Die wirtschaftlichen Grundlagen der kriegführenden Mächte [Reprint 2021 ed.] 9783112444726, 9783112444719


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German Pages 48 [65] Year 1916

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Die wirtschaftlichen Grundlagen der kriegführenden Mächte [Reprint 2021 ed.]
 9783112444726, 9783112444719

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Kriegsgeographische Zeitbilder Land «ad Leute der Kriegsschauplätze LerauSgegeben von den

Privatdozenten Dr. Haus Spethmauu und Dr. Erwin Scheu Die vorliegende Sammlung will in anregender und anschaulicher Form «in klares Bild der Kriegsschauplätze entwerfen, um e- jedem zu ermög­ lichen, den amtlichen Nachrichten von de« Vorgängen auf den Kampf­ gebieten mit Verständnis folgen zu können. Die Darstellung wird durch zahlreiche Abbildungen und Skizzen wirkungsvoll unterstützt. ES liegen vor: 1. Die wirtschaftlichen Grundlage« der kriegführende« Mächte. Von Professor Dr. A. Oppel-Bremen. Lest 2. Kohlennot und Kohlenvorräte im Weltkriege. Von Ge­ heimem Bergrat Professor Dr. Frech-Breslau. Lest 3. Der Kanal mit seine« Küsten- «nd Flottenstützpunkten. Von Privatdozent Dr. L. Epethmann-Berlin. Lest 4. Antwerpen. Geographische Lage «ad wirtschaftliche Bedeutung. Von Dr. LanS Praesent-Greifswald.

Lest

In Vorbereitung befinden fich: Lest 5. Der russisch - türkische Kriegsschauplatz. Von Dr. jur. et phiL Lugo Grothe-Leipzig. Lest 6. Die Küsten Englands. DaS Kampfgebiet unserer Flotte. Von Privatdozent Dr. L. Epethmann-Berlin. Lest 7. Die Vogesen und ihre Kampfstätten. Von Redakteur Adrian Mayer-Straßburg. Lest 8. Der deutsche Kriegsschauplatz zwischen MaaS «nd Mosel. Von Dr. Karl Wolff-Leipzig. Lest 9. Japan «nd die Japaner. Von Dr. Ed. ErkeS-Leipzig. Lest 10. Natur «nd Wirtschaft Polens. Von Professor Dr. F. Lötzsch-Berlin. Lest 11. Natur und Wirtschaft Rußlands. Von Dr. Erwin ScheuLeipzig. Ferner find vorläufig in Aussicht genommen: Flandern «nd seine Küsten. Belgien. Der Suezkanal «nd seine po­ Die Kriegsschauplätze in Ost­ litische Bedeutung. preußen. Deutschlands Kolonie« im Welt­ Die Kriegsschauplätze 1« Ser­ kriege. bien.

Jedes Heft im Umfange von zirka 3 Druckbogen kostet M. —.80

Verlag vo« Bett & Comp. in Leipzig, Marienftr.18

Kriegsgeographische Zeitbilder Land und Leute der Kriegsschauplätze

Herausgeber

Dr. Hans Spethmann und Dr. Erwin Scheu in Berlin

in Leipzig

Äeft 1

Die wirtschaftlichen Grundlagen der kriegführenden Mächte

Leipzig Verlag von Veit & ComP. 1915

Die wirtschaftlichen Grund­ lagen der kriegführenden Mächte

Von

Professor Dr. A. Oppel in Bremen

Leipzig Verlag von Veit & ComP. 1915

Copyright 1915 by Veit L Comp. in Leipzig.

Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.

S£)er gegenwärtige Krieg ist ohne Zweifel der blutigste

und gewaltigste der Weltgeschichte. Viele hundert Tausende Kämpfer haben bereits ihr Leben gelassen; wieviele werden ihnen noch folgen! Millionen sind verwundet und Millionen werden das gleiche Schicksal haben! Welche Massen gegen­ einander im Felde stehen, das wissen wir nicht. Wir können bloß sprechen von den riesenhaften Mengen, deren Gefühle gegeneinander zu Laß, Leidenschaft und Verderben aufgeregt sind. Beschränken wir uns zunächst auf Europa und seine Nachbarschaft, so stehen auf unserer Seite zusammen höchstens 142 Millionen: 68 im Deutschen Reiche, 52 in ÖsterreichAngarn und 22 in der Türkei. Unsere Gegner beziffern sich auf insgesamt 236 Millionen: 136 in Rußland, 47 in Groß­ britannien, 40 in Frankreich, 8 in Belgien und fast 5 in Ser­ bien und Montenegro. Aber unsere Gegner haben sich trotz ihrer Übermacht nicht darauf beschränkt, ihre europäischen

Soldaten gegen uns zu senden, sondern sie haben auch ihre überseeischen Truppen gegen uns aufgeboten und wie Wilde losgelassen. In diesem Weltkriege stehen einschließlich der europäischen Bevölkerungen zurzeit 957 Millionen Menschen gegeneinander in Waffen, 154 auf unserer, 803 auf feindlicher Seite, als eine reichlich fünffache Übermacht. Von letzterer Zahl kommen 425 auf das englische Weltreich, ohne Ägypten,

170 auf Rußland, 95 auf Frankreich, 70 auf Japan, 23 auf Belgien und fast 5 auf Serbien und Montenegro. Niemals in der Tat ist es vorgekommen, daß fast 1000 Millionen Menschen die Waffen gegen einander erheben oder wenigstens feindlich gegen einander gesinnt sind und sich gegenseitig Ver­ derben und Untergang wünschen und zufügen wollen.

Der Ursachen zu diesem ungeheuren und entsetzlichen Weltbrande sind mehrere leicht zu erkennen. Zwischen Öster-

reich-Angarn und Serbien liegt ein Fürstenmord, der dringend Sühne erheischt. Österreich-Angarn ist ferner seinem größeren Nachbar aus verschiedenen Gründen unbequem und verhaßt; einmal enthält es ansehnliche Bestandteile kleinrussischer (ruthenischer) und polnischer Bevölkerung, die Rußland als sich an­ gehörig ansieht; sodann aber drängt es sich auf der Balkan­ halbinsel vor, über die Rußland eine Art Oberherrschaft geltend machen möchte, und zwar auf die Dauer. Endlich sind Rußland auch die Türken unbequem, weil sie die Meeres­ straßen, welche aus dem Schwarzen Meer in das Mittel­ ländische Meer führen, in fester Sand zu behalten bestrebt sind. Zwischen Rußland und Deutschland oder richtiger Preußen bestand längere Zeit eine gewisse Freundschaft. Seitdem aber das Deutsche Reich entstanden ist und selb­ ständig in Politik und Wirtschaft vorgeht, sind die freund­ lichen Gefühle ziemlich rasch erkaltet und dafür ist Zuneigung zu Frankreich entstanden, die sich bereits vor längeren Jahren zu festem Bündnis gestaltet hat. Seit dem Kriege 1870/71 ist Frankreich von Rachegefühlen erfüllt, die bald schärfer, bald gemäßigter zutage traten, niemals aber erloschen. Wenn auch Frankreich außerhalb Europas, namentlich in Afrika, ein ge­ waltiges Reich zu schaffen mit Erfolg bemüht war, so hat es doch niemals den Rachekrieg außer acht gelassen, sich beständig darauf vorbereitet und die entsprechenden kriegerischen Maß­ regeln getroffen. England sollte eigentlich nach Geschichte und Abstammung ein Freund Deutschlands sein, wenn überhaupt bei seiner eigennützigen und eigensüchtigen Art derartige Gefühle in ihm aufkommen könnten. Jedenfalls ließ es Deutschland gewähren, so lange es politisch nicht geeinigt war, und viele seiner Angehörigen den Auf- und Ausbau seines riesigen Kolonialreiches unterstützten. Als aber das neue Deutsche Reich seine eigenen Wege ging, eine Handelsflotte schuf und seine überseeischen Beziehungen auszubauen begann, da schlug die frühere Gleichgültigkeit in Neid und Laß um, Gefühle, die namentlich unter dem vorigen Könige stark gesteigert wurden.

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Eduard VII. war es, der nähere Beziehungen zu Frankreich anknüpste und auch Belgien auf seine Seite zu ziehen unter­ nahm. Zu dem gegenwärtigen Kriege sah sich England lediglich durch wirtschaftliche Gründe veranlaßt. Nachdem es ein­ gesehen hatte, daß ihm auf überseeischem Gebiete, in Schiff­ fahrt, Schiffbau und Lande! ein beachtenswerter Wettbewerber entstanden war, da glaubten die englischen Staatsmänner, die Zeit sei da, wo sie dem weiteren Amsichgreisen Deutschlands auf überseeischem Gebiete entgegentreten mußten. Ein solcher Zeitpunkt schien ihnen im vorigen Sommer gekommen zu sein, als Deutschland sich entschloß, seinem bedrohten Bundes­ freund zu Lilfe zu eilen und ihn in der Gefahr zu unter­ stützen. Englands innere Beweggründe sind somit durch­ aus wirtschaftlicher Art. Es hielt die Zeit für geeignet, um den unbequem gewordenen Wettbewerber auf überseeischem Gebiete ganz aus dem Felde zu schlagen, ihn seiner Handels­ flotte, seiner überseeischen Besitzungen und seines mächtig auf­ blühenden Außenhandels womöglich ganz zu berauben, um für seine eigenen Unternehmungen von jedem lästigen Wettbewerb frei zu sein. Die wirtschaftliche Stellung der kriegführenden Mächte ist es, die auf den folgenden Seiten näher beleuchtet werden soll. Für das Verständnis des gewaltigen Kampfes, für die Erkenntnis der möglichen Dauer und Leistungsfähigkeit der einzelnen Staaten ist sie von unbedingter Notwendigkeit, ganz abgesehen davon, daß heute mit dem wirtschaftlichen Vermögen die kriegerische Widerstandskraft in engster Ver­ bindung steht.

1. Das Deutsche Reich. Linker den Dreibundmächten ist das Deutsche Reich mit zurzeit 68 Millionen nicht nur das volkreichste und am dich­ testen bevölkerte (124 auf 1 qkm), sondern auch das wirtschaftlich am besten und gleichmäßigsten entwickelte. Die darin in den letzten Jahrzehnten hervorgetretenen Fortschritte sind in der Tat hervorragend, teilweise sogar staunenerregend.

Eduard VII. war es, der nähere Beziehungen zu Frankreich anknüpste und auch Belgien auf seine Seite zu ziehen unter­ nahm. Zu dem gegenwärtigen Kriege sah sich England lediglich durch wirtschaftliche Gründe veranlaßt. Nachdem es ein­ gesehen hatte, daß ihm auf überseeischem Gebiete, in Schiff­ fahrt, Schiffbau und Lande! ein beachtenswerter Wettbewerber entstanden war, da glaubten die englischen Staatsmänner, die Zeit sei da, wo sie dem weiteren Amsichgreisen Deutschlands auf überseeischem Gebiete entgegentreten mußten. Ein solcher Zeitpunkt schien ihnen im vorigen Sommer gekommen zu sein, als Deutschland sich entschloß, seinem bedrohten Bundes­ freund zu Lilfe zu eilen und ihn in der Gefahr zu unter­ stützen. Englands innere Beweggründe sind somit durch­ aus wirtschaftlicher Art. Es hielt die Zeit für geeignet, um den unbequem gewordenen Wettbewerber auf überseeischem Gebiete ganz aus dem Felde zu schlagen, ihn seiner Handels­ flotte, seiner überseeischen Besitzungen und seines mächtig auf­ blühenden Außenhandels womöglich ganz zu berauben, um für seine eigenen Unternehmungen von jedem lästigen Wettbewerb frei zu sein. Die wirtschaftliche Stellung der kriegführenden Mächte ist es, die auf den folgenden Seiten näher beleuchtet werden soll. Für das Verständnis des gewaltigen Kampfes, für die Erkenntnis der möglichen Dauer und Leistungsfähigkeit der einzelnen Staaten ist sie von unbedingter Notwendigkeit, ganz abgesehen davon, daß heute mit dem wirtschaftlichen Vermögen die kriegerische Widerstandskraft in engster Ver­ bindung steht.

1. Das Deutsche Reich. Linker den Dreibundmächten ist das Deutsche Reich mit zurzeit 68 Millionen nicht nur das volkreichste und am dich­ testen bevölkerte (124 auf 1 qkm), sondern auch das wirtschaftlich am besten und gleichmäßigsten entwickelte. Die darin in den letzten Jahrzehnten hervorgetretenen Fortschritte sind in der Tat hervorragend, teilweise sogar staunenerregend.

Für wirtschaftliche Fortschritte ist die geographische Lage des Deutschen Reiches in vielen Linsichten günstig. Einmal liegt es im Kerzen von Europa und hat viele und leistungsfähige Nachbarn. Im Norden reicht es an die Ostund Nordsee und steht daher in unmittelbarem Zusammenhänge mit dem weltumfassenden und die ganze Erde eröffnendem Meere. Ganz besonders wichtig ist die Nordseeküste, denn sie führt unmittelbar zum Atlantischen Ozeane als demjenigen Teil des Weltmeeres, der fast in seiner ganzen nordsüdlichen Erstreckung von Land beiderseits umschlossen ist. Darunter be­ finden sich sehr wichtige Gebiete, die schon seit längerer Zeit eine hohe wirtschaftliche Bedeutung einnehmen, während andere noch in der Entwicklung begriffen sind, eine höhere Entfaltung aber jedenfalls erwarten lassen. Zwar ist die deutsche Nordseeküste für die Kochseeschiffahrt nicht ganz gut ausgestattet noch ganz tadellos beschaffen. Die drei gegnerischen Mächte des Westens liegen näher am Atlantischen Ozean als Deutschland; auch sind ihre Käsen teilweise besser und bequemer. Aber dabei darf man nicht außer acht lassen, daß das Deutsche Reich nicht nur die größte Volksmasse unter den beteiligten Mächten besitzt, sondern auch in steigendem Maße fremde Roherzeugnisse erfordert und dafür Erzeugnisse seines Gewerbesieißes und seiner Großindustrie zur Ausfuhr zu bringen vermag. Angeheure Massen und Werte sind es, die jährlich aus dem Binnenlande an die nördlichen Küsten gehen und sich von da aus über alle Weltteile verbreiten. Dieser Gang der Dinge ist durch die Natur des Landes vorgeschrieben, die Gesckichte der Wirtschaft wie auch der Politik ist ihm gefolgt, zwar lang­ sam und zögernd, aber schließlich hat sich die Bedeutung der See doch Geltung verschafft und wird sie gewiß nicht wieder verlieren. Ein Kemmnis der schließlich zur Geltung gekommenen Richtung besteht darin, daß das Tiefland im Norden von Deutschland der Kauptsache nach nicht die beste Bodenbildung für Ackerbau besitzt. Die dafür günstigeren Gelände­ formen folgen in südlicher Richtung, in der durchschnittlich

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das Land höher wird und vielfach Gebirge trägt. Ohne Zweifel findet hier der Bodenanbau im weitesten Sinne des Wortes stellenweise ausgezeichnete Plätze. Teilweise ist es daher zu erklären, daß der Süden und die Mitte des Landes sich früher und mannigfaltiger entwickelt haben als der Norden. Aber dieser bildet schließlich doch das Kernstück, namentlich seitdem Deutschland den Bahnen des Welthandels und des Weltverkehrs gefolgt ist und sich darin eine bedeutsame Stellung errungen hat. Seine Besonderheit erhält aber das binnenländische Deutsch­ land durch seine zahlreichen und wichtigen Nachbarn. Ohne Schwierigkeit kann der Verkehr von Personen und Gütern mit diesen stattfinden; von jeher ist er rege gewesen, ganz besonders hat er sich in der neuesten Zeit entfaltet, da er über das rasch­ wirkende und riesige Mengen befördernde Äilfsmittel der Eisen­ bahn verfügt. Von Norden nach Süden, von Osten nach Westen Europas geht der Weg durch unser Land, das tat­ sächlich die Rolle des Verkehrsvermittlers spielt und an allen bedeutsamen Ereignissen teilnimmt. Ursprünglich lag das Schwergewicht der deutschen Wirt­ schaft auf dem Bodenanbau, der bis fast gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts die Hälfte der Bevölkerung be­ schäftigte und für die Gesamtheit die wesentlichen Bestandteile der Ernährung gewährte. In der neuesten Zeit ist darin eine Änderung eingetreten. Die Zahl der mit Bodenanbau be­ schäftigten Volksgenossen nimmt eher ab als zu, während der Gesamtbetrag der Seelenzahl rasch wächst — von 1871 bis 1914 von rund 40 auf 68 Millionen Köpfe — und damit andere Haupterwerbszweige, namentlich die Industrie, Schiff­ fahrt und Außentätigkeit stärker in den Vordergrund treten. Nach der Volkszählung von 1905 gehörten 20% der Seelen­ zahl zur Landwirtschaft, jetzt sind es natürlich noch weniger. Aber günstig ist dabei der Amstand, daß, während die Erntefiächen der Äaupterzeugniffe in den letzten Jahrzehnten keine starken Veränderungen erfahren haben, die Erträge eine un­ bedingte Steigerung aufweisen. Anbausiäche und Ertrag der vier Getreidearten und der Kartoffeln gestalteten sich im

Jahre 1912 wie folgt:

Erntefläche in qkm

Ertrag in Tausend Tonnen

Weizen und Spelz .

22466

5094

Roggen

.

64141

12222

Gerste .

.

16 540

3673

Laser .

.

44382

9714

Kartoffeln

.

34122

54121

Der Anbau der eben genannten Feldfrüchte nimmt etwa ein Drittel des deutschen Landes ein; reichlich genügt er in Kartoffeln, die in guten Jahren sogar eine ansehnliche Ausfuhr liefern; annähernd reicht er in Roggen, der Lauptnährfrucht, und Laser aus, während in Weizen und Gerste die erforder­ liche Menge nicht erzeugt wird. Durchschnittlich ist die Jahres­ einfuhr bei Weizen ebenso groß wie die Eigenerzeugung; bei Gerste ist das Verhältnis in den letzten Jahren noch ungün­ stiger gewesen; diese Getreideart wurde vorzugsweise aus Rußland als Schweinefutter eingeführt. Die Verteilung dieser fünf wichtigsten Anbaugegenstände zeigt ziemlich große Verschiedenheiten. Während die Kartoffel in allen Teilen des Reiches gebaut wird, hat der Roggen sein Schwergewicht im Norden, der Weizen im Süden bis zur Mitte hin. Laser erscheint durchschnittlich als Genosse des Roggens, Gerste als Begleiterin des Weizens, für den im Süden vielfach der Spelz eintritt. Als Früchte geringeren Amfangs sind Gemüse, Zuckerrübe, Tabak, Lopfen und Wein hervorzuheben, aber nur von der Zuckerrübe werden ansehnliche Ausfuhrbeträge gewonnen, die in manchen Jahren 250 Millionen Mark und mehr ergaben. Ihr Lauptanbaugebiet liegt zwischen den Mittelläufen von Weser und Elbe, wo sie durchschnittlich ein Fünftel des Bodens, ge­ legentlich auch mehr, beansprucht. Anbaugebiete zweiten Ranges sind Schlesien, Posen, Westpreußen, sowie die Regierungsbezirke Cöln und Düsseldorf. Gemüse wird zwar in Mittel- und Süd­ deutschland viel gebaut, aber die erzielten Mengen decken den gesamten Bedarf nicht, so daß eine erhebliche Einfuhr stattfindet. Lervorragend entwickelt ist die Tätigkeit, welche sich mit der 10

Aufbewahrung von Gemüse Blechbüchsen beschäftigt.

und Früchten in Gläsern und

Der Anbau des Hopfens beschränkt sich in der Haupt­ sache auf Süddeutschland; namentlich findet er in Bayern statt, außerdem auch in Elsaß-Lothringen und Baden. Die Gewin­ nung von Tabak geht im allgemeinen zurück; nennenswert ist sie in Baden, der Rheinpfalz, Elsaß-Lothringen, Brandenburg und Pommern. Der Anbau von Wein beschränkt sich auf einige wenige Täler, in denen allerdings teilweise hervorragende und höchst wertvolle Sorten gewonnen werden; weltberühmt ist der Wein des Rheingaus und des Moseltales von Trier bis fast nach Coblenz mit einigen kleinen Nebentälern. Im Kometen­ jahre 1911 erzielte der hergestellte Weinmost den ungewöhnlich hohen Wert von 178 Millionen Mark, 1910 dagegen nur ein Drittel, 1912 fast die Hälfte davon. Bei einem mittleren Ertrag von 2,5 Millionen Hektoliter Wein bedarf Deutschland erheblicher Zufuhren fremder Weine, die vornehmlich von Frank­ reich und Italien geleistet werden.

Die Viehzucht ist wie der Landbau ein alter und wich­ tiger Zweig der deutschen Wirtschaft, aber abgesehen von Einzel­ heiten hat sie sich nicht entsprechend der Seelenzahl vermehrt. Im folgenden geben wir einen Vergleich zwischen 1873 und 1912 hinsichtlich der Lauptnutztiere sowie ihrer Verteilung auf die Landfläche und die Einwohnerzahl. Es gab 1000 Stück 1912

1873

Pferde . Rinder . Schweine Schafe .

3352 15 777 7124 24999

4512 20159 21885 5 787

auf 10 qkm

1873

62 292 132 462

auf 1000 Einwohner

1912

1873

1912

83 364 384 107

78 384 174 609

69 300 337 89

Bemerkenswert ist vor allem der sehr starke Rückgang der Schafzucht, der übrigens schon vor 1873 angefangen hatte; er hängt mit mehreren wirtschaftlichen Vorgängen zusammen, namentlich mit der Benutzung früherer Lutweiden für Land­ bau und andere Zwecke, sodann auch mit dem imstande, daß 11

Wolle als Laupterzeugnis der Schafzucht aus mehreren über­ seeischen Ländern billiger bezogen werden kann als sie in der Leimat gewonnen wird. Alles Vieh zusammengerechnet, sind die wichtigsten Zucht­ gegenden Deutschlands im norddeutschen Tieflande, namentlich in Schleswig-Lolstein, Mecklenburg, dem Westen von Pommern und in Oldenburg zu finden. In der Pferdezucht zeichnen sich West- und Ostpreußen aus, besonders die Kreise Marienburg und Gumbinnen. Die Rinderzucht blüht in Niederbayern und Schwaben, sowie in manchen Teilen Norddeutschlands. Dieses hat auch die höchsten Beträge in der Schweinezucht aufzuweisen, insbesondere in dem Kreise Loya von Hannover und im Regie­ rungsbezirke Lüneburg; in ersterem kamen 1912 2116 Schweine auf 1000 Einwohner, in letzterem 1210. Außer den vier erwähnten Tiergattungen sind 3,38 Millionen Ziegen, 82,5 Millionen Stück Federvieh und 2,6 Millionen Bienenstöcke hervorzuheben; die Bienenzucht blüht seit alters in der Lüneburger Leide. Trotz des Wachstums der Viehzucht und der Vieh­ haltung genügen ihre Erzeugnisse dem Bedürfnis nicht voll­ ständig. Lohe Summen gehen jährlich in fremde Länder für Schafwolle, für lebende Tiere, für Fleisch, Eier, Läute, Felle u. a. Die Einfuhrsumme der genannten Gegenstände beträgt mehr als Tausend Millionen Mark jährlich. Auch für Fische müssen bedeutende Summen an das Ausland abgegeben werden, obwohl der deutsche Fischfang in den letzten Jahren an Menge und Wert sichtlich gestiegen ist, so daß der Wert der Fänge in der Nordsee auf 30, in der Ostsee auf reichlich 10 Millionen Mark gestiegen ist. In der Nordsee bedient man sich vornehmlich neuzeitlicher Fischdampfer, die mit leistungsfähigen Vorrichtungen ausgestattet sind. Ver­ kauf und Versand ins Inland findet von Geestemünde, Bremer­ haven und Cuxhaven aus statt. Der Leringsfang wird nament­ lich von Emden aus betrieben. Wenn auch die Erträge der Oberfläche des Bodens viel­ fach erfreuliche Fortschritte gemacht haben und sich die damit beschäftigten Betriebe hoher Blüte erfreuen, so wären sie doch 12

nicht imstande, die seit 1871 rasch gewachsene Bevölkerung gut zu ernähren und ihr den erwünschten Wohlstand zu verschaffen, wenn nicht Bergbau auf Kohle und Eisen, Industrie, Landet, Verkehr und Außenwirtschaft rasch und glänzend vorangekommen wären. Diese Erwerbszweige sind es daher, die namentlich seit Ende des vorigen Jahrhunderts einen gewaltigen Aufschwung genommen haben und das wirtschaftliche Wesen des heutigen Deutschlands bestimmen. Der Bergbau liefert hauptsächlich Kohle und Eisen, außerdem Salz, Kali, Kupfer, Silber, Blei, Zink, Petroleum u. a. Erwähnenswert sind auch die zahlreichen Mineralquellen, die den Bäderbetrieb stark erhöht haben. Anter den Ländern der Erde, die Eisen besitzen und aus­ beuten, nimmt das Deutsche Reich den zweiten, unter den kriegführenden Mächten den ersten Rang ein. Im Jahre 1912 gewann man fast 18 Millionen Tonnen Roheisen, beinahe das Doppelte der Ausbeute Großbritanniens. Aber der Bedarf an diesem äußerst wichtigen Gegenstände ist so ungeheuer, daß er­ hebliche Massen aus dem Auslande bezogen werden müssen. In der Ausbeute von Kohle (Stein- und Braunkohle) hat unser Land seit längerer Zeit den dritten Platz unter den Staaten der Erde; übertroffen wird es von den Vereinigten Staaten und von Großbritannien. An letzteres ist es aber letzthin so nahe gerückt (Großbritannien 264,5, Deutsches Reich 255,8 Millionen Tonnen), daß es in absehbarer Zeit über seinen Gegner hinauskommen dürfte. Aber auch jetzt schon steht Deutschland turmhoch über den übrigen Ländern der Erde; über Frankreich reichlich um das Sechsfache. Steinkohle liefern drei größere Becken: das westfälische, das oberschlesische und das Saarbecken, außerdem werden mehrere kleinere abgebaut. Das ansehnlichste Braunkohlenlager liegt in der Magdeburger und Thüringer Mulde, zwischen Braunschweig und Leipzig, wo überall eine gewaltige Erzeugung von Preßkohle, Paraffin und Mineralölen stattfindet. In zweiter Linie kommen die Bezirke der Lausitz und von Frankfurt a. O., letztere von be­ sonderer Wichtigkeit für Berlin. Von den anderen Erzeugnissen des deutschen Bergbaues

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seien Kali und Zink hervorgehoben. Kali, als Düngemittel von besonderer Wichtigkeit und ausschließlich in Mitteldeutsch­ land gewonnen, lieferte 1912 einen Wert von 178 Millionen Mark, wovon etwa die Äälfte ins Ausland ging. Zn der Förderung von Zinkerzen übertrifft das Deutsche Reich alle Länder Europas; man findet es namentlich in Oberschlesien (Beuthen) und im Rheinland. In der neuzeitlichen Industrie, die sich auf die Ver­ wendung von Kohle und Eisen stützt und mit Maschinen ar­ beitet, ist das Deutsche Reich nächst Großbritannien das wichtigste Land der Erde geworden und besonders aus diesem Gebiete treten die raschen Fortschritte am glänzendsten hervor, die unser Land in den letzten Jahrzehnten gemacht hat. Die Erzeugnisse dieser Tätigkeit decken nicht nur den größten Teil des heimischen Bedarfs, sondern liefern auch die stärksten Bei­ träge zur Ausfuhr. Die Großindustrie schließt sich in räum­ licher Beziehung vielfach an die Kohlenlager an, anderseits steht sie selbständig da, namentlich in den großen Städten. Sieben größere Bezirke lassen sich unterscheiden: der nieder­ rheinische in den Regierungsbezirken Düsseldorf, Cöln und Aachen nach Westfalen übergreifend; der oberrheinische in Elsaß, Pfalz und Baden, der schwäbische, der sächsische bis nach Oberfranken hin, der schlesische, der thüringische und der Lausitzer; die wichtigsten davon sind der niederrheinische und der sächsische Bezirk. Eine andere Einteilung der Industrie gründet sich auf die verarbeiteten Rohstoffe, auf die hergestellten Gegenstände, auf die verwendeten Hilfsmittel usw. Zu den wichtigsten Tätig­ keiten gehört die Verstellung von Webwaren (Textilindustrie), wobei die verarbeiteten Rohstoffe gereinigt, gesponnen und ge­ webt, außerdem auch gefärbt und zugerichtet werden. Der Rohstoff der deutschen Textilindustrie wird fast größtenteils aus dem Auslande bezogen: Baumwolle, Seide und Jute jedenfalls ganz. Wolle zum größten Teile. Die deutsche Baumwollindustrie, die sich in allen den obengenannten Be­ zirken findet, arbeitet mit reichlich 12 Millionen Spindeln und wird von der englischen fast um das Sechsfache, von der nord14

amerikanischen beinahe um das Dreifache übertroffen. Der verarbeitete Rohstoff, den man vorzugsweise aus den Ver­ einigten Staaten bezieht, hat einen Wert von rund 600 Millionen Mark; die Ausfuhr von Fabrikaten aller Art beläuft sich auf fast fünf Sechstel dieses Betrages. Angefähr ebenso groß ist die Ausfuhr der Schafwollindustrie, die ihren Rohstoff be­ sonders aus Argentinien, dem Kapland und den Mittelmeer­ ländern bezieht. Ihre geographische Verbreitung fällt teilweise mit derjenigen der Baumwollindustrie zusammen, teils tritt sie selbständig auf, wie dies namentlich in Schlesien, Lessen, Han­ nover usw. der Fall ist. Die Leinenindustrie, gegen früher sehr zurückgegangen, findet sich namentlich in der Lausitz (Zittau), in Schlesien, Westfalen (Bielefeld) und im Ermeland. Lauptsitz der Seidenindustrie ist feit längerer Zeit Krefeld. Die Lerstellung von Eisen und Stahl, sowie von zahllosen Gebrauchsgegenständen daraus, hat sich in den letzten Jahr­ zehnten großartig entwickelt. 1912 stellte die Ausfuhr von Eisenwaren aller Art, aber ohne Maschinen, einen Wert von 1186 Millionen Mark dar. Die wichtigsten Plätze dafür sind Essen (Krupp!), Solingen, Remscheid, Bochum, Lagen, Suhl, Berlin. Lervorragend sind die deutschen Leistungen auf dem Gebiete der Maschinenindustrie und der elektrotechnischen Er­ zeugnisse, die auswärts viel verlangt werden und lebhafte Anerkennung finden. Auch die Industrie der Steine und Erden hat einen bedeutenden Absatz; Ausgezeichnetes leistet sie nament­ lich in Glas- und Porzellanwaren, die bisher in steigenden Mengen namentlich nach Großbritannien und den Vereinigten Staaten gingen. Unerreicht ist die deutsche Lerstellung von Lolz- und Spielwaren, wie sie in Sonneberg, Nürnberg, Fürth und Berchtesgaden, sowie im Erzgebirge und Larze hergestellt werden. Großer Anerkennung erfreut sich auch die Bereitung von Papier aller Art, das in rasch wachsenden Mengen ins Ausland ausgeführt wird. Bemerkenswert sind die Leistungen der chemischen Industrie und der Farbenbereitung; die Lauptsitze derselben sind u. a. Berlin, Linden bei Lannover und Mannheim. Dem gewaltigen Aufschwünge der Groß- und Ausfuhr­ industrie entsprechen die nicht minder hervorragenden, teilweise 15

überraschenden Fortschritte des Außenhandels. Seit dem Jahre 1872, wo die Neichsstatistik einsetzt, bis 1913 stieg der Generaleigenhandel des Deutschen Reiches einschließlich der Edelmetalle in Ein- und Ausfuhr von 8179 auf 23073, der Spezialhandel von 5957 auf 21404 Millionen Mark, letzterer also reichlich um das Dreieinhalbfache, auch wenn man die Edelmetalle wegläßt. Von dem Spezialhandel ohne Edel­ metalle entfallen 65 % auf Europa, 21,8 auf Amerika, 7,7 auf Asien, 3,4 auf Afrika und 2,1 auf Australien. Etwas anders gestalten sich die Verhältnisse, wenn man für 1913 Einfuhr (10770,3 Millionen Mark) und Ausfuhr (10096,5) unter­ scheidet. Darüber gibt die folgende Tabelle Auskunft:

Europa . . Amerika . . Asien. . . Afrika . . Australien . Seekabel usw.

. . . . .

Einfuhr °/ Mill. Mark 54,7 5889,3 2994,4 27,8 1049,4 9,7 496,8 4,6 327,7 3,1 12,7 0,1

Ausfuhr °/o Mark 7677,2 76,0 1546,5 15,3 547,9 5,4 210,7 2,1 103,5 1,1 10,6 0,1

o Will.

An dem Außenhandel des Deutschen Reiches sind alle Einzelgebiete der Erde, Staaten und Kolonien beteiligt. Bis herab auf etwa 1 % des Gesamthandels lassen sich drei Gruppen unterscheiden. Die erste derselben, 11,6—9,2% des Gesamthandels, umfaßt die Vereinigten Staaten, Groß­ britannien, Rußland und Österreich-Llngarn; diese vier stellen zusammen 43% des deutschen Gesamthandels dar. Zur zweiten Gruppe gehören Länder von 6,6—3,4%, nämlich Frankreich, die Niederlande, Belgien, Schweiz, Argentinien, Italien und Britisch Indien, zusammen 29,8%. Die dritte Gruppe von 2,3—1,1% bilden Dänemark, Schweden, Brasi­ lien, der Australische Bund, Niederländisch-Indien, Chile, Norwegen, Britisch-Afrika, China und Rumänien, zusammen 18% des gesamten Spezialhandels. Somit steht zwar Europa im Mittelpunkte des deutschen Handels, aber auch die übrigen Erdteile und von diesen die wichtigeren Länder sind gut ver-

treten, so daß man mit vollem Rechte von deutschem Welt­ handel sprechen darf. Die Richtung darauf hat sich nament­ lich in den letzten Jahren erheblich verstärkt. Abgesehen von den eigenen Kolonien, nimmt das Deutsche Reich in einer beträchtlichen Anzahl von Ländern den ersten Platz unter den Verkehrsländern ein. Als Beispiel dafür seien österreich-Angarn, die Niederlande, Rußland, die Schweiz, Belgien und Italien genannt. Die Summen für Einfuhr und Ausfuhr gestalten sich allerdings bei den einzelnen Ländern verschieden. Als Länder mit überwiegender Einfuhr seien Rußland, die Vereinigten Staaten, Argentinien, Niederländisch-Indien, Britisch-Afrika, Brasilien, Chile und der Australische Bund genannt; die deutsche Ausfuhr dagegen steht im Vordergründe bei Großbritannien, österreich-Ungarn, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, der Schweiz und den meisten übrigen Staaten Europas. Ein- und Ausfuhr gestalteten sich im Jahre 1912 bei den vier Äauptgruppen, welche die deutsche Reichsstatistik unter­ scheidet, wie folgt: Einfuhr % Ausfuhr

Rohstoffe für Industriezwecke einschließlich der halbfertigen Waren..................... Fertige Waren ............................................ Nahrungs- und Genußmittel .... Vieh. ...........................................................

55,0 15,0 27,6 2,4

26,5 64,6 8,8 0,1

Durch den Umstand, daß bei der Ausfuhr die fertigen Waren fast zwei Drittel ausmachen, bei der Einfuhr aber nur ein Siebentel darstellen, kennzeichnet sich Deutschland durchaus als ein Industriestaat. Die gewaltigen Erfolge, welche das Deutsche Reich auf dem Gebiete der Industrie und des Außenhandels davon­ getragen hat, zeigen sich auch auf dem Gebiete des Verkehrs­ wesens. Das ganze Land ist mit vorzüglichen Straßen über­ zogen, es besitzt ein treffliches Eisenbahn- und Telegraphennetz und die Handelsflotte hat sich lebhaft vermehrt. Zu seinen Ruhmestiteln gehört die Post. Dagegen ist zu bedauern, daß 17 (D ppel, Die wirtschaftlichen Grundlagen.

die binnenländischen Wasserstraßen noch einer erheblichen Er­ weiterung und Verbesserung bedürfen. Das deutsche Bahnnetz umfaßte im Jahre 1913 insgesamt 63062 km Eisenbahnen und 11140 Kleinbahnen; von der erst­ genannten Zahl waren 60849 km vollspurig unv 58297 km Staatsbahnen. Befördert wurden 1743 Millionen Personen und 668 Millionen Tonnen Güter. Die wichtigsten Knotenpunkte sind Berlin, Breslau, Leipzig, Äalle, Hannover, Cöln, Frank­ furt a. M-, Mannheim-Ludwigshafen, Stuttgart und München. Wichtig ist die Frage der Grenzübergänge; über die wichtigeren derselben und die Zahl der täglichen Züge gibt die folgende Tabelle Auskunft. Grenzübergänge

Österreich

.

.

.

.

Niederlande . . Schweiz..................... Frankreich .... Rußland ....

.......................... 41 ...........................15 ...................... 11 ............................ 7 .............................7

Tägliche Züge

584 220 290 113 103

Die Handelsflotte umfaßte im Jahre 1913 4850 Fahr­ zeuge von 3153 724 Nettotonnen (oder etwa 5 Millionen Brutto­ tonnen) und ist sonst die zweitgrößte in Europa. Von der Nettotonnage kommen reichlich vier Fünftel auf Dampfer. Das Schwergewicht des deutschen Schiffsbesitzes liegt durchaus an der Nordsee, an der gegen 90% der Nettotonnage beheimatet sind. Hier liegen auch die zwei großen Seestädte: Hamburg mit 1797508, Bremen mit 902221 Registertonnen; beide be­ sitzen also reichlich 85% der gesamten deutschen Handelsflotte. In Hamburg ,ist die Hamburg-Amerika-Linie, in Bremen der Norddeutsche Lloyd beheimatet; beide sind die größten Schiff­ fahrtsgesellschaften der Welt, deren Fahrzeuge in allen be­ fahrenen Meeresteilen zu finden sind. Hamburg und BremenBremerhaven sind auch die am stärksten besuchten Häfen, Ham­ burg der erste im festländischen Europa, nach Schiffverkehr und Wertumsatz zu den hervorragendsten Seestädten der Erde ge­ hörend. An der Ostsee haben Stettin und Rostock-Warnemünde den verhältnismäßig ansehnlichsten Verkehr. Bemerkenswert 18

sind außerdem Königsberg-Pillau, Danzig, Neufahrwasser, Lübeck und Kiel an der Ostsee, Cuxhafen und Emden an der Nordsee. Die Post: Reichspost und die Anstalten von Bayern und Württemberg verfügten im Jahre 1912 über 50562 Ämter

mit 158291 Briefkästen; die Zahl der Sendungen bezifferte sich auf 10473 Millionen (auf den Kopf der Bevölkerung rund 159), die Summe der Geldsendungen auf rund 55 Mil­ liarden Mark. Das Personal betrug 1910 305427 Köpfe.

Die Telegraphie arbeitete im Jahre 1912 im ganzen Deutschen Reiche mit 232090 km Linien und einer Drahtlänge von 723593 km. Auf 48167 Ämtern wurden reichlich

64 Millionen Depeschen befördert. Mit Unterseekabeln für den überseeischen Verkehr ist das Deutsche Reich noch nicht so gut versehen, wie es seiner Größe und Weltstellung ent­ spricht. 1913 waren 5532 km Kabel in Staatsbesitz und 36597 km in Privatbesitz vorhanden, insgesamt nur etwa 8°/0 des Weltkabelnehes. Hoffentlich werden die in dem gegenwärtigen Kriege gemachten Erfahrungen dazu führen, das deutsche Kabelnetz nicht nur zu vergrößern, sondern auch vor Beschädigung sicher zu stellen. 2. Österreich-Angarn. Anser Bundesgenosse, das Kaisertum Österreich-Angarn,

ist zwar um ein Viertel größer als das Deutsche Reich, hat aber nur rund 52 Millionen Einwohner. Mit unserem Vater­ lande teilt es die zahlreichen Nachbarn, im übrigen aber zeigt es wesentliche und wichtige Llnterschiede davon. Seine äußer­ sten Erstreckungen von Norden nach Süden und von Westen nach Osten sind fast gleich groß. Seine nördlichen Stellen grenzen an Sachsen und an Westrußland, seine südlichen reichen am Adriatischen Meere bis zur Bucht von Cattaro und an das Königreich Montenegro. Zm äußersten Westen grenzt es an die Schweiz und an Italien, im Osten stößt es an Rumänien, im Südosten an das mordlustige Serbien. Der Anteil an der Adria ist verhältnismäßig klein, aber wichtig, 19

sind außerdem Königsberg-Pillau, Danzig, Neufahrwasser, Lübeck und Kiel an der Ostsee, Cuxhafen und Emden an der Nordsee. Die Post: Reichspost und die Anstalten von Bayern und Württemberg verfügten im Jahre 1912 über 50562 Ämter

mit 158291 Briefkästen; die Zahl der Sendungen bezifferte sich auf 10473 Millionen (auf den Kopf der Bevölkerung rund 159), die Summe der Geldsendungen auf rund 55 Mil­ liarden Mark. Das Personal betrug 1910 305427 Köpfe.

Die Telegraphie arbeitete im Jahre 1912 im ganzen Deutschen Reiche mit 232090 km Linien und einer Drahtlänge von 723593 km. Auf 48167 Ämtern wurden reichlich

64 Millionen Depeschen befördert. Mit Unterseekabeln für den überseeischen Verkehr ist das Deutsche Reich noch nicht so gut versehen, wie es seiner Größe und Weltstellung ent­ spricht. 1913 waren 5532 km Kabel in Staatsbesitz und 36597 km in Privatbesitz vorhanden, insgesamt nur etwa 8°/0 des Weltkabelnehes. Hoffentlich werden die in dem gegenwärtigen Kriege gemachten Erfahrungen dazu führen, das deutsche Kabelnetz nicht nur zu vergrößern, sondern auch vor Beschädigung sicher zu stellen. 2. Österreich-Angarn. Anser Bundesgenosse, das Kaisertum Österreich-Angarn,

ist zwar um ein Viertel größer als das Deutsche Reich, hat aber nur rund 52 Millionen Einwohner. Mit unserem Vater­ lande teilt es die zahlreichen Nachbarn, im übrigen aber zeigt es wesentliche und wichtige Llnterschiede davon. Seine äußer­ sten Erstreckungen von Norden nach Süden und von Westen nach Osten sind fast gleich groß. Seine nördlichen Stellen grenzen an Sachsen und an Westrußland, seine südlichen reichen am Adriatischen Meere bis zur Bucht von Cattaro und an das Königreich Montenegro. Zm äußersten Westen grenzt es an die Schweiz und an Italien, im Osten stößt es an Rumänien, im Südosten an das mordlustige Serbien. Der Anteil an der Adria ist verhältnismäßig klein, aber wichtig, 19

denn dadurch erhält es Zugang zum Weltmeere und in den dortigen Küstenstrichen findet sich die für Seewesen geeignete Bevölkerung. Der Kaiserstaat ist überwiegend gebirgig; im Westen be­ sitzt er einen großen Teil der Alpen, im Nordwesten die böhmischen Randgebirge, mit Deutschland gemeinsam, im Osten die Karpaten, die größtenteils auf seinem Gebiete liegen, im Süden endlich hat er teil an den Erhebungen der Balkanhalb­ insel, die sich bis an die Adria ausdehnen. Tiefland größeren Amfangs ist zwar von den genannten Gebirgen eingeschlossen, nirgends aber reicht es bis an die Grenzen und an das Meer. So gleicht der Staat einer rings von Erhebungen ver­ schiedener Löhe und Gestalt eingeschlossenen Lochburg mit Ausnahme des Nordostens, wo das Vorland der Karpathen in die weiten Flachländer des benachbarten Rußland allmählich übergeht, ein breiter Streifen, der, wie die Gegenwart zeigt, feindlichen Einfällen offen steht und äußerst schwer zu ver­ teidigen ist. Trotz seiner Raumgröße verfügt der Kaiserstaat über keinen einzigen größeren Fluß allein. Von der Donau, dem im übrigen größten Gewässer mit zahlreichen und stattlichen Nebenflüssen, gehört ihm nur der Mittellauf von Passau bis zum eisernen Tore. Andere wichtige Gewässer wie die Elbe, die Oder, die Weichsel, der Dnjepr, die Etsch u. a. entspringen zwar in seinen Gebirgen, verlassen aber früher oder später das Land, um in anderen Staaten Zugang zum Meere zu finden. Besonders zu bedauern ist der Llmstand, daß kein ansehnliches Gewässer aus dem Innern des Landes an die dazu gehörige Adriaküste führt. Daraus folgt, daß aller Verkehr mit den Mitteln des festen Landes nach der Küste stattfinden muß. Der Zugang dahin ist aber keineswegs leicht. Zu den natürlichen Schwierigkeiten des Kaiserstaates ge­ hört auch die Zusamensetzung seiner Bevölkerung; es ent­ hält eine große Zahl verschiedener Völker und Stämme, unter denen kein Bestandteil die wirkliche Mehrheit besitzt. Dabei kommt zu der Verschiedenheit der Abstammung Abweichung in der Kulturstellung und Gesittung, in der Religion, in der ge-

20

schichtlichen Entwicklung und in der staatlichen Stellung. Ohne Zweifel ist daher der Kaiserstaat schwerer zu leiten als irgend ein anderes europäisches Land. Lier seien nur die Äauptverschiedenheiten der Volksbestandteile zahlenmäßig an-

gegeben.

Es gab 1910

Deutsche . .... .Magyaren .... Mähren Böhmen, und Slowaken . . Polen. . ....

0/

Mill. 12,00 10,07

23,5 19,9

8,47 5,02

16,6 9,9

Io

Rumänen . Italiener u.. a. Ausländer.

Die

Folge

dieser und

Ruthenen..................... Slowenen..................... Serben und Kroaten .

.

. . .

. . .

anderer

Mill. 3,22 1,03 0,32

Mill. 4,00 1,35 5,54

o/° 7,8 2,6 10,8

°/o 6,3 2,0 0,6

Eigenschaften

der

Be­

völkerung macht sich vor allem auch in der Gestaltung der Wirtschaft bemerkbar; diese zeigt daher größere Verschieden­ heiten und Abweichungen als in den anderen Ländern Mittel­

und Westeuropas. Während z. B. Böhmen und Anterösterreich im Durchschnitt auf derselben Löhe stehen wie die besseren Teile des benachbarten Deutschland, befinden sich andere Teile,

namentlich Galizien und die gebirgigen Gegenden von Llngarn und der Balkanhalbinsel in viel tieferer Stellung. Es hat daher eine gewisse Gefahr, die Wirtschaft des Kaiserstaates

als eine Einheit zu behandeln, aber diese läßt sich bei der in

unserem Falle gebotenen Kürze nicht ganz vermeiden.

Im Vordergründe der Wirtschaft stehen Landwirtschaft und Viehzucht.

Durch diese wird so viel hervorgebracht, daß

der Bedarf des Landes gedeckt wird, mancherlei auch an das Ausland abgegeben werden kann. Die Gesamterzeugung des

den wichtigen Erzeugnissen der Landwirt­ gestaltete sich, unter Berücksichtigung seiner Äaupt-

Kaiserstaats schaft

an

bestandteile im Jahre 1912 in Millionen Meterzentnern wie

folgt.

Kaiserstaat

Weizen..................... Roggen..................... Gerste........................... Laser........................... Kartoffeln .... Rübenzucker.... Wein, Mill. Hektoliter

davon Österreich

Angarn

18,95 29,75 17,07 24,54 125,42 1,32 3,97

45,59 11,39 18,06 15,44 54,51 0,04 4,10

65,54 41,26 35,81 40,88 180,75 1,36 8,42

Die Lauptkornkammer ist die große ungarische Tiefebene, die neuerdings in stets steigendem Maßstabe angebaut wird, so daß die früher ausgedehnten Weideflächen (Pußten) und Sandstrecken mehr und mehr verschwinden. Während Rüben­ zucker, auch zum Zwecke der Ausfuhr, fast nur in Österreich gewonnen wird, zieht man Tabak hauptsächlich in Llngarn und Hopfen in Böhmen. Die besten Sorten Wein gedeihen in Llngarn und Kroatien, vor allem der weltberühmte Tokaier in Nordungarn. Zn Llngarn ist ein Hundertstel der Bodenfläche mit Wein bepflanzt. Neben dem Bodenanbau spielt die Viehzucht eine be­ deutsame (Rolle; im Jahre 1912 waren im Kaiserstaate und seinen Hauptteilen die folgenden Tausende von Nutztieren vorhanden:

Pferde und Maulesel . Hornvieh........................... Schafe und Ziegen . . Schweine...........................

. . . .

Kaiserstaat

Österreich

Angarn

4478 17 789 16 551 14 539

1876 9160 3684 6432

2373 7319 8975 7580

Viehreich sind vor allem die Bergländer und die unga­ rischen Weidegebiete. Im allgemeinen wächst der Bestand aller Zuchttiere, mit Ausnahme der Schafe, in den österreichischen Provinzen; hier ist auch 'die Zunahme der Pferde langsamer als in den anderen Teilen des Reiches. Die Zucht der Seiden­ raupe ist am belangreichsten in Südtirol und in einigen Teilen Llngarns. Überall hält man viel Geflügel und Bienen; in der

Hühnerzucht stellt sich Llngarn an die Seite von Frankreich und Italien.

Nach Lage der Dinge zeigt aber das Ackerland geringeren Prozentsatz als im Deutschen Reiche. In Österreich nimmt es 36,8, in Angarn 43,1 % ein. Auf Wiese und Weide kommen in den beiden Äauptteilen des Staates 24,7 und 21,9%, auf Waldland 32,7 und 27,3. Letzteres liefert einen großen und wichtigen Teil der Ausfuhr. An mineralischen Schätzen ist Österreich-Angarn etwas mannigfacher bedacht als sein verbündeter Nachbar, aber die Äaupterzeugnifse kommen nicht in solchen Mengen wie dort vor, außerdem sind sie nicht überall so günstig gelegen für Ver­ arbeitung und Verschiffung wie dort. An Braun- und Stein­ kohle wurden reichlich 52 Millionen Tonnen oder der fünfte Teil von Deutschlands Ausbeute gewonnen, davon 43 in Österreich und fast 10 in Angarn. Die Gewinnung von Roh­

eisen belief sich auf 2,6 Millionen Tonnen oder etwa ein Siebentel der deutschen (reichlich halb so viel wie die fran­ zösische). Die wichtigsten Kohlenlager liegen in Böhmen und Mähren; andere kommen in den östlichen Ausläufem der Alpen, in den Karpaten und einigen Teilen Angarns vor, aber ihre Ausbeute deckt den Bedarf nicht; dieser wird durch Zufuhr aus Deutschland befriedigt. Eisen findet sich meist in denselben Gegenden wie Kohle. Sonstige wichtige Erze von größerer Bedeutung sind Graphit, Blei, Kupfer, Zink und Quecksilber, die zugleich verarbeitet mit dem Erzeugnisse zur Ausfuhr kommenAußerdem gibt es ansehnliche Petroleumquellen in Angarn und besonders in Galizien, die nicht nur den ganzen heimischen Be­ darf decken, sondern auch eine beträchtliche Ausfuhr gestatten Karpaten und Alpen liefern bedeutende Mengen Salz, das ebenfalls an andere Länder abgegeben wird; Seesalz wird an der istrischen und dalmatischen Küste gewonnen. Ganz beson­ ders reich ist der Staat an Heilquellen, darunter solche von Weltruf, namentlich in Böhmen und Angarn. Abgesehen von einigen älteren Gewerbegegenden beschäftigte sich der Kaiserstaat früher vorzugsweise mit Gewinnung von Roherzeugniffen. Aber in der neuesten Zeit haben Gewerbe und Industrie sich nicht nur in den älteren Bezirken wie Böhmen, Schlesien, Mähren und Niederösterreich lebhaft und 23

rührig entwickelt, sondern sich auch auf andere Gegenden aus­ gedehnt; neuerdings tritt namentlich Budapest mit Umgebung stärker in den Vordergrund. Sinter den Erzeugnissen des Gewerbsieißes und der Industrie, welche außer Landes gehen und wegen ihrer Güte Beliebtheit erlangt haben, sind vornehmlich Baumwollsachen, Wollwaren, Seide, Samt und Leder, Leinen, Glas und Tonwaren, Eisenwaren, Maschinen, Bier u. a. her­ vorzuheben. Den ersten Platz nimmt, wie eben angedeutet, die böhmische Industrie ein; sie liefert Web-, Metall-, besonders Eisenwaren, berühmte Glasschmelzerei und Porzellansachen, namentlich bei Karlsbad. Sehr zahlreich sind die Rübenzucker­ siedereien, die Branntweinbrennereien und Bierbrauereien. Böh­ men erzeugt fast die Lälfte des in Österreich gebrauten Bieres

und ungefähr ein Drittel des Branntweins. Pilsener Bier, seit langem in Deutschland hochgeschätzt, ist Welthandelsgegen­ stand. Der erste Industrieplatz des Staates ist aber Wien, das sich durch große Mannigfaltigkeit seiner Erzeugnisse aus­ zeichnet und besonders Gutes in Galanteriewaren leistet. Die lebhafte Entwicklung der Industrie hat in der neuesten Zeit auch den Außenhandel rasch gefördert. Ein- und Aus­ fuhr betrugen im Jahre 1913 rund 5L/2 Milliarden Mark, von denen 3 auf die Einfuhr und der Nest auf die Ausfuhr ent­ fielen. Im Vordergründe steht Europa mit reichlich vier Fünfteln der genannten Wertsumme; ein gutes Zehntel fällt auf Amerika, ein Sechzehntel auf Asien, der kleine Rest auf Afrika und Australien; letzteres ist sehr knapp vertreten. Sinter den einzelnen Verkehrsländern hat das Deutsche Reich mit reichlich zwei Fünfteln des gesamten Güteraustausches und einer Wertsumme von mehr als zwei Milliarden weitaus den ersten Platz inne. Der nächstwichtige Verkehrsstaat, mit reich­ lich 8°/o, ist Großbritannien. An dritter Stelle folgen die Vereinigten Staaten, Italien, Rußland, Britisch-Indien, Ru­ mänien und die Schweiz (6,7 bis 3,2). Bis herab auf 1 °/0 des Generalhandels folgen die Türkei, Brasilien (Kaffee!), Belgien, Serbien, Ägypten, Argentinien und Bulgarien. Die drei Äauptwarengruppen: Rohstoffe, Halbfabrikate und Fabrikate, bieten in Ein- und Ausfuhr ein ziemlich ver24

schiedenes Bild. Die Rohstoffe machen in der Einfuhr fast drei Fünftel und in der Ausfuhr ein gutes Drittel aus. Die Halbfabrikate stellen bei der Einfuhr ein Siebentel, bei der Ausfuhr fast ein Fünftel dar. Die Fabrikate erscheinen bei der Einfuhr mit knappen drei Zehnteln, bei der Ausfuhr mit fast der Lälste, ein Beweis dafür, daß der wirtschaftliche Zu­ stand des Kaiserstaates sich der Bahn des Industriestaates zu­ neigt. Die Lauptwaren der Einfuhr sind Baumwolle, Kohlen, Maschinen, Wolle, Felle und Läute, Kaffee, Leder, Instrumente und Ähren, Seide und Seidenwaren, Wollgewebe und Kupfer. Von der Ausfuhr sind Zucker, Bau- und Nutzholz, Eier (117 Millionen Mark), Felle und Läute, Braunkohle, Leder­ waren, Malz, Glas und Glaswaren hervorzuheben. Die Verkehrsverhältnisse des Kaiserstaates sind gut entwickelt, wenn man in Betracht zieht, welche Schwierigkeiten der Anlage von Straßen, Eisenbahnen und Wasserwegen durch die gebirgige Beschaffenheit des Landes, sowie durch den stellen­ weise sehr großen Gegensatz zwischen hoch und niedrig bereitet werden. Der Kaiserstaat verfügt über 46845 km Eisenbahnen, davon 20402 in Staatsbesitz und 15861 in Staatsbetrieb. Das Bahnnetz überschreitet an sechs Stellen die Alpen und hat Wien, Prag und Budapest als Lauptknotenpunkte; Oder­ berg, Dresden, Passau und Salzburg sind die wichtigsten Be­ rührungsstellen mit den Eisenbahnen Deutschlands. Der Tele­ graph enthält 73394 km Linien und 153803 km Drahtlänge, sowie 12077 Ämter. Die Landelsflotte verfügte 1912 über 233 Seeschiffe mit 522967 Nettotonnen. Der Schiffsverkehr betrug 1911 ein­ gehend 28,5 Millionen Tonnen, wovon 25,2 von österreichisch­ ungarischen Schiffen geleistet wurde, ein Beweis dafür, daß die Läfen des Kaiserstaates von fremden Schiffen nur in geringem Maßstabe aufgesucht werden.

3. Das türkische Reich. Das türkische Reich, mit der Lauptstadt Konstantinopel, das jetzt dreieinhalbmal so groß ist wie das Deutsche Reich, aber 25

schiedenes Bild. Die Rohstoffe machen in der Einfuhr fast drei Fünftel und in der Ausfuhr ein gutes Drittel aus. Die Halbfabrikate stellen bei der Einfuhr ein Siebentel, bei der Ausfuhr fast ein Fünftel dar. Die Fabrikate erscheinen bei der Einfuhr mit knappen drei Zehnteln, bei der Ausfuhr mit fast der Lälste, ein Beweis dafür, daß der wirtschaftliche Zu­ stand des Kaiserstaates sich der Bahn des Industriestaates zu­ neigt. Die Lauptwaren der Einfuhr sind Baumwolle, Kohlen, Maschinen, Wolle, Felle und Läute, Kaffee, Leder, Instrumente und Ähren, Seide und Seidenwaren, Wollgewebe und Kupfer. Von der Ausfuhr sind Zucker, Bau- und Nutzholz, Eier (117 Millionen Mark), Felle und Läute, Braunkohle, Leder­ waren, Malz, Glas und Glaswaren hervorzuheben. Die Verkehrsverhältnisse des Kaiserstaates sind gut entwickelt, wenn man in Betracht zieht, welche Schwierigkeiten der Anlage von Straßen, Eisenbahnen und Wasserwegen durch die gebirgige Beschaffenheit des Landes, sowie durch den stellen­ weise sehr großen Gegensatz zwischen hoch und niedrig bereitet werden. Der Kaiserstaat verfügt über 46845 km Eisenbahnen, davon 20402 in Staatsbesitz und 15861 in Staatsbetrieb. Das Bahnnetz überschreitet an sechs Stellen die Alpen und hat Wien, Prag und Budapest als Lauptknotenpunkte; Oder­ berg, Dresden, Passau und Salzburg sind die wichtigsten Be­ rührungsstellen mit den Eisenbahnen Deutschlands. Der Tele­ graph enthält 73394 km Linien und 153803 km Drahtlänge, sowie 12077 Ämter. Die Landelsflotte verfügte 1912 über 233 Seeschiffe mit 522967 Nettotonnen. Der Schiffsverkehr betrug 1911 ein­ gehend 28,5 Millionen Tonnen, wovon 25,2 von österreichisch­ ungarischen Schiffen geleistet wurde, ein Beweis dafür, daß die Läfen des Kaiserstaates von fremden Schiffen nur in geringem Maßstabe aufgesucht werden.

3. Das türkische Reich. Das türkische Reich, mit der Lauptstadt Konstantinopel, das jetzt dreieinhalbmal so groß ist wie das Deutsche Reich, aber 25

nur kaum den dritten Teil seiner Einwohnerschaft (22 Millionen) zählt, hat eine so merkwürdige Geschichte, daß diese hier nicht ganz beiseite gelassen werden kann. Im vierzehnten Jahrhundert erschienen die Türken zuerst in Europa. Nach dem Siege über die Serben auf dem Amsel­ felde (1389) und nach der Eroberung von Konstantinopel (1453), wodurch das griechische Kaiserreich zugrunde ging, dehnte sich ihre Herrschaft so rasch aus, daß sie zur Zeit ihrer größten Machtfülle unter Sultan Soliman dem Prächtigen (1520—66) in Europa nicht bloß den größten Teil der Balkanhalbinsel umfaßte, sondern sich auch weit nordwärts über fast ganz An­ garn, Rumänien und die Nordküste des Schwarzen Meeres erstreckte. Im 17. Jahrhundert begannen zwar schon die Ver­ luste, aber noch vor hundert Jahren verfügte das Reich über fast die ganze Balkanhalbinsel. Von da an begann jedoch der stärkste Rückgang. Erst errang Griechenland seine Anabhängig­ keit; Ägypten machte sich bis zu einem gewissen Grade selb­ ständig; später folgten Rumänien, Serbien und Montenegro; weiterhin ging Bulgarien und Ostrumelien sowie Bosnien mit Äerzegowina verloren. Es folgten Thessalien, ein Teil von Epirus und Kreta. In neuester Zeit gingen Tripolis und Barka an Italien über, und der letzte Krieg 1912/13 brachte den Verlust des übrigen Besitzes auf der Balkanhalbinsel, so daß nur noch ein kleiner Teil davon unter türkischer Herrschaft geblieben ist, allerdings mit der Hauptstadt Konstantinopel und dem wichtigen Platze Adrianopel. Aus Gründen, die hier nicht weiter verfolgt werden können, schloß sich die Türkei an das Deutsche Reich und Österreich-Angarn an, und so erleben

wir den höchst eigenartigen Fall, daß diese beiden christlichen Staaten mit der mohammedanischen Macht vereint gegen Feinde kämpfen, deren Vereinigung nicht weniger seltsam erscheint. Leute ist die Türkei eine vorwiegend asiatische Macht. In Europa besitzt sie nur noch die nach Osten vorspringende Halbinsel von der Größe einer mittleren preußischen Provinz mit nicht ganz 2 Millionen Einwohnern. Die asiatischen Be­ sitzungen, deren mittlere Volksdichte 11 Personen auf den qkm, insgesamt knapp 19 Millionen beträgt, sind Kleinasien, Ar26

meinen, Syrien, Mesopotamien, die Westküste von Arabien und ein Teil dessen Ostküste. Der Spezialhandel des türkischen Reiches wird für 1910/11 aus 722 Millionen Mark Einfuhr und 395 Ausfuhr angegeben. Die Einfuhr besteht hauptsächlich aus Zeugstoffen, Garnen, Zucker, Petroleum, Drogen, Farben und Eisenwaren. Bei der Ausfuhr stehen Webwaren, Tabak, Drogen, Läute und Felle, Früchte, namentlich Rosinen, Getreide, besonders Gerste und Weizen, Mehl, Baumwolle, Rohseide und Kokons, Opium und Mohär (glänzende Wolle) im Vordergründe. Im Jahre 1911 verfügte das türkische Reich über 6600 km Eisenbahnen, davon 1994 in Europa, 2372 in Klein­ asien, 2294 in Syrien und Arabien. Die Bahnen sind be­ kanntlich in der Hauptsache von Westeuropäern gebaut worden. Deutsches Kapital und deutsche Arbeit spielen namentlich in Kleinasien und Mesopotamien („Bagdadbahn") eine wichtige Nolle; anderwärts treten Franzosen und Engländer in den Vordergrund. Telegraphen waren im gleichen Jahre 48016 km in Linien und 80304 in Drahtlänge vorhanden; auf 1486 Äm­ tern wurden 10 Millionen Depeschen befördert. Die Landelsflotte bestand aus 1083 Schiffen von 273519 Tonnen, davon waren 120 Dampfer mit 66878 Tonnen. Eine auch nur siüchtige Besprechung des türkischen Reiches würde mehr Raum beanspruchen als zur Verfügung steht. Deshalb genüge es, einige Bemerkungen über die Meeresteile zwischen den europäischen und kleinasiatischen Landesteilen sowie über Kleinasien und Armenien, die gegen­ wärtigen Kriegsschauplätze, zu machen. Der Lellespont oder die Straße der Dardanellen, be­ nannt nach den festen türkischen Schlössern, die wiederum nach der alten Stadt Dardanos ihren Namen führen, ist an seinem Eingänge 5600, an der schmälsten Stelle 1250 m breit und mit so starken Befestigungen versehen, daß sie bisher von feind­ lichen Schiffen nicht haben bezwungen werden können. Eine Obersiächentrift strebt wie im Bosporus nach dem Ägäischen,

ein salziger Anterstrom nach dem Schwarzen Meere. Am Ein­ gang vom Ägäischen Meere aus befinden sich beiderseits ge27

wattige Festungen, am Ausgange nach dem Marmarameere auf europäischer Seite das ebenfalls gut befestigte Gallipoli. Während das Marmarameer bis 1400 m tief ist, erreicht der im allgemeinen 700 m breite Bosporus eine Tiefe von nur 66 m; er umfaßt drei ehemalige Seen, deren größter 3 km breit ist. Da, wo sich die Bucht des Goldenen Lorns nach der Meeresstraße öffnet, erhebt sich Konstantinopel als Krone des Ganzen. Zahlreiche und starke Befestigungen sind sowohl in der Mitte des Bosporus als auch zu beiden Seiten seiner Mündung in das Schwarze Meer zu finden. Kleinasien, Anatoli oder Levante, ist eine Lochfläche, deren Südrand besonders stark und kräftig geschloffen als an­ sehnliches Gebirge (Taurus) erscheint, während die Erhebungen an der Nordseite und namentlich im Westen weniger hoch sind und an manchen Stellen den im Innern entstehenden Gewässern Ausgang nach dem Meere gewähren. Die Außenseiten der Lalbinsel sind zugleich ziemlich wasserreich und daher fruchtbar, während die innere Lochfläche, namentlich nach Osten hin, viel­ fach trocken ist und auf ansehnliche Flächen hin den Eindruck der Wüste macht. Früher war die Lalbinsel eine hervor­ ragende Kulturprovinz; dafür sprechen zahlreiche kunstgeschmückte Grabmäler, Inschriftsteine und andere Bauten des klassischen Altertums, eine Menge von assyrischen Löwenbildern, persische Inschriften, Moscheen und Gräber aus der Blütezeit der Seldschuken. Lange Zeit lag das Land danieder. Aber jetzt strebt es wieder in die Löhe und hat eine arbeitsame Bevöl­ kerung, im Südosten zahlreiche Pürüken, fleißige Bauern und tüchtige Kamelzüchter, an den Küsten die in jedem Sattel ge­ rechten, handelstüchtigen Griechen. Blühend ist die Zucht der Angoraziege. Steinkohlen gibt es in Eregli am Pontus. Der Lauptort Kleinasiens, Smyrna, ist der wichtigste Platz für Ausfuhr von Rosinen und Badeschwämmen, außerdem von Senf, Tabak, Süßholz, Obst und Seide. Die berühmte Teppichweberei hat ihre Stätte meist in kleinen Städten des Innem. Armenien ist ein ausgedehntes Lochland mit großen Seenspiegeln, hervorragenden Flüssen (Euphrat, Tigris) und 28

hohen Bergen, gekrönt von dem blendend weißen Gipfel des Großen Ararat (5157 m), an dem sich Türkei, Rußland und Persien berühren. Die Armenier, ein kluges, gewandtes, seit langen Jahren christliches Volk haben von ihren Nachbarn und Lerren viel zu leiden gehabt und ihre Leimat vielfach ver­ lassen. Der türkische Besitz umfaßt ungefähr die Lälfte des ehemaligen armenischen Reiches. Die berühmte Landelsstadt Erzerum an der wichtigen Karawanenstraße von Persien nach dem Schwarzen Meer (Tarabison) besitzt auf hohem Felskegel starke Festungswerke, die, nachdem im Jahre 1878 Kars und Batum in die Lände der Russen gefallen sind, den einzigen Riegel gegen diese bilden. Augenblicklich tobt an den Grenzen Armeniens der Krieg.

Die feindlichen Mächte. Unsere Feinde zerfallen in eine westliche und in eine öst­ liche Gruppe. Die erstere, ^die ausschließlich vom deutschen Leere bekämpft wird, besteht aus England, Frankreich und Belgien. Die beiden erstgenannten Staaten verwenden auch Truppen aus ihren Kolonien [gegen uns, aber es würde zu weit führen, sich hier damit zu beschäftigen. Dagegen sei hervor­ gehoben, daß die drei Westmächte zusammen gegen 95 Millionen Menschen' zählen und schon für sich allein Deutschland gegen­ über die Oberhand hätten, wenn dieses nicht außerdem ge­ nötigt wäre, einen großen Teil seiner Truppen, sei es allein, sei es im Verein mit Österreich-Angarn, gegen Rußland kämpfen

zu lassen, das, in Verbindung mit Serbien und Montenegro 142 Millionen Menschen zählend, gegen Deutschland und Öster­ reich-Angarn eine Übermacht von Menschen aufweist. 4. Großbritannien.

Nachdem Großbritannien seit Mitte des 18. Jahrhunderts und besonders im Anfänge des vorigen Jahrhunderts Frankreich als Kolonialmacht auf den Boden geworfen hatte, ist es die größte Macht der Erde; von der festen Erde und ihrer Be29

hohen Bergen, gekrönt von dem blendend weißen Gipfel des Großen Ararat (5157 m), an dem sich Türkei, Rußland und Persien berühren. Die Armenier, ein kluges, gewandtes, seit langen Jahren christliches Volk haben von ihren Nachbarn und Lerren viel zu leiden gehabt und ihre Leimat vielfach ver­ lassen. Der türkische Besitz umfaßt ungefähr die Lälfte des ehemaligen armenischen Reiches. Die berühmte Landelsstadt Erzerum an der wichtigen Karawanenstraße von Persien nach dem Schwarzen Meer (Tarabison) besitzt auf hohem Felskegel starke Festungswerke, die, nachdem im Jahre 1878 Kars und Batum in die Lände der Russen gefallen sind, den einzigen Riegel gegen diese bilden. Augenblicklich tobt an den Grenzen Armeniens der Krieg.

Die feindlichen Mächte. Unsere Feinde zerfallen in eine westliche und in eine öst­ liche Gruppe. Die erstere, ^die ausschließlich vom deutschen Leere bekämpft wird, besteht aus England, Frankreich und Belgien. Die beiden erstgenannten Staaten verwenden auch Truppen aus ihren Kolonien [gegen uns, aber es würde zu weit führen, sich hier damit zu beschäftigen. Dagegen sei hervor­ gehoben, daß die drei Westmächte zusammen gegen 95 Millionen Menschen' zählen und schon für sich allein Deutschland gegen­ über die Oberhand hätten, wenn dieses nicht außerdem ge­ nötigt wäre, einen großen Teil seiner Truppen, sei es allein, sei es im Verein mit Österreich-Angarn, gegen Rußland kämpfen

zu lassen, das, in Verbindung mit Serbien und Montenegro 142 Millionen Menschen zählend, gegen Deutschland und Öster­ reich-Angarn eine Übermacht von Menschen aufweist. 4. Großbritannien.

Nachdem Großbritannien seit Mitte des 18. Jahrhunderts und besonders im Anfänge des vorigen Jahrhunderts Frankreich als Kolonialmacht auf den Boden geworfen hatte, ist es die größte Macht der Erde; von der festen Erde und ihrer Be29

völkerung besitzt es ungefähr ein Viertel. Großbritannien (mit Irland) in Europa zählt nur 47 Millionen Einwohner, die sich namentlich in den Zndustriegegenden, besonders Mittelenglands, sowie in der Hauptstadt London ungemein dicht zusammen­ drängen. Außerordentlich ist der Gegensatz zwischen den Zndustriegegenden Mittelenglands und den einsamen, fast men­ schenlosen Gegenden zu beiden Seiten des kaledonischen Kanals. Ist das Inselreich vermöge seines feuchten Klimas an und für sich nicht günstig sür Bodenbau, namentlich für Ge­ winnung von Körnerfrüchten, so hat doch auch seine Wirt­ schaftsgeschichte nicht dagegen gearbeitet, sondern vielmehr dazu geführt, daß der Ackerbau bis in die neueste Zeit vernachlässigt wurde. So ist es gekommen, daß von der Bodensiäche des Inselreiches nur ein Viertel den Zwecken der Gewinnung von Körnerfrüchten, Kartoffeln usw. dient. Reichlich die Hälfte des Landes gilt als Wiesen- und Weideland, ein Fünfund­ zwanzigstel ist bewaldet und fast ein Fünftel ist ödland. Die Erträge an Brotgetreide sind so gering, daß der Eigenbau davon die Bevölkerung kaum ein Vierteljahr zu ernähren vermag; für dreiviertel Jahr muß die Einfuhr aus den Kornländern, namentlich auswärtiger Erdteile, sorgen. Mit Weizen sind 7027, mit Gerste 7011, mit Hafer 12239 und mit Kartoffeln 4146 qkm angebaut. Der Ertrag 1912 in Millionen Meter­ zentnern ergab bei Weizen 15,63, bei Gerste 13,20, bei Safer 29,16, bei Kartoffeln 58,19. Auch die Fleischkost muß zum größeren Teile eingeführt werden, wennschon es mit der Viehzucht im allgemeinen besser steht als mit dem Bodenanbau. Namentlich wird viel Wert auf Edel­ zucht gelegt und von fast allen Tierarten zieht manausgezeichnete Sorten. In Tausenden verfügt das Inselreich über 2290 Pferde, 10650 Rinder, 20997 Schafe und Ziegen, 3163 Schweine. Ganz neuerdings regt man sich, um der steigenden Nach­ frage nach Eiern, Geflügel, Molkereiwaren, Gemüse, Früchten, Blumen usw. in höherem Grade als früher aus eigenen Be­ trieben zu entsprechen. Seit 1908 gibt es ein Kleinsiedlungs­ gesetz, welches das bis dahin herrschende Äbergewicht der großen

auswärtigen Besitzungen einschränken soll. 30

Während Bodenanbau und Viehzucht zurzeit weit davon entfernt sind, die Landesbedürfnisse zu decken, ist eine hoch ent­ wickelte Seefischerei vorhanden, die nicht nur den größten Teil des eignen Bedarfs an Fischen, und dieser ist sehr weitgehend befriedigt, sondern auch bedeutende Mengen an das Ausland abgibt. Abgesehen chon einer großen Anzahl kleiner Küstenfischereiboote besitzt das Land über 26000 Fahrzeuge, darunter mehr als 2500 neuzeitliche Fischdampfer. Der Ertrag, ohne Lachse und Schaltiere, beläuft sich im Jahresdurchschnitte auf 1208000 Tonnen frische Fische im Werte von rund 240 Mil­ lionen Mark, davon 70°/, für England, 27 für Schottland und 3 für Irland. Die wichtigsten Fanggebiete liegen an den Küsten Schottlands und Ostenglands bis herab an den Lumber; sehr ergiebig ist auch die Doggerbank der Nordsee. Die vor­ nehmlichen Plätze Schottlands sind Aberdeen, Fraserburgh, Peterhead und Wick, an der englischen Ostküste vor allem Grimsby (Iahresverkauf über 60 Millionen Mark) Lull, Yar­ mouth und Lowestoft. Die britische Ausfuhr besteht besonders in Leringen, wovon große Massen hauptsächlich nach Deutschland und Rußland gehen. Das Schwergewicht der englischen Wirtschaft liegt auf der Industrie, die ihrerseits in der Hauptsache auf dem großen Reichtum an Kohlen und Eisen beruht. Man gewann im Jahre 1912 265 Millionen Tonnen Kohle und 9 Millionen Tonnen Roheisen; demnach steht das Land bezüglich der Kohle an zweiter, hinsichtlich des Eisens an dritter Stelle unter den Ländern der Erde, während es früher in beiden Erzeugnissen den ersten Platz inne hatte. Beide Minerale aber sinden sich nahezu in denselben Gegenden Großbritanniens; Irland ist arm daran. An die Lauptfundstellen von Kohle und Eisen schließt sich die Großindustrie sowie die Großschiffahrt an. Die wichtigsten Lagerstätten der Kohle befinden sich in Südwales bis an den unteren Severn, namentlich wichtig für die Ausfuhr, in Mittel­ und Nordengland bis nahe an die schottische Grenze und in Südschottland vom Tweed bis an den Tay quer von See zu See. Außer Kohle und Eisen gewinnt man Zinn, Zink, Blei, Kupfer u. a., aber durchaus nicht in genügenden Mengen, um 31

den Bedarf zu decken, während von Kohle jährlich bedeutende Mengen zur Ausfuhr gebracht werden. England hat das Verdienst, die Großindustrie nach ihrem heutigen Wesen begründet und zur Geltung gebracht zu haben. Lier wurden die ersten Arbeitsmaschinen größeren Stils her­ gestellt und mit Dampf in Betrieb gesetzt. Diese Erfindungen, die im einzelnen nicht verfolgt werden können, wurden mit solcher Tatkraft und mit solchem Eifer weiter entwickelt, daß trotz allen Mitbewerbs zu beiden Seiten des Nordatlantischen Ozeans kein anderes Land den Vorrang hat gewinnen können, wenngleich er nicht mehr so entschieden zum Ausdruck kommt wie vor dem Eintreten der nordamerikanischen und der deutschen Bestrebungen. Das Grundwesen der englischen Industrie besteht darin, daß sie die Rohstoffe aus allen übrigen Teilen der Erde bezieht und die daraus hergestellten Erzeugnisse ebendahin sendet soweit sie nicht zur Deckung des Landesbedarfes dienen. Da­ durch beschäftigt sie zugleich Schiffahrt und Lande! des engeren Landes, sowie bei Roherzeugung fremder Länder, in deren Wirtschaft man kräftig eingreift. Angeheuer groß sind daher die Mengen und Werte, die England an sich zieht und wieder entsendet. Die englische Industrie hat sich nach und nach in Mittel­ england vereinigt; ein zweiter kleinerer Bezirk befindet sich in Südschottland am Clydefluß. Im Westen von Mittelengland herrscht die Bearbeitung der Baumwolle, die mit mehr als 60 Millionen Spindeln und 800000 mechanischen Web­ stühlen zu einer ungeheuren Menge von Bedarfsgegenständen verwandelt wird; sechs Städte stehen dabei im Vordergründe: Manchester-Salford, Oldham, Bolton, Rochdale, Blackburn und Preston. Die Metallindustrie hat zwei Mittelpunkte, einen im Süden mit Birmingham und Wolverhampton, den anderen im Nordosten davon mit Sheffield. Nahebei liegen die Lauptplätze der Tuchwirkerei: Leeds, Bradford, Lalifax und Luddersfield. Weiterhin blüht die Wollverarbeitung in Derby, Nottingham und Leicester u. a. In Bolton und Luddersfield wird namentlich Zwirn hergestellt. Ton- und Porzellanwaren erzeugt man vorzugsweise in Stoke upon Tront 32

und Umgebung. Der verkehrsreichste Industriehafen dieses ge­ waltigen Gebietes, der die fremden Rohstoffe einführt und die Erzeugnisse weiter befördert, ist Liverpool. Die Verstellung der dazu nötigen Schiffe erfolgt in drei Äauptgebieten: an der Ostküste von England, am Tyne und südlich davon, am Clyde in Südschottland und in Nordostirland bei Belfast. Jm Schiffbau steht das Inselreich an der Spitze sämtlicher Staaten der Welt. In der Landelsbewegung hat Großbritannien den ersten Rang unter allen Ländern der Erde, wie in der Industrie. Im Jahre 1913 betrug ohne Edelmetalle und Wiederausfuhr die Einfuhr 15711, die Ausfuhr 10734 Millionen Mark. Über

die Erdteile ist der Gesamthandel in der Weise verteilt, daß Europa davon 39 °/0 in Anspruch nimmt; 25 fallen auf Amerika, 19 auf Asien, 9 auf Afrika und 8 auf Australien. Somit überwiegen die auswärtigen Beziehungen. Aber die Beträge für Ein- und Ausfuhr stimmen nur bei Australien überein; bei Europa.und Amerika überwiegt die Einfuhr, bei Asien und Afrika die Ausfuhr. Die britischen Kolonien beanspruchen etwa 28% des Gesamthandels. Anter den einzelnen Verkehrsländern sind acht, deren Iahreswert zwischen dreieinhalb und einer Million Mark be­ trägt: Vereinigte Staaten, 31/a, Deutsches Reich und BritischIndien, 2% Frankreich, Australien, Argentinien, Rußland und Kanada; mit Ausnahme von Afrika sind somit alle Erdteile unter den Verkehrsgebieten ersten Ranges vertreten, ein Vorzug, der sich nur bei Großbritannien findet. Eine zweite Eigen­ tümlichkeit in dem Außenhandel dieses Landes besteht darin, daß die Einfuhr stark überwiegt, und dies ist auch bei den Äauptländern, mit Ausnahme Britisch-Indiens der Fall, bei dem die britische Ausfuhr im Vordergründe steht. Im übrigen gibt es kein einziges irgendwie bemerkenswertes Gebiet, mit dem Großbritannien nicht Warenaustausch triebe. Dazu kommt, daß sein Äandel bei den verhältnismäßig meisten den ersten Platz einnimmt. 120 Landelsgebiete sind daraufhin durchgesehen worden; bei 32 steht es an erster Stelle, bei ebenso vielen an zweiter. In den Gebieten ersten Ranges — (Dppel, Die wirtschaftlichen Grundlagen.

3

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und das ist ebenfalls bezeichnend, zwischen dreiviertel und ein­ halb ihres jährlichen Wertumsatzes, gehören nur englische Be­ sitzungen. Anter den tieferstehenden selbständigen Ländern seien Dänemark, Schweden, Norwegen, die Türkei, die Vereinigten Staaten, Frankreich, Portugal und Aruguay genannt. 3m Vergleich zu derselben Tätigkeit anderer Staaten ist der britische Lande! durchaus selbständig und aktiv und wird in hervorragender Weise durch die machtvolle Kauffahrteiflotte unterstützt, die den Seeverkehr beherrscht. Die englische Kauf­ mannschaft besorgt aber nicht nur den eigenen, ungeheuren Wertumsah, sondern ist auch sonst in dem Verkehr anderer Länder tätig oder wenigstens mit Kapital beteiligt. Die bri­ tischen Kapitalsanlagen in auswärtigen Ländern berechnet man zu reichlich 65 Milliarden Mark, von denen die Lälfte in briti­ schen Besitzungen, die andere anderwärts angelegt sind; zu letzteren Gebieten gehören vornehmlich Argentinien, Brasilien, Mexiko, Japan und Chile. Der englische Lande! ist ausschließlich Seehandel. Ab­ gesehen von einer Reihe ganz kleiner Plätze vollzieht er sich in 44 Küstenorten des Vereinigten Königreichs; vier davon in Irland mit reichlich einem Lundertstel des gesamten Wert­ umsatzes, elf in Schottland mit reichlich sieben Lundertsteln, die übrigen in England und Wales mit reichlich neun Zehnteln. Die Landelshäfen allerersten Ranges, wahre Riesen in ihrer Weise, sind London und Liverpool mit 30 und 27°/0 des Gesamtumsatzes; an zweiter Stelle, von 5,8 bis 2,4% folgen Lull, Manchester, Southampton, Glasgow, Grimsby und Larwich. Die Einfuhr herrscht, um nur einige Beispiele zu nennen, in London, Manchester und Lull vor, die Ausfuhr in Liverpool, Southampton, Cardiff und Swansea; letztere beide sind die wichtigsten Kohlenausfuhrhäfen des Landes. Der englische Lande! zeichnet sich nicht nur durch Massen­ haftigkeit, sondern auch durch größte Verschiedenartigkeit der von ihm bewegten Güter aus, aber eine beschränkte Anzahl von Waren steht doch im Vordergründe. Bei der ersten Gruppe der Einfuhr, welche sich auf Nahrungsmittel und Ge­ tränke bezieht, insgesamt mit 6 Milliarden Mark, sind Getreide, 34

Mehl, Fleisch und Schlachttiere mit den höchsten Werten ver­ treten. Bei der zweiten Gruppe, den industriellen Rohstoffen, steht Baumwolle mit einem Einfuhrwert von 1 x/2 Milliarden Mark an erster Stelle; mit geringeren Beträgen schließen sich öle, Öl­ früchte und Schafwolle an, weiterhin folgen Lolz, Jute, Erze, Felle und Läute u. a. Die dritte Gruppe der Einfuhr: Fabrikate, weist in erster Linie Webwaren, Metalle und Fabrikate davon auf; außerdem spielen Leder und Lederwaren, Ehemikalien und Farben, Papier, Maschinen, Apparate und Geräte, Porzellan und Glas eine wichtige Rolle. Bei der Ausfuhr unterscheidet man zwischen englischen Erzeugnissen und Durchgangswaren. Von den ersteren ent­ fallen durchschnittlich vier Fünftel des Wertes auf Fabrikate. Den stärksten Posten machen Baumwollfabrikate (Garn, Ge­ webe usw.) mit fast 3 Milliarden Mark aus; reichlich je eine Milliarde stellen Geräte aus Eisen und Stahl sowie Kohlen dar, daran schließen sich mit Beträgen von 750 bis 100 Milli­ onen Mark Maschinen, Wollwaren, Eisenbahngegenstände, Leinenwaren, Dünger, Lederwaren und Leringe an. Gemäß einer so gewaltigen Güterbewegung gestaltet sich das Verkehrswesen. An Eisenbahnen besitzt das Vereinigte Königreich 37717 km; diese sind durchaus Privatunter­ nehmungen und ihre Linien liegen in dem Industriegebiete am dichtesten nebeneinander, während Irland und vor allem Nord­ schottland arm daran sind. Der Telegraph verfügt über 99930 km Linien und 605684 km Drahtleitung mit 14071 Ämtern und

95 Millionen Depeschen im Jahre. Dazu kommt ein aus­ gezeichnetes System von Fernsprechern. Die Post enthält 24245 Anstalten und 212814 Mann Personal. Seine größte Stärke besitzt aber das Königreich in der überseeischen Telegraphie und im Schiffbesitz. An Seeschiffen, die auf allen Meeren verkehren, gab es 1912 20892 mit einer Nettotonnage von fast 12 Millionen oder beinahe viermal so viel wie im Deutschen Reiche.

5. Frankreich. Frankreich, seit 1870 dauernd Republik, ist fast so groß wie das Deutsche Reich, hat aber nur 39,6 Millionen Ein35

Mehl, Fleisch und Schlachttiere mit den höchsten Werten ver­ treten. Bei der zweiten Gruppe, den industriellen Rohstoffen, steht Baumwolle mit einem Einfuhrwert von 1 x/2 Milliarden Mark an erster Stelle; mit geringeren Beträgen schließen sich öle, Öl­ früchte und Schafwolle an, weiterhin folgen Lolz, Jute, Erze, Felle und Läute u. a. Die dritte Gruppe der Einfuhr: Fabrikate, weist in erster Linie Webwaren, Metalle und Fabrikate davon auf; außerdem spielen Leder und Lederwaren, Ehemikalien und Farben, Papier, Maschinen, Apparate und Geräte, Porzellan und Glas eine wichtige Rolle. Bei der Ausfuhr unterscheidet man zwischen englischen Erzeugnissen und Durchgangswaren. Von den ersteren ent­ fallen durchschnittlich vier Fünftel des Wertes auf Fabrikate. Den stärksten Posten machen Baumwollfabrikate (Garn, Ge­ webe usw.) mit fast 3 Milliarden Mark aus; reichlich je eine Milliarde stellen Geräte aus Eisen und Stahl sowie Kohlen dar, daran schließen sich mit Beträgen von 750 bis 100 Milli­ onen Mark Maschinen, Wollwaren, Eisenbahngegenstände, Leinenwaren, Dünger, Lederwaren und Leringe an. Gemäß einer so gewaltigen Güterbewegung gestaltet sich das Verkehrswesen. An Eisenbahnen besitzt das Vereinigte Königreich 37717 km; diese sind durchaus Privatunter­ nehmungen und ihre Linien liegen in dem Industriegebiete am dichtesten nebeneinander, während Irland und vor allem Nord­ schottland arm daran sind. Der Telegraph verfügt über 99930 km Linien und 605684 km Drahtleitung mit 14071 Ämtern und

95 Millionen Depeschen im Jahre. Dazu kommt ein aus­ gezeichnetes System von Fernsprechern. Die Post enthält 24245 Anstalten und 212814 Mann Personal. Seine größte Stärke besitzt aber das Königreich in der überseeischen Telegraphie und im Schiffbesitz. An Seeschiffen, die auf allen Meeren verkehren, gab es 1912 20892 mit einer Nettotonnage von fast 12 Millionen oder beinahe viermal so viel wie im Deutschen Reiche.

5. Frankreich. Frankreich, seit 1870 dauernd Republik, ist fast so groß wie das Deutsche Reich, hat aber nur 39,6 Millionen Ein35

wohner. Vor hundert Jahren standen sich die beiden Staaten an Seelenzahl einander ungefähr gleich. Seitdem ist aber Frank­ reich stark zurückgeblieben, weil seitdem das Zweikindersystem zur Herrschaft gelangt ist. Nach der schweren Niederlage, die unser westlicher Nachbar im Kriege 1870/71 erlitten hatte, ist er angestrengt bemüht gewesen, gewisse Schäden des Volks­ lebens, die sich während des Kaiserreichs eingestellt hatten, zu beseitigen und besonders das Kolonialwesen zu entwickeln. Zur­ zeit umfaßt das französische Reich über 11 Millionen qkm mit 95 Millionen Einwohnern; der größte Teil seiner Außen­ besitzungen liegt in Afrika, dessen Nordwesten sich fast ganz in seinem Besitze befindet. Wenngleich in Frankreich die Industrie erhebliche Fort­ schritte gemacht hat, so ist es der Hauptsache nach doch ein ackerbauender Staat. Saupterzeugnisse des Nordens und der Mitte — der Süden ist vorwiegend gebirgig — sind Getreide, Rübenzucker, Wein und Obst; im äußersten Süden treten zu Wein noch Oliven, Seide und Südfrüchte hinzu. Anter den Getreidearten überwiegt der Weizen, das Lauptbrotkorn, aber trotz der ansehnlichen Gewinnung deckt er den Bedarf nicht ganz. In der folgenden Tabelle sind Anbaufläche der Sauptfeldfrüchte nach Areal und Ernte für 1912 zusammengestellt.

Weizen Roggen . Gerste. . Safer . . Kartoffeln.

qkm

Ernte Mill. Meterzentner

65716 12016 7596 39820 15635

90,99 12,38 12,01 51,54 150,25

In Gewinnung von Rübenzucker, 1912/13 0,96 Millionen Meterzentner, steht Frankreich hinter dem Deutschen Reich, Rußland und Österreich zurück, in Anbau und Zubereitung von Wein hat es von jeher den ersten Platz unter allen Ländern der Erde, wenn sich auch die Erträge der einzelnen Jahre sehr voneinander unterscheiden. 1875 gewann man 83,8, 1879 infolge des Auftretens der Reblaus nur 25,8, 1911 aber wieder 43,2 Millionen Hektoliter. Da Wein all36

gemeines Getränk ist, so hat er einen sehr hohen Landesver­ brauch; zugleich kommt er seit alters in zahlreichen Sorten zur Ausfuhr. Allerdings erweist sich für beide Zwecke, namentlich in schlechten Jahren, eine starke Einfuhr, meist aus Spanien und Algerien, notwendig. Die Franzosen selbst unterscheiden acht Hauptweingebiete: Lothringen, Burgund, Iura, Rhone, Auvergne, Süden, Rousillon und Bordeaux. Zur Ausfuhr gelangen sogenannte Bordeaux, Burgunder und Champagner, letzterer streng genommen ein Kunstwein. Branntwein im rich­ tigen Sinne des Wortes stellt man vorzugsweise in den Cha­ rentes (daher Cognac!) in Anjou und an der Loire her. Gartenund Obstbau blühen in den meisten Teilen des Landes. Apfelwein (Cider) stellt man namentlich in der Normandie her. Blumenzucht zum Zwecke der Ausfuhr besteht in Nizza und Umgebung. In der Regel herrscht der landwirtschaftliche Kleinbesitz und demgemäß sorgfältiger Anbau des Bodens. Die Viehzucht ist im allgemeinen gut entwickelt; im Jahre 1912 gab es in Tausenden 3777 Pferde, Maulesel und Esel, 14706 Hornvieh, 17876 Schafe und Ziegen und 6904 Schweine; im Vergleich zu Deutschland hat Frankreich eine größere Zahl von Schafen und Ziegen, aber eine viel kleinere (nur ein Drittel) an Schweinen. Dagegen gibt man sich viel Mühe mit Geflügel und Bienen. Anter den europäischen Staaten hat Frankreich am längsten und eifrigsten die Seefischerei zum Gegenstände besonderer Fürsorge gemacht und in vielen Beziehungen mustergültige Einrichtungen getroffen. Nach französischem Rechte sind das Meer und die Salzwaffergebiete der Küste Seedomäne oder unveräußerlicher Staatsbesitz, in dessen Bereiche Fischerei­ anlagen nur mit Genehmigung der zuständigen Behörde er­ richtet werden können. Fischerei kann daher nur unter gewissen Zulassungsbedingungen betrieben werden. Die Aufsichtsbehörde hält die Ordnung in der Seedomäne aufrecht und hindert ihre rücksichtslose Ausbeute; ferner sucht sie das Seefischereigewerbe möglichst zu fördern und zahlt jährliche Ausrüstungs- und Fanggelder. Den Seefischfang teilt man in Groß- und Klein­ fischerei. Zur ersteren gehören Walfang und Dorschfischerei. 37

Walfang hat in neuerer Zeit fast ganz aufgehört, Dorsche dagegen werden von einer großen Zahl von Fischern der Normandie und der Bretagne bei Island, an der Doggerbank der Nordsee und bei Neufundland gefangen. Die Küsten­ fischerei vollzieht sich an der französischen Küste. Die fran­ zösische Fischerei, von reichlich 90000 Berufsfischern betrieben, ergibt jährlich mindestens 100 Millionen Mark an Wert. Die wichtigeren Fischereiplätze, nach dem Werte des Ertrages ge­ ordnet, sind Fecamp, Boulogne, Le Croisie, Dünkirchen, Gran­ ville, St. Malo u. a. Erwähnenswert ist die Austernzucht zu beiden Seiten der Garonnemündung, namentlich in Marennes (Charente), Arcachon, Vannes und Oleron. An nutzbaren Mineralien ist Frankreich viel weniger reich als Deutschland und England, immerhin aber gehören Kohle und Eisen zu den wichtigsten Erzeugnissen. Kohle findet sich ziemlich häufig, aber abgesehen vom Norden, wo das deutsch­ belgische Lager endet, nur in kleineren Flächen. Die Gesamt­ ausbeute betrug 1912 41 Millionen Tonnen oder reichlich ein Sechstel der deutschen. An Roheisen gewann man im gleichen Jahre 4,87 Millionen Tonnen oder ungefähr die Lälfte von England oder reichlich ein Viertel von Deutschland. Die Lauptfundorte liegen in der Mitte, in den Ardennen und in Lothringen (Minette), aber da die französischen Hütten­ werke veraltet sind, so wird ein Teil der Erze ausgeführt. Salz gewinnt man sowohl bergmännisch wie am Meere (Seesalz). In der Verstellung feiner und kunstvoller gewerblicher Erzeugnisse haben sich die Franzosen seit Jahrhunderten ausgezeichnet, aber die Maffenerzeugung gewöhnlicher Gebrauchs­ gegenstände liegt ihnen weniger. Daher ist Frankreich bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts von England, später auch von Deutschland in der Industrie überflügelt worden. Leute kann man mehrere Industriegegenden unterscheiden, unter denen das nordfranzösische mit Lille und Umgebung in erster Linie steht, in Anlehnung an die belgische Industrie. Paris ist ein be­ sonderer Bereich für sich, der die Mode beherrscht, wenn auch nicht mehr so allgewaltig wie früher. Im übrigen ist die neuzeit38

liche Industrie in ihren meisten Teilen vertreten, leistungsfähig namentlich in Verstellung von Seide- und Wollsachen, neuer­ dings namentlich von Automobilen und Flugzeugen. Vermöge seiner geographischen Lage, seiner begabten Be­ völkerung und seiner alten und vielseitigen Kultur hätte Frank­ reich das Zeug, ein erstklassiger Vertreter des Welthandels zu sein. Vor allen europäischen Staaten genießt es den Vor­ zug, unmittelbaren Zugang zu den verkehrsreichsten Meeren der Vergangenheit und der Gegenwart zu haben. Besonders beachtenswert ist seine Nähe am Suezkanal, der ja auch von einem Franzosen geplant und ausgeführt worden ist. Vor Jahrhunderten war Frankreich ein Äauptvertreter des Welt­ handels und im Besitze ausgedehnter und wertvoller Kolonien in Nordamerika. Aber diese glänzende Stellung wurde aus innerpolitischen Gründen preisgegeben und später, als man wieder angefangen hatte, Außenbesitzungen zu erwerben, war Nordamerika verloren gegangen an England und die Vereinigten Staaten. Ein Lemmschuh für die Gegenwart ist besonders der Llmstand, daß die Seelenzahl keine merkbaren Fortschritte macht. Auch das nie erloschene, neuerdings wieder zu Heller Flamme emporgeloderte Rachegefühl gegen Deutschland lähmte das Land, seine volle Kraft im Außenhandel zu entfalten. Immerhin sind in dieser Richtung erhebliche Anstrengungen gemacht und ansehnliche Erfolge gewonnen worden. Im Jahre 1912 hatte der Gesamthandel Frankreichs einen Wert von rund 12 Milliarden Mark, von denen 55% auf die Einfuhr, der Rest auf die Ausfuhr fielen. Mindestens zwei Drittel des Gesamthandels kommen auf Europa; von den übrigen Erdteilen sind Amerika, Afrika und Asien ziemlich gleich stark vertreten, Australien dagegen nimmt eine sehr be­ scheidene Stellung ein. Der Schwerpunkt des außereuropäischen Verkehrs liegt auf seinen auswärtigen Besitzungen, welche zu­ sammen reichlich ein Fünftel des gesamten Wertaustausches ausmachen. Die wichtigsten Verkehrsländer sind europäische Nachbarn, wie Großbritannien mit einem Sechstel, Deutschland mit einem Achtel und Belgien mit einem Zehntel der gesamten

Wertsumme des Außenhandels.

An zweiter Stelle erscheinen 39

die Vereinigten Staaten und Algerien, an dritter die Schweiz, Argentinien, Italien, Rußland und Spanien, an vierter Bra­ silien, die Türkei und Österreich-Llngarn; also kein einziges

asiatisches Land, ein Amstand, der auf eine deutliche Schwäche des französischen Außenhandels hinweist. Auch die Tatsache ist hier hervorzuheben, daß Frankreich, abgesehen von seinen Kolonien, in keinem einzigen Lande den ersten Platz im Welt­ verkehr besitzt. Selbst unter den Staaten, bei denen es den zweiten Platz innehat, befindet sich kein einziger ersten Ranges. Die Waren des Außenhandels ordnet man zu drei Lauptgruppen, die sich 1912 in Lunderten wie folgt zueinander stellten: Ausfuhr Einfuhr 0/ °/o /o Nahrungs- und Genußmittel. . . . . 139 213 315 Rohstoffe für die Industrie . . . . . 584 Industrieerzeugniffe........................... . . 546 293

Von den Gegenständen der Einfuhr bewegen sich vierzehn in dem Werte von 519 bis 101 Millionen Mark, nämlich Wolle, Baumwolle, Mineralöle, Ölfrüchte, Getreide und Mehl, Roh­ seide, Wein, Maschinen, Kautschuk, Läute und Felle, Gewebe aller Art, Kaffee, chemische Erzeugniffe und Zucker. Die wich­ tigsten Ausfuhrgegenstände sind Baumwollgewebe, Seiden­ artikel, Wollgewebe, Wagen, Automobile, Schmuck, zubereitete Felle, Damenkleider, Wein, Gemüse und Obst, außerdem eine Reihe Gegenstände der Einfuhr. Das Verkehrswesen Frankreichs ist gut entwickelt. Es verfügt über 51188 km Eisenbahnen, die meist Privatbesitz sind. Der Telegraph zählt 184059 km Linien mit 697183 km Draht­ leitung, 21264 Ämtern und 66 Millionen Depeschen. Die Landelssiotte besteht aus 17729 Seeschiffen mit 1462639 Tonnen, darunter 1780 Dampfern mit 838118 Tonnen, im ganzen nicht halb so viel wie das Deutsche Reich. Der Schiffsverkehr wird nicht ganz zu einem Viertel von französischen Schiffen geleistet. Die wichtigsten Läsen sind Marseille, Le Lüvre, Bordeaux, Nantes und Cherburg, aber in letzterem Lasen überwogen durchaus die fremden Schiffe, namentlich die deut­ schen. Für den Binnenschiffsverkehr sind zahlreiche Kanäle

40

vorhanden, aber diese sind meist veraltet uno in der Gegenwart wenig benutzt. Weitaus die wichtigste Stadt des Landes ist von jeher Paris, nicht nur in allgemeiner Kulturstellung, son­ dern auch in Gewerbe, Industrie und Landel; zugleich ist es der erste Geldmarkt des europäischen Festlandes sowie die größte und stärkste Festung der Welt.

6. Belgien. Das Königreich Belgien ist nur so groß wie eine mittlere preußische Provinz, hat aber säst 8 Millionen Einwohner und ist somit unter allen selbständigen Ländern Europas am dich­ testen bevölkert; namentlich drängt sich die Bevölkerung in den ebenen und hügeligen Gebieten außerordentlich dicht zusammen, während sie in dem Ardennengebirge viel dünner auftritt. Von jeher ist das Land ein Kampfplatz der europäischen Völker ge­ wesen und wichtige Entscheidungen sind hier gefallen; man denke an die spanische Zeit mit der Eroberung von Antwerpen, an den spanischen Erbfolgekrieg und an die Napoleonische Lerrschaft, die hier ihr Ende sand. Zn seinen flacheren Teilen ist das Land vortrefflich, teil­ weise geradezu gartenähnlich angebaut, aber die Ergebnisse der Landwirtschaft vermögen den Bedarf der Bevölkerung nicht zu decken. Anbaufläche und Ertrag der fünf wichtigeren Früchte gestalteten sich 1912 wie folgt:

qkm Weizen Roggen Gerste Laser Kartoffeln

....

1605 2632 341 2622 1567

Ertrag Mill. Meterzentner 4,18 5,41 0,93 5,09 33,06

An Rübenzucker gewann man 1912/13 292 Millionen Kilogramm. Der Viehbestand setzte sich im gleichen Zahre in Tausen­ den aus 269 Pferden, Mauleseln und Eseln, 1831 Lornvieh, 477 Schafen und Ziegen, 1349 Schweinen zusammen.

vorhanden, aber diese sind meist veraltet uno in der Gegenwart wenig benutzt. Weitaus die wichtigste Stadt des Landes ist von jeher Paris, nicht nur in allgemeiner Kulturstellung, son­ dern auch in Gewerbe, Industrie und Landel; zugleich ist es der erste Geldmarkt des europäischen Festlandes sowie die größte und stärkste Festung der Welt.

6. Belgien. Das Königreich Belgien ist nur so groß wie eine mittlere preußische Provinz, hat aber säst 8 Millionen Einwohner und ist somit unter allen selbständigen Ländern Europas am dich­ testen bevölkert; namentlich drängt sich die Bevölkerung in den ebenen und hügeligen Gebieten außerordentlich dicht zusammen, während sie in dem Ardennengebirge viel dünner auftritt. Von jeher ist das Land ein Kampfplatz der europäischen Völker ge­ wesen und wichtige Entscheidungen sind hier gefallen; man denke an die spanische Zeit mit der Eroberung von Antwerpen, an den spanischen Erbfolgekrieg und an die Napoleonische Lerrschaft, die hier ihr Ende sand. Zn seinen flacheren Teilen ist das Land vortrefflich, teil­ weise geradezu gartenähnlich angebaut, aber die Ergebnisse der Landwirtschaft vermögen den Bedarf der Bevölkerung nicht zu decken. Anbaufläche und Ertrag der fünf wichtigeren Früchte gestalteten sich 1912 wie folgt:

qkm Weizen Roggen Gerste Laser Kartoffeln

....

1605 2632 341 2622 1567

Ertrag Mill. Meterzentner 4,18 5,41 0,93 5,09 33,06

An Rübenzucker gewann man 1912/13 292 Millionen Kilogramm. Der Viehbestand setzte sich im gleichen Zahre in Tausen­ den aus 269 Pferden, Mauleseln und Eseln, 1831 Lornvieh, 477 Schafen und Ziegen, 1349 Schweinen zusammen.

Das Land besitzt große Lager an Kohle und Eisen, namentlich in-den Tälern der Sambre und der Maas; außer­ dem finden fich ansehnliche Mengen von Zink und Blei. Die Ausbeute an Steinkohle, deren Lager fich quer durch den Süden des Landes ziehen, ergab rund 23 Millionen Tonnen, an Eisen 2,3, also in beiden Fällen halb so viel wie in Frank­ reich. Diese Bodenschätze nebst einer alten Kultur und einer vorzüglichen Verkehrslage bilden die Grundlage zu einer hoch­ entwickelten Industrie, die teils eigne, teils fremde Rohstoffe verarbeitet. Baumwolle, Wolle, Leinen und Lanf werden umgestaltet, außerdem besonders Metall- und Glaswaren hergestellt. Ganz ausgezeichnet ist aber die Verkehrslage; massen­ hafte Güter werden nicht nur für Landeszwecke bewegt, sondern es findet auch eine sehr bedeutende Durchfuhr statt, an der namentlich England und Deutschland beteiligt sind. Anderer­ seits beteiligte fich Belgien bisher auch aus eigener Kraft an dem Welthandel, wobei es fich vorzugsweise auf seine vielseitige und leistungsfähige Industrie stützte. Der Wettbewerb mit anderen Völkern wurde durch billige Arbeitskräfte und geringe sozialpolitische Lasten erleichtert. Ohne Durchfuhr iunb Edelmetalle hatte der gesamte Spezialhandel Belgiens im Jahre 1912 einen Wert von knapp 7 Millionen Mark, wobei die Einfuhr etwas größer war als die Ausfuhr. Äber zwei Drittel des Gesamthandels

entfällt auf Europa; von den übrigen Erdteilen ist Amerika stärker vertreten als die anderen. Sinter den Verkehrsländern stehen Deutschland, England und Frankreich an erster Stelle; weiterhin folgen die Niederlande, die Vereinigten Staaten, Rußland, Australien, Rumänien und Britisch-Indien; diese neun Gebiete umfassen fünf Sechstel des Außenhandelswertes. Sinter den Einfuhrgegenständen sind Wolle, Weizen, Erze, Kautschuk, Läute, Flachs, Steinkohle, Diamanten, Baumwolle und Mais mit den höchsten Wertzahlen vertreten. In der Ausfuhr treten Erzeugnisse aus Eisen und Stahl, Eisenbahnund Straßenbahnwagen, Garne, hauptsächlich von Flachs, 42

Gewebe, Glaswaren, Spiegelglas, Maschinen und chemische Erzeugnisse hervor. Das Verkehrswesen zu Lande ist vortrefflich entwickelt. Es gibt 8359 km Eisenbahnen, davon reichlich die Lälfte in Staatsbesitz, 7975 km Telegraphenlinien und 44 067 km Draht­ länge. Der Schiffsverkehr vereinigt sich hauptsächlich in dem vorzüglichen Lasen Antwerpen, aber kaum ein Zehntel der heutigen Tonnenbewegung wurde von belgischen Schiffen ge­ leistet; die Lauptsache entfiel auf England und Deutschland.

7. Rußland. Das Kaisertum Rußland, in der Beschränkung auf Eu­ ropa, ist rund zehnmal so groß wie das Deutsche Reich, hat aber nur das Doppelte von dessen Einwohnerschaft. So bunt diese auch zusammengesetzt ist, so überwiegt doch nach Zahl und Einfluß das Großruffentum, das namentlich seit Peter dem Großen zur Geltung gekommen ist, nirgends aber in geschloffenen Massen bis an die Westgrenze heranreicht. Lier finden sich in der Richtung von Süden nach Norden Kleinruffen, Polen, Weißrussen, Littauer, Letten, Esten und Finnen, an manchen Stellen stark durchsetzt von deutschen Ansiedlern und Juden. Das europäische Rußland besteht zum allergrößten Teil aus Flachland und ist von zahlreichen Flüssen durchschnitten, darunter recht stattlichen, vor allem dem längsten von Europa, der Wolga. In der Richtung von Norden nach Süden ändert sich das Klima und nimmt an Wärme zu; überall zeichnet es sich durch eine gewisse Regelmäßigkeit auch in der jahreszeitlichen Verteilung der Niederschläge aus. Nach klimatischen Gründen teilt man die riesige Fläche in drei Gürtel von ungleicher Größe, die zugleich für das Wesen der Beschäftigung und der Wirtschaft maßgebend sind. Den Norden nimmt die Tundra ein. Moränenschutt und Lehm wechseln hier mit Sandstreifen und Sumpfboden, der im Sommer ungangbar ist. Moose und Flechten sind die wichtigeren Gewächse. Weil die Kälte acht bis neun Monate andauert, ist an regelmäßigen Bodenbau nicht zu denken. Ab­ gesehen von der Küste, wo sich im Sommer ein gewisser Verkehr 43

Gewebe, Glaswaren, Spiegelglas, Maschinen und chemische Erzeugnisse hervor. Das Verkehrswesen zu Lande ist vortrefflich entwickelt. Es gibt 8359 km Eisenbahnen, davon reichlich die Lälfte in Staatsbesitz, 7975 km Telegraphenlinien und 44 067 km Draht­ länge. Der Schiffsverkehr vereinigt sich hauptsächlich in dem vorzüglichen Lasen Antwerpen, aber kaum ein Zehntel der heutigen Tonnenbewegung wurde von belgischen Schiffen ge­ leistet; die Lauptsache entfiel auf England und Deutschland.

7. Rußland. Das Kaisertum Rußland, in der Beschränkung auf Eu­ ropa, ist rund zehnmal so groß wie das Deutsche Reich, hat aber nur das Doppelte von dessen Einwohnerschaft. So bunt diese auch zusammengesetzt ist, so überwiegt doch nach Zahl und Einfluß das Großruffentum, das namentlich seit Peter dem Großen zur Geltung gekommen ist, nirgends aber in geschloffenen Massen bis an die Westgrenze heranreicht. Lier finden sich in der Richtung von Süden nach Norden Kleinruffen, Polen, Weißrussen, Littauer, Letten, Esten und Finnen, an manchen Stellen stark durchsetzt von deutschen Ansiedlern und Juden. Das europäische Rußland besteht zum allergrößten Teil aus Flachland und ist von zahlreichen Flüssen durchschnitten, darunter recht stattlichen, vor allem dem längsten von Europa, der Wolga. In der Richtung von Norden nach Süden ändert sich das Klima und nimmt an Wärme zu; überall zeichnet es sich durch eine gewisse Regelmäßigkeit auch in der jahreszeitlichen Verteilung der Niederschläge aus. Nach klimatischen Gründen teilt man die riesige Fläche in drei Gürtel von ungleicher Größe, die zugleich für das Wesen der Beschäftigung und der Wirtschaft maßgebend sind. Den Norden nimmt die Tundra ein. Moränenschutt und Lehm wechseln hier mit Sandstreifen und Sumpfboden, der im Sommer ungangbar ist. Moose und Flechten sind die wichtigeren Gewächse. Weil die Kälte acht bis neun Monate andauert, ist an regelmäßigen Bodenbau nicht zu denken. Ab­ gesehen von der Küste, wo sich im Sommer ein gewisser Verkehr 43

und Fischerei entwickelt, herrschen vorzugsweiseIagd und Renntier­ zucht. Die Bevölkerung ist sehr dünn gesät. Zn dem Gouverne­ ment Astrachan, das reichlich so groß ist wie das Deutsche Reich und Österreich, lebt kaum eine halbe Million Menschen. Südlich von der Tundra folgt, von Sümpfen, Wiesen und Äckern durchsetzt, das Wald gebiet, in südlicher Richtung bis zu einer Linie vom Karpatenlande über den Zusammenfluß der Kama mit der Wolga bis an das Südende des Llralgebirges reichend. Die Waldbedeckung schwankt in den ein­ zelnen beteiligten Gouvernements zwischen 71 unt>35°/0. Eine Fläche von fast der dreifachen Größe des Deutschen Reiches gehört dem Staate. Aber der Wald entspricht unsern Be­ griffen nicht; selten ist er hochstämmig, oft gestrüppartig, un­ gepflegt und von gelegentlichem Anbau unterbrochen. Immerhin liefert er die Bestandteile zum Sausbau und wird auch sonst verschiedentlich ausgenutzt. Ze weiter nach Süden, desto mehr greift der Feldbau um sich, der sich zunächst namentlich auf Roggen und Safer bezieht. In der Richtung von Norden nach Süden wird die Bevölkerung etwas dichter und steigt in den südlichen Teilen des Waldgebietes bis auf 50 Menschen auf den Quadratkilometer, gelegentlich auch etwas mehr, namentlich da, wo sich Wolga und Kama vereinigen. Auf die Südgrenze des Waldgebietes folgt der Ackerund Steppengürtel; meist besteht der Boden hier aus der Schwarzerde (Tschernosjom), einem lockeren, schwarz gefärbten, gekrümelten Löß, der an der Oberfläche mit Sumuserde und Mineralteilchen vermengt ist. Für dieses Gebiet ist das recht­ zeitige Eintreffen der Niederschläge unbedingt nötig; wenn sie in der erwünschten Stärke eintreten, so herrscht großartige Fruchtbarkeit, und das Land ist dann in der Lage, von seinen Ernten an Roggen, Weizen, Mais usw. erhebliche Teile an das Ausland abzugeben. Versagen aber die Niederschläge, so tritt Sungersnot ein. In dem Schwarzerdegebiete herrscht im allgemeinen Waldarmut, die sich in südlicher und namentlich in südöstlicher Richtung zu Waldlosigkeit steigert. In Rußland, ohne Finnland, ist reichlich ein Viertel des Bodens für Ackerbauzwecke verwendet, in Finnland dagegen 44

nur etwa ein Fünfzigstel. 3m Jahre 1912 gestalteten sich Anbau­ fläche und Ernte der wichtigsten fünf Gewächse wie folgt:

Weizen Roggen . Gerste . . Laser . . Kartoffeln

. . . . .

. . . . .

qkm

Ernte in Mill. Meterzentner

251366 293437 123264 174305 47389

169,80 259,17 100,37 144,59 373,77

An Rübenzucker wurden im Jahre 1912—13 13,8 Millionen Meterzentner gewonnen. Nach der Masse der Erzeugung an Zucker folgt Rußland an zweiter Stelle in Europa, also un­ mittelbar auf Deutschland. Infolge des Waldreichtums und der mancherwärts sehr dünnen Bevölkerung spielen die wilde Tierwelt und die Jagd eine wichtigere Rolle als in den meisten anderen Teilen Eu­ ropas. Elch, Fjeldfraß, Bär, Luchs und Wolf finden sich in gewissen Gegenden häufig, der Wisent wird in Litauen gehegt. Eichhorn, Siebenschläfer und Lasen liefern Felle. Die Ge­ wässer sind reich an Fischen; Störe und Lausen kommen namentlich im kaspischen Gebiete vor. Im Kaspischen Meere erlegt man auch Seehunde. Viehzucht und Viehhaltung ist erheblich. An Pferden, Lornvieh und Schafen übertrifft Rußland alle übrigen Länder Europas; hinsichtlich der Schweine dagegen steht es sehr bedeutend hinter dem Deutschen Reiche zurück und verhält sich zu ihm wie 1:2. Mit nutzbaren Mineralien ist Rußland im Verhältnis zu seiner Raumgröße nicht sehr reich ausgestattet. Der eigent­ liche Fundplatz ist das Llralgebirge, das namentlich in seinem mittleren Teile viel weiches Eisen, Kupfer, Gold, Platin und Schmucksteine enthält. Steinkohle findet sich besonders im Süden in dem Bogen des Don, an der schlesischen Grenze und in Mittelrußland, aber in der Ausbeute (31 Millionen Tonnen) bleibt Rußland hinter Deutschland reichlich um das Achtfache zurück. In der Gewinnung von Roheisen wird es von Deutsch­ land reichlich um das Vierfache, von Großbritannien gut um das Doppelte übertroffen.

Anter diesen Verhältnissen spielt die Großindustrie nur eine mäßige Rolle; zugleich ist sie auf bestimmte Bezirke beschränkt. Ihren Mittelpunkt wie den des gewerblichen Lebens überhaupt bildet Moskau mit Amgebung, wo etwa 12 Millionen Menschen leben und vielfach mit Spinnerei, Weberei, Tuchbereitung und Verstellung von Schafpelzen be­ schäftigt sind. Andere Industriebezirke sind St. Petersburg (neuerdings Petrograd!), Warschau, Lodz, das südwestliche Polen (Czenstochau, an der kohlenreichen Dreikaiserecke) und die Gegend von Tula. Die Lausindustrie ist sehr mannig­ faltig entwickelt, das Gewerbeleben durch hohe Schutzzölle gegen fremden Wettbewerb geschützt. In seinem Außenhandel, dessen Iahreswert neuerdings mit Einschluß von Finnland fast 7 Milliarden Mark aus­ macht, ist Rußland im Gegensatz zu den bisher behandelten Staaten vorherrschend für die Ausfuhr tätig. Das wichtigste Verkehrsland war bisher Deutschland mit fast zwei Fünfteln der gesamten Wertsumme und in der Regel mit überwiegender Ausfuhr. An zweiter Stelle folgt England mit fast einem Fünftel des Gesamthandels und stark vorherrschender Ausfuhr. Weiterhin schließen sich die Niederlande, Frankreich, die Ver­ einigten Staaten, österreich-Angarn, Italien und Belgien mit

Beträgen von 8,4 bis 2,4% an; alle übrigen Gebiete stehen tiefer; die tropischen und subtropischen Teile von Amerika und Afrika fehlen ganz; Australien ist sehr schwach vertreten. Der größere Teil der Einfuhr besteht aus Rohstoffen, Lalbfabrikaten und Fabrikaten. Die Ausfuhr nach Europa hin setzt sich vorzugsweise aus Rohstoffen zusammen; in erster Linie stehen Getreide (1912 für 1180 Millionen Mark) und Flachs; bemerkenswert sind außerdem Petroleum, Zucker, Eier, Lolz, mancherlei Erzeugnisse der Viehzucht und Fischerei. Nach Asien gehen fast nur Fabrikate. Das europäische Rußland verfügt über 61669 km Eisen­ bahnen, also über fast ebensoviel wie das Deutsche Reich; ver­ hältnismäßig am dichtesten ist das Netz im Westen des Reichs, ganz locker im Norden und Südosten. Wichtig sind die Anschlüsse nach Sibirien und Mittelasien, wo insgesamt 17336 km vor46

Handen find, darunter die transsibirische Bahn bis Wladiwostok und die Linien nach den fruchtbaren Gebieten von Zentralasien. Von Telegraphen sind 202200 km Linien mit 718196 km Drahtlängen, 87222 Ämtern und fast 41 Millionen Depeschen vorhanden. Rußland besitzt 7070 Seeschiffe mit 1149018 Mil­ lionen Tonnen brutto; von letzterer Zahl entfällt ungefähr die Lälfte auf Dampfer.

8. Serbien. Das Königreich Serbien war ursprünglich ein Kleinstaat mit knapp 3 Millionen Einwohnern. Infolge des letzten Türkenkrieges wurde es wesentlich vergrößert, so daß es jetzt 87303 qkm (— Württemberg und Bayern ohne Rheinpfalz) mit rund 4’/2 Millionen Einwohnern (= fast Königreich Sachsen) zählt. In fast gleicher Breite zieht es von der DonauSave aus in südlicher Richtung, erreicht aber das Ägäische Meer und die wichttge Handelsstadt Saloniki nicht. Abgesehen von den Niederungen an Donau und Save und einigen etwas breiteren Tälern ist das Land durchaus gebirgig. Der Lauptfluß, die Morawa, bietet einen wichtigen Verkehrsweg nach Süden. Die Nischawa dient als Verbindung nach Osten, die Bulgarische Morawa und der Ibar leiten den Verkehr nach Süden nach dem Tal des Wardar, der in der Nähe von Saloniki in den gleichnamigen Golf mündet.

Vermöge seiner Natur und der geringen allgemeinen Ent­ wicklung ist Serbien in der Hauptsache ein Land für Ackerbau und Viehzucht; Gewerbe dient dem eignen Bedürfnisse; In­ dustrie und Außenhandel sind wenig entwickelt. In dem ur­ sprünglichen Landesteile (Altserbien) rechnet man nur ein gutes Sechstel des Bodens für Bodenanbau verwendet, ungefähr je ein Drittel sind Weiden und unbenutztes Land, ein schwaches Sechstel gilt als bewaldet. Die Äauptfrucht ist Weizen, in zweiter Linie folgen Gerste und Laser. Von Früchten werden namentlich Zwetschen gewonnen.^

Eisenbahnen waren im Gesamtstaate (1913) 1572 km vor­ handen, Telegraphen 6437 km Linien mit 10823 km Drahtlänge. 47

Handen find, darunter die transsibirische Bahn bis Wladiwostok und die Linien nach den fruchtbaren Gebieten von Zentralasien. Von Telegraphen sind 202200 km Linien mit 718196 km Drahtlängen, 87222 Ämtern und fast 41 Millionen Depeschen vorhanden. Rußland besitzt 7070 Seeschiffe mit 1149018 Mil­ lionen Tonnen brutto; von letzterer Zahl entfällt ungefähr die Lälfte auf Dampfer.

8. Serbien. Das Königreich Serbien war ursprünglich ein Kleinstaat mit knapp 3 Millionen Einwohnern. Infolge des letzten Türkenkrieges wurde es wesentlich vergrößert, so daß es jetzt 87303 qkm (— Württemberg und Bayern ohne Rheinpfalz) mit rund 4’/2 Millionen Einwohnern (= fast Königreich Sachsen) zählt. In fast gleicher Breite zieht es von der DonauSave aus in südlicher Richtung, erreicht aber das Ägäische Meer und die wichttge Handelsstadt Saloniki nicht. Abgesehen von den Niederungen an Donau und Save und einigen etwas breiteren Tälern ist das Land durchaus gebirgig. Der Lauptfluß, die Morawa, bietet einen wichtigen Verkehrsweg nach Süden. Die Nischawa dient als Verbindung nach Osten, die Bulgarische Morawa und der Ibar leiten den Verkehr nach Süden nach dem Tal des Wardar, der in der Nähe von Saloniki in den gleichnamigen Golf mündet.

Vermöge seiner Natur und der geringen allgemeinen Ent­ wicklung ist Serbien in der Hauptsache ein Land für Ackerbau und Viehzucht; Gewerbe dient dem eignen Bedürfnisse; In­ dustrie und Außenhandel sind wenig entwickelt. In dem ur­ sprünglichen Landesteile (Altserbien) rechnet man nur ein gutes Sechstel des Bodens für Bodenanbau verwendet, ungefähr je ein Drittel sind Weiden und unbenutztes Land, ein schwaches Sechstel gilt als bewaldet. Die Äauptfrucht ist Weizen, in zweiter Linie folgen Gerste und Laser. Von Früchten werden namentlich Zwetschen gewonnen.^

Eisenbahnen waren im Gesamtstaate (1913) 1572 km vor­ handen, Telegraphen 6437 km Linien mit 10823 km Drahtlänge. 47

Die Einfuhr hatte 1912 einen Wert von 96, die Ausfuhr von 68 Millionen Mark; erstere besteht in den Lauptposten aus Industrie- und Kolonialwaren, die letztere aus Weizen, Schweine­ fleisch, Geflügel, Mais und anderen Erzeugnissen von Ackerbau und Viehzucht. Lauptverkehrsland war Österreich-Ungarn; an zweiter Stelle folgte trotz der Ungunst der Zugänge das Deutsche Reich.

9. Montenegro. Das Königreich Montenegro (Tschernagora = Schwarze Berge) ist nach den neuesten Erwerbungen fast so groß wie das Königreich Sachsen, hat aber' nur den elften Teil von dessen Einwohnerschaft. Abgesehen von kleinen Niederungen an der Küste und am See von Skutari ist es durchaus rauhes Gebirgsland, das im Durmitor bis zu einer Löhe von 2530 m ansteigt. Das Volk lebt von den Erzeugnissen der Jagd, der Viehzucht und des Bodenanbaus. Für viele Dinge ist es auf Zufuhren aus dem Auslande angewiesen. Im Jahre 1910 wertete die Einfuhr 6,9, die Ausfuhr (Läute, Olivenöl, Rind­ vieh, Pferde usw.) 2,4 Millionen Mark.

Die Einfuhr hatte 1912 einen Wert von 96, die Ausfuhr von 68 Millionen Mark; erstere besteht in den Lauptposten aus Industrie- und Kolonialwaren, die letztere aus Weizen, Schweine­ fleisch, Geflügel, Mais und anderen Erzeugnissen von Ackerbau und Viehzucht. Lauptverkehrsland war Österreich-Ungarn; an zweiter Stelle folgte trotz der Ungunst der Zugänge das Deutsche Reich.

9. Montenegro. Das Königreich Montenegro (Tschernagora = Schwarze Berge) ist nach den neuesten Erwerbungen fast so groß wie das Königreich Sachsen, hat aber' nur den elften Teil von dessen Einwohnerschaft. Abgesehen von kleinen Niederungen an der Küste und am See von Skutari ist es durchaus rauhes Gebirgsland, das im Durmitor bis zu einer Löhe von 2530 m ansteigt. Das Volk lebt von den Erzeugnissen der Jagd, der Viehzucht und des Bodenanbaus. Für viele Dinge ist es auf Zufuhren aus dem Auslande angewiesen. Im Jahre 1910 wertete die Einfuhr 6,9, die Ausfuhr (Läute, Olivenöl, Rind­ vieh, Pferde usw.) 2,4 Millionen Mark.

Aus dem Verlage von Veit & Comp. in Leipzig bestelle ich und wünsche Zusendung durch die Post — die Buchhandlung Expl.

Kriegsgeographische Zeitbilder.

Lerausgegeben von den Privatdozenten Dr. £>. Spethmann und Dr. E. Scheu Lest 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 7 | 8 | 9 110| 11 u. Fortsetzung | | | | | I | | | Jedes Lest 80 Pfennig

Schmid, Kriegswirtschaftslehre.

Geheftet M. 2.50.

Betrag ist nachzunehmen — folgt gleichzeitig durch die Post. (Nichtgewünschtes ist durchzustreichen.) Ort und Datum:

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Soeben ist erschienen:

Kriegswirtfchaftslehre von

Dr. Ferdinand Schmid o. ö. Professor an der Universität Leipzig

Gr.-Oktav. Preis geheftet M. 2.50

3n

dem vorliegenden Buche, das auS einem Zyklus von Vorträgen entstanden ist, die im Januar 1915 im Auftrage

des Ausschusses für volkstümliche Lochschulkurse in der Leip­ ziger Aniversität gehalten wurden, find die durch den gegen* wärtigen Krieg ausgelösten wirtschaftlichen Maßnahmen und Erscheinungm unter einheitlichen Gesichtspunkten zusammen­

gestellt.

Der berühmte Volkswirtschaftler hat in den Kapiteln:

Theoretische Kriegswirtschaftslehre — Wirtschaftliche

Heeresverwaltungslehre — Kriegsfinanzwiffenschaft — Kriegswirtschastspolitik und internationale Kriegs­ wirtschaftspolitik einen reichen und hochinteressanten Stoff zusammengetragen, so daß dieses aktuelle billige Werk von jedermann mit großem

Nutzen gelesen werden wird.

Verlag von Veit & Comp. in Leipzig, Marienstr. 18