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German Pages 250 Year 1911
Princeton University Library
32101 073700922
Willy Norbert
Friedrichs de s Großen
Rheinsbe
rger Jahre
Bita . Berlin - Ch G
G
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Friedrichs des Groſsen Rheinsberger Jahre
WNorbert Schloß Rheinsberg Nach einem Aquarell des Verfassers
Friedrich der Große als Kronprinz Nach einem Delgemälde von A. Pesne im Berliner Schlosse (Aus dem „ Hohenzollern-Jahrbuch")
Friedrichs des Großen
Rheinsberger
Jahre
Von
Willy Norbert
„Wie glücklich bin ich, meine Briefe aus Rheinsberg datieren zu können. Es ist mir, als ob ich mit mehr Freiheit schreibe, und mein Geist sich leichter als sonst ausdrücken kann. “ Friedrich in einem Briefe an Manteuffel.
Vita, Deutsches Verlagshaus Berlin -Charlottenburg
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck verboten.
Copyright 1911 by Vita, Deutsches Verlagshaus, Berlin - Charlottenburg.
Inhalt.
Vorwort.
Kapitel I. "Rhynsbergs " Vorgeschichte. Eine alte Sage. Der Große Kurfürst will Rheinsberg erwerben. Die Hugenotten in Brandenburg. Herr von Béville. Friedrich in Neu- Ruppin. Sein Leben in der kleinen Garnison. Seine Abenteuer. Ein lustiger Theaterbesuch. Die erste Kampagne und die Feuertaufe. Friedrichs Briefe an seinen Bater. Sein Ehrgeiz, seine Kriegslust. Reiſe in Preußen. Besuch bei Stanislas Leszynkki. Urteil eines franzöſiſchen Zeitgenossen über den jungen Friedrich. In Preußisch-Polen. Wieder in Neu-Ruppin.
Kapitel II. Ankauf des Schloſſes und Gutes am Grinerick-See. Einzug in Rheinsberg. Bauarbeiten. Knobelsdorff verschönt und ver= größert das Schloß. Die innere Einrichtung . Friedrichs und Elisabeth-Christines Zimmer. Der Hofstaat der Kronprinzessin. Ihr Etat. Friedrichs Einkommen und seine Schulden. Die Sparsamkeit Friedrich Wilhelms. Erwerbung des Gutes 3ernickow. Die Remusinſel und ihre Sage. Besuch beim Prinzen von Mirow. Gegenvisite in Rheinsberg. Tanz und Gelage. Friedrichs Freundschaften.
Kapitel III. Bielfelds Ankunft in Rheinsberg. Keyserlingk, Friedrichs liebster Freund. Jordan. Chaſots vergebliche Versuche auf der Flöte. Seine Bekanntschaft mit Friedrich. Die Ungebundenheit des gesellschaftlichen Lebens in Rheinsberg. Unterhaltungen bei Tische. Die Damen des Schloſſes. Friedrich als Tänzer. Ein Herzensbündnis. Kapitel IV. Theateraufführungen in Rheinsberg . Das Repertoire. Friedrich erntet Beifall als Schauspieler. Ein nächtliches Gelage. 5 8
}
5 1 61 .3 49 .6
VI
Bekanntschaft Friedrichs mit Bielfeld durch die Freimaurerei . Die geheime Aufnahme des Prinzen in die Loge. Die erſte Freimaurerloge in Deutſchland . Friedrich als Großmeiſter. Der Bannfluch Papst Clemens' XII . Das poetische Bekenntnis eines Freimaurers . Der Bayard- Orden und die Ritter ohne Furcht und Tadel. Kapitel V. Friedrichs unglückliche Ehe. Seine Liebschaften ― Doris Ritter, Gräfin Orzelska, Luise Eleonore von Wreech. Eine Liebeserklärung in Versen. Friedrichs Verlobung. Seine Ansichten über Ehe und Frauen. Die Ursache seiner Abneigung gegen Elisabeth- Christine.
Kapitel VI. Friedrich und die franzöſiſche Malerei. Er sammelt Watteau und Lancret. Seine Versuche im Zeichnen. Knobelsdorffs Reiſe nach Italien. Was Berlin und Potsdam ihm verdanken . Sein Zerwürfnis mit Friedrich. Antoine Pesne, der erſte Akademiedirektor in Berlin. Er lernt Friedrich in Rheinsberg kennen und wird von ihm in einer Ode beſungen. Seine Deckengemälde. Augustin Dubuisson. Kapitel VII. Die Liebe Friedrichs zur Muſik. Sein erster Opernbeſuch. Er bildet sich in Rheinsberg eine Kapelle. Carl Heinrich Graun , der Begründer des ersten Berliner Opernenſembles. Seine Schöpfungen. Carl Philipp Emanuel Bach. Franz Bendas Laufbahn und ſeine Kunſt. Friedrich ſtudiert Menenius Agrippas Rede, um einer Sezeſſion ſeiner Künſtler vorzubeugen. Die Kompositionen Friedrichs, sein Flötenspiel.
Kapitel VIII. Warum Friedrich franzöſiſch ſprach und schrieb. Seine Poesien. Die deutsche Literatur unter Friedrich Wilhelm I. Friedrichs erste schriftstellerische Arbeit. Der „ Antimacchiavel“. Voltaire korrigiert Friedrichs Schrift und gibt sie heraus.
Kapitel IX . arbeitete. Seine Stellung zur Religion „ Um Wie Friedrich Gott zu lieben, braucht man weder Luther noch Calvin. “ Ueber die Theologen. Seine Philosophie. Wolffs Metaphysik. Das „einfache Wesen ". Die Lehre von der Toleranz . Im Brief= wechsel mit Voltaire. Friedrichs Vorstellungen über Gott und Dasein. Warum er an ein „höchstes Wesen“ glaubte. Seine Freundschaft mit Voltaire.
VII
Kapitel X. Des Königs Krankheit. Seine letzten Tage. Friedrich eilt von Rheinsberg nach Potsdam. Versöhnung zwischen Vater und Sohn. Des Königs politiſches Testament und letzter Wille. Sein Tod. Kapitel XI. Erwartungsstunden. Die Todesnachricht kommt nach Rheinsberg. Huldigung der neuen Königin von Preußen. Der Toaſt der Frau Oberhofmeisterin. Elisabeth - Christines Enttäuschung in Berlin. Was aus den Rheinsberger Freunden wird . Friedrichs erste Regierungstaten. Das neue Regime.
Kapitel XII. Friedrichs Sehnsucht nach Remusberg. Er kehrt nach Rheinsberg zurück. Glänzende Geſellſchaft im Schloſſe. Voltaire als Gaſt. Der Tod Karls VI . Friedrich beſchließt, Schlesien zu bes ſeßen. Er verläßt Rheinsberg für immer.
Anhang. Handschriften-Quellen. Literatur.
Vorwort
ieles ist über Friedrich „ den Einzigen “ ge= V ſchrieben worden. Reizt doch seine Perſon wie kaum eine andere zum Studium. ſeine Königsjahre, Siege,
die
Jugendzeit
literarische ist
Aber bis jezt waren es nur
die Jahre der Eroberungen und
mehr
Denkmäler
in flüchtigen
fanden.
Seine
oder wenigstens
äußeren Umriſſen einem größeren Kreiſe bekannt geworden. Wir wissen so viel vom „,Philosophen zu Sanssouci“ und so wenig vom „ Philosophen zu Rheinsberg !"
Und
wahre Sanssouci.
Denn die Sorgen, die später der
doch
war Rheinsberg das
Inschrift ungeachtet in Sanssouci einzogen, lagen hier noch in weiter Ferne.
Ein heiterer Himmel blaute über
jedem der genußfreudigen, arbeitſamen Tage der nur so
kurzen
Rheinsberger Jahre,
die nach Friedrichs
eigenem Ausſpruch die ſchönſten ſeines Lebens geweſen. Und für uns werden sie auch die liebsten, sobald wir sie näher kennen lernen.
Denn da sehen wir den
jungen Frit in ſeiner Urſprünglichkeit, ganz frei ſich gebend, und ohne die Hülle des Königsmantels, der ſeine Perſon ſpäter oft verbergen wird .
Die Zeit ſeiner
Entwicklung zum Dichter und Denker, zum Eroberer und König ſteht in Rheinsberg vor uns auf ; wir sehen Friedrich ſich ſelbſt erziehen zum Menschen und König. Zuerst wollte er Mensch sein und dann König. Und weil er ein Philoſoph war, wurde er es, denn in der Philosophie sind auch die Könige nur Menschen.
Ein
Mensch wurde er vor dem Könige, weil er eine harte Jugend gehabt, weil sein Menschentum ihn leiden ließ. 1 Friedrichs d. Gr. Rheinsberger Jahre.
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Kronprinzenjahre !
Jahre, da noch kein Diadem die Stirne beugt, da die Hoffnungen sprießen in der Sonne der Sorglosigkeit, da lockende Zukunftsträume in stillen Stunden das Herz erschüttern, daß es lauter ſchlägt vor quellendem Mut, vor Freude an künftigen Taten. Jahre der Erwartung und Jahre der Entwicklung, der Vorbereitung für den Beruf, der eine starke Seele, unbeugsamen Willen und reinſtes Empfinden heischt neben Klugheit und Wiſſen. Und die Erfahrungen und Eindrücke dieser Zeit bleiben beſtimmend für spätere Jahre. Nichts ist lehrreicher als die Vergangenheit, denn sie zeigt uns das geläuterte Zeitbild , das Reſultat aller Bestrebungen, erweist klar, was falsch gewesen, wenn es auch im Anfang den Anschein des Rechten hatte.
Erst wenn wir sie erfaßt haben und das, was
sie uns lehrt, werden wir die Gegenwart verſtehen und des Weges bewußt in die Zukunft blicken können. Dann erst wird es uns offenbar, wie unhemmbar das Aufwärtsringen des Menschengeiſtes iſt, wie ohnmächtig stets äußere Gewalten gegen ihn waren, wenn ſie ihn auch zeitweise niederdrücken konnten. Mit neuen Augen, neuer Hoffnung werden wir dann weiterarbeiten an dem großen, dem einen Werke : der Kultur ; die Erfahrungen vergangener Zeiten werden uns helfen, uns selbst zu erkennen, unſere Pflichten und die Forderungen unserer Zeit. In diesem Sinne ſoll auch der moderne Hiſtoriker schaffen.
Er soll nicht Berichterstatter ſein, ſondern
klärend den Geist der Geschichte erfaſſen.
Was nüßen
der Menschheit jene Werke, in denen wertvolle, unbekannte Dokumente ruhen, gleich Edelsteinen in dunklen Tiefen ? Ist es die Aufgabe des Geſchichtsschreibers, nur
zu
sammeln,
aneinanderzureihen,
damit
seine
Bücher in der Abteilung der Wissenschaften in den Bibliotheken einen unkündbaren Plah erhalten ? Dann
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hat er nur das Goldſtück in ein welkes Blatt gewandelt, aber der Mitwelt. nicht genüßt. Geschichte soll auch für Jedermann lesbar sein. Mit der Erzählung der Begebenheiten, der Schilderung von Menschen und ihren Taten ſoll ſie ſich nicht begnügen ; hineindringen ſoll ſie in den Sinn der Dinge, der Zeiten und der Menschen, daß sie anregend, ermutigend, veredelnd wirke auf den Leser. Weder von falschem Patriotismus noch von falschen Rücksichten lasse sie sich bestimmen ; menſchlich fühlend stehe sie über den Parteien und diene allein der Wahrheit.
Und erst dann sei ihr Zweck erfüllt,
wenn sie statt durch trockene Erzählung kostbare Zeit zu rauben, in dem Leser etwas hinterlaſſen hat, was ihm nüßen kann für ſein eigenes Daſein. Das hat die Geschichte ja vor dem Roman voraus, daß sie Erlebtes widerspiegelt. „ Der Roman“, sagt Paul Bourget , „ iſt eine kleine, wahrscheinliche Geschichte, die Geschichte iſt ein großer, wahrer Roman von nie erlöschender Stärke. " Menschliche Einbildungskraft kann Unerhörtes erfin= den, aber das Leben, als der größere Meister, wird ſtets unerreicht bleiben als Gestalter. Und wie das Leben die beste Schule iſt, wirkt die Geſchichte nicht nur unterhaltend, sondern auch belehrend. Utile dulci", so wollte es auch der Held dieſes Buches. Er verlangte zuerst von den Wiſſenſchaften, daß sie angenehm, gefällig waren. Er forderte vom Autor, daß er seine Bücher intereſſant geſtalte ; auch ein schweres Thema sollte nicht ohne die belebende Farbe ſein ; ein wenig Salz, kleine Abschweifungen, eine Anekdote hielt er für nötige Beigaben, ein Werk intereſſant und leſenswert zu machen.
„ Ich kenne nichts
ſchlimmeres, als die Langeweile“, meint er, „ und ich glaube, man belehrt den Leser schlecht, wenn man ihn 1*
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gähnen läßt. “
Die Grazie des Stils, die Feinheit der
Wendungen stellt er oft höher, als den Gedanken ſelbſt. Er liebte die deutsche Literatur ſeiner Zeit nicht. Er mag sie nicht leſen, denn ſie leidet an der Schwere des Ausdrucks, ſie ſpinnt die Fäden ſo lang, daß ſie den Anfang vergißt. „ Wenn die Deutschen“, klagt er, „ sich einer Materie bemächtigt haben, brüten ſie über ihr, ihre Bücher ſind entſeßlich eintönig. Könnte man ihnen nur diese Schwere nehmen und sie ein wenig mit der Grazie befreunden, dann würde ich nicht verzweifeln , daß meine Nation große Männer hervorbringen könnte.“ Sie hat es getan.
Und er, der ſelbſt einer geweſen,
hat die Wege gezeigt. Als er Herr im Lande geworden, da zog sein Geist gleich einem milden Südwind über Preußens Erde, das Eis des langen Winters tauend, einen neuen Frühling bringend , einen Frühling der Macht, der Wissenschaften und Künste. Als er alt wurde, wurde auch sein Land mit ihm alt.
Nur kurze
Zeit lebte es weiter, als er, ſein 1; erster Diener“, ge= storben, bis es bei Jena den Todesstoß erhielt.
Und
wenn es später wieder erwachte zu friſchen Taten, war es der Geist des großen Königs, ſeiner unvergeßlichen Siege, der weiter gelebt im Volke und es aufrüttelte zur rechten Stunde. Sein Werk steht auch heute noch, denn das Preußen unſerer Tage hat seine Größe aus jenem friderizianiſchen Geiste heraus geschaffen, es besann sich in Zeiten der Not und Gefahr auf ihn, der das Prinzip hatte, dem Feinde zuvorzukommen. Lassen
wir
in
diesen
Blättern
die Jahre von
Rheinsberg vor uns aufleben, folgen wir dem jungen Prinzen in das Land, wo er sie lebte, jenes Land von einfacher Größe, so recht geeignet für stilles Denken und Schaffen, dessen herbe Schönheit er liebte, wie man eine Gegend liebt, wo man glücklich geweſen .
Friedrich als Kronprinz in Rheinsberg wahrscheinlich von Knobelsdorff gemalt (Delgemälde in Rheinsberg)
Erstes Kapitel. ,,Rhynsbergs" Vorgeschichte. Eine alte Sage. Der Große Kurfürst will Rheinsberg erwerben. Die Hugenotten in Brandenburg. Herr von Béville. Friedrich in Neu-Ruppin. Sein Leben in der kleinen Garniſon. Seine Abenteuer. Ein luſtiger Theaterbeſuch. Die erste Kam= pagne und die Feuertaufe. Friedrichs Briefe an ſeinen Vater. Sein Ehrgeiz, ſeine Kriegslust. Reiſe in Preußen. Besuch bei Stanislas Leszcynski. Urteil eines franzöſiſchen Zeitgenossen über den jungen Friedrich. In Preußisch-Polen. Wieder in Neu-Ruppin.
n grauen, längst entschwundenen Zeiten lag im Norden der Mark Brandenburg, mitten in ſtillen einsamen ſtarkem
Wäldern , Turm ,
dicken
ein
altes,
festes
Haus
mit
Mauern und einem finsteren
Verließ, ein echtes Raubritterneſt. „ Haus Rhynsberg“ hieß es, so benannt nach dem Flüßchen Rhyn, das dicht an einer Seite des Hauses vorbeifließt, langſam rieſelnd, als wäre es ermüdet von dem beschwerlichen Wege in dem flachen, ſandigen Lande.
Manchen See durch-
floß es schon, bis es auch den Grinerikſee durchquerte, einen großen, schönen See mit einer kleinen ſchattigen Insel und waldigen, dunklen Ufern, der sich in träumerischer Ruhe auf der anderen Seite des Hauses dehnt.
Hier ist das Land der Weltvergessenheit , der
Melancholie.
Tief hängen die grauen Wolken auf
die Erde ; nur in dem kurzen Sommer scheint der Aber welch herber Reiz liegt über dieser Landschaft kahler Berge, dunkler Wälder und
Himmel
hoch.
schlafender Gewässer ! Fern von der großen Straße, die durch die bewunderten Naturschönheiten führt, liegt dieſes verborgene Stückchen Erde, bewohnt von einem ſtarken, schweigſamen Geſchlecht, das trok grausamer Schicksalsschläge nie verlernte, die einfache Heimat zu lieben. Haus Rhynsberg lag gut geschüßt zwischen Flüßchen und See und bot seinen Herren einen sicheren Hort. Von hier aus unternahmen sie ihre räuberischen Streifzüge, brachten ihre Beute heim und lachten hinter starken Mauern der Verfolger.
Dicht bei der Burg
siedelten sich Bauern an und aus dem Dorfe wurde ſpäter
ein
Städtchen,
das sich unter den gnädigen
Schuß der Herren von Rhynsberg stellte .
Auch diese
griffen bald zum Ackerbau , als sie die eiſerne Fauſt des Landesherrn spürten. Nach Jahrzehnten schon erlosch ihr Geschlecht, und ihre Besitzung kam an die Junker von Platen. Hundert Jahre hauſten die Platen am See, bis auch ſie ausstarben. Nur eine Tochter blieb, deren Mann, Graf Berend von Bredow, das Burgschloß übernahm.
Aber die Bredows verdankten
es nur einem glücklichen Zufall, daß sie sich über ein Jahrhundert hielten. Und das ging nach einer hübschen Sage so zu : Als der Teufel eines Tages dieſen Teil der Mark bereiſte, um die Gottlosen einzufangen, fand er auch die Bredows reif für die Hölle. Mit den anderen edlen Herren sperrte er sie in einen Sack und fuhr auf und davon.
Ermüdet von der schweren Last rastete er
auf einem Kirchturm.
Da entschlüpften ihm durch ein
Loch im Sack, das die Spitze des Turmes geriſſen hatte, mehrere Gefangene, unter ihnen auch die Bredows, die wieder nach ihrer Besitzung zurückeilten und sich hier bis zum
Anfang des siebzehnten Jahrhunderts
hielten. Am 3. März 1618 verkaufte es einer von ihnen, der fromme Domherr Jobſt, ein braver Zecher, der ſtets
„Rhynsberg von “Vorbesizer )(Grabplatte Kirche Rheinsberger der in
Bredow von Achim
MEN VNDT RENEERSPORESENT AREDAY
)Grabplatte Kirche Rheinsberger in (der
Bredows Gemahlin von Achim
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recht knapp am Gelde war, für 75000 Taler an den Domherrn von Magdeburg und Probst zu Havelberg, Herrn Kuno von Lochow. Da begann die schreckliche Zeit des dreißigjährigen Mordens und Brennens. Die Grafschaft Ruppin, in der Rhynsberg liegt, litt ganz besonders. Wallensteins und Torstensons rauhe Heere wälzten sich über das Land. Felder und Aecker wurden verwüstet, das Vieh geraubt, Häuſer vernichtet, und nur wenige Beherzte, die ihre Scholle liebten, blieben. Kaum hatten ſie ein Obdach. Jahrelang lag das Land öde und verlaſſen.
Der
Große Kurfürst suchte vergeblich den Ackerbau wieder zu heben,
er
wollte sogar
anderen vorangehen.
durch eigenes Beispiel den
So schickte er am 21. Juli 1666
seinen geheimbden Rath Crüger nach Rhynsberg mit dem Auftrage, „ ſich nach des Hauſes Beſchaffenheit mit allem Zubehör eigentlich zu erkundigen, alles in ge= hörigen Anschlag zu bringen und ihm davon ausführlich zu berichten. " Aber der Ankauf des Gutes unterblieb ; der Preis, den die Lochows forderten, ſcheint zu hoch gewesen zu ſein, und erſt 68 Jahre später ſollte es ein Hohenzoller, den man auch den „ Großen“ nannte, erhalten. Da kam der Segen aus dem Westen, die tatkräftigen, entschlossenen, glaubensſtarken Flüchtlinge, denen die Engherzigkeit ihres Königs die Heimat genommen. Die Hugenotten hielten ihren Einzug in Brandenburg, deſſen Herr ihnen großherzig und klug zugleich seine Lande und sicheren Schuß anbot. In großen und kleinen Scharen kamen ſie, oft auch einzeln, manche blutarm ; andere wieder brachten Teile ihres Vermögens mit oder erhielten ihre Gelder nach der Revokation zurück .
Waren ſie arm, so brachten ſie
doch wenigstens Kenntniſſe und Fertigkeiten aus ihrem Lande mit, die hier noch unentwickelt oder unbekannt
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waren.
Sie zogen auch oft von einer Kolonie in die
andere, und es bedurfte manchen Jahres , bis alle ihren festen Wohnsiz fanden. Troßdem die Wege Brandenburgs recht schlecht und die Entfernungen zwischen den einzelnen Orten groß waren, wählten an zwanzigtauſend von ihnen die Mark. Es zog sie wohl besonders die Perſon des großen Kurfürſten, deſſen Wort ſie rührte : „ Eher müßte ich mein Hausgeſchirr verkaufen, als dieſen braven Leuten nicht helfen !" Und er wußte die Hilfe mit den Intereſſen ſeines Landes zu verknüpfen.
So
gab er denen, die ihre Gelder mitbrachten und ſie in der Staatskaffe deponierten, darüber Obligationen mit einem Zinssaße von 6-8 Prozent.
In den Jahren
1686-1691 wurden nicht weniger als 87 658 Reichseine für die damalige Zeit sehr respektable taler Summe
auf diese Weise angelegt.
Und diese Gelder
wurden später auf Heller und Pfennig zurückgezahlt. Die adligen Familien machten alle von dieser Einrichtung Gebrauch, während die vermögenden Kaufleute und Fabrikanten ihr Geld zu ihren Unterneh= mungen verwandten. Benjamin le Chenevir de Béville , aus einem der ältesten Geschlechter Frankreichs, kam im Jahre 1661 mit anderen Hugenotten nach Brandenburg. Ein paar Jahre später führte ihn der Zufall nach Rhynsberg, das inzwischen den Namen „ Rheinsberg“ erhalten hatte. Er fand Gefallen an dem Gute, das dem General du Hamel gehörte,
dem es der Große
Kurfürst geschenkt hatte, als die Lochows ausſtarben. Für 12 600 Taler erſtand er Haus und Ländereien. Mit sich brachte er seine Familie und als frommer Proteſtant ſorgte er bald für einen franzöſiſchen Pfarrer. Dies war ein triftiger Grund für viele ſeiner LandsLeute, sich zu ihm zu gesellen, und nach und nach füllten sich die verlassenen Dörfer der Grafschaft Ruppin mit den Emigranten, wie Cagar, Braunsberg, Hammel-
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ſpring und ganz besonders Rheinsberg, aus dem im Laufe der Zeit ein richtiges französisches wurde.
Städtchen
Der neue Besitzer des alten „ Hauses“ ließ dic plumpen Gebäude niederreißen und baute an den dicken Ritterturm mit beſſerem Geschmack wiz ſeine Vorgänger eine Art kleinen Schlößchens , dessen Pforten er gaſt= freundlich den Franzosen öffnete. card ,
Herr Jeremias Roc-
französischer Prediger, sorgte dafür, ſeine Landsleute in ihrem ſtolzen Glaubensbewußtſein zu er-
halten.
ein
Als später der König von Preußen das Gut
Rheinsberg für ſeinen Sohn erwarb ,
übernahm der
Hof die Bezahlung des Pfarrers. Die Bévilles stammten aus
Chartres,
lebten
aber vor ihrer Flucht in Lothringen, wo sie durch Heiraten Güter besaßen.
Einer von ihnen floh nach
England, ein anderer Béville ging nach Venedig, wo er General der Republik wurde. Er war nicht so glaubensstark wie seine Vettern ; bald schwur er den neuen Glauben ab und erhielt sämtliche Besizungen der Familie zurück. Benjamin Béville aber wählte Brandenburg als Zufluchtsort.
Auch seine Nachkommen traten
in den Staatsdienst oder in das Heer. Unter Friedrich Wilhelm I. wurde einer von ihnen Oberſt, und dieſer war es, von dem Rheinsberg in den Beſiß der Hohenzollern überging.
Im Jahre 1733 kaufte es Friedrich
Wilhelm auf Wunſch des Kronprinzen Friedrich.
,,Mein ganzes Leben läßt sich in drei Worten schildern ; das ist bequem für den Hiſtoriker, den ich eines Tages haben werde, er kann sich viel Mühe und Papier erſparen. Und seine Leser brauchen sich nur drei Epochen merken : Exercieren, Reiſen und Rheinsberg !" So schrieb Friedrich im März des Jahres 1738 , mitten in geistiger Tätigkeit, auf seinem
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edlen Genüssen geweihten Schloſſe Rheinsberg.
Jn
diesem Sinne will ich auch meinen Lesern ein Bild jener Zeit entwerfen, mich aber auf die dritte Epoche beschränken, die noch der greise König stets als Um sie die glücklichste seines Lebens bezeichnete. aber
zu
verstehen ,
muß
man
Friedrichs
Ruppiner
Jahre kennen lernen, die denen von Rheinsberg_unmittelbar vorangehen. Die Zeit, die Friedrich an beiden Orten verlebte, ist die intereſſanteſte in dem Entwicklungsgang dieſes außergewöhnlichen Menschen : von der Sturm- und Drangperiode zur Reſignation, der das Erwachen der schlummernden Kräfte und Gaben folgt. Harmonisch schließen ſich dann Fleiß, Willenskraft und Ausdauer an, und am Ende steht der fertige Mann da, gebildet und gefestigt für die hohe Aufgabe, zu der das Schicksal ihn beſtimmt hatte. Nur wenige Jahre der Sorglosigkeit waren ihm vergönnt, in denen er sich fast ganz dem Fluge seiner Gedanken, dem Verkehr auserwählter Menschen hingeben durfte, während sein Vater die straffen Zügel der Regierung hielt. Achtzehn Jahre zählte der junge Friß , als er nach dem Fluchtversuch den Befehl des Vaters erhielt, als ""‚Auskultator“ in der Kriegs- und Domänenkammer zu Küſtrin zu arbeiten. sein ; der
König
Als Unterbeamter sollte er tätig
ordnete
an,
ihm
„ untenan
einen
kleinen Tisch zu ſehen und Tinte, Feder und Papier auf den Tisch zu legen. “
„ Untenan“ ſollte er auch Berichte
der Kammer unterschreiben.
Ganz klein wollte er den
Sohn ſehen, reumütig und gehorsam in allen Dingen. Und dabei verfolgte er auch die Absicht, ihn gleichzeitig auf seine künftige Stellung vorzubereiten, denn ohne Erfahrungen und Kenntniſſe, die in der Praxis erworben
wurden,
hielt
Friedrich
Wilhelm
Fürsten für unfähig, ſein Land zu regieren .
einen
Die harte
Schule des Lebens, die der junge Prinz durchmachen .
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mußte, hat ihn für das Leben und ſeinen hohen Beruf erzogen und gefestigt, und in reifen Jahren erkannte er ihren Segen und erinnerte sich dankbar des oft mehr als gestrengen Vaters. Doch neue, harte Proben ſeines Gehorsams verlangte der König.
Er sollte sogar die Gefühle des
Herzens dem Willen des Vaters unterwerfen , ſollte ein Mädchen zur Frau nehmen, das er nicht liebte. Friedrich unterwarf sich nach harten Kämpfen mit sich selbst, und zur Belohnung gab ihm Friedrich Wilhelm den Rang eines Oberſten.
Was hatte der junge,
zwanzigjährige Königssohn nicht schon alles ertragen müſſen ! Des Vaters erniedrigende Behandlung, ſelbſt vor der Oeffentlichkeit, das finſtere Gefängnis, eine aufgezwungene Heirat, das Aufgeben seiner Wünsche, alle dieſe traurigen Erfahrungen reift und vertieft.
hatten ihn vorzeitig ge=
Der einzige Trost, den er hatte, war
der Gedanke, daß er als Oberst des Regimentes, das der König ihm gegeben hatte, in Neu-Ruppin, alſo weit vom Vater leben durfte. Darin sah er etwas wie Freiheit des Geiſtes und Handelns. Kurze Zeit nach der Verlobung ging Friedrich nach Neu-Ruppin, während seine Braut in Berlin blieb. Noch nach der Hochzeit, die ein Jahr später stattfand, wohnte die Kronprinzeſſin in Berlin, da es unmöglich war,
die kleine Hofhaltung
Ruppin zu etablieren.
der jungen Eheleute in
So sollten sie getrennt leben,
bis sich ein geeigneter Plaß für ihren Haushalt finden würde. Der Aufenthalt in Neu-Ruppin zur
Bildung und Entwicklung
Königs und Philoſophen.
ist der Anfang
des späteren großen
Hier konnte Friedrich neben
dem strengen Ererzierreglement zum ersten Male den sehnlichen Wunſch nach Kenntnis der großen Klaſſiker erfüllen.
Waren es auch nur wenige Bücher, die ihm
seine schmalen Mittel zu kaufen erlaubten, ſo verschaffte
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ihm doch deren Lektüre, das Sich- Versenken in alte Weisheiten, dieſe ſtumme Unterhaltung mit den Toten einen
unſchäßbaren
Genuß,
dem
er
sich
in
den
Mußeſtunden ganz hingab, ohne das geliebte Flötenspiel zu vernachlässigen. Auch Verse machte er, mit denen er aber nicht immer zufrieden war, oft wan= derten sie ins Feuer.
So saß er viele Nächte am trau-
lichen Kamine lesend, lernend und von der Zukunft träumend , in der er den großen Vorbildern der Helden des Altertums ähnlich zu werden hoffte.
Der däm-
mernde Morgen erſt ließ ihn das Bett aufsuchen, und nach wenigen Stunden Schlafes rief ihn die Pflicht auf den Exerzierplah.
Um 11 Uhr erſt traten die Sol-
daten an,,,damit seine Liebden Zeit haben, bis in den Morgen hinein zu schlafen. “ Hätte er jezt jene Bibliothek beſeſſen, die ſein Vater ihm
vor zwei Jahren fortnehmen ließ, und
Amsterdam verkauft worden war !
die in
Jeht hätte er Zeit
und Gelegenheit gehabt, sich in ihren reichen Inhalt zu vertiefen. Hatte er doch damals nur wenige flüchtige Blicke in die Bücher tun können, die der treu ergebene Erzieher Duhan de Jandun für ihn angeſchafft hatte. Denn immer sah er sich umgeben von den geheimen Beobachtern des Vaters , hatten.
die auf seine Schritte Acht
Die philosophischen Schriften, die religiöſen,
die reiche franzöſiſche Literatur, die zahlreichen Lehrbücher über Rhetorik und Poesie, die schöne Sammlung der alten Klassiker in franzöſiſcher Uebertragung, der Don Quichote, die vielen engliſchen und franzöſiſchen Romane, alle diese Werke wären jezt die willkommen= ſten Freunde in Ruppin geweſen. Doch schon mit dem Wenigen, das er zur Verfügung hatte, wußte er sich zu begnügen, und er hätte sich leicht und froh gefühlt, wäre nicht der Gedanke an die Fesseln geweſen, die ihm die Heirat auferlegt hatte.
Sie waren, wie er an seine Schwester Wilhel-
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mine ſchrieb, „ ſein einziger Kummer. “
Geiſtigen Ver-
kehr hatte er noch nicht, da er auf Leute angewieſen war, die der König ausgesucht hatte.
Die jungen Offi-
ziere ſeines Regiments, mit denen er tafelte, waren nicht geeignet, philosophische Gespräche zu führen oder an der Poesie Geschmack zu finden.
So füllte er seine
Tage mit Ererzieren, Ausflügen auf die benachbarten Dörfer und lustigen Trinkgelagen, die zweimal in der Woche stattfanden, wenn die Poſt aus Hamburg die Kapaune, Steinbutten und Auſtern brachte, zu welchen er gern seinen Lieblingswein, roten Champagner trank. Die Ruhe, die er nach den stürmischen Jahren hier zum ersten Male fand , wußte er zu schäßen, und er äußerte, mit seinem Schicksal vollkommen zufrieden zu sein und nie glücklicher oder weniger glücklich je in ſeinem Daſein leben zu wollen.
Und der junge Philo-
soph schalt auf die Eitelkeit der Welt und der Menschen, die nie verständen, sich mit dem zufrieden zu geben, was ihnen ein kleines, aber dauerndes Glück verſchafft und verbürgt, und die stets nur auf der Jagd nach Neuem, Höherem seien, ruhelos sich sehnend und ohne Freude am Beſiß, der ihnen ſtets klein dünkt, wenn ſie den der anderen vor Augen haben. „ Ich fühle mich in der Lage glücklich, in die es dem Himmel gefiel, mich zu ſehen ; ich finde, daß ich mehr habe, als ich verdiene, und mein größtes Glück ist der Gedanke , glücklich zu sein !" Die tiefe Lebensweisheit, die ſich in dieſem Ausspruch offenbart, war die erste Frucht seiner geistigen Beschäftigung mit sich selbst und der Lektüre seiner Bücher.
Sie wurde von hohem Werte für den jungen
Denker, auf ihr baute er ſein ganzes Leben auf, sie hielt ihn davon ab, mehr von dem Schicksal zu verlangen, als es ihm gab, mäßigte ihn in seinen Forderungen an die Menschen und machte ihn nachsichtig gegen ihre Fehler.
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In Ruppin war es auch, wo er seine Vorliebe für das Leben in und mit der freien Natur erwarb. "1 Welch herrliche Ruhe“, ſo ſchreibt er an Grumbkow*) , ,,genießt man auf dem Lande, im Vergleich mit dem Hofleben der Stadt !
Das läßt mich meine Einsamkeit
ſchäßen und macht mir das Leben in dem kleinen Städtchen lieb, wo der Geist keine Sorgen, keine Unruhe kennt. Nie fürchtet man, zu spät zu kommen, man ist Herr, man steht über all jenen Komplimenten, die nur verpflichten, Worte zu finden, die nicht aus dem Herzen kommen. Den Tag kann man beliebig einteilen, man braucht nur die Menschen sehen, die einem gefallen, und alle die falschen Freunde fehlen, die ſo unvermeidlich bei Hofe sind !
Gott und dem Könige überläßt
man die Sorgen um den Staat und befreit von der Bürde der Staatsgeschäfte schläft man einen friedlichen Schlaf,
den
glückliche
Träume
versüßen,
und des
Morgens öffnen sich die Augen erst nach kräftigem Rütteln durch den Kammerdiener. Dann überlegt man, wie man den Tag zubringen soll, und mit welchen Vergnügungen man ihn ausfüllen kann. Und da die materiellen Sorgen fehlen, braucht man sich nicht um den nächsten Tag kümmern ; ein einfaches Mahl und ein guter Wein warten immer, bis der Appetit das Zeichen gibt, aufzutragen.
Nach geſunder Bewegung
in der frischen Luft verdoppelt sich der Appetit, und alles, was man vorgesetzt bekommt, mundet ausge= zeichnet, als ob es Stats zubereitet hätte.
Wenn auch
die Gesellschaft bei Tiſche keine ausgewählte ist, so hat sie doch ihre angenehmen Seiten, und die Charakterverſchiedenheit der Tischgenossen gibt Anlaß genug *) General von Grumbkow, Vertrauter des Königs und Freund des Kronprinzen, deſſen Vertrauen er sich durch seinen Beistand während der kritischen Zeit nach Friedrichs Fluchtversuch erworben hatte. Die Korrespondenz zwischen Friedrich und dem General ist in französischer Sprache gehalten. Friedrichs d. Gr. Rheinsberger Jahre. 2
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zum philosophieren.
Die faden Wize des einen, der
dumme Stolz des anderen, der Ignorant, der den Mann von Geist und Wiſſen ſpielt, der Großſprecher, kurz diese ganze Gesellschaft verrät durch ihren Mangel an Lebenskunſt unendlich mehr ihren wahren Charakter als jene, die durch das Hofleben gelernt haben, sich zu verstellen und ihre wahre Natur zu verhüllen. Hier macht man sich aus allem ein Vergnügen, und manche Dorfschöne mit ihrem friſchen Geruch nach Feld und Wieſe gefällt einem besser als die Comteſſe D. . h .. mit ihren vornehmen Allüren. Die Freiheit des Geistes übt ihre Wirkung auf das Gemüt aus, man fühlt sich leichter, froher, und da man ſeine Zeit ausfüllen kann, wie man will, kann man ſich ſelbſt ſtudieren und über die Vorgänge in der Welt Betrachtungen anſtellen, die ſchließlich zu der Erkenntnis führen, daß alles, was die Menschen ,,groß“ nennen, nur eine "" blendende Außenseite hat, hinter der kein Wert steckt.' Der instinktive, lebhafte Wunsch, auf den Grund der Dinge zu kommen, den Wert der Menschen zu erkennen, taucht schon jekt, in Friedrichs einundzwanzigſtem Lebensjahre, auf. Ein wahrer Hunger nach Wahrheit, nach Erkenntnis befiel ihn, und einſam und verlaſſen
fühlte er sich mit dieſen Gedanken unter Menschen, die ihn nicht verstanden, nicht verstehen konnten. Und trotzdem zog er sich nicht ganz in die Einsamkeit seiner Gedanken zurück. Er liebte das Leben
und seine Freuden, ſein lebhaftes Temperament verlangte nach Betätigung, und so beteiligte er sich oft an den Vergnügungen seiner Kameraden vom Regimente, beging lustige Streiche in ihrer Gemeinschaft und erlebte in dem kleinen Garnisonstädtchen manch zartes Abenteuer. Die bösen Zungen in Neu-Ruppin wußten viel von seinem freien Lebenswandel zu kläiſchen, und das Gerücht, das selbst zur Königin drang, stempelte ihn
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ſogar zu einem Wüſtling.
Friedrich beklagte sich dar-
über bei ſeinem Freunde Grumbkow. „ Ich weiß nicht, “ so schrieb er ihm, ,,woher es kommt, daß alle Welt soviel von mir darüber spricht, ich muß ja zugeben, daß ich auch von Fleiſch bin, das öfter schwach wird , aber wegen einer kleinen Ausschweifung wird man gleich als der größte Wüstling auf der Erde verſchrieen. “ Eines jener Abenteuer war nicht ohne Folgen ge= blieben. Das Mädchen gehörte den beſſeren Ständen Als sie ihrer Entbindung entgegensah, nahm an. Friedrich mit einem Freunde in der Nacht einen Wagen und fuhr zu einem benachbarten Dorf, wo er die weiſe Frau aufsuchte und mit ihr zurückkehrte. Nachdem sie ihrer Pflicht Genüge getan, gab er ihr zehn Taler und brachte sie wieder nach ihrem Dorfe. Wir haben die Kenntnis dieſer Geschichte aus Friedrichs eigener Feder. In seinem scherzhaften, im Zeitungsstile gehaltenen Bericht an Grumbkow, spricht er von sich in der dritten Person. Ein anderer Bericht über einen lustigen Theater`besuch findet sich ebenfalls in einem Briefe.
Eine
Truppe fahrender Komödianten hatte in Ruppin Halt gemacht und eine Vorstellung im Rathauſe angekündigt. Friedrich durfte mit ſeinen Freunden natürlich einen solchen seltenen Genuß nicht versäumen.
Hören wir
ſeine eigene Erzählung : „ Vor einigen Tagen hatten wir hier eine Bande
Komödianten, die uns die herrlichste Aufführung bot, die es seit Menschengedenken in dieſer Stadt gab. Ver= gangenen Mittwoch waren wir im Rathause, wo sich uns auf den ersten Blick ein großartiges Theater präſenDas Amphitheater beſtand aus kreuz und quer
tierte.
übereinander gelegten Balken, die nur auf den Moment zu warten schienen, wo ihnen ihre Fäulnis und Würmer eine andere Lage geben würden.
Vor dem
Amphi-
theater stand eine ſpaniſche Wand mit einem großen
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Loch, durch das man beim Scheine des elenden Talglichtes sechs Fiedler ſah, die auf ihren Geigen herumkragten und ein scheußliches Konzert machten, mit dem sie nicht zu Ende kommen konnten.
Sie nahmen sich
Zeit, die Ohren der unglücklichen Zuschauer zu malträtieren. Nachdem sie so unsere Geduld eine Stunde lang auf die Probe gestellt hatten, blikte gegen acht Uhr im Hintergrunde des Saales ein Licht auf, deſſen Klarheit die ſchon erſtorbene Hoffnung des Publikums belebte. Jeder versprach sich etwas wunderbares , als zu unserem großen Erstaunen eine alte Magd mit zwei Lampen in den Händen erſchien. Diese dreckige Person zu beschreiben würde sicher dieses Papier beschmußen. Die Dame sette ihre Lampen auf die beiden Seiten des sogenannten Theaters, kündigte uns den Beginn der Vorstellung an und verschwand. Der Meister der Bande, ein richtiger Charlatan und Schmierenkomödiant, erſchien nun als erſter.
Er
trug einen Rock, der zu Anfang des vorigen Jahrhunderts neu gewesen war.
Seine Perücke hatte schon
zur Beschattung ſo vieler Häupter dienen müſſen und war einst so gut geweſen, daß ſie heute nichts mehr wert war.
Troßdem gelang es ihr noch, das bißchen Hirn
unſeres Schauspielers zu bedecken, während ihr Reſt in Fehen auf seinen Schultern hing. Ein langes Rapier von sechs Fuß zwei Daumen beſchrieb jedesmal, wenn er sich drehte, einen Kreis um ihn.
Seine Fußbe-
kleidung entsprach der anderen Aufmachung.
Er dekla=
mierte nun mit ſeiner roſtigen Stimme eine ſehr ſchlechte Rolle, worauf ſeine Gemahlin auftrat. Eine entsehliche Narbe ging ihr von der Stirn über das linke Auge und die Backe bis zur Gurgel . Auf ihrem gräßlichen Kopfe, der an Häßlichkeit das Haupt der Meduſa übertraf, trug ſie einen Lappen, den ſie irgendwo auf der Gaſſe aufgeleſen hatte, und um
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ihre Kehle, der sie die lautesten Töne zu entlocken versuchte, ſchlang sich eine Kette falscher Perlen. Der Sack, der den Rock vorstellen sollte, war enger als ſein Gestell, so daß er sie zu tauſend Grimmaſſen brachte. Ihre Stimme war wie ihr Gesicht, in bald kläffendem, bald schnarchendem Tone deklamierte sie eine Liebeserklärung, deren Worte ich mir merkte, um mich ihrer einmal zu bedienen. Sie war gerade mitten in ihrer Rolle, als der Teufel sich einmischte und einen Szenenwechsel eintreten ließ, denn plößlich gab es einen furchtbaren Lärm und alle Zuschauer purzelten übereinander.
Die
Balken, auf denen ſie ſaßen, rollten mit ihnen im Saale. Die hinterſten fielen zuerſt und riſſen die anderen mit ; einer lag auf dem andern, alle ſchrien um Hilfe ! Es war drollig, mit anzusehen, wie alles zusammengeworfen wurde : ein Mann, ein Stuhl, ein Mädchen, ein Balken, ein Soldat, ein Knabe - kurz , alles bunt durcheinander, wie am Tage der Auferstehung. Mit Mühe zogen wir uns aus diesem Chaos . Da konnte man Flüche hören !
Amüſant waren die Ver-
wünſchungen jedes einzelnen dieſer Unglücklichen gegen den Veranstalter.
In ihrem Aerger gingen sie alle
nach Hause, wo sie sich ihr blutiges Maul wuschen. Ich machte es ebenso, wünschte die ganze Bande zum Teufel und schwur mir, niemals mehr den Fuß in derartige Komödien zu ſehen.“ Die drastischen Worte seiner Erzählung schmecken nach dem Exerzierplah , wo Friedrich mit ſeinen Kame= raden sich mühte, den Unteroffizierston zu übertrumpfen . Auch von kräftigen Handlungen waren ſeine Befehle begleitet. Als er einmal einen Soldaten am Zopfe 30g, um ihn auf den richtigen Plaß zu stellen, behielt er den Zopf in der Hand und überrascht bemerkte er, daß es ein falscher war.
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In der „ lieben Garniſon“, wie er sie nannte, be= ging er auch manchen ausgelassenen Streich.
Als der
Prediger von der Kanzel herab die laue Frömmigkeit der Offiziere verurteilt hatte, zogen Friedrich und einige ſeiner jungen Offiziere nachts zu ſeinem Hauſe, holten den ehrwürdigen Seelsorger ſamt ſeiner Gemahlin aus dem Ehebett und trugen beide auf dem Bettlaken mitten auf den ſchmußigen Hof, wo ſie ſie liegen ließen. Zum Glück erfuhr der König nichts von dieser Ge= schichte, das übliche Donnerwetter hätte ſonſt nicht auf
laſſen. sich warten lassen.
Friedrich fürchtete stets die Un-
zufriedenheit des Vaters mit ſeinen Handlungen und war ängſtlich bemüht, mit ihm in gutem Einvernehmen zu leben und den Reſt des Mißtrauens, das der König noch immer gegen ihn hatte, zu beseitigen. Die ehrliche Mühe, die ſich der junge Oberſt gab, ein tüchtiger Offizier zu werden , fand Anerkennung in Potsdam.
Bald hatte er auch Gelegenheit, seine theore-
tiſchen Kenntniſſe in der Praxis zu verwerten.
Im
Frühling des Jahres 1734 zog der Zweiundzwanzig= jährige zum ersten Male in den Krieg.
Zehntausend
Preußen stießen als Hilfstruppen zum kaiserlichen Heere, um gegen die franzöſiſche Armee zu kämpfen .
Friedrich
hatte die Weisung, dem großen Sieger, dem Prinzen von Savoyen zur Seite zu bleiben und von ihm zu lernen.
Der Feldzug verlief ruhmlos. Und mit welchen
Hoffnungen war der junge Oberst ausgezogen !
Er
brannte vor Begierde, ſeinen Mut und ſeine Tapferkeit zu beweisen.
Er verherrlichte den Krieg als Dichter
und schrieb ein „ Loblied des Krieges", wie er eben noch der Ruhe des Landlebens begeistert den Vorzug ge= geben : "" Der Krieg beseitigt üppiges Wohlleben und allen Prunk ; er macht die Menschen nüchtern und enthaltsam und rottet alle Weichlichkeiten aus. “ Aber nur auf den Feldern der anderen wünschte er ihn, sein Land sollte verschont bleiben. Und der Ge-
Kleiner griechischer Tempel in Friedrichs Ruppiner Garten
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danke, gegen die Franzosen zu kämpfen, die er im stillen bewunderte und um ihre Kultur beneidete, war ihm besonders willkommen.
Er wollte, wie er ſchrieb,
den Franzosen schon zeigen, daß es in Deutſchland eine ganze Anzahl junger, frecher Burschen gäbe, die sich ohne Furcht der großen französischen Armee entgegen= ſtellen würden.
Er gehörte zu ihnen.
Furchtlos, kalt=
blütig und unerschrocken hielt er seine Feuertaufe aus. Der erste Anblick der Gefallenen entlockte ihm wahrhaft fürstliche Worte des Mitleides und ſein junges, noch den ersten Eindrücken empfängliches Herz trauerte um das vergossene Blut. In späteren Jahren wurde er es gewohnt,
ein
Schlachtfeld zu sehen, als er den Krieg als eine Kunſt beherrschte.
Auf den vielen Stätten ſeiner unvergeß-
lichen Siege gedachte er oft seiner erſten Erlebniſſe vor dem Feinde, da er noch als Dichter von Kanonenknall und Pulvergeruch schwärmte, und der Donner der französischen Geschüße sich in das Klingen der Gläſer miſchte. Hatte die kurze Kampagne weder Freund noch Feind Lorbeer gebracht, war auch keine große Schlacht geschlagen, so brachte Friedrich doch neben den wert= vollen Erfahrungen des Lagerlebens eine Gewißheit zurück, die den ganzen Feldzug für ihn wertete : er hatte in sich den Soldaten, den Feldherrn entdeckt. Beruhigt durch die Ueberzeugung, daß er fähig sein würde, auch das Schwert mit Macht zu führen, überließ er sich den hochfliegenden Plänen für einſtige Eroberungen und die Größe und Stärke seines Landes.
Wieder in Ruppin nahm Friedrich ſein gewohntes Leben auf. Feld
Die Unterhaltungen hatten jezt ein neues
gefunden :
den Krieg. Welche stolzen Ideen, welche glücklichen Eingebungen wußte er in seiner Begeisterung und unter dem friſchen Eindruck des Erlebten vorzubringen !
Bis ins kleinste tauchte sein Scharfblick, reformatorisch wollte er wirken, neues einführen,
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was ihm angesichts der Mißſtände im kaiserlichen Heere eingefallen war.
Die Kriegsführung nahm nunmehr
sein ganzes Denken in Anſpruch, und innig wünschte er eine neue Gelegenheit herbei , ins Feld zu ziehen. Er brauchte nicht lange zu warten . Schon im Frühling 1735 drangen die erſten Nachrichten von der bevorſtehenden Rheinkampagne nach Berlin.
Mit Jubel
wurden ſie in Ruppin begrüßt und sogleich machte ſich Friedrich daran, den Vater um Erlaubnis zu bitten, mittun zu dürfen .
Am 10. Mai 1735 ſchrieb er an
Friedrich Wilhelm : ,,Mein allergnädigster Vahter wirdt nicht ungnädig nehmen, daß ich mihr die Kühnheit nehme, an Ihn zu schreiben und an Jhn als meinen recht gnädigen und treuen Vahter in gebührender Submiſſion mein Herz zu eröffnen. Man höret von allen seiten schreiben, daß der Print Eugene von Wien den Zweyten dieſes Mohnts abgegangen wehre und nun wohl bei der armée ſein möge, man schreibet auch, das die armée ordre habe sich zusammen zu ziehen und bei brusel*) das erste Lager zu formieren und soll also an keinen Stillstandt zu gedenken sein.
Hergegen soll der Prinh
Eugene gewisse ordre vom Kayser haben, den Feind zu ataquieren.
Bei dieſen umbſtänden befindet sich
noch das alles was junge Leute ſeindt ſo ambition haben, willens seindt, nach der armée zu reiſen, da der Print Carel und der Prinz von Orangen auch hin gehen werden ; meinen allergnädigſten Vahter iſt bewußt besser als ich sagen kann, was vohrjährige Campagne vor eine schlechte gewesen ist und kann mein allergnädigster Vahter leichte schließen, was daher vohr raiſonements über mihr würden gemacht werden, wen ich zu hauſe blib, kein Mensch würde glauben, das es meines allergnädigſten Vahters ſein *) Bruchsal.
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Wille wehr, denn die Welt ist genunkſam informiret das Mein allergnädigster Vahter ſeine Kinder zu ſoldahten leben, und zu brawe leute zu werden erziht, so wird gewiß ein jeder sagen, das ich nicht darum angehalten hätte, und die faulen Thage zu Hauſe lieber genießen mögte, als die Fatiguen einer Campagne.
Mein allergnädigster Vahter, den, wen
ich es sagen darf, ich vohr den beſten und getreueſten Freund halte, so ich auf erden habe, ſeie ſo gnädig und bedenke um gotteswillen wie mihr bei solchen raiſonnements wirdt zu Muhte werden, ja Er ſei ſo gnädig und erinnere ſich Seiner jugendt und wie Er Mihr selber verzehlet, wie er sich Mühe gegeben hat, umb von Seinem Herren Vahter die permiſſion zu erhalten in Campagne zu gehen. Meine Uhrſache iſt dieſelbe, die ambition und die Begierde durch Beiwohnung
der
Campagne
mihr
capabler
zu
machen als ich anjeßo bin, Meinem allergnädigſten Vahter zu dinen, ja ich wehre nicht wehrt, daß ich die
Gnade
hätte
meines allergnädigsten Vahters
Sohn zu sein, wen ich keine ambition hätte.
Ich bin
anjezo in die beste Jahre, da mir meine Leibes Con= ſtitution in keine Fatiguen verſagt, jedoch bescheide ich mihr
alles,
was
mein allergnädigſter Vahter
mihr befehlet, und weiß ſehr wohl den gehorsam und die Submiſſion so ich Ihm schuldig bin und das ich Ihm nichts vohrzuſchreiben. Ich weiß das Er thun wirdt, was zu meinem beſten ist, und werde ich in gebührender Submiſſion, Liebe, Ehre und Treue ſeine Befehle in allen Stücken gehorſambst nachleben, der ich bis zum leßten Seufßer meines Lebens in aller Submission und respekt verharre als meines allergnädigſten Königs und Vahters treu gehorsamer Diner und Sohn Friderich."
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Die Antwort fiel nicht so aus, wie Friedrich hoffte. Der Vater antwortete kurz: 99.
Ich lobe zwar Eure ambition ; aber Jch
werde schon wissen, was Euch nüßlich ist, denn ich bin mit unveränderlicher Liebe Euer ſehr affectionirter und treuer Vater Fr. Wilhelm." Teils aus politiſchen, teils aus Gründen der Sparſamkeit wollte Friedrich Wilhelm nicht, daß ſein Sohn aufs neue ins Feld rückte. Kriegsschauplatz
immer
Als die Nachrichten vom
deutlicher
wurden, versuchte
Friedrich nochmals, den Vater zu beſtimmen, ihm die erſehnte „ Permiſſion“ zu geben. Folgende intereſſanten Briefe wurden nun zwischen beiden ausgetauscht, Briefe, die nicht nur Schlaglichter auf das Verhältnis zwiſchen Vater und Sohn werfen, sondern die auch Dokumente ſind für Friedrichs Ehrgeiz und Kriegsluſt.
Aus ihnen
werden wir am besten eine der wichtigſten Entwicklungsphaſen des späteren Feldherrn
erkennen und durch
seine eigenen Worte, die durch ihre Ursprünglichkeit ihre einstige Frische bewahrten, tritt uns seine Geſtalt näher, als durch die beste Beschreibung. Ich halte mich nicht für berechtigt, die oft mehr als mangelhafte Orthographie dieſer
Briefe zu ver-
bessern und gebe sie ebenso wie den bereits mitge= teilten Brief getreu den im Geheimen Staatsarchiv zu Berlin liegenden Originalen wieder.
,,Aller Gnädigster König und Vahter ! Das feste Vertrauen, welches ich zu Meines allergnädigsten
Vahters
gnädige
Vorsorge
habe,
bringet mihr an, Ihm nochmahlen zu ſchreiben, in dem von allen Seiten die Zeitungen ein laufen. Nunmehr rücken die Ruſſen in die kayserliche armée ein, der Print Eugene passiert den Rein. Mein allergnädigster
Vahter
kan
leicht
erachten,
was mihr
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würde vor eine Schande und chagrin sein, wen ich bei solcher Gelegenheit, da gewis was vorfallen wird, umb zu ſehen und zu profitiren, ich nicht dabey ſeyn könnte ; meine einzige ambition gehet dahr hin, mihr zu meines allergnädigsten Vahters Dienſt geschickter zu
machen und hätte ich meinen allergnädigsten Vahter mit dieſer Bitte nicht importuniren wollen,
wen
nicht
welches
diesſſe
mir
Zeitung gewis gehört hätte und
bestätigt
wurde, das der Fürst von Dessau hin gereiſſet iſt. Mein allergnädigster Vahter nehme mihr dieſſe Freiheit nicht ungnädig, ſondern bedenke nuhr, das ich ein junger Menſch bin, und wen ich anjeho nicht luſt was zu lernen hätte, es darnach mit mihr würde zu späht werden, wen ich alt werde. Ich stelle diesses alles Meines allergnädigsten Vahters Gnade und willen anheim und beharre bis an mein Grab Meines allergnädigsten Königs und Vahters treu gehorsambſter Diner und Sohn
Friderich." Und kurz darauf schickte er noch den folgenden Brief hinterher : ,,Mein Allergnädigster Vahter wirdt so gnädig seyn und sich zu erinnern wiſſen, das Er ſo gnädig gewesen und mihr dis Frühjahr versprochen im falle die armée am Rein zusammen käme, Er mihr permittiren wolte, die Campagne zu thun.
Eben be-
kome ich 2 Briwe von der armée, einen von Prinh Leopoldt, den andern von Print Lichtenstein, welche alle beide schreiben, die armée zöge sich zusammen und würde Print Eugen in einigen Tagen über den Rein gehen. Mein allergnädigster Vahter ſei ſo gnädig und conſiderire die schande, so ich haben were, wen dar
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unten was vorgehe und ich were nicht dabey.
Die
ganze Welt weiß , das ich vom Soldaten profeſſion bin und dar hier gelegenheit were, was ernſtes zu lernen, so blibe ich zu hauſſe.
Ich habe das ver-
trauen zu Got und zu Meinem allergnädigſten Vahter, das ich meine Bitte werde erlangen, in deſſen ich bis an mein Ende mit unaufhörlichem Respect erſterbe ..
uſw.
Ruppin ,
den 5. September 1735. Friderich."
Hier Friedrich Wilhelms Antwort, die anstatt der erbetenen Erlaubnis den Vorschlag zu einer ökonomiſchen Studienreiſe in den preußischen Landen bringt :
99.... weil Jch Euch recht herzlich liebe und Euch gerne allen möglichen Gefallen erwieſe, ſo thut es mir um ſo viel mehr leid , daß ich Euch dieſesmahl Eure Bitte, anito in die Campagne zu gehen, nicht accordieren kann, denn die ißigen Umstände worin Ich mich befinde, und die Situation der publiquen Affaires, die gewiß in einer ganz besonderen Criſis ſtehen, wollen es nach denen Regeln der Klugheit nicht permittiren, welches Jhr selbst mit der Zeit erkennen werdet. Auch würde es bey so spät avan= cierter Jahreszeit zu nichts anderes dienen, als die Gelder unnötig zu verschwenden wie voriges Jahr. Ihr werdet Euch also beruhigen, zumahlen Ich Euch verspreche, daß Ihr gewiß künftiges Frühjahr, ſogleich nach der Revue von hier in die Campagne gehen sollt und werde Ich Euch ſodann die equipage machen lassen. fragen
wollen,
Inzwiſchen habe Ich Euch hiedurch ob
Ihr
Lust habet, auf 5 oder 6
Wochen eine Lustreise nach Preußen zu thun , um die dortige oeconomie und Landesarth zu eṛaminiren und kennen zu lernen, auch dabeh zu sehen, woran es fehlet, daß es bisher dort nicht recht gehen
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wolte, welches Euch sehr nüßlich seyn kann, alles, was dorten sowohl bey denen Städten als auf dem Lande und in den Aemtern vorfället, recht einzusehen, weil Ihr doch dereinſt dieſſes Land beherrschen müßt und überaus übel daran seyn werdet, wenn Ihr bloß den ſpeciellen Bericht von den meiſtentheils eigennützigen Bedienten glauben müßt. Ich habe solches mehr als zu viel erfahren und da es eines von meinen ſchönſten Ländern iſt, ſo muß ich doch geſtehen, daß es noch in schlechte und miserable Ordnung iſt. Wenn Ihr nun Luſt habt, dahin zu gehen, so werde Ich Euch eine völlige Inſtruction geben, auf welche Stücke Ihr eigentlich acht geben müßt, wie ich die dortige Wirtſchaft einzurichten befohlen und was noch daran zu deſideriren ist. Ihr sollt auch autorisirt werden, Euch bey der Krieges und Domänenkammer und überall, wo es nötig ist, von allen Umständen genau zu informiren. Die Regimenter, so in Preußen ſind , ſollt Ihr bey dieser Gelegenheit gleichfalls beſehen, ob ſie ſo in ordre ſind, wie Ich es haben will, da Jhr denn alles adreſſiren könnet, was fehlet.
etwan an der ordre
Ich erwarte darüber Eure Mitteilung zu ver= nehmen und bin allezeit mit der aufrichtigſten Liebe,
Mein lieber Sohn Potsdam, 6. 9. 1735.
Euer sehr affectionirter und getreuer Vater."
Gehorsam wußte Friedrich sich zu beſcheiden, er schrieb seinem Vater : „ Ich habe Meines allergnädigen Vahters gnädiges schreiben vom 6 ten in allerunterthänigkeit empfangen und daraus erſehen, daß Mein allergnädig-
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ſter Vahter mihr die permiſſion zur Campagne nicht accordiren könne.
Ich bin versichert, daß Mein aller-
gnädigster Vahter Seine uhrsachen dazu hat und bescheidige mihr deßwegen, in dem ich weiß, das ich zum
gehorsam
geboren
bin
und
möchte ich eher
ſterben, als darinnen im geringſten zu fehlen, ohn= geachtet, das ich gestehen muß, das es mihr ſehr nahe gehen würde, wen was am Rein vohrginge, woh Ehr und reputation zu gewinnen were ; ich sa= crificire meinem allergnädigsten Vahter alles und kan Er aus diſſem gewissen schließen, daß Er mihr nicht befellen köne, wohr ich Ihm nicht gehorſamen würde, also hat mein allergnädigster Vahter nuhr zu befehlen, wie Er es mit mihr will gehallten haben, und wie Er mihr in ſeinen Dienſt brauchen wolle, dahr ich den nichts mehr wünschte, als die nöthige capacität zu erlangen, Ihm in allen ſtücken mit nußen dienen zu können. allergnädigſten Meines allergnädig sten
Vahters gnädiges Schreiben werde wie Gold verwahren, umb künf-
tiges frühjahr an ſein gnädiges versprechen erinnern zu können, mihr die Campagne künftiges jahr thun zu
lassen.
Ich bedanke
Meinem allergnädigsten
Vahter ganz unterthänig daführ und bin versichert unsfer Herr Got wirdt es Ihm thauſſendfaltig mit segen und gesundheit belonen, der ich mihr ganz unterthänig zu meines allergnädigsten Vahters gnaden empfehle und beharre bis an mein Ende ... Friderich." (Ruppin , 8. September 1735.) Doch bevor
Friedrich
diese Reise unternehmen
konnte, die Friedrich Wilhelm mit Recht für notwendig zur
Erlangung
volksökonomischer
Kenntnisse
hielt,
zwang ihn der Tod seines Schwiegervaters , des Herzogs von Braunschweig-Bevern, nach Berlin zu gehen.
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Nach den Trauerfeſtlichkeiten machte sich Friedrich auf den Weg.
Ausgerüstet mit einer genauen In-
ſtruktion, die der König bis ins kleinste gehend zuſammengestellt hatte, sollte er die königlichen Behörden und die Regimenter inſpizieren. ihm
Die Vollmacht, die
der Vater gegeben, sollte er dazu gebrauchen,
eigenhändig einzugreifen, wo er Mißstände fand.
Sie
war das erste Zeichen wiedergewonnenen Vertrauens und eine Anerkennung seiner Fähigkeit,
die er bei
ſeinen Arbeiten in Ruppin gezeigt hatte. Troßdem dieſe „ Luſtreiſe“, wie ſie Friedrich Wilhelm in dem Wunſche nannte, ſie in den Augen Friedrichs annehmbarer zu machen,
ein schlechter Ersatz
war für den Feldzug zum Rhein, gab Friedrich ſich ehrliche Mühe, den Erwartungen des Königs zu entsprechen. Im Innern war er durchaus nicht zufrieden, an seine Schwester Wilhelmine schrieb er : „,. . . . um mich zu tröſten , schickt er mich auf eine Reise nach Preußen, das ist etwas anständiger als Sibirien, aber nicht viel. Das habe ich nun davon ; ich bin sehr ärgerlich darüber !" Er wäre gern in Ruppin geblieben, wo er sich so glücklich fühlte. Preußen intereſſierte ihn blutwenig. Jezt waren es Philoſophie und Kriegskunſt, die ihn anzogen.
Und die Geschichte seiner Ahnen ließ ihn Hille*) hatte von ihm
kalt, sie war ihm faſt unbekannt.
in Küstrin gesagt, er ſei ſo unwiſſend, daß er nicht angeben könne, ob ſeine Vorfahren Magdeburg im Kartenspiel oder auf andere Weiſe an sich gebracht hatten. Inzwischen hatte er ſeine Kenntniſſe in der Geschichte Preußens auch nicht verbessert, so daß er ohne Ge= danken an die große Vergangenheit Städte wie Königsberg, Danzig und Marienburg betrat.
er
Aber die praktische Seite seiner Reiſe behandelte Erwarten gut. Sein ausgezeichnetes Auf-
über
*) Kammerdirektor in Küſtrin.
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faſſungsvermögen machte sich geltend , und ſeine Vielseitigkeit ließ ihn ſich ganz in den Zweck ſeiner Fahrt versenken.
Nach und nach machte ihm seine Miſſion
ſogar Vergnügen, ohne Zwang fand er ſelbſt Gefallen an ſeiner Arbeit , und ſein Horizont erweiterte sich. Mit Verstand und hellen Augen sah er, wo es in den Verwaltungen fehlte , entdeckte Mängel bei den Regimentern Potsdam.
und
berichtete
Der König war entzückt !
alles
ausführlich
nach
Seine Inſtruktion, „ bis
ins kleinste Detail zu gehen“, wurde von Friedrich streng befolgt.
Es war ganz in dem Sinne Friedrich
Wilhelms, wenn sein Sohn ihm Kostproben von dem Brote schickte, das er bei den Bauern gegessen.
„ Es
ist mir besonders lieb “, heißt es in einem der Briefe des Vaters , „ daß Ihr ins Detail gehet und Euch bemühet, den Grund der Sachen zu erforschen, welches das Vornehmste ist, und läßt sich sodann am besten davon urtheilen. Die mitgeschickte Probe von dem Brod und von dem Korn ist schlecht ; es kommt aber auch viel darauf an, ob die Leute nicht zum Teil ſelbſt schuld daran sind, daß ſie ſolch Korn ernten, wenn ſie schlecht bestellen, und ſodann kann auch das Brod nicht beſſer ſein.“ Welche Freude bereitete es Friedrich Wilhelm, die Vorschläge seines Interesse
Sohnes
gewinnen
zu
lesen !
Er
sah ihn
an seiner mühseligen,
überehr-
lichen, faſt pedantiſchen Art des Regierens und begann die Furcht zu verlieren, daß die ſoliden Gebäude und Einrichtungen seiner Verwaltungskunst, die er unter großen Schwierigkeiten und materiellen Opfern gebaut, nach seinem Tode verfallen würden. an
die
Ausführung
lichen Inspektors.
Prompt ging er
der Vorschläge des kronprinz-
So wünschte er es, Hand in Hand
mit dem Sohne, und nur ein Ziel vor Augen : den Wohlstand ! Alles andere erſchien ihm überflüſſig. Er 3 Friedrichs d. Gr. Rheinsberger Jahre.
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war der rechte Mann ſeiner Zeit, ohne ihn, ſeine weiſen Zeiten der Not, die ausgezeichnete Armee, hätte es keinen Friedrich den Großen gegeben ! Es war die glücklichste Aufeinanderfolge zweier sich
Ersparniſſe für
ergänzender Charaktere, von denen der eine klug genug von dem andern zu lernen, ohne dabei Einbuße an seiner eigensten Natur zu erleiden . war,
In Königsberg lernte Friedrich Stanislaus Leszcynski kennen, den König ohne Land , den zum zweiten Male Entthronten. Was er dort sah, gefiel seinem kritischen Blick nicht. Er tadelte das elende Aussehen der polnischen Dragoner, die Vielfarbigkeit ihrer Pferde, „ Die Soldaten meines Vaters
die lockere Disziplin. sind andere Kerle !"
In dem Gefolge Stanislaus' war ein Franzose, der Abbé Langlois, der sich in folgender Weise über Friedrich äußerte : ,,Der Prinz schien mir ſehr liebenswürdig und gebildet für ſein Alter zu ſein, Vorliebe für unſere Nation zu haben, den Krieg zu lieben, Lust zu haben, einen zu führen, Achtung für den König Stanislaus zu empfinden und Abneigung gegen den Kurfürſten von Sachſen. hassen.
Den Hof von Petersburg ſchien er zu
Er hat eine entschlossene Natur, will sich in
allem unterrichten und empfindet in manchem anders als ſein Vater.
Er ist höflich zu unsern Damen und
Herren und hat für ein polnisches Fräulein eine ganz Er liebt sehr, über die besondere Vorliebe . . . Unsterblichkeit der Seele zu diskutieren.“ Friedrichs Weg führte ihn auch nach Preußisch= Polen. In welchem Gegensate ſtand dies Land mit Preußen ! Hier sieht es grauſam wüste aus “, ſchrieb er an den König,,, man sieht nichts als Weiber und einige Kinder, und sollen die Leute sehr flüchten. " Wie waren dagegen seines Vaters Lande !
Voll warmer
Freude hatte er einem Freunde geschrieben, wie schön
"
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er die Städte gefunden hätte, die so voll von Einwohnern wären, daß Vororte entſtänden. Aber auch was ihnen fehlte, erkannte er : „ Die Schulen sind rar, infolgedessen das Christentum wenig bekannt und die ausgezeichneten, sehr fähigen Geister nicht kultiviert und wegen des Mangels an Religion und guten Prinzipien all ihren Leidenschaften preisgegeben.“ Vergessen war der Groll über die aufgezwungene Reise, wiederum kehrte Friedrich reich an Erfahrungen zurück.
Einen wertvollen Schatz nahm er mit, der ihm
ſpäter manchen Segen brachte : er hatte gelernt, was Kultur bedeutet !
Jeßt betrachtete er den Vater
anders wie zuvor, er begann ihn zu schäßen, ihm nachzueifern .
Und zu ſeiner Vorliebe für Kunſt und Phi-
losophie, zu der sich schon die großen Ideen über Politik und Krieg gesellt hatten, trat am Ende seiner Fahrt ein neuer Wunsch, der, Kultur und Bildung zu verbreiten.
Immer greifbarer wächst jezt vor unſern
Augen dieser Charakter und Mensch, immer deutlicher lernen wir verstehen, wie ſein umfaſſendes Genie sich ſchulte, daß fonnte !
es
später
so
glückliche Früchte tragen
Mit Wonne nahm Friedrich nach sechswöchent= licher Abwesenheit ſein ſtilles Leben in Ruppin wieder auf. Die schwindende Herbstſonne schien für ihn zum lezten Male in seinem Ruppiner Garten, auf das kleine griechische Tempelchen, das von seinem Hügel durch Baumwipfel lugend ihn stets schon von weitem begrüßt hatte, und auf alle die Faune und Amoretten, die umgeben vom bunten Laub so zierliche Stellungen auf ihren Postamenten einzunehmen wußten. Bachus und Venus blieben im Verein mit diesen Gestalten als ewiges Andenken im Ruppiner Garten zurück, den kommenden Geſchlechtern zu erzählen von den fernen Tagen, da der junge Träumer schweigsam mit dem Buche in der Hand an ihnen vorüberwandelte oder
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sein lustiges Lachen durch die Stille der Nacht ertönte. Sie wissen noch manches andere von ihm, aber ſie ſind diskret, über ihre lächelnden Lippen dringt kein Verrat, sie sind ja Kinder des galanten Jahrhunderts. Noch ein Frühjahr ſah Friedrich in Ruppin, aber schon war er mehr in dem benachbarten Rheinsberg, als in der kleinen Garniſon. ſeinen Einzug im Schloß am Sommer seines Lebens trat Frühlingszeit.
Im Sommer hielt er See. Auch in den er nach stürmischer
Schloß Rheinsberg Gesamtansicht
Zweites Kapitel. Ankauf des Schloſſes und Gutes am Grinerick- See. Einzug in Rheinsberg. Bauarbeiten. Knobelsdorff verschönt und ver= größert das Schloß. Die innere Einrichtung. Friedrichs und Eliſabeth Chriſtines Zimmer. Der Hofstaat der Kronprinzeſſin. Ihr Etat. Friedrichs Einkommen und seine Schulden. Die Sparsamkeit Friedrich Wilhelms . Erwerbung des Gutes Zer= nickow . Die Remusinsel und ihre Sage. Besuch beim Prinzen von Mirow. Gegenvijite in Rheinsberg. Tanz und Gelage. Friedrichs Freundschaften.
Durch eine Wildnis dichter, hochſtämmiger Bäume, die im Schmuck vielfarbigen Laubes ſtanden, kam Friedrich an einem Herbsttage des Jahres 1733 zu Besuch nach Rheinsberg.
Es war nicht das erſte=
mal, daß er hier als Gaſt des Obersten von Béville erschien.
So willkommen er auf dem Schlößchen war,
so gern suchte er auch diesen Plaß auf, dessen romantische Lage an dem glizernden See es ihm angetan hatte.
Der Wunsch, hier als Herr zu wohnen, wurde
immer sehnlicher, und so war er heute gekommen, um dem Oberſten vorzuſchlagen, ihm das Gut zu verkaufen. Béville ſagte zu, und Friedrich teilte seinem Vater mit, daß er hier gern ſeine kleine Reſidenz aufschlagen möchte. Bereitwillig ging Friedrich Wilhelm auf ſeine Bitte ein und beauftragte eine Kommiſſion mit der Veranschlagung des Kaufpreises. Der Oberst forderte 75000 Taler. Für diese Summe hatte schon im Jahre 1618 unter dem Kurfürsten Johann Sigismund Lochow
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das Gut erſtanden.
Die Bévilles hatten es dann 1685
für 12600 Taler erſtanden.
Die Summe, die jezt ver-
langt wurde, war also in Anbetracht der langen Jahre, in denen die Herrschaft manche Verbeſſerung und Vergrößerung erfahren, nicht zu hoch gegriffen.
Der König
war einverstanden und schickte am 1. November seine Zusage.
Hocherfreut dankte ihm Friedrich am folgen... . . . „ ich bedanke mihr
den Tage mit den Worten :
ganz unterthänigst vohr die Gnade, so mein allergnädigster Vahter vohr mihr gehabt wegen des Guhts Rheinsberge zu kaufen.
Ich werde solche Zeit meines
Lebens mit ganz unterthänigſtem reſpect erkennen.“ Am 12. Dezember wurde der Kauf abgeſchloſſen, die Uebergabe
sollte
Trinitatis
1734 stattfinden.
Im März
dieses Jahres erhielt der Geheime Rat von Lucke zu Berlin folgende Order des Königs : „ Se. Königl. Majestät haben des Cron- Prinzen Liebden zu Erkaufung des
Guhts
Reinsberg von dem Obrist von Béville
50 000 rthlr. geſchenkt und befehlen demnach dem Geh. Raht von Lucke hiedurch in gnaden solche 50/m rthl. an den Obrist von Béville und deſſen Mit Erben, wenn ſie des Cron-Prinzen Liebden das Guht werden übergeben haben, gegen hinlängliche quittung zu bezahlen. “ Und gleich darauf erhielt Lucke den Befehl, zur völligen Bezahlung die fehlenden 25 000 Taler von dem schmalen Heiratsgut der Kronprinzeſſin zu nehmen, „ ſo er von Wolffenbüttel erhalten und in Empfang ge= nommen." Ferner ordnete der König an, für das Jnventar des Gutes und die Ackergeräte 1735 Taler zu bezahlen
und
auch
eine
Restforderung
der Stadt
Rheinsberg im Betrage von 3200 Taler zu begleichen. Am folgenden Tage, dem 21. März , ſchrieb er dann an Friedrich : „ Mein lieber Sohn , Ich habe Euch hierdurch bekannt machen wollen, daß die Kauf- Gelder vor das Guht Reinsberg nunmehr parat liegen und der von Lucke ordre hat, solche auszuzahlen, sobald Euch das
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Guht
übergeben.
Ihr
könnet also dem Obrist von
Béville solches wiſſen laſſen, und von ihm vernehmen, wann ehe er das Guht an Euch übergeben will.
Er
kann dennoch die revenues davon bis nächſt künftigen Trinitatis genießen, nur daß Ihr von Eurer künftigen Wirthschaft disponieren könnet." Nun ging Friedrich mit Freude an den Ausbau des Schlößchens .
Auf den Rat Friedrich Wilhelms,
„ ſich einen guten Baumeister zu suchen, der ihm etwas artiges baut und commode anlegt", beauftragte er den Baurat Kemmeter mit der Bauarbeit. Das Schloß be= ſtand aus einem dicken Turm mit einem Gebäude in gothischem Stil.
Friedrich, der den Plan zur Umge=
ſtaltung ſelbſt entwarf, ließ durch Kemmeter den größten Teil des Hauses niederreißen und dafür an den alten Turm, dem durch große Fenster Licht und Luft gegeben wurde, ein hübsches Gebäude im Geschmack der Zeit sehen.
Sehr ſparſam mußte gearbeitet werden.
Der
König bewilligte nicht viel, er verlangte, die Steine möglichst zu sparen und viel Holz zu verwenden , das in den großen Waldungen im Ueberfluß vorhanden war.
Zu
Wasser über Zehdenick kamen die vielen Tonnen Kalk und Gips, die Schieferſteine, das Kreuzblech. der Bau nur langſam vor sich. laus
So ging
Da kam der Freund Friedrichs, Georg Wencesvon Knobelsdorff, von seiner italienischen
Studienreise zurück. Der Kunſtſchwärmer und Dilet= tant, aus dem durch ernstes Studium unter Antoine Pesne und Kemmeter ein Künstler geworden, hatte seine Gedanken über Baukunſt und Malerei in Italien gefestigt.
Trotzdem ihn die alte Kunst der Venezianer
und Florentiner kalt gelaſſen, hatte er doch ein ſtarkes, natürliches Schönheitsempfinden und besaß Geschmack. Voller Jdeen über monumentale Bauten, die Mappe voller Skizzen antiker Motive, ging er mit dem Feuereifer der ersten eigenen Arbeit an die Veredlung der
Kolonnade Rheinsberg Park im von
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ziemlich schmucklosen und nüchternen Gebäude Kem= meters. Um das Ganze harmonisch zu gestalten, baute er den rechten Flügel an die Mittelpartie des Schlosses, die zum Corps de logis beſtimmt war, und führte einen zweiten Turm auf, das Ebenbild des alten. Nun verband er beide Flügel durch einen reizenden Säulengang, dessen Stufen fast direkt zum See führten. Kinderfiguren und Vaſen ſezte er auf dieſe Kolonnade und erzielte dadurch eine graziöse, feine Wirkung. Welch entzückender Ausblick bietet sich von hier auf Garten und Park! Sanft anhebend, dem Ufer des ſtillen Sees folgend, wächst die Linie des Parkes langſam in die Höhe bis zur Mitte des zarten Landschaftsbildes. Dann sinkt die weiche Linie wieder und verliert sich allmählich. Und überall ſpülen die kleinen Wellen faſt an die Wurzeln der Bäume. Nur ab und zu ſteht ein schmaler Streifen Schilf oder Rohr. Ein seltsamer Effekt, dieses Schloß, das ſeinen Hof im Rücken hat ! Vorn ist nur eine kleine Brücke, die über den Rhin zum Marktplatz führt, der durch ein kleines Stück Garten vom Schlosse entfernt liegt. Auf der Brücke ſtanden holzgeſchnitte Figuren*) , die Laternen hielten, den Eingang zu beleuchten. Und der Besucher las über dem Portal die Worte : ,,Friderico tranquillitatem colenti " ,, Der Ruhe Friedrichs " sollte das Schlößchen geweiht ſein, aber einer produktiven Ruhe, die keine Störung durch die Außenwelt vertrug.
Deutlich sollte die In-
schrift den Eindringling zurückweisen, hier war nur der willkommen, der geistig arbeiten wollte, der Luſt und Liebe zu Kunst und Philosophie mitbrachte. Ein feiner, kleiner Kreis meist jugendlicher Idealisten sollte hier ungestört neben und mit dem Herrn des Hauſes ganz
*) Von Glume angefertigt.
Bibliothek (Turmzimmer) Mit Arbeitstisch und Fauteuil Friedrichs
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den eigenen Neigungen leben und vollkommenſte Freiheit genießen.
In der Stille dieſer anziehenden, ein-
fachen, aber um ſo innigeren Natur konnte ein jeder ſich nach Herzenslust mit dem beſchäftigen, was er am liebſten hatte.
Der junge Schloßherr ging allen mit dem
besten Beispiele voran.
Mit unermüdlicher Ausdauer
und einem eisernen Fleiß ſuchte er die ſeiner Bildung verlorenen Jahre wieder einzuholen. Und in der kurzen Zeit dieser Rheinsberger Jdylle gelang es ihm vollkommen. Geschmackvoll war das Innere des Schloſſes ausgestattet*) . Im ersten Stock lagen die Räume Friedrichs und seiner jungen Gemahlin. Neben dem alten Turm, in dem die Bibliothek aufgestellt war, lag das Arbeitszimmer.
Es war hell und sonnig.
Faſt ab-
geschlossen von den andern konnte Friedrich hier ungestört seinen Gedanken folgen ; in das Geräuſch der Feder mischte sich nur das Rauſchen der Baumwipfel und das ferne Plätschern des Sees. Die Bibliothek war durch keine Tür von dem Arbeitszimmer getrennt, sie barg in geschnitten Glasschränken eine reiche Auswahl philoſophiſcher, hiſtoriſcher und klaſſiſcher Werke. Aber auch Friedrichs größter Schak lag hier verborgen, die Arbeiten Voltaires. Und über diesen Schrank hängte er das Bild des bewunderten Dichters .
„ Sie
ſind stets mit uns“, ſchrieb er ihm am 9. November 1738, „ Ihr Portrait iſt der Leitſtern in meiner Bibliothek; es hängt über dem Schranke, der unser goldenes Vließ birgt. Ueber Ihren Werken hat es ſeinen Plah, immer habe ich es von meinem Tiſche aus vor Augen. Beinahe hätte ich gesagt, das Bild gleiche der Memnonsſäule, die einen harmonischen Klang von sich gab, wenn die *) Jm Rheinsberger Oberförsterei-Archiv fand ich ein Jnventar aus dem Jahre 1740, nach dem ich die Anordnung der Möbel und die Ausstattung in den einzelnen Räumen des Schlosses wiedergeben kann (siehe Anhang).
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Sonnenstrahlen sie trafen ; Ihr Bild regt ebenſo den Geist des Beschauers an. Mir wenigstens iſt es immer, als hörte ich seine Stimme.“ Antoine Pesne schmückte die Decke des Turmzimmer3 mit einem allegoriſchen Bilde. Minerva von Genien umgeben mit den Attributen der Wissenschaften und Künste.
Einer der Genien zeigt auf ein offenes
Buch, in dem die Namen der beiden Lieblingsdichter Friedrichs stehen : „ Horace Voltaire." Das
Arbeitszimmer
Friedrichs ,
„ die Schreib-
kammer", hatte Möbel, die mit violettem Damaſt, verziert mit ſilberner Borte, bezogen waren.
Violett und
Silber bevorzugte er.
So waren auch die Holzteile
der Möbel versilbert.
Vor den Fenstern Gardinen
von demselben Damaſt.
Auf dem schrägen Schreibtisch
ſtand „ ein ſilbern, ſtark vergüldetes Schreibzeug“ mit zwei Leuchtern. Eine Kristallkrone mit sechs Armen spendete warmes Kerzenlicht .
Beim Arbeiten dienten.
Lichtschirme von grünem Taft mit Füßen aus Porzellan. Eine gewirkte Fußtapete" dämpfte den Schritt. Vor dem lodernden Kamin ſtand ein Schirm aus violettem Damaſt. spiel,
Daneben ein Notenpult für einſames Flöten-
denn
von Zeit zu Zeit unterbrach der junge
Philosoph die Lektüre und griff zur geliebten Querflöte, ein paar Takte zu spielen. Des Abends benußte er zu seinen Konzerten einen größeren Saal ; der große Konzertsaal war noch unvollendet und wurde erst fertig= gestellt, als Friedrich Rheinsberg schon verlaſſen.
— Die übrigen fünf Räume
Friedrich hatte sieben, waren
die Kronprinzeſſin fünf zu ihrem Gebrauch reizend und geschmackvoll ausgestattet,
zarte Farben=
zusammenstellungen gaben den Zimmern eine feine Harmonie und schufen im Verein mit den Möbeln des graziösen Stils Louis XV . einen würdigen Rahmen für eine Gemeinſchaft ſchönheitsdurſtiger Menschen.
46
Jm
großen Spiegelsaal hingen sechs
große
Spiegel in silbernen Rahmen, drei kleinere über den Türen.
Schade, daß alle die Spiegel in Rheinsberg
von so schlechter Qualität sind, sie geben mit wenigen Ausnahmen Zerrbilder wieder.
Auch die Kriſtallkronen
ſind aus minderwertigem Glaſe, ſie ſtammen, wie die Spiegel, aus der nahen Zechliner Glashütte, in der Friedrich billiges Glas anfertigen ließ. Im Spiegelsaal standen vierundzwanzig ,, englische Stühle", überzogen mit rosenfarbigem Atlas. waren die Gardinen.
Aus demselben Stoffe
In zartem Kontraſt dazu war
der Kaminschirm mit ſeegrünem Stoff bespannt. An den Saal schließt sich das „ neue Schlafkabinett“ , in dem die grüne Farbe dominierte. Auch hier waren die Füße der Möbel, die Leiſten der Wandbespannungen, die Vorten der Bezüge versilbert. Ueber den Türen hingen Stilleben von dem Blumenmaler Dubuiſſon, dem Schwager Antoine Pesnes. Noch viele ähnliche Bilder von ihm finden sich im Schloſſe. Trokdem sie der Feinheit entbehren, haben sie doch eine hübsche Wirkung an ihren Pläßen über den hohen Türen, die reiche Schnitzereien tragen, fast durchweg Diese Skulpturen ſind erotische Szenen darstellend. ziemlich grob, auch inhaltlich, aber der Gesamteindruck der schlanken, weißen Türen wird dadurch kaum beeinUeber dem Kamin hing das Bild EliſabethAn Chriſtines, ein Knieſtück in silbernem Rahmen. den anderen Wänden waren die Porträts der Prinzessin trächtigt.
Ulrike, des alten Deſſauers und des Bruders Knobelsdorffs. Auf dem Bett mit grünen Gardinen lag eine Atlasdecke von derselben Farbe.
Ein Fauteuil mit
rosenfarbenem Bezug, vier Stühle, ein „ NußbaumSchreibspind mit Spiegeltüren“ und ein Marmortisch mit silbernen Füßen vollendeten die Ausstattung. Von hier aus kam man in den Muſikſaal, wo die abendlichen Konzerte ſtattfanden.
Stühle gab es da
Rheinsberg in Friedrichs Schlafzimmer
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nicht.
Das Licht der großen Krone und der gläsernen
„ Wandblaker“ reflektierten zwei große Spiegel.
Nur
ein großer lackierter Flügel und fünf Notenpulte bildeten die ganze Einrichtung . An den Muſikſaal stieß das sogenannte „ alte Schlafkabinett", das mit „ indianiſchem“ Stoffe ausgeschlagen war.
Auf dem Bett, deſſen Gardinen
aus demſelben Stoff waren , lagen zwei Matraßen, darüber eine grüne Atlasdecke.
An den Wänden hingen
holländische Bilder in ſchwarzen und goldenen Rahmen. Auch das Porträt der Mutter Friedrichs, Sophie Dorothea, hatte hier ſeinen Plaß gefunden. Der lette Raum, dem nur noch eine kleine Vorkammer folgte, die in Gelb und Silber gehalten war, hieß die „ vergüldete Kammer. " Die Füße der Möbel waren vergoldet, ebenso die Rahmen der Bilder und Spiegel. Gut stand zu dem Gold der Einrichtung der karmoisinrote Bezug der Möbel und die roten Gardinen der Fenster und Türen.
Auf der Marmorplatte
der Kommode lag ein Etui aus violettem Sammet, das die Zahninſtrumente des Kronprinzen barg.
Wie
er stets allerhand Mittel gegen seine Krankheiten erfand und ſie ſeinen Freunden empfahl, so scheint er auch oft sein eigener Zahnarzt geweſen zu ſein. Hübſches Dresdener Porzellan, wie Taſſen, Teller, Kännchen und ein Waschbecken, grün mit Gold, ſtand auf dem Kamin. Außer dem großen Kanapee waren noch vier Stühle vorhanden. Durch die Vorkammer geht es in die Zimmer der Kronprinzessin. Zuerst in das Schlafzimmer. Hier standen vergoldete Möbel mit blauen Atlasbe= zügen. Es folgte nun das „ blaue Kabinett“ , das „ gelbe Kabinett" mit Zedernholzmöbeln und einem Tiſch, der heute im Hohenzollernmuseum steht.
Auf seiner Platte
ist ein Delgemälde, das die Markgräflich- Bayreuthſche
1
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Kapelle darstellt.
Dann kommt das ,,rote Kabinett. "
Hier hing das von Knobelsdorff gemalte Porträt Frie= drichs, heute in den Elisabethkammern des königlichen Schlosses zu Berlin. Es gehört zu den wenigen Bildnissen, zu denen Friedrich ſelbſt Modell stand und ist
Ofen aus dem Schloß
daher dem Original recht getreu .
Von diesem Zimmer
gelangt man in den Vorsaal der Kronprinzessin, in dem die abendlichen Festlichkeiten, die sie veranstaltete, ſtatt= fanden.
Fast alle Räume des Schlosses wurden unter
den folgenden Besißern umgebaut ; ganz in der ursprünglichen Form erhalten ist nur dieser Vorſaal und 4 Friedrichs d. Gr. Rheinsberger Jahre.
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der große Muſikſaal, der aber zu spät für Friedrichs Zeit vollendet wurde. So war mit Geſchmack und Kunſtverſtändnis trok der geringen Mittel, die zur Verfügung standen, ein schönes Heim geschaffen worden. Im Auguſt des Jahres 1736 30g Friedrich gänzlich nach Rheinsberg.
Um sich
der hohen Ehre würdig zu zeigen, den Thronfolger in beſtändiger Nähe zu haben, mußte das Städtchen ein neues Kleid anlegen. Dafür sorgte wenigstens Friedrich Wilhelm.
Die Hauptstraße und der Marktplat
mußten gepflastert werden,
die elenden Stroh- und
Schindeldächer verschwanden und an ihre Stelle traten Ziegeldächer.
Alle Häuser,
die an der Hauptstraße
lagen, wurden abgepußt und frisch gestrichen. armen Bürgern wurde geholfen.
Den
Laſten und Abgaben
wurden ihnen abgenommen, Baugelder gegeben, und ihre Arbeiten und Geſchäfte unterſtüßt. wurde ja Reſidenz ! seine Bürger.
Rheinsberg
Und nicht wenig stolz waren jezt
Schnell nahm ihre Zahl zu .
In kurzer
Zeit hatte es das Städtchen auf die respektable Zahl von 626 Einwohnern gebracht. Einige Wochen nach Friedrichs Einzug traf auch Elisabeth Christine mit ihrem Hofstaat ein.
Er beſtand
aus einem Hofmarschall, dem Herrn von Wülkniß , der Oberhofmeisterin Frau von Katſch, den Hofdamen Fräulein von Schack und Fräulein von Walmoden, dem Kammerherrn von Rohwedel und dem Hofkavalier von Bredow. denkt,
Dazu kamen die Bedienten.
was ſonſt zur Unterhaltung
Wenn man beeines fürſtlichen
Haushaltes für nötig befunden wird , muß die Etatsliste der armen Kronprinzeſſin überraschen. Ihre eigene Rente hatte Friedrich Wilhelm schon arg gekürzt. Er erlaubte auch nur eine ganz kleine Anzahl Bedienter, die mehr wie schlecht besoldet wurden.
Die Etatsliste,
die noch heute im Geheimen Staats- Archiv zu Berlin liegt, sei hier mitgeteilt.
Es ließen sich zu ihr intereſſante
51
Vergleiche mit modernen prinzlichen Hofhaltungen machen. Das Schriftstück ist auch ein schlagender Beweis für die altpreußische Sparſamkeit, die unter Friedrich Wilhelm I., ihrem eigentlichen Begründer, ſelbſt in der Familie des Königs herrschte.
Etat vor der Crohn- Printzessin und deren sämtliche Bediente und Domestiquen 1 23420
2 5
6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Die Crohn- Printzessin Hoheit, zu ihrer Kleidung, täglichen Handgeld, Spiel Geld und sonst zu ihrer eigenen Disposition überhaupt Die Hof- Meisterinn überhaupt vor Alles zwey Adeliche Fräuleins, jede 300 rth. thut Der Hofmeister stehet schon auf einem andern Etat ein Cammer Junker steht auch schon auf einem andern Etat ein Sekretarius zwey Pagen, jeder 40 rth. ein Cammerdiener drey Laquaien vor der Crohn Printzessin, jeder 88 zwey Cammerfrauens jede 120 rth. eine Nähterin eine Wäscherin ein Laquais vor die Hofmeisterinn eine Magd vor dieselbe ein Laquais vor die Cammerfräuleins eine Magd vor dieselben Summa Friedrich Wilhelm .
Jährlich Rth. gr 7200 1200 600
400 80 150 264 240 100 88 88 60 88 60 10618-
Friedrich hatte ein Einkommen von 26 974 Tlr. pro Jahr, ſein Regimentsetat betrug 6408 Taler. Natürlich konnte er mit diesen Geldern nicht auskommen und seine Schulden hatten schon eine beträchtliche Höhe erreicht.
Als der König bei ſeinem erſten Beſuche voll
Freude über die ſeinem Geschmack angepaßte Aufnahme in guter Laune an der Rheinsberger Tafel saß, fragte er Friedrich nach dem Betrage seiner Schulden. Die ganze Summe wagte aber der junge Gastgeber nicht anzugeben und er nannte nur 40 000 Saler. Schon nach einigen Tagen schickte ihm Friedrich Wilhelm dieſe Summe. Nur der guten Laune des Vaters und seiner
4*
52
Zufriedenheit über die Ordnung und ökonomische Einrichtung des Gutes verdankte Friedrich dieses Geschenk. Wie ſparſam es am Hofe des Königs zuging , wird uns durch ein Gespräch des Grafen von Sinzendorff_mit Baron von Seckendorff, das der lettere in seinem „,Ge= heimjournal" notierte, geſchildert.
Die Unterhaltung
bezog sich auf Friedrich Wilhelm und ſeinen Haushalt. Nach seiner Krankheit war der König mäßiger ge= worden, besonders im Trinken. Eſſen thut er noch stark,“ fügte Seckendorff dieſer Mitteilung hinzu,
„ aber lauter simplicia und ſeine
Tafel kostet täglich nicht mehr als 7 Thaler. “ „ Nur sieben Taler ?" fragte der Graf erstaunt, der an die reiche Hofhaltung in Wien gewöhnt war.
„ Das
ſollte unſereiner lernen ; und wieviel Perſonen eſſen davon ?" ,, An des Königs Tafel wenigstens 24, hernach die Hofdamen, hernach die Pagen, ſo die Aufwartung haben, und die Laquaien ; das Deſſert aber wird alles geplün= dert.
Bey der Tafel ſelbſt, wenn was iſt, ſo dem König
anſtehet,
ſo
läßt
er's aufheben,
zum Beiſpiel einen
Schweinskopf.“ „ Aber er hat doch sonst an Leuten einen ziemlichen Hofstaat ?" fragte Sinzendorff. „ Nichts weniger als als," antwortete der Baron.
"" Von ſeinen ziemlich schlecht gekleideten Pagen, die in einem Haus in der Stadt unterhalten werden, hat er zwey zur Aufwartung, die Königin eben so viel und jeder Prinz und Prinzeſſin einen. Die übrige Aufwartung besteht in Jägern und Laquayen, so auch sehr simpel und faſt ſo kurz als seine Soldaten gekleidet ſind." „ Das ist doch terribel, " sagte der Graf, „ um ſieben Taler den Tag !
Was könnte das jährlich machen,
wenn er eine beſſere Tafel gäbe ? tausend Thaler. “
Zehn- bis zwanzig=
Tür vom großen Konzertsaal
54
Aber die Speiſen ſind ſehr üni , ſo koſten ſie nicht viel,“ entgegnete ihm Seckendorff.
„ Die arme Königin
und die Prinzeſſinnen ſind zu beklagen,
die öfters
keinen Biſſen eßbares haben nach ihrem Guſto.“ „ Ich weiß doch,“ berichtigte der Graf, „ daß ſie bisweilen kleine aparte Schüſſelein haben.
Was koſtet
denn das Pfund Fleisch in Berlin ?" „ Sechs Kreuzer, “ belehrte ihn Seckendorff. ,, Das ist theuer, hier (in Wien) verwundern wir
uns," meinte Singendorff, „ daß es fünf Kreuzer koſtet. “ Mit Betrachtungen über die Steuern ſchließt dann dieſes intereſſante Gespräch der beiden Zeitgenossen. Wir sehen aus diesen Mitteilungen von neuem, welche beinahe übertriebene Einfachheit in der Familie Friedrich Wilhelms herrschte. Das Einkommen Friedrichs war daher auch knapp genug bemessen und wurde kaum durch den Ertrag der Rheinsberger Wirtschaft erhöht, der jährlich nicht mehr als 3600 Taler betrug.
Und
diese Summe wurde bis auf einige hundert Taler verbraucht,
zum
Teil
auch für
die Unterhaltung
des
Gartens, der durch den Hofgärtner Sello angelegt war. So hieß es ſparſam ſein, denn Friedrich war gaſtfreundlich und liebte einen guten Tisch. mittel waren nicht teuer.
Aber die Nahrungs-
Und aus seinem
eigenen
Gemüse- und Obstgarten wurde Friedrichs Tafel verſorgt.
Auch aus dem großen Ruppiner Garten vor
der Stadtmauer bezog feine Küche Früchte und allerhand Gemüſcſorten.
Ein großer Hühnerhof in Rheins-
berg mußte sogar oft Friedrich Wilhelm mit feiſten Kapaunen, Truthähnen oder Gänsen überraschen. Der König war für solche Aufmerkſamkeiten beſonders empfänglich.
Als er sah, welche Fortschritte die Bewirt-
schaftung des Gutes machte, schlug er Friedrich vor, seinen Besitz zu erweitern. „ Ihr wisset,“ schrieb er ihm im Januar 1737 , „ daß nicht weit von Rheinsberg die Bévilleſchen Güter liegen,
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welche zu verkaufen ſindt.
Wenn Ihr nun Lust habet,
ſo könnet Ihr selbige examinieren und zu kaufen ſuchen, um Rheinsberg dadurch zu verſtärken. das Geld dazu geben." Friedrich kaufte
daher schon
Ich werde Euch
im Februar dem
Oberſten das Gut Zernikow für 16 000 Taler ab.
Die
neue Beſikung erhöhte nun etwas ſeine Einkünfte, auch die Zechliner Glashütte brachte ihm eine kleine Einnahme. Die Gläſer, die hier angefertigt wurden, waren von recht schlechter Qualität und troßdem fand Friedrich Wilhelm sie
besser als die Potsdamer
Fabricate. " Ihm gefiel es, daß billige Gläser hergeſtellt wurden, denn sie brachten größeren Abſak. Der Fischfang im Grinerickſee gab Friedrich neben
schönen Fischen für seinen Tisch eine amüsante Unterhaltung.
Den Aufenthalt auf dem Waſſer liebte er
überhaupt und bei schönem Wetter unternahm er von Zeit zu Zeit mit seiner kleinen Hofgesellschaft Ausflüge in Kähnen.
Das bevorzugte Ziel war die Remus =
insel. Ihren klaſſiſchen Namen hatte sie von der alten Sage, auf welche die Rheinsberger stolz waren, daß Remus nicht von seinem Bruder Romulus erſchlagen wäre, ſondern sich nach dem Norden Deutſchlands geflüchtet und ſein Grab auf dieſer kleinen Insel gefunden hätte. Friedrich
nannte
daher
klaſſiſche Namen Rheinsberg
in seiner Vorliebe für ―― Remusberg. Es
ſcheint beinahe, daß er einen Augenblick an die alte Sage glaubte, wenigstens beſpricht er sie ernsthaft in einem Briefe an Voltaire.
Hier die betreffende Stelle :
,, Vor einigen Jahren fand man in einem Manu= skript des Vatikans die Geschichte von Romulus und Remus in einer Weiſe berichtet, die von der uns bekannten vollkommen abweicht. Dies Manuskript beglaubigt, daß Remus den Verfolgungen des Bruders
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entging und vor deſſen eifersüchtigem Zorne in die nördlichen Provinzen Germaniens floh ; hier erbaute er an einem großen See eine Stadt, der er ſeinen Namen gab, und nach seinem Tode wurde er auf einer Insel begraben, die aus der Tiefe des Wassers ragte und eine Art kleinen Berges mitten im See bildete. " „ Zwei Mönche kamen im Auftrage des Papſtes vor vier Jahren hierher, um den von Remus gegründeten Ort nach der Beschreibung, die ich soeben gab, ausfindig zu machen.
Sie sagten, die Stadt müſſe
hier in Rheinsberg oder, wie man auch sagen könnte, Remusberg gewesen sein.
Die braven Patres ließen
überall auf der Insel nachgraben, um die Aſche Remus' zu finden. Entweder wurde diese nun damals nicht sorgfältig genug aufbewahrt, oder die Zeit, die alles zerstörende, hatte sie mit der Erde vermischt, jedenfalls wurde nichts gefunden." ""Eine Erzählung, die ebensowenig erwiesen ist, wie die vorige, besagt, daß man vor ungefähr hundert Jahren beim Bauen der Fundamente dieses Schlosses zwei Steine gefunden habe, auf welchen die Geschichte vom Fluge der Geier eingemeißelt war. Troßdem die Figuren sehr verwiſcht waren, hat man doch noch einiges erkennen können. Unsere gothischen Vorfahren, die leider sehr ungelehrt und wenig wißbegierig waren in Bezug auf Dinge des Altertums , haben nicht dafür ge= ſorgt, uns diese wertvollen Geſchichtsdenkmäler zu erhalten, und ließen uns daher in dunkler Ungewißheit über die Wahrheit einer so bedeutenden Sache. Es ist noch nicht drei Monate her, daß man beim Umgraben der Erde im Garten eine Urne und römische Münzen ausgrub, die aber aus so ferner Zeit stammen, daß das Gepräge so gut wie ganz unkenntlich war. Ich habe sie an Herrn de la Croze geschickt.
Seine
Ansicht ist, daß ſie ſiebzehn bis achtzehn Jahrhunderte alt sein können. "
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„ Ich hoffe, daß Sie mir für die Anecdote, die ich Ihnen
erzählte,
Dank wissen und
ihr zuliebe
das
Interesse verzeihen, das ich an allem nehme, was mit der Geschichte eines der Gründer Roms zu tun hat, dessen Asche ich hier zu bergen glaube.
Sonst beſchul-
digt man mich keineswegs allzugroßer Leichtgläubigkeit.
Fehlte ich, ſo geschah es nicht aus Aberglauben. “
„ Ich glaube kaum ſelbſt ſcheinbar wahren Dingen, Und flieh' des Jrrtums Nacht, such' nur der Wahrheit Spur. Was groß und wunderbar, wird stets wie Fabel klingen, An schlichter Einfachheit kennt man das Wahre nur !" Voltaire, der mit Vergnügen diese Erzählung las , war skeptischer als Friedrich ; als Antwort ſandte er ein geistreiches Gedicht, das mit dem Verſe ſchließt : ,, Das wahre Rom iſt neu in jenem Kreis erſtanden , Der Kunst und frohen Sinn umschließt von Nah und Fern. Nichts als der Glorienschein ist von Alt-Rom geblieben : Mein Rom heißt Remusberg , und dorthin zög' ich gern !" „ Da haben Sie, Monseigneur“, ſchreibt er dazu, ,,meine Gedanken über den Remus - Berg ; es ist mein Los,
in allem Meinungen zu hegen, die stark von
denen der Mönche abweichen.
Ihre beiden Altertums-
forscher in der Kutte, die angeblich vom Papst abge= sandt wurden, um nachzusehen, ob der Bruder Romulus' Ihr Schloß gegründet habe, hätten einen Heiligen aus jenem Remus machen sollen, da sie den Stammvater Ihres Wohnsizes in ihm nicht entdecken konnten ; gewiß wäre Remus ebenso erstaunt geweſen, ſich im Paradieſe, wie in Preußen zu sehen !"
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Auch zu Lande wurden öfter Ausflüge unternommen. Die Höflichkeit gebot Friedrich Beſuche bei den Nachbarn.
Nicht sehr weit von Rheinsberg lag das
Schloß Mirow, die Reſidenz des Herzogs Carl Ludwig Friedrich von Mecklenburg- Strelit .
Eines Morgens
macht ſich Friedrich in Begleitung seines treuen Buddenbrock, eines Offiziers ſeines Regimentes, zu Pferde auf den Weg nach Mirow. Nach einem ziemlich langen Ritt in dem tiefen, weichen Sande kam er an. Die Schilderung seines Beſuches, die er selbst in einem Briefe seinem Vater gab,
ist so
amüsant und wirft
ein so charakteriſtiſches Licht auf die damaligen Ver= hältnisse eines kleinen Hofes , plaudert in ſo trockenem, drolligem Tone von „ Sereniſſimus “ , daß ihre Wiedergabe hier nicht fehlen darf : „ Gestern
bin
ich
nach
Mirow
gewesen.
Um
meinem allergnädigſtem Vahter eine Idee von dem Orte zu geben, so kann ich die Stadt zum Höchſten mit Großen-Kreuz vergleichen ; das einzige Haus drinnen, das man ein Haus nennen kann, ist nicht so gut, als das Priesterhaus dorten. Schloß, welches
Ich ging alsofort nach dem
ohngefähr,
wie das Gartenhaus in
Bornim ist ; rings herum aber ist ein Wall, und ein alter Turm, der schon ziemlich verfallen iſt, dienet dem Hause zum Thorweg.
Wie ich an die Brücke kam, so
fand ich einen alten Strumpfstricker, als einen Grenadier verkleidet, mit der Müße, Taſche und das Gewehr bei ſich ſtehen, um ihn desto weniger an seiner Arbeit zu hindern. Als ich herankam, ſo frug er, wor ich herkäme und wor ich hinwolle, worauf ich ihm antwortete, ich käm vom Posthause und ginge über die Brücke, worauf der Grenadier ganz entzürnet nach dem Thurme lief, worselbsten er eine Thür aufmachte und den Corporal herausrief. Dieser war aber eben aus dem Bette aufgestanden und hatte aus großer Eile sich nicht die Zeit genommen, sich weder die Schuhe anzuziehen, noch
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sich die Hosen zuzumachen, und frug uns ganz verstört, wor wir hin wollten und wie wir der Schildwache begeg= net hätten. Ohne ihm aber einmal zu antworten, gingen wir unserer Wege nach dem Schlosse zu. Dieses hätte ich mein Tage für kein Schloß angesehen, wenn nicht zwei Laternen vorne an der Thüre wären gepflanzt ge= wesen, und daß nicht zwei Kraniche Schildwache_darvor gestanden hätten.
Ich kam ans Haus heran, und
nachdem ich wohl eine halbe Stunde an die Thüre geklopft hatte, so kam eine ganz alte Magd , die wohl aussahe, als wenn sie des Prinzen Mirow ſeines Vaters Amme gewesen wäre ; und als die gute Frau fremde Gesichter zu ſehen kriegte, ſo war sie dermaßen erschrocken, daß ſie uns die Thüre vor der Naſe zuſchmiß. Wir klopften wieder, und als wir sahen, daß nichts zu thun war, gingen wir nach dem Stall, dar uns doch ein Knecht ſagte, der junge Prinz mit ſeiner Gemahlin wäre nach Neu- Streliß , zwei Meilen von dort, und die Herzogin seine Mutter, welche in dem alten Hauſe wohnet, hätte ihm, um Staat zu machen, alle ihre Leute mitgegeben, alſo, daß ihr die alte Magd alleine übrig blieb. Es war noch frühe,
also dachte ich,
ich könnte
nicht beſſer thun, als von der Gelegenheit profitieren, so kriegte ich Strelik auch zu sehen.
So nahmen wir
Postpferde und waren zu Mittage dar.
Neu- Strelit
ist eigentlich ein Dorf, dar nur eine Straße drin iſt, welche Kammerjunker, Kanzelliſten und Domeſtiquen bewohnen, wor ein Wirthshaus drin iſt.
Ich kann es
nicht beſſer beschreiben, als die Straße in Gumbinnen, wenn man nach dem Rathhause gehet, ausgenommen, daß kein Haus abgeweisset ist.
Das Schloß ist schön
und lieget an einem See, mit einem großen Garten, so wie die Situation von Rheinsberg. Die erste Frage, so ich that, war nach dem Prinzen Mirow ; so sageten ſie mir, er wäre eben nach einem Orte gereiſet, der heißt
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Kanow und lieget nur eine halbe Meile von Mirow. Buddenbrock, welcher dorten bekannt ist, schaffte mir bei einem Kammerjunker was zu essen, dar denn der Böhme
auch hinkam,
welcher
vor diesem Adjutant
unter meines allergnädigsten Vahters Regiment ge= wesen ist, welcher mich garnicht wieder gekennet, als bis ich ihm geſaget, wer ich wäre.
Selbiger hat mir erzählet,
daß der Herzog von Strelit ſchön nähen könnte und daß er schöne Caſaquins* ) nähete.
Dieſes machte mich
curieur ihn zu ſehen und ließen wir uns als Fremde präsentieren, welches mir auch so gut anging, daß mich keiner kennete. Ich kann ihn meinem allergnädigsten Vahter nicht besser beschreiben , als den alten Stahl, mit einer dicken blonden Abbé-Perrücke ; es iſt ein Herr, der sehr blöde iſt ; ſein Hofrath Altrock saget ihm, um so zu sagen, Alles, was er reden soll. Wie wir uns verabgescheidet hatten, so fuhr ich gleich wek nach Kanow, wor ich ohngefähr um sechs Uhr hinkam . pures
Dorf,
und
das
Es iſt ein
Luſthaus des Prinzen nichts
anders als ein ordinäres Jägerhaus, wie alle Heideläufer haben.
Ich kehrte bei dem Müller ein und ließ
mich durch die Magd anmelden, worauf ich durch den Haushofmeister in der Mühle complimentirt wurde und mit demſelbigen nach der „ Reſidenz“ mich begab , wor= ſelbſten die ganze Mirowsche Familie versammelt war. Seine Mutter ist eine Prinzessin von Schwarzburg und noch die klügste von allen, die dorten zugegen waren ; ſeine Tante war auch dorten.
Die Frau Gemahlin iſt
klein, des Prinzen von Hildburghausen, von den Kaiſerlichen, seine Nichte ; sie war schwanger, scheint aber ſonſten eine gar gute Prinzeſſin zu ſein. Das Erſtere, womit ich entreteniret wurde, war das Unglück, welches dem besten Koch geschehen wäre, welcher mit ſammt dem Wagen, welcher Proviſions ſollte bringen, umgefallen wäre und sich den Arm gebrochen, und die Provisions *) Kurze Überröcke.
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wären
dadurch
alle zu nichte ge= gangen. Ich ließ mich insgeheim darnach erkundigen, so war nicht ein wahr Wort Endlich daran. ging man an Ta= fel, dar es denn auch gewiß schien, als wenn denen Provisions nebst dem Koch ein gesche= Unglück hen wäre, denn gewiß
in denen
FriedrichWilhelm I Vater Friedrichs des Großen (Delgemälde in Rheinsberg) drei
Kronen
in
Potsdam ist viel besser Essen, als dorten. Der Discours
über
der
Tafel war nichts, als den
von
allen
deutschen
Fürsten, so nicht recht flug sind ; da war Weimar, Gotha, Waldeck, Hohm, und wie die Häuser
alle
Sophie Dorothee, Mutter Friedr. des Großen (Delgemälde in Rheinsberg)
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heißen, auf dem Taxis ; und nachdem sich der gute Herr recht sehr beſoffen hatte, ſtunden wir auf und hat er mir, mit ſeiner ganzen Familie, versprochen, mich zu besuchen.
Kommen wird er gewiß ; wie ich ihn aber los
werden werde, daß weiß Gott !" Vierzehn Tage später schickte der Prinz von Mirow
eine „ eilende Staffette" an Friedrich mit einem Briefe, der seinen Beſuch für den folgenden Tag anmeldetę. Der reitende Bote kam nachts um drei Uhr an, und ſo mußte Friedrich geweckt werden. so
„ Ich habe mir wohl
was geärgert, habe aber doch das Lachen nicht laſſen können über die eilende Staffette, so er mir eine Meile weit geschicket." Mirow traf mittags ein und fand einen Empfang, „ als ob er der Kaiſer ſelbſt“ wäre.
Friedrich hoffte,
,,Materie zu haben, ſeinen allergnädigſten Vahter mit künftiger Post gewiß lachen zu machen. “ ,,Des Prinzen Viſite ist gar zu curieuse gewesen," berichtete er dem Könige drei Tage später.
„ Ich habe
in meinem leßten Schreiben meinem allergnädigſten Vahter gemeldet, wie daß der General Praetorius bei uns gekommen wäre ; so fand sich selbiger eben bei mir, wie ich mit dem Prinzen von Mirow in die Kammer kam ; so fing der General an : „ Voilà le prince Cajuca ,“ und das so laut, daß es alle Leute höreten.
Kein
Mensch konnte das Lachen laſſen, und hatte ich alle Mühe, daß ich es so drehete, daß er nicht böse wurde. Kaum war der Prinz im Hauſe, daß man mir ſagen kam, daß dem armen Prinzen zum Unglück der Prinz Heinrich*) gekommen wäre, welcher ihm dermaßen aufzog, daß wir alle gedacht, todt vor Lachen zu bleiben. Er wurde immer gelobt und abſonderlich über seine schöne Kleidung, ſein gutes Air und ſeine ungemeine *) Prinz Heinrich- Friedrich, später Markgraf von Brandenburg-Schwedt. Er war in ſeiner Jugend mit Friedrich be= freundet. Nach der Schlacht bei Mollwiz fiel er in Ungnade.
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Leichtigkeit im Tanzen. Ich habe auch gedacht, es würde kein Aufhören des Tanzens werden.
Den Nachmittag,
um ihm den Rock zu verderben, ſo haben wir im Regen nach dem Vogel geschossen ; er wollte wohl nichts ſagen, aber man konnte doch sehen, daß er sich um den Rock Den Abend so kriegte er einige Gläser in den Kopf und wurde recht lustig, sagte, wie er noth=
sehr hatte.
wendig wegen Staats- und conſiderablen Angelegen= heiten wieder nach Hause mußte, welches aber doch bis in die Nacht um zwei Uhr verschoben wurde. Ich glaube, daß er sich des Tages darauf nicht mehr wird viel zu erinnern wissen." Friedrich Wilhelm hat die Erzählung dieſes Be= ſuches sicher sehr amüsant gefunden, aber er antwortete, daß der Umgang mit solchen kleinen Fürſten nicht gut wäre. Friedrich könne „ nichts von Leuten profitieren, die nur die Herren spielten und ſich um ihr Volk nicht kümmerten. “ Er verurteilte die Feudalität der Junker und wußte auch den Sohn zu der Anſicht zu bekehren, daß ein Herrscher Pflichten gegen ſein Volk hätte. Das herrliche Wort com „ ersten Diener des Staates “, das Friedrich wenige Jahre nach seiner Thronbeſteigung prägte, zeigt, daß des Vaters Einfluß nicht vergeblich gewesen. Wenn Mirow trozdem seine Besuche wiederholen durfte, so lag es daran, daß er die Gesellschaft in Rheinsberg durch seine Einfältigkeit belustigte, er bildete ein Gegenstück zum Marquis de La Chetardie, den Friedrich nicht achtete und doch einlud , weil er seine witzige aber oberflächliche Unterhaltung bei Tiſche liebte.
,,C'est du bonbon pour nous " sagte er ; das ge=
nügte, um ihn von Zeit zu Zeit zu sehen. Aber Mirow und der Marquis bildeten Ausnahmen.
Es war nicht leicht,
in Rheinsberg emp=
fangen zu werden. Auch die glänzendſten Namen fanden geschlossene Türen, wenn es eben nur Namen
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waren, und der Geist ihrer Träger dem Adel der Geburt nicht ſekundieren konnte. auf eine Einladung.
Mancher wartete vergeblich
Die Unterhaltung der meisten
Menschen war Friedrich unerträglich.
„ Wovon sprechen
ſie ? Nur von dem was ſie ſehen, ohne den verborgenen Kern der Dinge zu bedenken, der das einzig wahre ist. Heute Mittag hörte ich eine Unterhaltung, die ſich nur um die Verschiedenheit der Suppen drehte .... zu kurieren. und um die beste Art die v Gestern Abend discutierte man lange die Haartrachten, Reifröcke und Moden im Allgemeinen. Alle dieſe Leute sind voll von Bagatellen und langweilig im höchſten Grade. Sie hängen am Leben und fürchten den Tod. “ In Berlin war es, da er dieſe Worte ſchrieb. Nur die Pficht konnte ihn nach Berlin rufen, das er nicht liebte. Im Jahre 1738 fand er auf einem solcher Besuche die Stadt sehr vergrößert, wenn man die vielen neuen Steine betrachte ; was aber die Gesellschaft anbetreffe, so möchte er lieber darüber schweigen : ,, Berlins Vergnügen kennen, heißt den Geschmack daran verlieren. “ Voll Sehnsucht dachte er an Rheinsberg, so oft er fern war und freudig kehrte er jedesmal zum ſtillen Schloß am See zurück, wo die Gefährten warteten. In seiner kleinen „ platonischen Republik“ fühlte er sich wohl, hier fand er endlich die Erfüllung ſeiner frühen Wünſche im Verkehr mit den selbst gewählten Freunden. Seine Stellung ließ er sie nie fühlen, warmen Herzens nahm er an allem Anteil, was ſie betraf, und war stets bemüht, ihnen beizuſtehen, ſie zu unterrichten, wie er auch von ihnen lernte. ""‚Alles Unglück, das meinen Freunden begegnet, trifft auch mich. “
Schmerz-
lich empfand er es, von ihnen getrennt zu sein, wenn sie gezwungen waren, für längere oder kürzere Zeit Rheinsberg zu verlaſſen.
Seine Freundschaft ist eine
echte gewesen, als König vergaß er nicht, was er den alten Gefährten von Remusberg schuldete.
Haben ihn
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auch die späteren Jahre mit ganz anderen Geſtalten umgeben, ſo gedachte er doch der Jugendfreunde in echt königlicher Weise und sorgte für die Nachkommen derer, die ein zu früher Tod ihm raubte. Keine der Freundschaften seiner jungen Jahre hat ihn durchs Leben begleitet. Die Pflichten des Regenten, denen er sich mit treuem Ernſte unterwarf, schufen ihm einen anderen Kreis , jezt mußte er auch Menschen dulden, die er ungern ſah.
Bald wurde es einſam um
ihn und mit Wehmut gedachte er der glücklichen, frohen Tage von Rheinsberg, der ſonnigen Stunden auf dem See, wenn die Schwäne dem langſamen Boot folgten, wünschte er die stille Ruhe des Turmzimmers zurück, wo die Verſe entstanden waren : ,,Dort unter'm blauen Himmel , im Schatten hoher Buchen, Ist es die Wahrheit , die im Studium Wolffs wir suchen . Die Grazien und der Scherz beleben dieſen Ort, Doch scheucht kein streng Gebot die andern Götter fort. Feuer, Jugend der glüht uns Blut im Denn wenn unſre Pallas' Tönt von Minervas Ruhm und Leier. Auch ist das Herz beim Wein von Bacchus Lobe Doll Und sinkt die Nacht herab, heiſcht Venus ihren
Zoll."
Friedrichs d. Gr. Rheinsberger Jahre.
5
Drittes Kapitel. Bielfelds Ankunft in Rheinsberg. Keyserlingk, Friedrichs liebster Freund. Jordan. Chaſots vergebliche Versuche auf der Flöte. Seine Bekanntschaft mit Friedrich. Die Ungebundenheit des gesellschaftlichen Lebens in Rheinsberg. Unterhaltungen bei Tische. Die Damen des Schloſſes. Friedrich als Tänzer. Ein Herzensbündnis.
18 war der .
• Oktober 1739, als wir zu Rheins-
berg um zehen Uhr des Morgens ankamen, wir stiegen an dem Poſthauſe ab ; allein der Prinz ließ uns daselbst nicht lange warten.
Er schickte jemandén, unſer
Reisegeräthe zu holen und ließ uns zwey ſchöne Zimmer auf dem Schlosse anweisen. Sobald wir die Kleider gewechselt hatten, wurden wir in einen Billardſaal geführt, worinnen die Wände von gelbem Marmorſtuck, und die beiden Camine, so wie die anderen Zierathen mit Kupfergold überzogen waren. Dieser Saal war unten auf der Erde, und hatte auf der einen Seite die Aussicht nach der großen Allee des Gartens, und auf der anderen nach dem Schloßhofe. Wir fanden daselbst die meisten Cavaliers und Officiers, die den prinzlichen Hof ausmachen, und wurden von ihnen mit vieler Höflichkeit empfangen • einen curlän= Den Herrn Baron von K . dischen Edelmann, welcher bei dem Könige von Preußen Kriegsdienste angenommen und der Perſon des königlichen Prinzen hauptsächlich ergeben und zugethan ist, hatte ich noch nicht ſehen zum Vorschein kommen. Meine Augen suchten ihn überall zu entdecken ; ich hatte ſoviel
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von ihm reden gehört, und ich war von seiner Perſon ſchon im voraus mit einem ſo günſtigen Vorurtheil eingenommen, daß ich vor Verlangen brannte, ihn kennen zu lernen.
Er trat augenblicklich in den Saal mit einem
Geräusch und Getöse, wie der Nordwind im Roſen= ballett. Er kam von der Jagd und es nahm mich sehr wunder, ihn in einem Schlafrocke und mit einer Flinte auf der Schulter zu erblicken. Er redete mich mit einer munteren Miene an ; seine ersten Worte ließen mich glauben, daß ich schon lange die Ehre gehabt hatte, ſein vertrauteſter Freund zu ſein ; er faßte mich beim Arme und trug mich fast in sein Zimmer . Bei dem Ankleiden sagte er mir einige Stücke aus der Henriade*) vor, führte einige Stellen aus deutschen Dichtern an, sprach mit mir von Pferden und von der Jagd, machte einige Capriolen und Schritte aus dem Rigadon, kam auf die Wiſſenſchaften, und unterhielt mich von der Politik, von der Mathematik, von der Malerey , von der Baukunſt, von der ſchönen Gelehrsamkeit und vom Kriegswesen. Ich stund wie betäubt ; ich hörte mit einem ge= lassenen Stillschweigen zu ; ich bewunderte alles , ſogar die glücklichen Sprünge, die er mit ſo großer Behendigkeit von einer Materie zur andern machte." Die außerordentliche Person, von der Baron von Bielfeld in ſeinen Memoiren dieſe lebendige Schilderung entwirft, war Friedrichs bester Freund , der Freiherr von Keyserlingk. Er war es, der in fröhlicher Ungebundenheit und ſtets guter Laune dafür ſorgte, daß die Stimmung seiner Hausgenossen heiter blieb, der Sorgen zu vertreiben wußte und mit einem luſtigen Scherzwort, einem geistreichen Zitat einer allzutiefen Unterhaltung ein jähes Ende machen konnte. Er war der gute Geist des Schloſſes , für jeden hatte er ein
*) Von Voltaire.
5*
68
liebenswürdiges Wort, einen guten Rat. Seine zärtliche Zuneigung zu Friedrich wurde herzlich erwidert. Friedrich schäßte in ihm die unwandelbare Treue, den allzeit bereiten Freund , bei dem er ein williges Ohr fand für Sorgen und Pläne aller Art. „ ſein
Alles “,
Trennung
begrüßte
,,wie
den
Er nannte ihn
sein Erscheinen nach langer
Durchbruch der
Sonne durch
froſtigen Winternebel. " Faſt Liebesbriefe könnte man die Briefe der beiden Freunde nennen, die sie in Zeiten der Trennung tauſchten*) . Damals, als die schlimme Feſtungshaft von Küſtrin über Friedrich verhängt wurde, als Kattes Haupt nach einem lehten Blick auf den Freund gefallen war, mußte Keyserlingk, als beteiligt am Komplott, das Regiment wechseln.
Seiner klugen Zurückhaltung verdankte er
es, daß er ſo glimpflich davongekommen war.
Als dann
die Jahre die Erinnerung verblaßt hatten und Friedrich dem Vater den gelobten Gehorsam in Wort und Tat *) Leider ist kein Exemplar dieſer Briefe bekannt ge= worden. Der Historiker Preuß ſchrieb in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, daß ein Nachkomme der Familie . Keyſerlingk ihm die Veröffentlichung der Briefe zugeſagt hätte. Aber es ist bei dem Versprechen geblieben. Später hatte jemand Einblick in die Briefe genommen, von dem obiger Ausspruch über die Art der Briefe stammt. Mir selbst sagte ein Angehöriger der Familie, daß man ſich im Hauſe Keyserlingk folgendes erzählt : „Die Briefe befanden sich in einer Kiste, welche auf einem Wagen über Land transportiert wurde. Unglücklicherweise fiel der Schatz beim Paſſieren eines Bächleins ins Waſſer und ging verloren.“ Es ist nun kaum anzunehmen, daß eine Kiſte mit Briefen verſinken konnte, oder daß man nichts zu ihrer Rettung unternahm, und ſo wird dieſes Geſchichtchen wohl nur eine Ausflucht bedeuten. Ich bin der Ueberzeugung, daß die Keyſerlingks die Briefe entweder unter sicherem Verschluß halten, oder daß ein Mitglied von ihnen, das allzu frommen Sinnes war, ſie vernichtet hat, aus Furcht, ihr intimer Inhalt könne ein falſches Licht auf die Freundschaft Friedrichs und des Freiherrn werfen.
Facade du Chateau Marion der Capellit .www are auprir de
On Pavillon et de la Perpective, du du Nac marquée au Arn
Ansichten von Rheinsberg (Nach alten Stichen)
Deur Façader- du Lac, lives Du Cole dumarquee an Chotean
Chateau en Perspective Za par la aupres du tan narterre
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bewiesen hatte, durfte auch Keyserlingk wieder zurück. Seine Ankunft in Rheinsberg war ein Freudenfest. Der um vierzehn Jahre ältere wurde Friedrich von Tag zu Tag lieber, sie wurden ,,unzertrennlich“, und Keyserlingks Freundschaft artete fast in Schwärmerei aus ; er wollte, daß „ Jedermann kennen und lieben sollte."
Friedrich sehen,
Bielfeld schildert Keyserlingks Aeußeres mit fol= genden Worten : „ Er ist kurz und unterſeßt von Statur, hat kleine Augen, eine breite Naſe, einen nicht gar zu angenehmen Mund , und eine gelbe und dunkle Geſichtsfarbe ; er trägt sich gut und hat völlig die Sprache und die Manieren eines vornehmen Mannes." Ganz jung war der Freiherr, als seine Eltern ihn zum Studium nach Königsberg schickten.
Schon jezt,
während der erſten Univerſitätszeit, konnte man ſeine Vielseitigkeit bewundern . Vier Sprachen beherrschte er bald vollkommen, Griechisch, Lateiniſch, Franzöſiſch und Deutsch. Mit zweiundzwanzig Jahren konnte er dann endlich seinen leidenschaftlichen Wunsch zu reisen, die Welt zu sehen, erfüllen. Die Erziehung der jungen Leute aus wohlhabendem Hauſe wurde damals ſtets durch eine Reiſe beendet. Im Süden fand sich dieser Brauch weniger ; die Franzosen und besonders die Italiener kannten kaum den Wunsch, fremdes Leben, ferne Städte kennen zu lernen , denn für sie war ihr eigenes Land die Stätte von Kultur und Kunst. Keyserlingks Weg führte ihn zuerst nach Holland , dann nach Paris. Aber schon zu lange war er in der Fremde ge= blieben, Italien konnte er nicht mehr sehen, er mußte zurück, denn er sollte einen Beruf ergreifen. Als Edelmann trat er in das Heer ein und wurde Leutnant im
Regiment des Markgrafen Albert von
Brandenburg ; bald darauf erhielt er eine Kompagnie.
71
Geistreich und gebildet in Kunſt und Philoſophie, begabter Dilettant in Dichtung und Muſik, konnte er wohl einem Prinzen von der Intelligenz Friedrichs etwas bedeuten. Dazu kam sein natürlicher Anſtand , ſeine vollendeten Formen, die glückliche Gabe, ſtets das rechte Wort zu finden und nicht zuleßt das offene, ehrliche Herz, um Friedrich in ihm einen treuen, unwandelbaren Freund finden zu lassen.
Nach seiner
Thronbesteigung machte ihn Friedrich zum Generaladjutant. Leider fand die Freundschaft der beiden ein frühes Ende. Schon im Jahre 1745 fiel Keyſerlingk im zweiten schlesischen Kriege.
Friedrich empfand den Verluſt tief.
Manche Träne weinte er dem Unerſeßbaren nach. Seine Freundschaft mit Keyserlingk ist sicher die innigſte und herzlichste geweſen, die er je im Leben fand.
Jn ,, Remusberg" erhielt jeder der Freunde einen Keyserlingk hieß „, Caesarion“, manchmal
Beinamen.
auch „ Schwan von Mitau“*) .
Jordan wurde „ Hephä-
ſtion“ oder „ Tindal “ genannt.
War er drei Tage von
Rheinsberg abwesend , schickte ihm Friedrich die ungeduldigſten Briefe ; drei Tage der Trennung von ſeinen liebsten Freunden schienen ihm so lange, wie dem Verlobten drei Jahre des Wartens. Man kann nicht ohne Sie ſein, “ ſchrieb er Jordan , „ Ihre Philosophie fehlt uns ; bringen Sie uns die ganze Gelehrsamkeit ihrer Bibliothek mit, aber ohne den Staub, und zählen Sie darauf, bei uns empfangen zu werden, wie ein Mensch, der uns notwendig ist." Jordan war Friedrichs Sekretär und Bibliothekar. Der Kronprinz fand in ihm auch einen Freund.
Der
um zwölf Jahre ältere entstammte einer Familie aus der Dauphiné, war in Berlin geboren und wurde von seinem Vater zum theologischen Beruf bestimmt.
*) Nach seinem Geburtsort.
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Mit neunzehn Jahren kam er zum Studium nach Genf.
Im Jahre 1721 kehrte er nach Berlin zurück,
wo er vier Jahre später Paſtor einer franzöſiſchen Kirche zu
Pozlow in der Uckermarck wurde. Zwei Jahre darauf kam er nach Prenzlau . Der Kummer um den Verlust seiner geliebten Frau, Seine die 1732 ſtarb, warf ihn aufs Krankenlager. Genesung war nur eine körperliche ; tiefe Melancholie
blieb zurück.
Bald wurden Zweifel an der Lehre, die
er predigen ſollte, in ihm laut, und als ehrlicher Menſch reichte er sein Entlaſſungsgesuch ein, um sich ganz philosophischen Arbeiten widmen zu können. Seine Brüder gaben ihm die Mittel zu einer Reiſe, die er zur Erholung und Zerſtreuung unternehmen ſollte. Er besuchte Holland , England und Frankreich. Die Beschreibung seiner Reise gab
er in einem kleinen,
interessanten Buche heraus*) . Mit der Absicht war er ausgezogen, den Charakter und die Natur der ver= schiedenen Nationen zu ſtudieren. viel, troßdem
er dem
Daraus wurde nicht
weiſen Seneka folgen wollte,
der den Philoſophen rät, die verschiedenen Charaktere der Menschen, das Klima ferner Länder, die Temperatur der Luft und die Lage der Felsen und Gebirge zu beobachten. Seine einzige Aeußerung über den Unterschied der Nationen betrifft die franzöſiſchen und englischen Frauen. Die ersteren sollte man betrachten, ohne mit ihnen zu sprechen, die anderen aber müßte man nicht an= schauen, aber ihren Worten lauſchen. In Paris machte er diese Beobachtung, als er die eleganten Frauen auf der Promenade im TuilerienGarten sah.
Er fand sie schön, verurteilte aber die
starke Schminke ihrer Wangen.
Die Weite ihrer Reif-
röcke überraschte ihn, die graziöſe und geſchickte Be-
*) Jordan : Voyage littéraire.
73
wegung, mit der sie diese Ungetüme vor einem Zusammenstoß mit denen ihrer Nachbarinnen bewahrten, entlockte ihm Bewunderung. Nicht minder die schlaue Art, sich dieser Käfige zu bedienen, um ein gewisses Bedürfnis zu stillen, wobei ihre reizenden Trägerinnen eine Miene aufsteckten, als weilten ihre Gedanken ganz wo anders.
Wie er in seinem Büchlein rasch von einem zum andern springt, so spricht er bald darauf über Theologie
Vue et Perspective Chat eauCole de Mairon dutir e du
duPont deDeptune dorCaneller de Reinber ou Plan Ell Deptune marquée
Ansicht der Neptunsbrücke (Nach einem alten Stich)
oder Grammatik, weiß ein geistreiches Zitat anzubringen und erzählt von Besuchen bei bekannten oder berühmten Männern. Er
sah
auch
Voltaire:
„ Ein junger,
magerer
Mensch, erfüllt von verzehrendem Schaffensdrange. Er arbeitet zuviel.
Ist höflich.
Seine Unterhaltung ist
lebhaft, munter und voller witziger Einfälle. sicher alle Schönheiten der alten Dichter.
Er besitt
Seine „ Hen-
riade", die er sein Lieblingswerk nennt, ist einzig in
74
ihrer Art.
Haben ſeine Tragödien auch ihre Fehler,
so finden sich in ihnen doch unendlich viel Schönheiten, die uns fesseln und entzücken." Jordan verfügte über ein ausgezeichnetes Gedächtnis.
Mit Vergnügen hörte ihn Friedrich Stellen aus
Dichtern zitieren, die ihm unbekannt waren .
Der kleine,
beredt-liebenswürdige Mann mit den braunen, lebhaften Augen unter den starken dunklen Brauen verleugnete nicht ſeine Abstammung.
Die Natur des Süd-
franzosen versagte ihm auch in reifen Lebensjahren nicht die Kraft der Begeisterung, zu der deutſche Gründlichkeit getreten war, ohne daß er je pedantiſch wurde. Er
gewann
bald Friedrichs
volles
Vertrauen,
wurde ihm ein guter Ratgeber und Kritiker in literariſchen Dingen, korrigierte ſogar Friedrichs Briefe und Gedichte und wurde ihm auch als Freund unentbehrlich.
In Rheinsberg lebte er, wie Friedrich ſchrieb,
„ geteilt zwischen den Studien und der Geſellſchaft, allgemein geachtet und geliebt, und mit der Tiefe ſeiner Kenntniſſe jene feine Bildung vereinigend, die der Verkehr mit der großen Welt gibt ."
Nach dem Tode Friedrich Wilhelms machte ihn der junge König zum Geheimen Rat und Vizepräſidenten der Akademie der Wiſſenſchaften. Jordan zeigte sich der Freundschaft würdig und täuſchte nicht die Hoffnungen und Erwartungen, die in ihn gesezt waren . Berlin verdankt ihm manche Verbesserung. Er schaffte die Bettelei in der Stadt ab , die zu einer wahren Plage angewachsen war , organiſierte die Juſtiz in umfaſſender und vornehmer Weise und leitete das öffentliche Unterrichtswesen. Im Jahre 1741 begleitete er Friedrich, der nicht mehr ohne ihn sein konnte, in den ſchlesischen Feldzug.
Leider sollte auch diese Freundschaft ein frühes Ende finden.
Der treue Jordan wurde Friedrich durch
den Tod entrissen, er starb im selben Jahre wie Keyserlingk.
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Die Korrespondenz zwischen Jordan und Friedrich atmet ſolche Heiterkeit, ja faſt Ausgelaſſenheit, wie man ſie in keinem andern Briefwechsel des jungen Prinzen und Königs findet. durcheinander,
Proſa und Verſe miſchen ſich bunt
Geist
und
Wiß des einen übertrifft
immer den des andern. In ihren Briefen, wie in ihren Unterhaltungen, gaben sich beide als echte Kinder ihres Jahrhunderts.
So auch in folgenden Versen
Friedrichs : Freund Jordan, wir bitten Dich, Recht schnell zu uns zu kommen. Wir lechzen schon nach Deinem Wiß und Geiſt, Der stets so reizend Deine weiſen Reden würzt, Daß Alt und Jung entzückt Dir lauſcht. Und unser kleiner Prieſter mit den Bäffchen Brennt schon vor Ungeduld , Du fehlst Ihm zu dem großen Sabbatfeſt. Sein Küster, dieser kleine Ged
Will mit ſeinen schlechten Pſalmen Die frommen Zuhörer beglücken. Sie würden selbst die heiligen Apostel öden, Die sicher unseren Geſchmack beſaßen Und beſs're Unterhaltung kannten. Noch tausend andere Gründe giebt es, Dich zu bewegen, schnell zurückzukehren. Auch ist hier eine junge Dirne, Von leichtem Wandel und durchaus nicht spröde ; Sie glaubt, daß eine Schöne von Berlin Dein treulos' Herz gefangen hält. So kehr zurück zu Deiner Liebſten, Gieb ihrem Herzen ſeine Ruhe wieder, Sonst fürcht ich, werden wir ſie eines Morgens Erdolcht von ihrer Hand in ihrem Blute finden, Verzehrt von Eifersucht und Liebesgram. Und auch zu Chaſot mußt Du eilen, In seiner stillen Kammer sitt er,
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Verdammt, bei Tag und Nacht Flöte zu blasen. Und dieſem feinen, zarten Inſtrument Entlockt er wahre Töne von Trompeten. All seine Nachbarn sind verzweifelt, Wylich hat Kopfweh, auch die Andern klagen. Du mußt mit Deinen so beredten Worten Und Deiner guten, sanften Stimme Marsyas' Abenteuer ihm erzählen. Erinnerst Du Dich nicht, Freund Chaſot ? Und unser lustig Leben, Jordan, Das ſo verführeriſch, wird helfen, Dich schnell zur Rückkehr zu entſchließen. Verdoppeln sehe ich Dich Deine Schritte, Die Stiefel suchen und den Mantel, ― Der vor zehn Jahren neu gewesen. Du treuer Leiter frommer Seelen, Auf Amors schnellen Flügeln eile her. Die Dirne Venus lädt Dich ein,
Sie will mit ihren Gaben Dich beglücken*) . Und Jordan kam, wenn auch nicht auf Flügeln der Liebe, ſondern auf den ſolideren der Freundſchaft. Die erregten Hausgenoſſen fanden ihre Ruhe wieder ; die Geschichte von Marsyas , mit der Redekunſt eines Jordan vorgetragen , hatte bei Chaſot den gewünſchten Erfolg.
Er legte die Flöte in die Hände ſeines un-
erreichbaren Meiſters zurück und gab es auf, noch länger durch stets fruchtlose Versuche die Ohren seiner armen Freunde zu malträtieren. Schwer wurde es ihm überdies nicht, er kannte keinen künstlerischen Ehrgeiz und war viel zu ſehr „ bon garçon ", um sich über den feinen Spott der andern zu ärgern.
Keiner hätte es auch fertig gebracht, ihm ernſt-
lich wehe zu tun, dazu war er viel zu beliebt, man
*) Aus dem Franzöſiſchen überſeßt.
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konnte ihm trotz seines oft vorlauten und nicht immer passenden Wizes nicht böse sein. Chasot verkörperte den echten, jungen Franzosen ſeiner Zeit.
Auf merkwürdige Weise hatte er die Be-
kanntschaft des Hausherrn von Rheinsberg gemacht. Als Friedrich damals in der ersten Kampagne war, stand Chasot in den Reihen der Feinde.
In der fran-
zösischen Armee gab es eine ganze Anzahl junger Lebemänner, meiſt Pariſer, die ſich für den Feldzug einen Offiziersposten gekauft hatten und nun in ihren prächtigen Kleidern, den Galanteriedegen an der Seite, aufs feinſte friſiert und gepudert, als große Feldherrn umherſtolzierten, ohne eine Ahnung vom Exerzieren zu haben. Zu eitel und vornehm, ſich belehren zu laſſen, kamen sie öfter in Konflikt mit den Offizieren von Beruf. Einer von ihnen geriet auch mit dem jungen, heißblütigen Chevalier de Chasot in Streit, der mit einer Herausforderung zum Duell endete.
Zweikämpfe
vor dem Feinde verſtießen aber gegen die Diſziplin, und da sein Gegner gefallen war , mußte Chaſot fliehen. Wohin ?
Das nächste war die gegnerische Armee.
Da=
mals galt es durchaus nicht als Verrat, wenn jemand zum Feinde überging. Die Kavaliere betrachteten in dem jungen Zeitalter der eleganten Höflichkeit den Krieg als einen ehrenvollen Waffengang zwiſchen ebenbürtigen Gegnern.
Man kannte keinen Feindeshaß , oder
äußerte ihn wenigstens nicht, und war nach Beendigung der Kampagne der beste Freund mit denen, die man eben noch bekämpfte . Als der Flüchtling zur deutschen Armee kam, wurde er in gaſtfreundlichſter Weise aufgenommen.
Er brachte
ein Attest mit, das ihm seine Kameraden über den abſolut ehrenhaften Grund ſeines Fortganges ausgestellt hatten. Friedrich hörte von dem Abenteuer und ließ Chaſot zu sich bitten. Einen echten Franzosen kennen zu
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lernen, mit ihm plaudern zu können, war schon lange ſein sehnlicher Wunsch gewesen.
Bisher war er nur
auf Abkömmlinge von Hugenotten angewieſen, die sich schon zum Teil germanisiert hatten. Aber in dem jungen Chevalier hoffte er den wahren ,,esprit français “ zu finden , den er ſelbſt ſo heiß für ſeine eigenen Worte und Schriften begehrte. Seine Bemühungen, in ſeinen Arbeiten die Eleganz und Grazie des Ausdrucks zu meiſtern und die Schwere der Säße zu heben, glückten ihm - und er wußte es sehr wohl nur sehr selten, faſt immer trat die Absicht gar zu deutlich hervor, erst in späteren Jahren gelang es ihm, ſich in den Geist der französischen Sprache hineinzuleben. Die erste Unterhaltung,
die in Friedrichs Zelt
ſtattfand, dauerte zwei volle Stunden. Der junge Prinz fand Gefallen an dem neunzehnjährigen Chevalier und lud ihn zwei Tage darauf zum Diner. Bald wurden die beiden gute Freunde, und als Friedrich in die Heimat zurückkehrte, nahm er Chaſot mit, zuerst nach Ruppin, dann nach Rheinsberg. Keyserlingk und Fouqué nahmen sich nun des neuen Gastes an und unterrichteten ihn in Kunst und Philosophie.
Die wenig ſtrengen Lehrer hatten Erfolg :
Der junge Chevalier konnte endlich an den Gesprächen der Freundesrunde teilnehmen..
Aber als echter Fran-
zose tat er das auf seine Weiſe ; er moquierte sich nämlich über die Philoſophen und entlockte damit Friedrich manch herzhaftes Lachen. Wie wenig Glück Friedrich mit seinem Flötenunterricht bei ihm hatte, haben wir schon geſehen. Chaſot war der verwöhnte Liebling des Hauses ; ſein hübsches, keckes Gesicht mit der aufgeſtülpten Naſe, den luſtigen, ſchlauen Augen und dem ſtets lächelnden Munde nahm alle gefangen und keiner konnte sich der Fröhlichkeit verschließen, die von ihm ausstrahlte und seine Umgebung erwärmte.
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Die Ungebundenheit, die in Rheinsberg herrschte, war völlig nach seinem Geschmack.
Ein jeder konnte
ja hier tun, was ihm beliebte ; man malte, muſizierte, dichtete oder jagte des Vormittags, bis es Zeit zur gemeinsamen Tafel war.
Da fand sich die ganze Gesell-
ſchaft ein, der junge Hausherr präſidierte.
Er führte
die Unterhaltung, die ſprungweiſe von einem Thema zum andern hüpfte.
Und über alles wußte Friedrich
neue, überraschende Gedanken vorzubringen, die er in lebhafte, wohlgesezte Worte kleidete.
Denn der Form
wurde ebenso gehuldigt, wie dem Inhalt der Rede, und derjenige erzielte den größten Beifall, der die Form am besten meisterte und fähig war, seinen Widerſpruch in feiner, geistreicher Weiſe auszudrücken, die nichts Verlehendes hatte. Friedrich besaß die Gabe, den Geist der anderen in gehöriges Licht zu ſehen und ihnen Gelegenheit zu geben, ihren Witz zu erproben. Die Unterhaltung geriet nie ins Stocken, man verfügte über so ausreichenden Stoff auf allen Gebieten, die Zuſammenſeßung der verſchiedenen Charaktere und Naturen war eine so bunte, daß die Zuſammenkünfte angeregt und belehrend für jeden verliefen.
Was gab
es nicht alles, über das man plaudern, diskutieren konnte ! Wir sprechen von Philoſophie Und von der Wahrheit hoch und rein, Von Newton, von Aſtronomie,
Von Malerei und Poeſie, Vom Altertum, von unserer Zeit, Und von Talenten, vom Genie, Von Griechenland, Italien, Von Verſen, Liebesluſt und Leid *) !“
Anlaß zu fröhlichem Lachen gab auch die Vorliebe Friedrichs, die er in späteren Jahren in ſo hohem Maße *) Verse Friedrichs aus dem Französischen.
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besaß, andere durch leisen Spott an ihrer schwachen Seite zu fassen, ihren Widerspruch herauszufordern, um sie dann mit seinem Hohn seine Ueberlegenheit fühlen zu laſſen.
Und wenn dann der Herausgeforderte
mit gleicher Münze bezahlte, und Friedrich ſah, daß er unterlag, wußte er sich ohne Verdruß darein zu finden. Später wurde das ja auch anders.
Die Autorität
des Königs zog trok aller philoſophiſchen Freiheiten doch engere Grenzen, die nur einer zu überschreiten wagte: Voltaire.
Nach der gemeinsamen Mittagstafel zogen sich Friedrich und Eliſabeth- Chriſtine in ihre Räume zurück, während die kleine Hofgesellschaft die Zimmer derjenigen Dame aufsuchte, an der die Reihe war, den Kaffee zu reichen. Die Damen wechselten damit ab ; die Frau Oberhofmeiſterin, Frau von Katſch, machte den Anfang. Sie war die
dame d'honneur" des Hauses .
Die
Sechzigjährige wußte sich in diesem jungen Hofe Respekt zu verschaffen.
Ohne prüde zu sein, achtete sie darauf,
die Moral zu wahren, und verstand es, eine Unterhaltung, die gar zu frei wurde, in die richtige Bahn die nicht zurückzuleiten. Bei solcher Gelegenheit, gerade sehr selten war, - zeigte sie aber nie Schärfe oder übertriebene Empfindſamkeit ; eine Handbewegung oder
Verbeugung,
verbunden
mit
einem taktvollen
Worte, genügte schon, einem vorlauten Wiß , einem unbedachten Ausruf seine Schärfe zu nehmen und ſeinen Urheber sanft zu vermahnen. Fräulein von Schack und Fräulein von Walmoden
waren die ,,demoiselles d'honneur" der Frau Kronprinzessin. Sie waren beide nicht schön, aber unterhaltend und voll weiblicher Anmut.
Fräulein von
Schack hatte eine feine, kleine Hand , die ihr manche Bewunderung einbrachte ; sie wußte auch ihren_win-
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zigen Fuß zur Geltung zu bringen, oft genug lugte er unter dem breiten Reifrock hervor. Das blonde, graziöse und lebhafte Fräulein von Walmoden verglich Friedrich mit einer Fris. Zu diesen Damen, die im Schlosse wohnten, kamen noch andere, die als ständige Besucherinnen fast immer
Elisabeth Christine Gemahlin Friedrichs des Großen, geb. 1715 (Delgemälde in Rheinsberg) in Rheinsberg anzutreffen waren.
So Frau von Kan-
nenberg, die Tochter des Generals von Finckenſtein, eine Gefährtin aus Friedrichs Kinderzeit. Er liebte es, mit ihr von den Tagen der gemeinsamen Spiele zu sprechen und machte sie auch oft zu seiner Vertrauten, die sie schon als junges Mädchen dem sechs Jahre jüngeren Prinzen, dem Zögling ihres Vaters, gewesen. Friedrichs d. Gr. Rheinsberger Jahre. 6
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Die Baronin von Morrien wurde in Rheinsberg ,,der Wirbelwind"
(Tourbillon) genannt .
Bei ihrer
alles mit sich fortreißenden Lebendigkeit hatte sie doch einen ernſten Charakter, der aber keine Schwermütigkeit zuließ.
Ihre geistreiche, ſprühende Unterhaltung wurde allgemein geschäßt ; Jordan ging zu ihr eine Partie Vernunft zu spielen, wie man wo anders eine Partie l'Hombre machen geht. " In späteren Jahren schickte ihr Friedrich ein Gedicht, in dem er sie an die ſonnigen Rheinsberger Zeiten erinnerte. Wie der junge Chaſot das verwöhnte Kind unter den männlichen Mitgliedern des Hofes spielte, war die „ kleine Tettau“ die von allen am meisten verehrte Dame. Mit ihrem runden Kindergeſichtchen, den großen, unschuldig blickenden Augen, der nicht großen, zarten und biegsamen Geſtalt eroberte sie die Herzen im Fluge. Friedrich nannte sie „ seine Finette“ und überhäuſte ſie mit galanten Artigkeiten.
Man tuschelte schon aller-
hand über die Bevorzugte und versprach ihr eine große Zukunft beim nächsten Regierungswechsel. Sie war eine ausgezeichnete Schauspielerin, die ſtets bei den kleinen, intimen Theateraufführungen den reichsten Beifall fand .
Was ihr, wenn auch nur in
beschränktem Maße von dem jungen Prinzen zuteil wurde, suchte die kokette Frau von Brandt vergeblich ; ſie verkehrte mit ihrem Manne häufig im Schloſſe. Das gesellschaftliche Leben war durch die Anwesen= heit der Frauen ein anderes geworden. „ Sie breiten einen unbeſchreiblichen Reiz über das tägliche Leben aus , ganz abgeſehen von dem holden Minneſpiel ſind ſie in der Geselligkeit nicht zu entbehren ; ohne sie ist jede Unterhaltung_matt. “ Wie bald sollte Friedrich dieſe Worte vergeſſen ! Um die sechste Stunde des Tages empfing die Kronprinzeſſin ihre Freunde. ihnen
Trisset
und
Quadrille.
Dann spielte sie mit Friedrich nahm erst
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wieder des Abends am gemeinſamen Leben teil. Nach dem Essen folgte ihm die Gesellschaft in seine Zimmer, Ab und zu veranstaltete man wo musiziert wurde. auch Bälle oder Maskeraden. An solchen Tagen legte er die Uniform ab und erſchien in einem Rock von seladongrünem Stoff mit breiten silbernen „ brandenburger Schleifen“ und Quaſten besezt, und einer Weſte aus silbernem MoireStoff mit Treſſen. In feinem Kontrast zu dem lichten Grün und Silber ſtand ſein dichtes , braunes Haar, das er ungepudert trug und das sein offenes, zwar nicht regelmäßiges, aber deſto anziehenderes Gesicht mit den großen, hellen Augen, umrahmte. Seine weder zu hohe, noch zu kleine Gestalt bewegte sich mit ange= borener Grazie, wenn er das Menuett eröffnete. Bei den Klängen der Violinen *) , dem Glanze der vielen Kerzen in den Kronen und an den Wänden, bot ein solcher Tanz ein lebhaftes, farbiges und graziöſes Bild , das die hohen Spiegel von allen Seiten widerstrahlten.
Nirgends ein haſtiges Drehen, keine
übereilte Bewegung bei den sich langsam wendenden, galant verneigenden Paaren.
Die Damen in ihrem
tiefen Décolleté , den zarten, entblößten Armen, auf deren Linie sie bei jeder Bewegung achteten, dem rosigen Teint unter dem hohen Haarpuk, glitten langsam über das glatte Parkett des Saales.
Ihre weiten, hellen
Roben waren mit Blumengirlanden geschmückt, Blumen ſaßen auf den weißen Schultern, an der dünnen Taille. Und ihre Kavaliere ſchritten neben ihnen, im Takt der rhythmischen Musik die wohlgeformten Beine mit den hohen weißseidenen Strümpfen sehend , aber langsam, und mit der nach auswärts gerichteten Fußspite zuerſt. *) In dieser Zeit war es Sitte, die Tänze mit Violinen zu begleiten. Das Klavizimbel diente nur bei Kammermusik und Gesang. 6*
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Ein tiefes In-die- Augen-blicken, ein schamhaftes ZurErde-schauen, ein Auseinandergehen, ein Suchen und Sich-finden, ― ein ganzes Liebesſpiel war dieſer einzigartige Tanz, der ſchließlich damit endete, daß ſich die Hände nicht mehr ließen.
Und war der lezte Ton ver-
klungen, begleitete der Tänzer seine Dame zu ihrem Stuhl zurück, wo er sich mit tiefer Verbeugung von ihr verabschiedete. War es zu heiß im Saale geworden, begab sich die ganze Gesellschaft in den Park zu einer kühlen Promenade.
Garten und Park boten allerhand lau-
schige Winkel und verschwiegene Alleen. Im glißernden Mondschein lag der See, umgeben von ſeinen dunklen, schweigenden Ufern. Die weißen Marmorgestalten standen leuchtend auf ihren hohen Poſtamenten und sahen
lächelnd
herab
auf
die
lustig
scherzenden
Menschen, und die Vögel flatterten erschreckt auf, erſtaunt über die ungewohnte Störung. Unter munterem Geplauder oder heimlichem Flüſtern zerstreuten sich die Paare bald, um sich erſt ſpät und vereinzelt im Schloſſe wieder einzufinden. Bei ſolchen Festen kam auch manches Herzensbündnis zuſtande ; der Ort, die Umgebung, die Geſellſchaft und die freie und ungezwungene Art des Lebens war ja auch der echte Boden zu zartem Werben.
Aber nur
ein ſolch Bündnis iſt ein dauerndes geblieben, das des blonden Fräulein von Walmoden,
der ,,Jris", mit
dem Herrn von Buddenbrock, dem Adjutanten Friedrichs .
Ihre glückliche Ehe, die ſie wenige Jahre darauf
schlossen, ließ sie wohl oft zurückdenken an die fröhlichen Tage von lebten.
Rheinsberg,
da
sie ihren Liebesfrühling
Sphingtreppe im Park
Viertes Kapitel. Theateraufführungen in Rheinsberg. Das Repertoire. Friedrich erntet Beifall als Schauspieler. Ein nächtliches Gelage. Bekanntschaft Friedrichs mit Bielfeld durch die Freimaurerei. Die geheime Aufnahme des Prinzen in die Loge. Die erſte Freimaurerloge in Deutſchland . Friedrich als Großmeiſter. Der Bannfluch Papst Clemens' XII. Das poetiſche Bekenntnis eines Freimaurers. Der Bahardorden und die Ritter ohne Furcht und Tadel.
ußer Bällen, Maskeraden und Konzerten veran=
A ſtaltete der kleine Hof auch Theateraufführungen. ""‚Wir vergnügen uns mit allem Möglichen , “ heißt es in einem Briefe Friedrichs an seine Schweſter Wilhelmine,,,spielen Bälle,
Tragödien
Maskeraden
und
und
Muſik
Comödien, haben mit
jeder Sauce.
Solcher Art sind unſre Vergnügungen. Aber die Philosophie hält Schritt mit ihnen, ſie iſt ja die ſolideste Basis, auf der wir unser Glück aufbauen können .“ Friedrich liebte das Theater leidenschaftlich.
ES
war ihm stets eine verbotene Frucht gewesen, und ſeine Umgebung ſollte ihm auf Befehl des Königs den Geschmack daran verderben. Werke
der franzöſiſchen
Vergebliches Bemühen ! Die Klaſſiker, die er gründlich
studiert hatte, gespielt zu sehen, war sein glühendſter Wunsch.
Er brannte vor Verlangen, ein franzöſiſches
Theater und eine italieniſche Oper zu beſißen, wie einſt seine Großmutter
Sophie Charlotte.
Aber leider ver-
ſagte ihm seine kronprinzliche Penſion diesen Lurus eines Souveräns. So mußte er sich damit begnügen,
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ein paar Sänger zu halten und mit seinen Freunden die Werke seiner Lieblingsdichter selbst aufzuführen. Ueber den Spielplan der kleinen Liebhaberbühne in
Rheinsberg
wissen
wir wenig.
Friedrich ſpricht
weder in ſeinen Briefen an Wilhelmine von Bayreuth noch an Voltaire viel vom Theater.
Auch in Biel-
felds Memoiren findet sich nichts darüber. Auf dem Repertoire ſtanden Racine und Voltaire an erster Stelle. Jn „ Mithridate“ ſpielte Friedrich mit Erfolg die Heldenrolle, aber sein Partner, der Baron de la Motte-Fouqué , war der Rolle des „ Arbates"
nicht
gewachsen,
gerade bei
den tieftragiſchen
Stellen erzielte er nur einen Lacherfolg. Im September des Jahres 1737 wurde Voltaires „ Oedipe “ aufgeführt,
Friedrich hatte die Rolle des „ Philoctète“. Ein Jahr später spielte man ,, l'enfant prodigue“ und „, l'ecole des amis". In dem lezten Jahre
der
Rheinsberger
Jdylle plante man, „ die
Prüde“ einzuſtudieren ; Greſſets Stück „ Eduard III. “, das im Mai 1740 gegeben wurde, fand nur fühlen Beifall. Die Aufführungen fanden jedenfalls im Konzertzimmer statt, einen Theaterbau besaß Rheinsberg erſt unter dem Prinzen Heinrich, Friedrichs Bruder, der nach ihm das Schloß bewohnte. Friedrich zeigte Talent zur Schauſpielkunſt, wenig= stens versichert das Formey in den ,,Souvenirs d'un citoyen" : ,,Der Prinz Declamation.“
hat
eine
hervorragende Gabe zur
Fleury erzählt in ſeinen Memoiren, daß ein Reisender,
der
Friedrich
rezitieren
hörte, ſo einge=
nommen von seiner Leiſtung war, daß er ihn für würdig hielt, Mitglied der „,Comédie Française" zu werden. "" Wenn er nicht seine Staaten regieren müßte,“ ſagte dieser enthuſiaſtiſche Bewunderer Friedrichs,,, und er
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Luſt hätte, in Paris zu debütieren, würde er manchen Kenner entzücken ; fragen Sie d'Alembert, er hat ihn auch gehört. rels “*).
Sein Vortrag ähnelt dem „ Mon-
Er hat die ſeltene Gabe, mit Seele zu ſpielen.
Dadurch gewinnt alles Leben, das sich auch seiner Umgebung mitteilt." Die Proben zu den Aufführungen und dieſe ſelbſt waren im Rheinsberger Kreiſe ſehr beliebt. Wie freudig und mit welchem Eifer ging man an das Einstudieren der Rollen ! Ein jeder suchte ſein Bestes zu geben, wenn der Tag oder die Stunde gekommen war , da es hieß, vor den Freunden und Eingeladenen zu ſpielen. Zwei spanische Wände bildeten die Kuliſſen. Da man auf Dekorationen und Toiletteneffekte verzichten mußte, kam es um so mehr auf die künstlerische Leiſtung an, die dann nach Schluß der Vorstellung Gegenſtand allgemeiner Diskuſſion und Kritik wurde. So war man in „ Remusberg“ um Vergnügungen jeder Art nicht verlegen.
Wie ausgelassen es manch-
mal dort zuging und wie die lustigen nächtlichen Ge= lage verliefen, bei denen Bachus präſidierte, erzählt der im vorigen Kapitel zitierte Freiherr von Bielfeld in seinen Erinnerungen. des 30. Oktober 1739 :
Er schreibt unter dem Datum
"" Es ist ohngefehr vierzehn Tage, daß der könig= liche Prinz bey der Tafel außerordentlich luſtig war. Seine Fröhlichkeit setzte die ganze Tischgesellschaft in gleiche Gemüthsverfassung. Einige Gläser Champag= ner brachten unsern Wit in Bewegung. Der Prinz ward gewahr, daß auch ein kleiner scherzhafter Einfall schon hinlänglich war, uns zu ermuntern ; und wer hätte sich nicht wollen
ermuntern laſſen ?
Er sagte
daher beym Aufstehen, daß er entschlossen sei, dieſes kleine Bachusfeſt an eben dem Orte, wo wir es des *) Mitglied der ,,Comédie française".
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Mittags gelassen hätten, des Abends bey der Tafel wieder
anzufangen.
Gegen
Abend
ward ich zum
Concert gerufen.
Behm Beschluß sagte der Prinz zu mir : Vertreiben ſie ſich ißt die Zeit bey der Prinzessin ; ſo bald sie ihr Spiel wird ge = endigt haben , wollen wir uns zur Tafel sehen , und nicht eher aufstehen , als bis die Wachslichter verlöschen , der und Champagner den Kopf ein wenig aufgeIch nahm dieſe Drohung für einen Scherz
klärt hat.
an, weil ich wohl wußte, daß dergleichen Luſtbarkeiten, wenn sie vorſeßlich angestellet sind, selten glücken, oder vielmehr unartig, als angenehm ablaufen. Allein, da ich zu Ihro königlichen Hoheit ins Zimmer kam, versicherten Sie mich, daß ich es nicht als einen Scherz anſehen sollte, und prophezeihten mir, mit lachendem Munde, daß ich der Geschicklichkeit des Prinzen nicht ausweichen würde. Und in der That !
Wir hatten uns kaum zur
Tafel gesezt, als er den Anfang machte, viele wichtige Geſundheiten, eine nach der anderen auszubringen, auf welche man nothwendig Beſcheid thun mußte.
Auf
dieses erste Scharmüßel erfolgte eine ganze Lage von scherzhaften und sinnreichen Einfällen, sowohl von Seiten des Prinzen, als einiger andern, die zugegen waren : die finſterſten Stirnen heiterten sich auf ; die Fröhlichkeit ward allgemein, und ſelbſt die Damen nahmen Theil daran.
,,Nach Verlauf zwoer Stunden bemerkten wir, daß auch die größten Behältnisse keinem Schlunde ähnlich wären, worein man ohne Aufhören flüssige Materien schütten kann, ohne selbigen wieder einen Ausgang zu verschaffen. Die Nothwendigkeit litte weiter kein Gesez, und die Ehrfurcht selbst, welche man der Gegenwart Ihro königlichen Hoheit der Prinzeſſinn ſchuldig war, konnte verſchiedene nicht zurückhalten, daß sie nicht
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aufgeſtanden wären, und im Vorgemach frische Luft geschöpft hätten . „ Ich selbst war von dieser Zahl .
Beym Hinaus-
gehen befand ich mich noch so ziemlich frisch : aber, nachdem mich die Luft getroffen, spürte ich beym Hereingehen in den Saal eine kleine Umnebelung, welche mir den Verſtand zu verdunkeln anfing. „ Ich hatte ein groß Glas Waſſer vor mir ſtehen gehabt.
Die Prinzessinn , der ich gegen über zu ſizen
die Ehre hatte, war durch eine kleine Schalkhaftigkeit bewogen worden, mir das Waſſer ausgießen, und das Glas mit Selleriewein, so klar wie Quellwasser, an= füllen zu lassen ; und überdies hatte man noch den Schaum und Giſcht davon abgeblaſen.
Auf dieſe Art,
da ich schon das Feine im Geschmack verlohren hatte, vermischte ich wider Willen meinen Wein mit andern Wein, und ſtatt der Abkühlung, die ich verhoffte, trank ich mir ein Räuschgen, aber ein solches Räuſchgen, das einem Rauſche ziemlich nahe kam.
Um mir völlig
den Rest zu geben, befahl der Prinz, das ich mich an ſeine Seite sehen sollte, er ſchwahte mir viel von seinen gnädigen Gesinnungen vor ; er ließ mich einen Blick in die Zukunft thun, so weit als damals meine umnebelte Augen sehen konnten, und ließ mich ein gestrichen Glas nach dem andern von seinem Lünelwein ausleeren. „ Indeſſen empfand die übrige Gesellschaft so gut, als ich, die Wirkung dieſes Nektars, der an dieſem Feste wie Wasser, floß. Eine von den fremden Damen, die sich schwanger befand , verspürte eben dergleichen Ungemächlichkeit, wie wir, und stand haſtig von der Tafel auf, um sich einige Augenblicke in ihr Zimmer zu begeben.
Wir fanden dieſe heroiſche Handlung bewun=
derungswürdig. Der Wein machtzärtlich. Die Dame wurde bey ihrer Zurückkunft mit Schmeicheleyen und Lobes-
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erhebungen überhäuft. Niemals hat eine Frau bey ähnlicher Verrichtung so viel Beyfall erhalten. ,,Endlich, es sey nun durch Zufall, oder aus Vor-
sah, zerbrach die königliche Prinzessinn ihr Glas. Dies war gleichsam die Losung für unsre ungestüme Freude, und schien uns ein großes und der Nachahmung würdiges Beyspiel zu seyn.
Den Augenblick flogen die
Gläser in alle Winkel des Saals, und alles Cryſtall, Porcellain, Schalen, Spiegel, Leuchter, Geschirre und dergleichen wurden in tausend Stücken zerschlagen.
Parkeingang Mitten in dieser gänzlichen Verwüstung bezeigte sich der Prinz , wie dort beym Horaz, der gesezte Mann, der bey dem Umsturz des ganzen Weltgebäudes die Trümmer davon mit einem ruhigen und heiteren Auge betrachtet ; Allein, da sich die Freude in einen Tumult verwandelte, so entzog er sich dem Handgemenge, und begab sich mit Hülfe seiner Pagen zurück in ſein Zimmer. ,,Die
Prinzessin
Augenblicke.
verschwand
in
dem
nämlichen
Ich vor meine Person hatte das Unglück,
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daß ich auch nicht einen einzigen Bedienten antraf, der so viel Menschlichkeit beſeſſen hätte, mich zu führen, und sich meiner wankenden Figur anzunehmen.
Ich
kam also der großen Treppe zu nahe, und ohne mich lange zu verweilen, fiel ich selbige von oben hinunter, und blieb unten an der leßten Stufe ausgestreckt und ohne Verſtand liegen. Ich wäre daſelbſt vermuthlich umgekommen, wenn nicht eine alte Magd mein Schußengel gewesen wäre.
Ein ohngefehrer Zufall hatte sie
an dieſen Ort gebracht, und da ſie mich im Finſtern für den großen Schloß-Budel anſah, ſo belegte sie mich mit einem gar garſtigen Titel, und gab mir mit dem Fuße einen Tritt vor den Bauch. „ Da ſie aber merkte, daß ich ein Mensch, und was noch mehr, ein junger Hofmann war : so mochte sich ihr ganzes Herz im Leibe bewegen ; sie schrie nach Hülfe, meine Bedienten liefen herbey, man trug mich in mein Bette ; man holte den Chirurgus ; man ließ mir zur Ader ; man verband meine Wunden ; ich kam zu mir selber ; den Morgen drauf schwaßte man mir vom Trepanieren vor ; allein ich wurde von dieſer Furcht befreyet, und mußte nur vierzehn Tage lang das Bette hüten, in welcher Zeit der Prinz die Gnade hatte, mich alle Tage zu beſuchen, und zu meiner Geneſung alles mögliche beyzutragen. "" Eben dieſen Morgen darauf war das ganze Schloß
zum Sterben krank. Weder der Prinz , noch ein andrer von seinen Cavalieren konnten aus dem Bette steigen, und Ihro königliche Hoheit die Prinzeſſinn befanden sich allein an der Tafel. „ Ich habe an meinen Quetschungen viel ausgeſtanden, und habe Zeit genug gehabt, manche moralische Betrachtung über mein Unglück anzuſtellen. Aber gegenwärtig nehme ich in der That das italiäniſche Sprüchwort : ,,passato il pericolo, gabato il santo“ , oder wie die alten Deutschen sagen : „ Da der Kranke genas,
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je ärger er was“, gewiſſermaßen für einen Grundſah an, und mein Zufall hat ſo wohl mir als andern sehr oft zu einem Spaße Anlaß gegeben.
"",Man wird zu Rheinsberg noch lange Zeit an diesen
besondern
Tag
gedenken ;
denn dergleichen Bachusfeste werden daſelbſt gar selten gefeyert. Der königliche Prinz ist nichts weniger als ein Trinker. Er opfert nur dem Apollo und den Muſen ; und vielleicht kommt noch ein Tag, da er auch dem Kriegsgott Altäre erbauen wird . “ Der junge Bielfeld war auf Einladung Friedrichs nach Rheinsberg gekommen. Er entſtammte einer angesehenen Hamburger Kaufmannsfamilie. Die beiden hatten ihre Bekanntschaft durch die Freimaurerei gemacht.
Als der König mit dem Kronprinzen im Jahre 1738 bei dem Prinzen von Oranien zu Gast war,
kam eines Tages bei der Tafel das Gespräch auf die Freimaurerei.
Friedrich Wilhelm verurteilte sie in
ſeiner derben, voreingenommenen Art.
Da trat der
Graf Albert Wolfgang von der Lippe- Bückeburg mit mutigen Worten für die Brüderſchaft ein, erzählte von den hohen, edlen Zielen, die sie sich gesteckt hätte, und erregte dadurch des jungen Friedrich Intereſſe. Nach Tiſche nahm der Prinz den Grafen bei Seite und bat ihn um nähere Erklärungen über die Loge und ihre Mitglieder. Ganz begeistert von der edlen Tendenz ihrer Bestrebungen wünschte Friedrich, dem Bunde beizutreten. Die Zeremonie der Aufnahme mußte im geheimen vor sich gehen, Friedrich Wilhelm durfte nichts erfahren, er hätte in seinem Zorn auch die Mitglieder nicht ge= schont.
Als Ort wurde Braunschweig gewählt , über
das der König mit seinem Gefolge bei ſeiner Rückkehr kommen mußte und wo er sich wegen der Messe einige Tage aufhalten wollte.
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Der Graf von der Lippe ließ nun aus Hamburg und Hannover einige Ordensbrüder kommen, welche die nötigen symbolischen Geräte mitbrachten. In Braunschweig erwarteten sie alle die Ankunft Friedrichs. Der junge Bielfeld gehörte zu ihnen, und es war ihm eine besondere Rolle bei der Aufnahme des Prinzen zugedacht worden. Ihm verdanken wir die Kenntnis von der heimlichen Feier.
In seinen Er-
innerungen gibt er eine lebendige Schilderung von der Nacht des 14. Auguſt 1738, in der die Zeremonie vor sich ging.
Seine Memoiren sind in Form von Briefen
geschrieben, denen er stets das Datum der erzählten Begebenheiten gab.
Sind ſie auch in Wirklichkeit erſt
viele Jahre später verfaßt, als er seine Leser glauben laſſen möchte, ſo iſt es doch sehr wahrscheinlich, daß er ſtets eine Art von Tagebuch führte, das ihm dann half, in recht lebhafter und frischer Weise seine „ Freundschaftlichen Briefe“ zu schreiben.
Er erzählt alſo aus
Braunschweig unter dem Datum des 24. Auguſt 1738 : „ Der Herr Baron von Oberg, der Herr Baron von Löwen und ich, wir giengen am zehnten Aug. von Hamburg ab, und kamen den anderen Tag Abends vor den Thoren von Braunschweig an. Der Accisein= nehmer machte ſeiner Pflicht gemäß Anſtalt, unſer Reiſegeräthe zu durchsuchen. Diese bey der Acciſe eingeführte Ceremonie seßte uns in nicht geringe Verlegenheit.
Urtheilen Sie nur von unsrer Verwirrung. Wir
hatten einen großen Coffre mit aufgepackt, welcher mit allen zur Loge gehörigen Meublen und Instrumenten angefüllet war.
Diese Sachen konnten vielleicht alle
zu Braunschweig eine Art von verbotner Waare seyn. Wir überlegten es einen Augenblick.
Wenn der Viſi-
tator sich hartnäckig bezeigt, und auf die Eröffnung des Coffres gedrungen hätte : so wäre uns kein andrer Weg zu ergreifen übrig geblieben,
als uns entweder vor
Goldmacher oder Marktschreyer auszugeben.
Allein,
wir wurden von dieser Furcht befreyt, und vermittelst
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eines Ducaten, welchen ich ihm heimlich in die Hand drückte, zwang ich ihm die öffentliche Versicherung ab, daß er uns für Standesperſonen hielte, welche unmöglich den Zoll betrügen könnten. ""Wir stiegen in dem Kornischen Gasthofe ab. Dieſes ist das vornehmste Wirthshaus in der Stadt : übrigens aber wäre es so eine ganz gute Garküche. Der Herr Graf von der Lippe, der Graf von Kielmannsegge und der Herr Baron von Alten aus Hannover, trafen faſt eben zu der Zeit ein, und kamen noch selbigen Abend, gemeinschaftliche Sache mit uns zu machen . Rabon, der Kammerdiener des Herrn von Oberg, ein ächter Freimäurer, hatte den Auftrag, das Amt eines Zieglers über sich zu nehmen, und es war zum Erstaunen, wie er solches verrichtete. „ Den andern Morgen früh meldete das Donnern der Kanonen von den Wällen uns die Ankunft des Die Königs von Preußen und seines Gefolges an. Gegenwart des Monarchen, und die Menge so vieler verschiedener Fremden, welche die Messe nach Braunschweig gezogen hatte, machte die Stadt außerordentlich lebhaft. ,,Wir nahmen Abrede, daß sich niemand von uns bey Hofe zeigen sollte, ausgenommen, der Herr Graf von der Lippe, als welchen wir an den königlichen Prinzen absendeten, um wegen des Tages, der Stunde, und des Ortes, ſo ihm zur Aufnahme am bequemſten schiene, Befehl einzuholen. „ Se. königliche Hoheit erwählten die Nacht zwischen den vierzehnten und fünfzehnten, und befahlen, daß solche in unserm Quartiere vor sich gehen sollte, welches in der That ſehr geräumlich war, und sich hierzu in aller Betrachtung überaus wohl schickte.
Es hatte nicht
mehr als eine einzige Unbequemlichkeit, das war die Nachbarschaft des Herrn von W..., welcher an der Seite unsers Saals beym Eingange ein Zimmer inne
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hatte, so von solchem bloß durch eine breterne Wand unterschieden war. Er hätte alles vernehmen und alles 1 ausplaudern können. „ Dieser Gedanke beunruhigte uns ; da aber unſre Hannöverschen Brüder ſein glückliches Naturell kannten, daß er, wie man zu singen pflegt, seine traurige Vernunft gern im Weine ersäufte : ſo griffen wir ihn bey ſeiner Schwäche an ; wir drangen nach der Mittags= mahlzeit einer nach dem andern in ſein Zimmer, und da wir in der Absicht aufgestanden waren, ihm mit vollen Gläsern wacker auf den Leib zu gehen : so verſeßten wir ihn gegen Abend in einen solchen Zuſtand, daß er auch an der Seite einer Batterie, ohne zu erwachen, gar sanfte würde geſchlafen haben ; und ſo that uns bey dieser Gelegenheit der Stab des Bachus eben die Dienste, die wir sonst von dem verschwiegenen Finger des Harpocrates erwarten. ,,Kurz ! der ganze vierzehnte August wurde mit Vorbereitungen zur Loge zugebracht, und ein wenig nach Mitternacht ſahen wir den königlichen Prinzen, in Begleitung des Grafen von Wartensleben Kapitains bey des Königs Regiment zu Potsdam, ankommen. Dieſen lehteren stellte uns der Prinz als einen Canditaten von unsern Orden vor.
Er empfahl ihn, und verlangte,
daß dessen Aufnahme sogleich nach der ſeinigen erfolgen möchte. Er bat uns zuleßt, bey seiner eigenen Aufnahme auch nicht eine einzige ſtrenge Zeremonie, ſo bey dergleichen Fällen etwa gebräuchlich seyn könnten, weg zu laſſen, ihm nicht das geringste zu schenken, und ihn
vor
diesesmal bloß als eine Privatperſon anKurz ! wir nahmen ihn mit allen gehörigen und erforderlichen Gebräuchen auf. „ Ich habe hierbey seine Unerschrockenheit, ſein ge= zusehen.
settes Wesen, und das artige Betragen, welches er auch in den bedenklichsten Augenblicken zu erkennen gab, nicht genug bewundern können. Ich hatte mich
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auf eine kleine Rede gefaßt gemacht, worüber er mir ſeine Zufriedenheit bezeigte. zweyfachen
Aufnahme
Nach Vollendung dieser
eröffneten
wir die Loge, und
schritten zu unsrer Arbeit. Er schien darüber außerordentlich vergnügt zu seyn , und verrichtete alles mit eben so viel Verſtand als Geschicklichkeit. „ Ich gestehe Ihnen, daß ich mir von dieſem Prinzen, in Ansehung der Zukunft, einen sehr großen Begriff gemacht habe.
Er ist eben nicht lang von Statur, und
Gott würde ihn anstatt des Königs Sauls zur Regierung nicht leichte erwählet haben.
Allein, in Ansehung
der Größe und der Schönheit seines Genies verdient er allerdings, zum Glück der Völker, den preußiſchen Thron zu beſteigen.
Seine Bildung iſt einnehmend,
ſeine Miene geistreich, und seine Stellung edel, und es kommt nur auf ihn an, ob er vor schön gehalten seyn will.
Ein süßes Herrchen aus Paris würde zwar ſeine
Frisur
nicht
allzu
ordentlich finden.
Allein, ſeine
Haare haben ein schönes Braun ; ſie ſchicken sich zu ſeiner Geſichtsbildung überaus wohl, und sind ganz ungezwungen in Locken gelegt. Seine großen blauen Augen haben zugleich etwas ernsthaftes, etwas ange= nehmes und etwas liebreiches.
Ich habe mit Verwun-
derung wahrgenommen , daß er noch so jung aussah, alle ſeine Manieren sind so , wie sie bey Herren von hoher Geburt zu seyn pflegen, und er iſt unstreitig der allerhöflichste Sterbliche in dem ganzen Königreiche, das er einmal beherrschen wird.
Er hat dem hochwürdigen
Obermeister Baron von Oberg die zärtlichsten und schmeichelhaftesten Höflichkeiten erwiesen. Von den Eigenschaften seiner Seele will ich Ihnen gar nichts melden.
Es wäre eine sehr schwere Sache, solche in
einer einzigen Zuſammenkunft zu entwickeln ; Allein, ich schwöre Ihnen zu, daß er nicht ein einzig Wort geredet hat,
welches
nicht
unendlich viel Verstand,
welches nicht eine große Anlage zur Güte und Gnade Friedrichs d. Gr. Rheinsberger Jahre. 7
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zu erkennen gegeben hätte. Ich beziehe mich in dieſem Stücke auf den allgemeinen Ruf. Alles
endigte sich sogleich nach vier Uhr des
Morgens.
Der Prinz begab sich zurück auf das herzogliche Schloß. Er ſchien eben ſo ſehr mit uns zufrieden zu seyn, als wir von ihm eingenommen waren. müde
von
den
Ich,
angenehmen Beschäftigungen dieſes
arbeitsvollen Festtages, warf mich in mein Bette. „ Heute werden wir von unserm neuen und erlauchtesten Bruder wegen unsrer Abreise Befehl einholen laſſen.
Auf den Abend werden wir in die italiäniſche
Oper gehen, welche sehr schön seyn soll ; und morgen werden wir, wie ich glaube, unsern Weg nach Hamburg antreten." Bielfeld und die andern reiſten gleich darauf ab. Sie hatten Eile, Braunschweig zu verlaſſen, „ es iſt,' wie Bielfeld ſchreibt,
„ ein gekröntes Haupt zu viel
hier, welches von der Aufnahme des Prinzen ſeines Sohnes in unsern Orden Nachricht bekommen, und bey ſeiner schlimmen Stunde gar leicht die Achtung für unsre verehrungswürdigen Brüder bey Seite sezen könnte." Friedrich hatte
an
Bielfeld ,
dem Jüngsten der
Brüder, Gefallen gefunden.
So kam der junge, ehrgeizige, aber nicht sonderlich begabte Mensch nach Rheinsberg. Er hatte die größten Hoffnungen in die Zukunft gesezt und träumte von hohen Stellungen, die ihm sein Bundesbruder verleihen würde, sobald er sich erst einmal die Krone aufgesett hätte. Aus seinen Luftschlöſſern wurde nicht sehr viel. Es war seine Schuld ; die gute Gelegenheit, die ihm der junge König ſpäter gab, wußte er nicht zu benußen, ſeine mittelmäßige Begabung versagte ihm die erträumte Karriere. Friedrich machte ihn im Jahre 1747 zum Kurator der preußischen Univerſitäten und erhob ihn ein Jahr später in den Freiherrnſtand.
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Von sich selbst enttäuscht und in Erkenntnis ſeines eigenen Unvermögens zog er ſich bald in die Einsamkeit ſeiner Güter zurück, wo er sich literarischen Arbeiten und der Herstellung seiner Memoiren hingab*) . Seine Mißerfolge hatten ihn verbittert, aber die Eindrücke, die der Aufenthalt in Rheinsberg und die Bekanntschaft des jungen Frih
in ihm hinterlaſſen,
waren so tief und nachhaltig, daß er sich ihnen nicht entziehen konnte ; in seinen Worten klingt noch oft die ehrliche Begeisterung nach, die ihm damals die bezaubernde Persönlichkeit des Prinzen abgezwungen hatte. Bis in sein Alter blieb er ein Bewunderer des großen Königs. Die Versammlungen der Freimaurer, deren Loge „ Absalom“ im Jahre 1737 von der engliſchen Großloge
gegründet
werden. die
war,
konnten
nur selten abgehalten
Mit größter Vorsicht und Heimlichkeit kamen
Brüder
zuſammen.
Vorläufig
war
ihr ſtiller
Wirkungskreis sehr beschränkt, aber nach dem Tode Friedrich Wilhelms traten ſie aus ihrem Dunkel heraus. Eine neue Loge wurde durch Friedrich im Jahre 1740 in Berlin gegründet ; ſie nannte sich ,,Aux trois globes ". Jordan und
Bielfeld übernahmen die Leitung.
Der
neue König erſchien regelmäßig zu den Zuſammenkünften, die in Charlottenburg stattfanden, er ſelbſt war Großmeister. Jn ,,Formeys Journal de Berlin ou Nouvelles littéraires" aus dem Jahre 1740 steht**) : *) Bielfeld wurde am 31. März 1717 in Hamburg ge= boren und starb am 5. April 1770 in Altenburg. Seine haupt= sächlichsten Werke sind die „ Lettres familières et autres" (La Hahe. Pierre Goſſe jun. 1763, 2 vol. in 16º) und ,,Progrès des Allemands dans les Sciences, les Belles-Lettres et les Arts particulièrement dans la Poésie, l'Eloquence et le Théâtre (A. Leide, Chés Samuel und Jean Luchtmans, 1767, 2 vol. in 8º). Auch ist Bielfeld Verfaſſer mehrerer Lustspiele.
**) In französischer Sprache. *
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""‚Wir haben ſchon mitgeteilt, daß S. Majeſtät den Freimaurern seinen Schuß angedeihen läßt.
Die fol-
gende Liste beweist, daß sie hier Brüder von hohem Range besigen. “ Und nun folgt eine Liste der Freimaurer, unter denen wir die Namen Keyserlingks und Knobelsdorfs finden, auch Prinz Wilhelm gehörte zu den Mitgliedern. Die Freimaurerei stammte aus
England .
Das
Jahr 1717 scheint ihr Entstehungsjahr geweſen zu ſein. In der Zeit nach ihrer Gründung erregte sie überall großes Aufsehen und Intereſſe bis in die weiteſten Kreise.
Ihre Mitgliederzahl nahm schnell zu,
noch
waren die Aufnahmebedingungen leicht. Von England kam dann die Freimaurerei im Jahre 1725 zuerst nach Frankreich, dann 1735 nach Italien.
Die erſte Loge
von Bedeutung in Deutſchland war die Loge „ Abſalom“ in Hamburg, der Friedrich beitrat.
Die von ihm ge-
gründete Loge „ Aux trois globes “ wandelte sich im Jahre 1744 in die „ Große Mutterloge zu den drei Welt= fugeln." Die
heftigsten
Anfeindungen
fanden die Frei-
maurer von seiten der katholischen Kirche. Der Papſt Clemens XII. hatte im Jahre 1738 den Bannfluch gegen sie ausgesprochen, der bis auf unsere Tage von seinen Nachfolgern treulichst wiederholt wurde. Interessant ist das folgende Gedicht*) über die Natur der Freimaurerei, Memoiren niederſchrieb .
das Bielfeld in seinen Es stammt von einem
Pariser Freimaurer namens Procop und muß gegen das Jahr 1737 entſtanden ſein.
Das in seiner Zeit
*) Das Original ist in französischer Sprache. Die Uebersehung steht in der deutschen Ausgabe der Bielfeldschen ,,Freundschaftlichen Briefe“ (Lettres familières et autres) , die bei dieser Arbeit verwendet wurde. Diese Ausgabe erschien im Jahre 1765, drei Jahre nach der französischen.
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sehr beliebte und oft zitierte „ dichteriſche Bekenntnis eines Freimaurers“ gehört ſomit zu den früheſten Dokumenten für die Geschichte dieſer edlen Vereinigung : Was ? Brüder, wollt ihr ruhig dulden, Daß die erhabne Maurerey Beſtändig wider ihr Verſchulden, Der bittern Schmähsucht Vorwurf sey ? O ! nein ! das heißt mit Fleiß des Argwohns Gift vermehren Wenn man vor ihm den Mund verschließt. O ! laßt mich laut die Welt, die ganze Welt belehren , Was eigentlich ein Mäurer iſt.
Glaubt, unſer Orden wird gefallen, So bald man seine Größ' entdeckt ; Ich wette, daß mein Lied bey allen Schon manchen Wunsch nach ihm entdeckt, Was ist ein Mäurer wohl ? gehorsam dem
Verstande ; Dem Herzen nach, das , was er ſcheint ; Stets seinem Fürſten treu, ſtets treu dem VaterLande ;
Und was noch mehr ? der beste Freund. Bey uns herrscht Freyheit ohne Sünden. Nur Freiheit, so die Tugend schäßt, Die Wollust, die wir da empfinden, Hat noch die Unſchuld nie verlegt. Jst unsre Freude gleich dem Blick der Welt ver-
borgen, So bleibt sie dennoch eingeschränkt ; Und eines Mäurers Herz hat niemals zu besorgen, Daß ein Gewissens- Biß es kränkt. Der Zweck, wornach wir alle ringen, Ist, daß Asträa wiederkehrt.
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Daß wir die Sitten wiederbringen, Die man zu Rheens Zeit verehrt. Die Bahn, worauf wir gehn, hat wenige Erempel ; Doch wir verfolgen unsern Lauf ; Wir bauen stets, allein nur für die Tugend Tempel, Und für die Laſter Kerker auf.
Nur noch ein Wort für jene Schönen, Ein Wort, das zur Vertheid'gung iſt, Ein Wort für die, die uns verhöhnen, Weil man für sie die Thür verschließt. O ! wenn wir Ihnen gleich des Zimmers Eingang wehren, So ist dies nicht des Zürnens werth ; Ich weiß, sie loben uns, wenn ſie die Ursach hören, Woraus man dies Verbot erklärt. Wir ehren euch, ihr artgen Kinder !
Wir ehren euer ganz Geschlecht : Doch fürchten wir auch euch nicht minder ! Und diese Furcht ist sehr gerecht. Ach: daß von eurer Hand der Apfel Adams wäre, Dies prägte man uns längſtens ein, Und daß, ohn euren Rath, vielleicht, ſo hieß die Lehre , Ein jeder würd' ein Mäurer ſeyn!“
Noch eine andere Vereinigung verdankt ihre Entſtehung der ritterlich-romantiſchen Veranlagung Friedrichs und seiner jungen Brüder und Freunde.
Man
gründete in Rheinsberg den „ Bayard - Orden “, der hohe menschliche und chevalereske Ziele anstrebte. Sein Sinnbild war ein auf einem Lorbeerkranz liegender Degen mit der Umschrift : „ Sans peur et sans reproche". Die zwölf Ritter „ ohne Furcht und Tadel “ legten sich ſymbolische Beinamen zu.
Friedrich hieß „ der Stand-
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hafte", sein Bruder Wilhelm, der noch ein Knabe war, nannte sich der Mäßige“ ; Prinz Heinrich wählte den Namen der Muntere". Der Großmeister des ſtolzen Ordens war der alte Baron de la Motte-Fouqué, der hier eine glücklichere Rolle spielte, als die des „,Arbates ". Die Ordensbrüder verkehrten in der Weise der alten französischen Ritter miteinander. Ihre Briefe waren voll von jenen alten, hochtrabenden, romantiſchen Formeln des Mittelalters, der Zeit der Troubadours , der ritterlichen Tourniere. Fouqué,,,der Keusche" genannt, wurde in den „, Sendſchreiben“ angeredet als „ sehr hoher, ſehr mächtiger, ſehr tapferer und ſehr kühner Ritter, der Keusche, Großmeister des sehr edlen und ſehr berühmten Ordens der Bayardsritter ohne Furcht und Tadel.“ Als Ordenszeichen trug jeder einen Ring in der Gestalt eines Schwertes mit der Inschrift : „ Vivent les sans quartier" - (,, Es lebe, wer sich nie ergiebt ! “) Ein neu erſtandenes Rittertum ! Auf den erſten Blick mutet es an wie ein Spiel, eine Unterhaltung junger Nichtstuer, die sich in ihrer Unbedeutenheit ſelber Wert und Klang geben wollten.
Aber bei einem leiſen
Lächeln über die jugendlichen Schwärmer bleibt es nicht. Die Schöngeisterei, die, wie bei allen paſſenden oder unpassenden Gelegenheiten im achtzehnten Jahrhundert, auch hier vorherrschte, barg einen tiefen Untergrund. Man meinte es ernſt mit den edlen Zielen.
Aber wie
alles in dem Zeitalter des raffiniertesten Geschmacks seines zierlichen Aufpuzes bedurfte, so griffen auch Friedrich und seine Freunde als echte Kinder dieſer Zeit zum poetischen Bayard . Neben den nun einmal nicht zu umgehenden ritterlichen Phrafen und Symbolen bezweckten sie vor allem intenſives Studium der Kriegskunst. Landsliebe.
Daneben Kameradſchaftlichkeit und, Vater-
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Und die Bayardsritter hielten, was sie sich in Rheinsberg versprachen.
Der Ernst des Lebens gab
ihnen oft genug die heiß ersehnte Gelegenheit, die einſt gelobte Tapferkeit und Treue zu zeigen. Friedrich blieb ,,der Beſtändige" im eigenſten Sinne des Wortes , aber nicht nur als Ritter, sondern auch als Freund.
Dem
alten Großmeister, der in hervorragender Weiſe an den Kriegen Friedrichs teilnahm, bewahrte er stets eine innige Zuneigung.
Schloß Rheinsberg Wasserseite
Fünftes Kapitel. Friedrichs unglückliche Ehe. Seine Liebschaften. Doris Ritter, Gräfin Orzelska, Luiſe Eleonore von Wreech. Eine Liebeserklärung in Versen. Friedrichs Verlobung. Seine Ansichten über Ehe und Frauen. Die Ursache seiner Abneigung gegen Elisabeth-Chriſtine.
n die glücklichen, ſonnigen Rheinsberger Tage, in
J das Jdyll der Freundschaft, der arbeitsfrohen Stunden im Kreise künstlerischer Genossen, fällt ein Schatten, der das Bild jener Jahre trübt, aber nicht stark genug ist, es ganz zu verdunkeln : Friedrichs Ehe. Wieviel Gründe sind zu allen Zeiten nicht schon angeführt worden, die unglückliche Verbindung Friedrichs mit Eliſabeth- Chriſtine zu erklären ! Was für Geschichten erfand man nicht über ſie in dem Wunſche, die Gestalt des großen Königs zu verzerren, ihn durch feindselige Deutungen herabzusehen ! Zu seinen Lebzeiten hatten ſeine zahlreichen Gegner, wie der Kardinal de Bernis, der gegen Preußen am Hofe zu Verſailles intrigierte und auch später Voltaire Friedrich den Vorwurf der Männerfreundſchaft gemacht, ohne irgendwelche anderen — Beweise ihrer Behauptung der Welt geben zu können, als ſeine Vorliebe, faſt nur Männer um sich zu sehen. Diese gehässigen Aeußerungen, deren Zweck nur zu durchſichtig ist, schufen im Verein mit den Klatschgeschichten, denen Friedrich von seinem hohen Gesichtspunkte aus nie entgegentrat, eine Ueberlieferung, die ſich bei der Vorliebe der Menschheit für Schwächen und
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intime Züge großer Geiſter bis auf unſere Zeit forterbte und noch heute die herrschende und allgemein verbreitete ist. Nur wenige Männer der Wiſſenſchaft machen hiervon eine Ausnahme. Spürt man an der Hand historischen Materials diesem Kapitel in Friedrichs Leben nach, wird man sehr bald gewahr, wie wenig jene Leute, die solche Ge= rüchte in Umlauf brachten, von dem intimen Leben des ― großen Königs unterrichtet waren. Es eriſtiert außer jenen bereits angedeuteten Aeußerungen durchaus kein authentisches, glaubwürdiges Material, das die Berechtigung zu dem bekannten Vorwurf gäbe. Da= gegen findet der suchende Geschichtsforscher, der die Wahrheit auf seine Fahne geschrieben hat und vorurteilslos nur für ſie ſtreitet, genug der Beweiſe dafür, daß Friedrich in ſexueller Beziehung ebenso ein ganzer Mann geweſen, wie in ſeinen Taten. Er fing sogar schon recht früh an, die Liebe zu ſtudieren.
Die erſte Erfahrung, allerdings anſcheinend
harmloser Art, machte er in Potsdam. Doris
Ritter,
zählte
sechszehn
Tochter eines Rektors.
Lenze
,, Sie" hieß und war die
Die Liebe zur Musik führte
die beiden Kinder zuſammen.
Er ergößte sich an ihrer
schönen Stimme, wenn er ſie in Abwesenheit ihres Vaters heimlich besuchte.
Das arme, junge Ding mußte
die Küsse und kleinen Geschenke des Kronprinzen schwer bezahlen : Friedrich Wilhelm bestrafte sie mit Staupen= schlag und Zwangsarbeit und dem Vater nahm er die Stelle*) . *) Doris Ritter heiratete später den Pächter der Berliner Droschken, namens Schomer. Sie lebte in großer Dürftigkeit. Friedrich erinnerte sich ihrer nie wieder. Formeh , der mit ihr im selben Hauſe wohnte, ſchildert ſie in ſeinen Memoiren als ein großes, mageres Weib, die wie eine Sibylle aussieht und nicht den Eindruck macht, es einst verdient zu haben, eines Prinzen halber geschlagen zu ſein“.
Karoline von Orzelska Geliebte Friedrichs des Großen (Pastell-Gemälde von Rosalta Carriera in der Kgl. Gemäldegalerie in Dresden) Dann kam im Februar des Jahres 1728 die erste Liebe. Bei seinem Besuch in Dresden mit dem Vater hatte es ihm die schöne Gräfin Anna Karoline von Orzelska angetan. Sie war um fünf Jahre älter als der erst sechszehnjährige Friz.
In ihren Memoiren
erzählt Wilhelmine, die Schwester Friedrichs, folgendes
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über diese Liebſchaft, in die ſich ihr Bruder kopfüber gestürzt hatte : Mein Bruder hatte sich leidenschaftlich in die Gräfin Orzelska verliebt, die zugleich uneheliches Kind und Geliebte des Königs von Polen war. Jhre Mutter war eine franzöſiſche Kaufmannsfrau aus Warſchau. Dieses Mädchen dankte ihr Vermögen dem Grafen Rodofski, ihrem Bruder, deſſen Maitreſſe ſie geweſen, und der ihre Bekanntschaft mit dem König von Polen vermittelt hatte, ihrem Vater, der, wie ich schon ſagte, soviel Kinder hatte, daß er sich nicht um alle kümmern konnte.
Er war jedoch so entzückt von den Reizen der
Orzelska, daß er sie zuerst einmal als seine Tochter anerkannte ; er liebte ſie leidenschaftlich. Die eifrigen Bemühungen meines Bruders für dieſe Dame machten ihn schrecklich eifersüchtig.
Um nun die Gegnerschaft
aus der Welt zu ſchaffen, ließ er ihm die ſchöne Formera anbieten, unter der Bedingung, daß er der Orzelska entsage.
Mein Bruder versprach ihm, was er
wollte, nur um sich in den Beſiß dieser Schönheit ſeßen zu können, die seine erste Geliebte wurde." Friedrichs Liebe zu der schönen Polin war so tief, daß er vor Sehnsucht verging, als er nach Berlin zurückgekehrt war, und erst wieder Ruhe fand , als seine vielseitige Herzensdame im Gefolge des Königs nach Berlin kam .
Schließlich nahm aber die Stärke und Ausdauer
seiner Gefühle ab und die räumliche Trennung wurde auch zur seelischen. Nun folgten Jahre, in denen er in Gemeinschaft seiner Kameraden manches Abenteuer fand, und die Fama machte aus dem jugendlichen Prinzen bald einen Wüſtling.
Noch lange Jahre ſollte
ihm dieser Ruf anhaften. Wenige Jahre
nach
seinem
Dresdener
Besuch
finden wir Friß hinter den Gitterſtäben der Küſtriner Festung, die er aber bald gegen die Amtsstube der Kriegs- und Domänenkammer umtauschen sollte. Mit
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knapper Not dem Tode oder mindeſtens langjähriger Gefängnishaft entronnen, hatte er nach seinem erfolg= losen Fluchtverſuch allen Grund, sich zu seinem Vater in ein gutes Einvernehmen zu sehen und durch verdoppelten
Gehorsam
die
väterliche
Huld zurückzu-
gewinnen.
Als Friedrich Wilhelm ſah, daß die Reue des Sohnes aufrichtig war, erlaubte er mehr Freiheit, und Friedrich war ſelig, als er zum ersten Male wieder vor den Toren der Stadt zu Pferd oder Wagen die langentbehrte Luft der Freiheit mit vollen Zügen atmen durfte. Sein frischer Lebensmut und ſeine neunzehn Jahre halfen ihm bald über die traurigen Erinnerungen an den Tod des ergebenen Freundes und die eigenen todesbangen Stunden hinweg und an Stelle des tiefen Schmerzes trat eine ſtille Wehmut, die den Künſtler in ihm weckte und den Jüngling vorzeitig zum Manne reiste. In dieser Zeit spielte die Geschichte seiner zweiten Liebe, die faſt zur Leidenschaft anwuchs und ſein ganzes Denken und Fühlen einnahm. Luise-Eleonore von Wreech hieß die Angebetete. Sie war die Gattin des Obersten Adam-Friedrich von Wreech auf Schloß Tamſel bei Küſtrin. Stunden, wohl die einzigen
Die schönsten
schönen Stunden seiner
Küstriner Zeit, brachte er bei ihr zu.
Ihr schickte er
die besten Verſe ſeiner jungen Dichtkunſt, ſie wurde ſeine Muse. Immer feuriger wurden seine Werbungen um ihre Gunſt, mit der die vier Jahre ältere LuiſeEleonore zögerte.
Da sandte er ihr eines Tages in
Form einer Ode*) das Bekenntnis ſeines ſehnenden Herzens : „ Vergönnt, Madame, mir diese Worte, Ich kann nicht anders, muß es Euch geſtehn, Dahin ist meines Herzens Ruhe,
*) Aus dem Franzöſiſchen überſetzt.
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Dahin mein Frieden, seit ich Euch geſehn ! Nur einer tiefen Liebe ſeid Jhr würdig Und tief hat mich getroffen Euer Augen Strahl, Daß ich, unfrei zur Stund , zu Euren Füßen Liege und leiden muß an Liebesqual. Die Welt wird meine Liebe Schwäche nennen,
Weil ich zu jung.
Ich fühle mich als Mann,
Mein schwaches Herz schäß' ich höher, Als eines, das nicht lieben kann ! Und sagt man mir, es ſei gar eine Sünde, So seid Jhr's wert, Ihr seid zu lieb und hold ! Unfähig fühl ich mich, ich finde keine Worte Für alles, was mein Herz Euch sagen wollt. Die Liebe ist ein Glück und auch ein Unglück, Bald ist man ſelig, bald betrübt. Mein Schicksal liegt in Euren Händen, Beglückend wird es ſein, wenn Ihr mich liebt ! In Euren Fesseln lieg' ich, nenn' mich Euer Sklave, Nie möcht' ich einen andern Titel tragen. Sagt' ich zuviel ? Vergebt die kühnen Worte, Ich sprach ja damals nicht, konnt’s ja nicht wagen, Als Jhr in Eurer Schönheit vor mir ſtandet ! Wie eine Göttin seid Jhr mir erschienen, Stumm war ich vor Bewunderung.
Mein liebend Herz will Euch nur dienen, O, stoßt es nicht zurück.
Ganz ungeduldig
Harrt es der Antwort und trägt heiß Verlangen Euch seine Huldigung zu bringen. Erwartungsvoll zähl ich die bangen Minuten, bis aus Eurem Munde Mein Schicksal ich erfahren werde. Gehorsam will ich mich ihm unterwerfen, Doch fürchte ich mein Unglück, das auf dieſer Erde Mich stets verfolgt', wird mich auch diesmal nicht verlassen. Doch standhaft will ich bleiben, was auch kommen mag,
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Und ist die Antwort nicht so, wie ich hoffe, So wird Geduld und treue Liebe doch noch einen Tag
Das stolze Herze rühren und bezwingen. Zuviel schon schrieb ich, von der Leidenschaft ge= trieben ; Gelangweilt hab' ich Euch vielleicht, doch glaubt mir Stets werd' ich treu und innig Euch nur lieben ! Friedrich." Troß der ablehnenden Antwort, die der Verliebte auf diese Verſe erhielt, fand ſein Werben später doch Erhörung. In einem Briefe an Voltaire gedenkt Friedrich nach Jahren seiner zweiten Jugendliebe mit den Worten : „ Eine liebenswürdige Person flößte mir in der Blüte meiner Jahre zwei Leidenschaften auf einmal ein ; Sie erraten wohl , daß die eine die Liebe war, die andre war die Poesie. Dieses kleine Wunder der Natur war mit allen erdenklichen Reizen ausgestattet und besaß Geschmack und Zartgefühl.
Beides wollte sie
mir beibringen. In der Liebe hatte ich Glück, aber nicht in der Poesie . . . Nicht sehr lange dauerte die Liebesidylle. hohe Politik machte ihr ein jähes Ende sollte heiraten !
Die
Friedrich
Er, deſſen Herz nicht mehr frei war,
sollte ein Mädchen zur Frau nehmen, das er noch nie geſehen, und von dem man ihm sagte,
daß es
weder schön noch häßlich sei. Hier sollte er seinen Gehorsam beweisen. der
Prinzessin
Der Vater hatte beſchloſſen, ihn mit Eliſabeth- Christine,
der Tochter des
Herzogs Ferdinand Albert von Braunschweig-Bevern zu verloben.
Friedrich mußte sich fügen, wollte er nicht
von neuem den väterlichen Zorn heraufbeschwören. Aber wie er in Wirklichkeit über die aufgezwungene Ver-
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bindung und ſeine Zukünftige dachte, sehen wir in dem Briefe, den er an den General von Grumbkow, den vertrauten Ratgeber des Königs, schickte. Grumbkow ſelbſt hatte dem König die Heirat vorgeschlagen, er ſtand aber auch zu Friedrich in einem freundſchaftlichen Verhältnis und hatte sich besonders durch seine Hilfe während der kritischen Monate nach dem Fluchtverſuch das Vertrauen des Kronprinzen erworben. Ich gebe den Brief auszugsweise und in deutſcher Uebersetzung wieder :
,,Cüstrin, 11. Februar 1732. Mein lieber General und Freund! Ich bin erfreut, aus Ihrem Briefe zu entnehmen , daß die Dinge jezt besser für mich ſtehen, und Sie können Sich darauf verlassen, daß ich Ihnen folgen werde.
Ich will alles thun, um mich durch meinen
Gehorsam der Gnade des Königs zu versichern, aber nicht ohne dem Herzog von Bevern die Bedingung zu stellen, daß das ,, corpus delicti“ bei ſeiner Großmutter*) erzogen wird. Denn lieber möchte ich noch den betrogenen Ehemann spielen, oder unter dem Pantoffel meiner Frau ſtehen, als ein dummes Weib in meinem Hauſe haben, das mich durch seine Albernheiten ärgert und dessen ich mich schämen
müßte.
Ich bitte Sie alſo, in dieſem Sinne mein Fürſprecher zu ſein, denn wenn man wie ich die Romanheldinnen haßt, fürchtet man die zu Tugendſamen und ich würde das
gemeinste
Frauenzimmer
von
Berlin
einer
bigotten Person vorziehen, der ein halbes Dußend Mucker zur Seite steht.
Wäre es wenigstens noch
möglich, sie zu reformieren, aber ich bezweifele es ; ich bin aber feſt entſchloſſen, zu verlangen , daß sie bei ihrer Großmutter erzogen wird. Es war mir *) Friedrich fürchtete die allzu religiöſe Erziehung seiner Braut durch ihre Eltern. Friedrichs d. Gr. Rheinsberger Jahre. 8
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unangenehm zu hören, daß der König noch immer an mir zweifelt, wo ich ihm doch den größten Beweis meines Gehorsams durch die Einwilligung in die Heirat gab, die mir mehr als zuwider ist.
Womit
könnte ich ihm meine Unterwerfung mehr beweisen ? „ Sie können Sich denken , wie peinlich es mir ſein wird, den Verliebten spielen zu müſſen, ohne es zu sein und
einer stummen Häßlichkeit Geschmack ab=
gewinnen zu müſſen, denn ich gebe nicht viel auf den Geschmack Seckendorffs *) .
Nochmals bitte ich Sie,
daß diese Prinzessin auf jeden Fall „ die Schule der Männer und der Frauen“ **) auswendig lernt ; das wird ihr nüßlicher ſein als „ d as wahre Christentum" vom seligen Arndt !" Immer dringender wurden seine folgenden Briefe an Grumbkow, und als er ſah, daß weder Bitten noch Drohungen nüßten, die geplante Verlobung rückgängig zu machen, erklärte er ihm am 19. Februar 1732 : ,,Sie können dem Herzog sagen, daß ich fest ent= ſchloſſen ſei, ſie nicht zu nehmen. Möge kommen , was wolle. Mein ganzes Leben lang war ich unglücklich, ich glaube, es iſt mir beſtimmt, es auch zu bleiben !“ Bald wurde er aber wieder anderen Sinnes, als er sah, in welche Lage ihn ſeine Weigerung bringen würde. Er gab nach und reiſte am 26. Februar schweren Herzens nach Berlin, die Braut zu sehen. Er fand ſie, wie er an Wilhelmine von Bayreuth ſchrieb , „ weder ſchön, noch häßlich, aber schlecht erzogen und zu ſchüchtern.“ Und zu Grumbkow ſagte er, daß er keine direkte Abneigung gegen ſie empfände, da ſie ein gutes Herz habe, lieben werde er sie jedoch nie können ! *) Graf Seckendorff, der Gesandte Oesterreichs am Berliner Hofe, hatte gemeinſam mit Grumbkow den König zu der Wahl der Braut beſtimmt. **) Zwei Komödien Molières.
115
Am 10. März erfolgte die feierliche Verlobung, und einen Monat ſpäter ging Friedrich zu ſeinem Regiment nach Nauen. In einem Jahre ſollte die Hochzeit ſein.
Troßdem
er Eliſabeth- Chriſtine nun persönlich kennen gelernt hatte, waren seine Gefühle für ſie dieſelben geblieben und mit Bangen sah er in die zukünftige Ehe. Die gute Sitte erforderte es, daß er der Verlobten öfter schrieb.
Die ersten Monate tat er es auch, bald
wurde er jedoch nachlässiger und seine Briefe seltener. Dem Könige wurde es hinterbracht, und Friedrich erhielt im September den vermahnenden Brief von des Vaters eigener Hand :
„ Mein lieber Sohn ! Ich erfahre, daß Ihr mit Eurer Verlobten Prinheſſin Braut nicht fleißig correspondieret, und lange nicht an dieselbe geschrieben, schreibt mir doch die Uhrfache, und wird mir lieb ſeyn, wenn Ihr fleißig an dieselbe schreibt.
Ich bin Potsdam, 2.
September 1732
Euer getreuer Vater Fr. Wilhelm."
In seinem Schuldbewußtſein erfand Friedrich dem Vater gegenüber eine Ausrede, wie wir in dem folgenden Briefe lesen, den ich, ebenso wie den Friedrich Wilhelms getreu den im Geheimen Staatsarchiv liegenden Originalen wiedergebe :
,,Allergnädigster König und Vahter. Ich habe die Gnade gehabt, meines allergnädig= ſten Vahters schreiben zu erbrechen, und antworte meinen allergnädigſten Vahter in aller unterthänigkeit, das den letten brif, so ich von der Prinzes bekommen kurt fohrher gewesen ist, als ich nach Poz= dam gegangen und ich auf solchen heute vohr 8 tage 8*
116
schon geantwortet habe, und seiterdem keinen brif nicht von Ihr gekriget, morgen mit der Post hatte nun den auch schreiben wollen, die briwe kommen aber alle und gehen ſehr lankſam von hier wek, den ſie müssen alle von Fehrbellin , wohe die Poſt ſtation ist über Berlin gehen und von dar erst nach ihren adreſſen.
Diſſes mach wohl die ursache ſein, welche
die briwe so lange aufhelt, ſonſt habe doch alle woche 1 mahl gewis hingeſchrieben . . . der ich mich in meines allergnädigſten
Vahters beständige gnade empfehle, und verharre in tiefſtem reſpect meines allergnädigſten Königs und Vahters getreu gehorſamſter Ruppin, d. 4. September
Diner und Sohn
1732
Friderich."
Der König glaubte ihm und ſchrieb : „ Mein lieber Sohn.
Ich habe Euer Schreiben
vom 4. dieſes erhalten, und bin mit Euer explication wegen der correspondence mit Eurer Prinzeſſin Braut zufrieden.
Ich halte mich auch von Euch versichert,
Ihr werdet niemahls
etwas
unterlassen, was die
Regeln der Höflichkeit und Liebe erfordern. Ich bin im übrigen mit vollkommener affection Euer treuer Vater Fr. Wilhelm." Auch an anderen Aufmunterungen ließ es der König nicht fehlen und sorgte dafür , daß der junge Bräutigam ſeiner Braut zu Weihnachten ein Geſchenk machte.
Er beſorgte es sogar selbst und schickte es Fried-
rich mit den Worten : ,,Im übrigen übersende Ich Euch hierbey eine Tobacksdose, darin zugleich eine Uhr ist, welche hier in Berlin gemacht, und weil es was rahres
117
und curieuſes iſt, ſo ſollt Ihr dieselbe Eurer Prinzeſſin Braut zum heil. Chriſt ſchenken. “ Den wahren Grund aber zu Friedrichs Schweigen gegenüber Elisabeth- Chriſtine finden wir in dem Brief an Grumbkow vom 4. September 1732*) : „ Ich habe“, so schreibt er, „ heute morgen einen Brief des Königs erhalten, der mich bestürzt. Er be= handelt das angenehme Thema von meiner Dulcinea. Selbst mit Stockschlägen will man mich verliebt machen ; aber unglücklicher Weise habe ich nicht die Natur der Eſel und ich fürchte, daß man nichts erreichen wird. Der König schreibt :
Da ich erfahren habe, daß Ihr
nicht fleißig genug an Eure Prinzeſſin Braut ſchreibt, will ich den Grund dafür wiſſen und will, daß Ihr ihr öfter schreibt etc.
Ich habe ihm geantwortet, daß
ſie mir seit vierzehn Tagen nicht geschrieben hätte, und daß ich ihr vor acht Tagen erſt einen Brief ſandte, daß ich
daher
keinen
Grund
angeben könne ;
aber
in
Wahrheit fehlt es mir an Stoff und ich weiß nicht, was ich ihr schreiben soll . Mein Gott, man sollte doch daran denken,
daß
diese
Heirat mir
nolens-volens
aufge=
zwungen wurde, und daß ich sie mit meiner Freiheit bezahlen mußte ! Aber ich glaube, daß dieses dicke Marktweib, die würdige Frau Herzogin**) mir dieſen Streich ſpielte, um mich schon beizeiten unter ihren Pantoffel zu bringen.
Der Teufel soll sie holen.
Ich hoffe nicht,
daß der König sich noch in diese Angelegenheit miſchen wird, sobald ich verheiratet bin, oder es wird schrecklich werden und die Frau Prinzessin wird darunter zu leiden haben. Die Heirat macht majorenn und ſobald ich es bin, werde ich der Herr in meinem Hauſe ſein und meine Frau hat Nichts zu sagen, denn blos keine Weiberherrschaft ! Ein Mann, der sich von Frauen beherrschen läßt, ist der größte Cujon auf der Welt und
*) Uebersetzung . **) Die Mutter der Braut.
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den stolzen Namen 99Mann “ zu tragen . Darum will ich als ein Ehrenmann heiraten, das heißt,
unwürdig,
meine Frau kann tun und laſſen, was sie will , und ich werde ebenfalls tun, was mir beliebt. Es lebe die Freiheit ! „ Sehen Sie, mein lieber General, mein Herz ist recht schwer und mein Kopf iſt heiß, aber ich kann nicht schweigen, ich muß vor Ihnen so offen sprechen, wie vor Gott.
Sie werden mir zugeben müſſen, daß mit Gewalt
in der Liebe nichts zu erreichen ist.
Ich liebe das
schöne Geschlecht , bin aber in der Liebe ſehr flatterhaft.
Ich will nur genießen, nachher verachte ich die
Frauen. Sagen Sie mir, bin ich von dem Holze, aus dem man die guten Ehemänner schnitt ? Mein Wort werde ich halten, ich werde heiraten, aber dann iſt's auch genug und : guten Tag, Madame, und Weg.
Ich
bitte
Sie
guten
um Verzeihung, mein lieber
General, sie mit solchen Mitteilungen zu beläſtigen, die weder für den Empfänger noch für den Abſender angenehm sind.
Sie werden begreifen, daß ein solches
Vorgehen gegen mich nur böſes Blut machen kann, und daß man umſo größere Abneigung für eine Sache be= kommt, jemehr man zu ihr hingestoßen wird . Ich habe Sie nun genug gelangweilt, mein lieber General, und bitte Sie, davon überzeugt zu ſein, daß ich in voller Ergebenheit bin
Ihr Friderich." Dieses rückhaltloſe Bekenntnis bezeichnet am besten die Gemütsverfaſſung , in die ihn die Abneigung gegen Elisabeth- Christine brachte.
Die groben Ausdrücke und
anscheinend herzloſen Ansichten über Ehe und Frauen werden in Anbetracht seiner Zwangslage verzeihlich. Er mußte doch eine Erklärung geben, warum es ihm unmöglich war, die Braut zu lieben ! Sollte er erzählen,
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daß er sein Herz an eine andere verloren hatte ? Mußte er nicht schweigen, um die Frau, die er noch immer liebte, nicht zu kompromittieren ?
Hieß ein Geſtändnis
nicht, sie dem Zorn des Vaters und der Verwandten — ausliefern ? So erfand er jene harten Worte über die Frauen und seine Liebe zu ihnen. Im Ernst hätte er sie nie gesprochen, dazu war er zu groß, und ſein späteres Leben hat ja auch zur Genüge bewiesen, daß er das Weib nicht nur als eine Quelle des Genusses ansah.
Die Remusinsel
Mit Wit und philosophischer Ergebenheit hat er die wenigen Jahre des Zusammenlebens mit der Gattin in Rheinsberg ertragen und es sie nie fühlen laſſen, wie fern sie seinem Herzen war, wenn auch der Verkehr der Beiden nur im Austausch von Höflichkeiten bestand, die ihre Stellung forderte. Die Hochzeit hatte im Juni 1733 stattgefunden. Der Mai des Jahres 1740 , der den Tod des Vaters brachte, trennte dieses Eheleben, das kaum eines ge= wesen.
Als König lebte Friedrich in Potsdam und
Sans- Souci,
in
dem
Schlosse zu Nieder- Schönhausen ein freudloses,
während
ein=
ſames Dasein führte.
Elisabeth- Christine
120
Nicht Verachtung der Frau ist der Grund dafür gewesen, daß Friedrich liebeleer neben der jungen, nicht schönen, aber anmutigen Gemahlin lebte.
Sein Herz
gehörte ja einer anderen, und man kann es begreifen, daß er diesem unwürdigen Zuſammenleben ein Ende machte, sobald er Herr ſeiner Handlungen geworden. Wie abgeschmackt und kleinlich müſſen nicht jene haltlosen Behauptungen und Gerüchte klingen, die Friedrich
andere,
niedrige Motive unterschoben.
Solche
Aeußerungen müſſen ihn selbst hart getroffen haben, besonders, wenn sie von jemand stammten, der sich seinen Freund nannte : Voltaire. Die Geschichte dieſer unglücklichen Ehe als Opfer einer rücksichtslosen Politik ſteht nicht vereinzelt in der Welt.
Schon zwanzig Jahre später finden wir einen
gleichen Fall, im ſelben Hauſe.
Der um vierzehn Jahre
jüngere Bruder Friedrichs , Prinz Heinrich, mußte gegen seinen Willen und Wunsch die Prinzessin Wilhelmine Und es war von Heſſen- Caſſel zur Frau nehmen. ſein Bruder, der ihn dazu zwang ; die Jahre hatten ihn vergessen lassen, wie bitter es ist, der Stimme des Herzens Schweigen gebieten zu müſſen !
Sechstes Kapitel. Friedrich und die franzöſiſche Malerei. Er sammelt Watteau und Lancret. Seine Versuche im Zeichnen. Knobelsdorffs Reiſe nach Italien. Was Berlin und Potsdam ihm verdanken. Sein Zerwürfnis mit Friedrich. Antoine Pesne, der erste Akademiedirektor von Berlin. Er lernt Friedrich in Rheinsberg kennen und wird von ihm in einer Ode besungen. Seine Deckengemälde. Augustin Dubuiſſon.
wie es 18 wird vielleicht eine Zeit kommen & welche die franzöſiſche schon eine gegeben Kunst des achtzehnten Jahrhunderts nicht goutieren wird.
Kommende Geschlechter werden sich mit Verach-
tung von einer Kunſt abwenden, der Realiſtik faſt fremd war, die nur einen Zweck kannte, den , Schönheit zu schaffen ; Schönheit, verbunden mit Anmut. Der damaligen Porträtmalerei war es nur Nebenzweck, ein Bildnis ähnlich und naturgetreu herzustellen, viel höher stand ihr der Wunsch, der Welt etwas Schönes zu geben, sei es auch auf Kosten der Realität.
Nur wenige
Maler machten davon eine Ausnahme, wie La Tour , Chardin und Perronea u. Aber die Welt wollte es auch nicht anders haben. Die Pflege alles Schönen war zu einem Kultus ge= worden, der nicht nur mit dem Aeußeren der Menschen, sondern auch mit ihrer Umgebung, ja selbst mit der Natur getrieben wurde.
Etwas „ rein natürliches“ fand
überhaupt keine Gnade mehr vor den Augen der Schönheitsphilosophen jener Zeit ; von der Perücke oder dem gepuderten Haar über das geſchminkte, gemalte Gesicht
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und die künstlich verlängerte Taille herab bis zu dem ganz unmotiviert sich in die Breite spreizenden Reifrock, der bald Formen annahm, die überhaupt keine Annäherung mehr zuließen, - alles künstlich entartet und in den Einzelheiten übertrieben. Und dieſes Ganze ruhte auf hohen Stöckelschuhen und bewegte sich langſam an der Hand des zierlich neben ihm schreitenden Kavaliers oder mit Hilfe eines hohen Stockes vorwärts, mit seinen lichten Farben zarte Kontraſte gebend auf dem dunklen Hintergrund der Tarushecken, denen die Scheere des Gärtners das genommen, was ihnen seiner Meinung nach die Natur zuviel gegeben hatte. Wer von uns könnte sich aber heute dem Charme entziehen, der über einer Landschaft Fragonards oder Lancrets liegt, einer verliebten Schäferszene Watteaus mit dem kräftigen, abgetönten Grün, den dezent-farbigen Gestalten des Vordergrundes und den ineinander
schwimmenden
hellblauen
Tönen der zarten, duftigen Ferne ?
und
goldigen
Mögen auch all
jene Puppengesichter mit dem konventionellen Lächeln etwas
Unwahrscheinliches
haben, mag auch die be=
rückende Lieblichkeit der Frauengeſtalten nur ein Phantasiegebild geweſen ſein, ſo können wir doch nicht jener Kunst
unsere
Linienschönheit,
Achtung ihrer
und
die Anerkennung ihrer
unendlich
feinen
Farben=
harmonien verſagen. Gewiß, die Tiefe und Treue der alten Italiener und Holländer suchen wir vergebens in ihr, davon wollte sie nichts wissen ; sie hüpfte mit leichtsinnigen Füßen über solche ihr unnüß
erscheinende Schwere hinweg ,
immer lachenden Mundes der Gegenwart sich freuend und nur dem flüchtigen Genuß der Stunde lebend. Ein Tanz unter dem hohen Domgewölbe des Parks , ein Spiel auf einer sonnigen Wieſe, ein freies Lied mit einem noch freieren Refrain zu Gitarrenklängen gesungen,
ein galantes Abenteuer zur
Dämmerung,
123
ein Stelldichein beim Scheine des Mondes,
das
alles war die liebste Beschäftigung der oberflächlichen Kinder jener graziöſen Zeit und der beliebteste Vorwurf zu den Werken ihrer Künſtler. Troß seiner tiefen Veranlagung und ſeinem Drange nach Wahrheit und Erkenntnis teilte der junge Friedrich den Geschmack ſeines Jahrhunderts in der Malerei. Trug daran nicht vielleicht auch seine freudenarme, harte Jugend schuld ?
War es nicht verſtändlich, wenn
er nach den finſteren Jahren ſonniges Leben, blühende Farben, heitere Bilder um sich zu sehen begehrte, jeßt, da er frei war ? Darum sehnte er sich wohl auch so nach dem lachenden Glanz franzöſiſcher Kunſt und suchte alles, was ihn umgab, nach ihrem Muſter zu gestalten. Er war es, der jene reizenden Werke der Watteauſchule erwarb, die heute ein viel bewunderter Beſik der Hohenzollern sind .
Schon in Rheinsberg fand sich
ein großer Teil von ihnen.
Die Bilder waren mit viel
Verſtändnis ausgesucht ; er hatte gute Ratgeber gehabt, die sie für ihn ankauften*) .
,,Sie ſind ſo gnädig “, ſchrieb er am 9. November 1739 an seine Schwester Wilhelmine, „ an Remusberg zu denken. Alles ist hier möbliert, liebe Schwester ; zwei Zimmer sind voller Bilder ; die anderen sind in Glas-Trumeaux mit vergoldeten oder verſilberten HolzDie meisten meiner Bilder sind von schnitzereien. Watteau und Lancret , alle Maler der Brabanter Schule.“
beide französische
Friedrich selbst versuchte sich in der Malerei oder wenigstens in der Zeichenkunſt**) . Er liebte Parkmotive mit Figuren im Vordergrunde. Ein Weg unter hohen *) Der Marquis D'Argens kaufte während seiner Reiſe in Frankreich im Jahre 1747 Bilder für Friedrich. **) Im Hohenzollern-Muſeum zu Berlin ſind Proben von Friedrichs zeichnerischen Versuchen.
124
Bäumen, ein Hintergrund,
promenierendes
Pärchen,
ein
zarter
das war ein bevorzugter Vorwurf für
seine Zeichnungen.
Aber Talent kann man beim beſten
Willen nicht in ihnen entdecken, vielleicht Geschmack und ein gewiſſes techniſches Kunſtverſtändnis.
Seine
architektonischen Skizzen glückten ihm eher, er entwarf mit viel Sinn für Anordnung und Geſamtwirkung Bauprojekte für Rheinsberg und Sansſou.i. Die Malerei spielte eigentlich nur eine Nebenrolle bei ihm. Nicht nur, daß er selbst keine Veranlagung zeigte, ſie auszuüben, sondern er erkannte auch ihren tieferen Sinn erſt viele Jahre später. Vorläufig war sie ihm nur ein edles Mittel, seine Umgebung zu schmücken. Als ,,schöne Künste“ galten für ihn nur Poeſie, Philosophie und Muſik.
Erſt ein Vierteljahrhundert ſpäter
kam ihm das volle Verſtändnis für die Miſſion der Malkunst. Lancret.
Da verlor er die Vorliebe für Watteau und Jetzt waren es Rubens und van Dyck ,
die er bevorzugte.
Als sein Sekretär Darget ihm im
Jahre 1754 mitteilte, daß er eine Anzahl ſehr ſchöner Lancrets für Se. Majestät kaufen könne, antwortete ihm Friedrich ablehnend :
Ich habe nicht mehr den
Geschmack dafür, oder ich habe wenigstens genug von diesem Genre.
Ich würde jezt mit Freuden Rubens
oder van Dyck kaufen, kurz die Bilder großer Künſtler sowohl der flämischen als der französischen Schule.“ Zu der Vertiefung des Geiſtes war auch das Verständnis für hohe Kunstschöpfungen der großen Meiſter gekommen, die Zeit der ſonnigen Watteau-Jdylle von Rheinsberg lag weit hinter ihm. Welche bildenden Künſtler sind nun mit Friedrichs des Großen Namen verknüpft, gehören eng zu ihm und zu dem, was er uns an indirekten Kunſtschöpfungen hinterlassen ? Es sind nur zwei ; aber zwei von eigenartigem Wert und Können, deren Weg über Rheinsberg führte.
Beide sind als Menschen und als
125
Künstler gleich verschiedene Naturen. und Pesne.
Knobelsdorff*)
Troßdem der eine des anderen Schüler
war und vieles von ihm annahm, ſind ſie doch im Grunde dessen, was sie geben konnten, einander fremd. Vergleiche zwischen ihnen ließen sich überhaupt nicht ziehen, abgesehen von dem Fluche eines jeden Vergleiches zwischen den Werken zweier Künſtler und ihnen ſelbſt.
Aber es gibt nichts Belehrenderes und An-
ziehenderes als die Gegenüberſtellung. Während Pesne nicht vergebens in Venedig die Porträts
einer
festen,
alten
Schule ſtudiert hatte,
konnte Knobelsdorff nichts in ihnen entdecken, was ihm
Bewunderung
entlockt hätte.
So ging es ihm
auch an den anderen Kunſtſtätten des Landes, zu dem ihn die Sehnsucht ſeiner nordischen Seele getrieben hatte.
Er betrachtete Italien nicht objektiv genug. Die
Reste der antiken Kultur ließen ihn das Italien des Mittelalters übersehen.
Und dazu kam ſeine Verach-
tung für die Italiener als Menschen.
In kurzer Zeit
machte er die schlimmsten Erfahrungen mit dem Charakter des Volkes, ſah bald überall nur Schmuß , Dieberei und Tücke.
Die Degeneration eines alten Volkes war
ihm , dem kraftstrozenden, breiten Germanen underſtändlich. Mitleid mit der Armut und dem Elend des zerrissenen Landes kannte er nicht.
Bald übermannte
ihn der Ekel über alle diese servilen Menschen, die stets nur die Hand aufhielten und den Fremden als willkommenes Ausbeutungsobjekt betrachteten.
Er haßte
die übertriebene, faule Frömmigkeit, die sich besonders in den höheren Schichten breit machte.
Ihm ,
dem
modern denkenden Menschen, der sich dem friſchen Luftzuge seiner Zeit ausgesezt hatte, war alles Devote im Grunde seiner Seele zuwider. Schließlich begnügte er sich damit, ſeine Mappe mit Skizzen antiker Bauten *) George Wenzeslaus von Knobelsdorff wurde im Jahre 1699 auf seines Vaters Gute zu Kuckädel bei Kroſſen geboren.
126
zu füllen, wobei er aber in ſeiner Vorliebe für das Altertum sehr wählerisch zu Werke ging ; war nicht an solchen Bauwerken etwas „ Griechisches“, ließ er sie achtlos beiseite. Sein glühender Wunſch war es, Athen zu sehen. Die Tempel der alten Griechen in ihrer edlen, einfachen Größe schwebten ihm als die höchste Vollendung vor Augen. Aber so weit konnte er sein Ziel nicht stecken.
Er mußte zurück, Friedrich
erwartete ihn ungeduldig und im märkischen Lande wartete die erſte große Arbeit auf ihn.
Dazu trieb ihn
auch die Sehnsucht nach dem ſtillen Norden zurück, dessen echter Sohn er war. Er kehrte wieder und rettete an Kemmeters Schloßbau , was noch zu retten war.
Sein Werk wurde durch Erfolg gekrönt, es gelang ihm, einen reizvollen Ort zu ſchaffen, die schmucklosen, toten Gebäude zu beleben, und er wußte das Ganze vollkommen harmoniſch abzuſchließen, troß der Schwierigkeiten, die ihm die Lage, der Boden und die ſchmalen Mittel boten. Vielleicht war es nicht ganz glücklich, jonische Säulen in die graue Landſchaft des Nordens zu bannen und griechiſche Vaſen vor einen Hintergrund zu sehen, dessen eintönige Farben ihre Linien beeinträchtigten. Knobelsdorff vergaß in ſeiner Schwärmerei für klassische Gebilde, daß in dem alten Hellas die Sonne alles vergoldet, und ein dunkelblauer Himmel die schlanke Klarheit der Säulen hervorhebt und rechtfertigt ; die Ockerfarbe, die er dem Schloſſe gab , war nur ein schlechter Ersatz für jenen feinen, altgoldenen Ton, den die Sonne des Südens . dem Stein gibt und der jene zarten Kontraſte zu den dunklen Zypreſſen und dem Silbergrau der Olivenwaldungen hervorruft. Trozdem war seine Schöpfung nicht ohne Reiz, und die Lage des Schloſſes am See, die weiten Gärten, der Park aus Laubbäumen, alles das gab ein Enſemble, das jeden Besucher entzückte.
127
Ein vornehmer schwediſcher Reiſender, der Graf von Horn , ein Mann, der viel gesehen hatte und eines Urteils fähig war, kam auf seinen Fahrten auch nach Rheinsberg, kurz nach Friedrichs Zeit. schreibt
das
Schloß
und
seine
Anlagen
Er be=
in seinen
Memoiren*) mit folgenden Worten : ,,Rheinsberg ist einer der entzückendsten Aufenthaltsorte, die ich kenne.
Das Schloß ist nicht groß,
aber wundervoll gelegen.
Es würde schwer halten,
wo anders reizendere Aussichtspunkte zu finden. Auf der einen Seite liegt ein See von großer Ausdehnung ; und vis-à-vis liegen Gärten, die nach englischem Muſter angelegt und die durch Kunst und Natur gleich viel verschönt sind. Die größte Abwechſelung herrscht da und ein ausgezeichneter Geschmack in der Verteilung der Alleen, der Hecken, Grotten und Pavillons.
Der Park
oder Wald, den man beim Verlaſſen der Gärten betritt, ist nicht weniger reizvoll.
Die Schönheit und
Mannigfaltigkeit der Bäume ist ebenso entzückend, wie die Anlage der langen Alleen und der kleinen, ländlichen Häuschen, die ab und zu auftauchen. “ Antoine Pesne , der Knobelsdorff Unterricht in der Malerei gab, hat ein Porträt seines Schülers hinterlaſſen.
Es iſt ein schöner, energischer Kopf, der
da mit ſchlankem Halſe auf der gepanzerten Bruſt ſißt. Fest liegen die gekreuzten Hände auf dem Degengriff. Seine blauen, sanften Augen verraten seine ſchwärmerische Seele.
Die hohe,
von Offenheit und Gradheit. gesunde Kraft.
intelligente Stirn spricht Die ganze Person atmet
Galanterie war ihm fremd.
Im Ver=
kehr war er wenig mitteilſam und nicht empfänglich für Wize und Schmeichelworte.
Er lebte mehr mit
sich selbst, seinen Jdealen und Plänen folgend , die er *) Mémoires d'un Gentilhomme Suédois (Comte de Horn) écrits par lui même dans sa retraite. Siehe „ Literatur“ am Schluſſe des Buches .
128
unter Friedrich einſt zu verwirklichen gedachte.
Für
den um dreizehn Jahre jüngeren Prinzen empfand er echte Freundschaft fand.
und Zuneigung, die Erwiderung
Knobelsdorff war bis zu ſeinem dreißigſten Jahre Soldat gewesen. Mit dem Range eines Kapitäns verließ er 1729 die Armee, um sich ganz seinem künſtlerischen Studium widmen zu können .
Mit großem
Fleiß machte er sich an die Arbeit, die verlorenen Jahre ſeiner Soldatenzeit wieder einzuholen.
Pesne wurde
ſein Lehrmeister im Malen, Kemmeter in der Architektur.
Seine Ausbildung schloß er dann im Jahre
1736 mit einer italienischen Reiſe, deren Koſten ſein prinzlicher Freund trug. Als Friedrich König geworden, gingen Knobels= dorffs Pläne und Wünsche zum Teil in Erfüllung. Nachdem
er sich durch einen kurzen Aufenthalt in
Frankreich mit den den architektonischen Schöpfungen der Könige bekannt gemacht hatte, wurde er von Friedrich
noch
vor
dem
Abmarsch
in
den
ersten
schlesischen Feldzug zum leitenden Intendanten der königlichen Schlösser und Gärten und zum Directeur en chef aller Bauten ernannt. Berlin verdankt ihm das Opernhaus und die Umgestaltung des Tiergartens zu einem Park, der unter Friedrich Wilhelm I. noch das geweſen, was ſein Name sagt : ein eingezäunter Wildpark, in dem der König als eifriger Weidmann auf die Jagd ging. Noch manch anderes Projekt für Berlin hatte Knobelsdorff ent= worfen, aber zur Ausführung gelangte keines mehr. Es ist schade darum, daß die großzügigen Pläne, die er für die Berliner ,,Linden" hatte, nicht ausgeführt wurden.
Ein herrlicher Platz wäre entstanden, von
vollkommenſter Harmonie und einfacher Größe.
Wo
heute die alte Bibliothek und das Palais Kaiſer Wilhelms I. stehen, wollte er eine große Akademie der
129
Wissenschaften errichten und gegenüber, an der Stelle der Univerſität, sollte in demselben Stile, harmonisierend mit der Akademie, ein hoher königlicher Palast entſtehen. das
große
Leider iſt es nur bei dem Entwurf geblieben, umfassende
Projekt
stieß
auf
materielle
Schwierigkeiten.
Andere Bauten gingen vor und verlangten große Koſten. Aber Potsdam dankt ihm vieles. Das Stadt= ſchloß und ſeine Umgebung wurden nach ſeinen Plänen erbaut. Auch der Plan von Sanssouci rührt von seiner Hand ; den ersten rohen Entwurf des Grundrisses hatte Friedrich selbst gezeichnet und Knobelsdorff zur Ausarbeitung übergeben. Bei der Ausführung des Bauplanes kam es aber bald zu Zwistigkeiten zwischen dem jungen König und ſeinem Intendanten. Friedrich hatte es verlernt, Widerspruch zu vertragen, und Knobels = dorff konnte in seinem Künstlerſtolz nicht annehmen, was der König zu ändern oder hinzuzufügen wünſchte. Sogar zu einem heftigen Wortstreit kam es, und die Freundschaft verlor ihre herzlichen Formen. In dem holländischen Architekten Boumann fand Friedrich nur einen schlechten Erſatz für den ſich verbittert zurückziehenden
Knobelsdorff,
aber
der neue
Baumeister fügte sich doch wenigſtens den königlichen Befehlen.
Blindlings folgte
er
den Angaben und
Ideen Friedrichs. Knobelsdorff kritisierte die Bauten Boumanns in
seiner offenen, rückhaltlosen Art.
Der Holländer hatte
das Berliner Tor zu Potsdam gebaut und der König war ſehr zufrieden mit ſeiner Arbeit.
Um Knobelsdorff
zu zeigen, was ſein Nachfolger leiſten könnte, lud er ihn zu Tiſche und fragte ihn : ,,Wie hat Ihm das Tor gefallen ?
Sieht Er, das
hat ſein dummer Boumann gebaut !“ „ Das muß wohl auch der Grund sein," entgegnete Knobelsdorff, „ daß ich es nicht bemerkt habe. “ Friedrichs d. Gr. Rheinsberger Jahre.
130
Unwillig sagte Friedrich : „ Er tut besser, wieder nach Berlin zu gehen. “ Sofort
gehorchte
Extrapost nach Berlin.
Knobelsdorff
und
nahm eine
Als Friedrich ſeine Abwesenheit
bemerkte, ließ er nachfragen , wo Knobelsdorff geblieben sei. Die Torwache meldete, der Herr Surintendant habe das Tor auf dem Wege nach Berlin passiert.
Sogleich
schickte Friedrich einen Feldjäger hinterher, der den Eilenden in Zehlendorf einholte und ihm sagte, der König wünsche ſeine Rückkehr. „ Seine Majeſtät haben mir ſelbſt befohlen,“ antwortete der stolze Künstler ablehnend , „ nach Berlin zurückzukehren, und ich weiß ganz genau , ob ich Allerhöchstseinen
Befehlen
oder
denen
eines
Feldjägers
zu folgen habe !" Es ist das lezte Mal geweſen, daß ſich die einſtigen Rheinsberger Freunde im Leben ſahen.
Einer ver-
söhnenden Begegnung, die Friedrich ſicher herbeigeführt hätte, trat der plöhliche Tod Knobelsdorff3_im Herbst 1753 entgegen.
Er erlag der Waſſerſucht, an
der er schon lange gekrankt hatte.
Nur eine „ Eloge“
konnte Friedrich dem toten Freunde nachrufen .
Als
er ſie verfaßte, hat er wohl voller Bitterkeit an das „ zu spät" gedacht, an seine eigene Schuld an dem Zerwürfnis. Die tief empfundenen Säße, die er niederschrieb, sollten die Stimme der Reue, die sich in ihm regte, zum Schweigen bringen. „ Ich vergleiche ihn mit einer schönen Eiche,“ ſagt Bielfeld von Knobelsdorff,,, und Sie wissen, es ist eben nicht nöthig, daß in einem Garten alle Bäume ſo zierlich, wie zu Marli, in Bogen geſchnitten sind.“ An der Seite dieses trozigen Mannes mit der ehrlichen, kindlichen Künſtlerſeele ſtand ein echter, freier Künstler
von
Pesne.
Seine ganze Verwandtſchaft diente der Kunſt.
Beruf und Abstammung :
Antoine
Der eine als Maler, der andere als Kupferstecher, ein
131
dritter als Goldschmied .
Antoine, der am 25. Mai
1683 zu Paris geboren wurde*) , genoß bei ſeinem Vater Thomas Pesne den ersten Unterricht. Dann kam er zu ſeinem Onkel Charles Delafosse. Schon mit zwanzig Jahren hatte er einen schönen Erfolg ; er zeich= nete sich in dem Concours der Akademie in Paris aus **) . Bald darauf, im Jahre 1706 ging er zur Vollendung seines Studiums nach Italien. Aber er machte es nicht wie Knobelsdorff.
In Rom, wo er die großen Meiſter
des XVI. Jahrhunderts ſtudierte, und Neapel war er nicht umsonst gewesen, und Venedig wurde ihm die beste Lehre für ſeine Porträtkunst. Dort arbeitete er nach Tizian und Giorgione. Von dem ausgezeichneten Porträtmaler Celeſti , an den er ſich in Venedig schloß, lernte er manches Gute, und die großen venezianischen Meister wurden seine Vorbilder im Kolorit.
Man fing an, auf den jungen, begabten Künſtler
aufmerksam zu werden, und es fehlte ihm nicht an Beſtellungen.
Unter anderen Aufträgen hatte er in Vene-
dig auch das Bildnis des preußischen Barons von Knyphausen zu malen, welches die Veranlaſſung zu ſeiner Berufung nach Berlin wurde. Friedrich, der erste preußische König, sah das
Porträt und fand so großen Gefallen daran, daß er Pesne antrug, nach Berlin zu kommen. Er sollte zum ersten Hofmaler und Akademiedirektor ernannt werden.
Mit Freuden griff der junge Künſtler zu,
er sah ja vor sich eine sorgloſe Zukunft für ſich und ſeine junge Frau, Anne Dubuiſſon***) , die er in Rom kennen gelernt und geheiratet hatte. Im Jahre 1711 kam er in Berlin an, aber nicht nur mit der jungen Gattin, ſondern auch Schwieger*) **) werden ***)
Er starb in Berlin am 5. Auguſt 1757. Der Titel ſeiner Arbeit war : „ Die Töchter Jethros von den Hirten bedrängt und von Moſes verteidigt.“ Tochter d.s Blumenmalers J. B. Gaéot- Dubuiſſon. 9*
132
vater, Schwäger und Schwägerinnen mußten ihn begleiten. Die ganze Verwandtschaft bildete eine kleine Künstlerkolonie. Alle befaßten sich mit der Kunſt, ſie malten fast durchweg Stilleben und Blumen. Friedrich ,,der Erste" liebte Pomp und Glanz. Seine
junge
Königswürde bedurfte der Künſte zur
Ausschmückung.
Ein ganzer
Troß
von Architekten ,
Bildhauern und Malern arbeitete an den Prachtbauten, welche die neue Majeſtät ſich ſelber errichtete. Aber nicht lange erfreute sich Pesne ſeiner guten, reich bezahlten Stellung, ſeiner schönen Aufträge, die ihm von allen Seiten gemacht wurden, war es doch modern und gehörte zum guten Ton, ſich von einem französischen Maler porträtieren zu laſſen.
Denn als
Friedrich I. im Jahre 1713 starb, brach eine böse, den ſchönen Künſten abholde Zeit herein.
Der nüchterne,
ſeinen Sinn nur aufs praktiſche richtende Friedrich Wilhelm I. wollte nichts von Akademie und teuren Hofmalern wissen.
Pesne verlor ſeinen Poſten, es blieb
ihm nur eine ſchmale Penſion, zu der es hinzuverdienen hieß.
Die Sehnsucht nach seinem Paris trieb ihn bald
in die Heimat zurück.
Die Akademie nahm ihn auf,
nachdem er ſeine Prüfungsarbeit mit Erfolg ausgeführt hatte*).
Zwei Jahre später, im Jahre 1723 , reiste er
nach England, wohin ihn Porträtaufträge der königlichen Familie riefen. nicht lange.
Aber sein Aufenthalt währte
Seine „ französische Manier“ fand jenſeits
des Kanals keinen Anklang und er kehrte nach Berlin zurück.
Jezt mußte er aber aus seiner Kunſt ein Ge-
werbe machen, denn die große Familie wollte leben, und die fürstlichen Aufträge fehlten.
Zu einer wahren
Bilderfabrik wurde ſein Atelier und die Porträts aus jener Zeit sind keine Schöpfungen des begabten Künſt-
*) Die Akademie stellte ihm als Aufgabe: „ Dalila, Simson die Haare abschneidend."
133
lers, sondern des fieberhaft kämpfenden Arbeiters .
um
das tägliche Brot
Doch bald sollte ihm das Glück von neuem hold sein.
Und von dort kam es, wohin die sehnsüchtigen
Augen aller freien Geister und Künstler blickten : von Rheinsberg ! Sophie-Dorothee Porträt überraschen.
wollte
ihren
Sohn mit ihrem
Von Pesne hatte sie es malen
lassen. Nun sollte der Künstler nach ,,Remusberg“ gehen und sein Werk selbst dem Kronprinzen überreichen.
Die Königin gab dem Meister eine genaue
Information mit auf den
Weg,
wie die
Uebergabe geschehen solle. Pesne kam mit seinem Schah in später Abendstunde in Rheinsberg an, ohne daß er Friedrich gemeldet werden durfte.
Am frühen
Morgen des nächsten Tages, dem 14. November 1737, machte er
sich
Hilfe berger
dann
der
mit
Rheins-
Freunde
an die Aufstellung des Porträts gegenüber der Türe des fronprinzlichen
Schlaf-
zimmers. Als Friedrich sich von seinem Lager erhoben hatte und die Tür des
Zimmers
öffnete ,
Apollo, Daphne verfolgend von A. Pesne (Dekoratives Gemälde aus Rheinsberg)
134
stand er vor dem Bilde der Mutter.
Mit Blumen
und Früchten geschmückt blickte es ihn an und überrascht blieb Friedrich, vor Rührung sprachlos vor dem wohlgelungenen Werke stehen. In seiner herzlichen Freude rief er den Künſtler zu sich, den er in seine Arme ſchloß und bat, ſein Gaſt zu ſein.
An der Tafel gab er ihm den Ehrenplaß. Die
Unterhaltung drehte sich natürlich um Pesnes Werk, ſeine Kunst.
Wie glücklich und froh fühlte sich der
Künſtler in dieſem kleinen Kreiſe, der Kunſt liebte und verſtand, in dem man frei ſagen durfte, was man dachte. Mit welcher Freude ergriff er die Gelegenheit, mit Landsleuten plaudern zu können. ſeinem
nie vergessenen
Paris
Da konnte er von
erzählen,
von ſeinen
Reisen, den großen Kunstwerken, die er in Italien ge= ſehen, ſeinen Erfolgen, Plänen und Zielen.
Als Fried-
rich ihn fragte, was er in Zukunft zu arbeiten gedächte, wo doch nach seiner eigenen Aussage die Porträtaufträge so spärlich geworden, antwortete Pesne, daß er ſich religiösen Darstellungen widmen wolle.
Der junge
Prinz widerriet ihm sein Vorhaben mit der ihm eigenen lebendigen Wärme.
Er schlug ihm vor, in Rheinsberg
zu bleiben und die Decken mit Gemälden zu schmücken. Aber er bat um Motive anderer Art als Darstellungen aus der heiligen Geschichte !
Leichtgeschürzte, halbent-
kleidete Grazien sollte Pesne malen, die Nymphen des Waldes, die zarten Liebestänze Amaryllis' , die lachende französische Kunſt ſeiner Zeit sollte sein Pinsel auf die noch
in
jungfräulicher
Weiße
leuchtenden
Decken
Rheinsbergs zaubern. Am Schlusse der Tafel verlangte Friedrich plößlich Tinte, Feder und Papier, und schrieb in einem Zuge eine Ode an den Künſtler nieder, in der er in zarter Weise die Ratschläge, die er ihm kurz vorher in Proſaform gegeben, in Versen wiederholte.
Mit folgenden
135
Worten schließt das Gedicht, das zu den beſten gehört, die ſein Dichtertalent geſchaffen : „ Bleib fern jenen Heiligen im Glorienſchein Und ſuch Deinem Pinsel ein schöneres Feld Mal' uns Amaryllis' wiegenden Tanz, Der Grazien Schönheit, der Waldnymphen Spiel, Und denk' stets daran, daß der Liebe allein Deine reizende Kunſt dankt ihr Licht und ihr Sein*) !“ Pesne sagte freudig bewegt zu und kehrte nach kurzem
Aufenthalt in Berlin zuſammen mit ſeinem
Schwager Dubuiſſon nach Rheinsberg zurück. Die Bekanntschaft mit Friedrich brachte seinem Leben, seiner Kunſt neue Ziele, ſie iſt entſcheidend für ſeine Laufbahn gewesen. In Rheinsberg begann für ihn ein Wiederaufleben ſeines echten künstlerischen Schaffens. Der Zwang, unter dem er in Berlin gestanden, war geschwunden. Frei und voller Schwung und Stimmung machte er sich an die Deckengemälde.
Das größte und ſchönſte erhielt
der große Konzertsaal. Es sollte eine Allegorie auf die von allen Verehrern des Prinzen sehnlichst erwünschte — und vielleicht noch in weiter Ferne liegende Thronbesteigung werden. ,,Der berühmte Pesne arbeitet an dem Gemälde der Decke", sagt Bielfeld in der Beſchreibung des Konzertsaales, solches stellt den Aufgang der Sonne vor. Auf der einen Seite erblicket man die Nacht, verhüllt in ihrem Schleier, umringt von ihren traurigen *) Im Original : Abandonne tes saints entourés de rayons Sur les sujets brillants exerce tes crayons Peint nous d'Amaryllis les danses ingénues Les nymphes des forêts, les graces demi nues Et souviens-toi toujours que c'est au seul amour Que ton art si charmant doit son être et le jour.
136
Vögeln und begleitet von ihren Zeitgöttinnen.
Sie
ſelbſt ſcheint sich zu entfernen, um der Morgenröte Plaz zu machen, welche die Mitten der Decke einnimmt, und den Morgenstern, der unter der Geſtalt der Venus vorgestellt wird, zur Geſellſchaft hat.
Man sieht darauf
die weißen Pferde vom Sonnenwagen und den Apollo ſelbſt, wie er die erſten Strahlen von sich wirft.
Dieſe
Erfindung, dünkt mich, iſt verblümt, und zielet auf denjenigen Zeitpunkt , der vielleicht nicht mehr weit entfernt ist. Von der Ausführung will ich nichts sagen. Der Pinsel des Herrn Pesne iſt von
den
Kennern
in Frankreich und Italien selbst
schon so sehr bewundert worden, daß er meiner Lobeserhebungen nicht bedarf. “
War der Gedanke zu dieſer Kompoſition nicht zu höfiſch und schmeichleriſch für
einen
freien Künſtler
und zu rücksichtslos gegen den leidenden König ? Die ſtrahlende Morgenröte, die Apollo umgibt, sollte die leuchtende Freiheit, den Glanz der Umgebung verkörpern, die „ Friedrich-Apollo " begleitet. Die finſtere Nacht, die entfliehende, besiegte, sollte die ſtrenge Herrſchaft Friedrich Wilhelms, die Unterdrückung der freien Geister, der Künste und Wiſſenſchaften kennzeichnen. Troß ihrer deutlichen Anſpielung ließ sich Friedrich diese Huldigung gefallen, ſah er doch ſelbſt dieſer lockenden Zukunft hoffnungsvoll entgegen, ſein Sinn ſtand nach Macht, aber — und ſelbſt ſeine Feinde müſſen es zugeben nicht ihrer selbst willen, ſondern um ſich ihrer als Mittel zu bedienen, all jene Gedanken über die Größe und den Aufschwung Preußens in die Wirklichkeit umsehen zu können. Die anderen Werke Pesnes in Rheinsberg ließen
die Politik aus dem Spiel und nahmen Motive galanter Art zum Vorwurf. Im Vorzimmer_EliſabethChriſtines, wo sie ihre Soireen abhielt, malte Pesne ein Deckengemälde, das Mars und Venus auf Wolken
137
ruhend darstellt.
Der Kriegsgott streichelt der Liebes-
göttin das Kinn, ein Amor entführt ihm den Mantel, ein anderer befreit ihn von dem schweren Helm. Und daneben wartet der goldene Wagen der Venus mit dem Taubengespann, um das Liebespaar in ihr Paradies zu tragen.
Jm Bibliothekszimmer ist noch ein anderes Deckengemälde, das im zweiten Kapitel bei der Beschreibung des Schloßinnern erwähnt wurde. Leider haben dieser schönen Werke in den langen Jahren der
Vernachlässigung arg gelitten, und ihre
Reſtaurierung wurde einer nicht sehr kundigen Hand überlassen. Noch ein feines Bild *) Pesnes war in Rheinsberg, es stellt Daphne dar, von Apollo verfolgt.
Ich gebe
dieſes reizende Werk in der Reproduktion wieder. Außer
den
dekorativen
Ausschmückungen
Schlosse malte Pesne fleißig Porträts.
im
Aus jener Zeit
stammen auch die beiden Bildniſſe des jungen Friedrich, von denen das eine im kaiserlichen Schloſſe zu Berlin,
das
Muſeum hängt.
andere
im
Berliner
Kaiſer-Friedrich
Das lehte ist wohl das beſte, es zeigt
den Kronprinzen im Alter von 27 Jahren.
Pesne
malte es zu Rheinsberg im Jahre 1739**) . Auch Jordan, Knobelsdorff, Chaſot und andere saßen ihm. So hinterließ er wertvolle Dokumente aus jener Zeit, lebendig-frisch schauen die Augen der Freunde Friedrichs auf den Beschauer. Noch ein andrer Maler erhielt von Friedrich Aufträge in Rheinsberg.
Augustin Dubuisson , der
*) Es hing im sogenannten Rittersaal des Schlosses, vis-à-vis dem Kaſino . Jezt ist es in Berlin. **) Auf der Rückseite des Bildes steht : ,,Original D. S. A. R. Monseigneur le Prince R. Peint à Rheinsberg par Ant . Pesne en l'anné 1739 . A parvenu au Trone le 31. May 1740."
138
Schwager Pesnes. Die hübschen Stilleben, Blumenund Fruchtstücke über den Türen stammen von ihm. Pesne war glücklich geweſen, ſeinem Schwager helfen zu können, einen ſo ehrenvollen Verdienſt zu erhalten. Die Künstlerfamilie führte ein harmonisches Zuſammenleben, einer hielt treu zum andern hier in der Ferne, weit vom geliebten, nie vergessenen Paris, zu dem sie ſtets ihre Beziehungen unterhielten.
Vielleicht geschah
es auch auf eine Anregung Pesnes hin, daß Friedrich sich für Lancretsche Kunſt intereſſierte, denn Pesne war mit Lancret befreundet.
Daß die beiden Künſtler
ſich gut kannten, geht schon daraus hervor , daß Pesne dem jungen Kupferstecher Schmidt eine Empfehlung an Lancret mitgab, als dieser Berlin verließ, um in Paris ſein Studium zu vervollkommnen. Die Anwesenheit der beiden Maler war der Geſell= schaft in Rheinsberg lieb geworden.
Welch Vergügen
machte es allen, den Künſtlern bei der Arbeit zuzusehen, mit ihnen über die in der Entſtehung begriffenen Werke zu plaudern, oder Pesne Modell ſißen zu dürfen. Jeßt versuchten sie sich auch ſelbſt in der Malerei ; EliſabethChriſtine stellte sogar ein Bild fertig, daß sie ihrem Schwiegervater zum Geſchenk ſandte.
Friedrich Wil-
helm hat es gewiß mit Kenneraugen betrachtet, war er doch selbst „ Maler“, aber Maler aus Verzweiflung bei seinen ,,in tormentis" verfertigten Schöpfungen, noch heute im Potsdamer Stadtschloß hängen.
die Daß
es ihm dabei nicht darauf ankam, einem weiblichen Aktbildnis zwei linke Füße zu geben, hat findige Köpfe zu der Erklärung veranlaßt, der König hätte während des Malens wegen der heftigen Podagraschmerzen, die ihm sein linkes Bein verursachte, stets nur an dieſes gedacht und infolgedeſſen auch kein rechtes gemalt. Pesne war eine einfache, gerade Natur.
Sein
Sinn war nur darauf gestellt, seiner Kunst zu leben und seine Familie zu ernähren.
Alles andere war ihm
139
nebenſächlich, äußeren Ehrgeiz kannte er nicht ; er hatte die
erfrischende Naivität
einer kindlichen
Seele, in
ſeinen großen Augen lag Offenheit und Gutmütigkeit. War die eine Seite seiner Natur „ ganz Künſtler“, ſo war die andere ganz „ braver Bürger und Familienvater." Er sah auch aus wie ein ,,bon bourgeois de Paris“ mit ſeinen vollen, roten Backen, der dicken Naſe und dem sorgloſen Lächeln um den breiten Mund. Trok all seiner Einfachheit war er ein gern gesehener Gast in Rheinsberg, wo er ſich ſtets mehrere Monate im Jahre aufhielt, begleitet von seiner Familie. Es iſt nur zu bedauern, daß dieſer begabte Künſtler kein Bild geschaffen hat, das die Tafelrunde, ein abendliches Konzert, oder irgendein anderes Moment aus dem täglichen Leben in Rheinsberg darstellt.
Was
für reizende Motive muß er doch gehabt haben, sowohl drinnen in den hohen Sälen, wie auch draußen in Garten und Park.
So hübsch die Menzelschen Dar-
ſtellungen aus der Zeit Friedrichs in Rheinsberg ſein mögen, so wären sie doch durch den erzählenden Pinſel eines Zeitgenossen weit übertroffen worden, der das für sich gehabt hätte, was Menzels Schöpfungen entbehren : die Realität des Dokuments. Nur mit gemischten Gefühlen kann der Hiſtoriker des Altmeisters Werke bei trachten.
Siebentes Kapitel. Die Liebe Friedrichs zur Muſik. Sein erster Opernbeſuch. Er bildet sich in Rheinsberg eine Kapelle. Carl Heinrich Graun, der Begründer des ersten Berliner Opernensembles . Seine Schöpfungen. Carl Philipp Emanuel Bach. Franz Bendas Laufbahn und seine Kunst. Friedrich studiert Menenius Agrippas Rede, um einer Sezession seiner Künstler vor= zubeugen. Die Kompositionen Friedrichs, sein Flötenspiel.
in frohes Kunstleben herrschte in Rheinsberg. & Hatte Friedrich den Tag in ernſter Arbeit zuge= bracht, waren ihm die Abendſtunden, in denen muſiziert wurde, die liebste Erholung. Flötenspieler.
Er war leidenschaftlicher
Das Klavizimbel war zwar damals ſchon
als Soloinstrument beliebt und diente nicht nur zur Begleitung des Gesanges und der Geige, wie heute oft fälschlich behauptet wird .
Es hatte schon den Plaz
errungen, den in unseren Tagen das Piano einnimmt. Denn seine Literatur war umfangreich. italienischen und
Außer den
vlämischen Kompoſitionen für das
Klavizimbel gab es schon die berühmten Werke von Jean Philippe Rameau , die in den Jahren 1706, 1726 und 1731 erschienen und auch dem Kronprinzen von Preußen bekannt waren.
Auch François Cou-
perin , der im Jahre 1733 starb, hatte vier Hefte hinterlaſſen,
und
von
Claude
Daquin ſtammte ein
größeres Heft, das im Jahre 1735 publiziert wurde. Trotzdem entschied sich Friedrich schon in ganz jungen Jahren zur Flöte, deren sanfter und voller Ton es ihm angetan hatte.
Erst durch ihn wurde sie für ein
141
halbes Jahrhundert zum Modeinstrument. „,Fritz ist ein Querpfeifer und Poet ; er macht sich nichts aus den Soldaten und wird mir meine ganze Arbeit verderben," hatte Friedrich Wilhelm in seinem Unmut ausgerufen. Er befürchtete, daß die Beſchäftigung mit den Künſten Friedrich hindern würde, einſt ſeinen Herrscherberuf mit dem nötigen Ernst auszufüllen. Das Flötenstudium war lange Zeit ein Gegenſtand des Zwistes zwischen Vater und Sohn gewesen.
Erst
in Ruppin konnte Friedrich sich wieder mit der Musik beschäftigen, ohne Einspruch fürchten zu müſſen.
Und
in Rheinsberg, wo er schalten und walten durfte, wie es ihm gefiel, konnte er sogar Künſtler zu sich rufen, um von ihnen zu lernen und mit ihnen zuſammen zu spielen. Im Jahre 1728 war der sechszehnjährige Friß in Dresden. Dort hörte er zum ersten Male in ſeinem Leben eine Oper, Cleofide von Hasse. Andachtsvoll war der junge Prinz der Muſik des berühmten Orcheſters an dem glanzvollen Hofe Auguſt II. gefolgt. Der tiefe Eindruck, den die Oper in ihm hinterlaſſen, wurde ausschlaggebend für ſein ganzes Leben.
Damals
war es, daß ſeine Liebe zur Musik geweckt wurde, die er von der Großmutter, der begabten Sophie Charlotte, ererbt hatte. Und seit jener Zeit trug er in seinem Innern den glühenden Wunsch, nicht nur einſt ein eigenes Orchester zu besitzen, sondern auch selbst ein ausübender Musiker zu werden. Einer der berühmteſten Flötenſpieler ſeiner Zeit, Quanh , war am sächsischen Hofe. Friedrich hatte seine Bekanntschaft in Dresden gemacht, und als Auguſt II. mit seinem Gefolge einen Monat später den Besuch des preußischen Hofes erwiderte, kam auch Quanh mit nach Berlin. Er spielte vor der Königin. Friz war entzückt und verlangte sehnlichſt, bei ihm Unterricht zu nehmen. Quant sollte nach Berlin kommen. Aber
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der Kurfürst wollte den Künstler nicht missen ; alles, wozu er sich verstand, war die Erlaubnis , ihn zweimal im Jahre nach Berlin reisen zu lassen, dem Kronprinzen Stunden zu geben. Leider untersagte Friedrich Wilhelm sehr bald die Besuche Quant's und verbot neben der Lektüre auch die Musik. Troßdem kam Quant auf die dringenden Bitten Friedrichs nach Berlin, und der Unterricht nahm im Geheimen seinen Fortgang. Der strenge Vater ließ den Kron= überwachen prinzen und kam bald hinter die verbotenen MuſikUeberraschte
stunden.
Friedrich
er
einmal
beim Flötenspiel, kam
( zu den heftigsten
es
Auftritten. Eines Tages hatten die stets willigen Aufpasser
des
Königs
ihm gemeldet, daß NachQuant des mittags Friedrich besuchen Johann Joachim Quant Nach einer Zeichnung von Frank hinzu. der
Dank
Türe
helms
Posten
Ankunft
Mit dem ins
der
Rufe
Zimmer,
wollte.
Nach
der eigenen Erzählung
Quant' kam der König Wachsamkeit Kattes, der vor stand,
wurde
Friedrich
Wil-
noch im lezten Moment gemeldet. der
König
kommt" stürzte Katte
ergriff Flötenkasten
und
Noten und
zog den vor Schreck zitternden Muſikus in ein ganz kleines, zum Heizen der Oefen bestimmtes Kämmerchen. Frih hatte grade noch Zeit, den schönen Rock aus Goldbrokat abzulegen und in die Uniform zu schlüpfen, er
143
konnte aber nicht mehr den französischen Haarbeutel mit dem preußischen Zopf vertauſchen. Friedrich Wilhelm durchsuchte nun aufs genaueſte die Schränke und ließ die Bücher, die er fand, und den Rock fortnehmen. Glücklicherweise fiel es ihm nicht ein, die Tür des kleinen Kämmerchens zu öffnen.
Ueber eine Stunde
schien dem bebenden Quang der gefürchtete Beſuch zu dauern. Bald darauf kam dann die Zeit der Flucht und Gefangenschaft, während der Friedrich natürlich auch die Flöte versagt blieb. Aber das Mitleid ſeiner Wächter verschaffte ihm trok des strengen Verbotes, wenn auch nur selten, den geliebten Genuß. Sogar einen Begleiter erhielt er auf Wunsch in dem Hoboiſten Fredersdorf, beſorgte.
den ihm der Generalmajor von In
Schwerin
Fredersdorf fand Friedrich mehr , als
er erwartete ; der Muſiker hing ſich mit hingebender Treue an den jungen Prinzen und blieb ſchließlich als vertrauter Kammerdiener bis zu ſeinem Tode bei ihm. In den goldenen Jahren der Freiheit und Lebens-
lust, die bald der traurigen Zeit folgten, durfte FriedEr beschloß , in rich nach Herzenslust musizieren. Rheinsberg eine eigene Kapelle zu bilden, soweit es ihm seine schmalen Mittel erlaubten. Vergebens hatte Knobelsdorff auf seiner italienischen Reiſe verſucht, italienische
Tenore
und
Muſiker
für
Friedrich
zu
engagieren. Keiner wollte ihm in den grauen Norden folgen, und verlockend waren die in Aussicht geſtellten So war Friedrich auf Gehälter auch gerade nicht. andere angewieſen ; seine Kapelle beſtand aus fünfzehn Musikern, unter denen die Brüder Graun und Benda einen hervorragenden Plaß einnahmen.
Die
Bekanntſchaft mit dem zu ſeiner Zeit berühmten, ja vergötterten Carl Heinrich Graun , dem jüngeren der beiden Brüder, hatte Friedrich im Jahre 1733 bei seiner Vermählung zu
Salzdahlum gemacht.
Graun hatte
144
als
Kapellmeister
des
Herzogs
von Braunschweig,
bei den Hochzeitsfeierlich-
Friedrichs Schwiegervater, keiten seine Oper Timarita ſelbſt dirigiert. Seine Begabung blieb Friedrich nicht verborgen. Ohne dem Künstler etwas davon zu sagen, bat der Kronprinz ſeinen Schwiegervater, ihm ſeinen Kapellmeiſter zu überlaſſen. Bereitwillig erfüllte ihm der Herzog ſeinen Wunſch, und Graun traf im Jahre 1735 in Rheinsberg ein, wo er bald Leiter der Konzerte wurde und Friedrich neben Quant Unterricht gab. Graun war um elf Jahre älter als sein prinzlicher Schüler.
Er war im Jahre 1701 zu Wahrenbrück in
Sachsen geboren.
Mit zwölf Jahren schickten ihn ſeine
Eltern auf die Kreuzschule nach Dresden, die einen hervorragenden Ruf hatte.
Glücklicherweise wurde hier
die Musik und beſonders der Gesang gepflegt.
Der
junge Carl-Heinrich fiel sehr bald durch eine volle, schöne Stimme auf und zeigte viel muſikaliſches Gehör. Er war ein fleißiger Schüler und fand neben dem ziemlich anstrengenden Unterricht noch Zeit, sich schon ſelbſt im Komponieren zu verſuchen.
Er verfaßte kleine,
wohlklingende Motets, die er unter großem Beifall an der Schule sang.
Kaum neunzehn Jahre alt fing
er an, Kirchenmuſik zu ſchreiben ; eine Pfingstkantate aus dem Jahre 1720 errang schönen Erfolg. Fünf Jahre später kam er als erster Tenor an die Braunſchweiger Oper, wo er bewundernde Anerkennung bei ſeinem ersten Auftreten fand . Er debutierte in Schurmanns Oper „ Heinrich der Vogelsteller." Seine Partie in dieſer Oper gefiel ihm aber ſehr wenig und so ging er daran, sie durch eine andere, eigener Kompoſition, zu ersehen .
Damit fand er solchen
Anklang, daß man ihn bat, eine ganze Oper zu komponieren.
Sein Erstlingswerk, das er in ganz kurzer
Zeit fertigſtellte, hieß „ Polydora ".
Die Oper wurde
im Jahre 1726 mit vollem Erfolg bei Hof und Stadt
145
aufgeführt. Und weiter ging Grauns fruchtbare Komponiſtentätigkeit : fünf andere Opern erblickten in schneller Aufeinanderfolge das Licht der Rampe, und keine von ihnen enttäuschte die großen Hoffnungen, die alle in den jungen Tonkünſtler gesezt hatten. Als er dann nach Rheinsberg kam, hatte ſein Name schon Klang.
Er ſang in Friedrichs Konzerten,
wobei er stets den ſtärksten Erfolg hatte. Tönte ſein gefühlvoller Tenor durch den Saal, hielt alles den Atem
an,
und hatte
ſiaſtiſcher Beifall zuteil.
er geendet, wurde ihm enthu= Und wie glockenhell und rein
tönte ſeine Stimme durch den Park, wenn die Rheinsberger Gesellschaft ein Konzert im Freien veranſtaltete ! Dabei war ſein Geſang frei von allem Gekünſtelten und hatte eine so zu Herzen gehende Innigkeit, daß sich niemand seinem Zauber entziehen konnte. Wie klar und ausdrucksvoll wußte er die selbst geschaffenen Kantaten zum Entzücken aller vorzutragen. Der Besitz des Künstlers machte Friedrich glücklich. Hohen Genuß boten ihm die lehrreichen Stunden des gemeinsamen Spiels, oder die Beschäftigung mit den Werken der alten Italiener. Graun wurde durch seinen guten Geschmack ein unentbehrlicher Ratgeber in Dingen der Musik, Friedrich hatte in ihn unbegrenztes Ver= trauen, das mit den Jahren nur wuchs.
Nach dem
Tode Friedrich Wilhelms schickte Friedrich den Künſtler nach Italien, ein Enſemble für die Berliner Oper zu suchen.
Seine Reise wurde zu einem Triumphzuge.
In jeder größeren Stadt ſang er, troßdem er oft die größten Rivalen zu fürchten hatte. Ueber ein Jahr zog er von Stadt zu Stadt und ſein Ruhm wuchs . Wohin er kam,
bereitete man ihm Ovationen, und
Lorbeergekrönt kehrte er nach Berlin zu ſeinem geliebten König zurück .
Nun ging er daran, die Berliner Oper zu orga= niſieren und hatte bald ein Enſemble zuſtande gebracht, Friedrichs d. Gr. Rheinsberger Jahre. 10
146
das die volle Anerkennung ſeines Herrn fand .
Mit
treuer Hingabe widmete er sich bis zu ſeinem Tode der Oper. Und dabei komponierte er in den fünfzehn Jahren seiner anſtrengenden Tätigkeit neunundzwanzig italienische Opern, die sämtlich durch ihren klaſſiſchen Stil, die wohlklingenden und anmutigen Melodien auffielen.
Sicher und klar klingen seine Harmonien, ein
tiefer, wahrer Ausdruck liegt in ihnen , der ergreifend wirkt ohne je sentimental zu werden. Graun war, wie die meisten Komponisten ſeiner Zeit, außerordentlich produktiv. Er ſchrieb nicht weniger als zwei Opern pro Jahr. Zwar scheute er sich nie, sich in seinen Werken zu wiederholen ; eine Weise, die Beifall gefunden hatte, wurde in die nächſte Oper übernommen, manchmal mit einer kleinen Aenderung. Niemand nahm daran Anstoß, es war allgemeiner Brauch, dem auch die größten Meiſter des Jahrhunderts huldigten, wie Jomelli, Gluck und ſelbſt Mozart. Ihre Handlungsweise wird aber begreiflich, wenn man bedenkt, daß sie nur sehr selten nach ihrem Wunſch arbeiten konnten und daß sie auf Bestellungen ihre Werke zu einem bestimmten Termin fertig zu stellen So war es ihnen nicht immer möglich, die hatten. Stunde der Inspiration abzuwarten. Die ganze Fülle Grauns durchaus nicht mittelmäßiger Werke liegt heute vergessen und verſtaubt in einem ewigen Schlafe, den keine erlösende Hand zu wecken wagt. Fremd stehen sich das Heute und das Einst gegenüber, kaum der Name des damals gefeierten Künſtlers blieb der Nachwelt vertraut, und vielleicht wäre er schon ganz vergessen, wenn nicht zwei ſeiner geistigen Kinder verstanden hätten, sich allen Ge= schmacksrichtungen der Zeiten troßend zu erhalten : das Oratorium „ der Tod Jesu“ und das „, Tedeum von der Einnahme Prags “, die noch heute die Muſikfreunde entzücken, ohne veraltet zu wirken. Wie ein Hauch aus
147
jenen
längst
entſchwundenen
Zeiten
schweben seine
Klänge in unſerer Zeit durch Kirchenhallen, in ihrer Einfachheit Gefühle der Andacht weckend . Kurz vor
Graun starb zu Berlin im Jahre 1759.
der großen Niederlage seines Herrn, der Schlacht bei Kunersdorf, war er heimgegangen. In der Petrikirche wurde er von der trauernden Stadt beigeſeßt, die ihm die Worte nachſang : „ Schon ſtirbt ein Graun, ſobald verläßt die Seinen Der Vater unsrer Harmonie, Um dessen Sarg die Musen Tränen weinen. Graun, unſer Liebling ſtirbt zu früh !“ Unter den fünfzehn Spielern der Rheinsberger Kapelle sind neben Graun und Benda noch andere, nicht weniger glänzende Namen.
Da ist Grauns älterer
Bruder, Johann Gottlieb, deſſen Geigenſpiel ſogar dem eines Benda gleich kam. Dann die beiden Brüder Bendas, Johann und Joseph.
Im Jahre 1740 kam
auch Carl Philipp Emanuel Bach , der zweite Sohn Johann Sebaſtian Bachs nach Rheinsberg. Die merkwürdigste, abenteuerlichste Laufbahn unter dieſen Künstlern hat ſicher Franz Benda , der große Geiger und Sänger*) . Wie ein echter Bohemien schlug er sich durchs Leben.
Als er nach Rheinsberg kam, hatte er manch
Erlebnis, manche Enttäuschung hinter sich.
Mit ſieben
Jahren fing er ſchon an, Muſik zu ſtudieren. ihm im Blut, die ganze Familie war muſikaliſch.
Es lag Neun
Jahre alt sang er als Sopraniſt in der Nicolaskirche zu Prag.
Dann kam er nach Dresden.
Der König
von Sachsen hatte nämlich Befehl gegeben, in Böhmen einen Sopran für ſeine Kapelle zu suchen, und man hatte den kleinen Franz dazu ausgewählt.
Aber nur
*) Geboren 25. November 1719 zu Alt- Benátek in Böhmen, gestorben 7. März 1786 zu Potsdam . 10*
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achtzehn Monate hielt es den Knaben in der Fremde. Dann packte ihn die Sehnsucht.
Er wollte zurück, die
Heimat, die Eltern wiedersehen.
Man ließ ihn nicht
fort, denn solche Stimme fand sich so leicht nicht wieder. So mußte er fliehen.
Er verbarg ſich auf einem Schiff,
das nach Pirna fuhr .
Aber die Verfolger faßten ihn,
gerade als er durch das Tor der Stadt wollte, und es ging wieder zurück nach Dresden.
Da wurde er krank.
Die Aufregungen der Flucht, die kalte Nacht auf dem Schiff, die Furcht vor Entdeckung und Strafe warfen ihn aufs Krankenbett.
Und als er wieder aufstehen .
konnte, da war die schöne Stimme fort. sie den Jungen nach Hause.
Nun ließen
In der Heimat erholte er sich und auch die Stimme kam wieder, aber verwandelt in einen vollen und melodischen Kontraalt, der das Jeſuitenſeminar zu Prag so entzückte, daß es ihn aufnahm. zu
komponieren,
,,Salve regina"
der hieß
Hier begann er ſchon
vierzehnjährige das
Werk,
Wunderknabe !
das er hinter den
frommen Mauern ſchuf. Doch wieder hielt es ihn nicht, wieder zog es ihn heim zum Elternhaus.
Aber da ging es nicht hoch
her. Es gab zuviel der hungrigen Mäuler und es hieß arbeiten und verdienen. So schloß der Jüngling sich einer herumziehenden Truppe an und zog durch Böhmen, Schlesien und Polen, zum Tanze aufſpielend oder seine schwermütigen, heimischen Weisen mit schöner Alt= ſtimme ſingend.
Sein beſter Freund wurde ein alter,
blinder Jude, namens Loebel , der meisterlich die Geige spielte.
Von ihm lernte er mehr, als von großen Leh-
rern, und der Greis, der seine ganze Seele, ſein ganzes Leben in das geliebte Instrument gelegt, blieb ihm dauernd ſein Vorbild, auch als Benda längſt fern von ihm war und ein Lorbeerkranz seine Stirn umwand. Bald wurde er des Vagabundenlebens ſatt und reiste nach Prag zurück.
Nach kurzem Aufenthalt
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ging es aber wieder von Stadt zu Stadt, nur diesmal als beſtellter und leidlich bezahlter Sänger und Violinist.
Vom Grafen Uhlfeld kam er zu dem großen
Feldherrn
Montecuculi,
dann
zum Baron Andler.
Dieser nahm ihn mit nach Herrmannſtadt in Siebenbürgen, wo er ein Jahr blieb.
Da wurde der Wunſch
in ihm rege, Oesterreichs Hauptstadt zu ſehen.
Kurz
entschlossen verließ er seine Stellung und ging nach Wien, wo er von dem franzöſiſchen Geſandten engagiert wurde.
Dort machte er die Bekanntschaft des berühm-
ten Cellovirtuosen Franciscello , dessen Kunſt ihn entzückte und deſſen Umgang den glücklichsten Einfluß auf ihn ausübte. Aber noch war er zu jung, um lange an einem Ort zu bleiben, die alte Lust am Wandern kam über ihn und er zog mit drei anderen Künstlern, gleichge= ſtimmten Seelen, ins Weite.
Immer schmäler wurde
der Verdienst, je weiter sie kamen, und bald brachte ihnen ihre wohlfeile Kunst, die sie von Ort zu Ort trugen, nichts mehr ein.
Ihre lehte Hoffnung war
Warschau, und ſo finden wir Benda eines Tages mit seinen drei Kameraden auf dem Wege dorthin. Müde schleppten sich die armen Schlucker auf der Landstraße
hin.
Ein
Frachtwagen
kam
desselben
Weges, dessen Kutscher das fahrende Volk dauerte. Er nahm sie auf und fuhr ſie nach der Stadt. durch einen
Wald
kamen,
fanden sie
Als sie
einen wohl-
gefüllten Mantelſack und kurz entſchloſſen teilten ſie die Beute.
Wie bedurfte Franz des Rockes, der auf ſein
Teil kam !
Leider hatte ihr Fund kein Geld enthalten,
und als sie in der Polenſtadt ankamen, konnten sie ſich die Wirtshäuſer nur von außen anſehen.
Schließ-
lich fanden ſie in einem zerfallenen alten Schloß, wo ſeit langen Jahren nur Eulen und Fledermäuſe hauſten, Unterkunft. In dem alten Gemäuer, wo Sonne und Mond ungehindert Zutritt hatten, musizierten die
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lustigen Spielleute, den Hunger und die Sorgen zu bannen, und bald hieß es, daß es in dem alten Schloſſe ſpuke.
Keiner wagte sich in die Nähe ihres Aſyls, bis
endlich ein beherzter Starost, Szaniowsky , die muſikalischen Gespenster entdeckte und, von ihrer Not ge= rührt, ſie kurzer Hand in ſeinen Dienst nahm.
Franz,
der geschickteste von ihnen, wurde sein Kapellmeiſter. Ueber zwei Jahre blieb er bei dem guten Staroſten. Dann bot sich ihm ein Plaß in der Kapelle des Königs August von Polen, deſſen Tod ihm aber schon nach kurzer Zeit die Stelle nahm. Nun machte er sich auf den Weg nach Dresden, wo er Verdienst zu finden Dort lernte er Quank kennen, der ihn im hoffte. Jahre 1732 für Friedrichs Kapelle engagierte. In Rheinsberg hatte er die schönste Zeit, ſeine Kunſt zu Von Quang nahm er noch Unter-
vervollkommnen.
richt in Harmonie und Kontrapunkt.
Und wie Pesne
ſeine Verwandtſchaft zu ſich rief, ſo ließ auch Benda ſeine drei Brüder kommen, denen im Jahre 1742 die alten Eltern folgten, die Friedrich auf seine Koſten einlud. Von allen Kennern ſeiner Zeit wird Franz Benda aufs
höchſte, oft überschwänglich gelobt. Der Engländer Burney *) ſagt, daß das Spiel dieses Virtuoſen einzig in seiner Art ſei und weder an Tartini, noch Somis, noch Varacini anklinge, daß er aber von jedem Meister das gelernt hätte, was ſeinem muſikaliſchen Empfinden am nächſten lag, und ſich dann einen eigenen Stil gebildet habe. Friedrich liebte an ihm sein geſang= mäßiges Spiel, die unendliche Zartheit, Reinheit und Klangfülle.
Aber er verehrte nicht nur den Künſtler
in ihm, ſondern er achtete auch den liebenswürdigen, geraden Menschen.
Er sorgte in Zeiten der Krankheit
für ihn, schickte ihn in heilſame Bäder.
Reichardt
*) ,,Tagebuch einer musikalischen Reise. " Leipzig 1772, 2 Bände.
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ſagt von Benda, daß er den König mit ſo inniger Liebe verehrte, daß jedes Unglück, das Friedrich befiel, auch ſein Glück und ſeine Geſundheit ſtörte und daß er fest glaubte, den König nicht zu überleben.
Und er täuschte
sich nicht ; wenige Monate vor dem Tode ſeines Herrn schloß er die treuen Augen für immer, als er hörte, daß Friedrichs Krankheit von den Aerzten für unheilbar erklärt war. Friedrich hatte es oft nicht leicht, ſein Künſtlervölkchen zu leiten und zu halten.
„ Diese Menschen-
raſſe iſt ſchwer zu regieren,“ klagte er, „ das erfordert oft mehr Klugheit, als die Regierung der Staaten. Sobald ein Künſtler ein wenig geschickt ist, wird
er stolz und unbändig, worunter ſein Herr natürlich zu leiden hat. Die Ansprüche steigern ſich in dem Maße, als die Grillen sich durch die Kunstfertigkeit im Beſike eines Freibriefes glauben, und die Begehrlichkeit kennt keine Grenzen mehr . Zu dieſen ſchönen Eigenschaften kommt dann noch ein Körnchen niedriger Eifersucht, die sich natürlich edler Wetteifer nennt. Dieſer edle Wetteifer betrachtet die Nebenbuhler als seine geschworenen Feinde und der Krieg iſt da. Man kann wohl den Brand für einige Zeit eingrenzen, aber löschen kann man ihn nicht und früher oder später heißt's ſcheiden. “ Einmal wäre es beinahe zur Scheidung gekommen. Die Herren Künſtler inszenierten eine Revolution, ſie insgesamt davonzugehen. Aber es gelang
drohten
Friedrich, die ,, Kinder Euterpes “, wie er ſie nannte, zur Einkehr zu bringen, was er der überzeugenden Kraft ſeiner klug gewählten Worte verdankte. Um aber in Zukunft für solche Aufſtände vorbereitet zu ſein, las er Menenius Agrippas berühmte Rede, um die Unge= treuen zurückführen zu können, wenn sie es einmal bis zur Sezeſſion trieben. Bei Quant und Graun hatte Friedrich Kompo = sitionslehre.
Schon im Sommer 1735 konnte er seine
152
erste Symphonie sehen.
Im folgenden Jahre gab er
Quant nach Bayreuth sogar schon ein von ihm selbst komponiertes Flötenkonzert mit, das er ſeinem Schwager, dem Markgrafen schickte, der auch eifriger Flötenspieler war.
Und wieder nach einem Jahre war
das zweite fertig, das er der geliebten Schwester übersandte.
Es wurde später fertig, als ihm lieb war.
,,Nur die Trockenheit meiner Phantasie," schreibt er an Wilhelmine,,,ist daran schuld , daß Sie das Konzert noch nicht erhalten haben. würdigen Melodie."
Ich suchte nach einer Ihrer
Sein ganzes Leben hindurch verehrte Friedrich die Muſik, er ſpielte und komponierte.
In schweren Stun-
den war sie ihm Trösterin. Seine Kompoſitionen hielt er für besser als seine Gedichte. In Rheinsberg vervoll= kommnete er sein Spiel und brachte es sogar im Adagio zu wahrhaft künstlerischer Leiſtung, während ihm das Allegro nie recht gelingen wollte. Und so ist es auch später geblieben. Seine Natur war keine heitere, und wie die Muſik beſſer, inniger als jede andere Kunſt die Regungen und Stimmungen der Seele zum Ausdruck bringen kann, so ist es bei Friedrichs tiefer und ernſter Veranlagung auch verſtändlich, wenn er eine schwermütige Weise so spielen konnte, daß seine Zuhörer ergriffen wurden .
Achtes Kapitel. Warum Friedrich franzöſiſch sprach und schrieb. Seine Poesien. Die deutsche Literatur unter Friedrich Wilhelm I. Friedrichs erſte ſchriftstelleriſche Arbeit. Der „ Antimacchiavel “. Voltaire korrigiert Friedrichs Schrift und gibt sie heraus.
ch weiß wirklich kaum, was für Wetter hier ist. „ 3% 9 Mein Wirkungskreis beſchränkt sich auf mein Arbeitszimmer und meine Bibliothek," so schrieb Friedrich aus Rheinsberg. Wir sehen ihn ſizen : ge= beugt über Bücher, mit großen, hellen Augen, Notizen machend oder nachdenklich den Kopf in die Hand stüßend. Er wußte seine Zeit zu gebrauchen.
Gleich einem
fanatiſchen Mönch schloß er sich in die Einſamkeit ſeines ,,Allerheiligsten", die kleine
Schreibkammer mit der
runden Bibliothek im Turm .
Hier durfte ihn niemand
stören .
Wenn wir heute dort stehen und durch die
Fenſter blicken auf Park und See, fesselt uns der unbeschreibliche Zauber der Landſchaft, und entzückt sehen wir von hier dem ewig jungen Schauspiel des Sonnenunterganges zu, unwillkürlich denkend , daß auch einst Friedrich gleich uns hier ſtand, gleich uns sich erfreute am Spiel des Lichtes in den hohen Bäumen, auf dem leicht bewegten Spiegel des Sees. Noch heute ist der Reiz von Remusberg ungebrochen, wenn auch vieles ſich verändert hat im Laufe der langen Jahre, die seit Friedrichs Zeit verflossen. Hell und hoch grüßen die Türme über den See, bunte Blumen leuchten im ſatten
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Grün des Raſens vor der Kolonnade, und die alten Baumriesen wissen noch manches zu rauschen von der alten, nur so kurzen Glanzzeit.
Und
im Frühling
blühen Flieder und Rotdorn noch wie einſt, ſingen die Nachtigallen ihre alten, unvergessenen Weisen, wenn der Mond das Schloß mit weißem Lichte überschüttet. Unser Traum verſeßt uns zurück, überall glauben wir leise Stimmen zu vernehmen, die flüsternd erzählen, wie es hier gewesen.
Aber wenn dann der Morgen ein-
zieht, und wir steigen die lange Treppe hinan in die Säle, ist der Traum auch verschwunden.
Oede und
leer das Innere, hart und grauſam klingt der Schritt auf dem berſtenden Parkett.
Uns beſchleicht ein Gefühl
der Wehmut, wie ein Raub an einem unserer beſten Güter erscheint uns dieses arme, trockene Skelett des alten Schlosses.
Und wir werden gewahr, wie ver-
gänglich auch Großes ist, wie wenig auch vom Besten bleibt, wie junges Leben trok Pietät und Dankſchuldung immerdar das alte gänzlich löscht. Aber wir dürfen bei solchen Gedanken auch nicht vergessen, daß wir Kinder einer ganz anderen Zeit ſind. Troh
unſeres
harten,
materialiſtiſchen Jahrhunderts
sind wir Schwärmer geworden , wiſſen Altes,
Vergangenes
Naturschönheiten. richs Zeit.
zu
hängen,
unser Herz an
begeiſtern uns an
Nicht ſo unſere Vorfahren zu Fried-
Sie alle lebten mit wenigen Ausnahmen
ganz dem Zuge, dem Aufschwung ihrer Jahre.
Und
was für eine Zeit war das ! Große Erfindungen, noch größere Ideen hielten die Menschheit in Atem. Man vermaß sich, jedes,
auch das tiefste Geheimnis der
Welt zu lösen, das ganze All ſchien ſich offenbaren zu wollen, und mit Mitleid oder gar Verachtung schaute man rückwärts auf die Zeiten, die im Jrrtum geschmachtet hatten, im Wahn befangen geweſen.
Die Deviſe
war „ vorwärts “ , hinein in die Nebel der Dinge, hin= durch zum Licht !
Eine strahlende Morgenröte war
155
das Erwachen der Menschheit, ſtarke Geiſter führten neue Wege, der jungen Sonne zu. Werden wir jetzt verstehen, wenn der junge Frih
mit dem heißen Wunsch nach Klarheit, Wahrheit im Herzen am Fenſter ſaß und nicht wußte, ob draußen Regen oder Sonnenschein war ? Sehen wir ihn nicht mit jenem Blick in weite Ferne, in ersehntes Land des Wiſſens und der Offenbarung, hinwegschauen über alle Naturschönheiten seiner Umgebung ? War er doch ein echtes Kind seiner Zeit, der haſtenden, ruheloſen, aber ein altkluges Kind, das bald ſeiner Mutter davonlaufen sollte.
Und ein neugieriges dazu , das alles wiſſen wollte, nirgends halt machte, dem auch die höchsten Bäume niedrig erschienen. „ Ich pendele von der Meta-
phyſik zur Phyſik, von der Moral zur Logik, von der Musikgeschichte zur Poesie." Schon seine ganze Erziehung hatte ihn mit ſeiner Zeit eng verknüpft. Wie oft iſt ihm nicht von Deutſchen und Ausländern der Vorwurf gemacht worden, die deutsche Sprache nicht zu beherrschen, franzöſiſch zu ſprechen, franzöſiſch zu schreiben, franzöſiſch zu denken ! War es seine Schuld , daß er der Muttersprache nicht mächtig war ?
Und gab es denn überhaupt damals
eine deutsche Sprache ?
War sie nicht vielmehr
ein unbeholfenes Stammeln, ein qualvolles Winden und Drehen nicht endenwollender Säße ?
Aber nicht
nur diese Sprache der unfertigen, ausgeborgten oder korrumpierten Worte trug die Schuld daran, daß Friedrich französisch sprach und schrieb, ſondern hauptsäch= lich seine Erziehung.
Ein franzöſiſcher Lehrer, eine
französische Gouvernante hatten ihn in Kinderjahren das Abendgebet gelehrt.
In fremder Sprache lernte er
denken, in fremder Sprache lallte er ſeine erſten Fragen, drückte er ſeine ersten Freuden und Schmerzen aus. Und später, zu spät für den Knaben, ſollte er sich mit der Muttersprache befreunden.
Da malte er in großer
156
Schönschrift die Worte aufs Papier, die ihm diktiert wurden, und deren Schönheit er noch nicht faſſen konnte : ,,Kommet her zu mir alle, die Ihr mühselig und beladen seid, ich will Euch erquicken . . .'
Welche
Tragik liegt darin, so zwischen zwei Sprachen leben zu müssen, deren eine, die heimische, ihm fremd geblieben, und von denen die andere erst nach langen Jahren der Arbeit ihm ganz zu eigen Kein Vorwurf scheint hinfälliger als der, zu
wurde !
sehr Franzose gewesen zu sein, wo Friedrichs Taten sprechen. Sie ſind ja, wie alles, was von ihm ſtammt, so deutsch, so grundverſchieden von franzöſiſchem Denken und Wesen, daß nur der ſie falsch beurteilen kann, der Aeußerlichkeiten
und
Formen für
innerſtes Weſen Man könnte getrost Friedrichs Arbeiten und Aussprüche für Ueberſeßungen ins Franzöſiſche halten, nimmt.
oder vielmehr für Umgießungen in den Sinn der andern Sprache.
Seine Seele fühlte deutſch, ſein Mund ſprach
französisch. Mit den glücklichsten Talenten war Friedrich ge= boren, um in der Republik der Literatur eine Rolle zu spielen. Wie oft hat er es nicht bedauern müſſen, daß seine Erziehung so mangelhaft geweſen, daß ihm die alten Sprachen fremd waren und er gezwungen war, die Klaſſiker in Ueberſeßungen zu lesen.
Seine viel-
seitige Veranlagung trieb ihn zu allen Wiſſenſchaften und Künſten. In Rheinsberg etablierte er auf der Spitze des zweiten Turmes ein Obſervatorium, im erſten Stock ein phyſikaliſches Kabinet, im zweiten eine kleine Druckerei. Nichts erschien seinem Geiste zu hoch.
Mit dem=
ſelben Eifer ſtudierte er die Theorien Newtons und Descartes' , wie er sich bald darauf in Voltaires und Boileaus Verse vertiefte. Ueber seine eigene Poesie ſind faſt nur absprechende Urteile gefällt worden. Sein
Hauptallee im Park
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ganzes Leben war er ein Dichter, denn über alles sehnte er sich nach literarischem Ruhme, hier war er ganz Franzose. Seine poetischen Werke sind gewiß nicht hervorragend, aber man hat ihre Mittelmäßigkeit ſicher ſtark übertrieben. Denn schließlich ſind ſie kaum ſchlechter oder besser, als die seiner Zeitgenossen, gab es doch damals nur „ Verſemacher“ , aber keine Poeten. Nur Voltaire steht als Ausnahme da, aber nur der Voltaire der kleinen Gedichte.
In seinem oft recht weitschweifigen und banalen „ Epitres “, die fast durchweg korrekt sind , sieht man deutlich den Einfluß Voltaires und Boileaus, dieſen besonders in der Form.
Aber die kleinen Gedichte
Friedrichs ſind manchmal ganz reizend , faſt kommen ſie jener unvergleichlichen Leichtigkeit und Grazie Voltairescher Poesie nahe. Sehr
bald
hatte Friedrich
es
aufgegeben, die
„ Werke“ deutscher Dichter zu lesen.
Es gab ja auch
kaum einen, deſſen Dichtkunst auch nur einigermaßen erträglich war.
Unter seinem Vater blieb die gesamte
Literatur in ihrem alten Stillstand. Mann, sie zu
ermuntern.
Er war nicht der
Auch die Wiſſenſchaften
fanden keinen Förderer in Friedrich Wilhelm I.
Daß
nicht auch sie aus seinem Reiche verbannt wurden, danken ſie ſeinem praktiſchen Sinn.
Denn er fand ſie
nötig für die Chirurgen ſeiner Armee.
Um ihnen aber
wenigstens seine Mißachtung auszudrücken, stellte er an ihre Spiße einen gewiſſen Gundling, den Bruder des berühmten Profeſſors in Halle, einen nicht unge= bildeten Mann, der aber neben ſeiner ausſchweifenden Lebensführung ein so starker Trinker war, daß ihn, als er starb, der König ſtatt in einen Sarg in ein Faß legen und so begraben ließ.
Und der faſt devote Fried-
rich Wilhelm scheute sich nicht, den Pfarrer von Potsdam zu verpflichten, den ſeltſamen Trauerzug bis nach Bornſtädt zu begleiten.
Gundlings Nachfolger waren
159
ſeiner würdig, sie wurden zu wahren Hofnarren , über die der König sich amüsierte. So ſtand es alſo um deutsche Wiſſenſchaft, und bald kam der König in ganz Europa in den Ruf eines Vandalen. Nur der Theologie, die Friedrich Wilhelm aus persönlichen und politischen Gründen stets unterſtüßte, iſt es zu verdanken, daß sich wenigstens die Kenntnis der toten Sprachen erhielt. Aber in dieſer wenig literarischen Periode gab es doch eine Person aus der Familie Friedrich Wilhelms, die intelligent genug war, in die Räder ihrer Zeit zu greifen : Wilhelmine Charlotte , die Tochter des Markgrafen Friedrich von Brandenburg-Ansbach. Sie war die Gattin Georg II. von England , der für sie größte Achtung und Ehrerbietung hatte.
Sie war es,
welche die Literaten und Wissenschaftler, ohne Ansehen der Perſon und Nationalität, protegierte und tatkräftig unterstüßte. Die Tochter Miltons bewahrte sie vor gänzlicher Verarmung und Voltaire half ſie, die erſten Sprossen seiner Ruhmesleiter zu ersteigen.
Georg II .
ließ auf ihre Veranlaſſung die Univerſität zu Göttingen errichten, und bald begann die englische Literatur ſich in Deutschland
auszubreiten.
Kopenhagen,
Altona,
Kiel, ganz Dänemark und Holſtein wurden zu Aſylen für viele deutſche Gelehrte und Schriftsteller,
unter
denen auch Brandenburger und Pommern waren. Wie eine Oase nicht nur im märkischen Sande, ſondern auch in der Wüſte der Unwiſſenheit, der kunſtarmen, trockenen Pedanten, mutet Rheinsberg an, aus dem Friedrich eine Art Lyceum gemacht hatte. Welche Gespräche wurden da zwiſchen dem jungen Prinzen und dem gelehrten Jordan, dem Grafen Algarotti, Suhm und Keyserlingk geführt ! Welche ſtolzen Namen trugen nicht die dicken Briefe, die faſt täglich hinausflatterten aus der ſtillen Schreibkammer zu Remusberg. War ihr Absender nicht noch stolzer auf Namen wie Vol-
160
taire, Fontenelle, Rollin , die ihn würdig hielten, ihm zu schreiben, wie diese klingenden Namen selbst ? Aber er wußte von ihnen zu lernen und gab auch, trok seines jungen Alters, den Reiseren, wo er nahm .
So chr-
geizig er auch war , so wußte er doch den Rat Horaz' zu beachten, daß ein junger Dichter sich nicht beeilen ſolle, mit seinen Werken vor die Welt zu treten. Seine erste Arbeit waren : Considerations sur l'état présent de l'Europe *) , die er jenes Rates eingedenk in dem dunkeln Fach seines Schreibtisches ruhen ließ. Geistreiche Vergleiche zwischen der Politik des Alter= tums, die er gründlich ſtudiert hatte, und der Politik ſeiner Zeit zieht Friedrich in dieser Jugendarbeit, die zu Rheinsberg gegen das Jahr 1736 vollendet wurde . Frankreich vergleicht er darin mit Mazedonien und hält seine Politik für gefährlicher als die Oesterreichs. ,, Was besonders erstaunt, " schreibt ein deutscher Kritiker in der ,, Allgemeinen Litteratur -Zeitung“ aus dem Jahre 1789, „ iſt, daß dieſer Prinz mit ſeinen vierundzwanzig Jahren ſich die größte Jdee von den Pflichten eines Königs gemacht hatte, und daß dieser Ge= danke ihn ganz beherrschte. “ Friedrichs Flugschrift zeugt von einem gewiſſen Verſtändnis für die politiſche Lage seiner Zeit, er ſah troh seiner Entfernung und troß aller diplomatiſchen Verdunkelungen auf den Grund der Dinge und wußte bei ſeiner Arbeit ſeinen Worten eine überzeugende Kraft „ Be= zu geben. Aber erst nach seinem Tode durften die „, trachtungen" gedruckt werden. In Rheinsberg war es, da Friedrich ſein erstes großes Werk verfaßte, ſein Glaubensbekenntnis über den Beruf des Königs, den „,Anti -Macchiavel“. Vieles ist über Macchiavellis „ Buch vom Fürſten“ Von den meisten wurden des geschrieben worden. *) Betrachtungen Europas .
über
den
gegenwärtigen
Zustand
161
Florentiners Ideen über die Machtſtellung eines Herrschers, die Mittel, zu ihr zu gelangen und ſie zu erhalten, verurteilt.
Die Widersprüche, die in dem Leben Mac=
chiavellis und ſeinen Theorien lagen, haben viel Ver= wirrung verursacht, und erſt in späteren Zeiten erhellte das Licht der Wissenschaft die Gründe, die ihn bewogen, Wege
zur
Macht
zu
preiſen,
die fern lagen von
Menschenliebe und Völkerwohl.
In jenem unſeligen
sechzehnten Jahrhundert des zerriſſenen Italiens, da Recht und Ueberlieferung in den Staub der Habgier getreten waren, da Ruhmſucht auch die Augen der Besten blendete, gab es eben nur jene unreinen Mittel, die der Zweck heiligen sollte. fanden sie ihren Verkünder.
Und in Macchiavelli
Friedrichs Arbeit sollte nun kein „ Gegen-Mac= chiavelli“, keine Bekämpfung oder Widerlegung ſein, er wählte nur dieſen Titel für ſeine Ideen über Staat, Fürst und Volk, um zu zeigen, welche Wege er gehen wolle, was für Gedanken ein moderner Fürſt haben solle in dem veränderten Bild seines aufgeklärten, nach Wahrheit ringenden Jahrhunderts, welche Fortschritte auch auf den Höhen des Lebens seit jenen dunklen Tagen gemacht waren. Als erster in einem Lande kleiner und kleinlicher, aber um so arroganterer und unwissenderer Herrscher ging er die neue Bahn, die in dem Worte vom „, erſten Diener des Staates“ ihren Gipfel erreichen sollte. „ Jedem das Seine“ in der Verbandſchaft freier Menschen unter dem selbstgewählten Schuß eines Souveräns, der für das Wohl aller bedacht war,
ihre
Interessen vertrat, war der Jdealzuſtand ſeines Zukunftſtaates, wie er ihn in ſeinem Buche vertrat.
Religions-
freiheit, Humanität, Toleranz in allen Wiſſenſchaften und Künſten waren die Stichworte.
Und das Daſein
deſſen, zu dem alle Fäden eines solchen freien, aber an
innerer Größe wachsenden Friedrichs d. Gr. Rheinsberger Jahre.
Volkslebens führten, 11
162
sollte nicht ein drohnenhaftes, ausschweifendes Genußleben sein, ſondern der Pflichten schwerste tragen, im Vollgefühl der Verantwortlichkeit Untertan gegenüber.
auch dem kleinſten
Der Fürst sollte auch ein Krieger
ſein und ein Beiſpiel für persönlichen Mut und Tapferkeit, seine eigene Perſon denselben Gefahren aussehend, die dem gewöhnlichen Soldaten drohen.
Er ist auch
nötig im Felde, als Schlachtenlenker, damit zwiſchen den verschiedenen Heerführern keine Uneinigkeiten vorkommen, die leicht das faſt gewonnene Spiel verderben körnten.
Seine Anwesenheit wird auf die leicht zu entflammenden Gemüter der Truppen begeisternd
wirken und dem Kampf das Gepräge einer hehren Sache geben, die dann jeder zu der ſeinen machen wird . Ein Prinz muß ein geborener Soldat ſein ; können seine Ohren Waffenklirren nicht hören, muß er doch frühzeitig das Kriegshandwerk erlernen und den Ratschlägen anerkannter Generäle folgen. Mit
stetig
wachsender
Beredsamkeit
entwickelt
Friedrich seine Theſen gegen den „ infamen“ Macchiavel, seine ,,verbrecherischen Lehren." Er verdammt alle Eroberungsgelüste , rät, mit dem Beſiß zufrieden zu ſein, den das Schicksal gegeben, nie des anderen Reichtümer zu beneiden, nie ſeinem Mitmenschen das antun zu wollen, was man ſelbſt von ihnen nicht erwarten möchte. Er findet zwischen dem Räuber der Landſtraße und dem erobernden Potentaten nur den Unterschied, daß die Stirn des einen von Lorbeer beschattet, während der Hals des anderen vom Strick umwunden ist. Wie bald sollte er den Unterſchied zwischen Theorie Ob er wohl bei der Besetzung Schlesiens an seine Rheinsberger Ideen zurückdachte ? Das Leben hat seine Lehren verbeſſert und vervollkomm=
und Praxis zeigen !
net, aber es hat auch bewiesen, daß zwischen Friedrich dem Denker, und Friedrich dem Handelnden, oft ein großer Unterschied lag.
Schon während er dabei war,
163
Macchiavellis Ideengebäude in Grund und Boden zu ſtampfen, kam er ohne sein Wissen und Wollen dazu , gewiſſe Grundsäße des Florentiners zu billigen. Fürsten sollen,
so
Die
schreibt er, ihren Verträgen und
Bündnissen treu bleiben in allen Stücken, eine offene, ehrliche Politik treiben, damit sie würdig wären, ein Gleiches zu verlangen.
Aber, ſo fügt er zögernd , etwas
kleinlaut hinzu, könnten doch gewisse Verhältniſſe ſie zwingen, den Verbündeten das gegebene Wort zurückzugeben, untreu zu werden, um ſich ſelbſt zu erhalten. Das Leben ist eine Art Kartenſpiel, meint er, und da es in der Welt ehrliche und unehrliche Spieler gibt, so sollte auch ein Fürſt nicht versäumen, beizeiten zu lernen, wie man im Spiel betrügt ! Ist sein Jdealbild eines Herrſchers das eines ſanften, freidenkenden, toleranten und den Künſten holden Mannes, so schwebte ihm dabei wohl auch die Gestalt des Königs vor Augen.
Was hatte er nicht unter der
oft rauhen Vaterhand erdulden müssen !
Waren auch
um die Zeit, da er den Anti-Macchiavel ſchrieb , jene ſchlimmen Mißverſtändniſſe zwiſchen ihm und Friedrich Wilhelm zum größten Teil beſeitigt, so brach doch von Zeit zu Zeit des Königs alter Unwille gegen den Sohn durch, der ihm innerlich stets fremd bleiben sollte. Nur zu willig ist bis an das Ende ſeiner Tage des Königs Ohr für schlechte Reden über den Kronprinzen geblieben, und oft genug mußte Friedrich sich bitter beklagen. Sah er dazu, von welchen Menschen der König umgeben, in welchem Zuſtande die Künſte und Wiſſenſchaften unter seiner Regierung waren, wird sein Wunsch nach einem solchen vollkommenen Herrscherbild um so erklärlicher. Fast republikanisch muten seine Gedanken an. Völkerfriede, Freiheit, Gleichheit, Pflichten des Souveräns, der, wie es in der ältesten Faſſung heißt, nur der „ premier domestique de l'état “ ſein ſoll, das sind die 11 *
164
Grundsäße seines Anti-Macchiavel. Aber, als Friedrich diese Lehren niederschrieb , war er noch Kronprinz! Er sollte nicht lange auf die Gelegenheit zu warten haben, seine Theorien in der Praxis anzuwenden. Ein paar Jahre später beſtieg er den Thron, jezt lernte er den Beruf des Königs durch das Leben.
Langsam
werden Skeptizismus und Egoismus in ſein Herz einziehen ; er wird das Wort vom ersten Diener des Staates halten, aber Preußen , das ist er selbst. Er wird sich hüten, die Theorien aus Remusberg zu realisieren.
Der geschickte Politiker wird er bald ſein,
ohne große Skrupel, der es meisterhaft versteht, die Wolken am politiſchen Himmel dort zuſammenballen zu laſſen, wo das Gewitter losbrechen soll. und
Untoleranz
werden
zu
Auch Härte
den Mitteln gehören,
Preußens Stärke zu gründen. Welch großer Irrtum wäre es, all jene humanen Ideen Friedrichs in Anti-Macchiavel ernſt zu nehmen ! Gewiß, er war aufrichtig, als er sie niederschrieb , aber die Erfahrung fehlte ihm. Mit jugendlichem Feuereifer, die Brust voller philantropiſcher Gedanken, im geiſtigen Verkehr mit Leuten wie Voltaire und Jordan, hatte er ſein Erſtlingswerk geschaffen. ſprechen !
Wie beredt wußte er zu
Und welch prachtvoller Mensch schaut faſt
aus jedem der Säße.
Ganz direkt tritt er uns ent=
gegen, ohne all jenes Beiwerk, das später den König umgibt. Noch kannte er keine Herzensbitternis, die Ent= täuschungen, die auch des Thrones Höhen nicht verſchmähen, ſchlummerten noch in der Zukunft.
Jezt
liegt in seinen Worten noch nicht jenes Gefühl der Einsamkeit, das in späteren Jahren ſeiner Perſon und ſeinen Aeußerungen anhaftet und das uns des großen Königs Erscheinung ſo wehmütig macht. Seine Seele geht ganz auf in Menschenliebe ; während der Arbeit an seinem Buche ſchrieb er einmal Voltaire folgende Worte, die am besten Zeugnis ablegen können von
165
seiner geistigen Verfaſſung, aus welcher der Anti-Macchiavel entſprang : „ Ein Landesherr, ſei er groß oder klein, muß als ein Mann angeſehen werden, deſſen Beruf es iſt, dem menschlichen Elend abzuhelfen, soviel
er nur irgend
kann ; er ſei wie ein Arzt und heile, wenn auch nicht die körperlichen Krankheiten, so doch das Elend ſeiner Untertanen. Die Stimmen der Unglücklichen, die Rufe der Jammernden, die Schreie der Unterdrückten müſen an ſein Ohr dringen. Aus Mitleid mit den andern und auch aus gewiſſer Rückbeziehung auf ſich ſelbſt, muß er von der traurigen Lage derer, die er in Not weiß, gerührt werden, und hat er ein mitfühlendes Herz , werden die Mühseligen und Beladenen stets Erbarmen bei ihm finden. „ Ein Fürſt iſt in Bezug auf ſein Volk das , was das Herz für den Bau des Körpers ist.
Es nimmt das
Blut aus allen Gliedern auf und treibt es bis in die äußersten Teile wieder zurück.
Jener empfängt Treue
und Gehorsam von seinen Untertanen und gibt ihnen dafür Wohlstand , Förderung, Ruhe und alles , was zum Heile des Allgemeinwohles beitragen kann. „ Solche Grundſäße müſſen meiner Meinung nach von ſelbſt in dem Herz.n cines jeden Menschen gedeihen ; das Gefühl gibt sie uns ja schon, wenn wir nur nachdenken, und man braucht nicht erst eine hohe Schule der Moral zu durchlaufen , um sich solche Prinzipien anzueignen. Ich glaube, daß das Mitleid und der Wunsch, zu helfen, Tugenden sind, die den meisten Menschen angeboren ſind .
Wir ſtellen uns ſelbſt krank
vor, wenn wir die anderen leiden ſehen, und zeigen uns ebenso eifrig, ihnen zu helfen, wie wir die andern sehen möchten, kämen wir in die gleiche Lage. ,,Tyrannen sündigen meist darin, daß sie alles von einem anderen Gesichtspunkt aus betrachten ; sie be=
166
urteilen die Welt nur mit Rücksicht auf sich allein, und weil sie allzu hoch über den Miſeren des Alltages ſtehen, ſtumpfen ihre Gefühle ab . Bedrücken sie ihre Untertanen, ſind ſie hart und grauſam zu ihnen, ſo ge= schieht das aus Unkenntnis über die Natur des Bösen, das wir zufügen, und da ſie dieſes Böse nie ſelbſt erlitten haben, halten ſie es für zu unbedeutend. Solche Menschen kommen ja nie in die Lage des Mucius Scaevola, der sich vor Porſennas Augen die Hand verbrannte, und den vollen Schmerz verspüren konnte. "", Kurz , in der ganzen Art des Menschengeschlechts offenbart ſich der Zweck, Menschenliebe zu wecken : die Aehnlichkeit fast aller Menschen, die Gleichheit der Stände, die unerläßliche Hilfe, die einer vom anderen braucht, die natürliche Neigung, die man für einander hegt, unser Erhaltungstrieb, der uns Menschenliebe predigt, die ganze Natur scheint sich zu vereinen, uns eine Pflicht einzuprägen, die als Quelle unſeres Glückes täglich neue Reize über unser Leben gießt.“ Wenn wir heute diese Worte lesen, fühlen wir ganz den Zauber dieser hingebenden, liebenden Seele des jungen Friedrich, der damals Gefühle glühendſter Freundschaft und Verehrung bei allen, die ihm näher traten, wecken konnte. Jezt begreifen wir auch, daß eine solcher Freundschaften für ihn selbst in den Tod gehen konnte. Wie einfach und selbstverständlich klingen seine Worte, sie kommen direkt aus seinem eigensten Empfinden, als wären ſie gar nicht jenen oft gefährlichen und verschlungenen Weg gegangen, der vom Hirn und Herzen zur schreibenden Feder führt. Hat auch die rauhe Wirklichkeit später solchen Gedanken keinen Raum mehr gelaſſen, waren später des Königs Ohren auch oft taub gegen Bitten und Flehen, so wissen wir doch, daß im Grunde ſeines Herzens der Adel wohnte, deſſen Stimme nur übertönt wurde von dem Getöse des Krieges, den Forderungen seiner harten Zeit und nicht
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zuleht von dem Schmerz der Enttäuschungen, die ihm reichlich zuteil wurden. Seine Arbeit des Anti-Macchiavel „ ging nicht sehr
schnell vorwärts. “
„ Ich glaubte,“ heißt es in einem
Briefe an Voltaire vom 26. Juni 1739 , „ ziemlich ſchnell in meiner geplanten Schrift gegen Macchiavel vor= wärts zu kommen, aber ich habe gefunden, daß die Jugend einen etwas zu hißigen Kopf hat. Um alles kennen zu lernen, was über Macchiavel geschrieben wurde, mußte ich eine Unzahl von Büchern leſen und ehe ich alles verdaut habe, werde ich noch einige Zeit brauchen.“ Auch eine Reiſe nach Ostpreußen, die Friedrich bald darauf antreten mußte, verzögerte die Arbeit. Und doch brannte er, ſein Werk zu vollenden, aller Welt zuzurufen : „ Ein untätiger Fürst ist meines Erachtens nach ein für die Welt wenig nußbringendes Werkzeug.
Ich will meinem Jahrhundert wenigſtens in Allem, was von mir abhängt, dienlich ſein ; ich will
zur Unsterblichkeit eines Werkes beitragen, welches der ganzen Welt Gutes tun soll ; ich will den Großen der Erde ihre Pflicht, den Völkern ihre Aufgabe zeigen, eine Regierungsform die Fürsten lehren, die ihnen kaum bekannt ist, ich will eine Denkungsart predigen, welche die homeriſchen Götter ebenso geadelt hätte, wie ihre Grausamkeit ſie verurteilte. “ Endlich, am 4. Dezember desselben Jahres, konnte er Voltaire ſein Werk schicken : ,,Ich lege Ihnen die zwölf ersten Kapitel meines
Anti-Macchiavel vor, die trotz aller Korrektur noch voller Fehler sind. Sie müſſen der vermeintliche Vater dieſer Kinder werden und an ihrer Erziehung ergänzen , was die Reinheit der französischen Sprache fordert, damit sie vor die Oeffentlichkeit treten können. Inzwiſchen werde ich die anderen Kapitel durcharbeiten und ſie bis zu dem Grade der Vollkommenheit bringen, deſſen ich nur fähig bin.
168
Die Zerstreuungen des Hofes und der Stadt, Verbindlichkeiten, Vergnügungen, unerläßliche Pflichten und manchmal auch zudringliche Störer lenken mich von meiner Arbeit ab, und Macchiavel muß oft Leuten das Feld räumen, die ſeine Marimen ausüben und von mir also widerlegt werden.
Man muß ſich dieſen un-
vermeidlichen Forderungen des Anstandes fügen und wohl oder übel dem Gotte der Sitte opfern, um nicht für einen Sonderling oder Tollkopf zu gelten. “ Voltaire zeigte sich entzückt von Friedrichs Arbeit. Er beschwor ihn, das Werk drucken zu laſſen.
Ver-
ſchlungen hätte er die zwölf Kapitel, ſo ſchrieb er ihm. Gern wollte er alle Fehler korrigieren.
Und um die
große Ehre bat er ſeinen prinzlichen Freund , ihm zu gestatten, der Herausgeber des Buches zu sein , eines Buches, das „, endlich eines Fürsten würdig" wäre. Nur wünschte er, „ an dieſem ſchönen Baume einige Zweige abzuschneiden, die zuviel wären und deren er entbehren könne, ohne daß es ihm schade.“ Gern überließ ihm Friedrich jede Aenderung : „ Ich übergebe Ihnen mein Werk, denn ich bin überzeugt, daß es verschönt aus ihren Händen hervorgehen wird. “ Als ihn dann der Tod des Königs auf den Thron rief, hätte er nur zu gern ſein Manuskript zurückgezogen, aber er rechnete nicht mit dem Verleger van Duren im Haag, der, als geſeßmäßiger Eigentümer der Schrift, sich natürlich nicht das Werk eines königlichen Autors entgehen lassen wollte.
Alles, was sich tun ließ , war,
daß der gefällige Voltaire das ſtrich, was Friedrich hätte kompromittieren können.
Der Verleger beeilte
sich sehr mit dem Druck, und schon Ende September 1740 erschien die erste Ausgabe, ohne Nennung des · Verfassers unter dem Titel : ,,L'Antimachiavel ou Examen du Prince de Machia-
vel avec des notes historiques et politiques."
A la
Haye , chez Jean van Duren 1741 , avec Privilège.
169
in
Das Buch trug eine Vignette und hatte 342 Seiten 8°, mit Avant-Propos und Préface 32 Seiten
mehr.
An den Text schloß sich eine französische Ueber-
ſehung des „ Principe“ von Macchiavelli. Friedrichs Werk erregte großes Aufsehen.
Bald
wußte man, wer der Verfaſſer war, und noch im ſelben Jahre ließ van Duren zwei weitere Auflagen drucken. Auch in London erſchien eine Ausgabe. Ferner ſtellte Voltaire eine dritte fertig, die er noch mehr abschwächte, wie die erste. Aber kaum war Friedrichs ſehnlicher Wunſch nach Veröffentlichung ſeiner Schrift erfüllt, als er auch schon bereuen mußte, seine Arbeit dem Verleger überlassen zu haben.
Wie ließen sich seine friedliebenden Ideen
mit seinen Eroberungsplänen in Schlesien vereinen ? Die Inkonsequenz seiner Handlungsweise mußte der rasch wachsenden Zahl ſeiner Feinde willkommen ſein. Aber Friedrich fragte auch kaum mehr nach dem Urteile der Welt, er ging ſeinen eigenen Weg, unbekümmert um die Stimmen um ihn her, sobald sie nicht die Stelle trafen, wo er verwundbar war : ſeinen Ruf als Schriftsteller.
Mitten
in
der Brandung der schwellenden
Wogen seines Lebens bewahrte er zähe ſein Bestreben, als ein Künſtler anerkannt, mit den Beſten ſeiner Zeit verglichen zu werden. Neben dem Lorbeer des Siegers, des Eroberers, wollte er auch den eines Philoſophen, eines Dichters auf seinem Haupte sehen. Und außer seinen glänzenden Gaben hat er es seiner unermüdlichen Ausdauer zu verdanken, wenn einer der größten französischen Kritiker, Guſtave Lanſon, ſich nicht scheute, ihn zu den besten französischen „ Epistolaires" Zeiten zu rechnen.
aller
Als Friedrich es aber zu einem
solchen Grade der Vollkommenheit in der geliebten Sprache gebracht hatte, war es schon spät geworden , die Sonne seines Daseins stand im Zenith.
Neuntes Kapitel. Wie Friedrich arbeitete. Seine Stellung zur Religion. „ Um Gott zu lieben, braucht man weder Luther noch Calvin. “ Ueber die Theologen. Seine Philosophie. Wolffs Metaphysik. Das ,,einfache Weſen“ . Die Lehre von der Toleranz . Im Brief= wechsel mit Voltaire. Friedrichs Vorstellungen über Gott und Daſein. Warum er an ein „ höchstes Wesen “ glaubte. Seine Freundschaft mit Voltaire.
riedrich
hat
in
späteren Jahren ſelbſt erzählt,
F wie er in Rheinsberg arbeitete. Oft weckte ihn die aufgehende Sonne und eilig ſprang er vom Lager, um in ihren ersten Strahlen zu lesen. Sechs Stunden saß er so, vergraben unter Büchern.
Er las mit weit-
geöffneten Augen, emsig Notizen dabei machend . „ Kann Er lesen ?" fragte er später einmal einen jungen Offizier, „ lesen heißt denken !“ Nur kurz war die Zeit, die er an der Tafel zubrachte, hastig ging's an den Schreibtisch zurück, und leise strich die Feder über das Papier, das sich schnell mit feiner, dünner, schräger Schrift füllte. Noch lange nach Mitternacht saß er bei der Arbeit, wenn alles längst im Schlafe lag und nichts die nächtliche Ruhe unterbrach.
Noch lag keines Hundes Kopf auf den
Knien des Einsamen, aber auch jezt schon war ein Tier der liebste Gefährte dieser stillen Stunden : ſeine kleine Aeffin Mimi. Bald sollte sich seine Arbeitswut rächen. Magenkrämpfe waren die Folge des ſtändigen Sizens. Die Aerzte rieten zur Mäßigung im Arbeiten und verord=
171
neten wiſſen :
Spaziergänge.
Aber
davon
wollte
er
nichts
‚Wenn ich nicht ſchreiben und leſen kann, geht
es mir wie den starken Tabakschnupfern , die vor Unruhe vergehen und tauſendmal die Hand in die Taſche ſtecken, wenn man ihnen die Tabaksdoſe nahm. " Viel lieber möchte er krank an Körper, wie an Geiste sein.
In
ſeinen Briefen klagte er ständig über seine schlechte Geſundheit.
Er litt an Magen- und Darmkrämpfen,
heftigen Herzbeklemmungen, Kopfschmerzen und Fieber. Endlich entschloß er sich doch, etwas für ſeine Geſundheit zu tun, und machte regelmäßig des Morgens ſeine Promenade. Ja er dachte ſogar daran, Holz zu ſägen, um ſich Bewegung zu verſchaffen. Er haßte jede Art Sport und verabscheute die Jagd , denn dieſe Unterhaltungen ſtahlen zuviel der kostbaren Zeit, den Geiſt zu bilden, etwas zu schaffen. Daher waren ſeine hygienischen Verſuche auch nicht von langer Dauer, und er griff lieber zu der bitterſten Medizin, ſeiner schlechten Geſundheit aufzuhelfen, als seine Zeit weiter zu verlieren . Er lernte aus Lust am Lernen, er arbeitete aus Freude am Wissen, er hatte den Ehrgeiz , alles verſtehen zu wollen, was für höchſte Intelligenz nur verſtändlich sein konnte. Ueber alles wollte er Aufſchluß haben, Licht verbreiten . er verachtete ſie ſogar.
Die Religion liebte er nicht, Damals, in Küſtrin, hatte der
Vater ihn gezwungen, die Kirche regelmäßig zu bez ſuchen, hatte aber dadurch nur das Gegenteil erreicht, denn von dieser Zeit an haßte Friedrich Kirche und · Dogma. Zwar hatte er noch stets Worte der Achtung für den Proteſtantismus, den er „ unſere heilige Religion" nannte. Aber solche Ausdrücke ſind nur ironiſch gemeint. Als er einſt in einem ſeiner Briefe an Manteuffel von „ unserem Herrn Jeſus Chriſt “ ſprach, dieſer Brief war im Monat März geſchrieben —, antwortete Manteuffel : „ Eure Königliche Hoheit wollten wohl einen verfrühten Aprilscherz machen !“ Die katho =
172
lische Religion mochte Friedrich am wenigſten und unter den protestantischen Sekten zog er den Calvinismus vor. Die Verdienste Luthers und Calvins erkannte er an, troßdem nannte er dieſen : ,,den frommen Heuchler, Mucker, dreifach Heiligen, den alten Veteran, Halunken von Calvin." Wenn Friedrich nicht religiös war, so glaubte er doch fest an einen Gott und wenigstens später erkannte die Zweckmäßigkeit alles Erſchaffenen an. Wie er jeder Art Religion gegenüberſtand , bezeichnen am klarsten die Worte, die er im Jahre 1737 dem alten Pastor Beausobre in Berlin äußerte : „ Um Gott zu lieben , braucht man weder Luther noch Calvin." Allen Kirchen macht er den Vorwurf, ihren Glauben den andern aufzwingen zu wollen und die zu verfolgen, welche anderer Ueberzeugung sind .
Er nennt die Re-
ligion den Unterdrücker der Vernunft. Das primitive, wahre Christentum, wie es
einſt geweſen, iſt ſeiner
Ansicht nach durch die Kirche entſtellt worden, und hat alles das eingebüßt, was es an Wahrheit, Größe und Schönheit hatte. Wie er über die Theologen dachte, schreibt er in einem Briefe an Voltaire :
"9,Was die Theologen anbetrifft, ſo glaube ich , daß sie alle gleich sind, welcher Religion oder Nation ſie auch angehören ; ihre Absicht ist stets, sich eine willkürliche Gewalt über die Geiſter anzumaßen ; das macht ſie zu den eifrigſten Verfolgern aller derer, die in ihrer hochherzigen Kühnheit die Wahrheit zu entſchleiern wagen; ihre Hand ist stets mit dem Blikstrahl des Fluches gewappnet, um jenes eingebildete Phantom von Unglauben zu vernichten, das sie, wie sie behaupten , ſtändig bekämpfen, unter deſſen Namen sie in der Tat aber gegen die Feinde ihrer eigenen Leidenschaft und Ehrsucht losziehen. Wenn man sie aber hört, predigen ſie Demut, eine Tugend, die ſie nie geübt haben, ſie,
173
Prieſter eines Gottes des Friedens , dem sie mit haßerfüllten, ehrgierigem Herzen dienen. Ihr Benehmen , das ihren Sittenvorschriften ſo wenig nachkommt, wäre ſchon allein imſtande , ihre ganze Lehre in Mißkredit zu bringen.
aus.
„ Der Charakter der Wahrheit ſieht ganz anders Sie hat weder Waffen nötig, um sich zu ver=
teidigen, noch Gewalt, um die Menschen zum Glauben an sie zu zwingen ; sie braucht nur zu erscheinen, ihr Glanz scheucht die ſie verbergenden Wolken fort, und ihr Triumph ist gesichert." Da Friedrich in den Lehren der Kirche nicht die Beantwortung der Fragen fand , die ſeine Seele über Ewigkeit und Unsterblichkeit stellte, suchte er in der Philosophie Aufklärung. Damals , im Jahre 1736, ge= rade
als
er
anfing,
ſich
mit
der
Metaphyſik
Wolffs vertraut zu machen, begann der Kampf für und wider Wolff aufs neue. Der berühmte Profeſſor, der wegen seiner
aufsehenerregenden
philoſophiſchen
Schriften aus Preußen verbannt war, sollte auf Be= treiben seiner Freunde und Anhänger den verlorenen Siz an der Univerſität Halle wieder erhalten.
Auch
Friedrich trat für Wolff ein, für dessen Lehren er hohes Intereſſe zeigte. Manteuffel hatte ihn mit der Wolffſchen Philoſophie vertraut gemacht, und Friedrich las die Schrift in franzöſiſcher Ueberſeßung. Leider glückte es nicht, Wolff nach Halle zurückzubringen ; Friedrich Wilhelm, bei dem die Feinde des Gelehrten leichtes Spiel hatten, wollte von dem „ Kezer“ nichts wiſſen. Erst als Friedrich Herr im Lande war, kam Wolff nach Halle zurück und wurde von dem jungen König aufs höchste geehrt. Voller Wissensdrang und Wahrheitshunger vertiefte sich Friedrich zu Rheinsberg in Wolffs Meta= Gedanken von physik, die „ Vernünftigen Gott , der Welt und der Seele des Men =
174
schen , auch allen Dingen überhaupt. “
Tag
für Tag las er die trockenen Säße Wolffs , die sich wie die Glieder einer Kette aneinanderschmiegen , aber auch schwer durch die Hände gleiten.
Ging er auf
Reisen, mußte die Schrift ihn begleiten, denn er fürchtete, den Faden zu verlieren, wenn er auch nur einen Tag mit der Lektüre aussette.
Und wie er sich durch
Bücher leicht beeinfluſſen ließ, und ſein Urteil und Denken sich meist mit dem deckte, was er gerade las, wurde er bald glühendſter Anhänger der Wolffschen Theorien. In ihnen glaubte er den einzigen Weg zur Wahrheit zu finden. Das Prinzip, daß nichts auf dieſer Welt ohne Recht eriſtiert, daß jedes Ding so geſchaffen ſein mußte, wie es iſt, und das Prinzip, daß von zwei sich widersprechenden Behauptungen die eine wahr ſein muß, schienen ihm fähig zu sein, die tiefste Wahrheit zu ergründen. Aber die Baſis , auf der ſolche Prinzipien gebaut ſein mußten, war nach Wolff für ihn der Glaube an ein „ einfaches Wesen“, jenes undefinierbare Etwas, das unsichtbar und unfaßbar den Sinnen der Menschen bleibt, und an dem die Teilbarkeit der Materie ein Ende gefunden hat.
Auf die Existenz eines
solchen „ einfachen Weſens “ mußte man ſchließen, denn wie sollte es kein „ einfaches Wesen“ geben, wenn es ,,zuſammengeseßte“ gab ? Als solche Gedanken in ihn einzogen, glaubte er,
die Ruhe ſeiner fragenden, zweifelnden und verzweifelnden Seele zu finden.
„ Ich beginne das Morgenrot eines Tages zu fühlen , das meinen Augen noch unsichtbar ist ; ich sehe, daß es in der Möglichkeit der Wesen liegt, daß ich eine Seele habe," so hoffte er in der Begeisterung für die ihm immer klarer werden= den Gedanken Wolffs . Und da er sich danach sehnte, zu wissen, ob wir wissen können , trieb er seinen Geist zu den höchsten Anstrengungen, in das ewige Geheimnis zu dringen, vom besten Willen beseelt, sich
175
überzeugen zu laſſen .
Aber die Hoffnung auf volle
Wahrheit sah er bald entſchwinden, denn ſeine Aufrichtigkeit gegen sich selbst zwang ihn zu Einwänden und machte ihn schwankend. Er war zu ſehr Skeptiker, um sich auch scheinbar logischen Beweisen zu fügen.
Wenn er auch im An-
fang, von der Größe der Jdee beſtochen, sich mitreißen ließ, so kam ihm doch bald der Zweifel und er fing an, den Glauben in seinem Innersten zu verlieren, wenn er ihn auch äußerlich noch aufrecht erhielt und ſeine Gründe verteidigte. So ging es ihm auch mit Wolffs Metaphyſik, über die er nach beendetem Studium mit ſeinen Freunden diskutierte, um die in ihm streitenden Stimmen des
„ Für“ und „ Wider“ laut
werden zu laſſen, und ſie an den Meinungen anderer zu erproben und zu meſſen. In diesem Bestreben zeigte er sich als ein echter Schüler
Bayles ,
der ihn gelehrt hatte,
daß die
meiſten Menschen schlecht folgern, inkonsequent denken und leicht dazu kommen, ſich ſelbſt zu täuſchen. Bayles Dictionnaire critique*) , das Hauptwerk des franzöſiſchen Gelehrten, aus dem Friedrich ganze Seiten zitieren konnte, hatte den tiefſten Eindruck in ihm hinterlaſſen, der ihn sein ganzes Leben nicht verließ . Und wie Bayle einen dauernden Einfluß auf Geister wie Voltaire , Diderot ,
D'Alembert ,
D'Argens
und La-
métrie ausübte, Bayle, den Voltaire für „ unſterblich" erklärte, so blieben auch Friedrich ſeine Lehren ausschlaggebend für jede Art Philoſophie. Die Lehre von der Toleranz, der Bayle in dieſem Werke gern Anſehen verſchaffen wollte, iſt bei Friedrich auf guten Boden gefallen. Sein berühmtes Wort, daß
ein
Jeder
in
seinem
Staate
nach
*) (1695-1697, neue sehr vervollständigte Ausgabe im Jahre 1702.)
176
seiner Façon selig werden könnte*) , iſt auf Bayles Einfluß zurückzuführen , der lehrte, daß man nie verdammen oder verfolgen sollte, weder für Jdeen, noch im Namen einer Religion. Denn weder die Theologen noch die Philosophen könnten der Menschheit eine Gewißheit geben.
Die
alle
und
Geligionen
Mühen
Follerirnt
werden
Musder Schcel nucht
da
s augu darauf haben
das Rein
der andern
abruch Suhe, во Auch viljender
Seiner Faſten n Würde.
da hier
nach
Selich
Diese Ansicht ist bei Friedrich ſchließlich auch ausschlaggebend geworden in der Beurteilung des Wolff= schen Werkes. Aber da er gern wiſſen wollte , wie weit *) Er prägte es ganz kurze Zeit nach ſeinem Regierungsantritt.
177
ſeine™ Theſen aufrechtzuerhalten waren, und
da ſein
Geist es liebte, ſich kritisch zu üben, ließ er es sich nicht verdrießen, trotz aufsteigender Zweifel das Studium Wolffs zu beenden. Und als er dann mit Voltaire . in Briefwechsel trat, war das erſte Thema, das er zur Diskussion brachte, Wolffs Metaphyſik. Schon im erſten Briefe sprach er von Wolff als dem größten Philoſophen ſeiner Zeit, da er in das Dunkel der Metaphyſik Licht brächte. Bald darauf schickte er dem bewunderten Dichter stückweise das Wolffsche Werk.
Und nun ent-
ſpann sich zwischen ihm und Voltaire ein reger Brief= wechsel, der einen tiefen Einblick in die geistige Entwicklung Friedrichs gestattet. Voltaire sprach sich entschieden gegen die Ansichten Wolffs aus, der, wie er bald ſcharfsichtig erfaßte, nur die Grundsäße von Leibniz teilte. Er ſelbſt ſtand als ein Jünger des engliſchen Philoſophen Locke auf dem Boden des Empirismus , den auch Newton und Clarke vertraten, während Wolff und Leibniz auf ſpiritiſtiſcher Grundlage bauten. Wenn er auch in den ersten Briefen mit seiner Anſicht zurückhielt, da er flug genug war, sich die Gunst und Freundschaft des preußischen Thronerben zu bewahren, ſo ließ Voltaire doch nach Empfang des leßten Abschnittes der „ Metaphysik“ deutlich durchblicken, daß er gern das Thema wechseln möchte. „ Wir sind," ſagt er am Schluſſe ſeiner Wider= legungen,
„ nicht einzig deshalb auf der Welt, um Plato und Leibniz zu ſtudieren , Kurven auszumeſſen
und unserem Kopfe Tatsachen einzuprägen ; wir sind mit einem Herzen geboren ,
dem wir Genüge leisten
sollen, mit Leidenschaften, die wir befriedigen müſſen, ohne uns von ihnen bemeistern zu laſſen.“ Ihm ist nach reiflichem Studium klar, daß die ganze Metaphyſik nur aus zwei Gebieten besteht : „ Das erſte enthält alles, was Menschen mit geſundem Verſtande Friedrichs d. Gr. Rheinsberger Jahre. 12
178
wiſſen können ; das zweite, was ſie niemals ergründen werden. - Wir können uns," so fährt er fort, ,,über alles dies nur mit Hülfe der Analogie ein Urteil bilden ; das ist ein Stab, den die Natur uns Blinden gab, und mit deſſen Unterſtüßung wir stets weiter schreiten, aber auch fallen. " Und Friedrich ließ sich von Voltaire überzeugen, zweifelte er doch selbst schon an dem, was er vertrat . Einem Geiste,wie Voltaire, wich er gern, und es klingt wie eine Entschuldigung, wenn er ihm antwortet :
,,Es giebt nichts Richtigeres, als was Sie von der Metaphyſik ſagen, aber ich geſtehe Ihnen , daß ich, unabhängig hiervon, meinem von Natur wißbegierigem Geiste nicht verbieten kann, Geheimnisse zu ergründen , die ihn eifrig beſchäftigen und ihn durch die Schwierigkeiten anziehen, die sie ihm bieten.“ Von nun ab ist in dem Briefwechsel der beiden die Metaphysik abgetan.
Nur kurz kommt Friedrich
auf sie zurück, indem er sagt, er glaube nicht, daß die Metaphysik jemals anderswo als in England Glück machen werde.
Deutſchland ſei , wie auch Frankreich,
voller Frömmler und Fanatiker, deren Dummheit und Vorurteile die Bemühungen freier Geister stets verfolgen
und
unterdrücken
werden.
Und
darauf
an=
ſpielend, daß man ihn ſelbſt als irreligiös verſchrie, da er für Wolf eingetreten war , schreibt er Voltaire : „ Wer
dafür
gilt ,
keine
Religion
zu
haben , wird allgemein verrufen , wenn er auch der ehrlichste Mann auf der Welt ist. Die Religion iſt der Göße der Völker ; ſie beten ja alles an , was sie nicht begreifen. “ Aber den Schmerz der Enttäuschung, in der Lehre der Metaphysik nicht das gefunden zu haben, was er so sehnlich erhofft hatte, konnte er nicht unterdrücken. Bitter klingt es, wenn er von dem Schöpfer eines
179
philoſophiſchen
Systems
verlangt,
daß
er
erst
die
Menschheit von ſeiner Unfehlbarkeit überzeugen müſſe, ehe er Glauben von ihr erwarten dürfe, und wenn er ſagt, eine Philoſophie gründen, heiße nichts weiter, als ein System bauen, das in sich zusammenfällt, wenn man es ſeiner schönen Phraſen entkleide. Er selbst schloß nunmehr ſeine Rechnung mit Religion und Philoſophie. Denn das feſte Haus , das er jezt mit Hilfe ſeines Skeptizismus ſeinem Geiſte erbaute, wies ferner allen ſpekulativen oder himmelstürmenden Ideen eine geſchloſſene Tür .
Aus allen Erfahrungen,
heißen Bemühungen und herben Enttäuſchungen war diese Burg seines
Glaubens
gebaut.
Für
Gott
stand ein Altar darin , für einen Gott , der Welten schafft und leitet , der sich aber nicht um die kleinlichen Miseren der Menschen kümmert, ihre armseligen Wünsche und Werke, all ihr irdisches Bauen und Zerstören, dieſes ewig gleiche Spiel ſich stets gleichbleibender ohnmächtiger Wesen.
Hier auf
Erden iſt ja alles nur die Folge des Einfluſſes der verschiedenen Charaktere der Menschen
aufeinander.
Haß und Liebe stoßen hart zuſammen, die Leidenschaften kämpfen in ewigem Streit, das Starke triumphiert über das Schwache. ,, Das höchste Wesen,“ so schreibt Friedrich in reiferen Jahren*) ,,,hat alle diese verschiedenen Naturen auf das Antlik der Erde
gebreitet, gleich wie
ein Gärtner in ſeinem Garten zufällig Narziſſen, Jasmin, Nelken und Veilchen sät, die nun zufällig dort wachsen, wo der Samen gefallen ist und die Blumen hervorbringen, die er enthielt.
So handeln auch die
Leidenschaften immer gemäß ihrem Charakter, und der große Baumeister kümmert sich ebensowenig um einen *) In einem Briefe an die Herzogin von Sachſen- Gotha vom 17. Mai 1760. 12 *
180
Ameiſenhaufen, der sich in seinem Garten befindet , wie Sie es tun würden. “ Friedrich glaubte weder an eine Vorsehung noch an einen Zufall, dem eine gewiſſe Berechnung innewohnt. Das ganze Dasein ist ihm nur eine Kette von Folgen, jedes Reſultat nur ein Ergebnis der Verſchiedenheit des Charakters, der den Weſen innewohnt, der ihnen verliehen wurde, gleich wie den Blumen die Farben gegeben sind , der einen rot, der andern weiß, der dritten blau. Und gleich wie die Farbe der Blumen mit ihnen vergeht, wenn sie verwelken, so taucht auch der Menschen Seele unter in das gähnende Nichts, wenn der Tod ihn hinwegrafft, um Plak zu machen . für einen neuen Frühling eines anderen Menschenkindes, - ein ewiges Wachsen und Sterben. Aber nur den Vertrauteſten war es vergönnt, einen Blick in dieſe innerſte Ueberzeugung Friedrichs zu tun , denn er hielt damit zurück, weil er jedem ſeinen Glauben Fanden die Menschen ihr Heil in der
lassen wollte.
Religion, war er's zufrieden ; es kam ja nur darauf an, daß sie es fanden, und nicht wo und wie. Und einen gewiſſen Glauben oder eine Religion mußte das Volk haben, denn damit kam ihm auch Ruhe und Frieden. Seiner Meinung nach lag ſogar in der Veranlagung der Menschen das Bedürfnis , irgendeinem unbekannten Wesen oder einer geheimnisvollen Macht Altäre zu bauen. Denn wenn man eine große Anzahl Ungläubiger zu einer Kolonie vereinigte, würde ſchon nach einigen Jahren irgendein Kultus unter ihnen entſtehen, dem bald ein anderer folgen würde.
Eine Re-
ligion macht immer der andern Plak . Eine lächerliche wird durch eine noch abſurdere abgelöst. Kommen auch Revolutionen des Glaubens vor, so ist es doch stets ein neuer Kultus, der an die Stelle des alten , gestürzten, tritt. Die Reformation war eine große Revolution, wieviel Blut und Tränen , Kriege und Vervüſtungen,
181
um der nehmen !
Menschheit
ein
paar
Glaubensartikel
zu !
Was für Entſehen würde auf Erden herrschen, wenn man den Menschen alle rauben wollte !
Warum hat nun Friedrich ſich in seinem Skeptizismus den Glauben an ein höheres Wesen, einen Gott, bewahrt oder vielmehr gebildet ? Er gibt uns ſelbſt Antwort : „ Ich möchte lieber an seiner Unermeßlichkeit zugrunde gehen, als auf den Glauben an ihn und alle intellektuellen Ideen, die ich mir von ihm machen kann, verzichten !“ Er will an einen Gott glauben, weil ihm sonst die ganze Welt, das Daſein, die Eriſtenz alles Jrdischen unſinnig erſcheint und unwert und nüklos zu leben. Er klammert sich an den Gedanken von der Eriſtenz eines Gottes, um seiner eigenen Existenz einen Sinn und eine Berechtigung zu geben. Er redet sich trok der Zweifel, die er kaum unterdrücken kann, diese Ueberzeugung auf, um Ruhe zu haben, um in Frieden mit ſich ſelbſt arbeiten, schaffen und genießen zu können. Schwer erringt er sich den Glauben, aber er erhält ihn sich, will ihn ſich nicht nehmen laſſen, dieſes Gut, deſſen Beſiß ihm selbst nicht sicher iſt. Den größten Einfluß auf Friedrich übten Voltaires Briefe aus. regelmäßig.
Der Dichter schrieb ihm oft und
Die beiden tauschten in ihrem umfang=
reichen Briefwechsel während der Rheinsberger Jahre ihre Gedanken über alles aus, was intelligente Menschen nur intereſſieren kann : Moral, Philoſophie, Religion, Metaphysik, Politik, Kunſt und Poesie. Und ihre Briefe sind in ſo verbindlicher Art geſchrieben, daß es eine Freude ist, dieses geistreiche Frage- und Antwortspiel zweier so bedeutender Menschen zu verfolgen. Sie kannten sich beide persönlich noch nicht.
Aber ſchon
verehrte Friedrich Voltaire schwärmeriſch.
Für seine
Werke begeisterte er sich.
Er hatte ihm ganz einfach
182
eines
Tages
laſſung.
geschrieben,
ohne jede äußere Veran=
Und Voltaire, der neben dem Intereſſe für
dieſen jungen Prinzen, der so ganz anders war, wie die Fürsten
seiner
Zeit,
sich
geschmeichelt
fühlte,
von
Preußens zukünftigem Herrscher ſo verehrt zu werden, ging bereitwillig auf eine Korreſpondenz ein. ,,In Correspondenz ſtehen,“ schrieb Friedrich ihm eines Tages, „ heißt Gedankenhandel treiben, aber ich habe bei unserem Geschäfte den Gewinn, daß Sie mir Geist und Wahrheiten als Gegenleiſtungen geben. Wer könnte unempfindlich genug oder so wenig eigennütig sein, um einen solchen Umgang nicht zärtlich zu pflegen ? Wirklich, wenn man Sie einmal kennt, kann man Sie nicht mehr entbehren, und der Briefwechsel mit Ihnen ist für mich zu einem der unerläßlichſten Lebensbedürf= nisse geworden. Ihre Gedanken dienen meinem Geiſte als Nahrung.“ Gerade in die wichtigsten Jahre von Friedrichs Entwicklung, in die Jahre, da er ſich ſeinen Charakter bildete, sein Geist willig war, zu hören und zu verſtehen, trat Voltaire mit ſeinem Einfluß . Und dieser Einfluß ist ein dauernder geblieben, wenn auch Friedrich ſpäter erkannte, daß ſein Idol in
der Nähe betrachtet
nur
ein gar schwaches Menschenkind war , deſſen Habsucht und Tücke so schlecht zu dem großen Dichter und geiſt= reichen Denker paßten. Gleich bei der ersten Begegnung der Beiden, die im Jahre 1740 ſtattfand , durchſchaute Friedrich „ den lieben Freund", wie er ihn nannte.
Denn er schrieb
an Jordan : „ Dein Geizhals wird ſeinen unerſättlichen Wunsch sich zu bereichern, ſtillen können.
Er wird
1300 Thaler verdienen. Seine Erſcheinung wird nur für die sechs Tage täglich 550 Thaler kosten.
Das heißt
einen Narren gut bezahlen ; niemals hatte der Hofnarr eines großen Herrn ſolche Gage. “
183
Von dem Tage an, wo Friedrich Voltaire perſönlich kennen gelernt hatte, änderte er sein Betragen gegen ihn. Er wurde zurückhaltend und verbarg ſein Innerſtes vor ihm, während er sich vorher in den vier Jahren des brieflichen
Verkehrs
offen und rückhaltslos gegeben
hatte, voller Vertrauen in einen Mann, größten seiner Zeit zählte.
der zu den
Als ein echter Philoſoph
fand er sich mit der Doppelnatur Voltaires ab, nahm ſeine Schwächen mit in den Kauf, um von ſeiner Stärke zu profitieren.
Und Voltaire, der glaubte, Friedrich
durchschaue seine Rolle nicht, die er mit viel Geſchick zu spielen wußte, ließ ſich düpieren.
Die politiſchen
Geheimnisse, die er Friedrich zu entlocken glaubte und durch deren Mitteilung er in seinem Vaterlande als großer Diplomat und Politiker glänzte, waren weiter nichts, als geschickte Fallen, die Friedrich ihm von Zeit zu Zeit ſtellte, in dem stillen Vergnügen, den größten Schriftsteller Frankreichs zum beſten zu halten. Sein Skeptizismus fand ſeine helle Freude daran, den Autor der Henriade in seiner ganzen Menschlichkeit beobachten zu können, auf den Schleichwegen des Ehr= geizes und der Ruhmbegierde. Schon dreizehn Jahre vor dem Bruch der beiden ,,Freunde" in Berlin war Friedrich ſich über Voltaire im klaren. Er wurde es bei jener ersten Begegnung. An den treuen Jordan schrieb er damals die tiefemp= fundenen Verse : ,,Ach, glaube niemals wahr und treu
Die schönen Worte schöner Geiſter ; Sie können ja ſo reizend schreiben, Doch wenn Dich diese schmeichelnden Sirenen Durch ihren Sang gefesselt glauben, Dann lassen sie die Maske fallen ; Aus ihrem Munde wachsen Vipernzungen Und schmähen werden ihre Stimmen, Die käuflichen, wo einstmals sie gelobt !"
184
Was Friedrich damals vorausgesehen, traf ein. Aber auch nicht ganz ohne seine Schuld , denn auch er bemühte sich hinter Voltaires Rücken gegen ihn zu wirken, ihn mit ſeinem Vaterlande gänzlich zu entzweien, um diesen unvergleichlichen Geſellſchafter ganz an seinen Hof zu fesseln. Voltaire fühlte sich in seiner Eitelkeit und Eigenliebe tief verlegt, als ihm die Augen aufgingen über seine eigentliche Stellung, über den wahren Grund, aus dem Friedrich ihn zu sich herangezogen hatte.
Und troßdem hatte er nicht Mut und Stolz
genug, seine unwürdige Lage zu ändern.
Der gute
Verdienst, der Einfluß, den er als Freund des Königs ausüben konnte und zuleht wohl auch die faszinierende Person Friedrichs ließen ihn lieber demütig bitten und sich selbst erniedrigen, als fortgehen, wie die Ehre es gebot. In einem
Briefe an Algarotti*) teilt Friedrich
selbst mit, wie er über Voltaire dachte : „ Es iſt ſchade, daß eine ſo niedrige Seele an ein ſo hohes Genie gebunden ist. Er iſt amüſant und boshaft wie ein Affe. Ich werde Ihnen erzählen, was jezt wieder mit ihm ist, wenn ich Sie wiedersehen werde.
Ich lasse ihn
natürlich nichts
merken, denn ich brauche ihn zum Studium franzöſiſcher Ausdrucksweise und Beredſam-
keit.
Man kann etwas Gutes selbst von einem Ver= "
brecher lernen. Ich will sein Französisch lernen, was kümmert mich seine Moral ? Dieser Mensch hat das Mittel gefunden, die Gegensätze zu vereinen. Man bewundert seinen Geist und zur selben Zeit verachtet man seinen Charakter." Diese Worte
bezeichnen
Standpunkt Voltaire gegenüber.
am besten
Friedrichs
So war seine Freund-
ſchaft zu ihm beſchaffen. Er gebrauchte ihn und beAber es gehört schon ein gutes zahlte gut dafür. *) Am 12. September 1749.
185
Stück Menschenverachtung dazu, ſich von Voltaire die Schriften und Gedichte korrigieren zu laſſen und ihn dabei als einen Verbrecher zu bezeichnen. Die Zeit war vorüber, da Friedrich Macchiavelli verdammt hatte.
Jezt war er für die einſt als ſchänd-
lich bezeichneten Grundsäße des Florentiners . Er fragte nicht mehr nach der Art des Mittels, wenn es nur paßte, das zu erreichen, was er wünschte.
Dazu kam
der Ehrgeiz des Schriftstellers. Und so fand er es ganz in der Ordnung, wenn Voltaire seine Werke verbeſſerte, Voltaire, den er im Grunde ſeiner Seele verachtete ! Rheinsberg sah das alles noch nicht.
Da gab
es nur einen jungen Prinzen, der dem Dichter ſchwärmerische Briefe ſchrieb, der fiebernd die Poſt erwartete, der den ersehnten Brief stehend las, mit ihm ins Arbeitszimmer lief und hinter geschlossener Tür noch einmal die geistreichen Säße las, die wie ein Bukett zierlich gebunden waren.
Zehntes Kapitel. Des Königs Krankheit. Seine letzten Tage. Friedrich eilt von Rheinsberg nach Potsdam. Versöhnung zwiſchen Vater und Sohn. Des Königs politiſches Testament und legter Wille. Sein Tod.
Mt it Politik beschäftigte sich Friedrich in Rheinsberg anfangs wenig. Er über= ließ König Miniſtern . ſie dem und seinen Die
Ruhe
seines
ſtört genießen,
im
den der Freiheit,
Tuskulums Kreise
wollte
er
unge=
der Freunde die Freu-
der Musen kosten.
Nur einmal
glaubte er, schon jezt auftreten zu müſſen für ſein Land . Es war, als Friedrich Wilhelm im Winter 1734 schwer krank wurde, und die Aerzte ihm nur eine kurze Frist gaben.
Da suchte er den Gesandten Frank-
reichs auf und machte ihm Vorschläge für die Zukunft. Sein Plan, den er bis in die Details ausgearbeitet hatte, ging im Geheimen dahin, Frankreichs Alliierter zu werden und mit ihm Rußland und Oeſterreich zu bekämpfen.
Dabei lugte er nach dem großen, reichen
Schlesien, das ihm ſeiner Beſchaffenheit und Lage nach am geeignetſten erſchien, Preußen zu vergrößern.
Die
Politiker erkannten damals nicht, was in dem jungen Prinzen schlummerte, ſie nahmen ſeine Ideen hin als Träume eines jungen, ehrgeizigen Königsſohnes. Der liebenswürdige Marquis de la Chetardie, der Ambaſſadeur Frankreichs, ging zwar wohlwollend auf Friedrichs Pläne ein, zog ſie aber kaum ernsthaft in Betracht.
187
Aber wie hätte sich die Zukunft doch ganz anders gestaltet, wenn der König, den man schon aufgegeben, ſich nicht plöglich wie durch ein Wunder vom Krankenbett erhoben hätte.
Denn sicher hätte Frankreich damals
in seiner prekären Lage die hilfreiche Hand Friedrichs nicht abgelehnt,
und wenn Friedrich dann Schlesien
als gute Beute und Belohnung verlangt hätte, eine Provinz, die weit vom Rheine, von franzöſiſchen Intereſſen lag, würde es gern ſeine Zustimmung gegeben haben.
Wie anders wäre dann die ganze Politik des
achtzehnten Jahrhunderts geworden ! Die Völker hätten nicht die Kriege erlebt, die Friedrich als Führer der Politik seinerzeit dadurch entfachte, daß er in Schlesien einrückte.
Aber in dem bedeutsamen Moment, da Euro-
pas Lage in Wirklichkeit nur von dem Ausgange der Krankheit Friedrich Wilhelms abhing, ſchlug ſein Leiden zur Besserung um. Die Schreie ,,Luft, Luft" ertönten nicht mehr, die Schwärze des Gesichts , die gleich dem Stempel des Todes ſein Antlig faſt unkenntlich gemacht hatte, wich langsam, und als der König die erſte Tabakspfeife rauchen konnte, griffen ſeine ſtarken Hände wieder in die Zügel der Politik, und Friedrichs Pläne fielen. Troßdem er in dieſer kritischen Zeit dem Vater gezeigt hatte, wie er mit ihm litt, konnte Friedrich das bittere Gefühl einer Enttäuschung nicht ganz unterdrücken. In dieser Stimmung bat er um die Erlaubnis, von neuem ins Feld zu ziehen.
Wir wissen, daß sie ihm verſagt
wurde und daß er nach Preußen geschickt wurde, die Oekonomie des Landes zu ſtudieren. Aber von nun an verfolgte er eifriger als zuvor den Gang der politischen Ereigniſſe.
Er fühlte wohl
unbewußt, daß die Zeit nicht mehr fern war, da er den Vater abzulösen hatte. Im Rheinsberger Kreiſe lauschte man gespannt nach Potsdam und Berlin, gewiſſe, durchaus nicht unwillkommene Neuigkeiten zu
erfahren.
Der Winter
188
von 1739 bis 1740 kargte denn auch nicht mit bösen Nachrichten von dem Krankenbett, auf das der König wieder geworfen war. Als die Botschaften immer schlechter wurden, zweifelte bald niemand mehr an dem nahen Ende Friedrich Wilhelms.
Und selbst bei den
Besten regte sich die Hoffnung auf die neue Zeit unter dem zukünftigen Könige, ihrem Freunde. Die ſchönſten Perspektiven öffneten sich vor den Augen der
ehr-
geizigen Anhänger des Prinzen. Und er war der erſte, der ihnen diese Schwäche verzieh, denn er kannte das menschliche Herz, maß es an ſeinem eigenen, das für den Vater bangend schlug, aber auch vor Freude und Denn Hoffnung auf kommende große Zeiten zuckte. Friedrich fühlte sich als ein Auserwählter, den das Schicksal einem Lande ſandte, in dem Stärke und Macht schlummerten, unter deſſen dürftiger Oberfläche verborgene Schätze lagen, die nur des weckenden Genius bedurften. Er wußte, daß er ein gefährliches Spiel vor hatte, das sein Ganzes als Einſah verlangte. Aber er fühlte, ahnte, daß er Sieger sein würde, denn er hatte unbegrenztes Vertrauen in sich selbst, kannte genau seine schwachen und starken Seiten und noch besser die ſeiner zukünftigen Gegner. Friedrich Wilhelm hatte seine lehte Fahrt nach Potsdam
gemacht.
Mit
den
Worten :
„ Leb' wohl,
Berlin, in Potsdam will ich sterben" hatte er Berlin verlaſſen.
Und nun ſaß er im Schloſſe, in Geſellſchaft
seiner Regimentsprediger, und diskutierte mit ihnen seine Chancen fürs Paradies.
Sie gingen streng mit
ihm ins Gericht und ließen ihm wenig Hoffnung auf einen guten Empfang im Himmel. Demütig und glaubensfürchtig sprach dieser starke Mann mit der kindlichen Seele von seinen Fehlern, die er zu
ent-
schuldigen suchte. Als einer der Pfarrer ihm ſeine häufigen Zornesausbrüche vorhielt, meinte er, sie seien doch ſtets nur
189
von kurzer Dauer geweſen und darum leicht zu vergeben.
Aber der strenge Cochius ließ das nicht zu .
"", Es gibt keine gefährlichere Leidenſchaft für einen Herrscher als den Zorn," entgegenete er ihm, „ und keine andere als sie schließt so sicher vom Himmelreich aus, wo die Demut regieret."
Der König verteidigte sich
hartnäckig und redete ſich ſchließlich unbewußt in Zorn. Da schwieg der Prediger, und sein Schweigen entsetzte den Kranken ſo ſehr, daß er nachgab und ausrief : „ Ach, ich bin ein Sünder.“ Cochius antwortete lobend : „ Sire, das ist ein erbauliches Geſtändnis. “ Aber er verurteilte die Reſignation des Königs und erlaubte ihm weder Lebensmüdigkeit noch den Wunſch zu sterben.
„ Ein echter Christ," lehrte
er,
„ verläßt
diese Welt, wie ein mäßiger und tugendſamer Mensch von
Tische
aufsteht,
nicht
aus
Ueberſättigung und
Langeweile, sondern wie einer, der zufrieden ist mit dem , was er genoß.“ Noch immer hoffte der König auf ein Wunder, das ihn retten könnte, wenn er auch schon alle Anſtalten traf, die Regierung in die Hände Friedrichs zu legen. Am 26. Mai noch schrieb er ihm einen herzlichen Brief, den letzten , in dem er ihn seinen ,,geliebten Sohn" nannte, während er sonst nur ,,mein lieber Sohn“ schrieb, und dankte ihm für ſein Mitgefühl und das Versprechen, in allen Stücken seinem väterlichen Rat folgen zu wollen. Er freute sich darauf, ihn zum Pfingſtfeſt in Potsdam umarmen zu können. Pfingſten fiel 1740 auf den fünften Juni. Aber schon am 27. Mai eilte ein Kurier nach Rheinsberg, den Prinzen nach Potsdam zu rufen. König.
Die Botschaft kam nicht vom
Freunde hatten sie Friedrich gesandt, denn
man erwartete ſtündlich des Königs Ende. Nicht unerwartet kam die Nachricht.
Und troßdem
ſeßte sie das ganze Schloß in Bewegung.
Was für
Hoffnungen und Aussichten löste sie in den Herzen der
190
Rheinsberger
Gäſte !
Wird
der
königliche Freund
halten, was der Prinz versprach ?
Werden die ehr-
geizigen Träume in Erfüllung gehen ? Mit Bangen harrten die Freunde der kommenden Dinge. „ Fünf Tage," schreibt Bielfeld,,,verstrichen in Ungewißheit ; ſie ſchienen unz unerträglich lang zu seyn . Wir glaubten mehr als einmal, daß ein neuer Josua der Sonne am Himmel Stillstand geboten hätte." Friedrich war in aller Eile nach Potsdam aufgebrochen.
Auf
den
schlechten
Wegen wurden die
Pferde fast zugrunde gerichtet. In seiner Begleitung waren Buddenbrock und Jordan. Als er in Potsdam anlangte, sah er inmitten einer Menschenmenge den König, welcher der Grundſteinlegung eines Hauſes beiwohnte, das er einem engliſchen Hufschmied bauen ließ, dessen Geschicklichkeit er schäßte.
In diesem Augenblick
fühlte sich Friedrich beschämt und verwirrt.
Er kam,
ohne gerufen zu ſein, ſah des Königs Augen überraſcht auf ihm haften ; wie würde er empfangen werden, deſſen Besuch einen so unzweideutigen Grund zu haben ſchien ?
Aber der König, von dem alle Härte gefallen war, streckte ihm die Arme entgegen, und Friedrich warf sich weinend an des Vaters Brust. So blieben sie eine Weile,
als ob sich nunmehr ihre Herzen gefunden hätten, dann redeten sie miteinander und fanden ſo liebevolle Worte, wie nie zuvor . Nun war der Bann gewichen, der Vater und Sohn in langen Jahren getrennt hatte, die Wolken waren geflohen, die Strahlen der untergehenden Sonne vergoldeten und erwärmten die letzten Tage des mit dem Tode ringenden Königs und erfüllten des Sohnes Seele mit Liebe und Verſtändnis für einen Vater, der stets seiner Kinder Beſtes erstrebt hatte und nur in der Wahl der Wege nicht glücklich gewesen. Später, im Prinzen
in
Schloß,
hatte
der König mit dem
Gegenwart des Kabinettsminiſters von
191
Podewils eine lange Unterredung.
Es war seine lezte.
Und er wußte es wohl, denn troß der grimmen Schmerzen, die ihm fast die Stimme raubten, hielt er sich tapfer und sprach anderthalb Stunden.
Alles,
was er auf dem Herzen hatte, all seine Sorgen um die Zukunft seines Staates, teilte er dem ehrfürchtig lau-
Die Schwestern Friedrichs des Großen (Delgemälde in Rheinsberg)
Wilhelmine, Markgräfin von Bayreuth, geb. 1709
Charlotte, Herzogin von Braunschweig, geb. 1716
Friederike, Markgräfin von Mosbach, geb. 1714
Sophie, Markgräfin von Schwedt, geb. 1719
Ulrike, Königin von Schweden geb. 1720
schenden Sohne mit.
Amalie, Aebtissin von Quedlinburg, geb. 1723
Mit verblüffender Klarheit des
Geistes sprach er von der politischen Lage, den Aufgaben seines Nachfolgers, den Chancen Preußens bei seinen Nachbarn und
erinnerte an die auswärtigen
Beziehuugen, vomAbschluß des Hannöverschen Bündniſſes an bis zu dem noch frischen Geheimvertrag mit Frankreich.
Er riet ihm zu Mißtrauen gegen ganz Europa, mit Ausnahme Dänemarks und einiger kleiner Staaten Norddeutschlands.
Er warnte ihn vor Oesterreich, das
ſtets darauf bedacht ſein würde, Preußen niederzuhalten. Er solle stets streben, mit Rußland Neutralität zu wahren, denn auch der glückliche Ausgang eines Krieges mit den östlichen Nachbarn könne ihm nichts einbringen. Im Kaiser habe er das Haupt des Reiches zu achten. Den Holländern warf er Eifersucht auf das Wachsen Preußens vor und mahnte darum zur Vorsicht auch ihnen, den alten Alliierten gegenüber.
Er hatte über-
haupt wenig Vertrauen in Bündnisse und Verträge. ,, Sie sind nur angenehm für die Gesandten, die sie abschließen," meinte er,,,denn sie bringen ihnen schöne Geschenke ein ; aber ihren Herren nüßen sie nicht, denn Verträge, die gehalten werden, sind selten."
193
Seiner Ansicht nach hätte Friedrich zwischen England und Frankreich zu wählen . Mit beiden Mächten ſollte er aber auf der Hut ſein, bevor er etwas mit ihnen vereinbarte. Denn in seinem Schwager Georg II. ſah er zwei Perſonen : den König von England und den eifersüchtigen Kurfürsten von Hannover. Und wenn Frankreich ein engeres Bündnis verlangte, ſollte er nur darauf eingehen, wenn ihm beſtimmte Zusicherungen für das bergische Erbfolgerecht Preußens gemacht würden. Er warnte den Sohn vor Alliancen, die Hilfstruppen verlangten ; dann würde Preußen auf das Niveau eines kleinen Staates herabſinken, wie etwa das Württem= bergs oder Gothas. Erschöpft von der übermenschlichen Anstrengung hielt der König eine Weile inne, dann raffte er sich noch einmal auf, um seinen lezten Rat zu geben, den, nie leichthin einen Krieg zu beginnen, da man nie Meiſter seines glücklichen Ausganges sei.
Wenn aber nach
reiflicher Ueberlegung und mit Gottes Beistand und Segen der Entschluß feſtſtände, dann gelte es, die Macht zuſammengehalten und die einmal erwählte Seite fest zu behaupten. Mit Weisheit und Umſicht hatte der König PreuBens Freunde und Feinde dem Sohne vor Augen ge= führt.
Und es war, als ob der nahe Tod dem schon
halb der Erde Entrissenen Seheraugen gegeben hatte , denn es lag in seinen Worten wie ein unbewußtes Hindeuten auf die zukünftige Größe und Macht Preußens, die Erfüllung jener ehrgeizigen Träume von dem Aufschwung des heißgeliebten Landes, die auch in seiner Brust wohnten, wenn er auch nie gewagt hatte, sie zu verwirklichen.
Er fühlte in dieſer Stunde, daß seine
Arbeit nicht umſonſt geweſen, daß er in dem Sohne einen würdigen Nachfolger hatte, der das mühsam erworbene Gut des Vaters nicht nur halten, ſondern auch vermehren würde. „ Tat Gott mir nicht viel Gnade, Friedrichs d. Gr. Rheinsberger Jahre. 13
194
daß er mir einen ſo braven und würdigen Sohn gegeben ?"
So rief er, als die Offiziere und Beamten
nach Beendigung seiner Rede eintraten.
Da stürzte
Friedrich zu ſeinen Knien und küßte des Vaters Hand, die er mit Tränen der Rührung und Bewunderung nehte. Und Friedrich Wilhelm ſchlang ſeinen Arm um den Hals des Sohnes und barg ſein Haupt schluchzend an Friedrichs Wange.
„ Mein Gott, “ flüsterte er, „ ich
ſterbe zufrieden , da ich einen ſo würdigen Sohn und Nachfolger hinterlaſſe !“ Am nächsten Tage, einem Sonntag, ließ der König den eichenen Sarg mit Kupferbeſchlägen in ſein Zimmer bringen und vor sich niederſeßen. Der nahe Tod machte ihn ſtill und ergeben. Mit zufriedenem Auge betrachtete er seine letzte Ruhestätte, und sprach von dem ewigen Schlafe als etwas Köstlicheṁ. Darauf händigte er dem Kronprinzen seinen lezten Willen ein : „ Wie ich will, daß Ihr es mit meinem Leibe halten sollt, wenn der Allerhöchste mich aus dieser Zeitlichkeit wird zu ſich nehmen" ; dann wurde dieſe Verfügung verleſen. Wie er ſtets peinlich ſauber geweſen, ſo befahl er, daß ſein Körper nach seinem Tode gewaschen und mit weißer Wäsche bekleidet werden sollte.
Darauf ſollte
man ihn auf einen Tiſch legen und raſieren. Neugierig auf die Ursache seiner Krankheit und seines Todes, wollte er, daß man nach vier Stunden im Beiſein mehrerer Personen, die
er benannte, ſeinen Körper
öffne und die inneren Teile sorgfältig unterſuche, um den Krankheitsherd zu entdecken. Aber in ſeinem Sinn für Ordnung verbot er die Hinwegnahme irgendeines Teiles, mit Ausnahme des Waſſers und der Flegmen. Die Trauerfestlichkeit hatte er aufs genaueste ge= ordnet. Sein Regiment wird in neuer Uniform antreten, das erste Bataillon wird vor dem Schlosse Aufstellung mit dem rechten Flügel zum Waſſer hin ; das zweite links vom ersten, und das dritte hinter dem
nehmen,
195
ersten.
Die Trommeln, Pfeifen und Hoboen sollten
mit schwarzem Flor garniert ſein. Die Offiziere werden schwarzen Flor an Hut, Arm, Schärpe und Degenquaſte tragen, und die Fahne ſollte ſchwarz verschleiert ſein. Der Wagen wird am Fuße der grünen Treppe warten , wohin der Sarg von acht Hauptleuten getragen werden sollte, die sich darauf sofort auf ihre Posten zu be= geben hatten. Mit dem Liede „ O Haupt voll Blut und Wunden" sollte sich dann der Zug zur Kirche hin in Bewegung setzen.
Dort werden die acht Hauptleute
den Sarg durch die Tür, die der König stets benutt hatte, hineintragen, die Hoboen sollten ertönen und der Kapellmeiſter wird die Orgel ſpielen.
Er verbot, eine
Rede zu halten, denn er haßte die frommen Lügen , die bei solchen Gelegenheiten unvermeidlich wären . Dafür sollten die Kanonen und Gewehre der Soldaten sprechen. Des Abends wird den Offizieren ein gutes Souper im großen Saale des Schloſſes gegeben. Vom beſten Rheinwein sollten sie trinken, „ und ſollen übrigens keine Façons mit mir gemacht oder vorgenommen werden." Noch zwei Tage wartete der Tod auf seine sichere Beute.
In der Nacht zum Dienstag, dem 31. Mai,
ließ der König den Prediger zu sich rufen.
Er be-
klagte sich, sein Gedächtnis verloren zu haben, alle seine Gebete hätte er vergessen. Auf fünf Uhr morgens hatte er den Kabinetssekretär und ſeine militäriſchen Freunde zu sich berufen. Bevor sie kamen , ließ er sich zu der Königin führen, die er mit den Worten weckte : „ Steh' auf, ich muß sterben !" Dann besuchte er die Kinder und ließ sich zurückbringen. Im Vorzimmer wartete er, bis alle, die er zu sich gerufen, verſammelt waren.
Als niemand mehr fehlte, bat er den Kron=
prinzen, ſich dicht neben ihn zu ſehen, die andern blieben ſtehen. In dem ehrfurchtsvollen Schweigen hörte man des Königs Stimme, die so schwach geworden, daß er
13 *
196
dem Adjutanten die Worte ins Ohr flüstern mußte. Er entſagte in aller Form der Regierung und übertrug ſie dem Kronprinzen : „ ſo und ſolcher Geſtalt, als wenn er selbst schon zehn Jahre des Todes verblichen und der Kronprinz ſeit der ganzen Zeit im völligen Besitz der Regierung gewesen wäre. “ Der Minister von Podewils sollte die Abdankung den fremden Höfen mitteilen. Als Podewils den König darauf aufmerksam machte, daß die Urkunde von ihm unterschrieben
werden
müßte,
erhielt
er
keine
Antwort ! Der Sterbende befahl nur, daß man ihn in ſein Zimmer zurückführte. Was beabsichtigte er mit ſeiner offenbaren Weigerung ?
Hoffte er immer noch
auf ein Wunder, das ihn retten konnte ?
Wollte er
als Chriſt Gott zeigen, daß er sich von allem Jrdischen lossagte, und sich als Mensch und Herrscher gleichzeitig die Möglichkeit wahren, die Urkunde im Falle der Genesung für ungültig zu erklären ? Kurz darauf befahl er dem Kronprinzen, mit einem der Miniſter zuſammen ſeine Arbeit zu beginnen ; er wollte die Genugtuung haben, die Fortsetzung der Regierung zu sehen.
Ruhig weiter werden die Räder
der Staatsmaschine laufen , dachte er, keine Stockung wird der Tod ihres Lenkers bringen. Eine Ohnmacht überfiel ihn.
Der Prediger Cochius, den man ſchnell
herbeirief, las die lezten Gebete, und mit so lauter Stimme, daß der König erwachte und ihn bat, nicht so laut zu schreien.
Plößlich erinnerte er sich, daß die
Dienerschaft neue Livreen erhalten hatte.
Er ließ sie
zu sich rufen, und ſeufzte beim Anblick der beſcheidenen , durchaus nicht glänzenden Röcke : „ Oh
Eitelkeit, oh
Eitelkeit !" Aufs neue ſank er in Ohnmacht, aber schon nach einigen Minuten kam ihm das Bewußtsein wieder. Den Regimentsarzt fragte er , wieviel Augenblicke er noch zu leben habe, und ließ sich einen Spiegel por= halten, um das Nahen des Todes auf ſeinem Gesichte
197
zu erwarten.
Schließlich murmelte er : „ Ich bin schon
tot", und bald darauf : „ Herr Jeſus, in Dir lebte ich, Du bist mir Gewinn, im Leben wie im Tode." Auf ein Zeichen des Arztes gab der Kronprinz der Königin den Arm und führte sie hinaus .
Kaum
hatten sie das Zimmer verlassen , als der König den Geist aufgab.
Es war
drei Uhr nachmittags .
Der
Todeskampf war ein langer und schmerzvoller geweſen, des toten Königs Antlik verriet die Qualen, die ihm die letzten Stunden gekostet.
Noch jezt blieben seine
Augenbrauen schmerzhaft verzogen, und um den eingefallenen Mund , die ſpiße Naſe lagen die Spuren der Pein, die er wortlos getragen. „ Er ſtarb,“ rief Friedrich dem Vater nach, „ mit der Festigkeit eines Philoſophen und der Ergebung eines Chriſten.
Bis zum letzten Augenblick bewahrte
er ſeine bewundernswerte Geistesgegenwart, seine Geschäfte als Staatsmann ordnend, wie ein Arzt die Fortschritte seiner Krankheit verfolgend , und über den Tod triumphierend als ein Held !"
Elftes Kapitel. Erwartungsstunden . Die Todesnachricht kommt nach Rheins= berg. Huldigung der neuen Königin von Preußen. Der Toaſt der Frau Oberhofmeisterin. Eliſabeth Chriſtines Enttäuschung in Berlin. Was aus den Rheinsberger Freunden wird. Fried= richs erſte Regierungstaten. Das neue Regime.
Rheinsberg ſtand im luftigen Schmuck der blühenObstbäume, der Flieder duftete und das frische Grün des Mai umrahmte den frühlingsblauen See, als Friedrich es verlassen hatte.
Draußen jauchzte
die Natur voller Hoffnung, sangen die Vögel die alten Weisen, aber die drinnen im Schlosse hatten nicht Augen und Ohren für den Frühling, sie schauten nur bangend dem Boten entgegen, den ſie täglich, ſtündlich erwarteten. Kaum wagten ſie zu hoffen, denn die Furcht vor Friedrichs strengem Vater, die so oft die Freude an den ſtillen, frohen Tagen von Remusberg gedämpft hatte, hielt ihre Herzen in alten Fesseln.
Gespannt
sahen sie des Tages von den Dächern des Schloſſes zum Horizont und fieberten vor Erregung beim Anblick eines Pferdes, eines Mauleſels, ja ſelbſt eines Rindes und des Nachts lauschten sie, ob sich nicht das Getrap= pel von Hufen auf der Schloßbrücke hören ließe. Am Abend des 31. Mai saß die Kronprinzessin mit drei ihrer Hofdamen beim Kartenspiel in ihrem Kabinett, während Bielfeld und Herr von Brand mit zwei Damen im Vorgemach eine Quadrille machten. Da, um 8 Uhr, brachte der erste Kammerdiener der Prinzeſſin ein Die Gesellschaft im schwarzversiegeltes Schreiben.
Kirche Rheinsberg in
200
Vorgemach glaubte natürlich sofort, daß die erſehnte Nachricht eingetroffen wäre, und Herr von Brand ſtand auf, nahm ſeinen Hut und sagte : „ Ich will der erſte ſein, der der Prinzeſſin als Königin ſeine Ehrfurcht bezeugt und ich will alle Kräfte meiner Beredsamkeit aufbieten, um das Wort „ Jhro Majeſtät “ recht majeſtätisch auszusprechen !“ Leiſe ging er zu der geöffneten Tür, gefolgt von den andern.
Die Prinzessin las den Brief und beim
flüchtigen Aufblicken von ihrer Lektüre erriet ſie aus den Mienen der ehrerbietig auf der Schwelle Stehenden, was in ihren Seelen vorging.
Verwundert fragte
ſie, warum das Spiel schon beendet sei und machte sich über die Verwirrung der in sicherer Erwartung Getäuschten lustig. Es war nicht die von allen gewünſchte Nachricht, die der schwarzversiegelte Brief gebracht hatte, und beim darauffolgenden
Souper
moquierte
Christine weidlich über die Voreiligen.
sich
Elisabeth=
Bielfeld ging
auf ihre Scherze ſogar ein und meinte, daß der Kranke ,,nicht wenig erbaut“ ſein würde, wenn er erfahre, wie ungeduldig man hier auf sein Ende warte. Damit hatte er den andern Mut gegeben, auch ihre Vorfreude auf den baldigen Wechsel der Dinge laut werden zu laſſen, und in fröhlichſter Stimmung ging das Mahl zu Ende. Um zwölf Uhr nachts erſt hob die Prinzeſſin die Tafel auf und bald lag das Schloß in tiefer Ruhe. Da plöglich, um zwei Uhr, dröhnte die hölzerne Brücke unter den Hufen eiliger Reiter. Alles sprang aus den Betten und lauſchte klopfenden Herzens den ſpäten Boten entgegen. Stimmen wurden laut, und haſtig rief es einer dem andern zu, daß endlich, endlich der König gestorben .
Knobelsdorff riß die Tür zu
Bielfelds Zimmer auf, stürmte herein und rief : „ Geschwind, steh'
auf, Bielfeld, der König lebt
nicht mehr ; Willich kommt den Augenblick von Pots-
201
dam und bringt der Prinzeſſin die Nachricht von ſeinem Tode !" Bielfeld, dem seine lehte Enttäuschung noch vor= schwebte, zweifelte an der schönen Botschaft, aber Knobelsdorff unterbrach ihn mit einem lebhaften : „ Nein, nein, es ist gewiß, er ist tot und ganz tot. “ Und als schlagenden Beweis ſeßte er hinzu : „ Jordan hat Befehl, den Leichnam zu eröffnen und einzubalsamieren.
Du weißt wohl, wer sich einmal
unter seinen Händen
befindet,
kommt
nicht wieder
zurück !“ Lachend über den gelungenen Scherz bat Bielfeld den stürmischen Freund ,
Licht
zu machen.
In der
Dunkelheit stieß Knobelsdorff beim Suchen gegen den Tisch, den er umwarf, und von dem klappernd und klingend Bielfelds Geld fiel, das er am Abend ſorgfältig aufgezählt hatte, um am Morgen seine Spiel-. schulden zu bezahlen. Beim Scheine der Kerzen wollte Bielfeld die Münzen aufleſen , aber Knobelsdorff packte ihn am Arm und meinte : ,,Ist es wohl in einem Augenblicke, wie dem ißigen erlaubt, an dergleichen unnüße Kleinigkeiten zu gedenken ? Dreyer aufzuleſen, da es bald Dukaten auf uns regnen wird ?" Bald darauf war der kleine Hof im Vorzimmer der Prinzessin verſammelt und beriet, auf welche gebührende Weiſe man „ Ihrer Majeſtät“ die Nachricht beibringen sollte.
Frau von Katsch, welche trok der
großen Aufregung die Würde und Ruhe bewahrte, die ihre
Stellung
erheischte,
machte den Vorschlag , die
Jungfer Bortefeld zu der feſtſchlafenden Prinzeſſin zu ſchicken, um sie langſam auf die große Ueberraſchung vorzubereiten. Zitternd vor Erregung betrat die Kammerjungfer das Schlafzimmer und zog leiſe die schweren Damaſt= vorhänge des Bettes auf.
Als die Prinzeſſin erwachte
202
und erstaunt über die frühe Stunde um ſich ſah, sagte sie mit bebender Stimme : ,,Ich bitte Ihro Majeſtät um Verzeihung, daß ich früher als gewöhnlich hereinkomme, allein . . ,,Warum
nennt
Ihr
mich Majestät ?
Träumt
Jhr ?" unterbrach sie ihre Herrin. „ Nein, Madame," antwortete Jungfer Bortefeld stockend,
sonder es ist der Baron von Willich ange= von Potsdam . kommen, • ... als Kurier, • und bringt die Nachricht, daß .... der König • • daſelbſt .... . . . . geſtern gestorben ist.“ In diesem Augenblick erſchien Frau von Katſch mit einem „ niederschlagenden Pulver “, daß ſie „ ſchon in Bereitschaft" gehalten hatte. Schnell flößte sie es der jungen Königin ein und machte ihr dann als erſte die
neue,
tiefe
Reverenz.
Nun sprang Eliſabeth=
Christine vom Lager auf und ließ sich in ein reizendes schwarz-weißes Négligé hüllen, in dem sie zu ihren Freunden eilte, die im Audienzſaale warteten, ihr die Huldigung zu bringen. Nie war sie allen so schön erschienen.
War es das hübsche Kostüm oder war es
der Königsglanz, die bedeutende Stunde, daß die arme Prinzessin Bewunderung erntete, die sie vorher nie gefunden ? In Eile wurde alles zur Reise nach Berlin ge= rüstet.
Auf jeder Poſtſtation ſollten achtzig frische Pferde
bereitgehalten werden. Wie sollte man aber so viele auftreiben, wo nach dem strengen Winter den Bauern die Hälfte ihres Viehs verhungert war ?
Der Wunſch,
der neuen Herrscherin ihren Pflichteifer zu zeigen, war jedoch bei allen ſo groß, daß troß der Kürze der Zeit schon um acht Uhr die Postpferde zuſammengebracht waren.
Vor der Abreiſe verſammelten sich noch einmal
die Gäſte zu einem opulenten Dejeuner, bei dem die Köche sich überboten hatten. Frau von Katſch ließ sich ein großes Glas füllen und brachte die Geſundheit des
203
neuen Monarchen und seiner Gemahlin aus, denen ſie eine lange und glückliche Regierung wünschte. Jubelnd ſtimmte die Tafelrunde ein, und mit Hoffnungstränen in den Augen dankte Eliſabeth- Chriſtine mit dem Versprechen, den Freunden ihre Huld auch als Herrscherin treu zu bewahren. Die Kutschen standen bereit, die neue Königin von Preußen nahm mit ihrem Gefolge Plaz, und donnernd rollten die schweren Wagen über die Holzbrücke, bogen auf die Landstraße nach Berlin ein und verschwanden bald in einer Staubwolke. Aber statt des Gatten fand Eliſabeth- Chriſtine in Berlin nur einen kühlen Brief von Friedrichs Hand, er selbst war nach Charlottenburg gefahren. "" Sobald Sie angekommen sind, “ schrieb er ihr,
werden Sie zuerst zur Königin gehen, ihr die ſchuldige Achtung zu bezeugen und Sie werden versuchen, dies noch besser wie früher zu machen.
Darauf können Sie
hier bleiben, da Ihre Gegenwart nötig ist, bis ich Ihnen ſchreiben werde.
Empfangen Sie wenig oder gar nicht.
Morgen werde ich die Hoftrauer der Damen feſtſeßen und sie Ihnen zusenden. Adieu ; hoffentlich habe ich das Vergnügen, zusehen."
Sie
in guter Gesundheit wieder-
Nicht ein Wort der Freundschaft oder Liebe war dieſen dürren Zeilen beigegeben.
Die junge Frau, die
ihren Gatten innig liebte und bewundernd zu ihm aufsah, erlebte am ersten Tage ihres Königtumes die schwerste Enttäuschung ihres Lebens . Das Herz voller Freude, den Gemahl als König zu umarmen, ihm all die treuen Vorſäße ins Ohr zu flüstern, daß sie ihm dienen, ihm zur Seite stehen wolle in schweren Zeiten, war sie nach Berlin geeilt.
Und nun hielt ſie den grau-
ſamen Brief in zitternden Händen, füllten sich ihre Augen mit Tränen über ihr verlorenes Lebensglück. Denn in diesem Augenblick fühlte sie mit dem Instinkt
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des liebenden Weibes, daß die Trennung für immer ausgesprochen war. Und sie hatte sich nicht getäuscht, denn dieser Tag wurde, wenigstens der Bedeutung nach, der erſte ihres langen, freudloſen und einſamen Daſeins, das ſie fern von dem fristete, der ihr der Liebste auf Erden war. Wehmutsvoll gedachte sie in späteren Zeiten der Jahre von Rheinsberg, wo sie sich glücklich geschäßt hatte, unter demselben Dache mit dem angebeteten Gemahl zu leben.
Das düstere Schloß zu Nieder- Schönhauſen
birgt manchen
Seufzer,
manche erstorbene Hoffnung
dieser edlen Frau, die ihren Kummer in ihrem Herzen begrub, und über deren Lippen nie eine Klage kam . Nur zu gut hat Friedrich ſein Versprechen ge= halten, das er sich einst gegeben hatte : ,,Jch will als ein Ehrenmann heiraten, das heißt, meine Frau kann tun und laſſen, was sie will , und ich werde ebenfalls tun, was mir beliebt.
Es lebe die Freiheit ! . .
guten Tag, Madame, und guten Weg. “ Aber später mag er doch wohl eingesehen haben, daß er Unrecht hatte, die große Liebe Elisabeth- Christi= nes mit harten, kalten Worten zu danken , denn einmal aber auch nur einmal in der ganzen Korreſpondenz mit ihr, entringt sich seinem Herzen das Geständnis : ""„Madame, man muß Sie lieben und ihre Herzensgüte schäßen. “ Zu Selbſtvorwürfen kam er jedoch nicht, denn er fühlte sich zu sehr als Opfer der Politik seines Vaters und konnte seine Ehe moraliſch nicht anerkennen. In der ersten Zeit seiner jungen Macht muß er wohl an eine Scheidung gedacht haben, denn in einem der Briefe aus jenen Tagen meint er : 99 Vom Fieber befreit uns der Arzt, Aber unwürdige Ehe muß bleiben ; So will's ein barbarisch Geset . Doch die lange Prozedur einer Scheidung und der unvermeidliche Skandal, mit dem er zu rechnen hatte,
205
ließen ihn davon abſtehen, beſonders wo ihm äußerliche Gründe fehlten und er nicht die Absicht hatte, je eine andere Heirat einzugehen.
So begnügte er sich
mit einer räumlichen Trennung ; einer seelischen bedurfte es nicht, denn Eliſabeth- Chriſtine war seinem Herzen stets eine Fremde geblieben. Friedrich hatte sein Hoflager in Charlottenburg aufgeschlagen. Von allen Seiten eilten die Leute herbei, die unter dem alten Regime nicht gelitten waren . Auch Keith kehrte aus ſeiner Verbannung in England zurück. Man erwartete große Umwälzungen und den Abgang der Beamten und Günſtlinge des verstorbenen Königs. Aber zum größten Erstaunen aller blieben sie auf ihrem Posten. Friedrichs Freunde fühlten ſich enttäuscht, nicht so glänzend zu avancieren, wie sie es gehofft hatten. Aber mit seinem wunderbaren Talent, den Wert und das Können eines jeden richtig zu schäßen, gab ihnen Friedrich nur die Stellung, welche ihren Fähigkeiten entſprach.
Keyserlingk, der sich als intimſter Freund
einmal erlaubte, dem jungen König von Politik zu sprechen, bekam es schnell zu wissen, daß eine andere Zeit angebrochen war : „ Hör' mal, Keyserlingk," erhielt er zur Antwort, „ Du bist ein guter Junge, ich höre Dich gern ſingen und lachen, aber Deine Ratschläge ſind verrückt. “ Der harmlose Cäſarion mußte sich mit einem Avancement in der Armee begnügen . Knobelsdorff wurde zum leitenden Intendanten und Directeur en chef aller Bauten ernannt, Jordan zum Geheimen Rat und Fredersdorff zum Kämmerer und Schahmeister. Wolff wurde zurückberufen, Graun ſollte für die Oper sorgen, Quank kam dauernd nach Berlin und Pesne wurde erster Hofmaler Sr. Majeſtät. Bielfeld, der mit den andern nach Charlottenburg gekommen war, erlebte eine große Enttäuschung. Die von Knobelsdorff prophezeiten Dukaten blieben aus.
Blick durch den Säulengang auf Park und See
Der König schickte ihn als Begleiter des Grafen von Truchseß an den Hof von Hannover.
Er gab ihm den
guten Rat mit, so viel wie möglich dabei zu lernen, denn es fehle ihm sehr an der Uebung in diplomatiſchen Dingen.
Wenn er dann zurückkäme, wolle er weiter
sehen, fügte er als Trost hinzu . etwas kleinen Bielfeld.
die
Anfang
machen, "
„ Dies heißt, einen meinte
der
arme
Eine der ersten Regierungstaten Friedrichs war Abschaffung der Folter. Das Versprechen ab=
ſoluter Religionsfreiheit für jeden Untertan folgte. Die Akademie der Wissenschaften wurde wiederhergestellt
207
und bedeutende Männer mit ihr betraut. Seines Vaters große Garde löſte Friedrich auf. Für die Summe, die ſie gekostet hätte, konnte er einen großen Teil der Gelder bezahlen, die die Vergrößerung der Armee forderte. Maler, Musiker, Sänger und Schauspieler wurden nach Berlin berufen ; Friedrich Wilhelm hatte nur Hofnarren gekannt. Aber die größte Aenderung, die das neue Regime brachte, war der Wille des Königs, die Interessen des Volkes mit den ſeinen zu verknüpfen. Bisher war es im Lande Preußen so zugegangen ,
daß Herrscher und Volk zwei Parteien bildeten, deren Aufgabe es war, sich gegenseitig um Rechte und Beſik zu streiten. Ein königlicher Beamter galt für tüchtig , wenn er durch Schikanen aller Art und mit dem Scheine des Rechts für ſeinen Herrn irgendeinen Vorteil erpreſſen konnte. Friedrich Wilhelm glaubte, für Wohl und Aufblühen ſeines Landes zu sorgen, wenn er die Bürger zwang, Häuser zu bauen, deren Unterhalt ſie nicht bestreiten konnten. Gleich nach seinem Regierungsantritt verſammelte Friedrich seine Miniſter und erklärte ihnen mit knappen Worten die ganze neue Regierungsform : ,, Sie
haben
bisher
einen
Unterschied
gemacht
zwischen den Intereſſen des Herrschers und denen ſeiner Untertanen ; Sie glaubten, Ihre Pflicht zu erfüllen, wenn Sie dem erſten dienten, ohne an die anderen zu denken. Ich will Ihnen das nicht verargen, denn ich weiß, daß der verstorbene König seine Gründe hatte, Ihre Handlungsweise nicht zu mißbilligen, aber ich habe meine, anders darüber zu denken. Ich glaube, daß das Interesse meiner Staaten auch das meine ist und ich kann Niemand dulden, der meine Ansicht nicht teilt. Darum laſſen Sie den Unterſchied fallen und ſeien Sie hiermit ein für alle Male darauf hingewieſen, daß ich nur das für mein Intereſſe anſehe, was der Erleichte= rung und dem Glück meines Volkes dienen kann !"
Gesamtansicht von Rheinsberg
Mit dem Vater begrub Friedrich auch das alte Regime.
Veraltete Sitten, überlebte Geseze, die zu
der neuen Zeit nicht mehr passen wollten, schaffte er mit einem Federstrich, einem scharfen, kurzen Wort ab. Ein jeder hatte ein neues Leben zu beginnen, und er selbst machte den Anfang.
Sein Ernst und sein Wille
waren so groß, daß er sich lossagen konnte von der be= schaulichen, genußfrohen Art des Daseins, das er in Rheinsberg geführt hatte. Wie leicht wäre es ihm ge= wesen, es fortzusehen, und die Geschäfte in den Händen der Beamten zu belassen, aber er erfaßte seine Aufgabe ganz , schaute
nicht rückwärts, sein
nur auf das Kommende gerichtet.
Auge war
Kühle Vernunft,
strenges Pflichtgefühl leiteten seine Schritte und halfen ihm zur Entsagung. Aber die Sehnsucht nach den alten Jugendtagen, die kaum geendet, doch schon so weit, weit hinter ihm lagen, blieb in seinem Herzen, und aus seinen Versen spricht es wie verhaltenes Weh neben stolzen, ſtarken Worten : Nicht mehr im lieben, stillen Remusberg , Wo schöne Musen meine Stunden teilten, Darf meine Hand die wirren Verse schreiben.
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Denn jezt ist Fürst und Dichter eins geworden, Von Stund' an dien' ich keinem andern Gotte, Als dem geliebten Volk allein. Lebt wohl ihr Verſe, Du Muſik, Und alle Freuden, Voltaire selbst. Mein höchster Gott ist meine Pflicht, Wie manche Sorgen bringt er mir, Wie lastet schwer ein Diadem ! Wenn dieser Gott befriedigt iſt, Dann, lieber Voltaire, flieg' ich wie ein Pfeil In Deinen Arm und lern' im Unterricht, Den mir ein treuer Freund erteilt, Wie heilig Königspflichten ſind.
Friedrichs d. Gr. Rheinsberger Jahre.
14
Zwölftes Kapitel. Friedrichs Sehnsucht nach Remusberg. Er kehrt nach Rheinsberg zurück. Glänzende Gesellschaft im Schlosse. Voltaire als Gast. Der Tod Karls VI. Friedrich beschließt, Schlesien zu be sehen. Er verläßt Rheinsberg für immer.
och einmal sollte das alte Schloß seinen Herrn N ſehen. Zwei Monate nach der Thronbesteigung hielt es Friedrich nicht länger in Charlottenburg. Im August 1740 kam er zu flüchtigem Besuch nach Rheinsberg. Sobald es ihm seine Pflichten erlaubten, wollte er auf längere Zeit
nach dem geliebten Remusberg
zurückkehren. Endlich, im Oktober, ſchien die Gelegenheit gekommen, und am neunzehnten hielt der König mit seinem Hofe Einzug in die Stätte, wo die Hoffnungen seiner Jugend den Tag erblickt hatten, wo der Jüngling zum Mann gereift war, und wo das Andenken an Stunden wohnte, wie er sie glücklicher nie mehr erleben sollte. Die Mauern des Schloſſes bargen ihm liebe Er= innerungen. Wie traute Freunde blickten die fröhlichen Bilder Watteaus und Lancrets von den Wänden, leuchteten Pesnes duftige Deckengemälde herab, grüßten die alten, zerlesenen Bücher aus den Schränken mit Voltaires Porträt zu Häupten. Wie gut ſchlief's ſich in dem altgewohnten Bett, wenn der Oktoberwind das nahe Rohr streifte und die Wellen des Sees ans Ufer schlugen.
211
Und wie herrlich war der Herbst da draußen ! Die hohen Laubbäume leuchteten in den glühendſten Farben, am Schloß blühten die dunklen Herbſtblumen in tiefen , warmen Tönen, und das zarte Graublau des Himmels wölbte sich über Wälder und See.
Die
feinen Herbstnebel hatten der Landſchaft die Konturen genommen, eine Farbe ging immer harmonisch in die andere über. Und Stille überall ! Wie wohltuend nach dem
Trubel
der
lezten
Monate,
den
Empfängen,
Reisen und Besichtigungen. Im Städtchen wurde fleißig gearbeitet ; zwischen Trümmerhaufen erhoben sich die Mauern neuer Häuser, die mit des Königs Unterſtüßung errichtet werden sollten. Ein furchtbarer Brand hatte im April den Ort bis auf neunzehn Häuſer in Asche gelegt. Das Schloß war auf seiner ſicheren Insel verschont geblieben. Die engen Straßen des Städtchens hatten dem Brande zu schneller Ausdehnung geholfen, und um die Wiederholung
eines solchen
Unheils
verhüten,
zu
hatte
Knobelsdorff auf Friedrichs Anordnung einen Plan für die Neubebauung entworfen, der einen großen Plat und schöne, weite Straßen vorſah. Eine so glänzende Gesellschaft, wie sich diesmal hier einfand, hatte Rheinsberg noch nie gesehen. Friedrichs Gemahlin , der Markgraf von Bayreuth, ſeine Frau, die Lieblingsschwester des Königs, der Herzog von Holſtein und ein großer Kreis alter und neuer Freunde versammelte ſich im Schloſſe.
Voller Freude waren die Gäſte der Einladung ge= folgt ; ſie kamen mit großen Erwartungen in die Gunſt des neuen Herrſchers und in das lustige Hofleben, das ihnen bevorſtand , denn auf dem
Programm waren
Bälle, Maskeraden, Konzerte und Theateraufführungen, bei denen alle Leute von Talent mitwirken ſollten. Man sprach davon, daß Seine Majestät höchſt eigen= 14 *
212
händig die Flöte bliese und in den Komödien und Tragödien ſogar ſelbſt auftrete. Auf einen solchen König war man gespannt, denn in Deutſchland und beſonders in dem ſtrengen, ſoldatiſchen Preußen mußte er für etwas Unerhörtes gelten. Männer von Geiſt und Wih drängten sich, dieſe intereſſante Persönlichkeit kennen zu lernen , über die ſo viele merkwürdige Geſchichten aus den Kronprinzenjahren kursierten, die gerade jezt, nach der Thronbeſteigung, wieder in den Salons auflebten. Gemischt waren die Ansichten über die Zukunft des Landes unter dem neuen Herrscher.
Die meiſten
befürchteten die langſame Auflöſung der Macht , denn von einem Fürſten , der gegen die Fürſten öffentlich geschrieben hatte, der dichtete und muſizierte, der Philoſophen höher schäßte, als die Männer der Kirche , der alte, gewohnte, liebe Fesseln ganz pietätlos mit einem Schlage durchhieb, konnte man nichts Gutes erwarten. Die, welche so dachten, waren die Leute vom alten Schlage, welche der entschwundenen, eiſernen Regierung Friedrich Wilhelms
betrübt nachschauten und mißtrauisch zu dem Sohn aufblickten, der so ganz anders wie der Vater schien. Nur ein ganz kleiner Kreis glaubte an die Zukunft Friedrichs, und das waren die „ Jungen“, „ Modernen “, denen die Zeit ſtille geſtanden hatte unter dem alten Regime. Sie ſahen in dem jungen neunundzwanzigjährigen König die Erfüllung ihrer großen Hoffnungen, das Aufblühen des Landes, die Befreiung des Geiſtes, der lange Jahre in barbariſchen Fesseln gelegen. Der Andrang zum Rheinsberger Hofe war so groß, daß Schloß und Nebengebäude bald überfüllt waren, und viele gezwungen wurden, in der Stadt Obdach zu suchen. Zu ihnen gehörte auch Bielfeld , der im Posthause ein Unterkommen fand .
213
Die geselligen Vergnügungen erlitten viel Einbuße durch das Wechſelfieber, an dem Friedrich litt.
Seit
Wochen peinigte es ihn : 66 „ Das Fieber und ich, wir reiſen zuſammen . . Sein eiserner Wille bekämpfte die Schmerzen und die Schwäche, die ihm das Leiden brachte, soviel wie möglich, um sich den eilenden Arbeiten ſeiner Zukunftspläne und ſeinen Gäſten zu widmen. Bielfeld schreibt, daß
im
Schloſſe
immer
eine
traurige
Stimmung
herrschte“, wenn die Fieberanfälle kamen, die Seine Majestät stets in
„ nicht
allzu
aufgeräumte" Laune
sekten. Ab und zu veranſtaltete Friedrich in ſeinem Zimmer ein Konzert und gab der Königin den Arm auf einem Ball.
Elisabeth- Chriſtine, die Friedrichs Anwesenheit
glücklich machte, schreibt aus dieser Stimmung heraus :
„ Der König hat noch das Fieber, aber es nimmt von Tag zu Tag ab ; ausgenommen davon amüsieren wir uns sehr gut. Wir haben Maskeraden, tanzen und führen Theaterstücke auf. Die Tettaus haben sehr gut gespielt, und besonders Finette hat geradezu Wunder geleistet . . . . Der Herzog von Holstein, Schwerin, Wartensleben, Bock und Buddenbrock hatten sich auf der lezten Maskerade als alte Berliner Fischweiber verkleidet. Bei ihrem Anblick hätte man sterben können vor Lachen. " Seit Wochen schon war Voltaires Ankunft ge= meldet. Natürlich sah ihm alles mit großer Spannung entgegen.
Für Friedrich war er schon kein Fremder
mehr, denn er hatte ihn erst vor kurzer Zeit in Wesel persönlich kennen gelernt und
durchschaut.
Ende November traf dieſer „ Cicero “, „ Plinius“, „ Agrippa ", dieſe „ Zierde des Jahrhunderts und Frankreichs" ein.
Nur wenige Tage blieb er, gefeiert als
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bewunderter Freund des Königs , als Autor der Theaterstücke, die man aufführte. Seine Eitelkeit und Ruhmsucht fand hier das schönste, wohlvorbereitete Feld. Aber trotzdem bewahrte er sich seinen Geſchäftssinn. Er ließ sich nämlich seine Reiſeſpeſen auch diesmal in Heller und Pfennig ersehen, und bat um Be= zahlung einer alten Schuld ,
einiger tauſend
Taler,
die er für Friedrich bei der Unterhandlung mit dem holländischen Verleger des „ , Antimacchiavel“ ausgelegt hatte. Nur hierin wurde er enttäuscht :
Es gab keine
politischen Geheimnisse auszuforschen, denn Friedrich behielt seine Pläne ſehr weiſe für sich.
Voltaire hatte
geglaubt, es würde ihm ein Leichtes sein, dieſem jungen, unerfahrenen Politiker zu entlocken, was er mit seiner Macht zu tun gedenke. Aber weder geschickte Schmeicheleien verfingen, noch half ihm die Bewunderung des Königs für ſeine Werke, dieſen eigentlichen Hauptzweck ſeiner Reise zu erfüllen. Friedrich hatte eben eine strenge Grenze gezogen zwischen Voltaire, dem Dichter und Philosophen und Voltaire, dem Menschen.
Und
darin zeigte er die ganze Schärfe ſeines Geiſtes . Wohin hätte es geführt, wenn Friedrich mit Voltaire eben= ſo frei über ſeine Pläne, wie über ſeine Verſe geſprochen hätte ? Bitter enttäuscht zog der Dichter ab, nach Berlin, um der Königin-Witwe ſeine Huldigung zu bringen. Als Voltaire auf ſeiner Reiſe nach Rheinsberg an der westfälischen Grenze angelangt war, zerbrach ſein Wagen.
In Sammethoſen und ſeidenen Knie-
ſtrümpfen mußte er bis Herford reiten.
Am Stadttor
hatte man ihn um seinen Namen befragt und
natür-
lich“ hatte er sich „ Don Quirote “ genannt, und unter dieſem Namen paſſiert. Es war ein paſſender Name, den er sich erwählt hatte, denn seine politischen Rittertaten der späteren
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Jahre als eingebildeter Spion und feiner Diplomat, der statt große Geheimniſſe zu entlocken nur in Friedrichs geschickte Fallen ging, hatten sicher etwas vom traurigen Ritter, nur mit dem Unterſchiede, daß der eine aus krankhafter Ueberzeugung ſtritt und der andere aus niedriger Gesinnung intriguierte, die nicht davor zurückscheute, selbst den Freund zu verraten. Die
Markgräfin
von
Bayreuth, jene geistreiche
Frau, der Friedrich bis an ſein Ende echte brüderliche Zuneigung bewahrte, ein scharfer, logisch und objektiv denkender Geist, fand Friedrich bei ihrem Beſuche in Rheinsberg stark verändert. Sein früheres geſundes Aussehen war krankhafter Blässe gewichen.
Er war mager geworden.
Vergebens
suchte er seine körperliche Schwäche zu verbergen, dem liebenden Schwesterauge entging die Veränderung nicht ; aber
zu
gleicher
Zeit bewunderte Wilhelmine den
Bruder, der sich trok ſeines Zuſtandes unermüdlich intensiver Arbeit widmete, denn nichts durfte geschehen, ohne daß es erst ihm unterbreitet worden war. Und neben der anstrengenden politiſchen Tätigkeit fand ſein starker Geist noch Stunden, sich mit Männern wie Voltaire, Maupertuis, Algarotti und Jordan zu meſſen. Nicht genug daran, griff er des Abends zur geliebten Flöte, zwei oder drei Conzertos zu ſpielen. So führte Friedrich, wenn auch in anderer, größerer Weise und als vollkommen eigener Herr, ſeine alte Lebensweise in Rheinsberg wenigstens äußerlich fort. Nur mit der Veränderung, daß ihm der Vater fehlte, der ihn aller Sorgen enthoben hatte.
Aber schon fühlte
er deutlich den Unterschied zwischen dem Einſt und Jezt.
,,Damals schiffte ich in ſtillem Waſſer, heute
treibe ich auf hoher See, “ ſagte er später einmal, als er an die frühere Rheinsberger Zeit zurückdachte. Er
war
schon jezt aus dem stillen Hafen der
Jugend hinaus auf die offene See getrieben, wo dem
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Schiff, dessen Führung ein ganzes Volk ihm anvertraut hatte, Stürme und Riffe drohten.
Aber er hielt das
Steuer in fester Hand , schaute scharfen Auges ſeinen Weg voraus, bewußt der großen Verantwortlichkeit, aber auch der eigenen Stärke.
Das alte Herrenschloß am ſtillen Grinerick ſollte seine bedeutsamste Zeit mit einem Ereignis schließen, das seinen Namen auf ewige Zeiten an die Seite der größten geschichtlichen Monumente stellt. Denn in seinen Wänden erstem
Kriege,
fiel die Entscheidung zu Friedrichs dem Kriege, der schließlich in seinen
Folgen ganz Europa in Flammen ſeßte. In den lezten Tagen des Oktober erreichte Rheinsberg eine Nachricht, die mit einem Schlage die ganze Situation ändern sollte.
Es war die Kunde vom Tode
des Kaisers, die ein Kurier am Morgen des sechsundzwanzigsten Oktober brachte.
Der König hatte gerade
an einem ſtarken Fieberanfall zu leiden. Nach längerem Zögern entschloß man sich, ihm die Nachricht zu bringen. Fredersdorf reichte dem Könige die Depesche, die er im Bett las. Ohne eine Miene zu verziehen, die große Ueberraschung zu verraten, daß die erſehnte Gelegenheit ſchon ſo früh gekommen, ſtand Friedrich auf, ließ sich ruhig ankleiden und befahl seinem Sekretär Eichel, den Feldmarschall von Schwerin und den Staatsminiſter von Podevils nach Rheinsberg zu rufen. Der Tod Karls VI. war ein Ereignis, dem keine größeren politischen Verwicklungen gefolgt wären, hätte Friedrich nicht in ihm die Gelegenheit erblickt, die Pläne, die er schon lange im Geheimen hegte, zur Ausführung zu bringen. Und an einem Vorwand , mit dem Schwert in der Hand in fremdes Land zu fallen, fehlte es ihm
„Salon" im Park zu Rheinsberg nicht, wenn es auch eben nur ein Vorwand war, den er in Ermanglung eines Rechtes wählte. Schwerin und Podewils eilten nach Rheinsberg. Vier Tage schloß sich der König mit ihnen ein, dinierte sogar nur mit ihnen.
Dann reisten beide zurück und
das gesellschaftliche Leben nahm wieder seinen alten, gewohnten Verlauf.
Es ging sogar lebhafter zu, denn
Friedrich war fast völlig vom Fieber befreit ; starke Dosen von Chinin, dem damals ganz neuen, heroischen Mittel, hatten geholfen.
Niemand ahnte, welche wichtige Entscheidung ge= fallen war.
Friedrich war der liebenswürdigste Ge= sellschafter und nahm freudig Anteil an dem Vergnügen seiner Gäste.
Und doch hatte er eben erst den inhaltsschwersten Entschluß seines Lebens gefaßt, war er im Begriff, etwas zu unternehmen, wozu unerhörte Kühnheit, eiserner Wille und zähe Ausdauer gehörten. Ohne Zagen und Bedenken hatte er die Vergrößerung seines Landes beschlossen, die Besißnahme Schlesiens, wohl
wissend, daß er alles aufs Spiel seßte, daß er im Falle
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des Mißlingens ſeinen Wagemut mit ſeiner Krone zu büßen hatte. In strengster Verschwiegenheit und größter Eile wurden die Vorbereitungen gemacht, wurde die Armee kriegsfertig ausgerüstet. Der Geſandte Veſterreichs in Berlin erhielt erst Kenntnis von Friedrichs Vorhaben, als die Truppen auf dem Marsche waren. Friedrichs Armee hatte zum kleinſten Teile prak= tische Kriegserfahrung. Die meisten Soldaten waren mit Gewalt oder List angeworben worden, hatten noch kein Pulver gerochen und zogen für eine Sache aus, die ihnen absolut gleichgültig war.
Aber die Disziplin,
der militärische Geist, den der ſelige Soldatenkönig dem Heere gegeben hatte, machte aus Friedrichs Soldaten jene mutigen und entschlossenen Kämpfer, die unter ihren hervorragenden und tapferen Führern dem ſtrategischen Talent Friedrichs zum Siege verhalfen. Fünf Wochen nach des Kaiſers Tode ſchon rückte Friedrich in Schlesien ein, gewappnet wie ein Held und ruhig wie ein Philoſoph.
Der „ Anti-Macchiavel“
war abgetan. Theorie und Wirklichkeit. An seine Stelle war der Eroberer getreten, der die Größe seines Landes ertrozen wollte, der Macht schuf aus eigenſter Kraft, der zerstörte, um bauen zu können. Aber trotz Erfolg und Ruhm, die bald mit dem großen Sieger gingen, blieb das Glück aus, jenes süße , stille Glück, das er in Remusberg gefunden hatte, der „ Tranquillité“, wie er sein Jugendschloß oft nannte. Vorbei war es mit echter Herzensfreude ; und wenn noch ab und zu in einer weniger dunklen Stunde ein Scherzwort fiel, ſo war es das Lächeln des Skeptikers, das es begleitete. Sanssouci löſte Rheinsberg ab, aber vergeblich war die Inschrift, vergeblich des Königs Worte, die er in den Bauplan zum Schloſſe ſchrieb : ,,Wie in Rheinsberg . “ Wenn auch die kleine Bibliothek in
Am Rheinsberger Sec
Sanssouci ihn in ihren Formen an die Rheinsberger erinnerte, der Geist war gewichen, jener köstliche Geist lebensfroher, sorgenloser Jugendtage, der in Remusberg wehte und in seinen verlassenen Mauern, den hohen Bäumen des Parks verblieb .
Und traurig tönt es aus Sanssouci : ,,Wie wenig ist doch unser Leben ! Der Blume gleich, die kaum erschlossen Schon morgen welkt. Alles vergeht ; grausames Schicksal, Das auch das Liebste raubt."
Ende.
Anhang.
Anhang zu Kapitel I. Aus dem Königlichen Oberförsterei - Archiv zu Rheinsberg.
Verbarium oder Corpus Bonorum der Stadt Rheinsberg -- in Anno 1744. Ab. I. Litt. A. Nr. 49. Rheinsberg, welches seinen Nahmen vermutlich daher führet, weil gleich vor der Stadt ein kleiner Fluß, welcher aus vielen an einander hangenden Seen seinen Zufluß hat und demselben allhier den Namen Rhein beygeleget wird . Diese Stadt lieget an einem, mit Bergen und Seen, wie auch Busch und Heyde umgebenen Orte. Wer deren Erbauer eigentlich gewesen ist, hat bisher niemand erfahren können; indem dieselbe, in den vorigen Zeiten, in gar wenige Cohidera= tion gewesen, und faſt nichts anders als ein Dorff betrachtet worden. Soviel wie von alten Leuten in Erfahrung gebracht werden können, ist solche im XVI. Seculo von den Herrn von Bredow beherrscht worden, welche hieſelbſt auf einem alten Schlosse reſidirt haben, und vermutlich iſt dieſes Schloß unter den Bredowſchen Raubſchlössern mitgerechnet worden ; indem die hier, sowohl Königl. als Adel. nächst gelegenen Dörffer, ingleichen einige Dörffer aus dem Mecklenburgischen, Schußkorn haben geben müſſen. Dieses haben Ihro Höchstseel. Königl . Majest. Fridericus I denen Besitzern des hiesigen Schloſſes Rheinsberg abgenommen. Das Dorff Schwärz aber , so unter dem Mecklenburgiſchen Schwerinschen Kloster Dobbertin gehörig, muß jährlich noch 2 Schffl. Hanfkörner am hiesigen Schloß geben. Die damahls lebenden Herren von Bredowen haben dieſes Schloß nebst der Stadt und denen dazu gehörigen Perbinentien an die von Lochowen erblich verkauft. Weil aber dieſes
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Geschlecht der von Lochowen ausgestorben, und gänzlich erLoschen, ist dieses als ein Lehen an Ihro Churfürstl. Durchl. Friderico Wilhelmo im XVII. Seculo anheim gefallen. Höchstgedachte Ihro Churfürstliche Durchlaucht haben aus besonderen Gnaden dieſes Lehn an den General du Hamel ge= ſchenket, von welchem es der Herr Hoffrath von Béville vor ohngefähr 60 Jahren erbl. erkaufet vor ein Kauff- Pretium von 17 400 Rthl. Die Herren von Béville haben allhier ihren Aufenthalt gehabt bis 1734, in welchem Jahre Jhro jezt regierende Königl. Majestät ſolches von dem v. Béville erkaufet für 75 000 rthl. In Anno 1740 den 14 April um halb 4 Uhr nach Mittage hatte diese Stadt Rheinsberg das Unglück, durch eine Feuersbrunst bis auf 19 Häuſern gänzlich eingeäſchert zu werden. Da dem durch gnädige Vorsorge Ihro jezt regierender Königl. Majeſtät die Einwohner es wiederum dahin bringen konnten, daß die Stadt in so weit wieder aufgebauet, daß nur noch 12 wüste Stellen liegen.
Anhang zu Kapitel II . Königl. Oberförsterei Archiv Rheinsberg. Inventarium aller auf hiesigen Königlichem Schloß dem Stall und Domeſtiquen Hauſe befindlichen Meublen, wie selbige dem von Sr. Königl. Majeſtät allergnädigst ernannten neuen Castellan Jacob Gulen am 4. Sept. 1741 übergeben worden. (Auszug.) 1. Vorkammer. Ein englischen Canapé mit einem gelben mit silbernen Tressen besetzten leinen Küſſen. Eine nußbäumene Commode mit 6 Griffe. Acht holländische Schildereien ohne Rähme. Ein Camin.
2. Vergüldete Kammer. Zwei große Spiegel in goldenen Rahmen. 9 Spiegel Blacker.
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Ein Handspiegel mit einem schwarzen Rahmen. Eine Christallene Krohne mit 6 Arme. Ein Cannapé mit vergüldeten Füssen und carmosin rothem Atlas auch goldene Treſſen. Vier Stühle mit demselben Bezug. 2 Tabouretten ebenso . Ein
Caminschirm mit demselben Bezug und verguldetem Rahmen. Vier Gardinen von Carmo , inrothem Atlas mit goldenen Treſſen. Eine rothe Tuch Gardine vor der Thüre. Ein Lavoir von Dresdener Porcellan. Ein ebensolcher Präsentier Teller. Ein silbernes Becken zu Spiritus vini. Eine Commode mit einer marmorn Tafel. 6 paar Dresdener grüngemalte und verguldete Taſſen. Eine dito Milchkanne. Ein Etui aus violet Samt mit Zahninſtrumenten.
3. Altes Schlaf Cabinet. Dieses ist tapeciret mit Indianischem Stoff, darin ein Belte mit dergleichen Gardinen. Eine grüne Atlas-Schlafdecke . Zwey Matraßen . Kissen und Rolle. Das Porträt der Königin Frau Mutter in Kniestück ohne Rahmen. 2 Blumenstücken in ſilbernen Rahmen. 2 Roll. Schildereien mit ſchwarzen Rahmen. mit gold. Rahmen. Eine Braunschweigiſche Commode mit marmor. Platte und goldenen Griffen. Ein Nachtstuhl mit grünem Atlas beſchlagen. 4.
Musikkammer. Chriſtall Krone mit 16 Armen. 4 gläserne Wandblaker. Zwei große Spiegel. Zwei Marmortische. Ein großer lacquirter Flügel nebst dem Pult und 2 geridons. 5 laquirte Polpets, Pulpets.
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5. Neue Schlafkabinet. tapeziert mit grünem Atlas und versilberten Leiſten. Ueber dem Camin das Porträt ſeiner Frau in ſilb. Rahmen (Kniestück). Portrait Ulrice Knieſtück in verſ. Rahmen. Fürsten von Deſſau Portrait ebenſo. Knobelsdorffs Porträt. Zwei Blumenstücke über den Thüren. Grüne Atlasgardinen, Bett mit grünen Atlasgardinen ſil= bernen Borten. Zwei Matraßen. Atlasdecke. Christallkrone mit 6 Armen. Fauteuil mit silbernen Füßen mit Atlas couleur de rose be= 30gen mit zwei silbernen Kissen desselben Stoffes, vier Stüle mit grünem Atlas, verſilb. Füßen mit ſilb. Borten. Nußbaum Schreib Spinde mit Spiegel Thüren. Ein Marmor Tisch mit silb. Füßen. Nachtſtuhl mit gelbem Damaſt und ſilberner Borte. Dresdener Porcellan Nachttopf.
6. Schreibkammer. Christallkrone mit 6 Armen. 2 große Spiegel mit jilb. Rahmen . 2 Blumenstücken über den Thüren. 4 holl. Stücke mit vergold. Rahmen. 1 Canapé mit verſilb. Füßen, violettem Atlas mit ſilb. Borte bezogen. Großer Fauteuil ebenso . Caminschirm ebenſo . Commode mit Marmorplatte. Lichtschirm von grünem Taft mit einem porcellan Fuß. Ein silbern stark vergüldetes Schreibzeug mit 2 Leuchter. Christall Schreib Zeug mit einem Leuchter. 26 Kupferne Medaillen. Nuß Baumen Pulpet. Silbern Tintenfaß mit Sand Büchse und Deckel. Frieß Decke vor der Türe. Gewirkte Fuß-Tapete. Marmorkamin. Zwei Gardinen von violetten Atlas. Friedrichs d . Gr. Rheinsberger Jahre.
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226 7. Spiegel-Saal. 6. große Spiegel silbernen Rahmen. 3 kleine über den Türen. 24 Englische Stühle mit Atlaskiſſen Couleur de rose . 4 Gardinen ebenſo . Großes Gemälde über dem Camin. Camin-Schirm von Seladon. Christallkrone mit 16 Armen. 8. Vorsaal der Kronprinzessin. Porträt des Kronprinzen in goldenem Rahmen Knieſtück. "" 19 Königin Mutter 22 "" Christall Krone mit 16 Armen. 4 große Spiegel und 4 kleine gold. Rahmen. 4 marmorne Tiſche mit vergüld. Füßen. 2 eichene Spieltische. Gründamaſtenen Camin. 9. Rothes Zimmer der Kronprinzessin. tapeziert mit Atlas couleur de rose. Canapé ebenso u. silb . Treſſen. 6 Stühle ebenso . 1 Portrait des Kronprinzen Knieſtück ſilb. Rahmen. Christallkrone mit 6 Armen. 10. Gelbes Cabinet der Kronprinzessin. m. gelbem Atlas tapeziert. Cedernholz Commode mit Schrank ebenſo. 2 gelbe Atlas Stühle m. silbernen Treſſen. Ein lacquirter Tisch mit 3 verguld. Füßen, Markgräfl. Bayreuthsche Capelle.
11. Blaues Cabinett der Kronprinzessin. blauer Atlas und verguld . Leiſten. Cannapee, fünf Stüle von bl. Atlas.
worauf die
227 12. Schlafkabinett der Kronprinzeſſin. tapeziert mit 4 Banden v. Drap d'ayent mit blauen Atlaſſenen Banden und goldenen Leisten. Bett mit blauen Altasgardinen, weiß gefüttert und blauer Atlasdecke mit gold. Treſſen. Ein kleines Bette mit blauem Atlas Gardinen. 1 Fauteuil mit vergüld. Lehne und Füßen m. blauem Atlas
und gold. Treſſen. 2 Arm Stüle mit bl. Atlas. Braunschweigisch Commode. 13. Kammer des Obristen Baron v. Kayserling. Französische houteliren Tapete, zwei grüne Atlassene Gardinen großes Gemälde über d. Camin. Bett mit grünen Atlas Gardinen. Commode, Fauteul grün Atlas bezogen, ſehr ſchadhaft. 14-15. Domestiquen Räume. 16. Großer Marmor Saal. 4 Christallkronen, jede 18 Arme, zehn große Spiegel. Folgen 6 Damen- Cammern, Kammer der Kammerfrau . In der untersten Etage im Marmor-Billard Saal Oberst -= Leutnant v. Willigs Kammer. Rittmeister v. Charot's Kammer. "2 Geheimrats Jordans Oberst v. Sennings Kammer. Pagenkammern. viele andern Möbel für die Domestiquen, Pagen usw. Anhang zu Kapitel II . Königliches Haus Archiv zu Charlottenburg . (Signatur : Rp. XLVII 47.) „Etats für den Hofstaat und Bediente des Kronprinzen Friedrich vom 1ten Juni 1733 bis Juni 1734. “ (Auszug.) (Der ganze Hofstaat für den Kronprinzen und ſeine Gemahlin beläuft sich auf 44 000 Rthl.) Friedrichs Etat: 26 974 Rthl. (in Neu-Ruppin) 6408 Regim.-Etat: "1 " Der Kronprinzessin Etat : 10 618 Ea. 44 000 " 15 *
228 Friedrichs Etat: Geheimber Rath von Wolden als Hofmeister, jährlich incl. Hauß Miethe, Holz und Licht 2040.— 400.Ein Secretair 96.zwei Pagen à 48 176.zwei Jäger à 88 528.sechs Laquaien à 88 ein Hausknecht, der Thüre und Fenster zumacht, Feuer und Licht auslöscht und des Nachts 60.auf alles acht hat zwei Heyducken, die Cronprinzeſſin zu tragen, 120.jeder 60 Der Maître d'hôtel und Kellermeister, tractament .300.vor alles Im besonderen Etat, wenn der Kronprinz beim Regiment ist, erhält er monatlich zur Mundierung, Stiefeln, Stiefeletten, Feldzeichen, Schuh, Strümpfe, Wäsche, Weißzeug und übrige Kleidung, zugleichen zur Anschaffung der Pferde und andere ExtraAusgaben 333.8 Groschen 100.Für Essen, Brodt, Salz, monatlich • 60.n Wein und Bier 16." Holz und Licht .
Handschriften-Quellen . Königl. Preuß. Haus - Archiv Rp. XLVII 47. Königl. Preuß. Geheimes Staats - Archiv R. 96. 117. B. , Minüten von Sept. 1732 bis März 1735 A. Königl. Oberförsterei - Archiv zu Rheinsberg Ab. I. Lit. A. Nr. 49 und andere mehr.
Literatur . Bareith. Mémoires de Frédérique -Sophie -Wilhelmine Margrave de Bareith depuis l'année 1706 jusqu'à l'année 1742 écrits de sa main. Troisième édition continuée jusqu'à 1758 et ornée du portrait de la Margrave. Leipzig. H. Barsdorf 1889. 2 B. Bielfeld. Des Freyherrn von Bielfeld vermiſchte Briefe. Aus dem Französischen. Danzig und Leipzig, beh Daniel Ludwig Wedeln, 1765. 2 B. Blaze de Bury (H.) . Le Chevalier de Chasot. Paris. M. Lévy, 1862. 1 B. Carlyle. 6 B.
History of Friedrich II of Prussia.
London 1858–1865,
Denina. La Prusse littéraire sous Frédéric II par Mr. l'Abbé Denina à Berlin 1790. Duffieur (L.) . Les Artistes français à l'étranger. fils et Cie 1876. 1 B.
Paris. Lecoffre
Ermann & Reclam. Mémoires pour servir à l'Histoire des Refugiés Français dans les Etats de Roi. Biographie universelle des musiciens et BiblioFétis (F. J.) . graphie générale de la musique. Paris. Firmin- Didot 1864. 8 B. Fontane (Th.) . Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Cottasche Handbibliothek. B. 121 . Frédéric le Grand. Oeuvres complètes. 1846-1856. 30 B.
Berlin, R. Decker.
Förster (F.) . Friedrich - Wilhelm I. , König von Preußen, Potsdam 1834. Ferdinand Riegel. 3 B. Hamilton (A.) . Rheinsberg. Memorials of Frederick the Great and Prince Henry of Prussia. London. John Murray. 1880. 2 3 .
231
Hennert. Beschreibung des Luſtſchloſſes und Gartens Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Heinrichs Bruders des Königs zu Reinsberg wie auch der Stadt und Gegend um dieselbe, Berlin 1778. Hoppe. Chronik von Rheinsberg , verbunden mit den wichtigsten Begebenheiten der vaterländischen Geschichte. Horn (Comte de). Mémoires d'un Gentilhomme Suédois écrits par lui même dans sa retraite. L'année 1784 , à Berlin chez S. Pitra Libraire du Roi. Jordan. Histoire d'un voyage littéraire fait en 1733 en France , en Angleterre et en Hollande avec une lettre fort curieuse contenant les prétendus miracles de l'abbé Paris et les convulsions risibles de chevalier Folard, La Haye, 1735. (Ohne Nennung des Verfaſſers ) Knobelsdorff. Georg Wenceslaus von Knobelsdorff, der Baumeister und Freund Friedrichs des Großen, Berlin 1861. 1 B. Koser. Friedrich der Große als Kronprinz, Stuttgart 1886. 1 B. Lavisse (E ) . Le Grand Frédéric avant avènement. Paris. Hachette et Cie. 1893. 1 B. Macchiavellis Buch vom Fürſten. Nach A. W. Rehbergs Uebersetzung, herausgegeben von Dr. Max Oberbreyer, Leipzig. Ph. Reclam jun. Nouveau Dictionnaire Historique. Par une Société de Gens de Lettres . Paris. 1772. 6 B. Olivier (Jean - Jacques) . Les Comédiens Français dans les Cours d'Allemagne au XVIIIe siècle. Deuxième série : La Cour Royale de Prusse . Paris. Société Française d'Imprimerie et de Librairie. Pesne (Antoine) in der Gazette des Beaux-Arts, vom 1. April, 1. Mai und 1. Juli 1891 . Preuß (J. D. E.) . Friedrich der Große. Eine Lebensgeschichte. Berlin, Naucksche Buchhandlung, 1832. 4 B. Urkundenbuch zu der Lebensgeschichte Friedrichs des Großen. Berlin, Naucksche Buchhandlung 1832. 5 B. Friedrich der Große mit ſeinen Verwandten und Freunden Berlin 1838. Verlag von Duncker und Humblot. Friedrich der Große als Schriftsteller. Berlin . Verlag von Veit und Comp . 1837. Sayous (A.). Le dix-huitième siècle à l'étranger. Paris. Amyot. 1861. (B. 2 fommt allein in Betracht.)
232
Seckendorff. Journal Secret du Baron de Seckendorff. Depuis 1734 jusqu'à la fin de l'année 1738. Tubingue. J. G. Cotta 1811 . Seidel (P.) . Friedrich der Große und die franzöſiſche Malerei seiner Zeit, Berlin 1893. Schwart (W.). Sagen und alte Geschichten der Mark Brandenburg. Berlin. Verlag von W. Herz. Thouret (G.). Friedrich der Große als Musikfreund und Musiker. Leipzig. Breitkopf und Härtel. Voltaire. Oeuvres complètes. Ausgabe Beuchot. Paris 1828. 70 B. - Desgl. Ausgabe Moland. Paris 1877-1883 . 52 B. Zeller. Friedrich der Große als Philoſoph.
Berlin 1886.
Paß & Garles G. m. b. H., Berlin W. 57.
· VITA
Deutsches Verlagshaus · Berlin -Charlottenburg
Die Freude am Schönen und Edlen pflegt die Sammlung
Leuchtende
Stunden
Eine Reihe schöner Bücher Herausgegeben von Franz Goerke Preis jedes Bandes Mk. 1.75 Bisher erschien :
JOHANNES
TROJAN
Unsere deutschen Wälder Mit 97 Photographien herausgegeben von Franz M. 1.75 Goerke, und einem farbigen Kunstblatt.
GEORG
HERMANN
Aus guter alter Zeit Mit 108 Photographien, herausgegeben von Franz M.1.75 Goerke, und einem farbigen Kunstblatt .
bseits vom Alltag ist der Leitspruch dieser „ Reihe schöner Bücher“. AbSie wendet sich an keine einzelne Berufsklasse, an keinen besonderen Stand, in die breite Masse unseres Volkes will sie dringen . ,,Leuchtende Stunden" sollen es sein, die der Lektüre dieser Bände gewidmet sind. Vornehme Ausstattung und gute Wiedergabe der Bilder tun das ihrige, auch dem Auge einen künstlerischen Genuß zu bereiten. Johannes Trojan, der Altmeister der deutschen Dichter, bewegt sich in dem Bande „ Unsere deutschen Wälder" auf ureigenstem Gebiete. Georg Hermann, der Autor von ,,lettchen Gebert" zeigt sich in dem Bande „ Aus guter alter Zeit“ von seiner besten Seite : als geistsprühender Beobachter und Beherrscher eines meisterhaften Stils.
VITA . Deutsches Verlagshaus • Berlin-Charlottenburg
Kurt Münzer, Kinder der Stadt.
Roman.
502 S. Umschlagzeichnung von Professor Max Slevogt. Broschiert Mk. 5.-.
Gebunden Mk. 6.50.
Kurt Münzer offenbart sich in seinem neuen Roman als Dichter von Gottes Gnaden. Dies wuchtige Werk stellt ihn in die erste Reihe unserer Schriftsteller. Das Thema bildet nicht das Schicksal eines einzelnen Menschen, sondern Münzers „Held" ist eine ganze Stadt, ist die Großstadt, ist Berlin. Denn die Menschen dieses Romans sind abhängig von der Stadt, erliegen ihren Verführungen, verlieren an sie ihre Kraft und ihre Seele oder gewinnen ihr neue Kräfte und Künste, Macht und Liebe und Reichtum ab. Kurt Münzers neues Buch bildet einen Gipfelpunkt in der modernen Literatur; vielleicht ist es der erste Berlin künstlerisch erfassende Roman. In ihm gewinnt diese Stadt ein oft erschreckend deutliches Leben.
Franz Adam Beyerlein
Jena oder Sedan ?
250. Tausend .
Jubiläums - Ausgabe . Tausend numerierte Exemplare auf bestem englischen Dünndruck-Papier hergestellt.
Broschiert Mk. 3.50.
Gebunden Mk. 4.50. In besonders geschmackvollem Festgewand erscheint jetzt das 250. Tausend dieses wirklich unverwüstlichen Romans eines der stärksten Bucherfolge der deutschen Literatur überhaupt. Denn nicht nur sein Thema ist aktuell geblieben. Was ihm vor allem immer neue Freunde zu Tausenden zuführt, das ist die von jeder Künstelei freie ursprüngliche Frische der Erzählung, die reiche Bewegung in der spannenden Handlung, die Lebenstreue der geschilderten Menschen. -
· VITA . Deutsches Verlagshaus
Berlin -Charlottenburg
Ein Geschenkwerk für Jung und Alt.
Arthur Fürst
Die Wunder um uns Prachtband mit 103 Illustrationen
Preis Mk. 6.—
Arthur Fürst, der bekannte Mitarbeiter des Berliner Tageblatts, legt hier ein Werk auf den Weihnachtstisch, das von Alt und Jung freudig begrüßt werden wird. Die Technik auf der Höhe der Zeit, das Vordringen unserer Erkenntnis in der Naturwissenschaft weiß er mit plastischer Eindringlichkeit und mit meisterhaftem Stil zu schildern . Alles wird belebt durch den Blutstrom einer einheitlichen Weltanschauung, deren hervorstechendste Merkmale ebenso die stolze Freude am Erreichten, wie die ehr geizige Entdeckersehnsucht noch ungelösten Problemen gegenüber sind. Wenn er von der Maschine des Automobils, von den neuen Turbodynamos, von drahtloser Telegraphie und Fernsehern in klaren, leichtfaßlichen Schilderungen erzählt, vermittelt er dem Leser nicht nur den Genuß an der Höhe, auf der wir gerade angelangt sind, sondern weist unsern Augen schon wieder neue, höhere Gipfel. Und ob er über die Geheimnisse des Radiums berichtet, ob er in die Naturgeschichte des Genies einzudringen versucht oder die ästhetischen Aufgaben in der modernen Technik erwägt, immer wahrt er den engen Zusammenhang mit unserer größten Lehrmeisterin und Freudenspenderin, der Natur. So ist es kein überheblicher Dünkel, den die Blätter dieses reichen Buches lehren sondern reiner Genuß, innere Bescheidenheit und strebendes Bemühen. Die zahlreichen Bilder erläutern alles, was in dem Buch geschildert wird, aufs vortrefflichste.
· VITA Deutsches Verlagshaus
Berlin- Charlottenburg
Carl Hagenbeck Von Tieren und Menschen
Erlebnisse und Erfahrungen Neue wohlfeile Ausgabe . Textlich vermehrt, um farbige Bilder bereichert. 134 Illustrationen In Pracht-Leinenband Mk. 6. – Luxus-Ausgabe in gepreßtem Lederbande Mk. 15.–
Mit allerhöchster Genehmigung gewidmet Sr. Majestät Kaiser Wilhelm II. 80 000
Exemplare
verkauft !
Die Lebenserinnerungen Hagenbecks sind ein einzigartiges Buch, wie es bisher nie geschrieben werden konnte und von einem zweiten Menschen unserer Zeit wohl auch in Zukunft nicht wieder geschrieben werden kann Die Würdigung, die das Werk denn auch gefunden hat, spricht sich in den vielen Hunderten spaltenlangen und begeisterten Zeitungsurteilen aus. Unter anderen schreibt der bekannte Schriftsteller Karl Hans Strobl : „Hagenbecks prächtiges Tierbuch ist nun für eine Volksausgabe reif ge worden. Immer ein Kennzeichen eines großen Erfolges. Aber dieses Buch verdient seinen Erfolg auch wie nicht so bald ein zweites. Ein Mensch er. zählt seine Erlebnisse und Erfahrungen, der auf der ganzen Erde heimisch ist, dessen Interesse sich auf alle Arten von Tieren und Menschen richtet, der Weltreisender, Tierzüchter und Kaufmann in einer Person ist. Carl Hagenbeck ist einer der populärsten Menschen Deutschlands, sein Name ist weltbekannt. Ein wie prächtiger Mensch und „ganzer Kerl" er ist, erkennt man aber erst aus diesem Buche. Da ist nicht eine Zeile tot und leer, jedes Wort trägt den unverkennbaren Stempel unmittelbarsten Erlebens. Und zwei kluge, scharfe Augen sehen einen immerfort an. Man spürt die kräftige Faust eines Mannes, die er nicht nur gelegentlich widerspenstigen Tieren zu spüren gab, sondern die auch einen kernigen, gediegenen Stil zu meistern scheint. Es ist ein Stil der Faust, eines Selfmademans, dem es nicht auf ornamentale Wirkungen ankommt, sondern auf Tatsachen. Etwas Seemännisches oder Amerikanisches liegt in Hagenbecks Art zu schreiben, etwas vom Hinterwald, vom Trapperleben. Der Tatsachenreichtum dieses Buches ist erstaunlich, ein unaufhörlicher Wechsel von Szenen und Personen, eine Fülle von Geschichten, von Details aus dem Leben der Tiere, von Beobachtungen, die ergänzend zu jeder wissenschaftlichen Tierkunde treten können. Und über dem allen leuchtet eine ernsthafte Liebe zu der Tierwelt, ein Interesse für jedes Stück, das im Laufe einer Reihe von Dezennien durch Hagenbecks Hände gegangen ist. Sein Buch ist ein Volksbuch im besten Sinne."
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Berlin-Charlottenburg
Werke von Rudyard Kipling
Das neue Dschungelbuch. Mit den Illustrationen des Originals. 14. bis 16. Tausend. Brosch. Mk. 4. — Gebunden mit Goldschnitt Mk. 5.Wer das Dschungelbuch noch nicht gelesen hat, dem kann man keinen freundlicheren-Rat geben, als daß er es lese. Eine ganz besondere Wonne erwartet ihn. Das Dschungelbuch ist etwas ganz Neues, was noch nicht da war, aber bleiben wird. Vermutlich ist es eines der Kunstwerke von der ewigen Art. Es wird in 500 Jahren ebenso fesselnd sein wie heute. Neue Freie Presse, Wien.
Kim . Ein Roman aus dem gegenwärtigen Indien . Broschiert Mk. 4.469 Seiten. 9. bis 11. Tausend . Liebhaberausgabe mit den Originalillustr. geb. Mk. 6.Aus dem „ Humor der Starken" ist auch dieser Kiplingsche Roman erwachsen. Das ist das große Vabanquespiel mit dem Teufel, bei dem man lachen darf, wenn man gewinnt, und lauter lachen muß, wenn man verliert. Es findet unter dem Galgen statt, und beide Spieler betrügen. Das Leben ist der Einsatz, und der Witz des Spieles ist, daß man das Leben nur gewinnen kann, indem man dauernd darum würfelt. Es auf ein Sparkassenbuch eintragen zu lassen, damit es sich geruhig verzinse, wäre Kiplings Art nicht. Und Kim selbst denkt darüber nichts anderes. Das bleibt das Letzte : eine wundersame Fülle seltener und köstlicher Charaktere, - aber nur dem, der in das verästelte Spiel ihrer Beziehungen zueinander Einblick gewonnen, erschließt sich der Reichtum dieses Buches. Literarisches Echo. Lange Latte und Genossen . (Stalky & Co. ) Roman. Broschiert Mk. 4.-. Gebunden Mk. 5.50 ,,Kiplings Lausbubengeschichte", nennt das „ Berliner Tageblatt" dieses Buch und schreibt : „ Meiner Lebtag habe ich nicht so viel gelacht, wie in den Stunden, als ich das ganz entzückende neue Buch in einem Zuge durchlas. Es ist schlechterdings dazu angetan, jeden Verstimmten die Laune wiederzugeben und jeden Griesgrämigen froh zu machen."
Roman. Titelbild von Professor Geb. Mk. 4.Brosch. Mk. 3.-. Willy Stoewer. ,,Brave Seeleute" bieten eine kerngesunde Lektüre für unsere Jungen, sind aber so künstlerisch in Form und Inhalt gegeben, daß sie weit über das Niveau der Jugendliteratur hinausragen und auch bei den erwachsenen Lesern Breslauer Morgenzeitung. stärkstes Interesse erregen müssen.
Brave Seeleute.
Kiplings Märchenbuch. Illustriert vomVerfasser. In elegantem Einband Mk. 3.50
· VITA
Deutsches Verlagshaus · Berlin - Charlottenburg
Werke von
Franz Adam Beyerlein Stirb und Werde . Roman. 11. bis 15. Tausend. Geb. Mk. 5.Brosch. Mk . 4. — . Es wird sich kaum eine Fabel erfinden lassen , die Goethes Wort und Gedanken (,,Stirb und Werde") einen tieferen bedeutungsvolleren Sinn abringt ; daß die lebendigste, am stärksten vertiefte und abgerundete Gestalt einer Dichtung nicht nur selbst unmittelbar in das Erlebnis hineingeführt wird, wohin der Leser ihr folgen muß, sondern außerdem auch noch die Gesamthandlung an jedem Punkt gleichzeitg lebendige und geistige Füllung und Ergänzung des Werkes gibt, das ist unübertrefflich. Hier, meine Herren Poeten vom kleinen und kleinsten Ich, ist wieder einmal ein Beispiel gegeben , wie Poesie des Lebens Fülle meistert. Denn zu dem immer wiederkehrenden Grundthema erklingt etwas reichlich, doch nicht übertönend des Lebens heitere und wechselreiche Harmonik, abgewandelt in einer Menge trefflicher, durchweg wohlersonnener und wohleingefügter Episoden. Das ,,Stirb und Werde" hat sich an ihm im besten Sinne erfüllt: ein achtbarer Schriftsteller wandelte sich in einen Künstler, dessen Aufstieg nun glücklich begonnen hat. Der Kunstwart. Das Wunder des heiligen Terenz . Ein Lustspiel aus dem Mittelalter in 3 Aufzügen. Broschiert Mk. 2. — • Gebunden Mk. 3. In diesem seinem neuesten Bühnenwerk wendet sich Beyerlein gegen die Dunkelmänner, denen die Buchausgabe auch gewidmet ist. Aber seine Polemik kämpft mit den Waffen des Spottes, der Satire und eines so drastischen Humors, da neben einer aufregenden Spannung eine fröhliche Heiterkeit die Oberhand gewinnt.
Zapfenstreich. Drama in 4 Aufzügen . 29. Auflage. Gebunden Mk. 3. – Broschiert Mk. 2. Der Erfolg des ,,Zapfenstreich" bildet das dramatische Seitenstück zu dem des Romans ,,Jena oder Sedan"? Nach der begeisterten Aufnahme, die die Uraufführung im Berliner Lessingtheater fand, ging das Werk wohl über alle Bühnen Deutschlands und erweckte überall das jubelnde Echo seines ersten Erfolges eines Erfolges, dem auch die Theater von London und Paris ihre Tore öffneten. 16. bis 20. Tausend. Roman. Ein Winterlager. Gebunden Mk. 4.75 Broschiert Mk. 3.50 Etwas Sonderbares haftet allen Menschen dieses Buches an, in irgend einer Weise stehen sie über dem Durchschnitt. Und dies ist es, was Beyerleins neuem Werk eine Stimmungsähnlichkeit mit Storms chronikenhaften Novellen gibt, . . . bedingt seinen gediegenen und gelassenen Stil, der nicht prunkhaft zum Selbstzweck wird, sondern stets nur den Bedingungen der Das literarische Echo. epischen Kunst gehorcht.
VITA • Deutsches Verlagshaus · Berlin - Charlottenburg
Liebhaber - Ausgaben :
F. W. Bain
Der
Mondespfeil
Eine Hindu -Liebes - Geschichte nach dem SanskritManuscript. 500 numerierte Exemplare. In HalbPergament geb. M. 30.- Vorzugsexpl. (Nr. 1-10) M. 150.-
Ein Märchen, wunderzart und wundertief. Voll herrlicher Zauber des Empfindens und aller glänzenden leuchtenden Schönheit Indiens voll. Der Verlag hat eine ungewöhnlich prächtige Ausgabe dieses romantischen Märchens veranstaltet. (Mannheimer Generalanzeiger). Eine Hindu-Liebesgeschichte von zauberischem Reiz und in einer gediegenen, prachtvoll einfachen und stilechten Buchausstattung. (Leipziger Tageblatt).
EST - EST - VERLAG
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Berlin - Charlottenburg
Marie Madeleine
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1000 numerierte Exemplare mit Arbeiten von Prof. Max Liebermann, Prof. Max Slevogt, Lovis Corinth, Franz Cristophe, Ernst Heilemann, Julius Klinger, R. L. Leonard, Prof. Hugo v. Habermann, Th. Th. Heine, Wilhelm Schulz, Max Schlichting, Hermann Struck, Karl Walser, L. Usabal, G. von Finetti, K. Ohmann, B. Gestwicki. 136 Seiten Folio-Format. Auf Perfekta-Büttenpapier mittels Tiemann-MediaevalTypen gedruckt. Mit 26 separat auf getönte Passepartouts gehängten Bildern in Ein- bis Vierfarbendruck, darunter vier in Dreifarben - Lichtdruck bei Albert Frisch hergestellte Blätter, nebst einer Original-Radierung und einem mit der Hand kolorierten Blatt. In künstlerischem Einband. Titelzeichnung, Vorsatzpapier und Zwischentitel nach Zeichnungen von Hans Rudi Erdt. Preis M. 45.- Vorzugsexemplare (Nr. 1-20) in Pergament geb. M. 200.—
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