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German Pages 144 Year 2012
Geschichte kompakt Herausgegeben von Kai Brodersen, Martin Kintzinger, Uwe Puschner Herausgeber für den Bereich Antike: Kai Brodersen Berater für den Bereich Antike: Ernst Baltrusch, Peter Funke, Charlotte Schubert, Aloys Winterling
Stefan Pfeiffer
Die Zeit der Flavier Vespasian – Titus – Domitian
Wissenschaftliche Buchgesellschaft
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ISBN 978-3-534-20894-4 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-71520-6 eBook (epub): 978-3-534-71521-3
Inhaltsverzeichnis Geschichte kompakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IX
I. Die wichtigsten Quellen zur Geschichte der Flavierzeit . . . . .
1
II. Das Vierkaiserjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Drei streiten um die Macht: Galba, Otho und Vitellius 2. Der Vierte im Streit: Vespasian . . . . . . . . . . . . . 3. Rom und das Reich zwischen Vitellius und Vespasian
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3 3 7 10
III. Vespasian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vespasian vor dem Einzug in Rom . . . . . . . . . . . . a) Der Name . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Gesetz über die Herrschergewalt des Vespasian 2. Die ideelle Legitimation der Herrschaft . . . . . . . . . 3. Die Konsolidierung des Reiches . . . . . . . . . . . . . a) Das Heer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Senat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geld stinkt nicht – die Steuerpolitik . . . . . . . . . d) Investitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Baupolitik Vespasians in Rom als Ausdruck flavischer Ideologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Entweder meine Söhne oder sonst niemand: Die Regelung der Nachfolge . . . . . . . . . . . . . . . 6. Innerer Widerstand: Vespasian und die Philosophen . . 7. Ein Kaiser muss im Stehen sterben . . . . . . . . . . . . 8. Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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32 33 37 37
IV. Titus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die frühen Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Titus als „König des Orients“? . . . . . . . . . . . . . . 3. Titus in Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Triumph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Thronfolger – ein zweiter Nero und ein zweiter Marc Anton? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Titus als Kaiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ein Kaiser für Senat und Volk . . . . . . . . . . . . . b) Drei Katastrophen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die „langen“ zwei Jahre des Titus . . . . . . . . . . . .
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39 39 40 41 41
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45 47 47 49 52
V. Domitian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Flucht vom brennenden Kapitol . . . . . . . . . . . 2. Domitian unter Vespasian und Titus: Die Zurückstellung 3. Kaiser Domitian und der Senat . . . . . . . . . . . . . 4. Domitian und die Sitten . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Domitians Baupolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der öffentliche Raum . . . . . . . . . . . . . . . . .
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53 53 54 55 57 60 61
V
Inhaltsverzeichnis
6. 7.
8. 9.
VI
b) Der Isistempel und das Verhältnis des Domitian zu Ägypten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Palast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Politik für die Untertanen: Domitian als „Verwalter des Imperiums“ . . . . . . . . . . . . . . . . . Unzufriedenheit der Elite, Opposition und Verschwörungen a) Der Aufstand des L. Antonius Saturninus . . . . . . . . . b) Die „Stoiker-Verfolgung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Anhänger des Titus und Familienangehörige . . . . . Die Ermordung Domitians . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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64 66 69
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69 73 73 74 75 77 79
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81 83
VI. Die Provinzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Grenzen an Rhein und Donau . . . . . . . . . . . . a) Der Bataveraufstand und die Erhebung des Treverers Iulius Classicus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere Konflikte mit den Germanen . . . . . . . . . 2. Britannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Verleihung des latinischen Rechts an Gemeinden Spaniens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Steuererhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Judäa und die Juden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Flavius Josephus als Historiker des Jüdischen Krieges b) Vorgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Krieg der Juden gegen Rom . . . . . . . . . . . . d) Das Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Der Judenexkurs des Tacitus . . . . . . . . . . . . .
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83 89 93 97
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VII. Religiöse Entwicklungen . . . . . . . . 1. Das Christentum . . . . . . . . . . . a) Judenchristen und Heidenchristen b) Domitian als Christenverfolger? . 2. Kaiserkult und Kaiserverehrung . . . a) Formen des Kaiserkultes im Reich b) Vespasian, Titus und Domitian . .
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VIII. Bilanz einer Epoche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Auswahlbibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Geschichte kompakt In der Geschichte, wie auch sonst, dürfen Ursachen nicht postuliert werden, man muss sie suchen. (Marc Bloch) Das Interesse an Geschichte wächst in der Gesellschaft unserer Zeit. Historische Themen in Literatur, Ausstellungen und Filmen finden breiten Zuspruch. Immer mehr junge Menschen entschließen sich zu einem Studium der Geschichte, und auch für Erfahrene bietet die Begegnung mit der Geschichte stets vielfältige, neue Anreize. Die Fülle dessen, was wir über die Vergangenheit wissen, wächst allerdings ebenfalls: Neue Entdeckungen kommen hinzu, veränderte Fragestellungen führen zu neuen Interpretationen bereits bekannter Sachverhalte. Geschichte wird heute nicht mehr nur als Ereignisfolge verstanden, Herrschaft und Politik stehen nicht mehr allein im Mittelpunkt, und die Konzentration auf eine Nationalgeschichte ist zugunsten offenerer, vergleichender Perspektiven überwunden. Interessierte, Lehrende und Lernende fragen deshalb nach verlässlicher Information, die komplexe und komplizierte Inhalte konzentriert, übersichtlich konzipiert und gut lesbar darstellt. Die Bände der Reihe „Geschichte kompakt“ bieten solche Information. Sie stellen Ereignisse und Zusammenhänge der historischen Epochen der Antike, des Mittelalters und der Neuzeit verständlich und auf dem Kenntnisstand der heutigen Forschung vor. Hauptthemen des universitären Studiums wie der schulischen Oberstufen und zentrale Themenfelder der Wissenschaft zur deutschen und europäischen Geschichte werden in Einzelbänden erschlossen. Beigefügte Erläuterungen, Register sowie Literatur- und Quellenangaben zum Weiterlesen ergänzen den Text. Die Lektüre eines Bandes erlaubt, sich mit dem behandelten Gegenstand umfassend vertraut zu machen. „Geschichte kompakt“ ist daher ebenso für eine erste Begegnung mit dem Thema wie für eine Prüfungsvorbereitung geeignet, als Arbeitsgrundlage für Lehrende und Studierende ebenso wie als anregende Lektüre für historisch Interessierte. Die Autorinnen und Autoren sind jüngere, in Forschung und Lehre erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Jeder Band ist, trotz der allen gemeinsamen Absicht, ein abgeschlossenes, eigenständiges Werk. Die Reihe „Geschichte kompakt“ soll durch ihre Einzelbände insgesamt den heutigen Wissenstand zur deutschen und europäischen Geschichte repräsentieren. Sie ist in der thematischen Akzentuierung wie in der Anzahl der Bände nicht festgelegt und wird künftig um weitere Themen der aktuellen historischen Arbeit erweitert werden. Kai Brodersen Martin Kintzinger Uwe Puschner
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Vorbemerkungen Am Anfang der Geschichte des flavischen Kaiserhauses stand Ägypten. Fast hundert Jahre nachdem Octavian, der spätere Augustus, im Jahr 30 v. Chr. siegreich in der ägyptischen Hauptstadt Alexandria eingezogen war und damit eine der wichtigsten realpolitischen Grundlagen für seine Alleinherrshaft schuf, tritt uns mit Vespasian abermals ein Herrscher entgegen, dem der Besitz Ägyptens am 1. Juli 69 n. Chr. den Kaiserthron brachte. Der von den Zeitgenossen als Geizkragen verschriene Kaiser schaffte es innerhalb kürzester Zeit, die durch Nero und die Krise des Vierkaiserjahres zerrütteten Finanzen des Reiches zu konsolidieren. Bei seinem Tod im Jahr 79 n. Chr. hinterließ Vespasian seinem Sohn Titus ein geordnetes Reich. Die nur etwas mehr als zwei Jahre währende Herrschaft des Titus war dann von drei Katastrophen geprägt – dem Ausbruch des Vesuv im August 79 n. Chr., einer Seuche in Rom und dem Brand der Stadt im Jahr 80 n. Chr. Glanzvoll bewältigte der von seinen Zeitgenossen als „Liebling des Menschengeschlechts“ bezeichnete Titus diese Krisen, starb aber bereits im Jahr 81 n. Chr. Ihm folgte sein Bruder Domitian, ein im Senat verhasster Herrscher. Für die Provinzen sollte das Regiment dieses angeblich so maßlosen Kaisers jedoch von großem Vorteil sein, da er auf eine gerechte und maßvolle Amtsführung der römischen Statthalter achtete. Eine der vielen senatorischen Verschwörungen, die die Herrschaft des autokratisch regierenden Prinzeps begleiteten, erreichte im Jahr 96 n. Chr. ihr Ziel – der Kaiser fiel einem Anschlag zum Opfer. Mit ihm endete die Epoche der flavischen Dynastie, die Gegenstand des vorliegenden Studienbuches ist. Demjenigen, der sich heute mit der Geschichte des flavischen Kaiserhauses beschäftigen möchte, bietet sich als deutschsprachiges Werk in erster Linie das Buch Hermann Bengstons (1979) an. Den auf jeden Fall vorhandenen historiographischen Wert der Bengston’schen Gesamtdarstellung stellte allerdings Werner Eck in einer Besprechung (1981) massiv in Frage, als er zusammenfassend schrieb, „daß hier nicht wissenschaftlicher Fortschritt, vielmehr erheblicher Rückschritt erzielt worden“ sei. Der Versuch Bengtsons, eine Darstellung der Flavierherrschaft zu geben, sei sogar „schon an den elementaren Voraussetzungen historischen Arbeitens gescheitert“. Das Buch Bengtsons ist also nur unter Hinzunahme der Besprechung von Eck zu benutzen. Daneben treten vor allem die englischsprachigen Kaiserbiographien von Barbara Levick zu Vespasian (1999) und von Brian W. Jones zu Titus (1984) und Domitian (21993). Hinzu kommt der informative Überblicksartikel zu den Flaviern in der ,Cambridge Ancient History aus der Feder von Miriam Griffin (2000). Monumental ist schließlich der Sammelband von Anthony J. Boyle und W.J. Dominik ,Flavian Rome. Culture, Image, Text (2003). Im Anhang der vorliegenden Darstellung ist die weitere wichtige Literatur zum Thema zusammengestellt. Die verwendeten Abkürzungen sind nach dem Verzeichnis des Neuen Pauly, Band 1, aufzulösen. ,
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Mannheim, im Juni 2008
Stefan Pfeiffer
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I. Die wichtigsten Quellen zur Geschichte der Flavierzeit Die Geschichte der flavischen Dynastie lässt sich anhand der antiken literarischen Überlieferung recht gut rekonstruieren. Besonders wichtig sind die Berichte der Zeitgenossen Publius (?) Cornelius Tacitus, der von circa 55 bis um 110 n. Chr. lebte, und Gaius Suetonius Tranquillus, der in der Zeit zwischen 70 und 120 n. Chr. wirkte. Neben diesen Zeitzeugen ist besonders Lucius Claudius Cassius Dio Cocceianus (155 bis nach 235 n. Chr.) von Bedeutung, der uns mit einem zeitlichen Abstand von mehr als 100 Jahren über die flavischen Kaiser informiert. Die in der Zeit zwischen 105 und 109 n. Chr. entstandenen Historien/historiae des aus ritterlicher Familie stammenden Tacitus, der unter den Flaviern eine senatorische Karriere durchlaufen hatte, bilden die Hauptquelle zum Beginn der Flavierzeit. Erhalten sind von den insgesamt zwölf Büchern allerdings nur die ersten vier und die erste Hälfte von Buch fünf, so dass wir nur über das Vierkaiserjahr 69 n. Chr. und die Etablierung der Herrschaft des Vespasian bis ins Jahr 70 n. Chr. unterrichtet werden. Zwar behauptet Tacitus von sich selbst, „ohne Zorn und Eifer“ (Annalen I 1: sine ira et studio) zu schreiben, doch hatte er, wie jeder moderne Historiker auch, selbstverständlich einen Standpunkt, von dem aus er Geschichte schrieb und die Zeit, in der er lebte, verarbeitete. Im Senatorenstand war aber der letzte Kaiser der flavischen Dynastie verachtet: Er galt als Tyrann. Der Standpunkt des Tacitus wiederum war klar von seiner Zugehörigkeit zur senatorischen Reichselite und ihren Wertvorstellungen geprägt. Das führte bei Tacitus zu einem Zwiespalt, denn er hatte, anders als einige seiner senatorischen Kollegen, unter Domitian problemlos seine Karriere als Senator fortsetzen können. Um seine senatorisch-republikanisch aufrechte Gesinnung nach dem Fall des Domitian deutlich werden zu lassen, bemühte sich Tacitus wahrscheinlich genau deshalb, besonders schlecht über Domitian zu schreiben und dessen Charakter in den negativsten Zügen zu zeichnen. Ganz im Gegenteil also zum selbst aufgestellten Diktum schrieb Tacitus, was Domitian betrifft, durchaus „mit Zorn und Eifer“. In der Zeit, in der Tacitus an seinen Historien arbeitete, verfasste der römische Ritter Sueton die „Leben der Caesaren“/de Caesarum vita libri octo von Caesar bis Domitian. Zunächst als Betreuer der kaiserlichen Bibliotheken (a bibliothecis) und „Wissenschaftsminister“ (a studiis), dann als Chef der kaiserlichen Kanzlei (ab epistulis) hatte der Biograph Zugang zu allen wichtigen Archiven Roms, verfügte also über beste Informationen über den Kaiserhof. Die Lebensbeschreibungen der Caesaren hat er immer nach dem gleichen Schema aufgebaut: Zunächst gibt ein erzählender Teil Auskunft über den Lebenslauf von der Geburt bis zum Herrschaftsantritt. Es folgt in Rubriken (per species) unterteilt die Beschreibung der Charakterzüge, der Lebensführung und eine Würdigung der politischen Leistungen. Zu guter Letzt geht es dann um den nahenden Tod und das Verscheiden des Herrschers selbst, um abschließend seinen letzten Willen darzulegen. Sueton ging es folglich nicht so sehr um eine Darstellung der Taten (res gestae) der Kaiser, sondern um ihre Lebensart (mores), was ihm häufig den Vorwurf des
Publius (?) Cornelius Tacitus
Sueton, Leben der Caesaren
1
Die wichtigsten Quellen zur Geschichte der Flavierzeit
I.
Cassius Dio, Römische Geschichte
Flavius Josephus
Plinius der Ältere und Pinius der Jüngere
2
‚Klatschreporters‘ einbrachte; ein Vorwurf, der freilich mehr als ungerechtfertigt ist. Der Blickwinkel Suetons ist im Vergleich zu dem des Tacitus dahingehend verschoben, dass Ersterer die Perspektive des kaiserlichen Hauses, Letzterer die der Senatoren einnahm – beide stimmen aber in ihrer Grundhaltung zu den jeweiligen Kaisern überein: Vespasian und Titus sind gute, Domitian ist ein schlechter Kaiser. Schrieben Tacitus und Sueton als indigene Römer in lateinischer Sprache, so war die Sprache des Senators Cassius Dio, der aus dem kleinasiatischen Bithynien stammte, das Griechische. Er begann seine „Römische Geschichte“/Romaiké historía wahrscheinlich nach dem Tod des Septimius Severus im Jahr 211 n. Chr. Die Partien zur Geschichte der Flavier sind nur durch byzantinische Zusammenfassungen seines Werkes (Buch LXV bis LXVII) aus dem 10. bis 12. Jahrhundert n. Chr. überliefert. Die Einstellung des Bithyniers zu den jeweiligen Kaisern unterscheidet sich nicht gravierend von der seiner beiden Vorgänger. Wie Sueton und Tacitus stand er im Staatsdienst und konzentrierte seine Darstellung deshalb auf die Geschehnisse in Rom und um den Kaiser: Dessen öffentliches und privates Leben und besonders sein Verhältnis zum Senat standen bei allen drei Autoren im Mittelpunkt. An die Seite dieser Autoren ist der jüdische Priester und Historiker Flavius Josephus (37/38–100 n. Chr.) zu stellen, der als Zeitzeuge ein ganz besonderes Verhältnis zu den Flaviern hatte. Seine Geschichte des Jüdischen Krieges/bellum Iudaicum soll uns noch genauer beschäftigen. Auch die kaiserlichen Beamten Plinius der Ältere (23–79 n. Chr.) und Plinius der Jüngere (61/ 62–112/113 n. Chr.) aus dem Ritterstand liefern uns wichtige Informationen zur Geschichte Roms im späteren ersten Jahrhundert. Der ältere Gaius Plinius Secundus ist vor allem aufgrund seiner vielbändigen Schrift über die Naturgeschichte/naturae historiarum libri XXXVII bekannt, der jüngere Gaius Plinius Caecilius Secundus aufgrund seiner Briefe/epistulae, die er an Privatleute und an den Kaiser Trajan schrieb, sowie seiner Lobrede/panegyricus auf diesen Herrscher. Die kaiserliche Selbstdarstellung und Überhöhung Domitians findet schließlich einen treffenden Ausdruck in den Werken der zeitgenössischen Dichter Marcus Valerius Martialis (37/41–104 n. Chr.) und Publius Papinius Statius (45–96 n. Chr.). Spott hingegen trifft den letzten Kaiser der Flavierdynastie bei dem Satiriker Decimus Iunius Iuvenalis (67–127 n. Chr.). Neben den angeführten literarischen Quellen sind noch weitere wichtige nicht literarische Primärquellen zu nennen, die bestimmte Aspekte flavischer Politik und Selbstdarstellung beleuchten. Münzen vermitteln etwa Auskünfte über das kaiserliche Selbstverständnis, und griechische und lateinische Inschriften erhellen die Hintergründe des von den literarischen Quellen gezeichneten historischen Gesamtbildes. Alle diese wichtigen Primärquellen werden jeweils an den entsprechenden Stellen ausführlich gewürdigt. Besonders wichtig sind zudem archäologische Funde und Befunde – prägt doch noch heute etwa das von Vespasian errichtete Kolosseum das Stadtbild Roms, ebenso wie der Palast des Domitian auf dem Palatin zur Kaiserresidenz schlechthin wurde. Aufgabe der Althistoriker ist es, die Erkenntnis der archäologischen Forschung mit in die Interpretation der flavischen Geschichte einzubeziehen.
II. Das Vierkaiserjahr Anfang April 68
Servius Sulpicius Galba, Statthalter der Hispania Tarraconensis, erklärt sich gegen Nero und nennt sich legatus senatus ac populi Romani 8. (?) Juni 68 Erhebung des Galba zum Kaiser durch den Senat: SERVIUS GALBA IMPERATOR CAESAR AUGUSTUS 9. Juni 68 Selbstmord Neros Herbst 68 Einzug des Galba in Rom 2. Januar 69 Die Legionen in Germanien rufen AULUS VITELLIUS GERMANICUS IMPERATOR zum Kaiser aus 10. Januar 69 Galba adoptiert Lucius Calpurnius Piso Frugi Licinianus: SERVIUS SULPICIUS (?) GALBA CAESAR (?) 15. Januar 69 Akklamation des Marcus Salvius Otho zum Kaiser durch die Prätorianer in Rom: IMPERATOR MARCUS OTHO CAESAR AUGUSTUS; Ermordung des Galba 14. April 69 1. Schlacht bei Bedriacum, Tod des Otho 1. Juli 69 Ernennung des Titus Flavius Vespasianus zum Kaiser: IMPERATOR TITUS FLAVIUS VESPASIANUS CAESAR Ende August 69 Umbenennung Vespasians in IMPERATOR CAESAR VESPASIANUS AUGUSTUS 19. Dezember 69 Brand des Kapitols 20. Dezember 69 Antonius Primus nimmt Rom für Vespasian ein, Tod des Vitellius
1. Drei streiten um die Macht: Galba, Otho und Vitellius Im Juni des Jahres 68 n. Chr. beging Nero, der letzte Prinzeps des von Augustus begründeten julisch-claudischen Kaiserhauses, Selbstmord, und es kam zum offenen Kampf um den Kaiserthron. Prinzeps, lat. princeps Der alte republikanische Titel princeps, wörtlich „erstes Haupt“ (primum caput), bezeichnete den einflussreichsten unter den führenden Adligen der Republik, der sich durch seine Verdienste für den Staat die größte Autorität (auctoritas) erworben hatte. Es gab zunächst immer mehrere principes civitatis, die sich durch Ansehen, Autorität und Würde von ihren Standesgenossen abhoben und deshalb das Recht hatten, als erste im Senat ihre Meinung zu verkünden. Dem Verständnis nach war ein princeps aber lediglich ein primus inter pares, also ein „Erster unter Gleichen“. Im Jahr 27 v. Chr. hatte Augustus den Titel princeps auf seine Person monopolisiert, um damit stigmatisierte Begriffe wie rex („König“) oder dictator zu umgehen. Auf diese Weise konnte er den Schein einer republikanischen Verfassung bewahren. Wichtig ist zudem, dass es sich bei der Bezeichnung princeps nicht um einen Amtsbegriff handelte. Mit dem Begriff principatus oder Prinzipat bezeichnen wir heute die Regierungsform der Zeit zwischen Augustus und Diokletian (27 v. Chr. – 286 n. Chr.), da alle Kaiser nach Augustus den princeps-
Neros Selbstmord
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Das Vierkaiserjahr
II.
Titel annahmen. Wesentliches Kennzeichen dieser „Vorherrschaft des einflussreichsten Mannes“ war, dass zwar faktisch gesehen alle Macht bei der Person des Kaisers lag, formalrechtlich gesehen aber die alte römische Republik mit allen ihren Institutionen weiter bestand. Wenn wir heute die römischen Herrscher des ersten bis dritten Jahrhunderts als Kaiser bezeichnen, dann ist damit immer ihr Status als princeps gemeint.
Insgesamt vier Thronprätendenten sollte das Jahr 68/69 n. Chr. kennenlernen und deshalb als Vierkaiserjahr in die römische Geschichte eingehen.
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Das Geheimnis der Herrschaft (Tacitus, Historien I 4,2) Neros Ende war zwar im ersten Freudensturm glückverheißend, aber es hatte auch gegensätzliche Emotionen nicht nur in der Stadt bei Senatoren und Volk oder der Garnison von Rom, sondern bei allen Legionen und Heereskommandanten; nachdem das Geheimnis des Regierens (imperii arcano) allgemein bekannt war, erkannte man, dass man zum Prinzeps auch anderswo als in Rom gemacht werden könne. (Übersetzung H. Vretska)
Galba
Der erste neue Kaiser war SERVIUS SULPICIUS GALBA. Der Senat hatte den Anspruch des bereits über 70 Jahre alten Mannes auf den Thron wahrscheinlich noch kurz vor dem Selbstmord Neros bestätigt. Wie war es dazu gekommen? Galba stammte aus einer alten patrizischen Familie, gehörte also der senatorischen Elite Roms an. Unter Nero war er Statthalter der Hispania Tarraconensis, der gesamten nördlichen und östlichen iberischen Halbinsel. Als der prätorische Statthalter von Gallia Lugdunensis Iulius Vindex von Nero abfiel, schlug sich Galba nach einigem Zögern auf die Seite des Aufständischen. Vindex wiederum trug Galba die Führung der anti-neronischen Bewegung an, die dieser im April 68 n. Chr. übernahm. Seine Provinz und die dortigen Legionen akklamierten Galba daraufhin in Carthago Nova/Cartagena zum Kaiser.
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Patrizier Als patricii, also als „zu den Vätern (patres) Gehörende“, bezeichneten sich die Nachkommen der ältesten römischen Familien. Sie bildeten in der frühen römischen Republik die vom Volk, der plebs, getrennte Aristokratie, die den Senat stellte. Als Folge der sogenannten Ständekämpfe ließen die Patrizier aber auch reiche Plebejer in den Senat eintreten, so dass der Adel seitdem als patrizischplebeische Nobilität/nobilitas auftrat.
Damit jedoch seine senatorischen Standesgenossen in Rom ihr Gesicht wahren konnten, nannte sich Galba zunächst lediglich „Statthalter des Senats und des Römischen Volkes“ (legatus senatus ac populi Romani). Auf diese Weise wahrte er das Ideal einer republikanischen Staatsordnung, derzufolge das Prinzipat nur in einem offiziellen Akt durch den Senat und das römische Volk vergeben werden konnte. Daran ist zu erkennen, dass Galba sich ganz bewusst in die Nachfolge des Augustus stellte, der alle seine Vollmachten offiziell vom Senat und dem römischen Volk erhalten hatte. Erst nach der Bestätigung durch den Senat, wohl am 8. Juni 69 n. Chr., ließ sich der neue Herrscher dann SERVIUS GALBA IMPERATOR CAESAR AUGUSTUS nennen.
4
Drei streiten um die Macht: Galba, Otho und Vitellius Er war auf diese Weise nicht nur seiner Herkunft, sondern auch seiner Legitimation nach ganz eindeutig ein Kaiser des Senates. Da der sich bereits im fortgeschrittenen Alter befindliche neue Kaiser jedoch zögerte, einen Nachfolger zu bestimmen, riefen die Legionen in Niedergermanien am 2. Januar 69 n. Chr. AULUS VITELLIUS zum Kaiser aus. Galbas Fehler war es gewesen, dass er die im Norden stationierten Legionen nicht durch ihnen erwiesene Geldgeschenke, sogenannte Donative, für sich gewonnen hatte. Als Begründung hierfür gab er an, er sei es gewohnt, Soldaten auszuheben und nicht zu kaufen (Sueton, Galba XVI 1). Umso mehr verärgerte das die Soldaten, weil der Kaiser an die stadtrömische Bevölkerung durchaus ein solches Geschenk hatte verteilen lassen. Es ging sogar das Gerücht, Galba wolle die Truppenstärke in Germanien reduzieren (Tacitus, Historien I 51,5). Aufgrund der Erhebung des Vitellius zum Gegenkaiser sah sich Galba zum Handeln gezwungen und adoptierte deshalb am 10. Januar den römischen Aristokraten Lucius Calpurnius Piso Frugi Licinianus. Aufschlussreich für das römische Verständnis vom Prinzipat ist die bei Tacitus überlieferte, oder richtiger die von dem Schriftsteller formulierte Adoptionsrede Galbas. Die Adoptionsrede Galbas (Tacitus, Historien I 16,1–2)
II. Die Legitimation Galbas Die Usurpation des Vitellius
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Wenn der unermessliche Reichsorganismus bestehen und sich im Gleichgewicht halten könnte ohne Regenten, wäre ich der Würdigste, mit dem die Republik (wieder) beginnen könnte. … Unter Tiberius, Gaius (= Caligula) und Claudius waren wir gewissermaßen einer einzigen Familie Erbgut: Als Ersatz für die Freiheit (libertas) wird es gelten, dass mit uns die Wahl eingesetzt hat; und nach dem Aussterben des Hauses der Julier und Claudier wird die Adoption jeweils den Besten (optimus) herausfinden. Denn es ist Zufall, Abstammung und Geburt den principes zu verdanken, und es wird auch nicht anders bewertet. Bei der Adoption ist das Urteil ungetrübt, und wenn man jemanden erwählen will, liegt der Beweis in der allgemeinen Zustimmung (consensus). (Übersetzung H. Vretska)
Wenn Galba sagt, dass er am liebsten die Republik wieder beginnen lassen möchte, dann gibt er seinen Zuhörern zu verstehen, dass sie sich nicht in einer Republik, sondern in einer autokratischen Staatsform befänden. Damit verstößt er gegen einen Kodex, an den sich alle seine Vorgänger gehalten haben: Das römische Prinzipat war dem offiziellen Selbstverständnis nach eine Republik, das heißt eine Herrschaft von römischem Senat und Volk. Augustus war es nämlich, der diese Republik nach eigener Auskunft wieder hergestellt hatte (res publica restituta). In Wirklichkeit handelte es sich freilich, und das wussten auch alle Zeitgenossen, seit dieser Zeit um eine Monarchie dynastischen Charakters, da alle bisherigen Nachfolger des Augustus der julisch-claudischen Familie angehörten. Julisch-claudisches Kaiserhaus Es handelt sich um die Kaiser Augustus (27 v. Chr.–14 n. Chr.), Tiberius (14–37 n. Chr.), Gaius Caligula (37–41 n. Chr.), Claudius (41–54 n. Chr.) und Nero (54–68 n. Chr.). Als Adoptivsohn des Gaius Iulius Caesar hatte Octavian-Augustus
Die „wiederhergestellte Römische Republik“ oder Monarchie
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Das Vierkaiserjahr
II.
den Gentilnamen Iulius angenommen, den er an alle Nachfolger aus seiner Familie weitergab. Die Ergänzung der Dynastiebezeichnung durch den Gentilnamen der Claudier ist auf den zweiten Kaiser Tiberius zurückzuführen, der von Augustus adoptiert worden, aber der leibliche Sohn des Tiberius Claudius Nero war. Die nachfolgenden drei Kaiser enstammten alle diesem familiären Umfeld.
Die Wahl des Besten
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Prätorianer(garde), cohors praetoria Eine militärische Eliteeinheit, die in einem Lager (castra praetoria) in Rom, auf dem Hügel Viminal, stationiert war. Die Prätorianer unterstanden einem Präfekten (praefectus praetorio). Sie dienten als Eskorte des Kaisers, sorgten für seinen Schutz und übernahmen polizeiliche Aufgaben in der Stadt. Da es ansonsten keine Soldaten in Rom geben durfte, hatten die Prätorianer vor allem in Krisenzeiten großen Einfluss auf die politischen Geschicke des Reiches.
Otho
An die Spitze der römischen Opposition gegen Galba setzte sich der Senator Marcus Salvius Otho, der sich um den Thron betrogen fühlte. Er hatte Galba nach dessen Erhebung voll und ganz unterstützt, insbesondere weil er hoffte, von ihm adoptiert zu werden. Zum Militär besaß er aufgrund seiner Spendierfreudigkeit bereits beste Beziehungen, und so akklamierten ihn die Prätorianer fünf Tage nach der Adoption des Piso zum Kaiser mit dem Namen IMPERATOR MARCUS OTHO CAESAR AUGUSTUS. Der gleiche Tag brachte auf dem Forum den Tod des Galba von Soldatenhand. Bis zu seinem Ende
Der Tod Galbas
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Es ist unwahrscheinlich, dass Galba in einer offiziellen Rede das augusteische Ideal derart negiert hätte – die Rede dürfte eher eine schriftstellerische Fiktion des Tacitus sein, der sie dem Kaiser in den Mund gelegt hat, um uns seine eigene Sicht über den Prinzipat zu vermitteln. So schrieb er etwa in seinen Annalen (IV 33), dass „das römische Gemeinwesen (res Romana) nichts anderes darstellt, als dass einer herrscht“. In der Galba in den Mund gelegten Rede weist Tacitus aber auch auf die Lösung hin, die vielen Senatoren vorschwebte, um zumindest einen Ausgleich für die verlorene Freiheit zu erhalten: Der Beste (optimus) musste gewählt werden. Die Erbfolge hatte in der julisch-claudischen Zeit dazu geführt, dass sie mit dem Tyrannen Nero auf dem Cäsarenthron endete. Nicht die Eignung, sondern der Zufall der Geburt hatte nämlich den Kaiser gemacht. In der Adoption hingegen sieht Tacitus, und da spricht er wahrscheinlich für große Teile der senatorischen Elite, die Lösung, die zur Wahl eines optimalen Lenkers des Reiches führt, ohne den „der Reichsorganismus nicht im Gleichgewicht gehalten werden kann“. Auf diese Weise können im Sinne des Tacitus senatorische Freiheit und Prinzipat ausgesöhnt werden (Agricola III 1: libertas ac principatus), denn so ist seiner Ansicht nach der consensus, die Zustimmung aller, gewährleistet. Der von Galba adoptierte Mitsenator Piso sorgte jedoch für alles andere als für den beschworenen consensus. Der designierte Thronfolger war zwar nach Ansicht seiner Standesgenossen der Beste (optimus), seine Designation stellte aber einen politischen Missgriff sondergleichen dar. Piso besaß aufgrund eines langen Exils in der Zeit des Nero keinerlei Verbindungen zum Militär und keine tragfähigen innenpolitischen Beziehungen. Das führte dazu, dass jetzt auch Rom unruhig wurde. Insbesondere der Prätorianergarde in der Stadt gefiel die neue Wahl nicht, weil Galba eine Prämie für ihre Zustimmung zu Piso verweigert hatte.
Der Vierte im Streit: Vespasian erwies sich Galba als überzeugter Römer, denn seine letzten Worte an den Mörder lauteten: „Tut es nur, wenn das zum Heile des römischen Volkes ist!“ (Plutarch, Galba XXVII). Während Vitellius also im Norden mit der Hilfe der germanischen Legionen die Position des Kaisers für sich beanspruchte, hatte in Rom ein Kaiserwechsel stattgefunden. Otho setzte als neuer legitimer Prinzeps in den wenigen Monaten seiner Herrschaft alles auf einen Ausgleich zwischen den militärischen und politischen Kräften des Reiches. Er rehabilitierte die Anhänger Neros und versuchte, Vitellius für ein Doppelkaisertum zu gewinnen; ein Angebot, das Vitellius ausschlug. Der Usurpator zog vielmehr mit den Armeen Germaniens in Richtung Rom, um seinen Anspruch auf den Kaiserthron durchzusetzen. Am 14. April schlugen seine Legionen ein unter der Führung Othos stehendes Heer bei Bedriacum in Oberitalien, und Otho beging Selbstmord. Sueton überliefert uns die Vermutung, dass der Kaiser den Freitod wählte, um den Staat und die Menschen vor der Gefahr des weiteren Krieges zu bewahren (Sueton, Otho IX 3; vgl. Plutarch, Otho 15). Im Juni zog der Sieger Vitellius in Rom ein und wurde von Senat und Volk als neuer Kaiser anerkannt. Tacitus über Vitellius vor dessen Einzug in Rom (Tacitus, Historien II 71)
II.
Othos Bemühen um einen Ausgleich
Erste Schlacht bei Bedriacum
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Je mehr sich Vitellius (Rom) näherte, desto zuchtloser ging es auf dem Marsch zu. Dazugesellt hatten sich Schauspieler, Scharen von Verschnittenen und was sonst noch dem Hof Neros sein Gepräge gegeben hatte; gerade den Nero nämlich verehrte Vitellius in Bewunderung: Er hatte ihn gewöhnlich, wenn er sang, begleitet, nicht aus Zwang, wie viele der ehrenwertesten Männer, sondern dem Wohlleben und der Völlerei hingegeben und verfallen. (Übersetzung H. Vretska)
Glaubt man der Schilderung des Tacitus, so schien dem Reich mit Vitellius die Herrschaft eines zweiten Neros zu drohen. In dieser Situation betrat dann aber der römische General Vespasian als von den Legionen des Ostens getragener Usurpator die Bühne. Ebenso wie die Legionen in Germanien, verstanden sich die des Ostens als Schützer der Reichsgrenze und machten sich nun Sorgen: „Es dürften nicht den anderen die Vorteile der Herrschaft, ihnen selbst der Zwang der Knechtschaft bleiben“ (Tacitus, Historien II 6,2). Die Ost-Legionen befürchteten also letztlich, vom Heer in Germanien übervorteilt zu werden. Denn die Truppen, die den Kaiser stellten, durften sich auch sicher sein, in den Genuss großer Zuwendungen zu kommen.
2. Der Vierte im Streit: Vespasian TITUS FLAVIUS VESPASIANUS konnte, anders als Galba, Otho und Vitellius, auf keine senatorische Familientradition verweisen, ja die aus dem sabinischen Reate (Rieti) stammende Familie ließ sich lediglich auf zwei Generationen
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Das Vierkaiserjahr
II.
zurückverfolgen. Der Großvater Vespasians war Centurio im Heer des Caesargegners Pompeius gewesen, der Vater, Flavius Sabinus, Zollbeamter bei den Helvetiern. Der ältere Bruder Vespasians und der zukünftige Kaiser selbst waren die ersten in der Familie, die es schafften, die Toga mit dem breiten roten Streifen (latus clavus) anzulegen – dem Standeskennzeichen eines römischen Senators. Der am 17. November 9 n. Chr., also im Jahr der Varusschlacht in Reate geborene Vespasian hatte die typische Karriere eines zukünftigen römischen Senators durchlaufen, in der er militärische Tätigkeiten ebenso wie Magistraturen (Ädil: 38 n. Chr.; Prätor: 39 n. Chr.) in der Stadt ausübte. Kaiser Claudius zeichnete Vespasian für seine Leistungen als Kommandant der legio II Augusta während der Eroberung Britanniens mit den Triumphalinsignien (ornamenta triumphalia) aus. Das war an Ehre gleichbedeutend mit einem Triumphzug in Rom, der in dieser Zeit nur noch dem Kaiser als oberstem Feldherrn zustand. Im Jahr 63 n. Chr. war Vespasian Prokonsul der Provinz Africa und seit 66 n. Chr. führte er als General den Krieg gegen das aufständische Judäa.
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Der politisch unbelastete Kaiser (Sueton, Vespasian 4,1) Auf der Griechenlandreise Neros befand Vespasian sich unter dessen Begleitern; als er sich, während dieser sang, entweder zu oft entfernte oder, wenn er anwesend war, schnell einschlief, wurde ihm dies sehr übel genommen, und er wurde nicht nur aus dem Gefolge des Kaisers ausgeschlossen, sondern auch von den öffentlichen Empfängen; so zog er sich in eine kleine, abgelegene Stadt zurück, bis ihm, der sich verborgen hielt und immer noch das Schlimmste befürchtete, eine Provinz mit militärischem Kommando angeboten wurde. (Übersetzung nach H. Martinet)
Die militärische Leistungsfähigkeit Vespasians
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Sueton präsentiert Vespasian bereits vor seiner Thronbesteigung als einen grundständigen und ehrlichen Mann, der es, anders als die meisten seiner Zeitgenossen, trotz der damit einhergehenden Gefahr für Leib und Leben, nicht für nötig hielt, Nero geheuchelte Bewunderung zu erweisen. Statt jedoch in die direkte Opposition zum angeblich größenwahnsinnigen Nero zu gehen, schlief Vespasian einfach ein und übte damit eine Art passive Verweigerung. Sueton kontrastiert Vespasian so nicht nur zu seinem Konkurrenten, dem „zweiten Nero“ Vitellius, sondern auch zu den ehrwürdigsten Männern Roms. Auf diese Weise war Vespasian für die Zukunft, obgleich einer der wichtigsten Feldherren Neros, politisch unbelastet und kaisertauglich. Konnte Vespasian nicht auf eine lange senatorische Familientradition, auf die sogenannten Bilder der Ahnen, verweisen, die seinen Anspruch auf den Kaiserthron für die adlige Führungsschicht des Reiches zumindest akzeptabel gemacht hätte, so besaß er doch einen ausschlaggebenden Vorteil, der ihm die Herrschaft brachte: seine militärische Leistungsfähigkeit. Diese hatte dazu geführt, dass Vespasian, obwohl er bei Nero in Ungnade gefallen war, im Jahr 66 n. Chr. mit der Niederschlagung des jüdischen Aufstandes betraut wurde. Die Qualifikation des Vespasian erkannte auch der Statthalter Syriens, Gaius Licinius Mucianus, der als erster Vespasian vor versam-
Der Vierte im Streit: Vespasian melter Menge zum Ergreifen der Herrschaft um der Republik willen aufrief (Tacitus, Historien II 76–78). Entscheidend war daraufhin das Handeln des Präfekten Ägyptens, Tiberius Iulius Alexander. Er hatte bereits Nero und Galba treue Dienste erwiesen und übernahm diesmal eine weltpolitische Funktion, indem er am 1. Juli 69 n. Chr. „als erster seine Legionen auf den Namen Vespasian schwören ließ“ (Sueton, Vespasian VI 3). Diesem Vorbild folgten am 3. oder 11. Juli die Truppen des Vespasian in Judäa. Der neue Kaiser erklärte später den 1. Juli zum Tag seines Herrschaftsantritts, zum dies imperii, und hatte damit den gleichen ‚Thronbesteigungstermin‘ wie Augustus. Nachdem der ehemalige Feldherr Neros dann einige Monate später, im Herbst des Jahres 69 n. Chr., in Alexandria eintraf, „um sich der ägyptischen Schlüsselstellung zu bemächtigen“ (Sueton, Vespasian VII 1), also um die Kornversorgung Roms zu kontrollieren (Josephus, Jüdischer Krieg IV 605), empfing ihn die alexandrinische Bevölkerung mit Begeisterung. Sie pries den neuen Kaiser, wie zuvor die ptolemäischen Könige des Landes und dann besonders Augustus, als Heiland und Wohltäter. Die Zustimmung der ägyptischen Untertanen half Vespasian aber nicht, seinen Anspruch auf den Kaiserthron zu legitimieren, der zu dieser Zeit allein auf der faktischen Macht der ihm ergebenen Legionen ruhte. „Noch fehlte Vespasian das nötige Ansehen (auctoritas) und gleichsam die Hoheit (maiestas)“, wie es Sueton (Vespasian VII 2) schrieb. Viele Wunder bestätigten daraufhin aber die Wirkmächtigkeit des neuen Kaisers und damit seine Befähigung zur Herrschaft, da „durch die Wunder des Himmels Gunst und eine gewisse Neigung der Götter für Vespasian sich kundtat“ (Tacitus, Historien IV 81). Das wichtigste Wunder war die Heilung eines Blinden und eines Lahmen, die bei Tacitus, Sueton und Cassius Dio überliefert ist. Die drei Autoren weichen zwar in Details voneinander ab, bieten grundsätzlich aber die gleiche Geschichte. Der Heilgott Sarapis hatte einem Blinden und einem Lahmen offenbart, dass sie von dem neuen Kaiser Heilung erfahren würden. Entweder wird die Sendung durch Sarapis direkt erwähnt, oder ein Traumgesicht, das wohl der Gottheit zuzuschreiben ist, ließ die Kranken zu Vespasian kommen. Nach skeptischem Zögern vollbrachte Vespasian das Wunder und erwies damit seine Befähigung als Kaiser. Sarapis (lat.: Serapis) Eine im ausgehenden 4. Jahrhundert v. Chr. von dem ersten griechisch-makedonischen König Ptolemaios geschaffene griechisch-ägyptische Mischgottheit. Der Name Sarapis leitet sich von Osiris-Apis ab, dem ägyptischen Gott des Königtums, der Fruchtbarkeit und der Unterwelt. Von den griechischen Göttern Zeus und Hades nahm Sarapis sein väterliches Aussehen (gelockter Bart, langes gelocktes Haupthaar) an, von Dionysos seine Zuständigkeit für die Fruchtbarkeit, die ein Korb mit Kornähren auf dem Kopf symbolisierte (kalathos). Kultgenossin des Sarapis war die ägyptische Göttin Isis. Schnell verbreitete sich beider Kult im gesamten Mittelmeerraum und in römischer Zeit bis an die Nordgrenzen des Reiches. In Ägypten wurde Sarapis zudem besonders als Heil- und Orakelgottheit verehrt.
II.
Vespasian in Alexandria
E
Da die Geschichte in unterschiedlichen Ausgestaltungen von drei antiken Quellen überliefert ist, liegt ihr wahrscheinlich ein wahrer Kern zugrunde.
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Das Vierkaiserjahr
II.
Vespasian als „Werkzeug“ des Sarapis
Das bedeutet freilich nicht, dass der Kaiser wirklich ein Wunder vollbrachte, sondern dass es sich um eine geschickte herrschaftliche oder ägyptisch-priesterliche Inszenierung handelte, an deren Verbreitung Vespasian allem Anschein nach sehr gelegen war. Die Forschung streitet sich aber darüber, ob sich Vespasian durch den Vollzug des Wunders als Gottheit auswies oder ob er „nur“ im Auftrag des gräko-ägyptischen Gottes handelte. Nicht berücksichtigt ist in dieser Diskussion, dass man zwischen den Berichten der drei römischen, senatorisch eingestellten Autoren auf der einen und der Wahrnehmung des Geschehens durch das alexandrinische Volk auf der anderen Seite zu unterscheiden hat. So nämlich, wie Tacitus, Sueton und Cassius Dio von dem Mirakel berichten, ist die Interpretation, dass Vespasian als Gottheit handelt, nicht zulässig. Eindeutig bestätigt hier vielmehr die Gottheit Sarapis Vespasian als Heilsherrscher, der als Werkzeug des Gottes auftritt. Das entsprach auch der zeitgenössischen stoischen Philosophie der römischen Elite, der zufolge der Kaiser, wie es sich etwa bei Seneca (De Clementia I 1,2) formuliert findet, „Stellvertreter der Götter“ auf Erden ist. Auf einem anderen Blatt steht dann aber selbstverständlich, wie die Alexandriner das Wunder wahrnahmen. Dass nämlich das Vollbringen von wundersamen Heilungen für das sogenannte einfache Volk im hellenistischen Osten durchaus Kennzeichen einer Gottheit sein konnte, belegt uns eine Episode aus der Apostelgeschichte. Paulus heilte in Begleitung des Barnabas einen Gelähmten, und die Menge rief daraufhin: „Die Götter sind in Menschengestalt zu uns herabgestiegen.“ (Apostelgeschichte 14,11). Gleiches könnte man vielleicht in Alexandria von Vespasian gedacht haben. Bei Tacitus folgt dem Heilungswunder ein zweites, auch von Sueton überliefertes miraculum, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit allein für Vespasian geschah. Als der Usurpator sich in den Sarapistempel zurückgezogen hatte, erschien ihm im Tempel sein Freigelassener Basilides, der sich zum gleichen Zeitpunkt eigentlich weit von Alexandria entfernt aufhielt und zudem krank war. Sueton lässt das Wunder unkommentiert, doch wie es zu deuten ist, erfahren wir von Tacitus. Er erklärt die „göttliche Erscheinung“ des Basilides als Herrschaftsbestätigung, denn Vespasian „schloss aus dem Namen Basilides auf die Bedeutung eines Götterspruchs“ (Tacitus, Historien IV 82), da sich der Name Basilides auf das griechische Wort für König – basileus – zurückführt.
3. Rom und das Reich zwischen Vitellius und Vespasian Statt als Befehlshaber und Usurpator nach Italien aufzubrechen und sich dort des Kaiserthrons zu bemächtigen, wartete Vespasian im Osten ab, wie sich die Situation im Reich nach seiner Proklamation entwickeln würde. Im Auftrag Vespasians brach zunächst Mucianus, der Statthalter Syriens, mit seinen Legionen nach Italien auf, um Vitellius zu vernichten. Noch bevor Mucianus hier eintraf, waren jedoch Antonius Primus, der Kommandeur der
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Rom und das Reich zwischen Vitellius und Vespasian sechsten Legion in Pannonien an der Donau, gemeinsam mit dem illyrischen Statthalter Cornelius Fuscus, die sich beide ebenfalls auf die Seite Vespasians geschlagen hatten, mit nur fünf Legionen in Italien einmarschiert. Hiermit handelten sie gegen den Willen des Vespasian, denn in Italien erwarteten sie die zahlenmäßig weit überlegenen Truppen des Vitellius. Am 24. Oktober 69 n. Chr. kam es zum zweiten Mal innerhalb von wenigen Monaten in der Nähe von Bedriacum zur Entscheidungsschlacht, bei der die Flavianer, die partes Flaviani, den Sieg davontragen konnten. Noch war Rom nicht erobert, doch nachdem ein von Vitellius den Flavianern entgegengesandtes Heer kampflos zu Vespasian überlief, suchte der legitime Kaiser Vitellius nach einem staatsrechtlich interessanten Ausweg aus seiner Notlage, der uns viel über das zeitgenössische Verständnis vom römischen Prinzipat zeigt.
Der Abdankungsversuch des Vitellius (Tacitus, Historien III 68,2–3)
II.
Zweite Schlacht von Bedriacum
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In der von ihm selbst einberufenen Volksversammlung, mitten unter seinen Soldaten, sogar vor den Augen der Frauen, sprach er wenige, der traurigen Gegenwart entsprechende Worte – er trete ab um des Friedens und des Staates willen (pacis et rei publicae causa), bewahren sollten sie nur die Erinnerung an ihn …; schließlich, als Tränen seine Stimme erstickten, wollte er den vom Gürtel gelösten Dolch dem daneben stehenden Konsul … gleichsam als Symbol des Rechtes über Leben und Tod der Bürger übergeben. Als der Konsul das ablehnte und alle Versammlungsteilnehmer laut Einspruch erhoben, ging er weg, als wollte er im Tempel der Concordia die Zeichen der Herrschaft (insignia imperii) ablegen und das Haus seines Bruders aufsuchen. Da schwoll das Geschrei der Leute an, die ihn am Betreten eines Privathauses hinderten und ihm zuriefen: „Zurück in den Palast!“ Versperrt war ein anderer Weg, nur der eine, auf dem er zur Via Sacra gelangen konnte, stand offen; da kehrte er ratlos, wie er war, in den Palast zurück. (Übersetzung H. Vretska)
Bei Sueton (Vitellius XV 2–4) ist die gleiche Geschichte mit leicht variierendem Verlauf ebenfalls überliefert, und es besteht kein Zweifel an ihrer Historizität. Von Sueton erfahren wir ergänzend zu Tacitus, dass sich Vitellius vor seinem geschickt inszenierten Abdankungsversuch von Vespasians Bruder Flavius Sabinus leibliche Unversehrtheit und eine angemessene Abfindung hatte zusichern lassen. Von besonderer Bedeutung ist die Begründung, mit der Vitellius abtreten wollte: des Friedens und der Republik wegen. In diesen Worten zeigt sich zum einen, dass alle Kaiser des Vierkaiserjahres ihr Handeln, glaubt man den antiken Schriftstellern, mit dem Wohl Roms begründeten und, wie Galba und Otho, für das Wohl Roms bereit waren zu sterben. Die Begründung des Vitellius lässt zudem erkennen, dass man auch noch in dieser Zeit die Fiktion der von Augustus wiederhergestellten Republik aufrecht erhielt – die Herrschaft lag de iure bei Senat und römischem Volk (senatus populusque Romanus), die diese dann an den geeigneten „Ersten“, eben den Prinzeps, verliehen.
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Das Vierkaiserjahr
II.
Der Dolch als Insignium der Herrschaft
Die Eintracht und der consensus universorum
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Für die Zeitgenossen unerhört war der Abdankungsversuch vor allem, weil Vitellius als ein rechtmäßig von Senat und Volk bestimmter Kaiser bereit war, das damit verbundene Privileg der Herrschaft aufzugeben. Wichtig ist aber, dass Vitellius sein Zeichen der Herrschaft nicht an einen Anhänger der Flavier übergeben wollte, sondern dem amtierenden Konsul, also dem republikanischen Staatsoberhaupt – Senat und Volk oblag damit die Entscheidung über den legitimen Herrscher. Bei Sueton ist der Versuch der Übergabe des Dolches sogar noch dramatischer geschildert, denn Vitellius hielt, nach der Ablehnung der Annahme durch die Konsuln, den Dolch danach noch den übrigen amtierenden Magistraten, und als diese ablehnten, jedem Senator einzeln hin. Es ist weiterhin bemerkenswert, dass der Prinzeps den Dolch als wichtigstes Zeichen seiner kaiserlichen Position auffasste, weil, wie es heißt, dieser das Symbol der Strafgewalt war. Damit wich Vitellius von der augusteischen Tradition ab. Als Augustus nämlich einmal sterbenskrank war, überreichte er seinen Siegelring als Zeichen der Herrschaft an Agrippa. Das mit dem Bild des ersten Prinzeps versehene Siegel war auch bei den späteren Kaisern noch in Gebrauch (Sueton, Augustus L). Insbesondere beim Ableben des Tiberius spielte die Übergabe dieses Siegelringes eine wichtige Rolle (Sueton, Tiberius LXXIII 2) und zeigt damit, dass am Besitz des Ringes die faktische Herrschergewalt hing. Von dem Akt der Übergabe seines Siegels hat Vitellius jedoch abgesehen, weil sie vom staatsrechtlichen Gesichtspunkt her nicht so wirkungsvoll gewesen wäre wie die des Dolches. Letzterer war nämlich das politische Symbol der durch Senat und Volk verliehenen umfassenden Gewalt des Prinzeps. Eine Rückgabe des Siegels an den Senat wäre zudem überhaupt nicht möglich gewesen, weil dieser den Ring nie an den Prinzeps verliehen hatte. Im Bericht des Sueton ist zudem die Rede davon, dass Soldaten und Volk den Kaiser bestürmten, nicht zurückzutreten, und ihm ihre volle Unterstützung zusicherten. Um dem Ganzen einen dramatischeren Zug zu verleihen, versuchte der Kaiser, nachdem der Senat die Annahme des Dolches verweigert hatte, das Insignium seiner Herrschaft im Tempel der Concordia, also der personifizierten Gottheit Eintracht, niederzulegen. Ziel des Kaisers war es natürlich, genau diese Eintracht in Volk und Senat von Rom zu seinen Gunsten wiederherzustellen. Die wenig verlässliche Treue seiner römischen Untertanen hatte Vitellius schließlich dadurch erfahren können, dass viele seiner Truppen zum Usurpator übergelaufen waren. Nichts war also nötiger als ein großer symbolischer Akt des Treuebeweises für den legitimen Herrscher, und zwar nicht nur von Seiten des Senats, sondern auch von den Soldaten und vom römischen Volk. Nachdem der Kaiser sich derart der vollen Unterstützung seiner verbliebenen Anhänger versichert hatte, war das eigentlich intendierte Ziel der vorgeblichen Abdankung erreicht: Vitellius hatte die Vertrauensfrage gestellt. und danach war der dringend notwendige consensus universorum, die „Übereinstimmung aller“, wiederhergestellt. Der Kaiser wollte sicherlich niemals wirklich die Macht abgeben, sondern er wollte die brüchig gewordenen Reihen seiner Anhänger für den entscheidenden Kampf um den Thron fest zusammenschließen. Sueton berichtet, Vitellius hätte sich nach der öffentlichen Loyalitätserklärung sogar selbst den Beinamen Concordia zulegen wollen.
Rom und das Reich zwischen Vitellius und Vespasian Die Flavianer scheinen überhaupt nicht damit gerechnet zu haben, dass Vitellius die Abdankung nur inszeniert hatte, um den Zusammenhalt seiner Anhänger zu stärken. Der besiegt geglaubte Gegner griff sie plötzlich, am 19. Dezember 69 n. Chr., an, während die flavischen Truppen sich bereits im Anmarsch auf die Stadt befanden. Die Anhänger Vespasians konnten sich nur noch auf das Kapitol zurückziehen, wo die Gefolgsleute des Vitellius sie belagerten. Diese schreckten nicht einmal vor dem Sakrileg zurück, das Kapitol mitsamt dem wichtigsten Tempel des Reiches, demjenigen der Kapitolinischen Trias, bestehend aus Iuppiter Optimus Maximus, Iuno und Minerva, in Brand zu stecken. Währenddessen „saß Vitellius zu Tisch und schaute dem Kampf und dem Feuer vom Palast des Tiberius aus zu“ (Sueton, Vitellius XV 3). Noch einmal, kurz vor seinem Tod, zeichnet uns Sueton den Vitellius damit als einen zweiten Nero (s.o.), denn auch dieser hatte den „Brand (Roms) aus der Ferne angeschaut, vom Palast des Maecenas aus; nach seinen eigenen Worten machte ihn die Schönheit des Brandes glücklich“ (Sueton, Nero XXXVIII 3). Flavius Sabinus, der Bruder des Vespasian, verlor in den Kämpfen das Leben, doch konnte sich Domitian, der Sohn des Usurpators, verkleidet vom brennenden Kapitol retten. Am folgenden Tag marschierten die flavischen Truppen unter Antonius in Rom ein und machten die wenigen, dem Vitellius verbliebenen Anhänger in Straßenkämpfen nieder. Versuchen wir kurz, die Charakteristika des Vierkaiserjahres zusammenzufassen: Die von Augustus begründete Herrschaftsform des Prinzipats war eine Erbmonarchie. Als der letzte Vertreter dieser Dynastie verstorben war, offenbarte sich zum ersten Mal mehr als deutlich, dass die eigentliche Macht eines Herrschers auf dem Militär und dessen Unterstützung ruhte. Zunächst waren es Galba, Otho und Vitellius, die den Purpur des Kaisers anstrebten, und hinter allen dreien stand das Militär. Der Senat hingegen, das einstmals wichtigste Gremium Roms, spielte keine politische Rolle mehr und bestätigte ohne den geringsten Widerstand die jeweilige Kür der Legionen oder der Prätorianergarde. Am Ende konnte derjenige General den Sieg davontragen, der es geschafft hatte, die meisten Legionen auf seine Seite zu ziehen.
II. Der Brand des Kapitols
Der Charakter des Vierkaiserjahres
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III. Vespasian Ende August 69
Vespasian nimmt den Namen IMPERATOR CAESAR VESPASIANUS AUGUSTUS an 21./(22.?) Dezember 69 Bestätigung Vespasians durch den Senat Ende 69 (?) lex de imperio Vespasiani Oktober 70 Ankunft des Vespasian in Rom Juni 71 Feier des Triumphes über das unterworfene Judäa 73/74 Übernahme der Zensur gemeinsam mit Titus 75 Einweihung des Friedensforums 23. Juli 79 Tod des Vespasian
1. Vespasian vor dem Einzug in Rom In der Zeit zwischen Juli und Dezember des Jahres 69 n. Chr. lassen sich zwei rechtliche Maßnahmen feststellen, die wichtige Informationen über die vespasianische Form des römischen Kaisertums vermitteln. Erstens nahm Vespasian eine Änderung seines in Ägypten gerade erst angenommenen Herrschernamens vor, und zweitens verabschiedete die Volksversammlung in Rom ein Gesetz, das dem Kaiser umfassende Vollmachten zur Lenkung des Gemeinwesens garantierte. a) Der Name
Vespasian und Augustus
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Mit seiner Proklamation zum Kaiser am 1. Juli 69 n. Chr. hatte der damals 60 Jahre alte Vespasian den Herrschertitel IMPERATOR TITUS FLAVIUS VESPASIANUS CAESAR angenommen. Den Kern des Namens bilden die typischen drei Namen (tria nomina) eines römischen Bürgers, bestehend aus dem Vornamen (praenomen) Titus, dem Familiennamen (nomen gentile) Flavius und dem Beinamen (cognomen) Vespasianus. Die Bezeichnung Imperator war der alte Feldherren- und Triumphatorentitel, mit dem das persönliche Näheverhältnis des Kaisers zum Heer ausgedrückt ist. Hiermit wies er auf seine eigentliche Machtgrundlage – die Zustimmung der Soldaten – hin. Jeder Kaiser wählte diese Bezeichnung zu seinem neuen praenomen. Der aufgrund der Adoption des Octavian-Augustus durch Gaius Iulius Caesar zum Bei- und später Gentilnamen der julischen Dynastie gewordene Name Caesar hatte sich als Herrscherbezeichnung zum ständigen, auf die Nachfolge des Augustus rekurrierenden Namensbestandteil eines römischen Kaisers entwickelt. Vespasian schloss ihn meist an sein cognomen an. Ende August 69 n. Chr., also keine zwei Monate später, änderte Vespasian seinen Namen erneut: Von nun an hieß er IMPERATOR CAESAR VESPASIANUS AUGUSTUS. Er hatte also, um sich in die direkte Nachfolge des ersten Prinzeps IMPERATOR CAESAR AUGUSTUS stellen zu können, den eigenen Vor- und Fami-
Vespasian vor dem Einzug in Rom
III.
liennamen Titus Flavius aufgegeben. Die Annahme des cognomen Augustus ist aufschlussreich. Er zeigt, dass der neue Herrscher sich ganz in die Tradition des Prinzipats des Augustus stellen wollte. Wichtig ist aber, dass Vespasian sich diesen Ehrennamen noch vor seiner Anerkennung durch den Senat zulegte, der ihn dann wohl erst nachträglich bestätigte. Der erste Kaiser Roms hatte dieses cognomen mit der Bedeutung „der Erhabene/Geweihte“ als Ehrentitel im Jahr 27 v. Chr. vom Senat als Dank für die Wiederherstellung der Republik erhalten. Zu dem Zeitpunkt, als Vespasian den Augustustitel annahm, gab es hingegen noch den vom Senat anerkannten Kaiser Vitellius, der von Rechts wegen den Titel Augustus trug. Da Vespasian also einen Titel angenommen hatte, dessen Verleihung eigentlich ein Proprium des Senats war, brüskierte er hiermit die moralische Autorität der Senatoren. b) Das Gesetz über die Herrschergewalt des Vespasian Nach dem Sieg der flavischen Partei erkannte der Senat Vespasian ohne Widerstand als rechtmäßigen Kaiser an und beschloss wahrscheinlich noch im Dezember des Jahres 69 n. Chr., wie wir von Tacitus (Historien IV 3,3) erfahren, „alles für principes Übliche“. Durch einen seltenen Glücksfall ist ein epigraphisches Dokument überliefert, das noch einen Teil dieses Beschlusses enthält. Epigraphik; Inschriftenkunde Epigraphik ist die Wissenschaft von den meist auf Stein und Metall überlieferten Inschriften. Oft handelt es sich hierbei um herrschaftliche Beschlüsse, glorifizierende Tatenberichte, Grab- oder Bauinschriften und Weihungen, denen durch die Aufbringung auf ein unvergängliches Material und ihre öffentliche Ausstellung ein dauerhafter Charakter verliehen werden sollte.
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Die leider nicht vollständig erhaltene Bronzetafel des als lex de imperio Vespasiani, also „Gesetz über die Herrschergewalt des Vespasian“ bezeichneten Beschlusses wurde im 14. Jahrhundert in der Lateransbasilika von Rom gefunden; sie ist heute in den Kapitolinischen Museen ausgestellt. Gesetz über die Herrschergewalt des Vespasian (Lex de imperio Vespasiani 69 n. Chr., CIL VI 930 = Freis 1994, Nr. 49)
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(§ 1) dass es ihm erlaubt sein solle, Verträge zu schließen, mit wem er wolle, so wie es dem vergöttlichten Aug(ustus), dem Ti(berius) Iulius Caesar Aug(ustus) und Tiberius Claudius Caesar Aug(ustus) Germanicus erlaubt war; (§ 2) dass es ihm erlaubt sein solle, eine Senatssitzung abzuhalten, einen Antrag zu stellen und Anträge zurückzuweisen, Senatsbeschlüsse durch Antrag und Abstimmung zu erhalten, so wie es dem vergöttlichten Aug(ustus), dem Ti(berius) Iulius Caesar Aug(ustus) und Tiberius Claudius Caesar Aug(ustus) Germanicus erlaubt war; (§ 3) dass, wenn auf seinen Willen oder seine Ermächtigung oder seinen Befehl hin oder in seinem Auftrag oder in seiner Gegenwart eine Senatssitzung abgehalten wird, deren Beschluss in allen Dingen ebenso als Recht angesehen und eingehalten wird, wie wenn die Senatssitzung gemäß dem Gesetz einberufen und gehalten würde; (§ 4) dass die Personen, die sich um ein Amt oder eine zivile oder militärische
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Vespasian
III.
Amtsgewalt oder die Verwaltung eines Bereiches bewerben und die er dem Senat und dem römischen Volk offiziell empfiehlt und denen er eine mündliche Empfehlung gibt oder verspricht, bei allen Wahlversammlungen außer der Reihe berücksichtigt werden; (§ 5) dass es ihm erlaubt sein solle, die Grenzen des Pomeriums auszudehnen und vorzuschieben, wenn es seiner Ansicht im Interesse des Staates liegt, so wie es dem Ti(berius) Claudius Caesar Aug(ustus) Germanicus erlaubt war; (§ 6) dass er das Recht und die Vollmacht haben solle, alle Maßnahmen, die nach seiner Ansicht im Interesse des Staates liegen und der Erhabenheit der göttlichen, menschlichen, staatlichen und privaten Dinge angemessen sind, einzuleiten und zu treffen, so wie es der vergöttlichte Aug(ustus), Ti(berius) Iulius Caesar Aug(ustus) und Tiberius Claudius Caesar Aug(ustus) Germanicus hatten; (§ 7) dass von (der Beachtung) der Gesetze und Plebiszite, an die, wie schriftlich festgelegt, der vergöttlichte Aug(ustus) oder Ti(berius) Iulius Caesar Aug(ustus) und Tiberius Claudius Caesar Aug(ustus) Germanicus nicht gebunden waren, der Imp(erator) Caesar Vespasianus entbunden sein solle und dass alles, was kraft eines Gesetzes oder Gesetzesantrages der vergöttliche Aug(ustus) oder Ti(berius) Iulius Caesar Aug(ustus) und Tiberius Claudius Caesar Aug(ustus) Germanicus tun durften, dass dies alles dem Imp(erator) Caesar Vespasianus Aug(ustus) zu tun erlaubt sein solle; (§ 8) dass alle Entscheidungen, die vor diesem Gesetzesantrag erfolgten, ausgeführt, beschlossen oder anbefohlen wurden vom Imperator Caesar Vespasianus Aug(ustus) oder auf seinen Befehl oder in seinem Auftrag von irgend jemandem, dass diese rechtens und gültig sein sollen, wie wenn sie auf Befehl des Volkes und der Plebs erfolgt seien.
Senats- und Volksbeschluss als Ausdruck des consensus universorum
Die politisch-rechtliche Legitimation Vespasians
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Es folgt eine Strafandrohung (sanctio) für den Fall eines Verstoßes gegen das Gesetz, die zeigt, dass es sich um einen Volksbeschluss handelt. Damit ist das sogenannte Bestallungsgesetz also formalrechtlich als lex der römischen Volksversammlung aufzufassen und nicht als Senatsbeschluss (senatus consultum). Anders als ein Gesetz, das nur die Volksversammlung beschließen konnte, war ein Senatsbeschluss formalrechtlich gesehen nur eine Empfehlung des Senats – der freilich immer Folge geleistet wurde. In der Kaiserzeit hatte sich zudem die Auffassung herausgebildet, dass Senatsbeschlüssen die gleiche Geltung wie Gesetzen zukomme. In dem vorliegenden Gesetz gibt nun die Formulierung der einzelnen Punkte mit der Wendung „dass es ihm erlaubt sein soll etc.“ zu erkennen, dass der Volksbeschluss die fast wörtliche Übernahme einer solchen Senatsentscheidung ist. Zu ergänzen ist nämlich dem Formular nach jeweils vor dieser Wendung „Der Senat hat beschlossen“. Sinn und Zweck dieser Verbindung von senatus consultum und lex sollte sein, dass mittels des von Senat und Volk gemeinsam gefassten Beschlusses der consensus universorum, also die Übereinstimmung aller zur Herrschaft des neuen Prinzeps zum Ausdruck gebracht wurde. Das sogenannte Bestallungsgesetz für Vespasian ist eine der wichtigsten Quellen zur staatsrechtlichen Stellung eines römischen Kaisers. Es zeigt, dass Vespasian seine Herrschaft nach dem Vorbild des ersten princeps Augustus von Volk und Senat erhalten musste, um als rechtmäßiger Herrscher auftreten zu können. Erst danach war er der legitime Herrscher des Römischen Reiches. Wie § 8 zeigt, waren alle Handlungen, die Vespasian zuvor getätigt oder veranlasst hatte, nicht legitim. Hierzu gehörte insbesondere
Vespasian vor dem Einzug in Rom die Annahme eines Kaisernamens, denn damit zeigte Vespasian, wie wenig er sich letztlich für den Willen von Senat und Volk interessierte. Auf diese Weise stellte er sich in direkten Gegensatz zu Galba, der sich demonstrativ die Kaisertitulatur vom Senat verleihen ließ. Zudem hatte Vespasian noch vor seiner Anerkennung durch den Senat genau diesen mit eigenen Anhängern aufgestockt. So war also der letzte Paragraph (8) des Gesetzes, die sogenannte transitorische Klausel, dringend notwendig. Mit der Wendung „wie wenn sie (die Handlungen) auf Befehl des Volkes und der Plebs erfolgt seien“, gibt sie zu verstehen, dass alles Handeln als Usurpator letztlich als Handeln im Auftrag des Volkes zu verstehen sei. In vielen Paragraphen ist angeführt, dass Volk und Senat die entsprechenden Rechte auch schon den Vorgängern Augustus, Tiberius (Tiberius Iulius Caesar Augustus) und Claudius (Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus) gewährt hatten. Wie diese Vorgänger bekam Vespasian seine Vollmachten en bloc verliehen. Augustus hatte sie als erster Prinzeps noch in einem längeren Prozess nach und nach erhalten. Weiterhin fällt auf, dass Gaius Caligula, Nero, Galba, Otho und Vitellius nicht als Vorgänger angeführt sind. Das liegt daran, dass diese einer damnatio memoriae verfallen waren. Ihre Namen wurden danach aus allen Urkunden und von allen Monumenten entfernt, ihre Statuen zerstört. Sie sollten auf diese Weise aus der kollektiven Erinnerung getilgt werden. Bevor wir uns den einzelnen Paragraphen des Gesetzes genauer zuwenden, ist noch anzumerken, dass die Inschrift nicht vollständig erhalten ist, sondern mitten im Beschluss einsetzt. Wahrscheinlich enthielt der erste Teil des Beschlusses die Anweisung zur Übertragung der tribunicia postestas und des imperium proconsulare an Vespasian auf Lebenszeit. Mit diesen beiden Gewalten ist das rechtliche Fundament des Prinzipats umschrieben. Zunächst zur tribunicia potestas, also zur Amtsgewalt eines Volkstribuns: Da der römische Prinzeps dem Patrizierstand angehörte, konnte er dieses den Plebejern vorbehaltene Amt nicht innehaben. Augustus erfand deshalb das Konstrukt, dass man ihm nur die Amtsgewalt des Volkstribuns, eben dessen potestas, und zudem dessen religiösen Schutz (sacrosanctitas) vor Übergriffen durch andere Amtsträger übertrug. Jährlich ließ sich seitdem jeder Kaiser die tribunizische Gewalt aufs Neue übertragen. Auf diese Weise war es dem Kaiser möglich, die römische Innenpolitik zu bestimmen. Er hatte das Antragsrecht in der Volksversammlung zur Gesetzesinitiative und Strafanklage, ebenso wie das Recht, den Senat einzuberufen und vor ihm Anträge zu stellen. Außerdem konnte der Kaiser so in alle politischen Entscheidungsprozesse eingreifen. Das imperium proconsulare wiederum bot jedem Prinzeps seit Augustus die rechtliche Basis für seine Befehlsgewalt über die Legionen und die Verfügungsgewalt über die wichtigsten Provinzen. Da man jedoch in der Zeit Vespasians nicht mehr genau die Inhalte beider Gewalten definieren konnte, werden bestimmte Aspekte nochmals explizit in dem Bestallungsgesetz mit angesprochen. Und das führt wiederum zum erhaltenen Teil des Textes, der auch noch weitere Vollmachten für Vespasian enthält. Zunächst ist angeführt, dass der Prinzeps das Recht hat, außenpolitisch zu handeln (§ 1), ohne dass dies durch den Senat ratifiziert werden muss. Paragraph 2 und 3 regeln das durch die tribunicia potestas eigentlich bereits
III.
tribunicia potestas und imperium proconsulare
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Vespasian
III. Kommendationsrecht
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gegebene Recht, Senatssitzungen einzuberufen, Anträge zu stellen, Beschlüsse des Senats zu erwirken oder zurückzuweisen. In Paragraph 4 wird das sogenannte Kommendationsrecht des Kaisers umschrieben: Alle Kandidaten, die der Kaiser für ein militärisches oder ziviles Wahlamt empfiehlt, müssen von den entsprechenden Wahlversammlungen berücksichtigt werden. Mittels dieses Rechts konnte Vespasian also Personalpolitik betreiben und Ämter mit ihm genehmen Personen besetzen lassen. Hieran angeschlossen ist in Paragraph 5 das Recht zur Erweiterung der Stadtgrenzen Roms (pomerium). Immer dann, wenn Eroberungen dem Reich hinzugefügt wurden, war es erlaubt, die Stadtgrenzen zu vergrößern (vgl. Tacitus, Annalen XII 23; Gellius XIII 14,3) – die Pomeriumserweiterung gehört also in den Zusammenhang der kaiserlichen Außenpolitik. Dass Vespasian später von diesem Recht Gebrauch machte, zeigt der Fund von Grenzsteinen (cippi: CIL VI 31538a–c; 40854), die auf eine Erweiterung der Stadtgrenzen um das Gebiet östlich des Tibers, das heutige Trastevere, verweisen. Geschehen ist das im Jahr 75 n. Chr., möglicherweise aufgrund der Kampagnen des Q. Petillius Cerealis in Britannien; zudem konnte der Kaiser die Pomeriumserweiterung mit der Wiedergewinnung Judäas und der Überführung der beiden Klientelkönigreiche Armenia Minor und Kommagene in Provinzen begründet haben (72/73 n. Chr.). Vespasian war im Übrigen der letzte Kaiser, der auf diese Weise die Erweiterung des Reichsterritoriums gewürdigt hat. Über die Bedeutung des folgenden Paragraphen 6, der die sogenannte diskretionäre Klausel beinhaltet, ist die Forschung uneins. Inhaltlich geht es darum, dass der Kaiser alles das, was nach seinem Ermessen (discretio) dem Wohl des Staates dient, veranlassen darf. Doch wie ist das zu deuten? Die Ansichten schwanken zwischen zwei Extremen: Die einen gehen davon aus, dass der Kaiser mittels dieser Klausel von der Beachtung jeglicher Gesetze entbunden sei (Brunt 1977). Die anderen sind der Ansicht, dass die Regelung keinerlei spezifische Bedeutung habe, sondern nur allgemein die oberste Regierungsgewalt des Herrschers zum Ausdruck bringe (Bleicken 4 1995). Am überzeugendsten ist noch die Interpretation von Pabst (1989), die auf den republikanischen Grundgedanken der Bestimmung hinweist: Der Kaiser kann unter Beachtung des Staatsnutzens (usus rei publicae) und von Herkunft, Recht und Sitte freie Entscheidungen treffen. Der römische Prinzeps erhält also keine Blankovollmacht, sondern muss alle Entscheidungen an der Richtlinie des Nutzens für die Republik ausrichten. Nur von der Beachtung derjenigen Gesetze war er entbunden, von der auch seine Vorgänger befreit waren, wie es die sogenannte Dispensationsklausel festhält (§ 7). Hierzu gehörten etwa die Ehe-, Adoptions- und Erbgesetze. So zeigt sich letztlich in der lex de imperio Vespasiani, dass das von Augustus begründete Herrschaftssystem, das seine volle Legitimation aus der Verleihung der Regierungsgewalt durch Volk und Senat erhielt, unverrückbarer Bestandteil des römischen Kaisertums war.
Die ideelle Legitimation der Herrschaft
III.
2. Die ideelle Legitimation der Herrschaft Zwar war Rom bereits Ende 69 n. Chr. für die Flavier gewonnen, doch wartete Vespasian noch bis Oktober 70 n. Chr., bevor er in die Hauptstadt kam. Als Stadtprätor mit konsularischer Gewalt vertrat ihn sein Sohn in Rom. In dieser Funktion hatte Domitian die oberste Vollmacht über die Stadt. Als der Kaiser dann gute zehn Monate nach dem Sieg über Vitellius in Rom einzog, war es ihm nicht nur wichtig, von Volk und Senat rechtlich anerkannt zu sein, sondern er wollte sein Prinzipat auch ideell legitimieren. Aus dem weiter oben Dargelegten zu den alexandrinischen Ereignissen war bereits zu erfahren, dass die gräko-ägyptische Gottheit Sarapis, wie es Sueton überliefert, für die gloria und den guten Ruf des Kaisers auch in Rom gesorgt hatte. Vespasian galt seitdem als Werkzeug und Gesandter Gottes und seine Herrschaft war damit religiös legitimiert. Die Verbundenheit zu Sarapis brachte der Kaiser dann in Rom symbolisch zum Ausdruck: Gemeinsam mit seinem Sohn Titus, dem designierten Thronfolger, verbrachte er die Nacht vor dem Triumphzug über Judäa (siehe hierzu unten) im Tempel der Isis. Diese war die Kultgenossin des Sarapis, der in ihrem Heiligtum mitverehrt wurde. Der Isistempel erscheint in dieser Zeit sogar auf römischen Münzen, was eine Kehrtwende der römischen Religionspolitik darstellt. Augustus hatte nämlich den Kult der fremden orientalischen Gottheit aus den Stadtgrenzen verbannt, weil Isis zu sehr mit Kleopatra und Marcus Antonius verbunden war. Das Verbot des Isiskultes in Rom hatte freilich gerade bei der stadtrömischen Bevölkerung nicht wirklich gefruchtet, die auch weiterhin den ägyptischen Kulten durchaus zugetan war. Mit Vespasian erhielt der orientalische Kult dann endlich die höchste staatliche Anerkennung. Der Triumphzug, den der Kaiser im Juni 71 n. Chr. feierte, weist auf die zweite wichtige und vor allem realpolitische Legitimationsgrundlage der Herrschaft Vespasians hin: Neben die Bestätigung durch die Götter musste die militärische Sieghaftigkeit treten. Diese brachte Vespasian durch Münzen mit der Umschrift „Auf die Eroberung Judäas“ (IUDAEA CAPTA) zum Ausdruck, mit denen er des Sieges über die Juden in Judäa gedachte und die Eroberung einer neuen Provinz suggerierte. Das Bemühen um militärische Legitimation zeigte sich in der Folgezeit auch in der Annahme von insgesamt 20 imperatorischen Akklamationen, die die kaiserliche Sieghaftigkeit betonten. Der Kaiservorname Imperator, das praenomen Imperatoris, konnte also durch die Ausrufung des Kaisers von den Legionen zum Imperator ergänzt werden. Römische Münzprägungen mit den Umschriften VICTORIA und PACIS EVENTVS, also „Sieg“ und „Eintritt des Friedens“ oder auch FORTUNA REDUX, „die glückliche Heimkehr“, symbolisierten für die Bevölkerung den Anfang einer neuen Zeit. Insbesondere die Fortunamünze wies auf den von Augustus im Jahr 19 v. Chr. gestifteten Altar der Fortuna Redux hin, wodurch man die Wichtigkeit des von Vespasian gebrachten Friedens zum Ausdruck brachte. Diese flavische Friedensideologie knüpfte unmittelbar an die des Augustus und seiner Proklamation der pax Augusta an. Erstmals seit langer Zeit war es unter Vespasian sogar möglich, die Tore des Janustempels zu
Legitimation durch militärische Sieghaftigkeit
Flavische Friedensideologie
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Vespasian
III.
Vespasian als zweiter Augustus
schließen. Sie konnten nur dann geschlossen werden, wenn im gesamten Reich Frieden herrschte. Das war bisher nur Octavian-Augustus gelungen. Er nutzte diesen symbolischen Akt, um ihn zu einem wesentlichen Ausdruck seiner Friedenspolitik zu machen. Nero hatte die Tore zwar ebenfalls einmal geschlossen – allerdings nur aus propagandistischen Gründen; in Wirklichkeit hatte er einen Feldzug verloren. Vespasian war also der erste Kaiser nach Augustus, der wieder berechtigterweise die Tore schloss; er war gleichzeitig aber auch der letzte Kaiser, dem das möglich war. Bereits im Jahr 72 n. Chr. war er zudem aufgrund von Kämpfen in Germanien dazu gezwungen, die Tore erneut zu öffnen. Es traf sich für die beschriebene Anknüpfung an Augustus, die gleichzeitig den Aufbruch in ein neues goldenes Zeitalter symbolisieren sollte, gut, dass der Hundertjahrestag der Erinnerung des Sieges des Octavian-Augustus über Marcus Antonius in das Jahr 70 n. Chr. fiel, der Tag der Eroberung Ägyptens in das Jahr 71 n. Chr. und der Tag der Wiederherstellung der römischen Republik in das Jahr 74 n. Chr. Die Jubiliäen konnten eine Wiederkehr dieser goldenen Zeit erwarten lassen. Alle diese Ereignisse wurden deshalb mit Münzen memoriert: So wie Augustus die Republik wiederherstellte, indem er sie von der Tyrannei des Marcus Antonius befreit hatte, so befreite Vespasian die Republik von der Tyrannei des Vitellius. Als ein zweiter Augustus stellte Vespasian den Frieden im Römischen Reich wieder her.
3. Die Konsolidierung des Reiches Nachdem die Herrschaft des Vespasian nicht nur faktisch, sondern auch religiös und politisch unantastbar geworden war, stand der neue Kaiser vor verschiedenen Aufgaben. Er musste erstens das Heer reformieren, zweitens den Senat „auf Linie“ bringen und drittens die Finanzen des Reiches wieder konsolidieren. a) Das Heer Das Heer war der wichtigste Pfeiler der Macht Vespasians, deshalb galt den Soldaten auch die besondere Aufmerksamkeit des Kaisers. Ihm war gleichzeitig aber bewusst, dass das Heer ein großer Unsicherheitsfaktor war, hatten die Soldaten doch die Usurpatoren des Vierkaiserjahres getragen. Möglich war das vor allem deshalb gewesen, weil mehrere Legionen in ein und demselben Lager untergebracht waren, eine Praxis, von der Vespasian größtenteils Abstand nahm. Die vier oder fünf Legionen in Germanien, die in der Zeit des Bürgerkriegs mit Germanen und Galliern paktiert hatten, löste Vespasian auf und stellte neue, aus anderen Provinzen an ihre Stelle. So kam etwa die legio VI Victrix aus Spanien nach Neuss am Rhein. An den durch Einfälle fremder Völker gefährdeten Grenzen Dalmatiens, Kappadokiens und Britanniens stationierte er drei neu geschaffene Legionen, die IV Flavia Felix, die XVI Flavia Firma und die II Adiutrix. Auch die Prätorianergarde in Rom, deren Macht in den letzten Jahren unübersehbar geworden
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Die Konsolidierung des Reiches war, reduzierte der Kaiser aller Wahrscheinlichkeit nach auf die alte Größe der Zeit des Kaisers Tiberius von neun Kohorten, also 4500 Mann. Seit dieser Zeit kann zudem eine verstärkte „Provinzialisierung“ des Heeres konstatiert werden – immer mehr Legionäre wurden nun außerhalb Italiens ausgehoben. In der Forschung sehen einige hierin eine Reaktion Vespasians auf den von den italischen Legionären getragenen Bürgerkrieg, andere vermuten hingegen, dass in Italien einfach nicht mehr genügend Legionäre zu rekrutieren waren, es also keine politischen Hintergründe gebe. Welche Ansicht zutreffen mag, bleibt aufgrund der ungesicherten Quellenlage ungewiss, möglich scheint aber eine Mischung aus beiden Gründen. Durch die Eroberung des heutigen Schwarzwaldgebiets, der agri decumates, verkürzte Vespasian die Grenze zwischen Rhein und Donau erheblich, was ebenfalls grenzstabilisierend wirken sollte. Insgesamt ist neben der Dislokation der Legionen zu bemerken, dass sie besonders an den Grenzen, vor allem der Rhein- und Donaugrenze des Reiches stationiert wurden. Das Ergebnis dieser Truppenverteilung war eine weitgehende Entmilitarisierung der reichsinneren Provinzen, was die Forschung häufig als einen Fehler Vespasians betrachtet. Auf diese Weise sei nämlich keine Reserve vorhanden gewesen, falls ein Feind einmal den Legions-Riegel durchbrochen hätte. Andererseits ist es aber so, dass das System, von Ausnahmen wie unter Domitian und Marc Aurel einmal abgesehen, über mehr als zwei Jahrhunderte eine relative Stabilität und Sicherheit des Imperiums im Inneren gewährte. Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass mit der Reorganisation des Heeres auch eine umfassende Sicherung der Reichsgrenzen einherging.
III. Provinzialisierung des Heeres
b) Der Senat Vespasian war, wie jeder Kaiser, Mitglied des Senatorenstandes. Aus diesem Grund war er dazu in der Lage, das Amt eines römischen Konsuls zu übernehmen. Bereits Augustus war des öfteren Konsul gewesen, doch nachdem seine Macht unangreifbar für Konkurrenten geworden war, hatte er seit dem Jahr 23 v. Chr. diese Praxis aufgegeben. Er wollte zeigen, dass die alte Republik wiederhergestellt war, und dazu gehörte auch, dass man sich nicht ständig zum Konsul ernennen ließ. Das höchste republikanische Amt stand von nun an wieder allen Senatoren offen, die im Wettbewerb um diese Ehrenposition für den Staat arbeiteten oder auch das Amt als Belohnung für treue Dienste erhalten konnten. Die mit dem Konsulat in alter Zeit verbundenen Rechte waren schließlich durch die dem Prinzeps verliehene tribunizische Gewalt und das proconsulare Imperium ganz beim Kaiser: Ein Konsul war kein Konkurrent in der Herrschaft. Vespasian übernahm jedoch trotzdem fast regelmäßig das Amt eines römischen Konsuls und brach damit mit der von Augustus begründeten Tradition. Sieben der acht Male, in denen er das Konsulat innehatte, übte er es zudem gemeinsam mit dem designierten Thronfolger Titus aus. Es entsteht deshalb der Eindruck, dass der senatorischen Reichselite der Weg zum wichtigsten Prestigeamt Roms im Grunde verbaut war. Das ist jedoch nicht ganz richtig, denn Vespasian und Titus waren jeweils consules ordinarii, was bedeutete, dass das Jahr nach ihnen gezählt wurde. Vespasian trat dann nach einiger Zeit von seinem Amt zurück,
Regelmäßige Übernahme des Konsulats als Bruch mit der augusteischen Tradition
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Vespasian
III.
Restrukturierung des Senats
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und ein Senator konnte ihm im Amt nachfolgen; ein solcher Konsul hieß consul suffectus/Suffektkonsul. Warum aber brach Vespasian mit der augusteischen Tradition, wo er doch ansonsten peinlichst darum bemüht war, als ein zweiter Augustus das Reich zu lenken? Dass er die gleiche Machtfülle, möglicherweise noch eine größere als Augustus, besaß, steht außer Frage – die regelmäßige Übernahme des Konsulats kann also nicht aus einem rechtlichen Defizit heraus verstanden werden, sondern muss auf ideologischen Gründen beruhen. Wahrscheinlich sind sie in der Herkunft des Vespasian zu suchen, der auf keine senatorische Familientradition verweisen konnte: Er wollte durch die Übernahme des wichtigsten republikanischen Amtes eine höhere dignitas („Würde“) erwerben, um mit den altehrwürdigen Senatoren auf einer Ebene zu stehen. Als Konsul hatte er aber zudem einen unmittelbareren und direkteren Zugriff auf alles, was im Senat geschah. Das besondere Interesse Vespasians am Senat offenbart sich auch in der Tatsache, dass er ihn in zwei großen Schüben erweiterte. Das erste Mal tat er das bereits im Jahr 69/70 n. Chr., noch als Usurpator im Rahmen des Konfliktes mit Vitellius und ohne rechtliche Befugnis dazu (Tacitus, Historien II 82). Der Umfang dieser Senatserweiterung war jedoch eingeschränkt; sie diente vor allem dazu, eigene Anhänger in das Gremium zu bringen, ebenso wie treue Mitkämpfer zu belohnen. Mittels des Paragraphen 8 der oben besprochenen lex de imperio Vespasiani wurde dieses unrechtmäßige (und anmaßende) Handeln später legitimiert. Das zweite Mal vergrößerte Vespasian den Senat 73/74 n. Chr. nach einem geregelten Verfahren, der sogenannten lectio senatus, also einer „Lese des Senats“, die der Prinzeps gemeinsam mit Titus im Rahmen der Übernahme des Zensorenamtes vornahm. Zensor/censor Seit dem republikanischen Rom waren die beiden alle fünf Jahre durch die Heeresversammlung (comitia centuriata) zu wählenden Zensoren (von lateinisch censere = schätzen) neben der Überprüfung und Aktualisierung der Bürgerlisten insbesondere für die Erstellung der Senatsliste zuständig. Senatoren, die sich aufgrund ihres Verhaltens als unwürdig erwiesen hatten oder deren Vermögen nicht dem notwendigen Mindestzensus (in der Kaiserzeit ca. 1000000 Sesterzen) entsprach, konnten aus dem Senatorenstand ausgeschlossen werden. Ebenso oblag es den Zensoren, neue Senatoren, bei entsprechender moralischer und finanzieller Eignung, hinzuzuwählen.
Das ist insofern von Bedeutung, als Augustus die letzten großen Senatslesen durchgeführt hatte. Seit der Zeit des Tiberius war es eigentlich Brauch, dass der Senat seine Erneuerung selbst vornahm. Wie Augustus, so stand jedoch auch Vespasian vor dem Problem, dass nicht wenige ehemalige Gegner aus der Bürgerkriegszeit in diesem wichtigen Gremium saßen. Diese mussten nach dem Sieg über Vitellius beseitigt werden. Der Senat bestand jedoch nur noch aus 200 Mitgliedern. Anders als Augustus hatte Vespasian also nicht das Problem, dass der Senat, der im Jahr 30 v. Chr. mehr als 1000 Senatoren umfasste, viel zu groß war und auf das Idealmaß von 600 Senatoren reduziert werden musste. Das Gremium bedurfte vielmehr einer massiven Aufstockung.
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Die Konsolidierung des Reiches
Vespasian reformiert die römische Oberschicht (Sueton, Vespasian IX 2)
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Er säuberte die höchsten Stände, die durch mancherlei Ermordung erschöpft und durch die alte Gleichgültigkeit entehrt waren; er ergänzte sie, indem er Senat und Ritterschaft abmusterte, die unwürdigsten Elemente entfernte und gerade die ehrenwertesten Italiker und Provinzialen in die Reihen des Senats aufnahm. (Übersetzung H. Martinet)
Vespasian entfernte zunächst diejenigen Senatoren, die sich in der Zeit des Nero kompromittiert hatten. Dann erhöhte er die Anzahl der Senatoren, glaubt man dem im 4. Jahrhundert n. Chr. schreibenden Aurelius Victor (Liber de Caesaribus IX 9), auf 1000 Mitglieder. Gegen die literarische Überlieferung vermutet Houston (1977), dass von den 800 belegbar tätigen Senatoren dieser Zeit lediglich 120 bis 160 neu in den Senat gekommen sind. Neu und bedeutend für die weitere Geschichte des Imperiums ist vor allem, dass Vespasian den Senat insbesondere mit Italikern, Männern aus Spanien und Gallien, aber auch mit verdienten Anhängern aus dem Osten und eben nicht mit führenden Persönlichkeiten aus Rom aufstockte. Der Kaiser kehrte damit von einem republikanischen Ideal ab. Der Grund hierfür ist umstritten. Möglich ist, dass Vespasian verdiente Weggefährten belohnen wollte oder schnell neue senatorische Befehlshaber für die vielen Verwaltungsposten im Reich brauchte. Es gibt aber auch die Ansicht, dass Vespasian den Senat in seiner Zusammensetzung repräsentativer für das gesamte Imperium machen wollte. Über die tatsächlichen Zahlen von nicht aus Rom stammenden Senatoren oder Senatorenfamilien lässt sich keine sichere Aussage treffen. Nicht zu bezweifeln ist jedoch, dass die Zeit des Nero und der Bürgerkriege eine erhebliche Reduktion der alten römischen Adelsfamilien mit sich gebracht hatte. Hammond (1957) vermutet sogar, dass nur noch 2% der Senatoren auf Wurzeln in der römischen Republik verweisen konnten. Zudem hatte Vespasian, wie bereits erwähnt, oppositionelle Elemente entfernt und danach den Senat erheblich aufgestockt. Das bedeutet, dass es mit der Herrschaft des neuen Kaisers zu einem fundamentalen Austausch der Führungsschicht des Reiches gekommen ist. Da jetzt nicht nur Römer, sondern auch Männer aus den Provinzen vor allem des Westens, aber auch aus dem Osten in den Senat kamen, führte dies zu einem mehr und mehr das Reich repräsentierenden Gremium und legte damit den Grundstein für eine neue Führungselite. Devreker (1980) vermutet, dass etwa ein Drittel der Senatoren provinzialer Herkunft waren, Hammond (1957) geht von 20% aus. Die neuen Senatoren waren es dann auch, die die wichtigsten Ämter besetzten. Hierzu gehören etwa M. Ulpius Traianus, der Vater des späteren Kaisers Trajan, oder der Schriftsteller Sex. Iulius Frontinus. Ersterer war im Jahr 70 n. Chr., Letzterer im Jahr 73 n. Chr. Suffektkonsul. Auch spätere Kaiser wie Hadrian, Antoninus Pius und Marc Aurel konnten auf Familien zurückblicken, die durch Vespasian in den Senatorenstand gekommen waren. Cassius Dio, der römische Geschichtsschreiber und Senator, stammte aus dem im griechischen Osten gelegenen Bithynien. Auch der Status seiner Familie beruhte damit auf der von Vespasian ermöglichten Praxis, nicht aus
Austausch der Führungsschicht des Reichs
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Vespasian
III.
Rom stammende Senatoren zu ernennen. Cassius Dio äußert sich sicher auch deshalb im frühen 3. Jahrhundert n. Chr. in seiner „Römischen Geschichte“ über das Verhältnis Vespasians zum Senat positiv:
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Vespasian respektiert den Senat (Cassius Dio LXV 10,5–11,1) Er besuchte regelmäßig die Sitzungen des Senats, dessen Mitglieder er in sämtlichen Angelegenheiten zu Rate zog; wiederholt sprach er auch auf dem Forum Recht. … Jeden Tag zog er eine Anzahl Senatoren und andere Persönlichkeiten an seine Tafel, und auch er selbst speiste oftmals in den Häusern seiner engsten Freunde. Mit kurzen Worten, Vespasian wurde lediglich, was die Fürsorge für das allgemeine Beste anlangte, als Kaiser betrachtet, in allen anderen Dingen war er volksverbunden und lebte mit seinen Untertanen auf gleichem Fuß. (Übersetzung O. Veh)
Die „Bürgerlichkeit“ Vespasians
Vespasian entsprach, glaubt man dem über 100 Jahre später schreibenden Senator, einem Ideal der „Bürgerlichkeit“: Er war civilis. Das betont auch Sueton, der den Prinzeps als „leutselig und milde“ (XII: civilis et clemens) charakterisiert. Einen so guten Ruf wie Vespasian hatten bei den Senatoren und Schriftstellern nur ganz wenige Kaiser. c) Geld stinkt nicht – die Steuerpolitik Wie kaum ein anderer Kaiser Roms vor und nach ihm war Vespasian als Geizkragen und rücksichtsloser Ausbeuter der Provinzen verschrien. Bereits als Statthalter der Provinz Africa hatte er sich bei den dortigen Untertanen durch seine rigide Steuereintreibungspolitik unbeliebt gemacht. Nachdem die Alexandriner ihn als Heiland, Wohltäter und neuen Kaiser begrüßt hatten, verspielte er seine Beliebtheit bei den ägyptischen Untertanen dadurch, dass er die Steuern anhob – es handelte sich wahrscheinlich um den fiscus Alexandrinus. Die Alexandriner riefen daraufhin: „Er verdient es nicht, Kaiser zu sein.“ Auch Sueton berichtet, dass Vespasian Steuervergünstigungen des Galba, wie sie uns etwa durch das Edikt des Tiberius Iulius Alexander (OGIS II 669 = Chalon 1964) in Ägypten dokumentiert sind, zurücknahm, ja dass der neue Kaiser sogar „neue und drückende Steuern hinzufügte, die Tributzahlungen für die Provinzen erhöht, sie für einige sogar verdoppelt habe“ (Vespasian XVI 1). Die Notwendigkeit von höheren Staatseinnahmen war jedoch, trotz des Unwillens, den sie auf Seiten der Untertanen hervorbrachten, objektiv vorhanden. Das finanzpolitisch rigide Gebaren des Kaisers entsprang der Notwendigkeit der Konsolidierung der Staatsfinanzen. Die vorhergehenden Jahre der neronischen Herrschaft hatten nämlich den Staatshaushalt an die Grenzen seiner Belastbarkeit geführt, und der Bürgerkrieg des Jahres 69 n. Chr. hatte ihn schließlich gänzlich ruiniert. Geld war dringend nötig, und zwar nicht nur für die Veteranenversorgung, sondern vor allem für ein Funktionieren von Heer und Verwaltung; und das war auch den antiken Zeitgenossen klar (Sueton, Vespasian XVII; Aurelius Victor, Liber de Caesaribus IX). Bei Regierungsantritt sollen, wie es der Kaiser verkündete, ganze 40
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Die Konsolidierung des Reiches
III.
Milliarden Sesterzen notwendig gewesen sein, damit der Staat funktionieren konnte. Diese Summe erscheint der Forschung bei Weitem zu hoch, so dass man sie gewöhnlich auf vier Milliarden Sesterzen heruntersetzt. Trotzdem ist unumstritten, dass der Staat in arger Finanznot war. Neben dem bereits erwähnten fiscus Alexandrinus führte der Kaiser auch einen fiscus Iudaicus für die Juden als Strafe für den Aufstand ein, und einen fiscus Asiaticus für die kleinasiatischen Griechenstädte. Besonders aus Kleinasien und Ägypten dürften von nun an reiche Einnahmen in die kaiserliche Kasse geflossen sein. Zudem widerrief Vespasian Steuerbefreiungen, wie sie Nero etwa für Griechenland proklamiert hatte oder Galba für spanische und gallische Gebiete. Bergwerke wurden zu kaiserlichen Monopolen, und der Getreidehandel wurde einer verstärkten Überwachung unterzogen. In Gallien führte Vespasian schließlich die quadragesima Galliarum wieder ein. Jeder, der mit Waren in die drei gallischen Provinzen reiste, musste jetzt zweieinhalb Prozent des Warenwertes (quadragesima = ein Vierzigstel) als Zoll entrichten. Pecunia non olet (Sueton, Vespasian XXIII)
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Als ihm einmal sein Sohn Titus vorhielt, dass er auch noch eine Pissoir-Steuer plane, hielt er ihm das Geld aus der ersten Zahlung unter die Nase und wollte wissen, ob er am Geruch Anstoß nehme. Als jener das verneinte, sagte er: „Und doch kommt es vom Urin.“ (Übersetzung H. Martinet)
Wohl keine Anekdote ist bekannter als diese, auf die der berühmte Ausspruch „Geld stinkt nicht“ zurückzuführen ist: Noch heute werden öffentliche Toiletten in Frankreich als vespasienne bezeichnet. Die rigide Steuerpolitik brachte dem Kaiser also nicht nur Anfeindungen von gepressten Untertanen wie den Ägyptern ein, sondern er sorgte damit auch für manchen Spott in Rom und manche den Geiz illustrierende Anekdote. So erfahren wir, dass Vespasian noch nicht einmal vor einer Beschränkung seiner eigenen Ehre zurückschreckte, wenn es um Geld ging. Vor seinem Tod fragte er etwa, was sein Begräbnis kosten werde. Man antwortete ihm, dass sich die Gesamtsumme auf etwa zehn Millionen Sesterzen belaufe. Darauf sagte er, „sie sollten ihm hunderttausend Sesterzen geben und ihn ruhig in den Tiber schmeißen“ (Sueton, Vespasian XIX). Möglicherweise spielte Vespasian hiermit auf die schändliche Strafe an, die das Volk einst für den gerade verstorbenen Kaiser Tiberius gefordert hatte: Tiberium in Tiberim, „Tiberius in den Tiber!“ (Sueton, Tiberius LXXV) oder auf den Versuch der Mörder Caesars, Gleiches mit dessen Leichnam zu machen – in den Tiber wurden die Leichen der Staatsverbrecher geworfen. d) Investitionen Der Kaiser gab das reichlich eingenommene Geld nicht nur für die Sanierung von Heer und Verwaltung aus, sondern auch für Hilfs- und Prestigeprojekte sowie für die Bildung.
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Vespasian
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Die Großzügigkeit Vespasians (Sueton, Vespasian XVI–XVII) Es gibt aber auch Leute, die behaupten, zu den Beute- und Raubzügen sei er durch die hohen und dringenden Ausgaben der Staatskasse und den Engpass in der kaiserlichen Privatkasse gedrängt worden, was er gleich zu Beginn seines Prinzipats an den Tag legte, als er öffentlich erklärte, es seien vierzig Milliarden Sesterzen erforderlich, damit der Staat weiter bestehen könne. Dies scheint auch der Wahrheit näher zu kommen, weil er das, was doch auf verwerfliche Weise erworben war, für sehr gute Zwecke gebrauchte. Gegenüber Menschen jeden Standes war er sehr freigiebig; er stockte Senatoren das Vermögen auf, mittellose Konsulare (= gewesene Konsuln) unterstützte er mit fünfhunderttausend Sesterzen jährlich, auf dem ganzen Erdkreis ließ er sehr viele Städte, die durch Erdbeben oder Feuersbrünste verwüstet worden waren, weit schöner wiederherstellen; in ganz besonderem Maße unterstützte er Schriftstellertalente und Künstler. (Übersetzung H. Martinet)
Sueton war, wie viele Zeitgenossen, kein Freund der kaiserlichen Gier nach Geld (pecuniae cupiditas); er verglich die Steuerpolitik Vespasians mit illegalen und räuberischen Methoden, wenn er sie als Raub- und Beutezüge bezeichnet. Der antike Schriftsteller liefert im vorliegenden Zitat jedoch auch eine zweite Sicht zu den kaiserlichen Geldbeschaffungsmaßnahmen, der zufolge die rigide Steuerpolitik letztlich sinnvoll und vor allem notwendig war, da sie dem Staatsnutzen diente. Wenn Sueton sogar sagt, dass diese bereits in der Zeit des Vespasian verbreitete Sicht der Wahrheit näher komme, dann wird letztlich deutlich, dass der Schriftsteller selbst das Handeln des Kaisers, trotz aller Kritik an der Art und Weise, gutheißt. Drei Fördermaßnahmen nennt Sueton im Speziellen: Erstens die finanzielle Unterstützung des Senatorenstandes, zweitens diejenige von Städten, die unverschuldet in Not geraten waren, und drittens die von Schriftstellern und Künstlern. Dass der Kaiser Senatoren finanzierte, ist im Zusammenhang mit der oben besprochenen Restrukturierung des Senats zu verstehen. Vespasian hatte dieses Gremium massiv umgebaut und mit seinen eigenen Gefolgsleuten besetzt, die allem Anschein nach aber nicht alle den senatorischen Mindestzensus von circa 1000000 Sesterzen erfüllen konnten. Der Kaiser war also im Grunde genommen schon aus legitimatorischen Gründen dazu gezwungen, den „Neuen“ das Vermögen aufzustocken, damit ihr Sitz im Senat gerechtfertigt war. Die Unterstützung von in Not geratenen Städten gehörte wiederum zu den wesentlichen Aufgaben eines guten Herrschers, der, einer Gottheit gleich, als Heiland und Wohltäter oder als fürsorgender Vater der Untertanen aufzutreten hatte. Das unterschied den rechtmäßigen Kaiser vom willkürlichen Tyrann, und deshalb hatten die von neuen Steuern bedrückten Alexandriner Vespasian auch vorgeworfen, er verdiene es nicht, Kaiser zu sein. Über kaiserliche Ausgaben für Bauarbeiten an Brücken und Straßen informieren uns im Übrigen auch Inschriften, so dass die literarische Überlieferung mit der archäologischen und epigraphischen übereinstimmt.
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Die Baupolitik Vespasians in Rom als Ausdruck flavischer Ideologie
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Die Begünstigung von Kunst und Literatur schließlich diente mit Sicherheit vor allem dazu, diejenigen Kreise zu fördern, die wesentlichen Einfluss auf die öffentliche Meinung und die kaiserliche Repräsentation hatten oder diese verantworteten. Das zeigen insbesondere die weiteren Ausführungen des Sueton, in denen er von der Unterstützung von Bildhauern und Künstlern berichtet; ebenso ist bei ihm vom Auftritt von Dichtern und Sängern bei den öffentlichen, vom Kaiser finanzierten Spielen, zu erfahren. Daran zeigt sich, dass die Männer der schönen Künste zur Politik des panem et circenses gehörten, die auch unter den Flaviern wichtiges Medium der Volksbefriedung war. In dieser Weise sind ebenfalls Geschenke, die Vespasian den Männern bei den Saturnalien und den Frauen am ersten März gewährte (Suteon, Vespasian XIX), zu verstehen. panem et circenses: „Brot und Spiele“ Die im Akkusativ stehende Wendung panem et circenses ist einem Gedicht des römischen Satirikers Juvenal (ca. 60–130 n. Chr.) entnommen (Satiren X 81). Er charakterisiert an dieser Stelle das römische Volk, das sich aus der Politik zurückgezogen hatte, diese den Feldherren und den Magistraten überließ und sich nur noch ängstlich eine sichere Versorgung mit Lebensmitteln und die Belustigung in öffentlichen Festen wünschte. Heute bezeichnet man damit die Politik der römischen Kaiser, die stadtrömische Bevölkerung durch eine ausreichende und kostengünstige Kornversorgung und durch aufwendige Zirkusspiele ruhig zu halten.
Vespasian setzte das eingenommene Geld also zum Wohl und zum Vergnügen der römischen Bevölkerung ein. Zudem lässt sich konstatieren, dass er keinesfalls überall und in Bezug auf alle Dinge Steuern anhob oder gar erfand. Eine Inschrift aus dem kleinasiatischen Pergamon überliefert (FIRA I2 77 = McCrum/Woodhead 1966, Nr. 458) etwa, dass Vespasian im Jahr 74 n. Chr. Grammatikern, Rhetoren und Ärzten Steuerfreiheit gewährte und sie zudem keine Einquartierung von Soldaten und Funktionären mehr zu erdulden hatten. Insgesamt lässt sich das Regierungsprogramm des Kaisers deshalb mit dem folgenden Satz Suetons zusammenfassen: „Und während seiner gesamten Regierungszeit lag ihm nichts mehr am Herzen, als das nahezu angeschlagene und schwankende Staatswesen zu festigen und ihm förderlich zu sein.“ (Vespasian VIII 1). An seinem Lebensende blickte Vespasian deshalb auf ein wohlhabendes und saturiertes Imperium, das sein Nachfolger Titus übernehmen konnte.
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Steuerfreiheit für Grammatiker, Rhetoren und Ärzte
4. Die Baupolitik Vespasians in Rom als Ausdruck flavischer Ideologie Die vornehmste Aufgabe des neuen Kaisers war es, das von der Krise zerrüttete und zerstörte Rom wieder aufzubauen. Zudem gab es mitten in Rom ein riesiges Gelände im Ausmaß von 2,6 km2, das die Privatvilla Neros, die domus aurea, eingenommen hatte. Vespasian wollte dieses innerstädtische Gebiet jetzt mit Prachtbauten für das Volk wieder der Öffentlichkeit zurückgeben. Münzen mit der Umschrift ROMA RESVRGENS – das wiederauferst-
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Vespasian
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ehende Rom – bringen die Aufbaupolitik des Kaisers bildlich zum Ausdruck, wenn sie Vespasian zeigen, wie er der knienden personifizierten Stadt Roma die Hände zum Aufstehen reicht.
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Rom liegt in Trümmern (Sueton VIII 5–IX 1) Die Spuren der Brandkatastrophen vergangener Zeiten und vom Einsturz bedrohte Gebäude verunstalteten die Stadt. Jedem erlaubte er (d.h. Vespasian), freie Plätze für sich zu beanspruchen und zu bebauen, wenn die Besitzer es an der nötigen Initiative fehlen ließen. Er selbst nahm den Wiederaufbau des Kapitols in Angriff, legte als erster Hand an, den Schutt wegzuräumen, und schaffte einiges auf seinem Buckel fort. … Er ließ auch neue Gebäude errichten: einen Tempel der Pax nahe beim Forum und einen für den göttlichen Claudius auf dem Mons Caelius … Überdies ließ er mitten in der Stadt ein Amphitheater bauen, als er in Erfahrung gebracht hatte, dass schon Augustus sich das fest vorgenommen hatte. (Übersetzung H. Martinet)
Rom hatte auch noch ein halbes Jahrzehnt nach dem großen Brand unter Nero im Jahr 64 n. Chr. nicht seinen alten, unter Augustus geschaffenen Glanz zurückerhalten. Die Kämpfe des Jahres 69 n. Chr. zwischen Vitellianern und Flaviern dürften ihr Übriges zum Niedergang der Stadt beigetragen haben – sogar das Kapitol lag jetzt in Trümmern. Der Aktivismus und das Bemühen des neuen Kaisers, den Glanz des augusteischen Rom wiederauferstehen zu lassen, zeigten sich nicht nur in der Aufhebung der Rechtssicherheit beziehungsweise der freien Verfügungsbefugnis von Grundstückseigentümern, die ihre Grundstücke nicht bebauten, sondern sie drückten sich auch symbolisch aus, indem Vespasian selbst beim Wiederaufbau des Jupitertempels auf dem Kapitol als erster Hand anlegte. Sueton nennt des Weiteren drei zentrale Bauprojekte, die der Kaiser neben den Restaurationen in Angriff nahm: 1. den Tempel des Friedens (templum Pacis), 2. den Tempel des Staatsgottes Claudius (templum Divi Claudii), 3. das amphitheatrum Flavium, das wir als Kolosseum kennen. Tempel des Friedens
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Der Tempel des personifizierten Friedens, der Göttin Pax, sollte als Symbol der neuen Zeit gelten, die Vespasian mit seiner Herrschaft beginnen sehen wollte, denn in ähnlicher Weise hatte Augustus einen Altar des Friedens (ara Pacis) weihen lassen. Begonnen wurde die Anlage bereits kurz nach dem Einzug Vespasians in Rom und der Feier des Triumphes über Judäa im Jahr 71 n. Chr.; fertiggestellt war der nördlich des Forum Romanum liegende Bau 75 n. Chr. Der Ort und die Ausmaße des heute kaum mehr sichtbaren heiligen Bezirkes waren schon immer bekannt, doch erst die seit dem Jahr 2000 erfolgten Ausgrabungen haben einen Abschnitt der Westecke des templum Pacis freilegt. Die in einigen Texten wegen ihrer um einen großen Platz angelegten Form auch als Forum Pacis bezeichnete Anlage war an drei Seiten von Säulenhallen umschlossen. An der südöstlichen Seite des Platzes erhob sich hinter der mittleren Porticus der Tempel der Pax selbst. Mögli-
Die Baupolitik Vespasians in Rom als Ausdruck flavischer Ideologie
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cherweise war hier auch die praefectura urbis untergebracht, also die Stadtverwaltung, ebenso wie das Katasteramt. Berühmt war das templum Pacis zudem für seine Bibliothek. Mit ungefähr 140 mal 150 m Umfang nahm es den Raum des vormaligen städtischen Lebensmittelmarktes (macellum) ein, den der Brand des Jahres 64 n. Chr. zerstört hatte. Nero hatte diese Gegend dann zu einem Teil der domus aurea gemacht. Vespasian schenkte den innerstädtischen Raum wieder der Bevölkerung, die mit Wasserspielen und Gartenanlagen zum Verweilen eingeladen wurde. Der Friedenstempel des Vespasian (Flavius Josephus, Jüdische Altertümer VII 5,7)
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Nach dem Triumph und der völligen Befriedung des Reiches beschloss Vespasian, der Friedensgöttin einen Tempel zu bauen, und er vollendete in sehr kurzer Zeit ein Werk, das alle menschlichen Erwartungen übertraf. Er verwendete zu dem Bau nicht nur die ungeheuren Mittel, die ihm sein persönlicher Reichtum an die Hand gab, sondern er schmückte ihn auch mit älteren Meisterwerken der Malerei und Bildhauerkunst. In diesem Heiligtum sollte alles gesammelt und niedergelegt werden, zu dessen Besichtigung im Einzelnen man sonst die ganze Welt hätte durchreisen müssen. (Übersetzung H. Clementz)
Der Kaiser ließ in diesem Tempel die Symbole aller Provinzen des Reiches aufstellen – beispielsweise eine Statue des Nil als Zeichen des unterworfenen Ägypten oder den siebenarmigen Leuchter und die Trompeten des Jerusalemer Tempels als Zeichen für das unterworfene Judäa. Auf diese Weise führte er den Bürgern die Größe des Imperium Romanum vor Augen. Doch auch berühmte Kunstwerke, die Nero in den Provinzen des Reiches zusammengesammelt und in seinen Privatbesitz in die inzwischen zerstörte domus aurea überführt hatte, stellte Vespasian nun in seinem Tempel der römischen Öffentlichkeit zur Betrachtung und Erbauung zur Verfügung. Bei Plinius (Naturkunde XXXIV 84) sind Namen von berühmten griechischen Bildhauern des Zeitalters der Klassik wie Lysippos, Myron, Phidias und Polyklet zu lesen. Vespasian schuf damit einen Kontrast zum privaten Luxus (luxuria) des Nero, denn dessen egoistischen Umgang mit berühmten Kunstwerken hieß der römische Zeitgeist nicht gut: Jeder Römer sollte die Möglichkeit haben, sich an der Schönheit der Kunst zu erfreuen und sich die neue Friedenszeit zu vergegenwärtigen. Besonders der Friedenstempel zeigt also die Wichtigkeit der neuen Friedensideologie, die die von Augustus geschaffene pax Romana sogar noch überbieten sollte. Der neue Frieden brachte den Wohlstand der Welt nach Rom, wie es Plinius – etwas ungewöhnlich – in seiner Naturgeschichte am Beispiel von Kräutern zeigt: Der neue Frieden unter Vespasian (Plinius, Naturkunde XXVII 1,3)
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(Die Kräuter von allen Gegenden der Welt kommen) zum Wohle des menschlichen Geschlechts auf der ganzen Erde (nach Rom), und zwar unter der uner-
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Vespasian
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messlichen Herrlichkeit des römischen Friedens, die nicht nur die Menschen untereinander verschiedener Länder und Völker bekanntgemacht, sondern auch die Berge und die in die Wolken ragenden Gipfel und ihre Erzeugnisse und Pflanzen im Austausch gezeigt hat. Möchte doch, ich bitte darum, dieses Geschenk der Götter von Dauer sein! So sehr hat es den Anschein, dass die Götter die Römer der Menschheit gleichsam als zweites Licht geschenkt haben. (Übersetzung R. König/G. Winkler)
Tempel des divus Claudius
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Dem Verfasser der Naturgeschichte diente das Beispiel von Kräutern dazu, die Wirkung des römischen Friedens und die Bedeutung der Römer herauszustellen: Der Frieden garantierte die Bekanntmachung verschiedener Völker, den freien Verkehr im gesamten Reich. Gewährleistet war der Frieden durch die Römer. Diese und damit sich selbst betrachtete Plinius als Geschenk der Götter an die Menschheit, gar als nach der Sonne das zweite Licht der Menschheit. Verkündete der Friedenstempel den Aufbruch in eine neue, goldene Zeit, die eine Teilhabe aller Römer an den Errungenschaften des römischen Friedens in der Welt garantierte, so verwiesen die beiden anderen Bauprojekte mehr oder weniger in die Vergangenheit. Das gilt insbesondere für die auch Claudium genannte riesige (180 × 200 m!) Tempelanlage des nach seinem Tod im Jahr 54 n. Chr. zum Staatsgott (divus) erklärten Kaisers Claudius, von der heute allerdings bis auf die Substruktionen nicht mehr viel erhalten ist. Der zentral darin gelegene Kultbau war von einem portikengesäumten Platz umgeben, innerhalb dessen sich, wie beim templum Pacis, eine Gartenanlage erstreckte. Begonnen hatte das Heiligtum bereits Agrippina, die Witwe des Claudius. Nero zerstörte es jedoch teilweise und wandelte die Anlage in ein Nymphäum um, das Bestandteil seiner domus aurea war. Durch die Zerstörung der neronischen Villa und die Wiederherstellung beziehungsweise die Neuerrichtung des Claudiustempels setzte der Kaiser nicht nur ein antineronisches Zeichen, sondern erwies auch seinem Vorgänger Claudius Frömmigkeit und Achtung (pietas). Vespasian stellte sich damit gleichsam in die Linie der julisch-claudischen Vorgängerdynastie, denn Claudius war der letzte Kaiser, den das Bestallungsdekret des Senats vor Vespasian anführt (siehe oben), also der letzte „legitime“ Herrscher vor ihm. Der Vorbildcharakter gerade des Claudius dürfte für Vespasian auch in dessen Einstellung zu den Staatsgeschäften gelegen haben, die Claudius, wie wir es aus der literarischen Überlieferung wissen, äußerst gewissenhaft führte. Zudem war es unter der Herrschaft des Claudius, in der Vespasian einen bedeutenden Teil seiner Karriere durchlaufen (Sueton, Vespasian IV 1–2) und unter anderem die Triumphalinsignien (ornamenta triumphalia) für Siege in Britannien erhalten hatte. Triumphalinsignien/ornamenta triumphalia In der römischen Republik galt die Feier des Triumphzuges als höchste Auszeichnung eines erfolgreichen Imperators. Die Abzeichen des Triumphes – die ornamenta – durfte der Sieger nach dem Zug behalten und sein Haus damit schmücken. Der letzte Triumph, den ein nichtkaiserliches Mitglied der Senatsaristokratie feierte, war der des L. Cornelius Balbus im Jahr 19 v. Chr. Seitdem
Die Baupolitik Vespasians in Rom als Ausdruck flavischer Ideologie
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war die Feier des Triumphzuges allein dem Kaiser als oberstem Feldherrn des Reiches vorbehalten. Aus diesem Grund war die höchste militärische Auszeichnung für erfolgreiche Generäle von nun an die Verleihung der ornamenta triumphalia, also der Abzeichen eines Triumphators.
Die dritte von Vespasian begonnene Monumentalanlage, das amphitheatrum Flavium, war schließlich ganz der Unterhaltung der römischen Bevölkerung gewidmet. Wenn Vespasian sich hier auf den Plan des Augustus berief, den er vollendete, dann stellte er sich in dessen unmittelbare Nachfolge. Für bis zu 50000 Zuschauer bestand die Möglichkeit, die munera (Gladiatorenspiel) und venationes (Tierhetzen) anzusehen. Wir bezeichnen den Bau heute als Kolosseum, einem erst seit dem 8. Jahrhundert belegten Namen, den er nicht aufgrund seiner Größe erhielt, sondern wegen der daneben stehenden 35 m hohen Kolossalstatue des Sonnengottes. Diese hatte ursprünglich Nero dargestellt; Vespasian ließ sie nicht zerstören, sondern beim Amphitheater aufstellen und in ein Bild des Sonnengottes Sol umwandeln. Das Kolosseum, der erste große Bau dieser Art innerhalb Roms überhaupt und gleichzeitig das größte Amphitheater der antiken Welt, befand sich auf dem Zentrum der ehemaligen Villa Neros. Der Ort war jedoch nicht nur aus propagandistischen, sondern auch aus praktischen Gründen gut gewählt: Man konnte den Bau in ein von Nero angelegtes Becken für einen künstlichen See (stagnum Neronis) setzen. Zudem war es von Vorteil, dass das Amphitheater auf diese Weise am Schnittpunkt wichtiger Straßen lag (vgl. Beste 2004). Anders als der Claudius- und der Friedenstempel, war das Kolosseum zum Zeitpunkt des Todes Vespasians noch nicht fertig gestellt, erst Titus zelebrierte 80 n. Chr. eine 100 Tage dauernde Einweihung, bei der unter anderem 5000 Tiere den Tod fanden. Den letzten Schliff erhielt das Gebäude dann unter Domitian. Nachricht über die Finanzierung des Kolosseums liefert uns ein Marmorblock, der sich heute rechts im Haupteingang befindet. Er trägt eine Inschrift aus dem 5. Jahrhundert n. Chr., die von der Renovierung des Amphitheaters kündet. Man hatte diese Inschrift über der vormaligen Bauinschrift angebracht, und Geza Alföldy ist es gelungen, aus der Anordnung der noch vorhandenen Dübellöcher für die vergoldeten Bronzebuchstaben den ursprünglichen Wortlaut zu rekonstruieren. Die Bauinschrift des Kolosseums (CIL VI 40454a = Alföldy, in: ZPE 109, 1995, S. 195–226 = AE 1995, 111b)
Kolosseum
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I[MP(ERATOR)] ‘T(ITVS)‘ • CAES(AR) • VESPASI[ANVS • AVG(VSTVS)] AMPHITHEATRV[M • NOVVM (?)] [EX •] MANVBIS (vac.) [FIERI • IVSSIT (?)]. „Imperator ‘Titus‘ Caesar Vespasianus Augustus ließ das neue (?) Amphitheater aus der Beute errichten.“
Es handelt sich nicht um die Hauptinschrift des Theaters, sondern um deren gekürzte Fassung, die wahrscheinlich über dem südlichen Ausgang angebracht war. Die Hauptbauinschrift mit der ausführlichen Titulatur des Kai-
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Vespasian
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Volksnähe Vespasians
sers dürfte sich hingegen am Podium entlang der Arena im Inneren des Amphitheaters befunden haben. Die vorliegende gekürzte Inschrift gibt nur die wesentlichen Informationen, und hierzu gehört vor allem, dass Vespasian das Kolosseum durch die enorme Beute aus dem Krieg gegen die Juden finanzieren konnte. Von besonderem Interesse an dem Text ist jedoch vor allem, dass sein Nachfolger Titus ihn durch die Hinzufügung eines T. für „Titus“ zwischen IMP(ERATOR) und CAES(AR) leicht verändern ließ. Auf diese Weise tat er den Besuchern der Spiele kund, dass er selbst das Amphitheater aus der Beute hatte errichten lassen. Dies ist nicht unbedingt als Geschichtsfälschung aufzufassen, denn Titus war es, der im Auftrag seines Vaters Jerusalem eroberte und der gemeinsam mit seinem Vater den Triumph über Judäa in Rom gefeiert hatte. Mit den vorgestellten Neubauten setzte Vespasian einen neuen Akzent in der römischen Baupolitik, denn die Kultbezirke des Claudius- und des Friedenstempels ebenso wie die Höhe und Ausdehnung des Kolosseums stellten alles, was es bisher in Rom gab, in den Schatten. Alle drei Anlagen befanden sich zudem im Zentrum Roms, auf dem Gebiet der vormaligen domus aurea. Vespasian hatte das Gelände nicht nur wieder der Bevölkerung zugänglich gemacht, sondern auch der religiösen Erbauung und der Erholung gewidmet. In gleich zweifacher Weise hatte er damit die damnatio memoriae des Nero vollzogen. Einerseits durch die Tilgung aller Inschriften mit dessen Namen und andererseits durch die Beseitigung seiner Privatbauten. Unterstrichen hat Vespasian seine propagierte Volksnähe damit, dass er für sich persönlich keine Residenz errichten ließ, sondern die Tore zum Palatin, also der Kaiserresidenz, ohne Bewachung offen ließ, sich selten im Palast und am liebsten in den Gärten des Sallust aufhielt (Cassius Dio LXV 10,4–5). Diese Gärten des Sallust (horti Sallustiani) waren eine weitläufige, mit Gebäuden versehene Parkanlage im Norden Roms zwischen dem Quirinal und dem Pincio, die ursprünglich dem Schriftsteller Sallust aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. gehörten und unter Tiberius in kaiserlichen Besitz gekommen waren.
5. Entweder meine Söhne oder sonst niemand: Die Regelung der Nachfolge Vespasian war es von Anfang an wichtig, die Sukzession seiner Söhne zu sichern. Er wollte der Begründer einer Dynastie sein und dem von ihm zu neuer Blüte geführten Reich ein Chaos wie nach dem Tod Neros ersparen. Noch kurz vor seinem Tod erklärte er dem Senat deshalb, dass nur „seine Söhne für die Nachfolge in Betracht kämen, sonst niemand“ (Sueton, Vespasian XXV). Das Vorhandensein von Söhnen als Erben des Kaiserthrones war aus ideologischen Gründen für die Stabilität der Herrschaft äußerst wichtig. Das hatte im Vierkaiserjahr besonders der Fall des Galba gezeigt, der in der Wahl des Piso als Nachfolger einen letztlich für ihn fatalen Missgriff getätigt hatte. Bereits Münzen des Jahres 71 n. Chr., die Titus und Domitian zeigen,
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Innerer Widerstand: Vespasian und die Philosophen
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wiesen dehalb auf die dynastischen Bestrebungen des Vespasian hin. Sowohl Titus als auch Domitian erhielten zudem, wie es römische Münzen zu erkennen geben, schon 70 n. Chr. den Titel Caesar. Dieser Name, den Augustus ebenfalls an seine beiden Adoptivsöhne Gaius und Lucius vergeben hatte, um sie damit zu seinen Thronfolgern zu deklarieren, hatte nach der Ausrufung des Vespasian zum Kaiser den bisherigen Gentilnamen der Familie, Flavius, ersetzt. Zudem waren sowohl Titus als auch Domitian principes iuventutis. princeps iuventutis/Erster der Jugend Im Plural gebraucht war „Erste der Jugend“ (principes iuventutis) eine alte republikanische Standesbezeichnung für die Adelsreiter. Cicero machte sie dann zu einem Ehrentitel für besonders ausgezeichnete junge Männer. Augustus schließlich verlieh den Titel an seine beiden Adoptivsöhne Gaius und Lucius Caesar, um herauszustellen, dass sie seine Nachfolger auf dem Kaiserthron werden sollten. Von da an erhielt nur noch der Thronfolger den Titel princeps iuventutis.
Die Vorrangstellung des Titus vor Domitian und die Thronfolge des älteren Sohnes hatte der Kaiser bereits nach der siegreichen Heimkehr des Titus aus Judäa deutlich zum Ausdruck gebracht: Er ließ ihm die tribunizische Gewalt und das proconsulare Imperium verleihen – seitdem war Titus „Teilhaber“ der Herrschaft (Sueton, Titus VI). Titus erhielt, anderes als sein Bruder, zudem den Titel imperator. Gemeinsam mit seinem Vater durfte er sogar achtmal das Konsulat bekleiden. Domitian hatte diese Ehre nur ein einziges Mal, im Jahr 71 n. Chr., lediglich als nachrückender Konsul erhalten, durfte dann aber immerhin 73 n. Chr. mit einem anderen Kollegen als seinem Vater das Amt des ordentlichen Konsuls versehen. Auch einige Münzen zeigen die Vorrangstellung des älteren der beiden Vespasiansöhne, wenn etwa Titus bekränzt auftritt, Domitian hingegen nicht. Des Weiteren hatte Vespasian Titus zum Prätorianerpräfekten Roms gemacht, um damit die Prätorianergarde, die im Vierkaiserjahr und zuvor immer wieder entscheidend in die Politik eingegriffen hatte, unter seine absolute Aufsicht zu stellen.
E Vorrangstellung des Titus vor Domitian
6. Innerer Widerstand: Vespasian und die Philosophen Auch ein Kaiser wie Vespasian, der sich bemühte, es dem Senat möglichst recht zu machen und dessen Andenken die Senatoren späterer Zeit achteten, musste sich mit einer senatorischen Opposition auseinandersetzen. Als wichtigster Name ist in diesem Zusammenhang derjenige des Helvidius Priscus zu nennen, der niemals einen Hehl aus seiner streng an den Idealen des Senats und der Stoa ausgerichteten Haltung machte und aus genau diesem Grunde in Konflikt mit dem Kaiser geriet. Die Stoa Die Stoa (griechisch: „Halle“) ist eine philosophische Schule, die Zenon von Kition (auf Zypern) um 300 v. Chr. gründete. Als „Halle“ ist sie bezeichnet, weil sich der Gründer mit seinen Schülern in der stoa poikile, der bunten Halle in Athen traf. Es handelt sich um eine materialistische Philosophie, weil sie alles
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Vespasian
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Wirkliche, also auch Seele, Vernunft und Gott als körperlich ansieht. Dem stoischen Schicksalsbegriff (fatum) nach geschieht alles mit unabänderlicher Notwendigkeit (Determinismus). Nicht der Lustgewinn, sondern die Entfaltung der Vernunft ist das Ziel – hierauf richtete sich das stoische Streben. Das begründete auch die Ansicht, dass die Erhaltung der Gemeinschaft und die politische Betätigung eine Pflicht des Stoikers ist. Zwei der heute wohl bekanntesten Vertreter der Stoa waren Seneca und Kaiser Marc Aurel.
Die Forschung sieht den exemplarisch überlieferten Konflikt zwischen Helvidius und Vespasian als Teil einer dauernden Auseinandersetzung zwischen römischem Kaisertum und stoischer Philosophie. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die philosophische Richtung der Stoa grundsätzlich keine Schwierigkeiten mit der Institution Kaisertum hatte (vgl. Mellor 2003), sondern sich nur an einem nicht ehrenvollen oder unwürdigen Handeln eines Kaisers störte.
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Helvidius Priscus weiß den Kaiser nicht zu würdigen (Cassius Dio LXVI 12,1) Helvidius Priscus, der Schwiegersohn des Thrasea, der in den Lehren der Stoiker erzogen worden war und den Freimut Thraseas – zuweilen auf unpassende Art – nachahmte, bekleidete damals die Prätur, und statt etwas zu Ehren des Herrschers zu tun, schmähte er ihn unausgesetzt. Deshalb nahmen ihn einmal die Volkstribune fest und übergaben ihn ihren Helfern zur Bewachung. Der Vorfall erschütterte Vespasian derart, dass er in Tränen ausbrach und den Senat verließ. Dabei sagte er nur: Mein Sohn wird an meine Stelle treten und sonst niemand! (Übersetzung O. Veh)
Dass der Senator stoischen Lehren anhing, ist nicht so außergewöhnlich, wie es Cassius Dio suggeriert, denn die Philosophie der Stoa war im Grunde genommen die Philosophie der römischen staatstragenden Oberschicht. Aus dieser Philosophie heraus begründete sich die politische Betätigung zum Wohle des Staates und das Streben zur Erhaltung der Gemeinschaft. Für Helvidius scheint das aber auch bedeutet zu haben, dass er dem Kaiser mit offenen Worten entgegentreten konnte. Besonders anmaßend muss es gewirkt haben, als der Senator den princeps bei seinem Einzug in Rom „als einziger nur mit seinem Namen Vespasian begrüßt und ihn während seiner Prätur in allen Edikten ohne jede ehrenvolle Erwähnung übergangen hatte“. (Sueton, Vespasian XV). Cassius Dio deutet die freien Reden des Helvidius, die so weit gingen, dass er den Kaiser „in die Schranken gewiesen hatte“ (Sueton, Vespasian XV), ganz in seiner vespasianfreundlichen Einstellung. Es seien undankbare „Schmähungen“ gewesen, die schließlich dazu führten, dass die Volkstribunen den Senator festnehmen ließen. Cassius Dio stellt den oben zitierten Vorfall in Zusammenhang mit der Frage um die Nachfolge und der klaren Aussage des Kaisers, dass seine Söhne ihm auf dem Thron zu folgen haben. Anders lässt sich nämlich die von dem Historiker geschilderte Reaktion des Kaisers nicht verstehen. Sicherlich hatte Helvidius, als der Kaiser seinen Nachfolgeplan dem Senat zur Kenntnis brachte, für die Adoption eines optimus plädiert, wie es auch dem tacite-
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ischen Ideal entsprochen hätte (siehe oben die Adoptionsrede des Galba; anders Grenzheuser 1964). Auf die oben beschriebene Weise opponierte der stoische Senator offen gegen den Kaiser, was man durchaus als „lebensgefährliches“ Handeln bezeichnen darf. Helvidius konnte sich hingegen der Zustimmung durch die öffentliche Meinung in Rom sicher sein, da man schlecht auf Titus zu sprechen war und ihn keinesfalls für einen optimus hielt (vgl. Sueton, Titus I; siehe unten). Dass Vespasian selbst derartige Kritik als Teil von Komplotten aufgefasst haben könnte, zeigt uns Sueton, der schreibt, wie der Kaiser Zielscheibe von ständigen Verschwörungen wurde und trotzdem noch den Mut dazu hatte, vor den Senat zu treten und die Nachfolge seiner Söhne einzufordern (Vespasian XXV). Die von Sueton als Verschwörungen bezeichneten antikaiserlichen Stimmungen dürften wohl am ehesten einen politischen Widerstand bezeichnen und keine wirklichen Anschlagspläne, die auf einen Sturz des Herrschers ausgerichtet waren. Der römische Zeitgenosse und Senator Tacitus sah die Person des Helvidius in einem anderen Licht als Cassius Dio, denn er erklärt ihn zu einem äußerst ehrenwerten Senator: Helvidius Priscus als Prototyp eines ehrenhaften Senators (Tacitus, Historien IV 5)
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Sein glänzendes Talent widmete er (scil. Helvidius Priscus) schon als ganz junger Mann höheren Studien … Er schloss sich den Lehrern der Weisheit an, die für das einzige Gut halten, was ehrenhaft, für ein Übel nur, was schändlich ist, Macht, Adel, und was sonst außerhalb des Geistes liegt, weder als ein Gut noch als ein Übel ansehen. Als er gerade erst Quästor gewesen war, erwählte ihn Paetus Thrasea zum Schwiegersohn: Von dem Wesen seines Schwiegervaters nahm er nichts so sehr in sich auf wie dessen Freimut: Als Bürger, Senator, Gatte, Schwiegersohn, Freund in allen Verpflichtungen des Lebens sich gleichbleibend, ein Verächter des Reichtums, hartnäckig festhaltend am Rechten, standhaft gegen alle Gefährdungen. (Übersetzung H. Vretska)
Vespasian, dem an einem Ausgleich mit dem Senatorenstand gelegen war, ließ sich die freimütigen Reden des Helvidius einige Zeit gefallen. Zu guter Letzt aber gab es genug andere Feinde des Helvidius, die sich dessen angeblich „schmähliches“ Verhalten gegenüber dem Kaiser zum Vorwand nahmen, um ihn zu beseitigen. Vespasian verbannte ihn zunächst, erließ schließlich sogar das Todesurteil. Nicht glücklich mit seiner Entscheidung, widerrief er sie kurze Zeit später – der Bote mit der Begnadigung kam jedoch zu spät, so dass Helvidius nicht mehr vor dem Tod bewahrt werden konnte. Sueton, der uns das überliefert, bemüht sich also, die Schuld des Kaisers an der Hinrichtung des Senators zu minimieren. Wann genau Helvidius den Tod fand, ist ungewiss. Einige gehen davon aus, dass er recht schnell beseitigt wurde, vielleicht schon 71 n. Chr., weil sich Vespasian sicherlich nicht allzulange einen anmaßenden Senator angehört hätte. Andere sind der Ansicht, dass es 74 n. Chr., während der Übernahme der Zensur durch Vespasian war. Es gibt sogar die Vermutung, dass Helvidius erst im Rahmen der angeblichen Verschwörung des Caecina Alienus und Eprius Marcellus im Jahr 78/79 n. Chr. verbannt und hingerichtet wurde.
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Vespasian
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Der Zeitgenosse und stoische Philosoph Epiktet (ca. 50–125 n.Chr.) stilisiert, anders als Cassius Dio, Helvidius zu einem römischen Sokrates, der für seine Ideale in den Tod gegangen ist. So überliefert er uns folgenden Dialog zwischen Kaiser und Senator, der uns nicht so sehr über die senatorische Opposition, sondern über Richtlinien informiert, die ein Kaiser mit dem Senat einzuhalten hatte:
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Der Kaiser und der philosophische Senator (Epiktet 12,19–21) Als Vespasian ihm die Aufforderung zuschickte, nicht in den Senat zu kommen, antwortete er: [Helvidius:] In deiner Macht steht es, mich nicht Senator sein lassen; solange ich aber Senator bin, muss ich in den Senat kommen. [Vespasian:] Nun gut, aber wenn du kommst, dann schweige. [Helvidius:] Frage mich nicht, und ich werde schweigen. [Vespasian:] Aber ich muss dich fragen. [Helvidius:] Und ich muss sagen, was ich für richtig halte. [Vespasian:] Aber wenn du sprichst, werde ich dich töten. [Helvidius:] Habe ich dir jemals gesagt, dass ich unsterblich bin? Du wirst das tun, was in deiner Macht steht, und ich werde das Meine tun. Du kannst mich töten, ich aber kann sterben, ohne zu zittern. Du kannst mich verbannen, ich aber kann gehen, ohne zu trauern. (Übersetzung J. Malis)
Spielregeln römischer Innenpolitik
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Die sonstige Überlieferung zeichnet, wie oben dargelegt, ein positives Verhältnis von Kaiser und Senat. Die vorliegende Schilderung lässt hiervon hingegen nichts erkennen. Doch auch aus dieser Episode geht im ersten Abschnitt klar hervor, dass im autokratisch regierten Rom politische Spielregeln galten, an die sich jeder, selbst der Kaiser, zu halten hatte: Vespasian musste den Senat einberufen und er musste die Senatoren nach ihrer Meinung befragen. Er konnte auch keinem Senator verbieten, zu den Sitzungen zu erscheinen und seine Meinung öffentlich kundzutun. Wenn nämlich Senatoren fernblieben, verstießen sie gegen die Gesetze des Augustus, der die unentschuldigte Abwesenheit von Senatssitzungen unter Strafe gestellt hatte. So war Vespasian also in ein durch Augustus vorgegebenes und durch die republikanische Tradition legitimiertes Korsett politischen Handelns gezwungen, das es zu beachten galt. Die einzige rechtliche Möglichkeit Vespasians, Helvidius zu beseitigen, hätte im Rahmen der Zensur und der Lese des Senats bestanden (siehe oben) – hierauf verweist der Senator, wenn er sagt, dass es in des Kaisers Macht stehe, ihn Senator sein zu lassen. Helvidius war aber klar, dass Vespasian ihn, den rechtschaffenen und moralisch integren Senator, nicht ohne Skandal aus dem Senat ausstoßen konnte. Der Dialog zeigt zudem ganz deutlich, dass es Helvidius keinesfalls darum ging, die alte Republik wiederherzustellen. Er bezweifelt nicht die Allgewalt des Kaisers, sondern verlangt lediglich von ihm, dass er sich der rechtlich vorgegebenen Instrumentarien bedient und sich deshalb auch die Kritik des Senators gefallen lässt. Nachdem der Kaiser im ersten Teil des wahrscheinlich fiktiven Dialoges noch den Spielregeln der von Augustus wiederhergestellten Republik gehorcht, überschreitet er diese im zweiten Teil, wenn er dem Senator mit
Ein Kaiser muss im Stehen sterben
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dem Tod droht. Der um den Senat und noch mehr um die legitime Nachfolge des Augustus bemühte Vespasian stellt sich damit außerhalb der römischen Ordnung. Der Senator hingegen sieht Tod oder Verbannung im Bewusstsein um die Rechmäßigkeit seiner Handlungen und aus seiner stoischen Grundhaltung heraus gelassen entgegen. Das ist es jedenfalls, was uns Epiktet überliefert, der als Freigelassener in dieser Zeit in Rom stoische Philosophie unterrichtete. Was Epiktet aber nicht erwähnt, ist, dass Helvidius seine Karriere unter Nero begonnen hatte, bereits unter dessen Herrschaft im Senat saß und erst 66 n. Chr. verbannt wurde. In die Verbannung musste er aber nicht etwa wegen seiner freimütigen Reden gehen, sondern nur, weil er der Schwiegersohn des Thrasea war, der sich allzu offen gegen Nero gewandt hatte. Unter einem Kaiser wie Nero hatte sich der stoische Senator Helvidius also ruhig verhalten, um nicht den Unmut des Herrschers zu wecken. Vespasian hingegen zeigte den Senatoren, dass man ihm offen gegenübertreten durfte und erst in diesem Moment hatte Helvidius den Mut, der ihn dann aber dazu verleitete, weit über das geziemende Maß hinaus den in seiner Grundhaltung senatsfreundlichen Kaiser zu kritisieren. Sollte sich die Helvidius-Affäre also wirklich in der beschriebenen Weise ereignet haben, dann zeigt sie, dass Vespasian den Senat nur so weit achtete, wie er seinen Interessen folgte. Ein politisches Eigenleben hingegen schien nicht gewollt zu sein. Auch außerhalb des Senats scheint es im Übrigen eine lautstarke philosophische Opposition gegen Vespasian gegeben zu haben, denn der Kaiser ließ, auf Veranlassung seines Generals Mucianus, Philosophen und auch Astrologen aus Rom verbannen (Cassius Dio LXV 12,2–13). Anders als im Senat, waren es im Volk insbesondere Kyniker, die dem Kaiser verbal zusetzten. Bekanntheit hat in diesem Sinne insbesondere der Philosoph Demetrios gewonnen. Von größerer Bedeutung scheint diese Philosophenopposition aber nicht gewesen zu sein, denn auf das spätere Bild des Kaisers in der antiken Geschichtsschreibung hatte sie, wie dargelegt, keine Auswirkungen.
7. Ein Kaiser muss im Stehen sterben Am 23. Juni des Jahres 79 n. Chr. verschied Vespasian im Alter von 69 Jahren auf seinem Landgut bei Reate. Das Reich hatte er wieder auf ein solides Fundament gestellt, die Grenzen waren gesichert und die Finanzen stabil. Die von Sueton geschilderten letzten Tage des Kaisers führen uns nochmals einen Herrscher vor Augen, dessen Pflichtbewusstsein für den Staat selbst im Angesicht des nahenden Todes nicht einbrach: Der Tod Vespasians (Sueton, Vespasian XXIV)
Der pflichtbewusste Kaiser
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Als er in seinem neunten Konsulat in Kampanien von leichten Fieberanfällen geschüttelt wurde, eilte er ohne Aufenthalt nach Rom zurück, von hier eilte er nach
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Vespasian
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Cutiliae und auf sein Landgut bei Reate … Als er hier den angegriffenen Gesundheitszustand durch den häufigen Gebrauch von kaltem Wasser nicht nur verschlimmerte, sondern auch noch die Gedärme in Mitleidenschaft zog, und er nichtsdestoweniger den Geschäften eines Kaisers – so wie er es gewohnt war – nachging, nämlich auch Gesandtschaften liegend anzuhören, erlitt er dabei einen Durchfall bis zur Erschöpfung, doch er sagte, ein Kaiser müsse im Stehen sterben; und während er sich erhob und aufzustehen versuchte, starb er unter den Händen derer, die ihn aufrichten wollten. (Übersetzung H. Martinet)
Die letzten Worte über das würdige Verscheiden eines Kaisers überliefern uns auch Cassius Dio (LXVI 2) und die Epitome de Caesaribus (IX 18). Die Regierungsgeschäfte gingen anschließend reibungslos in die Hände seines Sohnes Titus über.
8. Bilanz
Bedeutung des Heeres
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In den Wirren um die Nachfolge des Nero, also des letzten Kaisers, der sich auf eine Abkunft aus dem Haus des Augustus berufen konnte, hatte sich ein Mann von relativ unbedeutender Herkunft durchgesetzt. Gelungen war ihm das einerseits aufgrund seiner überragenden militärischen Fähigkeiten und seines durch die Intrigen der neronischen Zeit unbelasteten Lebenslaufs. Andererseits zeigte sich, und das hatte bereits Tacitus erkannt, dass die Zustimmung durch das Heer die eigentliche Machtgrundlage eines römischen Herrschers war, denn die Legionen des Ostens im Zusammenspiel mit einflussreichen Männern der mittleren und hohen Führungsschicht des Reiches waren es, die dem General Vespasian letztlich den Weg zum Kaiserthron geebnet hatten. Senat und römisches Volk, die nominellen Machthaber im Imperium, bestätigten dann nur noch die Kür der Legionen und akzeptierten sogar, dass nicht der Tag ihrer Anerkennung des Kaisers, sondern der Tag der Ausrufung des Vespasian am 1. Juli durch die Legionen Ägyptens zum offiziellen Tag des Herrschaftsantritts (dies imperii) wurde. Einmal an der Macht, erwies sich Vespasian dann als Kaiser, der allen moralischen und rechtlichen Anforderungen eines römischen princeps zu genügen wusste. Politisch unliebsame Aufgaben übernahm sein Sohn, der designierte Thronfolger Titus. Das ganze Streben des Vespasian war darauf gerichtet, ein würdiger und legitimer Nachfolger des ersten Kaisers Augustus zu sein. Hierzu gehörte die vollständige und umfassende finanzielle und militärische Konsolidierung des Reiches ebenso wie die Baupolitik, mittels der Vespasian sich zudem klar von Nero absetzen konnte. Der einstmals riesige innerstädtische Privatbesitz war von nun an wieder dem Volk zugänglich und mit den verschiedensten Bauten des öffentlichen Wohls ausgestattet. Insbesondere ging es Vespasian zudem darum, den neuen Frieden (pax) im Imperium zu propagieren: An die Seite der von Augustus ausgerufenen pax Augusta trat nun der Friede des Dynastiegründers Vespasian.
IV. Titus 30. Dezember 39 61–63 65 67 Juli/August 69
September 70
April 71 Juni 71 seit 71 73 23. Juni 79 24. August 79 80 13. September 81
Geburt des TITUS FLAVIUS VESPASIANUS in Rom Militärtribun in Germanien und Britannien Übernahme der Quästur Begleitung Vespasians nach Judäa Annahme des Namens TITUS CAESAR VESPASIANUS (in Anschluss an die Kaiserproklamation des Vespasian) Einnahme Jerusalems, Akklamation zum IMPERATOR TITUS CAESAR VESPASIANUS durch die Truppen Besuch Ägyptens Triumphzug mit Vespasian Prätorianerpräfekt (praefectus praetorio) Übernahme der Zensur gemeinsam mit Vespasian Tod Vespasians, Beginn der Alleinherrschaft des Titus als IMPERATOR TITUS CAESAR VESPASIANUS AUGUSTUS Ausbruch des Vesuv Brand in Rom, Einweihung des Kolosseums Tod
1. Die frühen Jahre Da sich Vespasian unter der Herrschaft des Claudius im Britannienfeldzug ausgezeichnet hatte, erhielt Titus das Privileg, gemeinsam mit Britannicus, dem Sohn des Kaisers Claudius, eine höfische Erziehung zu erhalten. Der älteste Sohn Vespasians war sogar so gebildet, dass er griechische Tragödien dichten konnte (vgl. Plinius, Naturkunde II 89). Einem senatorischen Werdegang entsprechend, übernahm Titus zwischen 61 und 63 n. Chr. zunächst militärische Aufgaben als Tribun in Germanien und Britannien. Wieder in Rom heiratete er Arrecina Tertulla, die jedoch nach nur einem Ehejahr verstarb, wonach Titus Marcia Furnilla ehelichte, mit der er eine Tochter hatte. Die aus hoher Familie stammende Gattin war eng mit denjenigen Kreisen verbunden, die in die Verschwörung des Senators Gaius Calpurnius Piso gegen Nero verwickelt waren. Nach dem Scheitern des Komplotts im Jahr 65 n. Chr. ließ sich Titus deshalb aus politischer Opportunität scheiden und heiratete nie wieder. Als Vespasian im Jahr 67 n. Chr. das Kommando über den Krieg in Judäa erhielt, betraute er Titus mit dem Befehl über eine der mitgeführten Legionen, die legio XV Apollinaris. Das war eine Position, die dem Sohn im magistratischen Rang eines Quaestors eigentlich nicht zugestanden hätte. Es ist
Krieg in Judäa
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Titus
IV.
deshalb davon auszugehen, dass es sich um einen informellen Auftrag Vespasians handelte. Titus spielte dann eine bedeutende Rolle in den Verhandlungen Vespasians mit dem Statthalter Syriens Licinius Mucianus, der schließlich seine Unterstützung zur Usurpation zusagte. Direkt nach der Proklamation des Vespasian zum Kaiser erhielt Titus, als dessen designierter Nachfolger, den Namen TITUS CAESAR VESPASIANUS.
2. Titus als „König des Orients“?
Ägypten
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Als Vespasian Ende 69 n. Chr. nach Alexandria aufbrach, ließ er seinen Sohn in Judäa zurück und betraute ihn mit der Aufgabe, den Krieg gegen die Juden zu einem erfolgreichen Ende zu bringen. Nach der Eroberung Jerusalems akklamierten die dortigen Soldaten Titus dann zum IMPERATOR TITUS CAESAR VESPASIANUS, so dass „der Verdacht entstand, er habe von seinem Vater abfallen und sich zum König des Orients (Orientis rex) machen wollen“ (Sueton, Titus V 3). In diesem „orientalischen König“ befürchteten die Römer eine Wiederbelegung des alten hellenistischen Königtums der Nachfolger Alexanders des Großen. Die letzte Vertreterin eines hellenistischen Herrscherhauses war die ptolemäische Königin Kleopatra VII. gewesen. An ihrer Seite hatte sich der Gegner des Octavian-Augustus, Marc Anton, als orientalischer König präsentiert. Solchen Vermutungen zum Trotz brach Titus nach Rom auf, um sich seinem Vater für weitere Aufgaben zur Verfügung zu stellen. Im Verlauf der Heimreise betrat der Kaisersohn am 25. April 71 n. Chr. Alexandria, um hier eine Zwischenstation einzulegen. Sein Aufenthalt im Land am Nil dauerte dann etwas länger, denn er besuchte Memphis und nährte dort, wie Sueton berichtet, erneut die Befürchtung, er wolle König des Orients werden: „Dieser Verdacht verstärkte sich noch, als er auf dem Wege nach Alexandria anlässlich der Konsekration eines Apisstieres in Memphis ein Diadem trug, was allerdings nur der Sitte und dem Ritus dieser alten Religion entsprach.“ (Sueton, Titus V 3). Was genau Titus zur Teilnahme an den Apisriten bewegte, können wir nicht wissen. An reine Schaulust und Neugier zu denken, scheint kaum vorstellbar, denn dem designierten Thronfolger dürften die mit seinem Handeln verbundenen Implikationen für die ägyptischen Untertanen durchaus bewusst gewesen sein: Für die Ägypter bedeutete es, dass Titus als Pharao auftrat und ihren Kulten die offene Sympathie bekundete, denn er habe, so Sueton, ein „Diadem“, wie es der ägyptischen Religion entsprach, getragen. Für die öffentliche Meinung in Rom zeigte sich an diesem Auftritt jedoch auf ein Neues, dass Titus seinen Anspruch auf ein orientalisches Königtum untermauerte. Letzterer gründete sich jedoch nicht so sehr auf der Teilnahme an den Apisriten selbst, sondern darauf, dass Titus ein diadema trug, also das Kopfband des hellenistischen Königs. In diesem Zusammenhang scheint es aber zu einem Missverständnis Suetons gekommen zu sein. Denn Titus hatte sich keinesfalls das Kopfband
Titus in Rom
IV.
des griechisch-makedonischen Monarchen angelegt, sondern die Krone von Ober- und Unterägypten, die in alter Zeit der Pharao Ägyptens trug. So ist nämlich der erklärende Zusatz des Sueton zu verstehen, der schreibt, dass, als sich herausstellte, dass ein diadema Bestandteil des ägyptischen Rituals war, die Befürchtungen der Römer sich als unbegründet erwiesen. Das Anlegen der Krone von Ober- und Unterägypten, die man allem Anschein nach ebenso wie das Kopfband des hellenistischen Königs diadema nennen konnte, scheint in Rom nicht als Usurpationsversuch betrachtet worden zu sein. Das Herrschaftsinsignium der Pharaonen hatte längst seine politische Aussagekraft verloren und war für die Römer nur noch Bestandteil alter, seltsamer Rituale.
3. Titus in Rom a) Der Triumph Nur wenige Tage nachdem Titus im Juni des Jahres 70 n. Chr. in Rom eintraf, zeigten der Kaiser und sein Thronfolger ihre Harmonie: Vespasian führte gemeinsam mit Titus einen grandiosen Triumphzug durch, um den Sieg über Judäa zu feiern und der römischen Bevölkerung die Sieghaftigkeit des neuen Herrschers und damit auch seine Befähigung zur Führung des Reiches zu demonstrieren.
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Titus
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Vespasian und Titus feiern den Triumph über Judäa (Josephus, Jüdischer Krieg VII 123–157) Es war noch dunkle Nacht, als bereits das ganze Heer in Reih und Glied unter seinen Offizieren ausgerückt war und um die Tore stand, und zwar nicht um die des oberen Palastes, sondern um die in der Nähe des Isistempels, denn dort hatten die Feldherren während jener Nacht geruht. Als die Morgenröte gerade aufging, traten Vespasian und Titus heraus. Sie waren schon mit Lorbeer bekränzt, aber noch mit den herkömmlichen Purpurgewändern angetan … (es folgt die Beschreibung des Triumphzuges in allen Einzelheiten) … Als Beute nunmehr wurde das übrige haufenweise vorbeigetragen; unter allem zeichnete sich das am meisten aus, was man im Tempel in Jerusalem genommen hatte: ein viele Talente schwerer goldener Tisch und ein ebenfalls aus Gold gefertigter Leuchter, in seiner Ausführung aber ganz verschieden von der Art, wie sie bei uns gewohnt ist. Mitten aus dem Sockel ragte nämlich ein Schaft empor, der nach Art des Dreizacks in dünne, nebeneinanderstehende Äste verlief; jeder dieser Äste trug an seiner Spitze eine aus Erz getriebene Lampe. Es waren deren sieben, um die von den Juden der Siebenzahl entgegengebrachte Hochschätzung zu veranschaulichen. Als Abschluss der Beutestücke wurde das Gesetz (= die Torarolle) der Juden vorbeigetragen. Außerdem zogen viele Männer mit Statuen der Siegesgöttin vorüber, die alle aus Gold und Elfenbein angefertigt waren. Danach zog als erster Vespasian vorbei, und Titus folgte ihm, während Domitian daneben ritt – er selbst mit glänzendem Schmuck ausgestattet – auf einem Roß, das der Bewunderung wert war. (in Auszügen; O. Michel/O. Bauernfeind)
Ob es sich bei der Darstellung des zeitgenössischen jüdischen Historikers Flavius Josephus um einen Augenzeugenbericht handelt, ist umstritten, weil der Schriftsteller einiges, was für einen Triumph konstitutionell war, verschweigt (vgl. Künzl 1988). Er liefert uns aber trotzdem als einziger antiker Autor ein eindrückliches Bild von einem römischen Triumphzug. Der Throninhaber ebenso wie der durch die offene Bevorzugung gegenüber dem Bruder Domitian klar zum Thronfolger designierte Sohn Titus hatten die Nacht davor im Tempel der Isis auf dem Marsfeld verbracht, erwiesen so der Gemahlin und Kultgenossin des Sarapis ihre Reverenz und den Dank für die mit ihrer Hilfe vollbrachten Leistungen.
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Titusbogen
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Triumphzug/pompa triumphalis Die Ehre eines Triumphzuges verliehen Senat und Volk von Rom in republikanischer Zeit siegreichen römischen Feldherren. Das Heer zog mitsamt der Beute und den Kriegsgefangenen vom Marsfeld ausgehend über das Forum Romanum zum Kapitol und vollzog dort für Jupiter Capitolinus das Dankopfer. Allein anlässlich eines Triumphzuges war es einem Feldherrn gestattet, seine Soldaten in die Stadt hineinzuführen. Während des Prinzipats durfte nur noch der römische Kaiser in seiner Funktion als oberster Feldherr Roms einen Triumphzug abhalten.
Besonders auf die Beschreibung der Beute aus dem Tempel des Jahwe in Jerusalem legte der jüdische Berichterstatter Wert. Dass die Objekte aber nicht nur ihm als Juden wichtig waren, sondern auch für die offizielle römische Repräsentation, zeigt die Darstellung derselben Trophäen im sogenannten Titusbogen am Eingang zum Forum Romanum. Der betreffende Bogen wurde erst nach dem Tod des Titus errichtet, was sich daran erkennen
Titus in Rom
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lässt, dass seine Weihinschrift „Der Senat und das römische Volk dem Staatsgott (divus) Titus Vespasianus Augustus, Sohn des Staatsgottes Vespasian.“ (CIL VI 945) lautet.
Divinisierung/divus Ein verstorbener römischer Kaiser oder auch Mitglieder der Kaiserfamilie konnten nach dem Tod aufgrund eines Senatsbeschlusses zum Staatsgott (divus) erklärt werden: Dieser Vorgang hieß Konsekration (consecratio). Man folgte hier dem Vorbild des Augustus, der seinen Adoptivvater Gaius Iulius Caesar zum divus hatte erklären lassen. Für eine Divinisierung war ein Zeuge nötig, der die Entrückung, genauer das „in den Himmel Fahren“ des neuen Staatsgottes mit eigenen Augen gesehen hatte.
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Divinisiert und zum Staatsgott geworden war Titus erst nach seinem Verscheiden und seinem Eingang unter die Götter. Der Vorgang der Vergöttlichung ist auch im Scheitel der Bogenwölbung dargestellt: Ein Adler trägt Titus zum Himmel empor. Der Bogen heißt also nicht deshalb Titusbogen, weil Titus ihn errichten ließ, sondern weil er, wie es häufig geschah, von Senat und Volk dem Titus gewidmet war. Doch zurück zu der Siegesbeute, die auf einem Relieffeld der südlichen Innenseite dargestellt ist: Gezeigt wird der siebenarmige Leuchter, also die Menora, die der Beschreibung im 2. Buch Mose 25,31–38 entspricht. Davor tragen die Soldaten den Schaubrottisch (Ex 25,23–30) und die silbernen Trompeten. An drei Stangen wird am Anfang, in der Mitte und am Ende des Zuges jeweils eine Tafel in Form einer tabula ansata („Tafel mit Henkeln“) mitgeführt. Auf diesen Tafeln könnten Verzeichnisse der besiegten Städte und Stämme eingetragen gewesen sein. Die Darstellung dürfte im Rahmen eines römischen Triumphzuges (pompa triumphalis) genau den Moment aufgreifen, in dem die Soldaten
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Titus
IV.
vom südlichen Marsfeld, wo ein solcher Zug üblicherweise seinen Ausgangspunkt hatte, auf die porta triumphalis, also den eigentlichen Triumphbogen, zumarschieren. Das Marsfeld befand sich außerhalb der Stadt, deren Bezirk als pomerium bezeichnet wurde. Innerstädtisch führte der Zug danach zunächst über das Forum Boarium und durch den Circus Maximus in Richtung Kolosseum. Nachdem das Forum Romanum passiert war, beendeten die Triumphatoren den Zug am Jupitertempel auf dem Kapitol. Hier gab der während des Zuges jupitergleich gekleidete Triumphator den auf dem Haupt getragenen Lorbeerkranz an Jupiter zurück. Es folgten Opfer und ein Mahl für die städtische Honoratiorenschicht. Die nördliche Innenseite des Titusbogens ist durch die Darstellung des Triumphalwagens mit Titus geprägt. Die geflügelte Siegesgöttin bekränzt ihn, und weitere Personifikationen des kaiserlichen Mutes und seiner Tüchtigkeit begleiten Titus. Im Hintergrund des gesamten Reliefs sind zwölf Liktoren dargestellt. Diese trugen die Rutenbündel (fasces), die als lange Stangen hinter der Szene erscheinen. Die Begleiter des Kaisers symbolisierten dessen oberste Strafgewalt. Es fällt jedoch auf, dass der eigentliche Triumphator, Vespasian, in der Szene überhaupt nicht in Erscheinung tritt. Es ist Titus, dem allein der Ruhm des Sieges mittels des Bogens zuerkannt wurde. Die Auslassung Vespasians erklärt sich wahrscheinlich aus der Tatsache, dass der Titusbogen das Gedenken an den grandiosen Sieg mit der Apotheose („Vergöttlichung“) des Titus verknüpfte, es sich also letztlich um ein „Apotheosemonument“ handelt (vgl. Pfanner 1983; Künzl 1988). Manche vermuten aufgrund der Inschrift sogar, dass der Bogen dazu diente, die Asche des verstorbenen Titus aufzubewahren (Lehmann-Hartleben 1934). Es wurde bereits gesagt, dass der Triumphzug seinen Weg durch den Circus Maximus nahm. Hier hatten Senat und Volk von Rom in späterer Zeit in der Circusachse der Südostkurve, mittig in der Rotunde, zu Ehren des Titus einen heute nicht mehr erhaltenen ersten Bogen errichtet. Dessen Weihinschrift ist uns durch eine Abschrift aus dem 9. Jahrhundert überliefert:
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Die Weihinschrift des Ehrenbogens für Titus im Circus Maximus (CIL VI 944 = ILS 264): Senat und Volk von Rom (haben diesen Bogen errichtet), dem Imperator Titus Caesar Augustus, dem Sohn des Staatsgottes Vespasianus, dem Pontifex Maximus, zum zehnten Mal Inhaber der tribunizischen Gewalt, zum siebzehnten Mal Imperator, zum achten Mal Konsul, dem Vater des Vaterlandes, seinem Prinzeps: Weil er nach Vorschrift und Anweisung und unter der Oberleitung (praeceptis patr[is] consiliisq(ue) et auspiciis) seines Vaters das Volk der Juden bezwang und die bis auf ihn von allen Feldherrn, Königen und Völkern entweder vergeblich belagerte oder gar nicht angegriffene Stadt Jerusalem zerstört hat. (Übersetzung in Anlehnung an E. Künzl 1988)
Da Titus hier zum achten Mal als Konsul angeführt ist, muss diese Inschrift noch zu seinen Lebzeiten gesetzt worden sein, genauer 80 n. Chr. Man hat den Bogen folglich erst neun Jahre nach dem Triumph von Vater und Sohn errichtet. Anders als bei der Darstellung im Titusbogen am Eingang zum Forum Romanum, auf der Vespasian nirgends Erwähnung findet, ist hier in der
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Titus in Rom Inschrift ganz klar festgehalten, dass Titus im Auftrag und unter der Leitung seines Vaters den Sieg davongetragen hat. Der letzte Teil über die erstmalige Eroberung Jerusalems beinhaltet hingegen eine Geschichtsfälschung sondergleichen. Jedem Römer war zu dieser Zeit bekannt, dass Pompeius 63 v. Chr. und Sosius 37 v. Chr. Jerusalem eingenommen hatten, genauso wie diese ‚Heldentat‘ im Übrigen vor ihnen durch den babylonischen Herrscher Nebukadnezar und den seleukidischen König Antiochos IV. Epiphanes vollbracht wurde.
IV. Eine flavische „Geschichtsfälschung“
b) Der Thronfolger – ein zweiter Nero und ein zweiter Marc Anton? Nach dem gemeinsam begangenen Triumph tat Vespasian alles dafür, um vor der Öffentlichkeit klarzustellen, dass Titus sein Nachfolger sein sollte. Siebenmal war Titus Mitkonsul, vierzehnmal erhielt er die Akklamation „Imperator“ und im Jahr 73 n. Chr. übte er gemeinsam mit Vespasian die Zensur aus. Direkt von Anbeginn an erhielt Titus zudem die tribunicia potestas und das imperium proconsulare, die ihm die volle politische und militärische Handlungsfähigkeit brachten. Weiterhin übernahm er bereits 71 n. Chr. das Amt des Prätorianerpräfekten. Vespasian hatte also aus dem Fehler des Galba gelernt, der von den Prätorianern gestürzt worden war, und besetzte das wichtige Amt mit dem ihm am besten vertrauten Menschen. Zudem war Titus auf diese Weise dazu in der Lage, auf legalem Weg politische Gegner seines Vaters auszuschalten. Vespasian konnte damit als milder Kaiser auftreten, wohingegen sein Sohn die unliebsame Rolle des politischen ‚Säuberers‘ übernahm. Besonders dieses rücksichtlose Vorgehen gegen die Senatoren, aber auch sein luxuriöser Lebenswandel sorgten für einen denkbar schlechten Ruf des Thronfolgers. Der grausame und extravagante Thronfolger (Sueton VI–VII)
Titus als Prätorianerpräfekt
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Er verfuhr in diesem Amt (dem des Prätorianerpräfekten) ziemlich tyrannisch (incivilius) und gewalttätig (violentius), indem er gerade die verdächtigsten Elemente ohne zu zögern verhaften ließ … Unter ihnen war der Konsular (= gewesener Konsul) Aulus Caecina. Den lud er zum Essen ein; kaum hatte er das Speisezimmer verlassen, da ließ er ihn erstechen … In dem Maße, wie er sich durch solche Maßnahmen genug um seine künftige Sicherheit sorgte, im gleichen Maße zog er sich für den Augenblick recht viel Hass zu, so dass kaum einer unter so lauten Buhrufen und mit größerem Widerwillen der Gesamtheit zum Kaiser avancierte. Außer seiner Grausamkeit (saevitas) beargwöhnte man an ihm auch seinen Hang zur Verschwendung (luxuria), weil er doch bis Mitternacht gerade mit den extravagantesten seiner Vertrauten die Trinkgelage ausdehnte. Nicht weniger wurde sein Hang zur Ausschweifung wegen ganzer Scharen von Lustknaben und Eunuchen und seiner beispiellosen Liebe zur Königin Berenike beargwöhnt, der er sogar die Heirat versprochen haben soll. … Ferner glaubten die Leute, er sei ein zweiter Nero. (Übersetzung H. Martinet)
Glaubt man dieser Schilderung Suetons, so war Titus als Thronfolger in keiner Weise zu einer republikanisch-senatorisch legitimen Herrschaft befä-
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Titus
IV. Das Fehlen des consensus universorum
Die Furcht der Senatoren vor einem zweiten Nero
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higt, denn ihm fehlte der consensus universorum, die Zustimmung aller, als er den Thron bestieg. So sehr nämlich, wie sich der Vater Vespasian um einen Ausgleich mit den Senatoren bemühte, so sehr offenbarte der Sohn seine Nichtachtung des Senatorenstandes, wenn er einen gewesenen Konsul ohne Verfahren ermorden ließ. Dem Aulus Caecina etwa hing man einfach den Versuch einer Verschwörung gegen Vespasian an. Ganz klar war das ein Ausdruck von Grausamkeit (saevitas), wie sie schlechte Kaiser, also Gaius Caligula und Nero, gezeigt hatten. Dass Titus freilich im Auftrag und mit der Zustimmung Vespasians gehandelt haben dürfte, verschweigt uns Sueton. Der Biograph hatte, wie weiter oben dargelegt, behauptet, dass Vespasian „leutseelig und milde“ (civilis et clemens) sei. Die andere Seite der Herrschaft des Vespasian personifizierte hingegen Titus in den Adjektiven „ziemlich tyrannisch und gewalttätig“ (incivilius et violentius). Sueton sah Titus folglich ganz aus eigenem Antrieb handeln; die Maßnahmen hätten dazu gedient, die eigene Sicherheit nach Herrschaftsantritt zu begründen. Besonders der Vergleich des Handelns des Titus mit dem des Nero, der auf eine Gleichsetzung von beiden hinauslief, ist mehr als ungerechtfertigt, war es doch Nero, der Titus’ Jugendfreund Britannicus vergiftet hatte. Zum Gedenken an Britannicus ließ Titus sogar zwei Statuen herstellen, von denen eine aus Gold in seinem Palast stand (Sueton, Titus II). Für die römischen Senatoren erwies sich Titus trotzdem nicht nur aufgrund seiner Grausamkeit als zweiter Nero, sondern auch wegen seines Lebenswandels. Diesen stigmatisierte Sueton mit dem in römischen Augen äußerst negativen Begriff der luxuria. Er meinte damit ein Leben voller sexueller Ausschweifung mit Knaben, Eunuchen und der orientalischen Königin Berenike, ebenso wie den reichlichen Alkoholgenuss. Dieser Lebenswandel führte zu einer zweiten negativen Angleichung des Titus, nämlich der an Marc Anton, den einstmaligen Gegner des Octavian-Augustus, der den dionysischen Genüssen äußerst zugetan war. Luxuria galt den Römern als Kennzeichen der hellenistischen Könige, vor allem als Merkmal der verachteten ptolemäischen Dynastie Ägyptens, die den Luxus zu einem ihrer wichtigsten Herrscherideale erhoben hatten. Es drohte also die Gefahr, dass ein zweiter Marc Anton nach dem Tod Vespasians die Herrschaft über das Imperium erhielt. Diese Anspielung Suetons dürften die antiken Leser direkt gesehen haben. Aus dieser Perspektive erhält auch das oben besprochene Gerücht, Titus wolle sich zum König des Orients machen lassen, neue Brisanz. Man befürchtete nicht so sehr eine Erhebung gegen Vespasian, sondern eine ‚Verorientalisierung‘ des Reiches, wie sie bei einem Sieg des Marc Anton über Octavian-Augustus gedroht hätte. Auch aus anderen Gründen ist die Geschichte der Liebesbeziehung zwischen Titus und Berenike interessant. Berenike war die Tochter des jüdischen Königs M. Iulius Agrippa und immerhin elf Jahre älter als Titus. Unter anderem mit ihrem Bruder Agrippa II. soll sie, vergleichbar einer ptolemäischen Königin, eine inzestuöse Beziehung geführt haben (Juvenal VI 156–158). Sicher belegt ist, dass sie als dessen Mitregentin anerkannt war (Josephus, Vita 180), was ihr zu Recht bei Tacitus den Titel einer regina, einer Königin, einbrachte (Tacitus, Historien II 2,1). Die Gefahr, die die Römer in der Beziehung von Titus und Berenike sahen, war, dass Titus im Falle einer Heirat mit der nahöstlichen Königin König des Orients geworden
Titus als Kaiser
IV.
wäre. Berenikes Reichtum war ebenso bekannt, wie ihr Einfluss auf die zeitgenössische Politik, so dass auch auf dieser Ebene ein Vergleich mit Kleopatra möglich war. Begonnen hatte die Liaison zwischen Titus und Berenike während des jüdischen Krieges, doch brachte Titus sie erst vier Jahre nach seiner Rückkehr, im Jahr 75 n. Chr., wie einst Caesar Kleopatra, nach Rom. Anders als Kleopatra, lebte Berenike sogar im Kaiserpalast, doch musste Titus die Königin schließlich auf Druck der Volksstimmung in Rom wieder nach Judäa schicken (Cassius Dio LXVI 15,3). Wann genau das geschah, ist umstritten, denn Sueton und Cassius Dio, unsere Quellen zu der Affäre, scheinen sich in diesem Fall zu widersprechen. Am wahrscheinlichsten ist, dass Titus Berenike unmittelbar nach seinem Herrschaftsantritt aus Rom verbannte (Braund 1984). Alles in allem bleibt festzuhalten, dass Titus aufgrund seines Lebenswandels schlimmste Befürchtungen in der römischen Elite auslöste. Er war aber der wichtigste Mann in Rom nach Vespasian und besaß umfassende, in seiner eigenen Verantwortung liegende Kompetenzen. Er war aber nicht, wie es manche Forscher (etwa Crook 1951 oder McGuire 1980) annehmen, Koregent des Vespasian, sondern diesem klar untergeordnet (Bengtson 1979; Jones 1984): Vespasian war Augustus und Titus war Sohn des Augustus (Augusti filius). Die umfassenden Kompetenzen hatte Vespasian ihm verliehen, um ihn auf die Übernahme der Herrschaft vorzubereiten. Mit dem Tod des Vaters bestieg also ein mit allen kaiserlichen Aufgaben bereits bestens vertrauter Mann den Thron.
4. Titus als Kaiser a) Ein Kaiser für Senat und Volk Nach dem Tod Vespasians verlief die Übergabe der Herrschaft an Titus trotz Gerüchten, er habe seinen Vater vergiftet, problemlos. Noch in der Woche des Todes des Vaters erschienen Münzen, auf denen Titus als Augustus und pontifex maximus auftritt, also als rechtmäßiger Kaiser. Keine sechs Monate später erhielt er den Ehrentitel „Vater des Vaterlandes“ (pater patriae), also den wichtigsten Titel, den ein Kaiser erhalten konnte. pontifex maximus Der Vorsteher aller römischen Priester, dem die Oberaufsicht über das Sakralwesen oblag. Jeder römische Kaiser wurde durch die Volksversammlung in dieses Amt gewählt.
Die Furcht der Römer, oder richtiger, die Furcht der römischen Elite vor einem zweiten Nero oder einem zweiten Marc Anton, als Titus im Alter von 39 Jahren am 24. Juni 79 n. Chr. den Purpur des Kaisers annahm, erwies sich jedoch als unbegründet. Der neue Herrscher vollzog eine moralische Kehrtwende. Obwohl seine Herrschaft nur zwei Jahre, zwei Monate und zwanzig Tage dauerte, verdiente er sich die Würdigung „ein ausgesproche-
E Die moralische Kehrtwende
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Titus
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Der „bürgerliche“ Kaiser
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ner Liebling des Menschengeschlechts“ zu sein (Sueton, Titus I). Mit seiner Milde (clementia) versuchte Titus auch die senatorische Opposition davon zu überzeugen, dass er der Beste für die Herrschaft sei: „Zwei Patrizier, die überführt worden waren, nach der Herrschaft zu trachten, ermahnte er lediglich, davon Abstand zu nehmen, indem er sie belehrte, dass das Schicksal (fatum) die Herrschaft vergebe“ (Sueton, Titus IX 1). Dem von Tacitus formulierten und von einem Senator wie Helvidius Priscus vertretenen stoischen Ideal hätte es hingegen entsprochen, dass der Kaiser durch die Adoption und nicht das Erbe in sein Amt kommt (siehe oben). Eunuchen und Lustknaben wurden jetzt aus dem Palast verbannt, der Senat hofiert und ein offener Umgang mit der Bevölkerung gepflegt. Titus soll sogar gemeinsam mit dem Volk die Thermen besucht haben und eine Thermenanlage für die Stadtbevölkerung auf dem mons Oppius ist auch das einzige eigenständige Bauprojekt, das er in seiner kurzen Regierungszeit für Rom realisieren konnte. Wahrscheinlich baute Titus zu diesem Zweck lediglich die Badeanlage der domus aurea des Nero um. Hier fand man später unter anderem die heute im Vatikan befindliche berühmte Statuengruppe des Laokoon und seiner beiden Söhne, was zeigt, dass Titus, wie sein Vater, darum bemüht war, die von Nero einstmals für sich allein versteckte Kunst dem Volk zugänglich zu machen. Zu den volksfreundlichen Maßnahmen gehörte des Weiteren die Fertigstellung des Kolosseums, das der Kaiser mit einem 100-tägigen Fest im Jahr 80 einweihte (Cassius Dio LXVI 25). So zeigt sich in der Tat, dass „Brot und Spiele“ (panem et circenses) in dieser Zeit „der Wahlspruch des Volks von Rom“ geworden war (Bengtson 1979).
Martial schildert Titus’ Rückgabe Roms an das Volk (Martial, Buch der Schauspiele II) Hier, wo der Sonnenkoloss zu den Sternen so nahe emporblickt und in der Mitte des Wegs hoch das Gerüst sich erhebt, strahlte vordem der verhasste Palast des grausamen Königs; und auf dem Raume der Stadt gab’s nur ein einziges Haus. Hier, wo die wuchtige Masse des herrlichen Amphitheaters aufstrebt voll Majestät, hatte einst Nero den See. Hier, wo wir jetzt die rasch erstandenen Bäder bewundern, hatte ein prächtiger Park Armen entrissen ihr Heim. Wo die Claudische Halle weithin ihre Schatten verbreitet, dort erst schloss der Palast mit seinem äußersten Teil. Rom ist sich wiedergeschenkt, und, Caesar, in deiner Regierung dient zum Entzücken des Volks, was nur dem Herrn gedient. (Übersetzung Helm)
Das Buch der Schauspiele verfasste Martial wahrscheinlich anlässlich der Eröffnung des Amphitheaters durch Titus. So wird das Kolosseum bereits im ersten Gedicht an die Seite der, oder richtiger sogar über die antiken Weltwunder gestellt: „Jegliche Leistung verschwindet vor Caesars (= Titus’) Amphitheater. Ein Werk feiert allein künftig statt aller der Ruhm“ (Buch der Schauspiele I). Im vorliegenden zweiten Gedicht nun kontrastiert Martial
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Titus als Kaiser den Titus zu Nero, dem „grausamen König“. Dabei verwendet er bewusst das Wort König (rex), das in Rom mit dem Odium des äußerst Negativen verbunden war. Ein Kaiser war ein republikanischer „erster Mann“, er war princeps, und nicht Monarch. Das bereits erwähnte Haus des Nero, die domus aurea, hatte, so übertreibt Martial, ganz Rom eingenommen. Nichts gehörte mehr dem Volk, die Armen waren von ihren Wohnorten vertrieben. Jetzt hatte sich jedoch alles geändert: Die einst den Nero darstellenden Kolossalstatue war nun eine Statue des Sonnengottes. Dort, wo einst der See der Nerovilla lag, erhob sich nun das Amphitheater zum Vergnügen der Menge und die Thermen des Titus nordöstlich davon dienten der Erbauung der Bevölkerung. Die claudische Halle schließlich bezeichnet den von Vespasian errichteten Tempel des divus Claudius, dessen Vorgängerbau von Nero entweiht worden war. Der einstige innerstädtische Privatbesitz des Nero gehörte von nun an wieder dem Volk. Besonders interessant ist der Gegensatz, den Martial mit seiner letzten Zeile eröffnet: Rom gehört nicht einem Herren (dominus) – der ein Kaiser ja eigentlich war –, sondern dem Volk (populus) und Titus war es, der die Stadt diesem Volk zurückgegeben hat. Anders als sein Vater hinterließ Titus auch auf dem Forum Romanum seine baulichen Spuren, denn er begann mit der Errichtung des später als templum Vespasiani et Titi, also als „Tempel des Vespasian und Titus“ bekannten Heiligtums, das sich direkt unter dem Tabularium am Kapitol befindet. Offiziell hatte der Senat das Heiligtum dem zum Staatsgott gewordenen Vater Vespasian geweiht, denn es ist folgende Stiftungsinschrift überliefert: „Dem Staatsgott (divus) Vespasian Augustus (hat) der Senat und das Römische Volk (den Tempel gestiftet). Die Imperatores Caesares (Septimius) Severus und Antoninus Pius (= Caracalla), Felices Augusti, haben ihn restauriert“. Aus dieser Inschrift geht also hervor, dass der Tempel eigentlich ein Heiligtum für Vespasian war. Aus anderen Dokumenten wissen wir jedoch, dass auch der divus Titus hier mitverehrt wurde (Not. Reg. VIII; Chron. 146). Daraus ergibt sich, ebenso wie bereits bei dem Ehrenbogen des Titus, dass das monumentale Bauwerk erst nach dem Tod des Titus fertig geworden ist. Neben der Errichtung und Vollendung von Repräsentativ- und Vergnügungsbauten, wie es Thermen und Amphitheater waren, sorgte Titus durch Restaurierungsmaßnahmen an Aquädukten für die Versorgung der Stadt mit Wasser, kümmerte sich also umfassend um das Wohlergehen seiner Untertanen.
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Tempel des Vespasian und Titus
b) Drei Katastrophen Mit dem vom Vater angesparten Staatsschatz ging Titus sorgsam um und hielt an der Konsolidierungspolitik Vespasians fest (Jones 1984): „Er war in Geldsachen sparsam und machte keine unnützen Ausgaben“ (Cassius Dio LXVI 3a). Durch den finanziellen Rückhalt war Titus dazu in der Lage, substantielle Hilfe nach den drei schwerwiegenden Katastrophen zu leisten, die seine Regierungszeit überschatteten: „Unter seiner Herrschaft ereigneten sich einige schwere Schicksalsschläge, so der Ausbruch des Vesuvs in Kampanien, der Brand Roms, der drei Tage und drei Nächte dauerte, und eine Seuche von bisher unbekanntem Ausmaß.“ (Sueton, Titus VIII 3).
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Titus
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Erdbeben des Jahres 62
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Über den Untergang Pompejis im August des Jahres 79 n. Chr. sind wir nicht nur durch den archäologischen Befund, sondern auch durch den Bericht Plinius’ des Jüngeren (Briefe VI 16 und 20) und des Cassius Dio (LXVI 22f.) gut informiert. Wie geologisch unruhig die Region in dieser Zeit war, hatte bereits im Jahr 62 n. Chr. ein Erdbeben gezeigt. Es war zu so großen Zerstörungen in der Stadt gekommen, dass Pompeji noch 17 Jahre später, zum Zeitpunkt des Vesuvausbruchs, wie eine Baustelle gewirkt haben muss. Begonnen hatte der Ausbruch des Vesuvs damit, dass durch den Druck der Gase im Vulkan sein Lavapfropfen in einer Explosion weggesprengt worden war. Das, was uns Plinius schildert, bezeichnet man als konvektive Säule, die durch den Ausstoß von immer wieder neuen Massen an Gasen, Asche, Bims und Steinen entstand. Diese wird aufgrund des präzisen Pliniusberichtes in der Vulkanologie als „plinianische Säule“ bezeichnet. Wegen der Windrichtung aus Nordwesten begann es nach einer Stunde, Asche und Lapilli (kleine Steinchen) auf das südöstlich vom Vesuv gelegene Pompeji zu regnen. Betroffen waren hiervon neben Pompeji auch die Städte Oplontis und Stabiae, ebenso wie zahlreiche Landvillen. Als fünf Stunden nach Beginn des Ausbruchs die Dächer unter der Lapillischicht einzustürzen begannen, war bereits einem großen Teil der Bevölkerung die Flucht gelungen. Bis zum Morgen des nächstens Tages war ein Leben auf der wachsenden Lapillischicht noch möglich. Gerne würde man die Worte „Sodom und Gomorrha“ (CIL IV 4976: Sodoma Gomora), die ein Jude oder Christ auf einer Zimmerwand hinterlassen hat, unter dem Eindruck der vom Vulkan gebrachten biblischen Schrecken angebracht sehen: „Da ließ der Herr Schwefel und Feuer regnen“ (Genesis 19,24). Das Graffito kann sich jedoch ebensogut auf das lasterhafte Leben beziehen, für das bestimmte Viertel der Stadt bekannt waren. Das Ende für die letzten in der Stadt verbliebenen Bewohner kam dann mit einem sogenannten pyroklastischen Strom. Hierbei handelt es sich um eine bis zu 700°C heiße Asche-GlutWolke, die mit mehreren hundert km/h vom Hang des Vulkans aus über die Gegend hinwegfegte. Circa 2000 Menschen, ungefähr 15% der Bevölkerung, ließen dabei ihr Leben. Das nordwestlich vom Vulkan gelegene Herculaneum war hingegen zunächst vom Ausbruch des Vulkans weniger betroffen gewesen. Erst mitten in der Nacht begann hier die Katastrophe. Mehrere pyroklastische Ströme begruben die Stadt am Vormittag des darauffolgenden Tages unter einer bis zu 20 m dicken Schicht. Dieser für die Zeitgenossen verheerende Ausbruch war für die moderne Archäologie ein Glücksfall, liefern uns die verschütteten Städte Pompeji und Herculaneum, ebenso wie die luxoriösen Landvillen doch äußerst informative Einblicke in das Leben des ersten Jahrhunderts nach Christus. Ein großes Gebiet um den Vulkan herum war nun unbewohnbar, zahlreiche Menschen obdachlos und ohne Versorgung. Titus musste eingreifen und stellte durch das Los eine Kommission aus zwei gewesenen Konsuln, den curatores restituendae Campaniae, zusammen, die den Wiederaufbau der Region organisieren sollten (Sueton, Titus VIII 4; vgl. Cassius Dio LXVI 23). Die Maßnahmen zeigten Wirkung, denn der römische Dichter Statius berichtet uns zehn Jahre später von den wiedererstandenen Städten am Vesuv: „Nicht hat der Gipfel des Vesuv und der Feuersturm des furchtbaren Berges die ängstlichen Städte gänzlich der Bürger beraubt. Die Städte ent-
Titus als Kaiser standen wieder und sind durch ihre Bewohner in blühendem Zustand.“ (Statius, Silvae III 5,72–74). Noch im selben Jahr, in dem Pompeji unterging, wurde Rom von der erwähnten Seuche heimgesucht, die Cassius Dio deshalb unrichtig in Zusammenhang mit der Asche des Vesuvausbruchs brachte (LXVI 23,5). Genaueres über die Epidemie erfahren wir aus den Quellen nicht. Kaum war sie aber überstanden, da kam es auch schon zur nächsten Katastrophe: Rom brannte und im Verlauf von drei Tagen wurden weite Teile des nordwestlichen Bezirkes zwischen Marsfeld und Kapitolshügel in Schutt und Asche gelegt: Zerstört wurden das Serapeum und Iseum, die Saepta Iulia, das Poseidonion, die Agrippathermen, das Pantheon, das Theater des Balbus und das des Pompeius, die Porticus der Octavia mit ihrer Bibliothek und, was am schlimmsten wog, der gerade unter Vespasian wiedererrichtete Jupitertempel auf dem Kapitol samt seinen Nebentempeln. Aus aller Welt kamen nun Hilfsangebote, doch Titus lehnte ab, denn er wollte zeigen, dass das Römische Reich dazu in der Lage war, ein so großes Unglück allein zu schultern (Cassius Dio LXVI 24,4). Ob das gelungen ist, wissen wir nicht. Aus den Akten der Arvalbrüder ist aber zumindest zu erfahren, dass bereits am 7. Dezember 80 n. Chr. die „Priester auf dem Kapitol im Heiligtum der altrömischen Gottheit Ops zusammentraten, um Gelübde auszusprechen für die Wiederherstellung und Einweihung des Kapitols durch Imp(erator) T(itus) Caesar Vespasianus Aug(ustus)“ (CIL VI 2059 = Freis 1994, Nr. 48). Titus hatte sich also durch die Bewältigung der Folgen aller drei Katastrophen aufgrund der sofort veranlassten und auch erfolgreich durchgeführten Hilfsmaßnahmen als tadelloser Kaiser erwiesen. Arvalbrüder, Arvales fratres Eine angeblich bereits von Romulus gegründete römische Priesterschaft aus zwölf Mitgliedern, die ursprünglich möglicherweise für Fruchtbarkeitsrituale zuständig war. Größere kultische Bedeutung erhielt das nur aus Senatoren bestehende Priestergremium erst unter Augustus; seitdem waren nur die vornehmsten Römer und der Kaiser selbst Mitglied. Die Hauptaufgabe der Arvalbrüder bestand in Opfern für die altrömische Göttin Dea Dia und in Gelübden und Opfern zugunsten des Kaisers (pro salutis Imperatoris). Sie ließen ihre Akten, in denen besonders die Handlungen zum Wohle des Kaiserhauses und des Herrschers selbst verzeichnet waren, in Marmor einmeißeln.
Nachdem Titus all diese Probleme gemeistert hatte, starb er an einer Krankheit bereits 81 n. Chr. im gleichen Haus wie sein Vater, im Alter von 41 Jahren. Er soll sich, wie Sueton überliefert, bitterlich über seinen viel zu früh nahenden Tod beklagt haben und nach den letzten Worten, dass er keine Tat bis auf eine bereuen müsse, verstorben sein (Sueton, Titus X; ähnlich Cassius Dio LXVI 26,3). Welche Tat das war, werden wir wohl nie erfahren. Cassius Dio überliefert zwei konträre zeitgenössische Vermutungen. Die eine lautet, dass Titus eine Beziehung zu Domitia, der Frau Domitians, bereut habe, die andere, dass er es sich nicht verzeihen konnte, seinem Bruder die Thronfolge gesichert zu haben. Es ist zu vermuten, dass der „gute“ Kaiser Titus es hier in der Darlegung der beiden senatorischen Geschichtsschreiber besonders Letzteres bereute – erwies sich Domitian doch, nach Sicht der Senatoren und vieler anderer, als „Ungeheuer“ auf dem Caesarenthron.
IV. Die Seuche in Rom und der Brand der Stadt
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Tod nach Krankheit
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Titus
IV.
Bereits für die Senatoren seiner Zeit war Titus nach den zwei Jahren Herrschaft ein idealer Kaiser gewesen: Der Senat „sagte dem Toten so großen Dank und überhäufte ihn derart mit Ehrungen, wie er es nicht einmal in seinen besten Tagen erlebt hatte“ (Sueton, Titus XI). Für die folgenden Generationen wurde Titus zum mustergültigen Herrscher schlechthin. So schrieb Aurelius Victor im 4. Jahrhundert n. Chr. (Epitome de Caesaribus X) über ihn: „Sein Tod erfüllte ganz Rom und die Provinzen mit unbeschreiblichem Schmerz: Man nannte ihn … die Wonne der Menschheit und betrauerte die Welt, die in ihm gleichsam ihren Schützer (custos) für immer verloren hatte.“
5. Die „langen“ zwei Jahre des Titus
Vom schlechten Thronfolger zum guten Kaiser
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Aus heutiger Perspektive erscheint die unbedeutend kurze Regierungszeit des Titus häufig äußerst lang. Das liegt vor allem daran, dass wir die meisten Informationen über den zweiten Kaiser des flavischen Hauses im Grunde genommen aus der Zeit vor seinem Herrschaftsantritt besitzen. Er war es, der die aufständischen Juden in Judäa besiegte; Vespasian hatte ihn zudem von Anfang an mit zentralen Aufgaben in der Führung des Reichs betraut. Aus diesem Grund stand Titus seit 70 n. Chr. im Zentrum des öffentlichen Interesses. Der Wandel, den er dann vom schlechten Thronfolger zum guten Kaiser vollzog, ist nur schwer zu erklären. Die negative „Presse“ über den Prinzen beruht wohl insbesondere auf der Tatsache, dass er die für Vespasian image-schädigenden Säuberungen im Senat vornahm. So könnten die Berichte über sein Leben in Saus und Braus mit Eunuchen und Konkubinen Ergebnis senatorischer Diffamierung sein. Andererseits ist Titus’ Beziehung zur orientalisch-jüdischen Königin Berenike nicht von der Hand zu weisen. Er lebte dieses Verhältnis ganz offen und beendete es wohl erst nach dem Herrschaftsantritt. War es dann aber Staatsräson, die ihn dazu veranlasste, die Geliebte zu verstoßen? Einmal zum Alleinherrscher geworden, vollzog Titus auf jeden Fall eine moralische Kehrtwende und wurde zum „Liebling des Menschengeschlechts“, denn in seiner kurzen, von schweren Katastrophen überschatteten Regierungszeit erwies er sich als umsichtiger, väterlich sorgender und erfahrener Lenker des Reichs.
V. Domitian 24. Oktober 51 Juli 69 70 13. September 81 14. September 81
30. September 81 83 85 86 87 89 93 95 18. September 96
Geburt des TITUS FLAVIUS DOMITIANUS in Rom CAESAR DOMITIANUS, princeps iuventutis Heirat der Domitia Longina Akklamation zum Imperator durch die Prätorianer dies imperii aufgrund der Verleihung des Augustusnamens durch den Senat: IMPERATOR CAESAR DOMITIANUS AUGUSTUS Verleihung der tribunicia postestas durch die Volksversammlung Sieg über das linksrheinische Volk der Chatten; Triumphzug; Beiname Germanicus censor perpetuus Sieg über das Volk der Daker an der Donau; Triumphzug Fehlgeschlagene Verschwörung gegen Domitian Saturninusaufstand; Doppeltriumphzug für den Sieg über die Chatten und Daker Beginn der „Schreckensherrschaft“, Philosophenvertreibung Hinrichtung des Flavius Clemens Ermordung in der Kaiserresidenz in Rom, anschließend damnatio memoriae
1. Die Flucht vom brennenden Kapitol Nach der Kaiserproklamation des Vespasian im fernen Ägypten im Jahr 69 n. Chr. war die Lage für die Vespasianer in Rom prekär, weil Vitellius in der Hauptstadt noch über eine recht große Anhängerschaft verfügte. Als es zum entscheidenden Kampf zwischen Flavius Sabinus, dem Bruder Vespasians und Stadtpräfekten Roms, und den Vitellianern kam, geriet Domitian in Lebensgefahr. Die Vespasianer mussten sich nämlich auf das Kapitol zurückziehen, wo die Vitellianer sie belagerten. Als Letztere das Kapitol in Brand steckten, gelang Domitian, so Sueton, nur deshalb die Flucht aus der Umklammerung der Feinde, weil er sich als Isispriester verkleidet hatte und mit dem übrigen Kultpersonal den Belagerungsring verlassen konnte (Sueton, Domitian I 2; vgl. Tacitus, Historien III 74,1). Eigentlich müsste Domitian der Isis also zu großem Dank verpflichtet sein, doch erschien nicht die ägyptische Göttin, sondern Jupiter in der offiziellen Propaganda als Retter des Domitian: Er errichtete an der Stelle, an der er sich vor den Vitellianern auf dem Kapitol versteckt hatte, eine kleine Kapelle für Jupiter den Bewahrer (conservator), und, nachdem er Kaiser war, ließ er Jupiter dem Schützer
Domitian im Vierkaiserjahr
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Domitian
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(custos) einen großen Tempel weihen. In dem Heiligtum stand eine Statue des Gottes, der den Kaiser auf dem Schoß hielt. Hiermit sollte die Bewahrung vor den Truppen des Vitellius durch Jupiter zum Ausdruck gebracht werden (Tacitus, Historien III 74,1).
2. Domitian unter Vespasian und Titus: Die Zurückstellung Stadtprätor mit konsularischer Gewalt
Die Zurückstellung des Domitian gegenüber Titus
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Nur ein einziges Mal vor seinem Herrschaftsantritt hatte Domitian eine bedeutende Funktion. Als die Vitellianer besiegt waren, akklamierten die Truppen ihn zum Caesar und er wurde Stadtprätor Roms mit konsularischer Gewalt (praetor urbanus consulari potestate). In dieser Funktion kam ihm die oberste Aufsicht über die Rechtsprechung und die Leitung aller Geschäfte in der Stadt zu. Die eigentliche Macht in Rom hatte freilich nicht er, sondern Licinius Mucianus, der vormalige Statthalter Syriens und wichtigste Helfer Vespasians, in den Händen (Tacitus, Historien IV 39,2). Glaubt man Tacitus, dann hatte Domitian auch keinerlei politische Ambitionen: „Ihm fehlte der nötige Ernst für die Regierungsaufgaben, dafür spielte er auf dem Gebiet der Unzucht und des Ehebruchs die Rolle des Fürstensohnes“ (Tacitus, Historien IV 2,1). Nachdem Vespasian und bald darauf sein älterer Sohn Titus in Rom eingetroffen waren, stellte der Kaiser, wie oben dargelegt, Titus als zukünftigen Thronfolger an seine Seite. Domitian musste ins zweite Glied zurücktreten und durfte sich noch nicht einmal durch die Übernahme von militärischen Aufgaben Ruhm erwerben. Seine Position änderte sich auch nicht wesentlich nach dem Herrschaftsantritt des Titus. Zwar ernannte dieser seinen jüngeren Bruder zum „Teilhaber und Nachfolger“ (Sueton, Titus IX: consors et sucessor), doch erhielt der jüngere Bruder keinerlei verantwortungsvolle politische Aufgaben: Sowohl das imperium proconsulare als auch die tribunicia potestats blieben ihm vorenthalten. Die zurückhaltende Heranziehung des Domitian zu höheren Ehren ist damit zu erklären, dass, anders als zu Beginn der Herrschaft des Vespasian, unter Titus im Reich Ruhe herrschte, so dass kein überstarker Thronfolger benötigt wurde (Jones 1984). Münzen, deren Umschriften die Eintracht der beiden Herrscher anführen (CONCORDIA AVGVSTI), unterstrichen die geordneten Verhältnisse im Kaiserhaus. Die einzige Ehre, die Titus dem Bruder zukommen ließ, war die Bekleidung des Konsulats im Jahr 80 n. Chr. Da Domitian bis dahin sehr häufig das Suffektkonsulat ausgeübt hatte, besaß Titus mit acht Konsulaten sogar nur ein Konsulat mehr als sein Bruder. Sueton berichtet, dass Domitian dem Bruder nicht sonderlich gewogen war. Der designierte Thronfolger soll Titus sogar nach dem Leben getrachtet und beim Heer Unruhe gegen ihn gestiftet haben (Sueton, Titus IX 3). Domitian verkündete etwa, dass der Vater eigentlich ihm und nicht Titus die Thronfolge testamentarisch zugedacht hatte. Den Soldaten hätte Domitian angeblich sogar nach dem Tod des Vaters fast ein Donativ zukommen lassen (Sueton, Domitian II 3). Eine solche gesonderte Geldzuwendung diente
Kaiser Domitian und der Senat
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üblicherweise dazu, das Heer bei einer Usurpation hinter sich zu bringen; ein Bestechungsakt, den Domitian dann aber doch unterließ. Die Forschung geht trotz dieser Schilderungen der antiken Historiker davon aus, dass es nicht zu allzu großen Spannungen zwischen Titus und Domitian gekommen sei und die beiden sich eher mit gegenseitiger Ignoranz begegneten. Als Titus dann unversehens und ohne Nachkommen verstarb, war die Zeit Domitians gekommen. Vor dem Senat verkündete der frisch gekürte Kaiser, er persönlich habe die Herrschaft seinem Vater und Bruder gegeben und nun von ihnen zurückerhalten (Sueton, Domitian XIII 1).
3. Kaiser Domitian und der Senat Das Bild der senatorischen Geschichtsschreibung von Domitian ist das eines Tyrannen auf dem Caesarenthron. Plinius (Panegyricus 90,5) etwa bezeichnete den Kaiser als „Schurken, der alle Guten beraubte und peinigte“. Ihre Ursache hatte diese negative Einstellung in der kompromisslosen und ignoranten Haltung Domitians gegenüber dem Senat oder richtiger, gegenüber den Gepflogenheiten, die ein Prinzeps im Umgang mit dem ehrwürdigen Gremium zu beachten hatte. Das bedeutete, dass Domitian den von Augustus begründeten Anschein einer wiederhergestellten römischen Republik, in der Senat und Volk die Politik bestimmten, nicht mehr aufrechterhielt. Erstmals gab ein princeps, ähnlich wie Nero und Gaius Caligula, seine bisher mehr oder weniger kaschierte umfassende Macht offen zu erkennen. Selten wird jedoch berücksichtigt, dass es Vespasian war, der die Grundlagen für Domitians Einstellung zum Senat bereitet hatte. Der erste Flavier war es nämlich, der gegen die von Augustus grundgelegten Usus, dass ein Kaiser nicht das Konsulat bekleidet, verstieß. Bis auf eine Ausnahme war bereits der Vater Domitians regelmäßig Konsul. Domitian nun hatte dieses Amt ohne Unterbrechung inne. Seit 85 n. Chr. übernahm er sogar die ständige Zensur als censor perpetuus (Cassius Dio LXVII 4,3) – das hatte bisher nur Caesar gewagt und damit einen der Gründe für seine Ermordung geliefert. Der Kaiser besaß in dieser Funktion umfassende rechtliche Möglichkeiten, in die Zusammensetzung des Senatorenstandes einzugreifen, ebenso wie er die senatorische Gerichtsbarkeit an sich band. Mit seinem zunehmend monarchischen Auftreten düpierte Domitian die Senatorenelite zudem auf symbolische Weise. Das tat er etwa, indem er nicht mehr im zivilen Amtsgewand, der trabea, im Senat erschien, sondern im militärischen Triumphalgewand, dem paludamentum. Er wollte im Senat also nicht mehr Einer unter Gleichen sein. Das selbstherrliche und für viele Mitglieder des Senatorenstandes beleidigende und herabwürdigende Auftreten Domitians beschreibt Sueton als Arroganz (arrogantia). Zwei Sachen, die den römischen Senat daneben besonders aufbrachten, waren Domitians Liebe zum Griechentum und sein Streben nach Selbstvergöttlichung, die sich in einer Adaption hellenistisch-monarchischer Vorstellungen ausdrückte. Das zeigt etwa folgende Bemerkung Suetons:
Die senatorische Geschichtsschreibung und Domitian
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Domitian
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Der „griechische“ Kaiser (Sueton, Domitian IV 4) Er leitete in Sandalen und in der purpurfarbenen Toga, wie sie die Griechen tragen, den Wettkampf; auf dem Haupt trug er den goldenen Kranz mit dem Bild Jupiters, Iunos und Minervas. Neben ihm saßen der Priester des Jupiter und das Kollegium der flavischen Priesterschaft im gleichen Aufzug, nur war auf ihrem Kranz auch noch sein Bildnis. (Übersetzung nach H. Martinet)
Zu verstehen ist dieser Abschnitt im Zusammenhang mit der Einrichtung des sogenannten agon Capitolinus durch Domitian. Nach dem Vorbild griechischer musischer (Dichter- und Sängerwettstreit), gymnischer (Athletenkampf) und hippischer (Pferderennen) Agone, etwa der olympischen Spiele, instituierte der Kaiser eine ähnliche Veranstaltung auch für die kapitolinische Trias, also die Hauptgottheiten des Reichs Jupiter, Iuno und Minerva. Alle fünf Jahre fanden jetzt musische Wettkämpfe, Wagenrennen und Sportkämpfe in Rom statt. Nicht nur eine Festakkulturation Roms an Griechenland war damit offiziell durchgeführt worden – bereits das dürfte traditionsverbundenen Senatoren ein Dorn im Auge gewesen sein –, sondern der Kaiser trat auch noch als Grieche in Rom selbst auf! Bemerkenswert ist weiterhin, dass die flavische Priesterschaft neben den Bildern der kapitolinischen Trias zudem dasjenige des Kaisers an der Stirn trugen – ihre Aufgabe bestand also im Kult für die Trias und den Kaiser. Seine Arroganz drückte Domitian gegenüber dem Senat auch in der Umbenennung des Monats seines Regierungsantritts in Germanicus (Germanensieger) und des darauf folgenden Monats Oktober in Domitianus aus. Die antike Literatur legt also nahe, dass Domitian ein Kaiser war, der keinerlei Rücksicht auf die Befindlichkeiten der römischen Elite nahm und sich ständig am Senatorenstand verging. Das war jedoch nur die eine Seite des Verhältnisses von Senat und Kaiser. Eck (1970) konnte nämlich auf Grundlage von prosopographischen Studien nachweisen, dass die negative Schilderung der Senatspolitik des Kaisers durch die antiken Autoren nicht ganz den Kern der Wahrheit trifft. Vielmehr zeigt sich, dass Domitian auch die altehrwürdigen Geschlechter zu ihren Rechten, insbesondere was die Annahme von Ämtern betraf, kommen ließ. Keinesfalls ging es Domitian also darum, die alten Familien aus ihrer Position zu verdrängen, vielmehr wollte er sie durch die Beauftragung mit Diensten im Imperium für sich gewinnen.
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Die Prosopographie/Personenkunde Die Prosopographie/Personenkunde ist eine Hilfswissenschaft und Methode der Alten Geschichte. Es handelt sich um die systematische und vollständige Zusammenstellung aller Quellen zur einer bestimmten Person oder Personengruppe. Ziel ist es, Personen und Personengruppen in einen großen Zusammenhang zu bringen und die Wechselbeziehungen zwischen ihnen aufzudecken.
Ein wichtiges Ergebnis der prosopographischen Studien ist also, dass der Kaiser nicht den gesamten Senat zurücksetzte, sondern dass es durchaus Senatoren gab, die die Politik des Kaisers mittrugen. Ohne die Sachkompetenz
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Domitian und die Sitten des Senats hätte der Kaiser das Reich schließlich überhaupt nicht effizient regieren können. Es war sogar sicherlich der überwiegende Teil des Senats, der mit Domitian zusammenarbeitete. Das negative Bild vom Kaiser in der senatorischen Historiographie lässt sich deshalb wohl am ehesten damit erklären, dass Domitian einstmals einflussreiche Senatoren zurückstellte, die nach seinem Tod aber wieder zu Meinungsführern wurden. Auch diejenigen, die von der Herrschaft Domitians profitiert hatten, schwenken nun um, wie etwa Plinius der Jüngere und Tacitus. Beide hatten schließlich unter dem angeblich so tyrannischen Kaiser das Amt eines Prätors erreicht, also Karriere gemacht. An welchen gesellschaftlichen Schichten Domitian gelegen war, zeigt die Zusammensetzung des kaiserlichen Rates, des consilium principis. Die bereits von Augustus eingeführte Institution erhielt jetzt neue Bedeutung. Setzte sich dieses Beratergremium ursprünglich aus Senatoren zusammen, so ließ Domitian immer mehr Ritter aufnehmen. Das politische Interesse des Kaisers hatte sich also vom ersten Stand auf den zweiten Stand verlagert. Auch dem Heer zeigte Domitian seine Aufmerksamkeit, denn er gewann die Soldaten durch eine Solderhöhung von 900 auf 1200 Sesterzen pro Jahr. Das Volk wiederum überzeugte er mit „Brot und Spielen“ von seiner Herrschaft. Es bleibt damit festzuhalten, dass das Bild des Tyrannen Domitian nicht so sehr deshalb entstanden ist, weil er konsequent gegen den Senat regierte, sondern weil er seine Herrschaft zudem besonders auf Ritter, Volk und Soldaten stützte und seine absolute monarchische Gewalt allzu offen zur Schau stellte. Doch auch in der antiken Geschichtsschreibung finden sich erstaunliche Facetten des Bildes von Domitian. So schreibt Sueton (Domitian X 1), dass erst zu einem gewissen Zeitpunkt, welchem genau verrät er leider nicht, aus dem milden (clemens) Kaiser ein grausamer (saevus) geworden sei.
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Das concilium principis
4. Domitian und die Sitten Domitian galt bei seinen Zeitgenossen, wie dargelegt, von frühester Zeit an als Lüstling, der Unzucht und Ehebruch trieb (Tacitus, Historien IV 2,1). Auch Sueton (Domitian XXII) schrieb: „Domitian war von übermäßiger Wollust. … Man sagte auch, er enthaare seine Liebchen selbst und schwimme mit den gemeinsten Dirnen.“ Inwiefern solche Aussagen den Tatsachen entsprachen oder Ergebnis des senatorischen Rufmordes am Kaiser waren, lässt sich nicht feststellen. Nicht zu bezweifeln ist, dass Domitian im Jahr 70 n. Chr. Domitia Longina ihrem Gatten, dem angesehenen Senator Lucius Aelius Lamia, ausspannte. Domitian machte die Geliebte jedoch später zur legitimen Gemahlin. So muss die Verführung der Senatorenehefrau nicht zwingend als Beleg für ein Leben in Ausschweifungen gewertet werden, nach der Art etwa, wie es der Bruder Titus führte. Erst als Domitia eine Affäre mit dem Schauspieler Paris einging, wollte der Kaiser sie wegen Ehebruchs hinrichten lassen. Er verschonte sie aber letztlich und versöhnte
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Domitian
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Förderung der öffentlichen Moral
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Wiederherstellung der Würde des Senatorenstandes
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sich später wieder mit ihr (Cassius Dio LXVII 3,1), ohne dabei freilich von einer Beziehung zu seiner Nichte Julia Abstand zu nehmen. Diese zwang er zudem, nachdem sie von ihm schwanger geworden war, zu einem Schwangerschaftsabbruch, an dem sie vor 90 n. Chr. verstarb. Im Gegensatz zu der angeblich oder tatsächlich ausschweifenden Lebensweise Domitians steht die Tatsache, dass er, wie kaum einer seiner Vorgänger, die öffentliche Moral zu stärken versuchte. Das in diesem Zusammenhang zentrale Begriffspaar war das des mos maiorum, der Sitten der Vorfahren, wie sie sich in der Republik entwickelt hatten. In diesen Sitten sahen die Römer die Grundlagen für die Größe und das Prosperieren des Imperiums. mos maiorum, Sitte der Väter Es handelt sich um die alten republikanischen Normen, die das vorbildliche Verhalten eines römischen Bürgers auszeichneten. Sie waren zwar nicht schriftlich niedergelegt, galten aber als Regeln für ein anständiges und gesittetes Leben. Besonders wichtig waren Wertbegriffe wie Tugend (virtus), Frömmigkeit (pietas), Würde (gravitas, dignitas) und Treue (fides).
Ein zentrales Anliegen war Domitian eine Reinigung des Senatoren- und Ritterstandes von der Unmoral und eine Wiederherstellung des mos maiorum in diesen beiden obersten Schichten des Reichs. Er verbot deshalb die Kastration, die der Gewinnung von Lustknaben diente, und sah Strafen für Senatoren und Ritter vor, die homosexuelle Dienstleistungen in Anspruch nahmen. Weiterhin achtete er darauf, dass die alten Standesgrenzen zwischen Senat, Ritterschaft und Volk wieder eingehalten wurden, wenn er es untersagte, dass sich Nichtritter auf den Ritterrängen des Theaters niederließen. Verleumderische Schriften gegen Mitglieder der Oberschicht ließ Domitian einziehen und verbrennen. So zeigt sich insgesamt das Bemühen des Kaisers, dafür zu sorgen, dass die Senatoren und Ritter wieder einen ihrem Stand angemessenen Lebensstil pflegten. Um dieses Ziel zu erreichen, griff Domitian direkt in das tägliche Leben der Elite ein und zog sich damit sicherlich den Unwillen vieler Senatoren zu. Keiner dieser Männer hatte jedoch das Recht, dies dem Kaiser zum Vorwurf zu machen, denn es ging ihm um die Wiederherstellung der Würde (dignitas) des Senatorenstandes. Domitian und die Jungfrauen der Vesta (Sueton, Domitian VIII 3–5) Keuschheitsvergehen der Vestalischen Jungfrauen, welche sogar sein Vater und sein Bruder hatten ungeahndet hingehen lassen, bestrafte er einmal auf diese, einmal auf jene Weise, doch streng; die früheren mit dem Tode, die späteren nach alter Sitte. Denn während er die Schwestern Oculata und die Varronilla über ihre Todesart noch frei entscheiden ließ und ihre Verführer verbannte, befahl er später, dass Cornelia, die Oberpriesterin der Vestalinnen, die man einst freigesprochen, dann aber, nachdem viel Zeit verstrichen war, wieder belangt und überführt hatte, lebendig begraben werde. Die, die sie entehrt hatten, ließ er auf dem Comitium zu Tode peitschen, mit Ausnahme eines Mannes vom Rang eines Praetors, dem er
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Domitian und die Sitten
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Gnade erwies und den er nur verbannte. Denn er hatte von sich aus ein Geständnis abgelegt, als der Fall noch in der Schwebe war und Untersuchungen und Folter noch kein Licht in die Sache gebracht hatten. (Übersetzung H. Martinet)
Im Tempel und Atrium der Göttin Vesta auf dem Forum Romanum lebten das ganze Jahr über sechs Jungfrauen aus bester römischer Familie. Zu ihren vornehmsten Aufgaben gehörte die Sorge für das heilige Feuer. Außerdem bewahrte man im Tempel der Vesta das Palladium auf, das alte, angeblich aus Troja stammende Kultbild der Pallas Athena, das die Sicherheit Roms garantierte. Domitian tritt uns in den zitierten Zeilen als rigider und kompromissloser Moralist entgegen, der die längst vergessenen Gesetze ältester römischer Geschichte wieder zur Anwendung bringt. Es war nämlich der zweite König Roms Numa Pompilius (715–673 v. Chr.), der der Tradition nach diese Priesterinnen eingeführt hatte und „durch Verpflichtung zur Jungfräulichkeit und durch sonstige Bräuche gab er ihnen eine Aura der Ehrwürdigkeit und Heiligkeit“ (Livius I 20,3). Da auch der antike Kirchenhistoriker Eusebius die oben geschilderten Strafaktionen überliefert, können wir sie datieren. Von ihm ist zu erfahren, dass die erste Maßnahme 82/83 n. Chr. stattfand und die Vestalin Cornelia 90/91 n. Chr. verurteilt wurde (Armenische Version, Karst S. 217). Da beide Strafaktionen fast ein Jahrzehnt auseinanderliegen, ist davon auszugehen, dass das politische Programm der Erneuerung alter Moral, deren bedeutende Vertreterinnen die Vestalinnen waren, die gesamte Regierungszeit Domitians geprägt hat. Da die Reinheit der Vestalinnen Unterpfand des Wohlergehens Roms und der Sieghaftigkeit des Kaisers war, sah sich Domitian zum Durchgreifen gezwungen. Hierzu statuierte er nicht nur ein Exempel, sondern ging, da insgesamt drei Frauen innerhalb von zehn Jahren den Tod fanden, als „Hardliner“ gegen jeden Verstoß vor. Die von Sueton erwähnte und zum Tod verurteilte Oberprieserin der Vesta (virgo Vestalis maxima) Cornelia dürfte die um 62 n. Chr. eingesetzte Cornelia Cossa gewesen sein. Die Vollstreckung ihres Todesurteils schildert Plinius der Jüngere, der als Augenzeuge zugegen war.
Plinius berichtet über die Hinrichtung der Cornelia (Plinius, Briefe IV 11,7–10)
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Sofort wurden die Priester losgeschickt, um dafür zu sorgen, dass die Obervestalin eingegraben und getötet würde. Sie, bald zu Vesta, bald zu den anderen Göttern ihre Hände ausstreckend, schrie alles Mögliche, aber dies immer und immer wieder: „Mich hält Caesar (= Domitian) für unkeusch, mich, die die Opfer vollzog, nach denen er siegte und triumphierte!“ … Sie rief es, bis sie zum Tode geführt wurde, ich weiß nicht, ob tatsächlich unschuldig, jedenfalls so, als wäre sie unschuldig. Ja, als sie in die bewusste Gruft geleitet wurde und ihr beim Hinabsteigen die Stola hängenblieb, drehte sie sich um und nahm sie wieder auf, und als ihr der Henker die Hand hinreichte, wandte sie sich ab und zuckte zurück und hielt die widerliche Berührung fern von ihrem gleichsam völlig keuschen und rei-
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Domitian
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nen Leib in einem letzten Ausdruck ihrer Heiligkeit und nach allen Regeln des Anstands war sie streng bedacht, in stolzer Haltung hinzusinken. (Übersetzung W. Krenkel)
Das Vorbild der Sittenpolitik des Augustus
Zwar sagt Plinius zunächst, dass er nicht wisse, ob die Vestalin schuldig oder unschuldig sei, doch gibt er in der Beschreibung ihres Verhaltens klar zu erkennen, dass er sie für unschuldig hält. Nur eine unberührte Jungfrau musste schließlich darauf Wert legen, dass ihr „keuscher und reiner Leib“ nicht von einem Henker berührt wird. Nach Plinius war das Urteil Domitians gegen die Vestalin letztlich allein dem tyrannischen Hass und der Willkür des Kaisers entsprungen. Es spielte letztlich keine Rolle, ob die Vestalinnen wirklich schuldig waren. Domitian war davon überzeugt und sah hierin eine Gefahr für Rom, deshalb ließ er sie hinrichten und war wütend darüber, dass man ihm dafür auch noch für grausam und ungerecht hielt. Solche Vorwürfe scheint es nämlich ganz offen gegeben zu haben (Plinius, Briefe IV 11,11). Mit seinem Programm der moralischen Erneuerung wollte Domitian sicherlich direkt an die Politik des Augustus anschließen, der ähnlich rigide in den Senatorenstand eingegriffen und verschiedene unliebsame Sittenund Ehegesetzte erlassen hatte. Domitian war also letztlich ebenso wie Vespasian um eine Legitimation seiner Herrschaft durch die Nachahmung des Vorbildes Augustus bemüht. Bei Vespasian konnte das noch funktionieren, weil er sich mehr oder weniger an die republikanischen Spielregeln gehalten hatte, was insbesondere bedeutete, dass er dem Senat alle Ehre erwies. So war es bei ihm auch verzeihlich, dass er das Konsulat nahezu durchgängig in seiner Hand hielt, obwohl er damit von der augusteischen Norm abwich. Domitian hingegen hatte im Bewusstsein seiner absoluten Macht von einem Zugehen auf den Senat abgesehen und das brachte ihm nach dem Tod die damnatio memoriae durch den Senat ein (Aurelius Victor, Epitome de Caesaribus XI 8). Da half es dann auch nichts mehr, dass er sich darum bemühte, das Reich gerecht zu regieren und versuchte, den Ständen ihre alte Würde zurückzugeben. Gerade wegen Letzterem wird sich vielmehr der Widerstand gegen Domitian manchmal erst entwickelt haben.
5. Domitians Baupolitik Wie kaum ein anderer Kaiser außer Augustus versuchte Domitian, das Stadtbild Roms durch seine Restaurierungen und Neubauten zu prägen. So schreibt Sueton (Domitian XIII 2–3): „Er ließ in allen Regionen der Stadt so viele riesige verdeckte Durchgänge und Triumphbögen bauen, dass man auf einem in griechischen Buchstaben geschrieben hat: Es ist genug.“ Tatsächlich handelt es sich hierbei um einen Scherz, denn das griechische Wort arkei für „es ist genug“ entspricht von der Aussprache her dem lateinischen Wort für „Bogen, Triumphbogen“.
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Domitians Baupolitik
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a) Der öffentliche Raum Domitian bemühte sich darum, den öffentlichen Raum in Rom zu gestalten und auf diese Weise der Nachwelt in Erinnerung zu bleiben. Die Bauten des Domitian (Sueton, Domitian V 1)
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Er baute die meisten und die bedeutendsten Gebäude, die ein Opfer der Feuersbrunst geworden waren, wieder auf. Unter anderem auch das Kapitol, das zum zweiten Mal gebrannt hatte. Aber alle nur unter seinem Namen, die alten Stifter blieben unerwähnt. Auf dem Kapitol ließ er zu Ehren Jupiters des Bewahrers (Iuppiter Custos) einen neuen Tempel erbauen und das Forum, das heute das Forum des Nerva genannt wird, dazu noch einen Tempel für das Geschlecht der Flavier, ferner ein Stadion, ein Odeon und die Naumachie. (Übersetzung leicht verändert nach H. Martinet)
Ebenso wie unter Vespasian waren also auch unter Domitian Restaurierungsmaßnahmen notwendig, hatte doch der dreitägige Brand Roms im Jahr 80 n. Chr. wichtige Teile der Stadt und des Marsfeldes in Schutt und Asche gelegt. An erster Stelle stand die Fertigstellung des niedergebrannten Tempels des Jupiter auf dem Kapitol. Seiner negativen Grundeinstellung zu Domitian folgend, hebt Sueton hervor, dass der Kaiser bei den Restaurierungen, die in Wirklichkeit selbstverständlich Neubauten waren, die Stiftungsinschriften nur auf seinen eigenen Namen lauten ließ, ohne zu erwähnen, wer als erster den entsprechenden Bau errichtet hatte. So singulär war das aber nicht, denn häufig ließen Kaiser beim vollständigen Neubau eines Tempels nur noch ihren eigenen Namen dort anbringen. Zudem sei daran erinnert, dass Titus in der Stiftungsinschrift des flavischen Amphitheaters, den Namen seines Vates als Erbauer durch seinen Namen ersetzte (s.o.). Noch sechs weitere Baumaßnahmen führt Sueton an: 1. einen Tempel des Jupiter Custos auf dem Kapitol 2. ein Forum (Forum Transitorium) 3. einen Tempel der Dynastie der Flavier (templum gentis Flaviae) 4. ein Stadion 5. ein Odeum (ein Theaterbau für Gesang und Dichterlesungen) 6. eine Naumachie (ein Ort für Schiffswettkämpfe) Den nicht mehr erhaltenen Tempel für „Jupiter den Wächter“ auf dem Kapitol hatte der Kaiser in Erinnerung an seine Rettung vor den Truppen des Vitellius errichten lassen – Jupiter war damit zur persönlichen Schutzgottheit des Domitian geworden. Als weibliches Pendant und besonders bevorzugte Gottheit Domitians trat an die Seite des Jupiter die Göttin Minerva. Diese Gottheit ist es, die das von Domitian in Auftrag gegebene Forum (Forum Novum oder Forum Palladium genannt) dominiert. Die in der Spätantike unter dem Namen Forum Transitorium („Durchgangsforum“) bekannte Platzanlage befand sich auf dem relativ engen Raum (120 x 45 m) zwischen Augustusforum und dem vespasianischem Tempel des Friedens. Domitian wählte genau diesen, für ein Forum vielleicht etwas schmalen Ort, um eine
Restaurierungsmaßnahmen
Das Forum des Domitian
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Domitian
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Verbindung von Augustus und Vespasian auch topographisch zum Ausdruck zu bringen und sich selbst in beider Nachfolge zu stellen. Eingeweiht wurde das Forum unter Nerva, weshalb es die antiken Zeitgenossen, als Nervaforum bezeichneten. Die schmale Nordostseite schloss ein Tempel der Minerva ab, zudem gab es noch einen nach vier Seiten offenen Schrein des Ianus, dessen genauen Standort man nicht kennt. In der Zeit des Domitian bezeichnete man den Platz nach Minerva als Forum Palladium, denn Minerva ist die interpretatio Romana der griechischen Göttin Pallas Athena.
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pietas und die Cancelleria-Reliefs
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interpretatio Romana und Pallas Athena Den antiken Polytheisten war es möglich, bekannte eigene Gottheiten mit den Göttern in fremden Völkern gleichzusetzen, die ähnliche Funktionen innehatten. Die Römer setzten ihre Gottheit Minerva bereits sehr früh mit der griechischen Athena gleich, die als Göttin des Krieges, der Weisheit und der Künste verehrt wurde. Pallas wiederum war ein wichtiger Beiname der Athena, den sie aus Reue annahm, als sie ein Mädchen dieses Namens erschlagen hatte. Sie verfertigte zudem ein als Palladium bezeichnetes Bild der Pallas, das Zeus vom Himmel aus auf Troja fallen ließ. Nach der Zerstörung Trojas soll das Bild nach Rom gekommen sein und seitdem den Schutz und das Glück der Stadt garantiert haben.
Von der Dekoration des Forums ist nicht mehr viel erhalten, doch steht noch eine Wand („Colonnacce“ genannt), die einen Fries mit Szenen aus dem Themenkreis des Webens, für das Minerva/Athena zuständig war, zeigt. Über dem Fries waren 2,65 m hohe Statuen angebracht, von denen noch eine erhalten ist, die man bisher als Minerva/Athena interpretierte. Inzwischen neigt die archäologische Forschung jedoch dazu, die Statue als Teil eines ganzen Statuenprogramms zu verstehen, das die 42 Joche der Wand ausfüllte (Wiegartz 1996). Es hätte sich demnach um Personifikationen von Provinzen des Imperiums oder von besiegten Völkern gehandelt. Sie würden auf die Sieghaftigkeit Domitians und des durch ihn garantierten Reichtums Roms hinweisen. Neben die von Domitian besonders geschätzten Gottheiten Jupiter und Minerva trat der Kult für die eigenen Vorfahren, der dem Kaiser vor allem aus legitimatorischen Gründen wichtig war. Er bemühte sich, seiner eigenen Dynastie Frömmigkeit (pietas) zu erweisen und sie auf diese Weise mit dem julisch-claudischen Kaiserhaus gleichzustellen. Bildlich vor Augen führen uns die pietas-Politik gegenüber dem Vater die beiden in der archäologischen Forschung bezüglich ihrer Interpretation mehr als umstrittenen sogenannten Cancelleria-Reliefs (vgl. zuletzt Henderson 2003). Sie sind nach ihrem Fundort im Garten des Palazzo della Cancelleria Apostolica benannt. Eines der beiden Reliefs zeigt auf jeden Fall Domitian gemeinsam mit Vespasian. Vater und Sohn werden von Mars, Minerva, Roma und den Genien von Senat und Volk Roms begleitet. Auf diese Weise ist nicht nur die Legitimation der Herrschaft des Domitian durch seinen Vater verkündet, sondern auch der consensus universorum, die Zustimmung zu seiner Herrschaft durch die Götter und die Untertanen. Pietas gegenüber Titus zeigte Domitian wiederum nicht nur durch dessen Vergöttlichung, sondern auch durch die Vergöttlichung von dessen Tochter Iulia. Ebenso ließ Domitian seinen eigenen, früh verstorbenen Sohn zum divus Caesar, zum Staatsgott Caesar erklären. Damit war der Kaiser selbst,
Domitians Baupolitik wie ihn Silus Italicus preist, „Sohn von Göttern und Vater eines Gottes“ (Silus Italicus, Punica III 625). Zelebriert wurde der Kult für Vespasian und Titus etwa in dem dritten von Sueton erwähnten Bau, dem Heiligtum des Geschlechts der Flavier. In einen solchen hatte Domitian nämlich das Haus seiner Geburt auf dem Hügel Quirinal umwandeln lassen. Ein eindrückliches Zeugnis der Pietät gegenüber beiden Vorgängern bot schließlich auch die Einrichtung einer monumentalen Platzanlage auf dem Marsfeld (in der Nähe des Pantheon), das templum divorum („Tempel der Staatsgötter“), das unter dem Namen porticus divorum bekannt ist. Ebenso wie das zuvor genannte Heiligtum auf dem Quirinal ist auch von diesem Tempel heute nichts mehr vorhanden, doch kennen wir durch den severischen Stadtplan zumindest seinen Grundriss. Es handelte sich um einen als großen Peristylhof konzipierten Sakralbereich, an dessen Eingang sich rechts und links zwei Tempel befanden, die die Forschung gemeinhin den beiden divi Vespasian und Titus zuschreibt. Severischer Stadtplan, forma urbis Romae Der römische Kaiser Septimius Severus ließ zwischen 205 und 208 n. Chr. einen monumentalen Stadtplan Roms in Marmor erstellen, der an einer Wand im Tempel des Friedens angebracht wurde. Zahlreiche Fragmente dieses Plans konnten bei Ausgrabungen aufgefunden werden. Sie tragen wesentlich dazu bei, die Topographie des antiken Roms zu rekonstruieren, weil vieles nicht mehr erhalten ist. Ebenso würden wir viele Namen der antiken Gebäude ohne den Plan nicht kennen.
Die drei übrigen von Sueton genannten Bauten waren dem Vergnügen der Bevölkerung gewidmet, woran sich zeigt, dass Domitian die Politik des panem et circenses seiner beiden Vorgänger konsequent weiterführte und ausbaute. Gut im Stadtbild zu erkennen ist besonders das Stadion, dessen Form die Piazza Navona bestimmt. Ein Stadion hatte es in Rom bisher noch nicht gegeben, denn solche Anlagen waren besonders für griechische Formen der Athletik gedacht, etwa den Wettlauf. Der von Domitian eingeführte und nach griechischem Vorbild gestaltete agon Capitolinus (Sueton, Domitian IV 4) fand hier seinen monumentalen Veranstaltungsort. Die beträchtliche Größe des Baus wird besonders dann klar, wenn man sich vor Augen hält, dass er circa 30000 Zuschauer aufnehmen konnte. Mit einer Höhe von etwa 20 m machte sich die Anlage zudem deutlich im Gesamtbild Roms bemerkbar. Für die von Sueton ebenfalls erwähnte Naumachie ließ Domitian beim Tiber einen See ausheben, der mit Tribünen umfasst wurde. Hier konnten dann, wie Sueton (Domitian IV 2) schreibt, „Seegefechte mit Flotten in ihrem nahezu vollen Umfang“ dargeboten werden. Das zuletzt genannte Odeon befand sich direkt südlich vom Stadion. Als typisch griechischer Bau für Theateraufführungen verweist das Odeon abermals auf den Philhellenismus des Herrschers. Noch heute ist die Cavea, also der halbkreisförmige Zuschauerraum des Theaters, von der Fassade des Palazzo Massimo alle Colonne aufgegriffen. Sueton hat aber auch Bauten Domitians nicht genannt. So veranlasste der Kaiser auf dem Marsfeld den Bau eines Tempels oder Brunnens der Minerva Chalcidica zwischen Iseum Campense und Pantheon. Nebeneinander befanden sich nun die Kultorte für die kaiserliche Gottheit Minerva, die kaiser-
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Tempel der Staatsgötter
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Stadion Domitians
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Domitian
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Tempel des Vespasian und Titus und Titusbogen
lichen Ahnen und die ägyptischen Gottheiten, die die religiöse Legitimation der Dynastie begründet hatten. Ein templum Castorum et Minervae, dessen Örtlichkeit jedoch nicht zu lokalisieren ist, unterstrich nochmals die Bindung an Minerva. Das Forum Romanum, der wichtigste öffentliche Platz Roms, entwickelte sich unter Domitian, wie es der Archäologe Knell (2004) formuliert, zu „einer Stätte monarchischer Herrschaft“. So zelebrierte Domitian dort im Jahr 92 n. Chr. seine eigene Überhöhung mit einem riesigen Reiterstandbild, dem equus Domitiani, von dem heute nur noch die Fundamentplatte erhalten ist. Überliefert ist uns nur noch die dichterische Beschreibung der Gruppe, in der Statius (Silvae I) den Kaiser mit Jupiter vergleicht, Domitian manchmal sogar noch über den Reichsgott stellt. Unter den Hufen des Pferdes lag der personifizierte Rhein, womit Domitian auf seinen Sieg über das Volk der Chatten (s.u.) anspielte. An so zentraler Stelle angebracht, zeigt sich hieran, dass die Darstellung der kaiserlichen Sieghaftigkeit auch bei Domitian von größter Bedeutung war. Die wahrscheinlich über zehn Meter hohe Statue muss das Gesamtbild des Platzes entscheidend verändert haben, denn zum ersten Mal war die bisher freie Mitte des Forums mit einer Baumaßnahme in Anspruch genommen. Neben der Selbstüberhöhung stellte Domitian das Forum besonders ins Licht der Verehrung seiner Dynastie, um damit gleichsam seine eigene Position zu legitimieren. An der das Forum beschließenden Westseite ließ er den von Titus begonnenen Tempel des divus Vespasianus vollenden und weihte ihn zudem dem divus Titus. Das gleiche gilt für die Aufstellung des weiter oben besprochenen Titusbogens auf der dem Vespasian- und Titustempel gegenüberliegenden Ostseite am Eingang zum Forum. Eingang und Stirn des Forums standen damit unter der Schutzherrschaft der flavischen Dynastie und in der Mitte des Platzes erhob sich die monumentale Reiterstatue des Kaisers, der als absoluter und göttergleicher Monarch alles überragte. b) Der Isistempel und das Verhältnis des Domitian zu Ägypten
Der Obelisk auf der Piazza Navona
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Im Zuge der Wiederbebauung des Marsfeldes wurde auch der Isistempel, das Iseum Campense, wiedererrichtet. Möglicherweise direkt vor dem Iseum stand ein Obelisk, der heute den zentralen Brunnen der Piazza Navona schmückt. In der hieroglyphischen Inschrift des Objekts steht unter anderem zu lesen: „Er (= Domitian) hat diesen Obelisken aufgerichtet aus echtem Granitstein für seinen Vater Harachte.“ Der Text beinhaltet des Weiteren neben dem Lobpreis der Ahnen und der Sieghaftigkeit des Kaisers die pharaonische Titulatur des Domitian. Glaubt man der Inschrift des Domitian-Obelisken, dann hat der Kaiser selbst dessen Errichtung in Auftrag gegeben. Zudem wird, ganz in der Tradition ägyptischer Tempelreliefs, die Krönung des Kaisers zum Pharao durch die ägyptischen Götter dargestellt. Der Kaiser hat also seiner Repräsentation als Pharao nicht nur in Ägypten, sondern auch in Rom zugestimmt. Domitian übernahm ägyptischen Schmuck darüber hinaus in seinen Privatbereich, so fand man in seiner Villa in Monte Circeo eine Osiris- und Pharaonenstatue. Letztere weist allerdings nicht seine Porträtzüge auf, ist also nicht als Pharaonenrepräsentation des Kaisers aufzufassen.
Domitians Baupolitik Wie sehr nichtägyptische Untertanen den Kaiser in Verbindung mit Ägypten bringen konnten, zeigt schließlich das Iseum von Benevent. Zu dessen Ausstattung gehörten auch Pharaonenstatuen Domitians. Erhalten sind ebenfalls zwei Obelisken, die sich an der Front des Heiligtums befunden haben dürften. Ein gewisser Rutilius Lupus ließ an ihnen folgende Dedikationsinschrift in hierogylphischer Schrift anbringen: „Er errichtete einen Obelisken aus rotem Granitstein … [für] das Heil und das Bringen des Herrn beider Länder, Domitianus, der ewig lebt.“ Anders als der Obelisk auf der Piazza Navona ist dieser also nicht vom Kaiser selbst, sondern von einem Untertanen in Auftrag gegeben worden. Die ägyptische Inschrift mit der Wendung „für das Heil und das Bringen des Kaisers“ dürfte eine Übersetzung der lateinischen Weihformel pro salute et reditu imperatoris darstellen. Möglicherweise wollte der Stifter hiermit an den Dakersieg Domitians erinnern. Nicht nur die Obelisken, sondern auch das gesamte Heiligtum hat Rutilius Lupus zu Ehren des Domitian errichtet, denn auf dem Obelisken findet sich noch folgende hieroglyphische Inschrift: „Ein herrlicher Palast (= Tempel) wurde gebaut für die große Isis, die Herrin von Benevent, und ihre Mitgötter (und) ein Obelisk aus rotem Granit wurde errichtet seitens des Rutilius … (?) [für] das Heil und das Bringen des Herrn der beiden Länder (= Ägyptens).“ Die ägyptenbezogenen Bauten in Italien aus der Zeit Domitians könnten den Eindruck erwecken, dass Domitian das römische Kaisertum ägyptisiert hat oder seine Herrschaft zumindest von der ägyptischen Religion und ägyptischen Vorstellungen geprägt war. In der Forschung wird deshalb die Ansicht vertreten, dass Domitian der erste Kaiser war, der ägyptische Götter auch in Italien bevorzugte und sich in Rom selbst sogar als Pharao präsentierte. Die pharaonische Rolle des Domitian hätte sich gar auf das gesamte Reich und die kaiserliche Politik bezogen (Hölbl 2004). Lembke (1994) stellte das Iseum Campense sogar als Teil eines ägyptenbezogenen Gesamtplanes der kaiserlichen Repräsentationsarchitektur auf dem Marsfeld dar. Von archäologischer Seite wurde hierzu jedoch angemerkt, dass weder die im Iseum gefundenen ägyptischen Originale auf Veranlassung des Domitian nach Rom verbracht worden sein müssen noch dass der Entwurf des Neubaus auf den Kaiser zurückzuführen sein muss (Eingartner 1999). Inwieweit der Kaiser also wirklich den römischen Isiskult durch die Restaurierung favorisierte, muss offenbleiben. Nur weil sich diese Bauten in der Nähe des Iseum auf dem Marsfeld befanden, auf einen kaiserlichen Gesamtplan zu schließen, der Isis mit in die kaiserliche Repräsentationsarchitektur einbezog, ist schwierig. Das Marsfeld war schließlich durch den Großbrand in der Zeit des Titus großflächig zerstört worden, und daher musste man dort überall die öffentlichen und sakralen Bauten erneuern. Gegen ein ausgesprochenes Ägypteninteresse des Kaisers spricht zudem, dass er, anders als seine beiden Vorgänger, nie in Ägypten war; es findet sich auch kein Hinweis darauf, dass er vorgehabt hätte, dorthin zu reisen. Auch in der domitiankritischen antiken Geschichtsschreibung bietet keinerlei Ansatzpunkte, die auf ein Interesse des Kaisers an Ägypten hindeuten. Das wäre aber eine ausgezeichnete Möglichkeit der Kaiserkritik gewesen, die sich Tacitus oder Sueton sicherlich zueigen gemacht hätten. Noch nicht einmal eine besondere Beziehung des Kaisers zu ägyptischen Göttern ist be-
V. Isistempel
Vermeintliches Ägypteninteresse des Domitian
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kannt, denn weder hat er das Iseum von Benevent gestiftet, noch ist ein planerischer Eingriff des Kaisers beim Wiederaufbau des Iseum Campense überzeugend zu belegen. Es lässt sich feststellen, dass ägyptisierende Elemente in der Kaiserrepräsentation, etwa auf Münzen oder in der Dichtung, überhaupt keine Rolle spielten. Wenn die Darstellung der von den Dichtern propagierten Göttlichkeit des Kaisers oberflächlich mit ägyptischer Königsideologie übereinstimmen sollte, so liegt das schlichtweg an der Tatsache, dass die zugrunde liegenden Konzepte ähnlich sind, keinesfalls aber daran, dass die Dichter sich mit ägyptischen Vorstellungen beschäftigt hätten. Nicht zu bestreiten ist aber ein Interesse des Kaisers für ägyptische Dekorationselemente und bestimmte Repräsentationsmodi, die sich am ehesten als Zeugnisse einer Ägyptenmode bezeichnen lassen. Ein ähnliches Interesse hatte bereits, freilich nicht in ganz so exzessiver Form, Augustus in der malerischen Ausgestaltung seines Hauses zu erkennen gegeben. Auf diese Weise sollte die Fruchtbarkeit Ägyptens für Rom in Anspruch genommen werden. Insgesamt sind Ägypten und Ägyptisches jedoch eher als Randerscheinungen in der allgegenwärtigen domitianischen Repräsentation zu werten. Die Bevölkerung nahm die ägyptischen Elemente kaum wahr, und wenn, dann verstand sie sie nicht. Einen Einfluss auf die kaiserliche Darstellung in den Provinzen hatten die ägyptischen Repräsentationsformen des Kaisers erst recht nicht. Weder finden sich Hinweise auf eine echte Hinwendung Domitians zu Ägypten, noch gibt es einen Beleg dafür, dass ägyptische Repräsentation und alexandrinische Götter in Zusammenhang mit dem domitianischen Kaiserkult und der Kaiserverehrung gebracht werden. Aus kaiserkultischer Sicht fällt vielmehr auf, dass an die Stelle des Sarapis und der Isis, denen Vespasian verpflichtet war, Jupiter und Minerva traten. c) Der Palast Vespasian pflegte vornehmlich in den „Gärten des Sallust“ zu wohnen (Cassius Dio LXV 10,4). Hiermit brachte er sein Bemühen gegenüber der römischen Öffentlichkeit zum Ausdruck, als Bürger unter Bürgern zu leben. Eine von der Stadt und den Bürgern abgeschlossene Lebensweise war aufgrund des negativen Beispiels, das Nero mit seinem Goldenen Haus geboten hatte, nicht angebracht. Domitian, der seine monarchische Stellung nach hellenistischem Vorbild recht offen zur Schau stellte, kehrte von dem väterlichen Ideal ab, und ließ sich auf dem Hügel Palatin von seinem Architekten Rabirius einen prachtvollen Palast errichten. Der Ort der neuen Wohnstätte war gut gewählt: Der Palatin erhob sich genau zwischen Forum Romanum und Circus Maximus und galt als Keimstätte Roms – die Archäologie förderte hier eine ins 9. bis 8. Jahrhundert v. Chr. zu datierende erste Ansiedlung zu Tage. Aeneas wurde auf dem Hügel der Sage nach von König Euandros empfangen, die Wölfin säugte Romulus und Remus in einer dortigen Grotte und Romulus soll seine Hütte auf dem Palatin erbaut haben. Ebenso hatte Augustus dort in einem bescheidenen Haus wenig bescheiden direkt neben einem Tempel des Apollon gelebt. Auch die Augustus folgenden Kaiser ließen hier bauen und erst Nero hatte seinen Wohnsitz mit dem Bau der domus aurea ins Stadtzentrum Roms verlegt.
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Domitians Baupolitik Mit der Neugestaltung des Palatin zwischen 81 und 92 n. Chr. durch Domitian sollten jetzt in Rom bisher unbekannte Dimensionen monarchischer Selbstdarstellung erreicht werden, die, wie es der Archäologe Pfrommer (2005) herausstellt, eindeutig Charakteristika ptolemäisch-hellenistischer Palastarchitektur aufgriffen, also dem Vorbild der Königspaläste von Alexandria folgten. Der Archäologe Zanker (2004) fasst den monarchischen Aspekt des neuen Palastes wie folgt zusammen: „Der Bau nimmt im Rahmen der umfassenden Bemühungen Domitians, die Gestalt des Monarchen politisch und ideologisch zu überhöhen und das Verhältnis von Herrscher, Senat und Volk neu zu definieren, eine zentrale Stelle ein.“ Unser heutiges Wort Palast leitet sich aufgrund der domitianischen Anlage auf dem Palatin (Palatinus mons) von dem lateinischen Wort für sie – palatium – ab. Auf enormen, noch heute in Teilen erhaltenen Substruktionen ruhend, thronte die Anlage über dem Circus Maximus auf dem Hügel. Der Gesamteindruck der Anlage war so monumental, dass ihn einige als Tempel (aedes) und andere, wie Plinius, aufgrund der Wahrnehmung einer Unzugänglichkeit für das Volk, als Burg (arx) bezeichneten. Der Haupteingang befand sich im Norden des Palastes, also beim Forum, von wo man den kaiserlichen Bezirk durch einen Ehrenbogen betreten konnte. Hatte Vespasian seine Haustüren immer offen gehalten (s.o.), so beschwert sich Plinius, dass die Besucher nun wieder vor verschlossene Toren standen (Panegyricus 47,5). Auf der Rückseite, in der sich der Privatbereich des Kaisers befand, war die Anlage durch ein großes zweistöckiges konkaves Halbrund, eine Säulenexedra, zum Circus Maximus hin geöffnet. Diese Bauform demonstrierte als eine Art monumentale Loge die Nähe des Herrschers zum Volk und den öffentlichen Spielen. Gegliedert war der Palast in drei große Teile: Den Repräsentationstrakt, von der Forschung als domus Flavia bezeichnet, den zweistöckigen Wohntrakt, domus Augustana genannt, und ein Stadion mit Gartenanlage und Thermen. Der erste Teil war öffentlich, die beiden anderen gehörten zum Privatbereich des Kaisers, wobei jedoch anzumerken ist, dass Domitian selbstverständlich auch hier seinen Amtsgeschäften nachging und Senatoren oder Gesandtschaften empfing. Große, mit Marmor auf dem Boden und an den Wänden ausgestattete Säle wechselten sich mit Innenhöfen, freskenverzierten Zimmern und mit Springbrunnen bestückten Gärten ab – von all diesem Luxus ist heute jedoch fast nichts mehr erhalten. Am monumentalsten war die wahrscheinlich dreistöckige Aula Regia (es handelt sich um eine moderne Bezeichnung) im öffentlichen Bereich, deren Decke 1180 qm überspannte. Flankiert war die Halle im Westen von einer dreischiffigen Basilika, in der vielleicht der kaiserliche Rat zusammentrat. Auf der anderen Seite befand sich ein als coenatio Iovis, also „Speisezimmer des Jupiter“ benannter Gebäudeteil, der möglicherweise für die kaiserlichen Gastmahle diente. Die Bezeichung liefert bereits einen Hinweis darauf, dass Domitian sich mit seinem monumentalen Wohnort an den Reichsgott Jupiter selbst angleichen wollte. Man kann sich gut vorstellen, dass Domitian in diesen Hallen sein von Statius (Silvae IV 2,32–33) beschriebenes Gastmahl mit angeblich 1000 Teilnehmern abgehalten hat. In seinem luxoriösen Lebensstil unterschied sich Domitian also kaum von Nero.
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Das Vorbild hellenistischer Palastarchitektur
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Domitian
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Statius preist den neuen Palast des Kaisers (Statius, Silvae IV 2,18–31) Ein erhabener, gewaltiger Palast, nicht mit hundert Säulen ausgezeichnet, sondern mit so vielen, wie sie die Götter und den Himmel tragen könnten, wenn Atlas sich freimachte von seiner Last. Darüber staunt die benachbarte Burg des Donnergottes (i.e. Jupiter) und die Götter in der Nähe freuen sich, dass Du eine Wohnung hast, die der seinen gleich ist. Nicht brauchst du dich beeilen, zum großen Himmel aufzusteigen, so weit erstreckt sich das Gebäude und der Schwung des Gewölbes, als ob es frei schwebe. Viel Land erfasst es unter seinem Dach und viel Himmel ist über ihm, nur der Herr (dominus) des Palastes ist größer. Jener erfüllt das Haus und erfreut es mit seinem gewaltigen Geist (genius). Das libysche und ilische Gebirge glänzen dort (mit ihrem Marmor) um die Wette. […] Viele Steine von Syene und von Chios gibt es hier und solche, die mit der grau-blauen Doris wetteifern, und Marmor aus Luna ist das, der nur die Basis bildet für die tragenden Säulen. Weit verliert sich der Blick in die Höhe. Die Augen ermüden beim Erfassen des Gewölbes, man könnte es für die vergoldete Decke des Himmels halten. (Übersetzung H. Wissmüller)
Durch den Mund des Hofdichters ist zu erfahren, dass Domitian eine Angleichung seiner Person an Jupiter durch die Ausgestaltung seines Wohnortes erreichen wollte. Das Gewölbe des Palastes vergleicht Statius mit dem, von dem mythischen Titanensohn Atlas getragenen Himmelsgewölbe; die Säulen wären sogar dazu in der Lage, diese Aufgabe zu meistern. Der Himmelsvergleich bildet den Anfang und das Ende der zitierten Verse. So ist dann auch die Gegenüberstellung zum auf dem Kapitol liegenden Tempel des Donnergottes Jupiter zu verstehen: Die Wohnung des Kaisers kann es mit ihm an Monumentalität aufnehmen und Domitian hatte auch das Recht dazu, denn „die Götter freuen sich“ darüber. Ein tempelgleicher Palast des lebenden Herrschers war keine Hybris gegen die Götter, sondern deren Wunsch. Vespasian hatte im Friedenstempel durch die Aufstellung von Kunstwerken aus allen Provinzen dem Volk Roms die Größe des Imperiums vor Augen geführt. Das gleiche versucht Statius seinen Lesern durch die Nennung der Herkunftsorte des für den Bau verwendeten Gesteins zu zeigen: Es kommt aus dem tiefsten Süden in Syene (Assuan/Ägypten), ebenso wie aus dem Stammland des Gründervaters Aeneas Ilion (Troja). Aus Libyen und Chios ist Marmor zu finden, ebenso wie aus Luna (Carrara). Letzterer, also der heimische Marmor, dient freilich nur als Fundament für die aufragenden Säulen. Mit der Nennung der verschiedenen und teuren Gesteine konnte der Dichter zudem den unglaublichen Reichtum Domitians herausstellen, ebenso wie implizit auf die Leistungen der römischen Transportlogistik und Fähigkeiten der römischen Ingenieure verwiesen ist. Sueton (Domitian XIV 4) interpretierte im Übrigen gerade den sehr glänzenden Marmor des Palastes im Zeichen des späteren Verfolgungswahnes Domitians: „Er ließ die Wände der Säulenhallen, in denen er immer seine Spaziergänge machte, mit Spiegelstein verkleiden, damit er in den sich darin spiegelnden Bildern rechtzeitig bemerke, was hinter seinem Rücken vor sich gehe.“
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Politik für die Untertanen: Domitian als „Verwalter des Imperiums“
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Es bleibt festzuhalten, dass der Palast des Kaisers neue Dimensionen monarchischer Repräsentation in Rom einführte, die sogar das Haus des Nero übertrafen und ihr direktes Vorbild in den Prachtpalästen hellenistischer Monarchen hatten. Der Kaiser rückte sich in eine gottgleiche Stellung und er bekam dies auch schmeichelnd von den zeitgenössischen Dichtern zu hören, wenn Statius (Silvae IV 2,14–16) schreibt: „Sehe ich wirklich Dich, den Herrscher der Länder und den mächtigen Vater des unterworfenen Erdkreises; Dich, die Hoffnung aller Menschen; Dich, die erste Sorge der Götter, während ich hier beim Mahle (im Palast) liege?“ d) Zusammenfassung Bei Vespasian war zu erkennen, dass sein gesamtes Bauprogramm auf drei Säulen ruhte: An erster Stelle ging es ihm um die Vermittlung seiner Friedensideologie, mittels der er seine Herrschaft legitimierte. Weiterhin ging es ihm um eine Anknüpfung an Claudius, den letzten aus senatorischer Sicht rechtmäßigen Kaiser der julisch-claudischen Dynastie, um Kontinuität der Herrschaft zu demonstrieren. Drittens schließlich war Vespasian darum bemüht, das Volk durch repräsentative Funktionsbauten für Feste und Spiele von seiner Herrschaft zu überzeugen. Domitian griff allein den letzten Aspekt auf, wie es die Errichtung von Stadion, Odeon und Naumachie belegen. Die Friedenssymbolik ebenso wie die Rückbindung der Macht an die julisch-claudischen Kaiser wurden in den domitianischen Bauten hingegen nicht mehr thematisiert. Es lässt sich also ein Wandel der Legitimationsgrundlagen des Kaisers feststellen: Vespasian rechtfertigte seine Herrschaft mit dem Frieden, den sein Handeln gebracht hatte, Domitian hingegen mit der Göttlichkeit seiner beiden Vorgänger und der eigenen Selbstüberhöhung, die durch den Palast ihren prägendsten Ausdruck erhielt. Die zahlreichen Baumaßnahmen weisen zudem darauf hin, dass es mit den Finanzen des Reichs, die Vespasian konsolidiert hatte, während der Herrschaft Domitians zum Besten stand.
6. Politik für die Untertanen: Domitian als „Verwalter des Imperiums“ Von Sueton (Domitian XIV 1–2) ist zu erfahren, dass Bauten, Schauspiele und der Sold für die Soldaten zu ernsthaften Finanzschwierigkeiten geführt hätten, die der Kaiser durch willkürlichen Einzug von Erbschaften und Vermögen ebenso wie durch die rigorose Eintreibung der Judensteuer (fiscus Iudaicus) zu beheben suchte. Von dieser Form der Geldbeschaffung scheint, abgesehen von den Juden, vor allem die reiche Oberschicht betroffen gewesen zu sein. Trotz aller Kritik am Kaiser kommt Sueton nicht umhin, auf die guten Seiten der angeblichen domitianischen Despotie aufmerksam zu machen. Auch wenn die neuere Forschung nicht davon ausgeht, dass es unter Domitian zu einer signifikanten Veränderung oder gar Verbesserung im Umgang des Herrschers mit den unteren Bevölkerungsschichten kam, so machen doch die im Folgenden zu besprechenden Themenkreise deutlich,
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V. Domitian als „guter Vater“
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dass der als gierig und tyrannisch verschriene Kaiser versuchte, seinen Pflichten als guter Herrscher und Vater der Untertanen unter allen Umständen nachzukommen. Diese positive Seite der Politik Domitians entsprang dem Selbstverständnis einer am hellenistischen Königtum orientierten, absoluten und autokratischen Herrschaftsauffassung: Der Monarch muss wie ein guter Vater für die Untertanen sorgen.
Die gesetzgeberische Tätigkeit Domitians (Sueton, Domitian VII–VIII) Als man einmal einen gewaltigen Überfluss an Wein, aber Mangel an Getreide hatte, glaubte er, man habe sich zu wenig um das Ackerland gekümmert, weil das Interesse allzusehr dem Weinanbau gegolten habe. Und so ordnete Domitian an, dass niemand in Italien neue Weinstöcke pflanzen dürfe und in den Provinzen Weinpflanzungen vernichtet werden sollten, wobei dort höchstens die Hälfte weiter bestehen dürfe. Er beharrte aber nicht darauf, dass die Anordnung auch in die Tat umgesetzt wurde. … Recht sprach er in umsichtiger Weise und mit Fleiß; meistens tat er das auch dann auf dem Forum vorne auf dem Tribunal, wenn es nicht üblich war. Parteiische Urteile der Centumviralgerichte erklärte er für nichtig. … Jedem korrupten Richter und seinem Kollegium erteilte er eine Rüge. … Er sorgte auch sehr dafür, dass die städtischen Behörden und die Statthalter in den Provinzen zur Ordnung gewiesen wurden, so dass es niemals maßvollere und gerechtere Beamte gegeben hat. (Übersetzung H. Martinet)
Getreideversorgung versus Weinanbau
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Die beschriebenen positiven Gesetzgebungsmaßnahmen griffen unmittelbar in die Pfründe der römischen Senatorenschicht ein. So etwa das Gesetz über den Weinbau, das in die Zeit zwischen 90 und 92 n. Chr. datiert: Die senatorischen Großgrundbesitzer hatten weite Teile des Bauernlandes aufgekauft und auf diese Weise zu einer Vermehrung des städtischen Proletariats beigetragen – proletarii sind die, die nichts als ihre Nachkommen, proles, besitzen. Ihre Versorgung mit Getreide war die Aufgabe des Kaisers, je mehr Proletarier es gab, um so teurer wurde die Angelenheit also für Domitian. Auf ihren Gütern bauten die Großgrundbesitzer nun aber nicht mehr das wenig lukrative Getreide, sondern vor allem Wein, aber auch Öl an. Ergebnis dieser, der Nachfrage nach Luxusprodukten folgenden Anbaupolitik, war eine Hungersnot in Rom. Der Kaiser sah sich deshalb zum dirigistischen Eingreifen gezwungen. In Italien konnte Domitian eine Wiederaufnahme des vermehrten Getreideanbaus gegen den Willen der Senatoren nicht durchführen, doch stoppte er zumindest einen weiteren Ausbau der Weinanbauflächen. In den Provinzen hingegen hielt er es für durchsetzbar, Weingärten zugunsten der Getreidekultivierung zu vernichten. Dass es aber auch dort nicht ganz so einfach war, zeigt eine Gesandtschaft unter Leitung des Sophisten Scopelianos von Smyrna im Auftrag der Provinz Asia. Dem Gesandten gelang es, den Kaiser von einer Rücknahme der Auflage zumindest für seine Provinz zu überzeugen (Philostratos, Vit. Soph. 520). Die ironische Erklärung Suetons, dass Domitian nicht stringent für die Einhaltung des Gesetzes gesorgt habe („er beharrte aber nicht darauf“), könnte nicht so sehr an der Inkonsequenz des Kaisers liegen, als vielmehr
Politik für die Untertanen: Domitian als „Verwalter des Imperiums“ an dem massiven Widerstand der reichen Großgrundbesitzer und auch bestimmter Provinzen, die nicht daran dachten, von den lukrativen Geschäften mit Wein Abstand zu nehmen. Laut Sueton war Domitian deshalb letztlich dazu gezwungen, zumindest die Auflage zur Rodung der Weinberge zurückzunehmen (Domitian XIV 1). Anders als Sueton es überliefert, ging die ältere Forschung davon aus, dass das Edikt überhaupt nicht zurückgenommen wurde und erst Kaiser Probus es in der Mitte des dritten Jahrhunderts revidiert hatte. Von ihm ist nämlich ein Erlass bekannt, der den Spaniern, Galliern und Briten den Weinanbau (wieder?) gestattet (SHA, Probus 18,8; vgl. Aurelius Victor, Caes. 37,2; Eutrop IX 17,2). Die jüngere Forschung hält das aber für wenig wahrscheinlich (Levick 1982). Bedenkt man jedoch, dass Domitian nach Auskunft von Sueton lediglich den Befehl zur Niederlegung von Weinkulturen widerrief, nicht aber den Ausbaustopp, dann spricht nichts zwingend dagegen, dass sein Edikt bis zur Herrschaft des Probus in Kraft blieb. Sueton erwähnt als weitere volksnahe Maßnahme Domitians dessen Rechtsprechung auf dem Forum, selbst dann wenn es bisher nicht üblich gewesen sei. Hieran zeigt sich, dass Domitian seine Rechtsfindung öffentlich und für das Volk transparent machen wollte. Die Verurteilung korrupter Richter, also von Personen, die wie die Statthalter häufig dem Senatorenstand angehörten, ist ebenfalls der volksnahen kaiserlichen Politik geschuldet. Besonders die Tatsache, dass Domitian für eine korrekte Führung der Provinzen eintrat, muss die Senatoren gegen ihn aufgebracht haben, denn das Amtsjahr in der Provinzverwaltung bedeutete für viele einen erheblichen Zuwachs an halblegalen Einnahmen. Nicht wenige mussten sich auf eine gerichtliche Verfolgung gefasst machen. Nach der Herrschaft des Domitian konnten die senatorischen Statthalter dann endlich wieder ungehindert die Provinzen auspressen (vgl. Plinius, Briefe II 11,12; III 9 u.a.).
Ein Schreiben des Domitian an den Prokurator Claudius Athenodoros (SEG XVII 755 = McCrum/Woodhead 1966, Nr. 466 = Freis 1994, Nr. 66)
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Kaiserliche Rechtsprechung auf dem Forum
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… In außerordentlichen Situationen, die eine große Überlegung erfordern, galt die Sorge des Gottes, meines Vaters Vespasianus Caesar, wie ich weiß, den Wohltaten gegenüber den Städten. Sich darauf konzentrierend, befahl er, dass die Provinzen weder durch die Mietung von Zugtieren noch durch die Einquartierung von Fremden belastet werden. Aber dessenungeachtet wird dies nicht beachtet, ob aus Gefälligkeit oder weil es nicht verbessert wurde. Denn es bleibt bis jetzt jene alte und hartnäckige Gewohnheit bestehen und wird allmählich zur Norm, wenn sie nicht mit Gewalt gehindert wird, stärker zu werden. Ich befehle Dir also, dafür zu sorgen, dass niemand Zugtiere requiriert, sofern er nicht mein Diplom hat. Denn es ist sehr ungerecht, dass durch die Gunst einiger Leute oder infolge ihrer Ansprüche geschriebene (Ermächtigungen) im Umlauf sind, die niemand außer mir ausstellen darf. Nichts darf mehr vorkommen, was meinen Erlass aufhebt und die den Städten sehr nützliche Maßnahme beseitigt. Denn es ist gerecht, den erschöpften Provinzen zu helfen, die kaum in der Lage sind, den dringensten Bedürfnissen zu genügen: Niemand soll sie gegen meinen
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Domitian
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Willen zwingen. Niemand darf einen Führer nehmen, sofern er nicht mein Diplom hat. Denn wenn die Bauern (von ihrem Land) abgezogen werden, bleiben die Felder unbebaut. Wenn Du eigene Lasttiere benutzt oder mietest, handelst Du sehr gut […] mit Namen versehene Diplome an Dich schicken.
Der Brief des Kaisers ist als Inschrift aus Hama in Syrien überliefert. Er zeigt eindrucksvoll, wie literarische Überlieferung und epigraphische Dokumente übereinstimmen können. Domitian geht hier auf einen Missstand ein, der ihm zu Ohren gekommen ist: 1. Staatliche Stellen requirierten ohne gültiges Diplom des Kaisers bei der ländlichen Bevölkerung Zugtiere. 2. Staatliche Stellen quartierten ohne gültiges Diplom des Kaisers Funktionäre und Soldaten – Fremde genannt – bei den Einheimischen ein. 3. Staatliche Stellen requirierten landeskundige Führer. 4. Nichtautorisierte Beamte legitimierten die Requirierungen und Einquartierungen durch das Ausstellen von Diplomen im Namen des Kaisers.
Untertanenfreundliche Politik Domitians
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Insbesondere der letzte Punkt war weit mehr als Amtsanmaßung, es war ein Verbrechen gegen die Würde (maiestas) des Kaisers, was Domitian wohl am meisten aufgebracht haben dürfte. Aus den letzten Zeilen des Briefes erfahren wir, wen der Kaiser als verantwortlich für das Unwesen betrachtete: Es ist der Prokurator selbst, der Leiter der Provinz. Ihn fordert Domitian nämlich auf, doch eigene Lasttiere zu nutzen oder diese zumindest zu mieten. Ungerechtfertigte Einquartierungen und Requirierungen waren, obwohl von Vespasian eindeutig untersagt, inzwischen zu einer Art Gewohnheitsrecht geworden, und Domitian wollte dem mittels seines Briefes Einhalt gebieten: Er hielt nochmals ausdrücklich fest, dass derartiges allein unter Vorweis eines kaiserlichen Diploms vorgenommen werden dürfe. Durch die Veröffentlichung des Briefes in Form einer steinernen Inschrift, konnte sich jetzt jeder Provinziale bei unrechtmäßiger Inanspruchnahme seiner Dienste für den Staat auf sie berufen. Am Ende nennt Domitian dann auch noch den Grund für diese erneute Einschärfung des geltenden Rechts: Die Bauern sollten möglichst nicht von den Feldern abgezogen werden. Durch ihre Arbeit sorgten die Bauern nämlich für die Kornversorgung Roms und des Heeres. Die Inschrift gibt aber auch zu erkennen, dass die provinzenfreundliche Politik des Domitian nicht revolutionär war, sondern das Vorbild und die Maßnahmen des Vaters zum Ideal nahm. Die untertanenfreundliche Politik Domitians gegenüber den Provinzialen findet sich schließlich in den sogenannten sibyllinischen Orakeln reflektiert, die ein Jude im dritten Jahrhundert verfasste. Hier erscheint Domitian als Wohltäter des Orients (vgl. oracula Sibyllina XII 126–132; 135–138). Sibyllina oracula/sibyllinische Orakel Die sibyllinischen Weissagungen sind in griechischer Sprache verfasst und stammen von einem unbekannten Verfasser. Sie sind größtenteils jüdischen, teilweise auch christlichen Ursprungs und beziehen sich auf ein erwartetes Ende der Zeiten. Häufig finden sich auch antirömische Inhalte.
Unzufriedenheit der Elite, Opposition und Verschwörungen
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Domitian griff also in bisherige Traditionen der Ausbeutung ein und beschnitt damit die Bereicherungsmöglichkeiten der römischen Elite. Besonders die Provinzialen, die die Masse der Untertanen des Reichs bildeten, profitierten genau von dieser Politik.
7. Unzufriedenheit der Elite, Opposition und Verschwörungen Domitian hatte es sich aufgrund der monarchisch-hellenistischen Selbstdarstellung, der Sittenpolitik, der rigiden Durchsetzung des alten Rechts und der Missachtung von einflussreichen Senatoren mit nicht wenigen Mitgliedern des Senats verdorben. Es sind insgesamt drei antidomitianische Kreise von Senatoren zu identifizieren, die freilich ineinander gegriffen haben können: 1. Der Kreis um L. Antonius Saturninus. 2. Die stoisch-philosophische Opposition. 3. Die Gruppe der Titusanhänger und Familienmitglieder Domitians. a) Der Aufstand des L. Antonius Saturninus Im Jahr 89 n. Chr. kam es zu einer Erhebung. Sueton spricht sogar von einem Bürgerkrieg (Domitian VI 2: bellum civile), die der Senator L. Antoninus Saturninus anführte. Er war der Verwalter der Provinz Germania superior mit Sitz in Mainz und damit Oberbefehlshaber über vier Legionen. Angeblich beleidigte der Kaiser den Saturninus einmal als „Hure“ (Epitome de Caesaribus XI 9), worauf dieser sich derart in seiner Ehre gekränkt fühlte, dass er zum Aufstand schritt. Das dürfte freilich nur der vorgeschobene Grund gewesen sein. Möglicherweise waren die obergermanischen Legionen und besonders ihre Führung über die nicht expansive, sondern auf Bestandssicherung bestrebte Außenpolitik des Kaisers unzufrieden. Die beiden in Mainz stationierten Legionen XIV Gemina Martia und XXI Rapax riefen nämlich Saturninus zum imperator aus. Der Usurpator fand viele Gefolgsleute im Senat und sie planten den Umsturz für den 1. Januar 89 n. Chr. Sogar mit den wenige Jahre zuvor besiegten Chatten jenseits des Rheins ging Saturninus ein Bündnis ein. Der Usurpationsversuch wurde dem Kaiser jedoch noch Ende 88 n. Chr. hinterbracht, so dass er durch sein entschiedenes Eingreifen die Revolte im Keim ersticken konnte. Er schickte die in Spanien stationierte Legio VII Gemina unter Führung von M. Ulpius Traianus nach Germanien, brach selbst an der Spitze der Prätorianer in den Norden auf und noch vor seinem Eintreffen hatte Aulus Bucius Lappius Maximus, der Legat von Untergermanien, seinen rebellierenden Kollegen im Norden besiegt. Außer den Mainzer Legionen stand also die restliche militärische Elite Roms voll und ganz auf Seiten des legitimen Kaisers. Bereits am 24. Januar konnten die Arvalbrüder für die glückliche Heimkehr des Domitian danken: „Unter denselben Konsuln am Tage vor den Iden des [Januar (12.1.89 n. Chr.)] sprachen auf dem Kapitol gemäß Senatsbeschluss für das Wohl, den Sieg [und die Rückkehr] des Imp(erator) Domitianus Caesar Augustus
Rolle der Außenpolitik
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Domitian
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Germanicus [die Arvalbrüder Gelübde] aus (CIL VI 2066 = Freis 1994, Nr. 48,3). Der Kaiser wusste um die Verbündeten des Saturninus im Senat und begann nun mit einer systematischen Säuberung. Die Forschung setzt den oben erwähnten Wandel des Charakters von Domitian deshalb auch nach dem misslungenen Saturninus-Aufstand an. Die Folge der Erhebung war, dass nicht einmal mehr zwei Legionen in einem Standlager untergebracht wurden und die Lagerkasse nicht mehr als 1000 Sesterzen beinhalten durfte, um möglichen Usurpationsversuchen auch die finanzielle Grundlage zu entziehen. b) Die „Stoiker-Verfolgung“ Bereits unter Vespasian war zu erkennen, dass der Konflikt des Kaisers mit den stoischen Senatoren sich aus der Frage der Nachfolge eines Blutsverwandten entzündet hatte. Die Stoiker wollten einen optimus als Thronfolger, der zwangsläufig zu adoptieren war. Genau das tat nun Domitian: 90 n. Chr. bestimmte er die Söhne seines Vetters Flavius Clemens zu seinen Erben. Der eine erhielt den neuen Namen Vespasian, der andere hieß von da an Domitian (Sueton, Domitian XV 1). In das Jahr der Adoption fiel dann aber auch die sogenannte „Stoiker-Verfolgung“. Möglicherweise hat sie sich gerade an dieser Adoption entzündet: Domitian hatte nämlich nicht einen vermeintlich Besten zum Nachfolger erkoren – dafür waren die beiden Knaben viel zu jung – sondern die Wahl aus familiär-dynastischen Gründen getroffen. Im Zusammenhang mit der Stoikerverschwörung begegnen wir abermals dem Namen des unter Vespasian hingerichteten Stoikers und Senators Helvidius Priscus: Über diesen hatte der Senator Herennius Senecio 94 n. Chr. eine Biographie verfasst. Die Witwe des Priscus, Fannia, hatte dem Senecio hierfür das Material zur Verfügung gestellt. Senecio wurde hingerichtet, Fannia musste in die Verbannung gehen (Plinius, Briefe, VII 19,5–6; III 11).
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Eine Bücherverbrennung in Rom (Tacitus, Agricola II 1–2) Wir lesen, dass dem Arulenus Rusticus, als er Paetus Thrasea, und dem Herennius Senecio, als er Priscus Helvidius lobte, dies als todeswürdiges Verbrechen angelastet wurde und dass man nicht nur gegen die Verfasser selbst, sondern auch gegen ihre Bücher wütete: Den Triumvirn wurde der Auftrag gegeben, diese Denkmäler hervorragender Geister im Comitium auf dem Forum zu verbrennen. Natürlich – denn mit diesem Feuer wähnte man die Stimme des römischen Volkes, die Freiheit des Senats, die Mitwisserschaft des Menschengeschlechts auszutilgen; man vertrieb obendrein die Lehrer der Weisheit und stieß jedes löbliche Bestreben in die Verbannung, damit nirgends mehr sittliche Würde aufträte. (Übersetzung R. Feger)
Nicht nur der Verfasser einer Vita des Vespasiankritikers Helvidius Priscus war also von Domitian, den Tacitus bemerkenswerterweise nicht direkt
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Unzufriedenheit der Elite, Opposition und Verschwörungen beim Namen nennt, zum Tode verurteilt worden, sondern zudem noch Arulenus Rusticus, der Verfasser einer Vita des Paetus Thrasea. Dieser war der Lehrer des Stoikers Helvidius und von Nero hingerichtet worden. Er gehörte deshalb zu den ideellen Helden des gegen den Tyrannen Nero wehrhaften Senats. Konnte man die Tötung des Herennius, der die Vita des Helvidius geschrieben hatte, noch damit erklären, dass Domitian kein Lob eines Kritikers seines Vaters dulden wollte, so ist die Hinrichtung des Arulenus Rusticus ein klares „Verbrechen“ an der Würde des Senats und eine nachträgliche Rehabilitierung des Nero. Domitian stellte sich damit, in der Sicht des Tacitus, auf eine Stufe mit dem verhassten letzten Kaiser der julisch-claudischen Dynastie. Doch nicht genug damit: Der Kaiser beließ es nicht bei seinem Justizmord, sondern versuchte auch noch, die Schriften beider Verurteilter der Erinnerung zu entreißen und zu vernichten, indem er eine Bücherverbrennung, wohl eine der ersten der Geschichte, mitten auf dem Forum, am Ort der Volksversammlung (comitium), durchführte. Für Tacitus war klar, dass dies ein Versuch war, die Freiheit (libertas) des Senats zu unterdrücken. Wenn er zuvor angibt, dass Domitian damit auch die Stimme des Volkes austilgen wollte, dann bezieht sich Tacitus hiermit nicht so sehr auf eine Unterdrückung der stadtrömischen Bevölkerung durch Domitian, sondern will damit sagen, dass die Schriften der beiden Verurteilten nicht nur sehr weise waren, sondern auch den „common sense“ des Volkes wiedergaben – was freilich eine Übertreibung sein dürfte. Möchte man in diesem Handeln jedoch nicht einfach die Willkür des „Tyrannen“ Domitian erkennen, so kann man die Verurteilung des Herennius auch als Ausweis der Frömmigkeit (pietas) des Kaisers gegenüber seinem Vater sehen: Er wollte jegliche, auch nachträgliche Kritik an Vespasian unterbinden. In diesem Kontext ist auch die Hinrichtung des Senators Iunius Rusticus zu verstehen, der „Lobreden auf Paetus Thrasea und Helvidius Priscus veröffentlicht und sie die untadeligsten Männer genannt hatte“ (Sueton, Domitian X 3). Derartiges konnte Domitian nicht durchgehen lassen, handelte es doch um eine offene Anfechtung seiner Legitimität als Kaiser. Helvidius hatte insbesondere die Bluterbfolge angezweifelt, was die Rechtmäßigkeit des Domitian als Herrscher in Frage stellte. Diese eindeutig legitimitätsgefährdenden senatorischen Umtriebe nahm Domitian dann auch zum Anlass „alle Philosophen aus Rom und Italien zu verbannen“ (Sueton, Domitian X 3; Cassius Dio LXVII 13,1f.).
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Rehabilitierung des Nero
c) Die Anhänger des Titus und Familienangehörige Bei Cassius Dio ist die Rede von Personen, die den verstorbenen Titus priesen, weil er keinen Senator hatte hinrichten lassen und die Domitian vorwarfen, dass er sich die Kapitalgerichtsbarkeit über Senatoren vorbehielt. Überhaupt hätte es sogar als Verbrechen gegolten, den Titus zu loben (Cassius Dio LXVII 2,4). Möglicherweise standen die „Titusanhänger“ in enger Verbindung zu Titus Flavius Sabinus, dem Schwiegersohn des Titus. Ein großer Fehler des Senators war es jedoch, genauso wie ein Prinzeps weißgekleidete Diener zu besitzen (Sueton, Domitian XII 3). Domitian dürfte hierin durchaus einen symbolischen Angriff auf seine Stellung als Alleinherrscher gesehen haben, denn er reagierte mit dem Homerzitat: „Die Herrschaft vie-
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Domitian
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Hochverrat des Titus Flavius Sabinus
Christen oder Juden am Kaiserhof?
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ler Herrscher ist äußerst schlecht!“ Domitian war ihm zunächst trotzdem sehr entgegengekommen, denn er hatte ihn im Jahr 82 n. Chr. zu seinem Kollegen im Konsulat werden lassen. Das weist, wie es Eck (1970) betont, auf eine Kontinuität flavischer Politik hin, denn auch Vespasian und Titus waren um eine Heranziehung von Verwandten in die Politik bemüht. Dass Sabinus jedoch nicht gut auf Domitian zu sprechen war, belegt schon die Tatsache, dass Domitian ihm seine Frau Julia ausgespannt hatte. Gescheitert ist Sabinus dann an seinem offenen Hochverrat: Er ließ sich von einem Herold zum Imperator statt zum Konsul ausrufen (Sueton, Domitian X 4). Einige Historiker nehmen an, dass es sich um ein Versehen des Herolds handelte. In einem derart hochsensiblen politischen Kontext ist jedoch ein „Versehen“ kaum möglich. Entweder ist die Ausrufung durch den Herold auf Domitian zurückzuführen, der einen Grund suchte, sich des Sabinus zu entledigen. Oder aber es ist tatsächlich an einen Usurpationsversuch zu denken, der sich auf Oppositionelle innerhalb der Senatorenschaft stützte. Wann genau sich dieser Putschversuch ereignete, lässt sich schwer sagen, doch geht man davon aus, dass das für Sabinus vorgesehene zweite Konsulat in der noch frühen Regierungszeit des Domitian zu suchen ist. Hingerichtet wurde auch ein weiterer entfernter Verwandter Vespasians namens Marcus Arrecinus Clemens, obwohl dieser ein Vertrauter Domitians war, zweimal das Konsulat bekleidete und zudem das Amt eines Stadtpräfekten innehatte. Manche vermuten, dass dies 92/93 n. Chr. geschehen ist, andere hingegen sehen ein Opfer, das die Arvalbrüder aufgrund eines misslungenen Anschlages gegen Domitian im Jahr 87 n. Chr. für die Götter darbrachten (ILS 5034), in Zusammenhang mit einer Verschwörung des Arrecinus (Jones 1992). Was genau das Vergehen des Mannes war, ist unbekannt. Doch steht zu vermuten, dass er zu offen seine Meinung kundgetan hatte oder wirklich an einer Verschwörung beteiligt war. Als es im Jahr 95 n. Chr. zum letzten großen Eklat am Kaiserhof kam, waren abermals Mitglieder des engsten Familienkreises Domitians hierin verwickelt, vor allem der jüngere Bruder des Flavius Sabinus mit dem Namen Titus Flavius Clemens und dessen Frau Flavia Domitilla. Das ist vor allem aus folgendem Grund erstaunlich: Nach dem Tod seines Sohnes konnte Domitian auf keinen Thronfolger mehr verweisen, so dass er sich zu einer Adoption gezwungen sah. Wie Augustus erwählte er gleich zwei Nachfolger, und zwar zwei der Kinder des Flavius Clemens und der Domitilla. Den Flavius ließ Domitian unter dem Vorwurf der Gottlosigkeit hinrichten und Domitilla auf die Insel Pandateria verbannen (Cassius Dio LXVII 14,2). Von den Adoptivsöhnen hört man danach nichts mehr. Einige Historiker möchten aufgrund der Anklage wegen Gottlosigkeit, in Clemens und seiner Gemahlin Christen sehen. Das unterstützen sie mit dem Hinweis Suetons darauf, dass Domitian dem Senator „verächtliche Gleichgültigkeit“ vorwarf (Sueton, Domitian XV). Man meint, hierin die häufige Anschuldigung gegen Christen wiederzuerkennen, dass sie sich vom öffentlichen Leben und der Betätigung für den Staat fernhielten. Beides reicht aber keinesfalls aus, um aus den beiden Christen zu machen, denn Juden trafen die gleichen Vorwürfe und Cassius Dio überliefert, dass der Senator und seine Frau sich „der jüdischen Lebensform“ zugewandt hätten. Als Proselyten wäre ihnen ebenfalls eine Teilnahme am regulären politischen Leben Roms unmöglich ge-
Die Ermordung Domitians
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wesen (s.u. den Judenexkurs des Tacitus). Die christliche Überlieferung freilich machte Clemens und Domitilla zu Märtyrern.
8. Die Ermordung Domitians Nach der Beseitigung des Flavius Clemens und der Domitilla im Jahr 95 n. Chr. hatte sich Domitian immer mehr von seiner Umwelt abgeschottet, denn er glaubte, niemandem mehr trauen zu können. Die Hinrichtung des Flavius Clemens und die Verbannung der Domitilla scheinen, wie es Sueton berichtet (Domitian XV 1), zu den Auslösern des Endes Domitians geführt zu haben, denn ein Freigelassener und Verwalter (procurator) der Domitilla war maßgeblich an der Ermordung des Kaisers beteiligt.
Der Meuchelmord (Sueton, Domitian XVII)
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Darüber, wie diese hinterlistige Ermordung abgelaufen ist, wurde ungefähr folgendes bekannt: Die Verschworenen waren noch unschlüssig, wann und wie sie über ihn herfallen sollten; sollten sie abpassen, wenn er badete oder wenn er zu Tische war. Da bot Stephanus, der Verwalter Domitillas, der damals angeklagt war, Gelder veruntreut zu haben, seinen Rat und seine Hilfe an. Für einige Tage verband er sich mit Wollbinden den linken Arm, so als ob er verletzt wäre, um einen Verdacht abzuwenden. Zu der bestimmten Stunde steckte er dort einen Dolch hinein. Dann gab er an, den Beweis für eine Verschwörung zu haben. Deswegen ließ man ihn vor, und er stieß dem Kaiser, während der das Schriftstück, das er ihm übergeben hatte, las und wie vom Donner gerührt dasaß, den Dolch in den Unterleib. (Übersetzung H. Martinet)
Glaubt man Sueton, so gab es eine Gruppe von Konspiranten, die sich der Unterstützung durch die politisch bedeutenden Kreise sicher war und die beriet, wie und wann man den Kaiser am besten beseitigen könne. Gesammelt hatten sich die Verschwörer um die Kaisergemahlin Domitia (vgl. Cassius Dio LXVII 15). Auch die Prätorianergarde unter ihren beiden Führern Norbanus und Petronius Secundus hatte ihre Unterstützung oder zumindest Billigung des Mordes am Herrscher zugesagt. Gleichzeitig waren die Verschwörer jedoch – das suggeriert zumindest Sueton – nicht zum geschlossenen und aktiven Handeln fähig, so dass ein Außenstehender die Initiative in seine Hände nahm. Der wahrscheinlich aus dem griechischen Osten stammende Stephanus war Verwalter der von Domitian verbannten Domitilla. Es steht also zu vermuten, dass die Mitglieder der Verschwörung, in deren Auftrag Stephanus handelte, im engeren Umkreis des Kaisers zu suchen sind. Die Person des Stephanus ist vor allem deshalb interessant, weil die antike Literatur aus ihm entweder einen Märtyrer für hohe Ideale macht oder einen aus Eigensucht handelnden verwerflichen Menschen. Zwei Motive werden nämlich als Beweggrund des Freigelassenen angeführt. Philostratos
Motive des Mörders
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Domitian
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Reaktion des Heeres, Nerva
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(Vita Apoll. VIII 25) schreibt ihm den moralischen Willen zur Rache an Domitian für die Ermordung des Flavius Clemens oder gar aller Opfer des Kaisers zu. Der antike Autor verwendet hierzu sogar einen historischen Vergleich: Stephanus habe sich in den Fußstapfen der athenischen Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton gesehen, die fast 600 Jahre zuvor Athen von der Tyrannis der Peisistratiden befreit hätten. Das dürfte auch die offiziell verbreitete Legitimation der Bluttat gewesen sein. Sueton hingegen erwähnt hiervon nichts. Wenn er schreibt, dass Stephanus ein Prozess wegen Unterschlagung drohe, dann legt sich vielmehr die Vermutung nahe, dass der Täter mit dem Mord einer Verurteilung in dem Verfahren entgehen wollte. Das könnte freilich der Erzählintention des Sueton geschuldet sein, der einen Kaisermord, selbst wenn es sich um den an einem schlechten Kaiser handelt, nicht mit ehrbaren Motiven in Verbindung bringen möchte: Es war ein hinterlistiger (insidiae) Mord. Welcher von den beiden angeführten Gründen der richtige ist, lässt sich also nicht feststellen. Möglich wäre auch, dass Stephanus von den Verschwörern für die Bluttat auserwählt wurde, damit sich die Elite nicht persönlich die „Hände schmutzig“ machen musste. Stephanus war jedoch nicht unmittelbar erfolgreich, denn der überraschte Kaiser setzte sich, wie wir aus den Quellen erfahren, zur Wehr. Sofort sprangen aber ein Gefreiter, ein Kämmerer, ein Freigelassener und ein Gladiator dem Attentäter helfend zur Seite. In ihrem Handeln zeigt sich, dass Domitian nicht nur innerhalb der römischen Elite viele Feinde hatte, sondern auch unter seinen eigenen Hofangestellten. Der Kaiser bekam also selbst von denjenigen Personen keine Unterstützung, die ihren gesellschaftlichen Aufstieg allein ihm zu verdanken hatten. Die Illoyalität der Angestellten hatte aber ebenfalls einen Grund, denn sie erinnerten sich noch gut daran, wie Domitian mit dem kaiserlichen Freigelassenen Epaphroditus umgegangen war. Dieser hatte Nero fast eine Generation zuvor bei seinem Selbstmord geholfen. Domitian ließ ihn dann wegen der Beihilfe zum Selbstmord hinrichten. Damit erwies der Kaiser einerseits dem Tyrannen gegenüber pietas (Frömmigkeit), was ihn beim Senat in ein schlechtes Licht rückte, und andererseits wollte er für seine eigenen Freigelassenen ein Exempel statuieren. Mit dieser, als Abschreckung gedachten Maßnahme, erreichte er aber, wie es das Verhalten seiner Freigelassenen bei seiner Ermordung zeigt, genau das Gegenteil. Der damals fast 45 Jahre alte Domitian unternahm in den letzten Minuten seines Lebens alles zu seiner Verteidigung mögliche: „Unterdessen hatte der Kaiser sich auf den Stephanus gestürzt, ihn zur Erde niedergerissen und lange mit ihm gerungen, indem er sich bald bemühte, ihm den Dolche zu entwinden, bald ihm, trotz seiner zerfleischten Finger, die Augen auszubohren“ (Sueton, Domitian XVII 2). Der Attentäter wurde anschließend von der zu spät gekommenen kaiserlichen Wache niedergemacht. Vor allem das Heer war wenig erfreut über die Ermordung des Kaisers. Hätten die Soldaten einen stringent handelnden Führer gefunden, so hätten sie die Ermordung ihres Oberbefehlshabers gerächt. Dass das Volk und die Soldaten, beides die bevorzugten Gruppen des Kaisers, letzten Endes jedoch nichts gegen die Mörder unternahmen, ist ein Beleg für die Stärke der von Vespasian erst neu konstitutierten Senatsaristokratie. Die ihr angehö-
Bewertung
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rende Kreise aus der direkten Umgebung des Kaiserhauses waren es dann auch, die für die Wahl des bereits erwähnten greisen Senators Nerva zum neuen Kaiser sorgten.
9. Bewertung Häufig findet sich in der modernen Historiographie eine psychologisierende Beschreibung des Domitian, die insbesondere nach Gründen für dessen angebliche Grausamkeit und Willkür sucht und sogar innerhalb der Regierungszeit nach einschneidenden Brüchen, die zu einem Wandel des Kaisers geführt hatten, fragt. Dem Charakter der Herrschaft des letzten Kaisers der Flavierdynastie kommt man auf diese Weise jedoch nicht wirklich näher, weil man dem Bild, das Sueton und insbesondere der römische Senat von ihm vermitteln wollten, aufsitzt. Wir können also nicht sagen, ob es wirklich stimmt, dass „man in Domitian einen geistig gestörten Menschen sehen muß, der gewissermaßen von Jugend auf psychisch nicht in Ordnung gewesen ist“ (Bengtson 1979). Zulässig ist es allein, das zu beurteilen, was wir über das politische Handeln des Kaisers in der geformten Überlieferung erfahren und was uns die kaiserliche Selbstdarstellung durch ihre Baupolitik und Münzprägung vermitteln möchte. Sucht man also nach dem Selbstverständnis des Domitian, ohne seinen Charakter interpretieren zu wollen, so lässt sich feststellen, dass er nicht die Herrschaftsauffassung eines traditionellen, sich an Augustus orientierenden römischen Kaiser hatte, sondern diejenige eines absolut regierenden hellenistischen Monarchen. Er versuchte, wie die hellenistischen Könige, seine Sieghaftigkeit darzustellen, lebte in einem riesigen Palast und stellte seinen Luxus ohne Scheu offen zur Schau. Nicht nur das erinnerte die römischen Untertanen an das, was ihnen die antiken Autoren über die Ptolemäer berichteten, sondern auch die einem ptolemäischen König ähnliche Fettleibigkeit des Kaisers. Gleiches gilt für die inzestuöse Beziehung zur eigenen Nichte, die an die Geschwisterheiraten der ptolemäischen Könige gemahnte. Dass dieser Vergleich nicht nur dem modernen Blickwinkel geschuldet ist, sondern auch von den antiken Menschen so gesehen werden konnte, zeigt uns das Zeugnis des christlichen Autors Tertullian (ca. 160 bis 220 n. Chr.). In seinem Werk De pallio (IV 5) vergleicht er den malus princeps („schlechten Kaiser“) Domitian mit Ptolemaios VIII., dessen Spottname auch „der Fettleibige“ war und der, wie kaum ein anderer Ptolemäer, sein Leben in Luxus und Schwelgerei zur Schau gestellt hatte. Wie Ptolemaios VIII. seine Nichte Kleopatra III. geheiratet hatte, so pflegte auch Domitian eine Beziehung zu seiner Nichte Julia. Gleichzeitig kam der Kaiser aber auch allen Pflichten, die den guten Monarchen vom schlechten Tyrannen unterscheiden, nach: Er sorgte für die Einhaltung des Rechts und für die Versorgung und das Wohlbefinden seiner Untertanen. Dass er mit dieser hellenistischen Herrschereinstellung, die Rom zuletzt im angeblich so großen Feind der Republik Marcus Antonius bekämpft hatte, nicht nur die von Augustus gesetzten Grenzen der politi-
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Domitian
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damnatio memoriae
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schen Korrektheit weit überschritt, ist offensichtlich. Dass der Senat dies in keiner Weise gut heißen konnte, liegt aufgrund der mit diesen Vorstellungen verbundenen Zurückdrängung senatorischen Einflusses auf der Hand. Der Senat verhängte nach dem Mord des Domitian eine Auslöschung der Erinnerung an ihn, was bedeutete, dass sein Name aus allen Urkunden zu tilgen war. Nicht nur auf offiziellen Dokumenten und Inschriften, sogar auf Papyri in Ägypten folgten die Untertanen dieser Anweisung. Trotz dieser damnatio memoriae war Domitian die letzte Totenehre bewahrt geblieben: Seine Amme Phyllis rettete den Leichnam und vermischte dessen Asche nach der Kremation mit derjenigen der Tochter des Titus, Julia, in der Grabstätte der Flavier – so konnte Domitian von niemandem mehr entfernt werden.
VI. Die Provinzen Das lateinische Wort provincia (von pro-videre, „Sorge tragen für etwas“) bezeichnete ursprünglich den Kompetenzbereich eines römischen Magistraten, insbesondere sein militärisches Kommando. Seitdem Rom im 3. Jahrhundert v. Chr. nicht-italische Territorien seinem Herrschaftsverband hinzufügte, erhielt der Begriff dann die noch heute mit ihm verbundene topographische Bedeutung: Es handelte sich nicht mehr nur um den auf ein bestimmtes Gebiet festgelegten Kommandobereich römischer Magistrate oder Promagistrate, sondern auch um die Kennzeichnung des entsprechenden Territoriums selbst. Die Verwaltung einer Provinz unterstand in republikanischer Zeit dem römischen Senat. Augustus, der eine umfassende provincia, also Kommandogewalt, vom Senat erhalten hatte, führte eine Unterscheidung für diejenigen Provinzen ein, die er selbst aufgrund ihrer militärischen oder wirtschaftlichen Bedeutung verwalten wollte – das waren die provinciae Caesaris. Die Provinzen, deren Administration beim Senat verblieb, hießen provinciae populi Romani. Letztere waren insbesondere diejenigen, in denen keine Legionen standen und die schon lange Zeit als befriedet galten. Die Verwaltung der senatorischen Provinzen oblag weiterhin den Prokonsuln, die der kaiserlichen hingegen senatorischen Proprätoren (legati Augusti pro praetore) prätorischen oder konsularen Ranges. Solche Legaten unterstanden der direkten Befehlsgewalt des Kaisers, sie besaßen also, anders als die Prokonsuln, keine eigenständige militärische Handlungsvollmacht (imperium). Seit der Zeit des Tiberius verwalteten Prokuratoren zudem neu gegründete Provinzen. Eine Sonderstellung in der römischen Provinzialordnung nahm Ägypten ein, dessen Verwaltung seit der Provinzwerdung im Jahr 30 v. Chr. einem Präfekten ritterlichen Ranges unterstand (praefectus Alexandreae et Aegypti). Ägypten wurde also nicht, wie eigentlich üblich, von einem Angehörigen des Senatorenstandes geleitet. Das lag vor allem daran, dass das Land am Nil einen nicht unwesentlichen Teil der Getreideversorung Roms garantierte und über große natürliche Ressourcen verfügte, die es einem Usurpator hätten ermöglichen können, den Kaiser in Gefahr zu bringen. Augustus wiederum sah allem Anschein nach eine Gefährdung seiner Herrschaft allein durch den Senatorenstand vorliegen und seine Nachfolger folgten ihm in dieser Ansicht. Vespasian, dem der Besitz Ägyptens den Kaiserthron gebracht hatte, nahm keine substantiellen Veränderungen am Provinzialsystem vor (siehe Tabelle), doch hob er die Freiheit Griechenlands, die Nero verkündet hatte, auf. Als Provinz Achaia kehrte das Land jetzt auch wieder de iure in den Reichsverband zurück und unterstand dem Senat. Das im Osten gelegene Kappadokien, das bisher unter Verwaltung eines Prokurators gestanden hatte, wurde mit Galatien zu einer Provinz zusammengefasst. Neu eingerichtet hat Vespasian die Provinz Kilikien. Ihr fügte der Kaiser zudem das bisherige Klientelkönigreich von Kommagene an, dessen Herrscher, der von Rom abhängige König Antiochos IV., abgesetzt wurde. Judäa, das bisher als prokuratorische Provinz unter der Oberaufsicht der
Zwei verschiedene Provinztypen
Sonderstellung Ägyptens
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Die Provinzen
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Provinz Syria gestanden hatte, ließ der Kaiser von nun an durch einen Senator prätorischen Ranges verwalten. Erst Domitian richtete aus den beiden Militärbezirken in Germanien die regulären Provinzen Germania inferior und superior ein. Der Sohn Vespasians memorierte deren Provinzwerdung, die wahrscheinlich nach dem Krieg gegen die Chatten 84 n. Chr. anzusetzen ist, sogar mit Münzen, die die Aufschrift GERMANIA CAPTA („auf die Eroberung Germaniens“) trugen. Die Provinz Moesia teilte Domitian 86 n. Chr. in Moesia inferior und Moesia superior auf, und Dalmatien stand, wahrscheinlich nur temporär, unter der Verwaltung eines Legaten prätorischen und nicht konsularen Rangs. Die provinziale Gliederung des Reichs zur Zeit der Flavier Senatsprovinzen
Kaiserliche Provinzen
Leitung durch Prokonsul mit konsularem Rang: – Africa – Asia
Leitung durch legati Augusti pro praetore mit konsularem Rang: – Britannia – Cappadocia – Dalmatia – Germania superior (zunächst Militärdistrikt, seit Domitian [85 n.Chr.?] reguläre Provinz) – Germania inferior (zunächst Militärdistrikt, seit Domitian [85 n.Chr.?] reguläre Provinz) – Hispania citerior (Tarraconensis) – Moesia (Teilung in Moesia superior und inferior unter Domitian [86 n.Chr.]) – Pannonia – Syria
Leitung durch Prokonsul mit prätorischem Rang: – Achaia (seit 74 n.Chr.) – Creta-Cyrenae – Cyprus – Hispania Baetica (Ulterior) – Macedonia – Gallia Narbonensis – Pontus et Bithynia – Sicilia
Leitung durch legati Augusti pro praetore mit prätorischem Rang: – Aquitania – Belgica – Cilicia – Iudaea (seit 71/73 n.Chr.) – Gallia Lugdunensis – Lusitania – Lycia et Pamphylia (seit 73/74 n.Chr.) Leitung durch einen ritterlichen Präfekten, einen Legaten oder einen procurator Augusti: – Aegyptus – Mauretania Tingitana – Mauretania Caesariensis – Numidia (Dioicesis, rechtl. zu Africa gehörend) – Sardinia (seit 74 n.Chr.)
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Die Grenzen an Rhein und Donau
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1. Die Grenzen an Rhein und Donau a) Der Bataveraufstand und die Erhebung des Treverers Iulius Classicus März 68 Juni 68 15. Januar 69 August 69
September 69 Dezember 69 Anfang Januar 70
März 70
Juli 70 September/Oktober 70
Erhebung des Vindex gegen Nero Thronbesteigung des Galba Tod des Galba Beginn des Bataveraufstands: Absprache des Vespasianers Antonius Primus mit dem germanischen Bataverfürsten Iulius Civilis; Kampf der Bataver gegen die Vitellianer Bündnis der Bataver mit den germanischen Canninefaten und Friesen Vereidigung der germanischen Legionen durch Iulius Civilis auf Vespasian Tod des Vitellius Wiederaufstellung der Vitellius-Bildnisse durch die Treverer, Unterordnung der vormals vitellianischen Legionen in Germanien unter den Trevererfürsten Iulius Classicus Ermordung des Kommandeurs der legio XXII Primigenia Gaius Dillius Vocula in Obergermanien auf Anstiftung des Iulius Classicus Schlacht bei Trier; Sieg des Quintus Petillius Cerialis über die Treverer Niederlage und Kapitulation der Bataver
Der Bürgerkrieg des Jahres 69 hatte direkte Auswirkung auf die Bewohner Galliens und Germaniens. Hauptprotagonisten wurden hier der germanische Stamm der Bataver und der gallisch-germanische Stamm der Treverer. Die genaue Abfolge der Ereignisse und vor allem die Beziehungen zwischen beiden Stämmen sind in diesem Zusammenhang schwer zu rekonstruieren, weil Tacitus, die einzige ausführliche Quelle zu den Ereignissen, diese verfälschend zu schildern scheint. Im Folgenden soll der Versuch einer Rekonstruktion unternommen werden: Die erste Provinz, die sich gegen das Regiment des Nero erhoben hatte, war die angesehenste der drei in Gallien, die Gallia Lugdunensis, unter ihrem Statthalter Gaius Iulius Vindex im März des Jahres 68 n. Chr. Vindex stammte aus einem alten gallischen Königsgeschlecht, dessen Mitglieder bereits seit langer Zeit das römische Bürgerrecht besaßen. Er war, wie bereits sein Vater, römischer Senator. Als ethnischer Gallier konnte es sich Vindex jedoch nicht anmaßen, persönlich den Kaisertitel anzustreben, weshalb er den römischen Senator Galba, den Statthalter der Provinz Hispania Tarraconensis, dazu veranlasste, die Kaiserwürde zu ergreifen. Vindex versuchte danach, auch die Legionen am Oberrhein und ihre gallischen Hilfstruppen für die Sache des Galba zu gewinnen. Diese erklärten jedoch, nach anfänglichem Zögern, unter der Führung des Verginius Rufus,
Gallia Lugdunensis im Vierkaiserjahr
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Die Provinzen
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Nerotreue Legionen Germaniens
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ihre Treue für Nero und zogen gegen den Usurpatorenhelfer Vindex in die Schlacht. Nach einer vernichtenden Niederlage bei Vesontio/Besançon nahm sich Vindex das Leben. Der Sieg nutzte den nerotreuen Rheinlegionen und Rufus jedoch nichts, denn inzwischen hatte Nero Selbstmord begangen, so dass der Senat am 8. Juni Galba zum neuen Kaiser ausrief. Rufus lehnte daraufhin eine eigene Usurpation ab, erkannte Galba als rechtmäßigen Prinzeps an und vereidigte seine Legionen auf den neuen Kaiser. Trotz der Anerkennung Galbas enthob dieser den Rufus seines Amtes. Besonders hart traf es die gallischen und germanischen Hilfstruppen des Rufus, die Galba mit Steuern und Gebietsverlusten abstrafte. Die Gallier und Germanen, die Nero die Treue gehalten hatten, dürften ihr Vertrauen auf die römische Herrschaft verloren haben, waren sie doch nicht für ihre eigenen Interessen, sondern für einen rechtmäßigen Kaiser ins Feld gezogen. Eine der wesentlichen Ursachen für den späteren Aufstand gallischer Hilfstruppen war damit gelegt. Ein halbes Jahr nach dem Machtantritt Galbas begann der Befehlshaber der untergermanischen Legionen, Aulus Vitellius, den Putsch gegen Galba, dem sich alle Legionen in Germanien, ebenso wie die Statthalter der Provinzen Belgica und Gallia Lugdunensis und auch die Legionen in Britannien anschlossen. Die Treverer und Lingonen, ebenso die im Mündungsgebiet des Rheins siedelnden germanischen Bataver, wurden damit erneut in die innerrömischen Konflikte hineingezogen. Nach dem Tod Galbas und der Proklamation des Vitellius hielten die Treverer ihm die Treue, als Vespasian sich gegen ihn erhob: Abermals standen sie also auf Seiten des rechtmäßigen Kaisers. Die Bataver wandten sich hingegen unter ihrem Fürsten Iulius Civilis der flavischen Bürgerkriegspartei zu. Civilis hatte als römischer Bürger und Offizier der Hilfstruppen bereits reichhaltige Erfahrung in römischen Militärdiensten gesammelt. Den Anlass dazu, inmitten des vitellianischen Einflussgebietes vom legitimen Kaiser abzufallen, boten ihm die als große Belastung empfundenen Truppenaushebungen durch Vitellius. Verbündete fand der Bataverfürst in den beiden benachbarten germanischen Stämmen der Canninefaten und Friesen, die ebenfalls die beständigen Belastungen nicht mehr ertragen wollten. Angestiftet oder unterstützt hat diese Erhebung der Germanen Antonius Primus, einer der wichtigen Generäle der flavischen Partei. Den Flaviern war nämlich daran gelegen, vitellianische Truppen in Germanien zu binden und sie auf diese Weise vom Kampf um Italien fernzuhalten. Begünstigt wurde die Erhebung zudem noch durch Meutereien innerhalb der Legionen in Germanien. Die gallischen Hilfstruppen hingegen standen in unverbrüchlicher Treue zum rechtmäßigen Kaiser Vitellius und hatten damit abermals die Seite des letztlichen Verlierers gewählt. Als dieser den Kampf um den Thron verloren hatte, schritten schließlich auch sie zum Aufstand. Für Vespasian ergab sich nun ein Problem, denn er musste nicht nur die aufständischen Treverer wieder zur Räson bringen, sondern auch noch den germanischen Bataver Iulius Civilis. Dieser hatte nämlich nach dem Sieg des Vespasian keinesfalls seine Erhebung beendet, sondern offenbarte jetzt, worum es ihm wirklich ging: um den Abfall von Rom. Zudem erhoben sich nun in Gallien auch die Treverer, und Tacitus stellt beide Erhebungen als eine gemeinsame Aktion der Gallier und Germanen dar.
Die Grenzen an Rhein und Donau
Der gallische Kampf für die Freiheit von Rom (Tacitus, Historien IV 54)
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Inzwischen hatte die in Gallien und Germanien vernommene Kunde vom Tod des Vitellius die Wucht des Krieges verdoppelt. Denn Civilis ließ nun die Maske fallen und stürmte auf das römische Volk los, die vitellianischen Legionen wollten sogar eher die Knechtschaft durch fremde Völker als die Herrschaft Vespasians ertragen. Die Gallier hatten ihr Haupt erhoben, in der Meinung, das Schicksal unserer Heere sei überall das gleiche. … Aber nichts hatte sie so sehr wie der Brand des Kapitols im Glauben bestärkt, das Ende für das Reich sei gekommen: Einst sei zwar die Hauptstadt von den Galliern erobert worden, aber da Jupiters Sitz unversehrt geblieben sei, habe das Reich weiterbestanden; jetzt sei durch das schicksalsgegebene Feuer ein Zeichen himmlischen Zorns gegeben worden, und die Weltherrschaft werde den Völkern jenseits der Alpen verheißen – in lächerlichem Aberglauben (superstitione vana) verkündeten es jedenfalls die Druiden. Verbreitet hatte sich das Gerücht, die von Otho gegen Vitellius ausgesandten Häuptlinge Galliens hätten sich vor ihrer Abreise verpflichtet, die Sache der Freiheit (für sich selbst) nicht zu verraten, wenn die ununterbrochene Reihe der Bürgerkriege und die Nöte im Inneren die Kraft des römischen Volkes gebrochen hätten. (Übersetzung H. Vretska)
Der Bericht des Tacitus setzt nach der Niederlage des Vitellius ein. Der antike Historiker zeigt hier, dass der Bataver Civilis, der zunächst als Verbündeter des Flavier im Kampf gegen Vitellius aufgetreten war, nun ganz offen seine eigenen Interessen verfolgte. Der Germane schritt zur offenen Sezession. Das große Problem für Rom bestand jetzt darin, dass die Legionen des Bürgerkriegsverlierers Vitellius allem Anschein nach nicht mehr zu einem entschlossenen Handeln gegen die aufständischen Germanen fähig waren, weil viele römische Soldaten in Germanien keinesfalls dazu bereit waren, Vespasian als rechtmäßigen Kaiser anzuerkennen. Die Tiefe und Unüberbrückbarkeit des Risses, der durch das Reich ging, verdeutlicht Tacitus mit der Ansicht, dass die römischen Soldaten lieber die Knechtschaft (servitus) durch ein fremdes Volk ertragen wollten. Letztlich stellten sich diese Legionen damit außerhalb des römischen Gemeinwesens. An dieser Stelle kommen nun die Treverer ins Spiel, die gemeinsam mit den Lingonen ebenfalls die Erhebung wagten. Die Hauptpersonen auf gallischer Seite waren der Trevererfürst Iulius Classicus und der Lingone Iulius Sabinus. Noch zwei weitere Treverer waren wichtig: Iulius Tutor und Iulius Valentinus. Die gesamte Führungsschicht des Aufstandes bestand aus militärisch in römischen Diensten stehenden Adligen, deren Familien von der Förderung einheimischer Eliten durch Rom überaus profitiert hatten und die seit langer Zeit römische Bürger waren. Diese Männer, die ihren wirtschaftlichen, sozialen und politischen Erfolg der Protektion durch Rom verdankten, stellten sich jetzt gegen das Reich und ließen damit ihre gesamte romtreue Familientradition und Herkunft hinter sich, in der Hoffnung, ein eigenes Reich aufbauen zu können. Das ist es auf jeden Fall, was uns Tacitus über den Aufstand berichtet.
Iulius Civilis
Iulius Classicus und Iulius Sabinus
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Die Provinzen
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Zwei voneinander zu trennende Erhebungen
Das imperium Galliarum
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Bei genauer Lektüre des obigen Quellenauszugs lässt sich feststellen, dass Tacitus sehr genau zwischen den Interessen des germanischen Bataverfürsten Civilis und denen der Gallier unterscheidet. Hören wir über die Ziele des Ersteren nichts, außer dass der Bataver „seine Maske fallen“ ließ, so suggeriert uns Tacitus klare politische Ziele auf Seiten der Gallier und er benennt mit den Druiden auch die geistigen Brandstifter. Unter Ausnutzung des römischen Bürgerkrieges erhoffte man nicht nur die Freiheit (libertas), sondern sogar die Weltherrschaft (possessio rerum humanarum). Die religiöse Legitimierung hierfür lieferten die Druiden, die sich auf das göttliche Zeichen der Zerstörung des Kapitols während des Bürgerkrieges von 69 n. Chr. berufen konnten. Wenn es sich bei dieser druidischen Weissagung nicht um eine Erfindung des Tacitus handelt, dann reichte das kulturelle Gedächtnis der Gallier mit ihrer schriftlosen Tradition also weit über 400 Jahre zurück. Im Jahr 387 v. Chr. nämlich hatten sie Rom unter dem Gallierfürsten Brennus erobert, und daran erinnerten die Druiden ihre Landsleute. Nur durch eine beträchtliche Lösegeldzahlung konnten die restlichen auf dem Kapitol verschanzten Römer damals den Abzug der Gallier erkaufen und der heiligste Ort Roms blieb unerobert. Jetzt, wo das Kapitol zerstört war, musste es möglich sein, die römische Weltherrschaft durch die gallische zu ersetzen. Selbstverständlich kann Tacitus dies als „lächerlichen Aberglauben“ abtun, weiß er doch, dass die Gallier letztlich den Krieg verloren hatten. Anders als Tacitus es uns in seinem Bericht über den Bataveraufstand schildert, lässt sich bei kritischer Lektüre weiterhin feststellen, dass die Erhebung der Gallier nicht mit dem Krieg des Bataverfürsten gegen Rom in Zusammenhang stand. Zwar schreibt Tacitus (Historien IV 57), dass Bataver und Gallier einen festen Bündnisvertrag geschlossen hätten. Aus seiner Schilderung geht aber zudem hervor, dass die Treverer weiterhin dem Vitellius die Treue hielten, selbst als dieser längst ermordet war: Überall in Gallien und in den Legionslagern stellten sie die Bildnisse des gestürzten Vitellius wieder auf (Tacitus, Historien IV 37). Solche Aktionen sind nur dann verständlich, wenn die Treverer nicht mit den Batavern, also den Gegnern des Vitellius paktierten. Eine folgenreiche Maßnahme der Treverer war zudem die Ermordung des Vespasiananhängers und Mainzer Legionskommandanten Dillius Vocula (Tacitus, Historien IV 59). Wie nach Tacitus die angeblich angestrebte gallische Weltherrschaft auszusehen hatte, zeigt das nach der Ermordung des Vocula vorgenommene symbolische Handeln des Trevererfürsten Iulius Classicus: Er nahm die Insignien römischer Amts- oder Herrschergewalt (insignia Romani imperii) an und vereidigte die römischen (!) Truppen auf das imperium Galliarum. An diesen Ausführungen zeigt sich also bereits, dass der Bericht des Tacitus mehr als problematisch ist. Mit Timpe (2005) lässt sich formulieren: „Trotz ihrer Ausführlichkeit ist der taciteischen Schilderung ein klares, umfassendes und eindeutiges Bild der Vorgänge kaum zu entnehmen.“ In der Forschung gibt es deshalb zwei Richtungen der Interpretation des Gallieraufstandes. Die einen tendieren dazu, den Bericht des Tacitus in seinen zentralen Aussagen Glauben zu schenken (Brunt 1990). Es wäre den Treverern also darum gegangen, ein eigenes gallisches Großreich aufzubauen. Die anderen sehen hierin hingegen eine vespasiantreue Geschichtsfälschung des Tacitus, der aus einer innenpolitischen Bedrohung eine außen-
Die Grenzen an Rhein und Donau politische Gefahr machen möchte (Urban 1985). In Wirklichkeit hätte es sich nämlich um einen erneuten Versuch der Usurpation der römischen Kaiserherrschaft gehandelt, der diesmal von dem Gallier Iulius Classicus unternommen wurde. Besonders wichtig für eine derartige Interpretation ist die Schilderung des Tacitus über die Annahme der römischen Amtsinsignien durch Classicus. Sie kann nämlich als Versuch des Galliers gewertet werden, nach dem Vorbild Galbas (s.o.) als Usurpator und Oberbefehlshaber über die Truppen Germaniens vom Senat Roms anerkannt und letztlich zum Kaiser ausgerufen zu werden. So wird aus dem von Tacitus geschilderten Bestreben der Gallier, ein eigenes Reich aufzubauen, eine gegen den legitimen Kaiser Vespasian meuternde römische Armee, die von gallischen Hilfstruppen große Unterstützung erfuhr und aufgrund mangelnder Führungspersönlichkeiten italischer Herkunft ihre Geschicke in die Hände eines gallischen Fürsten legte. Da wir allein den gefärbten Bericht des Tacitus haben, ist letztlich nicht zu entscheiden, wie es wirklich war. Sicher ist aber, dass es dem Treverer Classicus nicht gelang, den regional beschränkten Rahmen seiner Erhebung zu durchbrechen und sie zu einer gemeingallischen Bewegung zu machen oder, je nach Interpretation, zu einem von weiten Teilen anerkannten Usurpator der Kaiserwürde zu werden. Die aus Süden anmarschierenden vespasianischen Truppen zwangen die gallischen Empörer zum Rückzug ins Trevererland an der Mosel. Teile der Treverer, vielleicht gar der Anführer Classicus selbst, versuchten nun, sich zu Civilis abzusetzen und gemeinsam mit dem ehemaligen Feind gegen die flavischen Truppen zu kämpfen. In Eilmärschen unterband der römische Befehlshaber Quintus Petillius Cerialis diese Bestrebungen. Er fiel rechtzeitig in Trier ein und gewann die Stadt im Juni 70 für Rom zurück. Von hier aus konnte er sowohl die verbliebenen treverischen und lingonischen Verbände und bald darauf, im Herbst des Jahres 70, auch den Bataverfürsten Civilis besiegen. Die Römer integrierten die Bataver daraufhin wieder in das römische Hilfstruppensystem und gingen recht glimpflich mit ihnen um, wohl vor allem deshalb, weil die Bataver vormals gegen Vitellius gekämpft hatten. Die Reitereinheit der Treverer hingegen wurde aufgelöst, und insgesamt ist davon auszugehen, dass Vespasian mit den gallischen Rebellen nicht so milde wie mit den Batavern umging; die einstmals militärisch so berühmte Adelsschicht wurde ausgetauscht und neue Männer bestimmten von nun an die Geschicke des Stammes. Für Trier bedeutete das jedoch keinen Abstieg, sondern es war die Stunde Null eines wirtschaftlichen Aufstiegs und der Beginn der sogenannten bürgerlichen Blütezeit der Stadt (vgl. Heinen 1985). Vor den besiegten Treverern hielt der siegreiche römische General eine Rede, die uns einen treffenden Einblick in das Verständnis oder richtiger die Legitimation römischer Herrschaft über Gallien gibt.
Die Rede des römischen Generals Cerialis in Trier (Tacitus, Historien IV 73–74)
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Quellenproblematik
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Euer Land und das der übrigen Gallier haben römische Feldherrn und Imperatoren betreten, nicht aus Eigennutz, sondern auf Hilfegesuch eurer Vorfahren, die inne-
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rer Hader bis an den Rand des Untergangs trieb, während die zu Hilfe gerufenen Germanen ihren Bundesgenossen so, als wären sie Feinde, das Joch der Knechtschaft auferlegt hatten. … Und nicht deshalb haben wir den Rhein besetzt, um Italien zu schützen, sondern damit kein zweiter Ariovist die Zwingherrschaft über Gallien an sich reiße. Oder glaubt ihr etwa, dem Civilis und seinen Batavern sowie den rechtsrheinischen Germanen teurer zu sein, als es ihren Vorfahren eure Väter und Großväter gewesen sind? Die Germanen haben immer die gleiche Ursache, nach Gallien herüberzukommen: Willkür, Habsucht und Lust, ihre Wohnsitze zu wechseln …: Allerdings, Freiheit und andere prächtige Namen dienen als Vorwand. … Zwingherrschaften und Kriege hat es in Gallien immer gegeben, bis ihr unserer Rechtsordnung beigetreten seid; wir haben … euch nach Siegesrecht nur das auferlegt (i.e. Tribute), womit wir den Frieden schützen können … alles übrige habt ihr mit uns gemeinsam. (in Auszügen; Übersetzung H. Vretska)
Gerechte Kriege
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Es ist unwahrscheinlich, dass Cerialis diese, hier nur in Auszügen zitierte Rede wirklich gehalten hat. Vielmehr dürfte Tacitus sie ihm in den Mund gelegt haben, um so das Selbstverständnis römischer Herrschaft über fremde Völker illustrieren zu können. In den Worten des Generals zeigt sich dann auch recht anschaulich, wie Rom versuchte, seine Herrschaft über selbst ferne Gegenden der bewohnten Welt zu legitimieren. Allein das Bemühen um den Schutz Roms (durch die Eroberung der Rheingrenze) reichte hierzu nicht mehr aus, denn die römische Sicherheit musste nicht an der Rheingrenze verteidigt werden – das Bollwerk der Alpen reichte dazu aus. Die Gebietsgewinne waren also anders zu begründen, und hierzu diente das römische ‚Dogma‘ vom gerechten Krieg (bellum iustum). Dem römischen Selbstverständnis entsprechend war es nämlich nicht möglich, einen Krieg ohne moralisch-religiöse Rechtfertigung zu führen. Der Aufbau des römischen Weltreichs war in diesem Sinne das notwendige Ergebnis von ständigen Verteidigungskriegen, die Rom für sich selbst oder zum Schutz von Bundesgenossen oder Verbündeten führte. Und genau hierauf spielt der Feldherr im ersten Teil seiner Rede an: Auf die Eroberung Galliens durch Gaius Iulius Caesar. Faktisch hatte sich diese Landnahme als aggressiver Eroberungskrieg gestaltet, der selbst aus römischer Sicht nicht als „gerechter Krieg“ gewertet werden konnte. Caesar versuchte, die Eroberung Galliens in seinem Werk über den „Gallischen Krieg“ (I 33–37) jedoch mit der von Cerialis zitierten Argumentation genau als einen solchen Krieg darzustellen und sein rechtswidriges Vorgehen gegenüber seinen Konkurrenten um die Macht in Rom zu legitimieren. Die Häduer und Treverer, also in der Tat die „Großväter“ der in Trier angesprochenen Gallier, hätten Caesar zu Hilfe gerufen: Der Römer möge sie vor dem Germanenköng Ariovist und seinem Volk der Sueben beschützen. Ariovist hatte zunächst in einem innergallischen Konflikt einem Stamm beigestanden. Danach setzte er sich in einem Teil Galliens fest und presste den dortigen Galliern Tribute ab. Caesar begründet seinen Krieg und die Eingliederung Galliens in den Reichsverband nun damit, dass er Gallien vor den Germanen schützen müsse. Weiterhin führt er an, dass er Rom vor den Germanen dadurch ebenfalls bewahre; säßen diese erst einmal in Gallien, dann wäre der Weg für sie nach Rom nicht
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mehr weit. Diesen Teil der caesarischen Apologie seines Angriffskrieges unterschlägt uns Tacitus. In seiner für Cerialis kreierten Rede sieht es nun so aus, als ob das von den Römern geschützte Gallien in der Gefahr stehe, von einem Germanen in die Sklaverei gebracht zu werden. Dieser Germane würde die Parole „Freiheit von römischer Herrschaft“ nur als Vorwand benutzen, ebenso wie es damals Ariovist getan hätte. Rom hingegen erfülle lediglich seine Pflicht, die Gallier vor den Germanen zu schützen. Keinesfalls bestreitet Cerialis aber, dass die Gallier unter römischer Herrschaft in Unfreiheit leben. Er argumentiert nämlich nicht, dass sie unter den Römern frei wären. Vielmehr gibt er ganz offen zu, dass die Treverer Tribute entrichten müssen, die aber aber einem höheren Ziel dienten. Mit ihnen garantierten die Gallier nämlich die Schlagkräftigkeit des römischen Heeres, das sie vor den Germanen beschützt. Ansonsten seien die Gallier aber in Allem den Römern gleichgestellt. Die Freiheit (libertas) hätten sie damit letztendlich gegen viel wichtigere Güter eingetauscht: den Frieden (pax) und den Wohlstand, die nur durch Rom gewährt werden können. Ohne die römische Rechtsordnung (ius) würde es in Gallien wieder wie vorher zu Zwingherrschaften und Kriegen (regna bellaque) kommen: „Denn sollten … die Römer aus dem Land getrieben werden, was wird dann anderes entstehen als Kriege aller Völker gegeneinander“ (Tacitus, Historien IV 74,3). b) Weitere Konflikte mit den Germanen 72/73–74/75
Eroberung des Schwarzwaldgebietes durch Gnaeus Pinarius Cornelius Clemens Frühsommer 831 Feldzug Domitians gegen die Chatten in der Wetterau Ende 83 Triumphzug in Rom, Annahme des Siegerbeinamen Germanicus durch Domitian Herbst (?) 84 Gründung der Provinzen Germania superior und Germania inferior Juni (?) 85 Dakereinfall, Niederlage des Statthalters C. Oppius Sabinus Herbst 85 Persönliche Anwesenheit des Domitian in Moesien, Sieg über die Daker 86 Triumphzug in Rom Juni 86 Beginn eines römischen Rachfeldzuges in das dakische Gebiet durch Cornelius Fuscus; vernichtende Niederlage der römischen Truppen im Feindesland Herbst 86 Niederwerfung der Daker Januar 89 Saturninus-Aufstand (s.o.) Anfang 892 Feldzug gegen die Chatten Frühjahr 89 Strafexpedition gegen Markomannen und Quaden Sommer 89 Friedensschluss mit dem Dakerkönig Decebalus 92 Unterwerfung der Jazygen 97 Sieg über die Markomannen Das Römische Reich hatte zwei besonders gefährdete Grenzen. Die eine lag in Mesopotamien, wo man sich vor den Völkern des Ostens schützen musste. Hier herrschte in der Zeit der Flavier weitgehend Ruhe. Anders sah
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das hingegen an der Rhein- und Donaugrenze aus, wo es zu immer wieder aufflammenden Konflikten mit den zahlreichen germanischen Völkern kam. Diese fühlten sich durch die Schwäche des Reichs im Vierkaiserjahr zu gewagteren Vorstößen ermutigt. An erster Stelle stand für Vespasian deshalb die Aufgabe, die während des Bürgerkrieges und der einheimischen Aufstände schwer in Mitleidenschaft gezogenen Legionsstandorte neu zu befestigten. Weiter oben wurde bereits beschrieben, dass Vespasian zudem einen Austausch der Legionen an der Rheingrenze vornahm. Des Weiteren nahm er, nach den Erfahrungen mit den Batavern und Treverern, von der bisherigen Praxis abstand, Hilfstruppen (Auxilien) aus der lokalen Bevölkerung zu rekrutieren. Jetzt kamen die an der Rheingrenze stationierten Auxiliareinheiten aus Spanien und dem Donauraum.
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Grenzverkürzung
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Hilfstruppen, auxilia Hilfstruppen waren militärische Infanterie- und Kavallerieeinheiten, die aus der Provinzialbevölkerung rekrutiert wurden. Die Fußtruppen (cohortes) setzte Rom für einfachere militärische Aufgaben ein; sie sollten vor allem die Legionen unterstützen. Im örtlichen Vorfeld der Legionsstandorte übernahmen sie die Grenzverteidigung. Von besonderer Bedeutung waren zudem die auxiliaren Reitereinheiten (alae). Nach ihrer 25-jährigen Dienstzeit erhielten die Auxiliarsoldaten das römische Bürgerrecht.
Man hatte zudem festgestellt, dass in Notsituationen rasche Truppenverschiebungen von der Donau an die Rheinfront nur schwer zu bewerkstelligen waren, da man immer zu einem erheblichen Umweg die Donau hinauf nach Westen zum Rheinknie bei Basel und dann erst den Rhein hinunter nach Norden gezwungen war. Eine Verminderung der Grenzlänge im Dreieck zwischen Rhein und Donau war also das Gebot der Stunde. Vespasian, der die Verhältnisse in der Gegend aufgrund seiner Befehlshaberschaft der legio II Augusta bei Straßburg gut kannte, erreichte deshalb durch die Eroberung des Schwarzwaldgebietes – der agri decumates – eine erhebliche Verkürzung der Grenze. Der wichtigste Feldherr dieser Zeit war der obergermanische Legat Cn. Pinarius Cornelius Clemens (zwischen 72/73–74/75 n. Chr.), der für seine Kriegsführung die Triumphalinsignien erhielt. Domitian folgte der Politik seines Vaters: Er führte 83 n. Chr. mit fünf Legionen und unterstützenden Einheiten (vexillationes) des britannischen Heeres Krieg in der Wetterau gegen das germanische Volk der Chatten, der zur abschließenden Eroberung dieses Gebietes führte. Die „Kriegslist“ des Domitian (Frontinus, Kriegslisten I 1,8) Als der Kaiser Caesar Domitianus Augustus Germanicus die Germanen, die unter Waffen standen, unterwerfen wollte, aber wohl wusste, dass sie mit noch größeren Rüstungen den Kampf aufnehmen würden, wenn sie von der Ankunft eines so großen Feldherrn vorher erführen, nahm er zum Vorwand seiner Reise die steuerliche Erfassung Galliens. Währenddessen fiel er in unerwartetem Angriff über die wilden Barbarenvölker her, bändigte ihren aufrührerischen Sinn und trug für die Sicherheit der Provinzen Sorge. (Übersetzung G. Bendz)
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Von einem weiteren Ausgreifen in die östlich der Wetterau gelegenen chattischen Kerngebiete sah Domitian ab, was zeigt, dass er letztlich nur die von Vespasian begonnene Politik der Arrondierung der Reichsgrenze fortführte und gleichzeitig den Nutzen daraus zog, als siegreicher Kaiser seine Herrschaft zu legitimieren. Der Germanensieg diente ihm nämlich nach seinem Regierungsantritt vor allem dazu, seine sogenannte „kaiserliche Tugend“ (virtus imperatoria) aufzuweisen. Was der Sieg über Judäa für Vespasian und Titus bedeutete, war der Sieg über den stärksten und bedeutendsten Germanenstamm an der Rheingrenze für Domitian (vgl. Strobel 1987). Von der persönlichen Anwesenheit des Kaisers im Legionslager Mainz während des Chattenkrieges oder anlässlich der Niederschlagung des Saturninusaufstandes 89 n. Chr. zeugen auch epigraphische Belege. So fand der Vorkoster des Kaisers Zosimus hier seinen Tod und man setzte ihm einen Grabstein. Der Grabstein des Tiberius Claudius Zosimus (AE 1976, 504 = Schuhmacher 1988, Nr. 209)
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Den Totengöttern (geweiht). Für Tiberius Claudius Zosimus, den kaiserlichen Freigelassenen, Chef der Vorkoster (procurator praegustatorum) des Kaisers Domitianus Caesar Augustus Germanicus; dieses Grabmal soll den Erben nicht zur Verfügung stehen.
Da Domitian auf diesem Grabstein den Siegernamen Germanicus führt, muss Zosimus nach Ende 83 n. Chr. gestorben sein. Der Vor- und Gentilname Tiberius Claudius geben zu erkennen, dass Zosimus von Kaiser Claudius oder, wahrscheinlicher, von Nero freigelassen worden war. Innerhalb des Kaiserhauses lässt sich also auf der Ebene der Freigelassenen eine Kontinuität zwischen Nero und den Flaviern konstatieren. Der letzte Satz der Inschrift ist eine stereotype Formel, die ausschließen soll, dass die Nachfahren ein Nutzungsrecht am Grab haben. Zwei Jahre später führte Domitian einen zweiten Krieg gegen die Chatten. Nach dem Sieg schuf er, wahrscheinlich 84 oder 85 n. Chr., die beiden Provinzen Ober- und Untergermanien (Germania superior und Germania inferior). Bis dahin hatte am Rhein nur ein zweigeteilter Militärbezirk existiert, der zeigen sollte, dass man beabsichtigt hatte, ganz Germanien zu erobern. Die beiden neuen Provinzen standen unter der Leitung jeweils eines Legaten, des legatus Augusti pro praetore. Hauptstadt von Obergermanien war Köln/Colonia Agrippinensis, von Untergermanien Mainz/Mogontiacum. Wenn der Kaiser in Rom mit Münzen verkündete, er habe Germanien erobert (GERMANIA CAPTA), dann ist das nicht ganz richtig, denn neben den beiden germanischen Provinzen gab es noch das große Gebiet des sogenannten freien Germanien links des Rheins. Domitian konnte mit der Gründung beider Provinzen aber von sich behaupten, den Plan des Augustus zur Eroberung Germaniens verwirklicht zu haben. Die senatorische Geschichtsschreibung macht sich aufgrund der angeblichen Lüge des Domitian über den Kaiser lustig. Zu bedenken ist jedoch, dass es neben dem weitgefassten
Einrichtung der Provinzen Ober- und Untergermanien
Germania capta
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auch einen enggefassten Germanienbegriff gab, der sich auf die germanischen Gebiete westlich der späteren Limesgrenze beschränkte – wirklich falsch ist die Behauptung von der Eroberung Germaniens deshalb nicht; Domitian interpretiert die Fakten nur anders, als es seine Zeitgenossen vielleicht gewohnt waren, und befreite die römische Führungsschicht damit, wie es Eck (2004) festhielt, von der Einlösung des unerfüllbaren augusteischen Anspruchs auf eine Eroberung Gesamtgermaniens. Die Besetzung der Wetterau und des Taunus war die einzige Eroberung des Domitian, der sich ansonsten, wie sein Vater, darum bemühte, das Reich an den Grenzen zu sichern. Um etwa in dem für römische Legionäre nachteiligen, da dicht bewaldeten und unwegsamen Gelände eine schnelle Truppenverschiebung möglich zu machen, ließ er breite Schneisen von 120 Meilen (ca. 180 km) Länge in den Wald schlagen. Auf diese Weise konnten sich die Legionäre besser schützen, wenn die Germanen sie, in Guerilliamanier, aus dem Dickicht des Waldes heraus angriffen.
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Die Maßnahmen zur Befriedung germanischer Völker (Frontinus, Kriegslisten I 3,10) Als die Germanen nach ihrer Gewohnheit aus Waldschluchten und dunklen Verstecken heraus die Römer immer wieder überfielen und dabei einen sicheren Rückzug in die Tiefen des Waldes hatten, ließ der Kaiser Caesar Domitianus Augustus mehrere breite Schneisen 120 Meilen in den Wald vortreiben. Er bewirkte dadurch nicht nur eine Veränderung in der Art der Kriegsführung, sondern auch, dass die Feinde, deren Schlupfwinkel er bloßgelegt hatte, sich ihm unterwarfen. (Übersetzung G. Bendz)
Einfall der Daker
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In der Zeit des Domitian sollen zudem die ersten Anlagen des obergermanischen Limes im Taunus entstanden sein. Zunächst bestand der Limes nur aus hölzernen Wachtürmen, die zum Schutze des Grenzweges (= limes) dienten. Eine wirkliche Befestigung mit Hilfe von Kastellen begann möglicherweise aber erst unter Trajan, wie es die Auswertung von Münzfunden wahrscheinlich macht (Kortüm 1998). Neben den Vorfällen an der Rheingrenze befand sich auch die Donaugrenze zeitweise in prekärer Lage. So überquerten die nördlich der unteren Donau siedelnden thrakischen Daker wahrscheinlich im Juni 85 n. Chr. den Fluss und fielen in das Reichsgebiet ein. Der Angriff überraschte Rom, und der Statthalter der dortigen Provinz Moesia, C. Oppius Sabinus, verlor die Schlacht und sein Leben. Noch im Herbst des gleichen Jahres erfolgte der römische Vergeltungsschlag, und Cornelius Fuscus besiegte unter persönlicher Anwesenheit des Kaisers die Daker. Bei dem im Jahr 86 n. Chr. durchgeführten Rachefeldzug nach Dakien hinein erlitten die Römer aber eine vernichtende Niederlage und Fuscus fiel in den Kämpfen. Für den Kaiser, der sich gerade noch aufgrund seines Dakersieges in Rom hatte feiern lassen, bedeutete das eine große Blamage. Er brach sofort wieder in Richtung Dakien auf und unterwarf die Daker erneut. Erst im Sommer des Jahres 89 n. Chr. stellte Domitian durch die Annahme der Kapitulation des Dakerkönigs Decebalus endgültig den Frieden her. Dieser war für Rom nötig ge-
Britannien
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worden, weil Domitian im Frühjahr 89 n. Chr. zu einer Strafexpedition gegen die Markomannen und Quaden aufbrechen musste. Beides waren germanische Stämme, die zur Gruppe der Sueben gehörten und in der Gegend zwischen der oberen Elbe und der Donau siedelten. Sie waren ihren Verpflichtungen zur Stellung von Truppen an Rom nicht nachgekommen. Nach unverhofften Siegen der Markomannen schlossen sich ihnen die östlich von ihnen, ebenfalls links der Donau siedelnden Jazygen an, so dass neue Gefahr für die Grenze drohte und der Frieden mit den Dakern geboten war. Rom wollte schließlich nicht gegen alle Völker nördlich der Donaugrenze auf einmal Krieg führen. 92 n. Chr. unterwarf Domitian dann die Jazygen und 97 n. Chr. die Markomannen. Mit der Etablierung der neuen Grenze zwischen Rhein und Donau und nach den Siegen Domitians über die Chatten war die Rheingrenze des Imperiums derart stabilisiert, dass hier sieben Jahrzehnte lang Ruhe herrschte und von den zuvor neun/acht Legionen nur noch drei zu ihrer Sicherung nötig waren.
2. Britannien Bis zum Jahr 47 n. Chr. hatten die römischen Legionen den Süden Britanniens erobert. Mit dem nördlich hiervon lebenden Volk der Briganten schlossen die Römer um 50 n. Chr. einen Vertrag, so dass der südliche, römische Teil der Insel in relativer Ruhe vor feindlichen Angriffen war. Die Briganten erhoben sich aber während des Vierkaiserjahres unter Führung der Königin Cartimandua (Tacitus, Historien III 45), „doch als Vespasian mit dem übrigen Erdkreis auch Britannien wiedergewann, da gab es große Feldherren, ausgezeichnete Heere, und es schwand den Feinden die Hoffnung“ (Tacitus, Agricola XVII 1). Die großen Feldherren waren erstens Quintus Petillius Cerialis (71–74 n. Chr.), den wir bereits als Sieger über die Treverer kennengelernt haben und der den Brigantenaufstand niederschlug, zweitens Sextus Iulius Frontinus (74–77 n. Chr.), der uns in seinem Buch über die Kriegslisten (strategemata) unter anderem über die Germanienfeldzüge des Domitian berichtet hatte, und drittens Gnaeus Iulius Agricola (77–83 n. Chr.). Verbunden sind die flavischen Siege auf der Insel insbesondere mit dem Namen des Letzteren. Über ihn ist zudem eine Biographie mit dem Titel De vita Iulii Agricolae aus der Hand seines Schwiegersohnes Tacitus erhalten. Der Schriftsteller publizierte das Werk – eine Mischung aus Biographie, Grab- und Lobrede, Ethnographie und Historiographie – wahrscheinlich im Jahr 98 n. Chr. als seine erste Schrift. Bis zum Herrschaftsantritt Domitians hatten die drei genannten Feldherren Britannien bis zur Linie zwischen dem Firth of Clyde und dem Firth of Forth (ungefähr auf der Höhe des heutigen Glasgow) für Rom gewonnen – nördlich davon begann das schwer zu kontrollierende schottische Hochland. In den vier Jahren, die Agricola vor dem Beginn der Regierung Domitians schon Legat in Britannien war, kümmerte er sich besonders um die Infrastruktur auf der Insel.
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Agricola bringt den Briten die römische Zivilisation (Tacitus, Agricola XXI) Damit sich nämlich die zerstreut lebenden und rohen und deshalb zum Krieg neigenden Menschen durch Wohlleben an Ruhe und Muße gewöhnten, drängte er (scil. Agricola) sie persönlich und half ihnen von Staats wegen, Tempel, Märkte und Häuser zu errichten, lobte dabei die Bereitwilligen und schalt die Trägen: So wirkte Ehrsucht und Wettstreit statt Zwang. Fürstensöhne ließ er sogar schon in den edleren Wissenschaften erziehen. … Von jetzt an kam auch unsere Tracht in Ansehen, und häufig trug man die Toga. Allmählich verfiel man auch auf die Reize der Laster: auf Säulenhallen und Bäder und üppige Gelage. Und dergleichen galt den Unerfahrenen für feine Bildung (humanitas), während es doch ein Stück Knechtschaft (servitus) war. (Übersetzung R. Feger)
Die Vorteile römischer Kultur
Kaledonische Stämme wehren sich
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Das römische Konzept des „nation building“ sah also so aus, dass man versuchte, der einheimischen Bevölkerung die römische Zivilisation näherzubringen und im Speziellen die indigene Elite für die römische Kultur und deren Werte zu gewinnen. Das sollte derart geschehen, dass die Einheimischen, nach einer Erziehung hierzu, selbst den Sinn und Zweck und vor allem die Annehmlichkeiten der Kultur erkannten und sich daraus resultierend aus eigenem Antrieb hierfür interessierten: Sie sollten, wie es Tacitus schreibt, hierum miteinander wetteifern. Der Status der britischen Gesellschaft vor der Einführung römischer Zivilisation war für eine Beherrschung des Landes, so Tacitus, mehr als ungeeignet, da eine Ordnung, die das gemeinsame Leben regelte, fehlte, und die Menschen deshalb zum Krieg neigten. Ziel war es folglich, die Menschen in Städten zusammenzubringen und die Urbanisierung der neuen Provinz durch den Bau von Tempeln, Märkten, Wohnhäusern, Säulenhallen und öffentlichen Badeanstalten voranzutreiben. Die Briten, von Tacitus als „Unerfahrene“ charakterisiert, sahen hierin „feine Bildung“, die Römer hingegen wussten, dass dies in Wirklichkeit der Erreichung des Zieles galt, Britannien ruhig zu halten, den Briten die Freiheit zu nehmen und sie in Knechtschaft zu halten. Agricola begann dann 82 oder 83 n. Chr. auf Anweisung des Domitian mit der Eroberung schottischer Gebiete, indem er mit seinen Soldaten über den Isthmus des Firth of Clyde hinauszog (Tacitus, Agricola XXIX 2–XXXVIII 2). Der römische Feldherr stieß jedoch auf heftige Gegenwehr der dort lebenden kaledonischen Stämme und benötigte sieben Feldzüge, um die unter der Führung des Feldherrn Calgacus stehenden Eingeborenen zu schlagen. Tacitus stilisiert den Konflikt zwischen Agricola und Calgacus zu einem großen Freiheitskampf: Der kaledonische Fürst erscheint dabei als zweiter gallischer König Vercingetorix, der gegen Agricola als einen zweiten Caesar antritt. Der Kampf der Kaledonier für die Freiheit (Tacitus, Agricola XXX–XXXII) Calgacus spricht zu seinem Heer: „Sooft ich die Gründe dieses Kriegs und unsere Not betrachte, gewinne ich das gewisse Vertrauen, der heutige Tag und eure Ein-
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Britannien
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mütigkeit werde der Anfang der Freiheit für ganz Britannien sein. Denn allesamt seid ihr zusammengetreten, der Knechtschaft ledig, hinter uns ist kein Land mehr und das Meer selbst ohne Sicherheit, denn dort droht uns die römische Flotte. So sind Kampf und Waffen, für die Tapferen ehrenhaft, auch für die Feigen das Sicherste. … Uns hier am Rande der Erde, uns letzte Söhne der Freiheit, hat gerade unsere Entlegenheit und Verborgenheit vor der Welt bis zum heutigen Tag verteidigt. … Räuber der Welt, durchspüren sie (i.e. die Römer), nachdem den alles Verwüstenden die Länder ausgingen, nun auch das Meer – habgierig, wenn der Feind reich, ruhmsüchtig, wenn er arm ist; nicht der Osten, nicht der Westen hat sie gesättigt; als einziges von allen Völkern begehren sie die Fülle wie Leere mit gleicher Leidenschaft. Stehlen, Morden, Rauben heißen sie mit falscher Bezeichnung ‚Herrschaft‘, und wo sie Einöde schaffen, nennen sie das ‚Frieden‘. Dass einem jeden seine Kinder und Verwandten das Liebste seien, hat die Natur gewollt: Gerade sie werden durch Aushebung zum Sklavendienst (gemeint ist der Dienst in den Auxiliartruppen) außer Landes verschleppt; unsere Gattinnen und Schwestern werden, wenn sie der Gier des Feindes entrannen, unter dem Namen der Freundschaft und des Gastrechts geschändet. Güter und Vermögen werden zum Tribut, des Ackers jährlicher Ertrag zur Fruchtabgabe, die Leiber selbst und Hände unter Schlägen und Schimpf dazu verbraucht, Wälder und Sümpfe gangbar zu machen. … Hier ist ein Führer, hier ein Heer – dort Auflagen und Bergwerksfron und andere Sklavenplagen; ob wir diese ewig tragen oder sofort ahnden, darüber wird auf diesem Feld entschieden! (Übersetzung R. Feger)
Dass Tacitus hier eine tatsächlich gehaltene Rede Calgacus zitiert, ist mehr als unwahrscheinlich. Es dürfte sich vielmehr um eine, dem Fürsten von Tacitus in den Mund gelegte Ansprache handeln. Er lässt den Kaledonen ehrenhafte Worte über die Motive des britischen Freiheitskampfes gegen Rom sprechen. Der erste Teil hätte auch aus der Ansprache eines römischen Generals an die Legionen stammen können, denn in der Eintracht (consensus) lag die Kraft Roms und jeder Römer hatte das Ziel der Freiheit (libertas) vor Augen. Nicht ohne Grund hatte Vespasian schließlich (wie schon Vitellius) nach seiner Usurpation der Kaisermacht Münzen mit der Umschrift „Wiederherstellung der Freiheit“ (LIBERTAS RESTITUTA) prägen lassen. Nach diesem Aufruf zur Freiheit beginnt jedoch die Schilderung der spezifischen Situation der Kaledonier. Sie befinden sich am Ende der bekannten Welt, vor ihnen die römischen Legionen, hinter ihnen nur noch das Meer. Diese Ausweglosigkeit sorgt umso mehr für Eintracht, sind doch jetzt selbst die Feigen dazu gezwungen, zur Waffe zu greifen. Ein Einlenken und Aufgeben kommt für Calgacus also überhaupt nicht in Betracht. Diese Schilderung der todesmutigen Haltung der Kaledonier dient Tacitus natürlich dazu, dem anschließenden Sieg des Agricola noch mehr an Relevanz und Glanz zu verleihen, kämpfte er doch gegen einen in die Ecke gedrängten und zu allem entschlossenen Gegner – die „letzten Söhne der Freiheit“. Hiermit konnte man zudem erklären, weshalb ganze sieben Feldzüge zur Besiegung der Kaledonier nötig waren. Der gesamte Text der von dem römischen Biographen und Historiker für Calgacus erdichteten Rede ist von dem gegensätzlichen Begriffspaar „Frei-
Der Feldherr Calgacus
Sklaverei versus Freiheit
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Die Provinzen
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Schlacht am mons Graupius
Problem der Abberufung Agricolas
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heit“ (viermal) – „Sklaverei“ (neunmal) durchzogen. Damit trifft der taciteische Calgacus tatsächlich das Ziel des Krieges, den Rom gegen die Kaledonier führte: Es ging um die Unterwerfung Britanniens und der dort lebenden Völker unter die Herrschaft Roms. Betrachtet man die Worte des Calgacus jedoch genauer, so zeigt sich, dass Tacitus ihn als unfähig darstellt, die positiven Konsequenzen einer römischen Eroberung zu erkennen. Jedem Leser und selbstverständlich jedem Römer war bekannt, dass mit der Etablierung römischer Suprematie über ein Gebiet die römische Zivilisation mit all ihren positiven Errungenschaften Einzug hielt. Gerade das aber ist für Calgacus ein Grund der Klage, denn für ihn bringt das mit sich, dass die Kaledonier unter Schimpf und Schande Wälder und Sümpfe gangbar machen müssen. Die Kaledonier, die sich nach Auskunft ihres Fürsten selbst als „arm“ betrachteten, dachten, dass die Römer nur aus Ruhmsucht danach trachteten, ihr Land zu erobern. Die Römer hingegen waren davon überzeugt, dass den Britanniern nur Vorteile von der Eingliederung ihres Landes in die römische Provinz erwachsen würden. Diese hatte Tacitus in der Rede des Feldherrn Cerialis (s.o.) den Treverern eindrücklich vor Augen geführt. Keinesfalls war es also so, dass die Herrschaft (imperium) der Römer „Stehlen, Morden und Rauben“ mit sich bringen würde und der Frieden mit Einöde (solitudo) gleichzusetzen sei. Selbst die Tribute, das wesentliche Kennzeichen des Verlusts der Freiheit, dienten nur dazu, den durch Rom etablierten und in der Folgezeit garantierten Frieden zu schützen. So sahen das auf jeden Fall die Römer, wie es die oben besprochene Rede des Cerialis zeigt: „wir haben … euch nach Siegesrecht nur das auferlegt (i.e. Tribute), womit wir den Frieden schützen können … alles übrige habt ihr mit uns gemeinsam“ (Tacitus, Historien IV 74). Nach der für Calgacus konstruierten Ansprache führt Tacitus die Rede des Agricola vor den römischen Truppen an (Agricola XXXIII–XXXIV), in der er besonders an die Ehre (decus, honos) seiner Soldaten appelliert. Die daran anschließende letzte große und siegreiche Schlacht fand am mons Graupius zu Füßen des schottischen Hochlandes statt. Zwar möchte man diesen Hügel gerne mit den zentralschottischen Grapian Mountains identifzieren, doch ist der tatsächliche Ort der Schlacht unbekannt. Die Forschung vermutet, dass es sich um den Berg Bennachie (528 m) in Aberdeenshire handelt. Nach dem römischen Sieg, so suggeriert es Tacitus, hätte der nördlichste Teil Britanniens zur Eroberung offen gestanden, doch genau in diesem Moment rief der Kaiser den Legaten zurück und erwies ihm alle Ehren, die einem erfolgreichen General nichtkaiserlicher Herkunft zustanden. Die Abberufung des Agricola führt Tacitus auf den Neid Domitians zurück, der selbst nur einen scheinbaren Sieg in Germanien errungen habe, wohingegen Agricola tatsächliche Heldentaten vorweisen könne. Agricola wiederum zog sich danach ins Privatleben zurück und starb fast ein Jahrzehnt später im Jahr 94 n. Chr. Ob er wirklich, wie es Cassius Dio (LXVI 20,3) berichtet, nach all der Zeit von Domitian hingerichtet wurde, steht zu bezweifeln, zumal selbst der große Domitiankritiker Tacitus hiervon nichts erwähnt. Die Forschung weist darauf hin, dass die Abberufung des Agricola handfeste militärische Gründe hatte. Hierfür spricht besonders die Tatsache, dass die legio II Adiutrix aus Britannien für den Kampf gegen die Daker an der gefährdeten Donaugrenze benötigt wurde, wohingegen die Grenze im
Spanien
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Norden Britanniens nach dem Sieg des Agricola einigermaßen sicher war. Fest steht zudem, dass Agricola so lange wie kaum ein anderer vor und nach ihm die Statthalterschaft Britanniens innehatte.
3. Spanien Mit der Beschreibung der kriegerischen Ereignisse in Germanien, Gallien und Britannien haben wir römische Provinzen bisher nur im militärischen Kontext kennengelernt. Im Folgenden gilt es nun, anhand der bereits lange Zeit zum Imperium gehörenden iberischen Halbinsel zivil-administrative Aspekte einer Provinz zu betrachten. Die iberische Halbinsel war in die drei Provinzen Hispania Baetica, Hispania Tarraconensis und Lusitania eingeteilt. Wie ruhig dieser geographische Großraum war, zeigt etwa die Tatsache, dass hier zu Beginn der Herrschaft Vespasians keine Legion mehr stand. Wahrscheinlich erst 75 n. Chr. kehrte die legio VII Gemina Felix, die zuvor den Namen Galbas als legio VII Galbiana getragen hatte, wieder aus Germanien ins spanische Ursprungsland zurück. Mit einigen Auxiliartruppen blieb sie bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. die einzige militärische Einheit in ganz Iberien. Da es in Spanien also nur noch circa 9000 stationierte Soldaten gab, galt die Halbinsel nicht mehr als gefährdetes Grenzgebiet, sondern sie war integraler und befriedeter Bestandteil des Imperiums.
Der Friede in Spanien
a) Die Verleihung des latinischen Rechts an Gemeinden Spaniens Bei Plinius (Naturkunde III 30) findet sich folgende Angabe: „Kaiser Vespasianus Augustus hat ganz Spanien das Latinische (Bürgerrecht) verliehen, das in den Unruhen des Staatswesens (oft) verschleudert worden war.“ Zu bezweifeln ist, dass der Kaiser wirklich alle Gemeinden der iberischen Halbinsel, wie es Plinius schreibt, zu Municipien erhob. Die meisten belegbaren Fälle für diesen Akt in flavischer Zeit lagen in den ohnehin schon lange romanisierten Gebieten der Provinz Baetica und der südöstlichen Tarraconensis (grundlegend Galsterer 1971). Da die ersten Urkunden, die auf die Verleihung des Bürgerrechts verweisen, aus dem Jahr 75 n. Chr. stammen, vermuten einige, dass Vespasian und Titus den Akt während der gemeinsamen Zensur im Jahr 73/74 n. Chr. vornahmen. Die neuere Forschung geht jedoch davon aus, dass die Verleihung des Rechts kurz nach Regierungsantritt des Vespasian anzusetzen sei, weil ein Zusammenhang von Zensur und Erteilung des latinischen Rechts an außeritalische Gemeinwesen nicht zwingend sei. Die betreffenden Gemeinden hatten vom Kaiser das sogenannte „kleine latinische Recht“ (Latium minus) mittels eines Ediktes erhalten. Latiner (Latini) Ursprünglich waren die Latiner ein im nördlichen Latium siedelnder Stamm lateinischer Sprache. Die Römer übertrugen den Stammesnamen auf die Bewohner der von ihnen in Italien gegründeten Festungen (coloniae Latinae). Nach der Ver-
Problem der Bürgerrechtsverleihung
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Die Provinzen
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gabe des römischen Bürgerrechts an alle Bewohner Italiens gab es das latinische Stadtbürgerrecht nur noch in den Provinzen des Reichs. Es stand dem römischen Bürgerrecht nahe, war jedoch nicht gleichrangig mit ihm, sondern ihm gegenüber zurückgesetzt. Die Kaiser vergaben das latinische Bürgerrecht gerne an verdiente provinziale Gemeinden, die damit in den Status eines Municipiums mit latinischem Stadtrecht (ius Latii) gehoben wurden.
Decurionen
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Die betroffenen spanischen Gemeinden (civitates) wurden latinische Munizipien und erhielten als municipium Flavianum den Gentilnamen des Kaisers. Die Verleihung des „kleinen latinischen Rechtes“ bedeutete, dass nur diejenigen, die ein munizipales Amt ausgeübt hatten, gemeinsam mit ihren Familien nach Ablauf ihres Amtsjahres das römische Bürgerrecht (civitas Romana) erlangten. Die Mitglieder des lokalen Senats (ordo decurionum) der Städte hingegen waren, solange sie nicht im Dienst der Stadt magistratisch tätig gewesen waren, von diesem Privileg ausgeschlossen. Um auch sie in den Genuss des Privilegs kommen zu lassen, hätte Vespasian das „große latinische Recht“ (Latium maius) verleihen müssen. Die spanischen Munizipien haben das „kleine latinische Recht“ (Tab. Irn. III A 38–45 (§ XXI) = Lebek 1994, S. 259) Diejenigen von den (munizipalen) Senatoren, Stadträten oder Beigeordneten des Municipium Flavium Irnitanum, die, wie in vorliegendem Gesetz festgesetzt ist, zu Amtsinhabern gewählt sind oder sein werden: Sie sollen, wenn sie von der betreffenden Ehrenstelle abgetreten sind, zusammen mit ihren Eltern, Ehefrauen und Kindern, die, in rechtmäßiger Ehe gezeugt, in der Gewalt ihrer Eltern gewesen sind, ferner zusammen mit den männlichen und weiblichen Enkeln von Sohnesseite, die in der Gewalt ihrer Eltern gewesen sind, römische Bürger sein.
Weshalb Vespasian sich dazu veranlasst sah, das Privileg des latinischen Rechts an die Provinzialen in Spanien zu verleihen, ist umstritten. So wird vermutet, er habe sich die Loyalität einer Gegend sichern wollen, die Galba unterstützte. Oder man nimmt an, dass Vespasian die Provinzen für ihr „Stillhalten“ im Bürgerkrieg belohnen wollte. Dann hätte er jedoch auch an viele andere Provinzen des Westens das Bürgerrecht vergeben müssen. Aufgrund des zweiten Teilsatzes der Pliniusangabe („…, das in den Unruhen des Staatswesens (oft) verschleudert worden war“) ist deshalb zu unterstellen, dass bereits Vitellius, der sich den Provinzen gegenüber als äußerst freigiebig erwiesen hatte, das Latinische Bürgerrecht an die Spanier respektive an bestimmte Gemeinden der Halbinsel verliehen hatte (vgl. Tacitus, Historien III 55,2). Nicht auszuschließen ist schließlich sogar, dass es bereits Galba war, der Statthalter der Tarraconensis, der den spanischen Gemeinden das ius Latii schenkte (Zimmermann 1996). Vespasian hätte also lediglich eine Amtshandlung eines seiner ehemaligen Konkurrenten bestätigt. Erwogen werden können zudem steuerliche Vorteile für Rom: Die zu römischen Bürgern gewordenen Magistrate der neuen latinischen Munizipien hatten von nun an schließlich, wie jeder Bürger, die Erbsteuer und die Freilassungssteuer zu entrichten. Dafür entfiel dem Fiscus allerdings die Landsteuer. Nicht außer Acht gelassen werden sollte zudem, dass Rom im Wes-
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Spanien ten an einer Romanisierung der Provinzen sehr gelegen war – das haben bereits die beiden oben zitierten Reden des Cerialis und des Calgacus gezeigt. Nur eine mit der römischen Zivilisation, ihren Verwaltungs- und Lebensformen vertraute Bevölkerung war nach Ansicht der Römer dazu bereit, sich ihrer Herrschaft zu fügen. Was konnte man da Besseres machen, als die mit der Verleihung des Rechts verbundene und deshalb zu übernehmende römische Verwaltungsform für die einheimischen Städte als Privileg zu vergeben. Vespasians Edikt dürfte sich auf die Vergabe des latinischen Rechts und die Einrichtung der drei Ämterkategorien der Duumvirn, der Quästur und der Ädilen beschränkt haben. Domitian vollendete dann zehn Jahre später den von seinem Vater begonnenen Romanisierungsprozess spanischer Städte, indem er 82/83 n. Chr. für die iberische Halbinsel ein Gesetz einbringen und vom Volk beschließen ließ. Ziel dieser lex Latii war es, das bisher „nur“ durch das Edikt Vespasians garantierte latinische Recht auf eine unveränderliche Grundlage zu stellen und den betreffenden Städten Rechtssicherheit zu gewähren. Zudem galt es, die latinisch-römische Ordnung der von Vespasian zu Munzipien erhobenen Gemeinden gesetzlich zu regeln. Zeuge für den domitianischen Gesetzesakt sind verschiedene Munizipalgesetze, besonders die lex Irnitana, die lex Malacitana und die lex Salpensana. Sie regelten auf Grundlage der lex Latii mit fast hundert Paragraphen, unter Hinzufügung weniger lokalbedingter Zusätze, detailliert die Ordnungen der Gemeinden.
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Romanisierungsprozess
b) Steuererhebung In der Provinz Baetica, nordöstlich vom heutigen Sevilla, liegt die civitas Munigua (Castillo de la Mulva). Möglicherweise hatte das Gemeinwesen ebenfalls erst im Rahmen der Verleihung des latinischen Rechtes durch Vespasian den Status eines Munizipiums erhalten. Aus dieser Stadt ist auf jeden Fall ein interessantes und aufschlussreiches Beispiel für die Selbstdarstellung des Titus überliefert, das gleichzeitig einen Einblick in die fiskalischen Verhältnisse einer römischen Provinz gewährt. Es handelt sich um eine Bronzetafel, die ein Schreiben des Kaisers vom 7. September 79 n. Chr. an die Gemeinde enthält. Die Stadt hatte beim Kaisergericht Berufung eingelegt, nachdem sie einen Rechtsstreit mit dem Steuerpächter Servilius Pollio verloren hatte. In seinem Brief bestätigte Titus die diesbezügliche Entscheidung des Provinzstatthalters Sempronius Fuscus. Titus schreibt an die Stadt Munigua (Année Épigraphique 1962, 288 = Freis 1994, Nr. 57)
Selbstdarstellung des Titus
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Imp(erator) Titus Caesar Vespasianus Aug(ustus), pontif(ex) max(imus), zum 9. Mal (im Besitz der) tribunizischen Gewalt, zum 14. Mal (zum) Imp(erator akklamiert), zum 7. Mal Konsul, Vater des Vaterlandes, grüßt die Quattuorviri und die Dekurionen von Munigua: Da ihr deshalb Berufung eingelegt habt, um nicht das Geld zu zahlen, das Ihr dem Servilius Pollio gemäß dem Urteil des Sempronius Fuscus schuldet, müsste eine Bestrafung für Eure ungerechtfertigte Berufung (iniusta appellatio) von Euch
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Die Provinzen
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gefordert werden, aber ich habe es vorgezogen, eher nachsichtig als entsprechend Eurer Unüberlegtheit zu sprechen, und habe fünfzigtausend Sesterzen der Stadt wegen ihrer Bedürftigkeit, die Ihr zum Vorwand nehmt, erlassen. Aber ich habe meinem Freunde Gallicanus, dem Prokonsul, geschrieben, dass Ihr die Geldsumme, die dem Pollio zugesprochen wurde, bezahlt, dass er Euch aber von der Bezahlung der Zinsen seit dem Tag des Urteilsspruchs befreit. Es ist recht und billig, dass die Einkünfte an Euren Steuern (vectigalia), die, wie Ihr vorbringt, Pollio gepachtet hat, in die Kasse gelangen, damit nicht etwas, unter diesem Titel dem Staate (res publica) fehlt. Lebt wohl! Gegeben am 7. Tage vor den Iden des September.
Steuerpacht
Appellation
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Sueton (VIII 3) hatte geschrieben, dass Titus „die einzigartige Liebe eines Vaters“ zum einen, „wenn er den Menschen in Edikten Mut zusprach, zum anderen wenn er helfend beistand“, aufwies. Die vorliegende Verfügung scheint dies zu bestätigen, doch zeigt sie ebenfalls, dass der Kaiser rechtliche Entscheidungen römischer Statthalter nicht in Frage stellte, ebenso wie er auf vertraglichen Vereinbarungen Dritten gegenüber beharrte. Öffentliche Einkünfte (publica) ließ der römische Staat nämlich von Privatleuten einziehen, die man publicani nannte. Wir bezeichnen dieses System heute als Steuerpacht und die publicani als Steuerpächter. Es handelt sich um die als „Zöllner“ bekannten unliebsamen Ausbeuter des Volkes im Neuen Testament. Zusammengeschlossen waren publicani in Gesellschaften, den societates publicanorum. Sie traten dem Staat für das zu erwartende Steueraufkommen einer Region in Vorleistung und durften dann die Steuern eintreiben, wobei ihnen eine gewisse Gewinnspanne eingeräumt wurde. Diese Steuerpacht konnte sowohl dinglich als auch territorial vergeben werden. Die Übernahme der Steuern für den Staat mit der Möglichkeit, große Gewinne zu erzielen, war so beliebt, dass sie auf Auktionen meistbietend versteigert wurde. Rom brachte die Steuerpacht drei Vorteile: Erstens waren die Einkünfte gewährleistet, zweitens musste kein staatlicher Bürokratieapparat zur Steuereinziehung aufgebaut werden und drittens konnte bereits im Vorhinein über die Einnahmen aus den Provinzen verfügt werden. Der Kaiser reagiert im vorliegenden Fall auf eine Beschwerde der Stadt über eine Entscheidung des Prokonsuls von Spanien Sempronius Fuscus. Dass Munigua ein Municipium latinischen Rechts war, zeigt insbesondere die kaiserliche Grußformel, die an die Quattuorviri und die Decurionen gerichtet ist. Mit den Quattuorviri – den „Viermännern“ – sind die vier Magistrate der Stadt gemeint. Es handelte sich einerseits um die sogenannten Duoviri, die für die Rechtsprechung zuständig waren. Diesen waren an zweiter Stelle die Ädilen an die Seite gestellt, denen vor allem die Marktgerichtsbarkeit und Verwaltung der Stadt oblag. Die Decurionen wiederum waren die Mitglieder des Stadtrates, also des munizipalen Senats. Mittels des Verfahrens der Appellation hatte sich die Stadt an den Kaiser gewandt, nachdem der Statthalter in einem Rechtsstreit mit dem publicanus Servilius Pollio zuungunsten Muniguas entschieden hatte. Allem Anschein nach sah die Stadtverwaltung sich jedoch nicht dazu in der Lage, die von Servilius geforderte Steuer- und Abgabesumme zu erbringen und führte hierzu die
Judäa und die Juden
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Bedürftigkeit, also die finanzielle Notlage des Gemeinwesens, an. Der Kaiser drückt nun zunächst seine Verärgerung über die Behelligung seiner Person mit einer solchen Angelegenheit recht deutlich aus: Er spricht von einer eigentlich notwendigen Bestrafung seiner ungerechtferigten Anrufung und wirft den Bürgern ihre Unüberlegtheit vor. Der Steuerpächter Pollio soll seinen gesamten Gewinn – „die Geldsumme, die ihm zugesprochen wurde“ – erhalten, der Fiscus ebenfalls – „damit nicht etwas unter diesem Titel dem Staate fehlt“ –, und der Schiedsspruch des Fuscus soll in Kraft bleiben. Auf die Stadt kämen jetzt aufgrund der ungerechtfertigten Appellation an den Kaiser erhebliche Strafkosten zu. Und hierauf ist die kaiserliche Aussage, dass er statt einer gerechtfertigten Bestrafung seine Milde (indulgentia) zeigen möchte, zu beziehen. Auch wenn es nicht explizit dort steht, so ist davon auszugehen, dass der Nachlass von 50000 Sesterzen sich auf die von der Stadt eigentlich wegen der ungerechtfertigten Appellation zu erbringende Strafsumme bezieht. Zudem erlässt der Kaiser auch noch die seit dem Rechtsspruch des Fuscus angefallenen Zinsen. Titus möchte also zeigen, dass er für den Staat und die dem Staat vertraglich verpflichteten Personen nur das verlangt, was ihm auch zusteht. Indem er das weitere Prozedere wieder an den Statthalter überweist, macht er der Stadt nochmals deutlich, dass dieser und nicht der Kaiser ihr Ansprechpartner ist. Sollte Munigua weiter säumig mit den Zahlungen sein, konnte Gallicanus, den der Kaiser explizit als seinen „Freund“ bezeichnet und damit dessen Nahverhältnis zu ihm ausdrückt, durchaus wieder Zinsen verlangen.
4. Judäa und die Juden 63 v. Chr. 37 v. Chr.–4 v. Chr. 6 n. Chr.
Eroberung Jerusalems durch Pompeius Herodes der Große, König von Roms Gnaden Absetzung des Königs Archelaos, Judäa kommt unter Verwaltung des Statthalters von Syrien 66 n. Chr. Beginn des Jüdischen Krieges Herbst 66 n. Chr. Niederlage des Statthalters von Syrien, Cestius Gallus, gegen die jüdischen Aufständischen bei Beth Horon Frühjahr 67 n. Chr. Nero beauftragt Vespasian mit der Niederschlagung des Aufstandes Juni/Juli 67 n. Chr. Rückeroberung von Iotapata durch die Römer, Gefangennahme des jüdischen Priesters Josephus Ende 67 n. Chr. Jerusalem in der Hand des „Radikalen“ Johannes von Gischala, die „Gemäßigten“ unter den Juden sind ausgeschaltet 9. Juni 68 n. Chr. Selbstmord Neros März/April 69 n. Chr. Einzug von Simon Bar Giora in Jerusalem; Konkurrent des Johannes von Gischala Mitte 69 n. Chr. Dritte Parteiung in Jerusalem unter Eleazar, Sohn des Simon
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Die Provinzen
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1. Juli 69 n. Chr. Ende 69 n. Chr.
Frühjahr 70 n. Chr. 26. September April 74 n. Chr.
Kaiserproklamation Vespasians; Übergabe der Feldzugsleitung an Titus Nur noch Jerusalem, das Herodeion, Masada und Machairus können von den Aufständischen gehalten werden Beginn der Belagerung Jerusalems Eroberung Jerusalems; offizielles Ende des Krieges Eroberung von Masada
Eine der wichtigsten legitimatorischen Grundlagen der Herrschaft des Kaisers Vespasian war dessen Sieg im Jüdischen Krieg, denn dadurch erwies der Usurpator, der auf keine senatorische Familientradition verweisen konnte, seine charismatische Befähigung zur Lenkung des Imperiums. Im Folgenden sollen nicht nur dieser Krieg selbst, sondern auch dessen Hintergründe und Ursachen ebenso wie auch die Einstellung Roms zu den Juden im Allgemeinen betrachtet werden. Die Betrachtung der Verhältnisse in Judäa ermöglicht also gleichzeitig einen Blick auf den Umgang Roms mit dem Judentum. a) Flavius Josephus als Historiker des Jüdischen Krieges
Geschichte des Jüdischen Krieges
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Die wichtigste literarische Quelle zum Jüdischen Krieg und dessen Vorgeschichte bildet das Werk des Flavius Josephus (37/38 bis ca. 100 n. Chr.). Er war als General in römische Gefangenschaft geraten, erhielt von Vespasian das Privileg des römischen Bürgerrechts – daher der Gentilname Flavius – und lebte seit 71 n. Chr. in Rom. Hier veröffentlichte er zwischen 79 und 81 n. Chr. eine Geschichte des Krieges in Judäa. Ziel des Werkes ist eine Verteidigung des jüdischen Volkes und besonders der jüdischen Aristokratie: Die Trägerschaft des Aufstandes gegen Rom schreibt Josephus religiösen jüdischen Splitterparteien zu. Zudem diente das Buch der Verherrlichung der flavischen Dynastie. Flavius Josephus als Historiker (Jüdischer Krieg I 1) Der Krieg der Juden gegen die Römer erweist sich als der größte im Vergleich nicht nur mit den Kriegen unserer Zeit, sondern auch mit all denen, von denen wir Kunde überkommen haben, sei es, dass Städte gegen Städte oder Völker gegen Völker losbrachen. Nun haben Leute, die nicht bei den Ereignissen zugegen gewesen sind, sondern sie nur nach dem Hörensagen zusammengestellt haben, diesen Krieg in planlosen und widersprechenden Berichten sophistisch beschrieben. Andere aber, die zwar Augenzeugen waren, haben aus Schmeichelei gegen die Römer oder aus Hass gegen die Juden die Tatsachen verfälscht; deswegen enthalten ihre Bücher einerseits Anklage, andererseits Lob, nirgends aber genaue geschichtliche Darstellung. Aus diesem Grunde habe ich, Josephus, Sohn des Matthias, aus Jerusalem, ein Priester, der ich anfänglich die Römer bekämpfte und an den späteren Ereignissen notgedrungen teilgenommen habe, mir vorgenommen, denen, die unter römischer Herrschaft leben, in griechischer Übersetzung das dar-
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Judäa und die Juden
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zulegen, was ich schon früher für die innerasiatischen Nichtgriechen in der Muttersprache (= Aramäisch) zusammengestellt und übersandt habe. (Übersetzung O. Michel/O. Bauernfeind)
Das Proöm des Flavius Josphus zum Jüdischen Krieg steht in der Tradition griechischer Historiographie. Der Verfasser stellt als erstes den Rang des Krieges für die Weltgeschichte heraus – es ist selbstverständlich der bedeutendste überhaupt. Hiermit knüpft der jüdische Historiker an den Griechen Thukydides an, der über 500 Jahre zuvor eine Geschichte des Peloponnesischen Krieges zwischen Athen und Sparta verfasst hatte. Auch er schrieb in seiner Einleitung: „Es war bei weitem die gewaltigste Erschütterung für die Hellenen und einen Teil der Barbaren, ja sozusagen unter den Menschen überhaupt“ (I 1). Mit solch einer subjektiven Einschätzung über den jüdischen Krieg wird Flavius Josephus sicherlich nicht bei allen Zeitgenossen Zustimmung gefunden haben. Es handelte sich beim sogenannten Jüdischen Krieg realiter nur um eine lokal begrenzte und zudem noch in sich zerstrittene Abfallbewegung eines Reichsteils. Betrachtet man deren Auswirkungen nüchtern, so kann man sagen, dass sie Rom niemals wirklich gefährlich war und bei weitem nicht die Bedeutung für die Römer hatte, die Josephus ihr zuschreibt. Anders sieht dies freilich für die Juden aus. Doch sah auch Josephus, dass er mit seiner Einschätzung nicht unumstritten war, denn es gab Zeitgenossen, die den Krieg als unbedeutend darstellten. Ihnen hält er entgegen, dass ein großer und wichtiger Kaiser wie Vespasian, der seine Herrscherlegitimation aus dem Krieg bezog, eine solche ja kaum aus dem Sieg über unbedeutende Gegner erlangt haben konnte: „Ich sehe aber nicht ein, wie diejenigen groß erscheinen können, die Kleine besiegt haben. Sie (i.e. andere Schreiber) würdigen dabei weder die Länge des Krieges noch die zahlenmäßige Stärke der mühsam operierenden Heeres der Römer, noch die Größe der Feldherrn, die um Jerusalem viel Schweiß vergossen haben; sie verlieren ihren Ruhm, wie ich glaube, wenn man ihre Erfolge verkleinert“ (Jüdischer Krieg I 7–8). Dass Josephus den Aufstand in seiner Bedeutung derart überhöht, entsprach folglich ganz dem Sinn und der Propaganda des Kaisers Vespasian – der Sieg sorgte schließlich für seinen „Ruhm“, der nicht verkleinert werden durfte. Der jüdische Historiker rechtfertigt im Weiteren die Notwendigkeit seines Werkes mit der Angabe, dass widersprüchliche und falsche Berichte über den Krieg im Umlauf seien. Zwei Gruppen von Historikern führt er hierzu an: Erstens solche, die nicht aus eigenem Erleben berichten und deshalb Falsches erzählen, und zweitens solche, die die historischen Tatsachen aus Hass gegenüber den Juden oder aus Schmeichelei gegenüber den Römern verdrehen. An der letzteren Bemerkung ist zu erkennen, dass die Polemik des Josephus sich insbesondere gegen nicht römische Schriftsteller richtet, die angeblich ein falsches Bild der Ereignisse vermitteln. Zu denken ist hierbei zum einen an Griechen, insbesondere diejenigen, die in Städten an der Levante lebten und von den Auseinandersetzungen in Mitleidenschaft gezogen wurden, und zum anderen an solche Kreise, die antijüdische Polemiken verfassten und zu denen besonders Ägypter gehörten. Die Berichte der an-
Legitimation Vespasians
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Die Provinzen
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Josephus als Augenund Ohrenzeuge
deren Augenzeugen waren, obwohl planlos und unzusammenhängend, jedoch allem Anschein nach überzeugend, denn Josephus bezeichnet sie als sophistisch. Damit meint er ihre rhetorische Fähigkeit, die falschen Angaben zum Krieg plausibel darzulegen. Diesen Berichten hält Josephus nun seine eigne Qualifikation entgegen: Er war dabei! Dass es in der Tat das Ziel des Josephus war, die angeblichen falschen Berichte über den Jüdischen Krieg zu widerlegen, schreibt er im Proöm zu seinem zweiten großen Werk, den „Jüdischen Altertümern“ (I 4). Mit der Anführung der Negativbeispiele möchte Josephus selbstverständlich gleichzeitig dem Leser verdeutlichen, dass er selbst keinesfalls den Römern schmeichle und dass er objektiv über die Ereignisse, denen er beigewohnt hatte, berichtet: Er ist der einzige, der eine „genaue/sorgfältige geschichtliche Darstellung“ gibt. Durch die Verwendung des Begriffes „Darlegungen der Erkundigung“ (histories dihegemasin) verweist Joesphus implizit auf sein zweites historiographisches Vorbild Herodot von Halikarnassos, der sein Werk über die Perserkriege ebenfalls mit den Worten beginnt, dass es die „Darlegung der Erkundung“ (histories apodeixis) über die Ursachen des Krieges zwischen Griechen und Barbaren sei. Im letzten Teil der Einleitung schließlich gibt der Verfasser, wie in der griechischen Geschichtsschreibung üblich, Auskunft über sich selbst und merkt an, dass es sich bei seinem Werk um eine Übersetzung einer Arbeit handelt, die er bereits auf Aramäisch für seine Landsleute in Judäa verfasst hatte. Die Ansicht einiger älterer Historiker hingegen, dass das aramäisch verfasste Werk an die aufrührerischen Völker des Ostens – insbesondere die Perser – gerichtet war, Josephus also im Auftrag des Kaisers eine außenpolitische Propagandaschrift verfasste, ist mehr als unwahrscheinlich, da man sich kaum denken kann, dass sein Werk außerhalb des Römischen Reichs rezipiert werden konnte. b) Vorgeschichte
Hohepriester Jerusalems
Privilegien der Juden
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Judäa stand seit der Eroberung Jerusalems durch Pompeius im Jahr 63 v. Chr. unter römischer Oberherrschaft, doch beließen die Römer den Juden einen autonomen Status. Das Land war ein sogenanntes Klientelkönigreich, das ganz Palästina und weite Teile Transjordaniens umfasste. Der wichtigste König dieses Reichs, Herodes der Große (reg. 40–4 v. Chr.), begegnet uns etwa in der Geburtsgeschichte Jesu. Im Jahr 6 n. Chr. setzten die Römer den Sohn und Nachfolger des Herodes namens Archelaos als König ab und stellten die Region als Teil der Provinz Syria unter die Verwaltung des Legaten von Syrien. Marionetten der Römer waren spätestens seitdem die von diesen bestellten Hohepriester Jerusalems, die die höchste religiöse Autorität unter den Juden besaßen und gleichzeitig die oberste jüdische Behörde bildeten. Unter diesen ist Kaiphas (18–37 n. Chr.) der durch die Evangelien sicherlich bekannteste. Grundsätzlich achtete Rom die religiösen Gepflogenheiten der Juden. So waren sie vom Militärdienst befreit, weil dieser nicht mit den Tabus ihrer Religion zu vereinbaren war. Kaiserlich garantiert war auch die Unantastbarkeit des Tempels, der heiligen Schriften und Gebetshäuser. Die Staatsmacht erlaubte es sogar, dass der Zutritt zum Tempel in Jerusalem Nichtju-
Judäa und die Juden den bei Todesstrafe untersagt wurde. Auf einer 1871 gefundenen Steintafel, die beim Heiligtum angebracht gewesen sein dürfte, heißt es: „Dass kein Fremder eintrete innerhalb der Absperrung und Einfriedung des Heiligtums. Jeder der ergriffen wird, ist selbst verantwortlich für den darauf folgenden Tod.“ (Warren/Conder 1884, S. 423f.). Allen Juden im Imperium war es zudem gestattet, eine regelmäßige Abgabe an den Jahwetempel von Jerusalem zu entrichten. Um den Juden ihre Zugehörigkeit zum Imperium nicht unnötig schwer zu machen, waren zudem der Kaiserkult oder andere griechischrömische Festbräuche in Jerusalem verboten – ebenso wie kein Jude im gesamten Reich zum Kaiseropfer genötigt wurde. Rom versuchte also, den Juden möglichst entgegenzukommen, um so die reichlich fließenden Steuereinnahmen zu garantieren. Allem Anschein nach verschärfte sich jedoch seit dem Beginn der direkten römischen Verwaltung die Steuerlast für die Bevölkerung, denn bereits unter dem ersten römischen Verwalter erhoben sich die Galiläer gegen die Kopfsteuer (capitatio). Die gravierenden religiösen Unterschiede zwischen monotheistischen Juden und polytheistischen römischen Fremdherrschern verschärften die ökonomischen Konflikte. Unter den Sichworten Messianismus („Erwartung des gesalbten Heilskönigs“) und Endzeitvorstellung („eschatologische Erwartungen“) fasst die Forschung die allgemeine Stimmung unter vielen Juden dieser Zeit zusammen. Josephus schildert in seiner Vorgeschichte zum Krieg detailliert verschiedene Ereignisse, die ihm dazu dienen, die religiös aufgeheizte Stimmung in den Jahren vor dem großen Krieg zu illustrieren. So sei es in Jerusalem bereits in den 40er Jahren zu heftigen Spannungen mit Vertretern der Staatsmacht in Judäa gekommen. Die dortigen Ereignisse zeigen, aus welchen scheinbaren Nichtigkeiten blutige Auseinandersetzungen entwachsen konnten und wie religiös angespannt die Lage war. Das Fest der ungesäuerten Brote (zwischen 48 und 52 n. Chr.) (Flavius Josephus, Jüdischer Krieg II 224–227)
VI.
Ökonomische und religiöse Spannungen in Judäa
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Als sich nämlich die Menge zum Fest der ungesäuerten Brote in Jerusalem versammelt und die römische Kohorte auf dem Dach der Säulenhalle um das Heiligtum Aufstellung genommen hatte – an den Festtagen bewachen sie immer in voller Bewaffnung das versammelte Volk, damit es keinen Aufstand beginne –, erhob ein Soldat sein Gewand, bückte sich und kehrte in unanständiger Weise den Juden das Gesäß zu, zugleich gab er einen Laut von sich, der dieser Haltung entsprach. Darüber geriet das ganze Volk in hellen Zorn …; einige junge Männer … und andere aus dem Volk … hoben Steine auf und begannen, auf die Soldaten zu werfen. (Der Prokurator) Cumanus fürchtete nun, das ganze Volk wolle ihn angreifen; er ließ daher noch mehr Schwerbewaffnete anrücken. Als sich diese in die Hallen ergossen, befiel die Juden ein unwiderstehliches Erschrecken; sie wandten sich um und versuchten, aus dem Heiligtum in die Stadt zu fliehen. Die Gewalt der sich an den Ausgängen zusammendrängenden Masse war so groß, dass sie sich untereinander niedertraten und erdrückten, wobei 30000 getötet wurden. (Übersetzung O. Michel/O. Bauernfeind)
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Die Provinzen
VI.
Provokationen durch Juden
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Die hohe Opferzahl dürfte bei Weitem übertrieben sein, doch wirft dieser Fall ein recht drastisches und wahrscheinlich auch treffendes Licht auf die Einstellung der römischen Besatzungssoldaten zur jüdischen Religion. Es lässt sich ein gewisses Überheblichkeitsgefühl der Legionäre ebenso wie deren Verachtung der Juden erkennen. Noch an anderen Beispielen schildert Josephus (Jüdischer Krieg II 228–231) das provozierende Verhalten der Besatzungstruppen. So war ein kaiserlicher Sklave auf einer Landstraße beraubt worden. Der Statthalter ließ zur Strafe alle Bewohner der umliegenden Dörfer verhaften. Als einer der ausgesandten Legionäre in diesem Rahmen eine Torarolle zerriss und verbrannte „gerieten die Juden darüber so außer Fassung, als stünde ihr ganzes Land in Flammen und von ihrem Gotteseifer wie durch mechanische Gewalt getrieben, strömten sie alle auf die erste Kunde von dem Vorfall hin“ zum Statthalter nach Caesarea. Sie beruhigten sich erst wieder, als der betreffende Soldat durch die Reihen der Juden zur Hinrichtung abgeführt wurde. Auf diese Weise stellt Josephus klar, dass die Provokation der Juden nicht von der Staatsmacht ausging, sondern von den betreffenden Legionären persönlich. Die Statthalter hingegen waren, so zumindest Josephus, an einem friedlichen Miteinander interessiert, respektierten die jüdische Religion und zogen die Soldaten zur Verantwortung, wenn sie sich gegen die jüdischen Sitten vergingen. Doch auch Josephus kann nicht verschweigen, dass die Juden selbst ebenfalls die Staatsmacht provozierten. So wurde die religiös aufgeheizte Stimmung in Jerusalem unter dem Procurator Felix (52–60 n. Chr.) von einem Juden angefacht, den Josephus den „falschen Propheten aus Ägypten“ (Jüdischer Krieg II 261) nannte, und der angeblich 30000 „Betrogene“ um sich versammelt hatte, um Jerusalem von den Römern zu erobern. Sein Ziel sei es gewesen, „Tyrann über das Volk“ zu werden, doch zog ihm der Statthalter Felix mit seinen Soldaten entgegen und vernichtete die Massen – der „falsche Prophet“ floh. In den 60er Jahren befand sich Judäa in einem latenten Unruhezustand – es wimmelte von religiösen Eiferern und Fanatikern, die die Stimmung in der Bevölkerung weiter anheizten. Sogenannte Sikarier („Männer mit dem Dolch“), religiöse Extremisten, verbreiteten auch unter der jüdischen Bevölkerung selbst Angst und Schrecken, indem sie diejenigen ermorderten, die sich ihrer Ansicht nach als Kollaborateure der Römer verdingten. Die Fanatiker bedrohten insbesondere die Reichen und Vornehmen unter den Juden. Nach und nach wurde Rom auf dem offenen Land in einen Partisanenkrieg hineingezogen. Josephus kommt es aber in seiner Darstellung darauf an zu zeigen, dass diese Partisanen nicht von der gesamten Bevölkerung gestützt wurden – der Krieg gegen Rom wurde von einer Minderheit angefacht, unter der auch die meisten Juden selbst zu leiden hatten. Sikarier verbreiten Angst und Schrecken (Flavius Josephus, Jüdischer Krieg II 254f.) Kaum war das Land gesäubert, da wuchs in Jerusalem eine neue Gattung von Räubern empor, die sogenannten Sikarier. Am hellichten Tag und mitten in der Stadt mordeten sie Menschen, besonders an den Festen mischten sie sich unter die Menge und stachen mit kleinen Dolchen, die sie unter ihren Kleidern verbor-
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Judäa und die Juden
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gen hatten, ihre Gegner nieder. Brachen diese dann zusammen, so verwandelten sich die Mörder in einen Teil der aufgebrachten Menge, schienen sie doch allenthalben auf Grund ihrer Biederkeit völlig unverdächtig. (Übersetzung O. Michel/O. Bauernfeind)
c) Der Krieg der Juden gegen Rom Im Frühjahr 66 n. Chr. kam es schließlich zum offenen Krieg: Als der Statthalter Gessius Florus die Summe von siebzehn Talenten aus dem Jerusalemer Tempelschatz entwendet hatte, machten sich die hierüber erbosten Juden über ihn lustig und veranstalteten eine Spendensammlung für den ‚armen‘ Florus. Die Antwort des Statthalters hierauf war blutig: Im Mai wurden viele Juden, unter ihnen sogar solche mit römischen Bürgerrecht, für diesen Spott ausgepeitscht und gekreuzigt. Bald entwickelten sich Straßenschlachten zwischen den aufständischen Juden auf der einen und den römischen Truppen sowie den romtreuen Soldaten des jüdischen Königs Agrippa auf der anderen Seite. Letztlich konnten die Aufständischen bis zum Hochsommer die Oberhoheit über Jerusalem gewinnen. Der pro-römische Hohepriester Ananias wurde ermordet und die siegreiche anti-römische Partei machte die besiegten römischen Legionäre nieder, obwohl sie ihnen zuvor den freien Abzug zugesichert hatte. Die Reaktion Roms ließ nicht lange auf sich warten: Im Herbst zog Gaius Cestius Gallus, der Statthalter Syriens, mit seinen Truppen zur Befriedung des Aufstandes nach Judäa. Das Unvorhersehbare geschah – die Juden schlugen Cestius Gallus im Oktober vernichtend bei Beth Horon. Im Frühling des Jahres 67 n. Chr. beauftragte Nero schließlich den in Ungnade gefallenen, aber äußerst fähigen General Vespasian mit der Niederschlagung des Aufstandes. Der Feldherr kam mit der fünften und zehnten Legion nach Palästina, sein Sohn Titus brachte aus Alexandria die fünfzehnte Legion mit und römische Klientelkönige eilten ebenfalls mit ihren Truppen zu Hilfe. Vespasian konnte also, gestützt auf knapp 60000 Soldaten, mit der Rückeroberung der Region beginnen. Er brauchte das ganze Jahr, um zumindest Galiläa wieder für Rom zu gewinnen. Im Juni/Juli etwa eroberte er Iotapata wo er den Kriegsherren und Priester Joseph ben (= Sohn des) Matthias gefangennahm – wir kennen ihn unter dem Namen Flavius Josephus (s.o.). Die relativ zügige Rückeroberung Galiläas führte zu einer Verschärfung des Konfliktes in Jerusalem selbst. War die Bewegung zunächst von den Wohlhabenden ausgegangen, so entzog ihnen die Menge auf Betreiben des Johannes von Giskala/Gischala das Vertrauen. Josephus schildert ihn als einen Mann, der „durch seine Heimtücke und Verschlagenheit alle übertraf, die sich durch besondere Schlechtigkeit auszeichneten“ (Jüdischer Krieg II 585). Man sieht also, dass Josephus selbst sich auf die Seite der „Guten“ stellt und den Aufstand, in dem er als Feldherr einst teilgenommen hatte, nicht mehr gutheißt. Das ist aus seiner Situation heraus freilich mehr als verständlich. Bald hatte in Jerusalem nur noch Johannes das Sagen, die (angeblich) gemäßigten Kreise waren zum Schweigen gebracht. Vespasian eroberte bis zum Mai/Juni 69 n. Chr. alle abgefallenen Städte der Region zurück, und Jerusalem war damit, abgesehen von den Festungen
Drei Parteiungen in Jerusalem
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Die Provinzen
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Wechsel der Feldzugsleitung
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Herodeion, Machairos und Masada, isoliert. In der Stadt bildeten sich in dieser Zeit insgesamt drei, allesamt radikal antirömische Kriegsparteien heraus, die sich gegenseitig bis aufs Blut bekämpften. In der Zeit also, in der das Römische Reich in der tiefen Krise der Vierkaiserjahres steckte, waren die Juden nicht zu einem geschlossenen Handeln gegen den gemeinsamen Feind fähig. Es scharten sich vielmehr die einen um Johannes von Gischala, die anderen um Simon Bar Giora, der im Frühling 69 n. Chr. nach Jerusalem gekommen war und wieder andere um Eleazar, Sohn des Simon. Anfang 70 n. Chr. kontrollierte Eleazar die Vorhöfe des Tempels, wo er jedoch während des Passahfestes 70 n. Chr. ermordet wurde; Simon war in Besitz der Oberstadt und weiter Teile der Unterstadt und Johannes hatte den Tempelberg in seiner Gewalt. Nach der Akklamation des Vespasian zum Kaiser am 1. Juli 69 n. Chr. hatte dieser die Leitung des Feldzuges in die Hand seines Sohnes Titus gelegt, der mit vier Legionen und zahlreichen weiteren Einheiten im Frühjahr 70 n. Chr. in Richtung Jerusalem aufbrach. Am 26. September war die Stadt nach schweren Gefechten und längerer Belagerung erobert. Nicht nur die Stadt, sondern auch der Jahwetempel wurde bis auf die Grundmauern zerstört. Die Zerstörung des Tempels von Jerusalem (Flavius Josephus, Jüdischer Krieg VI 236–241) Titus berief die Offiziere zu sich. Sechs der obersten römischen Führer kamen zusammen. … Ihnen legte Titus nun die Frage des Tempels zur Beratung vor. Einige waren der Auffassung, dass das Kriegsrecht zur Anwendung kommen solle. Denn niemals würden die Juden davon ablassen, Aufruhr zu stiften, solange der Tempel noch stehe, der ja einen Sammlungspunkt für die Juden aus aller Welt bilde. Andere rieten dazu, man solle den Tempel, falls die Juden ihn räumten, und niemand auf ihm Waffen in Bereitschaft legte, verschonen; falls sie ihn aber zum Kampf beträten, solle man ihn niederbrennen. Er sei dann nämlich eine Festung und kein Heiligtum mehr. Daraus ergebe sich, dass sie selber dann nicht mehr für den Frevel verantwortlich zu machen seien, sondern diejenigen, die sie zu einem solchen Vorgehen gewzungen hätten. Demgegenüber erklärte Titus, man solle sich, auch wenn Juden den Tempel bestiegen, um von dort aus zu kämpfen, nicht an den leblosen Dingen anstelle der Menschen rächen und jemals ein so herrliches Bauwerk den Flammen preisgeben. Denn der Schaden würde die Römer treffen, ebenso wie der Tempel ein Schmuck ihres Reiches wäre, wenn er noch erhalten bliebe. (Übersetzung O. Michel/O. Bauernfeind)
Der Jahwe-Tempel
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Der von Herodes dem Großen fertiggestellte Tempel in Jerusalem war (und ist) in der Tat das zentrale Heiligtum aller Juden – allein hier durfte das Opfer für Jahwe vollzogen werden. Die Bedeutung des Tempels führt Josephus seinen heidnischen Lesern durch die Ansicht derjenigen Offiziere des Titus vor Augen, die ihn zerstören wollen: Die Juden sollen keinen identitätsstiftenden Bezugspunkt mehr haben. Hiergegen wandte sich eine zweite Gruppe, die eine Zerstörung des Heiligtums mit dem für das römische Verständnis triftigen Grund ablehnte, dass man dann den Zorn des im Tempel verehrten Gottes auf sich ziehe. Nur dann, wenn die Juden selbst den Tem-
Judäa und die Juden pel entweihten, indem sie ihn zu einer Festung machten, wäre eine Zerstörung möglich – der Zorn Gottes träfe in diesem Fall die Frevler, also die Juden. Titus wiederum stimmt keiner der beiden Ansichten zu: Er möchte den Tempel um jeden Preis erhalten wissen, weil er ein Schmuck für das Imperium sei. Angeblich habe der Kaisersohn sogar versucht, den Brand des Tempels zu löschen, nachdem ein Legionär ihn schließlich doch angezündet hatte. Die Argumentation des Jospehus, dass Titus den Tempel verschonen wollte, ist ingesamt mehr als unwahrscheinlich, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ganz Jerusalem zerstört wurde und ein Wiederaufbau von Stadt und Heiligtum danach untersagt blieb. Die Juden sollten in Zukunft nie wieder einen einheitsstiftenden Ort ihrer Religion erhalten. Josephus hingegen, der bei den Beratungen kaum anwesend gewesen sein dürfte, möchte seinen Gönner Titus in einem auch für seine Glaubensgenossen möglichst positiven Licht zeichnen und die Gnade des Kaisers und dessen Wohlwollen für die Juden unterstreichen. Das dient zudem der Geschichtskonzeption des Josephus, nach der der Krieg gegen Rom von einer jüdischen Minderheit, den „Tyrannen“, angezettelt worden war, die dann auch die Verantwortung für die Zerstörung des Tempels zu tragen hatten: „wer die Hand der Römer gegen deren Willen zum Eingreifen nötigte und das Feuer auf den Tempel fliegen ließ, das waren die Tyrannen der Juden. Zeuge dafür ist der, der das Zerstörungswerk vollbrachte, der Kaiser Titus selbst, der während der ganzen Dauer des Krieges mit dem von den Aufständischen im Bann gehaltenen Volke Mitleid hatte.“ (Jüdischer Krieg I 9–10). In dieser Richtung deutet Josephus auch die lange Belagerung der Stadt, mit der Titus selbstverständlich in Wirklichkeit erreichen wollte, dass die Juden sich gegenseitig selbst aufrieben. Der jüdische Historiker hingegen wertet die Belagerung als Chance des Kaisers an die Belagerten, ihren Sinn zu ändern (Jüdischer Krieg I 10). Schuld an der Zerstörung seien also die Juden selbst gewesen: In einer Kampfpause, in der die Römer mit Löscharbeiten beschäftigt waren, machten die Verschanzten einen Ausfall. Als die Römer diesen erfolgreich zurückschlugen und den Juden nachsetzten, warf einer der Legionäre eine brennende Fackel in den Tempel; so kam es zum großen Brand. Und in diesem Moment wird aus dem Historiker Josephus der Theologe: Der betreffende Legionär tat sein Werk nicht aus freien Stücken, sondern „aus einem übermenschlichen Antrieb heraus“ (Jüdischer Krieg VI 252). Nicht Rom, sondern der strafende Gott der Juden griff, wie so oft in der Geschichte des Volkes Israel, in den Verlauf des Geschehens ein: Jahwe selbst hatte den Tempel „zum Feuer verurteilt“ (Jüdischer Krieg VI 250). Erst über drei Jahre nach der Eroberung und Zerstörung Jerusalems gelang es den Römern, im Frühling 74 n. Chr. den letzten Posten der Aufständischen, die abgelegene Festung Masada, zu erobern. Hier hatten sich Sikarier verschanzt und die Römer mussten mühsam eine große Belagerungsrampe zum Tafelberg hinauf errichten. Als die Legionäre schließlich durch einen Bresche eindrangen, fanden sie nur noch Tote – die Sikarier hatten erst ihren Frauen und Kindern den Tod gegeben und sich dann gegenseitig selbst gerichtet. Anders als bei Josephus kommt Titus in der sonstigen jüdischen Überlieferung im Übrigen äußerst schlecht weg. Man sah in ihm einen zweiten Nero,
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Die Strafe Gottes
Das Titusbild der Juden
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Die Provinzen
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wie es die von einem Juden verfassten sogenannten Sibyllinischen Orakel deutlich machen, die den Ausbruch des Vesuvs als Strafe für die Zerstörung Jerusalems deuten.
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Die jüdische Apokalyptik und Titus (Sibyllinische Orakel IV 126–136) Aber nach Syrien kommt ein Fürst aus Rom, der verbrennen wird Jerusalems Tempel und viele Juden vernichten (…). Schießt im italischen Land aus einer Erdkluft ein Feuerzeichen zum weiten Himmel und kehrt wieder zurück und verbrennt gar viele Städte und tötet die Männer, und erfüllt den geräumigen Äther viel schwärzliche Asche, fallen ferner Tropfen, dem Mennig vergleichbar, vom Himmel, dann soll draus man erkennen des himmlischen Gottes Erzürnung, weil man der Guten und Frommen unschuldiges Volk will vernichten. (Übersetzung Kurfess)
d) Das Ergebnis
fiscus Iudaicus
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Vespasian richtete Judäa nach der Niederschlagung des Aufstandes als proprätorische Provinz ein. Der amtierende kaiserliche Legat hatte zugleich den Oberbefehl über die hier stationierte zehnte Legion, die, gemeinsam mit sechs Auxiliareinheiten, für Ruhe im Land sorgte. Jerusalem und der jüdische Tempel waren dem Erdboden gleichgemacht und wurden nicht wieder aufgebaut. Die religiöse Pluralität des Judentums hatte ebenfalls einen schweren Schlag erhalten: Von den einstmal zahlreichen jüdischen religösen Gruppierungen blieben nur noch die Pharisäer übrig, aus denen sich das rabbinische Judentum entwickelte. Diese waren es, die den ihres Nationalheiligtums beraubten Juden durch eine neue Ausrichtung der Gottesverehrung eine neue Identität gaben. Vespasian führte zudem den sogenannten fiscus Iudaicus ein, der offiziell denarii duo Iudaeorum hieß. Jeder Jude im Reich musste seitdem ein Didrachmon, das er zuvor jährlich an den Tempel in Jerusalem entrichtet hatte, an den Tempel des Jupiter Capitolinus in Rom abführen. Hiermit sollte zunächst der im Jahr 69 n. Chr. niedergebrannte Jupitertempel auf dem Kapitol wiedererrichtet werden. Der fiscus wurde dann aber zu einer Dauerabgabe. Da die Juden die Steuer bereits zuvor nach Jerusalem an den Tempel ihres Gottes entrichtet hatten und sich jetzt „nur“ der Verwendungszweck und -ort geändert hatten, bedeutete der fiscus nicht so sehr eine steuerrechtliche Statusänderung. Aus römischer Sicht handelte es sich zunächst um die Aufhebung einer Sonderstellung, die den Juden durch das Privileg einer eigenen Abgabe für ihre Gottheit zugekommen war. Dem Kaiser, der den Spruch pecunia non olet geprägt hatte, kam die zusätzliche Einnahme vor allem deshalb zupass, weil er sich stets nach neuen Finanzquellen umsah. Hierin aber den Hauptgrund für den fiscus Iudaicus zu sehen (Thompson 1982), geht wohl an den damit verbundenen Implikationen vorbei. Der Zweck des fiscus war eine gezielte religiöse Herabsetzung, da durch die Umwidmung der Abgabe an die Stelle des einen Gottes des Volkes Israel der wichtigste Staatsgott des Reichs Jupiter getreten war. Diese Strafe wurde als Kollektivstrafe auf alle Juden angewandt, selbst diejenigen, die in keinerlei Zusammenhang mit den Ereignissen in Jerusalem gebracht werden konn-
Judäa und die Juden
VI.
ten. So zeigt die Einbeziehung aller Juden unter diese Abgabe, dass Rom auch alle Juden in einer gewissen Verantwortung für den Krieg sah. Durch ihre Abgabe an den Tempel in Jerusalem hatten schließlich auch sie die Finanzierung des Aufstandes gewährleistet. e) Der Judenexkurs des Tacitus Bereits aus dem oben besprochenen Proöm des Flavius Josephus zu seiner Geschichte des Jüdischen Krieges war zu erfahren, dass es Kreise im Imperium gab, die die Juden „hassten“. Die Verachtung der Juden ist uns unter anderem im Verhalten von römischen Legionären begegnet, die sich durch Handlungen und Gesten, wie der Verbrennung einer Torarolle, geringschätzend und herabwürdigend gegen die jüdische Religion gewandt hatten. Die von vielen heidnischen Zeitgenossen geteilte negative Einstellung zur jüdischen Lebensweise und Religion bezeichnete die Forschung als Antijudaismus oder Antisemitismus, wobei beide Begriffe aufgrund ihrer neuzeitlichen Prägung nur mit Vorsicht gebraucht werden dürfen. Insbesondere die Verwendung des Wortes „Antisemitismus“ ist mehr als unangebracht, weil er sich auf die gesamte Völkerfamilie der Semiten bezieht, von denen die Juden nur einen Teil bilden. Verbreitet war der antike Antijudaismus im Sinne einer „bewussten oder unbewussten Abneigung bis zum militanten Hass gegen Juden“ (Kettenhofen 1997) vor allem bei Ägyptern und Griechen. Mit Tacitus begegnet uns der erste lateinische Autor, der sich intensiver mit den Juden beschäftigte. Veranlasst dazu sah er sich im fünften Buch seiner Historien, nachdem er die Vorbereitungen zur Belagerung Jerusalems geschildert hatte, um danach auf die Niederschlagung des Judenaufstandes und die Eroberung Jerusalems eingehen zu können (eingeschoben ist, der annalistischen Tradition folgend, der Bericht über den Bataveraufstand).
Tacitus berichtet über die seltsamen Sitten der Juden (Tacitus, Historien V 4–5)
Antijudaismus
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Damit er sich des Volkes auch in Zukunft versichere, gab Moyses ihm neue Kultbräuche, die im Gegensatz stehen zu denen aller übrigen Menschen. Unheilig ist dort alles, was bei uns heilig, andererseits ist erlaubt bei ihnen, was für uns als Schande gilt. Ein Bild des Tieres (i.e. eines Esels), durch dessen Hinweis sie Herumirren und Durst überwunden hatten, weihten sie in ihrem Allerheiligsten, wobei sie einen Widder schlachten, gleichsam zur Verhöhnung Ammons; auch Stieropfer bringen sie dar, weil die Ägypter den Apis verehren. Schweinefleisch rühren sie nicht an – in Erinnerung an die Plage, weil auch sie damals der Aussatz entstellt hatte, von dem dieses Tier oft befallen wird. … Diese Kultbräuche, auf welche Weise auch immer eingeführt, werden durch ihr hohes Alter gerechtfertigt; die übrigen Einrichtungen, unsinnig und abstoßend (absurdus sordidusque), kamen zur Geltung eben wegen ihrer Abscheulichkeit. Denn überall waren es gerade die übelsten Elemente, die ihren Väterglauben aufgaben und Tempelabgaben und Spenden dort zusammenhäuften; daher wuchs die Macht der Juden, und auch deshalb, weil unter ihnen unverbrüchliche Treue waltet und hilfsbereites Mitleid, gegen alle anderen aber feindseliger Hass. … Alle, die zu ihrer Lebens-
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Die Provinzen
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form übertreten, halten sich an denselben Brauch (i.e. die Beschneidung), und nichts wird ihnen früher beigebracht, als die Götter zu verachten, ihr Vaterland zu vergessen, Eltern, Kinder, Brüder geringzuachten. (Übersetzung H. Vretska)
Das Judentum als Gegenreligion
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Entnommen sind die hier zitierten Passagen, deren vollständige Interpretation ein ganzes Buch füllen würde, dem sogenanntem „Judenexkurs“ des Tacitus – es handelt sich hierbei um ethnographische Betrachtungen über die Juden. Wozu dieser, die Juden äußerst gehässig charakterisierende Exkurs dem Tacitus diente, bleibt unklar. Bloch (2002) geht davon aus, dass er die anschließende Schilderung des Krieges in Judäa mit Spannung versehen und Vespasian und Titus in besonders gutem Licht dastehen lassen wollte. Bevor jedenfalls der hier zitierte Teil einsetzt, hatte Tacitus ganze sechs Ursprungsgeschichten über die Entstehung des jüdischen Volkes referiert. Die am weitesten verbreitete Legende sei jedoch folgende: Eine Seuche habe Ägypten heimgesucht, die zu körperlichen Missbildungen führte. Der Pharao erhielt daraufhin vom Orakel des Ammon in Siwa den Auftrag, die Aussätzigen zu vertreiben. Die Juden seien also ihrem Ursprung nach Ägypter – ein Volk, das bei den Römern in ebenso schlechtem Ansehen stand wie die Juden. Beider Religion bezeichnet Tacitus als „Wahnglauben“ (etwa Historien I 11; II 4,3; V 8,2–3: superstitio). Der ägyptische Aussätzige namens Moses war es dann, der sich der Vertriebenen annahm und sie letztlich ins gelobte Land führte. Tacitus übernahm diese Legende zweifelsohne von ägyptischen Gelehrten, die die biblische Geschichte des Exodus in griechischer Sprache in eine Vertreibung aus Ägypten umgedeutet hatten: es ist eine counterhistory (nach Funkenstein 1993, anders Assmann 1998). Der antike Schriftsteller gibt dann in den folgenden Kapiteln seinem römischen Leserkreis einen Überblick über die jüdische Geschichte, die Herkunft der Juden und ihre Sitten und lässt kein gutes Haar an ihnen. Betrachtet man die Schilderung, so ist hierin ein von breiteren Schichten getragenener griechischer und ägyptischer Zeitgeist zu erkennen, den Tacitus an seine römische Leserschaft weiterreichte. Das Judentum sei eine Gegenreligion zur gesamten paganen Welt. In erster Linie sei es jedoch, so wie Tacitus es von seinen ägyptischen Gewährsmännern übernommen hat, eine Gegenreligion zur ägyptischen Form der Götterverehrung. Sie drückt sich besonders in der Verachtung des Ammon aus, auf dessen Orakel hin der Pharao die Juden vertrieben hatte. Die Juden opferten deshalb den Widder, also das Inkarnationswesen dieses ägyptischen Gottes. Das Opfer des Stieres wiederum sei als Verhöhnung des Apis-Stieres, der zentralen Gottheit des ägyptischen Königtums, gedacht. In seiner negativ besetzten Schilderung jüdischer Kultbräuche gerät Tacitus jedoch in Konflikt zu seiner eigenen negativen Einstellung zur ägyptischen Religion: Tierkult war auch bei den Römern verachtet – das Opfer von Widdern und Stieren gehörte zum festen Ritual der römischen Religion. Die Aussage des Tacitus, dass bei den Juden „alles Unheilig ist, was bei uns heilig, andererseits erlaubt, was für uns als Schande gilt“ kann also nur als eine allzu wörtliche Übernahme aus seiner heute unbekannten gräkoägyptischen Quelle aufgefasst werden (Heinen 1992).
Judäa und die Juden Die vollkommen unrichtige Angabe des Tacitus, dass der Esel das Bild des jüdischen Gottes sei, dürfte ebenfalls auf betreffende Quelle zurückzuführen sein. Zwei ägyptische Erklärungen bieten sich hierfür an: Entweder schrieben die Ägypter, dass die Juden den Esel verehren, weil er das Tier des Seth-Typhon, also des Feindes der ägyptischen Götterfamilie Osiris, Isis und Horus, war. Möglich ist aber auch, dass die ägyptische Quelle das ägyptische Wort für Esel – *Io – aufgrund seiner lautlichen Ähnlichkeit zum hebräischen Gottesnamen Jahwe wählte, dessen griechische Wiedergabe Iao lautet. Tacitus wollte die offensichtlich falsche Tradition des Eselskultes verwenden, um die Juden lächerlich zu machen. Das war ihm wichtiger, als eine kohärent-logische Darstellung, denn wenig später schreibt er: Die Juden „stellen in ihren Städten keine Götterbilder auf, schon gar nicht in den Tempeln“ (Historien V 5,4). Seit der Eroberung Jerusalems durch Pompeius war den Römern bekannt, wie es Tacitus weiterhin berichtet, dass im Tempel „kein Götterbild stehe“ (Historien V 9,1). Was für die Existenz des Judentums im Römischen Reich aber von größter Bedeutung war, und darauf weist Tacitus explizit hin, ist die Tatsache, dass ihre Religion aufgrund ihres hohen Alters eine Bestandsgarantie besaß. Diese Bestandgarantie ermöglichte es den Juden jedoch, sich vollständig aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen. Tacitus greift dazu einen alten Vorwurf auf, der besagt, dass die Juden einen „Hass auf das Menschengeschlecht“ haben (Diodor XXXIV/XXXV 1,2). Diese Misanthropie bildet gleichsam das Leitmotiv des taciteischen Exkurses. Betrachtet man hingegen die Pluralität des antiken Judentums, die vielen Schattierungen von Teilnahme am öffentlichen Leben unter Beibehaltung der monotheistischen Überzeugungen, so strafte Tacitus seine zeitgenössische Realität Lügen. Die Juden selbst wiederum hätten dem römischen Historiker in diesem Fall nur auf das Erste Buch Mose mit der Josephsgeschichte verweisen brauchen: Auch Juden konnten, wie einst Joseph, im Dienst der nichtjüdischen Herrschaft zum Wohle aller wirken. Möglich war Tacitus die verfälschende Darstellung der jüdischen Einstellung zur heidnischen Umwelt jedoch insbesondere aufgrund des Jüdischen Krieges. In ihm hatten die religiösen Fundamentalisten – man denke nur an die Sikarier – die Außenwahrnehmung des Judentums geprägt. Fest steht damit, dass Tacitus, dessen Werk knapp eine Generation nach dem „Jüdischen Krieg“ des Josephus erschien, seinen Lesern ein völlig anderes Bild vom Judentum vermittelte als Josephus: Die Juden waren und blieben Feinde Roms. Dass diese Herabsetzung der Juden weit verbreitet war, belegt uns Josephus selbst, der nicht nur in seinem „Jüdischen Krieg“ die breite Masse der Juden als romkonform darstellen wollte, sondern der auch eine eigene Schrift „Gegen Apion“ kurz vor dem Erscheinen der taciteischen Historien (um 100 n. Chr.) verfasst hatte, in der er genau den Vorwürfen entgegentrat, die Tacitus gegen die Juden vorbrachte. Die antijüdische Einstellung war aber spätestens seit dieser Zeit im kulturellen Gedächtnis der römischen Elite festgeschrieben. Noch im 5. Jahrhundert n. Chr. äußerte sich der Heide Rutilius Namantianus in Bezug auf Roms Sieg über die Juden wie folgt: „hätte doch niemals Titus Jerusalem zerstört, denn dadurch ist die Ansteckung dieser Pest nur noch weiter verbreitet worden, und die besiegte Nation (i.e. die Juden) bedrückt ihre Sieger“ (De reditu suo I 395–398).
VI.
Bestandsgarantie der jüdischen Religion
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VII. Religiöse Entwicklungen 1. Das Christentum
Die Markusapokalypse
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„Als er den Tempel (von Jerusalem) verließ, sagte einer seiner Jünger zu ihm: ‚Meister schau, was für Steine und was für Bauten!‘ Jesus sagte zu ihm: ‚Siehst du diese mächtigen Bauten? Kein Stein wird auf dem anderen gelassen, ein jeder wird abgebrochen werden‘“ (Markus 13,1–4; vgl. Lukas 21,6; Matthäus 24,2). Der von seinen Jüngern als Rabbi bezeichnete Jesus von Nazareth scheint mit dieser Prophezeiung auf die Zerstörung des Jerusalemer Tempels durch Titus Bezug zu nehmen. Für die neutestamentliche Wissenschaft ist diese sogenannte Markusapokalypse eine der Stellen, um die drei synoptischen Evangelien nach Markus, Lukas und Matthäus in die Zeit des Vespasian zu datieren. Man betrachtet die Prophetie als ein vaticinium ex eventu, also als eine „Weissagung vom Ereignis her“: Der Verfasser des Evangeliums verfasste die Schrift unter dem Eindruck der Zerstörung des Tempels; er legte die Prophetie dann Jesus in den Mund, um seinen Lesern die prophetische Gabe des Messias zu verdeutlichen. Aus historischer Perspektive bedeutet das, dass ein wichtiger Teil der normgebenden Überlieferung des Christentums erst unter den Flaviern in eine schriftliche Form gebracht wurde. Die Anfänge der späteren Weltreligion sind auf diese Weise auf das engste mit dieser Dynastie und dem Zeitgeist des ausgehenden ersten Jahrhunderts verbunden. Das vierte Evangelium schießlich, dasjenige nach Johannes, soll 20 bis 40 Jahre später als die Evangelien der Synoptiker verfasst worden sein – also ungefähr in der Zeit Domitians. Zumindest ist das die communis opinio, wobei aber nicht verschwiegen sein soll, dass es ebenfalls Stimmen gibt, die sich, teils mit guten Argumenten, für eine Frühdatierung der vier Evangelien aussprechen. Synoptische Evangelien und Zwei-Quellen-Theorie Das Wort Evangelium bezeichnet die „Frohe Botschaft“ Jesu Christi. Als Gattungsbegriff wird Evangelium dann auch für die vier kanonischen Evangelien verwendet. Die Evangelien nach Markus, Lukas und Matthäus bezeichnet man als synoptisch, weil sie viele, fast identische Berichte aus dem Leben Jesu aufweisen. Im 19. Jahrhundert entwickelte man für die drei Synoptiker die sogenannte ZweiQuellen-Theorie. Grundthesen dieser Theorie sind, dass Markus das älteste Evangelium ist, das Lukas und Matthäus nutzten. Der Stoff, den die beiden über Markus hinaus gemeinsam haben, stamme aus einer nicht mehr erhaltenen und Markus unbekannten Quelle „Q“ mit Reden Jesu („Logienquelle“). An die Seite der beiden Hauptquellen trete dann noch Sondergut, das nur Lukas oder Matthäus zu eigen ist.
In der Zeit, in der die römische Welt erfuhr, dass Vespasian in Alexandria einen Blinden und einen Lahmen geheilt und sich damit als Gesandter des Gottes Sarapis erwiesen hatte, erfuhren Heiden und Juden von dem ‚Menschensohn‘ Jesus, der sich mit der Vollmacht seines Vaters ausgestattet sah und der in dessen Sendungsauftrag Kranke heilte und ihnen die Botschaft vom Königreich Gottes (basileia tou theou) brachte. Die jesuanischen Hei-
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Das Christentum lungen übertrafen die des Vespasian freilich bei weitem und stellten zudem nur einen kleinen Teil aus dem „Wunder-Repertoire“ des Nazareners dar. Aus historischer Perspektive ist es aber wichtig festzustellen, dass diese Wunder für die Zeitgenossen zu ihrer Lebenswelt gehörten. Das Vollbringen von Wundern, die die üblichen Regeln der Natur aufhoben, war eine Gabe, die von einer Gottheit begünstigte Menschen besaßen. Blinde sehen, Lahme gehen
VII. Der Sendungsauftrag
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(Markus 3,1–5) Wieder einmal ging er in eine Synagoge, und dort war ein Mann mit einer gelähmten Hand. … Er sprach zu dem Manne: ‚Strecke deine Hand aus!‘ Und er streckte sie aus, und seine Hand wurde wiederhergestellt. (Markus 8,22–23) Darauf kamen sie nach Bethsaida, und man brachte zu ihm einen Blinden und bat ihn, er möchte ihn berühren. Er fasste den Blinden bei der Hand …, tat Speichel auf seine Augen, legte ihm die Hände auf und fragte ihn: ‚Siehst du etwas?‘ Er blickte auf und sagte: ‚Ich erblicke Menschen; denn ich sehe sie wie Bäume einhergehen‘. (Lukas 8,24b–25) Und er sprach zum Gelähmten: ‚Ich sage dir: Steh auf, nimm dein Bett und geh nach Hause!‘ Sogleich stand er vor ihnen auf, nahm sein Bett, auf dem er gelegen, und ging, Gott preisend, nach Hause. (Sueton, Vespasian 7,2) Als er vorn auf dem Tribunal saß, wandte sich aus dem Volk jemand an ihn, der erblindet war, und noch einer, der ein lahmes Bein hatte. Sie baten ihn, ihnen Hilfe für ihre körperlichen Gebrechen zukommen zu lassen, die ihnen der Sarapis gezeigt hatte, während sie schliefen: er werde das Augenlicht wiedergeben, wenn er die Augen mit dem Speichel seines Mundes bestreiche, die Beine würden wieder kräftig, wenn er nur geruhe, sie mit der Ferse zu berühren. (Übersetzung in Anlehnung an H. Martinet) (Cassius Dio LXV 8,1) Vespasian selbst heilte zwei Männer, einen Blinden, und einen, der eine verdorrte Hand hatte. Beide kamen auf Traumgesichte hin zu ihm, und er trat dem einen auf die Hand, während er dem anderen in die Augen spuckte. (Übersetzung O. Veh)
a) Judenchristen und Heidenchristen Um das Christentum in flavischer Zeit zu verstehen, ist ein Blick auf die Anfänge dieser Religion zu werfen: Nach dem Tod Jesu am Kreuz entstand innerhalb des Judentums eine Sekte, die an die Gottessendung und -sohnschaft des Nazareners glaubte. Viele, möglicherweise sogar die meisten Jesusgläubigen in der Zeit vor der Zerstörung des Tempels, richteten ihr Leben weiterhin nach der Tora aus. Man bezeichnet sie heute als Judenchristen – der Kreuzestod ihres Meisters hatte für sie noch nicht die Erlösungsfunktion, die ihm im Christentum zukam. Neben den zunächst dominierenden Judenchristen gab es aber auch Kreise, die die Lehre Jesu unter die Heiden tragen wollten und trugen. Sie lehnten die strengen Gesetze des Judentums ab und wollten den Heiden Zugang zum universalen Gott Israels verschaffen. Mög-
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Religiöse Entwicklungen
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Paulus
superstitio
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lich war das jedoch nur ohne die befremdenden jüdischen Reinheitsgebote, die Speise- und Sabbatvorschriften und vor allem ohne die Beschneidung: Man sollte Christ werden können, ohne vorher Jude sein zu müssen; allein der Glaube an Jesus Christus und die göttliche Gnade sollten das Heil bringen. Der wichtigste Vertreter dieser Heidenchristen war der ehemals streng orthodoxe Jude Saulus, der sich nach seiner Bekehrung zum Glauben an Jesus Paulus nannte. Er wurde der sogenannte Apostel der Heiden und legte in seiner Ausdeutung der Lehre Jesu, den er nie gesehen und erlebt hatte, die Grundlagen für die spätere Weltreligion Christentum. Nicht die Evangelien, sondern seine Briefe (ab ca. 50 n. Chr.) sind zudem die ältesten schriftlichen Zeugnisse des neuen Glaubens. Das von Paulus in die heidnische Welt getragene Christentum war in seiner griechischen Ausdeutung eine Erlösungsreligion von überaus großer Attraktivität für die Heiden. Es versprach die persönliche Nähe Gottes, die baldige Wiederkunft des Erlösers und die Befreiung von der täglichen Mühsahl. Die frühsten nichtchristlichen Quellen zu der neuen Religion sind auch unsere Hauptquellen zur Flavierzeit – Tacitus und Sueton. Sie sahen im Christentum einen „Wahnglauben“ (Tacitus, Annalen XV 44,3; Sueton, Nero XVI 3: superstitio) und stellten es damit in eine Reihe mit anderen orientalischen Religionen, etwa der ägyptischen und jüdischen. Wie die Juden, so verschlossen sich viele Christen einer Teilnahme am öffentlichen Leben, weil es von den Riten der heidnischen Religion durchdrungen war. Die Abschottung führte zu diversen Gerüchten über abscheulichste christliche Rituale (orgiastische Feiern, sexuelle Exzesse, Inzest, Kannibalismus). Das brachte den Christen den gleichen Vorwurf wie den Juden ein: Sie hätten einen Hass auf das Menschengeschlecht (Tacitus, Annalen XV 44,4: odium humani generis). Anders als das Judentum konnte das Christentum jedoch nicht auf sein hohes Alter verweisen, das ihm in römischen Augen einen Bestandsschutz garantiert hätte – der Christusglaube war keine „erlaubte Religion“ (religio licita). Zudem bildeten Christen, anders als die Juden, keine ethnisch klar definierte Gruppe, was sie einer wirksamen Kontrolle entzog.
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Christus, Christentum Christus, griechisch Christós, ist der Ehrenname, den der Jude Jesus von Nazareth von seinen Anhängern erhielt, und der den „Gesalbten“ bezeichnet. Es handelt sich hierbei um die griechische Übersetzung des hebräischen Hoheitstitels Messias, des von den Juden erwarteten endzeitlichen Heilskönigs. Zum ersten Mal belegt ist die Bezeichnung Christ (christianós) zur Kennzeichnung des Christgläubigen in den 40er Jahren; seit dem zweiten Jahrhundert gibt es den Begriff Christentum (christianismós).
Zerstörung Jerusalems
Die Zerstörung Jerusalems durch Titus bedeutete für das Christentum insofern einen tiefen Einschnitt, als dass mit ihr die Judenchristen von der Bildfläche verschwanden. Von nun an hatten diejenigen Jesusgläubigen die Oberhand, die in Jesus die Erscheinung des erlösenden Gottes auf Erden sahen und die sich vom Judentum getrennt hatten. Bereits in dieser Zeit dürfte sich zudem die Feindschaft vieler Christen zu den Juden herausgebildet haben, denen man die Schuld am (eigentlich ja heilsnotwendigen) Tode Jesu geben konnte. Schon der im Evangelium nach Johannes geschilderte Jesus
Das Christentum
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ist vollkommen vom Judentum gelöst präsentiert, wenn er seinen Glaubensgenossen entgegenhält: „Ihr habt den Teufel zum Vater“ (Joh 8,44). Spätestens zur Abfassungszeit dieses Werkes (um 90 n. Chr.?) war der Bruch zwischen Christen und Juden also unüberbrückbar geworden (vgl. bereits 1 Thess 2,13–16). Die Christen sahen sich als das „neue“, das „wahre“ Israel. Die Christen verlassen Jerusalem (Eusebius, Kirchengeschichte III 5,3)
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Als endlich die Kirchengemeinde in Jerusalem in einer Offenbarung, die ihren Führern zuteil geworden war, die Weissagung erhalten hatte, noch vor dem Krieg die Stadt zu verlassen und sich in einer Stadt Peräas, namens Pella, niederzulassen, und als sodann die Christgläubigen von Jerusalem weggezogen waren, und weil damit gleichsam die heiligen Männer die königliche Hauptstadt der Juden und ganz Judäa völlig geräumt hatten, da brach zuletzt das Strafgericht Gottes über die Juden wegen der vielen Freveltaten, die sie an Christus und seinen Aposteln begangen hatten, herein und vertilgte gänzlich dieses Geschlecht der Gottlosen aus der Menschengeschichte. (Übersetzung Ph. Haeuser)
Die von Eusebius gegebene Deutung der Zerstörung des Tempels als Strafe Gottes vertraten auch Juden, wie es die Schrift des Josephus über den jüdischen Krieg zeigt (s.o.). Eusebius sieht das Ereignis jedoch als Vergeltung für die Behandlung der Christen: Bereits bei ihm verfallen die Juden der Kollektivschuld, den Gottessohn ermordet zu haben, und verdienen deshalb die von den Römern im Sinne Gottes ausgeführte Strafe. Dass die Christen sich jedoch vor der Belagerung durch Titus aus Jerusalem und ganz Judäa zurückgezogen hätten, dürfte der Phantasie des christlichen Geschichtsverständnisses entsprungen sein. In Jersulem gab es kaum Heidenchristen und diejenigen Juden, die sich als Judenchristen dem neuen Glauben zugewandt hatten, wurden genauso vernichtet, wie die übrigen jüdischen Gruppierungen. Manche meinen, dass die Judenchristen als eigenständige Vereinigung die Zerstörung der Stadt überlebt hätten; Einfluss auf den christlichen Diskurs hatten sie jedoch wenig und spätestens seit 135 n. Chr., mit dem Verbot Hadrians an alle Juden, Jerusalem zu begeben, treten sie nicht mehr in Erscheinung. b) Domitian als Christenverfolger? Glaubt man der antiken und manchmal auch modernen christlichen Geschichtsschreibung, so erhält man die Information, dass Domitian nach Nero der zweite große Christenverfolger war. Domitian als zweiter großer Christenverfolger (Laktanz, Über die Todesarten der Verfolger 3)
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Einige Jahre waren vergangen, da erhob sich ein anderer, nicht minder großer Tyrann (als Nero), namens Domitian. Obwohl dieser eine verhasste Herrschaft führ-
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Religiöse Entwicklungen
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te, so konnte er dennoch die längste Zeit den Untertanen auf dem Nacken sitzen und gefahrlos herrschen, bis er die ruchlose Hand wider den Herrn (dominus) erhob. Nachdem er sich aber zur Verfolgung des gerechten Volkes auf Antrieb der Dämonen hatte verleiten lassen, da geriet er in die Hände seiner Feinde und verfiel der gerechten Strafe. Und es war der Rache noch nicht genug, dass er in seinem eigenen Palaste ermordet wurde; auch das Andenken seines Namens wurde ausgetilgt. Denn obschon er viele wunderbare Bauwerke geschaffen, das Kapitol und andere berühmte Denkmäler errichtet hatte, so verfolgte doch der Senat in dem Grade seinen Namen, dass er von seinen Bildnissen und Inschriften keine Spur mehr übrig ließ und durch eigene Beschlüsse ihn auch nach dem Tode noch brandmarkte zu immerwährender Schmach. (Übersetzung A. Hartl)
Laktanz
ungerechte Kaiser = Verfolger Christi
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Die Schrift „Über die Todesarten der Verfolger“ wird dem lateinischen Schriftsteller Lucius Caelius Firminianus LACTANTIUS (ca. 250–325 n. Chr.) zugeschrieben. Er schrieb als Jesusgläubiger nach dem „Sieg“ des Christentums unter Konstantin dem Großen zwischen 313 und 316 n. Chr. ein Werk über diejenigen Kaiser, die nach christlicher Tradition das Christentum verfolgt und aus diesem Grund einen schmachvollen Tod gefunden hatten. Das Hauptaugenmerk des Laktanz galt den kurz zuvor beendeten Verfolgungen unter Kaiser Galerius, doch stellt er dem kurze Abschnitte zu den Verfolgern Nero, Domitian, Decius, Valerian, Aurelian, Diokletian, Maximian voran. Es hatte sich nämlich in der christlichen Geschichtsschreibung die Tradition herausgebildet, diejenigen Kaiser als Christenverfolger zu präsentieren, die auch in den Augen der senatorischen Geschichtsschreibung schlechte Kaiser waren: Ungerechte Imperatoren waren Verfolger Christi (iniusti imperatores = insecutores Christi). Der früheste Beleg für diese Auffassung ist der Brief des Bischofs Melito von Sardes an Marc Aurel (reg. 161–180 n. Chr.). Auf die senatorische Sicht des Domitian spielt Laktanz in dem zitierten Text an, wenn er schreibt, dass der Senat den „Namen“ des Kaisers nach dem Tod verfolgte, also die damnatio memoriae verhängte. Wenn aber Kaiser, die sich am Senat vergangen hatten, auch gegen die Christen vorgegangen waren, dann konnte das im Umkehrschluss nur bedeuten, dass das Christentum etwas Gutes war. Die lange Regierungszeit des Tyrannen erklärt Laktanz damit, dass er sich erst zum Ende seiner Herrschaft gegen die Christen wandte – bis dahin hatte Domitian unbehelligt sein tyrannisches Regime führen können. Als er sich dann aber an den Christen vergriff, ließ Gott ihm die gerechte Strafe zukommen.
Domitian als Zweiter Nero (Eusebius, Kirchengeschichte III 17) Nachdem Domitian an vielen seine Grausamkeit erprobt, eine nicht unbeträchtliche Zahl von edlen und angesehenen Männern in Rom ohne genügenden Grund getötet und grundlos unzählige andere vornehme Männer in die Verbannung geschickt und ihr Vermögen konfisziert hatte, machte er sich schließlich noch durch seinen Hass und Kampf gegen Gott zum Nachfolger des Nero. Er war also der
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Das Christentum
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zweite, welcher eine Verfolgung gegen uns angeordnet hat, während sein Vater Vespasian nichts Feindliches gegen uns ersonnen hatte. (Übersetzung H. Kraft/Ph. Haeuser/A. Gärtner)
Eusebius von Caesarea (ca. 260–340 n. Chr.) gilt als „Vater der Kirchengeschichte“. In seiner seit 280 n. Chr. verfassten Kirchengeschichte unterstreicht er noch mehr als Laktanz das Tyrannenbild des Domitian, um damit dessen Vorgehen gegen die Christen als unvereinbar mit römischer Tradition und den Werten der Republik darstellen zu können. Aus diesem Grund führt er auch den Vater Domitians mit an, der als „guter“ Kaiser nichts gegen die Christen unternommen hatte. Bereits Laktanz hatte von der „Verfolgung des gerechten Volkes“ gesprochen und damit auf das Vorgehen des Domitian gegen einige Mitglieder des Senatorenstandes angespielt, die sich nach christlicher Tradition dem Glauben an Jesus zugewandt hatten. Besonders wichtig für Laktanz und Eusebius war nämlich die Tatsache, dass Domitian seinen Vetter, den Konsul T. Flavius Clemens hatte hinrichten lassen. Als Grund ist das Vergehen der Gottlosigkeit überliefert (Cassius Dio LXVII 14,1; s.o.) – ein Vorwurf, der Christen und Juden gleichermaßen traf. Eusebius berichtet in seiner Kirchengeschichte (III 18,4) zudem, dass Domitilla, die Gemahlin des Flavius Clemens, wegen ihres Christusbekenntnisses verbannt wurde. Das war den antiken Kirchenschriftstellern dann der Beweis dafür, dass Chistentum und römische Elite schon sehr früh eine Symbiose eingehen konnten. Noch heute gibt es Forscher, die der Ansicht sind, Clemens habe sich wirklich dem Christentum zugewandt – doch lässt sich dies keinesfalls beweisen. Als weiterer Beleg für die Verfolgung von Christen in Rom wird gerne auf den ersten Clemensbrief verwiesen, der Katholiken gleichzeitig als Beweis für den Primat des römischen Bischofs über allen anderen Bischöfen gilt. Clemens, der nicht mit dem Senator Flavius Clemens zu verwechseln ist, war nach christlicher Tradition der dritte Bischof von Rom und schrieb Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. einen Brief an die Gemeinde von Korinth, um einen dortigen Streit zu schlichten. Der Brief spricht von Verhängnissen und Unglücken, die die Kirche in Rom Schlag auf Schlag treffen, weist auf den Märtyrertod des Paulus und Petrus hin und fährt fort: „Wir befinden uns auf demselben Kampfplatz und derselbe Kampf ist uns auferlegt“ (7,1). Es ist freilich schwierig, hieraus auf organisierte staatliche Maßnahmen gegen Christen zu schließen – was soll mit „Verhängnissen“ und „Unglücksfällen“ gemeint sein. So lässt sich kein sicherer, was meint nichtchristlicher Beleg dafür finden, dass es in domitianischer Zeit eine staatliche Verfolgung von Christen in Rom gegeben hat. Die Situation für die Christen in Kleinasien hingegen scheint sich unter Domitian zumindest verschlechtert zu haben. Aufgrund einer Zunahme des Kaiserkultes, der sich in Kleinasien einer besonderen Intensivität erfreute, sieht die Forschung die Christen in Bedrängnis und erklärt hieraus die Entstehung der Johannesapokalypse zwischen 90 und 95 n. Chr. (anders allerdings unlängst Witulski 2007). Es handelt sich dabei um Visionen, die der Seher Johannes auf der Insel Patmos empfing. Hierhin hatte ihn Domitian,
Eusebius
1. Clemensbrief
Christen in Kleinasien
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wie es Eusebius in seiner Kirchengeschichte (III 18,1–3) angibt, verbannt. Johannes, der nicht mit dem gleichnamigen Evangelisten zu identifizieren ist, gibt an, die Offenbarung direkt von Jesus empfangen zu haben, der sie von Gott bekam. Gerichtet hat er sein Werk an die Gemeinden Kleinasiens.
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Die Hure Babylon (Offenbarung des Johannes 17) Und ich sah eine Frau auf einem scharlachroten Tier sitzen, das voll von gotteslästerlichen Namen war und sieben Köpfe und zehn Hörner hatte. Und die Frau … hatte einen goldenen Becher in ihrer Hand, der voll war von Greueln und dem Schmutz ihrer Hurerei, und an ihrer Stirn stand ein Name geschrieben, ein Geheimnis: „Das große Babylon, die Mutter der Huren und der Greuel der Erde.“ Und ich sah die Frau trunken vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu; und ich verwunderte mich gewaltig, als ich sie sah. Da sprach der Engel zu mir: Warum verwunderst du dich? Ich will dir das Geheimnis der Frau und des Tieres sagen … Die sieben Köpfe sind sieben Berge, auf denen die Frau sitzt, und sind zugleich sieben Könige. Die fünf ersten sind gefallen, der eine ist da, der andere ist noch nicht gekommen; und wenn er kommt, soll er nur kurze Zeit bleiben. Und das Tier … ist selbst der achte.
Mit der Hure Babylon ist, wie wir der ‚Erklärung‘ des Engels entnehmen dürfen, die personifizierte Stadt Rom gemeint, denn Rom ist die Stadt der sieben Hügel. Die Trunkenheit vom Blut der Heiligen und Zeugen könnte auf die Hinrichtung des Paulus und Petrus in der Stadt anspielen und auf andere Drangsale, die Christen etwa unter Nero in Rom erlebt hatten. Manche möchten in der Vision des Johannes hingegen einen „klaren Beleg“ für die Hinrichtung von Christen aufgrund der Verweigerung des Kaiserkultes in Kleinasien sehen (Guyot/Klein 21997). Die sieben Köpfe stehen, wie der Engel weiter erklärt, nicht nur für die Hügel Roms, sondern auch für die sieben Kaiser Roms von Augustus bis Titus, denn das griechische Wort für „König“ (basileus) verwendete man im Osten des Römischen Reichs manchmal auch als Bezeichnung der römischen Kaiser. Richtig werden die ersten fünf Kaiser der julisch-claudischen Dynastie (Augustus, Tiberius, Gaius Caligula, Claudius und Nero) als Einheit erfasst. Das Vierkaiserjahr ist ignoriert und die Zeit der flavischen Dynastie, in der sich der fiktive Verfasser wähnt, hat mit Vespasian gerade begonnen, denn dieser ist der „König“ der „da ist“. Der Prophet sieht ganz richtig voraus, dass sein Nachfolger Titus „nur kurze Zeit“ regieren wird – es handelt sich selbstverständlich um ein vaticinium ex eventu. Und dann erklärt der Verfasser das Tier selbst: Es ist der Antichrist Domitian.
2. Kaiserkult und Kaiserverehrung Bereits das den Beginn der Herrschaft Vespasians kennzeichnende Wunder in Alexandria wies die enge Verbindung des neuen Kaisers zu den Göttern
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Kaiserkult und Kaiserverehrung
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auf. Bei der oben vorgenommenen Besprechung der alexandrinischen Ereignisse wurde auf deren kontroverse Beurteilung in der Forschung hingewiesen: Die einen sahen Vespasian als Gott handeln, der die Kranken heilte, die anderen nur als Beauftragten Gottes. Viele Untertanen sahen den römischen Kaiser jedoch nicht nur als Beauftragten Gottes, sondern sie erwiesen ihm Ehren, die nur den Göttern zukamen, also einen Kaiserkult. Das bedeutete freilich nicht zwingend, dass man im Kaiser auch einen Gott sah. Wesentliche Kennzeichen, die einen Kult für den Kaiser und seine Familie ausmachen, sind: 1. dem Kaiser und seiner Familie geweihte Tempel, Haine und Altäre, 2. die Einrichtung einer Priesterschaft für den Kaiser, 3. Kulthandlungen/Rituale für den Kaiser, die nur den Göttern zukommen, 4. das Begehen von mit den Götterfesten identischen Festen für den Kaiser, 5. die Gleichsetzung des Kaisers mit Gottheiten, 6. der mit anderen Göttern geteilte Kult. Kaiserverehrung hingegen, die sich in den Quellen wesentlich häufiger finden lässt, lag immer dann vor, wenn der Kaiser Ehrungen erhielt, die besonders verdienten Menschen zuteil werden konnten. Die beliebteste Möglichkeit der Kaiserverehrung war es, die Dankbarkeit und/oder Loyalität gegenüber dem Herrscher mittels einer Stiftung oder eines Opfers „zu seinem Heile“ (pro salute) vorzunehmen. Diese Weihungen gingen im kultischen Sinne an eine Gottheit, die das Heil des Kaisers und damit letztlich der Untertanen garantieren sollte. Manfred Clauss (22001) schreibt in seinem wichtigen Buch zum Kaiserkult im Römischen Reich: „Der römische Kaiser war Gottheit. Er war dies von Anfang an, seit Caesar und Augustus, er war es zu Lebzeiten, er war es auch im Westen des Römischen Reichs, in Italien, in Rom.“ Basis dieser Ansicht ist die unbestrittene Feststellung, dass antike heidnische Religion nicht mit jüdisch-christlichen Vorstellungen von „Gott“ und „Glauben“ zu vergleichen ist. Wenn also jemand einen Kult erhält, dann ist er in antiken Augen Gottheit. Der Großteil der Forschung ist hingegen der Ansicht, dass die antiken Zeitgenossen den Kaiser keinesfalls als Gottheit ansahen. So vermeidet Gradel (2002) sogar den Begriff Herrscherkult (ruler-cult) und sieht in allen Formen der Adoration des Kaisers nur Kaiserverehrung – er unterscheidet also nicht zwischen Kult und Verehrung. Kult für den Kaiser sei vielmehr als eine ganz besondere, nämlich die höchste Art der Ehrung des Menschen zu betrachten. Die Kultvollziehenden wollten mit ihrem Ritual lediglich erreichen, dass der Kaiser gut regiert. Folgt man dieser Richtung der Forschung, so ist in letzter Konsequenz eine klare Grenze zwischen den unsterblichen Göttern und dem sterblichen Kaiser zu ziehen. Jeder Althistorikerin und jedem Althistoriker obliegt es, sich selbst eine Meinung über diese kontroverse Frage zu bilden. Wichtig ist aber, dass die jeweilige Auffassung zum Status des Kaisers in der Forschung oft absolut gesetzt ist, ohne dass eine Unterscheidung zugelassen wird, die etwa den kulturellen und religiösen Kontext der Untertanen berücksichtigt. Ein Ägypter wird jedoch etwas anderes mit dem Kaiserkult verbunden haben als ein Grieche, ebenso wie Römer eine andere Einstellung zum Kult am Herrscher hatten als etwa Germanen oder Gallier. Es ist also durchaus möglich, dass
Kaiserverehrung
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bestimmte Kreise im Kaiser eine wirkliche, auf Erden weilende Gottheit sahen, wohingegen andere ihm mittels des Kultes nur ihre Loyalität und Hochachtung erweisen wollten. a) Formen des Kaiserkultes im Reich
numen und Genius des Kaisers in Rom
Bedeutung der Provinziallandtage
In Rom gab es keinen offiziell-staatlichen Kult für den lebenden Kaiser. Diese Regel geht auf Augustus selbst zurück, von dem Cassius Dio (LI 20,6) schreibt, dass er in Rom keinen Kult für ihn zugelassen habe. Einen offiziell sanktionierten Kult erhielt in Rom jedoch das numen, also der göttliche Wille/die göttliche Kraft des Kaisers, oder seine als Genius bezeichnete persönliche Schutzgottheit. Anders sah die Entwicklung des Kaiserkultes im Osten des Reichs aus. Seine Einrichtung hatten die dort lebenden Griechen betrieben. Getragen hat den offiziellen kleinasiatischen Kaiserkult das koinon Asias, also der Bund der Griechenstädte Kleinasiens. Auf Provinziallandtagen des Koinons trafen sich die Vertreter aller Griechenstädte der Provinz, um über gemeinsame Angelegenheiten zu beraten und den Kaiserkult zu vollziehen. Man spricht aus diesem Grund von einem provinzialen Kaiserkult, der von Rom aus sanktioniert war. Daneben traten im Osten zwei weitere Möglichkeiten, den Kaiser mit einem Kult zu versehen. Zum einen war das der sogenannte munizipiale/städtische Kaiserkult, der in der Verantwortung jeder einzelnen griechischen Stadtgemeinde lag. Zum anderen gab es noch vielfältige Formen des privaten und in Vereinen ausgelebten Kaiserkultes. Der Provinzialkult Kleinasiens bildete das Modell für Augustus und seine Nachfolger zur Einrichtung des Kaiserkultes im Westen des Imperiums, wo man in noch nicht gänzlich befriedeten Provinzen ähnliche Provinziallandtage (concilia provinciae) einrichtete. Den Anfang bildete der Provinzialkult um den Altar der Roma und des Augustus (ara Romae et Augusti/ara trium Galliarum) seit 12 v. Chr. in Lyon für die drei gallischen Provinzen. Hinzu trat vor 7 v. Chr. der Kult für Augustus und Roma am Altar der Ubier (ara Ubiorum) bei Köln. Diese Kulte dienten der Romanisierung und Zivilisierung der Provinzen, sollten die Loyalität gegenüber dem Kaiser und Rom festigen und den einheimischen Adel durch die Übernahme von Ämtern in den Kulten an Rom binden. Die alten und schon lange unter römischer Herrschaft stehenden senatorischen Provinzen erhielten dagegen zunächst noch keinen Kaiserkult. b) Vespasian, Titus und Domitian In Italien und Rom war der Kaiser, wie oben dargelegt, an die vom Senat geprägten republikanischen Formen der Repräsentation gebunden. Diese schlossen eine Vergöttlichung des princeps, der ‚nur‘ der erste Bürger war, aus. Vespasian hielt sich an diesen Verhaltenskodex allein schon deshalb, weil er sich von seinem Vorgänger Nero, der es mit seiner Selbstvergöttlichung übertrieben hatte, absetzen wollte. Das fiel dem ersten Kaiser des Flavierhauses jedoch nicht wirklich schwer, weil seine Herkunft in der bodenständigen Mittelschicht lag. Mit einer Verehrung seiner Person als Gottheit konnte er deshalb nicht viel anfangen.
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Kaiserkult und Kaiserverehrung
Vespasian lacht (Sueton, Vespasian 12)
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Aus seiner ehemaligen Zugehörigkeit zu einem niederen Stand machte er nie einen Hehl und kokettierte sogar häufig damit. Ja, er lachte sogar wider Erwarten gewisse Leute aus, die versuchten, den Ursprung des flavischen Geschlechts auf die Gründer von Reate und einen Begleiter des Hercules, dessen Denkmal an der Via Salaria steht, zurückzuführen. (Übersetzung H. Martinet)
Es gab in Rom allem Anschein nach noch genügend Schmeichler aus der Zeit des Nero, die dem neuen Kaiser eine edle, ja eine göttliche Herkunft andichten wollten. Unter Nero hatten sie damit Erfolg gehabt, den Herrscher in göttliche Sphären zu rücken. Gleiches versuchten sie mit Vespasian, dem sie eine heroische Legitimation zu verleihen trachteten. Vespasian jedoch wollte sich auf derlei Dinge nicht einlassen und machte sich sogar darüber lustig. Hieran zeigt sich, wie sicher der Kaiser auf dem Thron saß – er bedurfte, nach den alexandrinischen Ereignissen, keiner weiteren göttlichen Rechtfertigung seiner Herrschaft mehr. Auf diese Weise hatte er indirekt zudem den traditionsverbundenen Teil der senatorischen Elite hinter sich. Vespasian wusste aber, dass er nach seinem Verscheiden zum Staatsgott (divus) werden würde, und nahm dies nicht sonderlich ernst: „Auch beim ersten Anfall einer Krankheit sagte er: ‚Ach, ich glaube, ich werde ein Gott‘“ (Sueton, Vespasian XXIII 4). Die Untertanen scheinen die Ablehnung von göttlichen Ehren durch den Herrscher akzeptiert zu haben, denn es finden sich keine Belege aus dem privaten Stiftungskontext, die Vespasian in die Position einer Gottheit erheben. Man erwies dem Kaiser vielmehr dadurch seine Loyalität, dass man bei den eigenen Göttern für sein Heil betete. Aus Kedrai in Kleinasien ist etwa eine Ehreninschrift folgenden Wortlautes überliefert: „Zum Heile des Imperator Caesar Vespasianus, (hat es) die Bürgerschaft von Kedreai ihrem Wohltäter, den Göttern (geweiht)“ (BE 1895, 459). In Ägypten bedachte man nicht nur den „Heiland und Wohltäter“ Vespasian mit einer Ehrenstatue (IG Philae II 161), sondern wollte auch, dass die Krokodilgötter Pnepheros und Petesuchos das Heil des Kaisers, seiner beiden Söhne und seiner Familie garantieren: „Zum Heile des Imperator Caesar Vespasianus Augustus und des Imperator Titus Caesar und des Domitian Caesar und ihres gesamten Hauses“ (IG Fayoum I 86). Ein gesunder und wohlbehaltener Kaiser garantierte den Bestand und die Sicherheit des Reichs und damit gleichzeitig die Wohlfahrt der Untertanen. Was sich jedoch unter Vespasian konstatieren lässt, ist die Einrichtung von Provinzialkaiserkulten und -landtagen in den alten senatorischen Provinzen des Reichs. Diese sind seit dieser Zeit in der Gallia Narbonensis, der Africa Proconsularis und der Hispania Baetica nachzuweisen. Während des Zusammenkommens auf den Landtagen, auf denen alle Untertanen in der Provinz das gemeinsame Opfer für den Kaiser vollzogen, betrieben die Provinzialen selbstverständlich auch Politik; so reichten sie etwa Petitionen und Beschwerden beim Kaiser ein, wenn sie sich von Statthaltern ungerecht behandelt fühlten und hatten, da sie die gesamte
Einrichtung von Provinzialkaiserkulten
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dominus et deus
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Provinz vertraten, entsprechend mehr Einfluss, als wenn dies eine einzelne Stadt getan hätte. War Vespasian dem Kult um seine Person nicht unbedingt zugetan, so erachtete er ihn in der offiziellen Ausformung doch durchaus als nütztliches Medium der Politik zur Einbindung der provinzialen Eliten in das Reich. Aus kaiserkultischer Sicht lässt sich über die zwei Jahre des Titus fast nichts sagen. Das einzige Dokument, das von offizieller Seite aus Titus in göttliche Dimensionen rückt, ist eine stadtrömische Münze aus seiner Zeit als Thronfolger: Die Münze zeigt den designierten Thronfolger mit einem Strahlennimbus (Mittag 2009). Hätte er hier nur den Strahlenkranz, also einen Reif, an dem Sonnenstrahlen befestigt waren, dann wäre das nicht mehr als „vergöttlichend“ zu betrachten gewesen – das gehörte inzwischen zur Kennzeichnung kaiserlicher Macht. Wenn der Thronfolger aber, ebenso wie eine Gottheit, in einer Aureole präsentiert wird, dann ist er einem Gott gleichgestellt. Selbstverständlich überschlugen sich auch die Dichter und Autoren seiner Zeit im vergöttlichenden Lob für ihn. Martial berichtet etwa, wie sich ein Elephant vor Titus niederkniete, weil er den Gott im Kaiser spürte (Martial, Buch der Schauspiele 17,4): „Glaub mir, auch er verspürt sicher in dir unsern Gott.“ Domitian wiederum hatte, anders als seine beiden Vorgänger, ein ausgeprägtes Interesse am Kult um seine Person. Die Vergöttlichung des Kaisers kennt insbesondere in der zeitgenössischen Dichtung keine Grenzen – er war für sie der „anwesende Gott“ (Statius, Silvae I 1,62: deus praesens)! Cassius Dio (LXVII 5,7) überliefert uns gar, dass Domitian darauf bestand „selbst als Gott zu gelten, und über die Maßen stolz war, ‚Herr‘ und ‚Gott‘ zu heißen. Diese Bezeichnungen wurden nicht allein in Reden, sondern auch in Schriftstücken verwendet.“ Die aus dem hellenistischen Osten übernommene Herrscherakklamation als „Herr und Gott“ (dominus et deus) ist auch von Sueton (Domitian XIII 1) für den Kaiser überliefert, doch geht die Forschung davon aus, dass dies nur im nichtoffiziellen Kontext geschah. Es gibt nämlich, anders als es die Formulierung Suetons vermuten lässt, keine offiziellen Dokumente, wie etwa Inschriften, auf denen Domitian einmal als „Herr und Gott“ auftritt. Fand sich aber ein Untertan dazu bereit, den Kaiser als Gottheit anzusprechen, dann konnte ihm dies große Vorteile bringen, wie es zumindest Cassius Dio berichtet.
Die Gnade des Gottes Domitian (Cassius Dio LXVII 13,3–4) Ein gewisser Iuventius Celsus hingegen, der eine führende Rolle bei einer Verschwörung mit anderen zusammen gegen Domitian gespielt hatte und deshalb angeklagt worden war, konnte auf eigenartige Weise sein Leben retten: Als seine Verurteilung bevorstand, bat er um eine geheime Aussprache mit dem Kaiser, warf sich ihm bei dieser Gelegenheit zu Füßen und bezeichnete ihn wiederholt mit ‚dominus‘ und ‚deus‘, Titeln, die bereits von anderen dem Herrscher gegenüber gebraucht wurden. Dann sagte er: ‚Ich habe nichts dergleichen getan, doch wenn ich einen Aufschub erhalte, will ich alles auskundschaften und werde nicht nur viele bei dir anzeigen, sondern auch dafür sorgen, dass sie überführt werden.‘
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Kaiserkult und Kaiserverehrung
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Auf diese Zusage hin freigelassen, zeigte er aber niemand an, erfand vielmehr immer neue Vorwände und brachte so sein Leben hin, bis Domitian aus der Welt schied. (Übersetzung O. Veh)
Interessanterweise berichtet uns Statius (Silvae I 6,81–84), dass Domitian gerade die Anrede als dominus ablehnte: „Zum Himmel erheben sich unzählige Stimmen und preisen die Saturnalien des Prinzeps und mit freudiger Zuneigung rufen sie ihren Herrn. Das allein hatte der Kaiser sich verbeten.“ Hieran zeigt sich, dass wir uns kein allzu einseitiges Bild von Domitians Repräsentation machen dürfen, denn es konnte, je nach Situation, changieren. Wenn der Kaiser es für angebracht hielt, trat er als römischer Bürger auf, demonstrierte Bescheidenheit und wies deshalb auch die überhöhende Akklamation zurück. In anderen Situationen, die freilich wesentlich häufiger gewesen sein dürften, sah er seine Position am wirkungsvollsten mit der Kennzeichnung „Herr und Gott“ zum Ausdruck gebracht. Ebenso wie sich Gaius Caligula und Nero an olympische Götter angeglichen hatten, tat dies auch Domitian. Wie dargelegt, sah er seine Rettung und sein Geschick ganz in der Hand des wichtigsten römischen Gottes Jupiter. Die Dichter glichen den Kaiser deshalb besonders an diese Gottheit an: Martial (Epigramme VI 10) schreibt, dass Domitian „unser Donnerer“ (tonans noster) sei, sein Geburtstag sei sogar heiliger als der des Jupiter (IV 1). Auf Sesterzen, die im Jahr 85 n. Chr. einsetzen, erscheint der Kaiser mit dem Attribut des Jupiter, dem Blitzbündel – der Kaiser wollte wie Jupiter sein (Bergmann 1998) oder sich gar mit der Gottheit identifizieren (Clauss 2001). Als wichtig ist aber festzuhalten, dass es trotz des offensichtlichen Selbstvergöttlichungsbestrebens des Kaisers in Rom keinen staatlichen Kult für ihn gegeben hat. Der Kaiser hielt sich also zumindest in seiner offiziellen stadtrömischen Repräsentation an die Richtlinien seiner Vorgänger. Besonders der Kaiserkult in der Provinz Kleinasien erlebte unter Domitian eine neue Blüte. Der Bund der griechischen Städte Kleinasiens errichtete Domitian im Jahr 89/90 n. Chr. einen monumentalen Tempel in Ephesos. Man fand hier noch die Trümmer einer Kolossalstatue des Herrschers, die ihn in vierfacher Lebensgröße zeigte. Neben Pergamon mit seinem Augustustempel und Smyrna mit seinem Tempel für Tiberius hatte Ephesos jetzt die große Ehre erlangt, sich als „Tempelhüter“ (neokoros) bezeichnen zu dürfen. Dadurch baute die Stadt ein besonders enges Verhältnis zum Kaiser auf: Er hatte die Funktion einer Schutzgottheit für Ephesos übernommen und die Stadt hatte die Aufgabe, den Kult für ihn zu „hüten“. Da die griechischen Städte Kleinasiens im ständigen Wettkampf um Einfluss und Ruhm miteinander standen, war mit dem Titel „Neokoros“ ein bedeutender Prestigegewinn verbunden, zeigte er doch die besondere Gunst des Domitian für Ephesos. Nach seinem Tod und der darauf folgenden damnatio memoriae wurde das Heiligtum dann in einen Tempel des Vaters Vespasian umgeweiht.
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VIII. Bilanz einer Epoche Die Wahl des flavischen Herrschergeschlechts als Thema eines Überblickswerkes begründet sich in der relativen Abgeschlossenheit dieser Epoche. Ohne Zweifel ist das Jahr 69 n. Chr. als Epochenjahr der römischen Geschichte anzusehen: Die flavische Dynastie löste die julisch-claudische Dynastie ab. Das gleiche gilt für das Jahr 96 n. Chr. Die Herrschaft des vom Senat gewählten Imperator Caesar NERVA Augustus markiert den Beginn der Zeit der Adoptivkaiser und damit einen deutlichen Wandel der Herrschaftssukzession: Nicht mehr die familiäre Herkunft, sondern die Wahl durch den regierenden Kaiser bestimmte die Nachfolge. Trotz des – insbesondere durch den dynastischen Charakter – klar abgegrenzten Eindrucks, den die Zeit der Flavier vermittelt, ist sie ganz eindeutig an die Zeit der julisch-claudischen Dynastie angebunden. Aus Herrschergestalten wie Augustus und Claudius bezogen die Flavier schließlich ihre rechtliche und religiöse Legitimation. Letztlich lässt sich sogar sagen, dass die Linien der Kontinuität zwischen beiden Dynastien in vielen Bereichen wesentlich deutlicher sind, als die des Bruchs: Ein Bruch sollte lediglich zur Herrschaft des Nero hergestellt werden. Ansonsten trachtete Vespasian danach, seinen Untertanen die Wiederkehr des goldenen Zeitalters des Augustus zu suggerieren. Auch in der Verwaltung des Reichs lässt sich eine hohe Beständigkeit auf der Ebene der Eliten konstatieren. Der Senatorenstand konnte sich aus julisch-claudischer Zeit, sofern er Nero überlebt hatte, zumindest bis zur Herrschaft Domitians hinüberretten. Neben der Elitenkontinuität ist aber eine Aufstockung des Senatorenstandes festzustellen, denn der Senat wurde von kaiserlicher Seite aus mit wohlhabenden und einflussreichen Männern der Provinzen bestückt. Aus diesen Kreisen stammten dann teils sogar spätere Kaiser. So war die Umgestaltung des Senats eine der folgenreichsten Innovationen des Vespasian, die aber letztlich politisch nur das durchsetzte, was faktisch bereits lange Zeit notwendig war. Die Zeit der Flavier war keinesfalls eine homogene Zeit. Mit Vespasian und Titus auf der einen und Domitian auf der anderen Seite sind wir vielmehr den beiden Extrempositionen eines römischen Kaisers begegnet. Die ersteren wollten ihre Herrschaft als Fortführung der von Augustus wiederhergestellten Republik erscheinen lassen. Man wollte die absolute monarchische Herrschaft des „ersten Mannes“ in der Herrscherrepräsentation nicht allzu offen zu erkennen geben. Ganz anders hingegen hielt es Letzterer, Domitian, mit der kaiserlichen Gewalt. Er scheute sich nicht davor, das, was faktisch war, auch offen zu benennen. Er sah sich als absoluter Herrscher und wollte auch als solcher auftreten. Der innere Zwist, den das mit sich brachte, offenbarte sich in der parallel dazu von ihm betriebenen Restaurierung der alten Sitten. Diese hatten jedoch ihre Wurzeln nicht so sehr in der römischen Republik, sondern in der Zeit der römischen Könige. Es bleibt festzuhalten, dass das Zeitalter der Flavier im Kern alle wesentlichen Aspekte römischen Kaisertums enthält und damit gleichsam einen Spiegel der römischen Kaiserzeit bildet. So weist beispielsweise die lex de imperio Vespasiani das Netz von Machtstrukturen auf, in das der römische
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Bilanz einer Epoche
VIII.
Kaiser eingebunden war und das wenig später der dominus et deus Domitian als Farce hinstellte. Die domitianfeindliche antike Geschichtsschreibung zeigt zudem die Grenzen, innerhalb derer sich ein Kaiser seiner absoluten Herrschergewalt bedienen durfte. Die archäologischen Befunde belegen mit dem amphitheatrum Flavium einerseits die Wichtigkeit des panem et circenses für die stadtrömische Bevölkerung und unterstreichen andererseits mit dem neuen, prächtig ausgestatteten Kaiserpalast auf dem Palatin das Selbstverständnis kaiserlicher Herrschaft. Die gleiche Exemplarität kommt den Provinzen des Reichs zu. Das Beispiel Spaniens hat die Integrationspolitik Roms verdeutlicht, ebenso wie die Sicherung der Grenze an Rhein und Donau auf die Modi und Schranken römischer Expansionspolitik verwies. Für zwei der drei großen, noch heute existierenden monotheistischen Weltreligionen, das Juden- und das Christentum, bildete die Zeit der Flavier schließlich eine der bedeutenden Wegmarken ihrer weiteren Entwicklung. Für das Judentum begann die Diaspora, für das Christentum die Vorherrschaft derjenigen Jesusgläubigen, die die Lehre ihres Messias an die Heiden weitergeben wollten.
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Register
Adoption 5f., 34, 48, 76 Agricola 94, 96f. Ägypten 9, 14, 20, 24f., 29, 38–41, 46, 53, 64f., 68, 80–82, 106, 112, 123 Alexander der Große 40 Alexandria 9f., 19, 40, 67, 107, 114, 120 Antonius Primus 3, 10, 83f. Apis 40, 111f. Arvalbrüder 51, 73f., 76 auctoritas 3, 9 Augustus 5, 6, 9, 11–17, 19–22, 28f., 31, 33, 36–38, 40, 43, 46, 51, 55, 57, 60, 62, 66, 76, 79, 81, 91, 120–122, 126 Bataver 83–88, 90, 111 Bedriacum 3, 7, 11 bellum iustum 88 Berenike 45–47, 52 Briganten 93 Britannicus 39, 46 Britannien 8, 18, 20, 30, 39, 82, 84, 93, 95–97 Brot und Spiele 27, 48, 57, 63, 127 Bürgerrecht 83, 90, 98, 102, 107 Calgacus 94–96, 99 Calpurnius Piso Frugi Licinianus, L. 3, 5f. Cancelleria-Reliefs 62 Canninefaten 83f. castra praetoria 6 censor perpetuus 53, 55 Chatten 53, 64, 73, 82, 89–91, 93 Christentum 114–116, 118, 127 Christus 116 Claudius (Kaiser) 5, 8, 15f., 30, 39, 69, 91, 120, 126 consensus 5, 6, 12, 16, 46, 62, 95 consilium principis 57 Daker 53, 65, 89, 92, 96 damnatio memoriae 17, 32, 53, 60, 80, 118, 125, Decebalus 89, 92 Decurionen 98–100 dignitas 22, 58 Dillius Vocula, C. 83, 86 Divinisierung 43 divus 30, 43, 49, 123 dominus et deus 124f., 127 domus aurea 27, 29–32, 48f., 66, 69 Druiden 85f. Duoviri/Duumviri 99f.
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Epigraphik 15 Epiktet 36f. equus Domitiani 64 Evangelium 114, 116 fiscus Alexandrinus 24f. fiscus Asiaticus 25 fiscus Iudaicus 25, 69, 110 Flavia Domitilla 76f., 119 Flavius Clemens, T. 53, 74, 76–78, 119 Flavius Sabinus (Bruder Vespasians) 8, 11, 13, 53 Flavius Sabinus, T. (Schwiegersohn d. Titus) 75f. Forum Romanum 42, 44, 49, 59, 64, 66f., 70f., 74f. Freiheit 5, 6, 74f., 81, 85f., 88f., 94–96 Frieden 11, 19f., 29f., 38, 69, 89, 93, 95f. Friesen 83f. Gaius Caligula 5, 17, 46, 55, 120, 125 Galba 3f., 6f., 9, 13, 17, 25, 32, 34, 45, 83f., 87, 97f. Gallien 23, 25, 83, 85f., 88–90, 97 Gallier 20, 84f., 86f., 121 Gentilname 6, 14, 33, 91, 98, 102 Germanen 20, 84, 88f., 92, 121 Germania capta 82, 91 Germanien 3, 5, 7, 20, 39, 73, 82–85, 87, 89, 9f., 96 Gottlosigkeit 76, 119 Grausamkeit 45f., 48f., 60, 79, 118 Grieche/n 103f., 104, 121f. Griechenland 25, 56, 81 Hadrian 23, 117 Heiland 9, 24, 26, 123 Helvidius Priscus 33–36, 48, 74f. Herodes der Große 101, 104, 108 Hilfstruppen/auxilia 83f., 90, 97, 110 Hispania Baetica 82, 97, 99, 123 Hispania Tarraconensis 3f., 82f., 97f. imperator 14, 19, 33, 45, 73, 76, 81 imperium proconsulare 17, 21, 33, 45, 54 Inschriftenkunde/Epigraphik 15 insignia imperii 11, 12, 86f. interpretatio Romana 62 Iseum Campense 63–66 Iseum von Benevent 65f. Isis 9, 53, 65f., 113 Isistempel 19, 42, 51
Register Iudaea capta 19 Iulius Agricola, Cn. 93 Iulius Alexander, Ti. 9, 24 Iulius Caesar, C. 5, 14, 43, 47, 55, 88, 94, 121 Iulius Civilis 83–88 Iulius Classicus 83–87 Iulius Frontinus, Sex. 23, 90, 92 Iulius Sabinus 85 Iulius Tutor 85 Iulius Vindex, C. 4, 83f. Jahwetempel 29, 42, 104f., 108–111, 114f., 117 Jazygen 89, 93 Jerusalem 39f., 44f., 101–110, 113, 116f. Jesus 104, 114–116, 119f. Johannes von Gischala 101, 107f. Judäa 8f., 14, 18f., 28f., 32f., 39–42, 47, 52, 81f., 91, 101f., 104–107, 110, 112, 117 Juden 25, 32, 40, 44, 52, 102, 104, 106, 108–114, 116f., 119 Judenchristen 115 Judenexkurs 77, 111f. julisch-claudische Dynastie 3, 5, 30, 62, 69, 75, 120, 126 Jupiter 13, 42, 44, 53f., 56, 61f., 64, 66–68, 85, 125 Jupitertempel 44, 51, 110 Kaiserkult 66, 105, 119–122, 125 Kaiserverehrung 66, 120f. Kaledonen 94–96 Kapitol 3, 13, 28, 42, 44, 49, 51, 53, 61, 68, 85f., 110, 118 Kleinasien 25, 27, 119f., 122f., 125 Kleopatra III. 79 Kleopatra VII. 19, 40, 47 Knechtschaft/Sklaverei 85, 88f., 94–96 Kolosseum 2, 28, 31f., 39, 44, 48f., 61, 127 König 3, 10, 44, 46, 48f., 70, 79, 104, 120, 126 Konstantin der Große 118 Latiner 97 Latinisches Bürgerrecht 97f.,100 lectio senatus 22, 36 legatus senatus ac populi Romani 3f. Legitimation 5, 9, 12, 16, 18f., 26, 60, 62, 64, 69, 75, 78, 86–88, 91, 102f., 126 lex de imperio Vespasiani 14f., 22, 30, 126 Licinius Mucianus, C. 8, 37, 40, 54 Limes 92 Lingonen 84f. luxuria/Luxus 29, 45f., 79 Mainz 73, 86, 91 Marc Anton 19f., 40, 45–47, 79 Marc Aurel 23, 34, 118
Markomannen 89, 93 Marsfeld 42, 44, 51, 61, 63–65 Martial 2, 48f., 124f. Masada 102, 108f. Menora 27, 42f. Messias 114, 116, 127 Minerva 13, 56, 62–64, 66 mos maiorum 58 Neokoros 125 Nero 3–9, 17, 20, 23–25, 27–32, 37f., 39, 45–49, 55, 66f., 69, 75, 78, 83f., 91, 101, 107, 109, 117f., 120, 122f., 125f. Nerva 62, 79, 126 numen 122 Octavian 5, 14, 20, 40, 46 optimus 5f., 34f., 74 Osiris 9, 64, 113 Otho 3, 6f., 13, 17, 85 Paetus Thrasea 35, 37, 74f. Palatin 2, 32, 66f., 127 Palladium 59, 62 Pallas Athena 59, 62 Patrizier 4, 17, 48 Petillius Cerialis, Q. 18, 83, 87–89, 93, 96, 99 Pharao 40f., 64f., 112 pietas 30, 58, 62f., 75, 78 Pomerium 16, 18, 44 Pompeius 8, 45, 104, 113 pontifex maximus 44, 47, 99 praenomen 14, 91 Prätor 8, 57f. Prätorianer 6, 13, 20, 33f., 45, 53, 73, 77 Prätorianerpräfekt 6, 33, 39, 45 princeps 3–5, 7, 11f., 14–17, 22, 24, 34, 38, 44, 49, 55, 75, 79, 84, 122, 125 princeps iuventutis 33, 53 Prosopographie 56 Provinziallandtag 122f. Reate 37f. res publica restituta 5 Sarapis 9f., 19, 42, 66, 114f. Saturninus 74 Saturninusaufstand 53, 89, 91 Septimius Severus 2, 63 Sibyllinische Orakel 72, 110 Spanien 20, 23, 73, 90, 97f., 127 Steuerpächter/publicani 100 Stoa 10, 33–36f., 48, 73–75 superstitio 85f., 112, 116 Synoptische Evangelien 114
133
Register Syrien 8, 10, 140, 54, 72, 82, 101, 104, 107, 110 Tiberius (Kaiser) 5f., 12f., 15–17, 20, 22, 32, 81, 120 Trajan 2, 23, 92 tribunicia potestas 17f., 21, 33, 44f., 53f., 99 Triumphalinsignien 8, 30f., 90 Triumph(zug) 8, 14, 19, 28, 30–32, 39, 41, 42–44, 53 Tyrann 26, 45, 55, 57, 75, 78f., 106, 109, 118f., 122
134
Vater des Vaterlandes 44, 47, 99 Vestalin 60 Volkstribun 17, 34 Wohltäter 9, 24, 26, 72, 123 Zensor 22 Zensur 14, 22, 35, 36, 39, 45, 55, 97 Zwei-Quellen-Theorie 114