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German Pages 21 [24] Year 1899
Die wirtschaftliche
Bedeutung des Wassergases für die Gegemvart.
Von FRANZ
SCHÄFER,
Dessau.
«iî-l-ii»
München und Berlin. Druck und Verlag von R. Oldenbourg. 1899.
Die schon so oft erörterte Wassergasfrage ist seit einiger Zeit infolge der Einführung des Systems von H u m p h r e y s k G l a s g o w in Bremen und Hamburg und des Systems von D e l l w i k in Königsberg wieder einmal in den Vordergrund getreten und begegnet dem lebhaftesten Interesse der Gasfachmänner und Behörden, welche den Neubau oder die Erweiterung centraler Lichtwerke zu erwägen haben. In verschiedenen Veröffentlichungen, die in letzter Zeit über diese Frage herauskamen, hat sich aber auch jetzt wieder zu viel Richtigem u n d Wahrem so viel Halbwahres und Falsches gesellt, dafs es nötig erscheint, Spreu und Weizen zu sondern, damit irrige Anschauungen nicht erst durch unerfreuliche Erfahrungen berichtigt zu werden brauchen. Nächsten Anlafs dazu geben ein mit der Überschrift » E i n n e u e s L e u c h t g a s « durch mehrere hundert deutsche Tageszeitungen gegangener Artikel über , die Wassergas-Centrale in dem steyrischen Städtchen P e t t a u , sowie verschiedene andere ReklameArtikel und -Broschüren neueren Datums. Von altgewohnten Phrasen, wie »Umwälzung in der Beleuchtungstechnik« , ' »Verdrängung des Steinkohlengases« u. s. w., ganz abgesehen, enthielt der Artikel »Ein neues Leuchtgas« schon in seiner Überschrift eine unwahre Behauptung; denn was in Pettau hergestellt wird, ist einfach W a s s e r g a s , dessen Erzeugung vor rund 120 Jahren erfunden wurde, und wesentlich neu ist an der Pettauer Anlage nur die bei einer Centrale wohl erstmalige Durchführung eines Verfahrens, rohes Wassergas durch Waschen mit Schwefelsäure von gewissen Eisenverbindungen zu befreien, über dessen Notwendigkeit und nachhaltige Wirksamkeit übrigens die 1*
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Wassergas-Fachmänner noch keineswegs völlig einig sind. Indessen könnte man wegen dieser kleinen Übertreibung im Titel den Artikel unbeanstandet lassen; lebhaftesten Widersprach fordert aber die in ihm enthaltene Überwertung des in Pettau verwirklichten Verfahrens und seiner angeblichen Vorzüge heraus. Diese wurden nämlich als so bedeutsam hingestellt, » d a f s i n n a h e r Z e i t k e i n S t e i n k o h l e n g a s w e r k m e h r g e b a u t w e r d e n d ü r f t e « . • (Die Börsenpresse knüpfte hieran schadenfrohe Bemerkungen über die Kommune W i e n , die soeben ein großartiges Kohlengaswerk vollendet.) Gerade durch diese Wendung hat der Artikel vielfach Verwirrung angerichtet, u. a. in der schleswigschen Kleinstadt K e l l i n g h u s e n , wo aber jetzt, nachdem eine Kommission nach Pettau gefahren war, doch kein W a s s e r g a s w e r k , sondern vernünftigerweise e i n e S t e i n k o h l e n g a s a n s t a l t d e s a l t b e w ä h r t e n S y s t e m s gebaut wird, ein Beispiel, das sehr zur Nachahmung empfohlen werden darf. E s mag sein, dafs das in Pettau durchgeführte Verfahren gegen die älteren, für centrale Betriebe vollständig fehlgeschlagenen Wassergasverfahren einen Fortschritt bedeutet, aber das Leuchtgasverfahren wird es ganz bestimmt nicht verdrängen, nicht einmal beeinträchtigen. Auch die S t ü r m e r und D r ä n g e r unter den W a s s e r g a s - I n t e r e s s e n t e n werden e b e n s o wie d i e j e n i g e n u n t e r d e n E l e k t r o t e c h n i k e r n noch m e r k e n , dafs die S t e l l u n g des S t e i n k o h l e n g a s e s d o c h sehr viel f e s t e r ist, als sie dachten! Die schon vor Jahren und Jahrzehnten oft behauptete Überlegenheit des Wassergases ist eben — für centrale Licht-, Kraft- und Wärmeversorgung — nur scheinbar vorhanden; in den Tabellen, welche sie darthun sollen, sei es vom nationalökonomischen, sei es vom Standpunkt des Produzenten oder des Konsumenten aus, ist immer eine Lücke oder ein Fehler zu entdecken. Entweder werden Selbstkosten und Verkaufspreis miteinander verwechselt oder doch nicht in richtige Beziehung gebracht; oder es wird der Leucht- und Heizwert im Verhältnis zum Preise nicht gebührend gewür-
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digt; oder es werden bei der Steinkohlengas - Fabrikation die wertvollen Nebenprodukte leichthin aufser acht gelassen; oder man vergleicht einerseits praktische Betriebszahlen, anderseits Ergebnisse von höchst sorgfältigen Laboratoriumsoder Paradeversuchen; besonders beliebt ist auch die Einsetzung veralteter Werte f ü r Steinkohlengas. So enthält z. B. der erwähnte Artikel über die Pettauer Anlage eine angeblich auf »amtlichen Angaben« (welches > Amt«c, wird nicht gesagt!) beruhende Tabelle, welche den stündlichen Kohlenverbrauch verschiedener Beleuchtungsarten für eine Lichtstärke von 1000 Kerzen vergleicht und für Kohlengas-Auerlicht 2,1 cbm — 7 kg, für Wassergas-Auerlicht 1,5 cbm = 1,2 kg Kohle angibt. Hierin ist n u n zunächst der Ansatz f ü r SteinkohlenAuerlicht veraltet und darum zu grofs; denn zur Erzielung von 1000 Kerzenbrennstunden braucht man mit modernen Glühkörpern nicht mehr als höchstens 1,5 cbm Kohlengas im Auerbrenner (und noch erheblich weniger, bis 1,0 cbm und darunter, in verbesserten Brennern), und diese 1,5 cbm erfordern unter Berücksichtigung der Verluste im Rohrnetz nur rund 5 kg Kohle in der Centrale. Dann aber, und dies ist in der »amtlichen Tabelle« und in den beigegebenen Erläuterungen vergessen, werden diese 5 kg Kohle nicht zu wertloser Schlacke und Asche verbrannt, wie beim Wassergasverfahren, sondern zu etwa 3,4, bezw. nach Abzug der Unterfeuerung zu etwa 2,8 kg wertvoller Coke; aufserdem liefern sie noch gewisse Mengen Theer, Ammoniak, Cyanverbindungen u. s. w. Ob nun in der Tabelle beim Wassergas der Rohrnetz-Verlust mit berücksichtigt wurde, ist nicht kontrollierbar ; wahrscheinlich ist es, schon wegen mangelnder Erfahrung, nicht geschehen. Aber selbst wenn es geschehen wäre, so würde der Hinweis darauf, dafs das aus 2,2 kg Kohlenstoff (5 kg Kohle weniger 2,8 kg Coke) hergestellte Quantum Steinkohlengas (1,5 cbm) einen Heizwert von 7500 Wärme - Einheiten, die aus 1,2 kg Kohle gewonnene Menge Wassergas hingegen nur einen solchen von 3750 WärmeEinheiten darstellt, vollauf genügen, um darzuthun, dafs die in der Kohle enthaltene Energie nach dem Pettauer Ver2
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fahren vom nationalökonomischen Standpunkt aus niclit günstiger ausgenutzt wird als beim alten Kohlengas-Verfahren. Die E n e r g i e - A u s b e u t e ist eben bei dem alten V e r f a h r e n , w e n n m a n die N e b e n p r o d u k t e m i t r e c h n e t , so hoch, d a f s sie p r a k t i s c h k a u m m e h r ü b e r b o t e n w e r d e n k a n n . Gas und Coke allein enthalten nach vielen neueren Betriebsergebnissen (Jahresdurchschnitten, nicht Paradeziffern!) über 80%. nach Abzug der Unterfeuerung noch immer ü b e r 7 0 % des Heizwertes der Kohle; im Teer stecken weitere 5 bis 6 %. Im ganzen kann die praktische Wärme-Ausnutzung bei der trockenen Destillation auf 8 0 % und mehr veranschlagt werden. Da es nun unmöglich ist, chemisch-technische Prozesse ohne Verluste durchzuführen, so leuchtet ein, dafs nennenswert bessere Ausbeuten auch mit Wassergas nicht erreichbar sind.1) Die Nebenprodukte aber sind n i c h t , wie einzelne Wassergas-Interessenten behaupten, e i n e S c h w ä c h e der Leuchtgas-Fabrikation, sondern wie Herr Dr. B u e b auf der 39. Jahresversammlung des Deutschen Vereins von Gas-und Wasserfachmännern in Kassel am 19. Juni 1899 mit Recht betonte, i h r e g r ö f s t e S t ä r k e , und durch die neuerdings erzielten Fortschritte in ihrer Gewinnung ist der wirtschaftliche Vorsprung des Leuchtgas-Verfahrens noch erheblich vergrößert worden. Vom n a t i o n a l ö k o n o m i s c h e n S t a n d p u n k t a u s i s t d a h e r der Ü b e r g a n g zum Wassergas d u r c h a u s nicht von Vorteil begleitet, geschweige denn geboten. Nun wird aber behauptet, die Herstellung von Wassergas sei so viel billiger als die von Leuchtgas, dafs r e i n ö k o n o m i s c h e Gründe seine Einführung anstatt oder doch zunächst neben ') Bei der letzten Versammlung des Incorporated Gas Institute in London, Mitte J u n i 1899, rechnete Herr C. D e l l w i k , der Erfinder des jüngsten Fortschritts im Wassergaswesen, für sein Verfahren mit einer Wärme-Ausbeute von 7 0 % und sagte dabei, es sei schon mehr, über 75°/o, bereits erreicht. Bei derselben Gelegenheit wurde mitgeteilt, dafs der Halbwassergas-Prozefs von D o w s o n in einem bestimmten Falle nahezu 70 % Wärme - Ausbeute gehabt habe, während der Erfinder als Maximum 82,7 % erzielt haben wollte.
Leuchtgas rechtfertigen, ja sogar veranlassen müfsten. In dieser Hinsicht ist n u n scharf zu unterscheiden zwischen reinem (»blauem«) und »karburiertem« Wassergas, obwohl von beiden Alten vorweg gesagt werden kann, dafs sie — immer centrale Betriebe vorausgesetzt — weder für den Produzenten, noch für den Konsumenten irgendwie wirklich f ü r einen längeren Zeitraum als billiger n a c h g e w i e s e n sind. Erledigen wir zunächst in Kürze das r e i n e Wassergas. Schon vor 20 Jahren wurde es von Q u a g l i o als » B r e n n s t o f f d e r Z u k u n f t « bezeichnet; es hat aber in dieser langen Zeit wohl in manchen industriellen Betrieben, also Einzelanlagen, aber so gut wie gar nicht für centrale Versorgung gröfserer Bezirke Verwendung gefunden. D i e V e r s u c h e , d i e in A m e r i k a g e m a c h t w u r d e n , r e i n e s W a s s e r g a s v o n C e n t r a l e n a u s zu v e r t e i l e n , s i n d s ä m t l i c h finanziell gescheitert. (Vgh W. v. O e c h e l h a e u s e r : »Die Steinkohlengasanstalten als Licht-, Wärme- und Kraftcentralem, Dessau 1893, Baumann, 2. Aufl., S. 7, sowie Dr. H. B u n t e und W. v. O c c h e l h a e u s e r : »Die Gasindustrie in den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika«, München 1894, Oldenbourg, S. 28.) G r o f s e Centralen mit reinem Wassergns sind meines Wissens gegenwärtig nirgends in Betrieb; von kleinen Werken sind mir aufser P e t t a u , R a d k e r s b u r g und B r u m m e n (Holland) keine bekannt; O s t e r f e l d , W a r s t e i n und I b b e n b ü r e n sollen demnächst reine Wassergasanstalten bekommen. Dieses Gas hat n u r h a l b s o v i e l H e i z k r a f t wie Steinkohlengas; es dürfte daher auch f ü r Koch-, Heiz- und Kraftzwecke nur halb so viel kosten wie dieses, also etwa 4 bis 7 V2 Pf- P r 0 cbm, wenn der Konsument nicht schlechter fahren soll als mit Kohlengas. Dabei würde aber der Produzent sich schon ungünstiger stellen, weil er bei Wassergas keine Einnahmen aus Nebenprodukten hätte, während er jetzt nicht blofs durchschnittlich 8 bis 15 Pf. pro cbm f ü r solche Zwecke verkauften Kohlengases, sondern noch weitere 2 Pf. oder mehr f ü r Nebenprodukte erhält. Über die reinen Erzeugungskosten blauen Wassergases liegen verschiedene neuere Angaben vor, die aber sehr stark 2*
voneinander abweichen. Herr H. D i c k e berechnete sie in seinem Vortrag »Über Wassergas« in Düren am 15. April 1899, bezugnehmend auf die Ergebnisse der Königsberger Anlage, zu 0,7 Pf. pro cbm; dabei ist aber ein so geringer Dampfverbrauch angenommen, wie ihn keine Wassergas-Firma garantieren will; ferner ist für Arbeitslohn nur 0,108 Pf. pro cbm ausgeworfen, während nach dem Vortrag »Praktischer Betrieb mit karburiertem Wassergas« von Ch. F. B o t l e y in Hastings (Journ. of Gas Lighting etc. 1899, I, S. 1278) die Löhne im Jahresdurchschnitt 0,5 Pf. pro cbm betrogen haben 1 ); ferner ist für Reparaturen nichts angesetzt und der V e r b r a u c h b e i m A n f e u e r n des Generators und des Dampfkessels aufser Berechnung geblieben; auch für Wagenrangieren, Kohlenabladen und Coketransport ist in dem Posten nichts enthalten. Der Bericht über die Königsberger Anlage (Journ. f. Gasbel. 1898, S. 8-11) gibt die Kosten des Blaugases zu 1,3 Pf. pro cbm an, also schon nahezu doppelt so hoch wie Herr D i c k e ; aber auch diese Zahl scheint nur aus vollem Betrieb an einem einzelnen Tage herzurühren. Die Durchschnittszahl für den Jahresbetrieb mit vielfach eingeschränkter Leistung im Sommer fällt bei einer Centrale, die nur blaues Wassergas abgibt, unzweifelhaft noch etwas höher aus, auch deshalb, weil reines Wassergas mit Merkaptan, Carbylamin oder dergl. riechend gemacht und, wenigstens nach Herrn Dr. S t r a c h e , mittels Schwefelsäure von Eisenoxydverbindungen gereinigt werden mufs; es ist nach englischen Betriebserfahrungen sehr wahrscheinlich, dafs sie 1,5 bis 2,00 Pf. betragen wird, wohlgemerkt, r e i n e E r z e u g u n g s k o s t e n »bis z u m Behälter«. 2 ) ') Vergleichsweise sei bemerkt, dafs in E f s l i n g e n die Arbeitslöhne pro cbm Steinkohlengas mit horizontalen Retorten 1,8 P f g , nach Einführung schiefliegender Betörten 1,18 Pfg. betrugen. Vgl. Journ. f. Gasbel. 1899, S. 142. *) Auf 2 Pf. schätzte sie Herr C. D e l l w i k selbst in seinem Vortrug vor dem Schwedischen Techniker Verein am 10. März 1898 für einen Apparat von etwa 1800 cbm Tagesproduktion. Vgl. Chemiker-Zeitung 1898, S. 227.
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Diese betragen bei dem d o p p e l t so h e i z k r ä f t i g e n Kohlengas nach dem von Herrn D i c k e selbst mitgeteilten Beispiel (S. 11 und 12 des Sonderabdrucks) nach Abzug der Einnahmen für Nebenprodukte 3,58 Pf. pro cbm, also etwa doppelt so viel. Die reinen Selbstkosten bis zum Behälter sind daher, auf den Heizwert bezogen, bei Wassergas nicht geringer als bei Kohlengas. Aber » m i t d e n Erz«ugungskost«n ist es e b e n n i c h t abg e t h a n ; die Verteilungskosten s i n d n a h e z u e b e n s o g r o f s und gröfser«.1) Durch diese, durch die unvermeidlichen Verluste, durch die notwendige Amortisation der Centrale und des teuren Rohrnetzes und noch andere Bedingungen (Selbstverbrauch, Steuern und Abgaben, Rücksicht auf Rabattgewährung) wird bei Kohlengas der meist 6 bis 8 Pf. pro cbm betragende Unterschied zwischen Erzeugungskosten und Verkaufspreis (für technische Zwecke) veranlafst. Wollte man annehmen, daf.s all diese Posten bei reinem Wassergas nur 3 bis 4 Pf. pro cbm ausmachten, so ergäbe sich für technische Zwecke ein Verkaufspreis von 4,5 bis 6 Pf. für dasselbe. D a b e i w ü r d e d e r K o n s u m e n t n i c h t b e s s e r , s o n d e r n bei K r a f t e r z e u g u n g sogar s c h l e c h t e r f a h r e n a l s m i t K o h l e n g a s bei einem Preise von 9 bis 12 Pf. pro cbm, und würde eine günstigere Stellung zum Wettbewerb gegen die gewöhnlichen Feuerungsanlagen in Industrie, Gewerbe und Haus nicht erreicht. 4,5 Pf. war in der That der Preis, den die in Amerika s. Z. in Betrieb gewesenen Heizgascentralen für ihr Erzeugnis erhoben, wobei sie aber nicht prosperierten und auch kein nennenswert gröfseres Absatzfeld sich erschliefsen konnten, als bei uns die Leuchtgasanstalten für Heiz- nud Kraftzwecke haben.2) Die von Q u a g l i o , G e i t e l u. a. mehrfach ausgesprochene Erwartung, das Wassergas werde so ziemlich alle anderen Brennstoffe verdrängen und eine centrale Erzeugung a l l e r Wärme ermög*) v. O e c h e l h a e u a e r : Die Gasinduetrie in den Vereinigten Staaten, S. 21. s)
v. 0 e c h e 1 h a e u s e r , a. a. O., S. 29.
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liehen, ist daher eine Utopie. I n P e t t a u kostet das Wassergas für technische Zwecke 10 kr. = etwa IG Pf. plo cbm, ein Preis, der angesichts des niedrigen Heizwertes geradezu beispiellos hoch ist; er entspricht einem Preise von 20 kr. oder 32 Pf. pro cbm Kohlengas. Was die Verwendung blauen Wassergases f ü r Beleuchtungszwecke angeht, so ist Herr Dr. S t r a c h c 1 ) der Ansicht, dafs sein Preis pro cbm gemäfs dem angeblich höheren Beleuchtungswert höher anzusetzen sei als f ü r Kohlengas; i n d e r T h a t k o s t e t i n P e t t a u 1 c b m W a s s e r g a s f ü r L i c h t z w e c k e 15 kr. — e t w a 25 P f . , d. i. m e h r , a l s k l e i n e L e u c h t g a s w e r k e b e i u n s zu b e r e c h n e n p f l e g e n . D i e a n g e b l i c h e B i l l i g keit des Wassergaslichts k o m m t also denPettauern n i c h t z u g u t e ; sie müssen nach Herrn Dr. S t r ä c h e s Rechnung gerade so viel oder nach richtiger Rechnung noch mehr bezahlen wie die Bewohner anderer Städte für Kohlengaslicht. Es wird sich nun zu zeigen haben, ob das Wassergaswerk in Pettau denn nun eine so viel b e s s e r e R e n t a b i l i t ä t erzielen kann als Leuchtgaswcrke ähnlichen Umfangs. Bei dem gedachten Preise hat übrigens der Produzent doch nicht die gleichen Brutto-Einnahmen wie bei Kohlengas, wegen des Fortfalls der Nebenprodukte, die, wie erwähnt, für jeden abgegebenen Kubikmeter noch 2 Pf. oder mehr einbringen. Um ungefähr ebenso viel sind, wie oben dargethan, die reinen Erzeugungskosten pro cbm Blaugas geringer als bei Kohlengas D a r a u s f o l g t , d a f s d e r V e r k a u f s p r e i s d e s r e i n e n W a s s e r g a s e s f ü r B e l e u c h t u n g s z w e c k e demjenigen des Kohlengases gerade gleich gesetzt werden könnte, wenn der gleiche Reingewinn erzielt werden s o l l ; denn es ist nicht abzusehen, weshalb die Posten, die jetzt beim Steinkohlengas den Unterschied zwischen den reinen Erzeugungskosten und dem Verkaufspreise pro cbm bedingen und die hauptsächlich aus Verwaltungskosten, Amortisation und Gewinn sich zusammensetzen, bei Wassergas niedriger sein könnten als bei Kohlengas. Es mögen zwar die Anlage>) Vgl. Journ. f. Gasbel. 1899, S. 110.
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kosten einer Wassergasanstalt, bezogen auf den cbm Tagesproduktionsfähigkeit der Centrale, aber ohne das Rohrnetz, etwas geringer sein als die einer Kohlengasanstalt; wenn man sie jedoch auf den Heizwert der Tagesproduktion bezieht, so sind sie wahrscheinlich höher. Aufserdem wird das Rohrnetz einer Wassergasanstalt wegen des niedrigen Heizwerts und des hohen specifischen Gewichts des Wassergases und weil innen asphaltierte und verzinkte Röhren verwendet werden müssen, verhältnismiifsig kostspieliger als bei einer Kohlengasanstalt gleichen Umfangs. 1 ) Was nun das k a r b u r i e r t e , d. h. durch Zusatz von Öloder Benzoldampf leuchtend und heizkräftig gemachte Wassergas angeht, so hat Herr D i c k e in seinem Dürener Vortrag eine Rechnung aufgemacht, wonach dessen Erzeugungskosten 3,09 Pf. pro cbm betragen und um 1,11 Pf. geringer sein sollen als die Erzeugungskosten des Leuchtgases in einer nicht genannten grofsen deutschen Stadt. W e n n n u n d i e s e R e c h n u n g r i c h t i g wäre, so k ö n n t e in d e r b e t r . S t a d t infolge B e i m i s c h u n g von 20% solchen W a s s e r g a s e s zum S t e i n k o h l e n g a s o h n e B e e i n t r ä c h t i g u n g der j e t z i g e n Ü b e r s c h ü s s e d e r G a s p r e i s u m 0,22 Pf., also n o c h n i c h t e i n m a l um ein V i e r t e l e i n e s P f e n n i g s , e r m ä f s i g t w e r d e n ! Aber die Rechnung ist nur auf der einen Seite, beim Kohlcngas, vollständig; auf der anderen Seite fehlen, wie bereits nachgewiesen, mehrere Posten. In Wirklichkeit ist durch die praktische Erfahrung in England und Amerika dargethan, d a f s k a r b u r i e r t e s W a s s e r g a s ') Aus diesen G r ü n d e n werden a u c h die Ilausinstallationen für Koch-,
Heiz- und Kraftzwecke
bei Kohlengas.
bei
E i n Gasbadeofen
reinem
Wassergas
z. B., der
10flammige Gasuhr voraussetzt, braucht für W a s s e r g a s mige.
teurer
für Kohlengas
als eine
eine20flam-
Das höhere specifische Gewicht m a c h t sich übrigens s c h o n
beim Zusatz
von
karburiertem W a s s e r g a s
zu K o h l e n g a s
geltend
und zwingt dann, da m a n doch die v o r h a n d e n e n Rohrnetze n i c h t erweitern kann, dazu, h ö h e r e n Druck zu geben. von Dr. H i p p e r 1899, S. 257.
über die Anlage
in B r e m e n ,
Vgl. den Bericht Journ.
f.
Gasbel.
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n i c h t billiger h e r g e s t e l l t w e r d e n k a n n als Steink o h l e n g a s , namentlich wenn es denselben Heizwert haben soll. Herr Dr. B u n t e bestätigt dies f ü r Amerika in seinem oben erwähnten Reisebericht S. 17 mit den Worten: ? T r o t z d e m — (nämlich trotz sehr grofser Ersparung an Arbeitskräften und Arbeitslöhnen) — s c h e i n e n i m a l l g e m e i n e n die K o s t e n f ü r W a s s e r g a s , a l l e s in a l l e m gerechnet, auf g l c i c h e L i c h t m e n g e bezogen, nicht wesentlich n i e d r i g e r zu s e i n a l s b e i S t e i n k o h l e n g a s , und- es sind wesentlich a n d e r e V o r t e i l e : u. a. hohe Leuchtkraft des Gases, rasche Gasproduktion und leichte In- und Aufserbetriebsetzung der Apparate, geringerer Aufwand von Anlagekapital und Unterhaltungskosten, geringe Arbeiterzahl, vorteilhafte Verwendung von Gascoke, bei mangelhaftem Absatz desselben und andere mehr lokale Verhältnisse, welche dem Wassergas den Vorzug verschaffen.« 1 ) Für England ist meine Behauptung u.a. in höchst drastischerWeise in den 1892er Verhandlungen des Incorporated Institute of Gas Engineers bestätigt: Die Herren G o u l d e n und P a d d o n hielten einen Vortrag über den Betrieb der Wassergasanstalt in den Beckton-Works (London), worin alles mögliche besprochen wurde, nur nicht die Kostenfrage. Der Präsident, Mr. H u n t , eröffnete daher die Diskussion mit der Bitte um Auskunft über diesen Punkt, und Mr. Goulden gab dann als Selbstkosten bis zum Behälter, mit Verwaltung, aber ohne Amortisation, den Betrag von 6,63 Pf. pro cbm an, worauf ihm erwidert wurde, dies seien
') Vorübergehend mögen wohl die Preise der Petroleumrückstände und Öle, die zur Karburierung dienen und einen grofsen Teil der Kosten ausmachen, so niedrig gestellt gewesen sein, dafs sie die Herstellung von Wassergas billiger erocheinen liefsen ; im allgemeinen aber werden die Preise jener Karburiermittel vom Petroleumring »kontrolliert«, d. h. auf solcher Höhe gehalten, dafs man zwar mit Wassergas gegen Kohlengas konkurrenzfähig bleibt, aber nicht mehr daran verdient. In dieser Abhängigkeit von den Ringen und Syndikaten liegt eine grofse Gefahr für die nur karburiertea Wassergas liefernden Gaswerke.
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j u s t a u c h die Selbstkosten für gleichwertiges Steink o h l e n g a s ! Noch ganz kürzlich (Anfang Mai 1899) gab Mr. B o t l e y von Hastings in dem oben erwähnten Vortrag über seine Betriebserfahrungen die Selbstkosten bis zum Behälter für 16 kerziges ölkarburiertes Wassergas zu rund 5 Pf. pro cbm an, jedoch ohne Einschlufs der Reinigung. Da der Hinweis auf Amerika und die dortige Verbreitung des Wassergases neuerdings wieder häufiger als Argument für die Zweckmäfsigkeit der Errichtung von Wassergasanstalten benutzt wird, so mufs, um keine irrtümlichen Anschauungen aufkommen zu lassen, auch wieder einmal betont werden, d a f s d a s Gas i n A m e r i k a d u r c h w e g n i c h t b i l l i g e r ist als bei uns, u n d d a f s t r o t z d e m die R e n t a b i l i t ä t d e r G a s w e r k e n i c h t b e s s e r i s t als hier zu Lande, was indirekt die Richtigkgit des Satzes beweist, dafs karburiertes Wassergas wirtschaftlich nicht vorteilhafter ist als Steinkohlengas. Der Reisebericht von Herrn Dr. B u n t e enthält eine Liste mit den Gaspreisen zahlreicher Städte in den Vereinigten Staaten. Danach ist das Gas in New York, wo sehr viel Wassergas verbraucht wird, teurer als in Berlin, in Philadelphia teurer als in Hamburg oder Bremen; die Preise betragen nämlich 17,G, bezw. 21,2 Pf. pro cbm. Den niedrigsten Preis hatte Cleveland, nur 11,3 Pf., aber, wie Herr v. O e c h e l h a e u s e r mitteilt (S. 30 des Reiseberichts), für S t e i n k o h l e n g a s ! Für Kraft- und Heizzwecke wird nach demselben Verfasser das Gas in Amerika der Regel nach zu 12 bis 15 Pf. hergegeben, also ungefähr wie bei uns. Dafs die Einführung des karburierten Wassergases als Zusatz zu Steinkohlengas in England, wo r e i n e s Wassergas überhaupt nicht central verteilt werden d a r f und wo nur eine einzige Anstalt besteht, die nur karburiertes Wassergas abgibt, keinen Einflufs auf die Gaspreise oder die Rentabilität der Gaswerke gehabt hat, steht fest. Bei dem Hinweis auf die Ausbreitung des Wassergases in Amerika und England sollte man sich übrigens vor Einseitigkeit hüten und nicht blofs die Zahl und Leistungsfähigkeit der in einem gegebenen Zeitraum gebauten W a s s e r g a s -
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werke addieren, sondern auch die der gleichzeitig errichteten K o h l e n g a s a n s t a l t e n . Denn das alte Leuchtgasverfahren ist in Amerika nicht aufgegeben worden, vielmehr scheint es neuerdings sogar wieder lebhaftere Fortschritte zu machen, weil die wirtschaftlichen Bedingungen ihm günstiger geworden sind. Einen besonders typischen Fall dieser Art berichtet yProgressive Age« in seiner Nummer vom 1. Mai 1899: »Die Consumers Gas Company von J o h n s t o w n , Pa., erwägt das Projekt der Errichtung einer neuen K o h l e n g a s a n s t a l t fiir 600 000 cbf Tagesproduktion. Die gegenwärtige Anlage hat eine Leistungsfähigkeit von 250 000 cbf. Die Gesellschaft erzeugt und verteilt zur Zeit seit längeren Jahren W a s s e r gas, und man erfährt, dais sie d u r c h d i e e r h ö h t e n Ölp r e i s e zu dieser Abschwenkung veranlafst wurde.« Das wäre also ein Fall von V e r d r ä n g u n g d e s W a s s e r g a s e s d u r c h K o h l e n g a s ; dabei liegt Johnstown in nächster Nähe der pennsylvanischen Ölfelder und Anthracitlager, also für den Wassergasprozefs äufserst günstig. Auch in B o s t o n wird das karburierte Wassergas in naher Zeit die Vorherrschaft verlieren. In England dient das karburierte Wassergas der Hauptsache nach als Z u satz zum Steinkohlengas: wie wenig Aussichten es dort hat, als Ersatz f ü r das alte Leuchtgas in Aufnahme zu kommen, beweist u. a. das Vorgehen E d i n b u r g h s . Dort wurde vor zwei Jahren zur schnellen Erweiterung der wegen des ungeahnt rasch u n d stark gestiegenen Verbrauchs nicht mehr ausreichenden städtischen Gaswerke eine grofse Wassergasanlage von rund 2 Millionen cbf täglicher Leistung erstellt. Aber in diesem Jahre beginnt der Neubau eines von Mr. H e r r i n g entworfenen grofsartigen Kohlengaswerkes für zunächst 18 Millionen cbf Tageserzeugung, bei welchem eine Erweiterung auf 42 Millionen vorgesehen ist. N e b e n d i e s e m W e r k e w i r d d a s W a s s e r g a s w e r k e i n e s e h r b e s c h e i d e n e R o l l e s p i e l e n , wenn es überhaupt nach Vollendung des Neubaues noch im Betriebe bleiben wird. Übrigens liegen in Deutschland die Verhältnisse auch nichts anders: B r e m e n und K ö n i g s b e r g haben zwar Wassergasöfen in ihren alten, nicht mehr ausreichenden
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Gasanstalten aufgestellt, a b e r b e i d e S t ä d t e b a u e n z u r Z e i t n e u e S t e i n k o h l e n g a s w e r k e , Bremen f ü r zunächst 4 2 / 3 Millionen Mark, Königsberg für rund 6 Millionen Mark. Diese Städte sind daher keineswegs, wie Herr G e i t e l in der Vorrede der zweiten Auflage seiner Schrift »Das Wassergas und seine Verwendung in der Technik« (Berlin 1899, Siemens) meint, »zur Wassergasbeleuchtung übergegangen«. I h r Festhalten am alten Kohlengase wäre .aber doch geradezu unverantwortlich, wenn das Wassergas in Anlage und Betrieb so viel vorteilhafter wäre, wie neuerdings so oft behauptet wird! Die bisher angeführten T h a t s a c h e n dürften im Gegensatz zu den auf A n n a h m e n u n d S c h ä t z u n g e n beruhenden Berechnungen der Reklame-Artikel und -Broschüren zur Genüge darthun, dafs auch die v i e l g e r ü h m t e w i r t s c h a f t l i c h e Überlegenheit des Wassergases g e g e n ü b e r dem alten Leuchtgas in W i r k l i c h k e i t nicht v o r h a n d e n und also auch von diesem Gesichtspunkte aus die Prophezeiung falsch ist, das Wassergas vermöge »mit durchschlagendem Erfolge die Erbschaft des Steinkohlengases . . . . anzutreten^ ( G e i t e l : Das Wassergas u. s. w., S. 11G). Wer ruhig und unbefangen die thatsächlichen Verhältnisse überblickt und erwägt, wird finden, dafs die vom Wassergas erträumten Leistungen, wie Verdrängung aller Feuerstellen und sogar aller Dampfkessel durch centrale Verteilung, überhaupt wirtschaftlich unmöglich sind. Die Hauptgründe, die in Amerika und England und neuerdings, seitdem in dem Benzol ein in genügender Menge und zur Zeit auch zu mäfsigem Preise 1 ) erhältliches Karburicrmittel ') Nach den Erfahrungen aus dein letzten Jahrzent bleibt aber die Abhängigkeit des Wassergasverfahrens vom Benzol-Syndikat immerhin unangenehm; denn als es im Jahre 1893 in Dessau und München gelungen war, Benzol als Ersatz für Kannelkohle zur Anreicherung von KohlengaB anzuwenden und zahlreiche Gasanstalten die dazu nötigen Apparate angeschafft hatten, wurde alsbald der Benzolpreis von etwa M. 25 auf über M. 100 für 100 kg hinaufgesetzt, worauf die Karburierung mit Benzol zumeist eingestellt werden mufste.
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vorliegt, auch in Deutschland zur Erstellung von Wassergasöfen in vorhandenen Gasanstalten veranlagten, sind n i c h t w i r t s c h a f t l i c h e r , sondern p r a k t i s c h - t e c h n i s c h e r Natur, wie dies schon aus dem Citat aus Herrn Dr. B u n t e s Reisebericht hervorgeht, Es sind folgende vier: Ein infolge von Unentschlossenheit und Zauderpolitik städtischer Verwaltungen oder durch ungeahnt schnelle Steigerung der angeschlossenen Flammenzahl an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit angelangtes Gaswerk ist durch Errichtung einer ergänzenden Wassergasanlage s c h n e l l e r und mit e t w a « w e n i g e r R a u m - u n d K a p i t a l b e d a r f zu erweitern, als durch Erbauung neuer Retortenöfen. (Hierzu mufs jedoch bemerkt werden, dafs eine iiusschliefslich karburiertes Wassergas erzeugende Anstalt doch nicht so sehr viel weniger Raum und Kapital erfordern würde, als vielfach angenommen wird; jedenfalls ist das von Herrn G e i t e l [a. a. O. S. 19] angegebene Verhältnis von 1:5 [M. 600000 zu M. 3000000] sehr stark übertrieben.) Ferner braucht eine derartige ergänzende Anlage w e n i g e r B e d i e n u n g und kann im Notfall (aber auch nur dann! Für gewöhnlich erfordert sie nach B o t l e y »nüchternes, intelligentes, aufmerksames« Personal) auch durch ungelernte Arbeiter im Betrieb gehalten werden, bildet also gewissermafsen ein G e g e n g e w i c h t gegen Streikgelüste. Die Rücksicht hierauf war, wie G o u l d e n in seinem oben erwähnten Vortrag hervorhob, in London schon im Jahre 1890 von grofsem Einflufs. Ferner bietet für manche Gasanstalt, deren Cokeabsatz mit dem vermehrten Gasverbrauch nicht gleichen Schritt hielt, eine ergänzende Wassergasanstalt e i n e M ö g l i c h k e i t , e i n e n g r o f s e n T e i l d e r C o k e i m W i n t e r s e l b s t zu v e r b r a u c h e n , also das Anwachsen der Cokebergc und die daraus sich ergebende Raumversperrung zu verhüten und zugleich den Cokepreis etwas zu regulieren. Dies ist für manche Gasanstalten, denen es nicht gelungen ist, die Cokeheizung in ihrem Versorgungsgebiet einzuführen, von so hohem Wert, dafs dieser Gesichtspunkt wohl oft ausschlaggebende Bedeutung erlangen dürfte. Es wird wohl zutreffen, dafs in solchen
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Fällen die Vergasung der Coke für die Gasanstalt vorteilhafter ist als ihr Verkauf. Aber es wird auch nicht bestritten werden können, dafs es praktisch und volkswirtschaftlich und auch vom Standpunkt der R a u c h v e r h ü t u n g aus doch wünschenswerter wäre, die C o k e h e i z u n g in Haushalt, Gewerbe und Industrie zu f ö r d e r n , als die Coke zu vergasen, denn die Cokefeuerung kann erwiesenermafsen für Zimmer- und Centraiheizung und für viele gewerbliche Zwecke gegen die Kohlenheizung mit Erfolg in Wettbewerb treten, während die Gasheizung dies nur in Sonderfällen und deshalb bei weitem nicht in gleichem Umfang und mit gleichem Vorteil kann und will. E i n e G a s a n s t a l t k a n n d u r c h C o k e l i e f e r u n g in s e h r viel b e d e u t e n d e r e m Mafse W ä r m e c e n t r a l e s e i n a l s d u r c h G a s a b g a b e ; denn in der Coke liefert sie dem Konsumenten 5000 und mehr Wärme, einheiten für 1 I'f., während sie die gleiche Wärmemenge in Gasform erst für 8, 10, 12 oder mehr Pfennige abgeben kann. Die Hoffnung, durch Zusatz von karburiertem Wassergas werde man die Verkaufspreise für Heiz- und Kraftzwecke ohne Beeinträchtigung der jetzigen Überschüsse herabsetzen können, ist oben an dem von Herrn D i c k e gegebenen Beispiel als trügerisch nachgewiesen; dafs aber auch reines Wassergas nicht entfernt so billig abgegeben werden kann, dafs es gegen die Cokefeuerung aufzukommen vermöchte, geht aus dem Verhältnis eines Heizwerts zu den Herstellungskosten (1 cbm mit 2500 Wärmeeinheiten kostet ja nach Herrn D i c k e s äufserst günstiger Annahme 0,7 Pf. ohne jede Amortisation, ohne Verteilungs- und Verwaltungskosten, ohne Berücksichtigung der Verluste im Rohrnetz u. s. w.), aus dem Gaspreise in Pettau und den Erfahrungen der amerikanischen Heizgascentralen hervor. Der Unterschied im Nutzeffekt einer Cokeund einer Wassergasfeuerung kann nur so wenig ausgleichend wirken, dafs diese praktisch immer etwa vier- bis fünfmal so teuer zu stehen kommt als jene, selbst wenn das Wassergas für Heizzwecke ganz ohne Nutzen abgegeben würde. Es sind also auch im Hinblick auf die Cokeverwertung die Vorteile keineswegs ganz und ausschliefslich auf Seiten des Wasser-
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gases. Überdies ist die Errichtung eines Wassergasofens nicht der einzige Ausweg f ü r Gasanstalten mit schwierigem Cokeabsatz. M a n k a n n j a d i e C o k e a u c h i n G e n e r a t o r oder D o w s o n - G a s a n l a g e n v e r g a s e n und mit solchen G a s e n g r o l s e G a s m o t o r e n b e t r e i b e n , was z. B. in W e i m a r und B a s e l geschieht, in Weimar f ü r den Betrieb der elektrischen Bahn- und Lichtcentrale, in Basel für den Betrieb des Wasserwerkes (360 PS) und den der elektrischen Centrale (vorläufig 500 PS). Ähnliche Anlagen bestehen und entstehen zur Zeit an vielen anderen Orten. E s v e r d i e n t besondere Hervorhebung, dafs solche Kraftgasanlagen wirtschaftlich vorteilhafter sind als W a s s e r g a s - K r a f t b e t r i e b e ; denn das Wassergas arbeitet im Gasmotor weniger günstig als das Dowson-Gas, und zwar wegen eines höheren Gehaltes an Wasserstoff, welcher im Motor zu Wasserdampf verbrennt und als solcher viel Wärme unausgenutzt mit fortnimmt. Auch praktisch ist der DowsonBetrieb bequemer und erprobter als der Wassergasbetrieb. — lindlich kann als Grund f ü r die Errichtung von Wassergasanlagen zur Ergänzung von Kohlengasanstalten ihre s o h n e i l e B e t r i e b s b e r e i t s c h a f t gelten, die an Orten, wo sich der wahrscheinliche Gasverbrauch nicht einige Tage voraussehen läfst, von beträchtlichem Wert ist. In London z. B., wo oft ganz unvermutet starke Nebel auftreten, welche den Lichtbedarf plötzlich verdoppeln und verdreifachen, entlasten die Wassergasöfen jedenfalls in sehr angenehmer Weise die Gasbehälter. In Orten aber, wo solche völlig unvorhergesehene Schwankungen nicht vorkommen und die natürliche Zu- und Abnahme des Verbrauchs durch eine ordentliche Anschlufsund Abgabestatistik vorausbestimmt werden kann, ist durch Vergröfserung des Behälterraumes eine Reserve mit weniger Kapitalaufwand zu schaffen, als durch Errichtung eines ergänzenden Wassergasofens, die immerhin eine Erschwerung des Betriebs mit sich bringt, weil sie für den Arbeiterstamm die Vertrautheit mit zwei grundverschiedenen Vergasungsmethoden voraussetzt.
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Wa3 sonst noch an praktischen Vorteilen und Annehmlichkeiten des Zusatzes von Wassergas zum Leuchtgas hervorgehoben wird, hat nur geringere Bedeutung. Es soll sich z. B. in Königsberg herausgestellt haben, dafs aus dem mit 20 bis 30 % karburierten Wassergas versetzten Steinkohlengas das sonst so störende N a p h t h a l i n sich nicht mehr ausscheidet. Vorausgesetzt, dafs dies richtig ist, so wäre doch der Wassergaszusatz jetzt nicht mehr das einzige Mittel, die lästigen NaphthalinVerstopfungen durchaus unmöglich zu machen; denn von dem durch Y o u n g und G l o v e r und durch I r w i n in England und unabhängig von ihnen durch Dr. B u e b in Deutschland ausgebildeten Verfahren, Naphthalin in der Gasanstalt durch Waschen des Gases" in mit Benzol gesättigtem Schweröl auszuscheiden, ist durch praktische Erfahrungen aus Großbetrieben erwiesen, dafs es keine Naphthalinstörungen mehr aufkommen läfst. Wenn ferner Herr D i c k e meint, die Herstellung von Mischgas gewähre eine g r ö f s e r e U n a b h ä n g i g k e i t v o n der Qualität der den G a s a n s t a l t e n gelieferten K o h l e n , so ist dies nicht ganz zutreffend. Denn eine Gasanstalt, die laut Vertrag oder Ortsstatut ein Gas von bestimmter Leuchtkraft liefern mufs, kann sich, wenn sie einmal schlechte Kohlen erhält, mit r e i n e m Wassergas allein nicht helfen, sondern braucht dazu entweder h o c h k a r b u r i c r t e s Wassergas oder richtiger nur die darin enthaltenen B e n z o l d ä m p f e. Da nun bei den jetzigen Preisen die Aufbesserung von u n g e m i s c h t e m Kohlengas durch Benzol wieder wirtschaftlich möglich ist, so kann d a s B e n z o l a l l e i n eben-so gut wie in Wassergas gelöst helfend einspringen. Viel gröfsere Bedeutung kommt aber in dieser Hinsicht dem von Herrn Direktor D i e c k m a n n in Magdeburg neuerdings wieder in Flufs gebrachten Vorschlag zu, die Anforderungen an die Leuchtkraft des Steinkohlengases im veralteten Schnittbrenner herabzusetzen. In seinem die Kasseler Jahresversammlung am 19. J u n i 1801» eröffnenden Vortrag nahm Herr v. O e c h e l h a e u s e r auf diese Anregung Bezug und teilte mit, dafs im Laboratorium der Deutschen Continental-Gas-Gesellschaft in Dessau Versuche über das Verhalten lichtschwacher Kohlen-
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Unannehmlichkeiten gegenüber. Mr. B o t l e y hat in seinem mehrfach erwähnten Vortrag ihrer so viele aufgezählt, in erster Linie die S t a u b b e l ä s t i g u n g innerhalb und außerhalb des Betriebes, dals einer seiner Zuhörer in der Diskussion meinte, d i e s e M e n g e v o n S c h w i e r i g k e i t e n könne geradezu von der E i n f ü h r u n g des W a s s e r g a s e s abschrecken. Es braucht jedoch hier nicht näherauf dieselben eingegangen zu werden, da der Hauptzweck dieses Aufsatzes die Zurückweisung der unrichtigen und der Sache des Wassergases selbst schädlichen übertriebenen Angaben über seine wirtschaftliche Bedeutung war. Auf die praktischtechnische Seite der Frage einzugehen, wird sich später Gelegenheit geben, wenn die Erfahrungen von Bremen, Erfurt, Königsberg und anderen Orten vorliegen.