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German Pages 328 Year 2005
BEIHEFTE ZUR ZEITSCHRIFT FÜR ROMANISCHE PHILOLOGIE B E G R Ü N D E T V O N GUSTAV GRÖBER HERAUSGEGEBEN VON GÜNTER HOLTUS
Band 331
CORINA PETERSILKA
Die Zweisprachigkeit Friedrichs des Großen Ein linguistisches Porträt
M A X NIEMEYER V E R L A G TÜBINGEN 2005
Für meine Mutter Priska Götz
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 3-484-52331 -X
ISSN 0084-5396
© Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2005 http:/'/www. niemeyer. de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Satz: Martin Petersilka Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Einband: Norbert Klotz, Jettingen-Scheppach
Vorwort
Die vorliegende Dissertation ist am Institut für Romanische Philologie der Universität Würzburg unter der Betreuung von Herrn Professor Dr. Wilhelm Pötters entstanden. Herr Pötters schlug mir vor, über das Französische Friedrichs II. zu arbeiten, und war mir während der ganzen Bearbeitungszeit mit allzeit regem Interesse, wichtigen Denkanstößen und wohlmeinender Kritik ein idealer Doktorvater. Ohne seine Anregung und sein Vertrauen wäre diese Arbeit nicht geschrieben worden. Mein besonderer Dank gebührt auch Herrn Professor Dr. Peter Baumgart, der bis zum Sommersemester 1999 den Lehrstuhl für Neuere Geschichte I in Würzburg innehatte. In Herrn Baumgart fand ich einen Spezialisten für die Epoche Friedrichs II., der mich bei allen Fragen, die die Literatur und die Quellenlage zum dritten Preußenkönig betrafen, immer wieder beraten hat. Auch Herrn Baumgarts Nachfolger in Würzburg, Herrn Professor Dr. Wolfgang Neugebauer, bin ich für wertvolle Hinweise zu Dank verpflichtet. Für viele inspirierende Diskussionen möchte ich mich schließlich herzlich bei Herrn Johannes Schellakowsky bedanken. Eine überaus wichtige Anlaufstelle für die Recherchen zu meiner Arbeit war das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin, wo Frau Kornelia Bobbe und Herr Dr. Peter Letkemann zahlreiche Akten für mich bereitstellen ließen. Gerne denke ich zudem an das aufschlussreiche Gespräch mit Herrn Dr. Frank Althoff zurück. Hilfreich war mir außerdem die Einsicht in einige Autographen, die mir das Sächsische Hauptstaatsarchiv in Dresden und die Gesamthochschulbibliothek Kassel gewährt haben. Für die Durchsicht des Kapitels über das Deutsch Friedrichs II. bedanke ich mich bei Herrn Professor Dr. Horst Haider Munske und bei Herrn Helmut Weinacht vom Institut für Germanistik der Universität Erlangen-Nürnberg. Mein Promotionsvorhaben wurde von der Universität Würzburg durch ein zweijähriges Doktorandenstipendium gefördert. Zudem wurde die Dissertation mit einem Preis der Unterfränkischen Gedenkjahrstiftung für Wissenschaft ausgezeichnet. Den Satz des Buches schulde ich meinem lieben Mann Martin. Für die Gestaltung des Bandes erhielt ich wichtige Verbesserungsvorschläge vom Herausgeber der Beihefte Herrn Professor Dr. Günter Holtus und profitierte
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von der perfekten Betreuung durch Frau Dr. Ulrike Dedner und Herrn Norbert Alvermann vom Niemeyer Verlag. Unterstützung verschiedenster Art habe ich schließlich von Prof. Dr. Jürgen Lang, Dr. Gregor Petersilka, Dr. Helmut Martin, Genevieve Wappes, Gerard Avignon, Dr. Jürgen Eschmann, Sophie Janin, Dr. Axel Pregartner, Daniela Millitzer, Julia Wolfbauer, Peter Müller, Paul Thamm und Karl Petersilka erfahren. A l l den Genannten, allen voran meinem akademischen Lehrer Herrn Pötters, sage ich hiermit herzlichen Dank!
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Inhalts verzeichni s
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Einleitung
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Soziohistorische Prämissen 1.1 Universalität des Französischen im 17. und 18. Jahrhundert . . . 1.2 Das Französische am Berliner Hof vor Friedrich II 1.3 Die Hugenotten als Förderer der Frankophonie in Berlin . . . . 1.4 Friedrich II. als Förderer der Universalität des Französischen . . 1.5 Die sprachliche Situation an anderen deutschen Höfen am Beispiel Wiens 1.6 Zusammenfassung
2
1 15 15 24 29 37 39 45
Erziehungsgeschichtliche Prämissen 2.1 Sprach verhalten des Vaters 2.2 Sprachverhalten der Mutter 2.3 Friedrichs Erzieher und Erzieherinnen 2.3.1 Madame de Rocoulle 2.3.2 Militärgouverneure 2.4 Friedrichs Unterricht 2.4.1 Instruktion von 1718 2.4.2 Reglement von 1721 2.4.3 Duhan de Jandun 2.5 Administrative Ausbildung in Küstrin 2.6 Sprachliche, literarische und philosophische Studien in Rheinsberg 2.7 Friedrichs Anweisungen zur Erziehung seines Nachfolgers . . . 2.8 Zusammenfassung
47 47 53 55 55 56 58 60 62 65 67
3
Metasprachliche Äußerungen Friedrichs II. 3.1 Äußerungen über das Französische 3.2 Äußerungen über das Deutsche 3.3 Zusammenfassung
73 73 77 81
4
Friedrichs II. Zweisprachigkeit: pragmalinguistische Analyse 4.1 Der Privatmann 4.1.1 Konversation 4.1.2 Lektüren
68 69 71
83 86 86 110 VII
4.2
4.3
4.4
Der Schriftsteller und Dichter 4.2.1 Überblick über Werk und Selbstverständnis 4.2.2 Rezeption 4.2.3 Rolle der «Korrekteure» Der Sprachgebrauch des Regenten 4.3.1 Verwaltungsarbeit 4.3.2 Auswärtige Angelegenheiten 4.3.3 Der Feldherr 4.3.4 Zusammenfassung Codeswitching
122 122 125 128 145 145 159 168 173 175
5
Friedrichs II. Französisch: deskriptive Analyse 5.1 Graphie 5.1.1 Friedrich II. als Schreiber des 18. Jahrhunderts 5.1.2 Orthographiefehler Friedrichs II 5.1.3 Schreibung grammatischer Morpheme 5.1.4 Zusammenfassung 5.2 Aussprache 5.2.1 Phonographien Friedrichs II 5.2.2 Aussagen einiger Zeitzeugen 5.3 Morphosyntax und Lexik 5.3.1 Voltaires Korrekturen im Antimachiavel 5.3.2 Grammatikalische Korrekturen 5.3.3 Lexikalische Korrekturen 5.3.4 Zusammenfassung
179 179 181 189 207 211 212 212 214 218 222 246 250 251
6
Friedrichs II. Deutsch 6.1 Dialektale und umgangssprachliche Elemente 6.2 Eventuelle syntaktische Gallizismen 6.3 Beispieltexte 6.4 Zusammenfassung
255 256 266 269 274
7
Schluss
277
Quellen- und Literaturverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Personenregister Sachregister
VIII
285 307 309 311 317
0 Einleitung
Die Bedeutung, die Friedrich II. (1712-1786), König von Preußen, für den Verlauf der deutschen Geschichte gewann, steht im Gegensatz zu seiner Rolle in der deutschen Sprachgeschichte. Für die Entwicklung hin zum deutschen Nationalstaat war Friedrich II. von großem Gewicht: «An Person und Leistung Friedrichs des Großen entzündet sich ein erstes politisches Selbstbewußtsein und Nationalgefühl der Deutschen».'
In der deutschen Sprachgeschichtsschreibung hingegen gilt der dritte Preußenkönig, der lieber Französisch als Deutsch sprach - Letzteres nach eigener Aussage nur «wie ein Kutscher»2 - und der ein umfangreiches schriftstellerisches (Euvre auf Französisch hinterließ, als Kulminationspunkt des fremdsprachigen Einflusses in Deutschland.3 Zwar kann man wie Goethe in Dichtung und Wahrheit die Meinung vertreten, dass der König durch seine Taten auch auf die deutsche Literatur beflügelnd wirkte,4 aber als Person stellte der berühmteste Hohenzoller, der in seinem Essay De la litterature allemande von 1780 das Deutsche «un jargon depourvu d'agrement» 5 nannte, eine auffällige französische Sprachinsel mitten in Preußen dar. Die Historiker interessierte an Friedrich II., der schon zu Lebzeiten der Große genannt wurde, vorrangig der Staatsmann und Feldherr, der Preußen mit der Eroberung Schlesiens (1740-1742) und der Verteidigung dieses Gebietes im Zweiten Schlesischen Krieg (1744-1745) und im Siebenjährigen Krieg (17561763) zur Großmacht erhob. In den Biographien über den Preußenkönig spielte sein sprachliches Verhalten dementsprechend nur eine sehr untergeordnete Rolle. Dennoch drängte es fast alle in- und ausländischen Biographen, meist im Kapitel über Friedrichs Erziehung oder anläßlich seines Essays De la litterature allemande, zu Friedrichs II. Bevorzugung des Französischen Stellung zu nehmen. Und interessanterweise sind diese zahlreichen Deutungen seiner Haltung in der Sprachenfrage genauso vielschichtig, genauso sich widersprechend, teil1 2 3 4
5
Kinder/Hilgemann, Dtv-Atlas Weltgeschichte 1, 3 7 2004, 283. Ausspruch gegenüber Gottsched unten p. 78. Bach 1965, 313, Polenz 1970, 108, 1994, 67. «Der erste wahre und höhere eigentliche Lebensgehalt kam durch Friedrich den Großen und die Taten des siebenjährigen Kriegs in die deutsche Poesie» (Goethe 1998, 252-253). (Euvres VIT, 107.
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weise überzogen, teilweise um Objektivität bemüht und letztlich genauso einem ständigen Wandel unterworfen gewesen wie das Bild des Preußenkönigs in der Geschichtschreibung der letzten zwei Jahrhunderte. Aus der überreichen Literatur zu Friedrich II. seien hier einige typische Stellungnahmen zu seiner Frankophonie herausgegriffen, wobei sich drei Tendenzen bei der Sicht seines Sprachverhaltens feststellen ließen. Die erste Gruppe der im Folgenden aufgeführten Historiker deutete seine Frankophonie nur als Folge seiner Erziehung bzw. als normale Zeiterscheinung. Die zweite Gruppe strich sie als einen undeutschen Zug seines Wesens hervor. Die dritte Gruppe betonte die Widersprüche zwischen seinem Handeln und Denken und verstand seinen zwiefachen kulturellen Hintergrund als Teil oder gar Ursache dieses «tief gespaltenen Charakters» 6 . Die erste aus den Quellen erarbeitete Biographie Friedrichs II. verfasste Johann David Erdmann Preuß, der als Geschichtsschreiber des Hauses Brandenburg auch die Herausgabe der CEuvres de Frederic le Grand in 32 Bänden leitete. In Friedrich der Große - Eine Lebensgeschichte stellte Preuß den König in sprachlich-kultureller Hinsicht als ein Opfer seiner Erziehung dar: «Daß eine Französinn zur Erzieherinn eines deutschen Fürsten gewält wurde, darf in damaliger Zeit weniger auffallen. Es war dies eine Folge der Nachahmung Ludwigs des XIV. und der über einen großen Theil unsers Vaterlandes ausgewanderten Hugenotten. Beide flößten den Höfen und dem Adel eine gewaltige Vorliebe für die französische Sprache ein. Schon der große Kurfürst und seine beiden Gemalinnen, selbst von Jugend auf französisch gebildet, gaben ihren Kindern eine ähnliche Erziehung. [... ] Auf die Art kam die vornehme Jugend in Gefahr, der Mutterzunge ganz entwöhnt zu werden. Friedrich hatte das gleiche Los. Seine erste und liebste Unterhaltung, und was er zum Vergnügen las, war französisch». 7
Als ginge es darum, eine Entschuldigung zu finden, wies Preuß darauf hin, dass die Frankophonie sich nur auf die Mußestunden des Königs, nicht auf sein Handeln als Staatsmann erstreckte: «Was Wunder, wenn er, nach den Mühen und Sorgen des Tages den Genuss, die Erholung nun einmal da suchte, wo er sie zu finden gewiss war. Wer Friedrich auch nur etwas näher kennt, der weiß, daß derselbe sich nirgends von Außen bestimmen zu lassen pflegte, [ . . . ] . [... ] Wie Friedrich für die Sache des Vaterlandes geglühet, hat er durch die That bewährt [... ]». 8
Ausführlicher und objektiver behandelte Leopold von Ranke in seinen Zwölf Büchern preußischer Geschichte, an denen er in den 1840er Jahren zu arbeiten begonnen hatte, Friedrichs französische Erziehung. Doch auch Ranke, der Friedrich II. für «unsterblich durch die Erhebung des preußischen Staates zur Macht, unschätzbar durch das, was er begründete für die deutsche Nation und die Welt»9 6 7 8 9
Schieder 1983, 488. Preuß I, 1832, 7 - 8 . Preuß III, 1833, 328-329. Ranke am Schluss seines Artikels in der Allgemeinen
2
Deutschen Biographie VII, 1878.
hielt, meinte, das Sprachverhalten des Preußenkönigs rechtfertigen zu müssen, wenn er über die Frankophonie des Königs schrieb: «Zur Ausbildung der intellectuellen Selbständigkeit, um nicht dem Einheimischen und Angestammten, wo oft die Gewohnheit als die Regel gilt, blindlings zu verfallen, hat man seit den Zeiten der Römer die Uebung eines erlernten und fremden Idioms für nöthig gehalten. Die damaligen Höfe trieben dies sämmtlich bis zur Vernachlässigung der Muttersprache; Friedrich wünschte wenigstens, da er nun einmal so viel französisch schrieb, es so vollkommen zu thun als möglich, denn es war ihm widerlich, in irgend einer Sache, die er vornahm, nicht zur Meisterschaft zu gelangen». 10
In Franz Kuglers zuerst 1840 erschienener Biographie Friedrich der Große, die nicht zuletzt wegen der Illustrationen von Adolph Menzel weite Verbreitung erlangte, nahm das Bild des Preußenkönigs bereits nationale, gesamtdeutsche Züge an. Im Kapitel zu Friedrichs Kindheit stellte Kugler über den Verlauf der sprachlichen Erziehung des Kronprinzen sachlich fest: «Den eigentlichen wissenschaftlichen Unterricht des Kronprinzen leitete ein Franzose, [ . . . ] . Dühan ist ohne Zweifel von großem Einfluß auf die Bildung des Kronprinzen, auf dessen Übung im eigenen Lesen und Denken gewesen. Ihm verdankte Friedrich die Kenntnis der Geschichte und der französischen Literatur. Die deutsche Literatur war zu jener Zeit auf der tiefsten Stufe des Verfalles, während die französische gerade ihren höchsten Gipfelpunkt erreicht hatte. An den Musterbildern der letzteren wurde der Geist Friedrichs genährt, wie ihm schon durch seine Gouvernante die französische Sprache geläufiger gemacht war als die eigene Muttersprache». 11
Kugler fiel es im Hinblick auf Friedrichs Haltung zur deutschen Literatur jedoch schwer, «sich der tiefsten Wehmut zu erwehren», und stellt über den Preußenkönig bedauernd fest: «Er [... ] vermochte nicht, über die Schranken hinauszublicken, welche die höfische Etikette der französischen Poesie um sich und um ihn gezogen». 1 2
Es mag kein Zufall sein, dass Johann Gustav Droysen, der in seiner Geschichte der preußischen Politik von 1874 Friedrich II. als Wegbereiter der kleindeutschen Lösung feierte, in seinem Kapitel «Der Kronprinz» die hugenottischen Erzieher mit keinem Wort erwähnte und auf die Frankophonie des Königs an keiner Stelle in den vier Bänden, in denen er Friedrichs Regierung bis zum Siebenjährigen Krieg behandelte, näher einging. Reinhold Koser stellte in seinem zuerst 1886 erschienen Buch Friedrich der Große als Kronprinz den Vorrang, den Friedrich dem französischen Schrifttum einräumte, als eine bewusste Entscheidung des Kronprinzen und zugleich als einen Akt der Vaterlandsliebe dar: «Je klarer ihm der Vorsprung zur Wahrnehmung kam, den die westeuropäische Kultur vor der deutschen damals gewonnen, um so fester und bewußter wurde sein Vor10 11 12
Ranke V, 1874, 286. Kugler 1959, 24. Kugler 1959, 603.
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satz, durch Aneignung der fremden Bildungselemente sich über das Niveau seiner Landsleute zu erheben und wenigstens an seinem Teile die vorgeschrittenen Nachbarn einzuholen. Es mag paradox klingen, aber es geschah von dem preußischen Kronprinzen in einer Art nationalen Ehrgeizes, daß er die glänzende Rüstung der Franzosen anlegte, um unter fremden Farben kämpfend dem Auslande die geistige Ebenbürtigkeit eines Deutschen zu beweisen». 1 '
Viele deutsche Biographen Friedrichs II. schenkten dem Sprachverhalten des Königs gleichsam als einem Schönheitsfleck, der sich aus den Zeitsitten ergab, keine sonderliche Beachtung. Wenn Friedrichs französische Erziehung erwähnt wurde, dann oft im Tone des Bedauerns. Der oben zitierte Reinhold Koser beispielsweise fand in seiner Geschichte Friedrichs des Großen über Friedrich Wilhelms I. Entscheidung, eine Hugenottin zur Kinderfrau und einen Hugenotten zum Lehrer des Kronprinzen zu ernennen, folgende Worte: «So half der König selbst eine Saat ausstreuen, die er, da sie in die Höhe schoß, als Unkraut hätte ausrotten mögen». 1 4 Zu Hochzeiten des Nationalismus wurde die französische Ausbildung manchmal als Erklärung für Entwicklungen bemüht, die den Autoren an dem Herrscher missfielen. Herman von Petersdorff machte sie in Fridericus Rex Ein Heldenleben ( s 1925) für den Fluchtversuch des Kronprinzen verantwortlich: «Kronprinz Friedrich von Preußen wurde zusammen mit dem Leutnant v. Katte vor ein Kriegsgericht gestellt. Der Kampf zwischen der französischen Kultur und dem preußischen Geiste, der um Jung-Friedrich geführt wurde, hatte zu einem schlimmen Ende geführt. Der preußische König forderte jetzt sein Recht an dem dem gallischen Teufel verfallenen Sohne». 15
Und die einzige Kritik, die Wilhelm II. in dem Buch Meine Vorfahren, das er 1929 im holländischen Exil verfasste, an Friedrich II. vornahm, war dessen laut Meinung des letzten deutschen Kaisers - zu große Offenheit für die Kultur Frankreichs: «Voltaire und der französische Geist konnten Friedrich, seinem großen Verehrer, der stets der Preußenkönig blieb, persönlich nichts schaden. Aber seines Volkes Sinn, seine Gefühle, Geistesrichtung, Sitten beeinflußten sie derart, daß durch sie das Werk Friedrichs und seines Vaters, das Preußentum, katastrophal gefährdet wurde. Französische Lebensauffassung, Lebensführung und Lebensleichtigkeit gefielen den höheren Ständen - Friedrichs Neffen an der Spitze - zu gut. Sie hatten nicht das geistige Gegengewicht und die sich behauptende Persönlichkeitskraft Friedrichs, um der Verweichlichung zu widerstehen. Sie drang sogar bis in den Kern des Heeres. Die Folge war Niedergang und Niederlage. Das traurige Resultat war Jena 1806/07». 16
Wohl wegen des Bestrebens, die Person Friedrichs II. allein an ihren Handlungen zu messen, und, um alle nationalistischen Töne zu vermeiden, behandelten die 13
Koser 1901, 155.
14
Koserl, 7 1 9 2 1 , 5 . Petersdorff 1925, 30. Wilhelm II. 1929, 103.
15 16
4
meisten neueren Biographien das Verhältnis des Königs zur deutschen Sprache nur im Zusammenhang mit seiner Schrift De la litterature allemande, in der der Hohenzoller die bis 1780 geschriebene deutsche Literatur weitgehend verurteilt und das Deutsche als misstönend, weitschweifig und halbbarbarisch bezeichnet hatte.17 So kam Ingrid Mittenzwei in Friedrich II. von Preußen (1979), der einzigen in der DDR entstandenen Biographie, nur im Kapitel über «Friedrich und die deutsche Literatur» auf die Frankophonie des Königs zu sprechen. Mittenzwei führte für Friedrichs II. Verachtung der deutschen Sprache zahlreiche Ursachen an, die freilich schon vorher oft genannt worden waren, nämlich, dass er der deutschen Sprache wohl nur unzureichend mächtig war, dass die deutsche Literatur zur Zeit von Friedrichs Jugend ein niedriges Niveau hatte, dass er ein epigonales Verhältnis zur Literatur besaß und dass die Emanzipationsbewegung des deutschen Bürgertums im Gegensatz zur höfischen Literatur stand. Sie betonte jedoch auch den «Herrscherdünkel», die «klassenmäßige Beschränktheit» in Friedrichs Auffassung. Interessant ist, dass in der etwa zur gleichen Zeit veröffentlichten westdeutschen Biographie Friedrich der Große - Ein Königtum der Widersprüche (1983) von Theodor Schieder ebenfalls auf diesen ständischen Aspekt an Friedrichs Sprachverhalten hingewiesen wurde: «Die französische Bildungswelt mit ihrem Gipfel Voltaire, in der er immer noch lebte, hatte er sich als junger Mensch angeeignet, um sich gegen den brutalen Erziehungsversuch seines Vaters immun zu machen. In den nicht weniger brutalen Eingriffen seines späteren Schicksals gab ihm diese Welt einen letzten Halt, den er nicht aufgeben konnte und wollte. Er hielt sich von Erschütterungen fern, die ihm bei aller seiner Sensibilität neue geistige Bewegungen bereitet hätten. Diese psychologische Deutung bedeutet keine Entschuldigung, aber eine Erklärung. [... ] Gelegentlich gewinnt man den Eindruck, daß ihm ein ständisch abgestuftes System von Sprache und Kultur vorschwebte, in dem eine französisch gebildete Oberschicht von der Masse der Deutsch-Sprechenden getrennt war, wie im antiken Rom die griechisch-hellenistischen Intellektuellen in einer lateinischen Umwelt existierten». 18
Johannes Kunisch streifte in seiner Biographie Friedrich der Große. Der König und seine Zeit (2004) das Thema der einseitigen Bevorzugung des Französischen durch den Preußenkönig dort, wo er von Friedrichs Lektüren und seinen Vorlesern spricht.19 Nicht nur auf dem Gebiet der Literatur stellte der Autor eine sehr treffende Verbindung zwischen der Denkungsart des Monarchen und dessen rückwärtsgewandtem Verhaftetsein im ancien regime her. 17
18 19
Holmsten ζ. B. thematisierte in der Rowohlt-Monographie von 1969 Friedrichs II. Sprachverhalten nicht, nannte lediglich die Benutzung des Französischen als einen der Streitpunkte mit dem Vater (12, 17) und fand in Friedrichs De la litterature allemande «kuriose und selbstgerechte Urteile» (159). Schieder 1983, 390-391. Kunisch 2004,93, 314,458. DaKunischs Buch nach Abschluss dieser Arbeit erschien, konnten einige interessante Informationen, die der Historiker pp. 305-316 über die Vorleser liefert, nicht mehr in die vorliegende Darstellung aufgenommen werden.
5
Diejenigen Autoren, die Friedrichs II. Einfluss auf die deutsche Geschichte negativ beurteilten und in ihm vor allem den «Reichsverderber» sahen, deuteten seine Nähe zur französischen Geisteswelt meist als einen undeutschen Zug seines Wesens. Für die Frühromantiker war der dritte Preußenkönig ein seelenloser, absolutistischer Despot, der den Untergang des alten Reiches verursacht hatte. Ernst Moritz Arndt urteilte 1805: «Für Freiheit, für Volksehre, für deutsches Leben hat König Friedrich nie eine Stunde gedacht, noch gearbeitet. Er stand noch da, ein großes Zeichen der nichtigen Zeit, wie ein unseliger und von Gott verlassener Geist in der kalten Einsamkeit seiner Hölle. Er bildete sich ein, besser und größer zu sein, als seine Zeitgenossen, und sie verachten zu dürfen, weil er den göttlichen Trieb nie in voller Lebendigkeit fühlte, ihr Lichtführer und Freiheitsfürst zu sein. Wie konnte er das, er, dem das Fremde gefiel, der sich von den elendsten, französischen Witzbolden gängeln und necken ließ»! 20
Als eine der lautesten Stimmen gegen Friedrich II. muss Onno Klopp angesehen werden, der als glühender Verfechter der großdeutschen Lösung Friedrich II. vorwarf, als erster mit der Kaisertreue gebrochen und durch den Aufstieg Preußens das Deutsche Reich gespalten zu haben. Klopp hob die Preußen von den übrigen Deutschen ab und sah in dem dritten Preußenkönig vor allem einen Eroberungskrieger. Bei seiner negativen Sicht des Hohenzollern kam es ihm zupass, ihn als nicht-deutsch darzustellen: «Friedrich war nur von Geburt ein Deutscher. Er war Philosoph nach Voltaire und Franzose». 21
Nach dem Ersten Weltkrieg stellte Werner Hegemann in seinem Buch Fridericus oder das Königsopfer (1925/1926) die Wertung Friedrichs II. als Nationalhelden ebenfalls stark in Frage. In den fingierten Gesprächen zwischen einem Amerikaner, dem dänischen Literarhistoriker Georg Brandes und Thomas Mann, der sich in seinem 1915 erschienenen Aufsatz «Friedrich und die große Koalition» in der Tat sehr kritisch über Friedrich II. geäußert hatte, 22 wird das friderizianische Preußen als unheilvollste Erscheinung der deutschen Geschichte gebrandmarkt. Hegemann sah in Friedrichs II. französischen Kulturbestrebungen ähnlich wie Arndt und Klopp den Ausdruck einer fehlenden Verwurzelung in der deutschen Kultur, wobei er einen seltsamen Zusammenhang zwischen Friedrichs Misogynie und seinem Sprachverhalten herstellte: «Auch wurzelte Friedrich II. in keinem würdigen Volksleben; er war unfähig, sich in irgendeiner Sprache sicher zu bewegen, er war in Sprache und Volkstum heimatlos und 20 21 22
Arndt zit. nach Dollinger 1986, 110. Klopp 1867,498. Mann 1915, 116, «Zuweilen möchte man glauben, er sei ein Kobold gewesen, der aller Welt Haß und Abscheu machte und alle Welt hineinlegte, ein ungeschlechtlicher, boshafter Troll, den umzubringen hundert Millionen Menschen sich vergebens ermatteten, da er entstanden und gesandt war, um große, notwendige Erdendinge in die Wege zu leiten - worauf er unter Zurücklassung eines Kinderleibes wieder entschwand».
6
unverantwortlich. Sprachliche Heimatlosigkeit, bedeutet sie nicht Vaterlandslosigkeit, das heißt also Elend im schwersten Sinne des Wortes? [... ] Konnte Friedrich II. die Frauen nicht leiden, weil er ihre Sprache nicht verstand, oder hat er nie eine Sprache ganz gelernt, weil ihn keine Geliebte darin unterrichtete»? 23
Den letzten großen Angriff auf Friedrich II. unternahm Rudolf Augstein mit seinem 1968 erschienenen Buch Preußens Friedrich und die Deutschen, in dem der Friedrich-Mythos für den Größenwahn des Dritten Reiches mitverantwortlich gemacht wird. In einem Kapitel, das überschrieben ist mit «Ein Franzose in Berlin», liefert Augstein für die Abscheu Friedrichs vor der deutschen Sprache zwei mögliche Deutungen. Zum einen nennt er sie eine Abwehrreaktion gegen den verhaßten Vater, zum anderen aber versteht er Friedrichs Frankophonie als Ausdruck der Verachtung seines eigenen Volkes: «Wenn man dagegen hält, wie vehement Katharina, Prinzessin von Anhalt-Zerbst, sich die Sprache ihrer russischen Untertanen aneignete, liegt es nahe, in Friedrichs Abscheu vor der deutschen Sprache wenig anderes zu sehen als einen Ausdruck seiner allesdurchdringenden Misanthropie. Die Sprache trennte ihn von seinen Untertanen, in ihnen verachtete er die Menschen schlechthin». 24
Eine Reihe von Historikern schließlich betrachteten die Verankerung Friedrichs II. in der französischen Geisteswelt als einen wichtigen Schlüssel zum Verständis seiner Person. Als einer der ersten wies der Engländer Thomas Carlyle in seiner achtbändigen History of Friedrich II. of Prussia called Frederick the Great auf die Bedeutung des Dualismus in Friedrichs Erziehung von deutschen und französischen Elementen hin: «We perceive [... ] that in the breeding of him there are two elements noticeable, widely diverse: the French and the German. This is perhaps the chief peculiarity, best worth laying hold of». 2 5
Gerhard Ritter sah sich nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches genötigt, eine Neuauflage seines 1936 geschriebenen Buches Friedrich der Große zu erarbeiten. Bestürzt über die Tatsache, dass Hindenburg, Hitler und Goebbels am 21.3.1933 am Grab Friedrichs II. in Potsdam die Wiedergeburt des preußischen Geistes beschworen hatten und darüber, dass die Nationalsozialisten das Durchhaltevermögen Friedrichs II. im scheinbar aussichtslos gewordenen Siebenjährigen Krieg für ihre Propagandazwecke ausgeschlachtet hatten, wollte er ein Buch schreiben, das den von ihm verehrten König aus dessen eigener Zeit heraus verstehbar werden lässt. Ritters Darstellung ist insofern bemerkenswert, als sie Friedrichs Nähe zur französischen Geisteswelt als einen wesentlichen Zug seiner Persönlichkeit bezeichnet: «Es war geistige Wahlverwandtschaft, nicht Erziehung, was ihn zum Bewunderer und Schüler der Franzosen machte. [... ] Sicherlich ist sie nicht etwas Beiläufiges, Zufäl23 24 25
Hegemann 1926, 255. Augstein 1968, 87. Carlyle XII, 1897, 320.
7
liges, das man sich von der Gestalt Friedrichs wegdenken könnte - wie einen bloßen Schönheitsfehler, auf den es nicht weiter ankommt. Vielmehr gehört es durchaus zum Wesen dieses Königtums, daß es nicht mitten im deutschen Volkstum steht, aus ihm herauswächst, seine Naturlaute spricht, sondern sich bewußt davon distanziert, in einsam ragender Höhe, Volk nur als eines Staatsgebietes, als naturhafte Grundlage der Staatsmacht kennt, als Masse von Untertanen, auf deren Nationalität politisch wenig ankommt». 2 6
Ritter ging sogar noch weiter und sah in der westeuropäisch geprägten «geistigen Erscheinung» Friedrichs, die er als «zwar nicht undeutsch, aber sicherlich zwiespältig und insofern fremdartig auf deutschem Boden» erachtete,27 eine Grundvoraussetzung für seine historische Größe: «Und daran kann doch auch kein Zweifel sein, daß ohne das Hereinwehen eines fremden Geistes, allein aus deutscher Tradition, niemals jene freiere Welt- und Staatsansicht sich hätte bilden können, die zur Lebensluft des friderizianischen Staates wurde. [... ] Erst dadurch, daß er sich von der vaterländischen Tradition losriß, gewann Friedrich die innere Freiheit, den kühnen, gefahrvollen Weg des Ruhmes zu betreten, der ihn über seine Vorgänger hinausgeführt hat. Und nur mit Hilfe der Ideen westeuropäischer Aufklärung ist ihm diese innere Befreiung gelungen». 28
Theodor Schieder schließlich kam erst am Ende seiner Monographie Friedrich der Große - Ein Königtum der Widersprüche (1983) darauf zu sprechen, worin er das Widersprüchliche in Friedrichs Charakter begründet sah. Er zog den Schluss, «daß die eigentümliche Größe Friedrichs in der ständig gegenwärtigen Spannung zwischen Macht und Geist zu finden ist» und schrieb zu diesem Gegensatz im Nachwort: «Die Spannungen in seiner Natur waren indessen auch das Ergebnis ungewöhnlicher Jugenderlebnisse, die einen schwächeren Charakter als ihn zerbrochen hätten, bei ihm jedoch den harten unzerstörbaren Kern verstärkten. Das konnte bis zur völligen Versteinerung führen, wäre ihm nicht die Fähigkeit geblieben, sich neben Staatshandeln und Kriegshandwerk eine zweite Welt in der Kunst und in der Philosophie zu erhalten. Die daraus sich ergebende Dichotomie wird zum grundlegenden Problem der Deutung des Wesens Friedrichs des Großen, das sich nicht in einer korrekt chronologisch verfahrenden Biographie wiedergeben läßt». 29
Dabei verwundert es etwas, dass Schieder die französische Prägung dieser zweiten Welt der Kunst und Philosophie nicht deutlich aussprach, obwohl er Friedrichs Philosophentum als ganz wesentlich für das Verständnis seiner Person erkannte. In der ganzen Analyse war er auf die französischen literarischen Vorbilder und auf die Frankophonie des Königs lediglich im Abschnitt Friedrich und die deutsche Literatur näher eingegangen. 26 27 28 29
Ritter 1954, 62-63. Ritter 1954, 250. Ritter 1954, 63-64. Schieder 1983, 494.
8
Zu den Reaktionen auf Friedrichs Sprachverhalten vonseiten der französischen Autoren ist zu bemerken, dass die allermeisten sich durch die Vorliebe des Preußenkönigs für das Französische in ihrem Nationalbewusstsein geschmeichelt fühlten. Ausgenommen Ernest Lavisse, der 1891 und 1893 zwei Bände über die Jugend Friedrichs II. veröffentlichte, in denen er den Kronprinzen eher negativ («Verachtung jedes Gesetzes», «zynische Treulosigkeit»)30 beurteilte, strichen die französischen Publizisten hervor, dass der Begründer von Preußens Glanz und Gloria wesentlich von der französischen Kultur geprägt war, oder beanspruchten ihn gleich ganz als Franzosen: «II y a deux hommes tres-distincts dans Frederic II: un Allemand par la nature, et un Franjais par l'education». 3 1 « [ . . . ] ce Prussien parlait frangais, et il etait plus pareil ä nous qu'au grenadier qui mourait pour lui». 32 «Iis [= les livres franijais] lui ont appris ä se comprendre; ils l'ont aide ä se faire, ä etre lui-meme». 33 «[... ] Frederic est et sera par l'esprit, par le goüt, un veritable Franijais». 34 «Franijais par l'education et par plusieurs faces de son esprit». 35
Seit den Zeiten Voltaires, der Friedrich gegenüber ausrief «combien je suis etonne de l'honneur que vous faites ä notre langue»!, 36 ist der Stolz der Franzosen über Friedrichs Benutzung des Französischen ungebrochen. Ein zeitgenössisches Zeugnis dieses Stolzes ist das 2001 erschienene, medienwirksame Buch Marc Fumarolis Quand I 'Europe parlait frangais?1 in dem Friedrich II. als eine der Galionsfiguren der Universalität des Französischen auftritt. 38 Zum Ruf Friedrichs II. in Frankreich ist noch hinzuzufügen, dass er als begabter Briefschreiber in die französische Literaturgeschichte Eingang fand. Wenn sein schriftstellerisches Werk erwähnt wurde, vergaß man meist allerdingsnicht, auf seine angeblich häufigen Germanismen und die Korrekturen Voltaires und anderer Franzosen hinzuweisen. 39 30 31 32
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Lavisse 1919, 249. Stael 1894, 81. Lanson 1912, 629, ebenda 823: «Frederic II est ä peine allemand de langue et d'intelligence». Gaxotte 1967, 68. Desnoiresterres 1967, 2. La Harpe 1852, 9; cf. auch Sagave 1987, 17: «Durch seine Abstammung, seine Spracherziehung, durch die Ausbildung seines Geistes und seinen Umgang kann Friedrich der Große fast als ein Franzose angesehen werden». Koser/Droysen I, 51, 7.4.1737; ähnlich KD I, 86, Okt. 1737. Besprechungen im Express und Nouvel Observateur am 8. November 2001. Fumaroli 2001, 122 schreibt über die Bedeutung des Französischen für den Preußenkönig ζ. B.: «ce roi de Prusse [... ] n'eut foi qu'en lui-meme et dans notre langue». Ζ. B. Formey I, 2 1797, 353-354, Sainte-Beuve III, o. J„ 185-203, Lanson 1912, 8 2 4 825, Gaxotte 1967, 66, Sayous II, 1970, 155-252, Mervaud 1985a, 14, Sagave 1987, 22, Fumaroli 1993, 826, aber Fumaroli 2001, 135 schreibt über Friedrich und sei-
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Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Sprachverhalten Friedrichs II. zu allen Zeiten kontrovers beurteilt wurde. Viele Biographen meinten, es rechtfertigen zu müssen, andere verurteilten es, und so wurde die jeweilige Sicht der Frankophonie Friedrichs II. oft in den Dienst der einen oder anderen historischen Wertung seiner Person gestellt. Die meisten fragten, wenn sie über seine kulturelle Prägung reflektierten, letzlich danach, ob er angesichts seiner Vorliebe für die französische Geisteswelt ein echter Deutscher war oder nicht, und in diesem Punkt gab es je nach politischem Blickwinkel unterschiedliche Antworten. Von sprachwissenschaftlicher Seite hat man sich dieses Sonderfalls eines Bilingualen bisher erstaunlich wenig angenommen. Das Urteil, dass er kaum Deutsch konnte, und auch die Einschätzung, dass sein Französisch voller Germanismen gewesen sei, die beide die Literatur über ihn durchgeistern, sind bisher unüberprüft geblieben. In den französischen und deutschen Sprachgeschichten wird Friedrich II. als Höhepunkt des französischen Spracheinflusses in Deutschland genannt, 40 doch werden die Ursachen und Ausmaße seiner Frankophonie dort nur angerissen. Am ausführlichsten behandelte Ferdinand Brunot im Band VIII seiner monumentalen Histoire de la langue frangaise das Sprachverhalten Friedrichs II. 41 Sein Kapitel über den Preußenkönig zielte jedoch vor allem darauf ab, den Hohenzollern von seiner Erziehung, seinem Umgang und seinen Schriften her als möglichst französisch darzustellen. Nur in einem Nebensatz ging Brunot darauf ein, in welchen Zusammenhängen der König das Deutsche benutzte. Auch findet sich bei Brunot keine deskriptive Darstellung seines französischen Sprachgebrauchs. Die einzige Publikation, die sich mit der Sprache Friedrichs II. in linguistischer Sicht beschäftigte, ist ein Aufsatz von G. Mentz aus dem Jahre 1901 mit dem Titel Friedrich der Große und die deutsche Sprache. Mentz stellte aber hauptsächlich die Ansichten des Königs über die Sprachen zusammen und lieferte nur eine kurze Beschreibung seines Deutschen. Die Charakterisierung des Französischen Friedrichs war nicht Thema seiner Ausführungen. Eine umfassende sprachwissenschaftliche Untersuchung der Zweisprachigkeit Friedrichs II. fehlt also bis heute. Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, eine Art «linguistische Biographie» des Preußenkönigs zu entwerfen. Ein solches Projekt lässt sich heute, mehr als 200 Jahre nach dem Tode Friedrichs II. nur deshalb in die Tat umsetzen, weil zahllose Manuskripte vor allem im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin erhalten sind und auch viele Autographen in Editionen vorliegen. Briefe, Briefentwür-
40
41
ne Schwester Wilhelmine: «Leur precepteur, Duhan, [ . . . ] fit de son frantjais parle, savoureux et colore, leur langue quasi maternelle»; lobend auch Picoche/MarchelloNizia in ihrer Sprachgeschichte (1991, 152): «Frederic II parle et ecrit le fran^ais avec purisme». Ζ. B. Bach 1965, 313, Polenz 1970, 108, 1994, 67, Cohen 1973, 222, Chaurand 1999, 257. HLF VIII, 1, 1966, 558-572.
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fe, schriftstellerische Erzeugnisse, Mitschriften der Sekretäre, Marginalien auf Akten, Rechnungen, Küchenzettel an die Köche, etc. ermöglichen es, auch heute noch Rückschlüsse zu Einzelaspekten, wie eben ζ. B. zur Rolle der beiden Sprachen im Alltag des Königs, zu ziehen. Über Verhaltensweisen Friedrichs II. berichteten darüber hinaus viele Zeitgenossen, die mehr oder minder lange mit ihm in Kontakt standen: d'Alembert, Catt, Dantal, Diebitsch, Formey, Garve, Geliert, Gottsched, Guibert, Hertzberg, Joseph II., de Ligne, Mirabeau, Mitchell, Schöning, Schulenburg, Sulzer, Thiebault, Voltaire, Zimmermann, etc. Hie und da fanden sich in ihren Beschreibungen des Monarchen auch Aussagen über seine Ausdracksweisen und über sein Verhalten als Gesprächspartner allgemein. Die vorliegende Arbeit gliedert sich in folgende Untersuchungsschritte: Im Kapitel 1 werden die kulturellen und historischen Gründe erörtert, die dazu führten, dass das Französische im 17. und 18. Jahrhundert die Prestigesprache an den deutschen Höfen war. Vor dieser Folie ist zu klären, ob der Grad der Frankophonie Friedrichs II. als normale Zeiterscheinung zu werten ist und ob sich sein Sprachverhalten im Rahmen des seit den Zeiten des Großen Kurfürsten am brandenburgischen Hof Üblichen bewegte. Im Abschnitt zur sprachlichen Situation an anderer deutschen Höfen wird Friedrichs Handhabung der Sprachenfrage vor allem mit den Gewohnheiten seiner Zeitgenossin Maria Theresia verglichen. Des Weiteren wird im ersten Kapitel der Anteil der Hugenotten an der Französisierung des Berliner Hofs beleuchtet. Neben den historischen und kulturellen Rahmenbedingungen spielte für Friedrichs Bevorzugung des Französischen vor allem seine persönliche Erziehungsgeschichte eine überaus wichtige Rolle. Kapitel 2 stellt dar, welche Familienmitglieder, Erzieher und Lehrer mit dem Prinzen deutsch, welche mit ihm französisch sprachen. Soweit die Quellen dies zulassen, wird versucht zu zeigen, in welcher Sprache er in welchen Disziplinen unterrichtet wurde. Der Preußenkönig selbst empfand seine Haltung in der Sprachenfrage als nicht besonders außergewöhnlich. Kapitel 3 stellt zusammen, wie er seine Bevorzugung des Französischen und seine Geringschätzung des Deutschen begründete. Oft liest man Generalisierungen wie die, dass Friedrich II. überhaupt kein oder kaum Deutsch gesprochen habe. Kapitel 4 untersucht anhand der Zeitzeugenaussagen, der Korrespondenzen, der Akten und anhand der Mitschriften der Sekretäre, mit welchen Personen und bei welchen Tätigkeiten der König das Französische benutzte und mit wem und in welchen Kontexten er deutsch kommunizierte. Dabei wird zum einen sein Sprachverhalten als Privatperson im Umgang mit seinen Freunden und Verwandten beleuchtet. Anhand der Briefwechsel und der Zeitzeugenberichte lassen sich Aussagen darüber treffen, mit wem, worüber und in welcher Form er sich privat gerne unterhielt. Aufschluss über seine privaten Lektüren liefern die Berichte der Vorleser und seine brieflichen Erwähnungen von Literatur. Bei der Behandlung seines Literaturgeschmacks wird auch die
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Frage erläutert, warum er nicht gerne deutsch las und was die Zeitzeugen dazu zu berichten wussten. Zum anderen liegt ein Schwerpunkt dieses Kapitels auf der Beschreibung von Friedrichs II. Sprachverhalten als Regent. Seine Marginalien auf Akten, die Mitschriften der Sekretäre und die Berichte der Mitarbeiter erlauben es, ein Bild seiner Arbeitsweise zu umreißen, bei dem präzisiert wird, welche Sprache der König im Umgang mit seinen Ministern, Mitarbeitern und Soldaten mündlich und schriftlich benutzte. Kapitel 4 geht auch auf Friedrichs II. lebenslanges Arbeiten als französischer Schriftsteller und Dichter ein. Die Absicht dieser Ausführungen über den französischen Autor ist es nicht, sein Werk inhaltlich darzustellen - dazu ist schon viel geschrieben worden 42 - , vielmehr soll dieser Abschnitt seine Liebe zur französischen Dichtung und Eloquenz als einen Zug herausarbeiten, der seine Persönlichkeit wesentlich bestimmte und ohne den seine «Versessenheit» auf das Französische nicht verständlich würde. Wie bereits erwähnt, zollten einige französische Literaturkritiker, vor allem Sainte-Beuve und Gustave Lanson, Friedrich II. als französischem Schriftsteller Respekt, jedoch nie ohne auf den stilbildenden Einfluss Voltaires und auf die Korrekturen anderer frankophoner Mitarbeiter in den Schriften des Preußenkönigs hinzuweisen. 43 Deshalb ist ein eigenes Unterkapitel der Frage gewidmet, welche Handschriften Friedrichs II. Korrekturen aufweisen, welche Freunde und Mitarbeiter korrigierten und welcher Art diese Verbesserungsvorschläge waren. Hin und wieder zeigen sich bei Friedrich II. Sprachmischungsphänomene, also deutsche Wörter oder Satzpassagen in seinen französischen Schriften und französische Einsprengsel in seinen deutschen Schriften. Dieses Codeswitching wird ebenfalls im Kapitel 4 vorgestellt. Kapitel 5 liefert eine ausführliche Untersuchung des Französischen, das Friedrich II. verwendet hat. Da oft auf die Fehlerhaftigkeit seines Französisch hingewiesen wurde und da im Zusammenhang mit seinen Fehlern immer wieder seine auch für die Zeit sehr unorthodoxe Graphie angeprangert wurde, wird der Analyse seiner Schreibweisen besonderes Augenmerk geschenkt. Dabei gilt es, zunächst zu klären, welche Normen zu Lebzeiten des Preußenkönigs für die französische Orthographie existierten. Aus einem umfangreichen Korpus 42
Zu Friedrich als Literat existieren einige allgemeine Studien: Preuß 1837, Volz 1909, Langer 1932; Darstellungen seines Briefwechsels mit Voltaire sind: Mönch 1943, Mervaud 1985a/b, Peyrefitte 1992; Untersuchungen zu Teilen seines poetischen Werks: La Harpe 1852, Cauer 1883, K o s e r l , 1893, 495-514, Türk 1897-98, Mangold 1900a/b, 1901, 1912b, Lemoine/Lichtenberger 1901, Droysen 1911, Sembritzki 1913, Heydemann 1926, Jagdhuhn 1936, Heydenreich 1981, Müller 1985, Ziechmann 1985, Klüppelholz 1988, 1993, Fink 1997, Weinrich 1997; von seinen historiographischen Schriften handeln: Posner 1878b, Droysen 1904, Runset 1993; seine Position als Philosoph beleuchten: Zeller 1886, Spranger 1942, Dilthey 1959, Sennelart 1989, Ziechmann 1991, Fontius 1999.
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Sainte-Beuve III, o. J„ 185-203, Lanson 1912, 824.
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von Autographen werden daraufhin Beispiele seiner auch für die Zeit nicht normgerechten Schreibweisen gegeben und in Schreib- vs. Grammatikfehler klassifiziert. Da Friedrich II. das Lautbild der Wörter, wie er es im Kopf hatte, durch die im Französischen üblichen Grapheme wiedergab, wobei er homophone Graphemverbindungen für austauschbar hielt, da er also in gewisser Weise phonographisch schrieb, lassen sich im Kapitel 5 einige prinzipielle Aussagen über seine Aussprache treffen. Sie werden durch den Bericht eines seiner Vorleser über seine Aussprache ergänzt. Um die Frage zu beantworten, ob das Französische des Hohenzollern in morphosyntaktischer und lexikalischer Hinsicht sehr fehlerhaft und vom Deutschen beeinflusst war, werden dann die Korrekturen unter die Lupe genommen, die Voltaire in den ersten Kapiteln des Antimachiavel an Friedrichs Handschrift vornahm. Diese Verbesserungen werden daraufhin analysiert, welche von ihnen grammatische oder semantisch-lexikalische Verstöße gegen den damaligen usage betreffen und welche Korrekturen stilistischer Natur sind. Da Friedrichs II. ostentativer Umgang mit seiner Frankophonie auch dadurch erklärt wurde, dass er nicht gut Deutsch gekonnt habe, stellt sich die Frage nach seiner tatsächlichen Kompetenz oder Nichtkompetenz im Deutschen. Kapitel 6 analysiert die deutschen schriftlichen Hinterlassenschaften des Königs im Hinblick auf ihre dialektalen und umgangssprachlichen Züge sowie im Hinblick auf eventuelle Interferenzen des Französischen. Neben der Darlegung der Gründe für Friedrichs II. Frankophonie ist das Ziel der vorliegenden Studie die sprachimmanente und pragmalinguistische Beschreibung seines Sprachverhaltens, wobei der Preußenkönig als zweisprachiges Individuum hervortritt.
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1 Soziohistorische Prämissen
Dieses Kapitel stellt die kulturhistorischen Hintergründe für die Beliebtheit des Französischen beim deutschen Adel vor und untersucht, ob Friedrichs II. ausgeprägte Frankophonie als normale Zeiterscheinung gelten kann.
1.1
Universalität des Französischen im 17. und 18. Jahrhundert
Als Friedrich II. 1712 geboren wurde, hatte Frankreich seinen Platz als führende Kulturnation Europas längst eingenommen. Bereits 1687 bemerkte der Rechtslehrer und Philosoph Thomasius nicht ohne Humor und Übertreibung über die Zustände in Deutschland: «Französische Kleider, Französische Speisen, Französischer Hausrath, Französische Sprache, Französische Sitten, Französische Sünden, ja sogar Französische Krankheiten sind durchgehends im Schwange». 1
Eine Folge dieser «Gallomanie» war in Deutschland wie andernorts das hohe Prestige der französischen Sprache. Zur außerordentlichen Verbreitung des Französischen in Europa hieß es schon 1710 in einem vor der Akademie von Soisson gehaltenen Discours sur les Progres de la langue frangaise: «La langue franfaise s'est emparee, non par la violence des armes, ni par autorite, comme celle des Romains, mais par sa politesse et par ses charmes, de presque toutes les cours de l'Europe; les negotiations publiques ou secretes, et les traites entre les princes ne se font presque qu'en cette langue, qui est devenue la langue ordinaire de tous les honnetes gens dans les pays etrangers [ . . . ] . On la parle communement en Espagne, en Italie, en Angleterre. Elle regne dans les Pays du Nord: eile a passe jusques dans le Nouveau Monde». 2
Dieses frühe Zeugnis für die Universalität des Französischen enthält interessante Feststellungen. Zum einen wird darauf hingewiesen, dass die dehnung des Französischen «les cours de l'Europe» betreffe. 3 Zum anderen konstatiert, dass das Französische vor allem im Norden des Kontinents
2 3
zwei Auswird vor-
Thomasius, Von der Nachahmung der Franzosen, 1687, Ausgabe von 1894, 3. Zitiert nach Caput II, 1975, 65. Weitere Zeitzeugen (Bayle, Douchet, Rollin, Encyclopedie), die das Französische vor allem als Hofsprache darstellen, in HLF V, 142-143, VIII, 773, 777-778.
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herrsche. 4 Die Tatsache, dass das Französische vornehmlich in aristokratischen Kreisen und in besonders hohem Maße vom deutschen Adel gepflegt wurde, verdient eine nähere Betrachtung. Schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ließen einige deutsche Fürsten besonders im Westen des deutschen Sprachraums ihre Kinder Französisch lernen und schickten ihre Söhne auf Kavalierstour nach Frankreich. Besonders frankophil mit französischem Hofpersonal und französischen Präzeptoren zeigten sich bereits in dieser frühen Periode der kurfürstliche Hof der Pfalz und der landgräfliche Hof Hessen-Kassels. 5 Als eine mögliche Ursache für diesen frühen Aufstieg des Französischen an einigen deutschen Höfen nennen manche Sprachhistoriker die Tatsache, dass das Französische die Mutter- und Gebrauchssprache Kaiser Karls V. (Reg. 1519-1556) war. 6 Dieses Argument erscheint jedoch wenig stichhaltig, denn nach Karl V. kehrte der Habsburger Hof wieder zum Italienischen als Hauptverkehrs spräche zurück. 7 Der französische Sprachhistoriker Brunot führt als einen weiteren Grund für die frühe Französisierung besonders der protestantischen deutschen Höfe an, dass sie - vor allem die Kurpfalz und Hessen - in den französischen Glaubenskriegen (1562-1598) finanziell und moralisch die Hugenotten unterstützt hätten, von denen viele bereits in dieser Zeit in die protestantischen Gebiete Deutschlands geflohen seien. 8 In der Tat herrschte bei der Verbreitung des Französischen in Deutschland ein Nord-Süd-Gefälle. 9 Die protestantischen Gebiete im Norden standen stärker unter französischem Einfluss als der katholische Süden. A m ebenfalls protestantischen Hof Brandenburg-Preußens kann jedoch zu Beginn des 17. Jahrhunderts noch keine Rede von französischem Spracheinfluss sein. 1 0 In Zusammenhang mit der Allianz zwischen den deutschen und französischen Protestanten stehen auch einzelne Hochzeiten zwischen deutschen Fürsten und französischen Edeldamen, die zur Verwurzelung ihrer Sprache in Deutschland beigetragen haben. Sehr groß war der französische Einfluß ζ. B. bereits zur Mitte des 17. Jahrhunderts am Hof von Braunschweig bzw. Celle. Die dortige Herzogin (und Urgroßmutter Friedrichs II.) Eleonore Desmier d'Olbreuse (1637-1722) war eine Französin, die sich mit Landsleuten umgab. 1 ' Voltaire er4
Dass das Französische in Italien und Spanien weniger verbreitet war als in Deutschland, merkte auch Rivarol in seinem Discours sur l'universalite de la langue frangaise an. Rivarol 1968, 7, cf. auch HLF VIII, 531-532, Reynaud 1930, 105-113. 5 HLF V, 278-283. 6 HLF V, 202, 276, Polenz 1970, 105, Behrens 1919, 184, Bach 1970, 310. 7 Zur sprachlichen Situation am Wiener Hof cf. Kap. 1.5. 8 HLFV, 301-302, 276. 9 Cf. Piedmont 1984, 6. 10 Die Frage, inwieweit die Hugenotten die Frankophonie ζ. B. am Berliner Hof beförderten, wird im Kapitel 1.3 besprochen. '' HLF V, 325. Ihre Tochter, die von ihrem Ehemann Georg I., später König von England, wegen Untreue verstoßene Sophie Dorothea die Ältere, die sogenannte Prinzessin von Ahlden, war die Großmutter Friedrichs. 16
wähnt die Olbreuse in seinem Siecle de Louis XIV als eine der Französinnen, die den französischen Chic in Deutschland verbreitet hätten. 12 Für den besonderen Erfolg der französischen Sprache an den deutschen Höfen ließe sich auch eine politische Erklärung finden. Der schwache Wiener Kaiserhof stellte für die immer selbständiger werdenden deutschen Fürstentümer keinen Orientierungspunkt dar. Hingegen wurde das Vorbild Frankreichs nach dem 30jährigen Krieg, nach dem sich das Deutsche Reich in einen lockeren Staatenbund von etwa 300 souveränen Teilen aufgelöst hatte, immer übermächtiger. Unter Ludwig XIII. (Reg. 1610-1643) mit dem regierenden Minister Richelieu (Reg. 1624-1642) und seinem Nachfolger Mazarin (Reg. 1643-1661) hatte sich ein starker Zentralstaat formiert. Schon vor dem Regierungsantritt Ludwigs XIV. im Jahre 1661 löste Frankreich im Pyrenäenfrieden von 1659 Spanien als europäische Hegemonialmacht ab. Der Sonnenkönig und der von ihm verkörperte höfische Absolutismus wurden zum Leitbild aller europäischen Fürsten. Man könnte den Aufstieg des Französischen an den deutschen Fürstenhöfen also auch als Ausdruck der Opposition gegen den Kaiserhof werten: «Die stärkere Neigung zum Französischen an den deutschen Fürstenhöfen hatte etwas zu tun mit dem Widerspruch zwischen Reichsgewalt und absolutistischer Territorialherrschaft: Die Reichsinstitutionen hielten bis zum 18. Jahrhundert an der altfeudalen Zweisprachigkeit Deutsch / Latein fest und überwachten deren Einhaltung in offiziellen Texten und Situationen gegen das modisch werdende Französisch. Die Landesfürsten dagegen benutzten das Französische zur Symbolisierung ihrer modernisierenden Souveränitätsauffassung gegen die Reichsgewalt und um international etwas zu gelten». 13
Ludwig XIV. bemühte sich zudem tatkräftig durch ein Netz von Gesandten an den deutschen Höfen und durch eine kostspielige Subsidienpolitik, die deutschen Fürsten gegeneinander auszuspielen. 14 Die hauptsächliche Ursache für die Übernahme französischer Lebensformen beim deutschen Adel im Laufe des 17. Jahrhunderts liegt jedoch wohl in der kulturellen Vorbildhaftigkeit des aufblühenden Frankreich mit einer reichen Literatur und einem regen Gesellschaftsleben. 15 Schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts gründeten deutsche adlige Damen französischsprachige, galante «Akademien» zur Verfeinerung der Sitten.16 Das Ideal des honnete komme, des gebildeten, höflichen, galanten und weltläufigen Kavaliers setzte zu seinem Siegeszug durch Europa an. Paris und Versailles wurden zum Zentrum und Schauplatz einer großen kulturellen Blüte, die in ganz Europa Bewunderer fand. Dichter wie Boileau, Corneille, Racine, Moliere, Bossuet und andere schu12 13 14
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Zitat unten p. 18. Polenz 1994, 63-64. Zur Rolle der Gesandten cf. HLF V, 323. Zur Zwietracht, die der französische Hof ζ. B. schon zu Zeiten des Großen Kurfürsten zwischen Hannover und Berlin schürte, cf. Gloger 1985, 288. Cf. Bach 1970, 310, Behrens 1919, 184, HLF V, 303-304. HLF V, 305-306. 17
fen die Werke, deren klassische Schönheit zum M a ß s t a b wurde. Französische Schlossarchitektur und Gartenkunst, französisches Hofleben mit französischen O p e r n , T h e a t e r s t ü c k e n u n d Ballett, d i e f r a n z ö s i s c h e A r t , sich zu k l e i d e n m i t Schnallenschuhen, gepuderter Allonge-Perücke u n d Kniehose wurden zur M o de. G l e i c h z e i t i g schien die f r a n z ö s i s c h e S p r a c h e mit d e m art de plaire, e c h t e n politesse,
mit d e r
mit der Kunst der gepflegten Konversation untrennbar verbun-
den. Nicht ohne Berechtigung riefen also die Apologeten der Universalität des F r a n z ö s i s c h e n i m m e r w i e d e r in E r i n n e r u n g , d a s s sich ihre S p r a c h e n i c h t d u r c h W a f f e n g e w a l t , s o n d e r n d u r c h d e n G l a n z d e r K u l t u r F r a n k r e i c h s ü b e r a l l in E u r o p a Zutritt v e r s c h a f f t h a b e . 1 7 B e i s p i e l s w e i s e e r k l ä r t e Voltaire i m Siede
de
Louis
XIV d e n E r f o l g d e r f r a n z ö s i s c h e n S p r a c h e f o l g e n d e r m a ß e n : «Sa langue [= de la nation frangaise] est devenue la langue de l'Europe: tout y a contribue; les grands auteurs du siecle de Louis XIV, ceux qui les ont suivis; les pasteurs calvinistes refugies, qui ont porte l'eloquence, la methode, dans les pays etrangers; un Bayle surtout, qui, ecrivant en Hollande, s'est fait lire de toutes les nations; un Rapin de Thoyras, qui a donne en fran^ais la seule bonne histoire d'Angleterre; un Saint-Evremond, dont toute la cour de Londres recherchait le commerce; la duchesse de Mazarin, ä qui l'on ambitionnait de plaire; Mme d'Olbreuse, devenue duchesse de Zell, qui porta en Allemagne toutes les graces de sa patrie. L'esprit de societe est le partage naturel des Franijais: c'est un merite et un plaisir dont les autres peuples ont senti le besoin. La langue franijaise est de toutes les langues celle qui exprime avec le plus de facilite, de nettete, et de delicatesse, tous les objets de la conversation des honnetes gens; et par la eile contribue dans toute l'Europe ä un des plus grands agrements de la vie». 18 A u c h Rivarol w i e s in s e i n e m b e r ü h m t e n Discours frangaise
sur l'universalite
de la
langue
v o n 1784 auf d i e k u l t u r e l l e u n d d a h e r f r i e d l i c h e P r ä p o n d e r a n z d e s
Französischen hin: « [ . . . ] la France a continue de donner un theatre, des habits, du goüt, des manieres, une langue, un nouvel art de vivre et des jouissances inconnues aux etats qui l'entourent: sorte d'empire qu'aucun peuple n ' a jamais exerce. Et comparez-lui, je vous prie, celui des Romains qui semerent partout leur langue et l'esclavage, s'engraisserent de sang, et detruisirent jusqu'ä ce qu'ils fussent detruits! [... ] Louis XIV marche dans l'histoire de l'esprit humain, ä cöte d'Auguste et d'Alexandre. [... ] Ce qu'un autre eüt fait par politique, il le fit par gout». 19 N o c h F r a n k r e i c h s b e d e u t e n d s t e r S p r a c h h i s t o r i k e r B r u n o t stellte sich i m 20. Jahrh u n d e r t in d i e s e l b e T r a d i t i o n , als e r schrieb: «Si le Roi [Louis XIV] a servi les brillantes destinees de notre langue, c'est par Γ eclat de sa Cour, non par ses victoires ou sa politique. Le vainqueur, c'est le genie de la race, 17
18 19
Cf. auch den bereits zu Anfang dieses Kapitels zitierten Discours sur les Progres de la langue frangaise. Ende des Kapitels XXXII, Voltaire, (Euvres completes, XII, 1888, 420-421. Rivarol, (Euvres completes II, 1968, 41. 18
magnifiquement epanoui ä cette epoque, en une floraison d'elegances qui faisaient de Paris et de Versailles les capitales du monde civilise, et les centres d'attraction ou beaucoup venaient par snobisme, sans doute, mais que voulait aussi frequenter une elite d'hommes et de femmes de toutes nations, desireuse de se polir au contact d'une civilisation superieure». 20
Neben seiner zivilisatorischen Führungsposition war sicherlich die politische Hegemonie Frankreichs ein wesentlicher Grund für die Verbreitung des Französischen im 17. Jahrhundert. Frankreich stellte seit dem Westfälischen Frieden die stärkste politische Kraft in Europa dar, so dass die Tatsache, dass das Prestige einer Sprache meist Folge der Machtverhältnisse ist, auch im Fall des Französischen im 17. Jahrhundert kaum von der Hand zu weisen ist. Das Ausweichen des überregional und international miteinander korrespondierenden deutschen Adels auf das Französische mag sich auch aus der Tatsache heraus ergeben haben, dass eine einheitliche deutsche Schriftsprache noch nicht existierte. Diese mangelnde Fixiertheit des Deutschen machte Friedrich II. in seinem Essay De la litterature allemande (1780) dafür verantwortlich, dass der einheimische Adel auf andere Sprachen zurückgriff, wobei er zugab, dass dieses Verhalten die Entwicklung der deutschen Sprache wiederum behindert habe: «Enfin, pour ne rien omettre de ce qui a retarde nos progres, j'ajouterai le peu d'usage que Ton a fait de l'allemand dans la plupart des cours d'Allemagne. Sous le regne de l'empereur Joseph, on ne parlait ä Vienne qu'italien; l'espagnol prevalut sous Charles VI; et durant l'empire de Francois I e r , ne Lorrain, le franijais se parlait ä sa cour plus familierement que l'allemand; il en etait de meme dans les cours electorates. Quelle pouvait en etre la raison? Je vous le repete, monsieur, c'est que l'espagnol, l'italien et le fran^ais etaient des langues fixees, et la nötre ne l'etait pas». 21
In der Tat schien die französische Sprache durch das Vorbild der klassischen Autoren, durch die Arbeit zahlreicher Sprachpuristen von Malherbe und Vaugelas bis hin zu Bouhours und d'Olivet, durch das Wirken der 1635 von Richelieu gegründeten Academie frangaise und durch bedeutende Wörterbücher (Riehe let, Furetiere) weitaus kodifizierter und regelhafter als die deutsche Sprache. So ist es nicht verwunderlich, dass sie auch den Gelehrten als ein sichereres Ausdrucksmittel erscheinen musste als das Deutsche, dessen Ringen um eine standardisierte Hochsprache erst mit den klassischen Werken Goethes und Schillers gegen Ende des 18. Jahrhunderts abgeschlossen war. Französisch war als Wissenschaftssprache eine Alternative zum Lateinischen geworden. Zahlreiche Gelehrte jener Zeit, allen voran Leibniz, publizierten auf Französisch oder Latein. 20 21
HLF V, 1966, 145. (Euvres VII, 139. Dass unter Joseph I. (Reg. 1705-1711) Italienisch gesprochen wurde, stimmt sicherlich. Dass aber unter Karl VI. (Reg. 1711-1740) Spanisch überwogen haben soll, ist anzuzweifeln, obwohl Karl VI. einige lahre in Spanien residierte. Auch er bevorzugte das Italienische, cf. Kapitel 1.5. 19
Angesichts der zunehmenden Verbreitung des Französischen fürchteten viele Deutsche schon bald um den Erhalt ihrer Muttersprache. Gegen die «Verwelschung» stemmten sich die bereits 1617 in Weimar gegründete «Fruchtbringende Gesellschaft», die 1643 in Hamburg entstandene «Teutschgesinnte Genossenschaft», der 1656 in Nürnberg ins Leben gerufene «Hirten- und Blumenorden an der Pegnitz» und einige andere Gesellschaften zur Sprachreinigung. 22 Indes, so allgemein verbreitet, wie es viele Zeugnisse der Zeit nahelegen, kann die französische Sprache im Deutschland des 17. und 18. Jahrhunderts schwerlich gewesen sein. 23 Ζ. B. übertrieb der bereits zu Anfang dieses Kapitels zitierte Thomasius in seiner Schrift Von der Nachahmung der Franzosen (1687) sicherlich sehr, als er behauptete: « [ . . . ] bey uns Teutschen ist die französische Sprache so gemein geworden, daß an vielen Orten bereits Schuster und Schneider, Kinder und Gesinde dieselbe gut genung reden». 2 4
Die Bürger versuchten lediglich, die Adligen nachzuahmen, und flochten in ihre Rede französische Wörter ein. So entstanden der «alamodische» Fremdwörterkult und das Stutzerwesen 25 des 17. Jahrhunderts, die einhergingen mit der Nachahmung der französischen Kleidung, Küche, Möbel etc. Dieses Hineinwirken des französischen Spracheinflusses bis in die kleinbürgerlichen Kreise, täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass die Zweisprachigkeit FranzösischDeutsch eigentlich nur unter den Adligen und erst in zweiter Linie bei den mit ihm assoziierten bürgerlichen Kreisen (hohe Beamte und Militärs, vom Adel geförderte und mit ihm in Kontakt stehende Künstler) herrschte. Es blieb ein Privileg der Oberschicht, seinen Kindern französische Gouvernanten, Hauslehrer und eine längere Bildungsreise nach Frankreich finanzieren zu können. Französische Sprachkenntnisse wurden so im Laufe des 17. Jahrhunderts und erst recht im 18. Jahrhundert zu einem Signum der Oberschichtzugehörigkeit, zu einem Prestigezeichen des Adels und der Gebildeten. Auch im Bürgertum galt es schließlich als schick, seine Briefe französisch zu schreiben, so dass auch Gottsched, Wieland, Sophie von La Roche, Cornelia Goethe und viele andere Bildungsbürger des 18. Jahrhunderts dieser Mode gelegentlich folgten. 26 Von einer systematischen Unterrichtung im Französischen im Rahmen einer bürgerlichen Erziehung kann jedoch erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Rede • 27 sein.
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26 27
Cf. Bach 1970, 325-326. Diese Meinung wurde zuerst in aller Deutlichkeit vertreten von Sauder 1992, Mattheier 1995, 1997. Thomasius 1687, Ausgabe von 1894, 19. Das Wort «Stutzer» ist seit Moscherosch, 1650, belegt und bedeutet ursprünglich «wer einen gestutzten Bart, einen sogenannten Henriquatre, trägt» (Schmidt 1980, 118). Steinhausen 1889, 270-271. Mattheier 1997, 33.
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Selbst die deutschen Aristokraten des 17. und 18. Jahrhunderts, vor allem in den Duodezfürstentümern, waren sicherlich nicht alle frankophon. Man denke beispielsweise daran, wie entsetzt Wilhelmine, Friedrichs ältere Schwester (1709-1758), bei ihrer Ankunft am Bayreuther Hof über die ungebildeten fränkischen Adligen war. 28 Auch über Ansbach, wohin Friedrichs jüngere Schwester Friederike (1714-1784) verheiratet wurde, heißt es, dass dort 1774 kaum ein Dutzend Personen eine französische Konversation hätten führen können. 29 Die Franzosen auf Reisen im 18. Jahrhundert, deren Aussagen über die Allgegenwart des Französischen in den Handbüchern immer wieder als Beleg der Universalität zitiert werden, hatten sicherlich aus einem gewissen Nationalstolz heraus die Tendenz, die Verbreitung ihrer Sprache übertrieben darzustellen. So berichtete ζ. B. Montesquieu in einem Brief vom 10.5.1728 aus Wien dem Abbe d'Olivet: «Je suis assez content du sejour ä Vienne: les connoissances y sont tres-aisees ä faire, les grands seigneurs et les ministres tres-accessibles [... ] notre langue y est si universelle qu'elle y est presque la seule chez les honnetes gens, et l'italien y est presque inutile. Je suis persuade que le frangois gagnera tous les jours dans les pays etrangers. La communication des peuples y est si grande qu'ils ont absolument besoin d'une langue commune, et on choisira toujours notre frangois». 30
Auch Voltaire stapelte wohl in seinem Brief aus Potsdam an den Marquis de Thibouville vom 24.10.1750 etwas hoch: «Je me trouve ici en France. On ne parle que notre langue. L'allemand est pour les soldats et pour les chevaux; il n'est necessaire que pour la route». 31
Die deutschen Sprachhistoriker spielten das Phänomen der Frankophilie der Barock- und Aufklärungszeit ebenfalls keineswegs herunter und sprachen gar von einer «Gefahr der Erstickung des Deutschen durch das übermächtige Französisch», die sich damals angeblich abgezeichnet hätte. 32 Dabei wird Friedrich II. oft als Höhepunkt dieser sprachlichen «Fremdherrschaft» bezeichnet. 33 Am ausgewogensten beleuchten von Polenz (1994) und Schmidt (2000) das Phänomen. Sie kommen zu der Auffassung, dass der französische Spracheinfluss bisher zu negativ als Bedrohung und zu wenig als Bereicherung für die deutsche Sprache dargestellt wurde. 34 Von Polenz spricht aber andererseits von einem «nationalsprachlichen Versagen des Kaiserhofs und der aristokratischen Oberschicht» und von einer «folgenreichen Behinderung für die kulturelle Ent28 29 30 31 32
33 34
Berger 1993, 123-126. HLF VIII, 611. Zit. nach HLF VIII, 776. D4248. Tschirch 1989, 271, cf. auch Bach 1970, 325, 314: «im Anfang des 17. Jahrhunderts emporwuchernde Überfremdung des deutschen Wortschatzes vor allem mit frz. Wortgut», «Gefahr der sprachlichen Lage Deutschlandes im 17./18. Jahrhundert», Schmidt 1980, 118: «beschämende Nachäffung», 119: «Entartung». Bach 1970, 313, Polenz 1970, 108, 1994, 67. Schmidt 2000, 124. 21
Wicklung der deutschen Sprache» 35 und stellt zur Verbreitung des Französischen fest: «Der französische Sprachenkontakt und Spracheinfluß im absolutistischen Deutschland ist jedenfalls noch stärker gewesen als der heutige angloamerikanische». 36
Aus dem bisher Gesagten folgt, dass es natürlich völlig der Zeitsitte entsprach, dass bei der Erziehung Friedrichs II. auf französische Sprachbeherrschung Wert gelegt wurde. Während seiner Jugend und bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts war das Prestige des Französischen als Sprache des Adels, der Diplomatie und der Wissenschaft in Deutschland ungebrochen. 37 Nachdem es im 17. Jahrhundert die großen französischen klassischen Autoren gewesen waren, die die «Gallomanie» der Gebildeten hervorriefen, stammten zu Friedrichs II. Jugendzeit die wichtigsten Denkanstöße für das gebildete Europa aus den Schriften der Aufklärung, nämlich von Bayle, Montesquieu und Voltaire. Ohne Zweifel konnte sich der junge Friedrich, wenn er mit Voltaire französisch korrespondierte, intellektuell auf der Höhe seiner Zeit fühlen. In späterer Zeit wiesen die Werke d'Alemberts, Diderots, Rousseaus und die bahnbrechende Encyclopedie das Französische als Sprache des Fortschritts aus - eines radikalen Fortschritts, den der Preußenkönig freilich nicht mehr gutheißen konnte. 38 Zwischen 1700 und 1770 hatte sich aber auch das Deutsche zu einer international anerkannten und vom deutschen Bürgertum mit Stolz gepflegten Literaturund Bildungssprache entwickelt. Angesichts des Prestiges der Werke Wielands, Klopstocks, Herders und Goethes, um nur einige zu nennen, musste Friedrichs II. Sprachverhalten in der zweiten Jahrhunderthälfte auf die deutschen Zeitgenossen (aber wohl nur auf die Bürgerlichen) altmodisch und kurios wirken. Als Friedrich II. im Jahre 1780 seinen Essay De la littirature allemande39 veröffentlichte, in dem der alte König seine ungebrochenene Verachtung für das deutsche Schrifttum bekundete und in dem er seine weitgehende Unkenntnis der deutschen Literatur offenbarte, rief diese Schrift entsprechend große Entrüstung unter den deutschen Dichtern und Denkern hervor. Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem, Ludwig Tralles, Justus Moser und viele andere veröffentlichten Repliken, in denen sie den Monarchen davon zu überzeugen suchten, dass der kulturelle Aufschwung in Deutschland längst eingesetzt hatte. 40 Dass 35 36 37
38
39 40
Polenz 1994, 1. Polenz 1994, 50. Freilich waren die nachdenklichen Stimmen nie verstummt, die das Ansehen des Deutschen heben wollten, ζ. B. schrieb Leibniz, ausnahmsweise auf Deutsch: Ermahnung an die Teutschen, ihren Verstand und Sprache besser zu üben, 1683; Unvorgreiffliche Gedanken betreffend die Ausübung und Verbesserung der deutschen Sprache, 1696/99. Zu Friedrichs konservativem Literaturgeschmack und seinem negativen Urteil über Diderot und Rousseau cf. p. 114. CEuvres VII, 105-140; zu diesem Essay cf. auch Kap. 3. Die Gegenschriften sind in der Doktorarbeit des Dichters Erich Kästner, Die Erwiderungen auf Friedrichs des Großen Schrift De la litterature allemande, 1925,
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Friedrich II. sich für die Stücke eines Lessing und für die der Stürmer und Dränger nicht begeistern konnte, verwundert jedoch nicht, handelte es sich doch um eine aus dem Bürgertum heraus entstandene Literatur und Literatursprache. In Friedrichs II. Weltbild konnten schriftstellerische Hochleistungen nur durch Protektion von oben entstehen. Wie zu Zeiten Vaugelas' billigt er nur Adligen guten Geschmack zu, wenn er am Schluss von De la litterature allemande schreibt, dass nur Fürsten Genies erkennen und fördern können: «Cela [= der Aufschwung der dt. Literatur] pourra nous arriver plus promptement qu'on ne le croit, si les souverains prennent du goüt pour les Lettres; s'ils encouragent ceux qui s'y appliquent, en louant et en recompensant ceux qui ont le mieux reussi; que nous ayons des Medicis, et nous verrons eclorre des genies. Des Augustes feront des Virgiles». 41
Die deutschen Aufklärer und Stürmer und Dränger schrieben eine Literatur, die den von Friedrich II. verkörperten Absolutismus mit seiner rigiden Ständeordnung in Frage stellte. Vor dieser Folie betrachtet ist das konsequente Festhalten des Preußenkönigs an der französischen Literatur und Sprache des grand siecle, das das Jahrhundert seines Vorbilds Ludwig XIV. gewesen war, verständlich. Dort herrschte die Ständeklausel, dort wurde die königliche Macht verherrlicht. Auch die Werke der Frühaufklärer las er immer wieder, denn diese rührten ja ebenfalls nicht grundsätzlich an seiner Legitimation. Französisch war in Deutschland inzwischen das Idiom des ancien regime geworden. 42 Die deutsche bürgerliche Aufklärungsbewegung hatte die deutsche Sprache nach und nach als Symbol ihrer Emanzipation entdeckt. 43 Dass Friedrich II. französisch erzogen worden war, war für einen Adligen der Zeit normal und entsprach dem Zeitgeist; indem der König es aber bis zum Schluss weitgehend vermied, sich mit der literarischen Entwicklung in Deutschland auseinanderzusetzten, koppelte er sich von der - freilich vom Bürgertum getragenen - kulturellen Entwicklung seines Volkes ab. Die Art und Weise, wie er seine Frankophonie in De la litterature allemande offensiv verteidigte, ist nur erklärbar, wenn man davon ausgeht, dass in seine Auffassung von den Sprachen und Literaturen ein Standesdenken hineinspielte, auf das bereits Mittenzwei und Schieder in ihren Biographien Friedrichs II. hingewiesen haben. 44 Französisch blieb für den König die Sprache des Absolutismus und der Macht. Die sozialdistanzierende Funktion des Französischen im Deutschland des 17. und 18. Jahrhunderts hatte schon Herder in den Briefen zur Beförderung der Humanität deutlich ausgesprochen: «Wenn sich nun, wie offenbar ist, durch diese thörichte Gallicomanie in Deutschland
41 42 43 44
zusammengestellt. Einige sehr lesenswerte Rezensionen des friderizianischen Essays liefert auch Storost 1994, 32-53. CEuvres VII, 139-140. Cf. HLF VIII, 643. Cf. Mattheier 1997, 28. Cf. Zitate Mittenzweis und Schieders in der Einleitung p. 5.
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seit einem Jahrhunderte her ganze Stände und Volksclassen voneinander getrennt haben; mit wem man Deutsch sprach, der war Domestique (nur mit denen vom gleichen Stande sprach man Französisch und forderte von ihnen diesen jargon als Zeichen des Eintritts in die Gesellschaft von guter Erziehung, als ein Standes-, Ranges- und Ehrenzeichen); zur Dienerschaft sprach man wie man zu Knechten und Mägden sprechen muß, ein Knecht- und Mägdedeutsch, weil man ein edleres, ein besseres Deutsch nicht verstand und über sie in dieser Denkart dachte; [... ] So geschah, was geschehen ist; Adel und Französische Erziehung wurden Eins und Dasselbe. [... ] Der mächtigste, wohlhabendste, einflußreichste Theil der Nation war also für die thätige Bildung und Fortbildung der Nation verlohren; ja, er hinderte diese, wie er sie etwa hindern konnte, schon durch sein Daseyn». 45
Mit De la litterature allemande hatte sich der alte König 1780 zum Sprachrohr und Symbol einer vergangenen Zeit gemacht. Als 1782 die Berliner Akademie der Wissenschaften, deren Präsident Friedrich II. zu dieser Zeit war, die berühmte Preisfrage nach den Gründen der Universalität des Französischen in Europa stellte,46 hatte sich diese in Deutschland eigentlich schon überlebt. Rivarols (zusammen mit der Schwabs) 1784 preisgekrönte Schrift markiert einerseits den Höhepunkt der Universalität des Französischen, denn in einem Stil, der den Eigenschaften entspricht, die die Abhandlung dem Französischen zuschreibt - Leichtfüßigkeit, Esprit, Unterhaltsamkeit durch fehlende Pedanterie - fasste Rivarol nochmals alle Argumente zusammen, die für die Universalität des Französischen schon seit einem Jahrhundert angeführt worden waren; andererseits kann Rivarols Schrift bereits als Abgesang auf die Hegemonie des Französischen gelten, denn die Preisfrage war offenbar von der Berliner Akademie schon aus dem Bewusstsein heraus gestellt worden, sich für den Gebrauch des Französischen statt des Deutschen rechtfertigen zu müssen. 47
1.2
Das Französische am Berliner Hof vor Friedrich II.
Man liest des Öfteren, dass das Französische seit dem Großen Kurfürsten (Reg. 1640-1688) in Berlin die Hofsprache gewesen sei.48 Es stimmt, dass diese Sprache sich unter Friedrich Wilhelm am brandenburg-preußischen Hof stark verbreitete, doch alleinige Hofsprache war es zu dieser Zeit nicht. Brunot gibt die Beobachtungen eines Franzosen namens Chappuzeau wie45 46
47
48
Herder 1797, 52-55. «Qu'est-ce qui a fait de la Langue fran^aise la Langue universelle de l'Europe? Par oü merite-t-elle cette prerogative? Peut-on presumer qu'elle le conserve»? «Au debut des annees 70, les membres de l'Academie de Berlin se voient de plus en plus exposes aux critiques, et l'universalite du franijais n'est evoquee que sur la defensive». Schlobach 1989, 348, cf. auch 354 und Storost 1994, 53-54; zum Umschwung unter den deutschen Gelehrten hin zum Deutschen ab den 1770er Jahren cf. Sauder 1992, 113, 116. Fischer 1988, 40; Dohm V, 1819, 498, Geißler 1988, 366.
24
der, der um 1670 viele deutsche Höfe bereiste. 49 Es fällt auf, dass Chapuzzeau als diejenigen, mit denen er am brandenburgischen kurfürstlichen Hof auf Französisch konvenieren konnte, nur vereinzelte Adlige, meist Frauen, und hohe Beamte nennt. 50 Chappuzeau erwähnt beispielsweise nicht, dass er sich mit dem Großen Kurfürsten französisch unterhalten hätte. Friedrich Wilhelm (geb. 1620) hatte jedoch bereits im Kindesalter Französischunterricht genossen, denn es gibt einige Kinderbriefe an den Vater Georg Wilhelm aus seiner Feder, die in einem sehr guten Französisch verfasst sind. Sie scheinen aber unter Anleitung geschrieben worden zu sein und sind sehr formelhaft. 5 1 Wer Friedrich Wilhelm im Französischen unterwies, ist nicht überliefert. Seine Erzieher und sein Lehrer waren deutschstämmig. Zunächst leitete der ehemalige Hofmeister seines Vaters, Johann von der Borch, ab 1627 der Theologe Johann Friedrich von Kalchheim (oder Kalchun), genannt Leuchtmar, seine Erziehung. Letzterer hatte eine längere Kavalierstour unter anderem nach Frankreich unternommen. 52 Der eigentliche Unterricht oblag ab 1625 dem Geheimen Sekretär Jakob Müller. 53 Bekannt ist zudem, dass der Kurprinz längere Zeit einen Franzosen als Kammerdiener hatte. 54 Auf seinem Lehrplan standen neben Französisch auch Latein, Polnisch und später Niederländisch. 55 Diese Sprachenvielfalt zeigt, dass das Französische damals am brandenburg-preußischen Hof noch keine bevorzugte Stellung innehatte. Seine Kavalierstour führte ihn ab 1634 für fast vier Jahre in die Niederlande, wo er in Leiden zeitweise die Universität besuchte. 56 Immer blieb er der Kultur der Niederlande verhaftet, was sich ζ. B. im Baustil der von ihm errichteten Schlösser niederschlug. 57 Wie auch seine beiden Nachfolger war Friedrich Wilhelm Frankreich eher feindlich gesinnt, obwohl er zeitweilig von Frankreich Subsidien erhielt. 58 Sein Testament ist deutsch verfasst, seine Briefe sind es fast ausschließlich. 59 Einige seiner Biographen loben den klaren Stil seiner deutschen Schriften und heben hervor, dass sich der Kurfürst, indem er deutsch schrieb, dem, was bereits Zeitsitte geworden war, nämlich französisch zu schreiben, bewusst widersetzte. 60 Auch weisen
49
50 51 52 53 54 55 56 57 58 59
60
Chappuzeau: L'Allemagne, ou relation nouvelle de toutes les cours de Γ Empire, Paris 1673, cf. HLFV, 312-314. HLFV, 333. Briefe in Raumer 1850, 24, 28, Berg 1903, 5, 11-12. Raumer 1850, 16-18, Berg 1903, 3. K i r c h n e r n , 1867, 230. Berg 1903, 16. Hüttl 1981, 48, Raumer 1850, 22-23, 45. Waddington I, 1905, 36, Kirchner II, 1867, 231. Cf. Gloger 1985, 213. Zu Höhe und Umständen der Zahlungen: Pages 1905, 89-96. Politisches Testament von 1667 in Dietrich, 1986, 179-204, Anfang desselben in Erhardt 1901, 45, Entwurf z.ur Erwerbung von Schlesien in Dietrich, 1986, 205-210. Opgenoorth I, 1971, 26, Heyck 1902, 6; aber Durchhardt 2000, 111 über des Kurfürsten Deutsch im Politischen Testament von 1667: «eher biedere Sprache».
25
sie darauf hin, dass Friedrich Wilhelm 1643 sogar der «Fruchtbringenden Gesellschaft» beitrat. 61 Der erste Biograph des Großen Kurfürsten, Samuel von Pufendorf, den Friedrich Wilhelm 1688 zum Hofhistoriographen berief, ging in seiner umfangreichen Beschreibung der Regierungszeit des Fürsten nur sehr kurz auf die Sprachenfrage ein. Pufendorf erwähnte, dass der Kurfürst Latein verstand und dass er sowohl die französische als auch die niederländische Sprache häufig gebrauchte. «Pepererat sibi tarnen propio magis quam alieno instinctu Latinae Linguae notitiam, ut intelligeret. Gallicae, ac Belgicae linguae frequens usus erat». 62
Auf den Gesandten Frankreichs, Antoine de Lumbres, machte das Französisch des Kurfürsten keinen flüssigen Eindruck, jedenfalls berichtete dieser am 28.6.1655 an den Staatssekretär Brienne: «M. l'electeur ne repondit pas distinctement ä tout ce que j'avais touche; mais les dames, qui parlent mieux franijais et s'expliquent plus facilement en notre langue, repartirent ä tout». 63
Zur Zeit dieser Äußerung, die die größeren Französischkenntnisse der Frauen am kurfürstlichen Hof hervorhebt, lebte noch Friedrich Wilhelms erste Gemahlin, Luise Henriette von Oranien (1627-1667). Luise Henriette sprach mit ihrer engeren Umgebung, die sie aus ihrer niederländischen Heimat mitgebracht hatte, Holländisch; auch ihre Rechnungen schrieb sie auf Niederländisch. Ansonsten benutzte sie schriftlich wie mündlich zumeist das Französische. 64 Die Sprache des einzigen deutschen Briefs, der von ihr erhalten ist, zeigt starke niederländische Einflüsse, so dass angezweifelt wurde, ob die Texte von vier deutschen Kirchenliedern, die sie gedichtet haben soll, tatsächlich von der Oranierin stammen. 6 5 Die drei Söhne des Großen Kurfürsten aus der Ehe mit Luise Henriette - Karl Emil, der 1674 starb, Friedrich (geb. 1657), der als Friedrich III. Kurfürst wurde, und Ludwig - erhielten als Oberhofmeister den Freiherrn Otto von Schwerin. Der eigentliche Unterricht des Thronfolgers Karl Emil oblag Daniel Stephani, der längere Zeit in Frankreich gelebt hatte. 66 Friedrich wurde ab 1663 hauptsächlich von Eberhard Danckelman unterrichtet. 67 Einige Fächer, besonders Geschichte, wurden auf Latein unterrichtet. Der Kurprinz zeigte aber so großen Widerwillen dagegen, dass der Stoff ab 1671 auf Deutsch dargeboten wurde. 68 Französisch war für die Prinzen kein Unterrichtsfach im engeren Sin61 62 63
64 65 66 67 68
Opgenoorth I, 1971, 27, Oestreich 1971, 96. Pufendorf 1695, Liber XIX, § 104. Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm, II, 1865, 40; cf. Opgenoorth I, 1971, 25. Kirchner II, 1867, 246, 252, 256, 268, 270. Deutscher Brief bei Kirchner II, 1867, 255, Lieder: 268-273. Hirsch 1894, 141, 143, Kirchner I I , 1867,266. Hirsch 1894, 154. Hirsch 1894, 166-167.
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ne, sondern wurde, wie es zu der Zeit die allgemeine Praxis war, im Rahmen der Schreibübungen, durch Auswendiglernen französischer Bibelsprüche und geistlicher Lieder, vor allem aber durch den Umgang mit dem zum Teil französischen Hofstaat erlernt. Karl Emil hatte seit seinem achten Lebensjahr eine französische Kinderfrau (zuvor war es eine Deutsche: Frau von Götzen); sein Kammerjunker sowie zwei seiner Pagen waren Franzosen. 69 Die jugendlichen Prinzen erhielten zudem den Sohn des Marquis de Ruvigny als Spielgefährten, der auch an ihren Unterrichtsstunden teilnahm. 70 Wie schon für den Großen Kurfürsten stand auch für den späteren Friedrich III. (I.) anscheinend auch Polnisch (und sogar Italienisch) auf dem Lehrplan. 71 Nach dem Ableben Luise Henriette von Oraniens vermählte sich der Große Kurfürst 1668 mit Dorothea von Holstein-Glücksburg (1636-1689). Auch von ihr ist eine Vorliebe für die französische Sprache überliefert. Vor allem nach der Aufhebung des Edikts von Nantes setzte sich ihre Umgebung - Hofdamen, Sprachmeister, Kammerdiener, Maler, Perrückenmacher, Schneider - vor allem aus Franzosen zusammen. 72 Schon vor dem mächtigen Zustrom der Hugenotten nach Berlin erhielten ihre drei Söhne und zwei Töchter als Oberhofmeister einen Franzosen, Claude Du Beilay d'Anche, dem ab 1677, als die Kurfürstin den vierten Sohn gebar, sein Neffe Louis de Marconnay als weiterer Erzieher beigestellt wurde. 73 Doch sollen neben französischen auch spanische und italienische Sprachmeister für ihre sechs Kinder angestellt gewesen sein.74 Brunot schätzt, dass die französische Sprache am Berliner Hof gegen 1680 die Sprache «du beau monde» geworden sei.75 Um diese Zeit wurde trotz der Präferenz Friedrich Wilhelms für das Deutsche die Kenntnis des Französischen Voraussetzung für den Eintritt in ein höheres Amt. 76 Ähnlich wie der Große Kurfürst folgte auch sein oben erwähnter Nachfolger Friedrich III. (Reg. 1688-1713, ab 1701 als Friedrich I. König in Preußen), den französischen Moden, ohne deswegen aber Frankreich persönlich zu mögen. Dies berichtete der Diplomat Rosiere im Jahre 1694 an den französischen Hof: «L'electeur n'aime pas la France, non seulement par devouement aux interests du prince d'Orange, mais encore par temperament et par le souvenir qui luy reste de 1'affaire de Stettin. La revocation de l'Edit de Nantes a aussi beaucoup contribue ä lui aigrir l'esprit. II est imbu de l'idee que la France veut assujetir toute l'Europe et principalement l'Allemagne, et qu'elle a toujours cherche les occasions d'inquieter en
69 70 71 72 73 74 75 76
Hirsch 1894, 142-143, 148. Hirsch 1894, 160. Kirchner III, 1870, 9. Kirchnerll, 1867, 327. HLFV, 334. Kirchnerll, 1867, 322. H L F V , 334. Gloger 1985, 319, HLF V, 334.
27
particulier le Brandebourg. [... ] Comme c'est un prince serieux et qui n'aime pas le bruit, les airs brillants et souvent estourdis des Francois ne luy plaisent pas». 7 7
In seinen Memoires pour servir ä l'histoire de la maison de Brandebourg wies Friedrich II. selbst auf den «blinden Hass» seines Großvaters gegen Frankreich hin. 78 Friedrich I. sprach und schrieb selbst lieber deutsch. 79 Seine Hofdichter waren Deutsche. 80 Eine regelrechte «Jüngerin der französischen Kultur», 81 die auch zwei Jahre in Frankreich gelebt hatte, war Friedrichs I. Gemahlin, Sophie Charlotte (16681705), die aus der hannoverschen Linie des sehr westeuropäisch orientierten Weifenhauses stammte. 82 In seinen Memoires pour servir ä l'histoire de la maison de Brandebourg behauptete Friedrich II., dass sich die Sitten am preußischen Hof erst durch seine Großmutter verfeinert hätten: «Cette princesse amena en Prusse l'esprit de societe, la vraie politesse, et l'amour des arts et des sciences. Elle fonda [... ] 1'Academie royale; eile appela Leibniz et beaucoup d'autres savants ä sa cour». 83
In seinem Essay Des mceurs, des coutumes, de l'Industrie, desprogres de l'esprit humain dans les arts et dans les sciences von 1748 kommt Friedrich II. wiederum auf den eigenen Hof seiner Großmutter zu sprechen, der von dem ihres Mannes ganz verschieden gewesen sein soll: «A la cour [de Sophie Charlotte] il y avait une comedie franchise, qui donnait dans ses representations les chefs-d'oeuvre des Moliere, des Corneille et des Racine. [... ] [Le] roi, qui avait fonde une academie par complaisance pour son epouse, entretenait des bouffons pour satisfaire ä sa propre inclination. La cour de la reine Sophie-Charlotte etait toute separee de l'autre». 8 4
In ihrem Schloss Lietzenburg (später Charlottenburg), dessen Garten sie von Le Nötre anlegen ließ, umgab sie sich mit gebildeten Franzosen: Ζ. B. hatte sie als Vorleser den Schriftsteller Isaac de Larrey angestellt. 85 In Lietzenburg soll das Französische die einzige Konversationssprache gewesen sein. 86 Was das Verhältnis zur französischen Kultur anbelangt, war auch das darauffolgende Herrscherpaar wiederum ein ungleiches. Nachgerade allergisch reagierte bekanntlich Friedrichs II. Vater, König Friedrich Wilhelm I. (Reg. 77 78 79 80
81 82 83 84 85 86
Rosiere 1887, 275. (Euvresl, 114. Cf.p.52. Die Hofdichter waren Christian Reuther, Benjamin Neukirch und Johann von Besser. Thouret 1900, 217-221. Hinrichs 1941, 12. Zu Sophie Charlotte cf. unten p. 52. CEuvres I, 130. CEuvres I, 264-265. Förster I, 1834, 94. Kirchner III, 1870, 28-29.
28
1713-1740) auf alle französischen Moden, während Friedrichs Mutter, Sophie Dorothea (1687-1757), in ihrem Schloss «Monbijou» ein französisches Hofleben zu führen versuchte.87 Wie ihre Schwiegermutter (und gleichzeitig Tante) Sophie Charlotte stammte Sophie Dorothea aus dem sehr westeuropäisch orientierten Hannoveraner Hof. Der dritte Preußenkönig Friedrich II. war also der erste frankophile 88 und entsprechend am konsequentesten frankophone preußische Herrscher. Vor seiner Regierungszeit waren es hauptsächlich die Frauen gewesen, die das Französische pflegten. Friedrich II. sollte auch der einzige hauptsächlich frankophone Hohenzoller bleiben, denn sein Nachfolger Friedrich Wilhelm II. schaffte das Französische als Hofsprache gleich nach Friedrichs Tod ab.89
1.3
Die Hugenotten als Förderer der Frankophonie in Berlin
Bei der Darstellung der soziohistorischen Bedingtheit der Frankophonie Friedrichs II. darf die Inbetrachtnahme der Hugenotten als ein die französische Kultur in Berlin förderndes Element nicht fehlen. Am 18. Oktober 1685 widerrief Ludwig XIV. das Edikt von Nantes und hob somit die zuvor bereits eingeschränkte Religionsfreiheit der französischen Protestanten auf. Dies führte zu einer Massenflucht von etwa 200.000 Reformierten aus Frankreich. Nur drei Wochen nach dem Edikt Ludwigs erließ der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm in deutscher und französischer Sprache das Gegenedikt von Potsdam. Sehr zum Ärger des französischen Königs 90 lud der Kurfürst in diesem Edikt die französischen Anhänger des reformierten Bekenntisses zur Übersiedlung in seine Lande ein und versprach ihnen zahlreiche Hilfsleistungen. Die Zusage von Unterstützung bei der Niederlassung, der Gewährung wirtschaftlicher Entwicklungsmöglichkeiten, der Freistellung von bestimmten Abgaben im Verbund mit der raschen Bekanntmachung des Edikts und den ausdrücklichen Bemühungen zahlreicher preußischer Gesandter, Kommissare, Agenten und Residenten um die Flüchtlinge erklären, warum sich eine hohe Zahl dazu entschied, in das im Vergleich zu den anderen Aufnahmestaaten Holland und England kulturell und wirtschaftlich rückständige Brandenburg zu gehen. 91 Bis 1699 wanderten 13.847 Hugenotten in die preußischen Territorien ein. Die Mehrzahl stammte aus dem Languedoc, aus der Dauphine und aus der Stadt Metz. 92 Die meisten von ihnen, nämlich 5.682, ließen sich in Berlin und in der Provinz Brandenburg nieder. Der Anteil der französischen Bevölkerung in Berlin erreichte 87 88
89 90 91 92
Zu beiden genauer in Kap. 2.1, 2.2. Dem Staat Frankreich stand Friedrich II. natürlich keineswegs mit blinder Verehrung gegenüber, genauso wenig wie den Franzosen an sich, cf. Kapitel 3. Storost 1994, 32. Ranke 1876, 357-360. Hartweg 1979, 184-185, Wilke 1985, 100. Wilke 1988, 57.
29
seinen Höhepunkt 1698. In diesem Jahr waren von 22.400 Berlinern rund 5.800 Refugies; sie machten also ein Viertel der Berliner Bevölkerung aus. 93 Obwohl auch noch in späteren Jahren Hugenotten nach Berlin zogen, nahm ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung beständig ab, da das Wachstum der Französischen Kolonie vom absoluten Bevölkerungszuwachs der Stadt eingeholt wurde. 1703 stellte die französische Kolonie mit 5.869 Personen noch 15,4 Prozent der Berliner; 1732 machten die Hugenotten noch 14,3 Prozent aus. Ab der Mitte des Jahrhunderts und für den Rest der Lebensdauer Friedrichs II. fiel ihr Anteil an der Berliner Bevölkerung, die zu jener Zeit die 100.000 überschritt, auf um die fünf Prozent, denn die Zahl der Mitglieder der Französischen Kolonie stagnierte. Die Hohenzollern verfolgten gegenüber den Refugies eine tolerante Integrationspolitik. Die preußischen Hugenotten waren Untertanen des Kurfürsten bzw. später des Königs, jedoch billigte man ihnen gegenüber den Deutschen eine gewisse Sonderstellung zu. Unter dem Schutz der Hohenzollern durften sie eine kirchliche Selbstverwaltung, ein eigenes Schulwesen und eine eigene Gerichtsbarkeit aufbauen. So bildete die französische Kolonie in gewisser Weise einen Staat im Staat. 94 Die Privilegien der französischen Kolonien in Preußen wurden erst im Oktober 1809 aufgehoben. Ein wichtiges die Eigenart der französischen Gemeinden und die Identifikation mit ihnen stärkendes Element war das Französische. Die erste Generation der Flüchtlinge hielt ganz an der Sprache bzw. am Dialekt ihrer Heimat fest. Wenn man die Zahl der mit deutschen Partnern geschlossenen Ehen als Indikator für das Sprachverhalten hernimmt, so kann man anhand der Heiratsregister feststellen, dass bis 1728 die innerhalb der Kolonie geschlossenen Ehen eindeutig überwogen. Dann nahmen die Mischehen sehr rasch zu, was auf die Verbreitung der deutschen Sprache ab der zweiten Generation unter den Koloniemitgliedern zurückgeführt wird. 95 Ab 1760 stellten die Mischehen bei weitem den größten Anteil der in der französisch-reformierten Gemeinde geschlossenen Ehen dar. Die sprachliche Assimilierung vollzog sich besonders schnell in der Unterschicht der Berliner Hugenotten, «während die Elite der Refugies, gestützt auf das große Sozialprestige des Französischen als Sprache des Hofes, der Aristokratie wie etwa auch der Akademie, das ganze 18. Jahrhundert über am Französischen festhielt». 96 Der Pastor D. L. Theremin, der 1814 in einer Streitschrift die Einführung des Deutschen als generelle Kultsprache in den reformierten Gemeinden forderte, 97 stellte an einer Stelle seiner Schrift einen Zusammenhang zwischen dem Prestige des Französischen als Hofsprache und dem Festhalten der Oberschicht der Berliner Hugenotten am Französischen her: 93 94 95 96 97
Zahlen nach Birnstiel/Reinke 1990, 91-93. Wilke 1985, 101-102. Birnstiel/Reinke 1990, 95. Bergerfurth 1993, 84. Zuruf an die französischen Gemeinden in der preußischen Monarchie von einem ihrer ältesten Lehrer, Berlin, C. Salfeld, 1814; Zusammenfassung bei Hartweg 1985b, Bergenfurth 1993.
30
«Die immer sehr gnaedigen Gesinnungen [Friedrichs II.] gegen die Abkoemmlinge der französischen Refuegies, unter welchen sich, wenigstens in den gebildeten Ständen, die Kenntniß der Sprache ihrer Vaeter ziemlich erhalten hatte, veranlaßte manche, sich mit ihrer französischen Abkunft als mit einem Vorzuge zu brüsten». 98
Aber selbst in der Oberschicht der Refugienachkommen verlagerte sich das Hauptgewicht der Zweisprachigkeit spätestens ab der dritten Generation auf die Seite des Deutschen. Was das Französisch der hugenottischen Gelehrten betrifft, die in den Ländern des Refuge publizierten, so schien es sich bereits im 17. Jahrhundert vom Sprachgebrauch der Pariser Autoren zu unterscheiden. Der fehlende Anschluss an die sprachliche Entwicklung in Frankreich, Interferenzerscheinungen mit dem Idiom des Exils, die meist provinzielle Herkunft der protestantischen Emigranten und ein bewusstes Festhalten an einer veralteten vom Bibelfranzösisch geprägten Diktion ließen das entstehen, wofür die Pariser Kunstrichter den Begriff des style refugie prägten." In einem Brief an Friedrich vom April 1738 führte Voltaire einen die Lexik betreffenden Fehler des Kronprinzen in dessen Ode ä la reine auf den Einfluss dieses style refugie zurück: «L'ode ä sa Majeste la Reine votre mere me parait votre plus bei ouvrage. [ . . . ] Je n'y trouve ä reprendre que quelques expressions qui ne sont pas tout ä fait dans notre exactitude frangaise. Nous ne disons pas des encens au pluriel; nous ne disons point, comme on dit, je crois, en allemand, encenser ä quelqu'un. Cette phrase n'est en usage que parmi quelques ministres refugies, qui tous ont un peu corrompu la purete de la langue frangaise». 100
In Berlin wurden sprachkundliche Werke verfasst, die den Sprachmischungsphänomenen Einhalt gebieten sollten, ζ. B. von de Premontval, Preservatif contre la corruption de la langue frangaise, Berlin, 1761, von Jean-Charles Thibault de La Veaux, Le maitre de la langue, ou remarques instructives sur quelques ouvrages frangais ecrits en Allemagne, Leipzig, Berlin, 1783 und von demselben, Cours theorique et pratique de Langue et de Litterature Frangoise, 2 vol., Berlin, 1784-1785. Die Frankophonie der französisch-reformierten Gemeinden stellte ihr wichtigstes Argument für die Aufrechterhaltung ihres Sonderstatus dar. Man befürchtete, sich durch den Übergang zum Deutschen als Kultsprache nicht mehr von den deutschen reformierten Parochien zu unterscheiden und in der Folge die Sonderrechte der französischen Gemeinden zu verlieren. Dieses Faktum erklärt, warum die Gottesdienste in diesen Gemeinden das ganze 18. Jahrhundert hindurch noch auf Französisch stattfanden, obwohl dies bereits in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zu einem starken Rückgang der Zahl der Kirchgänger geführt hatte. Ab 1765 musste sich das Berliner Konsistorium immer wieder mit der Frage der Kirchenzugehörigkeit von Hugenottennachfahren, die des Französi98 99 100
Zit. nach Hartweg 1985b, 28. Haase 1959, 475^182, Sayous II, 1971, 180, 373-374. KD I, 177; cf. KD I, 63, 27.5.1737.
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sehen nicht mehr mächtig waren, beschäftigen. 101 Das Französische wurde für die meisten Französisch-Reformierten zu einer reinen Kultsprache, die sie im Religionsunterricht und in der Kirche weitgehend nur passiv verwendeten, während die Sprache ihrer Vorväter mit ihrem normalen Leben nichts mehr zu tun hatte. Die erste Denkschrift zur Sprachenfrage in der Berliner Gemeinde stammt von Pastor Abraham Robert Bocquet aus dem Jahre 1774. Der Titel verrät schon die Forderung: Memoire concernant l'Etablissement de quelques predications en langue allemande dans nos eglises. Bocquet stellte fest, dass viele Kinder, vor allem aus der Unterschicht, dem französischen Religionsunterricht überhaupt nicht folgen konnten. 102 Er fürchtete um den Fortbestand der Kolonie, da viele, die des Französischen nicht mehr kundig wären, bald zur deutschen reformierten Kirche übertreten würden. Aus diesem Grund forderte er für die Unterschicht der Hugenottennachfahren die Einführung eines deutschen Religionsunterrichts und einiger deutscher Gottesdienste. Doch das Konsistorium hielt hartnäckig bis 1819 am Französischen als Kultsprache fest, 1 0 3 obgleich die Verantwortlichen wussten, dass die französischen Predigten nur noch von einer kleinen Elite verstanden wurden. Die Mehrzahl der Berliner Hugenotten hatte das Französische als Alltagssprache also bereits gegen Mitte des 18. Jahrhunderts aufgegeben. In den Jahrzehnten zuvor und noch bis ans Ende des 18. Jahrhunderts waren die Hugenotten jedoch für die französische Sprache am Berliner Hof in folgenden Bereichen, die hier nur schlaglichtartig beleuchtet werden können, förderlich.
Erziehung, Unterricht Die hugenottischen Erzieher brachten den Hohenzollern auf natürlich-imitative Weise Französisch bei. Friedrich Wilhelm I. (1688-1740), der zweite Preußenkönig, wurde ab seinem vierten Lebensjahr von der Hugenottin Marthe du Val, Madame de Montbail, später Madame de Rocoulle betreut, die auch Friedrichs II. Erzieherin wurde. Auch einer der Präzeptoren des Soldatenkönigs war Hugenotte, Jean Philipp de Rebeur. 104 Am deutlichsten war der Einfluss der Hugenotten auf Friedrichs II. (geb. 1712) Jugend. Seine Erzieherin seit frühen Kindertagen, Madame de Roucoulle, und sein wichtigster Lehrer, Jacques Egide 101 102 103
104
Hartweg 1985b, 6. Bergerfurth 1993, 85. Zur Einführung deutscher Gottesdienste in den einzelnen Gemeinden cf. Bergerfurth 1993, 114-115. Deutscher Gottesdienst ab 1819 in der Kapelle des frz. Hospitals, in der Berliner (Klosterstraßen-)Parochie, in der Luisenstadt, ab 1832 in den letzten beiden Gemeinden nur noch deutsche Gottesdienste, Aufgabe der frz. Gottesdienste 1837 in der Dorotheenstadt, einer von drei sonntäglichen Gottesdiensten auf Frz. im Französischen Dom bis 1920. Cf. Kap. 2.1.
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Duhan de Jandun, waren Hugenotten. 105 Auch die Erziehung von Friedrichs Geschwistern wurde im übrigen von Mitgliedern der französisch-reformierten Gemeinde geprägt. Wilhelmine unterrichtete der Gelehrte La Croze 106 ; die jüngeren Schwestern, also die spätere Markgräfin von Schwedt, Sophie Dorothea Marie, die spätere Königin von Schweden, Luise Ulrike, und Prinzessin Amalie wurden von Mademoiselle de Jaucourt erzogen. 107 Friedrichs Neffe und Nachfolger Friedrich Wilhelm II. (1744-1797) wurde ebenfalls von hugenottischen Lehrern unterrichtet, vom Geheimen Finanzrat de la Haye de Launay und von Nicolas Beguelin. 108 Anscheinend hatte er aber keine französische Kinderfrau. Noch Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) erhielt auf Betreiben Friedrichs II. ab 1784 einen französischen Philosophielehrer und Erzieher, nämlich den 1728 in Berlin geborenen Guillaume Moulines. 109 Der letzte hugenottische Lehrer am preußischen Hof war Pierre Frederic Ancillon, der den späteren König Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) von 1810 bis 1814 in Geschichte und Literatur unterrichtete. 110 Wichtig für die sprachliche Grundsteinlegung erscheinen vor allem die hugenottischen Kinderfrauen. Hier war es Friedrich II., der am frühesten ans Französische gewöhnt wurde. In seiner Abhandlung Des mceurs, des coutumes, de Γ Industrie, des progres de Γ esprit humain dans les arts et dans les sciences setzte Friedrich II. den hugenottischen Lehrern ein Denkmal, als er über die Zeit des Großen Kurfürsten schrieb: « [ . . . ] Γ education de la jeunesse tomba insensiblement entre les mains des Frantjais; nous leur devons encore une douceur dans le commerce, et des manieres plus aisees que n'en ont ordinairement les Allemands».' 1 1
Hofbeamte, Soldaten Schon zu Zeiten des Großen Kurfürsten arbeiteten zahlreiche Hugenotten als Gesellschafter, Hofbeamte und Sekretäre am Berliner Hof. 112 Sie bildeten sozusagen ein Reservoir an französischen Gesprächspartnern. Friedrich nahm als Kronprinz und noch als König regelmäßig an den sogenannten «soupers du mercredi» teil, zu denen seine ehemalige Erzieherin, Mme de Rocoulle, ihn und einige geistvolle Hofleute und Gelehrte, die meistens aus Gliedern der französischen Kolonie bestanden, einlud. 113 Ein enger Freund Friedrichs schon zur Rheinsberger Zeit und sein langjähriger Sekretär, Charles Etienne Jordan (1700105 106 107 108 109 110 111 1,2 113
Cf. Kap. 2.3.1 u. Kap. 2.4.3. Wilhelmine I, 1910, 11. Krum 1985, 79-80. Birnstiel/Reinke 1990, 135; Sagave 1980, 52-54. Birnstiel/Reinke 1990, 135, Sagave 1980, 55-58. Birnstiel/Reinke 1990, 135, Sagave 1980, 58-65. (Euvres I, 260. Cf. Namensliste in HLF V, 339-340. Dohm IV, 1819, 29; (Euvres XVI, viii.
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1747), war Hugenotte. Ein weiterer Refugienachkomme, der zum Kreis der frankophonen Gelehrten und Freunde gehörte, die Friedrich in Rheinsberg um sich scharte, war Jean Des Champs, der offiziell als Schlosskaplan der Kronprinzessin angestellt war, dessen Funktion aber vielmehr darin bestand, der schöngeistigen Tischgesellschaft um Friedrich anzugehören. 114 Noch Friedrichs letzter Vorleser, Dantal, stammte aus der französischen Kolonie. Friedrich II. rekrutierte auch manchen Sekretär für seine Kanzleien aus der französischen Gemeinde. 115 Der Hugenotte Carl Guichard (1724-1795) leitete zeitweise die Bibliotheken und das Archiv Friedrichs II. Der Refugienachkomme Philippe Joseph Pandin de Jariges (1706-1770) stieg unter dem dritten Preußenkönig vom Königlichen Hof- und Kriminalrat bis zum Großkanzler der Justiz und Staatsund Kriegsminister auf. 116 Im Militärwesen waren die Hugenotten ebenfalls überaus präsent. Zu Zeiten des Großen Kurfürsten bestand ein Fünftel des Offizierskorps aus Hugenotten. Ab 1687 existierten zwei Kompanien mit nur französischen Leutnants, die als «Grands Mousquetaires» bezeichnet wurden; des Weiteren gab es ein französisches Korps aus berittenen Grenadieren und vier französische Kadettenkompanien. Der hohe Anteil an hugenottischen Soldaten hielt sich bis zu Zeiten Friedrichs II. Neun Generale französischer Abkunft zogen mit ihm in den Siebenjährigen Krieg, ζ. B. Heinrich August de la Motte Fouque, mit dem Friedrich auch befreundet war, Hautcharmoy, de Bonin, du Moulin und Forcade. 117
Akademie der Wissenschaften Die Berliner Refugies spielten schon bei der Entstehung der Berliner Sozietät der Wissenschaften im Jahre 1700 unter Friedrich I. eine entscheidende Rolle. Im Haus des Kurators der französischen Kolonie, Ezechiel Spanheim, fanden Ende des 17. Jahrhunderts regelmäßig Treffen gelehrter Hugenotten statt, die die Gründung der Akademie vorbereiteten.118 Dementsprechend kamen im ersten Jahrzehnt des Bestehens der Sozietät etwa ein Viertel der ordentlichen Mitglieder aus der französischen Gemeinde. 119 Das Amt des Beständigen Akademie-Sekretärs war über ein dreiviertel Jahrhundert in hugenottischen Händen (Jariges, Formey, Merian, Lombard, Castillon). 120 Friedrich II. diskutierte gerne mit den hugenottischen Mitgliedern seiner Akademie. Treffen mit La Croze, Beausobre, Merian, Formey und vielen anderen frankophonen Mitglie114 115 116
'17 118 119 120
Janssens-Knorsch 1988, 72. Cf. p. 163 Anm. 448. Fischer 1988, 59, 61. Militärische Angaben aus Fischer 1988, 55-56, Kram 1985, 145-165, zu den Generalen: HLF VIII, 546, cf. auch Zitat Guiberts unten p. 169 Anm. 464. Hartweg 1979, 189-190. Othmer 1970, 22-23. Cf. Fischer 1988, 59.
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dern der Akademie sind überliefert. 121 Der König versuchte jedoch, für die von ihm wiederbelebte Akademie lieber «echte» Franzosen zu gewinnen, ζ. B. Maupertuis, La Mettrie, Joseph de Fresne de Francheville u. a. Die Mitgliedschaft zahlreicher Hugenotten war sicherlich auch ein Grund dafür, dass 1745 das Französische (neben dem Lateinischen) als Verhandlungs- und Veröffentlichungssprache der Akademie festgelegt wurde. Am meisten für das Französische sprach aber, dass die Schriften der Akademie in dieser Sprache am ehesten international rezipiert würden.
Französische Presse, Publikationen, Übersetzungen, Französischer Buchhandel Alle von Hugenotten in Berlin in französischer Sprache verfassten Bücher können hier unmöglich aufgelistet werden. Nur einige Beispiele seien genannt: Jacques Abbadie, Tratte de la virite de la religion chretienne, 1684; Isaac de Larrey, Annales de la Grande-Bretagne, 1697-1713, Histoire de France sous le regne de Louis XIV, 1718-1722; Isaac de Beausobre, Histoire de Manichee et du manicheisme, 1734-1739; Samuel Formey, La belle Wolffienne, 6 vol., 17411753.122 Meist handelte es sich um eher zweitrangige religionsgeschichtliche oder religionsphilosophische Werke, waren die gelehrten Hugenotten doch fast ausschließlich Pastoren. Größere Bedeutung für die deutsch-französische Geistesgeschichte erlangten einige hugenottische Publizisten als Vermittler zwischen der französischen und der deutschen Aufklärungsbewegung, indem sie französische Zeitschriften herausgaben, in denen deutsche und französische Autoren aufklärerisches Gedankengut verbreiten konnten. Etienne Chauvin gab von 1696 bis 1698 das Nouveau Journal des Sgavans heraus. 123 Ab 1720 erschien die Bibliotheque Germanique, zuerst unter der Ägide Jacques Lenfants und Des Vignolles; bis 1759 existierte das Nachfolgeorgan, die Nouvelle Bibliothque Germanique unter der Leitung Samuel Formeys. Unter der Leitung des Akademiesekretärs Formey erschienen noch einige andere mehr oder minder kurzlebige Zeitschriften. Es sei noch auf die Bibliotheque impartiale verwiesen, die Formey 1750 initiierte und die als eine der wichtigsten aufklärerischen Zeitschriften ihrer Zeit bis 1758 in den Niederlanden gedruckt wurde. 124 Auf Weisung Friedrichs II. gab Formey in den Jahren 1740 und 1741 das Journal de Berlin, ou Nouvelles politiques et litteraires heraus, für das Friedrich II. selbst auch Beiträge lieferte. 125 Wichtig wurden die Hugenotten als Vermittler zwischen den Kulturen auch durch ihre Übersetzungen. Jean Barbeyrac übertrug 1706 und 1723 die beiden (lateinischen) Hauptwerke des Naturrechtlers Samuel von Pufendorf ins Fran121 122 123 124 125
Harnack 1901,293-294. Sayous II, 1971, 144-181. Fischer 1988, 57. Geißler 1988, 376. Geißler 1988, 377.
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zösische. 1 2 6 1 736 beauftragte Friedrich seinen hugenottischen Freund Jordan, die Moral des deutschen Philosophen Christian Wolff f ü r ihn ins Französische zu übertragen. 1 2 7 Schon zuvor hatte sein hugenottischer Hofkaplan und Schüler Wolffs, Jean Des Champs, dessen Logik ins Französische übersetzt und sie dem Kronprinzen gewidmet. 1 2 8 1 75 8 veröffentlichte der Encyclopedie-Mitarbeiter Formey, der mit zahlreichen kleineren Schriften die Leibniz-Wolffsche Philosophie unter der frankophonen Leserschaft zu propagieren versuchte, 1 2 9 eine französische Bearbeitung des Jus Naturae von Wolff. Interessant ist in diesem Zusammenhang der sprachlichen Vermittlung von deutschem Gedankengut auch, dass die Hugenotten Alphonse Des Vignolles, Philippe Naude, Isaac Jacquelot und Jean Barbeyrac Leibniz' Französisch korrigierten: Sie sahen im Jahre 1704 für den deutschen Philosophen dessen Antwort auf John Lockes Essay concerning human understanding, nämlich die Nouveaux essais sur l'entendement humain, in sprachlicher Hinsicht durch. 1 3 0 Erwähnt werden müssen zuletzt noch die Berliner hugenottischen Buchhändler Neaulme, Pitra und Naude, bei denen Friedrich II. oft französische Bücher kaufte. 1 3 1
Französischer Gottesdienst Viele frankophone Deutsche gingen in die französischen Kirchen. Auch Friedrich II. hörte sich gelegentlich die französischen Prediger an, ζ. B. Antoine Achard, Isaac de Beausobre und Boistiger, 1 3 2 deren Kanzeleloquenz ihm mehr zusagte als die der deutschen Geistlichen. 1 3 3
Zusammenfassung zur Rolle der Hugenotten Zur Zeit der Jugend Friedrichs II. kann man davon ausgehen, dass mit rund 15 Prozent französischem Bevölkerungsanteil in der Residenzstadt der Hohenzollern eine deutlich wahrnehmbare französische Atmosphäre herrschte. Die Frankophonie der ersten und zweiten Hugenottengeneration stützte den kurfürstlichen bzw. königlichen Hof seit den Zeiten des Großen Kurfürsten bei seinem 126
Le droit de la nature et des gens, 1706; Les devoirs de l'homme, et du citoien, tels qu'ils sontprescritpar la loi naturelle, 1723. Zu weiteren Ubersetzungen Barbeyracs und zur Wirkung seiner Pufendorf-Übersetzungen cf. Othmer 1970. 127 (Euvres XVII, ii. 128 Janssens-Knorsch 1988, 70. 129 Geißler 1988, 379-380. 130 Othmer 1970, 98-99. 131 Zu den hugenottischen Buchhändlern: Umlang 1823, Georgi 1926, 77-79, 124-127, 217, Geißler 1988, 384, Krum 1985, 118-120. 132 Cf. Brief an Jordan vom 26.8.1743, CEuvres XVII, 278; Janssens-Knorsch 1988, 70. 133 Nur die Redekunst eines gewissen Quandt aus Königsberg konnte vor Friedrich II. Gnade finden, cf. CEuvres VII, 108.
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zunehmenden Gebrauch des Französischen, ohne jedoch die eigentliche Ursache dafür darzustellen. Der Grund für die Frankophonie des Adels lag, wie im vorhergehenden Kapitel dargestellt, im Prestige des Französischen als der höfisch-absolutistischen Barocksprache par excellence. All die oben genannten Bereiche (Erziehungswesen, Akademie, Presse, etc.), in denen die Hugenotten ihre französische Kultur mit Friedrichs II. Wohlwollen und Anteilnahme pflegen konnten, verliehen dem Berliner Hof sicherlich ein besonderes, französisches Flair. Es kann jedoch nicht die Rede davon sein, dass sich der preußische Hof ohne die Hugenotten nicht französisiert hätte, wie dies Isabelle de Charriere 1788 in ihren Observations et conjectures politiques behauptete: «Sans eux la Cour de Berlin n'aurait pas ete fran9aise, le feu roi de Prasse n'aurait pas ecrit en fran^ais, le prince Henri n'aurait pas entendu avec cette finesse les hommages qui lui ont ete rendus en France, et n'y aurait pas repondu avec cette sensibilite». 134
Der Einfluss der Hugenotten auf die Verbreitung des Französischen in Deutschland allgemein sollte nicht überschätzt werden. Der bei weitem größte Teil der Refugies assimilierte sich sprachlich schnell, und nur die wenigsten hatten einen entsprechenden Bildungsstand, um ihre Sprache den Deutschen zu unterrichten. 135 Was die Rolle der Hugenotten für die Frankophonie Friedrichs II. anbelangt, so war die Tatsache, dass er als Kind und Jugendlicher hauptsächlich von ihnen erzogen wurde, dass sie also den Grundstein seiner Spracherziehung legten, von größter Bedeutung.
1.4
Friedrich II. als Förderer der Universalität des Französischen
Das Sprachverhalten Friedrichs II. war nicht nur die Folge der Universalität des Französischen und sozusagen ihr Kulminationspunkt in Deutschland, sondern es hat seinerseits in erheblichem Umfang dazu beigetragen, das Ansehen des Französischen in Deutschland noch weiter zu heben und seinen Gebrauch zu festigen. Von den 18 Arbeiten, die im Jahre 1784 versuchten, eine Antwort auf die berühmte Preisfrage der Berliner Akademie der Wissenschaften nach den Gründen der Universalität des Französischen zu geben, nennen denn auch acht das Prestige Friedrichs II. als eine Stütze für die Verbreitung des Französischen. 136 Viele, die in den Sprachgeschichten als herausragende Repräsentanten der Universalität des Französischen immer wieder genannt werden, ζ. B. Katharina II. von Russland, der römisch-deutsche Kaiser Joseph II., Christian VII. von Dänemark, Gustav III. von Schweden, waren eine Generation jünger als Friedrich II. Gustav III. von Schweden war Friedrichs Neffe. Man kann die oben 134 135 136
Zit. nach HLF VIII, 531, cf. auch Hartweg 1985a, 172. Cf. HLF V, 345-352, VIII, 532. Storost 1994,415.
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genannten Namen nicht nur in sprachlicher Hinsicht als Nachahmer Friedrichs ansehen, der ja schon zu Lebzeiten «der Große» genannt wurde. Joseph II. war zum Leidwesen Maria Theresias ein großer Bewunderer Friedrichs II. 137 Zweimal traf er sich mit ihm, 138 er reformierte das Finanz- und Verwaltungswesen seines Staates zum Teil nach Friedrichs Vorbild.139 Deutsche Autoren, die auf Französisch publizierten 140 , beriefen sich auf Friedrichs II. Autorität. So rechtfertigte ζ. B. Colin, dass er seinen 1761 in Frankfurt erschienenen Discours sur l'histoire d'Allemagne französisch verfasste, unter anderem damit, dass «Un Roy qui etonne l'Europe, Prince d'Empire, n'a pas dedaigne d'ecrire en Francais l'Histoire de son Pays». 141 Noch der Herausgeber der gesammelten Werke Friedrichs II., der preußische Hofhistoriograph Johann David Erdmann Preuß, traute sich Mitte des 19. Jahrhunderts nicht, seine ausführlichen Vorworte zu jedem der 32 Bände auf Deutsch zu verfassen und kommentierte Friedrichs Werk mit französischen Anmerkungen, als sei es ein Sakrileg, neben Friedrichs Französisch deutsche Kommentare zu stellen.142 Friedrich II. war es, der als Präsident seiner Academie Royale des sciences et belies lettres forderte, dass ihre Schriften nur auf Französisch (oder Latein) erschienen. 143 Dadurch wurde die Akademie unter Friedrich II. «ein wichtiger Vorposten des französischen Kulturkreises» 144 und eine Stütze des Französischen als Wissenschaftssprache in Preußen und anderswo. Das Prestige des Französischen als Sprache des Hofes wird außerdem mit dafür verantwortlich gemacht, dass die Oberschicht der Berliner Hugenotten das ganze 18. Jahrhundert hindurch am Französischen festhielt. 145 Schaut man sich des Weiteren die Auflistung der internationalen Verträge an, an denen Frankreich nicht beteiligt war und die dennoch französisch verfasst waren, die der Sprachhistoriker Brunot in seinem Kapitel über das Französische als Sprache der Diplomatie im 18. Jahrhundert liefert, so fällt auf, dass bei 22 der 47 genannten Verträge Friedrich II. mit von der Partie war. Friedrichs II. Thronbesteigung hat das Französische als internationale Verhandlungssprache befördert. Zu diesem Thema schlussfolgert Brunot:
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Cf. Press 1988, 279, Berglar 1980, 114. Zu den Treffen zwischen Friedrich II. und Joseph II.: Arneth VIII, 1877, 154-231, Beer 1871. Cf. Baumgart 1979, 314. Zwischen 1750 und 1780 erschienen rund zehn Prozent der in Deutschland gedruckten Bücher in französischer Sprache (Tschirch 1989, 265). Zit. nach HLF VIII, 784, 615. Nur der Band XXVII [3], der Friedrichs deutsche Briefe enthält, und der Band X X X mit den deutschen Militärinstruktionen werden deutsch eingeleitet und annotiert. Schlobach 1989, 348. Piedmont 1984, 6. Cf. Kap. 1.3 u. Bergenfurth 1993, 84, 88, Hartweg 1985a, 176-177, Theremin zitiert in Bergenfurth 1993, 100.
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«Notre cause profita des bonnes dispositions de la Prasse, portee, presque des son berceau, ä un si haut degre de puissance. Frederic II fit autant pour nous que Louis XV». 1 4 6
Zu Recht also wurde der Hof Friedrichs II. als ein «Gipfelpunkt» 147 des französischen Spracheinflusses in Deutschland bezeichnet.
1.5
Die sprachliche Situation an anderen deutschen Höfen am Beispiel Wiens
Wenn nun der dritte Preußenkönig in der deutschen Sprachgeschichtsforschung als «Gipfelpunkt» der Verbreitung des Französischen in Deutschland gilt, inwiefern verhielt sich dann der sonstige deutsche Hochadel anders? Ein vergleichender Blick auf die sprachlichen Gegebenheiten in anderen deutschen Fürstenhäusern der Zeit erscheint geboten. Wie bereits oben erwähnt, 148 waren besonders die protestantischen Höfe in Deutschland, vor allem der Hannoveraner, der Pfälzer und die hessischen Höfe sehr frankophil. Der Münchner ebenso wie der Wiener Hof blieben lange Zeit, auch aufgrund der Konfession, kulturell nach Italien hin ausgerichtet. 149 Angesichts der erdrückenden Vielzahl von Fürstentümern im Deutschland des 18. Jahrhunderts, von denen die kleineren sicherlich nur oberflächlich französisiert waren, 150 beschränken sich die folgenden Ausführungen auf eine kurze Darstellung der sprachlichen Verhältnisse am Hof von Friedrichs großer Konkurrentin Maria Theresia (1717-1780). Maria Theresia hatte als Herrscherin über einen Vielvölkerstaat in sprachlicher Hinsicht größere Anforderungen zu bewältigen als Friedrich II. Auf dem Gebiet des Preußenkönigs wurden, wenn man einmal von der frankophonen Exklave Neufchätel absieht,151 neben dem Deutschen lediglich zwei andere Sprachen, nämlich Polnisch und Tschechisch, gesprochen. 152 Über die Sprachen, die in der Hofburg zur Anwendung kamen, berichtete die Tochter einer Kammerdienerin und Vorleserin Maria Theresias, Caroline Pichler, in ihren Erinnerungen: «Eine viel minder verdrießliche, wenn gleich auch anstrengende Art des Dienstes, war 146 147 148 149 150 151
152
HLF VIII, 834. Bach 1970, 313, Polenz 1970, 108, 1994, 67. Kap. 1.1. Cf. HLF V, 301,322. Zu Ansbach und Bayreuth cf. p. 21. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Friedrich II. dieses schweizerische Territorium, das von 1707 bis 1848 in preußischem Besitz war, je besucht hätte. Im Kapitel 2.7 werden Belege dafür angeführt, dass der Preußenkönig es nicht unnütz gefunden hätte, wenn sein Nachfolger mehr Sprachen als er selbst beherrscht hätte. Anscheinend bedauerte Friedrich II. seine eigene Unkenntnis des Italienischen, Lateinischen, Polnischen und Tschechischen.
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das Vorlesen der Geschäftsschriften in den verschiedenen Sprachen, welche in den weiten Provinzen der Erbstaaten geredet wurden; deutsch, italienisch, französisch (in den Niederlanden) und lateinisch (in Ungarn). Da Französisch damals noch viel mehr als jetzt die Sprache der höheren Stände, ja der gebildeten Welt überhaupt war, so war sie denn auch an Maria Theresias Hof die herrschende, zumal da ihr Gemahl, Kaiser Franz 1., als geborener Lothringer kaum Deutsch verstand und es nie sprach, auch seinetwegen viele Personen in den Hofdiensten Lothringer oder Niederländer waren. 1 5 3 [... ] Auch das Italienische war ihr [= der Mutter der Caroline Pichler] geläufig. Damals wurde es überhaupt viel am Hofe und in Wien gesprochen, und der Dichter des Hofes war stets ein Italiener; [ . . . ] . Alle Schauspiele, welche dem Hofe zu Ehren oder bei feierlichen Gelegenheiten gegeben wurden, waren italienische Opern, [ . . . ] . Latein war die vierte Sprache, welche in den Geschäftspapieren [... ] vorkam. Die Kaiserin verstand sie vollkommen, redete sie vielleicht auch mit ihren ungarischen Magnaten». 1 5 4
Im Alltag soll sie sich des «ganz gemeinen österreichischen Jargons» bedient haben. 155 Betrachten wir zunächst die Sprachgewohnheiten der Eltern Maria Theresias. Ihr Vater, Karl VI. (Reg. 1711-1740), sprach besser Italienisch als Französisch und war auch des Spanischen mächtig. 156 Die österreichischen Habsburger kehrten, nicht zuletzt weil sie den spanischen Thron erben wollten, ihre verwandtschaftliche und kulturelle Verbundenheit zu den spanischen Habsburgern beispielsweise durch die Befolgung des spanischen Hofzeremoniells bewusst hervor. Während des Spanischen Erbfolgekriegs (1701-1713/14) verteidigte Karl, der ein Enkel der spanischen Infantin Maria Anna war, die Ansprüche der österreichischen Habsburger auf den spanischen Thron gegen Frankreich und lebte von 1703, als er sich zum spanischen König ausrufen ließ, bis 1711, als er als Karl VI. deutscher Kaiser wurde, in Spanien. 157 Außer in Form einzelner Wörter 158 wurde die spanische Sprache in der kaiserlichen Familie in Wien anscheinend aber nicht als Konversationssprache verwendet. Die Tatsache, dass 1657 die erste deutschsprachige Grammatik des Spanischen und 1670 das erste spanisch-deutsche Wörterbuch am Wiener Hof herausgegeben worden waren, 159
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Die Behauptung, dass Franz Stephan kaum Deutsch konnte, scheint angesichts anderer Zeugnisse, cf. über Franz Stephan im Folgenden, übertrieben. Pichlerl, 1844, 13-16. Pichler I, 1844, 14-15, cf. Kretschmayr 1925, 17, Berglar 1980, 17, Guglia I, 1917, 16-17: «Auch Sprache und Ton in der kaiserlichen Familie war schlicht bürgerlich. Wenn auch viel französisch und besonders italienisch, das der Kaiser [= Karl VI.] sehr liebte, gesprochen wurde, so war doch die eigentliche Umgangssprache deutsch, und zwar ein altvaterisches und stark dialektisch gefärbtes Deutsch». J.-B. Rousseau an M. du Lignon am 24.7.1715: «L'empereur d'aujourd'hui entend fort bien le franfais; [... ] la langue Italienne lui est plus familiere». Zit. nach HLF V, 322. Kretschmayr 1925, 14. Ζ. B. nennt Maria Theresia die Kinderfrauen in ihren Briefen immer «aya»; die Wohnräume der Königin wurden «Retirada» genannt (Guglia I, 1917, 341). Berschin/Fernändez-Sevilla/Felixberger 1995, 11.
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mag jedoch die ehemalige Bedeutung des Spanischen in der Hofburg verdeutlichen. Der französische Einfluß am Wiener Hof setzte erst mit Maria Theresias Mutter Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel ein, die aus dem sehr französisierten Weifenhof stammte. Mit ihrem Vater sprach Maria Theresia wohl eher deutsch, jedenfalls sind die Briefe Karls VI. an die Tochter sowie an den Lothringer Schwiegersohn Franz Stephan deutsch. 160 Karl VI. liebte die Sprache der Bourbonen nicht. Als Herzog Karl von Lothringen seinen Sohn als möglichen zukünftigen Schwiegersohn nach Wien schickte, soll Prinz Eugen dem lothringischen Bevollmächtigten eingeschärft haben, der Prinz möge, wenn er sich die Zuneigung des Kaisers erwerben wolle, nur deutsch sprechen, nie französisch. 161 Über die Erziehung der Erzherzogin «Therese» sind nicht viel mehr als die Namen ihrer Hofmeisterinnen und Lehrer bekannt. Zuerst war die Gräfin Anna Dorothea von Thum, geborene Gräfin de Souches, 162 dann eine Gräfin von Stubenberg und schließlich die Gräfin Charlotte von Fuchs, geborene Gräfin Mollard, 163 der Maria Theresia als Elfjährige übergeben wurde, mit der Oberleitung ihrer Erziehung betraut. 164 Ihre Lehrer waren größtenteils Jesuiten: Michael Pachter (oder Pachler) und Franz Xaver Vögel gaben Religion. Bis 1730 unterrichtete Johann Franz Keller, danach Gottfried Spannagl die Habsburgerin in Latein und Geschichte. Die Hefte, die Keller und Spannagl dem Geschichtsunterricht zugrunde legten, sind erhalten und sind deutsch. 165 Einen weltlichen Lehrer hatte Maria Theresia in Mathematik, nämlich Jakob Marinoni aus Udine. Den Italienischunterricht erteilte der Hofpoet Claudio Pasquini aus Siena. 166 Außer in Latein und Italienisch wurde die Erzherzogin auch in Französisch und Spanisch unterrichtet, vielleicht von einem gewissen Johann Franz Chievre, der als ihr Fremdsprachenlehrer genannt wird, 167 über dessen Herkunft hier aber keine Angaben gemacht werden können. Neben dem Deutschen soll Maria Theresia am besten das Französische beherrscht haben. 168 In Musik (Caldara) und Tanz (Levassori della Motta) wurde «Reserl» wiederum von Italienern unter160
Cf. Arneth I, 1863, 360.
161
Guglial, 1917,28.
162
Es handelte sich nicht um eine französischstämmige Erzieherin, da die Familie de Souches seitdem 17. Jahrhundert in Niederösterreich ansässig war. Cf. J. Siebmacher's großes Wappenbuch. Vol. 26. Das ursprünglich aus Savoyen stammende Adelsgeschlecht Mollard (man findet als Schreibung auch Mollart u. Mollarth) war seit 1490 in Oberösterreich beheimatet, so dass es sich bei Maria Theresias Lieblingserzieherin nicht um eine frankophone Muttersprachlerin handelte. Cf. J. Siebmacher's großes Wappenbuch. Vol. 27. Arneth I, 1863, 13. Guglial, 1917,21-23. Guglial, 1917, 18, 24. Arneth I, 1863, 14. Arneth I, 1863, 14.
163
164 165 166 167 168
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wiesen, 169 was dazu passt, dass der Wiener Hof sich bis zur «französischen» Hochzeit Maria Theresias mit Franz Stephan von Lothringen im Jahre 1736 kulturell mehr an Italien orientierte als an Frankreich. Die Erzherzogin führte sogar zusammen mit ihrer Schwester Marianne italienische Singspiele auf, die die italienischen Hofdichter und -komponisten für die Geschwister schrieben. 170 Auch nach ihrer Hochzeit und bis ihrem Tode war die führende Künstlerpersönlichkeit in der Hofburg ein Italiener, nämlich der Dichter Pietro Metastasio. 171 Deutsche Literatur enthielt Maria Theresias Lehrplan ebenso wenig wie der Friedrichs II. Im Unterschied zu dessen Präzeptor, Duhan de Jandun, der dem Kronprinzen die Werke der französischen Klassik und ebenso die Ideen der Aufklärer nahe brachte, hielten die Jesuiten um Maria Theresia auch die französische Literatur von ihr fern. 172 Es wird immer wieder behauptet, dass Maria Theresias Korrespondenz ganz französisch war.173 Dies ist aber viel weniger als bei Friedrich II. der Fall. Im dienstlichen Verkehr mit ihren Ministern bediente sich die Kaiserin des Kanzleideutschen. 174 Die Mehrzahl der privaten Briefe, vor allem an ihre zahlreichen Kinder, sind in der Tat französisch verfasst; es finden sich aber auch immer wieder deutsche Stücke, ζ. B. sind die ersten Briefe zwischen Maria Theresia und Franz Stephan deutsch. 175 Deutsch sind beispielsweise einige der Briefe an den Erzieher ihres Sohnes Joseph, den Fürsten Battyäny, an ihre Tochter Josepha, an ihre Tochter Maria Anna, an ihren Sohn Ferdinand, an den Oberhofmeister Uhlfeld, an den General Neipperg, an den Feldmarschall Daun; nur deutsch schrieb sie ihrer Jugendfreundin, der Gräfin Edling, ebenso wie den Grafen Harrach und Dietrichstein. 176 Es gibt also von ihr weit mehr eigenhändige deutsche Schriftstücke als von Friedrich II., der nur wenige ihm wichtige Militärs und seinen Kammerdiener Fredersdorf mit eigenhändigen deutschen Briefen beehrte. 177 Doch floss auch Maria Theresia das Französische als Briefsprache leichter aus der Feder als das Deutsche. An ihre zukünftige italienische Schwiegertochter Maria Beatrice (die zukünftige Frau Ferdinands), die ihr wohl aus Höflichkeit deutsch geschrieben hatte, sandte sie am 9.6.1765 folgende Worte in die Lombardei: «[... ] Ich will nicht die Letzte sein, die Euer Liebden in dieser Sprache schreibet. Obwohl mir viel gemächlicher ist die französische Correspondenz, so erfreue ich mich 169 170 171 172 173 174
175 176
177
A r n e t h l , 1863, 13-14. Guglial, 1917, 26-27. Kretschmayr 1925, 17, Guglial, 1917, 25. Cf. Guglial, 1917, 28-29. Ζ. B. Berglar 1980, 17. Biener in Kallbrunner 1952, 113; Beispiele vieler Briefe in Walter 1968; Briefe an Kaunitz in Walter 1968 jedoch meist französisch. Cf. Arneth I, 1863, 356-358, Berglar 1980, 25-26, Koschatzky 1980, 38. Cf. Berglar 1980, 63, 76-77, 82, 89, 89, 94, 121, Walter 1968, 164, 167, 170, 173, Perrig 1999, 19, 25, 30, 269; Arneth 1881, IV. Zu Briefen an die Generale cf. Kap. 4.3.3, zu Fredersdorf unter Kap. 4.1.1.2 und 6.
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doch, deutsche Zeilen von meiner lieben Tochter zu empfangen, und dadurch zu ersehen, wie selbe sich anwendet, eine ganze Nation zu beglückseligen, daß sie deren Sprache sich kundig macht, obwohl sie in Italien zu verharren hat». 1 7 8
Ihre französischen Briefe enthalten zahlreiche italienische und deutsche Einsprengsel. 179 An ihre Freundin, die Gräfin Enzenberg, schrieb sie ζ. B. «Je ne desespere pas de vous revoir in der Heimat».m) Billets an ihren Ehemann begann sie gelegentlich mit der Anrede: «mon eher Alter».181 Ihre Kinder lernten nicht alle gleich gern Französisch. Beiläufig berichtet darüber der preußische Gesandte Podewils am 22.3.1747 nach Berlin: «Man flößt ihm [dem Erzherzog Joseph, geb. 1741, später Joseph II.] große Erbitterung gegen Frankreich ein, und er geht so darauf ein, daß er es ablehnt, die französische Sprache zu lernen, und sie nie spricht. Um es zu erreichen, unterrichtet man darin in seiner Gegenwart andere Kinder seines Alters [ . . . ] . Die Erzherzogin Marie Christine [geb. 1742] [... ] spricht ebenso gern französisch wie ihr Bruder es haßt, und sie will nicht, daß man mit ihr in einer anderen Sprache spricht». 182
Die Kaiserin war nicht immer mit den Folgen der Mehrsprachigkeit ihrer Kinder zufrieden. An Anton Graf Thum, den Ratgeber ihres Sohnes Leopold in Florenz, schrieb sie am 24.6.1766: «Ich hoffe, daß mein Sohn weder die deutsche Sprache noch das Militär vernachlässigt; versuchen Sie, ihn in beidem zu üben». 1 8 3
Ende Juni 1769 tadelte sie das Französisch ihrer Tochter Maria Amalia: «Je connais votre fa§on de conter, et je dois vous dire en amie, qu'elle est bien ennuyante et melee de phrases peu propres aux sujets que vous racontez. Vous avez encore le defaut de penser en allemand et de le traduire mot pour mot». 1 8 4
Ihr Testament ebenso wie ihre beiden politischen Denkschriften verfasste die Habsburgerin auf Deutsch. 185 Amtssprachen am Wiener Hof unter Maria Theresia waren Deutsch und Latein; unter Joseph II. wurde Deutsch 1784 zur alleinigen Amtssprache (auch in Ungarn) erhoben. In höherem Maße als andere deutsche Höfe versuchte die Hofburg, dem Aufstieg des Französischen als internationaler Sprache der Diplomatie Einhalt zu gebieten, indem man auf lateinischen Fassungen von Verträgen bestand. 178 179 180 181 182
183 184 185
Walter 1968, 198. Cf. z. B . G u g l i a l , 1917, 35. Arneth 1881, IV, 484. Berglar 1980, 18. Hinrichs 1937, 69, 71. Später sprach und schrieb Joseph II. jedoch sehr wohl gern französisch, cf. HLF VIII, 550-551. Perrig 1999, 96. Arneth III, 1881,5. Zwei der fünf Fassungen ihres letzten Willens in Schiitter 1917/18; am Ende der Politischen Denkschriften ed. Kallbrunner 1952 befindet sich ein interessantes sprachkundliches Nachwort über Maria Theresias Deutsch von C. Biener.
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In sprachlicher Hinsicht ein noch interessanterer Fall als die Kaiserin scheint ihr Gatte Franz Stephan von Lothringen (1708-1765) gewesen zu sein. Schon früh als zukünftiger Gemahl für Maria Theresia auserkoren verließ er im Alter von 15 Jahren das frankophone Lothringen, um am Wiener Hof weitererzogen zu werden, wo er schnell Deutsch lernte. 186 In seiner neuen Heimat wurde er mit deutschstämmigen Hofmeistern umgeben. 1 8 7 Durch die Literatur über ihn geistert das Verdikt, dass er weder Deutsch noch Französisch konnte: «Der Kaiser machte auf seine Gesprächspartner den Eindruck, Franzose zu sein, wenn er deutsch sprach, und Deutscher, wenn er französisch sprach». 188 «Franz Stephan aber hatte - es sei einmal gesagt - keine Sprache ordentlich gelernt». 189
Zu dieser Einschätzung gelangten die Forscher vor allem aufgrund seiner fehlerhaften Orthographie, 190 so dass dieses Urteil mit Vorsicht zu genießen ist. Auch im Fall Friedrichs II. führte die auf den ersten Blick willkürlich wirkende, «phonetische» Schreibweise des Preußenkönigs bei einigen Autoren zu erstaunlichen Fehleinschätzungen seiner Sprachkompetenz. 191 Für den Umstand, dass Maria Theresia viele schriftliche Zeugnisse Franz Stephans nach dessen Tod vernichten ließ, wird als eine mögliche Erklärung angeführt, dass die Kaiserin «die sprachlich wie schriftlich gleichermaßen auffallende Unbeholfenheit des Kaisers» 192 vor der Nachwelt verbergen wollte. 193 Weit bedeutsamer als seine nicht normgerechte Schreibweise - eine zu dieser Zeit quasi normale Erscheinung - ist Franz Stephans häufiges Codeswitching zwischen Französisch und Deutsch. Codeswitching findet sich in den Briefen Friedrichs II. nur äußerst selten. 194 Nach einem Streit mit dem einflussreichen Minister Kaunitz im Jahre 1761 sandte der zerknirschte Franz Stephan seiner Frau beispielsweise ein Billet, auf dem Folgendes stand: «Ma vivasite fig mir Regt an et je vous dret ne lavoyre pas fay pour bocoup». 195 Die Kaiserin sandte das Briefchen an Kaunitz, damit dieser Franz Stephans Reue sehe und schrieb erklärend über fig mir Regt an: ,flehtet mich recht an oder gehet mir zu herzen'. 186 187
188 189 190
191 192 193 194 195
Mikoletzky 1973, 274. Vorsteher des Hofstaats des Kronprinzen wurde Graf Johann Caspar von Cobenzel, dem General Freiherr von Neipperg unterstand. Der eigentliche Erzieher war ein Baron Pfütschner, der aus Lothringen mitgekommen war; sein Lehrer war der böhmische Appellationsrat Langer. Arneth I, 1863, 10-11. Tapie 1975, 185. Mikoletzky 1973, 273. Zur Orthographie Franz Stephans und seiner angeblich mangelhaften Sprachbeherrschung: Arneth I, 1863-1879, 12, Arneth VII, 1863-1879, 153, Mikoletzky 1973, 273-275, Tapie 1975, 185, Schmid 1991, 8, Perrig 1999, 25. Eine neue Bewertung der Frage auf linguistisch-sprachhistorischer Basis in Kap. 5.1. Schmid 1991, 8. Gleiche These bei Mikoletzky 1973,271. Cf. Kap. 2.1 u. 4.4. Mikoletzky 1967, 269, Arneth VII, 1863-1879, 153.
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Das vous dret überschrieb sie mit ,voudroit\ in das lavoyre fügte sie nach dem l einen Apostroph ein, über fay setzte sie ,fait' und in bocoup fügte sie nach dem ersten ο ein ,u' ein. Darunter setzte sie für Kaunitz den Satz, wobei sie selbst die Sprachen mischte: das will vill sagen et surtout vis ä vis de safemme. Als Resümee zum Fall «Maria Theresia» kann man feststellen, dass das Französische für die Kaiserin hauptsächlich die Funktion einer Korrespondenzsprache erfüllte, jedoch auch Letzteres in weit geringerem Maße als für Friedrich II. Ihre Amtssprache und die Sprache ihrer politischen Reflexionen war (Kanzlei-) Deutsch, ihre Lieblings- und sozusagen Privatsprache soll das Wienerische gewesen sein.
1.6
Zusammenfassung
Keinesfalls wird hier in Frage gestellt, dass sich Friedrich II. mit der Benutzung des Französischen als Hofsprache vollkommen gemäß der Sitte der Zeit verhielt. Es soll nur darauf hingewiesen werden, dass der Raum, der der französischen Sprache im Alltagsleben eingeräumt wurde, von Hof zu Hof im Deutschland des 18. Jahrhundert unterschiedlich groß war und dass es falsch wäre, das Sprachverhalten aller Adligen der Zeit über den Kamm «am liebsten Französisch» zu scheren. Jeder Hof hatte durch seine dynastischen Verbindungen und Heiraten andere Sprachkombinationen zu meistern. Jeder Herrscher wurde beim Gebrauch der Sprachen geleitet von der Erziehung, die er genossen hatte, von der Tradition, in der er stand, und von seiner persönlichen Einstellung. Das extremste Gegenbeispiel für die landläufige Meinung, alle Adligen hätten französisch gesprochen, ist Friedrichs II. Vater, Friedrich Wilhelm I., der den französischen Moden und eben auch der Mode, französisch zu sprechen, mit äußerstem Argwohn begegnete. Das Sprachverhalten seines Sohnes Friedrich stand dem freilich diametral entgegen. Ob ein Adliger das Deutsche oder das Französische bevorzugte und bei welchen Gelegenheiten, war eine Frage, die sich in jedem Einzelfall anders entschied. Warum ζ. B. sprach Joseph II. als Kind, wie oben erwähnt, ungern französisch, als Erwachsener aber bevorzugt? Die Biographien verliefen auch in sprachlicher Hinsicht oft nicht geradlinig. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass tendenziell festgestellt werden kann, dass die protestantischen deutschen Höfe stärker französisiert waren als die katholischen und dass der Gebrauch der französischen Sprache in der deutschen Aristokratie mit einem absolutistischen Machtanspruch einherzugehen schien. Wenn Friedrich II. als «Gipfelpunkt» des französischen Spracheinflusses in Deutschland zu bezeichnen ist, dann ist er dies zum einen, weil er sicherlich der Adlige war, der am konsequentesten versuchte, die «Fremdsprache», die, wenn man seine Erziehung betrachtet, gar keine für ihn war, zu seiner eigenen Sprache zu machen - und zwar auch dann noch, als der Stern des Französischen im Sin-
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ken begriffen war. Zum anderen wird Friedrich II. wohl deswegen allgemein als das bemerkenswerteste und wunderlichste Beispiel der Universalität des Französischen in Deutschland empfunden, weil er die markanteste und für die deutsche Geschichte bedeutsamste deutsche Herrscherpersönlichkeit des 18. Jahrhunderts war.
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2 Erziehungsgeschichtliche Prämissen
Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, ob die Erziehung, die Friedrich II. genoss, zwangsläufig zu seiner Abneigung gegen die deutsche Sprache und seiner Bevorzugung des Französischen führen musste.
2.1
Sprachverhalten des Vaters
Die Betrachtung des Sprachverhaltens des Vaters Friedrichs II. lohnt aus zwei Gründen. Zum einen widerspricht das Sprachverhalten Friedrich Wilhelms I. (1688-1740) der gängigen Vorstellung, dass im 18. Jahrhundert der gesamte deutsche Hochadel überwiegend französisch gesprochen hätte. Zum anderen wird man sehen, dass das Festhalten des sogenannten Soldatenkönigs an der deutschen Sprache und Kultur auf den Kronprinzen eher eine abschreckende Wirkung ausübte. Friedrich Wilhelm I. beherrschte das Französische sehr gut, bevorzugte jedoch das Deutsche. Aus dem Jahr 1912 liegt eine Dissertation über die Sprache Friedrich Wilhelms vor.1 Dort wird festgestellt, dass der Soldatenkönig am Anfang seiner Regierung noch häufiger französisch sprach und schrieb, sich aber später, wo es nur ging, der deutschen Sprache bediente. 2 Die Anordnungen an seine Beamten, die Briefe an andere deutsche Herrscher und auch seine Testamente sind deutsch abgefasst.3 Dieser den schönen Künsten ganz und gar nicht zugewandte Monarch lehnte das französische Kulturelement an den deutschen Höfen als fremd und verweichlicht ab. Seinem Hass gegen die Welt des barocken-ludovizianischen Absolutismus, 4 gegen jedes höfischzeremonielle Gebaren, gegen die «coquette Welt»5 und somit auch gegen die
2 3
4 5
Hummrich, H., Beiträge zur Sprache König Friedrich Wilhelms 1. von Preußen, Greifswald, Adler, 1910. Hummrich 1910, 86. Testamente in Caemmerer 1915 bzw. in Dietrich 1986. Zu Korrespondenz und Kabinettsordern cf. Förster 1834, 1835, Urkundenbücher; halb deutscher, halb französischer Brief an zwei Minister von 1714 in Erhardt 1901, 47. Cf. Baumgart 1979, 294. Brief an Friedrich vom 3.5.1731, CEuvres XXVII [3], 15.
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französische Sprache bei Hof verlieh er in seinen Briefen an den Kronprinzen Friedrich deutlichen Ausdruck. 6 Die Entwicklung seines Thronfolgers missfiel dem König in vielfacher Hinsicht. Friedrich Wilhelm I. war ein tiefgläubiger Protestant. Der Kronprinz jedoch bezeugte mehr und mehr Gleichgültigkeit gegenüber der Religion bzw. neigte zur kalvinistischen Prädestinationslehre, die der Vater ablehnte.7 Zudem stand Friedrich, der sich ab 1727 als «philosophe» bezeichnete, ganz im Bann der französischen Frühaufklärung und der klassischen französischen Literatur. Preußen und die anderen deutschen Lande schienen dem bildungshungrigen jungen Mann in künstlerischer Hinsicht eine Wüste zu sein. Indem sich der Kronprinz immer mehr zu einem Bewunderer der französischen Kultur und Vernunftreligion entwickelte, ging er in eine Richtung, die ihm von seiner Mutter, seiner älteren Schwester Wilhelmine, seinem Präzeptor Duhan de Jandun und allgemein vom Geschmack der Zeit vorgezeichnet war, die dem Vater jedoch ganz und gar missfiel. Der berühmteste Vater-Sohn-Konflikt der deutschen Geschichte gipfelte bekanntlich darin, dass der 18jährige Friedrich den Plan fasste, über Frankreich nach England zu fliehen.8 Der Vater bezeichnete Friedrichs Fluchtversuch als Desertion und fasste für ihn die Todesstrafe ins Auge, die jedoch «nur» an Friedrichs Begleiter Katte vollzogen wurde. Zwar spielten die unterschiedlichen sprachlichen Präferenzen von Vater und Sohn in diesem Familiendrama keine ursächliche Rolle. Die eigentlichen Gründe für die Zuspitzung des Konflikts waren die Intrigen, mit denen die Königin, Friedrich und seine Schwester das Projekt der englischen Doppelhochzeit Friedrichs und Wilhelmines zu befördern suchten, dazu Friedrichs angebliche unsoldatische Verweichtheit, seine mangelnde Religiosität und seine Verstellungskunst. Die Sprachenfrage spiegelt jedoch den Konflikt zwischen Vater und Sohn, zwischen diesen «nach ihren Anlagen so grundverschiedenen Persönlichkeiten»9 sehr gut wider, denn ihre unterschiedlichen sprachlichen Vorlieben waren die Folge ihrer unterschiedlichen Weltanschauungen. Friedrichs vollkommene, ostentative Bevorzugung des Französischen war deutlicher Ausdruck seines zur Kronprinzenzeit noch auf das Versailler Vorbild ausgerichteten Selbstverständnisses als feinsinniger, prunkliebender, die Künste fördernder Monarch. Indem er die deutsche Sprache vermied, distanzierte er sich von der Welt seines Vaters, die von strengem Protestantismus, der Jagd, Trinkgelagen und einer fast bürgerlichen Arbeitsmoral und Sparsamkeit geprägt war. Friedrich Wilhelm I., der seinen Sohn Fritz rief und nicht Frederic oder Federic, wie Friedrich sich
6 7 8
9
Cf. Briefe unten p. 49. Krieger 1900, 75; cf. Brief Friedrich Wilhems an Friedrich vom 3.5.1731. Einen Überblick über die Genese sowie über die politischen und menschlichen Hintergründe des Konflikts liefert: Baumgart 1987a, 1-16. Baumgart 1987a, 2.
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selbst des Wohlklangs wegen ab 1737 nannte, wollte einen deutsch gesinnten Soldaten und keinen «Querpfeifer und Poeten» zum Nachfolger. Mit seinem Vater musste Friedrich deutsch sprechen. Der gesamte Briefwechsel zwischen Friedrich Wilhelm I. und seinem Sohn ist deutsch. 10 Ein französischer Brief Friedrichs an den Vater hätte dessen Missfallen erregt. Oft beklagte sich der Soldatenkönig über die mangelnden Deutschkenntnisse seiner Kinder. So berichtet der fünfjährige Friedrich in einem Brief an seine Mutter vom 11.5.1717: «Mama sei so gnädig und mache mein complimend an meine liebe swester und bedanke ihr die gutheit das sie mich so einen so schönen brief geschriben hat. Papa aber meint daß sie nicht deuch Scheiben kan». 1 1
Die Tatsache, dass Friedrich seinen Vater innerhalb französischer Briefe gelegentlich auf Deutsch zitierte, zeigt ebenfalls, wie eng der Kronprinz mit dem Vater die deutsche Sprache verband. Selbst wenn man die deutschen Einsprengsel über seinen Vater als ironisches Stilmittel wertet, ist es doch bemerkenswert, dass solche Briefe über den Vater die einzigen Schriftstücke sind, in denen Friedrich II. satzweise zwischen den Sprachen hin- und herwechselte. 12 Ζ. B. schrieb Friedrich am 4.3.1733 an den Minister Grumbkow: «M. le Grand est arrive ici tres-mal satisfait de Sa Majeste, qui, ä ce qu'il dit, a fort gronde contre Rohwedell, lui ayant dit qu'il s'habillait ä la franijaise, und er stecke mit mir unter einer Decke, und so lange er lebte, wäre er Herr, et qu'il l'enverrait ä Spandow. [... ] II a dit ä la Reine qu'il se serait volontiere dispense d'aller ä Brunswic, mais qu'il ne s'etait pas pu fier ä ma conduite, dass ich ihm nicht wieder einen Streich gemacht hätte.»
An denselben am 17.3.1733: «Je suis bien aise d'apprendre que le Roi ait encore esperance dass ich einmal werde gut werden»,13
Immer wieder taucht Friedrichs Begeisterung für alles Französische als ein Kritikpunkt in den Briefen des Soldatenkönigs auf, der wohl fürchtete, sein Sohn würde einer der vielen geckenhaften, alamodischen Nachahmer Ludwigs XIV. werden: «Zum andern weiß er wohl, daß ich keinen efeminirten Kerl leiden kann, der keine menschliche Inclination hat, der sich schämt, nit reiten noch schießen kann und dabei 10
11 12 13
Die Briefe zwischen Vater und Sohn machen einen Großteil des Bandes XXVII [3] der 32bändigen Preuß'schen Werkausgabe aus. Dieser Band enthält die deutschen Briefe Friedrichs II., die im Vergleich zur Masse der französischen Briefe wenige sind. Berlin, Geheimes Staatsarchiv PK, BPH Rep. 47, 302. Cf. Kap. 4.4. (Euvres XVI, 87, 89. Weitere deutsche Einsprengsel in Briefen an Grumbkow, Koser 1898, 2 0 , 2 6 - 2 7 , 30, 3 1 , 4 5 , 4 7 , 67,71, 87, 93, 109. Auch Seckendorffund Grumbkow zitieren Friedrich Wilhelm I. innerhalb französischer Briefe auf Deutsch, ζ. B. Koser 1898, 37-38, 6 0 - 6 1 , 7 8 - 7 9 , 81, 137.
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mal-propre an seinem Leibe, seine Haare wie ein Narr sich frisiret und nit verschneidet und alles dieses tausendmal repremandiret, aber alles umsonst und keine Besserung in nits ist. Zum andern hoffährtig, recht baurenstolz ist, mit keinem Menschen spricht, als mit welche 1 4 , und nit popular und affabel ist, und mit dem Gesichte Grimmassen macht, als wenn er ein Narr wäre, und in nits meinen Willen thut, als mit der Force angehalten». 15
Spätestens seit dem Fluchtversuch des Kronprinzen betrachtete Friedrich Wilhelm I. die Erziehung seines Sohnes als gescheitert: «Wollte Gott, Ihr hättet Meinem väterlichen Rath und Willen von Jugend auf gefolget, so wäret Ihr nicht in solch Unglück verfallen; denn die verfluchten Leute, die Euch inspiriret haben, durch die weltlichen Bücher klug und weise zu werden, haben Euch die Probe gemachet, dass alle Eure Klugheit und Weisheit ist zu nichts und zu Quark geworden». 16
Er ließ den hugenottischen Präzeptor Duhan de Jandun in Memel internieren und machte auch seiner Frau und den Erziehern Vorwürfe, sie hätten Friedrich in seiner «Auslandsschwärmerei» bestärkt. 17 Die umfangreiche, heimlich angelegte französische Bibliothek Friedrichs wurde verkauft. Den Kronprinzen schickte Friedrich Wilhelm für eineinhalb Jahre in eine Art Verbannung nach Küstrin. Friedrich durfte die Stadt nicht verlassen und musste an der dortigen Kriegsund Domänenkammer arbeiten. Laut Ranke und Bratuscheck war Teil der Vorschriften für Friedrichs Aufenthalt an der Küstriner Domänenkammer, dass er keinen Franzosen treffen und weder Französisch sprechen noch schreiben durfte. 18 In der Instruktion Friedrich Wilhelms an den Geheimrat Wolden, Friedrichs Oberhofmeisterin Küstrin, vom 21.8.1731 heißt es aber lediglich: «Französische Bücher, auch deutsche weltliche Bücher und Musik bleibet so scharf verboten, wie jemals gewesen». 19
Schon aus dem Brief, den Friedrich Wilhelm im Mai zuvor an Wolden gesandt hatte, wird deutlich, wie sehr Friedrichs Begeisterung für Frankreich ein Reizthema für den Vater darstellte: «Er soll nur meinen Willen thun, das französische und englische Wesen aus dem Kopf schlagen, und nichts als Preußisch, seinem Herrn Vater getreu sein, und ein deutsches Herz haben, alle Petitmaitres, französische, politische und verdammte Falschheit aus dem Herzen lassen, und hingegen Gott fleißig anrufen». 2 0
Zum Ausdruck kommt Friedrich Wilhelms I. Unzufriedenheit über die Franko14 15
16 17 18 19 20
Gemeint sind «Welsche», also Franzosen. Brief in CEuvres XXVII [3], 11, dort auf Sept. 1728 datiert, in dieser Dialektform bei Preuß 1832, 27-28. Brief an Friedrich vom 3.5.1731. Bratuscheck 1885, 33, 55, Preuß 1832, 63. Ranke III/IV, 1874, 125; Bratuscheck 1885, 62, 65. Instruktion in Preuß 1832, Urkundenbuch I, 161. Brief an Wolden vom 22.5.1731, Förster III, 1835, 47.
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philie seines Sohnes auch in einem Brief, den er ihm am 28.8.1731 nach Küstrin schrieb. Friedrich hatte, um sich aus der Gefangenschaft in Küstrin zu befreien, darum gebeten, wieder eine eigene Kompanie führen zu dürfen. Der Vater traute allerdings Friedrichs neuer Begeisterung für das Soldatenhandwerk nicht: «Du aber hast in allen Stücken gegen Mich einen Abscheu davor gezeiget, und wenn es auf Jagden, Reisen und anderer Occasionen angekommen, hast Du allezeit gesuchet, Dich zu schonen, und Heber ein französisch Buch, des bons mots oder ein KomödienBuch, oder das Flötenspiel gesuchet, als den Dienst oder Fatiguen. Du hast ferner eine Compagnie gehabt, die gewiss schön, gut und tüchtig war, und doch habet Ihr Euch gar nicht darum bekümmert, daher ich glaube, wenn ich Dich ja wieder zum Soldaten machte, daß es Dir doch nicht von Herzen gehen werde. Aber, was gilt es, wenn ich Dir recht Dein Herz kitzelte, wenn Ich aus Paris einen maitre de flute mit etlichen zwölf Pfeifen und Musique-Büchern, ingleichen eine ganze Bande Komödianten und ein großes Orchester kommen Hesse, wenn ich lauter Franzosen und Französinnen, auch ein paar Dutzend Tanzmeister nebst einem Dutzend petits-maitres verschriebe, und ein großes Theater bauen Hesse, so würde Dir dieses gewiss besser gefallen, als eine Compagnie Grenadiers; denn die Grenadiers sind doch, nach Deiner Meinung, nur Canailles, aber ein petit maitre, ein Französchen, ein bon mot, ein Musiquechen und Komödiantchen, das scheint was Nobleres, das ist was Königliches, das ist digne d'un prince».21
Woher rührte Friedrich Wilhelms Abneigung gegen das Französische? Dass Frankreich eher politischer Gegner als Partner war, kann nicht als ausschlaggebendes Argument herangezogen werden, denn auch Friedrich II. kämpfte zeitweise gegen Frankreich, ohne dass diese Rivalität seiner Bewunderung für die französische Kultur Abbruch getan hätte. Um der Frage nachzugehen, ob der Widerwille, den der Soldatenkönig gegen das Französische empfand, in seiner Erziehung begründet lag, sei im Folgenden ein kurzer Blick auf seinen sprachlichen Werdegang geworfen. Vom Vater des Soldatenkönigs, Friedrich I. (1657-1713, zunächst als Friedrich III. Kurfürst von Brandenburg-Preußen, ab 1701 König in Preußen) zeichnete schon Friedrich II. in seinen Memoires pour servir ä l'histoire de la maison de Brandebourg das Bild eines vor allem auf den äußerlichen Glanz bedachten Nacheiferers Ludwigs XIV.22 Als solchen beschrieb er ihn auch in einem Brief an Voltaire: «Epris de toutes les louanges qu'on prodiguait ä Louis XIV, il crut qu'en choisissant ce prince pour son modele, il ne pourrait pas manquer d'etre loue ä son tour. Dans peu on vit la cour de Berlin devenir le singe de celle de Versailles; on imitait tout, ceremonial, harangues, pas mesures, mots comptes, grands mousquetaires, chevaux-legers, etc». 23
Obwohl der erste Preußenkönig schon als Knabe an die französische Sprache 21 22 23
CEuvres XXVII [3], 20-21. CEuvres I, 141-144. K D I , 70, 6.7.1737. 51
herangeführt wurde, 24 mochte er die Franzosen jedoch nicht. 25 Auf seine Anregung hin wurde die Pflege der deutschen Sprache in den Aufgabenkanon der im Jahre 1700 gegründeten Berliner Sozietät der Wissenschaften aufgenommen. 26 Er sprach und schrieb trotz seiner eifrigen Befolgung der französischen Moden lieber deutsch; jedenfalls sind seine Privatbriefe und sämtliche Testamente deutsch verfasst. 27 Hingegen wird von der Mutter des Soldatenkönigs, Sophie Charlotte (16681705), geborene Prinzessin von Braunschweig-Hannover, immer wieder berichtet, dass sie sehr gut und quasi ausschließlich französisch sprach. 28 Sie hatte als junges Mädchen zwei Jahre in Paris und Versailles verbracht. 29 Von Sophie Charlotte ist ein umfangreicher französischer Briefwechsel mit dem von ihr hochverehrten Leibniz erhalten, mit dem schon ihre Mutter Sophie von Hannover korrespondiert hatte. 30 Als Gouvernante Friedrich Wilhelms fungierte die ersten drei Jahre, die Friedrich Wilhelm bei seiner Großmutter am Hof in Hannover verbrachte, eine Deutsche: Frau von Harling. 31 Bei seiner Rückkehr nach Berlin bekam der Knabe eine Hugenottin, Madame de Rocoulle, als Hofmeisterin, die Friedrich Wilhelm später wiederum zur Erzieherin seines Sohnes Friedrich bestimmte. 32 Friedrich Wilhelm ist also durchaus zweisprachig aufgewachsen, denn im normalen Umgang mit seiner französischen Gouvernante leinte er früh Französisch. Auch sein Oberhofmeister ab 1695, Alexander von Dohna, Sohn eines Preußen und einer Französin, aufgewachsen in der Nähe von Genf und dort zwei Jahre von niemand Geringerem als dem bekannten Philosophen Pierre Bayle unterrichtet, war im Französischen zuhause. Was an Briefen zwischen Dohna und seinem Schützling erhalten ist, ist teils französisch, teils deutsch. 33 Friedrich Wilhelms Lehrer waren zunächst ein Deutscher (Johann Friedrich Cramer), der sich aber nicht bewährte, dann ein Franzose (Jean Philipp de Rebeur). Gelegentlich wird Cramer als der Mann bezeichnet, der Friedrich Wilhelm die «deutsche» Gesinnung beibrachte. 34 Johann Friedrich Cramer hatte nämlich eine Streitschrift gegen den prominenten französischen Sprachtheoretiker Pere Bouhours verfasst: Vindiciae nominis Germanici contra quosdam Germanorum obtrectatores Gallos, Amstel 1694. Pere Bouhours hatte in seinen Entretiens d'Ariste et 24
25 26 27 28 29 30 31 32 33 34
Zur Erziehung Friedrichs I. cf. Hirsch 1894, Ledebur 1878, 4—7, Kirchner II, 1867, 266-268. Cf. Zitate oben p. 27. Harnack 1(1), 1900, 78; Borkowski 1904, 100; Storost 1994, 3. Testamente in Caemmerer 1915 bzw. Dietrich 1986, zu Briefen cf. Lasch 1967, 98. Förster I, 1834, 46-47, cf. oben p. 28. Hinrichs 1941, 12, Förster I, 1834, 47, Kirchner III, 1870, 6-8. Rossel 1895, 417. Hinrichs 1941, 9. Cf. Kap. 2.3.1. Auszüge in Borkowski 1904. Cf. Förster I, 1834, 91, Preuß 1832, 8, Kirchner III, 1870, 21.
52
d'Eugene (1671) die Frage gestellt, «s'il etoit possible, qu'un Allemand eüt de l'esprit?». Auf Friedrich Wilhelm hatte die französische Erziehung keinen prägenden Einfluss ausgeübt, was wohl hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, dass alles Höfische seinem eher groben Naturell widerstrebte. 35 Vielleicht spielte für seine Loyalität zum Deutschen auch eine Rolle, dass Friedrich Wilhelm I. wie auch seine beiden Vorgänger reichstreu war, während Friedrich II. die kaiserliche Autorität nicht mehr wirklich akzeptierte.
2.2
Sprachverhalten der Mutter
Friedrich bewegte sich in den ersten Jahren mehr in der Welt der Mutter als in der des Vaters, der erst ab dem sechsten Lebensjahr des Kronprinzen größeren Anteil an dessen Erziehung nahm. Zudem war die emotionale Bindung Friedrichs zur Mutter stärker als die zum Vater, den die Zeitzeugen übereinstimmend als sehr streng, übertrieben sparsam und aufbrausend beschreiben. 36 Sophie Dorothea (1687-1757) stammte wie die Mutter ihres Mannes aus dem auf das französische Vorbild ausgerichteten, prunkliebenden Weifenhof. Sie litt unter der kargen Berliner Hofhaltung und wollte zudem mehr Einfluss auf die Politik ausüben, als ihr Mann ihr zugestand. Der Machtkampf der Eltern, besonders als es darum ging, wen Friedrich und Wilhelmine heiraten sollten, wurde oft auf dem Rücken der Kinder ausgetragen. 37 Statt mit einer Schar von Adeligen umgab sich Friedrich Wilhelm I. nur mit Militärs, die mit ihm zur Jagd und ins Tabakskollegium gingen. In ihren Gemächern und besonders in ihrem Schloss Monbijou schuf Sophie Dorothea eine höfische Gegen weit zu der militärischen ihres Mannes. Wenn der König abwesend war, veranstaltete sie Konzerte und hielt Salon, 38 zu dem ausländische Gäste sehr willkommen waren. Ihre bevorzugte Sprache war wie für ihre Tante Sophie Charlotte und Vorgängerin als Königin von Preußen das Französische. In einem Brief vom 1.12.1719 wird Sophie Dorothea von ihrer mit dem Bruder Ludwigs XIV., dem Due d'Orleans, in Versailles verheirateten Verwandten, Elisabeth Charlotte von der Pfalz, zu mehr Gebrauch des Deutschen ermahnt: «Je l'ai gronde [M. de Rottenburg] en arrivent d'Allemagne, d'estre un franc Allement et Elsasser, et d'avoir oublies sa lengue [ . . . ] . II dit pour son excuse qu'ä la Cour de V. Μ. on ne parle que frangois. Eh, pourquoy cela? Nostre lengue est si belle et bonne? Cela me scendalise moy qui me pique d'estre encore franche allemende».' 9 35 36
37 38 39
Zur Charakterisierung Friedrich Wilhelms I.: Borkowski 1904, Baumgart 1987a. Cf. z . B . Bisseti, 1850, 358, Loen in Sieber 1922,140,Krieger 1900, Pöllnitz II, 1791, 75-76, Friedrichs Erzählungen gegenüber Catt in Koser 1965, 34-35, 72, 265, 394. Cf. Wilhelmines nicht immer zuverlässige Memoiren: Wilhelmine 1910, 66. Cf. Wilhelmine 1910, 11. Zit. nach HLF VIII, 633.
53
Die einzigen beiden Hugenottinnen, die dauerhaft zu den Hofdamen Sophie Dorotheas gehörten, waren jedoch nur ihre eigene ehemalige Erzieherin, Madame de Sacetöt, und die Erzieherin Friedrichs, Madame de Rocoulle. Ansonsten nennen die Memoiren der ältesten Tochter Wilhelmine nur deutsche Namen aus der Umgebung Sophie Dorotheas. Allerdings soll die Königin häufig Umgang mit Personen aus der französischen Kolonie gepflegt haben. 40 Ihr Briefwechsel mit Friedrich ist fast komplett französisch. Deutsch sind manche sehr frühe Briefe Friedrichs wie der oben zitierte vom 11.5.1717. 41 Die deutschen Kinderbriefe Friedrichs waren unter Aufsicht der Lehrer verfasste und relativ inhaltsleere Schreibübungen. Briefeschreiben war Teil des Unterrichts. 42 In der Preußschen Werkausgabe findet sich unter den Briefen Sophie Dorotheas an ihren Sohn nur einer auf Deutsch, bezeichnenderweise der, in dem sie ihr Einverständnis zu Friedrichs Vermählung mit Elisabeth von Braunschweig-Bevern mitteilt und der wohl auch dem Vater vorgelegt werden sollte. Ansonsten schrieb Sophie Dorothea sogar ihrem Mann französisch. Doch streute sie in ihre Briefe an ihn deutsche Einsprengsel - zum einen, weil ihr anscheinend das entsprechende französische Wort fehlte, zum anderen schienen ihre deutschen Worte auf die Gesinnung ihres Mannes berechnet, ζ. B.: 9.7.1714: «Fritz entre dans ma chambre et dit: » 11.7.1714: «Vous avez eu labonte de donner une petite tente ä Fritz. On lalui a apporte ä ce matin [sic], il veut toujours etre dedans. II m ' a dit: 23.5.1717: «Fritz dit qu'il veut vous donner un festin ä votre retour de ce qu'il a chasse; ce sera dans une petite Hütte de planches, que je lui ai fait faire». 6.9.1717: «Charlotte marche avec un Laitßand». 5.10.1718: «Fritz est alle ä la Rüstkammer».43
Sie berichtete dem König auch von Friedrichs Fortschritten im Französischen. Im Dezember 1714 schrieb sie über den Zweijährigen: «Fritz parle si drölement le franfais que l'on ne peut s'empecher de rire ä peu pres comme feu Madame Bellmont». 44
Laut Wilhelmine begann Friedrich mit zwei Jahren und drei Monaten Franzö40 41
42 43
44
Erman/Reclam 1785, 57. Zusätzlich zu den Berliner Beständen befinden sich zwei deutsche und ein französischer Brief Friedrichs an seine Mutter aus den Jahren 1721, 1722 und 1723 in der Landesbibliothek und Murhardschen Bibliothek der Stadt Kassel unter der Signatur M° Ms hist. 128, Nr. 37, 38, 39. Cf. Kap. 2.4.2. Droysen 1913a, 212-216. Es ist unwahrscheinlich, dass ein Zweijähriger so reden würde wie in den ersten beiden Zitaten. Die Orthographie dieser Briefe hat der Herausgeber Droysen verbessert, der jedoch den «accord» an apporte vergaß. Droysen 1913a, 212.
54
sisch zu sprechen. Sie schreibt nämlich im April 1714 über ihren um drei Jahre jüngeren Bruder an den Vater: «Mon frere se porte fort bien et commence dejä ä parier fran9ais». 45
Auch mit seinen Geschwistern, von denen besonders Wilhelmine und Heinrich seine Begeisterung für die französische Kultur teilten, 46 sprach Friedrich anscheinend hauptsächlich französisch. 47 Der am Berliner Hof lebende Baron von Pöllnitz beschrieb die Prinzen und Prinzessinnen als zweisprachig. Über die Gouvernante Madame de Rocoulle berichtete Pöllnitz in einem Brief: «Comme eile ne parle que Francois, eile a appris sa Langue aux Enfants du Roi, qui la parlent avec la meme facilite que la Langue Allemande». 48
2.3
Friedrichs Erzieher und Erzieherinnen
Obwohl sich Friedrich Wilhelm I. wiederholt negativ über Frankreich, die Franzosen und die deutschen Fürsten, die sie «nachäfften», äußerte, sorgte er dafür, dass sein Sohn von klein auf mit dieser Sprache aufwuchs. Bis zu Friedrichs siebentem Lebensjahr stellte der Preußenkönig seinen Sohn unter die Obhut der Hugenottin, die auch ihn selbst durch die frühe Kindheit begleitet hatte: Marthe du Val, Madame de Rocoulle. 49 2.3.1
Madame de Rocoulle
Marthe du Val, in erster Ehe Madame de Montbail, in zweiter Ehe Madame de Rocoulle wurde 1659 in Alenfon 50 geboren und kam nach der Aufhebung des Edikts von Nantes 1685 mit ihrer Familie nach Berlin. Sie war 53 Jahre alt, als der Kronprinz zur Welt kam. Alle Biographen Friedrichs führen sie als dessen erste Erzieherin an. Tatsache ist jedoch, dass ihr Ernennungspatent zur «Gouvernante des enfants de Prusse» erst am 2.5.1714 ausgestellt wurde,51 als Friedrich also schon zwei Jahre alt war. Wer zuvor für ihn sorgte, ist nicht bekannt. Madame de Rocoulle unterstand als Untergouvernante der Frau von Kamecke, die als Obergouvernante die Verantwortung für die Erziehung aller 45
46
47 48 49
50 51
Brief zitiert bei Droysen 1913a, 211. Sicherlich hat die zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz Fünfjährige den Brief nicht selbst verfasst. Mirabeau (II, o. J., 175) bezeichnete Heinrich als «galloman»; der englische Gesandte Mitchell nannte Heinrich «French to the bone» (in Bisset I, 1850, 110). Zu Wilhelmine cf. Berger 1993. Cf. p. 86. Pöllnitz 1738, 30. Die Schreibung des Namens erfolgt nach Preuß. Es finden sich anderweitig auch Schreibweisen wie Rocoulles, Roucoulle, Roucoule, Roucoulles, Recoule. BrunotV, 337. (Euvres XVI, xii.
55
Prinzen und Prinzessinnen trug, doch scheint sich Frau von Kamecke nicht im Besonderen um den kleinen Fritz gekümmert zu haben. 52 Es wurde behauptet, dass Madame de Rocoulle überhaupt kein Deutsch konnte. 53 In Berlin war sie jedenfalls mit zwei Franzosen verheiratet gewesen, bevor sie Friedrichs Gouvernante wurde. 54 Ihr Briefwechsel mit Friedrich ist rein französisch, 55 und alles spricht dafür, dass diese vielleicht wichtigste Bezugsperson der ersten Jahre - in einem Brief vom 23. November 1737 nannte Friedrich Madame de Rocoulle seine eigentliche Mutter 56 - nur französisch mit ihm sprach. Madame de Rocoulle, die gern kleine Gedichte verfasste, 57 bestärkte ihren Schützling, der auch später noch in ihrem Salon verkehrte, zudem sicherlich in seiner Liebe zur französischen Poesie. Angesichts des frühen Kontaktes des Kronprinzen mit dem Französischen kann man diese Sprache nicht als Fremdsprache für Friedrich II. bezeichnen, sondern es war eine der beiden Sprachen, mit denen er von Anfang an aufwuchs.
2.3.2
Militärgouverneure
Im Jahr 1718 entzog Friedrich Wilhelm den Kronprinzen der Obhut der Frauen und ernannte zwei Militärs zu Erziehern des nunmehr sechsjährigen Friedrich: Zum Oberhofmeister wurde Albrecht Conrad Graf Fink von Finkenstein, der ab 1704 Friedrich Wilhelms eigener Oberhofmeister gewesen war, ernannt. 58 Die Stelle des Sousgouverneurs nahm der Oberstlieutenant Christoph Wilhelm von Kalkstein ein. In dieser «Doppelspitze» spiegelten sich die Querelen des Elternhauses wider: Finkenstein war die Wahl der Mutter, Kalkstein wurde auf Drängen der Partei des Vaters eingesetzt. 59 Finkenstein und Kalkstein blieben bis 1729 Friedrichs Erzieher. Die Frage, in welcher Sprache Finkenstein und Kalkstein mit Friedrich umgingen, ist schwer zu beantworten. Wahrscheinlich sprachen diese beiden Männer ostpreußischer Herkunft deutsch und französisch mit ihrem Zögling. Finkenstein hatte längere Zeit im französischen Kriegsdienst gestanden und galt als «feingebildeter Officier». 60 Kalkstein schien immer in Preußen geblieben zu sein. 61 Friedrichs Briefwechsel mit Kalkstein (allerdings erst aus den Jahren 1747 bis 1758) ist französisch. 62 An Fink von Finkenstein waren keine Briefe 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62
Cf. Pöllnitz 1738, 30. Ζ. B. Gaxotte 1938,22. Förster I, 1834, 72. In (Euvres XVI. (Euvres XVI, 205. Cf. Lavisse 1919, 7. Cramer 1833, 41, Klinkenborg 1913, 161. Wilhelmine 1910, 34, Pöllnitz II, 1791, 73-74. Klinkenborg 1913, 163. Cf. Cramer 1833, 39-40, 44-46. In (Euvres XVII.
56
Friedrichs auffindbar. Ein Brief Fi η ken steins an Friedrich Wilhelm I., in dem er nachfragt, ob der Kronprinz die französischen Gesandten zum Essen einladen dürfe, ist auf Französisch geschrieben. Friedrich Wilhelm antwortete knapp auf Deutsch: «Soll envoyes nicht zu Tafel behalten». 6 3 Der Briefwechsel Friedrichs mit dem Sohn Finkensteins, der Friedrichs Spielkamerad (und später sein Minister des Auswärtigen) war, ist französisch. 6 4 Finkenstein und Kalkstein waren verantwortlich für das Tun und Handeln des Kronprinzen. Sie hatten ihn Tag und Nacht zu beaufsichtigen und sich um Friedrichs militärische Erziehung zu kümmern. Der tatsächliche Unterricht oblag Duhan de Jandun. 6 5 Finkenstein war Chef der für den fünfjährigen Friedrich am 1.9.1717 vom König gestifteten 110 Mann starken «Kompagnie der Kronprinzlichen Kadetten». 6 6 Um seine Kompanie sollte sich Friedrich möglichst oft selbst kümmern. Ab 1719 erhielt er vom Kadettenoffizier Christoph Friedrich von Rentzell Unterricht im kleinen Waffendienst. 6 7 A b 1721 nahm Friedrich Wilhelm den Sohn gelegentlich zu den Provinzialrevuen mit. 6 8 Im militärischen und administrativen Umfeld sprach Friedrich ohne jeden Zweifel Deutsch, denn bei Armee und Verwaltung blieb in Preußen immer Deutsch die Verkehrssprache. Der 13jährige wurde 1725 zum Hauptmann des Königlichen Regiments in Potsdam ernannt. Daraufhin wurde der Schulunterricht eingeschränkt, denn der Vater drängte auf eine umfassende militärische Ausbildung. 6 9 1726 wurde er zum Major, 1728 zum Oberstlieutenant, 1732 zum Oberst, 1735 zum Generalmajor der Infanterie befördert. 7 0 Nach der Abdankung der Militärgouverneure wies Friedrich Wilhelm I. seinem Sohn ab März 1729 bis zu dessen Verhaftung den Oberstlieutenant von Rochow und den Hauptmann von Keyserlingk als militärische Gesellschafter zu. 7 1 Die Zeit, die Friedrich seit Kindesbeinen - angeblich musste er bereits als Vierjähriger das Exerzieren lernen 7 2 - in den Kasernen und bei den Revuen verbringen musste und in der er also Deutsch sprach, ist nicht zu unterschätzen.
63 64 65 66 67 68 69 70
71 72
Droysen 1913a, 217. In (Euvres XXV. Cf. unten Kap. 2.4.3. Preuß 1832, 13. Preuß 1832, 14. Preuß 1832, 15, Berney 1934, 14. Gaxotte 1973, 30. Preuß 1832, 26, Bratuscheck 1885, 65, Berney 1934, 26, Wiese und Kaiserswaldau 1936. Bratuscheck 1885, 38; zu Keyserlingk cf. unten p. 102. Berney 1934, 7, Gaxotte 1973, 22.
57
2.4
Friedrichs Unterricht
Mit fünf Jahren wurde Friedrich zusammen mit Wilhelmine vom Schreibund Französischlehrer des Joachimsthalschen Gymnasiums, Hilmar Curas, im Schreiben und Lesen unterrichtet. Ein sehr frühes Schreibheft des Kronprinzen ist erhalten. Das Deckblatt und eine Seite daraus sind in Abbildung 1 zu sehen.73 Das Deckblatt trägt die wohl von Curas kalligraphierte Aufschrift: Ihro Königlichen Hoheit des Gnädigsten Kronprintzen von Preußen Friderichs Schreibebuch, angefangen den 31. Martii 1717. Die Kladde enthält außer den Worten «a mon eher papa» keinen zusammenhängenden Text, sondern seitenweise nur einzelne Buchstaben und zwar nur lateinische, die das Kind übte. Aber der Kronprinz musste auch die deutsche Schrift lernen. Bekannt ist, dass er schon vor seinem vierten Geburtstag zu Weihnachten 1715 eine deutsche Bilderfibel geschenkt bekam. 74 Ob der «Schreib- und französische Sprachmeister» Curas aus einer Hugenottenfamilie stammte oder nicht, lässt sich nicht feststellen. Da er 1673 in Erzen bei Hameln geboren wurde, handelte es sich wohl eher um einen Deutschen. Jedenfalls gehörte er nicht zur Berliner französischen Gemeinde. 75 Wie im Kapitel über Friedrichs Graphie dargelegt wird, kann Curas sich schwerlich darum bemüht haben, dem Prinzen eine systematische Rechtschreibung beizubringen. Curas war jedoch ein durchaus bedeutender Französischlehrer der Zeit, denn seine Erleichterte und durch lange Erfahrung verbesserte französische Grammatik erschien noch im Jahr 1808 in der 23. Auflage. 76 Curas unterrichtete Friedrich und Wilhelmine im Schreiben und Lesen, vielleicht darüber hinaus in Katechismus und Märkischer Geschichte.77 Curas' Tätigkeit im Berliner Schloß endete 1718.78 Wilhelmine berichtet in ihren bekanntlich sehr unzuverlässigen Memoiren, sie habe ab 1720 auch Stunden in englischer und italienischer Sprache gehabt. 79 Friedrich behauptete in einem Brief an Voltaire vom 10.10.1739, dass er leidlich Englisch verstünde, 80 was nur daher rühren kann, dass er am Unterricht der älteren Schwester zeitweise teilgenommen hat. Es gibt jedoch keinerlei Schriftstück und keine Zeitzeugenaussage, die bestätigen würden, dass Friedrich II. Englischkenntnisse besaß. Was Friedrichs Italienischkenntnisse angeht, so waren sie sicherlich auch eher rudimentär. Seinem italienischen Freund Algarotti schrieb er 1749 über das 73 74
75 76 77 78 19 80
Abbildungen aus diesem Schreibheft auch in Stephani 1907, 132. Zu der Augsburger Fibel Neu erfundener Luftweg zu allerley, schönen Künsten lind Wissenschaften cf. Bratuscheck 1885, 110, Preuß 1832, 12. Schröder I, 1991, 169. Schröder V, 1996, 186. Schröder I, 1991, 169. Bratuscheck 1885, 12. Wilhelmine 1910, 49. Brief an Voltaire in KD I, 304; in einem anderen Brief vom September 1743 an denselben (KD II, 188) sagt er jedoch über die Engländer: «je n'entends point leur patois».
58
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Italienische: «J'aime mieux vous entendre que de vous lire dans une langue que je ne suis qu'en hesitant».81 Durch sein Interesse an italienischen Opern und durch die Nähe des Italienischen zum Französischen verstand er es einigermaßen. 82 2.4.1
Instruktion von 1718
Die Instruktion zur Erziehung seines Sohnes, die Friedrich Wilhelm I. den beiden Gouverneuren am 13.8.1718 überreichte, ist deutsch. 83 Sie entspricht in weiten Teilen wörtlich der Instruktion, die 1695 sein Vater, damals noch Kurfürst Friedrich III., für die Erziehung Friedrich Wilhelms erlassen hatte. 84 Und diese Instruktion hatte sich wiederum sehr an der orientiert, die der Große Kurfürst für die Erziehung seiner beiden ältesten Söhne, Karl Emil und Friedrich, gegeben hatte. 85 Friedrich Wilhelm I. änderte die Instruktion seines eigenen Vaters nur in wenigen Punkten ab. So hatte sein Vater ζ. B. verfügt, dass Friedrich Wilhelm Latein lernen müsse: «[... ] weil Er mit verschiedenen Benachbahrten und andern puissancen zuhandelen bekommet, welche keine andere Sprache alß die lateinische gebrauchen, zuschweigen des nutzens welchen Er sonst auß dieser spräche in erlernung der Historien und Politischen anmerkungen ziehen kann». 86
Friedrich Wilhelm, der den Lateinunterricht gehasst hatte, sah die Notwendigkeit, dass ein deutscher Herrscher Latein können müsse, nicht mehr, obwohl die Goldene Bulle die Erlernung dieser Sprache für die Kurfürstensöhne vorschrieb.87 Zum Lateinischen schrieb Friedrich Wilhelm I. in seiner Instruktion: «Was die lateinische Sprache anbelangt, so soll Mein Sohn solche nicht lernen und will Ich auch nicht, daß Mir einer davon sprechen soll; sondern sie sollen beide nur dahin sehen, daß er sowohl im Französischen, als Teutschen eine elegante und kurze Schreibart sich angewöhnen [sie]». 88
Zum Französischen ist ansonsten wörtlich übernommen, was schon sein Vater, Kurfürst Friedrich III., für die Erziehung Friedrich Wilhelms im Jahre 1695 angeordnet hatte: «Die Französische Sprache, worin Mein Sohn bereits einen guten Anfang gemachet, 81 82
83 84 85 86 87 88
19.9.1749, (Euvres XVIII, 77. Über ein italienisches Werk mit dem Titel Amazones schrieb er Algarotti im Januar 1750: «L'italien de madame Du Bocage est si franijais, que je n'en ai pas perdu un mot» ((Euvres XVIII, 83-84). Instruktion abgedruckt bei Cramer 1833, 3-20. Ebenfalls deutsche Instruktion des Kurfürsten in Förster I, 1834, 77-87. Auszüge in Hirsch 1894. Förster I, 1834, 82. Zur Goldenen Bulle cf. Hattenhauer 1987, 6 - 7 . Cramer 1833, 13-14.
60
kann man continuiren, Ihm durch die Übung im Reden und dann mit der Zeit durch Lesung guter französischer Bücher beibringen». 89 F r i e d r i c h W i l h e l m w ü n s c h t e sich einen e l o q u e n t e n N a c h f o l g e r ; f a s t i d e n t i s c h w i e sein Vater f o r m u l i e r t er: «Nichts ist, das einem großen Fürsten besser anstehet und nöthiger ist, als wohl reden und das bei allen Vorfallenheiten, weßhalb der Oberhofmeister und Sousgouverneur dahin zu sehen haben, daß der Prinz bei Zeiten durch Uebungen angeführet werde, gestalt denn solches durch kleine Reden, so man Ihm anfangs vorzuschreiben, geschehen kann, es sei, daß Gratulationes über allerlei Sujets zu thun, oder daß auf Gratulationes zu antworten, ingleichen wann eine Armee zu einer rigurosen Action zu animieren, wie auch Generaldeliberatorio, wann im Rahte oder im Kriegsrathe etwas zu repliciren, oder auf verschiedene Meinungen ein Schluß zu fassen und dergleichen; damit aber der Prinz durch ein Exempel und Emulation in dergleichen Dingen desto mehr animiret werde, kann man einen Knaben von gutem Hause, der sich wohl dazu schicket, und gute Dona naturalia hat, wählen, und will Ich zu gewissen Zeiten Meinen Sohn examiniren und so oft als möglich selber dabei sein. Bei solchen Übungen muß auch darauf gesehen werden, daß Mein Sohn alles deutlich und rein ausspreche». 90 D i e drei s o e b e n zitierten P a s s a g e n sind d i e e i n z i g e n Stellen in d e r I n s t r u k t i o n f ü r d i e E r z i e h e r , in d e n e n es u m d i e s p r a c h l i c h e A u s b i l d u n g des k l e i n e n Fritz geht. D a s H a u p t g e w i c h t legte F r i e d r i c h W i l h e l m auf die r e l i g i ö s e u n d c h a r a k t e r l i c h e B i l d u n g des K r o n p r i n z e n u n d vor a l l e m auf d i e E r z i e h u n g z u m F e l d h e r r n : «Absonderlich haben sie beide sich äußerst angelegen sein zu lassen, Meinem Sohne die wahre Liebe zum Soldatenstande einzuprägen und ihm zu imprimieren, daß, gleichwie nichts in der Welt, was einem Prinzen Ruhm und Ehre zu geben vermag, als der Degen, und Er vor der Welt ein verachteter Mensch sein würde, wenn Er solchen nicht gleichfalls liebte, und die einzige Gloria in demselben suchte, wie dann auch der Oberhofmeister die Verfügung zu tun hat, daß dem Prinzen die Krieges-Exercitia spielend bei den Recreations-Stunden beigebracht werden». 91 Ü b e r d e n d e u t s c h e n u n d f r a n z ö s i s c h e n S c h r e i b u n t e r r i c h t u n d die o b e n e r w ä h n t e r h e t o r i s c h e S c h u l u n g h i n a u s sieht d i e I n s t r u k t i o n v o n 1718 f ü r d e n K r o n p r i n zen f o l g e n d e F ä c h e r vor: K a t e c h i s a t i o n , M a t h e m a t i k , Artillerie, O e c o n o m i e , G e s c h i c h t e ( n u r d i e n e u e r e u n d d a v o r a l l e m d i e des e i g e n e n H a u s e s u n d d e r a n d e r e n d e u t s c h e n H e r r s c h e r ) , V ö l k e r r e c h t , G e o g r a p h i e , Z e i c h n e n u n d Fortifikation. W e n n d i e s e I n s t r u k t i o n w i r k l i c h e i n g e h a l t e n w u r d e , hatte d e r K r o n p r i n z keinerlei Freiheit. F i n k e n s t e i n u n d K a l k s t e i n d u r f t e n ihn n i e alleine lassen, abw e c h s e l n d sollte e i n e r v o n i h n e n m i t in F r i e d r i c h s K a m m e r s c h l a f e n . Z u m E s s e n durfte das Kind nur Offiziere einladen.
89 90 91
Cramer 1833, 15. Cramer 1833, 15-16. Cramer 1833, 15. 61
2.4.2
Reglement von 1721
Wie sich Friedrich Wilhelm die Arbeitswoche seines Sohnes vorstellte, geht aus dem Reglement, wie Mein ältester Sohn Friedrich seine Studien zu Wusterhausen halten soll vom 3.9.1721 hervor.92 Wusterhausen war Friedrich Wilhelms Lieblingsjagdschloss, auf das Friedrich ihn oft begleiten musste. An Sprachunterricht forderte Friedrich Wilhelm in diesem Reglement nur drei Stunden: «[Montag] von vier bis fünf Uhr soll Duhan teutsche Briefe mit Ihm schreiben und dahin sehen, daß Er einen guten Stylum bekomme». «[Donnerstag Nachmittag] im Platz aber des deutschen Briefes zu schreiben, soll Er lernen, einen guten französischen zu schreiben». «[Freitag] Am Freitage Vormittag wie am Mittwochen im deutschen Schreiben und Arithmetica».
Friedrich Wilhelm gab in diesem Reglement in Worten einen regelrechten Stundenplan vor, der graphisch in Abbildung 2 dargestellt ist. 93 Friedrichs Fächer und Lehrer (nicht nur während der Aufenthalte in Wusterhausen) waren: -
Religion: zunächst bei Johann Ernst Andrea (geb. 1679 in Herborn, ab 1709 Hofprediger in Berlin). Dieser fiel bei Friedrich Wilhelm 1720 in Ungnade, da er Friedrich die Prädestinationslehre nahegebracht hatte. Friedrich Wilhelm legte großen Wert auf die religiöse Erziehung seines Sohnes, was man schon daran sieht, wieviel Raum der Religionsunterricht, die Morgen- und Abendandacht und der Kirchgang in Friedrichs Wochenplan einnahmen. Als Strafe ließ er Friedrich oft (deutsche) Psalme Davids auswendig lernen. 94 Unter der Mutter Friedrich Wilhelms I., Sophie Charlotte, waren auch Franzosen Hofprediger gewesen: Lenfant und Beausobre. 95 Sie hörte lieber eine französische als eine deutsche Predigt. Unter Friedrich Wilhelm I. jedoch wurden keine Hugenotten mehr als Hofprediger angestellt, «weil sie nichts als Moral tractirten, so auch Heiden thun könnten, dahingegen sie von Christo und seiner Gnade schwiegen». 96 1720 berief er Johann Arnold Nolten (auch Noltenius genannt, geb. 1683 bei Bielefeld) als Hofprediger und Religionslehrer.97 Friedrichs Katecheten waren also Deutsche. Von ihrem Unterricht sind keine Unterlagen erhalten. Es existiert lediglich eine deutsche Abschrift von Stellen des Neuen Testaments, die man den siebenjährigen Kronprinzen hat anfertigen lassen. 98 Da die Predigten, die von Andrea und Nolten veröf-
92
Reglement in Cramer 1833, 20-25. Quelle: Instruktion von 1721, cf. Bratuscheck 1885, 24. Preuß 1832, 15. SayousII, 1971, 166. Friedrich Wilhelm I. zit. nach Thadden 1959, 15. Cramer 1833, 47^18. Berney 1934, 8.
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Les deux ou trois minutes que je mis ä lui dire ce qui precede, lui donnerent le temps de se calmer. II m'ecouta comme il savoit ecouter quand il le vouloit, e'est-adire, avec une extreme attention, et sans me quitter des yeux. Lorsque j e fus arrive ä mes dernieres phrases, sa main alia reprendre sa plume, comme machinalement, et sans aucun autre derangement dans son attitude; de sorte qu'ä l'instant oü j e cessai de parier, il me dit d'un air tout-ä-fait remis et pose: Je la lui dictai telle que je l'avois proposee dans mes remarques, et il l'ecrivit sans aucune repugnance; apres quoi, il me remit le cahier, en me disant qu'il me prioit d'en faire la lecture ä la prochaine seance publique de l'Academie».' 7 2
Nach der zornigen Verteidigung seiner eigenen Formulierung beugte sich der König also letzlich doch den Argumenten des Muttersprachlers.
372
Thiebault I, 1804, 100-105.
143
4.2.3.7
Algarotti
Alle Freunde des Königs ohne Ausnahme mussten seine Schriften lesen und mit ihm besprechen. Selbst Graf Algarotti, 373 obwohl seine Muttersprache das Italienische war, wurde um seine Meinung gebeten. Dieses Faktum zeigt, dass dem Dichter weniger an grammatikalischen Einwänden, als vielmehr an einer stilistischen Würdigung seiner Schriften gelegen war. Im Januar 1750 schrieb Friedrich an den Venezianer: «Vous me ferez plaisir de me dire votre sentiment sur ce que vous jugerez qui exige des corrections. Je vous dois des remarques excellentes que vous m'avez fait faire sur une infinite de mes pieces, et vous augmenterez l'obligation que je vous ai, en me parlant sincerement sur mon nouveau memoire». 3 7 4
Algarotti antwortete allerdings lediglich mit allgemein gehaltenem Lob. 4.2.3.8
Zusammenfassung
In den Zeitzeugenberichten, in seinen Briefen und nicht zuletzt in seinen Gedichten und Abhandlungen tritt Friedrich II. deutlich als eine Person hervor, deren liebste Freizeitbeschäftigung es war zu schreiben (und zu reden). Angesichts der zahllosen Poesien, die er über die seltsamsten Inhalte - über seinen Koch, seine Hunde, über die Frühjahrsrevuen, über all seine Freunde ... - verfasste, schien das Epitheton, das er sich selbst verlieh, in der Tat zuzutreffen: metroman. Die Zeitzeugen lassen durchblicken, dass sich Friedrich II. für einen großen französischen Dichter hielt, und die Prosa des Königs versetzt den Leser auch heute noch in der Tat in Erstaunen. Aufgrund dieses Überzeugtseins von den eigenen stilistischen Fähigkeiten war es für die Frankophonen seiner Umgebung eine heikle Aufgabe, mit ihm über seine Schriften diskutieren zu müssen. Einerseits seiner Sprachbegabung sicher, andererseits sich aber auch dessen bewusst, kein perfekter Muttersprachler zu sein, ließ er sich, wenn man sich die Masse der erhaltenen Hinweise auf die Korrektorentätigkeiten der zahlreichen oben genannten Mitarbeiter durchsieht, anscheinend wirklich fast alle seine Erzeugnisse durchsehen. Was man aber an Korrekturen tatsächlich findet, betrifft meist stilistische Änderungen. Die morphosyntaktischen und lexikalischen Fehler sind nicht sehr gewichtig. So scheint das Zeugnis des langjährigen Kammerdieners Schöning zuzutreffen, dass sich die Einflussnahme der Freunde und Mitarbeiter im Allgemeinen auf Orthographie und Stil beschränkte. 375 Der Monarch zog alle verfügbaren, gebildeten Frankophonen wohl auch deswegen zu Rate, weil es 373 374
375
Zur Person cf. oben p. 94. (Euvres XVIII, 83. Es handelte sich um den Essai sur les lois-, Dank für und Bitte um Kritik an mehreren Gedichten finden sich auch im Brief vom 19.5.1740. Schöning 1808, 60: «Im übrigen schrieb er so wohl französisch als deutsch sehr undeutlich und schlecht, und bekümmerte sich wenig um die Orthographie. Seine Aufsätze wurden von einem Kopisten ins Reine geschrieben, und die Werke, die er in Druck gab, größtenteils von einem Gelehrten im Styl verbessert».
144
ihm unendliches Vergnügen bereitete, über Stilfragen zu diskutieren. Der einzige, von dem sich Friedrich einiges gefallen ließ, 376 war Voltaire, jedoch nicht ohne den Versuch zu unternehmen, Gegenangriffe auf dessen Schreibart zu führen.
4.3
Der Sprachgebrauch des Regenten
Um einen realistischen Überblick über den sprachlichen Alltag Friedrichs II. zu erreichen, darf seine Tätigkeit als Staatsmann nicht außer Acht gelassen werden. Wendet man den Blick nämlich nur dem Dichter, Philosophen und Gastgeber Friedrich II. zu, könnte leicht der Eindruck einer «extraterritorialen», rein frankophonen Existenz entstehen. Doch bei näherer Betrachtung seiner Regententätigkeit begreift man schnell, dass der Hohenzoller sehr fest im deutschen Boden verankert war und sich als oberster Feldherr, Richter, Gesetzgeber und als Spitze der Verwaltung bis ins kleinste Detail mit den Realitäten seines Landes auseinandersetzte. Bei seiner Regierungsarbeit gebrauchte der König tagtäglich auch die deutsche Sprache. Wie im Folgenden gezeigt wird, war er vor allem für die Abwicklung militärischer und innenpolitischer Angelegenheiten gezwungen, das Deutsche zu verwenden. Um der Frage, bei welchen Arbeiten Friedrich II. welche Sprache verwendete, nachgehen zu können, ist es zunächst vonnöten, sich in groben Zügen den Aufbau der preußischen Administration zu vergegenwärtigen, damit daraufhin die verschiedenen Arbeitsabläufe in sprachlicher Hinsicht untersucht werden können.
4.3.1
Verwaltungsarbeit
Friedrich II. fand bei seiner Thronbesteigung einen straff geführten, gut funktionierenden Verwaltungsapparat vor, den sein Vater Friedrich Wilhelm I., der als Preußens größter «innerer König» gilt, 377 mit harter Hand aufgebaut hatte. Friedrich II. nahm an der Struktur des von seinem Vater geschaffenen preußischen Militär-, Wirtschafts- und Verwaltungsstaates während seiner 46jährigen Regierungszeit keine wesentlichen Veränderungen vor. 378 Die Idee der Gewal376
Nicht nur in sprachlicher Hinsicht, cf. Voltaire an Friedrich, 15.4.1760, KD III, 96: «Chaque esprit a son caractere; / Je congois qu'on a du plaisir / A savoir, comme vous, saisir / L'art de tuer et l'art de plaire». KD III, 284, 8.12.1773: «[... ] que vous me pardonniez [... ] la haine cordiale que j ' a i pour votre metier de Cesar». Darauf Friedrich am 29.3.1774, KD III, 294: «Demeurez jeune longtemps, haissez-moi encore longtemps, dechirez les pauvres militaires, decriez ceux qui defendent leur patrie, et sachez que cela ne m'empechera pas de vous aimer».
377
Baumgart 1979, 301. Bis auf die verstärkte Einsetzung von Kammerdeputationen (Neugebauer 1977, 98) und eine stärkere Trennung von Justiz und Verwaltung (Baumgart 1979, 311).
378
145
t e n t e i l u n g , d i e L o c k e u n d M o n t e s q u i e u v e r f o c h t e n hatten, w a n d t e F r i e d r i c h II. n i c h t auf s e i n e n Staat an, s o n d e r n v e r v o l l k o m m n e t e v i e l m e h r n o c h die b e r e i t s von s e i n e m Vater p r a k t i z i e r t e a b s o l u t i s t i s c h e H e r r s c h a f t s w e i s e o h n e R a t g e b e r « a u s d e m K a b i n e t t » . 3 7 9 I m P o l i t i s c h e n T e s t a m e n t v o n 1752 u m r i s s d e r a u f g e klärte A b s o l u t i s t seine A r b e i t s a u f f a s s u n g u n d A r b e i t s w e i s e f o l g e n d e r m a ß e n : «Le Souverain est Le premier Serviteur de l'Etat; il est bien peye pour quil Soutiene La Dignite de son Caractere; mais on demande de Lui quil travaille eficassement pour le bien de L'etat et quil Gouverne aumoins avec atantion Les principales affaires. II Lui faut Sans doute des Secours; le Travail des details est trop Vaste pour lui, mais il doit ecouter les plaintes de tout Le Monde et faire rendre prompte justisse a ceux qu'on veut oprimer. [... ] Nous avons ici Le Grand Directoire, les Coleges de la justisse et Les Ministres du Cabinet, qui envoyent tout Les jours leur depeches au Souverain avec des Memoires plus detaillez sur les affaires qui demandent sa Decission. Les Ministres exspossent meme Le pour et Le Contre dans Les Cas Litigieux ou Dificiles, ce qui met Le souverain en etat de prendre son parti du premier Coup d'oeuil, pour Vu quil se donne La pene de Lire et de bien entendre L'afaire proposee. Un esprit Juste saisit avec facilite Le point Capital d'une Question. Cete metode d'exspedier Les affaires est preferable a L'Ussage de Conseils qu'on pratique ailleurs, a cause que Ce n'est pas des Grandes Compagnies que resultent des Avis sages, [ . . . ] . [... ] j e n'ai qu'un Secretaire (de la fidelite du quel je suis assure) dont je me sers, [ . . . ] . Les Ministres ne sont chargez ici que des affaires de L'Empire; tout ce qui est Negotiation d'Importance, traite ou alliance, passe par mes Mains». 3 8 0 A u s d e m Z i t a t w i r d F r i e d r i c h s II. A n s p r u c h auf u n u m s c h r ä n k t e S e l b s t h e r r s c h a f t ersichtlich. D a s g e s a m t e S t a a t s w e s e n , das im F o l g e n d e n k u r z skizziert w i r d , w a r auf seine P e r s o n als o b e r s t e E n t s c h e i d u n g s i n s t a n z hin z u g e s c h n i t t e n . D e r A u f b a u d e r V e r w a l t u n g g l i e d e r t e sich u m 1775 w i e f o l g t : 3 8 1 -
Obere Verwaltungsebene: -
D a s G e n e r a l d i r e k t o r i u m f u n g i e r t e als z e n t r a l e Institution f ü r i n n e r e A u f g a b e n , das F i n a n z w e s e n s o w i e d i e M i l i t ä r v e r w a l t u n g u n d b e s t a n d b e i F r i e d r i c h s R e g i e r u n g s a n t r i t t aus vier, bei s e i n e m T o d aus a c h t D e p a r t e m e n t s , d e n e n j e w e i l s ein M i n i s t e r v o r s t a n d . D i e D e p a r t e m e n t s e r f ü l l t e n einerseits r e s s o r t s p e z i f i s c h e A u f g a b e n , a n d e r e r s e i t s w a r d i e A d m i n i s t r a t i o n d e r P r o v i n z e n auf e i n i g e unter i h n e n verteilt. 3 8 2
379 380 381 382
Cf. Hinrichs 1942, 83, Baumgart 1988, 210-211. Dietrich 1986, 328. Nach Hubatsch 1973, 240-243, Leuschner 1986, 187-191, Härtung 1942, 11-30. 1. Departement: Pommern, Neumark, Tresor, Münzwesen, Preußen, Litthauen, Westpreußen, Kassen-, Grenz-, Rodungs- und Räumungssachen. 2. Departement: Kurmark, Mühlsteinregal, Karten- u. Stempelsachen, Generalpostamt. 3. Departement: Cleve, Mark, Geldern, Moers, Ostfriesland, Neuchätel, Montfort, Turnhout, Minden, Ravensberg, Halberstadt, Hohenstein, Tecklenburg, Lingen, Mag146
-
Justiz-Departement, dem der Großkanzler vorstand.
-
Geistliches Departement
-
Kabinetts-Ministerium (= Auswärtiges Departement) mit drei Ministern als außenpolitische Berater.
-
Mittlere Verwaltungsebene (= Provinzialverwaltung): Die zwölf Kriegs- und Domänenkammern in Königsberg, Gumbinnen, Marienwerder, Stettin, Breslau, Glogau, Küstrin, Magdeburg, Minden, Aurich und Cleve bildeten die eigentlichen Provinzialregierungen. Sie waren Exekutivbehörden mit mannigfaltigen Aufgaben: Einziehung und Verwaltung staatlicher Einnahmen, polizeiliche Aufgaben, Armeeverpflegung, Rechtspflege. Die Kammerpräsidenten mussten dem König monatlich schriftlich über die Lage in ihren Provinzen berichten. Diese Berichte waren deutsch verfasst.
-
Untere Verwaltungsebene (= Lokalbehörden): Steuerräte, Landräte, Bürgermeister, Magistrate.
Was die hier interessierende Sprachenfrage betrifft, so gilt es festzustellen, dass die Amtssprache der preußischen Verwaltung natürlich Deutsch war. Die Durchsicht der Edikte, Mandate, Reskripte, Dekrete, Patente, Instruktionen etc., die während der Regierungszeit Friedrichs II. aus der preußischen Administration hervorgegangen sind, zeigt, dass nur Verlautbarungen, die Angelegenheiten der französischen Kolonie, 383 den internationalen Handel 3 8 4 oder die 1766 eingeführte Regie 3 8 5 betrafen, in deutscher und französischer Fassung ausgefertigt
383
384
385
deburg. 4. Departement: Handelsstatistik, Zoll und Akzise (Regie). 5. Departement: Kommerzien und Fabriken, Manufaktur-Kommission, Kolonistensachen. 6. Departement: Militärsachen, Geheime Kriegskanzlei, Servissachen, Generalproviantamt u. Magazine, Salpetersachen, Invalidensachen. 7. Departement: Bergwerks- und Hüttenwesen. 8. Departement: Forstsachen. Ζ. B. Mylius, N.C.C.M. V [ 1 ], Sp. 357-360, Rescript an das französische Obergericht, 5.11.1771, in dt. u. frz. Fassung. Ζ. B. Mylius, N.C.C.M. V [1], Sp. 513-546, Patent, wegen Errichtung einer SeeHandlungs-Gesellschaft, 14.10.1772, in dt. u. frz. Fassung, ebenso in dt. u. frz.: Königliche allergnädigste Declaration den Transito betreffend, 14.5.1771, Mylius, N.C.C.M. V [1], Sp. 187-200. Unter Regie verstand man die 1766 vom König wegen zu niedriger indirekter Steuereinnahmen gegründete «Administration generale des accises et des peages», für deren Leitung der König fünf französische Steuerfachleute aus Frankreich nach Preußen holte. In den Büros und an den Grenzkontrollposten der preußischen Regiebehörde arbeiteten ungefähr 2000 Regisseure, von denen etwa 200 Franzosen waren. Die französischen Steuereintreiber waren bei den Einheimischen sehr verhasst. Cf. Hubatsch 1973, 141-142, Koser III, 1925, 229. Mit dem Chef der Regie, dem Franzosen De
147
wurden. Die Schriften, die von staatlicher Seite veröffentlicht wurden, waren also, abgesehen von den drei gerade genannten Bereichen, deutsch, und auch die Arbeitssprache der Beamten war Deutsch. Wie gestaltete sich nun in sprachlicher Hinsicht die Zusammenarbeit zwischen dem Monarchen, der nach eigener Aussage Deutsch nur «wie ein Kutscher» 386 sprach, und seinem deutsch sprechenden und schreibenden Verwaltungsapparat? Zur Arbeitsweise des Regenten ist zunächst zu sagen, dass er mit seinen Ministern wie überhaupt mit allen Gliedern der Verwaltung in der Regel nur schriftlich kommunizierte. 387 Das Generaldirektorium, die Kammerpräsidenten, die Justizkollegien und die Kabinettsminister schickten regelmäßig Berichte an den Monarchen sowie gegebenenfalls Denkschriften, in denen kritische Sachverhalte, die der Entscheidung des Königs bedurften, eingehender auseinandergesetzt wurden. Das Generaldirektorium, die Kammerpräsidenten und die Justizkollegien, also die Stellen die preußeninterne Belange zu bearbeiten hatten, wandten sich auf Deutsch an den König; die Kabinettsminister, die dem Auswärtigen Departement vorstanden, und die Gesandten an fremden Höfen schrieben dem Monarchen französisch, war doch das Französische die für den diplomatischen Schriftverkehr vorgeschriebene Sprache. 388 In der jeweiligen Sprache antwortete der König, manchmal mit eigenhändigen Handschreiben, meist jedoch in Form von Kabinettsordern, die von Kabinettsräten nach seinen stichpunktartigen Vorgaben formuliert wurden. Abgesehen von seinen alljährlichen, mehrwöchigen Revuereisen durch die verschiedenen preußischen Provinzen, 389 bei denen er sich mit eigenen Augen und durch intensive Befragungen seiner Beamten und gelegentlich der Untertanen von der Wirksamkeit seines Staatsapparates zu überzeugen suchte, bestand seine alltägliche Regierungsarbeit also hauptsächlich im Durchlesen und Beantworten von unzähligen Berichten und Suppliken, die von allen Stellen der Verwaltung und auch von Privatpersonen an ihn gerichtet wurden. Einzelne Per-
386 387 388 389
Launay, kommunizierte Friedrich II. in der Regel französisch (ζ. Β. Α. B. 3 [1], Nr. 126, 127, 134, 135, 148, etc.), aber auch oft deutsch (ζ. Β. Α. B. 3 [1], Nr. 130, 135, 139, 144, 173, etc.). Cf. oben p. 78. Schon Friedrich Wilhelm I. hatte so regiert (Neugebauer 1977, 95). Cf. Kabinettsorder vom 2.6.1740 unten p. 159. Auf diesen Reisen sprach er deutsch mit Beamten, Kaufleuten, Handwerkern, Fabrikanten und der Landbevölkerung. Schilderungen von Revuereisen und Gesprächen mit Beamten und Untertanen bei Hinrichs 1942, 103-290. Laut Koser II, 1903, 364-365 kam Friedrich II. gern überraschend zu solchen Inspektionen und befragte dann auch Arbeiter zum Fortgang von Bauprojekten, ζ. B. unterhielt er sich im Juli 1775 im Holmer Bruch mit einem Grabenwärter. Er pflegte sich dann aber auf Frz. Notizen zu Verbesserungsmöglichkeiten in den Provinzen zu machen; was er sich für Schlesien im Herbst 1780 notierte, steht bei Koser II, 1903, 365.
148
sonen, ζ. Β. der Müller Arnold aus Pommerzig, der ein Gerichtsurteil nicht akzeptieren wollte, 390 Witwen, die um bessere Versorgung baten, 391 Beamte oder Militärs, die befördert werden wollten, 392 etc. wandten sich anscheinend je nach Bildungsgrad oder sprachlicher Vorliebe auf Deutsch oder Französisch an den König. Diese Eingaben sind jedoch selten erhalten, sodass über die sprachliche Form der Bittschriften und Nachfragen hier keine sicheren Angaben gemacht werden können. In Abschriften vorhanden sind jedoch im Berliner Geheimen Staatsarchiv in den sogenannten Minüten all die Schriftstücke, die vom königlichen Kabinett die Verwaltung betreffend expediert wurden. Die Durchsicht dieser Folianten zeigt, dass der allergrößte Teil der ausgehenden Handschreiben deutsch war, abgesehen von Schriftstücken aus den drei bereits oben genannten Bereichen (Regie, französische Kolonie, internationaler Handel); außerdem sind Antworten an adlige Bittsteller oft französisch. 393 Es schien das Prinzip befolgt worden zu sein, dass der, der deutsch geschrieben hatte, eine deutsche, der, der sich auf Französisch an den König gewandt hatte, eine französische Antwort erhielt. 394 Daher mussten die drei, später vier Kabinettssekretäre, mit deren Hilfe Friedrich II. die Masse des eingehenden und ausgehenden Schriftverkehrs bewältigte, in der Lage sein, in beiden Sprachen zu schreiben. Die Kabinettsräte waren allesamt Preußen. 395 Nicht immer war der König mit der umständlichen deutschen und der holprigen französischen Ausdrucks weise der von ihnen formulierten Schreiben zufrieden. 396 Der Kabinettsrat, der am höchsten in Friedrichs Gunst stand, der ihm am längsten und teilweise sogar in ratgebender Funktion diente, war August Friedrich Eichel. 397 Die Aufgabe der Kabinettsräte war es zunächst, bevor der Monarch aufstand, die eingegangene Post zu sortieren. 398 Briefe von adligen Absendern gingen direkt an den König, der sie beim Frühstück las. Briefe von Bürgerlichen sowie Berichte und Anfragen einzelner Verwaltungsbehörden wurden von den Kabinettssekretären geöffnet. Am Vormittag wurden die Kabinettsräte nacheinander zum Vortrag ins königliche Kabinett gerufen, d. h. sie lasen dem Monarchen die
390 391 392 393
394 395
396 397 398
A . B . 16 [2], Nr. 448. Ζ. Β. Α. B. 16 [1], Nr. 193, Rep. 96. B. 80, 9.1.1780. Ζ. B. Rep. 96. B. 80, 20.1.1780. Durchgesehen wurden: I. HA, Rep 96 Β 25 (1742), Rep 96 Β 80 (1780), Rep 96 Β 84 (1784). Diese Einschätzung äußerten bereits Preuß I, 1832, 363, Borchardt 1937, 3. Es gab im Chiffrierbüro einige Hugenotten: Breton, Perrot, Sellentin. Als Kabinettssekretär arbeitete zudem ab 1750 Laspeyres. Hinrichs 1942, 97, 99 Anm. 2. Cf. unten p. 158 u. p. 163, cf. auch PC I, Nr. 372. Zur Person und Tätigkeit Eichels: Α. B. 6 [1], 63-64. Beschreibung der Arbeitsabläufe von Baron von Diebitsch, der ab 1765 Adjutant und Quartiermeisterlieutenant im persönlichen Gefolge des Königs war, cf. Diebitsch 1918, Auszüge in Volz 1909, 40^-6, Beschreibung des Kammerdieners Schöning in Schöning 1808, 4-24, Hinrichs 1942, 89-95, cf. auch Α. B. 6 [1], 65.
149
wichtigen Schriftstücke vor und fassten den Inhalt einiger Berichte und Suppliken bisweilen mündlich zusammen. Bei Schriftstücken, die er selbst gelesen hatte, vermerkte der König seine Entscheidung manchmal eigenhändig am Rand. Hierbei schrieb er seine Marginalresolution deutsch auf deutsche Schreiben. Ein Beispiel für eine solch eigenhändig verfasste Entscheidung zeigt die Abbildung 5. Bei dieser Marginalresolution mit der berühmten Formulierung, dass in Preußen «ein jeder nach Seiner Faßon Seiich werden» müsse, geht es um die Frage des Erhalts der katholischen Schulen für katholische Soldatenkinder, die Friedrich Wilhelm I. eingerichtet hatte. Wie in fast allen deutschen Handschriften der Zeit lässt sich auch in dieser Abbildung das Phänomen beobachten, dass Fremdwörter in lateinischer Schrift wiedergegeben werden, wobei durch die Schrift genau zwischen fremdem Wortstamm und eindeutschendem Suffix unterschieden wird; in den Verwaltungsakten war es zudem üblich, Eigennamen durch lateinische Schrift abzusetzen. Meistens diktierte der Autokrat seine Resolutionen den Kabinettsräten, die sie mit Bleistift am Rand oder auf der Rückseite des eingegangenen Schreibens notierten. Die Mitschriften der Sekretäre sind in allen Verwaltungs- und Militärangelegenheiten deutsch. Erst nach dem Siebenjährigen Krieg wurde es üblich, dass dem König kleinere Sachen, insbesondere Bittschriften, in Form von kurzen schriftlichen Zusammenfassungen vorgelegt wurden. Dies sind die sogenannten «Extrakte zu den Kabinettsvorträgen». 3 9 9 Dieses System wurde wohl eingeführt, weil man den Monarchen bei diesen weniger wichtigen Angelegenheiten nicht mit dem Vorlesen der ganzen Anschreiben belasten wollte. Die Kanzlei fertigte die Extrakte immer deutsch an, anscheinend selbst dann, wenn die ursprüngliche Eingabe französisch war, denn auch die Anfragen von französischen Schauspielern, hugenottischen Pastoren und Adligen sind deutsch zusammengefasst. Bis ins Jahr 1773 stehen neben diesen Kurzzusammenfassungen die vom König eigenhändig und ausnahmslos deutsch verfügten Entscheidungen. Nach diesem Jahr wurde die Resolutionen meist vom Sekretär notiert. Auch diese Mitschriften sind deutsch. Die Randentscheidungen Friedrichs II. waren nur für die Augen und Ohren der Kabinettssekretäre bestimmt. Diese hatten die oft harschen Formulierungen des Königs im Laufe des Vormittags in ein kanzleiförmiges Antwortschreiben umzusetzen. Ein Beispiel für Friedrichs II. sehr direkten Stil ist die Abbildung 6. Dabei handelt es sich um die Marginalresolution am Rand des von der Kanzlei gemachten Extrakts aus einer Anfrage des Obersten von Forcade. Aufgrund der Tatsache, dass in Verwaltungsangelegenheiten die Extrakte, die eigenhändigen Marginalresolutionen ebenso wie die Mitschriften der Kabinettssekretäre deutsch sind, kann davon ausgegangen werden, dass die Arbeitssprache 399
Durchgesehen wurden: I. HA, Rep 96 Β Nr. 133 (1766), Nr. 135 (1768), Nr. 138 (1771). 150
Abb. 5: Eigenhändiges Marginal Friedrichs II. für den Generalfiskal Uhden am Rand des Berichts des Ministers des geistlichen Departements und Konsistorialpräsidenten von Brand und des Vizepräsidenten von Reichenbach vom 22.6.1740 (Volz 1909, 7, Quelle Preußisches Geheimes Staatsarchiv). Übertragung: Ob nun, bey so bewandten Umbständen, die Römisch-Catholische Schulen bleiben sollen? oder was sonst dem General Fiscal, Uhden, welcher den 13. hujus in der Sache allerunterthänigst berichtet hatt, zum Bescheide zu ertheilen sei ? solches dependi'ref von Eu. Königl. Maj. allerhöchstem Befehl. Berlin den 22ten Junii 1740. Entscheidung Friedrichs II.: Die Religionen müsen alle Tolleriret werden und Mus der fiscal das auge darauf haben, das Keine der andern abruch tuhe, den hier mus ein jeder nach Seiner Faßon Seiich werden. Fr. des Königs im Umgang mit den für die inneren Angelegenheiten zuständigen Kabinettsräten Deutsch war. Was die zahlreichen deutschen Mitschriften der Entscheidungen Friedrichs II. von der Hand der Sekretäre betrifft, erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass die Kabinetts Sekretäre beim Diktat eventuelle französische Äußerungen des Königs ad hoc ins Deutsche übersetzt hätten. Dazu hätten sie gar keine Zeit gehabt, und die Wortwahl ihrer Mitschriften ist viel zu typisch für Friedrich II., als dass es sich um Übersetzungen handeln könnte. So schrieb der Kabinetts Sekretär Stellter am Rande eines Extrakts aus der Anfrage des Landrats v. d. Schulenburg als königliche Antwort beispielsweise mit: «Soll doch keine Chicanen machen, was hat er sich davon zu meliren? So geht es, wenn solche junge Windbeutel zu Landräthen gemacht werden, da machen sie lauter dummes Zeug». 400 400
A.B. 16 [1], Nr. 358.
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Abb. 6: Eigenhändiges Marginal Friedrichs II., 12.4.1768, am Rand der von der Kanzlei formulierten Zusammenfassung der Anfrage des Oberst von Forcade (Volz 1909, 45, Quelle Preußisches Geheimes Staatsarchiv). Übertragung: Der Obriste v. Forcade bittet allerunterthänigst, da der v. Itzenplitz seine jüngste Tochter zu heyraten in begriff ist, den Woellner, der des v. Itzenplitz Schwester geheyratet, indem er durch obige Heyrat mit ihm alliirt wird, z.u nobilitiren, und demselben seines oncles Mütterlicher Seite des verstorbenen Etat-Minister v. Katsch Wapen zu führen allergnädigst zu erlauben. Marginalresolution: Das gehet nicht an, ich anoblire wan einer Sich durch den Degen Meriten erwirbt, aber der Wölner ist ein betrigerscher und intriganter Pfafe weiter nichts.
Da der König mit den Kabinettssekretären deutsch sprach, ergab es sich gelegentlich, dass am Rande eines französischen Handschreibens an Friedrich II. seine dem Sekretär deutsch diktierte Antwort steht, die dann unter Umständen wiederum in eine französische Antwort umgewandelt wurde. 401 Auch mit seinen Departementsministern schien Friedrich II. bei Audienzen und den Ministerrevuen meistenteils deutsch zu sprechen. Dies legen jedenfalls die Denkwürdigkeiten des Ministers Grafen von der Schulenburg nahe, in denen Schulenburg deutsche Diskussionen mit dem Herrscher wiedergibt. Einmal 401
Beispiele: Α. B. 6 [2], 229, dt. Mitschrift des Sekretärs am Rand eines frz. Schreibens vonPodewils vom 12.10.1741 cf. unten p. 162.
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notierte der Minister ausdrücklich, dass der König vom Deutschen zum Französischen überging. 4 0 2 Den dialektalen, derben, bilderreichen und pointierten Stil, der dem König in seinen deutschen Marginalresolutionen eigen war, sollen über die abgebildeten Faksimile hinaus noch einige Beispiele illustrieren: Extrakt der Kanzlei (10.2.1768): Der Cammer Director Lehmann zu Gumbinnen, dessen ältester Sohn anno 1757 bey dem von Thadderschen Regiment in Dienste getreten und durch seine bey aller gelegenheit erzeigte gute conduite zum Lieutenant dabey avanciret nunmehr aber, weil er bürgerlichen Standes, bey dem Puttkammerschen Guarnison Regiment als Premier Lieutenant versetzt worden ist, bittet allerunterthänigst denselben und seinen bey dem Apenburgschen Regiment stehenden jüngsten Sohn in den Stand des Adels allergnädigst zu versetzen. Eigenhändige Entscheidung des Königs: «ich leide kein unadlich geschmeis unter der armee es ist genung das sein Sohn bei einem Garnison regiment als officier passiret». 4 0 3 Extrakt der Kanzlei (4.9.1777): Der Minister Baron v. Heinitz bittet, ihm die Auszahlung des ihm ausgesetzten Tractaments von der Zeit seiner Vocation an, auch die Dispensation von Erlegung der Chargen-Jurium allergnädigst zu accordiren. Eigenhändige Entscheidung des Königs: «von nuhn an, man futert die Henen, die brühten, aber nicht diejenige, die nicht legen» 4 0 4 Ein Pfarrer in Pommern hatte in der Predigt Zweifel an der Auferstehung des Leibes am jüngsten Tage ausgesprochen. Auf die Bitte der Gemeinde, deshalb einen anderen Pfarrer zu bestellen, entschied Friedrich II.: «Der Pfarrer bleibt. Wenn er am jüngsten Tage nicht mit aufstehen will, kann er ruhig liegen bleiben». 4 0 5 Der Major vom Ingenieur-Korps la V. entschuldigt seine kurze Entfernung vom Dienst mit Krankheit: «Das wehre ganz recht er Sol nicht So Vindisch wie die Franzosen Seindt undt thun seine Dienst mit aplication» 4 0 6 An eine Kabinettsorder betreffend einen Gesangbuchstreit setzt der König an die Reinschrift hinzu: «Ein jeder Kann bei mir glauben was er will, wenn er nur ehrlich ist. Was die Gesangbücher angeht, so steht einem jeden frei zu singen: oder dergleichen dummes und thörigtes Zeug mehr.
402
403 404 405 406
«[...] der König ging zu Handlungs- und anderen allgemeinen Angelegenheiten in französischer Sprache über und ward ganz freundlich». Naude 1902, 98. In Schulenburgs Bericht finden sich auch Ausdrucksweisen, die Friedrich II. häufig, um jemanden zu tadeln, gebrauchte, ζ. B. «sonst kriegt er auf die Finger» oder das innerhalb deutscher Rede ironisch verwendete «monsieur». Naude 1902, 98-99, cf. unten p. 169. Rep 96 Β Nr. 135, Blatt 60. A.B. 16 [1], Nr. 341. Zit. nachBorchard I, 1937, 87. Zit. nach Borchard I, 1937, 29. 153
Aber die Priester müssen die Toleranz nicht vergessen, denn ihnen wird keine Verfolgung gestattet werden». 4 0 7 Gegen 15 Uhr mussten die Kabinettsräte auf der Basis ihrer am Morgen gemachten Mitschriften bzw. entsprechend dem Inhalt der königlichen Marginalresolutionen fertige Kabinettsordern ausformuliert haben, die dann dem König zur Unterschrift vorgelegt wurden. Die Kabinettsordern besaßen Gesetzeskraft und mussten von seinen Beamten widerspruchslos in die Tat umgesetzt werden. Durchschnittlich beantwortete der Monarch täglich zwölf Eingaben per Kabinettsorder. 408 Manchmal setzte er unter die von den Kabinettsräten geschriebenen Kabinettsordern noch ein paar eigenhändige Zeilen - je nach Sprachkompetenz des Adressaten auf Französisch oder Deutsch - um seinem Willen Nachdruck zu verleihen. Den Etatsminister Horst ermahnte Friedrich in einer Kabinettsorder vom 27.10.1768 erst auf Deutsch (von Schreiberhand), dann auf Französisch (eigenhändig) zur besseren Zusammenarbeit mit der Regie: «Es ist nicht genug, daß Ihr wegen des Eingangs fremder Tücher, als worüber sich das Lagerhaus beschweret, Mich an die Controlleurs provinciaux und de ville und deren schlechte Aufsicht, und so von Herodes zu Pilatus verweiset, Ich will, daß hierunter remediret werde, und Ihr Euch zu dem Ende mit der Regie zusammen thun und verstehen und die dagegen dienliche Maßregeln ausmitteln und zur execution bringen lassen sollet. Mit alle dem Disputiren über die Brigaden und deren Placirung kommet am Ende nichts weiter heraus, als daß Ich darunter leide, und dieses bin Ich Eurer Uneinigkeiten wegen länger zu thun nicht gemeinet. Genug Ihr wisset hierunter Meinen Willen, und der muß ohne weitere Einwendung befolget werden. Je Vous l 'ai deja dit ici, Je ne veux point entendre parier de desharmonie dans la Regie des revenues de l 'Etat, il ne faut ni jalousie ni intrigues on Me forcerai 409 ά mettre dehors les Intriguants qui ne veulent pas M'obe'tr et qui patent Mes affaires»,410
Es fällt auf, dass er für solche eigenhändigen Zusätze das Französische bevorzugte und nur selbst etwas Deutsches hinzufügte, wenn es sich um einen Adressaten handelte, dem er - aus welchen Gründen auch immer - stets nur Deutsch schrieb. 41 ' 407
408 409 4,0 411
Zit. nach Borchard I, 1937, 79, Ausdruck und Orthographie von Borchard weitgehend verbessert. Hubatsch 1973, 223. Gemeint: forcerait. Α. B. 3 [1] (Handels-, Zoll u. Akzisepolitik), Nr. 142. Beispiele für eigenhändige frz. P. S. an deutschen Briefen von Schreiberhand: an Podewils, PC I, Nr. 416, 427, 484, PC II, Nr. 853, an Generalmajor v. Truchsess, PC I, Nr. 629, an Generalfeldmarschall Ferdinand v. Braunschweig-Wolfenbüttel, PC XV, Nr. 9413, an Generalmajor v. Zastrow, PC XXI, Nr. 13199, Generallieutenant Friedrich Eugen v. Württemberg, PC XXI, Nr. 13215; dt. eigenhändige P. S. ζ. B.: an Winterfeld PC XIV, Nr. 8719, an Erbprinz von Anhalt-Dessau, PC I, Nr. 612, an Generallieutenant August-Wilhelm von Braunschweig-Bevern, PC XIV, Nr. 8664, 8665, 8720, 8721, 8872.
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Um die große Menge der eingehenden Denkschriften und Anfragen schneller erledigen zu können, drängte Friedrich II. seine Beamten zu einer knappen und verständlichen Ausdrucksweise. Wenn Berichte weitläufig formuliert waren, beschwerte er sich, so in der folgenden Kabinettsorder an das General-Directorium vom 26.9.1740. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass die folgenden Kabinettsordern nach den Anweisungen des Königs, aber nicht von ihm selbst formuliert wurden. Eigenhändig deutsch geschrieben sind von ihm nur Marginalien wie die weiter oben abgebildeten sowie wenige Briefe oder Postskripta an einige Militärs. «S. Κ. M. haben bereits verschiedentlich erinnert, daß die Anfragen und Vorstellungen des General-Directorii nicht so weitläufig gemacht, sondern kurz und deutlich gefasset werden sollen. Da aber dieses dennoch nicht geschiehet, vielmehr fast noch täglich viele undeutliche und mit unnöthigen historischen Erzählungen angefüllete Anfragen einkommen, mit deren Durchlesung Sie die Zeit verderben, so befehlen Höchstdieselben Dero General-Directorio hierdurch nochmals in Gnaden, die expedirende Secretarien dahin anzuweisen, auch selbst dahin zu sehen, daß inskünftige die Vorstellungen und Anfragen nach Dero Intention und Ordre eingerichtet werden müssen, widrigenfalls Sie veranlasset werden dürften, eine solch einkommende weitläufige Anfrage höchsteigenhändig, so wie sie sein muß, zu fassen und ihnen dergestalt die Möglichkeit, solche kurz und doch deutlich einzurichten, zu zeigen». 412
Auch in späterer Zeit sah sich der König noch zu solchen Ermahnungen zur Klarheit genötigt, beispielsweise an die Oberamtsregierung in Glogau am 11.1.1781: «S. Κ. M. haben Dero Glogauschen Oberamtsregierung, auch Kammer, den gemeinschaftlichen Bericht über das Gesuch der katholischen Bürgerältesten zu Grünberg vom 5. dieses zwar erhalten; es ist solcher aber so confus und undeutlich abgefasset, daß man daraus gar nicht klug werden kann. Höchstdieselben verlangen daher einen anderweiten deutlichen Bericht, aber nicht von Dero Präsidenten von Cocceji, denn der kann nur Rätsel schreiben, sondern von Dero Kammerdirektor von Prittwitz, der soll über die Sache klar und deutlich berichten. Wornach sie sich also zu achten». 413
Zu viele lateinische Ausdrücke, die Berichte für ihn unverständlich werden ließen, duldete der Preußenkönig nicht. Daher sandte er dem Etatsminister von Broich am 7.8.1744 mit der folgenden Kabinettsorder ein Todesurteil für eine Kindsmörderin unvollzogen zurück, weil er die Akte nicht verstanden hatte: «Ich remittire Euch beikommende Ordre unvollzogen. Ihr hättet von selbsten leicht einsehen können, wie es sich ganz nicht schicke, Mir Rubriquen, so mit so viel juristischem Latein bespickt sind, vorzulegen, da solche zwar denen luristen-Facultäten, Schöppenstühlen und Criminalgerichten bekannt genug sein mögen, vor Mir aber lauter Arabisch sind. Ihr hättet solches auch in dieser Piece so viel mehr verhüten sollen, da es auf Menschenleben ankommt und ich keineswegs dergleichen mit so vielen Mir unbekannten Worten angefüllte Confirmationes unterschreiben kann, ohne den wahren 412
413
Α. B. 6 [1], Nr. 61, ebenfalls Aufforderung zu präzis formulierten Berichten: Α. B. 7, Nr. 401, Art. XXXV, 4, pp. 647-648, Α. Β. 9, Nr. 52, Α. Β. 10, Nr. 78, Nr. 207. A . B . 16 [2], Nr. 477.
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Inhalt zu wissen. Ihr sollet also mit dergleichen lateinischen Rubriquen sparsamer sein und, wenn Ihr was berichtet oder zur Unterschrift schicket, hübsch Teutsch schreiben, solches auch denen Secretarien der Kanzlei bekannt machen». 4 1 4
An dieser Stelle muss Erwähnung finden, dass Friedrich II. wesentliche Anstöße zur Aufgabe des Lateinischen als Sprache der preußischen Jurisprudenz und zur Entwicklung einer hochdeutschen Rechtssprache gab. Im Sinne von Montesquieus De l'esprit des lois (1748) forderte der Preußenkönig in seiner Dissertation sur les raisons d'etablir ou d'abroger les lois von 1749 für den Bürger verständliche Gesetzbücher. 415 Den ersten Reformversuch startete er, indem er den Großkanzler Samuel von Cocceji 1749 damit beauftragte, ein Corpus Juris Fridericiani auf Deutsch zu formulieren. Coccejis Gesetzbuch erreichte jedoch das Ziel der allgemeinen Verständlichkeit nicht, da es voller lateinischer Fachtermini in einem gelehrt-barocken Juristenstil verfasst war. 416 In einer Kabinettsorder vom 14.4.1780 bemängelte der König an den Gesetzen immer noch, «daß solche größtentheils in einer Sprache geschrieben sind, welche diejenigen nicht verstehen, denen sie doch zur Richtschnur dienen sollen» und forderte, «daß alle Gesetze für Unsere Staaten und Unterthanen in ihrer eigenen Sprache abgefaßt, genau bestimmt, und vollständig gesammelt werden». 417 Diese Anordnung Friedrichs II. war ähnlich weichenstellend wie 1539 die Ordonnance de Villers-Cotterets von Franz I., der durch seine Anordnung, das Französische solle die einzige Sprache in Rechtsangelegenheiten sein, die Kodifikation der französischen Amts- und Justizsprache vorantrieb. In seiner Kabinettsorder von 1780 forderte der Preußenkönig den Großkanzler von Carmer zur Fertigstellung des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten auf, das 1794 in Kraft trat und dessen sprachliche Leistung der Schaffung einer hochdeutschen Juristensprache ohne die Vorarbeiten Christian Wolffs nicht denkbar gewesen wäre. 418 Gelegentlich monierte der König auch, dass in den Berichten der Verwaltung ihm unbekannte deutsche Ausdrücke benutzt würden. Am 29.11.1755 beschwerte er sich beim General-Direktorium: «Der König findet anläßlich eines eingesandten Berichts nöthig, das GeneralDirectorium zu erinnern und ihm aufzugeben, wie solches sich forthin in denenjenigen Berichten, so es an S. Κ. M. erstatten wirdt, keiner Deroselben ganz unbekannten Wörter und Ausdrücken, wie in dem gegenwärtigen die von Großbürgerrecht auf Handel und Wandel, von Handel über Scheffel und Wage, ex plenaria causae cognitione, famulitium derer Schutzjuden und dergleichen mehr befindlich sind, bedienen, sondern sich auch darunter auf eine Sr. Κ. Μ. verständliche Art und in gewöhnlichen bekannten Wörtern ausdrücken soll, allermaßen, wenn Höchstdieselbe etwas decidiren sollen, Sie auch die Wörter und Ausdrücke in den deshalb erstattenden Berichten klar verste414 4,5 416 417 418
A . B . 6 [2], Nr. 508. CEuvres IX, 32. Hattenhauer 1987, 42, 53. Α. B. 16 [2], Nr. 465. Cf. Hattenhauer 1987, 56.
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hen und denenjenigen den Gebrauch derer Kunstwörter überlassen müssen, welche mit solchen mehr als Sie zu thun haben». 4 1 9
Auch die deutsche Wortwahl des Clevischen Kammerpräsidenten von Ostau war dem König unverständlich. Deswegen hielt er ihn am 6.5.1773 zu einer gängigeren Ausdrucksweise in seinen Berichten an: «Ich habe mit Eurem monatlichen Bericht vom 1. d. pro Aprili c. erhalten und daraus die in der Provinz nunmehro endlich heruntergehende Getreidepreise um so mehr gern ersehen, da Mir solches das sicherste Merkmal von einer dies Jahr gesegneten Ernte ist. Übrigens wollet Ihr in Euren Berichten Euch künftighin mehr verständlich auszudrücken suchen und Euch keiner ohngewöhnlichen Redensarten bedienen, wie zum Exempel vor diesmal bei dem Articul von denen Kassen geschehen, wo Ihr anstatt Zahlungstermin den Ausdruck Verfallzeit gebrauchet». 420
Die Berichte aus den verschiedenen Provinzen enthielten oft mundartliche Ausdrücke aus der betreffenden Gegend, die Friedrich II. unbekannt waren. Dieser Umstand gab Anlass für folgendes Rescript des Generaldirektoriums an die Kriegsräte und expedierenden Geheimen Sekretarien: «Da S. Κ. M. p. durchaus verlangen, daß in den Expeditionen und Rubriquen keine unbekannte Wörter gebrauchet, sondern wenn ja dergleichen der Mundart und Sprache ein und ander Provinz eigen sind, solche jedesmal durch andere eben das bedeutende und allhier bekannte Wörter ersetzet werden sollen, wird dies den Kr.-Rathen und expedirenden Geh. Secretären zur Achtung bekannt gegeben. Ausdrücke, für die kein hier bekanntes und übliches Wort zu finden ist, sind zu umschreiben. Verstöße gegen diese Anordnung werden mit einer Strafe von 8 Gr. geahndet werden». 4 2 1
Aus dieser Order wird deutlich, dass der König durchaus ein Bewusstsein dafür hatte, was Dialekt und was Hochsprache war. Zur besseren allgemeinen Verständigung musste ihm daran gelegen sein, dass in seiner Beamtenschaft eine überregionale Standardsprache zur Anwendung kam, zu deren Formierung er durch solche Erlasse beitrug. Auch konnte es der Preußenkönig nicht leiden, Berichte über Bagatellen lesen zu müssen. Aus diesem Grund beschwerte er sich ζ. B. beim Kammerpräsidenten v. Siegroth: «Ich finde abermals bei Eurem monatlichen Bericht vom 13. dieses pro April c., daß Ihr Euch beständig mit Bagatellen, als zum Exempel, daß ein Student von einer Rüststange erschlagen worden und dergleichen mehr, zu viel aufhaltet, als daß ich Euch darüber Mein Mißfallen erkennen zu geben und Euch dagegen mehr in die Umstände des Landes und derer Unterthanen zu entriren und Mir deren Bedürfnisse, besonders an Saatkorn und dergleichen anzuzeigen, hiermit aufzugeben länger unterlassen könn-
4,9 420 421 422
Α. B. A.B. Α. B. Α. B.
10, Nr. 218. 16 [1], Nr. 56. 16 [1], Nr. 262, 7.3.1776. 16 [1], Nr. 58, 14.5.1773, cf. auch Α. B. 16 [1], Nr. 264, 9.3.1776.
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D i e T a t s a c h e , d a s s F r i e d r i c h II. v i e l e offizielle S c h r e i b e n u n v e r s t ä n d l i c h ers c h i e n e n , r ü h r t e n i c h t daher, d a s s er n i c h t g e n u g D e u t s c h v e r s t a n d e n hätte. D a s B e a m t e n d e u t s c h d e r Z e i t w a r in d e r Tat ü b e r a u s z e r e m o n i ö s , d e r S a t z b a u verschachtelt. D e r e r s t e S a t z e i n e s v o n s e i n e r e i g e n e n K a n z l e i d e u t s c h v e r f a s s t e n S c h r e i b e n s an d i e r u s s i s c h e R e g i e r u n g u n t e r K a i s e r i n E l i s a b e t h m ö g e als B e i spiel f ü r d i e Verklausuliertheit u n d S c h w e r f ä l l i g k e i t des d a m a l i g e n K a n z l e i s t i l s g e n ü g e n , w o b e i dieses A n t w o r t s c h r e i b e n m ö g l i c h e r w e i s e a b s i c h t l i c h v a g e geh a l t e n w u r d e . M a n c h m a l hielt F r i e d r i c h II. seine S e k r e t ä r e d a z u an, d i e A n t w o r t n e b u l ö s z u f o r m u l i e r e n , w a s er mit « ö s t e r r e i c h i s c h e m Stil» u m s c h r i e b . In e i n e r R a n d b e m e r k u n g aus d e m J a h r 1764 o r d e r t e er: « W a g u e A n t w o r t ö s t r e i c h e r Stillus, d a s n i c h t s b e d e u t e t » . 4 2 3 «Seiner Königl. Maj. in Preussen ist in Unterthänigkeit vorgetragen worden, was das russisch-kaiserliche Ministerium auf die von dem Königl. Preuss. Envoye Extraordinaire, dem Freiherrn von Mardefeld, geschehene Requisition der von Ihrer Maj. der Kaiserin von allen Reussen vermöge der zwischen beiden Höfen subsistierenden Defensivbündnisse erwartete Hülfsleistung wider den von Seiten des Dresdenschen Hofes gegen die Königl. Preussische Lande vorgenommenen offenbaren feindlichen Anfall und noch fernerweit intendierte höchst gefährliche Unternehmungen, mittelst einem jetzterwähnten Ministro zugestellten und zugleich dem Russisch-kaiserlichen Envoye Extraordinaire am Königl. Preuss. Hoflager, dem Herrn von Tschernyschew, dem dasigen Königl. Ministerio insinuierten Note zu erkennen zu geben beliebet». U n t e r das K o n z e p t d e r d e u t s c h e n A n t w o r t n o t e s c h r i e b F r i e d r i c h II.: «Cela est tres bien, autant que j ' y peux comprendre, mais le style m'est si inintelligible qu'il m'est impossible d'en juger; en gros, cette reponse signifie qu'on se tient au traite d'Hanovre, et cela est tres bien». 4 2 4 G e l i e r t b e r i c h t e t e in e i n e m B r i e f v o m J a n u a r 1761, d e r K ö n i g h a b e sich i h m g e g e n ü b e r ü b e r d e n Kanzleistil b e k l a g t : «K. [= König]: (so auch oben in 1. 6); dennoch findet sich unvermittelt im PT 1768, 624 die Schreibung fame. Dort, wo Friedrich II. - sei es aus Unkenntnis, sei es aus Gleichgültigkeit gegenüber der Pedanterie der Rechtschreibung - unorthographisch schrieb, bildete er, mittels seines (nicht ganz vollständigen) Wissens um die Graphem-Phonem-Beziehung des Französischen den Wortlaut nach. Seine Rechtschreibung ist eine unbekümmerte Mischung aus Schreibweisen, die er gerade korrekt präsent hatte und anderen, die er ad hoc phonographierte. Hin und wieder tauchen plötzlich Graphien der orthographe ancienne auf, so als hätte er am Vorabend in einem alten Druck gelesen und hätte die altmodischen Schreibweisen noch vor seinem geistigen Auge gehabt: ζ. B. PT 1752, 308, 370: Colomne, PT 1768, 550, 564: Collomnes, auf derselben Seite: Collonnes, 402, 420: Colones (Academie 1694, 1718: colomne, 1740: colonne), PT 1752, 280: impost (aber 302: impot für impdt), PT 1768, 620: Vous N'estes, aber ζ. B. an V., 9.12.1742: vous etes, an V., 6.7.1737: efects (Academie 1694: effect/effet, 1740: effet), an V., 6.7.1737: Vous practiquez, PT 1752, 318: practiquent, PT 1768, 692: enpracticant (Nicot 1606: practiquer, Academie 1694: pratiquer). Systematisch an Friedrichs II. Schreibweise sind nur folgende Eigentümlichkeiten, an denen er zeitlebens festhielt: -
Er setzte auf jedes auslautende [e] einen accent aigw, im Beispielbrief: purger, Etrangers, demandez, tuer, Imaginez, entier, tromper, etc.
-
Er schrieb, mit Ausnahme der Plural-x, fast immer xs statt Λ. als ob dem Buchstaben < x > nur der Lautwert [k] entspräche: 26 PT 1752, 254: exsperiance (experience), 258: exstreme (extreme), Saxse (Saxe), 262: Luxse
25
zu [e]/[R] cf. 5.1.2.2.7. Dafür, dass Friedrich II. glaubte, < x > stelle [k] dar, sprechen auch folgende Verwechslungen: PT 1768, 526: Sextion (auf derselben Seite korrekt: Section), 580: Taxtique (tactique), 668: faxtions (factions), PT 1776, 698, PT 1784, 722: Reflextions (reflexions), PT 1784, 724: axtions (actions).
26
188
(luxe), 378: fixse (fixe), 410, 448: pretexste (pretexte), 436: exspedition (expedition), 440: exsactement (exactement), 412, 454: exsercisse (exercice), etc. 5.1.2
Orthographiefehler Friedrichs II.
Insgesamt 64 der 79 normwidrigen Schreibweisen unseres Beispielbriefs sind homophon 27 mit der normgerechten Orthographie: ζ. B. Peu mit peux, plein mit piain, usw. Nur bei 15 der 622 Wörter des Briefes lässt sich von der Schreibweise Friedrichs II. nicht die heute korrekte Lautung ablesen: Singuiller (singulier, 1. 7), assasins (assassins, 1. 12), Capusins (capucins, 1. 15), retablisent (retablissent, 1. 18), posible (possible, 1. 20), plainiere (pleniere, 1. 21), glosse (glose, 1. 30), succesivement (successivement, 1. 31), Delasement (delassement, 1. 32), paser (passer, 1. 37), Vaisau (vaisseau, 1. 44), osse (ose, 1.44), vers (vers, 1. 49), prissons (prisons, 1. 50), promez (promets, 1. 55). Zehn dieser Fälle betreffen die Verwechslung der Grapheme < s > / < s s > bzw. < c > in intervokalischer Position, einer die Verwechslung /