir es gern halten, und bitten, daß wir in ihm unsträflich bewahrt bleiben. Nicht in eigener Kraft tun wir das, sondern wir beten es im Namen Jesu Christi, der für uns und in uns ist. Besonders schwer wird uns vielleicht der 1 1 9. Psalm um seiner Länge und Gleichmäßigkeit willen. lo Hier hilft uns ein ganz langsames, stilles, geduldiges Fortschreiten von Wort zu Wort, von Satz zu Satz. Dann erkennen wir, daß die scheinba­ ren Wiederholungen doch immer neue Wendungen der einen Sache sind, der Liebe zu Gottes Wort. Wie diese Liebe kein Ende nehmen kann, so auch die Worte nicht, die sie bekennen. Sie wollen uns durch ein ganzes Leben begleiten, und in ihrer Einfachheit werden sie zum Gebet des Kindes, des Mannes und des Greises. Die Heilsgeschichte Die Psalmen 78, 1 05, 1 06 erzählen uns von der Geschichte des Volkes Gottes auf Erden, von der erwählenden Gnade und Treue Gottes und von der Untreue und dem Undank seines Volkes. Ps. 78 hat überhaupt keine Gebetsanrede. Wie sollen wir diese Psalmen beten ? Ps . 1 06 fordert uns zu Dank, Anbe­ tung, Gelöbnis, Bitte, Sündenbekenntnis und Hilferuf ange­ sichts der vergangenen Heilsgeschichte auf. Dank für die Güte Gottes , die über seinem Volk in Ewigkeit währt, die auch wir Heutigen erfahren wie unsere Väter ; Anbetung für die Wunder, die Gott uns zugute tat, von der Erlösung I seiner Gemeinde aus Ägypten bis zu Golgatha ; Gelöbnis, das Gebot Gottes treuer zu halten als bisher ; Bitte um die Gnade Gottes hierzu nach seiner Verheißung; Bekenntnis der eigenen Sünde, Untreue und Unwürdigkeit angesichts so großer Barmherzigkeit ; Hilferuf um endliche Sammlung und Erlösung des Volkes Gottes . Wir beten diese Psalmen, indem wir all das, was Gott einst an seinem Volk tat, als uns getan ansehen, indem wir unsere 1 0 Vgl. das Fragment z u Psalm 1 1 9 (1 939/40 DBW 15, 499-537), an dem Bon­ hoeffer gegen Ende der Zeit der Sammelvikariate arbeitete.

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Schuld und Gottes Gnade bekennen, indem wir Gott auf Grund seiner vormaligen Wohltaten seine Verheißungen vor­ halten und um ihre Erfüllung bitten, indem wir schließlich die ganze Geschichte Gottes mit seiner Gemeinde erfüllt sehen in Jesus Christus , durch den uns geholfen wurde und wird. Um Jesu Christi willen bringen wir Gott Dank, Bitte und Bekennt­ lll S .

D e r Messias Gottes Heilsgeschichte kommt zur Vollendung in der Sendung des Messias . ! ! Von diesem Messias hat nach Jesu eigener Ausle­ gung der Psalter geweissagt (Luk. 24,44). Die Psalmen 22 und 69 sind der Gemeinde als die Leidenspsalmen Christi bekannt. Den Anfang des 22. Psalmes hat Jesus am Kreuz selbst gebetet und so ganz deutlich zu seinem Gebet gemacht. Den 2 3 . Vers legt Hebr. 2, 1 2 Christus i n d e n Mund. D i e Verse 9 und 1 9 sind unmittelbare Weissagungen auf die Kreuzigung J esu. Mag David selber einst diesen Psalm in seinem eigenen Leiden gebetet haben, so tat er es doch als der von Gott gesalbte und darum von den Menschen verfolgte König, aus dem Christus kommen sollte. Er tat es als der, der Christus in sich trug. Christus aber nahm sich dieses Gebetes an, und erst für ihn galt es in vollem Sinne. Wir aber können diesen Psalm nur beten in der Gemeinschaft J esu Christi, als die, I die an Christi Leiden teil bekommen haben. Nicht aus unserem zufälligen, persönli­ chen Leiden, sondern aus dem Christusleiden, das auch über uns gekommen ist, beten wir diesen Psalm. Immer aber hören wir Jesus Christus mit uns beten und durch ihn hindurch j enen alttestamentlichen König, und dieses Gebet nachsprechend, ohne es j e in seiner ganzen Tiefe ermessen oder erfahren zu können, treten wir mit Christus betend vor den Thron Gottes . Im Psalm 69 pflegt der 6 . Vers Schwierigkeiten zu bereiten, weil hier Christus Gott seine Torheit und Schulden klagt. Gewiß hat David hier von seiner persönlichen Schuld gespro11 Zur christologischen Interpretation vgl. 1 93 5 DBW 1 4, 369-377 ("Christus in den Psalmen"), s. dazu z. B. auch: E. G. Wendel, Studien zur Homilektik D. Bonhoeffers, bes. 87 ff u. 135 ff.

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Die Kirche

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chen. Christus aber spricht von der Schuld aller Menschen, auch der des David und meiner eigenen, die er auf sich genom­ men und getragen hat, und für die er nun den Zorn des Vaters erleidet. Der wahre Mensch J esus Christus betet in diesem Psalm und nimmt uns in sein Gebet hinein. Die Psalmen 2 und 1 1 0 bezeugen den Sieg Christi über seine Feinde, die Aufrichtung seines Reiches, die Anbetung durch das Volk Gottes. Auch hier knüpft die Weissagung an David und sein Königtum an. Wir aber erkennen in David schon den künftigen Christus. Luther nennt den 1 1 0. Psalm " den rechten hohen Hauptpsalm von unserem lieben Herrn Jesu Christo" . 1 2 D i e Psalmen 2 0 , 2 1 und 72 beziehen sich ursprünglich zwei­ fellos auf das irdische Königtum Davids und Salomos. Ps. 20 bittet um den Sieg des messianischen Königs über seine Feinde, um die Annahme seines Opfers durch Gott ; Ps. 21 dankt für Sieg und Krönung des Königs, Ps. 72 bittet für Recht und Hilfe der Armen, um Frieden, beständige Herrschaft, ewigen Ruhm im Reiche des Königs . Wir beten in diesen Psalmen um den Sieg J esu Christi in der Welt, wir danken für den gewonnenen Sieg und bitten um die Aufrichtung des Reiches der Gerechtigkeit und des Friedens unter dem König Jesus Christus. Dahin gehört auch Ps. 6 1 , 7 ff. ; 63, 1 2 . 1 Von der Liebe zu dem messianischen König spricht der viel umstrittene 45. Psalm, von seiner Schönheit, seinem Reichtum, seiner Macht. Bei der Hochzeit mit diesem König soll die Braut ihres Volkes und ihres Vaterhauses vergessen (Y. 1 1 ) und dem König huldigen. Ihm allein soll sie sich schmücken und mit Freude bei ihm einziehen . Das ist das Lied und das Gebet von der Liebe zwischen Jesus, dem König, und seiner Gemeinde, die ihm zugehört. Die Kirche Von Jerusalem, der Stadt Gottes , von den großen Festen des Gottesvolkes, vom Tempel und den schönen Gottesdiensten singen die Psalmen 27, 42, 46, 48, 63, 8 1 , 84, 87 u. a. Es ist die Gegenwart des Gottes des Heils in seiner Gemeinde, für die wir 12 M.

Luther, Predigt über den 1 1 0. Psalm. 1 535 (WA 4 1 , 79).

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hier danken, über die wir uns freuen, nach der wir uns sehnen. Was für den Israeliten der Berg Zion und der Tempel, das ist für uns die Kirche Gottes in aller Welt, wo immer Gott in seinem Wort und Sakrament bei seiner Gemeinde Wohnung macht. Diese Kirche wird allen Feinden zum Trotz bleiben (Ps. 46), ihre Gefangenschaft unter die Mächte der gottlosen Welt wird ein Ende nehmen ( 1 26, 1 3 7) . Der in Christus seiner Gemeinde gegenwärtige, gnädige Gott ist die Erfüllung alles Dankens, aller Freude und Sehnsucht der Psalmen. Wie Jesus, in dem doch Gott selbst wohnt, nach der Gemeinschaft Gottes Verlan­ gen hatte, weil er ein Mensch wie wir gewesen war (Luk. 2 , 49), so betet er mit uns um die völlige Nähe und Gegenwart Gottes bei den Seinigen. Gott hat verheißen, im Gottesdienst seiner Gemeinde gegen­ wärtig zu sein. So hält die Gemeinde nach Gottes Ordnung ihren Gottesdienst. Den vollkommenen Gottesdienst aber hat J esus Christus selbst dargebracht, in dem er alle ver- I ordneten Opfer in seinem freiwilligen, sündlosen Opfer vollendete. Christus brachte das Opfer Gottes für uns und unser Opfer für Gott in sich selbst dar. Uns bleibt nur noch das Lob- und Dankopfer in Gebeten, Liedern und in einem Leben nach Gottes Geboten (Ps. 1 5, Ps. 50). So wird unser ganzes Leben zum Gottesdienst, zum Dankopfer. Zu solchem Dankopfer will sich Gott bekennen und dem Dankbaren sein Heil zeigen (Ps . 50,23). Gott um Christi willen dankbar zu werden und ihn in der Gemeinde mit Herzen, Mund und Händen zu loben, das wollen uns diese Psalmen lehren. Das Leben Es fällt vielen ernsten Christen beim Beten der Psalmen auf, wie häufig die Bitte um Leben und Glück begegnet. Aus dem Blick auf das Kreuz Christi erwächst manchem der ungesunde Ge­ danke, als seien das Leben und sichtbare irdische Segnungen Gottes an sich schon ein zweifelhaftes und jedenfalls nicht zu begehrendes Gut. Sie nennen dann die entsprechenden Gebete des Psalters eine unvollkommene Vorstufe alttestamentlicher Frömmigkeit, die im Neuen Testament überwunden sei. Damit aber wollen sie geistlicher sein als Gott selbst.

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Das Leben

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Wie die Bitte um das tägliche Brot das ganze Gebiet der Notdurft des leiblichen Lebens umfaßt, so gehört die Bitte um Leben, Gesundheit und sichtbare Erweise der Freundlichkeit Gottes notwendig zu dem Gebet, das sich an Gott, den Schöp­ fer und Erhalter dieses Lebens, richtet. Das leibliche Leben ist nicht verächtlich, sondern dazu hat Gott uns seine Gemein­ schaft in J esus Christus geschenkt, daß wir in diesem - und dann freilich auch in j enem Leben vor ihm leben können. Dazu gibt er uns die irdischen Gebete, damit wir ihn desto besser erkennen, loben und lieben können. Gott I will, daß es den Frommen auf Erden wohlergeht (Ps . 3 7) . 13 Dieser Wille wird auch durch das Kreuz J esu Christi nicht außer Kraft gesetzt, sondern vielmehr bestätigt, und gerade dort, wo Menschen in der Nachfolge Jesu viele Entbehrungen auf sich nehmen müs­ sen, wie die Jünger, werden sie auf die Frage Jesu : " Habt ihr auch je Mangel gehabt ?" antworten : " Niemals !" (Luk. 22, 3 5). Voraussetzung dafür ist die Erkenntnis des Psalmes : " Das Wenige, das ein Gerechter hat, ist besser als das große Gut vieler Gottloser" (Ps . 37, 1 6) . Wir dürfen wirklich kein schlechtes Gewissen dabei haben, mit dem Psalter um Leben, Gesundheit, Friede, irdisches Gut zu beten, wenn wir nur wie der Psalm selbst dies alles als Erweise der gnädigen Gemeinschaft Gottes mit uns erkennen und dabei festhalten, daß Gottes Güte besser ist denn Leben (Ps . 63 , 4 ; 73 , 2 5 f. ) . D e r 1 03 . Psalm lehrt uns die ganze Fülle der Gaben Gottes von der Erhaltung des Lebens bis zur Vergebung der Sünden als eine große Einheit zu verstehen und für sie dankend und lobend vor Gott zu treten (vgl. auch Ps. 65). Um Jesu Christi willen gibt und erhält uns der Schöpfer das Leben. So will er uns bereit machen, zuletzt durch den Verlust aller irdischen Güter im Tode das ewige Leben zu gewinnen. Allein um Jesu Christi willen und auf sein Geheiß dürfen wir um die Lebensgüter beten, und um seinetwillen sollen wir es auch mit Zuversicht tun. Wenn wir aber empfangen, was wir bedürfen, so sollen wir nicht aufhören, Gott von Herzen zu danken, daß er um J esu Christi willen so freundlich ist. 13

Vgl. Ps 37,7.

1 24

Das Gebetbuch der Bibel

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Das Leiden " Wo findest du kläglichere, j ämmerlichere Worte an Traurig­ keit, denn die Klagepsalmen haben ? Da siehst du allen Heiligen ins Herz, wie in den Tod, ja wie in die Hölle. Wie I finster und dunkel ist's da an allerlei betrübtem Anblick des Zornes Got­ tes" (Luther). 14 In rechter Weise in den vielfachen Leiden, die die Welt über uns bringt, vor Gott zu kommen, lehrt uns der Psalter reichlich. Schwere Krankheit und tiefe Verlassenheit von Gott und Men­ schen, Bedrohung, Verfolgung, Gefangenschaft und was es an erdenklicher Not auf Erden gibt, die Psalmen kennen es ( 1 3 , 3 1 , 3 5 , 4 1 , 44, 54, 55, 56, 6 1 , 74, 79, 86, 8 8 , 1 02, 1 05 u . a. ) . Sie leugnen es nicht ab, sie täuschen sich nicht mit frommen Worten darüber hinweg, sie lassen es als harte Anfechtung des Glaubens stehen, ja sie sehen manchmal nicht mehr über das Leiden hinaus (Ps. 88), aber sie alle klagen es Gott. Kein einzelner Mensch kann aus eigener Erfahrung die Klagepsalmen nachbeten ; es ist die Not der ganzen Gemeinde zu allen Zeiten, wie sie J esus Christus nur allein ganz erfahren hat, die hier ausgebreitet ist. Weil sie mit Gottes Willen geschieht, ja weil Gott allein sie ganz weiß und besser weiß als wir selbst, darum kann auch nur Gott selbst helfen, aber darum müssen auch alle Fragen immer wieder gegen Gott selbst anstürmen. Es gibt in den Psalmen keine allzu geschwinde Ergebung in das Leiden. Immer geht es durch Kampf, Angst, Zweifel hin­ durch. An Gottes Gerechtigkeit, die den Frommen vom Un­ glück getroffen werden, den Gottlosen aber frei ausgehen läßt, ja an Gottes gutem, gnädigem Willen wird gerüttelt (Ps . 44, 35)15. Zu unbegreiflich ist sein Handeln. Aber selbst in der tiefsten Hoffnungslosigkeit bleibt Gott allein der Angeredete. Weder wird von Menschen Hilfe erwartet noch verliert der Geplagte in Selbstbemitleidung den Ursprung und das Ziel aller Not, Gott, aus den Augen. Er tritt zum Kampf gegen Gott für Gott an. Dem zornigen Gott wird seine Verheißung ungezählte

1 4 M . Luther, Vorrede auf den Psalter. 1 545 (WA.DB 1 0/1, 1 03). meint ist: Ps 44 und Ps 35.

D 15

Ge­

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Das Leiden

Male vorgehalten, seine frühere Wohltat, die Ehre seines Na­ mens unter den Menschen. Bin ich schuldig, warum vergibt Gott nicht ? Bin ich unschul­ I dig, warum macht er der Qual kein Ende und erweist meine Unschuld vor meinen Feinden ? (Ps. 3 8 , 79, 44). Eine theoreti­ sche Antwort auf alle diese Fragen gibt es nicht, so wenig wie im Neuen Testament. Die einzige wirkliche Antwort heißt : Jesus Christus. Diese Antwort aber wird in den Psalmen schon erbeten. Es ist ihnen ja allen gemeinsam, daß sie alle Not und Anfechtung auf Gott werfen : Wir können sie nicht mehr tragen, nimm du sie uns ab und trage sie selbst, du allein kannst mit dem Leiden fertig werden. Das ist das Ziel aller Klagepsal­ men. Sie beten um den, der die Krankheit auf sich lud und alle unsere Gebrechen trug, Jesus Christus, sie predigen Jesus Chri­ stus als die einzige Hilfe in den Leiden ; denn in ihm ist Gott bei uns. Um die volle Gemeinschaft mit Gott, der die Gerechtigkeit und die Liebe ist, geht es in den Klagepsalmen. Aber nicht nur ist J esus Christus das Ziel unseres Betens, sondern er ist auch in unserem Beten selbst mit dabei. Er, der alle Not getragen hat l 6, hat sie vor Gott gebracht, um unsertwillen hat er in Gottes Namen gebetet : " Nicht wie ich will, sondern wie du willst. " 1 7 U m unsertwillen hat e r a m Kreuz geschrieen : " Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen ?"1 8 Nun wissen wir, daß es kein Leiden auf Erden mehr gibt, in dem nicht Christus bei uns wäre, mit uns leidend, betend, der einzige Helfer. Auf diesem Grunde wachsen die großen Vertrauenspsalmen. Ein Gottvertrauen ohne Christus ist leer und ohne Gewißheit, ja es kann nur eine andere Form des Selbstvertrauens sein. Wer aber weiß, daß Gott in Jesus Christus selbst in unser Leiden eingegangen ist, der darf mit großem Vertrauen sagen : " Du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich"19 (Ps. 23, 3 7, 63, 73 , 9 1 , 1 2 1 ) .

1 6 Vgl. Jes 53,4; Mt 8 , 1 7 ; Joh 1 , 29. 0 23,4.

17

Mt 1 6,39. 0

18

Mt 27,45. 0

19

Ps

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Das Gebetbuch der Bibel

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Die Schuld Seltener als wir erwarten, begegnet uns im Psalter das Gebet um Vergebung der Sünden. Die meisten Psalmen setzen die volle Gewißheit der Vergebung der Sünden voraus. Das mag uns überraschen. Aber auch im Neuen Testament verhält es sich nicht anders. Es ist eine Verkürzung und Gefährdung des christlichen Gebetes, wenn es ausschließlich um die Vergebung der Sünden kreist. Es gibt ein getrostes Hinter-sieh-lassen der Sünde um J esu Christi willen. Dennoch fehlt im Psalter keineswegs das Bußgebet. Die sogenannten 7 Bußpsalmen (6, 32, 3 8 , 5 1 , 1 02, 1 3 0 , 1 43), aber nicht nur sie (Ps . 1 4 , 1 5 , 25, 3 1 , 39, 40, 4 1 u. a . ) führen uns in die ganze Tiefe der Sündenerkenntnis vor Gott, sie helfen uns zum Bekenntnis der Schuld, sie lenken unser ganzes Vertrauen auf die vergebende Gnade Gottes, so daß Luther sie mit Recht " p aulinische Psalmen"20 genannt hat. Meist führt ein besonde­ rer Anlaß zu solchem Gebet, sei es eine schwere Schuld (Ps . 32, 5 1 ), sei es ein unerwartetes Leiden, das in die Buße treibt (Ps . 3 8 , 1 02). Jedesmal wird alle Hoffnung auf die freie Verge­ bung gesetzt, wie sie uns Gott in seinem Wort von J esus Christus für alle Zeiten angeboten und zugesagt hat. Der Christ wird beim Beten dieser Psalmen kaum Schwierig­ keiten finden. Jedoch könnte die Frage entstehen, wie es zu denken sei, daß Christus auch diese Psalmen mit uns betet. Wie

20

Diese Formulierung geht wohl zurück auf K. Holl, Luthers Bedeutung für den Fortschritt der Auslegungskunst, 546: "Es ist kurz gesagt das paulinische Evangelium, was Luther als den tropologischen Sinn aus den Psalmen heraus­ holt . . . "; vgl. auch 549 f: "Luther fußt selbstverständlich auf der Überzeugung, daß die Bibel in allen ihren Teilen einen und denselben Sinn habe. Unter diesem Zwang deutet er das, was ihm in der Bibel das Wichtigste geworden war, das paulinische Evangelium, auch in die Psalmen hinein. Er merkt nicht, daß er damit dem Text die schwerste Gewalt antut. Die Psalmen predigen ja wie das ganze Alte Testament die Selbstgerechtigkeit . . . Die Deutung ins Paulinische war etwa das Gegenteil von dem, was der Text besagte. Sie fand nur bei den Bußpsalmen einen wirklichen Anhalt." Zum Einfluß Halls (1866-1 926), des Hauptbegründers der ,Lutherrenaissance', auf Bonhoeffers Lutherverständnis, aber auch zu dessen kritischen Vorbehalten vgl. DBW 1 (SC), 3 1 0 f; 1 925 DBW 9, 305-323 und DB 97 f.

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Die Schuld

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kann d e r Sündlose u m Vergebung bitten ? Nicht anders als wie der Sündlose die Sünde aller Welt tragen und für uns zur Sünde gemacht werden kann (2 . Kor. 5 , 2 1 ) . Nicht um seiner, aber um unserer Sünde willen, die er selbst auf sich genommen hat und für die er leidet, betet J esus um Vergebung der Sünde. Er stellt sich ganz zu uns, er will vor Gott ein Mensch sein wie wir. So betet er auch das menschlichste I aller Gebete mit uns und erweist sich gerade dabei als wahrer Sohn Gottes. Besonders auffallend und anstößig ist dem evangelischen Christen vielfach die Tatsache, daß im Psalter mindestens ebenso oft von der Unschuld wie von der Schuld der Frommen gesprochen wird (vgl. Ps. 5, 7, 9, 1 6, 1 7, 26, 3 5 , 4 1 , 44, 59, 66, 68, 69, 73 , 86 u . a. ) . Hier scheint ein Rest sogenannter alttesta­ mentlicher Werkgerechtigkeit sichtbar zu werden, mit dem der Christ nichts mehr anfangen kann. Doch bleibt diese Betrach­ tung ganz an der Oberfläche und weiß nichts von der Tiefe des Wortes Gottes. Es ist gewiß, daß man von der eigenen Un­ schuld in selbstgerechter Weise sprechen kann, aber wissen wir denn nicht, daß man auch die demütigsten Sündenbekenntnisse sehr selbstgerecht beten kann ? Von der eigenen Schuld kann ebenso fern von Gottes Wort geredet werden wie von der eigenen Unschuld. Aber nicht das ist ja die Frage, welche möglichen Motive hinter einem Gebet stehen, sondern ob der Inhalt des Gebetes selbst recht oder unrecht ist. Hier aber ist es deutlich, daß der gläubige Christ durchaus nicht nur etwas von seiner Schuld, sondern auch etwas j edenfalls ebenso Wichtiges über seine Unschuld und Gerechtigkeit zu sagen hat. Es gehört zum Glauben des Christen, daß er durch Gottes Gnade und das Verdienst Jesu Christi ganz gerecht und unschuldig vor Gottes Augen geworden ist, daß " nichts Verdammliches an denen ist, die in Christus Jesus sind" (Röm. 8 , 1 ) . Und es gehört zum Gebete des Christen, daß es an dieser ihm zuteil gewordenen Unschuld und Gerechtigkeit festhält, sich auf Gottes Wort beruft und für sie dankt. So dürfen wir nicht nur, sondern so müssen wir geradezu, wenn anders wir Gottes Handeln an uns überhaupt ernst nehmen, in aller Demut und Gewißheit beten : " Ich bin ohne Tadel vor ihm und hüte mich vor Sünden" (Ps . 1 8 , 24), " du prüfst mein Herz und findest nichts"

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Das Gebetbuch der Bibel

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(Ps . 1 7, 3 ) 2 1 . Mit solchem Gebet stehen wir mit- I ten im Neuen Testament, in der Kreuzesgemeinschaft J esu Christi. Besonders stark tritt die Beteuerung der Unschuld in den Psalmen hervor, die von der Bedrängnis durch gottlose Feinde handeln. Hier ist mehr an das Recht der Sache Gottes gedacht, die freilich dem, der ihr anhängt, auch recht gibt. Daß wir um der Sache Gottes verfolgt werden, setzt uns wirklich ins Recht gegenüber dem Feind Gottes. Neben der sachlichen Unschuld, die freilich niemals nur eine sachliche sein kann, weil die Sache der Gnade Gottes uns ja immer auch persönlich betrifft, kann dann in einem solchen Psalm das persönliche Schuldbekenntnis stehen (Ps . 4 1 , 5 ; 69, 6), das ja wiederum nur ein Anzeichen dafür ist, daß ich wirklich an der Sache Gottes hänge. Ich kann dann sogar im selben Atem bitten : " Richte mich und führe meine Sache wider das unheilige Volk" (Ps . 43 , 1 ) . Es i s t ein durchaus unbiblischer und zersetzender Gedanke, daß wir niemals unschuldig leiden können, solange in uns selbst noch irgendein Fehler steckt. So urteilt weder das Alte noch das Neue Testament. Werden wir um der Sache Gottes willen verfolgt, so leiden wir unschuldig, das heißt j a, dann leiden wir mit Gott selbst; und daß wir wirklich mit Gott und darum unschuldig sind, wird sich gerade darin erweisen, daß wir um Vergebung unserer Sünden bitten. Aber auch nicht nur gegenüber den Feinden Gottes sind wir unschuldig, sondern auch vor Gott selbst ; denn er sieht uns nun mit seiner Sache verbunden, in die er uns selbst hineingezogen hat, und vergibt uns unsere Sünden. So münden alle Un­ schuldspsalmen ein in das Lied : " Christi Blut und Gerechtig­ keit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid, damit will ich vor Gott bestehn, wenn ich zum Himmel werd eingehn. ,, 22 I Die Feinde Kein Stück des Psalters bereitet uns heute größere Not als die sogenannten Rachepsalmen. 2 3 In erschreckender Häufigkeit 21 Vgl. Ps 1 7,3 in LB: "Du prüfst mein Herz und siehest nach ihm des Nachts und läuterst mich, und findest nichts . . " 0 22 EG 350, 1 . Vgl. o . S. 41 Anm. 24. 0 23 Vgl. o . S. 40 f. .

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Die Feinde

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durchdringen ihre Gedanken den ganzen Psalter (5, 7, 9, 1 0 , 1 3 , 1 6 , 2 1 , 23, 2 8 , 3 1 , 3 5 , 36, 40, 4 1 , 44, 52, 54, 55, 5 8 , 59, 68, 69, 70 , 71 , 1 3 7 u. a. ) . Hier scheinen alle Versuche mitzubeten zum Scheitern verurteilt, hier scheint nun wirklich die sogenannte religiöse Vorstufe gegenüber dem Neuen Testament vorzulie­ gen. Christus betet am Kreuz für seine Feinde und lehrte uns ebenso beten. Wie können wir noch mit den Psalmen Gottes Rache über die Feinde herbeirufen ? Die Frage ist also : Lassen sich die Rachepsalmen als Gottes Wort für uns und als Gebet J esu Christi verstehen ? Können wir als Christen diese Psalmen beten ? Wohlgemerkt, wiederum fragen wir nicht nach mögli­ chen Motiven, die wir doch nicht ergründen können, sondern nach dem Inhalt des Gebetes. Die Feinde, von denen hier gesprochen wird, sind Feinde der Sache Gottes, die uns um Gottes willen angreifen. Es handelt sich also nirgends um persönlichen Streit. Nirgends will der Psalmenbeter die Rache in eigene Hand nehmen, er befiehlt die Rache Gott allein (vgl. Röm. 1 2 , 1 9) . Damit muß er sich selbst aller persönlichen Rachegedanken entschlagen, er muß frei sein von eigenem Rachedurst, sonst wäre die Rache nicht ernstlich Gott befohlen. Ja, nur wer selbst unschuldig ist gegenüber dem Feind, kann Gott die Rache anheimgeben. Das Gebet um die Rache Gottes ist das Gebet um die Vollstreckung seiner Ge­ rechtigkeit im Gericht über die Sünde. Dieses Gericht muß ergehen, wenn Gott zu seinem Wort steht, es muß ergehen, wen es auch trifft ; ich selbst gehöre mit meiner Sünde mit unter dieses Gericht. Ich habe kein Recht, dieses Gericht hindern zu wollen. Es muß erfüllt werden um Got- I tes willen, und es ist erfüllt worden, freilich in wunderbarer Weise. Gottes Rache traf nicht die Sünder, sondern den einzig Sündlosen, der an der Sünder Stelle getreten ist, den Sohn Gottes . J esus Christus trug die Rache Gottes, um deren Voll­ streckung der Psalm betet. Er stillte Gottes Zorn über die Sünde und betete in der Stunde der Vollstreckung des göttli­ chen Gerichtes : " Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun ! "24 Kein anderer als er, der den Zorn Gottes selbst trug, konnte so beten. Das war das Ende aller falschen Gedan24 Lk 23,34.

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Das Gebetbuch der Bibel

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ken über die Liebe Gottes, der die Sünde nicht so ernst nimmt. Gott haßt und richtet seine Feinde an dem einzigen Gerechten, und dieser bittet für die Feinde Gottes um Vergebung. Nur im Kreuz J esu Christi ist die Liebe Gottes zu finden. So führt der Rachepsalm zum Kreuz J esu und zur vergeben­ den Feindesliebe Gottes. Nicht ich kann von mir aus den Feinden Gottes vergeben, sondern allein der gekreuzigte Chri­ stus kann es, und ich darf es durch ihn . So wird die Vollstrek­ kung der Rache zur Gnade für alle Menschen in J esus Christus . Gewiß ist es ein bedeutsamer Unterschied, ob ich mit dem Psalm in der Zeit der Verheißung oder ob ich in der Zeit der Erfüllung stehe ; aber dieser Unterschied gilt für alle Psalmen. Ich bete den Rachepsalm in der Gewißheit seiner wunderbaren Erfüllung, ich stelle Gott die Rache anheim und bitte ihn um die Vollstreckung seiner Gerechtigkeit an allen seinen Feinden und weiß, daß Gott sich treu geblieben ist und sich Recht verschafft hat in seinem zornigen Gericht am Kreuz, und daß uns dieser Zorn zur Gnade und Freude geworden ist. Jesus Christus selbst bittet um die Vollstreckung der Rache Gottes an seinem Leibe, und er führt mich so täglich zu dem Ernst und der Gnade seines Kreuzes für mich und alle Feinde Gottes zurück. Auch heute kann ich nur durch das Kreuz Christi, durch die I Vollstreckung der Rache Gottes hindurch Gottes Liebe glauben und den Feinden vergeben. Das Kreuz Jesu gilt allen. Wer sich ihm widersetzt, wer das Wort vom Kreuz J esu verdirbt, an dem muß sich Gottes Rache selbst vollstrecken, er muß den Fluch Gottes tragen in dieser oder in jener Zeit. Von diesem Fluch aber, der denen gilt, die Christus hassen, spricht das Neue Testament in aller Klarheit und unterscheidet sich darin in nichts vom Alten, aber auch von der Freude der Gemeinde an dem Tage, an dem Gott sein letztes Gericht vollstrecken wird (Ga!. 1 , 8 f. ; 1 . Kor. 1 6, 22 ; Offenbarung 1 8 ; 1 9 ; 20, 1 1 ) . So lehrt uns der gekreuzigte J esus, die Rachepsalmen recht zu beten. Das Ende Die Hoffnung der Christen richtet sich auf die Wiederkunft J esu und die Auferstehung der Toten. Im Psalter findet sich

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Das Ende

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diese Hoffnung nicht wörtlich ausgesprochen. Was sich seit der Auferstehung Jesu für die Kirche in eine lange Reihe heils ge­ schichtlicher Ereignisse am Ende aller Dinge aufgegliedert hat, ist für den Blick des Alten Testaments noch ein einziges unteil­ bares Ganzes. Das Leben in der Gemeinschaft mit dem Gott der Offenbarung, der endliche Sieg Gottes in der Welt und die Aufrichtung des messianischen Königtums sind Gegenstand des Gebetes in den Psalmen. Der Sache nach liegt hier kein Unterschied zum Neuen Testament. Zwar bitten die Psalmen um Gemeinschaft mit Gott im irdischen Leben, aber sie wissen, daß diese Gemeinschaft nicht im irdischen Leben aufgeht, sondern weit darüber hinaus­ reicht, ja im Gegensatz zu ihm steht (Ps. 1 7, 1 4 f. ; 6, 3425) . So ist das Leben in der Gemeinschaft mit Gott immer schon j enseits des Todes . Der Tod ist zwar das unwiderrufliche bittere Ende für Leib und Seele. Er ist der Sünde Sold, und I die Erinnerung an ihn tut not (Ps. 3 9 . 90). Jenseits des Todes aber ist der ewige Gott (Ps . 90. 1 02). Darum wird nicht der Tod, sondern das Leben in der Kraft Gottes triumphieren (Ps . 1 6 , 9 ff. ; 56, 1 4 ; 49, 1 6 ; 73 , 24 ; 1 1 8 , 1 5 ff. ) . Dieses Leben finden wir in der Aufer­ stehung J esu Christi, und wir erbitten es für diese und jene Zeit. Die Psalmen vom Endsieg Gottes und seines Messias (2. 96. 97. 9 8 . 1 1 0. 1 48-1 50) führen uns in Lob, Dank und Bitte an das Ende aller Dinge, wenn alle Welt Gott die Ehre geben wird, wenn die erlöste Gemeinde mit Gott in Ewigkeit herrschen wird, wenn die Mächte des Bösen fallen und Gott allein die Macht behält. Wir haben diesen kurzen Gang durch den Psalter unternom­ men, um einige Psalmen vielleicht besser beten zu lernen. Es wäre nicht schwer, alle die genannten Psalmen dem Vaterunser einzuordnen. Wir brauchten an der Reihenfolge der Ab­ schnitte, die wir besprachen, nur wenig zu ändern. Wichtig aber ist allein dies, daß wir von neuem und mit Treue und Liebe die Psalmen im Namen unseres Herrn Jesu Christi zu beten begin­ nen.

25 Gemeint ist: Ps 6 und Ps 34.

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Das Gebetbuch der Bibel

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" Unser lieber Herr, der uns den Psalter und das Vaterunser zu beten gelehrt und gegeben hat, verleihe uns auch den Geist des Gebetes und der Gnade, daß wir mit Lust und ernstem Glauben recht und ohne Aufhören beten ; denn es tut uns not ; so hat er's geboten und will's also von uns haben. Dem sei Lob, Ehre und Dank. Amen. " (Luther. )26

26

M. Luther, Vorrede zur Neuburger Psalterausgabe. 1 545 (WA.DB 1 0/II, 1 57).

Nachwort der Heraus g eber

I

Kirchlicher und zeitgeschichtlicher Hintergrund " Gemeinsames Leben" beschreibt und reflektiert, was Bon­ hoeffer mit den Kandidaten des Predigerseminars Finkenwalde und mit dem , Bruderhaus' von 1 93 5-1 937 praktiziert hat. Die Fragen nach Gestalt und Bedeutung christlicher Gemeinschaft hatten ihn freilich schon lange vorher beschäftigt. Bald nach­ dem er seine Lehrtätigkeit als Privatdozent an der Berliner Theologischen Fakultät begonnen hatte, lud er seine Studenten zu Freizeiten ein - für den Universitätsbetrieb der damaligen Zeit ein ungewöhnlicher Vorgang. ! Man traf sich in der Jugend­ herberge Prebelow bei Rheinsberg im Norden von Berlin oder in einer Laube auf einem Wiesengrundstück bei Biesenthal. Mit Morgen- und Abendandachten, stiller Zeit, viel Singen und ausgiebigem theologischem Gespräch war der Aufriß des ge­ meinsamen Lebens für Finkenwalde im wesentlichen gegeben. Die damals in Prebelow geführten Gespräche machten es eini­ gen Berliner Teilnehmern später leicht, die strenge Ordnung im Predigerseminar zu bejahen. Die Mehrheit jedoch hatte zu­ nächst damit ihre Schwierigkeiten. Im Zusammenhang mit den Rüstzeiten 1 93 1 /32 bildete sich ein Kreis, der zusammenblieb, als Bonhoeffer das Londoner Pfarramt angetreten hatte. Thema war das christliche Leben, wobei es Bonhoeffer immer um konkrete Verwirklichung ging. " Die Unsichtbarkeit macht uns kaputt", schrieb er 1 93 1 an einen Freund. 2 Wie ein geordnetes Leben in einer festen christlichen Ge­ meinschaft aussehen kann, studierte er während seines Eng­ landaufenthaltes in anglikanischen Klöstern und freikirchlichen Gemeinschaften. Durch Vermittlung Bischof BeIls lernte er u. a. die Community of the Resurrection in Mirfield, in deren I Vgl. zum Folgenden DB 252 f. 1 93 1 DBW 1 1 , 33.

2

1 34

Nachwort der Herausgeber

Gemeinschaft er den 1 1 9. Psalm besonders lieb gewann, und die Society of the Sacred Mission in Kelham kennen. Darüber hinaus besuchte er aber auch das Methodisten-College in Rich­ mond und das Quäker-Zentrum Selly Oak bei Birmingham.3 So gerüstet übernahm er im April 1 935 eines der Predigersemi­ nare der Bekennenden Kirche. Diese hatte als Konsequenz der von der Dahlemer Synode 1 934 gefaßten Beschlüsse im folgen­ den Jahr unter größten Opfern Predigerseminare und Kirchliche Hochschulen eingerichtet - letztere von Anfang an unter ständi­ gen Einschränkungen und Verfolgungen durch Staats- und Par­ teiorgane. Die Bekennende Kirche wollte damit einerseits die von ihr beanspruchte Ausbildungshoheit dokumentieren; ande­ rerseits wollte sie ein Gegengewicht gegen solche Theologischen Fakultäten schaffen, die durch den Einbruch der Deutschen Christen und ihrer Verbündeten für die Bekennende Kirche nicht mehr tragbar waren. Den Predigerseminaren kam daher eine besondere Bedeutung im Kirchenkampf zu. Bonhoeffer legte Wert auf unmittelbaren Praxisbezug. So gehörte es zum Pensum des Finkenwalder Seminars, in Kir­ chenkreisen, in denen die Superintendenten sich zur Bekennen­ den Kirche hielten, volksmissionarische Veranstaltungen durchzuführen. Ein Kern von ehemaligen Kandidaten, die im ,Bruderhaus' zusammenblieben, stand als Träger der erwünsch­ ten geistlichen Tradition im Kirchenkampf zur Verfügung; die Altpreußischen Provinzialbruderräte hatten einige der jungen Pastoren eigens zu diesem Dienst freigestellt. In dem Antrag zur ,Einrichtung des Bruderhauses' steht der Satz, der als Überschrift für das gesamte geistliche Leben in Finkenwalde gelten kann: "Nicht klösterliche Abgeschiedenheit, sondern innerste Konzentration für den Dienst nach außen ist das Ziel."4 ,Dienst nach außen' hieß damals: " . . . in den gegenwär­ tigen und kommenden kirchlichen Kämpfen das Wort Gottes zur Entscheidung und zur Scheidung der Geister zu predigen, . . . in jeder neu erwachsenden Notlage sofort zum Dienst der Verkündigung bereit zu sein".5 3 4 5

DB 475. 1 935 DBW 14, 77. Ebd.

Nachwort der Herausgeber

1 35

Es war jedenfalls nicht ,klösterliche Abgeschiedenheit' ge­ meint, als Bonhoeffer in einem Brief vom 1 1 . 9. 1 934 an seinen Schweizer Freund Erwin Sutz schrieb: "Ich . . . quäle mich damit ab, einen Entschluß zu fassen, ob ich als Leiter eines neu zu errichtenden Predigerseminars nach Deutschland zurückgehen soll . . . oder ob ich nach Indien gehe . . . Die gesamte Ausbildung des Theologennachwuchses gehört heute in kirchlich-klösterli­ che Schulen, in denen die reine Lehre, die Bergpredigt und der Kultus ernstgenommen werden". 6 Noch deutlicher wird das, was für ihn hinter dem Versuch eines gemeinsamen Lebens im Predigerseminar Finkenwalde stand, aus dem Brief vom 1 9 . 9. 1 936 an Karl Barth: "Ich bin fest davon überzeugt, daß die jungen Theologen sowohl im Blick auf das, was sie von den Universitäten her mitbringen, wie auch im Blick auf das, was in den Gemeinden - besonders hier im Osten - so an selbständiger Arbeit von ihnen gefordert wird, eine ganz andere Vorbildung brauchen, in die ein solches gemeinsames Seminarleben unbedingt hineingehört. Man macht sich ja gar kein Bild davon, wie leer, ja völlig ausge­ brannt die meisten der Brüder ins Seminar kommen. Leer sowohl in Bezug auf theologische Erkenntnisse und erst recht biblisches Wissen, wie auch in Bezug auf ihr persönliches Leben."7 Die Not sei auch durch die Bekennende Kirche nicht behoben. Es seien sehr wenige, "die diese Aufgabe an den jungen Theologen als kirchliche Aufgabe erkennen und ausfüh­ ren. Im Grunde aber wartet jeder darauf. Ich kann es leider auch nicht richtig, aber ich weise die Brüder aneinander, und das scheint mir das Allerwichtigste. " 8 Theologische Arbeit, aber auch seelsorgerliche Gemeinschaft könnten nur in einem Leben erwachsen, "das durch morgendliche und abendliche Sammlung um das Wort, durch feste Gebetszeit bestimmt ist . . . Der Vorwurf, das sei gesetzlich, trifft mich wirklich gar nicht. Was soll daran wirklich gesetzlich sein, daß ein Christ sich anschickt zu lernen, was beten ist, und an dieses Lernen einen guten Teil seiner Zeit setzt ? Wenn mir neulich ein führender 6 1 934 DBW 13, 204. 7 1 936 DBW 14, 236 f. 8 1 936 DBW 14, 237.

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Nachwort der Herausgeber

Mann der Bekennenden Kirche gesagt hat: ,Für Meditation haben wir j etzt keine Zeit, die Kandidaten sollen lernen zu predigen und zu katechesieren', so ist das entweder totale Unkenntnis dessen, was ein junger Theologe heute ist, oder es ist frevelhafte Unwissenheit darüber, wie eine Predigt und Katechese entsteht. Die Fragen, die heute im Ernst von jungen Theologen an uns gestellt werden, heißen: Wie lerne ich beten? Wie lerne ich die Schrift lesen ? Entweder wir können ihnen da helfen, oder wir helfen ihnen überhaupt nicht . . . Daß alle diese Dinge nur ihr Recht haben, wenn daneben und dabei - ganz gleichzeitig! - wirklich ernsthafteste saubere theologische, ex­ egetische und dogmatische Arbeit getan wird, ist mir ganz klar. Sonst bekommen alle diese Fragen einen falschen Akzent."9 Gerade um diesen Akzent ging es Karl Barth in seiner Antwort.lo Er sehe diesem Anliegen offen, aber auch nicht ohne Sorge entgegen, da er zur Frage "Rechtfertigung und Heili­ gung" beständig "unter einem fast ununterbrochenen Trom­ melfeuer von Einwänden, ,Anliegen', Ergänzungs- und Über­ bietungsvorschlägen" stehe. Der gemeinsame Nenner für alle diese Erscheinungen sei nach seinem Urteil "Resignation ge­ genüber dem ursprünglichen christologisch-eschatologischen Ansatz zugunsten irgendwelcher (faktisch immer abstrakter!) Verwirklichungen in einem dem Menschen eigenen Raum." Er sehe, daß in der Jugend der B ekennenden Kirche "eine weitere Welle dieser Art im Anzug" sei, "und es kann auch wohl sein, daß gerade Sie berufen und befähigt sind, hier Sprecher und Führer zu sein. Ist es diesmal kein blinder Lärm, so hoffe ich noch nicht zu alt zu sein, um diesmal zu lernen, was zu lernen ist, und nötigenfalls meine Hefte zu korrigieren . . . Sie müssen aber ebenfalls verstehen, wenn ich zunächst abwarte." 11 B arth hat seine Hefte wohl nicht umschreiben müssen, sondern fest­ stellen können - allerdings erst Jahre nach Bonhoeffers Tod -, daß er sich jedenfalls in bezug auf das Thema ,Rechtfertigung und Heiligung' in großer Übereinstimmung mit Bonhoeffer

9

10 11

1 936 DBW 14, 237 f. 1 936 DBW 14, 249-253. 1 936 DBW 14, 250-252.

Nachwort der Herausgeber

137

befand. 12 Auf " Gemeinsames Leben" geht B arth i n der " Kirch­ lichen Dogmatik" nicht mehr ein. Die Kandidaten der Bekennenden Kirche kamen wahrhaftig nicht in das Predigerseminar, weil sie sich resigniert von einer christologisch-eschatologischen Theologie in irgendwelche ab­ strakte Verwirklichungen zurückziehen wollten. Sie freuten sich auf den theologisch reich gedeckten Tisch " im Angesicht der Feinde", nachdem einige von ihnen schon mit Gefängnis, Ausweisungen, alle aber mit Diskriminierungen und groben Benachteiligungen Bekanntschaft gemacht hatten. Sie freuten sich auf die Gemeinsamkeit mit Gleichgesinnten, nachdem sie ständig als Fanatiker oder Streitlustige abqualifiziert worden waren. Sie kamen aus den versprengten Häuflein der Bekennen­ den Gemeinden und freuten sich auf den Austausch. Sie haben sich - j edenfalls in der Mehrzahl - gern von Bonhoeffer darauf hinweisen lassen, daß alles Kämpfen und Leiden der Kirche nur in dem unbedingten Vertrauen auf die Gegenwart Christi im Wort und in der communio sanctorum bestanden werden konnte. Natürlich gab es auch Widerspruch. 13 Sie haben damals auch gut verstanden, warum Bonhoeffer einen so scharfen Gegensatz zwischen geistlichen (pneumati­ schen) und seelischen (psychischen) Beziehungen in der Ge­ meinschaft der Brüder statuierte. Es ging ihm allein um die durch Christus selbst und nicht durch menschliche Ausstrah­ lung, menschlichen Anspruch auf Autorität, Solidarität oder Freundschaft konstituierte Gemeinschaft. Er traute es dem Wort zu, daß es die Gemeinde der Heiligen berufe und schaffe. Bonhoeffers Schärfe ist um so verständlicher, als sich damals Gruppen bildeten, die vor dem gebotenen Kirchenkampf in die Innerlichkeit von Psychologismus und Liturgismus flohen und andere zur Flucht verführten. 14

12 13 14

Vgl. KD IV/2, 604 u. 6 1 2 f. Vgl. W. -D. Zimmermann (Hg. ), Begegnungen mit Dietrich Bonhoeffer, 80. Vgl. dazu E. Bethge, Nachwort (1 979) zu GL, 1 1 2.

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Nachwort der Herausgeber

Wie war die Praxis in Finkenwalde ? Gottes Wort sollte das erste sein, was an jedem Tage laut wurde. Die Kandidaten verpflichteten sich zum Schweigen bis zur Andacht, mit der der gemeinsame Tag begann. Das war kein leichtes Unterfangen in den primitiven Verhältnissen des ehemaligen Pädagogiums, in dessen Räumen das Predigersemi­ nar untergekommen war. Die meisten schliefen in Sälen ; Waschgelegenheiten gab es viel zu wenige. Die Andacht umfaßte dann neben feststehenden und ad hoc ausgesuchten Liedversen ein langes Psalmengebet. Wie in Klö­ stern war es das Ziel, in einer Woche den gesamten Psalter durchzubeten. Die Lesungen umfaßten ein ganzes Kapitel Altes und ein längeres Stück Neues Testament. Nur an den Sonn­ abenden hielt Bonhoeffer eine Auslegung, täglich sprach er ein freies Gebet. Beide, Gebet und Auslegung, waren für das Seminar von großer geistlicher Bedeutung. Den Abschluß bil­ dete nach einem feststehenden Liedvers der Segen. Im An­ schluß an das bescheidene Frühstück (der Tagessatz für die Verpflegung betrug 1 Reichsmark) war die stille halbe Stunde für die Meditation allein im Zimmer. Sie hielt sich an einen Text, der für die ganze Woche ausgegeben worden war. Gegen abschweifende Gedanken sollte helfen, daß man sie in Fürbitte zu verwandeln suchte. In der stillen Zeit durfte es im ganzen Hause keinerlei Störung durch Gespräch oder Bewegung ge­ ben. Telefonanrufe wurden nicht angenommen. Nach der Meditation folgte die für ein Predigerseminar normale theologische Arbeit. Im ersten Kurs trug Bonhoeffer seine " Nachfolge" vor. Vor dem Mittagessen war eine halbe Stunde Singen angesetzt. Hier wurde der einstimmige Gesang geübt, von dem Bonhoeffer so viel hielt. 15 Aber auch die Singbewegung mit neuen und alten Sätzen kam voll zum Zuge. Joachim Kanitz und Eberhard Bethge sorgten dafür, daß die Anregungen der von Alfred Stier geleiteten Singfreizeiten auf­ genommen wurden. Gesungen wurden vor allem die Sätze und Kanons aus dem von Otto Riethmüller 1 933 herausgegebenen Liederbuch für die evangelische Jugend " Ein neues Lied". Sätze 15

Siehe o. S. 51 f.

Nachwort der Herausgeber

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von Heinrich Schütz erfreuten sich, vor allem wegen ihrer unbedingten Textbezogenheit, besonderer Vorliebe. An einem Kanon wie dem "Agnus Dei" von Adam Gumpelzhaimer konnte sich der Chor des Predigerseminars geradezu berau­ schen. Bei den Mahlzeiten wurde häufig vorgelesen, aber nicht wie in den Klöstern aus Kirchenvätern, sondern z. B. aus dem ergötzlichen "Jürnj acob Swehn, der Amerikafahrer" von Jo­ hannes Gillhoff. Nach einem gemeinsamen Abend bei Spiel und Musik folgte, als letztes Wort am Tage, die Abendandacht in der gleichen Form wie die am Morgen. Bei der üblichen Dauer von einer Dreiviertelstunde und nach zehn Uhr wurde sie oft als rechte Strapaze empfunden. Höhepunkt der Gemeinschaft waren die monatlichen Abendmahlsfeiern. Sie wurden sorgfältig vorbereitet. Bon­ hoeffer ermunterte zur persönlichen Beichte untereinander. Er selber beichtete bei einem seiner Kandidaten. Als besonders wichtig für die Gemeinschaft erwies sich die ,Finkenwalder Regel': Die Brüder verpflichteten sich, nicht über einen abwe­ senden Bruder zu reden. Das gemeinsame Leben wurde auch außerhalb des Seminars fortgesetzt. Die ,Ehemaligen' wurden zu gegenseitigen Besu­ chen verpflichtet. Außerdem sollten sie an den j ährlichen Frei­ zeiten ihres Kurses in Finkenwalde regelmäßig teilnehmen. Bonhoeffer bestand darauf, daß die Teilnahme den Vorrang vor allen anderen Verpflichtungen haben sollte. Bis in die letzten Rundbriefe, die erhalten sind, erinnerte Bonhoeffer an die Gemeinschaft im Hören auf die Schrift und im Gebet füreinan­ der. In der Kriegszeit freilich mit ihren unmenschlichen Anfor­ derungen wollte er nicht, daß sich seine ehemaligen Kandidaten durch solche Verpflichtungen ,kaputtmachen' lassen würden. In dem Entwurf zu einer Ansprache, die nach geglücktem Umsturz an die Pfarrer gerichtet werden sollte, schrieb Bonhoeffer: "Wir rufen Euch zu einer neuen Ordnung Eures Lebens. Lange genug haben wir daran gelitten, daß jeder seinen eigenen Weg gehen wollte und sich vom Bruder schied. Das war nicht der Geist Christi, sondern der des Eigenwillens, der Bequemlichkeit und des Trotzes. Er hat weithin unserer Verkündigung schweren Schaden getan. Kein Pfarrer kann heute sein Amt allein ausrichten. Er braucht die Brüder. Wir rufen Euch zur

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Nachwort der Herausgeber

treuen täglichen Innehaltung fester Zeiten für das Gebet, fester Zeiten für die Schriftbetrachtung und für das Schriftstudium. Wir bitten Euch, die Hilfe der brüderlichen Aussprache und der persönlichen B eichte in Anspruch zu nehmen, und wir legen es einem jeglichen als heilige Amtspflicht auf, dem Bruder zu diesem Dienst zur Verfügung zu stehen. Wir bitten Euch, zur Vorbereitung eurer Predigt unter Gebet zusammenzukom­ men und einander zu helfen, das rechte Wort zu finden."!6

Erfolg und Wirkung Das Buch "Gemeinsames Leben" ist im Kriegsjahr 1 939 er­ schienen und erstaunlicherweise nach dem Krieg immer wieder nachgedruckt worden. Es ist die Veröffentlichung B onhoeffers mit der größten Zahl von Auflagen. Für viele wird es damals eine Hilfe zur Einkehr gewesen sein. Es ermutigte zu brüderli­ cher und schwesterlicher Gemeinschaft, gerade angesichts der schaurigen Zerstörung menschlicher Bindungen. Überall, wo Christen sich um verantwortliches, christusbezogenes Mitein­ ander bemühten, griffen sie nach diesem Buch. Bonhoeffers Gedanken über die Diesseitigkeit, über weltli­ ches Christentum und die Mündigkeit der Welt in den Gefäng­ nisbriefen - "Widerstand und Ergebung" erschien 1 9 5 1 - war­ fen ein neu es Licht auf die Schrift "Gemeinsames Leben" . Nur eine oberflächliche, eklektische Lektüre konnte zu dem Schluß verleiten, nun seien unüberwindliche Gegensätze zwischen zwei Epochen im Denken B onhoeffers zutage getreten. Wie sollte man übersehen, daß sich in dem Wort vom "Beten und Tun des Gerechten unter den Menschen", in der Erinnerung an die Arkandisziplin der alten Kirche!7 das Grundanliegen von "Gemeinsames Leben" wiederfand! Das so häufig zitierte Wort aus der Zeit des Dritten Reiches: "Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen" !8 wurde zum Leit­ spruch für alle jene, die die Aufgabe der Kirche nicht darin 16

1 942 DBW 1 6, 588. 1 944 DBW 8, 435 f u. 405, 415. 18 DB 685. Siehe zur Korrektur der Datierung: E. Bethge, Dietrich Bon­ hoeffer und die Juden, 1 95 f. 17

Nachwort der Herausgeber

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sahen, sich selbst z u pflegen und z u reproduzieren, sondern für die Schwachen einzutreten . Eine Wiederholung oder Fortsetzung von Finkenwalde mit dessen Formen der Gemeinschaft war unter den veränderten Bedingungen der Zeit nach dem Kriege nicht mehr möglich. Die Hoffnung, daß allein der Wortlaut von " Gemeinsames Leben" genügen müßte, um ein entsprechendes Miteinander unter dem Wort zu erzeugen, hat sich z. B. in dem neu errichte­ ten Predigerseminar Brandenburg als allzu kühn erwiesen. Die Voraussetzungen und Erwartungen der dorthin einberufenen Kandidaten waren zu weit von denen in Finkenwalde unter­ schieden. Der Besuch eines Predigerseminars gehört in den Kirchen der Union zum vorgeschriebenen Ausbildungsgang. Der Kandidat absolviert diese Station mehr oder weniger gern. Für die jungen Theologen, die sich zur Bekennenden Kirche hielten, gehörte dagegen die Ausbildung durch das bekenntnis­ kirchliche Seminar zu ihrem Bekenntnis . Außerdem nahmen sie gern die Möglichkeit wahr, nach den Kämpfen und Mühen der damaligen Zeit in Ruhe theologisch arbeiten zu können. Es fehlte dann später auch an der überragenden Autorität des Leiters und an der kreativen Frische der theologischen Gedan­ ken über die Wende von einer anthropologisch zu einer christo­ logisch orientierten Theologie. Das Anliegen von " Gemeinsa­ mes Leben" muß in eine Zeit übersetzt werden, die allem Institutionellen und Rituellen und dem Phänomen von Autori­ tät äußerst skeptisch gegenübersteht. Bonhoeffers alarmierende Feststellungen in dem Brief an Kar! Barth19 haben noch volle Geltung. Die Gefahr ist groß, daß sich die Kirche in eine Fülle aktivistischer Gruppen und in eine in sich selbst zurückgezo­ gene, politisch enthaltsame, dem status quo ergebene , fromme' Gemeinschaft aufspaltet. Einen großen Widerhall hat die Schrift vom " Gemeinsamen Leben" j edoch bei vielen Kommunitäten der Nachkriegszeit gefunden. In einer Stellungnahme der Kommunität von Ims­ hausen wird die Wirkung unserer Schrift so beschrieben : " Als in den Nachkriegsj ahren die Evangelischen Kommunitäten zu­ einander in Beziehung traten, waren wir baß erstaunt, daß 19

Vgl. S. 136 vor Anm. 9.

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Nachwort der Herausgeber

überall, trotz völlig unabhängiger Genesis, die Selbstbezeich­ nung , Communität' Platz gegriffen hatte. Als wir in den fünfzi­ ger Jahren auf dieser Suche nach einem adäquaten Namen waren, wurden wir von französischen communautes an Bon­ hoeffers , Gemeinsames Leben' erinnert. Eipe bessere Entspre­ chung von Form und Inhalt der neuen Gemeinschafts- Gebilde reformatorischer Tradition gäbe es nicht. Dieser Hinweis war einleuchtend und machte uns mit einem Schlage deutlich, wel­ chen Dienst uns Dietrich Bonhoeffer mit seiner nachträglichen Bewußtmachung von dem in Finkenwalde Erlebten und Geleb­ ten geleistet hat. Von nachhaltiger Bedeutung blieb für uns aus Bonhoeffers Zeugnis die Koinonia-Erfahrung von Finken­ walde. «2 0 Daß Bonhoeffer einen Beitrag geben wollte, aber Festlegungen vermieden hat, wird dankbar vermerkt. Unter­ schiede folgten aus der Verschiedenheit der Situationen ; aus dem Entweder-Oder der Kampfsituation damals ergebe sich z. B. die Skepsis gegenüber geistlicher Erfahrung. Eine entsprechende Anfrage der Herausgeber an die Com­ munaute von Taize wurde mit dem Hinweis darauf beantwor­ tet, daß Frere Roger Schutz und Dietrich Bonhoeffer unabhän­ gig voneinander trotz bestehender Unterschiede eine erhebliche Gemeinsamkeit verbinde. " Christliche Gemeinschaft kann nie­ mals losgelöst sein von den Leiden und Hoffnungen der Menschheitsfamilie. «21 Bonhoeffers vielfaches ökumenisches Engagement, sein Bewußtsein, in der einen Kirche Jesu Christi zu stehen, verbinde ihn mit der Leidenschaft für die Einheit des Leibes Christi, die die Regel von Taize einschärfe . Bonhoeffer habe eine Hingabe im Sinne der drei klassischen Ordensgelübde zwar nicht festgelegt, doch fänden sich bei ihm deutlich erste Ansätze dazu. Die Stellungnahme aus Taize nennt als eine der wichtigsten Gemeinsamkeiten vor allem die Hochschätzung der persönlichen Beichte. Für beide gelte : " Christus lebt sein Leben auf Erden weiter im Leben seiner Nachfolger. Gelebte Gemeinschaft soll das Evangelium sichtbar machen, zunächst ohne große Worte . Die Existenz christlicher Gemeinschaft ist 20 21

Brief von Hans Eisenberg an A. Schönherr vom 9. 3 . 1 986. Brief von Frere Alois (Taize) an A. Schönherr vom 5. 5 . 1986.

Nachwort der Herausgeber

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ein Zeugnis, ist schon Verkündigung. "22 Demnach ist verwei­ gerte Gemeinschaft Irreführung und Verleugnung. Unübersehbar sind die Wirkungen von " Gemeinsames Le­ ben" auf die Spiritualität ungezählter Freizeiten, Exerzitien, geistlicher Freundeskreise und Familiengruppen. Die Impulse, die von diesem Buch ausgingen, lassen sich auch in katholischen Priesterseminarien und Ordensnoviziaten nachweisen. Die große Verbreitung und die bleibende Anziehungskraft sprechen dafür, daß es als Wegweiser zu einer von vielen ersehnten neuen Gestalt christlichen Gemeinschaftslebens begriffen wird. Dem Auftrag, Kirche für andere zu sein, um Kirche Christi bleiben zu können, läßt sich ja nur entsprechen, wenn die Kirche eine aus dem Wort Christi stets neu geborene und getragene Ge­ meinschaft von Schwestern und Brüdern ist . 23 Der innere Zu­ sammenhang von Weltlichkeit und Arkandisziplin erklärt viel­ leicht, warum gerade " Widerstand und Ergebung" und " Ge­ meinsames Leben" zusammen die am meisten verbreiteten und bekanntesten Bücher Bonhoeffers sind. 11

" Gemeinsames Leben " in Geist und Inhalt Wer sich mit " Gemeinsames Leben" vertraut machen will, wird in einem ersten Durchgang entdecken, wie Bonhoeffer wesent­ liche Momente seines Verständnisses von Ursprung und We­ sen, von Ort und Aufgabe der Kirche J esu Christi zur Geltung bringt. Die Gestalt christlichen Lebens in der Kirche begreift er als eine Antwort auf die Herausforderung eines Weltgefühls, das dem Christentum entgegensteht in der Form des Terrors einer allmächtigen Staatsideologie oder in Form der alles läh­ menden Gleichgültigkeit einer Gesellschaft, die den Fragen nach Gott und Wahrheit keine lebensbestimmende Kraft zuge­ steht. Versteht man wie Bonhoeffer die säkulare Welt gerade in ihrer Säkularität als von Gott angenommen und erblickt man 22

23

Ebd. Vgl. 1 944 DBW 8, 560.

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Nachwort der Herausgeber

wie er Kirche dort, wo mit der den ganzen Menschen einfor­ dernden Nachfolge Jesu ernst gemacht, wo Glaube konkret gelebt wird, dann rückt die Frage nach einer ursprungs getreuen und zeitgerechten christlichen Gestaltung täglichen Lebens in den Mittelpunkt. Das Wesen der Kirche als Gemeinschaft (Koinonia/Communio) sollte dabei zur Gegenwart kommen in der Erfahrung des Glaubens . Dies bedeutet freilich nicht, Kir­ che auf das Maß des natürlichen Verlangens nach Erleben von Gemeinschaft und Geborgenheit zurückzuschneiden. Kirche ist schon zuvor durch Gottes Wirken in Wort und Gnade als eine Wirklichkeit zu erfassen, welcher sich der Christ in Glau­ ben und Liebe verbindet. Einzelne überschaubare Gemein­ schaften von Christen, wie Pfarrgemeinden, sonntägliche Got­ tesdienstgemeinden, Pfarrerzusammenkünfte, Laienkreise, christliche Familien, treten somit nicht neben der Kirche auf. Sie sind vielmehr Konkretisierungen der einen Kirche, anschau­ liche Sozialgestalten, in denen das Wesen der Kirche als Com­ munio Christi zur Erscheinung kommt. Sie sind die Kirche am Ort. In seinem biblisch belegten Entwurf entwickelt Bonhoef­ fer nun exemplarisch die Grundzüge der christlichen Sicht von Gemeinschaft.

" Gemeinschaft" Den Ansatz für die theologische Grundlegung gewinnt Bon­ hoeffer nicht aus einer Analyse der natürlichen Sozialformen oder des romantischen Drängens auf ein Aufgehobensein im Gefühl des Einsseins. Er beginnt offenbarungstheologisch und biblisch. Die Gemeinde J esu weiß sich mitten in der Welt in einer Diaspora und mitten unter Feinden. Darin versteht sie sich aber als die Vorwegnahme der endzeitlichen Gemeinschaft des Heils im Reich Gottes. Und darum wird die Kirche Jesu Christi auch zum Zeichen der Hoffnung. Die Perspektive der Eschatologie gründet in der Menschwerdung Gottes in J esus Christus und in der Sendung seines Heiligen Geistes. So be­ greift Bonhoeffer die Kirche - ein alter patristischer Gedanke als ein geschaffenes Abbild der Gemeinschaft der göttlichen Personen in der Dreieinigkeit ihrer unendlichen Liebe . Aber erst in der Inkarnation des ewigen Wortes nimmt die Kirche als

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Geschöpf des Wortes die vom Geist Gottes getragene Dynamik auf das Urbild hin auf, wenn in der fortschreitenden Vereini­ gung der Brüder und Schwestern als Glieder des ekklesialen Leibes Christi zu einer lebendigen Gemeinschaft die Gemein­ schaft des Menschen mit Gott dynamisch verwirklicht wird. Ein starker Akzent fällt von daher auf die Erfahrung der leiblichen Nähe des Bruders. Die Gabe sichtbarer Gemein­ schaft als Konkretion der Einheit mit dem dreifaltigen Gott, der in der Menschheit Jesu begegnet, ist Kirche. Aus der Mitte christlicher Existenz geht schon die Tendenz hervor, sich mit anderen zu einem gemeinsamen Leben unter und aus dem schöpferischen und verbindenden Wort Gottes zusammenzufinden. Die in der Korrelation von Wort und Glauben sich stets neu organisierende Gemeinschaft J esu Chri­ sti enthält im ganzen drei wesentliche Bestimmungen für ein gemeinsames Leben : Erstens: Ein Christ braucht den Bruder, weil dieser als der mir unverfügbar vorgegebene Andere die Herkunft des Heils außerhalb meiner selbst (extra me) darstellt und verbürgt. Er bedarf des Bruders als des objektiven Trägers und Verkündigers des göttlichen Wortes der Vergebung und der Gnade. Er ist auf ihn angewiesen allein um J esu Christi willen. " Der Christus im eigenen Herzen ist schwächer als der Christus im Worte des Bruders ; j ener ist ungewiß, dieser ist gewiß . "24 Das Ziel der Gemeinschaft unter den Christen kommt darum voll in den Blick, wenn sie sich begegnen als Bringer der Heilsbotschaft. Zweitens: Wie alles Heil allein von J esus Christus herkommt und die Gemeinschaft der Brüder und Schwestern als ein Ausdruck und eine Erscheinungsweise der leiblich gewordenen Nähe Gottes zu begreifen ist, so wird die zerbrochene ur­ sprüngliche Gemeinschaft mit Gott und den Menschen erst durch Christus wiederhergestellt. Als Ursprung und Quelle aller Gemeinschaft bleibt er der Mittler zwischen Gott und den Menschen und darin auch der Mittler zwischen den Menschen selbst. Drittens: Das Wesen der Kirche als Gemeinschaft begegnet

" Siehe S. 20.

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in der Bibel unter dem Bild des , Leibes Christi'. Dies setzt aber voraus, daß alle Christen in und durch Jesus Christus, dem Anfänger und Repräsentanten der neuen Menschheit, erwählt und zur Gottesgemeinschaft berufen sind. Als Teilhaber an der Menschheit des Logos, als Glieder an seinem Leibe sind sie in ihm ausgerichtet auf die Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott. In ihrem geschwisterlichen Zueinander sind sie hoff­ nungsvolles Zeichen für die Einheit von Freiheit und Liebe, die das Wesen Gottes ausmacht, in dem die Verschiedenheit der personalen Relationen die Voraussetzung der Gemeinschaft ihrer Liebe ist.

"Der gemeinsame Tag " Das gemeinsame Leben drückt sich aus i n einer die Kommuni­ tät bestimmenden Einteilung der Zeit in der Gestaltung des Tages. Zeit ist nicht nur äußerer Rahmen des Geschehens. Indem der Christ seine Zeit gestaltet, formiert er sich in der Zeit. Der Morgen bezeichnet die Haltung der Erwartung des Herrn, dem die Jünger entgegengehen. Darum gehört der Mor­ gen der Gemeinschaft. Sie kommt zusammen, um ihre Hoff­ nung auf den Auferstandenen, der zu uns kommt, zu bekunden und um das Lob des dreieinigen Gottes zu singen, des Schöp­ fers und Erlösers der Menschen. Die gemeinsame Andacht, die aus der morgendlichen Stille herauswächst, umfaßt drei Ele­ mente : das Wort der Schrift, das Lied der Kirche und das Gebet der Gemeinschaft. Insbesondere haben die Psalmen hier ihren Platz. Nach dem Blick auf die Morgenandacht bietet sich nun an, von den verschiedenen Arten der Tischgemeinschaft zu spre­ chen, worin in besonders dichter Weise Gemeinschaft verwirk­ licht wird. Die Bibel kennt Tischgemeinschaft als tägliches gemeinsames Mahl, als eucharistisches Mahl und als endzeitli­ ches Mahl im Reich Gottes . Immer kommt es dabei darauf an, daß uns wie den Emmausjüngern die Augen aufgehen und wir den Herrn erkennen, wenn er uns das Brot bricht. Er begegnet als der Geber aller zeitlichen und ewigen Gaben, durch die wir

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leben. In den Gaben gibt er sich uns selbst als unser Leben . 25 Mitten im Werktag dient das Mahl der Gemeinde Christi zum Trost. Aus ihm erwächst die Gnade christlicher Freude an Gott und den Brüdern. Christus als Brot des Lebens und als Geber des täglichen Brotes erkennen heißt, in der Gemeinschaft von Christen den Hunger nach geistlichen und leiblichen Gaben zu stillen . D i e Morgenstunde, von der die Rede war als gemeinsamer Tagesbeginn in Gott, erhält nun ihr Pendant in der Arbeit. , Bete und arbeite' war die Devise, die der hl. Benedikt, der Vater des abendländischen Mönchtums, als die beiden Pole christli­ chen Gemeinschaftslebens formuliert hatte . Die Arbeit führt den Christen aber nicht von Gott weg ins Profane. Der Christ begegnet Gott auch in der Welt der Dinge, indem er die Anforderung, die Last und die Verpflichtung zur sachlichen Arbeit anerkennt und darin auch der menschlichen Gemein­ schaft dient . 26 Diese , harte' Erfahrung Gottes in der Sachwelt und ihrer Gesetzlichkeit vermag zugleich zu befreien von sich selbst umkreisender Bequemlichkeit, von einem selbstsüchtigen Überlassen der schweifenden Phantasie an , fromme' Tatenlo­ sigkeit. Zur Mittagsstunde lädt die Höhe des Tages zur gemeinsamen Andacht ein, in der der dreieinige Gott gelobt wird. Sie klingt hinüber in die Bitte um baldige Erlösung. Da die Finsternis, die am Karfreitag von der sechsten bis zur neunten Stunde über dem Land lag, auf die Vollendung des Kreuzesopfers voraus­ weist27, beginnt zur Mittagszeit sinnbildlich schon die Neigung des Tages zum Abend hin, wenn die Jünger um das Bleiben ihres Herrn bitten. 2 8 Am Abend versammelt sich schließlich die Hausgemeinde noch einmal, um Gott zu danken und um Fürbitte einzulegen für die Brüder im geistlichen Amt, für die Verfolgten - der Fürbitte kommt so eine eminent öffentliche und politische Bedeutung zu -, für die Kranken, die Verlassenen, die Nach25 26 27 28

Vgl. Lk 22,30 f; Joh 1 1 ,25; Phil 1,2 1 . Zur Gottesbegegnung im ,Es' vgl. 1 944 DBW 8, 333 f. Vgl. Mt 27,45. Vgl. Lk 24,29.

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barn und auch für die Feinde. Einen besonderen Rang nimmt die wechselseitige Bitte um die Vergebung der Sünden ein. Unversöhnt dürfen sich die Brüder nicht schlafen legen, wenn das Trennende der Schuld zwischen ihnen steht.29 Mit der alten Kirche geht Bonhoeffer davon aus, daß sich der Kampf um die Seele des Menschen auch während des Schlafes vollzieht, der Christ des göttlichen Beistandes also auch dann bedarf, wenn Leib und Sinne ruhen.

" Der einsame Tag " N ach der Darstellung des gemeinsamen Tagesablaufes spricht Bonhoeffer von den Gefahren, die j eder Gemeinschaft drohen. Sie ist für ihn kein Zufluchtsort, um der Isolierung zu entrinnen. Sie ist kein Heilmittel für solche, die es mit sich allein nicht aus­ halten können, oder für diejenigen, die Kurzweil suchen, um ihren geschwätzigen Selbstmitteilungstrieb zu befriedigen. Als Person glaubt sich der Christ ursprünglich in der Unmittel­ barkeit des Gnadenzuspruchs Gottes begründet und aufgeho­ ben. Dabei ist er auch zugleich auf die Gemeinschaft seiner Mitgeschöpfe verwiesen als dem dem Menschen adäquaten Raum seines Selbstvollzugs. Ein dialektischer Zusammenhang zwischen Einzelner-Sein und Gemeinschaft tut sich auf. "Wir erkennen: nur in der Gemeinschaft stehend können wir allein sein, und nur wer allein ist, kann in der Gemeinschaft leben. "30 Wie die Gemeinschaft ihr Medium im Wort hat, so ist das Schweigen Merkmal der Einsamkeit. Gemeint ist ein Schwei­ gen, das aus der Gesinnung geschöpflicher Demut und des allein auf die Gnade hoffenden Sünders erwächst, weil der Mensch nur noch das reine und klare Wort Gottes reden lassen will. Es ist nur voll zu vernehmen, wenn der Mensch nicht vorzeitig dazwischenredet. Es ist gespanntes Hinhören. Im Alleinsein des Christen, das im Schweigen seine Mitte hat, gibt es einen geordneten Umgang mit der Zeit. Sie gliedert sich durch feste Punkte für die Schriftbetrachtung, für Gebet und Fürbitte. In der Meditation sucht der Christ die personale 29

JO

Vgl. Eph 4,26. Siehe S. 66.

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Begegnung mit Gott im Wort der Heiligen Schrift. Wie Maria bewegt er in seinem Geist und Herzen die einzelnen Begriffe und Sätze des göttlichen Wortes . 3 1 Ging es bei der lectio continua der gemeinsamen Andachten um eine weitatmende Einstimmung in den großen Gang der Heilsgeschichte, so rückt nun ein sorgfältig umkreisendes Betrachten von Grundworten der Schrift in den Mittelpunkt. Worte wie , Vater', , Barmherzig­ keit' , , Gnade', , Kreuz' bezieht der Betrachtende ganz auf sich, auf seine persönlichen Lebenslagen in seinen Aufgaben, Ent­ scheidungen, seinem Versagen und seinen Versuchungen. Hier dienen auch die Losungen der Brüdergemeine als hilfreiches Mittel, um einen einzelnen Bibelvers als ein unmittelbares Wort mit in den Tag hineinzunehmen. Als ein Inbegriff der Nächstenliebe erwächst aus dem Gebet die Fürbitte für die Brüder und Schwestern. Der Bruder wird darin entdeckt als einer, der unter dem Kreuz steht, d. h. als ein Sünder, der nach der Vergebung und nach der Gnade des neuen Anfangs Ausschau hält. Insbesondere gehört die Fürbitte für die Gemeinde zu den pastoralen Diensten des Pfarrers einer Gemeinde. Die vielen Stunden des Alleinseins während des Tages, auch inmitten einer Kommunität, müssen Zeiten der Bewährung sein. Hier gilt es die Probe auf die Echtheit des Christseins und des Gemeinschaftslebens zu bestehen. Im Al­ leinsein darf sich der Christ nicht der Gemeinschaft entzogen glauben. Gnade oder Versagen, die beide dem Alleinsein ent­ springen können, zeigen eine Wechselwirkung zwischen dem einzelnen und der Gemeinde an. Jeder heimliche böse Gedanke schadet nicht nur dem einzelnen, sondern dem Ganzen, dessen Glied er ist. Jede verborgene Tat der Selbstlosigkeit und der Disziplin nützt dem ganzen Leben des Leibes Christi und damit auch dem einzelnen Glaubenden. Wie Alleinsein und Gemeinschaft aus der einen Wurzel der Gnade Christi zugleich hervorgehen und der einzelne die Gemeinschaft trägt und von ihr getragen wird, so werden sie sich auch gegenseitig zum Segen. Das Wissen um die brüderliche Verbundenheit trägt den Christen auch noch, wo sie uns in ihrer leiblich erfahrbaren

31 Vgl. Lk 2, 1 9.

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Gestalt entzogen ist, wie es Bonhoeffer später im Gefängnis erfahren mußte. 32

"Der Dienst" Jede Gemeinschaft bedarf der Leitung und der Autorität. Hier lauert eine große Gefahr. Geltungssucht, Ehrgeiz, Überheb­ lichkeit können j ede Gemeinschaft von innen heraus zersetzen. Diese Gefahr muß besonders dem Diener des Wortes Gottes und dem Leiter der Gemeinde bewußt sein. Jeden Menschen in der D aseinsverfassung des alten Menschen (,in Adam') be­ herrscht der Trieb, mittels der eigenen Talente, der Begabung und Bildung, der seelischen und charakterlichen Stärke sich eine unanfechtbare Herrschaftsposition in einer Gemeinschaft von Menschen zu sichern, ob man nun einem diktatorischen Führerprinzip huldigt oder auf eine charismatische Persönlich­ keit setzt und dem Zauber sog. , bischöflicher Gestalten' erliegt. Dieser Zwang zur Selbsterhebung und Selbstrechtfertigung ist das auflösende Ferment in der christlichen Gemeinde. Nur die Bindung der einzelnen und der Gemeinschaft an Gottes Recht­ fertigung des Sünders aus Gnaden allein ohne alles vorange­ hende Verdienst bringt den Geist Christi, den Geist des Die­ nens, in eine Gemeinschaft hinein. Der Geist des Herrn, der sich nicht bedienen läßt, sondern dient, wird allein zum Konsti­ tutiv und Regulativ j eder Gemeinschaft von Brüdern, in der alle nur einen Meister und Lehrer haben . 33 Dieser Geist ist der wahre Regent einer Communio Christi. Nüchterne Selbstein­ schätzung aus dem Glauben sagt j edem, der in der Gemeinde durch Dienen zum Herrschen kommt, daß er selbst der " größte Sünder" (peccator pessimus ) ist, wie Bonhoeffer von Luther gelernt hat. 34 Er hat nur dies anderen voraus, daß er mehr als alle anderen der Vergebung bedarf. Nun erst beginnt sein Dienst als Verkündiger, Lehrer und Hirte, als Pfarrer, mit dem Amt des Zuhörens in Geduld und Demut, was nichts gemein 32 Vgl. 1 943 DBW 8, 1 8 8 u. 256. 33 Mt 23,8. J4 Vgl. dazu Bonhoeffers Seminararbeit über "Luthers Stimmungen gegen­ über seinem Werk" 1 925 DBW 9, 276 f u. 286.

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hat mit pfäffischer Herablassung und salbungsvoller Verfäl­ schung des Wortes Gottes . 35 Als zweites kommt hinzu der Dienst der Hilfsbereitschaft. Maßgebend soll nicht die durch­ dachte Strategie zu eigener Selbstverwirklichung sein. Das Selbst des Dieners Christi wird vielmehr bestimmt durch die Not des Bruders, der die Zeit in Anspruch nimmt, und die Bereitschaft, den anderen zu tragen und seine Last als die eigene zu übernehmen. 36 Darin kommt das stellvertretende Tragen der Schuld aller Welt, das Christus zum Kreuz hingebracht hat, nun auch inmitten der Gemeinde zur Erscheinung. Das Paradox des Herrschens durch Dienen richtet sich aus an der Freiheit des Bruders . " Die Last des Andern tragen heißt hier, die geschöpfliche Wirklichkeit des Andern ertragen, sie bej ahen und in ihrem Erleiden zur Freude an ihr durchdrin­ gen. «37 Der Dienst durch Zuhören, tätige Hilfe und Mittragen der Last des Bruders gründet im Wort und führt zu seiner Aus­ übung durch das Wort. Zurechtweisung und Vergebung sollen der Ausrichtung auf Christus hin dienen und nicht zum Mittel werden, den Bruder an den eigenen Vorstellungen und Idealen zu messen. Am Bischof3 8 und am Vorsteher der Gemeinde zählt nicht das menschlich Imponierende. Die Autorität des Amts­ trägers, der im Glauben erprobt ist, beruht auf der schlichten und nüchternen Bereitschaft, Diener des Wortes zu sein39 und durch das Wort des guten Hirten die Gemeinde Jesu zu leiten, damit sein Tun im Namen Jesu das Wirken Jesu, des guten Hirten der Kirche, zum Ausdruck bringt. 40 " Seelsorgerliche Autorität kann nur der Diener Jesu finden, der keine eigene

35 V gl. Bonhoeffers Vorlesung "Seelsorge" (1 935-1939 DBW 14, 554-591). 3 6 GaI 6,2. 3 7 Siehe S. 86. 3 8 I Tim 3,1 ff. 3 9 Vgl. Bonhoeffers Bibelarbeit "Der Diener am Hause Gottes" (1936 DBW 14, 954-969). 40 Bonhoeffer verstand das geistliche Amt mehr und mehr auch als Hirten­ amt, in dem der Diener Christi den Hirtendienst Christi zum Maß seines Amtsverständnisses nimmt (vgl. 1 941 DBW 1 6, 1 99 f. Dazu: G. L. Müller, Bon­ hoeffers Theologie der Sakramente, 357-455).

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Autorität sucht, der selbst unter die Autorität des Wortes gebeugt ein Bruder unter Brüdern ist. "41

" Beichte und Abendmahl" Die Bruderschaft nimmt bei den Vorgaben der Koinonia Christi ihren Ausgang, und sie zielt im Abendmahl der Kirche, der sakramentalen Gestalt des Leibes Christi, auf die Erfüllung der Gemeinschaft in ihrem vollendeten Selbstausdruck. Kommt im Sakrament die Gemeinschaft zu ihrem Höhepunkt, so geht ihr zeitlich und sachlich die Überwindung des innersten Hemmnis­ ses ihrer Vollendung voraus, nämlich die Überwindung der Sünde als des die christliche Gemeinschaft zersetzenden Mo­ mentes. Wenn der einzelne sich nicht allein in der Tiefe seines Herzens als Sünder vor Gott bekennt, sondern die Sünde in der und gegen die Gemeinde des Herrn offen benennt, dann ge­ schieht der volle Durchbruch ins christliche Leben. Hier hat die Beichte ihren Ort. Weil Christus ins Fleisch gekommen ist, und seine Gnade und Vergebung sichtbare Formen angenommen haben, und weil er unser Bruder wurde, um unsere Schuld zu tragen und uns mit Gott zu versöhnen, darum kommt Christus auch im Bruder und als Bruder zu mir. "Damit hat Christus uns die Gemeinde und in ihr den Bruder zur Gnade gemacht. Er steht nun an Christi Statt. . . . Er hört unser Sündenbekenntnis an Christi Statt, und er vergibt uns unsere Sünde an Christi Statt. . . . Gehe ich zur brüderlichen Beichte, so gehe ich zu Gott. "42 Der Kreis der Selbsttäuschung und Selbstrechtferti­ gung ist zerrissen, weil in der Wirklichkeit des Bruders die Gegenwart Gottes erkannt wird. Dieses Hohelied auf den Segen der brüderlichen Beichte und Vergebung bekräftigt Bonhoeffer mit einem Luther-Wort: "Darum, wenn ich zur Beichte ver­ mahne, so vermahne ich dazu, ein Christ zu sein. "43 Beichte läßt sich hier nur theologisch begreifen. Als Gnadengeschehen und

4 1 Siehe S. 92. 42 Siehe S. 94. 43 Siehe S. 99 (Anm. 84: M. Luther, Großer Katechismus. Eine kurze Ver­ mahnung zu der Beicht, BSLK 732).

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Vergebung setzt sie Erkenntnis Christi voraus, weniger psycho­ logisches Geschick und Menschenkenntnis. Zuletzt münden Bruderschaft, Beichte und Vergebung ein in das gemeinsame Mahl, in dem die Gaben des Leibes und Blutes Jesu Christi, er selbst, uns Gemeinschaft, Vergebung, Seligkeit und ewiges Leben schenken. Darin wird die Gemeinschaft mit Gott und der Menschen in ihm untereinander gegenwärtig, und sie weist voraus auf das hochzeitliche Mahl im Reich Gottes, dem Ziel aller Gemeinschaft in Christus, dessen zeichenhafte Vorwegnahme sie schon auf verborgene Weise ist. "Hier ist die Gemeinschaft am Ziel. Hier ist die Freude an Christus und seiner Gemeinde vollkommen. Das gemeinsame Leben der Christen unter dem Wort ist im Sakrament zu seiner Erfüllung gekommen. "44

" Gemeinsames Leben " in der Gattung geistlicher Literatur "Gemeinsames Leben" läßt sich nach dieser ersten Erschlie­ ßung der zentralen Gedanken interpretieren im Gesamtzusam­ menhang der Theologie Bonhoeffers. Ohne Zweifel gehört es zu den Kostbarkeiten der geistlichen Literatur der Christenheit. Bonhoeffers Verzicht auf akademische Sprache und wissen­ schaftliche Argumentationsform macht den Weg frei zu einer spirituellen Dichte, die auch existentiell-personal anspricht. Vor einem Verschwimmen in romantischen Gemeinschaftsge­ fühlen und einer Schwärmerei, die zuerst die Stimmung des religiösen Ich-Gefühls genießen will, bewahrt aber die in aller Leidenschaftlichkeit zutage tretende Hingabe an Jesus Christus. Der Einsatz mit Jesus Christus vermittelt einen ursprüngli­ chen Zugang zu elementaren christlichen B egriffen: Gemein­ schaft, Einsamkeit, Dienst, Schriftlesung, Gebet, Fürbitte, Me­ ditation, Zuhörenkönnen, Vergebung, Beichte und Sündenver­ gebung, brüderliche Tischgemeinschaft, Abendmahlsfeier der Gemeinde Christi mit der Hoffnung auf die ewige Mahlge­ meinschaft. 44 Siehe o. S. 1 02. Vgl. auch 1 935/36 DBW 14, 433. Ein schönes Summarium gibt Bonhoeffer auch in der kleinen Arbeit "Der Morgen" (1935 DBW 14, 871-875).

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Weil Bonhoeffer hier eine Hilfestellung geben will, das Chri­ stentum neu buchstabieren zu lernen, wird man " Gemeinsames Leben" zu j enen Grundschulen des christlichen Glaubens und Lebens rechnen dürfen, die wie die " Regel" des hl. Benedikt45 oder die " Nachfolge Christi" des Thomas von Kempen46 und Luthers " Sermon vom hochwürdigen Sakrament"47 zu Klassi­ kern christlicher Spiritualität geworden sind. Sie besitzen unab­ hängig von einer näheren Kenntnis der Theologie und Biogra­ phie ihrer Autoren bleibende Gültigkeit. Dennoch kann aus gutem Grund die Frage gestellt werden, ob " Gemeinsames Leben" als eine bloß erbauliche Schrift aus dem Gesamtverständnis der Theologie Bonhoeffers ausgeklam­ mert werden kann, oder ob es nicht einen unverzichtbaren Akzent einbringt in die großen Themen seines Denkens im Schnittfeld der Fragen Christus-Kirche-Welt. Zu den Standards der Bonhoeffer-Interpretation gehört seit langem die Erkenntnis, daß bei ihm Theologie und Biographie nicht zu trennen sind. 4 8 Soll dieser Konsens aber mehr besagen als die triviale Einsicht, daß j ede Theologie immer irgendwie abhängig ist von der Persönlichkeit des Theologen, seinen Lebenserfahrungen und Begabungen sowie der geistesge­ schichtlichen Situation und den zeitgeschichtlichen Umstän­ den, dann bedarf diese hermeneutische Grundregel in Hinsicht auf " Gemeinsames Leben" einer näheren Präzisierung.

45 Vgl. dazu etwa H. U. v. Bathasar, Die großen Ordensregeln, 1 73-259. 46 Vgl. aus Bonhoeffers Nachlaßbibliothek: Thomas a Kempis, Imitatio Christi, hg. v. M. J. Pohl, 1 904. Bonhoeffer liebte dieses Buch. Allein in GL wird es dreimal zitiert. Noch in der Tegeler Zelle liest er es lateinisch (1 943 DBW 8, 246 f). Das damals benutzte Exemplar wurde an den anglikanischen Bischof George Bell, als er Ende Oktober 1 945 in Berlin Bonhoeffers Eltern besuchte, übergeben. Nach dessen Tod schenkte Mrs. Bell 1 958 dieses Buch der Dietrich­ Bonhoeffer-Kirche in London-Sydenham, wo es sich noch heute befindet. In der Nachlaßbibliothek findet sich auch Ignatius von Loyola, Geistliche Übungen. Nach dem spanischen Urtext übertr. v. A. Felder, 51932 (allerdings nur an weni­ gen Stellen aufgeschnitten). 47 WA 2, 742-758. Bonhoeffer zitiert in den frühen Arbeiten gern aus dieser Schrift; vgl. etwa DBW 1 (SC), 1 1 7-127 (passim) und 1 932 DBW 1 1, 290. 48 Vgl. hierzu G. L. Müller, Für andere da, 1 3-43.

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" Gemeinsames Leben " im Ansatz der Theologie Bonhoeffers Der Grundansatz zum Verständnis hängt zusammen mit j ener Bonhoeffer kennzeichnenden Abkehr von einer bestimmten Art wissenschaftlicher Theologie, die Eberhard Bethge " die Wendung des Theologen zum Christen" genannt hat . 49 Diese aus innerer Entscheidung vollzogene Kehre korrespondiert gei­ stesgeschichtlich dem Verlust der Herrschaft des Christentums über das ideelle Selbstverständnis und den Lebensvollzug des abendländischen Menschen. s o Mochte in einer christentümli­ chen Gesellschaft die reine Hingabe an die unendlichen Bezüge des Mysteriums den theologischen Typus einer fast ikonenhaf­ ten Schau der göttlichen Wahrheit hervorbringen (Thomas von Aquin) oder mochte die existentielle Ergriffenheit das Gott­ Mensch-Verhältnis als Drama von Gnade und Sünde vergegen­ wärtigen (Martin Luther), so verstand Bonhoeffer die Theolo­ gie zuerst als eine Hilfe für die Ortsbestimmung der Kirche und des christlichen Lebens in einer säkularen Welt. Es hatte sich seiner mehr und mehr die Überzeugung be­ mächtigt, so schrieb er in einem Brief an seinen Bruder Karl­ Friedrich im Januar 1 934, " daß es im Westen mit dem Christen­ tum sein Ende nimmt, - jedenfalls in seiner bisherigen Gestalt und seiner bisherigen Interpretation " Y So war ihm eine ver­ mitteln wollende Ortsbestimmung durch die , liberale Theolo­ gie' unmöglich geworden, die die Theologie wissenschaftstheo­ retisch im Kanon der universitären Disziplinen dem empirisch­ monistischen Ideal einordnet und sie neu konstituieren will als Philosophie, Psychologie, Ethik oder Religionsgeschichte. Un­ ter diesen Bedingungen war nach der Aufklärung, vor allem seit Schleiermacher, , Religion' zum Vermittlungsbegriff zwischen Christentum und moderner Kultur geworden. Im Ansatz ver­ suchte die lib �rale Theologie das geschichtliche und empirische 49 DB 246-250. Von großer Bedeutung ist die Situationsanalyse, die Bonhoeffer in der Vorlesung "Die Geschichte der systematischen Theologie des 20. Jahrhun­ derts" im WS 1931/32 in Berlin (DBW 1 1 , 139-2 1 3) versuchte. Zu seiner Sicht der Säkularisierung vgl. auch "Erbe und Verfall" (1 940/41 DBW 6, 93-124). 51 1 934 DBW 13, 75. so

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Christentum in einem , religiösen Apriori' des menschlichen Selbstbewußtseins zu begründen und es als Höchstform seiner historischen Ausbildung zu begreifen. Im geschlossenen Kul­ turganzen war , Religion' rational, affektiv, transzendental oder pragmatisch begründet, aber doch nur bezogen auf eine Anlage, Provinz und Region des Geistes in Metaphysik, Individualis­ mus und Innerlichkeit. Sie war also - nach Bonhoeffers Urteil ­ im letzten doch nur Anthropologie und vermochte die Imma­ nenz des Geistes nicht zu überwinden. 52 Wie aber kommt es zu echter Transzendenz ?53 Diese Frage hat Bonhoeffer stets bewegt. Sie bleibt auch in " Widerstand und Ergebung" ein Schlüssel problem. Im Versuch einer Be­ gründung des christlichen Glaubens ohne Zuhilfenahme der Idee des , religiösen Apriori' trifft sich der junge Bonhoeffer zunächst mit Karl Barth. Daß es weder transzendental noch ontologisch ein apriorisch-unmittelbares Innewerden Gottes und seiner Offenbarung geben kann, sondern nur ein kontin­ gent-aposteriorisches Angesprochenwerden durch das Wort Gottes in der geschichtlichen Christus-Tatsache und der Ak­ tualität des sie repräsentierenden Geistwirkens inmitten der Glaubensgemeinschaft der Kirche, begründet als Fundamental­ erkenntnis den theologischen Ansatz des frühen Bonhoeffer, wie er besonders als theologische Erkenntnistheorie in " Akt und Sein" herausgearbeitet wurde. 54 , Offenbarung' als unver­ fügbare Wirklichkeit im Anspruch von oben her zum Sünder­ menschen hin und , Religion' als Aufstiegsversuch durch from­ mes Erleben und gedankliche Abstraktion bildeten die alles bestimmenden Gegensätze, die Bonhoeffer bis zum Ende für un52 Vgl. 1931/32 DBW 1 1 , 143-160; 1 932 DBW 1 1 , 245-260; 1 944 DBW 8, 403-405 u. 4 1 5 f. 53 Vgl. dazu die Christologie-Vorlesung (1 933 DBW 12, 282 f) und den Auf­ satz "Concerning the Christian Idea of God" (1931 DBW 1 0, 423-433); und 1 944 DBW 16, 666 f. 54 Entscheidend ist hier eine Grundfigur lutherischer Rechtfertigungslehre, wonach der natürliche Mensch im Stand der Erbsünde Gott weder durch Werke noch durch das Denken erreichen kann. Das "cor curvum in se" ("das in sich verkrümmte Herz") kann nur durch Gottes Handeln aufgebrochen werden und durch Gottes Wort in die Wahrheit und Wirklichkeit gestellt werden (vgl. DBW 2, 74 u. 83-85).

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vereinbar erachtete.5 5 Transzendenz entsteht nur i m konkreten Angesprochenwerden von außen her. In "Widerstand und Er­ gebung" spricht Bonhoeffer von der Unverfügbarkeit (Grenze) der dem andern begegnenden Person. 56 Transzendenz zu Gott hin gibt es nicht vermittels transzendentaler Reflexion und eines Sich-selbst-in-die-Wahrheit-Stellens. Sie entsteht nur an der Person Jesu Christi. Denn diese Begegnung eröffnet ein ,Sein in Christus' als ein Sein hin zu Gott und schließt ursprüng­ lich schon ein Sein in der Gemeinde Jesu mit ein.57 Die Begegnung mit Christus als Herr (Haupt) und Leib seiner Kirche stellt uns in die Wirklichkeit Gottes hinein, weil in ihm, als dem inkarnierten Wort der Freiheit Gottes, Gottes Für-uns­ Sein und damit die Gegebenheit des Bundes, der Sündenverge­ bung und der Gnade des neuen Lebens im Glauben präsent werden.58 Mit dem Hinweis auf die Gemeindestruktur des christlichen Glaubens will Bonhoeffer über den Aktualismus des (frühen) Barth hinaus. Denn er sucht eine Kontinuität des Offenba­ rungsgeschehens aufzuweisen, indem er die reale Gemeinde schon in der Wirklichkeit und Wirksamkeit Christi begründet und durch Wort und Geist aktuell aus ihm hervorgehen sieht. Dieser Gedanke findet seinen Ausdruck in der häufig vorkom­ menden Formulierung "Christus als Gemeinde existierend"59 oder "Die Kirche ist der gegenwärtige Christus selbst"60. Kirche als Offenbarungs gestalt überwindet von vornherein das atomisierende Mißverständnis von Kirche als einer sekundären Assoziation religiös oder ethisch motivierter Individuen. Für den Zugang zur Transzendenz muß also die Kirche in ihrer spezifischen Struktur, Aufgabe und Vollzugsform hinzuge­ nommen werden. 55 Zur Problematik des Religionsbegriffs bei Bonhoeffer vgl. E. Feil, Die Theologie Dietrich Bonhoeffers, 324-354; ders., Ende oder Wiederkehr der Religion?, 27-49; G. L. Müller, Bonboeffers Theologie der Sakramente, 65-74. 56 VgI. 1 944 DBW 8, 558 f u. 547. 57 Vgl. DBW 2, 99-1 34; DBW 1 1 , 289 f; 1 944 DBW 8, 408. 5 8 V gl. 1 932 DBW 1 1 , 269 u. 271-275. 59 Vgl. DBW 1 (SC) 76, 87, 126-128 u. ö.; 1 932 DBW 1 1 , 269. 60 DBW 4, 232; vgl. den Aufsatz "Was ist die Kirche?" (1 932 DBW 12, 237); 1 932 DBW 1 1 , 275; 1 932 DBW 1 1 , 331; 1 933 DBW 12, 509.

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In ihrer Einheit ,Christus als Gemeinde existierend' erkennt die Kirche ihren Personcharakter. Als der Herr der Gemeinde steht der zum Himmel aufgefahrene Christus der Gemeinde gegenüber, bei seinem Vater für sie bittend und im Heiligen Geist auf sie wirkend durch Wort, Sakrament und brüderliche Gemeinschaft. Denn indem er unser Menschsein annahm, wurde er in seiner Stellvertretung uns zum Bruder. Darum ist aber auch j eder Bruder uns zum Christus geworden. Bei solcher Begründung der Kirche in der Offenbarung und der Eröffnung der Transzendenz von der empirischen Person­ begegnung her6 1 wird auch der Unterschied zu einer ,religiösen Gemeinschaft' deutlich, sei sie nun begrifflich aus der Idee des Heiligen begründet, psychologisch aus dem Gesellungs- und Mitteilungstrieb oder geschichtsphilosophisch von der Idee einer Krönung des Kulturganzen durch die Religion entwickelt. Immer wird hierbei die Kirche aus einem ,religiösen Apriori' abgeleitet und zu einer ,religiösen' Gemeinschaft verformt: Aus dem Religionsbegriff ist ein Gemeinschaftsbegriff nicht zu gewinnen. Er bleibt immer individualistisch und atomistisch. Religiöse Gemeinschaft ist die Form der Menschheit in Adam; der letzte vergebliche Versuch, über die selbstverschul­ dete Einsamkeit hinauszukommen, sich selber zu erlösen. Es gibt in der Gegenwart reichlich Besserungsvorschläge zur Er­ neuerung und Aktivierung des Gemeinschaftslebens in der Kirche, in der' Jugendbewegung, in der Ökumene. Grundlage ist überall das fromme Erlebnis. Die geglaubte Kirche ist j eden­ falls nicht gemeint. Kirche ist vor all unserem Wollen da. Sie ist stellvertretend Handeln Christi und Aktualisierung, Anwen­ dung durch den Heiligen Geist. Sie ist nicht erfahrbar. Was wir sehen, sind nur die Werke, nicht die Personen, die in Gott sind. Wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen.62 61 Vgl. die Antrittsvorlesung an der Berliner Universität vom 3 1 . Juli 1 930: "Die Frage nach dem Menschen in der gegenwärtigen Philosophie und Theolo­ gie" (DBW 1 0, 357-378). 62 Vgl. 1 932 DBW 1 1 , 279; vgl. auch die Vorlesung "Sichtbare Kirche im Neu­ en Testament" (1 935/36 DBW 14, 422-434, hier 429 f): ,Also, es wird nicht eine neue Religion gestiftet, sondern ein Stück Welt wird neugeschaffen, - das ist die Gründung der Kirche, . , . Die religiöse Gemeinschaft hat ihren Selbstzweck im ,Religiösen' als dem höchsten - man mag dann auch sagen: gottgegebenen -

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Diese hier nur knapp exponierten theologischen Ausgangs­ stellungen lassen sich auch deutlich in " Gemeinsames Leben" erkennen : Begründung echter Transzendenz im Wortcharakter der Offenbarung, personaler Anspruch Gottes in Jesus Chri­ stus und seiner Gemeinde, aber auch die Kritik an einem , religiösen' Mißverständnis von Kirche und Gemeinschaftsle­ ben und damit ihrer Einordnung ins Gefüge einer autonomen Kultur oder in die Immanenz des menschlichen Bewußtseins. Kirche steht immer wieder nicht dort, wo Gott sie hingestellt hat, nämlich im Anspruch universaler Verkündigung, der voll­ mächtigen Ansage des Gebotes des Friedens und der konkreten Brüderlichkeit. Die , religiös' gewordene Kirche läßt sich ihren Platz zuweisen bei den Feierlichkeiten des Bürgertums an den Knotenpunkten des Lebens, bei den Nöten und Gewohnheiten des Klein- und Bildungsbürgertums und im Feld des unechten Konservatismus . So tritt sie an die Peripherie. Sie wird gehaßt wegen dieser Parteinahmen, nicht wegen des Wortes Gottes . 63 Sie versteht sich als institutioneller Selbstzweck. Im Pietismus begreift sie sich als Religion, in der (lutherischen) Orthodoxie als Heilsanstalt und in der Bekennenden Kirche als Offenba­ rungstheologie mit der Tendenz zu einem Offenbarungspositi­ vismus, wobei sich die Kirche prinzipiell unangreifbar macht gegenüber der Welt. Darum konnte an der Kirche zur Zeit des Kirchenkampfes und des Widerstandes gegen die Diktatur nur ein , s achliches' Interesse entstehen. Es fehlt, wie Bonhoeffer 1 944 im Rückblick feststellt, der , persönliche' Christusglau­ beY Darum ist sie für ihren eigenen Dienst weithin unfähig geworden, " Träger des versöhnenden und erlösenden Wortes für die Menschen und für die Welt"65 zu sein. Dies verlangt eine Rückbesinnung auf die Grundfunktionen der Kirche im " B eten Wert. Die Kirche als das aus Gottes Geist neugeschaffene Stück Welt und Menschheit fragt nach dem totalen Gehorsam gegenüber dem (Religiöses und Profanes) neuschaffenden Geist. . . . Nicht die religiöse Frage oder das religiöse Anliegen überhaupt konstituiert die Kirche - vom Menschen her geredet -, sondern der Gehorsam gegen das Wort der gnädigen Neuschöpfung." Vgl. auch 1 944 DBW 8, 405. 63 Vgl. 1 932 DBW 1 1 , 245-251, 277-280; 1 944 DBW 8, 557. 64 Vgl. DBW 8, 557 f. 65 DBW 8, 435.

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und Tun des Gerechten"66 oder eine konzentrierende Reduk­ tion auf , Arbeit und Gebet'. Gedanklich finden wir nun die Brücke geschlagen zwischen dem Ansatz von 1 9 3 1 /32 und den Überlegungen von 1 943/44 in " Widerstand und Ergebung". Aber auch sachlich vermögen die beiden Enden der Theologie Bonhoeffers zu einem Bogen zusammengehalten zu werden. Zeitlich und sachlich in der Mitte treffen wir auf " Gemeinsames Leben". Liegt es nun wie ein Pfeil in der Mitte des Bogens oder muß man diese Schrift als einen Reflex auf die deprimierenden Erfahrungen und Rück­ schläge des Kirchenkampfes auf die Seite räumen, weil sie Bonhoeffer vor der Übermächtigung durch die Welt zu einem Rückzug in fromme Konventikel veranlaßt haben sollen ? Muß man die mittlere Phase der theologischen Entwicklung Bonhoeffers, die von den Erfahrungen in Finkenwalde, von " Nachfolge" und " Gemeinsames Leben" geprägt ist und die aus dem Gegensatz zur deutschchristlichen Unterwanderung und totalitären Bekämpfung der Kirche durch den Nationalso­ zialismus zu interpretieren ist, lediglich als eine Verengung gegenüber der ursprünglichen Weite auffassen ? Wurde nicht das negative und defensive Verhältnis zur Welt in "Widerstand und Ergebung" zu einem positiven Weltverständnis weiterge­ führt ?67 Unbestritten ist es, daß sich in Bonhoeffers Theologie eine Entwicklung vollzog, die in einem Zusammenhang steht mit der geistigen und politischen Geschichte der Kirche in Deutschland.

66 Ebd. Die Doppelfunktion von Gebet und Arbeit spricht Bonhoeffer schon in GL (s. o. S. 33) an. Dies mag ein bewußter Anklang an die benediktini­ sche Devise " ora et labora" (" bete und arbeite") sein. 6 7 Diese These vertrat H. Müller, Von der Kirche zur Welt, 252. Neuerdings hat er sie modifiziert : H. Müller, Stationen auf dem Wege zur Freiheit, 22 1-242 . Vgl. auch die Kritik von T. R. Peters, Die Präsenz des Politischen, 57-60, an Müllers ursprünglicher Einordnung der " Nachfolge" in Bonhoeffers theologische Entwicklung.

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Anzeichen einer späteren Distanzierung von " Gemeinsames Leben " ? I m Rückblick hat Bonhoeffer selbst gewisse Bedenken gegen die " Nachfolge" geäußert . 6 8 Darf man sie auch auf " Gemeinsa­ mes Leben" beziehen, obwohl er sich nie davon distanziert hat ? Bonhoeffer nennt die Erfahrung der tiefen Diesseitigkeit des Christentums, die er in den letzten Jahren gemacht habe und die seinen Widerstand gegen alles , Religiöse' in ihm nur ver­ stärke. 69 Er verknüpft diese Erfahrung allerdings nicht mit einer genauen Angabe des Zeitpunktes und der Umstände. Doch im Blick auf die " Ethik" wird man annehmen dürfen, daß die Begegnung mit den Männern des politischen und militärischen Widerstandes und damit einer nicht mehr unmittelbar kirchlich geprägten Geistigkeit eine intensivierte Konfrontation mit Pro­ blemen der modernen Kultur in Recht, Ökonomie, Wissen­ schaft, Ethik und Politik zur Folge hatte. 7o Die Erfahrung der Diesseitigkeit des Christentums geht wieder einher mit der frühen Kritik am homo religiosus und am religiösen Apriori. 6. Aufschlußreich für Bonhoeffers Stellung zu GL in seiner Gefängniszeit ist eine Mitteilung seiner Braut Maria von Wedemeyer-Weller, The Other Letters from Prison, 23-29, hier 27: "I did make a dutiful attempt to read his books, starting from the beginning with Sanctorum Communio. When I admitted my frustration, it amused hirn thoroughly. He claimed that the only one of concern to him at that moment was Life Together, and he preferred that I wait until he was around to read it. " 69 Vgl. 1 943/44 DBW 8, 542 u. 1 97. Schon 1 942 (DBW 1 6, 325) bemerkt er: »Aber ich spüre, wie in mir der Widerstand gegen alles ,Religiöse' wächst. Oft bis zu einem instinktiven Abscheu - was sicher auch nicht gut ist. Ich bin keine religiöse Natur. Aber an Gott, an Christus muß ich immerfort denken, an Echtheit, an Leben, an Freiheit und Barmherzigkeit liegt mir sehr viel. Nur sind mir die religiösen Einkleidungen so unbehaglich." 1 941 (DBW 1 6, 122) be­ kennt er, daß er manchmal in Wochen nur wenig in der Bibel lese. Irgenderwas hindere ihn daran. Aber wenn er dann wieder nach ihr greife, fessele sie ihn um so stärker. Er fragt sich, ob nicht auch diese ,Menschlichkeit' noch von Gottes Wort mitgetragen sei. Und in WEN fragt Bonhoeffer nach der Rolle von Litur­ gie und Kultus im ,religionslosen' Christentum. Es ist hier entschieden daran festzuhalten, daß bei Bonhoeffer Gebet, Gottesdienst und Sakrament nicht mit dem ,Religiösen' identisch sind, wenngleich sie wie alle Momente des Christ­ lichen in ,religiöser' Einkleidung auftreten können (1 944 DBW 8, 405 u. 563). 70 Vgl. dazu 1 940/41 DBW 6, 3 1--6 1 .

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Und dies führt zu dem Ansatz zurück, nach dem das Christen­ tum nicht Höchstform einer religiösen Anlage ist, sondern ein Einbezogenwerden in die Wirklichkeit Gottes in Christus, der die ganze Welt mit allen ihren Bereichen für sich in Anspruch genommen hat. Darum heißt auch Christsein: von einem um­ fassenden Ja Gottes zur Welt und dem irdischen Dasein her zu leben, aber auch an den Leiden Gottes in und an der Welt teilzu­ nehmen. "Jesus ruft nicht zu einer neuen Religion auf, sondern zum Leben. «7 1 Der religiöse Individualismus, die Beschränkung auf partielle Momente, der Rückzug in fromme Innerlichkeit und das Inter­ esse an einer institutionellen Selbstsicherung werden überwun­ den zu einer Teilnahme am Für-Sein Gottes in der Offenbarung im Für-Sein Christi und seiner Kirche.72 So wird deutlich, daß ihr Revier die ganze Welt isr73, wie Bonhoeffer schon 1 932 in einer seiner acht Thesen zum Vortrag in Ciernohorske Kupele am 26. Juli formuliert hatte. Für Gott braucht nicht mehr eine Lücke in der natürlichen Autonomie der Welt aufrechterhalten zu werden.74

Kontinuität des theologischen Ansatzes im Wandel der Anforderungen der Zeit Thematisch liegt der Zusammenhang mit der frühen Theologie auf der Hand. Indem Bonhoeffer die ,religiöse' Interpretation gegen die freie Erschließung Gottes im Für-Sein Jesu für die Welt abhebt, ist die Perspektive auf die Weltbezogenheit eröff­ net. Sie kommt zur Geltung in seinem Engagement für die konkrete Gestalt der Kirche in der Fächerung Frieden, Öku­ mene und internationale Beziehungen, einem Engagement, das durchaus im Fluchtpunkt seiner anfänglichen Auffassung von Offenbarung, Kirche und Welt liegt. Es bleibt eine eschatologi­ sche Differenz, d. h., Reich Gottes und Kirche sind nicht identisch. 75 71 72 73 74 75

1 944 DBW 8, 537. 1 944 DBW 8, 405, 4 1 5, 504, 534 u. 558-560. Vgl. 1 932 DBW 1 1 , 345. Vgl. 1 944 DBW 8, 407 u. 454 f. Vgl. DBW 1 (SC), 193-199; 1 932 DBW 1 1 , 301-303; 1 940 DBW 6, 54-60.

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Die Kirche beansprucht keine Totalität gegenüber der Welt. Wenn sie auch von der Ganzheit des Wortes Gottes ausgeht, so anerkennt sie dennoch die relative Eigenwirklichkeit von Staat, Arbeitswelt, Kultur und Familie, durch die Gott in eigener Weise seine Regierung der Welt zur Geltung bringt. Gerade in ihrer Bezogenheit auf die Welt ergibt sich eine für sie kenn­ zeichnende Polarität. Einmal ist sie der Ort der in Christus erschienenen endgültigen Gegenwart Gottes in der Welt. Zum anderen dient sie Gott gerade darin als Instrument, wodurch er auf die Welt hin wirksam werden will. Dies ist die funktionale B estimmung der Kirche. In der Kirchenvorlesung von 1 932 stellt Bonhoeffer diese Polarität unter den Stichworten Welt­ lichkeit und Christlichkeit der Kirche dar. 76 In der " Ethik" spricht er von der Kirche als Mittel zum Zweck der Ausrich­ tung der Christusverkündigung an die Welt, und von der Kirche, die gerade darin (als Ziel des Handeins Gottes) Selbst­ zweck ist. 77 In " Widerstand und Ergebung" erscheint sie schließlich als Kirche für andere und als Arkanum in Gottes­ dienst, Gebet und Bekenntnis . 7 8 Es besteht also sachlich kein Widerspruch, sondern eine ihrer Bestimmung entsprechende Komplementarität von innerem Sein in Gottes Gegenwart und Dienstfunktion für die Welt Gottes. Dabei tritt der rote Faden der Kontinuität hervor von der frühen Ekklesiologie über " Gemeinsames Leben" bis zur " Ethik" und zu " Widerstand und Ergebung", ohne daß man den , Durchbruch zur Diessei­ tigkeit' , die j etzt nicht mehr nur formal als Ort der Zuwendung Gottes angesetzt, sondern auch in ihrer vieldimensionalen Phä­ nomenalität ins theologische Denken einbezogen wird, zu übersehen braucht. 79 In dem vorletzten der nicht verloren gegangenen Briefe an Eberhard Bethge vom 2 1 . 8. 1 944 gibt Bonhoeffer die drei Strukturelemente seines Denkens zu erkennen, die seine Theo76 77 78 79

1 932 DBW 1 1 , 298-301. Vgl. 1 943 DBW 6, 408-4 1 1 . Vgl. 1 944 DBW 8 , 405 u . 560. Man sollte im Hinblick auf Gebet und Liturgie, d. h. auf das Arkanum, bei Bonhoeffer nicht von praxis pietatis im Sinne einer Pflege frommer Inner­ lichkeit sprechen. Weltlichkeit und Arkanum sind vielmehr streng aufeinander zu beziehen.

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logie in allen ihren Stadien entscheidend geprägt haben : die volle und exklusive Gegenwart Gottes im Leben, Leiden, Ster­ ben und Auferstehen J esu Christi, die Gewißheit des Glauben­ den, in der Nähe und Gegenwart Gottes das neue Leben zu vollziehen und " in dem allen in einer Gemeinschaft (zu) stehen, die uns trägt" . 8 0 Nach den Aussagen in " Gemeinsames Leben" gehört der Christ nicht in die Abgeschiedenheit des klösterlichen Lebens und in fromme Konventikel. Sein Platz ist mitten unter den Feinden. Somit muß sich das Experiment des gemeinsamen Lebens im Alltag bewähren. 8 1 Freilich differenziert Bonhoeffer hier noch nicht wie in der " Ethik" zwischen einer gottfeindli­ chen Gottlosigkeit, die sogar fromm und religiös auftreten kann, und einer hoffnungsvollen Gottlosigkeit, die auf die Autonomie der Welt und die darin sich ermöglichende Nähe zum Gott der christlichen Offenbarung vorausweist. 8 2 Biographisch tat sich ihm in Finkenwalde die schon lange bedachte vita communis als Möglichkeit auf. Praktisch war sie in gewisser Weise in den Freizeiten von 1 932 schon vorbereitet. Aus London schrieb er am 1 4 . Januar 1 935 an seinen Bruder Karl-Friedrich : " Die Restauration der Kirche kommt gewiß aus einer Art neuen Mönchtums, das mit dem alten nur die Kompromißlosigkeit eines Lebens nach der Bergpredigt in der Nachfolge Christi gemeinsam hat. Ich glaube, es ist an der Zeit, hierfür die Menschen zu sammeln. " 8 3 Hierher gehören auch 80

DBW 8, 572 f. Siehe S. 14 f. 82 Vg1. 1 940 DBW 6, 1 1 5. 83 1 935 DBW 13, 273. Ähnlich schrieb er schon am 11. September 1934: "Die gesamte Ausbildung des Theologennachwuchses gehört heute in kirchlich­ klösterliche Schulen, in denen die reine Lehre, die Bergpredigt und der Kultus ernstgenommen wird - was gerade alles drei auf der Universität nicht der Fall ist und unter gegenwärtigen Umständen unmöglich ist." (1934 DBW 13, 204) Es gab in Finkenwalde durchaus auch Ansätze zu Ordensgelübden, die aber nicht vollzo­ gen wurden, weil die Zeit noch nicht reif war (vgl. DB 527-539, bes. 535). Trotz die­ ser positiven Einstellung zum Ordensleben bleibt Bonhoeffers Urteil über das Mönchtum mehrschichtig: In DBW 4, 32-34 u. 260 f sowie 1940 u. 1942 DBW 6, 42 u. 291 f deutet er das Mönchtum im klassisch-reformatorischen Sinne als Welt­ flucht, Gesetzlichkeit und Werkfrömmigkeit. Für eine Gesamtsicht ist noch hinzu­ zunehmen Bonhoeffers neutral-sachlich gehaltene Rezension von Fr. Parpert, Das 81

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Bonhoeffers Pläne einer Fahrt nach Indien zu Gandhi, um neue Formen des Gemeinschaftslebens kennenzulernen.84 Und schließlich dienten vor allem die durch Bischof George Bell von Chichester vermittelten Besuche in den aus benediktinischem Geist erneuerten und wieder errichteten anglikanischen Klö­ stern (den Kommunitäten in Cowley, Kelham und Mirfieldl5 dem Versuch einer vita communis im Dienst kirchlicher Er­ neuerung. Elemente dieses in langer Tradition geformten Or­ denslebens gingen in "Gemeinsames Leben" ein: Feste Tagesein­ teilung in der Polarität von Arbeit und Gebet, gemeinsame Lebensordnung mit festen Zeiten für Meditation, Stille, Schrift­ lesung, Fürbitte, Tischgemeinschaft, gegenseitiges Sündenbe­ kenntnis und eucharistische Gemeinschaft.86 Erheblich an der Sache vorbei ginge es, wollte man "Gemeinsames Leben" ledig­ lich als einen Ausläufer der Gemeinschaftswelle nach dem Ersten Weltkrieg begreifen, wie sie Bonhoeffer in der ,Berneu­ chener B ewegung' und der ,Sydower B ruderschaft' entgegen­ kam, oder als eine Art Klosterromantik. 87 Ausdrücklich setzt er sein Unternehmen schon im Vorwort von "Gemeinsames Le­ ben" ab von einer "Angelegenheit privater Zirkel" .88 Es geht Mönchtum und die evangelische Kirche (1930 DBW 1 0, 378-380). Zum Aufent­ halt Bonhoeffers im Benediktinerkloster Ettal in Bayern 1 940/41 vgl. DBW 1 6, 67-1 56. Bonhoeffers Bewertung des Mönchtums läßt einige Anklänge erkennen an A. v. Harnack, Was wir von der römischen Kirche lernen und nicht lernen sollten, 257 f. 84 Auf den Zusammenhang zwischen Bonhoeffers Plänen zu einem Indien­ besuch und seiner Suche nach neuen Formen christlicher Gemeinschaft hat E. Feil, Die Theologie Dietrich Bonhoeffers, 276 Anm. 30, 389f u. 392 hinge­ wiesen; vgl. jetzt auch A. Altenähr, Dietrich Bonhoeffer - Lehrer des Gebets, 24. 8 5 Siehe dazu den Brief an Bischof George Bell vom 24. Oktober 1 934 (DBW 1 3, 2 1 0) mit dem Dank für das Empfehlungsschreiben des Bischofs vom 1 6. Ok­ tober (DBW 13, 208 f). Vgl. auch DB 474 u. 528 f. 86 Zum Verständnis von GL sind alle Briefe, Predigten, Meditationen, Beicht- und Abendmahlsansprachen sowie die theologischen Arbeiten und Vorlesungen von Finkenwalde und aus den Sammelvikariaten hinzuzunehmen. Thematisch zusammengestellt finden sich diese Arbeiten in DBW 14 (1 935-1 937) und DBW 15 (1 937-1 939). 8 7 Vgl. DB 528. Zusammenhänge und Unterscheidendes macht deutlich J. Halkenhäuser, Kirche und Kommunität, 201-205. 88 Siehe S. 14.

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nicht um Bewegung, Orden, Verein oder collegium pietatis . 89 Er stellt vielmehr die Mannigfaltigkeit kirchlicher Gemein­ schaftsformen hinein in den Zusammenhang des Lebens der einen, heiligen, allgemeinen, christlichen Kirche. 90 50 will er " Gemeinsames Leben" aufgefaßt wissen als einen einzelnen Beitrag zu einer umfassenderen Frage und als Hilfestellung für die Praxis . 91

Christologische Begründung des gemeinsamen Lebens von Christen Bonhoeffer stellt, in Wiederaufnahme der neutestamentlichen Koinonia-Idee92 unter ständigem Bezug auf Luthers 5ermo­ nes93 von 1 5 1 9 mit ihrer großartigen Explikation des pauli­ nisch-augustinischen Gedankens , H aupt und Leib, Ein Chri­ stus'94, die , Gemeinschaft' in einen entschieden christologi­ schen und ekklesialen Kontext. Wort und Gemeinde gehören hier zusammen, weil nur das Wort Gottes Gemeinde und Versammlung begründet als die neue Menschheit in Christus. Bonhoeffer sucht so die von ihm entschieden bekämpfte An­ sicht zu überwinden, Luthers Rechtfertigungslehre begründe den religiösen Individualismus . Vielmehr gehören nach einer Aussage Luthers " Wort und Gemeinde zuhauf" . 95

'9 90 91 92 93

Siehe S. 32. Ebd. Vgl. o. S. 14. Vgl. DBW 1 (SC), 85-87. 1 932 DBW 1 1 , 290 (mit Anm. 350-353) sind folgende Sermones Martin Luthers angeführt: Sermon von der Bereitung zum Sterben. 1 5 1 9 (WA 2, 685-697); Sermon von dem hochwürdigen Sakrament der Taufe. 1 5 1 9 (WA 2, 727-737); Sermon von dem hochwürdigen Sakrament des heiligen wahren Leich­ nams Christi und von den Bruderschaften. 1 5 1 9 (WA 2, 742-758); Tessaradecas consolatoria pro laborantibus et oneratis. 1 520 (WA 6, 1 04-1 34). 94 Zum Einfluß Augustins auf Bonhoeffers Kirchenbegriff vgl. DBW 1 (SC), 1 14 f. Die Kenntnis dieses Kirchenvaters ist ihm wohl über seine Lehrer vermittelt worden. Vgl. R. Seeberg, Lehrbuch der Dogmengeschichte II, 363-567 u. A. v. Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte III, 59-236. 95 Vgl. 1 932 DBW 11, 281. Von daher gewinnt Bonhoeffer auch seine nichtindi­ vidualistische Sicht des allgemeinen Priestertums der Gläubigen in Miteinander

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Konkrete Gemeinschaft ist darum repräsentativer Vollzug der im Glauben angenommenen Beziehung zu Christus, die auch immer einen Bezug zu der in ihm als neue Menschheit begrün­ deten Kirche einschließt: "Christliche Gemeinschaft heißt Ge­ meinschaft durch Jesus Christus und in Jesus Christus. "96 Dieser Basissatz mag auch die Kritik begrenzen, die in Finkenwalde unevangelische Ideen am Werke sah97 und das Experiment mit bestimmten Verdikten wie ,katholisierend', ,Schwärmerei', ,Gesetzlichkeit', ,Klosterluft' relativieren wollte.98 Weil christ­ liche Gemeinschaft Gabe und Gnade Gottes in Jesus ist, grün­ det sie wie das gesamte Heil in der Gerechtigkeit Christi, die dem Glaubenden ,von außen' zugesprochen wird. Da das Wort Gottes durch Menschenmund ergeht, brauchen wir den Bruder als Verkünder des göttlichen Heilswortes. Daher kann Bonhoeffer in der Rechtfertigung allein aus Gna­ den den Ursprung der Gemeinschaft der Christen und das Verlangen nach ihr begründet sehen. Christus ist der Mittler zwischen Gott und den Menschen. Er ermöglicht das neue Personsein des gerechtfertigten Sünders in der ,Christusmenschheit'. So ist er die Mitte und der Mittler in der Begegnung von Menschen, die in ihrem ,Sein-in-Adam' voneinander isoliert lebten, gefangen in hoffnungsloser Ego­ zentrik. Als Glieder des Leibes Christi aber finden wir unser Allein-Sein überwunden, wenn auch freilich nicht unser Einzel­ ner-Sein. Bonhoeffer steuert also nicht, um dem Individualis­ mus zu entgehen, in den entgegengesetzten Graben des Kollek­ tivismus. Christus als Grund der neuen Menschheit erweist sich als verbindende Brücke zwischen Gott und Mensch wie auch und Füreinander (Opfer, Fürbitte, Sündenvergebung) (vgl. DBW 1 (SC), 1 1 7-128; 1 932 (DBW 1 1 , 287-298). 96 Siehe S. 1 8 . 9 7 Vgl. hierzu D B 535. 9 8 So sprach etwa Karl Barth - freilich im Blick auf eine nicht von Bon­ hoeffer, sondern von Bethge verfaßte Anleitung zur Meditation - von einem "schwer zu definierende(n) Geruch eines klösterlichen Eros und Pathos" (1936 DBW 14, 253). H. Müller, Von der Kirche zur Welt, 257-260, steht GL reserviert gegenüber, weil es katholisch und gesetzlich sei. Bonhoeffer setzt sich im übrigen in GL (s. o. S. 24) selbst mit dem Vorwurf der Gesetzlichkeit auseinander.

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zwischen Mensch und Mensch. Dies heißt aber auch, daß ich erst im Bruder Christus begegne und in ihm dem Gott in Christus. Gemeinschaft des Glaubens und der Liebe gehören zusammen. Sie zeigen die vertikale und horizontale Dimension der Gemeinde, die beide in der Gottesliebe verwurzelt sind. Glaube begründet die Einheit, Liebe die Gemeinschaft.99 Die klare christologische und ekklesiale Auslegung der Communio­ Idee läßt eine Konstitution von Gemeinde nicht zu, die statt vom Wort Gottes von einem frommen und ,religiösen' Verlan­ gen nach dem andern ausgeht oder den Traum von außerge­ wöhnlichen Gemeinschaftserlebnissen in die Mitte rückt.

Gemeinschaft als pneumatische Wirklichkeit Schon in der Einleitung zu seiner Ekklesiologie-Vorlesung 1 932 nimmt Bonhoeffer auf Vorstellungen von Gemeinde Bezug, die aus einer gewissen ,kirchlichen Welle' hervorgingen, näherhin aus der Jugendbewegung, welcher "Gemeinschaft als Basis allen Lebens" erschienen war.IOO Gegen dieses verbreitete Miß­ verständnis von Kirche als ,religiöser Gemeinschaft', die sich am Ideal einer Erlebnis-, Sympathie- oder Volksgemeinschaft orientiert, führt Bonhoeffer eine Kirche ins Feld, die für ihn zuerst eine Wirklichkeit des Glaubens ist. Für "Gemeinsames Leben" erweist sich die Fundamentaldifferenz zwischen göttli­ cher Wirklichkeit und menschlichem Ideal als Kriterium, um eine ,pneumatische' von einer ,psychischen' Gemeinschaft zu 99 Dieser Aspekt lutherischer Rechtfertigungslehre dient Bonhoeffer auch da­ zu, den Versuch der Deutschen Christen und anderer protestantischer Richtun­ gen theologisch abzuwehren, Kirche von unten her (Naturordnungen, Stimme des Blutes etc.) abzuleiten. "Was ist Kirchengemeinschaft? Ist Kirchengemein­ schaft vom Heiligen Geist geschaffene Einheit und Gemeinschaft am Wort und Sakrament, oder ist sie die Gemeinschaft aller gutgesinnten, ehrlichen, frommen Christen deutsch-christlicher, kirchenausschußmäßiger und bekenntnismäßiger Observanz?" (1936 DBW 14, 698). "Es soll uns wohl nur eines bleiben, sein Wort, sein Sakrament, seine Verheißung. Wir fragen nach nichts anderem. Denn aus dieser Gabe entspringt das unvergleichliche Geschenk echter Gemeinschaft im Glauben, im Beten, in der Fürbitte, im brüderlichen Dienst, in der Vergebung, in der Beichte, in der Zucht und in der Erkenntnis der Sünden und der Barmher­ zigkeit Jesu Christi" (1936 DBW 14, 700). lOO Vgl. 1 932 DBW 1 1 , 24 1 .

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unterscheiden. 1 0 1 Lediglich ein Traumbild von Gemeinschaft liegt zugrunde, wo beseligende Erfahrungen und rauschende Hochstimmung gesucht werden. Gemeinschaft wird zerstört, wenn ein Mensch mit den Forderungen seines Wunschbildes an die Brüder herantritt und sie nach dem Gesetz seines Ideals anklagt und richtet. Hier entwickelt sich die gefährliche Tyran­ nei der Gemeinschaftsträumer. Erst wo Gemeinschaft als ge­ schenkte Wirklichkeit Gottes empfangen wird, tritt die befrei­ ende Wahrheit Gottes über den Menschen ins Licht, indem auch der sündige und versagende Bruder als Bruder anerkannt wird. Aufgrund seiner Anthropologie, die den Menschen in Chri­ stus zentral als ,Dasein-für-andere' erfaßt und den Menschen , in Adam' von seiner Selbstverfangenheit her beschreibt, basiert die Gemeinschaft in und aus Christus auf der Wahrheit Gottes, die religiös-psychische Gemeinschaft aber auf der frommen, subtilen oder groben Vergewaltigung des anderen. 1 02 Hier herr­ schen Liebe, Agape und Dienst, dort der Wille, die Brüder durch ein religiöses Ideal oder pädagogisierende Methoden zu beherrschen. l 0 3 Pneumatische Gemeinschaft sucht den Bruder in Christus und Christus im Bruder. Diese wechselweise Ver­ mittlung hebt j ede unmittelbare Seeleneinheit und -verschmel­ zung in einem mystischen Einsfühlen auf. Darum bleibt der andere in seinem in Christus begründeten Personsein durch mein Herrsein-Wollen unangetastet, weil ich ihn nicht nach meinem Bild von Gemeinschaft und nach meinem , religiösen' Ideal formen kann, sondern weil ich ihn nach dem Bilde Christi erkenne als den von Gott geliebten Bruder, für den Gott Mensch wurde, am Kreuze litt und starb und von den Toten 101

Siehe S. 26 f. Siehe S. 28. 103 Die Gegenüberstellung von vergewaltigender und freigebender Liebe wurde von A. Nygren, Eros und Agape. Gestaltwandlungen der christlichen Liebe, I 1 930, II 1 93 7 wieder aufgegriffen und als exklusiver Gegensatz aufgefaßt, der an die Entgegenstellung von Glaube und Religion in der dialekti­ schen Theologie erinnert. Zur Kritik an dieser Position vgl. J. Pieper, Über die Liebe, 67-9 1 , der von einer Diffamierung des Eros sprechen kann aufgrund einer anderen theologischen Bewertung von , Natur' . Er bezieht sich hier allerdings auf E. Brunner, Eros und Liebe, 26. 1 02

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erstand. Denn: "Seelische Liebe liebt den Andern um seiner selbst willen, geistliche Liebe liebt den Andern um Christi willen. "I04 Die Gemeinschaft der in Christus Freigewordenen ist bei Bonhoeffer also in Christus selbst begründet, insofern Christus im Bruder als Mittler zum andern hin auftritt und insofern der Bruder Mittler und Priester ist hin zu Christus. Christus begeg­ net aber auch als die Grenze, an der die Unverfügbarkeit der anderen Person aufgeht. Die Notiz in "Widerstand und Erge­ bung", daß der jeweils gegebene erreichbare Nächste das Tran­ szendente ist, findet hier den angemessenen Verstehenshinter­ grund. lOS

104 Siehe o. S. 29. Das von Bonhoeffer verwendete Begriffspaar ,pneuma­ kann zu Mißverständnissen Anlaß geben. Sarx ("Fleisch") im biblischen Sinne, worauf er anspielt, ist ja nur die ,Natur' des Menschen im status corruptionis ("Stand der Verderbtheit"), d. h. in seiner Willensstellung gegen Gott und der Unfähigkeit, in heilender Gemeinschaft mit Gott zu stehen. ,Natur' des Menschen bezeichnet nach katholischer Lehre aber auch seine konstitutionelle Grundausstattung (Geistigkeit, Leiblichkeit, Sozialität u. a.), die nicht verloren geht, wenn sich die einzelnen Vermögen auch in einem Stand der Desintegration befinden mögen. In der Fleischwerdung des Wortes Gottes, die Bonhoeffer besonders als Gemeinschaft konstituierendes Geschehen hervor­ hebt (s. o. S. 20 f), werden die natürlichen Grundformen menschlichen Zusammenlebens heilend aufgegriffen und für das Leben der Gemeinschaft fruchtbar gemacht. Schon in "Sanctorum Communio" geht es Bonhoeffer um die Entwicklung eines entsprechenden christlichen Begriffs von Person und Gemeinschaft (vgl. DBW 1 (SC), 25-76). In der "Ethik" setzt er zu einer umfassenden Neubewertung des Natürlichen an (1 940/41 DBW 6, 137-21 7). Und in seiner Kritik am ,Offenbarungspositivismus' Karl Barths bzw. der Bekennenden Kirche (1 944 DBW 8, 481) geht es ihm auch darum, das positive Erbe der liberalen Theologie (1 944 DBW 8, 555 u. 557 f) in ihrer Orientierung am Weltlich-Realen wieder aufzunehmen. Bonhoeffers Reserve gegenüber einer säkularistischen Form der Seelsorge bleibt freilich bestehen (vgl. o. S. 83 u. 92, sowie 1 935-1939 DBW 14, 563; 1 944 DBW 8, 509). Allerdings wäre es ein Miß­ brauch, wollte man Bonhoeffer ohne weiteres zum Gegner jeder Einbeziehung psychologischer und soziologischer Erkenntnisse in die Theologie machen, wie es in manchen evangelikalen und fundamentalistischen Anschauungen der Fall zu sein scheint. Vgl. hierzu E. Bethge, Nachwort (1 979) zu GL, 1 12. 10' 1 944 DBW 8, 558. tisch-psychisch '

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Formen christlichen Gemeinschaftslebens Indem Bonhoeffer christliche Gemeinschaftsbildungen als bru­ derschaftliches Leben unter und aus dem Wort begründet, sind sie immer "ein Stück der Einen, heiligen, allgemeinen, christli­ chen Kirche" und nehmen an Not, Verheißung und Kampf der ganzen Kirche "handelnd und leidend" tei1. 1 06 Aus ihrem Arkanum heraus vermag die Kirche für andere "nicht herrschend, sondern helfend und dienend" teilzuneh­ men an den weltlichen Aufgaben des menschlichen Gesell­ schaftslebens. 1 07 Durch den intensiven Weltbezug und die Aus­ richtung auf den Dienst nach außen grenzt Bonhoeffer seine Vorstellung von Gemeinschaft gegenüber einem lediglich an der eigenen Frömmigkeit interessierten collegium pietatis ab. Die Doppelbestimmung einer Stellvertretung, die darin besteht, zum einen das Ziel aller Wege Gottes zu sein und zum anderen an der Stelle zu stehen, wo die ganze Welt stehen sollte, führt die Kirche vollständig in die Gemeinschaft und Nachfolge des Herrn, "der gerade darin der Christus war, daß er ganz für die Welt und nicht für sich selbst da war" 1 08. Gerade in einer nachchristlichen Gesellschaftsentwicklung erhalten die verschiedenen Gemeinschaftsbildungen in Ge­ meinde und Kirche eine erhöhte Bedeutung als intensive For­ men der Begegnung mit den Quellen des Christlichen in Wort, Sakrament und Brüderlichkeit. 1 09 Sie befähigen den von der Isolation bedrohten Christen zur Verkündigung und zur quali­ fizierten Mitarbeit am gesellschaftlich-autonomen Leben im Geiste Christi. Die Polarität von Arkanum und Weltlichkeit des Christentums ist in der eschatologischen Struktur christli­ cher Offenbarung begründet. Man kann sagen, daß Bonhoeffer sie neu entdeckt hat und sie auf die nachchristliche Situation hin zu konkretisieren versuchte.

1 06 Siehe S. 32. 1 07 1 944 DBW 8, 560. 1 08 1 943 DBW 6, 409. 1 09 Siehe S. 33 f. Es gibt dabei auch pneumatisch-natürliche Mischformen wie die Familie.

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III " Das Gebetbuch der Bibel" dient einer vertieften Hinführung des Christen zum Psalter als der " großen Schule des Betens überhaupt" l 1 o. Diese Schrift steht im Zusammenhang mehrerer Auslegungen einzelner Psalmen, zu denen sich Bonhoeffer mehr und mehr Zugang verschafft hatte. 1 1 1 " Das Gebetbuch der Bibel" ist aber auch nicht z u trennen von einer Reihe wichtiger Bibelarbeiten zu Themen des Alten Testaments in Finkenwalde. 1 1 2 Es war dabei auch der Kampf um die Geltung des Alten Testaments und des alttestamentli­ chen Gottesvolkes für die christliche Kirche auszufechten. Ver­ schärft wurde die Problematik durch den Antijudaismus beson­ ders der Deutschen Christen und ihre ideologisch gestützten Versuche, das jüdische Erbe im Christentum zu eliminieren. Diese Auseinandersetzung verschob sich auf die Ebene einer prinzipiellen Bibelhermeneutik. Die , Neutralen' tarnten sich mit der theoretischen Unterscheidung von rein wissenschaftli­ cher Arbeit und kirchenpolitischen Stellungnahmen und gaben so das Alte Testament preis. Kann eine rein historisch-literarische Exegese am Alten Te­ stament nur ein sachliches und wissenschaftliches Interesse zulassen ? Oder hat auch eine übergreifende theologische Sinn­ erschließung ihr Recht, ohne daß sie als bloß unverbindliche Erbauung abgetan werden muß ? I 1 3 Bonhoeffer bestreitet nicht das relative Recht der historisch-kritischen Methode, insofern gerade sie die " volle Historizität der Offenbarung geltend" 110 Siehe S. 40. Zu den Fragen des Gebetsverständnisses vgl. grundsätzlich A. Altenähr, Dietrich Bonhoeffer - Lehrer des Gebets; und E. Bethge, Der Ort des Gebets, 1 59-1 77. Hervorzuheben ist auch die von Bonhoeffer herausgear­ beitete trinitarische Grundform jedes christlichen Gebets. Vgl. exemplarisch "Morgengebet": Weihnachten 1 943 (DBW 8, 204-206). 111 Vgl. Psalm 42: 1 935 DBW 14, 851-860; Psalm 58: 1 937 DBW 14, 980-988; und Meditation über Psalm 1 1 9: 1 939/40 DBW 1 5, 499-537. 112 Hierher gehören die Arbeiten: "König David" (1935 DBW 14, 879-904) und "Der Wiederaufbau Jerusalems nach Esra und Nehemia" (1 936 DBW 14, 930-945). 113 Zur Problematik von historischer und theologischer Auslegung vgl. Bon­ hoeffers Arbeit "Vergegenwärtigung neutestamentlicher Texte" ( 1 935 DBW 1 4, 399-421).

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machen muß . 1 1 4 Wenn Offenbarung als Gottes Wort nur im Menschenwort ergeht, vermag diese Erkenntnis das Einge­ flochtensein der Offenbarung in den Kreis menschlicher Mo­ tive zu erhellen, die Bezüge zum kulturellen Milieu aufzudek­ ken, historische Bedingungen und Entscheidungen zu beachten und die psychische Verfassung der biblischen Schriftsteller zu beleuchten. Dennoch kann der vom Wort Angesprochene den von Gott intendierten Aussagewillen und die Sinnzusammen­ hänge im Glauben aufnehmen und theologisch verarbeiten. 1 1 5 Unter diesem Vorzeichen kommt Bonhoeffer zu einer entschie­ den theologischen Deutung des Psalters . 1 1 6 Die wichtigsten Auslegungsgrundsätze hatte er schon in seinem Vortrag " Chri­ stus in den Psalmen" 1 1 7 dargelegt und in " Gemeinsames Le­ ben" 1 1 8 präzise zusammengefaßt. Indem er über eine rein histo­ risch-literarische Auslegung hinausgeht, stellt er sich konse­ quent in die große abendländische Tradition der Psalmenausle­ gung von Augustinus1 1 9 und Luther1 2 0 , die die Psalmen christo­ logisch, tropologisch und typologisch deuten. 1 2 1 Folgende her­ meneutische Grundregeln macht Bonhoeffer geltend :

Die christologische Vermittlung des Gebets Christliches Gebet ist nicht zuerst ein natürliches Sichausspre­ chen auf Gott hin, eine Äußerung seelischer Bedürfnisse, son-

11 4 1 935 DBW 1 4, 374. 11 5 Bonhoeffer geriet darüber in Kontroversen mit Vertretern der alttesta­ mentlichen Wissenschaft. Vgl. dazu F. BaumgärteI, Die Kirche ist Eine - die alttestamentlich-jüdische Kirche und die Kirche Jesu Christi?, 1 936, und den Briefwechsel F. Baumgärtel mit E. Baumann (1936 GS IV 335-343) sowie K. L. Schmidt, H. Strathmann und G. Kittel (1936 GS VI 401 f). 11 6 V gl. dazu M. Kuske, Das Alte Testament als Buch von Christus, 1971. 11 7 1 935 DBW 14, 369-377. 118 Siehe o. S. 38-43. 119 Bonhoeffer war im Besitz von Aurelius Augustinus, Über die Psalmen, 1 936, in dem sich bei Psalm 1 1 8 (1 1 9) zahlreiche Anstreichungen finden. 120 Vgl. K. Holl, Luthers Bedeutung für den Fortschritt der Auslegungs­ kunst, 544-582. 1 2 1 Vgl. E. Iserloh, ,Existentiale Interpretation' in Luthers erster Psalmen­ vorlesung?, 209-221 . - Die ,trop ologisch e ' Auslegung befragt den Text nach

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dern ein Weg zu Gott. Diesen Weg kann nur Jesus Christus gehen. Aufgrund seiner Gott-Menschheit ist er die Einheit des Wortes Gottes zu uns und unseres antwortenden Gebets zu Gott. Er betet selbst in seiner angenommenen Menschheit den Psalter. So lernen wir nur von ihm, wie wir beten sollen. Nur in ihm können wir zu Gott sprechen. Gebet ist so zentral ein Mit­ Beten mit Jesus. Der Christ betet als Glied am Leibe Christi, der neuen Menschheit, in Christus, ihrem Haupt. So kommt noch einmal die augustinische Idee von ,Haupt und Leib, Ein Christus' zur Anwendung.

Schriftgemäßes Beten Weil Jesus in seiner Menschheit alle Not, Freude, Last und Hoffnung des menschlichen Daseins auf sich genommen hat, darum auch vermag der Psalter als eine Sammlung menschlicher Gebete in der Heiligen Schrift zu stehen und so zugleich Gottes Wort an uns zu sein. In ihm wurde Menschenwort zu Gottes­ wort und Gotteswort zu Menschenwort. Im Geschenk des Vaterunsers hat Jesus die Bitte der Jünger um das Belehrtwer­ den über das rechte Gebet erfüllt. Darum werden auch alle biblischen Gebete und so auch der Psalter im Vaterunser ihre Richtung und Auslegung finden. Der Christ betet also nicht, wie es ihm sein eigener Geist und sein Gefühl zufällig eingeben. Der Geist Christi in ihm lehrt ihn, wie und worum er beten soll.

Die Beter der Psalmen Zuerst ist David selbst der Beter der Psalmen, aber insofern er prophetisch-messianisch den Messias schon in sich trägt, betet in ihm Jesus Christus. Da Christus von seinem Leib, der Kirche, und seinen Gliedern nicht zu trennen ist, beten in Christus auch die Kirche und die einzelnen Christen den Psalter. Weisungen für das Verhalten des einzelnen, die , typologische ' Auslegung inter­ pretiert Gestalten und Ereignisse des Textes als Abbilder späterer heilsge­ schichtlicher Gestalten und Ereignisse.

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Diese hermeneutischen Grundsätze kann Bonhoeffer nun im Hinblick auf die einzelnen Gattungen und Themenfelder der Psalmen zur Anwendung bringen. Hilfreich dürfte hier vor allem seine originelle Deutung der Rachepsalmen sein. Er deu­ tet sie nicht verlegen weg als eine überwundene "religiöse Vorstufe" . 1 22 Er stellt heraus, daß es in ihnen nie um persönli­ che Rache an den eigenen Feinden geht, sondern daß sich die Rache auf die Feinde der Sache Gottes richtet. Gott selbst aber führt seine Rache aus, indem er seinen Zorn über die Sünde und den Sünder Christus treffen läßt. Er hat in ihm den Schuldlosen "zur Sünde gemacht" . 1 23 Und so führt die Rache Gottes, der sich der Beter anschließt, ins Geheimnis des Kreuzes Christi hinein, wo zugleich Gottes Liebe zu seinen Feinden und seine barmherzige Vergebung aller Schuld aufscheint. Es geht im Psalmengebet um das unterscheidend Christliche des Gebets. In diesem Sinn gewann die Bemerkung Friedrich Christoph Oetingers ( 1 702-1 782), der Psalter enthalte im Grunde nichts anderes als die sieben Bitten des Gebetes des Herrn, einen Schlüsselcharakter für Bonhoeffers Auffassung der Psalmen. Dies bedeutet freilich für Bonhoeffer nicht nur, daß sich der Psalter von Christus her erschließt, sondern auch umgekehrt, daß der Psalter das Christus geschehen auslegt. "Es bleibt in allem unserm Beten immer nur das Gebet Jesu Christi, das Verheißung hat und das uns von heidnischem Geplapper befreit. Je tiefer wir in die Psalmen wieder hinein wachsen, und je öfter wir sie selber gebetet haben, desto einfacher und reicher wird unser Gebet werden." 1 24

1 22

Siehe S. 129. II Kor 5,2 1 . 124 Siehe S. 43. 123

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c) Auswahlbibliographie zu "Gemeinsames Leben" Altenähr, Albert, Dietrich Bonhoeffer - Lehrer des Gebets. Grundla­ gen für eine Theologie des Gebets bei Dietrich Bonhoeffer (STGL 7), Würzburg 1 976 Bethge, Eberhard, Gottesdienst in einem säkularen Zeitalter - wie Bonhoeffer ihn verstand, in: Ders., Ohnmacht und Mündigkeit. Beiträge zur Zeitgeschichte und Theologie nach Dietrich Bonhoef­ fer, München 1 969, 1 1 4-134 -, Beten und Tun des Gerechten. Dietrich Bonhoeffers umstrittenes Erbe, in: Ders., Am gegebenen Ort. Aufsätze und Reden 1 970-1 979, München 1 979, 39-47 -, Nachwort ( 1 979) zu: D. Bonhoeffer, Gemeinsames Leben, Mün­ chen 21 1 986, 1 06-1 1 3 -, Der Ort des Gebets i n Leben und Theologie Dietrich Bonhoeffers, in: Ders., Bekennen und Widerstehen. Aufsätze - Reden - Gesprä­ che, München 1 984, 1 59-1 77 Glenthflj, Jflrgen, Was hat Dietrich Bonhoeffer zur Frage des Gottes­ dienstes im säkularen Zeitalter gesagt ?, Kopenhagen 2 1 969

c) Auswahlbibliographie zu "Gemeinsames Leben"

1 83

Günther, Walther, Dietrich Bonhoeffer und die Brüdergemeine, in: Unitas fratrum. Zeitschrift für Geschichte und Gegenwartsfragen der Brüdergemeine, H. 7, hg. v. W. Erbe, D. Meyer u. H.-B. Motel, Hamburg 1 980, 62-70 Halkenhäuser, johannes, Kirche und Kommunität. Ein Beitrag zur Geschichte und zum Auftrag der kommunitären Bewegung in den Kirchen der Reformation (KKTS 42), Paderborn 1 978, 1 82-209 Kanitz, joachimlBüsing, WolJganglSutz, Erwin, Finkenwalde, in: Wie eine Flaschenpost. Ökumenische Briefe und Beiträge für Eberhard Bethge, hg. v. H. E. Tödt, München 1 979, 48-53 Kuske, Martin, Weltliches Christsein. Dietrich Bonhoeffers Vision nimmt Gestalt an, München 1 984 Meier, järg Martin, Weltlichkeit und Arkandisziplin bei Dietrich Bonhoeffer (TEH.NF 1 3 6), München 1 966 Meuß, Gisela, Arkandisziplin und Weltlichkeit bei Dietrich Bonhoeffer, in: MW III, 68-1 1 5 Müller, Gerhard Ludwig, Bonhoeffers Theologie der Sakramente (FTS 28), Frankfurt 1 979, bes. 1 95-355 -, Wiederversöhnung in der Gemeinde. Das streitbare Engagement Dietrich Bonhoeffers für die Erneuerung der Einzelbeichte, in: Cath (M) 33 (1 979), 292-328 Müller, Hanfried, Von der Kirche zur Welt. Ein Beitrag zu der Beziehung des Wortes Gottes auf die so ci etas in Dietrich Bonhoef­ fers theologischer Entwicklung, Leipzig 1 96 1 u. Hamburg-Berg­ stedt 21 966, bes. 1 97-260 Schijndel, H. ]. ]. van, Religie, Geloof, Disciplina Arcani, Kampen 1 979 Schänherr, Albrecht, Lutherische Privatbeichte, Göttingen 1938 -, Bonhoeffers Satz ,Unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: Im Beten und Tun des Gerechten unter den Menschen'. Versuch einer Auslegung, in: Kirche für andere. Vorträge und Ansprachen im Bonhoeffer-Gedenkjahr 1 970 in der DDR, hg. v. W. Pabst, Berlin (Ost) 2 1 974, 1 9-37 Schroer, Hennig, Besteht Christsein heute nur im Beten und Tun des Gerechten ? Überlegungen zu einem Liturgie und Diakonie verbin­ denden Grundmotiv der Theologie Dietrich Bonhoeffers, in: Soli­ darität und Spiritualität. Diakonie. Gottesdienst als Menschen­ dienst. Ein ökumenisches Symposion, hg. v. H. G. v. Hase, Stuttgart 1971 , 1 3-25 Wendel, Ernst Georg, Studien zur Homiletik Dietrich Bonhoeffers. Predigt - Hermeneutik - Sprache (HUTh 2 1 ), Tübingen 1985 Zimmermann, WolJ-Dieter (Hg.), Begegnungen mit Dietrich Bon­ hoeffer, München 41 969

Abkürzungsverzeichnis

Die Abkürzungen im Apparat der Herausgeber folgen dem von s. Schwertner zusammengestellten Abkürzungsverzeichnis der "Theologischen Realenzyklo­ pädie" (TRE), Berlin/New York 1 976 ('1 994). Darüber hinaus bedeuten: BSLK DB DBW DBWE Dt. EA EG EG.BP GB GL GS hg. v. IBF KD LB MW NA NL-BibI. ODB s. vgI. VKL WA

Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kir­ che (s. Lit.-Verz. a) E. Bethge, Dietrich Bonhoeffer (s. Lit.-Verz. b) Dietrich Bonhoeffer Werke, 16 Bde., hg. v. Eberhard Bethge u. a., München 1 986 ff, Gütersloh 1 994 ff Dietrich Bonhoeffer Works Englis Edition (s. Lit.-Verz. b) Deutsche Übersetzung Erlanger Ausgabe der Werke Martin Luthers Evangelisches Gesangbuch (seit 1 994) Evangelisches Gesangbuch für Brandenburg und Pommern (s. Lit.-Verz. a) D. Bonhoeffer, Das Gebetbuch der Bibel (s. Lit.-Verz. b) D. Bonhoeffer, Gemeinsames Leben (s. Lit.-Verz. b) D. Bonhoeffer, Gesammelte Schriften (s. Lit.-Verz. b) herausgegeben von Internationales Bonhoeffer Forum 1 ff, München 1 976 ff K. Barth, Die Kirchliche Dogmatik (s. Lit.-Verz. b) Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers (s. Lit.­ Verz. a) Die Mündige Welt I-V, München 1 955-1 969 Neuausgabe Restbibliothek Bonhoeffers, in: Nachlaß Dietrich Bon­ hoeffer (s. Lit.-Verz. b) Opere di Dietrich Bonhoeffer (s. Lit.-Verz. b) siehe vergleiche Vorläufige Kirchenleitung der Deutschen Evangelischen Kirche Weimarer Ausgabe der Werke Martin Luthers

Register Kursive Seitenzahlen verweisen auf das Vorwort,

kungen der Herausgeber

das Nachwort und die Anmer­

A) BIBELSTELLEN

Genesis 3,5 4,9 1 9,27 22,3

95 88 38 38

Exodus 8, 1 6 9, 1 3 1 5 , 1-2 1 24,4 11

38 38 49 38 58

Deuteronomium 28,25

15

Josua 3, 1 6, 1 2

38 38

Judicum (Richter) 5,31 35 I Samuel 3,10 1 6,23

63 110

II Samuel 23,2 ff

111

I Chronik 25,2

113

Hiob 38,7

49

Psalmen 1 2

1 1 3, 1 1 8 1 1 3, 1 2 1 , 1 3 1

4,4 5 4 6 7 8 9 10 13 14 15 16 9 ff 17 3 14 f 1 8,24 19 20 21 22 2 9 19 23 23 4 25 26 27 28 29 30,6 31 6 32 34 35 36 37 7 16 38

84 42, 1 27, 1 29 37 1 26, 1 3 1 1 2 7, 1 29 117 1 27, 1 29 129 1 24, 1 2 9 126 1 22, 1 26 1 2 7, 1 29 131 127 128 131 127 117f 121 1 2 1 , 1 29 120 116 1 20 120 120 1 25, 129 125 126 127 121 129 118 97 1 24, 1 26, 129 116 126 131 1 24, 1 27, 129 129 123, 125 1 23 123 125 f

1 90 39 40 41

1 26, 1 3 1 1 26, 129 1 24, 126 f , 1 29 5 128 1 2 1 , 172 42 5 16 43 , 1 128 1 24 f, 1 27, 1 29 44 35 1 24 45 121 1 1 121 46 121 f 37 6 121 48 49, 8 f 90 16 131 1 22 50 20 79 23 1 22 1 26 51 52 129 1 24, 129 54 55 1 24, 1 29 56 1 24 14 131 57,8 f 3 7 41, 1 29, 1 72 58 59 1 27, 1 29 61 1 24 7 ff 1 2 1 1 2 1 , 125 63 2 37 4 123 5-9 62 12 121 65 123 2 65 66 127 67 1 13 68 1 27, 129 69 1 20, 1 27, 1 29 1 20, 127 6 70 129 71 1 29 72 121 20 1 1 3 73 125, 1 2 7 24 1 3 1

Register 2 5 f 123 1 24 1 6 64 78 1 1 3, 1 1 9 79 1 24 f 81 121 84 121 86 1 24, 1 2 7 87 121 88 1 24 14 37 90 131 91 125 96 131 49 97 131 98 131 49 1 02 1 24, 1 26, 1 3 1 1 04 118 23 59 1 05 1 1 9, 1 24 1 06 119 1 0 7, 1 6 94 1 09 ( 1 1 0) 1 5 110 121, 131 1 1 8, 1 5 ff 1 3 1 119 42, 1 15, 1 1 8 f, 1 19, 134, 1 72, 173 19 1 1 8 147 3 7 121 125 4 63 7 64 126 122 127,2 38, 58 130 126 133,1 15 137 122, 129 143 126 145,1 5 f 61 148-1 50 1 3 1 74

Proverbia (Sprüche) 23,26 28, 1 3

93 97

191

a) Bibelstellen Kohelet (Prediger) 2,25 3,7 4, 1 0 7, 8 8, 1 5 9,7

58 67 86 81 58 58

Sapientia (Weisheit) 1 6, 2 8

37

J esaja 53 4 5 58,7

85 85, 125 85 58

Jeremia 45,5

25

Threni (Klagelieder) 3,23

37

6,9-1 3 109 1 1 58 14 102 8, 1 7 125 9,3 101 1 3 , 52 48 14, 1 3-2 1 59 1 6,39 125 1 8 , 1 9 53 21 101 35 101 23 , 8 92, 150 24, 3 1 1 5 f 25,37 5 8 27,45 125, 147 46 1 1 6 Markus 1 , 35 2,7 7, 2 1 1 0,43 51 15,33 34 1 6, 1-6

38 101 27 91 98 62 116 35

Ezechiel 3,18

88

Sacharja 10,8 f 9

15 15

Maleachi 3,20 4,2

35 35

J esus Sirach 58 4,2 1 0, 1 4 f 95 39,6 37 Matthäus 19 5,6 23 f 101

Lukas 1,46-55 49 2, 1 9 71, 149 49 1 22 5,21 101 6,37 101 9,46 77 1 0 , 3 1 84 11,1 1 07 2-4 109 58 3 1 4, 1 5 59 15,7 102 1 8 ,41 98 22,30 f 147 35 123 23,34 129 46 1 1 6 24,29 62, 147 3o f 56

1 92

Register 44 1 20 44 ff 1 1 1

Johannes 1 , 29 5,44 1 1 , 25 52 1 8,23 1 9,28 20,23

125 81 147 15 81 62 94

Acta Apostolorum (Apostelgeschichte) 2,30 f 1 1 0 1 6,25 49

1,8f 6,2 11

130 85, 151 18

Epheser 2,14 3, 1 8 4,2 26 29 5,14 19

20 70 86 63, 148 79 38 38, 50

Philipper 1,14 21

21 147

Kolosser

Römer 8,1 26 1 1 , 22 12,3 16 17 19 14, 11 5,2 15,6 7

Galater

127 55 74, 89 80 80 80 129 56 51 21

2,3 13 3, 1 6 17 23

45 86 35, 3 8 60 61

I Thessalonicher 3,10 4,9 f 5,17

17 21 60

I I Thessalonicher I Korinther 8, 1-13 1 0, 1 7 13 2 3 16,21 22

56 58 29 29 29 18 130

3,10 17

61 18

I Timotheus 16 1 ,2 15 82 3 , 1 ff 9 1 , 151 4,3 f 1 1 8 1 3 43

II Korinther 5, 1 7 21 12,4

96 1 27, 175 50

II Timotheus 1 ,4 3,15

17 48

1 93

a) Bibelstellen II J ohannesbrief

Hebräer 2, 1 2 3,7 10,5

1 1 1 , 1 20 111 111

58 78 79 93, 102 91

I J ohannesbrief

1,5 7 5,3

27 27 118

17

III Johannesbrief

4

Jakobus 2, 1 5 f 3,3 ff 4, 1 1 f 5, 1 6 20

12

32

Apokalypse (Offenbarung) 1,10 7, 1 4 14,3 1 5,2 3 18 19 20, 1 1

16 41 SO SO

49 130 1 30 130

B) PERSONEN Herausgeber, Übersetzer und in Buchtiteln genannte Eigennamen bleiben im Register in der Regel unberücksichtigt.

Aaron 5 8 Abraham 38, 47 Adam 150, 1 67 Alber, Erasmus 64 Alois, Frere (Taize) 142 Altenähr, Albert 1 65, 172 Ambrosius von Mailand 35 Arnold, Gottfried 84 Asaph 1 1 0, 1 1 2 Augustin, Aurelius 166, 173 f Bach, Philipp Emanuel 8 Balthasar, Hans Urs von 154 Barth, Karl 8, 23, 27, 135-137, 141, 156, 1 67, 1 70 Bartimäus 98 Baumann, Eberhard 1 73 Baumgärtel, Friedrich 1 73 Bell, George (Bischof von Chiche­ ster) 133, 154, 1 65 Benedikt von Nursia 147, 154 Bethge, Eberhard 7f, 68, 78, 137f, 140, 155, 1 63, 1 67, 1 70, 1 72 Bonhoeffer, Kar! 68 Bonhoeffer, Karl-Friedrich 155, 1 64 Bonhoeffer, Walter 1 1 Brunner, Emil 169 David 10, 1 1 0-1 1 3 , 1 2 1 , 172 David, Christian 35 Delitzsch, Franz 115 Dohnanyi, Hans von 8 Eisenberg, Hans 142 Esra 172 Ethan 1 1 0 Feil, Ernst 157, 1 65

Gerhardt, Paul 62 Gillhoff, J ohannes 1 3 9 Gregor, Christian 41 Grotius, Hugo 1 00 Günther, Walther 43 Gumpelzhaimer, Adam 139 Halkenhäuser, J ohannes 1 65 Harnack, Adolf von 1 65 f Heermann, Johann 35, 61 Hello, Ernest 67 Heman 1 1 0 Hieronymus 1 1 5 Hitler, Adolf 8 HolI, Karl 1 26, 1 73 Ignatius von Loyola 154 Isaak 47 Iserloh, Erwin 173 Iwand, Hans-Joachim 7 Jakob 38, 47, 1 1 1 Jesus Sirach 16, 28, 3 7 Johannes der Apokalyptiker 1 6 Johannes (Vf. der Johannesbriefe) 1 7, 3 1 Josua 3 8 Jung, Carl Gustav 2 3 Kain 8 0 Kanitz, Joachim 138 Kierkegaard, Sören 27 Korah 1 1 0 Kittel, Gerhard 1 73 Kuske, Martin 173 Leibholz, Gerhard 8 Leibholz, Sabine 8 Luther, Martin 1 1 , 1 5, 1 8, 19, 35, 57, 64, 66, 87, 99, 1 09, 1 1 3, 1 1 5,

b) Personen 121, 1 24, 1 26, 1 32, 150, 152, 154f, 1 66, 173 Maria 49, 71 , 149 Mose 38, 58 Müller, Gerhard Ludwig 12, 151, 154, 157 Müller, Hanfried 1 60, 167 Nehemia 172 Nygren, Anders 27, 1 69

Oetinger, Friedrich Christoph

1 95

Schleiermacher, Daniel Friedrich Ernst 1 55 Schmidt, Kar! Ludwig 173 Schönherr, Albrecht 12, 142 Schütz, Heinrich 139 Schutz, Frere Roger 142 See berg, Reinhold 166 Silas 49 Spener, Philipp Jakob 32 Stier, Alfred 138 Strathmann, Hermann 173 Sutz, Erwin 135

42,

1 75

Parpert, Friedrich 1 64 Paulus 1 6-1 8, 2o f, 22, 49, 55, 60, 8 1 f, 1 26 Peters, Tiemo Rainer 1 60 Pieper, Josef 1 69

Thomas a Kempis 65, 68, 72, 80, 82, 154 Thomas von Aquin 95, 155 Thurneysen, Eduard 9 Timotheus 1 6 f

Riethmüller, Otto 138

Wedemeyer-Weller, Maria von 1 61 Wendel, Ernst Georg 120

Salomo 3 7, 1 1 0, 1 1 2, 1 2 1 Samuel 6 3 Saul 1 1 0

Zacharias 67 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von 41, 43

C) SACHEN UND ORTE

Abend 49, 64 vgl. Nacht Abendmahl 56, 1 0 1 f, 139, 147, 153 Absolution 1 0 1 Agape 27, 1 69 "Akt und Sein" (Buch Bonhoef­ fers) 59, 157 Alleinsein 1 6, 66, 69 f, 75 f, 94 allgemein Priestertum s. dort Alltag 33 f, 123 Altes Testament Kampf um die Geltung des 172 f und Neues Testament Zusammenhang von 44 Spiritualisierung s. dort Altpreußische Union 134 Amt geistliches 151 Andacht 38, 44 f, 50, 52-55, 62, 72, 93, 1 1 5, 138 Andere, der 22, 24, 28-3 1 , 79, 82, 85 f, 88 f, 97 Anfechtung 47 Anthropologie 156 Antijudaismus 172 apriori religiöses 156, 158, 161 Arbeit 33, 59 f, 62 Arierparagraph 56 Arkandisziplin 140, 142, 163, 171 Arme, der 29, 62 Auferstehung 16 f, 71 Aufklärung 155 Autonomie der Welt 162, 164 Autorität 91 f, 150 Begierde (Begehren) 30 Beichte 83, 93-1 0 1 , 139[, 1 52[, 168 als Durchbruch zur Gemeinschaft 94 f

zur Gewißheit 97 f zum Kreuz 95 f zum neuen Leben 96 f und Taufe 97 Beichthörer 99 f Bekehrung 28 f Bekennende Kirche 7-9, 56, 134-137, 141, 160 Bekenntnis 50, 78, 97, 1 20, 127 der Sünde s. Sündenbekenntnis Bekenntnisschriften reformatorische 32 Bekennrnissynode Dahlem 134 Bergpredigt 164 Berlin 1 33 Berneuchener Bewegung 1 65 Beten s. Gebet Biesenrhal 133 Bild Gottes der Mensch als 36 vgl. Ebenbild Bilderstürmerei 52 bischöflich Gestalten 9 1 , 150 Bischof 91, 151 Böhmische Brüder 35, 36, 43, 5 1 f Brot des Lebens 56 tägliches/für den Tag 34, 44, 56-58, 6 1 Bruder an Christi Statt 94 in Christus 54 Christus im s. dort Bruderschaft christliche 22, 26, 1 02 Theologenbruderschaft 38 Christentum religionsloses

1 61

c) Sachen und Orte weitlicheslWeitlichkeit des

140,

155, 159, 1 71

christlich Gemeinschaft s. dort Christus 15f, 1 8-20, 25-31, 39, 42, 44, 56, 58, 65, 8 1 , 96, 1 07, 124, 1 74 Allgegenwart 57 Auferstehung 1 7, 20, 3 1 , 35, 46 f, 1 1 1 , 1 3 1 , 1 69 als Bruder 2 1 im Bruder 9, 1 5 , 1 7, 1 9-2 1 , 27, 30, 33 f, 79, 152 Friede durch 20, 34 als Gemeinde existierend 157f Kreuz 1 5 , 20, 3 1 , 46 f, 1 1 1 , 1 1 6, 1 20, 1 3 1 , 169 Leiden s. dort Menschheit 40 Menschwerdung 1 7, 20, 3 1 , 46 f, 93, 1 2 1 , 144, 169 als Mittler 20, 57, 145 in den Psalmen 39, 1 1 1 Sein in 1 5 7 Stellvertretung s. dort Tod 1 6 Wort s. dort Christusoffenbarung s. Offenbarung collegium pietatis 32, 1 66, 1 71 communio sanctorum s. sanctorum commUlliO cor curvum in se 156 Cowley (anglik. Kloster) 1 65 Dank 24 f, 37, 50, 52, 57, 1 1 8 Dasein-für-andere 1 62, 1 69, 1 71 Demut 1 7, 27, 50, 68, 82, 86, 96 Deutsche Christen 134, 1 72 Dialektische Theologie 1 69 Diaspora 144 Diesseitigkeit 1 40, 1 55, 161 Dienst 9, 27-30, 77-92, 134,

.

1 97

Dinge Welt der 59 Durst 19 Ebenbild 79 Ehe 33 Eid auf Hitler 8 Einflußsphären 28 Einsamkeit 1 7, 65-76 Engel 15 f, 63, 1 02 Erbsünde 1 5 6 Erde 49 f, 107 Erfahrung 16, 25, 34 Erkenntnis geistliche 25 Erlösung 1 9 Erniedrigung 96 Eros 27 Es 59 f " Ethik" (Buch Bonhoeffers) 1 55, 1 61-1 64, 1 70f Ettal (benedikt. Kloster) 1 65 extra nos 19, 47, 145 Familie 32 f Feind 1 5 , 30, 1 1 7, 1 28-1 30 Feindesliebe 30, 40, 1 29 Finkenwalde 7, 78, 133-135, 138-141, 1 60, 1 64, 1 72

Bruderhaus 7, 133 f Predigerseminar 7, 133 f, 138 " Finkenwalder Homiletik" (Vorlesung Bonhoeffers) 48 Finkenwalder Regel 78, 139 Frankfurt 32 Freiheit 29, 3 1 f, 85, 88, 99 Friede 20, 62, 85, 1 59 Freude 1 6 f, 3 1 f, 34, 57 f, 1 02, 1 1 8, 1 22 Freundschaft 33 Frömmigkeit 22, 93, 141 Führerprinzip 1 5 0 Fürbitte 26, 53 f, 62, 73-75, 87

1 5 0-152, 1 69

des Zuhörens 82 Diener des Wortes 92, 1 5 0

Gebet (Beten) 1 8, 25, 3 1 , 34, 37-43, 50, 52, 54, 60, 62 f, 72, 93, 107-1 3 1 , 136

198

Register

freies 54 und Gemeinschaft 54-56 Gebetsliturgie der VKL zur Tschechenkrise 8 Gelübde 84 Ordensgelübde 142, 1 64 Geheime Staatspolizei 7 geistlich Amt s. dort Erkenntnis s. dort Lebensgemeinschaft s. Gemeinschaft Liebe s. dort Tod s. dort Gemeinsch�ft christliche 7, 9, 1 3-34, 5 1 , 6 1 , 6 5 f, 75, 79, 144-147 in Christus 1 8, 34 im Gebet 54 f Hausgemeinschaft 36-3 8, 44, 48 f, 62 Lebensgemeinschaft 35, 56 f, 77, 1 1 9, 1 22 f geistliche 33 pneumatische 22, 26 f, 137, 1 68 f religiöse 158, 168 seelische/psychische 22, 26 f, 137, 168 sichtbare 1 8 Gemeinschaftserlebnis 22 f , 1 4 1 Gerechtigkeit fremde 19 f Gericht 2 1 , 97 f Geschöpf 1 7 Gesetz 24, 98, 1 1 7-1 1 9 Christi 8 5 und Evangelium 44 gesetzlich 135 Gesetzlichkeit 74, 1 67 Gewißheit 97 Glaube 1 6, 23, 34 Gnade 1 6 f, 23 f, 46, 73, 89, 98 Göttingen 8 Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs 47 Unmittelbarkeit zu s. dort Verkläger s. dort Gottesdienst 1 6 , 1 8, 3 7, 46, 5 1 , 1 0 1 , 1 22

Gotteslästerung 1 0 1 , 1 2 8 gregorianisch 140 Grenze 3 1 , 33, 157 Hausgemeinschaft s. Gemeinschaft Heil 1 9 f, 35, 46 f, 1 2 1 Heilige Schrift s. Schrift Heiliger Geist 28, 36, 40, 5 7, 70, 1 1 0, 1 32 Heiligung 26, 82, 136 Heilsgeschichte 1 1 9 f Hermeneutik 1 75 Herrnhuter Brüdergemeine 35, 43 Hilfsbereitschaft 84 Himmel 49 f, 1 02, 1 0 7 Hochmut 2 7 , 8 6 , 95 f Hölle 36, 124 Hoffnung 1 08, 1 3 1 homo religiosus Kritik am 161 Hunger 1 9 , 58 Ich und Du Verschmelzung von 2 8 Ideal und Wirklichkeit 22, 26, 32 f, 1 68 Imshausen (Kommunität) 141 Individualismus 1 67 religiöser 1 62, 1 66 Innerlichkeit 22, 137, 1 62 Judentum 1 0, 140, 1 72 Jugendbewegung 36, 158, 1 68 katholisch Liturgie s. dort Kelham Society of the Sacred Mis­ sIOn 134, 1 65 Kind Gottes 1 5 Kirche 3 8 f, 49, 65, 1 2 1 f, 143, 1 62 Bekennende s. dort eine, heilige, allgemeine, christli­ che 32, 171 als Leib Christi s. dort als religiöse Gemeinschaft s. dort

c) Sachen und Orte

klösterlich Abgeschiedenheit 15, 134/ Leben 15, 63, 84, 1 6� 1 67 Kloster (Kommunität) 63, 133-135, 1 65

vgI. auch Cowley, Ettal, Imshau­ sen, Kelham, Mirfield, Selly Oak, Taize Koinonia 1 42, 1 44, 1 52, 1 66, 1 68 Kollektivismus 1 67 Konventikel 1 60, 1 64 Kreuz 15, 20, 65, 71, 73, 84f, 96 99, 130 lectio continua 4S f, 149 Leib 58 Leib Christi 20, 40, 42, 49, 52, 76, 85, 145 f, 166, 1 74 leiblich 16 f, 33, 57 f, 123, 145 Leiden 66, 1 22-125 Christi 39, 46, 120 Lesung s. Schriftlesung Letzte Dinge 16 f, 56, 97, 130 f, 145, 153, 171 liberal Theologie s. dort Liebe 2 1 , 25, 28 f, 3 8 , 7 1 , 93, 1 00, 1 1 9, 1 2 1 , 1 29 geistliche 28-30, 32 f seelische 28-30, 32 f Lied 38, 49 f, 52, 62, 1 2 1 Liturgie katholische 61 Liturgismus 137 Lob Gottes 36 f London 29, 134, 154 Losungen 43 f, 49, 149 lutherisch Orthodoxie s. dort Rechtfertigungslehre s. dort " Luthers Stimmungen gegenüber sei­ nem Werk" (Seminararbeit Bon­ hoeffers) 150 Macht 28 Meditation 69-73, 75, 136, 138

1 99

Mensch alter 96, 150 natürlicher 27, 78, 8 1 , 144, 156 Natur des 170 priesterlicher 9 1 wahrer 1 1 2 Menschenwort Wort Gottes und s. dort Messias 1 1 7, 120 f, 1 3 1 , 1 74 Metaphysik 156, 1 62 Methode historisch-kritische 1 72 militärisch Widerstand s. dort Mirfield Community of the Resurrection 133, 1 65 Mittag 61 f, 147 Mönchtum 1 64/ Morgen 35-38, 44, 49, 56, 60 f, 64, 68, 74, 1 1 5, 135, 147 Mündigkeit 140 Musik 50 f, 1 1 3, 139 Nachfolge 96, 123, 144, 1 64, 171 " Nachfolge" (Buch Bonhoef­ fers) 10, 138, 1 60/ Nacht 35-3 7, 63 vgI. Abend Nächstenliebe 29, 74, 8 1 natürlich Mensch s. dort Natur des Menschen s. dort Nichtarier 8 Ökumene 158 Österreich Einmarsch in 8 Offenbarung 1 1 7, 156 Christusoffenbarung 117 Schöpfungsoffenbarung 117 Offenbarungspositivismus 159 Kritik am 170 Opfer 29, 36, 44, 1 22 ora et labora 1 60 Ordensgelübde s. Gelübde Ordination 1 8

200

Register

Orthodoxie lutherische 159

Parallelismus membrorum 42, 1 1 4 Pastor (Pfarrer, Prediger) 2 5 f, 49, 62, 70, 75, 82 f, 139f, 1 49, 151 paulinisch Psalmen 1 26 peccator pessimus 82, 93, 150 Person 29, 157/ Personenkult 91 Pfaffentum 151 Pietismus 32, 159 Pneuma und Sarx 22, 27, 60, 95 pneumatisch Gemeinschaft s. dort und psychisch 22, 26 f, 137, 1 68, 1 70 Wirklichkeit s. dort politisch Widerstand s. dort praxis pietatis 1 63 Prebelow (bei Rheinsberg) 133 priesterlich Mensch s. dort Priestertum allgemeines 1 66 privat Zirkel 7, 14, 1 65 Psalmen 10, 38-43, 49 f, 61 f, 1 07-1 32, 138, 147, 1 72-1 76 Auslegung der christologische 120, 1 73 tropologische 126, 1 73/ typologische 1 73/ paulinische s. dort Rachepsalmen 39-4 1 , 1 28-130, 175 Psalter als Gebet(buch) Christi 39 f psychisch Wirklichkeit s. dort Psychologe 1 00 Psychologie 23, 155 Psychologismus 137

Psychotechnik 28, 153 Psychotherapie 23, 83 Rachepsalmen s. Psalmen Rechtfertigung 1 8-20, 47, 78, 8 1 , 90, 1 29 f, 136, 1 45, 150, 1 68 Selbstrechtfertigung 78-80, 85, 94, 97, 1 50, 152 Rechtfertigungslehre lutherische 156, 1 66, 1 68 reformatorisch Bekenntnisschriften s. dort Reich Gottes 15, 1 7, 56, 59, 1 2 1 , 1 3 1 , 1 62 Reichsschrifttumskammer 1 0 religiös apriori s. dort Gemeinschaft s. dort Individualismus s. dort Vorstufe 39, 1 29, 175 Religion 23, 156, 158, 1 61 Religionsbegriff 157 Richmond Methodisten-College in 134 Sabbat 57 säkular Seelsorge s. dort Welt s. dort Säkularisierung 155 Säkularität 1 43 Sakrament 1 0 1 Wort und s. dort sanctorum communio 137, 1 70 " Sanctorum Communio" (Buch Bonhoeffers) 27, 66, 74, 126, 154, 157, 1 62, 1 66f, 1 70 Sammelvikariat 1 0 Sarx Pneuma und s. dort Schlaf 63 f, 68, 148 Schöpfung 1 1 7 f, 1 43 Schöpfungsoffenbarung s. Offenbarung Schrift Heilige 1 5 , 27, 37 f, 40, 44-48, 69, 1 08, 1 1 0 Schriftbeweis 47

c) Sachen und Orte Schriftlesung 43-45, 48 f, 52, 55, 62, 69 vgl. lectio continua Schuld 26, 63, 80, 1 1 7, 1 26-- 1 28 Schwache, der der Starke und s. dort Schwärmertum 9, 167 Schweigen 65-69, 72, 88, 138 Seele 28 f, 90, 1 00 seelisch Gemeinschaft s. dort Liebe s. dort Seelische, das 28, 32 f Seelsorge 83 säkulare/säkularistische 83, 170 " Seelsorge" (Vorlesung Bonhoeffers) 83, 151 Segen 62, 75 Sektiererei 33 Sela 1 1 3 Selbstrechtfertigung s. Rechtfertigung Selbstsucht 30, 59 f, 72 Selbstzucht 50, 79 Seligkeit 19, 1 02 Selly Oak (Quäker-Zentrum bei Bir­ mingham) 134 Singen einstimmiges 51 f Spiritualisierung 57 des Alten Testaments 122 Sprache Jesu 108 unseres Herzens 108 Staatsideologie 143 Starke, der und der Schwache 56, 86 Stellvertretung 85f, 94, 1 02, 150 158, 1 71 Christi 40, 96, 127 Streit 20 Stundengebet 61 Sudetenkrise 8 Sünde 24, 26, 35f, 82, 86� 93-102, 131 Erbsünde s. dort Vergebung der s. Sündenverge­ bung

20 1

Sünden bekenntnis 93, 98 Sünden erkenntnis 82 Sündenvergebung 25, 97 f, 1 26 Sünder 86, 93 f größter 8 1 f vgl. peccator pessimus superbia 95 Sydower Bruderschaft 165 Tag 25, 35 f der gemeinsame 35-64, 146-148 der einsame 65-78, 148-150 der letzte 16 f, 46 Taize (Communaute) 142 f Teufel 35, 48, 63, 1 0 1 Theologenbruderschaft s. Bruderschaft Theologie dialektische s. dort Funktion der 155 liberale 155, 170 Tischgemeinschaft 56--5 9 Tod 35, 4 1 , 63 geistlicher 65 f, 77, 83, 96, 1 00 f, 131 der Sünde Sold 1 3 1 Träumerei 2 4 f , 37, 168 Transzendenz 156f Trinität 1 7, 20, 36, 144-147 Tschechenkrise 8 Umsturz 139 Ungläubige, der 15 f Unglaube 26, 8 1 Unmittelbarkeit 28, 30, 9 1 , 148 Vaterunser 42 f, 58, 1 09, 1 3 1 f, 175 Verantwortung 1 3 , 88 Vergebung 2 1 , 24, 87, 89, 1 00 f, 1 26 vgl. Sündenvergebung Vergewaltigung 80 des Anderen 28 Geist der 87 f Verheißung 24, 26, 72, 96, 124 Verkläger der Brüder 24, 26 Gottes 24 Versöhnung 63, 1 0 1 f

202

Register

Versuchung 6 1 , 72 vita communis 164 f Volk Gottes 16, 1 1 0, 1 2 1 wahr Mensch s. dort Wahrheit 1 9, 30, 32, 90 Welt Autonomie der s. dort säkulare 1 43, 155 weltlich Christentum s. dort Weltlichkeit 1 63, 1 70f Werkgerechtigkeit 127 Werktag 37, 57, 61 "Das Wesen der Kirche" (Vorlesung Bonhoeffers) 67, 74 Widerstand 1 59 militärischer 1 61 politischer 1 61 "Widerstand und Ergebung" (Buch Bonhoeffers) 23, 25, 59, 68, 83,

100, 140, 147, 150, 1561, 159, 161-164, 170-172 Wirklichkeit Ideal und s. dort pneumatische 22, 26 f, 1 68f psychische 22, 26 f Wort 50 f, 67, 88 Christi 24, 30, 35, 57 Diener des s. dort und Sakrament 1 6, 1 02, 1 22, 1 68, 171 Wort Gottes/Gotteswort 19, 27, 3 1 , 36-3 8, 4 4 f, 53, 67, 70, 88-90, 1 09, 161 in J esus Christus 18 f, 27 und Menschenwort 1 08, 1 67, 173f Wunschbild 23, 25 f Zerstreuung 1 6 f vgl. Diaspora Zeugnis 1 9 Zuhören 4 8 , 82, 8 4

203 DIE HERAUSGEBER ALBRECHT SCHÖNHERR,

geb. 1 9 1 1 in Katscher (Oberschlesien), Studium der evangelischen Theologie in Tübingen und Berlin, wo er Dietrich Bonhoeffer kennenlernte, 1 934 Eintritt in die Bekennende Kirche, Teilnahme am ersten Kurs des Predigerseminars Finkenwalde, 1 936 Ordination, 1 95 1-1 963 Leitung des Predigerseminars Brandenburg, 1 967 mit der Verwaltung des Bischofsamtes in der Ostregion der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg betraut und 1 9 73 in das Bischofsamt dieser Kirche eingeführt, nach der Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR von 1 969-1 981 Vorsitzender von dessen Leitungsorgan, der Konferenz der Kirchenleitungen. Ehrendoktorwürde der Universitäten Greifswald ( 1 963), Debrecen (1 967) und Bonn ( 1 986). Buchver­ öffentlichungen : Rede, Herr, denn dein Knecht hört. Ein Jahrgang Predigten, Berlin 1 955 ; Horizont und Mitte. Vorträge, Aufsätze, Reden, Berlin u. Mün­ chen 1 9 8 0 ; zahlreiche Aufsätze zur Theologie Bonhoeffers. Albrecht Schönherr gehört dem Kreis der Gesamtherausgeber der , Dietrich Bonhoeffer Werke' (DBW) an. GERHARD LUDWIG MÜLLER,

geb. 1 947 in Mainz, Studium der Philosophie und katholischen Theologie in Mainz, München und Freiburg, 1 977 Promotion, 1 978 Priesterweihe, danach mehrere Jahre in der Seelsorge tätig, 1 985 Habilita­ tion in Freiburg für Dogmatik und Ökumenische Theologie, seit 1 986 Ordina­ rius für Dogmatik an der katholischen Fakultät der Universität München. Buchveröffentlichungen : Bonhoeffers Theologie der Sakramente, Frankfurt 1 979 ; Für-andere-da. Christus - Kirche - Gott in Bonhoeffers Sicht der mündig gewordenen Welt, Paderborn 1980; Gemeinschaft und Verehrung der Heiligen, Freiburg i. Br. 1 9 8 6 ; daneben mehrere Aufsätze zu Bonhoefferforschung.