Dienstleistungsmarketing
 9783486700107, 9783486582093

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Dienstleistungsmarketing von

Prof. Dr. Knut A. Wiesner und

Prof. Dr. Uwe Sponholz

2., überarbeitete und erweiterte Auflage

R. Oldenbourg Verlag München Wien

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2007 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, [email protected] Herstellung: Dr. Rolf Jäger Coverentwurf: Kochan & Partner, München Coverausführung: Gerbert-Satz, Grasbrunn Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer“ GmbH, Bad Langensalza ISBN 978-3-486-58209-3

Vorwort Das Repetitorium über Dienstleistungsmarketing richtet sich an Studierende der Universitäten, Fachhochschulen und Akademien, die sich schnell und verständlich in die Materie einarbeiten und sich zielgerichtet auf Prüfungen vorbereiten möchten. Es soll auch Lehrenden Anregungen für Ihre Veranstaltungen und Prüfungen geben. Der grundlegende Stoff wird ohne übermäßigen Ballast dargestellt, ohne allerdings die Verständlichkeit und wissenschaftliche Kompetenz zu beeinträchtigen. Der Ansatz dieses Buches unterscheidet sich insofern von anderen Büchern über Dienstleistungsmarketing als in diesem Buch die Besonderheiten, Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Dienstleistungsmarketings sowohl für eigenständige (institutionelle) Dienstleistungen als auch für produktergänzende (funktionelle) Dienstleistungen Berücksichtigung finden. Zentrale Bedeutung haben Kundenorientierung und ein strategischer Marketingansatz, der allen zukunftsorientierten unternehmerischen Herausforderungen gerecht wird. Im Vordergrund steht eine leichte Verständlichkeit, um einen schnellen Zugang zu den einzelnen Teilgebieten zu gewährleisten. So sind jedem Abschnitt Lernziele vorangestellt, damit eine schnelle und selektive Wissensauffrischung möglich wird. Die vielen anschaulichen Abbildungen erleichtern ein schnelles Erfassen und unterstützen so den Lernprozess. Am Ende eines jeden Kapitels finden Sie Schlüsselbegriffe zum Nachlesen und üben. Des weiteren finden sich dort einige Wiederholungsfragen, die sich jeweils leicht aus dem Inhalt des jeweiligen Kapitels beantworten lassen. Solcherart Fragen finden sich häufig in Klausuren der Hochschulen und Akademien und sie dienen damit der gezielten Vorbereitung auf diese Prüfungen. Allen, die uns bei der Erstellung des Buches unterstützt haben, gebührt besonderer Dank.

Schweinfurt/Würzburg/Detmold Prof. Dr. Knut A. Wiesner ([email protected])

im Jahr 2006 Prof. Dr. Uwe Sponholz ([email protected])

Inhaltsverzeichnis Vorwort ........................................................................................................ V Inhaltsverzeichnis..................................................................................... VII Abbildungsverzeichnis...............................................................................IX 1.

Einführung ins Dienstleistungsmarketing .................................... 11

1.1

Abgrenzung von Sachleistungen, Dienstleistungen und Serviceleistungen......15

1.2

Arten von Dienstleistungen und ihre Besonderheiten ........................................16

1.3

Auswirkungen auf das Marketing von Dienstleistungen ...................................19

2.

Marketingziele (normatives Marketing) ........................................ 23

2.1

Marketingziele als Teilziele der Unternehmensziele ..........................................25

2.2

Marketingziele für instituionelle/alleinstehende Dienstleistungen....................28

2.3

Marketingziele für funktionale/produktergänzende Dienstleistungen.............30

3.

Strategisches Marketing................................................................... 35

3.1

Stategieentwicklung ...............................................................................................36

3.2

Standardstrategien.................................................................................................38

3.3

Strategien für institutionelle Dienstleistungen ....................................................46

3.4

Strategien für funktionelle Dienstleistungen.......................................................47

4.

Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung ........................ 55

4.1

SWOT-Analyse/Strategische Situationsanalyse..................................................59

4.2

Marktforschung - Marketingforschung...............................................................67

4.3

Qualitätsmessung und -bewertung.......................................................................76

4.4

Databasemanagement............................................................................................78

5.

Operatives und taktisches Marketing mit typenspezifischen Aufgaben und Instrumenten............................................................ 83

5.1

Marketingprozess...................................................................................................84

5.2

Instrumentarien institutionellen Dienstleistungsmarketings (8 p) ...................85

5.2.1

product/service .......................................................................................................88

5.2.2

process management............................................................................................105

5.2.3

physical facilities ..................................................................................................107

5.2.4.

price .......................................................................................................................110

5.2.5

promotion..............................................................................................................120

VIII

Inhaltsverzeichnis

5.2.6

public voice ...........................................................................................................137

5.2.7

personnel ...............................................................................................................140

5.2.8

place.......................................................................................................................144

5.3

Instrumentarien funktionellen Dienstleistungsmarketings (5 p) ....................148

5.3.1

programm .............................................................................................................150

5.3.2

service-engeneering..............................................................................................167

5.3.3

price .......................................................................................................................195

5.3.4

place.......................................................................................................................208

5.3.5

promotion..............................................................................................................212

6.

Marketing-Controlling/-Audit....................................................... 219

Abbildungsverzeichnis Abb. 1-1:

Dienstleistungen wachsen bis 2020 stärker als Sachleistungen

1

Abb. 1-2:

Dienstleistungsmarketingarten mit Hauptausprägungen

3

Abb. 1-3:

Sach-, Dienst-, Serviceleistungen und immaterielle Leistungen

5

Abb. 1-4:

Kontinuum der möglichen Kombinationen von Sachund Dienstleistungen am Beispiel von Reiseleistungen

6

Abb. 1-5:

Beispiele für Leistungsarten nach Käuferkreisen

7

Abb. 1-6:

Dimensionen und Akteure im Dienstleistungsmarketing

8

Abb. 1-7:

Herausforderungen durch Immaterialität der Dienstleistungen

10

Abb. 1-8:

Darstellung der Dienstleistungsphasen allgemein sowie an den Beispielen Reiseveranstaltung und Anlagenwartung

11

Abb. 2-1:

Visionen als Ausgangspunkt marktorientierten Handelns

13

Abb. 2-2:

Klare Ziele als Vorgaben für Strategien und Maßnahmen

15

Abb. 2-3:

Zielhierarchien in Dienste leistenden Unternehmen

17

Abb. 2-4:

Kundennutzenorientierung im Dienstleistungsmarketing

18

Abb. 2-5:

Kunde im Zentrum der Unternehmenszielsetzungen

19

Abb. 2-6:

Transformation zum produzierenden Dienstleister

20

Abb. 2-7:

Marketingziele produktbegleitender Dienstleistungen in Abhängigkeit ihrer Bedeutung für das Gesamtunternehmen

21

Abb. 2-8:

Zusammenhang von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung 22

Abb. 2-9:

Bedeutung industrieller DL als Differenzierungsfaktor

23

Abb. 3-1:

Strategische Marketingebenen für Dienstleistungen

25

Abb. 3-2:

Marketingstrategien für Geschäftsfelder

28

Abb. 3-3:

Marketingstrategien für Geschäftssysteme und Marktteilnehmer 29

Abb. 3-4:

Vier-Felder-Matrix

30

Abb. 3-5:

Neun-Felder-Matrix

31

Abb. 3-6:

Marktparzellierung zeigt Marketingstrategien auf

32

Abb. 3- 7:

Erfolgreiche Kundenstrategiealternativen

32

Abb. 3-8:

Kundenstrategien managen

33

Abb. 3-9:

Entwicklung des Kundenertrags bzw. –wertes im Zeitablauf

34

Abb. 3-10:

Zusammenhang von Kundenanzahl/-typen und Gewinn/Umsatz 35

X

Abbildungsverzeichnis

Abb. 3-11:

Arten der Kundenbindung

35

Abb. 3-12:

Strategische Herausforderungen der Investitionsgüterindustrie

37

Abb. 3-13:

Bedeutungszunahme industrieller Dienstleistleistungen

38

Abb. 3-14:

Unterschiedliche Rollen von Dienstleistungen als Element der Wettbewerbsstrategie von Industrieunternehmen

38

Abb. 3-15:

Potenzielle Marketingansätze für Anbieter produktbegleitender Dienstleistungen 39

Abb. 3-16:

Strategische Vorgehensweise für funktionelle DL

Abb. 4-1:

Informationsanalyse und -bewertung als Triebfeder für erfolgreiches Marketing 45

Abb. 4-2:

Hauptaufgaben guter Informationssammlung/-aufbereitung

46

Abb. 4-3:

Bestimmung des Informationsoptimums

48

Abb. 4-4:

SWOT-Analyse

49

Abb. 4-5:

Analyse des Unternehmens und weiterer Umweltbereiche

50

Abb. 4-6:

Competitive Intelligence zur Konkurrenzbewertung

51

Abb. 4-7:

Stärken-Schwächen-Analyse zweier Hotels (Vergleichsprofil)

52

Abb. 4-8:

Analyse externer Einflussbereiche des Unternehmens

53

Abb. 4-9:

Beispiele für relevante Faktoren einer SWOT-Analyse

54

Abb. 4-10:

Bildung strategischer Erfolgspositionen und Geschäftseinheiten 56

Abb. 4-11:

Unternehmensrelevante Marktforschungsfelder

57

Abb. 4-12:

Bestandteile der Marketingforschung

58

Abb. 4-13:

Dimensionen der Marketingforschung

59

Abb. 4-14:

Markt- und Absatzpotenzial, Markt- und Absatzvolumen

60

Abb. 4-15:

Marktsegmentierungsmöglichkeiten für angebotene Leistungen 62

Abb. 4-16:

Marktsegmentierungsalternativen in der Praxis

63

Abb. 4-17:

Milieus und Milieugruppen nach Sinus Sociovision

64

Abb. 4-18:

Marktsegmentierungsalternativen in der Praxis

65

Abb. 4-19:

Einflussfaktoren auf die Kundenzufriedenheit

66

Abb. 4-20:

Messansätze zur Erfassung von Dienstleistungsqualität

67

Abb. 4-21:

Databasemanagement-Prozess

69

Abb. 4-22:

Datenbank und Databasemanagement

70

Abb. 4-23:

Arten und Verfahren von Marktprognosen

71

42

Abbildungsverzeichnis

XI

Abb. 5-1:

Operatives Marketing als Umsetzung strategischen Marketings 73

Abb. 5-2:

Marketingprozess mit operativem Marketing

74

Abb. 5-3:

Die „8 P“ des Dienstleistungsmarketings

75

Abb. 5-4:

Ziele für den Einsatz einzelner Marketinginstrumente

76

Abb. 5-5:

Elemente einer „Customer Driven Company”, CDC

77

Abb. 5-6:

Elemente der Leistungs-/Produktpolitik

78

Abb. 5-7:

Dienstleistungsphasen (Beispiel Reise) aus Kundensicht

79

Abb. 5-8:

Dienstleistungsphasen mit Marketinginstrumentalbereichen

80

Abb. 5-9:

Kern- und Zusatzleitungsebenen von Dienstleistungen

81

Abb. 5-10:

Nutzenebenen von Dienstleistungen

82

Abb. 5-11:

Entscheidungen über die Veränderung von Leistungen und Leistungsprogrammen

83

Abb. 5-12:

Leistungsbreite und -tiefe am Beispiel Reisen

84

Abb. 5-13:

Quellen für Leistungsideen

85

Abb. 5-14:

Idealtypischer Leistungslebenszyklus

86

Abb. 5-15:

Europäisch/international schutzfähige Markenzeichenparameter 88

Abb. 5-16:

Markenstrategien für Dienstleistungen

89

Abb. 5-17:

Markenwerte steigern Werte von Dienstleistern

90

Abb. 5-18:

Marken bilden Vertrauen bei Kunden

91

Abb. 5-19:

Kundenerwartung weicht von Unternehmenssicht ab

92

Abb. 5-20:

Beschwerden durch abweichende Erwartungen

92

Abb. 5-21:

Beschwerdenmanagement in Prozessschritten

93

Abb. 5-22:

Notwendigkeit zum Management von Kundenbeziehungen

94

Abb. 5-23:

Elemente der Prozesspolitik/-organisation

95

Abb. 5-24:

Erscheinungsfaktoren gegenüber Kunden

97

Abb. 5-25:

Elemente der Kontrahierungspolitik

100

Abb. 5-26:

Strategieansätze zur Preisfestsetzung

101

Abb. 5-27:

Yield-Management optimiert Erträge der Dienstl.-Wirtschaft

103

Abb. 5-28:

Auswirkung der Nachfragschwankungen auf Kapazität und Qualität der Leistungen

104

Abb. 5-29:

Optimale Auslastung durch Yield-Management

105

Abb. 5-30:

Anreize durch Preissenkungen zu ungünstigen Nutzungszeiten 106

XII

Abbildungsverzeichnis

Abb. 5-31:

Kundenoptimale Mischung des Clubleistungen bringt Erfolg

108

Abb. 5-32:

Kunden- und Kostenvorteile durch Multipartner-Clubs

109

Abb. 5-33:

Kommunikationspolitische Instrumente für Dienstleistungen

111

Abb. 5-34:

Kommunikationsstruktur verdeutlicht Werbeanforderungen

113

Abb. 5-35:

Entscheidungsebenen für Dienstleistungsnutzung

114

Abb. 5-36:

Werbeformen in der Dienstleistungswirtschaft

116

Abb. 5-37:

Möglichkeiten des Onlinemarketings für Dienstleistungen

117

Abb. 5-38:

Erweiterung der Direktmarketingmedien

118

Abb. 5-39:

Direktmarketingkanäle für Dienstleistungen

119

Abb. 5-40:

Multi-Kanal-Kundenkommunikation für Dienstleistungen

120

Abb. 5-41:

Typologie der Dialogaffinität

122

Abb. 5-42:

Verkaufsförderungsinstrumente für Dienstleistungen

123

Abb. 5-43:

Sponsoringbereiche für Dienstleistungen

125

Abb. 5-44:

Bestandteile der Corporate Identity (CI)

126

Abb. 5-45:

Corporate Identity erzeugt Corporate Image

127

Abb. 5-46:

Instrumente zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung

128

Abb. 5-47:

Instrumente der Personalpolitik

131

Abb. 5-48:

Personenbezogene Einflüsse im Dienstleistungsmarkt

132

Abb. 5-49:

Personalmarketingausprägungen

134

Abb. 5-50:

Instrumente der Distributionspolitik

135

Abb. 5-51:

Bewertungsprofile indirekter vs. direkter Vertrieb

137

Abb. 5-52:

Generelle Vorgehensweise bei der Entwicklung eines strukturierten DL-Angebotes

139

Abb. 5-53:

Marketing-Mix für Dienstleistungen

140

Abb. 5-54:

Treiber produktbegleitender Services

141

Abb. 5-55:

Beispielhaftes Serviceprogramm Investitionsgüterhersteller

144

Abb. 5-56

Serviceangebot für d. Anwendungszyklus eines Anlagengutes 144

Abb. 5-57

Relevante Kostenblöcke eines Maschinenbetreibers.

Abb. 5-58:

Ableitung möglicher Value-Added Services, Bsp. Messtechnik 146

Abb. 5-59:

Beispiel für ein Service-Portfolio

147

Abb. 5-60:

Methoden für das Angebot industrieller Dienstleistungen

148

Abb. 5-61:

Strukturierungsmatrix eines Dienstleistungsprogramms (Bsp.) 149

145

Abbildungsverzeichnis

XIII

Abb. 5-62:

Beispiel für die finanzielle Bewertung

150

Abb. 5-63:

Beispielhafte Deckungsbeitragsrechnung

150

Abb. 5-64:

Bedeutungs-/Erfüllungsmatrix

151

Abb. 5-65:

Effizienzsteigerungsansätze des Anbieters von DL

153

Abb. 5-66:

Beispielhafte Dienstleistungsmodule

153

Abb. 5-67:

Beispiel für modulares Dienstleistungsangebot

154

Abb. 5-68:

Definition von Basis- und Zusatzmodulen

155

Abb. 5-69:

Kundenspezifische Dienstleistungspakete

156

Abb. 5-70:

Herausforderung der DL-Entwicklung

158

Abb. 5-71:

Nutzen des Service Engineering

160

Abb. 5-72:

Integriertes Lebenszyklusmodell

161

Abb. 5-73:

Kostenbeeinflussung und -entstehung im PEP bzw. SEP

161

Abb. 5-74:

Gestaltungsdimensionen von Dienstleistungen

162

Abb. 5-75:

Gestaltungsfelder und Aufgaben des Service-Engineerings

165

Abb. 5-76:

Verwendete Modellelemente bei der Serviceentwicklung

165

Abb. 5-77:

Einsatz dienstleistungsspezifischer Entwicklungsmethoden

166

Abb. 5-78:

Formalisierung d. Serviceentwicklungsprozesses in der Praxis 167

Abb. 5-79:

Entwicklungsprozess von Dienstleistungen bei Audi

167

Abb. 5-80:

Service Entwicklung Prozess mit Stage-Gates

168

Abb. 5-81:

Hybride Produktentwicklung

169

Abb. 5-82:

Phasen einer hybriden Produktentwicklung

170

Abb. 5-83:

Zusammenhang zwischen Produkt- u. Servicelebenszyklus

170

Abb. 5-84:

Kano-Faktoren im Kontext v. Erfüllungsgrad u. Zufriedenheit 172

Abb. 5-85:

Anwendung der Kano-Methode für das Dienstleistungsangebot mehrerer Komponentenhersteller 173

Abb. 5-86:

Prozessorientierte Erfassung zentraler Kundenanforderungen

174

Abb. 5-87:

Aufbau eines Service-Blueprints

174

Abb. 5-88:

Montageprozess einer neuen Maschine als Blueprint

175

Abb. 5-89:

Kundenanforderungen an den Kontaktpunkten

176

Abb. 5-90:

Beispiel Relevanz-Frequenz-Diagramm

177

Abb. 5-91:

Ablauf der Kano-Methode

177

XIV

Abbildungsverzeichnis

Abb. 5-92:

Ermittlung von Grund-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen 179

Abb. 5-93:

Ergebnistabelle einer Kano-Befragung

179

Abb. 5-94:

Verwendung des Ergebnisses für das Anforderungsprofil der neuen Dienstleistung

180

Abb. 5-95:

House of Quality für das Beispiel Montageservice

180

Abb. 5-96:

Überblick über die Modell-Entwicklung

181

Abb. 5-97:

Produktmodell mit materiellen, immateriellen und personellen Bestandteilen 182

Abb. 5-98:

Produktstrukturierung eines Getriebes

183

Abb. 5-99:

Produktstrukturierung eines Reparaturservices

183

Abb. 5-100:

Einfaches Beispiel einer Ereignisgesteuerten

184

Abb. 5-101:

Produktbegleitende DL im Anlagen- und Maschinenbau

187

Abb. 5-102:

Leistungsumfang des Serviceangebots in Abhängigkeit von der Stellung in der Wertekette 188

Abb. 5-103:

Vier Felder Matrix der Zahlungsbereitschaft

189

Abb. 5-104:

Dienstleistungen zur Vier Felder Matrix

190

Abb. 5-105:

Entwicklungspfad des Pricings produktbegleitender DL

191

Abb. 5-106:

Mögliche Erhöhung der Zahlungsbereitschaft für produktbegleitende DL 192

Abb. 5-107:

Zahlungsbereitschaft unterschiedlicher Kundentypen

193

Abb. 5-108:

Beispiel für eine kostenorientierte Preisfindung

194

Abb. 5-109:

Beispiel für eine direkte Erhebung der Zahlungsbereitschaft

196

Abb. 5-110:

Beispiel für eine Preisbündelung

198

Abb. 5-111:

Absatzkanalentscheidungen für Anbieter produktbegleit. DL

200

Abb. 5-112:

Formen des indirekten Vertriebs produktbegleitender DL

201

Abb. 5-113:

Mögliche Arbeitsteilung bei der Anlagenüberwachung

202

Abb. 5-114:

Ausstrahlungseffekte zwischen Produkt- und Serviceangebot

203

Abb. 5-115:

Einfluss d. Dienstleistungstypen auf d. Kundenkommunikation 204

Abb. 5-116:

Gestaltungsoptionen der Mediawerbung für Dienstleistungen

206

Abb. 6-1:

Controlling mit breit angelegten Aufgaben

211

Abb. 6-2:

Benchmarkingdimensionen für Dienstleister

213

Abb. 6-3:

Aspekte der Balanced Scorecard

214

1.

Einführung ins Dienstleistungsmarketing

In diesem Abschnitt lernen Sie die wachsende Bedeutung von Dienstleistungen und die Wichtigkeit der Verbindung von Sachgüter- und Dienstleistungsmarketing sowie die Definition von Marketing kennen.

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Obwohl inzwischen fast 75% des deutschen, österreichischen oder schweizer Bruttonationaleinkommens (BNE, früher BSP) mit Dienstleistungen, die auch vermarktet werden müssen, erbracht werden (tertiärer Sektor), wird dies in der Vielzahl der Marketingveröffentlichungen bisher wenig reflektiert. Meist dominiert eine Darstellung des Marketings für Sachleistungen (Produkte/Waren/Güter), allenfalls ergänzt um die Berücksichtigung begleitender Dienst- bzw. Serviceleistungen, dabei ist das Feld des Dienstleistungsmarketings weit vielfältiger und facettenreicher als das des Sachgütermarketings und es wächst ständig an (z.B. für Rechtsanwälte, den Medizinsektor oder Wellness).

Dienstleistungen wachsen 2.0

Gesamtwirtschaft

Erwerbstätige, V eränderung in % p.a

1.5 Bubble Scale = 50 Mrd € BWS 2003

1.0

Gastgewerbe

Gesamtwirtschaft Einzelhandel

Baugewerbe

-0.5 -1.0

Datenverarbeitung

Logistik & Tourismus

0.5 0.0

Dienstleistungen für Unternehmen

Ernährungsgewerbe

Gesundheits- und Sozialwesen

Kredit- und Versicherungs -gewerbe

Nachrichtenübermittlun g

Maschinenbau

Fahrzeugbau

Energie- und Wasserversorgung

-1.5 Land- und Forstwirtschaft

chemische Industrie Metallerzeugung und bearbeitung

-2.0 0.0

1.0

2.0

3.0

4.0

Bruttowertschöpfung in Preisen von 2003, Veränderung in % p.a.

Abb. 1-1: Dienstleistungen wachsen bis 2020 stärker als Sachleistungen (Prognos)

2

1 Einführung ins Dienstleistungsmarketing

Von 1999 bis 2004 erhöhte sich die Bruttowertschöpfung (BWS) der Dienstleistungen um mehr als 12% (produzierendes Gewerbe lediglich 6%) und sie wird auch in den nächsten Jahren weiter ansteigen, wie eine Prognos-Studie zum Strukturwandel bis 2020 aufzeigt (vergl. Abbildung 1-1). Wenngleich zukünftig auch Dienstleistungen von Rationalisierungsmaßnahmen betroffen sein werden, so stieg die Zahl der Erwerbstätigen in den 5 Jahren bis 2004 um 6% (produzierende Gewerbe schrumpfte um fast 10%) und insgesamt soll sich die Zahl für alle Dienstleistungen um fast 4 Mio. Personen bis 2020 erhöhen. Besonders profitieren werden nach der Prognos-Studie die Datenverarbeitung und Kommunikation, die Logistik, der Tourismus und das Gesundheitswesen, aber auch spezielle Dienstleistungen für Unternehmen sowie die Kredit- und Versicherungswirtschaft. Ein ähnliches Wachstum wird nur für den Maschinenbau erwartet, deutlich weniger im Fahrzeugbau und der chemischen Industrie. Gründe für die Zunahme von Dienstleistungen liegen (vergl. Meffert/Bruhn S. 6 ff) insbesondere in gesellschaftlichen Entwicklungen (z.B. steigende Frauenerwerbsquote), Konsumveränderungen (z.B. Wunsch nach Convenience, auch im technischen Bereich), technischen Entwicklungen (z.B. neue Kommunikationsmittel oder elektronische Anwendungen), demografischen Veränderungen (Alters- und Haushaltsstruktur verändert sich) sowie Marktveränderungen (z.B. zunehmende Konkurrenz oder Internationalisierung bringen erhöhte Differenzierungsnotwendigkeiten insbesondere für die Industrie). Statistisch genauer analysiert ist der Hinweis auf die Dominanz von Dienstleistungen gegenüber Sachleistungen auch nicht ganz so eindeutig, wie der erste Blick auf die Zahlen vermuten lässt. Denn es gibt nicht nur reine Sachgüter und reine Dienstleistungen und so ordnet die Statistik die Leistungen der Wirtschaftssubjekte nach deren wertmäßigem Schwerpunkt zu. Dies bedeutet, dass z.B. eine Telefonanlage mit Installation und Servicevertrag etc. statistisch dann ein Sachgut ist, wenn der Anteil der Anlage und Technikausstattung wertmäßig mehr als 50% der Gesamtleistung ausmacht. Liegt allerdings der Wert der Dienstleistungen (Einbau, Wartung, Reparaturservice und ggf. Telefondienstleistungen ...) höher, so ist die gesamte Leistung statistisch betrachtet eine Dienstleistung. Ähnliche Beispiele finden sich vor allem im traditionellen Industriegeschäft, das zunehmend zum Systemgeschäft wird. Solche gemischten Leistungen werden in einer wettbewerbsdominierten Wirtschaft immer weiter zunehmen, da eine Differenzierung gegenüber den Konkurrenten oft nur über zusätzliche Dienst- oder Serviceleistungen möglich ist. Und dies wird noch verstärkt, weil die Kunden zunehmend auf Convenience, individuelle Leistungsgestaltung oder Leistungen aus einer Hand setzen. Letztendlich kommen auch die meisten „reinen“ Dienstleistungen nicht ohne Sachleistungen aus, denn was wäre ein Friseur ohne Schere, Kamm oder Shampoo? Es gibt sehr wenige Dienstleistungen, die ohne Sachgüter auskommen, wie z.B. die Beratungsdienstleistungen oder Gesundheitsdienstleistungen. Alleinstehende Dienstleistungen werden als sog. institutionelle Dienstleistungen bezeichnet (siehe auch Abbildung 1-2).

1 Einführung ins Dienstleistungsmarketing

3

Ein Teil der Dienstleistungen, nämlich insbesondere die Transport- und Logistikdienstleistungen, wären ohne Sachleistungen gar nicht denkbar bzw. viel weniger nachgefragt. Also gibt es eine Vielzahl von Dienstleistungen, die nur zusammen mit Sachleistungen zu vermarkten sind (vergl. Abbildung 1-2). Aus diesem Grund muss sich das Dienstleistungsmarketing nicht nur mit den Besonderheiten von Dienstleistungen auseinandersetzen sondern auch oftmals die Verbindung mit der Sachleitung berücksichtigen bzw. sich u.U. sogar dem Absatzmarketing für die Sachleistungen unterordnen, es handelt sich dann um sog. funktionelles Dienstleistungsmarketing.

Dienstleistungsmarketing Dienstleitungsmarketing im im weiteren weiteren Sinne Sinne Dienstleitungsmarketing Institutionelles Institutionelles Dienstleistungsmarketing Dienstleistungsmarketing

Funktionelles Dienstleistungsmarketing

ƒDienstleistungensind sindKernKernƒDienstleistungen bzw. Hauptleistung bzw. Hauptleistung ƒDurchgeführtvon vonDienstleisDienstleisƒDurchgeführt tungsanbietern/-betrieben tungsanbietern/-betrieben ƒHauptfunktiondes desMarketings Marketings ƒHauptfunktion vonDienstleistungsunternehmen Dienstleistungsunternehmen von mit dem Ziel,konkurrenzfähige konkurrenzfähige mit dem Ziel, Dienstleistungen anzubieten Dienstleistungen anzubieten ƒServicemarketingals alsErgänzung Ergänzung ƒServicemarketing

ƒDienstleistungen sind Zusatzbzw. Sekundärleistung ƒDurchgeführt von Produktionsbzw. Sachleistungsbetrieben ƒTeilbereich (Nebenfunktion) des Marketings, die im Zusammenhang mit der Wettbewerbsfähigkeit von Sachleistungen erfolgt ƒServicemarketing als Ergänzung

(Dienstleistungsmarketingi.e.S.) i.e.S.) (Dienstleistungsmarketing

Abb. 1-2: Dienstleistungsmarketingarten mit Hauptausprägungen

Es viel schon mehrfach der Begriff Marketing. Also sollte zunächst geklärt werden, was eigentlich Marketing ganz konkret bedeutet. Die American Marketing Association (AMA, vergl. www.ama.com) definierte Marketing bis vor Kurzem folgendermaßen:

4

1 Einführung ins Dienstleistungsmarketing



Marketing umfasst die Planung, Realisierung und Kontrolle



der Gestaltung, Preispolitik, Kommunikation und des Vertriebs (= sog. 4 P; bei Dienstleistungen weitere Instrumente bis zu 8 P)



von Ideen (und Rechten), Gütern und Dienstleistungen,



die der Befriedigung von Bedürfnissen bzw. des Bedarfs



von Einzelpersonen und Organisationen dienen,



um daraus Austauschprozesse zu begründen oder diese zu erleichtern bzw. zu verbessern.

Damit werden die Phasen, Instrumente, Objekte, Funktionen und Ziele des Marketings sehr prägnant beschrieben, wenngleich die dort genannten Instrumente (4 P) im Dienstleistungsmarketing auf bis zu „8 P“ erweitert werden müssen, wie wir später in Kapitel 5 darstellen werden. Seit Sommer 2004 vertritt die AMA allerdings eine neue, umfassendere Sichtweise des Marketings, die jetzt dem Führungsanspruch des Marketings im Unternehmen bzw. in einer anderen Organisation gerecht wird. Danach ist Marketing bzw. Dienstleistungsmarketing: •

eine Führungsfunktion und



ein Prozessinstrumentarium



zur Schaffung, Kommunikation und Lieferung von Werten für die Kunden/ Abnehmer und



zum Management (bzw. zur Pflege) von Kundenbeziehungen



zum Vorteil der (marketingtreibenden) Organisation und ihrer Stakeholder

Dieser Sichtweise wollen wir uns anschließen, da Marketing die Führung von kundenorientierten Unternehmen ganz wesentlich bestimmt bzw. vielleicht sogar das klassische Management ersetzt. Denn nur auf diese Weise lässt sich im Wettbewerb um die Kunden dauerhaft der Erfolg eines Unternehmens oder einer anderen Organisation (wie Institutionen, Behörden, Körperschaften, Vereine, Verbände...) sicherstellen.

1 Einführung ins Dienstleistungsmarketing

5

1.1 Abgrenzung von Sachleistungen, Dienstleistungen und Serviceleistungen In diesem Abschnitt lernen Sie „

„

die Unterschiede von Sach-, Dienst- und Serviceleistungen sowie immateriellen Leistungen und die Kombinationsmöglichkeiten zwischen diesen kennen.

Wie gerade beschrieben, lässt sich das Marketing in ein Marketing für Sachleistungen, Dienstleistungen, Serviceleistungen und immaterielle Leistungen (Rechte, Ideen) unterteilen. Da es jedoch Kombinationen dieser Leistungsarten gibt, insbesondere Sachleistungen mit Dienstleistungen und/oder Serviceleistungen (vergl. Abbildung 1-3), muss auch das Marketing diesen Kombinationen gerecht werden. Dienstleistungsmarketing hat also verschiedene Dimensionen und umfasst auch das Marketing für Serviceleistungen, die ein Kunde meist als „kostenlose“ Zusatzleistungen wahrnimmt, obwohl sie für den Anbieter Aufwand bedeuten und so auch im Preis einkalkuliert sein müssen.

Marketing für... (materielle)

Sachleistungen mit Dienstleistung

(immaterielle) Dienstleistungen

Sachleistungen/

Sachleistungen mit ServiceDienstleisund tungen mit Dienstleistung Serviceleistung Sachleistungen mit Serviceleistung

Güter/Produkte

(immaterielle, „kostenlose“)

Rechte

Serviceleistungen

Ideen

Abb. 1-3: Sach-, Dienst-, Serviceleistungen und immaterielle Leistungen

6

1 Einführung ins Dienstleistungsmarketing

1.2

Arten von Dienstleistungen und ihre Besonderheiten

In diesem Abschnitt lernen Sie „ „ „

die Vielfalt von Dienst-/Sachleistungskombinationen, die Leistungsarten nach Käufergruppen und die Bedeutung der Mitarbeiter (mit der internen und interaktiven) im Dienstleistungsmarketing kennen.

Die Kombinationsmöglichkeiten von Dienstleistungen mit Sachleistungen sind je nach Leistungsart vielfältig. In Abbildung 1-4 wird dies beispielhaft für Reiseleistungen dargestellt. Daraus wird deutlich, dass viele Dienstleistungen ohne den Einsatz von Sachgütern gar nicht denkbar sind (z.B. ein Restaurant ohne Stühle, Tische, Geschirr...) bzw. ein Flugzeug ohne die Dienstleistung der Piloten oder Flugbegleiter auch kaum den Zweck erfüllt. Das Marketing für solche Kombinationsleistungen muss der Bedeutung sowohl der (materiellen) Sachleistung als auch der (immateriellen) Dienst- und/oder Serviceleistung Rechnung tragen.

Kontinuum für Leistungskombinationen von Sach- und Dienstleistungen Dienstleistungen

Sachleistungen Ort Leihwagen

Bahnreise Flugreise

Hotel/ Unterkunft

Restaurantbesuch

Wellnessbehandlung

Reiseleitung

Abb. 1-4: Kontinuum der möglichen Kombinationen von Sach- und Dienstleistungen am Beispiel von Reiseleistungen

1 Einführung ins Dienstleistungsmarketing

7

Im Marketing muss man auch zwischen unterschiedlichen Käuferschichten unterscheiden. Im Marketing für Unternehmen (Investitionsgüter-/-leistungsmarketing, B-to-B) werden andere Instrumente angewandt, als im Marketing für Endkunden (B-to-C, Konsumgüter-/ -leistungsmarketing). In Abbildung 1-5 sind Beispiele für die verschiedenen Leistungsarten aufgeführt.

Konsum-/Investitionsgüter bzw. -leistungen im Markt Materialitätsgrad Käuferart

Haushalt (Konsumgüter)

Produkt/ Sachleistung

Mantel (Verbrauchsgüter, Gebrauchsgüter Luxusgüter)

PKW Unternehmen

produktallein ergänzende stehende Dienstleistung Dienstleistung

(Rohstoffe, Hilfs(Investitionsgüter) güter, Anlagen, Komponenten, Vorerzeugnisse)

Reinigung

Rechtsberatung

Inspektionsservice

Steuerberatung

Abb. 1-5: Beispiele für Leistungsarten nach Käuferkreisen Dienst- oder Serviceleistungen werden meist durch Menschen an Menschen erbracht, die i.d.R. vor, während und nach der Dienstleistung miteinander kommunizieren. Dieser Kommunikation kommt im Rahmen des Marketings für die Leistung eine sehr große Bedeutung zu, denn der Kunde wird auf die Leistung eingestimmt, die Leistungserbringung wird ggf. mit unterstützender Kommunikation begleitet und am Ende wird ein Feedbackgespräch geführt, das ggf. sogar in eine Weiterempfehlungen durch den Kunden münden kann bzw. sollte. Für den Kunden steht also der jeweilige Mitarbeiter stellvertretend für das Unternehmen. Je besser die wahrgenommene Dienstleistung, desto besser ist auch das Firmenimage. Damit die Mitarbeiter eines Unternehmens mit Kundenkontakt solchen wichtigen Anforderungen an die Kundenkommunikation gerecht werden, bedarf es zunächst eines internen Marketings (vergl. Abbildung 1-6). Mit Hilfe umfangreicher Infor-

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1 Einführung ins Dienstleistungsmarketing

mation, Schulung und Motivation (Ansporn, Gehalt, Zukunftsperspektiven ..., vergl. auch Personalpolitik in Abschnitt 5.2.7) sollen die Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, in eine kompetente und absatzfördernde interaktive Kommunikation mit den Kunden einzutreten (vergl. Abbildung 1-6). Wichtig ist dabei, dass diese interaktive Kommunikation die externe Kommunikation des Unternehmens (bzw. der Organisation) unterstützt und so gegenüber dem Kunden ein einheitliches Wahrnehmungsbild entsteht (vergl. Corporate Communications bzw. Corporate Image in Abschnitt 5.2.5).

Dimensionen des Dienstleistungsmarketings Anbieter von Dienstleistungen Internes Internes Marketing Marketing (Personal(Personalmarketing) marketing)

Externes Externes Marketing Marketing

Dienstleistungsmarkt Dienstleistungsmarkt

Mitarbeiter

interaktives Marketing

Kunden

Abb. 1-6: Dimensionen und Akteure im Dienstleistungsmarketing Dienstleistung ist stets ein Prozess mit mehreren Phasen und so kommt den Mitarbeitern auch im Rahmen der Leistungsbereitstellung und vor allem im Rahmen des Leistungserstellungsprozesses eine zentrale Bedeutung zu, wie wir im folgenden Abschnitt 1.3 näher darlegen werden.

1 Einführung ins Dienstleistungsmarketing

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1.3 Auswirkungen auf das Marketing von Dienstleistungen In diesem Abschnitt lernen Sie „ „ „

die Bedeutung der Immaterialität von Dienstleistungen, die Phasen der Dienstleistungserbringung und die daraus entstehenden Herausforderungen kennen.

Das Dienstleistungsmarketing bzw. Dienstleistungsmanagement hat also einige Herausforderungen zu meistern, die bei Sachgütern in dieser Form nicht bestehen. So ist insbesondere die fehlende Materialität (vergl. Abbildung 1-7) eine besondere Herausforderung, denn Dienstleistungen sind weder anzufassen noch lager- oder transportfähig und es kann nach deren Erwerb kein direkter Eigentumsübergang an den Kunden erfolgen (vergl. Meffert/Bruhn, S. 60 ff und Wiesner, S.37). Dienstleistungsmarketing muss Vertrauen (durch Marke, Image, Empfehlung...) bei potenziellen Kunden erzeugen, so dass diese die eine Dienstleistung aus einer Vielzahl von Konkurrenzangeboten auswählt. Dann ist es genauso wichtig, die Erwartungen des Kunden hinsichtlich der gewählten Dienstleistung zu erfüllen.

Konkrete Aus- Bedeutung für den Kun- Herausforderung für das Dienstwirkung den bzw. die Beziehung leistungsmanagement bzw. zum Kunden marketing •

nicht an- • fassbar •

nicht prüfbar



Qualitätskontrolle sicher stellen

nicht vergleichbar



Leistungsbereitschaft sichern



nicht vorführbar





noch nicht vorhanden

Potenziale darstellen (Materialisierung des Fähigkeitenpotenzials, Zertifikate, Performance)



Zusatznutzen?



Qualitätsvermutung erzeugen



Visualisierung sicher stellen



Vertrauen bei Kunden erzeugen



Empfehlungsmarketing



Kaufunsicherheit der Kunden reduzieren



Marke mit klarer Positionierung aufbauen



Positives Image durch klare CI



Kundenpflege/-bindung

(Neu-)

10 •

1 Einführung ins Dienstleistungsmarketing

nicht lager- • fähig •







nicht oder • nur eingeschränkt transportfähig

kein direk- • ter Eigentumsübergang

keine Vorratshaltung - • nur bei materiellen Be• standteilen der Leistung • keine Leistung, wenn interne Potenziale aktu- • ell nicht verfügbar Über-/Unternachfrage möglich

Beschäftigungsrisiko für MA Investitions-/Kostenrisiko Optimierung der Leistungsbereitschaft (Koordination zwischen Angebot und Nachfrage)



Anreize zur gleichmäßigen Nutzung der Potenziale schaffen (Yield Management)



Kurzfristige rung

räumliche Distanz zwi- • schen Angebot und Nachfrage

Bewertungsprobleme beim Reisenden

Absatzrisiko beherrschen

Nachfragesteue-

Dienstleistungsradius definieren (abhängig von Bedarfshäufigkeit)



Dienstleistung beim Kunden



Kundentransport zum Dienstleistungsort



„Materialisierung“ erreichen



immateriellen Gewinn verdeutlichen



Preis wird zum Qualitätskriterium



Positives Image vermitteln

Abb. 1- 7: Herausforderungen durch Immaterialität der Dienstleistungen

Die Leistungserbringung erfolgt zudem in einem Prozess, an dem sowohl die Dienstleistungsanbieter mit ihren Mitarbeitern als auch die Kunden mit ihren Erwartungen, Kenntnissen und ihrem Verhalten beteiligt sind. Das Mitwirken der Kunden ist häufig ausschlaggebend für den Erfolg der Dienstleistung, denn z.B. ein Friseur kann nur dann die Wunschfrisur zustande bringen, wenn ein Kunde genaue Angaben macht und den Kopf ruhig hält. Ein Busreise wird nur dann ein Erfolg sein, wenn keiner der Mitreisenden ein Querulant ist.

1 Einführung ins Dienstleistungsmarketing

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Der sog. Kombinationsprozess einer Dienstleistung lässt sich üblicherweise in drei Phasen (vergl. Meffert/Bruhn, S. 29) unterteilen, nämlich die sog. Potenzial- oder Vorbereitungsphase, die Erstellungsprozess- bzw. Durchführungsphase und die Ergebnisphase. In der Potenzial- oder Vorbereitungsphase geht es um die Befähigung und Bereitschaft zur Erbringung der Dienstleistung in der vorgesehenen Qualität und zum vom Kunden gewünschten Zeitpunkt. Die Prozessphase stellt die eigentliche Dienstleistungsdurchführung dar, die häufig im Zusammenwirken mit dem Kunden stattfindet. In Abbildung 1-8 sind die einzelnen Phasen allgemein und speziell für Reise- und Wartungsdienstleistungen dargestellt (vergl. Wiesner, S. 39). erfolgreiches Marketing muss die Vorzüge des einen Dienstleistungsanbieters in allen drei Phasen herausstellen und entsprechendes Vertrauen beim Kunden erzeugen. Potenzialphase

Prozessphase

Ergebnisphase

Bereitstellung der notwendigen Dienstleistungspotenziale (nach Qualität, Menge, Zeitpunkt) i. S. von Befähigung u. Bereitschaft zur Dienstleistung

Durchführung/ Ver- Ergebnis, Wirkung richtung der Dienst- der Dienstleistungstäleistung im Zusam- tigkeit menwirken mit dem Kunden

Reservierung von Unterkünften, Beförderungsmitteln u. weiterer Services in ausreichender Menge und richtiger Qualität zu den angebotenen Leistungszeiten, Mitarbeiterqualifizierung

Durchführung der Reise mit ihren Bestandteilen (z.B. Bahn, Flug, Bus, Hotel, Tour...) durch qualifiziertes Personal

Erholung, Reiseerlebnis (Abenteuer, Kultur...), Ländererfahrung, Fit sein, braun sein, Freude, Erinnerung...

Training der Mitarbeiter, Ausstattung der Mitarbeiter, Hilfsmittel und Ersatzteile, Notservice bereithalten

Durchführung der Wartung zu festgelegten Zeitpunkten bzw. in festgelegten Zeiträumen oder in Notsituationen

Anlage gewartet, Reparatur erledigt, Anlage wieder betriebsbereit, Zuverlässigkeit

Abb. 1 8: Darstellung der Dienstleistungsphasen allgemein sowie an den Beispielen Reiseveranstaltung und Anlagenwartung Begriffe zum Nachlesen Am Ende eines jeden Kapitels finden Sie nun einige Begriffe zum Nachlesen. Schlagen Sie diese Begriffe in einem beliebigen Wirtschaftslexikon nach, um so mit dem Umgang mit Literatur und diesen grundlegenden Begriffen vertraut zu werden.

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1 Einführung ins Dienstleistungsmarketing

Institutionelles Marketing Funktionelles Marketing

Leistungskombination

Internes Marketing

Interaktives Marketing

Immaterialität

Sachleistung

Dienstleistung

Serviceleistung

Potenzialphase

Prozessphase

Ergebnisphase

Wiederholungsfragen Diese Aufgaben finden Sie hinter jedem Kapitel. Sie sollen Ihnen helfen, den zuvor dargestellten Stoff zu erarbeiten. Es handelt sich dabei häufig um Fragen, wie sie auch in Prüfungen gestellt werden. 1. Erläutern Sie den Unterschied zwischen institutionellem und funktionellem Dienstleistungsmarketing. 2. Geben Sie Beispiele für Leistungskombinationen. 3. Warum ist internes Marketing notwendig? 4. Stellen Sie die Bedeutung interaktiven Marketings für Unternehmen dar? 5. In welche Phasen lässt sich die Erstellung von Dienstleistungen aufteilen? 6. Stellen Sie diese drei Phasen anhand von Beispielen dar. 7. Welche Auswirkungen hat die Immaterialität von Dienstleistungen für das Dienstleistungsmarketing? Literaturhinweise An dieser Stelle erhalten Sie, wie auch in den folgenden Kapiteln, eine kurze Literaturübersicht. Es handelt sich dabei nicht um eine vollständige Auflistung der relevanten Literatur. Wiederholen Sie an Hand einer der Quellen den vorgestellten Stoff, um die Literaturarbeit zu trainieren und ihre Kenntnisse zu vervollständigen. Ahlert, Dieter/Evanschitzky, Heiner: Dienstleistungsnetzwerke, Berlin/Heidelberg 2001 Berndt, Ralph: Marketingstrategie und Marketingpolitik, Tübingen 2004 Bieger, Thomas: Dienstleistungsmanagement, 2.Auflage, Bern/Stuttgart 2000 Meffert, Heribert/Bruhn, Manfred: Dienstleistungsmarketing, 4. Auflage, Wiesbaden 2003 Wiesner, Knut (a): Internationales Management, München/Wien 2004 Wiesner, Knut (b): Strategisches Tourismusmarketing, Berlin 2006

2.

Marketingziele (normatives Marketing)

In diesem Abschnitt lernen Sie die Bedeutung von Visionen, die Begriffe Leitbild, Unternehmenskultur und Mission „ sowie die Notwendigkeit einer eindeutigen Zielformulierung kennen. Ein Blick in die Geschichte lehrt, dass nur derjenige wirklich Neues erreicht und langfristig erfolgreich ist, der Visionen hat (vergl. Abbildung 2-1). Visionen dürfen allerdings nicht mit Spekulationen oder gar Halluzinationen verwechselt werden. Visionen sind bildhafte Vorstellungen bzw. Imaginationen von etwas in Zukunft Erreichbaren. Es ist dabei zweitrangig, ob heute schon eine Basis dafür existiert oder diese erst noch geschaffen werden muss. Visionen sind demnach zwischen der Realität und der Utopie (zukünftig erreichbaren Realität) angesiedelt, dabei sollten sie als für Optimisten noch realisierbar erscheinen. Denn nur so kann man sich selber und vor allem andere (insbesondere Mitarbeiter und Geldgeber) motivieren, eine bestimmte Vision Realität werden zu lassen (vergl. Wiesner, b, S. 44f.). „ „

Vision

Vision wird Realität SWOT-Analyse

(Sehnsüchte/Träume)

(strategische Situationsanalyse)

Mission/Leitbild (Vorstellung/Philosophie)

Werte

Ziele

(Kultur)

(konkreter Wunsch)

Strategien (Strategieauswahl)

Umsetzung/Entscheidung (operatives Handeln, Aktivitäten, Maßnahmen)

Resümée (Strategisches Controlling)

Ergebnis (Erfolg, Misserfolg, Teilerfolg, Controlling)

Zeitablauf/Konkretisierung

Abb. 2-1: Visionen als Ausgangspunkt marktorientierten Handelns

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2 Marketingziele (normatives Marketing)

Schon vor mehr als 50 Jahren brachte es der amerikanische Schriftsteller Carl Sandburg auf den Punkt: „Nothing happens unless there is first a dream!“ Auch Porsche-Chef Wendelin Wedeking formulierte nach dem Einstieg seines Unternehmens bei VW, dass VW zunächst eine (neue) Vision brauche frei nach dem Motto „Wo stehen wir in fünf Jahren“ (vergl. Handelsblatt v. 9.12.2005). Denn erst Visionen setzen die notwendigen starken unternehmerischen Kräfte frei, die für Veränderungen benötigt werden. Solche Visionen können auch dazu beitragen, verfahrene Situationen zu verändern, wenn sie angemessen und realisierbar erscheinen und in eingängige Leitbilder und Unternehmensleitsätze (Missions) umsetzbar sind. Eine Vision oder Leitidee (auch Geschäftsidee) zeigt die grobe Richtung an, in die gearbeitet werden muss. Visionen stellen Herausforderungen dar, die im Rahmen der Unternehmenstätigkeit gemeistert werden müssen. Erst wenn ein Ziel bekannt ist, lassen sich die richtigen Wege finden oder neue Wege erschließen. Ein Weg entsteht, indem man ihn geht, sagt schon eine alte chinesische Weisheit. Dabei stellt der visionäre Unternehmer oder Chef quasi die „geistige Vorhut“ der Geldgeber und Mitarbeiter dar, die ihm begeistert auf dem neuen Weg folgen sollen. Der amerikanische Management-Autor Robert Heller formulierte prägnant: „All good management is the expression of one great idea.“ Unternehmensleitbilder stellen in gewisser Weise die Ausformulierung der großen Visionen dar und lassen sich weitgehend mit dem Begriff Unternehmensphilosophie gleichsetzen. Eine griffige Kurzfassung stellt die „Mission“ oder „Business Mission“ dar. Leitbilder geben wichtige Kernaussagen zur Unternehmenskultur bzw. Corporate Culture und zur Unternehmensidentität (CI) wider. Denn jedes Unternehmen kann als ein System spezifischer und konsistenter Werte, Normen und Symbole aufgefasst werden, das sowohl die Akzeptanz bei den Mitarbeitern als auch die öffentliche Wahrnehmung bestimmt; die Leitkultur wird somit auch zum Erfolgsgarant des Unternehmens. Eine solche Firmenkultur manifestiert sich dann meist ganz konkret in kundenorientiertem Verhalten der Mitarbeiter. So bildet eine schlüssige Unternehmensphilosophie die Grundlage und Voraussetzung für zielgerichtetes Handeln bzw. strategisches Marketing in Form einer konkreten Ausformulierung der Unternehmensziele. Besonders wichtig ist dabei eine möglichst konkrete Ausformulierung aller Ziele im Unternehmen, damit die Operationalität der Ziele ermöglicht wird und der Grad der Zielerreichung jederzeit im Sinne eines Controllings erfassbar ist. Ggf. kann dann auf dieser Basis eine Feinjustierung oder Änderung des Einsatzes der Marketinginstrumente erfolgen.

2 Marketingziele (normatives Marketing)

15

2.1 Marketingziele als Teilziele der Unternehmensziele In diesem Abschnitt lernen Sie „ „ „

die Arten der Zielhierarchien und -ebenen, die Notwendigkeit einer genauen Festlegung der Zielinhalte (7 Z) und den Vorteil von Optionen kennen.

Zunächst müssen also Unternehmensziele (bzw. Organisationsziele) klar festgelegt werden, die von der Unternehmensorganisation als Ganzem zu erreichen sind. Jede Abteilung oder Einheit des Unternehmens hat dann entsprechend ihrer Möglichkeiten zur Erreichung dieser Ziele beizutragen. Meist werden also entsprechende Bereichsziele formuliert, zu denen u.a. die Marketingziele zählen (vergl. Abbildung 22). Unternehmensziele könnten beispielsweise Umsatz- oder Gewinnsteigerungen, Marktanteile, Bekanntheitsgrad, Beschäftigungssicherung oder die Erschließung neuer Märkte sein. Z.T. sind dies auch Marketingziele, die allerdings etwas konkreter zu fassen sind, sich also z.B. auf Segmente beziehen können.

Ziele und Strategien Vision, Leitbild, Mission Unternehmensziele Unternehmensstrategie Marketingziele, als Bereichsziele

Marketingstrategie Operative Ziele, z.B. Kommunikationsziele

Operatives Marketing-Mix (und taktisches Marketing)

Abb. 2-2: Klare Ziele als Vorgaben für Strategien und Maßnahmen

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2 Marketingziele (normatives Marketing)

Im Sinne der Klarheit einer jeden Zielfestlegung muss der Zielinhalt mit Hilfe der bis zu „7 Z“ genau beschrieben werden. So wird jedem im Unternehmen bzw. in der Organisation deutlich, was konkret erreicht werden soll. Mit dem Zielausmaß wird der angestrebte Zielerreichungsgrad sehr genau angegeben. Als nächstes muss die (autonome oder ergänzende) Dienstleistung genau beschrieben werden, hinsichtlich der das gesetzte Zielausmaß erreicht werden soll, also das Zielobjekt. Wichtig ist, dass über die Zielperiode auch der Zeitraum (bzw. Zeitpunkt), in dem das Ziel zu erreichen ist, festgelegt wird. Auch muss sich die Zielerreichung immer auf eine bestimmte Zielgruppe (Personen-, Reisendenkreis) als Teilmenge aller möglichen Kunden beziehen. Letztendlich ist es auch notwendig, den genauen Zielort (bzw. das zu ergänzende Zielprodukt) und ggf. den Zielmarkt zu beschreiben, für den die jeweilige Zielsetzung erfüllt werden soll. Beispiele der „7 Z“ für die unterschiedlichen Dienstleistungsarten könnten folgendermaßen lauten: Zielinhalt:

Steigerung der Verkaufszahlen...

Steigerung der Zahl...

Zielobjekt:

...von Eintrittskarten...

...der EDV-Serviceverträge...

Zielort:

...des Freizeitparks XYZ...

...für Laptops...

Zielperiode:

...in der nächsten Saison...

...innerhalb eines Jahres...

Zielgruppe:

...an Familien...

...an Kleinunternehmer...

Zielmarkt

...in Österreich

...in Deutschland...

Zielausmaß:

...um 15 %

...um 25 %

Auf Basis solch konkreter Zielvorgaben lassen sich dann mit Hilfe der Controllinginstrumente (z.B. Balanced Scorecard, Imageforschung, Markt- und Absatzzahlen...) Zielerreichungsgrad, Art und Höhe der Abweichungen und ggf. auch unerwünschte Wirkungen erkennen, messen und ggf. auch erklären. Im Rahmen des strategischen Controllings (vergl. Abbildung 2-1 sowie Kapitel 8) müssen die angewandten Marketing-instrumentarien auf ihre (ausreichende) Wirksamkeit überprüft und ggf. Vorschläge zum Einsatz effizienterer Instrumente in der nächsten Marketingperiode gemacht werden. Die beiden Beispiele stellen bereits herunter gebrochene Teil- oder Unterziele der Unternehmens- bzw. Marketingziele dar. Also lassen sich Ziele verschieden klassifizieren, zunächst sinnvollerweise nach ihrer Hierarchie, in strategische Ziele (übergeordnete Ziele) und operative Ziele (Handlungsziele). Zu den strategischen Zielen gehören die Organisationsgrundsätze und Oberziele (z.B. „Wir sind der beste Anbieter von Wellnessreisen“, „Rundum-Service und Kundendienst sind unsere Stärke“...), zu den operativen Zielen gehören die diversen Funktionsbereichsziele, also auch ökonomische und psychografische Marketingziele (z.B. Marktanteil, Umsatzsteigerung, Kundenzufriedenheit, Imagesteigerung...) ggf. mit Zwischen- und Unterzielen, die man auch als taktische Ziele bezeichnen kann. Auch strategische Marketingziele sind also keine autonomen Ziele, sondern sind stets aus den übergeordneten Unternehmenszielen (vergl. Abbildungen 2-2 und 23) abzuleiten.

2 Marketingziele (normatives Marketing)

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Handlungszielhierarchie Oberziele

Zielprogramm eines (Dienstleistungs-) Unternehmens

Marketingziele

Leistungserstellungsziele

Beschaffungsziele

...

Zwischenziele

Geschäftsfeld A (regional)

Geschäftsfeld B (national)

Geschäftsfeld C (international)

...

Unterziele

Leistungspolitische Ziele

Preispolitische Ziele

Kommunikationspolitische Ziele

...

Bereichsziele

Abb. 2-3: Zielhierarchien in Dienste leistenden Unternehmen Allerdings ist es trotz einer detaillierten Zielsetzung sinnvoll, sich Optionen offen zu halten. Lässt sich nämlich ein Ziel nicht realisieren, besteht oft die Chance, Alternativen erfolgreich zu verwirklichen. Optionen ergeben sich nicht zufällig, sondern müssen gut vorbereitet werden, z.B. indem man Alternativen und deren Voraussetzungen prüft und sich entsprechende Kontakte, Kompetenzen und Fähigkeiten verschafft, um ggf. erfolgversprechende Optionen wahrnehmen zu können. Der französische Schriftstellers de Saint-Exupéry veranschaulicht die strategische Funktion von Visionen so: „Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufträge zu vergeben und die Arbeit zu verteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer.“ ...oder aber wie Christoph Kolumbus nach einem Ziel jenseits des großen Ozeans! Denn wenn alle wissen, wohin man segeln wird, können sie (und nur dann) die Segel auch richtig setzen! Und die Führung muss auch während der ganzen Überfahrt die Seeleute (Mitarbeiter) bei der Stange halten, wie dies der amerikanische Ingenieur Kettering schön formulierte: „Niemand hätte jemals den Ozean überquert, wenn er die Möglichkeit gehabt hätte, bei Sturm das Schiff zu verlassen“.

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2 Marketingziele (normatives Marketing)

2.2 Marketingziele für institutionelle/alleinstehende Dienstleistungen In diesem Abschnitt lernen Sie typische aktuelle Marketingzielsetzungen und Beispiele für das Ziel Kundenorientierung bei Dienstleistungen kennen. Wenn bei zunehmend ähnlichen Leistungen ein besonderer (Zusatz-)Nutzen oder eine besonders intensive und enge Kundenbeziehung zu einem kaufentscheidenden Argument wird, erhält für die Unternehmen die Notwendigkeit zur Orientierung am Kundennutzen (vergl. Abbildung 2-4) eine zentrale Bedeutung. Aus diesem Grund ist es z.B. wichtiges Ziel, eine serviceorientierte Unternehmenskultur zu implementieren, die auch Customer Care Concept genannt wird. Die Leistungen werden höchstmöglich am Kundennutzen ausgerichtet und durch zusätzliche Services, die in Ergänzung der Kernleistungen angeboten werden, ergänzt. Die Implementierung einer Customer Care Organization bzw. einer Customer Driven Company wäre also das Oberziel eines Dienstleistungsunternehmens. „ „

Marketingintensität

Entwicklung des MarketingSelbstverständnisses KundennutzenKundennutzenorientierung orientierung MarketingMarketingorientierung orientierung VerkaufsVerkaufsorientierung orientierung LeistungsLeistungsorientierung orientierung ErstellungsErstellungsorientierung orientierung

Zeit

Abb. 2-4: Kundennutzenorientierung im Dienstleistungsmarketing

2 Marketingziele (normatives Marketing)

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Weiteres Ziel (Teilziel zur Erreichung des Oberziels) wäre in diesem Fall, die Perspektive zu wechseln und dabei nicht mehr den Absatz und die Herstellung von Leistungen aus der Sicht des Unternehmens sondern aus der Sicht des Kunden zu betrachten. Im Zielfokus steht so der Mehrwert, den ein Kunde aus seiner Kundenund Dienstleistungsbeziehung zum Unternehmen ziehen kann. Ziel ist also, die Wünsche, Erwartungen, Ängste oder Anregungen der Kunden ernst zu nehmen. Teilziele sind dabei ein effektives Reklamations- und Beschwerdemanagementsystem und die Ausnutzung aller anderen Kontaktmöglichkeiten mit den Kunden. Multi-Kanal-Dialogmarketing (vergl. Wiesner a) und die integrierte Nutzung aller Kundendialoginstrumentarien (vergl. Wiesner b) sind weitere wichtige Teilziele.

Kunde im Fokus des Unternehmens (Customer Driven Company) Marketing hat Kundenkontaktfunktion

Kunde

Kunde

Integriertes Marketing

Abb. 2-5: Kunde im Zentrum der Unternehmenszielsetzungen Ziel ist es, die Kundenperspektive in alle Geschäftsprozesse einzubeziehen. Der Kunde wird so von einem Käufer oder Verbraucher zum Geschäftspartner des Unternehmens. Im Sinne des Begriffes Prosument (Konsument-Produzent) sollen Kunden die Beziehung zum Unternehmen aktiv mitgestalten können und direkten Einfluss auf Geschäftsprozesse und angebotene Dienstleistungen nehmen können. Dem Marketing kommt dabei die entscheidende Funktion als Kontaktorganisation zum Kunden zu (vergl. Abbildung 2-5). Soweit möglich und wirtschaftlich rentabel, ist auf individuelle Bedürfnisse und Wünsche der Kunden einzugehen, was allerdings bei bestimmten (Massen-)Dienstleistungen enge Grenzen findet.

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2 Marketingziele (normatives Marketing)

2.3 Marketingziele für funktionale bzw. produktergänzende Dienstleistungen In diesem Abschnitt lernen Sie Die aktuellen Serviceherausforderungen und Zielsetzungen der Industrie und unterschiedliche Zielsetzungen je nach Entwicklungsstand kennen. Diverse Studien in verschiedenen Branchen zeigen einen Trend zu mehr Service, als After-Sales-Service oder vor allem als maßgeschneidertes Systemgeschäft mit Komponenten aus dem Produkt- und Dienstleistungsbereich. Somit wird die Fähigkeit zur systematischen Entwicklung und Erbringung von höherwertigen industriellen Dienstleistungen zum wesentlichen Erfolgsfaktor der Industrie. „ „

Vor allem neue Anforderungen der Kunden bedingen neue Zielsetzungen für produktbegleitende Dienstleistungen. Konzentrierten sich die Dienstleistungen bis heute auf eine optimale Unterstützung des Produktes (Montage und Inbetriebnahme, Ersatzteilversorgung, Reparaturen und Instandsetzungen, Diagnose, Retrofit etc.) wird künftige eine verstärkte Nachfrage nach Prozessunterstützung (vorbeugende, zustandsorientierte Instandhaltung, Teleservice etc.) und nach kaufmännisch orientierter Geschäftsunterstützung mit Outsourcingcharakter (Konsignationslager, Full-Service-Wartungsverträge, Betreibermodelle etc.) entstehen.

Vom Produzenten …

Produktgestaltung

Beratung, Planung

F&E

Qualifizierung, Schulung

Produktgebrauch

Inbetriebnahme

Betreiberdienste

Instandhaltung

Produktentsorgung

Ersatzteillogistik

Entsorgung

Recycling

Kundenorientierung

Zukünftige Industrie

= Traditionelle Industrie

Produzierender Dienstleistungsbetrieb

= Fabrik

Abb. 2-6: Transformation des Produzenten zum produzierenden Dienstleister (aus Aurich,/Jenne/Fuchs, S. 3.]

2 Marketingziele (normatives Marketing)

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Der anhaltende Trend, dass die Kunden eine Lösung ihrer Probleme und nicht nur Produkte von ihren Lieferanten erwarten, zwingt die Hersteller dazu, ihre Produkte um Dienstleistungen zu ergänzen. Erst durch das Angebot Produkt begleitender Dienstleistungen erhält der Kunde die gewünschte Lösung. Die Hersteller sind dabei auf ihrem evolutionären Weg vom reinen Produzenten zum produzierenden Dienstleister unterschiedlich weit gekommen (vgl. Abbildung 2-6). Und die Marketingziele, die sich die Anbieter stecken, sind von der Stufe abhängig, die Sie bei dieser Transformation bereits erreicht haben (vergl. Abbildung 2-7).

Bedeutung Service Evolution Ertragssteigerung Differenzierung Information Kundenbindung

Ziele

Abb. 2-7: Marketingziele produktbegleitender Dienstleistungen in Abhängigkeit ihrer Bedeutung für das Gesamtunternehmen Ein Unternehmen, das sich noch am Anfang (in Abbildung 2-7: links) befindet, verfolgt mit dem Serviceangebot überwiegend das Ziel, bestehende Kunden zufrieden zu stellen und damit zu binden (vgl. Abbildung 2-8). Industrielle Dienstleistungen spielen eine bedeutende Rolle, denn sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Entstehung und Stabilisierung langfristiger Geschäftsbeziehungen. Die Kunden fordern diese Dienstleistungen, sie stellen also sog. Muss-Anforderungen dar, die der Hersteller erfüllen muss, um die Kunden nicht zu verlieren. Weiter sind Unternehmen, die Service oder Kundendienst als Quelle zur Informationsgewinnung über die Kunden nutzen und systematisch für die Produktentwicklung auswerten. Eine weitere Evolutionsstufe haben Unternehmen erreicht, die das Serviceprogramm zur Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb einsetzen.

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2 Marketingziele (normatives Marketing)

Abb. 2-8: Zusammenhang von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung (aus Herrmann/Huber/Braunstein) Das technische Differenzierungspotenzial des Produktes nimmt mit der Homogenisierung der global verfügbaren Sachleistung ab und wird zunehmend durch das Kostensenkungspotenzial industrieller Dienstleistungen ersetzt (vgl. Abbildung 29). Das Dienstleistungsangebot hat auf dieser Stufe bereits großen Einfluss auf das Image des Anbieters, indem eine positive oder negative Beurteilung der Sekundärleistung auf die zugehörige Primärleistung (das Produkt) ausstrahlt. So können wettbewerbsrelevante Leistungsfelder besetzt werden und Markteintrittsbarrieren geschaffen werden. Die ökonomischen Ziele (Umsatz, Deckungsbeitrag, Gewinn) gewinnen mit zunehmender Transformationen an Bedeutung. Die produktbegleitenden Dienstleistungen sind nun nicht mehr Zusatz zum Produktangebot, sondern Hauptträger von Umsatz und Gewinn (Annahme der meisten Anlagen- und Maschinenbauer in D.). Das Wertschöpfungspotenzial der produktbegleitenden Dienstleistungen übersteigt den Wert der Maschine oder Anlage häufig um ein Vielfaches über den gesamten Lebenszyklus hinweg betrachtet. Heute leiden einige industrielle Dienstleistungen zunehmend unter Gewinnerosion; einerseits durch steigende Stückkosten in den hoch entwickelten Industrieländern, bedingt durch steigende Löhne, gestiegene Treibstoffkosten, hochwertigere und damit teurere Ausstattung der Servicetechniker mit Fahrzeugen, (mobilen) Informations- und Kommunikationstechnologien, EDV und Spezialwerkzeuge. Andererseits steigt der Preiswettbewerb, da die einzelnen Dienstleistungen von einer steigenden Anzahl konkurrierender Unterneh-

2 Marketingziele (normatives Marketing)

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men angeboten werden. Dieser Wettbewerb kommt aus vor- und/oder nachgelagerten Wertschöpfungsstufen, aus anderen Branchen oder von professionellen Serviceunternehmen, die lokal, national oder international operieren.

Abb. 2-9: Bedeutung industrieller DL als Differenzierungsfaktor (aus Olemotz, S. 83) Die Ausführungen dürften nicht so interpretiert werden, dass zum Beispiel Kundenbindung für Unternehmen, die in der Transformation zum produzierenden Dienstleister weit vorangeschritten sind, keine Bedeutung mehr haben. Diese Ziele sind nach wie vor auch für solche Anbieter sehr wichtig. Die Entwicklung soll nur andeuten, dass mit zunehmender Transformationen zusätzliche Ziele in den Vordergrund rücken, für die es auch neuer Strategien bedarf, die wir im Folgenden näher betrachten. Begriffe zum Nachlesen Vision

Leitbild

Mission

Unternehmensziel

„7 Z“

Unternehmenskultur

Leitideen

Zielinhalt

Oberziele

Bereichsziele

Zwischenziele

Unterziele

Prosument

Systemgeschäft

Customer Driven Company

24

2 Marketingziele (normatives Marketing)

Wiederholungsfragen 1.

Warum ist eine Vision so wichtig?

2.

Was unterscheidet ein Leitbild von einem Unternehmens-/Organisationsziel?

3.

Warum ist eine möglicht genaue Zielbeschreibung wichtig?

4.

Erklären Sie den Begriff „7 Z“ und geben Sie ein Beispiel?

5.

Wie gliedert sich eine Zielhierarchie?

6.

Was bedeutet das Konzept eine Customer Dirven Company für die Unternehmenszielsetzungen?

7.

Was bedeutet Prosument?

8.

Was ist unter einem Systemgeschäft zu verstehen? Literaturhinweise

Aurich, J. C.; Jenne, F.; Fuchs, C.: Vorgehensmodell zur Entwicklung produktbegleitender Dienstleistungen, Präsentation Berlin 2003 Bieger, Thomas: Dienstleistungsmanagement, 2.Auflage, Bern/Stuttgart 2000 Herrmann, A.; Huber, F.; Braunstein, C.: Kundenzufriedenheit garantiert nicht immer mehr Gewinn, in: Harvard Business Manager, Hamburg, 1/2000, S. 45-55 Kaerner, H.: Profitabler dank Telematik: Wenn Service neu gestaltet wird, Veröffentlichung Accenture 2002 Kotler, Philip/Bliemel, Friedhelm: Marketing-Management, Stuttgart, 9. Aufl., 1999 Meffert, Heribert/Bruhn, Manfred: Dienstleistungsmarketing, 4. Auflage, Wiesbaden 2003 Olemotz, T.: Strategische Wettbewerbsvorteile durch industrielle Dienstleistungen, Frankfurt 1995 Sponholz, Uwe (a): Service als Messias des deutschen Maschinenbaus?, in: Drives & Motion 03/2004, S. 46-47 Sponholz, Uwe (b): Chefsache Service, in: Automation 06/04, S. 70-71 Sponholz, Uwe (c): Eine wirksame Waffe. Leitartikel produktbegleitende Dienstleistungen, in: Drives & Motion 05/2005, S. 6-7 Wiesner, Knut (a): Internationales Management, München/Wien 2004 Wiesner, Knut (b): Strategisches Tourismusmarketing, Berlin 2006

3.

Strategisches Marketing

In diesem Abschnitt lernen Sie die Aufgaben und Kernelemente strategischen Marketings kennen. Strategien dienen grundsätzlich der Umsetzung bzw. Erreichung von Zielen. Wenn diese Ziele konkret ausformuliert sind, lassen sich auch erfolgsversprechende Strategien auswählen. Unternehmensstrategien dienen der Erreichung von Unternehmenszielen, Marketingstrategien dienen der Erreichung von Marketingzielen (die wiederum aus den Unternehmenszielen abgeleitet werden, vergl. auch Abbildung 2-2) und aus diesen lassen sich operative Marketingziele ableiten. Unternehmensvision, Leitbild, CI, Unternehmenskultur und auch die Unternehmensethik haben somit über die Unternehmens- und Marketingziele ihren Einfluss auf die Bildung von Marketingstrategien und letztendlich auch das operative Marketing. „

Marketingstrategien haben somit als sog. Bereichsstrategien die Aufgabe, optimale Wege zu finden , um die Marketingziele zu erreichen. Marketingstrategien müssen somit operatives und taktisches Marketing (vergl. Abbildung 3-1) strategisch so steuern, dass diese erfolgreich zur Zielereichung beitragen.

Ebenen des strategischen Marketings 1. Ebene:

MarketingZiele

Wo wollen wir hin ?

(normatives Marketing) Bestimmung des Wunschortes

2. Ebene:

Marketingstrategien (strategisches Marketing)

Wie kommen wir dahin ?

Festlegung der Route

Marketing-Mix und -Organisation

3. Ebene:

(operatives Marketing) Auswahl der Beförderungsmittel mit Alternativen

4. Ebene:

Marketinginstrumente (4 - 8 P) (taktisches Marketing)

konkrete Nutzung der Beförderungsmittel

Was hilft uns in welcher Kombination auf diesem Weg ? Was bringt uns konkrete Schritte vorwärts ?

Abb. 3-1: Strategische Marketingebenen für Dienstleistungen

26

3 Strategisches Marketing

3.1 Stategieentwicklung In diesem Abschnitt lernen Sie die Grundlagen der Strategieentwicklung und de Prozess der Strategieentwicklung/-planung kennen. Alle Faktoren, die den Unternehmenserfolg direkt beeinflussen, werden als strategische Erfolgsfaktoren (EF) bezeichnet. Sie haben wesentlichen Einfluss auf das Erfolgspotenzial von strategischen Geschäftsfeldern. Also liegen die Erfolgsfaktoren den Erfolgspotenzialen (EP) zugrunde und konkretisieren diese. Decken sich die Erfolgsfaktoren mit den Kernkompetenzen des Dienstleisters, ist die Strategieentwicklung vereinfacht, ansonsten bedarf es solcher Strategien, die Kernkompetenzen (Forschung und Entwicklung, Akquisition, Outsourcing, Networking...) erzeugen. „ „

Zur Strategieabschätzung bedarf es einer Kenntnis der Wirkungsrelationen und Kausalstrukturen von Erfolgsfaktoren, die im Markt- bzw. Kundengruppenbereich liegen können. Es kann sich z.B. um den Marktanteil (Marktmacht), das Marken oder Unternehmensimage handeln. In Frage kommen aber auch Prozessvorteile, wie Mengenvorteile, Kostenvorteile oder Qualitätsvorteile. Erfolgsfaktoren können aber auch durch Ausprägungen des Wettbewerbs, die Marktattraktivität, Mobilitätsbarrieren, Nachfrageelastizitäten, Konjunktureinflüsse, Gesetzgebung, Subventionierung oder soziodemografische Trends entstehen. Erfolgspotenziale können sich aber auch aus dem Unternehmen selbst ergeben, z.B. aus dem Personalbereich (Qualifikation, Motivation), der Dienstleistungstechnik (bzw. ggf. der Technologie), aus inneren Strukturen, aus der Beschaffung oder den finanziellen Ressourcen. Um Konsequenzen von Strategien sauber abschätzen zu können, müssen die Wirkungsrelationen (Intensität, Dynamik, Interaktion...) und Kausalstrukturen (Interdependenz, Rückkopplung...) der Erfolgsfaktoren hinsichtlich der Ausschöpfung der Erfolgspotenziale bekannt sein. Es gibt einige strategische Planungskonzepte, um Unternehmensstrategien und daraus abgeleitete Bereichsstrategien, wie in diesem Fall also Marketingstrategien zu entwickeln. Strategische Planungskonzepte dienen der Strategieformulierung bzw. Herleitung der Strategien aus den Zielen. Das sog. PIMS-Konzept (P = Profit/Gewinn, I = Impact of/Einwirkung auf, M 0 Market/Markt, S = Strategies/Strategien) untersucht die erfolgsbeeinflussenden Faktoren eines Unternehmens, wobei es auf empirisch fundierte Gesetzmäßigkeiten zurückgreift. Dabei steht im Mittelpunkt die Aussage, dass ein hoher Marktanteil auch eine hohe Rentabilität mit sich bringt. Wichtigste strategische Erfolgsfaktoren sind danach:

3 Strategisches Marketing

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die Marktattraktivität, wie Wachstum oder Exportquote,



die Wettbewerbsposition, wie rel. Marktanteil oder rel. Qualität der Leistungen,



die Investitionsattraktivität, wie Investitionshöhe,



die Kostenattraktivität, wie Aufwand für Marketing oder F & E zu Umsatz,



allg. Unternehmensmerkmale, wie Größe etc.



und die Veränderung dieser aufgezählten Faktoren.

Mit dem Lebenszyklus-Konzept lässt sich die Entwicklung von Dienstleistungen, Produkten, Unternehmen oder Branchen untersuchen. Im Mittelpunkt steht die Annahme, dass jede Leistung über eine begrenzte Lebensdauer verfügt und ihr Absatz einer im Zeitablauf zyklischen Entwicklung unterliegt (vergl. auch Abbildung 5-14): Diesen nennt man Marktzyklus, ihm geht ein Entstehungszyklus voraus, der ausschließlich Kosten verursacht. Den Marktzyklus ist in 5 Phasen unterteilt, die unterschiedliche strategische Maßnahmen verlangen. In der Einführungsphase muss erst ein Markt entwickelt und abgeschöpft werden, in der Wachstumsphase lassen sich dann neue Segmente erschließen, bevor es in der Reifephase um die Ausschöpfung des Marktes geht. In der Sättigungsphase stehen preisagressive Strategien im Vordergrund, bevor es in der Degenerationsphase um die Frage einer rechtzeitigen Desinvestition bzw. Eliminierung geht. Das Erfahrungskurven-Konzept besagt, dass bei Verdopplung der Leistungsmenge die Stückkosten 20-30% zurückgehen. Diese Kostenreduzierung bezieht sich auf alle Prozesse und damit alle Kosten im Unternehmen, z.B. Rationalisierung, bessere Kapazitätsnutzung, bessere Führung, Lerneffekte, Standardisierungen etc.. Das Konzept besagt, dass durch ein hohes Absatzvolumen (hohen Marktanteil) die Stückkosten und die Rentabilität steigen. Das Synergie-Konzept beinhaltet den Umstand, dass das Gesamte mehr sein kann als die Summe seiner Teile. Durch konsequente Nutzung der Synergieeffekte, lassen sich beispielsweise durch den Einsatz des Unternehmens-Know-hows in neuen Leistungs- oder Marktbereichen Leistungsverbesserungen und Wettbewerbsvorteile erzielen. Dieser Effekt entsteht meist durch Kooperationen, Strategische Allianzen oder Joint Ventures und entfaltet seine Wirkung neben dem F & E- und dem Fertigungsbereich insbesondere im Marketing- bzw. Vertriebsbereich. Nach einer umfassenden strategischen Situationsanalyse (verg. Abschnitt 4.1 und Abbildungen 4-4, 4-9 und 4-10) sind i.d.R. alle notwendigen Informationen für eine erfolgreiche Strategieentwicklung vorhanden. Aus den Grund- bzw. Unternehmensstrategien lassen sich dann die Marketingstrategien (vergl. Abschnitt 3.2 – 3.4) als eine der Bereichsstrategien entwickeln. Aufgrund dieser Strategien lassen sich dann bestimmte Leistungsbereiche in Strategische Geschäfteinheiten (vergl. Abbildung 4-10) zusammenfassen. In diesem Zusammenhang lassen sich z.B. Portfoliotechniken anwenden, wie sie sich im Rahmen der Portfoliostrategien wieder finden (vergl. Abschnitt 3.2).

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3 Strategisches Marketing

3.2 Standardstrategien In diesem Abschnitt lernen Sie die generellen Marketingstrategiealternativen und die Umsetzung bestimmter erfolgreicher Strategien kennen. Marketingstrategien haben die Aufgabe, den Unternehmensstrategien im entscheidenden Unternehmensbereich des Marketings und Vertriebs zum Erfolg zu verhelfen. Die Strategien im Marketingbereich sind damit die wichtigsten und stellen die wesentliche Grundlage zum Erreichen der Unternehmensziele dar. Daher muss diesen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. „ „

Zwar wird jedes Unternehmen im Sinne einer Differenzierung unterschiedliche Strategien verfolgen, dennoch gibt es einige generelle Strategiealternativen (vergl. Abbildungen 3-2 und 3-3), die als Instrumentarium zur Verfügung stehen. Es handelt sich dabei um Geschäftsfeld-, Geschäftssystem- und Marktteilnehmerstrategien mit ihren unterschiedlichen Ausprägungen/Zielrichtungen.

Geschäftsfeldstrategien

Marketingstrategie–Optionen mit Ausprägungen 1 Konzentration auf strateg. Geschäftsfelder

> Funktion > Technologien > Kundengruppen > Regionen

Portfoliostrategien

> Innovationen > Abschöpfung > Segmentierung > Desinvestition

Marktfeldstrategien

> Marktentwicklung > Marktdurchdringung > Leistungsentwicklung > Diversifikation

Wettbewerbsstrategien

> Qualitätsvorteil (Marken) > Programmbreitenvorteil > Kosten-/Preisvorteil > Zeitvorteil >Innovationsvorteil

Marktabdeckungsstrategien

> Gesamtmarkt > Teilmarkt > Marktnischen

Marktarealstrategien

> Lokal > Regional > National > Transnational(International) > Global

Timingstrategien

> Pionier > früher Folger > später Folger

Entwicklungsstrategien > Wachstum > Stabilisierung > Schrumpfung

Es sind auch Kombinationen der Strategien möglich !

Abb. 3-2: Marketingstrategien für Geschäftsfelder

3 Strategisches Marketing

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Marktteilnehmerstrategien

Geschäftssystemstrategie

Marketingstrategie–Optionen mit Ausprägungen 2 Integrationsstrategien Kooperationsstrategien Marktbearbeitungsstrategien Kundenstrategien

> Autonomie > Vorwärtsintegration > Rückwärtsintegration > Unabhängigkeit > Beteiligung > Joint Venture > Akquisition > Kooperation/strateg. Partnerschaft > undifferenziert > differenziert > konzentriert (segment-of-on-approach) > Neukundenakquisition > Kundenausschöpfung > Kundenbindung > Kundenrückgewinnung

Abnehmer> Präferenzierung > Mengen-Preisvorteile orientierte Verhal> Konsumentenintegration (Prosument) tenstrategien Wettbewerbs> Angriff/Konflikt/Aggression > Ausweichen orientierte >Defensive/Verteidigung >Anpassung >Kooperation Verhaltenstrategien Absatzmittlergerichtete >Konflikt >Umgehung >Kooperation >Anpassung Verhaltensstrategie

Abb. 3-3: Marketingstrategien für Geschäftssysteme und Marktteilnehmer Aus diesen Grundstrategien lässt sich ein individuelles Strategieprofil für jedes Unternehmen entwickeln. Dies könnte beispielsweise folgendermaßen aussehen: •

Portfoliostrategie:

Innovationen



Marktfeldstrategie:

Marktdurchdringung



Wettbewerbsstrategie:

Qualitätsvorteil



Marktabdeckung:

Teilmarkt



Timingstrategie:

Pionier



Integrationsstrategie:

Autonomie



Marktbearbeitungsstrategie:

konzentriert



Kundenstrategie:

Kundenbindung ...

Im Folgenden gehen wir beispielhaft auf einige der Strategiealternativen ein. Anhand von Portfoliotechniken lässt sich das Leistungsangebot eines jeden Unternehmens analysieren. Dabei gibt es alternativ die Einteilung in eine sog. Vier-

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3 Strategisches Marketing

Felder-Matrix nach BCG (vergl. Abbildung 3-4) oder eine Neun-Felder-Matrix nach McKinsey (vergl. Abbildung 3-5).

Portfoliostruktur als Basis für Geschäftsfeldstrategien

hoch

Question Marks

Stars

Poor Dogs

Cash Cows

Marktwachstum

niedrig

(negativ)

niedrig

Marktanteil

hoch

(Underdogs)

Abb. 3-4: Vier-Felder-Matrix (nach BCG) Die Achsen zeigen die wichtigsten Erfolgsfaktoren strategischer Geschäftseinheiten auf (Marktwachstum und Marktanteil, vergl. Abbildung 3-4). So lassen sich SGE nach diesen Dimensionen positionieren, wobei die Größe der Kreise die relative Bedeutung für das Unternehmen darstellt. Je nach Positionierung lassen sich nun Strategien ableiten, z.B. bei „Stars“ zu investieren, bei „Cash Cows“ abzuschöpfen oder bei „Poor Dogs“ zu desinvestieren. McKinsey hat diese Form der Bewertung verfeinert, indem mehrere Faktoren in die Matrix-Achsen einfließen und die Anzahl der Dimensionen auf neun erhöht wurde (vergl. Abbildung 3-5). Die Marktattraktivität wird die Marktgröße, das Marktwachstum, die Marktqualität, die Rohstoffversorgung und die Umweltsituation bestimmt. Der relative Wettbewerbsvorteil wird durch die relative Marktposition, das relative Herstellungspotenzial, das relative F & E-Potenzial sowie die relative Personalqualifikation bestimmt.

3 Strategisches Marketing

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Als mögliche Strategien ergeben sich für die neun Felder auch Standardstrategien. So gilt es in den drei Plus-Felder rechts oben (vergl. Abbildung 3-5) zu investieren und zu wachsen, in den drei Minus-Feldern links unten abzuschöpfen bzw. zu desinvestieren. Entlang der mittleren Diagonale könnten Offensiv-, Übergangs- oder Defensivstrategien zum Erfolg führen.

Strategien im Vermessungswesen

ho ch

Wachsen ++

+/+/-

++ ++ Ingenieurvermessungen

Selektieren

Katastervermessungen

mi tte l

--

++

Abschöpfen -/+ -/+ be ss er

sc hle

Bereithalten -von Geodaten gle ich

---ch te r

nie dri g

Relative Marktattraktivität

Portfolio

Relative Wettbewerbsposition

Abb. 3-5: Neun-Felder-Matrix (nach McKinsey; Bsp. Vermessungswesen) Kombiniert man beispielsweise im Rahmen einer Marktparzellierung die Marktabdeckungsstrategien mit den Marktbearbeitungsstrategien, ergeben sich 9 unterschiedliche Marketingstrategieansätze, z.B. Massen- oder Nischenmarketing, differenziertes, konzentriertes oder selektiertes Marketing (vergl. Matrix der Abbildung 3-6). Besonders wichtige Strategien sind heutzutage die Kundenstrategien, die entweder offensiv mit dem Ziel der Gewinnung neuer Kunden oder defensiv mit dem Ziel der Kundenbindung und -rückgewinnung (Kundenbindung ist i.d.R. deutlich kostengünstiger als Neukundengewinnung,) sowie der Kundenausschöpfung sein können (vergl Abbildung 3-7). Die Fokussierung auf die Kundenbedürfnisse führt konsequent angewendet dann gesamtunternehmsstrategisch zu einer Customer Driven Company (CDC).

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3 Strategisches Marketing

Optionen der Marktparzellierungsstrategien – Dimensionen der Marktabdeckung und Marktbearbeitungszielgruppen Zielgruppen u. Ansprache

alle, undifferenziert

einzelne bestimmte, differenziert

eine Einzige, konzentriert

Gesamtmarkt

Massenmarketing

differenziertes Marketing

konzentriertes Marketing

Teilmarkt

differenziertes Marketing

selektives Marketing

konzentriertselektives Marketing

Marktnische

Nischenmarketing

selektives Nischenmarketing

konzentriertes Nischenmarketing

Marktabdeckung

Abb. 3-6: Marktparzellierung zeigt Marketingstrategien auf

Richtung der Kundenstrategien Wert der Kunden Kundenausschöpfung

Kundenbestand

Kundenbindung

+

Neukundengewinnung

Prioritäten setzen!

Zeit

Abb. 3- 7: Erfolgreiche Kundenstrategiealternativen

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Kundenstrategien Kundenstrategien und und -maßnahmen -maßnahmen Markt erweitern Offensiv: neue Kunden gewinnen Marktanteile gewinnen

Programme/Maßnahmen zur Gewinnung neuer Kunden

Kundenmarketingstrategien

Defensiv: bestehende Kunden binden / Wechselbereitschaft reduzieren

Wechselbarrieren errichten

Kunden zum „Fan“ machen, Kundenzufriedenheit

Kundenbindungsmaßnahmen Beschwerdemanagement Kundenrückgewinnungsmaßnahmen

Abb. 3-8: Kundenstrategien managen (nach Kotler/Bliemel, S. 72) An Stelle einer relativ teuren (je nach Branche fünf bis sieben Mal teurer) und oft aufwändigeren Neukundengewinnung (offensive Strategie) tritt vorrangig ein Kundenbindungsmanagement (defensive Strategie) strategisch in den Unternehmensfokus (vergl. Abbildung 3-8). Denn je länger eine Kundenbindung dauert, desto profitabler wird sie (vergl. Abbildung 3-9). Die Kundenzufriedenheit hängt eng mit der Qualität der Dienstleistungen zusammen. Dabei kommt es nicht auf eine schwer festzustellende objektive Qualität oder ein TQM an, sondern darauf, was Kunden subjektiv als Qualität erwarten und empfinden (vergl. auch Kapitel 5). Zufriedene Kunden bringen dem Unternehmen durch zusätzliche und Mehrfachkäufe unmittelbar steigende Umsätze und Gewinne (der Kundenwert bzw. Lifetime Value steigt im Zeitablauf) und durch Weiterempfehlungen weitere Kunden. Auch die Preissensibilität der Stammkunden ist meist nicht mehr so stark ausgeprägt, so dass Unternehmen i.d.R. höhere Durchschnittspreise erzielen können (vergl. Abbildung 3-9). Also muss es Ziel eines jeden Dienstleisters sein, zufriedene und loyale Kunden zu gewinnen (vergl. Abbildung 3-11). Die Treue und Loyalität der Kunden bezieht sich i.d.R. auf eine Marke, ein Unternehmen und/oder die Verkaufsstätte. Unterschiedliche Kundenbindungs-, Frequent-Shopper- oder FrequentUser-Programme, Rabatt- und Belohnungssysteme, Nachlass- und Loyalitätsprogramme sollen dabei helfen, die Kundenloyalität (vgl. Abschnitt 5.2.4) zu erhöhen.

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Kundenertragsentwicklung Gewinn / Lifetime Value

Ertrag aus sinkender Preissensibilität Ertrag aus Weiterempfehlung Cross – Selling – Ertrag Grundertrag

-

Akquisitionskosten

Zeit / Anzahl der Buchungen/Käufe

Abb. 3-9: Entwicklung des Kundenertrags bzw. –wertes im Zeitablauf Sowohl beim Umsatz als auch beim Gewinn lässt sich eine unterschiedliche Bedeutung der Kunden für jeden Dienstleister feststellten. Es gibt eine übliche Unterteilung in sog. A-, B- und C-Kunden, wobei mit den wichtigsten A-Kunden , obwohl sie oft nur 20% - 30% der Kunden umfassen, oftmals 70 % oder 80 % des Umsatzes erreicht werden. Beim Umsatz können mit den weniger profitablen Bund C-Kunden immer noch Steigerungen zu erreichen, allerdings sieht es beim Gewinn ganz anders aus. Die A-Kunden sind meist für mehr als 80 % des Gewinns verantwortlich. B-Kunden steigern den Gewinn weiter (nicht selten auf über 100%) und C-Kunden reduzieren häufig den Gewinn (vergl. Beispiel in Abbildung 3-10). Zur Erreichung einer Kundenbindung gibt es verschiedene Ansätze, die je nach Kundengruppe sehr unterschiedlich erfolgreich sein können (vergl. Abschnitt 5.2.4). Früher wurden eher Wechselhürden aufgebaut, um Kunden an einem leichten Wechsel zu einem anderen Anbieter zu hindern. Hierbei gab es die Varianten einer technisch-funktionalen Bindung, einer vertraglichen Bindung oder einer ökonomischen Bindung (mit hohen Wechselkosten). Als erfolgreicher hat sich inzwischen die emotionale Kundenbindung erwiesen, die den Kunden quasi zum „Fan“ eines Unternehmens oder seiner Leistungen macht (vergl. Abbildung 3-11), gelegentlich finden sich Verbindungen dieser Strategien, wie z.B. bei Kundenkarten, die häufig sowohl emotional als auch ökonomisch binden.

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Kundenselektion nach Gewinn und Umsatz Umsatz / Gewinn 110% 100% 95% 80%

Gewinn

„C-Kunden“

60%

Umsatz „B-Kunden“

„A-Kunden“ 20%

Anzahl der Kunden 50%

80%

100%

Abb. 3-10: Zusammenhang von Kundenanzahl/-typen und Gewinn/Umsatz

Ausprägungen einer Kundenbeziehung hoch

Partner

Fremder

Fan

Rationale Bindung

Gefangener

niedrig

Emotionale Bindung

hoch

Abb. 3-11: Arten der Kundenbindung

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3.3 Strategien für institutionelle Dienstleistungen In diesem Abschnitt lernen Sie die Stratgiebesonderheiten für institutionelle Dienstleistungen kennen. Strategische Positionierung (vergl. Abbildung 4-10) ist entscheidend für den Markterfolg jedes institutionellen Dienstleisters, also werden z.B. folgende Fragen gestellt: „



Was verkauft ein Reiseveranstalter? schönsten Wochen des Jahres ...

Eine Reise, ein Erlebnis oder die



Was verkauft ein Erlebnispark?

Kleine Fluchten, Erlebnisse ...



Was verkauft ein Anbieter von Wellnessleistungen? Entspannung, Gesundheit, Fitness ...



Was verkauft ein Steuerberater? Ausfüllen der Formulare, Beratung in Steuerangelegenheiten, ganzheitliche Wirtschaftsberatung ...

Wohlbefinden,

Je nach Antwort ist auch schon eine strategische Vorgabe erfolgt. Denn je nachdem, ob eine Reise einen Erlebnis- oder Erholungscharakter, als mee-too oder individuell auftritt, gibt es unterschiedliche Strategieansätze. Und das wichtigste, der Dienstleister bietet seinen Kunden mit eine speziellen Positionierung einen Mehrwert, den diese meist zu schätzen wissen. Für den Unternehmenserfolg ist es heute unabdingbar, das ganze Unternehmen an den Anforderungen der Kunden und dem Wettbewerb auszurichten. Zwar zählte Beziehungsmarketing schon immer zu den Instrumenten des Marketings, aber diese Komponente erhält als Kundenbeziehungsmanagement bei Dienstleistern eine besondere Bedeutung. Denn aus dem Beziehungsmanagement wird Vertrauensmanagement. Und Vertrauen ist gerade im Dienstleistungssektor die entscheidende Basis für den Unternehmenserfolg. Vertrauen lässt sich insbesondere durch ein positives Image und noch besser über eine entsprechend wahrgenommene Marke transportieren. Markenstrategien sollten daher bei institutionellen Dienstleistungen eine zentrale Rolle spielen. Gerade im Dienstleistungssektor muss den Bedürfnissen, Erwartungen, Wünschen und Hoffnungen der Kunden im Rahmen einer intensiven Kundenorientierung Rechnung getragen werden. Kundenstrategien stehen somit zusammen mit qualitätsorientierten (Prozess-)Strategien meist im Vordergrund. Sehr viele Dienstleister können ihre institutionellen Dienstleistungen auch nur einem regional oder nach anderen Kriterien eingegrenzten Kundenkreis anbieten, auch hierfür bieten sich spezielle Strategien an (vergl. Abbildungen 3-2 und 3-3).

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3.4 Strategien für funktionelle Dienstleistungen In diesem Abschnitt lernen Sie die Rahmenbedingungen für Strategien funktioneller Dienstleistungen und die Stratgiebesonderheiten für funktionelle Dienstleistungen kennen. Die Investitionsgüterindustrie als wesentlichster Anbieter funktioneller Dienstleistungen sieht sich strategischen Herausforderungen gegenüber gestellt, welche die Transformation vom Produkt-/Hardwareanbieter zum Lösungsanbieter beschleunigen (vgl. Abbildung 3-12). Einer der künftigen Erfolgsfaktoren wird in differenzierenden Services gesehen. „ „

Abb. 3-12: Strategische Herausforderungen der Investitionsgüterindustrie (aus Gudzend 2002) Das Angebot produktbegleitender Dienstleistungen ist ein solches Instrument zur Wettbewerbsdifferenzierung. Die Entwicklung führte über produktbegleitende Dienstleistungen wie Inbetriebnahme und Reparatur hin zu vollständigen FullService-Verträgen oder in seltenen Fällen auch zu sog. Betreibermodellen (vergl. TechnologieStiftung Hessen, S. 22). Dabei wandelten sich viele Hersteller vom Produkt- zum Systemlieferanten als Anbieter umfassender Lösungen, der die vielfältigen Probleme seiner Kunden lösen kann (vgl. Abbildung 3-13). Die Dienstleistung gewinnt so im Laufe dieser Entwicklung zunehmend an strategischer Relevanz. Dienstleistungen können demnach unterschiedliche Rollen als Element der Wettbewerbsstrategie spielen.

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Abb. 3-13: Bedeutungszunahme industrieller Dienstleistungen (Quelle: Schuh/Speth, S. 1)

Abb. 3-14: Unterschiedliche Rollen von Dienstleistungen als Element der Wettbewerbsstrategie von Industrieunternehmen (aus Zahn et al., S. 207)

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Die Relation zwischen Produkt und Dienstleistung kann als Ausgangspunkt der Erläuterung von Marketingstrategien produktbegleitender Dienstleistungen gelten. Abbildung 3- zeigt, dass es in Abhängigkeit der Bedeutung der Services für den Anbieter und von der Autonomie von Service und Produkt vier mögliche Marketing-Ansätze gibt.

Abb. 3-15: Potenzielle Marketingansätze für Anbieter produktbegleitender Dienstleistungen (aus Hünerberg/Mann, S. 158) Für Anbieter mit geringer Verbundenheit und geringer relativer Bedeutung der Dienstleistungen bietet sich ein reiner Produktverkauf an und damit ein allein auf das Produkt fokussiertes Marketing. Bei geringer Verbundenheit von Produkt und Service und gleichzeitig hoher Bedeutung der Dienstleistungen spricht vieles für eine isolierte Behandlung der Dienstleistung. In diesem Fall bietet sich eine eigene Serviceorganisation und ein eigenständiger Vertrieb an. Produktorientiertes Marketing bietet sich an, wenn das Produkt von den Kunden als Kernleistung und die Services als Zusatzleistungen wahrgenommen werden. Die meisten produktbegleitende Dienstleistungen werden vom Management der Herstellers hier zugeordnet. Viele Kunden fordern aber von den Anbietern eine Systemleistung, bei der die Hersteller ihre Produkte und Dienstleistungen integrierten müssen. Natürlich hat die Positionierung in der vier Felder Matrix (vgl. Abbildung 3-15) direkt Einfluss auf die Entscheidung, wie der Service in den Unternehmen zu organisieren ist.

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3 Strategisches Marketing

Es gibt grundsätzlich drei Möglichkeiten, funktionale Dienstleistungen organisatorisch zu verankern: als Profit Center, als Cost Center oder als eigenständiges Unternehmen. Zum einen können die Dienstleistungsfunktionen in die bestehenden Abteilungen des Herstellers eingegliedert werden, so dass das Organisationsmodell die Aufbauorganisation des Betriebes nicht ändert. Die Vorteile liegen in der engen Verzahnung von Produkt-Know-how und Dienstleistungsfunktionen, was besonders für stark diversifizierte Unternehmen ein Argument sein sollte. Die Mitarbeiter, die das Produkt gut kennen, bringen diese Kenntnisse in die produktbegleitenden Dienstleistungen ein. Arbeit in der Sachgutproduktion und in der produktbegleitenden Dienstleistung gehen ineinander über. Nachteile dieses Modells könnten daraus entstehen, dass Produktion bzw. Dienstleistung einseitig präferiert werden und so die Qualität des “nicht geliebten Kindes” leidet. Die Klarheit der Aufgaben könnten durch Zielkonflikte beeinträchtigt werden. Auch lässt sich das Dienstleistungsgeschäft von der Sachgutproduktion operativ weniger klar trennen, so dass Controlling und Kostentransparenz erschwert werden (vergl. Lay, S. 328). In allen vier Fällen der Matrix in Abbildung 3-15 stehen den Anbietern die üblichen Standardstrategien zur Verfügung (Produkt-Marktstrategien, TimingStrategien, Wettbewerbsstrategien, etc.). Auf dem Weg zum professionellen Serviceanbieter müssen die Industrieunternehmen mehrere Hürden überwinden. Beim Auf- oder Ausbau des Servicegeschäftes lassen sich einige Barrieren bzw. Defizite identifizieren. In der Praxis lässt sich häufig feststellen, dass das bloße Aufgreifen der Idee, produktbegleitende Dienstleistungen zur Differenzierung zu nutzen, i.d.R. problemloser in der Strategieformulierung ist als in der Strategieumsetzung (vergl. Lay/Nippa; S. 1). In einer Studie der absatzwirtschaft geben tatsächlich nur etwa ein Drittel der Unternehmen an, dass eine Service-Strategie vorhanden ist. Die Barriere schlechthin ist, dass Service in wichtigen Punkten grundsätzlich anders ist als das Produktgeschäft und die Dienstleistungsmentalität fehlt. Das Verständnis bei Management und Mitarbeitern hierfür ist häufig in nur geringem Maße vorhanden, qualifizierte Service-Manager fehlen (vergl. Frauenhofer IAO, S. 2). Das Leistungsangebot produktbegleitender Dienstleistungen ist häufig für den Kunden, aber auch für die eigenen Mitarbeiter nicht klar genug abgegrenzt. Es wurden keine „Serviceprodukte“ mit klarem Leistungsumfang, klaren Konditionen und Prozessen definiert, wie das für die Sachleistungen eines Unternehmens gängige Praxis ist. Es wird weder ein aktiver Verkauf der Dienstleistungen stattfinden (PUSH) noch werden die Dienstleistungen von den Kunden nachgefragt (PULL). Kennziffern, wie Umsatz pro Mitarbeiter oder Umsatz pro Auftrag oder Dauer der Auftragsvergabe, unterscheiden sich signifikant zwischen Produkt- und Servicegeschäft. Oft ist ein service-spezifisches Controlling nicht vorhanden, so dass die Unternehmen nicht in der Lage sind, den Aufwand auszuweisen, der bei der Erbringung der Dienstleistungen entsteht. Dies hat zum Teil schwerwiegende Konsequenzen, gerade für den Vertrieb. Im Falle der Bündelung von Sach- und Dienstleistung gibt es häufig die Situation, dass der Vertrieb dem Kunden neben dem Produkt Dienstleistungen anbietet, diese aber aufgrund des intensiven Preiswettbewerbs nicht berechnet. In diesem Fall stellt die Dienstleistung einen Mehrwert

3 Strategisches Marketing

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dar, der für den Kunden einen Preisnachlass darstellt, der den Deckungsbeitrag korrekterweise ermäßigen müsste. Eine Barriere stellt auch die mangelnde Kundennähe und die damit fehlende Marktkenntnis dar. Viele Zulieferer haben vor Jahren den Direktvertrieb an den technischen Handel übergeben, um Vertriebskosten zu senken. Das hat dazu geführt, dass Zulieferer die Anforderungen und Erwartungen der Endkunden nicht mehr kennen. Hinzukommt, dass Dienstleistungen eben oft nach dem Prinzip „Trial and Error“ entwickelt und erbracht werden, anstatt sie systematisch mit wissenschaftlichen Methoden zu entwickeln. Aber auch seitens der Kunden gibt es Barrieren. Es existieren zum Teil berechtigte Ängste vor einer Fremdvergabe von Dienstleistungen an Lieferanten oder andere Serviceprovider. Wichtigste Gründe sind eine vermutete hohe Abhängigkeit von Servicelieferanten, die eigene Belegschaft, die im Falle des Outsourcing für große Unruhe sorgen kann, sowie der Know-how-Verlust in den ausgegliederten Bereichen Kunden sind nur dann bereit für Service zu bezahlen, wenn sie einen Vorteil wie höhere Ausfallsicherheit oder bessere Verfügbarkeit von Produktionsanlagen erkennen können. Das bedeutet, dass das klassische Angebot (anwendungstechnische Beratung, Schulungen, Montageservice) nicht ausreichen wird, um in nennenswertem Umfang Servicegeschäft zu generieren. Das Angebot muss Leistungen enthalten, die der Kunde nicht selbst erstellen oder an jeder „Straßenecke“ beziehen kann. Durch entstehende gegenseitige Abhängigkeiten bei Kunde und Anbieter muss eine gute Vertrauensbasis geschaffen werden, bevor es zum Geschäft kommt. Aufgrund des wahrgenommenen Risikos muss der Hersteller als „Serviceneuling“ sich mühsam in Pilotprojekten Referenzen erarbeiten, die er erst nutzen kann, wenn sich eine erfolgreiche Wirkung seines Engagements zeigt. Diese Referenzen müssen Service für Service und Region für Region erarbeitet werden, was zeitaufwändig ist. Trotzdem muss der Anbieter bereits in der Einführungsphase über ausreichend operatives Personal für Pilotaufträge verfügen, kostenintensiv und gewinnschmälernd ist. Unternehmen, die vor der Aufgabe stehen, Service-Leistungen zu entwickeln und zu vermarkten, sind gut beraten, die „Methode der kleinen, machbaren Schritte“ zu wählen. Man sollte mit der unternehmensinternen Positionsbestimmung beginnen. Oft fehlt nur jemand, der die vorhandenen Puzzle-Teilchen mit der notwendigen Serviceerfahrung im Gepäck zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügt. Es lassen sich vier Phasen mit folgenden Schritten der Transformation vom Produkt- zum Servicegeschäft festhalten: 1. Formulierung von Anspruch und vorläufiger Strategie durch das Management 2. Optimierung der bestehenden Serviceaktivitäten a. Service-Check: Positionsbestimmung der eigenen Dienstleistungskompetenzen b. Prozess- und Kostenoptimierung bestehender Services c. Etablierung eines Service-Managements mit eigenem Cost-Center d. Erhöhung der Transparenz der Kosten für den Vertrieb

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e. Für Kunden wahrnehmbare Preisgestaltung der Serviceleistungen 3. Service Engineering a. Ideenfindung (Quellen: Vertrieb, Anwendungstechnik, Kundendienst, etc.) b. Bedarfsanalyse möglicher Kundengruppen (Aufnahme der Anforderungen) c. Zielgruppengerechte Definition des Leistungsspektrums (Design) d. Service Prototyping / Referenzen schaffen 4. Etablierung einer Service-Organisation

Abb. 3-16: Strategische Vorgehensweise für funktionelle DL In Industrieprojekten zeigt sich die Problematik, dass bzgl. des Dienstleistungsangebots weder eine strukturierte Darstellung noch ein einheitliches Verständnis der erbrachten Leistungen vorhanden ist. Für die Analysephase ergeben sich daher folgende Anforderungen: ƒ

Klarheit bzgl. des Dienstleistungsangebots schaffen (Was bieten wir an?),

ƒ

Definitorische Abgrenzungen zwischen den einzelnen Dienstleistungen schaffen (Sprechen wir alle vom Gleichen?),

ƒ

Transparenz über Aufwand und Erlös der einzelnen Dienstleistungen schaffen (Was verdienen wir mit den Dienstleistungen?) und

ƒ

Bewertung des Dienstleistungsangebots aus Kundensicht (Welche Bedeutung misst der Kunde der einzelnen Leistung bei? Wie zufrieden ist der Kunde mit unseren Dienstleistungen?).

Die Dienstleistungsstrategie kann nicht unabhängig von der generellen Unternehmensstrategie gesehen werden. So wird ein Unternehmen, das als Wettbewerbsstra-

3 Strategisches Marketing

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tegie die Kostenführerschaft verfolgt, gut beraten sein, sich auf die notwendigen Standards (Muss-Anforderungen nach der Kano-Methode) zu beschränken. Unternehmen mit dem Ziel der Technologie- und/oder Innovationsführerschaft werden ein umfassendes und anspruchsvolles Dienstleistungsprogramm entwickeln. Dass die strategische Orientierung ein maßgeblicher Faktor für das Angebot von Betreibermodellen darstellt, zeigt auch der Vergleich der Angebotshäufigkeit von Betreibermodellen nach der in den Firmen verfolgten Unternehmensstrategie: In Betrieben mit einer auf Innovation und Technologie setzenden Unternehmensausrichtung sind Betreibermodellangebote überdurchschnittlich häufig zu finden (19 Prozent). Dort, wo im Produktpreis der zentrale Wettbewerbsvorteil gesucht wird, werden Betreibermodelle im Gegensatz dazu unterdurchschnittlich häufig offeriert (8 Prozent). Dies unterstreicht, dass Hochtechnologieangebote im Produkt parziell durchaus mit Betreibermodellangeboten zu flankieren sind (vergl. Lay, S.4). Begriffe zum Nachlesen Bereichstrategie

Strategieabschätzung

Strategieprofil

Erfolgsfaktor

Erfolgspotenzial

Systemgeschäft

PIMS-Konzpt

Synergie-Konzept

Lebenszyklus-Konzept

Lifetime Value

Strategische Positionierung Erfahrungskurven-Konzept

Marktfels Strategie

Marktteilnehmer Strategie

Geschäftssystem Strategie

Wiederholungsfragen 1.

Erläutern Sie den Unterschied zwischen Strategie und Zielen.

2.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Erfolgsfaktoren und Erfolgspotenzialen?

3.

Welche Planungskonzepte zur Strategieentwicklung kennen Sie?

4.

Welche Aufgaben haben Marketingstrategien?

5.

Welche Arten genereller Marketingstrategien gibt es?

6.

Welche Kundenstrategiealternativen gibt es?

7.

Was bedeutet Customer Solution Business?

8.

Erläutern Sie die Transformationsschritte vom Produkt- zum Servicegeschäft. Literaturhinweise

Absatzwirtschaft (Hrsg.): Service-Trends 2005 Berndt, Ralph: Marketingstrategie und Marketingpolitik, Tübingen 2004

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Bullinger, H.-K-; Schreiner, P.: Service Engineering – Ein Rahmenkonzept für die systematische Entwicklung von Dienstleistungen, in: Bullinger/Scheer (Hrsg.): Service Engineering: Entwicklung u. Gestaltung innovativer Dienstleistungen 2003 Frauenhofer IAO (Hrsg.): Newsletter Service Engineering und Management, März 2005 Gudzend, Tim: Zusammenfassung und Einordnung in die Ergebnisse einer aktuellen Unternehmensbefragung. Präsentation im Rahmen der DL´02, Stuttgart 2002 Hünerberg, R.; Mann, A.: Strategische Implikationen des Service-Marketing in Industrieunternehmen, in: Engelhardt, W. H. (Hrsg): Perspektiven des Dienstleistungsmarketings. Ansatzpunkte für Forschung und Praxis, Wiesbaden 1998 Kaerner, H.: Profitabler dank Telematik: Wenn Service neu gestaltet wird, Veröffentlichung Accenture 2002 Lay, Gunter: Dienstleistungen in der Investitionsgüterindustrie. Konsequenzen für Betriebsorganisation und Personal, in: Arbeit, Heft 4, Jg. 7 (1998), S. 316 ff Lay, Gunter: Betreiben statt Verkaufen, in: Fraunhofer ISI (Hrsg.): PI Mitteilungen, Nr. 29, Mai 2003 Meffert, Heribert/Bruhn, Manfred: Dienstleistungsmarketing, 4. Auflage, Wiesbaden 2003 Nippa, Michael: Geschäftserfolg produktbegleitender Dienstleistungen durch ganzheitliche Gestaltung und Implementierung, in: Lay, Gunter; Nippa, Michael (Hrsg.): Management produktbegleitender Dienstleistungen, Heidelberg 2005 Schuh, Günther; Speth, Christoph: Industrielle Dienstleistungen – Vom notwendigen Übel zum strategischen Erfolgsfaktor, in: Schweizer Maschinenmarkt, 45/2000 Sponholz, Uwe (a): Service als Messias des deutschen Maschinenbaus?, in: Drives & Motion 03/2004, S. 46f Sponholz, Uwe (b): Chefsache Service, in: Automation 06/04, S. 70f Sponholz, Uwe (c): Eine wirksame Waffe. Leitartikel produktbegleitende Dienstleistungen, in: Drives & Motion 05/2005, S. 6f TechnologieStiftung Hessen GmbH (Hrsg.): Hessen Umwelttechnik und Wirtschaft, Wiesbaden 2002 Wiesner, Knut (a): Internationales Management, München/Wien 2004 Wiesner, Knut (b): Strategisches Tourismusmarketing, Berlin 2006 Zahn, E. et al.: Kundenorientierte Servicestrategien für hybride Produkte, in: Luczak, H. (Hrsg.): Betriebliche Tertiaisierung. Der ganzheitliche Wandel vom Produktionsbetrieb zum dienstleistenden Problemlöser, Wiesbaden 2004, S. 203 ff

4.

Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

In diesem Abschnitt lernen Sie die Bedeutung einer ausreichenden Datenbasis und einer einsatzrelevanten Datenselektion kennen „ sowie eine kritiklose Informationsmaximierung zu hinterfragen. Um erfolgreiches Marketing(-management) betreiben zu können, bedarf es eine möglichst genauen Wissens- bzw. Datenbasis. Denn nur wer alle relevanten Informationen und Daten kennt, kann diese auch bei seiner Marketingplanung (vergl. Abbildung 4-1) berücksichtigen. Also versucht fast jedes Unternehmen, sich alle diejenigen Informationen zu beschaffen, die notwendig sind, um eine bessere Beurteilung der Unternehmensaktivitäten sowie der damit verbundenen Chancen und Risiken vornehmen zu können. „ „

Marketing-Kreislauf von Dienstleistungen Verbindung von strategischem Marketing

+

operativem Marketing

Analyse/-Bewertungsphase (Wo stehen wir ?)

Strategiephase

Kontrollphase

(Wo wollen

(Sind wir

wir hin ?)

angekommen ?)

Gestaltungsphase (Was können wir machen ?)

Realisierungsphase (Welche Maßnahmen ergreifen wir ?)

Abb. 4-1: Informationsanalyse und -bewertung als Triebfeder für erfolgreiches Marketing Es gibt zwar immer wieder Beispiele von Unternehmern oder Produktmanagern, die aus einem reinen Bauchgefühl oder Gespür heraus erfolgreiche Produkte oder

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4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

Dienstleistungen entwickeln und anbieten, aber leider ist diese Eigenschaft nicht jedem gegeben und versagt dann spätestens bei grenzüberschreitenden Aktivitäten bzw. in unbekannten Märkten. Und eine gute Informationsbasis ist nicht nur wichtig für die strategische Ausrichtung des Unternehmens (vergl. Abbildung 4-2), sondern auch für die Zielgruppenbestimmung im operativen Marketing sowie die anschließende Erfolgskontrolle bzw. das strategische Controlling.

Aufgaben der Informationssammlung und -aufbereitung

Strategische Ausrichtung

Zielgruppenbestimmung

Messung Kontrolle

Ziele: Selektion relevanter Informationen, Erkennen von Chancen, Trends und Risiken, Prüfung von Hypothesen, Reduzierung der Unsicherheit, Basis für Database- und Wissensmanagement, Initiierung von Lernprozessen...

Abb. 4-2: Hauptaufgaben guter Informationssammlung/-aufbereitung Um Unsicherheiten zu verringern und Entscheidungen besserer treffen und begründen zu können, werden in Unternehmen Informationen ganz unterschiedlicher Art gesammelt. Denn heutzutage muss ein Unternehmensmanagement seine Entscheidungen zumindest gegenüber den Eigentümern/Aktionären sowie anderen Kapitalgebern (z.B. Basel II) und externen Analysten sorgfältig begründen. Das macht eine systematische Informationssuche und -bewertung notwendig. Relevante Informationen lassen sich dabei an verschiedenen Stellen finden: im Unternehmen und außerhalb des Unternehmens. Sofern ein Unternehmen nur im Heimatmarkt tätig ist, besteht i.d.R. auch kein Problem, solche Informationen zu erfassen und auszuwerten. Aber schon bei ersten grenzüberschreitenden Aktivitä-

4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

47

ten erhebt sich die Frage nach den Informationsquellen, die relevante und verwertbare bzw. vergleichbare Informationen gespeichert haben. Zum einen kommen die unternehmensinternen Quellen, wie das Rechnungswesen, das Controlling, der Einkauf, der Verkauf, das Marketing, die Produktion, die Personalabteilung oder andere Teile des Unternehmensinformationssystems in Betracht. Zum anderen stehen unternehmensexterne Quellen mehr oder minder zur freien Nutzung zur Verfügung. In Deutschland werden beispielsweise sehr umfangreiche Statistiken über Produktion, Absatz, Außenhandel, Investitionen, Konsum etc. erhoben, die über die Statistischen Landesämter, das Statistische Bundesamt oder die Bundesbank jedem Interessierten z.T. kostenlos oder gegen geringes Entgelt zur Verfügung stehen. Lieferanten und Netzwerkpartner liefern oftmals hilfreiche Markt- bzw. Konkurrenten-Informationen, genauso wie Banken oder Handelspartner. Marktberichte finden sich in Fachzeitschriften oder Jahrbüchern, Messeinformationen sowie in Kammer- oder Verbandsveröffentlichungen. Messekataloge, Branchenverzeichnisse, Adress- und Fachbücher oder Firmengeschäftberichte liefern ebenso Informationen wie Recherchen im Internet und die Teilnahme an einem Branchenstammtisch oder einer Verbandsmitgliederversammlung. Politische, gesellschaftliche oder technische Informationen erhält man auch aus Zeitungen und Zeitschriften, dem Fernsehen oder Radio, aus dem Internet etc. Aus all diesen Informationen lässt sich das für Marketing- bzw. unternehmerische Entscheidungen relevante Umfeld erfassen. Allerdings muss sich jedes Unternehmen auch mit der Frage eines optimalen Informationsstandes auseinandersetzen, denn Informationen kosten Geld und Zeit (bei der Beschaffung, der Be- und Auswertung sowie bei der Speicherung). Und erfahrungsgemäß gilt nicht zwangsläufig, dass zusätzliche Informationen tatsächlich auch immer einen für das Unternehmen relevanten höheren Wert bzw. Wissensstand mit sich bringen. Manchmal wächst auch einfach nur die Unsicherheit der Entscheider, so dass der Nutzen der zusätzlichen Informationen sinkt. So gibt es für jedes Unternehmen einen optimalen Informationsstand (vergl. Abbildung 43), der nur sehr selten mit der maximal erreichbaren Informationsmenge identisch ist. Die Art der Informationsgewinnung und -verarbeitung sowie die notwendige Informationsdichte richten sich selbstverständlich auch nach dem Einsatzfeld der gewonnenen Daten im Unternehmen. Strategische Entscheidungen brauchen eindeutig eine sichere Basis als operative Entscheidungen über den Einsatz einzelner Marketinginstrumente. Es sind also im Einzelfall die Risiken von Fehlentscheidungen dem erhöhten Aufwand zur weiteren Informationsgewinnung gegenüber zu stellen. Im Folgenden betrachten wir die typischen Einsatzbereiche für Daten und Informationen sowie deren Aufbereitung (siehe Databasemanagement in Abschnitt 4.4.). Zunächst fließen Daten über das eigenen Unternehmen und die Konkurrenz sowie Marktinformationen und unternehmensrelevante Umweltinformationen in die strategische Situationsanalyse (siehe Abschnitt 4.1) ein, auf deren Basis strategische

48

4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

Erfolgspositionen und Geschäftseinheiten festzulegen sind. Weitere Einsatzfelder liegen in der Markt- und Marketingforschung (siehe Abschnitt 4.2) sowie in der Qualitätsmessung und -bewertung der Dienst- und Serviceleistungen (siehe Abschnitt 4.3.).

Informationsnutzen Kosten und Nutzen der Informationsbeschaffung

K

N

Informations -optimum

max. Informationsnutzen

Informationsmenge bzw. Informationsqualität

Abb. 4-3: Bestimmung des Informationsoptimums

4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

49

4.1 SWOT-Analyse/Strategische Situationsanalyse In diesem Abschnitt lernen Sie die vier Informations- bzw. Analysefelder der SWOT-Analyse, die Stärken-Schwächen-Analyse „ und die Chancen-Risiken-Analyse „ sowie den Nutzen der SWOT-Analyse für das strategische Marketing kennen. Ein allgemein anerkanntes und in der Dienstleistungswirtschaft zunehmend eingesetztes Instrumentarium zur Erfassung und Bewertung der strategisch relevanten Informationen und Daten ist die sog. „SWOT-Analyse“. Diese strategische Situationsanalyse erfasst und bewertet zunächst in zwei Teilanalysen die unternehmerischen Stärken (strength) und Schwächen (weakness) sowie die Chancen (opportunities) und Risiken (threats), die sich aus dem Marktumfeld ergeben (vergl. Abbildung 4-4). Danach wird auf der Basis der beiden Teilanalysen eine Gesamtanalyse, die in der Wissenschaft auch häufig Portfolioanalyse genannt wird, vorgenommen. Einer Ist-Situation wird darin ein Soll-Konzept gegenüber gestellt, das strategisch für das jeweilige Unternehmen Erfolg bringen soll. „ „

Strategische Situationsanalyse Eigenes

POTENZIALUnternehmen POTENZIALANALYSE POTENZIALANALYSE ANALYSE

Wettbewerber

POTENZIALPOTENZIALANALYSE KONKURRENZANALYSE ANALYSE

Kunden

POTENZIALPOTENZIALANALYSE MARKTANALYSE ANALYSE

POTENZIALPOTENZIALANALYSE STÄRKEN-SCHWÄCHENANALYSE

Umwelt

POTENZIALPOTENZIALANALYSE UMWELTANALYSE ANALYSE

POTENZIALPOTENZIALANALYSE CHANCEN-RISIKENANALYSE

ANALYSE

ANALYSE

(PORTFOLIOANALYSE)

SWOT-ANALYSE SWOT = Strength, Weakness, Opportunities, Threats

Abb. 4-4: SWOT-Analyse

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4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

Als erstes bedarf es anhand interner Daten der Analyse des eigenen Unternehmens mit seinen vorhandenen Ressourcen bzw. Kernkompetenzen sowie der wichtigsten Wettbewerber mit deren Möglichkeiten. Die Motive, Wünsche bzw. Anlässe der Kunden (Zielgruppen) hinsichtlich Haupt- und Nebenleistungen (= Marktanforderungen) sind ebenso zu ergründen, wie die relevanten Rahmenbedingungen für die unternehmerische Dienstleistungstätigkeit möglichst in Form einer alle Einflussfaktoren erfassenden Umweltanalyse (auch als Umfeldanalyse bezeichnet) erfasst werden müssen (verl. Abbildungen 4-4 und 4-5).

Ebenen der Analyseumwelt Globale Umwelt Wettbewerbs-/ Marktstruktur Wettbewerbs-/ Marktdynamik Strategische Markt-Gruppen Konkurrenz Unternehmen

Abb. 4-5: Analyse des Unternehmens und weiterer Umweltbereiche Das eigene Unternehmen genau hinsichtlich seiner Ressourcen und Kompetenzen, seiner Stärken und Schwächen zu analysieren klingt im Prinzip einfach, stellt sich in der Praxis aber nicht immer so leicht dar. Das eingestehen eigener Schwächen und das Überzeichnen eigener Stärken sei hierbei exemplarisch erwähnt. Beschwerdestatistiken, Kundenbewertungen oder die Entwicklung von Marktanteilen liefern Anhaltspunkte, sollten jedoch durch einen externen (Kunden-)Check und eine Vergleichsanalyse zur Konkurrenz (Benchmarking, Competive Intelligence...) ergänzt werden.

4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

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Info-Quellen für Competitive Intelligence Interne Kommunikation Externe Kommunikation (Publikationen, PR, Homepage...)

(Mitarbeiterzeitschriften, Personalinformationen..)

Organisationsstruktur

Reverse engineering (Zerlegung u. Analyse des Leistungsangebots der Konkurrenz)

Banken, Analysten

Daten über Wettbewerber Ausstellungen und Fachmessen

Informationen von Direktes Feedback

Kooperationspartnern

von Kunden

Abb. 4-6: Competitive Intelligence zur Konkurrenzbewertung Aber wenn das Bewerten des eigenen Unternehmens schon so schwierig ist, so ist es oft noch schwerer, die Konkurrenz richtig einzuschätzen und zu bewerten. Als ein gutes Instrumentarium hat sich inzwischen die sog. „Competitive Intelligence“ bewährt (vergl. Abbildung 4-6). Es handelt sich nicht um Wirtschaftsspionage sondern ein legales Instrumentarium zur Konkurrenzanalyse. Es werden alle mehr oder minder öffentliche Quellen und Informanten genutzt, um zu einer möglichst umfassenden Bewertung der Stärken und Schwächen eines oder mehrerer Konkurrenzunternehmen zu kommen. Scoring-Modelle, Checklisten, Benchmarking etc. bieten weitere Möglichkeiten zur Konkurrenzanalyse, wobei stets auf eine neutrale Bewertung der Kriterien zu achten ist. Die auf diese Weise herausgefundenen Stärken der Wettbewerber ermöglichen dann auch Rückschlüsse auf die Schwächen des eigenen Unternehmens. Die Darstellung der eigenen unternehmerischen Stärken und erkennbaren Schwächen lässt sich am übersichtlichsten mit Hilfe eines Stärken-Schwächen-Profils erreichen. Eine solche Ressourcenanalyse muss selbstverständlich auch die Marktbzw. Kundenanforderungen berücksichtigen, denn deren Befriedigung steht im Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns, wenn es um eine erfolgreiche Vermarktung von eigenständigen oder ergänzenden Dienstleistungen geht.

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4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

Stärken-Schwächen-Vergleichsprofil zweier Hotels

Bewertungs skala Kriterien

1

2

3

4

5

6

1= sehr gut 6= mangelhaft

Zimmerangebot Servicefreundlichkeit des Chech-In/-Out Qualität des Zimmerservices Qualität d. Restaurants Servicefreundlichkeit d. Restaurantpersonals Tagesräume Fitness / Wellnessbereich Kinderfreundlichkeit/ (Familie) Seniorenangebot Parkplätze Erreichbarkeit Zahlungsmöglichkeiten (Kreditkarten..) Ambiente Umgebung Image/Prestige

Hotel 1

Hotel 2 Errechnung von Durchschnittswerten möglich, auch gewichtet

Abb. 4-7: Stärken-Schwächen-Analyse zweier Hotels (Vergleichsprofil) Unter strategischen Aspekten ist es für jeden Dienstleister notwendig, eine oder mehrere sog. USP (Unique Selling Proposition = einzigartiger Verkaufsvorteil) zu identifizieren und sich mit Hilfe dieser als Alleinstellungsmerkmal zu positionieren und zu vermarkten. Gelingt es, sich im Sinne einer Differenzierung deutlich von der Konkurrenz abzuheben, können Wettbewerbsvorteile entstehen, die zu einer strategische Erfolgsposition (SEP) für den Dienstleister werden könnten. Solche SEP bzw. USP lassen sich dann am besten erkennen, wenn es gelingt, ein Vergleichsprofil der Stärken und Schwächen mit dem Hauptkonkurrenten oder auch mehreren Konkurrenten zu erstellen (vergl. das Beispiel zweier Hotels in Abbildung 4-7). Sind USP oder sogar SEP (einschließlich denen eventueller Netzwerkpartner in einer Leistungskette) identifiziert, lassen sich u.U. auf Basis dieser Alleinstellungsmerkmale je nach Unternehmensstruktur und -größe auch strategische Geschäftseinheiten (SGE) bilden, die dann sehr gute Zukunftspotenziale für das jeweilige Unternehmen bieten. SGE zeichnen sich sowohl durch einen möglichst hohen Wettbewerbsvorteil als auch durch eine hohe Marktattraktivität aus und sollten daher ausgebaut (s. Leistungspolitik mit Lebenszyklusmodell) und mit speziell ausgerichteten Marketingmaßnahmen unterstützt werden (siehe auch Abbildung 4-10).

4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

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Umweltmonitoring/-scanning Wirtschaftliche Veränderungen z.B. Konjunktur, Arbeitslosigkeit, Rohstoffknappkeit

Politische Veränderungen z.B. Systematisches Sammeln -Wegfall d. Rabattverbots unternehmensrelvanter Daten -Umweltvorschriften -Liberalisierung d. Märkte

Branchenveränderungen z.B. -Identifikation potenzieller Wettbewerber -Strategien alter/neuer Wettbewerber

Analyse Technologische Veränderungen Entwickeln strategischer z.B. Optionen -elektron. Kommunikation Veränderungen d. Stand-Automation ortfaktoren (Infrastruktur) -neue Werkstoffe

Soziale Veränderungen z.B. -Altersentwicklung -Kaufkriterien Ethik und Nachhaltigkeit -Lebensgewohnheiten

-Verkehrsmittel -Kommunikationsmittel -Steuern/Sozialabgaben

Abb. 4-8: Analyse externer Einflussbereiche des Unternehmens Chancen und Risiken eines Unternehmens lassen sich aus einer Marktanalyse (siehe Marktforschung in Abschnitt 4.2) und einer Umweltanalyse (vergl. Abbildung 4-8) herausarbeiten. Die wirtschaftlich relevante und damit ökonomisch wichtige Umwelt eines Unternehmens umfasst in den dargestellten Einflussbereichen u.a. alle diejenigen (internen und externen Partner des Unternehmens), zu denen relevante Beziehungen bestehen. Dieser Personen-, Organisationen- oder Institutionenkreis wird auch als Stakeholder (= relevante Anspruchsgruppen) bezeichnet. Jeden Stakeholder verbindet irgendeine Interessenslage mit dem Unternehmen und er versucht seine Ansprüche/Bedürfnisse durch bzw. über das Unternehmen zu befriedigen. Die Interessen und Bedürfnisse entstammen dabei nicht ausschließlich der ökonomischen Sphäre und können oder müssen daher auch nicht vorrangig monetär befriedigt werden. Stattdessen werden u.U. Zuverlässigkeit, Gesetzestreue oder ein Wohlverhalten gegenüber Mitarbeitern oder Umwelt erwartet. Zu den internen Stakeholdern zählen dabei Management, Shareholder (Anteilseigner/Aktionäre, Inhaber), Aufsichts-/Beiräte sowie Mitarbeiter und deren unternehmensinterne Vertretungen. Wichtig und wirtschaftlich relevant für die Dienstleistungsunternehmen sind darüber hinaus die externen Stakeholder. Diese Anspruchsgruppen (gelegentlich auch Personen) entstammen bestimmten Bereichen der Kunden, Wirtschaft und Gesellschaft (Politiker, Gewerkschaften, Umwelt-/Verbraucher-

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4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

verbände, Kirchen...) und können sich durchaus von Unternehmen zu Unternehmen unterscheiden. Die von Einschätzungen und Erwartungen stark geprägte Chancen-RisikenAnalyse lässt eine deutlich weniger aussagekräftige Beurteilung als eine Ressourcenanalyse zu. Die möglichen (und oft auch sehr unterschiedlichen) Aussagen über zukünftige Entwicklungen/Trends lassen sich daher meist auch viel schwieriger in strategische Empfehlungen und insbesondere konkrete Unternehmensentscheidungen hinsichtlich des Dienstleistungsangebots umsetzen. Neben den unterschiedlichen Erwartungen der Experten bedeutet auch die Gewichtung der jeweils relevanten Einflussfaktoren einen ziemlichen Unsicherheitsfaktor.

SWOT – Matrix CHANCEN

RISIKEN

•Neue Technologien •Neue Trends •Veränderte Kundenwünsche •Neue Märkte •Neue Herausforderungen •Boomende Branchen... STÄRKEN

•Neue Technologien •Rohstoffknappheit (z.B. Öl) •Neue Wettbewerber •Gesetzliche Änderungen •Gesellschaftl. Änderungen •Politikwechsel... SCHWÄCHEN

•Spezialkenntnisse, -wissen •Besondere Erfahrungen •Kernkompetenzen •Beziehungen •Innovationsfähigkeit •Markenimage, Bekanntheit...

•Schlechtes Image •Zu teuer •Kapitalmangel •Zu langsam •Schlechte Mitarbeiter •Standortnachteile...

Abb. 4-9: Beispiele für relevante Faktoren einer SWOT-Analyse Vor dem Hintergrund der beiden dargestellten Teilanalysen (Stärken – Schwächen/SW; Chancen - Risiken/OT) und der zusammengeführten SWOT-Analyse ist ein Unternehmen dann in der Lage, bestimmte Zukunftserwartungen zu formulieren bzw. mit Hilfe der Szenariotechnik einzugrenzen. Dann lassen sich strategische Entscheidungen hinsichtlich ihrer Geschäftstätigkeit, der Leistungsangebote (Portfolio), der Marketingpositionierung (Image, Marke...) sowie ggf. der internationalen Länderaktivitäten einschließlich alternativer Strategien etc. treffen. Beispielhaft

4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

55

sind in Abbildung 4-9 einige mögliche Chancen, Risiken, Stärken und Schwächen dargestellt. Betrachtet man beispielsweise eine Linienfluggesellschaft, die sich stärker international betätigen will, könnten Stärken z.B. in einem hohen nationalen und internationalen Bekanntheitsgrad, in einem guten (Qualitäts-)Image oder einer führenden Marktposition im Heimatmarkt bzw. einer bestimmten Weltregion liegen. Schwächen könnten beispielsweise in einer mangelnden Serviceorientierung oder in hohen Personalkosten liegen. Chancen wiederum könnten sich durch eine fortschreitende Internationalisierung der Wirtschaft, zunehmende internationale Urlaubsreisen oder eine weltweite Marktliberalisierung ergeben. Risiken hingegen könnten in einer verschärften Wettbewerbssituation durch Billigkonkurrenten, im internationalen Terrorismus, in steigenden Kerosinpreisen oder in den neuen weltumspannenden Kommunikationsmitteln liegen. Vor dem Hintergrund einer solchen Analyse ist die Unternehmensleitung dann in der Lage, weitere strategische Entscheidungen hinsichtlich der internationalen Markterschließungsaktivitäten und spezieller Angebote treffen. Dort, wo Chancen mit eigenen Unternehmensstärken zusammen treffen, wird man sich zu einer Erweiterung der Angebote oder Leistungen entscheiden. Wenn in diesem Chancenfeld aber gerade eigene Schwächen liegen, sollten diese ausgeglichen und verbesserte Leistungen erbracht werden. Bestehen Risiken sollten bei eigener Stärke die Angebote geschärft bzw. fokussiert werden, bei eigenen Schwächen allerdings eine Reduzierung eigener Leistungen oder ein Marktausstieg in diesem Sektor vorgenommen werden. Mit Hilfe einer systematisch angewandten strategischen Situationsanalyse lassen sich also klar vorhandene Erfolgspositionen eines jeden Dienstleisters herausarbeiten und gleichzeitig wirkungsvolle Maßnahmen zur Stärkung der Alleinstellungsmerkmale ableiten. Ziel eines jeden Dienstleistungsunternehmens muss es sein, möglichst viele strategisch erfolgversprechende Leistungen (SEP) in seinem Leistungsportfolio zu haben bzw. diese auf- und auszubauen. Je mehr strategische Erfolgspositionen besetzt werden können, desto besser lassen sich aus diesen mit Hilfe geeigneter Marketingstrategien und –maßnahmen die gewünschten strategischen Geschäftsfelder (SGE, auch Strategic Business Areas) besetzen und strategische Geschäftseinheiten bilden. Sie stellen Planungseinheiten dar, auf die sich die gewählten Unternehmensstrategien ausrichten sollten. Solche SGE, die sorgfältig voneinander abgegrenzt und nicht zu heterogen sein sollten, sind Garant des Unternehmenserfolges, wenn sie immer wieder den sich verändernden Rahmenbedingungen und Kundenwünschen angepasst werden (vergl. Abbildung 4-10). In SGE sollten also Entscheidungen möglich sein, die unabhängig und überschneidungsfrei zu anderen SGE möglich sind, auch sollten die Konkurrenten eindeutig feststellbar sein. Also ist die zugrunde liegende strategische Situationsanalyse keinesfalls eine einmalige Aufgabe sondern ist immer wieder fortzuschreiben oder zumindest in regelmäßigen Abständen zu wiederholen.

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4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

Festlegung strategischer Erfolgspositionen und strategischer Geschäftseinheiten (SGE) Interne Daten

Potentialanalyse

Externe Daten

Konkurrenzanalyse

Externe Makro-Daten

Marktanalyse

Relative Wettbewerbsvorteile (USP)

Umweltanalyse

Marktattraktivität

Portfolio

(Leistungsspektrum, SEP)

hoch

Strategische Geschäftseinheiten

hoch

Strategisches Marketing

Abb. 4-10: Bildung strategischer Erfolgspositionen und Geschäftseinheiten Die konkreten Marktchancen und -risiken einzelner Dienstleistungsangebote lassen sich mit Hilfe der Markt- bzw. Marketingforschungsinstrumentarien genauer bewerten. Die wichtigsten Instrumentarien und praxisrelevanten Betrachtungsansätze, die z.T. auch im Rahmen einer SWOT-Analyse ihre Anwendung finden, sind im folgenden Abschnitt 4.2 näher beschrieben. Auf Basis der Erkenntnisse aus der Markt- bzw. Marketingforschung lassen sich die strategischen Marketingziele, die Marketingstrategie, die operativen Ziele des Marketing-Mix und der taktische Einsatz passender Marketinginstrumente (5-8 P) herausarbeiten. Ein erfolgreicher strategischer Marketingprozess benötigt daher als Ausgangspunkt eine möglichst umfangreiche und valide Datenbasis, die zielgerichtet ausgewertet und aufbereitet wurde.

4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

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4.2 Marktforschung - Marketingforschung In diesem Abschnitt lernen Sie die Unterschiede zwischen Markt- und Marketingforschung die wichtigsten Instrumentarien „ und Grundlagen kennen. Für jedes Dienstleistungsunternehmen ist es interessant zu wissen, wer seine potenziellen Kunden sind, wie man sie erreichen kann, was für sie wirklich wichtig ist und was sie aus welchen Gründen kaufen, wie man sie langfristig binden kann etc.! All diese Erkenntnisse sind wichtig, um die eigenen Dienstleistungsangebote erfolgreich zu gestalten, zu überprüfen, zu optimieren oder ggf. auch gegen bessere auszuwechseln. Die Markt- bzw. Marketingforschung liefert dafür ein Bündel nützlicher Instrumente, und dies ebenfalls für die Personal-, Kapital- sowie Beschaffungsmärkte (vergl. Abbildung 4-11). „ „

Marktforschungsfelder Marktforschung Beschaffungsmarktforschung

Personalmarktforschung

Absatzmarktforschung

Endverbraucher privat

Finanzmarktforschung

Weiterverarbeiter

geschäftlich

Abb. 4-11: Unternehmensrelevante Marktforschungsfelder Unter Marktforschung versteht man das systematische und methodisch einwandfreie, laufende oder fallweise Untersuchen (Analyse, Beobachtung) eines oder

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4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

mehrerer Märkte, meist um Marktprognosen zu erstellen oder Marktverhalten zu erklären. Ziel der Marktforschung ist es, Unternehmens- und Marketingentscheidungen vorzubereiten oder zu erklären. Marktforschung bezieht sich dabei nicht nur auf den Absatzmarkt, sondern auch auf die relevanten Beschaffungsmärkte. Die Absatzmarktforschung richtet sich sowohl auf private als auch geschäftliche Verbraucher. Um das Verhalten gewerblich-geschäftlicher Verbraucher zu erklären, bedarf es gelegentlich auch der Untersuchung von deren Endverbrauchermärkten (dies gilt insbesondere für Weiterverarbeiter). Die Untersuchungen können sowohl quantitative (numerische Werte über Verbrauch, Kaufmenge/-wert, Marktanteil und seine Veränderungen...) als auch qualitative (Motive, Image, Vertrauen, Zufriedenheit, auch im Zeitablauf...) Aspekte erfassen (vergl. Abbildung 4-12). Meinungsforschung (bei allen Bürgern) umfasst neben wirtschaftlichen noch gesellschaftliche Themenbereiche, die ebenfalls für unternehmerische Entscheidungen von Bedeutung sein können.

Marketingforschung Marketingforschung marketingrelvante Umweltinformationen

Absatzmarktforschung qualitativ

Unternehmensinformationen

quantitativ

Abb. 4-12: Bestandteile der Marketingforschung Marketingforschung (vergl. Abbildung 4-12) umfasst alle Aktivitäten zur Sammlung und Analyse von Informationen für Marketingentscheidungen und ist damit umfassender als die Absatzmarktforschung (oder auch Personalmarktforschung...):

4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

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Marketingforschung umfasst zusätzlich marketingrelevante Umweltinformationen der sog. Makro-Ebene (vergl. u.a. Baumgarth/Bernecker S. 5): • Informationen zur Beurteilung der Marketingsituation •

Informationen zur Zielplanung und Zielerreichung



Informationen zur Planung/Kontrolle des Einsatzes der Marketinginstrumente



Informationen zur Analyse und Prognose der Marketingkosten

Abgrenzungskriterien

Marketingforschungsbereiche

Umfeld

Mikro

Makro

Quellen

intern

extern

Objekte

Güter

Informationsbezug Träger Erhebungszeitraum

Patente, Rechte, Marken...

Ideen

demoskopische

ökoskopisch

Eigenmarktforschung

Fremdmarktforschung

fallweise

Erhebungsform

Dienstleistungen

kontinuierlich

retrospektiv

prospektiv

quantitativ

qualitativ

Erhebungsumfang

Vollerhebung

Teilerhebung

Auswahlverfahren

Zufallsverfahren

nichtzufällige Verfahren

Marktteilnehmer

Kunde

Konkurrenz

Lieferant

Handel

Häufigkeit

ein-, mehrmalig

Panelforschung

Erhebungsform

Primärforschung (field research)

Sekundärforschung (desk research)

Erhebungsmethode

Befragung

Räumliche Erfassung

lokal

Beobachtung regional

national

Abb. 4-13: Dimensionen der Marketingforschung

Experiment international

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4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

Marketingforschung kann vom Unternehmen selbst oder durch externe Partneragenturen in unterschiedlichen Erhebungszeiträumen und Häufigkeiten durchgeführt werden und sich dabei sowohl auf interne als auch externe Quellen stützen. Erhebungsmethoden und -orte können ganz unterschiedlich sein, ebenso wie die räumliche Erfassung, die Erhebungsform etc., insgesamt gibt es vierzehn übliche Dimensionen, nach denen sich in der Marketingforschung differenzieren lässt (in Anlehnung an Baumgarth/Bernecker S. 4, siehe Abbildung 4-13). Im Einzelnen richten sich die Entscheidungen über die durchzuführenden Marktbzw. Marketingforschungsvarianten nach den Bedürfnissen und finanziellen Mitteln des Unternehmens. So kann es für ein Unternehmen durchaus wünschenswert sein, eine Vollerhebung durchzuführen, sie lässt sich aber finanziell oder organisatorisch nicht bewältigen. Finanzielle Aspekte können dazu führen, insbesondere sekundäre Quellen auszuwerten, wohingegen das Interesse der Marketing- oder Auslandsabteilung an einer Primärerhebung besteht. Auch die Erhebungsmethode oder der Erhebungszeitraum können zu unterschiedlich brauchbaren Ergebnissen führen.

Markt- und Absatzpotenzial/-volumen Marktpotenzial Marktvolumen Eigenes Absatzvolumen Eigenes Absatzpotenzial

Abb. 4-14: Markt- und Absatzpotenzial, Markt- und Absatzvolumen

4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

61

Markterhebungen dienen zuerst der Einschätzung des Marktpotenzials der angebotenen (Dienst-)Leistungen, aber das Marktpotenzial stellt sich für einen Hotelier anders als für eine Technologiefirma dar. Die Marktpotenzialerfassung erfolgt z.B. mit Hilfe sog. Attraktivitätsanalysen für das Angebot bzw. die vorhandenen Potenziale. Auch die Erforschung des Images der Leistungsanbieter hängt eng mit dem Marktpotenzial zusammen, denn hierbei geht es z.B. um Preiswürdigkeit, Qualität oder Exklusivität, um die Sicherheit und Glaubwürdigkeit des Angebots sowie die Leistungsfähigkeit oder Zuverlässigkeit. Der relevante Markt (Marktvolumen) eines Dienstleisters ist meist erheblich kleiner als das (theoretisch) vorhandene Marktpotenzial (vergl. Abbildung 4-14). Das theoretisch vorhandene Marktpotenzial z.B. eines süddeutschen Busreiseveranstalters umfasst zwar alle Reisenden in Deutschland und ggf. aus den angrenzenden Ländern Österreich oder Schweiz. Doch bereits das Absatzpotenzial ist deutlich geringer, da es viele Arten von Reiseveranstaltern gibt, die mit unterschiedlichen Angeboten um die Reisenden konkurrieren. Das Marktvolumen für Busreisen umfasst also nur noch diejenigen Personen, die tatsächlich mit dem Bus reisen wollen. Und dieses Marktvolumen müssen sich dann noch alle Busreiseanbieter teilen. Das konkrete Absatzvolumen ist also nur noch ein Bruchteil des Marktvolumens. Es bedarf also einer sehr genauen Analyse, um zu einer aussagekräftigen Markteinschätzung für einen Leistungsanbieter zu kommen. Diese wird sinnvollerweise um eine genauere Betrachtung der relevanten Marktsegmente (Teilmärkte) ergänzt. Solche Marktsegmente werden üblicherweise nach Kunden(-gruppen) oder häufig auch (internationalen) Absatzmärkten gebildet. Zunächst wenden wir und den potenziellen Kundengruppen zu. Grundsätzlich ist vor jeder kundenspezifischen Marktsegmentierung zu prüfen, ob die geplanten Zielgruppen wirklich erfassbar (messbar) sind. Zu kleine Kundensegmentierungen machen keinen Sinn, denn es sollte schon ein ausreichend großes Kundenpotenzial bestehen, das unter dem Gesichtspunkt der Profitabilität zu prüfen ist. Wichtig ist auch, dass Kundensegmente zumindest über einen gewissen Zeitraum hinweg stabil bleiben und überhaupt mit Marketing- bzw. Kommunikationsmaßnahmen erreichbar sind. Denn was nützt die beste Kundengruppensegmentierung, wenn es z.B. keine Medien gibt, mit denen sich diese Kunden erreichen lassen? Zur Kundensegmentierung bestehen drei gängige Ansätze, um die richtigen Zielgruppen auszuwählen (vergl. Abbildung 4-15). Am leichtesten sind demografische Segmentierungen möglich, da die Kriterien eindeutig erfassbar sind und großteils ausführliche und öffentlich zugängliche Statistiken zur Verfügung stehen. Allerdings wird diesem klassischen Zielgruppenmarketing inzwischen das nahende Ende vorausgesagt. Da bei den Kunden der Zukunft das Kaufverhalten immer weniger durch (sozio-)demografische Gegebenheiten geprägt werde, sondern durch das Ausleben mehrerer unterschiedlicher, sich verändernder „Verfassungen“, sei es notwendig, Konsumenten situativ entsprechend ihrer jeweiligen Stimmungslage und Gemütsverfassung anzusprechen. Dabei erhebt sich allerdings die Frage, wie man dies jeweils zeitnah erkennen und rechtzeitig umsetzen kann.

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4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

Marktsegmentierungsansätze Marktsegmentierung demografisch geografisch altersmäßig geschlechtsspezifisch bildungsmäßig berufsmäßig einkommensmäßig nach Familienstand und Haushaltsgröße

verhaltensorientiert Verkehrsmittelwahl Reisezielpräferenz Reisedauer Reiseart: individuell oder (teil-)pauschal Unterkunftswunsch Buchungsweg Reiseanlass Nichtreisende

psychografisch Persönlichkeitsmerkmale Einstellungen Motive Lebensstil

Demnächst Segmentierung auch nach Stimmungslage und Gemütsverfassung? Beispiel Reiseleistungen

Abb. 4-15: Marktsegmentierungsmöglichkeiten für angebotene Leistungen Die Verwendbarkeit der Segmentierungsoptionen in der betrieblichen Praxis ist unterschiedlich zu bewerten (vergl. Abbildung 4-16). Meist gibt es spezialisierte Marktforschungsinstitute, die Psychografische, verhaltensorientierte Daten bereitstellen. Etwas komplexer sind die Milieu- und Typologieansätze (z.B. Sinus und GfK), liefern aber häufig bessere Erkenntnisse über (potenzielle) Kunden, insbesondere, wenn Endverbraucher angesprochen werden sollen. Einstellungen und Lebensstile verändern sich auch relativ schnell im Zeitablauf, was deren Betrachtung etwas instabiles gibt. Allgemein akzeptiert sind die zehn von Sinus erfassten sog. Verbraucher-Milieus, die allerdings auch entsprechend der erkennbaren Milieuveränderungen in der Alltagsrealität (zuletzt im Jahr 2005) angepasst werden. In ihrer aktuellen Milieu-Einteilung unterscheidet Sinus Sociovision in Deutschland zehn unterschiedliche soziokulturelle Milieus (vergl. Abbildung 4-17), die sich wiederum in vier Hauptgruppen zusammen fassen lassen. In diesen Milieus werden Menschen mit dem Bezugssystem ihrer Lebensumwelt möglichst ganzheitlich erfasst. Dabei gehen sowohl grundlegende Wertorientierungen als auch persönliche Einstellungen (zu Arbeit/Beruf, Bildung, Familie, Freizeit, Geld und Konsum) in die Untersuchung ein und bieten somit mehr Unterscheidungskriterien und Informationen für die Nutzer dieser Analysen als übliche andere Untersuchungen.

4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

63

Komplexität

Marktsegmentierungsoptionen hoch

niedrig

Milieu-Ansatz Milieu-Ansatz (Sinus) (Sinus)

Typologien Typologien (Szenen,GfK...) (Szenen,GfK...)

Psychografische Psychografische

(verhaltensorientiert) (verhaltensorientiert)

SozioSoziodemografische demografische

niedrig

hoch

Operationalität

Abb. 4-16: Marktsegmentierungsalternativen in der Praxis Das Sinus-Modell der Milieus ermöglicht die Darstellung der zehn grundlegenden Zielgruppen in Deutschland, die analysiert und detailliert dargestellt sind. Aufgrund mehr als 25 jähriger Forschungserfahrung können verlässliche Aussagen über das Verhalten, die Einstellungen sowie die Motivationen der einzelnen Milieus gemacht werden. Unternehmen bietet sich die Möglichkeit, mit Hilfe des Modells alltagstaugliche Zielgruppen zu identifizieren. Die Updates ermöglichen es, den gesellschaftlichen Wandel zu erfassen und die Milieus immer mehr zu präzisieren. Dieses Trendmonitoring soziokultureller Strömungen stellt sicher, dass sich die Kenntnisse der Unternehmen über die Zielgruppen immer auf dem neuesten Stand befinden. Durch die Integration der Sinus-Milieus in wichtige Markt-Media-Studien sowie in einige Panels bieten sich gute Möglichkeiten für eine gezielte Medienplanung. So schauen sich „Etablierte“ z.B. Sport- , Wirtschafts- oder Nachrichtensendungen an und lesen z.B. Manager-Magazin, Wirtschaftswoche, Welt am Sonntag, Schöner Wohnen, Mein schöner Garten, FAZ oder Focus. Die „Experimentalisten bevorzugen hingegen Cinema, Coupé, Young Miss, Playboy, Fit for Fun, P.M. oder Bravo und schauen sich Amerikanische Serien, Spielfilme, Kultursendungen und Magazine an. Damit ist die gezielte Werbeansprache sicher gestellt.

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4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

Milieugruppierungen in Deutschland

www.sinus-sociovion.de

Milieugruppierungen in Deutschland

www.sinus-sociovion.de

Abb. 4-17: Milieus und Milieugruppen nach Sinus Sociovision

4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

65

Ein Nachteil besteht darin, dass die Landesbevölkerung lediglich in zehn verschiedene Milieus eingeteilt wird. Die Grenzen zwischen den einzelnen Milieus verlaufen fließend und die zwischen Milieus liegenden Zielgruppensegmente werden nicht ausführlich genug berücksichtigt. Da die Milieus ignorieren, dass gesellschaftliche Trends auch von Minderheiten ausgehen können, weisen Szenebetrachtungen und die GfK-Typologien oft eine höhere Operationalität auf.

Zielgruppe im Zentrum des Marketings Ziel Erfolgs-/Effizienz Kontrolle

Strategie

Kundenorientierung CRM

Positionierung Zielgruppe: Privatkunden

(Direkt-) Vertrieb

Leistungsentwicklung

Kommunikation Mediaplanung

(differenzierte) Zielgruppenausrichtung

Abb. 4-18: Marktsegmentierungsalternativen in der Praxis Insbesondere für die Zielgruppenbestimmung privater Endkunden sind viele dieser Methoden gut geeignet. Denn nur wenn ein unternehmen seine Kunden möglichst genau kennt, kann erfolgreiches Marketing für diese aufgebaut werden (verg. Abbildung 4-18 mit Milieus nach Sinus). Aufbauend auf einer effektiven Strategie lassen sich dann alle wichtigen Marketingentscheidungen sicherer treffen, um den Bedürfnissen der Kunden zu entsprechen.

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4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

4.3

Qualitätsmessung und -bewertung

In diesem Abschnitt lernen Sie die Schwierigkeiten und unterschiedlichen Methoden der Qualitätsmessung kennen Was bedeutet Qualität einer Dienstleistung? Eine kompetente Beratung oder gute Information vor (beim Erwerb) und während der Leistung? Oder die Freundlichkeit und Zuverlässigkeit der Mitarbeiter? Oder entscheidet die Schnelligkeit der Erledigung oder das Ergebnis der Dienstleistung über deren Qualität? Der Volksmund sagt „Qualität kommt von quälen“ – dabei erhebt sich nur die Frage, wer sich quälen muss; der Kunde oder die Dienstleistungsanbieter und deren Mitarbeiter, um es den Kunden recht zu machen? Dienstleistungsqualität hat unzählige, meist kundenspezifische Facetten. Denn Qualität ist immer das, was der Kunde als Qualität empfindet, und was wiederum nicht immer dem entspricht, was der Anbieter als Qualität ansieht (vergl. Abbildung 4-19). Und es sei an dieser Stelle noch einmal daran erinnert, dass es vor allem auf die beiden Wahrnehmungsdimensionen Ergebnisqualität (produktbezogen) und Verrichtungsqualität (interaktionsbezogen) bei der Beurteilung der Gesamtreisequalität einer (zusätzlichen) Dienstleistung ankommt. „ „

Wie entsteht Kundenzufriedenheit ? Kundenzufriedenheit ist das Ergebnis eines Vergleichsprozesses des Kunden zwischen

seinen Erwartungen

und

den wahrgenommenen Leistungen

individuelles Bestleistungen tatsächlicher Anspruchs- Image des Nutzen Wissen um niveau Anbieters Alternativen Subjektive Leistungsversprechen Wahrnehmung des Anbieters

individuelle Problemlösungen Zuverlässigkeit der Leistung

der Leistung

Beeinflussungsfaktoren

Abb. 4-19: Einflussfaktoren auf die Kundenzufriedenheit

4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

67

Trotzdem oder vielleicht auch gerade deswegen versuchen auch Dienstleistungsunternehmen, Maßstäbe für Qualität zu entwickeln, z.B. Qualitäts-, Güte- oder Umweltsiegel. Sie sollen den oft unsicheren Kunden einen quasi objektiven Maßstab von Qualität suggerieren (bei einem Hotel mit 5 Sternen kann ja gar nichts mehr schief gehen!). Doch bedeuten solche Qualitätsversprechen selbstverständlich wiederum auch neue Maßstäbe für das subjektive Qualitätsempfinden der Kunden. In einem 2-Sterne Restaurant liegt die Erwartungshaltung an die Qualität nämlich deutlich höher als in einem Schnellimbiss. Und Qualität ist erst dann erreicht, wenn der Kunde subjektiv zufrieden oder besser noch mehr als zufrieden ist. Insbesondere im Dienstleistungssektor haben daher Zufriedenheitserhebungen eine besondere Bedeutung, unabhängig von der grundsätzlichen Frage, wann sich Zufriedenheit einstellt und wie man den Grad der Zufriedenheit misst, da die jeweilige Erwartungshaltung den Zufriedenheitsgrad stark bestimmt. Die Messung der Kundenzufriedenheit kann nachfragerbezogen (bei den Kunden) oder anbieterbezogen, intern oder extern erfolgen; dabei gibt es jeweils subjektive und objektive Verfahren, die unterschiedliche Aussagekraft und Verbreitung haben (vergl. Abbildung 4-20).

Messung der Dienstleistungsqualität Messansätze nachfragebezogene Messung objektive Messung

anbieterbezogene Messung

subjektive Messung

z.B. Silent Shopper

Merkmalsorientiert z.B. Servqual

objektive Messung

subjektive Messung

z.B. Qualitätsaudit z.B. Benchmarking

Ereignisorientiert z.B. Beschwerdemessung

Abb. 4-20: Messansätze zur Erfassung von Dienstleistungsqualität

68

4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

4.4 Databasemanagement In diesem Abschnitt lernen Sie die Notwendigkeit und Voraussetzungen sowie die Vorzüge eines guten Databasemanagement kennen. Um eine möglichst individuelle Kundenansprache (z.B. über Direktmarketing) zu erreichen (vergl. Abschnitte 5.5 und 5.8), sollten von jedem Dienstleister zunächst alle diejenigen Kundendaten gesammelt werden, die für eine direkte Kontaktaufnahme zu (potenziellen) Kunden notwendig sind (Adresse, Fon, Fax, E-Mail...). Demografische, psychografische und verhaltensorientierte Daten sowie Informationen zum Käuferverhalten etc. (vergl. Abschnitt 4.2) ermöglichen eine bessere Zielgruppenselektion mit individueller Ansprachemöglichkeit und maßgeschneiderten Angeboten für alle Kunden. Bei B-B-Geschäften sind auch die Einkäufer, Entscheider (Vorgesetzte) oder erlassene Richtlinien von Bedeutung. „ „

Dazu bedarf es gut gepflegter Kundendatenbanken und/oder für diese Zwecke nutzbare externe Datenbanken. Dabei dient die Speicherung und Nutzung aller Daten dem möglichst zielgenauen und abgestimmten Einsatz der MarketingInstrumente sowie dem Aufbau dauerhafter Kundenbeziehungen in jedem relevanten Marktsegment. Data Mining beinhaltet den Aufbau einer Kundendatenbank (Database) sowie deren Pflege und Auswertung (Validieren von Hypothesen, Entdecken/Entwickeln neuer Verhaltensmuster/Regeln im Hinblick auf Kundengruppen). Die systematische Nutzung/Auswertung von Datenbanken heißt Database-Management (vergl. Abbildung 4-21); die Nutzung für Marketinganwendungen wird dann als DatabaseMarketing bezeichnet. Database-Marketing bedeutet die interne und externe Gewinnung individueller personen- und/oder firmenspezifischer Daten über Kunden. Interne Daten sind dabei Kundendaten, Leistungsinformationen, Vertriebsdaten, Marktbearbeitungsinformationen, Daten des Rechnungswesen, Reklamationen etc. Externe Daten können z.B. aus der Statistik, Marktforschung, den Interessentenanfragen, Response-Marketingmaßnahmen, öffentlichen Adressverzeichnissen und Katalogen, Kauf oder Miete von Adressbeständen (ca. 2000 Adressverlage/Listbroker) gewonnen werden. Bei externen Datenquellen ist eine Bereinigung und Abgleichung u.a. nach den folgenden Kriterien unerlässlich: •

Dublettenprüfung



Umzugsprüfung



Schreibweisenprüfung



Vollständigkeitsprüfung



Postalische Prüfung...

4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

69

Die Gewinnung von Daten aus internen Quellen wird dann besonders erfolgreich sein, wenn es ein möglichst umfassendes Wissens- bzw. Knowledge-Management (KM) gibt. Je mehr Informationen von jedem einzelnen Mitarbeiter im Rahmen eines Knowledge-Management-Systems den anderen Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden, desto besser ist die Basis für eine erfolgreiche Identifizierung und Ansprache der interessanten und vor allem werthaltigen (lukrativen) Kunden.

Prozess der Informationsgewinnung und -auswertung Informationen / Daten Sekundärforschung

Datengewinnung

Primärforschung

Auswertung gewonnener Daten (Data-Mining => Warehouse/Data Mart)

Aufbereitung der Daten

Interpretation der Daten

Präsentation der Daten

Abb. 4-21: Databasemanagement-Prozess Solche Daten können dann ausgewertet und verarbeitet werden, um sie in einem sog. Data Warehouse oder Data Mart (vergl. Abbildungen 4-21/22) den Anwendern im Unternehmen (Marketingleitung, Außendienst, Call Center...) mit Hilfe des sog. „OLAP“ (Online Analytical Processing) zur Verfügung zu stellen. Dieses sind Bestandteile der sog. „Business Intelligence“ bzw. der analytischen CRM-Tools. Das Datenmaterial ist auch als Bestandteil eines unternehmensweiten Wissensmanagements nutzbar. Dieses System wird auch als Managementinformationssystem (MIS) bezeichnet, wenn es weitere Daten enthält, die für unternehmerische Entscheidungen notwendig sind. Auf Basis detaillierter Daten ist dann auch eine (weitgehend) streuverlustfreie Direktansprache der (potenziellen) Kunden möglich, aber auch der Ausschluss beispielsweise unrentabler oder inaktiver Kunden. Mit sog.

70

4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

Scoring-Modellen können Verhaltensweisen bzw. Profile bestehender Kunden entwickelt und zu Zieltypologien verdichtet werden, die vorbestimmten Kundentypologien oder Kundenmilieus oft überlegen sind. Mit Hilfe von gutem DatabaseManagement bzw. Database-Marketing lassen sich u.a. folgende Ziele erreichen: •

Kontaktanbahnung



Kundengewinnung



Kundenbindung



Auftragswertsteigerung



Kauffrequenzsteigerung



Steigerung der Cross Selling Potenziale



Kundenwertsteigerung



Gebietsoptimierung



Leistungsanalyse...

Databasemanagement im Dienstleistungssektor Soziodemografische Daten

Psychografische Kriterien

Milieuzuordnung

Verhaltensorientierung: Kauf-/Nutzungsverhalten

Szenen Typologien

KundenDatenBank (Data Warehouse bzw. Data Mart)

Databasemanagement

¾Segmentierung ¾Marktforschung ¾Informationsgewinnung ¾Neukundengewinnung ¾Ausschluss unrentabler Kunden ¾Ausschluss inaktiver Kunden ¾Reaktivierung von Kunden

Abb. 4-22: Datenbank und Databasemanagement

4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

71

Auf der Basis eines sehr umfangreichen verdichteten Datenbestandes an internen und externen Kunden- und Makrodaten sind dann auch für einen Dienstleister verbesserte Prognosen, Hochrechnungen oder Fortschreibungen (vergl. Abbildung 420/22) über die Entwicklung der Absatzmärkte, die sich bietenden Chancen neuer Märkte oder Zielgruppen und über bestimmte Trends möglich, die den Unternehmen auch eine bessere Einschätzung der kurz- oder längerfristigen Chancen und Risiken im Rahmen der strategischen Situationsanalyse erlauben. Üblicherweise stehen jedem Unternehmen unterschiedliche Prognoseverfahren (intuitiv, systematisch) und Methoden (qualitativ, quantitativ) zur Verfügung. Jeder Dienstleister wird sich das oder die Vorhersageverfahren aussuchen, die aus der eigenen Sicht effektiv sind (vergl. Abbildung 4-22) und entweder mit den vorhandenen eigenen Datenverarbeitungsmitteln oder über externe Servicepartner nutzbar sind. Nicht zuletzt kommt auch der klaren Visualisierung und ggf. der überzeugenden Präsentation eine große Bedeutung für die Nutzbarkeit solcher Prognosen zu. Aber je weiter solche Prognosen in die Zukunft reichen (> 3 Jahre), desto ungenauer werden diese sein.

Marktprognosen und Verfahren Prognoseverfahren im Dienstleistungssektor kurzfristig bis 1 Jahr

mittelfristig 1 -3 Jahre

langfristig mehr als 3 Jahre

intuitive Verfahren

systematische Verfahren

qualitative Methoden

quantitative Methoden

Repräs. Befragungen (bei Kunden, Mitarbeitern, Experten) Delphi-Methode Szenario-Methode

Zeitreihenverfahren (Trendextrapoltaion, Glättung...) Kausalverfahren (Regressionen, ökonometr. Verf.)

Abb. 4-23: Arten und Verfahren von Marktprognosen

72

4 Informationsgewinnung, Analyse und Bewertung

Begriffe zum Nachlesen Informationsoptimum

SWOT-Analyse

Competitve Intelligence

Kernkompetenzen

Stärken-Schwächen

Umweltmonitoring

USP

SEP

Absatzpotenzial

SGE

Absatzvolumen

Marktpotenzial

Marktsegmentierung

Lebensstil

Milieu

Qualitätsmessung

Database-Marketing

Databasemanagement

Data-Mining

Data-Mart

Prognosen

Wiederholungsfragen 1.

Welche Informationsquellen stehen Unternehmen zur Verfügung?

2.

Welche Funktion erfüllt die strategische Situationsanalyse?

3.

Welche Teilanalysen gehören zur SWOT-Analyse?

4.

Welche Aufgabe hat das Umweltmonitoring?

5.

Wie lassen sich strategische Erfolgspositionen herausfinden?

6.

In wie fern unterscheiden sich Marktforschung, Marketingforschung und Meinungsforschung?

7.

Welche Ansätze zur Marktsegmentierung bestehen?

8.

Was ist Qualität und wie lässt sie sich messen (DL)?

9.

Skizzieren sie grob die Elemente und Arbeitsweise des Databasemanagements:

Literaturhinweise Baumgarth, Carsten/Bernecker, Michael: Marketingforschung, München 1999 Lexikon. Databasemanagement?? Wiesner, Knut (a): Internationales Management, München/Wien 2004 Wiesner, Knut (b): Strategisches Tourismusmarketing, Berlin 2006

5.

Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

In diesem Abschnitt lernen Sie den operativen Einsatz der Marketinginstrumente als Teil des Marketings und die Umsetzungsmöglichkeiten der Marketingstrategien kennen. Nachdem das bisherige Augenmerk auf dem strategischen Teil des Marketings lag, folgt nun der operative Teil mit taktischen Maßnahmen zur Umsetzung der Marketingstrategien. Mit dem Einsatz und der Kombination sowie Integration der Marketinginstrumente muss sich zeigen, ob die Zielsetzungen richtig und realisierbar und die Strategien erfolgreich umzusetzen sind. In einem Marketingplan wird das optimale Zusammenspiel der Instrumente in einem bestimmten Zeitraum (meist 1 Jahr) und im Rahmen eines gegebenen Budgets festgelegt. Zum operativen Marketing zählt auch die organisatorische Ausgestaltung des Marketings (und Vertriebs) im Unternehmen, die wir hier aus Platzgründen nicht näher beleuchten wollen. „ „

Von der Vision zum Ergebnis durch operativ-taktisches Marketing

Vision (Sehnsüchte/Träume)

Mission/Leitbild (Vorstellung/Wunsch/ Philosophie)

Resumée

Ziele

(Strategisches Controlling)

(konkrete Wünsche)

Strategien (Auswahl Strategiebündel)

Umsetzung/Entscheidung (operatives + taktisches Handeln, Aktivitäten, Maßnahmen)

Ergebnis (Erfolg, Misserfolg, Teilerfolg, Messung)

Zeitablauf/ Konkretisierung

Abb. 5-1: Operatives Marketing als Umsetzung strategischen Marketings

74

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

5.1 Marketingprozess In diesem Abschnitt lernen Sie Marketing als einen Prozess zu erkennen, bei dem die Einzelphasen aufeinander aufbauen bzw. miteinander verzahnt sind, „ und das seinen Abschluss und Neubeginn durch das Controlling findet. Ebenso wie die meisten Dienstleistungen ist auch das Marketing ein Prozess. Mit seinen 8 (bzw. 5) operativ bzw. taktisch einsetzbaren Instrumentalbereichen ist der Marketingprozess in Abbildung 5-2 in einem zeitlich-logischen Ablauf von links nach rechts dargestellt. Wie die Pfeile verdeutlichen, gibt es zusätzlich einige Rückkopplungen bzw. Wechselwirkungen, die von den marketingtreibenden Dienstleistern zu beachten sind. Die acht Instrumentalbereiche des institutionellen Dienstleistungsmarketings werden in den Abschnitten 5.2.1 – 5.2.8 dargestellt, die fünf Instrumentalbereiche funktionellen Dienstleistungsmarketings in den Abschnitten 5.3.1 – 5.3.6. Am Ende dieses Marketingprozesses steht dann das strategische Controlling, auf das im Kapitel 7 näher eingegangen wird. Mit diesem schließt sich dann der Kreislauf am Ende einer Marketingperiode. „ „

Strategischer Marketingprozess Ziele M.-Ziele M.SWOT -Stärken/ Schwächen -Chancen/ Risiko

M.-Strategien M.-Strategien Operatives/taktisches Marketing / Marketing-Mix ( 8 P )

Daten Wissen Leistung, Prozess- Physische Preise, KommuÖffentliche Personal- Distribu- Strateg. Erfahrung Wahrneh- Marketing tion, Controlling Idee GegebenKonditionikation ManageMarktmung heiten forschung nen Verkauf (Audit) ment

Erkenntnisse

Abb. 5-2: Marketingprozess mit operativem Marketing (8 oder 5 P)

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

5.2

75

Instrumente institutionellen Marketings (8 P)

In diesem Abschnitt lernen Sie die Herleitung der „8 P“ und ihren Beitrag zur Customer Driven Company kennen. Anknüpfend an die Ausführungen in Kapitel 1, in dem die besonderen Ausprägungen und Hausforderungen von Dienstleistungen dargestellt wurden, stehen den Marketingakteuren in der Dienstleistungswirtschaft bis zu acht Instrumentalbereiche für ihr Marketing zur Verfügung. Diese hohe Zahl der Instrumentalbereiche verdeutlich die Komplexität der Dienstleistungen aber auch die Notwendigkeit, allen diesen Marketingaspekte Rechnung zu tragen. Jeder Dienstleister sollte in der Lage sein, die für ihn wichtigen Tasten auf der Klaviatur nicht nur zu kennen, sondern sie auch spielen zu können, damit ein „Marketingohrwurm“ entsteht. „ „

Erweiterung der Marketinginstrumente 4P

8P

( klassisches Konsumgütermarketing )

( Multimedia Dienstleistungsmarketing )

Price Place

Product

Promotion

Price Place Physical Facilities Product Process Management Personnel Promotion Public Voice

Abb. 5-3: Die „8 P“ des Dienstleistungsmarketings Die sog. „8 P“ stellen die Anfangsbuchstaben der englischen Begriffe für die acht Instrumentalbereiche dar (vergl. Abbildung 5-3), nämlich „product“ für Leistungs-

76

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

politik, „process management“ für Prozesspolitik, „physical facilities“ für Ausstattungspolitik, „price“ für Kontrahierungspolitik, „promotion“ für Kommunikationspolitik, „public voice“ für Meinungspolitik, „personnell“ für Personalpolitik und „place“ für Distributionspolitik. Dabei lassen sich die „8 P“ in etwa aus den im Produktmarketing üblichen „4 P“ herleiten. Wegen ihrer Bedeutung für die Vermarktung von Dienstleistungen besteht allerdings die Notwendigkeit zu einer detaillierten Darstellung, damit wichtige Teilaspekte nicht zu kurz kommen. Auch für den Einsatz dieser „8 P“ lassen sich sog operative oder Instrumentalziele festlegen, die durch den richtigen operativen und taktischen Einsatz und die optimale Kombination dieser Instrumente erreicht werden sollen (vergl. Abbildung 5-4).

Instrumente

Instrumentalbereiche

Operative Marketingziele bei Dienstleistungen Breites oder konzentriertes Programm, Innovationen, Branding, Qualitätsverbesserung

extern

Leistungspolitik

Intern/ extern

Prozessmanagement

Servicefreundlichkeit erhöhen, Bearbeitungsqualität verbessern, Multi-Kanal-Integration

extern

Ausstattungspolitik

Freundl. Geschäftsräume, einheitliches Erscheinungsbild auf allen Kanälen, gute Besucherführung

extern

Kontrahierungspolitik

Kundenoptimale Preisdifferenzierung, Reduzierung der Außenstände/Zahlungsziele, indiv.Finanzierung

extern

Kommunikationspolitik

extern

Öffentliche Meinungspolitik

Neukunden durch Empfehlungen, elektronische Wege für PR, Community-Bildung vorantreiben

Intern/ extern

Personalpolitik

Motivation verbessern, Mitarbeiterqualifizierung, Corpor. Behaviour verbessern, Vertrauensbildung

extern

Distributionspolitik

Multi-Kanal-Vertrieb, Distributionsgraderhöhung, neue Vertriebswege erschließen, Beratungsqualität im Vertrieb verbessern, Lieferservice einführen

Markenimage verbessern, dir. Kundenansprache, Kundenzufriedenheit steigern, CD verbessern...

Abb. 5-4: Ziele für den Einsatz einzelner Marketinginstrumente Um im Sinne einer ertragreichen Kundenorientierung erfolgreich zu sein, ist es notwendig, dass sich alle Unternehmensaktivitäten strickt an den Kunden und ihren Wünschen orientieren. Denn die Zeiten des Massenmarketings sind vorbei und so können heutzutage auch Dienstleister nur dann noch erfolgreich tätig sein, wenn sie ein möglichst kundenorientiertes und individualisiertes Multi-KanalDialogmarketing betreiben. Hat es vor einigen Dekaden noch ausgereicht, einfach (an die vielen Nachfrager) zu verkaufen, sind alle Kunden heute eher verwöhnt und

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

77

erwarten, dass die Dienstleister auf sie zugehen und ihnen unaufdringlich spezielle Angebote für ihre Wunschbefriedigung liefern. Dies ist aber nur dann möglich, wenn die Kundenorientierung im Unternehmen, sprich in der Unternehmensführung und bei allen Mitarbeitern, fest verankert ist. So mussten die Unternehmen ihre Verkaufsaktivitäten zu Vertriebs- und Marketingaktivitäten weiterentwickeln (verg. Abbildung 5-5), so dass sich dann letztendlich alle Mitarbeiter für das Wohl der Kunden verantwortlich fühlen. Dies lässt sich leicht erreichen, wenn sich alle Manager und Mitarbeiter immer in die Sicht ihrer Kunden versetzen.

Entwicklung zur Customer Driven Company Kundenorientierte Marketing Vertrieb Multi-Channel Kataloge, Service Kundendienst

Verkauf

Unternehmensführung Customer Driven Company

Corporate Identity

Visionen

Marketingstrategien Markenpolitik

Unternehmensphilosophie

Leistungspolitik Außen-/ Preis- und Konditionen- Marktforschung Innendienst Key Account Man. politik Kommunikationspolitik: Versandhandel Verkaufsförderung E-Commerce (PR, Werbung, Sponsoring) Händler-/ Mittlerbetreuung Vertriebscontrolling

Direktmarketing Marketing-Controlling

/Mission Unternehmensstrategien Kundenorientierung CRM Kundenmanagement

Databasemanagement Wissensmanagement

Mitarbeiterorientierung

Strategisches Controlling

Abb. 5-5: Elemente einer „Customer Driven Company” (CDC) Für ein entsprechend fortentwickeltes Unternehmen gibt es den Begriff einer „Customer Driven Company“ (CDC), der verdeutlicht, dass es die Kunden mit ihren Wünschen und Erwartungen sind, die im Zentrum aller unternehmerischen Anstrengungen stehen müssen (=> Steigerung der Kundenwerte). Ganz nebenbei schaffen Customer Driven Companies noch einen höheren Unternehmenswert, denn gut geschulte und kundenorientiert agierende Mitarbeiter mit hohen KundenKnow-how sind sehr wertvoll. Dies bezeichnet man auch als sog. „Added Value“, der sich dann insbesondere noch um die (von allen Mitarbeitern gelebten) Markenwerte eines Unternehmens erhöht (vergl. hierzu auch Abschnitt 5.2.1).

78

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

5.2.1

product/service

In diesem Abschnitt lernen Sie die Erweiterung der traditionellen Produktpolitik um Leistungsaspekte, die Elemente der Programmpolitik, „ der Garantie- und Zusagenpolitik und „ die Kundenservicepolitik kennen. Der Marketingbereich, der zuerst entstand, ist die Produktpolitik, die sich bei Dienstleistungen zur Leistungspolitik (auch in Ergänzung zu Gütern) erweitert. Leistungspolitik kann dabei auch als neutraler Oberbegriff für Produkt- und Dienstleistungspolitik betrachtet werden, zumal es sich um das erste der bei uns insgesamt betrachteten „8 P“ (vergl. Abbildung 5-5) handelt. „ „

Leistungspolitik - product Leistungspolitik

i.w.S. Leistungspolitik i.e.S.

Programmpolitik

Grundnutzen Programmgestaltung Zusatznutzen Programmbreite Qualität Programmtiefe Performance Innovationen Image Eleminierung Prestige Merchandising Marke/Markierung Gütesiegel u.ä. Differenzierung Variation DL persönlich od. automatisiert DL individuell od. kollektiv Value-Added-Services Design Verpackung/Aufmachung

Garantie- und Zusagenpolitik

Kundenserviceploitik

Garantiepolitik (Funktions-/ZeitPreis-/Kauf-...) Beschwerdemanagement Reklamationsbearbeitung

Pre-/AfterSales-Service leistungsergänzender Service technischer Service kaufmännischer Service kaufbegleitender Service Gebrauchsanleitung

Abb. 5-6: Elemente der Leistungs-/Produktpolitik Auch wenn Dienstleistungen immaterielle Güter sind, kommt der Leistungspolitik mindestens eine genauso zentrale Rolle zu, wie der Produktpolitik im Sachgüterbereich (mit ergänzenden Dienstleistungen und Services - siehe auch Abschnitt

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

79

5.3.1). Gerade angesichts der Immaterialität kommt insbesondere der Image- und Markenbildung (einschließlich Güte- und Qualitätssiegeln) noch eine entscheidendere Rolle zu. Hinzu kommt, dass Dienstleistungen überwiegend an Menschen in einem Dienstleistungsprozess erbracht werden (vergl. Abschnitt 1.3), woraus sich eine besondere persönliche Betroffenheit der Kunden ergibt, die wiederum erhöhte Anforderungen an die Dienstleistungsausgestaltung und -qualität stellt. Einer Leistungspolitik stehen dabei grundsätzlich die gleichen Instrumente zur Verfügung wie einer Produktpolitik. So geht es zunächst einmal um die Dienstoder Sachleistung selbst, die gewählten Ausprägungen, die Einbettung in ein Programmangebot, die Verbindung mit zusätzlichen (nicht berechneten) Services sowie Garantien und ggf. sonstigen Zusagen (vergl. Abbildung 5-6).

Phasen- und ebenenorientierte tourist. Leistungspolitik Potenzialphase

Kernleistung

Wahrnehmungsebene

Vorstellungsebene

Prozessphase

Ergebnisphase

•Beratung/ •Information •Bereitstellung

•Beförderung •Übernachtung •Verpflegung •Ortsbild/Landschaft •Serviceexzellenz

•Freundlichkeit •Zuverlässigkeit •Qualität •Glaubwürdigkeit

•Freundlichkeit •Freundlichkeit •Pünktlichkeit •Komfort/Convenience •Zuverlässigkeit •Qualität •Qualität •Kundenkontakt

•Vertrauen •Attraktivität •Exklusivität

•Gastfreundlichkeit •Erlebnis/Abenteuer •Entspannung •Exklusivität •Luxus

•Nachbetreuung •Reklamationen

•Zufriedenheit •Glück •Erholung •Wohlbefinden •Gesundheit

Abb. 5-7: Dienstleistungsphasen (Beispiel Reise) aus Kundensicht (nach Wiesner (b), S. 156) Dienstleistungen gibt es in sehr unterschiedlichen Ausprägungen und Kombinationen, daher ergibt sich eine fast unbegrenzte Vielfalt der Leistungen. Wie bereits in Abschnitt 1.3 dargestellt, lassen sich Dienstleistungen in drei Phasen unterteilen, nämlich die Potenzialphase, die Prozessphase und die Ergebnisphase. Es ist daher sinnvoll, auch die Leistungspolitik phasenbezogen (vergl. auch Abbildung 5-7) zu

80

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

betrachten, da jede Leistungsphase ihre Besonderheiten hat und zum Gesamtbild der Dienstleistung beiträgt. So sind Leistungen entsprechend der Phasen in Vorleistungen, Prozessleistungen und Ergebnis- bzw. Nutzenleistungen differenzieren. Für jede der drei Phasen gibt es geeignete Marketinginstrumente, die sich einsetzen lassen, um den potenziellen Kunden sowohl auf der Wahrnehmungsebene als auch auf der Vorstellungsebene den gewünschten Eindruck zu vermitteln. Es handelt sich im Wesentlichen um Instrumente der Leistungspolitik (z.B. Markenpolitik, Qualitätsmanagement, Dienstleistungsexzellenz, Zufriedenheitspolitik oder Beschwerdemanagement) aber zusätzlich auch Instrumente der Prozesspolitik (z.B. Prozessqualität), der Kommunikationspolitik (z.B. Corporate Identity oder Kundenkommunikation) sowie der Ausstattungspolitik (z.B. physische Gegebenheiten). Die phasenbezogenen Instrumente sind in Abbildungen 5-7 und 5-8 dargestellt.

Prozessorientierte Leistungspolitik Gesamtleistung Potenzialphase (Vorleistungen)

9Vertrauensbildende Maßn. 9Kompetenz/Glaubwürdigkeit/ Zuverlässigkeit 9Positionierung (Orga/Marke) 9Corporated Identity 9Markenpolitik 9Attraktivität der Leistungen 9Leistungsfähigkeit determinieren

Prozessphase

(Prozessleistungen)

Ergebnisphase

(Ergebnis-/Nutzenleistung)

9Dienstleistungsexzellenz

9Ergebnisqualität

9Services

9Nachbetreuung

9Prozessmanagement

9Zufriedenheitspolitik

9Prozessqualität

9Reklamationspolitik/

9Interaktion mit Kunden

Beschwerdemanagement

9Kundenkommunikation

9Kundenbindungspolitik

9Leistungspolitik

9Personalpolitik

9Churn-Management

9Kommunikationspolitik

9Corporate Behavior

9Empfehlungsindizierung

9Potenzialqualität sichern

9Preis- und Konditionspolitik

Abb. 5-8: Dienstleistungsphasen mit Marketinginstrumentalbereichen Im Zentrum der Leistungspolitik sowie deren Bewertung durch die Kunden stehen immer der Grund- und der bzw. die relevanten Zusatznutzen (core and secondary service, Kern-/Zusatzleistungen) der jeweiligen Dienstleistung. Der Grundzweck der Leistung gibt Veranlassung für deren Erwerb (z.B. Pflicht zur Steuererklärung, Geschäftsreise, Mantelreinigung...), die ganz konkrete Kauf- bzw. Nutzungsent-

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

81

scheidung wird allerdings von den Kunden meist auf Grund eines oder mehrerer Zusatznutzen getroffen (vergl. Abbildung 5-9). Die Grundfunktion oder -leistung ist immer auch mit einer ganz bestimmten Erwartung der Kunden an die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Dienstleisters (Kenntnis der Steuergesetze, zuverlässige Mitarbeiter, schnelle Beförderungsmittel, gute Unterkunft, Sicherheit, Termine...), die Qualität seiner Leistung (Pünktlichkeit, Stressfreiheit, gewünschter Komfort...) und an das gewünschte/erwartete Ergebnis (korrekte Steuererklärung, Geschäftsanlass, Saubere Kleidung...) verbunden.

Kern- und Zusatzleistungen ( Grund- und Zusatznutzen )

Zusatzleistungen dienen schaffen und sind meist

„affektive“

Zusatzleistungen „kognitive“

der Differenzierung, Wettbewerbsvorteile kaufentscheidend !

Kernleistung (Basisleistung, Erweiterung der Leistungsebene leistungsübliche Problemlösung)

Abb. 5-9: Kern- und Zusatzleitungsebenen von Dienstleistungen Abhängig von unterschiedlichen Kundenerwartungen können bestimmte Dienstleistungen entweder (teil-)automatisiert erbracht werden oder doch besser persönlich. Je nach Prägung der potentiellen Kunden werden eher kollektive oder eher individuelle Leistungen bevorzugt. Bei den meisten Dienstleistungen gibt es auch immer Erwartungen hinsichtlich bestimmter Zusatzservices vor und beim Kauf sowie während und nach der Nutzung/Leistung. Der Zusatznutzen einer Leistung kann z.B. in zusätzlichen (VIP-, 24-Std.-...) Services und Informationsleistungen, in einem besonderen (Marken-)Image oder einem Ambiente, in der Art des Leis-

82

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

tungsprozesses oder in besonders freundlicher Bedienung, in einer Erlebniskomponente oder einem leichten Erwerb etc. begründet sein (vergl. Abbildung 5-10).

Nutzen von Dienstleistungen Erhältlichkeit

Betreuung

Hauptnutzen

Verfügbarkeit

Services Preis

Umweltschutz

Qualität

DienstLeistung

Spaß/ Freude

Komfort/ Convenience

Kundenclub Information

Zusagen

Garantien

Marke Image

Abb. 5-10: Nutzenebenen von Dienstleistungen Bei Dienstleistungen, die international angebotenen werden, wird vielfach durch infrastrukturbedingte, gesetzliche und/oder marktliche Anforderungen sogar die Notwendigkeit bestehen, die angebotenen Leistungen dem Märkten anzupassen. Diese Notwendigkeit zur Differenzierung der Leistungen widerspricht dabei dem oft vorhandenen Wunsch nach Standardisierung mit den erzielbaren Kostenvorteilen. Europäische und internationale Normen (z.B. CEN, ISO, Hotelklassifizierungen...) sollen zumindest in den jeweils genormten bzw. normierungsfähigen Bereichen zu einer gewissen Standardisierung verhelfen, Kosten reduzieren und vor allem Unsicherheiten bei den Kunden beseitigen. Selbst in Europa gibt es trotz Harmonisierungen der Europäischen Union (EU) weiterhin unterschiedliche Kriterien für die Klassifizierung von Unterkünften, Transportleistungen etc. - weltweit liegen diese Kriterien noch weiter auseinander. Nicht nur internationale Anforderungen bedingen Veränderungen angebotener Leistungen und Leistungsprogramme, sondern auch Markt- bzw. Kundentrends. Neben Leistungsinnovationen, Leistungsvariationen (Anpassungen), Leistungsdif-

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

83

ferenzierungen (zusätzliche Ausprägungen), Leistungsdiversifikationen (neuartige Felder) und unechten Leistungsinnovationen (Mee-too) darf auch eine Leistungseliminierung (vergl. Abbildung 5-11) nicht vergessen werden, wenn der „Bauchladen“ der Angebote nicht unbegrenzt vergrößert werden soll. Nicht (mehr) erfolgreiche Leistungen müssen rechtzeitig entfernt werden, bevor Verluste entstehen.

Leistungsentscheidungen Entscheidungen Leistungspolitik (Innovationen) Leistungsinnovation

Leistungsvariation

Neue Leistung für Anbieter

LeistungsDifferenzierung

LeistungsDiversifikation

Quasi neue Leistung

horizontale Diversifikation

vertikale Diversifikation

laterale Diversifikation

Leistungseliminierung

Mee-too Leistung (z.B. Lizenz, Franchise)

Abb. 5-11: Entscheidungen über die Veränderung von Leistungen und Leistungsprogrammen Aber insbesondere dann, wenn bestimmte Leistungen unter Renditegesichtspunkten aus einem Leistungsprogramm eliminiert werden, könnten sich unerwünschte Rückkoppelungen ergeben. Dies beispielsweise, wenn bei bestimmten Handelskunden die vollständige Sortimentsbreite wichtig oder gerade weniger gefragte Leistungen unverzichtbar sind. So ist die Frage der optimalen Programmbreite und –tiefe (vergl. Abbildung 5-12) ggf. auch unter kunden- bzw. marktspezifischen Anforderungen zu überprüfen und erst nach sorgfältiger Prüfung mit einer Reduzierung zu reagieren. Einem systematischen Innovationsmanagement ist angesichts zunehmenden Wettbewerbs im Dienstleistungsmarkt besondere Aufmerksamkeit zu schenken, um langfristig wettbewerbsfähig zu sein. Nach Schumpeter ist eine Innovation immer

84

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

revolutionierend neu. Allerdings erfüllen Innovationen dieses Kriterium heute nur noch selten. Häufig gibt es nur noch Quasi-Innovationen oder sogar nur Scheininnovationen, die den Dienstleistungskunden nur eine Neuartigkeit vorgaukeln.

Programmbreite und –tiefe in der Reiseveranstaltung

Programmtiefe

Busreise

Tenniscamp

StandortStudienreisen

Berlin

Luxusvilla

Musical

Bahnreise

Wanderurlaub

KunstStudienreise

London

Bungalow

Hotel

Flugreise

Wellnessreise

NaturStudienreise

Paris

Wohnung/ Appartement

Mietwagen

Pkw-Reise

Kurreise

KulturStudienreise

Wien

Wohnwagen

Flug

Wellness-/

Studienreisen

Städtereisen

Feriendomilize

Reisebausteine

Badereise Fitnessreisen

Programmbreite

Abb. 5-12: Leistungsbreite und -tiefe am Beispiel Reisen Innovationsstrategien haben vor allem folgende Stoßrichtung: •

Ablösung nicht mehr marktgerechter Leistungen (Eliminierung)



Schaffung zusätzlicher Nachfrage



Verbesserung der Portfoliostruktur



Schaffung einer zumindest temporären Alleinstellung im Markt



Verbesserung bzw. Erhalt des Unternehmensimages



Stärkung der Marke(n) und Erhaltung deren Aktualität



Erschließung neuer Märkte oder Marktsegmente (Diversifikation)



Erschließung neuer Beschaffungsmärkte (Netzwerk- oder Servicepartner, Lieferanten...)



Organisationsoptimierung auf dem Weg zur Customer Driven Company

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

85

Um Ideen für innovative Leistungen zu finden, gibt es eine Reihe von Quellen, die fast allen Unternehmen zur Verfügung stehen. Zunächst sind es die eigenen Mitarbeiter, die Kunden, Lieferanten/Serviceleister und Netzwerkpartner, die mit Ihren Hinweisen und Vorschlägen innovative Angebote initiieren können (vergl. Abbildung 5-13). Hinzu kommen besondere Anlässe, wie z.B. die Fußball-WM 2006, die Auslöser für viele neue „WM-Angebote“ in Deutschland war, und auch das Mozartjahr in Österreich brachte neue Dienstleistungsangebote. Die systematische Erforschung der Märkte und das Benchmarking können ebenfalls Auslöser von Innovationen sein. Zur Erschließung neuer Ideen bieten sich Expertengespräche, Kunden- oder andere Beiräte oder auch einfach Messe- oder Pressegespräche an. Die Nutzung von Kreativitätstechniken (z.B. Brainstorming, Methode 6-3-5, Delphimethode) oder systematischer Verfahren, wie Eigenschaftslisten, führen ebenfalls zu einer Vielzahl von Ideen. Diese müssen allerdings sehr genau auf ihre Erfolgschancen geprüft werden, damit nur solche ausgewählt und realisiert werden, die ein hohes Akzeptanzpotenzial bei den Kunden haben. Hierzu bieten sich Checklisten, Scoring-Modelle oder Wirtschaftlichkeitsanalysen an.

Leistungsideenquellen Leistungsfindung

Interne An- Kreativitäts- Kundenregungen techniken anregungen ƒQualitätszirkel ƒVorschlagswesen ƒWert-/ KostenAnalyse ƒusw.

ƒBrainstorming ƒSynektik ƒMethode 6-3-5 ƒFunktionsanalyse ƒusw.

ƒWünsche ƒAnfragen ƒReklamationen ƒBeschwerden ƒHinweise ƒusw.

Benchmarking ƒmit Besten der eigenen Branche ƒin Teilaufgaben mit anderen Branchen ƒmit internationalen oder nationalen Champions ƒusw.

Markt- Externe Anforschung regungen

Realisierung

ƒLieferanten ƒEigene Entwicklung obachtung ƒNetzwerkƒFremdƒKonkurrenz- partner entwicklung beobach- ƒPolitik ƒPatentkauf (Marke) tung ƒAnlässe ƒLizenzkauf ƒTrendana- ƒusw. ƒUnternehlyse menskauf ƒusw. ƒImitation ƒusw. ƒMarktbe-

Abb. 5-13: Quellen für Leistungsideen

86

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

Alternativ entscheidet sich ein Dienstleister, schon erfolgreich eingeführte Angebote der Konkurrenten zu imitieren bzw. in ähnlicher Ausgestaltung anzubieten. Imitationen sind heute nicht selten ein Ansporn für den Innovator, denn in einer dynamischen Welt profitieren meist sowohl der ursprüngliche Innovator als auch der Imitator und dann die Kunden (breiteres Angebot) durch eine entsprechende Entwicklung des Marktes (s. Leistungslebenszyklus in Abbildung 5-14). Nicht selten führt das ähnliche Angebot eines Konkurrenten auch dazu, dass plötzlich weitere potenzielle Kunden dieses Angebot nutzen/erwerben (z.B. durch vermehrte Werbung, Angebot in mehreren Katalogen oder Empfehlungen).

Innovations- bzw. Kaufbereitschaft der Käuferschichten im Lebenszyklus einer Leistung Absatz (Anzahl)

Frühe Mehrheit Späte Mehrheit (34%) (34%) Frühe Einsteiger Erfolg?

(14%)

Nachzügler

Innovatoren

(14%)

(2%)

(2%) Einführung

Restkäufer

Wachstum

Reife

Zeit

Sättigung Degeneration Marktausstieg

Leistungslebenszyklus

Abb. 5-14: Idealtypischer Leistungslebenszyklus Im Lebenszyklus einer innovativen Leistung findet sich stets ein Punkt, an dem die Entscheidung über den Markterfolg oder ein frühes Ausscheiden des Angebots fällt. Gelingt es einem Dienstleistungsanbieter nicht, über den engen Markt der innovationsfreudigen Kunden (vergl. Abbildung 5-14) hinaus weitere Kundenkreise zu erschließen, ist dies auch häufig das Ende dieses Angebots. Strebt man allerdings mit seiner Dienstleistung eine Alleinstellung an, ist die Exklusivität das Verkaufskriterium schlechthin (z.B. Girokonto ohne Kosten mit Gutschrift, Skifahren in einer Skihalle in der Wüste...). Und man benötigt einen klaren, differenzierenden

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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Abstand zu den Konkurrenten, z.B. auch durch bessere und erweiterte Services (z.B. die Center Parcs mit einem gratis „Kidsessen“) oder anderen Zusatznutzen. Entsprechend der jeweiligen Position im Lebenszyklus einer Leistung sind von jedem Dienstleister unterschiedliche strategische Maßnahmen zu ergreifen, um den Markterfolg zu garantieren. Anfänglich geht es um innovationsfördernde Maßnahmen, in der Wachstumsphase ggf. um Modifikationen zur Erreichung weiterer Kundenschichten und in der Reifephase dann um erste Leistungsdifferenzierungen zur Gewinnung breiterer Kundenschichten (vergl. Abbildung 5-14). Weitere Modifikationen, Differenzierungen und ggf. sogar ein Relaunch können im weiteren Verlauf des Lebenszyklusses hinzukommen, um auch eine späte Mehrheit der Kunden zu erreichen. In der Degenerationsphase werden ggf. mit weiteren (insbes. preislichen und sonderangebotsmäßigen) Diversifikationen noch die letzten erreichbaren Kunden angesprochen, bevor man sich dann irgendwann zur Eliminierung des Angebots, also den Marktausstieg, entscheiden muss. Und hinsichtlich der Struktur des eigenen Leistungsportfolios ist es für jeden Dienstleister notwendig, jederzeit über eine gesunde und zukunftsorientierte Mischung von „Stars“ (z.B. Wellnessreisen), „Cash Cows“ (z.B. Strandurlaube) und innovativen „Question Marks“ (z.B. exklusive Bausteinreisen) zu verfügen. Eng verbunden mit einer Leistung bzw. einem Leistungsprogramm ist sehr häufig ein Unternehmens- oder Markenname. Er dient der Markierung und damit der eindeutigen Identifikation durch die Kunden sowie der Unterscheidung/ Differenzierung gegenüber gleichartigen Dienstleistungen (Alleinstellung). Über Marken erfolgt eine Imagebildung bei (potenziellen) Kunden, die dann auch eine dauerhaften Vertrauensbasis aufbauen soll. Also soll ein Markenname eindeutig, leicht einprägsam und mit einer positiven, zur Leistung passenden Vorstellung verbunden sein. Das Markenimage ist ganz entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg einer Leistung bzw. eines Leistungsprogramms. Wenn es sich bei der Marke um einen Unternehmensnamen handelt, kann oft nur wenig Rücksicht auf das Image oder gar internationale Anforderungen genommen werden. Handelt es sich um einen seit langem erfolgreich eingeführten nationalen Markennamen, so ist vor einer internationalen Verwendung (juristisch; Markenschutz, sprachlich: ä, ö, ü, ß und Aussprache!) zu prüfen, ob nicht gerade dieser Name in anderen Sprachen eine andere oder ungewollte Bedeutung hat. Wenn im Rahmen einer ganzheitlichen Markierungsstrategie (siehe Abbildung 515) mit der Marke auch Logos oder Bildzeichen/Symbole, Abkürzungen oder Farbgebungen etc. verbunden sind, sind auch diese auf eine internationale Verwendbarkeit hin zu prüfen. Gerade hierbei besteht die Gefahr, negative Assoziationen in der nonverbalen Kommunikation (z.B. Mimik, Gestik, Symbole), Religion, Werten, Normen, Gepflogenheiten, Ästhetik oder Vorurteilen hervorzurufen (negativ besetzt sind z.B. purpurrot in Südamerika und weiß in Japan). Es gibt vier wesentliche Markenstrategien, die sowohl für Einzel- als auch Dachoder Mehrmarken, für Markenfamilien und den Markentransfer Bedeutung haben:

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben



weltweite Standardisierung des Markennamens/-zeichens (z.B. Lufthansa)



weltweit standardisiertes Markenzeichen mit z.T. länderspezifischen Markennamen (z.B. TUI)



weltweit standardisierter Markenname mit differenziertem Schriftzug



differenzierte Markennamen- und -zeichenstrategie

Schutzfähige Markenzeichenparameter Zeichenarten Optische Zeichen Sprachzeichen

Akustische Zeichen

Bildzeichen Gesprochenes Wort

ƒElemente (Striche, Buchstaben, Ziffern) ƒWörter/Namen ƒKombinationen

ƒAbstrakte Bildzeichen ƒStilisierte Bildzeichen ƒRealitätsnahe Bildzeichen

Töne, Jingle, Musik Geräusche

Wort-Bildzeichen-Kombinationen

Abb. 5-15: Europäisch und international schutzfähige Markenzeichenparameter Weiterhin unterscheidet man zwischen Marken des (H)Erstellers einerseits und der Mittler- bzw. Handelsseite andererseits (vergl. Abbildung 5-16). Diese Marken können gelegentlich auch in Konkurrenz zueinander stehen, wenn keine durchgängige Marketingstrategie bis zum Endkunden besteht. Quasi als Markenersatz dienen unterschiedliche Gütesiegel zur Vertrauensbildung bei unsicheren Kunden (z.B. Sterneklassifikation der Hotellerie, Bäume-Auszeichnung des Wellnessverbandes...). Güte-, Umwelt- oder auch Sozialzeichen sind international relativ wenig durchgesetzt und die Kriterien weichen z.T. erheblich voneinander ab. Für viele Kunden verlieren solche Gütezeichen ihre vertrauensbildende Bedeutung, wenn sie regional unterschiedliche Kriterien und Qualitätsaussagen aufweisen.

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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Markenstrategien von (H)Erstellern und Mittlern/Handel Strategische Geschäftsfelder

Betriebsformen u. Zielgruppen

Leistungen

Leistungsgruppen

Marken Unternehmensmarken Markendienstleistungen Produzent, Ersteller

Markierte Leistungen Gütesiegel u.ä.

Betriebsformen-/ Mittlermarken

Handelsmarken Mittler/Handel

Abb. 5-16: Markenstrategien für Dienstleistungen Nicht zuletzt seit Markenwerte in der Bilanz aktivierbar sind, hat der Markenwert eine noch größere Bedeutung erhalten. Die Unternehmen stellen fest, dass die sog. immateriellen Werte des Mitarbeiter-Know-hows und der Marken die anderen Anlagewerte häufig deutlich übertreffen (vergl. Abbildung 5-17), wenngleich die diversen Bewertungsverfahren zu unterschiedlichen Ergebnissen führen (in Österreich gibt es inzwischen die Norm ONR 16800). Die Bedeutung des Markenwertes gilt insbesondere für Dienstleistungsunternehmen, und das umso mehr je weiter sich die Anbieter im Rahmen ihrer Kundenstrategien zur Customer Driven Company entwickelt haben. Dienstleistern stehen mehrere Markenstrategien zur Verfügung, allen voran die Bildung einer starken Anbietermarke (Franchisemarke, Veranstaltermarke...). Die Entscheidung, zusätzlich Familien-/Gruppen- bzw. Mehrmarken anzubieten, wurden von Dienstleistern in unterschiedlicher Weise getroffen, denn sie hängt vom Leistungs- bzw. Programmangebot der Anbieter ab (vergl. Abbildung 5-17). Einzelmarken gibt es vor allem bei Einzelunternehmen (gelegentlich einschl. Dachmarken), sowohl auf der Erstellerseite als auch Mittlerseite, oder Unternehmensgruppen/-ketten (Deutsche Bank, Maritim...). Manche verfügen neben Einzelmarken auch zusätzlich über Gruppenmarken je nach besonderen Ausprägungen der

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

Dienstleistungsanbieter. Zu Quasi-Marken werden z.B. Leserangebote bestimmter Zeitungen, die vom etablierten Namen der Zeitung (WELT; ZEIT etc.) profitieren.

Wertsteigerung einer Customer Driven Company Werte Markenwerte - Unternehmens- (TUI AG)

„Added

name/-marke (World of TUI) - Dachmarke - Familien-/ (Robinson Gruppenmarke Club, Gebeco) - Einzelmarke (RIU Hotel)

Value“

Vermögens- + Anlagewerte

MitarbeiterKnow-how (Kontakte)

MitarbeiterKnow-how (Kontakte)

Vermögens- + Anlagewerte

Vermögens- + Anlagewerte

Zeit/ Entwicklung zur Customer Driven Company

Abb. 5-17: Markenwerte steigern Werte insbesondere von Dienstleistern Marken dienen in ganz erheblichem Umfang der Vertrauensbildung bei den Kunden, denn Markenleistungen lassen stets gleich bleibende Qualitäten oder sich allenfalls verbessernde Qualitäten erwarten, was i.d.R. durch eine umfangreiche Endkundenwerbung unterstrichen wird. Bekanntheit und einheitliches Auftreten über alle Kommunikations-/Vertriebskanäle bilden die erste Vertrauensebene (vergl. Abbildung 5-18), die dann durch Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Kompetenz, Innovationen, Convenience, ein stimmiges Preis-Leistungsverhältnis sowie operative Qualität/Exzellenz untermauert wird. Treten dann noch emotionale Erlebnisse und (relativ) persönliche Kundenbeziehungen hinzu, ist die höchste Vertrauensebene bei den Kunden erreicht, die sich dann auch nicht mehr so leicht erschüttern lässt. Nicht nur eine Marke ist mit Qualität eng verbunden, sondern generell erwarten Dienstleistungskunden von allen Dienstleistungen ein bestimmtes Mindestmaß an Qualität bzw. operativer Exzellenz. Qualitätsorientierung bzw. ein Total Quality Management (TQM) wird also von Dienstleistungsanbietern zumindest in gewissem Umfang erwartet. Wenn ein solches Qualitätssystem dann auch noch extern kontrolliert und zertifiziert ist, wie beispielsweise „Qualitätsweg wanderbares

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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Deutschland“ oder „Qualitätsbetrieb Hermannshöhen“ (CEN/ISO, HOTREC...) oder durch den Gewinn von (internationalen) Quality-Awards dokumentiert wird, dann wirkt dies noch glaubwürdiger und wird von vielen Kunden gern honoriert. Auch wenn es weltweit z.B. unterschiedliche Hotelklassifizierungen gibt, ist die 7Sterne-Auszeichnung des Hotels Burj Al Arab in Dubai nur ein Marketinggag.

Marken Marken -- Vertrauensbildungsebenen Vertrauensbildungsebenen Emotionale Differenzierung und Ansprache

Operative Exzellenz

Durchgängige Präsenz

Zuverlässigkeit

Identität

Bekanntheit

Kunde

Innovation

Einheitliche Erscheinung

Kompetenz

Vertrauen Convenience

Alle Kanäle Gute Leistung Emotionale Erfahrungswelt (Erlebnis)

Alle Kontaktpunkte Angemessene Preise Persönliche Kundenbeziehungen

Abb. 5-18: Marken bilden Vertrauen bei Kunden Und zur Qualität zählt auch der gut organisierte Umgang mit Beschwerden und Reklamationen der Kunden unter dem Begriff Beschwerdemanagement. Unternehmen müssen dabei bedenken, dass die Kundensicht i.d.R. bei vielen Prozessen deutlich von der Unternehmenssicht abweicht (vergl. Abbildung 5-19); denn Kunden interessiert nicht, wie geleistet und wann gelagert wird, sondern eher Zeitpunkt, Qualität oder Service. Und wenn die Kundenerwartung besonders hoch (z.B. durch entspr. Werbung) und die wahrgenommene Abweichung besonders groß ist, kommt es zu besonders vielen Beschwerden (vergl. Abbildung. 5-20). Grundsätzlich sollte jedes Dienstleistungsunternehmen bestrebt sein, jeden unzufriedenen Kunden zu identifizieren und wieder zufrieden zu stellen, um eine negative Mund-zu-Mund-Propaganda zu vermeiden. Und gerade im Dienstleistungssektor spielen persönliche Empfehlungen eine besondere Rolle beim Kaufentscheid.

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

Kunden denken in...

Unternehmen denkt in ... Lieferzeit/ Verfügbarkeit Preis/ Finanzierung Service Qualität Sicherheit (Vertrauen) Beschaffung /Einkauf

Produktion/ Erstellung

Vertrieb/Absatz

... Nutzen und Convenience !

Kundenorientierung vs.Funktionsorientierung

Know-how/Personal Lager/Logistik

... Funktionsoptimierung und Gewinn ! Abb. 5-19: Kundenerwartung weicht von Unternehmenssicht ab

Beschwerdeschwerpunkte Konfirmations-/Diskonfirmationsparadigma als Grundlage für das Verständnis der Beschwerdeausprägung

hoch

„Beschwerde Epi-Zentrum“

Leistungsmanagement Erwartungsmanagement (Kunden)

niedrig

Niveau der Erwartungshaltung

Stoßrichtungen:

niedrig

hoch

Grad der Abweichung zur Erwartung

Abb. 5-20: Beschwerden durch abweichende Erwartungen

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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Durch ein kundenadäquates Beschwerdemanagement lassen sich oft unzufriedene Kunden in zufriedene Kunden verwandeln und sogar dauerhaft an den jeweiligen Anbieter binden (vergl. Abbildung 5-21). Allerdings ist es effektiver, bei der Beschwerdebehandlung auf Kundenwertberechnungen zurückzugreifen, um guten Kunden besonders entgegen zu kommen zu können. Zu einem guten Beschwerdemanagementsystem gehört auch das spätere Nachfassen bei den Kunden, ob nun alles zu deren Zufriedenheit erfüllt sei. Ggf. ließe sich nämlich an diesem Punkt noch etwas korrigieren, wenn etwas nicht so gut beim jetzt unzufriedenen Kunden angekommen ist.

Beschwerdemanagement

Vorgang Beschwerde- KundenFeedback bewerten/ initiierung beschwerde aufnehmen zuordnen

Entscheidung am Kundenwert orientiert treffen

Kunden zufrieden stellen und informieren

Nachfassen

Abb. 5-21: Beschwerdenmanagement in Prozessschritten Im Rahmen eines Beschwerdemanagementsystems ist der Multi-Kanal-Ansatz genauso wichtig, wie in der werblichen Kundenkommunikation, da es auf diese Weise unzufriedenen Kunden erleichtern werden soll, mit dem Anbieter in Verbindung zu treten. Aber das Beschwerdemanagement soll nicht nur passiv sein, sondern auch Bewertungen bzw. Beschwerden durch Kunden-/Gästebefragungen, Auslegen von Bewertungsunterlagen aktiv stimulieren. Denn nur wenn ein Anbieter seine Schwachstellen kennt, kann er sie beseitigen und ein positiveres Image erreichen. So finden sich beispielsweise in den Ramada-Hotels ein Faltblatt GästeKommentar (mit Hinweis auch auf Internet und Free-Call-Hotline) auf den Zimmern und eine Karte, mit der Bitte nach Kommentaren und Tipps, zusätzlich auf

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

den Tischen des Restaurants. Auch Kunden der Banken, Passagiere in Flugzeugen oder Nutzer von Wellnesseinrichtungen werden immer wieder befragt.

Intensität der Kundenbeziehung

Entwicklung von Kundenbeziehungen Begeisterter Kunde / Empfehlender Loyaler Kunde

Kundenbindung Kundenakquisition

Sympathisant

Nachkäufer

(sehr) zufrieden

Beschwerdemanagement

(Erst-)Kunde

unzufrieden Potenzieller Kunde

Churn-Management

Wechselkandidat Wechsler/ Abwanderer

Interessent

Zerstörer (neg. Kommunikation)

Dauer der Kundenbeziehung

Abb. 5-22: Notwendigkeit zum Management von Kundenbeziehungen Eng verbunden mit dem Beschwerdemanagementsystem ist das Kundenrückgewinnungsmanagement (Churn-Management, vergl. Abbildung 5-22). Denn unbefriedigend gelöste oder gar nicht gemeldete Beschwerdefälle lösen oft die Abwanderung der Kunden aus. Die Anlässe bzw. Beweggründe, einem Anbieter den Rücken zu kehren, verändern sich im Laufe des Kundenlebenszyklus. Die genauen Gründe gilt es zu erforschen, um frühere Kunden zu reaktivieren. Wenn ein Dienstleister über eine gute Kundendatenbank und ein System der Kundenwertberechnung verfügt, besteht die Möglichkeit, interessante, aber abgewanderte Kunden zu kontaktieren und sie mit Verlosungen, Incentives etc. dazu zu motivieren, ihre Abwanderungsgründe offen zu legen. Dadurch ergäbe sich ein Ansatzpunkt, noch im Nachhinein eine gewisse Zufriedenheit herzustellen oder zumindest die Kunden zu einem neuen Kauf zu bewegen (Gutscheine, Coupons...) und auf diesem Weg die übliche Negativ-Kommunikation zu reduzieren.

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

5.2.2

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process management

In diesem Abschnitt lernen Sie die Bedeutung einer guten Prozessorganisation in allen ihren Teilbereichen für ein optimales Qualitätsempfinden der Kunden kennen. Zu den zusätzlichen Marketinginstrumentalbereichen zählt die eng mit Dienstleistungen verbundene Prozesspolitik (2. Phase des Dienstleistungsprozesses) bzw. die durch Managementoptimierung mögliche Beeinflussung der Verrichtungsqualität. Denn die Art und Weise, wie Dienstleistungen an oder im Auftrag dieser Kunden (an Menschen oder Dingen) erfolgen, ist ausschlaggebend für deren Erfolg. Durch eine effiziente Gestaltung der Leistungsabläufe und eine adäquate Organisationsstruktur (z.B. mit klaren Zuständigkeiten) lässt sich eine Leistungserstellung optimieren. „

Prozesspolitik - process-management Prozessmanagement Interaktionstechnik persönlich automatisiert Telefonat SMS MMS WAP/i-mode E-Mail leichte Response

Interaktionsprozess Geschwindigkeit Convenience Erkennbarkeit Kosten Bedienungsfreundlichkeit Bearbeitungsqualität

Erstellungsprozess professionell reproduzierbar qualitätsorientiert individuell vs. kollektiv persönlich vs. automatisiert Projektorganisation

Abb. 5-23: Elemente der Prozessqualität/-organisation In jeden Fall erwarten Kunden, dass der Leistungserstellungsprozess (angemessen) professionell, gut organisiert/vorbereitet (Prozessexzellenz, Qualitätsmanage-

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

ment!), möglichst immer wieder in gleicher Art reproduzierbar (nach Handbüchern...) und wunschgemäß (un-)persönlich oder kollektiv oder individuell abläuft. Bei größeren Leistungspaketen bietet sich hierfür sicherlich die Projektorganisation als eine zielgerichtete, erprobte und auch international akzeptierte Organisationsform an (vergl. Abbildung 5-23). Während des Erstellungsprozesses muss auch ähnlich wie beim Interaktionsprozess Rücksicht auf die jeweiligen Einstellungen und Werte der Kunden genommen werden. Aus diesem Grund sind bei aller angestrebten Standardisierung in gewissem Umfang kundendifferenzierte Vorgehensweisen sinnvoll. Dem Interaktionsprozess kommt eine weitere zentrale Bedeutung in dem interaktiven Marketingprozess zu (vergl. Abbildungen 5-23). Dieser beeinflusst stark das Qualitätsempfinden der Dienstleistungskunden, angefangen von den ersten Kontakten zum Dienstleister bis hin zur Durchführung der Dienstleistung. Angesichts ggf. vorhandener unterschiedlicher kultureller und wertemäßiger Hintergründe der Kunden werden sich auch deren Anforderungen an die verschiedenen Ausprägungen (Freundlichkeit, Bequemlichkeit, Schnelligkeit, Bearbeitungsqualität...) unterscheiden. Im Rahmen des Interaktionsprozesses sind gut informierte und geschulte Mitarbeiter eines Dienste leistenden Anbieters in der Lage, Weiterempfehlungen durch ihre Kunden zu initiieren (siehe auch Abschnitt 5.2.7) oder auch gleich mögliche Beschwerdegründe aus dem Weg zu räumen. Unterschiedliche Erwartungen der Kunden lassen sich auch hinsichtlich der zu nutzenden Interaktionstechnik feststellen, wobei in diesem Feld die Gewohnheiten und Erwartungen stark durch das Alter der Kunden und den jeweiligen Stand der vorhandenen Technik geprägt werden. Bei der Frage nach einer Akzeptanz automatisierter und unpersönlicher Interaktion kommen allerdings auch sozio-kulturelle Aspekte zum tragen, die sich insbesondere von Land zu Land unterscheiden. Gerade dem weit verbreiteten Wunsch nach persönlicher Interaktion sollten auch Dienstleistungsanbieter Rechnung tragen. Auf jeden Fall ist es sinnvoll, den Kunden soweit möglich die Auswahlmöglichkeit der präferierten Kommunikationsmedien zu überlassen.

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

5.2.3

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physical facilities

In diesem Abschnitt lernen Sie die Wichtigkeit eines guten Erscheinungsbildes gegenüber den Kunden, sowohl beim Verkauf und in der Kundenkommunikation „ als auch während der Dienstleistungserbringung kennen. Eng mit der Distributionspolitik (Vertrieb) und der Leistungspolitik hängt dieser weitere Instrumentalbereich zusammen, mit dem das Erscheinungsbild gegenüber den Kunden positiv gestaltet bzw. beeinflusst wird. Es handelt sich dabei zum einen um den Bereich der Geschäfts- oder Dienstleistungsräumlichkeiten, die bei Kunden besondere Beachtung finden (vergl. Abbildung 5-24), zum anderen geht es dabei um das Erscheinungsbild gegenüber den Kunden auf den verschiedenen Kommunikationskanälen beim Multi-Kanal- bzw. Cross-Channel-Marketing. Dabei ist zwischen der Präsentation als solcher und dem Erscheinungsbild beim Kunden zu differenzieren. „ „

Ausstattungspolitik – physical facilities Erscheinungsbild Geschäftsräume des Vertriebs Ausstattung Ausleuchtung Bequemlichkeit Anbiente Beschallung Info-Material Services Web-Cam

Empfangsgerät

Bildschirm Auflösung Darstellung Display Größe Farbe, S/W Darstellung Tastatur Bedienung Software

virtuelle Umgebung

Orte der Leistungserbringung

Gestaltung WWW-Homepage Gestaltung WAP-Page Portal

Abb. 5-24: Erscheinungsfaktoren gegenüber Kunden

Erscheinungsbild Ästhetik Farbgestaltung Design Ambiente Bequemlichkeit, Komfort Ausstattung Ausleuchtung Sauberkeit Services Technik Web-Cam

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

Insbesondere bei Dienstleistungen spielt die unmittelbare Umgebung, in der die Leistung erbracht wird oder in der die Kunden vor Dienstleistungserbringung warten, eine große Rolle. Gibt es z.B. Zeitschriften, Videos, Musik, Getränke oder andere Dinge, um die Wartezeitempfindung zu verkürzen, wird dies von den Kunden positiv bewertet. Ist die Gestaltung des Dienstleistungsraumes oder auch Transportmittels etc. freundlich, hell und komfortabel, wird auch die Einstellung der Kunden gegenüber der Dienstleistung selber positiv beeinflusst. Eine gute (Vor-)Information und Vorbereitung der Dienstleistungssituation steigert ebenso das Wohlbefinden, wie Erklärungen und die weitere Kommunikation während des Dienstleistungsprozesses (vergl. auch Abschnitt 5.2.7). Schmeichelnde Musik, eine gestylte oder ästhetisch gestaltete Umgebung sowie angenehme Temperatur und Luftfeuchtigkeit fördern ebenso ein positives Dienstleistungserlebnis, wie ggf. Düfte oder eine ansprechende Beleuchtung. Ähnliches gilt fast uneingeschränkt für Verkaufs- oder Präsentationsräume für Leistungen, die erklärt oder besonders präsentiert werden müssen und die die Kunden ggf. gern ausprobieren oder näher in Augenschein nehmen möchten. Besonders im B-to-B-Geschäft sind eine angenehme bzw. angemessene Umgebung und eine umfassende, ggf. visuelle oder physische Information für einen Vertragsabschluss sehr förderlich. Aber das, was als positiv, angenehm, angemessen, informativ oder komfortabel empfunden wird, unterscheidet sich wiederum von Zielgruppe zu Zielgruppe und von Region zu Region. Auch die Einflüsse aus dem natürlichen Umfeld (z.B. Klima, Wetter) von besonderer Bedeutung bei der Gestaltung der Dienstleistungsumgebung und Geschäftsräumen in unterschiedlichen Regionen. Manchmal wird auch bewusst eine andere als die Geschäftsumgebung für Verhandlungen, Geschäftsabschlüsse oder deren Vorbereitung. gewählt. Die Gestaltung der Räumlichkeiten ist auch unter dem Aspekt eines attraktiven Erscheinungsbildes in den neuen Kommunikationskanälen, insbesondere TV, Internet und Mobilnet von Bedeutung. Denn Video-, Web- und Mobilcams werden immer beliebter und sollen solche Bilder und Eindrücke übermitteln, die eine positive Reaktion bei Kunden hervorrufen. Also muss auch auf eine kameragerechte Gestaltung so erfasster Räumlichkeiten bzw. Umgebungen geachtet werden. Die elektronische Kommunikation via Internet und Mobilnet stellt ebenfalls Ansprüche an die verwendete Hardware (Technik) und Software. Ist im Internet eine weltweite Harmonisierung bzw. Standardisierung der Technik erreicht, allerdings verfügen nicht alle Nutzer über die neueste Empfangs- und Verarbeitungstechnik bzw. -software. Von einer solchen Vereinheitlichung ist insbesondere die digitale Mobilkommunikation noch weit entfernt, wenngleich die neuere UMTS-Technik erstmalig eine solche Harmonisierung ermöglicht und gleichzeitig einen qualitativ verbesserten Übertragungsstandard, ähnlich dem des Internets, erreichen könnte. Gleiche technische Standards ermöglichen darauf aufbauend auch gleichartige Softwarestandards. So lassen sich Homepages bzw. WAP-Pages und –Portale ein-

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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heitlich für alle Märkte der Welt gestalten. Hindernisse können dann lediglich im Bereich der Gestaltung entstehen, wenn bestimmte sprachliche und gestalterische Elemente nicht allen Kundenerwartungen gerecht werden. Aber auch die unterschiedlichen Empfangsgeräte in der elektronischen bzw. digitalen Kommunikation haben unterschiedliche technische und Software-Standards. Dies kann zu einer sehr differierenden Darstellung auf den jeweiligen Displays führen. Bestimmte Programmierungen der übertragenen Bilderseiten können von einzelnen Empfangsgeräten nicht oder nicht in adäquater Qualität empfangen werden, wie sie vom Sender vorgesehen wurden. Dies wird noch eine gewisse Zeit ein Hindernis für eine weltweit angelegte Kommunikation via Internet, insbesondere aber via Mobilnet sein. Auch die unterschiedliche Größe und Auflösung der verschiedenen Empfangsbildschirme lässt derzeit ein einheitliches Erscheinungsbild noch nicht immer zu. Klarheit und Farbgebung des Bildes werden derzeit noch nicht weltweit einheitlich wiedergegeben. Gewisse Schwierigkeiten liegen auch in der Bedienung bzw. Handhabbarkeit der unterschiedlichen Empfangsgeräte begründet. So ist nicht jeder Kunde in der Lage, die gleiche Art Information oder Präsentation über die elektronischen Kanäle zu erhalten und sie in gleicher Weise zu realisieren. Auch die technischen oder physischen Kommunikationsmöglichkeiten sind durch zu kleine oder nicht vorhandene Tastaturen eingeschränkt (auch andere Sprachen, die Bildzeichen verwenden, wie z.B. das Chinesische, bieten Probleme). Der technische Fortschritt und die weltweite Normung bzw. Harmonisierung der Techniken wird sicherlich zu einer verbesserten Nutzung dieser Medien beitragen. Bis dahin müssen aber von jedem Dienstleistungsanbieter die Unzulänglichkeiten der elektronischen Kommunikation berücksichtigt werden.

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

5.2.4

price

In diesem Abschnitt lernen Sie die Instrumente der Kontrahierungspolitik, insbesondere die Preisgestaltungsmöglichkeiten „ sowie die Individualisierungsmöglichkeiten in den Rahmenbedingungen kennen. Mit Hilfe der Kontrahierungspolitik können im Wesentlichen quantitative und monetäre Ziele verwirklicht werden, wenn entsprechende Preisstrategien ihre Umsetzung finden. Dabei geht es z.B. um die Leistungs- bzw. Anbieterpositionierung hinsichtlich der Dimensionen Preis und Qualität bzw. Image (z.B. Premium- oder Low-Price-Angebot). Es ist grundsätzlich zu entscheiden, ob zielgruppen- bzw. kundenorientierte oder konkurrenzorientierte Preisstrategien gewählt werden. Darüber hinaus fallen der Kontrahierungspolitik insbesondere taktische Aufgaben zu. „ „

Kontrahierungspolitik - price Kontrahierungspolitik Preispolitik

Rabattpolitik

Preisbildung/-höhe Gebührenbildung/-höhe Preisdifferenzierung Yield Management Projekteinnahmen (Beitragsbemessung) Zugaben nützliche Geschenke (SponsorenEinnahmen)

Jubiläumsrabatte Mengenrabatte Barzahlungsrabatte Treuerabatte Sondertarife Sonderaktionen Frühbucherrabatte Probeabonnement /-mitgliedschaft

Liefer- u. Zahlungsbedingungen Zahlungsfristen Teilzahlungsmöglichkeiten Zahlungsart Reisebedingungen allg. Geschäftsbedingungen Vertragsbedingungen

Abb. 5-25: Elemente der Kontrahierungspolitik

Finanzierungspolitik Vorauszahlungsvorteile Teilzahlungen Vorfinanzierung Stundung

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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Wichtigen Einfluss auf die Kontrahierungspolitik haben die (potenziellen) Kunden, ihre Präferenzen und Kaufkraft, ihre Preisbereitschaft und Arbitrageneigung, die Erstellungs- und ggf. Transportkosten des Anbieters, Marktbedingungen, wie Konkurrenz oder Inflationsrisiken, sowie gesetzliche Vorschriften. Diese grobe Aufzählung verdeutlicht, dass ggf. mit unterschiedlichen regionalen Einflüssen zu rechnen ist und somit auch ein unterschiedlicher Einsatz der diversen Instrumente der Kontrahierungspolitik (vergl. Abbildung 5-25), die gelegentlich auch als Preispolitik i.w.S. bezeichnet wird, notwendig und sinnvoll ist. Der Kontrahierungspolitik, sprich der kundenbedürfnisorientierten Preisgestaltung (z.B. Festpreise oder Preisermäßigungen für Kinder...) einschließlich relevanter Nebenbedingungen, kommt im Rahmen einer Kundenstrategie eine wichtige Rolle zu.

Arten und Elemente der Preisfestsetzung Höhe des Verkaufs preises Verkaufspreis

vom Markt/Kunden akzeptierter Preis strategische Elemente

fixe + variable Kosten

Zielgewinn Provisionen

geplante fixe + variable Kosten

target-costing/ ZuschlagsZielkostenpreis kalkulation (kostenorientiert) (marktorientiert)

Marktelemente

fixe + variable Kosten

Preisstrategien Konkurrenz/ Nachfrage Zahlungsbereitschaft/ Image/ Attraktivität...

„break-even-point“

Gesamtpreis

Gewinnaufschlag/Marge Provisionen

Preis der Leistung

Strategische Preisgestaltung

Abb. 5-26: Strategieansätze zur Preisfestsetzung Im Zentrum der kontrahierungspolitischen Marketinginstrumente steht die Preisbildung bzw. -höhe mit ihren Differenzierungsmöglichkeiten. Bei der Festsetzung der Preise spielen die Kostensituation (Erstellungs-, Distributions-, Miet- und Personalkosten sowie Steuern und Abgaben) und die anderen Beweggründe eines Dienstleisters (Gewinnerzielung, Risikoausgleich, Auslastung, Marktstellung...) nur noch partiell eine Rolle. Die jeweilige Preisbereitschaft (target pricing, vergl.

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

Abbildung 5-26) verbunden mit dem Image der Dienstleistung (Standard oder Exklusivität), die Kaufkraft und die gewählte Preisstrategie des Anbieters haben tendenziell eine größere Bedeutung für die Preisfestsetzung. Allerdings führen eine steigende Preistransparenz (Konkurrenz, Internet, Kataloge, einheitliche Währung, eigene Erfahrungen...) dazu, dass solche Strategien ggf. weniger Erfolg haben können, wie der Druck auf die Anbieter. im EURO-Raum zur Preisangleichung (Preiskorridorstrategie) zeigt. Einer Preisgestaltung, die strategischen Differenzierungen Raum lässt, gehört die Zukunft. Eine Erhebung (TNS-Infratest, September 2005) brachte die Bestätigung, dass die Deutschen eine hohe Preissensibilität aufweisen, allerdings bis zu 49 % der Befragten der Qualität einer Dienstleistung oder dem Wunschleistungsangebot Vorrang vor dem Preis einräumen. Nur 20 % geben dem Preis z.B. beim Reisen Vorrang. Bei den meisten Angeboten ist eher ein vernünftiges Preis-Leistungsverhältnis gefragt. Bei preislich beworbenen Dienstleistungen spielt aber auch der optische Eindruck vom Preis bei den Kunden eine wichtige Rolle, 29 € zzgl. Steuern werden eindeutig gegenüber 33 €. incl. Steuern bevorzugt. Präferiert werden auch absteigende Ziffernfolgen, da sie niedriger wirken: 432 € schlägt psychologisch 429 €. Das Preis- bzw. Kostenbewusstsein in den Unternehmen ist angesichts vieler Sparprogramme deutlich angestiegen: so konnten z.B. Luxushotels ihre Preise in Deutschland entgegen weltweiter Preissteigerungstrends nicht oder kaum erhöhen. Low-Cost-Airlines werden ebenfalls zunehmend von Geschäftsreisenden benutzt. Jetzt gibt es sogar auch Low-Cost-Zubringer zum Flughafen (www.hlx.com) für 19 € oder das entsprechende Low-Cost Hotelangebot (www.eayshotel.com). Und um geschäftlich noch kostengünstiger zu reisen oder zu tagen, werden. einzelne Leistungen zunehmend via Internet gebucht. Allerdings verstehen es die viele Dienstleister, insbesondere Versicherungen oder Reiseveranstalter, ihre Preisgestaltung bzw. -differenzierungen durch eine Unübersichtlichkeit des Angebots und eine mangelnde Preistransparenz zu kaschieren und/oder das Angebot als exklusiv zu positionieren. Neben der schon erwähnten geografischen Preisdifferenzierung gibt es noch weitere Preisdifferenzierungsstrategien, nämlich personenkreisbezogen (Studenten, Senioren...), mengenbezogen (Frequent-Traveller, 6-er Flugcard, Theater- oder Konzertabonnements, Bahncard 100...), zeitbezogen (Yield Management: Last Minute, Best- oder Tagespreise, Wochenendpreise, günstige Mittagsmenüs, Nachtzuschläge, Happy Hour...) oder verwendungsbezogen (Preise für Geschäftsreisende und Touristen). Dabei gibt es unterschiedliche Übungen der Dienstleister und differenzierte Erwartungshaltungen je nach den Prägungen der Kunden. Gerade einem effektiven Yield-Management kommt in der mit Fixkostenblöcken konfrontierten Dienstleistungsbranche eine zentrale Bedeutung zu: Denn YieldManagement bedeutet Ertragsoptimierung durch eine Abschöpfung der zahlungsbereiten und -fähigen Kunden (durch Preisstaffelung nach Kundenkategorien). Weitere Gründe sind das Erreichen gewünschter Verkaufs- bzw. Buchungsziele (durch Preisstaffelung nach Einkaufszeitpunkten, wenn schon frühzeitig Anrechte

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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auf die Inanspruchnahme der Leistungen erworben werden können) und eine regelmäßige Auslastung (Preisstaffelung nach Konsumzeiten, vergl Abb. 5-27).

Yield Management - Systeme Ertragsoptimierung

Staffelung nach Marktsegment/ Kundenkategorie

Staffelung nach Konsumzeit

Staffelung nach Verkaufs-/ Buchungszeit

Abschöpfung

Regelmäßige

Erreichen eines

Konsumentenrente

Auslastung

Verkaufsziels

Abb. 5-27: Yield-Management optimiert Erträge der Dienstleistungswirtschaft Manche Dienstleistungen unterliegen auf Grund von (Betriebs-)Ferien, üblichen Arbeitszeiten (Geschäftsreisen während der Woche), wechselnden klimatischen Bedingungen im Jahresablauf oder Kundenwünschen/-bedürfnissen starken Nachfrageschwankungen. Dies führt zwangsläufig auch zu einem stark schwankenden Auslastungsgrad oder sogar dem Verfall der Leistung durch Nichtinanspruchnahme z.B. bei Hotels, Fluglinien, Bahnen und Bussen, Bars, Skiliften, Schwimmbädern, Kinos etc; diese Schwankungen wiederum bringen auch Friktionen für das Servicepersonal und die Kunden mit sich (vergl. Abbildung 5-28). Eine zu starke Nachfrage kann gelegentlich die vorhandene Kapazität übersteigen, wodurch die Notwendigkeit zu Absagen an Interessierte besteht, oder es können Wartezeiten/-schlangen und räumliche Enge etc. entstehen. Und all dies führt zur Unzufriedenheit bei den Kunden, die noch dadurch verschärft werden kann, dass das Servicepersonal dem Stress nicht gewachsen ist und unfreundlich reagiert. Dies führt wiederum zu Qualitätseinbußen, die dem Image der jeweiligen Dienstleister schaden können und meist zu Geschäftseinbußen führen. Aber auch schon vor Erreichen der Kapazitätsgrenze sind bei Überschreiten der optimalen Kapazitätsaus-

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

lastung negative Auswirkungen festzustellen, die auch zu Zusatzkosten führen können, wie z.B. zusätzliche Ordnungskräfte, mehr Verunreinigungen oder mehr Beschwerden (vergl. Abbildung 5-28).

verfügbare Höchstkapazität

Optimale KapazitätsAuslastung und Dienstleistungsqualität

Nachfrageüberschuss führt zu Qualitäts- und Geschäftseinbußen, Enge, Wartezeiten, Unzufriedenheit (Demoralisierung der Mitarbeiter durch Überforderung)

Nachfrage nach Dienstleistungsangebot

(Qualität)

Kapazität

Nachfrageschwankungen, Auslastungsgrad und Leistungsqualität im Konsum

Nachfrage übersteigt optimale Kapazität und führt zu sinkender Servicequalität und fehlerhaften Leistungen Überschüssige Kapazität führt zur Demoralisation der Mitarbeiter und reduziert Aufmerksamkeit durch Überforderung; Erlebnisatmosphäre sinkt = > Qualitätseinbußen

Zeit

Abb. 5-28: Auswirkung der Nachfragschwankungen auf Kapazität und Qualität der Leistungen Doch auch das andere Extrem ist für Anbieter bestimmter Leistungen nicht wünschenswert, denn eine Unterauslastung führt durch Wartezeiten der Mitarbeiter zu deren Demotivation und verringerter Aufmerksamkeit. Es bestehen nicht genutzte Überkapazitäten, die möglicherweise durch die geringe Nutzung (Leere) zusätzlich zu Einbußen in der Erlebnisatmosphäre führen können. Also muss es zentrales Ziel der Anbieter sein, durch gezielte Steuerung der Nachfrage, zu einer Reduzierung oder im optimalen Fall sogar zu einem völligen Wegfall dieser Schwankungen zu kommen, um dann eine möglichst optimale Kapazitätsauslastung und damit auch eine optimale Dienstleistungsqualität zu erreichen. Meist liegen Dienstleistern, wie z.B. der Hotellerie oder bei Fluglinien, Erfahrungswerte aus den Vorjahren oder anderen relevanten Zeitperioden über die Entwicklung der Buchungsstände im Zeitablauf bis zum Termin eines Flugs oder einer Übernachtung vor. Ein solcher Verlauf der Buchungsstände lässt sich grafisch (vergl. Abbildung 5-29) oder tabellarisch erfassen. Eine übliche Streubreite (Vari-

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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anz) ist ebenfalls festzulegen, so dass zu jedem Zeitpunkt eine mögliche Abweichung von früheren bzw. geplanten Buchungsverläufen feststellbar ist. Die Anbieter der jeweiligen Dienstleistung haben somit die Möglichkeit bei Überschreiten der Varianzgrenzen absatzsteuernde Maßnahmen, wie z.B. Frühbuchervorteile oder ein „Weihnachtsgeld“ bei Buchung vor Weihnachten, Tagespreise, zeitlich begrenzte Zugaben oder Last-Minute-Angebote, zu ergreifen oder auszusetzen. Durch solche Maßnahmen lässt sich i.d.R. der aktuelle Buchungsverlauf so steuern, dass zum Zeitpunkt der Nutzung der Leistung alle Kapazitäten verkauft sind und eine optimale Auslastung erreicht wird.

Buchungsstand

Yield Management Buchungssystem Kapazitätsgrenze

Soll-Buchungs-

Aktueller

stand

Buchungsverlauf

Öffnen von billigen Tarifkategorien

Schließen von billigen Tarifkategorien

Durchschnittlicher früherer Buchungsverlauf Akzeptable Varianz

Flugtermin/ Hotelnacht...

Zeit

Abb. 5-29: Optimale Auslastung durch Yield-Management Bei anderen Dienstleistungen ergeben sich Schwankungen in der Nutzung bzw. im Konsums während des Tagesverlaufs, die auch durch geeignete Maßnahmen ausgeglichen oder zumindest reduziert werden können (vergl. Abbildung 5-30). Eine Bar erreicht einen guten Frequentierungsgrad meist erst ab 21 oder 22 Uhr, so dass sich Happy Hour Angebote zur besseren Auslastung zeitlich davor eignen. Restaurants sind häufig zur Mittagszeit nicht so gut frequentiert wie abends, daher gibt es meist eine Mittagskarte mit günstigen Menüangeboten oder eine spezielle Abendkarte. Ein Schwimmbad hat auch eher vormittags und mittags Auslastungsproble-

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

me, so dass es während dieser Zeiten reduzierte Eintrittpreise gibt. Wird aber ein zusätzliches Abendschwimmangebot gemacht, können vielleicht auch höhere Preise erzielt werden oder es sind auch Sonderaktionen, wie „Mitternachtsschwimmen“ denkbar. Ungleiche Besucherfrequenzen gibt es auch im Einzelhandel, denn früh morgens erreicht dieser meist weniger Kunden und könnte daher einen „Frühaufsteherrabatt“ o.ä. anbieten. Günstigere Tarife zu ungünstigen Nutzungszeiten bieten auch die Telefongesellschaften und einige Stromanbieter an.

Preisstaffelung nach Nutzungs- und Konsumzeiten Schwimmbad

Relative Höhe der Leistungspreise

Abendpreise 24 h

Vormittagspreise Einzelhandel

Früheinkäufer Rabatt

Happy

Bar

hour Restaurant

Abendkarte

Mittagsmenus Telefon gebühren

Staffelung nach Auslastung

0h

6h

12 h

18 24 h Zeitablauf eines Tages h

Abb. 5-30: Anreize durch Preissenkungen zu ungünstigen Nutzungszeiten Allerdings gibt es solche Auslastungsschwankungen nicht nur im Tagesverlauf, sondern auch während einer Woche zwischen Wochentagen und Wochenenden, z.B. in der Gastronomie oder Hotellerie, bei Kinos, Discos, Bahnen oder Bussen, Bars oder Skiliften etc., daher eignen sich bei diesen oftmals auch Preisdifferenzierungen oder Sondertarife/-aktionen. Weitere Schwankungen können sich im Jahresverlauf durch Schul- oder Betriebsferienzeiten, durch günstige oder weniger günstige klimatische Bedingungen z.B. durch Kälte, Hitze, Wind, Sturm, Schnee oder Regenzeiten ergeben. Touristische Anbieter versuchen z.B. solche Schwankungen durch sog. Nebensaisonpreise oder Hochsaisonzuschläge zu reduzieren.

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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Gelingen solche Maßnahmen zur Sicherstellung einer gleichmäßigen oder ausreichenden Auslastung, lassen sich die Kosten durch unproduktive Zeiten, nicht verkaufte Leistungen oder durch den Verlust von nicht (mehr) zu gewinnenden Kunden deutlich reduzieren. Die verbesserte Mitarbeitermotivation und das Gefühl der Kunden, gut aufgehoben zu sein und unter optimalen Bedingungen bedient zu werden, sind weitere positive Effekte, die zum Erfolg eines Dienstleisters beitragen, der Yield-Management-Instrumente einsetzt. Auch hinsichtlich der gewählten Eintrittsstrategie(n) neuer Angebote gibt es Varianten, die sich je nach Markt- und Konkurrenzsituation für die einzelnen Märkte eignen. Häufig gewählt wird die Skimmingstrategie mit einem anfänglich höheren Einstiegspreis (Exklusivität), aber auch die gegenteilige Strategie mit einem zunächst niedrigen Markteintrittspreis (Testpreis), der dann bei Marktakzeptanz angehoben wird, findet sich gelegentlich in der Dienstleistungswirtschaft. Die Promotionsstrategie setzt ebenfalls einen besonders günstigen Preis in den Mittelpunkt, wohingegen die Premiumstrategie auf einen gewissen Snobeffekt durch besonders hohen Preis baut. Für Markenleistungen ist im Gegensatz zu Zweit- oder Handel/Mittlermarken eher auch eine Hochpreisstrategie üblich. Auch sind über Leistungsbündel (Wochenendangebote von Hotels mit Theateroder Musicalbesuch, Menüangebote in Restaurants, Pauschalreisen, Versicherungspakete, Museums- oder Buskarten für Regionen etc.), Zugaben (Tankgutschein zur Kontoeröffnung....) oder sog. Bausteinsysteme (Flug und Leihwagen, Leihwagen und Hotelgutscheine...) und die damit verbundenen Möglichkeiten einer Preisbündelung zu entscheiden. So gibt es inzwischen in einigen Dienstleistungssektoren Tagespreise, z.B. beim sog. „Real Time Packaging“. Je nach Art des Geschäfts können aber auch für den Einzelfall Preisfestlegungen notwendig werden, z.B. bei Großveranstaltungen, Gruppen, Ausschreibungen, individuell erstellten Dienstleistungen, internationalen Projekten oder Spezialangeboten. In diesem Zusammenhang können neben den jeweiligen Zahlungs- und Lieferkonditionen auch Zugaben oder andere „nützliche Zuwendungen“ (vorsicht: Ethik, Korruption) eine Rolle spielen. Persönliche Zuwendungen/Geschenke unterliegen regionaler oder gruppenspezifischer Ethik und Praxis und sind noch relativ stark verbreitet (Korruption, Bestechung...), nicht selten werden diese formal als Provisionen ausgewiesen. Zugaben sind aber auch bei Sonderaktionen möglich, wie ein Extra-Flug (LTU-Sahnehäubchen), 10 Übernachtungen für den Preis von 7, Fitnessdrink bei Mitgliedschaft in einem Fitnesscenter oder eine Wellnessanwendung zusätzlich bei Buchung einer Reise in nutzungsschwachen Zeiten (Nebensaison). Zugaben sind ähnlich wie Rabatte nicht uneingeschränkt zulässig. Dennoch sind solcherart Konditionen genauso wie Sonderverkäufe und Preisbündelungen anlässlich vieler Gelegenheiten z.B. in den europäischen Nachbarländern weiter verbreitet als in Deutschland. Die Anlässe für eine Rabattgewährung können unterschiedlich sein, so unterscheidet man folgende Rabattarten, die oft auch Bestandteil von Loyalitätsprogrammen für (möglichst interessante/werthaltige) Kunden sind:

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben



funktionsbezogene (meist nur für Händler/Mittler)



personenbezogene



mengenbezogene



zeitbezogene und



regionale/geografische

Je nach Übung oder gewählter Markteintrittsstrategie können solche Rabatte zwischen den verschiedenen Märkten (jetzt z.B. auch Frühbucherrabatte bei frühzeitigem Versicherungswechsel vor Jahresende) und Regionen differieren. Auch die Höhe gewährter Rabatte ist regional und situationsbezogen unterschiedlich. In diesem Zusammenhang ist auch die Verbreitung der Arbitrageneigung (Graumarkt, Feilschen...) von großer Bedeutung. Preisverhandlungen werden in manchen Ländern als soziale Interaktion betrachtet und haben dabei auch soziale bzw. familiäre Beziehungen zu reflektieren.

Optimale Mischung der Clubleistungen

Harte Vorteile Rabatte, Boni, Coupons ...

Kundenbindungsziele werden durch „richtige“ Bindung der Clubleistungen erreicht

Weiche Vorteile Service, Tipps, Veranstaltungen, Sondereditionen, Clubkarte ...

Multi–Kanal–Dialog Call Center, SMS, Kundenmagazine, Newsletter...

Abb. 5-31: Kundenoptimale Mischung des Clubleistungen bringt Erfolg

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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Auch Zahlungsarten und Zahlungsziele unterscheiden sich oft stark regional und hängen meist von eingespielten (Branchen-)Usancen ab. In Deutschland findet bisher nur eine relativ geringe Differenzierung in diesem Instrumentenbereich statt, allerdings bringen die zunehmenden Nutzungsmöglichkeiten von Kredit- und Kundenkarten etwas Bewegung in dieses Feld. Es gibt inzwischen dutzende von Kundenclubs, die insbesondere die Werthaltigen Kunden mit geldwerten und anderen Clubleistungen an das editierende Unternehmen binden wollen (verg. Abbildung 531). Multipartner-Clubs (Payback, Happy Digits, Webmiles...) versuchen im Verbund gemeinsam Kunden zu binden, was allerdings unterschiedlich erfolgreich ist. LH Miles & More hat nur bestimmte Partner mit ins Boot genommen, ist aber weiterhin auf Lufthansa ausgerichtet und damit erfolgreicher (vergl. Abbildung 5-32).

Multipartner–Kundenclub bietet Vorteile für Kunden Gesammelte Bonuspunkte 3000

Einlöseschwellen für attraktive Prämien / Gutscheine

2000

Punkte aus Sonderaktionen 1000

Punkte von Partnern Punkte des emittierenden Unternehmens

Programm ohne Partner

Programm mit Partnern

MultipartnerProgramm

Abb. 5-32: Kunden- und Kostenvorteile durch Multipartner-Clubs Die allgemeinen Geschäfts- bzw. Reisebedingungen haben sich nach der jeweiligen nationalen Rechtslage bzw. ebenfalls nach vereinbarten Branchenusancen zu richten. Sehr langsam halten neue Finanzierungs- und Zahlungsmodelle für Dienstleistungen Einzug, so z.B. Teilzahlungsmöglichkeiten, Zahlung erst nach Abschluss der Dienstleistung oder Zahlungsausfallversicherungen gegen Arbeitsplatzverlust. Rahmenverträge sichern Großkunden, insbesondere im Geschäftssektor, Sonder-

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

konditionen, Rabatte und verlängerte Zahlungsziele. Gelegentlich sind aber auch Vorauszahlungen üblich, oft unter Gewährung sog. Skonti. Bei längerfristigen Vertragsbindungen oder Dauerleistungen sind auch Teil- bzw. Abschlagszahlungen gebräuchlich.

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

5.2.5

111

promotion

In diesem Abschnitt lernen Sie die acht Instrumentalbereich der Unternehmenskommunikation und deren wichtigste Einzelinstrumente im Hinblick auf den Einsatz für Dienstleistungen kennen. Die Kommunikationspolitik ist mit ihren einzelnen Instrumenten einer der traditionellen Marketingbereiche, wenngleich in den letzten Jahren neue Instrumentenbereiche (Events, Sponsoring) und Kommunikationskanäle (Internet, Mobilnet...) hinzu gekommen sind. Der Bereich PR gehört traditionell auch in diesen Bereich, wird bei uns allerdings aus systematischen Gründen dem neuen Bereich der „Public Voice“ zugerechnet. Die in Abbildung 5-33 dargestellten Instrumentenbereiche lassen sich noch in weitere Einzelinstrumente untergliedern, auf die wir noch im weiteren Verlauf dieses Abschnittes eingehen werden. „ „

Kommunikationspolitik - promotion Kommunikationspolitik klassische Werbung Zeitung Zeitschrift Radio TV Kino Internet Verzeichnismedien ...

Direktmarketing Mail E-Mail Katalog Fon Fax SMS ....

persönl. Verkauf Key Account Reisende Vertreter GF Vertragshändler Niederlassungen ...

Verkaufsförderung Display Zugabe Werbegeschenk Verlosung Club ...

Sponsoring

Sport Medien Kultur Sozial ....

Product Placement Filme Serien elektr. Spiele ...

Events Messen Erlebnis Emotion ...

CIPolitik CD CC CB CA

Multi-Kanal/Cross Channel/Integrierte Kommunikation

Abb. 5-33: Kommunikationspolitische Instrumente für Dienstleistungen

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

Es kommt bei einzelnen Instrumenten zu Überschneidungen zu den Abschnitten 5.2.6, 5.2.7 und 5.2.8, da einige Kommunikationsinstrumente z.B. auch im Vertrieb, zur Beeinflussung öffentlicher Meinung oder in der Mitarbeiterinformation einsetzbar sind. Denkbar wäre z.B. die Zuordnung des persönlichen Verkaufs zur Personalpolitik (Kundenkommunikation während der Dienstleistung), allerdings ist dieser direkte Verkauf eher als wichtiger Bestandteil der Kommunikationspolitik und der Distributionspolitik zu betrachten. Der Einsatz der Kommunikationsinstrumente verursacht tendenziell, bedingt durch die Kosten der ausgewählten Kommunikationsmedien, die höchsten Kosten innerhalb der Marketingbudgets (mit Ausnahme der PR). Daher bedarf es unter Effektivitätsgesichtspunkten einer sorgfältigen Planung und Budgetierung. Um einen effektiven und strategisch richtigen Einsatz der Kommunikationsinstrumente sicher zu stellen, muss berücksichtigt werden, dass heutzutage fast alle Menschen mit ihren Bedürfnissen ernst genommen und aktiv eingebunden werden wollen. Daher bedarf es einer veränderten Ansprache, nämlich des Direkt- und Dialogmarketings sowie der Berücksichtigung der Kundenwünsche mit Hilfe sog. Customization. Auch Kunden von Dienstleistern wollen häufig nicht ungefragt übermäßiger Werbung zum unerwünschten Zeitpunkt ausgesetzt sein; PullMarketing und Permission Based Interaction sind daher anstelle des traditionellen Push-Marketings eher gefragt. Auch wollen die potenziellen Kunden über die von ihnen präferierten Kanäle kommunizieren können. Daher wird ein Multi-KanalAnsatz (vergl. auch Abbildung 5-40) immer wichtiger, und es kommt somit zu einer gewissen Machtbalance zwischen Werbetreibenden und Kunden. Zunächst bedarf es eines tiefer gehenden Verständnisses für die avisierten Zielgruppen mit Hilfe einer Profilbildung auf Basis eines guten Databasemanagementsystems, wie in Abschnitt 4.4 dargelegt. Nur dann lassen sich die Kernbotschaften richtig wählen bzw. verschlüsseln und die richtigen Kommunikationsmedien für diese Werbebotschaften auswählen (verg. Abbildung 5-34). Das Grundmodell der Kommunikation verdeutlicht dabei, die möglichen Problemfelder, die es bei erfolgreicher Kommunikation zu umschiffen gilt. Der Absender der Kommunikation muss die Werbebotschaft so verschlüsseln, dass der Empfänger diese auch richtig entschlüsseln kann. Dabei kommt es auch auf die richtige Wahl des Übertragungsmediums an. Fremde Einflüsse (z.B. Werbung der Konkurrenz) kann bei einer Direktansprache weitgehend ausgeschlossen werden (verg. Abbildung 5-34). Hierbei muss weiterhin auch die Entscheidung getroffen werden, ob eher klassische (klar erkennbare) Kommunikationskanäle oder sog. (unterschwellige) „Below-the-Line“ Medien (Events, Sponsoring…) zur Ansprache potenzieller Kunden gewählt werden. Diese Entscheidung wird zunehmend unter Zielgruppen- und Dialoggesichtspunkten zu treffen sein, um Kunden besser einzubinden. Insbesondere gerade hinsichtlich der Dekodierung der Werbebotschaften müssen auch die (potenziellen) Kunden näher betrachtet werden. Welche Interessen, Bedürfnisse, Wünsche oder Ängste haben sie? Wie sind sie durch die soziale Umwelt, Freunde, Familie oder Beruf geprägt? Nur, wenn man seine Kunden kennt, kann

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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man sich soweit in diese versetzen, dass man eine Botschaft sendet, die diese auch richtig verstehen (dekodieren). Und nur, wenn eine Werbebotschaft richtig verstanden wird, kann es zu einer gewünschten Reaktion (Kauf, Buchung, Anfrage...) kommen. Daher müssen gerade Dienstleister ihre Kunden möglichst genau kennen. Dies ist mit Hilfe der Anwendung der Marktforschungsinstrumente (vergl. Kapitel 4) möglich.

Kommunikationsstruktur Aufbereitung Kodierung (Slogan ...)

(direkt) Botschaft (Medien) (indirekt)

Verarbeitung, Dekodierung

(A.I.D.A.)

Sender (Anbieter)

fremde Einflüsse (Konkurrenten, Umwelt)

Empfänger (Kunde)

Rückkopplung (Kauf, Buchung, Nachfrage, Abstinenz, Image, Einstellung).

Abb. 5-34: Kommunikationsstruktur verdeutlicht Anforderungen an Werbung Ausgestattet mit einer guten Kenntnis können die „richtigen“ Werbebotschaften formuliert werden. Dabei ist aber zu beachten, dass es zwei Ebenen der werblichen Ansprache gibt: die kognitive und die affektive (vergl. Abbildung 5-35). Auf der kognitiven Ebene lassen sich die harten Fakten und Vorteile einer Dienstleistung darstellen und kommunizieren. Aber inzwischen hat sich herausgestellt, dass selbst geschäftliche Käufe nicht nur auf Basis von Fakten und klaren Vorzügen getätigt werden. Auch geschäftlich-gewerbliche Einkäufer wollen bei der Einkaufsentscheidung eine gefühlsmäßige Zufriedenheit erreichen, die meist erst auf der affektiven Ebene entsteht. Daher ist bei einer werblichen Ansprache die affektive Ebene zumindest mit zu berücksichtigen, oftmals sogar vorrangig anzusprechen. Die meisten Kauf- oder Nutzungsentscheidungen werden (überwiegend) emotional

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

getroffen, dabei dienen Fakten oft nur zur logischen Begründung der Einkaufsentscheidung. Die richtige Mischung beider Ebenen führt zur gewünschten Entscheidung auf der konativen Ebene (vergl. Abbildung 5-35).

Kaufentscheidungsebenen iv affekt ne gsebe n u h ie ) = Bez lebnis nal/ Er (emotio

Reaktion konativ haft ereitsc lungsb ung) = Hand tz u g, N Buchun (Kauf,

iv kognit ebene h c a S = ten) al/ Fak (ration

Abb. 5-35: Entscheidungsebenen für Dienstleistungsnutzung Im Rahmen eines strategischen Marketingansatzes sind die konkret und eindeutig formulierten Kommunikationsziele Ausgangspunkt jeder Kommunikationsstrategie und der dazugehörigen Maßnahmen: z.B. Erzielen einer bestimmte Kontaktzahl zu potenziellen Kunden, Erreichen eines bestimmten Interessens- oder Aufmerksamkeitsgrades, eine positive Gefühlswirkung oder das Auslösen einer bestimmten Anzahl von Käufen/Buchungen (vergl. auch Kapitel 2). Bevor konkrete Kommunikationsmaßnahmen geplant werden, ist zunächst festzulegen, ob eine standardisierte (ggf. sogar globale) Kommunikationsstrategie oder besser eine differenzierte (regionale oder ggf. multi-nationale) Kommunikationsstrategie gewählt werden soll. Unter dieser Prämisse ist dann die Entscheidung über eine eher direkte oder eher indirekte werbliche Ansprache zu treffen. Je nach Präferenz sind dann diejenigen Kommunikationsmedien auszusuchen, die den jeweiligen strategischen Anforderungen der Werbung treibenden Dienstleistungsanbieter am besten gerecht werden.

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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Für eine eher standardisierte Strategie eignen sich TV, Radio, Kino, Zeitungen oder Zeitschriften und andere nationale oder ggf. supranationale Medien (Internet, Satelliten-TV...) bzw. Medienkooperationen. Wohingegen bei einer differenzierten Strategie die jeweils am besten zu den Zielgruppen passenden Medien (Special Interest Zeitschriften, Fachzeitungen, Kino, Regionalradio...) mit der angemessenen Werbeintensität ausgewählt werden sollten. Ggf. ist eine länderspezifisch übliche Werbeintensität zu berücksichtigen. So wird in den USA etwa die sechsfache Summe für Werbung ausgegeben als in Deutschland und in Japan immerhin noch fast das dreifache, in Franreich hingegen nur die Hälfte. Das Internet lässt sich sowohl zur Unterstützung der Vertriebskanäle als auch zur direkten Kundenansprache nutzen und soweit wie möglich bzw. nötig mit regionalen Inhalten differenzieren. Ggf. ist auch eine (nationale oder ggf. globale) Dachkampagne mit regionalen Ergänzungen sinnvoll, um die Kunden optimal und effizient zu erreichen. Dabei sind die jeweils vorhandenen Medien entsprechend ihrer Verbreitung und Nutzungsart bzw. Erscheinungsrhythmus (monatlich, wöchentlich, täglich...) zu berücksichtigen. Ebenso ist die Rechtslage zu berücksichtigen, da Rechtsvorschriften aber auch die akzeptierten Sitten und üblicher Anstand (Direktheit, Nacktheit, Obszönität...) unterschiedlich sein können (einschränkende Regelungen). Grundsätzlich sind Zielgruppenunterschiede in jedweder Werbegestaltung und -botschaft zu berücksichtigen. Gerade bei Vergleichen sowie bei bestimmter Farbwahl kann es zu missverständlichen Assoziationen (je nach Land) kommen. Werbliche Kommunikation hat auch den unterschiedlichen Erwartungen an übliche Markenidentifikation, der unterschiedlichen Bedeutung von Leistungsaussagen oder abweichender Testimonialakzeptanz etc. Rechnung zu tragen. Bei der Wahl eines Testimonials wäre auch dessen Bekanntheit bzw. auslösende Assoziation in den verschiedenen Regionen und Zielgruppen von grundlegender Bedeutung. Weitere zu berücksichtigende Faktoren sind u. a. der Sättigungsgrad der Märkte, evt. Wertewandel der Zielgruppen, Involvementgrad (Emotionalität) hinsichtlich der Dienstleistungen, bestimmte Schlüsselerlebnisse, -bilder und -begriffe oder der Grad der Informationsüberflutung und dessen Akzeptanz. Also erfordert die Kommunikationspolitik einen hohen Grad kundenspezifischer Anpassung. Es gibt verschiedene Werbeformen, die generell ihre Anwendung finden können (vergl. Abbildung 5-36), egal ob es sich um gewinnorientierte Werbung oder nicht gewinnorientierte Werbung bzw. um eine Kombination aus beidem (z.B. Verbundwerbung, auch mit einer Reisedestination oder Branchenorganisation) handelt. Meist dominiert in den Absatzmärkten die alleinige Unternehmenswerbung, doch finden sich bei ergänzenden Leistungen auch kooperative Werbeformen oder ggf. sogar Branchenwerbung (z.B. Rechtsanwälte). Unternehmen konzentrieren Werbung im Wesentlichen auf den Absatz ihrer Leistungen (Leistungsmarken), wobei die Ersteller der Leistung gelegentlich andere Ziele als die Leistungsmittler verfolgen. Leistungsmittler wollen Kunden an die Einkaufsstätte binden und ihnen vermitteln, dass es bei keinem anderen Mittler die Leistungen so gut, so günstig oder überhaupt gibt. In diesem Punkt ist die Mittler-

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

werbung der Unternehmenswerbung sehr nah, die allerdings auch andere Aspekte als nur das reine Leistungsangebot umfasst.

Werbeformen Werbung gewinnorientierte Werbung Werbung f. Unternehmen Beschaffung

AbsatzWerbung

NonprofitWerbung Werbung f. Leistungen

MittlerWerbung

BranchenWerbung

soziokult. Werbung

soziale Werbung

politische Werbung

ErstellerWerbung

AlleinWerbung Markenwerbung Leistungswerbung Gruppenwerbung generische Werbung

kooperative Werbung Gemeinschaftswerbung Verbundwerbung Verbund-Gemeinschaftswerbung Gruppenwerbung

Abb. 5-36: Werbeformen in der Dienstleistungswirtschaft Insbesondere Unternehmensname und -image stehen im Mittelpunkt der Werbung in der Dienstleistungswirtschaft. Häufig ist der Unternehmensname auch der verwendete Markenname für das Angebotsprogramm, zumindest als Dachmarke. Das Unternehmensimage soll seine positive Wirkung zwar in erster Linie auf die Kunden entfalten in zweiter Linie aber auch auf die Lieferanten und die eigenen (potenziellen) Mitarbeiter. So kann das Unternehmen auch seine Position auf den Beschaffungsmärkten für Vorleistungen/-erzeugnisse, Dienstleistungen, Finanzen oder Personal stärken. Wenn eine Marke oder mehrere Marken vorhanden sind, stehen diese i.d.R. auch im Mittelpunkt aller Anbieterwerbung, gefolgt von den hervorzuhebenden Leistungsmerkmalen, deren Qualität/Serviceorientierung oder Besonderheiten und einer (einzigartigen) Erlebniswelt in Verbindung mit den jeweiligen Dienstleistungen.

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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Im Weiteren ist die Art der Werbung bzw. der Werbekanäle zu berücksichtigen. So gibt es bei den verschiedenen Zielgruppen (insbesondere, wenn sie auch in verschiedenen Ländern leben) eine unterschiedliche Nutzung der einzelnen Medien. In manchen Ländern werden intensiv Zeitungen oder (Kunden-)Zeitschriften gelesen, in anderen gibt es kaum Zeitungen; statt dessen spielt das Radio oder das Kino eine wichtige Rolle. Wieder in anderen Ländern kommt man als Werbetreibender nicht am Fernsehen vorbei, muss stark in Außenwerbung investieren oder in Verzeichnismedien (Kataloge, Nachschlagewerke) präsent sein. Neuerdings spielen auch das Internet sowie andere elektronische (und dialogorientierte) Kommunikationsmittel als Werbeträger eine immer größer werdende Rolle. Abbildung 5-37 gibt einen Überblick über die heute gebräuchlichsten Formen der Online-Werbung. Diese direkten Kommunikationsmittel können sowohl für die direkte als auch indirekte (unterstützende) Kundenansprache genutzt werden. Regionale, nationale oder internationale Werbeagenturen helfen, die richtige Kundenansprache zu finden.

Online-Marketing SuchE-Mail-/ Homemaschi- Key- Online- News- CommuAffiliate page, Word Werbung letter- Nities, Nen MarkeWebMarke- Adver- (Banner Marke- Weblogs ting site tising etc.) ting ting, (Blogs)

Internet-Präsenz

Direkter Vertrieb

Verkaufsunterstützung indirekter Vertrieb

Abb. 5-37: Möglichkeiten des Onlinemarketings für Dienstleistungen Je nach Werbeträger stehen unterschiedliche Werbemittel zur Kundenansprache zur Verfügung. So lässt sich beispielsweise in einem gedruckten Medium eine An-

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

zeige, eine PR-Information oder eine Beilage platzieren. Dann sollte sich noch für eine Responsemöglichkeit (Coupon, Faxformular, Postkarte, Telefonservicenummer oder E-Mail- bzw. Internet-Adresse, siehe auch Abbildung 5-38) gesorgt werden. Gerade Coupons sind sehr effektiv, um mit diesem Berechtigungsnachweis bestimmten Gruppen von Kunden (bis) zu einem bestimmten Zeitpunkt einen spezifischen Vorteil für ein vom Anbieter gewünschtes Verhalten zu gewähren. Coupons finden sich gedruckt in Zeitungen, Zeitschriften oder Prospekten/Handzetteln sowie als Beilagen oder zum direkten Verteilen, elektronisch via Internet (ECoupon) oder als Mobil-Coupon. Coupons dienen zur Erstkundengewinnung, zur späteren Kundenbindung oder -rückgewinnung oder sind Instrumente des YieldManagements; sie bieten Preis- oder Mengenvorteile (Rabatt- oder BundlingCoupons), eine Zugabe, eine besondere Präferenzschaffung oder Informationsmöglichkeit und sie dienen dem Dialog mit den Kunden.

Direktmarketingentwicklung nach Medieneinsatz

Medialer Einsatz des Direktmarketings

Mobilnet/ Interaktives Fernsehen/ DRTV Database Marketing

Database Marketing

Internet/ Internet/ Internet/ Mobiltelefon/ Mobiltelefon/ Mobiltelefon/ Computer Computer Computer

Direkter Verkauf Anspruchsspektrum des 1950er Direktmarketings Direkt

Telefon

Telefon

Telefon

Telefon

Direct Mail

Direct Mail

Direct Mail

Direct Mail

Direct Mail

Direkter Verkauf

Direkter Verkauf

Direkter Verkauf

Direkter Verkauf

Direkter Verkauf

1960er

1970er

1980er

1990er

2000er

Customized Personalisiertes-/ Direkt Direkt KundenOne-to-OneMarketing Marketing Marketing Marketing stamm-/ Marketing als Einzel- separativspezifikativ Databaseinstrument instrumental funktional Marketing

(Verkauf)

(Vertrieb+Kommunikation)

(Markt(Marketing-Mix) orientierte Führung)

t

(Kundenorientierte Führung)

Abb. 5-38: Erweiterung der Direktmarketingmedien Auch für Kino oder Fernsehen kommen unterschiedliche Werbemittel, nämlich der Werbespot, eine Werbesendung oder nur eine Bandeneinblendung in Frage. Das Fernsehen oder Kino ist für die überwiegend emotionale Ansprache bei bestimmten Dienstleistungen (z.B. Reisen, Wellness) besonders geeignet, da mit attraktiven

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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Bildern und Musik am leichtesten ein emotionales Involvement der Kunden gelingt. Kundenzeitungen (Lufthansa, TUI, Phoenix, Maritim...) haben sich auch als ein allseits anerkanntes Kommunikationsmittel zur Kundenansprache und Kundenbindung in einigen Dienstleistungsbranchen etabliert. Die Form einer möglichst persönlichen und dialogorientierten Ansprache wird inzwischen nicht nur in Deutschland von den meisten Kunden bevorzugt (vergl. Abbildung 5-38). Also sind auch für Dienstleister die Instrumente des Direktmarketings einschließlich des persönlichen Verkaufs (ggf. durch Partner oder über Dialogmedien) sinnvoll. Den Anbietern von Dienstleistungen stehen dabei mehrere direkte Kommunikationswege zum Kunden zur Verfügung (vergl. Abbildung 539), die sich nach ihrem Direktheitsgrad leicht unterscheiden. Der direkteste ist die persönliche Kommunikation der Verkäufer/Reisenden und Führungskräfte des Anbieters mit den potenziellen Kunden entweder in eigenen Räumlichkeiten, bei den Kunden, auf Messen oder am Leistungsort (z.B. Masseur, Reiseleitung).

Direkte Kommunikation Kommunikation im Direktmarketing

Anbietereigene

Anbieterexterne

Absatzorgane

Absatzorgane

Mitglieder Reisende

der Geschäftsleitung

Verkaufsniederlas-

Kataloge, CD-Rom,

sungen

Versand

direkte Anbieterkommunikation

E-/ MMarketing DRTV Call Center

Automaten Terminals

Franchise

Vertragshändler

Handelsvertreter

vertragliche Kommunikation durch Dritte/Absatzhelfer

Abb. 5-39: Direktmarketingkanäle für Dienstleistungen Etwas weniger direkt ist dann eine Kommunikation über traditionelle, digitale oder elektronische Übertragungswege (Postversand, Telefon, Telefax, E-Mail, SMS...). Wenn die Kommunikation durch beauftragte Dritte (Franchisenehmer, Vertrags-

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

händler oder Handelsvertreter/Reisebüros) erfolgt, gibt es eine zweite Kommunikationsebene, nämlich die zwischen den Dienstleistungsanbietern und ihren Absatzhelfern, die Kommunikationsrisiken bergen kann. Also ist aus Anbietersicht tendenziell eine möglichst direkte Kommunikation zu den Kunden zu bevorzugen.

Dialogorientierte Kundenkontaktmöglichkeiten www-Internet,

Point of Purchase

Fon/Fax

DRTV/ Telesales

b℡ ¡b b  b

#| ª E-Mail/

Communities

Direktvertrieb

Newsletter

WAP/SMS

Mailing

Data Warehouse Geografische Informationen Demografische Informationen

Verhaltensorientierte Informationen Psychografische Informationen

Abb. 5-40: Multi-Kanal-Kundenkommunikation für Dienstleistungen Inzwischen haben sich die Kunden daran gewöhnt, auf unterschiedlichen Kommunikationswegen zu kommunizieren, und erwarten daher auch von Dienstleistungsunternehmen, dass diese auf verschiedenen Wegen erreichbar sind. Werbung mit Responsemöglichkeit der Kunden auf unterschiedlichen Kanälen (Multi-KanalDialogmarketing, vergl. Abbildung 5-40 und folgende Aufzählung) wird bevorzugt, so dass jeder Kunde Zeitpunkt und Art der Kontaktaufnahme mit dem Unternehmen zu Kauf- oder Informationszwecken weitgehend selbst bestimmen kann (Pull-Marketing und Permission-Marketing an Stelle von Push-Marketing). Als Kanäle mit Responsemöglichkeit eignen sich insbesondere: •

Postwurfsendungen, Hauswurfsendungen mit Antwort-/Kontaktmöglichkeit



Unandressierte Mailings mit Antwort-/Kontaktmöglichkeit

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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Adressierte Mailings mit Antwort-/Kontaktmöglichkeit und Katalogen



Anzeigen oder Beilagen mit Kontaktmöglichkeit über Coupon, Postkarte, Fax, Telefon, Internet, E-Mail, SMS-Kurzwahl



Fernsehwerbung mit Kontaktmöglichkeit über Postkarte, Fax, Telefon, Internet, E-Mail, SMS-Kurzwahl



Direct Response TV (DRTV) und Shoppingkanäle



Radiowerbung mit Kontaktmöglichkeit über Postkarte, Fax, Telefon/SMS, Internet, E-Mail



Direct Response Radio (DRR)



Plakat- und Außenwerbung mit Kontaktmöglichkeit über Postkarte, Fax, Telefon/SMS, Internet, E-Mail



Persönlicher Verkauf



Promotionaktion mit Sammlung von Interessenten-/Kundendaten



Telefonverkauf/-marketing aktiv (Outbound)



Passives Telefonmarketing (Inbound)



Faxansprache mit Rückantwortmöglichkeit



SMS/MMS (Klingeltöne, Mobile Coupons, Spiele)



UMTS-/WAP-Website



E-Mailings (Spam mit Response/Links)



E-Mailings mit individueller Ansprache und Antwortmöglichkeit/Links



Newsletter (mit Links), Mailinglists



Website mit Kontaktmöglichkeit über E-Mail, Links oder Call me back Button



Online-Chat, Schwarze Bretter, Newsgroups, Communities, Weblogs



Individualisierte Website mit Responsemöglichkeit und Links



CD-Rom mit Kontaktmöglichkeit über Internet, E-Mail etc.



Podcasting (Podvertising) mit Musik etc.



Kiosk-Systeme (POS-/POI-Terminals)

Direkt- oder besser Dialogmarketing erweist sich unabhängig aller Präferenzen zunehmend als effektiver im Vergleich zum traditionellen Massenmarketing, da interessierte Kunden individuell angesprochen werden können. Diesen kann dann auch ein möglichst individuelles, maßgeschneidertes Dienstleistungsangebot ge-

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

macht werden, wenn ausreichend Informationen über seine Präferenzen vorliegen (vergl. Abschnitt 4.2). Dialogmarketing hilft dabei, Akzeptanz und Vertrauen bei (potenziellen) Kunden zu erzeugen und zu verstärken, denn passive Kunden gehören der Vergangenheit an, wie die Millionen von Bloggern (Webloggern) und Teilnehmern an Chats und Communities belegen. Allerdings gibt es auch heute noch Personenkreise, die sich nur schwer durch Dialogmarketinginstrumente ansprechen lassen, da ihre Dialogbereitschaft sehr gering oder gar nicht vorhanden ist. Die Gruppe der sog. „Dialogirrelevanten“ (vergl. Abbildung 5-41), die weder dialogfähig noch dialogbereit ist, sollte grundsätzlich mit anderen Kommunikationsmaßnahmen angesprochen werden, um sie als Kunden zu gewinnen. Die Gruppe der „Dialogdilettanten“ (meist Laien im Umgang mit der Technik) ließe sich ggf. durch Schließen ihrer Kompetenzlücke (Schulungen, Hilfestellung, Informationen...) zum Dialog motivieren, da sie grundsätzlich an einem Dialog über interessante Dienstleistungen interessiert ist.

Zielgruppenanalyse: Dialogmarketingtypen Dialogbereitschaft

Dialogfähigkeit

Zielgruppen Segmentierung

hoch

niedrig

hoch

Dialog – Profis

Dialog – Resistente

niedrig

Dialog – Dilettanten

Dialog – Irrelevante

Abb. 5-41: Typologie der Dialogaffinität Am besten eignet sich selbstverständlich die dialogaffine Gruppe der sog. „Dialogprofis“, die sowohl bereit als auch in der Lage ist, den Dialog mit professionellen Kommunikatoren zu suchen oder dies sogar ausdrücklich wünscht. Interessant

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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wäre es aber auch, die Gruppe der sog. „Dialogresistenten“ zu motivieren und ihre Dialogbereitschaft zu erhöhen; dies gelingt meist über zielgruppenspezifische Incentives, wie z.B. Klingeltöne, Spiele, Musik- oder Videodownloads oder spezifische Informationen. Eine initiierte Mundpropaganda (Viral Marketing) führt dann oft zu weiteren erfolgversprechenden Kundenkontakten. Um einen direkten Verkauf bzw. eine direkte Kommunikation zu unterstützen, gibt es eine Reihe von Verkaufsförderungsinstrumentarien, wie sie in Abbildung 5-42 dargestellt sind. Der deutsche Begriff Verkaufsförderung ist zwar nicht ganz deckungsgleich mit dem englischen Begriff Promotion, soll aber hier gleichbedeutend benutzt werden. Man kann drei Zielgruppen zur Motivation durch Verkaufsförderung unterscheiden, nämlich die eigene Verkaufsorganisation, die relevanten Mittler oder die Kunden, die zum Erwerb der Leistung motiviert werden sollen.

Verkaufsförderung/Promotion VerkäuferPromotion Verkaufsschulung Hilfsmittel, Medien Sales Folder Kataloge, Listen VerkäuferTagungen Auszeichnungen, Belobigungen VerkäuferWettbewerbe Prämiensystem Incentives Statussymbole

MittlerPromotion Mittlerschulung Displays, Folder Point-of-Sale-Radio SchaufensterGestaltung PlatzierungsHilfe/-Miete Vorführungen, Verkostungen Aktionspreise /-rabatte Werbegeschenke Wettbewerbe VIP-Behandlung Beirat/Experten

EndkundenPromotion Leistungsinformationen und Vorführungen Dispays, Stopper Point-of-Sale-Radio Produktproben, Tests und Verkostungen Preisausschrieben und Verlosungen Sonderangebote Zugaben Werbegeschenke Kundenclubs, Kundenkarten Rabatt- und Treueaktionen

Abb. 5-42: Verkaufsförderungsinstrumente für Dienstleistungen Im Rahmen der Verkaufsförderung werden immer häufiger auch Events eingesetzt, um die gewünschten Bindungs- und Motivationsziele zu erreichen. Events sind erlebnisorientierte Veranstaltungen, die einzigartige, positive Emotionen (Verlassen der Alltagswelt) wecken, eine nachhaltige Erinnerung an die Angebote erzeugen, eine persönliche Interaktionsmöglichkeit bieten und ein verbindendes „Wir-

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

Gefühl“ schaffen sollen. Events werden strategisch zur direkten Kundenbindung, zur Imageverbesserung, zur Neukundengewinnung, zur Erzeugung von Aufmerksamkeit und Steigerung der Bekanntheit, zur Motivation und Kontaktpflege und zur Umsatzsteigerung veranstaltet. Zielgruppen sind neben den Kunden und Mittlern, die eigenen Mitarbeiter des jeweiligen Dienstleisters. Events werden angesichts unterschiedlicher gesellschaftlicher und kultureller Rahmenbedingungen von Zielgruppe zu Zielgruppe unterschiedlich bewertet. Der Begriff Event, mit dem sich eine gewisse Einzigartigkeit und damit Alleinstellung verbindet, wird allerdings zunehmend abgenutzt, wenn schon Partys als Events bezeichnet werden. Messeauftritte werden häufig auch als Event inszeniert, um dem interessierten Publikum die besondere Anbieterkompetenz zu vermitteln, dies gilt insbesondere für die Internationalen Leitmessen. Das Sponsoring lässt sich strategisch gut einsetzen und ist daher eine zunehmend beliebte und auch bei vielen Kunden hochgradig akzeptierte Form werblicher Unternehmenskommunikation. Bestimmte Formen des Sponsorings bieten darüber hinaus eine gute Möglichkeit, das Unternehmen als vertrauenserweckendes, akzeptiertes und reputiertes Unternehmen darzustellen. Ein Sponsor stellt dem Gesponserten Geld und/oder Sachmittel zur Verfügung und erhält eine Gegenleistung, die zur Erreichung der unternehmerischen Marketingziele beitragen soll (Leistung – Gegenleistung). Es gibt fünf Bereiche, in denen ein Sponsoring üblich ist (vergl. Abbildung 5-43). Die größte Bedeutung weltweit kommt dabei dem Sportsponsoring zu. Insgesamt hat sich das Volumen des weltweiten Sponsorings in den letzten 15 Jahren vervierfacht und steigt weiterhin stark an. Es gibt eine Vielzahl internationaler Veranstaltungen, Sportarten oder Tourneen, sowie bekannte Sportler, Mannschaften, Ausstellungen, Initiativen, Einrichtungen oder Sportanlagen (z.B. TUI-Arena in Hannover oder Allianz-Arena in München), die sich als Sponsoringobjekte hervorragend eignen. In Deutschland und ebenfalls in Europa gibt es fünf etablierte Sponsoringbereiche, die in Abbildung 5-43 ihrer Bedeutung nach von links nach rechts dargestellt sind. Auf Sportsponsoring entfallen etwa 60 % der in Deutschland ausgegeben Mittel. Medien- und Kultursponsoring sind in ihrer Bedeutung fast gleich mit jeweils etwa einem 15%- bzw. 14 %-Anteil an den Sponsoringausgaben. Die restlichen 10 % entfallen auf Sozial- und Ökosponsoring. Mit leichten gewichtsmäßigen Unterschieden dürften dies auch weltweit betrachtet die wichtigsten Felder des Sponsorings sein, wenngleich es in anderen Regionen der Welt z.B. auch Sponsoring von religiösen oder freizeitorientierten Aktivitäten gibt. Mediensponsoring hängt eng mit dem bereits erwähnten Bereich des Product Placements zusammen. Bekannt ist Product Placement z.B. aus verschiedenen Filmen (z.B. „die Schwarzwaldklinik“ durch die Tourismusregion Schwarzwald und Audi oder „Schöne Ferien“ durch die TUI). Neuerdings gewinnt Product Placement in Video- oder Computerspielen (Gaming) u.ä. Medien an Bedeutung. Für internationale Marken ist es sinnvoll, auf weltweit verbreitete Filme, Sendungen, Spiele oder Ereignisse im Sponsoring zu setzen, da so leicht ein international einheitliches

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

125

Image aufgebaut wird. Marken, die diesen Anspruch nicht haben, sollten sich auf regionales oder nationales Sponsoring beschränken.

Sponsoringarten Sponsoring SportSponsoring

MedienSponsoring

Mannschaften Vereine Verbände Veranstaltungen Sportler/ Talente Arenen Sportstätten

Progamme Sendungen Moderatoren Spielshows TV-Shops Product Placement

KulturSponsoring

ÖkoSponsoring

Konzerte Orchester Tourneen Filme/ Literatur KunstAusstellungen Museen

SozialSponsoring

Projekte Initiativen Vereine Stiftungen Institute

BildungsEinrichtungen Wissenschaftsorgansiationen Forschung Karitative Einrichtungen Verbände/ Projekte

Abb. 5-43: Sponsoringbereiche für Dienstleistungen Als letzten aber besonders wichtigen Bereich der Kommunikationspolitik wird auf die Corporate Identity-Politik eingegangen. In der Corporate Identity (CI) und ihren Teilbereichen kommt die Unternehmensidentität bzw. Corporate Mission (CM) zum Ausdruck (vergl. Abbildung 5-44). Die wichtigsten Teilbereiche der CI sind das Corporate Design (CD), die Corporate Communications (CC) und das Corporate Behaviour (CB), neuerdings kommt aber auch dem Bereich der Corporate Acoustics (CA) eine steigende Bedeutung zu. Das Corporate Design (CD) ist die visuell-formale Gestaltung der Unternehmensbzw. Anbieterpersönlichkeit, die ihre Ausprägung in Firmen- oder Markennamen, Logos, Zeichen, Farbgebung, Schrift, Gestaltung bzw. Design findet. Das CD kommt z.B. in Briefbögen, Anbieterbroschüren/-katalogen, ergänzenden Produkten, Gebäuden, Fahrzeugen oder in einer uniformen Kleidung zum Ausdruck.

126

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

Corporate Identity - CI Corporate Identity

Corporate Design

Corporate Communications Corporate Mission

Corporate Acoustics

Corporate Behaviour

Abb. 5-44: Bestandteile der Corporate Identity (CI) In Corporate Communications (CC) kommt die Art und Weise interner und externer Kommunikation zum Ausdruck. Die Kommunikation kann persönlich oder unpersönlich, schriftlich, digital oder elektronisch sein. Intern wird an der Art der Kommunikation Mitarbeiterorientierung, das Führungsverhalten, die Organisationsgrundsätze oder die Offenheit deutlich. Die externe Kommunikation äußert sich in öffentlichen Verlautbarungen (PR), Werbebotschaften und -slogans (Corporate Advertising), Geschäftsberichten, Geschäftsbriefen, Beschwerdemanagement etc. Corporate Behaviour (CB) hat ebenfalls eine interne und eine externe Komponente. In ihr wird das Organisationsverhalten auf dem Absatzmarkt (aber auch dem Beschaffungs-/Arbeits- oder Finanzmarkt) verkörpert, z.B. im Umgang mit Kunden und Mittlern (Leitbild), aber auch intern mit den eigenen Mitarbeitern, die wiederum extern agieren. Intern sind u.a. Werte, Normen, Verhaltensregeln, Hierarchien, Offenheit, Kunden- oder Innovationsorientierung von Bedeutung (abgeleitet aus der Unternehmenskultur/Corporate Culture). Zusätzlichen Ausdruck erhält die Unternehmenspersönlichkeit der Dienstleister auf akustischer Ebene durch die Corporate Acoustics (CA). Musik und Klänge/Töne erregen Aufmerksamkeit, schaffen Emotionen und transportieren damit die gewünschten Botschaften. Dies haben Unternehmen wie Beck’s Bier, Coca Cola oder

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

127

Bacardi Rum aber auch einige Reiseveranstalter/Destinationen längst erkannt und setzen auf Musik, um Freiheit und Abenteuer als Erlebniswelt zu kommunizieren. Die Telekom setzt nicht nur auf die optische T-Marke sondern kommuniziert zusätzlich fünf helle Klaviertöne als akustische Erkennungsmarke. Der Corporate Identity-Politik als Kommunikationsinstrument fällt die strategische Aufgabe zu, die Teilbereiche (CD, CC, CB, CA) aufeinander abzustimmen und zu integrieren. So wird ein Anbieter mit Hilfe der CI eindeutig positioniert, damit sich auch alle Mitarbeiter (interne Stakeholder) leicht mit diesem identifizieren können. Die CI erzeugt allerdings als Corporate Image auch eine starke Außenwirkung auf die externen Stakeholder und die Öffentlichkeit (vergl Abbildung 5-45), insbesondere im Hinblick auf Vertrauens, Glaubwürdigkeit, Akzeptanz oder Zustimmung sowie die Positionierung). Ist dieses Image positiv, werden auch Kunden, Lieferanten oder (Netzwerk-)Partner eine positive Einstellung zum Anbieter und seinen Dienstleistungen haben. Ist das Image hingegen uneinheitlich oder negativ, wird dies auch ein entsprechendes Bild in der Öffentlichkeit erzeugen. Damit kommt der CI-Politik eine zentrale Bedeutung im strategischen Marketing zu.

Corporate Identity -> Corporate Image Corporate Identity Corporate Design

Corporate Communications Corporate Mission

Corporate Acoustics

Corporate Behaviour

Corporate Image

Abb. 5-45: Corporate Identity erzeugt Corporate Image

128

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

5.2.6

public voice

In diesem Abschnitt lernen Sie die Möglichkeiten und Chancen zur Beeinflussung der Öffentlichkeit mit Hilfe unterschiedlicher Instrumente kennen Als nächsten Instrumentalbereich des Marketings betrachten wir die Mittel, die den Dienstleistungsanbietern zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung zur Verfügung stehen (Meinungsmanagement, vergl Abbildung 5-46). Selbstverständlich wirken auch die anderen Marketinginstrumente (insbesondere Kommunikationsinstrumente) in die Öffentlichkeit, doch meist sehr viel zielgruppengenauer und verkaufsorientierter als die hier betrachteten. Während die Instrumente der Public Relations und der Kundenbeurteilungen/-empfehlungen unabhängig von neueren technischen Entwicklungen Gewicht haben, erhalten sog. (virtuellen) Communities und Blogs erst durch das Internet und neuerdings das Mobilnet ihre Bedeutung. „ „

Öffentliche Meinungspolitik – public voice Beeinflussung öffentlicher Meinung Kundenbeurteilungen in Communities/Weblogs

reaktiv Information Antwort Argumentation Beobachtung

Kundenbeurteilungen schriftlich/mündlich

proaktiv aktive Information Kanalisierung Steuerung Weiterempfehlung Schulung Crowding Effekt Zugehörigkeit

Public Relations

elektronisch persönlich schriftlich telefonisch

Abb. 5-46: Instrumente zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

129

Public Relations (PR) bzw. Öffentlichkeitsarbeit hat das Ziel, Verständnis für unternehmerische Entscheidungen und Vertrauen in die Leistungen eines Dienstleisters aufzubauen, und ist daher für Dienstleister besonders wichtig. PR ist das ständige, bewusste und geplante Bemühen, ein dauerhaft positives Image für das Unternehmen, die handelnden Personen und die Unternehmensleistungen erzeugen. Dabei muss die PR-Arbeit eng mit den anderen Marketinginstrumenten zusammenwirken, um die gesetzten Unternehmensziele zu erreichen. Die Öffentlichkeitsarbeit hat zunächst eine Informationsaufgabe in Richtung der Stakeholder und der Öffentlichkeit, um eine verständnis- und vertrauensvolle Einstellung gegenüber dem Unternehmen zu erreichen. Im Rahmen der Imagefunktion soll ein gewünschtes Firmenimage aufgebaut oder ggf. ein bereits vorhandenes in einer gewünschten Richtung korrigiert werden. PR hat auch eine Beziehungsaufgabe, nämlich den Dienstleister mit seinen externen Stakeholdern in Kontakt zu bringen, sowie eine Führungsfunktion im Hinblick auf die gewünschte Beeinflussung der relevanten Öffentlichkeit. Last but not least kommt der PR-Arbeit eine existenzerhaltende Funktion für das Unternehmen zu, indem sie das Unternehmen glaubwürdig in der Öffentlichkeit darstellt. Insbesondere in Krisenzeiten kann ein Unternehmen dann auf ein gewisses Goodwill zählen. Wenn PR erst in Krisenzeiten begonnen wird, wird dies sehr schwierig oder sogar gänzlich unmöglich sein. Krisen-PR heißt, auf evt. Krisensituationen langfristig und gut vorbereitet zu sein. Gerade bei einem internationalen Geschäft müssen mit Hilfe der Szenario-Technik alle Eventualitäten/Risiken sorgfältig durchgespielt werden, zumal es Rückwirkungen aus einem Markt in andere Märkte geben kann. Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit, die meist auch eine interne Wirkung i.S. der Personalpolitik entfalten, sind u.a.: •

Presseinformationen (schriftlich/elektronisch in Wort, Bild und Ton),



Pressekonferenzen,



Journalisteneinladungen,



Internet-Homepage,



Redaktionelle Beiträge,



Interviews,



Jubiläumsveranstaltungen,



Empfänge,



Tage der offenen Tür,



Ausstellungen, Road Shows,



Besichtigungen für Schulklassen etc.,



Vorträge,

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben



Seminare,



Geschäfts-/Umwelt-/Sozialberichte,



Informationsbroschüren, -Filme, -Videos, -CDs, -DVDs,



Firmenschriften (Kunden-, Fest-, Jubiläums-...),



PR-Anzeigen...

Gerade die Darstellungen oder Präsentationen von Dienstleistungsunternehmen Internet finden heutzutage große Aufmerksamkeit, daher ist deren Gestaltung, Aussagekraft und Benutzerfreundlichkeit besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die im Handelsblatt veröffentlichte Untersuchung Interactive Media 2006 der Kölner Beratung Netfederation sieht unter den fünfzig besten Internetseiten allerdings kaum Dienstleister. Kundenbeurteilungen haben stets ihre Bedeutung für Dienstleister, z.B. im Beschwerdemanagement, aber auch wenn es um Lob und Empfehlung geht. Gerade positive Kundenäußerungen werden gern von Unternehmen als Referenzen gegenüber der Öffentlichkeit, Kunden oder im Rahmen einer Werbemaßnahme genutzt. Beurteilungen durch Kunden haben im Internet (Communities, Blogs, Chats...) eine erhöhte Relevanz für Unternehmen erhalten, da das Internet prinzipiell jedermann offen steht und jeder jedem seine Meinung mitteilen und Informationen übermitteln kann. So ist es leicht, im Internet Gleichgesinnte oder an bestimmten Dienstleistungen Interessierte zu finden; diese können sog. Communities bilden. Communities oder Weblogs dienen i.d.R. dem Austausch von Erfahrungen und der gegenseitigen Unterstützung zwischen den Mitgliedern und genießen hohes Vertrauen. Viele Unternehmen versuchen daher, solche Communities (Weblogs eher weniger) mit ihren Kunden und Interessenten zu bilden, um den gegenseitigen Erfahrungsaustausch zu fördern und möglichst zufriedene Kunden an sich zu binden. Neuheiten, neue Anwendungsmöglichkeiten, PR-Informationen etc. lassen sich so an die Community-Mitglieder vermitteln. Wenn die Community-Mitglieder allerdings untereinander (über Chat, Schwarze Bretter...) in Kontakt treten können, können allerdings auch negative Informationen im Lauffeuer die Runde machen. Gut geführte Communities werden diese aufnehmen und (gegen-)steuern, um aus negativen Meldungen positive zu machen (ähnlich wie im Beschwerdemanagement). Allerdings gibt es auch Communities, die ohne Aktivität eines Unternehmens von (potenziellen) Kunden gegründet werden und die sich dem unmittelbaren Einfluss des Unternehmens entziehen (www.ciao.com, www.votello.de...). In diesem Fall besteht für das betroffene Unternehmen nur die Möglichkeit, die Aktivitäten zu beobachten, auszuwerten und vorsichtig (ggf. inkognito) zu beeinflussen. Eine solche Beeinflussung kann aktiv oder reaktiv erfolgen (Viral Marketing). Inzwischen gibt es ähnliche Ansätze zur Community-Bildung auch in den Mobilen Netzen, so dass eine professionelle Bearbeitung dieses Feldes im Sinne einer positiven Imagebildung oder Gefahrenabwehr der Unternehmen notwendig wird.

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

5.2.7

131

personnel

In diesem Abschnitt lernen Sie die Instrumente der Personalpolitik und ihre internen und externen Wirkungen kennen. Der Faktor Personal ist als Erfolgsfaktor bei der Vermarktung von Dienstleistungen besonders relevant und daher wird ihm an dieser Stelle im Rahmen der Personalpolitik besonderer Raum gegeben (vergl. Abbildung 5-47). Die Erweiterung der Marketinginstrumentalbereiche speziell für Dienstleistungen (4 P => 5 P) um die Personalpolitik ist daher auch allseits akzeptiert (s. auch Kapitel 5.3). „ „

Personalpolitik - personnel Personalpolitik Personalmarketing

Personalgewinnung Aus-, Weiterbildung Motivation pers. Qualifizierung Personalentwicklung Verantwortlichkeit stärken CI (Corp. Comm./Behav.)

Personalpolitik bezogen auf potenzielle Kundenkontakte Vorinformation Sachinformation ggf. Schulung Zufriedenheitsinformation Empfehlungshinweis Schaffung von Vertrauen Corporate Behaviour

Personalpolitik bezogen auf Kunden während der Dienstl. Grundinformation Ablaufinformation Vorbereitung Schulung/Einweisung Einbezug Bewertung Verbesserungsvorschläge Empfehlungsinitiierung Corporate Behaviour

Abb. 5-47: Instrumente der Personalpolitik Im Mittelpunkt der Betrachtung soll dabei der Kundenkontakt durch das unternehmenseigene Personal stehen. Zunächst gibt es einen Beratungsvorgang, der i.d.R. (mit Ausnahme von Selbstbedienung) dem Kauf (der Buchung) einer Leistung voran geht. Dabei gilt es für die Mitarbeiter, die Kunden so umfassend und korrekt zu informieren, dass eine richtige Erwartungshaltung erzeugt wird. Denn Zufrie-

132

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

denheit mit der Leistung stellt sich nur dann ein, wenn die Kundenerwartung zumindest erfüllt, besser sogar übertroffen wird. Es gibt eine Vielzahl von Untersuchungen und empirischen Erhebungen, die belegen, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenzufriedenheit gibt. D.h. also, je zufriedener die Mitarbeiter, desto zufriedener ist ein Kunde mit der Leistung oder Beratung und umgekehrt. Es gibt also ein Wirkungsdreieck für die Personalpolitik eines Unternehmens oder das interne Marketing (Anbieter – Mitarbeiter – Kunde, vergl. Abbildung 1-6), wie es gelegentlich auch bezeichnet wird. Dieser Zusammenhang lässt sich auch noch um die Konkurrenz erweitern, die sowohl auf die Dienstleistungsmitarbeiter als auch auf die Kunden des Unternehmens einwirkt und damit auch das Leistungsergebnis bzw. Leistungserlebnis (Erwartung!) beeinflusst (vergl. Abbildung 5-48).

Marktdeterminanten eigenes Unternehmen Interne Kundenorientierung Mitarbeiterorientierung

Mitarbeiter

Kundenorientierung (extern)

Externe Kundenorientierung

Kunden

Konkurrenzinformationen

Konkurrenzinformationen

Konkurrenzunternehmen

Abb. 5-48: Personenbezogene Einflüsse im Dienstleistungsmarkt Mitarbeiter müssen stets so gut geschult und informiert sein, dass sie diese Anforderungen erfüllen können. Damit die Kunden darauf vertrauen können, immer wieder eine gleich gute Dienstleistung zu erhalten, sollten dabei alles Vorkehrungen getroffen werden, die Leistungen reproduzierbar zu machen. Dies kann durch genaue Vorgaben, schriftliche Unterlagen und wiederholtes Einüben erreicht werden.

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

133

Zur Schulung gehört auch ein einheitliches Auftreten in der Außenwirkung i.S. der Corporate Behaviour (vergl. auch Abschnitt 5.2.5). Einheitliches konsistentes Verhalten wirkt bei potenziellen Kunden vertrauensfördernd. Dem Ziel, Vertrauen in die angebotene Leistung zu erzeugen, dient auch das Einflechten von Zufriedenheits- und Empfehlungshinweisen früherer Kunden. Bei Dienstleistungen ist zunächst zu unterscheiden, ob diese durch Mitarbeiter an Personen oder aber automatisiert und ggf. an Gegenständen, Tieren etc. erbracht werden; danach richtet sich auch der direkte Kontakt zum Kunden während der Dienstleistung. Die Kommunikation während der Dienstleistung muss sich ebenso an den Maßstäben der Corporate Behaviour und der Corporate Communication eines Unternehmens messen lassen, wie die sonstige Kommunikation. Die richtige Vorbereitung und Information der Kunden ist besonders wichtig für den Erfolg der Dienstleistung, insbesondere wenn diese quasi an der Dienstleistungserstellung mitwirken müssen (Haarschnitt, Reisegruppe...). Gleichzeitig wird versucht, den Kunden positive Rückmeldungen abzugewinnen, um diese zu verstärken und ein Zufriedenheitsgefühl erzeugen bzw. verstärken zu können. In diesem Fall sollte auch die Anregung zu einer Weiterempfehlung durch den Kunden erfolgen. Verbesserungsvorschläge der Kunden und ggf. Beschwerden sind angemessen aufzunehmen und umzusetzen (Kunde ernst nehmen!). Das gesamte Feld der Kundenkommunikation ist hochsensibel und vom kulturellen Hintergrund der handelnden Personen geprägt. Daher birgt es auch mannigfaltig Möglichkeiten zu Missverständnissen, Unzufriedenheit und Ärger. Es bedarf also einer (kulturell) adäquaten Einstellung auf die Kunden und ihre Bedürfnisse, wozu einschlägige Informationen, Erfahrungen und Schulungen dienlich sind. Um das, was Sie leisten sollen auch umsetzen zu können, müssen die Mitarbeiter es zunächst verstehen, doch letztendlich ist es unabdingbar, dass sie es dann auch wollen (ggf. muss Änderungsbereitschaft erzeugt werden). Hierzu bedarf es u.a. üblicher Instrumente zur Motivation (Gehalt und Nebenleistungen, Statussymbole...) und zur Weiterentwicklung der Mitarbeiter. Weiterbildung, persönliche Qualifizierung und Übertragung zusätzlicher Verantwortung sind probate Hilfsmittel dazu (vergl. Abbildung 5-49). Jeder Mitarbeiter trägt mit seinen Denk- und Verhaltensmustern, seinen Werten und Normen zur Unternehmenskultur bei. Diese findet ihren Ausdruck u.a. in der Art der Kommunikation und Handlungen (Gebräuche, Verhalten...), die wiederum auf die Kunden und andere Stakeholder eines Unternehmens wirkt. Formen/Instrumente interner Unternehmenskommunikation mit Außenwirkung sind: •

Interne Mitteilungen, Informations- oder Rundschreiben, auch per E-Mail,



Intranet, Schwarze Bretter, auch im Internet, Mitarbeiterzeitschriften/zeitungen,



Betriebsversammlungen, Business TV,



Besprechungen und (Video-/Telefon-)Konferenzen,

134

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben



Informationsfilme/-videos/-DVDs,



Mitarbeiterstammtische, Betriebsausflüge,



Jubiläen, Auszeichnungen.....

Wenn es dabei gelingt, zu einem konsistenten nach außen einheitlichen Agieren zu kommen, das sich auch durch ein einheitliches Erscheinungsbild dokumentiert, spricht man auch von Unternehmensidentität bzw. Unternehmensimage. Zur Personalpolitik gehört auch der Bereich der Personalgewinnung (vergl. Abbildung 5-49), angefangen von aktiver Kommunikation (Werbung, Messen...) und dem Auswahlverfahren (Recruitment) über die Gewinnung der „richtigen Mischung“ an Mitarbeitern (Diversitiy Management) bis hin zu Maßnahmen zur Vermeidung von Personalfluktuation. Die Mitarbeiterfluktuation wird durch Motivationsfaktoren, Anreizsysteme, systematische Weiterbildung und -entwicklung sowie durch den herrschenden Führungsstil (autoritär Ù autonom) beeinflusst. Die Gewinnung adäquat qualifizierten Personals wird wiederum erleichtert, wenn in der Öffentlichkeit ein positives Bild des touristischen Anbieters existiert, das durch alle internen Stakeholder mit geprägt wird. So ist eine Verzahnung der unterschiedlichen Aktivitäten im Sinne einer positiven Positionierung notwendig

Personalmarketing

Personalmarketing

System der Administration

Personalverwaltung

System der Personal entwicklung

Humankapitalpflege

System der Personal kommunikation

Personalrecruitment

Abb. 5-49: Personalmarketingausprägungen

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

5.2.8

135

place

In diesem Abschnitt lernen Sie lernen Sie die Vor- und Nachteile eines direkten Vertriebs und die eines indirekten Vertriebs sowie „ die Instrumente der Distributionspolitik kennen. Da der Aufbau bzw. die Veränderung der Vertriebswege und -standorte nur langfristig möglich ist, ist die Entscheidung über die Vertriebsart grundsätzlicher, strategischer Art. Die zentrale Frage lautet dabei, ob die potenziellen Kunden besser über einen indirekten oder besser über einen direkten Vertrieb anzusprechen sind (vergl. Abbildung 5-50), denn eine Kombination aus beiden ist eher problematisch. Die konkrete Ausgestaltung Vertriebsalternativen je nach Leistungsart liegt dann eher im operativ-taktischen Bereich. „ „

Distributionspolitik - place Marketinglogistik Standort(e) (de-)zentral Trägermedien CRS IRS Lieferservice Kooperationen

Direkter Vertrieb Niederlassungen Reisezentren Zweig-/Außenstellen Telefonservice Internet Mobilservice Teleshopping Außendienst Homeshopping (Handels-)Vertreter Franchising Vertragshandel Lizenzvergabe Automaten, Terminals Messen, Börsen Versteigerungen Reiseleiter

Indirekter Vertrieb Reisemittler Reisekaufhäuser LM-Einzelhandel Reiseveranstalter Versandhandel Co-Producer (Hotels, Bahn...) Servicepartner Incoming Agenturen Vertriebsstellen für Leistungsversprechen (Ticketverkaufsstellen) Fremdenverkehrsbetriebe Banken Tankstellen Reiseclubs, Vereine Butterfahrten Zeitungen Kirchen

Abb. 5-50: Instrumente der Distributionspolitik Zu klären ist, ob im Unternehmen überhaupt Kompetenzen zum Vertrieb der Leistungen vorhanden sind, oder ob die Vertriebsleistung nicht besser bei spezialisier-

136

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

ten Mittlern aufgehoben ist. Um einen direkten Vertrieb aufzubauen, bedarf es i.d.R. eines großen finanziellen und personellen Aufwandes angesichts einer gewünschten hohen Ausschöpfung der Kundenpotenziale. Bei einer relativ kleinen Kundenzahl (häufig im B-to-B oder regionale Anbieter) kann sich auch ein Dienstleister tendenziell leichter für den Direktvertrieb entscheiden. Bei der Notwendigkeit zur sog. Überallerhältlichkeit wird die Hilfe der Absatzmittler notwendig sein. Speziell bei Dienstleistungen ist zu beachten, dass diese nicht lagerfähig sind (allenfalls materielle Hilfsmittel) und daher geht es beim Vertrieb dieser Leistungen entweder um den vorgezogenen Verkauf von sog. Anrechten auf die zukünftige Leistung (Leistungsversprechen: Eintrittskarten, Tickets, Gutscheine, Bestätigungen...) oder um eine sofortige Nutzung der Leistung (Haarschnitt, Schwimmbadbesuch, Zimmerbuchung an Hotelrezeption...). Oft ist allerdings eine längerfristige Vorbuchung notwendig, damit die Leistungserbringung, Nutzung oder das Erlebnis zum gewünschten Zeitpunkt bzw. im gewünschten Zeitraum auch sichergestellt ist. In vielen Dienstleistungssektoren ist der Vertrieb im Umbruch, so gibt es beispielsweise im Tourismus aufgrund der vorhandenen Integration oder veränderten Geschäftsmodellen keine klare Grenzziehung zwischen Reiseveranstaltern, Reisemittlern und Leistungsträgern mehr. Auch fällt die Abgrenzung von direktem und indirektem Vertrieb in der Branche nicht leicht, da Reisebüros zum einen Handelsvertreter (und damit im Prinzip Direktvertrieb der Reiseveranstalter und Leistungsträger) darstellen, zum anderen auch touristische Leistungen kaufen und zu eigenen Produkten zusammengestellt verkaufen (auch unter Eigenmarken) oder spezielle Servicegebühren für bestimmte Dienstleistungen von ihren Reisekunden erheben. Ähnliche Änderungen der Vertriebsstrukturen ergeben sich bei Banken, Versicherungen oder in der (Rechts-)Beratung. Daher ist die Entscheidung über den Vertriebsweg in einer solchen Umbruchphase sorgfältig unter Abwägung aller Vor- und Nachteile zu treffen, zumal ein abrupter Wechsel ohne Umsatzeinbußen meist nicht realisierbar ist. Zur Abwägung dieser Vor- und Nachteile kann ein Matrixmodell, wie es beispielhaft in Abbildung 5-51 dargestellt ist, dienen. Während im Inland eine Abwägung der Vor- und Nachteile tendenziell leicht fällt, ist diese für (relativ) fremde Auslandsmärkte viel schwieriger vorzunehmen. Meist fällt die Bewertung direkter Vertriebsmöglichkeiten um so negativer aus, je größer die kulturelle oder geografische Entfernung zwischen dem Heimatland und Zielmarkt ist. Mit Hilfe dieses Bewertungsschemas wird lediglich eine erste Vorauswahl der Vertriebsart getroffen; das im Einzelfall am besten geeignete Vertriebssystem ist dann noch anhand weiterer Kriterien festzulegen. Dabei spielen vor allem die angebotenen Leistungen selber eine wichtige Rolle. Je komplizierter die Dienstleistung aus Kundensicht (z.B. Geldanlagenmöglichkeiten, Altersversicherungen oder Pauschalreisen mit vielen Terminalternativen, Abflugorten und Leistungsvarianten), desto eher bedarf es einer umfassenden und kompetenten Beratung vor Buchung, Abschluss bzw. Kauf. Einfache (Einzel-)Leistungen mit wenigen Variati-

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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onsmöglichkeiten (z.B. Flug, Bahnfahrt, Überweisung, Hotelübernachtung und Eintrittskarten) sind für den direkten Vertrieb an Endkunden geeigneter.

Bewertung direkter/indirekter Vertrieb Bewertungsskala

---

--

-

0

+

++

+++

Bewertungskriterien

Liefer- bzw. Leistungsbereitschaft Schnelligkeit/Zuverlässigkeit/Pünktlichkeit Steuerungs- und Reaktionsfähigkeit Informations- und Kommunikationsfluss Eigener Einfluss und Kontrolle im Absatzkanal Konflikte/Motivation Kontrolle über Marketing Vertriebskosten des Unternehmens Kundenkontakt

Indirekter Vertrieb

Direkter Vertrieb

Abb. 5-51: Bewertungsprofile indirekter vs. direkter Vertrieb Daher gibt es bei vielen Anbietern zwar in steigendem Umfang die Nutzung neuer Vertriebswege, allerdings oft mit unterschiedlichen Angeboten (einfachere für den Direktvertrieb). Auch der Erfolg des Internetvertriebs, weltumspannender TVVerkaufskanäle oder der verbesserten Mobilkommunikation werden nicht grundsätzlich etwas an diesen Strukturen ändern. Diese Kanäle ermöglichen zwar meist einen direkteren Kundendialog, ein Direktvertrieb scheitert oftmals an anderen Hindernissen, z.B. fehlende direkte Buchungstools, fehlende Kenntnis nationaler Vorschriften und Kauf-/Buchungsgewohnheiten, mangelnde Technikaffinität der Kunden, Unsicherheit über Leistung oder unsichere Zahlungswege aus Kundensicht. Dennoch gibt es einige Dienstleistungsbranchen mit erfolgreichem E-Commerce. Der Internetverkauf von Musik, Videos und Software funktioniert besonders gut, da auch der physische Vertrieb über dieses Medium erfolgt. Auch in der Tourismuswirtschaft setzen die direkten und vor allem elektronischen Vertriebswege ihre Erfolgsstory fort. Inzwischen buchen oder informieren sich 15 % (Verdreifachung

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

innerhalb von 4 Jahren) aller deutschen Reiseinteressenten via Internet bei einer Gesamtzugangsquote von 55 %. In den USA liegt deren Anteil allerdings deutlich höher, weil dort traditionell weniger Pauschalangebote gebucht werden. Allen voran die Beförderungsunternehmen (Bahn, Airlines, Leihwagen...), aber auch in zunehmendem Umfang Hotels, Hotelketten und Hotelbuchungsplattformen (HRS, Hotel.de...), finden sich mit direkt buchbaren Angeboten im World Wide Web. Neuerdings präsentieren sich auch viele Destinationen als Reiseziele, meist auch mit Buchungsmöglichkeit oder Buchungslinks im Internet. Denn das Internet hilft auch dem Markenaufbau von Destinationen etc. und der Markenaktualisierung als moderne Brand (Davos.ch, Berlin.de, Wien.at, ...com/.eu), allerdings gibt es inzwischen auch reine Online-Reisebüros, die um die Markenbekanntheit buhlen (z.B. travelchannel, travelocity, opodo oder weg.de). Im sog. Affiliate-Sektor (verlinkte Websites gegen Werbekostenzuschüsse) sind die Tourismusboerse und Affilian.de präsent. Auch Reisebüroketten (z.B. derpart24.de, ferien.de oder reiseland.de) sowie unabhängige Reisebüros (z.B. die Plattform onlineweg.de) setzen auf die Präsenz im World Wide Web und entsprechendes Online-Marketing. Auch der Vertrieb von Eintrittskarten zu Sport-, Musikveranstaltungen etc. erfreut sich steigender Beliebtheit. Online-Banking ist zumindest in seinen Grundfunktionen nicht mehr wegzudenken und mannigfaltige Informationsdienste und Medien bieten via Internet alle nur erdenklichen Informationen. Datenbanken, Nachschlagewerke und Suchmaschinen stillen auch den letzten Wissensdurst. Online-Wetten, Musik- oder Video-Downloads, Single-Börsen und Erotik-Angebote runden die Dienstleistungsangebote im Internet ab. Im Dienstleistungssektor findet sich sehr dominant der Direktvertrieb, da sehr viele der Dienstleistungen am Kunden (in einem Geschäft, einer Praxis oder direkt beim Kunden) erbracht werden. Ein indirekter Vertrieb ist für den Friseur, den Masseur , den Rechtsanwalt oder den Maler nicht denkbar. Der direkte Kundenkontakt und häufig auch das persönliche Kennen (pers. Eindruck) entscheidet über den Auftrag, der dann meist sofort oder zeitnah ausgeführt wird. Auch Franchisesysteme sind noch relativ gut für Dienstleistungen geeignet (z.B. Mister Minit, Sunpoint, Schülerhilfe oder Studienkreis); damit wird deutlich, dass auch bei Dienstleistungen ein eingeführter Markenname erfolgreich übertragbar ist. Anrechte auf Dienstleistungen bzw. Leistungsversprechen eignen sich hingegen sowohl für einen direkten als auch für einen indirekten Vertrieb.

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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5.3 Instrumente funktionellen Marketings (5 p) In diesem Abschnitt lernen Sie die Vorgehensweise bei der Entwicklung produktbegleitender Dienstleistungen sowie die Marketingansätze kennen. In diesem Abschnitt konzentrieren wir uns auf den operativen Part des Marketings für funktionale Dienstleistungen. Im Grunde genommen ist das Marketing für Dienstleistungen dem Marketing für Produkte recht ähnlich - beide wollen hauptsächlich den Bedarf stimulieren. Deshalb beschränken wir uns in den Abschnitten 5.3.1 bis 5.3.4 auf die wesentlichsten Unterschiede zum Produktmarketing einerseits und zum Marketing institutioneller Dienstleistungen andererseits. Die Marketinginstrumente werden nicht mehr umfassend dargestellt, sondern es wird auf Besonderheiten des Marketings funktioneller Dienstleistungen eingegangen. Da wir uns bei den funktionellen Dienstleistungen zudem auf produktbegleitende Dienstleistungen von Industriegütern beschränken, beschäftigen wir uns im Wesentlichen mit dem Marketing, dass sich weniger an Konsumenten (B-2-C), sondern vorrangig an gewerbliche Kunden richtet (B-2-B). „ „

Abb. 5-52: Generelle Vorgehensweise bei der Entwicklung eines strukturierten DL-Angebotes

140

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

Der erste Schritt zu einem systematischen und strukturierten Serviceangebot ist die Entwicklung einer Dienstleistungsstrategie (vergl. Abbildung 5-52 und Abschnitt 3). Auf Basis der ermittelten Kunden- und Mitarbeiteranforderungen und des daraus entwickelten Zielsystems wird ein optimales (ideales) Dienstleistungsangebot definiert. In dieser Phase werden neue Dienstleistungen identifiziert und bewertet sowie das Dienstleistungsprogramm modularisiert, um ein konsequentes Variantenmanagement zu ermöglichen. In der Phase des Service Designs werden die ausgewählten Dienstleistungen vom Grobkonzept bis zum Prototypen (Piloteinsatz) entworfen. Das Design umfasst das Produkt-, Prozess- und Ressourcenmodell. Gleichzeitig wird das Marketingkonzept für die Vermarktung der Dienstleistungen entwickelt. Die abschließende Phase befasst sich mit der flächendeckenden Vermarktung (Serie) der produktbegleitenden Dienstleistungen, dabei stehen dem Anbieter verschiedene absatzpolitische Instrumente zur Verfügung (Marketing-Mix).

Abb. 5-53: Marketing-Mix für Dienstleistungen Wie weiter oben angekündigt konzentrieren wir uns im Folgenden auf diejenigen Instrumente, die sich gegenüber dem Marketing von Produkten und dem Marketing institutioneller Dienstleistungen unterscheiden. Dies sind vor allem die Instrumente des klassischen Transaktionsmarketings product, price, place und promotion. Die Produktpolitik bildet den Schwerpunkt und wird getrennt in zwei Abschnitten dargestellt. Insbesondere bei der Zusammenstellung des Serviceprogramms (Abschnitt 5.3.1) und der professionellen Entwicklung der Dienstleistungen (Abschnitt 5.3.2) gibt es in der Literatur Handlungsempfehlungen für die Anbieter, die großes Optimierungspotenzial für die Unternehmen in sich bergen.

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

5.3.1

141

programm

In diesem Abschnitt lernen Sie die Abhängigkeiten von Produkten und ergänzenden Dienstleistungen, Ansätze zur effektiveren Struktur der Dienstleistungen „ sowie Standardisierungsmöglichkeiten von Dienstleistungen kennen. Aus den unterschiedlichsten Gründen heraus (siehe Kapitel 1 und Abbildung 5-54) haben sich produzierende Unternehmen dazu entschlossen, in das Angebot produktbegleitender Dienstleistungen zu investieren. Dies hat zu einer naiven Serviceorientierung mit negativen Auswirkungen auf das Serviceangebot geführt Die Unternehmen weisen unfokussierte Leistungsprogramme auf, die trotz einer hohen Variantenvielfalt auf die Bedürfnisse der Kunden nur ungenügend eingehen. Anlass für das Angebot einer neuen Dienstleistung ist häufig ein individuell geäußerter Kundenwunsch. So ist bei vielen Unternehmen ein Wildwuchs an Dienstleistungen entstanden, der nicht zu einem systematischen und strukturierten Angebot geführt hat. Vielmehr wird die vorhandene Variantenproblematik des Produktbereichs zusätzlich verstärkt. „ „

Entwicklungstreiber für das Servicemanagement

Veränderte Produktentwicklungszeiten

Wertewandel und Individualisierung der Nachfrage

Nivellierung technischer Produkte (Homogenisierung)

Vernetzung zu Technologiesystemen

Herausforderungen für das Servicemanagement

Sozioökonomische Entwicklungen

Strukturdynamik und Dienstleistungsorientierung

Technologische Entwicklungen

Neue Informations- und Kommunikationstechnologien

Internationalisierung und Globalisierung

Gesetze / Garantien

Abb. 5-54: Treiber produktbegleitender Services (nach Casandra, S.22)

142

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

Im Portfolio finden sich zum einen kostenintensive Dienstleistungen, die dem Kunden nicht oder nur teilweise berechnet werden können. Während früher hohe Margen im Primärprodukt-Geschäft die Quersubventionierung kostspieliger Serviceleistungen noch ermöglichten, offenbarten sich mit dem Einsetzen der Rezession und dem damit verbundenen Kosten- und Preisdruck die negativen Auswirkungen dieser „naiven Serviceorientierung“ (vgl. Reiss/Beck, S. 25). Zum anderen entstehen aufgrund der steigenden Komplexität im Servicebereich Qualitätsmängel bei der Leistungserbringung. Um dem Wildwuchs Herr zu werden, müssen die Unternehmen die unausgeschöpften Standardisierungs- und Effizienzreserven angehen. Der Strukturierung des Dienstleistungsangebots im Sinne einer geplanten Programmpolitik hat deshalb höchste Bedeutung für die Industriegüterhersteller und wird später noch eingehender diskutiert. Eine wichtige Voraussetzung dafür wäre eine allgemein gültige und anerkannte Klassifikation produktbegleitender Dienstleistungen. Ein Beispiel für solche Bemühungen stellt die Klassifikation des ZVEI dar, der folgende sieben Klassen für die Klassifizierung von Dienstleistungen in der Automation unterschiedet: Klasse 0:

produktbezogene Basis-Dienstleistungen, die gesetzlich vorgeschrieben oder nach allgemein gültiger Auffassung selbstverständlich sind

Klasse 1:

produktbezogene Standard-Dienstleistungen, stellen vorbereitete, standardisierte Dienstleistungen mit direktem Bezug zu einem Produkt dar

Klasse 2:

produktbezogene kundenangepasste Standard-Dienstleistungen

Klasse 3:

applikationsspezifische Dienstleistungen

Klasse 4:

systembezogene Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit der Projektierung, Implementierung oder Instandhaltung eines Automatisierungssystems erbracht werden

Klasse 5:

anlagenbezogene Dienstleistungen, die in Zusammenhang mit der Einbindung eines Automatisierungssystems in das Prozessumfeld und/oder das Produktionsinformationssystem des Kunden stehen

Klasse 6:

anlagenbezogene erweiterte Dienstleistungen, die der Erbringung oder Verbesserungen der Prozessleistung einer Anlage dienen

Jede Klasse setzt sich wiederum aus mehreren Modulen zusammen (vgl. ZVEI Broschüre „Services in Automation“). Ein weiterer Versuch zur Klassifizierung findet sich bei eCl@ss, einem hierarchischen System zur Gruppierung von Materialien, Produkten und Dienstleistungen nach einem logischen Schema, das vom BMWI gefördert wird. Auf der Website www.eclss.de findet sich unter der Kategorie 25 eine branchenübergreifende Klassifikation von Dienstleistungen. Zusätzlich zur reinen Klassifizierung bietet eCl@ss eine Liste von Merkmalen, die zur Beschreibung der Dienstleistung genutzt werden können und so eine Kommunikation zwischen Lieferant und Kunde über das Dienstleistungsangebot vereinfachen.

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

143

Die oben getroffenen Aussagen machen klar, dass der systematischen Dienstleistungsentwicklung eine überragende Bedeutung im Rahmen des Marketings produktbegleitender Dienstleistungen zukommt. Abschnitt 5.3.2 widmet sich deshalb dem Thema der systematischen Dienstleistungsentwicklung. Zudem wird auf Sonderthemen eingegangen, die im Rahmen der Produktpolitik industrieller Dienstleistungen von besonderer Bedeutung sind. Dazu zählt zu die Servicequalität bzw. die Qualitätssicherung über Zeit und Raum, die erweiterten Haftungsrisiken (vgl. Haftungsmanagement.pdf unter „Methoden“) für den Produkthersteller durch das Angebot der Dienstleistungen sowie die Diskussion der Möglichkeiten, die ein zunehmender Technikeinsatz bietet. Im Folgenden wird insbesondere auf Maßnahmen eingegangen, die ein Anbieter produktbegleitender Dienstleistungen ergreifen kann, um sein Dienstleistungsangebot ökonomisch sinnvoll bzw. nach seinen programmpolitischen Zielen zusammenzustellen (siehe unten). Klar ist, dass das Serviceprogramm im Falle produktbegleitender Dienstleistungen nicht unabhängig von der eigentlichen Primärleistung, dem Kernprodukt des Herstellers, gesehen werden kann. Falls notwendig, wird auf die Besonderheiten eingegangenen, welche die Tatsache mit sich bringt, dass die Dienstleistungen eben nur Sekundärleistungen eines Produktes darstellen. Nachdem kurz auf mögliche Zielsetzungen eingegangen wird, die mit dem Leistungsprogramm verfolgt werden können, beschäftigen wir uns mit der Dimensionierung des Dienstleistungsprogramms. Wir unterscheiden dabei wie beim Produktprogramm in Programmtiefe und Programmbreite. Neben einer empfohlenen Vorgehensweise zur Strukturierung bestehender Dienstleistungen, wird ein Fokus auf die Modularisierung produktbegleitender Dienstleistungen gelegt, welche die Standardisierung und Bildung von Varianten ermöglicht. Maßnahmen, die sich mit Serviceinnovationen beschäftigen, werden erst im Abschnitt 5.3.2 unter dem Begriff des „service engineering“ beschrieben. Die übrigen Maßnahmen, wie zum Beispiel die Elimination bestehender Dienstleistungen aus dem Programm, werden hier nicht beschrieben, da sich kaum Unterschiede zu den institutionellen Dienstleistungen (siehe Abschnitt 5.2.1) ergeben. Programmbezogene Zielsetzungen können beispielsweise in der Differenzierung gegenüber dem Leistungsprogramm des Wettbewerbs liegen. Des Weiteren kann der Anbieter bestrebt sein, dass eine positive Beurteilung der Sekundärleistung auf die zugehörige Primärleistung (Kernprodukt) ausstrahlt. Eine dritte Zielsetzung liegt in der Sicherstellung, Verlängerung und Steigerung der Nutzung bzw. Verwendung der Primärleistung. Die Breite des Dienstleistungsprogramms wird durch die Anzahl Dienstleistungsarten bestimmt. Die Tiefe des Dienstleistungsprogramm bezieht sich auf die Anzahl der Varianten einer Dienstleistungsabend. Abbildung 5-55 zeigt beispielhaft das Dienstleistungsprogramm eines Investitionsgüterherstellers.

144

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

Programmtiefe / Varianten

Programmbreite / DL-Arten Montage

Inbetriebnahme

Instandhaltung

Überwachung

Reparatur

...

Ersatzteilservice

Schulung

Schulung

Schulung

Schulung

Schulung

...

Schulung

Inspektion

Systemverkauf

Inspektion

...

Bevorratung

Basic Anlieferung Einstellung Werkzeuge

Abgleich

Abschmieren

Systeminstallation

Demontage

...

Transport

Überwachung

Probelauf

Ausrichten

Diagnose

Transport

...

Kanban

...

...

...

...

...

...

...

Ausführung

Testwerkstücke

Auswuchten

Onlineüberwach.

Rekonditionierung

...

C-TeileMgt.

Advanced

FullService

Abb. 5-55: Beispielhaftes Serviceprogramm eines Investitionsgüterherstellers

Überwachung

Wartung

ServiceMontage angebot Lieferung Verkauf

Demontage

Ersatz

InspekReparatur tion oder

Produktion Entwicklung

Abb. 5-56: Serviceangebot für den Anwendungszyklus einer Anlage

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

145

Die Programmbreite zeigt, wie viele unterschiedliche Problemausprägungen die Kunden u.U. durch die angebotenen Dienstleistungen gelöst bekommen können (vgl. Forschner, S. 119) In der Praxis gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, um das Serviceprogramm bzgl. der angebotenen Breite zu strukturieren. So kann sich der Industriegüterhersteller z.B. am Lebenszyklus des Kernproduktes orientieren (Entwicklung, Produktion, Vertrieb, Nutzung, Entsorgung) und innerhalb der Nutzung wiederum an unterschiedlichen Anwendungszyklen (vgl. Abbildung 5-56). Die Dienstleistungen können als produktbegleitend oder produktunabhängig differenziert werden. Weiterhin besteht die Möglichkeit einer Differenzierung nach objekt- und subjekt-gerichteten Dienstleistungen. Diesen Möglichkeit ist gemein, dass sie das bestehende Angebot zwar klassifizieren, aber nicht dabei helfen, die „richtigen“ Dienstleistungen zu selektieren. Was fehlt, ist ein Instrumentarium zur Bewertung industrieller Dienstleistungen, das hilft, beim Serviceprogramm die richtigen Schwerpunkte zu setzen.

Abb. 5-57: Relevante Kostenblöcke eines Maschinenbetreibers Ein erster Schritt in die richtige Richtung ist die Prüfung, ob eine angebotene funktionelle Dienstleistung den Nutzen für den Kunden erhöht. Eine in der Praxis zunehmend eingesetzte Möglichkeit ist der so genannte Life Cycle Costing-Ansatz. Dabei wird in einem ersten Schritt ermittelt, wie hoch die Lebenszykluskosten der Primärleistung für den Kunden sind. In einem zweiten Schritt wird dann gemessen, in welchem Ausmaß eine angebotene Zusatzleistung die Lebenszykluskosten des

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

Produktes für den Kunden senkt. Es können Herstellersicht und Kundensicht unterschieden werden. Aus Herstellersicht interessieren Kosten und Erlöse über den gesamten Zyklus hinweg. Den Kunden interessieren neben den Anschaffungskosten auch die Wartungs-, Reparatur- und Entsorgungskosten (vgl. Abbildung 5-57). Den jeweiligen Kosten lassen sich aus Anbietersicht unterschiedliche Dienstleistungen zuordnen, die das Ziel verfolgen, Kosten für den Kunden zu senken. Je höher die jeweiligen Kosten sind, desto bedeutender wird die Dienstleistung für einen Kunden sein, wenn diese ihm dabei hilft, diese Kosten zu senken. Abbildung 5-58 zeigt dies am Beispiel industrieller Messtechnik.

Abb. 5-58: Ableitung möglicher Value-Added Services am Beispiel industrieller Messtechnik (Quelle: König/Colucci, S. 17) Obige Tabelle enthält zwei wesentliche Dimensionen, die für die Ableitung eines kundenorientierten DL-Portfolios verwendet werden können. Es handelt sich dabei einerseits um die Erwartungshaltung der Kunden und andererseits um den möglichen Nutzen (in diesem Fall das Kostensenkungspotenzial). Die Erwartungshaltung der Kunden kann neben den Muss-, Kann- und Soll-Leistungen auch die gesetzlich

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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vorgeschriebenen Leistungen enthalten. Zur Bestimmung des Serviceprogramms können die gesammelten Daten in einem Portfolio verdichtet und visualisiert werden (vergl. Abbildung 5-59).

Abb. 5-59: Beispiel für ein Service-Portfolio (Quelle: König/Colucci, S. 19) Der Affinitätsgrad wird als dritte Dimension durch die Größe der Kreisfläche dargestellt, wobei zwischen einer geringen, mittleren und hohen Affinität unterschieden werden soll. Der Affinitätsgrad misst die Affinität zwischen Primär- (Sachgut) und Sekundärleistung (produktbegleitende Dienstleistung) – also den Nutzenverbund. Bei einem hohen Affinitätsgrad wird der Kunde seine Zufriedenheit mit der Kernleistung auf die Zusatzleistung übertragen und umgekehrt. Bei einem niedrigen Affinitätsgrad dagegen spricht der Kunde dem Anbieter die Kompetenz zur Erstellung der Sekundärleistung ab. Beides, Erwartungshaltung und Affinitätsgrad sind für die Profilierungswirkung der produktbegleitenden Dienstleistung ausschlaggebend. Eine weitere Möglichkeit zur Klassifizierung produktbegleitender Dienstleistungen besteht darin, Dienstleistungen danach zu ordnen, ob sie für den Kunden wahr-

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

nehmbar sind oder nicht. Auf diesen Aspekt wird in Punkt 5.3.2 im Rahmen der Dienstleistungsentwicklung näher eingegangen. Schuh/Schwenk/Speth schlagen zur Analyse des bestehenden Serviceprogramms eine Vorgehensweise vor, die auf folgenden drei Schritten basiert (vgl. Abbildung 5-69): 1. Kategorisierung der bestehenden Dienstleistungen 2. finanzielle Bewertung der bestehenden Dienstleistungen 3. Bewertung durch die Grund Kunden

Abb. 5-60: Methoden für das Angebot industrieller Dienstleistungen (Quelle: Schuh/Schwenk/Speth, S. 37 Zunächst empfiehlt es sich, die bestehenden Dienstleistungen zu kategorisieren. Dazu werden alle Dienstleistungen, die ein Unternehmen anbietet, ohne jede Wertung aufgelistet. Dies hat den Vorteil, dass sich das anbietende Unternehmen einen Überblick (im Sinne von „was bieten wir an?“) und Klarheit („sprechen wir alle vom Gleichen“) über sein eigenes Dienstleistungsangebot verschafft. Die Einteilung des bestehenden Programms erfolgt nach zwei unterschiedlichen Kriterien:

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

149

1. nach dem Grad der Wettbewerbsdifferenzierung lassen sich Standard-, Profilierungs- und Zukunftsdienstleistungen, 2. nach der Relation zum Kernprodukt, also dem Affinitätsgrad ( siehe oben), Primär- und Sekundärdienstleistungen unterscheiden. Primärdienstleistungen können unabhängig vom Verkauf bzw. Auftrag zur Herstellung des Kernproduktes erstellt und eigenständig vermarktet werden. Sekundärdienstleistungen sind dagegen über den Verkauf oder über den Auftrag zur Herstellung des Kernproduktes an dieses gebunden. Ein Beispiel für solch eine Strukturierung findet sich in der folgenden Abbildung:

Abb. 5-61: Strukturierungsmatrix (Beispiel) eines Dienstleistungsprogramms Um einen komparativen Konkurrenzvorteil im Sinne von Backhaus zu erreichen, muss neben den Kundenvorteil ein relativer Anbietervorteil treten. Deshalb ist ein sinnvoller nächster Schritt die finanzielle Bewertung (verg. Abbildung 5-62) des bestehenden Dienstleistungsprogramms aus Anbietersicht, um die Attraktivität der einzelnen Dienstleistungen für den Anbieter zu ermitteln. Zunächst werden die Personalkosten als größter Kostenblock bei der Dienstleistungserstellung berechnet. Hierzu werden die erforderlichen Manntage pro Dienstleistung ermittelt und mit dem entsprechenden Tagessatz der erforderlichen Mitarbeiter multipliziert. Hinzukommen sonstige Kosten wie zum Beispiel Materialkosten, Raumkosten sowie Vertriebs- und Verwaltungskosten. In einem zweiten Schritt werden den Kosten die Erlöse pro Dienstleistung gegenübergestellt (sofern die Kunden für die Inanspruchnahme zahlen). Die finanzielle Bewertung der Dienstleistungen baut auf der Klassifizierung von Schritt 1 auf. Bereits zu diesem Zeitpunkt kann festgestellt werden, ob eine Neuausrichtung notwendig ist.

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

Abb. 5-62: Beispiel für die finanzielle Bewertung Wie beim Produktprogramm kann auch für das Dienstleistungsprogramm eine Deckungsbeitragsrechnung (vergl. Abbildung 5-63) herangezogen werden, um die Vorteilhaftigkeit einzelner Dienstleistungen zu quantifizieren.

Abb. 5-63: Beispielhafte Deckungsbeitragsrechnung

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

151

Im abschließenden Schritt wird die Bedeutung der Dienstleistung für den Kunden erhoben. Neben der oben genannte Möglichkeit, die Bedeutung in Form des Kostensenkungspotenzials zu erheben, existiert die Option, die Kunden selbst zu befragen, welche Bedeutung für sie eine spezifische Dienstleistung hat. Hierfür werden in der Praxis und in der Literatur die unterschiedlichsten Möglichkeiten einer Erhebung diskutiert, die wir später im Detail aufgreifen. An dieser Stelle konzentrieren wir uns auf eine direkten Kundenbefragung. Abbildung 5-64 zeigt das Ergebnis einer solchen Kundenbefragung, bei der die Kunden angeben haben, wie wichtig ihnen einzelne Dienstleistungen sind und in welchem Ausmaß sie die Dienstleistung durch einen Anbieter erfüllt sehen.

Abb. 5-64: Bedeutungs-/Erfüllungsmatrix Die sog. Bedeutungs-/Erfüllungsmatrix unterstützt den Anbieter dabei, den evt. vorhandenen Handlungsbedarf hinsichtlich des Serviceprogramms zu identifizieren. Optimal ist es, wenn die Bedeutungen der Dienstleistung für den Kunden dem wahrgenommenen Erfüllungsgrad entspricht. Von Untererfüllung wird gesprochen,

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

wenn der wahrgenommene Erfüllungsgrad geringer ist als die der Dienstleistung zugesprochene Bedeutung. In solch einem Fall ist zu prüfen, ob die Leistung des Anbieters verbessert werden muss. Genau andersherum liegt der Fall, wenn der Erfüllungsgrad einer Dienstleistung deren Bedeutung für den Kunden übertrifft. In dieser im Falle ist zu prüfen, ob eine Dienstleistung gänzlich aus dem Portfolio gestrichen wird oder der Leistungsumfang zumindest reduziert werden muss. Haben sich die bisherigen Ausführungen auf die Gestaltung der Sortimentsbreite konzentriert, so rückt im Folgenden die kostenorientierte Gestaltung der Sortimentstiefe in den Blickpunkt. Während die Programmbreite noch relativ einfach zu strukturieren ist, ist die Programmtiefe deutlich schwieriger abzugrenzen. In Abbildung 5-55 ergibt sich die Tiefe aus den drei Varianten Basic, Advanced und Full Service. Wir werden weiter unten bei der Modularisierung des Dienstleistungsangebot detaillierter darauf eingehen. Nur so viel sei gesagt: die Tiefe des Dienstleistungsprogramms wird durch das Angebot alternativer Bedarfsdeckungsmöglichkeiten einer beziehungsweise mehrerer Dienstleistungsarten bestimmt. Im obigen Beispiel stellen die alternativen Bedarfsdeckungsmöglichkeiten unterschiedliche Aktivitäten dar, die der Anbieter im Rahmen seines Dienstleistungsangebotes den Kunden zur Verfügung stellen kann. Hersteller in Europa haben aus den negativen Erfahrungen übertriebener Variantenvielfalt und falsch verstandener Kundenorientierung bisher wenig gelernt. Während beim Kernprodukt konsequentes Variantenmanagement zu Fortschritten bei der Bekämpfung unnötiger Komplexität führt, werden diese Erfolge durch eine unsystematische Ausweitung von produktbegleitenden Dienstleistungen torpediert (vergl. Schuh/Speth). Nicht nur der Anbieter verliert bei der unüberschaubaren Vielfalt an Einzelleistungen den Überblick, sondern auch die Kunden. Die Anbieter Produkt begleitende Dienstleistungen sehen sich einem Dilemma gegenüber gestellt. Auf der einen Seite sehen Sie sich durch eine ständig wachsende Anzahl individueller Kundenwünsche gezwungen, ihre Dienstleistungsangebot permanent zu erweitern und auf der anderen Seite sind sie auf Grund sinkender Erträge gezwungen, alle sich bietenden Möglichkeiten einer Kostensenkung zu nutzen. Die Anbieter haben zwei grundsätzliche Möglichkeiten, diesem Dilemma zu begegnen (siehe Abbildung 5-65). Es handelt sich dabei zum einen um die bereits angesprochene Modularisierung des Dienstleistungsangebotes und zum anderen um die eine Standardisierung der Leistungserstellung. Wir gehen zunächst auf die Modularisierung ein. Das Prinzip der Modularisierung basiert auf der Verbindung einer kundenanonymen Vorfertigung von Leistungskomponenten (was für den Kunden nicht sichtbar im Backstage-Bereich vorbereitet werden kann), und deren kundenspezifischen Endkombination (im Falle des Beispiels unten sind das die vorgefertigten Blumensträuße). Dadurch lassen sich die Vorteile einer Massenproduktion realisieren, während die individuelle Konfiguration der Leistung eine hohe Kundennähe ermöglicht (vergl. Schuh/Speth/Friedli, S.4).

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

153

Abb. 5-65: Effizienzsteigerungsansätze des Anbieters von Dienstleistungen

Dienstleistungsarten Montage

Inbetriebnahme

Instandhaltung

Überwachung

Reparatur

...

Ersatzteilservice

Schulung

Schulung

Schulung

Schulung

Schulung

...

Schulung

Inspektion

Systemverkauf

Inspektion

...

Bevorratung

Leistungsumfang

Anlieferung Einstellung Werkzeuge

Abgleich

Abschmieren

Systeminstallation

Demontage

...

Transport

Überwachung

Probelauf

Ausrichten

Diagnose

Transport

...

Kanban

...

...

...

...

...

...

...

Ausführung

Testwerkstücke

Auswuchten

Onlineüberwach.

Rekonditionierung

...

C-TeileMgt.

Abb. 5-66: Beispielhafte Dienstleistungsmodule

154

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

Bei Dienstleistungsmodulen handelt es sich um klar abgegrenzte Leistungsbeschreibungen, die spezifische Kundenbedürfnisse umfassend erfüllen. Das Ergebnis der Dienstleistungsmodularisierung ist ein Baukasten, aus dem sich der Nachfrager eine individuelle Problemlösung zusammenstellen kann. Nach dem Baukastenprinzip ergibt sich ein von den Kunden so wahrgenommener hoher Individualitätsgrad, der aus Anbietersicht mit einer vergleichsweise geringen internen Komplexität realisiert werden kann. Das erlaubt es, die gesamte Leistungserstellung nach Effizienzgesichtspunkten auszurichten und Standardisierungs- und Rationalisierungspotentiale zu nutzen. Voraussetzungen für eine zielführende Modularisierung des Dienstleistungsangebotes ist eine vollständige Auflistung der angebotenen Dienstleistungsarten und der materiellen (benötigte Werkzeuge, Fazilitäten, Art und Anzahl Personal) sowie immateriellen Bestandteile (Tätigkeiten, Timing, Ablauf) der Dienstleistungsart selbst (siehe Abbildung 5-66). Die sich so ergebenden Module können dann zu sinnvollen Dienstleistungsvarianten zusammengefasst werden (siehe Abbildung 5-67). Sinnvoll meint in diesem Zusammenhang, dass nicht jede mögliche Kombination einzelner Module aus Anbietersicht möglich beziehungsweise aus Kundensicht nötig ist. Betrachtet man Abbildung 5-64, so ist es zum Beispiel unsinnig, die Reparatur als Dienstleistung ohne den Bestandteil "Inspektion" anzubieten - sei es als Basisleistung oder als erweitertes Angebot mit Zusatzmodulen.

Abb. 5-67: Beispiel für modulares Dienstleistungsangebot (Quelle: Schuh/Speth/Friedli, S. 7)

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

155

Mit der Modularisierung gibt es also eine geeignete Methode, Einzelleistungen zu überschaubaren und verständlichen Dienstleistungspaketen zu schnüren. Eine wesentliche Wirkung für den Anbieter solcher Dienstleistungspakete liegt vor allem darin, die Kosten für Leistungserstellung zu senken, da die Pakete die Variantenvielfalt verringern. Die Wirkung für den Kunden kann am Beispiel des Angebotes eines Blumengeschäftes erläutert werden. Die wenigsten Kunden sind in der Lage, ihre Wünsche und Erwartungen an einen Blumenstrauß zu formulieren. Wer kann schon genau sagen, welche Blumen und Gräser sie/er in welcher Menge und in welcher Schnittlänge haben will? Wie viel einfacher ist es für den Durchschnittskunden des Blumenfachgeschäftes, wenn sie/er den Laden betritt und aus einer Reihe vorgefertigter Sträuße wählen kann. Eine Anpassung der vorgefertigten Sträuße an die individuellen Wünsche ist dann weder für den Kunden noch den Floristen eine große Herausforderung.

Abb. 5-68: Definition von Basis- und Zusatzmodulen (Schuh/Speth/Friedli, S. 6) Um aus Sicht des Dienstleistungsanbieters eine weitere Effizienzsteigerung zu erreichen, können die Dienstleistungsmodule in Basis- und Zusatzmodule zerlegt werden (siehe Abbildung 5-68). Die Basismodule werden allen Kunden angeboten. Sie können als „Standardleistung“ der Kernleistung (Maschine, Anlage, ...) hinzu-

156

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

gefügt werden und eröffnen damit dem Hersteller erhebliche Einsparpotenziale. Dagegen werden die Zusatzmodule segmentspezifisch zusammengestellt. Die Zusatzmodule können eine höherwertige Ausführung der Basisleistung (Upgrading durch höhere Qualität), eine echte Erweiterung um zusätzliche Funktionalitäten (Erweiterungsmodule) oder die Erweiterung um individuelle Sonderfeatures (single options) darstellen. Die zielgruppenspezifische Dienstleistungspakete lassen sich zudem effektiver vermarkten, da die einzelnen Pakete auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Kundentypen maßgeschneidert scheinen (vgl. Abbildung 5-69).

Kundentyp

DL-Paket

Kompetenzen und Ressourcen

Basic

Advanced

Full Service

Schulung + Ersatzteile

Selbstinstandhalter

+ Beratung

Optimierer

Partner

+ Operative

OutsourcingBereitschaft

Abb. 5-69: Kundenspezifische Dienstleistungspakete Die Anbieter produktbegleitender Dienstleistungen müssen allerdings darauf achten, dass die Anzahl der Varianten beziehungsweise die Tiefe des Dienstleistungsprogramms nicht überhand nimmt, da sich daraus negative Auswirkungen auf den Sachleistungsumsatz ergeben können (vgl. Forschner, S. 127). Ursache dafür kann beispielsweise der Rückschluss der Kunden sein, dass die vielen technischen Dienstleistungen deshalb angeboten werden, weil die Sachleistung (also die Kernleistung) von minderer Qualität ist.

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

157

Es sollte aber auch klar sein, dass ein breites und tiefes Dienstleistungssortiment vor allem positive aquisitorische Wirkung auf die Kunden hat, da ein solches Angebot für die Problemlösungsfähigkeit des Sachgutherstellers steht. Im Gegensatz zur Sachgüterproduktion findet ein Großteil der Leistungserstellung bei Dienstleistungen für den Kunden wahrnehmbar statt. Vielfach ist der Kunde sogar direkt an der Leistungserstellung der Dienstleistung beteiligt. Die für den Kunden wahrnehmbaren Leistungsbestandteile der Dienstleistung sind in hohem Maße individuell und von dem Anbieter äußerst flexibel zu erbringen. Das Potenzial für Rationalisierungen bzw. Kosteneinsparungen muss sich deshalb auf diejenigen Leistungsherstellungsprozesse beschränken, die für den Kunden nicht wahrnehmbar sind. Für diese sollten allerdings alle Möglichkeiten der Rationalisierung ausgeschöpft werden. Folgende Ansatzpunkte kommen dafür in Betracht: -

der Produktionsprozesse (Arbeitsteilung, Spezialisierung, Strukturierung von Abläufen)

-

die Wahl wer Produktionsfaktoren (zum Beispiel weniger qualifizierte Mitarbeiter)

-

eine Ausweitung der Kundenbeteiligung (Übertragung von Aktivitäten auf den Kunden wie zum Beispiel die visuelle Inspektion einer Anlage durch den Kunden selbst mit einer Kamera ausgestattet, die Bilder liefert, die von dem Anlagenhersteller online ausgewertet werden).

158

5.3.2

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

service-engeneering - Dienstleistungswicklung

In diesem Abschnitt lernen Sie die Analysen und Prozesse zur effektiven Gestaltung von produktbegleitenden Dienstleistungen „ und den besonderen Nutzen von Service Engeneering kennen. Die Entwicklung von Dienstleistungen erfolgt in vielen Unternehmen nach dem „Prinzip Zufall“. Deshalb ist eine Forderung in Wissenschaft und Praxis, die Dienstleistungsentwicklung zu professionalisieren. Diesem Umstand widmet sich eine noch junge Disziplin, die sich Service Engineering nennt. Im vorliegenden Abschnitt gehen wir zunächst auf den Begriff des Service Engineerings und die Dimensionen ein, die es zu gestalten gilt, bevor wir uns dem systematischen Dienstleistungsentwicklungsprozess selbst widmen und diesen an Hand von Beispielen darstellen. „

Abb. 5-70: Herausforderung der DL-Entwicklung (Quelle: Meiren, T.: Vorgehensmodell zur Entwicklung von Dienstleistungen) Nach Bullinger und Scheer umfasst Service Engineering die systematische Entwicklung und Gestaltung innovativer Dienstleistungen, die es für den Dienstleistungsbereich als Entwicklungsdisziplin zu etablieren gilt, sowie die Methoden und Werkzeuge, um Serviceideen in marktfähige Leistungen zu transformieren (Bullinger/Scheer, S. 4). Engineering und Marketing haben etwas gemeinsam: sie verändern etwas. Im Falle des Engineerings werden Produkte (oder Dienstleistungen)

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

159

verändert, im Falle des Marketings Menschen (Mitarbeiter und Kunden). Ingenieure liefern technische Lösungen für die Kundenprobleme, die das Marketing herausgefiltert hat oder Marketing liefert Kunden für die technischen Lösungen, welche von den Ingenieuren entwickelt wurde. Bei der Entwicklung von Dienstleistungen müssen sowohl Serviceprodukte entwickelt werden als auch die (Fähigkeiten der) Menschen, die das Serviceprodukt erstellen und verkaufen sollen. Ein Grund dafür, warum der Begriff Service-Engineering in dem vorliegenden Buch im Zusammenhang mit Dienstleistungsmarketing verwendet wird. Dem Service Engineering als Entwicklungsdisziplin liegt die These zu Grunde, dass sich Dienstleistungen ähnlich wie Sachgüter entwickeln lassen können (siehe Abbildung 5-70). Ziel der systematischen Dienstleistungsentwicklung und -optimierung ist es, eine Dienstleistung wie eine Sachleistung zu konstruieren und zu vermarkten. Meiren unterscheidet Sachverhalte, die sich vom Sachgüterbereich auf den Dienstleistungsbereich übertragen lassen und andere, die sich unterscheiden. Zu den Dingen, die sich übertragen lassen, gehören Vorgehensmodelle, methodisches Konstruieren, Produkt- und Prozessmodellierung sowie die Modularisierung und Komponentenbildung, wie wir Sie bereits im Abschnitt 5.3.1 kennen gelernt haben. Diese nennt er High Tech und nimmt damit Bezug auf ingenieurwissenschaftliche Methodik, die bei der Dienstleistungsentwicklung genutzt werden kann. Dem stehen die Sachverhalte gegenüber, die sich nicht übertragen lassen: die Gestaltung der Kundenschnittstelle, die Gestaltung der Kundeninteraktion, die Fokussierung auf das Personal und die Berücksichtigung emotionaler Aspekte, die insbesondere bei der Interaktion des Personals mit Mitarbeitern des Kunden zu berücksichtigen sind. Der Moment der Interaktion mit dem Kunden wird auch als "Moment of Truth" also als "Moment der Wahrheit" bezeichnet. Dahinter verbirgt sich die Herausforderung, dass sich das Kundenurteil über die Qualität der Dienstleistungen eben in diesem Moment manifestiert und nicht wie bei der Sachgüterproduktion vor dem ersten Kundenkontakt überprüft werden kann. Diese Sachverhalte werden unter dem Begriff High Touch subsumiert. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass es sich überwiegend um Dinge handelt, die mit Menschen und deren Kontakt zueinander zu tun haben. Wird nach dem Nutzen des Service Engineering gefragt (vgl. Abbildung 5-71), lassen sich vier unterschiedliche Nutzungsbündel identifizieren. Service Engineering führt über eine gezielte Einbeziehung der Kunden in den Entwicklungsprozess und systematische Marktanalysen zu einer aktiveren Bindungen von Stammkunden und einer effizienteren Gewinnung von Neukunden. Des Weiteren wird die Innovationskraft des Anbieters produktbegleitender Dienstleistungen gestärkt, indem im Rahmen eines strategischen Innovationsmanagements Methoden zur Ideenfindung, -bewertung, und -selektion angewendet werden. So sollen die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöht und die „Time-to-Market“ gesenkt werden. Somit wird die Wirtschaftlichkeit durch Service Engineering gesteigert. Durch geeigneten Methodenund Werkzeugeinsatz werden die Standardisierung und Variantenbildung vorangetrieben, was dabei helfen sollen, Rationalisierungspotenziale auszuschöpfen. Durch

160

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

die Dokumentation des Entwicklungsprozesses sollen weiterhin Lerneffekte erzielt werden, die die Wirtschaftlichkeit weiter steigern helfen.

Kundenorientierung

Innovationskraft

• Gezielte Einbeziehung der Kunden

• Verfolgung von InnovationsStrategien

• systematische Marktanalysen • aktive Bindung von Stammkunden • Gewinnung von Neukunden • Kunden-Mitarbeiter–Interaktion

• Strategische DienstleistungPortfolien • Verkürzungen der „Time-to-Market“ • erhöhte Erfolgswahrscheinlichkeit • aktives Wissensmanagement

Wirtschaftlichkeit

Qualität

• Standardisierung

• Definition von Prozessen

• Methoden- und Werkzeugeinsatz • systematische Variantenbildung

• Dienstleistungsprodukt an Spezifikation messbar

• erhöhte Leistungserbringung

• Qualifizierung der Mitarbeiter

• Lerneffekte

• TQM und Zertifizierung • geeignete Metriken und Reifegrade

Abb. 5-71: Nutzen des Service Engineering (Quelle: it management 5/98, S. 18) Der wirtschaftliche Nutzen einer Professionalisierung der Entwicklung von Dienstleistungen über konsequentes Service Engineering liegt vor allem darin begründet, dass sich Fortschritte in der Entstehungsphase neuer Dienstleistungen erzielen lassen. Aus dem integrierten Lebenszyklusmodell (vgl. Abbildung 5-72) ist bekannt, dass die meisten Kosten einer neuen Dienstleistung in dieser Phase festgelegt werden. Je früher in der Produktentstehungsphase (PEP) bzw. Serviceentstehungsphase (SEP) die Optimierung einsetzt, desto eher besteht eine Möglichkeit der Kostenbeeinflussung (vgl. Abbildung 5-73).

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

Grad der Ungewissheit

kumulierte Entstehungskosten

Umsatz bzw. Gewinn

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kumulierte Entsorgungskosten

80 % aller Kosten werden hier festgelegt

Beobach- Entstehungszyklus Produktentwicklung/ tungsService Engineering zyklus

Marktzyklus

Entsorgungszyklus

Abb. 5-72: Integriertes Lebenszyklusmodell

Abb. 5-73: Kostenbeeinflussung und -entstehung im PEP - SEP (GKP 2002, S. 2)

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

Wir wenden uns nun der Frage zu, was genau beim Service Engineering gestaltet wird. Dazu müssen wir uns noch einmal in Erinnerung rufen, was den Begriff der Dienstleistung ausmacht. Die Dienstleistung entsteht - wie in Abschnitt 1.3 beschrieben - durch einen Kombinationsprozess, der in drei Phasen abläuft: die Potenzial-, Erstellungsprozess- und Ergebnisphase. Die genannten Phasen lassen sich auch als Dimensionen des Dienstleistungsbegriffs verstehen, die es im Rahmen des Service Engineering zu gestalten gilt. Wie erweitern nun dieses Verständnis von Dienstleistung um eine vierte Dimension, die Marktdimension (vgl. Abbildung 574). Unter der Annahme, dass die Marktfähigkeit einer Dienstleistung ein unmittelbares Definitionskriterium darstellt, muss als vierte Gestaltungsdimension der Markt zu den Dimensionen mit aufgenommen werden, die wir nun vorstellen:

ProzessDimension

PotenzialDimension

Anbieter

ErgebnisDimension

Dienstleistung

Kunde

MarktDimension

Abb. 5-74: Gestaltungsdimensionen von Dienstleistungen (in Anlehnung an Bullinger/Schreiner 2003, S. 56) Begreift man Dienstleistung als System, so bezieht sich die Potenzialdimensionen auf den Input der zur Dienstleistungserstellung notwendig ist. Als bedeutendster Inputfaktor muss an erster Stelle die Human Ressource genannt werden. Weitere Faktoren können Maschinen, Werkzeuge, Informations- und Kommunikationssysteme und Fazilitäten sein. Besonderer Aufmerksamkeit bei der Gestaltung der Potenzialdimensionen bedarf die Tatsache, dass die Speicher- bzw. Lagermöglichkeiten und Nachfrageschwankungen eine Kapazitätsplanungen der Potenziale erschweren. Eine Orientierung an mögliche Nachfragespitzem wird zu hohe Leerkosten durch Überkapazitäten verursachen und damit ökonomisch wenig sinnvoll sein. Werden die Kapazitäten dagegen zu knapp bemessen, dann kann das schnell zu einer geringeren Qualität für den Kunden führen, sei es durch mangelnde Verfüg-

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

163

barkeit oder durch mangelnde Qualität der Arbeit des ausführenden Personals, das unter Überlastung leidet. Wichtig für den Anbieter produktbegleitender Dienstleistungen ist es, sich bewusst zu machen, dass in den Leistungsherstellungsprozess nicht nur seine eigenen Potenziale, sondern auch die Potenziale des Kunden eingehen. Das Sicherstellen einer gewünschten Qualität der in den Leistungsherstellungsprozess eingehenden Potenziale wird damit deutlich erschwert, weil die Qualität des externen Faktors nur bedingt gesteuert werden kann. Dies soll am Beispiel eines Reparaturservices an einer Maschine beim Kunden vor Ort erläutert werden. Ein Mitarbeiter der Instandhaltungsabteilung des Kunden ruft über die technische Hotline bei seinem Maschinenlieferanten an, der für seine hergestellten Maschinen einen Reparaturservice anbietet. Der Kunde beschreibt an der Hotline seinen Problemfall und wird in die relevante Serviceabteilung vermittelt. Dort beschreibt er telefonisch nochmals die Probleme, die er mit der bei ihm aufgestellten Maschine hat. Wir müssen uns vor Augen führen, dass der Kunde in diesem Moment bereits Teil der Leistungserstellung ist. Beschreibt der Mitarbeiter des Kunden das vorliegende Problem unzureichend oder falsch, dann ist anzunehmen das, dass die Servicetechniker der Reparaturabteilung des Herstellers eine unzureichende bzw. falsche Problemlösung vorschlagen werden. Die Servicetechniker könnten beispielsweise das falsche Werkzeug für die Reparatur wählen. In dem konkreten Fall muss der Servicemitarbeiter des Herstellers alle erdenklichen Maßnahmen ergreifen, um (aus der Ferne) sicherzustellen, dass der Mitarbeiter des Kunden das Maschinenproblem korrekt beschrieben hat. Insbesondere die Verfügbarkeit neuer Informations- und Kommunikationstechnologien sorgt heute dafür, dass der Hersteller die Möglichkeit einer Ferndiagnose hat (vom digitalen Foto via E-Mail bis zur OnlineÜberwachung via Satellit). Nun wird der Servicemitarbeiter den Mitarbeiter des Kunden instruieren, was zu tun ist. So kann die Instandhaltungsabteilung des Kunden beispielsweise die Maschine so weit demontieren, dass die Servicetechniker des Herstellers bei ihrem Eintreffen vor Ort sofort beginnen können, die schadhaften Komponenten der Maschine zu begutachten. Auch hier wird ersichtlich, dass die Mitarbeiter des Kunden erneut in den Leistungserstellungsprozess mit eingebunden sind und eventuell negativen Einfluss auf die Qualität der Dienstleistung nehmen können. Im vorliegenden Fall kann beispielsweise die Demontage der Maschine nicht sachgerecht erfolgen und der Maschine weiterer Schaden zugefügt werden. Unabhängig davon, ob die Kunden selbst erkennen, ob eine mangelnde Dienstleistungsqualität durch nicht sachgerechte Beteiligung des eigenen Personals herbeigeführt wurde oder nicht, wird ihnen in Erinnerung bleiben, dass die Dienstleistung, die sie von dem Maschinenhersteller in Anspruch genommen haben, nicht die gewünschte Qualität hatte. Aufgabe des Service Engineerings ist es also, interne (Anbieter) und externe (Kunde) Potenziale nach Menge und Qualität so zu gestalten, dass für den Kunden die Dienstleistung in gewünschter wahrgenommener Qualität zu Stande kommt. Eine Dienstleistung wird in einem Prozess erstellt. Wie im oben dargestellten Beispiel deutlich wird, entsteht die Dienstleistung, in dem Potenzialfaktoren - seien es interne oder externe - zusammenwirken. Es werden unterschiedliche Aktivitäten

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ausgeführt, die durch eines oder mehrere Ereignisse ausgelöst werden und mit einem Ergebnis enden. Im obigen Beispiel war der vom Kunden festgestellte Schaden an einer Maschine das entscheidende Ereignis für den Reparaturservice. Das Ergebnis des Reparaturservices sollte eine funktionstüchtige Maschine sein. Zum eigentlichen Prozesses wird der Dienstleistungsvorgang, indem man die Aktivitäten zeitlich ordnet. Vergleicht man den Leistungsherstellungsprozess einer Dienstleistung mit der eines Produktes so fällt auf, dass der Leistungserstellungsprozess selbst bei der Dienstleistung Teil des Ergebnisses ist. Bei der Herstellung eines Produktes sorgen ebenfalls zeitlich angeordnete Verrichtungen dazu, dass aus verschiedenen materiellen Bestandteilen ein Produkt erstellt wird. Im Gegensatz zu Dienstleistungen werden diese Verrichtungen aber in aller Regel unabhängig vom Kunden und für diesen auch nicht wahrnehmbar durchgeführt. Das Ergebnis der Dienstleistung besteht in der Änderung eines Zustandes beim Dienstleistungskunden selbst (im Falle subjektgerichteter Dienstleistung) oder in der Änderung eines Zustandes an einem Objekt des Kunden (im Falle objektgerichteter Dienstleistungen). Die Frage, ob die Qualität einer Dienstleistung von Kunden positiv bewertet wird, umfasst zwei Teildimensionen. Zum einem kann der Kunde feststellen, ob die Dienstleistung zu den gewünschten Änderungen eines Ausgangszustandes geführt hat. Im Falle unseres Reparaturbeispiels kann der Kunde nach Abschluss der Reparaturtätigkeiten feststellen, ob die Maschine funktioniert oder nicht. Zum anderen muss die erwünschte Wirkung der Dienstleistung mittelbis langfristig erhalten bleiben, um den Kunden zufrieden zu stellen. Die Überführung des Objektes - in unserem Fall der Maschine - in den gewünschten Zustand stellt das prozessuale Endergebnis dar und fällt mit dem Abschluss des Leistungserstellungsprozesses zusammen. Die mittel- bis langfristige Wirkung wird Folgeoder Dauerqualität der Dienstleistung genannt. Erst wenn beides erfüllt ist, kann von einer hohen Qualität der Dienstleistung gesprochen werden. Sollte in unserem Beispiel die Maschine bereits zwei Tage später wieder aus dem gleichen Grund ausfallen, fehlt die Folgequalität. Also ist es Aufgabe des Service Engineerings, die Qualität beider Dimensionen des Dienstleistungsergebnisses sicherzustellen. Die Tatsache, dass das Endergebnis der Dienstleistungen kein materielles Produkt ist, sondern die Änderung eines Zustandes, der mittel- bis langfristig wirkt, macht die Gestaltung und Vermarktung des Ergebnisses besonders schwer. Die letzte Dimensionen stellt die Marktdimension dar. Wie bereits oben erwähnt, soll über Service Engineering sichergestellt werden, dass eine innovative Dienstleistung auch vermarktet werden kann. In diesem Sinne setzt Service Engineering an Methoden an, die sicherstellen, dass das entwickelt wird, was Kunden erwarten. Es ist Aufgabe des Service Engineerings, die Bedürfnisse und Erwartungen bestehender und/oder potenzieller Kunden in Anforderungen zu übersetzen, die zur Spezifikation konkreter Produkte und/oder Dienstleistungen benötigt werden. Service Engineering als Disziplin oder Funktion im Unternehmen soll also Methoden und Werkzeuge zur Verfügung stellen, die eine optimale Gestaltung der vier genannten Dimensionen der Dienstleistung erlauben (vgl. Abbildung 5-75).

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Abb. 5-75: Gestaltungsfelder und Aufgaben des Service-Engineerings

Abb. 5-76: Verwendete Modellelemente zur Serviceentwicklung in der Praxis (Meiren, S.17) Um die praktische Relevanz des Service Engineerings als Disziplin und unternehmerische Aufgabe zu erfassen, betrachten wir die Ergebnisse einer empirischen

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Untersuchung des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO aus dem Jahre 1999. Im Rahmen der Untersuchung wurde festgestellt, dass 68 Prozent der dort befragten Unternehmen regelmäßig Dienstleistungen entwickeln. Die folgende Abbildung 5-76 zeigt, welche Elemente diese 68 Prozent wiederum bei der Dienstleistungsentwicklung berücksichtigt haben. (vergl. Meiren, S. 17). Die gleiche Untersuchung hat ergeben, welche Methoden und Werkzeuge, die sich dem Service Engineering zu ordnen lassen, in der Praxis Verwendung finden (vgl. Abbildung 5-77). Das Ergebnis ist ernüchternd. Methoden, die bei der Entwicklung von Produkten bereits breite Anwendung finden, wie zum Beispiel FMEA (Failure Mode and Effectiveness Analysis) oder QFD (Quality Function Deployment) werden bei der Dienstleistungsentwicklung offensichtlich vernachlässigt, obwohl sie ihren Fokus auf die Qualität der zu entwickelnden Leistung richten, der für die Serviceentwicklung von besonderer Bedeutung ist.

Abb. 5-77: Einsatz dienstleistungsspezifischer Entwicklungsmethoden (Fähnrich et al. 1999) Neben der Strukturierung dessen, was entwickelt werden sollen (den Dimensionen nämlich), hat das Service Engineering auch die Aufgabe, den Entwicklungsprozess selbst zu strukturieren und zu formalisieren. Die oben zitierte Studie des IAO zeigt (siehe Abbildung 5-78), dass nur wenige Unternehmen in der Praxis einen formalisierten Dienstleistungsentwicklungsprozess aufzuweisen haben.

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Abb. 5-78: Formalisierung des Serviceentwicklungsprozesses in der Praxis (Meiren, S.19)

Abb. 5-79: Entwicklungsprozess von Dienstleistungen bei Audi (Meiren 2003, S. 26)

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Was der Dienstleistungsentwicklungsprozess beinhalten und wie er ablaufen soll, findet sich in etlichen Untersuchungen in der Literatur. An dieser Stelle sollen nicht alle bis heute entwickelten Modelle vorgestellt werden. Der interessierte Leser kann die verschiedenen Modelle in übersichtlicher Form in dem Grundlagenwerk Thema Service Engineering von Bullinger/Scheer entnehmen (Bullinger/Scheer, S. 117 ff). Allen gemeinsam ist die Darstellung in Form von Phasen, die mit sog. Meilensteinen (auch Stage Gates genannt) oder ohne diese (vgl. Abbildung 5-79) dargestellt werden. Sie unterscheiden sich vor allem durch den Inhalt, Bezeichnung und Detaillierungsgrad der einzelnen Phasen. Wichtig ist die Unterscheidung zweier Begriffe: Service Engineering steht für den gesamten Entwicklungsprozess von der Ideenfindung bis zur Serieneinführung. Service Design dagegen steht für den konstruktiven Part der Dienstleistungsentwicklung und umfasst insbesondere die Modellierung des Ressourcen-, Prozessund Produkt-Modells. Im Entwicklungsprozess bei Audi (siehe Abbildung 5-79) ist damit die Konzeptionsphase gemeint. Der Begriff Service Engineering ist damit deutlich umfassender als der Begriff Service Design.

Abb. 5-80: Service Entwicklung Prozess mit Stage-Gates (in Anlehnung an Aurich, S. 149

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Wir unterscheiden hier folgende vier grobe Phasen: 1. Innovationsmanagement 2. Dienstleistungsdesign 3. Prototyping 4. Markteinführung Diesen vier Hauptphasen kann noch eine weitere Phase vorgeschaltet sein, die sich mit der Bestandsaufnahme bestehender Dienstleistungen (Dienstleistungskatalog) und der Identifikation von neuen Handlungsfeldern beschäftigt. Beides wurde bereits zuvor ausführlich behandelt und wird hier nicht mehr eingehend beleuchtet. Die vier Hauptphasen des Service Engineerings sind in Abbildung 5-80 als Phasenmodell mit Stage Gates dargestellt, weil dies den Einsatz von Projektmanagement erleichtert. Bevor wir auf die einzelnen Phasen der Dienstleistungsentwicklung eingehen, werden wir im Folgenden darstellen, dass es bei produktbegleitenden Dienstleistungen vor allem darauf ankommt, Produkt- und Serviceentwicklung gemeinsamen zu betrachten. Wir wollen die gemeinsame und zeitgleiche Entwicklungen von Produkt- und produktbegleitender Dienstleistung als hybride Produktentwicklung bezeichnet. Idealerweise findet der Entwicklungsprozess parallel statt. Allerdings zeigt die Realität, dass dies nur in den seltensten Fällen geschieht (vgl. Abbildung 5-81). Produkt- und Serviceentwicklungsprozess können vom Timing her aufeinander abgestimmt werden wie die darauf folgende Abbildung 5-82 zeigt.

Abb. 5-81: Hybride Produktentwicklung [Aurich o.J., S. 6}

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Abb. 5-82: Phasen einer hybriden Produktentwicklung (Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebstechnik der Universität Karlsruhe)

Entstehung

Nutzungsphase Verkaufsstart

Verkaufsende

Verkaufte Einheiten Produkt p.a. Installierte Basis = Lebenszyklus Service

Abb. 5-83: Zusammenhang zwischen Produkt- und Servicelebenszyklus

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Viele Unternehmen entwickeln zunächst ihr Industriegut (Komponente, Maschine oder Anlage) bevor sie auf die Idee kommen, produktbegleitende Dienstleistungen zu entwickeln und anzubieten. Meist werden sie von den Betreibern der Anlagen nach solchen Dienstleistungen gefragt. Durch dieses passives Verhalten verschenkt der Hersteller nicht nur die Möglichkeit sein Sachgut so zu konstruieren, dass produktbegleitender Service überhaupt erst möglich wird bzw. vereinfacht wird. Diese Thematik wird unter dem Begriff „Design for Service“ in Literatur und Praxis diskutiert. Es wird außerdem die Chance vergeben, Dienstleistungen auf den Lebenszyklus des Produktes anzupassen. Zusätzlich dazu entgeht dem Hersteller Umsatzund Ertragspotenzial, das er mit Beginn der Auslieferung seines Sachgutes abschöpfen könnte. Abbildung 5-80 soll diesen Umstand verdeutlichen. Im Vergleich zum Sachgut ist der Lebenszyklus produktbegleitender Dienstleistungen, die sich auf den After-Sales-Bereich beziehen, deutlich länger, da er von der durchschnittlichen Lebensdauer der installierten Anlagenbasis abhängt. An dieser Stelle greifen wir erneut den o.e. Stage-Gate-Prozess auf (vgl. Abbildung 5-80) und beschreiben im Folgenden im Detail die Phasen, die durchlaufen werden, sowie vereinzelt die Methoden, die beim Service-Engineering zum Einsatz kommen (sollten). Die Phase des Innovationsmanagements umfasst zum einen die Teilphasen der Ideenfindung, -bewertung und -selektion. Übersteht eine Idee diesen Ausleseprozesses erfolgt im State Gate 0 das "Go" für die nächste Teilphase: die Erstellung eines Businessplans als Grobkonzept mit technischer und wirtschaftlicher Machbarkeitsanalyse. Führt der Businessplan zu dem Ergebnis, dass die Dienstleistungsidee sowohl technisch als auch wirtschaftlich realisierbar ist und die vom Unternehmen geforderte Rentabilität verspricht, wird die Idee für die nächste Entwicklungsphase freigegeben. Abbildung 5-84 enthält ein Koordinatensystem mit den Dimensionen Erfüllungsgrad und Zufriedenheit mit einer Sach- oder Dienstleistung. Begeisterungs-, Leistungs- und Grundanforderungen der Kunden (vgl. die Ausführungen zum Kano-Modell weiter unten) können in dieses Koordinatensystem eingetragen werden. Die Grafik lässt sich folgendermaßen interpretieren: Grundanforderungen stiften für die Kunden keine Zufriedenheit, wenn sie erfüllt werden. Sollten sie allerdings nicht erfüllt werden, stiften sie Unzufriedenheit. Genau andersherum verhält es sich mit den Begeisterungsanforderungen. Sie werden von den Kunden nicht erwartet. Sollte ein Anbieter eine solche Leistung anbieten, wird dieses zu einer steigenden Zufriedenheit der Kunden führen. Lediglich die Leistungsanforderungen verhalten sich linear. Wird eine solche Anforderung von einem Anbieter nicht erfüllt, sind die Kunden nicht zufrieden. Wird sie dagegen erfüllt, fördert sie die Zufriedenheit der Kunden. Es muss noch berücksichtigt werden, dass sich die Anforderungen im Laufe der Zeit verändern, so kann eine Begeisterungsanforderung später zu einer Grundanforderung werden. Ein Beispiel hierfür stellt die Ausstattung eines Pkws mit ABS dar. Vor 20 Jahren war ABS eine Begeisterungsanforderung für die Kunden. Heute stellt dieses Leistungsmerkmal eine Grundanforderung dar.

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Abb. 5-84: Kano-Faktoren im Kontext von Erfüllungsgrad und Zufriedenheit In Abbildung 5-85 sind verschiedene Dienstleistungen dargestellt, die den Kunden einer Branche von verschiedenen Herstellern einer Maschinen Komponente angeboten werden. Die einzelnen Dienstleistungen lassen sich so in Grund-, Leistungsund Begeisterungsanforderungen der Kunden einteilen. Unterstellen wir, dass wir den Dienstleistungsentwicklungsprozess eines Komponentenherstellers betrachten, der bisher keinen Montageservice anbietet. Es wird klar, dass er diesen Service anbieten muss, um einen Wettbewerbsnachteil ggü. dem Wettbewerb - der diese Anforderung weitestgehend erfüllt - aufzuholen. Entwickelt er die Dienstleistung so, dass sie den Erwartungen der Kunden entspricht, werden diese mit seiner Leistung nicht unzufrieden sein. Bietet der sie nicht an oder nicht der Erwartung der Kunden entsprechend, dann muss er mit der Unzufriedenheit der Kunden rechnen. Entschließt er sich, die Rekonditionierung seiner Komponente erwartungskonform anzubieten, dann kann er dadurch die Zufriedenheit seiner Kunden steigern. Das Kano-Modell kann insofern nicht nur für die Kategorisierung von Anforderungen genutzt werden (siehe unten), sondern auch für die Kategorisierung von Dienstleistungen. Es liefert somit einen wichtigen Beitrag für das dienstleistungsentwickelnde Unternehmen, wenn es darum geht, die richtige Dienstleistung für eine Entwicklung auszuwählen.

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Abb. 5-85: Anwendung der Kano-Methode für das Dienstleistungsangebot mehrerer Komponentenhersteller Nach dem Innovationsmanagement folgt die Phase des Dienstleistungsdesigns. Die Phase beginnt mit der Erstellung eines ersten Entwurfs, der die Anforderungen des Marktes und des Unternehmens analysiert und in ein Anforderungsprofil überführt. Das Anforderungsprofil selbst wird in Form eines Pflichtenheftes dokumentiert und dient (nach Freigabe) als Input für die nächste Teilphase, der Modellierung. Es gibt zahlreiche Methoden, die Anforderungen der Kunden aufzunehmen und die wesentlichen Anforderungen herauszufiltern. Sie reichen von einfachen Kundenproblemanalysen über Fokusgruppeninterviews, der Lead-User-Methode, Kundenprozessanalysen bis hin zur Critical Incident Technique (CIT-Methode), die sich besonders zur Identifikation von Serviceanforderungen eignet. Die Analyse umfasst drei Schritte (siehe Abbildung 5-86): 1. Kontaktpunktidentifikation, 2. Kontaktpunktanalyse und 3. Ableitung der zentralen Kundenanforderungen.

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Abb. 5-86: Prozessorientierte Erfassung zentraler Kundenanforderungen (Schuh/Speth/Schwenk, S. 19)

Abb.5-87: Aufbau eines Service-Blueprints (Quelle: Zeithamel/Bitner 2002) In einem ersten Schritt werden sämtliche Kundenkontaktpunkte erfasst. Mit Hilfe der Methode des Service Blueprinting (vgl. Abbildung 5-87) erfolgt eine systematische Gliederung des Dienstleistungserstellungsprozesses und der Darstellung aller Komponenten in einem graphischen Ablaufdiagramm. Dazu werden alle für die Dienstleistung notwendigen Aktivitäten aufgelistet und aus Kundensicht entlang der Kundenkontaktpunkte (Kundenpfad) chronologisch geordnet und abgebildet bzw. dokumentiert. Der Kundenpfad wird durch die Darstellung unternehmensin-

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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terner Prozesse (Back-Office oder Back-Stage) erweitert. Eine Linie trennt die Prozesse, die der Kunde wahrnimmt, von den Prozessen, die der Kunde nicht wahrnimmt. Das erlaubt den Blick auf die kundenrelevanten Prozesse, die genauer zu analysieren und zu gestalten sind. Die Visualisierung kann auch mögliche Fehler und die wichtigsten Entscheidungssituationen beinhalten. Darüber hinaus werden objektive und qualifizierbare Aussagen ermöglicht (z.B. über den zeitlichen Rahmen, Bewegungsstudien, mögliche Fehlerquellen etc.). Von großer Bedeutung für das Design der Dienstleistung ist die Gliederung in Aktivitäten, die -

in Interaktion mit dem Kunden geleistet werden (line of interaction),

-

vom Hersteller durchgeführt werden, aber vom Kunden wahrgenommen werden (line of visibility) und

-

vom Hersteller getätigt werden, aber nicht wahrgenommen werden.

Diejenigen Aktivitäten, die für den Kunden wahrnehmbar sind bzw. an denen er selbst beteiligt ist, müssen mit besonderer Sorgfalt gestaltet werden. Mitarbeiter, die diese Aktivitäten ausführen sollen, müssen besonders geschult werden (vgl. Abschnitt 5.3.6). Das Planen der Interaktionsprozesse zwischen dem Dienstleister und seinen Kunden ist eine zentrale Aufgabe des Service Engineerings.

Abb. 5-88: Montageprozess einer neuen Maschine als Blueprint

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In Abbildung 5-88 ist der Montageservice eines Maschinenherstellers im Zusammenhang mit dem Neukauf seiner Maschine als Blueprint dargestellt. Die Übersichtlichkeit / Darstellbarkeit wird erhöht, indem der Gesamtprozess in abgrenzbare Teilprozesse zerlegt wird.

Abb. 5-89: Kundenanforderungen an den Kontaktpunkten Im zweiten Schritt gilt es festzustellen, was an den Kundenkontaktpunkten (vergl. Abbildung 5-89) passiert, bzw. wie diese vom Kunden erlebt werden. Hierzu ist eine phasenorientierte Befragung der Kunden anhand des Blueprints durchzuführen. Der Kunde wird aufgefordert, sämtliche (positiven und negativen) Erlebnisse an den Kontaktpunkten zu beschreiben und anhand einer standardisierten Skala zu bewerten und in ein Frequenz-Relevanz-Diagramm einzutragen (vergl Abbildung 5-90). Kritische Ereignisse sind die Vorfälle, die von den Kunden als außergewöhnlich positiv oder außergewöhnlich negativ wahrgenommen und im Gedächtnis behalten werden. In einem dritten und letzten Schritt werden aus den positiven und negativen Kundenerlebnissen die zentralen Kundenanforderungen abgeleitet. Das sind solche Ereignisse und Erlebnisse, die sowohl eine hohe Relevanz als auch eine hohe Frequenz aufweisen. Auch diese Methode kann für das Gesamtunternehmen, d.h. sowohl für den Produktbereich als auch den Servicebereich verwendet werden. Es obliegt dem Anbieter, zu entscheiden, welche Anforderungen er über eine Optimierung des Produktangebots und welche er über eine Optimierung des Serviceangebots erfüllen will. Nun empfiehlt es sich, die einzelnen Kategorien zu interpretieren. Dazu bietet sich die Kano-Methode (Kano, S. 39-48) an.

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Abb. 5-90: Beispiel Relevanz-Frequenz-Diagramm

Abb. 5-91: Ablauf der Kano-Methode (www.iltis.de) Die Kano-Methode stellt ein Verfahren dar, um Kundenanforderungen zu strukturieren und ihren Einfluss auf die Zufriedenheit der Kunden zu bestimmen. Sie eignet sich insbesondere für die Ermittlung von Anforderungen an komplexe Produkte

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

oder Systeme, die sich aus Hard- und Software-/Serviceelementen zusammensetzen. Die Methode umfasst vier Schritte (vgl. Abbildung 5-91). Identifikation von Kundenanforderungen: Die Kundenanforderungen werden z.B. über direkte Kundenbefragung, Fokusgruppen oder den Lead-User-Ansatz ermittelt. Konstruktion des Kano-Fragebogens: Die Formulierung der Fragen hat aus Kundensicht zu erfolgen und gibt eine Beschreibung des zu lösenden Problems wieder. Für jede Produkteigenschaft werden zwei Fragen formuliert, zu denen der Befragte jeweils fünf abgestufte Antwortmöglichkeiten hat. Die erste Frage bezieht sich auf die Reaktion des Kunden, wenn die Produkteigenschaft vorhanden ist (funktionale Form der Frage), die zweite auf die Reaktion des Kunden, wenn die entsprechende Produkteigenschaft nicht vorhanden ist (dysfunktionale Form der Frage). Es werden jeweils 5 Antwortmöglichkeiten (z.B. "Das fände ich sehr gut", "Das setze ich voraus", "Das ist mir egal", "Das könnte ich in Kauf nehmen", "Das würde mich sehr stören") vorgegeben. Durchführung der Kundeninterviews Für Kano-Befragungen eignen sich insbesondere standardisierte, mündliche Interviews. Durch einen standardisierten Fragebogen wird die Einflussnahme des Interviewers reduziert, der Rücklauf ist vergleichsweise hoch und bei eventuellen Verständnisschwierigkeiten kann der Interviewer erklärend eingreifen, da sich durch die neuartige Fragebogentechnik zumeist ein Erklärungsbedarf ergibt. Auswertung und Interpretation Die Auswertung des Fragebogens erfolgt in drei Schritten. Nachdem die Antworten der funktionalen und dysfunktionalen Frage in der Auswertungstabelle kombiniert wurden (vgl. Abbildung 5-92), werden die Ergebnisse für die einzelnen Produktkriterien in der Ergebnistabelle aufgelistet. Die Auswertung der Ergebnisse kann dabei auf unterschiedliche Arten erfolgen ( Bailom et al, S. 117-26). In der Auswertungstabelle werden die Ausprägungen der funktionalen und dysfunktionalen Fragestellung gegenüber gestellt. Dadurch entsteht eine Matrix mit 25 Zellen, die zu unterschiedlichen Ergebnissen der einzelnen Anforderungen führen. Nehmen wir beispielsweise an, dass ein Befragter auf die funktionale Fragestellung, was er davon halte, wenn ein Service Techniker innerhalb von maximal 3 h nach seinem Anruf bei ihm vor Ort wäre, antworten würde, dass er das sehr gut fände. Auf die dysfunktionale Frage, was er davon halte wenn er Service Techniker nicht innerhalb von maximal 3 h bei ihm vor Ort wäre, antwortet der Befragte, dass ihm dies sehr stören würde. Ein Blick in die Auswertungstabelle in Abbildung 5-90 zeigt, dass es sich bei dieser Anforderung dieses Befragten um eine Leistungsanforderungen handelt.

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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Dysfunktional

Funktional

Wie fänden Sie es, wenn unser Servicetechniker nicht innerhalb von maximal 3 Stunden bei Ihnen wäre? Wie fänden Sie es, wenn unser Servicetechniker innerhalb von maximal 3 Stunden bei Ihnen wäre?

Fände ich sehr gut

Das setze ich voraus

Wäre mir egal

Fände ich sehr gut

unbrauchbar

Begeisterungsanforderung

Begeisterungsanforderung

Begeisterungsanforderung

Leistungsanforderung

Das setze ich voraus

entgegengesetzt

indifferent

indifferent

indifferent

Grundanforderung

Das wäre mir egal

entgegengesetzt

indifferent

indifferent

indifferent

Grundanforderung

Das könnte ich in Kauf nehmen

entgegengesetzt

indifferent

indifferent

indifferent

Grundanforderung

Das würde mich sehr stören

entgegengesetzt

entgegengesetzt

entgegengesetzt

entgegengesetzt

unbrauchbar

könnte ich in würde mich Kauf nehmen sehr stören

Abb. 5-92: Ermittlung von Grund-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen Gehen wir weiter in unserem Beispiel davon aus, dass 40 Personen befragt wurden, dann wird im nächsten Schritt ausgewertet, wie viele der Befragten ein bestimmtes Dienstleistungsmerkmal als Begeisterungs-, Leistungs- und Grundanforderung genannt haben oder wie viele der Aussagen indifferent, entgegengesetzt oder unbrauchbar waren (vgl. folgende Abbildung 5-93). Dienstleistung

Dienstleistungseigenschaften

Montageservice Montageservice Montageservice Montageservice Montageservice Montageservice Montageservice Montageservice Montageservice Montageservice Montageservice

Servicetechniker < 3 Stunden vor Ort Pauschalabrechnung inkl. Spesen preiswerter als Ingenieure der OEM Überwachung des eigenen Personals Ausführung der Montage selbst Verfügbarkeit der Monteure auf Abruf Erweiterte Haftung bei Montagefehlern Freundlichkeit der Servicetechniker Unterstützung bei Ursachenanalyse Nutzung des günstigsten Verkehrsmittels ...

Auswertungsergebnis (Anzahl) Kategorie B L G I E U 18 12 5 3 1 1 Begeisterungsanforderung 6 10 20 1 2 1 Grundanforderung 5 6 7 5 10 7 Entgegengesetzt 25 6 8 0 0 1 Begeisterungsanforderung 4 5 4 23 2 2 Indifferent 5 12 12 10 0 1 Leistungs- u. Grundanforderung 6 21 4 4 2 3 Leistungsanforderung 5 8 22 2 1 2 Grundanforderung 4 7 12 2 12 3 unklar 5 5 5 5 8 12 Unbrauchbar

Abb. 5-93: Ergebnistabelle einer Kano-Befragung

180

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Abschließend kann der Service Engineer entscheiden, welche Anforderungen er im das Anforderungsprofil übernimmt, das die Grundlage für die Modellierung den Dienstleistungen darstellt (vgl. folgende Abbildung 5-94).

Kategorie

Empfehlung

Begeisterungsanforderung Grundanforderung Entgegengesetzt Begeisterungsanforderung Indifferent Leistungs- u. Grundanforderung Leistungsanforderung Grundanforderung unklar Unbrauchbar

in Anforderungsprofil aufnehmen falls machbar in Anforderungsprofil aufnehmen nicht in Anforderungsprofil aufnehmen in Anforderungsprofil aufnehmen falls machbar nicht in Anforderungsprofil aufnehmen in Anforderungsprofil aufnehmen in Anforderungsprofil aufnehmen in Anforderungsprofil aufnehmen nachfassen nicht in Anforderungsprofil aufnehmen

Abb. 5-94: Verwendung des Ergebnisses für das Anforderungsprofil der neuen Dienstleistung

= stark positiv = positiv = stark negativ

Schadensanalyse vornehmen

Sonderwerkzeug herstellen

kontinuierliches Training der Monteure

Ausstattung der Monteure mit PC´s

absolut relativ

Bericht vor Ort erstellen und übergeben

Bedeutung der Spaltenwerte:

5 5 5 4 3 1 0

Reisezeit gesondert abrechnen

hohe Qualität der Montage Unterstützung des eigenen Personals freundliche und hilfsbereite Monteure transparente Abrechnung Unterstützung bei Ursachenanalyse Nutzung des günstigsten Verkehrsmittels Haftung bei montagebedingten Fehlern

flächenddeckendes Servicenetz

4 7 10 5 11 12 1

Bedeutung

Eigenes Werkzeug mitbringen

Anforderungen

"Überwachung des Montagevorgangs"

Wie

kompletter Montagevorgang

= negativ

1 1 1 0 0 0 0 0

2 3 9 0 0 1 1 3

3 3 9 0 0 0 0 3

4 0 0 1 0 9 9 0

5 0 0 0 9 3 0 0

6 1 3 0 9 3 0 0

7 3 3 0 0 0 0 9

8 3 3 0 0 0 0 9

9 9 1 3 1 0 0 3

10 0 3 0 3 0 3 3

10 2%

64 14%

60 14%

41 9%

45 10%

65 15%

30 7%

30 7%

69 16%

30 7%

Wettbewerb schlechter 1

2

besser 3

4

5

2 4 3 1 2

Abb. 5-95: House of Quality für das Beispiel Montageservice

3 5

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

181

Das Anforderungsprofil kann als Input für ein Quality Function Deployment genutzt werden, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Qualität bei Dienstleistungen ein besonders schwieriges Thema ist. In Abbildung 5-95 ist für unser Montageservice-Beispiel ein House of Quality dargestellt, das die oben ausgewählten Anforderungen in Dienstleistungsmerkmale übersetzt. Im Dach des House of Quality werden die Korrelationen zwischen den Merkmalen angegeben und rechts davon erfolgt noch eine Einschätzung, welche Anforderungen der Wettbewerb besser oder schlechter erfüllt. Unterhalb sind noch die Bedeutung der Spalten (also der Merkmale) angegeben und eine Einschätzung des Schwierigkeitsgrades, diese zu entwickeln. Damit sind alle Informationen gegeben, die benötigt werden, um mit der Modellierung des Serviceproduktes zu beginnen. Die Modellierungsphase selbst umfasst die Modellierung des Produkt-, Prozessund Ressourcenmodells (vgl. Abbildung 5-96). Parallel zu diesen drei Teilmodellen wird das Marketingkonzept für die neue Dienstleistung erstellt.

Abb. 5-96: Überblick über die Modell-Entwicklung (Hermann/Klein, S. 100) Produktmodell: Das Produktmodell umschreibt, was angeboten wird bzw. werden soll. Beschrieben werden die Leistung, die logischen Zusammenhänge und die Module, aus denen die Dienstleistung besteht bzw. bestehen soll. Es zeigt, was das Dienstleistungsprodukt leistet, und ist Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Prozessmodells. Darüber hinaus wird in dem Modell die Mitwirkungspflicht des Kunden definiert. (z.B. Bereitstellung von Informationen, Mitarbeitern u.a.m.). Bei einem komplexen Dienstleistungsprodukt wird zusätzlich die Struktur des Produkts beschrieben. Die-

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se Aufgabe wird handhabbar, wenn Sie das Produkt in erfassbare Bestandteile zerlegen, die einzeln und in ihrem Zusammenwirken beschrieben werden. Ablauf bei der Erstellung eines Produktmodells: 1. Das Serviceprodukt in die wichtigsten Bestandteile zerlegen (vgl. Abbildung 5-97), 2. die Eigenschaften des Serviceproduktes (Grund-, Leistungs- und Begeisterungseigenschaften) werden beschrieben (siehe oben), 3. die Stammdaten (d.h. der direkt mit dem Produkt verbundenen Daten) festgelegt, 4. die Bestandteile zu Produktmodulen zusammensetzen und beschreiben (vgl. Abbildungen 5-98 und 99), 5. mögliche Varianten des Produktes beschrieben und 6. alles in Form eines Pflichtenheftes zusammengefasst.

Serviceprodukt

internes Serviceprodukt externes Serviceprodukt

Abb. 5-97: Produktmodell mit materiellen, immateriellen und personellen Bestandteilen (Aurich o.J., S. 17) Zusätzlich zu diesen Bestandteilen, müssen die für die Dienstleistung notwendigen Aktivitäten in das Produktmodell mit aufgenommen werden, um die „Produktstruktur“ abzubilden, welche die Voraussetzung für eine effiziente Modularisierung und Standardisierung der Dienstleistung darstellt. Die Einzelaktivitäten bilden das Grundelement, aus dem das „Dienstleistungsprodukt“ sich zusammensetzt. Es kann ähnlich wie bei der Sachgutmodellierung vorgegangen werden, indem Struktur-

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elemente, deren funktionale Zuordnung und Beziehungen untereinander dargestellt werden. Dies wird anhand eines Sachgutes (Abbildung 5-98) und anhand einer Dienstleistung (vgl. Abbildung 5-99) illustriert.

Abb. 5-98: Produktstrukturierung eines Getriebes (Fraunhofer IAO, S. 36)

Abb. 5-99: Produktstrukturierung eines Reparaturservices (Meier, S. 12)

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Prozessmodell: Das Prozessmodell beschreibt, wie die Dienstleistung erbracht werden soll. Notwendige Aufgaben und Aufgabenträger, die bereits im Produktmodell definiert wurden, werden nun in einen zeitlichen Ablauf gebracht und interne sowie externe Schnittstellen (innerhalb des Unternehmens und zum Kunden hin) definiert. Neben der Darstellung als Service Blueprint (vgl. Abbildung 5-99), ist die Darstellung als Ereignisgesteuerte Prozesskette in der Praxis weit verbreitet. Abbildung 5-100 zeigt ein Beispiel einer Ereignisgesteuerten Prozesskette. Der Vorteil der Ereignis gesteuerten Prozesskette liegt vor allem in der Möglichkeit, die Prozesse in unterschiedlichen Detaillierungsgrad darzustellen. Dies steigert die Übersichtlichkeit und die Möglichkeit zur Modulbildung. Der Detaillierungsgrad kann sowohl vertikal (das heißt Abstraktionsgrad) als auch horizontal (das heißt für einzelne Dienstleistungsabschnitte, die zeitlich hintereinander geschaltet sind) erfolgen.

Abb. 5-100: Einfaches Beispiel einer Ereignisgesteuerten (Fraunhofer IAO)

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

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Ressourcenmodell: Das Ressourcenmodell wird für die Planung des Ressourceneinsatzes (Personal, Betriebs- und Hilfsmittel) benötigt. Es nennt die notwendige Infrastruktur, ordnet und strukturiert die notwendigen Betriebs- und Hilfsmittel und definiert vor allem die notwendige Anzahl und Qualifikation der Mitarbeiter und Kunden. Das Ressourcenmodell wird kurz an einem Beispiel erläutert. Gehen wir davon aus, dass ein Montageservice entwickelt werden soll (siehe weiter oben). Aus dem Produktmodell und dem Prozessmodell sollten erste Hinweise vorliegen, welches Personal, welche Fazilitäten, welche Werkzeuge und welche Informations- und Kommunikationstechnologien bei der Erstellung der Dienstleistung zum Einsatz kommen. Im Rahmen des Ressourcenmodells werden diese Anforderungen an Sach- und Betriebsmittel sowie an das Personal näher spezifiziert. Insbesondere beim Personal gilt es zu definieren, welche Qualifikation gefordert ist, um die notwendigen Aktivitäten der Dienstleistung auszuführen. Im Falle des Montageservice gehen wir davon aus, dass wir einerseits Personal benötigen, das in der Lage ist, komplexe Montagen und Demontagen zu beaufsichtigen. Für diese Monteure wird eine höhere Qualifikation benötigt, als für Monteure, die lediglich Teilaufgaben bei der Montage oder Demontage eines Aggregates beim Kunden durchführen müssen. Sind die notwendigen Qualifikationen festgelegt, muss analysiert werden, welche Trainingsmaßnahmen durchzuführen sind. Neben der Qualifikation gilt es aber auch, die Zahl der benötigten Mitarbeiter abzuschätzen und unter Bezugnahme auf den bereits erstellten Businessplan einen vernünftige Anzahl an Mitarbeitern zu definieren. Die Art der zu montierenden und zu demontierenden Anlagen bestimmt beispielsweise auch, welche Werkzeuge für die Montagen und der Montage benötigt werden. Es muss zudem festgelegt werden, ob diese Werkzeuge selbst erstellt oder von bezogen werden können. Des Weiteren bestimmt die Art der Anlage, ob die Anlage bei der Erstauslieferung zum Teil vormontiert werden muss. In diesem Fall müssen eigene Fazilitäten vorhanden sein, um eine solche Vormontage vornehmen zu können, usw. Nach der Designphase schließt sich in Anlehnung an die Produktentwicklung die Phase des Prototyping an. Sie umfasst die Implementierungen der modellierten Dienstleistungsbestandteile und einen ersten Test bei einem vorab ausgewählten Kunden als Pilot. Nachdem evt. fällige Anpassungsmaßnahmen durchgeführt wurden, erfolgt die Markteinführung der Dienstleistungen im Serieneinsatz.

186

5.3.3

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

price

In diesem Abschnitt lernen Sie die Arten der Preisfindung bzw. Preisbildung, sowie unterschiedliche Formen der Preisgestaltung/-differenzierung kennen. „Was das Honorar betrifft, so stelle ich Herrn Oberkonsistorialrat Böttiger ein versiegeltes Billet zu, worin meine Forderung enthalten ist und erwarte, was Herr Vieweg mir für meine Arbeit anbieten zu können glaubt. Ist sein Anerbieten geringer als meine Forderung, so nehme ich meinen versiegelten Zettel uneröffnet zurück und die Negotiation zerschlägt sich, ist es höher, so verlange ich nicht mehr, als in dem … zu eröffnenden Zettel verzeichnet ist.“.(nach Arnhold 1925) „ „

Johann Wolfgang von Goethe, Brief an Vieweg vom 16.Januar 1797 Dieses Zitat zeigt die Unsicherheit des Anbieters einer Leistung hinsichtlich der Zahlungsbereitschaft der Kunden und befasst sich mit dem Kern preispolitischer Fragestellungen: Wie soll der Preis für meine Leistung aussehen? Preispolitik sollte auf der Kenntnis über die Zahlungsbereitschaft von Käufern basieren. Aus obigem Zitat lässt sich leicht erkennen, dass bei einer höheren Preisbereitschaft von Herrn Vieweg Gewinnpotenzial verschenkt wird. Im Falle geringerer Zahlungsbereitschaft kommt kein Geschäft zu Stande und es ist fraglich, ob überhaupt jemand für einen solchen Preis bereit wäre, die Leistungen von der Güte abzugeben. Wir werden uns deshalb insbesondere mit der Frage der Preisbildung beschäftigen. Zu der ausgeprägten Unsicherheit des Anbieters, was die Zahlungsbereitschaft der Kunden angeht, tritt bei Dienstleistungen die hohe Unsicherheit der Kunden, was die Qualität der einzukaufenden Dienstleistung betrifft. Die Unsicherheit und häufig auch die schlichte Unkenntnis der Zahlungsbereitschaft der Kunden begegnen die Anbieter produktbegleitender Dienstleistungen meist mit der in der produzierenden Industrie weit verbreiteten Strategie der kostenorientierten Preisbildung. Dies stellt für den Anbieter eine scheinbar einfache Möglichkeit der Preisbildung dar, obwohl dies für Dienstleistungen nicht unbedingt der Fall ist. Angesichts der Unsicherheit der Kunden hinsichtlich des Qualitätsniveaus einer Dienstleistung zeigen Anbieter konsumtiver Dienstleistungen einen gangbaren Ausweg aus dieser Problematik auf: einige Restaurants überlassen z.B. ihren Kunden die Entscheidung, welchen Preis sie für eine Mahlzeit, die sie im Restaurant bestellt und verspeist haben, bezahlen wollen. Interessanterweise erzielen einige dieser Restaurants einen höheren durchschnittlichen Preis. Stellt dies für Industriegüterhersteller mit produktbegleitenden Dienstleistungen ebenfalls eine geeignete Maßnahme dar? Bisher ist kein Beispiel aus der Praxis bekannt. Der Unsicherheit der Kunden hinsichtlich der Qualität kann und muss der Anbieter produktbegleitender Dienstleistungen mit einer durchdachten Preiskommunikation begegnen. Eine weitere Fragestellung in diesem Abschnitt ist, ob ein Hersteller sein Sachgut mit den produktbegleitenden Dienstleistungen preislich bündeln (Preisbündelung) soll oder die Dienstleistungen getrennt vom Produktprogramm bepreisen soll. Au-

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ßerdem wird auf die Möglichkeiten einer Preisdifferenzierung eingegangenen. Für alle anderen Aspekte der Preispolitik gilt, dass nur solche Sachverhalte aufgeführt werden, die nicht bereits in Abschnitt 5.2.4 diskutiert wurden. Die Preisbildung ist eine Marketingmaßnahme mit hohem strategischen Charakter. Um die Preispolitik vieler Industriegüterhersteller für deren produktbegleitenden DL zu verstehen, ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, wie sich das Geschäft mit diesen Dienstleistungen entwickelt hat. Die meisten dieser DL wurden den Kunden z.T. Jahrzehnte lang kostenlos angedient. Da das Produktangebot nur noch wenig Differenzierungsmöglichkeiten bietet, versuchen die Unternehmen über produktbegleitende Dienstleistungen ihre Wettbewerbschancen zu erhöhen. Diese Leistungen werden häufig nicht kostendeckend erbracht, so dass diese zwar zur Differenzierung beitragen, sich jedoch gleichzeitig ertragsmindernd auswirken. So hat z.B. die deutsche Elektroindustrie in 2000 rund 75% der produktbegleitenden Dienstleistungen gegenüber ihren Kunden verdeckt verrechnet (vergl. Kalmbach, S. 147). „Im deutschen Maschinen- und Anlagenbau wurden im Unterschied zur Elektroindustrie in 2000 bereits 45 Prozent der erbrachten Dienstleistungen den Kunden direkt in Rechnung gestellt. Genau wie in der Elektroindustrie ist die Möglichkeit der offenen Verrechnung in den Bereichen Schulung, Dokumentation sowie Planung, Beratung und Projektierung am geringsten.“ (Kalmbach, S. 148). Der Verkauf einer Komponente, Maschine oder Anlage beinhaltete fast immer die Schulung der Kunden für deren Inbetriebnahme, Wartung und/oder Ausbau. Eine anwendungstechnische Beratung der Kunden, sei es telefonisch oder persönlich, war und ist für viele Hersteller eine dem Kunden selbstverständlich kostenlos zur Verfügung gestellte Dienstleistung. Allerdings ist das Spektrum der produktbegleitenden Dienstleistungen inzwischen stark angestiegen (vgl. Abbildung 5-101).

Abb. 5-101: Produktbegleitende DL im Anlagen- und Maschinenbau (n Backhaus)

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Leistungsumfang Serviceangebot für Anlagenbetreiber

Rohstofflieferant

Komponentenhersteller

Maschinenhersteller

Anlagenhersteller

Stellung in Wertekette

Abb. 5-102: Leistungsumfang des Serviceangebots in Abhängigkeit von der Stellung in der Wertekette Der Leistungsumfang der angebotenen produktbegleitenden Dienstleistungen hängt in hohem Maße von der Stellung des Anbieter in der Wertschöpfungskette ab (vgl. Abbildung 5-102). In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass auch viele Komponenten- und Maschinenhersteller ihr Dienstleistungsangebot für die Anlagenbetreiber ausweiten. Im Gegensatz zu den Anlagenherstellern fehlt ihnen aber häufig der direkte Zugang zu den Endkunden und damit auch die Kenntnis deren Bedürfnisse und Erwartungen (auch hinsichtlich deren Zahlungsbereitschaft). Und - viel wichtiger - es fehlt ihnen an Erfahrung, wie die Dienstleistungen zu bepreisen sind. Zudem weisen Dienstleistungen besonders ungünstige Kostenstrukturen auf, da sie einerseits einen hohen Anteil an Gemeinkosten aufweisen, der zum größten Teil auch fixen Charakter hat. Andererseits stehen Dienstleister häufig vor dem Problem, sich entweder am Spitzenbedarf auszurichten und damit hohe Bereitschaftskosten zu verursachen oder zu Zeiten hoher Nachfrage einige Kunden nicht bedienen zu können. Dieses Problem ist aus der Produktwelt bekannt, wo der Anbieter zwischen hoher Verfügbarkeit und Lieferfähigkeit sowie hohen Kapitalbindungskosten durch eine umfangreiche Bevorratung zu wählen hat. Allerdings „konservieren“ die gelagerten Produkte die eingebrachte Produktionsleistung und damit den „Wert“ der gelagerten Ware. Nicht so bei dem Vorhalten von Servicemitarbeitern, denn diese entfalten ihren „Wert“ erst im Falle eines Auftrages. Aber es wäre zu

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einfach (und zu gefährlich), zu glauben, dass solche Dienstleistungen von heute auf morgen für einen gewinnbringenden Preis zu verkaufen seien. Erstens muss genau überlegt werden, welche Dienstleistungen im Portfolio zu denjenigen zählen, die besser nicht vom Produkt losgelöst werden sollten. Zu diesen zählen Dienstleistungen, die zur richtigen Wahl eines Produktes führen (z.B. Pumpenauslegung als anwendungstechnische Beratung eines Pumpenherstellers) oder den Verkauf während der eigentlichen Kaufphase unterstützen (z.B. Beratungsgespräch des Verkäufers). Anders sieht es mit DL aus, die sich einen Mehrwert zum eigentlichen Produkt liefern. Die fachgerechte Montage erhöht für den Betreiber einer Maschine die Anlagenverfügbarkeit, da ungeplante Stillstände aufgrund von Fehlmontagen vermieden werden. Hier könnte ein nutzenorientiertes Pricing ansetzen, was allerdings voraussetzt, dass der Hersteller den Nutzen des Betreibers ermitteln kann (siehe weiter unten: nutzenorientiertes Pricing).

Abb. 5-103: Vier-Felder-Matrix der Zahlungsbereitschaft (VDMA) Zweitens hat der Kunde über Jahrzehnte gelernt, dass es einige produktbegleitende DL bei den Herstellern gibt, die kostenlos zu beziehen sind. Backhaus hat in einer VDMA Untersuchung zur Zahlungsbereitschaft des Kunden produktbegleitender Dienstleistungen in eine Vier-Felder-Matrix erstellt (vgl. Abbildung 5-103). In Feld 1 und 2 finden sich solche Dienstleistungen, welche die Kunden voraussetzen. Bei Dienstleistungen der Kategorie 1 geht der Kunde davon aus, dass sie im Produktpreis (Standardpreis) enthalten sind. Es ist sehr fraglich, ob für diese Dienstleistung tatsächlich eine Zahlungsbereitschaft vorausgesetzt werden kann. Dienstleistungen im Feld 2 setzt der Kunde ebenfalls zwingend voraus. Allerdings sind die Kunden bereits gewohnt, für diese Dienstleistung separat zu zahlen. Auf Grund der Erwartung, dass die Anbieter solche Dienstleistungen anbieten müssen, jedoch unabhängig vom Produkt zu bezahlen sind, sind Dienstleistungen in diesem Feld,

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sehr interessant für die Anbieter hinsichtlich der Zahlungsbereitschaft der Kunden. Dienstleistungen im dritten und vierten Feld haben gemeinsam, dass die Kunden nicht erwarten, dass ihre Lieferanten diese produktbegleitenden Dienstleistungen anbieten. Dienstleistungen, die sich dem Feld vier zu ordnen lassen, sind hinsichtlich der Zahlungsbereitschaft der Kunden zu analysieren, da die Kunden bereits heute schon gewohnt sind, unabhängig vom Produkt diese Dienstleistungen zu bezahlen. Die Zahlungsbereitschaft für diese Dienstleistungen steigt mit zunehmender Bedeutung der jeweiligen Dienstleistung. Welche Dienstleistungen tatsächlich welchem Feld zuzuordnen sind, zeigt folgende Abbildung 5-104.

Abb. 5-104: Dienstleistungen zur Vier-Felder-Matrix (VDMA) In der o. g. Studie wurde ermittelt, wie die produktbegleitenden Dienstleistungen in die Matrix einzuordnen sind. Zusätzlich wurde noch nach der Bedeutung bzw. Wichtigkeit der einzelnen Dienstleistungen gefragt (in eckigen Klammern angegeben). So hat sich herausgestellt, dass erstens Montage und Inbetriebnahme die wichtigste Dienstleistung für die Kunden darstellt, zweitens von den Anbietern vorausgesetzt wird, dass diese angeboten wird und drittens die Kunden erwarten, dass diese Dienstleistung nicht im Grundpreis enthalten ist. Die Voraussetzungen, diese Dienstleistung zu berechnen, sind für die Anbieter also gegeben.

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Der Kunde ist also gewohnt Dienstleistungen der Kategorie 1 und 3 nicht extra zu bezahlen. Psychologisch hat sich also das mittlere Preisempfinden (MPE) für diese Dienstleistungen bei 0 Euro eingependelt. Gleichzeitig wird die Qualität dieser kostenlosen DL als minderwertig eingestuft (nach dem Motto: „was nichts kostet, ist nichts wert“). Die Veränderung des MPE ist nur über die wahrgenommene Qualität der DL und deren Nutzen für den Verwender möglich. Es gilt zunächst den Wert (und die Qualität) der DL wahrnehmbar zu machen (s. Preiskommunikation), bevor der Kunde für eine dieser DL tatsächlich zur Kasse gebeten werden kann. Dennoch kann der Hersteller aktiv darauf hinarbeiten, dass die Dienstleistungen nicht mehr verschenkt werden. Er muss dabei behutsam, in kleinen, machbaren Schritten vorgehen (vgl. Abbildung 5-105).

Abb. 5-105: Entwicklungspfad des Pricings produktbegleitender DL (TechnologieStiftung Hessen 2002, S. 26) Dienstleistungen müssen also für die Kunden zunächst wahrnehmbar gemacht werden: Eine geeignete Maßnahme hierzu ist beispielsweise eine Rechnung, auf der das Produkt und die Dienstleistung separate Preise haben. Allerdings wird die Dienstleistung als Rabatt abgezogen. So ist für jeden Kunden nachvollziehbar, was eine Dienstleistung kosten würde und damit auch (viel wichtiger), was sie wert ist. Flankierend sollte der Anbieter beginnen, den Nutzen seines Dienstleistungsangebotes für die Kunden zur quantifizieren. Das setzt in aller Regel detaillierte Kenntnisse der Geschäftsprozesse des Kunden voraus (vgl. Abschnitt 5.3.2). Die offene Inrechnungstellung vieler produktbegleitender Dienstleistungen scheitert u.a. an der Bereitschaft der Kunden, für bestimmte Dienstleistungen extra zu bezahlen. Vieles ist aus ihrer Sicht bereits mit dem Kauf-, Miet- oder Leasingpreis einer Maschine abgegolten. Wenn es ans Bezahlen geht, haben plötzlich nur noch wenige

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Dienstleistungen (z.B. Ersatzteile, Reparatur) einen Wert. Die Märkte für bezahlungspflichtige Dienstleistungen müssen sich erst noch entwickeln. Im nächsten Schritt können die Selbstkosten einer Dienstleistung per interner Leistungsverrechnung an den Vertrieb weitergegeben werden, wenn die dafür notwendige Kostentransparenz gegeben ist (Cost-Center). Durch die interne Leistungsverrechnung werden die Produkt-Deckungsbeiträge sinken. So wird der Vertrieb hinsichtlich des unnötigen Verschenkens der Dienstleistungen sensibilisiert. Im dritten Schritt werden den Kunden die Selbstkosten in Rechnung gestellt, sofern der Vertrieb den Nutzen der Dienstleistungen noch nicht hinreichend erläutern und demonstrieren kann. Die Dienstleistungen werden in diesem Stadium bereits als eigenständige Serviceprodukte gehandelt. Der Vertrieb kann es aufgrund der Kostentransparenz nun dem Kunden überlassen, ob er das Kernprodukt des Anbieters mit oder ohne Dienstleistung beziehen will. Im vierten Schritt werden die Dienstleistungen die Produkte separat entwickelt, getestet und vermarktet. Das setzt allerdings voraus, dass für die Dienstleistungen und Produkte ein relativer Wettbewerbsvorteil vorliegt (vgl. Abbildung 5-106). Dienstleistungen mit hoher Preisbereitschaf der Kunden bauen nahezu ausschließlich auf dem Know-how von Unternehmen auf – sind also exklusiv.

Abb. 5-106: Erhöhung der Zahlungsbereitschaft für produktbegleitende DL (TechnologieStiftung Hessen 2002, S. 25)

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Auf diesem lang dauernden Weg gilt es, einige Renditefallen zu beseitigen. „Wir machen alles für Sie!“ Mit dieser typischen Aussage im Vertrieb soll Kundenorientierung demonstriert werden. In aller Regel entsteht so eine typische Renditefalle für die Unternehmen, die produktbegleitende DL nicht strategisch anbieten. Viele Kunden wissen gar nicht, dass es solche DL überhaupt gibt, da deren Angebot nicht vermarktet wird; ganz nach dem Motto „Tue Gutes und verschweige es.“ Ein weiterer Fehler liegt darin, dass die Anbieter dazu beitragen, dass die Kunden lediglich einen Preisvergleich ohne Leistungsvergleich zum Wettbewerb vornehmen. Zusammen mit einer Segmentierung der Kunden nach verschiedenen Typen (vgl. Abbildung 5-107) ergibt die Einteilung der produktbegleitenden Dienstleistungen in die bereits zuvor erläuterte vier Felder Matrix erste grobe Anhaltspunkte für das Pricing dieser Dienstleistungen. Eine weitere mögliche Segmentierung wäre die Differenzierung der Kunden in OEMs und Endkunden, wobei davon auszugehen ist, dass OEMs (ähnlich wie im Produktgeschäft) preissensibler sein werden als die Endkunden (Maschinen- oder Anlagenbetreiber).

Abb. 5-107: Zahlungsbereitschaft unterschiedlicher Kundentypen (TechnologieStiftung Hessen 2002, S. 26) Selbst für den Fall, dass eine Zahlungsbereitschaft vorliegt, weiß der Anbieter immer noch nicht, für welchen konkreten Preis er spezifische produktbegleitende Dienstleistungen anbieten soll. Prinzipiell stehen dem Anbieter (wie im Produktgeschäft) zwei Alternativen zur Verfügung: die kostenorientierte oder die marktorientierte Preisfindung. Die kostenorientierte Preisfindung funktioniert wie die Zuschlagkalkulation bei Produkten. Es wird ermittelt, wie viele Stunden die Mitarbeiter zur Erbringung einer Dienstleistung pro Auftrag benötigen. Die Anzahl der Stunden wird dann mit dem jeweiligen Stundensatz der Mitarbeiter multipliziert. Als Ergebnis erhält man

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den Preis pro Auftrag bzw. pro Einsatz. Der Stundensatz drückt dann quasi die Stückkosten pro Stunde aus. Dieser Stundensatz kann mittels Vollkosten- oder Teilkostenrechnung ermittelt werden. Bei Vollkostenrechnung werden die so genannten Selbstkosten ermittelt und bei Teilkostenrechnung die variablen Kosten. Der hohe Gemeinkostenanteil von Dienstleistungen erschwert bei der Vollkostenrechnung die Festlegung eines Kostenzuordnungsschlüssels. Bei der Teilkostenrechnung erhöht sich dagegen die Gefahr nicht gesamtkostendeckender Preise, da nur der geringere, direkt zurechenbare Anteil der Kosten ermittelt wird.

Abb. 5-108: Beispiel für eine kostenorientierte Preisfindung Im Beispiel in Abbildung 5-108 findet sich die Berechnung der Selbstkosten für eine Reparaturdienstleistung. Zunächst wird die Dienstleistung (wie in Abschnitt 5.3.2 beschrieben) als Prozess dokumentiert und in die einzelnen Tätigkeiten zerlegt. Danach wird festgelegt, wie viel Zeit die einzelnen Aktivitäten benötigen und wer diese Aktivitäten durchzuführen hat. Die jeweilige Zeit wird dann mit dem Stundensatz des jeweiligen Mitarbeiters multipliziert. Im obigen Beispiel führt das zu durchschnittlichen Gesamtkosten in Höhe von € 272. Bei der Zuschlagskalkulation wird anschließend auf die Gesamtkosten eine geplante Marge hinzugefügt, woraus sich der Preis für die Kunden ergibt. Der Stundensatz wiederum kann nur ermittelt werden, wenn im Rahmen der Jahresplanung vorab geschätzt wird, wie viele Aufträge verkauft werden können. Dann werden die Personalkosten für das vorhandene Service Personal durch die Anzahl der geschätzten Aufträge geteilt.

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Nun setzt ein Teufelskreis ein: im Rahmen der Budgetierung für das nächste Geschäftsjahr werden die Selbstkosten für eine Dienstleistung ermittelt und auf die Anzahl der Aufträge umgelegt. So wird der Preis pro Auftrag festgelegt. Geht dann die Zahl der Aufträge zurück, steigt im Folgejahr der Preis, was in aller Regel zu einem geringeren Absatz führen wird, der wiederum einen höheren Preis für das Folgejahr führt ... usw. Unabhängig von einer Teilkosten- oder Vollkostenorientierung wird also das „Cost-Plus“-Verfahren dadurch erschwert, dass bei vielen DL die Preise festgelegt werden müssen, bevor die Leistung erstellt wird. Im Rahmen einer marktorientierten Preisfestlegung lassen sich zwei verschiedene Methoden unterscheiden: Zum einen das wettbewerbsorientiertes Pricing und zum anderen das nutzenorientiertes Pricing. Beim wettbewerbsorientierten Pricing geht der Anbieter von den marktüblichen Preisen des Wettbewerbs aus. Für produktbegleitende Dienstleistungen bedeutet dies, dass zum Beispiel die Stundensätze der Wettbewerber zu ermitteln sind. In die Wettbewerbsanalyse einzubeziehen, sind nicht nur die direkten Wettbewerber im Produktgeschäft, sondern auch überregional oder lokal operierende Serviceanbieter, deren Stundensätze häufig unter den Stundensätzen der Produkthersteller liegen. Im Wettbewerb mit den lokalen Serviceanbietern ist zusätzlich zu beachten, dass deren durchschnittliche Anfahrtszeiten kürzer sein werden und damit ein Kostennachteil besteht, der sich meist in höheren Preisen niederschlägt. Beim nutzenorientierten Pricing ist es das Ziel, den Preis am Nutzen für den Kunden fest zu machen. Zunächst muss bei dieser Methode der Kundennutzen quantifiziert werden. Der Preis ist dann so zu wählen, dass der Nutzen für den Kunden höher ist als der Preis, der dafür zu zahlen ist (Nettonutzen > 0). Ein Verfahren besteht darin, über die Ermittlung der Lebenszykluskosten zu demonstrieren, wie viel eine spezifische produktbegleitende Dienstleistung dazu beiträgt, dem Nutzer einer Maschine oder Anlage eben diese Lebenszykluskosten zu senken (vgl. Abschnitt 5.3.2). Damit kann der Nutzen von produktbegleitenden Dienstleistungen transparenter gemacht werden. Die Kosten von Dienstleistungen wie Schulung, Wartung oder servicefreundlicher Auslegung von Maschinen werden dann den Einsparungen gegenüber gestellt, die sich über die ganze Lebensdauer des Produktes hinweg daraus ergäben. Der Ansatz macht die Angebote (unterschiedlichen Szenarien oder Leistungspaketen) für den Kunden vergleichbar. Er bietet somit die Basis zu entsprechenden Beratungsdienstleistungen und hilft zudem, ein wesentliches Hemmnis beim Verkauf von Dienstleistungen zu beseitigen, nämlich dass der Nutzeffekt bei Dienstleistungen oft nur nach dem Kauf oder nach der Erbringung der Leistung beurteilt werden kann. Gegenüber "normalen" Dienstleistungen muss bei produktbegleitenden Dienstleistungen zudem ein "hybrides Produkt" beurteilt werden, das aus Sachgut und immateriellen Dienstleistungen besteht. Es gibt ein weiteres Verfahren zur Ermittlung des Nutzens produktbegleitender Dienstleistungen und zwar die sog. Conjoint-Analyse. Im Gegensatz zu einer direkten Erhebung der Zahlungsbereitschaft (vgl. Abbildung 5-109), lassen sich mit der Conjoint-Analyse die Zahlungsbereitschaften nach Produkt- und/oder Dienstleistung indirekt erheben. Der Nachteil einer direkten Befragung liegt darin, dass eine

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exakte Quantifizierung kaum möglich ist oder darunter zu leiden hat, dass die Befragten aus taktischen Gründen dazu neigen, ihre Zahlungsbereitschaft eher zu niedrig zu formulieren.

Abb. 5-109: Beispiel für eine direkte Erhebung der Zahlungsbereitschaft (Quelle: König/Colucci, S. 22 Der größte Vorteil der Conjoint-Analyse besteht darin, dass der Hersteller sein Produkt- und Dienstleistungsangebot als Ganzes variieren und dem Kunden vorliegen kann. Dieser soll sich zwischen den einzelnen Paketen entscheiden, indem er die verschiedenen Angebote seinen Präferenzen entsprechend in eine Rangordnung bringt. Das hat mehrere Vorteile. Zum einen sind die Kunden nicht gezwungen, jedes einzelne Produkt- und Dienstleistungsmerkmal zu beurteilen, sondern sie können - wie in der Realität auch - ein Produkt- und Dienstleistungsangebot als Ganzes bewerten. Zum anderen können Produkt- und Dienstleistungskombination von den Kunden beurteilt werden, bevor sie produziert werden oder als Prototyp vorliegen, was insbesondere auf Grund der spezifischen Eigenschaften von Dienstleistungen (siehe Abschnitt 1.3) vorteilhaft ist. Mit der Conjoint-Analyse lassen sich verschiedene Varianten von Service- und Wartungsverträgen für eine Maschine oder Anlage als "Produktkarten" entwickeln und den potenziellen Kunden vorlegen. Es sollte bei dem Verfahren darauf geachtet werden, dass der Preis des Produkt- und/oder Serviceangebots als Merkmal mit abgefragt wird. Dann ist über die Dekomposition in Einzelmerkmale sichergestellt, dass die Auswertung der Con-

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joint-Analyse Aussagen zulässt, welches Leistungsmerkmal den Kunden wie viel Geld "wert" ist. Der größte Kritikpunkt an der Conjoint-Analyse stellt die zweifelhafte Validität des Verfahrens dar, da die reale Kaufsituation fehlt. Dieser Kritikpunkt lässt sich aber auf nahezu alle Verfahren zur Preisbestimmungen übertragen. Eine weitere wichtige Frage im Rahmen der Preispolitik ist, ob über Raum, Zeit und Kundentyp hinweg identische Preise verlangt werden sollen oder der Preis differenziert werden sollte. Insbesondere die geografische und zeitliche Preisdifferenzierung sind für funktionale Dienstleistungen relevant. Bei der geografischen Differenzierung sind zwei Entscheidungen wichtig. Zum einen geht es um Dienstleistungen, die bei den Kunden vor Ort erbracht werden müssen (wie z.B. Montage, Inspektion) und damit eine physische Präsenz des Servicepersonals beim Kunden voraussetzen. Soll ein Kunde, der zum Beispiel 500 Kilometer entfernt ist, den gleichen Preis zahlen, wie ein Kunde, der nur 50 Kilometer entfernt ist? In der Praxis wird diese Frage häufig mit Tarifzonen beantwortet, die sich nach der Entfernung vom Standort des Servicemitarbeiters (Basis) zum Standort des Kunden (Einsatzort) richten. Zum anderen muss eine geographische Preisdifferenzierung geprüft werden, wenn z.B. regionale Servicecenter vorhanden sind, die über Länder mit unterschiedlichen Lohn- und Gehaltsstrukturen verteilt sind. Dann muss der Serviceanbieter entscheiden, ob er die Preise zwischen solchen Ländern differenziert und wenn ja, in welcher Höhe. Bei der zeitlichen Preisdifferenzierung geht es darum, ob ein Kunde, der zeitig ordert, einen anderen Preis zahlen soll, als ein Kunde der "fünf vor 12" anruft. In diesem Fall ist dann oft von "Trouble Shooting" die Rede. Bei langfristigen Buchungen im Voraus, hat der Serviceanbieter den Vorteil, dass er den Einsatz von langer Hand und vor allem koordiniert planen kann. Langfristig geltenden Serviceverträge bieten dem Anbieter beispielsweise den Vorteil einer besseren Steuerung und Planung von Kapazitäten. Der Serviceanbieter kann über günstigere Preise ein solches Verhalten belohnen. Andererseits bewirkt eine kurzfristige Buchung im Falle ungenutzter Kapazitäten für eine höhere Kapazitätsauslastung. Solche "Last Minute"-Angebote könnten beispielsweise bei Schulungen eingesetzt werden, die fest angeboten werden und nach dem fest vereinbarten Termin verfallen. Bei Dienstleistungen, die nicht verfallen, wie z.B. die Rekonditionierung eines Maschinenelementes, ist diese Art der Preisdifferenzierung so gut wie nicht anzutreffen. Das Thema zeitliche Preisdifferenzierung wurde bei den professionellen Dienstleistung bereits in Abschnitt 5.2.4 unter dem Begriff Yield Management angesprochen und hier nicht weiter vertieft. Nur so viel sei noch gesagt: industrielle Dienstleister können hierbei noch viel von Reisedienstleistern lernen. Eine weiterer Anlass zur zeitlichen Preisdifferenzierung ist der Zeitpunkt, an dem eine Dienstleistung erbracht werden soll. Je nach Tageszeit oder Wochentag sind in Ländern wie Deutschland für die Servicemitarbeiter unterschiedlich hohe Löhne und Gehälter zu zahlen. Die Serviceanbieter versuchen die unterschiedlich hohen Kosten über eine zeitliche Preisdifferenzierung an die Kunden weiterzugeben. Eine Preisbündelung ist bei produktbegleitenden Dienstleistungen weit verbreitet. Die Bündelung erfolgt entweder, indem Produkt und Dienstleistung oder verschie-

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dene Dienstleistungen miteinander gebündelt werden (Dienstleistungspaket). Typisch für die Industrie sind Service- oder Wartungsverträge, die zusätzlich zu den Produkten angeboten werden und nichts anderes als eine Bündelung darstellen. Das Bündel wird günstiger verkauft als die Summe der Einzelleistungen. Das rechnet sich auf Grund der bereits genannten besseren Planbarkeit und durch die höhere Stückzahl verkaufter Einzelleistungen im Bündel. Erläutert sei dies am Beispiel von SAP. Nicht jeder würde das Instandhaltungsmodul SAP PM nutzen. Da dies aber im Gesamtpaket der ERP-Software enthalten ist, nutzen immer mehr SAP Nutzer dieses Modul, denn was bezahlt wurde, wird auch genutzt. Das führt zu sinkenden Stückkosten für ein produziertes Modul SAP PM (Erfahrungskurveneffekte). Auf die Situation des Servicevertrags übertragen bedeutet dies, dass Einzelleistungen, die im Vertrag enthalten sind, mit hoher Wahrscheinlichkeit häufiger verkauft werden, als Leistungen, die nicht im Servicevertrag eingebunden sind.

Abb. 5-110: Beispiel für eine Preisbündelung (Website der Keller Lufttechnik) Es lassen sich reine und gemischte Bündelungen unterscheiden. Bei der reinen Bündelungen kann der Kunde Leistungen nur im Bündel kaufen; also z. B. nur Serviceverträge abschließen. Bei der gemischten Bündelung kann er die Einzelleistung oder das Bündel kaufen. Kann der Kunde aus mehreren Bündeln wählen oder sich aus Einzelleistungen sein eigenes Bündel zusammenstellen (wie einen PC bei Dell), dann wird von einem Preisbaukasten gesprochen. In diesem Zusammenhang seien nochmals auf die Modularisierungs- und Standardisierungsthematik im Rahmen der Produktpolitik verwiesen. Erst die Modularisierung ermöglicht eine solche Vorgehensweise beim Pricing.

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5.3.4

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place

In diesem Abschnitt lernen Sie die kennen. Folgende Fragestellungen sind bei der Distribution produktbegleitender Dienstleistungen von Interesse: „ „

1. Wahl des Absatzkanals: Wie soll der Service vertrieben (erbracht) werden, direkt oder indirekt? Wer kommt als möglicher Vertriebspartner in Frage? 2. Ausgestaltung des (der) Absatzkanals (Absatzkanäle): Welche Aufgaben hat der Vertrieb zu erfüllen? Wie lässt sich die Qualität bei indirektem Vertrieb sicherstellen? 3. Akquisition von Kunden: Sollen die Dienstleistungen über den eigenen bereits bestehenden Produktvertrieb vertrieben werden oder soll eigens ein Servicevertrieb aufgebaut werden? 4. Logistische Dimension der Distribution: Wie ist das Servicenetz aufgebaut und wie dicht soll es sein? Kann Service distribuiert werden? Das Problem wurde bereits in Abschnitt 5.2.8 behandelt. Für die Anbieter produktbegleitender Dienstleistungen stellt sich die Frage ebenfalls. Bei der Distribution werden die (Produkt-)Anbieter wieder mit den Besonderheiten der Dienstleistung konfrontiert: Die Leistung existiert nicht vorab, ist nicht lagerfähig aber sie ist dennoch vertriebsfähig. Wie beim Vertrieb für Produkte stellt sich auch bei der funktionellen Dienstleistung als erstes die Frage, ob über welche(n) Kanal (Kanäle) die Leistung vertrieben werden soll. Die Alternativen sind in Abbildung 5-111 dargestellt. Nehmen wir uns folgendes Beispiel: Ein Anbieter großer E-Motoren steht vor dieser Entscheidung für seinen Montage- und Reparaturservice. Er hat das Ziel, die Dienstleistung bundesweit anzubieten. Bisher nutzt er für den Vertrieb seiner Motoren im OEM-Geschäft den eigenen Außendienst- Den Ersatzteilmarkt beliefert er bereits vor Jahren über den technischen Großhandel. Dazu hat er 25 Vertriebspartner aufgebaut, welche die Ersatzteile und den Ersatzbedarf an Motoren an die Betreiber in ihrer Region vermarkten und vertreiben. Als erste Frage ist zu klären, ob die Dienstleistungen direkt oder indirekt vertrieben werden soll. Es ist selbstverständlich, dass sich der Anbieter die Frage stellt, ob die existierenden Kanäle für den Vertrieb der Dienstleistungen geeignet sind. Der eigene Produktvertrieb kommt vor allem dann in Frage, wenn er bereits an die Zielgruppe der Dienstleistungen vertreibt. In unserem Beispiel ist das nicht so. Die Motoren werden direkt an die OEMs (Anlagen, welche die Motoren unseres Anbieters als Antriebselement verwenden) vertrieben. Der Montage- und Reparatur richtet sich aber an die Betreiber der Anlagen (Endkunden). Für die Beantwortung der

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Frage, ob der bestehende Produktvertrieb verwendet werden soll spielt demnach der Aspekt der Zielgruppenkonformität eine entscheidende Rolle.

Vertrieb Service

direkt

über Produktvertrieb

Leistungsversprechen

(Teil-) Leistung

indirekt

Über eigenen Servicevertrieb

Leistungsversprechen

(Teil-) Leistung

reiner Absatzmittler

Leistungsversprechen

(Teil-) Leistung

„CoProducer“

Leistungsversprechen

(Teil-) Leistung

Abb. 5-111: Absatzkanalentscheidungen für Anbieter produktbegleitender DL Weitere wichtige Aspekte sind die Qualifikation und Motivation des eigenen Produktvertriebs. Ist der Vertrieb ausreichend qualifiziert, um die Services zu verkaufen? Verkaufskompetenzen und -verhalten der Vertriebsmitarbeiter sind traditionell auf die Belange von Sachgütern ausgerichtet, deren Verkauf ihnen Freude macht und Erfolge bringt. Bzgl. Dienstleistungsinformationen und Verkaufsargumentationen sind sie nicht so versiert. Darüber hinaus kennen sie meist zu wenig über die Kundenvorteile als auch eigene Vorteile aus den Dienstleistungen. Soll der Vertrieb „nur“ das Leistungsversprechen („wir montieren und reparieren die Motoren ihrer Anlage“) verkaufen oder erbringt er (man denke an die fehlende Lagerfähigkeit von Dienstleistungen) die Dienstleistung zum Teil oder gänzlich selbst? Beim Vertrieb des Leistungsversprechens werden die Vertriebsmitarbeiter bei der Selektion der Dienstleistungen, bei der Vermittlung der Dienstleistungsinhalte sowie bei der passenden Selektion und treffenden Formulierung der Kundenvorteile, die durch produktbegleitende Dienstleistungen (Bündel) entstehen, eingesetzt. Es ist vorstellbar, dass der Außendienst des Produktgeschäftes durch Vertriebsingenieure erbracht wird, die mit entsprechenden Qualifizierungsmaßnahmen in die Lage versetzt werden, die Motoren beim Kunden vor Ort zu inspizieren und zu entscheiden, ob ein Motor reparabel ist oder nicht. Damit übernähme der Außendienst als Ko-Produzent einen Teil der Aktivitäten im Rahmen der Dienstleistung.

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Vetriebsobjekt

Der Anbieter könnte in diesem Fall aber auch die Entscheidung treffen, dass seine Monteure und Servicetechniker nicht nur die operativen Maßnahmen beim Kunden vor Ort übernehmen, sondern auch den Vertrieb der Dienstleistung. Im Zuge der Überlegung, welche materiellen und immateriellen Anreize zur Motivation eingesetzt werden können, ergibt sich zusätzlich die Frage, ob eine Aufgabenverteilung zwischen Vertrieb und Kundendienst sinnvoll ist, und wie sie erfolgen soll. Der Servicetechniker kann aufgrund seines fachlichen Know-hows und des vorhandenen Kundenvertrauens einen wichtigen Beitrag zur Kundenberatung sowie zur Erklärung der kundenspezifischen Einsatzmöglichkeiten und Vorteile einzelner Dienstleistungen leisten. Im vorliegenden Fall ist der ausschließliche Direktvertrieb aufgrund des o.g. mangelnden Zielgruppenzugangs unwahrscheinlich. Fasst der Anbieter den indirekten Vertrieb der Dienstleistung ins Auge, gibt es wiederum mehrere Möglichkeiten (vgl. Abbildung 5-112 und 5-111).

Eigentliche Leistung Leistungsversprechen

Funktion des Absatzmittlers "Co-Producer" Verkäufer Indirekter Vetrieb der Leistung über Indirekter Vetrieb der Leistung einen reinen Absatzmittler mittels eines Co-Producers z.B. Reparaturleistung durch lokalen Servicepartner

z.B. CD-ROMs mit Softwareupdates für Ferndiagnose

Indirekter Vertrieb des Leistungsversprechens via "Co-Producer"

Indirekter Vertrieb des Leistungsversprechens über Absatzmittler

z.B. Verkauf der Ferndiagnoseleistung des z.B. Verkauf von Schulungen des Hersteller Herstellers durch lokalen Servicepartner auf der Website eines Vetriebspartners

Abb. 5-112: Formen des indirekten Vertriebs produktbegleitender Dienstleistungen (in Anlehnung an Meffert/Bruhn, S. 563) Nutze ich den potenziellen Vertriebspartner Absatzmittler als reinen Verkäufer oder als Ko-Produzenten und soll er die nur das Leistungsversprechen verkaufen oder die Leistung selbst? Des Weiteren wird (ähnlich wie beim Direktvertrieb) die Frage beantwortet werden müssen, ob die Dienstleistungen über die bestehenden 25 Vertriebspartner für den Aftermarkt der Motoren verkauft werden sollen oder über neue Partner, die eventuell andere Leistungsfähigkeiten aufweisen können. Sollte lediglich das Leistungsversprechen über die Partner verkauft werden, dürften bei einer Distribution über die bestehenden Vertriebspartner keine großen Hürden zu überwinden sein. Anders sieht es aus, wenn die Leistung selbst oder eine (mehrere) Teilleistung(en) verkauft werden sollen. Sollen Teilleistungen von dem Vertriebspartner selbst erbracht werden, dann sollte der Hersteller die Dienstleistung selbst als Prozess darstellen und in Einzelaktivitäten zerlegen, um zu entscheiden, welche der Aktivitäten er selbst und welche der Vertriebspartner durchführen sollte. In der folgenden Abbildung 5-113 wird dies am Beispiel einer permanenten Anlagenüberwachung (Condition Monitoring) dargestellt und erläutert.

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5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

Service-Aktivität

Qualifikation

1. MaschinenSelektion

Ingenieur

2. Installation Hardware

Monteur

4. Periodische Inspektion (visuell)

Monteur

benötigte Werkzeuge

CoProducer

Hersteller X

Schwingungsaufnehmer

X X

5. Offline-Messung (bei Bedarf)

Service Techniker

OfflineGerät

6. Diagnose (bei Bedarf)

Ingenieur

Diagnose Center

X X

Abb. 5-113: Mögliche Arbeitsteilung bei der Anlagenüberwachung Die Auswahl der zu überwachenden Motoren setzt ein hohes Know-how in der Überwachungstechnologie und der Kundenanwendung voraus. Diese Tätigkeit wird im Beispiel der Abbildung 5-113 von einem erfahrenen Ingenieur des Motorenherstellers selbst durchgeführt. Die anschließende Montage der für die Überwachung notwendigen Hardware (inkl. Verkabelung) übernimmt der Monteur des lokalen Servicepartners (LSP). Die periodisch durchzuführende Inspektion nimmt ein Monteur des LSP vor. Im Falle einer Meldung des Signalgebers geht ein Servicetechniker des LSP zur Anlage und erhebt die Daten, die er zur Diagnose an das Diagnosecenter der Herstellers sendet. Dort analysiert ein Ingenieur die Daten, verfasst einen Diagnosebericht und sendet diesen an den Kunden und den LSP. Eine letzte Frage betrifft die Ausdehnung und Dichte des Servicenetzes. Die Lösung steht in direktem Zusammenhang mit den Anforderungen der Kunden und den DL-Eigenschaften an die zeit- und räumliche Präsenz des Dienstleistungsanbieters (physische Präsenz des Anbieters?). Eine Montageleistung muss physisch beim Kunden gemacht werden, eine Diagnose über den Maschinenzustand nicht, da eine Fernüberwachung per Teleservice möglich ist. Im Falle der Montageleistung könnten die Kunden beispielsweise die Forderung stellen, dass für die Anfahrt des Monteurs nicht mehr als 100 km Anfahrstrecke akzeptabel sind, um zu hohe Reisekosten des Montagepersonals zu vermeiden. Neben dem Kriterium der Distanz gibt es in Notfällen das viel wichtigere Kriterium der Zeit. Wenn z.B. in der Prozessindustrie eine Anlage aufgrund eines ungeplanten Stillstandes ausfällt, dann zählt jede Stunde. Insbesondere das Zeitkriterium in Notfällen zwingt die Anbieter produktbegleitender operativer Dienstleistungen dazu, ihr Servicenetz flächendeckend und mit einer hohen Anzahl von Servicestellen oder -centern anzulegen.

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

5.3.5

203

promotion

In diesem Abschnitt lernen Sie die Ausstrahlungseffekte zwischen Produkt und Dienstleistung und den Einfluss der Dienstleistungstypen auf die Kommunikation kennen. Ein Informations- und Kommunikationsproblem besteht vor allem bei der Vermarktung produktbegleitender DL (VDMA, S. 5) Zum Teil resultiert dieses Problem aus dem Umstand, dass die Bedeutung der produktbegleitenden DL im Vergleich zum Produkt in der Organisation des Herstellers eine untergeordnete Rolle spielt und das Dienstleistungsprogramm keine eigenständigen Serviceprodukte enthält. In solchen Fällen werden die einzelnen DL gerne als verkaufsfördernde Maßnahme betrachtet und nicht als eigenständiges Produkt, das es zu vermarkten gilt. Aufgrund des Informations- und Kommunkationsdefizits kommt kaum ein Kunde dazu, sich gezielt nach den Dienstleistungen des Herstellers zu erkundigen – für viele Hersteller wiederum der vordergründige Beweis, dass die Dienstleistungen auf dem Markt nicht nachgefragt werden. „ „

Vor Einführung

Nach Einführung

Unternehmen

Unternehmen

Produkte Produkte

Ausstrahlung 1

+ Services

A uss

tr a 2 h ul n g

Abb. 5-114: Ausstrahlungseffekte zwischen Produkt- und Serviceangebot Da Dienstleistungen nicht mittels Patent oder Gebrauchsmuster zu schützen sind, sondern nur über (interne) Kompetenzvorteile und eine starke Marke, zeigt die Bedeutung der Kommunikation für den Erfolg von Dienstleistungen. Markierung erfordert ein hohes Investment und bezieht sich in den seltensten Fällen auf eine

204

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

einzelne Dienstleistung, sondern wird als Dachmarke für das gesamte Unternehmen vorgenommen. Werden Produkte und Dienstleistungen angeboten, so werden diese in der Wahrnehmung der Kunden zusammen markiert, deshalb entstehen Ausstrahlungseffekte (vergl. Abbildung 5-114). Die Ausstrahlungseffekte vom Produkt auf die Dienstleistung nutzen viele Unternehmen, die damit begonnen haben, ein Dienstleistungsangebot professionell zu entwickeln und zu vermarkten. Sie nutzen den (ggf. hohen) Bekanntheitsgrad und das (ggf. positive) Image des „Produktherstellers“, um das Dienstleistungsprogramm am Markt zu etablieren. Damit werden die oben genannten hohen Investments für die Markierung auf mehrere Schultern verteilt (Produkt- und Dienstleistungsgeschäft). Die Anbieter produktbegleitender Dienstleistungen müssen allerdings beachten, dass die Dienstleistungen mit zeitlichem Verzug das Image des (vorab reinen) Produktherstellers je nach Qualität der Dienstleistungen positiv oder negativ beeinflussen; sowohl das Gesamtunternehmen als auch dessen Produktangebot betreffend. Welche Art von Kommunikation favorisiert werden sollte, hängt in starkem Maße von der Art der Dienstleistung ab (vgl. Abbildung 5-115).

Abb. 5-115: Einfluss der Dienstleistungstypen auf die Kundenkommunikation (Fließ/Möller/Momma, S. 43)

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

205

Bei standardisierter (Massen-)Kommunikation sind vor allem die klassische Werbung und die Öffentlichkeitsarbeit zu nennen. Die teilweise individualisierte Kommunikation ist anlassbezogen und umfasst Kommunikationsformen wie Messen, Sponsoring, Verkaufsförderung und Event Marketing. Im Rahmen individualisierter Kommunikation kommen Instrumente wie die persönliche Kommunikation (persönlicher Vertrieb und Interaktion bei der Leistungserstellung), Direktmarketing und Multimedia-Kommunikation zum Einsatz. Je stärker die Kunden bei der Dienstleistungsentwicklung (und später bei der -erstellung) integriert werden müssen und je immaterieller und komplexer die Dienstleistungen sind, desto individualisierter müssen die Kommunikationsmaßnahmen ausfallen. Dienstleistungen haben meist High-Involvement Charakter. Die Kunden haben bei solchen Leistungen ein gesteigertes Informationsinteresse vor der Inanspruchnahme. Damit rücken Kommunikationsmaßnahmen in den Vordergrund, die es erlauben, die Dienstleistungen so zu darzustellen, dass die Kunden ihr Informationsbedürfnis stillen können. Die Immaterialität der Dienstleistungen bedeutet in vielen Fällen, dass die Dienstleistung inszeniert werden oder in anderen Worten in Szene gesetzt werden muss. Die Wortwahl aus Film und Theater ist bewusst gewählt. Wenn die Dienstleistung nicht in Form eines materiellen Sachgutes darstellbar ist, dann kann eine Szene „gedreht“ werden, welche die Aktivitäten zeigt, die der Anbieter der Dienstleistung ausführt. Die „Szene“ muss nicht unbedingt auf Zelluloid oder digitalen Medien gespeichert werden, um sie den Kunden vorzuführen. EventMarketing oder Messen sind geradezu prädestiniert, um den Kunden die „Inszenierung“ live vorzuführen. Insofern sind sie für die Kommunikation von Dienstleistungen von besonderer Bedeutung. Im Falle produktbegleitender Dienstleistungen fällt diese Herausforderung geringer aus, da sich das Produkt, an dem die Dienstleistungen in aller Regel vollzogen werden, zur Visualisierung anbietet. Wer die Messeauftritte und Websites der meisten produktgeprägten Anbieter funktionaler Dienstleistungen studiert, wird feststellen, dass die Inszenierung der Dienstleistung nur unzureichend im Vergleich zur Präsentation der Produkte ausfällt. Einen weiteren wichtigen Aspekt, den es bei der Kommunikation und dem Vertrieb produktbegleitender Dienstleistungen (im Falle von Industriegütern) zu beachten gilt, stellen Änderungen im Buying Center des Kunden dar. Zielpersonen der Kommunikation sind nicht mehr allein technisch, sondern auch betriebswirtschaftlich orientierte Kaufbeeinflusser und Entscheider (z.B. Facility Management; Einkauf etc.). Demnach muss die Kommunikation bei der Visualisierung auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Buying Center Mitglieder eingehen. Der kaufmännisch geprägte Kunde wird beispielsweise von Detailaufnahmen einer technischen Objektprobe weniger angesprochen als der Instandhalter einer Anlage (vgl. unten). Viele Produkthersteller werden feststellen, dass sie in ihren Bildarchiven wenige brauchbare Fotos für die Visualisierung ihrer Dienstleistungen in Printmedien haben. Die meisten Bilder rücken das Produkt und nicht die eigenen Mitarbeiter oder die des Kunden (als zu integrierenden externen Faktor) in den Mittelpunkt. Dienstleistungen werden jedoch von Menschen für Menschen oder deren Objekte er-

206

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

bracht und sollten deshalb den Menschen in (Inter-)Aktion mit anderen Menschen oder an dem Dienstleistungsobjekt (Maschine, Anlage, Komponente, …) zeigen.

Dargestellte Faktoren

Externe Faktoren

Interne Faktoren

Gestaltungsziel Materialisierung Personifizierung - Vorher-/Nachher-Darstellung - Referenzkunden - Verpackung des - Testimonials Dienstleistungsobjektes - Prominente - Darstellung der Bedürfnisbefriedigung - Materielle interne Faktoren - Objektproben - Einsatz von Sinnbildern

- Führungskräfte - Mitarbeiter (mit oder ohne Kundenkontakt - Darstellung des Dienstleistungsprozesses

Abb. 5-116: Gestaltungsoptionen der Mediawerbung für Dienstleistungen (in Anlehnung an Meffert, S. 458) Abbildung 5-116 zeigt verschiedene Möglichkeiten, Dienstleistungen im Rahmen medialer Werbung zu visualisieren. Als darzustellende Faktoren kommen sowohl externe als auch interne Faktoren in Frage. Diese Faktoren wiederum lassen sich je nach Gestaltungsziel über physisch fassbare (tangible) Objekte materialisieren oder in Form von Menschen (insbesondere bei Ausführung der Dienstleistung) personalisieren. Im Falle produktbegleitender Dienstleistungen stehen zur Materialisierung die Produkte zur Verfügung, an denen die Dienstleistung erbracht wird; z.B. eine Maschine vor Rekonditionierung und nach Rekonditionierung oder ein schadhaftes Maschinenelement als Objektprobe. Die Leistung kann an den Produkten beim Kunden vor Ort (extern) oder an eigens dafür präparierten Produkten in eigenen Gebäuden simuliert (inszeniert) werden. Um den Faktor Mensch und dessen Rolle bei der Dienstleistung mit wichtigen (weichen) Serviceanforderungen wie Freundlichkeit, Flexibilität oder Einsatzfreude darzustellen bietet sich zum anderen eine Darstellung von Kunden (externer Faktor) am besten in Zusammenarbeit mit den eigenen Mitarbeitern (interner Faktor) an. Unseres Erachtens am besten eignet sich eine Kombination aus Materialisierung und Personalisierung von internen und externen Faktoren an. Es besteht dann die Möglichkeit objektbezogene (oder produktbezogene) Dienstleistungen am Objekt (Produkt) selbst zu inszenieren, um die Bündelung von Produkt und Dienstleistung darzustellen.

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

207

Begriffe zum Nachlesen Marketingprozess

5-8 P

Leistungsprozess

CDC

Grundnutzen

Zusatznutzen

Added Value

Differenzierung

Beschwerdemanagement

Convenience

Markenzeichen

Rabatte

Qualitätszeichen

Teleshopping

Personalmarketing

Sponsoring

Testimonial

Product Placement

Event

Dachmarke

Markenfamilie

Preisdifferenzierung

Preisbündelung

Preisbaukasten

Ausstrahlungseffekt

Markierung

Event

Wiederholungsfragen 1.

Stellen Sie den Marketingprozess dar.

2.

Was bedeutet CDC und welches sind die charakteristischen Eigenschaften?

3.

Warum werden für Dienstleistungen die 4 P erweitert?

4.

Welche Arten von Markenzeichen gibt es?

5.

Welche Elemente bestimmen die Prozesspolitik?

6.

Welche Elemente bestimmen die Ausstattungspolitik?

7.

Welche Techniken brachten Entwicklungsschübe für das Direktmarketing?

8.

Warum eignet sich Sponsoring zur Kundenansprache?

9.

Welche 7 Möglichkeiten der Online-Werbung gibt es?

10.

Nennen Sie die Elemente der CI und erläutern sie deren Bedeutung für Dienstleister.

11.

Welche wesentlichen Entscheidungen sind bei der Preisgestaltung zu treffen?

12.

Geben Sie Beispiele für die direkte Kommunikation.

13.

Welches sind Medien eignen sich für eine direkte und eine indirekte Kommunikation?

14.

Welche Argumente sprechen für und gegen einen direkten Vertrieb?

15.

Wie lassen sich Dienstleistungen am besten darstellen (materialisieren)?

16.

Was passiert bei einem Ausstrahlungseffekt?

208

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

Literaturhinweise Aurich, Jan C.; Jenne, Frank; Fuchs, Chrisitian: Vorgehensmodell zur Entwicklung produktbegleitender Dienstleistungen. Präs. 5. DLTG. D. BMBF, Berlin 2003 Backhaus, Klaus: Industriegütermarketing, 7. Auflage, München 2003 Bailom, F. et al.: Das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit, in: Marketing Zeitschrift für Planung, 2/1996, S. 117 ff Berndt, Ralph: Marketingstrategie und Marketingpolitik, Tübingen 2004 Bullinger, Hans-Jörg: Dienstleistung heute und morgen: Bilanzierung, Herausforderungen, Entwicklungspfade, www.fit4service.de/html/hans_joerg_bullinger.pdf, Abruf 11.9.2006 Bullinger, Hans-Jörg; Scheer, August-Wilhelm: Service Engineering –Entwicklung und Gestaltung innovativer Dienstleistungen, in: Bullinger/ Scheer (Hrsg.): Service Engineering: Entwicklung und Gestaltung innovativer Dienstleistungen, S. 3 ff Fachverband Automation im ZVEI (Hrsg.): Service in Automation, Oktober 2004 Forschner, Gert: Investitionsgüter-Marketing mit funktionellen Dienstleistungen, Berlin 1989 Friedrich, Roland: Marketing für industrielle Dienstleistungen, Eschborn 2000 Frauenhofer IAO (Hrsg.): Newsletter Service Engineering u. Management, 3/2005 Friedrich, Roland: Marketing für industrielle Dienstleistungen, Eschborn 2000 Harms, Volker: Kundendienstmanagement: Dienstleistung, Kundendienst, Servicestrukturen und Serviceprodukte; Aufgabenbereiche und Organisation des Kundendienstes, Herne Berlin 1999 Hermann, Katja; Klein, Ralf: Methodenbasierte Visualisierung von Dienstleistungen, in: Scheer/Spath (Hrsg.): Computer Aided Service Engineering. Informationssysteme in der Dienstleistungsentwicklung, Berlin Heidelberg 2004, S. 93 ff Herrmann, A.; Huber, F.; Braunstein, C.: Kundenzufriedenheit garantiert nicht immer mehr Gewinn, in: Harvard Business Manager, 22. Jg., 1/2000, S. 45 ff Hermsen, Martin: Ein Modell zur kundenindividuellen Konfiguration produktnaher Dienstleistungen, Aachen 2000 Hünerberg, R.; Mann, A.: Strategische Implikationen des Service-Marketing in Industrieunternehmen, in: Engelhardt, W.H. (Hrsg): Perspektiven des Dienstleistungsmarketings. Ansatzpunkte für Forschung u. Praxis, Wiesbaden 1998, S. 151 ff

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

209

ILTIS GmbH (Hrsg.): Kano-Analyse, www.4managers.de, Abruf 13.9.2006 Jacob, Frank; Kleinaltenkamp, Michael: Herausforderungen bei der internationalen Vermarktung von Service-to-Business-Leistungen, in: Gardini/Hahlhoff: Management internationaler Dienstleistungen, Wiesbaden 2004, S. 135 ff Kano, Noriaki (1984): Attractive Quality and Must-be Quality, in: Hinshitsu: Journal of the Japanese Society for Quality Control, H. 4, S. 39 ff König, Manfred; Colucci, Mario: Nutzenorientierte Generierung von ValueAdded-Services – Ein Konzept zur Generierung von Services unter Berücksichtigung des Life Cycle Costing Modells am Beispiel eines Unternehmens der Branche industrielle Messtechnik, in: König/Völker (Hrsg.): KIM Schriftenreihe, 2003 Meffert, Heribert/Bruhn, Manfred: Dienstleistungsmarketing, 4. Auflage, Wiesbaden 2003 Meier, Horst: Dienstleistungen professionell entwickeln und erbringen, Vortragsveranstaltung in Kooperation mit dem VDMA, Bochum 2002 Meiren, Thomas: Vorgehensmodell zur Entwicklung von Dienstleistungen, Präsentationsunterlagen zu einem Vortrag, Zürich 11/2003 Meiren, Thomas; Barth, Tilmann: Service Engineering im Unternehmen umsetzen - Leitfaden für die Entwicklung von Dienstleistungen, Stuttgart 2002 Reiss, M.; Beck, T.: Kostenverträglichen Service anbieten, in: Gablers Magazin 1/1995, S. 24 ff Schneider, Kristof; Wagner, Daniel; Behrens, Hermann: Vorgehensmodelle zum Service Engineering, in: Bullinger, H.-J.; Scheer, A.-W. (Hrsg.): Service Engineering: Entwicklung und Gestaltung innovativer Dienstleistungen, S. 117-141 Schuh, Günther; Speth, Christoph, Schwenk, Urs: Controlling industrieller Dienstleistungen, in: IO-Management, 11/1999, 32-39 Schuh, Günther; Speth, Christoph; Friedli, Thomas: Kostenfalle Service? Ansätze zur Verbindung von Kunden- und Kostenorientierung bei industriellen Dienstleistungen, in: IO-Management, 11/2000, 40-46 Sponholz, Uwe (a): Service als Messias des deutschen Maschinenbaus?, in: Drives & Motion 03/2004, S. 46 f Sponholz, Uwe (b): Chefsache Service, in: Automation 06/04, S. 70 f Wiesner, Knut (b): Internationales Management, München/Wien 2004 Wiesner, Knut (c): Mobil-Marketing, Kap. 82 in: Poth/Poth: Marketing, 2. Auflage, Kriftel 2000/2

210

5 Operatives und taktisches Marketing sowie typenspezifische Aufgaben

Wiesner, Knut (d): Kundenbindung durch Kundenclubs und Kundenkarten, Kap. 79 in: Poth/Poth: Marketing, 2. Auflage, Kriftel 2000/2 Wiesner, Knut (d): Multi-Kanal-Dialogmarketing, in: Häberle (Hrsg.): Lexikon der Betriebswirtschaftlehre, München/Wien 2006 Wiesner, Knut (f): Strategisches Tourismusmarketing, Berlin 2006

6.

Marketing-Controlling/-Audit

In diesem Abschnitt lernen Sie einige Instrumente des Controllings und die strategische Funktion des Controllings kennen. Marketing-Controlling bedeutet eine Überprüfung der Sinnhaftigkeit, Effizienz und Effektivität der angewandten Strategien, Marketinginstrumente und Maßnahmen. Dabei geht das Controlling über eine reine Kontrolle des Vergangenen hinaus und soll zukünftige Marketingentscheidungen verbessern bzw. unterstützen. „ „

Wie schon zuvor dargelegt, bedarf es als Grundlage eines erfolgreichen strategischen Marketings einer aussagekräftigen strategischen Situationsanlyse. Diese führt nicht zu statischen Ergebnissen und ist daher in regelmäßigen Abständen zu aktualisieren. Am besten eignet sich der Abschluss einer Marketingperiode (z.B. nach einem Jahr) zur Vornahme einer neuen Analyse, die dann möglicherweise auch ihre Auswirkungen auf das Leitbild, die Ziele und Strategien hat, wenn z.B. Ziele nicht oder unzureichend erreicht wurden bzw. Strategien nicht erfolgreich umgesetzt werden konnten (vergl. Abbildung 5-1).

Vom operativen zum strategischen Controlling operatives Controlling

strategisches Controlling

¾ gegenwarts- und vergangenheitsbezogen Betrachtungsrahmen

¾ zukunftsbezogene Planung / Erwartung

¾ Zahlen / Ergebnisse

¾ Trends / Planungen

¾ kurz- / mittelfristig ¾ Kosten / Leistungen ¾ Benchmarking, Dokumentationen

(Marketing-) Audit

Betrachtungsobjekt Planungshorizont Zielrichtung Mittel

¾ langfristig ¾ Chancen / Risiken ¾ Szenario-Entwicklung, Prognoseverfahren, Balanced Scorecard SWOT-Analyse

Abb. 6-1: Controlling mit breit angelegten Aufgaben

212

6 Marketing-Controlling/-Audit

Voraussetzung für eine erneute SWOT-Analyse ist die sorgfältige Analyse der vorangegangenen Marketingaktivitäten mit Hilfe des operativen und strategischen Marketingcontrollings (vergl. Abbildung 6-1). So kann ggf. eine Notwendigkeit zur Adjustierung der Marketinginstrumente und Leistungsphasen erkannt werden. Am Ende kann dann auch ein Marketing-Audit mit einer detaillierten Ursachenanalyse und einer Revision des gesamten Marketingprozesses stehen. Auf jeden Fall soll Marketing-Controlling eine Kombination interner Kontrollgrößen mit aktuellen Marktinformationen ermöglichen leistet daher viel mehr als „nur“ eine Kontrolle der Vergangenheit. Für strategisch handelnde Anbieter spielt die zukünftige Positionierung, das zukünftige Erreichen der gesetzten Ziele und die zukünftig optimale Strategieauswahl eine ganz entscheidende Rolle. Also interessieren Zukunftsszenarien und langfristige Zukunftstrends, Chancen-RisikenAbwägungen und langfristige Planungen auf Basis möglichst valider Prognosen (vergl. Abbildung 6-1). Strategisches Controlling kann diese Herausforderung leisten und ist damit langfristig effektiver als das traditionelle operative (Marketing-) Controlling. Ein praxisorientiertes strategisches Marketing-Controlling sollte folgende Stufen umfassen: 1. Selektion wichtiger Bezugsobjekte mit wirksamen Methoden 2. Beschreibung und Quantifizierung der gegenwärtigen strategischen Positionierung dieser Bezugsobjekte 3. Analyse Veränderung im Zeitablauf dieser Bezugsobjekte Marketing-Controlling hat dabei vor allem eine informationsversorgende Funktion für die Marketingverantwortlichen bzw. -abteilungen, um Informationen zur Marketing-Kontrolle und zum Marketing-Audit, zur Mitarbeiterführung (Anreize) und zur Marketing-Planung zu erhalten. Dabei ist es eine besondere Herausforderung, die operative und die strategische Perspektive effektiv miteinander zu verbinden. Zwei wichtige Hilfsinstrumente des Marketing-Controllings sind das Benchmarking (vergl. Abbildung 6-2) und die Balanced Scorecard (vergl. Abbildung 6-3), die sozusagen die Verbindung zwischen operativen und strategischem Controlling schaffen und im Folgenden beispielhaft dargestellt werden. Quasi als die us-amerikanische Antwort auf die Notwendigkeit zur dynamischen Anpassung an sich verändernde Umweltfaktoren wurde das Benchmarking (BM) als ein strukturierter, praxisorientierter Lernprozess entwickelt. Es geht dabei vordergründig um einen Vergleich der eigenen Kennziffern mit denen anderer (Abteilungen, Organisationen, Unternehmen...), ähnlich wie bei einem Betriebsvergleich. Doch tatsächlich bedeutet Benchmarking mehr, nämlich wie man sich durch Lernen von anderen verbessern kann, und nicht, wie man andere nur kopieren kann! Denn das Ziel des Benchmarkings ist, besser zu werden als der oder die Vergleichspartner.

6 Marketing-Controlling/-Audit

213

Leistungsverbesserung

Dimensionen und Möglichkeiten des Benchmarkings World Class

Prozess- und Knowhow-Führerschaft

Bester im Land Branchenprimus Branchenstandard

Wettbewerbervergleich

Beste Leistung in eigener Organisation Beste Leistung der eigenen Abteilung im Zeitablauf

Interner Vergleich

Abb. 6-2: Benchmarkingdimensionen für Dienstleister Grundsätzlich gibt es unterschiedliche Formen des Benchmarkings (vergl. Abbildung 6-2), nämlich internes und externes, funktionelles und ganzheitliches, offenes und verdecktes. Häufig wird Benchmarking nur als einmalige Aufgabe betrachtet, besser ist allerdings kontinuierliches Benchmarking. Allerdings stellt sich in der Praxis häufig die Frage, mit wem man sich messen kann. Zur Einübung bietet sich vielleicht zunächst ein interner Vergleich mit anderen Abteilungen, anderen Niederlassungen oder Verkaufsteams an, bevor man über die Grenzen des eigenen Unternehmens bzw. der eigenen Organisation hinaus schaut (vergl. Abbildung 62). Im NPO-Bereich ist es oftmals leichter, externe Partner zu finden, da vermeintlich keine oder eine nicht so starke Konkurrenz besteht. Aber funktioniert Benchmarking auch mit dem direkten Wettbewerber? Ein offenes Benchmarking wird in einem solchen Fall meist nicht möglich sein, dann kommt eher ein verdecktes Benchmarking als Alternative in Frage. Aber der Blick über den Tellerrand der eigenen Branche oder Landes führt schneller zum Gewinn eines BenchmarkingPartners als man denkt und oftmals mit sehr interessanten Ergebnissen.

214

6 Marketing-Controlling/-Audit

Balanced Scorecard FINANZPERSPEKTIVE Wie sehen uns unsere Eigentümer/Anteilseigner? 9Ziele 9Indikatoren/Messgrößen 9Maßnahmen

KUNDENPERSPEKTIVE Wie sehen uns unsere reisenden Kunden? 9Ziele 9Indikatoren/Messgrößen 9Maßnahmen

Vision, Ziel und Strategie

INTERNE PROZESSPERSPEKTIVE Wie können wir unsere Prozesse optimieren? 9Ziele 9Indikatoren/Messgrößen 9Maßnahmen

LERN- U. ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVE Wie können wir unsere Veränderungspotenziale fördern? 9Ziele 9Indikatoren/Messgrößen 9Maßnahmen

Abb. 6-3: Aspekte der Balanced Scorecard Basierend auf der Messung von Werten, aber mit einer stärker strategischen Zielrichtung, arbeitet die an der Harvard Business School entwickelte Balanced Scorecard (BSC) als ein Konzept der „strategischen austarierten Anzeigentafel“ bzw. eines „ausbalancierten Berichtswesens“. Die Balanced Scorecard verbindet finanzielle Steuerungsgrößen über quantifizierte Ursache-Wirkungs-Ketten mit den für die Marketingstrategie wesentlichen (eher weichen) Perspektiven der Kunden, der internen Prozesse sowie dem Lernen und der Weiterentwicklung des Dienstleistungsanbieters (vergl. Abbildung 6-3). Damit erhält das (Marketing-)Management eindeutige und messbare Steuerungsgrößen für den laufenden Management- bzw. Marketingprozess. Erstmalig verbindet dieses Konzept "weiche" erfolgskritische Faktoren mit den „harten“ finanziellen Zielgrößen eines Anbieters. So kann auch im Sinne eines Risikomanagements die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens über weiche Faktoren, wie Kundenzufriedenheit, Marken- oder Unternehmensimage gemessen und verbessert werden. Die Balanced Scorecard kann auch in leicht veränderter Form ausschließlich für Unternehmensbereiche wie das Marketing oder den Vertrieb eingesetzt werden. So wird sicher gestellt, dass die Strategien auch richtig umgesetzt werden.

6 Marketing-Controlling/-Audit

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Begriffe zum Nachlesen operatives Controlling

strategisches Controlling

internes Benchmarking

externes Benchmarking

verdecktes Benchmarking

Balanced Scorecard

Wiederholungsfragen 1. Warum gibt es strategisches Controlling 2. Wie unterscheiden sich strategisches und operatives Controlling? 3. Wozu dient Benchmarking? 4. Welche formen des Benchmarking gibt es? 5. Erläutern Sie kurz die Funktion der BSC. Literaturhinweise Berndt, Ralph: Marketingstrategie und Marketingpolitik, Tübingen 2004 Meffert, Heribert/Bruhn, Manfred: Dienstleistungsmarketing, 4. Auflage, Wiesbaden 2003 Wiesner, Knut (a): Internationales Management, München/Wien 2004 Wiesner, Knut (b): Strategisches Tourismusmarketing, Berlin 2006